Karin Dollhausen, Ekkehard Nuissl von Rein (Hrsg.) Bildungseinrichtungen als „lernende Organisationen“?
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Karin Dollhausen, Ekkehard Nuissl von Rein (Hrsg.) Bildungseinrichtungen als „lernende Organisationen“?
SOZIALWISSENSCHAFT
Karin Dollhausen, Ekkehard Nuissl von Rein (Hrsg.)
Bildungseinrichtungen als „lernende Organisationen“? Befunde aus der Weiterbildung
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Juli 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Dr. Tatjana Rollnik-Manke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-6042-5
Inhalt
Karin Dollhausen Einführung: „Lernende Organisation“ als Bezugspunkt der erwachsenenpädagogischen Organisationsforschung? ..................................1 Ekkehard Nuissl von Rein Das „Lernen“ pädagogischer Organisationen: Eine Reflexion ......................17 Johannes F. Hartkemeyer Die Unterscheidung der „Lernenden Organisation“: Generierung alternativer Sichtweisen .................................................................................29 Anne Schlüter Die "Lernende Organisation" als mentales Modell für die Personalund Organisationsentwicklung von Weiterbildungseinrichtungen ............41 Peter Faulstich Jenseits der „Lernenden Organisation“: Menschliches Lernen als Entwicklungsimpuls der Weiterbildung ...................................................57 Stephan Dietrich Die – selbstgesteuert – lernende Organisation: Organisatorische Implikationen des selbstgesteuerten Lernens der Mitarbeiter/innen ............75 Dieter Gnahs Zielsetzung „Lernende Organisation“: Qualitätsmanagement als Lernanstoß für Weiterbildungseinrichtungen ..........................................99 Ingrid Schöll Technikeinsatz in Volkshochschulen als Impuls zur Entwicklung der „Lernenden Organisation“ .....................................................................117 Karl Düsseldorff „Lernende Organisation“ im Fokus: Forschungsperspektiven für den Wandel der organisierten Erwachsenenbildung ..............................131 Autorinnen und Autoren ...............................................................................153
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Karin Dollhausen
Einführung: „Lernende Organisation“ als Bezugspunkt der erwachsenenpädagogischen Organisationsforschung? Seit den 1990er Jahren kann ein anhaltend steigendes Forschungsinteresse über pädagogische Organisationen im Allgemeinen und Weiterbildungsorganisationen im Besonderen beobachtet werden. Der gestiegenen Aufmerksamkeit gegenüber Organisationsphänomenen speziell in der Weiterbildung steht das Desiderat eines geeigneten Zugangs für eine systematisch betriebene erwachsenenpädagogische Theoretisierung und empirische Erforschung von Weiterbildungsorganisationen gegenüber. Könnte die Vorstellung der „Lernenden Organisation“ einen solchen Zugang eröffnen? Einiges spricht dafür.
1 Erwachsenenpädagogische Sichten der „Weiterbildungsorganisation“ Das Organisationsthema ist in der Erwachsenenpädagogik nicht neu. Verständlich wird dies vor dem Hintergrund, dass Weiterbildungsorganisationen im wirtschaftlichen Sinn immer schon einen Teil ihrer Finanzierung selbst erwirtschaftet haben. Die im erwachsenenpädagogischen Diskurs mitunter anzutreffende Rede von der „öffentlich verantworteten“ Weiterbildung bezieht sich – wie man heute feststellen muss – auf eine in den 1970er Jahren formulierte bildungspolitische Vision des Aufbaus der Weiterbildung zu einem quartären Bildungssektor des staatlichen Bildungswesens. Diese Vision wurde bis in die 1980er Jahre hinein durch entsprechende Weiterbildungsgesetzgebungen, durch den Ausbau von Lehrstühlen der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie durch die Einführung von Stellen für hauptberuflich tätige Erwachsenenund Weiterbildner unterstützt (vgl. etwa: Nittel 2000). Leitend für die wirtschaftliche wie auch für die pädagogische Aktivität der Weiterbildungsorganisationen waren und sind zum einen das Prinzip einer anteiligen öffentlichen Förderung von Weiterbildungseinrichtungen, zum anderen eine relativ hohe Autonomie der Organisationen in der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen, das heißt 1
bei der Formulierung von Curricula, didaktischen Konzepten, Unterrichtsmethoden und bei der Auswahl des passenden, zumeist frei- und nebenberuflich tätigen Lehrpersonals. Auch aus diesem Grund hat das Organisationsthema im erwachsenenpädagogischen Diskurs seit jeher eine deutlichere Präsenz als im Kontext der auf Schule und Hochschule konzentrierten allgemeinen Pädagogik, wo man seit den 1980er Jahren immer wieder die eher „ideologisch“ als empirisch begründete Behandlung des Organisationsthemas moniert (vgl. Terhart 1986). Die pädagogische Rezeption von Organisationstheorien, so wird kritisch angemerkt, ziele weniger auf den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn als vielmehr auf die Unterfütterung von „Vermutungen über die Zu- beziehungsweise Abträglichkeit von Organisationen für das pädagogische Handeln“ (Kuper 2001, S.85). Böttcher und Terhart (2004, S.8) bescheinigen der allgemeinen Pädagogik ebenfalls programmatische Engführungen, so etwa einen „zuallererst auf ‚den Menschen’ setzenden Organisationspessimismus“ oder auch einen „wissenschaftsgläubigen Organisationsoptimismus“. Von solchen Strömungen und Engführungen ist die erwachsenenpädagogische Organisationsdiskussion zwar nicht frei, doch besteht hier zugleich ein starkes praxisorientiertes Interesse an der Begleitung und Mitgestaltung der Vielzahl von kleinen und mittleren Weiterbildungsorganisationen. Der eher grundsätzlichen Frage nach der pädagogischen Zu- bzw. Abträglichkeit von Organisationen ist immer auch die praxisorientierte Frage nach vorhandenen nutzbaren Spielräumen für bessere Abstimmungen zwischen organisatorischen, das heißt administrativen und betrieblichen sowie pädagogischen Erhaltungsinteressen zugeordnet (vgl. etwa: Ufermann 1987, Fuhr 1994). Überblickt man vor diesem Hintergrund die seit den 1990er Jahren vorgelegten erwachsenenpädagogischen Arbeiten, so fällt vor allem die Vielfalt von Inhalten, methodischen Vorgehensweisen und herangezogenen theoretischen Grundlagen zu Erkundung, praktischer Entwicklung und Erklärung von Organisationsphänomenen in der Weiterbildung auf. Schon bei einem recht groben Einteilungsschema, wie dem folgenden, wird dies deutlich:
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Literaturbeispiele Erfahrungsberichte
über
Organisationsverände- Nuissl/Schuldt 1993,
rungen aus der Praxis
Faulstich-Wieland u.a.
Berichte von Organisationsberater/innen über Ab- (1993), Lammers/Lange (1996),
läufe von Veränderungsprozessen
Berichte aus wissenschaftlich begleiteten Modell- Meisel (1997), und Pilotprojekten zu speziellen Organisationsent- von Küchler/Schäffter (1997), Zech/Ehses (1999, 2000),
wicklungsthemen
Arbeiten zur Anwendbarkeit von betriebwirtschaftli- Meisel (2001), chen Verfahren und Instrumenten im Management Schöll (2005), von Weiterbildungseinrichtungen
Meisel/Hartz (2006), Friedrich/Meisel/Schuldt (2005)
Statistische Datenwerke, in denen auch organisa- Pehl/Reitz (2004) tionsbezogene Strukturdaten berücksichtigt wer- Kuwan u.a. (2006) den
(Volkshochschul-Statistik,
Berichtssystem
Weiterbildung) Forschungsarbeiten, die aus der Professionalisie- Vogel (1998), rungsforschung stammen und einen impliziten Be- Nittel (2000), zug zur Organisationsthematik aufweisen
Kil (2003)
Forschungsarbeiten, zu speziellen organisations- Schiersmann u.a. (1998), bezogenen Problemstellungen der Weiterbildungs- Möller (2002), praxis
Kil (2003), Stang (2003)
Arbeiten, die im Blick auf die Entwicklung der insti- Schäffter (1998, 2003), tutionalisierten Weiterbildung auch den Bezug zur Lenzen/Luhmann (1997), organisatorischen Dimension erwachsenenpäda- Faulstich u.a. (2001), gogischen Handelns herleiten
Harney (2003), Gieseke (2003)
Schon diese knappe Liste an Veröffentlichungen veranschaulicht, dass dem erwachsenenpädagogischen Zugriff auf Weiterbildungsorganisationen bis heute kein forschungsprogrammatischer Rahmen zugrunde liegt. Vielmehr rangieren die Arbeiten von Einzelfalldarstellungen bis hin zu statistischen Felderfassungen, von praktischen Erfahrungen bis hin zu theoriegeleiteten Rekonstruk-
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tionen, von programmatisch gefärbten Statements über Stand und Entwicklung von Weiterbildungsorganisationen bis hin zu methodisch sorgfältig erarbeiteten Analysen. Diese Heterogenität erklärt sich zweifellos auch aus dem Praxisbezug und einer ausgeprägten Anwendungsorientierung der erwachsenenpädagogischen Beobachtung und Reflexion von Organisationsphänomenen sowie aus der Tatsache eines letztlich problem- und autorenabhängigen „Imports“ von theoretischen Perspektiven und Ansätzen in den erwachsenenpädagogischen Diskurs. So finden sich unter den genannten Literaturbeispielen gleichermaßen handlungstheoretische wie struktur- und systemtheoretische Wirklichkeitszugänge. Es gibt politik- und verwaltungswissenschaftliche wie auch betriebwirtschaftliche und organisationspsychologische Interpretationen der Weiterbildungsorganisation. Insgesamt entsteht so einerseits ein äußerst facettenreiches und lebendiges Bild über Sachverhalt und Problem der Weiterbildungsorganisation, andererseits steckt darin aber auch das Problem, dass sich jede gewählte Form der Beobachtung und Beschreibung von Weiterbildungsorganisationen mit der wahrscheinlichen Kritik einer auch anders möglichen Beobachtung und Beschreibung konfrontieren muss. Es fehlt mit anderen Worten, ein Verankerungspunkt des erwachsenenpädagogischen Interesses an der Organisation. Wie ein solcher Verankerungspunkt in Form eines pädagogisch ausformulierten Zugriffs auf Organisationen aussehen kann, zeigen derzeit solche Arbeiten, die weniger an der Frage ansetzen, was eine pädagogische Organisation ist, sondern stärker der Frage nach dem spezifischen Anspruch der Pädagogik an die Entwicklung von Organisationen, so auch von pädagogischen Organisationen nachgehen.
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Präzisierung des pädagogischen Anspruchs an die Organisationsentwicklung
Zweifellos haben neuere Entwicklungen in der Organisationstheorie, die von klassischen Vorstellungen der Organisation als einem zeitstabil geregelten, wohlgeordneten und zielorientiert agierenden Funktionszusammenhang abrücken, auch der Pädagogik wichtige Anstöße zur Reflexion ihres Zugriffs auf Organisationsphänomene gegeben. Göhlich (2005, S.10) verweist etwa auf die Relevanz von soziologischen Organisationstheorien, wie etwa die mikropolitischen (Küpper/Ortmann 1988) und neoinstitutionalistischen Ansätze (Hasse/Krücken 1999). Insbesondere die in der Organisationstheorie eingeführte Vorstellung von Organisationen als „lernenden Systemen“ (vgl. Argyris/Schön 1978), trägt in der Pädagogik derzeit offenbar zur Arbeit an einem eigenen Verstehen von Organisationen bei. Das pädagogische Interesse am organisationalen Lernen formiert sich gewissermaßen als entwicklungspraktische Seite der soziologischen Organisationstheorie, die ihrerseits den Begriff des Lernens eher metaphorisch nutzt. Der Lernbegriff wird dabei zur Kennzeichnung der organisationsinternen Komplexitätssteigerung durch kommunikative und praktische Wissensgenerierung und -verwendung eingeführt, um typische Rationalitätsdefizite und Steuerungsprobleme wie aber auch Erfolgsbedingungen von komplexen, selbsterneuerungsfähigen Organisationen zu verdeutlichen (vgl. Willke 2001, S.41ff.). In der Pädagogik wird organisationales Lernen hingegen als Hinweis auf die in Organisationen stattfindenden Prozesse des individuellen und sozialen Lernens – vom Erwerb berufsbezogenen Wissens und Könnens in speziell ausdifferenzierten Aus- und Weiterbildungskontexten bis hin zu sozialisatorisch angeeigneten Denk- und Verhaltensmustern begriffen. Weiterhin birgt der Lernbegriff in pädagogischer Sicht den Verweis darauf, dass die genannten Prozesse durch angemessene Beratung und Moderation angeregt und auf gewünschte Effekte hin begleitet werden kann. Organisationales Lernen bezeichnet in dieser Sicht ein Resultat von individuellen und sozialen, expliziten wie impliziten Lernprozessen in Organisationen. Das Interesse einer hieran anknüpfenden pädagogischen Organisationsforschung zielt somit vor allem auf die Entwicklung von diagnostischen, beraterischen und didaktischmethodischen Verfahren, die helfen, „miteinander arbeitende Menschen, Ab-
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teilungen bzw. Projektteams und das Unternehmen insgesamt in ihrem Lernprozess zu unterstützen“ (Göhlich 2005, S.11). Anvisiert wird somit eine „Organisationspädagogik“ (vgl. etwa: Geißler 2000), die – ausgehend von der Lernunterstützung der Organisationsmitglieder – Lernprozesse größerer sozialer Gebilde, wie etwa Teams, Abteilungen und schließlich Organisationen anregen, fördern und unterstützen will. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die in Organisationen herrschenden Wirklichkeitssichten, Verhaltens- und Kommunikationsmuster, die im systemischen Zusammenspiel der Organisationsmitglieder entwickelt und gewohnheitsmäßig eingespielt werden. Das organisationspädagogische Interesse zielt dann auf die Ermöglichung und Kultivierung von Lernprozessen, die dazu beitragen, dieses Zusammenspiel sichtbar und mithin bearbeitbar zu machen. Praktisch geht es etwa um gemeinsam rekonstruierte Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in Organisationen, um die Integration von unterschiedlichen Perspektiven und um das Ziel, Handlungsspielräume und Handlungsoptionen sichtbar zu machen. Ebenso kann in dieser Sichtweise die Vorstellung von Organisationen – gleich welcher Art – als besonderen Lernorten in Anschlag gebracht werden. Insbesondere im Kontext der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung wird diese Perspektive heute relevant. Hier geht es darum, die Organisation als einen Lebensbereich wahrzunehmen und zu gestalten, „ in dem Lernen sich nicht mehr nur in eigens dafür in Anspruch genommenen, gestalteten und von den übrigen Betriebsbereichen abgrenzbaren Lernorten vollzieht. Lernen gewinnt vielmehr besondere Bedeutung als eine Verhaltensdimension aller Mitarbeiter, und zwar auf allen Ebenen und auch in solchen Betriebsbereichen, die nicht ausdrücklich als Lernorte ausgewiesen sind“ (Münch 1995, S.42). Die von Münch entwickelte Gestaltungsvision der „Lernenden Organisation“ zielt vor allem auf die Aktivierung und Mobilisierung der Mitarbeiter durch -
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Ausweitung der Denkanforderungen durch Vergrößerung des Anteils an wechselnden Tätigkeiten, Vermehrung der Lernanreize durch erweitertes Tätigkeitsspektrum, wie Planen, Durchführen, Kontrollieren, Erhöhung der Kooperationsanforderungen durch Übertragung von Aufgaben und Funktionen, die Organisationskenntnisse verlangen und so
das Verständnis der Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Auswirkungen der eigenen Arbeit vertiefen. Damit stellt die „lernende Organisation“ als Gestaltungsvision die Forderung in den Mittelpunkt, das Lernen aller Mitarbeiter im Sinne eines umfassenden Humanressourcen-Entwicklungsmodells darauf auszurichten, die Entwicklungs- und Problemlösungsfähigkeit der Organisation zu erhalten und zu fördern. Die ausgehend von den Begriffen des „organisationalen Lernens“ und der „Lernenden Organisation“ entwickelten Zugänge zu und Gestaltungsvorschläge von Organisationen im allgemeinen werden insbesondere im erwachsenenpädagogischen Diskurs für Weiterbildungsorganisationen geltend gemacht (vgl. Schäffter 2003). Den empirischen Problemhintergrund bildet dabei der Umstand, dass die Aufbau- und Ablaufstrukturen von öffentlichen Weiterbildungsorganisationen, wie Volkshochschulen, Bildungseinrichtungen der Kirche und der Gewerkschaften, Einrichtungen der politischen Bildung usw. entweder nach dem Vorbild der öffentlichen Verwaltung oder des privatwirtschaftlichen Betriebs und eben nicht entsprechend den Organisationsbedarfen der pädagogischen Arbeit gestaltet wurden und werden. Umso dringlicher wird gerade für Weiterbildungsorganisationen die pädagogische Auslegung von organisatorischen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen sowie der Weiterbildungsorganisation insgesamt eingefordert (vgl. Schäffter 2003, S.26f.). Schäffter (1998, S.101f.) schlägt hier beispielsweise die Orientierung an der instruktiven Vorstellung von Weiterbildungsorganisationen als einem vernetzten System sich wechselseitig ergänzender Positionen vor, in dem keine Einzelposition das Exklusivrecht auf Pädagogik und auch nicht auf Organisationsrepräsentanz für sich beanspruchen kann. Das Pädagogische der Weiterbildungsorganisation folgt in dieser Sichtweise „aus der planvollen Gewährleistung ihrer gesellschaftlichen Leistung: nämlich ein dauerhaftes Bereitstellen von lernförderlich strukturierten Aneignungskontexten für Erwachsene“ (ebd., S.102). Die Forderung nach einem Verstehen der Weiterbildungsorganisation vom Standpunkt der pädagogischen Aufgabe erhält heute von öffentlicher wie bildungspolitischer Seite Flankenschutz. Denn mit der gesellschaftlichen Durchsetzung der Erwartung des lebenslangen Lernens treten die Defizite des bestehenden Bildungssystems und das Erfordernis zur Entwicklung von „neuen
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Lehr- und Lernkulturen“ (Heuer/Botzat/Meisel 2001) offen zutage. Im Zentrum des erwachsenenpädagogischen Interesses an neuen Lehr- und Lernkulturen stehen der Begriff des „selbst gesteuerten Lernens“1 sowie die Umstellungen in der pädagogischen Planungs- und Vermittlungsarbeit, die bei der Entwicklung von Angeboten zum selbst gesteuerten Lernen Erwachsener erforderlich sind (vgl. etwa: Dietrich/Herr 2005). Die Rede vom selbst gesteuerten Lernen trägt dem Gedanken der Autonomie und Selbstorganisation von menschlichen Handlungs-, Entscheidungs- und somit auch Lernprozessen Rechnung (vgl. Arnold/Siebert 2003, Faulstich/Ludwig 2004). Das Lernen gerät damit als ein komplexer Vorgang der Veränderung von Denk- und Verhaltensmustern in den Blick, der zwar von außen angeregt und moderiert werden kann, doch im Hinblick auf das, was tatsächlich gelernt wird und was nicht, durch die Lernenden selbst gesteuert wird. Dementsprechend verändert sich der Ausgangspunkt der pädagogischen Vermittlungsarbeit. Am Beginn steht nicht die Festlegung von Lehrinhalten, Lehrmethoden und möglichen Lernzielen, sondern die möglichst feinfühlige Ermittlung individueller Lernvoraussetzungen und Lernpotenziale. In diesem Zusammenhang werden beraterische und diagnostische Kompetenzen des pädagogischen Personals zu zentralen Voraussetzungen der Planung von Lehr- und Lernprozessen (vgl. Klein/Reutter 2005). Für die Planung von Lehrund Lernprozessen bedeutet dies eine bewusste und systematische Ausrichtung am Zentralwert der Teilnehmerorientierung (vgl. Gnahs 2006, S.57). Angesprochen ist damit die Berücksichtigung von inhaltlichen und methodischen Erwartungen und Interessen der Lernenden sowie die Gestaltung eines „offenen“ und „aktivierenden“ Unterrichts. Die pädagogische Tätigkeit wird dadurch breitbandiger: Lehrende sind auch, aber nicht nur Zubringer und Vermittler von Informationen; sie sind zudem Anreger und Verstärker von Lernprozessen, Hersteller von lernaktiven Situationen, Berater bei Informationsverarbeitung, Lenker von Lernprozessen, Beobachter und Interpreten von individuellen wie kooperativen Lernprozessen und Lernergebnissen. Hiervon ausgehend richtet sich das pädagogische Interesse derzeit – im Einzelnen mit unterschiedlichen Akzentsetzungen – auf die Beobachtung, Be1
Wir verzichten hier auf eine genauere Betrachtung der mittlerweile facettenreichen Ausdeutung dieser Begriffsvariante im erwachsenenpädagogischen Diskurs. Man trifft hier leicht auf weitere Begriffsvarianten, so etwa des „selbstbestimmten“, des „selbst organisierten“ oder auch des „expansiven“ Lernens. Sie verdeutlichen unterschiedliche Akzentuierungen, setzen jedoch alle am Kerngedanken der Subjektabhängigkeit des Lernens an.
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gründung, Abgrenzung und Formulierung des pädagogischen Anspruchs an die Organisation. Es zeichnet sich hier als grobe Linie ab, dass es darum geht, Aufbau- und Ablauforganisation pädagogischer Organisationen konsequent von den Lernenden her als „Lernhelfer“ (Gnahs 2006, S.59) begreifbar zu machen und zu gestalten. Die besondere Herausforderung einer hierauf bezogenen Organisationsentwicklung besteht in der Vermeidung von VorabKonstruktionen über Voraussetzungen, Interessen, Möglichkeiten und Erwartungen von Lernenden zugunsten der Entwicklung von Formen, die es möglich machen, all dies von den Lernenden selbst zu erfahren. In der erwachsenenpädagogischen Literatur werden hierzu Kriterien, wie „Offenheit“, „Flexibilität“ und „Kooperation“ zur Organisationsentwicklung hervorgehoben (vgl. auch: Dietrich/Herr 2005). Belege dafür, welche Art von Organisationsentwicklung damit angezeigt ist, liefern derzeit Studien etwa zur Thematik der Entwicklung von geeigneten „Lerninfrastrukturen“ für das lebenslange Lernen (vgl. Brödel 2004) oder auch der sogenannten „Learning Centres“ (Stang/Hesse 2006). Sie machen deutlich, dass sich pädagogische Erfordernisse an die Organisation sowohl als „offener Unterricht“ in klassischen Bildungseinrichtungen, als „vernetztes Lernen“ in organisationsübergreifenden kooperativen Zusammenschlüssen und nicht zuletzt im Rahmen von durch private-public-partnerships geschaffenen Lernräumen zur Geltung bringen lassen. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten: Der pädagogische Zugriff auf Organisationsphänomene erfolgt vom Standpunkt des Lernens aus und dies im Hinblick auf die Gestaltung der Organisation als einem Ort der Ermöglichung von Lehr-Lernverhältnissen (vgl. ähnlich: Merkens 2006, S.63). Nicht nur, doch insbesondere pädagogische Organisationen haben aus pädagogischer Sicht somit die genuine Aufgabe, Lernprozesse anzuregen und Lernräume bereitzustellen, die eine sachliche, soziale, zeitliche, strukturelle und örtliche Dimension haben und systematisch Lernprozesse erlauben. Pädagogische Organisationen „stellen folglich den sozialen und strukturellen Raum dar, in welchem systematisches pädagogisches Handeln stattfinden kann. Sie existieren nicht per se, sondern müssen errichtet und strukturiert werden, damit sie die von der Gesellschaft zugedachten Aufgaben erfüllen können“ (ebd., S.148). In diesem Verständnis plädiert Fuhr (1994) für eine pädagogische Ausbildung, die auf die Vermittlung pädagogischer Kompetenzen im Bereich der pädagogischen Organisation zielt. Es gilt, so Fuhr (ebd., S.589), „eine pädagogische Kompetenz des Organisierens zu entwickeln für Organisationen,
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die der Lernhilfe dienen.“ Dabei gesteht der Autor allerdings auch zu, dass die pädagogische Erfassung und Gestaltung der pädagogischen Organisationen nicht auf die Organisationswirklichkeit als Ganze, sondern auf einen spezifischen Ausschnitt gerichtet ist: „Der Zweck von Organisationen, auch primär pädagogischer Organisationen, ist nicht vollständig identisch mit dem Ziel, Lernen zu unterstützen“ (ebd., S.587). Mit diesem Hinweis ist zugleich auf die spezifische Begrenzung des pädagogischen Organisationsverständnisses hinsichtlich der analytischen Durchdringung der Wirklichkeit von pädagogischen Organisationen aufmerksam gemacht, die vor allem dann erkennbar und problematisch wird, wenn es darum gehen soll, das Zusammenspiel von pädagogischen und nicht-pädagogischen, in unserem Fall wirtschaftlichen Sichtweisen und Zielsetzungen in pädagogischen Organisationen genauer zu erkunden.
3 Zu den Beiträgen des Buchs Der vorliegende Band verortet sich in der beschriebenen Situation eines anhaltend hohen und sich unter dem Gesichtspunkt des Lernens in und von Organisationen formierenden pädagogischen, speziell erwachsenenpädagogischen Gegenstandsbezugs. Dabei kann, wie gezeigt, die Vorstellung der „Lernenden Organisation“ eine Orientierung bieten. Die Autoren dieses Bandes sehen dabei aber auch die Notwendigkeit, genauer zu erkunden, was das „Lernen“ von Weiterbildungsorganisationen aus pädagogischer Perspektive ausmacht, wie es angeregt werden und welche Gestalt es annehmen kann. Die Beiträge des vorliegenden Buches beanspruchen nicht, eine einsinnige oder „durchtheoretisierte“ Herangehensweise an das Lernen von Weiterbildungsorganisationen zu vermitteln. Vielmehr handelt es sich um Beiträge engagierter Wissenschaftler und wissenschaftlich orientierter Praktiker der Weiterbildung, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund die Thematik der „Lernenden Organisation“ aufgreifen und Möglichkeiten ihrer weiterbildungsspezifischen Verwendung eruieren. Ekkehard Nuissl führt aus, wie sich das Thema „Lernen von Weiterbildungseinrichtungen“ in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. In seiner Reflexion
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lässt er relevante Stationen der Auseinandersetzung mit dem Thema Revue passieren und äußert sich eher skeptisch dazu, dass es gelingen wird, eine eigenständige Organisationstheorie für pädagogische Einrichtungen zu entfalten. Johannes Hartkemeyer nimmt Peter Senges „Fünfte Disziplin“ als Ausgangspunkt seiner Überlegungen und verbindet sie mit der Thematik nachhaltiger Entwicklung bzw. nachhaltigem Lernen von Weiterbildungseinrichtungen. Der Autor hat dabei auch typische Erhärtungen organisatorischer und professioneller Praktiken in der Weiterbildung im Blick, die mit einer intensiveren Rezeption der Managementliteratur sowie deren Adaption für die Weiterbildungsbereich aufgebrochen werden können. Anne Schlüter sieht Weiterbildungseinrichtungen bereits als lernende Organisationen. Sie betont in diesem Kontext das Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz und unterstreicht den Umstand, dass die Entwicklung von Weiterbildungseinrichtungen zu lernenden Organisationen auch und vor allem davon abhängt, wie sie den Organisationsmitgliedern Möglichkeiten und Spielräume zum eigenen Lernen eröffnen können. Das Lernen der Lernenden Organisation ist nach Schlüter unabdingbar an das Lernen der Organisationsmitglieder geknüpft. Auch Peter Faulstich setzt das Lernen des Individuums ins Zentrum seiner Betrachtung, kommt dabei aber zu einem differenzierten verstehen des Lernens in und von Weiterbildungsorganisationen. Faulstich drängt auf die Berücksichtigung der Kernaufgabe der Ermöglichung des Lernens. Erst und genau dieses, durch Weiterbildungsorganisation ermöglichte individuelle Lernen kann und muss als der relevante Ausgangspunkt jedweden Lernens in Weiterbildungsorganisationen sein. Jenseits aller Metaphorik plädiert Faulstich also für die Besinnung auf die ureigene pädagogische Funktion von Weiterbildungsorganisationen. Stephan Dietrich setzt den Akzent auf die Auswirkungen des aufkommenden Paradigmas von selbstgesteuerten Lernen und deren eigene Lernmöglichkeiten. Weiterbildungseinrichtungen geraten dabei in eine Doppelrolle: Sie sind einerseits Support für die selbstgesteuert Lernen und benötigen andererseits selbst Support um ihre eigenen institutionellen Lernprozesse bewältigen zu können. Stephan Dietrich ist im Hinblick auf die Möglichkeiten, die ein solcher
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Support eröffnet, vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus einem themenbezogenen Projekt optimistisch. Dieter Gnahs befasst sich mit den Wechselwirkungen von Qualitätsentwicklung und Organisationsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen. Geleistet wird in dem Beitrag eine Analyse von Qualitätsmanagementkonzepten und ihrer Implementation in der Praxis – dargestellt anhand von vier Einrichtungen. Im ergänzenden Rekurs auf die Auswertung einer größeren Erhebung zu den Zielen, zum Nutzen und zu den Wirkungen von Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung wird deutlich gemacht, dass Qualitätsentwicklung ein zentraler Anstoß für die Organisationsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen ist. Dies lässt den Schluss zu, die Qualitätsentwicklung als „Lernanstoß“ für Weiterbildungseinrichtungen anzusehen – eingedenk damit einhergehender „Kosten“, die ein solches Lernen den Einrichtungen abfordert. Ingrid Schöll thematisiert den Einsatz neuer vernetzter Technologien in Weiterbildungseinrichtungen. Der erfahrungsgesättigte Beitrag zeigt, wie das Erlernen der Technik im Alltag von Weiterbildungseinrichtungen seinerseits Lernimpulse erzeugt, die schließlich in organisatorisch relevante Entwicklungsprozesse und in einen Wandel der Weiterbildungseinrichtungen führen können. Insofern zeigt Schöll die letztlich komplexen Zusammenhänge zwischen einem funktional bestimmten und einem auf die Form der Gesamtorganisation bezogenen entwicklungsorientierten Lernen in Weiterbildungseinrichtungen beispielhaft und anschaulich auf. Karls Düsseldorf rundet das Spektrum der Beiträge ab, indem er die Theoriezugänge und Forschungsschwerpunkte zum Themenfeld „Lernende Organisation“ im Allgemeinen und im Speziellen für Weiterbildungseinrichtungen aufzeigt und analysiert. Aus der Zeitschriftenauswertung aus den Jahren 2000 bis 2006 zieht er den Schluss, dass in der Weiterbildung das Thema der „Lernenden Organisation“ nur eine beschränkte Strahlkraft hat. Er regt als Forschungs- und Entwicklungsperspektive an, den interdisziplinären Dialog zur Thematik fortzusetzen, um auf die Weise die Herausbildung einer eigenen disziplinären Forschungsrichtung weiterzutreiben.
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Ekkehard Nuissl von Rein
Das „Lernen“ pädagogischer Organisationen: Eine Reflexion Können pädagogische Organisationen lernen? Und wenn ja, wie tun sie das? Diese Fragen werden im pädagogischen Kontext zur Zeit in zweierlei Hinsicht diskutiert. Zum einen geraten Organisationen seit den 1990er Jahren ins Zentrum der pädagogischen Aufmerksamkeit. Zum anderen wird der Lernbegriff zunehmend auf Phänomene jenseits des pädagogischen Kontextes angewendet. Die Vorstellung von pädagogischen Organisationen als „lernenden“ Organisationen ist gewissermaßen ein Re-Import eines metaphorisch gebräuchlich gewordenen Lernbegriffs in den pädagogischen Bereich. Vor die Frage des Lernens pädagogischer Organisationen sind somit grundlegende Fragen gestellt: Wodurch gerieten pädagogische Organisationen insbesondere in der Erwachsenenbildung überhaupt in den Blick? Warum sollen sie als Organisationen „lernen“? Und schließlich: Gibt es Spezifika pädagogisch orientierter Organisationen, die es erforderlich machen, ihr „Lernen“ in besonderer Weise gegenüber anderen Organisationen abzugrenzen?
1 Organisationen der Erwachsenenbildung
Organisationen in der Erwachsenenbildung sind im Allgemeinen außerordentlich klein. Sie fallen in die Gruppe derjenigen Organisationen, die gemeinhin als kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zusammengefasst werden und haben meist nur bis zu 50 Beschäftigte (wenn man das hauptberuflich beschäftigte Personal rechnet). Nur sehr wenige Organisationen sind größer – es gibt in Deutschland eine Hand voll Weiterbildungseinrichtungen, die etwa 300 hauptberuflich Beschäftigte haben.1 Die Betriebsgröße sei hier deshalb er1
Nimmt man die nebenberuflich und ehrenamtlich Tätigen hinzu, vermehrt sich die Zahl der Organisationen mittlerer Betriebsgröße; auf die damit allerdings verbundenen Spezifika pädagogischer Einrichtungen in der Erwachsenenbildung wird im weiteren Verlauf noch einmal eingegangen.
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wähnt, weil sie mit Sicherheit einer der Gründe dafür ist, dass so lange in der Erwachsenenbildung die Organisation der Einrichtung kein Thema war. In kleinen Betrieben wie diesen ist die Anwendung organisationstheoretischer oder -soziologischer Kategorien kaum angemessen, ihre Trennschärfe verliert sich in der Gesamtzuständigkeit eines kleinen Teams. Aber auch die fehlende Selbstreflexivität der Erwachsenenpädagogen spielt eine wichtige Rolle. Der Blick richtete sich auf die Lernenden und den Umgang mit ihnen, nicht aber auf den eigenen Standort und den eigenen Hintergrund. Ziele der Organisationen waren einfach nicht interessant, verglichen mit den Lehrzielen, die es in alltäglichen Handlungen umzusetzen galt. Die erwachsenenpädagogischen Organisationen gerieten erst in dem Moment konsequenter in den Blick, als ihre Arbeitsweise und Überlebensfähigkeit immer wichtiger wurde für die „eigentliche“ pädagogische Tätigkeit – für Planungen und die Realisierung von pädagogischen Programmen. Natürlich spielte dabei die sich verändernde Finanzierung eine Rolle (mehr Einwerbung von Teilnehmerentgelten und Drittmitteln, weniger öffentliche Förderungen), aber auch Aspekte der Außensicht auf die pädagogische Arbeit wie etwa das Image der Einrichtungen, die Qualität (auch die ästhetische) der Angebote und die Kohärenz der Betreuung und Unterstützung. Auch die schwindende Bindung des Klientels an Organisationen, die zunehmende Kongruenz von Teilnehmenden und Mitteln spielten eine Rolle. All dies führte dazu, dass vor knapp 20 Jahren nicht nur die kommerziell arbeitenden Weiterbildungseinrichtungen, sondern auch die öffentlich geförderten und/oder Organisationen zugehörenden Einrichtungen sich selbst in den Blick nahmen. Es wäre zu eng anzunehmen, nur die Verschiebungen der Finanzierungsstruktur der Einrichtungen seien die Ursache für das Entstehen einer eigenen Organisationsdebatte in der Erwachsenenbildung. Das Paradigma der „lernenden“ Organisationen kam später – konnte auch nur später kommen, da es die Existenz eines Organisationsbegriffs voraussetzt. Die Anforderung zu lernen wurde Mitte der 1990er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht nur und auch nicht zuerst an pädagogische Organisationen gerichtet. Die damit verbundenen Konnotationen besagten letztlich hauptsächlich, dass Organisationen wandlungsfähig und flexibel sein müssten, um sich in veränderten Umweltbedingungen behaupten zu können. Der Übertrag des humanen Begriffs des „Lernens“ auf solche Kompetenzen von Organisationen verstellte zum Teil den Blick darauf, dass es doch weiterhin immer nur die 18
Menschen sind, die lernen, auch wenn natürlich die Art ihres Zusammenwirkens in Organisationen (Abläufe, Aufbau, Kultur, Strategie, Leitbild etc.) in der Summe mehr bedeutet als die Addition individueller Lernprozesse – wenn es denn gelingt. Und natürlich müssen die Menschen in den Organisationen lernen, wenn denn diese selbst ein „lernendes System“ sein soll. Wie auch immer: Es ist gefragt nach lernenden pädagogischen Organisationen. Und in den meisten Fällen nach selbstgesteuert lernenden pädagogischen Organisationen, da es hierfür kein ausgebautes System von Lehre gibt. Organisationsberatung ist, wie der Name sagt, nicht Lehre, sondern Beratung, und wird von pädagogischen Organisationen nur in seltenen Fällen in Anspruch genommen. Die Weiterbildungseinrichtungen sind damit in der Normalität der Betriebe angekommen.
2 Spezifika pädagogischer Organisationen Vielfach wird im Bildungsbereich argumentiert, pädagogische Organisationen bedürften einer eigenen Organisationstheorie, da sie sich grundlegend von anderen Organisationen und Betrieben unterscheiden. Als Hauptgrund dafür wird angeführt, die pädagogische Zielsetzung und die Art der pädagogischen Arbeit entzögen sich herkömmlichen Zugriffen organisationssoziologischer Provenienz. In der Tat gibt es Spezifika pädagogischer Organisationen, die zu prüfen sind, wenn es um die Anwendung von Kategorien und Verfahren aus der Organisations- und Managementtheorie geht. Diese Spezifika sind, entsprechend der dort verwendeten Kategorien, durchaus zu benennen. Bezüglich der Ziele pädagogischer Organisationen gibt es den generellen Gegensatz von konzeptionellen und marktorientierten Zielkorridoren. Pädagogische Organisationen sind – auch wenn sie sich neutral verstehen (wie etwa Volkshochschulen) – Wertvermittler und definieren sich aus diesem Zielkorridor. Auf der anderen Seite sind sie (zunehmend) auch ökonomisch arbeitende Institutionen, die betriebswirtschaftliche Ziele definieren. Es ist die Janusköpfigkeit dieser Zieldefinitionen, die immer stärker ins Bewusstsein rückt, wenn sich Konflikte zwischen den beiden Zielen auftun, wenn das Ansteuern eines Werteziels nicht mit dem Erreichen eines betriebswirtschaftlichen Ziels verein-
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bar ist. Solche Zielkonflikte sind in der Erwachsenenbildung nicht neu. Schon vor Jahrzehnten war die Frage, in welcher Höhe Teilnahmegebühren festzusetzen sind, um das Lehrangebot zu tragen, für jede erwachsenenpädagogische Lehrkraft ein Problem. Der Unterschied heute ist, dass sich dieses Problem als Organisationsproblem darstellt, in dem die weit brisantere Frage der Kostendeckungsstufen auf Organisationsebene in Relation zur Programmplanung (und nicht mehr der einzelnen Unterrichtsplanung) gerät. Diese für Erwachsenenbildungs-einrichtungen meist typische Problemzone ist allerdings auch in anderen Organisationen zu finden, hauptsächlich in Tendenzbetrieben und solchen, die tarifrechtlich einen Tendenzschutz geltend machen können (etwa in Tageszeitungen). Es handelt sich hier also weniger um die Existenz potenziell konfliktträchtiger dualer Zielsysteme als vielmehr um die Schwierigkeit ihrer Balance in erwachsenenpädagogischen Organisationen. Ein weiteres Spezifikum pädagogischer Organisationen ist die Art des Zwecks, den sie im Sinne der gesellschaftlichen Produktionsgemeinschaft haben. Pädagogische Organisationen erstellen kein fertiges Produkt, sondern sie stellen es im Zusammenwirken mit den Konsumenten, den Lernenden, her. Das Produkt, das gelungene Lernen, entsteht niemals ohne die Lernenden und ihren eigenen Anteilen an seinem Entstehen. Die „Konsumenten“ pädagogischer Organisationen, ihre „Kunden“, sind immer auch Produzenten – ein guter Grund für das Kunstwort „Brosumenten“, mit dem eine Zeit lang die Klientel erwachsenenpädagogischer Einrichtungen beschrieben wurde. Die neuere Umsetzung dieses schwierigen Kombinationsaktes zwischen Produktion und Konsumtion ist die Vorstellung pädagogischer Arbeit als „Dienstleistung“. Als solche wären pädagogische Angebote in der Tat ein fertiges Produkt, bei dem es nicht mehr darauf ankommt, ob die Dienstleistung in Anspruch genommen wird und wie sie umgesetzt wird. In diesem Bereich könnten pädagogische Organisationen gewissermaßen die Normalität anderer produzierender Betriebe erreichen, wenn nicht wiederum auf der Zielebene das Primat der Wertevermittlung wäre. Hier haben pädagogische Organisationen derzeit (noch?) die Bürde und Verantwortung, ihre historische Aufgabe zu tragen. Entwicklungen der Lehre (des „Produkts“) in Richtung auf Unterstützung, Ermöglichung und Moderation deuten darauf hin, dass eine solche Verschlankung des Produktbegriffs perspektivisch möglich ist. Ein drittes Spezifikum pädagogischer Organisationen liegt in ihrer Relation zwischen Organisationsstruktur und Organisationskultur. Die Struktur von Or20
ganisationen wird in der Regel als statisch, als stabil, als „Knochengerüst“ der flexiblen Einrichtung verstanden. Eine solche Strukturvorstellung widerspricht jedoch der in pädagogischen Organisationen vorherrschenden Kultur des Prozesses, des Entwickelns, des Vorangehens; so wie Lehre und Lernen (vor allem in der sozialen Interaktion) die Gestalt eines Prozesses haben, der scheinbar im Widerspruch zu strukturellen Festlegungen steht. Dies gilt, obwohl Didaktik selbstverständlich Strukturen setzt – aber überlagert durch die soziale Interaktion. Pädagogische Organisationen tun sich sehr schwer, ihre Struktur zu beschreiben und dies nicht nur, weil differenzierte Organigramme bei geringer Organisationsgröße oft mit einer gewissen Komik behaftet sind. Pädagogische Organisationen tun sich vor allem deshalb schwer, weil die strukturbezogenen Elemente der Organisation dem Paradigma des Prozessorientierten widersprechen und nicht wirklich im Verständnis ausgebildet sind. Dies entspricht einem weiteren spezifischen Aspekt pädagogischer Organisationen im Bereich der Ablauforganisation, nämlich der Tatsache, dass es hier um individuelle Arbeit bei gleichzeitiger kollektiver Verantwortung geht. Es gibt kaum einen Bereich von Arbeit, der so sehr individuiert ist wie die Lehre, trotz gewaltiger Versuche der Hospitation und Evaluation. Und es gibt kaum eine solch kollektive Verantwortung in Organisationen wie diejenige, in der Wertevermittlung legitimiert zu sein und sie gemeinsam zu tragen. Es gelingt pädagogischen Organisationen (gerade auch in Erwachsenenbildung) selten, diesen Widerspruch in der Ablauforganisation aufzufangen, über Zuständigkeiten, Partizipation und Aushandeln von Konflikten entsprechende Festsetzungen zu treffen. Gerade weil die Verantwortung nur individuell in der direkten pädagogischen Interaktion umsetzbar ist, bedeutet ihre Kollektivität in der Organisation auch die Notwendigkeit einer Art Quadratur des Kreises. Nur in den seltensten Fällen wird in Organisationen dieses Verhältnis individueller und kollektiver Verantwortung mit dem Ziel der Legitimation thematisiert, geschweige denn in institutionelle Verfahren von Entscheidungen und Verantwortlichkeiten eingebunden. Grundsatz ist dabei, dass so, wie jeder Mensch nur alleine lernt, auch jeder Mensch (und damit auch die pädagogisch Tätigen) nur alleine für seine Werte verantwortlich ist – auch wenn er sie nur in einem gemeinsamen organisationalen Rahmen realisieren kann. All dies sind Spezifika pädagogischer Organisationen, die im einen oder anderen Fall auch mit anderen Organisationen vergleichbar sind, in dieser Kombination aber nur im Bildungsbereich auftreten. Das Entscheidende an pädago21
gischen Organisationen ist nicht, dass konfliktträchtige Widersprüche zwischen unterschiedlichen Bezugssystemen und Wertvorstellungen existieren, sondern dass eine jeweils spezifische Balance zu finden ist, die diese im organisationalen Kontext arbeitbar macht und zugleich auch Quelle des „Lernens“ der Organisation ist. In einem Punkt allerdings, der in der bisherigen Diskussion zu wenig beachtet wurde, unterscheiden sich pädagogische Organisationen von allen anderen Organisationen, die man gemeinhin vorfindet. Es geht um die Beziehung der Organisation zu ihrer Umwelt, also gewissermaßen die Grenzziehung und die Einsichten und Außensichten, die mit diesen Grenzen verbunden sind. Jedes einzelne Mitglied dieser Gesellschaft kennt pädagogische Organisationen, jedes einzelne Mitglied dieser Gesellschaft hat eine ausgeprägte Meinung zu pädagogischen Organisationen und jedes einzelne Mitglied dieser Gesellschaft ist sehr an einem passenden Funktionieren interessiert. Das gilt so für keine andere Organisation in der Gesellschaft. Diese Ubiquität der Kenntnis um und über pädagogische Organisationen ist von großer Dominanz für die Möglichkeiten, überhaupt Prozesse des Lernens pädagogischer Organisationen in Gang zu setzen oder sinnvoll zum Ende zu bringen. Jeder Mensch meint (aufgrund eigener Erfahrungen und vieler Diskussionen) zu wissen, was eine gute pädagogische Organisation ist, was eine schlechte pädagogische Organisation ist und was letztlich pädagogische Organisationen zu leisten hätten, wenn sie denn richtig arbeiten würden – natürlich arbeiten sie, dies ist typisch pädagogische negativ kritische Haltung, allesamt nicht richtig. Auch diese Frage der spezifischen Umweltbeziehung pädagogischer Organisationen bedarf einer eigenen Würdigung und Betrachtung, wenn es um Möglichkeiten und Grenzen ihres Lernens geht. Dies gilt natürlich für den Schulbereich, zum Teil für Einrichtungen des tertiären Bereichs, immer mehr aber auch für Einrichtungen der Weiterbildung.
3 Potenziale pädagogischer Organisationen Betrachtet man die Notwendigkeiten und Möglichkeiten pädagogischer Organisationen, sich selbst weiterzuentwickeln, in diesem Sinne zu „lernen“, so
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sind es vor allem vier Bereiche, in denen Handlungs- und Forschungsbedarf besteht. Der erste Bereich ist der Zielkorridor. Es geht nicht nur darum, die Balance zwischen ökonomischen und pädagogischen Zielen auszuloten und jeweils spezifisch zu definieren. Es geht auch darum, das eigentliche pädagogische Ziel, die Wertevermittlung, in einer spezifischen Weise weiterzuentwickeln. Das Ziel von Lehre ist im Ursprung ein „altruistisches“ Ziel, nämlich dass Lernen gelingen möge. Die unselige Vermengung von Lehr- und Lernzielen in der pädagogischen Diskussion ist ein Zeichen dafür, dass der Altruismus in diesem Punkt immer wieder zu hinterfragen und neu zu definieren ist. Welchen Anteil kann und soll Lehre überhaupt haben, damit Lernen gelingen kann? Sollen pädagogische Organisationen auch zu anderen Dingen existieren als denjenigen, dass das Lernen gelingen möge? Viel wichtiger als die Frage, ob ökonomische Ziele schädlich, störend und hinderlich sind für pädagogische Ziele ist die Frage, welches genau denn die pädagogischen Ziele der Einrichtungen sind, wie sie definiert werden, welche Legitimation sie haben und wie sie in konkrete pädagogische Praxis umzusetzen sind. Die Leitbilder von pädagogischen Organisationen enthalten ja oft eine Undeutlichkeit, die auf die zugrunde liegenden Schwierigkeiten hinweist. Vielfach scheut man sich (vor allem heute) davor zu sagen, dass man konkrete Werte vermitteln will und Ziele dafür hat, was die Lernenden lernen und wozu sie es wirklich lernen sollen. Der Anspruch der Pädagogen, etwas „besser zu wissen“, wird zunehmend obsolet; ihr Anspruch aber, die Richtung vorzugeben und das Ziel definieren zu wollen, wird nicht ausreichend diskutiert. Hier ist gerade in Organisationen zurückzukehren zu der alten Vorstellung, dass Lehre Ziele verfolgt, und es ist die Frage zu stellen, ob dies weiter legitimiert ist und wie dies letztendlich im organisationalen Raum realisierbar ist. Ein zweiter Bereich ist die Frage der Entscheidungen in und über die pädagogischen Organisationen. Hier befinden sich die meisten Bildungseinrichtungen in einer ähnlichen Situation wie Behörden. Es sind andere, die über ihre wesentlichen Fragen (Curriculum, Personal, Ziele, Struktur) entscheiden, nicht sie selbst. Dies ist nicht in allen europäischen Ländern so wie in Deutschland (z.B. entscheiden in nordischen Ländern die Bildungseinrichtungen selbst über Personal, Einzugsbereich, Struktur etc.). Letztlich sind pädagogische Organisationen in ihren wesentlichen Entscheidungsbereichen von organisationsexternen Instanzen abhängig. Dies gilt vor allem für Schulen, aber sogar auch für 23
Hochschulen, die ungeachtet dessen unentwegt auf ihre Autonomie pochen. Die Weiterbildungseinrichtungen sind gemessen daran noch diejenigen Bildungseinrichtungen, die am freiesten darin sind, über ihre Belange selber zu entscheiden. Dies ist in manchen Fällen auch als „Narrenfreiheit“ zu bewerten, da einschlägige externe Gewalten (Behörden etc.) die Arbeit von Weiterbildungseinrichtungen für nachhaltig gar nicht so wirksam halten. Dort, wo sie nachhaltig wirksam gesehen werden und auch finanziell relevant sind, werden sehr wohl stärkere Entscheidungskorridore vorgegeben (z.B. bei Qualifizierungsmaßnahmen). Die Frage der Entscheidungsbereiche und -träger ist aber nicht nur im Außen-, sondern auch im Binnenverhältnis interessant. Es gibt keine ausdifferenzierte Diskussion über die Frage, auf welchen Ebenen in pädagogischen Organisationen zu welchen Fragen Entscheidungen aufgrund welcher Kriterien und von wem getroffen werden. In der Weiterbildung liegt dies vielfach natürlich an der Größe der Einrichtungen. Es liegt aber auch an einer geringen Akzeptanz der Notwendigkeit von Entscheidungen – und an einer mangelnden Präzision von Entscheidungsaspekten. Über Fragen der Programmplanung etwa kann entschieden werden, kaum jedoch über die konkrete Führung, also die Art und Weise der pädagogischen Interaktion innerhalb bestimmter Programmsegmente. Der Aufbau von Entscheidungshierarchien in pädagogischen Organisationen ist auch deshalb schwierig, weil der Dualismus ökonomischer und pädagogischer Ziele sich auf allen Ebenen wieder findet. Verbunden damit ist auch der Bezug zwischen Personal und Organisation. In stärker differenzierten Weiterbildungsorganisationen gibt es vor allem vier Bereiche: die Verwaltung (Anmeldung, Räume etc.), den kaufmännischen Bereich (Budget/Haushalt, Abrechnung etc.), die Lehre (Programmplanung, Lehre etc.) und den „Overhead“ (Repräsentation, Management, Öffentlichkeitsarbeit etc.). Diejenige Gruppe des Personals, die eigentlich die Organisation trägt, die Lehrkräfte, befindet sich meist als Honorarkräfte oder Werkvertragsnehmer gar nicht in ihrem Zentrum. Folgerichtig stehen Versuche, Personal und Organisation im Sinne einer „Corporate Identity“ zusammenzuführen, vor großen Problemen. Diese wachsen mit dem Maße, in dem sich das „angedockte“ Personal in einer prekären Arbeitssituation und zusätzlich in Beziehung zu anderen Organisationen befindet. Fragen der Fortbildung, der gemeinsamen Konzeptionsentwicklung, der strategischen Ausrichtung sind in einer solchen personalen Konstellation außerordentlich schwer zu handhaben.
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Es gibt nach wie vor kein Organisationsmodell, in dem die schwierige Verbindung dieser Elemente von Personal und Organisation in der Weiterbildung optimal gelöst ist. Die Aufgabentrennung zwischen den einzelnen haupt- und nebenberuflichen Personengruppen ist gewachsen, von der Entwicklung der Organisationen jedoch weitgehend abgekoppelt. Die gewachsenen Personalstrukturen entsprechen vielfach nicht den Anforderungen, die heute an lernende pädagogische Organisationen gerichtet werden. Ihre Weiterentwicklung bedarf – wie die anderen hier angesprochenen Aspekte – einiger Forschungsaktivitäten, denn die Motive, Perspektiven und Qualifikationen der einschlägigen Personengruppen sind von höchster Wichtigkeit für das Vorankommen der Organisationen. Das Personal ist einer der Aspekte auch im vierten Bereich, in dem es um die Potenziale lernender Weiterbildungsorganisationen geht: das vorhandene Steuerungsrepertoire. Bewusste strategische Steuerungsverfahren, im größeren Umfang erst vor 15 Jahren begonnen, haben im Weiterbildungsbereich nach wie vor einen Nachholbedarf. Die Möglichkeiten, solche in Managementtheorien und -modellen formulierten Steuerungsverfahren anzuwenden, sind in Weiterbildungsorganisationen begrenzt. Grund dafür ist nicht nur die vielfach geringe Größe dieser Einrichtungen, nicht nur die Dominanz externer Einflüsse, sondern auch das Personal und das jeweilige Tätigkeitsfeld. Das Personal ist (wie gesagt) in Teilgruppen zersplittert, was sich sogar in kleinen Einrichtungen zeigt. Es ist aber auch disparat, was die Flexibilität angeht – höchst flexibel die nebenberuflich Tätigen, sehr starr (vielfach beamtet) die hauptberuflich Tätigen. Dies gilt in erster Linie natürlich für kommunale Einrichtungen wie Volkshochschulen, aber auch für andere Bildungseinrichtungen mit einer gewachsenen Tradition. Das eingeschränkte Steuerungsrepertoire betrifft auch die Geschäftsfelder. Sie sind nicht beliebig erweiterbar und hängen von Faktoren ab, die von der Organisation selbst nicht steuerbar sind – etwa bildungspolitische Setzungen, Fördermaßnahmen, Rahmenbedingungen und das gesellschaftliche Klima, in dem jeweils Bildung einen definierten Stellenwert hat. Das Steuerungsrepertoire von pädagogischen Organisationen der Weiterbildung ist aber zu erhöhen, um Lernprozesse nicht nur als Erkenntnisprozesse, sondern auch als Handlungsverfahren zu implementieren. Dies vor allem auch dann, wenn Bildungseinrichtungen, wie angekündigt, perspekti-
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visch generell nicht über Inputsteuerung, sondern über Outputsteuerung öffentlich verantwortet werden sollen.2
4 Lernende Weiterbildungsorganisationen? Lernen von Weiterbildungsorganisationen, dies mag das Gesagte zeigen, folgt nicht nur einfach einer Umweltanalyse und einer Produktevaluation (wie dies bei anderen Betrieben vielfach ausreichend ist), sondern auch einer Reflexion des Standes und der Perspektiven dieses Typs von Organisationen. Es ist erkennbar, das Bildungseinrichtungen in unserer Gesellschaft relativ enge Spielräume haben, die sie beim derzeitigen Stand der Dinge nicht einmal voll ausschöpfen können, weil ihnen Zuständigkeiten und Entscheidungsmöglichkeiten vorenthalten bleiben und die vorhandenen Ressourcen und Strukturen Möglichkeiten einengen. Es ist aber auch erkennbar, dass jeweils für pädagogische Organisationen geeignete „Mischtypen“ des Managements von Lernen schwer zu entwickeln und zu erproben sind, da die Möglichkeiten dafür nicht als eigenständige Räume definiert und unterstützt werden. Natürlich bedarf es einer intensiven Forschung und Evaluation laufender Prozesse, um besser verstehen zu können, wie sich pädagogische Organisationen verhalten, wenn sich zwei Dinge gleichermaßen wandeln: Die Anforderungen und Situationen der Umwelt und die Möglichkeiten und Erfordernisse der jeweiligen Innenwelten. Dies zu wissen ist nötig, um präzisere Empfehlungen für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung solcher Organisationen geben zu können. Ob es einer eigenen Organisationstheorie für pädagogische Organisationen bedarf, sei dahingestellt. Ich zweifele daran aus zwei Gründen: Zum einen sind die Unterschiede zwischen den pädagogischen Organisationen so groß, dass es schwer vorstellbar ist, hier einen gültigen übergreifenden theoretischen Rahmen zu schaffen. Manche dieser pädagogischen Organisationen liegen schon jetzt in ihrem Selbstverständnis, ihrer Arbeitsweise, ihren Zielvorgaben und ihren Problemen näher bei anderen Dienstleistungsbetrieben als 2
Inputsteuerung meint der Nachweis von Ressourcen, welche in die Arbeit einer Einrichtung fließen, Outputsteuerung ist der Nachweis von Ergebnissen der Arbeit der Einrichtung (in Relation zu den investierten Ressourcen).
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bei „genuinen“ pädagogischen Einrichtungen. Zum anderen haben die vorliegenden organisationstheoretischen Ansätze ausreichenden Spielraum, um die Adaptation auf pädagogische Problem- und Fragestellungen zu ermöglichen.
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Johannes F. Hartkemeyer
Die Unterscheidung der „Lernenden Organisation“: Generierung alternativer Sichtweisen
Der Begriff „Lernende Organisation“ kann unterschiedliche Resonanzen erzeugen und vielfältige Fragestellungen auslösen. Sie differieren nach Profession, Weltanschauung und Erkenntnisinteresse des Fragestellers und seinem Modellverständnis, z. B.: -
Ist der Lernbegriff sinnvoll auf Organisationen anwendbar, oder sollte er nicht eher Individuen vorbehalten werden?
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Ist die „Lernende Organisation“ eine modische Metapher oder verkörpert sie ein theoretisches und praktisches Konzept?
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Steckt hinter dieser Begriffsbildung eher eine kapitalistische Managementmode, um die Ware Arbeitskraft über psychotechnische Methoden auszubeuten, oder ein emanzipatorisches Interesse?
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Ist der Begriff zum Modewort geworden, das verschiedenste Parteiprogramme und Marketingbroschüren ziert und auf das sich unterschiedlichste Unternehmen berufen, oder benennt er eine tragfähige Vision?
Im Zuge der Professionalisierung der Erwachsenenbildung gerät die Art und Weise, in der Menschen in Organisationen zusammen arbeiten, zunehmend in den Fokus von Untersuchungen, deren Gegenstand die Sozialformen sind, in denen „Bildungsprozesse“ als Dienstleistungen hergestellt werden. Darüber hinaus wird das Referenzsystem Organisation und Umwelt, vermittelt über Marketing, Beratung, Kundenkommunikation, aber vor allem die Kommunikation über Kosten, Perspektiven und Organisationsstrukturen in den Blickpunkt von Praxis, Theorie und Beratung genommen. Weiterbildungsorganisationen unterscheiden zwischen „innen“ und „außen“. Sie haben eine organisationale Oberfläche, eine Erscheinungsform, und sie haben ein Innenleben. Das organisationsspezifische Proprium muss über einen rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungshorizont hinausgehen. Der Zeithorizont von Lernprozessen hat eine eigene Dimension. Diese muss auch vor dem Langzeithorizont ökologischer (Agenda 21) und sozialer Perspektiven gesehen werden,
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soll Bildung einen ernsthaften Beitrag zur Entfaltung des Gemeinwesens haben und nicht nur Verwertungsinteressen unterliegen. Weiterbildungseinrichtungen haben einen hohen Kommunikationsbedarf auf Grund des Prozesscharakters von Bildung, der nicht mit konventionellen Produkt-Kriterien erfassbar ist. Dialogische Prozesse und Formen interner Kooperation gehören in entwickelten Bildungseinrichtungen zur Basis von Organisationskreativität. Das von Peter M. Senge und anderen entwickelte Modell der fünf Disziplinen (Senge 2003) ist für die Betrachtung von Bildungsorganisationen unter dem Gesichtspunkt „lernender Organisationen“ von hohem Interesse. Inhaltlich legt dieser Beitrag daher die Definition und die Anwendung des Begriffs vom Ansatz Peter M. Senge und seines Umfeldes (Chris Argyris, Edgar Schein, Claus Otto Scharmer) sowie Wissenschaftlern und Praktikern aus dem Organizational Learning Centre des Massachusetts Institute of Technology bzw. der Society of Organizational Learning (SOL) zugrunde (vgl. Argyris 1997; Senge 2003, 2004; Senge u.a. 2004a).
1 “Lernende Organisation“ – die unkonventionelle Idee „Die Haut des Menschen ist der Spiegel der Seele“, sagt man. Sind organismische Metaphern mit Erkenntnisgewinn auf Organisationen übertragbar? Können Organisationen wie menschliche Personen gesehen werden und damit auch lernfähig sein? Der erste Teil der Frage ist aus juristischer Sicht längst klargestellt: Der Supreme Court der USA hat im Jahre 1886 entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft als „natürliche Person“ definiert werden kann (Alexander 2003). Damit wurde mit der „Southern Pacific Railway“ erstmals eine Organisation zur Person erklärt, mit teilweise verheerenden Folgen: Nicht länger werden ausschließlich Menschen als verantwortliche Entscheidungsträger gesehen, sondern auch Kapitalgesellschaften. Menschen können sich aufgrund der Körperschaftsimmunität hinter Organisationen verstecken. Dazu passt in der Rechtsgeschichte die Entscheidung des US-Supreme Court von 1980, dass man genetisch veränderte Lebewesen patentieren kann. Also können Lebewesen patentrechtlich einer (juristischen) „natürlichen“ Person, einer Kapitalgesellschaft, gehören. Die Praxis zeigt also, dass Organisationen bereits
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eine in der Rechtsform angelegte Prozessdynamik und Verhaltensweise eigen ist. Diese verantwortlich zu entwickeln und nicht zu leugnen ist Basis für eine reflexive Organisationsentwicklung. Menschliche Organisationsformen haben ihre eigene Dynamik, ihre spezifische Sozialisationskraft wirkt auf das menschliche Verhalten ein. Die Disziplinargesellschaft „Organisation“ unterscheidet zwischen „erlaubt“ und „verboten“. Es bilden sich strukturelle Routinen und Abwehrmechanismen heraus. Organisationen erlauben Identifikation, können als den Aufgaben gewachsen oder überlebt eingeschätzt werden, haben Lebenszyklen, zeigen „Schatten“, Geburt und Tod. Ob es sich um die katholische Kirche handelt, die Volkswagen AG, die NPD oder das Rote Kreuz: Alle haben ihre spezifischen Muster und Sinn gebenden Strukturen sowie einen komplexen Prozess des Beharrens und des Zulassens von Innovationen herausgebildet. Inwiefern unterscheiden sich Bildungsorganisationen von anderen? Von ihrem Anspruch her sollen sie Innovation nicht nur zulassen, sondern permanent Kreativität generieren. Wie passt das aber mit einem traditionellen Verständnis von Verwaltung zusammen, die nach Routine verlangt, die jede Abweichung von der Norm als Bedrohung sieht, die das reibungslose Funktionieren beeinträchtigt? Aus diesem tradierten Verwaltungsverständnis entsteht Innovation aus dem Abweichenden, dem Verbotenen. Der Manager Daniel Goeudevert beispielsweise musste seinen Automobilkonzern verlassen, weil er zu früh das Ende der fossilen Dinosauriertechnologie erkannte. Erst heute, wird für jeden offensichtlich, wie das konventionelle verbrennungsmotorische Paradigma die Klimakatastrophe befördert. Die Idee der „Lernenden Organisation“ ist Ende der 80er Jahre in den USA von Organisationsforschern entwickelt worden, die sich bereits früh mit vernetzten Prozessen, Szenariotechniken und ökologischen Entwicklungen befasst haben. So hat etwa Jay Forrester zusammen mit Donella Meadows (1972) und anderen die systemtheoretischen Modelle für „Die Grenzen des Wachstums“ entwickelt. Die Prozessdynamik, Rückkopplungsschleifen und komplexen Modellierungen sind frühe Modelle sowohl der wissenschaftlichen Ökologie als auch der Organisationsentwicklung geworden. Gregory Bateson (1983) ist mit seiner „Ökologie des Geistes“ eine der Inspirationsquellen für dieses „neue Denken“.
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Geistiger Vater dieser Entwicklung ist nicht zuletzt auch der deutsche Feldpsychologe Kurt Lewin, der im US-amerikanischen Exil entscheidende Impulse für die Organisationspsychologie gab. Art Kleiner (1996) schildert den Ideen generierenden Hintergrund in dem Buch „The Age of Heretics“ Das Standardwerk „Die fünfte Disziplin“ (erstmals erschienen 1990) wurde von Peter Senge in der Endphase des Apartheidregimes in Südafrika auf der Farm von Louis van der Merve, einem erfahrenen südafrikanischen Organisationsberater verfasst. Die neue Denkweise führte dazu, dass sich kritische Auffassungen in Unternehmen entwickeln konnten und wurde so Bestandteil des Veränderungsprozesses in dem vom Bürgerkrieg bedrohten Land. Die Basis des Ansatzes ist also nicht von der konventionellen Organisationswissenschaft gelegt worden, sondern von kritischen Soziologen, Pädagogen und Beratern. Dazu gehört auch Joe Jaworski, der mit seiner Szenariotechnik die generativen Szenarios für Shell entwickelte. Die generativen Modelle – im Vergleich zu konventionell extrapolierten Annahmen – machten Shell in der Prognostik fast unschlagbar. Generativ heißt, aktiv mit einer Zukunft in Kontakt sein, die als Potenzial vorhanden ist und durch den Akteur in die Welt kommen will. Diese Wahrnehmungssensibilität sich selbst und anderen gegenüber ist die Basis für Peter Senges „Personal Mastery“, der ersten der fünf Disziplinen einer lernenden Organisation. Es geht darum, immer wieder zu überprüfen, welche „Wirklichkeit“ uns bestimmt. Dazu gehört auch, die eigene Wahrnehmung dafür zu schärfen, wie das, was wir Realität nennen, in uns entsteht und wie wir unsere Sichtweisen in einem mehrschleifigen Lernprozess vertiefen können. Dee W. Hock, Gründer der Visa-Card-Organisation und neben Senge im Vorstand der Society of Organizational Learning (SOL), hat aus seiner Sicht für Organisationen, die sich als lernend verstehen wollen, Anforderungen an Führungskräfte formuliert: „Die erste und wichtigste Verantwortung eines jeden, der zu managen vorgibt, besteht darin, sich selbst zu managen: die eigene Integrität und den eigenen Charakter, Ethik, Wissen, Weisheit, Temperament, Worte und Taten. Dies ist eine komplexe, unendliche, unglaublich schwierige Aufgabe, vor der man sich gern drückt. Das Management des Selbst ist etwas, worauf wir wenig Zeit verwenden und bei dem wir uns selten auszeichnen, denn es ist viel schwieriger, als das Verhalten anderer zu bestimmen oder 32
zu kontrollieren. Ohne Selbstmanagement ist niemand geeignet, Autorität auszuüben, soviel er davon auch erwerben mag. Je mehr Autorität man erworben hat, desto gefährlicher ist man. Dem Selbstmanagement sollten wir die Hälfte unserer Zeit und unserer Fähigkeiten widmen. Wenn wir das tun, stellen sich die ethischen, moralischen und spirituellen Elemente des Selbstmanagements von selbst ein“ (Dee W. Hock 2001, S. 70).
2 Senges Modell der fünf Disziplinen Personal Mastery: Die Entwicklung einer persönlichen Vision und die Differenz zwischen wahrgenommener Realität und Ziel bieten den Spannungsbogen für die kreative Energie des einzelnen. Eine Bildungseinrichtung lebt demnach davon, dass die Mitarbeitenden permanent diesen Spannungsbogen, der aus Neugier und Engagement besteht, auch aufrecht erhalten können, denn er generiert das Interesse an der persönlichen Weiterentwicklung. Mentale Modelle: In der Regel gehen wir in Veränderungsprozessen davon aus, dass wir neue Strategien brauchen. Unterschätzt wird das Hinterfragen der mentalen Basis, aus der unsere Strategien entstehen. Dabei sind es Überzeugungen, Weltbilder und das, was wir „Erfahrungen“ nennen, welche die Grundlage unserer Wahrnehmungen und Bedeutungszuweisungen bilden. Gerade der Begriff „Erfahrung“ ist immer wieder zu hinterfragen. Wieso kommen verschiedene Menschen in der gleichen Situation zu unterschiedlichen „Erfahrungen“? Wie verändert man alte und wie macht man andere „Erfahrungen“? Wenn wirksame Veränderungen erzielt werden sollen, muss an dieser Ebene gearbeitet werden, um wirklich andere Perspektiven entwickeln zu können – so die Modellvorstellung. Nur ist diese Veränderungsebene die schwierigste, weil sie mit uns selbst zu tun hat. Es ist leichter, auf der rhetorischen Ebene zu arbeiten, Lösungen nach außen zu projizieren, weil sie keine Veränderung von uns selbst erfordern, sondern nur eine veränderte Phraseologie oder Rhetorik. Für diese Verdrängung eignet sich auch eine sich „wissenschaftlich“ gerierende Sprache ausgezeichnet. Am Beispiel des Kontrollparadigmas zeigt sich, wie ein grundlegendes Denkmodell oder auch Menschenbild die Wahrnehmung bestimmen kann. Überwachungsgeräte, Zeiterfassungssysteme, Kontroll-, Bewertungs- und Motivati-
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onsmechanismen gehen davon aus, dass der Mensch an sich unzuverlässig ist und kontrolliert werden muss, um Leistungen zu erbringen. Das ist jedoch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Nach neueren Erkenntnissen tun die meisten Menschen mehr als sie müssten – es sei denn sie werden kontrolliert. Wer den Leistungen seiner Mitarbeiter misstraut, den strafen sie mit schlechten Leistungen. Wer optimistisch ist und ihnen freie Hand lässt, wird belohnt. Allerdings können auch bei starker Kontrolle die Leistungen steigen. „Wenn schon Kontrolle, dann aber richtig“, lautet der folgerichtige Schluss. Dagegen ist es sinnvoller, die Führung von Lernenden Organisationen an der Eigenmotivation zu orientieren, die aus dem Motiv der Selbstentwicklung schöpfen kann. Kontrolle wird dann überflüssig und höhere Selbstverantwortung ermöglicht. Das führt aber auch dazu, dass die hierarchische Strukturorganisation konsequent in eine veränderte Prozessorganisation münden kann. Im Ergebnis ist dies die Basis für eine Verringerung des Steuerungs- und Kontrollaufwandes. Wirtschaftlichkeit ist mehr als Minimierung des Prozessaufwandes und hier zeigt sich, dass sich Selbstverantwortung und Wirtschaftlichkeit durchaus in humaner Weise ergänzen können. Leitung hat in einer solchen Organisation die Aktivierung von Lernbereitschaft zum Ziel. Unternehmerisches Denken (Entrepreneurship) im positiven Sinn ist das Ergebnis. Ein weiteres Beispiel für die Wirkung mentaler Modelle sind Lernpathologien, in Organisationen immer wieder vorkommende Lernverhinderungserscheinungen. Die den mentalen Modellen in Organisationen zugrunde liegenden „falschen“ Annahmen werden nicht durch gegenteilige Erfahrungen korrigiert. Die Organisationsforscher Argyris und Schön sprechen in einem solchen Fall von Verhinderungsschleifen (inhibiting loops) (vgl. Argyris 1997) und unterscheiden zwei Typen von Aktionstheorien, die in Organisationen eine Rolle spielen: die offizielle, verlautbarte (exposed theory) und die tatsächliche handlungsleitende Theorie (theorie in use). So kann es sein, dass die offizielle Theorie heißt: „Wir sind ein Team und arbeiten kollegial zusammen“, die Wirklichkeit sich aber im Alltag darstellt nach dem Motto: „Sei auf der Hut, alle konkurrieren miteinander!“. Oder es heißt: „Sei kreativ, erprobe Neues!“, aber es wird nach dem Motto verfahren: „Bloß nichts verändern, die Verwaltung hat das sagen: lass es, wie es ist, wenn du keine Probleme haben willst.“ Lernpathologien dieser Art können eine Organisation zerstören. Sie sind umso gefährlicher, je unbewusster sie ablaufen. Diese tiefere Ebene wird von Organisationen nicht selten verdrängt und abgewehrt. Wenn man aber nicht die Ebene
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der „latenten mentalen Modelle“ erreicht, wird man Organisationen schwerlich qualitativ verändern können. Shared visions: Gemeinsame Visionen zu entwickeln, gehört mittlerweile zum Standard der Organisationsentwicklung. Aber wie werden diese Visionen entwickelt, die in der Regel in Hochglanzfaltblättern als Leitbilder verteilt werden? Sind sie tatsächlich das Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses? Sind die Visionen der einzelnen darin enthalten? Oder sind sie das Ergebnis des Beratungs- und Formulierungsprozesses der Geschäftsführung oder eines externen Consulting-Unternehmens? Mitdenken und -handeln, die persönliche Beziehung, das commitment, ist wesentlich von dem konkreten Prozess abhängig und ist eng verbunden mit persönlichen Lebenszielen. Insbesondere Bildungsorganisationen basieren auf den „menschlichen Faktoren“ Lebenseinstellung und Erfahrungswissen. Daher ist die Frage des Menschenbildes und der Zielsetzung eine spezifische Steuergröße. Team learning: Die Entfaltung synergetischen Potenzials von Menschen in Gruppen bedarf der Fähigkeit des Lernens im Team. Flexible Arbeitsgruppen für neue Aufgabenfelder sind heute verbreitet. Wie aber erzielt man Höchstleistungen als kollektive Arbeitsergebnisse? Dazu gehört eine neue Qualität der Kommunikation. Ein qualifiziertes Team muss entscheiden, wann es diskutieren will und wann es in den Modus eines „generativen Dialogs“ wechseln möchte, um die Hintergründe von Entscheidungen und Erkenntniswegen zu erkennen und um Konflikte selbst zu lösen. Konflikte sind in der Regel nur Symptome und Zeichen für Denk- und Verhaltensweisen, die zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen. Sie sind so gesehen eine Chance, Denkweisen zu verändern und qualitativ neue Strategien zu entwickeln. Dazu gehören eine Erweiterung des Wahrnehmungsfeldes und damit die Vergrößerung des Möglichkeitsraumes für Entscheidungen und Lösungen (Hartkemeyer 1999; Hartkemeyer u.a. 2001). Aufgabe in Gruppenprozessen ist, das in Gruppen latent vorhandene synergetische Intelligenzpotential zu erschließen und sich bei optimaler Stimulation gegenseitig zu Höchstleistungen zu inspirieren. Dies zu erreichen ist eine Frage des kreativen Feldes und der Qualität der Kommunikation. In Diskussionsprozessen und konventionellen Besprechungen entsteht nicht selten der Eindruck (auch in Bildungseinrichtungen), dass sich Menschen gegenseitig behindern und die Gruppenintelligenz wesentlich niedriger liegt als die Summe
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der Einzelintelligenzen. Der Schlüssel lernfähiger Teams für komplexe Fragenstellungen liegt im Training eines Dialogmodus. Das Kennzeichen des Dialoges ist vor allem das „generative Zuhören“ und die Fähigkeit, Sichtweisen „in der Schwebe“ zu halten. Dialoge und Diskussionen können sich ergänzen. Lernende Teams sollten die Fähigkeit haben, sich zu entscheiden und zwischen Kommunikationsformen bewusst wechseln zu können. Hierarchische Positionen, Machtdifferenzen und übergroßer Konkurrenzdruck können das „freie Fließen“ des Wissens behindern. Darin liegt auch das zentrale Problem des Wissensmanagements in der heutigen Konkurrenzgesellschaft (Hartkemeyer/Hartkemeyer 2005). Abwehrroutinen können lernverhindernden Charakter haben. Sie bewahren uns zwar scheinbar vor Bloßstellung, halten aber auch davon ab, etwas zu lernen. Sie entstehen aus der Angst, das Denken, was unseren Meinungen zugrunde liegt, zu offenbaren. Das „Teamlernen“ und die Entwicklung gemeinsamer Visionen bedingen sich gegenseitig. Art und Qualität des Umgangs der Menschen im Team sind bedeutende Gradmesser. Von lernenden Organisationen kann man nur dann sprechen, wenn die Mitarbeitenden ihren „Lebensgeist“ in ihre Aufgaben einbringen. Die bloße Befolgung von Anweisungen führt in eine starre Bürokratie. Aus dieser Perspektive betrachtet ist die derzeitige „Bildungsreform“, die sich weitgehend an zertifizierbaren Standards und Kontrollinstanzen wie einem „Bildungs-TÜV“ orientiert, zum Scheitern verurteilt. Systems thinking: Wir gehen davon aus, dass die Zukunft offen gestaltbar ist und sich in einem dynamischen Wandel befindet. Daher sprechen wir auch von einer dynamischen Komplexität. Diese scheinbare Unübersichtlichkeit kann leicht dazu führen, sich den Marktkräften auszuliefern. Der St. Gallener Managementforscher Fredmund Malik wirft der heutigen Managementgenerationen vor, dass sie naiv der Marktgläubigkeit anhänge (vgl. Malik 2005). Der Markt aber führe keine wirtschaftliche Leistung herbei und verhindere keine Fehler, sondern bestrafe sie erst, wenn sie passiert seien. Um diese zentralen Schwächen des Marktes zu kompensieren, brauche man eine hervorragende Ausbildung, da Management einer anderen, eigenen Logik folgen müsse. Dies hat für Bildungsorganisationen eine besondere Bedeutung. Gerade in den Bereichen von Ökologie und Bildung ist ein Denken in langen Zeithorizonten notwendig, da die Wirkungen von Fehlentscheidungen 36
immens sein können und der Schaden alle Nutzenkalküle um ein Vielfaches übersteigen kann (siehe Klimawandel). (vgl. Hartkemeyer 1997). Bei allem ist gleichzeitig entscheidend, eine Intuition für das zu entwickeln, was in die Welt kommen möchte. Senge und Scharmer sprechen vom Presencing als 6. Disziplin (Senge u.a. 2004b). Die angesprochenen generativen Szenarios in Verbindung mit dem Dialogprozess können solche Wahrnehmungsprozesse freisetzen.
3 Lernen organisieren – organisiertes Lernen Lernprozesse zeichnen sich nach dem aktuellen Erkenntnisstandard dadurch aus, dass sie Wissensbestände „fluide“ halten. Wissen ist kein abgeschlossener Prozess. Das kumulative Modell von „Lernen“ und „Wissen“ ist veraltet. Es kommt vielmehr auf Handlungsfähigkeit an, auf Transfer von Lernstrategien in neue Situationen (Hartkemeyer 1998). Die Teilnehmenden von Bildungsprozessen können nicht länger als „Hörer“ bezeichnet werden (wie in der Volkshochschultradition üblich) und die Lehrenden nicht als „Dozenten“. Auch der Begriff „Kunde“ greift zu kurz, da Bildung ein gemeinsamer Prozess ist, der ermöglichen soll, die in jedem Individuum angelegten Potenziale und spezifischen Entwicklungsmöglichkeiten zu entfalten. Bildung wird zukünftig immer mehr bedeuten, dass Individuen ihre spezifischen Lernwege so erforschen und entwickeln können, dass sie mit ihren eigenen Potenzialen, Lernstilen und Lernzielen in Kontakt kommen. Lehrende werden so immer mehr zu Lernprozessbegleitern. Insofern wird auch die Organisationsform sich permanent verändern müssen, also selbst eine „Lernende Organisation“ sein müssen. Das hat nichts mit „Vereinzelung“ oder gar „Privatisierung“ zu tun. Das Schaffen eines Möglichkeitsraumes für Bildung bleibt eine öffentliche Aufgabe. Die Erfahrungen mit Privatisierungsprozessen öffentlicher Aufgaben (z.B. Schienennetz in Großbritannien, Wasserversorgung in London, Privatisierung der Energiewirtschaft) machen deutlich, dass dort, wo kurzfristige Verwertungsinteressen überwiegen, soziale Erfordernisse sowie langfristige Zukunftsperspektiven zu kurz kommen.
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Betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen müssen aufgrund ihres Fragehorizontes notwendigerweise in die Irre führen, wenn sie als Ersatz für gesellschaftliche Zukunftsdiskussionen als allgemeine Entscheidungsbasis dienen. Das Problem kann sich potenzieren, wenn sich Leitungskräfte von Bildungseinrichtungen einseitig mit dieser Betrachtungsweise gegenüber ihren Auftraggebern profilieren wollen. Dagegen ist zu sagen, dass öffentliche Bildungseinrichtungen nicht gegründet worden sind, um Geld zu verdienen, sondern um gesellschaftliche Zukunftsinvestitionen in Form von Bildung zu tätigen und soziale Defizite auszugleichen. So kann zum Beispiel ein hohes finanzielles Defizit aufgrund einer sozial gestaffelten Gebührenermäßigungsregelung zeigen, dass die Einrichtung genau auf dem richtigen Weg ist und die gemeinte Zielgruppe erreicht. Naturgemäß ist die Betrachtungsweise des Kämmerers eine andere. Bildung ist eine öffentliche Aufgabe, da es um das kollektive emanzipatorische Erkenntnissinteresse einer Gesellschaft geht, die mit dem ökologischen Überlebensinteresse verbunden werden muss. Kapitalgesellschaften mit ihrer Shareholder-Value-Perspektive und dem Kurzzeithorizont von Quartalsberichten können diesem Langzeithorizont nicht entsprechen (vgl. Malik 2005). Bildungsorganisationen müssen diese weiteren Horizonte entwickeln und sich gleichzeitig prozesslogisch den neuen Anforderungen stellen, um zukunftsfähig zu sein. Bildungseinrichtungen haben allerdings mentalitätsbedingt spezifische Probleme, wenn sie ihre Lernfähigkeit konkretisieren wollen. Dies teilen sie z.B. mit Wissenschaftseinrichtungen und theologischen Institutionen. So wie Religionsgemeinschaften in der Regel über ihre institutionellen Träger vermitteln wollen was der richtige Glauben ist, sind Wissenschaftler nach tradiertem Selbstverständnis diejenigen, die das Wissen erzeugen und „verkörpern“. Ähnlich pflegen Bildungseinrichtungen häufig die Vorstellung, den rechten Glauben und das richtige Wissen bereits selbst und damit auch verkündbar und vermittelbar zu haben. In dieser Attitüde des Wissenden, wird das Lernen nur schwerlich als eigene Orientierung angenommen. Lehrende kennen zwar rhetorische Fragen, aber sie haben in besonderer Weise gelernt, sich als Wissende in der Lehre behaupten zu müssen. Vielleicht ist das auch eines der zentralen Problempunkte, warum Bildungseinrichtungen sich so schwer tun mit wirklichen Reformprozessen. Eine Deformation des Professionalitätsverständnisses der Lehrenden, nämlich die Annahme, dass das zu Vermittelnde ebenso wenig mit ihnen zu tun habe wie die Struktu38
ren und Mentalitäten, die sie schaffen oder in denen sie tätig sind, bildet nicht selten einen kollektiven Wahrnehmungsfilter. Die kritische Reflexion bisheriger Veränderungspraxis nach dem Modell der „Lernenden Organisation“ kann hilfreich sein für Bildungseinrichtungen bei der Erkundung von „blinden Flecken“ und alternative Sichtweisen ermöglichen.
Literatur Alexander, J., 2003: Vom Lebensprinzip durchdrungen. Warum „Rechtsperson“ ein falscher und „sozialer Organismus“ ein richtiger Gedanke ist, Anthroposophie weltweit, Nr. 8, S. 12 Argyris, C., 1997: Wissen in Aktion. Eine Fallstudie zur Lernenden Organisation. Stuttgart Bateson, G., 1983: Ökologie des Geistes. Suhrkamp, 6. Auflage. Frankfurt a.M. (Orig.: Steps to an Ecology of Mind. Chandler Publ. Comp. 1972) Hartkemeyer, J. F., 1997: Systemisch lernen statt Lernroutinen, Hernsteiner, Zeitschrift für Managemententwicklung, Nr. 10 Hartkemeyer, J. F., 1998: Neues Verständnis vom „Lernen“. DIE Zeitschrift für Erwachsenbildung, Nr. 1 Hartkemeyer, J. F., 1999: Was ist die Qualität von Qualität?, Report - Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung, Nr. 43 Hartkemeyer, M./Hartkemeyer J. F. /Freeman, D.L., 2001: Miteinander Denken – das Geheimnis des Dialogs, 3. Auflage. Stuttgart Hartkemeyer J. F./Hartkemeyer M., 2005: Die Kunst des Dialogs – Kreative Kommunikation entdecken. Stuttgart Hock, D. W., 2001: Die chaordische Organisation. Stuttgart Kleiner, A., 1996: The Age of Heretics, Heroes Outlaws and the Forerunners of corporate Change. New York u. a. Malik, F., 2005: Die verlorene Generation. Sie denken in Zahlen und glauben nur ans Geld. Warum viele Manager versagen, in: Die Zeit, Nr. 49 Meadows, D. L. /Meadows, D./Zahn, E./Milling, P., 1972: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart (Orig.: The Limits to Growth, Universe Books, New York 1972)
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Senge, P. M., 2003: Die fünfte Disziplin, 9. Auflage. Stuttgart Senge, P. M., 2004: Global Learning - Learning Together For a Sustainable Future, International Conference May 24 Senge, P. M. /Kleiner, A./Smith, B./Roberts, C./Ross, R., 2004a: Das Fieldbook zur Fünften Disziplin, 5. Auflage. Stuttgart Senge, P. M. / Scharmer, C.-O./Jaworsky, J./Flowers, B.S., 2004b: Presence - Human Purpose and the Field of the Future. Cambridge, MA
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Anne Schlüter
Die "Lernende Organisation" als mentales Modell für die Personal- und Organisationsentwicklung von Weiterbildungseinrichtungen Wie, mit welchem Ansatz können Weiterbildungseinrichtungen lernen, ihre Probleme zu lösen? Dieser Beitrag führt mögliche Ansätze des Denkmodells “Lernende Organisation“ vor und konfrontiert diese mit wissenschaftlichen Befunden zu ihrer Wirkung in der Praxis. Daran anschließend sollen die Möglichkeiten einer interlokalen Kooperation als organisationale Strategie einer regionalen Weiterbildungslandschaft aufgezeigt werden. Zu fragen ist, ob Kooperation mehr leistet als Anpassungslernen1 und/oder ob durch Kooperation auch Veränderungslernen möglich ist.
1 Weiterbildungseinrichtungen als "lernende Organisationen"? Die "Lernende Organisation" ist zu einer mittlerweile etablierten Figur für ein mentales Management-Modell geworden, das als systemische Betrachtungsweise zu charakterisieren ist. Systemisch meint hier alle Teile mitdenkend, meint eine über Einzelelemente hinausgehende Wahrnehmung, die auf Integration der einzelnen Elemente abhebend Wechselwirkungen der Elemente untereinander berücksichtigt. Es erfordert eine übergreifende Reflexionsfähigkeit, die sich sowohl auf das Gesamtsystem, auf die Subsysteme als auch auf die Umwelten bezieht2. Seit den 1990er Jahren diskutiert, hat dieses mentale Modell in der Weiterbildung und besonders in der Organisationsberatung für Weiterbildungseinrichtungen an Bedeutung gewonnen (vgl. Dollhausen 2003). Das mentale Modell "Lernende Organisation" kann für das Denken und Interagieren in Weiterbildungseinrichtungen anregend und sinnvoll sein, weil es auf 1
Von Anpassungslernen spricht man, wenn Organisationen ihre Ziele, ihre Entscheidungen und ihr Verhalten an Veränderungen der Umwelt anpassen. Es meint "eine Adaption an das Umfeld und dessen Veränderungen auf der Basis von Erfahrungen der Vergangenheit" (Dollhausen 2004, S.33). 2 Zur Logik des systemischen Denkens bezogen auf Non-Profit-Organisationen des Bildungsbereichs, vgl.: Zech 1997, S.22-62.
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die Herstellung einer Lernkultur in allen Tätigkeitsbereichen abhebt. Das Ziel der „Lernenden Organisation“ ist letztlich, eine wirksame Qualitätssicherung und -entwicklung auf allen hierarchischen Ebenen und in allen Funktionsfeldern der Weiterbildungsorganisation zu erreichen. Aus der Perspektive der Organisationsberatung geht es um die „Verbesserung der Selbststeuerungsfähigkeit" der Weiterbildungseinrichtungen (vgl. Schäffter 2000, zit. nach Dollhausen 2003, S.87). Ehses und Zech (1999, S.16ff.) haben in ihrer Projekt-Beschreibung zur Organisationsentwicklung von Volkshochschulen die Voraussetzungen für solche Steuerungsprozesse aufgeführt. Sie sprechen von drei zusammenhängenden Rationalitäten pädagogischer Professionalität: -
Betriebswirtschaftliche Steuerung = Finanzmanagement
-
Pädagogische Steuerung = Bildungsmanagement
-
Organisationale Steuerung = Organisationsmanagement
Pädagogische Steuerung meint in diesem Kontext das Bereitstellen der Leistung "Bildungsangebot" einschließlich der Finanzierungsmöglichkeiten (ebd. S.18). Die so definierte pädagogische Professionalität umfasst damit prinzipiell alle Managementbereiche, wobei die organisationale eine intermediäre Rolle für die anderen Managementbereiche zu übernehmen hat. Unter systemischer Perspektive lässt sich das Management einer Weiterbildungseinrichtung nicht allein auf den betrieblichen Aspekt reduzieren. Um "organisiertes Lernen" zu ermöglichen, müssen sich die Gestaltungsbemühungen des Bildungsmanagements auf mindestens drei unterscheidbare Funktionsfelder3 beziehen, 1. auf den ordnungspolitischen äußeren Rahmen mit seinen institutionellen Regelungsstrukturen – dazu zählen die gesetzlichen, finanztechnischen, kommunalen, regionalen, verbandlichen Wirkungen auf den Weiterbildungssektor und damit auf die einzelne Einrichtung; 2. auf das Funktions- und Handlungsfeld der betriebsförmigen Strukturierung der Weiterbildungsangebote – dazu gehören Einrichtungsleitung, Programmplanung, Aufgabenbereichsplanung und Veranstaltungsorganisation; 3. auf das Funktionsfeld, das nur bedingt beeinflussbar ist, aber die konkrete Basis für die Aufgabe Erwachsenenbildung ausmacht, nämlich die Weiterbil3
Vgl. zu den Funktionsfeldern ausführlicher: von Küchler/Schäffter 1997, S.64ff.
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dungs-Bedarfsermittlung bei den potenziellen Kunden/Teilnehmenden. Diese werden auch als regionale Lernmilieus wahrgenommen. Um Weiterbildungsinteressierte zu gewinnen, werden beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit bzw. Marketingstrategien für spezielle Bevölkerungsgruppen diskutiert. Lernanlässe existieren ständig in einer Organisation, wenn man davon ausgeht, dass sie sich personell immer wieder selbst erneuern muss, um stetig qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten zu können. Ein permanentes Lernen mit dem Anspruch der strukturellen Anpassung (= organisationales Lernen) an neue gesellschaftliche Vorgaben sollte für eine Weiterbildungseinrichtung selbstverständlich sein. Während einerseits im ordnungspolitischen Bereich über Deregulierung und staatliche Abnahme der Verantwortung für die Aufgabe Weiterbildung geklagt wird, schaffen im Bereich der Einrichtungen immer öfter Leiter/innen bzw. Direktoren systematischer als vorher Rahmenbedingungen für eine lokale und interlokale Weiterbildungslandschaft, die die Orientierung am Kunden bzw. Weiterbildungsmarkt zum Ziel hat. Dies bedeutet, die Verknüpfung und Integration der unterschiedlichen Funktionsbereiche herzustellen und die organisationale Gestaltungskraft stärker auf innovative Strategien zur Profilierung des gesamten Weiterbildungsraumes zu erweitern. Bildungseinrichtungen sind gegenwärtig unter dem politischen und finanziellen Druck stärker als bisher gezwungen, effektiv zu kalkulieren und zu sparen. Damit sind sie in einen Organisationswandel gedrängt worden, der als nicht sehr förderlich für traditionelle Ziele der Bildungseinrichtungen diskutiert wird. Folgende Veränderungsnotwendigkeiten werden genannt, -
Weiterbildungsmarkt und Wirtschaftlichkeit,
-
Reformbestrebungen der öffentlichen Verwaltung,
-
Anforderungen seitens der Lernenden,
-
Neue Medien,
-
Deinstitutionalisierungsphänomene (vgl. Kil 2003, S.19).
Mit diesen Anforderungen stehen Weiterbildungseinrichtungen auch vor der Entscheidung, wie sie mit ihren tradierten Wertorientierungen umgehen wollen, die auf eine Bereitstellung von Bildungsangeboten für Bevölkerungsgruppen ausgerichtet ist, die sich Aufhebung von Bildungsbenachteiligung und Persönlichkeitsbildung erwarten, aber zugleich auch die Steigerung ihrer Chancen für einen beruflichen Aufstieg. Einrichtungen der Erwachsenen- und 43
Weiterbildung wie die Volkshochschulen haben es mit widersprüchlichen Anforderungen zu tun, und ihr Management hat auf einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Zielvorgaben von Markt und Staat hinzuwirken. Die Frage ist: Können mentale Modelle helfen, eine Kultur in Organisationen herzustellen, die Lernen als Selbstverständlichkeit betrachtet und so Probleme bewältigen hilft.
2 Was Weiterbildungseinrichtungen lernen sollen – Kooperation und Konkurrenz Lernen ist prinzipiell in alle Richtungen möglich, positiv und negativ: "Lernen kann – wie Rauchen – der Gesundheit schaden. Vor allem aber: Es lohnt sich häufig nicht!" (Simon 2002, S.145). Für die Ausgestaltung einer Lern-Kultur ist der Gedanke hilfreich, dass Kultur etwas Gemeinsames, Überindividuelles ist, das das soziale System einer Einrichtung der Weiterbildung zusammenhalten kann. Eine Kultur des Lernens, vor allem des gemeinsamen Lernens, muss sich für alle in einer Einrichtung lohnen. Nur wenn Menschen gleichzeitig an sich selbst und für das System "Weiterbildungseinrichtung" arbeiten können, ist ein sinnvolles Lernen einer Einrichtung als Prozess und Ziel möglich. Folgende Voraussetzungen können dies unterstützen: -
Das Lernen von Individuen sollte an konkrete Handlungsmöglichkeiten gebunden sein.
-
Für die Entwicklung neuer Kompetenzen sollte Zeit eingeräumt werden.
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Lernen sollte die Beschäftigungsfähigkeit potenzieren, um auch die persönlichen "Visionen" der Mitarbeitenden zu befördern. D. h. man muss die Annahme ernst nehmen, dass bei intrinsischer Motivation Menschen ihre Lern- und Leistungsfähigkeit steigern können.
-
Um Letzteres zu erreichen, sollten sich (Weiterbildungs-)Einrichtungen an den Grundsätzen der Salutogenese orientieren (vgl. dazu: Senge 1996).
-
Ebenso sollte das Konzept der Work-Life-Balance als Element der Organisationsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen ein Ziel des Lernens sein (vgl. Ross 2005).
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-
Führungskompetenz würde neben Sach-Logik auch Sozio-Logik und Psycho-Logik umfassen, die – wie sie von Geißler zusammengefasst dargestellt wird – darin besteht, sich reflektierend und agierend in dem Prozess der Logik-Koordination zu bewegen (vgl. Geißler 1994, S.214).
Kooperation und Konkurrenz werden als Mechanismen der organisationalen Weiterentwicklung oft gepriesen, aber häufig von Menschen, die sich nicht um die Auswirkungen von Konkurrenzprozessen kümmern müssen. Kooperation findet manchmal unter dem Zwang statt, nicht konkurrieren zu können. Konkurrenz wird andererseits häufig missverstanden als “andere aus dem Feld zu schlagen“ oder sie so blockieren und schädigen, dass sie nicht weiterkommen. Konkurrenz als Prinzip des Anstoßes für Innovationen kann nur in gegenseitigem Respekt gut funktionieren. Es sind daher eher win-win-Situationen erfolgreich. Dafür muss ein konsensorientierter Dialog eingeübt werden. Vor allem aber geht es um die Etablierung eines konstruktiven und fachlich basierten Konkurrenz-Konzeptes, das in der Aufforderung besteht, von der Konkurrenz bzw. von den Besten zu lernen und nicht die potenzielle Konkurrenz durch unsachliche Annahmen und nicht fundierte Analysen zu schädigen. Damit verändert sich die Blickrichtung auf einen Benchmarking-Prozess. "Benchmarking ist die Methode, eigene Fähigkeiten mit denen der Konkurrenz zu vergleichen, vom Besten der jeweiligen Disziplin zu lernen und sich zum Besten bei bestimmten Leistungsmerkmalen zu entwickeln" (Kairies 2001, 132). Die Aufmunterung heißt dann: "Suchen Sie nach Vorbildern, denen Sie nacheifern können" (ebd.). Ein Benchmarking-Prozess umfasst nach Kairies (2001, S.133) sechs Schritte: 1. Analyse der Stärken und Schwächen; 2. Herausarbeiten der Hauptstärke und -schwäche mit der Frage: Wo ist der dringendste Handlungsbedarf? Wo bestehen Chancen der Realisierung? 3. Ermittlung der Besten der Disziplin, in der eigene Schwächen erkennbar sind. 4. Erforschen Sie, warum der Beste so gut ist und wie er zu seiner Position kam. 5. Realisieren Sie, was Sie vom Besten lernen können. Was können Sie besser oder anders machen? 6. Messen Sie den Erfolg und beginnen Sie von vorn. 45
Über eine kompetente Analyse von Stärken und Schwächen und einen Konkurrenzvergleich kann eine Organisation lernen. Für Weiterbildungseinrichtungen, die qua Gesetz4 zur Kooperation aufgefordert sind, ist dieser Weg eine mögliche Strategie, um noch besser zu werden. Strategisch geschieht dies u. a. durch die Aufnahme eines Wirksamkeitsdialoges, über die Pflege einer konsensorientierten Arbeitsweise und durch das Betreiben einer eigenverantwortlichen Qualitätssicherung. Und genau dies ist ja die zeitgemäße Anforderung an Weiterbildungseinrichtungen. Eine selbstständige und kontinuierliche Entwicklung der Weiterbildungslandschaft ist politisch gewollt und ökonomisch gefordert. Als langfristiges Ziel – so die gesellschaftliche Anforderung – ist das lebenslange Lernen als Lebens-Prinzip in der Bevölkerung zu implementieren. Weiterbildungseinrichtungen sollten das, was sie generell vermitteln sollen, auch selbst beherrschen. Wenn Volkshochschulen als öffentliche Einrichtungen den Auftrag haben, Kooperation zwischen den einzelnen Weiterbildungseinrichtungen am Ort bzw. in der Region herzustellen, dann lässt sich als internes Ziel u. a. die Erzeugung von Kooperationsfähigkeiten und Kooperationsmöglichkeiten benennen. Dies geht nur über eine entsprechende Personal- und Organisationsentwicklung – und zwar auf allen Ebenen der Einrichtung: Vom Verwaltungs- bis zum Leitungspersonal. Maßgeblich für die Herstellung von Kooperationsfähigkeit ist neben dem jeweiligen oberen Management, das über Leitorientierungen strukturierend wirken kann, auch die mittlere Führungsetage, das planende Personal.
3 Wie eine Weiterbildungseinrichtungen aussieht, in der gelernt wird – Kommunikationskultur und Personalentwicklung Möglich sein müssen Begegnungen mit einzelnen Personen und mit Personengruppen in Gremien, die offen, kommunikativ, kooperativ und konstruktiv 4 "Zum Aufbau eines Systems lebensbegleitenden Lernens arbeiten die Einrichtungen der Weiterbildung, die Schulen, insbesondere Schulen des Zweiten Bildungsweges, die Hochschulen und die Einrichtungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung zusammen. In dieser Zusammenarbeit sind auch die Landesorganisationen der Weiterbildung und Fachinstitute einzubeziehen" (§5, Abs.1 und 2 des Weiterbildungsgesetzes NRW, zitiert bei: Hüser 2002, S.240).
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sind, interessiert an den gemeinsamen Aufgaben der Organisation und der Verwaltung. Dies setzt systemisches Denken voraus und die Fähigkeit der agierenden Personen, mit Wertsystemen und Konflikten umzugehen. Ein gemeinsames Problemlösen steht im Mittelpunkt und nicht ein Verschieben von Problemen auf andere Stellen oder Personen. Erkennen lässt sich eine „Lernende Organisation“ auch an dem Umgang der Kollegen und Kolleginnen untereinander. Sie vermitteln sich, dass ihnen ihre Arbeit wichtig ist, dass sie um ihre Rolle und Aufgabe wissen und diese umsichtig ausführen. Es findet sich eine Lern- und Kommunikationskultur als Infrastruktur, die auf regelmäßige Koordinations- und Planungstreffen abhebt. Eine formelle Kommunikation in Form von Teamsitzungen, Mitarbeitergesprächen und Feedbacks sind genauso feststellbar wie informelle Kommunikation, z.B. bei gemeinsamen Kaffeepausen oder Mittagessen. Arbeits- und Programmplanung unter Beteiligung derjenigen, die Aufgaben zu realisieren haben, ist schon heute mehr oder weniger selbstverständlich. Dagegen ist Personalentwicklung im Arbeitsprozess nicht immer und auch nicht leicht nachzuvollziehen. Vor allem nicht von denjenigen, die sich weiterentwickeln sollen. Denn das Denken in individuellen oder organisationalen Zielen kann prinzipiell auseinander fallen. Daher bedarf eine Personalentwicklung und -planung einer Erklärung auf das jeweilige Bezugssystem, d.h. es sind Gelegenheiten für einen Erfahrungsaustausch und für die Reflexion über Tätigkeiten zu schaffen, um mit Feedbacks die Potenzialentwicklung zu stützen und Enttäuschungen zu verhindern. Die Herstellung von Transparenz im Sinne: „Warum wurde welche Entscheidung getroffen?“ Oder: „Wozu dient diese Aktion?“ kann den jeweiligen Stellenwert im Funktionsfeld verorten. Personales und organisationales Lernen sind einerseits als gekoppelter Lernprozess und andererseits als Perspektivenverschränkung nachzuvollziehen. Eine theoriegestützte Methodik gehört zum mentalen Modell der lernenden Einrichtung. Diese basiert auf der systemischen Betrachtungsweise, die alle zusammenhängenden Teile im Blick hat5, außerdem auf Rücksichtnahme, Wertschätzung, Feedbackprozesse, des Weiteren auf der Erforschung der Werte und Ideen der Individuen, nach denen sie arbeiten. Denn Menschen agieren auf der Basis von mentalen Modellen bzw. Handlungsschemata, die sie verinnerlicht haben. D.h. in der Konsequenz auch, es müsste regelmäßig 5
vgl. zu dieser Thematik auch Dörner 1992
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in Weiterbildungseinrichtungen eine Überprüfung des Fortbildungsbedarfs stattfinden, um Personalentwicklung in einer Weise zu betreiben, die die Kompetenzentwicklung für eine Lernkultur befördert.
4 Lernen als Veränderungsprozess – Erfahrungen aus der Praxis und Reaktions-Faktoren Nur wenige empirische Untersuchungen haben sich mit den institutionellen Auseinandersetzungen über Lernen als Veränderungsprozess in Organisationen beschäftigt. Die Studie von Annette Manz konzentriert sich auf die Erfahrungen im Umgang mit dem Thema Qualitätsmanagement in Einrichtungen der Erwachsenenbildung mit der Fragestellung, "wie leitende Personen der Anforderung nach Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen begegnet sind". Im Resultat wird nachvollziehbar: Der organisationale Lernprozess ist gleichzeitig der Lernprozess des Leiters. "Vom Führungsfehler zur systematischen Störung". Eine Störung im alltäglichen Arbeitsprozess ist notwendig für den Beginn eines Veränderungsprozesses. Erst danach kann über Kommunikation eine bewusste Bewegung für Qualitätsentwicklung in Gang gesetzt werden (vgl. Manz 2004). Die Untersuchung von Monika Kil über Organisationsveränderungen in Weiterbildungseinrichtungen thematisiert Lernkultur als Organisationskultur. Sie fragt nach den Bedingungen und Voraussetzungen für die Realisierung von Innovationen. Dazu müssen Lernhindernisse abgebaut sowie konstruktive und reflexive Auseinandersetzungen zwischen allen Gruppen und Mitgliedern eines sozialen Systems ermöglicht werden. Chancen bieten entwicklungs- und lernorientierte Leitbilder, die Partizipation aller Organisationsmitglieder sowie ein interdisziplinärer Dialog (vgl. Sonntag 1996, zit. nach Kil 2003,S. 126). Die von Kil erfassten 35 Veränderungsfällen zeigten grundsätzlich zwei unterschiedliche Strategien. Eine Strategie umfasste von Beginn an die gesamte Organisation und wurde von der Mehrheit bevorzugt. Allerdings wurden bei diesem "Sprung ins kalte Wasser" massive Konflikte erzeugt. Ein kleinerer Teil der Einrichtungen ging stufenweise vor: Die Organisationsveränderungen
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wurden vorbereitet, so dass die Neuerungen ohne Friktionen eingeführt werden konnten. Beide Strategien zeigten erfolgreiche Effekte (vgl. ebd., S. 82ff). Kil verweist außerdem darauf, dass Weiterbildungsorganisationen durchaus Unterstützung für diesen Prozess benötigen. Vor allem das Leitungspersonal ist einem erhöhten Druck ausgesetzt (vgl. ebd., S. 130ff). Beratung kann daher eine Möglichkeit sein, Lern- und Veränderungsprozesse zu kommunizieren und erfolgreiche Strategien zu entwickeln. Dass Menschen unterschiedlich auf Veränderungen reagieren, zeigen die von Noer empirisch ermittelten Modelle der Reaktions-Faktoren beim Lernen, die als Reaktionsmuster ebenso auf Organisationen anwendbar sind (vgl. Noer 1998). Noer hat Reaktionen auf Veränderungen in Unternehmen untersucht und unterscheidet vier Typen: 1.Typ Der Überwältigte – geringe Zufriedenheit bei Veränderungen und geringe Fähigkeiten zur Veränderung. Solche Personen sind die "berufsmäßigen Opfer". Sie ziehen sich zurück und vermeiden Lernprozesse. Sie versuchen sogar, bei anderen das Lernen zu verhindern. 2.Typ Der Verschanzte – geringe Zufriedenheit bei Veränderungen, aber große Fähigkeiten sich zu verändern. Diese Personen verschanzen sich und beschuldigen andere. Sie suchen neue Situationen mit althergebrachtem Wissen zu lösen. Die Gruppe der Verschanzten in Betrieben kann nach Noer zwischen 30 bis 60 Prozent betragen. 3. Typ Der Angeber – große Zufriedenheit bei Veränderungen, aber geringe Fähigkeit sich zu verändern. Noer nennt diese Gruppe die Angeber, da sie sich selbst und andere betrügen. Sie sind aggressiv und aktiv im Auftreten, ohne dass wirklich Wissen dahinter steht. Solche Individuen haben selten Probleme, etwas zu unternehmen, aber sie haben keine Idee dazu, wie sie lernen könnten und haben auch selten Lust dazu. 4. Typ Der Lernende – große Zufriedenheit bei Veränderungen und große Fähigkeit sich zu verändern. Dies ist der Typus des Lernenden, der sich mit Neuerungen aktiv auseinandersetzt und an neuen Situationen wächst. Lernende sind häufig in ihre Arbeit vertieft und fallen kaum auf. Sie machen nach Noers Untersuchung etwa 5 bis 20 Prozent der Belegschaft aus. Da Lernen das Ziel in Veränderungsprozessen ist, sollen noch einige weitere Ausführungen zur Beschreibung des Typus der Lernenden gegeben werden:
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Lernende sind optimistisch und positiv, sie glauben an ihre eigenen Fähigkeiten, stehen aktivem Handeln positiv gegenüber und sind bereit, Probleme anzugehen. Sie wissen, dass man altes Wissen aufgeben muss, etwas verlernen muss, um sich auf neuem Terrain zu bewegen. Das erfordert Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Lernende sind sogar bereit, das Gelernte und die Lernstrategien an andere weiterzugeben. Stellt man Noers Typen dem Anspruch des mentalen Modells "Lernende Organisation" gegenüber, lässt sich leicht nachvollziehen, dass Einrichtungen auf den Typus "Der Lernende" angewiesen sind. Wenn man sich gleichzeitig verdeutlicht, wie gering der Prozentsatz von Lernenden in Organisationen in der Regel ist und wie viele beim Lernen Unterstützung brauchen, dann ist vorstellbar, dass die Mehrheit der Einrichtungen nicht lernt – jedenfalls nicht ständig und nicht autonom. Des Weiteren muss die Frage aufgeworfen werden: Was tun in Organisationen, in denen destruktive innere Konkurrenz herrscht oder die Mehrheit dafür arbeitet, den Status Quo zu erhalten? Wenn das Leitungsmanagement aus Lernenden besteht, die nach dem Motto handeln, gute Führungsarbeit in einer lernenden Organisation heißt "Probleme gemeinsam lösen", dann findet ein vorbildhaftes pädagogisches Handeln sicherlich Nachahmer. Das setzt allerdings voraus, Diversität zu akzeptieren. Dixon formuliert: "Es ist ein Hauptgrundsatz der Systemtheorie, daß Heterogenität Energie produziert, wohingegen Homogenität zur Entropie führt. Wir brauchen die Fähigkeit, konträre Ansichten und Hoffnungen auszusprechen. Das Kollektiv kann lernen, wenn es Zugriff auf alle Informationen zum Thema hat und nicht nur auf die, die als politisch akzeptabel eingestuft werden (Dixon 1996, zit. nach Noer 1998, S. 134). So wie eine kommunikative Infrastruktur im Innern der Einrichtung – aufgrund beispielsweise von Konfliktaustragungen – immer wieder hergestellt werden muss, so sind auch die institutionellen Regelungsstrukturen im ordnungspolitischen äußeren Rahmen als Einfluss auf die jeweiligen Strukturen von Einrichtungen in den Dimensionen der Konfliktbewältigung zu verstehen. Statt als einzelne Bildungseinrichtung aufzutreten, scheint eine Kooperation von Einrichtungen untereinander sinnvoll, denn Netzwerkbildung zur gemeinsamen Profilbildung nach außen lässt sich als eine Strategie zwischen Anpassungslernen und Veränderungslernen überlegen.
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Selbststeuerung für Qualitätssicherung – die Subregion DOME6
In der Vergangenheit sind Gutachten erstellt worden, um den Stand und die Perspektiven des Weiterbildungssystems zu ermitteln. Politikverzicht bzw. Rückzug von der Verantwortlichkeit für die Weiterbildung auf Landesebene wurde in der Vergangenheit beklagt (vgl. Nuissl/Schlutz 2001). Mittlerweile sanken Landeszuschüsse um 15 Prozent. Die viel gepriesene Pluralität der Weiterbildungsangebote wurde in Frage gestellt. Aufforderungen an die Weiterbildungseinrichtungen, sich einerseits über Alleinstellungsmerkmale zu profilieren, andererseits aber die Tradition der umfassenden und breiten Bildungsangebote im Interesse einer allgemeinen Grundversorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, brachte manche Einrichtung in einen institutionellen Konflikt. Eine Klärung des Selbstverständnisses wurde notwendig. Ein erwachsenenpädagogisches Organisationsverständnis muss sich vor allem mit Fragen der Selbststeuerung und Selbstveränderung beschäftigen. Dies lässt sich sicherlich leichter bewerkstelligen, wenn eine Institution dies nicht allein beginnt, sondern sich mit anderen in einen gemeinsamen Aushandlungsprozess begibt (vgl. dazu: Thiele 2004). Ein Beispiel hierfür ist die Subregion DOME Mit dem Ziel der wirksamen Qualitätssicherung haben sich die Volkshochdirektoren in der Region MEO7, später DOME, vernetzt. Sie haben damit begonnen, ihre politischen Gestaltungsräume zu nutzen, indem sie auf interlokaler Ebene kooperativ handeln. Die Vernetzung und Kooperation wird auf verschiedenen Ebenen verfolgt. Dazu gehören aktuell beispielsweise eine gemeinsam entwickelte und gestartete Werbung für Kursangebote an Volkshochschulen, die nicht nur finanziell effektiver ist als getrennte Aktionen, sondern u. a. auch generell dazu dienen soll, für die Volkshochschulen in der Subregion DOME zu werben (vgl. Thiele 2005). Ein gemeinsamer Internetauftritt ist in Vorbereitung. Grundsätzlicher sind die Volkshochschuldirektoren vorgegangen, indem sie weitere Kooperationspartner für einen Benchmarking-Arbeitskreis gesucht haben, um eine eigenverantwortliche Qualitätssicherung zu betreiben. Die DOME-Volkshochschulen sind einen Entwicklungs- und Kooperationsvertrag mit 6
DOME = Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Essen MEO = Mülheim, Essen, Oberhausen
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der Universität Duisburg-Essen eingegangen, um sich extern evaluieren zu lassen. Es wurde eine Zufriedenheitsstudie durchgeführt, die Stärken und Schwächen der einzelnen Einrichtung aufzeigt und dies gleichzeitig im Konkurrenzvergleich mit den in der Subregion befindendlichen Volkshochschulen vollzieht (Thiele/Schlüter 2003). Dieser Benchmarking-Prozess zeigt, wie die jeweilige Einrichtung im Vergleich abschneidet und zwar bezogen auf spezifische Kriterien (benchmarks). So wurde ein Regelkreis für die Verbesserung der Kundenzufriedenheit installiert. Die Studie sagt allerdings nichts über die Qualität der individuellen Lernprozesse der Kursteilnehmenden aus. Es wird lediglich die Qualität der Bildung bezogen auf die Organisation als OutputQualität evaluiert. Schließlich geht man davon aus, dass die Kundenzufriedenheit der Gradmesser für die Qualität der Einrichtung ist. Die Auswertungen der Befragung wurden über die örtlichen Kulturausschüsse und die örtliche Presse in die politische Diskussion eingebunden. Zudem wurde eine Folgebefragung geplant, um die tatsächlichen Verbesserung der Kundenbeziehungen zu ihrer Volkshochschule aufgrund der durchgeführten Maßnahmen festzustellen und den Benchmarking-Prozess erneut aufzunehmen. Ein wesentliches Thema in dem geschaffenen Diskussions-Rahmen ist die Frage, wie Volkshochschulbesucher/innen von der Vernetzung profitieren können. Ein Beispiel ist das Fremdsprachen-Angebot. Das vom traditionellen Anspruch her vorzuhaltende generell breite und vielfältige FremdsprachenAngebot kann durch ein gemeinsam geplantes DOME-Kurs-Angebot in der Region gewahrt bleiben. Da die Subregion DOME geographisch überschaubar ist, sind die Anfahrtswege zur benachbarten Volkshochschule häufig kaum weiter als zur lokalen Einrichtung. Hätte jede Leitung lokal für sich entschieden, wäre ein Einbruch im Fremdsprachenangebot zu beklagen gewesen. So aber wurde eine neue Struktur aufgebaut. So lässt sich über Kooperation der Einrichtungen das breite Bildungsangebot der Volkshochschulen als Norm und Qualität sichern. Die Kernidee des breiten Bildungsangebots bleibt aus der Perspektive des Managements als Bestand erhalten, aber der Zugang für die Kunden wird neu geregelt.
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Lernen durch Kooperation als Weg und Ziel von Lernenden Weiterbildungseinrichtungen
Der Selbstlernprozess der Organisationen und die Lernkulturentwicklung ist nie abgeschlossen, sie beginnt jeden Tag neu. Der Weg ist so wichtig wie das Ziel. Destruktive Konkurrenzgedanken sollten eher von dem Prinzip der Winwin-Lösung abgelöst werden, damit das kreative Potenzial eingesetzt und nicht blockiert wird. Dies gilt für die Lern-Kultur-Entwicklung von Weiterbildungseinrichtungen nach innen wie nach außen. Das Beispiel DOME zeigt einen Perspektivenwechsel, eine Perspektivenverschränkung. Die Direktoren bedienten sich der überinstitutionellen Kooperation als Strategie zur Qualitätssicherung ihrer jeweils eigenen Einrichtungen und versicherten sich der fachlichen Serviceleistung einer universitären Befragung. Sie profilierten so die eigene Einrichtung und lösten gleichzeitig das Problem, mit eingeschränkten finanziellen Mitteln eine qualitativ akzeptierte Lösung für die Kunden der Einrichtung VHS überlokal bereitzustellen. Damit wurde eine Entwicklung angestoßen, die – systemisch gesprochen – ehemals der Umwelt zugehörige benachbarte Volkshochschulen in das eigene System der "lernenden Organisation" einzubeziehen. So wird die eigene Leistungsfähigkeit reflektiert und die der Konkurrenz.
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Faulstich, P. /Vespermann, P., 2002: Strukturen und Perspektiven der Weiterbildung. In: Dies. (Hrsg.): Weiterbildung in den Bundesländern. Materialien und Analysen zu Situation, Strukturen und Perspektiven. Weinheim/München, S. 15-69 Geißler, K. H.: Führung, Führungsqualifikation und Führungsberatung. In: Kailer, Norbert (Hrsg.): Beratung und Weiterbildung und Personalentwicklung. Wien 1994, S.207-222 Hüser, H. W. unter Mitarbeit von Rudolf Epping und Arthur Frischkopf: NordrheinWestfalen. In: Faulstich, P./Vespermann, P., 2002, S. 229-245. Kairies, P., 2001: So analysieren Sie Ihre Konkurrenz. Konkurrenzanalyse und Benchmarking in der Praxis. 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage. Renningen- Malmsheim Kil, M., 2003: Organisationsveränderungen in Weiterbildungseinrichtungen. Empirische Analysen und Ansatzpunkte für Entwicklung und Forschung. Bielefeld Manz, A., 2004: Vom "Führungsfehler" zur "systematischen Störung" – Erfahrungen im Umgang mit dem Thema Qualitätsmanagement in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. In: Schlüter, A./Schell-Kiehl, I. (Hrsg.), 2004, S. 193-204. Noer, D. M., 1998: Die vier Lerntypen. Reaktionen auf Veränderungen im Unternehmen. Stuttgart Nuissl, E./Schlutz, E. (Hrsg.), 2001: Systemevaluation und Politikberatung. Bielefeld Ross, R., 2005: Work-Life-Balance: Individuelle Daueraufgabe im Spannungsfeld divergierende Interessen. Möglichkeiten der Unterstützung durch Mediation im Arbeitsleben. In: Der pädagogische Blick, Heft 3, S. 145-159. Schlüter, A., 2003: Lernen und Gefühle – "Energiebindung" als didaktische Kategorie? In: Dies. (Hrsg.): Aktuelles und Querliegendes zur Didaktik und Curriculumentwicklung. Bielefeld, S. 116-128. Schlüter, A./Schell-Kiehl, I. (Hrsg.), 2004: Erfahrungen mit Biographien. Bielefeld Senge, P., 1996: Die fünfte Disziplin. Stuttgart Simon, F. B., 2002: Die Kunst, nicht zu lernen. Und andere Paradoxien in Psychotherapie, Management und Politik. Heidelberg Thiele, A., 2004: Modulare Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung. Bielefeld Thiele, A./Schlüter, A., 2003: Regionale Qualitätssicherung in der Weiterbildung. Duisburg
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Peter Faulstich
Jenseits der „Lernenden Organisation“: Menschliches Lernen als Entwicklungsimpuls der Weiterbildung Die jenseits der Pädagogik entwickelte Metapher der Lernenden Organisation ist bei weitem nicht geklärt. Und sie erweist sich in den Institutionen des Lernens, konkret in Weiterbildungseinrichtungen, eher als irreführend. Denn, dies zeigen entsprechende Organisations- und Managementkonzepte, leicht geraten dadurch die komplexen subjektiven Bedingungen des Lernens, die aber gerade in Weiterbildungseinrichtungen nach Beachtung verlangen, leicht aus dem Blick. Der vorliegende Beitrag verlagert daher die Aufmerksamkeit auf das menschliche Lernen, das in Weiterbildungseinrichtungen als maßgeblicher Veränderungs- und Entwicklungsimpuls wirksam werden soll und muss. Mit der mittlerweile schon wieder abklingenden Debatte um „selbstorganisiertes“, „selbstgesteuertes“ und „selbstbestimmtes“ Lernen sind die Institutionen des Lernens, konkret die Weiterbildungseinrichtungen, in Verruf geraten. Es wird unterstellt, institutionelles Lernen sei abgehoben, unbrauchbar und disziplinierend. Im Gegenzug wird ein Lob der Erwachsenenbildungsträger gesungen und die Notwendigkeit betont, Institutionen zu begreifen als Support systematischen, übertragbaren und vom Stress befreiten Lernens. In diesen konträren Einschätzungen steht also der Erfolg von Lernen in Frage. Es wird daher nötig sein, den Begriff Lernen wenigstens in Ansätzen zu klären. In einem zweiten Schritt soll es in diesem Beitrag dann darum gehen, eine angemessene Vorstellung der Schwächen und Leistungen der Institutionen des Lernens zu entwickeln. Daran anschließend können Strategien entworfen werden, um „expansives Lernen“ in Institutionen zu vermitteln.
1 Lernende Organisation als antihumanistisches Konzept In einer „subjektorientierten“ Sichtweise – in Absetzung gegen behavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Konzepte – ist menschliches
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Lernen zu begreifen als Prozess der Aneignung erhöhten Steuerungspotenzials des eigenen Handelns bezogen auf die jeweilige Interessenlage. Lernen in einem solchen Sinn können Organisationen nicht, es sei denn – so meine These – man unterstellt ein antihumanistisches Organisationskonzept und einen abstrakten Lernbegriff, bei dem „Lernen“ gleichbedeutend wird mit „Verändern“. So wird z.B. in dem die Diskussion prägenden Definitionsversuch von Probst und Büchel die Rolle der Organisation selbst in den Vordergrund gestellt: „Unter organisationalem Lernen ist der Prozess der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, die Verbesserung der Problemlösungs- und Handlungskompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitglieder innerhalb der Organisation zu verstehen“ (Probst/Büchel 1994, S. 17). Was man unter „organisationalem Lernen“ – beziehungsweise in einer anspruchsvolleren Begrifflichkeit – einer „lernenden Organisation“ zu verstehen hat, ist damit keineswegs hinreichend geklärt. Die vorgeschlagenen Definitionen unterscheiden sich hinsichtlich des unterstellten Organisationskonzeptes, sei es als Mechanismus, als Organismus oder als autopoetisches System, und sie differieren hinsichtlich der Frage, wie individuelles und organisationales Lernen in Beziehung stehen. Zunächst dominierten ausgehend von einer Organismus-Metapher im Konzept „lernende Organisation“ Adaptionsprobleme an sich verändernde Umwelten als Zielgröße. Wenn man über solche biologistischen Ansätze der Umweltanpassung und Überlebenssicherung hinausgehen will, braucht man eine evolutionäre Perspektive. Daraus müssen Ziele angebbar sein, auf die hin gelernt werden kann. Die Metapher von der „lernenden Organisation“ überträgt dann ein ursprünglich auf Individuen gerichtetes Konzept auf soziale Systeme, denen damit, insofern sie zu Lernprozessen befähigt erklärt werden, Subjekthaftigkeit sowie Fähigkeit zur Reflexion und selbstgesteuerter Entwicklung zugeschrieben werden. Die organisierende Tätigkeit des Menschen geht über in die Selbstorganisation des Systems. Ein solcher Ansatz wäre letztlich in seiner systemtheoretisch-strukturalistischen Variante – so meine Argumentation – gleichzeitig antihumanistisch. Lernen in Organisationen gründet sich dagegen auf Interaktionsprozesse zwischen Individuen, bei denen durch Abweichungen oder Störungen von Routi58
nen Widersprüche bezogen auf den üblichen Ablauf entstehen. Daraus resultieren Modifikationen der Interaktionsmuster, welche die Organisation übernimmt und ihre generierende Grundlage verändert. Es sind aber immer Menschen, welche Diskrepanzen im Organisationskontext als „Widersprüche“ bezogen auf ihre Position und Interessen interpretieren. Dies bedeutet, dass Lernen der Organisation nicht zu trennen ist von Veränderungen von Menschen, seien dies Einzelne oder Gruppen. Mit einem Konzept des „Kollektiv-Subjekts“ und der Hypostasierung der Organisation zum Subjekt erfolgen eine Degradierung des Individuums und dessen Einbezug in über-menschliche Systeme. Konsequent wird die Aussage gesetzt: „Der Faktor ‚Mensch’ wird zum Bremsklotz ökonomischen Fortschritts“ (Geissler 1992, S. 81). Managementstrategisch geht es aber um das „orchestrale“ Zusammenspiel „einerseits der verschiedenen Organisationsziele und andererseits der alles umgreifenden Organisationsvision“ (ebd., S.97). Dieses harmonistische Organisationsmodell mag zwar für viele Unternehmensleitungen durchaus attraktiv sein; es ist aber bezogen auf die Wirklichkeit in den Unternehmen wenig realistisch und deshalb nur begrenzt brauchbar bzw. funktional für paternalistische Ansätze. Wenn man das alles nicht will, sollte man vorsichtig sein mit der Ausweitung des Lernbegriffs. Die Metapher ist gefährlich. Vielleicht sollten wir besser zu dem unschuldigen Begriff des „organisationalen Wandels“ zurückkehren. Wenn ich also von „Lernen“ rede, meine ich menschliches Lernen. Auch dann ist der Begriff immer noch äußerst komplex.
2 Pädagogische Differenzierungen im Lernbegriff Einige Kontroversen sind provoziert worden durch die Unklarheit der Begriffe. Es wurde gestritten auf unübersichtlichen Kampffeldern und die Diskussionspartner wurden wechselseitig zu Gegnern und Buhmännern stilisiert. Die gleichzeitige Indienstnahme für ordnungs- und finanzpolitische Grundsatzpositionen hat der wissenschaftlichen Präzision nicht genutzt, sondern geschadet. Es ist nach anfänglicher Pauschalkritik an den Weiterbildungseinrichtungen mittlerweile klarer geworden, dass eine Gleichsetzung von fremdbestimmt und
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institutionell einerseits und selbstbestimmt und informell andererseits zu kurz greift. Der Lernbegriff muss differenziert werden.
„Expansives Lernen“ Lernen als „Containerkategorie“ umfasst unterschiedliche Lernformen (vgl. Faulstich 1999; Faulstich 2006): Menschliches Lernen kann sowohl gesonderte, als auch in anderen Formen mitlaufende Tätigkeit sein. So ergibt sich ein Grad der Ausgliederung von Lernen als eigenständige Handlung im Verhältnis von Integration und Separation. Demgemäß kann Lernen mehr absichtsvoll intentional oder mehr zufällig erfolgen. Ziele, Gegenstandsauswahl und Abläufe können dann eher fremd- oder eher selbstbestimmt gesteuert werden. Sie sind stärker in gesonderte Institutionen, welche Lernen ermöglichen, fördern und unterstützen sollen, einbezogen oder eher beiläufig und informell. Eingebettet in alltägliche Handlungsbezüge von Arbeit, Spiel, Reproduktion usw. resultieren verschiedene Formen von Erfahrungs- bzw. Wissenschaftsbezug. Wichtig ist, sich die Vielfalt und Unterschiedlichkeit dieser Dimensionen klar zu machen. Die Lernformen differenzieren sich in einem mehrdimensionalen Koordinatenraum. Es ist eine Vielzahl von Kombinationen möglich. So ist am Arbeitsplatz z.B. intentionales, integriertes, fremdbestimmtes, wissenschaftsbezogenes Lernen möglich; im Unterricht – das wissen wir nicht nur aus der „hidden-curriculum-Diskussion“ – kann inzidentes, erfahrungsbezogenes, selbstbestimmtes Lernen stattfinden. Institutionell eingebundenes Lernen ist keineswegs immer fremdbestimmt, Lernen im sozialen Kontext nicht per se offen. Auch die engen Formen frontalen Unterrichts weisen immer erhebliche Spielräume für die Lernenden auf, und „offene Räume“ können als Zwang erlebt werden. Es kommt immer darauf an, inwieweit die lernenden Personen externe Zwänge oder eigene Motive unterlegen.
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erfahrungsbezogen selbstbestimmt
intentional
institutionell
separiert
integriert
informell
wissenschaftsbezogen
fremdbestimmt inzident
Abb. 1: Aspekte von Lernformen
In diesem multidimensionalen Feld stehen sich die Lernformen nicht polar, sondern graduell gegenüber. Zwischen den Polen gibt es vielfältige Ausprägungsformen. So ist es keineswegs schlüssig, selbstbestimmtes Lernen mit tätigkeitsintegrierten, erfahrungsbezogenen und informellen Lernformen – z.B. Lernen am Arbeitsplatz – gleichzusetzen. Vielmehr kann auch wissenschaftsbezogenes, institutionelles und separiertes Lernen – z.B. im Universitätsstudium – einen hohen Grad an Selbstbestimmtheit zeigen. Es geht also nicht um Alternativen, sondern um Grade von Selbstbestimmtheit vs. Fremdbestimmtheit. Selbstbestimmtes Lernen kann informell in Arbeitsund Lebenszusammenhängen, aber auch institutionell in Bildungseinrichtungen stattfinden. Es kommt darauf an Arrangements zu finden, in denen die Kontrollchancen der Lernenden erhöht werden. Zentraler Fokus ist die Position der Lernenden und deren aktive Aneignungsprozesse. Zentral sind für „expansives Lernen“ (Faulstich/Ludwig 2003), für ein Lernen, das die eigene Weltverfügung erhöht, die Begriffe Interesse und Bedeutsamkeit.
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Lernwiderstände: Hemmnisse, Schranken und Gründe Erwachsenenlernen ist immer schon Anschlusslernen. Erwachsene haben in ihrer Biographie Lebens- und Lernerfahrungen aufgehäuft, welche neues Lernen befördern oder behindern. Dies ist gebunden an die sozialen Kontexte von Milieu und Gender, aber auch an Erfahrungen in Institutionen des Lernens. Petra Grell und ich haben im Projekt „Selbstgesteuertes Lernen und soziale Milieus“ im Rahmen des Projekts „SELBER – Service Institutionenberatung zur Öffnung für neue Lernkulturen und Beratung bei neuen Angebotsformen“ (Faulstich/Forneck/Knoll 2005) unterschieden: Lerngründe oder Nichtgründe für das Lernen – als entscheidenden Fokus –, Hemmnisse, die aus der sozialen Herkunft der Lernenden kommen, sowie Schranken als Merkmale von Institutionen, die aber erst wirksam für das Handeln werden, indem sie für die Lernenden selbst zu Lernwiderständen werden oder aber Lernbereitschaft unterstützen. Hemmnisse und Schranken wirken nicht an und für sich. Man kann differenzieren: Obwohl gleiche Bedingungen gegeben sind (Problem der Sozialisationsforschung), verhalten sich die Individuen anders (Problem der Biographieforschung). Das heißt: Inwieweit die Schranken akzeptiert oder nicht akzeptiert werden (z. B. die Erreichbarkeit, die Organisation, das Personal, der Support), inwieweit die institutionellen Strukturen sich den Lernenden als sinnhaft darstellen, entscheidet über die Teilnahme oder Nichtteilnahme, Lernbereitschaft oder Lernwiderstände (Faulstich/Grell 2005). Wenn man den Stellenwert der Institutionen untersucht, forscht man nicht vorrangig über die Gründe, warum Personen lernen oder nicht lernen, sondern man fragt zunächst danach, wieweit durch die Institutionen selbst Schranken aufgebaut oder behoben werden. Diese können dann Lerngründe stützen oder behindern.
3 Weiterbildungsinstitutionen Eine dieser Schranken, welche die Weiterbildungsteilnahme erschweren – das wissen wir aus den verschiedensten Befragungen – ist die Vielfalt und Un-
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übersichtlichkeit der Institutionen. Fehlende Transparenz und mangelnde Systematik der Lernmöglichkeiten wirkt weiterbildungsbehindernd. Wie kann man überhaupt die Institutionen ordnen? Dies war schon eine der Hauptschwierigkeiten in den verschiedenen Länderstudien, die wir erstellt haben (zuerst: Faulstich/Teichler/Döring/Bojanowski 1992; zuletzt Faulstich/Gnahs 2005). Wir haben uns im Vorfeld die Möglichkeiten von Systematisierungen bewusst gemacht. Diese können genutzt werden – das wäre mein Vorschlag –, indem man ein mehrdimensionales Feld aufspannt und dann jede Institution in die verschiedenen Dimensionen verortet. Ob man nun alle durchhält oder nicht, ist eine Entscheidungsfrage; alle zu verwenden wäre sicherlich zu komplex.
funktional:
allgemein, politisch, beruflich
thematisch:
technisch, ökologisch, gesundheitlich, ökonomisch, politisch, sprachlich
angebotsbezogen:
generalistisch, spezialistisch
lernortbezogen:
kursbezogen, arbeitsplatzbezogen
zugangsbezogen:
offen, geschlossen
juristisch:
kulturhoheitlich, arbeitsrechtlich
trägerbezogen:
betrieblich, verbandlich, kirchlich, unternehmerisch, gewerkschaftlich, schulisch
regulationsbezogen: staatlich, marktmäßig Abb. 2: Systematisierungsansätze für Institutionen der Erwachsenenbildung
Traditionell kann man Unterschiede entlang des Verwendungszusammenhangs des Gelernten aufmachen. Das ist ein funktionaler Bezug, der in der deutschen Bildungslandschaft eine Sonderrolle spielt – zwischen allgemeiner, politischer und beruflicher Bildung. Das ist deutlich zu unterscheiden von dem, was Inhalt der Veranstaltung ist. „Sprache“ z. B. kann sowohl beruflich also auch allgemein bildend sein, vielleicht auch politisch. Insofern muss man diese
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Gleichsetzung, die teilweise die Diskussion durchzieht, erst einmal durchbrechen, um nicht einer falschen Systematik aufzusitzen. Bezogen auf die Anbieter ergeben sich generalistische Träger, also „Bauchläden“, oder aber Spezialisten. Weitere ordnende Aspekte sind: -
lernortbezogen: Mehr auf Kurse orientiert, oder arbeitsplatz- bzw. (allgemeiner) tätigkeitsintegriert;
-
zugangsbezogen: Offen für alle oder nur, wie es bei der betrieblichen Weiterbildung oft der Fall ist, geschlossene Veranstaltungen;
-
juristische Trennung: Sind die Länder zuständig (bildungs- und kulturbezogen), oder ist der Bund zuständig (arbeits- und sozialrechtlich)?;
-
trägerbezogen: Wer steht dahinter? Das sind meist die gängigen Systematiken der Träger: betrieblich, verbandlich, kirchlich, Unternehmen, gewerkschaftlich, schulbezogen;
-
regulationsbezogen: einerseits auf den Staat bezogene, andererseits marktbezogene Steuerungs- bzw. Regelungsmechanismen und Finanzierungsströme.
Also mindestens diese Dimensionen – man könnte auch noch mehr aufmachen – gehören zu einer Typisierung des Institutionenspektrums. Die Frage ist, für welche man sich entscheidet. Wir haben vorrangig eine regulationsbezogene Systematik (vgl. am Beispiel Hamburg: Zeuner 2000) verwendet und vier Institutionentypen unterschieden: -
öffentliche Erwachsenenbildungsträger (z.B. VHS),
-
betriebliche Bildungsabteilungen,
-
kommerzielle Weiterbildungsanbieter,
-
partikulare Erwachsenenbildungsträger (Gewerkschaften, Kirchen, Verbände).
Diese Systematik scheint erst einmal klar, wird aber spätestens seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend verwischt. Das Auseinanderhalten der Institutionentypen ist wieder konterkariert durch ein Zusammenwachsen. Öffentliche Erwachsenenbildungsträger, Volkshochschulen z. B., werden ausgegliedert aus Verwaltungen, agieren kommerziell, werden teilweise zu Eigenbetrieben. Das Feld, das man zur Typisierung aufspannen konnte, wird also wieder verunklart. Es haben sich Systemstrukturen der Weiterbildung insgesamt ver64
schoben in Richtung Marktbezogenheit. Immer mehr Institutionen agieren kommerziell, und entsprechend verändern sich dann auch die Profile (Dollhausen 2005). Die Hauptfunktion der Lerninstitutionen, Aneignungsprozesse zu unterstützen, wird bei Kostendominanz riskant, weil die Nutzenaspekte schwieriger zu belegen sind (Faulstich 1998, S. 211). Dies verändert auch den Stellenwert der Institutionen insgesamt. Kritik der Lerninstitutionen Wenn man sich gegenwärtige Zustände in Schulen, in der Lehrlingsausbildung, in Hochschulen oder Weiterbildungseinrichtungen vor Augen hält, greift zunächst eine Institutionenkritik: Als Disziplinanlagen des Lernens – deren Prototyp die Schule ist, deren Zwangscharakter sich aber zum Beispiel in „Maßnahmen“ beruflicher Weiterbildung sogar noch potenziert – kontrollieren sie die Lernenden, indem sie diese in Zeit und Raum fixieren. Ein Gleichlauf von Lernzeiten und Lerngeschwindigkeiten wird vorgegeben, um Ordnungen durch Dressur zu erzwingen; Schulungsräume und Trainingszentren erzeugen Klausur und Isolation, indem sie Lernen und Anwenden trennen; zwischen Unterrichtenden und Lernenden besteht eine Hierarchie durch Vorwissen und Status; Noten bezwecken Selektion. Gleichzeitig geben eifrige Dozent/inn/en als Durchhalteparole das Versprechen aus: Für das Leben lernen wir. Für Michel Foucault (1977) sind dies Beispiele einer „Mikrophysik der Macht, die von den Apparaten und Institutionen eingesetzt wird“ (ebd. S. 38). Es geht um eine „infinitesimale Gewalt über den tätigen Körper“ (ebd. S. 175), der um so gefügiger wird, je nützlicher er ist, und umgekehrt. Es greifen die Kunst der Verteilung, die Kontrolle der Tätigkeiten, die Organisation von Entwicklungen, die Zusammensetzung der Kräfte, die hierarchische Überwachung, die normierende Sanktion und die Prüfung (Überschriften bei Foucault 1977). „Diese Methoden, welche die peinliche Kontrolle der Körpertätigkeiten und die dauerhafte Unterwerfung ihrer Kräfte ermöglichen und sie gelehrig/nützlich machen, kann man die ‚Disziplinen’ nennen“ (ebd. S. 175). Deren Wirksamkeit ist nicht gebunden an ein angebbares Machtzentrum, noch an beschreibbare Klassenstrukturen und auch nicht an identifizierbare einzelne Akteure. „Die ‚Disziplin’ kann weder mit einer Institution noch mit einem Apparat identifiziert werden. Sie ist ein Typ von Macht; eine Modalität der Ausübung von Gewalt; ein Komplex von Instrumenten, Techniken, Prozeduren, Einsatzebenen, Ziel-
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scheiben; sie ist eine ‚Physik’ oder eine ‚Anatomie’ der Macht, eine Technologie“ (ebd. S.276f.). Es resultiert ein komplexes Netz a-personaler Macht multipler Herkunft, das bis in die Poren die Disziplinargesellschaft formiert. In der Foucault’schen Rhetorik mit ihrem in sich geschlossenen Erklärungsanspruch wird eine strukturale Ubiquität von Macht unterstellt, welche die Institutionen und die Akteure durchdringt (vgl. auch Forneck in: Faulstich/Ludwig 2004, S.246ff.). Die Rigidität dieses Argumentationsgangs bei Foucault erzeugt zugleich eine hohe Faszination seines Interpretationsrahmens. Zweifellos sind Wirkungen und Konsequenzen der Disziplinaranlagen – um auf Lernstätten zurückzukommen – vielfach defensives, einer Bedrohungsabwehr dienendes Lernen und begründete Lernwiderstände: kontaminierte Lernverhältnisse. Instrumentelle Lehrstrategien gerichtet auf Verfügbarkeit der Lernenden zerstören Chancen expansiven Lernens als Erweiterung eigener Weltverfügung. Riskant wird allerdings – jedenfalls wenn nach Handlungsmöglichkeiten gefragt wird – ein strukturalistischer Fehlschluss, der alle gesellschaftlichen Verhältnisse bis ins Detail unerbittlich von der Machtökonomie durchdrungen sieht und deren Kontingenz und Optionalität unterschlägt. Riskiert werden in der kritischen Argumentation konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Umgestaltung des Bildungswesens, konkret der Weiterbildungseinrichtungen, die durchaus präziser angebbar wären. Im Gegensatz dazu werden in der Debatte um „selbstorganisiertes Lernen“ und „neue Lernkulturen“ alte reformpädagogische Prinzipien teilweise naiv reaktiviert. Die alten Postulate der Öffnung des Lernens zum Leben werden als neu verbreitet und unterliegen den alten Halbheiten. Lob der Lernensembles Eine Ehrenrettung „institutionellen Lernens“ unternehmen Achim Leschinsky und Kai Cortina im Bericht des Max-Planck-Instituts zum „Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland“ (2003): „Bildungsprozesse folgen nicht einfach pädagogischen Ideen, sondern bedürfen der Institutionen“ (ebd. S. 28). Kontrastiv zur Foucault’schen Institutionenkritik singen sie deren Lob, indem sie zehn Merkmale entfalten – zusammengefasst:
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1. Universalität, d. h. Ablösung vom Sonderfall des einzelnen Lernenden, 2. Versachlichung, d.h. Herauslösung aus dem individuellen, emotional überformten sozialen Kontext, 3. Interessenartikulation, d.h. Diskussionsforum für ein Interessenaushandeln bei Wertkonflikten, 4. Interaktionschancen, d.h. Freiraum für gemeinsame Entwicklung, 5. individuelle Leistung, d.h. formale Gleichheit bei leistungsbezogenen Standards, 6. soziale Vergleiche, d.h. Sichtbarmachen individueller Unterschiede, 7. reflexive Distanz, d.h. Raum für offene Lernanstrengungen und gemeinsames Erkenntnisstreben, 8. aufbereitete Erfahrungen, d.h. Zugänge zu Welten, die über die zeitlichen und räumlichen Grenzen des unmittelbar Erfahrbaren hinausgehen, 9. organisatorische Unabhängigkeit, d.h. Freiheitsspielräume gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt, 10. Professionalität der Lehrenden (vgl. ebd., S. 28ff.). Es wird also den einengenden Disziplinaranlagen die Idee eines entfaltenden Lernsystems gegenübergestellt. Dies gilt nicht nur für Schule, sondern für alle Lernbereiche. Wenn man allerdings nicht auf naive Reformillusionen zurückfallen will, muss man das Diskursniveau einer reflexiven Institutionenkritik durchhalten. „Disziplinaranlagen“ produzieren lernverhindernde Konsequenzen – zusammengefasst: -
Klausur/Isolation, indem Lernen und Handeln auseinanderfallen und Lernorte von Arbeitsorten und Lebenswelt räumlich getrennt werden;
-
Hierarchie durch die Unterordnung der Lernenden unter die Lehrenden;
-
Dressur durch Training vorgegebener Kompetenzen ohne Bezug auf Anwendungsmöglichkeiten;
-
Zeitökonomie durch die Vorgaben meist zu knapp bemessener Lernzeiten und durch einen Gleichlauf der Lerngeschwindigkeiten;
-
Selektion/Zertifikate zur Herstellung von Rangordnungen und Auslese;
-
Kontrolle durch die Disziplin der Institutionen.
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Diese disziplinierenden Aspekte erzeugen aber gleichzeitig auch Widerstandspotenziale und Gestaltungsoptionen. Kontrastierend dazu wirkt die Leitorientierung des expansiven Lernens. Sie setzt allerdings voraus, die Denkfigur instrumenteller Lernformierung durch ein höheres Diskursniveau, das die kontaminierenden Strukturen der Bewertungsuniversalität und disziplinärer Unterdrückung bedenkt und sie nicht als beliebig verfügbar unterstellt, zu überschreiten. Reflexive Aspekte unterstützender Lernensembles sind kontrastiv zu Disziplinaranlagen – zusammengefasst: -
Bedeutsamkeit der Lernthemen für die Lebensinteressen der Lernenden;
-
Möglichkeiten kooperativen und partizipativen Lernens;
-
Herstellung von Zeitsouveränität;
-
Zertifikate nicht als Kontrolle, sondern als Belege für Lernfortschritte;
-
Partizipation der Lernenden an der Planung, Durchführung und Auswertung von Kursen und Programmen.
Kontrastiv zu erzwingenden Disziplinaranlagen wären unterstützende Lernensembles zu entwickeln, welche die Bedeutsamkeit der Themen vermitteln, Zeitsouveränität herstellen und eine Partizipation der Lernenden bei der Planung, Durchführung und Auswertung von Lernaktivitäten ermöglichen. Reflexive Lernensembles sind aber nicht einlinig herzustellen oder vollständig in den Griff zu bekommen. Sie setzen die Beteiligung der Lernenden selbst voraus. Der Grad der Selbstbestimmtheit – d.h. das Ausmaß, in dem die Individuen Initiative, Organisation und Kontrolle für ihr eigenes Lernen sowie den Aneignungsprozess haben – ist ausschlaggebend für die Erfolgschancen expansiven Lernens. Wenn es darum geht, kontaminierte Lernarrangements aufzulösen und expansives Lernen zu unterstützen, müssen Umsetzungschancen und Erreichbarkeitsgrade reflektiert werden. In einem solchen Konzept sind defensives und expansives Lernen nicht dual codiert, sondern dimensional bezogen auf die einzelnen Lernaspekte. Alle formalen Aspekte der Methoden und der Organisation des Lernens aber brechen sich am zentralen Stellenwert der Inhaltlichkeit – an der Frage, welche Bedeutsamkeit die Thematik für die lernenden Personen selbst gewinnt. Dies relativiert den Stellenwert der Institutionen beim Lernen, hebt aber ihre Relevanz nicht auf. 68
4
Neue Profile der Institutionen
Selbsttätigkeit beim Lernen und vermittelnde Institutionen stehen nach diesem Begründungsansatz keineswegs im Gegensatz. Die Umsetzung kann durch lernförderliche institutionelle Kontexte befördert werden. Die Funktion der Institutionen besteht dann darin, Lerngelegenheiten bereitzustellen und lernen zu unterstützen – nicht nur zu ermöglichen. Institutionenkulturen Die Umsetzung von Lerninteressen ist abhängig von der Organisationskultur der Institution. Dies gilt hinsichtlich der Größe und der Adressaten und auch bezogen auf Angebote, Ziele und Inhalte. Es betrifft sowohl personale Aspekte wie Werte, Einstellungen und Denkweisen als auch Interaktionsstrukturen wie Führungsstile, Kooperationsformen, Konfliktaustragung, Beteiligungsformen und Mitarbeiterauswahl. Angesichts der unterschiedlichen Inhaltslogik haben sich auch unterschiedliche Fachkulturen in den Institutionen herausgebildet.
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Psychische Aspekte
Interaktionsstrukturen
Artefakte
Werte, Normen
Konventionen
Statussymbole
Einstellungen
Riten, Zeremonien
Abzeichen
Jargon
Feiern, Festessen
Logos, Embleme
Tabus
Beteiligungsformen
Kleidung
Denkweisen
Mitabeiterauswahl
Preise, Urkunden
Traditionen
Konferenzen
Geschenke
Anekdoten, Mythen
Sanktionen
Architektur, Technik
Slogans, Mottos
Konfliktformen
Arbeitsbedingungen
Grundsätze
Kooperationsformen
Idole, Totems, Fetische
Wissensbestände
Führungsstile
Plakate, Broschüren
Unternehmensziele
Personalentwicklung
Publikationen
Weiterbildung
Kunst
Abb. 3: Aspekte der Unternehmenskultur
In der Diskussion über Unternehmensentwicklung sind solche Aspekte und ihre Relevanz für die Institution herausgearbeitet worden (Faulstich 1998). Auch gibt es Anforderungen an erfolgreiche Unternehmenskulturen. Bei den Trägern und Einrichtungen der Erwachsenenbildung werden sie aber noch zu wenig beachtet. Merkmale erfolgreicher Institutionenkulturen sind:
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-
Grundkonsens
-
Beteiligungstradition
-
Führungspersönlichkeiten
-
Konfliktlösungen
-
Gestaltungschancen
-
Arbeitsbedingungen
Wenn eine Bedingung „expansiven Lernens“ die Beteiligung der Lernenden an der Regulation des Prozesses ist, dann reicht dies weiter zu Beteiligungsformen unter den Lehrenden und zwischen Lehrenden und Leitenden in der Institution. Die notwendige horizontale Kooperation stößt sich an weiterbestehenden vertikalen Hierarchien. Insgesamt verändert sich das Leistungsspektrum der Erwachsenenbildungsinstitutionen. Sie sind dann nicht mehr nur Kursanbieter. Institutionenentwicklung Wir beobachten über längere Zeit eine Verschiebung des Institutionsprofils in Richtung mehr Marktmäßigkeit; und das hat interne Konsequenzen. Die Nutzung betriebswirtschaftlicher Ansätze in den Institutionen verstärkt sich: nach außen durch Marketing und nach innen durch Corporate Identity mit Leitbildformulierungen, Qualitätssicherung, Personalentwicklung, Organisationsentwicklung. Beide Richtungen verschieben das Institutionsprofil. Dieser Prozess hat weitere Impulse bekommen durch die Diskussion über das so genannte selbst-gesteuerte, selbst-bestimmte, selbst-organisierte Lernen. Spätestens seit den 1990er Jahren gibt es Debatten darüber, wie sich Weiterbildungsanbieter entwickeln in Richtung Lernzentren. Im Folgenden soll ein mögliches Leistungsspektrum eines solchen Lernzentrums skizziert werden; dies wäre ein mögliches Dienstleistungsspektrum, ein relativ vollständiges. Spätestens nach der Diskussion über so genannte „neue Lernkulturen“ gibt es die Debatte über eine solche Erweiterung des Leistungsspektrums der Weiterbildungsanbieter.
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Lernzentrum
Bedarfsanalysen Programmplanung Qualitätssicherung Dozentenvermittlung Kursangebote Kontaktherstellung Lernberatung Personalberatung Finanzierungsberatung Forschungsrecherchen Datenbankrecherchen Internetzugänge Medienbereitstellung
Abb. 4: Leistungsspektrum von Lernzentren
Einen neuen Schub hat diese Tendenz zur Diversifikation durch die sogenannte Hartz-Reform zum SGB III und die Agenda 2010 erhalten. Es wird versucht, mit „passgenauen“ „Maßnahmen“ zu operieren. Wie eine Kompetenz „passgenau“ für einen bestimmten Arbeitsplatz aussehen soll, ist mir allerdings immer noch ein Rätsel. Und „Maßnahmen“ schreibe ich immer unter Anführungsstrichen, weil der Begriff, wenn man darüber nachdenkt, brutal ist. Interne Qualitätsmanagementsysteme und die rigide Kalkulation der Weiterbildungskosten werden vor allem auf das Personal der Einrichtungen abgeladen. Um es zynisch zu formulieren: Wenn entlassen wird, hat die Organisation „gelernt“; sie senkt die Personalkosten. In dieser kritischen Lage haben die Institutionen verschiedene SurvivalStrategien entwickelt, zu denen auch der Aufbau zusätzlicher Bildungsdienstleistungen zählt: durch Veränderung des Angebotsspektrums, durch interne Personal- und Organisationsentwicklung (wenn man Entlassungen als Personalentwicklung bezeichnen kann), durch Einbezug neuer Technologien, sowohl in den Angebotsformen als auch in der internen Nutzung, und durch den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen. Die Institutionen haben auf die neue Lage diversifiziert reagiert. Es gibt nicht die einzig richtige neue Marktentwicklung, sondern es werden Nischen rundum gesucht, Marktsegmente für einzelne Weiterbildungsinstitutionen. Dabei kann man unterschiedlich operieren. Eine Diversifizierungsform wäre, dass man den Adressatenbezug variiert. Eine andere Diversifizierungsstrategie wäre, unterschiedliche Lernformen aufzugreifen, also z.B. Blended Learning, e-Learning 72
oder auch spezifische Wissensformen zu identifizieren und da sein Marktsegment zu suchen. Wobei sich dann die Angebotspalette dieser Spezialisten über das Spektrum der Institutionen insgesamt verbreitert, sich aber bei den einzelnen verschmälern würde. Nur die ganz Großen, Gesättigten haben wahrscheinlich in nächster Zeit noch die Chance, als Generalisten aufzutreten oder zu kulturellen Zentren zu werden, wenn sie regional ganz andere Bedeutung haben als Lernen. Auch das wäre eine mögliche Strategie. Im Grunde haben wir bei der Frage nach der weiteren Institutionenentwicklung die sich verschärfende Paradoxie vorliegen, dass auf der einen Seite die Debatte über „lebenslanges Lernen“ und dessen Notwendigkeit auf dem Weg zur „Wissensgesellschaft“ immer mehr betont wird, und auf der anderen Seite dies zu realisieren immer schwieriger wird. Und an diesem Punkt schließt sich der Kreis zwischen dem Weiterbestehen von Lernmöglichkeiten in den Institutionen und dem Interesse der Lernenden: Wenn die Institutionen nicht mehr da sind, werden die Lernmöglichkeiten eingestellt. Es geht um eine Stärkung der Entscheidungsmöglichkeiten der Lernenden über ihre eigenen Lernaktivitäten, um die Vermittlung von Lernmöglichkeiten. Und wenn dies der Fall ist, brauchen die Institutionen, um das überhaupt anbieten und vorhalten zu können Support, Unterstützung, dabei; wo dies gelungen ist, haben die Institutionen solche Aktivitäten genutzt, um intern Organisationsentwicklung und Personalentwicklung in Gang zu setzen. Zusammenfassend lassen sich meine Thesen auf die Formel bringen: Lernen – so wie Menschen – können Institutionen nicht – entwickeln müssen sie sich.
Literatur Cortina, K.S./Baumert, J./Leschinsky, A./Mayer, K.U./Trommer, L. (Hrsg.), 2003: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Strukturen und Entwicklungen im Überblick, Reinbek bei Hamburg Dollhausen, K., 2005: Statistische Informationen als Hilfen zur Einschätzung der Ökonomisierung des Weiterbildungsbereichs, www.die-bonn.de/publikationen/ online-texte/browseergebnis.asp?reihe=DIE%20FAKTEN Faulstich, P., 1998: Strategien betrieblicher Weiterbildung. Kompetenz und Organisation. München
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Faulstich, P., 1999: Schwierigkeiten mit der Lerntheorie in der Erwachsenenbildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung Jg. 49, H.3, 254-262 Faulstich, P./Bayer, M. (Hrsg.), 2006: Lernwiderstände. Anlässe für Vermittlung und Beratung. Hamburg Faulstich, P./Forneck, H./Knoll, J., 2005: Lernwiderstand – Lernumgebung – Lernberatung. Bielefeld Faulstich, P./Gnahs, D., 2005: Weiterbildungsbericht Hessen. Frankfurt/M. Faulstich, P./Grell, P., 2005: Widerständig ist nicht unbegründet – Lernwiderstände in der Forschenden Lernwerkstatt. In: Faulstich, P. u.a., 2005, S. 18-93 Faulstich, P./Ludwig, J. (Hrsg.), 2004: Expansives Lernen. Bartmannsweiler Faulstich, P./Teichler, U./Bojanowski, A./Döring, O., 1991: Bestand und Perspektiven der Weiterbildung. Weinheim Faulstich, P./Zeuner, Chr., 2006: Erwachsenenbildung. Weinheim, 2. aktualisierte Auflage Forneck, H., 2004: Randgänge des Lernens – Eine Lerntheorie jenseits des Subjekts? In: Faulstich/Ludwig 2004, S. 246-255 Foucault, M., 1977: Überwachen und Strafen: Frankfurt/M. Geissler, H., 1994: Grundlagen des Organisationslernens. Wiesbaden Geissler, H. (Hrsg.), 1992: Neue Qualitäten betrieblichen Lernens. Frankfurt/M. Probst, G.J.B./Büchel, B.S.T., 1994: Organisationales Lernen. Wiesbaden Zeuner, C., 2000: Erwachsenenbildung in Hamburg 1945 - 1972. Institutionen und Profile. Münster
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Stephan Dietrich
Die – selbstgesteuert – lernende Organisation: Organisatorische Implikationen des selbstgesteuerten Lernens der Mitarbeiter/innen
Wenn Weiterbildungsorganisationen zur Förderung des Lebenslangen Lernens Supportstrukturen für selbstgesteuertes Lernen entwickeln und durch neue Angebotsformen das Lernen in den unterschiedlichen Lebenszusammenhängen – im Prozess der Arbeit, in der Freizeit, im sozialen Umfeld usw. – mit institutionellen Lernformen verknüpfen wollen, bleibt dies nicht ohne Wirkung auf die Organisation selbst. In diesem Zusammenhang wird häufig von der Erfordernis einer neuen Lehr- und Lernkultur gesprochen, die nicht nur die lernenden Teilnehmenden in den Weiterbildungsorganisationen, sondern auch die Organisationsmitglieder betrifft. Pointiert gesagt geht es darum, dass sich die „lehrende“ zu einer „lernenden“ Organisationen entwickelt, in der nicht nur die selbstgesteuerten Lernprozesse der Lernenden unterstützt werden, sondern ebenso das selbstgesteuerte Lernen aller Mitarbeiter/innen gezielt gefördert wird. Wie Strukturen beschaffen sein können, die dies ermöglichen, will dieser Beitrag klären, der sich auf Ergebnisse und Erfahrungen des Projekts SELBER1 stützt, in dem bundesweit 17 Weiterbildungsorganisationen über einen Zeitraum von knapp drei Jahren an der Entwicklung ihrer Lernkultur gearbeitet haben. Einleitend werden dazu die aktuelle Diskussion um selbstgesteuertes Lernen umrissen und wesentliche Entwicklungserfordernisse für die Weiterbildungsorganisationen benannt. Im zweiten Schritt werden Überlegungen zur lernenden Organisation bzw. zum Organisationslernen dargestellt und zentrale Eckpunkte für einen Lernkulturentwicklungsprozess in den Weiterbildungsorganisationen abgeleitet. Im dritten Kapitel stehen die erforderlichen Supportangebote für die Mitarbeiter/innen im Mittelpunkt und es werden die wichtigsten Rahmenbedingungen zur Lernkulturentwicklung in Weiterbildungsorganisationen
1
Im DIE-Projekt SELBER wurden die beteiligten Weiterbildungsorganisationen durch ein umfangreiches Support-Angebot des DIE bei der Entwicklung ihrer Lernkultur unterstützt. Parallel forschten die beteiligten Universitäten Hamburg, Gießen und Leipzig an Fragestellungen des selbstgesteuerten Lernens (vgl. Dietrich/Herr 2005, Faulstich/Forneck/Knoll 2005, Dietrich/Herr 2004 und www.die-bonn.de/selber).
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herausgearbeitet. Der abschließende Ausblick wirft einige bislang ungeklärte Fragen auf, die die Entwicklung einer neuen Lernkultur in unserer Gesellschaft behindern.
1 Selbstgesteuertes Lernen2 als Herausforderung für Weiterbildungsorganisationen „In einer ‚lernenden’ Gesellschaft findet Lernen nicht nur in dafür institutionalisierten Formen statt. Vielmehr verschiebt sich das Verhältnis von Organisation und Lebenszusammenhang, von Schule und Erwachsenenbildung, von Betrieb und anderen Lebensbereichen“ (Faulstich 1990, S. 10). Bereits vor über 15 Jahren wurde deshalb eine Diskussion um die Erfordernis einer neuen Lernkultur3 angestoßen (vgl. ebd.), die in den letzten Jahren eine enorme Karriere erfahren hat und aktuell auch für die Weiterbildungspraxis höchst relevant geworden ist. „Das ‚Lebenslange Lernen’ ist heute eine weitgehend akzeptierte Zielvorstellung. Dieses Konzept beinhaltet ein erweitertes Verständnis von Weiterbildung, wobei neben herkömmlichen Weiterbildungsangeboten in Form von Lehrgängen und Kursen zunehmend die Bedeutung ‚informeller’ Lernprozesse gesehen wird, die in vielfältiger Weise am Arbeitsplatz oder auch durch Selbstlernen in der Freizeit wirksam werden können“ (BMBF 2006, S. IV). Die Lernenden organisieren also teilweise ihre Lernprozesse selbst, teilweise nutzen sie fremdorganisierte Angebote. Die bildungspolitische Diskussion konzentriert sich dabei auf die Frage, wie das Lebenslange Lernen (LLL) durch vielfältige Netzwerke von Weiterbildungsorganisationen und anderen Einrichtungen gefördert und gezielt Support für außerinstitutionelle Lernaktivitäten geleistet werden kann und wie für alle Menschen ein offener Zugang zu lebenslanger Bildung erreicht werden kann (vgl. z.B. auch UNESCO 2005, 2
Der Begriff des selbstgesteuerten Lernens wird sehr unterschiedlich verwendet. Eine plausible Begriffsklärung bietet Knoll (2001) an, der in einer Matrix die Aspekte der Selbst- und Fremd-Steuerung und Organisation des Lernprozesses differenziert. 3 Zum Begriff der Lernkultur vgl. Faulstich 1990; das Themenheft des Literatur- und Forschungsreports Weiterbildung „Neue Lernkulturen“ (Nuissl u. a. 1999); ausführlich Weinberg 1999. Mit dem Begriff der Lernkultur wird nach Weinberg versucht, die Modalitäten des Lernens und die Modalitäten der Lebensführung zu beschreiben, die in einer Gruppe bestehen. Dabei wird angenommen, dass es nicht eine, sondern viele Lernkulturen gibt (vgl. Weinberg 1999, S. 88).
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S. 69ff.)4. In diesem Zusammenhang wird eine zunehmende Entgrenzung des Lernens diskutiert und es ist eine deutliche Aufwertung des selbstgesteuerten Lernens festzustellen5. Dieses wird jedoch nicht (mehr) als Gegensatz zu fremdgesteuertem Lernen oder als Lernen ohne Rahmenbedingungen bzw. ohne Fremdeinwirkung verstanden. Es geht gerade nicht darum, die Lernenden sich selbst zu überlassen, vielmehr steht „die Stärkung der Eigenverantwortung“ (BLK 2001, S. 10) im Mittelpunkt des Interesses. „In diesem Sinne muss das Lernen in den Bildungseinrichtungen auch die persönliche Entwicklung des Einzelnen fördern, das Lernen des Lernens ermöglichen und dazu beitragen, dass jeder Einzelne mehr Verantwortung für den Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten übernehmen kann, von Anfang an und ein Leben lang“ (ebd., S. 11). Diese Zielsetzung orientiert auch die Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland, die Bund und Länder im Juli 2004 verabschiedet haben. „Die Strategie orientiert sich sowohl an den Lebensphasen des Menschen von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter, als auch an wesentlichen Elementen für Lebenslanges Lernen, die damit Entwicklungsschwerpunkte darstellen -
Einbeziehung informellen Lernens
-
Selbststeuerung
-
Kompetenzentwicklung
-
Vernetzung
-
Modularisierung
-
Lernberatung
4
Die Leitformel des lebenslangen Lernens dominiert den bildungspolitischen Diskurs in Deutschland, seit 1996 das Jahr des lebenslangen Lernens ausgerufen wurde (vgl. BMBF 1996). Eine ausführliche Darstellung der Diskussion bis in die Gegenwart leistet Ioannidou (2006). Die UNESCO spricht auch von „Lifelong Education“ (UNESCO 2005, S. 69), wobei sie für die „Learning societies“ (ebd., S. 57) das Lernen als „a key value of knowledge societies“ (ebd., S. 60) betont. 5 Zum selbstgesteuerten Lernen gibt es seit Ende der 1990er Jahre eine breite Diskussion in Zusammenhang mit der Förderung des Lebenslangen Lernens. Vgl. z. B. das Themenheft des Literatur- und Forschungsreports Weiterbildung, „Lebenslanges Lernen – Selbstorganisiert?“ (Siebert u.a. 1997), die Jahrestagung der Kommission Erwachsenenbildung der DGfE 1997 (Derichs-Kunstmann u. a. 1998), den KAW-Kongreß „Selbstgesteuertes Lernen“ 1998 (BMBF 1998) oder aktueller das „Strategiepapier für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland (BLK 2004). Die intensive Diskussion des selbstgesteuerten Lernens führte Ende der 1990er Jahre einige Autor/inn/en zu der Frage, ob das „Lehren ohne Zukunft“ sei (Klein/Reutter 1998) und wir uns „Towards the end of teaching“ (Dale 2000) bewegen.
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-
Neue Lernkultur/Popularisierung des Lernens Chancengerechter Zugang“ (BLK 2004, S. 5).
Die Aufgabe und Rolle der Weiterbildungsorganisationen verändert sich dabei grundlegend: Sie sollen sich zu „Häusern des Lernens“ (Arbeitsstab Forum Bildung 2001a, S. 45) entwickeln, die sich für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Umfeld öffnen, Lernprozesse in der Lebenswelt unterstützen und mit der formalen Bildung in Bildungseinrichtungen verknüpfen (vgl. auch Dohmen 1999, Weinberg 1999)6. Die Organisationen stehen damit vor der Herausforderung, sich von einem Bildungsanbieter zu einem Lerndienstleister7 zu entwickeln, der unterschiedlichste Angebotsformen unter einem Dach bündelt: traditionell kursorische Angebote, Prozessbegleitung, Entwicklungsmoderation, Konfliktmanagement, Lernberatung, Coaching, Kompetenzdokumentation, Angebote zum selbstgesteuerten Lernen usw. (vgl. etwa ABWF 2005). Eine solche Veränderung setzt vor allem ein neues Selbstverständnis der Organisationen bzw. der in ihnen agierenden Personen voraus. Dabei nehmen die Lehrenden eine Schlüsselrolle ein. Weil deren Weiterbildung allein aber zu keiner Veränderung der Weiterbildungsorganisationen führt, soll sich aus bildungspolitischer Sicht zusätzlich die Qualitätsentwicklung und –sicherung in der Weiterbildung „an der Nutzerorientierung und der Entwicklung von Weiterbildungseinrichtungen zu lernenden Organisationen ausrichten“ (Arbeitsstab Forum Bildung 2001, S. 91). Lernende Organisation als Modell für Weiterbildungsorganisationen Obwohl eigentlich ungeklärt ist, ob Organisationen überhaupt lernen können und ob demzufolge der Begriff der „Lernenden Organisation“ sinnvoll anwendbar ist, herrscht doch breite Einigkeit, dass die unter diesem Label zu subsu6
Auch die Kommission der europäischen Gemeinschaften weist im „Memorandum über Lebenslanges Lernen“ (Kommission 2000) auf die Notwendigkeit zur Bildung sog. „Lernzentren“ hin (a.a.O., S. 23). Es wird empfohlen, das Lernen den Lernenden geografisch näher zu bringen und „Ressourcen neu zu organisieren und umzuverteilen, um Lernzentren dort zu schaffen, wo die Menschen täglich zusammen kommen – nicht nur in Schulen, sondern auch z.B. in Gemeindezentren, Einkaufszentren, Bibliotheken, Museen, Kirchen, Parks, öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Busbahnhöfen, Gesundheitszentren, Freizeitzentren und Werkskantinen“ (ebd.). Lernzentren finden in verschiedenen europäischen Ländern zunehmend Verbreitung (vgl. Buiskool u. a. 2005, Stang/Hesse 2006). 7 Zum Begriff der neuen Lerndienstleistungen vgl. ABWF 2005. Aus Perspektive der Angebotsentwicklung wird ebenso von innovativen Bildungsdienstleistungen gesprochen (vgl. Schlutz 2006).
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mierenden Konzepte und Modelle als „strategische Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft“ (Geißler 1995) zu begreifen sind. So gibt es zahlreiche Beiträge, in denen das Konzept einer lernenden Organisation dargestellt wird.8 Die verschiedenen Modelle und Theorien organisationalen Lernens unterscheiden sich teilweise stark voneinander, vor allem dann, wenn das Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven – vor pädagogischem, psychologischem oder betriebswirtschaftlichem Hintergrund – betrachtet wird. Dennoch tauchen in den unterschiedlichen Modellen häufig gleiche oder ähnliche Gedanken und Begriffe auf und es lässt sich auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Allgemein kann festgestellt werden, dass die Theorien und Modelle organisationalen Lernens die Lernende Organisation als eine Organisation beschreiben, die sich durch ein hohes Innovationspotential auszeichnet und in der Lage ist, mit den sich verändernden Anforderungen und Rahmenbedingungen der Umwelt schnell gestaltend umzugehen. Organisationales Lernen kann damit als ein Prozess verstanden werden, der dazu beiträgt, dass sich das Denken und Handeln der Mitarbeiter/innen und das organisationale Wissen so verändern, dass sich die Handlungs- und Problemlösekompetenz (in) der Organisation erweitert und sich der organisationale Sinn, Ordnungs- und Wirklichkeitsrahmen verändert. Ausgangs- und Zielpunkt für solche organisationalen Lernprozesse ist der einzelne Mitarbeiter und die einzelne Mitarbeiterin. Die meisten Theorien gehen deshalb davon aus, dass die Individuen in den Organisationen Träger oder „Agenten“ (Scherf-Braune 2000, S. 11) des Organisationalen Lernens sind. In ihrer kleinsten Einheit besteht die Organisation aus Individuen – das Lernen einzelner Mitarbeiter/innen ist folglich die Voraussetzung für jeden Entwicklungsprozess. Solche individuellen Lernprozesse können Auswirkungen auf weitere Kolleg/inn/en in der Organisation haben. Wenn hieraus Lernprozesse in der Gruppe erwachsen, können daraus schließlich organisationsweite oder zumindest ganze Organisationseinheiten umfassende Veränderungen entstehen, die wiederum Auswirkungen auf die einzelnen Mitarbeiter/innen haben. Organisationales Lernen beginnt also beim einzelnen Mitarbeitenden und endet dort auch wieder. Eben dieses Zusammenspiel von individuellen und kollektiven Lernprozessen kann als der zentrale Aspekt organisationalen Lernens gesehen werden: 8
Übersichten zu den verschiedenen Definitionen und Konzepten geben z. B. Wahren 1996, S. 6f, Scherf-Braune 2000, S. 26ff oder Pawlowsky 2001, S. 61
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-
Wie gelingt es, das Lernen aller Mitarbeiter/innen zu fördern?
-
Wie wird aus diesen individuellen Lernprozessen ein kollektiver Lerngewinn für die Organisation?
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Wo schlägt sich dieser Lerngewinn nieder?
Scherf-Braune weist darauf hin, dass diese „Frage des Mikro-Makro-Link, d. h. der Verbindung zwischen individueller und organisationaler Ebene in den vorgestellten Ansätzen durchaus unterschiedlich und nicht unbedingt befriedigend gelöst ist“ (Scherf-Braune 2000, S. 13). Für Pawlowsky (2001, S. 78) vollzieht sich diese Verknüpfung während unterschiedlicher Lernphasen im kollektiven Lernprozess, die er quer durch die von ihm untersuchten unterschiedlichen Theorien findet und die nicht notwendigerweise sequentiell ablaufen. Er unterscheidet vier Phasen: -
Die Identifikation von Informationen, die relevant erscheinen für das Lernen, für das Generieren neuen Wissens oder für beides.
-
Den Austausch und die Verbreitung von Wissen, entweder vom individuellen auf das kollektive Niveau oder auf dem kollektiven Niveau selbst.
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Die Integration von Wissen in bestehende Wissenssysteme auf einem kollektiven Level, einem individuellen Level oder beides oder in Verfahrensregeln der Organisation, wobei entweder Integration oder Modifikation des sich anpassenden Systems stattfinden kann.
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Die Transformation des neuen Wissens in Handlungen und die Anwendung des Wissens auf organisationale Routinen, so dass es einen Effekt auf das organisationale Verhalten hat.
Organisationales Lernen ist demnach ein sozial geteiltes Lernen. Dadurch, dass Wissen explizit gemacht wird und damit gemeinsam geteilt werden kann, können kollektives Wissen hergestellt und gemeinsame Vorstellungen entwickelt werden, die sich dann in Handlungen, Routinen und Strukturen der Organisation niederschlagen. Wenn also organisationale Lernprozesse gefördert werden sollen, reicht es nicht aus, Unterstützung für die individuellen Lernprozesse der Mitarbeiter/innen zu leisten, die allein kaum Auswirkungen auf die Organisation zeigen. Entscheidend ist vielmehr, wie neu erworbenes Wissen und erweiterte Kompetenzen in die Organisation eingebracht werden können
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und dabei möglichst mehrere interessierte Mitarbeiter/innen zu „Träger/inne/n des Wandels“ werden. Die erste entscheidende Voraussetzung für einen organisationalen Lernprozess ist deshalb Kommunikation. Durch sie entsteht nicht nur Transparenz über bestehende Vorstellungen, Erfahrungen und Wissensbestände als Voraussetzung für die Entwicklung neuer Sichtweisen und die Integration des vorhandenen Wissens in neue Problemlösungen. Kommunikation fördert auch die Reflexion und ermöglicht eine konsensuelle Verständigung über die Wirklichkeit (Zielvorstellungen, Qualitätskriterien etc.) und das daraus folgende Handeln (vgl. Probst/Büchel 1998, S. 24). Für den Transfer individueller Lernprozesse auf die organisationale Ebene spielt zweitens der Kooperationsgedanke eine wesentliche Rolle. Durch Kooperationen wird die Integration neuen Wissens und erweiterter Kompetenzen in die Organisation erleichtert. Teilweise erwachsen Innovationen auch erst aus den Energien von Kooperationsprozessen. Ehses und Zech sprechen sogar davon, dass die Leistungsfähigkeit einer Organisation insgesamt wesentlich von der Qualität ihrer internen Kooperationsprozesse abhängt (vgl. Ehses/Zech 2000b, S. 49). Aus diesem Grund ist immer auch zu klären, wie die Kooperationsfähigkeit von Weiterbildungsorganisationen bzw. von den darin agierenden Mitarbeiter/inne/n gestärkt werden kann. Zusammengefasst ist eine wichtige Strategie zur Förderung organisationalen Lernens, Strukturen zu schaffen, die den Austausch des Wissens und der Erfahrungen aller Mitarbeiter/inne/n fördern. Dieser Austausch und damit die Gestaltung des Wissensmanagements werden wesentlich von der vorherrschenden Lernkultur in der Organisation beeinflusst. Für lernende Organisationen hat eine Lernkultur besondere Relevanz, die sowohl selbstgesteuerte bzw. selbstorganisierte Lernprozesse anregt wie auch kollaboratives Lernen fördert. Für die Entwicklung einer solchen Lernkultur kann ein Organisationsentwicklungsprozess genutzt werden, in dessen Rahmen die Organisationsmitglieder die Lernkultur der Organisation bewusst mitgestalten. Ein geeigneter Anlass dazu kann die Einführung oder die Reflexion von Projektmanagement, Qualitätsmanagement und/oder (Selbst-)Evaluationsverfahren sein. Dies ist jedoch nur erfolgversprechend, wenn wesentliche Voraussetzungen wie individuelle Motivation, veränderbare Strukturen, akzeptierte gemeinsame Visionen und Ziele, ausreichende Budgets und Ressourcen u. ä. gegeben
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sind. Anderenfalls ist die Anwendung der genannten Verfahren für eine zielgerichtete Veränderung der Lernkultur mit angemessener Skepsis zu betrachten (vgl. Dietrich/Herr 2005; Schüßler/Thurnes 2005, S. 81.) Damit sind zentrale Eckwerte für die Entwicklung zu einer „Lernenden Organisation“ benannt, die nachfolgend auf die Gestaltung geeigneter Supportstrukturen zur Lernkulturentwicklung in der Organisation bezogen werden.
2 Support als Voraussetzung für die Lernkulturentwicklung in der Organisation Die Entwicklung der Weiterbildungsorganisationen zu „Häusern des Lernens“ und die Umsetzung neuer Angebotsformen stellen die Mitarbeiter/innen nicht nur vor mikro-didaktische Fragen zur Gestaltung von Lehr-/Lernsituationen. Vielmehr sind sie gefordert, auch die Institution bzw. deren Lernkultur als solche zu innovieren (vgl. Dietrich/Herr 2003, S. 6; Schüßler/Thurnes 2005, S. 75). Dies gelingt kaum ohne differenzierte Supportstrukturen für die Mitarbeiter/innen in der Organisation, die die Kommunikation und Kooperation unter den Organisationsmitgliedern fördern. Für die Gestaltung dieses Supports sind die im vorangegangenen Kapitel dargestellten zentralen Eckwerte für die Entwicklung zu einer „Lernenden Organisation“ zu berücksichtigen. Nach den Projekterfahrungen sind vor allem drei Support-Bereiche wesentlich: Personalentwicklung durch Fortbildungs- und Beratungsangebote. Beispiele: Selbstorganisierte Beratungs- und Austauschforen (Qualitätszirkel, Gruppen zur kollegialen Beratung, selbstorganisierte Fachforen usw.) in der Institution ebenso wie fremdorganisierte Fortbildungsmöglichkeiten entsprechend spezialisierter Anbieter. Methodentrainings und Workshops ebenso wie Coachings, Supervisionsangebote, Organisationsberatung usw. Förderung geeigneter sozial-kultureller Rahmenbedingungen durch die Arbeit in Projekten und durch ein „neues“ Leitungsverständnis. Beispiele: Projekthaftes Lernen der Mitarbeiter/innen, fehlerfreundliches Klima, Führungskräfte als Coaches und Berater in Entwicklungsprozessen, kommunikative und reflexive Grundstimmung in der Organisation, Kultur der gegen82
seitigen Wertschätzung, Kultur der Mitbestimmung, gemeinsam erarbeitetes und getragenes Leitbild und Wertesystem, Bereitschaft, aufeinander zu hören und voneinander zu lernen usw. Verbesserung der materiell-ressourcenbezogenen Rahmenbedingungen durch die Entwicklung förderlicher Lern-Infrastrukturen. Beispiele: Fachbibliotheken bzw. Literaturzusammenstellungen und intranetbasierte Informations- und Austauschangebote (Datenbanken, Foren usw.) auch für die Mitarbeiter/innen, Pool von Lernmaterialien für die Teilnehmenden, Material- und Aufgabensammlungen, Selbstlernmedien, freier Zugang zu leistungsfähiger Hardware bzw. zu Informations- und Kommunikationstechnologien einschließlich Internet, ggf. Selbstlernzentrum oder -zentren, vielfältige Präsentationsmedien, helle, flexible Räume, usw. Je nach Größe und Alter der Organisation, Aufgabe und Arbeitsfeldern, geografischer Lage, Art der Trägerschaft, Personal usw. sind für die jeweils konkrete Situation der Organisation unterschiedliche Akzentsetzungen für den erforderlichen Support vorzunehmen. Zu bedenken ist außerdem, dass die Mitarbeiter/innen nicht nur ihre eigenen Kompetenzen erweitern und Experimente wagen müssen. In aller Regel stoßen sie dabei zusätzlich auf Widerstände im Kollegium und bei den Lernenden selbst, die nach der Erfahrung einschlägiger Projekte keineswegs darauf warten, endlich von den „Fesseln der Fremdsteuerung“ befreit zu werden (vgl. Dietrich 2002, S. 121). Sie erwarten häufig im Gegenteil „bewährte“ Angebote mit zielgerichteter und effizienter Vermittlung, die ihnen die Lern-Arbeit erleichtert und das Lernen so angenehm wie möglich macht. Lernen wird keineswegs immer als attraktive und befriedigende Aktivität begriffen, wie dies in langer „bildungsbürgerlicher“ Tradition generell unterstellt zu werden scheint (vgl. Kruse 2001, S. 34). Der Blick in die Bildungsinstitutionen und Betriebe zeigt vielmehr, dass für viele Menschen Lernanforderungen mit heftigen Frustrationen verbunden sind, dass es vielerlei Lernwiderstände gibt (vgl. Faulstich/Grell 2005a), dass Lernchancen ausgewichen und der Zwang zum lebenslangen Lernen teilweise als Zumutung empfunden wird (vgl. Geißler/Orthey 2000, Geißler 2005). Diese Widerstände der Lernenden nähren ihrerseits bei den Lehrenden Widerstände gegen solche Veränderungen. Für die Lernkulturentwicklung in einer Organisation heißt dies, dass von Beginn an über entsprechende Marketingstrategien für neue Lernformen
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nachzudenken ist – sowohl nach außen in das Umfeld9 als auch nach innen in die eigene Organisation. Fortbildungs- und Beratungsangebote Die Lernaktivitäten der Mitarbeiter/innen bilden, wie in Kapitel 2 dargestellt, den Ausgangspunkt für Veränderungen. Die Förderung selbstgesteuerten Lernens der Teilnehmenden erfordert i.d.R. eine große Vielfalt „neuer“ Kompetenzen bei den „Lehr“-Kräften und damit in aller Regel auch vielfältige Personalentwicklungsmaßnahmen. Fortbildungserfordernisse können beispielsweise hinsichtlich folgender Kompetenzbereiche entstehen: -
Didaktisch-methodische Kompetenzen zur Anregung selbstgesteuerten Lernens: Kompetenz zum Planen, Organisieren und Umsetzen von Lernarchitekturen: Materialgestaltung, Lernprozessgestaltung und Lernberatung als Elemente einer Didaktik selbstsorganisierten Lernens (vgl. ausführlich Forneck/Springer 2005a und 2005b); Medienkompetenz: Kompetenz zur pädagogisch reflektierten Nutzung und didaktisch-methodisch fundierten Einbindung von E-LearnigTechnologien in Präsenz-, Tele- und Blended-Learning-Szenarios; Kompetenz zur Entwicklung von Lehr- bzw. Lernmaterialien, die für selbstgesteuertes Lernen geeignet sind; Kompetenz zum Aufbau und Betrieb von Selbstlernzentren; erweiterte Methodenkompetenz: spezielle, die Selbststeuerung anregende Arbeits- und Lernformen wie Leittextmethode, Moderationsmethode usw.; Einsatz von Hilfsmitteln; Feedback-Techniken; aktivierende Methoden für „lebendiges Lernen“ usw.;
-
Kompetenzen zur Begleitung und Förderung selbstgesteuerter Lernprozesse: Kenntnis wichtiger Prinzipien wie Selbstorganisation und Selbststeuerung, Reflexion, Metakommunikation, usw.;
9
Das Umfeld schließt sowohl die „Zuliefererumwelt“ der Zuwendungsgeber wie auch die „Abnehmerumwelt“ (Zech 1999, S. 172) der „Kunden“ ein. Beide Umwelten stehen selbstgesteuerten Lernformen häufig noch skeptisch gegenüber. Beispielsweise ist die öffentliche Finanzierung aufgrund der Förderbestimmungen in den Ländern quantitativ noch sehr auf organisiertes Präsenz-Lernen ausgerichtet (vgl. Krug 2004, S. 228).
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Kenntnis der Diskussion um Lernstile und Lerntechniken: unterschiedliche Lernstil-Modelle; Erstellen von Lerndiagnosen und Bewusstmachung eigener Lernpräferenzen; umfangreiche Kenntnis von Lerntechniken und Lernstrategien; Kompetenz zur Durchführung von Lernberatungen: spezielle Beratungskompetenz einschließlich der dafür erforderlichen hohen kommunikativen Kompetenzen (vgl. ausführlich Dietrich/Herr 2005, S. 64-72; Häßner/Knoll 2005, Kemper/Klein 1998); Kompetenz zum Umgang mit Lernwiderständen (vgl. Faulstich/Grell 2005a, 2005b); Begleitung und Moderation von Gruppenprozessen: Unterstützung selbstorganisierter Gruppen und Intervention in gruppendynamische Prozesse (vgl. Behrenberg/Fassnacht 2005); -
Managementkompetenzen: Projektmanagement-Kompetenz; Evaluationskompetenz; Ausgeprägte Kompetenz zur Teamarbeit und hohe Selbstmanagementkompetenz; Führungskompetenz in der Arbeit mit selbstgesteuerten Teams – veränderte Leitungsaufgaben; Kompetenz zur Vernetzung – intern und extern; Marketingkompetenz zur „Vermarktung“ der Angebote intern (in der Organisation) und extern (bei Klientel/Kunden, Zuwendungsgebern, externem Personal usw.).
Diese Kompetenzen können durch sehr unterschiedliche Maßnahmen gefördert werden. So können einzelne Mitarbeiter/innen entsprechende Angebote spezialisierter Anbieter in Anspruch nehmen. Diese Nutzung externer Fortbildungsmöglichkeiten bietet sich insbesondere für Beratungsausbildungen, Coaching- oder Supervisionsausbildungen an. Bei Fortbildungen zur Einbindung von E-Learning, Fortbildungen in Didaktik (bezogen auf selbstgesteuertes Lernen) und Methodenfortbildungen oder Fortbildungen in Gruppenmoderation sollte hingegen über die Möglichkeit nachgedacht werden, Veranstaltungen zu solchen Querschnittsthemen speziell für die Organisation als In-HouseVeranstaltungen zu organisieren. Damit können die speziellen Rahmenbedin-
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gungen und konkreten Lernerfordernisse direkt aufgegriffen und eine größere Anzahl von Mitarbeiter/inne/n gleichzeitig erreicht werden. Grundsätzlich sollten die Mitarbeiter/innen, die an den entsprechenden Fortbildungen teilnehmen, außerdem aufgefordert werden, ihre Lernergebnisse an die Kolleg/inn/en im Haus zu multiplizieren. Insgesamt haben selbstorganisierte Fortbildungsaktivitäten der Mitarbeiter/innen für die Lernkulturentwicklung einen hohen Stellenwert: Selbstorganisierte Fortbildungsgruppen oder selbstorganisierte Fachforen mit internen Referent/inn/en und ggf. externen Expert/inn/en, selbstorganisierte Beratungsund Austauschforen, Qualitätszirkel, Gruppen zur kollegialen Beratung, gegenseitige „Unterrichts“-Besuche oder Team-Teaching fördern den internen Austausch und die Transparenz. Parallel sollten außerdem medienbasierte Angebote eingebunden werden, um das Wissensmanagement durch digitale Instrumente zu unterstützen – etwa durch Nutzung des Intranet oder den Aufbau eines Selbstlernzentrums, das auch von den Mitarbeiter/inne/n genutzt werden kann (siehe 3.3). Neben diesen genannten Maßnahmen sollte schließlich über die Einbeziehung externer Beratungsleistungen nachgedacht werden. Welche Fortbildungsbzw. Personalentwicklungsmöglichkeiten auch immer genutzt werden – ohne eine flankierende Lernkulturentwicklung im Sinne einer Organisationsentwicklung ist mit nachhaltigen Veränderungen in der Weiterbildungsorganisation nicht zu rechnen. „Aus der Personalentwicklung weiß man, dass Subjektlernen nicht optimal stattfinden kann, wenn die Organisation nicht zugleich mitlernt, d.h. wenn sich mit der lernenden Veränderung der Menschen die Organisationsstrukturen nicht mitverändern.“ (Zech 2000, S. 244). Für diesen Prozess benötigen die Beteiligten in aller Regel externe Unterstützung im Sinne einer Organisationsberatung.10
10 Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung hat im Rahmen des Projekts SELBER ein Konzept der Institutionenberatung als integrierte Personal- und Organisationsentwicklung erarbeitet und in diesem Zusammenhang ein Konzept für die Organisationsberatung vorgestellt (vgl. Dietrich/Herr 2005, S. 98-112). Nach den Projekterfahrungen liegt eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin, die Verknüpfung der Veränderungen in den unterschiedlichen „Subsystemen der Organisation“ (Glasl/Lievegoed 1996, vgl. ausführlicher Dietrich/Herr 2005, S. 103ff.) zu unterstützen und vor allem das soziale und kulturelle Subsystem der Organisation in die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter/innen zu rücken.
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Arbeit in Projekten und „neues“ Leitungsverständnis Wie angesprochen, ist die Kooperation der Mitarbeiter/innen nicht nur für die Integration neuen Wissens in Problemlösungen, sondern auch für die Entwicklung von Innovationen ein wichtiger Einflussfaktor. Deshalb ist bei der Lernkulturentwicklung vor allem die Förderung interner Kooperationen eine wichtige Strategie. Für Organisationen, die überwiegend mit Honorarkräften arbeiten, stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Aber auch fest angestellte Lehrkräfte arbeiten häufig sehr selbständig und isoliert voneinander. Für die Lernkulturentwicklung ist deshalb bedeutsam, dass die erforderlichen Entwicklungsarbeiten in Projektteams organisiert werden, in die auch die Honorarkräfte einbezogen werden. Entscheidend ist dabei nach den Projekterfahrungen, dass diese Teams reflexive Strukturen entwickeln und nutzen: Die Projektteamsitzungen sollten nicht nur der Überprüfung der Zielerreichung, sondern vor allem dem Austausch von Erfahrungen und der Diskussion von offenen Fragen dienen. Die regelmäßige Reflexion des Veränderungsprozesses selbst ist für den Entwicklungsprozess ebenso bedeutsam wie die Besprechung der Aufgaben und die Kontrolle der erreichten Zwischenergebnisse. Wichtig ist dabei auch ein regelmäßiger Austausch des gesamten Teams mit der Leitung, um Prozessverläufe zu beraten, Umsetzungshindernisse zu identifizieren und ggf. Rahmenbedingungen zu verändern. Nach den Erfahrungen einschlägiger Projekte (vgl. etwa Knoll/Kakar 1999, Dietrich 2001, Amberger 2004, Dietrich/Herr 2005, Klein/Reutter 2005) sollte für diese Sitzungen in Abständen externe Unterstützung durch Moderation und Beratung einbezogen werden, insbesondere zu Beginn der Entwicklungsarbeit (vgl. ausführlicher Dietrich/Herr 2005, S. 98ff.). Anderenfalls besteht leicht die Gefahr, dass die Gruppe „im eigenen Saft schmort“, „betriebsblind“ agiert und nicht selten „einschläft“. Wo eine externe Unterstützung nicht in Anspruch genommen werden kann, kann diese Funktion möglicherweise eine unbeteiligte Person aus dem Kollegium wahrnehmen. Eine Schlüsselfunktion nehmen in diesem Prozess die Leitungskräfte ein. Die Leitung prägt die Organisationskultur – die Lernkultur inbegriffen – in entscheidender Weise. Ohne ihren klaren Auftrag und ihre aktive Unterstützung ist eine Lernkulturentwicklung nicht möglich. Sie beeinflusst und limitiert den konkreten Spielraum für die Entwicklungsarbeiten durch ihren Umgang mit Fehlern und Misserfolgen und durch die Delegation von Verantwortung und Entscheidungsbefugnissen. Dabei werden die Leitungskräfte von der Proble87
matik herausgefordert, dass die Etablierung von „lernenden Organisationseinheiten“ Entwicklungen in Gang setzt, „deren Verlauf im voraus kaum zu bestimmen ist und deren Ergebnisse nicht determiniert werden können“ (Staudt 1995, S. 56).11 Ergebnisoffene Entwicklungsprozesse fordern folglich allen Beteiligten eine hohe Flexibilität ab und stellen höchste Anforderungen an die Organisationsstrukturen. Außerdem setzen die selbstgesteuerten Lern- und Entwicklungsprozesse ein hohes Vertrauen voraus: die Leitungskräfte in der Lernenden Organisation müssen darauf vertrauen, dass die Mitarbeiter/innen die vor ihnen stehenden Aufgaben im „Spirit“ der Gesamtorganisation und im Einklang mit den Eckwerten bewältigen. „Der Wandel von der beiderseitigen Kontrolle hin zu mehr Vertrauen fordert deshalb die Bereitschaft des ganzen Unternehmens, entsprechende Konsequenzen zu ziehen, wenn man wirklich zu einem Konzept der ‚lernenden Organisation’ übergehen will“ (Staudt 1995, S. 57f). Eine solche „Kultur des Vertrauens“ zu schaffen, sehen auch Hauser/Werani (2001, S. 18) als Kern der Entwicklung zu einer Lernenden Organisation an. Aus diesem Grund ist es „naiv“ (Staudt 1995, S. 57) zu glauben, man könne Ansätze der lernenden Organisation vorsichtig dosiert einführen, ohne die eigene Position und Führungsphilosophie in Frage zu stellen. Das Rollenverständnis der Führungskräfte muss sich vielmehr ebenso wie das der Lehrkräfte verändern. Vor allem sind sie gefordert, als Berater/innen im Entwicklungsprozess zur Verfügung zu stehen und den Mitarbeiter/inne/n auch die entsprechenden Freiheitsgrade für selbstgesteuerte Lernprozesse einzuräumen. Höchst bedeutsam sind deshalb ein gemeinsam erarbeitetes Leitbild sowie Zielklarheit und Transparenz des Entwicklungsprozesses. Zu dieser Transparenz zählt auch, die Mitarbeiter/innen möglichst früh über Entwicklungspläne zu informieren und aktiv in den Prozess einzubinden. Die Zielrichtung der Entwicklungen, die Rahmenbedingungen des Veränderungsprozesses, die Gestaltungsspielräume und die erforderlichen und zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen abgesprochen und für alle Beteiligten klar sein. Die gegenseitige Abstimmung kann über Zielvereinbarungen zwischen Leitung und Mitarbeiter/inne/n bzw. Projektteams erfolgen, durch die
11 Diese Problematik stellt sich übrigens auch in der Arbeit mit den Teilnehmenden, wenn diesen ein hoher Grad an Selbststeuerung bzw. Selbstbestimmung ermöglicht wird.
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Verantwortlichkeiten festgelegt und gleichzeitig Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden. Das dabei für die Leitungskräfte entstehende Gefühl, nicht mehr über alles die Kontrolle zu haben und die Entwicklungen nicht mehr selbst „steuern“ zu können, war nach den Erfahrungen des Projekts SELBER die schwierigste Herausforderung für die Leitungskräfte12. Umso wichtiger ist es für einen erfolgreichen Prozessverlauf, Reflexionsschleifen im Entwicklungsprozess verbindlich zu verankern. Daneben ist wichtig, dass durch die Leitung nicht ein Image von „Innovativen“ einerseits und „Rückständigen“ andererseits gefördert wird, was nur unangemessene Widerstände erzeugt. Vielmehr kommt es auf ein ausgewogenes Verhältnis von „Verändern“ und „Bewahren“ an, das sich durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander von „Alt“ und „Neu“ und von unterschiedlichen Lernkulturen und Angebotsformen auszeichnet und eine Lernkulturvielfalt eröffnet. Dass für die Entwicklungen schließlich auch ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden muss, versteht sich von selbst. Lernkulturentwicklung braucht einen langen Atem. Dennoch neigen die Beteiligten nach den Projekterfahrungen dazu, sich zu überschätzen und zu komplexe Vorhaben in zu kurzer Zeit zu planen. Wichtige Aufgabe der Leitung ist deshalb auch die Limitierung: einen realistischen Blick für das Machbare bzw. die erforderlichen Ressourcen zu behalten und zu ambitionierte Vorhaben abzulehnen. Anderenfalls besteht leicht die Gefahr, dass aufgrund von Misserfolgserlebnissen die Motivation für Veränderungen nachhaltig beeinträchtigt wird. Entwicklung förderlicher Lern-Infrastruktur Wie in Kapitel zwei angesprochen, sind Strategien des Wissensmanagements eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung einer Lernenden Organisation. Für den Entwicklungsprozess ist deshalb sehr wichtig, dass sich die Lernergebnisse der individuellen und organisationalen Lernprozesse auch in konkreten Materialien niederschlagen, die dem gesamten Kollegium zur Verfügung stehen. So können alle von allen Arbeitsergebnissen profitieren und aus den Erfahrungen der anderen Anregungen für den eigenen Entwicklungsprozess erhalten. 12 Das Gefühl, weniger Kontrolle als bislang zu haben, ist nach den Projekterfahrungen auch die größte Herausforderung beim Rollenwandel von der Lehrkraft zur Lernprozessbegleitung.
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Die Entwicklungsteams bzw. Projektteams sind deshalb angehalten, ihre (Zwischen-)Ergebnisse immer wieder zu dokumentieren, die erarbeiteten Materialien zu sammeln und die vorliegenden Erfahrungen schriftlich festzuhalten. So werden die Ergebnisse den anderen Kolleg/inn/en zugänglich und stehen somit für deren Entwicklungsprozesse zur Verfügung. Dies sollte in digitaler Form auf einer entsprechenden Plattform, einem Laufwerk oder in einer Datenbank erfolgen, idealerweise ergänzt durch reale Dokumente und Ordner in einer entsprechenden Bibliothek oder einem Selbstlernzentrum, das auch von den Lehrenden genutzt wird. Für die tatsächliche Nutzung solcher digitalen Instrumente ist nach den Projekterfahrungen eine bedienungsfreundliche und ansprechende Oberfläche bedeutsam, mit deren Entwicklung nach Möglichkeit ein übergreifendes Projektteam betraut wird. Wenn sich dieses aus Entwicklungsteam-Mitgliedern verschiedener Arbeitsfelder zusammensetzt, ist zusätzlich sichergestellt, dass viele Teams ihrerseits Einfluss auf die Art der Instrumente und deren Struktur nehmen können und das Instrument allgemein bekannt wird. Eine am Projekt SELBER beteiligte Einrichtung etwa entwickelte eine intranetbasierte Datenbank mit der Bezeichnung „Toolbox“, die von den Mitarbeiter/inne/n aus verschiedenen Standorten genutzt werden kann. Ein Projektteam erarbeitete dabei die Oberfläche und die Datenbankstruktur. Die Inhalte werden von allen Mitarbeiter/inne/n fortwährend eingestellt: Besprechungen von Literatur zum Thema „selbstgesteuertes Lernen“, Methodensammlungen, Veranstaltungsformen, Beratungsmaterialien usw., die jeweils durch Bemerkungen und Erfahrungsberichte über den Einsatz ergänzt werden. So entsteht eine permanent wachsende Informationsbasis, die von allen Mitarbeiter/inne/n gespeist wird und genutzt werden kann. Während diese Datenbank in der Entwicklungsphase gut genutzt wurde, stellt sich im dauerhaften Einsatz jedoch erwartungsgemäß das Problem, dass die Pflege des Bestandes im Alltagsdruck nachlässt. Wichtig ist deshalb eine für das Instrument verantwortliche Person, die sich auch immer wieder um entsprechende Aktionen kümmert, durch die die Nutzer/innen regelmäßig neue Anreize für die Pflege und Fortschreibung der Informationen erhalten. Um die Virtualität solcher Lösungen durch einen realen Ort – Lernort, Treffpunkt, Anlaufstelle – zu ergänzen, empfiehlt sich die Einrichtung eines Selbstlernzentrums in der Organisation (vgl. Dietrich/Ninke 2005). Dies hat gleich-
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zeitig mehrere positive Effekte. Zuerst haben Selbstlernzentren einen hohen Stellenwert für die Eröffnung von Lernkulturvielfalt und damit für die Lernkulturentwicklung. Durch Selbstlernzentren können neue Teilnehmendenkreise angesprochen werden, Lernende können dort zeit- und personenunabhängig individuelle Lernanliegen verfolgen, Veranstaltungsinhalte vor- und nachbereiten oder individuell vertiefen und üben. Das Selbstlernzentrum kann die Einführung in die Nutzung digitaler Lernsoftware anbieten und insgesamt die Medienkompetenz der Nutzer/innen erweitern. Es kann mit seinem Dienstleistungsspektrum darüber hinaus auch Vorteile für die Mitarbeiter/innen der Organisation bieten, indem es die erforderliche Infrastruktur für den Wissensaustausch der Mitarbeiter/innen bereitstellt, zu der ggf. auch eine Bibliothek mit Selbstlernmedien, Arbeitsmitteln, Texten, Tipps von Kolleg/inn/en, Materialien, Methodenhinweisen usw. zählen. Wenn das Selbstlernzentrum Lernenden wie Lehrenden jederzeit offen steht und dadurch selbstverständlicher Bestandteil der Alltagsaktivitäten der Organisation wird, ist dies die beste Grundlage für eine ständig wachsende Integration in das Gesamtangebot und die fortwährende Weiterentwicklung der Angebotsformen. Neben einem solchen Selbstlernzentrum ist nach den Erfahrungen des Projekts SELBER zusätzlich die Einrichtung von „Selbstlernecken“ in allen Räumen oder kleineren Organisationseinheiten anzustreben, um selbstgesteuertes Arbeiten der Teilnehmenden als selbstverständlichen Bestandteil der Bildungsaktivitäten zu unterstützen: ein Handapparat mit der wichtigsten, oft benötigten Literatur, ein oder mehrere permanent zugängliche Computer mit Internetzugang und Officeanwendungen, ggf. häufig genutzter Lernsoftware sowie weiteren Lehr- und Selbstlernmaterialien.
3 Ausblick Die hier dargestellten Entwicklungserfordernisse stellen viele Weiterbildungsorganisationen vor erhebliche Herausforderungen. Die Lernkulturentwicklung erzeugt einen erheblichen Fortbildungs- und Qualifizierungsbedarf. Hinzu kommt, dass die Entwicklung zentraler Kompetenzen wie Beratungskompetenz und die Veränderung des eigenen Selbstverständnisses nur zeitaufwän-
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dig zu realisieren sind. Angesichts der derzeitigen finanziellen Situation der Organisationen, der Arbeitsbelastung der Mitarbeiter/innen und des hohen Erfolgsdrucks, unter dem die Einrichtungen und insbesondere die Kursleitenden stehen, ist derzeit offen, wie diesen Erfordernissen entsprochen werden kann. Die Weiterbildungsanbieter neigen eher zur Zurückhaltung, zumal derzeit noch keine ausgeprägte Nachfrage nach solch neuen Angebotsformen festzustellen ist und die öffentliche Finanzierung aufgrund der Förderbestimmungen in den Ländern neue Angebotsformen in der Regel nicht berücksichtigt. Dies hat seinerseits Auswirkungen auf entsprechende Fortbildungsangebote für das Personal.13 Umso bedeutsamer ist es für die Weiterbildungsorganisationen nach Wegen zu suchen, wie sie durch eine „Politik der kleinen Schritte“ sukzessive an Veränderungen arbeiten und dabei das vorhandene Know-how ihrer Mitarbeiter/innen bestmöglich einbeziehen können. Die Entwicklung einer Lernkultur selbstgesteuerten Lernens der Mitarbeiter/innen erscheint dabei unausweichlich.
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13 Interessierten am Thema Lernberatung und didaktische Planung von Lernarchitekturen stehen nach unseren Recherchen derzeit kaum offen ausgeschriebene adäquate Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für professionelle Erwachsenenbildner/innen zur Verfügung – außer in einigen Modellprojekten und wenigen daraus entstandenen dauerhaften Angeboten (wie etwa aus dem Projekt SELBER www.die-bonn.de/selber/support oder dem Projekt NIL mit dem universitären Weiterbildungsstudiengang QINEB der Universität Gießen www.erwachsenenbildung.uni-giessen.de/nil). Einzelne vhs-Landesverbände greifen das Thema bei der Kursleiter-Qualifizierung auf. Auch in der universitären Ausbildung von Diplom-Pädagog/inn/en gibt es entsprechende Angebote. Ansonsten überwiegen auf E-Learning bezogene Fortbildungsangebote.
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Dieter Gnahs
Zielsetzung „Lernende Organisation“: Qualitätsmanagement als Lernanstoß für Weiterbildungseinrichtungen
Ein umfassend verstandener Qualitätsentwicklungsprozess – zum Beispiel im Sinne des Total Quality Managements – setzt vielfältige Impulse frei, die sich auf das Leitbild einer Einrichtung, auf die Optimierung von Abläufen, auf Fragen der Zuständigkeit und auf Fragen der Außenwirkung richten können. Qualitätsentwicklung kann so zum Motor einer Umstrukturierung der gesamten Einrichtung werden, laufende Qualitätsverbesserungen zum Motor einer gezielten Organisationsentwicklung. Im Folgenden sollen nun Belege dafür gesammelt werden, inwieweit in Weiterbildungseinrichtungen der behauptete Zusammenhang zum Tragen kommt. Dabei werden drei Zugänge gewählt. Zum ersten wird untersucht, in welcher Weise die unterschiedlichen Qualitätskonzepte bereits Aspekte von Organisationsentwicklung aufgreifen bzw. integriert haben. Zum zweiten wird anhand von Fallbeispielen deutlich, wie Qualitäts- und Organisationsentwicklung ineinander greifen können. Zum dritten wird anhand von Erhebungsergebnissen vorgestellt, in welchem Ausmaß die Auseinandersetzung mit Qualitätsfragen Weiterbildungseinrichtungen zu organisationsverändernden Maßnahmen veranlasst.
1 Konzeptionelle Verbindungen zwischen Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung Schon definitorisch haben Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung als Gestaltungsaufgabe einen nicht unerheblichen Überschneidungsbereich. Unter Qualitätsmanagement wird die systematische und geplante Steuerung und Kontrolle aller für die Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität relevanten Prozesse im Unternehmen durch die Leitung bzw. Führungsebene ver99
standen (vgl. Käfer/Kohl/Wagner 2001, S. 79-80; Thombansen u.a.1994, S. 29f.; Gnahs 2005b, S.5; Hartz/Meisel 2004, S.19). Demgegenüber wird Organisationsentwicklung beschrieben als „ein neuer Weg zur Entwicklung von Organisationen ... mit dem Ziel einer aktiven und flexiblen Anpassung an die Herausforderungen einer sich ständig wandelnden Umwelt. Es ist eine Entwicklung im Sinne höherer Wirksamkeit der Organisation und größeren Arbeitszufriedenheit der beteiligten Menschen“ (vgl. Becker/Langosch 1995, S. 2; ähnlich: Geißler 2000, S. 111ff.; Hörmann 2002, S.28f.). Beide Bereiche setzen auf proaktives Handeln und haben letztlich zum Ziel, dass die Leistungen der Organisation in definierten Teilbereichen bzw. insgesamt besser bzw. wettbewerbsfähiger werden. Die Unterschiede finden sich mit Blick auf die dezidierte Rolle der Leitung beim Qualitätsmanagement und der angestrebten höheren Arbeitszufriedenheit aller Beschäftigten bei der Organisationsentwicklung. Dieser Gegensatz löst sich bei genauerer Betrachtung jedoch auf, wenn einige Qualitätsmanagementkonzepte näher betrachtet werden. Das EFQM-Modell, das zu den TQM-Ansätzen gehört, verfolgt ein umfassendes Qualitätsverständnis. Zentrale Zielsetzung ist die Bestleistung, die Marktführerschaft oder zumindest ein Spitzenplatz (business excellence). Eine indikatorengestützte Selbstdiagnose (self assessment) und der kennzifferngestützte Vergleich mit anderen Unternehmen/Einrichtungen (benchmarking) sind die Schlüsselelemente des Verfahrens. Einbezogen in die Analyse sind neun Bereiche: Führung, Mitarbeiterorientierung, Strategie und Planung, Ressourcen und Partnerschaften, Prozesse, Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, gesellschaftliche Verantwortung und Geschäftsergebnisse (vgl. Gnahs 2005b, S. 15ff., ausführlich Uehlinger/von Allmen 2001). Diese Kurzbeschreibung macht zweierlei deutlich: Die Ausrichtung des Ansatzes zielt auf umfassende Organisationsentwicklung und bezieht die Mitarbeiterzufriedenheit ausdrücklich als zentrale Komponente ein. In einem Punkt geht dieser Ansatz sogar weit über die OE-Dimension hinaus, wenn nicht nur die Anpassung an die sich wandelnde Umwelt erfolgen soll, sondern auch aktive Mitgestaltung der Gesellschaft als Handlungsfeld eingeführt wird. Auch das Qualitätsmanagement nach der Normenreihe ISO 9000 ff. hat – besonders nach seiner Überarbeitung im Jahre 2000 – einen deutlich stärkeren Akzent in Richtung Organisationsentwicklung bekommen. In der Forde-
100
rungsnorm 9001:2000 sind die folgenden Ansprüche an die zu zertifizierende Einrichtung formuliert (vgl. Kremsmair 2000, S. 283): -
Beschreibung einer Unternehmenspolitik, aus der Ziele abgeleitet werden müssen
-
Einführung eines Prozessmanagements
-
Vornahme von Zielvereinbarungen
-
Management eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.
In einem Leitfaden zur Umsetzung der ISO 9001:2000 wird die Beachtung von acht Qualitätsmanagement-Prinzipien empfohlen. „Ein QualitätsmanagementPrinzip ist eine umfassende und grundlegende Richtlinie oder Überzeugung zur Führung und Leitung einer Organisation, mit dem Ziel ständiger, langfristiger Verbesserung der Leistungen durch Kundenorientierung, während gleichzeitig die Erfordernisse aller, die ein Interesse am Unternehmen haben, angesprochen werden“ (Käfer/Kohl/Wagner 2001, S. 80f.). Die QM-Prinzipien lauten (vgl. ebenda, S. 80): -
kundenorientierte Organisation
-
Führung
-
Einbeziehung der Mitarbeiter
-
prozessorientiertes Herangehen
-
systemorientierter Managementansatz
-
ständige Verbesserung
-
sachliches Herangehen an Entscheidungen
-
Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen.
Ohne näher im Detail auf diese Prinzipien einzugehen, macht schon die bloße Aufzählung deutlich, dass die ISO-Zertifizierung nicht ohne OE-Maßnahmen stattfinden kann. Die noch Ende der neunziger Jahre zum Teil massiv vorgetragene Kritik, dass ein Qualitätsmanagement nach dieser Normenreihe „oberflächlich“ bleiben könne, dass das Zertifikat erreichbar sei, ohne spürbar in die Organisation einzugreifen („Plakettensicherung“1), muss nach der Überarbeitung relativiert werden (vgl. Gnahs 1997, S. 14ff.; Gnahs 2005b, S. 11).
1
Vgl. Krug1999, S. 21.
101
Die beiden vorgestellten, primär für die gewerbliche Wirtschaft entwickelten Verfahren bauen Qualitätsentwicklung in eine mehr oder weniger umfassende Unternehmensentwicklung ein oder nehmen sie als Impuls für eine solche in Anspruch. Dies ist bei anderen momentan aktuellen Konzepten wie Balanced Scorecard (vgl. z.B. Gehringer/Michel 2000) oder Six Sigma (vgl. z.B. Magnusson/Kroslid/Bergmann 2004) in ähnlicher Weise der Fall. Im Folgenden wird nun der Blick auf solche Verfahren gerichtet, die einen pädagogisch geprägten Ansatz verfolgen. Ein, aufbauend auf Schweizer Erfahrungen, speziell für die Weiterbildung entwickeltes Verfahren ist die „Lernerorientierte Qualitätstestierung“ (LQW), die in Deutschland weit verbreitet ist. Nach dem Modell werden in einem Selbstreport Aussagen zu elf Qualitätsbereichen gemacht (vgl. Zech 2004, S. 8f.): -
Leitbild und Definition gelungenen Lernens
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Bedarfserschließung
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Schlüsselprozesse
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Lehr-Lern-Prozess
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Evaluation der Bildungsprozesse
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Infrastruktur
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Führung
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Personal
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Controlling
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Kundenkommunikation
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strategische Entwicklungsziele.
Auf dieser Basis erfolgt dann die externe Begutachtung und Testierung. Auf einem Abschlussworkshop werden die strategischen Entwicklungsziele erörtert und vereinbart. Dieses Konzept weist inhaltlich und verfahrenstechnisch viele Ähnlichkeiten mit den oben beschriebenen allgemeinen Ansätzen auf. Es ist zudem eindeutig auf Organisationsentwicklung ausgerichtet, was aus den Vorarbeiten der Autoren geschlossen werden kann (vgl. Zech/Ehses 2001) und auch explizit im LQW-Handbuch zum Ausdruck gebracht wird: „Qualitätsmodelle dürfen ... keine Zustände festschreiben, sondern sie müssen organisationales Lernen 102
durch Erhöhung von Reflexionsfähigkeit unterstützen. ... Aus diesem Grund ist das hier vorgeschlagene Qualitätsverfahren vor allem ein Entwicklungsmodell und nicht nur ein Prüfverfahren. Es geht bei der Qualitätsentwicklung darum, die Weiterbildungseinrichtungen auf ihrem Weg zu lernenden Organisationen zu fördern ....“ (Zech 2004, S. 20). Ebenfalls einen ausdrücklich pädagogischen Bezug besitzt das Rahmenmodell QVB, das von der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) und dem Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben entwickelt worden ist (vgl. DEAE/BAK AuL 2004). Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Konkretisierung eines Qualitätsverständnisses. Dieses wird dann in acht Gestaltungsbereichen zum Tragen gebracht: Leistung, Evaluation, Organisation, Ressourcenmanagement, Personal, Kommunikation, Marktbezug, Kooperation/Vernetzung. Das Rahmenmodell liefert sowohl für die Formulierung des Qualitätsverständnisses als auch für die Ausformung der acht Gestaltungsbereiche Anhaltspunkte und Orientierungshilfe. Dies geschieht im Wesentlichen über Reflexionsfragen. Das Modell liefert einen Diskursrahmen und macht keinesfalls verbindliche Vorgaben. Es ist in Sprache und Duktus auf die Gewohnheiten und Traditionen der potentiellen Nutzer und Nutzerinnen abgestimmt und bietet somit ein niederschwelliges und dennoch anspruchsvolles Angebot zum Einstieg in die Qualitätsdiskussion. Es kann damit als Handreichung zur Selbstevaluation genutzt werden und eröffnet durch seine offene Struktur selbst eher skeptischen Einrichtungen den Weg in die Qualitätsentwicklung. Es liegt damit auf einer ähnlichen Linie wie das in Sachsen entwickelte QES-Modell (Qualitätsentwicklungssystem Weiterbildung Sachsen) (vgl. Knoll/Wiesner/Franke/Leye 2001). Auch diese Modelle zielen auf Organisationsentwicklung, zielen auf organisationales Lernen, auch wenn sie – bewusst – eine andere Sprache benutzen, um für ihre Zielgruppe anschlussfähiger zu sein (vgl. auch: Gnahs 2005a). Andere in der Diskussion befindliche QM-Konzepte, die auf die Einrichtungsqualität abstellen, haben vergleichbare Inhalte und Verfahren, sodass im Ergebnis auch bei ihnen ein mehr oder minder starker Bezug zur Organisationsentwicklung festgestellt werden kann (Bremer Modell, Bundesagentur für Arbeit, CEDEO etc.) (vgl. ausführlich Gnahs 1997, 1999 sowie 2005a und 2005b). Weniger ausgeprägt ist dieser Zusammenhang bei Qualitätskon-
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zepten, die im Wesentlichen auf die Qualität der Veranstaltungen abzielen, wie das zum Beispiel bei der Stiftung Bildungstest oder dem Fernunterrichtsschutzgesetz der Fall ist. Auch die Qualitätsverbünde (wie Weiterbildung Hamburg e.V.) sind, obwohl sie eine Einrichtungsprüfung vornehmen, weniger „eingriffsintensiv“ für die geprüfte Organisation und damit vermutlich auch in geringerem Maße handlungsauslösend in Richtung Organisationsentwicklung. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass ein schlechtes Testergebnis oder eine Auflage bei der Aufnahmeentscheidung in einen Qualitätsverbund die Initialzündung für weitergehende Maßnahmen liefert.2
2 Beispiele für die aktive Verknüpfung von Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung Die gerade beschriebenen konzeptionellen Verbindungen zwischen Qualitätsund Organisationsentwicklung finden sich auch bei zahlreichen Einrichtungen wieder, die Qualitätsmanagement betreiben bzw. betrieben haben. Die spezifischen Eigenarten und Entwicklungslinien werden im Folgenden anhand von vier Praxisbeispielen illustriert.3
Stiftung Berufliche Bildung/Hamburg4 Die Stiftung Berufliche Bildung wurde 1982 auf Initiative der Hansestadt Hamburg gegründet, um einen kommunalen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, im Besonderen auch der Jugendarbeitslosigkeit, zu leisten. Sie hatte demgemäß den Auftrag, Bildungs- und Sozialbenachteiligte zu qualifizieren, um ihnen neue Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Als sich Mitte der neunziger Jahre die Arbeitssituation unter dem Kostendruck, der heterogener gewordenen Teilnehmerschaften und den gewachsenen Anforderungen immer schwieriger gestaltete, entschloss sich die Geschäftsführung eine umfassende Neuorganisation der Einrichtung unter dem Ge2
Ausführliche Beschreibungen der genannten Qualitätskonzepte und Hinweise zu weiterer Literatur finden sich in Gnahs 2005a. 3 Weitere Beispiele finden sich in von Küchler/Meisel 1999. 4 Vgl. im Folgenden Gnahs 1997, S. 96ff.
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sichtspunkt der Qualitätssicherung vorzunehmen. Dem Konzept des Business Re-engineering folgend, sollten alle betrieblichen Abläufe auf die Zielsetzungen der Einrichtung hin überprüft und in Frage gestellt werden. Als Problemeinstieg wurde eine Kundenbefragung durchgeführt, die positive und negative Eindrücke sowie Vorschläge zu den folgenden Aspekten sammelte: Kundenorientierung, Serviceverbesserung, Qualitätssicherung, betriebsnahe Qualifizierung, Effizienzsteigerung und Kostensenkung (vgl. Stiftung Berufliche Bildung 1995). Diese Ergebnisse und jene einer ebenfalls durchgeführten Mitarbeiterbefragung bildeten das Ausgangsmaterial der QM-Teams, die dann konkrete Veränderungsvorschläge ausarbeiteten, die zum Teil gravierend in die bisherige Organisationsstruktur eingriffen. Als Beispiele können genannt werden (vgl. Gnahs 1997, S. 98): -
Die Lernorganisation wurde weiter individualisiert und zu einem System des „Offenen Lernens“ ausgebaut. Unterricht im Klassenverband wurde abgebaut, und den Lernenden wurden Möglichkeiten zu eigeninitiativem Lernen (zum Beispiel durch Medieneinsatz) eröffnet. Die Lehrenden übernahmen mehr und mehr die Rolle von Lernberatern.
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Hierarchien wurden abgebaut und selbstverantwortliche Teams gebildet, die sowohl inhaltliche als auch organisatorische Fragen regelt.
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Es wurden Strukturen geschaffen, die sicherstellen, dass Qualitätsverbesserungsprozesse kontinuierlich erfolgen. Sie sollten das, was die QM-Teams in der Startphase geleistet hatten, verstetigen, indem Probleme analysiert und Lösungsvorschläge gemacht wurden.
Das Beispiel zeigt, dass die Initiative zur Qualitätsentwicklung zu einer umfassenden Restrukturierung der gesamten Einrichtungen führen kann, die tiefgreifende Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation zur Folge hat. Der externe Berater der Stiftung Berufliche Bildung fasste dies plakativ zusammen: „Qualitätsmanagement bedeutet, das Produzieren von Qualität zu systematisieren und zu organisieren .... Qualität wird vom Glücksfall zum Normalfall“ (zitiert bei Gnahs 1997, S. 99).
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Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.V. – Landesgruppe Niedersachsen/Hannover5 Das RKW ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der vom Bund und den Ländern gefördert wird. Träger des Vereins sind die Wirtschaft, Gewerkschaften, die öffentliche Hand und wissenschaftliche Einrichtungen. Drei große Geschäftsfelder prägen die Arbeit: über- und innerbetriebliche Weiterbildung, Unternehmensberatung und Information. Die Beweggründe für eine Intensivierung der Auseinandersetzung mit Qualitätsfragen sind vielfältig: die Aktualität des Themas in der Unternehmensberatung, die Notwendigkeit zur Profilierung auf dem enger werdenden Weiterbildungsmarkt und die Unzufriedenheit mit den bisher üblichen Methoden der Qualitätssicherung. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Geschäftsführung als eines der ersten Dienstleistungsunternehmen in Niedersachsen für die Zertifizierung nach der DIN EN ISO 9000 ff. Von Anfang an war dabei klar, dass dieser Schritt mit einer umfassenden Strukturreform verbunden werden sollte. Der Einstieg in den Zertifizierungsprozess erfolgte über eine Selbstverständnisdiskussion, an deren Ende Unternehmensgrundsätze formuliert wurden wie Identifikation als Dienstleistungsunternehmen, Verständnis als dauerhafter Partner der Kunden und Mitglieder, Entwicklung von innovativen und zukunftweisenden Dienstleistungsprodukten, Kundenzufriedenheit und die Selbstverpflichtung der Mitarbeiter zur Qualität bzw. zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung. Zudem wurde der Anspruch erhoben, ein Betriebsklima zu erhalten, welches sich durch Teamfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Offenheit, Fairness, kooperativen Umgang, Aufgeschlossenheit und Lernfähigkeit auszeichnet (vgl. ebenda, S. 93f.). Der neue Gemeinschaftsgeist wurde verfestigt durch eine gemeinsame Schiffsreise nach Norwegen, auf der die entscheidenden Weichenstellungen für das Qualitätskonzept stattfanden. Auch die Büroräume wurden renoviert und vollkommen neu gestaltet mit dem Ziel, alles offener, heller und klarer zu machen. Zusätzlich unterstrich ein einheitliches Design symbolisch die neue Corporate Identity.
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Vgl. im Folgenden Gnahs 1997, S. 92ff.
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Durch den intensiven Diskussionsprozess hatten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gelegenheit, eine auf Kontinuität und Entwicklung angelegte Qualitätskultur zu begründen. Dies führte auch dazu, dass die internen Arbeitsabläufe transparenter wurden und vielfach auch verbessert werden konnten. Der Qualitätsbeauftragte fasst seine Erfahrungen wie folgt zusammen: „Wichtig ist, die Zertifizierung konsequent und nicht nur halbherzig anzupacken. Der Prozess muss von der Geschäftsleitung initiiert und tatkräftig unterstützt werden. Alle Mitarbeiter müssen einbezogen und entsprechend motiviert werden“ (ebd., S. 95).
Familienbildungsstätte der AWO-Duisburg e.V.6 Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist ein Wohlfahrtsverband und Dienstleistungsunternehmen, welcher von der Jugendhilfe über Familienbildung bis hin zur Altenpflege vielfältige, an den Bedürfnissen der Kunden und Klienten orientierte soziale Dienstleistungen anbietet. Sie unterhält zur Erfüllung dieser Aufgaben Einrichtungen wie die Familienbildungsstätte in Duisburg. Diese stellt für Frauen, Männer und Kinder Maßnahmen der lebensweltorientierten Bildung ins Programm, die auf die Bedürfnislagen dieser Zielgruppen zugeschnitten sind mit Themenkomplexen wie: Familie und beruflicher Alltag, Partnerschaft/Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familie und Erziehungsalltag, Freizeitgestaltung und Gesundheitsprophylaxe. Die Familienbildungsstätte Duisburg hatte in der Vergangenheit Qualitätsdebatten nur sporadisch und aus Anlass aktuell aufgetretener Probleme geführt. Sich verschlechternde Rahmenbedingungen (sinkende öffentliche Zuschüsse, Kostendruck, sich verändernde Motivationslagen bei den Honorarkräften etc.) und vor allem die intensiv geführte Qualitätsdiskussion mit Blick auf Non-Profit-Organisationen waren Anlass, sich in einen systematisch angelegten Selbstprüfungs- und Veränderungsprozess zu begeben. Orientierungslinien für dieses Vorgehen liefert das Corporate-Identity-Konzept (CI) welches versucht, Leitbilder, Werte, Unternehmenskultur, die externe und interne Kommunikation sowie das Erscheinungsbild der Einrichtung zu harmonisieren, sodass von den Kunden ein klares und unverwechselbares Profil wahrgenommen wird. So wurden Befragungen bei Kursleiterinnen und Kurs6
Vgl. im Folgenden Schimanski 2004.
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leitern, bei den Teilnehmenden sowie innerhalb der AWO durchgeführt, um die Datengrundlage für eine Ist-Analyse zu schaffen. Die Arbeitsabläufe wurden nach Kernprozessen und unterstützenden Prozessen unterschieden und auf Optimierungsmöglichkeiten hin untersucht. Ziel dieser und anderer Aktivitäten war es, Schwachstellen zu entdecken und Abläufe so zu gestalten, dass eine Qualitätssteigerung bei der Leistungserstellung erzielt wird. Ausfluss dieser Anstrengungen ist ein über zweihundert Seiten starkes Arbeitshandbuch, das der Familienbildungsstätte Duisburg (und bei Bedarf auch anderen Einrichtungen) als Grundlage für eine permanente Überprüfung und Weiterentwicklung dient. Der eineinhalb Jahre dauernde Prozess hat darüber hinaus deutliche Veränderungen im Einrichtungsgefüge bewirkt: verändertes Beschwerdemanagement, effizientere Abläufe in der Verwaltung, einheitliche Gestaltung der Werbematerialien, regelmäßige Pressetermine, stärkere Einbindung der Kursleiterinnen und Kursleiter, Mitarbeiterfortbildung zum Umgang mit „schwierigen“ Teilnehmenden und vieles mehr. Die Initiatorin dieses Prozesses fasst rückblickend zusammen: „CI zu erreichen heißt, die Kräfte der Organisation so zu bündeln, dass sich alle mit diesen Zielen identifizieren können .... CI ist kein beliebig einsetzbares, rasch greifendes Managementinstrument, sondern der sichtbar gemachte Charakter. CI hat einen Denkstil zur Voraussetzung und zieht eine Handlungsmaxime nach sich“ (Schimanski 2004, S. 163).
BFW Berufsförderungswerk Saarland GmbH/Saarbrücken7 Das BFW ist ein regionaler Weiterbildungsanbieter, der Maßnahmen zur beruflichen Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung entwickelt, plant und durchführt. Zum Angebotsspektrum gehören gleichermaßen Seminare für Firmenkunden, Qualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitsverwaltung und berufsbegleitende Lehrgänge zur Vorbereitung auf Fortbildungsprüfungen wie Industriemeister und Bilanzbuchhalter. Mitte der neunziger Jahre entschloss sich das BFW das erreichte Qualitätsniveau durch ein Qualitätsmanagementsystem gemäß der Normenreihe DIN EN ISO 9000 ff. abzusichern und auszubauen. Mit dieser Entscheidung wollte der
7
Vgl. im Folgenden Stallknecht 2004.
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Bildungsträger unterstreichen, dass er sich als wirtschaftsorientiertes Dienstleistungsunternehmen sieht. Der Norm entsprechend wurde ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut und im Qualitätsmanagementhandbuch dokumentiert. Das BFW unterscheidet Führungs-, Kern- und unterstützende Prozesse. Sie sollen so organisiert werden, dass sie ineinander greifen und einen ständigen Verbesserungsprozess ermöglichen. Das QM-Handbuch dokumentiert nach innen und außen die Qualitätsziele und die Qualitätspolitik und informiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Ziele, Aufgaben, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Abläufe. Als Effekt der ISO-Zertifizierung wird eindeutig auch eine Steigerung der Qualität der Organisation festgestellt. Abläufe und Prozesse würden transparenter und somit nachvollziehbarer für die Mitarbeiter. Zugleich seien Organisationsstrukturen optimiert worden, indem Synergien und Vereinheitlichungsmöglichkeiten genutzt würden. Schließlich seien auch die Lehr-Lern-Prozesse in den ständigen Verbesserungsprozess einbezogen worden nicht zuletzt durch eine Verstetigung des Kundenkontakts. Positiv hervorgehoben wird die Tatsache, dass die ISO-Norm jedem Unternehmen Interpretations- und Handlungsspielräume lässt, was eine organische Entwicklung erleichtert: „Wenn ein QM-System nicht aus dem Unternehmen entwickelt, sondern wird, akzeptieren und leben es die Mitarbeiter/-innen nicht“ (Stallknecht 2004, S. 173).
3 Erhebungsbefunde zum Zusammenhang von Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung Neben diesen konzeptionellen Überlegungen und Einzelbeispielen zur Qualitätspolitik gibt es auch einen empirischen Befund zum Thema, der verallgemeinernde Aussagen zulässt. Das BIBB, das IES und Helmut Kuwan Sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung haben bei über 1500 Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland per Telefonbefragung Aussagen zum Thema „Qualitätsentwicklung“ eingeholt und zusätzlich ca. 40 qualitative Interviews in ausgewählten Einrichtungen geführt. Aus fast 17.700 Adressen wur109
den die befragten Einrichtungen zufällig ausgewählt. Einige zentrale Befunde werden im Folgenden wiedergegeben (vgl. dazu Balli/Krekel/Sauter 2004, darin im Besonderen Gnahs/Kuwan 2004). Als wichtige Qualitätsaktivitäten werden speziell auch solche Bereiche genannt, die gleichermaßen auch bei der Organisationsentwicklung eine Rolle spielen. Als „eher wichtig“ werden zum Beispiel eingestuft: „Stärken-Schwächen-Analyse“ (95 %), „Bedarfsanalyse“ (92 %), „Vorschlags- und Verbesserungswesen“ (87 %) und „Leitbildentwicklung“ (86 %) (vgl. Bötel/Krekel 2004, S. 28). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass zwischen QM und OE in der Praxis Überschneidungsbereiche gesehen werden. Dieser Eindruck wird erhärtet, wenn die Antworten auf die Frage nach den Auswirkungen von Qualitätsaktivitäten ausgewertet werden. Den größten Zuspruch erhält die Antwortmöglichkeit „Verbesserung der Arbeitsabläufe“ mit 80 % der kumulierten Nennungen („sehr starke“ bzw. „starke“ Auswirkungen) gefolgt von „größere Zufriedenheit der Mitarbeitenden“ (73 %) (vgl. Gnahs/Kuwan 2004, S. 44). Qualitätsentwicklung hat offenbar zuallererst organisatorische Verbesserungen zur Folge. Die parallel zur CATI-Befragung8 durchgeführten Interviews untermauern und spezifizieren diese These. Die Gesprächspartner weisen zentral auf die folgenden positiven Wirkungen von Qualitätsmanagement hin: Verbesserung der internen Abläufe und Kommunikationsstrukturen sowie Etablierung von Einrichtungsstandards (z.B. Dateiorganisation, Außendarstellung der Einrichtung). Ein Zitat aus einem Interview illustriert das Gemeinte: „Es sind verschiedene Doppelungen in den Arbeitsabläufen ausgeschaltet worden. Die Arbeit des Einzelnen ist für den Nebenmann transparenter geworden. Das Ineinandergreifen der Arbeitsabläufe ist durch das Darstellen der Verantwortlichkeiten geordneter“ (vgl. ebd., S. 45). Von einigen der Interviewpartner wird gar darauf hingewiesen, dass sich durch die Anstrengungen zwar positive Effekte hinsichtlich der organisatorischen Abläufe eingestellt hätten, die fachliche Qualität aber weitgehend unbeeinflusst geblieben sei: „Von der fachlichen Seite hatte das keine Konsequenzen. Es war nur, dass wir ein bisschen mehr Ordnung haben mussten, dass wir ein bisschen mehr die Aufgaben verteilen mussten“ (vgl. ebd., S. 45f.).
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CATI entspricht Computer Aided Telephon Interviewing.
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4
„Einfallstore“ für die Organisationsentwicklung
Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass sich eine unmittelbare Verknüpfung von Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung in den folgenden Bereichen im Regelfall herstellen lässt. -
Die Frage nach den Qualitätszielen leitet über zu den Einrichtungszielen und auch zum Leitbild der Einrichtung. Insofern führt die Qualitätsdiskussion geradewegs in die Erörterung des Selbstverständnisses und begründet bzw. reaktiviert eine Unternehmenskultur.
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Praktisch alle QM-Konzepte betonen die Verantwortung der Leitung für die Initiierung und Verstetigung der Qualitätsdiskussion. Dieser Imperativ wirft Fragen der Führungsstruktur und -praxis auf. Die Implementierung eines QM-Systems verlangt ein klares Bekenntnis zu dieser Aufgabe, die Motivierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Leisten von Überzeugungsarbeit und den Mut, Neuerungen einzuführen. Diese Herausforderungen lassen sich häufig nur dann bewältigen, wenn der Führungsstil geändert wird und die Instrumente der Personalentwicklung vielfältiger werden.
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Das Funktionieren eines QM-Systems setzt voraus, dass die Aufbauund die Ablauforganisation optimal auf diese Aufgaben abgestimmt sind. Im Regelfall gibt die Ist-Analyse im QM-Prozess den Anstoß zu Veränderungen, die zu Vereinfachungen, höherer Effektivität und zu mehr Effizienz führen.
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Die Einführung eines QM-Systems erfordert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den sich daraus ergebenen Anforderungen gerecht werden. Bei der Bestandsaufnahme werden Schwachstellen entdeckt, aber auch aktivierbare Potentiale. Es werden Fragen der Personalentwicklung aufgeworfen und, damit im Zusammenhang stehend, Fragen der Mitarbeiterfortbildung.
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Mit QM-Aktivitäten werden auch Außenwirkungen intendiert, die zu einer veränderten Marketingstrategie führen können. Die Folgen können zum Beispiel sein: mehr Kundenorientierung, mehr Bedarfsanalyse, ein einheitliches corporate design.
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Die Notwendigkeit, die gesetzten Qualitätsziele im Hinblick auf ihre Erreichung auch zu überprüfen, öffnet den Blick für die Evaluierung aller einrichtungsspezifischen Abläufe. Die Evaluation eingeleiteter Maßnahmen und das ständige Infragestellen bestehender Strukturen wird so zum Prinzip.
Die enge Verbindung beider Ansätze macht es in der Praxis schwer, Einzelaktivitäten dem einen oder anderen Ansatz zuzurechnen. Sie gehen bis zur „Unkenntlichkeit“ ineinander über, vermischen sich.
5 Resümée Die konzeptionellen Ausführungen und die Fallbeispiele haben deutlich gemacht, wie eng verzahnt, Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung sind. Beide Prozesse setzen Klarheit über die Einrichtungsziele voraus, bedürfen des Engagements der Betroffenen und müssen von allen Beteiligten getragen werden, laufen kleinschrittig ab, sind Daueraufgaben, bedürfen im Regelfall der Beratung von außen und brauchen die eindeutige Unterstützung der Leitung. In der Praxis werden die Grenzen oft als fließend betrachtet: „Zugespitzt ließe sich formulieren, dass Qualitätsentwicklung Organisationsentwicklung mit dem Ziel Qualität ist“ (Kadler/Klenk 1999, S. 72). Qualitätsmanagement hat beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen auf die Organisation und kann im Rahmen eines strategischen Managements zur Organisationsentwicklung eingebracht und genutzt werden. Reizvoll wäre in diesem Zusammenhang die Umkehrung der Ausgangsfrage: Welche Auswirkungen sind von Organisationsentwicklung als Managementstrategie auf die Qualitätsentwicklung einer Einrichtung zu erwarten? Die Antwort kann hier nur angedeutet werden. Zum einen ist nach der vorherigen Analyse davon auszugehen, dass viele Elemente des Qualitätsmanagements „nahtlos“ in ein OE-Konzept eingebunden werden können. Zum anderen kann Qualitätsmanagement aber auch OE-Strategien durchkreuzen oder behindern. So bindet Qualitätsmanagement Einrichtungsressourcen, kostet Zeit und Geld. Deshalb ist bei jeder Initiative auch zu fragen, wie sich Kosten und Nutzen zueinander verhalten. Es ist zu fragen, ob noch genügend Zeit und Kraft bleibt, um das umzusetzen, was die Qualität steigert und auch die 112
Organisation entwickelt. Es ist immer wieder zu fragen, in welcher Weise die Kernprozesse der Weiterbildung durch die Verfahren gestützt und verbessert werden, ob der gewählte QM-Ansatz für die je spezifische Situation der Einrichtung „passt“ oder ob nicht ein anderer organisations- und situationsgerechter sein könnte. Es ist immer wieder zu klären, ob der Einsatz von QM andere als die vorgegebenen Zwecke verfolgt bzw. unerwünschte Nebenwirkungen hat. So mag das Zitat von Mintzberg (1999, S. 259), einem der Vordenker des strategischen Managements, gleichermaßen den QM- und den OE-Aktivisten als Mahnung zur Balance und zum gelegentlichen Innehalten dienen: „Derzeit ist die lernende Organisation in aller Munde, und das durchaus mit gutem Grund. Aber sie ist kein Allheilmittel. Die Menschen müssen lernen, aber sie müssen auch ihre reguläre Arbeit effizient erledigen. (Schließlich tragen Pferde nicht umsonst Scheuklappen.) Es gibt eine Zeit zum Lernen und eine Zeit zum Nutzen der bisherigen Lernerfahrungen.“ Noch zugespitzter ist der Blick des Ökonomen, der verdeutlicht, das Evaluationen (die ja Kernstück von QM und OE sind) nicht nur der Effizienzsteigerung dienen, sondern die Kosten verursachen: „Im Vordergrund stehen schädliche Anreizverzerrungen, eine induzierte Verkrustung und ein verfehlter Entscheidungsansatz. Weil diese Kosten gewöhnlich nicht berücksichtigt werden, werden Evaluationen zu oft und zu intensiv angewandt“ (Frey 2006, S. 12).
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Ingrid Schöll
Technikeinsatz in Volkshochschulen als Impuls zur Entwicklung der „Lernenden Organisation“ Der nachfolgende Beitrag untersucht die Organisationsentwicklung durch Technikeinsatz in Weiterbildungseinrichtungen. Nach einer Skizzierung des Einführungsprozesses EDV-gestützter Arbeitsmittel werden an konkreten Beispielen die Auswirkungen einer weiterentwickelten Software dargestellt und sowohl technische als auch organisatorische Funktionen skizziert. Im daran anschließenden dritten Teil werden Möglichkeiten und Probleme des Selbstlernens im Kontext von VHS-Organisation thematisiert und abschließend grundlegende Fragen des Wissensmanagements zusammengestellt, die sich aus den organisationalen Veränderungen dieser Prozesse ergeben.
1 Einführung EDV-gestützter Hilfsmittel Die Einführung EDV-gestützter Verwaltungsprogramme hat die Arbeitsorganisation in Weiterbildungseinrichtungen und so auch in den Volkshochschulen in starkem Maße verändert. Mit der Komplexität der Programme wuchs die Möglichkeit, Verwaltungsprozesse zu optimieren. Dieser Prozess, in der Breite etwa fünfzehn Jahre alt, soll im Folgenden beschrieben und in seinen Auswirkungen auf Organisation, Partizipation und Qualifikation des Personals analysiert werden. Mit der Einführung der ersten PCs in die Verwaltungsarbeit veränderte sich die Routinearbeit. Das „Massengeschäft“ konnte mittels Textverarbeitung effizienter bewältigt werden; Textbausteine und Serienbrieffunktionen trugen zur Optimierung der Arbeitsabläufe bei. Die ersten Computer hatten dabei nicht nur technische Grenzen mit Blick auf Speicherkapazitäten und Nutzungsgrade. Ihre Einführung war auch mit hardwareergonomischen Problemen verbunden. Ein Beispiel: Vor den heute bekannten und technisch ausgereiften Positivbildschirmen lag die Phase der „Negativdarstellung“, Bildschirme mit dunklem Bildhintergrund und grellgrüner oder ockerfarbener Schrift. Adaptionsprobleme waren die Folge, schnelle Ermüdungserscheinungen beim Wechsel zwischen 117
hellem Schriftgut (in Positivdarstellung) und dunklem Bildschirm führten dazu, dass die Nutzungsintensität eingeschränkt war und in manchen Fällen gesundheitliche Folgewirkungen nach sich zog. Schulung, Softwareergonomie und Inkompatibilitäten Die parallele Einführung von Verwaltungssoftware und bürobezogenen Standardprogrammen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbanken) Anfang und Mitte der 90er Jahre hatte einen erhöhten Schulungsaufwand zur Folge. Beide Systeme mussten parallel vermittelt werden. Einige Hersteller von Verwaltungssoftware kombinierten Funktionen der Standardsoftware mit ihren Produkten. Festzuhalten bleibt, dass beide Produktlinien über die Jahre immer komplexer wurden, mit den entsprechenden hard- und softwareergonomischen Folgen. Auf der Hardwareseite waren es belastend lange Reaktionszeiten von schnellen Programmen auf einer unzureichenden Hardware. Auf der Softwareseite war es lange Jahre der ständig erforderliche Wechsel zwischen Systemen mit bereits realisierter Windowsoberfläche und solchen, die noch auf MS-DOS Basis oder Unix/Sinix basiert liefen. Für Anwender/innen boten diese systemischen Inkompatibilitäten keine lernförderlichen Bedienungsanalogien und so wirkte sich die uneinheitliche Oberflächengestaltung negativ auf Lernprozesse und auf die Handhabung der Programme aus. Das Beherrschen unterschiedlichster Oberflächen kann nicht als eigenständige Lernleistung gesehen werden, sondern stellt unter softwareergonomischen Aspekten eine überflüssige Zusatzbelastung dar, die gesundheitliche Beeinträchtigungen evozieren kann, wenn Plausibilitätskontrollen mit permanenten visuellen oder akustischen Signalen verbunden sind. Mitarbeitende in Volkshochschulverwaltungen mussten während der Einführung der Programme durch die verschiedenen Systemwechsel erhebliche „Lernumwege“ in Kauf nehmen. Die mittlerweile mehrheitlich vorhandene Vereinheitlichung der Oberflächen kann dazu führen, dass der Nutzungsumfang nicht nur der Standardprogramme, sondern auch der organisationsbezogenen Verwaltungssoftware steigt. Die einmalige Aneignung von Wissen über eine bisher nicht gekannte Funktion bleibt folgenlos, wenn keine dauerhafte Nutzung folgt. Aus der Analyse der Softwarepakete weiß man, dass der so genannte „gelegentliche Nutzer“ in der Regel nur 30 Prozent eines Softwaretools nutzt, da er Funktionen, die nicht ständig benötigt werden, nicht dauerhaft
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memoriert. Bei einheitlichen Oberflächen kann die Lernbelastung durch Analogiebildung reduziert werden; gleichzeitig bietet die Möglichkeit, Bedienungsanalogien zwischen Standard- und Verwaltungssoftware herzustellen, auch Freiräume, die eigenen Kenntnisse selbständig und selbsttätig zu erweitern. Anpassungsqualifizierungen Es ist für jede Organisation eine Herausforderung, Hard- und Softwarewechsel durch entsprechende Anpassungsqualifizierungen zu begleiten. In der Regel erfolgt eine Erstschulung und alle weiteren Anpassungen müssen in nicht selten selbst organisierter Form realisiert werden. Die Weiterbildungseinrichtungen wählen dabei unterschiedliche Wege: Eine stetige, organisierte Anpassungsqualifizierung für die Mitarbeitenden in Form eines klassischen Kurses findet sich ebenso wie der Workshop, in dem neue Funktionen vorgestellt und diskutiert werden oder der selbst organisierte, informelle Zirkel derjenigen, die sich gegenseitig beim Umstieg auf neue Produkte beraten und unterstützen. Da in der Regel nicht alle Mitarbeitenden gleiche Ausgangsbedingungen mit Blick auf Nutzung und Kenntnis der Programme haben, gibt es in den Einrichtungen immer wieder Innovatoren, die sich die Kenntnis neuer Funktionen zügig aneignen und dies oft allein umsetzen, vielleicht ergänzt durch Hinzuziehen elektronischer oder in gedruckter Form vorliegender Hilfsmittel. Diesen autonomen Lernenden steht eine Gruppe weniger explorativer und experimenteller Lernender gegenüber, die es vorzieht, neue Funktionen in strukturierter Form vermittelt zu erhalten, auch wenn dies mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden ist. Eine dritte Gruppe lernt in kleinen, selbst organisierten Zirkeln und nutzt die Einführung neuer Softwaretools zum selbst organisierten informellen kollegialen Austausch (vgl. Schöll/Passens 1998). Für die Gesamtorganisation, und hier sind insbesondere Leitung und die entsprechenden EDV-Verantwortlichen angesprochen, ist es wichtig, diesen Prozess zu beobachten und bei auftretenden Disparitäten mit Blick auf die Adaption neuer Lerninhalte gegenzusteuern. Schnittstelle Systemadministration Der Systemadministrator einer Weiterbildungseinrichtung besitzt eine zentrale organisatorische Steuerungsfunktion. Er muss nicht nur den hardwarebezogenen Systemwechsel steuern und erkennen, wann das komplexe Zu-
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sammenspiel von Hard- und Software Neuinvestitionen erforderlich macht. Er muss auch mit den entsprechenden Softwarehäusern in Kontakt bleiben, die neuesten Programmversionen auf ihre Benutzerfreundlichkeit und Nutzungsmöglichkeit testen und die Schulungsmodi festlegen, die mit der Einführung neuer Versionen zu erfolgen haben. In jeder Einrichtung ist der Systemadministrator zudem derjenige, der bei individuellen Hard- und Softwareproblemen am Arbeitsplatz unterstützend eingreifen muss und der beispielsweise teilautomatisierte Anmeldevorgänge bei Internetbuchungen kontrolliert und abarbeitet. In dem Maße, in dem das Internet für Anmeldezwecke und für unterstützende Funktionen mit Blick auf Servicegestaltung und die Verbreitung kurs- oder einrichtungsbezogener Zusatzfunktionen eingesetzt wird, wächst die Dominanz der Systemadministration. Die heutigen Programme binden eine Reihe von Aufgaben an einen Systemadministrator. Folge ist, dass bei parallelen Arbeitsanforderungen aus unterschiedlichen Bereichen entschieden werden muss, welche konkurrierenden Aufträge mit welcher Priorität abgearbeitet werden. Der Systemadministrator muss in größeren Verwaltungen zudem den permanenten Abstimmungsprozess mit der zentralen EDV-Abteilung moderieren. Ihm obliegt die Begründung für die Beschaffung zusätzlicher organisationsunterstützender Programme. Mit der zunehmenden internetgestützten Aufgabenabwicklung wächst die Abhängigkeit von der Systemverwaltung. Es kommt teilweise zu Blockaden in der Arbeitsorganisation, weil konkurrierenden Aufgaben nicht zeitgleich erledigt werden können und dies nicht immer plausibel vermittelt werden kann. Einige Beispiele: Teilnehmende wollen ihre netzgestützte Anmeldung möglichst schnell bestätigt sehen und haben kein Verständnis für zeitversetzte, systembedingte Einleseprozesse von E-Mails. Oder: Kursleitende müssen auf das Honorar warten, da die Ankopplung der Verwaltungssoftware an andere Softwareprodukte (etwa bei Einführung kaufmännischer Buchführung) Arbeitsabläufe vorübergehend blockieren kann. Verwaltungsmitarbeitende müssen Listen und Tabellen formatgerecht ausdrucken und erwarten Plausibilitätskontrollen bei unzulässigen Eingaben. Oder: Die pädagogischen Mitarbeitenden wollen Zusatzinformationen im Internet, etwa FAQs oder Hinweise zu aktuellen Programmhinweisen immer zeitnah auf der Homepage wieder finden. Diese Aufzählung verdeutlicht, wie hoch der Arbeitsaufwand und wie unterschiedlich die Anforderungen an Systemadministration geworden sind. 120
Die Softwarehäuser reagieren auf diesen Systemengpass und entwickeln ihre Programme weiter: mit Folgen, wie im Folgenden beleuchtet wird.
2 Organisatorische Auswirkungen der Weiterentwicklung von Softwareprodukten Ein Beispiel für notwendige Weiterentwicklungen sind netzgestützte Buchungsmöglichkeiten, die heute Standard in vielen Weiterbildungseinrichtungen sind. Aus dem Blickwinkel der Organisation muss die Weiterentwicklung der Softwareprogramme das Ziel haben, die durch die Konzentration in der Systemadministration geschaffenen Engpässe zu beseitigen. Dies geschieht wesentlich durch neue Möglichkeiten, Buchungen für Kurse und Seminare auf der Datenbank auszuführen. Wer seinen Kursplatz bucht, wird unmittelbar im Programm angemeldet und erhält eine Anmeldebestätigung. Diese Systeme bieten im Falle ausgebuchter Kurse Alternativen, verweisen eigenständig auf inhaltsähnliche Angebote und stellen somit ohne aufwändige Nachfrage Verknüpfungen her. Die Datenbank orientierte Buchungsform übertrifft alle bisher möglichen zeitnahen Angebotsmöglichkeiten: Wer bucht, hat seinen Platz. Alle anderen Anmeldeformen (persönlich, Fax, E-Mail, Briefe etc.) sind langsamer. Die Entlastung für die Systemadministration ist offenkundig. Zuvor musste der Systemadministrator Internetanmeldungen in der Regel halbautomatisch einbuchen. Bei 300 Anmeldungen verging damit ein halber Arbeitstag. Rechnet man die entsprechenden Rückfragen (überbuchte Kurse, um einige Stunden verspäteter Einleseprozess und die damit verbundenen telefonischen Nachfragen etc.) ein, wurde noch viel mehr Zeit benötigt. Content Management Des Weiteren werden die Weiterbildungseinrichtungen künftig ein erweitertes Content Management nutzen. Verwaltungsseitig können dann Mitarbeitende ausgewählte Systemfunktionen dezentral pflegen – was bislang ausschließlich über den Filter der Systemadministration möglich war. Künftig können pädagogische Mitarbeitende FAQs oder die jeweils aktuellen Meldungen im Internet selbst einstellen. Standardisierte Text- und Bildformate sind vorhanden, ein umständliches Anpassen verschiedener Programmformate (etwas zwischen 121
Textverarbeitung und Internetdarstellung) entfällt. Je nach verwaltungsintern definierter Organisation können auch Dozenten Teilbereiche ihres Kursgeschehens selbst bearbeiten. Sie können z. B. ihre eigenen Stammdaten pflegen oder – wenn dies vereinbart wurde – ihre jeweils aktualisierten Teilnehmerlisten herunterladen; sie können die Teilnehmenden eigenständig mit Informationen oder Material versorgen oder gegebenenfalls ihre jeweils neuen Programmankündigungstexte im Programm Korrektur lesen. Mit dem individuell zu vereinbarenden Teilzugriff auf Programmteile werden weitere Kommunikationsspielräume eröffnet. Zeitraubendes Versenden von Listen, ein telefonischer Abgleich von Daten oder auch das Zusenden von Programmankündigungsbestätigungen entfallen. Der Systemadministrator kann sich der Optimierung der EDV-unterstützten Organisation widmen und wird nicht länger durch Routinetätigkeiten blockiert.
Neue Zeitfenster Programmoptimierungen schaffen neue Zeitfenster in der Verwaltung, wenn Routinearbeiten zunehmend vom Programm erledigt werden. Dozenten können in der Kommunikation mit der Weiterbildungseinrichtung neue Wege beschreiten und die pädagogische Nutzung des Internets für zusätzliche Serviceangebote stellt nicht länger die Black Box dar, die sie bislang aufgrund fehlender Zugangsmöglichkeiten für viele pädagogische Mitarbeitende war. Eine Organisation muss sich damit befassen, wie die neuen Zeitfenster optimal genutzt werden können. Persönliche Beratung wird nach wie vor einen hohen Stellenwert haben und gegebenenfalls in einer älter werdenden Gesellschaft auch noch zunehmen. Marketing- und Gestaltungsaufgaben werden ebenfalls einen höheren Stellenwert gewinnen. Die internetgestützten Servicemöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Warum sollen nicht Zusatzinformationen über Dozenten, die im Programmheft keinen Platz finden, im Internet erscheinen, oder individuelle Links mit Zusatzhinweisen zu einzelnen Kursen? Das Know-How aller Mitarbeitenden in Verwaltung und Pädagogik muss in Bezug auf die Serviceorientierung der netzgestützten Möglichkeiten erweitert werden und natürlich müssen alle systembezogenen Möglichkeiten nicht nur bekannt sein, sondern auch regelmäßig genutzt werden.
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Dauerhaft muss überprüft werden, ob und wie die zusätzlichen Zeitfenster, die mit der Organisationsoptimierung durch den EDV-Einsatz geschaffen werden, so geschlossen werden können, dass keine Leerläufe auftreten. Dies lässt sich im gegenwärtigen Stadium noch nicht abschließend abschätzen. Wenn beispielsweise die Dozenten mittelfristig durch Eingabe ihrer jeweiligen Kursdaten (Stammdaten und Kursankündigungstexte) an der elektronischen Erstellung des Programmheftes mitwirken, entfällt ein weiterer wesentlicher Arbeitsteil ursprünglicher Sachbearbeitung.
3 Selbstlernzeiten und -möglichkeiten in der Verwaltung EDV-gestützte und durch Programmroutinen vorgegebene Arbeitsabläufe bestimmen seit geraumer Zeit die Organisationsstruktur der Weiterbildungseinrichtungen. Sie vollzogen und vollziehen sich in mehreren Etappen und die Entwicklung war nicht von Beginn an nutzerfreundlich. Mit der selbstverständlichen Nutzung internetgestützter Anmeldemöglichkeiten wurde ein weiterer Schritt in der Optimierung der Organisationsentwicklung vollzogen, dessen mittelfristige Folgen noch nicht abschließend bewertet werden können. Welche Möglichkeiten haben die unterschiedlichen Beschäftigtengruppen in den Weiterbildungseinrichtungen, sich in diesem Prozess zu qualifizieren und wie nutzen sie mögliche Selbstlern- oder teilautonome Lernzeiten in der Einrichtung? Es ist nicht davon auszugehen, dass alle Beschäftigtengruppen in einer Weiterbildungseinrichtung gelernt haben, mit ihren Zeitkontingenten und damit auch mit potenziellen freien Lernkontingenten selbstverantwortlich umzugehen. Ausbildungsbezogene und strukturelle Aspekte sind hier als divergierende Faktoren in den Blick zu nehmen. Pädagogische Mitarbeitende können in der Regel auf Erfahrungen im Studium zurückgreifen und sollten Methoden des selbst gesteuerten Lernens beherrschen. In der Forschung geht man daher davon aus, dass bestimmte Lerngruppen eine besondere Affinität zum selbst gesteuerten und selbst bestimmten Lernen mitbringen. Diese Menschen sind oft analytisch orientiert, sozial unabhängig, individualistisch und verfügen über ein profiliertes Selbstkonzept. Meist liegt bei diesem Personenkreis eine mehrjährige wissenschaftliche Ausbildung vor, die den selbständigen und initiativen Umgang mit Problemlagen 123
und damit wesentliche Anforderungen an selbst gesteuertes Lernen fördert. Weber konstatiert: „Auf der Basis besserer Bildungsqualifikationen lassen sich offenbar auch andersartige Qualitäten von Weiterbildung verwirklichen“ (Weber 1996, S. 180). Selbst gesteuertes Lernen erfordert Kompetenzen, die sich auf der Ebene der Arbeitstechniken eindeutig benennen lassen. Sie reichen vom „Setzen von Zielen über das Erkennen von Wissens- und Qualifizierungslücken bis hin zur Beherrschung adäquater Lerntechniken“ (Ross 1996, S. 21) wie Notizen anfertigen, offene Fragen formulieren oder einen Gedankenaustausch zu Lerninhalten zu initiieren. Unstrittig scheint, dass sich die Merkmale dieses Lerntyps eher bei Höherqualifizierten finden (vgl. Tippelt/Eckart/Barz 1996, S. 102ff.) Verwaltungsmitarbeitende können häufig nicht in gleichem Maße auf diese Fähigkeiten zurückgreifen. Wie man Dispositionszeiten im Arbeitsablauf – und diese können in einem saisonal gesteuerten Betrieb wie einer Volkshochschule auftreten – mit Elementen selbst gesteuerten Lernens füllen kann, müssen Verwaltungsmitarbeitenden teilweise erst lernen. Medien (als Lerngegenstand und -werkzeug) können dabei hilfreich sein. Auch ein Umdenken in strukturellen Fragen ist notwendig, denn in den Schulungskonzepten des öffentlichen Dienstes besitzt das Thema Selbstlernelementmöglichkeiten keine große Relevanz. Freie Zeit innerhalb eines Arbeitskontingents existiert nicht und das Bewusstsein, freie Zeiten für selbst organisiertes Lernen zu nutzen, muss geweckt und unterstützt werden. Durch flexible Arbeitszeitmodelle versucht man momentan darauf hinzuwirken, dass Arbeitszeit kapazitätsorientiert verteilt wird. Dass Arbeitszeit selbstständig für freie Lernzeiten genutzt werden kann, muss sich in den entsprechenden organisationalen Kontexten etablieren. Verwaltungsmitarbeitende benötigen darüber hinaus häufig Unterstützung, um die vielfältigen Wandlungen des elektronischen Arbeitsplatzes langfristig qualifiziert zu bewältigen. Dabei müssen die lernorganisatorischen Voraussetzungen Berücksichtigung finden, die in allen Lernprozessen verankert sind, egal, ob diese selbst- oder fremdbestimmt ablaufen. Verwertungsbezogenes Lernen hat mehrere Strukturmerkmale: -
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es entsteht aus einem Bedarf heraus und hat ein Ziel, es erfordert Lernschritte, die zu bewältigen sind,
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es muss seinen Gegenstand kennen, egal ob dieser im Abstrakten oder im Gegenständlichen liegt,
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es erfordert eine mit Blick auf das Lernziel angepasste Stoffselektion bzw. -reduktion und es benötigt Erfolgskontrolle (für den persönlichen wie für den beruflichen Alltag) (vgl. Nuissl 1997, S. 44).
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Das Aneignen neuer Softwarefunktionen entsteht in der Regel aus einem Bedarf heraus und hat auch ein Ziel. Die Bewältigung der dazu nötigen Lernschritte kann mentorenunterstützt (durch den Systemadministrator oder durch Kolleg/inn/en) sowie durch Selbstlernprogramme oder Handbücher erfolgen. Gelernt wird in der Regel das, was am Arbeitsplatz dauerhaft benötigt wird. Erfolgskontrollen sind in der Anwendung verborgen oder können durch externe Anreize – etwa durch Zertifikate – erfolgen. Faulstich (2003) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Lernen dokumentierbar, transferierbar und zertifizierbar sein muss. Siebert (2001, S. 93) betont mit Blick auf die selbst gesteuerten Elemente beim Lernen, dass es wichtig ist -
zu wissen, wo welches Wissen zu finden ist, zu wissen, welches Wissen man für welche Aufgaben braucht, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können, verschiedene Wissensformen unterscheiden zu können, zu wissen, wie das Wissen jeweils zu Stande gekommen ist.
Die Strukturkenntnis, wie gelernt wird und wie autonome, selbst gesteuerte Lernprozesse dauerhaft gefördert werden können, muss in den oft nicht immer strukturiert verlaufenden Lernprozessen in Weiterbildungseinrichtungen (und hier vor allen Dingen in der Verwaltung) verfestigt werden. Die hinter Lern- und vor allem Selbstlernprozessen verborgenen kognitiven Muster und möglichen Blockaden müssen somit auch Instruktoren und Systemadministratoren vermittelt werden, die in die unterschiedlichsten selbst- und fremd organisierten Schulungssequenzen eingebunden sind. In Zeiten, in denen das Internet zu einer permanenten Auskunfts- und Kommunikationsquelle geworden ist, werden zunehmend pädagogische Transmissionsstellen benötigt, die solche Strukturkenntnisse in einer situationsangemessenen Weise vermitteln und damit dazu beitragen, dass qualifizierende Anpassungsprozesse effizient und erfolgreich verlaufen. Sie sollten außerdem dokumentierbar sein. Viele Verwal125
tungsmitarbeitende besitzen nach jahrelanger Anwendung profunde EDVKenntnisse, die in Kursen, in Kleingruppenarbeit oder in wie auch immer strukturierten Selbstlernprozessen erworben wurden. Diese – auch nach verhältnismäßig langer Zeit – zertifizieren zu lassen und gegebenenfalls auch noch die Kosten für diese Zertifizierung zu übernehmen, kann ein incentive für die berufliche Laufbahnentwicklung sein und ggf. auch ein Kriterium für die neuen, leistungsbezogenen Entlohnungsmöglichkeiten im Öffentlichen Dienst. Damit wird ein oft jahrelanger Lernweg nicht nur strukturiert abgeschlossen, sondern er mündet möglicherweise sogar in neue Perspektiven. Abschließend sollen hier einige Thesen das bisher Gesagte mit Blick auf Selbstlernprozesse und dahinter stehende Strukturfragen zusammenfassen: -
Für viele Teilnehmende, insbesondere für nicht wissenschaftlich Vorgebildete, sind autonome oder teilautonome Lernprozesse, allein oder in selbst organisierten Kleingruppen unbekannt. Besonders bei Älteren dominiert die Erfahrung eines lehrerzentrierten bzw. Frontalunterricht orientierten Lerngeschehens die Lernerwartungen. Aus der Bildungssozialisation heraus sind es viele gewohnt, schnell und ergebnisorientiert zu lernen und stehen experimentelleren, offenen und prozessorientiert verlaufenden Lernwegen eher skeptisch gegenüber (vgl. Gnahs 1997).
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Nicht jeder ist selbstlernfähig oder offen für Selbstlernkonzepte. Wer wenig Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten mitbringt, fürchtet möglicherweise die Isolation einer Selbstlernumgebung und ist daher mit Bezug auf Lernerfolge blockiert. Nutzertreffen, Foren für Erfahrungsaustausch und andere Formen organisierter Präsenzphasen unterstützen darin, diese Ängste und Vorbehalte abzubauen.
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Menschen, die Vorbehalte gegenüber der Effizienz selbst organisierter Lernprozesse haben, müssen durch experimentelle Freiräume ermutigt werden, diese Wege zu beschreiten. Dabei ist es kontraproduktiv, Sanktionen auszusprechen, wenn sich kein unmittelbar umsetzbarer Lernerfolg einstellt.
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Mentorenunterstützung, kollegiale Beratung, kleine Lernzirkel u.a.m. können bei der einführenden Unterstützung in teilautonome Lernprozesse hilfreich sein.
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-
Fachliche Berater müssen grundlegende Lernberatungskompetenzen besitzen und strukturelle bzw. mentale Barrieren, die den verschiedenen Lernwegen innewohnen können, erkennen können (vgl. Klein/Reutter 1998).
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Lerneffektivität und -effizienz können durch den unterstützenden Einsatz qualitativ guter Lernmedien gesteigert werden. Dies betrifft die Unterstützung durch Printmedien ebenso wie die durch elektronische Medien.
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Das Lernen muss zeitlich ab- und eingrenzbar bleiben. Viele Betriebe erwarten, dass die Freizeit zunehmend für berufliche Fortbildung genutzt wird. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit dürfen durch solche Konzepte nicht noch weiter verwischen, um auch die Effizienz der Arbeitsprozesse nicht zu gefährden.
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Selbstgesteuertes Lernen ist manchmal „Risikolernen“. Man lernt etwas, das man möglicherweise nicht oder nicht direkt benötigt. Risikolernen darf aber nicht nur dort erfolgen, wo nicht immer direkt verwertungsbezogen gearbeitet wird, sondern auch in Verwaltungsumgebungen müssen diese Wege offen sein. Hier erfolgt bislang kaum ein Umwegoder Risikolernen, da man das möglicherweise „vergeudete“ Zeitbudget fürchtet. Untersuchungen an IT-Arbeitsplätzen haben zudem ergeben, dass gerade Frauen ökonomischer und verwertungsbezogener mit der Zeit und Lerninhalten umgehen. Diese vordergründig effizienzorientierte Haltung muss nicht immer förderlich sein für die Optimierung von Selbstlernkompetenz.
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Selbstgesteuertes Lernen benötigt experimentelle Freiräume. Bei zunehmender Arbeitsverdichtung sind diese teilweise kaum gegeben. Wenn das Lernen ohne die entsprechenden Vereinbarungen über Lernzeitkonten etc. an den Arbeitsplatz verlagert wird, entstehen Verwerfungen und Lernblockaden, die jedem Lernprozess abträglich sind.
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In die Zukunft gerichtet muss überlegt werden, welche Selbstlernpotenziale und -probleme Ältere besitzen werden. Muss es ausdifferenzierte Konzepte mit Blick auf die (Selbst)-Lernfähigkeiten Älterer geben, unabhängig davon, welche Vorbildung sie mitbringen? Müssen neue Lerntechniken vermittelt werden? Ist Selbstlernen das richtige Instrument für das Lernen Älterer? Und für die nächsten Jahre gilt zudem: Ist es das richtige Instrument für die Gruppe der ausbildungsfernen Jünge127
ren? Welche unterstützenden Strukturen müssen hier implementiert werden? Arbeitsplätze in mittleren Dienstleistungsberufen werden künftig aufgrund des demographischen Wandels mit lernschwächeren Jugendlichen besetzt sein. Kann man hier noch von den Potenzialen ausgehen, die die heutigen 35- bis 50-Jährigen in den Verwaltungen in der lange währenden Phase der Technikanpassung eingebracht haben?
4 Grundlegende Fragen des Wissensmanagements und der Organisationsentwicklung durch Technikeinsatz – ein Ausblick Organisationen unterliegen beschleunigten Veränderungen und müssen sich in einer dynamischen Umwelt stets neu anpassen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die Einführung der computer- und netzgestützten Informationsverarbeitung in Weiterbildungseinrichtungen hat deutlich werden lassen, dass Organisationen über viele Jahre permanent und in vielen Fällen möglicherweise nicht immer strukturiert gelernt haben. Hard- und softwareergonomische Probleme kamen als externe Störgrößen hinzu. Vorrangiges Ziel ist und bleibt auch künftig die Verbesserung der Kommunikationsprozesse durch neue Techniken. Abgeleitet davon lernen Organisationen, sich veränderten Wettbewerbsbedingungen anzupassen und den auch durch die Kommunikationsstrukturen beeinflussten Wertewandel der Gesellschaft in ihren Organisationskontext einzubetten. Zunehmende apersonale Kommunikationsformen – die sich beispielsweise in verstärkten netzgestützten Kommunikationsformen niederschlagen – verändern die Kommunikationsstrukturen in einer Organisation. Die Teilnehmenden suchen seltener die persönliche Beratung. Anmeldungen, Beschwerden, Interaktionen, Anregungen erfolgen per Mail und zwar auf Seiten der Kunden und der Organisation. Die persönliche Konfrontation ist oft der Endpunkt einer längeren, anonymen Auseinandersetzung. Zudem soll die Organisation immer erreichbar und ihr Informationsangebot stets aktuell sein. Apersonale Kommunikation ist via Internet rund um die Uhr möglich. Kunden erwarten, ihren Kurs um Mitternacht aufrufen und buchen zu können. Personale Kontakte beschränken sich auf die Felder, die
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nicht apersonal bearbeitbar sind oder auf die Konflikte, die nicht apersonal lösbar sind. Die Rundumverfügbarkeit einer Organisation außerhalb der eigentlichen Präsenzzeiten muss innerorganisational abgesichert werden. Systemengpässe durch E-Mail Verwaltung müssen abgeblockt werden, da Kunden für diese außerhalb ihres Wahrnehmungsfeldes gelegenen Prozesse kein Verständnis mitbringen. Systembezogene Kapazitätsengpässe müssen daher durch eine Vielzahl organisationaler Maßnahmen behoben werden. Das Internet bringt neue räumliche und zeitliche Konkurrenzen. Buchungen werden ortsunabhängig getätigt. Aufgrund der ubiquitären Präsenz gibt es auch eine neue, beschleunigte Form zeitlicher Konkurrenz, wenn nur noch wenige Plätze frei sind und automatische Anmeldebestätigungen erfolgen, dann gibt es keine personalen Interventionsmöglichkeiten mehr, die diesen Prozess stoppen könnten. Die Einführung zunehmend Content Management gesteuerter Prozesse zeigt, dass die alte, hierarchisch orientierte Systemadministration angesichts einer Vielzahl komplexer Kommunikationsprozesse nicht mehr effizient ist. Dezentralisierung ist notwendig, um systembedingte Überlastungen abzubauen und individuelle, kunden- und lieferantenorientierte Reaktionsmöglichkeiten in modularen Organisationen zu gewährleisten. „Der Grundgedanke dieser Modularisierung ist eine Restrukturierung der Organisation auf Basis integrierter, kundenorientierter Prozesse in relativ kleine, überschaubare Einheiten, die sich durch dezentrale Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung auszeichnen. Dabei erfolgt die Koordination dieser Module verstärkt durch nicht-hierarchische Koordinationsformen“ (Tuppinger, 2003, S. 198). Systemadministration ist damit künftig die Instanz, die die Modularisierung und damit den Umfang und die Breite nicht-hierarchischer Koordinationsformen durch Festlegen der entsprechenden Systemparameter regelt. Freigaben erfolgen in dem Maße, in dem sie die Reaktionszeiten und die Flexibilität der Organisation fördern. Einschränkungen werden möglicherweise dann vorgenommen, wenn die Kommunikationsbeziehungen der Organisation durch nicht-einheitliche Entscheidungswege dissonant und die Organisation damit insgesamt beschädigt wird. Es wird Zeit brauchen, diese neuen Modularisierungsformen auf allen Ebenen auszutesten. Zudem wird es zu Aufgabenverlagerungen und zu einer Erosion des Jahrzehnte lang bestehenden, klassischen Sachbearbeitungsprozesses in
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der Verwaltung kommen. Mit einer partizipations- und kommunikationsorientierten Führung werden diese Prozesse zu bewältigen sein. Allein durch Technik sind sie es sicherlich nicht.
Literatur Euler, D., 1994: (Multi)mediales Lernen – Theoretische Fundierungen und Forschungsstand. In: Unterrichtswissenschaft. Zeitschrift für Lernforschung, Nr. 4, Gnahs, D., 1997: Selbstgesteuertes Lernen – Beispiele aus der Praxis. In: Literaturund Forschungsreport, Nr. 39, S. 160-162 Klein, R./Reutter, G., 1998: Lehren ohne Zukunft? Wandel der Anforderun-gen an das pädagogische Personal in der Erwachsenenbildung, Baltmannsweiler Nuissl, E., 1997: Institutionen im lebenslangen Lernen, in: Literatur- und Forschungsreport, Nr. 39, S. 41-49 Ross, E., 1996: Computerunterstütztes Lernen (CUL) – von der Euphorie zur realistischen Betrachtung. In: BIBB (Hrsg.): Multimediales Lernen in der Berufsbildung. Ergebnisse, Veröffentlichungen und Materialien aus dem BIBB, Bonn, S. 11-25 Schöll, I./Passens, B., 1998: Selbstgesteuertes Lernen in der Diskussion, in: Klein, Rosemarie / Reutter, Gerhard: Lehren ohne Zukunft? Wandel der Anforderungen an das pädagogische Personal in der Erwachsenenbildung, Baltmannsweiler, S. 153-173 Tippelt, R./Eckert, T./ Barz, H., 1996: Markt und integrative Weiterbildung, Bad Heilbrunn Siebert, H., 2001: Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung, Neuwied/Kriftel Tuppinger, J., 2003: Wissensorientierter Organisationswandel. Ein Ansatz zur Veränderung von Struktur und Kultur, Wiesbaden Weber, K., 1996: Selbstgesteuertes Lernen – ein Konzept macht Karriere. In: GdWZ, Nr. 4, S. 178-182
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Karl Düsseldorff
„Lernende Organisation“ im Fokus: Forschungsperspektiven für den Wandel der organisierten Erwachsenenbildung
„Organisation und Entwicklung in der Weiterbildung“ (vgl. Vogel 1998) signalisieren einen Diskurs in der Erwachsenenbildungswissenschaft, der seit den 1990er Jahren kontinuierlich und stetig intensiver gepflegt und dessen inhaltliche Ausrichtung in jüngerer Zeit stark von Fragen nach der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Erwachsenenbildungseinrichtungen geprägt wird. Für die intensive Thematisierung, deren inzwischen erreichtes Ausmaß und dessen qualitative Relevanz Ortfried Schäffter als Indikator für eine „organisationsbezogene Wende“ in der Erwachsenenbildung interpretiert (Schäffter 1998, S. 35, vgl. von Küchler/Schäffter 1997, S. 5), sorgte einerseits die Gewissheit, dass man auf Grundlage statischer, weitgehend strukturfunktionaler Organisationsmodelle dem in der Weiterbildungspraxis erkennbaren institutionellen Veränderungsdruck und den erzeugten Impulsen theoretisch nicht angemessen würde weiter begegnen können (vgl. Kade 1998, S. 7). Und andererseits speiste sich die Notwendigkeit für den Diskurs daraus, dass „angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch der institutionellen Strukturen, Angebotsformen und Aneignungsmodi…“ danach zu fragen sei, „…inwieweit die praktizierten Organisationsmuster [in der Erwachsenenbildung, K.D.] noch greifen bzw. der Veränderung bedürfen“ (Vogel 1998a, S. 10). Extern erheblich inspiriert, gegebenenfalls sogar erst angestoßen, wurden dabei die theoretischen wie praktischen Suchbewegungen sicher durch die Management-Modelle des Organizational Learning von Chris Argyris und Donald A. Schön (1978, 1996), in der deutschen Übersetzung bekannt geworden unter dem Titel: „Die Lernende Organisation“ (1999), sowie durch „The Fifth Discipline“ (1990, deutsch 1996) von Peter M. Senge und auch durch die Publikationen von Pedler, Burgoyne und Boydell, unter dem Titel „Das lernende Unternehmen“ (1994) und weitere, dem Organizational Learning gewidmete Veröffentlichungen (vgl. Albach u.a. 1998). Wenngleich auf einen ersten Blick beide der oben zitierten andragogisch Ausgangspositionen eine erhebliche Nähe signalisieren, so sind sie doch bei einer
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näheren Betrachtung perspektivisch und in ihren Ursprüngen unterscheidbar. Denn der erste Diskursaspekt fußt auf der durch die Organisationsforschung angestoßenen grundsätzlichen Frage nach einem für Organisationen angemessenen theoretischen Rahmen, für die der Kontingenz-Ansatz oder der situative Ansatz etwa paradigmatisch wurden (vgl. Schulte-Zurhausen 2005, S. 23). Ob solche Sichtweisen für die Erwachsenenbildungsforschung verwendungstauglich sein könnten, wäre also eine Ausgangsfrage im oben genannten Sinne. Der zweite Diskursaspekt stellt eher Fragen nach einer theoriegeleiteten Gestaltung der Praxis pädagogischer Institutionen (vgl. Göhlich 2001, Vogel 1998b). Sowohl Beiträge über pädagogische Institutionen, ihre organisatorischen Strukturen und ihr je spezifisches Handeln (vgl. Merkens 2006) als auch Beiträge über die pädagogische Organisationsforschung (vgl. Göhlich 2005) deuten erziehungswissenschaftliche Themenfelder an, die auch und gerade in der Erwachsenenbildungswissenschaft und für die Praxis der Erwachsenenbildung aktuell und relevant sind, weil sie offensichtlich neue und notwendig gewordene Perspektiven und Strategien erschließen. Die Perspektiven ergeben sich dann aber nicht nur aus dem internen andragogischen Diskurs, sondern auch aus einer expliziten Bezugname auf das interdisziplinäre Forschungsfeld des Organizational Learning insgesamt.
1 Theoriezugänge und Forschungsschwerpunkte zum Themenfeld1 Anstöße und disziplinäre Besonderheiten Organisationstheorien dienen dem Ziel, Organisationen mit Blick auf ihr Entstehen, ihre Aktionspraxis und ihre Funktionsweise zu erklären und zu verstehen (vgl. Kieser 2002). Waren in der Vergangenheit entsprechende Theorien noch von dem Versuch gekennzeichnet, allgemeingültige Organisationsregeln, -prinzipien, -strukturen oder typisierbare Funktionen zu identifizieren, die ihre klassische Orientierung am Bürokratieansatz Max Webers (1864-1920) und 1
Eine erste Bilanz theoretischer Zugänge zum Feld des Organisationslernens, die sehr knapp für diesen Beitrag zusammengefasst wird, um die Dimensionen der Forschungsrichtungen sowie mögliche Gestaltungs- und Umsetzungsfelder erkennbar werden lassen, leistet Antal (1998). Vgl. auch Dierkes und Albach (1998).
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somit am Ideal einer durch fixierte Arbeitsteilung, durch strikte Hierarchien sowie durch Regeln und Normen gekennzeichneten formalen Organisation ausrichtete, dann sind neuere Organisationstheorien am systemtheoretisch formulierten Paradigma des „umweltoffenen, sich selbst regulierenden Systems“, am Phänomen der Kontingenz bzw. am situativen Ansatz, den Gestaltungsmöglichkeiten und Akteursoptionen ausgerichtet. In diesem Kontext begegnet uns das Konstrukt der so genannten „Lernenden Organisation“. Argyris und Schön (1996) beschreiben in einem Rückblick, dass das in ihrer Erstpublikation (Argyris/Schön 1978) beschriebene „Lernen der oder in Organisationen“ von Vertretern der Organisationsforschung zunächst als „irritierend und in mancher Hinsicht (als) unangebracht“ (Argyris/Schön 1996, S. 9) erachtet wurde. Mitte der 1990er Jahre hingegen habe sich die Gewissheit breit durchgesetzt, „dass Wirtschaftsunternehmen, Regierungen, nichtstaatliche Organisationen, Schulen,…sich veränderten Bedingungen anpassen, aus vergangenen Erfolgen und Misserfolgen Lehren ziehen, Irrtümer der Vergangenheit aufspüren und korrigieren, bevorstehende Bedrohungen erahnen und darauf reagieren, experimentieren, ständig innovativ sein und Bilder einer erstrebenswerten Zukunft aufzeigen und realisieren müssen. Es herrscht praktisch Einvernehmen darüber, dass wir alle einem ‚Imperativ des Lernens’ unterliegen, und in der theoretischen wie praktischen Welt ist das Lernen in Organisationen zu einer allgemeingültigen Vorstellung geworden.“ (ebenda, S. 9, Herv.i.O.) Dieser allgemeingültigen Vorstellung stehen unterschiedliche disziplinäre Zugänge, paradigmatische Setzungen und Entwicklungen in Theorie und in Organisationspraxis Pate gegenüber, deren Kerngehalte nachfolgend knapp in Erinnerung gerufen werden. Begrifflich, so Antal (1998, S. 32), hat sich seit der Veröffentlichung von Argyris und Schön „Organisationslernen als Metapher für Prozesse“ etabliert, in denen Organisationsmitglieder als Impulsgeber für Lernprozesse in Organisationen dienen, mit denen auf interne und externe Veränderungsanforderungen reagiert und organisationale Neuausrichtungen angestoßen werden. Herkunftstheorien und Einflüsse für Organisationslernen sind in der Psychologie (Psychologische Lerntheorien) zu finden, und zwar sowohl unter verhaltensorientierten als auch unter kognitionsorientierten Ansätzen. Verhaltensorientierte Ansätze differenzieren zwischen beobachtbaren und potenziellen Verhaltensänderungen (vgl. Antal 1998, S. 32). Kognitionsbezogene Ansätze thematisieren die für das notwendige Veränderungsverhalten von Organisationen erforderlichen Wissensbestände, den Prozess der
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Generierung solcher Bestände und die Auswahl bzw. Identifizierung, Bewahrung und Speicherung handlungsrelevanter Informationen, etwa um die auf Wissen gestützte Erweiterung des Handlungsrepertoires ‚vor dem Vergessen’ zu schützen und ‚neues und altes’ Wissen sinngebend miteinander zu verschränken. Zentral bedeutsam ist für alle psychologischen Ansätze des Organisationslernens der Begriff der Erfahrung, denn von Lernen wird dann in diesem Zusammenhang gesprochen, wenn es gelingt, Erfahrungen in Wissen zu transferieren und dabei die Erfahrungstransformation zweckhaft und handlungsrelevant sinnvoll zu gestalten. Ob und – wenn ja – wie allerdings gewährleistet werden kann, dass für die Erfahrungstransformation in Organisationen lernförderliche Strukturen identifizierbar werden und ob und unter welchen Bedingungen Lernwiderstände darstellbar werden, die individuelle Transferleistungen beeinträchtigen, wird oft gefragt. Neu und noch relativ unbesetzt, so Antal, sei im Kontext psychologischer Ansätze zum Organisationslernen das Thema‚ Emotionen, denn, so diese Ansätze, Lern- und Entwicklungswiderstände, die zweckhafte institutionelle oder organisationale Anpassungsprozesse verhindern, resultieren häufig aus emotionalen Grundzuständen, etwa aus diffusen Ängsten oder konkretisierbaren, Emotionen geschuldeten Befindlichkeiten (spezielle Unsicherheiten, Versagensängsten, Verlust- oder Misserfolgsdispositionen u. ä.). Aber auch dass Gegenteil, also erfolgsförderliche emotionale Konstellationen (Aufbruchseuphorie, Neugier, empathieabhängige Engagementbereitschaft) können im Rahmen des Organisationslernens ihre Wirkung entfalten – also positive anpassungserhebliche Effekte produzieren. Wichtig wäre also hier, emotionale Konstellationen der Akteure in sich verändernden bzw. zu Veränderungen gezwungenen Organisationen zu identifizieren, um einschlägige Schlüsse für das erfolgreiche Lernen in und von Organisationen ziehen und in entsprechende Strategien übersetzen zu können. Für die Theoriebildung zum Organisationslernen ist darüber hinaus die Kulturforschung auszumachen, und zwar sowohl als Organisationskulturforschung als auch in der Richtung einer im weiteren Sinne ethnologisch ausgerichteten Forschung. Organisationskulturforschung bezieht sich dann u.a. darauf festzustellen, inwieweit organisationsinterne Deutungsmuster die Lernanstöße (Umweltanforderungen) durch selektive, interne, kulturspezifische Sichtweisen (tradierte, wirksame Denktraditionen, Leitbilder etc.) formen und ggf. zu selektiven Interpretationen führen. Im erweiterten Spektrum kulturabhängiger Fra-
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gestellungen wird dann beispielsweise erheblich, wie „die bestehende Kultur die Perzeption formt“ (Antal 1998, S. 34). Aus der Soziologie als Bezugswissenschaft für Theorien zum Organisationslernen sind die denkbaren und die aktuell verfolgten Zugänge besonders vielfältig und befinden sich in einem Prozess der stetigen Differenzierung und Erweiterung. Speziell „systemtheoretische Überlegungen haben das Feld des Organisationslernens sehr stark geprägt…“ (Antal 1998, S.35) und dabei vornehmlich drei Forschungsrichtungen entstehen lassen. Deren erste widmet sich theoretisch wie praktisch einer Sichtweise, in der Unternehmen als Teil eines Makrosystems gesehen werden. In diesem Makrosystem müssen Unternehmen ihre Beziehung zur Unternehmensumwelt strategisch (neu) definieren und operativ sinnvoll gestalten. Hier stehen Anpassungs- und Lernprozesse im Fokus, die sowohl auf die Gestaltung entsprechender Wissens- und Informationsbestände rekurrieren (vgl. z.B. Pawlowsky 1994) als auch solche, die die direkt mit dem organisationalen Lernen notwendigerweise verbundenen Qualifikationsprozesse in den Blick nehmen (vgl. Pawlowsky 1992). Die zweite, aus systemtheoretischer Perspektive verfolgte Forschungsrichtung zielt auf die Erfassung und Dechiffrierung der komplexen und vernetzten Lernprozesse, die im Rahmen der Abstimmung zwischen Teilsystemen und Gesamtsystem realisiert werden. Hier entsteht ein Verständnis von Organisationslernen, demzufolge eine möglichst heterogene Zusammensetzung von Organisationsmitgliedern erst ermöglicht, die differenzierten Anforderungen, die an Teilsysteme und ihre Veränderungen von außen gestellt werden, adäquat zu übersetzen und somit die Komplexität von Außenanforderungen erst in ihrer Reichweite identifizieren lassen. Konkret: Wie kann überhaupt gewährleistet werden, dass ein Unternehmen als Organisation Außenanforderungen in der Bandbreite der Relevanz für das Unternehmen entsprechend differenziert wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann (vgl. Antal 1998, S. 35, Dierkes u. a. 1997). Die dritte Variante, die Organisationslernen aus systemtheoretischer Perspektive betrachtet, stößt Untersuchungen über den Prozess der Selbstorganisation der prozessgestaltenden und in ihn eingebundenen Akteure an und versucht die Vorgänge der Selbstorganisation unter verschiedenen Fragestellungen der Prozessgestaltung und -strukturierung (Parameter der Handlungsautonomie, des Abstimmungsverhaltens, der Handlungsmuster etc.) zu beschreiben bzw. dafür theoretisch Anforderungen zu formulieren.
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Weitere, aus der Soziologie entstammende Forschungs- und Beobachtungsimpulse beziehen Sozialisationstheorien in einem weit gefassten Selbstverständnis ein. Gefragt wird hier etwa danach, ob und wie neue Organisationsmitglieder mit alternativen Denk- und Verhaltensweisen in tradierte Organisationskulturen einzubinden sind, ob und wie Außenseiterperspektiven fruchtbar gemacht werden und wie Unsicherheiten und Irritationen Lernprozesse in Organisationen anstoßen können. Die (spontan zunächst plausible) Sichtweise, dass eine möglichst schnelle Integration und Anpassung von Neumitgliedern in Organisationen erstrebenswert ist, wird hier ggf. als kontraproduktiver Effekt gesehen: Es wird die Chance vertan, erstens fremde und alternative Optionen überhaupt kennen zu lernen und zweitens das Handlungsrepertoire einer Organisation korrespondierend zu den Impulsen der Neumitglieder zu erweitern. Noch relativ unbearbeitet, aber aus soziologischer Sicht als wichtiges Thema identifiziert, ist das Thema „Macht“ im Zusammenhang des organisationalen Lernens. Danach zu fragen, inwieweit „die Machtstellung des TopManagements in der Festlegung des Lernbedarfs und der Lernorientierung einer Organisation“ (Antal 1998, S. 36) etwa statthaft ist, oder ob dies nicht als eine Beschränkung des (Selbst-) Lernbedarfs einer Organisation zu bewerten sei, und wie solche Positionen zu korrigieren sein könnten, stellt ein weiteres relevantes Forschungsfeld dar. Aus den Wirtschaftswissenschaften entwickelte sich das Forschungsfeld des Organisationslernens in einem längeren Zeitraum und kontinuierlich, die Theorieentwicklung zum Organisationslernen ist jedoch eher indirekter Art und weniger durch die aktive Mitwirkung von Forschern aus dieser Disziplin zustande gekommen“ (Antal 1998, S. 36). Zentral ist die Fragestellung danach, wie durch erfolgreiche Lernprozesse in Organisationen (Unternehmen) ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit erhöht und optimiert werden können. Lernen und Leistungssteigerung hier simpel gleichzusetzen, bedeutet aber den Kontext zu kurz zu fassen: Eher wäre zu fragen, welche lernförderlichen Faktoren in einem Unternehmen notwendig sind, wie diese (Lern-) Bedingungen herzustellen sind und welche positiven Lernerfahrungen mit welchen Strukturelementen einer Organisation korrespondieren. Sicher ist, dass Theorien des Organisationslernens aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht nur dann gehaltvoll sind, wenn sie interdisziplinär gefasst sind, konkret auf die notwendigen Bedingungen für die Herausbildung von Aufnahmefähigkeiten und Lernpotenzialen sowohl der Einzelakteure als auch der spezifischen Un-
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ternehmen rekurrieren und wenn die Theorien nicht auf eine einfache Kausalbeziehung setzen, in der Unternehmenserfolge schlicht mit generellen oder spezifischen Lernerfolgen gleichgesetzt werden.
Aktuelle Forschungspositionen Nach einer zu Beginn der neunziger Jahre noch kontrovers geführten Diskussion über normative Zugänge zum Organisationslernen und solchen, „die sich der Beschreibung und Analyse der in Organisationen vorkommenden Lernprozesse und Lerndysfunktionalitäten zwecks Theoriebildung widmen“ (Antal 1998, S. 39; vgl. auch Sattelberger 1991, Dierkes/Albach 1998), herrscht heutzutage eher ein Konsens darüber, dass nur ein ‚sowohl als auch’ den Kontext des Organisationslernens Erfolg versprechend erarbeiten lässt. Und für diesen Erfolg, so die mehrheitliche Perspektive, sei ein genauer Blick auf Lernprozesse und Lernformen notwendig. Man hat sich im Verlauf der Forschungsentwicklung dabei von der anfänglichen Perspektive verabschiedet, Lernen als Problemlösestrategie zu verstehen, und den Aspekt der Gewinnung und Nutzung relevanter Informationen in den Forschungsfokus zu stellen. Eine auf ein Input-Output Verständnis reduzierte Sichtweise (Problemlöseansatz) weicht einem Verständnis, dass das Zustandekommen kreativer und innovativer Lernleistungen in Organisationen entschlüsseln lässt, indem die Integration notwendiger Lernleistungen innerhalb des Arbeitsprozesses beschrieben wird, statt diese Lernleistungen als spezifische und exklusive Leistungen außerhalb des Arbeitsprozesses begreifen zu wollen. Denn der Unterschied ist handgreiflich: Nur dann, wenn eine Organisation ‚Lernen als Normalfall’ ermöglicht, wenn die Organisationsmitglieder generell ‚Lernen in den Arbeitsprozess integrieren’ und wenn Lernen als originärer Bestandteil der Arbeitsleistung aufgefasst werden kann, darf auch von einer Lernenden Organisation, oder besser, vom Organizational Learning gesprochen werden (vgl. Pedler/Burgoyne/Boydell 1994). Bedeutsam werden dann im Weiteren spezifische Lernformen. Schon im Ursprungstext von Argyris/Schön wird zwischen den Lernformen des „single loop learning“, „double loop learning“ und „deutero learning“ differenziert und auf die von Bateson (1972) eingeführte Lerntypendifferenzierung (vgl. Antal 1998, S. 41ff, Dierkes/Marz 1998, S. 373-375) zurückgegriffen. Die Entwicklung nämlich von der einfachen Problemidentifizierung im Rahmen bestehender organisationstypischer Denk- und Normensys-
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teme (single loop) über die Revision bestehender Organisationsnormen und strukturen als Resultat tiefer gehender Lernprozesse (double loop) bis hin zur Analyse und Reflexion der gesamten organisationsinternen Lernprozesse als solchen (deutero learning) wird inzwischen als unverzichtbare Analyse- und Entwicklungsperspektive gedeutet (vgl. Pawlowsky 1994, Senge 1990), provoziert aber auch entsprechende Widerstände (vgl. zu den Gegenpositionen Antal 1998, S.43 und die dort angeführte Literatur). Inzwischen gilt als gesichert (vgl. Antal/Dierkes 2004), dass im Wesentlichen drei Forschungsrichtungen (vornehmlich dem angelsächsischen Raum entstammende Untersuchungen) das aktuelle Aufgabenverständnis und Erkenntnisinteresse bestimmen, sieht man einmal von dem im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) kontinuierlich aufgebauten Forschungsfeld in Deutschland ab. Erstens müssen Kultur vergleichende Studien über grundsätzlich vorhandene Differenzierungen und damit auch über die Optionsvielfalt aufklären. Zweitens wird zunehmend die Diversifizierung von Organisationstypen betrachtet und analysiert und drittens wird unter dem Aspekt des Lernens die Akteursebene intensiver und vielfältiger beforscht (vgl. Antal 2003). Im ersten Fall werden kulturelle Prägungen und nationale Kontexte dazu herangezogen zu identifizieren, ob und wie die je spezifische Kontextabhängigkeit Organisationslerntheorien erweitern oder spezifizieren lassen. Im zweiten Fall (Diversifizierung von Organisationstypen) entstehen aus der Betrachtung diverser Organisationstypen (Regierungen, Wohlfahrtsverbände, Unternehmen und unterschiedliche Unternehmenstypen, Verwaltungen, Gewerkschaftsorganisationen etc.) neue Einsichten darüber, wie Organisationslernen abhängig vom Organisationstyp ist, welche Lerneigenschaften, Lernstrukturen, Lernmentalitäten etc. hier je spezifisch herausgebildet werden und welche Folgerungen daraus für das Organisationslernen auszumachen sind. Besonders in der Netzwerkforschung entsteht hier ein entsprechendes Untersuchungsfeld, denn mit den Vernetzungszwängen von unterschiedlichen Einzelorganisationen zu einem eine Gesamtleistung erstellenden Netzwerk werden binnenorganisationale Eigenarten mit denen externer Akteure entsprechend verknüpft. Die dritte Forschungsrichtung, die die Akteursebene betrachtet und diesen Fokus ständig erweitern lässt, macht zunächst auf ein lange bestehendes und erst in den Anfängen kompensiertes Defizit aufmerksam: Hatten sich in der Vergangenheit die Forschungen und die Theorien zum Organisationslernen fast ausschließlich auf die Ebene der oberen Führungskräfte bezogen, und wurden
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erst zögerlich auch die Mitarbeiter des Mittleren Managements einbezogen, dann ist gegenwärtig das Verständnis vorherrschend, alle Akteure (also sämtliche Unternehmensmitglieder oder Organisationsmitglieder) in die Untersuchungen einzubeziehen.
Aktuelle praktische Forschungsperspektiven und neue Herausforderungen Momentan ist das Forschungsfeld des Organizational Learning in einer Phase, die von einem Anwachsen des Empiriefeldes, seiner perspektivischen Diversifizierung und von einer Fragmentierung der Theoriebildung gekennzeichnet ist. Im Zentrum dieser Entwicklungen stehen erst in Ansätzen, aber in den Konturen bereits deutlich erkennbar, international vergleichende Studien und Untersuchungen, die regionale Besonderheiten herausstellen und analysieren lassen (Kulturelle Kontexte/Regionale Kontexte). Mit Sicht auf die Organisationsformen erweitern die Studien und die Theoriebildungsprozesse ihren Blickwinkel, in denen klassische Organisationsformen stehen, und verbinden die Organisationsforschung mit der neueren Netzwerkforschung (Innovative Netzwerke als lernende Organisationen). Hier kommt zudem zusätzlich oft die Fragestellung nach der angemessenen Generierung regionaler Unterstützungsstrukturen durch Innovative Netzwerke zum Tragen, es werden also Perspektive eins (Kultur im weiteren Sinn) mit Perspektive zwei (Organisationsformen) verbunden. Als Perspektive drei wird der Blickwinkel gekennzeichnet, der sich den Akteuren selbst zuwendet. Hier blickt man momentan auf alle Organisationsmitglieder, auf relevante externe Koakteure und beispielsweise auf die Formbildung strategischer Allianzen. Für die Akteurssperspektive ebenfalls bestimmend sind Fragen nach entsprechenden Aneignungs- und Lernmodalitäten, nach Grenzen und Möglichkeiten für organisationales Lernen, die durch Strukturen und Prozessfaktoren bestimmt werden u. ä. Verfolgt wird auf der Theorieebene insgesamt, die angesprochene Fragmentierung der Theoriebildung zurückzuführen und Theoriebildungsprozesse interdisziplinär stärker zu koordinieren und zusammenzubinden.
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2
Die Adaption der Metapher der „Lernenden Organisation“ in Erziehungswissenschaft und Erwachsenenbildung
Im eingangs beschriebenen pädagogischen und andragogischen Kontext wird auffällig, dass für die Anpassungsfähigkeit von (Erwachsenen-)bildungseinrichtungen die Label „Organisationslernen“ oder „Lernende Organisation“ häufig Zugänge markieren, in denen nach der „Lern- und Entwicklungsfähigkeit“ i. S. v. Anpassungsfähigkeit von Institutionen der Erwachsenenbildung gefragt wird. Dabei wird zwar oft zu Recht auf betriebswirtschaftliche, organisationssoziologische und organisationspsychologische Theorien und Modelle der Lernenden Organisation oder des Lernenden Unternehmens hingewiesen, aber gleichzeitig auch eine Eigenständigkeit der pädagogischen Theorie reklamiert (vgl. Geißler 2005). Diese Eigenständigkeit, so etwa Göhlich (2005, S. 9f.; vgl. auch Rosenbusch 1997), bedeute zunächst einmal, dass „pädagogische Organisationsforschung aus pädagogischer Sicht und in pädagogischem Interesse Organisationen jeglicher Art untersucht und im interdisziplinären Diskurs …einer pädagogischen Organisationstheorie bedarf“. Die Etablierung der disziplinären Eigenständigkeit gelingt nur zögerlich. Erst mit der Hinwendung auf das organisationale Lernen selbst, in dessen Zentrum „Lernen als – nie nur kognitive, intentionale, bewusste, sondern stets auch körperliche, performative, mimetische – Erfahrung und Lernunterstützung“ begriffen wird, und in dem Lernen nicht als mentales Modell sondern als Praxis und als spezifischer Prozess der „Bereitstellung neuer Verhaltensmuster“ (Göhlich 2005, S. 17f.) in Organisationen begriffen wird, erhalte die pädagogische Organisationstheorie ihre Grundfrage und ihren originären Forschungsgegenstand. Oder, wie Geißler es formuliert, es liegt eine entscheidende Differenz zwischen den Herkunftstheorien des Organisationslernens in Anlehnung an Argyris und Schön und einer pädagogischen Theorie des Organisationslernens in der konzeptionellen Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Lernen in Organisationen (vgl. Geißler 2005, S. 25). Außerdem ist eine erziehungswissenschaftliche Besonderheit die am Konstruktivismus orientierte didaktische Sichtweise; es ist eine an Aspekte und Theorien des informellen Lernens angebundenen Positionen auszumachen. Dass daneben aber auch die pädagogische Theorie des Organisationslernens stark von den Herkunftstheorien und Forschungstraditionen beeinflusst und nach wie vor befruchtet wird, stellen erziehungswissenschaftliche Autoren und Autorinnen immer wieder heraus.
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Sie betonen die enge Verflechtung der Theorie wie Praxis orientierten Forschungen mit Fragestellungen der Managementforschung und sehen die Strategieentwicklung für eine Ökonomisierung als Aufgabe der Organisationsentwicklung. Dann geht es eben darum, die Leistungsfähigkeit pädagogischer Institutionen in Abhängigkeit von ihrer organisationalen Lernfähigkeit zu untersuchen, entsprechende konzeptionelle Vorschläge zu erarbeiten, Paradigmen zu formulieren, Theorien mittlerer Reichweite zu erstellen etc. Da gerade die Institutionen und Organisationen in der Weiterbildung mit neuen ökonomischen Anforderungen im Rahmen ihrer Wettbewerbsfähigkeit konfrontiert werden, ist es nur konsequent, wenn das Thema Organisationslernen hier aktuell Konjunktur hat.
Zur Relevanz des Themas in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung In der Vergangenheit waren die Handlungsrationalitäten je spezifischer institutioneller und organisatorischer Akteure in der Weiterbildung funktional in Abhängigkeit von zugewiesenen öffentlichen Programmatiken über einen langen Zeitraum konstant geblieben und hatten ein in sich stabiles, funktional differenziertes, partiell in autonom agierenden Subsystemen entfaltetes System der Weiterbildung ausgeprägt (vgl. Harney 2002, S. 126). Für diese Subsysteme, so kann unterstellt werden, war ein Lern- und Entwicklungsbedarf im größeren Umfang kaum zu erkennen, denn die Außenbedingungen und die Binnenanforderungen waren konstant und schienen in ihrer Richtung leicht kalkulierbar. Der stabile Rahmen als Gesamtsystem resultierte aus einem konstant an den Programmatiken ausgerichteten, anwachsenden Ausbau „öffentlicher Formen der Regulation und Steuerung“ (ebd. S. 127), in dessen Zentrum der Typus des Bildungsinteressierten, kulturell und politisch ambitionierten Nachfragers stand. Hieran orientierte die Erwachsenenbildung ihre Leistungen. Die Didaktik der Erwachsenenbildung deutete Nachfrager als Adressaten von Angeboten und als Teilnehmende, auf deren Bildungsinteressen und Bildungsvermögen sich Weiterbildung zu beziehen habe. Dieser idealtypisch unterstellte und spezifisch identifizierte Teilnehmende sei in einer außerschulischen Lernsituation durch Einrichtungen der Erwachsenenbildung entsprechend mit Bildungsangeboten so zu „versorgen“, dass ihm innerhalb der Leitvorstellungen der öffentlichen Programmatiken und im Rahmen der je institutionellen Selbstverständnisse unter der paradigmatischen Teilnehmer-
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orientierung (vgl. Siebert 2003, S. 89ff.) ein je passendes Angebot unterbreitet werden könne. Der Konstanz der Aufgabenzuweisungen, der Kontinuität der Einrichtungen und den dauerhaft wirksamen öffentlichen Funktionszuweisungen folgend, standen so die Einrichtungen als Organisationen lange unter kaum einem wahrnehmbaren Veränderungsdruck, was das Profil der Leistung, das grundlegende Selbstverständnis, die professionelle Orientierung und die Prozessbildung der Leistungserstellung betraf. Insofern waren die grundlegende Infrastruktur und die „Organbildung“ der Weiterbildung – abgesehen von expansiven und kapazitativen Veränderungen – über eine längere Verlaufsphase kein deutlich wahrnehmbares Praxisphänomen und somit auch kaum ein Praxisthema. Den über einen langen Zeitraum in der Weiterbildung stabilen Rahmenbedingungen, den konstanten didaktischen Orientierungen und dem ebenfalls tradierten und konservierten institutionellen Gefüge sowie ihrer organisationalen Verfasstheit mag dann u. a. korrespondiert haben, dass Organisation und Organisationsforschung sowie die Institutionenforschung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung über einen großen Zeitraum nicht als relevantes Forschungsthema identifiziert wurde, wie es in einem Handbuchartikel aus dem Jahr 1980 noch formuliert wird (vgl. Büschges 1980). Denn die Organisation galt in der existenten und in der idealtypisch unterstellten Form als ‚quasi Selbstverständlichkeit’, als hinreichend funktionierendes Artefakt für die Realisierung gängiger Aufgaben. Obwohl die fundamentale Bedeutung der Institutionen und ihrer Organisation generell bewusst war, galt es nicht, Organisation zum Thema zu deklarieren:„Angesichts der Allgegenwart und der Bedeutung, die Organisationen in und für moderne Gesellschaften zukommen, und angesichts der Tatsache, dass auch Erwachsenenbildung in der Regel in und durch Organisationen betrieben wird, ist es eigentlich überraschend, dass es bislang an einer hinreichenden Berücksichtigung der organisationssoziologischen Dimensionen in diesem Bildungsbereich fehlt. Zwar gilt die Vernachlässigung organisationssoziologischer Aspekte für den gesamten Bildungssektor, doch ist sie auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung besonders ausgeprägt. (Büschges 1980, S. 282). Knapp 20 Jahre später, also zehn Jahre nach dem oben datierten Diskursbeginn (Schäffter 1998) heißt es zur Institutionenforschung, deren wesentliche Aufgabenfelder der Organisationsforschung korrespondieren (vgl. Jaeggi 1978) immer noch: „“Die systematische Erforschung der Institutionen der Er142
wachsenenbildung/Weiterbildung, ihrer internen Strukturen, ihrer Beziehungen zu den jeweiligen (Rechts- und Unterhalts-)Trägern oder ihrer Einbindung in die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten…steht noch aus.“ (Strunk 1999, S. 443). Warum ergibt sich ein so offensichtlicher Widerspruch zwischen dem Erkennen und dem tatsächlichen Aufgreifen einer Aufgaben- oder Themenstellung, wenngleich doch eigentlich Konsens über einen Thematisierungsbedarf besteht. Oder finden wir das Thema bzw. Einzelaspekte des Themenfeldes unter anderen Topoi wieder?
Aspekte der aktuellen Thematisierung: Auswertung von Zeitschriftenartikeln2 Um die aktuelle Reichweite der Debatte über „Lernende Weiterbildungseinrichtungen“ bzw. „Bildungseinrichtungen als Lernende Organisation“ der Erwachsenenbildung abbilden zu können, wurden vier einschlägige Fachzeitschriften des Zeitraums 1/2000 bis 6/2006 systematisch untersucht. Dahinter liegt die Annahme, dass sich aus Artikeln in Fachzeitschriften besonders der zeitnahe Diskurs herausfiltern lässt. Dieser wird i. d. R. sowohl von „akademischen“, also theoretischen, als auch von Praxis relevanten Themen geprägt. Dazu wurden sämtliche Beiträge in folgenden Zeitschriften inhaltlich ausgewertet: -
DIE Zeitschrift
-
Hessische Blätter für Volksbildung
-
Report: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung
-
Weiterbildung (vormals: Grundlagen der Weiterbildung - Zeitschrift
Die Auswertungen bezogen sich dabei auf Überschriften und Untertitel; es wurden aber auch die tatsächlichen Inhalte systematisch gesichtet. Auffällig wurde in dieser Untersuchung, dass das Thema „Lernende Organisation“ in der Weiterbildung nur in wenigen Artikeln des genannten Zeitraumes im Titel explizit genannt wurde. Die Metapher der „Lernenden Organisation“ als strategische Option für die Modernisierung respektive Anpassung von Weiterbildungseinrichtungen an veränderte Rahmenbedingungen wurde also im 2
Die Zeitschriftenauswertung hat freundlicherweise cand.phil. Marcel Fischell/Duisburg durchgeführt.
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Gegensatz zu Thematisierungen in Monographien und Sammelwerken (vgl. Geißler u.a 1998, Geißler 1996, 1996a) konkret kaum aufgenommen. Fremd sind das Thema und der Kontext aber bei Weitem nicht. So werden etwa in Themenheften wie z.B. „Funktionswandel von Organisationen“ (GdWZ 1/2001) Lernreflexe in Organisationen im Zusammenhang eines generellen Funktionswechsels aufgezeigt. Im Themenheft „Wissensmanagement“ werden Wissensorganisation und Wissensmanagement als institutionelle und organisationale Aufgaben in der Weiterbildung (GdWZ 1/2002) untersucht; mit: „Netzwerke in der Weiterbildung“ werden Vernetzungsstrukturen in der Weiterbildung als Organisationsaufgabe (GdWZ 3/2001) identifiziert und inhaltlich entfaltet; mit: „Gestaltung neuer Lernumwelten“ werden „Neue Lernumwelten als Strukuranforderungen“ (GdWZ 5/2001) grundsätzlich und unter Organisationsaspekten thematisiert usw. Dietrich und Herr (2004) stellen den Zusammenhang zwischen „Organisationsentwicklung und neue(n) Lernkulturen“ her. Arnold (2001) beschreibt in einem Interview „Das Santiago-Prinzip. Das Lernende Unternehmen als Pilgerpfad“ verbindet aktuelle Aufgaben der Personalentwicklung und der Organisationsentwicklung mit anspruchsvollen, tief greifenden neuen Ansprüchen an Führungshandeln (und greift explizit den Terminus „Lernendes Unternehmen“ auf). Harney macht in dem bereits zitierten Beitrag in den Hessischen Blättern (2002) deutlich, dass das Personal von Einrichtungen der Weiterbildung zwar vor diverse managerielle Anforderungen gestellt wird, dafür aber i. d. R. weder professionell vorbereitet noch auch nur ausreichend deutungsfähig ist, um die „geschäftliche Reproduktion“ als Managementaufgabe zu erfüllen. Es werden die Organisation betreffende Themen unter dem Eindruck akut erforderlicher interner oder externer die Weiterbildung betreffende Veränderungen erörtert, aus denen sich Strategien, Leistungssegmente, Organisationsleitlinien o. ä. herauslesen lassen. Es erscheinen Artikel3 zu folgenden Themen: 3
Bei der Auszählung wurde nicht nach Artikelarten unterschieden, d.h. auch Literaturbesprechungen, Rezensionen, redaktionelle Artikel etc. wurden aufgenommen. Die Ziffern vor den Themenfeldern bedeuten den quantitativen Rangplatz bezogen auf die Häufigkeit der themenbezogenen Beiträge, die Ziffern in Klammern: Anzahl der Beiträge zum Thema Totale Nennungen. Die Auswahl und Zuordnung erfolgte als Stichwortauswahl im Titel/Subtitel der Beiträge – die Inhalte wurden aber auch berücksichtigt. Mehrfachzuordnungen wurden vermieden.
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1. Qualitätsentwicklung/Qualitätsmanagement: (GdWZ: 25 – Hessische Blätter: 3 – DIE-Z: 12 – Report: 25
N = 65)
2. Organisationsentwicklung: (GdWZ: 4 – Hessische Blätter: 1 – DIE-Z: 7 – Report: 15
N = 27)
3. Netzwerke/Netzwerkentwicklung: (GdWZ: 7 – Hessische Blätter: 2 – DIE-Z: 4 – Report: 2
N = 15)
4. Ökonomisierung/Kommerzialisierung/Kosten-Nutzen: (GdWZ: 2 – Hessische Blätter: 1 – DIE-Z: 9 – Report: 0
N = 12)
5. Wissensmanagement: (GdWZ: 8 – Hessische Blätter: 2 – DIE-Z: 1 – Report: 1
N = 12)
6. Bildungsmanagement: (GdWZ: 3 – Hessische Blätter: 3 – DIE-Z: 0 – Report: 4
N = 10)
7. Marktliche Organisation der Weiterbildung (GdWZ: 4 – Hessische Blätter: 4 – DIE-Z: 1 – Report: 0
N = 9)
8. Kundenorientierung: (GdWZ: 6 – Hessische Blätter: 0 – DIE-Z: 1 – Report: 0
N = 7)
8. Bildungsmarketing: (GdWZ: 4 – Hessische Blätter: 0 – DIE-Z: 0 – Report: 3
N = 7)
10. Lernende Organisation/Lernendes Unternehmen: (Lernende Organisationen verstanden als pädagogisches Handlungsfeld) (GdWZ: 3 – Hessische Blätter: 0 – DIE-Z: 0 – Report: 3
N = 6)
Die Beiträge zeigen, dass über die Folgen der Ökonomisierung in der Weiterbildung, für die die betriebswirtschaftliche Orientierung mit den Metaphern „Lernende Organisation/Lernendes Unternehmen“ partiell Relevanz zu erhalten scheint, nicht breit und generell, sondern spezifisch diskutiert wird. Und es wird auch ersichtlich, dass dabei „Lernfähigkeit“ weder auf der Subjektebene noch auf der Ebene der Organisation den eigentlichen Kerngehalt der Beiträge
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bildet, Lernfähigkeit in Bezug auf spezifische Leistungsanforderungen aber stets mitgedacht wird. Gerade das Qualitätsmanagement, das als Managementsystem wie auch als spezifiziertes Instrument begriffen wird, nimmt mit 65 Nennungen einen herausragenden Platz in den Zeitschriftenartikeln ein (vgl. etwa Gnahs 2004, Krug 2003, Küchler 2000, Nötzold 2004, Wunder 2000, u. a. Artikel). Wie beispielhaft am Beitrag von Nötzold gezeigt werden kann, wird hier auch die Nähe zur Lernenden Organisation explifiziert: „Je konsequenter Qualitätsentwicklungsprojekte [das gelingende Lernen K. D.] in den Blick nehmen, umso zwingender und umso unvermeidlicher wird die Gestaltung der Einrichtung selbst als lernende Organisation… (Nötzold 2004, S. 30), d. h. eine direkte Nähe zwischen erfolgreicher Qualitätsentwicklung und der Entwicklung hin zur Lernenden Organisation wird unterstellt. Qualitätsentwicklung, angelegt als kontinuierlicher Verbesserungsprozess, in dem das permanente Lernen der Mitarbeitenden obligatorisch ist, wird verknüpft mit dem Bild der Lernenden Organisation. Versucht man die Ergebnisse der Zeitschriftenuntersuchung zusammenzufassen und dies mit dem interdisziplinären Forschungsfeld des Organizational Learning in Verbindung zu bringen, dann wird das Folgende auffällig: Dem Auslöser für Veränderungen von Weiterbildungseinrichtungen und dem externen Druck, dem Weiterbildungseinrichtungen ausgesetzt sind, widmet man Beiträge, die unter den Titeln „Ökonomisierung / Kommerzialisierung / Kosten-Nutzen Denken“ sowie „Marktliche Organisation der Weiterbildung“ zu verorten sind. In der quantitativen Rangfolge belegen Auslöser-Artikel den vierten und den siebten Rang. Generelle Strategien, mit denen seitens der Einrichtungen auf den wachsenden Außendruck reagiert wird, werden im Rangplatz eins und zwei mit Beiträgen zum/zur „Qualitätsentwicklung/Qualitätsmanagement“ bzw. allgemein mit Artikeln zur „Organisationsentwicklung“ verhandelt. Während dabei die qualitätsbezogenen Artikel eine organisationale Lern- und Entwicklungsfähigkeit mehrheitlich einfach unterstellen und methodische und instrumentelle Aspekte in den Vordergrund stellen, wird in den unter der Rubrik „Organisationsentwicklung“ gefassten Beiträgen auch tatsächlich nach den erforderlichen Lernmodalitäten bzw. nach der Lernfähigkeit für den organisationalen Wandel gefragt. Besondere Strategien für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Weiterbildungseinrichtungen, also
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strategische und operative Optionen, finden wir in den Artikeln, die sich „Netzwerken bzw. der Netzwerkentwicklung“ (Rangplatz 3) zuwenden oder die Wissensmanagement (Rangplatz 4) als notwendiges Instrument für die Anpassungsfähigkeit identifizieren. „Bildungsmanagement“ (Rangplatz 6) als Thema bezieht sich dann wieder auf eine spezifische Form der Managemententwicklung, die Beiträge schließen aber die allgemeine Organisationsentwicklung, den versierten Umgang mit ökonomischen und personellen Ressourcen, Kostenmanagement etc. ein. Artikel im Rangplatz 8 sind Themen zugewandt wie Kundenorientierung und Bildungsmarketing. Beide Beitragsgruppen thematisieren eine spezifische Anpassungsforderung – nur in wenigen Ausnahmen wird aber der Anpassungsfähigkeit der Weiterbildungseinrichtungen unter Lerngesichtspunkten und unter organisationalen Entwicklungsaspekten Aufmerksamkeit gezollt. Den zehnten und letzten Rangplatz nehmen Beiträge ein, die sich direkt auf das Thema „Lernende Organisation/Lernendes Unternehmen“ beziehen. Hier wird aber nicht der Bezug zu Erwachsenenbildungseinrichtungen hergestellt, sondern das Thema wird als pädagogisches Handlungsfeld identifiziert. Im Mittelpunkt dieser Beiträge steht dann das Bemühen darzulegen, wie die Erwachsenenbildung/Weiterbildung Akteure dazu befähigen kann, zu veränderungsaktiven und steuernden Mitgliedern in Lernenden Organisationen zu werden. Lernende Organisation wird zu einem von den Anpassungszwängen in der Erwachsenenbildung unabhängig zu sehendem inhaltlichen, methodischen und didaktischen Aufgabenfeld. Diese Befunde, dass die Verknüpfung des Konstruktes „Lernende Organisation“ mit dem Themenfeld der Organisationsentwicklung in der Weitebildung bislang eher unter Einzelaspekten des an das Change-Management (vgl. Schäffter 2005) angebundenen Diskurses zu sehen ist, und Organizational Learning in seinem theoretischen und praktischen Umfang eher in Ansätzen andragogisch diskutiert wird, decken sich mit den diversen Beiträgen zum Thema von Ortfried Schäffter (2005a, 2005b). Wir sind erst auf dem Wege, Organisationsentwicklung unter der Perspektive einer dafür notwendig zu erarbeitenden Lernvorstellung der beteiligten Akteure zu begreifen und die Zusammenhänge systematisch zu erforschen (Schäffter 2005a).
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Forschungs- und Entwicklungsperspektiven
Es konnte gezeigt werden, dass in der Erwachsenenbildung das Thema Organisationsentwicklung facettenreich und umfänglich diskursiv erörtert wird. Auch wurde deutlich, dass hierbei an die interdisziplinären Leitvorstellungen der Lernenden Organisation oder des Organizational Learning angeknüpft wird, aber auch eine pädagogische bzw. andragogische Eigenständigkeit reklamiert wird. Forschungspraktisch allerdings befinden wir uns noch in einem Stadium, das weder eine eigenständige Forschungsmethodik noch eine breit gefächerte und schon gar nicht eine binnendisziplinär originäre Forschungslandschaft hat entstehen lassen. Hier müsste ausgewiesen werden, welche organisationalen Eigenarten von Erwachsenenbildungseinrichtungen als strukturbestimmende Merkmale für organisationales Lernen zu deklarieren und welche besonderen Akteurskonstellationen in Erwachsenenbildungseinrichtungen theorie- und forschungsleitend identifiziert werden könnten bzw. müssten. Wenn die Lernfähigkeit von Institutionen der Weiterbildung tatsächlich für die Anpassungsund damit die Wettbewerbsfähigkeit von Weiterbildungseinrichtungen als Erfolgsfaktor gesehen wird, dann erforderte dies u.a. Fragen nach dem konkreten Lernverhalten in den Einrichtungen zu stellen, kognitive Lernvoraussetzungen zu untersuchen, zwischen Organisationstypen so zu unterscheiden, dass organisationale Besonderheiten und Lernerfolge / Lernmisserfolge über notwendige bzw. störende Struktur- und Prozesseigenschaften aufklären und es erforderte nicht zuletzt, die Genese erfolgreicher binnenorganisatorischer Lernkulturentwicklungen in ihren Begründungszusammenhängen je konkret zu erschließen. Für solche Forschungen wäre ein Festhalten an einem interdisziplinären Diskurs sicherlich förderlich. Denn durch eine vorschnelle disziplinäre Separierung im Themenfeld würde die Kompatibilität mit einem bereits außerhalb der Erwachsenenbildungswissenschaft etablierten Forschungsforum beeinträchtigt und der Ertrag der ohnehin verspäteten Diskussion in der Erwachsenenbildung gefährdet.
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Autorinnen und Autoren
Stephan Dietrich, Dipl.-Päd., Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker, Kameramann, Tontechniker und Editor, Studium der Diplompädagogik an der Universität Marburg, seit 1997 Diplompädagoge, Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Medienpädagogik, Mitarbeit in der Aus- und Fortbildungsabteilung des ZDF, seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIE mit Arbeitsschwerpunkten selbstgesteuertes Lernen, Organisationsentwicklung, zudem freiberufliche Tätigkeiten als Referent und Berater im Weiterbildungsbereich Karin Dollhausen, Dr. phil. habil., Studium der Soziologie und Anglistik an der RWTH Aachen, 1995 Promotion im Schwerpunkt Technik- und Organisationssoziologie, 2007 Habilitation im Fachbereich Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen, Lehrgebiet: Weiterbildung/Institutions- und Organisationsentwicklung, 1991-2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der RWTH Aachen, seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin, seit 2003 Programmleitung / senior researcher am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE), Lehrbeauftragte der Universität Duisburg-Essen sowie der Universität Oldenburg, internetgestützter berufsbegleitender Studiengang „MBA in Educational Management“ Karl Düsseldorff, PD Dr. phil., Studium der Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philosophie sowie Literaturwissenschaft in Bochum, Promotion 1997 zum System der Weiterbildung in Deutschland in der Phase der Transformation, Habilitation 2004 im Fachbereich Sozialwissenschaften der GerhardMercator-Universität Duisburg, Lehrgebiet: Wirtschaftspädagogik, seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Wirtschaftspädagogik, berufliche Aus- und Weiterbildung der Universität Duisburg-Essen. Peter Faulstich, Prof. Dr. phil., Studium der Stadt- und Regionalplanung, Bildungsökonomie, Pädagogik und Soziologie, sowie zum Studienrat mit technisch-wissenschaftlichem Lehramt an der TU Berlin, Promotion mit den Fächern Bildungsökonomie, Pädagogik und Soziologie, Habilitation 1977 im Fach Erziehungswissenschaft an der TU Berlin, 1977-1978 Referent für Studiengangsplanung und Weiterbildung sowie 1978-1992 Leiter der Kontaktstelle für wissenschaftliche Weiterbildung, Leiter des Zentrums für Wissenschaftstransfer an der Gesamthochschule Kassel - Universität, 1992- 1995 außerplanmäßiger Professor für Berufspädagogik an der Gesamthochschule Kassel - Universität, seit 1995 Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg, zudem: 19951999 Sprecher der Kommission Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, seit 2002 Vorsitzender der "Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium e.V. " (DGWF)
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Dieter Gnahs, PD Dr. phil., Studium der Volkswirtschaft und Soziologie sowie Studium der Pädagogik an der Universität Hamburg, Promotion 1998 im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hannover, 2001 Habilitation im Fachbereich Sozialwissenschaften der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Lehrgebiet: allgemeine und berufliche Weiterbildung, 1975-2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hannover, ab 1979 Leiter des Arbeitsbereiches "Arbeitsmarkt, Aus- und Weiterbildung", 1999-2000 Lehrstuhlvertretung an der Universität Duisburg, 2003-2004 freiberufliche Tätigkeit als Wissenschaftler und Berater, seit 2004 Programmsbereichsleiter / senior researcher am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Bonn Johannes F. Hartkemeyer, Dr. rer.pol., Dipl.-Ing., landwirtschaftliche Ausbildung, Studium und Diplomingenieur für Landbau, Studium der Pädagogik, seit 1975 in der Erwachsenenbildung tätig, Direktor der Volkshochschule der Stadt Osnabrück und Lehrbeauftragter im Fachbereich Sozialwissenschaften, Forschungsstelle für Bildungssoziologie und Lernkultur der Universität Osnabrück, Forschungen zur Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung, Kommunikation und Dialogverfahren (gemeinsam mit Martina Hartkemeyer), Träger des Bundesverdienstkreuzes (April 2007) Ekkehard Nuissl von Rein, Prof. Dr. phil. habil. Dr. h.c., Studium der Germanistik, Soziologie, Politischen Wissenschaft, Geschichte und Pädagogik an der Universität Heidelberg, seit 1992 Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) in Bonn, seit 2003 Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen, ehrenamtliche Tätigkeiten u.a.: Mitherausgeber des "Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung", der Buchreihe "Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung" sowie der "DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung", 1998-2006 Vizepräsident der Wissenschaftsgemeinschaft "Gottfried Wilhelm Leibniz" (WGL), Mitglied im Stiftungsrat des "Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung" (DIPF), Mitglied im Beirat des "Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium e.V. " (DGWF), Vorsitzender des Sachverständigenrates Weiterbildung Rheinland-Pfalz Anne Schlüter, Prof. Dr. phil., Studium der Pädagogik an der Universität Köln, 1990-1994 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hochschuldidaktischen Zentrum der Universität Dortmund, 1995-1996 Lehrstuhlvertretung an der Universität Hildesheim, Habilitation 1996 im Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Dortmund, Lehrgebiet: Erziehungswissenschaft/Bildungsforschung, 1996-2001 Lehrstuhlvertretungen an der Universität Dortmund und sodann an der Universität Giessen, seit 2001 Professorin für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, insbesondere Frauenbildung an der Universität DuisburgEssen, Mitbegründerin des “Arbeitskreises Wissenschaftlerinnen von Nordrhein-Westfalen”, Vorsitzende des Vereins Wissenschaft und Frauenbewegung und des Rhein-Ruhr-Instituts für Frauenforschung (RIFF), 1998- 2000
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Vorsitz Frauen- und Geschlechterforschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), bis 2002 Mitherausgeberin der Reihe “Einführung in die Frauenforschung” im Deutschen Studien-Verlag sowie der historisch-feministischen Zeitschrift „metis“ Ingrid Schöll, Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Bonn und Bordeaux mit Staatsexamen, danach freiberufliche Seminartätigkeiten, Dozentenfortbildung, Multiplikatorenfortbildung für VHS-Mitarbeiter und Kursleiter insbesondere im EDV-Bereich, Schulungstätigkeit und Bildungsarbeit mit Betriebs- und Personalräten, seit 1989-1992 Bezirksgeschäftsführerin und Pädagogische Referentin des Bayrischen Volkshochschul-Verbandes, 1992-1998 Direktorin der Volkshochschul-Zweckverbandes Witten-Wetter Herdecke, 1998-2004 Direktorin des VHS-Stadtverbandes Saarbrücken, seit 2004 Direktorin der Volkshochschule der Stadt Bonn
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