Otto S. Wilkening Das High-Speed-Verhandlungssystem
Otto S. Wilkening
Das High-SpeedVerhandlungssystem Geschäftspartner blitzschnell steuern und sicher überzeugen – Mit umfangreicher Online-Methoden-Toolbox
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Die Online-Methoden-Toolbox unter www.verhandlungsführung.com können Sie mit dem beigefügten Code auf dem inneren Buchumschlag nutzen.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Barbara Möller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: ITS Text und Satz Anne Fuchs, Bamberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1757-7
Inhalt Vorwort ______________________________________________
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1. Stil und Strategie im High-Speed-Verhandlungssystem _______________
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1.1 Verhandeln wie ein Profi heißt, systematisch Strukturen setzen __________________________________________ Ihr Verhandlungspartner war Ihnen als Profi überlegen? ___ Typische Anfängerfehler in Verhandlungen _____________ Legenden und Fehleinschätzungen verhindern optimale Verhandlungen __________________________________ Von Top-Verhandlern lernen: Das High-Speed-Verhandlungssystem _________________
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1.2 Fremde Machtspiele erkennen ______________________ Eigene Verhandlungsmacht vorab richtig einschätzen _____ Verhandlungsmacht klären und mehr Kompetenz gewinnen Einflüsse klären: Das Stakeholderradar _________________ Machtdiagnose mit dem High-Speed-Verhandlungssystem erstellen ________________________________________
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1.3 So gestalten Sie die Verhandlungsstrategie _____________ Fair oder unfair: Die richtige Verhandlungsstrategie entscheidet über den Erfolg _________________________ Regeln und Absprachen in der Verhandlungsrealität ______ Verhandlungsstrategien eingrenzen: Zielkaskade, Brennglasziele und gemeinsamer Zielschirm entscheiden ___ Jenseits von Harvard: Überlegene Strategieplanung mit dem High-Speed-Verhandlungssystem _____________
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1.4 Den eigenen Verhandlungsstil entwickeln _____________ Das Verhandlungsstilprofil __________________________ Die Handlungsfacetten ____________________________ Den eigenen Verhandlungsstil definieren _______________
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2. Die Verhandlungsinteressen mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern ______ 2.1 Einflüsse der Motivationsforschung auf den Verhandlungserfolg _______________________________ Neuere Erkenntnisse der Motivations- und Handlungsforschung ______________________________ Lust und Frust beim Verhandeln _____________________ Frustrationsspirale umgehen _________________________ Schneller geht es im Flow-Kanal _____________________ Interessen mit Flow verstärken _______________________ 2.2 Psychologische Motivdiagnose ______________________ Motivprofil-Diagnose: Drei Motivtypen schnell und klar erkennen _______________________________________ Eigene Motivdominanz testen und interpretieren _________ Interessen der Geschäftspartner sofort erkennen und durchschauen ____________________________________ Motivprofiling aller Verhandlungsparteien auswerten _____ 2.3 Motivationspsychologische (Ver-)Handlungssteuerung ___ Motivationsbilanz bewältigt vier Hürden _______________ Unterstützung ohne Stolpersteine sicherstellen ___________ Verhandlungsablauf störungsfrei planen ________________ Geschäftspartner zügig zum (Ver-)Handlungsabschluss bewegen ________________________________________ Das Interessensanalyse-Radar des High-Speed-Verhandlungssystems ____________________ 2.4 Zufriedene Verhandlungspartner: Das Zustimmungscheck-System _____________________ Virtueller Interessensprüfstand: Der Verhandlungspartner-Vorabtest __________________ Zustimmungs-Check anwenden: Zufriedene Verhandlungspartner? ____________________ Motivation in die Abschlussentscheidung überführen _____ An den Steuerknöpfen der (Ver-)Handlungsmotivation drehen _________________________________________
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3. Den Verhandlungsprozess mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern ______
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3.1 Wie Verhandlungen logisch richtig ablaufen ___________ Phasen eines effektiven Verhandlungsablaufes ___________ Kernpunkte der sieben Verhandlungsphasen ____________ Die Rote-Faden-Skizze zur Verhandlungsdurchführung nach dem High-Speed-Verhandlungssystem ____________
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3.2 Verhandlungspartner über die Ablaufstruktur steuern ____ Kontaktphase effektiv gestalten: Zukunftsblick statt Small-Talk! ______________________ Verhandlungsverlauf durch Organisationsphase absichern __ Analysephase erfordert Geduld _______________________ Lösungsideen für Zielkaskaden gemeinsam suchen ________ Den Abschluss einleiten ____________________________ Reviewphase stabilisiert Abschluss und schließt offene Flanken ________________________________________
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4. Unfaire Kommunikation im High-Speed-Verhandlungssystem steuern ______ 101 4.1 Bluffs, Manipulation und Unfairness verhindern ________ Fallen und Eigentore naiver Manipulateure _____________ Die zentralen Angriffsebenen der Manipulation __________ Unfaires Verhalten mit der Stopp-Konter-Methode abwehren Miesen Tricks mit Schnellreaktionen begegnen __________
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4.2 Konstruktive Kommunikation selbst steuern ___________ Die Verhandlungstrickkiste knacken: Mit Manipulations- und Überlistungstechniken umgehen lernen __________________________________________ So funktioniert unterschwellige Beeinflussung ___________ Abwehrverhalten bei Manipulation: Wie Sie sich auf allen Ebenen sofort wehren können ______ Umschaltmethodik bei miesen Tricks _________________ Entwaffnen Sie Ihre Verhandlungsgegner _______________
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4.3 Ghost-Negotiation: Verhandlerrollen optimieren und die Kontrolle gewinnen ________________________ Verhandlerteam mit Schattenberatung _________________ Verhandlungsrollen richtig aufteilen __________________ Anwendung der Ghost-Negotiation ___________________
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5. Argumentation und Überzeugung mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern ______ 125 5.1 Klärung schwieriger Verhandlungsargumentation _______ Hierarchisches Strukturieren filtert schnell bedeutsame Argumente ______________________________________ Argumentation steuern mit Hilfe der Strukturanalyse _____ Argumentationsebenen kompakt vorab klären: Check-Tool einsetzen ______________________________
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5.2 Überzeugend auftreten bei Bedenken _________________ Ursachen von Bedenken präzise klären _________________ Chancen durch High-Speed-Verhalten bei Einwänden sofort nutzen ____________________________________ High-Speed-Verhaltenszyklus bei Bedenken zur Sofort-Überzeugung einsetzen ____________________
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5.3 Wenn es beim Abschluss noch etwas klemmt ___________ Zustimmungssignale früh und richtig deuten: Rubikon-Check __________________________________ EKULA-Klärungsmethodik richtet Forderungen präzise aus Zusätzliche Handlungsmöglichkeiten entwickeln _________ In vier Kreativschritten gemeinsam mehr Optionen finden _
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5.4 Die BKA-Systematik für Nutzenargumentation und Abschlusspreis _______________________________ Motivprofil prägt die Preisargumentation ______________ Nutzenargumentation nach dem BKA-Prinzip: Abschlusstool Preise nennen, Zugeständnisse verhandeln oder aussteigen __ Kompaktregeln für den Verhandlungsabschluss __________
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Literatur ______________________________________________ 147 Stichwortverzeichnis _____________________________________ 149 Der Autor _____________________________________________ 153 Extra-Service: Die Online-Methoden-Toolbox ________________ 154
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Liebe Leserin, lieber Leser, täglich verlieren wir bei geschäftlichen oder privaten Verhandlungen Geld an kompetente Verhandler – oft ohne es selbst zu bemerken. Wie wäre es, wenn Sie ein System zur Verfügung hätten, das Ihnen hilft, die Bedürfnisse Ihres Verhandlungspartners zu erkennen und zielgenau anzusprechen, die Verhandlungsgrenzen auszuloten, unnötige Konflikte zu vermeiden und optimale Absprachen herauszuarbeiten? Ein solches Konzept für die blitzschnelle Klärung und Steuerung des Verhandlungserfolgs gibt es: das High-Speed-Verhandlungssystem. Neue Ergebnisse motivpsychologischer und betriebswirtschaftlicher Forschung haben dieses System ebenso mitgestaltet wie meine Erfahrungen aus drei Jahrzehnten als Berater, Personalentwickler und Verhandlungscoach in großen Industrie-, IT- und Dienstleistungsorganisationen. Es wurde von Verhandlungsprofis in großen Unternehmen dem Härtetest unterzogen, vielmals erprobt und ausgefeilt. Mit dem High-SpeedVerhandlungssystem erzielen Sie systematisch Verhandlungsvorteile in persönlichen Beratungsgesprächen, Projektmeetings und sogar bei schnellen Verhandlungen am Telefon. Sie sind schneller, überzeugender und besser vorbereitet als Ihr Verhandlungspartner.
Was Sie in diesem Buch erwartet Dieses Buch richtet sich an Führungskräfte, Projektleiter, Vertriebsprofis und Kundenberater, die komplexe Verhandlungen mit hohem finanziellem Risiko managen – hausintern oder im Kontakt mit dem Kunden. Auch im privaten Bereich können Sie davon profitieren. Sie finden hier ein vollständiges und strukturiertes Verhandlungssystem, als Selbstlernratgeber konzipiert, mit einem neuartigen Schnelldiagnosesystem, vielen Praxischecklisten und konkreten Umsetzungshilfen. Dieses Ratgeberbuch geht mit seinen innovativen Analyse- und Anwendungswerkzeugen der Verhandlungsführung weit über klassische Verhandlungskonzepte hinaus und ermöglicht einen deutlichen Qualitäts- und Geschwindigkeitsvorsprung in der täglichen Anwendung. Stärken-Schwächen-Wertungen zur eigenen Verhandlungskompetenz helfen Ihnen, persönliche Qualifikationsdefizite zu erkennen und dann gezielt mit Bausteinen des High-Speed-Verhandlungssystems auszugleichen. Als Ratgeberleser erkennen Sie sofort konkrete Verhandlungschancen und gelangen mit passgenauen Verhandlungsinstrumenten in Ihrem Coachingprozess zu eigenen Lösungen.
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Die Icons in der Randleiste dienen Ihrer schnellen Orientierung:
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Tipps bringen hilfreiche Empfehlungen klar auf den Punkt.
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Hier sind Sie gefordert: Kurze Aufgaben helfen Ihnen, das Gelesene in Ihre eigene Praxis zu übertragen.
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Die Online-Methoden-Toolbox mit Diagnosewerkzeugen, Checklisten und Quick-Win-Tools erleichtert Ihnen Schritt für Schritt die zügige Verhandlungssteuerung.
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Hier finden Sie kompakte Zusammenfassungen.
Extra-Service: Die Online-Methoden-Toolbox Buchkäufern steht als besonderes Extra ein kostenfreier Service für eine vollständige eigene Verhandlung zur Verfügung: Als begleitendes Umsetzungscoaching erhalten Sie direkt einsetzbare Online-Servicetools für alle Phasen des Verhandlungsprozesses. Diese Online-Tools erleichtern es Ihnen, per Webbrowser, egal ob mit Notebook, I-Pad oder Smart-Phone, alle wichtigen Verhandlungsdiagnosen für eigene Verhandlungsfälle direkt online durchzuführen (über Zugangscode auf dem inneren Buchumschlag unter www.verhandlungsführung.com aktivierbar). Auf der begleitenden Internetseite finden Sie außerdem eine laufend aktualisierte Sammlung von Checklisten, Tools und Coaching-Tipps. Ich wünsche Ihnen nun eine anregende Lektüre und den verdienten Erfolg bei Ihrer Verhandlungsführung! Otto S. Wilkening
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1. Stil und Strategie im High-Speed-Verhandlungssystem 1.1 Verhandeln wie ein Profi heißt, systematisch Strukturen setzen Ihr Verhandlungspartner war Ihnen als Profi überlegen? Sie waren beim Chef, um eine lange schon anstehende Gehaltserhöhung zu erreichen, und kommen nur mit neuen zusätzlichen Projektaufgaben zurück? Haben Sie etwas falsch gemacht? Hatte Ihr Vorgesetzter die besseren Argumente? Oder fehlte es Ihnen schlicht an der Fähigkeit, über die eigene Gehaltserhöhung geschickt zu verhandeln? Sie haben im Gespräch die Argumente des Chefs eingesehen, sind aber persönlich Ihrem Ziel nicht näher gekommen und nun unzufrieden? Reingefallen? Sie haben sich einen neuen PKW gekauft und sind zufrieden mit dem Rabatt und den Super-Extras, die Sie heraushandeln konnten. Da erfahren Sie abends beim Gespräch mit einem Nachbarn, dass Ihr Nachbar bereits vorige Woche einen viel größeren Rabatt beim Autohändler herausgeholt hat. Sie scheinen etwas falsch gemacht zu haben. Haben Sie Geld verschenkt? Über den Tisch gezogen worden? Bei einer Präzisierungsverhandlung mit Ihrem Stammlieferanten zur genauen Beschreibung von Projektaufgaben, Lasten und Pflichten haben Sie den Eindruck, Ihr eigenes Verhandlungsziel sei wegen der mächtigen Position Ihres Verhandlungspartners einfach nicht zu erreichen gewesen. Sie haben sehr früh nachgeben müssen, um diesen wichtigen Vertragsabschluss noch „in trockene Tücher“ zu bekommen. Irgendwie fühlen Sie sich hinterher ausgepresst, wenn Sie Ihren Preis und die Projektbeschreibung vergleichen. Sind Sie über den Tisch gezogen worden? Schlecht vorbereitet gefühlt? Schon zu Beginn einer Verhandlung zur künftigen genauen Projektabwicklung haben Sie sich gewundert, dass Ihr langjähriger Geschäftspartner plötzlich einen neuen Kollegen mitgebracht hat, der bisher noch nie in Erscheinung getreten war und auch nicht aus der zuständigen Fachabteilung kam. Die beiden hatten aber offensichtlich diese Verhandlung bereits gemeinsam gründlich vorbereitet und brachten
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schlagkräftige Argumente wie beim Ping-Pong-Spielen ein, gegen die Sie schwer argumentieren konnten. Hatte die andere Seite einen Verhandlungsprofi mitgebracht, irgendwas Unfaires gedreht? Hatten die Verhandlungsgegner eine bessere Methode zur Vorbereitung und Abstimmung der Vorgehensschritte als Sie? Zu viele Zugeständnisse gemacht? Ihre Verhandlungsziele und Preisvorstellungen beim Immobilienverkauf waren höher und ließen sich irgendwie nicht erreichen. Die andere Seite hatte eine bessere Position und hat Ihnen sehr schnell „die Pistole auf die Brust gesetzt“. Sie waren plötzlich in einer unterlegenen Rolle und konnten nur noch durch deutliche Preiszugeständnisse das Geschäft retten? Um den Finger gewickelt? Aber es geht nicht immer nur um „große Räder“; verhandelt wird täglich und fast überall. Denken Sie nur an die Diskussion mit den eigenen Kindern über ein „zusätzliches Sponsoring“ beim Kauf von teurer Markenkleidung, der Taschengelderhöhung oder der Verlängerung der Ausgehzeit für den Discobesuch der Tochter. Oder fallen Ihnen nicht auch sofort schwierige Verhandlungsgespräche mit dem eigenen Ehepartner über den nächsten Sommerurlaub ein (erholsamer Bergurlaub mit langen Touren in den Alpen oder doch Kultururlaub auf den Spuren der Antike am Mittelmeer)?
Typische Anfängerfehler in Verhandlungen Stolpersteine für unerfahrene Verhandler sind:
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Sie sind nicht ausreichend auf Blitzverhandlungen vorbereitet.
•
Bei (vermeintlichen) Angriffen kommen sie schnell in ein Verteidigungs- und Rechtfertigungsverhalten.
• •
Es werden zu wenige eigene, klärende Fragen im Verhandlungsablauf gestellt.
• •
Bestätigendes Fragen (das aktive Zuhören) wird zu wenig eingesetzt.
•
Die Kontakt- und Organisationsphase in Verhandlungen wird vernachlässigt, man glaubt, die Lösung müsse schnell auf den Tisch.
Das eigene Verhandlungsverhalten ist nicht eindeutig interpretierbar und irritiert.
Sie erzählen zu wenig von sich selbst, ihren Eindrücken, Empfindungen und Absichten (geben dem Verhandlungspartner kaum Vertrauen und Orientierungssicherheit).
Gleichzeitig wird oft vorschnell an Lösungen gearbeitet, ohne eine ausreichende Analyse der Fakten und Hintergründe beider Verhandlungsparteien durchgeführt zu haben.
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Es gibt keine ausreichend vereinbarte, offene Agenda mit einem klaren Zeitplan für Verhandlungsschritte.
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Es werden keine gemeinsame Verhandlungslinie oder Spielregeln zur Orientierung abgesprochen.
•
Es wird gepokert und mit Sanktionen gedroht, obwohl keine ausreichende Verhandlungsmacht gegeben ist.
•
Gemeinsame Interessen werden zu wenig herausgearbeitet und als Maßstab verwandt.
• •
Ungeduldiges Verhalten verhindert kreative neue Handlungsmöglichkeiten.
•
Es wird naiv versucht, mit rhetorischem Geklingel und vermeintlichen rhetorischen Tricks den Verhandlungspartner zu beeinflussen.
Das Denken ist zu sehr auf den klassischen Kompromiss ausgerichtet (halbe/halbe oder der Preis muss runter).
Legenden und Fehleinschätzungen verhindern optimale Verhandlungen Ursachen von Verhandlungsfehlern liegen in persönlichen Unsicherheiten und Mythen zu eigenen Kompetenzen. Verhandlungsprofis zeigen ganz andere Denkhaltungen. Vertiefen wir das etwas:
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Irrglaube: Verhandlungserfolg lässt sich nicht vorbereiten. Eine Verhandlung hat kein Drehbuch und lässt sich nicht sinnvoll planen. Verhandlungsvorbereitung geht nicht, weil es keine Struktur für gute Verhandlungen geben kann. Da jedes Signal des Verhandlungspartners das Vorgehen beeinflusst, muss man flexibel bleiben und den Verhandlungsprozess vollkommen offen angehen. Richtig ist: Profis nutzen ein strukturiertes Vorgehen: Es erlaubt ihnen optimale Entscheidungen Step by Step, und sie verfügen über ein gutes Prozessmanagement für alle Ablaufstufen einer Verhandlung. Dazu nutzen sie effektive Verhandlungsprinzipien, die den Verhandlungsablauf beschleunigen und den Prozess effizient und flexibel im geplanten Ablaufkorridor halten.
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Irrglaube: Gewachsene (Geschäfts-)Beziehungen zum Menschen geben letztlich den Ausschlag für den Verhandlungserfolg. Richtig ist: Neue, reglementierte Kommunikationsstrukturen mit verschiedenen Rollenverteilungen ermöglichen Profis, sämtliche persönlichen Beziehungen und Bindungen auszuschalten und rein sachliche Ergebnisse zu erzielen. Gewachsene Geschäfts- und persönliche Beziehungen werden so ausgehebelt!
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Irrglaube: Preis und Kosten müssen zuerst sinken. Es geht letztlich nur um einen Verhandlungskampf mit dem Ziel, Geld und Nutzen günstig zu verteilen. Richtig ist: Verhandlungsprofis verschaffen sich erst einmal Informationen zum möglichen Zielrahmen, analysieren die aktuellen Machtverhältnisse, klären eigene und fremde Messlatten und erhellen die Entscheidungskriterien aller Verhandlungsbeteiligten. Erst danach formulieren sie ihre Verhandlungszielsetzung. Sie verfügen über strukturierende Verhandlungstools, diagnostizieren Preismotive und Wertungsmaßstäbe und entwickeln daraus eine Vielzahl von Verhandlungslösungen.
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Irrglaube: Verhandeln ist eine Kunst, zu der man eine spezielle Begabung benötigt. Richtig ist: Profis haben keine besonderen Verhandlungsgene oder sind von der Muse geküsst worden, sondern sie sind einfach systematischer präpariert. Sie setzen ein durchgängiges Verhandlungssystem mit Leitlinien, Prozessschritten, motivationspsychologischen Erkenntnissen und einer Verhandlungs-Toolbox für alle Ebenen und Prozessschritte einer Verhandlung ein. Verhandlungsexperten erkennen menschliche Motivations- und Verhaltensvorlieben und bauen Interessensvorlieben systematisch in ihre Überzeugungsstrategien ein. VerhandlungsGuidelines und schnelle Motivanalysen statt göttlicher Eingebung machen den Unterschied!
Bei Verhandlungen treten immer wieder auch typische Selbstüberschätzungen auf.
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Illusion Nr.1: Selbstüberschätzung der eigenen Person Man hält sich selbst für cleverer, intelligenter und fähiger als die andere Verhandlungspartei.
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Illusion Nr. 2: Optimismus-Illusion Dabei werden zukünftige Ereignisse schön gefärbt und zu positiv bewertet.
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Illusion Nr. 3: Ich habe alles im Griff Der Verhandler glaubt, er habe mehr Kontrolle über den Verhandlungsprozess und die Lösungen als sein Gegenspieler. Die reale Verhandlungssituation wird dabei nicht mehr realistisch gesehen, Verhandler halten an ursprünglichen Erwartungen und Einschätzungen fest und übergehen neue wichtige Informationen mit Ignoranz.
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Kurzreflexion: Wie gehen Sie heute mit solchen Verhandlungssituationen um? Mit Hilfe des High-Speed-Verhandlungssystems werden Sie die beschriebenen Hindernisse für erfolgreiche Verhandlungen aus dem Weg räumen können. Sie bekommen Methoden und Werkzeuge an die Hand, um Ihren eigenen Standpunkt überzeugend zu vertreten und ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, mit dem beide Parteien zufrieden sein können. Bevor Sie es im Folgenden Schritt für Schritt kennen lernen, sollten Sie sich zunächst einen Eindruck von Ihrem Status quo verschaffen. Gehen Sie die Punkte der folgenden Checkliste durch und machen Sie einen ehrlichen Selbsttest. Aus den Ergebnissen können Sie bereits ablesen, welches für Sie die hilfreichsten Systembausteine und Werkzeuge des High-Speed-Verhandlungssystems sein werden und wo Ihre besonderen Verhandlungspotenziale noch brachliegen. Selbstdiagnose eigener Verhandlungsstärken nach Kompetenzbereichen Werten Sie bitte Ihr heutiges Wissen und Ihre Erfahrungen zu verschiedenen Verhandlungskompetenzen: von 0 (keine Kenntnisse und Erfahrungen) bis 5 (hervorragende Kenntnisse und Erfahrungen)
Eigenwertung: 0 = keine 5 = hervorragend
Klärungspunkt: 1. Umgang mit knapper Vorbereitungszeit vor Blitzverhandlungen 2. Interne Rollenverteilung zu Fachfragen, Entscheidungskompetenzen und Prozesssteuerung klären und optimal umsetzen 3. Konsequenzen aus ungleicher Machtverteilung ziehen und sinnvolle Gegenstrategien wählen 4. Durchdachte Verhandlungsstrategie mit angemessenem Verhandlungsstil und Verhandlungstaktiken wirksam verzahnen 5. Fundierte Zielanalysen zu allen Verhandlungspartnern vor der Verhandlung durchführen 6. Verhandlungsort, -medien und unterstützende Ausstattung vorab klären 7. Macht- und Stakeholderanalyse aller Betroffenen vorab durchführen und Entscheidungsträger einbinden 8. Zieldiagnosen vor und während des Verhandlungsprozessen frühzeitig detaillieren und strukturiert aufbereiten 9. Eigene Verhandlungsstärken und -schwächen durch interne Rollenaufteilung optimal berücksichtigen 10. Gemeinsame Interessen herausarbeiten und als Maßstab verwenden 11. Systematische Ziel-, Motiv- und Interessenanalyse für betroffene Verhandlungspartner und Unternehmensbereiche durchführen
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Selbstdiagnose eigener Verhandlungsstärken nach Kompetenzbereichen 12. Motivationspsychologische Überzeugungskette für Verhandlungspartner praktizieren 13. Erkenntnisse der Motivationsforschung für die Verhandlungsgesamtsteuerung nutzen 14. Als Verhandlungsteilnehmer erzähle ich von meinen Eindrücken, Empfindungen und Absichten, damit der Verhandlungspartner Vertrauen und Orientierungssicherheit aufbauen kann 15. Für die Ziel- und Motivklärung der Verhandlungspartner neuste psychologische Klärungsmethoden einsetzen 16. Mein Denken als Verhandlungspartner ist nie am klassischen Kompromiss ausgerichtet (fifty/fifty) 17. Gemeinsame konstruktive Verhandlungslinien oder Spielregeln zur Orientierung aller Verhandlungsabschnitte immer absprechen 18. Eine machbare und flexible Agenda mit klaren Zeitplan für alle Verhandlungsschritte vereinbaren 19. Eine sinnvolle Vorgehensweise für die Gesamtverhandlung bereits vorab entwerfen und vorschlagen 20. Der Kontakt- und Organisationsphase in Verhandlungen wichtige Zeitanteile einräumen 21. Nie vorschnell an Lösungen arbeiten, ohne eine ausreichende Analyse der Fakten und Hintergründe beider Verhandlungsparteien durchzuführen 22. Mit strukturierten Checklisten systematisch alle Kernpunkte eines möglichen Verhandlungsablaufes vorab analysieren 23. Ausgewählte Alternativszenarien für Verhandlungsstrategie und denkbare Verhandlungsverläufe jeweils mit angemessenem eigenem Verhalten vorbereiten 24. Über den gesamten Verhandlungsablauf ein zielförderndes Interessensmonitoring praktizieren 25. Bewältigen von hinderlichen Einstellungen wie – Verhandeln kann man nicht lernen oder kann man nicht vorher planen und vorbereiten – gelingt 26. Gesamtorganisation und Vorgehensweise der Verhandlung systematisch durchdenken und für Interessen beider Seiten durchsetzen 27. Eigenes Verhandlungsverhalten eindeutig interpretierbar zeigen und nicht den Verhandlungspartner irritieren 28. Ein System für die Gesamtablaufsteuerung (zu Schritten, Zeitplanung, Rollen) als Monitor nutzen 29. Ohne ausreichende Verhandlungsmacht nie bei Lösungsvorschlägen pokern oder mit Sanktionen drohen
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Selbstdiagnose eigener Verhandlungsstärken nach Kompetenzbereichen 30. Destruktive Verhandlungsmethoden und Manipulationsversuche der anderen Seite schnell aufdecken, klären und sinnvoll entkräften 31. Zielführende Argumente mit Klärungsinstrumenten transparent halten und von unwichtigen Nebenbegründungen trennen 32. Zur Argumentationsklärung aufhellende systemische Klärungsfragen im Verhandlungsablauf einsetzen 33. Auf Angriffe (echte und interpretierte) nie mit hinderlichem Verteidigungs- und Rechtfertigungsverhalten reagieren 34. Bestätigendes Fragen als Standardgesprächsverhalten praktizieren 35. Abschlussfördernde Verhandlungsspielregeln bereits präventiv einführen 36. Bedenken und Widerstände mit psychologischen Überzeugungsmethoden in einer Klärungsschleife bewältigen 37. Repertoire an Klärungstechniken bei schwierigen Abschlüssen und Verzögerungen kompetent einsetzen 38. Systemische Verhandlungstechniken zur Bedarfsklärung und Angebotssteuerung anwenden 39. Vorschläge für angebotene Verhandlungsabschlüsse ergeben sich aus eigenem System zur Nutzenargumentation 40. Geduldiges Verhandlungsverhalten zeigen, das kreative neue Handlungsmöglichkeiten erlaubt
Auswertung: Stärken eigener Verhandlungsführung nach Kompetenzbereichen
Wert für:
1. Klärungskompetenz Addieren Sie bitte Nr. 1 bis 9: 2. Interessenssteuerungskompetenz Addieren Sie bitte Nr. 10 bis 16: 3. Prozesssteuerungskompetenz Addieren Sie bitte Nr. 17 bis 28: 4. Kommunikationskompetenz Addieren Sie bitte Nr. 29 bis 34: 5. Überzeugungs- und Abschlusskompetenz Addieren Sie bitte Nr. 35 bis 40:
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Bitte übertragen Sie Ihre Diagnosewerte in die fünf Kompetenzbereiche (Ist-Wert in Max-Säulen ankreuzen):
Abbildung 1: Selbsteinschätzung zu den Kompetenzbereichen der Verhandlungsführung. Den OnlineAuswertservice finden Sie unter www. verhandlungsführung. com.
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Dieser Selbsttest ist an den Kernkompetenzen professioneller Verhandlungsführer ausgerichtet. Damit haben Sie bereits einen ersten Eindruck von den Stärken der Verhandlungsprofis und den typischen Schwachstellen von Verhandlungsanfängern bekommen. Fassen Sie noch einmal zusammen: Wo sehen Sie Ihre aktuellen Schwachpunkte, wo Ihre heutigen Stärken und wo liegen noch ungenutzte Potenziale? Woran wollen Sie besonders arbeiten, welchen Kompetenzbereich intensiver ausbauen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
Von Top-Verhandlern lernen: Das High-Speed-Verhandlungssystem Fünf Kernkompetenzen im Verhandlungsalltag Verhandeln mit dem High-Speed-Verhandlungssystem ist wie das Fliegen eines Jets: Der Pilot in seinem Cockpit hat den Zielflughafen und alle notwendigen
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Funktionen und Ablaufschritte im Blick, verfügt über passende Checklisten, die besten technischen Instrumente und über ein verlässliches Zusammenspiel mit seinen Kollegen, um sein System Flugzeug sicher steuern zu können. Genau das geschieht in der Systemschleife des High-Speed-Verhandlungssystems mit seinen systematischen Zwischenstationen. Das High-Speed-Verhandlungssystem als Systemschleife:
Abbildung 2: Das High-SpeedVerhandlungssystem als systematische Klärungsschleife
Ähnlich wie der Jet-Pilot hat der Verhandlungsführer bei einer Verhandlung das Abschlussziel genau vor Augen. Stellen sich Abschlussprobleme ein, beginnt sein Verhandlungssystem in eine kontrollierte Klärungsschleife einzubiegen. Fünf große Kompetenzbereiche der Verhandlungsführung helfen, alle Verhandlungsphasen zu bewältigen: 1. Klärungskompetenz für die Verhandlungsstrategie: Ziel-, Strategie-, Verhandlungsstil und Ergebnisabsicherung bei schwierigen Preis- und Sachverhandlungen mit wichtigen Geschäftspartnern (Umgang mit der Klärung und Steuerung von Verhandlungsmacht, Einflüssen von Stakeholdern, Verhandlungszwängen, Rollen, Werten, Normen). 2. Interessenssteuerungskompetenz zur Analyse der Verhandlungspartner: Schnellanalyse-Werkzeuge, um unmittelbar die Verhandlungspartner mit ihren Zielen, Motiven und Interessen durchschauen zu können (Transparenz von Interessen und Zielen), und Hinweise für eine konstruktive Beziehungssteuerung der Verhandlungspartner für einem zustimmenden Abschluss zu bekommen. 3. Prozesssteuerungskompetenz für den Gesamtablauf: Durch kompetentes Steuerungsverhalten kann der gesamte Verhandlungsablauf mit seinen Phasen und Prozessschritten zum Ziel gesteuert werden (Verhandlungsprozessmanagement).
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4. Kommunikationssteuerungskompetenz für die Verhandlung: Bewältigung unfairer Verhandlungstricks und subtiler Verhandlungssteuerung in der Aushandlungsphase mit praktikablen Gesprächstaktiken und Gesprächsverhalten (Manipulationsbewältigung), Förderung eines konstruktiven Verhandlungsklimas. 5. Argumentations- und Überzeugungskompetenz für den Abschluss: Überzeugungswerkzeuge helfen, ausgehandelte Teilergebnisse zu fixieren, Bedenken auszuräumen, Nutzen darzustellen und zufriedenstellende Abschlüsse zu erreichen. Fazit: Verhandeln kann man lernen! Verhandlungsprofis nutzen dazu Fähigkeiten und Erfahrungen dieser fünf Kernkompetenzbereiche. Als gute Verhandler haben sie den Gesamtverhandlungsablauf immer im Blick. Im Folgenden lernen Sie das High-Speed-Verhandlungssystem mit seinen Anwendungstools Schritt für Schritt kennen.
1.2 Fremde Machtspiele erkennen Eigene Verhandlungsmacht vorab richtig einschätzen Mit der Verhandlungsmachtdiagnose erkennen Sie frühzeitig eigene Macht gegenüber Ihren Verhandlungspartnern und können zügig eigene Optimierungsmaßnahmen planen. Sie klären Einflüsse wichtiger Machtträger auf Verhandlungsziel und -ergebnis ab und können persönliche Verhandlungsmacht systematisch für eigene Fallbeispiele ermitteln. Kurzreflexion: Bitte beschreiben Sie kurz drei typische heutige oder künftige eigene Verhandlungssituationen. Sie benötigen diese Fallsituationen für spätere systematische Schritt- für Schrittlösungen. (Nutzen Sie einfach die folgende Aufstellung als Kopiervorlage oder laden Sie sich ein Online-Formular von www.verhandlungs führung.com herunter.) Arbeitsvorlage: Drei eigene Verhandlungssituationen formulieren Situationsskizze einer eigenen Verhandlung: Ausgangssituation
Beteiligte Personen/Funktionen/Gruppen und deren Macht/Einfluss
Ziele, Interessen, Positionen der Beteiligten
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Stichworte:
Arbeitsvorlage: Drei eigene Verhandlungssituationen formulieren Rahmen, Zeit, Ablauf, Ort
Schwierige Verhandlungspunkte aus meiner Sicht
Typische erwartbare Verhandlungsergebnisse
Abbildung 3: Drei offene Verhandlungssituationen für Ihr Verhandlungscoaching
Verhandeln ist immer dann der richtige Weg, wenn eine gegenseitige Abhängigkeit der Verhandlungspartner (Interdependenz) vorliegt. Kann eine Partei durch eine überlegene Machtposition mit Zwang, Manipulation oder Anordnung die andere Seite durch aggressives Verhalten vollständig zu einer Lösung nötigen, bedarf es ja keiner Verhandlung mehr. Ein ähnliches Machtgleichgewicht erleichtert gemeinsames konstruktives Handeln. Die Verhandlungsmachtdiagnose (siehe folgende Abbildung) zeigt gute Möglichkeiten für die eigene Verhandlungsstrategie (und die wahrscheinliche Strategie der anderen Seite) auf.
Abbildung 4: Reihenfolge wirksamer Vorabdiagnosen
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Verhandlungsmacht klären und mehr Kompetenz gewinnen Führen Sie sich eine Balkenwaage vor Augen, bei der Sie alle Machtunterschiede, alle Einflussmöglichkeiten wie Gewichte für jede Verhandlungspartei auf eine Seite der Waage legen: Wohin schlägt der Zeiger aus? Sind Sie Ihrem Verhandlungspartner überlegen oder unterlegen? Im Verhandlungsalltag herrscht immer Unsicherheit über die tatsächliche oder vermeintliche Machtverteilung. Die Machtverteilung kann sich auch während der Verhandlung ändern. Deshalb ist eine kontinuierliche Machtdiagnose wichtig. Die Machtdiagnose wird Ihr zusätzlicher Zeiger auf dem Verhandlungsmonitor. Verändert sich die Machtverteilung, können Sie einschreiten und gewinnen an Verhandlungskompetenz.
Einflüsse klären: Das Stakeholderradar Die meisten Verhandlungen scheitern nicht an fehlender Verhandlungstechnik und mangelnden Lösungsvorschlägen, sondern am Widerstand wichtiger Menschen im Verhandlungsumfeld: Von der Verhandlungslösung Betroffene blockieren mit ihren Einflussmöglichkeiten leicht die Abschlussvereinbarung! Personen mit Einfluss auf die Absprache einer Verhandlungslösung bezeichnen wir als Stakeholder. Die unterstützenden oder behindernden Personen sind wichtig, weil sie Verhandlungslösungen absichern, blockieren oder verhindern können. Alle einflussreichen, behindernden oder unterstützenden Personen- oder Anspruchsgruppen – mit ihren Interessen/Zielen und Befürchtungen – sind bedeutsam für die Steuerung des Verhandlungserfolgs. Stakeholder können Eigentümer, Manager, Mitarbeiter-, und Abnehmergruppen, Kapitalgeber und sogar der Staat, die Öffentlichkeit und die Natur mit ihren Rechten und Ansprüchen sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich einen Überblick über die Stakeholdersituation bereits vor der Verhandlung zu verschaffen. Ein schnelles und übersichtliches Radarsystem für die Stakeholder einer Verhandlung macht es möglich, sie bereits in der Vorbereitungsphase mit ihren Interessen zu erfassen und erste Einbindungsmaßnahmen zu überlegen. Ziel des Stakeholdermanagements ist es, die Interessen und Bedürfnisse aller Interessensgruppen schnell zu erfassen und eine hohe Übereinstimmung mit den Verhandlungszielen zu sichern Folgende Schritte sind für das Stakeholdermonitoring wichtig:
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•
Identifizieren Sie wichtige Stakeholder mit direktem oder indirektem Einfluss auf den Verhandlungsablauf und das mögliche Ergebnis. Erstellen Sie eine Liste der Anspruchsgruppen/-personen.
•
Analysieren Sie die Interessen der Stakeholder (was sind ihre wahrscheinlichen Interessen, welche Bedeutung haben sie für die Verhandlung?).
•
Entwickeln Sie Maßnahmenideen, um auf die Stakeholder einwirken zu können. Damit können Sie Behinderungen abbauen und sich Unterstützung sichern.
•
Einbindung, Steuerung und Absicherung (Maßnahmen im Vorfeld der Verhandlung)
Hier ein Beispiel für ein Stakeholdermonitoring.
Name
Einfluss auf Ergebnis
Interesse an Lösung
Stakeholdertyp
Einfluss als
Maßnahmenideen zur Einwirkung
Herr Loibl
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Führungskraft oder Entscheidungsträger
Entscheider kaufmännisch
zu Roadshow einladen
Frau Maier
6
1
Blockierer oder Unterstützer
Bewerter fachlich
Produktzertifikate zusenden
Herr Bessemer
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Mitläufer oder Zeitdieb
Anwender
ReferenzAnwenderkontakt anbieten
Herr Heimerer
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Führungskraft oder Entscheidungsträger
rechtl. Genehmiger
nachfragen und Sicherheiten detaillieren
Herr Summerer
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7
Mitläufer oder Zeitdieb
Anwender
ReferenzAnwenderkontakt anbieten
Herr Hartwig
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Multiplikator
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Abbildung 5: Maßnahmen aus dem Stakeholderradar
Erst wenn Sie eine Liste der wichtigsten Stakeholder angefertigt haben, stellt sich die Frage nach Interesse und Einfluss der Stakeholder auf diese Verhandlung. Wer hat großen, wer eher geringen Einfluss oder Interesse an einer bestimmten Lösung? Liegen persönliche Befürchtungen oder sachliche Bedenken vor? Je nachdem, wie groß das Interesse an bestimmten Lösungen und der Einfluss auf das Ergebnis sind, können Sie die verschiedenen Stakeholder einem der vier Quadranten in Abbildung 6 zuordnen. Je nach Einflussquadrant des Stakeholderradars sollten Sie sich etwas Zeit nehmen, um machbare Einbindungsmaßnahmen zu formulieren. Durch diese Einbindungsmaßnahmen für wichtige Stakeholder gestalten Sie bereits die Einflussmöglichkeiten des Verhandlungspartners. Sie selbst gewinnen an Steuerungskompetenz und sind dann vor unerwarteten Querschüssen, zeitraubenden Bedenken und Verhandlungsverzögerungen relativ sicher. Kurzreflexion: Wie sieht ein Stakeholderradar für eine Ihrer wichtigen Verhandlung aus? Wählen Sie eine Ihrer Beispielsituationen aus und nutzen Sie das Online-Tool zur schnellen Auswertung unter www.verhandlungsführung.com.
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Abbildung 6: Beispiel eines Stakeholderradars
Ein Stakeholderradar stellt ein systematisches Suchsystem mit direkt abgeleiteten Maßnahmen für einzelne Personen/-gruppen dar. Ziel ist es immer, übersehene Chancen zu nutzen, nicht bedachte Risiken einzudämmen und den Einfluss der anderen Verhandlungspartei zu reduzieren. So gewinnen Sie selbst Sicherheit, ein Mehr an Einfluss auf den Verhandlungsablauf und werden als kompetenter Verhandlungsführer wahrgenommen. Suchfragen sind beispielsweise:
•
Welche weiteren Abteilungen, Bereiche oder Funktionen sehen sich als Betroffene der möglichen Verhandlungslösung?
•
Wo und bei wem kommt es zu wesentlichen Änderungen bei Funktion oder Arbeitsabläufen?
•
Gibt es externe Gruppen, die auf Technologien, Qualität oder Produktnutzen Einfluss nehmen können?
Haben Sie Mut zur Lücke! Nach einer ersten Situationsanalyse mit dem Verhandlungspartner überprüfen Sie einfach Ihr Stakeholderradar und ergänzen es dann gegebenenfalls. Beschränken Sie sich auf die wichtigsten Stakeholder. Sie sollten darum das Stakeholderradar zügig und qualitativ durchlaufen.
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Machtdiagnose mit dem High-Speed-Verhandlungssystem erstellen Wie hoch ist Ihre Verhandlungsmacht heute? Erste Hinweise haben Sie bereits durch das Stakeholderradar erhalten. Es geht darum, die Fakten im Hinblick auf Ihre sachliche und persönliche Verhandlungsmacht in einer konkreten Verhandlungssituation zu bewerten. Wertung der Verhandlungsmacht an einem Beispiel Bereits in der Vorabanalyse Ihrer Verhandlung können Sie schnell erkennen, wie machtvoll Sie in der Verhandlung dastehen. Beispielhaft sind hier siebzehn Kriterien für sachliche und persönliche Macht aufgeführt. Sie können so einen Vorabcheck machen und eigene offene Punkte vorher möglicherweise noch stärken und ausbauen. Beispiel-Checkliste: Analyse der eigenen Verhandlungsmacht Sachliche Verhandlungsmacht
Wertung Beispiel (0 bis 10)
Meine Kompetenzen, Spielraum, Entscheidungsfreiheit
7
Anzahl möglicher Alternativen für Lösung und Einigung
3
Mir verfügbare Informationsmenge (Fakten, Hintergründe, Markt) über Verhandlungspartner
6
Meine Glaubwürdigkeit und die meines Unternehmens (besonders bei Entscheidern und Einflussnehmern)
4
Gestaltung verfügbarer Informationsmenge, Wirklichkeiten, Fakten für Verhandlungspartner durch mich
2
Einfluss auf organisatorischen Rahmen und Verhandlungsort
3
Ausreichender Zeitrahmen und Gestaltung der zeitlichen Abläufe durch mich
6
Einblick in die Entscheidungsfindung und -kriterien des Verhandlungspartners
2
Kenntnis der Stärken und Schwächen des Wettbewerbs
7
Sachliche Verhandlungsmacht Persönliche Verhandlungsmacht Mein persönliches Fachwissen und eigener Sachverstand Meine formelle Position/Funktion/Autorität und Zuständigkeit Kann wirksame Sanktionsmittel einsetzen/habe Recht dazu
= 4,4 Wertung (0 bis 10) 9 10 4
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Beispiel-Checkliste: Analyse der eigenen Verhandlungsmacht
Abbildung 7: Beispiel-Checkliste zur Analyse eigener Verhandlungsmacht
Meine gesellschaftliche Stellung/Ansehen/Respekt
6
Meine rhetorische/kommunikative Überzeugungskompetenz
8
Meine persönliche Vernetzung und Möglichkeiten, Hintergrundinformation beim Verhandlungspartner zu beschaffen
6
Einsatz von internen Multiplikatoren und eigener Insiderstatus
3
Den geschäftlichen und persönlichen Gesamtwert für Verhandlungspartner klar formulieren und die Wettbewerber als bloße Produktverkäufer darstellen können
8
Persönliche Verhandlungsmacht
= 6,8
Meine geschätzte Verhandlungsmacht insgesamt
= 5,6
In dem Beispiel ist die persönliche Verhandlungsmacht ausschlaggebend und gleicht die sachlich/fachlichen Machtdefizite aus. Grundsätzlich können Sie je nach Stärke Ihrer persönlichen oder sachlichen Verhandlungsmacht das Verhandlungsvorgehen und den Verhandlungsstil prägen. Bei sehr hohen Score-Werten können Sie auf eine Verhandlung verzichten und Ihre Interessen durch Vorgaben (Druck) einseitig durchsetzen. Wählen Sie wieder eine Ihrer drei Eingangsverhandlungssituationen aus und ermitteln Sie dafür Ihre Verhandlungsmacht. (Bitte jedes Kriterium von 0 bis 10 werten, wobei 10 den höchsten Wert darstellt.) Zur einfachen Berechnung mit zusätzlichen Interpretationen finden Sie das Online-Tool Machtdiagnose unter www.verhand lungsführung.com. Wenn Sie als Durchschnitts-Score einen Wert von deutlich über 5 erzielt haben, verfügen Sie über erhebliche Verhandlungsmacht! Kurzreflexion: Was schließen Sie daraus für Ihr eigenes Verhandlungsvorgehen in Ihrem bewerteten Fallbeispiel? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Welche Verhandlungsmachtkriterien könnten Sie noch verstärken? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Mit den Konsequenzen für Verhandlungsstrategie und -taktik befassen wir uns in den kommenden Kapiteln. Ihre Verhandlungsmachtdiagnose gibt Ihnen den Schlüssel für die richtige Strategie in die Hand.
1.3 So gestalten Sie die Verhandlungsstrategie Fair oder unfair: Die richtige Verhandlungsstrategie entscheidet über den Erfolg Eine Verhandlungsstrategie ist wie eine Fahrt auf einer Autobahn, bei der, je weiter man vorwärtskommt, die Fahrbahn immer breiter wird. Die sichernden Leitplanken entfernen sich dabei mehr und mehr voneinander und lassen ein flexibleres Fahren aller Verkehrsteilnehmer auf der breiter werdenden Autobahn zu. Irgendwann kann es wie auf einem riesigen Platz zugehen. Jeder hupt, weicht aus oder bedrängt andere Verkehrsteilnehmer. Jetzt ist es wichtig, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, um nicht ganz woanders anzukommen. Welchen Fahrstil bevorzugen Sie? Fahren Sie druckvoll, geben Sie lieber nach oder suchen Sie bei Engpässen eine Kompromissregelung mit anderen Autofahrern? Der Fahrzeugtyp (z. B. großer Geländewagen gegen Kleinwagen) kann dem Fahrer bereits Macht im Verkehrsgewühl vermitteln. Genauso ist es beim Verhandeln: Mächtig scheinende Verhandler können den Verhandlungsstil beeinflussen. Je nachdem, wie hoch der Anteil an Kooperation und Druck gewählt wird (von Ihnen und Ihrem Verhandlungspartner!), ergeben sich fünf Kernverhandlungsstrategien. Diese Ergebnisstrategien zielen auf das messbare Verhandlungsergebnis. Daneben gibt es auch Prozessstrategien, die sich an grundsätzlichen Absprachen orientieren (z. B. die Geschäftsbeziehung soll auch künftig aufrecht erhalten werden, Kostenanteile wie Übernachtungs-, Reise- und Transportkosten sollen vermieden werden oder an Dritte delegiert werden.) Derartige Prozessstrategien können bereits in der Verhandlungsplanung vorab eingesetzt werden.
Abbildung 8: Fünf Kernverhandlungsstrategien
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Wie hoch ist Ihre Verhandlungsmacht? Hat die Machtdiagnose bei Ihnen ein deutliches Machtübergewicht (hat sich ein Durchschnittswert Ihrer Gesamtverhandlungsmacht über fünf ergeben)? Dann könnten Sie eine druckvolle, mächtige Strategie wählen. Könnten? Ob dies sinnvoll ist, ergibt sich aus Ihren Verhandlungszielen. Durch die Machtdiagnose haben Sie nur einen ersten Hinweis, mit welcher Vorgehensweise Sie verhandeln könnten. Die Machtdiagnose zeigt die Grenze der Einflussmöglichkeiten.
Abbildung 9: Mögliche Machtstrategien nach Machtdiagnose
Haben Sie hohe Machtwerte (8 bis 10), dann könnten Sie sich einfacher mit Forderungen durchsetzen (Durchsetzungsmacht: Sie erhalten viel, der Verhandlungspartner wenig). Mittlere Machtwerte (4 bis 7) erfordern Zugeständnisse (Kompromiss erforderlich: Beide Seiten kommen sich entgegen), und niedrigere Machtwerte (3 bis 1) machen wahrscheinlich ein Nachgeben notwendig (Unterwerfung unter starke Verhandlungsmacht der anderen Verhandlungspartei und deren Forderungen).
Regeln und Absprachen in der Verhandlungsrealität Angenommen, in Ihrer Verhandlung verfügt jede Seite über alle Informationen; beide werten die gegenseitige Verhandlungsmacht realistisch und können eine optimale Machtstrategie einschlagen. In der Realität verfügen Verhandlungspartner fast immer nur über Teilinformationen und können die Verhandlungsmacht vorab nur grob einschätzen. Kommt es zu Fehleinschätzungen (Problem Selbstüberschätzung!), kann ein starker Verhandlungskonflikt aufgebaut werden. Ein Abbruch
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(Abdriften in den Bereich D: Flucht) als Ausstiegsstrategie ist denkbar. Damit dieser Prozess der gemeinsamen Strategieumsetzung abgesichert werden kann, benötigen Sie Spielregeln für den Ablauf. Wie sollen Informationslücken gefüllt werden? Wie sieht der Gesamtablauf der Verhandlung aus, mit dem beide Parteien einverstanden sind?
Abbildung 10: Verhandlungschancen jenseits der Machtlinie
Sie entscheiden vor der Verhandlung, ob und wie Sie verhandeln wollen! Wenn bei einem Verhandlungsmisserfolg viel auf dem Spiel steht oder die gewählte Verhandlungsstrategie starke Konsequenzen für Folgeverhandlungen hat, werden Sie meist versuchen, einen mehr kooperativen Verhandlungsstil zu wählen. Trotzdem können Sie, je nach Machtposition entscheiden, ob eine Lösungssuche durch eine gemeinsame Verhandlung oder das Durchsetzen Ihrer Interessen ohne Verhandlung den besseren Weg darstellt. Da nie vollkommene Informations- und Interessenstransparenz gegeben ist, liegt hier der Knackpunkt für Manipulationsmöglichkeiten. Zusätzlich stehen Verhandlungsparteien oft unter Zeitdruck, sind durch unterschiedliche Verhandlungserfahrungen geprägt oder beherrschen nicht ausreichend die gemeinsame Steuerung eines zielfördernden Lösungsprozesses. Auch kann sich beim Verhandeln durch eine Veränderung anfänglicher Ziele und Interessen eine manipulative Verschiebung der Verhandlungsmacht ergeben. Manchmal geht es den Beteiligten nur um die schnelle Verteilung von Kosten, Ressourcen und möglichen Geschäftschancen (distributive Blitzverhandlung) mit Gewinnern und Verlieren, aber genauso gut kann es sich 29
um eine langfristig ausgerichtete kooperative Verhandlungsform handeln, bei der versucht wird, eine für alle Verhandlungsparteien erfolgreiche langfristige Lösung zu erreichen (integrative Verhandlung). Mit dem High-Speed-Verhandlungssystem werden Sie in der Lage sein (siehe Kapitel 3), diese Prozesse so zu steuern, dass als Ergebnis statt des Ausstiegs (Verlierer-Verlierer-Situationen) mindestens Ziele oberhalb der Machtlinie Richtung E Kooperation (Integrationsstrategie) erreichbar sind. Dieser Durchblick hilft Ihnen, Ihre Verhandlungsstrategie abzusichern. Doch vorher schauen wir uns die Ziele, Interessen und Motive unseres Verhandlungspartners genauer an. Eine wichtige Spielregel in Ihren Verhandlungen sollte die Absprache einer gemeinsamen Lösungssuche oberhalb der Machtlinie sein. Damit sind Kampfstrategien zurückgestellt, da beide Seiten nach kreativen besseren Möglichkeiten suchen werden. Fazit:
• • • •
Die Machtdiagnose kennzeichnet die Richtung der Verhaltensstrategie. Informationsdefizite auf beiden Seiten führen leicht zu Konfliktstrategien. Selbstüberschätzung kann blockieren. Effektive Verhandlungsstrategien liegen oberhalb der Machtmöglichkeiten.
Kurzreflexion:
•
Welche der fünf Strategien erscheint Ihnen für Ihr ausgewähltes Verhandlungsbeispiel spontan besonders geeignet?
•
Liegt Ihnen persönlich eher ein fairer oder mehr ein verdeckter machtvoller Verhandlungsstil?
•
Gibt Ihnen die Bewertung Ihrer persönlichen Verhaltensstärken und der sachliche Rahmenbedingungen deutliche Verhandlungsmacht?
•
Was liegt Ihnen mehr: ausführliche Verhandlungsschritte oder kurze, druckreiche Absprachen?
•
Legen Sie Wert auf eine langfristige (Geschäfts)-Beziehung, oder handelt es sich um ein einmaliges Geschäft ohne Folgegeschäfte?
Verhandlungsstrategien eingrenzen: Zielkaskade, Brennglasziele und gemeinsamer Zielschirm entscheiden Verhandlungsstrategien hängen nicht von Möglichkeiten, sondern von den Interessen der Beteiligten ab. Sachliche Ziele und persönliche Verhandlungsziele fließen offen oder verdeckt dort hinein. Das kann ein ganzes Bündel an Einzelzielen sein, die noch strukturiert werden müssen, um leicht an den übergeordneten Zielen die Schwerpunkte deutlich zu machen. Zu viele detaillierte Einzelziele verwirren oft 30
nur in Verhandlungen, kosten Verhandlungszeit und blockieren leicht gute Lösungen. 1. Schritt: Eigene Verhandlungsziele sammeln Bitte sammeln Sie nach diesem Suchraster für eine Ihrer Verhandlungssituationen spontan die wichtigsten Ziele. Art der Verhandlungsziele
Sammeln:
Unsere Sachziele
• • • • •
Meine persönlichen Ziele
• • • • •
Zusätzliche Stakeholderziele bei uns
• • • • •
Formulieren:
Hauptziele: (ankreuzen)
Abbildung 11: Eigene Verhandlungsziele sammeln
Tipps für die Sammlung der Verhandlungsziele
•
Beschränken Sie sich auf die wesentlichen Ziele. Bei normalen Verhandlungen verliert man sich ab einem Dutzend Einzelzielen leicht in unwesentlichen Details.
•
Neben den Sachzielen eines Unternehmens oder einer Person ist es wichtig, sich auch die (oft nicht genannten und heimlich verfolgten) persönlichen Ziele und Interessen kurz vor Augen zu führen.
•
Denken Sie immer auch an die wichtigen Stakeholderziele einflussnehmender Personen und Bereiche.
2. Schritt: Ziele angemessen formulieren Verhandlungsziele zeigen uns den Korridor für die Verhandlungsstrategie mit klar definierten Grenzen auf. Nur das macht in der Vorbereitung einen Sinn. So verfügen Sie später über klare Verhandlungsgrenzen. Eine gute Vorgehensweise zeigt Ihnen das Verhandlungsziel-Fernrohr auf: Stellen Sie sich vor, Sie verfügen über ein Zukunftsfernrohr. Sobald Sie hineinschauen, sehen Sie die in der Zukunft bereits
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erreichten Verhandlungsziele. Aber dieses Fernrohr zeigt nur die positiv erreichten Verhandlungsziele. Sie sehen den Weg in die Zukunft, zeitlich sortiert, die beste erreichte Verhandlungslösung und gleichzeitig auch durchschnittliche bis zu gerade noch akzeptierbare Lösungen. Die gesamte Bandbreite möglicher positiver Verhandlungslösungen ist gut zu erkennen. Alle nicht akzeptablen oder unrealistischen Lösungswege kann dieses Zukunftsfernrohr für Verhandlungsziele nicht zeigen. Sie brauchen nur vor der Verhandlung in dieses Gute-Ziele-Fernrohr schauen, und Sie haben sofort einen motivierenden und lohnenden Weg vor Augen. Alles andere wird ausgeblendet.
Abbildung 12: VerhandlungszieleFernrohr zeigt den Korridor mit oberen und unteren Zielbegrenzungen auf
Genau diese Begrenzungen, diese Leitplanken für Ihre Verhandlungsführung, geben Ihnen eine geeignete Formulierung eigener Verhandlungsziele an die Hand. Die Methode nennen wir Drei-Brennglasziele. Dabei werden die eigenen Verhandlungsziele durch drei Zielgrößen unterschieden:
• • •
Rückzugsziel, Kernziel, Idealziel.
Das Rückzugsziel benennt dabei das Minimum (untere Begrenzung), das für Sie gerade noch akzeptabel ist. Weniger führt Sie direkt zum Abbruch/Ausstieg aus der Verhandlung. Die andere Seite zeigt die Idealzielformulierung auf. Wenn Sie ideale Verhandlungsergebnisse als ein gerade noch vom Verhandlungspartner akzeptiertes Entgegenkommen benennen, liegt hier die (wahrscheinliche) obere Idealgrenze. Der breitere Zielkorridor zwischen Rückzugs- und Idealziel wird durch ein Kernziel markiert. Kernziele sind ein Platzhalter für ein durchschnittliches Verhandlungsziel zwischen den beiden anderen Zielbegrenzungen. Sie brauchen nur die drei positiven Zielgrößen aus Ihrem Zukunftsfernrohr zu beschreiben.
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Verhandlungsbeispiele
Rückzugsziel
Kernziel
Idealziel
Gebrauchtwagenkauf
Opel
Audi
Porsche
Arbeitsvertrag/ Umzug
zwei Umzugstage werden nur als bezahlbare Arbeitszeit angerechnet
vier bezahlte Umzugstage und Firmen-LKW mit Spritkosten
vier bezahlte Umzugstage und 100 Prozent der Speditionskosten
Scheidungsvereinbarung
Sofort-Verkauf Wohnhaus und jeweils 50 Prozent Erlöse aufteilen
Übergabe Wohnhaus zu 50 Prozent Verkehrswertschätzung sofort in bar
Übergabe Wohnhaus zu 50 Prozent Verkehrswertschätzung bei Notartermin plus zwei Jahre Wohnrecht
Abbildung 13: Beispiele für Brennglasziele
Sollten Sie keine dieser Zielgrößen in der Verhandlung erreichen, haben Sie bereits eine weitere Verhandlungsstrategie, die Ausstiegsstrategie, klar formuliert. Wertvoll ist, wenn Ihre Brennglasziele bereits operational (also in überprüfbarer Form für klare Verhandlungsabsprachen) formuliert werden. Unscharfe Zielbeschreibungen wie: möglichst günstiger Einkaufspreis, große Kostenbeteiligung bei Direktwerbemaßnahmen oder frühzeitige Ersatzteillieferung, scheiden aus. Wie wäre Ihre Beschreibung für den Gebrauchtwagenkauf in der Beispielaufstellung? Ist Ihnen der genaue Wagentyp wichtig (Audi A4, Porsche Cayenne)? Spielt die Kilometerleistung eine Rolle (max. 80 000 km). Wie steht es mit Motorleistung, Erhaltungszustand und Anzahl der Vorbesitzer? Für solche operationalen Zielformulierungen haben sich SMART-Kriterien als gut geeignet herausgestellt. Formulieren Sie vor jeder Verhandlung Ihre Ziele mit Hilfe dieser Checkliste. Checkliste: Operationale Verhandlungsziele in der Vorbereitungsphase Zielformulierungskriterien:
Begründung, Nutzen und Formulierung:
Spezifisch
Ziele beschreiben Sie am besten mit klaren Anforderungen an den Endzustand. So als wären diese Ziele bereits erreicht: Formulieren Sie in der Gegenwart, verwenden Sie keine ungenauen Konjunktive.
Messbar
Definieren Sie Ihr Hauptziel und Ihre Ausstiegsziele mit bewertbaren Größen. Nur an den Messgrößen sehen Sie, wann die Ziele erreicht sind.
Attraktiv
Ihr Ziel muss für Sie attraktiv, also motivierend sein. Welche Zwischenschritte sind dafür notwendig, welche Stolpersteine sollten beseitigt werden?
Realistisch
Ihre Ziele müssen realistisch und in der Verhandlung erreichbar sein. Deshalb ist die Wertung möglicher Hindernisse und Begrenzungen beim Verhandlungspartner wichtig.
Terminiert
Jedes gute Ziel hat einen definierten Erledigungszeitpunkt. Dieser Checkpunkt hilft Ihnen eine saubere Verhandlungsvorgehensweise zu planen.
Abbildung 14: Checkliste für operationale Verhandlungsziele
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Tipps für die Formulierung der Brennglasziele
•
Formulieren Sie die Begrenzungslinien Ihrer Verhandlungsziele als Brennglasziele auf der Basis der eigenen Machtdiagnose.
• • • •
Formulieren Sie zuerst das Idealziel als Obergrenze. Benennen Sie ein messbares Rückzugsziel als Untergrenze. Verdeutlichen Sie die Kernzielformulierung durch einen mittleren Zielwert. Formulieren Sie Ziele immer positiv und zukunftsgerichtet.
3. Schritt: Ziele strukturieren Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche! Welches sind Ihre Hauptziele? Sind Ihnen viele eigene Einzelziele eingefallen? Bitte werten Sie in der Zielsammlung alle übergeordneten Hauptziele. Hauptziele sind übergeordnete Verhandlungsziele, die einige Einzelziele umfassen. Sollten keine dabei sein, versuchen Sie wenige Hauptziele anhand Ihrer Einzelziele zu formulieren. Für besseren Durchblick sorgt die hierarchische Zielkaskade:
Abbildung 15: Zielkaskaden schaffen Transparenz
Die Kunst besteht darin, bereits jetzt ein geeignetes gemeinsames Verhandlungsziel und Verhandlungsthema für alle Verhandlungsparteien herauszuarbeiten. Gemeinsame Verhandlungsziele bilden die oberste, die erste Ebene. Diese gemeinsamen Verhandlungsziele sind der große Interessensschirm, unter dem alle weiteren Ziele beider Seiten Platz finden können. Sie bilden zwar die erste Ebene der Zielkaskade, werden aber erst zum Schluss der Zielformulierung ermittelt. Auf der zweiten Ebene finden Sie die Schwerpunkt-Interessen beider Verhandlungspartner. Detaillierte
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Interessens- und Motivanalysen der Verhandlungspartner, die Ihnen die heutige Motivationspsychologie zur Einschätzung Ihrer Verhandlungspartner aufzeigt, werden in Kapitel 2 vorgestellt. Die zweite Ebene nennen wir Interessensdächer der Verhandlungsparteien. Sie decken übergeordnete Interessen ab. Aus dem Interessensdach werden auf der dritten Ebene die Einzelziele der Verhandlungsseiten abgeleitet. Hauptverhandlungsziele sind den eigenen (oder fremden) Detailzielen übergeordnet. Detailziele sind in den Hauptzielen der hierarchischen Zielkaskade immer bereits enthalten. Auf der vierten Ebene finden Sie aus Hauptargumenten abgeleitete Detailziele, die in ihrer Vielzahl unüberschaubar sein können und einem offenen Katalog gleichen. Diese Ebene ist am unwichtigsten. Es kommt nur darauf an, Einzelziele richtig einzuordnen. Diese Ebene birgt sogar die große Gefahr, sich in Details zu verlieren. Einzelargumente sind auch der Hebel für vielfältige Manipulationen (siehe Kapitel 4). Führen wir uns das an einem Beispiel vor Augen: Das gemeinsame Verhandlungsziel besteht beispielsweise darin, Vereinbarungen zum zeitlich optimalen Lieferungsablauf von Produktkomponenten zu vorhandenen Lagerkapazitäten beider Verhandlungsparteien abzuschließen. Verhandlungsziele der ersten Ebene müssen für beide Seiten eindeutig und akzeptiert sein. Die Verhandlung würde sonst in die falsche Richtung laufen und Zeit vergeuden durch spätere neuerliche Klärungsschritte. Bereits in der Vorbereitungsphase klären Sie für die zweite Ebene, was aus Ihrer Sicht maximal (einschließlich Ihrer Ausstiegsgrenze) erreicht werden sollte (eigenes Interessensdach). In dem Beispiel kann das die vollständige Kostenübernahme bei eventuell notwendiger zusätzlicher Anmietung von Fremdlägern zur Zwischenlagerung für Ihr Idealziel bedeuten. Ein Beispiel für ein Ausstiegsziel ist etwa: Ihr Lieferant übernimmt als Verhandlungspartner eine Kostenbeteiligung für Einrichtung, Miete und Unterhalt von zusätzlichen Zwischenlägern zu mindestens 80 Prozent aller anfallenden Kosten. Aus verhandlungstaktischen Gründen (Details werden in Kapitel 4 und 5 näher betrachtet) sollte sich die Zielkaskade an den eigenen Idealzielen und den Minimalzielen des Verhandlungspartners orientieren. Drohen Machtkonflikte, ist es fruchtbar, eine mittlere Kompromisslösung (Kernziele) als Zusatz in den Zielkatalog aufzunehmen. Eigene Ziele sollten innerhalb des Rahmens Ihrer Machtdiagnose immer realistisch und durchsetzbar sein. Fazit: Die Ziele in Verhandlungen zu bestimmen, hat deshalb solch eine große Bedeutung, weil Zielvorstellungen durch die eigene intensive Vorbereitung, gedankliches Vorwegnehmen von Reaktionen Ihres Verhandlungspartners und die Beschäftigung mit den eigenen Minimalzielen im Kopf schon sehr konkrete Lösungswege vorzeichnen. Sie stellen sich bereits einen Verhandlungsprozess vor, da Sie sich ja bei der Zielkaskade sehr intensiv mit den möglichen Zielen und Interessen der anderen Seite auseinandersetzen. So können Sie noch Informationslücken füllen und realistische gemeinsame Verhandlungsziele ableiten. Mit diesen Werkzeugen werden Sie in der Lage sein, Prozesse (siehe dazu vertiefend Kapitel 3) derart zu steuern, dass statt eines Ausstiegs (Verlierer-Verlierer-Situationen) mindestens Ziele oberhalb der Machtlinie in Richtung Kooperation erreichbar sind. Leider werden 35
gemeinsame Ziele und Verhandlungsinteressen zu Beginn regelmäßig zu wenig abgeglichen. Das führt zu Missverständnissen und überflüssigen Konflikten und kostet im Laufe der Verhandlung viel zusätzliche Klärungszeit. Investieren Sie deshalb Ihre Vorbereitungszeit in saubere Zielbeschreibungen beider Verhandlungsseiten. Formulieren Sie dazu immer die Brennglas-Zielgrenzen mit Ideal- und Ausstiegsziel. Dann können Sie flexibel im mittleren Zielbereich mit Ihrem Verhandlungspartner nach Lösungen suchen. Wenn Sie die Zielkaskade zur Vorbereitung aller wichtigen Verhandlungen nutzen, werden Sie automatisch sicherer auftreten, überzeugender argumentieren, Verhandlungsgrenzen einfacher erkennen und den Verhandlungsablauf auf förderliche Weise beschleunigen. Sie haben jetzt ein eigenes gutes Verhandlungs-Zielfernrohr!
Tipps für die Zielkaskaden-Analyse:
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•
Hierarchisieren Sie in der Vorbereitungsphase Ihre Verhandlungsziele nach den vier Zielebenen der Zielkaskade.
• • •
Klammern Sie vorerst Detailziele aus.
• •
Machen Sie einen Formulierungsvorschlag für gemeinsame Verhandlungsziele.
•
Bewegt sich Ihre Zielkaskade in einem auch für den Verhandlungspartner akzeptablen Bereich?
•
Überprüfen Sie, ob die (ausgeklammerten) Detailziele in den Hauptzielen subsumiert sind. Dieses ist besonders wichtig beim Verhandlungspartner.
•
Welche Informationslücken über Ziele und Interessen des Verhandlungspartners sollten Sie noch vorab klären?
•
Welche zeitraubenden Detailziele des Verhandlungspartners sollten nicht auf die Tagesordnung der Verhandlung?
• • •
Haben Sie sich auf die wesentlichen Ziele konzentriert?
•
Haben Sie Ihre Verhandlungsstrategie nach Machtdiagnose und Zielkaskade ausgewählt?
Formulieren Sie das übergreifende Interessensdach für Ihre eigenen Hauptziele. Beschäftigen Sie sich genauso intensiv mit der Zielkaskade Ihres Verhandlungspartners.
Berücksichtigen Sie auch mögliche Ziele und Interessen von Stakeholdern des Verhandlungspartners.
Haben Sie die gemeinsamen Verhandlungsziele lösungsneutral formuliert? Sind alle Verhandlungs-Ziele operational formuliert (eindeutig, überprüfbar und klar nach Umfang, Leistungen, Kosten/Ertrag)?
Jenseits von Harvard: Überlegene Strategieplanung mit dem High-Speed-Verhandlungssystem Wir wissen heute durch die aktuelle Verhandlungsforschung1, dass normative Verhandlungsmodelle wie das Harvard-Konzept2 einige Schwächen haben, da sie eine idealistische Rationalität unterstellen, die in der Verhandlungswirklichkeit nicht greift. Verhandlungsführer haben dagegen nicht konstant das notwendige Wissen, die wichtigen Hintergrunddaten sind nicht immer verfügbar und einsatzbereit, und sie verhalten sich nicht vollkommen rational. Der größte Unsicherheitsfaktor am Verhandlungstisch ist der Faktor Mensch. Untersuchungen zeigen sogar bei länger andauernden Verhandlungen eine zunehmende emotionale Verhärtung zwischen den Verhandlungsparteien. Es ist nicht möglich, dass ein professioneller Verhandler selbst immer rational und überlegt handelt. Bei Ihrem Verhandlungspartner können Sie das schon gar nicht voraussetzen. Fazit: Vorrangig ist es deshalb in jeder Verhandlung, zuerst die Verhandlungssituation und den Verhandlungsprozess stabil, überschaubar und transparent zu gestalten. Erst dadurch können Sie eine gute Basis für rationales Verhalten gewährleisten. Einen idealen Verhandlungsstil für alle Arten von Verhandlungen gibt es deshalb nicht. Jede Verhandlungssituation benötigt einen speziellen Verhandlungsstil. Dieser sollte sich an den wichtigen Verhandlungsfacetten orientieren. Erst aus der Bewertung einer konkreten Verhandlungssituation können Sie dann einen speziellen Verhandlungsstil, besser ein maßgefertigtes Verhandlungsprofil, entwerfen.
1.4 Den eigenen Verhandlungsstil entwickeln Aus Ihrer geplanten Verhandlungsstrategie entwickeln Sie den passenden Verhandlungsstil. Der Verhandlungsstil gibt bereits Hinweise für konkretes eigenes Verhandlungsverhalten. Sie können daraus einerseits Ihr eigenes taktisches Verhalten ableiten. Andererseits zeigt Ihnen Ihr Soll-Verhandlungsstil gleich eigene Verhaltensreaktionen in Bezug auf das Verhalten der anderen Verhandlungsseite auf. Gleichzeitig grenzen Sie den Rahmen für flexibles und intuitives Verhalten während der Verhandlungsdurchführung ab. Sollte sich der Verhandlungsrahmen ändern, können Sie sicher reagieren. Ihre fundierte Machtdiagnose, die Formulierung klarer eigener Ziele sowie die Berücksichtigung von Interessen und Einflüssen aus dem Stakeholderradar und der Zielkaskaden helfen Ihnen, Ihren optimalen Verhandlungsstil zu bestimmen.
1 Vgl. Hasler-Dierauer (2007), S. 69. 2 Vgl. Fisher/Ury (2009).
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Das Verhandlungsstilprofil Ein Verhandlungsstilprofil gewichtet Ihren persönlichen Verhandlungsstil nach sechs wichtigen Facetten, statt einen durchgehenden harten oder weichen Verhandlungsstil zu propagieren. Sie konkretisieren mit diesem Profil Ihre Verhandlungsstrategie und leiten Hinweise für Ihr eigenes schlüssiges Vorbereitungs- und Durchführungsverhalten ab. Kurzreflexion: Probieren Sie es für eine Ihrer Verhandlungssituationen aus! Definieren Sie dafür Ihr spezielles Verhandlungsstilprofil.
Abbildung 16: Beispiel eines Verhandlungsstilprofils
Dieses Beispielprofil ist bewusst auf den Beginn einer Verhandlung mit einem noch nicht sehr gut vertrauten Verhandlungspartner ausgerichtet. Es gibt schnell Orientierung über den angestrebten Verhandlungsstil. Im weiteren Verlauf des Verhandlungsprozesses kann sich dieses Profil verschieben: Wird gegenseitiges Vertrauen während der Verhandlung aufgebaut, können Sie zum Beispiel den vierten Punkt hin zu mehr Handlungsspielraum für beide Seiten gewichten. Klare Absprachen, Spielregeln und andere vertrauensstärkende Prozessabsprachen zwischen beiden Verhandlungsparteien sind dazu zwingende Voraussetzungen. Schritt für Schritt reift bei einer Verhandlung mit gemeinsamen Interessen ein flexiblerer und offene-
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rer Verhandlungsstil heran. Diesen Freiraum können Sie mit Ihrem Verhandlungspartner für kreative zusätzliche Lösungswege nutzen. Der Schwerpunkt bei den Handlungsfacetten 1, 2 und 3 – ausgelöst durch den starken analytischen Anteil – liegt mehr in der Vorbereitungsphase einer Verhandlung, während die Handlungsfacetten 4, 5 und 6 mehr die Verhandlungsdurchführung betreffen. Sie können sich mit den sechs Handlungsfacetten gezielt vorbereiten und möglicherweise noch wichtige Ausgangspunkte vor der Verhandlung beeinflussen. Als zentrale Frage steht im Raum: Wie stark wollen Sie auf diesen Verhandlungsfacetten beharren? Welche sind für Ihren Verhandlungserfolg kaum wichtig?
Die Handlungsfacetten Damit Sie selbst einen Maßanzug für Ihre Verhandlungssituationen schneidern können, führen Sie sich die Bedeutung der Verhandlungsstilfacetten kurz vor Augen:
•
Handlungsfacette 1: Einflüsse im Verhandlungsumfeld klären und integrieren (Stakeholdereinflüsse)
In der Stakeholderdiagnose haben Sie bereits Einflüsse anderer wichtiger eigener Personen und Bereiche gewertet. Es gehören auch die Einflüsse von Einflussnehmern der anderen Verhandlungspartei dazu. Wie stark werden diese Einflüsse auf die Verhandlung sein? Wie stark müssen Sie sich mit diesen Einflüssen beschäftigen? Wie stark werden Sie durch integrierende oder ausgrenzende Maßnahmen gebunden?
•
Handlungsfacette 2: Verhandlungsmacht analysieren und steuern
Wenn die Nutzung des Machtverhältnisses bedeutsam für Ihr Verhandlungsergebnis sein kann, sollten Sie deutlich die Machtfacette einbringen. Haben Sie aus der Machtdiagnose Hinweise für ein starkes Machtungleichgewicht erhalten? Bestehen Chancen, die erhobene Machtsituation zu verändern? Werden Sie oder Ihr Verhandlungspartner die Machtkarte spielen? Wie stark werden Sie die Machtsituation im Verhandlungsstilprofil berücksichtigen?
•
Handlungsfacette 3: Interessen/Ziele analysieren und steuern
Es geht darum, das eigene Verhandlungsverhalten an der Richtschnur der bereits eingeschätzten Verhandlungsziele auszurichten. Daran können Sie später ideal Ihre sachliche Argumentation und Überzeugung anbinden. Welches Verhandlungsverhalten erwarten Sie aus der Zielkaskade vom Verhandlungspartner? Waren die Hauptziele und Interessensdächer des Verhandlungspartners transparent und logisch aufgebaut? Haben Sie einen einleuchtenden Vorschlag für ein gemeinsames Verhandlungsziel abgeleitet? Können (Detail-)Ziele vorerst ausgeklammert bleiben? Wäre eine schnelle motivationspsychologische Motivklärung für das Verhalten des
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Verhandlungspartners nützlich? Kann es zu harten Positionsverhandlungen kommen, weil ein Verhandlungspartner seine heimlichen Motive nicht offenlegt?
•
Handlungsfacette 4: Den Verhandlungsprozess/Handlungsspielraum steuern
Der gemeinsame Problemlösungsprozess hat große Bedeutung, damit Sie sich nicht verlaufen und verzetteln. Ein Zick-Zackkurs zum Ziel ist umständlich, bindet Kräfte, erzeugt Unzufriedenheit und zeugt nicht von hoher Steuerungskompetenz. Da es immer mehrere Wege zum Verhandlungsergebnis gibt, geht es mehr um die Orientierung, effektives Vorgehen und neue kreative Lösungswege, damit zeitraubende Sackgassen vermieden werden. Wollen Sie beharrlich und hartnäckig auf einer vereinbarten Vorgehensweise bestehen? Ist eine neutrale Moderation des Verhandlungsprozesses sinnvoll? Wollen Sie über eine abgesprochene Agenda und Teilschritte den Ablauf steuern? Ist es sinnvoll, eine transparente und glaubwürdige Vorgehensweise sowie Bearbeitungsschritte festzulegen? Sollte eher eine gemeinsame flexible Vorgehensweise dominieren? Wollen Sie die verfügbare Zeit fair planen? Macht eine Rollenteilung bei inhaltlichen Lösungen und eventueller Moderation großer Personenkreise Sinn? Sehen Sie eine Selbstmoderation mit abgesprochenen Arbeitsschritten oder eher große Handlungsspielräume als wichtig an?
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Handlungsfacette 5: Verhandlungsklima, -beziehungen und -kommunikation steuern
Es geht bei dieser Festlegung um das Verhandlungsklima zwischen den Parteien. Dominieren kurzfristige Überlegungen oder eine langfristige Geschäftsbeziehung mit vertrauensvollem Klima? Soll sich eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung weiterentwickeln? Mit welchem Verhalten steuern Sie das Verhandlungsklima zu konstruktiven Verhandlungslösungen? Welche wertschätzenden Maßnahmen für die Personen und die Arbeitsatmosphäre werden Sie ergreifen? Welche kommunikationspsychologischen Verhaltenstechniken sollten genutzt werden? Wie gehen Sie mit Irritationen, Bedenken und Widerstand gegen Lösungsvorschläge um? Wie soll eine vertrauensvolle Verhandlungssituation gestaltet werden?
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Handlungsfacette 6: Sachergebnisse, Nutzenargumentation und Überzeugung steuern
Diese Stilfacette zeigt, welche Bedeutung Sie einem sachlichen Verhandlungsergebnis zumessen. Wie bedeutsam sind geeignete Überzeugungstechniken, Nutzen- und Interessensbezug für Sie? Soll die Beseitigung von Abschlusshindernissen stark berücksichtigt werden? Spielen kreative Handlungsmöglichkeiten, die Absicherung der Teil- und Gesamtlösungen bei Entscheidern eine Rolle? Wie stark soll Wert auf sachliche Argumentation gelegt werden?
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Den eigenen Verhandlungsstil definieren Kurzreflexion: Wählen Sie für eine Ihrer Verhandlungssituationen einen passenden Verhandlungsstil. Eine erste grobe Einschätzung reicht aus. Diese Stilwertung werden Sie in den Folgekapiteln Schritt für Schritt absichern. Definieren Sie das Verhandlungsstilprofil dafür. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Ihre Verhandlung? Bitte ermitteln Sie, worauf Sie sich bei diesen sechs wesentlichen Stilfacetten vorab ausführlicher vorbereiten müssen. Überprüfen Sie die Erkenntnisse aus Ihrer Machtdiagnose, der Stakeholderanalyse und aus der Analyse der Zielkaskaden! Wodurch könnten Sie Ihre Verhandlungsstärken ausbauen? Alle weniger wichtigen Klärungspunkte können Sie später nach und nach in der Verhandlung gemeinsam klären. Eine zusätzliche Worklist zur Entwicklung Ihres persönlichen Verhandlungsstils über alle sechs Handlungsfacetten erhalten Sie online unter www.verhandlungsführung.com. Diese Handlungsfacetten werden Sie in den nächsten Kapiteln Punkt für Punkt kennen lernen, untermauert mit neuen handlungspsychologischen Erkenntnissen. Ihre Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin als Verhandlungsführer hat bei sechs Handlungsfacetten die größte Wirkung auf den Verhandlungserfolg. Jeder Verhandlungsfall erfordert mit seinen Rahmenbedingungen ein anderes Verhalten gegenüber dem Verhandlungspartner (Stärke eigener sachlicher und persönlicher Verhandlungsmacht, Einflüsse wichtiger Stakeholder und die Konsequenzen der Ziel- und Interessensklärung mit der Zielkaskade). Diese Handlungsfacetten müssen von Ihnen erkannt und konsequent eingehalten werden. Erst wenn bei fortgeschrittener Verhandlung einige Spielregeln etabliert sind, können Sie Schritt für Schritt mit mehr Vertrauen einen lockereren Umgang miteinander probieren. Wichtig ist dies für kreative Verhandlungslösungen. Dazu bedarf es gemeinsam akzeptierter Verhandlungsspielregeln. Der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen erfolgt schrittweise. Die angemessene Verhandlungsstrategie wird in umsetzbares Verhalten und konkrete Maßnahmen zu allen sechs Handlungsfacetten verwandelt. Sie verfügen damit über ein fallspezifisches Verhandlungsstilprofil.
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2. Die Verhandlungsinteressen mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern Verhandeln macht den meisten Menschen Freude und setzt eine hohe innere Motivation frei. Werden im Geschäftsalltag diese „persönlichen Lustgewinne“ heute konstruktiv genutzt? Leider nein! Auch manche wichtige private Verhandlung endet schnell in tiefer Unzufriedenheit. Die Grundregeln, nach denen lustvolles Verhandeln mit positivem Ergebnis funktioniert, können Sie lernen.
2.1 Einflüsse der Motivationsforschung auf den Verhandlungserfolg Neuere Erkenntnisse der Motivations- und Handlungsforschung Es geht nun darum, wie Sie einen besseren Durchblick bei Zielen, Interessen und Motiven der verhandelnden Personen bekommen. Sachliche Verhandlungsziele werden oft stark durch individuelle Interessen überlagert. Das High-Speed-Verhandlungssystem hält für Sie ein Schnelldiagnose-Werkzeug für (oft bewusst verheimlichte) menschliche Bedürfnisse bereit. Die zentralen drei menschlichen Motive sind erforscht und liegen mit konkreten Handlungshinweisen für Ihre Verhandlungen vor. Verhandlungsprofis nutzen derartige Werkzeuge der Motivations- und Handlungspsychologie und verfügen mit der Motivdiagnose über ein mächtiges Transparenzwerkzeug. Gute Verhandlungsergebnisse sind in einen komplexen Motivations- und Überzeugungsprozess eingebettet. Wie Sie Verhandlungen mit den richtigen Hebeln, Stellknöpfen und Motivationsschritten steuern, erfahren Sie anschließend beim Interessensanalyse-Radar. Den Abschluss bildet ein Interessensprüfstand im Hinblick auf die Zufriedenheit des Verhandlungspartners mit vorgeschlagenen Lösungen. Diese Erkenntnisse der Motivationspsychologie geben Ihnen eine solide Basis zur Steuerung des gesamten Verhandlungsprozesses. Neugierig? Dann sollten Sie alles gleich an Ihren Verhandlungsbeispielen ausprobieren!
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Lust und Frust beim Verhandeln Zähe Verhandlungen ziehen sich hin, es müssen Daten, Möglichkeiten und Interessen beider Seiten ausgelotet werden, die Verhandlungspartner halten sich bedeckt, bangen um das vermeintlich größte Stück vom Kuchen oder pokern mit unfairen Methoden: Es geht um viel, und langsam wird der Verhandlungsprozess zu einer nervigen Angelegenheit. Unbewusste emotionale Signale schieben sich wie Wolken vor den Sachverstand und verdunkeln erreichbare Verhandlungsziele und das Denken der Beteiligten: Die Frustrationsspirale beginnt zu kreiseln! Druckmotivation hat meist ausgedient: Es geht vielmehr darum, Interessen schnell zu erkennen und sie in einem fließenden Verhandlungsprozess zu nutzen. Diese Aufgabe lösen Sie als Verhandlungsprofi mit motivationspsychologischen Mitteln. Zufriedenheit und sogar Glücksmomente können so erreicht werden. Der sogenannte Flow ist das Ziel des Verhandlungsexperten!
Frustrationsspirale umgehen Die Frustrations-/Flow-Spirale kennen Sie aus der Schule: Beim Lernen motivieren Sie sich durch das Gelernte, das Sie abspeichern, verstehen und für neue Problemstellungen nutzen können, immer wieder selbst. Als Lernender besteht die Kunst darin, den Lernstoff so einzuteilen, dass man sich fordert, an die eigene Leistungsgrenze geht, ohne sich zu überfordern. Sonst geraten Sie durch Überforderung – oder auch durch Unterforderung – in eine Frustrationsspirale: Erfolge bleiben bei ständiger Überforderung aus und Unterforderung macht auch keinen Spaß. Glücklich und zufrieden macht nur das richtige Maß an Herausforderung, das den eigenen Fähigkeiten entspricht und so Lernerfolge garantiert. Dieser Frust-/Flow-Mechanismus ist beispielsweise in kommerziellen Computerspielen als Motivationsmechanismus clever eingebaut. Sein Reiz liegt in der Mischung aus Misserfolgen und Erfolgen. So werden anfängliche Misserfolge durch Herantasten an den Schwierigkeitsgrad in Erfolgserlebnisse verwandelt. Trotz anfänglicher Misserfolge zieht die Hoffnung auf mögliche spätere Spielerfolge die Spieler in den Bann. Spielerfolge führen zu immer mehr Bestätigung und treiben die Motivation regelrecht nach oben: Es kann Sucht entstehen. Wenn eigene Kompetenz erlebt wird, beginnen Spieler das Spiel zu genießen, versuchen, sich dieses euphorisierende Gefühl zu erhalten, und gehen voll in der Spielaufgabe auf: Der Computerspieler erlebt das, was Mihaly Csikszentmihalyi Flow3 genannt hat.
3 Vgl. Csikszentmihalyi (2010).
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Schneller geht es im Flow-Kanal Aus dem Flow-Konzept von Csikzsentmihalyi können wir für schwierige Verhandlungssituationen viel lernen. Ein Flow-Erlebnis ist:
• • • •
ein Zustand extremen eigenen Wohlbefindens,
•
ein Arbeitsprozess, der ohne Störungen glatt abläuft.
selbstvergessenes Aufgehen in der Aufgabe, eine gut von Ihnen beherrschbare Tätigkeit, sehr gutes Zusammenpassen von hohen Aufgabenanforderungen mit Ihren vorhandenen Fähigkeiten und
Diesen Flow-Zustand können Sie auch in Ihre Verhandlungen mit einplanen. Flow entwickelt sich zwischen Überforderung (Angst) und Unterforderung (Langeweile) und zielt auf eine motivierende persönliche Herausforderung beim Überschreiten eigener bisheriger Leistungsgrenzen.
Abbildung 17: Ein Flow-Kanal existiert ohne Unterund Überforderung
Hoher Flow hängt von der richtigen Wahl der Anforderungen für eine Aufgabe und den passenden eigenen Fähigkeiten ab. Zwei Beispiele: Angenommen, Sie sollen ein völlig neues Projekt übernehmen. Es geht um eine neue Technologie, die erstmals umgesetzt werden soll. Leider hatten Sie als Ingenieur damit bisher nichts zu tun und besitzen keinerlei Facherfahrung. Ihre fachlichen Fähigkeiten liegen unter den Projektanforderungen. Ihre spontane Erkenntnis: Sie fühlen sich überfor-
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dert. Die Folge können Frust-, Versagensbefürchtungen und mögliche negative Konsequenzen für Ihren beruflichen Aufstieg und Ihr Privatleben sein. Sie verspüren eine ähnliche Unlust bei einer anderen neuen Aufgabe, die Sie seit Jahren fachlich routiniert abgewickelt haben. Durch diese ständig wiederkehrende Routine fühlen Sie sich als Fachmann heute deutlich unterfordert. Ihre Fähigkeiten liegen weit über den Anforderungen: Sie sind gelangweilt und ebenfalls frustriert.
Tipps zur Flow-Steuerung in der Verhandlung: Versuchen Sie, den Verhandlungsprozess ohne Unterbrechungen zügig ablaufen zu lassen. Sie können an die Leistungsgrenze aller Beteiligten gehen, sollten sich aber nicht überfordern. Sie (und Ihr Verhandlungspartner!) sollten stets die Verantwortung im Auge behalten; dabei hilft eine Übersicht über mögliche Ergebnisse und Rahmenbedingungen. Eine optimale Verhandlung benötigt eine klar erkennbare Struktur, sonst tritt kein Flow-Erlebnis ein.
Interessen mit Flow verstärken Je schwieriger eine Verhandlung wird, desto mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Partner zu einem gemeinsamen Verhandlungserfolg kommen. Gleichzeitig steigt nach Einschätzung der meisten Menschen die Misserfolgswahrscheinlichkeit kontinuierlich an. Die Motivationspsychologie hat seit Jahren Belege sammeln können, dass die subjektiv erlebte maximale Motivation nur im mittleren Bereich der Aufgabenschwierigkeit liegt. Dieser Bereich ist der Flow-Bereich.
Abbildung 18: Zusammenhang von Zufriedenheit und Aufgabenschwierigkeit
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Erfolgsmotivierte (oder sollen wir besser sagen: flowmotivierte?) Menschen kennen genau den Korridor ihrer optimalen persönlichen Zufriedenheit. Sie können ihre Leistungsfähigkeit und die Aufgabenschwierigkeit gut einschätzen und wählen möglichst nur solche Tätigkeiten, die im Ergebnis diese optimale Motivation versprechen. Sie kalkulieren subjektiv die Wahrscheinlichkeit, wie zufrieden sie sein werden, bevor sie eine Aufgabe beginnen. Die Flow-Spirale wird bei diesen, oft hoch leistungsmotivierten Menschen, immer weiter angekurbelt. Misserfolgsmotivierten Menschen gelingt das nicht (es fehlen ihnen Erfahrungs-/Vergleichswerte), diesen optimalen Motivationsbereich zu treffen. Sie setzen sich entweder zu hohe unrealistische Ziele (sie überfordern sich) oder sehr niedrige Ziele (sie unterfordern sich). Misserfolgsmotivierte Menschen landen mit großer Wahrscheinlichkeit in der Frustrationsspirale! Den Flow erleben Sie aber nicht genau im Maximum Ihrer Motivationskurve, sondern etwas darüber. Die Erfahrung, eigene Grenzen knapp zu überschreiten, macht das Flow-Erlebnis aus. Suchen Sie mit Ihrem Verhandlungspartner die Herausforderung, das Maximum der gemeinsamen Zufriedenheit! Optimal sind Sie nur bei ständiger Herausforderung motiviert. Kreativität und Produktivität in Verhandlungsprozessen wird hier besonders gut erreicht. Wichtig ist für Ihren Verhandlungspartner, dass er sich ständig etwas steigern, über sich hinauswachsen kann. Diese Chance sollten Sie immer nutzen! Fazit: Hier noch einmal zusammengefasst, wie Sie die Erkenntnisse über den Flow bei Verhandlungen nutzen können: Erkenntnisse:
Umsetzung:
Fähigkeiten und Verhandlungsanforde- An eigene fachliche Leistungs-, Fähigkeitsrungen müssen herausfordernd zusammen- grenze gehen, sie aber nicht überschreiten. passen. Verhandlungsanforderungen sind klar Tagesordnung, Verhandlungsagenda geund eindeutig den vereinbarten Zielen und meinsam vereinbaren und darin VerhandVerhandlungsphasen zugeordnet. lungsaufgaben klar strukturieren. Dazu passende motivierende Aufgaben für alle Beteiligten auswählen. Beteiligte Fachfunktionen prüfen und eventuell ergänzen. Konzentration auf das Verhandlungsziel ge- Motive und Interessen von Stakeholdern und schieht durch Eigenmotivation und nicht Beteiligten ansprechen und benennen lasdurch äußere Zwänge. sen. Plötzlicher Zeitdruck wird vermieden; es Ausreichend Zeit für kreative Lösungsschritte steht ausreichend Klärungszeit zur Ver- einplanen, aber zeitlich begrenzen. fügung, die flexibel eingesetzt werden kann. Persönliche Interessen/Vorlieben ver- Dazu passende motivierende Aufgaben für schmelzen mit der Verhandlungsaufgabe. alle Beteiligten auswählen. Beteiligte Fachfunktionen prüfen und eventuell ergänzen. Teil-Verhandlungsergebnisse werden sofort Beispielsweise durch E-Mail-Verteiler mit sozurückgemeldet und der Status ist jederzeit fortiger Information an alle beteiligten Verhandler. transparent.
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Erkenntnisse:
Abbildung 19: Tipps zur Flow-Steuerung in der Verhandlung
Umsetzung:
Der Verhandlungsprozess läuft möglichst Im Fluss bleiben und äußere Ablenkungen unterbrechungsfrei und zügig ab. wie Telefon, E-Mail oder Besucherstörungen draußen lassen und organisatorisch abblocken (z. B. in Meetings). Leerlauf einzelner Verhandlungsteilnehmer vermeiden. Ziel, Ergebnis und Betroffenenumfeld im Selbst kontrollieren lassen durch offene Blick behalten. Agenda für alle Beteiligten.
2.2 Psychologische Motivdiagnose Sie wollen möglichst schnell die Motive Ihres Verhandlungspartners erkennen? Herausfinden, was ihn leitet und interessiert? Um die Interessen und Beweggründe Ihrer Verhandlungspartner zu ermitteln, habe ich eine Reihe von Frühdiagnose-Tests entwickelt, die umfassend erprobt sind. Da sogar verdeckte Motive bereits an Verhaltens- und Organisationswünschen abzulesen sind und in Smalltalk-Gesprächen unbewusst offen gelegt werden, kann ein erfahrener Verhandler ein genaues Motivprofil seines Geschäftspartners schnell über wenige Checkfragen ermitteln. Aus diesen Motivprofilen Ihrer Verhandlungspartner, die im Folgenden erläutert werden, können Sie ein passgenaues Verhandlungsverhalten ableiten. Mit dem High-SpeedMotivprofiling erhalten Sie ein Instrument zur eindeutigen Interessensklärung für jeden Ihrer Verhandlungspartner. Auf dieses zentrale Tool bauen anschließend konkrete motivierende Verhaltens- und Steuerungsmöglichkeiten auf. Alle Analysen können Sie auch online durchführen.
Motivprofil-Diagnose: Drei Motivtypen schnell und klar erkennen Richtig gut steuern können Sie Ihre Verhandlungspartner nur, wenn Sie mit einer klaren Interessensanalyse die Ziele Ihres Geschäftspartners durchschaut/durchleuchtet haben. Die kognitive Motivationspsychologie zeigt uns gangbare Wege auf, wie wir als Menschen unser Handeln ausrichten, wie wir entscheiden, ob es für uns einen Wert hat, etwas zu unternehmen oder Zeit und Kosten zu investieren. Die Motivdiagnose-Tools, die ich im Folgenden vorstelle, eignen sich zur Blitzanalyse am Telefon, während Spontanverhandlungen im Flur oder wenn unerwartet neue Geschäftspartner direkt in der Kontaktphase eines Meetings auftreten. Sie können das Motivprofiling auch bei ausreichend Zeit und Vorinformationen über die Verhandlungspartner vor einer geplanten wichtigen Verhandlung einsetzen. Was wissen wir heute gesichert über wirksame Motivationsmechanismen? Was macht die Motivation Ihrer Verhandlungspartner – ja eigentlich aller Mitmenschen – aus? Und das Wichtigste: Wie erkennen Sie diese Motive? Den Idealfall habe ich Ihnen beim sogenannten Flow-Erlebnis bereits beschrieben. Menschen im FlowZustand motivieren sich selbst und steuern ihre Handlungen perfekt auf persönli-
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che Ziele hin. Sie gehen in der Aufgabe auf und sind dabei hochzufrieden. Bei Leistungssportlern, Computerspielern, Fachprogrammierern, Börsenhändlern, Wissenschaftlern oder Medizinern ist diese Selbstmotivation mit hohem persönlichen Einsatz und gleichzeitigen Spitzenleistungen selbst bei hoch komplexen Tätigkeiten bekannt. Die neueste empirische Motivationsforschung hat dazu wirksame Motivdimensionen herausdestilliert. In Fachkreisen spricht man von den „Big Three“ der Motivation. Diese Kernmotive beeinflussen menschliches Handeln, deshalb müssen Sie diese erkennen. In Verhandlungen hat es sich als hilfreich erwiesen, sich auf diese Motive zu konzentrieren: Motivtyp L: Leistungsmotiv dominiert Leistungsmotivierte reizen Situationen, in denen sie eigene Fähigkeiten unter Beweis stellen und sich steigern können. Das geschieht am besten bei eher mittelschweren, gerade noch bewältigbaren Aufgaben. Leistungsmotivierte wollen:
•
eine herausfordernde Aufgabe besonders gut bewältigen (besser sein als in der Vergangenheit, besser sein als andere),
•
selbst stolz auf das Arbeitsergebnis, das eigene Können und die Kompetenz sein können und
•
etwas wirklich Anspruchsvolles in Bezug auf das Ergebnis und die Vorgehensweise erreichen.
Neurobiologisch spielt bei Leistungsmotivierten zusätzlich die Wirkung des körpereigenen Hormons Vasopressin (Gedächtnisdroge) eine Rolle. Motivtyp K: Kontaktmotiv dominiert Der Kontaktmotivierte hat zum Ziel, ein bereicherndes und befriedigendes Sozialklima herzustellen, in dem sich alle beteiligten Personen wohlfühlen. Er sucht Anschluss an Gruppen und andere Menschen und baut Vertrauen durch seine Kontaktstärke auf. Er sucht soziale Kontakte, möchte von anderen Menschen gemocht werden und ist zuversichtlich. Er möchte auch im Arbeitsprozess neue interessante Personen intensiv kennenlernen. Eine Führungskraft kann kaum ein gut funktionierendes Projektteam ohne den Kontakttypen bilden. Kontaktmotivierte sind der Kitt, der eine Gruppe zusammenhält. Sie betonen soziale Aspekte von Teams. Beim Kontaktmotivierten spielt laut Forschungsergebnissen der Neurowissenschaft das „Glückshormon“ Dopamin eine entscheidende Rolle. Auf den Punkt gebracht, hat der Kontaktmotivierte folgende Bedürfnisse:
• • •
Er will freundschaftliche, gute zwischenmenschliche Beziehungen pflegen, mehr gute Kontakte knüpfen und ausbauen und gestörte Beziehungen wieder herstellen.
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Motivtyp E: Einflussmotiv dominiert Einflussmotivierte wollen andere Menschen von der Bedeutung ihrer Ideen überzeugen. Sie bieten oft wichtige strategische Einsichten und Erfahrungen für die gesamte Organisation an. Bevorzugte Situation für diese überwiegend an Macht- und Einflussgewinn interessierten Menschen sind Funktionen, in denen sie Einfluss auf andere Personen erhalten. Einflussmotivierte überzeugen oft andere, ihnen bei ihren Aufgaben zur Hand zu gehen. Ihnen gelingt es, das Verhalten anderer Menschen zu kontrollieren und ihren eigenen Einfluss zu vergrößern. Sie möchten sich stark fühlen und viel Prestige erlangen. Es verwundert nicht, dass ein hohes Einflussmotiv bei Erfolgen zu einer hohen Testosteronausschüttung im Körper führt. Einflussmotivierte wollen:
•
Einfluss und Macht auf Prozesse und Menschen und streben nach Kontrolle über andere,
• •
sich persönlich stark, bedeutsam und wichtig fühlen und sich mit eigenen Vorstellungen durchsetzen und etwas gestalten.
Eigene Motivdominanz testen und interpretieren Kurzreflexion: Bitte schätzen Sie nun Ihre eigene LKE-Dominanz ein, danach können Sie in einem zweiten Schritt diese erste Selbsteinschätzung anhand des Online-Diagnoseinstrumentes auf www.verhandlungsführung.com überprüfen. (Bitte gehen Sie nur in dieser Reihenfolge vor, damit es nicht zur Selbstbeeinflussung kommt!). Schauen Sie sich die Abbildungen 20 und 21 an und überlegen Sie, was bei Ihnen überwiegt:
•
Leistung: Mehr fachliche, exzellente Arbeitsleistungen und fachliche Weiterentwicklung?
•
Kontakt: Mehr der Kontakt, gutes Arbeitsklima, gemeinsame Arbeit mit einer Gruppe?
•
Einfluss: Oder eher ein Wunsch nach Steuerung, Lenkung und Einfluss?
Schätzen Sie in diesem Zusammenhang bitte ein, in welcher Relation die drei Motivdimensionen (Leistung, Kontakt, Einfluss) bei Ihnen zueinander ausgeprägt sind. (Das Maximum jeder Säule ist jeweils 100 Prozent). Bitte gewichten Sie also Leistung, Kontakt und Einfluss relativ zueinander und tragen Sie diese spontane Einschätzung entsprechend in die Abbildungen 20 und 21 ein. Nun können Sie den Online-Selbsttest „Individueller Interessensprüfstand durch Motivprofiling“ (www.verhandlungsführung.com) durchführen. So lernen Sie am eigenen Beispiel den Umgang mit diesem Werkzeug für die Schnelleinschätzung Ihrer Geschäftspartner. Bitte übertragen Sie das Ergebnis des Online-Tests dann in die Abbildung 21. Vorab noch kurze methodische Hinweise: Es gibt inzwischen einige sehr umfangreiche Motiv-Diagnosebatterien, die von Eignungsdiagnostikern
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und wissenschaftlich arbeitenden Psychologen genutzt werden. Leider sind komplexe und zeitintensive Erhebungsmethoden im Verhandlungsalltag nicht nutzbar.
Abbildung 20: Erste spontane Selbsteinschätzung. Mein Motivprofil heute (Datum: __________)
Natürlich ist es unrealistisch, dass Ihr Verhandlungspartner vor der Verhandlung einen umfangreichen Motivtest ausfüllt. Machbar und sinnvoll ist es, dass Sie nach einem Fragenkatalog eine strukturierte Einschätzung vornehmen.
Abbildung 21: Mein Motivprofil nach Online-Testung: SelbstWertung per OnlineInteressensprüfstand (Datum: __________)
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Oftmals finden wir bei ersten Einschätzungen auch Verfälschungen durch soziale Wünschbarkeit oder ein individuelles Wunschbild. Nutzen Sie den Online-Verhandlungs-Coach unter www.verhandlungsführung. com, um gerade am Anfang intensiv zu trainieren. Dort finden Sie weitere Beispiele und Diagnosemöglichkeiten zu Ihren Verhandlungssituationen. Sie erhalten individuelle Interpretationen und Beratung zu eigenen und fremden Motivprofilen. Bei unmittelbarem Bedarf finden Sie Hinweise für persönliche Trainings und Coaching zur gezielten Weiterqualifizierung Ihrer Verhandlungskompetenz, maßgeschneiderte Lösungsmöglichkeiten und praktikable Profi-Tipps für weitere Verhandlungsfragestellungen. Eine Vielzahl nützlicher Verhaltenslösungen und Verhandlungsmethoden mit neuen Tipps und Anwendungserfahrungen werden für Sie in der nächsten Zeit laufend zusätzlich durch unser Trainerteam online bereitgestellt.
Interessen der Geschäftspartner sofort erkennen und durchschauen Bei umfangreichen Erhebungen, die ich in den letzten Jahren mit vielen oberen Führungskräften gemacht habe, kommt deutlich zum Vorschein, wie schnell es zu Fehleinschätzungen bei Spontanwertungen dieser drei Kernmotive bei sich selbst kommt. Viele Menschen haben zunächst Probleme damit, sich selbst einzuschätzen. Die eigenen Wunschvorstellungen oder der Erwartungsdruck anderer Personen führen bei spontanen Selbsteinschätzungen zu Fehlern. Aussagen der ersten und zweiten Führungsebene in IT-Häusern lauten beispielsweise „Wir leisten sehr viel, haben hohe reale Arbeitszeiten, müssen ständig kommunizieren und haben eigentlich in unseren Organisationen kaum noch wirklichen Einfluss, um etwas zu gestalten und zu bewegen. Alles ist bereits starr, weil vorentschieden, und durch den Markt und die Organisationsformen fixiert. Echter Einfluss im täglichen Führungsalltag konvergiert oft gegen Null!“ (siehe Abbildung 22). Mit detaillierten Diagnoseinstrumenten (umfangreichen Testinstrumentarien mit hoher Validität) kam aber bei denselben Gruppen ein Motivationsprofil heraus, das diesen ersten „Verlautbarungen“ widersprach (siehe Abbildung 23). Erst nach ausführlichen Diskussionen, oft zusätzlichen Diagnosen und Verhaltensbeobachtungen mit sich wiederholendem Testergebnis wird das Motivprofil auch akzeptiert. Sie können also nicht einfach davon ausgehen, durch eine kurze Selbsteinschätzung sichere Aussagen zu erhalten – selbst wenn diese offen abgegeben wird und nicht mit dem Beweggrund, sich anders vor dem Gesprächspartner darzustellen. Spontane Abfragen sind häufig nicht zu verwerten.
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Abbildung 22: Motivprofil oberer Führungskräfte nach spontaner Selbsteinschätzung
Bei Motivtests kommt es regelmäßig zu Verwunderung („Misst der Test auch wirklich richtig? Das kann doch wohl nicht wahr sein!“). In solche Abfragen spielen zu viel soziale Erwünschbarkeit oder auch die mangelnde persönliche Reflexion mit hinein. Genauso werden Sie bei Ihrem Verhandlungspartner höchstens Misstrauen erzeugen oder verfälschte Ergebnisse bekommen, wenn Sie ihn direkt zu seinen Motiven, Beweggründen und Interessen befragen. Aber es gibt eine bessere Lösung: Sie können Ihren Verhandlungspartner indirekt anhand konkreter Fragen gut einschätzen, ihn indirekt interviewen (verdecktes Interview im Smalltalk) und sogar sekundäre Informationsquellen (Mitarbeiter, Kollegen und Kunden) heranziehen. Unsicherheit gibt es nur am Anfang, aber die können Sie bei jedem weiteren Kontakt abbauen. Nun hat sich herausgestellt, dass dieses LKE-Diagnose-Instrument (Online-Interessensprüfstand) bereits ein dominantes Motiv anzeigt, wenn auf der Messlatte (Leistung, Kontakt oder Einfluss) von den zehn möglichen Punkten zwei Punkte mehr als bei den anderen Motivdimensionen vorliegen. Die anderen beiden Motivdimensionen sind dann eher untergeordnet oder nachrangig. Außerdem wissen wir, dass Menschen bereits recht früh ihre Motivdominanz ausgeprägt haben (frühkindliche Prägung) und das Motivationsverhalten über Jahre stabil ist. Wer will auch jeden Tag sein Leben neu organisieren, neu ausrichten? Es würde unsere Mitmenschen sehr irritieren, wenn wir jeden Tag andere Lebensziele und Interessen verfolgten. Auch Sie haben Ihre persönliche Motivdominanz über viele Jahre und Jahrzehnte verfestigt und ausgebaut. Persönlichkeitsstärken kommen so besser zum Tragen. Das gibt Ihnen auch Sicherheit bei der Beurteilung konstanter Motive Ihres Verhandlungspartners. Sie brauchen nur einmal seine Motivdominanz (und bei den meisten Menschen ist nur eine Motivdimension vorherrschend) zu erkennen,
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Abbildung 23: Motivprofil oberer Führungskräfte nach Testung und Fremddiagnose
und schon können Sie sein Verhalten, seine Wünsche, seine Vorlieben, Interessen und Ziele auch künftig prognostizieren. Aber wie kommen Sie an ein abgesichertes Motivprofil Ihres Verhandlungspartners heran? Sie selbst müssen mit diesen Check-Fragen jonglieren und für Ihren Verhandlungspartner die möglichen Antworten einschätzen! Wie haben Sie sich dies vorzustellen? Sie haben in jedem Gespräch bereits in der Kontaktphase dazu eine Chance. Jeder Mensch äußert seine Vorlieben, seine Wünsche an die Arbeitsabläufe, zeigt in der Zusammenarbeit, was er möchte ... und offenbart so seine persönlichen Schwerpunktinteressen. Sie können seine drei Kernmotive an den geäußerten Einstellungen, sichtbaren Verhaltensweisen und sogar der persönlichen Lebensgestaltung eines Menschen ablesen. Denken Sie daran: Ihr Geschäftspartner offenbart sich Ihnen wie ein aufgeschlagenes Buch! Sie müssen nur darin lesen, nur zuhören, hinschauen und eventuell ein bisschen nachfragen! Mit dem durch das Diagnosetool ermittelten Motivprofil können Sie anschließend die Erwartungen, Interessen, Ziele und Wünsche Ihrer Geschäftspartner in Bezug auf die Verhandlung gut prognostizieren. Typische Erwartungen, wie beispielsweise zu Organisation und Ablauf, Kooperation, Delegation und Leitung, Aufgabenvorlieben, Qualitätsansprüchen an Lösungen, Verhalten in Meetings und Vorlieben beim Umgang mit Informationen und Terminen lassen sich bereits vorab erkennen. Wenden wir uns nun den drei Kernmotiven zu. Gehen Sie dabei zunächst erst einmal von sehr dominanten Motivtypen aus. Mögliche Mischtypen beschäftigen uns später.
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Tipps: So erkennen Sie den Leistungstyp sofort Typische Einstellungen und Verhaltenserwartungen hoch Leistungsmotivierter:
• • • • • • • • • •
Vorliebe für bedeutsame anspruchsvolle Fachaufgaben
• • • • •
verspürt Freude bei der Lösung herausfordernder Probleme
Wunsch nach Exzellenz als Fachmann und bei eigenen Arbeitsergebnissen Interesse an der eigenen fachlichen Weiterentwicklung starker Wunsch nach Leistungs-Feedback Fähigkeit, auf ein bestimmtes Ziel hin zu arbeiten Wunsch, allein an abgegrenzten Aufgaben zu arbeiten möchte an der Aufgabe bis zur erfolgreichen Erledigung dranbleiben mag wegen hoher Qualitätsanforderungen Aufgaben nur ungern delegieren liebt langfristige Planung von Aufgaben und Projekten übernimmt gerne Verantwortung für Vorgehensweisen und Prozessoptimierungen
liebt es, vorhandene Leistungsstandards zu übertreffen erwartet für erbrachte Leistung direkt zugeordnete angemessene Belohnung möchte klare, realistische und herausfordernde Ziele vor Augen will eindeutige Kriterien zur Erfolgsmessung angelegt wissen
Tipps: So erkennen Sie den Kontakttyp sofort Typische Einstellungen und Verhaltenserwartungen hoch Kontaktmotivierter:
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strebt nach sozialer Zuwendung hat den Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe möchte Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen unterstützt und hilft gern anderen Menschen verfügt über hohe soziale Kompetenzen möchte sich sozial gern weiterentwickeln wünscht, beliebt bei anderen zu sein, möchte gefallen strebt nach Gruppenkonsens und Interessensausgleich sucht nach persönlicher Interaktion
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vermeidet es, allein zu bleiben will Kollegen eher als Freunde gewinnen vermeidet es, andere zu verletzen und zu kritisieren glaubt fest an das Gute im Mitmenschen genießt es, in Gruppenprojekte eingebunden zu werden will auch zu Autoritäten eine persönliche Beziehung herstellen liebt es, mit Menschen zu arbeiten, die er gut kennt mag in Freundschaft und Harmonie mit anderen arbeiten und leben möchte andere Menschen glücklich machen gibt lieber positives als negatives Feedback lehnt Bitten um Unterstützung kaum ab
Tipps: So erkennen Sie den Einflusstyp sofort Typische Einstellungen und Verhaltenserwartungen hoch Einflussmotivierter:
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• •
sein Augenmerk gilt den übergeordneten Zielen eines Unternehmens
• • • • • • • • • • • • •
sucht Positionen und Aufgaben mit Prestige und Verantwortung
ist aufgeschlossen für Auszeichnungen und Titel, die seine Autorität unterstreichen
möchte gern andere Menschen führen und anleiten wünscht, selbst einen hohen Status in einer Organisation zu erreichen will seine Ideen durchsetzen will Einfluss auf andere Menschen haben will andere unterweisen und überwachen belohnt Untergebene eher für Loyalität als für direkte Leistung möchte überzeugend wirken verspürt den Wunsch, Ratschläge zu geben will die Bedürfnisse von Menschen oder strategischen Aufgaben beantworten steht gern im Rampenlicht mit wichtigen Persönlichkeiten möchte sein eigener Herr sein möchte Entscheidungen treffen und an den Stellknöpfen der Macht sitzen
Motivprofiling aller Verhandlungsparteien auswerten Eine weitere Stärke der Motivanalyse besteht darin, dass Sie Ihr eigenes Motivationsprofil recht einfach mit dem Profil Ihres Verhandlungspartners vergleichen können. Dieses Motivprofiling zeigt grafisch mögliche Konflikte und natürlich auch vorliegende Übereinstimmungen. Um Ihren Verhandlungspartner auf seine dominanten Motive ansprechen, steuern und überzeugen zu können – Sie haben später Gelegenheit, das ganz konkret an eigenen Fällen auszuprobieren –, sollten Sie genau auf diese Abweichung aus dem Motivprofiling schauen. Hier liegen die Steuerungshebel für Ihre Verhandlungsdurchführung. Kurzreflexion: Sie haben Ihre persönliche Motivdominanz per Selbsttest bereits eingeschätzt. Was sind Ihre Erkenntnisse und Klärungsfragen aus den Erläuterungen zum LKE-Konzept? Bitte notieren Sie für sich: 1. Womit tun Sie sich wahrscheinlich in Verhandlungen schwer? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 2. Was fällt Ihnen bei Ihrer eigenen Motivdominanz/Ihrem Motivprofil leicht? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 3. Mit welchen Motivtypen werden Sie schwieriger verhandeln können? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Wichtig ist es, neben Ihren Stärken in Verhandlungen auch die eigenen offenen Flanken zu erkennen. Schätzen Sie bitte eine Person, die Sie besonders gut kennen, nach dem LKE-Profil ein. Wie wäre es mit Ihrem Lebenspartner? Wichtig ist dabei, dass diese Person wirklich existiert. Am einfachsten geht das wieder über den Online-Test. (Einfach online ausfüllen und das Ergebnis mit Interpretationshilfe ermitteln lassen: www.verhandlungsführung.com.) Versetzen Sie sich in die Lage dieser Person und beantworten Sie aus der Sicht dieses Menschen die Fragen zum Motivprofil. Übertragen Sie danach bitte das Profil (oder den Ausdruck) für diese Person aus der Online-Diagnose in Abbildung 24 und verbinden Sie die Punkte zu einem Kurvenzug. Anschließend zeichnen Sie den Kurvenzug Ihres eigenen Testergebnisses dazu. So haben Sie sofort einen bildhaften Vergleich.
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Abbildung 24: LKE-Profiling/Vergleich mit anderer Person (P): __________
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie mit der Person P? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Welche Abweichungen sehen Sie zwischen Ihren eigenen Motivdominanzen und denen der Person P? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Wo sehen Sie Konfliktpotenziale durch unterschiedliche Interessen, Wünsche und Denkhaltungen zur Person P? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Durch welches eigene Verhalten können Sie die Kooperationschancen mit diesem Menschen verbessern? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Bitte vergleichen Sie Ihre Schlussfolgerungen mit den auf den nächsten Seiten folgenden Tipps zu Einstellungen und Verhaltenserwartungen der drei Motivtypen.
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Motivprofile von erwachsenen Menschen sind bekanntlich recht stabil und im Laufe der Lebensjahre gefestigt. Sie haben deshalb nur zwei Chancen bei Abweichungen, wenn Sie Ihren Verhandlungspartner zufriedenstellen und mit ihm eine kooperative Verhandlungsstrategie umsetzen wollen: 1. Sie passen sich dem Verhandlungspartner mit Ihren eigenen Motiven und Bedürfnissen an oder 2. Sie verändern das Umfeld, die Rahmenbedingungen der Verhandlung (Ablaufschritte, Organisatorisches) oder tauschen im Extremfall auf Ihrer Seite den Verhandlungspartner gegen jemanden mit eher passendem Motivprofil. Es ist nicht möglich, das Motivprofil Ihres Verhandlungspartners zu verändern, denn die Motive Ihres Verhandlungspartners sind stabil. Beim nächsten Beispielprofiling in Abbildung 25 sehen Sie sofort Gemeinsamkeiten beim Leistungsmotiv. Beide Verhandlungspartner haben von ihren persönlichen Interessen her einen ähnlichen Anspruch an die Qualität des Verhandlungsprozesses und der Ergebnisse. Während Sie im Beispiel für Ihr Motivprofil eine Dominanz bei Ihrem Kontaktmotiv sehen (die beiden Motivsäulen Leistung und Einfluss sind mehr nachgeordnet), hat der Verhandlungspartner (VP) sein dominantes Motiv sehr deutlich beim Einflussmotiv. Hier deuten sich mögliche Konflikte an: Der Verhandlungspartner will steuern und dominieren, ist aber nur sehr nachrangig an kooperativen Abstimmungen und vertrauensbildendem Verhalten interessiert. Wenn Sie Ihre Kontaktdominanz in der Verhandlung nutzen und Ihre Bedürfnisse voll einbringen, gibt es wahrscheinlich nicht nur Desinteresse beim Verhandlungspartner, sondern sogar Widerstand. Sie dagegen haben kein Verständnis für seine Einflussbedürfnisse und könnten hier ständig durch Negieren oder sogar Abwerten zu Konflikten beitragen. Bei einem Machtkampf, falls eine
Abbildung 25: Beispiel Motivprofiling: Wo liegen kritische Abweichungen zwischen mir und meinem Verhandlungspartner?
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Machtstrategie in der Verhandlung bevorzugt wird, kann es sein, dass der Verhandlungspartner dominiert und Machtkämpfe eher gewinnt. Bei diesem Beispiel-Profiling sollten Sie den Verhandlungspartner vieles entscheiden lassen (auch Nebensächliches), sein Profilierungs- und Statusbedürfnis wertschätzen und aktiv aus einer eher untergebenen Rolle heraus agieren. Bei harten Verhandlungen kann ein Wechsel der Verhandlungspartner auf Ihrer Seite diskutiert werden. Ausschlaggebend sind die Verhandlungsziele und -strategien beider Seiten. Kurzreflexion: Motivprofiling bei Verhandlungspartnern Nun haben Sie die Möglichkeit, berufliche Verhandlungspartner unter die LKELupe zu nehmen: Erstellen Sie nacheinander für drei reale Verhandlungspartner eine Online-Interessensdiagnose. Schätzen Sie Kooperationschancen und Konfliktpotenziale (anhand visualisierter Motivprofil-Vergleiche) ein. Was wären für diese Verhandlungen mit diesen konkreten Partnern passgenaue Argumente? Bitte erstellen Sie wieder jeweils ein LKE-Profil für einen Verhandlungspartner, tragen Sie es mit Ihrem eigenen in die Grafik ein und bewerten Sie die Fragen. Am einfachsten geht das mit dem Online-Vergleich. Das Profilingtool für die Motivdiagnose zweier Verhandlungspartner finden Sie unter www.verhandlungsführung. com. Dort erhalten Sie mit der Testauswertung auch eine erste Interpretation für Ihren Verhandlungspartner und Empfehlungen für die direkten Steuerungshebel dieses Motivtyps.
Abbildung 26: LKE-Profiling mit konkretem eigenen Verhandlungspartner (V1): __________
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie mit Person V1? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Welche Interessensabweichungen haben Sie mit Person V1? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Wo sehen Sie Konfliktpotenziale mit Person V1 aufgrund unterschiedlicher Interessen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Durch welches eigene Verhalten und durch welche Veränderung der Rahmenbedingungen können Sie die Kooperationschancen mit diesem Menschen verbessern? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
Tipps: Das High-Speed-Motivprofiling als Frühwarnsystem einsetzen Der wichtigste Tipp: Üben Sie zunächst spielerisch den Umgang mit diesen Motivprofilen. Sie können sie an Kollegen, Ehepartnern, Nachbarn oder den eigenen Kindern testen. Mit dem Lebenspartner können Sie möglicherweise auch darüber diskutieren, wie Fehleinschätzungen zu korrigieren sind. Vielleicht ist er sogar bereit, selbst einmal den Online-Test zu machen? Ihr Übungsziel sollte sein, sehr schnell und treffsicher die Motivprofile anderer Menschen einschätzen zu können und bereits nach einem ersten Telefonat oder Kontaktgespräch durch Fragen und Vorgehensvorschläge abgeprüft zu haben, wo die Kerninteressen liegen. Mit dem Motivprofiling haben Sie die Basis für ein Frühwarnsystem in der Hand. Steht für Sie erst einmal das Motivprofil für Ihren Verhandlungspartner fest, müssen Sie nur noch die geeigneten Steuerungshebel betätigen, die passenden Argumente auswählen und die Verhandlung passend gestalten. Damit Ihnen das schnell gelingt, habe ich bereits eine Vielzahl an Umsetzungstipps für Sie aufbereitet. Sie können diese Tipps genauso einfach auf private Verhandlungen mit Ihrem Lebenspartner übertragen wie auf Gehaltsverhandlungen mit Mitarbeitern oder dem eigenen Chef und natürlich auf komplexe Verhandlungen bei Akquisition oder Projektdurchführung. Mehr über das dazu notwendige Kommunikations- und Überzeugungsverhalten erfahren Sie in Kapitel 4 und 5. Zum High-Speed-Verhandlungssystem gehört vorher allerdings noch die Steuerung des Verhandlungsprozesses (Kapitel 3). Haben Sie Lust, gleich die Tipps auf einen Ihrer konkreten Verhandlungspartner zu übertragen? Wenn ja, können Sie parallel immer Ihr eigenes Profil mit einem Verhandlungspartner abgleichen: Was wird beide interessieren? Daraus ergeben sich dann bereits Lösungsansätze für die Umsetzung der Verhandlungsstrategie in einen effektiven Verhandlungsablauf. Wenn Sie die Interessen Ihrer Verhandlungspartner schnell erkennen und diese Schwerpunktinteressen in der Verhandlung nutzen wollen, brauchen Sie ein gutes Ver-
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ständnis für die Abgrenzung der drei wichtigen Motivtypen. Das können Sie trainieren! Egal, ob Sie sich in einem Telefonat, in einem Face-to-Face-Gespräch unter vier Augen oder in einem größeren Meeting befinden, Sie können Ihre Antennen immer ausfahren, Eindrücke als Mosaikbausteine sammeln und diese zu einem Motivprofil zusammensetzen. Das ist die Stärke dieses Diagnoseinstrumentes: Sie haben einen ersten Eindruck, den Sie durch Nachfragen sofort absichern können, und wissen gleich, wie Sie auf Interessen Ihrer Verhandlungspartner eingehen können. Probieren Sie es einfach bei einem lieben Menschen in Ihrer Nähe einmal aus: Welches Bedürfnis, welches starke Interesse dieses Menschen mögen Sie ansprechen – und vor allem durch welchen Handlungsvorschlag? Kurzreflexion: Welche Urlaubsvariante würden Sie dem L-, K-, oder E-Typ vorschlagen? Bildungsreise zu eigenen Ausgrabungen in Griechenland Tennistrainingslager in der Slowakei Yachtclub mit Turn als Käpt’n um Korsika Ferien auf dem Bauernhof in der Südeifel mit Familienanschluss
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(Die Lösung finden Sie auf der Beispielseite zum Kapitel 2 auf www.verhandlungs führung.com.)
2.3 Motivationspsychologische (Ver-)Handlungssteuerung (Ver-)Handeln heißt, Menschen zu Handlungen zu bewegen. In diesem Sinne liefert das 4-Hürden-Modell der kognitiven Handlungsmotivation hilfreiche Erklärungen zur optimalen Verhandlungssteuerung. Mit geeigneten Verhaltensweisen und Verhandlungstechniken können wir das Geschehen und die Teilnehmer einer Verhandlung so steuern, dass unsere Verhandlungspartner sich in die Richtung unserer Ziele und Interessen bewegen. Dies kann konstruktiv und kooperativ geschehen, es kann aber auch durchaus manipulativ erfolgen. Die Möglichkeiten zu motivieren oder zu manipulieren liegen einfach sehr nahe beieinander. Wie das genau funktioniert, möchte ich Ihnen in diesem Kapitel zeigen. Sie lernen geeignete Verhaltens- und Steuerungswerkzeuge kennen und können sie auch gleich ausprobieren.
Motivationsbilanz bewältigt vier Hürden Verhandlungspartner zum „richtigen Handeln“ zu bewegen, ist recht einfach. Die kognitive Motivationspsychologie hat gangbare Wege ausgearbeitet, die beschreiben, wie Menschen ihr Handeln ausrichten und wie sie entscheiden. Es geht dabei darum, ob es für den Handelnden einen Wert hat, etwas zu unternehmen und
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Energie in eine Verhandlung zu investieren. Vor jeder Entscheidung fragen wir uns, wie wahrscheinlich es ist, dass unser Handeln einen Nutzen für uns abwerfen wird. Dabei wägen wir ganz subjektiv unsere Erwartungen zu künftigen Schritten und äußeren Einflüssen ab und schätzen ein, wie wahrscheinlich ein positives oder negatives Verhandlungsergebnis eintreten wird. Diese Bewertung verknüpfen wir mit unseren persönlichen Zielen und Interessen. Abschließend ziehen wir erneut eine subjektive Bilanz und fragen uns: Was habe ich in Zukunft davon, wenn ich jetzt etwas bewege? Ich möchte das am 4-Hürden-Modell der Handlungsmotivation erklären.
Abbildung 27: Verhandlungspartner zum Handeln bewegen
Jeder Mensch hat ständig Erwartungen an seine Mitmenschen: in der Familie, im Beruf und in der Gesellschaft. Als aktives vorausschauendes Individuum hat er wichtige Ziele und Interessen, die er unbedingt erreichen möchte. Handlungspsychologisch stellen Ziele/Interessen immer die Endpunkte von Aktivitäten und deren mögliche Folgen dar. Menschen sind nur dann gern bereit zu handeln, Zeit und Geld zu investieren, wenn sie sich einen erkennbaren Nutzen für ihre persönlichen Ziele und Interessen versprechen. Mit der Motivdiagnose aus dem vorherigen Kapitel haben Sie ein schnell greifendes Werkzeug an die Hand bekommen, das es Ihnen erlaubt, Ihren Verhandlungspartner und sein Motivprofil zu erkennen. Es ist Ziel des Verhandlungspartners, der Realisierung dieser Motive nach Ablauf der Verhandlung näher gekommen zu sein (Folge). Beim Verhandeln schauen wir also in die Zukunft und prüfen, ob es sich lohnt, uns zu bewegen. Unsere Entscheidungsfrage dabei lautet: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich meine Ziele auch wirklich erreiche? Ein Beispiel: Schauen wir uns zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel aus dem Arbeitsalltag an: Sie möchten gerne, dass ein Kollege Ihnen kurz eine bestimmte PC-Programmfunktion einer Projektmanagement-Software erklärt. Wie wird sein „innerer Entscheidungsprozess“ ablaufen? Wird er zusagen oder lieber an seiner eigenen Arbeit weiterarbeiten wollen? Der Kollege muss sich die Frage beantworten: Welchen Nutzen (Durchsetzung meiner Interessen) habe ich davon, wenn ich die Projektmanagement-Software erkläre? Es könnte sein, dass Ihr Arbeitskollege vielleicht gerade eine kleine Abwechslung bei seiner Arbeit braucht. Womöglich unter-
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stützt er gerne seine Kollegen? Oder sieht er sogar einen Nutzen für die gemeinsame Zusammenarbeit mit Ihnen, wenn Sie künftig selbstständiger arbeiten können? Vielleicht verfolgt Ihr Kollege aber eher Leistungsinteressen oder sogar Einflussinteressen? Sie merken sofort, hier läuft eine verdeckte kleine Verhandlung gegenseitiger Interessen zwischen Ihnen und Ihrem Kollegen ab. Oft geschieht das ohne Worte nur im eigenen Kopf. Dabei ist beispielweise wichtig, wie Sie den Kollegen gefragt haben. Haben Sie um 20 Minuten seiner Zeit gebeten (Handeln)? Mussten Sie ihm gar eine Einladung zum Kaffee oder zu einem Abendessen in Aussicht stellen (Folge)? Oder springt sein Unterstützungsbedürfnis automatisch an? Freut er sich als Kontaktmotivierter, Ihnen helfen zu können? (Wenn Sie eine der Motivdiagnosen des Kapitels 2.2 für diesen Kollegen durchgeführt haben, kennen Sie sein Motivprofil bereits und könnten seine Interessen und einen für ihn interessanten möglichen Nutzen direkt ansprechen!) Doch ganz so einfach ist die Motivation von Verhandlungspartnern nicht. Möglicherweise müssen bei Ihrem Kollegen zuerst noch Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, bevor er für Sie etwas tun kann. Können Sie ihm dabei Unterstützung anbieten? Die Handlungsbereitschaft Ihres Kollegen ergibt sich nämlich allein aus dem Vergleich Ihrer und seiner persönlichen Interessen, also aus der Abwägung: Welchen persönlichen Nutzen kann ich wahrscheinlich erwarten? Motiviert mich dieser mögliche Nutzen so sehr, dass ich bereit bin, etwas von meiner Zeit und meinen Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen?
Abbildung 28: Verhandlungspartner zum Handeln bewegen: gangbaren Weg aufzeigen!
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Unterstützung ohne Stolpersteine sicherstellen Nehmen wir an, Ihr Kollege (Leistungstyp) findet es gut, wenn Sie künftig effektiver arbeiten und ihn nicht ständig mit Detailfragen unterbrechen. Aber gerade jetzt hat er, wegen eigener dringlicher Aufgaben, keine Zeit, Ihnen zu helfen. In diesem Fall müssen Sie die „Stolpersteine“ aus der Sicht Ihres Kollegen aus dem Weg räumen. Sie müssen für ihn die Hindernisse beseitigen. So wird der Weg zur Durchsetzung Ihres eigenen Zieles (Erklärung der Programmfunktion) wieder frei. (Sie können Ihrem Kollegen etwa einige Aufgaben abnehmen. Dadurch gewinnt er Zeit für andere wichtige Aufgaben. Oder Sie besorgen sich die fehlende Programmbeschreibung über den Systemadministrator selbst). Es hat keinen Sinn, immer wieder erneut die gewünschte Tätigkeit (Handeln) anzusprechen, wenn Ihr Verhandlungspartner nicht gleich motiviert anspringt. Ihre Verhandlungskunst besteht darin, seine Interessen zu erkennen und sie offen oder indirekt motivierend anzusprechen. Den genauen Weg zum Ziel, zu seinen Interessen müssen Sie dem Kollegen dabei nur andeuten. Vielleicht schlägt Ihr Kollege Ihnen sogar vor, sich gleich nach der Mittagspause mit Ihnen zusammenzusetzen, wenn Sie ihm dafür bei seiner Präsentation für die Geschäftsleitung mit zwei bis drei aktuellen Quartalsgrafiken aushelfen? Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom. So ist es auch beim Verhandlungsprozess. Der konkrete Weg zum Ziel ist nebensächlich. Nur sollte er einfach, begehbar und kurz sein. Für die Überzeugung unseres Verhandlungspartners sind deshalb seine Ziele und Interessen der entscheidende Ansatzpunkt. Genauso ist es auch bei Vorgehensabsprachen in Verhandlungen. Im Gespräch und in Verhandlungssituationen setzen wir uns oft nur mit dem aktiven Tun unseres Verhandlungspartners (Handlungsvorschlägen), effizienten Arbeitsabläufen, Verhalten, Produkt- und Leistungsspezifikationen, Preissenkungen usw. auseinander. Wirkliche Interessen bleiben aus taktischen Gründen meist verdeckt im Hintergrund oder werden vom Verhandlungspartner sogar oft bewusst verschwiegen. Die meisten Verhandlungsparteien akzeptieren jedoch einen anderen Weg zum Ziel, wenn sie sich dabei ihren Zielen schnell nähern können. Den Weg eines hoch zufriedenstellenden Verhandlungsablaufes zeigt Abbildung 29. In Abbildung 29 hat der Verhandlungspartner die Einschätzung, dass er etwas Positives tun kann, dass das Ergebnis seiner Handlung positiv honoriert wird und in der Folge für ihn positiv sein wird. Die kleine Verhandlung mit Ihrem Arbeitskollegen geht bei diesen Einschätzungen also gut aus; denn Ihr Kollege ist hoch motiviert. Er nimmt beispielsweise an, dass Sie Dritten gegenüber gut über ihn sprechen und ihn in Zukunft auch einmal selbst entlasten werden, wenn er Ihnen die Projektmanagement-Software erklärt. Oder er geht davon aus, dass Ihr gemeinsamer Vorgesetzter diese Art des Learning-on-the-Job und das Unterstützen von Kollegen später im Beurteilungsgespräch honorieren wird.
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Abbildung 29: Verhandlungspartner ist gut zum Handeln zu bewegen
Verhandlungsablauf störungsfrei planen Es kann aber auch eine negative Wertung dieses Verhandlungsprozesses eintreten: Ihr Kollege denkt vielleicht, er könne sich für seine eigene Vorstandspräsentation nicht ausreichend vorbereiten und seine Arbeitsleistung werde in der Folge vom Chef negativ gewertet. Fatal, wenn das bei der inneren Einschätzung des Verhandlungsablaufes herauskommt! Ihr Kollege ist negativ motiviert und wird Ihren Unterstützungswunsch ablehnen. Als Antwort auf Ihre Handlungsvorschläge („Bitte, zeige mir einmal, wie diese Software funktioniert!“) hören Sie nur festgefahrene Positionen („Ich kann jetzt nicht!“, „Keine Zeit!“). Die wirklichen Bedürfnisse und Interessen (z. B. „Ich möchte eine Super-Präsentation beim Chef abgeben und mich beruflich weiter entwickeln“) hören Sie eher nicht. Fazit: Überzeugung und Motivation in einer Verhandlung gelingen, wenn Ihr Verhandlungspartner für sich sofort einen Nutzen erkennt. Er ist fachlich kompetent und kann das Problem lösen (1. Plus: Handeln wird positiv eingeschätzt). Als erfahrener PC-Nutzer meint er, auch eine gute Lösung für Sie zu wissen (2. Plus: Ergebnis wird positiv sein). Ihr Arbeitskollege denkt, dass Sie ihn dann in Ruhe weiter arbeiten lassen werden und sicherlich auch gern bei anderer Gelegenheit etwas für ihn tun werden (3. Plus: Folge/Interessen ebenfalls positiv). Ihr Arbeitskollege ist hoch motiviert und hilft Ihnen gern. Alles läuft blitzschnell wie ein innerer Zukunftsfilm als Erwartungswertung bei Ihrem Kollegen ab. Sein Blick in die Zukunft motiviert ihn positiv.
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Abbildung 30: Verhandlungspartner ist kaum zum Handeln zu bewegen
Geschäftspartner zügig zum (Ver-)Handlungsabschluss bewegen Bevor Sie in eine Verhandlung tiefer einsteigen, definieren Sie gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner ein positives Ziel: Was soll für beide Parteien konkret bei dieser Verhandlung herauskommen? Wenn Sie unsicher sind, ob Sie die Signale des Verhandlungspartners richtig erkennen, ob die Verhandlungsziele auch tatsächlich erreichbar sind, dann formulieren Sie kleine Zwischenziele, Unterziele und präzisieren Sie die Zielvorschläge. Achten Sie darauf, dass auch Ihr Verhandlungspartner für sich in den Zielen eine zu bewältigende Herausforderung und einen Kompetenz- und Nutzenzuwachs erkennt! Klären Sie die Kriterien zur Beurteilung der vereinbarten Verhandlungsziele und des Verhandlungserfolges. Achten Sie auf möglichst kurze Rückmeldungszeiten bei Teil-Verhandlungsergebnissen an die Entscheider. Verspätete Informationen über den Verhandlungsstand hemmen den Verhandlungsfluss. Organisieren Sie eine schnelle Rückmeldung an alle Verhandlungsparteien, besonders bei Vertagungen und Zwischenklärungen. Kurze Verhandlungssteps zum Ziel erhöhen die Verhandlungsmotivation. Hier liegt die Quelle hoher Zufriedenheit. Steuern Sie das Verhandlungsgeschehen immer so, dass sich Ihre Verhandlungspartner in Richtung Ihrer Ziele und Interessen bewegen können. Diese Steuerungskompetenz gibt Ihnen das 4-Hürden-Modell. Zusätzlich finden Sie detaillierte Übersichten mit Beispielen aus Verhandlungen für die zügige Steuerung Ihres Verhandlungspartners unter www.verhandlungsfüh rung.com.
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Das Interessensanalyse-Radar des High-Speed-Verhandlungssystems Leider kommt im Verhandlungsalltag oft die Vorabanalyse zu kurz. Die Vorabdiagnose des Motivprofils Ihres Verhandlungspartners aus dem Kapitel 2.2 liefert Ihnen die wesentlichen Erkenntnisse für die spätere Steuerung von Verhandlungspartner und Verhandlungsprozess. Hier setzt der strukturierte Interessensprüfstand an. Kurzreflexion: Bitte erstellen Sie als Vorabanalyse für Ihre nächste Verhandlung ein Interessensanalyse-Radar nach dem 4-Hürden-Modell! Entwerfen Sie anhand des 4-Hürden-Modells der Handlungsmotivation geeignete Motivationsmaßnahmen für einen Ihrer konkreten Verhandlungspartner aus dem Kapitel 2.1. Formulieren Sie mindestens vier bis sechs Motivationsmaßnahmen je Person. Sie können dazu das Motivprofiling der Personen aus dem Kapitel 2.2 nutzen. Seien Sie kreativ! Einsatz der 4-Hürden-Bilanz: Interessensanalyse-Radar Frage 1: Was könnten die konkreten langfristigen Ziele/Interessen/Motive (= zu befriedigenden Bedürfnisse) des Verhandlungspartners sein? _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________ Zeichnen Sie diese Bedürfnisse und Ziele in das passende Motivprofil in Abbildung 31. Frage 2: Welche für ihn positiven Zwischenergebnisse erwartet Ihr Verhandlungspartner? _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________ Frage 3: Welche Hindernisse aus Sicht Ihres Verhandlungspartners könnten bestehen? _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________ Frage 4: Welche Unterstützung von Ihnen oder anderen wäre denkbar und ist notwendig? _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________ Frage 5: Welche Motivationsmaßnahmen schlagen Sie dem Verhandlungspartner vor? _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________
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Abbildung 31: Vorabanalyse mit Interessenanalyse-Radar
Kurzreflexion: Notieren Sie Ihre Lernpunkte, die Sie sich zur (Ver-)Handlungssteuerung besonders merken möchten: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Überprüfen Sie in diesem Zusammenhang bitte noch einmal Ihre Zielformulierungen. Haben Sie Interessen genannt? Finden Sie SMARTE Ziele oder haben Sie gleich Vorsätze formuliert? Es gilt: Durchführungsintentionen (Vorsätze) unterstützen die Umsetzung von Motivation in Handeln am besten! Sie sind eine leicht zu erlernende Strategie, die wenig kognitive Kapazität bindet und bei uns Menschen automatisiert abläuft. Gleichzeitig schaffen konkrete Vorsätze eine mentale Verknüpfung zwischen der zukünftigen Situation und der beabsichtigten Handlung, die es viel leichter macht, unsere Ziele zu erreichen. Damit die Abgrenzung zwischen Zielen und Vorsätzen (im Sinne einer Durchführungsintention) deutlicher wird, hier ein paar Beispiele: Beispiele für Ziele: „Ich beabsichtige, die Vorstandspräsentation gut vorzubereiten!“ „Ich nehme mir fest vor, den Konflikt mit meinem Nachbarn zu lösen!“ „Ich will wieder regelmäßig Sport treiben!“
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Beispiele für Durchführungsintentionen: „Ich probe die fertige Vorstandspräsentation morgen Vormittag um 11 Uhr vor dem Projektteam!“ „Ich werde morgen vor dem Abendessen meinen Nachbarn ansprechen und einen Vorgehensvorschlag machen!“ „Ich laufe jeden Dienstag und Donnerstag nach der Arbeit den gesamten Waldlehrpfad!“ „Nächste Woche werde ich mindestens 40 Minuten intensives Yoga betreiben, und zwar am 16. Mai ab 6.10 Uhr im Arbeitszimmer.“ Sie merken sofort, weshalb Sie es sich und Ihrem Verhandlungspartner immer leicht machen sollten und Ziele als konkreten Vorsatz mit Handlungen beschreiben sollten: „Wenn die Situation Y... auftritt, dann werde ich die Handlung Z ... ausführen!“ Dabei legen Sie sich auf das konkrete „Wann“, „Wo“ und „Wie“ der Umsetzung bereits fest. Das ist alles! Was haben Sie oben bei Ihren Lernpunkten zur Verhandlungssteuerung formuliert? Konkrete Vorsätze? Das wäre super!
2.4 Zufriedene Verhandlungspartner: Das Zustimmungscheck-System Sie können als High-Speed-Verhandler mit einer Feinsteuerungsprüfung den geplanten Verhandlungsablauf und Ihre Verhandlungsvorschläge bereits vorab auf Zustimmungschancen einschätzen. Sie lernen dabei den Grad der Zufriedenheit Ihres Verhandlungspartners zu prognostizieren und können die Balance zu Ihren eigenen Interessen besser halten.
Virtueller Interessensprüfstand: Der Verhandlungspartner-Vorabtest Im 4-Hürden-Modell habe ich Ihnen das System positiver und negativer Motivation beim Verhandlungspartner vorgestellt. Für diesen detaillierten Prozess gibt es einen High-Speed-Check, der Ihnen sofort anzeigt, ob die Verhandlungsvorgehensweise oder die Lösungsvorschläge motivierend wirken. Die Motivationsforschung kann belegen, dass Ihre Verhandlungspartner durch Verhandlungslösungen motiviert sind, wenn sie vier Checkfragen sofort mit „Ja“ beantworten können. Bei jedem „Nein“ Ihres Verhandlungspartners wird er sich innerlich sagen: „Da mache ich nicht mit, das lohnt sich nicht für mich!“ Ihre Kunst bei der Erläuterung von Lösungsvorschlägen besteht darin, ein mögliches „Nein“ zu vermeiden; denn das bedeutet im Überzeugungsprozess immer für Ihren Verhandlungspartner: „Tue nichts!“. Besonders bei der vierten Frage zeigt sich, wie wichtig ein vorausschauender Nutzenvergleich ist: Natürlich kann auch Ihr Verhandlungspartner bei einem
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Wettbewerber abschließen oder mit anderen Menschen zusammenarbeiten. Aber lohnt sich für ihn der Aufwand zum Wechsel? Ist der Service genauso gut oder besser? Sie merken, hier wirken sehr viele subjektive Einschätzungen im Hintergrund (Wahrscheinlichkeiten, Erwartungen, eventuell sogar Erfahrungen aus der Vergangenheit), die unser Handeln beeinflussen. Virtueller Interessensprüfstand: Mit vier Checkfragen die Motivationshöhe messen
Abbildung 32: Virtueller Interessensprüfstand: Sind die vier Checkfragen mit „Ja“ beantwortbar?
Zustimmungs-Check anwenden: Zufriedene Verhandlungspartner? Einschätzungen der anderen Verhandlungspartei können Sie mitprägen. Es geht dabei nicht um die Manipulation von Fakten, sondern darum, dass Sie Ihrem Verhandlungspartner hilfreiche Orientierungsinformationen für seine Interessen geben. Achten Sie darauf, dass Ihr Verhandlungspartner zu der Einschätzung kommt, die Verhandlungslösung mit Ihnen lohne sich im Vergleich mit anderen bekannten Möglichkeiten mehr! Verhandlungsvorschläge sichern Sie am besten durch die von Ihnen vorweg eingeschätzten vier Ja-Fragen und den vorgestellten Motivationsprozess (virtueller Interessensprüfstand) ab. Wenn Sie ein „Nein“ erwarten, müssen Sie nachjustieren und eventuell den Lösungsvorschlag optimieren! Führen Sie sich das 4-Hürden-Modell der Handlungsmotivation bei Ihren wichtigen Angeboten im-
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mer vor Augen und prüfen Sie, ob Ihre Verhandlungspartner jeweils ein „Ja“ abnicken würden. Setzen Sie sich dazu die „Brille“ Ihres Verhandlungspartners auf und überprüfen Sie Qualität und Stärke Ihrer vorgeschlagenen Motivationsmaßnahmen. Antwortet Ihr Verhandlungspartner auf jede der vier Ja-Fragen mit „Ja“? Wenn das zutrifft, haben Sie ihn als kompetenter Verhandler überzeugt und ihr Gegenüber hoch motiviert. Spüren Sie ein Zögern bei Ihrem Verhandlungspartner, überprüfen Sie bitte sofort Ihre Motivationsmaßnahmen anhand des Motivprofilings und der Schwerpunktinteressen Ihres Verhandlungspartners!
Motivation in die Abschlussentscheidung überführen Die Motivation eines Menschen ist abprüfbar, obwohl es sich um subjektive Einschätzungen für Erwartungen und wahrscheinliche Eintrittsmöglichkeiten in der Zukunft handelt. Als Menschen wägen wir diese subjektiven Eintrittsmöglichkeiten an unseren Interessen ab und schätzen ein, ob wir gute Chancen haben, die eigenen Ziele und Interessen wirklich zu erreichen. Erst dann, wenn Ihr Verhandlungspartner seine Einschätzungen viermal mit „Ja“ beantwortet hat, ist er bereit, etwas zu tun. Dieses schließt die Vorentscheidungsphase in einer Verhandlung ab. Bis zu diesem Punkt hat Ihr Verhandlungspartner sich nur in seinen Vorstellungen (seinem Motivationsprozess, wie Sie ihn mit dem 4-Hürden-Modell kennen gelernt haben) und Erwartungen zu der möglichen Zielerreichung beschäftigt. Er hat ständig verschiedene Wege und Lösungsalternativen bewertet. Jetzt ist er bereit, mit Ihnen nach der konkreten Umsetzung für die beste Alternative zur Verhandlungslösung zu suchen. Er hat sich entschieden! Diese Entscheidung ist wie ein Point-of-No-Return. In der Motivations- und Handlungspsychologie wird, angelehnt an geschichtliche Vorgänge, von der Rubikon-Entscheidung gesprochen. Alle anderen Lösungsalternativen werden nach dieser zentralen Entscheidung ausgeblendet. Jetzt beginnt die gemeinsame Planung der Lösungsalternative, Schritte werden konkretisiert, Detailziele formuliert und die Umsetzung durchdacht. Ein starker Wille zur Umsetzung dieser Lösungsvariante ist vorhanden, der Abschluss der Verhandlung nur noch eine Detailfrage. Es ist wichtig, dass Sie klar erkennen, wie der Motivationsprozess mit all seinen subjektiven Wertungen und Beeinflussungsmöglichkeiten hier in die gewollte Handlung übergeht. Im HighSpeed-Verhandlungssystem steuern die Verhandlungsinteressen in dieser Bewertungsphase zügig in Richtung Umsetzung/Abschluss. Im Kapitel 3 stelle ich Ihnen den sich hier anschließenden Verhandlungsprozess vor. Abbildung 33 zeigt das Zusammenspiel zwischen Motivationsprozess und Verhandlungsentscheidungen auf.
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Abbildung 33: Motivation und Entscheidungsfindung jenseits des Rubikons
Bitte vertiefen Sie das mit einer Kurzreflexion: Wie lief bei Ihnen der Motivationsund Entscheidungsprozess bei Ihrem/Ihrer
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letzten letzten letzten letzten letzten
Autokauf? Urlaub? Wohnungssuche? beruflichen Veränderung? größeren Investition/Anschaffung?
Strukturieren Sie Ihre Reflexion nach den einzelnen Phasen des Rubikon-Modells. Abwägen: ________________________________________________________ Planen: __________________________________________________________ Handeln: ________________________________________________________ Bewerten: ________________________________________________________
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Wodurch war Ihr Motivationsprozess positiv beendet und die Rubikon-Entscheidung für eine Lösung gefallen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Was waren dazu Ihre Gedanken, Ihr Vorgehen, Ihre Gefühle, Ihre Entscheidung und wie war Ihre Wertung/Zufriedenheit in der Rückschau?4 ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
An den Steuerknöpfen der (Ver-)Handlungsmotivation drehen Verhandlungsprofis verfügen über ein Arsenal an wirksamen Steuerungsmöglichkeiten. Bereits seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat die Motivationspsychologie mit einer Vielzahl von Experimenten und Feldstudien nach optimal motivierenden Situationen gesucht5. Für Verhandlungen können Sie daraus sechs motivierende und überzeugende Situations- und Verhandlungsmerkmale ableiten6: Stellschraube 1: Gestalten Sie die Anforderungen an jeden Verhandlungsschritt herausfordernd. Was: Damit sie motivieren, sollen Verhandlungsschritte ständig eine neue Herausforderung für den Verhandlungspartner darstellen. Wieso: Eine monotone Agenda und Unterforderung blockieren die kreative Motivation bei Leistungsmotivierten.
4 Vgl. bei Vertiefungsinteresse Mraz (2008). Mraz zeigt sehr gut, dass Erweiterungen des Rubikon-Modells sich sehr an meinen systemischen Vorschlägen orientieren und einen Rücksprung in alle Phasen der Willensbildung und Motivation zulassen. Ein Pendeln zwischen Zielwahl, Handlungsplanung und aktivem Handeln ist durchaus möglich. Dadurch wird für die Verhandlungssteuerung die ständige Absicherung des Motivationsprozesses noch einmal hervorgehoben. Gleichzeitig kann der Verhandlungspartner als Folge von Fremdeinflüssen (wie zusätzliche Informationen von außen) seine Entscheidungen anpassen und umgewichten! Manipulation und Beeinflussung durch Informationsmissbrauch ist grundsätzlich das Tor geöffnet. Als Verhandlungsführer sollten Sie deshalb die erreichten Bedürfnis- und Zielwertungen immer stabilisieren helfen. Furchtgesteuerte Personen neigen zusätzlich noch zum frühen Ausstieg aus einer Verhandlung und benötigen starkes Ziel-Commitment. 5 Vgl. Heckhausen/Heckhausen (2006). 6 Vgl. U. Kleinbeck, Handlungsziele, in: Heckhausen/Heckhausen (2006), S. 255 ff.
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Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur eigenen Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Stellschraube 2: Alle wichtigen Verhandlungsschritte und -tätigkeiten sind vollständig abgedeckt. Was: Achten Sie auf vollständige Absprachen und Vorgehensweisen. Wieso: Nur dadurch kann jeder Verantwortung für die Lösungswege und Verhandlungsergebnisse übernehmen und seine Ressourcen voll einbringen. Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur eigenen Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Stellschraube 3: Alle Verhandlungspunkte erscheinen dem Partner wichtig. Was: Alle Verhandlungsteilnehmer sollten die vorgeschlagenen Verhandlungsschritte als bedeutsam/wichtig für die eigenen Ziele ansehen. Wieso: Nur sehr bedeutsame Agendapunkte motivieren zu hohem Engagement. Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur eigenen Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Stellschraube 4: Angemessener Handlungsspielraum ist vorhanden. Was: Ziele und Verhandlungsschritte werden gemeinsam vereinbart. Alle Entscheidungen können von den eingebundenen Personen getroffen werden. Wieso: Durch die gemeinsame Entscheidung über die Vorgehensweise wird der kreative Planungs- und Entscheidungsspielraum aller Verhandlungsbeteiligten maximiert. Entscheidungen können kurzfristig erfolgen. Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur eigenen Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Stellschraube 5: Rückmeldung über Teillösungsvorschläge sollte zügig erfolgen. Was: Informations- und Kommunikationsmedien sind schnell und schaffen Transparenz. Wieso: Verhandlungsergebnisse können so schnell an alle Beteiligten zurückgemeldet werden, und dieses Feedback fördert eine hohes Motivationsniveau. Verzögerungen im Verhandlungsfluss werden vermieden. Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur eigenen Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Stellschraube 6: Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Hier gilt es, individuelle Tätigkeitsstrukturen und Arbeitsabläufe sinnvoll in Gruppentätigkeiten umzuwandeln. In der Zugehörigkeit zu einer Gruppe liegen eigene Motivierungspotenziale, da hier neben dem Leistungsmotiv auch das Kontaktmotiv sowie das Einflussmotiv angeregt werden können. Was: Möglichst in der Gruppe gemeinsam nach Klärungen und Verhandlungslösungen suchen. Wieso: Individuelle Teilrecherchen und einseitige Lösungsvorschläge hemmen die Motivation. Nur in der Gruppe wird das Leistungs-, Kontakt- und Einflussmotiv am besten angesprochen und an den gemeinsamen Interessen ausgerichtet. Wie: Wo sehen Sie für eine Ihrer Verhandlungen einen Ansatzpunkt zur Anwendung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Tipps: Zehn Steuerknöpfe der Verhandlungsmotivation richtig bedienen
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Versuchen Sie, Ihre Geschäftspartner subjektiv so zufriedenzustellen, dass diese davon überzeugt sind, ihre persönlichen Ziele seien einfach und schnell erreichbar.
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Schaffen Sie nicht künstlich neue Bedürfnisse beim Verhandlungspartner. Stellen Sie stattdessen vorhandene Interessen und Bedürfnisse deutlich heraus und sprechen Sie diese gezielt mit der Motivprofildiagnose an (Bedürfnisse wecken).
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Ihr Interessensprofiling nach den drei Kernmotiven (Leistung, Kontakt und Einfluss) muss individuell für jeden Geschäftspartner erfolgen. Durchschnittsprofile von Berufsgruppen oder bestimmten Positionen helfen nicht weiter und führen leicht zu Fehleinschätzungen.
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Motivprofile sind durch eine indirekte Befragung schnell ermittelbar und verraten auch verdeckte Ziele und Wünsche der Verhandlungspartner.
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Ihre motivierenden Verhandlungsvorschläge machen auch Ihren Verhandlungspartnern Freude beim Verhandeln und beschleunigen die Verhandlung durch Flow-Erlebnisse.
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Positive Flow-Erlebnisse können über Verhandlungsablauf und -organisation gesteuert werden.
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Mit dem Interessenanalyse-Radar erkunden Sie den optimalen Motivationsund Überzeugungsprozess, können Störungen beseitigen und den Verhandlungsabschluss zügig einleiten.
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Das Interessenanalyse-Radar gilt für beide Verhandlungsparteien und hilft, gemeinsam gangbare Wege und tragbare Lösungen herauszufiltern.
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Das Zustimmungscheck-System ermöglicht Ihnen bereits in der Vorbereitung, eine hohe Motivation Ihres Verhandlungspartners durch vier Ja-Fragen zu erkennen.
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Mit dem Zustimmungscheck-System erkennen Sie, wann der suchende Motivationsprozess abgeschlossen ist, die Grundsatzentscheidung (Rubikon-Entscheidung) für eine Verhandlungslösung bei der anderen Verhandlungspartei gefallen ist und Sie sich auf die Umsetzungsdetails einer ausgewählten Verhandlungslösung konzentrieren können.
Fazit: Aus der Motivdiagnose ergeben sich stabile persönliche Verhaltensprofile Ihres Verhandlungspartners. Mit diesen transparenten Interessensprofilen gibt Ihnen die kognitive Handlungspsychologie konkrete Hilfen zur Steuerung des Motivations- und Überzeugungsprozesses bis zum gemeinsamen Verhandlungsabschluss an die Hand. Aus dem Interessensanalyse-Radar leiten Sie für alle Verhandlungsphasen geeignete Interventionen und Überzeugungswege systematisch ab. In vier strukturierten Schritten gelingt es Ihnen, offene und verdeckte Motive beim Verhandlungspartner überzeugend anzusprechen. Vom so erzielten Verhandlungs77
abschluss profitieren beide Verhandlungsparteien gleichermaßen. Es wird der eigentliche (virtuell verlaufende) Motivationsprozess und seine Verknüpfung mit den Handlungen und Entscheidungen Ihres Verhandlungspartners transparent, und über Check-Tools lassen sich die Motivationsstärke und Umsetzungsbereitschaft des Verhandlungspartners beurteilen. Abschließend verfügen Sie über Anwendungsmöglichkeiten für die wichtigen Stellschrauben der Verhandlungsmotivation.
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3. Den Verhandlungsprozess mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern Verhandelt werden muss nur, wenn die Verhandlungsmacht auf beiden Parteien ähnlich verteilt ist. Liegt die Verhandlungsmacht klar auf einer Seite, kann diese Partei ihre Lösung dominant durchsetzen, ohne dass es zu einer Verhandlung kommt. Soll eher kooperativ verhandelt werden, benötigen Sie und Ihr Verhandlungspartner eine orientierende Agenda, mit deren Hilfe Sie gemeinsam zum Ziel kommen.
3.1 Wie Verhandlungen logisch richtig ablaufen Kennen Sie Verhandlungen, bei denen verdeckt oder offen um die Reihenfolge der Tagesordnung gekämpft wird, es scheint, als ob nichts vorwärts ginge, und Vorgehensvorschläge der anderen Seite angeschossen und blockiert werden? In solchen Situationen wird mit einseitigen Argumenten für eine bevorzugte Behandlung der eigenen Vorschläge gekämpft und recht häufig auf der Beziehungs- und Gefühlsebene Porzellan zerschlagen. Dies versperrt die Sicht auf klare und erreichbare Verhandlungsergebnisse. Man kommt sich vor wie auf einer Landebahn mit Nebel, bei der das Leitsystem nicht funktioniert: Die Piloten wissen nicht, wie sie Fluggerät, Fracht und Passagiere sicher zum Zielterminal bringen können. Das Leitsystem eines professionellen Verhandlungsführers muss auch Klarheit über die einzelnen aufeinander folgenden Handlungsschritte umfassen. Genau wie beim Fliegen ist es kaum sinnvoll, beim Anflug die Passagiere aussteigen zu lassen und dann erst zu landen! So wie ein geübter Pilot einen sequenziellen Ablauf aller Landeschritte einhalten muss und die klare Sicht auf die vor ihm liegende Landebahn benötigt (und sei es mit technischen Radarsystemen), so benötigt eine Verhandlung eine klare Sicht auf die logischen Ablaufschritte bis zum Abschlussziel.
Phasen eines effektiven Verhandlungsablaufes Wenig erfahrene Verhandler glauben oftmals, ein Verhandlungsablauf ließe sich durch Überspringen einzelner Schritte verkürzen oder durch eine veränderte Reihenfolge beschleunigen. Jede Verhandlung, gleich ob komplex, einfach, konfliktbelastet, kooperativ oder integrativ, unterliegt einem logischen Ablauf mit einer gleichartigen Grundstruktur. Die Ablaufstruktur einer effektiven Verhandlung ist
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inzwischen empirisch von Anthropologen, Konfliktforschern, Psychologen und Prozessmanagern erhoben und abgesichert worden. Dieser optimierte Ablauf mit seinen sieben Phasen, Einflussmöglichkeiten, Pflichtbestandteilen und praktischen Verhaltenstipps wird im Folgenden detaillierter vorgestellt (siehe auch Abbildung 34).7
Abbildung 34: Die sieben Phasen eines optimalen Verhandlungsprozesses
Die Planungsphase (P): Einfluss ausbauen Auf eines möchte ich gleich zu Beginn Ihr Augenmerk richten: Die Durchführung einer Verhandlung, also der eigentliche Aushandlungsprozess der beiden Parteien (im Englischen spricht man zur Unterscheidung bewusst vom Bargaining), ist nur ein Teilprozess der Gesamtverhandlung (Negotiation-Process). In vielen Verhandlungen werden die entscheidenden Ergebnisse bereits in der Planungsphase fixiert. Wesentliche Punkte können Sie schon in der Vorabanalyse Ihrer Verhandlung ermitteln, wenn Sie an die Machtklärung, die Analyse der Zielkaskaden, das Verhandlungspartnerprofiling und die eigene Strategieformulierung mit den daraus ableitbaren eigenen Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten denken. Die Planungsphase einer Verhandlung legt damit bereits viele Wirkhebel, anstehende Klärungspunkte, Schwachstellen und Verhandlungsgrenzen offen. Mit diesen Vorabinformationen können Sie im Vorfeld wichtige Rahmenbedingungen klären und zu Ihrem Vorteil festlegen.
7 In der aktuellen Verhandlungsliteratur finden Sie häufig ungesicherte und oft unreflektierte Ablaufvorschläge. Selbst im klassischen Harvard-Modell werden wichtige Schritte übersehen und vernachlässigt. Vgl. die Untersuchungen von Hasler-Dierauer (2007).
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Juristen kultivieren daraus inzwischen ein regelrechtes Claimmanagement und sichern eigene Ansprüche vorab juristisch ab. Jede Verhandlungsseite wird bei bedeutsamen Verhandlungen versuchen, zentrale Verhandlungsvariablen zum eigenen Vorteil im Vorfeld zu klären und zu fixieren. Dazu rechne ich auch die Verhandlung über die Verhandlung (sprich die eigentlichen Durchführungsschritte und Rahmenbedingungen). Verhandler müssen deshalb eine Verhandlung konzeptionell als Gesamtprozess begreifen, planen und steuern. Verhandlungsanalysen zeigen deutlich, wie dadurch rationales Verhalten gestärkt wird und durch den Blick auf das Gesamte effektivere Verhandlungsergebnisse erreicht werden können. Viele emotionale Fallen, kommunikative Missverständnisse und sogar Manipulationsversuche können Sie durch diese operationalisierte Verhandlungsphasen vermeiden. Der Verhandlungsprozess wird für Sie kontrollierbarer, und Faktoren wie Tagesform, Berufserfahrung, Glück, Sympathie treten in den Hintergrund. Fünf Durchführungsphasen (KOALA-Phasen): Einfluss nehmen auf das Aushandeln Die Verhandlung, wenn sie Face-to-Face abläuft, hat folgenden logischen Ablauf und die folgenden Einflussmöglichkeiten. Diese Einflüsse lehnen sich an Problem-, Konfliktlösungs- und Kreativprozesse an:
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Einfluss auf Klima/Atmosphäre (K)
• • •
Einfluss auf Analyse von Fakten und Interessen (A)
Einfluss auf die Organisation einer strukturierten Vorgehensweise, mit kreativer Flexibilität und einem transparenten Ablauf (O)
Einfluss auf inhaltliche Lösungsvorschläge beider Parteien (L) Einfluss auf die gemeinsame Ergebnisabsprache (A)
Damit es sich leichter merken lässt, habe ich diese Durchführungsphasen „KOALA-Phasen“ genannt. Diese Verhandlungsphasen haben eine zeitliche Reihenfolge, der etwas Irreversibles innewohnt. Sie können zum Beispiel keine gemachte Aussage zu Ihren Zielen oder Preisvorstellungen in einer Verhandlung einfach zurücknehmen. Jede Aussage beeinflusst den Verhandlungspartner und prägt seine Einschätzungen und Gegenaussagen. Wenn Sie gemachte Aussagen zurücknehmen, stehen Sie als Bluffer da oder zeigen Unsicherheiten, die schnell Konsequenzen haben können. Jede Aussage oder Nichtaussage wird gewertet und beeinflusst den Verhandlungsablauf. An späterer Stelle gehe ich auf diese Beeinflussungsmöglichkeiten näher ein. Der vollständige Verhandlungsprozess wird immer mit allen seinen Phasen durchlaufen. Er ist ein logischer sequenzieller Ablauf. Dieses gilt auch für den Fall, dass Teilergebnisse nacheinander sequenziell verhandelt werden. Der Erfolg einer Phase hängt vom Erfolg der vorhergehenden Phasen ab. Das Überspringen einer Verhandlungsphase hat unweigerlich den Rückschritt auf eine frühere Phase zur Folge und führt zu nervigen Zeitverlusten, Unzufriedenheit und Verunsicherung. Deshalb ist eine abgekürzte Variante, die direkt auf den Verhandlungsabschluss zusteu-
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ert, bei integrativen Verhandlungen nicht möglich. Gewinnen Sie Zeit, indem Sie einen logischen Ablauf anhand der KOALA-Phasen absprechen. Effizientes Verhandeln bedeutet, dass alle Kerninhalte der Phasen geklärt und in ihrer zeitlichen Reihenfolge gemeinsam durchschritten werden. Review-Phase (R): Einfluss nehmen auf die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse Nach dem Abschluss der Verhandlung sollten Sie mit einem kurzen zeitlichen Abstand eine persönliche, unverfälschte Reflexion in einer Review-Phase durchführen. Wie sieht Ihr eigener Zufriedenheitscheck aus? Benutzen Sie den Vier-Ja-FragenCheck zur Wertung der eigenen Motivationshöhe. Werden sich Ihre Investitionen in die abgelaufene Verhandlung amortisieren? Können Sie künftig den Verhandlungsablauf oder die Vorbereitung vereinfachen? Was war überflüssig, diente möglicherweise nur Ihrem eigenen Sicherheitsbedürfnis? Sieht Ihre Bilanz von Aufwand/ Nutzen positiv aus? Bitte reflektieren Sie auch die Verhandlungsspielräume genauer. Waren Ihre eigenen Ziele (siehe Zielkaskade) zu niedrig, gab es auf der anderen Seite möglicherweise noch Verhandlungsspielräume, die Sie nicht ausgeschöpft haben? Sehen Sie noch Möglichkeiten zum Nachverhandeln? Es besteht immer die Möglichkeit, mit dem Hinweis auf andere Entscheider Ihres Hauses (egal, ob es die eigene Frau ist oder ein wichtiger interner Stakeholder in Ihrem Unternehmen) einen Verhandlungsabschluss noch einmal aufzubohren. Wie sicher sind Sie, dass Ihr Verhandlungspartner das nicht versucht? Kann sich Ihr Verhandlungspartner trotz rechtlich verbindlicher Absprache einer Umsetzung ganz oder teilweise entziehen? Sollten Sie deshalb noch weitere absichernde Absprachen treffen? Danach sollten Sie zügig die Verhandlungsergebnisse an die Beteiligten und Betroffenen in Ihrem Unternehmen oder auf Ihrer Seite kommunizieren. Sollten Sie mit anderen beteiligten Personen einen gemeinsamen Verhandlungsreview durchführen? Beweggründe dazu können bei wichtigen Verhandlungen die Identifikation und der erweiterte Erfahrungsschatz sein. Gleichzeitig lässt sich damit gut die Kommunikation der Verhandlungsergebnisse starten. Haben Sie im eigenen Hause noch absichernde Maßnahmen zu klären? Sie sehen: Eine Verhandlung ist nicht mit einer Unterschrift abgeschlossen, sondern zieht sich bis zur Umsetzung der letzten Teilabsprache mit flankierenden Pflege- und Stabilisierungsmaßnahmen hin.
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Kernpunkte der sieben Verhandlungsphasen Abbildung 35 zeigt den Gesamtablauf des High-Speed-Verhandlungssystems mit den wichtigsten Verhandlungskernpunkten. Nutzen Sie diese Checkliste für die Planung Ihrer nächsten Verhandlung.
P
Sieben Hauptverhandlungsphasen:
Verhandlungs-Kernpunkte und Quick-Win-Cards:
1. Planungsphase
• Verhandlungsmachtanalyse durchführen • Stakeholdereinflüsse klären • Teilnehmer-Motivprofiling durchführen • Zielkaskaden beider Seiten analysieren • Eigene Brennglasziele formulieren • Strategie, Stil und Taktik der Verhandlung
(Vorabanalyse und Verhandlungskonzept)
planen und entwickeln
• Ausstiegsstrategie festlegen • Lösungsideen vorausdenken K
2. Kontaktphase (K-Phase, Anwärmen)
• Freundliches
Gesprächsklima und positive Atmosphäre stärken
• Vertrauen aufbauen • Öffnen, Einstimmen durch
wertschätzende
Ansprache
• Zielgerichteter
Smalltalk: mit Zukunftsfragen Bedürfnisse, Ziele, Interessen ermitteln
O
3. Organisationsphase (O-Phase, Orientierung)
• Rahmenbedingungen und Mandate • Rollen/Zeitplanung abstimmen • Tagesordnung vereinbaren • Verhandlungsstil klären • Objektivierte Entscheidungskriterien
erkunden
gemeinsam
beschließen
• Vorgehensweise und Spielregeln vereinbaren • Konsequente Verhandlungsmoderation, Visualisierung und Dokumentation sichern A
4. Analysephase (An-Phase, Informationsabgleich)
• Absichten,
Ziele, Motive und Mandate absichern oder analysieren
• Interessensgemeinsamkeiten visualisieren • Informationsabgleich Zielkaskaden • Zahlen, Daten, Fakten (Z.D.F.-Sachinformationen) und Zusatzdaten zu Positionen zusammenstellen
• Randbedingungen,
Lösungsgrenzen, externe Einflussgrenzen festhalten
• Bei
Machtstrategie: Verteilungsklärung anstreben?
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Sieben Hauptverhandlungsphasen:
Verhandlungs-Kernpunkte und Quick-Win-Cards:
• Wille
zum Abschluss fördern: Rubikon-Entscheidung erleichtern
• Offene
oder ungeschriebenen Verhandlungsregeln einhalten (wie Sach-Probleme vom Mensch/Beziehungen trennen)
L
5. Lösungssuchphase (L-Phase, Vorschläge, kreative Ideen)
• Handlungsmöglichkeiten
zum Nutzen beider
Seiten erweitern
• Integrative Lösungsvorschläge kreativ ermitteln • Kreative Zusatzoptionen für integrative Lösungen anregen
• Lösungsmöglichkeiten für alle Ziele sammeln • Grenzen, Zugeständnisse deutlich machen A
6. Abschlussphase (Ab-Phase, Vereinbarungen)
• Bewertung, Entscheidung vorschlagen • Nutzenargumentation aufbauen • Überprüfbare Absprache formulieren • Nutzencheck für beide Seiten prüfen • Letzte kleinere Zugeständnisse machen
und
Kompromisse eingehen
• Ausstieg
oder Abschlussvertrag formulieren: Ausstiegsziel prüfen
• Handlungsplan, Aktionen aufstellen • Ergebnisse fixieren • Absicherungsschritte ermitteln und formulieren R
Abbildung 35: Gesamtablauf des High-SpeedVerhandlungssystems mit den wichtigsten Kernpunkten der Verhandlungsphasen
7. Reviewphase (Absicherung/Bindung)
• Aufwand/Nutzen werten • Vorgehen, Ergebnisse, Handlungsspielräume reflektieren
• Bindung der Verhandlungspartner sichern • Prüfen, ob Zusatzabsicherung notwendig • Kommunikationsschritte intern angehen • Zufriedenheitscheck durchführen Sie haben die Planungsphase (P) bereits ausführlich kennen gelernt. In Verhandlungen, ob einfach oder bedeutsam, können Sie nicht davon ausgehen, dass immer genügend Zeit für Verhandlungsvorbereitung und Strategieformulierung zur Verfügung steht. Hier helfen Ihnen die Quick-Win-Cards und Analysetools auf www. verhandlungsführung.com bei jedem einzelnen Planungsschritt. Sie können mit diesen Quick-Win-Tools unter Zeitdruck jederzeit online (selbst auf dem Weg zum Verhandlungsort oder sogar noch während der Verhandlung) eine schnelle Analyse erstellen oder präzisieren. Leider ist die Verhandlungsrealität heute häufig noch so, dass eine angemessene Verhandlungsvorbereitung zu kurz kommt. So klagen Verhandler in Befragungen darüber, dass oft nicht bekannt ist, wer letztlich am Verhandlungstisch sitzt, welche
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Motive und Ziele die Gegenseite antreiben oder welche Fakten und Informationen es bereits zum Verhandlungsgegenstand gibt. Alle diese fehlenden Klärungspunkte müssen dann erst mühsam in der Verhandlungsdurchführung geklärt werden und es bleibt wenig Zeit, die sich daraus ergebende eigene Verhandlungsstrategie zu gestalten. Sie müssen schnell agieren und konstruktive Vorgehensvorschläge unterbreiten. Unter Zeitdruck stellt der Phasenablauf, ergänzt um ausgewählte QuickWin-Cards und Diagnose-Tools, eine besonders wichtige Hilfe dar.
Die Rote-Faden-Skizze zur Verhandlungsdurchführung nach dem High-Speed-Verhandlungssystem Kurzreflexion: Skizzieren Sie den roten Faden für eine Verhandlungsagenda bei Zwei- und Mehrpersonenverhandlungen (Ablaufschritte, Rollen, Klärungspunkte, Ziele und Ergebnisse) anhand Ihrer bisherigen Erkenntnisse: 1. Beschreiben Sie eine anstehende mögliche Verhandlungssituation und die Problemstellung konkret mit Stichworten (Sie können auf Ihre bereits benannten Fälle in Kapitel 1 zurückgreifen). 2. Führen Sie sich dazu Ihre Vorabanalyse (Phase P) mit Machtdiagnose, Motivprofiling, Zielkaskade und Verhandlungsstrategie vor Augen. (Sie können die Vorabanalyse aus den Kapiteln 1 und 2 nutzen.) 3. Erstellen Sie ein Verhandlungskonzept anhand des KOALA-Ablaufs für die Durchführung. (Beschreiben Sie die KOALA-Phasen und skizzieren Sie mögliches eigenes Verhalten.) 4. Vergleichen Sie Ihren roten Faden der Agenda mit den Kern-Verhandlungspunkten der Abbildung 35. 5. Nutzen Sie die Vorbereitungs-Checklisten (Quick-Win-Cards Verhandlungsplanung) unter www.verhandlungsführung.com für Ihre Agenda. 6. Worauf sollten Sie noch mehr achten? Wo sehen Sie noch mögliche eigene Stolpersteine? 7. Bitte formulieren Sie drei wichtige Merkpunkte für Ihren künftigen Verhandlungsalltag: ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
85
3.2 Verhandlungspartner über die Ablaufstruktur steuern In diesem Kapitel finden Sie eine umfassende Steuerungsanleitung für alle Verhandlungsphasen mit konkreten Verhaltensregeln. Dazu sind als Zusatzservice für jede Verhandlungsphase zusätzliche Quick-Win-Tipps online verfügbar.
Kontaktphase effektiv gestalten: Zukunftsblick statt Small-Talk! Wenn Sie bereits über erste Einschätzungen aus der Planungsphase verfügen, haben Sie jetzt leichtes Spiel: Sie können für den Motivtyp und die Interessen der Verhandlungspartner die öffnende Kontaktphase gestalten. Anderenfalls haben Sie nun sofort eine Chance, sich vor den inhaltlichen Verhandlungsschritten neue oder absichernde Zusatzinformationen zu beschaffen. Ein offenes Verhandlungsklima erfordert ein gewisses Vertrauen. Vertrauen als Basis für Ihre Geschäftsbeziehungen können Sie gut durch Hintergrundinformationen aufbauen. Natürlich nur, wenn Ihre Verhandlungsstrategie das erfordert. Beabsichtigen Sie eine kooperative Verhandlungsstrategie, liegt der Nutzen auf der Hand: Das Ansprechen von Positivem (wie z. B. gleiche Vorlieben für Kleidung, Essen, ähnliche Hobbies oder ein nettes Verhalten des Geschäftspartners) erleichtert es Ihnen, eine freundliche und offene Einstellung zum Gegenüber aufzubauen. Smalltalk in Form von Erzählen und Zuhören gehört in der Kontaktphase dazu. Wenn Sie hier die richtigen Zukunftsfragen stellen, wird Ihnen Ihr Gegenüber unbewusst wichtige Hintergrundfakten und Interessen offenbaren; diese Erkenntnisse können Sie direkt für Ihre Motivanalysen nutzen. Durchdachte Zukunftsfragen sind wirksamer als nur allgemeiner Smalltalk zum Warmwerden ... Formulieren Sie deshalb bei der Vorbereitung auf eine wichtige Verhandlung mindestens drei geeignete Fragen als „Blick in die Zukunft“! Aber Vorsicht: Die Kontaktphase darf kein einseitiges Verhör werden. Sie selbst müssen zum Vertrauensaufbau auch etwas von sich erzählen, was dem Verhandlungspartner bisher nicht bekannt war. Ob dieses bedeutsame Informationen sind, sollten Sie vorher je nach Verhandlungsstrategie entscheiden.
Verhaltenstipps für die Kontaktphase Verhandlungszeit ist immer knapp. Konzentrieren Sie sich deshalb in der Kontaktphase auf wenige Impulspunkte:
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•
Leiten Sie das Gespräch mit einem netten Dank ein für … (mögliche kleine Gefälligkeit, Termintreue).
•
Stellen Sie drei gezielte Zukunftsfragen zu persönlichen Interessen im gerichteten Smalltalk. Sprechen Sie dabei die Sachebene (rational) und die Beziehungsebene (emotional) an.
• •
Lassen Sie die beteiligten Personen mit ihren Kompetenzen sich kurz vorstellen. Finden Sie die Überleitung zur Organisationsphase.
Steuerungsfragen für die Kontaktphase Steuerungsfragen strukturieren die Verhandlung und beeinflussen Ihre Geschäftspartner, da Menschen dazu erzogen worden sind, Fragen auch zu beantworten. Selbst wenn sich jemand Ihren Fragen verweigert oder ausweicht, hat er sich doch mit Ihren Fragen beschäftigt und signalisiert Ihnen zumindest Misstrauen, Desinteresse oder eine beabsichtigte verdeckte Verhandlungsstrategie. Beispiele für Steuerungsfragen in der Kontaktphase sind:
• •
Was sind anstehende Zukunftsthemen in Ihrem Unternehmen?
• • • • • •
Welche Dinge/Aufgaben werden Sie in nächster Zeit neu beschäftigen?
• • •
Wo wollen Sie in drei Monaten oder einem Jahr stehen?
• • • • •
Steigt bei den Entscheidern in Ihrer Firma der Rückhalt für unser Projekt?
Welche Themen werden in Ihrer Funktion künftig viel Zeit in Anspruch nehmen?
Gibt es von Ihrer Seite etwas Neues, was unser Projekt berührt? Erleichtern wichtige neue Entscheidungen künftig die weitere Arbeit? Was gibt es für interessante neue Themen auf Ihrem Schreibtisch? Wo und wobei wird es künftig schwieriger werden? Gibt es etwas Wichtiges, was künftig Ihre persönliche Kapazität und Aufmerksamkeit bindet/erfordert?
Was kann uns gemeinsam ausbremsen? Wird Ihr Unternehmen in einem Jahr noch genug gute, leistungsbereite Mitarbeiter für unser Projekt haben?
Was gibt es an aktuellen „Korridor-/Flurfunk-Themen“ in Ihrem Haus? Was sind bei Ihnen die brennenden Fragen des nächsten Jahres? Was wollen wir hinterher mit nach Hause nehmen? Was verbindet uns beim Verhandlungsthema?
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Verhandlungsverlauf durch Organisationsphase absichern In der Organisationsphase wird die Roadmap der Gesamtverhandlung abgesprochen. Gegenseitige Rollenerwartungen und organisatorische Rahmenbedingungen werden als Verhandlungsspielregeln vereinbart. Nur auf abgesprochene Regeln können Sie sich später berufen. Die Verhandlungsagenda schafft Sicherheit, unterstützt Vertrauen und gibt Spielräume für mehr mutige Verhandlungslösungen. Wenn Ihre Verhandlungsstrategie ein eher kooperatives Vorgehen vorsieht, können Sie damit die Basis für gemeinsames kooperatives Verhalten, Aufgabenteilung und Entscheidungen festlegen. Manipulationsmöglichkeiten und Ablaufstörungen werden so am einfachsten vermieden. Interessant erscheinen dazu neuere Untersuchungen im internationalen Vergleich: Asiaten (voran Chinesen) legen besonders viel Wert auf eine gute Orientierung und Prozessabsprache, während westlich geprägte Verhandler dazu neigen, dieser Verhandlungsphase weniger Bedeutung und damit Verhandlungszeit zu geben. Wichtige Verhandlungen laufen meist als Besprechung ab. Deshalb sind in der Organisationsphase für die Gesamtverhandlung grundsätzlich die Basisregeln eines guten Meetings zu klären: Rollenaufteilung (mit Moderation?), Ergebnisvisualisierung/Protokollierung und Zeitplanung gehören genauso dazu wie eine transparente Tagesordnung. Eine Verhandlungsagenda hält die geplante Zeitstruktur fest und unterstützt alle Parteien bei der Selbststeuerung des Ablaufs. Schwieriger wird es beim Absprechen von Vorgehensweise und Spielregeln. Werden Erwartungen und Annahmen an den Verhandlungsablauf nicht explizit geklärt, kann das leicht zu Missverständnissen führen und so den gesamten Prozess negativ belasten. Auch ein
Abbildung 36: Der Dreieckskontrakt – ein wirksames Instrument zur Ablaufabsprache
88
unterschwelliger Kampf um die Durchsetzung eigener Vorgehensvorstellungen kann die Folge sein. Auch wenn Sie nicht gleich gemeinsame Vereinbarungen finden, sprechen Sie zumindest die Punkte an, damit der Rahmen abgesteckt wird. Ein hilfreiches Werkzeug dazu ist der Dreieckskontrakt, bei dem mit visualisierter Unterstützung gefragt wird. Auf einem Chart sind in Dreiecksform die Stakeholder, Ihre Verhandlungsseite und der Verhandlungspartner dargestellt. Anhand dessen wird kurz abgefragt: Aussagen/Informationen (1): Was sollten alle Verhandlungsparteien zu bestehenden Absprachen/Zielen wissen? Offene Fragen zum Vorgehen (2): Was muss ich noch für einen guten Verhandlungsablauf wissen:
• • •
Welcher Ablauf erscheint uns für diese Verhandlung sinnvoll? Nach welchen Kriterien wollen wir über Lösungsvorschläge entscheiden? Welche hilfreichen Vereinbarungen/Spielregeln sollten wir noch zusätzlich zum Ablauf absprechen?
Absprache von Spielregeln für das Vorgehen (3): Erst wenn Regeln offen abgesprochen sind, kann eine Verhandlung zügig weiter ablaufen. Manipulatives Vorgehen dagegen erfordert verdeckte Spielregeln! Deshalb sollten Sie in der Organisationsphase bewusst Orientierungssicherheit vermitteln, dass die (oft noch nicht ausgesprochenen) Verhandlungsziele für alle Verhandlungsparteien erreichbar sind. Oftmals kommt diese so wesentliche Orientierungsphase unter dem täglichen Zeitdruck zu kurz. Dadurch entstehen später Missverständnisse oder dem Verhandlungspartner werden Möglichkeiten zur Manipulation eröffnet. Nutzen Sie als Verhandlungsleiter die Macht von Ablaufspielregeln und Agenda! Mit dem Grundgerüst für den KOALA-Ablauf zaubern Sie blitzschnell eine erste Verhandlungsagenda.
Verhaltenstipps für die Organisationsphase
•
Es kann nur sinnvoll an einer gemeinsamen Verhandlungslösung gearbeitet werden, wenn die Ablaufspielregeln allen Beteiligten transparent sind.
•
Alles, was offen zu Vorgehen, Ablauf und Regeln im Umgang miteinander abgesprochen wird, führt kaum zu Missverständnissen oder kann nur sehr schwer für Verfahrensmanipulationen genutzt werden.
•
Geben Sie deshalb immer Ihren Verhandlungspartnern eine Orientierung über die möglichen Regeln der Zusammenarbeit. Stecken Sie diesen Rahmen gemeinsam ab.
•
Stellen Sie offene Fragen zum Ablauf und zu den üblichen Regeln. Sie können auch rhetorische Fragen stellen, bei denen Sie gleich Verfahrensvorschläge präsentieren. Zu allen Vorgehensvorschlägen sollten Sie aber deutlich die Zustimmung des Verhandlungspartners einholen.
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•
Visualisieren Sie die Basis der Verhandlungsorganisation mit dem Dreieckskontrakt.
• •
Nutzen Sie die Klärungsfragen des Dreieckskontraktes. Als Ergebnis sollen die Tagesordnung und die wichtigsten Spielregeln allen Verhandlungsteilnehmern bekannt sein.
Steuerungsfragen für die Organisationsphase lauten beispielsweise:
• • • • • • • • •
Was wollen wir uns heute vornehmen?
• •
Welches Verhandlungsverhalten sollte zusätzlich angestrebt werden?
• •
Wer schreibt heute das Ergebnisprotokoll und bis wann?
• •
Wer moderiert heute?
• •
Wie fördern wir gegenseitiges Vertrauen und Akzeptanz?
•
Welches Verhalten erwarten wir voneinander bei Informationsabgleich, Zielformulierung und Entscheidungsfindung?
Mit welchem Thema wollen wir beginnen? Was möchte ich heute hier erledigen? Was sollten alle zu bestehenden Absprachen/Zielen wissen? Welcher Ablauf erscheint uns für diese Verhandlung sinnvoll? Nach welchen Kriterien wollen wir über Lösungsvorschläge entscheiden? Wie wollen wir abschließend gemeinsam entscheiden (Bewertungsmaßstab)? Welche Verhandlungsspielregeln haben sich bisher als hilfreich erwiesen? Welche hilfreichen Vereinbarungen/Spielregeln sollten wir noch zusätzlich absprechen?
Wie wollen wir vorgehen (Zeitplanung, Protokollführung und Themenreihenfolge)?
Wie sollen Diskussionspunkte ständig transparent visualisiert werden (Flipchart, Pinwand, Beamer)?
Was wollen wir für eine gute Arbeitsbeziehung und störungsfreie Kommunikation absprechen?
Wie vermeiden wir eine Vermischung von menschlichen und sachlichen Problemen?
Zusätzliche Anregungen für Spielregeln der Organisationsphase in unterschiedlichen Verhandlungen finden Sie online unter www.verhandlungsführung.com.
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Analysephase erfordert Geduld Die Analysephase fordert noch etwas Geduld vom Verhandler. Bevor Sie den Verhandlungsspielraum, die Ziele, Absichten und Mandate nicht genau analysiert haben, dürfen keine Lösungsvorschläge auf den Tisch. Sie könnten in der Vorbereitung und Verhandlungsplanung Informationsdefizite haben, die zu nicht akzeptablen Lösungen für die andere Seite oder zu überhöhten Zugeständnissen bei Ihnen führen können. Recherchieren Sie den Lösungsbedarf mit bestätigenden Fragen und höheren systemischen Fragetechniken (siehe z. B. EKULA-Fragen in Kapitel 5). Diese Fragen vertiefen die Bedarfsanalyse und lassen den Verhandlungspartner immer konkreter werden. Ihr Gegenüber soll seine Interessen und Vorstellungen klar erläutern. Nur wenn Sie diese genau verstanden haben, können Ihr Lösungsvorschlag und Ihr Angebot die Bedürfnisse des Verhandlungspartners zielsicher treffen. Ihre eingeschätzten Zielkaskaden sollten jetzt abgesichert werden. Wo liegen gemeinsame Interessen, wo Interessenskonflikte? Bestehen Sie auf einem gemeinsamen detaillierten Abgleich von Zahlen, Daten und Fakten zur Problemstellung und den gewünschten Zielen. Schwebt Ihnen eine Machtstrategie vor? Dann können Sie bereits den Rahmen für eine Verteilungslösung ausloten. Da Ihr Verhandlungspartner genau wie Sie jederzeit aus der Verhandlung aussteigen kann, wenn er keine Chancen mehr sieht, seine Minimalziele zu erreichen (bzw. eine bessere andere Alternative vor Augen hat), ist es wichtig, dass Sie Ihrem Verhandlungspartner immer die Hoffnung auf einen lukrativen motivierenden Abschluss offen lassen. Sie erinnern sich: Die Rubikon-Entscheidung muss in der Analysephase gefällt werden. Dazu ist die Faktenklärung wichtig. Sie sollten jedoch die Verhandlungsspielregeln einhalten (wie Sachprobleme vom Mensch/Beziehungen trennen). Möglicherweise ist es sinnvoll, bereits hier eine erste Verhandlungspause einzulegen, um fehlende Informationen und Fakten zu beschaffen.
Verhaltenstipps für die Analysephase
•
Bevor erste Lösungen (die jeder immer bereits im Kopf bereithält) präsentiert werden, wird ein gemeinsamer Sachstand der vorliegenden Fakten zusammengetragen und besprochen.
•
Ergänzen Sie Teilinformationen der beiden Verhandlungsseiten zu einem gemeinsamen Faktenbild. Die Verhandlung wird transparenter und läuft flüssiger weiter.
• •
Nutzen Sie geeignete Medien zur deutlichen Visualisierung (Flipchart, Beamer).
•
Erfragen Sie in der Analysephase noch einmal ausdrücklich die übergeordneten Interessen der Beteiligten.
Fassen Sie nach der Faktenanalyse die gemeinsame Formulierung des Verhandlungsproblems und die Zieldefinition zusammen.
91
•
Setzen Sie Fragetechniken gezielt ein (besonders geeignet sind Informations-, Entwicklungs- und systemische Fragen, siehe dazu Kapitel 5).
•
Aktives Zuhören („wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Meinung, dass ...“) fördert Vertrauen und bestätigt präzise die Faktenbeschreibung.
•
Erst wenn jeder Verhandlungsteilnehmer über die gleichen Sachstandsinformationen verfügt, können Sie für offene oder heimliche Ziele und Interessen nach Lösungsideen suchen.
•
Offenheit und Vertrauen können Sie fördern, indem Fakten und Kernaussagen für alle sichtbar dokumentiert werden (z. B. mit Flipchart oder Beamer).
•
Fassen Sie die gemeinsamen Verhandlungsziele zusammen und lassen Sie sich diese Zusammenfassung bestätigen.
Steuerungsfragen für die Analysephase
•
Angenommen, wir würden unsere „Stakeholder“ befragen: Welche Fakten, Rahmenbedingungen und Ziele würden uns genannt werden?
•
Angenommen, unsere Organisation würde optimal funktionieren, welches wären die konkreten Unterschiede zum Ist-Zustand?
•
Was müsste in der Produktentwicklung geschehen, damit wir hier eine einfache oder bessere Lösung vereinbaren können?
•
Welche Abteilungen oder Gruppierungen sollten im gemeinsamen Interesse ihre Konflikte oder Interessensgegensätze lösen?
• • • •
Was ist in unserem Unternehmen bereits geklärt und fixiert?
• • •
Wer meint dazu was?
Worin läge der Nutzen für Ihr Unternehmen? Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um dieses zu erreichen? Welche Geschäftsprozesse, Produktanpassungen oder Servicefunktionen wären dazu hilfreich?
Wie sieht die Fachabteilung in Ihrem Hause das Problem? Wer will dazu was erreichen?
Diese Fragebeispiele können Sie gut für Ihre eigenen Verhandlungssituationen abwandeln. Sie gehören ebenfalls in die Toolbox des professionellen Verhandlungsführers! Erst wenn die Analysephase für beide Parteien zufriedenstellend ist, jede Seite ihre Problemstellung vorgestellt hat und ein gemeinsames Verständnis über das gemeinsame Verhandlungsziel besteht, kann nach passenden Lösungsideen gesucht werden.
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Lösungsideen für Zielkaskaden gemeinsam suchen In der Lösungssuchphase steigt die Anspannung an. Oft besteht innerlich bereits ein Bedürfnis, „auf-der-Hand-liegende“, vorausgedachte eigene Lösungsmöglichkeiten als Ideallösung vorzustellen. Die Zielkaskaden-Analyse deutet zwar den Zielrahmen an, doch jetzt kommt es darauf an, nicht vorschnell Lösungen anzubieten. Ein gemeinsamer Such- und Vorschlagsprozess, bei dem jede Seite abwechselnd Lösungsvorschläge präsentiert und verfeinert, wäre ideal. Gefährlich wird es, wenn Lösungsvorschläge der gegnerischen Verhandlungsseite direkt abgewertet werden. Machen Sie es sich zur guten Gewohnheit, jeden Vorschlag erst einmal als neue Idee zu begrüßen und wertungsfrei in den Pool der Lösungsideen aufzunehmen. Selbstverständlich dürfen Sie sich die Verhandlungsziele vor Augen führen, Präzisierungen fordern und zu weiteren Ideen für die Verhandlungsziele auffordern. Sollten Sie an Grenzen gelangen, planen Sie Zeit für gemeinsame kreative Lösungsvorschläge im Sinne lateraler und integrativer Lösungsideen (siehe Quick-WinCards) ein. Sind bestehende Handlungsmöglichkeiten für beide Seiten erweiterbar? Sind für alle Ziele bereits Lösungsideen gesammelt worden? Prüfen Sie auch mehrfach, ob Grenzen und Zugeständnisse deutlich gesetzt und nicht ausdehnbar sind. Erst dann versuchen Sie, in der Nutzenargumentation (berücksichtigen Sie das genaue Vorgehen aus Kapitel 5) mit Ihren Angeboten zu überzeugen. Auf Ihre Klärungsfragen hin begründet Ihnen Ihr Verhandlungspartner, wozu die Lösungen von ihm genutzt werden sollen. Ihre Zielkaskaden-Einschätzung können Sie jetzt für Folgeverhandlungen weiter ausbauen. Mit integrativen Verhandlungslösungen lassen sich mehr Ergebnisse erreichen, weil sich der Handlungsspielraum durch zusätzliche Optionen erweitern lässt. Das gegenseitige Vertrauen kann erhalten werden und fließt in zusätzliche kreative Lösungsvorschläge. Ist innerlich bei Ihrem Verhandlungspartner die Rubikon-Entscheidung gefallen, richtet sich seine Verhandlungsenergie auf die detaillierte Lösungsgestaltung. Solange die vereinbarten Spielregeln eingehalten werden, bleibt das Verhandlungsklima positiv. Killerphrasen und Abwertungen von Lösungsvorschlägen haben hier nichts zu suchen. Möglichst gut geeignete Verhandlungslösungen zu sammeln, ist der Kernzweck der Lösungssuchphase. Die Auswahl und Bewertung aller Lösungsideen erfolgt später in der Abschlussphase anhand der Ziele.
Verhaltenstipps für die Lösungsphase
• •
Sammeln Sie gemeinsam kreative Ideen.
•
Lassen Sie Ihren Verhandlungspartner sich mit dem Nutzenpfad aus dem 4-Hürden-Modell selbst überzeugen.
•
Präsentieren Sie eigene Lösungsvorschläge und -ideen; begründen Sie sie und stellen Sie ihren Nutzen dar.
Erweitern Sie die Alternativen und Handlungsmöglichkeiten. Oft behindert reines Verteilungsdenken neue Lösungsideen.
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Achten Sie darauf, dass die anderen Verhandlungspartner mit ihren Vorschlägen nicht abgewertet oder gar emotional angegriffen und verletzt werden.
Steuerungsfragen für die Lösungsphase
•
Angenommen, wir würden unsere „Kunden“ befragen: Welche Verbesserungsvorschläge würden uns genannt werden?
• • • • • • • •
Was wäre anders, wenn unsere Vorschläge bereits verwirklicht wären?
•
Angenommen, unsere Entwicklungsabteilung würde optimal funktionieren, welches wären die konkreten Unterschiede zu heute?
•
Was müsste bei Produktleistungsmerkmalen, was im Service verändert bzw. verbessert werden, damit wir Ihre Ziele besser erreichen?
•
Welche Abteilungen oder Gruppierungen sollten im gemeinsamen Interesse Konflikte oder Interessensgegensätze klären?
•
Was wäre anders, wenn unsere Vorschläge bereits verwirklicht wären? Worin läge der Gewinn für unsere Organisationen?
•
Welche Vereinbarungen können wir aufgreifen, um diese Lösungsideen in einem dauerhaften Kontrakt umzusetzen?
• •
Wie schaffen wir optimale Voraussetzungen für kreative Lösungsideen?
•
Wie vermeiden wir zu frühes Abwerten von Optionen?
Wo werden neue Ansatzpunkte für Lösungen, wo Grenzen sichtbar? Wo kann die eine, wo die andere Seite Zugeständnisse machen? Wo sind wir uns bereits einig, was ist noch offen? Welche gemeinsamen Ziele haben wir damit erreicht? Welche Interessen sind noch unbedingt zu klären? Wie können wir später mit Hilfe Dritter noch zu einer Lösung kommen? Wenn wir keine finanziellen Grenzen hätten, worin würden wir eine gute gemeinsame Verhandlungslösung sehen?
Mit welchen Lösungsoptionen können wir gemeinsam zusätzlichen Nutzen schaffen?
Den Abschluss einleiten Sie sind nah am Ziel und verfügen bereits über einen Fundus an gemeinsam gesammelten Lösungsmöglichkeiten. Im Eifer der Verhandlung kann der Blick manchmal etwas einseitig auf die eigenen Interessen oder auf neue kreative Lösungsversuche konzentriert und von den gemeinsamen Verhandlungsinteressen abgelenkt
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worden sein. Genau deshalb geht es in der Abschlussphase um eine gemeinsame sachliche Wertung der erarbeiteten Lösungsansätze für die Ziele aller Verhandlungspartner. Möglicherweise können mehrere Lösungsideen miteinander kombiniert werden? Auf Ihre Nutzen- und Überzeugungsfragen hin begründet der Verhandlungspartner, welchen Wert die Verhandlungslösung für ihn besitzt und wozu sie genutzt werden kann. Gehen Sie nur in kleinen Häppchen an die Bewertung des besten Angebotes heran. Reagiert Ihr Verhandlungspartner schnell mit Zustimmung, haben Sie etwas falsch gemacht: Ihr Angebot war zu entgegenkommend! Durch Angebotsvorschläge im Zielrahmen beider Seiten, aber immer nah an Ihrem eigenen Idealziel, können Sie sich an die wirklichen Grenzen Ihres Verhandlungspartners herantasten. Es entsteht ein Ping-Pong-Spiel, bei dem die gegenseitigen Zugeständnisse zum Ende immer geringer werden sollten. Die Logik besteht darin, dass große Zugeständnisse zu Beginn aufgrund von Fehleinschätzungen und wenig Hintergrundinformationen gemacht werden und nach einigen Lösungsvorschlägen die Annäherung an Ausstiegszielsetzungen erfolgt ist: Verhandlungsspielräume sind aufgebraucht. Die wichtigsten Tipps und Vorgehensweisen zum Verhandeln im engeren Sinne, dem Bargaining, mit seinen Tricks und Möglichkeiten finden Sie in den Kapiteln 4 und 5. Der Ablauf des Einigungsprozesses (Bargaining-Process) 1. Schritt:
Sie stellen den Nutzen einer der gesammelten Lösungsideen dar.
2. Schritt:
Sie fragen nach der Zustimmung des Verhandlungspartners anhand der Vier-Nutzencheck-Fragen (Commitment-Check).
3. Schritt:
Bei Zustimmungssignalen beenden Sie die Verhandlung mit smartem Abschlussvorschlag.
4. Schritt:
Bei ablehnendem Verhalten stellen Sie sofort eine Vertiefungsfrage nach dem Vergleichsmaßstab, der besseren Alternative und dem konkreten Interesse/Ziel Ihres Verhandlungspartners.
5. Schritt:
Jetzt prüfen Sie, ob das neue Mindestziel/Interesse und modifizierte Angebot für Sie überhaupt im eigenen Zielkorridor verhandelbar ist. Bei einem „Nein“ von Ihnen kommt es zum Ausstiegsvorschlag und Verhandlungsende.
6. Schritt:
Wenn Sie die Möglichkeit haben, unterbreiten Sie ein angepasstes Angebot mit Interessensargumentation für Ihren Verhandlungspartner.
7. Schritt:
Stellen Sie die Zustimmungsfrage (Commitment o. k.?). Wenn Ja: Abschluss. Wenn Nein, prüfen Sie wieder das Ziel/den Maßstab/das Interesse des Verhandlungspartners und Ihre eigenen Möglichkeiten. Wenn möglich, unterbreiten Sie ein erneutes modifiziertes Angebot, sonst folgt Ausstieg/Abbruch der Verhandlung.
Abbildung 37: Der Ablauf des Einigungsprozesses (Bargaining-Process)
Haben Sie bei Ihren Lösungsvorschlägen immer die Zielkaskaden vor Augen, damit Sie nicht zu viel oder zu wenig anbieten. Wer hier hoch pokert, kann bei der Einigung viel Zeit verlieren, da das Vertrauen nicht gestärkt wird. Ist der Nutzen der
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Verhandlungslösung beiden Verhandlern gleichermaßen transparent? Regen Sie beim Verhandlungspartner sofort den Nutzencheck für die von Ihnen präferierten Lösungen an, wenn Sie ablehnende Signale (durch Körpersprache, geäußerte Bedenken ...) wahrnehmen. Dafür können Sie recht einfach die Quick-Win-Tools Interessensprüfstand, die inhaltliche Nutzenargumentationskette oder den Einwandzyklus anwenden. Diese Verhandlungstools werden später ausführlicher dargestellt. Sie finden die Quick-Win-Tools aufbereitet für den praktischen Verhandlungseinsatz unter www.verhandlungsführung.com. Sollten in diesem Überzeugungsprozess noch Stolpersteine und Anpassungsnotwendigkeiten vorliegen – Sie erinnern sich an die Möglichkeiten des Motivationsprozesses im 4-Hürden-Modell? – so sind letzte kleinere Zugeständnisse möglich. Verhandlungssteuerer haben dabei stets ihr Ausstiegsziel im Blick! Ihr Verhandlungsabschluss wird dann nur noch in überprüfbarer Absprache zu formulieren sein. Dieser engere Aushandlungsprozess (Bargaining) läuft ebenfalls wieder als eine systematische Schleife ab. Bei gewichtigen Verhandlungsabschlüssen gehört ein Umsetzungsplan mit den wesentlichen Aufgaben zusätzlich dazu. Auf Ihrer Verhandlungs-Checkliste steht jetzt nur noch der Punkt, die Absicherungsschritte zu ermitteln, zu formulieren und in dem Umsetzungsplan zu ergänzen. Ja, es ist leider so: Es ist wichtig, die Verhandlungsergebnisse intern zu kommunizieren, aber dieser notwendige Schritt wird aus Freude über den erreichten Abschluss schnell verdrängt. Der Umsetzungserfolg kann dann nachträglich intern durch Stakeholder und Betroffene auf jeder Seite blockiert werden. Klären Sie unbedingt noch absichernde Schritte für die wichtigsten Betroffenen! Der erste Eindruck prägt, aber der letzte Eindruck bleibt deutlicher haften. Diesen Rat geben uns die Psychologen mit auf den Weg. Der Verhandlungsabschluss sollte aus diesem Grunde als Höhepunkt enden.
Verhaltenstipps für die Abschlussphase
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•
Unterbreiten Sie ein passgenaues Angebot, das an den ermittelten Zielen (Zielkaskade) und Motiven des Motivprofilings ausgerichtet ist.
•
Versetzen Sie sich in die Situation des Verhandlungspartners, und sprechen Sie seinen Interessenspfad an. Fragen Sie nach, wo Ihr Verhandlungspartner konkret seinen Vorteil bei der Umsetzung seiner Ziele sieht. Sollten noch Hindernisse bestehen, schlagen Sie ergänzende Kompensationsmöglichkeiten vor. Fragen Sie bei Ihrem Verhandlungspartner den „4-Ja-Antworten-Test Interessensprüfstand“ (vgl. Abbildung 32 in Kapitel 2.4) ab.
•
Überzeugen Sie durch geschickt gewählte Nutzenformulierungen wie „Das erspart Ihnen mindestens ...“ oder „Dadurch gewinnen Sie zusätzlich ...“.
•
Lassen Sie Ihren Verhandlungspartner sich selbst mit seinem eigenen Motivpfad und seiner Zielkaskade überzeugen.
•
Die Vereinbarungen sollen so formuliert sein, dass alle Parteien hinterher eindeutig erkennen können, ob sie vom Vertragspartner erreicht werden (überprüfbare operationale Form).
•
Die Vorschläge werden präzisiert, zusammengefasst und sichtbar für alle visualisiert, damit der Nutzen deutlich wird.
•
Die gemeinsame Entscheidungsfindung erfolgt zügig nach vorher abgesprochenen Regeln.
• •
Absicherungsfragen und bestätigende Fragen helfen hier gut.
• •
Sorgen Sie für einen freundlichen Abschluss mit Zufriedenheitsgefühl.
•
Das reicht von konkreten positiven Absprachen des weiteren Vorgehens über ein Folgegespräch zu einem anderen wichtigen Thema bis zu konkreten Tipps zu noch offenen Interessen des Geschäftspartners.
Eine Nutzenüberprüfung für alle Beteiligten sollten Sie gemeinsam durchführen. So sehen Sie bereits jetzt, ob alle Ziele bzw. Interessen ausreichend abgedeckt wurden. Eventuell müssen für wichtige Teilinteressen noch neue Lösungen erarbeitet werden, damit ein Kontrakt zustande kommt.
Sichern Sie als Abschlusseindruck ein positives Abschlusserlebnis. Dieser letzte positive Eindruck von der Verhandlung hilft, die Umsetzung zu sichern.
Steuerungsfragen für die Abschlussphase
•
Woran erkennen wir den Umsetzungserfolg des Lösungsvorschlages und sind wir beide damit zufrieden?
• • • •
Welche Vorzüge hat für Sie/Ihr Unternehmen unsere Verhandlungslösung?
•
Welche abgesprochenen Entscheidungskriterien sehen alle Beteiligten als fair und angemessen an?
•
Welche Argumente helfen, Interessensgegensätze zu neutralisieren bzw. zu vermindern?
• • • •
Ist diese Verhandlungslösung für alle die bessere Alternative?
Welche Argumente gefährden das Aushandeln fairer Lösungen im Detail? Wie vermeiden wir Streit um Prinzipien und Positionen? Welche unserer Interessen sollten wir als Maßstab für die Lösungsauswahl nehmen?
Ist die Lösung für mich besser als meine beste Alternative? Womit vergleichen Sie meinen Lösungsvorschlag? Schätzt die andere Seite meine beste Alternative (und Ausstiegskosten) viel lukrativer ein und ist sie deshalb zu möglichen weiteren Zugeständnissen bereit?
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•
Kann ich die beste Alternative meines Verhandlungspartners zur Verhandlungslösung richtig einschätzen?
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Wie kann ich meine beste Alternative stärken und so darstellen, dass sie die Alternativen der anderen Seite überragt, um weitere Zugeständnisse zu erreichen?
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Ist unsere Übereinkunft klar und vollständig nach SMART-Kriterien formuliert?
• • •
Welche Fachfunktionen oder Fachbereiche sind noch zu beteiligen?
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Was ist nach diesem Verhandlungsabschluss zum Ausbau der zukünftigen Geschäftsbeziehung zu tun?
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Darf ich Sie zum Feiern dieses für beide Seiten hervorragenden Verhandlungsabschlusses zu ... einladen?
Lässt sich unsere Verhandlungslösung mit den Betroffenen umsetzen? Können Sie in Ihrem Hause allein die Überzeugung unserer Absprachen leisten? Wer macht was bis wann mit wem? Wann überprüfen wir die Ergebnisumsetzung (Checkpoint)? Welche Bedenken könnten bei Betroffenen noch bestehen, für die wir eine Idee benötigen?
Welche konkreten Informationsmaßnahmen wollen wir einleiten/vereinbaren? Wie sehen die konkreten Schritte zur Absicherung der Verhandlungslösung und die jeweilige interne Kommunikation aus?
Damit ist der KOALA-Verhandlungsprozess abgeschlossen. Führen Sie zeitnah nach der vertraglichen Fixierung die Reflexionsphase als Lern- und Absicherungsschritt der Verhandlung durch. Dazu gleich ein paar praktische Umsetzungstipps aus dem Verhandlungsalltag.
Reviewphase stabilisiert Abschluss und schließt offene Flanken Der Hauptzweck der Reviewphase ist es, den Verhandlungsprozess Revue passieren zu lassen, daraus selbst für weitere Schritte oder Folgeverhandlungen zu lernen und das eigene Vorgehen zu optimieren. In dieser Nachbereitungsphase geht es um das Controlling: die Auswertung des gesamten Verhandlungsgesprächs und der Ergebnisse. Leider wird dieser Teil der Verhandlung leicht vernachlässigt und fällt als systematische Nachbereitung in den Unternehmen oft aus. Andererseits ist es bedeutsam, fixierte und noch auszugestaltende Verhandlungslösungen abzusichern.
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Tipps zum Verhalten nach der Verhandlung
•
Verstärken Sie einen positiven Abschluss mit bestätigenden Ritualen und gemeinsamen Erlebnissen auch in Ihrem eigenen Unternehmen.
•
Mögliche Rituale reichen vom klassischen Händedruck über ein gemeinsames Abschlussessen bis zur Vertragsfeier in angemessenem Ambiente.
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Auch der Ausblick nach vorn ist wieder wichtig: Was wird in Zukunft durch diese Verhandlung einfacher und besser? Denken Sie an den Motivationsprozess für die Umsetzung!
• •
Stellen Sie sich und den Beteiligten offene Fragen zu Umsetzungslücken. Fassen Sie eigene Beobachtungen und Eindrücke zusammen.
Selbst-Steuerungsfragen zum eigenen Review
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Was sind nun die eigentlichen Verhandlungsergebnisse, die uns voranbringen?
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Welche zusätzlichen Spielregeln sollten wir künftig noch vereinbaren, damit die Kooperation effektiver wird?
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Welche Personen und Kompetenzen haben gefehlt oder behindert?
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Welche Einflüsse sollten wir bereits bei der Verhandlungsplanung bedenken?
Was hat mich gestört und was hat mir gut gefallen beim Verhandlungsablauf und dem Verhalten aller Beteiligten?
Welche Verhandlungsschritte waren ineffektiv, und welche haben uns zügig weitergebracht?
Was wollen wir bei zukünftigen Verhandlungen mehr beachten?
Kurzreflexion: Formulieren Sie jetzt für Ihre eigenen Verhandlungen denkbare Steuerungsfragen: Wählen Sie die drei besten Zukunftsfragen an Ihren Verhandlungspartner für Ihre Eingangsverhandlungssituationen aus. Was würden Sie auf Ihre Fragen möglicherweise von Ihrem Verhandlungspartner erfahren? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Formulieren Sie jeweils fünf eigene Fragen zu jeder KOALA-Phase für Ihre Verhandlungstoolbox! ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Nutzen Sie zum Überprüfen Ihrer eigenen Steuerungsfragen die Gesamtablaufsteuerungs-Checkliste über alle sieben Verhandlungsstufen des High-Speed-Verhandlungssystems unter www.verhandlungsführung.com. Fazit: Mit dem Leitfaden des High-Speed-Verhandlungssystems zu den sieben Phasen der Verhandlungssteuerung bestimmen Sie für sich den Ablauf Ihrer Verhandlung und nutzen angemessene Gestaltungsmöglichkeiten. Der strukturierte Verhandlungsablauf mit konkreten Prozessfragen, Verhaltenshinweisen und Steuerungsmöglichkeiten hilft Ihnen, Schritt für Schritt den optimalen Verhandlungsablauf selbst zu gestalten. In einem systematischen Zyklusablauf beginnt dies mit der Vorbereitungs- und endet mit der Reviewphase. Quick-Win-Tipps unterstützen eine schnelle Umsetzung, und Sie können sogar Konsequenzen für Folgeverhandlungen berücksichtigen. Gemeinsam verabschiedete Spielregeln zur Ablauforientierung beschleunigen Ihre kooperativen Verhandlungen durch eine überzeugende Ablaufsteuerung. Umsetzungshilfen erleichtern die direkte Übertragung auf Ihre eigene Verhandlungssituation.
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4. Unfaire Kommunikation im High-Speed-Verhandlungssystem steuern 4.1 Bluffs, Manipulation und Unfairness verhindern Jeder Verhandler muss mit miesen, oft kurzsichtigen Tricks der anderen Seite rechnen. Wie diese funktionieren und wie angemessenes Konterverhalten aussieht, erfahren Sie im Folgenden. Mit Hilfe von Essentials aus der Beeinflussungsforschung, der systemischen Beratung und der biologischen Anthropologie lernen Sie, Manipulationsversuche zu stoppen, zu klären und sie selbst konstruktiv zu nutzen.
Fallen und Eigentore naiver Manipulateure Möchten Sie gern in der Verhandlung wie ein erfahrener Marionettenspieler oder Stardirigent auftreten? Einem Dirigenten gleich, dem alle Mitspieler der Verhandlung folgen? Das erfordert Vertrauen! Nur unerfahrene Verhandler versuchen, gleich mit unfairen Tricks zu arbeiten. Trotzdem ist es wichtig, sich vor unterschwelligen Manipulationen zu schützen und die eigenen Antennen sensibel und offen zu halten, um gezielt kontern zu können. Fair oder unfair ist nicht nur Ihre Entscheidung bei der Wahl geeigneter Verhandlungsstrategien und -methoden. Was bringt Ihnen kooperatives Verhalten, wenn die andere Seite einen Vorteil in unfairen Geschäftspraktiken sieht und versucht zu manipulieren? Der Umgang mit chinesischen Verhandlungspartnern (Wirtschaftsverhandlung als Form von Wirtschaftskrieg) erfordert eine ganz andere Verhandlungsführung als eine interne Projektverhandlung oder eine Klärungsverhandlung mit dem Ex-Ehepartner. Die Antwort auf die Fairnessfrage hängt schließlich auch davon ab, ob eine dauerhafte Geschäftsbeziehung mit dem Verhandlungspartner bzw. -gegner angestrebt wird oder ob nur ein Einmalgeschäft mit einer reinen Machtstrategie ansteht. Sinnvoll ist es, sich erst einmal mögliche Manipulationstechniken vor Augen zu führen und in einem zweiten Schritt gangbare Entkräftungsmethoden und deren Voraussetzungen zu klären. Möglicherweise beabsichtigt Ihr Verhandlungspartner gar keine unfaire Methodik, sondern er hat nur Klärungsbedarf. Denkbar ist auch, dass Ihrem Verhandlungspartner noch Informationen fehlen oder er über einen unklaren Vorgehensvorschlag von Ihnen irritiert ist. Sie können solche Einwände mit einfachen Verhaltensformen klären. Zur schnellen Bewältigung von Einwänden und Vorwänden stelle ich Ihnen im Kapitel 5 detaillierte Verhaltensmöglichkeiten 101
vor. Bei echten Manipulationen benötigen Sie ein schnelles Konterverhalten, das die Manipulation stoppt und umlenkt. Halten Sie sich immer vor Augen: Nicht Sie allein bestimmen die Verhandlungsmethoden, aber Sie können den Verhandlungsstil durch Ihr Verhandlungsverhalten mitsteuern und gestalten! Zu unterscheiden sind grundsätzlich rhetorische Unredlichkeiten, mit denen die andere Seite unfair kommuniziert, und gezielte manipulative Verhandlungstaktiken, mit denen Ihr Verhandlungspartner – ich sollte wohl eher vom Verhandlungsgegner sprechen – versucht, Sie mit Tricks über den Tisch zu ziehen. Mit diesen Manipulationstechniken ist bei Einmalgeschäften leider immer zu rechnen. Schauen wir zuerst auf die unfaire Rhetorik. Kurzreflexion: Wo und bei welchen Verhandlungen haben Sie schon einmal Manipulation oder unfaire Rhetorik erlebt? Oder bei welchen Gelegenheiten vermuten Sie Manipulation durch Ihre Verhandlungspartner? Bitte nennen Sie drei bis fünf Beispiele oder unfaire Aussagen: 1. ______________________________________________________________ 2. ______________________________________________________________ 3. ______________________________________________________________ 4. ______________________________________________________________ 5. ______________________________________________________________
Die zentralen Angriffsebenen der Manipulation Unfaire Rhetorik soll verunsichern, zu mehr Zugeständnissen führen, den eigenen Einfluss erhöhen oder von unangenehmen Tatsachen ablenken. Meine Analysen von Verhandlungen zeigen ständig, wie auf sieben zentralen Ebenen des Verhandlungsprozesses unfair eingewirkt und manipuliert wird. 1. Ebene der Abläufe
Wirkung: Es werden die normalen Klärungs- und Verhandlungsschritte mit Zeitdruck oder nicht gleich durchschaubaren äußeren Zwängen belegt. Sie empfinden belastenden Druck und werden in der Folge Ihrer Handlungsmöglichkeiten beraubt. 2. Ebene der Rollen
Wirkung: Es wird die Rollenverteilung so beeinflusst, dass Sie kaum Einfluss auf das Verhandlungsergebnis haben. Die Folge ist, Sie können nur eingeschränkt am Ergebnis mitwirken, und es kommt für Sie zu nachteiligen Verhandlungslösungen.
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3. Ebene der Interessen
Wirkung: Mit überzeichneten positiven Andeutungen und überhöhten Versprechen für die Zukunft wird versucht, Ihre Ziele, Motive und Bedürfnisse anzusprechen, die aber bei realistischer Beurteilung nicht erreicht werden können. Mit motivationspsychologischen Tricks und falschen Eintrittswahrscheinlichkeiten wird ein unrealistisches Zukunftsbild suggeriert. In der Folge kann der fälschliche Eindruck entstehen, dass Ihre Motive und Interessen leicht erreichbar seien. Die Realität wird mit großer Wahrscheinlichkeit jedoch anders aussehen. 4. Ebene der Fakten
Wirkung: Durch Desinformationen und falsche Daten der Gegenseite verlieren Sie den Bezug zur Realität des Marktes und schätzen z. B. Wettbewerbspreise falsch ein. Es wird mit unwahren oder grauen Fakten gearbeitet, oder unvollständige Daten legen andere Schlussfolgerungen nahe. In der Folge können Sie Fehlentscheidungen fällen, Ihr Nutzen ist nur schwer erreichbar. 5. Ebene der Persönlichkeit
Wirkung: Emotionen werden als Druckmittel missbraucht, um beispielsweise Harmonie suchende Verhandlungspartner zu einseitigen Abschlüssen zu drängen. Beziehungen werden infrage gestellt. Durch emotionalen Stress wie Erniedrigung der Person soll jemand zum Nachgeben bewegt werden. 6. Ebene der Einstellungen
Wirkung: Durch suggestive Taktiken (wie Selbstbekräftigung und Einstellungsäußerungen von Dritten) wird versucht, Ihre persönlichen Einstellung zum Thema und Ihr Vorgehen zu beeinflussen. Es wird auch hier mit Desinformation über Werte anderer, mit Gerüchten und Unterstellungen gearbeitet. Als Folge sollen Sie Ihre persönlichen Einstellungen anpassen und andere Verhandlungslösungen zulassen. 7. Ebene der Wahrnehmung
Wirkung: Durch die Ansprache unterschwelliger Muster und menschlicher Automatismen soll eine Fehlinterpretation von Reizen eingeleitet werden. Der Manipulierte soll durch unbewusste Fehlentscheidungen zu Handlungen verführt werden, die seinen Interessen zuwiderlaufen und dem Manipulator Vorteile verschaffen.
Abbildung 38: Die sieben zentralen Angriffsebenen professioneller Manipulateure
Gängig sind dabei etwa lapidare Hinweise auf neueste Statistiken und eigene Untersuchungen, welche die eigene Position stärken. Manchmal wird einfach das eigene Wunschdenken als Realität hingestellt. Einzelfälle oder persönliche Erfahrungen werden als typisch oder allgemeingültig dargestellt, es werden Behauptungen untergeschoben, die Kompetenz von Personen in Frage wird gestellt, oder es werden persönliche Angriffe gestartet. Schnell kann da das Verhandlungsklima abkühlen, Kampfsituationen entstehen.
Tipps: Direkte Abwehrmöglichkeiten bei unfairer Rhetorik Die Fachkompetenz einzelner Personen wird bestritten.
• •
Sprechen Sie unfaire Taktiken sofort offen an. Lassen Sie sich nicht auf eine Kompetenzdiskussion ein, sondern führen Sie wieder auf Sachargumente zurück.
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•
Sie können auch die andere Verhandlungsseite darauf hinweisen, dass heutzutage jeder seine fundierte berufliche Spezialisierung hat, und sachlich in der Argumentation weitergehen.
Tatsachen und abgesicherte Untersuchungen werden bestritten.
•
Halten Sie aus Ihrer sorgfältigen Vorbereitung die Fakten, Daten und Beweismittel der eigenen Argumentation parat. Nennen Sie Belege, Quellen und Ursprungsdaten.
•
Tragen Sie ruhig Ihre begründete Argumentation vor und wiederholen Sie diese notfalls noch einmal deutlich.
Behauptungen werden als fundierte Meinungen hingestellt.
•
Auch hier sollten Sie die Taktik beim Namen nennen, machen Sie das Verhalten öffentlich.
•
Fordern Sie mehr Argumente für die Behauptungen. Wer behauptet, ist immer beweispflichtig!
•
Bei Behauptungen sollten Sie immer Belege verlangen, da schnell mit Halbwahrheiten und Teilinformationen manipuliert werden kann.
•
Als harter Stopper wirkt, wenn Sie Ihr Gegenüber auffordern, Schlagwörter mit einem Satz kurz zu definieren und behauptete Tatsachenzusammenhängen zu belegen.
Die Verhandlung wird emotionalisiert.
• •
Lassen Sie sich nicht provozieren!
•
Sie können auch abwarten, bis die andere Seite Dampf abgelassen hat, dabei ruhig und aktiv zuhören und persönliche Argumente in sachliche Klärung lenken.
•
Fordern Sie einfach als Gegengewicht mehr Sachlichkeit in der Verhandlung von allen Seiten.
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Unfaires Verhalten sollten Sie nie akzeptieren, sondern ansprechen (es etablieren sich sonst neue Kommunikationsspielregeln). Weisen Sie auf faire Spielregeln hin und schlagen Sie einen sachbezogenen Dialog vor.
Versuchen Sie, sich durch eine mentale Schnellentspannung Ruhe, Gelassenheit und Handlungsfähigkeit zu vermitteln. Eine gute Hilfe ist die 3x24+L-Methode. Die Formel bedeutet: Sagen Sie innerlich dreimal 24 (das sind drei Sekunden zur eigenen emotionalen Entspannung) und lächeln Sie, bevor Sie argumentieren!
Hypothetische Annahmen oder Fragen werden in den Raum gestellt.
•
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Sie können die Vertiefung von hypothetischen Fragestellungen sofort ablehnen und zur konkreten Problemstellung zurückgehen.
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Oder prüfen Sie angeführte hypothetische Situationen auf Realitätsbezug und Umsetzungsmöglichkeiten für Ihr Verhandlungsproblem.
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Sie können auch Voraussetzungen Ihres Gesprächspartners als unrealistisch oder unwahrscheinlich hinstellen.
• •
Ein deutlicher Stopper ist meist die Aufforderung zur Definition! Oder Sie unterbrechen sofort und fordern sachliche Belege und Beweise ein.
Ein Sachverhalt wird übertrieben oder überzeichnet.
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Nennen Sie unfaire Taktiken sofort beim Namen. Anprangern hilft oft, diese schnell abzustellen.
•
Führen Sie zum Ausgangsproblem/dem gemeinsamen Interessensschirm zurück und machen Sie sich für eine differenzierte Sicht der Dinge stark.
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Machen Sie sich den Nutzen Ihres Vorschlages für den Verhandlungspartner anhand der Zielkaskade bewusst und argumentieren Sie mit dem möglichen Nutzen für ihn.
Einzelfälle werden als allgemeingültig hingestellt.
•
Wenden Sie sich entschlossen gegen diese manipulierende Taktik, weil mit einem Denkfehler gearbeitet werden soll: Einzelfälle oder Beispiele können nie etwas beweisen. Schon ein anderes Beispiel kippt solche Versuche. Einzelfälle können nur zur Illustration dienen.
•
Verweisen Sie auf ein Gegenbeispiel, nennen Sie anders gelagerte Einzelfälle, und die Taktik ist entkräftet.
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Fordern Sie einfach eine Differenzierung des Sachverhaltes mit einem kurzen begründenden Argument ein.
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Weisen Sie darauf hin, dass es wichtig ist, gemeinsam den Zusammenhang in seiner gesamten Tragweite auszuleuchten.
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Oftmals genügt es bereits, wenn Sie den Zusammenhang anzweifeln und auf die Komplexität des Sachverhaltes hinweisen.
Sie werden mit einer eigenen früheren Meinungsäußerung konfrontiert.
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Es genügt, wenn Sie darauf hinweisen, dass sich die Bedingungen und der Markt inzwischen grundlegend verändert haben und viele neue Fakten und Marktentwicklungen dazugekommen sind.
• •
Bekennen Sie sich zu Ihrer eigenen Lernfähigkeit und der Ihres Unternehmens. Bekennen Sie sich zum ständigen Lernen, zu Offenheit für neue Erfahrungen und zu einer starken flexiblen Marktorientierung.
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Sie wissen: Der Grat für eine Verhandlungseinigung ist schmal, wenn bei unfairer Rhetorik hart gekontert wird. Sie können auf einen Angriff mit einem Gegenangriff antworten. Mit gleicher Münze zurückzuzahlen, stoppt erst einmal nur diese Unfairness: Das ist der berühmte Schuss vor den Bug. Es fehlt aber noch die Klärung des weiteren angestrebten Verhaltens. Sie haben dazu gleich eine Chance, bevor die Verhandlung eskaliert!
Unfaires Verhalten mit der Stopp-Konter-Methode abwehren Sinnvoller ist es deshalb, sofort die bisherigen Verhandlungsspielregeln im Umgang miteinander zu klären, offenzulegen oder, wenn es Sinn macht, neu kooperativ zu vereinbaren. Dabei hilft die Stopp-Konter-Methode. Sofort-Reaktions-System bei unfairer Verhandlungsrhetorik: Stopp-Konter-Methode 1. Schritt: Verhandlungsgegner stoppen
• Manipulationsversuche sofort aufdecken • Unfaire Praktiken öffentlich ansprechen • Stoppen, z. B. indem Sie die Gegenposition
vertreten oder die Behauptungen belegen
und definieren lassen 2. Schritt: Zum Verhandlungspartner erziehen
Abbildung 39: Die Stopp-KonterMethode
• Fragen zu Stil/Umgang miteinander stellen • Konstruktives weiteres Vorgehen vorschlagen • Vertrauen aufbauen: Selbst einen ersten konstruktiven Schritt tun • Zustimmung zu kooperativem Verhalten vom Verhandlungspartner
sofort einfordern
Deshalb gibt es bei der Abwehr von unfairen Praktiken immer zwei wichtige Klärungsschritte. Leider bemerke ich oft, dass die Chance des zweiten Schrittes verschenkt wird und eine ruppige Verhandlung langsam in einen unfairen Verhandlungsstil übergeht. Bleiben Sie stattdessen der Steuermann der Verhandlung und steuern Sie unfaire Rhetorik. Wenn Sie eine kooperative Verhandlungsstrategie beabsichtigen, hilft Ihnen das Zweistufen-Kontersystem.
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Miesen Tricks mit Schnellreaktionen begegnen Weiter oben haben Sie über selbst erlebte oder befürchtete unfaire Rhetorik nachgedacht. Kurzreflexion: Formulieren Sie aus den aufgeführten Manipulationsbeispielen nach der Stopp-Konter-Methode jeweils eine Lösung in zwei Stufen. Führen Sie Ihren Verhandlungspartner zu einem kooperativen Verhandlungsstil hin! ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Beispiellösungen dazu werden kontinuierlich auf www.verhandlungsführung.com ergänzt. Sie haben außerdem die Möglichkeit, Ihre Lösungen dort online zu stellen. Wir kommentieren dann anonymisiert die besten Beispiele. Gegen andere schwerwiegende Manipulationsversuche und unfaire Verhandlungstaktiken können Sie sich am einfachsten mit Hilfe der strukturierten Verhandlungsvorbereitung und -durchführung anhand der KOALA-Phasen wappnen. Wenn Sie Ihren Verhandlungspartner zu fairem Verhalten „erziehen“ wollen, müssen Sie selbst ein klares Vorbild sein und ihn zum Mitmachen auffordern. Wendet Ihr Verhandlungspartner unfaire Taktiken an, bedeutet das für Sie, dass Sie sofort auf gleichartiges Verhalten zurückschalten (sich ebenfalls unfair verhalten und ihm bildhaft einen Schuss-vor-den-Bug versetzen) – mit möglichen negativen Konsequenzen. Eine gute Maxime ist, Zug um Zug zu handeln. Dazu lernen Sie eine spezielle Methode kennen. Der Partner muss sich an Ihr Verhalten anpassen, sonst zeigen Sie sofort wieder eine harte Verhandlungslinie.
4.2 Konstruktive Kommunikation selbst steuern Ist ein kooperatives Verhandlungsklima beschädigt, wird es schwer, wieder faire gemeinsame Schritte zu unternehmen. Im Folgenden lesen Sie, wie Sie Manipulationsansätze vorausschauend entkräften und neue stabile Kooperationsregeln vereinbaren, um zu einer gemeinsamen Verhandlungslösung zu kommen. Dabei stelle ich die Grundprinzipien vor, die hinter einer Vielzahl von Manipulationstechniken stehen, und zeige, wie Sie sich dagegen wehren und damit umgehen können. Ist aber konstruktive Verhandlungskommunikation überhaupt das Ziel Ihrer Verhandlung? Wollen Sie nicht lieber eine Kampftaktik anwenden oder möchten Sie
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sich und Ihre Verhandlung vor der Wirkung von Manipulationstechniken schützen? Schon Machiavelli hatte seinem Fürsten geraten, jeden Moment der Schwäche seines Gegners zu nutzen und ihn dann anzugreifen. Diese Empfehlungen haben bis heute den Ruf von Kampf- und Manipulationstechniken als Machiavellismus geprägt. Derartige Machtmethoden – und es sind in den fünf Jahrhunderten danach einige dazugekommen – funktionieren meist nur, wenn Sie diese perfekt beherrschen und Ihr Verhandlungspartner nicht. Durchschaut auch der Verhandlungspartner derartige Methoden, können Sie sicher sein, dass er die Abwehrmöglichkeiten kennt und sich wehren wird. Dadurch wird das Erreichen eines gemeinsamen Verhandlungszieles höchst unwahrscheinlich. Wer auf negative Weise manipuliert, versucht mit unfairen, meist verdeckt wirkenden und täuschenden Mitteln, den Willen und die Handlungsmöglichkeiten anderer Verhandlungspartner zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Auch mit Lob, Schmeicheleien, Komplimenten oder intensiver positiver Motiv- und Bedürfnisansprache kann beeinflusst werden. Dies bezeichnet man dann als positive Manipulation. Gegen beide Manipulationsansätze sollten Sie sich wappnen. Doch wenden wir uns zunächst typischen Manipulationsmethoden zu.
Die Verhandlungstrickkiste knacken: Mit Manipulations- und Überlistungstechniken umgehen lernen Während des Verhandlungsprozesses werden von Verhandlungsparteien häufig gezielt einseitige Beeinflussungsmöglichkeiten eingeplant. Es macht keinen Sinn, sich diese alle vor Augen zu führen. Manipulationsmethoden lassen sich zudem nach einem Baukastensystem verändern und mutieren leicht. Geschulte Verhandlungsprofis verfügen meist über ein großes Arsenal an Manipulationstricks, setzen diese aber kaum ein. Wertvoller ist es, die Manipulationsmechanismen zu erkennen, die hinter derartigen Praktiken stehen. Ich selbst habe im Laufe der Zeit bei Verhandlungen eine Trickkiste von über 700 (!) Verhandlungstricks gesammelt und ausgewertet. Wenn Sie solche Manipulations- und Beeinflussungsmethoden konkreter kennen lernen wollen, schauen Sie einfach unter www.verhandlungsführung.com nach. Dort stellen wir nach und nach die gängigsten aktuellen Methoden und ihre besten Abwehrmöglichkeiten vor. Die Hauptangriffsrichtungen aller Manipulationsmethoden sind vorrangig die Persönlichkeit oder die Logik (mit der Informationsverarbeitung) des Verhandlungspartners. Ich persönliche rate Ihnen davon ab, mit Manipulationstechniken in Ihren Verhandlungen zu spielen – dieses gilt auch für Einmalgeschäfte ohne weitere Folgegeschäfte. Es ist weitaus vorteilhafter für Sie, Ihren Verhandlungspartner mit den Werkzeugen des High-Speed-Verhandlungssystems zu führen und zu einer für Sie sicher gewinnbringenden Verhandlungslösung zu leiten. Ansonsten gehen Sie, wenn der Verhandlungspartner Ihre Tricks aufdeckt, das Risiko eines Verhandlungsabbruchs und einer Positionsverhärtung ein. Trotzdem sollten Sie solche Me108
thoden und ihre Wirkungsweise erkennen und entsprechend darauf reagieren können.
So funktioniert unterschwellige Beeinflussung Die Welt von heute wird immer komplexer, überflutet uns mit immer mehr Informationen und alles gerät unter permanenten Zeitstress. Schnelligkeit ist wichtiger geworden. Diese täglichen Erfahrungen im Umgang mit neuen Informationen prägen unsere Entscheidungen und unsere Wahrnehmung ebenfalls in Verhandlungen. Rationale Entscheidungen werden von uns Menschen oft durch schnelle Routine, die wir uns im Laufe des Lebens angeeignet haben, ersetzt. Sie und ich können aus wahrgenommenen Teilinformationen und unbekannten Daten fast immer blitzschnell die richtigen Zusammenhänge interpretieren. Um immer handlungsfähig zu bleiben, entwickeln Menschen solche Reaktionsmuster, die auf bisherigen zuverlässigen Erfahrungen beruhen. Auf Teilinformationen reagieren wir ganz automatisch, meist unbewusst und leiten daraus Entscheidungen und Handlungswege ab. Ist Ihnen bewusst, wie automatisch Sie Auto fahren? Niemand verarbeitet jedes einzelne Verkehrszeichen, jedes Umgebungsbild vom Straßenrand, jedes Geräusch genau. Anthropologen haben diese Mechanismen vielfältig untersucht und für uns auf den Punkt gebracht: Wir Menschen haben fest verankerte Reaktionsmuster entwickelt, die uns helfen, in unserer komplexen Umwelt richtig zu entscheiden, ohne zuvor alle relevanten Informationen intensiv analysiert zu haben. Leider sind diese erlernten Automatismen (sogenannte Trigger-Features)8 für schnelle Entscheidungen auch die idealen Trigger für Manipulation und Beeinflussung. Betrachten Sie diese Einfluss-Automatismen etwas näher, bevor Sie gegensteuernde Möglichkeiten und Schutzmechanismen ansehen: Das Prinzip Verpflichtung Wir sind bemüht, einem anderen etwas zurückzugeben, wenn wir von ihm etwas bekommen haben. Wenn uns jemand einen Gefallen tut, fühlen wir uns verpflichtet, uns zu revanchieren, selbst wenn wir gar nicht darum gebeten hatten.
Tipps für Verhandlungen: Machen Sie kleine Zugeständnisse, ohne darum gebeten worden zu sein! Anschließend stellen Sie überhöhte Forderungen. Wollen Sie das Prinzip wirken lassen, so machen Sie jetzt ein neues Zugeständnis und gehen bis auf die Forderung, die Sie erreichen wollen, herunter. Durch diese Geschenke sollten sich die meisten Ihrer Verhandlungspartner verpflichtet fühlen, Ihnen ein Gegengeschenk zu machen und auf Ihre Forderung einzugehen.
8 Vgl. die grundlegenden Analysen von Cialdini (2010) und Goldstein u. a. (2009).
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Das Prinzip Konsistenz Menschen wollen mit ihren Worten, Überzeugungen und Handlungen konsistent zu ihren früheren Entscheidungen erscheinen. Einmal getroffene Entscheidungen tendieren deshalb dazu, sich selbst zu stabilisieren. Bezogene Positionen, besonders wenn es öffentliche Standpunktäußerungen waren (sogenannte Commitments), werden ungern in Frage gestellt und lieber konsistent beibehalten.
Tipps für Verhandlungen: Falls Sie ein Verhalten bei Ihrem Verhandlungspartner erkennen, das in die von Ihnen gewünschte Richtung zeigt, dann erinnern Sie Ihren Verhandlungspartner ständig daran und verpflichten Sie ihn öffentlich darauf, dass er bei neuen Entscheidungen nicht plötzlich im Widerspruch zu seinen früheren Entscheidungen handeln sollte! Das Prinzip soziale Bewährtheit Wenn Menschen unsicher sind oder eine Situation mehrdeutig ist, so orientieren sie sich sehr stark am Verhalten und den Entscheidungen anderer. Ein weiteres Verstärkerkriterium stellt die eigene Ähnlichkeit zu den betreffenden Menschen dar. Diese Nachahmungseffekte treten bei Kaufentscheidungen genauso auf wie bei Spenden oder freiwilligen Leistungen für andere Menschen.
Tipps für Verhandlungen: Überzeugen Sie den Verhandlungspartner davon, dass das Verhalten, welches Sie von ihm erwarten, bereits vorher von vielen anderen ähnlichen Geschäftspartnern gezeigt wurde und zunehmend mehr gezeigt werden wird! Das Prinzip Sympathie Ihre Mitmenschen haben eine höhere Bereitschaft, sich von jemandem überzeugen zu lassen, den sie sympathisch finden und bereits kennen. Sympathiefördernde Faktoren sind gutes Aussehen, soziale Attraktivität, positiver Rahmen für den Kontakt, erfolgreiche bisherige Kooperation, Ähnlichkeit mit uns selbst oder bloß die positive Assoziation zwischen einer Produktlösung und dem Geschäftspartner. Das geht soweit, dass Menschen davon überzeugt sind, körperlich attraktive Menschen seien begabter, intelligenter und freundlicher.
Tipps für Verhandlungen: Setzen Sie für einen schwierigen Überzeugungsprozess gezielt gutaussehende und für den Verhandlungspartner attraktive Menschen ein. Es sollte möglichst derjenige sein, der dieser Person am ähnlichsten ist!
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Das Prinzip Autorität Wir sind gerne dazu bereit, auf Menschen zu hören, die wir als legitime und glaubwürdige Autorität anerkennen. Dem liegt die Annahme zugrunde, Autoritäten verfügten über mehr Wissen, Erfahrung und Macht. Es besteht zusätzlich die Tendenz, auf Autoritätssymbole zu reagieren (Titel, Kleidung, Prestigegüter).
Tipps für Verhandlungen: Sagen Sie zu Beginn gleich etwas, was scheinbar im Gegensatz zu Ihren Geschäftsinteressen steht. Dadurch bauen Sie Glaubwürdigkeit und fachliche Autorität auf. Unterstreichen Sie Ihre Autorität durch typische Autoritätssignale (Büroausstattung etc.), und begründen Sie erst dann die Punkte, die für Ihr Produkt oder Ihre Verhandlungslösung sprechen. Das Prinzip Knappheit Dinge oder Informationen sind für uns umso begehrenswerter, je schwieriger sie zu bekommen sind. Oft stehen diese Güter oder Dienstleistungen zeitlich oder mengenmäßig nur eingeschränkt zur Verfügung. Bereits seit der Trotzphase im Kleinkindalter oder seit der Pubertät haben Menschen bei verbotenen Informationen oder nicht verfügbaren Sachen das Gefühl entwickelt, ein Anrecht darauf zu haben. Sie tendieren dazu, sich Güter, die kaum zu erlangen sind, besonders stark zu wünschen. Viele Menschen vermuten sogar bei knappen Dingen mehr Qualität, sie empfinden sie als verlockender und versuchen, um knappe Güter zu konkurrieren.
Tipps für Verhandlungen: Bezeichnen Sie Produkte, Informationen oder Zugeständnisse in der Verhandlung als knapp oder vertraulich. Machen Sie die begrenzte Verfügbarkeit von Mengen „Solange der Vorrat reicht“ deutlich. Weisen Sie auf mögliche Änderungen von Konditionen oder Qualitätsmerkmalen hin wie „Ab Werk Süd nur noch für einen Monat verfügbar“. Kurzreflexion: Welcher Trigger lässt sich in Ihren eingangs formulierten Verhandlungsbeispielen gut einsetzen? Bitte formulieren Sie mindestens drei Beispiele für Ihre Situationen in Stichworten!
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Trigger der Beeinflussung:
Einfluss-Chance für VP/uns:
Umsetzungsmöglichkeiten für eigene Verhandlungsfälle (Stichworte):
1. Prinzip Verpflichtung 2. Prinzip Konsistenz 3. Prinzip soziale Bewährtheit 4. Prinzip Sympathie 5. Prinzip Autorität 6. Prinzip Knappheit
Bitte führen Sie sich dabei vor Augen, in welchen Situationen Sie durch mögliche manipulative Beeinflussung besonders gefährdet sind.
Abwehrverhalten bei Manipulation: Wie Sie sich auf allen Ebenen sofort wehren können Es genügt erst einmal, wenn Sie diese Beeinflussungs-Trigger für Ihre persönlichen Reiz-Reaktions-Automatismen bemerken. Denken Sie daran: Auch Ihr Verhalten läuft automatisch ohne bewusste analytische Entscheidung nach solch einem Trigger-Reiz ab. Die Hauptgegenmaßnahme besteht in der kritischen Prüfung der zugrundeliegenden Fakten. Sie benötigen neben dem Wissen, dass es diese Beeinflussungsmöglichkeiten gibt, zusätzlich eine Art Controlling-System für Kopf und Bauch. Immer wenn etwas nicht plausibel erscheint, sollten Sie sich diese Mechanismen kurz vor Augen führen. Das funktioniert genauso wie die Plausibilitätsprüfung der netten Ansage des Navigationssystems in Ihrem Auto. Hier haben Sie ein ideales Trainingsfeld. Nur Achtsamkeit schützt! Die bewährte Abwehr von Manipulationsmethoden hat zwei Grundrichtungen: Entweder Sie verteidigen sich und wehren miese Techniken ab (Schutzschildfunktion), oder Sie starten einen Gegenangriff, der der Manipulationstechnik Paroli bieten kann (Schwertfunktion). Bei Schwerttechniken besteht immer das Risiko, dass es zu einer schwer zu handhabenden Eskalation kommt. Folgende Empfehlungen aus der Verhandlungspraxis gebe ich Ihnen für die Gegenwehr an die Hand:
Tipps für Schutzschild-Abwehrtechniken
•
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Legen Sie eine unfaire Taktik, die Sie bemerken, offen, sprechen Sie sie an und brandmarken Sie sie.
•
Fassen Sie mit Konkretisierungsfragen nach und lassen Sie sich den Zweck erläutern.
• • • •
Überprüfen Sie Behauptungen auf Fakten und lassen Sie sie belegen.
•
Machen Sie den „Was ist wenn ...“-Test, um den Verhandlungsspielraum zu erfahren. („Was wäre Ihr Preis bei zehnfacher Menge?“)
•
Kontern Sie harte Angriffe mit freundlichen und lockeren Bemerkungen und lassen Sie sie sanft auslaufen.
•
Führen Sie sich eigene Schwächen selbst vor Augen (z. B. Zeitdruck, Harmoniebedürfnis, eigene Reiz-Reaktionsmuster).
•
Spielen Sie selbst auf Zeit und lassen Sie unfaire Angriffe emotional abkühlen.
Fragen Sie nach Details, um mehr Informationen vom Gegner zu bekommen. Bezweifeln Sie ein Detail, um die Gesamtforderung in Frage zu stellen. Bestehen Sie auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz, fordern Sie gleichwertige Regeln für alle Verhandler ein.
Tipps für Schwert-Gegenangriffstechniken
• •
Fordern Sie sofort Beweise/Belege ein und lassen Sie sich diese zeigen.
•
Verunsichern und verwirren Sie den Gegner mit Ausstiegsdrohungen aufgrund besserer Alternativen.
•
Wenden Sie die Salamitaktik an, indem Sie viele Forderungen stellen und diese einzeln nacheinander zu Ihrem Vorteil verhandeln (kein Gesamtbündel schnüren).
• • • •
Relativieren Sie, stellen Sie Fakten in einen anderen Rahmen.
• •
Schaffen Sie Nebenkriegsschauplätze und lenken Sie ab.
• •
Stellen Sie Extremforderungen („das ist mein letztes Wort“).
Stellen Sie forsch Gegenteilsbehauptungen auf, die der Gegner dann entkräften muss.
Manipulieren Sie mit Teil-Informationen. Zeigen Sie Widersprüche analytisch auf. Setzen Sie auf Wiederholungen; legen Sie die Platte mit Sprung bei eigenen Argumenten auf.
Arbeiten Sie mit Freund-Feind-Rollen im Zweierteam: Spielen Sie Good Cop/ Bad Cop.
Arbeiten Sie mit Gegendrohungen/Konkurrenzlösungen.
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Tipps: Die sieben Manipulationsebenen und ihre Gegenmaßnahmen Abwehr- und Gegenangriffstechniken lassen sich auf wenige Manipulationsebenen zusammenfassen. Hier finden Sie hilfreiche Tipps für Schutzverhalten und Gegenmaßnahmen. Manipulationsebenen
Gegenmaßnahmen und Klärungsfragen
Abläufe
• Neue Tagesordnungspunkte auf Agenda setzen • Auf abgesprochenen Ablauf und vereinbarte Tagesord-
(Prozesse, Verfahren, Agenda)
nung berufen
• Zeitschiene beachten und neue Themen vertagen • Alternativtermin für Verfahrenseingriffe wählen • Anderes Vorgehen vereinbaren Klärungsfrage: Wie wollen wir hier vorgehen? Rollen (Aufgabenverteilung, Kompetenzen)
• Steuerungsfunktion definieren • Neutralen Moderator bestimmen • Mediator mit Vertrauen vorschlagen • Spielregeln absprechen • Redezeiten und Gesprächsverhalten vorschlagen • Gleiche Mitwirkung aller Teilnehmer sichern Klärungsfrage: Wie können wir hier besser zusammenarbeiten?
Interessen (Ziele, Motive, Nutzen)
• Motivprofiling überprüfen • Steuerungshebel für Motivtyp fair angesprochen? • Interessensargumentation bei Folgezielen realistisch? • Erreichte Ziele messbar? • Zustimmungs-Check positiv? • Rubikon-Entscheidung gefällt? Klärungsfrage: Was fehlt Ihnen noch?
Fakten (Sachargumente)
• Daten/Fakten sofort beschaffen • Unbekannte Fakten erst berücksichtigen,
wenn allen
verfügbar
• Transparenten Sachstand für alle sichern • Zielorientierte Argumentationsstruktur einfordern • Unterlagen offenlegen lassen Klärungsfrage: Was sollte jede Seite fairerweise erfahren?
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Manipulationsebenen
Gegenmaßnahmen und Klärungsfragen
Persönlichkeit
• Aus
(Emotionen, Stil, Verhalten)
Meta-Ebene betrachten: Wollen wir hier so weiter miteinander umgehen?
• Unfairen Verhandlungsstil offen brandmarken • Mentale Kurzentspannung nutzen • Ich-Botschaften senden: Ich fühle mich jetzt beeinträchtigt • Verhandlungspause vorschlagen Klärungsfrage: Was passiert hier gerade zwischen uns?
Einstellungen (Denkhaltungen, Suggestionen)
• Entliehene Autorität von Dritten grundsätzlich anzweifeln • Gerüchte und Andeutungen ausklammern oder Fakten einfordern
• Zitierte
Aussagen von kompetenten Fachleuten belegen lassen: Zusammenhang? Aktuell? ...
Klärungsfrage: Welche Informationen sind nicht abgesichert und belegbar? Wahrnehmung (Interpretation, Trigger, Automatismen)
• Eigene
Schwächen bei Manipulations-Triggern vor Augen
führen
• Auf
Interpretationen zu Gunsten konkreter Wahrnehmung verzichten
• Mögliche
Desinformation bei Sympathiebotschaften durch Freund-/Feind-Rollen kritisch prüfen
• Aussagen
von Fachleuten nicht sofort als fachlich fundiert interpretieren: Durch Belegenlassen absichern
Klärungsfrage: Was ist bisher nur eine Interpretation oder Annahme?
Abbildung 40: Die sieben zentralen Manipulationsebenen, geeignete Schutzschirmtechniken und passende Klärungsfragen
Steuern Sie Manipulationsversuche aus, indem Sie ihnen die Voraussetzungen entziehen! Bauen Sie die Mussregeln der Abbildung 40 in Ihre Verhandlungsvorbereitung mit ein. Nutzen Sie diese Checkliste regelmäßig für Ihre Verhandlungsdurchführung! Kurzreflexion: Manipulationen systematisch den Boden entziehen Auf allen sieben Manipulationsebenen können Sie sich wappnen! Entscheiden Sie sich und wählen Sie die zu Ihrer Verhandlungsstrategie und Ihrer Person passenden Schutzschirme aus. Durchdenken Sie einmal Ihre anstehenden Verhandlungen und suchen Sie gut geeignete Maßnahmen gegen Manipulationen aus.
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Durch welches eigene Verhalten können Sie sich besser vor Manipulationen schützen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Welches Verhalten bei der Vorbereitung und Durchführung ist für Sie ein Muss für jede künftige Verhandlung? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
Umschaltmethodik bei miesen Tricks Es gibt eine ausgesprochen friedliche und kooperative Strategie, mit der Sie Ihre Verhandlungspartner schnell von manipulativem und unfairem Verhalten wegbringen können: die Tit-for-Tat-Methode (Wie du mir, so ich dir). Auch wenn dieser Name eher an biblische Riten erinnern mag, stellt diese Vorgehensweise von Robert Axelrod die erfolgreichste Methode zur Kooperationssteuerung nach Verhandlungskonflikten dar. Sie ist eine freundliche aber keine gutgläubige Gegenstrategie, die das Verhandlungsverhalten der anderen Seite gezielt beeinflussen kann. Genau darum geht es bei der Bewältigung von Kampftechniken und Manipulationsmethoden.9
Tipps für die Tit-for-Tat-Methode: Faustregel: Beginnen Sie mit kooperativem Verhandlungsverhalten und zeigen Sie anschließend immer genau das Verhalten, das Ihr Verhandlungspartner Ihnen gegenüber gerade gezeigt hat.
9 Vgl. Axelrod (2005).
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Verhaltensregeln im Detail:
•
Seien Sie dabei klar und berechenbar in Ihrem Verhalten und versuchen Sie selbst keine Tricks!
•
Seien Sie aufmerksam und schlagen Sie sofort zurück, wenn Ihr Verhandlungspartner nicht kooperiert!
•
Handeln Sie versöhnlich und machen Sie nach einer Bestrafung wieder ein neues kooperatives Verhaltensangebot!
•
Geben Sie bis zum Abbruch Ihrem Verhandlungspartner eine erneute Chance, indem Sie die Verhandlung nie zuerst beenden!
Ihr Verhalten bei der Tit-for-Tat-Methode
Das Verhalten des Verhandlungspartners
Freundliches kooperatives Verhalten als Einladung
Zeigt unfreundliches oder unfaires Verhalten
Antwort: Konfliktbereitschaft zeigen gleichzeitig neues Kooperationsverhalten als Angebot
wenn auch kooperatives Verhalten
folgt durch Sie weiteres kooperatives Verhalten
wenn erneut unfreundliches Verhalten
folgt sofort ebenfalls unfreundliches Verhalten
Abbildung 41: Ihr VerhaltensPing-Pong bei Unfairness mit der Tit-for-Tat-Methode
Wichtig ist, dass Ihr kooperatives Verhalten nicht längerfristig ausgenutzt werden kann. Sie sollten nicht als Erster unkooperativ handeln, aber sofort das Verhalten des anderen spiegeln (wie du mir, so ich dir ...). Unterbreiten Sie dabei immer wieder Kooperationsangebote, die Sie aber sofort zurückziehen, wenn Ihr Verhandlungspartner nicht darauf eingeht. Sie sind damit kalkulierbar, aber nicht ausnutzbar! Fragen Sie sich vor jeder Ihrer Handlungen, ob Kommunikationsmissverständnisse vorliegen könnten – die müssen Sie natürlich vorab klären. Und noch ein Tipp: Bewerten Sie das gegnerische Verhalten nicht vorschnell als unkooperativ.
Entwaffnen Sie Ihre Verhandlungsgegner Mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern Sie den ganzen Verhandlungsprozess und behalten so auch bei unfairem Verhalten die Oberhand. Sie bleiben der Verhandlungsführer und können jederzeit die Verhandlung in die gewünschte Richtung steuern. Versuchen Sie, das Anliegen Ihres Partners durch die Analyse seiner Zielkaskade ernsthaft zu verstehen, und argumentieren Sie mit Blick auf seine übergeordneten Interessen. Bleiben Sie auch bei unfair Verhandelnden ruhig, höflich und sachlich. Beherrschen Sie bereits mentale Entspannungstechniken, um eigene Emotionen im Zaum halten zu können? Stellen Sie Ihrem Partner genügend Klärungs- und Detaillierungsfragen, die sein Lösungsinteresse für Sie vertiefen? Sie können immer kommunikative Missverständnisse auf sich nehmen und neue moti-
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vierende Lösungsvorschläge anbieten. Wertschätzen Sie konstruktive Lösungsvorschläge der anderen Seite bei Ihren Verhandlungen? Das stellt keine positive Manipulation dar, sondern ist nur eine Verstärkung des lösungsförderlichen Verhaltens. Entwickeln Sie mit dem Partner neue Alternativen für gemeinsame Interessen oder kreative Lösungen bei einseitigen Teilinteressen. Allein dadurch wird der Wunsch nach dem Einsatz von Kampftechniken eingeschränkt. Wenn Sie über größere Verhandlungsmacht verfügen, setzen Sie sie vorbildlich problemlösend ein. Sie ersparen sich Widerstand und halten die Chancen für dauerhaft zufriedenstellende Verhandlungsergebnisse offen. Bieten Sie dem Verhandlungspartner bei alternativen Lösungen eine Chance, einfach Ihrer Lösung ohne Machtkampf zuzustimmen und leichter nachzugeben. Lassen Sie ihn über Ihre goldene Brücke gehen und helfen Sie ihm, das Gesicht zu wahren. Sie können auch zwei für Sie selbst positive Alternativen anbieten und der anderen Seite die Wahl überlassen. Geben Sie aber immer motivierende Gründe mit an, wenn jemand von seinem Standpunkt abrücken soll. Der erkannte Motivationspfad hilft Ihnen dabei. Sie können auch versuchen, eine Ausstiegsalternative der anderen Seite durch eine viel deutlichere Argumentation für die von Ihnen vorgeschlagene Lösung auszuschalten. Zukunftseinschätzungen sind immer Wahrscheinlichkeitsschätzungen, aber keine Gewissheit! Stellen Sie fest, dass Sie eine bessere Alternative als das mögliche Verhandlungsergebnis haben, sollten Sie ökonomisch mit Ihrer Zeit umgehen und nach sauberer Klärung die Verhandlung abbrechen. Verhandlungsprofis verschaffen sich einen ständigen Überblick über den Verhandlungsprozess, indem sie kurz aus der Situation heraustreten und den Schritt auf die Meta-Ebene tun. Sie vermeiden so den Tunnelblick eines persönlich und emotional beteiligten Menschen und nutzen den erhöhten Blickwinkel der Hubschrauberperspektive. Nur so können Sie die Gesamtverhandlungssituation mit allen Beteiligten besser durchschauen. Stellen Sie sich einfach dabei selbst meine Klärungsfragen zu den sieben Ebenen der Verhandlungsmanipulation!
Tipps: Manipulation professionell gegensteuern
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•
Verschaffen Sie sich vorab Klarheit über Ihre eigenen Ziele und Interessen (mit Hilfe von Motivprofiling und der Zielkaskaden).
• • •
Stellen Sie Ablauftransparenz her. Orientieren Sie sich am KOALA-Ablauf.
• •
Führen Sie den Nutzencheck durch.
Wahren Sie emotionale Distanz. Üben Sie mentale Entspannung. Klären Sie den gemeinsamen Verhandlungsstil mit klarer Linie und Stopper: „Wie Du kannst, kann ich auch, will ich aber nicht auf Dauer“ (2-Stufen-Methode und Tit-for-Tat-Erziehung).
Blicken Sie hinter die Manipulationsmethode bis zum Interesse/Motivprofil der anderen Seite.
•
Schulen Sie Ihre kommunikative Fähigkeit, unfaires Vorgehen in sachbezogene Problemklärung umzuwandeln. Nutzen Sie die systemische Fragemethodik und EKULA-Fragen – siehe dazu Kapitel 5.4.
•
Verstehen Sie Angriffe auch als Hilferuf und gehen Sie klärend darauf ein (Einwand- und Bedenkensystem).
•
Trennen Sie persönliche Angriffe von sachlichen Differenzen – so machen Sie kooperatives Winner-Denken für integrative Verhandlungslösungen möglich.
•
Klärung geht vor Konterangriff, und Warnung geht vor Drohung. Beherzigen Sie dies bei Ihrer eigenen Einstellung und Ihrem Verhandlungsstil.
•
Der eigene Verhandlungsstil entscheidet über den Einsatz von Schwert- oder Schutzschildtechniken bei Manipulationen.
•
Setzen Sie die sieben Ebenen der Verhandlungsmanipulation als eigenes MetaKlärungsinstrument ein.
4.3 Ghost-Negotiation: Verhandlerrollen optimieren und die Kontrolle gewinnen Wirtschaftsunternehmen bedienen sich heute zunehmend aus der Trickkiste der Polizeipsychologie, um alle Ebenen der Verhandlungssteuerung und sämtliche Beeinflussungsmöglichkeiten ausschöpfen zu können. Fremdmanipulation wird dadurch eingeschränkt und eigene Einflussnahme erhöht. Mit Hilfe zusätzlicher professioneller, meist externer Schattenberater (Ghost-Negotiator) wird versucht, jederzeit die Kontrolle über den Verhandlungsprozess und die beteiligten Personen der Gegenseite zu erlangen. Übertragen auf effektive Verhandlungsformen bedeutet das eine rigide Kanalisation der Kommunikation und Entscheidungsfindung und damit letztlich eine vollkommene Steuerung der gesamten Verhandlung auf allen Ebenen. Alte gewachsene Beziehungen werden bei Bedarf gekappt, neue Einflusschancen aufgedeckt und kreativ genutzt. Diese flexible Verhandlungssteuerung kann nur durch vorher klar abgegrenzte Rollen, Aufgabenteilung und Entscheidungskompetenzen in einem Verhandlerteam geschehen.
Verhandlerteam mit Schattenberatung Der sogenannte FBI-Ansatz ist ursprünglich für extreme Verhandlungssituationen (Verhandlungen mit Geiselnehmern) entwickelt worden. Heute wird dieses Vorgehen bei schwierigen Verhandlungen – gleich, ob es sich um Einkaufsverhandlungen, Akquisition von Unternehmen oder politische Verhandlungen handelt – zunehmend zum Standard. Wirtschaftsunternehmen bilden intern Verhandlungsspezialisten als Schattenverhandler aus oder kaufen sich für schwierige (und nicht nur für milliardenschwere Verhandlungen) Verhandlungsprofis als Berater ein.
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Es wird nicht viel Zeit vergehen – denken Sie nur an die steigende Zahl von Wirtschaftsmediatoren –, bis es auch bei privaten Verhandlungen wie beispielsweise beim Kauf einer Immobilie üblich ist, vorher einen psychologisch geschulten Verhandlungsberater zu engagieren. Dieser Berater berät das Verhandlerteam komplett von der Planungsphase bis zum Abschluss über alle Ebenen der Verhandlung. Sie können sich selbst schnell ausrechnen, welche Ersparnisse dadurch auch Privatleute erzielen; denn 20 Prozent sind fast immer drin, und zum Teil werden mehr als 50 Prozent Preisreduktionen erreicht. Das Gleiche gilt für private Klärungsverhandlungen bei finanziellen außergerichtlichen Auseinandersetzungen. Denken Sie nur an die Auflösung von Ehen und Lebensgemeinschaften, bei denen der Gesetzgeber keine Vorschriften macht. Zielsetzung ist, die eigene Verhandlungsmacht optimal für ein gewinnorientiertes Verhandlungsergebnis einzusetzen. Manipulationsmöglichkeiten und Einwirkwege der anderen Verhandlungsseite über Stakeholder oder die Entscheider werden dabei ausgeschlossen und eigene Einflussmöglichkeiten voll genutzt. In der strukturierten Verhandlungsplanung werden bereits systematisch die Verhandlungsmacht und gegnerische Schwachstellen ermittelt und die Erkenntnisse in die eigene Verhandlungsstrategie eingebaut. Dadurch ist es möglich, früh die Führung zu übernehmen und in allen Verhandlungsphasen schnell und sicher zu agieren und Widerstände zu bewältigen. Die einzelnen Analyseschritte finden Sie in Kapitel 3.1 „Wie Verhandlungen logisch richtig ablaufen“. Ein professioneller Ghost-Negotiator nutzt diesen Leitfaden für seine Teamschulungen und die eigene Verhandlungsplanung. Zusätzlich werden die Rollen in einer Verhandlung auf der eigenen Seite optimal nach Aufgabenschwerpunkten verteilt. Damit die Stärken der Ghost-Negotiation greifen, braucht es klar abgesprochene Spielregeln. Sie können die Rollenaufteilung auch schnell selbst lernen!
Verhandlungsrollen richtig aufteilen Schauen Sie sich die Rollenaufteilung noch etwas genauer an. Das Ganze funktioniert durch klare Rollenabgrenzung bei Verhandlungsaufgaben und Entscheidungskompetenzen. Zusätzlich wird die Rolle der Verhandlungsführung auf zwei Personen verteilt: den offen auftretenden Verhandlungsführer (Negotiator) und einen verdeckt arbeitenden überwachenden Verhandlungsleiter (Commander). Dieser Commander kontrolliert den gesamten Verhandlungsprozess aus der Distanz, gibt dem Negotiator bei Bedarf Hilfestellung im Sinne von Erfolg versprechenden Weisungen. Der Commander ist entweder beobachtend anwesend oder durch technische Hilfsmittel online eingebunden. Seine Anweisungen können sich auf alle Ebenen der Verhandlungssteuerung beziehen: Inhalte, Emotionen, Motivansprache, Rollen, taktisches Vorgehen, Verhandlungsstil, Verhandlungstricks ... Der Commander kann als Verhandlungsprofi für psychologische und taktische Aspekte aus seiner Sicht (der Hubschrauberperspektive der Meta-Ebene) die besseren Verhaltensentscheidungen fällen (Achtung: nicht die Inhaltsentscheidungen. Die eigentlichen Entscheidungen über die Verhandlungsinhalte fällt der Entscheider.). Der
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Commander ist im Rahmen der vorher abgestimmten Verhandlungsstrategie weisungsberechtigt an den Verhandlungsführer für das gesamte Vorgehen. Über beiden Verhandlerrollen thront der Entscheider (Decision-Maker). Der Entscheider entscheidet über die erarbeiteten Verhandlungsergebnisse. Seine Aufgabe besteht ausschließlich darin, anhand des Verhandlungsziels zu entscheiden, ob die verhandelten Lösungen akzeptabel sind, erneut verhandelt werden müssen oder abgelehnt werden. Er allein entscheidet immer über die Annahme der inhaltlichen Verhandlungsergebnisse.
Abbildung 42: Verhandlerteam mit Ghost-Negotiation
Ein direkter Zugang der Verhandlungsparteien zum Decision-Maker ist nicht vorgesehen. Genauso sollte es keine Einwirkmöglichkeiten auf den Commander geben. Deshalb arbeitet er meist verdeckt und unerkannt, wie ein Schattenberater im Hintergrund. Er kann auch in der Verhandlung präsent sein, überlässt aber immer dem Verhandlungsführer die Face-to-Face-Kommunikation mit der gegnerischen Seite. Auch bei physischer Anwesenheit wirkt er auf den Negotiator nur indirekt durch Beratungshinweise ein (meist in Form von schriftlichen Nachrichten und Verhaltenstipps während der Verhandlung oder durch Analysen und Beratung in Verhandlungspausen).
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Rollenabgrenzung und Aufgaben im Verhandlerteam Rolle Entscheider (Decision-Maker)
• Legt
Verhandlungsstrategie, -ziele, Prioritäten, klare Ablaufstruktur und Ausstiegszielpunkt fest.
• Definiert
dabei für sich (geheim nach innen und außen!) fixes Ausstiegsziel und Meilensteinplan als spätere eigene Entscheidungsgrundlage.
• Entscheidet,
ob eine Verhandlungslösung angenommen werden und verantwortet werden kann.
Rolle Schattenberater (Commander)
• Überwacht • Steuert die
den Verhandlungsprozess.
Verhandlung durch Anweisungen an Verhandlungsführer und definiert Verhandlungsspielraum für Verhandlungsführer.
• Unterstützt
Verhandlungsführer durch Analyse/Absicherung der Verhandlung, gibt Hinweise auf allen Verhandlungsebenen an Negotiator.
• Greift
nur bei Bedarf (durch verdeckte Anweisungen an Verhandlungsführer) ein.
Rolle Verhandlungsführer (Negotiator)
• Ist für die direkte Verhandlung mit der Gegenseite zuständig. • Nutzt Verhandlungsspielraum und nimmt Beratung und Weisungen
vom Commander
an.
Abbildung 43: Rollenabgrenzung und Aufgaben im Verhandlerteam
• Legt dem Entscheider • Kann sich bei Bedarf
Verhandlungsergebnisse zur Annahme vor.
vom Schattenberater Vorgehensideen, Verhandlungsalternativen und taktische Tipps holen.
Anwendung der Ghost-Negotiation Denken Sie an die Aufstellung eines eigenen Verhandlungsteams? Dann benötigen Sie einen Trockenlauf! So einfach die Regeln auch klingen mögen, die stringente Trennung von Entscheidung, Beratung und Verhandlungsführung muss erst erprobt und trainiert werden. Ich erlebe zu Beginn von Schulungen regelmäßig bei Decision-Maker und Commander das Bedürfnis, sich bei schwierigen Verhandlungsphasen selbst einzuschalten. Aus der Distanz entsteht Unsicherheit, ob der Verhandlungsführer die Situation gut bewältigen wird, bzw. man versucht zu retten, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Der Verhandlungsführer ist damit enthauptet, die Verhandlung eskaliert notgedrungen auf eine höhere (hierarchische) Ebene! Kluge Verhandlungsgegner versuchen sowieso ständig, andere Personen in ihrem Sinne einzubinden und so Verhandlungsgrenzen aufzuweichen. Wenn Sie das zulassen, haben Sie wichtiges Terrain und einen kompetenten Verhandlungsführer verloren! Eingriffe darf es deshalb nicht geben. Nur die Beratung des Verhandlungsführers ist vorgesehen. Dieser Abstimmungsprozess, besonders unter Verhandlungsstress, muss vorher trainiert werden. Als externe Berater trainieren wir grundsätzlich die internen Teams vorher bzw. zeigen in der Rolle des Ghost-Negotiators, wie solch ein Prozess reibungslos gestaltet werden kann.
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Voraussetzung beim internen Ghost-Negotiator ist immer eine qualifizierte verhaltenspsychologische Ausbildung. Anderenfalls wird die erkannte eigene Verhandlungsmacht nicht voll ausgeschöpft; denn nur der nicht involvierte Decision-Maker kennt alle Brennglasziele. Sind die Ausstiegsgrenzen bekannt, kommt es sehr schnell (diese Prozesse laufen auch unbewusst ab) zur Ausrichtung an dieser kommunizierten Grenze. Das Ausstiegsziel hat der Decision-Maker allein definiert und bis zum Schluss geheim zu halten. Gegen diese Verhandlungsorganisation im Team wird es sicher von der anderen Verhandlungsseite formalen Widerstand geben. Die Rollen werden getestet werden und erst dann akzeptiert, wenn sie nicht ins Wanken kommen. Gleichfalls ist der Negotiator in der Verantwortung, inhaltliche Widerstände weder emotional noch aggressiv zu bewältigen. Nutzen Sie die Motivationsinstrumente und holen Sie die andere Verhandlungsseite bei Widerstand argumentierend ins Boot. Helfen Sie dem Verhandlungspartner, seine Rubikon-Entscheidung schnell zu fällen! Der eigene Negotiator (sein Schattenberater kann da jederzeit beratend aus der Distanz unterstützen) sollte seinen Verhandlungsstil klar umsetzen und auch bei Grenzüberschreitungen und Manipulationsversuchen durch deutliche Warnungen aufzeigen, wie ernst es ihm ist, seinen klaren Verhandlungsstil beizubehalten (denken Sie an die Tit-for-Tat-Vorgehensweise). Behalten Sie das Verhandlungssteuer fest in der Hand! Vergessen Sie trotzdem nach Verhandlungskonflikten nie, eine ohne Gesichtsverlust begehbare Brücke für die andere Seite offen zu halten.
Tipps für die Ghost-Negotiation im Verhandlerteam
• • • • • •
Trainieren Sie die Rollenteilung vorher!
•
Visieren Sie langfristig eine stabile Verhandlungslösung an und sichern Sie sie durch einen letztlich überzeugten Verhandlungspartner ab!
•
Bauen Sie Einlenkmöglichkeiten ein und belohnen Sie konstruktives Verhalten (Tit-for-Tat)!
•
Halten Sie als Entscheider Ihre eigenen Ausstiegsziele geheim (auch intern!), damit inhaltlich hart verhandelt wird!
•
Vermeiden Sie Aufgabenerosion auch in Verhandlungskrisen und halten Sie die Rollenteilung strikt ein!
Das Einmischen des Decision-Makers ist verboten! Lösen Sie den Widerstand der anderen Verhandlungsseite motivierend auf! Reizen Sie Ihre eigene Verhandlungsmacht sachlich voll aus! Zeigen Sie einen klaren Verhandlungsstil zeigen und behalten Sie ihn bei! Setzen Sie bei Grenzüberschreitungen oder Manipulationsversuchen Warnungen mit der Stopp-Konter-Methode ein!
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Kurzreflexion: Welche Personen könnten in Ihrem Haus bereits jetzt gut diese drei Rollen in einem Verhandlerteam übernehmen? Wo besteht noch Qualifizierungsbedarf? Wer kann die Rolle des Ghost-Negotiators übernehmen? Sollte für ein Pilottraining oder eine wichtige Verhandlung diese Rolle vorerst durch einen externen Schattenberater besetzt werden? Zur Bildung eines eigenen Verhandlerteams mit Ghost-Negotiation finden Sie zusätzliche Quick-Tipps unter www-verhand lungsführung.com.
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5. Argumentation und Überzeugung mit dem High-Speed-Verhandlungssystem steuern Ertrinken Sie manchmal in Detailargumenten Ihres Verhandlungspartners? Werden Sie schnell durch Nebenargumente abgelenkt, und wird Wesentliches durch eine Fülle chaotischer Informationen verschüttet? Profiverhandler klären eigene und fremde Argumentationsstrukturen mit der Strukturanalyse für systematische Argumente. Dabei durchleuchten sie die verborgene Überzeugungslogik von Nebelwerfern und richten ihre eigene Überzeugungsargumentation an den erkannten wichtigen gemeinsamen Interessensschirmen aus. Sie lernen hier, wie auch Sie den Informationsnebel lichten, unwichtige Nebenargumente schnell strukturieren und in eine überzeugende Argumentationsstruktur einpassen. Dieses Verhandlungswerkzeug hilft Ihnen, eine festgefahrene Positionsargumentation zu entwirren, fördert zielgerichtet die logische Überzeugung des Verhandlungspartners und ein tragfähiges gemeinsames Verhandlungsergebnis. Die Strukturanalyse der Argumente schafft Transparenz, bewältigt Informationsüberflutung und schafft eine logische Argumentationsstruktur innerhalb des High-Speed-Verhandlungssystems.
5.1 Klärung schwieriger Verhandlungsargumentation Während Sie sich bei Verhandlungen mit einem Verhandlungspartner gut auf seine persönlichen Ziele und Interessen konzentrieren, diese aufgreifen und zielgerichtet damit argumentieren können, wird es bei der Verhandlung in größeren Teams schnell schwierig. Zum einen haben Sie oft nicht die Zeit, alle Verhandlungspartner mit ihren Interessen und Verhandlungszielen vorab zu analysieren, außerdem sind manchmal unerwartet neue Teilnehmer dabei, oder es gibt von der anderen Seite neue Ziele, Gegenargumente, Forderungen, Bedenken und nicht sofort erklärbare Einwände. In komplexen Verhandlungssituationen mit einer Vielzahl von Teilargumenten ist eine Klärung der Argumentationsstruktur durch das Instrumentarium der hierarchischen Strukturanalyse ungemein hilfreich. Ein kompetenter Verhandler versucht, zuerst die Detailargumente und Vorschläge aller Verhandlungsteilnehmer systematisch zu durchleuten.
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Hierarchisches Strukturieren filtert schnell bedeutsame Argumente Bei komplizierten Verhandlungen und schwierigen Sachverhalten ist es oft nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Es gilt zu erkennen, welche Interessen und Argumentationswege von den Verhandlungspartnern vertreten werden, und es ist wichtig, dass Sie Ihre eigene Argumentation deutlich machen. Aus dem juristischen Umfeld sind Strukturmodelle bekannt (Plädoyers sind oft rhetorische Kunststücke!), die helfen, durch hierarchisches Strukturieren aller inhaltlichen Argumente den Überblick zu behalten und exzellente Verhandlungen zu führen. Das Strukturdenken versucht, durch eine überschaubare Systematik, die sehr leicht zu beherrschen ist, die Komplexität von schwierigen Verhandlungen bereits in der Vorbereitung in den Griff zu bekommen. Als moderierte Klärungshilfe lässt es sich ebenfalls gut in der Verhandlung oder zur Nacharbeitung von Verhandlungsabschnitten einsetzen. In diesem Modell hat jeder Begriff, jedes Argument, jeder einzelne Punkt einer Argumentationskette seinen wohl definierten Platz. So wissen Sie immer, auf welcher Ebene aktuell argumentiert wird. Abbildung 44 zeigt die hierarchische Verhandlungsstruktur mit der Strukturanalyse.
Abbildung 44: Strukturanalyse für die Argumentationsstruktur in Verhandlungen
Mit dem Strukturdenken versucht man, das lineare Denken in eigenen Argumenten zu überwinden. Für Verhandlungen empfiehlt es sich, vier verschiedene Bedeutungsebenen für Argumente zu unterscheiden. (Bitte erinnern Sie sich an das Vorgehen bei der Zielkaskade (vgl. Kapitel 1.3). Sie können das gleiche Denken auf die Argumentationsstruktur anwenden, da sich letztlich die Argumente aus dem Ziel- und Interessenssystem ergeben.) Auf der obersten Ebene der Strukturanalyse befindet sich ein übergeordneter Dachbegriff, der alle in dieser Verhandlung möglichen Argumente und Aspekte umfassen muss, das gemeinsame Hauptdach beider Verhandlungsseiten. Die Kunst einer Verhandlung besteht zu Beginn darin, früh das gemeinsame Verhandlungsziel und
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Verhandlungsthema zu formulieren. Hier sollte es hineinpassen. Wenn Sie jetzt beim Hauptdach Unstimmigkeiten feststellen, ist das gemeinsame Verhandlungsziel falsch formuliert worden und muss präzisiert werden. Auf die zweite Ebene kommen die Leitbegriffe, die kontroverse Positionen markieren. Dieses ist die Ebene der Interessensdächer beider Verhandlungspartner. Aus dem Interessensdach jeder Verhandlungsseite werden auf der dritten Ebene die Hauptargumente der Verhandlungsseiten abgeleitet. Das Interessensdach ist dadurch den eigenen und/oder fremden Hauptargumenten übergeordnet. Auf der vierten Ebene letztlich ergeben sich die aus Hauptargumenten abgeleiteten Einzelargumente, die in ihrer Vielzahl sehr umfangreich sein können und damit fast einen offenen Katalog darstellen. Diese Ebene ist am unwichtigsten für die Argumentation. Es kommt nur darauf an, Einzelargumente richtig einzuordnen. Die Ebene der Einzelargumente birgt sogar die große Gefahr, sich in Details zu verlieren.
Argumentation steuern mit Hilfe der Strukturanalyse Klärung des Hauptdachs Ein erster großer Fehler bei der Vorbereitung von Verhandlungen besteht darin, sich vor der Verhandlung keine Gedanken über das Hauptdach zu machen. Das Verhandlungsthema präzise genug zu formulieren und abzugrenzen, ist die Aufgabe guter Verhandler. Ist dies noch nicht im Vorfeld geschehen, so muss man zu Beginn der Verhandlung klären, worüber eigentlich geredet werden soll („Wie heißt unser Verhandlungsthema?“). Diese Strukturanalyse des Hauptdaches ist am wichtigsten, weil jeder Fehler, der hier gemacht wird, zwangsläufig auf die folgenden Ebenen durchschlägt und ein befriedigendes Verhandlungsergebnis be- oder verhindern kann. Klärung der Interessensdächer Oft sind grundlegende Konflikte zu verhandeln, die aber gern auf der Ebene der Einzelargumente und damit in Form einer punktuellen Konfrontation auf der vierten Ebene ablaufen. Orientiert an den Kernaussagen der sachgerechten, kooperativen Verhandlungsführung sollten Sie hier aus den Anfangspositionen der Verhandlungspartner die Interessensdächer ableiten und erst dann auf die nächste Ebene weitergehen. Die dritte Ebene kann erst betreten werden, wenn ein gemeinsames Verständnis über die zweite Ebene erzielt worden ist. Es kommt darauf an, dass Sie dies Ihrem Verhandlungspartner bei der aktiven Verhandlungssteuerung vor Augen führen und darauf dringen, diese zweite Ebene zuerst sauber abzuarbeiten. Klärung der Hauptargumente Aus dem Hauptdach leiten sich die Hauptargumente ab. Es ist wichtig, dass Sie sich bereits bei der Planung einer Verhandlung über Rang und Bedeutung der einzelnen Hauptargumente im Klaren sind. Da bereits auf dieser Ebene eine große Komplexität beginnt, sollten Sie beim Argumentieren mit Hauptargumenten ge-
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danklich immer auf dieser Ebene bleiben und sich nicht in den Sumpf der Einzelargumente abtreiben lassen. Klärung der Einzelargumente Ist die Grobstruktur der ersten, zweiten und dritten Ebene sauber gegliedert und strukturiert, so ergibt sich für jedes denkbare Einzelargument ein Platz, kein Einzelargument darf isoliert dastehen. Dies hat den Vorteil, dass Ihnen selbst in einer komplexen Verhandlung keine Überraschungen passieren können und Sie jederzeit Ihre und die Gedanken des Gegners strukturieren, einordnen und damit steuernd beherrschen können. Der eigentliche Nutzen des Strukturdenkens liegt in der Komplexitätsreduktion. Sie wissen immer, worüber gesprochen wird, was Sie schon in der Verhandlung geklärt haben und was noch zu verhandeln ist. Da theoretisch der Katalog der Einzelargumente sehr groß ist, schadet es nicht, wenn man einzelne Argumente vergisst, denn die Ebene der Einzelargumente ist die unwichtigste Ebene! Die Entscheidung über den Erfolg der Verhandlung findet nur auf den oberen drei Ebenen statt.
Argumentationsebenen kompakt vorab klären: Check-Tool einsetzen Kurzreflexion: Wählen Sie aus Ihren Verhandlungssituationen einen Fall mit vielen Argumenten des Verhandlungspartners aus. Stellen Sie zur Vorbereitung auf diese Verhandlungssituation (Vorab-Analyse) alle zu erwartenden Argumente strukturiert auf einer Seite nach den vier Ebenen der Strukturanalyse zusammen. Verwenden Sie als Gliederung bitte das hierarchische Strukturmodell mit dem elektronischen Diagnoseformular auf www.verhandlungsführung.com. Klärung schwieriger Argumentation durch Strukturanalyse: Verhandlungssituation _______________________ Eigene Argumente
Argumente des Verhandlungspartners 1. Ebene Hauptdach
2. Ebene Interessendächer
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Eigene Argumente
Argumente des Verhandlungspartners 3. Ebene Hauptargumente
4. Ebene Detailargumente
Abbildung 45: Strukturanalyse zur Wertung wichtiger Argumente
Tipps für die Argumentationssteuerung in Verhandlungen Da das Hauptdach die wichtigste Ebene darstellt, sollten Sie in der Vorbereitungsphase bereits damit beginnen und besondere Sorgfalt auf die gemeinsame Klärung und Abgrenzung legen. Erst dann kommt die Ebene der Interessensdächer. Sie muss vollständig abgearbeitet werden, ehe es Sinn macht, die Ebene der Hauptargumente zu betreten. Am unwichtigsten ist die Ebene der Einzelargumente. Bei den Einzelargumenten kommt es nur darauf an, sie richtig einzuordnen. Oftmals erledigen sich die Einzelargumente von selbst, und eine Konfrontation wird durch ein frühzeitiges Hochziehen und Bewusstmachen der zweiten und dritten Ebene vermieden. Ein weiterer Vorteil besteht in der rein sachlichen Klärung von Argumentationszusammenhängen. Oft können emotionale, manchmal leider auch fachlich und sachlich unqualifizierte Aussagen so ausgegrenzt werden, ohne dass die Verhandlungspartner sich direkt angegriffen fühlen müssen.
5.2 Überzeugend auftreten bei Bedenken Sollten während der Verhandlung noch Einwände, Vorwände oder Bedenken bestehen, können Sie diese in einem Blitzverhaltenszyklus sofort konstruktiv bearbeiten. Mit diesem Systembaustein werden beide Parteien sofort wieder handlungsfähig. Der Einwandzyklus hilft Ihnen, Bedenken zu klären: In einem Schnellkurs lernen Sie anhand von klar definierten Verhaltensschritten, den Klärungsbedarf mit positiven verbalen und nonverbalen Signalen aufzugreifen und zu bearbeiten.
Ursachen von Bedenken präzise klären Professionelle Einwandbehandlung muss als automatisierter Denk- und Verhaltensprozess blitzschnell ablaufen, um Bedenken unmittelbar klären zu können. Einwände sind eigentlich nur ein Hilferuf des Verhandlungspartners, der Ihnen zeigt, dass 129
er so nicht weiter mitarbeiten kann beziehungsweise noch Informations- oder Verständnisdefizite hat. Ursache sind also Arbeitsstörungen im Verhandlungsprozess, die unbedingt abzustellen sind. Doch wie reagieren wir normalerweise auf Bedenken? Menschen fühlen sich persönlich gestört, glauben vielleicht, Zeit zu verlieren, und zeigen eher mit hochgezogenen Augenbrauen ihre leichte Verärgerung oder ihren Missmut. Wir wollen vorankommen! Dieses wirkt sich sofort negativ auf das Verhandlungsklima aus und verleitet den Verhandlungspartner manchmal zu einer wiederum verärgerten Reaktion. Professionelle Verhandler interpretieren Einwände positiv: Der Verhandlungspartner ist inhaltlich voll mit dabei; er will eine gemeinsame Klärung und eine Lösung. Nehmen deshalb auch Sie in Verhandlungen jeden Einwand ernst und bleiben Sie auch bei Polemik und unfairen Angriffen konsequent sachlich. Sehen Sie Einwände einfach immer als zusätzliche Klärungschance für möglichen Zusatzbedarf! Daraus ergibt sich der Verhaltenszyklus der Einwandklärung und Einwandbehandlung (siehe Abbildung 46).
Abbildung 46: Verhaltenszyklus bei Einwandbehandlungen
Chancen durch High-Speed-Verhalten bei Einwänden sofort nutzen Sie wissen nun, wie ein fast automatisierter (und trainierter!) Verhaltensprozess ablaufen muss, um zügig mögliche Einwände zu klären: Störungen in der Verhandlung haben Vorrang und werden begrüßt, da sie zeigen, dass noch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verhandlungslösung fehlt. Ein erfahrener Verhandlungsführer wehrt deshalb Einwände nicht ab, er bekämpft sie nicht als störendes Hindernis, sondern versucht etwas über die dahinter liegenden Abschlusschancen zu erfahren und mehr Hintergrundinformationen zu bekommen. Der Gesamtprozess
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des Verhandlungsablaufes wird beim ersten Störungssignal unterbrochen und eine kleine zusätzliche Schleife im High-Speed-Verhandlungssystem angefügt: der Einwandbehandlungszyklus. Einwandzyklus: Blitzschnelles Verhalten beim Verhandeln von Bedenken Phase
Ziel
Eigene Aktionen
1. Einwand/ Bedenken
Lassen Sie den Einwand zu und klären Sie ihn, um weiter zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Ausnahme: Nicht ernst gemeinte Einwände, Auflockerungsversuche oder stillose Ausrutscher.
Innehalten und Verhandlung unterbrechen.
2. Störungsannahme
Zeigen Sie mit positiver Mimik und ent- Positive Körpersprache und gegenkommender Körpersprache, dass Signale zur KlärungsbereitSie an einer Klärung interessiert sind schaft senden. und die Störung bei Ihnen angekommen ist.
3. Aktives Zuhören
Verstehen Sie den Einwand als sachlichen Einwand, zeigen Sie Interesse und schaffen Sie ein kooperatives Gesprächsklima. Verschaffen Sie sich eine kurze Pause zum Nachdenken. Nutzen Sie die Gelegenheit zum Nachfragen: Stellen Sie eine reflektierende Frage zur Vertiefung.
Bestätigungsfrage: „Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie noch … klären ...?“
4. Abgrenzen, Zeit gewinnen und verbindlich machen
Isolieren Sie den Einwand und stellen Sie die Vorgehensweise für die weitere Verhandlung sicher. Klären Sie, ob es weitere Bedenken gibt, und isolieren Sie diese als einzigen noch offenen Punkt.
Isolationsfrage: „Angenommen, wir haben diesen Punkt für Sie zufriedenstellend geklärt, können wir dann fortfahren und eine Absprache treffen?
5. Einwand bearbeiten
Binden Sie den Verhandlungspartner in die Lösungsfindung ein und erfragen Sie zusätzliche Informationen. Klären Sie einen echten Einwand angemessen als Sachproblem. Denken Sie nicht sofort, dass es sich um einen Vorwand mit verdeckten anderen Interessen handelt.
Sachliche Lösung erarbeiten: Argumentationsmethodik für Nutzenargumentation und Interessen einsetzen.
6. Ergebniskontrolle: Einwand vollständig geklärt?
Prüfen Sie, ob der sachliche Einwand auch ausreichend geklärt wurde. Wenn jetzt ein weiterer Einwand folgt, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um einen Vorwand handelt, mit dem der Verhandlungspartner andere, heimliche Ziele verfolgt oder auf Grund dessen er abbrechen möchte.
Mit Kontrollfrage absichern: „Ist damit der Punkt für Sie geklärt? Können wir jetzt weiter am Thema arbeiten?“
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Einwandzyklus: Blitzschnelles Verhalten beim Verhandeln von Bedenken Phase
Ziel
Eigene Aktionen
7.-18. Ausstiegswunsch? Liegen andere Interessen vor?
Behandeln Sie auch einen weiteren Einwand als echten Einwand. Tipp: Drehen Sie noch eine sachliche Runde im Einwandzyklus, aber steigen Sie nach einem zweiten Rundlauf oder einem weiteren dritten Einwand aus.
Nach wiederholter Kontrollfrage: goldene Brücke für Ausstieg bauen. Vorschlag unterbreiten, doch die gemeinsamen Interessen und Ziele noch einmal anzuschauen, und eventuell eine Verhandlungspause (Ausstiegsmöglichkeit) und z. B. Bedenkzeit zur Absicherung im eigenen Unternehmen vorschlagen.
Abbildung 47: Verhalten und Einstellung bei der Bewältigung von Einwänden im Einwandzyklus
Bei allen Handlungsalternativen macht der Ton die Musik. Zynismus, Spott oder unfaire Angriffe können kurzfristig den Störenden mundtot machen. Für das Verhandlungsklima in einer kooperativen Verhandlung ist ein solches Vorgehen katastrophal. Die Verhandlungspartner werden sich entweder zurückziehen oder zu Recht mehr Widerstand zeigen. Ein Gewinner-Verlierer-Spiel wäre inszeniert. Stellen Sie sich die Auswirkungen auf das gesamte Verhandlungsklima vor: Es kommt zu einer emotionalen Verhärtung, und die Klärungschance wird vertan. Versuchen Sie auch bitte nicht, im Kleinen zu tricksen!
High-Speed-Verhaltenszyklus bei Bedenken zur Sofort-Überzeugung einsetzen Kurzreflexion: Bitte sammeln Sie auf einem leeren Blatt eine Handvoll möglicher Einwände, Vorwände und Bedenken Ihrer wichtigsten Verhandlungspartner. Wählen Sie einen denkbaren Sacheinwand aus und formulieren Sie dazu geeignete Klärungssätze für die Phasen 1 bis 6 im Zyklus der Einwandbehandlung. Was fällt Ihnen bei diesem Verhaltenszyklus zur Einwandklärung leicht? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Worauf möchten Sie künftig verstärkt achten? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________
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Tipps: Verhaltensregeln im Zyklus der Einwandbehandlung
• • • •
Nehmen Sie jeden Einwand ernst.
• • •
„Entgiften“ Sie den Einwand durch Umformulierung.
• •
Schließen Sie jede Einwandbearbeitung mit einer Kontrollfrage ab.
•
Sprechen Sie bei nachgeschobenen weiteren Einwänden die Interessen des Verhandlungspartners an und überprüfen Sie seine Ziele. Vertagen Sie eventuell die Fortführung der Verhandlung oder steigen Sie aus.
Hören Sie aufmerksam zu. Zeigen Sie bei allen Einwänden freundliche Klärungsbereitschaft. Geben Sie den Einwand als Frage zurück, auf die Sie gemeinsam mit dem Verhandlungspartner eine Antwort suchen möchten.
Decken Sie mit einer Isolationsfrage eventuell versteckte weitere Einwände auf. Verneinen Sie gültige Einwände nicht, sondern kompensieren Sie sie mit Zusatzvorteilen.
Gehen Sie erst dann, wenn ein zweiter oder gar dritter Einwand nachgeschoben wird, von Vorwänden aus (dies stellt einen Versuch dar, aus der Verhandlung auszusteigen!).
Kurzreflexion: Probieren Sie mit fünf typischen Einwänden, Vorwänden oder Bedenken den Einwand-Blitzzyklus als Trockenübung aus, damit Sie diesen Zyklus bei Bedarf blitzschnell abspulen können! Trainieren Sie den Einwand-Blitzzyklus mit passender eigener Mimik, Körpersprache und geeigneten Reaktionen zu Ihren Einwänden doch einfach einmal vor dem Spiegel. Sie haben weiter oben ja bereits Beispiele gesammelt. Dieser Zyklus sollte glatt und überzeugend ablaufen.
5.3 Wenn es beim Abschluss noch etwas klemmt Sie kommen dem Verhandlungsfinale näher: Sie helfen dem Verhandlungspartner, alle positiven Vorentscheidungen für den Abschluss zu fällen, und stabilisieren die Abschlussbereitschaft. Der Abschlussbereitschafts-Test gibt Ihnen die wichtigen Abschlusssignale. Zusätzlich ermitteln Sie mit einer speziell für die Abschlussbereitschaft entwickelten höheren Fragemethodik mögliche Restwiderstände vor dem Verhandlungsabschluss. Mit dieser Klärungsmethode schaffen Sie es, unterschwellige Abschlussvorbehalte zu thematisieren und in der anschließenden systematischen Nutzenargumentation überzeugend auszuräumen. Zusätzliche Handlungsmöglichkeiten können Sie kreativ in die Verhandlungslösung einbauen.
133
Zustimmungssignale früh und richtig deuten: Rubikon-Check Sie haben bisher kontinuierlich das Fundament für den Verhandlungsabschluss geschaffen Bitte erinnern Sie sich an die Typologien im Motivprofiling und in den 4-Checkfragen zur Motivationsstärke des Verhandlungspartners (virtueller Interessensprüfstand). Sie haben durch diese Werkzeuge ständig Zustimmungssignale erhalten. Mit Ihrer Hilfe hat Ihr Verhandlungspartner einen motivierenden Blick in die Zukunft getan und bereits seine Rubikon-Entscheidung gefällt. Er arbeitet jetzt hoch motiviert mit Ihnen an den Umsetzungsdetails der Verhandlungslösung! Ihnen ist es gelungen, Ihren Verhandlungspartner durch alle Phasen der Verhandlung bis zur Lösungssuchphase und der bevorstehenden Abschlussphase zu leiten. Aber bevor Sie den Verhandlungsabschluss vorschlagen, sollten Sie sich noch vergewissern, ob es weitere Handlungsmöglichkeiten gibt, die eine Verhandlungslösung für beide Seiten optimaler gestalten und durch die beide zusätzlich profitieren. Ich spreche statt von einer Verteilungslösung von einer möglichen integrativen Verhandlungslösung, die den Gesamtnutzen für alle Beteiligten optimieren kann. Schauen wir uns zuerst den Rubikon-Check an. Bitte haken Sie kurz ab, was für Sie bereits klar erledigt ist. Checkpunkte Rubikon-Entscheidung:
Was fehlt dem Verhandlungspartner noch für den Abschluss?
Zielkaskaden geklärt? Positives Verhandlungsklima aufgebaut? Auf Agenda/KOALA-Ablauf eingelassen? Interessensprofiling klar? Virtuellen Interessensprüfstand bejaht? Unfaires Verhalten und Manipulationen geklärt?
Abbildung 48: Rubikon-Check zeigt die Umsetzungsbereitschaft früh auf
Gemeinsame Lösungssuche durchgeführt? Einwände/Bedenken geklärt?
Nur wenn Sie alle Checkpunkte als geklärt abhaken können, ist beim Verhandlungspartner wahrscheinlich die Rubikon-Entscheidung gefallen. Sind Sie noch unsicher, ob Sie das Kriterium als zufriedenstellend abhaken dürfen, dann formulieren Sie für Ihren Verhandlungsfall aus der Sicht Ihres Verhandlungspartners die offenen Punkte: Was fehlt dem Verhandlungspartner noch zum Abschluss? Ohne Rubikon-Entscheidung wird es kaum einen Verhandlungsabschluss geben. Sollten Sie dieses feststellen, können Sie nachfassen und versuchen, offene Klärungspunkte durch gezielte Fragen zur Rubikon-Entscheidung zu bringen. Als systematische Fragemethodik empfehle ich das strukturierte Schnellklärungssystem der EKULA-Methode, die im Folgenden vorgestellt wird. Wenn Sie an weiteren speziellen Fragesystemen und höheren Frageformen interessiert sind, schauen Sie auf www.ver
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handlungsführung.com. Hier wird ein Fundus für eine Vielzahl von Verhandlungssituationen mit aktuellen Beispielen für das High-Speed-Verhandlungssystem zusammengestellt.
EKULA-Klärungsmethodik richtet Forderungen präzise aus Als zusammenfassendes Fragesystem zur Abschlussvorbereitung habe ich in meiner langjährigen Verhandlungspraxis die EKULA-Methodik entwickelt. Sie ist ein Instrumentarium der höheren systemischen Fragemethodik und orientiert sich am logischen Ablauf einer Verhandlung. Alles ist auf den gemeinsamen Abschluss ausgerichtet. Sie können dieses Fragesystem bereits ab der Orientierungsphase in der Verhandlung nutzen. Mit kreativen, manchmal etwas ungewöhnlichen Frageformen gelingt es Ihnen, zügig von der Problemklärung über die Konkretisierung und Ursachenklärung (besonders wichtig in der Analysephase) zur Lösungsfindung und Umsetzungssicherung zu gelangen. So ist es zum Beispiel meist leichter, einfach auszugrenzen, was nicht das Problem darstellt, als das Verhandlungsproblem tatsächlich zu definieren. Präzisierende Fragetechnik zur Interessens- und Lösungsklärung: EKULA-Methodik mit Fragebeispielen 1. Problembeschreibende Frage (Exploration)
• Was ist • Was ist • Welche • Welche • Welche
nicht das Problem? konkret unzureichend? Symptome treten bei wem auf? Folgeprobleme sind erkennbar/absehbar? Lösungsversuche wurden bisher unternommen?
2. Präzisierende Fragen (Konkretisierung)
• Was steckt dahinter, was sind mögliche Ursachen? • Was sind wichtige Zusammenhänge? • Was passiert im Einzelnen? • Bei wem zeigt sich welches Verhalten? • Wann, wo, wie oft … tritt das Problem nicht auf? • Was möchten Sie konkret damit verbessern? • Was genau meinen Sie mit dieser Aussage? • Was läuft in der Regel in dieser Situation dann konkret ab? • Wie würden Ihre Kollegen diese Situation beschreiben? • Analysefragen (Ursachenklärung) • Was macht den derzeitigen Zustand so attraktiv, dass er noch • Wer sind die möglichen Nutznießer? • Wer ist wirklich unzufrieden?
besteht?
135
Präzisierende Fragetechnik zur Interessens- und Lösungsklärung: EKULA-Methodik mit Fragebeispielen
• Welche Stolpersteine liegen noch auf dem Weg? • Wer ist ernsthaft an einer Verbesserung interessiert? • Worin sehen Ihre Kollegen/Vorgesetzten/Mitarbeiter
die Ursache für das Problem?
3. Verändernde Fragen (Lösungsfindung)
• Was passiert, wenn nichts passiert? • Was müssten Sie tun, um das Problem zu verschlimmern? • Was wäre anders, wenn das Problem nicht mehr existiert? • Wo hat eine Lösung für das Problem schon mal funktioniert? • Wie haben Sie damals diese Wirkung erzielt? • Haben Sie schon einmal daran gedacht, … zu tun? • Angenommen, es gäbe noch eine bessere Lösung, wie sähe diese aus? • Wenn Geld keine Rolle spielen würde, welche Lösung würden Sie anstreben? • Wenn wir beide zaubern könnten, welchen Wunsch hätten Sie dann an wen für
eine
gute Lösung? 4. Umsetzende Fragen (Absicherung)
• In
welchen Stufen/Phasen sollte die Veränderung umgesetzt werden? (Inhalte, Zeiten, Aufwand)?
• Wie heißt der Startauftrag? • Welche Unterstützung wird für die Akzeptanz unserer Lösung benötigt? • Wer soll bis wann den nächsten Schritt tun? • Welche Chancen und Risiken sind mit der Veränderung für die Betroffenen verbunden?
Abbildung 49: EKULA-Fragemethodik zur Lösungsklärung
• Wie • Wie
sollte mit Widerstand umgegangen werden?
groß, glauben Sie, ist die Annahmewahrscheinlichkeit der geplanten Verhandlungslösung auf einer Skala von 1 bis 100?
Probieren Sie das System zusätzlich in Ihrer nächsten Verhandlung einmal aus! Sie werden merken, diese Art der kreativen höheren Fragemethodik verhilft zu einem zügigen Verhandlungsablauf. Als kleiner Tipp noch dazu: Formulieren Sie für sich einen kleinen Katalog von geeigneten Fragen zu jeder EKULA-Stufe. Sie haben dann gleich alles in Ihren eigenen aktiven Wortschatz übertragen.
Zusätzliche Handlungsmöglichkeiten entwickeln Der gesamte Verhandlungsprozess ist auf die gemeinsame Absprache, eine Vereinbarung oder einen formalen Vertrag ausgerichtet. Nur dieser Abschluss zählt letztlich! Die Steuerung einer Verhandlung läuft auf verschiedenen Ebenen parallel, und Sie müssen, denn Sie übernehmen ja als Verhandlungsteilnehmer Mitverantwortung für das Ergebnis, letztlich dafür sorgen, diesen Abschluss zu erreichen. Nun hilft aber das gesamte Steuerungskönnen nicht viel, wenn die Rahmenbedingungen einen Verhandlungsabschluss unmöglich machen, weil die gemeinsamen
136
Ideen für die Verhandlungsziele und -interessen zu weit auseinander liegen. Wenn es keine Schnittmenge zwischen Ihren Lösungsideen und denen des Verhandlungspartners gibt, sprechen wir von einer nicht vorhandenen Zone of Possible Agreement kurz Null-ZoPA. Hier ist ein Verhandlungsabbruch der logische Weg. Aber das gilt nicht immer! Es gibt noch eine Chance: die Kreativität! Bei der Analyse einer größeren Anzahl von Verhandlungen lässt sich regelmäßig nachweisen, dass wir als Menschen immer wieder einige Grundfehler begehen. So sind viele Leute davon überzeugt, dass sie die richtige Antwort und das sinnvollste Ergebnis schon vor einer Verhandlung kennen, dass ihr Verhandlungsangebot das vernünftigste ist und dass alle brauchbaren Verhandlungsergebnisse irgendwo auf einer geraden Linie zwischen der eigenen Position und der des Verhandlungspartners liegen müssen. Das Ergebnis von derartigen Denkhaltungen in Verhandlungen ist vorgezeichnet: Es kann nur ein Kompromiss herauskommen. Dies liegt an den folgenden vier Haupthemmnissen: Vorschnelles Urteil aus eigenen Erfahrungswerten Im Normalfall werden bei den meisten Verhandlungen keine zusätzlichen Optionen, also keine zusätzlichen Wahl- und Handlungsmöglichkeiten entwickelt. Ursachen liegen in unseren bisherigen Erfahrungen und darin, dass wir in vorgezeichneten Bahnen denken. Umweglösungen, die ein laterales Denken voraussetzen, werden dabei sehr schnell übersehen und ausgeschlossen. Dies liegt an dem oft sehr hohen Zeitdruck in Verhandlungen und an dem uns anerzogenen kritischen Denkstil, der sofort die Kehrseite von neuen Ideen hervorhebt. Die berühmte Schere im Kopf beschneidet den Einfallsreichtum und verhindert damit zusätzliche Optionen. Suche nach nur einer einzigen richtigen Lösung Das Kompromissdenken vieler Menschen führt oft dazu, dass sie ihre Aufgabe darin sehen, den Abstand zwischen zwei Verhandlungspositionen zu verkleinern, anstatt wenige Lösungsideen um fast immer noch verfügbare Optionen zu erweitern. Dazu kommt die Furcht vor einer Menge unterschiedlicher Ideen, die bearbeitet werden müssen. Kreatives Verhandlungsdenken wird deshalb nicht nur durch ein vorschnelles Urteil, sondern gerade auch durch eine vorschnelle Einengung auf die einzige richtige Lösung behindert. Unterstellung, es gebe einen begrenzten Kuchen Gemeint ist hiermit die Annahme, dass der zur Verfügung stehende Kuchen (aufzuteilende Kostenbudgets, Produktionskapazitäten, Transportwege etc.) begrenzt sei. Es liegt ein Entweder-oder-Denken vor: Die Kuchenteile gehen entweder an meinen Verhandlungspartner oder an mich. Unterstellt wird hierbei, der Verhandlungspartner sei nur auf meine Kosten zufriedenzustellen. Es macht sich ein Verteilungsdenken breit (distributive Verhandlungslösung). Andere Lösungen werden deshalb erst gar nicht angedacht.
137
Beschäftigung nur mit eigenen unmittelbaren Interessen Dieses Hemmnis kommt dadurch zustande, dass wir einen Widerwillen verspüren, uns mit den unbekannten Problemen/Interessen unseres Verhandlungspartners genauer auseinanderzusetzen. Manche Verhandler empfinden es schon fast als unseriös gegenüber ihrem eigenen Hause, wenn sie über Möglichkeiten nachdenken, die auch die Interessen ihres Verhandlungspartners befriedigen. Aber nur, wenn wir eine Übereinkunft erreichen, die auch die Probleme des Verhandlungspartners löst, hat das Verhandlungsergebnis langfristigen Bestand.
In vier Kreativschritten gemeinsam mehr Optionen finden Die Herausforderung besteht darin, gemeinsam mit dem Verhandlungspartner kreative zusätzliche Optionen zu erfinden, die möglichst wenig kosten oder deren Kosten andere tragen, die aber einen großen Zusatznutzen für eine oder beide Parteien darstellen. Die folgende Checkliste zeigt Ihnen einen systematischen Ablauf für die kreative Suche nach weiteren Verhandlungsoptionen. Führen Sie diesen Kreativprozess in einer kleinen Problemlösungsgruppe oder direkt mit den Verhandlungspartnern durch. Halten Sie sich dabei genau an den Ablauf. Sie brauchen dazu etwas Zeit und ein Visualisierungsmedium (Flipchart, Beamer, Pinwand etc.). Einen Moderator benötigen Sie nicht unbedingt; Sie können gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner diese Checkliste abarbeiten und eine kleine Kreativrunde steuern. Checkliste: Ablaufschritte Optionserweiterung 1. Problemdefinition
• Was stört uns? • Woran erkennen wir das? • Welche unerwünschten Fakten • Was wünschen wir?
liegen vor?
ò 2. Kurz-Ursachenanalyse
• Arten von unerwünschten Symptomen? • Ursachenliste • Hindernisse für Problemlösung • Was fehlt uns?
ò 138
3. Möglichkeiten/Lösungen kreativ sammeln
• Strategien und Maßnahmen • Denkbare Abhilfen • Ideenpool zur Lösung
ò 4. Durchführungsvorschläge zur Problemlösung
• Was
können wir tun, um das Problem zum Nutzen für beide Seiten zu lösen?
Abbildung 50: Optionen entwickeln in 4 Kreativschritten
Probieren Sie diese Vorgehenscheckliste für die Optionserweiterung einmal in einer Kreativrunde aus. Sie werden staunen, wie viele zusätzliche Lösungsideen noch entstehen, die ebenfalls zum Abschluss führen und einen Nutzen für die Verhandlungsteilnehmer darstellen. Jeder kennt solche Zusatzoptionen zum Beispiel aus Gehaltsverhandlungen, bei denen ein fixes Budget oder ein Gehaltskorridor vorgegeben ist. Oft sind aber die Nebenleistungen (Firmenwagen, Urlaubsregelung, Weiterbildung, private Nutzung von Firmendienstleistungen usw.) noch gar nicht ausreichend einbezogen worden. Eine zufriedenstellende „Entlohnung“ ist so vielleicht doch noch für beide Seiten gut möglich. Genauso verhält es sich bei Verhandlungen mit externen Partnern. Wer kennt schon vorher all die Services, Nebenleistungsmöglichkeiten und Kostensenkungspotenziale, die doch noch einen zufriedenstellenden Abschluss möglich machen?
Tipps: Mehr Optionen entwickeln
•
Trennen Sie den Suchprozess nach Lösungsideen von der Beurteilung. Sammeln Sie erst einmal, ohne zu bewerten.
•
Vermehren Sie systematisch die Zahl der Optionen. Haben Sie Mut zum „kreativem Spinnen“ neuer Ideen.
• •
Suchen Sie gleich den Nutzen für beide Verhandlungspartner.
• •
Suchen Sie gemeinsam und wählen Sie später anhand der Verhandlungsziele aus.
• • • •
Ziehen Sie EKULA-Fragen für die Kreativphase heran.
Erleichtern Sie mit vielen eigenen Vorschlägen die Entscheidung des Verhandlungspartners.
Gesucht werden Zusatznutzen und Kostensenkungen auf beiden Seiten, die dann anschließend neu verhandelt werden.
Sprechen Sie die zeitliche Begrenzung vorher ab. Führen Sie sich das Verhandlungsziel vorab visualisiert vor Augen. Sprechen Sie im Vorfeld die Spielregeln für den Umgang mit neuen Handlungsideen ab. Prüfen Sie, ob ein Nutzen für beide Seiten vorliegt.
139
•
Einen Blitzworkshop zur Optionsvermehrung kann auch jede Verhandlungsseite zusätzlich getrennt im eigenen Hause durchführen. Man erweitert einfach den Kreis der Ideenfinder.
5.4 Die BKA-Systematik für Nutzenargumentation und Abschlusspreis Wo liegen Ihre Marktvorteile in Verhandlungen? Was sind die Hauptnutzenargumente für Ihre (Dienst-)Leistungen oder Produkte? Welche Interessen können Sie damit bei Ihren Verhandlungspartnern befriedigen? Erfolgreiche Verhandlungssteuerung benötigt ein jederzeit präsentes Argumentationsverhalten mit den eigenen Haupt-Nutzenargumenten. Im Folgenden stelle ich Ihnen die sogenannte BKA-Systematik vor, ein Schnellargumentations-System zur Überzeugung Ihres Geschäftspartners. B steht dabei für die „Bedürfnisse“ des Verhandlungspartners, K für die „Kompensation durch Kernnutzen“ und A für den „Abschlussvorschlag“. Sie bekommen Tipps, wie Sie selbst geschickt Ihre Preisargumentation steuern können, und erfahren, wie Sie wichtige Leitplanken und optimale Verhandlungsgesetzmäßigkeiten für einen erfolgreichen Abschluss einsetzen können. Abschließend finden Sie Kompaktregeln für den Verhandlungsabschluss.
Motivprofil prägt die Preisargumentation Die vorangegangenen Motiv- und Interessensanalysen machen für Sie die Preisund Produktüberzeugung im High-Speed-Verhandlungssystem jetzt zum Kinderspiel. Mit der BKA-Systematik zur Nutzenargumentation im Wettbewerbsvergleich setzen Sie einen weiteren Baustein für den zügigen Verhandlungsabschluss ein. Sie verknüpfen die Erkenntnisse aus der Zielkaskade und der Interessensanalyse mit Ihrer Nutzenargumentation und sind für das Preisgespräch gut ausgestattet. Die Daten haben Sie bereits präpariert! Bitte geben Sie kurz für eine konkrete Beispiel-Verhandlungssituation mit einem Ihrer Verhandlungspartner eine abgesicherte Einschätzung ab. Welche sind seine persönlichen Bedürfnisse (maximal drei Kernbedürfnisse genügen), und welche Hauptziele ergeben sich aus der Verhandlungsaufgabe aus seiner Sicht? Tragen Sie Ihre Stichworte in die Tabelle zum ersten Schritt ein.
140
1. Schritt: Interessen des Verhandlungspartners Aus Motivprofiling
Aus Zielkaskade
Dominanz:
Interessensdach:
L
•
oKoEo
Kernbedürfnisse:
Hauptziele:
• • •
• • •
Abbildung 51: Die Messlatte sind Schwerpunktinteressen und Ziele des Verhandlungspartners (1. Schritt Nutzenargumentation)
Vorab stellen Sie bitte eine Liste der wesentlichen Nutzenargumente für Ihre Leistungen, Produkte oder Services zusammen. Diese Liste umfasst alle Nutzenargumente im Marktvergleich (bis zum schlechtesten Wettbewerber!). Das folgende Beispiel steht für eine Verhandlungssituation im Vertrieb. Genauso gut können Sie eine Liste für Ihre Gehaltsverhandlung mit dem Chef erstellen, für eine Verhandlung mit Freunden, dem Lebenspartner oder mit Projektabwicklern. 2. Schritt: Vorteile gegenüber dem Wettbewerb (Beispielwertung) Nutzenargumente im Vergleich zur Ihre Wertung im Konkurrenz Marktvergleich Beispiele: (+, ++, +++) Ihre interne Produktion ist effizient und sichert langfristig günstige Preise.
+++
Ihre Produktqualität ist überdurchschnittlich hoch.
+++
Sie verfügen über langjährige zufriedene Referenzkunden.
++
Sie sind erfahrener und ISO-zertifiziert im Servicebereich.
+
Sie gewährleisten vor Ort einen Kundendienst/Kundenservice.
++
Sie verfügen für hohe Qualitätsstandards und unabhängige Testate.
+++
Sie garantieren verlängerte Garantien.
++
Kosteneinsparungen: Zeit, Personal, Energie, durch einfache Implementierung.
+++
Die technische Lebensdauer Ihrer Produkte ist länger durch Modularität.
+++
Ihre Produktpalette ist umfangreicher.
++
Sie garantieren mehr Leistungsumfang.
++
Ihre Wertung aus Sicht Verhandlungspartner (+, ++, +++)
141
2. Schritt: Vorteile gegenüber dem Wettbewerb (Beispielwertung) Nutzenargumente im Vergleich zur Ihre Wertung im Konkurrenz Marktvergleich Beispiele: (+, ++, +++)
Abbildung 52: Beispielwertung: Nutzen im Wettbewerbsvergleich
Sie bieten frühere Lieferung durch eigenen Lieferservice.
+++
Planungs- und Projektierungskosten sind im Preis eingerechnet.
+
Sie haben einen kundennahen Standort.
++
Sie bieten günstigere Lieferpreise.
+++
Ihr Unternehmen investiert überdurchschnittlich in Produktinnovation.
+
Sie sind flexibel durch Zwischenlager.
++
Ihre Wertung aus Sicht Verhandlungspartner (+, ++, +++)
Kurzreflexion: Bitte erstellen Sie jetzt eine eigene Liste Ihrer spezifischen Nutzenargumente für Ihre ausgewählte konkrete Verhandlungssituation. Wählen Sie dazu ein Produkt oder eine Dienstleistung aus. Sammeln Sie kreativ allen Nutzen und alle Vorzüge für das Produkt oder die Dienstleistung und geben Sie zuerst eine Wertung aus Sicht des Gesamtmarktes ab. Die Wertung aus der Sicht eines Verhandlungspartners lassen Sie bitte noch frei. Unter www.verhandlungsführung. com finden Sie dazu automatisierte Online-Vorlagen mit direkter Kalkulation und Interpretationshilfen. Mit dieser Liste Ihrer eigenen Nutzenargumente können Sie sich gut auf den Verhandlungsabschluss und das Preisgespräch vorbereiten. Sie haben damit bereits den zweiten Punkt Ihrer Nutzenargumentation erledigt! Sie kennen aus der Vorabklärung die möglichen Kundeninteressen und verfügen über eine Maximalliste Ihrer Vorzüge im Vergleich zu Markt/Wettbewerb. Jetzt müssen Sie im Bedarfsfall nur noch die Schritte 3 und 4 durchführen und schon haben Sie die wesentlichen Abschlussargumente auf dem Tisch. Schritt 3: Best-of-Nutzen des Verhandlungspartners herausfiltern
Da wir es mit Menschen zu tun haben (und bekanntlich kann unser normales Kurzzeitgedächtnis nicht mehr als fünf Argumente verarbeiten), müssen Sie sich beschränken. Wählen Sie für Ihren speziellen Verhandlungspartner die drei wesentlichen Nutzenargumente aus (aus seiner Sicht werten!). Hierzu fassen Sie bitte gute Argumente zusammen! Tragen Sie Ihre Wertung gegenüber der Wettbewerbswertung ein. Sie sehen nun, was den Verhandlungspartner wirklich interessiert. Damit sollten Sie bei der Argumentation starten!
142
Schritt 4: Bedürfnisse, Kompensation mit Nutzenargumenten für Abschlussvorschlag ableiten
In diesem vierten Schritt stellen Sie den Bezug zu Ihrer Nutzenargumentation her: Verknüpfen Sie jetzt die Kernbedürfnisse Ihres Verhandlungspartners mit den Kern-Nutzenargumenten, ergänzen Sie nach Bedarf eine zusätzliche Kompensation und fordern Sie Ihren Verhandlungspartner zum Geschäftsabschluss auf. Gestalten Sie den Nutzen in gut vorstellbaren Bildern und im Motivpfad als überzeugendes Zukunftsbild. Mit dieser logischen Wenn-Dann-Kette des BKA-Prinzips ist Ihre inhaltliche Nutzenargumentation fertig. Wenn Sie jetzt noch die Kern-Nutzenargumente gewichten (nach der SandwichMethode: zuerst das stärkste, dann das schwächste und zum Schluss das zweitstärkste Argument), ist Ihre Überzeugungsargumentation perfekt!
Nutzenargumentation nach dem BKA-Prinzip: Abschlusstool 1. Interessen des Verhandlungspartners
• • • • • 2. Kreativ-Nutzenliste (mit Wertung Marktvergleich)
• • • • • • • • 3. Kompensation durch Kern-Nutzenargumente (maximal 3 bis 5 Argumente aus Sicht des Verhandlungspartners)
• • • • •
143
4. Ableitung der Abschlussargumentation (BKA-Prinzip):
• Bedürfnisse
des Verhandlungspartners
• Kompensation Abbildung 53: Nutzenargumentation mit BKA-Prinzip
durch Kernnutzen
• Abschlussvorschlag
Preise nennen, Zugeständnisse verhandeln oder aussteigen Junge und weniger erfahrene Verhandler scheuen sich häufig, den Preis zu nennen. Sie haben den Eindruck, es ginge um eine Art Preistanz oder ein Preismikado, bei dem derjenige verliert, der seine Preisvorstellungen zuerst nennt. Dieses Verhalten ist nur aus der eigenen Unsicherheit heraus zu verstehen, wenn der Preisspielraum nicht sauber geklärt sei. Der Bereich eines möglichen guten Abschlusses, die Schnittmenge aus den Preisuntergrenzen (Ausstiegsziel) ist nicht klar geworden. Sicher – dies kann gelegentlich passieren, wenn nicht systematisch analysiert wurde, wenn neue Informationen oder veränderte Rahmenbedingungen dazukommen. Ein Verhandler, der das High-Speed-Verhandlungssystem nutzt, hat allerdings seine Hausausgaben gemacht und kennt seine ZoPA! Aus dieser Gewissheit können Sie jetzt deutlich einen äußersten Preisanker setzen, einen äußersten, gerade noch logisch begründbaren Preis zu Ihren Gunsten. Wichtig wird jetzt das Ausrichten der Gedanken Ihres Verhandlungspartners auf Ihren Preis. Dazu ist wirklich der äußerste Randbereich (kleine Überschreitungen sind zum taktischen Verhandeln denkbar) zu fixieren. Ihr Verhandlungspartner wird sich jetzt, und zwar trotz aller zusätzlichen Handlungsoptionen, mit Ihrem Preisanker auseinandersetzen. Wie dieser Verhandlungsprozess im engeren Sinne (Bargaining-Process) abläuft, habe ich im Abschnitt 3.2 vorgestellt. Bitte führen Sie sich dieses Verhalten mit der erarbeiteten inhaltlichen BKA-Argumentation noch einmal vor Augen!
Kompaktregeln für den Verhandlungsabschluss Im Folgenden sind die Abschlussregeln kompakt dargestellt. Es sind die Leitplanken einer integrativen Verhandlungsführung mit dem High-Speed-Verhandlungssystem.
144
•
Argumentieren Sie mit den Stufen des Motivationspfades nach der BKA-Systematik.
•
Setzen Sie in der Abschlussphase als Erster zügig eine realistische Preisforderung (maximaler Anker) mit einer gerade noch begründbaren Argumentation. Die wirtschaftspsychologische Forschung zeigt übereinstimmend, dass das Verhand-
lungsergebnis immer in Richtung eines vorgegebenen Preisankers beeinflusst wird. Je höher das erste Gebot in einer Verhandlung, desto höher ist auch der erzielte Verhandlungsabschluss.
•
Denken Sie wie ein klassischer Kaufmann an seiner Balkenwaage: Vorteile vom Preis abziehen und Einsparungen auf Preis addieren. Dabei nutzen Sie Kostenargumente gegen Ihren Verhandlungspartner immer über die Zeiteinheiten hochmultipliziert. Umgekehrt können Sie so auch optisch eigene Preise kleinrechnen! Beispiel: Statt die Kosten pro Jahr anzugeben, beziehen Sie alles auf einen Tag ...; denn selbst eine Maklerprovision von 3 000 Euro wirkt bei 20 Jahren Mietzeit mit 40 Cent günstig pro Tag.
•
Nutzen Sie die EKULA-Fragesystematik zur Klärung und Steuerung während der gesamten Preisverhandlung!
•
Suchen Sie nach alternativen Lösungen und neuen Optionen bei zu geringem Verhandlungsspielraum!
•
Verhandeln Sie bei mehreren Verhandlungsteilen das Gesamtpaket und lassen Sie sich weniger auf Salamischeiben ein! Gesamtlösungen sind meist kreativer, schaffen integrative Optionen, und der Gesamtnutzen ist für beide Seiten besser sichtbar.
•
Machen Sie kein Zugeständnis ohne Gegenleistung oder ohne eine kreative Idee zur Kompensation der anderen Seite (bin-bereits-am-Ende-meiner-Möglichkeiten-Denken!)!
•
Verpacken Sie ein Zugeständnis motivierend mit konkreter Nutzenbegründung. Sie labeln sozusagen Ihr Entgegenkommen positiv mit den zentralen Nutzenvorzügen, damit alles in der Waagschale erscheint. Malen Sie Zukunftsvorzüge mit großem Pinsel auf. Manchmal genügt auch eine Grafik am Flipchart.
•
Nutzen Sie Erwartungsunterschiede bei Zukunftswertungen (Motivationspfad), um bei unterschiedlich gesehenen Vorteilen Kompromisse zu erzielen!
•
Nutzen Sie Unterschiede der Risikobereitschaft, um zum Vorteil beider Seiten einfachere Abschlüsse zu erzielen!
•
Verwenden Sie unterschiedliche zeitliche Präferenzen, um leichter für beide Seiten vorteilhaftere Absprachen zu erzielen!
•
Addieren Sie weitere Punkte/Interessen/Vorteile zur Verhandlungslösung, die sie für beide Seiten vorteilhafter machen!
•
Prüfen Sie immer, ob es Kostensenkungsmöglichkeiten durch die Art und Weise der Lieferbedingungen, Service und Handling gibt, die es dem Verhandlungspartner ermöglichen, Ihnen einen besseren Preis anzubieten! Das gilt auch für Ideen zur Verringerung von Kosten und Ressourcenengpässen!
•
Achten Sie auf Ihre eigene Glaubwürdigkeit/Reputation und das im Verhandlungsprozess erarbeitete Vertrauen: bitte keine Lügen und unfairen Tricks! Führen Sie sich bei Abhängigkeit und Machtungleichgewicht das Stockholm-
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Syndrom vor Augen (Geiseln solidarisieren sich unter Anspannung mit ihren Geiselnehmern!): Bei starker Abhängigkeit beginnen Menschen, den warnenden Argumenten der Gegenseite zu vertrauen, sogar oft mehr als den sicheren Argumenten der eigenen Seite. Stolpern Sie nicht in unterbewusste Fallen!
146
•
Wenn Zugeständnisse notwendig werden, sollten Sie diese nur in immer kleiner werdenden Portionen mit Abschluss-Kiss geben! Er stellt ein zusätzliches, meist nicht mehr erwartetes einseitiges Zugeständnis dar. Ein Beispiel: „Damit Sie mein Interesse an einer dauerhaften Geschäftspartnerschaft auch nach diesem Abschluss sehen, verlängere ich für Sie zusätzlich die Garantiezeit um ein weiteres Jahr!“ Trotzdem verursachen Kiss-Zugeständnisse meist wenig Kosten oder Risiken für die Geber und sind von hohem Nutzen für den Empfänger. Haben Sie schon einmal erlebt, wie ein solches überraschendes zusätzliches Zugeständnis positive Einstellungen auslösen und den Abschluss sichern kann?
•
Wenn die Lösungsmöglichkeiten zum Abschluss nicht genügen, zeigen Sie Ihre ernste Ausstiegsbereitschaft. Aber halten Sie sich Türen offen, etwa durch eine wohlwollende Abschlusswertung der kooperativen Verhandlungsatmosphäre, fassen Sie bestehende Gemeinsamkeiten zusammen und ... gehen Sie. Vergessen Sie nicht zu betonen, dass dieses eine Entscheidung ist, die Sie zum jetzigen Zeitpunkt und unter diesen Verhandlungsumständen getroffen haben. Sollte sich etwas daran ändern, können Sie ohne Gesichtsverlust bereits am nächsten Tag wieder einsteigen. Es stellt den letzten Test dar, ob Sie den Abschluss noch zu Ihren Gunsten beeinflussen können!
•
Lassen Sie Ihrem Verhandlungspartner den Glauben, dass er gewonnen habe! Ein positiver Abschlusseindruck sichert Ihnen die Umsetzung!
•
Weisen Sie darauf hin, dass die endgültige Entscheidung nicht von Ihnen allein abhängt. Decider-Vorteil: Es werden Ihnen zusätzliche Zugeständnisse (äußerste Zugeständnisse der anderen Seite) zur Überzeugung Ihres Entscheiders mitgegeben! Außerdem können Sie mit Nachforderungen kommen und wieder etwas neu aufrollen!
Literatur Vertiefende Literaturhinweise finden Sie unter www.verhandlungsführung.com. Axelrod, Robert (2005): Die Evolution der Kooperation, 6. Auflage, München. Cialdini, Robert B. (2010): Die Psychologie des Überzeugens, 6. Auflage, Bern. Csikszentmihalyi, Mihaly (2010): Flow: Das Geheimnis des Glücks, 15. Auflage, Stuttgart. Fischer, Roger; Ury, William u. a. (2009): Das Harvard-Konzept, 23. Auflage, Frankfurt. Goldstein, Noah J.; Martin, Steve J., Cialdini, Robert B. (2009): Yes! Andere überzeugen – 50 wissenschaftlich gesicherte Geheimrezepte, Bern. Gulliver, Philip H. (1979): Disputes and Negotiation. A cross cultural perspective, New York. Hasler-Dierauer, Alexander (2007): Verhandlungserfolg – Zyklische und phasenbedingte Einflüsse, Dissertation Universität St. Gallen. Heckhausen, Jutta; Heckhausen, Heinz (2006): Motivation und Handeln, 3. Auflage, Berlin. Kleinbeck, Uwe, (2006): Handlungsziele, in: Heckhausen, Jutta; Heckhausen, Heinz (2006): Motivation und Handeln, 3. Auflage, Berlin, S. 255ff. Mastenbroek, Willem F. G. (1992): Verhandeln, Strategie, Taktik, Technik, Wiesbaden. Mraz, Rolf, (2008): Motivdisposition und die Teilaufgaben der Handlungssteuerung, Dissertation der Bergischen Universität Wuppertal. Wilkening, Otto S. (2007): Zwölf Tipps für die tägliche Verhandlungsführung, Quelle: Financial Times Deutschland, Management + Karriere, FTD.de | Business Wisse#5842AD1 Wilkening, Otto S. (2009): Verhandlungsführung – Profi-Tipps für den Erfolg – Arbeitshilfen kooperativer Verhandlungsführung –, Quelle: Online-Lernplattform business-wissen.de http://www.business-wissen.de/
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Stichwortverzeichnis Abschluss 133 Abschlussargumentation 144 Abschluss-Kiss 146 Abschlussphase 84, 94 ff. Abschlussvorschlag 95, 144 Abwehrverhalten 112 Analysephase 83, 91 f. Anfängerfehler 12 Angriffsebenen 102 Argumentationskompetenz 20 Argumentationssteuerung 129 Ausstieg 132 Ausstiegsbereitschaft 146 Ausstiegsstrategie 33, 83 Ausstiegsziele 33, 84, 122, 144
Bargaining 80, 95 f. Bargaining-Process 144 Bedenken 129 Beeinflussung 109 – Prinzip Autorität 111 – Prinzip Knappheit 111 – Prinzip Konsistenz 110 – Prinzip soziale Bewährtheit 110 – Prinzip Sympathie 110 – Prinzip Verpflichtung 109 Best-of-Nutzen 142 BKA-Prinzip 140 BKA-Systematik 140, 144 Blitzverhandlung, distributive 29 Brennglasziele 30
Claimmanagement 81 Detailziele 35 Dopamin 49 Drei-Brennglasziele-Methode 32 Dreieckskontrakt 88 f. Druckmotivation 44 Durchführungsintention 69 Durchsetzungsmacht 28
Einigungsprozess 95 Einwandbehandlung 129 Einwandklärung 130 Einwandzyklus 96, 129, 131 EKULA-Fragemethodik 135 EKULA-Klärungsmethodik 135 Entscheidungskriterien 83, 97 FBI-Ansatz 119 Flow 44 ff. Fragemethodik 133 Frühwarnsystem 61 Frustrationsspirale 44 Ghost-Negotiator 119 ff. Handlungsfacetten 39 Handlungsmotivation 62, 74 Harvard-Konzept 37, 80 Hauptdach 127 Hauptziele 31, 34, 140 Idealziel 95 Integrationsstrategie 30 Interessensanalyse-Radar 68 Interessensdach 35, 127 Interessensprüfstand 50, 71 Interessenssteuerungskompetenz 19 Kampftechniken 116 Kernkompetenzen 18 Kernmotive 54 Kernverhandlungsstrategien 27 Kiss-Zugeständnisse 146 Klärungskompetenz 17, 19 KOALA-Ablauf 81, 89, 118 Kommunikationssteuerungskompetenz 20 Kompromiss 16, 27, 35, 137 Kontaktphase 86 f.
LKE-Profiling 58, 60 Lösungsphase 84, 93 149
Lösungssuchphase 84, 93
Machtlinie 29 Machtspiele 20 Machtverteilung 22 Manipulation 101 f., 118 Manipulationsebenen 114 Misserfolgswahrscheinlichkeit 46 Motivationsbilanz 62 Motivationsforschung 43 Motivdominanz 50 Motivprofil 140 Motivprofil-Diagnose 48 Motivprofiling 48, 50, 57 ff. Motivtypen 48 f. – Einflussmotiv 50, 56 – Kontaktmotiv 49, 55 – Leistungsmotiv 49, 55 Negotiation-Process 80 Null-ZoPA 137 Nutzenargumentation 40, 143
Optionserweiterung 138 Organisationsphase 83, 88 ff. Orientierungsphase 89, 135
Planungsphase 80, 83 Preisargumentation 140 Prozesssteuerungskompetenz 19 Reviewphase 82, 84, 98 Rote-Faden-Skizze 85 Rubikon-Check 134 Rubikon-Entscheidung 72, 84, 93 Schattenverhandler 119 Schutzschild-Abwehrtechniken 112 Schwert-Gegenangriffstechniken 113 Selbstdiagnose 15 SMART-Kriterien 33 Spielregeln 89 Stakeholder 22 Stakeholderdiagnose 39 Stakeholdermonitoring 22 Stakeholderradar 22 ff. Steuerungsfragen 90, 92, 94, 97 Stopp-Konter-Methode 106 Strukturanalyse 127 Strukturdenken 126 Strukturieren, hierarchisches 126
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Testosteron 50 Tit-for-Tat-Methode 116 Überlistungstechniken 108 Überzeugungskompetenz 20 Unfaire Kommunikation 101 – Abwehrmöglichkeiten 103 – Stopp-Konter-Methode 106
Vasopressin 49 Verhandlerteam 119 Verhandlung – distributive 137 – integrative 30, 119 Verhandlungsargumentation 125 Verhandlungsinteressen 43 Verhandlungsklima 40 Verhandlungsmacht – persönliche 25 – sachliche 25 Verhandlungsmachtdiagnose 20 f., 25 Verhandlungsmotivation 77 Verhandlungsphasen 83 Verhandlungsprozess 79 Verhandlungsrollen 119 f. – Commander 120 – Decision-Maker 121 – Entscheider 121 – Negotiator 120 – Verhandlungsführer 120 – Verhandlungsleiter 120 Verhandlungsspielraum 91, 113, 122 Verhandlungsstil 37, 41 Verhandlungsstilfacetten 39 Verhandlungsstilprofil 38 Verhandlungsstrategie 27, 30, 37 Verhandlungsziele 31 – Formulierung 33 – Idealziel 32 – Kernziel 32 – Kompromisslösung 35 – Rückzugsziel 32 Verhandlungsziel-Fernrohr 31 Verlierer-Verlierer-Situationen 30 4-Hürden-Bilanz 68 4-Hürden-Modell 63, 70 Vorsatz 69 Zielkaskade 30 ff., 93 Zielschirm 30
Zone of Possible Agreement (ZoPA) 136, 144 Zukunftsfernrohr 31 Zukunftsfragen 83, 86
Zustimmungs-Check 71, 114 Zustimmungscheck-System 70 Zustimmungssignale 134
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Der Autor Otto Siegfried Wilkening (Jahrgang 1952) ist Wirtschaftspädagoge und Organisationspsychologe mit drei Jahrzehnten Berufserfahrung als Unternehmensberater, Verhaltenstrainer und Verhandlungs-Coach. In dieser Zeit war er Inhaber und Geschäftsführer mehrerer Unternehmensberatungen und Trainingsinstitute in Europa. Seit 1980 berät er als Top-Management-Coach und Personalentwickler namhafte Unternehmen wie Commerzbank, Otto-Versand, Siemens oder T-Systems rund um die interne Umsetzung innovativer Personalentwicklungs- und Verhandlungskonzepte. Er entwickelte das High-Speed-Verhandlungssystem als neuartiges Verhandlungssystem für die professionelle Verhandlungssteuerung und ließ es im Härtetest von deutschen Großunternehmen erproben. Otto S. Wilkening begleitet schwierige Verhandlungsprozesse als Ghost-Negotiator, führt als Trainer Spezialseminare zum High-Speed-Verhandlungssystem durch und schult Inhousetrainer als Multiplikatoren. In den letzten Jahrzehnten veröffentlichte er rund 50 Fachartikel in Fachzeitschriften und Büchern. Kontakt: Otto S. Wilkening tec-consulting Hofgraben 486 86899 Landsberg am Lech Fon: Fax:
++49 8191 64 09 96 5 ++49 8191 64 09 96 4
E-Mail:
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