Rolf Becker · Wolfgang Lauterbach (Hrsg.) Bildung als Privileg
Rolf Becker Wolfgang Lauterbach (Hrsg.)
Bildung als P...
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Rolf Becker · Wolfgang Lauterbach (Hrsg.) Bildung als Privileg
Rolf Becker Wolfgang Lauterbach (Hrsg.)
Bildung als Privileg Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit 2., aktualisierte Auflage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2004 2., aktualisierte Auflage Januar 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-34259-7
Vorwort zur aktualisierten Neuauflage Dass in Deutschland trotz Bildungsreform und Bildungsexpansion weiterhin soziale Ungleichheiten von Bildungschancen nach sozialer und nationaler Herkunft bestehen, zählt mittlerweile zum Alltagswissen. Dazu haben nicht zuletzt bildungssoziologische Studien und Bildungsforscher beigetragen, die – entgegen der Ignoranz gegenüber mangelnder Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungswesen – beharrlich und eindeutig belegen, dass Bildung immer noch ein Privileg ist, das ungleich zwischen sozialen Klassen und Nationalitäten verteilt ist. Die von unserem „Bildungsband“ mit angestoßene Debatte in der politischen Öffentlichkeit wie in der „scientific community“ über Bildungsungleichheiten und Chancengerechtigkeit haben uns als Herausgeber veranlasst, das als rhetorisch gedachte Fragezeichen im Buchtitel wegzulassen, das Buch gründlich zu überarbeiten und zu aktualisieren. Dass der Sammelband in einer aktualisierten Neuauflage erscheinen kann, ist ein eindrückliches Indiz dafür, dass eine große Nachfrage seitens der Bildungsforschung, -politik und -praxis nach sozialwissenschaftlichen Erklärungen für Genese und Reproduktion von Bildungsungleichheiten, aber auch nach empirisch abgesicherten Handlungsempfehlungen besteht. Sicher konnten wir in dieser Hinsicht mit dem Buch eine Lücke schließen, aber die Reaktionen auf die Ausrichtung und Inhalte der einzelnen Beiträge zeigen, dass noch viele Fragen offen und neue Fragen aufgetaucht sind. Umso erfreulicher ist es zu sehen, wie viele Forschungsprojekte sich in der jüngsten Zeit den Ursachen von Bildungsungleichheiten widmen und mit welch eindrucksvoller Professionalität in die Theorie- und Modellbildung investiert wird, um Chancenungerechtigkeiten beim Bildungszugang und Bildungserwerb ursächlich zu erklären. Wenn der Bildungsband ein Anlass dazu war, dann haben wir ein wichtiges Ziel erreicht, und es gilt, den eingeschlagenen Weg mit Leidenschaft und Augenmass zugleich konsequent zu beschreiten. Wiederum sind wir als Herausgeber vielen Beteiligten zum Dank verpflichtet. Der erste Dank gilt wiederum den Autorinnen und Autoren des „Bildungsbandes“, die ihre originellen wie innovativen Beiträge gründlich durchgesehen und aktualisiert haben. Der zweite Dank gebührt Anna Etta Hecken, die mit größter Sorgfalt und Umsicht den gesamten Text durchgesehen hat. Der dritte Dank geht an den Lektor des VS-Verlags Frank Engelhardt, der diese Neuauflage nicht nur ermöglicht, sondern uns mit Enthusiasmus zur Überarbeitung des gesamten Buches bewegt hat und dabei viel Geduld und Nachsicht mit den Herausgebern zeigte. Bern und Münster im Herbst 2006 Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach
Vorwort zur ersten Auflage In der Zwischenzeit liegt eine Vielzahl von Publikationen vor, denen zufolge die Bildung und vor allem die höhere Bildung oftmals ein Privileg der höheren Sozialschichten ist. Trotz Bildungsexpansion und gestiegener Bildungsbeteiligung in allen Sozialschichten sind ungleiche Bildungschancen nach sozialer Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit eingeschlossen, in allen Bereichen des deutschen Bildungssystems immer noch ein Faktum. Warum ist es immer noch so, dass privilegierte Sozialschichten immer noch bessere Chancen haben, höhere Bildung zu erwerben? Diese Frage zu beantworten, also die Entstehung und Reproduktion dauerhafter Bildungsungleichheiten zu erklären, ist eine Herausforderung sowohl für die empirische Bildungsforschung als auch für die aktive Gesellschaftspolitik. Was die bildungssoziologische Grundlagenforschung anbelangt, haben wir – die Autorinnen und Autoren sowie die Herausgeber des Sammelbandes – die Herausforderung angenommen. Der vorliegende Sammelband ist primär soziologisch angelegt. In den einzelnen Beiträgen werden sozial selektive Zugänge zur Bildung und soziale Ungleichheit von Bildungschancen im Lebensverlauf und im Bildungssystem untersucht. Im Vordergrund stehen neben den Ursachen vor allem die sozialen Mechanismen, die für die Genese und Dauerhaftigkeit von Bildungsungleichheit verantwortlich sind. Für den Bildungszugang und Bildungserwerb beschränken wir uns nicht auf die allgemeine Schulbildung, sondern wir wollen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter die sich selektiv und kumulativ auswirkenden Dimensionen bestimmen, die zu Benachteiligungen bei der Bildungsbeteiligung und beim Erwerb schulischer und beruflicher Qualifikationen führen. Für das Zustandekommen des Bandes sind wir als Herausgeber vielen Beteiligten zum Dank verpflichtet. Der erste Dank gilt den Autorinnen und Autoren des „Bildungsbandes“, die herausragende Leistungen vollbracht haben, indem sie originelle wie innovative Beiträge geliefert haben. Der zweite Dank gebührt Martina Kischel, die den Umbruch des Buches mit Sorgfalt und Umsicht besorgt hat sowie Melanie Kramer für die Formatierung der Tabellen. Der dritte Dank geht an den Lektor des VS-Verlags Frank Engelhardt, der unserem Buchprojekt immer wohlwollend gegenüberstand. Schließlich danken wir Karl Ulrich Mayer, der es ermöglichte, dass einer der Herausgeber seine Buchbeiträge im Sommer 2003 am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bearbeiten konnte. Bern und Münster im Sommer 2004 Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach
Inhalt Einleitung Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach Bildung als Privileg – Ursachen, Mechanismen, Prozesse und Wirkungen........... 9
Elternhaus und Bildungssystem als Ursachen dauerhafter Bildungsungleichheiten Matthias Grundmann, Uwe H. Bittlingmayer, Daniel Dravenau und Olaf Groh-Samberg Bildung als Privileg und Fluch – zum Zusammenhang zwischen lebensweltlichen und institutionalisierten Bildungsprozessen ............................. 43 Steffen Hillmert Soziale Ungleichheit im Bildungsverlauf: zum Verhältnis von Bildungsinstitutionen und Entscheidungen........................................................... 71
Bildungsungleichheit im Primar- und Sekundarbereich Michaela Kreyenfeld Soziale Ungleichheit und Kinderbetreuung. Eine Analyse der sozialen und ökonomischen Determinanten der Nutzung von Kindertageseinrichtungen ........ 99 Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach Vom Nutzen vorschulischer Erziehung und Elementarbildung: Bessere Bildungschancen für Arbeiterkinder? ................................................................. 125 Rolf Becker Soziale Ungleichheit von Bildungschancen und Chancengerechtigkeit............. 157 Heike Solga und Sandra Wagner Die Zurückgelassenen – die soziale Verarmung der Lernumwelt von Hauptschülerinnen und Hauptschülern ............................................................... 187 Heike Diefenbach Bildungschancen und Bildungs(miss)erfolg von ausländischen Schülern oder Schülern aus Migrantenfamilien im System schulischer Bildung ...................... 217
Hartmut Ditton Der Beitrag von Schule und Lehrern zur Reproduktion von Bildungsungleichheit ...........................................................................................243
Berufliches Ausbildungssystem und Arbeitsmarkt Dirk Konietzka Berufliche Ausbildung und der Übergang in den Arbeitsmarkt..........................273 Walter Müller und Reinhard Pollak Weshalb gibt es so wenige Arbeiterkinder in Deutschlands Universitäten?.......303 Klaus Schömann und Janine Leschke Lebenslanges Lernen und soziale Inklusion – der Markt alleine wird’s nicht richten ..................................................................................................................343
Konsequenzen für Politik und Forschung Volker Müller-Benedict Intendierte und nicht intendierte Folgen von Bildungspolitik – eine Simulationsstudie über die sozialstrukturellen Grenzen politischer Einflussnahme......................................................................................................381 Wolfgang Lauterbach und Rolf Becker Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit im neuen Gewand – abschließende Gedanken .....................................................................................417
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Bildung als Privileg – Ursachen, Mechanismen, Prozesse und Wirkungen Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach „Unterschiede der Bildung sind heute (...) zweifellos der wichtigste ständebildende Unterschied (...). Unterschiede der Bildung sind – man mag das noch so sehr bedauern – eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken. Vor allem in Deutschland, wo fast die sämtlichen privilegierten Stellungen innerhalb und außerhalb des Staatsdienstes nicht nur an eine Qualifikation von Fachwissen, sondern außerdem von »allgemeiner Bildung« geknüpft [sind] und das ganze Schul- und Hochschulsystem in deren Dienst gestellt ist“ [Max Weber, 1922 247-248]
1.
Dauerhafte Bildungsungleichheiten als soziale Frage des 21. Jahrhunderts
Bildung ist eine der wichtigsten sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts (Mayer 2000). Sie beschränkt sich nicht auf die allgemeine Schulbildung und formelle Berufsausbildung, sondern ebenso auf berufliche Weiterbildung und kontinuierliches selbst gesteuertes Lernen (siehe Beitrag von Schömann und Leschke in diesem Band). Ihre gesellschaftliche Bedeutung lässt sich wie für die meisten anderen modernen europäischen Gesellschaften auch für Deutschland an der Gleichzeitigkeit von Bildungsexpansion und sozialer Ungleichheit von Bildungschancen bemessen (Blossfeld und Shavit 1993; Müller 1998; Becker 2003). So hatte die in Deutschland bereits in den 1950er Jahren einsetzende, sich in den 1960er Jahren beschleunigende und bis in die jüngste Gegenwart andauernde Bildungsexpansion zu einer zunehmenden Bildungsbeteiligung in allen Sozialschichten geführt. Während im Jahre 1965 rund 16 Prozent der 13-jährigen Schulkinder auf das Gymnasium gingen, besuchten Ende der 1980er Jahre bereits 30 Prozent der 13-Jährigen die höchste Bildungsstufe. Noch deutlicher ist die Entwicklung für die Kinder von Beamten. Im Jahre 1965 besuchten 36 Prozent und im Jahre 1989 rund 58 Prozent der Kinder von Beamten das Gymnasium, während bei den Arbeiterkindern allerdings auf einem niedrigeren Niveau der relative Zuwachs von 4 auf 11 Prozent noch deutlicher ausfiel. Im gleichen Zeitraum sank dagegen die Schülerquote für die Hauptschule von 70 auf unter 40 Prozent. Damit schwindet zusehends auch die Bedeutung der Hauptschule als „hauptsächliche“ Schullaufbahn oder als „Volksschule“. Daran hat sich auch bis Ende des 20. Jahrhunderts nichts Grundlegendes geändert. Im Jahre 2000 besuchten rund 30 Prozent der 13jährigen Schulkinder das Gymnasium und 24 Prozent die Realschule. Während sich die Bildungschancen von Jungen und Mädchen zugunsten der bislang benachteiligten Mädchen mehr als angeglichen haben (Diefenbach und
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Becker und Lauterbach
Klein 2002), ergaben sich jedoch im letzten Jahrzehnt bei den Relationen für schichtspezifische Bildungsbeteiligungen allenfalls geringfügige Änderungen (Schimpl-Neimanns 2000; Henz und Maas 1995; Müller und Haun 1994). Die gestiegene Chancengleichheit beim Zugang zum Gymnasium wurde jedoch mit einem hohen Preis bezahlt. So ist nach Leschinsky und Mayer (1990) zwar die soziale Exklusivität des Gymnasiums gesunken, aber gleichzeitig die sozialstrukturelle Homogenität in der Hauptschule gestiegen. Insbesondere Kinder von unund angelernten Arbeitern sowie von Ausländern und Migranten sind von dieser nachteiligen Entwicklung betroffen. Als nicht intendierte Folge der Bildungsexpansion stellen Solga und Wagner (2001) eine gewachsene soziale Distanz zwischen den höheren und niedrigeren Bildungsschichten nach dem Übergang in die Sekundarstufen fest (Klemm 1991; siehe Solga und Wagner in diesem Band).1 Insgesamt erbrachte die Bildungsexpansion einen Zuwachs an Bildungschancen für alle Sozialgruppen, aber keinen umfassenden Abbau der sozialen Ungleichheit von Bildungschancen (Geißler 1999; Müller 1998; Meulemann 1995, 1992; Blossfeld 1993). Warum gibt es aber immer noch – trotz oder wegen der Bildungsexpansion – deutliche Bildungsungleichheiten zwischen den Sozialschichten? Warum gibt es immer mehr Bildungsmöglichkeiten, aber keinen Ausgleich bei den Bildungschancen? Die Brisanz dieser Fragestellungen über den Zusammenhang von sozialer Herkunft, Bildungsbeteiligung und Ungleichheit von Bildungschancen liegt auf der Hand: Bildung ist nicht nur eine formale, auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Ressource im Sinne des Humankapitals, sondern eine entscheidende Voraussetzung für viele unterschiedliche Lebenschancen.2 Suchen wir aber in der empirischen Bildungsforschung nach überzeugenden Antworten, so ist festzustellen, dass bis Mitte der 1990er Jahre immer noch detaillierte wie exzellente Beschreibungen über wachsende Bildungsbeteiligungen und dauerhafte Bildungsungleichheiten 1
2
Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich eine herkunftsbedingte und institutionell verstärkte Segregation im deutschen Schulsystem, welche die soziale Homogenisierung der dauerhaft Benachteiligten und Erfolglosen der Bildungsexpansion zur Folge hat: Der Hauptschulbesuch ist nunmehr ein askriptives Merkmal, weil die Vorhersage eines Hauptschulbesuchs unter Kenntnis der sozialen Herkunft í und sicherlich auch der mit der sozialen Herkunft verknüpften Schulleistung í immer besser wird, und die soziale Benachteiligung eher zum Indiz für schulisches Versagen als zum Indiz für negativ privilegierte Startchancen wird (Solga und Wagner in diesem Band). Daher ist vermutlich der Befund der PISA2000-Studie über die sozialen Distanzen bei den Lesekompetenzen auf Niveaueffekte zwischen „Kellerkindern in der Hauptschule“ und den „Gewinnern der Bildungsexpansion“ zurückzuführen. In einer günstigen Lernumgebung wie dem Gymnasium konnten gerade die sozial privilegierten Schulkinder ihre Leseleistungen unabhängig von der sozialen Herkunft kontinuierlich verbessern. Bildungspatente sind essenzielle Ressourcen auf dem Arbeits- und Heiratsmarkt (Wirth 2000; Blossfeld 1989; Mayer und Müller 1986). Sie haben einen großen Einfluss auf Lebenschancen, die sich an Verteilung materieller Ressourcen und Chancen kultureller Partizipation, an Art und Weise der Lebensführung oder an der Sozialstruktur des Lebensverlaufs bemessen lassen (Rössel und Beckert-Ziegelschmid 2002; Becker und Schömann 1996; Mayer 1994, 1990).
Einleitung
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vorgelegt wurden (Schimpl-Neimanns 2000; Maas und Henz 1995; Müller und Haun 1994; Blossfeld und Shavit 1993; Köhler 1992). Während einerseits Deskriptionen über Ausmaß und Veränderungen von Bildungsungleichheiten dominieren, mangelt es an theoretischen wie empirisch fundierten Erklärungen für das Zustandekommen und die Dauerhaftigkeit von Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft (Becker 1998, 1999, 2000, 2003; Esser 1999; Kristen 1999; Breen und Goldthorpe 1997; Goldthorpe 1996; Erikson und Jonsson 1996). Zwar ist die Schlussfolgerung von Krais (1996: 146) zutreffend, „dass wir nun einiges über die Entwicklung der Bildungsungleichheit in unserem Lande [wissen]. Worüber wir aber immer noch sehr wenig wissen, das sind die Mechanismen, über die sich die beobachteten Bildungsungleichheiten wieder herstellen“ (siehe auch Müller 1998). Aber inzwischen gibt es eine Vielzahl ernsthafter sowie mehr oder weniger plausibler Erklärungsversuche, die Ursache-Wirkungszusammenhänge von sozialer Herkunft und Bildungsungleichheiten in den Mittelpunkt stellen (für einen kritischen Überblick: Kristen 1999). Von besonderem Interesse sind dabei soziale Mechanismen, die die Ursache mit der Wirkung verbinden, also wie die Ursache die zu erklärende Wirkung hervorbringt (Hedström und Swedberg 1998: 6-7; Manski 1993). Erst über die theoretische Identifikation und empirische Analyse solcher Mechanismen gelingt eine vollständige soziologische Erklärung kollektiver Phänomene und damit auch Erkenntnisfortschritt. Ein prominentes Beispiel, das sich in jüngster Zeit dieser Herausforderung stellt, sind die zur systematischen Kategorie der Rational-Choice-Theorien gehörigen Modelle des individuellen Bildungsverhaltens, die soziale Mechanismen für Entstehung und Reproduktion von Bildungsungleichheiten identifizieren und analysieren (Becker 2000; Esser 1999; Breen und Goldthorpe 1997). Demnach sind die zwischen Sozialschichten variierenden elterlichen Bildungsentscheidungen, die auf Abwägungen von Vorund Nachteilen langfristiger Bildungsinvestitionen als einem sozialen Mechanismus basieren, ausschlaggebend für Genese und Dauerhaftigkeit von Bildungsungleichheiten (Boudon 1974). Ein augenfälliges Manko in der empirischen Bildungsforschung liegt in der noch recht seltenen empirischen Anwendung dieser theoretischen Modelle, bei der es zumeist versäumt wird, soziale Mechanismen der individuellen Kosten-Nutzen-Abwägung von Bildungsinvestitionen direkt zu identifizieren (Manski 1993). Jedoch gibt es in der Zwischenzeit bereits eine zunehmende Zahl von Publikationen, die diese Lücke zu schließen beginnen (Jonsson 1999; Becker 2003; Need und De Yong 2001; Breen und Yaish 2003). Ebenso sind langfristig angelegte Projekte initiiert worden, die sich den empirischen Analysen von Entstehung elterlicher Bildungsaspirationen sowie Formation von Bildungsentscheidungen im Familien- und Haushaltskontext widmen (etwa die BiKs-Studie an der Universität Bamberg (Hans-Peter Blossfeld und andere) oder das an der Universität Mannheim angesiedelte Teilprojekt A-7: “Educational aspirations, reference groups and educational decisions” im Rahmen des von der DFG finanzierten SFB 504 über
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Becker und Lauterbach
Rationalitätskonzepte, Entscheidungsverhalten und ökonomische Modellierung (Hartmut Esser und Volker Stocké) oder die an der LMU München angesiedelte und von der DFG finanzierte Längsschnittuntersuchung KOALA-S (Kompetenzaufbau und Laufbahnen im Schulsystem) (Hartmut Ditton und Mitarbeiter) oder die bei der PH Bern beantragte Panel-Studie über die Bildungschancen von Migranten im Kanton Bern – eine Panelstudie über Ursachen und Mechanismen von Bildungsungleichheiten im Spannungsfeld von Elternhaus, Schule und Gesellschaft (Rolf Becker und Mitarbeiter). 2.
Theorien und Modelle zur Erklärung dauerhafter Bildungsungleichheiten
Der Zusammenhang von Bildung und langfristigen Lebenschancen, (Re-)Produktion sozialer Ungleichheit und Lebenslagen im Lebensverlauf gehört bereits zum Alltagswissen. In den Sozialwissenschaften jedoch gibt es divergierende Ansichten und Erklärungsversuche für diesen komplexen Zusammenhang (Kristen 1999). Gemeinsam ist den meisten jüngeren Sichtweisen, dass soziale Ungleichheiten von Bildungschancen von der Elterngeneration auf die Generation der Kinder weitergegeben werden, und dass diese Transmission über das Bildungswesen erfolgt. Hierfür werden in Anlehnung an die bildungssoziologischen Arbeiten von Boudon (1974) hauptsächlich zwei Ursachenkomplexe angeführt: primäre und sekundäre Effekte der sozialen Herkunft (Abbildung 1). Zum einen erlangen Kinder aus höheren Sozialschichten infolge der Erziehung, Ausstattung und gezielten Förderung im Elternhaus eher Fähigkeiten, die in der Schule vorteilhaft sind. Aufgrund dieser günstigen Voraussetzungen im Elternhaus weisen Kinder aus höheren Sozialschichten eher bessere Schulleistungen auf, während Arbeiterkinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft eher kognitive Nachteile haben (primäre Effekte der sozialen Herkunft). Zum anderen sind elterliche Bildungsentscheidungen im Familien- und Haushaltskontext ausschlaggebend für den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder. Diese Entscheidungsprozesse variieren in Abhängigkeit von den ökonomischen Ressourcen der Privathaushalte deutlich zwischen den Sozialschichten (sekundäre Effekte der sozialen Herkunft). Insbesondere am Ende der Grundschule erfolgt für den Übergang auf die weiterführenden Schullaufbahnen die bedeutsamste, mit weit reichenden Konsequenzen versehene Bildungsentscheidung. Allerdings ist dieser Wechsel von der Grundschule auf die Sekundarstufe I stärker als die anderen Bildungsentscheidungen vom Willen der Eltern beeinflusst, während bei späteren Wechseln der Schulart oder bei einem vorzeitigen Abgang von der Schule die Schulleistungen und die Motivation des Kindes wichtig sind (Henz und Maas 1995: 610; Müller und Haun 1994: 35; Köhler 1992: 126; Baur 1972: 13-14). Daher können die im jungen Erwachsenenalter auftretenden Bildungsungleichheiten als aggregierte Nebenfolge dieser frühen Bildungsentscheidungen im Familienkontext aufgefasst werden.
Einleitung
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Vergleicht man die Gewichte der Herkunftseffekte, so dürfte vermutlich der sekundäre Herkunftseffekt bedeutsamer sein als der primäre Herkunftseffekt (Becker 2000). Somit beruhen zentrale soziale Mechanismen der Bildungsungleichheit auf schichtspezifischen Bildungsentscheidungen, in die auch (sozial differente) Schulleistungen und Bildungserfolge einfließen (Erikson und Jonsson 1996: 50). Abbildung 1: Primäre und sekundäre Effekte der sozialen Herkunft auf Bildungschancen und Bildungserfolge
Primäre Herkunftseffekte: Schulische Performanz
Ressourcen der sozialen Herkunft: Bildungserfolg und Bildungsungleichheiten
1) Ökonomisches Kapital 2) Bildungsdistanzen aufgrund der Positionierung in der sozialen Schichtung
Sekundäre Herkunftseffekte: Elterliche Bildungsentscheidung
Aber es sollte nicht übersehen werden, dass die elterliche Bildungsentscheidung auch von institutionellen Vorgaben und der Struktur des Bildungswesens „erzwungen“ wird (Becker 2001). Dass sich die Eltern in Deutschland vergleichsweise früh, wenn ihre Kinder zehn oder elf Jahre alt sind, über den weiteren Bil-
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Becker und Lauterbach
dungsweg ihres Kindes entscheiden müssen, macht möglicherweise das Ausmaß und die Dauerhaftigkeit von Bildungsungleichheiten aus (Erikson und Jonsson 1996). Trotz forcierter Forschung in den letzten Jahren ist die Emergenz der primären und sekundären Herkunftseffekte noch nicht gänzlich geklärt (siehe die Beiträge von Grundmann et al. sowie von Hillmert in diesem Band). Einerseits liegt dies an der Verfügbarkeit von geeigneten Daten, andererseits sind die Mechanismen noch nicht ausreichend erforscht, die für den Zusammenhang zwischen Klassenlage des Elternhauses, der schulischen Performanz und der elterlichen Bildungsentscheidung verantwortlich sind. Eher dienen die primären und sekundären Herkunftseffekte als „Brückenannahmen“, ohne dass ihre Existenz und Funktionsweise empirisch exakt erfasst wurde und daher als empirisch bewährte Argumente gelten können. Beispielsweise ist noch unklar, wie der Prozess der intergenerationalen Transmission von Bildungschancen über die Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, Orientierungen und Einstellungen der Eltern an ihre Kinder (etwa die Leistungsbereitschaft) vonstatten geht. So wird beispielsweise in einer Arbeit von Müller (1975: 132) oder von Müller und Mayer (1976) auf einen „Familienresidualeffekt“ verwiesen, von dem die Autoren selbst sagen, dass er eine „black box“ darstelle, bei der man nicht weiß, welche Mechanismen wirken.3 Die allgemeine Praxis, sich dem Phänomen sozialer Ungleichheit von Bildungschancen über kumulierende Einzelhypothesen und eklektische Zusatzannahmen anzunähern, ist nicht nur für den Fortschritt des Forschungsstandes wenig befriedigend, sondern auch für die Bildungspolitik und -praxis unzureichend. Dieses Vorgehen ist deswegen unzureichend, da die sozialen Mechanismen und Prozesse, die Bildungsungleichheiten hervorbringen und auf Dauer stellen, im Dunkeln bleiben (siehe den Beitrag von Müller-Benedict in diesem Band). Benötigt wird ein kohärentes Aussagesystem, das die systematische Ableitung empirisch überprüfbarer Hypothesen über das Zustandekommen und die Reproduktion von Bildungsungleichheiten erlaubt. Können dann die sozialen Mechanismen empirisch beobachtet werden, dann ist es auch eher möglich, sinnvolle bildungspolitische Maßnahmen zu empfehlen, als wenn weiterhin mit plausiblen Erklärungen operiert wird, die aber kein abgesichertes Wissen darstellen. So mutet es etwas befremdlich an, wenn – wie in der Debatte über die Ergebnisse von PISA 2000 geschehen – in der bundesdeutschen Bildungspolitik viele Empfehlungen 3
Überhaupt sind die Statuszuweisungsmodelle ein Paradebeispiel dafür, dass man vieles trotz der hypothetischen Formulierungen als gesichert annimmt, aber die Mechanismen tatsächlich nicht direkt misst, also weder ihre Existenz kennt noch ihre Wirksamkeit nachgewiesen hat. Sicherlich sind Korrelationen von sozialstrukturellen Variablen mit Bildungschancen und Bildungserfolg wichtige deskriptive Erkenntnisse. Würde man es dabei belassen, entstünden in der Folge Probleme, die mit der „Variablen-Soziologie“ in Verbindung gebracht werden: Man weiß so gut wie nichts über die Verbindung zwischen der Ursache und ihrer Wirkung (Esser 1996; Hedström und Swedberg 1998).
Einleitung
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ausgesprochen werden, aber wenige theoretische Grundlagen und noch weniger empirische Befunde dafür vorgelegt werden. Indirekte und direkte Überprüfung von Rational-Choice-Theorien der Bildungsentscheidung In Anlehnung an die theoretischen Modellaussagen von Boudon (1974) und Esser (1999), die zur Kategorie der Rational-Choice-Theorien zählen, versuchen wir mittels eigener empirischer Analysen diese theoretische und methodologische Problematik zu illustrieren. Nach Boudon (1974) oder Esser (1999) sind Eltern aus den Mittel- und Oberschichten bestrebt, den bereits erreichten Sozialstatus in der Generationenfolge zu erhalten oder gar zu verbessern. Investitionen in die Bildung ihrer Kinder sind in modernen Gesellschaften mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung ein sinnvolles Mittel dafür. Der daraus resultierende Bildungserfolg stellt wie der darauf folgende berufliche Werdegang jeweils ein so genanntes Zwischengut dar, um dieses Ziel zu erreichen. Grundsätzlich werden Investitionen in Bildung so lange getätigt, wie der zu erwartende Bildungsnutzen die erwarteten Kosten übersteigt, und auch mit einiger Sicherheit abzusehen ist, dass angesichts der schulischen Leistungen der Kinder die Investitionen auch zum Ziel führen, sich also lohnen. Die Beträge für Bildungsrenditen (z.B. Einkommen) und Statuserhalt (z.B. berufliche Stellung oder Tätigkeit) sowie die jeweiligen Erwartungen, diese Beträge realisieren zu können, bezeichnet Esser (1999) als elterliche Bildungsmotivation und das relative Verhältnis zwischen schulischer Leistung des Kindes und erwarteter Bildungskosten als Investitionsrisiko. Während Arbeiterfamilien nicht auf die höhere Bildung angewiesen sind, um den Status zu erhalten oder einen sozialen Aufstieg zu realisieren, sind insbesondere Angehörige der Mittelschichten zu Bildungsinvestitionen gezwungen, um Statuserfolge zu erzielen und soziale Abstiege zu vermeiden. Familien in den Oberschichten hingegen verfügen über weitere Mittel und Wege, um drohende Statusverluste in der Generationenabfolge vorzubeugen. Vereinfacht gesagt basieren Bildungsungleichheiten in den Sozialschichten durch die Abwägung von Vorzügen (Nutzen) und Nachteilen (Kosten) von höherer Bildung. Verwenden wir eine indirekte Methode, diese theoretischen Annahmen empirisch mit Umfragedaten zu überprüfen (Brüderl 2004), so bestätigen sie sich im Großen und Ganzen für die elterliche Bildungsentscheidung am Ende der Grundschulzeit (zu Details siehe Becker 2000). 4 Wenn die Bildungsmotivationen größer 4
Die von uns vorgelegten empirischen Analysen basieren auf Paneldaten des Konstanzer Forschungsprojektes „Bildungsverläufe in Arbeiterfamilien“ (vgl. Fauser 1983, 1984). Berücksichtigt werden die beiden Befragungen, die im Herbst 1982 und Herbst 1983 erfolgten. Im Herbst 1982 wurden Eltern mit Kindern in der vierten Grundschulklasse (Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen), in der Abschlussklasse der Orientierungsstufe (Niedersachsen) und in der sechsten Klasse der Grundschule (West-Berlin) zunächst über ihre Schulwünsche für das Kind befragt. Dieselben Eltern wurden dann im Herbst 1983 nach der inzwischen getroffenen Bildungsentscheidung
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Becker und Lauterbach
oder gleich den Investitionsrisiken sind, dann entscheiden sich die Eltern aus den Mittel- und Oberschichten eher für das Gymnasium als für die Realschule, wobei die Hauptschule offensichtlich keine Alternative darstellt (Tabelle 1). Tabelle 1: Determinanten der elterlichen Bildungsentscheidung* Unter- und Arbeiterschichten HS
BI B 2 ist dann Snd = Sne + die je (n-1) letzten Terme aus der Binomialentwicklung von (p-x)n-1 und (p+x)n-1. Diese Terme heben sich für R1 = R2 und x1 = x2 und n > 2 entweder auf oder sind doppelt positiv vorhanden. Für n = 1 oder 2, d h. auf den Stufen S1 und S2 gilt jedoch: S1d = S1e und S2d < S2e, d.h. der differenzierende Unterricht erbringt auf den ersten beiden Schulstufen gleich viel bzw. weniger Abgänger:
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Müller-Benedict
n = 1: sei R1 = R2 = A S1e (R1) = A(1-p) = S1e (R2), S1e = 2A(1-p). S1d (R1) = A (1- (p + x)), S1d (R2) = A (1 – (p-x)) => S1d = 2A(1-p + x – x)) = S1e. Die Abgänger auf Stufe 1 bleiben gleich groß. n = 2: S2e (R1) = A(1-p)p = S2 (R2), S2e = 2A(1-p)p S2d (R1) = A (1- (p + x)) (p+x) = (A(1- p) - Ax)) (p+x) = A(1-p)p - Axp + A(1-p)x - Ax2 , S2d (R2) = A (1- (p - x)) (p-x) = (A(1- p) +Ax)) (p-x) = A(1-p)p + Axp -A(1-p)x - Ax2 , S2d = S2e – 2Ax2 Die Abgänger auf Stufe 2 werden weniger. Das bedeutet, dass irgendwo zwischen Stufe 3 und n-1 der differenzierende Unterricht in seinen Resultaten „umschlägt“, weil die Gesamtzahl der Abgänger ja konstant bleibt (die Zahl aller Kinder dieser Kohorte). Er erhöht also insgesamt die Zahl der Abgänger auf den oberen Stufen und vermindert sie in den unteren Stufen. Nach Fararo und Kosaka (1976: 2.5) ist der „critical point“ j von p die Stufe j = [1/(1-p)] = kleinste integer 1/(1-p). Wenn p etwas steigt, erhöhen sich alle Abgänge aus den Stufen größer als j und verkleinern sich alle Abgänge aus den Stufen kleiner als j. b) Ungleiche Begabungsverteilung: Ist R1 z R2, so muss die Voraussetzung bedacht werden, dass die „Gesamtaufmerksamkeit” des Lehrers nicht gesteigert werden kann und deshalb die Zuwächse x2 in p2 für R2-Schüler genau den Verlusten x1 in p1 für R1-Schüler entsprechen müssen. Deshalb ist x1R1 = x2R2; und so haben sich auch hier die entsprechenden Terme auf. c) Plafond-Effekt: Für Änderungen mit Plafond-Effekt gilt, dass x1 (die Verminderung in p des weniger begabten Teils R1) kleiner ist als x2 (die Erhöhung in p des höher begabten Teils R2). Deshalb heben sich die Teile mit gegensätzlichem Vorzeichen nicht auf, sondern ihre Summe ist sogar ebenfalls positiv.
Intendierte und nicht intendierte Folgen von Bildungspolitik
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Deshalb ist Snd > Sne auch für R1 z R2 und eine Differenzierung mit PlafondEffekt. Da Sn (R1) < Sn (R2) wegen p – x < p + x, steigt auch generell die Exzellenz. d) Einbeziehung von Schichten: Da die bisherigen Resultate bzgl. der Begabungsverteilung für jede Schicht gelten, gelten sie auch für die Summe aller Schichten. M3: Sei a = C2R1p21n-1, b = C2R2p22n-1, c = C1R1p11n-1, d = C1R2p12n-1. Dann ist die Chancenungleichheit auf der letzten Stufe O(Sn) = (a+b)/(c+d). Wegen us s u s ! ! vt t v t
u , v, s, t ! 0
gilt, mit Oe(Sn) = die Chancenungleichheit nach Förderung mit Plafond-Effekt e, dann auch (2) a (1 x)b a b ! c (1 y)d c d
Oe (Sn )
O(Sn )
xb a b x ad bd ! ! yd c d y cb bd
z (cb bd) ! ad bd zcb ad ! (1 z)bd z
M4: In diesem Beispiel ist x y
z
0.393
und a = b, sodass die Bedingung z
c a ! 1 z d b
bedeutet, dass c = C1R1 um den Faktor (2
z) z
1.61 0.39
4.12
c a !1 z. d b
412
Müller-Benedict
größer sein muss als d = C1R2. In Tabelle 7 ist c/d = 9000/1000 = 9 und in Tabelle 8 ist c/d = 8000/2000 = 4. y (und x) berechnen sich wie folgt: (1 x) C1 R 2 p12
n -1
C1 R 2 (p12 a(1 - p12 )) n -1
x (p12 a(1 - p 12 )) n -1 /p 12
n -1
-1
Im Beispiel: p 12
0.4, p 12
n -1
p 12
4
0.0256, p 12 a(1 - p 12 ) 0.46, 0.46 4
0.0448 1 0.0256
x
0.0448
0.294
Entsprechend y: 4
0.1296, p22 0.1(1- p22 )) 0.64, (p22 0.1(1- p22 )4
p22 0.6, p22
0.1678 1 0.1296
y
0.1678
0.75
Daraus folgt x y
z
0.294 0.75
0.393 .
M5: Sei Qn die Abschlussquote auf Stufe Sn. Mit der Definition von a, b, c, d, wie in M3 gilt: Qn
abc d . C1 C2
Sei a ein Plafond-Effektfaktor, sei x wie im Satz zuvor und y definiert durch p12(1+y) = p12 +a(1-p12), und sei QnU die durch Unterschichtförderung mit diesem Faktor erhöhte Quote. Dann ist n 1
Qn
U
Qn
n 1
C1R1p11 (1 x)n 1 C1R2p12 (1 y)n 1 c d C1 C2
abc d C1 C2
Intendierte und nicht intendierte Folgen von Bildungspolitik
n 1
C1R1p11 ((1 x)n
1
n 1
1) C1R2p12 ((1 y)n C1 C2
413
1
1)
Seien y wie eben und z wie im Satz die entsprechenden Erhöhungen der Begabtenerfolgsquoten und QnR die durch Begabungsförderung erhöhte Abschlussquote. Dann gilt ebenso: n 1 n1 C1R2p12 ((1 y)n1 1) C2R2p22 ((1 z)n1 1) R Qn Qn C1 C2 Deshalb ist U
n 1
n 1
Q n Qn CRp ((1 x)n 1 1) CRp ! 1 1 1 11 n 1 ! 1 2 2 22n R Q n Qn C2R2p22 ((1 z)n 1 1) C1R1p11
1
((1 x)n 1 1) ((1 z)n 1 1)
M6: Im Beispiel a) der asymmetrische Fall: Hier ist p11 = 0.3 und nach der Erhöhung um den Plafond-Faktor 10 Prozent ist
p 11 ' p 11 0.1(1 - p 11 ) 0.3 0.1 0.7
0.37 .
Daraus folgt, dass x = 0.07/0.3 = 0.233 ist, ebenso für p22 = 0.7 ergibt sich z = 0.03/0.7 = 0.043. Dann ist (1+x)3 –1 = 0.875 und (1+z)3 –1 = 0.134, sodass die rechte Seite zu 0.875/0.134 = 6.49 wird.
Von C1R1 = 10000 ist auf Stufe 4 ein Anteil von 0.33 = 0.027, das sind 270, ebenso für C2R2 = 5000 auf Stufe 4 ein Anteil von 0.73 = 0.343, das sind 1715. Die linke Seite ist dann 1715/270 = 6,35 und damit ein wenig kleiner als die rechte. b) der symmetrische Fall: Für den symmetrischen Fall muss nur die linke Seite für C1R1 neu berechnet werden. Der Anteil auf Stufe 4 ist dann 5000 · 0.27 = 135, sodass sie zu 1715/135 = 12,7 wird, also wesentlich größer als die rechte Seite.
414
Müller-Benedict
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Intendierte und nicht intendierte Folgen von Bildungspolitik
415
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Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit im neuen Gewand – abschließende Gedanken Wolfgang Lauterbach und Rolf Becker
1.
Hat sich in den letzten Jahrzehnten zu wenig getan in der soziologischen Bildungsforschung und Bildungspolitik?
Die Ungleichheit von Bildungschancen ist ein Dauerthema in der empirischen Bildungsforschung, dem in den vergangenen Jahren auch in der Bildungspolitik wieder besondere Aufmerksamkeit beigemessen wird. Abgesehen davon, dass nach den kontroversen Debatten über Bildungsungleichheiten in den 1960er Jahren (siehe dazu Müller 1998) in den letzten 40 Jahren mehr oder weniger kontinuierlich geforscht und publiziert wurde, hat – nachdem das fachliche und öffentliche Interesse an Bildungsungleichheit in den 1970er und 1980er Jahren deutlich erlahmte – in den 1990er Jahr die Produktivität der sozialstrukturell orientierten und lebensverlaufstheoretisch fundierten Bildungssoziologie und auch die Aufmerksamkeit an ihren Befunde zugenommen. Ihre Ergebnisse lassen sich nicht alleine an den methodischen Entwicklungen (Schimpl-Neimanns 2000; Becker 2000; Henz und Maas 1995), der Auswertung von neueren Massen- und Längsschnittdaten mit ausgefeilten statistischen Verfahren (Müller und Haun 1994; Mayer und Blossfeld 1990; Blossfeld 1988) und der groß angelegten internationalen Vergleiche (Shavit und Blossfeld 1993) ablesen, sondern auch in der Weiterentwicklung theoretischer Ansätze, die den Anspruch vertreten, Ursachen sowie Mechanismen und Prozesse von Bildungsungleichheiten präziser zu benennen als dies bislang der Fall war (siehe Einleitung von Becker und Lauterbach in diesem Band). In der universitären Forschung selbst sind seitdem eine Vielzahl unterschiedlicher Projektvorhaben in Gang gesetzt worden, die sich zum Ziel gesetzt haben, diese Theorieansätze empirisch anzuwenden, um Entstehung und Reproduktion von Bildungsungleichheiten umfassend zu beschreiben und zu erklären (siehe Becker in diesem Band sowie Becker 2006). Zudem hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahre 2002 mit dem erklärten Ziel, einen Beitrag zur Verbesserung der Situation der empirischen Bildungsforschung zu leisten, die Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung“ beschlossen (DFG 2005). Aus dieser Perspektive betrachtet, hat sich – auch wenn sich die Fragestellung in Bezug auf die Bildungsungleichheit aus nahe liegenden Gründen kaum geändert hat – in der soziologischen Bildungsforschung viel getan. Dies dokumentieren auch die Autorinnen und Autoren im vorliegenden Werk; aber sie verweisen auch darauf, dass in der Zukunft noch vieles getan werden muss. So decken sie scho-
418
Lauterbach und Becker
nungslos Lücken in der Kenntnis über die hohe Bildungsselektivität des deutschen Bildungssystems auf. Kontinuitäten und Wandlungen im Bildungsverlauf und Erwerb von Bildungszertifikaten werden in den einzelnen Beiträgen fokussiert. So blicken die Aufsätze dieses Bandes, geschrieben auf der Basis von Beobachtungen, Befragungen und Auswertungen verschiedenartiger Informationsquellen, zwar nach vorn ins 21. Jahrhundert, aber sie sind auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten 40 Jahre geschrieben. Zwar gibt es in der Bildungssoziologie eine lange Tradition, die sich mit dem Erwerb von Bildung auseinandersetzt; jedoch erfolgt die hier vorgenommene Betrachtung einer systematischen Auseinandersetzung mit den Bildungsprozessen im Lebenslauf – also von der Kindheit bis ins frühe Erwachsenenalter – auf der Basis empirischer Daten und Analysen. Trotz einer im Verlauf der letzten Jahrzehnte gewachsenen Forschungskapazität, zu der die hier versammelten Autorinnen und Autoren selbst beigetragen haben, bleiben noch viele Fragen über Verteilung von Bildungschancen und über das Zusammenspiel von Bildungssystem, Bildungsstruktur und dem Prozess des Erwerbes von Qualifikationen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen offen. Generell ist das für die Wissenschaft – insbesondere für die Bildungssoziologie – Normalzustand und im Grunde gar nicht erwähnenswert. Allerdings demonstrieren die Beiträge dieses Bandes, dass die unvollständige Kenntnis nicht nur darauf beruht, dass auf bekannte Fragen bislang Antworten fehlen, nicht nur weil die Forschung sie noch nicht bewältigt hat, sondern im lückenhaften Forschungsstand offenbart sich auch die in der Bildungssoziologie vorherrschende mangelnde Datenlage. Um diese zu schließen, sind in den vergangenen Jahren ebenfalls enorme Anstrengungen erfolgt. Zu nennen wären – um nur eine kleine Auswahl zu treffen – (1) die international vergleichenden Studien, (2) die vereinzelten DFG-geförderten Projekte, deren Ziel es ist, informationsreiche Daten über Entstehung von Bildungsungleichheiten zu sammeln, (3) die von der DFG initiierte „Föderinitiative Empirische Bildungsforschung“, (4) die systematische Dokumentation und Evaluation vorliegender Daten (z.B. das im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von der Universität Erfurt unter der Leitung von Horst Weishaupt durchgeführte Projekt „Dokumentation der Längsschnittforschung im Bildungsbereich“) oder (5) die Bemühungen des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten, die Dateninfrastruktur in Deutschland für die empirisch arbeitenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaften beratend zu gestalten und vor allem im Bildungsbereich den Zugang zu und die Qualität von Mikrodaten nachhaltig zu verbessern. 2.
Was wissen wir, und was wissen wir noch nicht?
Beide Aspekte – die unvollständige Aufarbeitung offener Fragen und die mangelnde Datenlage, insbesondere das Defizit an informationsreichen Längsschnittdaten über Bildungsprozesse – weisen darauf hin, dass die Bildungssoziologie in
Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit
419
den letzten Jahrzehnten nicht mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Realität Schritt gehalten hat. Insbesondere die weiterhin bestehende starke Abhängigkeit der erreichten Qualifikation von der sozialen Herkunft charakterisiert den Erwerbsprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Anzumerken ist insbesondere, dass diejenigen, die die Wunschvorstellungen über den Abbau der sozialen Ungleichheit einfach in die Zukunft verlängerten, oft die eingetretene Entwicklung nicht zutreffend vorhergesagt haben. So kann der allgemeine Rückgang der Hauptschüler eben nicht nur als eine quantitative Verringerung der Schülerzahl interpretiert werden und der Anstieg der Schülerzahlen in der Realschule und auf dem Gymnasium als ein Erfolg. Vielmehr wird sichtbar, dass durch den Rückgang der Zahl von Schülern in Hauptschulen ein eigentümlicher Selektionsmechanismus entsteht, der dazu führt, dass mittlerweile nur bestimmte Gruppen von Schülern vornehmlich auf der Hauptschule zu finden sind. Heike Solga und Sandra Wagner zeigen wiederholt und auch in ihrem Buchbeitrag wieder eindrücklich, dass es durch die Bildungsexpansion zu einer Homogenisierung der Schülerschaft auf der Hauptschule gekommen ist. Offensichtlich wird durch die Dreiteilung des Schulsystems und der relativen Entwertung des Hauptschulabschlusses die Abwanderung aus der niedrigsten Schullaufbahn forciert, sodass es zu einer Entmischung der Hauptschüler nach der sozialen Herkunft kommt. Die gesellschaftlich sehr gering ausgeprägte Akzeptanz der Hauptschule führt eben gerade dazu, dass die Hauptschule zur ungeliebten „Restschule“ verkommt. Dies ist vor allem in den Bundesländern der Fall, in denen die Hauptschulquoten ohnehin schon immer niedrig sind. Die Hauptschule ist daher seit Jahrzehnten schon keine Schule für breite Bevölkerungsgruppen mehr. Als Folge dieser Entwicklung ist daher festzustellen, dass die Distanz zwischen den Hauptschülern und den mittleren und höheren Bildungsgruppen größer geworden ist. Besonders deutlich zeigt sich dies auch daran, dass die Hauptschüler oftmals aus Elternhäusern kommen, in denen die Eltern in sehr instabilen Erwerbstätigkeiten beschäftigt sind, und selbst nur einen sehr niedrigen oder gar keinen Bildungsabschluss haben. Offensichtlich trägt die Organisation des dreigliedrigen Schulsystems selbst zur Generierung sozialer Ungleichheit bei. Mit dieser Dreigliedrigkeit des Schulsystems ist eine Konstanz bestimmter familialer Handlungsoptionen und -zwänge verbunden. Matthias Grundmann und Mitautoren zeigen, dass deswegen Kinder aus bildungsfernen Milieus in ihren Startchancen und beim Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses nach wie vor besonders benachteiligt sind. Die mangelnde Übereinstimmung der lebensweltlichen Alltagserfahrungen von Familien aus bildungsfernen Milieus mit den Anforderungen zum Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses ist ihrer Ansicht nach eine zentrale Ursache für die Entstehung von Ungleichheit beim Bildungszugang und Erwerb von Bildungszertifikaten. Beispielsweise gelten die lebensweltlichen Erfahrungen von Kindern aus den Arbeiterschichten nach wie vor als wenig förderlich für die Anforderungen auf dem Gymnasium. Die starke Orientierung an
420
Lauterbach und Becker
einer eher praktischen Handlungsrationalität im Unterschied zu einer abstrakten in der Ferne liegenden Bildungsrentabilität ist hierfür verantwortlich. Diese starke Differenz in alltagspraktischen Orientierungen führt letztlich auch dazu, dass sich der Erwerb eines höheren Abschlusses als „Fluch“ für das Kind darstellt, da sich Handlungsrationalitäten ändern und nicht mehr mit den lebensweltlichen Erfahrungen der Herkunftsfamilie deckungsgleich sind. Daher „entfremden“ sich diese Kinder von den Elternhäusern, was aus Sicht der Autoren mit der „Gefahr“ verbunden ist, dass die Kinder als Jugendliche und Erwachsene den Kontakt zur sozialen Herkunft verlieren. Diese sich in der Familie zeigenden Probleme werden durch gesellschaftliche Entwicklungen noch verschärft. Der Wandel von der „Industriegesellschaft“ zur „Dienstleistungsgesellschaft“ und schließlich zur „Wissensgesellschaft“ bewirkt, dass die angebotenen Arbeitsplätze zu einem immer größeren Teil im Dienstleistungs- und Wissensbereich liegen, die relativ hohe Qualifikationsanforderungen stellen. So hat sich in den letzten Jahrzehnten der Anteil an den wissensbasierten Tätigkeiten, vorwiegend im öffentlichen Dienst und bei den Selbstständigen, stetig erhöht. Die herkömmlichen produktionsorientierten Tätigkeiten und damit verbundenen Qualifikationen verlieren durch die Höherstufung von Produkten und Dienstleistungen zu wissensbasierten professionellen Gütern an Bedeutung (Willke 2001). Daher führt auch die Expansion staatlicher und privater Forschungstätigkeiten zu einer langfristigen Umstrukturierung der Arbeitsplätze: Wissensbasierte Tätigkeiten nehmen zu und reproduktive Tätigkeiten im Industrie- und im Dienstleistungsbereich nehmen hingegen ab (Heidenreich 2000). Für die Berufsstruktur hat dies zur Konsequenz, dass einfache reproduktive Tätigkeiten, die als angelernte oder als ungelernte Arbeitnehmer ausgeführt werden können, immer seltener werden. Jugendliche, die keinen oder nur einen einfachen Bildungsabschluss erwerben, haben daher kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Die hohen Armutsquoten und Arbeitslosenquoten gerade dieser Teile der Bevölkerung sind ein Zeugnis davon. Ein weiteres Beispiel für die nach wie vor bestehende Ungleichheit von Bildungschancen lässt sich daran ablesen, dass der Zugang zum Gymnasium seit Jahrzehnten selektiv nach der sozialen Herkunft verteilt ist. Rolf Becker zeigt in seinem Beitrag zum ersten Mal mit empirischen Daten für den Zeitraum von 1960 bis 1980, dass primäre Herkunftseffekte weiterhin die eingeschlagene Schullaufbahn der Kinder beeinflussen. Die langfristigen Wirkungen der außerschulischen Anregungen und Förderungen im Sozialisationsprozess, die sich in den schulischen Leistungen und Kompetenzen des Kindes niederschlagen, haben nach wie vor eine bedeutende Wirkung auf den ungleichen Erwerb von schulischer Bildung. In Verbindung mit den Bildungsaspirationen der Eltern zum Statuserhalt wird eine völlig ungleiche Situation nach der vierten Klasse beim Übergang auf das Gymnasium geschaffen. Er vermutet sogar, dass der im Zeitverlauf gestiegene Einfluss des Statuserhaltsmotivs bei rückgängigen Einflüssen subjektiv erwarteter Bildungskosten zu einem Anstieg der Bildungsbeteiligung geführt hat. Sehr deutlich
Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit
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wird in den Analysen von Becker auch, dass der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Chance, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, zwischen den 1960er und den 1980er Jahren keinem grundlegenden Wandel unterlag. Nach wie vor bekommen Kinder von Beamten und leitenden Angestellten einfacher eine Gymnasialempfehlung ausgesprochen, gerade auch unter Berücksichtigung der Schulnoten. Somit kommt Becker zu dem Schluss, dass weiterhin eine kumulative Bildungsbenachteiligung besteht, die bereits im Alter von 10 Jahren der Kinder hochwirksam ist. Schon im Deutschen Bildungsrat wurde darüber diskutiert, ob die Ungleichheit der Bildungschancen und vor allem die der Arbeiterkinder bereits vor der Einschulung in die Primarstufe beginnt. Zwei Beiträge sind der Bedeutung der vorschulischen Versorgung der Kinder nachgegangen. Michaela Kreyenfeld widmet sich der vorschulischen Betreuung der Kinder in Kindertagesstätten. Sie geht der Frage nach, in welchem Ausmaß verschiedene Bevölkerungsgruppen Kindertageseinrichtungen nutzen. Obwohl 80 bis 90 Prozent der Kinder im Alter von 4 bis 7 Jahren diese Einrichtung besuchen, zeigen sich sozialstrukturelle Unterschiede: Vor allem besuchen Kinder ausländischer Eltern auffallend seltener den Kindergarten, ebenso Kinder von Eltern ohne Hochschulabschluss. Dieser Befund ist in Westdeutschland im Unterschied zu Ostdeutschland unabhängig von der Erwerbstätigkeit der Mütter. In Ostdeutschland nehmen Mütter mit einem höheren Bildungsabschluss eher eine Tageseinrichtung für ihre Kinder in Anspruch. So nutzen fast 50 Prozent der Mütter mit Hochschulabschluss einen Krippen- oder einen Hortplatz, aber nur 40 Prozent der Mütter mit einem Ausbildungsabschluss und sogar nur 30 Prozent der Mütter ohne einen Ausbildungsabschluss. Allerdings hat die Bildung keinen Einfluss mehr, wenn Mütter erwerbstätig sind. Insgesamt zeigt sich in Ostdeutschland, dass vornehmlich Kinder von gut ausgebildeten Erwerbstätigen oder Alleinerziehenden in Kinderkrippen oder Kinderhorten untergebracht sind. Frauen, die hingegen keine hohe Qualifikation erreicht haben und teilweise nicht erwerbstätig sind, entscheiden sich häufiger für eine längere häusliche Betreuung. In einem weiteren Beitrag gehen Rolf Becker und Wolfgang Lauterbach der Frage nach, ob Kinder, die bereits im Vorschulalter gefördert werden, bessere Chancen beim Erwerb von Bildungsqualifikationen haben, als Kinder, die nicht gefördert wurden. Verglichen wurden Kinder, die eine vorschulische Betreuung hatten, mit denjenigen, die keinen Kindergarten besuchten. Insgesamt ergeben die empirischen Analysen, dass vorschulische Erziehung, Betreuung und Bildung zwar förderlich für Bildungschancen sind, aber bislang keinen entscheidenden Einfluss auf den Übergang auf eine weiterführende Schule in dem Sinne haben, dass sich Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft vollständig auflösen. Dieser Befund ist sicherlich ernüchternd, aber auch angesichts unzureichenden Daten mit Vorsicht zu bewerten. Die vorgelegten Befunde stellen daher nur einen ersten Schritt zur Analyse des kurz- und langfristigen Einflusses vorschulischer
422
Lauterbach und Becker
Betreuung auf den Bildungserwerb dar. Um diese zu erhärten, bedarf es weiterführender Forschung mit informationsreichen Daten. So fehlen bei den hier herangezogenen Paneldaten notwendige Kontextinformationen zu den vorschulischen Kinderbetreuungen, insbesondere über Art und Weise der Erziehung in den Kindergärten und Vorschulen, über die Ausstattungen dieser Institutionen und andere Dimensionen, die die Inhalte und Qualität der vorschulischen Erziehung und Bildung ausmachen könnten. Nicht berücksichtigt wurden beispielsweise auch die Größe der Gruppen in Kindergärten bzw. die Relation von Kinder- und Betreuerzahl, Zeitpunkt des Beginns einer vorschulischen Betreuung und ihre Dauer. Weiterhin können die modifizierenden Einflüsse im Elternhaus und in der Schule bis zum Übergang auf die weiterführenden Schullaufbahnen in der Sekundarstufe I nicht kontrolliert werden. Hier besteht also noch weiterer Forschungsbedarf, um ein empirisch fundiertes Urteil über die Effektivität der frühkindlichen Förderung von sozial benachteiligten Kindern fällen zu können. Obwohl in Deutschland im Jahre 2003 nahezu 7,3 Millionen Ausländer leben, sind die Prozesse des Bildungserwerbs bei ausländischen Kindern trotz einiger vorliegender empirischer Studien noch weitgehend ungeklärt. Die in den 1960er Jahren von der Bundesrepublik Deutschland angeworbenen „ausländischen Arbeitskräfte“ sind vielfach in Deutschland geblieben, und die Familien folgten nach. Mittlerweile lebt die zweite, oftmals auch bereits die dritte Generation in Deutschland. Trotzdem wurde – wie von Heike Diefenbach in ihrem Beitrag betont wird – bisher in der Bildungsforschung der schulischen und beruflichen Qualifikation ausländischer Jugendlicher wenig Beachtung beigemessen (Alba et al. 1994). Betrachtet man die erworbenen Bildungsabschlüsse deutscher und ausländischer Jugendlicher, so zeigen sich markante Unterschiede: Ausländische Jugendliche erreichen durchschnittlich niedrigere Bildungsabschlüsse, sie zeigen eine erheblich geringere Ausbildungsbeteiligung und finden sich tendenziell in nachteiligen beruflichen Positionen. Ebenso zeigt sich, dass Jugendliche nichtdeutscher Herkunft eine „signifikante Teilpopulation der gering qualifizierten Jugendlichen darstellen. So verlassen beispielsweise 20 Prozent der Jugendlichen ohne deutsche Staatsangehörigkeit die Schule ohne Hauptschulabschluss. Zudem befinden sich unter den jungen Erwachsenen ohne anerkannten Ausbildungsabschluss 50 Prozent nichtdeutscher Herkunft“ (Solga 2003: 20). Heike Diefenbach fasst in ihrem Artikel die bisherigen Befunde über Bildungschancen von Kindern ausländischer Eltern zusammen und widmet sich abschließend der Frage nach den politischen Konsequenzen. Sie argumentiert sehr deutlich, dass kulturalistische Erklärungen zwar oftmals herangezogen werden, um die Unterschiede im Bildungserwerb zwischen Migrantenkindern und Kindern aus Deutschland zu erklären, diese aber entweder nicht empirisch überprüft oder empirisch falsch sind. Sie dienen vielmehr dazu, partikularistische politische Forderungen abzuleiten, dass pädagogische Maßnahmen und Gelder für Kinder aus Migrantenfamilien bereitgestellt werden. Sie weist darauf hin, dass die Erklärungskraft individueller Merkmale von
Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit
423
Migranten und ihrer Familien (einschließlich ihrer sozioökonomischen Situation), der kulturelle Hintergrund und die mangelhaften Deutschkenntnisse merklich überschätzt werden (Nauck et al. 1998). Es mehren sich Hinweise, dass für die Bildungsbeteiligung und den Prozess des Bildungserwerbes von Migrantenkindern die Folgen institutioneller Handlungslogiken wichtig und Merkmale zukünftiger Migrationsentscheidungen in der Familie sowie Kontextbedingungen (etwa die Zusammensetzung der Schülerschaft in einer Klasse) von erheblicher Bedeutung sind (Steinbach und Nauck 2004; Kristen 2002, 2005). Neben den bisherigen Befunden zum vorschulischen und schulischen Bildungserwerb entwickelt Steffen Hillmert konzeptuelle Überlegungen zum gesamten Prozess des Bildungserwerbes von der Einschulung bis zum Übergang in den Arbeitsmarkt. In einem programmatisch geschriebenen Beitrag deckt er auf, dass das Bildungssystem selbst einen großen Beitrag zur Generierung sozialer Ungleichheit liefert. Dabei geht er von der Vorstellung aus, dass die Entstehung von Bildungsungleichheiten einem kumulativen Prozess von mehreren Entscheidungen über Bildungswege entspricht, jedoch keinem additiven Muster folgt. Die Dreigliedrigkeit des Schulsystems macht manche Entscheidung irreversibel. Deswegen fordert Hillmert in seinem Beitrag in Zukunft die Genese und Reproduktion von Bildungsungleichheiten auf zwei Ebenen im Längsschnitt zu untersuchen: In einem institutionsbezogenen Rahmen geht es um die detaillierte Untersuchung der individuellen Leistungs- und Kompetenzentwicklung und auf der anderen Ebene um die empirische Rekonstruktion individueller Entscheidungen im Lebensverlauf, wobei die Messung von individuellen Bildungsentscheidungen und seiner inhärenten Mechanismen weitaus präziser vorgenommen werden muss als bislang geschehen. Dadurch wird es möglicherweise gelingen, unterschiedliche Modelle des (zweckrationalen, wertrationalen und traditionalen) Bildungsverhaltens zu testen, und Wechselwirkungen von institutionellen Strukturen und Regeln des Bildungssystems mit dem individuellen Bildungsverhalten aufzudecken, die zu mehr oder weniger gerechtfertigten Bildungsungleichheiten führen. Hillmert verdeutlicht hierbei, dass der Einfluss des Bildungssystems als strukturelle und institutionelle Randbedingung vornehmlich in einem handlungstheoretischen „Setting“ modelliert werden solle.1 Formal argumentiert Hillmert, dass im Lebensverlauf 1
Scheinbar vernachlässigen dabei neuere Rational-Choice-Theorien die institutionellen Voraussetzungen von Bildungsentscheidungen, aber eben nur scheinbar (vgl. dazu die Debatte zwischen Haller und Becker (2001)). Denn diese werden zum einen in das Handlungsset von Individuen im Sinne unmittelbarer Vorgaben aufgenommen und zum anderen als Chance in der Interaktion mit anderen Bedingungsfaktoren (Gelegenheitsstruktur als Indikator für institutionelle Einflüsse auf das individuelle Bildungsverhalten) gesehen, die dann die individuellen oder familialen Entscheidungsspielräume bestimmen. Schließlich erfolgen Entscheidungen durch andere (z.B. durch das Bildungssystem selbst in Form von Bildungsempfehlungen beim Übergang in die Sekundarstufe I oder Festlegung eines Numerus clausus beim Zugang zum Studium oder erworbene Anrechte im Berufsverlauf für den Zugang zur beruflichen Weiterbildung). Hierbei bestimmen Konkurrenzbedingungen und der Grad der Standardisierung von institutionellen Vorgaben in einer Gesellschaft
424
Lauterbach und Becker
wiederholt Bildungsentscheidungen zu treffen sind, die Entscheidungen jedoch an den verschiedenen Stellen im Bildungssystem unterschiedliche Konsequenzen haben. Allerdings lässt sich der Einfluss der Struktur des Bildungssystems nur sehr schwer messen, da dieser mit anderen Faktoren konfundiert wird. Daraus folgert er, dass das Zusammenspiel von Leistungs- und Kompetenzentwicklung der Kinder und Jugendlichen mit den institutionellen Rahmenbedingungen und den elterlichen sowie individuellen Bildungsentscheidungen nur durch geeignete Längsschnittdaten in ihrer Konsequenz für die Bildungsbenachteiligung zu erfassen ist. Nur so wäre es möglich Wechselwirkungen zwischen Bildungsstrukturen und individuellen wie schichtspezifischen Entscheidungen nachzuweisen. Mit den bisher vorliegenden Studien ist es jedoch ausgesprochen schwierig, darauf verweist Hartmut Ditton in seinem Beitrag, den eigenständigen Einfluss des schulischen Systems auf Bildungschancen zu isolieren. In dem Artikel wird zwar aufgeführt, welche schulischen Faktoren (früher Zeitpunkt des Wechsels von der Primarstufe in die Sekundarstufe I, Ausleseverhalten von Lehrkräften, Vergabe von sozial selektiven Bildungsempfehlungen, Selektion durch Wiederholung der Klassenstufe, fehlende Angebote individueller Förderung) einen Einfluss haben könnten. Der Nachweis des Einflusses dieser Faktoren gelingt jedoch nur bedingt, da das Zusammenwirken relevanter Faktoren weiterhin unklar und das Separieren schulischer Faktoren bisher nicht gelungen ist. So fehlen bislang Aussagesysteme zu den Wechselwirkungen zwischen schulischen, familialen und individuellen Merkmalen völlig. Zusätzlich zur schulischen kommt in Deutschland der beruflichen Ausbildung eine besondere Bedeutung bei der Platzierung auf dem Arbeitsmarkt zu. Das duale Berufssystem verschafft Möglichkeiten, sich im Jugendalter oder im jungen Erwachsenenalter beruflich zu qualifizieren. Der Frage nach dem Zusammenhang zwischen beruflicher Qualifikation und dem Übergang in den Arbeitsmarkt an der zweiten Schwelle geht Dirk Konietzka nach. Er betrachtet die Mechanismen des Zuganges zum Ausbildungssystem und des Abganges in den Arbeitsmarkt: Inwieweit reproduziert das Ausbildungssystem soziale Ungleichheit und inwieweit generiert es Mechanismen, die soziale Ungleichheit schaffen? In seiner Analyse hebt Konietzka hervor, dass gerade das Ausbildungssystem beim Zugang zu internen Arbeitsmärkten kanalisierend und selektiv wirkt. Nur wer eine Ausbildung absolviert, hat auch eine Chance in diesen Arbeitsmarkt einzutreten. Das Ausbildungssystem wirkt für den internen Arbeitsmarkt als „gatekeeper“. Personen können daher nicht nur durch eine Ausbildung in diese Arbeitsmärkte eintreten, sondern Aufstiege im Erwerbsverlauf sind auch nur über eine qualifizierte Ausbildung möglich. Mit der Absolvierung einer Ausbildung gehen daher Schließungsprozesse einher. Junge Erwachsene, die keine berufliche Qualifizierung erhalten, beginnen ihre Erwerbstätigkeit in externen Arbeitsmärkten als Un- oder Angelerndie Struktur und das Ausmaß von Ungleichheiten der Bildungschancen auf unterschiedlichen Stufen des Bildungswesens.
Die immerwährende Frage der Bildungsungleichheit
425
te und haben daher kaum eine Chance, im Erwerbsverlauf eine statushöhere oder eine sichere Berufsposition zu erreichen. Somit wirkt das Ausbildungssystem in doppelter Hinsicht selektiv: Durch die Absolvierung einer Berufsausbildung wird erstens der Zugang zu internen und externen Arbeitsmärkten geregelt. Zweitens wird durch die strenge Berufsorientierung der Wechsel zwischen Berufen im Erwerbsverlauf ausgesprochen erschwert. Es zeigt sich beim Zugang zum Ausbildungssystem aber auch, dass die Kopplung zwischen erfolgreichem schulischem Ausbildungsabschluss und dem Zugang zu einer Berufsausbildung im Zeitverlauf enger geworden ist. Nur wer eine erfolgreiche Schulbildung absolviert hat, wird auch zur beruflichen Ausbildung zugelassen. Hier haben insbesondere Hauptschüler und Migranten Schwierigkeiten eine berufliche Ausbildung zu absolvieren. So erfahren gerade die Hauptschüler eine doppelte Benachteiligung durch die Schulbildung und den merklich schlechteren Zugang zu einer beruflichen Ausbildung. In dieser Hinsicht ist zu befürchten, dass Hauptschüler zunehmend aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden und dass bereits recht früh im Lebenslauf die Grundlagen für den drohenden Beginn einer Karriere fern vom Arbeitsmarkt gelegt werden. Neben der selektiven Wirkung des dualen Ausbildungssystems zeigt sich aber auch bei der universitären Ausbildung, dass junge Erwachsene aus bildungsfernen Sozialschichten dort weniger stark vertreten sind als junge Erwachsene aus bildungsnahen Sozialschichten. Der Frage, warum an deutschen Universitäten vor allem Arbeiterkinder unterrepräsentiert sind, gehen Walter Müller und Reinhard Pollak nach. Sie kommen zu dem Schluss, dass die zu treffenden Entscheidungen und die große Anzahl verschiedener berufsbezogener Ausbildungsgänge kumulativ dazu beitragen, und dass die Universitätsausbildung keine große Attraktivität auf Kinder von Arbeitern ausübt. Ein sehr gewichtiger Grund für den geringen Anteil an Arbeiterkindern an der Universität stellt sicher die frühe Entscheidung der Eltern dar, welche Schulausbildung das Kind anstreben soll. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die in Deutschland vorhandene große Vielfalt berufliche Ausbildungen zu erwerben und durch eine derartige Ausbildung den Zugang zu internen oder fachspezifischen Arbeitsmärkten zu erlangen den Anreiz schmälert eine universitäre Ausbildung anzustreben. In Deutschland besteht die Möglichkeit durch die Absolvierung einer beruflichen Ausbildung leicht einer mittleren Statusund Einkommensgruppe anzugehören. In Verbindung mit der frühen Schullaufbahnentscheidung werden berufliche Anreize gesetzt, die den von bildungsfernen Gruppen als unsicher eingeschätzten Weg der universitären Ausbildung eher in das Hintertreffen geraten lassen. So zeigen die Autoren mit einem kumulativen Datensatz, dass zwar die soziale Ungleichheit, das Abitur zu erwerben, in der Kohortenabfolge geringer geworden ist, aber dafür der weitere Bildungsweg, insbesondere der Übergang in die Universität, immer enger an die soziale Herkunft gekoppelt ist (siehe auch den Beitrag von Becker in diesem Band). Sie schließen daraus, dass die Vielzahl institutionalisierter Bildungsübergänge im
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Lauterbach und Becker
deutschen Bildungswesen, insbesondere die berufsbildenden Alternativen, sowohl eine geringe Studierquote als auch eine ausgeprägte soziale Selektivität nach sozialer Herkunft beim Zugang zum Studium zur Folge haben. In ihrem Beitrag über lebenslanges Lernen und soziale Inklusion konstatieren Klaus Schömann und Janine Leschke, dass man in Deutschland noch weit entfernt sei von einem systematischen Ansatz des lebenslangen Lernens, und vertreten die provokante These, dass allzu großes Vertrauen in die Marktmechanismen beim Zugang zur beruflichen Weiterbildung tendenziell zur Fortschreibung bzw. Verstärkung sozialer Ungleichheiten geführt habe. Zunehmende Tendenzen, rasche Bildungserträge über berufliche Weiterbildung realisieren zu wollen, haben in Phasen gesamtwirtschaftlicher Stagnationen und Rezessionen verstärkt zur sozialen Selektivität von Weiterbildungschancen geführt. Neben der Selbstselektion ist die Fremdselektion ein weiterer Mechanismus, über den Arbeitgeber den Zugang ihrer Beschäftigten zu Weiterbildungsmaßnahmen steuern. Vor allem partizipieren langfristig diejenigen Beschäftigtengruppen an beruflicher Weiterbildung, die bereits aufgrund ihrer höheren Bildung und Platzierung in internen Arbeitsmärkten ohnehin schon privilegiert sind. Selektive Vorteile beim Zugang zur institutionalisierten und daher allgemein anerkannten beruflichen Weiterbildung führen über sozial ungleiche Bildungschancen zu verschärften Ungleichheiten auf den Arbeitsmärkten und in den Berufsverläufen. Hierbei vergrößern sich – verstärkt durch die institutionellen Barrieren im Weiterbildungssektor – die Disparitäten in Bezug auf Bildung, Einkommen, Sozialstatus und Lebenschancen zwischen den besser gebildeten und den un- und angelernten Erwerbspersonen. Bildungsprozesse finden aber nie in einem leeren gesellschaftlichen Raume statt. Fragen nach der möglichen Einflussnahme der Bildungspolitik auf individuelle Lernprozesse stellt Volker Müller-Benedict. In einer Simulationsstudie über die Grenzen politischer Einflussnahme untersucht er die intendierten und nicht intendierten Folgen staatlicher Bildungspolitik. Müller-Benedict kommt insgesamt zu einer eher pessimistischen Einschätzung: Sowohl Simulationen als auch konkrete Bildungspolitik stellen ein unsicheres Unternehmen dar, weil sie langfristig angelegt sind und nicht deutlich ist, ob die avisierten Ziele tatsächlich auch erreicht werden können. Grund für diese Skepsis ist die Tatsache, dass langfristige Bildungsprogramme an den sich im Zeitverlauf ändernden Randbedingungen scheitern können. Sehr interessant ist daher der aus dem einfachen Modell vorgestellte Befund, dass Bildungspolitik keine einheitlichen Ergebnisse liefern kann. Das bildungspolitische Programm kann je nach der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Schülerschaft förderlich oder wenig förderlich sein. So leitet der Autor daraus die Erkenntnis ab, dass kleinräumige schulnahe Programme zur Erreichung einer besseren „Exzellenz“ besser geeignet seien als großräumige bildungspolitische Programme. Über das deutsche Bildungssystem schreibt der Autor sehr deutlich, dass der deutsche „Sonderweg“ einer späten Einschulung, eines im frühen Alter des Kinder selektierenden Systems und einer besseren schulischen Ausstat-
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tung erst am Ende der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II offenbar nicht geeignet seien, hohe Absolventenzahlen aus den höheren Stufen des Systems zu erzielen, wenngleich das System der „Exzellenz“ nicht schadet. 3.
Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen?
Fasst man zentrale Befunde der einzelnen Beiträge des vorliegenden Bandes zusammen, dann werden auf allen gesellschaftlichen Ebenen mehr oder weniger bedeutsame Ursachenfaktoren für dauerhafte Bildungsungleichheiten angeführt. Auf der Mikroebene von Individuen werden primäre und sekundäre Herkunftseffekte, also Sozialisationsbedingungen des Elternhauses sowie elterliche Bildungsentscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen für den Bildungsverlauf ihrer Kinder, hervorgehoben. Auf der Mesoebene des Bildungssystems werden Strukturen und institutionelle Regelungen wie etwa vielfältige Verzweigung der möglichen Bildungswege zwischen denen entschieden werden muss oder frühe Bildungsentscheidungen nach der Grundschule sowie Selektions- und Sortierungsprozesse seitens der Bildungseinrichtungen genannt. Schließlich sind auf der Makroebene der Gesellschaft die Bildungsungleichheit verstärkende oder abschwächende Entwicklungen von Bedeutung wie etwa die Nachfrage nach Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder Bildungsreformen oder unerwartete Folgen von Eigendynamiken der Bildungsexpansion. Die Trennung dieser Ursachefaktoren erfolgt hier nur analytisch in idealtypischer Weise, aber es ist offensichtlich, dass sie in einer komplexen Gemengelage miteinander interagieren. Wie diese Interaktionen vonstatten gehen, und wie groß der Beitrag der einzelnen Ursachenkomplexe auf den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen, konnten wir mit dem vorliegenden Band nur teilweise theoretisch fassen und empirisch klären. Viele der sozialen Mechanismen und ihre Gewichte bedürfen einer weitergehenden intensiven Erforschung im Längsschnitt des Lebensverlaufs unterschiedlicher Geburtskohorten, erweitert um dynamische Mehrebenenanalysen, die es erlauben, die einzelnen gesellschaftlichen Ebenen in einen systematischen Bezug zu bringen (Huinink 1992). Aus all den Beiträgen der Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes über Ursachen und soziale Mechanismen von Bildungsungleichheiten dürfte deutlich geworden sein, dass es in der bildungssoziologischen Forschung zahlreiche Bereiche gibt, in denen die theoretischen Grundlagen wie die empirisch fundierten Wissensbestände immer noch als unzureichend zu bezeichnen sind. Zu diesen zählen die komplexen Prozesse der Entscheidungsfindung über Bildungswege in Familien, die Verschränkung von schulinternen Bildungsstrategien und familialen Entscheidungsprozessen, die Kenntnisse über Migrantengruppen und deren Entscheidungsfindung in Familien sowie die Mechanismen der Kumulation von Bildungsungleichheiten im Lebensverlauf und im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung. Nehmen wir Bezug zu unseren Ausführungen in der Einleitung, so kann diese Feststellung zunächst als eine Forderung nach intensiver Forschung über die
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Entstehung von primären und sekundären Effekten der sozialen Herkunft – also Bildungsungleichheiten, die vornehmlich außerhalb des Bildungssystems bzw. innerhalb des Familienkontextes entstehen – und als Plädoyer für die präzise Erfassung von sozialen Mechanismen im Elternhaus in Bezug auf die Bildungsgeschichte ihrer Kinder interpretiert werden. Diese Forderung ist nicht furchtbar neu, aber bislang wenig systematisch in der empirischen Bildungsforschung umgesetzt. 4.
Was sollte eine zukünftige Bildungsforschung leisten, um diesen Anforderungen gerecht zu werden?
Eine erschöpfende Antwort auf die Frage, was eine zukünftige Bildungsforschung leisten solle, um den von uns angemahnten Anforderungen gerecht zu werden, können wir nicht liefern, sondern eher versuchen, Richtungen zu weisen. (1) Zunächst bedarf es weiterer Investitionen in die Theorie- und Modellbildung. Die neueren Rational-Choice-Ansätze, auf die in den einzelnen Beiträgen immer wieder verwiesen wurde, weisen sicherlich in die richtige Richtung, aber sie sind immer noch in mehreren Hinsichten unvollständig. Zum Beispiel stellen Elternhaus und familiale Umwelt immer noch eine „black box“ dar. Um diese zu erhellen, hat die wegen konträrer Befunde gescheiterte schichtspezifische Sozialisationsforschung wenig beigetragen. Aber wir haben empirische Belege dafür, dass entscheidende Grundlagen für dauerhafte Bildungsungleichheiten im Elternhaus und der familialen Umwelt gelegt werden, über die wir noch zu wenig wissen. Wie wird die „zweite Ausbildung zu Hause“ betrieben und worin unterscheiden sich dabei die einzelnen Sozialschichten? Wie entwickeln sich (elterliche) Bildungsaspirationen und wie kommen Bildungsentscheidungen im Familien- und Haushaltskontext tatsächlich zustande? Wie erfolgen Bildungsentscheidungen in späteren Phasen des Lebensverlaufs? Es gibt noch eine große Zahl offener Fragen zur Genese und Reproduktion von Bildungsungleichheiten. (2) Gleichzeitig müssen wir in Zukunft mehr in die Datenerhebung und statistische Modellierung investieren, um Mechanismen und Prozesse der Bildungsungleichheit aufzudecken. Komparativ-statische Querschnittsdaten und retrospektive Längsschnittdaten reichen nicht mehr aus, um mehr als die deskriptive Rekonstruktion von Bildungsbeteiligungen zu leisten. Sinnvoll erscheinen prospektive Erfassungen von Bildungsverläufen unterschiedlicher Geburtskohorten in einem Mehrebenendesign, die Entwicklungsprozesse von Individuen vor ihrer Einschulung bis hin zu unterschiedlichen Bildungsabschlüssen im Lebensverlauf abdecken. Da psychologische Informationen (etwa Betrachtung der kindlichen Entwicklung vor und nach der Einschulung in Bezug auf Leistung, Kompetenzen und Sozialverhalten; Bildungsaspirationen), Austauschprozesse (etwa die Dynamik der Aushandlungen und Entscheidungen zwischen Eltern und Kindern und Lehrern; Einflüsse der Peers) und weitere Kontextinformationen (etwa Unterricht in der Schule; Teilhabe des Elternhauses am Schulgeschehen) zu erfassen sind, die in dieser Form noch nicht als Datensätze vorliegen, müssen entsprechende Längsschnittstudien initiiert
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werden, um eine dauerhafte Beobachtung von Bildungsprozessen zu gewährleisten. Die Dateninfrastruktur der amtlichen Statistik und universitären Bildungsforschung sind in dieser Hinsicht defizitär. (3) Es bedarf einer kumulativen Bildungsforschung mit einer klaren theoretischen und methodischen Stoßrichtung. Weiterführende Forschung über Entstehung von Bildungsungleichheiten und ihre Dauerhaftigkeit ist auch deshalb notwendig, um gänzlich gesicherte Kenntnisse für bildungspolitische Maßnahmen zu erarbeiten. Erst aus empirisch eindeutig belegten Kausalzusammenhängen lassen sich sinnvolle Prognosen und Sozialtechnologien ableiten. So lange kann und will sicherlich die Bildungspolitik nicht warten. Aber eine Ungeduld kann ihr teuer zu stehen kommen, wenn die falschen Schlussfolgerungen für die Initiierung von bildungspolitischen Maßnahmen gezogen werden. Auch muss in die Erforschung von nicht beabsichtigten Konsequenzen rationaler Bildungspolitik investiert werden. So erscheinen viele Empfehlungen des von Bundesbildungsministerin Bulmahn einberufenen „Forums Bildung“ sehr plausibel. Jedoch ist Plausibilität kein Wahrheitskriterium und es mangelt an Grundlagenforschung über die Tragfähigkeit dieser bildungspolitischen Empfehlungen (siehe den Beitrag von Becker oder von Müller-Benedict in diesem Band). 5.
Was könnte die Bildungspolitik aufgrund bildungssoziologischer Ergebnisse tun?
Welche bildungspolitischen Empfehlungen scheinen – abgesehen von ihrer politischen Zielsetzung und Erwünschtheit – zum gegenwärtigen Zeitpunkt angesichts vorliegender Forschungsergebnisse plausibel? Nahe liegend scheinen zum einen Maßnahmen zu sein, die Sozialisationseffekte des Elternhauses und elterlichen Bildungsentscheidung so beeinflussen, dass primäre und sekundäre Effekte der sozialen Herkunft minimiert werden. Zum anderen müssen institutionelle Reformen des Schulwesens bei der Herstellung gleicher Startchancen ansetzen, womit institutionelle Vorkehrungen ins Auge gefasst werden, die zunächst auf Prozesse vor der Einschulung zu etablieren sind. Auch muss die längst überfällige Schulstrukturfrage gestellt werden, wenn bislang frühe Bildungsentscheidungen am Ende der Grundschulzeit zu späteren Zeitpunkten (etwa nach dem neunten oder zehnten Schuljahr) erfolgen sollen. Der nunmehr folgende Kanon ist weder vollständig noch unumstritten hinsichtlich ihrer gesellschaftspolitischen Ausrichtung und ihrer empirischen Absicherung. Aber er gehört zu den meist diskutierten Vorschlägen in der Bildungspolitik. 1.
So muss die Hauptschule ihr Stigma als Restschule verlieren und zu einer aussichtsreichen Alternative bei den Bildungswegen werden. Dazu ist es notwendig, die soziale und ethnische Heterogenität unter den Hauptschülern und das Unterrichtsniveau in der Hauptschule substantiell zu erhöhen. Begonnen werden muss damit bereits im Kindergarten und in der Vorschule. Dieser Weg wird wegen der zu erwartenden Widerstände bei
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den Eltern schwierig sein und wird dann kaum von Erfolg gekrönt werden, wenn die qualifikatorischen Anforderungen bei der Vergabe von Lehrstellen weiterhin mindestens die mittlere Reife als Zugangsberechtigung verlangen, und die Realschule ohnehin eine kostengünstige und Nutzen bringende Alternative zur Hauptschule darstellt. 2.
Die Schule muss für den Ausgleich der herkunftsbedingten Startnachteile gestärkt werden, und zwar sowohl durch die Unterstützung seitens der Kindergärten, Kindertagesstätten und Vorschulen als auch durch die soziale Durchmischung in der Grundschule. Sie muss das Leistungsprinzip und den Leistungswillen durch frühzeitige Förderung und Forderung von Kindern stärken, aber gleichzeitig durch die frühzeitige Förderung sozial benachteiligter Kinder vor der Einschulung und in den ersten Jahren der Grundschule gleiche Startchancen gewähren. Sie muss eine Gratwanderung zwischen Spitzen- und Breitenförderung vornehmen.
3.
Eine weitere Reform des Schulwesens sollte darin bestehen, die frühen, dann de facto kaum zu revidierenden Bildungsentscheidungen da sie wie im deutschen Fall kontinuierlich aufeinander bauend gefällt werden müssen und daher kumulative Konsequenzen haben auf spätere Zeitpunkte zu verschieben. Allerdings dürfen diese Veränderungen nicht auf Kosten der Leistungen und Leistungsfähigkeiten von Schülern und der leistungsbezogenen Selektion seitens des Bildungssystems vorgenommen werden.
4.
Die relativen Bildungskosten für sozial schwächere Sozialschichten sind zu senken. Eine Strategie wie etwa die Erhöhung des BAföGs oder die Einführung von Stipendien für Begabte aus unteren Sozialschichten ist wie mehrfach empirisch belegt wenig aussichtsreich. Vielmehr müssen die subjektiv erwarten Kosten gesenkt werden, die durchaus mit objektiv verfügbaren Finanzmitteln korrelieren. Eltern müssen in die Lage versetzt werden, eigenständig die für die Bildung notwendigen Mittel aufbringen zu können. Hilfreich dabei kann der Ausbau von vorschulischer Betreuung und von Ganztagsschulen sein, wodurch Mütter die berechtigte Chance haben, Familie und Beruf in Einklang zu bringen und einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachzugehen.
5.
Darüber hinaus bieten Leistungen fordernde und fördernde Ganztagsschulen die Chance für den Abbau von Bildungsbarrieren, indem der Einfluss des Elternhauses durch einen langen Schultag verringert wird, und die Verhinderung von sozialer Ausgrenzung. Sie können zur Erhöhung der Sprach- und Lesekompetenzen und zur Vereinfachung elterlicher Bildungsentscheidung bei den unteren Sozialschichten beitragen. Früh-
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zeitig sind die Vorteile des lebenslangen Lernens und die Kompetenzen für lebenslanges Lernen zu vermitteln. 6.
Die Eigeninitiative und Selbstverantwortung der Schulen müssen sichergestellt werden und regelmäßige Evaluationen bei gleichzeitiger Verbesserung der Ausstattung von Schulen selbstverständlich sein. Investitionen in Pädagogik und Didaktik zur Verbesserung des Schulunterrichts verstehen sich von selbst, aber sie müssen durch regelmäßige Weiterbildung von Lehrern, stärkere Leistungsbezogenheit der Lehrtätigkeit und ihrer Entlohnung sichergestellt werden. Voraussetzung ist aber eine Reform der gegenwärtigen Lehrerausbildung in allen Bereichen (einschließlich der Professionalisierung der vorschulischen Kinderbetreuung).
7.
Der ethnischen Homogenisierung in der Hauptschule muss entgegengewirkt werden. Was die Kinder von Migranten betrifft, so muss stärker darauf geachtet werden, dass der Anteil an Migrantenkindern in den Schulklassen nicht zu hoch ist. Befunde zeigen, dass der Anteil nicht über 25 Prozent liegen sollte, ansonsten würde die Leistung in einem Klassenverbund – und vor allem zu Lasten der Migrantenkinder – sinken. Gleichzeitig muss ein Unterrichtsstil eingesetzt werden, der eine weitere ethnische Segregation im Klassenverband und in der Schule verhindert.
Aktive Bildungspolitik wird sicherlich nötig sein. Es wird Illusion bleiben, wenn man mit viel Geduld hoffen würde, dass die Bildungsexpansion ungerechtfertige Bildungsungleichheiten mit ihren Folgekosten selbst auflösen würde (vgl. Becker 2003). Etwa dadurch, dass durch die sukzessive Höherqualifizierung in der Generationenabfolge primäre und sekundäre Herkunftseffekte verschwinden würden. Solange soziale Ungleichheiten bestehen, die mit Klassenstruktur und sozialer Schichtung beschrieben werden können, bedarf es sowohl institutioneller Eingriffe in das Bildungssystem als auch die Schaffung selektiver Anreize für langfristige Bildungsinvestitionen (Becker 2006).
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Lauterbach, Wolfgang, 1960, Prof. Dr., Universität Münster, Institut für Soziologie. Forschungsschwerpunkte: Familien- und Bevölkerungssoziologie, Lebensverlauf- und Sozialstrukturanalyse, Bildungs- und Arbeitsmarktforschung. Neuere Veröffentlichungen: Erwerbseinstieg und erste Erwerbsjahre. Ein Vergleich von vier westdeutschen Geburtskohorten. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 53, 2001 (zus. mit Matthias Sacher); Kinder in Familie und Gesellschaft zu Beginn des 21sten Jahrhunderts. Stuttgart: Lucius & Lucius, 2000 (zus. mit Andreas Lange); Die mulitlokale Mehrgenerationenfamilie. Zum Wandel der Familienstruktur in der zweiten Lebenshälfte. Würzburg: Ergon, 2004; The Change of Generational Relations Based on Demographic Developments – The Case of Germany. Journal of Population Studies, 2003; Armut und Bildungschancen: Auswirkungen von Niedrigeinkommen auf den Schulerfolg am Beispiel des Überganges von der Grundschule auf eine weiterführende Schule. S. 153-173 in: Christoph Butterwegge und Michael Klundt (Hg.): Kinderarmut und Gerechtigkeit. Familien- und Sozialpolitik im demografischen Wandel. Opladen: Leske+Budrich, 2002 (zus. mit Andreas Lange und Rolf Becker). Leschke, Janine, 1976, Diplom-Politologin (Freie Universität Berlin und Université Laval, Quebec), Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Forschungsschwerpunkte: Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, insbesondere Sozialversicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit, Nichtstandardbeschäftigungsverhältnisse, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neuere Veröffentlichung: Activation policies need careful policy design and monitoring: lessons from Canada and Germany in: Serrano Pascual: Are activation models converging in Europe? The European Employment Strategy for young people. ETUI, Brussels, 2004 (zus. mit Isabelle und Klaus Schömann). Müller, Walter, 1942, Prof. Dr. em., Universität Mannheim, Lehrstuhl für Methoden der empirischen Sozialforschung und angewandte Soziologie. Forschungsschwerpunkte: vergleichende Analyse der Sozialstruktur fortgeschrittener Industriegesellschaften, u. a. Erwerbs-, Bildungs- und Klassenstruktur, Bildungssysteme, soziale Ungleichheit und Mobilität. Neuere Veröffentlichungen: The Reemergence of Self-employment. A Comparative Study of Self-employment Dynamics and Social Inequality. Princeton und Oxford: Princeton University Press, 2004 (Hg. mit Richard Arum); Mehr Risiken – mehr Ungleichheit? Abbau von Wohlfahrtsstaat, Flexibilisierung von Arbeit und die Folgen, Frankfurt am Main: Campus, 2003 (Hg. mit Stefani Scherer); Transitions from Education to Work in Europe. The Integration of Youth into EU Labour Markets. Oxford: Oxford University Press, 2003 (Hg. mit Markus Gangl); School-to-Work Transitions in Europe. Analyses of the EULFS 2000 Ad hoc Module. Mannheim: Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung, 2003 (Hg. mit Irena Kogan); Expansion und Erträge tertiärer Bildung in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich. Berliner Journal für Soziologie 12, 2002 (zus. mit Hildegard Brauns und Susanne Steinmann).
Müller-Benedict, Volker, Prof. Dr. disc. pol., Dipl.-Math., Universität Flensburg, Zentrum für Methodenlehre i.Gr. (ZML). Forschungsschwerpunkte: Quantitative Methoden und Empirische Sozialforschung, Modellierung und Simulation, Bildungssoziologie und Sozialstrukturanalyse. Neuere Veröffentlichungen: How do nonlinear relations of social macro variables arise from aggregation of individual decisions? Journal of Mathematical Sociology 40, 2006; Sind Universitätsprüfungen objektiv? Soziologie 34, 2005; Ist Akademikermangel unvermeidbar? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 4, 2002; Xenophobia and Social Closure – a development of a Model from Coleman. JASSS – Journal of Artificial Societies and Social Simulation 1, 2002 (http://www.soc.uk/JASSS/); Grundkurs Statistik in den Sozialwissenschaften. Eine leicht verständliche, anwendungsorientierte Einführung in das sozialwissenschaftlich notwendige statistische Wissen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 20053.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Pollak, Reinhard, 1973, Diplom-Sozialwissenschaftler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Methoden der empirischen Sozialforschung und angewandte Soziologie, Universität Mannheim. Forschungsschwerpunkte: soziale Mobilität, Bildungsungleichheit, Sozialstrukturanalyse moderner Gesellschaften. Neuere Veröffentlichungen: Social mobility in West Germany. The long arms of history discovered? In: Richard Breen (Hg): Social Mobility in Europe. Oxford, 2004; Stichwort: Soziale Mobilität in: Datenreport 2004. Bonn, 2004. Schömann, Klaus, 1961, Prof. Dr., International University Bremen, Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development. Forschungsschwerpunkte: Bildungs- und Arbeitsmarktforschung, Lebensverlauf- und Sozialstrukturanalyse. Neuere Veröffentlichungen: Education, Training and Employment Dynamics – Transitional Labour Markets in the European Union. Cheltenham: Edward Elgar, 2002 (Hg. mit Philip J. O’Connel); „Transparenz von Bildungsabschlüssen in Europa. Sektorale Studien zur Mobilität von Arbeitskräften“. Berlin: Edition Sigma, 2004 (Hg. mit Ralf Mytzek); Klaus Schömann and Maria Jepsen (coordination), 2004: Benchmarking Working Europe. Brussels: European Trade Union Institute. Authoring Chapter 1. Employment and 6. Training participants and training firms (http://www.etuc.org/ETUI/Publications/Bench/Bench04Emp.pdf). Solga, Heike, 1964, Prof. Dr., Professur an der Universität Göttigen, Institut für Soziologie. Forschungsschwerpunkte: Lebensverlauf- und Sozialstrukturanalyse, Bildungs- und Arbeitsmarktforschung, Transformationsforschung. Neuere Veröffentlichungen: Ohne Abschluss in die Bildungsgesellschaft, Verlag Barbara Budrich, 2005; „Ausbildungslosigkeit“ als soziales Stigma in Bildungsgesellschaften. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 54, 2002; Jugendliche ohne Schulabschluss und ihre Wege in den Arbeitsmarkt. S. 710-754 in: Kai S. Cortina, Jürgen Baumert, Achim Leschinsky, Karl Ulrich Mayer und Luitgard Trommer (Hg.): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Strukturen und Entwicklungen im Überblick: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2003. Wagner, Sandra J., 1971, seit Oktober 2004 Lehrbeauftragte im Fach Soziologie an der HumboldtUniversität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie, Lebensverlaufsforschung, Panelstudien, Migrationsforschung. Neuere Veröffentlichungen: Jugendliche ohne Berufsausbildung. Eine Längsschnittstudie zum Einfluss von Schule, Herkunft und Geschlecht auf ihre Bildungschancen. Shaker-Verlag, 2004; Internationale Erfahrungen: Erhebungspraxis von Bildungsdaten bei Personen mit Migrationshintergrund in der amtlichen Statistik ausgewählter Einwanderungsländer. Tagungsband zum Expertenforum „Bildungsdaten und Migrationshintergrund“. AKI und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), 2004 (zus. mit Holger Seibert); Paradoxie der Bildungsexpansion: Die doppelte Benachteiligung von Hauptschülern. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 4, 2001 (zus. mit Heike Solga).