Martin von Wachter Chronische Schmerzen Selbsthilfe und Therapiebegleitung Orientierung für Angehörige Konkrete Tipps und Fallbeispiele Mit Online-Material
Martin von Wachter
Chronische Schmerzen Selbsthilfe und Therapiebegleitung Orientierung für Angehörige Konkrete Tipps und Fallbeispiele Mit Online-Material
Mit 15 Abbildungen bzw. Arbeitsblättern
123
Dr. Martin von Wachter Klinik für Psychosomatik Ostalb-Klinikum Im Kälblesrain 1 73430 Aalen
ISBN-13 978-3-642-19612-6 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ve rvielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Monika Radecki, Heidelberg Projektmanagement: Barbara Karg, Heidelberg Lektorat: Bettina Arndt, Weinheim Umschlaggestaltung: deblik, Berlin Einbandabbildungen: Maxim Godkin/shutterstock Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 80036716 Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort Dieses Ratgeberbuch soll Sie bei der Behandlung Ihrer Schmerzerkrankung begleiten. Mit Hilfe dieser Informationen werden Sie zum Experten Ihrer eigenen Krankheit. Gerade bei chronischen Erkrankungen ist die Schulung ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Ein ganz wesentlicher Teil ist die Aufklärung über die verschiedenen Erkrankungsbilder, Symptome, ihre Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Gute Kenntnisse über die eigene Krankheit wirken in der Regel entlastend. Betroffene fühlen sich nicht länger als Außenseiter und erfahren, dass ihre Beschwerden nicht eingebildet sind oder auf persönlicher Schwäche beruhen. In 7 Kap. 2 werden Ihnen die komplexen Zusammenhänge zwischen seelischen, körperlichen und sozialen Faktoren bei der chronischen Schmerzkrankheit im Sinne eines »bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells« vorgestellt. Neue medizinische Erkenntnisse werden dabei berücksichtigt. Anschließend, in 7 Kap. 3, geht es darum, die einzelnen Schmerzerkrankungen nochmals zu differenzieren, da die verschiedenen Schmerzerkrankungen unterschiedlicher Behandlung bedürfen. In 7 Kap. 4 werden aktuelle Therapiestandards vermittelt. Sie finden einzelne Therapiebausteine, konkrete Behandlungsmöglichkeiten und Strategien, wie Sie mit den Schmerzen besser umgehen können. Finden Sie heraus, welche für Sie gut passen und nützlich sind. Sie sollen als Anregung dienen, aktiv auf Ihre Krankheit Einfluss zu nehmen bzw. trotz der Schmerzen mehr Lebensqualität zu haben. Wenn Sie in Behandlung sind, können Sie auch gemeinsam mit Ihrem Arzt bzw. Psychotherapeuten entscheiden, welche Bausteine für Sie besonders gut geeignet sind. In 7 Kap. 4 erfahren Sie auch Hilfestellungen im Umgang mit den Schmerzen in der Partnerschaft. Noch konkreter wird es dann beim Ausfüllen der Arbeitsblätter. Zum weiteren Vertiefen dienen zahlreiche Hinweise auf Bücher, Filme und Internetlinks, die Sie im 7 Anhang finden. Übungen zum Anhören im speziellen Downloadbereich des Buches helfen Ihnen bei der Umsetzung im Alltag. Aalen, im August 2011 Martin von Wachter
VII
Danksagung Für die vielen konstruktiven Anregungen, kritischen Rückmeldungen und die hilfreiche Unterstützung möchte ich mich ausdrücklich bedanken bei Dr. Askan Hendrischke, Dipl. Psych. Bernd Kappis, Dr. Dietmar Hansch, Dr. Claudius Böck, Dr. Dipl. Psych. Claus Derra, Prof. Dr. Ulrich T. Egle, Prof. Dr. Ralf Nickel, Stephanie Engelhardt, Martin Friebel M.A., Michael Jast, Edeltraut Kühn, Gisela von Wachter und Dr. Claudia Haese. Besonderer Dank gilt auch allen Mitarbeitern des Springer-Verlags, insbesondere Monika Radecki M.A., Barbara Karg und Bettina Arndt.
IX
Über den Autor
Martin von Wachter
Dr. med. Martin von Wachter, geboren 1965, ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Zusatzausbildung in psychosomatischer Schmerztherapie. Er arbeitet als Leitender Oberarzt im Bereich Schmerzerkrankungen und somatoforme Störungen in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Ostalb-Klinikum Aalen. Zuvor war er am Universitätsklinikum der RWTH Aachen in Klinik, Lehre und Forschung tätig. Seine Schwerpunkte sind Psychosomatische Schmerztherapie, Familientherapie und Traumatherapie. Er arbeitet an der Entwicklung von neuen Versorgungskonzepten in der Psychosomatik und an der Leitlinie Fibromyalgie mit. Er beschäftigt sich seit 10 Jahren mit Patientenschulungen in der Psychosomatik unter Zuhilfenahme neuer Medien und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema psychosomatische Schmerztherapie. Martin von Wachter ist Mitglied in der Interdisziplinären Gesellschaft für Psychosomatische Schmerztherapie (IGPS) und im Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM).
XI
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2
Entstehung chronischer Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1
Was ist Schmerz eigentlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.2
Schmerzkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.3
Akuter Schmerz und chronischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.4
Schmerzverarbeitung auf neuronaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.4.1
Der Weg vom Schmerzreiz zum Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.4.2
Schmerzverarbeitung im Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.5
Bahnung – Neuroplastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.6
Bio-psycho-soziales Krankheitsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.7
Gefühle und chronischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.8
Chronifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.9
Teufelskreise und Aufrechterhaltung der Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
2.10
Psychosoziale Folgen von chronischen Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
2.11
Schmerzkrankheit und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
3
Unterschiedliche Schmerzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
3.1
Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . .
19
3.2
Funktionelle Schmerzstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
3.2.1
Rückenschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
3.2.2
Fibromyalgiesyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
3.2.3
Gesichts- und Kieferschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
3.3
Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
3.3.1
Schmerzen bei Erschöpfungssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3.3.2
Schmerz und Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
4
Behandlung chronischer Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
4.1
Wie werden chronische Schmerzerkrankungen behandelt? . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
4.2
Welche Ziele können für die Behandlung formuliert werden? . . . . . . . . . . . . . . . .
36
4.3
Schmerztagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
4.4
Schmerzbewältigungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4.5
Umgang mit chronischer Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
4.5.1
Krankheit auf ihren Platz verweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
4.5.2
Balance zwischen Krankheit und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
4.6
Entspannungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
4.7
Biofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
4.8
Imaginationsübungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
4.9
Erkennen von Belastungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
4.9.1
Anspruch an sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
XII
Inhaltsverzeichnis
4.10
Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
4.11
Das richtige Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
4.11.1
Schrittweise unterhalb der Stressgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
4.12
Pausenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
4.13
Schmerztypische Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
4.13.1
Gedankenstopp-Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
4.14
Ressourcenaktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4.14.1
Ressourcenaktivierende Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
4.15
Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
4.16
Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4.17
Umgang mit Schmerzen in der Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
4.17.1
Paar- und Familiengespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
4.18
Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
4.18.1
Schmerzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
4.18.2
Antidepressiva bei Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
4.18.3
Antikonvulsiva bei Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
4.18.4
Schmerzmittel bei chronischem Rückenschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
5
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
A
Verzeichnis der Arbeitsblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
B
Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
C
Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
D
Adressen und Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
1
Einleitung
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
2
Kapitel 1 · Einleitung
1
Schmerz ist das, was der Betroffene empfindet
Rund 8 Millionen Menschen in Deutschland sind von chronischen Schmerzen betroffen. Schmerzkranke haben fast immer eine lange Vorgeschichte mit den verschiedensten medizinischen und chirurgischen Maßnahmen sowie oft erfolglosen Therapieversuchen. Dies ist vor allem der Fall, wenn das multifaktorielle Ursachenspektrum der chronischen Schmerzkrankheit nicht berücksichtigt wird und eine entsprechende interdisziplinäre Behandlung ausbleibt. Im Gegensatz zum akuten Schmerz sind beim chronischen Schmerz nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche und das soziale Umfeld betroffen. Oft ist das Selbstwertgefühl der Betroffenen beeinträchtigt, und sie sind durch den erfolglosen Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie die erlebte Zurückweisung im Gesundheitssystem depressiv und misstrauisch geworden. Sie erleben sich ihren Schmerzen hilflos ausgeliefert. Neben dem persönlichen Leid der Kranken ist meistens auch das persönliche Umfeld, insbesondere die Partnerschaft und die Familie, in Mitleidenschaft gezogen (von Wachter 2003). Auch wenn Schmerzen der somatoformen und funktionellen Schmerzstörungen durch psychische Faktoren mitverursacht und oft ohne auffällige Befunde (Labor, CT, MRT, Röntgen) sind, gibt es keinen Zweifel daran, dass die Schmerzen echt sind und nicht eingebildet. Schmerz ist das, was der Betroffene empfindet und wahrnimmt, und nicht das, was im Röntgenbild oder Labor zu sehen ist.
2
Entstehung chronischer Schmerzen 2.1
Was ist Schmerz eigentlich?
–4
2.2
Schmerzkrankheit
2.3
Akuter Schmerz und chronischer Schmerz
2.4
Schmerzverarbeitung auf neuronaler Ebene
2.4.1 2.4.2
Der Weg vom Schmerzreiz zum Gehirn Schmerzverarbeitung im Gehirn – 6
2.5
Bahnung – Neuroplastizität
2.6
Bio-psycho-soziales Krankheitsverständnis
2.7
Gefühle und chronischer Schmerz
2.8
Chronifizierung
2.9
Teufelskreise und Aufrechterhaltung der Schmerzen
2.10
Psychosoziale Folgen von chronischen Schmerzen
2.11
Schmerzkrankheit und Familie
–4 –5 –6
–6
–8 –9
–9
– 10
– 15
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
– 12 – 14
4
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
Dieses Kapitel widmet sich der grundsätzlichen Definition und Einteilung von Schmerzen. Die Unterschiedsmerkmale zwischen akutem und chronischem Schmerz werden aufgezeigt. Außerdem wird dargestellt, wie die Schmerzverarbeitung im Rückenmark und Gehirn abläuft. Die enge Beziehung zwischen Körperschmerz und Seelenschmerz bei einer chronischen Schmerzkrankheit kommt ebenso zur Sprache wie die damit verbundenen psychosozialen Wechselwirkungen für den Betroffenen, seine Familie und sein privates bzw. berufliches Umfeld. Die Risikofaktoren für eine Chronifizierung werden schließlich den schützenden Faktoren gegenübergestellt. Sie finden die Gelegenheit, alle Faktoren und Einschränkungen, die aus Ihrer chronischen Erkrankung resultieren, zu reflektieren und sich entsprechende Notizen zu machen.
2
2.1
Schmerz ist sowohl unangenehme Sinneswahrnehmung als auch Gefühlserlebnis
Was ist Schmerz eigentlich?
Jeder kennt Schmerzen, aber es ist schwer zu sagen, was Schmerzen eigentlich sind. Ist Schmerz eine Wahrnehmung wie z. B. Schmecken, Hören oder Riechen oder ein Gefühl wie z. B. Wut, Ärger oder Trauer? Eine moderne Definition sieht beide Aspekte vor. Schmerz ist sowohl eine unangenehme Sinneswahrnehmung, die dem Körper zugeschrieben wird, als auch ein Gefühlserlebnis. Dies kann hervorgerufen werden durch: 4 Eine reale körperliche Verletzung 4 Einen drohenden Schmerz, z. B. vor dem Zahnarztbesuch 4 Einen früheren Schmerz über das Schmerzgedächtnis 4 Eine psychische Verletzung
2.2
Schmerzkrankheit
Ob Schmerzen zu einer chronischen Erkrankung werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Im Verlauf der Chronifizierung von Schmerzen kann sich eine eigenständige Schmerzkrankheit entwickeln, die sich von ihrer Ursache abgekoppelt hat. Folgerichtig haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Ersatzkassen 1996 in einem Vertrag zur qualifizierten Schmerztherapie erstmals von einer Schmerzkrankheit gesprochen und diese wie folgt definiert:
5 2.3 · Akuter Schmerz und chronischer Schmerz
Chronisch schmerzkrank sind Patienten, bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren und selbständigen Krankheitswert erlangt hat.
Im Folgenden werden neben organischen Ursachen auch funktionelle Teufelskreisläufe und psychosoziale Faktoren erläutert, die an der Entstehung chronischer Schmerzen mitwirken.
2.3
Akuter Schmerz und chronischer Schmerz
Akuter Schmerz Akuter Schmerz wird durch äußere (z. B. Verlet-
zung) oder innere Prozesse (z. B. Entzündung, Tumor, Verspannung) ausgelöst. Er ist zeitlich begrenzt, örtlich umschrieben und wird von einer Stressreaktion begleitet (Puls und Blutdruckanstieg, Schwitzen, Muskelanspannung). Der akute Schmerz hat eine Warnfunktion und ist biologisch sinnvoll. Er führt dazu, dass wir die Aufmerksamkeit auf eine Verletzung lenken und weitere schmerzauslösende Aktivitäten vermeiden. Im Falle einer Verletzung ist es z. B. sinnvoll, sich zu schonen. Schmerz ist keine »Einbahnstraße«, bei der lediglich Signale aus dem Körper an das Gehirn übermittelt werden. Ein solches Reiz-Reaktions-Konzept beschreibt den akuten Schmerz. Chronischer Schmerz Bei chronischen Schmerzen ist dieses Modell völlig unzureichend. Hier kommen zahlreiche Wechselwirkungen zwischen äußerem Reiz und dem Schmerzsystem hinzu – sowohl auf körperlicher als auch auf psychosozialer Ebene. Deshalb ist auch die Behandlung von akuten Schmerzen anders als die von chronischen Schmerzen. > Von chronischem Schmerz sprechen wir, wenn Schmerzen länger als 3–6 Monate anhalten.
Chronischer Schmerz ist oft weniger scharf umschrieben, häufig dumpf, manchmal wechselnd. Chronische Schmerzen haben meistens keine Schutzfunktion mehr. Eine Schonhaltung und eine Vermeidung von Aktivitäten können sogar zu einer Verschlimmerung und Chronifizierung führen.
Chronische Schmerzen haben keine Schutzfunktion mehr
2
6
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
2.4
Schmerzverarbeitung auf neuronaler Ebene
2.4.1
Der Weg vom Schmerzreiz zum Gehirn
2
Vorgänge im Gehirn nehmen Einfluss auf Schmerzweiterleitung im Rückenmark
Äußere und innere Schmerzreize werden von Schmerzsinneszellen (Schmerzrezeptoren, Nozizeptoren) in Haut, Muskeln, Gelenken und inneren Organen aufgenommen. Über Nervenbahnen werden die Schmerzimpulse zum Rückenmark geleitet. Von dort geht es dann über eine weitere Schmerzbahn zum Gehirn. Bereits 1965 konnten Melzack und Wall zeigen, dass die Weiterleitung der Schmerzimpulse im Rückenmark auch von absteigenden Bahnen aus dem Gehirn gehemmt wird (schmerzhemmende Bahnen). Der Organismus verfügt somit über ein Schmerzsystem, das individuell und situationsabhängig mehr oder weniger stark aktiv ist. Erst bei ausreichender Erregung bzw. bei verminderter Hemmung vom Gehirn werden die Schmerzimpulse durch »ein Tor« im Rückenmark zum Gehirn und letztendlich in unser Bewusstsein weitergeleitet (. Abb. 2.1). So können Vorgänge im Gehirn Einfluss auf die Schmerzweiterleitung im Rückenmark nehmen. Je nachdem, wie weit das Tor im Rückenmark offen ist, kann der Schmerz verstärkt zum Gehirn weitergeleitet werden. In ihrer »Gate-control-Theorie« verdeutlichten sie damit schon damals den Einfluss des Gehirns auf die periphere Schmerzwahrnehmung. Im Rückenmark können die Schmerzreize auch Reflexe auslösen, die zur Anspannung der Muskulatur führen. Bei akutem Schmerz dient dies als Schutzmechanismus, beim chronischen Schmerz führt dies jedoch zu einer Verspannung und Verstärkung der Schmerzen. Im Rückenmark konkurrieren auch andere Reize mit dem Schmerz. So kann Reiben oder Pusten, wenn wir z. B. Kinder trösten, über den Tastsinn zu einer Schmerzlinderung führen, ähnlich wie Kälte- oder Wärmeanwendungen.
2.4.2
Schmerzverarbeitung im Gehirn
Heute geben uns die bildgebenden Verfahren wie Kernspin (MRT) einen Einblick, wie vielschichtig die Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem ist. Im Gehirn fungiert der Thalamus wie eine Schaltzentrale. Von dort wird das Schmerzsignal an verschiedene Orte im Gehirn weitergeleitet (. Abb. 2.1). In der Großhirnrinde (somatosensorischer Kortex) wird die Schmerzempfindung lokalisiert: »Wo tut’s weh?«. Im limbischen System (Gyrus cinguli, Insula, Amygdala und Hippocampus) erfolgen die subjektive
7 2.4 · Schmerzverarbeitung auf neuronaler Ebene
. Abb. 2.1 Schmerzverarbeitung an verschiedenen Orten im zentralen Nervensystem und absteigende schmerzhemmende Bahn
Schmerzintensität und die emotionale Schmerzwahrnehmung: »Wie tut’s weh?«. Dort findet die Stressreaktion statt, Atmung und Puls werden schneller. Auch Angst und Depression beeinflussen dort die Schmerzempfindung. Im »denkenden« Vorderhirn (Frontalkortex) geht es um die Bewertung der Schmerzen und letztendlich auch um die Aufmerksamkeitslenkung (wenn »sich alles um den Schmerz dreht«). Wie jemand Schmerzen bewertet, hat hier entscheidenden Einfluss auf die Schmerzempfindung. Schmerzen, die ich als bedrohlich und unkontrollierbar einschätze, empfinde ich viel stärker und quälender. »Solche Schmerzen hatte ich noch nie, das bedeutet Gefahr«. Hier erzeugt z. B. auch die Erwartung von Schmerzen eine Schmerzwahrnehmung, während allein die Aussicht, die Schmerzen bald los zu sein, die Schmerzen lindert. »Den Schmerz kenne ich. Ich weiß, was ich tun muss«. Sogar das Sehen der Schmerzen anderer aktiviert unser Schmerzsystem. Das limbische System reagiert sowohl bei eigenem körperlichen Schmerz als auch bei psychosozialem Mit-Leiden (Singer et al. 2004).
2
8
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
2.5 »Schmerzgedächtnis«
2
Bahnung – Neuroplastizität
Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass das Gehirn veränderlicher ist, als man früher gedacht hat. Bei starken andauernden Schmerzen verändern die schmerzverarbeitenden Nervenzellen in Peripherie, Rückenmark und Gehirn ihre Struktur und damit ihre Funktion (Neuroplastizität). So führt ein anhaltender Schmerzreiz durch wiederholte Reizung der schmerzleitenden Nervenbahnen zu einer Erhöhung der Übertragungsstärke an den Nervenzellübergängen (Synapsen) mit der Folge, dass die Nervenzellen nun überempfindlich auf Reize reagieren (Bahnung). Bei chronischen Schmerzen kommt es so zu einer Verselbstständigung der Schmerznetzwerke im Gehirn. Der Schmerz kann auf diese Weise »gelernt« werden. Dieser Lernvorgang entspricht einem »Schmerzgedächtnis«. Selbst geringste Schmerzreize (Hyperalgesie) oder sogar Berührung (Allodynie) lösen jetzt Schmerzen aus. Nervenzellen können sogar spontan Schmerzsignale aussenden, selbst wenn die ursprüngliche Schmerzursache beseitigt worden ist. Das heißt, es tut weh, obwohl eine Verletzung bereits abgeheilt ist. > Das Schmerzgedächtnis ist ein wesentliches Element der Chronifizierung auf körperlicher Ebene.
Mit bildgebenden Verfahren konnte auch gezeigt werden, dass chronische Schmerzen die Repräsentation des betroffenen Körperteils in der Hirnrinde verändern (Huse et al. 2001). Diese Veränderungen sind reversibel (wieder umkehrbar) und hängen z. B. von der Schmerzaufmerksamkeit und sogar von der Interaktion in der Partnerschaft ab (Knost et al. 1999). Neuere Untersuchungen zeigen einen komplexen Zusammenhang zwischen Nervensystem, Hormonhaushalt und Immunsystem sowie eine enge Verbindung zwischen Schmerz- und Stressverarbeitung (»Neuromatrix«, Melzack 1999). So wie ein Geruch alte Erinnerungen wachrufen kann, kann in Stresssituationen auch früheres Schmerzerleben wieder aktiviert werden. Auch bei chronischen Rückenschmerzen bilden vorausgegangene Schmerz- oder Stresserfahrungen Gedächtnisspuren, die die Schmerzverarbeitung beeinflussen (Flor u. Diers 2011).
9 2.7 · Gefühle und chronischer Schmerz
2.6
2
Bio-psycho-soziales Krankheitsverständnis
Im Gegensatz zum akuten Schmerz sind beim chronischen Schmerz nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche und das soziale Umfeld betroffen. G.L. Engel hat hierfür schon 1977 den Begriff des bio-psycho-sozialen Modells geprägt (Engel 1977). Die Schmerzempfindlichkeit ist z. B. genetisch unterschiedlich stark. Sie hängt auch sowohl von der eigenen Befindlichkeit als auch von eigenen Vorerfahrungen ab. > Psychosoziale Wechselwirkungen zwischen dem Betroffenen, seiner Familie und der Umwelt bestimmen ganz entscheidend die Entstehung, den Verlauf und die Prognose der chronischen Schmerzkrankheit.
Die chronische Schmerzkrankheit zeigt fast immer weitere Beschwerden und Folgen auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene. So führt der über Jahre quälende Schmerz zu sozialem Rückzug, Vereinsamung, Depressivität, Aggressivität, Auftauchen von Sinnfragen, Suizidgedanken, Familienkonflikten und Problemen am Arbeitsplatz. Der Alltag wird um den Schmerz herum organisiert, und der Schmerz bestimmt oft das Familienleben. Stress, Hilflosigkeit, Angst und Depression erhöhen wiederum die Schmerzempfindlichkeit.
2.7
Gefühle und chronischer Schmerz
Das Empfinden von Schmerz entsteht in einem Gebiet des Gehirns, das auch Sitz der Gefühle ist. Körperschmerz und Seelenschmerz sind daher eng miteinander verwoben. Negative Gefühle und Schmerz können bei der chronischen Schmerzkrankheit oft nicht mehr getrennt voneinander wahrgenommen werden. Negative Gefühle wie Trauer, Ärger oder Angst verstärken nicht nur das Schmerzempfinden, sondern solche negativen Gefühle können auch als Schmerz empfunden werden. Positive Gefühle dagegen vermindern den Schmerz in der Regel. In der Psychotherapie geht es deshalb auch darum, die Schmerzwahrnehmung zu verändern und zwischen Schmerz und Gefühlen zu differenzieren. Gerade Erfahrungen wie Zurückweisung und Verlust (Trennungsschmerz) sind mit negativen Gefühlen verbunden, die oft als körperlicher Schmerz erlebt werden. Diese Zusammenhänge lassen sich inzwischen auch durch Kernspinuntersuchungen (MRT) zeigen. Bei akuter Trauer durch den Verlust eines ungeborenen Kindes erfolgt eine Aktivierung des
Negative Gefühle können auch als Schmerz empfunden werden
Ausgrenzung kann als Schmerz erlebt werden
10
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
Netzwerkes im Gehirn, das auch bei körperlichem Schmerz aktiv ist (Kersting et al. 2009). Simuliert man durch ein Computerspiel, bei dem die Testperson plötzlich nicht mehr mitspielen darf, eine Ausgrenzungssituation, zeigt sich auch hier eine Aktivierung des Netzwerkes, das bei körperlichem Schmerz aktiv ist (Eisenberger et al. 2003). Ausgrenzung, wie z. B. Mobbing am Arbeitsplatz, kann so als Schmerz erlebt werden. Soziale und physische Stress-Schmerzsysteme sind auf neurobiologischer Ebene eng verknüpft. Es handelt sich außerdem wahrscheinlich um ein gemeinsames Alarmsystem. Dieses Alarmsystem warnt vor einem drohenden Verlust der Gruppe ebenso wie bei körperlicher Verletzung, was sich in der Evolution bewährt hat (Beutel et al. 2006).
2
Chronifizierung
2.8 Risikofaktoren
Es gibt eine Reihe psychischer Risikofaktoren, die, wenn mehrere vorhanden sind, eine Chronifizierung unterstützen.
Psychische Risikofaktoren, die eine Chronifizierung unterstützen 4 Anhaltende psychovegetative Spannung, »immer unter Strom stehen« 4 Angst und Depression in der Vorgeschichte 4 Länger andauernde Stress- oder Schmerzerfahrungen in der früheren Lebensgeschichte 4 Ebenfalls schmerzkranke Angehörige in der Familie 4 Die Tendenz zum »Katastrophisieren«, d. h. sich alle schlimmstmöglichen Folgen vorzustellen: »Wenn das so weiter geht, lande ich bestimmt im Rollstuhl« 4 Ständiges Ignorieren der Belastungsgrenzen und Durchhalten 4 Unzureichende Schmerzbehandlung am Anfang der Schmerzen 4 Wenn überhaupt nicht über die Schmerzen gesprochen wird 4 Familiäre Konflikte 4 Soziale Probleme im Umfeld, wie z. B. im Beruf oder finanzielle Schwierigkeiten 6
11 2.8 · Chronifizierung
4 Ungünstige Bewältigungsstrategien wie z. B. Passivität oder Selbstbeschuldigung 4 Fixierung durch ausschließlich körperbezogenes Diagnostizieren und Behandeln 4 Vorteile, die durch die Krankheit entstehen (z. B. Rente)
Andererseits gibt es auch schützende Faktoren, die sich günstig auf den Verlauf einer Schmerzerkrankung auswirken. Schützende Faktoren 4 4 4 4
Unterstützung durch den Partner Eine verlässliche Bezugsperson in der Kindheit Suche nach sozialer Unterstützung Positive Akzeptanz der Erkrankung mit Lösungsorientierung 4 Vorherige konstruktive Krisenbewältigung 4 Tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung
Die Überzeugung, mit seinen Schmerzen umgehen und sie kontrollieren zu können, hat Auswirkungen auf die Schmerzintensität und schmerzbedingte körperliche Einschränkungen. Je besser diese Selbstwirksamkeit ausgebildet ist, desto geringer sind die Angst vor dem Schmerz, die empfundene Schmerzintensität und die schmerzbedingten Beeinträchtigungen. ? Welche Faktoren spielen bei mir eine Rolle?
Schützende Faktoren
2
12
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
Eigenständige Erkrankung, die sich von ihrem Auslöser abgekoppelt hat
2
2.9
Teufelskreise und Aufrechterhaltung der Schmerzen
Bei einigen Schmerzpatienten führen die chronischen Schmerzen zu körperlicher Schonung, aus Angst vor Schmerzen oder aus Angst vor Schädigung (»körperliche Aktivitäten werden meine Schmerzen verstärken«). Dies führt zu einem Absinken der Leistungsfähigkeit und zu Passivität. Die Schonung führt auch zu Fehlhaltungen, die wiederum Schmerzen erzeugen. Der Körper reagiert dann schon bei geringster Anstrengung mit Schmerzen. Dies bewirkt eine ängstlich-depressive Verstimmung und vermehrten Stress. Das wiederum führt zu einer Verminderung der Schmerz-
. Abb. 2.2 Vernetzung von physiologischen und psychologischen Teufelskreisen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen
13 2.9 · Teufelskreise und Aufrechterhaltung der Schmerzen
schwelle. Auch durch die Erwartung von Schmerzen werden die Schmerzen jetzt verstärkt wahrgenommen. Aus einem akuten Schmerz kann so chronischer Schmerz im Sinn einer eigenständigen Erkrankung werden, die sich von ihrem Auslöser abgekoppelt hat und sich selbst aufrecht erhält (. Abb. 2.2). Andere Schmerzpatienten ignorieren die Belastungsgrenze, überschreiten diese jahrelang und kommen so in die Erschöpfung und Schmerzchronifizierung (»Augen zu und durch«). Es fällt ihnen schwer, trotz Schmerzen Pausen zu machen (»Durchhalten um jeden Preis«). Gerade beim Rückenschmerz entsteht der o. g. Teufelskreis und kann zur Chronifizierung führen. Um ihn zu unterbrechen, lernen Sie in der Therapie mit Hilfe des Schmerztagebuches (7 Kap. 4), die Zusammenhänge zwischen schmerzbedingten Gedanken (z. B. Erwartungsangst, Katastrophisieren), Gefühlen (z. B. Wut auf den eigenen Körper, Ohnmacht), Verhalten (Schonung, Inaktivität) und Schmerzerleben erkennen und verstehen. Vor allem M. Pfingsten hat diesen Zusammenhang deutlich gemacht (. Abb. 2.3, Pfingsten et al. 2001).
. Abb. 2.3 Gedanken, Gefühle und Verhalten bei der Chronifizierung von Rückenschmerzen
2
14
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
2.10
2
Verlust von alltäglichen Dingen
Psychosoziale Folgen von chronischen Schmerzen
Infolge von chronischen Schmerzen treten häufig verschiedene psychische und soziale Beeinträchtigungen auf. So kann es z. B. zu Schlafstörungen, Angststörungen und Depressivität kommen oder dass die Betroffenen am Sinn des Lebens mit den Schmerzen zweifeln. Diese sollten mitberücksichtigt und mitbehandelt werden. Handelt es sich um eine chronische Krankheit, bedeutet dies oft den Verlust von zahlreichen alltäglichen Dingen (7 Übersicht). Einschränkungen durch chronische Krankheit (beispielhafte Auswahl) Körperlich: 4 Körperliche Sicherheit 4 Bewegungsfreiheit Psychisch: 4 Autonomie 4 Selbstwertgefühl 4 Emotionale und körperliche Nähe, Sexualität 4 Kontrolle, Flexibilität, Entscheidungsfreiheit und Lebensqualität Sozial: 4 Arbeitsplatz 4 Bisheriger Lebensstandard, finanzielle Sicherheit 4 Gemeinsame Interessen 4 Soziale Kontakte 4 Bestimmte Freizeitaktivitäten
Viele Patienten mit einer chronischen Schmerzkrankheit machen sich dies nicht gleich bewusst, da sie zunächst davon ausgehen, dass es wieder besser wird, der Schmerz wieder weggeht. Erst mit der Zeit realisieren sie die Bedeutung sowohl der Erkrankung als auch der Einschränkungen. Damit verbundenen Gefühlen wie Angst, Trauer, Wut und Verzweiflung wird zunächst kein Platz eingeräumt.
15 2.11 · Schmerzkrankheit und Familie
> Chronisch zu erkranken bedeutet sowohl für den Patienten als auch für dessen Angehörige einen einschneidenden Kontrollverlust.
Möglichkeiten der Einflussnahme sind zunächst oft nicht sichtbar (Altmeyer u. Kröger 2003).
2.11
Schmerzkrankheit und Familie
Kein Schmerzpatient ist alleine krank, auch die Angehörigen leiden oft massiv unter den Auswirkungen der seit Jahren anhaltenden Beschwerden und Einschränkungen. Verlusterfahrungen hinsichtlich vertrauter Kommunikation, emotionaler oder körperlicher Nähe oder der Verlust gemeinsamer Interessen sind oft die Folge. In vielen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass chronische Schmerzpatienten in ihren Familien vermehrt chronisch schmerzkranke Verwandte haben. Die Betroffenen haben so oft schon früher Kontakt zu Schmerzerkrankungen gehabt und übernehmen bestimmte Muster im Umgang mit den Schmerzen. Die Bedeutung von Schmerz und Muster der Krankheitsbewältigung oder der Kommunikation über den Schmerz können so weitergegeben werden (Perlitz et al. 1999). Ein Beispiel ist die Brustschmerzsymptomatik eines 35-jährigen Patienten, dessen Vater im Alter von 35 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben war. Die damalige Angst um den Vater und der Verlust wird wieder reaktiviert und beeinflusst das Erleben eigener Körperempfindungen bzw. deren Bewertung. Viele Studien zeigen, dass die Ehepartner von Schmerzpatienten vermehrt unter Befindlichkeitsstörungen leiden und erhöhte Depressivitätswerte aufweisen. Es finden sich in diesen Familien auch Probleme im Bereich der Sexualität. Auffallend ist die Unsicherheit und Hilflosigkeit der Partner im Umgang mit der Schmerzerkrankung. Oft erwarten die Ehepartner eine Behandlung nach dem Reiz-Reaktions-Schema und zeigen Unverständnis dafür, dass keine körperliche Behandlung stattfindet bzw. anschlägt. Der Patient wiederum fühlt sich dabei als »Simulant« und vom Partner nicht ernst genommen. Zuwendung und soziale Unterstützung lindern kurzfristig den Schmerz. Die Entlastung des Patienten durch die Angehörigen kann aber auf Dauer vermehrtes Schonverhalten begünstigen. Wenn dann der Betroffene immer weniger Aufgaben hat, leidet das Selbstwertgefühl und kann zum sozialen Rückzug führen. Beides führt letztendlich zu einer Schmerzverstärkung (von Wachter
Kein Schmerzpatient ist alleine krank
2
16
2
Kapitel 2 · Entstehung chronischer Schmerzen
2003). Sogar im »Eiswassertest« kann man zeigen, dass Betroffene Schmerzen weniger lange tolerieren können, wenn ein Partner dabei ist, der sich dem Betroffenen zuwendet, als wenn der Partner neutral ist oder nicht dabei ist. Wissenswertes auf einen Blick 4 Ein Schmerz ist dann chronisch, wenn die Schmerzen länger als 3–6 Monate anhalten. 4 Bei chronischen Schmerzen verselbstständigen sich die Schmerznetzwerke im Gehirn. Das heißt, der Schmerz kann »gelernt« werden. Man spricht von einem »Schmerzgedächtnis«. 4 Weil der Schmerz oft das Familienleben bestimmt, kommt es hier zu Belastungen sowie im weiteren Verlauf auch zu Problemen am Arbeitsplatz. 4 Betroffene können an sozialem Rückzug, Vereinsamung, Depressivität, Aggressivität, Schlafstörungen sowie am Auftauchen von Sinnfragen leiden. 4 Negative Gefühle verstärken den Schmerz bzw. das Schmerzempfinden, positive Gefühle hingegen bewirken eine Verminderung. 4 Je besser die Selbstwirksamkeit, d. h., die Einstellung, mit der Krankheit umgehen zu können, ausgebildet ist, desto geringer sind die Angst vor Schmerz, die empfundene Schmerzintensität und die schmerzbedingten Beeinträchtigungen.
3
Unterschiedliche Schmerzerkrankungen 3.1
Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Schädigung – 19
3.2
Funktionelle Schmerzstörungen
3.2.1 3.2.2 3.2.3
Rückenschmerz – 23 Fibromyalgiesyndrom – 24 Gesichts- und Kieferschmerz – 26
3.3
Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung – 27
3.3.1 3.3.2
Schmerzen bei Erschöpfungssyndrom Schmerz und Trauma – 30
– 21
– 29
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
18
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
Nach den grundsätzlichen Ausführungen zum Thema Schmerz kommen wir nun zu den verschiedenen Schmerzerkrankungen. Anhand von Fallbespielen werden schmerzpsychotherapeutische Behandlungsmethoden zu Schmerzen infolge körperlicher Schädigung, anhaltender somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgiesyndrom aufgezeigt. Weitere Fragen: Worauf sollte bei chronischen Rückenschmerzen sowie Gesichts- und Kieferschmerz geachtet werden? Und welche Rolle spielen psychische Faktoren bei Schmerzstörungen? Thematisiert werden u. a. auch die Auswirkungen von Erschöpfungssyndrom oder sogenannter posttraumatischer Belastungsstörung auf den Schmerz. Auch hier können Sie am Ende des Kapitels Ihre eigenen Schmerzerkrankungen bestimmen und die Ergebnisse notieren.
3
In der Schmerzpsychotherapie unterscheidet U.T. Egle folgende drei Gruppen von Schmerzerkrankungen (Egle 1999, 2009). Schmerzerkrankungen nach Egle 4 Schmerzen bei körperlicher Schädigung 4 Funktionelle Schmerzen 4 Schmerzen bei psychischen Erkrankungen
Prognose sehr individuell
Das Spektrum reicht von Schmerzstörungen, bei denen Fragen der Akzeptanz und Verbesserung der Teilhabe am Alltagsleben im Vordergrund stehen (Schmerz bei körperlicher Schädigung), über Schmerzen, die vor dem Hintergrund eingeschränkter Konfliktund Stressregulation auftreten (funktionelle Schmerzen), bis hin zu Schmerzerkrankungen, bei denen psychische Faktoren die Hauptursache darstellen (Schmerzen bei psychischen Erkrankungen) (Hendrischke u. von Wachter 2008). Der Unterschied ist gravierend: Einerseits geht es darum, wie ich trotz der Schmerzen besser leben kann, und anderseits, was ich verändern muss, damit die Schmerzen weniger werden oder verschwinden. Oft liegen aber auch zwei Faktoren gleichzeitig vor. So können bei der Arthrose z. B. zusätzliche funktionelle Verspannungen eine Rolle spielen. Auch die Prognose unterscheidet sich bei diesen verschiedenen Bereichen sehr individuell. Sie hängt nicht nur von den zugrunde liegenden Ursachen der Schmerzerkrankung ab, sondern auch von der Dauer der Erkrankung. Die Unterschiede in der schmerzpsychotherapeutischen Behandlung bei den verschiedenen Krankheitsbildern werden im Folgenden vorgestellt.
19 3.1 · Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Schädigung
Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Schädigung
3.1
Schmerz tritt hierbei als Begleitsymptom einer körperlichen Schädigung z. B. der Gelenke (nozizeptiver Schmerz) oder der Nerven (neuropathischer Schmerz) auf. Voraussetzung ist eine vorangegangene körperliche Schädigung, auch wenn die Schmerzintensität und das Ausmaß der Schädigung nicht zueinander passen müssen. Die Größe eines Bandscheibenvorfalls steht z. B. nicht mit der Stärke der Schmerzen in Zusammenhang. Das Ausmaß der Schmerzen hängt nämlich maßgeblich von individuellen und psychosozialen Faktoren ab. Beispiele für diese Form der Schmerzerkrankung sind in der folgenden 7 Übersicht aufgeführt. Beispiele für Schmerz als Begleitsymptom 4 4 4 4 4
Degenerative Veränderungen der Gelenke (Arthrose) Bandscheibenschäden mit Verletzung des Nerven Gelenkentzündungen wie Rheuma (Arthritis) Nervenschmerz nach Gürtelrose (Postzosterneuralgie) Einschießender Nervenschmerz im Gesicht (Trigeminusneuralgie) 4 Nervenschädigung, z. B. bei der Zuckerkrankheit (Polyneuropathie)
Vorherrschendes Behandlungsthema sind die Folgen der chronischen Schmerzerkrankung wie der Verlust der Lebensqualität, der soziale Rückzug oder die körperliche Inaktivität. Im Mittelpunkt der Behandlung stehen Schmerzlinderung und mit den Schmerzen leben lernen, Verbesserung des Umgangs mit der Erkrankung und die Behandlung etwaiger Folgen der Schmerzen (z. B. begleitende Depression oder Schlafstörung). In der Therapie können mit den Verlusten verbundene Gefühle wie Angst, Trauer, Wut oder Verzweiflung ihren Platz finden. Auf Akzeptanz abzielende Techniken kommen hier ebenfalls zum Einsatz. Eine gleichzeitig bestehende psychische Erkrankung spielt hierbei eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich oft um eine Folgereaktion der zugrunde liegenden körperlichen Problematik im Sinne einer depressiven oder ängstlichen Reaktion. Oder aber die Angsterkrankung bzw. Depression bestand bereits vor dem Auftreten der körperlichen Symptomatik. Angst und Depression nehmen Einfluss auf das Schmerzempfinden und müssen mitbehandelt
Verbesserung des Umgangs mit der Erkrankung
»Ich bin den Schmerzen hilflos ausgeliefert«
3
20
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
werden. Wird die Depression übersehen, besteht die Gefahr, dass Schmerzmittel überdosiert werden.
3
Fallbeispiel Fallgeschichte 1: Patient mit Schmerzen infolge einer körperlichen Schädigung Motto: »Ich bin den Schmerzen hilflos ausgeliefert.« Herr B. gab Schmerzen seit 4 Jahren an, die mit einem Bandscheibenvorfall L4/5 begonnen hatten, ausstrahlend in beide unteren Extremitäten. Später ist ein HWS-Syndrom hinzugekommen, sowie wiederholt Kopfschmerzen. Seit 1 Jahr zeigte der Patient eine zunehmende depressive Entwicklung. Mit dem Patienten wurden folgende Behandlungsziele vereinbart: 1. Verbesserter Umgang mit den Schmerzen 2. Abbau von Hilflosigkeit, den eigenen Anteil an der Gestaltung der Situation bewusster wahrnehmen 3. Verbesserte Konfliktbewältigung, vor allem mit Autoritätspersonen 4. Verarbeitung der in der Firma erlebten Mobbing-Situation 5. Verbesserte Selbstwertregulation In der Anfangsphase berichtete Herr B. über Schmerzen von 8–10 auf der VAS-Skala (Visuelle Analog-Skala 0–10). Er hatte zunächst keine Ideen zu erfolgreichen Bewältigungsstrategien und fühlte sich dem Geschehen gegenüber ausgeliefert und hilflos. Diese Hilflosigkeit wiederum führte zu einer unterschwellig aggressiven Stimmung, die Herr B. erstmals in der Musiktherapie wahrnehmen und ausdrücken konnte. Dies stellte für ihn eine deutliche Entlastung dar. Insbesondere konnte der Patient anhand dieser und ähnlicher Situationen psychophysiologische Zusammenhänge erkennen und Wechselwirkungen zwischen Stress und Schmerz an sich selbst beobachten. Dies war ein erster Schritt zum Aufbau von Selbstwirksamkeit und Reduktion der Hilflosigkeit. Als eine wesentliche Ressource und Schmerzbewältigungsstrategie erwies sich das Malen. Ein wesentlicher Schritt für Herrn B. war auch das Entkoppeln von Schmerz und Aktivität. Im Paargespräch wurde deutlich, dass Herr B. sich beim Auftreten von Schmerzen häufig stark zurückgezogen und ein deutliches Vermeidungsverhalten entwickelt hatte. Es wurde mit ihm ein gestuftes Belastungsschema, das sich an Zeitvorgaben statt an der Schmerzgrenze orientierte, erarbeitetet. Dadurch erfuhr Herr B., dass eine Pause von 20 min ausreichend war, um eine maximale Schmerzlinderung nach Anstrengung zu erreichen. 6
21 3.2 · Funktionelle Schmerzstörungen
Darüber hinaus führte eine Pause eher zu einer Verschlechterung der psychischen und damit physischen Situation durch Grübeln und das Erleben von Hilflosigkeit. Im Paargespräch wurde deutlich, dass der Patient in seiner Familie sehr viel Unterstützung und Geborgenheit erfährt. Es wurde aber ein überfürsorgliches Verhalten seitens seiner Ehefrau deutlich, die ihm einerseits alles abnehmen wollte, andererseits dadurch jedoch selbst in eine Situation der Überforderung und Erschöpfung geriet. Der Patient wiederum hatte ein schlechtes Gewissen, wenn er seine Frau arbeiten sah. Die Partnerin wurde daher in die konkrete Planung der Aktivitäten miteinbezogen, wobei eine Balance zwischen Schonung und übermäßiger Aktivität das Ziel war. Bei Entlassung gab er den Schmerz bei 5–6 auf der VAS-Skala an.
3.2
Funktionelle Schmerzstörungen
Hierbei handelt es sich um reversible Funktionsstörungen ohne körperliche Schädigung im engeren Sinne. Schmerz als funktionelle Störung beruht meist auf verspannter, schmerzhafter Muskulatur. Der Umgang mit Stress und das Stresssystem spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle.
Verspannte, schmerzhafte Muskulatur
Hauptgruppe funktioneller Schmerzstörungen 4 Unspezifische Rückenschmerzen 4 Spannungskopfschmerzen 4 Schmerzen im Gesicht und Kiefer (kraniomandibuläre Dysfunktion) 4 Schmerzen im Unterleib 4 Reizdarmsyndrom 4 Fibromyalgiesyndrom
Der o. g. Teufelskreis aus körperlicher Reaktion, Angst vor Schmerzen, Schonungsverhalten und erhöhter Schmerzwahrnehmung spielt dabei eine wichtige Rolle (. Abb. 2.2). Die Patienten dieser Störungsgruppe leiden oft an den Folgen einer ängstlichen Vermeidungsstrategie und ungünstiger Stressverarbeitung. Die meisten Funktionen unseres Körpers wie die Regulation des Herzschlags, der Atmung oder des Stoffwechsels laufen automatisch ab. Das vegetative Nervensystem steuert dabei alle inneren Organe. Bei Stress oder Anspannung ist der sog. Sympathikus, ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems, aktiviert. Dies
Vegetatives Nervensystem
3
22
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
3
. Abb. 3.1 Körperliche Beschwerden durch Aktivierung des vegetativen Nervensystems (Sympathikus)
Leitthemen sind oft Probleme der Stressverarbeitung
führt zu zusätzlichen vegetativen Beschwerden wie z. B. Schwitzen, Herzrasen oder Zittern (. Abb. 3.1). Leitthemen sind bei diesen Patienten oft Probleme der Stressverarbeitung oder der Konfliktregulation. Insbesondere die hohe Bedeutung der Arbeitsplatzunzufriedenheit (Mobbing, eingeschränkter Entscheidungsspielraum) wurde beim Rückenschmerz und beim Fibromyalgiesyndrom wiederholt beschrieben. Im Mittelpunkt der Behandlung stehen daher die Bearbeitung aktueller Probleme z. B. am Arbeitsplatz und die Suche nach alternativen Strategien zur Stressbewältigung. Dazu gehören Stressmanagement, Pausenmanagement, Leistungsanpassung, Verbesserung der Selbstwirksamkeit etc. Hinzu kommen die Förderung von Entspannungsfähigkeit, Verbesserung der Körperwahrnehmung z. B. über Biofeedback und ein aktiver Bewegungsausgleich bzw. körperliche Aktivierung.
23 3.2 · Funktionelle Schmerzstörungen
3
Im Fall einer zugrunde liegenden Angststörung, die zu Verspannung und Schmerzen führen kann, steht die Behandlung der Angst an erster Stelle (Egle 2009).
3.2.1
Rückenschmerz
Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in den westlichen Industrienationen. Bei Rückenschmerzen werden spezifische und unspezifische Rückenschmerzen unterschieden. Spezifische Rückenschmerzen Die spezifischen Rückenschmerzen haben eine spezifische körperliche Ursache. Sie beruhen z. B. auf einer Entzündung oder auf einem Bandscheibenvorfall und können z. B. mit einer Lähmung im Bein einhergehen. Nur ca. 20% aller Rückenschmerzen sind aber Folge solcher körperlicher Schädigungen (degenerative Veränderungen, Verletzung, Entzündung und Tumor), die restlichen 80% sind funktioneller Natur, sogenannte unspezifische Rückenschmerzen. Unspezifische Rückenschmerzen Bei diesen ist die Gefahr einer Chronifizierung besonders hoch. Hier können psychologische und soziale Faktoren die Chronifizierung wesentlich besser vorhersagen als körperliche Faktoren. Dabei spielt mehr als die körperliche Belastung die Zufriedenheit am Arbeitsplatz eine entscheidende Rolle. So konnte mehrfach gezeigt werden, dass Personen, die mit den Kollegen und Arbeitsaufgaben unzufrieden waren, ein mehr als zweifach erhöhtes Risiko für Rückenschmerzen hatten (Ijzelenberg 2005). Ausgrenzungserfahrungen können hierbei schmerzverstärkend wirken. Angst verändert über Anspannung und »Schreckhaltung« auch die funktionelle Biomechanik der Wirbelsäule. Angst und Depressivität erhöhen die Schmerzwahrnehmung und führen zusätzlich über Schonung zu muskulärer Dysbalance (7 Abschn. 2.9). Auch ungünstige Ratschläge können die Chronifizierung fördern. Psychosoziale Faktoren bestimmen auch hier Verlauf und Prognose der Erkrankung. > Je besser die Reduktion des Angst-Vermeidungs-Verhaltens gelingt, desto größer ist der Effekt auf die Schmerzlinderung.
Ein diagnostisches Problem besteht darin, dass radiologisch sichtbare Veränderungen nicht zwangsläufig der Ursache der Schmerzen entsprechen und diese Befunde dann überbewertet werden.
Zufriedenheit am Arbeitsplatz spielt eine entscheidende Rolle
24
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
Nur selten ist bei unspezifischen Rückenschmerzen eine bildgebende Diagnostik (Röntgen, CT oder MRT) erforderlich. Viel wichtiger ist eine ausführliche ärztliche Befragung und körperliche Untersuchung. Dadurch können sowohl gefährliche körperliche Ursachen ausgeschlossen werden als auch die psychosozialen Risikofaktoren erfasst werden.
3
> Bei unspezifischen Rückenschmerzen ist eine Operation in den wenigsten Fällen sinnvoll, da sie oft nicht zu einer anhaltenden Schmerzlinderung führt. Aktivierende Bewegungstherapie
Die folgende 7 Übersicht zeigt die verschiedenen Behandlungsmethoden bei unspezifischen chronischen Rückenschmerzen (Nationale Versorgungsleitlinie zum Kreuzschmerz 2010). Behandlung bei unspezifischen chronischen Rückenschmerzen (Nationale Versorgungsleitlinie zum Kreuzschmerz 2010) 4 4 4 4 4 4 4
Aktivierende Bewegungstherapie Entspannungsverfahren Ergotherapie Edukation Rückentraining Schmerzmittel Psychotherapie
Es ist am wichtigsten, in Bewegung zu bleiben und möglichst schnell wieder die alltäglichen Tätigkeiten aufzunehmen. Dabei können Schmerzmittel für begrenzte Zeit helfen. Im Mittelpunkt der Psychotherapie steht die Bearbeitung aktueller psychologischer Konflikte vor allem am Arbeitsplatz. Hinzu kommen Stressbewältigung, Pausenmanagement, Leistungsanpassung, Verbesserung der Selbstwirksamkeit sowie die Förderung von Entspannungsfähigkeit.
3.2.2
Fibromyalgiesyndrom
Chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen (oft Rücken, Arme und Beine) sind ein häufiges Phänomen in der Bevölkerung. Ein Teil davon erfüllt auch die Kriterien des Fibromyalgiesyndroms (FMS) mit Steifigkeits- und Schwellungsgefühl der Hände oder Füße oder im Gesicht, Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrations-
25 3.2 · Funktionelle Schmerzstörungen
störung und Schlafstörungen. Es besteht eine Überempfindlichkeit für Schmerzreize (Hyperalgesie), manchmal auch auf Geräusche, Gerüche oder Medikamente. Die erhöhte Schmerzempfindlichkeit wurde früher über sogenannte Tenderpoints untersucht. Diese Schmerzpunkte sind aber für die Diagnose nicht mehr erforderlich (Leitlinie Fibromyalgie 2008). Man spricht heute von einem »Syndrom«, weil kein eindeutig definiertes Krankheitsbild vorliegt, aber ein typisches Beschwerdebild. Die Ursache ist beim FMS nach wie vor ungeklärt. Es handelt sich nicht um eine entzündliche rheumatische Erkrankung. Auch wenn die Schmerzen in den Muskeln empfunden werden, ist das FMS keine Erkrankung der Muskeln und Gelenke. Angenommen wird eine zentrale Störung der Schmerz- und Stressverarbeitung im Gehirn. Die Schmerzhemmung über die absteigende Nervenbahn (. Abb. 2.1) ist vermindert. Das »Tor im Rückenmark« schließt nicht mehr, was gemeinsam mit Veränderungen der Schmerzverarbeitung im Gehirn zu der erhöhten Schmerzempfindlichkeit und Ausbreitung der Schmerzen führt. Fibromyalgiepatienten zeigen bei gleicher Reizstärke eine stärkere Aktivierung in den Schmerznetzwerken im Gehirn als Gesunde (Gracely 2002). Sozialer Stress in der Ursprungsfamilie und frühere reale Schmerzerfahrung können eine Rolle in der Schmerzentstehung spielen (Imbierowicz u. Egle 2003). Gesicherte Risikofaktoren für die Entwicklung eines FMS sind physische und psychische Stressoren am Arbeitsplatz. Zusätzliche funktionelle Schmerzstörungen und psychische Erkrankungen, wie Angststörung oder Depression, sind beim Fibromyalgiesyndrom sehr häufig (40–80%) und sollten mitbehandelt werden. In der Behandlung sind vor allem ein individuell angepasstes Ausdauertraining und Psychotherapie wirksam (Klement et al. 2008). Medikamente werden nur unterstützend für begrenzte Zeit eingesetzt. Bei einem Teil der Patienten wirken Medikamente wie bestimmte Antidepressiva schmerzdistanzierend (7 Abschn. 4.18.2). Wenn das Fibromyalgiesyndrom auf dem Boden einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung entstanden ist, d. h. auf dem Boden von aktuellen psychosozialen Konflikten oder einer längeren Überforderungssituation, kommen auch die dort genannten Therapieformen zum Einsatz (7 Abschn. 3.3). Ausführliche Informationen über das Krankheitsbild und deren Behandlung finden Sie auch in der Patientenleitlinie Fibromyalgie der AWMF (7 Anhang).
Zentrale Störung der Schmerzund Stressverarbeitung
3
26
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
Fallbeispiel Fallgeschichte 2: Patientin mit Fibromyalgie »Zeig bloß keine Schwäche!«
3
Motto: »Zeig bloß keine Schwäche!« Dieser Fall beschreibt eine 45-jährige Patientin mit seit 12 Jahren bestehenden Rückenschmerzen und seit 7 Jahren bestehender Generalisierung im Sinne eines Ganzkörperschmerzes. Sie konnte kaum noch eine Einkaufstasche heben. Trotz der Schmerzen sei sie bisher gut zurechtgekommen und habe sich die Schmerzen nicht anmerken lassen. Seit einer Zahnbehandlung und Antibiose sei sie jetzt nicht mehr belastbar, alles sei zu viel und sie wirkt verzweifelt und hilflos. Für eine stationäre Aufnahme, um einer weiteren depressiven Dekompensation bei Fibromyalgiesyndrom vorzubeugen, konnte sie sich zunächst nicht entscheiden. Sie habe ihrer Tochter versprochen, ihr beim Umzug zu helfen und die nächsten Monate die Enkel zu versorgen. Erst auf Druck der Angehörigen konnte sie sich einen Aufenthalt »erlauben«. Mit schlechtem Gewissen konnte sie sich nur schwer auf die Behandlung einlassen. Sie versuchte lange, die Fassade aufrecht zu erhalten. Im Familiengespräch wurde deutlich, wie sie versucht, über einen immensen Arbeitseinsatz ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren. Morgens um 6.00 Uhr, wenn die Schmerzen erträglicher sind, putzte sie bereits die Wohnung und hatte den Haushalt fertig, bevor der Ehemann aufstand. Seine angebotene Hilfe konnte sie im Paargespräch kaum in Anspruch nehmen. Im weiteren Verlauf konnte sie eigene Bedürfnisse besser wahrnehmen und ausdrücken. Ansatzweise konnte sie frühe Entbehrungssituationen thematisieren. Die Schmerzen bestehen weiterhin, die depressive Symptomatik bildete sich weitgehend zurück, und sie gewann an Selbstvertrauen.
3.2.3
Gesichts- und Kieferschmerz
Bei der kraniomandibulären Dysfunktion handelt es sich um Schmerzen im Gesicht und Kiefer verbunden mit Zähneknirschen oder -pressen (Bruxismus) und eingeschränkter Unterkieferbeweglichkeit (Mundöffnungsstörung). Sie wird auch temporomandibuläre Störung (TMS) genannt. In Folge davon können sich auch Kopfschmerzen, Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich und Schlafstörungen entwickeln. Die Ursache ist meist multifaktoriell, d. h. selten einer Ursache allein zuzuordnen. Durch funktionelle Fehlhaltung kommt es zu einem Muskelüberlastungsschmerz, aber es wird auch von einer zentralen Schmerzüberempfindlichkeit ausgegangen.
27 3.3 · Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung
In der Behandlung werden von Zahnärzten oft Aufbissschienen eingesetzt, um die Zähne zu schützen. Praxistipp
Wirksam sind Entspannungsverfahren und Muskelentspannungsübungen im Bereich der Unterkiefermuskulatur (spezielle Krankengymnastik).
Auch Biofeedback wird mit gutem Erfolg eingesetzt und Psychotherapie. Medikamentös wirken bei einem Teil der Patienten bestimmte Antidepressiva schmerzdistanzierend (7 Abschn. 4.18.2). Beispiele für sinnvolle Übungen sind in der 7 Übersicht aufgelistet. Übungen zur Muskelentspannung 4 Mund langsam auf und zu machen, 5 Sekunden lang 4 Zunge langsam an den Gaumen drücken und wieder lösen, 5 Sekunden lang 4 Physiotherapeutische Bewegungsübungen des Unterkiefers 4 Kaugummikauen 3-mal täglich 10 Minuten 4 Auch »Pferdeschnauben« kann die Spannung lösen 4 Sounder-Sleep-Übung™ »Die Zunge an der Wand« (7 Anhang C)
3.3
Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung
Bei diesen Schmerzstörungen spielen psychische Faktoren die Hauptrolle. Dazu gehören: 4 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung 4 Chronischer Schmerz als Traumafolgestörung 4 Schmerz als Symptom einer Depression Von einer somatoformen Schmerzstörung spricht man, wenn körperliche Symptome bestehen, ohne dass dafür trotz ärztlicher Abklärung eine erklärende organische Ursache gefunden werden kann. Meist stehen Schmerzen in verschiedenen Körperregionen (Kopf, Rücken, Schulter/Arm, Brust- und Bauchbereich sowie Un-
Verminderte Stressund Schmerztoleranz
3
28
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
3
Schmerzen echt und nicht eingebildet
terleib) im Vordergrund. Aber auch Schwindelgefühle, MagenDarm-Beschwerden oder vegetative Begleitsymptome können vorkommen (. Abb. 3.1). Die Ursache liegt hier nicht im Bereich von Muskulatur und Gelenken, sondern den Hintergrund der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bildet eine zentrale Schmerz- und Stressverarbeitungsstörung. Psychische Einflüsse spielen eine wichtige Rolle für den Beginn und die Aufrechterhaltung der Beeinträchtigung. Die Verknüpfung von Schmerz und negativen Gefühlen in der frühen Biographie bzw. die Koppelung von sozialem Stress in der Ursprungsfamilie und/oder frühen realen Schmerzerlebnissen (z. B. Alkohol, chronische Krankheit oder Scheidung der Eltern, körperliche Misshandlung, emotionale Vernachlässigung) führen bei diesen Betroffenen auf neurobiologischer Ebene zu einer verminderten Stress- und Schmerztoleranz. Negative Gefühle können später durch körperliche und/oder psychosoziale Auslöser reaktiviert werden. Solche Auslöser können sowohl Konflikte am Arbeitsplatz als auch in der Familie sein oder längere vorangegangene Überforderungssituationen (Nickel u. Egle 2002). Diese Patienten sind in der Regel hilfloser als chronisch Schmerzkranke mit organischen Veränderungen, wie z. B. Rheuma oder Krebs, da sie ihre Schmerzen nicht zuordnen können bzw. nicht verstehen. Auch wenn Schmerzen der somatoformen Schmerzstörungen durch psychische Faktoren verursacht und ohne auffällige Befunde (Labor, CT, MRT, Röntgen) sind, gibt es keinen Zweifel daran, dass die Schmerzen echt und nicht eingebildet sind. Therapeutische Schwerpunkte sind Körperwahrnehmung, die Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl (7 Abschn. 4.15). Es geht dann auch um das Überprüfen bisheriger Beziehungsmuster, Umgang mit Erwartungen anderer und Selbstfürsorge (Nickel u. Egle 1999). Häufig können im Verlauf auch belastende Ereignisse, Kränkungen, Enttäuschungen und Verluste angesprochen werden, wodurch eine Entlastung erfahren wird. Bei diesen Erkrankungen geht es also nicht um Schmerzbewältigung oder um ein mit den Schmerzen leben Lernen, sondern um psychotherapeutische Bearbeitung der zu Grunde liegenden Konflikte oder darum, andere Ausdrucksformen für die mit den Schmerzen verbundene Gefühle zu finden. Wenn die somatoforme Störung nicht zu lange besteht und die zu Grunde liegenden Konflikte oder die Belastung veränderbar sind, ist das Therapieziel Schmerzfreiheit.
29 3.3 · Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung
3.3.1
3
Schmerzen bei Erschöpfungssyndrom
Bei der somatoformen Schmerzstörung und dem Fibromyalgiesyndrom treffen wir oft folgende Vorgeschichte an: Bei mangelnder Erfahrung von Geborgenheit oder wenn Wünsche und Emotionen von den Eltern kaum wahrgenommen werden, lernen die Betroffenen früh, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um sich vor Enttäuschung zu schützen. Sie lernen sich anzupassen, sich übermäßig zu bemühen und eigene Wünsche zurückzustellen. Um doch noch ein bisschen Anerkennung zu bekommen leisten sie viel. Selbstunsicherheit wird dabei manchmal durch Überaktivität und Perfektionismus oder »Für-andere-Dasein« kompensiert. Es wird versucht, ohne die Hilfe anderer »zu funktionieren«. Im späteren Leben sind sie zunächst oft erfolgreich und erreichen durch ihre Anpassungsfähigkeit viel. Dieses Verhalten ist aber anstrengend und erfordert viel Kraft. Auf dem Boden eines Erschöpfungssyndroms kommt es oft im mittleren Lebensalter zum Ausbruch der Schmerzen. Die Schmerzsymptomatik führt zwar zunächst zu einer gewissen »Anerkennung«, mit den Schmerzen »darf sich eine Pause erlaubt werden«. Im medizinischen System wird man zunächst beachtet. Dann folgt aber oft die alte Erfahrung, auch im Gesundheitssystem abgelehnt und nicht ernst genommen zu werden (Rudolf 1998). Therapeutisch steht hier die Arbeit an den Bedürfnissen und Wünschen (7 Abschn. 4.16) sowie das Überdenken eigener Ansprüche im Vordergrund.
Für-andere-Dasein
Auf dem Boden eines Erschöpfungssyndroms kommt es oft zum Ausbruch der Schmerzen
Fallbeispiel Fallgeschichte 3: Patientin mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung Motto: »Ich muss alles perfekt machen, sonst bin ich nichts wert.« Eine 45-jährige Patientin mit Schmerzen in den Oberarmen und Rücken gibt seit 2 Jahren Schmerzen zwischen VAS 8 und 10 an ohne schmerzfreie Intervalle. Die Patientin war nur noch vermindert leistungsfähig und fühlte sich erschöpft. Zahlreiche Abklärungen brachten kein erklärendes organisches Korrelat und zahlreiche Therapieversuche keinen Erfolg. Die Anamnese zeigte im Vorfeld mehrere psychosoziale Belastungen. Der Mann war zuvor an einem Herzinfarkt erkrankt und der Patientin fiel es zunehmend schwerer, den Beruf durchzuhalten. Sie war in mehreren ehrenamtlichen Projekten aktiv und konnte weitere Hilfegesuche kaum ablehnen. Zur diagnostischen Abklärung erfolgte 6
»Ich muss alles perfekt machen, sonst bin ich nichts wert.«
30
3
Kapitel 3 · Unterschiedliche Schmerzerkrankungen
die Vorstellung in der Schmerzambulanz und anschließend die stationäre Aufnahme in der Psychosomatik unter dem Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Für die Patientin war es schwer, sich auf die Therapie einzulassen und sie erwartete eine rein organisch orientierte Behandlung. Mit Hilfe des Schmerztagebuches konnte sie aber psychosomatische Wechselwirkungen erkennen und später eine psychische Genese der Beschwerden akzeptieren. Die überschrittenen Belastungsgrenzen und hohen Ansprüche an sich konnten thematisiert werden. Außerdem konnte sie neue Verhaltensweisen im Rollenspiel und in häuslichen Belastungserprobungen erarbeiten. Im Paargespräch konnte die Patientin ihre Ängste bzgl. ihrer Erkrankung schildern und die beiden konnten Entlastungsmöglichkeiten erarbeiten. Im weiteren Verlauf konnte sie frühere Demütigungen durch den Vater thematisieren und die damit verbundenen Affekte zulassen. Gegen Ende der Behandlung kam es zu einer deutlichen Schmerzlinderung und die Patientin konnte in die ambulante psychotherapeutische Weiterbehandlung entlassen werden.
3.3.2
Schmerz und Trauma
Ein psychisches Trauma tritt auf in Folge einer bedrohlichen und erschütternden Extrembelastung. Die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) geht mit Gefühlen von tiefgreifender Verzweiflung, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust einher. Entsprechend einer körperlichen Verletzung bedarf auch das seelische Trauma der Behandlung, um langfristigen gesundheitlichen und psychosozialen Beeinträchtigungen vorzubeugen. Bei einem kleinen Teil der Patienten mit einer Schmerzerkrankung entspricht der Schmerz einer »Körpererinnerung« also einer Reaktivierung der mit dem Trauma verbundenen früheren Schmerzen. Auch wenn das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung ausbleibt, können Schmerzen als Ausdruck körperlichen Wiedererlebens imponieren. In der Behandlung steht bei diesem Störungsbild eine spezielle Traumapsychotherapie im Vordergrund. Die in der Stabilisierungsphase zum Einsatz kommenden Imaginationsübungen bieten dem Patienten Möglichkeiten, das Wiedererleben selbständig zu beenden und die Kontrolle zu verbessern. Sie führen oft auch zu einer Reduktion von Anspannung und Schmerz. Später kann in der Psychotherapie eine Konfrontation zur Traumaverarbeitung und gleichzeitiger Schmerzreduktion eingesetzt werden (Hendrischke u. von Wachter 2008).
31 3.3 · Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung
Es ist wichtig, dass Sie eine Vorstellung von Ihren Diagnosen haben und diese für Sie nachvollziehbar sind. Bei Unklarheiten fragen Sie bei Ihrem Arzt oder Psychotherapeuten nach. Diese Schmerzerkrankung(en) treffen am ehesten auf mich zu: ? Welche Schmerzerkrankung(en) habe ich?
Wissenswertes auf einen Blick 4 Schmerzintensität und Ausmaß einer Schädigung müssen nicht immer zueinander passen. Das Ausmaß der Schmerzen hängt maßgeblich von individuellen und psychosozialen Faktoren ab. 4 Eventuell vorhandene psychische Erkrankungen wie Angststörung und Depression nehmen Einfluss auf das Schmerzempfinden und müssen immer mitbehandelt werden. 4 Bei unspezifischen Rückenschmerzen ist eine operative Therapie selten angezeigt. Hilfreich hingegen sind die Behandlungsmethoden nach der Nationalen Versorgungsleitlinie zum Kreuzschmerz 2010. 4 Bei einer somatoformen Schmerzstörung sind die Schmerzen trotz unauffälligem Befund echt und nicht eingebildet. 4 Ein seelisches Trauma erfordert eine spezielle Traumapsychotherapie, um langfristig gesundheitlichen und psychosozialen Beeinträchtigungen vorzubeugen.
3
4
Behandlung chronischer Schmerzen 4.1
Wie werden chronische Schmerzerkrankungen behandelt? – 35
4.2
Welche Ziele können für die Behandlung formuliert werden? – 36
4.3
Schmerztagebuch
4.4
Schmerzbewältigungsstrategien
4.5
Umgang mit chronischer Krankheit
4.5.1 4.5.2
Krankheit auf ihren Platz verweisen – 47 Balance zwischen Krankheit und Gesundheit
4.6
Entspannungsverfahren
4.7
Biofeedback
4.8
Imaginationsübungen
4.9
Erkennen von Belastungsgrenzen
4.9.1
Anspruch an sich selbst
4.10
Bewegung
4.11
Das richtige Maß
4.11.1
Schrittweise unterhalb der Stressgrenze
4.12
Pausenmanagement
4.13
Schmerztypische Gedanken
4.13.1
Gedankenstopp-Übung
4.14
Ressourcenaktivierung
4.14.1
Ressourcenaktivierende Übungen
4.15
Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl
– 39 – 43 – 47 – 50
– 51
– 53 – 54 – 55
– 58
– 62 – 64 – 65
– 66 – 70
– 70
– 72 – 74
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
– 79
4.16
Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen
– 81
4.17
Umgang mit Schmerzen in der Partnerschaft
4.17.1
Paar- und Familiengespräche
4.18
Medikamente
4.18.1 4.18.2 4.18.3 4.18.4
Schmerzmittel – 85 Antidepressiva bei Schmerz – 88 Antikonvulsiva bei Schmerz – 89 Schmerzmittel bei chronischem Rückenschmerz
– 83
– 84
– 85
– 90
35 4.1 · Wie werden chronische Schmerzerkrankungen behandelt?
4
Sie finden in diesem Kapitel verschiedene Arbeitsblätter, mit deren Hilfe Sie die geeignete Behandlungsstrategie für Ihre Erkrankung entwickeln können. Die vorgestellten Methoden zur Schmerzverarbeitung und Schmerzbewältigung sollen Sie dabei unterstützen, Ihre Belastungsgrenzen zu erkennen und die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Ausführlich widmen wir uns der Aktivierung von Ressourcen und stellen Ihnen abschließend die bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommenden Medikamente vor mit wichtigen Informationen zu Einnahme und Nebenwirkungen.
4.1
Wie werden chronische Schmerzerkrankungen behandelt?
Die Behandlung von chronischen Schmerzen richtet sich nach den verschiedenen Ursachen, den verstärkenden Faktoren und den psychosozialen Folgen. Üblicherweise ist eine Behandlung mit einer Kombination von medikamentösen, physiotherapeutischen und psychologischen Verfahren erforderlich. Durch medikamentöse Behandlung wird versucht, die erhöhte Aktivität des Schmerzsystems zu beeinflussen. Durch Physiotherapie wird versucht, die Vermeidung zu verringern und die Beweglichkeit zu verbessern. Durch psychotherapeutische Verfahren können die psychischen Ursachen, die Schmerzwahrnehmung oder die psychischen und sozialen Folgen von chronischen Schmerzen vermindert werden. Bei länger andauernden Schmerzerkrankungen sollten körperliche, soziale und psychische Faktoren in der Behandlung parallel behandelt werden. Ein sogenannter multimodaler Behandlungsansatz berücksichtigt individuell unterschiedliche körperliche, psychische und soziale Krankheitsanteile. Es geht darum, Patienten zu unterstützen durch eine Vielzahl sich ergänzender Behandlungsschritte, neue Formen der Schmerzverarbeitung und Schmerzbewältigung für sich kennenzulernen und zu erproben. Bei der Behandlung kommt Folgendes zum Einsatz:
Kombination von medikamentösen, physiotherapeutischen und psychologischen Verfahren
36
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Multimodale Behandlung 4 Ausführliche Schmerzerhebung, körperliche Untersuchung, ggf. weitere Diagnostik 4 Schmerztagebuch 4 Schulung/Psychoedukation 4 Schmerztherapie, Anpassen der Schmerzmedikamente 4 Krankengymnastik, aktivierende Bewegungstherapie 4 Gerätetraining, Bewegungsbad, Nordic-Walking, Sport 4 Psychotherapie 4 Stressbewältigungstraining 4 Entspannungsverfahren 4 Evtl. Paar- oder Familiengespräch 4 Evtl. Biofeedback 4 Evtl. auch Musik-, Kunst- oder Körpertherapie 4 Evtl. Ergotherapie (Arbeitsplatzergonomie, ergonomische Verhaltensweisen) 4 Evtl. berufliches Coaching
4
Eine stationäre multimodale Schmerztherapie kann bei chronischen Schmerzpatienten sinnvoll sein, wenn ambulante schmerztherapeutische Maßnahmen keinen Erfolg haben, Medikamentenabhängigkeit oder -fehlgebrauch vorliegt, bei drohendem Verlust der Arbeitsfähigkeit, bei schweren psychischen Begleiterkrankungen wie Angststörung oder Depression und bei starken sozialen Belastungen (von Wachter 2005).
4.2
Realistische Ziele formulieren!
Welche Ziele können für die Behandlung formuliert werden?
Am Anfang der Therapie ist es wichtig, realistische Ziele zu formulieren. »Ich möchte meinen Rückenschmerz im Tagesdurchschnitt auf der Schmerz-Skala von 10 auf 7 reduzieren mit der Hilfe von Entspannungsverfahren oder Schmerzbewältigungstechniken« ist ein konkretes Ziel. Auch der Abbau von Vermeidungsverhalten oder der Aufbau von körperlicher und sozialer Aktivität kann ein Ziel sein. Die Festlegung von kleinen realistischen Zielen hilft auch gegen die Hilflosigkeit, in der viele Betroffene gefangen sind. Es geht darum, deutlich zu machen, wo ich etwas in kleinen Schritten bewirken kann. Weitere Therapieziele sind in der 7 Übersicht dargestellt.
37 4.2 · Welche Ziele können für die Behandlung formuliert werden?
Therapieziele 4 Weniger Schmerzen haben und mit den Schmerzen besser umgehen können 4 Einschränkungen akzeptieren lernen und weniger dagegen ankämpfen 4 Trotz Begrenzung Spielräume erkennen und besser nutzen lernen 4 Das richtige Maß an psychischer und/oder körperlicher Belastbarkeit finden 4 Verringerung der Hilflosigkeit, Verbesserung sozialer Kompetenz 4 Aufbau angenehmer Aktivitäten, mehr Lebensqualität haben 4 Weniger Grübeln, weniger negative Gedanken 4 Besser schlafen können 4 Wieder aufgeschlossener für die Mitmenschen werden 4 Um Hilfe bitten lernen 4 Nein sagen lernen 4 Konfliktfähiger werden 4 Zeit nehmen für sich selbst 4 Perfektionismus abbauen 4 Wünsche äußern lernen
Praxistipp
Nutzen Sie hierfür den Zielebogen (. Abb. 4.1: Arbeitsblatt 1). Überlegen Sie auch, woran Sie bemerken würden, dass Sie Ihrem Ziel ein Stück näher gekommen sind.
Woran würden Sie bemerken, dass Sie Ihrem Ziel ein Stück näher gekommen sind?
4
38
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.1 Arbeitsblatt 1: Zielebogen © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
39 4.3 · Schmerztagebuch
4.3
Schmerztagebuch
Am Anfang einer Schmerzbehandlung ist es üblich, ein Schmerztagebuch zu führen. Nutzen Sie dazu die Vorlage (. Abb. 4.2: Arbeitsblatt 2) oder ein Notizheft. Legen Sie vier bis sechs Zeitpunkte im Tagesverlauf fest, an denen Sie Ihre Schmerzstärke zwischen 0 und 10 (0 bedeutet kein Schmerz und 10 bedeutet stärkster Schmerz, den Sie sich vorstellen können) einschätzen. Diese Skala wird auch visuelle Analogskala (VAS) oder numerische Ratingskala (NRS) genannt. Geeignete Zeitpunkte wären z. B. morgens nach dem Aufstehen, während des Vormittags, nach dem Mittagessen, nachmittags, abends und vor dem Zubettgehen (. Tab. 4.1). Notieren Sie auch, welcher Tätigkeit Sie gerade nachgehen (z. B. Essen, Bewegen, Fernsehen, Gespräch, Arbeit etc.). ? Was mache ich gerade, wo und mit wem? Verändern sich meine Schmerzen bei oder nach bestimmten Tätigkeiten? Wie reagiert mein Körper auf diese Veränderungen?
4
40
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
. Tab. 4.1 Beispiel für Schmerztagebuch
4
Zeit
Situation, Ereignis
VAS (0–10)
Körperreaktion
Gedanken, Überlegung
Gefühl, Empfindung
7.00
Aufgewacht
2
Entspannt
Bald kommen die Schmerzen bestimmt wieder…
Wohlbefinden
10.00
Sitzen am Schreibtisch
4
Ziehen LWS
Weshalb wird jetzt das Ziehen stärker?
Unwohlsein
11.00
Frühstückspause
6
Schwitzen
Das Medikament wirkt nicht mehr, gleich werden die Schmerzen noch stärker
Panik
Notieren Sie anschließend die Gedanken und Gefühle, die mit dem Schmerz verbunden sind. ? Habe ich bestimmte Gedanken öfter im Zusammenhang mit den Schmerzen? Welche Gefühle können Sie dabei wahrnehmen? Welche emotionale Reaktion zeigen Sie auf den Schmerz?
41 4.3 · Schmerztagebuch
Viele Schmerzpatienten erleben den Schmerz als gleichbleibend hoch und ohne Einflussmöglichkeiten. Das Schmerztagebuch hilft, anfangs übersehene Symptomschwankungen und schmerzverändernde Faktoren zu erkennen sowie hilfreiche Aktivitäten zu finden. Damit dient das Schmerztagebuch einerseits der Reduktion der Hilflosigkeit und dem Erkennen von Wechselwirkungen. Das Schmerztagebuch unterstützt Sie andererseits auch dabei, zu erkennen, welche Gedanken und Gefühle mit dem Schmerz verbunden sind. In der anschließenden Behandlung ist es das Ziel, genau diese Gedanken und Gefühle zu verändern, was sich wiederum schmerzlindernd auswirken kann. In der letzten Spalte »Was tue ich?« (. Abb. 4.2) können Sie eintragen, wie Sie auf die Schmerzen reagieren. Am Anfang werden Sie dort eher Dinge finden wie Rückzug oder Vermeidung, später tragen Sie Dinge ein, die Sie unternommen haben, um sich von den Schmerzen abzulenken, oder Dinge, die Sie trotz der Schmerzen gemacht haben.
Schmerztagebuch hilft, schmerzverändernde Faktoren zu erkennen
> Das Schmerztagebuch sollte nicht länger als 1–2 Wochen geführt werden, sonst kann die Fixierung auf die Schmerzen verstärkt werden.
Bei Medikamentenumstellung ist eine erneute vorübergehende Nutzung eines vereinfachten Schmerztagebuchs sinnvoll, um zu erkennen, ob die neue Medikation wirklich schmerzlindernd wirkt.
Schmerztagebuch nicht länger als 1–2 Wochen führen
4
42
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.2 Arbeitsblatt 2: Schmerztagebuch © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
43 4.4 · Schmerzbewältigungsstrategien
4.4
4
Schmerzbewältigungsstrategien
Bei der Chronifizierung von Schmerz spielen Lern-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse eine wichtige Rolle. Wenn Sie lernen wollen, Ihre Schmerzen zu verringern, müssen Sie sich selbst und Ihr Schmerzerleben beobachten. So können Sie herausfinden, was für Sie am besten geeignet ist, um den Schmerz zu lindern oder Anspannung zu reduzieren. Schmerzhafte Muskelverspannung lässt sich z. B. durch Entspannungsverfahren lindern. Wenn sich alle Gedanken um den Schmerz drehen, sind Ablenkungstechniken sinnvoll. Bei seit längerer Zeit bestehendem Rückzug und Bewegungsvermeidung sind angepasste Bewegungseinheiten nötig. Strategien – Auswahl 4 Wenn ich konzentriert bei der Sache bin, merke ich den Schmerz nicht. 4 Morgens unter der Dusche spüre ich den Schmerz kaum. 4 Es gelingt mir, mich mit Imaginations- oder Achtsamkeitsübungen vom Schmerz abzulenken. 4 Wenn ich mit den Kindern spiele oder Fernsehen schaue, verschwindet der Schmerz für kurze Zeit aus meinem Bewusstsein. 4 Wenn ich Musik höre, wirkt die Entspannung schmerzlindernd. 4 Wenn ich beim Spazierengehen meine Aufmerksamkeit auf die Natur konzentriere, nehme ich eine Zeit lang den Schmerz weniger wahr.
Praxistipp
Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen oder Ihren Angehörigen aus, was gegen Schmerzen hilft. Im Schmerzbewältigungstraining erarbeiten Sie individuelle Möglichkeiten, um auf den Schmerz gezielt Einfluss zu nehmen, Hilflosigkeit abzubauen und die Selbstwirksamkeit zu stärken.
Auf den Schmerz gezielt Einfluss nehmen
44
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.3 Arbeitsblatt 3: Schmerzbewältigungsstrategien: Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Claus Derra. 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
45 4.4 · Schmerzbewältigungsstrategien
. Abb. 4.3 Arbeitsblatt 3: (Fortsetzung) Schmerzbewältigungsstrategien: Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Claus Derra.
© 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
4
46
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4 Die Reihenfolge ist wichtig
Nützliche Fragen können sein: 4 Was wirkt sich lindernd auf den Schmerz aus? 4 Was lenkt vom Schmerz ab? Was fördert die Aufmerksamkeit auf andere Bereiche? 4 Was bewirkt Entspannung? Was bewirkt Aktivität? 4 Welchen Aktivitäten können Sie trotz der Schmerzen nachgehen? 4 Was können Sie genießen trotz der Beschwerden? 4 Was von dem, was sich bisher schon bewährt hat, lässt sich gezielt bei Schmerzen einsetzen? 4 Was tun Sie in welcher Reihenfolge bei leichtem und bei starkem Schmerz? Im Arbeitsblatt »Schmerzbewältigungsstrategien« (. Abb. 4.3) können Sie Ihre individuellen Strategien festhalten. Die Reihenfolge der Übungen bzw. Maßnahmen ist wichtig. Bei starken Schmerzen muss man vielleicht erst ein Schmerzmittel einnehmen und kann dann eine Bewegungsübung machen. Bei starker Anspannung muss man vielleicht erst ans Fenster gehen und Luft holen oder z. B. einen Gegenstand in die Hand nehmen und spüren. Erst danach kann man mit Musik entspannen, aber nicht umgekehrt. Nicht jede Maßnahme hilft zu jeder Zeit gegen Schmerzen, aber es gibt viele Dinge, die eine gewisse Zeit helfen wie z. B. ein warmes Bad oder eine der in . Tab. 4.2 genannten Übungen. Entwickeln Sie Ihre eigenen Schmerzbewältigungsstrategien mit dem folgenden Arbeitsblatt (. Abb. 4.3: Arbeitsblatt 3).
. Tab. 4.2 Beispiel für Schmerzbewältigungsstrategien
Was mache ich in welcher Reihenfolge? Leichter Schmerz
Starker Schmerz
1. Telefonat mit Freundin
1. Atemübung
2. Innerer sicherer Ort
2. Gedankenstoppübung
3. leichte Tätigkeiten im Haushalt
3. Phantasiereise mit CD
4. …
4. 10 min spazieren
5. …
5. …
47 4.5 · Umgang mit chronischer Krankheit
4.5
Umgang mit chronischer Krankheit
Bei chronischen Erkrankungen, bei denen das Ziel nicht Heilung ist, spielen Verluste und Einschränkungen durch die Krankheit eine Rolle. Mit dem Bewusstwerden der Verluste durch die Krankheit sind Gefühle wie Angst, Trauer, Wut und Verzweiflung häufig und angemessen. Es geht darum, für diese Gefühle einen Platz zu finden. Oft kann das Darüber-sprechen Entlastung bedeuten. Auch der Austausch mit Betroffenen in der Selbsthilfegruppe kann hilfreich sein. Kunst(therapie) oder Musik(therapie) bieten unter Umständen weitere Möglichkeiten, diese Gefühle auszudrücken. Später ist hierbei Akzeptanz wichtig, was nicht Gutheißen von Schmerzen und Einschränkungen bedeutet. Akzeptanz bedeutet auch nicht, nichts mehr verändern zu können, oder Resignation. Es geht vielmehr darum, das, was nicht mehr veränderbar ist, von dem zu unterscheiden, was durch eigenes Verhalten veränderbar ist. Dies kann auch bedeuten, einen Mittelweg zwischen Stillstand und Überforderung zu finden: Schrittweise lernen, Grenzen zu akzeptieren und offen für Neues zu bleiben. Gerade bei stärksten Schmerzen, von denen Patienten sich nicht ablenken können oder dies zu viel Kraft kostet, ist Akzeptanz das geeignetere therapeutische Vorgehen. Hier geht es auch um den Verzicht auf einen anhaltenden Kampf gegen Schmerzen, der nicht weiter geführt hat (McCracken et al. 2005).
4.5.1
Akzeptanz
Krankheit auf ihren Platz verweisen
Alles dreht sich anfangs um die chronische Krankheit. Die Schmerzen sind wie ein »ungebetener Gast«, der ohne Einladung kommt und dem man nicht viel Raum und Zeit widmen möchte, der aber da bleibt. Schafft er es, alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Sie 24 Stunden zu beschäftigen, oder gelingt es Ihnen, ihn auf einen Platz zu verweisen, den Sie bestimmen? Wo im Haus hat er seinen Platz? Im Wohnzimmer? Im Keller? Auf dem Dachboden? Im Gästezimmer?
»Ungebetener Gast«
4
48
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.4 Arbeitsblatt 4: Krankheit und Gesundheit: Unter Mitarbeit von Dr. Askan Hendrischke. 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
49 4.5 · Umgang mit chronischer Krankheit
. Abb. 4.4 Arbeitsblatt 4: (Fortsetzung) Krankheit und Gesundheit: Unter Mitarbeit von Dr. Askan Hendrischke.
© 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
4
50
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
? Wie schaffen Sie es, mit diesem Quälgeist umzugehen?
4
4.5.2
»Neue Normalität«
Balance zwischen Krankheit und Gesundheit
Viele Betroffene sagen: »Ja wenn die Schmerzen weg sind, dann gehe ich wieder aus oder mache Sport. Ich würde ja gerne, aber«... Das kann lange dauern. Ein ausgewogener Umgang mit der Symptomatik bedeutet, einerseits auf die Anforderungen, die die Krankheit mit sich bringt, angemessen einzugehen, und gleichzeitig persönliche und partnerschaftlich-familiäre Lebensziele aktiv weiter zu verfolgen. Wichtige Lebensinhalte sollen trotz und mit den Schmerzen beibehalten werden. Es geht darum, eine »Neue Normalität« mit der Erkrankung zu entwickeln. Weitere therapeutische Ziele sind dabei die Aktivierung von Ressourcen, das Selbstwertgefühl zu erhöhen und das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit zu stärken (Rolland 2000). Praxistipp
Nutzen Sie das Arbeitsblatt »Krankheit und Gesundheit« (. Abb. 4.4: Arbeitsblatt 4). Es soll Ihnen helfen, eine neue Normalität zu entwickeln und Ihre Lebensziele nicht aus dem Blick zu verlieren.
51 4.6 · Entspannungsverfahren
4.6
Entspannungsverfahren
Entspannungsverfahren, Imaginationsübungen und Achtsamkeitsübungen werden gerade bei verspannungs- und angstbedingten Schmerzen eingesetzt. Sie senken die Empfindlichkeit für Schmerzreize und aktivieren die Schmerzhemmung im Gehirn. Entspannungsverfahren helfen, Anspannung, die mit Muskelverspannung und Schmerzen einhergeht, zu verringern. Auch zur Stressbewältigung und zum Einschlafen haben sie sich bewährt. Entspannungsverfahren verhindern auch Angstzustände und durch Aufmerksamkeitslenkung vom Schmerz weg erhöhen sie die Schmerztoleranz. > Nicht jedes Entspannungsverfahren tut allen Patienten gleich gut. Übungen, bei denen man leicht abschweifen kann, sind bei Schmerzen und Traumatisierung (wenn unangenehme Bilder hochkommen) oft weniger geeignet.
Manchmal ist es leichter, durch ablenkende Aktivitäten die Anspannung zu reduzieren bzw. zu entspannen. Wenn man einen schnellen Erfolg sucht, ist die Progressive Muskelentspannung PME (auch Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, PMR) aufgrund ihrer schnelleren Wirkung günstiger als Autogenes Training (AT). Bei starken Schmerzen sind eventuell kürzere Übungen vorzuziehen. Bei Rückenschmerzen kann die Übung im Sitzen günstiger sein oder im Stehen an eine Wand angelehnt (Derra 1997). Beim Fibromyalgiesyndrom kann das Anspannen während der PME die Schmerzen verstärken.
Entspannungsverfahren bei verspannungs- und angstbedingten Schmerzen
4
52
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Entspannungsverfahren – Auswahl
4
4 Progressive Muskelentspannung (progressive Muskelrelaxation, PME) nach Jacobson (wechselweises Anspannen und Entspannen der Muskulatur) – PME Kurzentspannung 4 Autogenes Training (Selbstsuggestion von Ruhe, Schwere und Wärme) 4 Atemübungen 4 Qi Gong 4 Meditation 4 Achtsamkeitsübungen 4 Yoga 4 Bewegungsübungen 4 Übungen aus der Körper- oder Physiotherapie
Falls sich bei Ihnen früher schon ein Entspannungsverfahren bewährt hat, aktivieren Sie dieses wieder, bevor Sie ein neues erlernen. ? Welches Entspannungsverfahren passt zu Ihnen? Welches können Sie im Alltag regelmäßig einbauen?
Die im 7 Anhang genannten CD-Empfehlungen geben Ihnen Anleitung und können Ihnen beim Üben helfen. Achten Sie auf eine vollständige Rücknahme nach der Übung.
53 4.7 · Biofeedback
Praxistipp
Kurse für Entspannungsverfahren werden von Ihrer Krankenkasse oder der Volkshochschule angeboten. Die Kosten für den ersten Kurs werden von der Krankenkasse in der Regel übernommen.
Das Erlernen von Entspannungsverfahren funktioniert nur durch regelmäßiges Üben. Dies können Sie gut durch Eintragen in ein Tagebuch oder einen Kalender überprüfen.
4.7
Regelmäßiges Üben
Biofeedback
> Biofeedback ist ein psychotherapeutisches Verfahren zur Verbesserung der Körperwahrnehmung und -kontrolle.
Schmerzen, Stress und Ängste beeinflussen verschiedene körperliche Prozesse. Die körperlichen Folgen können z. B. sein: 4 Muskelverspannungen, 4 Herzbeschwerden oder 4 Veränderungen in der Durchblutung. Sie laufen in der Regel automatisch ab, ohne dass die Betroffenen diese Veränderungen bewusst wahrnehmen. Diese nicht oder kaum bewussten vegetativen Körperreaktionen, wie Schwitzen, Herzfrequenz, Hauttemperatur und Muskelspannung (7 Abschn. 3.2, . Abb. 3.1), werden über Sensoren erfasst und dem Patienten am Bildschirm oder akustisch zurückgemeldet. Sie werden dadurch wahrnehmbar und bewusst gemacht. Biofeedback wird bei unspezifischen Rückenschmerzen, Migräne, Spannungskopfschmerz und Schmerzen im Gesicht (kraniomandibuläre Dysfunktion) eingesetzt. Das Ziel des Biofeedbacktrainings ist, die bewusste Beeinflussung der Körperfunktionen und die Selbstkontrolle zu verbessern. Der Patient kann mit den Rückmeldungen erleben, wie effektiv angewendete Entspannungsverfahren sind. Durch die Rückmeldung und Übung wird es dem Patienten ermöglicht, diese physiologischen Parameter gezielt zu beeinflussen. Auch um das Verständnis für die vegetativen Symptome und die Stressreaktion zu erhöhen, wird Biofeedback durchgeführt. Mittels Muskelbiofeedback kann man sehen, wie Fehlhaltungen Verspannung bewirken. Durch Haltungs- und Positionswechsel kann so Entspannung ver-
Ziel des Biofeedback ist bewusste Beeinflussung der Körperfunktionen
4
54
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.5 Biofeedbacktraining
bessert werden. Bei chronischen Schmerzen sind die Muskeln meist schon über längere Zeit angespannt. Durch das Biofeedbacktraining sollen sie lernen, die Muskelspannung wahrzunehmen und zu vermindern, so gut es geht (. Abb. 4.5). Später soll es gelingen, auch ohne Biofeedbackgerät die bewährten Entspannungsübungen im Alltag zu integrierten.
4.8 Aufmerksamkeitslenkung weg vom Schmerz
Imaginationsübungen
Imaginationsübungen nutzen die bildliche Vorstellung und Phantasie. Sie dienen der Entspannung, zum Wohlfühlen, aber auch zur Schmerzreduktion. Sie gehören zu den Übungen der inneren Aufmerksamkeitslenkung weg vom Schmerz. Imaginationsübungen bahnen die Ressourcennetzwerke im Gehirn, ähnlich wie auch Leistungssportler ihre Fähigkeiten durch innere Vorstellung trainieren. Auch bei der Behandlung von Traumafolgen werden die Imaginationsübungen erfolgreich eingesetzt. Hier geht es darum, den scheinbar unkontrollierbaren inneren quälenden Bildern gesteuerte, kontrollierte, unterstützende Imaginationen entgegenzusetzen. Dies kann auch eine Methode sein, um sich selbst zu trösten und zu beruhigen.
55 4.9 · Erkennen von Belastungsgrenzen
Imaginationsübungen – Auswahl 4 Innerer sicherer Ort (Erinnerter realer Ort oder erfundener Phantasieort als Wohlfühlort, wird mit allen Sinnen erlebt und verändert, sodass ein Wohlgefühl entsteht, Erfahrung eines Gefühls von Geborgenheit, Ruhe, Sicherheit, Möglichkeit zur Selbsttröstung) 4 Baumübung (Nutzen der Ressource Natur, sich als Teil der Natur fühlen und in der Natur versorgt werden, bewusst machen, welche Nahrung wir brauchen) 4 Der innere Garten (einen Garten gestalten zum Ausruhen und Auftanken) 4 Licht(strom)übung (angenehmes heilsames Licht durchströmt den Körper, körperliche Entspannung, Selbstversorgung, Schmerzreduktion) 4 Körperressourcenübung (Wohlfühlort im Körper, Ort an dem keine Schmerzen sind oder neutralen Ort im Körper fokussieren, dann schmerzhaften Ort fokussieren, anschließend verbinden, d. h. hin- und herpendeln zwischen neutralem Ort und dem Ort der Schmerzen, erhöht Gefühl der Kontrolle über den Körper) 4 Schmerzfreier Ort (Wohlfühlort im Körper, Ort, an dem keine Schmerzen sind, aufsuchen und das wohlige Körpergefühl sich ausdehnen lassen auf benachbarte Körperregionen und dann ggf. auch in schmerzhafte Gebiete).
Nicht jede Übung passt für jeden. Probieren Sie aus, welche Ihnen gut tut. Die im 7 Anhang genannten CDs, Podcasts im Internetbereich, Internetlinks sowie Bücher geben Ihnen Anleitung und können Ihnen beim regelmäßigen Üben helfen. > Achten Sie immer auf eine vollständige Rücknahme nach der Übung.
4.9
Erkennen von Belastungsgrenzen
Bei vielen Schmerzerkrankungen besteht eine eingeschränkte Belastbarkeit. Einerseits ist es wichtig, seine Belastungsgrenzen zu kennen und zu akzeptieren. Auf der anderen Seite geht es darum, den Spielraum, der besteht, zu kennen und zu nutzen, sowie später schrittweise zu erweitern.
Belastungsgrenzen kennen und Spielraum nutzen
4
56
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.6 Arbeitsblatt 5: Belastungsgrenzen – Wie erkenne ich meine Belastungsgrenzen? Unter Mitarbeit von Bernd Kappis. 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
57 4.9 · Erkennen von Belastungsgrenzen
. Abb. 4.6 Arbeitsblatt 5: (Fortsetzung) Belastungsgrenzen – Wie erkenne ich meine Belastungsgrenzen? Unter Mitarbeit von Bernd Kappis. © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
4
58
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Das vorangegangene Arbeitsblatt »Belastungsgrenzen« (. Abb. 4.6: Arbeitsblatt 5) soll Ihnen helfen, Belastungsgrenzen früher zu erkennen. Es geht darum, Belastungsgrenzen nicht nur an Schmerzen zu erkennen, sondern an anderen körperlichen Reaktionen, typischen Gedanken und Verhaltensweisen. Soziale Kontakte bedeuten bei vielen Schmerzpatienten ebenfalls Stress. Wie wird der Körper reagieren? Werde ich es schaffen? Auch hier ist es wichtig, seine Grenzen zu spüren und den Spielraum zu nutzen. Wenn das Erkennen der Belastungsgrenzen leichter fällt, geht es darum, diese auch im Alltag zu berücksichtigen. Der Körper wird dann nicht mehr nur als eine Last gesehen, der nicht funktioniert, wie man will, oder der macht, was er will, sondern vielleicht als jemand, der einem ein Warnsignal gibt. Vielleicht hilft der Körper auch, mehr auf sich zu achten, sich für sich einzusetzen. (Passendes Selbsthilfebuch: Freundschaft mit dem Körper schließen. 7 Anhang: Empfehlungen)
4
4.9.1 »Ich muss mich um alles kümmern, bin für alles verantwortlich.«
Anspruch an sich selbst
Oft ist es sinnvoll, sich dabei auch Gedanken über den eigenen Anspruch zu machen. Vielleicht hat man verinnerlicht, »nur wenn ich immer Leistung erbringe, bin ich wertvoll« oder man hat früh gelernt, sich für andere einzusetzen und vielleicht schon früh für die Eltern oder Geschwister Verantwortung übernommen. Es fällt einem entsprechend schwer, dieses Muster zu verändern »Ich muss mich um alles kümmern, bin für alles verantwortlich.« Es geht darum, ungesundes Stressverhalten und Überlastung abzubauen, um langfristig leistungsfähig zu bleiben.
59 4.9 · Erkennen von Belastungsgrenzen
Den eigenen Anspruch definieren 4 4 4 4 4
Wie verhalte ich mich in Stresssituationen? Was sind meine Ansprüche? Woher kenne ich diese Muster? Seit wann bestehen diese Verhaltensweisen bei mir? Für was waren sie gut? Welche passen jetzt noch? Welche nicht mehr? 4 Welche Ansprüche will ich verändern? Was wird dann anders? 4 Wie wird mein Umfeld reagieren, wenn ich diese verändere? 4 Wie reagiere ich darauf? 4 4 4
Praxistipp
Nutzen Sie, um Ihren eigenen Anspruch definieren zu können, das Arbeitsblatt »Anspruch an sich selbst« (. Abb. 4.7: Arbeitsblatt 6).
4
60
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.7 Arbeitsblatt 6: Anspruch an mich selbst 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
61 4.9 · Erkennen von Belastungsgrenzen
. Abb. 4.7 Arbeitsblatt 6: (Fortsetzung) Anspruch an mich selbst © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
4
62
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.10 Angepasste Bewegung kann zur Schmerzreduktion führen
4
Bewegung an Genuss koppeln
Bewegung
Viele Schmerzpatienten vermeiden bestimmte Bewegungen, aus Angst, der Schmerz könnte zunehmen. Ziel ist es zu realisieren, dass Aktivität nicht Schmerzfreiheit voraussetzt, sondern angepasste Bewegung zur Schmerzreduktion führen kann. Durch kontrolliertes und begrenztes Ausüben von befürchteten Bewegungen kann die Angst vor Schmerzzunahme reduziert werden. Auch bei degenerativen Gewebsveränderungen wie z. B. Arthrose hilft regelmäßiges angepasstes Bewegen, die Schmerzen zu lindern und Gelenkversteifungen vorzubeugen. In der Behandlung von funktionellen Schmerzen, nimmt die aktivierende Bewegungstherapie einen hohen Stellenwert ein. Gerade bei diesen Schmerzerkrankungen kommt es durch die Vermeidung zur Schwächung wichtiger Muskelgruppen und Fehlhaltungen. Auch für das Fibromyalgiesyndrom ist angepasste Bewegung der am besten gesicherte Wirkfaktor. Bewegung aktiviert die körpereigene Schmerzhemmung. Dies hat sich auch bei Kopfschmerzen bewährt. In der Physiotherapie von chronischen Schmerzen hat sich ein Wandel vollzogen: Statt alleinige Schonung wie Liegen und Entlasten (Stufenlagerung) werden körperliche Aktivierung und Bewegungsübungen empfohlen in Verbindung mit Regenerationspausen. Individuelle Übungen können in der physio- und körpertherapeutischen Behandlung erlernt werden. Eigenständiges Üben hilft, den Beschwerden vorzubeugen und sich beim Auftreten erneuter Schmerzen, selbst helfen zu können. Verhaltenstherapeutisch geht es auch darum, Bewegung an Genuss zu koppeln. Langsames Laufen zu einem Café wäre so eine neue Erfahrung: Auf Bewegung folgt Genuss statt Schmerz. Welche Art von Bewegung passt zu Ihnen? Welche Sportart hat Ihnen früher Spaß gemacht? Wo und Wann? Wie oft? (z. B. 3-mal/ Woche erst 10 min, später schrittweise steigern auf je 30 min). Fügen Sie der Auswahl Ihre Favoriten hinzu: 4 Spazierengehen 4 Schwimmen 4 Wandern 4 Nordic-Walking 4 Radfahren 4 Qi Gong, Tai Chi etc. 4 Übungen aus der Krankengymnastik oder Körpertherapie 4 Gerätetraining 4 Bewegungsbad 4 Tanzen
63 4.10 · Bewegung
4 Videospiele mit Bewegung 4 4 4
Rückentraining wird von den Krankenkassen, Physiotherapie- sowie Ergotherapiepraxen und Fitnessstudios angeboten. Wasserund Trockengymnastik werden von der Rheuma-Liga als Funktionstraining angeboten. Am Funktionstraining können alle Schmerzpatienten teilnehmen. Die Kosten für das Funktionstraining werden für 2 Jahre von der Krankenkasse übernommen (7 Anhang: Adressen). > Bewegung wirkt übrigens antidepressiv, selbstwertsteigernd, stressabbauend, affektstabilisierend und dient der allgemeinen psychischen Stabilisierung.
Bewegung dient der allgemeinen psychischen Stabilisierung
4
64
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.11
4 Aktivität orientiert an festen Zeitvorgaben
Das richtige Maß
Viele Schmerzpatienten nutzen Tage, an denen sie weniger Schmerzen haben, um alles das aufzuholen, was liegen geblieben ist (übermäßige Aktivität). Die Folge davon sind oft verstärkte Schmerzen einen Tag oder Stunden später. Wenn die Schmerzen stark sind, wird dann entsprechend fast gar nichts gemacht (Schonung). Wenn man immer wieder die Belastungs- bzw. Stressgrenze überschreitet, kann dies zur Erschöpfung führen und auf Dauer den Leistungsspielraum verkleinern (. Abb. 4.8). Sind also solche schmerzverstärkenden Verhaltensweisen auszumachen, ist es hilfreich, sich Gedanken um die derzeitigen Belastungsgrenzen zu machen und eigene bzw. erlernte Normen zu reflektieren. Anstelle schmerzgesteuerter Aktivitäten (wenig Schmerz = viel machen) sollen schrittweise neue Verhaltensweisen treten, die den individuellen Leistungsgrenzen angemessen sind. Ziel dieser balancierten Belastung ist die Entkoppelung von Schmerz und Aktivität zugunsten einer gestuften Aktivitätszunahme, orientiert an festen Zeitvorgaben statt an Schmerzgrenzen (z. B. 3-mal 10 min/Tag gehen, nur zwei Fenster am Tag putzen, unabhängig von den Schmerzen, an Feiern nur 60 min teilnehmen usw.). Falls Sie aber nach dem Training oder einige Stunden später vermehrt Schmerzen spüren, ist das ein Hinweis, dass die Trainingseinheit zu intensiv war und Sie vorsichtiger sein müssen bzw. die Trainingsbelastung langsamer steigern sollten (Phillips 2009).
. Abb. 4.8 Wiederholte Belastung über der Stressgrenze (gestrichelte Linie) können zu einem Verlust der Leistungsfähigkeit führen
65 4.11 · Das richtige Maß
4.11.1
Schrittweise unterhalb der Stressgrenze
Das Training und auch die krankengymnastische Behandlung sollten nicht bis zur Schmerzgrenze gehen bzw. nicht zu einer Symptomzunahme führen. Das, was Sie als mittlere Belastung erleben, um 20% reduzieren, wäre ein gutes Maß für den Anfang. Zu empfehlen ist ein moderate Belastung des Herz-Kreislauf-Systems mit nur ca. 60% der max. Herzfrequenz (max. Herzfrequenz = 220 minus Alter). Damit liegen Sie auch unterhalb der Stressgrenze, denn die Übungen sollen mit Spaß an der Bewegung verknüpft werden und nicht mit Stress. Gerade in der Anfangsphase bedeutet das eher weniger trainieren, aber dafür regelmäßig. Wenn z. B. bei einer Übung nach 3 min Symptome auftreten, dann sollten Sie erst einmal nur 2 min regelmäßig üben. Je geringer anfangs der Spielraum ist, desto wichtiger ist die Dosierung (. Abb. 4.9). Das Üben mit festen Zeitvorgaben und allmähliche stufenweise Steigerung der Belastung in kleinen Schritten wird Pacing genannt. Es ist in dem Buch »Schmerz verstehen« von Butler und Moseley ausführlich erklärt (7 Anhang: Empfehlungen). Praxistipp
Die Balance finden zwischen Schonung und übermäßiger Aktivität, kann sowohl im Alltag als auch am Arbeitsplatz geübt werden. Achten Sie z. B. darauf, dass Sie an einem Treffen im Freundeskreis trotz Schmerzen teilnehmen, sich aber erlauben früher zu gehen.
. Abb. 4.9 Pausen und Trainingseinheiten unter der Stressgrenze (gestrichelte Linie) führen langsam zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit
Eher weniger trainieren, dafür regelmäßig
4
66
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.12 Balance zwischen Aktivität und Ruhe
4
Pausenmanagement
Unser Körper ist in der Entwicklungsgeschichte (Evolution) für einen Wechsel zwischen Stress und Ruhe »konstruiert« worden. Das heißt, wir können Stress und Anstrengungen gut tolerieren, solange dazwischen Erholungsphasen liegen. Was zählt, ist die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung. Achten Sie in Ihrem Alltag und Berufsleben auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktivität und Ruhe, zwischen sozialer Interaktion und ruhigen erholsamen Phasen (. Tab. 4.3). Vielleicht ist es einfacher, Ruhe oder Erholungszeiten als »Selbstbehandlung« zu sehen, um sie sich selbst erlauben zu können. Sich klar machen, dass man die eigene Leistungsfähigkeit auf Dauer nur mit Pausen erhalten kann, kann einem auch helfen, auf Pausen zu achten. Es geht hier auch darum, neue Prioritäten zu setzen oder eigene und erlernte Normen zu reflektieren, den Anspruch an sich selbst zu überdenken. Vielleicht müssen Sie auch Ihre Tagesstruktur etwas umorganisieren, um die »Auszeiten« einhalten zu können.
. Tab. 4.3 Balance zwischen Anspannung und Entspannung
Was steht für Erholung?
Was steht für Aktivität?
Bewegen
Familie
Entspannungsübung
Soziale Tätigkeiten
Etwas genießen
Arbeit
Achtsamkeitsübung etc.
Ehrenamt Unternehmungen Leistbare Aufgaben Sport etc.
67 4.12 · Pausenmanagement
Das Arbeitsblatt »Meine Auszeit« (. Abb. 4.10: Arbeitsblatt 7) soll Ihnen helfen, feste Erholungspausen zum Kraftschöpfen in den Alltag einzuplanen. Hier können Sie die Art und Dauer der Erholungsphasen festlegen. So führt z. B. 15–30 min hinlegen bei vielen Betroffenen zu einer Schmerzlinderung und Entspannung, 2 Stunden liegen hingegen verstärkt vielleicht eher die Schmerzen oder die Erschöpfung. Pause muss dabei nicht unbedingt Ruhe bedeuten, es können auch angenehme Bewegungen sein. Sie können auch ein Arbeitsblatt für den privaten Alltag und eines für den Arbeitsplatz ausfüllen. Denn am Arbeitsplatz benötigen Sie vielleicht eher kurze Entspannungsübungen, die Sie möglichst unauffällig durchführen können. Auszeiten werden mit der Zeit aktiver gestaltet und sind nicht mehr nur durch Stress und Überforderung und eine damit verbundene Schmerzzunahme »erlaubt«. Für manche kann dies sogar bedeuten, jede Stunde eine kleine Pause mit einer kurzen (Imaginations-)Übung zu machen. So können Sie verhindern, dass sich die Anspannung über den Tag immer weiter steigert. Praxistipp
Vergessen Sie nicht, sich für die Umsetzung des Pausenmanagements zu belohnen.
4
68
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.10 Arbeitsblatt 7: Meine Auszeit – Pausenmanagement 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
69 4.12 · Pausenmanagement
. Abb. 4.10 Arbeitsblatt 7: (Fortsetzung) Meine Auszeit – Pausenmanagement © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
4
70
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.13 »Ich bin meinen Schmerzen hilflos ausgeliefert«
4
Vielleicht haben Sie in Ihrem Schmerztagebuch erkannt, wie viele Gedanken sich damit beschäftigen: »Ich bin meinen Schmerzen hilflos ausgeliefert« oder »Es wird nie wieder besser«. Immer das Schlimmstmögliche zu erwarten, nennt man Katastrophisieren. Wenn negative Gedanken so im Vordergrund stehen, dass kein Platz mehr ist für positive Gedanken, empfiehlt sich eine Gedankenstopp-Übung. Mit der Gedankenstopp-Übung können belastende Gedankenlawinen (Katastrophisieren, automatische Gedanken, negative Erwartung etc.) unterbrochen und zunehmend durch positive Gedanken ersetzt werden.
4.13.1
Hilfreiche Selbstanweisungen
Schmerztypische Gedanken
Gedankenstopp-Übung
Wenn Sie typische Schmerzgedankenketten erkennen, sagen Sie sich »Stopp« (wenn Sie allein sind, ruhig laut), stellen Sie sich ein Stoppschild vor, kneifen Sie sich am Arm oder zupfen Sie an Ihrem Uhrenarmband, um durch möglichst viele Sinne das Signal so deutlich wie möglich zu setzen. Das Stoppsignal muss ausreichend stark sein, um den Gedankenstrom zu unterbrechen. Anschließend sagen Sie sich Ihre individuelle hilfreiche Selbstanweisung (Fallert u. Larbig 2002, Basler 1998). In der 7 Übersicht folgen ein paar Anregungen für hilfreiche Selbstanweisungen.
71 4.13 · Schmerztypische Gedanken
Selbstanweisungen – Beispiele 4 Wenn ich ruhig werde und mich entspanne, geht es mir besser. 4 Ich kann gegen meine Schmerzen selbst etwas tun. 4 Trotz meiner Schmerzen habe ich viel erreicht. 4 Es wird bald wieder besser werden. 4 Jetzt gehe ich an die frische Luft. trotz der Schmer4 Ich versuche jetzt zen zu genießen. 4 Ich schaue in meinem Schmerzbewältigungsbogen nach, was ich Schritt für Schritt tun kann. 4 Ich weiß, dass der Schmerz auch wieder weniger wird. 4 Ich muss mit dem Schmerz nicht perfekt funktionieren. 4 Zunahme der Schmerzen bedeutet, dass ich jetzt eine Pause mache und danach langsamer arbeiten muss. 4 4 4
Weitere verhaltenstherapeutische Übungen zum Umgang mit schmerzbezogenen Gedanken finden Sie in dem Selbsthilfebuch »Schmerzen verlernen« von J. Richter (7 Anhang: Empfehlungen).
4
72
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.14 Kraftquellen
Ressourcenaktivierung
Ressourcen sind Kraftquellen, die zur Entspannung beitragen und einem helfen, die »Batterie« wieder aufzuladen. H. Petzold hat ein umfassendes Konzept für Ressourcen beschrieben. Er unterscheidet innere und äußere Ressourcen. Äußere Ressourcen Äußere Ressourcen sind Freunde, Partner, die Eltern oder wichtige Menschen in der sozialen Umgebung. Es können Vereine oder Gruppen sein, denen man angehört, aber auch materielle Dinge wie eine Wohnung, Geld oder ein Auto.
4
Eigene Stärken erkennen
Innere Ressourcen Innere Ressourcen sind persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen. Es können Interessen und Hobbys sein oder wichtige Ziele im Leben, Überzeugungen und Werte, Ideen oder der Glaube, die Religion und Spiritualität. Auch die Arbeit oder eine regelmäßige Tagesstruktur im Alltag kann eine Ressource sein. Es können auch Erinnerungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit sein, Hoffnungen für die Zukunft oder die kleinen alltäglichen Eindrücke und Begegnungen (Petzold 1997). Ressourcen verändern sich auch im Laufe des Lebens und hängen von der Situation ab. Zum Beispiel sind ehrenamtliche Tätigkeiten oder soziales Engagement für viele eine Kraftquelle, können aber auch zur Belastung werden, wenn es zu viel wird. Wenn der Schmerz das ganze Leben bestimmt, ist es nicht einfach, den Blick auf die Ressourcen zu lenken, aber deshalb umso wichtiger. Es geht darum, eigene Stärken und Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Ressourcen können auf verschiedenen Wegen wirksam werden(7 Übersicht). Ressourcen... 4 helfen bei der Bewältigung von Krisen und Krankheit. 4 führen dazu, dass ein Verlust weniger schmerzlich ist. 4 können direkt auf das Wohlbefinden und die Gesundheit wirken. 4 können als »Puffer« wirksam werden, indem sie Stresserleben reduzieren. 4 können einen Ausgleich nach Stress oder Anstrengung darstellen.
73 4.14 · Ressourcenaktivierung
Die Aktivierung von Ressourcen stellt einen wichtigen Wirkfaktor in der Psychotherapie dar (Grawe u. Grawe-Gerber 1999). Wenn man durch die Krankheit in seinem Selbstwert angeschlagen ist, ist es wichtig, sich trotzdem der eigenen positiven Fähigkeiten bewusst zu werden. Allein dadurch ist man schon offener für Veränderungen. Bevor neue Ressourcen gesucht werden, sollten vorhandene Ressourcen möglichst oft genutzt und frühere und ungenutzte Ressourcen wieder aktiviert werden. ? Welche Ressourcen haben Sie früher eingesetzt? Welche Ressourcen sind bei Ihnen am leichtesten zugänglich?
? Welche Ressourcen wollen Sie stärken? Welche Ressource wollen Sie als erstes nutzen und was brauchen Sie dafür?
4
74
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Praxistipp
Machen Sie sich eine eigene Liste angenehmer Tätigkeiten oder hören Sie den Ressourcen-Podcast im Internet unter: http://www.schmerzen-bewaeltigen.de.
4
4.14.1 Je häufiger positive Ressourcen eingeübt werden, desto wirksamer sind sie
Ressourcenaktivierende Übungen
So wie Schmerzen neurobiologisch gebahnt werden, können auch die Ressourcennetzwerke durch regelmäßige Übungen gebahnt werden. Diese Veränderungen sind im Gehirn darstellbar und verändern auch das Krankheitserleben. Es macht also durchaus Sinn, darauf zu achten, womit wir uns gedanklich beschäftigen, weil dies Einfluss auf unseren Körper, unsere Psyche und unser Gehirn hat. Je häufiger positive Ressourcen eingeübt werden, desto wirksamer sind sie. Folgende Übungen sind sehr zu empfehlen: Übungen – Empfehlungen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Übung zu einer belastenden Situation Freudetagebuch Ressourcen-ABC Feierabendübung Ressourcen-Wohnungsgrundriss Liste der 24 Tugenden und Stärken (Seligman 2005) Imaginationsübungen (Wohlfühlort, Stärketier etc.) Gegenseitig positives Feedback geben Genusstraining Achtsamkeitsübungen (alltägliche Handlungen mit allen Sinnen wahrnehmen ohne zu bewerten, z. B. beim Duschen, Bügeln oder Spazierengehen in der Natur)
Ressourcen sammeln Um Ressourcen zu aktivieren, schreiben Sie alle Ressourcen auf, die Ihnen einfallen. Achten Sie dabei darauf, dass neben äußeren Ressourcen auch die inneren, also eigenen Fähigkeiten vorkommen. Notieren Sie auch Dinge, die Sie für »normal« halten. Manches, was Sie sowieso schon immer getan haben, können Sie sich so als Kraftquelle bewusst machen:
75 4.14 · Ressourcenaktivierung
Natur, Musik, Lesen, Photos anschauen, Kochen, Tanzen, Kreativität, Durchhaltevermögen, Offenheit, Mut, Verlässlichkeit, Glaube, Spiritualität, Freundin anrufen, Geselligkeit, Tiere, Pflege eines Gartens, im Verein aktiv sein, ...
Übung zu einer belastenden Situation Bei belastenden Alltagssituationen hat sich eine Technik aus der Traumatherapie bewährt (Absorbtionstechnik, Hofmann u. Shapiro 1994). Dafür schauen Sie sich eine derzeit belastende Situation im Alltag oder am Arbeitsplatz an. Welche der gesammelten Fähigkeiten könnte Ihnen bei der Lösung hilfreich sein (Mehrauswahl möglich)? Gab es früher schon einmal ähnliche Situationen, in denen diese Fähigkeiten Ihnen geholfen haben? Versuchen Sie sich möglichst genau an diese Situationen zu erinnern, in denen Sie diese Fähigkeiten bereits hatten. Nutzen Sie hierfür das Arbeitsblatt »Übung zu einer belastenden Situation« (. Abb. 4.11). Freudetagebuch Führen Sie ein Freudetagebuch. Schreiben Sie es auf, wenn Sie was Positives erlebt haben, sich über etwas gefreut haben, etwas, dass Ihnen gelungen ist. Auch kleine Momente der Freude oder wenn Sie mit sich zufrieden waren, können Sie so festhalten; vielleicht auch einen Freiraum oder eine Pause, die Sie sich geschaffen haben. Auch einen schönen Spruch, den Sie gefunden haben, können Sie dort aufschreiben. Sie können entweder regelmäßig z. B. jeden Abend etwas eintragen oder das Freudetagebuch mitnehmen und zwischendurch Notizen machen. ABC des Wohlfühlens/Ressourcen-ABC Sammeln Sie jeden Tag zu einem anderen Buchstaben aus dem Alphabet, Dinge und Situationen, die Ihnen gut tun, an die Sie gerne denken, über die Sie sich freuen (z. B. zum Buchstaben F: Farben, Fahrradfahren, Freundin/Freund). Als Anregung sollten Sie jeden Abend einen anderen Buchstaben aussuchen und dafür 3 Ressourcen sammeln. Diese können Sie natürlich auch ins Freudetagebuch schreiben.
4
76
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4
. Abb. 4.11 Arbeitsblatt 8: Übung zu einer belastenden Situation 7 Fortsetzung nächste Seite © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
77 4.14 · Ressourcenaktivierung
. Abb. 4.11 Arbeitsblatt 8: (Fortsetzung) Übung zu einer belastenden Situation © 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: v. Wachter, M.: Chronische Schmerzen
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Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Blick auf das Gelungene richten
4
Feierabendübung Erinnern Sie sich abends an das, was Ihnen gelungen ist, worüber Sie sich gefreut haben, was Sie positiv überrascht hat, was Sie gut bewältigt haben oder womit Sie zufrieden waren. Dies ist eine gute Übung, im Alltag den Blick immer wieder auf das Gelungene und Positive zu richten, trotz bestehender Belastungen. Damit bahnen Sie auch die Ressourcennetzwerke im Gehirn (Gromes 2010). Praxistipp
Schreiben Sie die positiven und gelungenen Dinge des Tages möglichst jeden Abend in Ihr Freudetagebuch.
Ressourcen-Wohnungsgrundriss Machen Sie eine Skizze Ihrer Wohnung. Schraffieren Sie alle Bereiche in Ihren Zimmern, wo Sie Energie verlieren, und in einer anderen Farbe die Bereiche, wo Sie Kraft auftanken (Hubschmid 1983). Ist es ein Sofa, ein Platz mit Blick nach draußen, die Badewanne für ein warmes Bad oder der Platz am Ofen bzw. an der warmen Heizung, wo sie auftanken? Ist es das Arbeitszimmer oder die Küche wo Sie Energie verlieren? Möglicherweise gibt es auch Orte, die für beides stehen. Vielleicht können Sie die Bereiche zum Auftanken öfter aufsuchen oder bewusster einsetzen. Vielleicht erhalten Sie dadurch aber auch eine Anregung, etwas in der Wohnung zu verändern. Interessante Frage zur Ressourcenaktivierung ? Was möchten Sie in Ihrem Leben gern so bewahren, wie es ist? Was gefällt Ihnen an sich selbst?
79 4.15 · Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl
4.15
Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl
Therapeutische Schwerpunkte bei der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sind die Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühl, die Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Gefühlen und die Fokussierung auf Beziehungsaspekte von Schmerz (Nickel und Egle 1999). Häufig können im Verlauf einer Psychotherapie auch belastende Ereignisse, Kränkungen, Enttäuschungen und Verluste angesprochen werden und damit verbundene Gefühle ausgedrückt werden. Dadurch kann auch Entlastung erfahren werden. Alle Gefühle sind von körperlichen Reaktionen begleitet. Ärger und Wut z. B. führen in der Regel zu Muskelanspannung, vegetativen Reaktionen und oft auch zur Schmerzverstärkung. Gefühle, die mit Ausgrenzung oder Verlust verbunden sind, werden auch oft als Schmerz erlebt (7 Abschn. 2.7). In der Psychotherapie geht es darum, diesen Gefühlen einen Platz zu geben bzw. eine Ausdrucksform zu finden. Dabei können auch die Musik- und Kunsttherapie eine wichtige Rolle spielen. Wichtige Aspekte sind z. B.: 4 Bearbeitung von Enttäuschungen in Bezug auf den eigenen Körper, Enttäuschungen durch Angehörige, Enttäuschungen und Unverständnis im medizinischen System 4 Ansprechen von Ausgrenzung, Kränkungen und anderen belastenden Lebenserfahrungen 4 Hilfe bei der Verarbeitung von Verlusten und Trauerbegleitung 4 Traumatisierungen können evtl. angesprochen werden und dadurch Entlastung bewirken. ? Welche Gefühle sind bei Ihnen mit Schmerz verbunden oder haben zu einer Schmerzzunahme geführt?
Gefühle sind von körperlichen Reaktionen begleitet
4
80
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Selbstfürsorge
4
Es geht auch um das Überprüfen bisheriger Beziehungsmuster, den Umgang mit Erwartungen anderer und das Erlernen von mehr Selbstfürsorge (Nickel und Egle 2002). Nein sagen, wenn es für mich wichtig ist, auch wenn andere das nicht erfreut, kann dabei ein Thema sein. Was machen Sie, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden, und was aus eigenem Antrieb? Welche Funktion übernimmt der Schmerz möglicherweise im sozialen Umfeld? 4 Schmerzen ermöglichen die Regulierung von Nähe, Distanz und Gefühlen. 4 Schmerz kann zu Zuwendung führen. 4 Schmerz erlaubt möglicherweise eine Pause. 4 Schmerz weist auf die Stressgrenze hin. 4 Schmerzen drücken Gefühle aus. ? Was reguliert bei Ihnen der Schmerz? Hat er auch eine Funktion?
? Zu welchen Reaktionen führt er in Ihrem Umfeld?
81 4.16 · Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen
4.16
Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen
Bei der somatoformen Schmerzstörung und dem Fibromyalgiesyndrom, aber zum Teil auch bei den funktionellen Schmerzerkrankungen hat sich die Arbeit an den Bedürfnissen und Wünschen bewährt (Egle 2009). Jeder Mensch hat bestimmte Bedürfnisse. Mindestens vier Bedürfnisse sind hierbei besonders wichtig und diese werden auch Grundbedürfnisse genannt. Grundbedürfnisse 4 Orientierung und Kontrolle Bedürfnis nach Kontrollmöglichkeiten, Wunsch nach Vorhersehbarkeit, die Welt um uns verstehen wollen, uns selber verstehen wollen. 4 Soziale Beziehung Bindung an Bezugsperson, dazu gehören, Gemeinschaft, das Bedürfnis nach Nähe, Aufgehoben-Sein, VerstandenWerden, Vertrauen, Geborgenheit. 4 Selbstwert/Selbstschutz Sich selber als kompetent, wertvoll und von anderen geliebt fühlen, in einer wertschätzenden Umgebung leben können, sich schützen. 4 Lustgewinn/Unlustvermeidung Sich wohl fühlen, Freude empfinden, genießen können, bzw. unangenehme, schmerzhafte Erfahrungen vermeiden, eine optimistische Lebenseinstellung entwickeln, für sich selber sorgen.
Diese Bedürfnisse sind bei allen Menschen vorhanden. Wir streben danach, diese biologisch verankerten Grundbedürfnisse entweder zu befriedigen oder aber sie vor Verletzung zu schützen. Es gibt somit einen unterschiedlichen Umgang mit eigenen Bedürfnissen. Wir nähern uns den Grundbedürfnissen an oder wir vermeiden den Kontakt mit ihnen oder wir achten in übertriebener Art und Weise darauf, dass sie in Erfüllung gehen (Grawe 1999). Wenn in der Kindheit die Grundbedürfnisse nicht respektiert und erfüllt wurden, lernen die Betroffenen früh, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, um sich vor Enttäuschungen zu schützen. Es wird dann z. B. alles sehr genau vorausgeplant, um die Kontrolle zu behalten, man bittet nicht um Hilfe, um nicht enttäuscht zu werden, oder man leistet übertrieben viel, um beachtet zu werden (7 Abschn. 3.3.1: Schmerzen bei Erschöpfungssyndrom).
Biologisch verankerte Grundbedürfnisse
4
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Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Auch durch eine chronische Erkrankung können eigene Bedürfnisse und Wünsche zu kurz kommen. Deswegen ist es wichtig, eigene Bedürfnissen zu erkennen, ernst zu nehmen und, wo es möglich ist, auch für deren Befriedigung zu sorgen. > Wer nicht gut für sich sorgt, kann sich auch nicht um andere kümmern.
4
4 Auf welche Grundbedürfnisse achten Sie am meisten? 4 In welchen Lebensbereichen gelingt es Ihnen bereits auf Grundbedürfnisse zu achten? 4 Wo stellen Sie Ihre Bedürfnisse eher zurück? 4 Welches Grundbedürfnis ist Ihnen am wichtigsten? 4 Welche Bedürfnisse sind erfüllbar/angemessen? 4 Welche Bedürfnisse stammen noch aus der Kindheit und lassen sich nicht (mehr) realisieren? 4 Mit welchem Grundbedürfnis wollen Sie neue Erfahrungen machen? 4 Mit welchem Grundbedürfnis haben Sie z. B. in der Therapie bereits neue Erfahrungen gemacht? Auch auf die Partnerschaft lässt sich dies anwenden: 4 Welche Grundbedürfnisse können Sie Ihrem Partner zeigen? 4 Welche Grundbedürfnisse nehmen Sie bei Ihrem Partner wahr? Auf die einzelnen Bedürfnisse bezogen, sollen folgende Fragen anregen: 4 Orientierung und Kontrolle:
5 Was gibt mir Sicherheit? 5 Habe ich genug Wissen über mein Krankheitsbild? 4 Soziale Beziehung: 5 Wo wünsche ich mir mehr Nähe, wo mehr Distanz? Wie stelle ich Nähe her? Wie Distanz? 5 Wo muss ich mit weniger Zuneigung zurechtkommen? 4 Selbstwert:
5 Wo erlebe ich mich in meinen Stärken? 5 Höre ich gut hin, wenn andere mich loben? 4 Lustgewinn:
5 Wo kann ich etwas genießen? 5 Was bräuchte ich jetzt? Was tut mir jetzt gut? 5 Was kann ich für mich tun?
83 4.17 · Umgang mit Schmerzen in der Partnerschaft
? Wie gehen Sie mit Ihren Wünschen und Bedürfnissen um?
4.17
Umgang mit Schmerzen in der Partnerschaft
Wichtig ist eine gewisse Balance im Umgang mit der Erkrankung. Damit die Zuwendung des Partners für den Betroffenen nicht zur Symptomverstärkung führt, ist es bedeutsam, Partner oder Angehörige zu ermuntern, ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge von einem aktiven Schmerzbewältigungsverhalten des Betroffenen abhängig zu machen. Die Entlastung des Patienten durch die Angehörigen mag zwar zu Entspannung und weniger schmerzauslösenden Tätigkeiten führen, sie kann aber auch vermehrtes Schonverhalten, Verlust von Selbstwertgefühl und sozialen Rückzug begünstigen. Dadurch wird wiederum der Schmerz stärker empfunden bzw. die Chronifizierung verstärkt. Wenn in der Partnerschaft trotz Schmerzen etwas gemeinsam unternommen wird, kann der Partner Zuwendung und Lob geben. Anerkennung vermitteln für das, was jeder leistet, um die Krankheit besser zu bewältigen, ist wichtig. Der Partner kann auch darauf achten, dass Pausen eingehalten werden. Ein ausgewogener Umgang mit der Symptomatik bedeutet, einerseits auf die Anforderungen, die die Krankheit mit sich bringt, angemessen einzugehen, und gleichzeitig partnerschaftlich-familiäre Lebensziele aktiv weiterzuentwickeln.
Lob, wenn trotz Schmerzen etwas gemeinsam unternommen wird
4
84
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.17.1
Paar- und Familiengespräche
Bezüglich der Partnerschaft oder der Familie stehen Fragen im Vordergrund, die die Art des Umgangs mit der chronischen Schmerzkrankheit im familiären Umfeld betreffen (von Wachter 2003).
4
Fragen zu Partnerschaft und Familie 4 Welche Veränderungen in der Familie haben sich durch die Schmerzen ergeben? 4 Wie wirkt sich die Krankheit auf die einzelnen Familienmitglieder aus? 4 Wer reagiert wie auf den Schmerz? 4 Wie kann Ihre Familie dennoch Entlastung finden und sich gegenseitig unterstützen? 4 Wie kann trotz der Schmerzen wieder mehr Normalität in der Familie möglich sein? 4 Was hat sich seit dem Beginn der Schmerzerkrankung in den Beziehungen verändert? 4 Werden Ihnen die Schmerzen vom Partner geglaubt, nimmt er Ihnen alles ab und schont er Sie übermäßig oder ignoriert er die Schmerzen? 4 Lassen Sie sich vom Partner stoppen, wenn er auf das Einhalten der Pausen achtet oder wenn Sie sich überfordern? Woran würde Ihr Partner merken, dass sich der Schmerz 4 auf der Skala von 6 nach 4 gebessert hat? 4 Gibt es Anerkennung, wenn Sie trotz der Schmerzen etwas unternommen haben? 4 Wie können Bedürfnisse geäußert werden? 4 Wie können Nähe und Distanz anders als über Schmerzen reguliert werden? 4 Was würde sich in der Familie ändern, wenn der Schmerz auf einmal weg wäre?
Praxistipp
Schauen Sie mit Ihrem Partner die beiden Schmerzfilme auf der DVD »Die Seele schweigt – der Körper spricht« oder im Internet an (7 Anhang).
85 4.18 · Medikamente
4.18
Medikamente
Nicht jedes Schmerzmittel wirkt bei jeder Schmerzerkrankung. Die Wirkung ist nicht nur abhängig von der Erkrankung, sondern auch individuell sehr unterschiedlich. Eine Verordnung von Schmerzmedikamenten (Analgetika) findet manchmal auch aus Hilflosigkeit und ohne Prüfung ihrer Wirkung statt. Die Einnahme dieser Medikamente kann außerdem zu Nebenwirkungen führen. Deswegen ist es nicht nur am Anfang der Schmerztherapie wichtig, die Wirksamkeit der eingesetzten Medikamente zu überprüfen. In bestimmten Abständen können Reduktionsversuche sinnvoll sein. Im stationären Bereich fällt dies unter Umständen leichter als im ambulanten Bereich. Denn die Vorstellung, mit weniger Schmerzmittel leben zu sollen, macht oft Angst. Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln ist nur gerechtfertigt bei einer deutlichen und dauerhaften Schmerzreduktion auf der Schmerzskala, sonst überwiegen die Nachteile durch die mit der Medikamenteneinnahme verbundenen Nebenwirkungen. Eine Absenkung von 9 auf 5 oder von 6 auf 4 auf der Schmerzskala wäre z. B. eine solche deutliche Schmerzlinderung. Entsprechend sollten Sie bei jeder Schmerzmittelumstellung vorübergehend wieder ein Schmerztagebuch führen. Die Wirksamkeit der verschiedenen Schmerzmittel ist individuell sehr unterschiedlich und daher auch die benötigte Dosis.
4.18.1
4
Schmerzmittel
Bei den Schmerzmedikamenten unterscheidet man Nicht-OpioidAnalgetika und Opioid-Analgetika (ähnlich dem Opium). Sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind entzündungshemmend und gehören zu den Nicht-Opioid-Analgetika. Früher ging man davon aus, dass die Opioide bei chronischen Schmerzen deutlich stärker wirken als die Nicht-Opioid-Analgetika. Heute weiß man, dass diese Abstufung nur noch für akute Schmerzen und Tumorschmerzen gilt. Bei nicht-tumorbedingten chronischen Schmerzzuständen gibt es keine großen nachgewiesenen Unterschiede in der Wirksamkeit dieser Gruppen. Gerade bei den Opioiden ist die Wirksamkeit über vier Monate hinaus nicht wissenschaftlich gesichert und birgt bei längerer Einnahme in Einzelfällen die Gefahr einer Erhöhung der zentralen Schmerzempfindlichkeit. Deshalb ist es besonders wichtig zu überprüfen, ob die Wirkung eines Opioids die Einnahme noch rechtfertigt (Streltzer
Regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln nur gerechtfertigt bei deutlicher und dauerhafter Schmerzreduktion
86
4
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
Maximal an 10 Tagen/Monat Kopfschmerzmittel einnehmen
u. Linden 2008). Bei richtiger Indikation und kritischer ärztlicher Überwachung der Wirksamkeit können Opioide aber durchaus sinnvoll sein. Auch bei Kopfschmerzen wissen wir heute, dass es ab 10 Einnahmetagen von Schmerzmitteln pro Monat zu einer Verstärkung von Kopfschmerzen kommen kann. Dies ist sowohl unabhängig von der einzelnen Dosis als auch vom Grund der Einnahme, also auch z. B. bei Arthrose. Deswegen gilt bei Kopfschmerzen die Regel: Maximal an 10 Tagen pro Monat Kopfschmerzmittel einnehmen und nicht länger als 3 Tage in Folge. Bei Schmerzen durch erhöhte Schmerzwahrnehmung im zentralen Nervensystem und bei Nervenschmerzen werden auch sogenannte Koanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva) eingesetzt. > Die folgenden Angaben sind nicht vollständig und ersetzen keine ärztliche Aufklärung über Medikamente. Fragen Sie Ihren Arzt nach Wirkung, Dosis und Nebenwirkungen der Medikamente.
Nicht-Opioid-Analgetika Acetylsalicylsäure Acetylsalicylsäure ist schmerz- und fiebersenkend sowie entzündungshemmend. Die Blutgerinnung wird verlängert. Als Nebenwirkung sollte vor allem auf Magenbeschwerden geachtet werden. Paracetamol Bei Paracetamol muss unbedingt auf Einhaltung der nicht zu überschreitenden Tagesdosis geachtet werden, sonst können schwere Leberschäden auftreten. Es spielt eher bei akuten als bei chronischen Schmerzen eine Rolle. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Ibuprofen, Diclofenac,
Naproxen und Indometacin: Diese werden zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (Arthritis), bei Rückenschmerzen und bei der Behandlung von Schmerzen durch degenerative Veränderungen (Arthrose) eingesetzt. Als Nebenwirkung sind vor allem Magenbeschwerden bis hin zur Magen-Darm-Blutung zu beachten. Letztere erkennt man zum Teil an Oberbauchschmerzen, schwarzem Stuhl (Teerstuhl) und Bluterbrechen. Daher ist zumindest in der Dauertherapie immer eine Magenschutzmedikation erforderlich. Bei längerer Einnahme können NSAR einen Herzinfarkt begünstigen. Bei hohen Dosen können Nierenschäden auftreten.
87 4.18 · Medikamente
Eine Weiterentwicklung der NSAR sind die sogenannten Coxibe (Cox-2-Hemmer). Metamizol Metamizol wirkt krampflösend z. B. bei Gallenkolik. Nebenwirkungen sind Schwitzen und eine sehr seltene Blutbildveränderung (Agranulozytose). Flupirtin Flupirtin sollte bei Schmerzen nur begrenzte Zeit unter
Kontrolle der Leberwerte eingenommen werden. Triptane Triptane werden nur bei Migräne gegeben. > Bei allen Nicht-Opioid-Analgetika müssen die Höchstdosen unbedingt beachtet werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Die Höchstdosen sind inzwischen reduziert worden, deshalb sollten Sie auch bei den frei verkäuflichen Medikamenten mit Ihrem Arzt Rücksprache halten. Präparate mit mehreren Wirkstoffen werden nicht empfohlen.
Opioid-Analgetika Schwache Opioid-Analgetika Tramadol und Tilidin/Naloxon. Starke Opioid-Analgetika Morphin und Morphinverwandte: Diese gibt es auch als Schmerzpflaster. Bei den Opioid-Analgetika besteht ein hohes in der Regel nur körperliches Abhängigkeitspotential. Da es zur körperlichen Gewöhnung kommt, dürfen sie nicht abrupt abgesetzt werden. Sie sind nicht für Kopfschmerzen, funktionelle und somatoforme Schmerzstörungen geeignet, sondern werden hauptsächlich bei Tumorschmerzen und zum Teil auch bei Schmerzen in Folge eindeutiger körperlicher Schädigung eingesetzt sowie bei akuten Schmerzen nach Operation. Bei Schmerzpatienten mit einer zusätzlichen psychischen Erkrankung (z. B. Depression oder Angsterkrankung) muss die Indikation für ein Opioid genau überprüft werden. > Bei allen Opioid-Analgetika muss man als Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Juckreiz, Schwitzen und Verstopfung beachten.
Opioid-Analgetika werden in der Regel mit Nicht-Opioid-Analgetika kombiniert, um die Dosis so gering wie möglich zu halten.
4
88
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.18.2 Viele Schmerzpatienten wundern sich, warum sie ein Antidepressivum verschrieben bekommen
4
Antidepressiva bei Schmerz
Trizyklische Antidepressiva wie z. B. Amitriptylin, Doxepin, Clomipramin und Imipramin Viele Schmerzpatienten wundern sich, warum sie ein Antidepressivum verschrieben bekommen, wo sie doch Schmerzen haben und keine Depression. Amitriptylin z. B. ist in einer normalen Dosierung ein Antidepressivum (ein Medikament gegen Depressionen). Bei der Behandlung chronischer Schmerzerkrankungen wird es jedoch in geringeren Dosen eingesetzt. Es wirkt dann »nur« noch schlafanstoßend, schmerzlindernd und entspannend, aber nicht mehr gegen Depressionen. Bei vielen chronischen Schmerzerkrankungen liegt im Zentralnervensystem eine verminderte Konzentration des Botenstoffes Serotonin vor. Antidepressiva erhöhen die Konzentration dieses Stoffes im Gehirn wieder. Die genannten trizyklischen Antidepressiva hemmen so die Schmerzen und heben die Schmerzschwelle. So erklärt man sich die positiven Effekte auch auf einige andere Beschwerden beim chronischen Schmerz und beim Fibromyalgiesyndrom (vegetative Beschwerden wie Schwitzen, innere Unruhe, Schlafstörung etc.). Sie können in der Behandlung der Schmerzsymptomatik und der Schlafstörungen beim Fibromyalgiesyndrom zeitlich begrenzt unter Überprüfung der Wirksamkeit eingesetzt werden. Sie kommen auch zum Einsatz bei der Behandlung von brennenden Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen, z. B. nach Gürtelrose oder bei der Polyneuropathie). Bei chronischen Kopfschmerzen verringern sie die Häufigkeit und Dauer von Kopfschmerzen. Wenn Sie sich zur Einnahme eines dieser Medikamente entschließen, sollten Sie Folgendes beachten. Begonnen wird in der Regel mit einer niedrigen Dosierung und dann langsam gesteigert nach Verträglichkeit. Um die Wirksamkeit des Medikaments bei Ihnen zu überprüfen, müssen Sie z. B. Amitriptylin mindestens für 3 Wochen regelmäßig vor dem Zubettgehen einnehmen (vor 20.00 Uhr), denn erst nach ca. 2–3 Wochen entfaltet es seine Wirkung. Wenn es dann keine Wirkung zeigt, besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob Sie die Dosis erhöhen oder es wieder ausschleichen sollten. Auch über Nebenwirkungen sollten Sie ausreichend informiert sein. Die häufigste Nebenwirkung ist Mundtrockenheit, die fast bei jedem damit behandelten Patienten auftritt. Seltener kann es zu Verminderung des Blutdruckes kommen mit Schwindel und Benommenheit, zu Verstopfung, Sehstörung oder Schwitzen. Diese Nebenwirkungen werden im Laufe der Behandlung aber geringer
89 4.18 · Medikamente
und bilden sich wieder zurück, sobald das Medikament abgesetzt wird. Es kann auch zu einer Gewichtszunahme, zu verstärkter Müdigkeit, sexuellen Funktionsstörungen oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen kommen. Wenn diese auftreten, fragen Sie unbedingt bei Ihrem Arzt nach. Wenn Sie ein Glaukom, eine Prostatavergrößerung oder Herzrhythmusstörungen haben, sollten Sie Ihren Arzt darauf ansprechen. Für Amitriptylin gibt es die meisten Wirksamkeitsnachweise für Schmerzen. Bei einer zusätzlichen Depression kommen auch die sog. Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) zum Einsatz, die aber nicht direkt auf den Schmerz wirken. Von den neueren Antidepressiva wird Duloxetin bei neuropathischen Schmerzen und Depression eingesetzt.
4.18.3
Antikonvulsiva bei Schmerz
Gabapentin, Pregabalin, bei Trigeminusneuralgie auch Carbamazepin Antikonvulsiva sind Medikamente, die bei Krampfanfällen gegeben werden. Sie senken zum Teil auch die Schmerzempfindlichkeit. Sie werden zur Reduktion von elektrisierenden, einschießenden Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen, Schmerzen z. B. nach Gürtelrose oder bei der Polyneuropathie) eingesetzt. Pregabalin mindert Ängste sowie Befürchtungen (generalisierte Angststörung) und reduziert die Beschwerden bei einem kleinen Teil der Patienten mit Fibromyalgiesyndrom. Es hat für letzteres aber keine offizielle Zulassung in Deutschland. Die Dosis wird über einige Wochen eingeschlichen und ggf. wieder ausgeschlichen. Die Wirkung zeigt sich erst nach 2 Wochen (bei Pregabalin nach einigen Tagen). Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Schwindel, MagenDarm-Beschwerden, Blähungen, Gewichtszunahme und Wassereinlagerungen (Ödeme). Bei Pregabalin ist in Einzelfällen ein Missbrauchspotential beschrieben worden, so dass dies nicht dauerhaft bei Suchterkrankungen in der Vorgeschichte gegeben werden sollte.
4
90
Kapitel 4 · Behandlung chronischer Schmerzen
4.18.4
4
Schmerzmittel bei chronischem Rückenschmerz
In der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz werden für die Behandlung von unspezifischen chronischen Rückenschmerzen Empfehlungen ausgesprochen, deren Wirkung sich wissenschaftlich nachweisen lässt (Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz 2010). In Einzelfällen können aber auch davon abweichende Behandlungsansätze sinnvoll sein. Die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz empfiehlt: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Sie sollen nur in der
niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurzzeitig wie möglich eingenommen werden. Sie sollen nicht als Spritze verabreicht werden. Bei Magenproblemen wird eine Prophylaxe mit Säureblockern (Magenschutzmittel) empfohlen. Paracetamol Paracetamol kann kurzzeitig und in möglichst nied-
riger Dosis eingenommen werden. Metamizol Metamizol ist zugelassen für die Behandlung chro-
nischer starker Schmerzen, wenn andere Analgetika nicht eingesetzt werden können. Die Wirksamkeit bei der Behandlung von Kreuzschmerz wurde bisher aber nicht untersucht. Flupirtin Flupirtin wird nicht mehr generell empfohlen, da einer
geringen Wirksamkeit leberschädliche Nebenwirkungen gegenüberstehen. Muskelrelaxanzien Bei Muskelrelaxanzien, wie z. B. Tetrazepam,
ist es fraglich, ob sie wirksam sind. Sie sollen wegen des Suchtrisikos max. nur 2 Wochen gegeben werden. Antidepressiva Bestimmte Antidepressiva können als Nebenme-
dikation im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes zur Schmerzlinderung bei chronischen Rückenschmerzen eingesetzt werden. Hier sollten die Nebenwirkungen beachtet werden. Antikonvulsiva Antikonvulsiva werden nicht empfohlen. Spritzen, Pflaster oder Infusionen Schmerzmittel und Glukokor-
tikoide als Spritzen, Pflaster oder Infusionen werden nicht empfohlen.
91 4.18 · Medikamente
Opioide Opioide sind umstritten, da die Schmerzreduktion bei
Rückenschmerzen gering ist. In Ausnahmefällen und nur im Rahmen multimodaler Behandlungskonzepte und bei fehlendem Ansprechen auf o. g. Schmerzmittel können sie eingesetzt werden. Eine Überprüfung der Opioidtherapie nach spätestens 4 Wochen und 3 Monaten ist verpflichtend. Tritt die gewünschte Schmerzlinderung bzw. Funktionsverbesserung nicht ein, ist die Opioidtherapie wieder auszuschleichen. Wenn Opioide zum Einsatz kommen, sind zur Reduktion des Suchtrisikos Opioide mit langsamem Wirkungseintritt (retard) den schnell wirksamen Opioiden unbedingt vorzuziehen. Wissenswertes auf einen Blick 4 Je realistischer Sie Ihre Ziele zu Beginn der Therapie formulieren, desto besser. 4 Individuelle Schmerzbewältigungsstrategien geben einem die Sicherheit, selbst etwas tun zu können. 4 Bei stärksten Schmerzen lautet das geeignete therapeutische Verfahren: Akzeptieren. 4 Entspannungsverfahren bewirken eine Senkung der Empfindlichkeit für Schmerzreize und eine Aktivierung der Schmerzhemmung im Gehirn. 4 Bei allem gilt: Nicht jede Übung bzw. jedes Verfahren tut allen gleich gut. 4 Bei chronischen Schmerzen wird heute nicht mehr alleinige Schonung, sondern körperliche Aktivierung verbunden mit Regenerationspausen empfohlen. 4 Eigene Stärken und Ressourcen im Blick behalten erhöht die Lebensqualität. 4 Mit dem Schmerz verbundene Gefühle ausdrücken kann Entlastung bringen.
4
5
Literatur
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
94
5
Kapitel 5 · Literatur
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Anhang A Verzeichnis der Arbeitsblätter B Selbsthilfegruppen C Empfehlungen
– 98
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– 99
D Adressen und Internetlinks
– 103
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
98
Anhang
A Verzeichnis der Arbeitsblätter 4 4 4 4 4
Arbeitsblatt 1: Zielebogen (. Abb. 4.1) Arbeitsblatt 2: Schmerztagebuch (. Abb. 4.2) Arbeitsblatt 3: Schmerzbewältigungsstrategien (. Abb. 4.3) Arbeitsblatt 4: Krankheit und Gesundheit (. Abb. 4.4) Arbeitsblatt 5: Belastungsgrenzen – Wie erkenne ich Belastungsgrenzen? (. Abb. 4.6) 4 Arbeitsblatt 6: Anspruch an mich selbst (. Abb. 4.7) 4 Arbeitsblatt 7: Meine Auszeit – Pausenmanagement (. Abb. 4.10) 4 Arbeitsblatt 8: Übung zu einer belastenden Situation (. Abb. 4.11) Diese Arbeitsblätter finden Sie auch im Internet unter http://www. schmerzen-bewaeltigen.de.
B Selbsthilfegruppen Gerade bei chronischen Erkrankungen, wenn es nicht um Heilung, sondern um Begleitung geht, können Selbsthilfegruppen eine wertvolle Unterstützung sein. Der Austausch unter Betroffenen und gegenseitige emotionale Unterstützung geben einem das Gefühl, nicht allein zu sein, und reduzieren so die krankheitsbedingte Einsamkeit. Insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen profitieren in Selbsthilfegruppen erwiesenermaßen von den Erfahrungen, die andere im Zuge ihrer medizinischen Behandlung und Krankheitsbewältigung gemacht haben. Es macht auch Mut von anderen Betroffenen zu hören, dass es besser werden kann. Ziel der Selbsthilfe ist Hilfe bei der Bewältigung der schwierigen Lebenssituation durch Informations- und Erfahrungsaustausch. In den Selbsthilfegruppen geht es nicht nur um Krankheit, sondern um Bewältigung und letztendlich auch um die Aktivierung von Ressourcen. In vielen Städten und Landkreisen gibt es eine Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS). jDeutsches Grünes Kreuz e.V. (DGK)
Das DGK beschäftigt sich mit chronischen Schmerzsyndromen, ihrer Prävention, Diagnostik und Therapie. Im »Forum Schmerz« finden Sie eine Liste für Selbsthilfegruppen.
99 C · Empfehlungen
Schuhmarkt 4 35037 Marburg Tel.: 06421/293-0 Fax: 06421/22910 Internet: http://www.dgk.de jNAKOS
Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen Wilmersdorfer Str. 39 10627 Berlin Tel.: 030/31 01 89 60 Fax: 030/31 01 89 70 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.nakos.de jDeutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.
Die Rheuma-Liga bietet zum Teil auch Selbsthilfegruppen für Patienten mit Fibromyalgiesyndrom an. Maximilianstraße 14 53111 Bonn Tel.: 0228/76 60 60 Internet: http://www.rheuma-liga.de
C Empfehlungen Buch jFreundschaft mit dem eigenen Körper schließen – Über den Umgang mit psychosomatischen Schmerzen
Hanne Seemann. Leben lernen 115, Pfeiffer Verlag 2009 Der Schwerpunkt liegt auf chronischen Schmerzen ohne Organbefund. Die Verbesserung der »Kommunikation« zwischen Körper und Ich steht im Zentrum des therapeutischen Ansatzes. Wie man auf Schmerzen hört und Warnsignale früher erkennt, zeigt die Autorin an vielen Beispielen aus der Praxis. Mit Anleitungen für den Einsatz von Geschichten, Tranceinduktion, Entspannungsübungen. jSchmerz verstehen
David S. Butler und G. Lorimer Moseley, Springer Verlag 2005 Rückenschmerz und Pacing d. h. stufenweise Steigerung der Belastbarkeit wird gut erklärt. Schwerpunkt ist die Physiotherapie.
100
Anhang
jSchmerzen verlernen
Jutta Richter. Springer Verlag 2011 Psychologische Faktoren, wie Stress, Ängste und Emotionen können Schmerzen auslösen, aufrechterhalten oder verstärken. – Und sie können dazu führen, dass »Schmerz« gelernt wird. Dieser Prozess ist umkehrbar, wobei verschiedene anerkannte Verfahren aus der psychologischen Schmerztherapie hilfreich sind, z. B. Entspannungsübungen, positive Selbstinstruktion, Achtsamkeitsumlenkung, Übungen zum Stressmanagement. Das Werk stellt diese Verfahren vor und zeigt anhand von über 30 Übungen, wie diese konkret durchgeführt werden können. jErfolgreich gegen Kopfschmerzen und Migräne
Hartmut Göbel, Springer Verlag 2010 Der Leser wird ausführlich über die einzelnen Formen von Kopfschmerzen unterrichtet und erhält Hinweise zur Behandlung, die sich keineswegs auf Medikamente beschränken muss. In einem eigenen Kapitel stellt Göbel unkonventionelle Behandlungsverfahren vor, wobei er sich um eine vorurteilsfreie, aber kritische Bewertung bemüht. Ein großer Serviceteil mit Adressen, praktischen Hinweisen, dem »Kieler Kopfschmerzfragebogen« und einer Beschreibung der wichtigsten Medikamente rundet das Kopfschmerzbuch ab. jErfolgreich gegen Depression und Angst
Dietmar Hansch, Springer Verlag 2011 Mit einführendem Hörbuch zum kostenlosen Download unter http://www.hoeren.psychosynergetik.de Hilfe zur Selbsthilfe bei Depression und Angst: Ursachen und Eskalationsmechanismen bei Depression, Burnout, Angst- und Panikstörung werden erklärt. Schritt für Schritt die Eskalation unterbrechen, Energie gewinnen, die Ausgangsprobleme lösen. Ausführliche und umsetzbare Aufgabenstellungen, die helfen, die gesamte Lebenssituation zu optimieren. Im Rahmen einer ganzheitlichen Lebenskunst das Gesunde fördern und die Stärken stärken. Geeignet auch als Begleitmaterial für Psychotherapie. jImagination als heilsame Kraft. Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren
Luise Reddemann Pfeiffer, Klett-Cotta 2001 Viele Imaginationsübungen bei der Behandlung von Traumafolgen
101 C · Empfehlungen
jDer innere Garten. Ein achtsamer Weg zur persönlichen Veränderung
Michaela Huber, Junfermann Verlag 2005 Viele Imaginationsübungen, Buch mit CD jPatienten-Leitlinie Fibromyalgie der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
http://www.awmf.org
Film Die passende Psychoedukation »Chronische Schmerzerkrankungen« vom Autor finden Sie als Film im Internet auf der Website der Klink unter http://www.schmerzpsychoedukation.de. Die zum Buch passende DVD vom Autor: jDie Seele schweigt – der Körper spricht. Psychosomatische Erkrankungen und ihre Behandlung Martin v. Wachter und Askan Hendrischke. Auditorium Netzwerk/Jokers Verlag 2009
Wie beeinflussen sich Psyche und Körper gegenseitig? In sechs Vorträgen werden typische psychosomatische Krankheitsbilder vorgestellt: Burn-out-Syndrom – Psychosomatische Körperbeschwerden – Chronische Schmerzkrankheiten – Schlafstörungen – Trauma-Folgestörungen – Krankheit und ihre Bewältigung in Familie und Partnerschaft. Gut verständlich werden komplexe Zusammenhänge zwischen seelischen, körperlichen und sozialen Faktoren erklärt. Dabei werden moderne Aspekte der Hirnforschung ebenso wie konkrete Behandlungsmöglichkeiten berücksichtigt. Dazu erläutern die Autoren praktische psychotherapeutische Techniken, die auch im vorliegenden Buch beschrieben sind, wie Ressourcenaktivierung, Schmerzbewältigungstraining, Ablenkungsübungen, Gedankenstoppübung sowie Differenzierung zwischen Schmerz und Gefühlen. jPlanet Wissen Psychosomatik – Wenn die Seele krank macht
Dokumentation über körperliche Beschwerden, ohne dass Ärzte eine eindeutige organische Ursache finden. Heutige medizinische und wissenschaftliche Sicht des Zusammenhangs zwischen Seele und Körper. Prof. Dr. U.T. Egle, erklärt im Studio, welche Erkrankungen heute als psychosomatische Erkrankungen gelten. Herr Dipl. Psych. B. Kappis erklärt und demonstriert Biofeedback im Film. Dauer 58 min. Diesen Film können Sie beim SWR Mitschnittservice erwerben. Tel.: 07221/929-500, E-Mailadresse:
[email protected] 102
Anhang
jDem Schmerz auf der Spur – Ursachen und Therapiemöglichkeiten
In der Dokumentation »Dem Schmerz auf der Spur« von Antje Schmidt geben Experten Antwort auf die Frage, warum sich der Schmerz verselbstständigt. Neue Ergebnisse der Schmerzforschung werden vorgestellt. Die Dokumentation stellt Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, vor und zeigt die Bemühungen von Wissenschaftlern und Medizinern, den Ursachen auf die Spur zu kommen und Therapiemöglichkeiten zu entwickeln. Dauer: 45 min. Diesen Film können Sie beim NDR-Mitschnittservice erwerben. Tel.: 01805 117771, E-Mailadresse: infomitschnittservice@ ndr.de jDas Fibromyalgiesyndrom – Schritte zur Heilung
Ein Film für Betroffene und Interessierte Die Rheuma-Liga Baden-Württemberg hat in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Weiss einen Film über das Fibromyalgiesyndrom gedreht. Er zeigt den Weg einer Betroffenen. Die Doppel-DVD enthält auch zwei Stunden interessante Interviews mit Experten aus Medizin und Forschung. Dieser Film ist in der Geschäftsstelle der Rheuma-Liga BadenWürttemberg erhältlich: http://www.rheuma-liga-bw.de, 76646 Bruchsal, Kaiserstr.18, Tel.: 0 72 51/91 62-0, Fax: 0 72 51/ 91 62-62
CD und Podcast Diese CDs und Podcasts enthalten die genannten Entspannungsund Imaginationsübungen: 4 Imagination als heilsame Kraft, L. Reddemann, Pfeiffer Verlag 4 Der innere Garten. Ein achtsamer Weg zur persönlichen Veränderung. M. Huber, Junfermann Verlag (Imaginationsübungen, Buch mit CD) 4 Rosinenmethode, Achtsamkeitsübungen, C. Derra, Trias Verlag 4 Autogenes Training & Progressive Muskelentspannung. Doppelt stark gegen Stress. Extra: Mit 3 Kurzübungen für zwischendurch, C. Derra, Trias Verlag 4 »Ziele erreichen« Autogenes Training für Könner. C. Derra, Trias Verlag (Leitsatzbildung im AT am Beispiel eines Schmerzpatienten) 4 Sounder-sleep-System™, Selbsthilfe bei Schlafstörungen, Entspannungs- und Einschlafübungen, http://www.soundersleep. com/deutsch 4 Entspannungs- und Imaginationsübung als Podcasts zum Anhören unter http://www.schmerzen-bewaeltigen.de
103 D · Adressen und Internetlinks
D Adressen und Internetlinks Adressen Auf der Klinikseite des Autors finden Sie weitere Informationen, Podcasts, Vorträge und zwei passende Filme zum Thema chronische Schmerzen: Internet: http://www.schmerzpsychoedukation.de jDeutsche Schmerzhilfe e.V.
Sietwende 20 21720 Grünendeich Tel.: 04142/81 04 34 Fax: 04142/81 04 35 Internet: http://www.schmerzhilfe.de Hilfe und Unterstützung, Beratung und Infomaterial, Vereinszeitschrift jDeutsche Schmerzliga e. V.
Adenauerallee 18 61440 Oberursel Tel.: 0700/375 375 375 Fax: 06171/286088 Internet: http://www.schmerzliga.de Vielfältige Informationen rund um den Schmerz, Bewegungs- und Schmerztagebücher zum Download. Mitgliederzeitschrift. Regionale Selbsthilfegruppen arbeiten unter dem Dach der Deutschen Schmerzliga zusammen. jDeutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.
Maximilianstraße 14 53111 Bonn Tel.: +49(0)228 - 76 60 60 Internet: http://www.rheuma-liga.de Vielfältige Informationen rund um Rheuma und Schmerz, die Rheuma-Liga bietet überall Funktionstraining in Gruppen an. Eine Mitgliederzeitschrift kann bestellt werden.
Internetlinks jInterdisziplinäre Gesellschaft für Psychosomatische Schmerztherapie
http://www.igps-schmerz.de (IGPS) Die IGPS ist eine Fachgesellschaft für Psychosomatische Schmerzbehandlung.
104
Anhang
jDeutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)
http://www.dgss.org Die DGSS ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft für Schmerzärzte. jDeutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie e. V. (DIVS)
http://www.divs.info jDeutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
http://www.dmkg.de Die DMKG ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft für den Kopfschmerz. Dort finden Sie die aktuellen Therapieempfehlungen und Merkblätter für Betroffene. jDeutsche Gesellschaft für Biofeedback
http://www.dgbfb.de Informationen, Anwendungsgebiete und Therapeutenliste jSchmerzklinik Kiel
http://www.schmerzklinik.de Informationen zu Kopfschmerzen, Checklisten, Tagebücher jImaginationsübungen
http://www.ludwig-ulrike.de/doc/artikel/imaginationhp.html jViele Informationen und Hörbeiträge zu Angst, Depression und Psychosomatik von Dr. Mück
http://www.dr-mueck.de und http://www.psychoton.de
Stichwortverzeichnis
M. von Wachter, Chronische Schmerzen, DOI 10.1007/978-3-642-19613-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
106
Stichwortverzeichnis
A
G
O
Akzeptanz 47 Allodynie 8 Angst-Vermeidungs-Verhalten 23 Anspruch 58 Antidepressiva 88 Antikonvulsiva 89 Antirheumatika, nichtsteroidale (NSAR) 85 Arbeitsplatz 23 Arthrose 18 Aufmerksamkeitslenkung 7, 54 Autogenes Training 51
Gate-control-Theorie 6 Gedankenstopp-Übung 70 Gefühle 9, 79 Gesichts- und Kieferschmerz 26 Grundbedürfnisse 81 Gürtelrose 19
Opioid-Analgetika 85
B Bahnen, schmerzhemmende 6 Bahnung 8 Bandscheibenvorfall 23 Belastungsgrenzen 55 Belastungsstörung, posttraumatische 30 Bewegungsübungen 62 Bio-psycho-soziales Modell 9 Biofeedback 53
D Degenerative Veränderungen 19 Depression 19, 27 Dysfunktion, kraniomandibuläre 26
H Hyperalgesie 8
I Imaginationsübungen 54 Inaktivität, körperliche 19
K Katastrophisieren 10 Kopfschmerzen 20, 86 Kopfschmerzmittel 86 Kraftquellen 72 Kreuzschmerz 23, 90
L Lebensqualität, Verlust der 19
P Paar- und Familiengespräch 84 Pacing 65 Partner 15 Pausenmanagement 66 Polyneuropathie 19 Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PME) 51
R Reizdarmsyndrom 21 Reiz-Reaktions-Konzept 5 Reiz-Reaktions-Schema 15 Ressourcen – ABC 75 – Aktivierung von 72 – Äußere 72 – Innere 72 – Wohnungsgrundriss 78 Rheuma 19 Risikofaktoren – für Chronifizierung 10 Rückenschmerzen 23 – spezifische 23 – unspezifische 23 – unspezifische chronische 24 Rückzug, sozialer 15, 19
M E Entspannungsverfahren 43, 51 Erkrankung, psychische 27 Erschöpfungssyndrom 29
Mobbing 10, 22 Muskelentspannung – Übungen 27 – Muskulatur 21 – Multimodale Behandlung 36
F
N
Familie 15 Feierabendübung 78 Fibromyalgiesyndrom 24, 81 Folgen, psychosoziale 14 Freudetagebuch 75 Funktionstraining 63
Nationale Versorgungsleitlinien Kreuzschmerz 90 Neuroplastizität 8 Nicht-Opioid-Analgetika 85
S Schmerz – akuter versus chronischer 5 – als Begleitsymptom 19 – als Begleitsymptom, Beispiele 19 – Chronifizierung von 4 – Definition 4 – neuropathischer 19 – nozizeptiver 19 Schmerzbewältigungsstrategien 43 – Beispiel 46 Schmerzen und Partnerschaft 83
107 Stichwortverzeichnis
Schmerzerkrankungen – Einteilung 18 Schmerzgedächtnis 8 Schmerzhemmung 6 Schmerzkrankheit 4 Schmerzmedikamente 85 – bei chronischem Rückenschmerz 90 Schmerzrezeptoren 6 Schmerzstörung – funktionelle 21 – funktionelle, Hauptgruppe 21 – somatoforme 27 Schmerzstörung, somatoforme 81 Schmerztagebuch 39 Schmerztherapie, multimodale 35 Schmerzverarbeitung – neuronale 6 Schmerz versus Gefühl 79 Schmerzwahrnehmung 7 Selbstanweisungen 70 Selbstfürsorge 80 Selbstwertgefühl 15 Serotoninwiederaufnahmehemmer 89 Stressbewältigung 51 – alternative Strategien 22 Stressgrenze 65
T Temporomandibuläre Störung 26 Teufelskreis 12, 21 Therapieziele 37 Trauma 30 Traumafolgestörung 27 Trigeminusneuralgie 19 Trizyklisches Antidepressiva 88
V Vegetatives Nervensystem 21
Z Ziele 37
A–Z