Thomas Casper-Kroll Berufsvorbereitung aus entwicklungspsychologischer Perspektive
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Thomas Casper-Kroll ...
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Thomas Casper-Kroll Berufsvorbereitung aus entwicklungspsychologischer Perspektive
VS RESEARCH
Thomas Casper-Kroll
Berufsvorbereitung aus entwicklungspsychologischer Perspektive Theorie, Empirie und Praxis Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gerd Mannhaupt
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch / Anita Wilke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17906-3
Geleitwort
Im Juni 2010 sagte die Bertelsmann-Stiftung als Ergebnis ihrer Expertenbefragung einen dramatischen Mangel an jungen Arbeitskräften für die nächsten fünf Jahre voraus. In manchen Bundesländern wird die Anzahl der für die duale Berufsausbildung zur Verfügung stehenden jungen Menschen nahezu halbiert werden. Diese Studie verdeutlicht einmal mehr, dass und wie die berufliche Bildung an Bedeutung zunehmen wird. Die Gesellschaft wird in Zukunft mehr und vor allem zielgerichteter Ressourcen in die Ausbildung junger Menschen investieren müssen, um ihnen angemessene Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und der Berufswelt qualifizierten Nachwuchs bereitstellen zu können. Exakt hier setzen die Ideen und Untersuchungen, von denen Herr Casper-Kroll in dem vorliegenden Buch berichtet, an. Dabei kann er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation grundlegende Konzepte der Psychologie mit seinen Erfahrungen aus der Beratung von hochbelasteten jungen Menschen im zweiten Berufsbildungsmarkt kombinieren. Hierfür setzte er sich zunächst mit den entwicklungspsychologischen Konzepten von Havighurst zu den Entwicklungsaufgaben, den Überlegungen von Filip zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse und der Idee der Invulnerabilität, der psychischen Unverwundbarkeit, von Garmezy auseinander und kann sie für die Aufgabe der Verbesserung der Berufsvorbereitung nutzbringend einsetzen. Wie macht er das? Nach einer Skizze dieses wissenschaftlichen Analysehintergrundes erläutert er das psychologische „Werkzeug“, mit dem er versucht, die (soziale) Realität zu erschließen. Er bietet eine differenzierte Analyse der Entwicklungsaufgaben und den zu ihrer positiven Bewältigung notwendigen Entwicklungsressourcen beziehungsweise den eine Bewältigung beeinträchtigenden Entwicklungsbelastungen. Diese Analyse stellt die Basis für die empirische Untersuchung über Gruppenvergleiche der diagnostischen Skalen dar, mit denen er sehr gut nachvollziehbar prüft, ob die theoretischen Annahmen sich in einer Stichprobe von jungen Menschen, die sich in der Berufsvorbereitung befinden, bestätigen lassen. Methodisch ist die Untersuchung deshalb belastbar, weil aufgrund der großen Stichprobe die für die Vergleiche zum Einfluss der jeweiligen Entwicklungsressourcen bzw. -belastungen gebildeten Gruppen nicht überlappen. Die Gültigkeit der Studie und der Befunde ist eindrucksvoll, da Herr Casper-Kroll auf echte Vorhersagen zurückgreifen kann. Anhand der differenzierten Analyse gelingt es ihm, einen Satz von bedeutsamen, Herr Casper-Kroll nennt sie „zentrale“, Entwicklungsaufgaben zu bestimmen.
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Geleitwort
Dies sind „Reflektierte Berufswahl und Berufswahlrealisation“, „Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen“, „Zuversichtliche Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung“ und „Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen“. Hierbei ist zu beachten, dass die Ausprägungen im Niveau an die Möglichkeiten und Bedingungen der hochbelasteten Jugendlichen angepasst sind. Sie werden nicht mit Jugendlichen verglichen, deren Entwicklung ohne Brüche erfolgen konnte, sondern die Unterschiede in den Ausprägungen dieser zentralen Entwicklungsaufgaben für erfolgreiche und nicht-erfolgreiche Absolventen der Berufsvorbereitungsmaßnahme kann Herr Casper-Kroll innerhalb der Gruppe der hochbelasteten Jugendlichen ausmachen und statistisch sichern. Trotz der dadurch eindrucksvollen Güte der Studie muss bedacht werden, dass die Vorhersagen immer auch positive und negative Ausnahmen zulassen. In der Kombination der Begrenzung der Vorhersage, und damit der Bedeutung des aktuellen Prozesses für seinen positiven Verlauf mit der fundierten inhaltlichen Stärke der Analyse der Entwicklungsaufgaben in dieser Phase, liegt der hohe Gewinn für eine Verbesserung der Praxis der Förderung. Ausgehend von diesen Befunden ist nicht nur eine Verbesserung der Diagnose möglich, weil gezielter erfasst werden kann. Sehr viel spannender sind die weitreichenden Konsequenzen für eine verbesserte Förderung und Begleitung der Jugendlichen. Denn sowohl praktisch als auch theoretisch entscheiden nicht allein die vorhandenen oder nicht vorhandenen Belastungen oder Ressourcen, die ein Jugendlicher mit in den Prozess der Berufsvorbereitung hineinnimmt, sondern auch – ich würde es sogar unterstreichen – und vor allem der Verlauf der Maßnahme. Herr Casper-Kroll verfällt dem Trugschluss, dass Entwicklung allein aus den Prädiktoren vorhergesagt werden kann, eben nicht. Ausführlich nimmt er sich der Beschreibung und Analyse verschiedener möglicher Verläufe dieses so belasteten Prozesses der beruflichen Selbstfindung an und illustriert eindrucksvoll und konkret, wo Möglichkeiten der Beeinflussung bzw. Unterstützung von außen liegen. Wer sollte das Buch lesen? Für alle, die in dem Feld der Berufsvorbereitung praktisch tätig sind, bietet das Buch einen praxisnahen und theoretisch fundierten Fundus für ein diagnostisches Instrument, das bei der differenzierten und individuellen Unterstützung der jungen Menschen neue Perspektiven erschließen kann. Diese Perspektiven beruhen eben nicht nur auf den Einschätzungen und Erfahrungen eines langjährigen Praktikers in diesem Bereich, sondern sie sind durch empirische Forschung so abgesichert, dass davon ausgegangen werden kann, dass das diagnostische Instrument und die Empfehlungen für die Förderung substanzielle Unterstützung für die eigene berufliche Praxis bereitstellen können.
Geleitwort
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Aber auch Forscher, die sich mit pädagogischen Feldern auseinandersetzen, in denen Lernen und Entwicklung eben nicht unter den besten Bedingungen stattfindet, sei dieses Buch empfohlen. Es zeichnet sich als ein Beispiel dafür aus, wie Konzepte und Ideen der Grundlagenforschung mit der entsprechenden praktischen Expertise und einem gewissen Quantum an wissenschaftlicher Neugier, Kreativität und Beharrlichkeit auf ein Problem der Praxis übertragen werden können. So ist dieses Buch eine notwendige und erfrischende Ergänzung der Lern- sowie Lehr- und Bildungsforschung mit den Lernern, deren Lernvoraussetzungen eben nicht als durchweg positiv beschrieben werden können, wie z. B. Gymnasiasten und Studierende. Kolleginnen und Kollegen aus der Forschung seien deshalb die Dokumentationen der empirischen Daten zur Lektüre empfohlen. Als aktiver akademischer Lern- und Lehrforscher bin ich davon beeindruckt, wie ein 50 Jahre „altes“ wissenschaftliches Konstrukt wie das der Entwicklungsaufgabe wieder lebendig und kreativ „erneuert“ wird. So können komplexe gesellschaftliche Probleme wie das der Berufsvorbereitung mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnis und Kreativität einer Lösung nähergeführt werden, so dass jeder, der in diesem Feld praktisch oder forschend tätig ist, davon profitieren kann. In diesem befruchtenden Sinne wünsche ich diesem Buch den Erfolg, den es verdient hat, auch um der Zukunft der jungen Menschen willen.
Professor Dr. Gerd Mannhaupt
Vorwort
Ich möchte allen Menschen danken, die mich auf dem Weg zu diesem Buch begleitet und unterstützt haben. Dies ist zu allererst meine Frau Claudia gewesen. Bestärkt und ermutigt haben mich weiterhin Peter Ivankovic, Gerd Mannhaupt, Regina und Tobias Heimann sowie Werner Bohl. Burghard Pampel und Rudolf Schütte danke ich für konstruktives Feedback. Thomas Casper-Kroll
Zusammenfassung
Der Berufsvorbereitungsprozess von benachteiligten Jugendlichen in Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen wurde unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten analysiert. Anhand der sich in diesem Zusammenhang an die Jugendlichen stellenden Entwicklungsaufgaben wurden zu Maßnahmebeginn relevante selbstkonzeptnahe Persönlichkeitsmerkmale erhoben. Zu späteren Zeitpunkten wurde das konkrete Bewältigungsergebnis bzw. das Bewältigungsverhalten auf Seiten der Jugendlichen auf verschiedenen Ebenen erfasst. Die längsschnittlichen Untersuchungsergebnisse an einer Stichprobe von N = 324 Jugendlichen bestätigen das zugrundegelegte Modell der Entwicklungsaufgaben als zentrale Lernfelder der Berufsvorbereitung breit und umfassend, indem dieses neben kritischem Verhalten auch den Maßnahmeerfolg vorherzusagen vermag. Im Einzelnen zeigen die Ergebnisse, dass geringe Belastungen einen erfolgreichen Verlauf, z. B. in Form einer frühen Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis, nicht erklären können, denn dafür sind spezifische Ressourcen notwendig. Berufswahlbezogene Fixierung stellt die umfassendste und häufigste Belastung unter den Jugendlichen dar. Diese führt auf verschiedenen Ebenen zu deutlich beeinträchtigtem Bewältigungsverhalten. An zweiter Stelle führt eine hohe soziale Ängstlichkeit zu passivem und unproduktivem Verhalten, während geringe soziale Ängstlichkeit eine zentrale Ressource für engagiertes Verhalten darstellt. Leistungsmotivation konnte als relative Ressource bestätigt werden, allerdings sind umfassende Motivationsstörungen, z. B. in Form von gelernter Hilflosigkeit, vornehmlich für initiativeloses und erfolgloses Verhalten verantwortlich zu machen. Ein fehlender Regelschulabschluss hat Auswirkungen auf die Qualität des Bewältigungsverhaltens. Diese Belastung kann jedoch durch andere Ressourcen kompensiert werden. Ein geringes Selbstvertrauen für den Umgang mit (berufs-)schulischen Anforderungen ist der Hauptgrund dafür, dass Jugendliche einen direkten Weg in Arbeit statt in eine Ausbildung suchen bzw. finden. Maßnahmeabbrüche und hohe Fehlzeiten sind nicht primär Folge besonders hoher Belastungen, sondern hierfür sind spezifische Problemkonstellationen verantwortlich zu machen. Die empirische Bestätigung der Entwicklungsaufgaben als zentrale und kritische Lernfelder der Berufsvorbereitung liefert konkrete Hinweise auf effektive und zielbezogene pädagogische Interventionen, die Förder- und Qualifizierungsplanung sowie die Maßnahmegestaltung. Ein auf dem Lernmodell basierender Fragebogen macht die Ergebnisse dieser Studie direkt für die praktische Beratungsarbeit nutzbar,
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Zusammenfassung
indem dieser die Sicht der Jugendlichen auf ihre aktuelle Situation in den Vordergrund stellt. Dieser Fragebogen kann jedoch auch in der Maßnahmeentwicklung, der Maßnahmeevaluation oder in anderen Kontexten, in denen es um das Thema einer belasteten Berufswahl und Ausbildungseinmündung geht, Anwendung finden. Eine Projektion der Ergebnisse auf den Zeitverlauf liefert einen Einblick in die Dynamik des Bewältigungsgeschehens und die unterschiedlichen Bewältigungsergebnisse sowie auf zentrale Förderziele für Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen auch unterhalb des Maximalziels „Einmündung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis“.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.1 Berufsvorbereitung unter dem Fokus „Bewältigung kritischer Lebensereignisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2 Konkretisierung der Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.3 Untersuchungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1 In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte . . . . . . . . . 28 3 Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ (Leistungsmotivation und öffentliche Selbstaufmerksamkeit) . . . . . . . . 3.2 Gelungene Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen (Allgemeine Hilflosigkeit und eigene Selbstwertschätzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Flexible Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen (kognitive Flexibilität vs. Rigidität) . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen (Soziale Ängstlichkeit und zwischenmenschliches Vertrauen) . . . . . . . . 3.5 Gelassene Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung (Schulspezifische Hilflosigkeit und Regelschulabschluss) . . . . . . . . . . .
37 37
38 39 39 40
14
Inhaltsverzeichnis
3.6 Reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation (Reaktanz, Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit) . . . . 40 3.7 Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses (private Selbstaufmerksamkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4 Empirische Prüfung der Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
4.1 Untersuchungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5.1 Was sind die zentralen Herausforderungen des Berufsvorbereitungsprozesses? Zentrale vs. periphere Entwicklungsaufgaben . . . . . . . . . . . 5.2 Wovon hängt es ab, mit welchem Erfolg die Herausforderungen der Berufsvorbereitung bewältigt werden? Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Welche Merkmale haben die größte Bedeutung im Förderprozess? Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten . . . . . . . . 5.4 Warum entwickeln Jugendliche Fehlzeiten oder brechen die Maßnahme ab? Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches . 5.4.1 Abbruchprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 79
6 Anwendung des Modells auf die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7 Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Maßnahmeverlauf sowie Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
7.1 Entwicklungsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Entwicklungsressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 85
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang 1.0 Anhang 1.1 Anhang 1.2 Anhang 1.3 Anhang 1.4 Anhang 1.5 Anhang 2.0
Zusammenstellung der Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierung der Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung der Untersuchungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragebogen zur Berufswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellen zur Drei-Faktoren-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale statistische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
58 62
89 92 93 96 100 101 102
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Differenzierungsebenen in dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . 25 Abbildung 2: Schematische Zusammenfassung des Untersuchungsmodells für Entwicklungsressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildung 3: Schematische Zusammenfassung des Untersuchungsmodells für Entwicklungsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildung 4: Wirkung der zentralen Entwicklungsaufgaben . . . . . . . . . . . . 55 Abbildung 5: Wirkung der peripheren Entwicklungsaufgaben . . . . . . . . . . . 56 Abbildung 6: Höchste Effektstärke eines Merkmals als Ressource und/oder Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
Abbildung 7: Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten . 63 Abbildung 8: Wirkungspfade der individuellen Reaktanzneigung . . . . . . . . 64 Abbildung 9: Wirkungspfade der sozialen Ängstlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 66 Abbildung 10: Wirkungspfade der allgemeinen Hilflosigkeit . . . . . . . . . . . . . 69 Abbildung 11: Periphere Entwicklungsaufgaben: Abbruch und Fehlzeiten . . 73 Abbildung 12: Allgemeine Belastung in den Kriteriengruppen . . . . . . . . . . . 75 Abbildung 13: Öffentliche Selbstaufmerksamkeit in den Kriteriengruppen . . 76 Abbildung 14: Private Selbstaufmerksamkeit in den Kriteriengruppen . . . . . 77 Abbildung 15: Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Zeitverlauf für Entwicklungsbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
Abbildung 16: Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Zeitverlauf für Entwicklungsressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Abbildung 17: Bewältigungsverhalten bei der Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben in Abhängigkeit von Entwicklungsressourcen und Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben und assoziierte Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Tabelle 2: Untersuchungsgruppen nach Kategorien des Bewältigungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 3: Hypothesen und Interpretationen am Beispiel der Entwicklungsaufgabe „Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe Beruf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Tabelle 4: Hypothesenformulierung und Versuchsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Tabelle 5: Untersuchungsgruppe nach Lehrgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Tabelle 6: Untersuchungsgruppe nach Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Tabelle 7: Untersuchungsgruppe nach Nationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Tabelle 8: Untersuchungsgruppe nach dem Schulabschluss . . . . . . . . . . . . . 95 Tabelle 9: Mittelwerte „Allgemeine Belastung“ in den Kriteriengruppen . . 101 Tabelle 10: Mittelwerte „private Selbstaufmerksamkeit“ in den Kriteriengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Tabelle 11: Signifikante Differenzen zwischen den Untersuchungsgruppen . 106
1
Einleitung
An der ersten Schwelle – dem Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die Berufsausbildung – stellen sich für Jugendliche entscheidende Weichen für das spätere Leben in Beruf und in der Gesellschaft. Es ist deshalb Ziel Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, konkrete berufliche Perspektiven unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Jugendlichen insbesondere für junge Menschen mit bisher geringen Bildungschancen zugänglich zu machen. Viele Jugendliche haben aus den unterschiedlichsten Gründen Probleme mit dem nahtlosen Übergang von der Schule in die Berufstätigkeit. Dabei können das soziale Umfeld, die schulische Vorbildung, die biographische Entwicklung ebenso eine Rolle spielen wie z. B. das Geschlecht, das Alter, die Nationalität und nicht zuletzt die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Alle genannten Faktoren und das subjektive Erleben von Nichtkontrollierbarkeit des beruflichen Einstiegs können zu Motivationsbeeinträchtigungen, Befindlichkeitseinschränkungen und Bewältigungs- und Entwicklungsproblemen bei der beruflichen Eingliederung führen. Die beeinträchtigende Wirkung von Arbeitslosigkeit auf die psychische Verfassung von Jugendlichen ist empirisch belegt (Schels, 2007). Ziel der Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit ist es, einen möglichst hohen Anteil der Jugendlichen in eine anerkannte Ausbildung zu bringen. Schon mit dem Runderlass 42/96 (später Hega 03/06 aus 2006) hat die Bundesagentur für Arbeit deutlichen Abstand von einer durch feste Curricula geregelten Förderung genommen und für alle Jugendlichen die Erarbeitung eines individuellen Qualifikationsplans (Förderplans) durch die beauftragten Maßnahmeträger vorgesehen. Hiermit stellt sich jedoch die Frage, was konkret und wie bei einem Jugendlichen* individuell gefördert werden soll, um eine berufliche Eingliederung zu erreichen. Diese Frage erscheint nach wie vor hochaktuell, kommt doch eine junge Studie (Werner, Neumann & Schmidt, 2008) zu einem volkswirtschaftlichen Wertschöpfungspotential von 21,5 Milliarden Euro (bis 2015), das sich durch eine intensivere und verbesserte Förderung von Jugendlichen mit Entwicklungshemmnissen in Richtung Beruf und Arbeit realisieren lässt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es nun, Einflussfaktoren, die eine erfolgreiche Bearbeitung der Entwicklungsaufgabe „Berufseinmündung“ in beschriebenen Berufsvorbereitenden Maßnahmen unterstützen oder behindern, zu identifizieren. * Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind auch Frauen gemeint. T. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Einleitung
Die Ergebnisse liefern einerseits Hinweise auf konkrete und zentrale Lern- und Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess. Andererseits werden auf Personenseite relevante persönlichkeitsbezogene Ressourcen und Belastungen aufgedeckt, die u. a. Hinweise darauf geben können, welche Interventionen zur Herstellung von spezifischen Kompetenzen oder Bewältigungsergebnissen notwendig sind, um die Jugendlichen in die Lage zu versetzen, den Berufsvorbereitungsprozess erfolgreich(er) zu durchlaufen. Damit werden empirisch fundierte und konkrete Zieldimensionen auch unterhalb des maximalen Zielniveaus „Ausbildungseinmündung“ identifiziert bzw. nachhaltig begründet. Gleichzeitig wird damit für die Zieldimension „Förderung der Persönlichkeitsentwicklung“, die in bisherigen Publikationen und Forschungen eher stiefmütterlich behandelt wurde, eine konkrete und klare Begründung geliefert. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen deutlich und nachvollziehbar die Zentralität dieser Zieldimension im Förderprozess und deren außerordentliche Relevanz für die Integration in Arbeit und Beruf. Die Ergebnisse verweisen darauf, dass die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen und deren berufliche Integration Hand in Hand gehen und zwischen diesen Zielen keinesfalls ein Dissens besteht.
1.1
Berufsvorbereitung unter dem Fokus „Bewältigung kritischer Lebensereignisse“
Die folgende Untersuchung lässt sich innerhalb des Konzeptes zur Erforschung kritischer Lebensereignisse (Filip, 1981) einordnen, da für die Jugendlichen die Phase der Berufsvorbereitung als Teil der normativen (= für alle geltenden) Entwicklungsaufgabe „Berufsausbildung und Eingliederung in das Erwerbsleben“ verstanden werden kann. Diese ist zunächst eine allgemeine Entwicklungsaufgabe. Festzustellen ist jedoch in unserem Fall, dass bei den hier untersuchten Jugendlichen mindestens ein erstes „Scheitern“ an dieser Aufgabe angenommen werden kann, mündeten sie doch nicht direkt nach Abschluss der Regelschule in ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis ein. Laut Filip stellen kritische Lebensereignisse einen Eingriff in das zu einem Zeitpunkt gegebene Passungsgefüge zwischen Person und Umwelt dar, das die Herstellung eines neuen Gleichgewichts zwischen der Person und der Umwelt erfordert. Diese kritischen Lebensereignisse besitzen für das Individuum „eine emotionale Nichtgleichgültigkeit“ (Filip, 1981), d. h., das Individuum verspürt einen Handlungsdruck, diese Passung wieder herzustellen. Das Scheitern der hier untersuchten Jugendlichen an der ersten Schwelle kann selbst als kritisches Lebensereignis betrachtet werden, da Effekte auf die Selbst-
1.1 Berufsvorbereitung unter dem Fokus „Bewältigung kritischer Lebensereignisse“
21
bewertung und die Bewertung durch andere zu erwarten sind. Filip lieferte ein integrationsstarkes entwicklungspsychologisches Rahmenmodell zur Beschreibung und Analyse von Entwicklungsprozessen, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll. Allerdings lässt sich der in dieser Studie beschrittene Forschungsansatz direkt in das Modell der kritischen Lebensereignisse überführen. Die individuellen Ursachen für eine Nichteinmündung sind im Einzelfall sehr heterogen und oft unklar. Hinweise hierzu liefern die Zuweisungskriterien zu den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (siehe Runderlass 42/96, später HEGA 03/06) der Agentur für Arbeit, in denen Personenmerkmale niedergelegt sind, die eine Förderung in den Berufsvorbereitenden Maßnahmen ermöglichen. Ein Blick auf diese Merkmale verweist auf deren große Heterogenität. Da es sich jedoch allein um deskriptive Merkmale handelt, wird hierdurch die Frage nicht beantwortet, warum im Einzelfall der „normale“ Übergang von der Schule in eine Ausbildung nicht stattgefunden hat bzw. was genau im individuellen Förderprozess wie zu tun ist, um eine berufliche Eingliederung zu befördern oder zu erreichen. In den unterschiedlichen Fachöffentlichkeiten werden je nach Disziplin, theoretischer Orientierung, Forschungstradition, inhaltlichem Focus, politischer Verantwortlichkeit und wohl auch Nutzenerwägungen von Interessenverbänden unterschiedliche Antworten auf die Frage der Nichteinmündung bzw. der Schwierigkeiten bei der Einmündung gegeben. Hier werden z. B. der Mangel an Ausbildungsstellen, die steigende Anforderungen in der Berufsausbildung, die mangelnde Vorbereitung durch die Regelschule auf das Berufsleben, die mangelnden schulischen Kompetenzen der Bewerber, die geringe Leistungsorientierung der Jugendlichen, die Inflexibilität der Bewerber bei der Berufswahl, die Einstellungspraxis der Betriebe (die bestimmte Bewerbergruppen benachteiligt), mangelnde Sprachkenntnisse einzelner Bewerbergruppen, geburtenstarke Bewerberkohorten etc. genannt. Ein großer Teil dieser Einflussfaktoren lassen sich in Filips Modell als „Kontextmerkmale“ eines kritischen Lebensereignisses fassen (Merkmale der Situation, die die individuellen Lösungsmöglichkeiten einer Entwicklungsaufgabe mit beeinflussen). Hier wären z. B. der regionale Ausbildungsstellenmarkt, die Anforderungen der Ausbildungsbetriebe, steigende formale Ausbildungsvoraussetzungen etc. zu nennen. Diese Kontextmerkmale können direkten Einfluss auf das individuelle Bewältigungsverhalten nehmen. Denn in einer angespannten Ausbildungsstellensituation erhält der schwache Bewerber als Reaktion auf seine Bewerbungsbemühungen vermehrt Absagen, was nicht ohne Folgen für sein Selbstbewertungs- und Motivationssystem bleiben sollte. Andererseits lässt sich ein großer Teil der hier untersuchten Merkmale (z. B. die eigene Selbstwertschätzung oder das Selbstvertrauen) auch als Prozessvariablen darstellen und verstehen, die sich in der Auseinandersetzung des Individuums mit
22
1 Einleitung
vorauslaufenden Bedingungen (z. B. den subjektiv erlebten Benachteiligungen der Jugendlichen) und dem Ergebnis der Bewältigung früherer Entwicklungsaufgaben (z. B. Schule) entwickelt haben und nun als motivational-emotional wirkende Faktoren die Bewältigung der Entwicklungsanforderungen der Berufsvorbereitung wieder maßgeblich mit beeinflussen.
1.2
Konkretisierung der Problemstellung
Die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit bieten den Jugendlichen einen Weg, die Eingliederung in das Berufsleben zu erreichen. Hier hat der Jugendliche z. B. die Möglichkeit, sich im Rahmen von Betriebspraktika zu bewähren und auf diesem Wege eventuell in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis einzumünden. Die Frage, wie jedoch eine Förderung mit diesem Ziel bei der Heterogenität und Qualität der Belastungen der Teilnehmer in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zu erreichen ist, ist oft im Einzelfall schwer zu beantworten. Seit drei Jahrzehnten werden im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen durchgeführt, um Jugendlichen, denen der Übergang von der Regelschule in eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle zunächst nicht gelingt, zu unterstützen, zu fördern und schließlich beruflich einzugliedern. Diese Maßnahmen unterscheiden sich von schulischen Maßnahmen (z. B. dem Berufsgrundbildungsjahr oder dem Berufsvorbereitungsjahr), in denen es eher um die Vermittlung praxis- und theoriebezogener Kompetenzen geht. Die theoretische Unterweisung nimmt bei den hier betrachteten Maßnahmen einen geringeren Raum ein als in der Schule. Wesentlicher Bestandteil der hier beforschten Maßnahmen ist der Erwerb betrieblicher Erfahrungen und das Kennerlernen betrieblicher Abläufe im Feld. Diese Konzeption kommt der Zielgruppe motivational entgegen (verbreitete Schulmüdigkeit, häufige schulische Misserfolge), sie bietet Raum für neue Erfahrungen (Berufe handlungsorientiert kennenzulernen), fordert die Jugendlichen (Bewährung in neuer Situation), bietet konkrete Chancen (über ein Praktikum in eine Ausbildung einzumünden) und nimmt die Jugendlichen in ihren Bedürfnissen ernst (Eigenständigkeit, Erwachsensein). Durch die Vermeidung starrer und formalisierter Curricula wurde Raum für eine individuelle Förderung geschaffen. Wie vollzieht sich nun jedoch der Förder- und Bewältigungsprozess in den Maßnahmen, wo liegen Schwierigkeiten, was bringen die Jugendlichen mit und wieso gelangen viele Jugendliche durch die Maßnahmen zu Ihrem Ziel (berufliche Eingliederung in Ausbildung/Arbeit), andere hingegen nicht? So zeigt die Praxis, dass
1.2 Konkretisierung der Problemstellung
23
einige vormals schwache Schüler die Maßnahme engagiert angehen, sich im Praktikum bewähren und einen Ausbildungsplatz angeboten bekommen, andere, vormals gute Schüler sich schwer tun, sich auf einen Beruf festzulegen oder ein erfolgreiches Praktikum abzuleisten. Einige Jugendliche fallen durch hohe Fehlzeiten auf und nutzen jeden möglichen Freiraum für lehrgangsfremde Interessen, viele kommen anderseits regelmäßig und pünktlich, brechen jedoch das Praktikum ab. Manche sind zunächst beruflich unorientiert, finden jedoch schnell eine Perspektive, ein anderer Teil der Jugendlichen hält den ganzen Lehrgang über an einer Berufsperspektive fest, wenngleich sie ahnen, dass sie keine Chance auf Einmündung in diesen Beruf haben. Eine andere Gruppe von Jugendlichen beginnt unauffällig, entwickelt dann jedoch Fehlzeiten und bricht die Maßnahme ab. Alle Versuche seitens der Maßnahmemitarbeiter, diese Jugendlichen wieder zu integrieren, schlagen fehl, viele sind jedoch für pädagogische Interventionen ansprechbar, besuchen die Maßnahme weiter und führen sie erfolgreich zu Ende. Hier sollten Beispiele dafür gegeben werden, welche individuellen Reaktionen im Maßnahmeverlauf zu beobachten sind und wie heterogen sich das Bewältigungsverhalten darstellt. Die vorliegende Arbeit stellt einen Versuch dar, das unübersichtliche Feld des unterschiedlichen Bewältigungsverhaltens zu ordnen sowie diejenigen individuellen Merkmale auf der Persönlichkeitsebene zu identifizieren, die eine produktive Bewältigung der Berufsvorbereitung unterstützen oder die einer effektiven und zielführenden Auseinandersetzung im Wege stehen. Um dies leisten zu können, bedarf es forschungsmethodisch einer für alle Jugendlichen gleichen Bezugsgröße, um das Bewältigungsverhalten davor zu spiegeln. Diese Bezugsgröße wird durch die differenzierte Analyse und Beschreibung der spezifischen, für alle Jugendlichen in den Maßnahmen gleichen entwicklungspsychologischen Situationen und Anforderungen, den Entwicklungsaufgaben, geschaffen. Zu diesem Zweck wird aus entwicklungspsychologischer Perspektive auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben zurückgegriffen und der Prozess der Berufsvorbereitung vor diesem Hintergrund im Hinblick auf seine relevanten Entwicklungsanforderungen und spezifischen Problemfelder zerlegt. Aus psychologischer Perspektive wurde darauf aufbauend auf theoretische Ansätze zurückgegriffen, die individuell unterschiedliches Lern- und Bewältigungsverhalten in der Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungsaufgaben erklären können. Mit Blick auf die in der Fachöffentlichkeit geltende Überzeugung, im Förderprozess insbesondere Ressourcen der Jugendlichen zu identifizieren und mit diesen zu arbeiten, wurde auch in der vorliegenden Studie explizit zwischen Belastungen, die den Entwicklungsprozess hemmen, und Ressourcen, die den Entwicklungsprozess voranbringen, unterschieden.
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1 Einleitung
Aufgrund der oben dargestellten Heterogenität des Bewältigungsverhaltens war es notwendig, möglichst unterschiedliche Formen kritischen oder zielführenden Bewältigungsverhaltens zu erheben und zu klassifizieren, um die Variabilität des Bewältigungsverhaltens einer Analyse zugänglich zu machen. Zusammen mit der Formulierung der sieben spezifischen Entwicklungsaufgaben im Prozess der Berufsvorbereitung und der Erhebung damit assoziierter personenbezogener Merkmale liegt der Untersuchung ein komplexes Analysemodell zugrunde, was nicht allein bei der Ergebnisdarstellung zeitweilig zu hoher Detailliertheit führen musste. Der Gewinn dieses differenzierten Vorgehens liegt jedoch in der fundierten Erhellung der Zusammenhänge und der Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Dies negiert keinesfalls, dass selbstverständlich bestimmte Subgruppen von Jugendlichen unterschiedliche Förderbedarfe haben. Die konzeptuellen Ansätze dieser Studie liegen lediglich auf einem Abstraktionsniveau, auf dem die situativen Entwicklungsanforderungen als für alle (benachteiligten) Jugendlichen als homogen beschrieben werden können. Denn schließlich muss letztlich ein benachteiligter Jugendlicher die gleichen (erfolgreichen) Handlungsschritte unternehmen und gehen, die ein guter Realschüler auch vollziehen muss, um eine stabile berufliche bzw. ausbildungsbezogene Eingliederung zu erreichen, wenngleich Letzterer zweifellos über günstigere Ressourcen verfügt.
1.3
Untersuchungsmodell “Theory without data is fantasy, but data without theory is chaos.” (Edward Lawler)
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde empirisch überprüft, ob bzw. in welchem Maße die individuelle Ausprägung psychologischer Merkmale, die für die Bewältigung von spezifischen Entwicklungsaufgaben des Berufsvorbereitungsprozesses relevant erschienen, einen Einfluss auf das individuelle Bewältigungsergebnis hat. Frühere Forschungen (zu einer Übersicht siehe Flender, 2000) zum Bewältigungsverhalten von Jugendlichen in Berufsvorbereitenden Maßnahmen zeigten, dass defizitorientierte Untersuchungsmodelle (die allein die Belastungen der Jugendlichen fokussieren) unter Vernachlässigung der spezifischen Anforderungen des Berufsvorbereitungsprozesses nur einen eingeschränkten und unbefriedigenden Erklärungswert besitzen. Daher verfolgte die vorliegende Untersuchung das Ziel, die Untersuchungsebenen zu verfeinern, um genauere Betrachtungen und Analysen des Bewältigungsverhaltens zu ermöglichen.
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1.3 Untersuchungsmodell
Präzisiert wurde daher in Anlehnung an das Konzept der „kritischen Lebensereignisse“ (nach der Forderung von Filip, 1981) die Betrachtung der Situation, wie sie in den Entwicklungsaufgaben repräsentiert ist. Differenziert wurde – in Anlehnung an das Konzept der „Invulnerabilität“ (= psychische Unverwundbarkeit, siehe Garmezy, 1985) – auch bezüglich der Wirkungseffekte der untersuchten Merkmale; hier wurde ein bipolares Modell (Ressourcen vs. Belastungen) zugrunde gelegt.
Person
Situation
Verarbeitung
Verhalten z. B. Einmündung in Ausbildung
Entwicklungsressource Merkmal
Entwicklungsaufgabe
z. B. geringe Fehlzeiten Entwicklungsbelastung
z. B. Maßnahmeabbruch
Es wurden für jede der zugrunde gelegten Entwicklungsaufgaben potentiell verhaltenswirksame Merkmale erhoben. Die individuelle Merkmalsausprägung sollte dann in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Entwicklungsaufgabe das Bewältigungsverhalten beeinflussen. Denkbar ist bei „positiver“ Ausprägung des Merkmals eine entwicklungsunterstützende Wirkung (= Merkmal wirkt als Entwicklungsressource) oder bei „ungünstiger“ Ausprägung eine entwicklungshemmende Wirkung (= Merkmal wirkt als Entwicklungsbelastung). Diese Zusammenhänge müssten sich anhand des unterschiedlichen Bewältigungsverhaltens (in den Kriteriengruppen) beobachten und nachweisen lassen.
Abbildung 1: Differenzierungsebenen in dieser Untersuchung
Es wurde entsprechend der Wirkrichtung der Merkmale zwischen Entwicklungsressourcen (Merkmale, die bei einer entsprechenden Ausbildung effektives Verhalten unterstützen) und Entwicklungsbelastungen (Merkmale, die bei entsprechender Ausprägung produktives Verhalten hemmen oder kritisches Verhalten nach sich ziehen) unterschieden. Dieses trägt der Beobachtung aus der Praxis Rechnung, dass aktives und produktives Bewältigungsverhalten nicht allein als Folge fehlender Belastungen erklärt werden können. So kann eine erfolgreiche Einmündung in eine betriebliche Ausbildung nicht allein Folge fehlender Benachteiligung sein, denn dann dürfte dies kaum ein Benachteiligter schaffen, sondern hier müssen auch Ressourcen mitbeteiligt sein. Mit Bezug auf diese Überlegungen wurde daher die Betrachtung des Bewältigungsverhaltens präzisiert, wie sie sich hier in den unterschiedlichen Kriteriengruppen niederschlägt. Gebildet und untersucht wurden neun Kriteriengruppen, die sich
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1 Einleitung
auf der Dimension „aktives“ (zielorientiertes) vs. „passives“ (kritisches) Verhalten einordnen lassen. Analysen der Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten liefern dann Hinweise auf (Entwicklungs-)Belastungen, Analysen der Gruppen mit zielorientiertem Verhalten Hinweise auf (Entwicklungs-)Ressourcen. Abbildung 1 illustriert die Zusammenhänge und Analyseebenen. Nehmen wir zur Erhellung der Zusammenhänge an, wir wollten die Bewältigung der jugendspezifischen Entwicklungsaufgabe „Kontaktaufnahme/Aufbau tieferer Beziehungen zu Personen des anderen Geschlechts“ betrachten, mit der sich ja letztlich alle Jugendlichen auseinandersetzen müssen. Welches Bewältigungsverhalten nun ein Jugendlicher in einer konkreten Situation zeigt, hängt neben anderen Faktoren (z. B. den Wunschvorstellungen über einen zukünftigen Partner, der Passung anwesender Personen zu diesen Wunschvorstellungen, der Gebundenheit in anderen Beziehungen etc.) auch von seiner Schüchternheit ab. Ein selbstsicherer junger Mann wird geringere Widerstände überwinden müssen, um eine für ihn attraktive junge Dame anzusprechen. Das heißt, er wird ein anderes Verhalten zeigen als ein zurückhaltender bzw. schüchterner (Entwicklungsbelastung) junger Mann, der lange zögert. Andererseits können wir uns vorstellen, dass ein sprachlich und sozial kompetenter (Entwicklungsressource) junger Mann nach einer ersten Kontaktaufnahme positivere Reaktionen bei den jungen Damen hervorrufen kann und sich hierdurch bestärkt sehen könnte/sollte, den Kontakt weiter zu intensivieren. Sprachliche und soziale Kompetenz würden wir dann im genannten Zusammenhang gleichermaßen als Entwicklungsressource verstehen, Schüchternheit würde eine Entwicklungsbelastung darstellen. Die unterschiedlichen Wirkungen dieser Entwicklungsressourcen oder Entwicklungsbelastungen würden wir am konkreten Verhalten (Intensivierung/Vermeidung des Kontakts) bei der Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe beobachten können.
2
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
Einen wichtigen Ansatzpunkt dieser Untersuchung stellt das Konzept der „Entwicklungsaufgaben“ (Havighurst, 1972) dar. Demzufolge lässt sich die individuelle Entwicklung als Folge der Lösung umrissener normativer Entwicklungsaufgaben darstellen. Nach Havighurst führt die erfolgreiche Lösung einer Entwicklungsaufgabe zu „Glück und Erfolg (…), während Misserfolg zu Missbilligung seitens der Gesellschaft und (…) zu Schwierigkeiten bei der Bewältigung späterer Aufgaben“ führt (S. 17). Dieser zunächst trivial wirkende Zusammenhang ist jedoch hochbedeutsam zur Beschreibung und Analyse von Entwicklungsprozessen. In diesem Zusammenhang ist eine nähere Betrachtung der beiden jungen Männer hilfreich, die sich mit der Entwicklungsaufgabe „Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht“ beschäftigen. Der schüchterne, zurückhaltende junge Mann wird sehr wahrscheinlich weniger Versuche der Kontaktaufnahme unternehmen als der verbalund sozialkompetente Bewerber. Dadurch wird Letzterer mehr Erfahrungen sammeln und seine Kompetenzen noch weiter entwickeln können. Schließlich wird er sicheres Selbstvertrauen für diese Situationen aufbauen können. Auf diesem Wege hätte er die Entwicklungsaufgabe gut bewältigt, neue Verhaltensstrategien gelernt und situationsspezifische Selbstsicherheit entwickelt. Diese Kompetenzen wird er nun in ähnliche kontaktbezogene Situationen gewinnbringend einbringen können. Dies illustriert eben den Gedanken, dass positiv gelöste Entwicklungsaufgaben zu „Glück und Erfolg“ bei späteren Entwicklungsaufgaben führen. Die Missbilligung der Gesellschaft ist z. B. bei der Entwicklungsaufgabe „Erwerb eines Schulabschlusses“ sehr deutlich zu beobachten, denn das Nichterreichen eines Regelschulabschlusses ist sehr deutlich mit gesellschaftlicher Missbilligung assoziiert. Da Havighurst sich intensiv mit dem Prozess der allgemeinen Entwicklung beschäftigte, spielt das Element der Missbilligung der Gesellschaft bei seinen übergreifenden Entwicklungsaufgaben eine weitaus größere Rolle als in der vorliegenden Analyse. Denn hier wurde auf das Konzept der Entwicklungsaufgabe als Rahmen zurückgegriffen, um die (sehr speziellen) entwicklungsrelevanten Herausforderungen des Berufsvorbereitungsprozesses herauszuarbeiten. Olbrich (1979/1984) und Oerter (1984) legten vertiefte und differenzierte Betrachtungen der entwicklungsgenerierenden Prozesse bei der Lösung von Entwicklungsaufgaben im Jugendalter vor. Der Ansatz der Entwicklungsaufgaben wurde in einer früheren Untersuchung auf den Berufsausbildungsprozess benachteiligter Jugendlicher übertragen, indem dieser T. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
in seine spezifischen Entwicklungsaufgaben differenziert wurde und auf diesem Wege das Abbruchverhalten von Jugendlichen in diesen Maßnahmen nahezu erschöpfend aufgeklärt werden konnte (Casper, Mannhaupt & Ivankovic, 2001). Maßnahmeabbruch stellt sich demzufolge als ein Scheitern an der Lösung klar beschreibbarer und spezifischer Entwicklungsaufgaben des Berufsausbildungsprozesses dar. Ebenso lässt sich das beobachtbare Verhalten der Jugendlichen in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen als Versuch begreifen, die (kritischen) Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung zu bewältigen. Daher erschien es sinnvoll, auch diesen Prozess unter dem Konzept der Entwicklungsaufgaben differenziert zu betrachten und das Bewältigungsverhalten der Jugendlichen davor zu analysieren. Anhand von Mitarbeiterbefragungen, Experteninterviews, Literaturrecherchen (vgl. auch Casper & Mannhaupt, 1997) und der Analyse von Förderverläufen konnten belastbare Vermutungen über die von den Jugendlichen zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben im Rahmen der Berufsvorbereitung gewonnen werden. Die folgende Analyse bezieht sich ursprünglich auf Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der (früheren) Bundesanstalt für Arbeit (Grundausbildungslehrgänge, Lehrgänge zur Verbesserung der individuellen Eingliederungschancen, Förderlehrgänge). Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Ansätze und Ergebnisse auch auf das neue Konzept Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen der (heutigen) Agentur für Arbeit übertragen lassen (vgl. HEGA 03/06), da die lebensweltlichen Anforderungen in dieser Entwicklungsphase an die Jugendlichen (bzw. die zu lösenden Probleme) letztlich die gleichen geblieben sind.
2.1
In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte
Einige der hier angewandten psychologischen Konstrukte haben zwar umfangreiche fachpsychologische Forschungen nach sich gezogen, sind jedoch außerhalb der Fachöffentlichkeit wenig bekannt. Daher sollen diese hier kurz vorgestellt werden. Für den an den Hintergründen vertieft interessierten Leser sind spezifischere Betrachtungen und Grundlagen der entsprechenden Ansätze in Casper (1996) sowie Casper & Mannhaupt (1997) ausführlicher dargestellt. Konstrukte, deren Verständnis für die weiteren Darstellungen wichtiger ist, werden ausführlicher behandelt. 䊏 Reaktanz (Widerstand, Trotz) Die Reaktanztheorie (siehe Dickenberger, Gniech & Grabitz, 1993) beschäftigt sich mit den psychologischen Folgen erlebter Freiheitseinschränkung, wenn das individuelle Bedürfnis nach eigener Entscheidungsfreiheit über Handeln, Denken und Fühlen (insbesondere durch soziale Prozesse) beschränkt wird.
2.1 In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte
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Personen mit geringer Reaktanzneigung sind durchaus in der Lage, mit freiheitseinschränkenden Bedingungen umzugehen und diese zu akzeptieren. Menschen mit hoher Reaktanzneigung hingegen neigen zu hoher Erregung bei Freiheitseinschränkung, in deren Folge sie unter der Entwicklung starker Emotionen (z. B. Wut und Ärger) Reaktanzverhalten zeigen, um die (verlorene) Entscheidungsfreiheit wiederzugewinnen. Die Stärke des Reaktanzverhaltens ist von der erlebten Absolutheit der Freiheitseinschränkung und von der subjektiven Wichtigkeit des bedrohten Verhaltens bzw. der Einstellung oder des Bedürfnisses abhängig. Insbesondere Eltern werden sich rückblickend an die Trotzphase des Nachwuchses erinnern, in der dieses Verhalten extrem ausgeprägt auftaucht(e). In der späteren Entwicklung tritt der gleiche Prozess weiterhin nachweisbar auf, jedoch bei den meisten Personen in abgeschwächter und soziabler Form. In Entscheidungsprozessen tritt in diesem Zusammenhang der interessante Effekt auf, dass die abgelehnte Entscheidungsalternative nach dem Entscheidungsakt mindestens kurzzeitig in der emotionalen Attraktivität aufgewertet wird (da durch den Entscheidungsakt keine Wahlfreiheit mehr bezüglich dieser Alternative besteht, denn gerade in dieser Logik besteht der Entscheidungsakt). Werden persönliche Einstellungen bzw. Kognitionen z. B. durch soziale Sender „bedroht“, kommt es bei Personen mit hoher Reaktanzneigung sogar zu einer Festigung und Fixierung derselben, d. h. die relevante Überzeugung wird noch gestärkt, um sie gegenüber dem „Angriff“ zu immunisieren. Das Reaktanzverhalten besteht nicht endlos fort. Scheitern alle energischen Versuche zur Wiederherstellung der Entscheidungsfreiheit, dann entwickelt das Individuum langsam Hilflosigkeit (siehe unten) und stellt sein Reaktanzverhalten ein (siehe Roth & Bootzin, 1975; Roth & Kubal, 1975; Tennen & Eller, 1977). Blockiert die Freiheitseinschränkung exklusive Wege zur Befriedigung wichtiger Bedürfnisse, kann die sich entwickelnde Hilflosigkeit sehr stark sein und sich auch auf andere Verhaltens- und Handlungsbereiche in depressionsähnlicher Weise ausdehnen. In dieser Untersuchung werden wir die Einschränkung der Berufswahlfreiheit der Jugendlichen und deren Verhaltensfolgen differenziert betrachten. 䊏 Selbstaufmerksamkeit Mit Selbstaufmerksamkeit wird die Hinwendung der Aufmerksamkeit des Individuums auf selbstbezogene Strukturen (z. B. dem Selbstkonzept) und Prozesse (z. B. Gefühle) bezeichnet. Aspekte des Selbstkonzepts sind z. B. nur dann verhaltenswirksam, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wird. Dies erklärt u. a., dass ein positives Selbstkonzept nicht in allen Situationen und jederzeit zu produktivem und aktivem Verhalten führt, während mangelndes Selbstvertrauen nicht generell zur Si-
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2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
tuationsvermeidung und zu passivem Verhalten führt. Experimentell kann man Selbstaufmerksamkeit u. a. durch einen Spiegel oder eine auf die Person gerichtete Kamera auslösen, was zu einer Verstärkung der Wahrnehmung unterschiedlicher Aspekte der eigenen Person führt. Es konnte gezeigt werden, dass Versuchspersonen nach einem erlebten Misserfolg in einem verspiegelten Raum oder vor einer Kamera weniger lange verharrten, bevor sie die Situation verließen als Personen in der gleichen Situation, jedoch ohne Spiegel oder Kamera (Duval, Wicklund & Fine, 1972). Dies hängt mit der Intensivierung der Gefühlswahrnehmung durch den Spiegel oder die Kamera aufgrund der entstandenen Selbstaufmerksamkeit zusammen. Zahlreiche Menschen haben die Folgen von Selbstaufmerksamkeit schon erlebt, als sie z. B. für eine Rede vor ein Auditorium oder eine Gruppe traten. Auch in dieser Situation (Beobachtung durch andere) entsteht Selbstaufmerksamkeit, die aktuellen Gefühle und selbstbezogene Gedanken treten klarer und stärker ins Bewusstsein. Ein weiterer Aspekt ist wichtig, nämlich, dass es unter Selbstaufmerksamkeit zur Ausrichtung des Verhaltens gemäß den eigenen Standards und Überzeugungen kommt. Dies eben deshalb, weil die Aufmerksamkeit (nach innen) auf diese Standards gerichtet wird. So zeigten Experimente, dass Versuchspersonen unter induzierter Selbstaufmerksamkeit (Spiegel) seltener eine vorhandene Gelegenheit nutzen, das eigene Leistungstestergebnis in positive Richtung zu manipulieren als nicht-selbstaufmerksame Personen in der gleichen Situation, jedoch ohne Spiegel (Diener & Wallbom, 1976; nach Schwarzer, 2000, S. 85). Durch Selbstaufmerksamkeit werden also Diskrepanzen zwischen den eigenen Einstellungen und dem eigenen Verhalten verstärkt wahrgenommen und es entsteht eine Motivation, diese Diskrepanz zu verringern. Diese Motivation führte im genannten Experiment zum Unterlassen der Manipulation, während sie im o. g. Experiment zur Situationsflucht führte. Es wurde nun noch eine Unterscheidung zwischen der Hinwendung der Aufmerksamkeit auf öffentliche Selbstaspekte (z. B. eigenes Aussehen, Kleidung, geäußerte Meinungen und Einstellungen) im Gegensatz zu privaten Selbstaspekten (Gefühlen, Wünschen Zielen, Selbstkonzepten) eingeführt sowie darauf hingewiesen, dass es individuelle Unterschiede in Grad und Häufigkeit des Erlebens von Selbstaufmerksamkeit gibt. Zusammenfassend ließ sich bestätigen, das Personen, deren Aufmerksamkeit leicht und schnell auf öffentliche Selbstaspekte gelenkt werden kann (öffentliche Selbstaufmerksamkeit), motiviert sind, sich in ihrem Verhalten und ihren Einstellungen an den sozialen Werten, Regeln und Standards ihrer Bezugsgruppe zu orientieren und ihr Handeln danach auszurichten (siehe Duval, 1976). Personen hingegen, bei denen die Aufmerksamkeit leicht und damit häufig auf private Selbstaspekte gelenkt wird (private Selbstaufmerksamkeit), nehmen ihre Ge-
2.1 In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte
31
fühle intensiver wahr und orientieren sich stärker an den eigenen Einstellungen, Werthaltungen und Zielen. Hoch-privat-selbstaufmerksame Personen betreiben häufigere und intensivere Selbstreflexion. Bei ihnen besteht eine höhere Verhaltens-Einstellungs-Konsistenz. Sie sind sich über ihre eigenen Ziele und Wünsche klarer und sie verfolgen diese beharrlicher. Allerdings wurde auch entdeckt, dass hoch-privatselbstaufmerksame Personen anfälliger für die Entwicklung von Hilflosigkeit sind (Jerusalem, 1984), denn sie neigen durch ihre Selbstzentrierung dazu, die Ursachen für erlebte Misserfolge eher in der eigenen Person zu sehen, statt diese wie weniger Selbstaufmerksame dem Zufall, den Umständen oder anderen Personen zuzuschreiben. Hinzu kommt bei ihnen, dass sie die durch einen Misserfolg ausgelösten belastenden Gefühle intensiver und länger wahrnehmen und sich diese daher stärker auf ihre Grundstimmung niederschlagen können. Auch werden ihre Informationsverarbeitungsprozesse bei der Problemlösung häufiger bzw. leichter durch Gefühle der Angst, Besorgnis und Aufgeregtheit gestört. Die Unterscheidung zwischen hoch-privaten und hoch-öffentlich-selbstaufmerksamen Personen ist theoretischer Natur, auf Persönlichkeitsebene hängen diese Merkmale kaum zusammen, es kommen alle Kombinationen vor. Als sehr kritisch sind hohe Ausprägungen beider Merkmale zu sehen. Denn diese Individuen erleben oft und intensiv einen Widerstreit zwischen dem Impuls, das eigene Verhalten und Wünsche nach den sozialen Standards ihrer Bezugsgruppe oder Bezugspersonen auszurichten. Gleichzeitig erleben sie auch ihr Bestreben sehr intensiv, nach eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen zu handeln. Bei diesen Personen liegt also ein hohes Potential zum Erleben und Entwickeln von Selbstkonflikten vor. Wir werden in dieser Studie untersuchen, welchen Einfluss öffentliche Selbstaufmerksamkeit auf die Bereitschaft hat, gesellschaftliche Normen und Werte zu internalisieren und daraus die Motivation zu entwickeln, die eigene berufliche Entwicklung in den Blick zu nehmen und aktiv zu gestalten. Unter Rückgriff auf die private Selbstaufmerksamkeit wird untersucht, wie die potentiellen Misserfolge und Belastungen (z. B. erfolglose Bewerbungen, Unterliegen gegenüber anderen Bewerbern, direkte und unmittelbare Konfrontation mit hohen Erwartungen der Arbeitgeber, robuste und fordernde Behandlung im Praktikum etc.), die während der Berufsvorbereitung von den Jugendlichen erlebt werden, individuell unterschiedlich verarbeitet und damit verhaltenswirksam werden. 䊏 Gelernte Hilflosigkeit Menschliches Handeln ist nicht durch mechanische Reaktionen auf Umweltreize zu charakterisieren. Der Mensch formuliert Hypothesen und hegt Erwartungen bezüglich des Auftretens von Ereignissen und Ereignisfolgen. Die Theorie der gelernten
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2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
Hilflosigkeit (Seligmann, 1975) beschäftigt sich mit der subjektiven Kontrollierbarkeit von Situationen. Aus dem experimentellen Hilflosigkeitsparadigma heraus wurde versucht, die natürliche Entwicklung subjektiver Unkontrollierbarkeit und die möglichen Folgen für das Individuum zu erklären. Im Mittelpunkt der Hilflosigkeitstheorie steht die fehlende Wahrnehmung von Zusammenhängen zwischen Handlung und Ergebnis. Seligmann geht davon aus, dass aufgrund objektiver Zusammenhänge zwischen dem eigenen Handeln und der darauf folgenden Ergebnisse entsprechend subjektive Kontingenzen aufgebaut werden. Das Individuum hegt bezüglich bestimmter Handlungs-Ergebnis-Verbindungen Erwartungen, die als handlungsleitende Kognitionen aufgefasst werden können, denn von ihnen ist die Handlungsausführung abhängig. Seligmann hat eine solche Kognition als „Kontrollierbarkeit“ bezeichnet. Das Individuum ist dann in der Lage, über zutreffende Handlungs-Ergebnis-Erwartungen Kontrolle über seine Umwelt auszuüben. Personen, die eine Unabhängigkeit der Umweltkonsequenzen von ihren eigenen Handlungen erleben, mangelt es an Kontrollierbarkeit. Bei wiederholter Erfahrung fehlender Kontingenz erleben diese Personen Hilflosigkeit. Dieser Zustand der Hilflosigkeit verursacht Defizite beim zukünftigen Lernen sowie motivationale und emotionale Störungen. Passivität, Nichtverhalten sowie ein negatives Selbstkonzept gehen damit einher. Fehlende Ergebnis-Handlungs-Kontingenz führt letztlich zur Hilflosigkeit, wenn alle dem Individuum zur Verfügung stehenden Handlungen erfolglos erprobt worden sind. Das entscheidende Bestimmungsstück ist jedoch die kognitive Repräsentation der objektiven Verhältnisse. Es genügt also, wenn ein Individuum glaubt, es hätte keine Reaktionen zur Verfügung, um eine gegebene Situation für sich positiv zu verändern, um Hilflosigkeit zu entwickeln. Später wurden weitere Bestimmungsstücke zur Theorie hinzugefügt, nämlich die Kausalattribution (Ursachenzuschreibung). Die Information der Nichtkontrolle muss zunächst anhand kognitiver Mechanismen zu einer Unkontrollierbarkeitsüberzeugung verarbeitet werden. Diese Ursachenzuschreibung erfolgt nach drei Gesichtspunkten: – internal vs. external – stabil vs. variabel – global vs. spezifisch Macht jemand sich selbst für die Nichtkontingenz verantwortlich, so attribuiert er internal. Es wird ein Selbstbezug hergestellt und die Folge ist ein persönlicher Kontrollverlust. Wird die Ursache für die Nichtkontingenz external attribuiert, z. B. weil über einen sozialen Vergleich festgestellt wurde, dass alle anderen Individuen eine bestimmte schwierige Aufgabe auch nicht lösen können – das Nichtlösen also
2.1 In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte
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in der Aufgabe außerhalb der eigenen Person begründet liegt –, entsteht keine verhaltenswirksame Hilflosigkeit. Neben der Internalitätsdimension ist die zeitliche Stabilität der Ursache als weitere Dimension zu nennen. Die Ursache einer Erfolglosigkeit kann relativ überdauernd sein (Mangel an Feinmotorik oder Geschicklichkeit) oder aber nur kurzfristig wirken (z. B. Müdigkeit oder mangelnde Anstrengung). Internale Ursachen müssen also nicht immer zu einer Festschreibung eines Defizits führen. Attribuiert jemand die Nichtkontingenz auf seine Müdigkeit, so erlebt er akute Hilflosigkeit, die schnell vorübergeht. Wird dagegen auf eine zeitstabile internale Ursache attribuiert (z. B. mangelnde Feinmotorik), entsteht chronische Hilflosigkeit. Die dritte Dimension bezieht sich auf die Situationsbreite, für die der Kontrollverlust verallgemeinert wird. Globale Ursachen beinhalten Faktoren, die auch auf andere Verhaltensbereiche einwirken, wie z. B. ein grundlegender Mangel an Intelligenz oder grundlegende Defizite in der sozialen Kompetenz. Spezifische Ursachen wären z. B. mangelnde Rechtschreibung oder ein Hörfehler. Die Situationsgeneralität der Hilflosigkeit ist abhängig von der Globalität der subjektiv vermuteten oder zugeschriebenen Ursache. Das Ausmaß und das Erlebnisprofil der Hilflosigkeit hängt demzufolge davon ab, welches Attributionsmuster das Individuum heranzieht. Führt jemand die wahrgenommene Nichtkontingenz auf internale, stabile und globale Ursachen zurück, so wird seine Hilflosigkeit persönlich, chronisch und global ausfallen, mit den entsprechenden erheblichen motivationalen, kognitiven und emotionalen Defiziten. Die Hilflosigkeitstheorie zog umfangreiche psychologische Forschungen nach sich und wurde grundlegend bestätigt. Wie oben erwähnt kann man Hilflosigkeit in verschiedenen Lebens- und Verhaltensbereichen entwickeln. In dieser Studie werden wir uns mit allgemeiner Hilflosigkeit, also einer Hilflosigkeit, die sich generalisiert auf alle Lebens- und Verhaltensbereiche auswirkt, und schulspezifischer Hilflosigkeit, die sich auf schulisches Lernen bezieht, beschäftigen. 䊏 Soziale Ängstlichkeit Diese umreißt die Tendenz einer Person, sich insbesondere in neuen sozialen Situationen unsicher und unbehaglich zu fühlen. Sozial ängstliche Personen machen sich Sorgen, von den anderen abgelehnt zu werden, und darüber, dass ihnen Zuwendung entzogen werden könnte. In neuen Gruppen brauchen sie länger, um sich mitzuteilen und sich für Kontakte zu öffnen. Sie setzen sich nicht gerne neuen sozialen Situationen aus und vermeiden diese gerne, wenn es möglich ist. Das Reden und Handeln in öffentlichen Situationen fällt ihnen schwer, denn sie sind in diesen Situationen oft
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2 Das Konzept der Entwicklungsaufgaben
sehr aufgeregt. Zusammenfassend definiert Schwarzer (2000) soziale Ängstlichkeit, wie folgt: „Besorgnis und Aufgeregtheit angesichts von sozialen Situationen, die als selbstwertbedrohlich erlebt werden“. Im Folgenden wird die Wirkung von sozialer Ängstlichkeit auf das Bewältigungsverhalten vor dem Hintergrund der vielfältigen und unterschiedlichen neuen sozialen Anforderungen an die Jugendlichen in der Phase der Berufsvorbereitung untersucht.
䊏 Leistungsmotivation Diese umfasst das individuelle Bedürfnis, etwas Schwieriges selbstständig zustande zu bringen, Hindernisse zu überwinden und einen hohen Leistungsstandard zu erreichen, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, zu konkurrieren und aus Leistung die eigene Selbstachtung zu steigern. Leistungsmotivation wurde aus unterschiedlichen Perspektiven breit und umfassend erforscht. Es konnte festgestellt werden, dass hoch Leistungsmotivierte zielorientierter handeln, intensivere positive Emotionen bei Erfolg erleben und sich bei Wahlfreiheit für mittelschwere, für sie realistisch lösbare Aufgaben entscheiden. Die Ursache für Erfolg sehen sie eher in der eigenen Person begründet. Misserfolg führen sie eher auf variable Ursachen (Anstrengung, Pech und Zufall) zurück. Personen mit geringer Leistungsmotivation sind bestrebt, in Leistungssituationen das Auftreten negativer Emotionen (Schuld und Scham) bei Misserfolg zu vermeiden. Dies gelingt ihnen, indem sie für sich eher zu schwere oder zu leichte Aufgaben wählen, da bei leichten Aufgaben die Gefahr eines Misserfolgs gering ist. Bei Misserfolg bei schwierigen Aufgaben droht ihnen kein belastender Selbstbezug (Attribution auf mangelnde Fähigkeit), denn andere lösen die Aufgabe häufig ja auch nicht. Zusammenfassend haben hoch leistungsmotivierte Personen eher die Erwartung bzw. Hoffnung, erfolgreich zu sein, während gering leistungsmotivierte eher erwarten, in Leistungssituationen keinen Erfolg zu haben. Hier soll beleuchtet werden, ob bzw. welchen Einfluss die Leistungsmotivation auf das Bewältigungsverhalten in der Berufsvorbereitung hat. 䊏 Kognitive Flexibilität (im Gegensatz zur Rigidität) Diese umreißt die Offenheit bzw. Flüssigkeit des Einstellungssystems einer Person. Kognitiv flexible Personen lassen sich als eher liberal, tolerant und offen gegenüber neuen Erfahrungen charakterisieren. Sie können sich relativ leicht auf ungewohnte, neue oder auch unstrukturierte Situationen einstellen. Wenig kognitiv flexible Personen haben oft ein starres und rigides Einstellungssystem, sie neigen zu Ärgerreaktion und Intoleranz gegenüber Informationen, die mit ihren Einstellungen nicht
2.1 In dieser Studie angewandte fachpsychologische Konstrukte
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übereinstimmen. Sie tun sich schwer mit Situationen, in denen keine klaren Verhaltensregeln (Handlungsstrukturen) vorgegeben sind. Es ist daher zu untersuchen, ob kognitive Flexibilität einen Einfluss darauf hat, wie effektiv die Jugendlichen mit den neuen, unübersichtlichen und unklaren Situationen in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnamen umgehen. 䊏 Zwischenmenschliches Vertrauen Dieses Persönlichkeitsmerkmal korrespondiert weitgehend mit der allgemeinen Bedeutung dieser Begriffe. Personen mit hohem zwischenmenschlichem Vertrauen können sich unbefangen auf neue Beziehungen einlassen und hegen eher positive Erwartungen an die Interaktion mit ihrem Gegenüber. Soziale Unterstützung können sie gut annehmen. Personen mit einem geringen zwischenmenschlichen Vertrauen neigen zu Misstrauen und hoher Vorsicht in Beziehungen, sie können sich nur schwer auf ein Versprechen anderer ohne Zweifel verlassen. Sie verfügen bzw. pflegen kein breites soziales Stützsystem wie dies hoch zwischenmenschlich-vertrauende Personen tun. Vor dem Hintergrund der Anforderung in der Berufsvorbereitung, tragfähige Beziehungen zu unterschiedlichen neuen Personen aufzubauen, wird die Bedeutung dieses Merkmals für den Bewältigungsprozess hier näher untersucht. 䊏 Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit Dieses umreißt die selbst wahrgenommene Entscheidungsfähigkeit, also die generelle Überzeugung, sich leicht, schnell und sicher entscheiden zu können oder sich eher in Entscheidungssituationen als hadernd, zweifelnd und unentschlossen zu erleben. Im Hinblick auf die Anforderung in der Berufsvorbereitung, eine Berufswahlentscheidung zu fällen, ist es lohnenswert, die Wirkung dieses Merkmals auf den Bewältigungsprozess zu betrachten. 䊏 Eigene Selbstwertschätzung oder Selbstwert Es handelt sich hierbei um die generelle Bewertung der eigenen Person in ihrer Gesamtheit. Positive Selbstwertschätzung wird mit Erfolgszuversicht und aktivem Bewältigungsverhalten in Verbindung gebracht, problemvermeidendes und passives Verhalten oft mit geringer Selbstwertschätzung begründet.
3
Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess
3.1
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ (Leistungsmotivation und öffentliche Selbstaufmerksamkeit)
Mit dieser Entwicklungsaufgabe ist das Individuum gefordert, dem Thema „Beruf und Arbeit“ subjektive Bedeutung im Sinne einer Anforderung zu geben. Laut Havighurst resultiert der subjektive Anforderungscharakter von Entwicklungsaufgaben aus verschiedenen Quellen. Hier nennt er u. a. die Erwartungen der Gesellschaft und/oder individuelle Zielsetzungen und Werte. So wird seitens der Gesellschaft von den jungen Menschen gegen Ende der Regelschulzeit erwartet, dass sie sich in dieser Lebensphase mit dem Thema „Beruf“ auseinandersetzen und ihren Weg in das Berufsleben suchen und finden. Diese Bereitschaft wurde über das Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ (siehe oben) erfasst. Öffentliche Selbstaufmerksamkeit stellt in diesem Sinne für die Jugendlichen eine Bedingung dar, der Entwicklungsaufgabe „berufliche Eingliederung“ eine subjektive Bedeutung zu geben, indem sie versuchen, die an sie herangetragenen (sozialen bzw. gesellschaftlichen) Erwartungen erfolgreich zu erfüllen. Jedoch auch ohne dieses Motiv, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen, kann eine Bereitschaft entstehen, sich der Entwicklungsaufgabe „Berufliche Eingliederung“ zu stellen, nämlich z. B. durch das Setzen individueller und konkreter (Ausbildungs-)Ziele oder das Fällen der individuellen Entscheidung, nach den Jahren des theoretischen Lernens nun endlich „etwas Richtiges machen“ (z. B. arbeiten gehen und Geld verdienen) zu wollen. Dieser Aspekt der zielorientierten Repräsentation der Situation „Berufsvorbereitung“ wurde über das Merkmal „Leistungsmotivation“ erfasst. Bezüglich dieser Entwicklungsaufgabe gibt es Überschneidungen mit den entwicklungstheoretischen Ansätzen zur Berufswahl (vgl. Super, Thompson, Lindemann & Myers, 1979/81; Gottfredson, 1981; Bußhoff, 1989). Zusammenfassend wird also erwartet, dass sich hohe Leistungsmotivation positiv auf das Bewältigungsverhalten auswirkt, also eine Entwicklungsressource darstellt (oder dass mangelnde Leistungsmotivation zu kritischem Verhalten führt, also eine Entwicklungsbelastung darstellt). Hohe (oder geringe) öffentliche Selbstaufmerksamkeit wird als potentielle Entwicklungsressource (oder Entwicklungsbelastung) geprüft. T. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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3 Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess
Die ausformulierten Wirkungen als Entwicklungsressource oder Belastung erscheinen zunächst vielleicht trivial, jedoch werden durch diese differenzierte Unterscheidung später umfassendere Analysen möglich. Darüber hinaus wollen wir uns vor Augen führen, dass im Zusammenhang mit Entwicklungsprozessen der beruflichen Eingliederung die Wirkung einer bestimmten günstig ausgeprägten Kompetenz nicht automatisch die entgegengesetzte Wirkung hat wie eine mangelnde Ausprägung dieser Kompetenz. So besitzen z. B. mangelnde Rechtschreibkenntnisse in Zusammenhang mit der Bewältigung von beruflichen Ausbildungsanforderungen schon ein hohes Problempotential (z. B. beim Anfertigen des Berichtsheftes, bei schriftsprachlich zu bearbeitenden Klassenarbeiten oder Prüfungen, bei der allgemeinen Vermeidung der Beschäftigung mit schriftsprachlichen Anforderungen), während gute und sichere Rechtschreibkenntnisse keine vergleichbar nutzbare Ressource darstellen (müssen). So kann man mangelnde Rechtschreibkenntnisse mindestens aufgrund dieser theoretischen Überlegungen als Entwicklungsbelastung betrachten, während andererseits sichere Rechtschreibkenntnisse keine (gleichwertige) Entwicklungsressource darstellen (müssen). 3.2
Gelungene Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen (Allgemeine Hilflosigkeit und eigene Selbstwertschätzung)
In der modernen Bewältigungsforschung wird davon ausgegangen, dass es in jedem Bewältigungsprozess vor einer konkreten Handlung zu einer Gegenüberstellung des wahrgenommenen Anforderungsniveaus der Situation und den eigenen Bewältigungsmöglichkeiten kommt. Je nachdem, wie der Vergleich ausfällt, werden z. B. Gefühle der Angst, Bedrohung und/oder der Aktivierung valent. Das sich anschließende Bewältigungsverhalten ist vom Ausgang dieses Vergleichsprozesses abhängig. Überwiegt im Vergleich die eigene Kompetenz, führt dies zu zielbezogenem Bewältigungsverhalten, werden die eigenen Kompetenzen als zu gering zur erfolgreichen Bewältigung der Situation eingeschätzt, folgt eher passives und eingeschränktes Bewältigungsverhalten. Als Entwicklungsaufgabe ergibt sich deshalb, ein positives Selbstmodell gegenüber der Situation der Berufsvorbereitung aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Diese Entwicklungsaufgabe erscheint auch deswegen als neue Herausforderung, da die Jugendlichen in der Regelschule eine relativ klare und aufgrund langjähriger Erfahrung berechenbare Situation vorfanden, die relativ viele Möglichkeiten der subjektiv als unbelastend, d. h. kontrollierbar und bewältigbar empfundenen Anpassung bot. Die Situation in der Berufsvorbereitung ist demgegenüber neu. Hier greifen in den meisten Fällen die alten Situationsbewältigungs-, Handlungs- und Inter-
3.4 Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
39
pretationsstrategien nicht mehr, so dass vom Individuum die Entwicklung neuer Standards in Bezug auf das Selbstmodell gefordert wird („Welche Stärken kann ich einbringen, welche Schwächen muss ich beachten?“), um ein „positives“ (jedoch hinreichend realistisches) Selbstbild vor der neuen Situation zu konstruieren und damit die Grundlage für zielbezogenes Bewältigungsverhalten zu legen. Als relevante Merkmale wurden in diesem Zusammenhang „allgemeine Hilflosigkeit“ und „eigene Selbstwertschätzung“ erfasst bzw. als Entwicklungsressource oder Entwicklungsbelastung geprüft. Diese Entwicklungsaufgabe deckt sich in weiten Teilen mit der Perspektive, die lerntheoretische Ansätze der Berufswahl (vgl. Krumboltz & Thorensen,1976) einnehmen.
3.3
Flexible Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen (kognitive Flexibilität vs. Rigidität)
In der vorliegenden Lebensphase wechseln die Jugendlichen aus dem strukturierten Lernumfeld der Regelschule in ein offenes und unübersichtliches Fördersystem. Sie müssen sich vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen Verhaltensanforderungen stellen (einerseits Selbständigkeit bei der Berufswahl, andererseits Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit und Gehorsam in den betrieblichen Praktika zeigen), Strategien der Emotionskontrolle weiterentwickeln (z. B. während der Arbeitszeit das Erledigen der Arbeitsaufgabe über die Befriedigung eigener Bedürfnisse stellen) und sich flexibel zwischen unterschiedlichen Lernorten bewegen (Berufsschule, Bildungsträger und Praktikum). Solche unklaren und ambivalenten Situationen verlangen von den Jugendlichen ein hohes Maß an Verhaltensflexibilität. Hier wurde auf das Merkmal „kognitive Flexibilität“ (vs. „Rigidität“) zurückgegriffen und dessen Wirkung auf die Lösung dieser Entwicklungsaufgabe als Entwicklungsressource und/oder Entwicklungsbelastung untersucht.
3.4
Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen (Soziale Ängstlichkeit und zwischenmenschliches Vertrauen)
Die Jugendlichen sind in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen gefordert, neue Rollen gegenüber verschiedenen Interaktionspartnern (Chef, Kollegen, Meister, Kunden, Berufsschullehrer, Praxisanleiter etc.) einzunehmen und/oder zu entwickeln. Hier muss neues soziales Verhalten generiert, ausprobiert und geübt werden. Zu bedenken ist, dass es u. a. Ziel dieser Bildungsmaßnahmen ist, über ein Betriebspraktikum in ein Ausbildungsverhältnis einzumünden. Es reicht also nicht, die sozialen Beziehungen spannungsfrei zu gestalten. Um die Chancen auf Über-
40
3 Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess
nahme in eine Ausbildung zu steigern, gilt es vielmehr, die eigenen Vorstellungen, Ziele und Erwartungen aktiv in die Rollengestaltung und Kommunikation mit einzubringen. Als relevante Merkmale wurden hier „soziale Ängstlichkeit“ und „zwischenmenschliches Vertrauen“ untersucht, von denen die Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe abhängig sein sollte/könnte.
3.5
Gelassene Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung (Schulspezifische Hilflosigkeit und Regelschulabschluss)
Viele der Jugendlichen in Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen verfügen nur über schwache Schulabschlüsse bzw. schwache schulische Leistungsvoraussetzungen; Misserfolgserlebnisse in Zusammenhang mit der Schullaufbahn sind weit verbreitet. Im Hinblick auf das Anstreben einer Berufsausbildung stellt sich dieses Problem für die Jugendlichen in Gestalt der antizipierten Anforderungen der Berufsschule erneut. Bei der Entscheidung für einen bestimmten Ausbildungsberuf müssen sich die Jugendlichen auch mit diesem Anforderungsbereich auseinandersetzen. Zweifel an den eigenen (schulbezogenen) Bewältigungskompetenzen könnten dazu führen, dass das Maßnahmeziel „Eingliederung in Ausbildung“ nur zögerlich und wenig aktiv verfolgt wird bzw. ein Rückzug aus dieser Anforderungssituation erfolgt. Die sog. matching-Theorien zur Berufswahl (vgl. Holland, 1985) fokussieren in diesem Zusammenhang u. a. die Passung zwischen den fähigkeitsbezogenen Anforderungen eines Berufes und den individuellen Leistungsvoraussetzungen. Untersucht wurde hier das Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“; weiterhin wurde das Bewältigungsergebnis früherer schulischer Entwicklungsaufgaben (Regelschulabschluss vorhanden vs. nicht vorhanden) erhoben. Die Hypothese lautet hier, dass Jugendliche mit einem Regelschulabschluss über effektivere Bewältigungskompetenzen bezüglich schulbezogener Anforderungen verfügen als Jugendliche ohne einen Regelschulabschluss.
3.6
Reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation (Reaktanz, Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit)
Für viele der Jugendlichen kann das (objektiv) realisierbare Berufswahlspektrum als eingeschränkt gelten. Oft reichen die Schulabschlüsse aus formalen Gründen nicht zur Aufnahme der gewünschten Ausbildung, oft sind die Jugendlichen mit ihren Zensuren auf dem Markt nicht konkurrenzfähig. Allokationstheorien der Berufswahl stellen diese Zusammenhänge in den Vordergrund (siehe Daheim, 1967; Schöber, 1975). Bei einem großen Teil der Jugendlichen wird dieses Problem erst im Verlauf der Berufs-
3.7 Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
41
vorbereitenden Maßnahme auf sie zukommen bzw. ihnen bewusst werden. Hier besteht die Aufgabe darin, mit dieser Enttäuschung oder Frustration möglichst produktiv umzugehen und neue und angemessenere Ziele für die eigene berufliche Laufbahn zu finden. Wird Letzteres nicht geleistet, fehlt es den Jugendlichen an einem wichtigen motivationalen Element für einen weiteren konstruktiven Bewältigungsprozess. Es geht also um die Berufswahl bzw., genauer, die Berufswahlrealisation. Entscheidungstheoretische Ansätze (vgl. Vroom, 1964; Ries, 1970) zum Berufswahlverhalten thematisieren die grundlegenden Strukturen und Prozesse in dieser Phase. Hier wurden bezüglich dieser Entwicklungsaufgabe die Merkmale „Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit“ und „individuelle Reaktanzneigung“ erfasst. Ressourcen könnten in diesem Fall ein positives Konzept der eigenen Entscheidungssicherheit sowie eine geringe Reaktanzneigung sein, als Belastung sollten dann die entsprechend entgegengesetzten Ausprägungen dieser Merkmale wirken.
3.7
Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses (private Selbstaufmerksamkeit)
Die Frage der beruflichen Eingliederung hat für Jugendliche eine hohe emotionale Bedeutung. Bei einem Großteil der Jugendlichen wird allerdings bereits ein „Scheitern“ an dieser Aufgabe in dem Sinne erlebt, dass sie nicht direkt nach Abschluss der Regelschule in ein Ausbildungsverhältnis übergehen konnten. Hier und in Bezug auf die vielen möglichen „Misserfolge“ (z. B. eingeschränktes Berufswahlspektrum, erfolglose Bewerbungen, Schwierigkeiten bei der Lösung der vorgenannten Entwicklungsaufgaben) stehen die Jugendlichen vor der Anforderung, trotz dieser möglichen Rückschläge eine möglichst positive emotionale Deutung der weiter anstehenden Aufgaben vorzunehmen, damit sie sich selbst in die Lage versetzen, in der Produktivität und Effektivität ihres Bewältigungsverhaltens nicht nachzulassen und aufzugeben. Als relevantes Merkmal wurde hier „private Selbstaufmerksamkeit“ (depressogene Verarbeitung von Misserfolgen; siehe oben) erfasst. Geringe private Selbstaufmerksamkeit könnte dann als Entwicklungsressource wirken, hohe private Selbstaufmerksamkeit dagegen als Entwicklungsbelastung. Tabelle 1 fasst alle Entwicklungsaufgaben und die mit ihnen assoziierten Merkmale noch einmal zusammen. Für jede der aufgeführten Entwicklungsaufgaben wurden die angeführten Merkmale gewählt, von denen aufgrund der psychologischen Grundlagenforschung zu erwarten war, dass das Bewältigungsverhalten gegenüber der jeweiligen Entwicklungsaufgabe durch die individuelle Ausprägung des Merkmals moderiert bzw. beeinflusst sein sollte. Diese Merkmale wurden für eine empirische Erhebung operationalisiert. Die verwendeten Skalen sind im Anhang 1.3 mit Beispielfragen aufgeführt.
42
3 Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess
Je nach individueller Ausprägung des entsprechenden Merkmals sollte es zu zielbezogener oder kritischer Bewältigung der entsprechenden Entwicklungsaufgabe bzw. zu entsprechendem Bewältigungsverhalten kommen. Tabelle 1: Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben und assoziierte Merkmale Entwicklungsaufgabe
Assoziierte Merkmale
Formulierung als Entwicklungsressource
Formulierung als Entwicklungsbelastung
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Öffentliche Selbstaufmerksamkeit
Hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit und/oder Leistungsmotivation unterstützten die Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“.
Geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit und/oder Leistungsmotivation hemmen die Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf.
Geringe Hilflosigkeit und/oder hohe Selbstwertschätzung stehen für ein robustes und stabiles Selbstmodell.
Hohe Hilflosigkeit und/oder geringe Selbstwertschätzung stehen für ein labiles und verletzbares Selbstmodell.
Leistungsmotivation
Gelungene Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Allgemeine Hilflosigkeit
Flexible Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen
Kognitive Flexibilität (vs. Rigidität)
Hohe kognitive Flexibilität erleichtert die Anpassung.
Geringe kognitive Flexibilität (Rigidität) hemmt/stört die Anpassung.
Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Soziale Ängstlichkeit
Geringe soziale Ängstlichkeit und/oder hohes zwischenmenschliches Vertrauen erleichtern den Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen.
Hohe soziale Ängstlichkeit und/oder geringes zwischenmenschliches Vertrauen hemmen/erschweren den Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen.
Reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation
Indviduelle Reaktanzneigung
Geringe individuelle Reaktanzneigung und/oder positive Selbstsicht der eigenen Entscheidungsfähigkeit unterstützten eine reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation.
Hohe individuelle Reaktanzneigung und/oder negative Selbstsicht der eigenen Entscheidungsfähigkeit erschweren eine reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation.
Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Private Selbstaufmerksamkeit
Geringe private Selbstaufmerksamkeit unterstützt die konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses.
Hohe private Selbstaufmerksamkeit führt zu emotionalen und motivationalen Belastungen im Berufsvorbereitungsprozess.
Gelassene Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung
Schulspezifische Hilflosigkeit
Geringe schulspezifische Hilflosigkeit und/oder ein vorhandener Regelschulabschluss führen zu gelassener Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung.
Hohe schulspezifische Hilflosigkeit und/oder ein nicht vorhandener Regelschulabschluss führen zu angstbesetzter Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung.
Eigene Selbstwertschätzung
Zwischenmenschliches Vertrauen
Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit
(vorhandener) Regelschulabschluss
Die Abbildungen 2 und 3 fassen das gesamte der Studie zugrunde liegende Analysemodell nochmals zusammen. In Abbildung 2 ist der Förderprozess als Funktion der erfolgreichen Lösung der zugrunde liegenden einzelnen Entwicklungsaufgaben aufgrund der empirisch zu bestätigenden Entwicklungsressourcen dargestellt. Das heißt eine empirische Bestätigung der jeweiligen Entwicklungsressource würde eine in der dargestellten Form positiv bewältigte Entwicklungsaufgabe bedeuten. In der
43
3.7 Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Situationsbedingte bzw. „objektive“ Entwicklungsaufgabe
Persönliche Entwicklungsressourcen
erfolgreich gelöste Entwicklungsaufgabe
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Vorhandensein bzw. Aufbau einer positiven Bereitschaft
Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Konstruktive und unbelastende Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
+
+ Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen
Flexible, flüssige und spannungsfreie Anpassung
+ Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Offener, natürlicher und selbstsicherer Umgang
+ Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung
Gelassene und bewusste Antizipation
Berufswahl und Berufswahlrealisation
Realistische und situationsangemessene Berufswahl und Realisation
Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Gelungene Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells
+
+
= Zielbezogener, produktiver und erfolgreicher Förderprozess: – Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis – Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten – Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme – Eingliederung in ein Arbeitsverhältnis
Abbildung 2: Schematische Zusammenfassung des Untersuchungsmodells für Entwicklungsressourcen
44
3 Sieben spezifische Entwicklungsaufgaben im Berufsvorbereitungsprozess
Situationsbedingte bzw. „objektive“ Entwicklungsaufgabe
Persönliche Entwicklungsbelastungen
nicht erfolgreich gelöste Entwicklungsaufgabe
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Geringe bzw. schwache Bereitschaft
Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Belastende Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen
Angespannte, konfliktbehaftete Anpassung
Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Unsicherer, zögerlicher Umgang
+
+
+
+ Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung
Zweifelnde Antizipation
Berufswahl und Berufswahlrealisation
Festhalten an ungeeignetem bzw. kaum realisierbaren Zielberuf
+
+ Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Verlust von Selbstvertrauen und Zuversicht
= Belasteter, kritischer bzw. erfolgloser Förderprozess: – Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive – hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten – passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme – Maßnahmeabbruch
Abbildung 3: Schematische Zusammenfassung des Untersuchungsmodells für Entwicklungsbelastungen
3.7 Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
45
Summe würden diese positiven Bewältigungsergebnisse sich auf der Verhaltensebene in den Kriteriengruppen mit zielführendem Bewältigungsergebnis/Verhalten nachweisen lassen (falls die genannten Wirkungspfade in der Tat so vorhanden sind). In Abbildung 3 sind die Zusammenhänge gleichermaßen für die Wirkung der Merkmale als Entwicklungsbelastung dargestellt. Entsprechend der beeinträchtigenden Wirkung der jeweiligen Entwicklungsbelastungen sollte das Bewältigungsergebnis bezüglich der einzelnen Entwicklungsaufgaben ungünstig bzw. mangelhaft ausfallen. Über alle Entwicklungsaufgaben betrachtet sollten diese schwachen Bewältigungsergebnisse dann zu einem insgesamt belasteten, kritischen oder erfolglosen Förderprozess führen. Dieses würde sich konkret in Form der Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive, einer hohen Quote unentschuldigter Fehlzeiten, passiven und eingeschränkten Verhaltens in der Maßnahme sowie in Form eines Maßnahmeabbruches äußern. In diesen Darstellungen wird im Übrigen der Erklärungswert bzw. die Bedeutung der Entwicklungsaufgaben nochmals sehr plastisch erhellt: einerseits der Aspekt, dass produktive und erfolgreiche Bewältigung grundlegender Entwicklungsaufgaben zu (nach Havighurst) „Glück und Erfolg bei der Lösung späterer Aufgaben“ führt. Andererseits wird die entwicklungspsychologische Gesetzmäßigkeit nachvollziehbar, dass die produktive Lösung aktueller Entwicklungsaufgaben den Aufbau neuer emotionaler, kognitiver und motivationaler Kompetenzen nach sich zieht, welches in der Folge die erfolgreiche Bewältigung breiterer und umfassenderer Entwicklungsaufgaben (hier: Einmündung in eine Ausbildung) ermöglicht.
4
Empirische Prüfung der Zusammenhänge
4.1
Untersuchungsgruppen
Es wurden neun Gruppen mit unterschiedlichem Bewältigungsverhalten/Bewältigungsergebnis im Berufsvorbereitungsprozess zusammengestellt. Das genaue Vorgehen hierbei ist im Anhang 1.1 dargestellt. Die Charakteristika der einzelnen Gruppen sind in Tabelle 2 aufgeführt. Generell lassen sich die Gruppen anhand der Dimension „Zielführendes Bewältigungsverhalten oder Bewältigungsergebnis vs. kritisches Bewältigungsverhalten oder Bewältigungsergebnis unterscheiden. Es wurde versucht, soweit möglich, in Bezug auf das Bewältigungsverhalten komplementäre Gruppenpaare zu bilden, um präzise Vergleiche vornehmen zu können. Das erste Gruppenpaar wird durch die Gruppen „Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis“ vs. „Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive“ gebildet. Den Jugendlichen der ersten Gruppe gelang es, sehr schnell in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis einzumünden. Als Komplementärgruppe wurden Jugendliche zusammengefasst, die die Maßnahme nach Ende der Höchstförderdauer ohne eine berufliche Perspektive beendeten. Beide Gruppen unterscheiden sich also in der Instrumentalität ihres Bewältigungsverhaltens. Ein weiteres komplementäres Paar von Untersuchungsgruppen („aktives und engagiertes Verhalten in der Maßname“ vs. „passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme“) wurde über Verhaltensbeobachtungen der betreuenden MitarbeiterInnen zusammengestellt. Den MitarbeiterInnen wurden Kriterien für zielorientiertes bzw. kritisches Verhalten vorgegeben (siehe Anhang 1.0). Sie sollten nach sechs Monaten Förderung diejenigen Jugendlichen aus ihren Gruppen benennen, die diesen Kriterien am ehesten entsprechen. Die derartig klassifizierten Jugendlichen unterscheiden sich zentral in der Produktivität ihres Bewältigungsverhaltens. Ein weiteres Gruppenpaar wurde aufgrund der Quote unentschuldigter Fehlzeiten im Förderzeitraum gebildet. Die unentschuldigten Fehlzeiten im Gesamtförderzeitraum aller Jugendlichen wurden erhoben und aus diesen Extremgruppen mit den geringsten und den höchsten unentschuldigten Fehlzeiten zusammengestellt. Da sich aus vorherigen Untersuchungen folgern ließ, dass besonders ausgeprägte Benachteiligungen eben nicht die Hauptursache für Maßnahmeabbrüche darstellen sowie dass Maßnahmeabbruch und hohe Fehlzeiten möglicherweise unterschiedT. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
48
4 Empirische Prüfung der Zusammenhänge
liche Ursachen haben, sollten insbesondere Maßnahmeabbrüche sehr differenziert betrachtet werden. Zunächst wurden alle Abbruchfälle (Kriterium: vorzeitige Beendigung der Maßnahme ohne Erreichung des Maßnahmeziels „Eingliederung in Ausbildung“) gesichtet. Aus diesen ließen sich drei homogene Subgruppen nach dem in den Akten angegebenen Abbruchgrund bilden. In diese drei Gruppen ließen sich 75% (N = 31) aller Abbruchfälle einordnen (der Rest wird durch singuläre, externe oder hier wenig relevante Abbruchgründe gebildet, siehe auch Anhang 1.0). Tabelle 2: Untersuchungsgruppen nach Kategorien des Bewältigungsverhaltens Untersuchungsgruppen/Kriteriengruppen Dimension des Bewältigungsverhaltens
Zielführendes bzw. produktives Bewältigungsverhalten/ Bewältigungsergebnis
Kritisches Bewältigungsverhalten/ Bewältigungsergebnis
Instrumentalität
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis (N = 18)
Beendigung der Maßnahme nach Ende des Förderzeitraums ohne berufliche Perspektive (N = 7)
Produktivität
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme (N = 45)
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme (N = 37)
AnnäherungVermeidung der Maßnahme
Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten (N = 47)
Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten (N = 16)
Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis (N = 8)
Abbruch aufgrund des Antritts einer stationären medizinischpsychotherapeutische Maßnahme (N=4) Maßnahmeabbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten (N = 19)
Die hier untersuchten Hauptgruppen von Abbrechern sind dann: Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Rehamaßnahme (10% aller Abbruchfälle); Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten seitens des Trägers (48% aller Abbruchfälle); selbstinitiierter Abbruch mit der Perspektive der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit (17% aller Abbruchfälle). Die Gruppe „hohe Fehlzeiten ohne Abbruch“ unterscheidet sich von der Gruppe „hohe Fehlzeiten mit Abbruch“ dadurch, dass die letztgenannten Jugendlichen auch nach intensiven Bemühungen der betreuenden MitarbeiterInnen (Hausbesuche, Gespräche mit Bezugspersonen, individuelle Angebote zur Maßnahmegestaltung) nicht mehr zur regelmäßigen Mitarbeit und Teilnahme bewegt werden konnten. Die Kriteriengruppe „Selbstabmeldung in Arbeit“ wurde hier der Dimension „Zielorientiertes Verhalten“ zugeordnet (siehe Tabelle 2), da es sich (wenngleich nicht konform zum Maßnahmeziel) im Rahmen des zugrunde liegenden Modells um
4.1 Untersuchungsgruppen
49
eine produktive Bewältigung der Entwicklungsaufgabe „berufliche Eingliederung“ handelt. Die Untersuchungsgruppen wurden exklusiv besetzt (keine Doppelbesetzungen), eine Kontrollgruppe wurde durch den Rest der unklassifizierten Jugendlichen gebildet (N = 123). Vor dem Hintergrund der bekannten forschungspraktischen Schwierigkeiten bei der Untersuchung benachteiligter und/oder behinderter Jugendlicher mittels psychologischer Fragebögen wurden im Rahmen einer Voruntersuchung umfangreiche Reliabilitätsanalysen und Adaptionen des Untersuchungsinstruments vorgenommen. Weiterhin wurde eine sog. Lügenskala zur Identifikation und Zurückweisung fragwürdiger Messungen in der Hauptuntersuchung verwandt. Hinweise hierzu finden sich im Anhang 1.3. Die untersuchten Jugendlichen nahmen an sog. BBE-Lehrgängen, Förderlehrgängen und Grundausbildungslehrgängen im Auftrag der Berufsberatung teil. Eine Beschreibung der Untersuchungsgruppen nach demographischen Merkmalen findet sich im Anhang 1.2, dort finden sich auch Vergleiche von Subgruppen bezüglich der untersuchten Merkmale. Letztlich umfasst die Untersuchungsgruppe Jugendliche mit unterschiedlich hohen Schulabschlüssen (Sonderschulabschluss bis Abitur) mit ihrem gemeinsamen Ziel, in eine betriebliche Ausbildung einzumünden bzw. ihren Weg in das Berufsleben zu finden. Die statistischen Analysen (siehe Anhang 1.2) zeigen, dass es keine belastbaren Hinweise gibt, die dagegen sprechen, die unterschiedlichen Gruppen von Jugendlichen in dieser Untersuchung zusammenzufassen. Zu Förderungsbeginn wurden alle Jugendlichen zweier Jahrgänge Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen hinsichtlich der individuellen Ausprägung der entsprechenden Merkmale mittels Fragebogen untersucht und zu späteren Zeitpunkten das wie in Tabelle 2 dargestellte Bewältigungsverhalten erfasst. Damit handelt es sich um ein längsschnittliches Untersuchungsdesign, wodurch sichergestellt ist, dass späteres Bewältigungsverhalten auf die Ausprägung der Merkmale zu Förderbeginn zurückzuführen ist. Tabelle 3 (siehe S. 50) expliziert am Beispiel der Entwicklungsaufgabe „Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe Beruf“ die geprüften Hypothesen und deren inhaltliche Interpretation bei empirischer Hypothesenbestätigung. Alle geprüften Hypothesen sind im Anhang 1.1 (Tabelle 4) erschöpfend dargestellt.
50
4 Empirische Prüfung der Zusammenhänge
Tabelle 3: Hypothesen und Interpretationen am Beispiel der Entwicklungsaufgabe Entwicklungsaufgabe: „Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe Beruf“ relevante Merkmale
Öffentliche Selbstaufmerksamkeit (Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Normen und Werte)
Leistungsmotivation (Zielbezogene kognitive Strukturierung der Situation „Berufsvorbereitung“)
Zu prüfende Wirkung auf das Bewältigungsverhalten
Geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit wirkt als Entwicklungsbelastung.
Hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit wirkt als Entwicklungsressource.
Geringe Leistungsmotivation wirkt als Entwicklungsbeastung.
Hohe Leistungsmotivation wirkt als Entwicklungsressource.
Statistische Überprüfung
Mittelwertvergleiche Kontrollgruppe gegen Kriteriengruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten
Mittelwertvergleiche Kontrollgruppe gegen Kriteriengruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Mittelwertvergleiche Kontrollgruppe gegen Kriteriengruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten
Mittelwertvergleiche Kontrollgruppe gegen Kriteriengruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Interpretation bei Hypothesenbestätigung
Geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit führt zu kritischem Bewältigungsverhalten = Entwicklungsbelastung.
Hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit führt zu zielbezogenem Bewältigungsverhalten = Entwicklungsressource.
Geringe Leistungsmotivation führt zu kritischem Bewältigungsverhalten = Entwicklungsbelastung.
Hohe Leistungsmotivation führt zu zielbezogenem Bewältigungsverhalten = Entwicklungsressource.
5
Ergebnisse
Das Untersuchungskonzept (Vergleich der Kriteriengruppen mit zielbezogenem oder kritischem Bewältigungsverhalten mit einer Kontrollgruppe) erlaubt eine Spezifizierung der Wirkrichtung eines Merkmals. Die Hypothesen lauteten, dass sich Kriteriengruppen mit zielorientiertem Bewältigungsverhalten (siehe Tabelle 2) auf dem einer spezifischen Entwicklungsaufgabe zugeordneten Merkmal „positiv“ von der Kontrollgruppe unterscheiden sollten (Entwicklungsressource). Auch die komplementären Hypothesen wurden geprüft, ob sich Gruppen mit kritischen Bewältigungsverhalten „negativ“ von der Kontrollgruppe unterscheiden (Entwicklungsbelastung). Entsprechend dem Beispiel in Tabelle 3 wurden die Hypothesen für jede der sieben Entwicklungsaufgaben gebildet und empirisch geprüft. Die Ergebnisse dieser Vergleiche sind in der Tabelle 11 im Anhang 2.0 dargestellt. Die Parameter aller Merkmalsvergleiche wurden dort so standardisiert, dass der Bezugswert einer Merkmalsausprägung in der Kontrollgruppe „0“ entspricht. Die Abweichungen der Kriteriengruppen wurden in Anteile der jeweiligen Standardabweichungen transferiert, so dass die Beträge der Abweichungen (von der Kontrollgruppe) unter den Kriteriengruppen und zwischen den unterschiedlichen Merkmalen direkt vergleichbar sind. Die doch recht breite Bestätigung der Hypothesen unterstreicht die Angemessenheit der theoretischen Überlegungen und des zugrundegelegten Lernmodells. Abbildung 17 (im Anhang 2.0) fasst die Ergebnisse graphisch zusammen. Aufgrund der Unübersichtlichkeit dieser Darstellungen werden im Folgenden unterschiedliche Aspekte der Ergebnisse unter verschiedenen Perspektiven ausführlicher beleuchtet. Zum Verständnis der weiteren Betrachtungen ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass bei empirischer Bestätigung eines Merkmals als Entwicklungsressource oder Entwicklungsbelastung immer auch die dem Merkmal zugrundeliegende Entwicklungsaufgabe als zentral relevant für das Bewältigungsverhalten (und damit den Berufsvorbereitungsprozess allgemein) bestätigt wird. Wir wollen uns im Folgenden mit der Frage beschäftigen, welche Qualität das Bewältigungsverhalten hat, das als Folge der individuellen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben „entsteht“. Aus Abbildung 17 im Anhang 2.0 ist auf der Basis der Daten aus der Tabelle 11 die Verknüpfung zwischen den Merkmalen, dem Bewältigungsverhalten der unterschiedlichen Gruppen sowie den Entwicklungsaufgaben ersichtlich. Die Merkmale sind in Abbildung 17 als EntT. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
52
5 Ergebnisse
wicklungsbelastung (gestrichelter Pfeil) und Entwicklungsressource (durchgezogener Pfeil) dargestellt. Daraus wird deutlich, auf welches Verhalten die Merkmale in Form von Entwicklungsressourcen oder Entwicklungsbelastungen verhaltensbezogen wirken. In den empirischen Analysen ließ sich lediglich ein nicht hypothesenkonformes Ergebnis (bezüglich der öffentlichen Selbstaufmerksamkeit) finden, was wir später noch vertiefen werden. Alle postulierten Entwicklungsaufgaben zeigen sich aufgrund der empirischen Daten als für den Förderprozess bedeutsam. Darüber hinaus macht die Unterscheidung in Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen Sinn, denn nicht alle Merkmale wirken gleichzeitig als Ressource und Belastung, indem sie, je nach Ausprägung effektives und produktives Verhalten unterstützen oder kritisches Verhalten nach sich ziehen. Vielmehr wirken verschiedene Merkmale „nur“ in eine Richtung als Entwicklungsressource oder Entwicklungsbelastung. Auch ist erkennbar und es kann damit als bestätigt gelten, dass zielbezogenes Verhalten sehr klar Ausdruck von Entwicklungsressourcen ist. Das heißt, geringe Belastungen allein können zielbezogenes Verhalten nicht erschöpfend erklären. All diese Aspekte werden wir in den folgenden Kapiteln noch näher beleuchten. Die Analysen verweisen darauf, dass unterschiedliche Facetten kritischen oder zielführenden Verhaltens durch heterogene Entwicklungsbelastungen oder Entwicklungsressourcen erklärt werden können. So wird z. B. später gezeigt werden können, dass unentschuldigte Fehlzeiten, je nachdem, ob sie zum Abbruch führen oder nicht, auf ganz unterschiedliche Problemkonstellationen bei den Jugendlichen zurückzuführen sind. Daneben tauchte auch ein theoretisch „unerwartetes“ Ergebnis auf. Die Gruppe (mit zielbezogenem Verhalten) „Selbstabmeldung in Arbeit“ nämlich erreichte signifikant hohe Werte auf dem kritischen Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“. Hohe schulspezifische Hilflosigkeit führt also zum Anstreben einer direkten Einmündung in Arbeit. Dieses Merkmal sollte nach den theoretischen Überlegungen und den Hypothesen allerdings eigentlich zu kritischem Verhalten führen (was für einen Teil der Jugendlichen auch gilt, wie wir später zeigen werden). Dieser Befund zeigt jedoch andererseits sehr deutlich, dass sich die Jugendlichen aktiv und reflektierend mit sich und ihrer Situation auseinandersetzen und (aus der Außenperspektive möglicherweise risikobehaftete) Wege in Beruf und Arbeit suchen bzw. finden. Denn es gelingt ihnen, mit ihren Belastungen (hohe schulspezifische Hilflosigkeit) konstruktiv und realistisch akzeptierend umzugehen und einen (vielleicht nicht optimalen), jedoch in ihrer aktuellen Situationen gangbaren Weg in Richtung „Beruf und Arbeit“ zu wählen. Diese individuellen Bewältigungswege unterstreichen im Übrigen die Notwendigkeit individueller Qualifizierungspläne so-
5.1 Zentrale vs. periphere Entwicklungsaufgaben
53
wie die Ausrichtung der pädagogischen Förderarbeit auf die individuellen Ziele, Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen der Jugendlichen.
5.1
Was sind die zentralen Herausforderungen im Berufsvorbereitungprozess? Zentrale vs. periphere Entwicklungsaufgaben
Wenngleich die Darstellung in Abbildung 17 unübersichtlich ist, zeigt sie doch ein Muster bezüglich der Qualität der zugrunde gelegten Entwicklungsaufgaben. Es wird nämlich deutlich, dass der Großteil der identifizierten Ressourcen und Belastungen überwiegend in die Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben „Berufswahl und Berufswahlrealisation“, „Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen“, „Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung“ und „Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen“ verwickelt ist. So beziehen sich 16 der aufgedeckten 23 Ressourcen und Belastungen auf die Auseinandersetzung mit diesen vier Aufgaben. Darüber hinaus wirken diese Belastungen oder Ressourcen recht unspezifisch, d. h., sie zeigen Wirkungen in unterschiedlichen Kriteriengruppen bzw. das Verhalten umrissener Kriteriengruppen ist hauptsächlich durch die Auseinandersetzung mit diesen vier Entwicklungsaufgaben erklärbar. Diese vier Entwicklungsaufgaben werden daher als „zentrale Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung“ bezeichnet. Abbildung 4 projiziert diese Zusammenhänge auf diese vier Entwicklungsaufgaben. Dabei wurde auf das Bewältigungsergebnis bei der Auseinandersetzung mit den zentralen Entwicklungsaufgaben aufgrund der bestätigten Entwicklungsressourcen oder -belastungen abgehoben. In dieser Darstellungsform werden die inhaltlichen Zusammenhänge klarer und deutlicher nachvollziehbar. Ein erfolgreicher, engagierter und produktiver Förderprozess ist demzufolge auf Seiten der Jugendlichen dadurch charakterisiert, dass diese einen offenen und flexiblen Umgang mit den neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen der Berufsvorbereitung zeigen (können). Daneben sind diese Jugendlichen in der (die) Lage versetzt (worden), die berufsschulischen Anforderungen der angestrebten Ausbildung gelassen und zuversichtlich zu antizipieren. Hinzu kommt, dass sie realistische berufliche Ziele verfolgen (oder diese mit ihnen erarbeitet wurden). Weiterhin zeichnen sie sich durch Zuversicht und Selbstvertrauen hinsichtlich der Anforderungen der Maßnahme und des Gesamtprozesses aus, sie lassen sich durch Rückschläge und Enttäuschungen nicht entmutigen. Sind die Aufgaben auf diese Weise gelöst, führt dies in der Folge zu einem engagierten, produktiven und erfolgreichen Förderprozess. Die nachweisbaren Ver-
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5 Ergebnisse
haltenseffekte sind: eine frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis, eine geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten sowie ein aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme. Die Ursachen für einen kritischen und belasteten Förderprozess liegen hingegen in den Bewältigungsproblemen bezüglich der zentralen Entwicklungsaufgaben. Diese Jugendlichen zeigen hinsichtlich der sozialen Anforderungen ein eher unsicheres, zögerliches und ängstliches Verhalten, sie neigen zur Vermeidung neuer sozialer Situationen bzw. handeln in diesen Situationen gehemmt, zurückgezogen und wenig aktiv. Sie probieren ungern neues Verhalten aus, dadurch jedoch können sie keine neuen Erfahrungen machen bzw. ihre Ängste abbauen. Mit den berufsschulischen Anforderungen ihres Zielberufes befassen sich diese Jugendlichen mit Zweifeln und Sorgen. Diese Unsicherheit hemmt sie darin, sich zuversichtlich und engagiert ihrem beruflichen Ziel zu nähern. Auch hat der Zielberuf, den diese Jugendlichen verfolgen, wenige Realisierungschancen. Dennoch halten sie an ihm fest und reagieren auf Absagen im Bewerbungsverfahren trotzig mit Fixierung und weiterer emotionaler Aufwertung ihres Wunschberufes. Die verschiedenen kritischen Situationen in der Berufsvorbereitung (Absagen bei Bewerbungen, Unterliegen gegenüber anderen Bewerbern, robuste und fordernde Behandlung im Praktikum, Rückzug einer mündlich gegebenen Ausbildungsstellenzusage, mangelnde Anerkennung und Wertschätzung im Praktikum etc.) beanspruchen ihr Selbstvertrauen und ihre Zuversicht sehr stark, so dass bei ihnen zunehmend Zweifel entstehen, dass bzw. ob sie ihre beruflichen Ziele werden erreichen können. Mit dem Verlust an Zuversicht und Hoffnung stellen sie langsam ihr Engagement ein und erwarten nicht mehr, dass sie ihre Ziele werden erreichen können. Bei sich bietenden Chancen und Möglichkeiten überwiegt bei ihnen zunehmend der Zweifel, ob sich die Anstrengung und der Einsatz dafür überhaupt noch lohnen. Diese Betrachtungen mögen den Eindruck eines Zirkelschlusses erwecken, indem kurzschlüssig einzelnes offensichtlich produktives oder belastetes Verhalten summiert und als erfolgreicher oder kritischer Förderprozess benannt wird. Dies trifft so jedoch nicht zu, eingedenk der Tatsache, dass es sich um eine längsschnittliche Untersuchung handelt. Das heißt, die dargestellten Zusammenhänge fußen auf den Merkmalsausprägungen der Jugendlichen zu Maßnahmebeginn. Es sind also praktisch (bestätigte) „Vorhersagen“ aufgrund der Daten, die zu Maßnahmebeginn erhoben wurden. Die inhaltliche Plausibilität der Zusammenhänge ist daher nicht Ausdruck eines Zirkelschlusses, sondern eine Bestätigung der vermuteten Wirkungspfade aufgrund des formulierten Modells bzw. der abgeleiteten Hypothesen. Gegenüber den oben betrachteten Zusammenhängen bezüglich der zentralen Entwicklungsaufgaben sind die Verhaltenswirkungen der Ressourcen und Belastun-
55
5.1 Zentrale vs. periphere Entwicklungsaufgaben
Spezifisches Bewältigungsergebnis aufgrund empirisch bestätigter Entwicklungsressource
Spezifisches Bewältigungsergebnis aufgrund empirisch bestätigter Entwicklungsbelastung
Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Unsicherer, zögerlicher und ängstlicher Umgang mit neuen sozialen Anforderungen
+
+
Gelassene und zuversichtliche Antizipation berufsschulischer Anforderungen einer Ausbildung
Zweifelnde Antizipation berufsschulischer Anforderungen einer Berufsausbildung
+
+
Reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation
Festhalten an ungeeigneten bzw. kaum realisierbaren Zielberufen
+
+
Gelungene Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Verlust von Selbstvertrauen und Zuversicht gegenüber den Anforderungen der Berufsvorbereitung
= Erfolgreicher, engagierter und produktiver Förderprozess: – Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis – Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme – Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
= Belasteter, kritischer und erfolgloser Bewältigungsprozess: – Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive – Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme – Antritt einer stationären medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme
Abbildung 4: Wirkung der zentralen Entwicklungsaufgaben
gen bei den drei in Abbildung 17 zuoberst aufgeführten Entwicklungsaufgaben („Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe Beruf‘“; „Anpassung an neue, unklare und heterogene situative Anforderungen“, „Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses“) eher verhaltensspezifisch. Diese Reaktionen stehen nicht so sehr im Vordergrund oder sind weit verbreitet. Auch haben die mit diesen Verhaltensweisen assoziierten Entwicklungsaufgaben weniger mit primären Inhalten der Berufsvorbereitung als mit Verhalten zu tun, das sich der Dimension Annäherung-Vermeidung in Bezug auf die Maßnahme umreißen
56
5 Ergebnisse
lässt (Maßnahmeabbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten, „Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten“, „Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten“). Diese Entwicklungsaufgaben sind daher als „periphere Entwicklungsaufgaben“ zu bezeichnen, da nur eine recht isolierte Gruppe Schwierigkeiten bei diesen hat und diese Jugendlichen sehr spezifisches Verhalten zeigen. In Abbildung 5 sind die Zusammenhänge wieder auf das Bewältigungsergebnis bei der Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden (peripheren) Entwicklungsaufgaben heruntergebrochen. Dort ist erkennbar, welche Verhaltenswirkungen von den entsprechenden Entwicklungsressourcen und Belastungen ausgehen. Die Verhaltenswirkungen beim Vorhandensein von Entwicklungsressourcen bezüglich dieser peripheren Aufgaben stellen sich dann so dar: Aufgrund entsprechender Entwicklungsressourcen besteht eine positive Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ und die Anpassung an die neuen, heterogenen und unklaren Anforderungen der Maßnahme oder der konkreten Situation in der Berufsvorbereitenden Maßnahme verläuft problemlos. Ein auf diese Weise verlaufen-
Spezifisches Bewältigungsergebnis aufgrund empirisch bestätigter Entwicklungsressource
Spezifisches Bewältigungsergebnis aufgrund empirisch bestätigter Entwicklungsbelastung
Positive Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Geringe bzw. konflikthafte Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
+
+
Flexible Anpassung an die neuen, heterogenen und unklaren Anforderungen
Angespannte bzw. konflikthafte Anpassung an die situativen Anforderungen
=
+
– Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme – Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Emotional belastete Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
= – Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten – Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Abbildung 5: Wirkung der peripheren Entwicklungsaufgaben
5.1 Zentrale vs. periphere Entwicklungsaufgaben
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der Förderprozess führt auf der Verhaltensebene nachweislich zu aktivem und engagiertem Verhalten und zu einer geringen Quote unentschuldigter Fehlzeiten. Finden sich allerdings Entwicklungsbelastungen bezüglich der peripheren Entwicklungsaufgaben, folgt aus diesen eine geringe oder konfliktbehaftete Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“. Die Bereitschaft ist deshalb für einige Jugendliche konfliktbehaftet, da sie gleichzeitig hohe Werte bei den Merkmalen „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ wie auch „private Selbstaufmerksamkeit“ aufweisen (siehe Tabelle 11 im Anhang 2.0). Hier spielt das einzige, vorne schon erwähnte, nicht hypothesenkonforme Ergebnis hinein, nämlich, dass Maßnahmeabbrecher (nach Entwicklung hoher Fehlzeiten) erhöhte Werte bei dem Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ aufweisen, was aufgrund der theoretischen Überlegungen eigentlich eine Ressource darstellen sollte. Daneben kommt es aufgrund entsprechender Belastungen zu einer angespannten Anpassung an die situativen Anforderungen der Maßnahme. Außerdem liegt eine belastende emotionale Verarbeitung der häufigen und unterschiedlichen Enttäuschungen und Rückschläge im Verlauf der Berufsvorbereitung vor. Die Ergebnisse einer belasteten Auseinandersetzung mit den peripheren Entwicklungsaufgaben äußern sich auf der Verhaltensebene in Form von hohen Fehlzeiten, die bei einer Untergruppe dann in einen Maßnahmeabbruch mündet. Speziell das letztere Verhalten werden wir später noch eingehender und differenzierter betrachten und diskutieren. Festzuhalten ist schon hier: Maßnahmeabbruch und Fehlzeiten entstehen nicht primär aufgrund von Überforderung hinsichtlich der zentralen Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung. Die peripheren Aufgaben haben im Gegensatz zu den zentralen Entwicklungsaufgaben recht wenig mit instrumentellem Maßnahmeerfolg zu tun. Eine inhaltliche Betrachtung verweist vielmehr darauf, dass diese (aus der Perspektive des Förderverlaufs) darüber entscheiden, ob überhaupt ein Förderprozess zustande kommt. Wie sich der Förderverlauf dann von seinem Zielbezug her entwickelt, entscheidet sich aus der Bewältigung der zentralen Entwicklungsaufgaben. Diese Betrachtung erscheint durchaus plausibel, denn mit Jugendlichen, die hohe Fehlzeiten haben oder im Begriff sind, die Maßnahme abzubrechen, lässt sich nicht (mehr) inhaltlich und zielbezogen arbeiten, denn die Voraussetzung dafür ist Anwesenheit. Andererseits ist es jedoch auch so, dass eine positive Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ genauso wie angepasstes Verhalten (geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten) keine deutlichen instrumentellen Ressourcen für die berufliche Eingliederung darstellen. D. h., bereitwillige Mitarbeit in der Maßnahme ist kein Garant für eine chancenreiche berufliche Eingliederung. Dazu braucht es noch weitere Ressourcen (siehe Abbildung 17).
58 5.2
5 Ergebnisse
Wovon hängt es ab, mit welchem Erfolg die Herausforderungen der Berufsvorbereitung bewältigt werden? Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen
Es wurden für alle erhobenen Merkmale Hypothesen aufgestellt und die differenzierte Frage gestellt, ob sie als Entwicklungsressourcen zielbezogenes Verhalten in den entsprechenden Untersuchungsgruppen fördern oder ob sie als Entwicklungsbelastungen zu kritischem Verhalten führen. Dazu liefert Abbildung 6 (auf der Basis der Tabelle 11) einen Überblick über die höchste Effektstärke, die ein Merkmal in einer Kriteriengruppe beim Vergleich mit der Kontrollgruppe erreichte. Daraus wird deutlich, in welche Richtung das jeweilige Merkmal auf das Bewältigungsverhalten wirkt. Zunächst ist aus Abbildung 6 ersichtlich, dass die Unterscheidung zwischen Ressourcen und Belastungen sinnvoll ist, denn nicht alle Merkmale wirken gleichzeitig als Entwicklungsressource und Entwicklungsbelastung, wie z. B. die individuelle Reaktanzneigung. So präsentieren sich die Leistungsmotivation und die Selbstwertschätzung allein als Entwicklungsressource, während die private und die öffentliche Selbstaufmerksamkeit lediglich als Entwicklungsbelastung wirken. Die individuelle Reaktanzneigung, die allgemeine Hilflosigkeit und die soziale Ängstlichkeit wirken stark auf das Bewältigungsverhalten; die kognitive Flexibilität und ein vorhandener bzw. nicht vorhandener Regelschulabschluss tun dies in geringerem Maße. Bemerkenswert ist die relativ geringe Wirkung der Leistungsmotivation allein als Ressource. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieses Merkmal unter den hier untersuchten Jugendlichen defizitär ausgeprägt ist. Es verweist vielmehr darauf, dass die (erfolgreiche oder nicht erfolgreiche) Bewältigung der Berufsvorbereitung nicht in hohem Maße von diesem Merkmal abhängig ist. Eine viel größere Bedeutung haben Motivationsstörungen wie die allgemeine Hilflosigkeit oder die schulspezifische Hilflosigkeit. Ziehen wir hierzu noch die potentiellen Belastungen aufgrund der erhöhten privaten Selbstaufmerksamkeit bei einigen Jugendlichen (siehe vorne: depressogene Wirkung hoher privater Selbstaufmerksamkeit) hinzu, wird dies noch unterstrichen. Ähnliche Schlüsse lassen sich auch aus der Betrachtung der individuellen Reaktanzneigung ziehen. Sie wirkt relativ schwach als Ressource, jedoch überaus valent als Belastung. Inhaltlich lässt sich daraus schließen, dass bei den Jugendlichen nicht „berufswahlbezogene Entscheidungsunsicherheit“ das Verhalten hemmt, sondern mangelnde Realisierbarkeit der individuellen Berufswünsche bzw. Berufsvorstellungen, denn dieses Problem wird über die individuelle Reaktanzneigung erfasst. Damit geht es im Förderprozess in zentraler Weise um den Umgang mit der Enttäuschung und der Frustration, die eigenen beruflichen Vorstellungen und Wünsche nicht oder nur zum Teil verwirklichen zu können.
59
5.2 Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen
Leistungsmotivation
Öffentliche Selbstaufmerksamkeit
Allgemeine Hilflosigkeit Selbstwertschätzung
Kognitive Flexibilität
Reaktanz Soziale Ängstlichkeit
Regelschulabschluss
Schulspezifische Hilflosigkeit Private Selbstaufmerksamkeit –1,2
–1
Belastung
–0,8
–0,6
–0,4
–0,2
0
0,2
0,4
höchste nachgewiesene Effektstärke
0,6
0,8
1
1,2
Ressource
Abbildung 6: Höchste Effektstärke eines Merkmals als Ressource und/oder Belastung
Auf die Zielgruppe und deren Befindlichkeit und Lebenssituation bezogen bedeutet dies allerdings auch, dass Offenheit bei der Berufswahl (infolge einer geringen Reaktanzneigung) den Jugendlichen nicht selbstverständlich in ein Ausbildungsbildungsverhältnis bringt. Dazu braucht es noch weitere Ressourcen, denn die Wirkung von Reaktanz als Entwicklungsressource ist relativ gering. Andererseits führt aber ein starres Verharren bei der Berufswahl (hohe Reaktanzneigung) dazu, dass der Prozess der Berufsvorbereitung massiv gehemmt und gestört wird, eine hohe Reaktanzneigung (Trotz) stellt daher die umfassendste Entwicklungsbelastung dar. Die Selbstwertschätzung taucht allein als Ressource auf. Betrachten wir die Ergebnisse genauer (siehe Tabelle 11 im Anhang 2.0) wird deutlich, dass sich ein positiver Selbstwert allein in den Gruppen „frühe Eingliederung in ein betriebliches Aus-
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5 Ergebnisse
bildungsverhältnis“ und „aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ als Entwicklungsressource nachweisen ließ. Das heißt, nur ein realistisch-positiver Selbstwert unterstützt effektives Verhalten. Empirisch lässt sich die Hypothese, dass geringe Selbstwertschätzung zu kritischem Verhalten führt, hier nicht bestätigen. Für kritisches Verhalten ist vielmehr die allgemeine Hilflosigkeit ein weitaus stärkerer und vor allem nachweisbarer Faktor, wie die Ergebnisse zeigen. Ein vorhandener oder nicht vorhandener Regelschulabschluss präsentiert sich erwartungskonform sowohl als Entwicklungsressource als auch Entwicklungsbelastung (das Merkmal „Schulabschluss“ ist in Abbildung 6 nicht maßstabsgetreu abgebildet). Damit bestätigt sich die Erwartung, dass in früherer Zeit positiv gelöste Entwicklungsaufgaben die Bewältigung späterer Aufgaben unterstützt. Allerdings zeigt sich die Wirkung lediglich in den Gruppen mit einem extrem positiven oder negativen Verhalten (frühe Eingliederung in Ausbildung vs. Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten), was die Absolutheit der Wirkung auf das Verhalten relativiert. Ein Blick in die Tabelle 11 im Anhang 2.0 (Spalte K) zeigt dementsprechend, dass die Variable „Schulabschluss“ in keinem der Komplementärgruppenvergleiche signifikant ist (wie z. B. die Reaktanz oder die allgemeine Hilflosigkeit). Dies bedeutet im Rückschluss, dass sich ein nicht vorhandener Schulabschluss erfolgreich durch andere Ressourcen kompensieren lässt, d. h., dem Schulabschluss nur eine relativ untergeordnete Bedeutung im Bewältigungsprozess zukommt. Bezüglich der schulspezifischen Hilflosigkeit muss auf ein Paradoxon hingewiesen werden, denn diese wirkt trotz eines hohen Entwicklungsbelastungspotentials in der Gruppe „Selbstabmeldung in Arbeit“ als „Entwicklungsressource“ (führt zu zielbezogenem Verhalten = Eingliederung in Arbeit). Genau bei dieser Gruppe konnte eine außerordentlich hohe schulspezifische Hilflosigkeit (Effektstärke >1; siehe Tabelle 11, S. 106 im Anhang) festgestellt werden. Aufgrund dieser Paradoxie wurde der Effekt in Abbildung 6 auch nicht berücksichtigt. Aus psychologischer Perspektive folgen diese Jugendlichen konsequent ihren Lebenserfahrungen, sie fühlen sich in der Schule nicht erfolgreich und entscheiden sich daraus folgend für den direkten Weg in die Arbeitswelt. Dort haben sie mindestens relativ mehr Hoffnung, erfolgreich zu sein. Eindrucksvoller kann sich der Dissens zwischen gesellschaftlichen Erwartungen („Qualifiziere dich, mach eine gute Ausbildung, erwirb einen hohen Schulabschluss“) und der individuellen Befindlichkeit bei jenen Jugendlichen nicht darstellen. Aus psychologischer Sicht kann ihr Weg (zunächst eine Arbeit aufzunehmen) sie jedoch dafür festigen, das Thema „Ausbildung“ später ggf. noch einmal zuversichtlicher anzugehen. Aus der Perspektive der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben ist die Reaktion dieser Jugendlichen jedoch einer persönlichen Entwicklung dienlich und Ausdruck einer produktiven Auseinandersetzung mit der Entwicklungsaufgabe „berufliche Eingliederung“.
5.2 Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen
61
Es muss im Übrigen darauf hingewiesen werden, dass schulspezifische Hilflosigkeit eine sehr rigide und hartnäckige Lernstörung (speziell im hier vorgefundenen Ausmaß mit einer Effektstärke >1) darstellt. Das heißt, für diese Jugendlichen besteht ein hohes Misserfolgsrisiko bei der Auseinandersetzung mit (berufs-)schulischen Anforderungen, das allein durch Stütz- und Förderunterricht nicht selbstverständlich aufgefangen werden kann. Günstiger erscheint es daher, diese Jugendlichen zunächst berufspraktische Erfahrungen sammeln und über diese wieder Selbstvertrauen aufbauen zu lassen, damit sie sich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt gefestigter und selbstsicherer den Herausforderungen einer Ausbildung stellen können. Die Merkmale „Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit“ und „zwischenmenschliches Vertrauen“ werden als Entwicklungsressource oder Entwicklungsbelastung nicht signifikant. Während „zwischenmenschliches Vertrauen“ sich jedoch bei zwei signifikanten Komplementärgruppenvergleichen immerhin isoliert spezifisch auf das Bewältigungsverhalten wirkend zeigt (siehe Tabelle 11 im Anhang 2.0), erweist sich das „Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit“ als überhaupt für das Bewältigungsverhalten irrelevant. Dies verweist nochmals darauf, dass das Hauptproblem der Jugendlichen in der Berufsvorbereitung nur bei oberflächlicher Betrachtung die Klärung der erlebten Berufswahlunsicherheit in Form von: „Ich weiß nicht, welchen Beruf ich wählen will/soll/möchte/kann“ ist, sondern diese erlebte Berufswahlunsicherheit eine Folge der Schwierigkeit der Jugendlichen ist, mit dem eingeschränkten Berufswahlspektrum umzugehen bzw. sich von der starken Fixierung auf die eigenen Wunschvorstellungen zu lösen. Damit allerdings handelt es sich nicht mehr primär um ein Problem, das sich allein durch Bereitstellung und Vermittlung von Informationen (u. a. über die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen oder von berufskundlichem Wissen) bearbeiten lässt. Vielmehr handelt es sich um ein emotionales Problem (siehe die Ausführungen zur Reaktanz), das nur im Rahmen eines individuellen Beratungsprozesses aufgelöst werden kann. Ohne die Bearbeitung dieses Problembereiches wird für einen Teil der Jugendlichen kaum eine Entwicklung in Richtung Arbeit und Beruf stattfinden. Ertelt (1992) liefert einen fundierten Überblick über wichtige Inhalte und Aspekte des Beratungshandelns, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind. Zeichnet man nun ein Bild der persönlichen Voraussetzungen, die ein Jugendlicher haben sollte (hat), um in der Berufsvorbereitenden Maßnahme erfolgreich zu sein, erfolgt dieses anhand der hier identifizierten Ressourcen: Er ist kontaktbereit, natürlich und offen, er kann auf andere zugehen (geringe soziale Ängstlichkeit), er kann wohlwollend-realistisch sowie akzeptierend mit sich selbst umgehen (selbstwertschätzend) und dadurch Selbstsicherheit aufbauen (geringe allgemeine Hilflosigkeit). Er kann sich leicht umstellen und ist in seinen Einstellungen flexibel (hohe kognitive Flexibilität). Frühere Entwicklungsaufgaben (Regel-
62
5 Ergebnisse
schulabschluss) hat er gelöst. Leistung und zielbezogenes Handeln bedeuten ihm etwas (Leistungsmotivation). Er ist berufswahlbezogen flexibel bzw. verfolgt einen realisierbaren Berufswunsch. Sehen wir uns nun den wenig erfolgreichen Jugendlichen mit kritischem Verhalten an, der alle Entwicklungsbelastungen in sich trägt: Zunächst ist er auf schwer realisierbare Berufe festgelegt (hohe Reaktanz), er spürt seine geringen Chancen und dies demotiviert ihn. Andererseits kann er sich von seinem Berufswunsch nur schwer lösen. Er erlebt diesen Konflikt sehr stark und denkt oft über ihn nach (hohe private Selbstaufmerksamkeit). Durch diese ständigen Gedanken fühlt er sich noch mutloser. Dies verstärkt sein ohnehin schon fragiles Selbsterleben (hohe Hilflosigkeit). Vielleicht hat er aber auch einfach keine Lust, sich um seine berufliche Zukunft zu kümmern, und macht einfach das, was viele Generationen von Älteren schon immer an der Jugend kritisiert haben, nämlich das, was ER will. Was die anderen dazu sagen, ist ihm eigentlich ganz egal (geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit). Oft kommt er starr, stur und unzugänglich daher (geringe kognitive Flexibilität), ganz sicher wirkt er in sozialen Zusammenhängen nicht (erhöhte soziale Ängstlichkeit). Mit der Schule hat er sich früher schwer getan (kein Regelschulabschluss). Der letztere modellhaft beschriebene Jugendliche wirkt widersprüchlicher, während der zuerst genannte erfolgreiche Jugendliche uns eigentlich aufgrund der oben beschriebenen Ressourcen sehr viel klarer vor Augen steht. Ein Teil der Jugendlichen mit kritischem Verhalten mag seine Grenzen und seine Wirkung auf andere erproben zu wollen, nicht alle sind allein Opfer ihrer Umweltbedingungen (wie z. B. die Jugendlichen mit geringer öffentlicher Selbstaufmerksamkeit, die wohl aufgrund individueller Entscheidungen der Maßnahme fernbleiben und hohe Fehlzeiten entwickeln). Andere Jugendliche jedoch leiden durchaus unter starken Motivationsstörungen sowie sozialen Ängsten, so dass sie während der aktuellen Lebens- und Entwicklungsphase auf Hilfestellungen angewiesen sind, um ihren Weg in das Berufsleben zu finden.
5.3
Welche psychologischen Merkmale haben die größte Bedeutung im Förderprozess? Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
An dieser Stelle soll geklärt werden, welche Merkmale das Bewältigungsverhalten am bedeutsamsten beeinflussen. Diese Frage lässt sich beantworten, indem zunächst alle signifikanten Vergleiche zwischen den Kriteriengruppen und der Kontrollgruppe gesichtet werden. Diese sind in der Tabelle 11 im Anhang 2.0 für jedes Merkmal
63
5.3 Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
in den Reihen aufgelistet. Da die Effektstärken standardisiert sind, kann über alle signifikanten Vergleiche die Summe gebildet werden, wie in Spalte K in Tabelle 11geschehen. Weil es sich bei dem in den unterschiedlichen Kriteriengruppen erhobenen Verhalten um eine breite Stichprobe aus der Menge des potentiell möglichen zielbezogenen bzw. kritischen Bewältigungsverhaltens handelt, kann das gebildete Maß als gute Schätzung der Bedeutsamkeit eines Merkmals für die Güte des Bewältigungsverhaltens in der Berufsvorbereitung allgemein verstanden werden. Die Rangfolge, die sich bei diesem Maß „Wirkungsgrad des Merkmals“ bildet, deckt sich mit den in Spalte K dargestellten Befunden (siehe Tabelle 11), in denen die Anzahl sämtlicher signifikanter Gruppenvergleiche (auch aus den Komplementärgruppen) aufgeführt ist. Dies bestätigt die Rangfolge der Merkmale bezüglich ihrer Bedeutsamkeit. Die Wirkungsgrade der untersuchten Merkmale sind in Abbildung 7 grafisch dargstellt.
Leistungsmotivation Regelschulabschluss Private Selbstaufmerksamkeit Kognitive Flexibilität/ Rigidität Öffentliche Selbstaufmerksamkeit Selbstwertschätzung Schulspezifische Hilflosigkeit Allgemeine Hilflosigkeit Soziale Ängstlichkeit
Reaktanz
0
0,5
1
1,5
2
2,5
Summe der Haupteffektstärken über alle Kontrollgruppenvergleiche
Abbildung 7: Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
3
64
5 Ergebnisse
Aus diesen Ergebnissen ist ableitbar, auf welche Inhalte und Problembereiche sich die Förderung in den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen beziehen sollte, will man die Überwindung von Entwicklungshemmnissen empirisch begründet und zielbezogen unterstützen bzw. diese abbauen. Den stärksten Einfluss auf das Bewältigungsverhalten hat die individuelle Reaktanzneigung, die die Flexibilität bei Wahlentscheidungen insbesondere unter freiheitsbeschränkten Bedingungen maßgeblich beeinflusst. Abbildung 8 stellt die Zusammenhänge auf der Ebene der Kriteriengruppenvergleiche noch einmal graphisch dar. Zur Erinnerung: Eine hohe individuelle Reaktanzneigung führt zur emotionalen Aufwertung der anvisierten Wahloption, wenn die Wahlfreiheit dieser Alternative bedroht wird. Ohne Zweifel muss das realisierbare Berufswahlspektrum der hier untersuchten Jugendlichen als eingeschränkt gelten. Diese Jugendlichen verfügen über zumeist schwache Schulabschlüsse und schulische Leistungsrückmeldungen (zu den Schulabschlüssen siehe Tabelle 8 im Anhang 1.2). Sie möchten jedoch über die Berufswahl die gleichen emotionalen Bedürfnisse befriedigen wie Jugendliche mit günstigeren Bewerbungsvoraussetzungen. Gruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Entwicklungsressourcen
Entwicklungsaufgabe
Entwicklungsbelastungen
Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Berufswahl und Berufswahlrealisation
Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinischpsychotherapeutischen Maßnahme Beendigung der Maßnahme nach Ende des Förderzeitraumes ohne berufliche Perspektive
Anmerkungen:
Entwicklungsressourcen Entwicklungsbelastungen
Abbildung 8: Wirkungspfade der individuellen Reaktanzneigung
5.3 Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
65
Der Wirkprozess auf das Bewältigungsverhalten sollte nach den Ergebnissen folgende Stationen durchlaufen: Ein Großteil der Jugendlichen hegt auf dem Ausbildungsmarkt mit ihren Voraussetzungen nur schwer realisierbare Ausbildungswünsche. Aufgrund ihrer hohen Reaktanzneigung halten diese Jugendlichen an ihren Wünschen fest und bewerben sich weiter in diesen Berufen. Erwartungsgemäß erhalten sie viele Absagen, was jedoch ihre Berufswünsche noch fixiert (hohe individuelle Reaktanzneigung). Sie versuchen es nun zunächst noch beharrlicher, entwickeln über die ausbleibenden Bewerbungserfolge jedoch zunehmend Enttäuschung und Frustration, woraus sich über die Zeit langsam Hilflosigkeit entwickelt. Finden sie in dieser Phase keine neuen und realistischeren beruflichen Alternativen (und akzeptieren diese als in der aktuellen Lebenssituation günstigste Perspektive), besteht die große Gefahr, dass sich im weiteren Verlauf zunehmend stärkere allgemeine Hilflosigkeit bei ihnen entwickelt. Dieser Prozess spielt nach den Ergebnissen in der hier untersuchten Gesamtgruppe eine zentrale Rolle. Bezüglich der Unterstützung des Berufswahlprozesses geht es also weniger darum, die Frage mit dem Jugendlichen zu erörtern, welcher Beruf ihm gefällt („Was ist dein Traumberuf?“), als darum, mit ihm seine realen Bewerbungs- und Eingliederungschancen als situationsgegeben zu kommunizieren und mit ihm am Markt realisierbare Alternativen zu erarbeiten, mit denen er sich (noch) identifizieren kann, wenngleich er potentielle Alternativen als attraktiver und erstrebenswerter erlebt. Dieses ist für die Jugendlichen sicher ein schwieriger Prozess, geht es doch darum, sich von Perspektiven („Wunschberuf“, „Traumberuf“) zugunsten realisierbarer Alternativen zu lösen. Hinzu kommt in manchen Fällen sicher das soziale Stützsystem der Jugendlichen, das sie vielleicht mit Äußerungen wie „Bloß nicht aufgeben“ oder „Durchhalten“ dazu verleitet, an der bisherigen beruflichen Zielformulierung festzuhalten. Dabei besteht die Gefahr, dass diese Jugendlichen und ihr soziales Stützsystem die reale Problemsituation verkennen, denn diese Jugendlichen befinden sich nicht mehr in der Entwicklungsphase (auf der Regelschule), in der sie sich noch Zeit für Probewahlen nehmen konnten. Vielmehr ist es so, dass die Chancen auf Einmündung in eine Ausbildung kleiner werden, je länger der Regelschulbesuch zurückliegt (siehe Bundesinstitut für Berufsbildung, 2009). Die Situation ist vielmehr so, dass diese Jugendlichen, wenn sie sich nicht von ihren schwer realisierbaren beruflichen Vorstellungen lösen, zunehmend geringere Chancen haben werden, überhaupt in ein Ausbildungsverhältnis einzumünden. Die zunehmende Anzahl von Jugendlichen, die sich in Warteschlangen oder sog. Förderketten befindet bzw. die hohe Drop-out-Quote bei der beruflichen Eingliederung unterstreicht diese Problematik.
66
5 Ergebnisse
In diesem sehr sensiblen Feld, des Abgleichs der Wünsche und Neigungen der Jugendlichen mit den individuellen Realisierungschancen am Markt liegt sicher das Hauptspannungsfeld des Themas „Berufsvorbereitung“. In der gegenwärtigen Situation kann man es für die hier untersuchte Gruppe so formulieren, dass viele Jugendliche ihr Bedürfnis nach hoher Berufswahlfreiheit mit Hilflosigkeit bezahlen. Als zweites breit und umfassend relevantes Merkmal für das Bewältigungsverhalten wurde soziale Ängstlichkeit identifiziert, die gering ausgeprägt einerseits als Entwicklungsressource in verschiedenen Gruppen zu zielorientiertem Verhalten führt, andererseits hoch ausgeprägt umfassend beeinträchtigend wirkt (siehe Abbildung 9). Soziale Ängstlichkeit wurde unter der Hypothese in die Untersuchung mit aufgenommen, dass diese den Umgang der Jugendlichen mit den vielfältigen neuen sozialen Anforderungen beeinflussen sollte. So müssen sich die Jugendlichen mit unterschiedlichen neuen Interaktionspartnern (mit dem Chef, Kollegen, dem Meister und Kunden im Praktikum; mit Sozialpädagogen und Praxisanleitern beim Träger etc.) auseinandersetzen und für sich neue soziale Rollen (Praktikant, Bewerber, Kollege etc.) definieren und ausfüllen. Geringe soziale Ängstlichkeit stellt hier einen Vorteil dar, denn die Kommunikation und Interaktion kann davon unbeeinträchtigt stattfinden. Diese Jugendlichen können ein natürliches, lebendiges und authentisches Sozialverhalten in diese Situationen einbringen. Darüber hinaus neigen sie nicht zu Vermeidung oder zum Rückzug aus diesem Anforderungsfeld. Gruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Entwicklungsressourcen
Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsbelastungen
Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis
Anmerkungen:
Entwicklungsressourcen Entwicklungsbelastungen
Abbildung 9: Wirkungspfade der sozialen Ängstlichkeit
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
5.3 Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
67
Sozial Ängstliche meiden dagegen neue und unbekannte soziale Situationen bzw. das Handeln in diesen. Sie brauchen länger, um Anschluss zu finden oder sich in neuen Gruppen wohlzufühlen bzw. sich unbefangen zu äußern. Darüber hinaus sind sie in sozialen Kontexten leicht verletzbar und leiden oft unter der Angst, abgelehnt zu werden. Dies mindert einerseits die Chancen, sich im Praktikum als potentieller Ausbildungskandidat zu präsentieren, andererseits sich in anderen Bewerbungssituationen günstig darzustellen. Darüber hinaus sind diese Jugendlichen gefährdet, mehr negative Bewerbungs- und Praktikumsrückmeldungen zu erhalten, was dann wiederum zur Steigerung von Hilflosigkeitskognitionen führen sollte. Zusammenfassend ist also der Umgang mit den neuen sozialen Situationen ein außerordentlich zentrales und für den Maßnahmeerfolg hochrelevantes Feld. Effektive Maßnahmekonzepte sollten dementsprechend breiten Raum für die Förderung sozialer und selbstregulativer Kompetenzen (Umgang mit Ängstlichkeit und Unsicherheit) speziell für sozial ängstliche Personen bereithalten. Ein offenes und authentisches Sozial- und Kommunikationsverhalten (im Gegensatz zu ängstlichvermeidendem Sozialverhalten) hingegen stellt hier eine grundlegende und zentrale persönliche Ressource dar. Dies sollte den entsprechenden Jugendlichen im Förderprozess auch sehr deutlich rückgemeldet werden, damit sie diese Ressource anwenden und gewinnbringend einsetzen können. Dass geringe soziale Ängstlichkeit sicher mit Maßnahmeerfolg zusammenhängt, zeigt sich darin, dass diese in den Kriteriumsgruppen „frühe Eingliederung in Ausbildung“ und „aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ sowie „Eingliederung in ein Arbeitsverhältnis“ signifikant niedriger ausfällt als in der Kontrollgruppe (siehe Abbildung 9). An dritter Stelle zeigt sich die allgemeine Hilflosigkeit als breit und umfassend verhaltenswirksam (siehe Abbildung 7), sowohl als Entwicklungsbelastung in den Gruppen mit kritischem Verhalten als auch als Entwicklungsressource in unterschiedlichen Gruppen mit zielführendem Verhalten, wie aus Abbildung 10 hervorgeht. Ziehen wir noch die Merkmale „schulspezifische Hilflosigkeit“ und „Selbstwertschätzung“ hinzu, die an vierter und fünfter Stelle in Abbildung 7 stehen, können wir feststellen, dass motivationale Ressourcen oder Belastungen an dritter Stelle einen zentralen Platz im Bewältigungsgeschehen einnehmen. Jugendlichen, denen es gelingt, in der aktuellen Lebensphase ein positives Selbstmodell gegenüber den vielfältigen Anforderungen aufrechtzuerhalten, sind erfolgreicher im Förderprozess, andererseits lässt sich ein beträchtlicher Teil kritischen Verhaltens auf ein geschwächtes Selbstmodell zurückführen. Aus motivationspsychologischer Perspektive lassen sich einige wichtige Förderziele ableiten, um der Entwicklung weiterer Hilflosigkeit im Förderprozess, z. B. durch Misserfolgserlebnisse im Bewerbungsverfahren, negative und belastende Praktikumserfahrungen sowie enttäuschte Bewerbungshoffnungen, zu begegnen.
68
5 Ergebnisse
Es geht dabei zunächst in Übereinstimmung mit den obigen Ableitungen zur Reaktanz um das Formulieren realistischer Berufswahloptionen, um eine tragfähige Hoffnung auf Einmündungserfolg zu bewahren und die Gefahr erfolgloser Bewerbungen zu minimieren. Realistisch bedeutet das hier das Finden von Zielberufen, in denen der Jugendliche die Erwartungen eines potentiellen Arbeitgebers auch erfüllen kann. Dies klingt zunächst sehr direktiv, jedoch lässt sich feststellen, dass Berufszufriedenheit und letztlich Berufserfolg, den sich alle am Förderprozess Beteiligten wünschen, in zentralem Maße davon abhängig sind, inwieweit der Jugendliche die Erwartungen vorgesetzter Personen und Arbeitgeber erfüllen bzw. die Handlungsanforderungen des Zielberufes erfolgreich bewältigen kann. So kann kein Mensch längerfristig (psychisch) gesund und leistungsfähig einen Beruf ausüben, der für ihn bezüglich der fähigkeitsbezogenen Anforderungen nicht geeignet ist. Unter diesen Bedingungen wird sich keine Arbeitszufriedenheit oder ein Beschäftigungspotential entwickeln. Fehlen trotz hohem berufsbezogenen Attraktivitätserleben notwendige Fähigkeitsvoraussetzungen (Auffassung, Problemlösefähigkeiten, Lernfähigkeit, sprachliche Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten etc.), wird bei der Weiterverfolgung einer ungeeigneten Berufswahloption der weiteren Entwicklung von Hilflosigkeit Vorschub geleistet. In schulischen Umwelten untersuchte Jerusalem (1984) die komplexen Interaktionen zwischen der Leistungsfähigkeit einer sozialen Vergleichsgruppe und deren Wirkung auf die Entwicklung von Hilflosigkeit, u. a. in Abhängigkeit von Selbstaufmerksamkeit. Die von ihm aufgedeckten Zusammenhänge lassen sich auch auf die unterschiedlich leistungsstarken (sozialen) Vergleichsgruppen in verschiedenen beruflichen Umwelten übertragen. Eines der elaboriertesten und durch umfangreiche Forschungen bestvalidierten Verfahren zur Prüfung der Berufseignung für unterschiedliche Ausbildungsberufe bei Jugendlichen stellt in diesem Zusammenhang sicher der Berufswahltest (BWT) des Psychologischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit (siehe Klinck, 2004) dar, dessen Durchführung für die Jugendlichen (als Ratsuchende der Berufsberatung) kostenfrei ist. Ein fähigkeits- und ausbildungsmarktgerechtes Berufsziel liefert die Grundlage für ein erfolgreiches Selbsterleben, denn so wird sich der Jugendliche in Praktika erfolgreich handlungsfähig und kompetent erleben und darstellen können, was der Entwicklung von Hilflosigkeit entgegenwirkt bzw. die Zielorientierung unterstützt. Ein zweiter Aspekt ist das Erarbeiten einer produktiven Sicht der eigenen Situation, das Benennen und Herausarbeiten objektiver und nicht veränderbarer Realisierungshemmnisse (schwieriger Ausbildungsmarkt, hohe Erwartungen der Arbeitgeber, Konkurrenz auf dem Ausbildungsstellenmarkt, mengenmäßige Beschränktheit der verfügbaren Ausbildungsstellen). Es geht hierbei um den Aufbau einer Akzep-
69
5.3 Wirkungsgrad der Merkmale auf das Bewältigungsverhalten
Gruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Entwicklungsressourcen
Entwicklungsaufgabe
Entwicklungsbelastungen
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Anmerkungen:
Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinischpsychotherapeutischen Maßnahme
Entwicklungsressourcen Entwicklungsbelastungen
Abbildung 10: Wirkungspfade der allgemeinen Hilflosigkeit
tanz dafür, dass die eigene Situation heute objektiv schwierig ist. Denn ungeachtet der Notwendigkeit des Herausarbeitens von Ressourcen zur Stützung der Motivation ist die Entwicklungssituation für die Jugendlichen ohne Zweifel objektiv schwierig. Dies gilt es anzuerkennen und nicht zu übergehen. Es ist wichtig, ein am Selbsterleben der Jugendlichen ausgerichtetes Bild der Lebens- und Entwicklungssituation zu erarbeiten und aus diesem Bild heraus konkrete und realistische (alternative) Zielbezüge zu entwickeln. Wird keine realistische und problemangemessene Situationssicht konstruiert, sind alle weiteren Handlungsschritte mit einem hohen Misserfolgsrisiko behaftet, was potentiell zu einer weiteren Ausbreitung der Hilflosigkeit (bezüglich der eigenen beruflichen Entwicklung) führt. Die schulspezifische Hilflosigkeit hat keinen so beträchtlichen Wirkungsgrad wie die allgemeine Hilflosigkeit. Sie taucht lediglich (außer in der Gruppe „Selbstabmeldung in Arbeit“, wie oben thematisiert) in der Gruppe mit passivem und eingeschränktem Verhalten in der Maßnahme als Entwicklungsbelastung auf (siehe Tabelle 11 im Anhang 2.0). Dieses überrascht etwas, setzt sich die Gesamtgruppe der Jugendlichen doch zu einem beträchtlichen Anteil aus schulleistungsschwachen Jugendlichen zusammen. Andererseits stehen in der Maßnahme schulische Anforderungen eher im Hintergrund. Das heißt, dieser Anforderungsbereich wird offensichtlich von den Jugendlichen in ihrer aktuellen Situation als nicht besonders belastend wahrgenommen, wenngleich sich die Jugendlichen zukünftig wieder mit diesem potentiell belasteten Bereich werden auseinandersetzen müssen. Aktuell scheinen sie
70
5 Ergebnisse
sich diesbezüglich jedoch wenig Sorgen zu machen. Die Jugendlichen scheinen die Situation eher als offen zu betrachten nach dem Motto: „Neues Spiel, neues Glück“, was natürlich im Gegensatz zu ihren bekannt schwachen schulischen Leistungsvorrausetzungen steht. Entsprechende Sorgen, dass sie die berufsschulischen Anforderungen im Zielberuf nicht bewältigen könnten, macht sich nur ein kleiner Teil der Jugendlichen. Dies beeinflusst mindestens in der aktuellen Situation nicht in besonderem Maße das Verhalten, wenn von den Reaktionen der Gruppe „Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis“ abgesehen wird. Der Wirkungsgrad der übrigen in Abbildung 7 dargestellten Merkmale erscheint eher gering. Die Bedeutung des Merkmals „Leistungsmotivation“ sowie das Vorhandensein eines Regelschulabschlusses ist bereits in Kapitel 5.1 thematisiert worden. Öffentliche und private Selbstaufmerksamkeit sowie die kognitive Flexibilität werden im nächsten Kapitel differenzierter betrachtet.
5.4
Warum entwickeln Jugendliche Fehlzeiten oder brechen die Maßnahme ab? Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
In den vorhergehenden Kapiteln wurde durch die Identifikation der peripheren Entwicklungsaufgaben schon ein erster Schritt zur Aufklärung der Ursachen für Maßnahmeabbrüche vollzogen. Es deutete sich dadurch schon an, dass es sich bei unentschuldigten Fehlzeiten sowie darauffolgendem Abbruch um Verhaltensweisen handelt, die sich nicht sofort schlüssig durch das zugrunde gelegte Analysemodell erklären lassen. Die Entwicklung von Fehlzeiten sowie Maßnahmeabbrüche folgen offensichtlich anderen Gesetzmäßigkeiten, verhaltensanalytisch geht es um das Spannungsfeld Annäherung -Vermeidung der Maßnahme, nicht mehr primär um die Güte der Bewältigung (der zentralen Entwicklungsaufgaben) der Berufsvorbereitung. Daneben ist überaus bemerkenswert, dass die Hauptgruppe der Abbrecher (mit hohen Fehlzeiten vor dem Abbruch) zu Maßnahmebeginn keine erhöhten Werte auf dem (unspezifischen) Belastungsmaß „allgemeine Hilflosigkeit“ aufweist: Allgemeine Hilflosigkeit:
N:
M:
SD:
Abbrecher (hohe Fehlzeiten) Kontrollgruppe:
19 123
35.5 34.7
7.6 7.9
Damit ist die verbreitete, jedoch kurzschlüssige Vermutung, Maßnahmeabbrüche seien maßgeblich durch (schon zu Maßnahmebeginn bestehende) hohe unspezifi-
5.4 Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
71
sche Belastungen zu erklären, zurückzuweisen. Diese Erklärung gilt lediglich für die kleine Gruppe von Abbrechern aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Reha- Maßnahme, die schon zu Maßnahmebeginn stark erhöhe Werte bei dem Merkmal „allgemeine Hilflosigkeit“ aufweist (siehe Tabelle 11). Im Folgenden soll ein integratives Modell der Entwicklung von Maßnahmeabbrüchen vorgestellt werden. Dieses soll Hinweise für die Praxis geben, welche Hypothesen im Gespräch und im Förderverlauf mit potentiell abbruchgefährdeten Teilnehmern geprüft werden sollten, um eventuell Abbrüche zu verhindern oder aber mindestens konstruktive und sinnvolle Wege für und mit dem Jugendlichen bei vorzeitiger Beendigung der Maßnahme zu finden bzw. zu vereinbaren. Dieses soll mit dem Ziel geschehen, die Maßnahme ggf. in „konstruktiver“ Form zu beenden, damit eventuell daran anschließende Fördermaßnahmen darauf aufbauen können. In Abbildung 11 sind die peripheren Entwicklungsaufgaben und die aus ihrer Bewältigung folgenden Verhaltensweisen im Einzelnen dargestellt. Es ist erkennbar, dass drei Merkmale hauptsächlich auf die Auseinandersetzung mit den peripheren Entwicklungsaufgaben wirken. Zunächst führt eine geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit als Entwicklungsbelastung zu einer hohen Quote unentschuldigter Fehlzeiten. Oben wurde öffentliche Selbstaufmerksamkeit mit der Internalisierung gesellschaftlicher Normen und Werte in Verbindung gebracht, genauer: mit der gesellschaftlichen Erwartung an die Jugendlichen, sich in der aktuellen Lebensphase mit dem Thema „Beruf und Arbeit“ auseinanderzusetzen sowie ihren Weg in das Berufsleben zu finden. Jugendliche mit geringer öffentlicher Selbstaufmerksamkeit richten sich in ihrem Verhalten und ihren Einstellungen weniger nach sozialen Erwartungen. Diese Hypothesen bestätigen sich hier, geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit beeinträchtigt die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme. Hohe Fehlzeiten (ohne Abbruch) sind also weniger Folge besonderer Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung mit den zentralen Aufgaben der Berufsvorbereitung als Ausdruck einer schwachen Lösung der Anforderung „Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe Beruf“. Dies deckt sich mit den von Flender (2000) berichteten Ergebnissen. Sie konnte nachweisen, dass sich Jugendliche mit hohen Fehlzeiten in Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen weniger stark mit arbeitsrelevanten Problemen befassen als Jugendliche mit geringen Fehlzeiten. Jedoch führt überraschenderweise auch hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit zur Maßnahmevermeidung, denn Abbrecher (mit hohen Fehlzeiten) weisen dort erhöhte Werte auf. Dieses Ergebnis widerspricht der eingangs formulierten Hypothese. Denn es war erwartet worden, dass hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit eine Ressource für eine motivierte Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ darstellt. Es ist
72
5 Ergebnisse
also zu schließen, dass sowohl geringe als auch erhöhte öffentliche Selbstaufmerksamkeit eine Entwicklungsbelastung darstellt. Günstig scheint eine mittlere, unauffällige Ausprägung dieses Merkmals zu sein. Die Richtung der Normabweichung beim Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ entscheidet demzufolge, in welcher Form die Maßnahme vermieden wird: Bei geringer öffentlicher Selbstaufmerksamkeit kommt es zu Fehlzeiten, bei erhöhter öffentlicher Selbstaufmerksamkeit enden die Fehlzeiten in einem Maßnahmeabbruch. Gerade letzteres erscheint paradox, sollten doch hoch-öffentlich-selbstaufmerksame Personen besonders bestrebt sein, soziale Erwartungen z. B. in Form von Anpassung an die Anforderungen der Maßnahme konform zu erfüllen bzw. nach ihnen zu handeln. Schwerlich kann den Abbrechern also eine geringe Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ unterstellt werden. Im Gegenteil: Sie sind eher übermotiviert bzw. hochbestrebt, wahrgenommene und für sie als wichtig erachtete soziale Anforderungen bzw. Erwartungen zu erfüllen. Hohe kognitive Flexibilität findet sich bei den Jugendlichen mit regelmäßigem Teilnahmeverhalten als Entwicklungsressource, während die Gruppe „Hohe Fehlzeiten mit Abbruch“ diesbezüglich eine Entwicklungsbelastung (geringe kognitive Flexibilität) aufweist (siehe Abbildung 11). Hier wird ein qualitativer Unterschied zwischen Jugendlichen mit hohen Fehlzeiten und darauf folgendem Maßnahmeabbruch und ohne Maßnahmeabbruch deutlich. Während die Jugendlichen mit allein hohen Fehlzeiten diese als „selbstbestimmt“ erleben sollten (sie tun, was sie wollen), deutet sich bei den Abbrechern eine Überforderung an, denn die (für sie unklaren und unübersichtlichen) Anforderungen der Maßnahme fordern ihr kognitives Anpassungssystem sehr stark (aufgrund ihrer geringen kognitiven Flexibilität). Hinzu kommt die Entwicklungsbelastung in Form der erhöhten privaten Selbstaufmerksamkeit, so dass bei ihnen das Gefühl der Überforderung bzw. mindestens das Gefühl der Anspannung und Orientierungslosigkeit noch deutlicher ins Aufmerksamkeitsfeld rücken sollte. Aus Tabelle 11 im Anhang ist ferner ersichtlich, dass der Anteil von Jugendlichen ohne Regelschulabschluss in der Abbrechergruppe signifikant erhöht ist, d. h., einige Abbrecher taten sich auch schon bei der Bewältigung früherer Entwicklungsaufgaben schwer. Diese empirischen Ergebnisse lassen sich nun allerdings recht schwer in ein einheitliches und umfassendes Bild integrieren. Darüber hinaus befriedigen diese Erklärungen auch nur in geringem Maße, und zwar aus folgendem Grund: Ein Blick in Tabelle 11 im Anhang 2.0 zeigt, dass die private Selbstaufmerksamkeit die zentrale Entwicklungsbelastung (Effektstärke d = 0.81) unter den Abbrechern darstellt, während die Entwicklungsbelastung „geringe kognitive Flexibilität“ nur eine Effektstärke von d = 0.47 (öffentliche Selbstaufmerksamkeit: d = 0.51) erreicht, also im Hintergrund steht.
73
5.4 Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
Gruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Entwicklungsressourcen (Merkmalsausprägung)
Entwicklungsaufgaben (hier betrachtetes Merkmal) Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ (Öffentliche Selbstaufmerksamkeit)
Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten hoch
Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses (Private Selbstaufmerksamkeit)
Entwicklungsbelastungen (Merkmalsausprägung) niedrig
Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten
Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
hoch*
hoch
Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
niedrig
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen (Kognitive Flexibilität**)
Anmerkungen:
Entwicklungsressourcen Entwicklungsbelastungen * nicht hypothesenkonformes Ergebnis ** Skala im Fragebogen invers gepolt
Abbildung 11: Periphere Entwicklungsaufgaben: Abbruch und Fehlzeiten
Als stärkster Risikofaktor für einen Maßnahmeabbruch erweist sich also die erhöhte private Selbstaufmerksamkeit, die für einen depressogenen Verarbeitungsstil von Misserfolgen steht (assoziierte Entwicklungsaufgabe: Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses). Nach dem der Untersuchung zugrunde gelegten Modell der Entwicklungsaufgaben wäre allerdings zu fordern, dass eine hohe private Selbstaufmerksamkeit als Entwicklungsbelastung erst oder nur dann besonders verhaltenswirksam wird, wenn es im Förderprozess in gehäuftem Maße zu Misserfolgserlebnissen kommt. Dafür sind allerdings Entwicklungsbelastungen bezüglich der zentralen Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung die notwendige Voraussetzung, wie die bisher referierten Ergebnisse zeigen. Entsprechend hohe Belastungen bezüglich der zentralen Entwicklungsaufgaben liegen allerdings bei den Abbrechern (nach den bisherigen Analysen) nicht vor. Lediglich der Anteil von Jugendlichen ohne Regelschulabschluss und die kognitive Rigidität (= geringe kognitive Flexibilität) sind unter den Abbrechern signifikant erhöht.
74
5 Ergebnisse
Aufgrund dieser Unklarheiten soll eine integrative Überlegung zur Erklärung von Maßnahmeabbrüchen vorgestellt und anhand der Daten geprüft werden. Diese Erklärung wollen wir als 3-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches bezeichnen. Da wir den Maßnahmeabbruch aufgrund der „Selbstabmeldung in Arbeit“ oben sehr plausibel mit der Vermeidung berufsschulischer Herausforderungen erklären konnten, bezieht sich die 3-Faktoren-Hypothese auf die beiden Restgruppen von Abbrechern (Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten, Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-therapeutischen Maßnahme). Die 3-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches lautet: Hypothese 1: Die notwendige Bedingung für Maßnahmeabbrüche stellen hohe Entwicklungsbelastungen bezüglich der Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung im Allgemeinen dar. Diese Entwicklungsbelastungen sind jedoch nicht zwangsläufig höher als die Entwicklungsbelastungen in den anderen Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten. Hypothese 2: Als zweite Bedingung kommen hohe soziale Erwartungen an den Jugendlichen bezüglich seiner beruflichen Zukunft hinzu, die der Jugendliche von ihm wichtigen Bezugs- und Vertrauenspersonen oder von für ihn wichtigen sozialen Sendern übernommen hat. Hypothese 3: Die dritte Bedingung für einen Maßnahmeabbruch stellt dann ein kritischer Verarbeitungsstil der potentiellen Misserfolge und Bewältigungsschwierigkeiten aufgrund der Entwicklungsbelastungen aus Bedingung 1 und 2 dar. Bedingung 3 ist gleichzusetzen mit der Entwicklungsaufgabe „Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses“. Im Folgenden sollen zur Prüfung dieser Hypothesen die Ergebnisse dreier Gruppenvergleiche vorgestellt werden. Zunächst wurde zur Prüfung der Hypothese 1 auf der Grundlage der vorangegangenen Analysen eine Variable „allgemeine Belastung“ konstruiert. Diese Variable wurde aus denjenigen Merkmalen gebildet, die sich bei den bisherigen Vergleichen zwischen den Kriteriengruppen und der Kontrollgruppe als wirksam in Bezug auf das Bewältigungsverhalten gezeigt hatten. Es waren dies die Variablen: allgemeine Hilflosigkeit, soziale Ängstlichkeit, Selbstwertschätzung, zwischenmenschliches Vertrauen, Regelschulabschluss, schulspezifische Hilflosigkeit, Reaktanz und kognitive Rigidität. Diese Variablen wurden standardisiert und gegebenenfalls umcodiert, so dass hohe Werte einer hohen Belastung entsprachen und für jeden Jugendlichen ein individueller Summenwert „allgemeine Belastung“ gebildet werden
75
5.4 Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
konnte. Es ist zu beachten, dass es sich bei diesem Maß nicht um eine unspezifische allgemeine Belastung (im Sinne der allgemeinen Hilflosigkeit) handelt, sondern um die Gesamtbelastung bezüglich der speziellen Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung. Tabelle 9 im Anhang 1.5 gibt Auskunft über die Ausprägung dieses Merkmals in den Untersuchungsgruppen. Abbildung 12 liefert einen grafischen Überblick. In der Varianzanalyse bestätigt sich, dass sich die Untersuchungsgruppen signifikant auf diesem Merkmal unterscheiden. Abbildung 12 zeigt deutlich, dass die Kriteriengruppen mit belastetem Bewältigungsverhalten (passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme; Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten; Abbruch wegen des Antritts einer medizinischpsychotherapeutischen Maßnahme) deutlich erhöhte Werte bei dem Merkmal „allgemeine Belastung“ aufweisen. Kriteriengruppen mit produktivem Bewältigungsverhalten (aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme; frühe Eingliederung
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme Frühe Eingliederung in eine betriebliche Ausbildung
Kontrollgruppe
Abbruch wegen psychotherapeutischer Maßnahme Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
Passives und eingeschränktes Verhalten –-2
–-1
0
1
2
Allgemeine Belastung
Abbildung 12: Allgemeine Belastung in den Kriteriengruppen
3
4
5
76
5 Ergebnisse
in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis) zeichnen sich durch eine deutlich geringe allgemeine Belastung (bzw. sogar negative Werte auf diesem Merkmal) aus. Die Kontrollgruppe hingegen liegt erwartungsgemäß im unauffälligen Bereich. Damit wäre der erste Teil der 3-Faktoren Hypothese bestätigt, nämlich, dass Abbrecher (Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten; Abbruch wegen des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme) hohe Werte bei der Variablen „allgemeine Belastung“ aufweisen, sogar ähnlich hohe Werte wie die Gruppe mit passivem und eingeschränktem Verhalten. Daher sind also auch bei diesen beiden Gruppen von Abbrechern ähnliche Bewältigungsprobleme wie in der Gruppe mit eingeschränktem und passivem Verhalten im Maßnahmeverlauf zu erwarten. Zur Prüfung der zweiten Bedingung, dass bei Abbrechern eine starke Identifikation mit sozialen Erwartungen bezüglich ihrer Berufswahl und Entwicklung vorliegt, sind in Abbildung 13 die Werte der unterschiedlichen Gruppen auf dem Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ in Form der Effektstärken (standardisierte Abweichungen von der Kontrollgruppe, deren Mittelwert bei „0“ liegt) dargestellt. Abbruch aufgrund der Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
Hohe Fehlzeiten ohne Abbruch
Abbruch wegen psychotherapeutischer Maßnahme Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
–-0,8
–-0,6
–-0,4
–-0,2
0
0,2
0,4
standardisierte Abweichungen von der Kontrollgruppe
Abbildung 13: Öffentliche Selbstaufmerksamkeit in den Kriteriengruppen
0,6
0,8
77
5.4 Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
Die Mittelwerte der Gruppen „hohe Fehlzeiten“ und „hohe Fehlzeiten mit Abbruch“ unterscheiden sich signifikant von der Kontrollgruppe (siehe Tabelle 11); der Wert der Gruppe „Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme“ wird zweifellos allein aufgrund der geringen Gruppenfrequenz (N = 3) nicht signifikant. Aus Abbildung 13 ist sehr deutlich erkennbar, dass lediglich die Werte in den Gruppen „Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten“ sowie „Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme“ erhöht sind. Im deutlich negativen Bereich liegt die Gruppe „hohe Fehlzeiten ohne Abbruch“. Die übrigen Gruppen streuen eng um den Mittelbereich. Damit wäre auch die zweite Bedingung erfüllt, dass sich Abbrecher stark mit sozialen Erwartungen hinsichtlich ihrer beruflichen Entwicklung identifizieren. Zur Prüfung des dritten Teils der Hypothese: „Hinreichende Bedingung für einen Maßnahmeabbruch ist zusätzlich ein hohes individuelles Maß an privater Selbstaufmerksamkeit“ ist in Tabelle 10 im Anhang 1.5 ein signifikanter Mittelwertvergleich der Kriteriengruppen in Bezug auf das Merkmal „private Selbstaufmerksamkeit“ aufgeführt. In Abbildung 14 sind die Mittelwerte der Gruppen grafisch dargestellt.
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
Abbruch wegen psychotherapeutischer Maßnahme
Kontrollgruppe
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
–-0,6
–-0,4
–-0,2
0
0,2
0,4
Mittelwerte in den Untersuchungsgruppen
Abbildung 14: Private Selbstaufmerksamkeit in den Kriteriengruppen
0,6
0,8
78
5 Ergebnisse
Die Abbrechergruppen liegen exklusiv deutlich im positiven Bereich, weisen also eine erhöhte private Selbstaufmerksamkeit auf. Die Gruppe „Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme“ liegt dagegen bezüglich der privaten Selbstaufmerksamkeit deutlich im negativen Bereich. Damit kann auch der dritte Teil der Hypothese als empirisch bestätigt gelten. Abbrecher unterscheiden sich weniger im Ausmaß der Problembelastung von Jugendlichen mit passivem und eingeschränktem Bewältigungsverhalten. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich in der Wahrnehmung und Verarbeitung ihrer Bewältigungsprobleme bzw. Schwierigkeiten. Eben diese letztgenannten Zusammenhänge sind bereits mit der Entwicklungsaufgabe „emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses“ beschrieben worden, deren Relevanz sich auf diesem Wege eindrucksvoll bestätigt. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass sich die Gruppen „Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten“ und „Abbruch wegen des Antritts einer medizinischpsychotherapeutischen Maßnahme“ in den dargestellten Vergleichen sehr ähneln. Dies verweist darauf, dass es sehr ähnliche psychodynamische Prozesse sind, die bei den Jugendlichen in diesen Gruppen ablaufen. Hinzu kommt bei den Abbrechern, dass sie durch ihr Scheitern soziale Erwartungen verletzen, dies weist auf einen sehr spannungsgeladenen und konfliktbehafteten Prozess hin. Dies allerdings nur dann, wenn der Maßnahmeabbruch die sozialen Erwartungen wichtiger sozialer Bezugspersonen (deren Erwartungen sie übernommen haben) verletzt. Es ist auch denkbar, dass diese Bezugspersonen die Einstellung und Erwartung an den Jugendlichen vermitteln, über die Maßnahme könne er seine beruflichen Ziele sowieso nicht erreichen, dann sollte der Abbruchprozess für den Jugendlichen relativ konfliktfrei verlaufen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Maßnahmeabbrecher weisen zunächst Entwicklungsbelastungen in Form eines nicht vorhandenen Schulabschlusses sowie einer erhöhten kognitiven Rigidität auf, jedoch mindestens latent noch weitere Entwicklungsbelastungen bezüglich der übrigen Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung. Sie weisen in der Summe Entwicklungsbelastungen auf, die denjenigen der Gruppe „passives und eingeschränktes Verhalten“ in der Maßnahme entsprechen. Als weitere spezifische Belastung kommt eine hohe Identifikation dieser Jugendlichen mit sozialen Erwartungen an ihre berufliche Entwicklung hinzu. Der entscheidende Faktor, der zum Maßnahmeabbruch führt, ist allerdings die depressogene Verarbeitung der aus diesen Entwicklungsbelastungen folgenden Bewältigungsschwierigkeiten. An dieser Aufgabe scheitern die Abbrecher schließlich aufgrund der selbstwertbelastenden Verarbeitung ihrer Bewältigungsprobleme. Ob es zu einem derartig bedrohlichen Prozess kommt, hängt allerdings davon ab, ob der Jugendliche mit dem Abbruch soziale Erwartungen ihm wichtiger Personen verletzt oder nicht.
5.4 Die Drei-Faktoren-Hypothese des Maßnahmeabbruches
79
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass es zwei unterschiedliche Prozesse gibt, die zu Fehlzeiten führen. Einerseits ist es die geringe Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“, die zu Fehlzeiten ohne Abbruch führt, während andererseits die o. g. Zusammenhänge zu Fehlzeiten führen, die in einen Abbruch münden. Beide Prozesse sind eng mit dem Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ verknüpft. 5.4.1
Abbruchprävention
Abbruchpräventive Maßnahmen richten sich zunächst auf die Maßnahmegestaltung. Diese sollte sich auf die Hilfe und Unterstützung bei der Lösung der zentralen Entwicklungsaufgaben des Berufsvorbereitungsprozesses beziehen. Alle Interventionen, die die Jugendlichen dort unterstützen, wirken abbruchpräventiv, denn es konnte gezeigt werden, dass Abbrecher zwar eher unspezifische, jedoch in der Summe recht hohe Entwicklungsbelastungen mitbringen. Ansätze und wichtige Hinweise zu zentralen und sensiblen Problemfeldern wurden in diesem Band ausführlich thematisiert. Auf individueller Ebene geht es bei der Abbruchprävention um Aufmerksamkeit bei der Beobachtung der Fehlzeiten. Hier sollte das Gespräch gesucht werden, um bei Fehlzeiten zunächst zu klären, ob diese eher Ausdruck einer geringen Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ sind oder sich ein Abbruchprozess anbahnt. Eine in diesem Zusammenhang relevante Frage an den Jugendlichen wäre: – Was möchtest du in der Maßnahme erreichen, was ist dein Ziel? Bei Jugendlichen mit einer geringen Bereitschaft zur Inangriffnahme der beruflichen Entwicklungsaufgabe geht es darum, sinnvolle und akzeptable Ziele der Maßnahmeteilnahme zu erarbeiten, an die diese sich dann auch binden können. Wird deutlich, dass ein Jugendlicher in der aktuellen Lebensphase und Situation eben kein konkretes und sinnvolles Förderziel hat oder formulieren kann (z. B. weil er in zwei Monaten mit einer Schulausbildung beginnt, der Zivildienst erst ansteht etc.) sollte die Maßnahme (bei hohen Fehlzeiten) beendet werden, damit ggf. noch Förderanspruch für die Zukunft bestehen bleibt. Fragen zur Prüfung eines latent vorhandenen Abbruchprozesses wären: – Hast du das Gefühl, in der Maßnahme deinem beruflichen Ziel nähergekommen zu sein? – Was ist dein berufliches Ziel, das wir hier verfolgen sollen? – Was meinen deine Eltern (wichtige Bezugspersonen), was hier passieren sollte? – Was können wir tun, um dich auf deinem Weg zu unterstützen?
80
5 Ergebnisse
Können diese Fragen nicht konstruktiv, realitätsbezogen und einvernehmlich geklärt werden, ist dies ein Indiz für einen latent wirksamen Abbruchprozess. Mit dieser Unklarheit als Begründung sollte versucht werden, die Bezugspersonen des Jugendlichen mit einzubeziehen, um diese Unklarheiten gemeinsam aufzulösen und ein konstruktives, realistisches und akzeptables Maßnahmeziel zu formulieren. Dies erscheint auch deshalb wichtig, da mangelnde Unterstützung bzw. sogar eine ablehnende Haltung der Eltern bzw. der Bezugspersonen gegenüber einer beruflichen Bildungsmaßnahme sich als ein überaus bedeutsamer Faktor zur Erklärung von Ausbildungsabbrüchen bei benachteiligten Jugendlichen in BaE-Ausbildungsmaßnahmen (Casper, Mannhaupt & Ivankovic, 2001) erwies. Die verschiedenen Hinweise dafür, dass auch das soziale Bezugs- und Stützsystem der Jugendlichen an der Entstehung von Maßnahmeabbrüchen mitbeteiligt ist, relativieren allerdings die pädagogischen Möglichkeiten der Betreuer in diesem Zusammenhang. Sehr wahrscheinlich wird es bei den o. g. Gesprächen oft darum gehen, einen Kompromiss zwischen den wünschbaren und den realistisch erreichbaren Förderzielen zu finden und diesen Kompromiss gemeinsam zu schließen. Sollte dies nicht möglich sein, da z. B. die Bezugspersonen nicht mitwirken, sollte der Auftraggeber (Berufsberater) mit der Klärung und der Zielfindung aufgesucht bzw. hinzugezogen werden. Als Grund können die Unklarheiten bei der Zielfindung oder der bisher (aufgrund der Fehlzeiten) unproduktive Förderverlauf genannt werden. Ggf. können auf diesem Wege passendere Fördermaßnahmen oder berufliche Ziele erarbeitet werden. So wird das Entwicklungsproblem des Jugendlichen ernst genommen und als real vorhanden anerkannt, was die Voraussetzung dafür ist, dass es gelöst wird.
6
Anwendung des Modells auf die Förderpraxis
Im Anhang 1.4 ist ein Fragebogen zu kritischen Entwicklungsbereichen und Themen der Berufsvorbereitung angefügt. Die dortigen Fragen haben einen hohen Bezug zu den hier herausgearbeiteten Entwicklungsaufgaben. Der Fragebogen liefert Hinweise auf zentrale Problemfelder, mit denen sich der Jugendliche gerade beschäftigt und auseinandersetzt. Die Thematisierung kritischer Entwicklungsthemen im Förder- und Beratungsprozess über diesen Fragebogen wird die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Seiten des Jugendlichen fördern und kann ihm das Gefühl vermitteln, dass er in seiner Lebenssituation mit seinen Sorgen ernst genommen wird. Der Fragebogen induziert auf Seiten des Jugendlichen Selbstaufmerksamkeit und lenkt seine Selbstwahrnehmung auf potentiell konfliktbehaftete Entwicklungsfelder. Dadurch wird eine Zentrierung erwirkt und gleichzeitig die Bereitschaft geweckt, sich für die Bearbeitung dieser Bereiche zu öffnen. Auf dieser Grundlage ist dann eine konstruktive Bearbeitung dieser Themen bzw. eventuell sogar eine Auflösung oder Verflüssigung dieser Konfliktbereiche möglich. Die Fragen lassen sich wie unten beschrieben den Entwicklungsaufgaben zuordnen, einige Fragen thematisieren jedoch mehrere Entwicklungsaufgaben. Dieser Fragebogen ist nicht erschöpfend, er stellt ein Hilfsmittel zur Exploration der gegenwärtigen Entwicklungssituation des Jugendlichen dar. Über die Thematisierung konfliktbehafteter Bereiche kommt man mit dem Jugendlichen zu seinen zentralen Themen. – Offener Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen: 1, 4 – Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen: 5, 6, 11 – Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen: 2, 13 – Unbelastete Antizipation schulischer Anforderungen einer Berufsausbildung: 9 – Reflektierte und situationsangemessene Berufswahl und Berufswahlrealisation: 7, 8, 10, 12 – Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“: 3 – Konstruktive emotionale Verarbeitung des Berufswahlprozesses: 13, 14 Aus diesem Fragebogen lässt sich eine homogene Skala mit 10 Items bilden, die mit einer befriedigenden Reliabilität von Chronbachs alpha = .79 (N = 64) den Bewältigungsstand bei der Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben der BerufsT. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
82
6 Anwendung des Modells auf die Förderpraxis
vorbereitung erfasst. Im Hinblick auf die Validität differenzierte diese Skala signifikant (mit einer Effektstärke von d = 0.72) zwischen Hauptschülern (gegen Ende der 10. Klasse), die schon eine Lehrstelle gefunden hatten (M = 4.00; SD = 3.89; N = 33) und Schülern, die noch keinen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hatten (M = 6.64; SD = 3.6; N = 31).
7
Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Maßnahmeverlauf sowie Ausblick
7.1
Entwicklungsbelastungen
Abbildungen 15 und 16 stellen eine längsschnittliche Projektion der Gesamtergebnisse auf den Maßnahmeverlauf dar. Auf der Y-Achse ist abzulesen, ob bzw. in welchem Maße es im Maßnahmeverlauf zum Aufbau von Belastungen oder Ressourcen im Sinne von erfolgreich oder nicht erfolgreich gelösten Entwicklungsaufgaben gekommen ist. Auf der X-Achse ist der Zeitverlauf der BV-Maßnahme abgetragen. Inhaltlich meint dies die zunehmende Konfrontation der Jugendlichen mit den Entwicklungsaufgaben, die ihre Auseinandersetzung fordern Die mit Pfeilen verbundenen Cluster oder Felder stellen die Wirkpfade der in dieser Studie identifizierten Zusammenhänge und Prozesse dar. Bezüglich der Entstehung von Entwicklungsbelastungen lassen sich in Abbildung 15 folgende Hauptpfade erkennen: 1. Eine schon zu Maßnahmebeginn hoch ausgeprägte allgemeine Hilflosigkeit mit der Folge eines passiven, wenig engagierten oder vermeidenden Bewältigungsverhaltens: Die daraus folgenden ausbleibenden Erfolge im Verlauf der Berufsvorbereitung verstärken die Hilflosigkeit und führen zu weiterer Passivität. Die Folge ist eine zunehmende Abkehr oder Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Thema „Beruf“, „Ausbildung“ und „Arbeit“. 2. Eine Form von Hilflosigkeit, die sich erst während der Konfrontation und der Auseinandersetzung mit den spezifischen Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung entwickelt. Identifiziert wurden hier zwei primäre Entwicklungsbelastungen. Eine hohe Identifikation mit sozialen Erwartungen an die eigene berufliche Entwicklung (hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit) und/oder ein starres und exklusives Beharren auf einem kaum realisierbaren Wunschberuf (hohe Reaktanz). Diese beiden Faktoren führen zu bedeutsamen Frustrationen im Förderverlauf, woraus sich eine zunehmende Hilflosigkeit mit den entsprechenden Verhaltenssymptomen entwickelt. 3. Nicht in dieser Stärke hemmend oder beeinträchtigend wirken die Entwicklungsbelastungen „soziale Ängstlichkeit“ und „geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit“. Hier ist eher von geringen Erfolgen im Berufsvorbereitungsprozess auszugehen, der Aufbau von Ressourcen gelingt kaum oder nur erschwert. T. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
erhöhte soziale Ängstlichkeit Fehlzeiten ohne Abbruch
Abbildung 15: Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Zeitverlauf für Entwicklungsbelastungen
Zunehmende Konfrontation/Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung im Zeitverlauf
Geringe Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“,
Zurückgezogenes und vermeidendes Sozialverhalten
Zweifelnde Bindung an das Ausbildungsziel
Kritisches, eingeschränktes und passives Verhalten im Maßnahmeverlauf; kein/ gehemmter Kompetenzaufbau; keine/ gehemmte Entwicklung in Richtung Arbeit/ Ausbildung/ Beruf. Gefahr der zunehmenden Vermeidung einer Auseinandersetzung mit dem Lebensbereich „Erwerbsarbeit“. Berufs- und ausbildungseinmündungsbezogene Hilflosigkeit.
Hohe private Selbstaufmerksamkeit, geringe kognitive Flexibilität, kein Regelschulabschluss
Konflikthafte Auseinandersetzung mit dem Thema „Berufswahlrealisation“
enttäuschte Erwartungen bzw. Frustrationen infolge nicht realisierbarer Ausbildungsziele
Hohe Identifikation mit sozialen Erwartungen an die eigene berufliche Entwicklung
Maßnahmeabbruch
Krankheitszeiten, Fehlzeiten
psychische Dekompensation mit der Notwendigkeit medizinischpsychotherapeutischer Reha
Geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit
Erhöhte schulspezifische Hilflosigkeit
Hohe öffentliche Selbstaufmerksamkeit
Hohe Reaktanzneigung
Hohe allgemeine Hilflosigkeit
Entwicklungsbelastungen
Maßnahmeabbruch
84 7 Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Maßnahmeverlauf sowie Ausblick
7.2 Entwicklungsressourcen
85
4. Maßnahmeabbruch stellt sich in diesem Schema als ein Nebenpfad der Gruppen, die entweder schon zu Maßnahmebeginn (wie die Abbrecher aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Reha-Maßnahme) oder erst im Verlauf der Maßnahme (aufgrund einer hohen Identifikation mit ausbildungsbezogenen sozialen Erwartungen) Hilflosigkeit entwickeln, dar. Treten dann als weitere Entwicklungsbelastungen eine hohe private Selbstaufmerksamkeit (siehe 3-Faktoren Hypothese des Maßnahmeabbruches) und/ oder alte Entwicklungsbelastungen (kein Regelschulabschluss) hinzu übersteigt/ überfordert dies die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten schließlich und es kommt zu einem Maßnahmeabbruch als „Flucht aus dem Feld“. Es ist zu vermuten bzw. zu schließen, dass es sich bei dem Prozessmerkmal, das sich als Ergebnis aus der problematischen Bewältigung der spezifischen Entwicklungsaufgaben im Verlauf der Berufsvorbereitung ergibt (bzw. die Y-Achse „Belastungen“ in Abbildung 15 repräsentiert), um eine Form von „berufs- und ausbildungseinmündungsbezogener“ Hilflosigkeit handelt.
7.2
Entwicklungsressourcen
Bezüglich des Aufbaus von Ressourcen wurde in dieser Studie kein „Meta-Merkmal“ (ähnlich der Hilflosigkeit bei den Belastungen) als zentrale bzw. integrative Ressource untersucht bzw. eingeführt. Die hier gemeinten (aufgebauten) Ressourcen repräsentieren die positiv-produktiven Lernerfahrungen infolge der erfolgreich bewältigten Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung. Bezüglich der Entstehung dieser Entwicklungsressourcen im Maßnahmeverlauf lassen sich in Abbildung 16 folgende Hauptpfade erkennen: 1. Primäre Entwicklungsressourcen in Form einer hohen kognitiven Flexibilität und einer geringen Reaktanzneigung unterstützen die regelmäßige Teilnahme und Bindung an die Maßnahme und damit eine gestützte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen. In der Folge ist mit produktiven Lernerfahrungen bei der Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben und dem Aufbau von weiteren Ressourcen zu rechnen. 2. Eine erhöhte Leistungsmotivation bzw. geringe Hilflosigkeit unterstützen über die Erleichterung zielorientierten Handelns produktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme, wodurch positive Handlungsergebnisse bei der Auseinandersetzung gefördert werden. Diese positiv bewältigten Entwicklungsaufgaben stellen dann ihrerseits wieder Ressourcen dar.
Flexibilität und Realismus bei der Berufswahl
Produktives, engagiertes und zielbezogenes Bewältigungsverhalten
Hohe schulspezifische Hilflosigkeit
Regelschulabschluss
Ressourcen- und Kompetenzaufbau mit entsprechender Persönlichkeitsentwicklung; gute/ entwickelte Chancen auf berufliche/ ausbildungsbezogene Eingliederung; zuversichtliche weitere Auseinandersetzung mit dem Lebensbereich Beruf/ Ausbildung/ Erwerbsarbeit: berufs- und ausbildungseinmündungsbezogene Selbstwirksamkeit
Regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme
Direkte Eingliederung in Arbeit
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
Abbildung 16: Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Zeitverlauf für Entwicklungsressourcen
Zunehmende Konfrontation/Auseinandersetzung mit den Entwicklungsaufgaben der Berufsvorbereitung im Zeitverlauf
Kognitive Flexibilität, geringe Reaktanz
Leistungsmotivation, geringe Hilflosigkeit
Positive Selbstwertschätzung
Geringe soziale Ängstlichkeit
Entwicklungsressourcen
86 7 Integration der Ergebnisse und Projektion auf den Maßnahmeverlauf sowie Ausblick
7.2 Entwicklungsressourcen
87
3. Geringe soziale Ängstlichkeit erleichtert den offenen und authentischen Umgang mit den neuen sozialen Herausforderungen im Berufsvorbereitungsprozess und fördert damit erfolgreiche Lernerfahrungen. 4. Geht geringe soziale Ängstlichkeit mit hoher schulspezifischer Hilflosigkeit einher führt dies zum Aufsuchen eines direkten Weges in das Arbeitsleben (direkte Einmündung in Arbeit). Der Weg über eine Ausbildung wird aufgrund der Entwicklungsbelastung „schulspezifische Hilflosigkeit“ (Besorgnis bezüglich der Auseinandersetzung mit den berufsschulischen Anforderungen einer Ausbildung) vermieden. 5. Gehen mit einer geringen sozialen Ängstlichkeit eine positive Selbstwertschätzung und ein vorhandener Regelschulabschluss einher begünstigt dies über engagiertes und produktives Verhalten die Chance auf eine schnelle Ausbildungseinmündung. Es ist zu vermuten bzw. zu schließen, dass eine Form von „berufs- und ausbildungseinmündungsbezogener“ Selbstwirksamkeit hier das zentrale integrierende Prozessmerkmal (als generelle Ressource) darstellt bzw. die Y-Achse in Abbildung 16 in Richtung der „Ressourcen“ repräsentiert. Die erfolgreich gelösten Entwicklungsaufgaben würden in diesem Sinne auf subjektiver Ebene kognitiv zu entsprechend hohen berufs- und ausbildungseinmündungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen verarbeitet werden. Die aufgebaute Selbstwirksamkeit würde die Grundlage für eine weiterhin engagierte, produktive und aktive Auseinandersetzung mit dem Lebensbereich „Ausbildung“, „Arbeit“ und „Beruf“ bilden. Berufs- und ausbildungseinmündungsbezogene Hilflosigkeit stellt demgegenüber mit hoher Wahrscheinlichkeit die Basis für eine zunehmende Passivität, Vermeidung und Rückzug aus dem Lebensbereich „Beruf“ und „Arbeit“ dar. Spätere Integrationsversuche sind dann mit der Hypothek der vormals aufgebauten Hilflosigkeit belastet. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit einer der zentralen Prozesse, der zu sog. „Förderketten“, „Maßnahmekarrieren“, „Drop-Outs“ sowie zu späterer Arbeits- und Ausbildungslosigkeit führt.
Anhang
Anhang 1.0: Zusammenstellung der Untersuchungsgruppen Folgende Verhaltensindikatoren wurden verwandt bzw. folgende Untersuchungsgruppen wurden gebildet: 1: Teilnahmehäufigkeit (regelmäßige Teilnahme vs. hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten). Hierzu wurden die individuellen relativen unentschuldigten Fehlzeiten (unentschuldigte Fehltage pro Woche im Förderzeitraum) aufgrund von Aktenanalysen für jeden Teilnehmer ermittelt. Es ergab sich eine linksschiefe Verteilung mit einem Hochpunkt im Bereich gegen „0“. Aus dieser Kategorie wurde die Subgruppe „geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten“ gebildet (N = 47). Die Gruppe „hohe unentschuldigte Fehlzeiten“ wurde zusammengestellt, indem ein Cut-off bei 0,4 unentschuldigten Fehltagen/Woche gesetzt wurde. 17 Teilnehmer überschritten diesen Wert und wurden in diese Gruppe aufgenommmen. Die unentschuldigten Fehlzeiten der beiden Gruppen unterscheiden sich signifikant auf dem 1% Niveau. 2: Maßnahmeerfolg (frühe Einmündung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis vs. Beendigung der Maßnahme nach Ende der maximal möglichen Förderdauer ohne Eingliederung in ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis). Die Dauer des Verbleibs in der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, bis eine Vermittlung in eine betriebliche Ausbildung erfolgte, wurde per Aktenanalyse erhoben. In die Gruppe „frühe Einmündung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis“ wurden diejenigen 18 Teilnehmer aufgenommen, die in den ersten 3–6 Monaten der Förderung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis einmündeten. Weiterhin wurde per Aktenanalyse eine Gruppe von Teilnehmern identifiziert, die die Maßnahme nach Ablauf des maximalen Förderzeitraumes mit anschließender Arbeitslosigkeit oder ohne die Erarbeitung einer Arbeits-/Ausbildungsperspektive beendeten (Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive). Diese Gruppe umfasst 7 Teilnehmer. 3: Maßnahmeabbruch: Es wurden per Aktenanalyse diejenigen Jugendlichen identifiziert, die die Maßnahme vor dem offiziellen Ende ohne eine Einmündung in ein Ausbildungsverhältnis beendeten. T. Casper-Kroll, Berufsvorbereitung aus entwicklungs-psychologischer Perspektive, DOI 10.1007/978-3-531-93119-7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
90
Anhang
Eine Sichtung der Abbrüche zeigte, dass sich diese speziellen Untergruppen zuordnen ließen. Folgende Untergruppen ließen sich bilden: A: Abbrecher mit hohen Fehlzeiten vor dem Abbruch. Diesen Teilnehmern wurde durch den Träger gekündigt, die Initiative zum Abbruch ging in keinem Fall von den Jugendlichen aus, indem sie klar und konkret eine eigene Entscheidung zum Abbruch gegenüber dem Träger formuliert hätten. In fast allen Fällen unternahmen die betreuenden Mitarbeiter verschiedene und z. T. auch aufwändige (jedoch erfolglose) Versuche, um den Teilnehmer zu einer Weiterführung der Maßnahme zu bewegen. Diese Jugendlichen hatten allesamt keine berufliche Perspktive nach dem Abbruch, waren damit im Anschluss arbeitslos. Diese Gruppe stellt quantitativ die größte Subgruppe der Maßnahmeabbrecher dar, es wurden 28 Fälle dokumentiert, von 19 Jugendlichen lagen verwertbare Datensätze vor. B: Abbrecher aufgrund von Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis. Diese Jugendlichen formulierten gegenüber dem Träger im Maßnahmeverlauf selbst den Wunsch, die Maßnahme zu beenden, und hatten in nahezu allen Fällen eine konkrete Beschäftigungsoption vorzuweisen oder konnten einen Arbeitsplatz antreten. Aus dieser Perspektive ist die Bezeichnung „Abbrecher“ nicht treffend, seitens des Trägers wurden diese jedoch als „Abbrecher“ bezeichnet, da sie nicht, wie trägerseits beabsichtigt, eine Ausbildung anstrebten. Es wurden 10 Fälle dokumentiert, von denen in 8 Fällen verwertbare Datensätze vorlagen. C: Abbruch infolge einer psychischen Krise: Diese Jugendlichen beendeten die Maßnahme aufgrund des Antritts einer stationären medizinisch-psychotherapeutischen Rehamaßnahme (psychosomatische Klinik, Tagesklinik, Psychiatrie). Es wurden 5 Fälle dokumentiert, von denen vier vollständige Datensätze vorlagen. D: Eine Restgruppe beendete die Maßnahme wegen Diebstahls (Kündigung; 2 Fälle), aggressiven Verhaltensproblemen (3 Fälle), rein körperlich-gesundheitlichen Problemen (Unfall, Krankenhausaufenthalt; 3 Fälle), Schwangerschaft (1 Fall), Suchttherapie (2 Fälle), Umzug (4 Fälle). Diese Fälle wurden sowohl aus inhaltlichen Gründen als auch aufgrund der geringen Häufigkeit nicht weiter ausgewertet. 4: Verhaltensbeobachtung durch die betreuenden Mitarbeiter: Als „weiches“ Kriterium des Bewältigungsverhaltens wurden Gruppen aufgrund der Beurteilung des Bewältigungsverhaltens durch die betreuenden Mitarbeiter zusammengestellt. Die Mitarbeiter wurden nach sechsmonatiger Förderung in der Maßnahme gebeten, Teilnehmer mit produktivem und effektivem Bewältigungsverhalten sowie
Anhang
91
mit kritischem und eingeschränktem Bewältigungsverhalten zu benennen bzw. zu identifizieren. Als Verhaltensindikatoren für die Identifikation von Jugendlichen mit produktivem, aktivem und zielbezogenem Verhalten wurden den Mitarbeitern vorgegeben: – – – – – – –
klare und realistische Berufswünsche Selbstinitiative bei der Praktikumssuche gute Rückmeldungen aus den Praktika Zufriedenheit der Jugendlichen mit dem Verlauf der Praktika Mitarbeit bei der theoretischen Unterweisung in der Maßnahme Integration in die Ausbildungsgruppe Bereitschaft, die Betreuer selbstinitiativ bei Problemen anzusprechen
Die auf diesem Wege zusammengestellte Gruppe „Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ umfasst 45 Teilnehmer. Als Verhaltensindikatoren für mangelndes, passives und eingeschränktes Bewältigungsverhalten wurden vorgegeben: – – – – – – –
unklare oder unrealistische Berufswünsche wenig Eigeninitiative bei Praktikumssuche Unzufriedenheit mit dem Verlauf der Praktika schwache Rückmeldungen aus den Praktika geringe Mitarbeit bei der theoretischen Unterweisung in der Maßmahme geringe Integration in die Ausbildungsgruppe wenig Bereitschaft, bei individuellen Problemen Hilfe der Betreuer zu erbitten
Die auf diesem Wege zusammengestellte Gruppe „Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme“ umfasst N = 37 Teilnehmer. Die einschätzenden Mitarbeiter wurden expliziet gebeten, Schulnoten und den Schulabschluss nicht in ihre Beurteilung mit einzubeziehen. Die Zusammenstellung aller Untersuchungsgruppen nach den o. g. Vorgaben erfolgte exklusiv unter der Maßgabe, dass alle Untersuchungsgrupppen mit verschiedenen Jugendlichen besetzt wurden. Die auf diesem Wege zusammengestellten Untersuchungsgruppen wurden in der Hauptuntersuchung mit einer Kontrollgruppe von N = 123 „unauffälligen“ (nicht klassifizierten) Jugendlichen verglichen.
Regelschulabschluss ja/nein Schulspezifische Hilflosigkeit
Antizipation berufsschulischer Anforderungen einer Ausbildung
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber der Anforderungen
Berufswahl und Berufswahlrealisation
…wirkt als Entwicklungsressource
Hohe Leistungsmotivation…
Leistungsmotivation
Öffentliche Selbstaufmerksamkeit
Selbstwertschätzung
Geringe Rigidität…
Vorhandener Regelschulabschluss … Geringe schulspezifische Hilflosigkeit … Geringe soziale Ängstlichkeit… Hohes zwischenmenschliches Vertrauen … Geringe individuelle Reaktanzneigung… Hohes Selbstkonzept der Entscheidungs sicherheit …
Geringe private Selbstaufmerksamkeit…
Hypothesenformulierung Entwicklungsressource:
Geringe allgemeine Hilflosigkeit… Hohe Selbstwertschätzung… Hohe öffentl. Selbstaufmerksamkeit…
Allgemeine Hilflosigkeit
Rigidität (kognitive Flexibilität)
Zwischenmenschliches Vertrauen Individuelle Reaktanzneigung Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit
Soziale Ängstlichkeit
Private Selbstaufmerksamkeit
Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Assoziiertes Merkmal
Entwicklungsaufgabe
Tabelle 4: Hypothesenformulierung und Versuchsplan
Anhang 1.1
Geringe Leistungsmotivation…
…wirkt als Entwicklungsbelastung
Statistische Prüfung mittels tTest
Geringe öffentliche Selbstaufmerksamkeit…
Geringe Selbstwertschätzung…
Hohe allgemeine Hilflosigkeit…
Hohe Rigidität…
Schwaches Selbstkonzept der Entscheidungssicherheit…
Geringes zwischenmenschliches Vertrauen… Hohe individuelle Reaktanzneigung…
Hohe soziale Ängstlichkeit…
Fehlender Regelschulabschluss… Hohe schulspezifische Hilflosigkeit…
Hohe private Selbstaufmerksamkeit…
Hypothesenformulierung Entwicklungsbelastung:
gegen die Kontrollgruppe
Gemäß Tabelle 2 Mittelwertvergleiche der Kriteriengruppen mit zielführendem Bewältigungsverhalten/Bewältigungsergebnis: 1: Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis 2: Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme 3: Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten 4: Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis
Empirische Prüfung auf Entwicklungsressource
Statistische Prüfung mittels tTest
gegen die Kontrollgruppe
Gemäß Tabelle 2 Mittelwertvergleiche der Kriteriengruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten/Bewältigungsergebnis: 1: Beendigung der Maßnahme nach Ende des Förderzeitraums ohne berufliche Perspektive 2: Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme 3: Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten 4: Antritt einer medizinischpsychotherapeutischen Rehamaßnahme
Empirische Prüfung auf Entwicklungsbelastung
92 Anhang
93
Anhang
Anhang 1.2: Charakterisierung der Untersuchungsgruppe Untersucht wurden TeilnehmerInnen der Lehrgänge G, BBE, F1 und F2 (siehe Runderlass 42/96). Es wird über die 324 Teilnehmer berichtet, deren Daten in die Hauptanalyse miteingingen. 170 Teilnehmer besuchten den Grundlehrgang (G), 43 den Lehrgang zur Verbesserung beruflicher Eingliederungschancen (BBE), 42 Jugendliche wurden in einem Förderlehrgang 1 (F1) begleitet und 50 Teilnehmer besuchten den Förderlehrgang 2 (F2) (siehe Tabelle 5). Tabelle 5: Untersuchungsgruppe nach Lehrgang: f%
f
Lehrgang G-Lehrgang
56%
170
BBE-Lehrgang
14%
43
F1-Lehrgang
14%
42
F2-Lehrgang
16%
50
Gesamt
100%
305*
* 19 missings bezüglich des Merkmals „Lehrgang“
Varianzanalysen über die erhobenen Merkmale ergaben zugunsten des Faktors „Lehrgang“ bei drei Variablen signifikante Effekte. Die Mittelwerte des Merkmals „Kognitive Flexibilität (Rigidität)“ variieren signifikant zwischen den Gruppen (F = 2.805, p = .04; Eta-Squared = .027), ein weiterer Effekt findet sich bei dem Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“ (F = 8.79, p = .000; Eta-Squared = .081) sowie bezüglich des Merkmals „zwischenmenschliches Vertrauen“ (F = 9.935; p = .000; Eta-Squared = .09). Der Effekt beim Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“ kann auf die unterschiedlich verteilten Schulabschlüsse in den Gruppen zurückgeführt werden (siehe unten). Die Mittelwerte beim „zwischenmenschlichen Vertrauen“ variieren gleichermaßen mit dem Schulabbschluss. Sonderschüler erreichen die höchsten Werte bei diesem Merkmal. Eine Betrachtung der Untersuchungsgruppe nach dem Alter zeigt Tabelle 6. Der Altersmittelwert liegt in der Gesamtstichprobe bei M = 17.93 Jahren (SD = 1.57), der Median bei 17 Jahren. Varianzanalysen über den Faktor „Alter“ bei dieser Stichprobe erbrachten signifikante Effekte lediglich bei der Variablen „zwischenmenschliches Vertrauen“ (F = 1.996; p = .047; Eta-Squared = .05), dieser Effekt ist mit 5% aufgeklärter Varianz eher gering, die Mittelwerte variieren unsystematisch über das Alter. Unter den 324 Versuchspersonen sind 187 Jugendliche männlichen Geschlechts (57,7%), 137 (42,3%) weiblichen Geschlechts. Varianzanalysen zeigen zwei signifikante Effekte bezüglich des Faktors „Geschlecht“ in der Untersuchungsstichprobe.
94
Anhang
Tabelle 6: Untersuchungsgruppe nach Alter Alter
f%
f
16
14%
44
17
36%
112
18
20%
63
19
17%
55
20
6%
19
21
3%
11
22
1%
4
23
2%
5
24
1%
Gesamt
100%
2 315*
* 9 missings beim Merkmal „Alter“
Es sind dies „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ (Männer geringer; F = 16.22; p = .000; Eta-Squared = .048) und „soziale Ängstlichkeit“ (Frauen höher; F = 7.2; p = .008; Eta-Squared = .022), auch diese Effekte erscheinen von geringer Stärke. Tabelle 7 gibt Auskunft über die Teilnehmer nach ihrer Nationalität. Tabelle 7: Untersuchungsgruppe nach Nationalität Nationalität
f%
f
Deutsch
76%
246
Türkisch
15%
46
Aus-/Übersiedler
2%
7
Andere
7%
23
Gesamt
100%
322*
* 2 missings
Es ergibt sich ein signifikanter Effekt beim Merkmal „soziale Ängstlichkeit“ (F = 2.8; p = .038; Eta-Squared = .021) sowie bei der Variable „schulspezifische Hilflosigkeit“ (F = 5.3; p = .001; Eta-Squared = .051) zwischen den Gruppen, die Effekte sind jedoch uneinheitlich. Die Hypothese, dass generell beide Merkmale bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund höher ausfallen, ließ sich nicht bestätigen. Es wurde auch das Merkmal „Schulabschluss“ erfasst, die Verteilung ist aus Tabelle 8 ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass die Variablen in der vorliegenden Untersuchung mit dem Ziel zusammengestellt wurden, Risikofaktoren für die Bewältigung der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ zu untersuchen, überrascht es nicht, dass Folgen oder Bedingungen der Bewältigung früherer Entwicklungsaufgaben (erreichter Schulabschluss) sich in den erhobenen Merkmalen niederschlagen. Effekte ergeben sich
95
Anhang
Tabelle 8: Untersuchungsgruppe nach dem Schulabschluss Erreichter Schulabschluss
f%
f
Ohne Regelschulabschluss
31%
Hauptschulabschluss nach Klasse 9
11%
89 32
Hauptschulabschluss nach Klasse 10a
34%
93
Hauptschulabschluss Klasse 10b oder
21%
59
3%
9
Realschulabschluss Abitur oder Fachabitur Sonstige
1 100%
283*
* 41 missings
beim Merkmal „allgemeine Hilflosigkeit“ (F = 2.14; p = .032; Eta-Squared = .06; je höher der formale Bildungsabschluss, desto geringer die allgemeine Hilflosigkeit); erwartungsgemäß noch deutlicher beim Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“ (F = 3.08; p = .002; Eta-Squared = .08; je höher der Schulabschluss, desto geringer die schulspezifische Hilflosigkeit). Ein signifikanter Effekt bei dem Merkmal „Leistungsmotivation“ (F = 1.98; p = .049, Eta-Squared = .054) variiert nicht so konsistent wie die vorgenannten Hilflosigkeitskonstrukte über die Höhe des Schulabschlusses. „Zwischenmenschliches Vertrauen“ wird durch die Variable „Schulabschluss“ zu Eta-Squared = .075 (F = 2.8; p = .005) aufgeklärt. Eine Sichtung der Werte zeigt hier, dass das „zwischenmenschliche Vertrauen“ relativ konsistent mit der Höhe des erreichten Schulabschlusses abnimmt. Die bedeutsamsten Effekte finden sich insgesamt also beim Merkmal „Schulabschluss“ (alle Effekte größer 5% Varianzaufklärung). Da aufgrund theoretischer Ableitungen die Variable „Schulabschluss“ (allerdings reduziert auf die Kategorien: Regelschulabschluss vorhanden/nicht vorhanden) mit in das Untersuchungsmodell und die Hauptanalysen miteinbezogen wurde, kann dieser Faktor als weitgehend kontrolliert gelten. Die anderen o. g. Effekte erscheinen dagegen vergleichsweise schwach und wurden daher nicht weiter kontrolliert. Zusamenfassend zeigt sich, dass sich zwischen den unterschiedlichen Lehrgängen nur sehr kleine Unterschiede bei den erhobenen Merkmalen nachweisen lassen. Dies heißt jedoch im Rückschluss, dass es mindestens von dieser Seite keine Argumente gibt, die dagegen sprechen, die unterschiedlichen Lehrgänge im Rahmen der hier durchgeführten Analysen zusammenzufassen. Die Untersuchung wurde in zwei Jahrgängen von Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen bei einem Bildungsträger am Rande des Ruhrgebiets durchgeführt.
96
Anhang
Anhang 1.3: Untersuchungsinstrumente Bei der Auswahl der Instrumente wurde besonderer Wert auf die Validität der Instrumente für die hier untersuchte Gruppe gelegt, d. h., es sollte sich um Erhebungsverfahren für problembelastete Jugendliche handeln. Da dies nicht für alle intendierten Merkmale realisiert werden konnte, wurden über die verwendeten Skalen im Rahmen einer Voruntersuchung Reliabilitätsanalysen gerechnet und Itemanalysen durchgeführt, mit dem Ziel, diese der Untersuchungsgruppe hinsichtlich der testtheoretischen Gütekriterien (Reliabilität = Messgenauigkeit) anzupassen. Die Fragen waren auf vier- bzw. sechstufigen Rating-Skalen zu beantworten. Es wurden folgende Ausgangsskalen benutzt und über die Reliabilitätsanalysen adaptiert:
Schulspezifische Hilflosigkeit Um das Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“ zu erfassen wurde ein von Jerusalem & Schwarzer (1986) entwickeltes Instrument „Hilfschul“ eingesetzt, das speziell schulspezifische Fähigkeitserwartungen erfasst. Durch die Fixierung auf schulrelevante Inhalte wurde sichergestellt, dass die für diesen Untersuchungszusammenhang relevanten Kontrollüberzeugungen erfasst werden. Typische Items dieser Skala lauten: „Egal, ob ich übe oder nicht, ich werde nie bessere Noten erhalten“, „Ich glaube, dass Zensuren herzlich wenig damit zu tun haben, ob ich mich angestrengt habe oder nicht.“ Relibilitätsanalysen über die Ausgangskala (12 Items) zeigten, dass die von Jerusalem & Schwarzer (1986) berichtete interne Konsitenz (.75–.79) nicht erreicht wurde. Es wurden über Itemanalysen zwei Items aus der Ursprungskala entfernt, so dass die revidierte Skala nunmehr zehn Items umfasst. Auf diesem Wege wurde eine Reliabilität von .82 (Chronbachs alpha) erreicht.
Leistungsmotivation Ausgangsskala zur Erfassung dieses Konstruktes bildete die Skala LM (Leistungsmotiviertheit) des „Mehrdimensionalen Persönlichkeitstests für Jugendliche“ (Schmidt, 1981). Typische Items dieser Skala lauten: „Ich bin einsatzfreudiger als andere“, „Man hält mich gewöhnlich für einen Menschen, der hart arbeitet“. Auch bei dieser Skala erbrachten die Reliabilitätsanalysen unbefriedigende Ergebnisse, die von Schmidt berichtete Reliabilität (interne Konsistenz nach Kuder-Richardson: .65) wurde nicht erreicht. Durch Kürzung der Skala im Rahmen von Reliabilitätsanalysen auf sechs Items wurde eine interne Konsistenz (Chronbachs alpha) von .57 erreicht.
Anhang
97
Selbstaufmerksamkeit Bezüglich der Erfassung des dispositionalen Aspekts der objektiven Selbstaufmerksamkeit wurden die Skalen „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ (SAMPUB) und „private Selbstaufmerksamkeit“ (SAMPRIV) von Jerusalem & Schwarzer (1984) gewählt. Typische Items der Skala „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ lauten: „Ich betrachte mich gern im Spiegel“, „Ich mache mir Gedanken darüber, wie ich auf andere Menschen wirke“. Auch bei dieser Skala mussten Adaptationen vorgenommen werden, um die Reliabilität zu steigern. Die Ursprungsskala wurde um vier Items verkürzt. Auf diesem Wege konnte eine befriedigende Reliabilität erreicht werden (Chronbachs alpha für die auf elf Items verkürzte Skala: .77). Die verwendete Skala SAMPRIV zur privaten Selbstaufmerksamkeit umfasst insgesamt 14 Items. Markeritems lauten z. B.: „Meine Gedanken kreisen um mich selbst“, „Ich denke viel über mich nach“. Diese Skala wurde erst zur zweiten Untersuchungswelle in die Untersuchung mitaufgenommen, daher wurden keine Reliabilitätsbeurteilungen vorgenommen. Die Ursprungsskala besitzt eine Reliabilität von Chronabachs alpha = .86.
Allgemeine Hilflosigkeit Zur Erfassung dieses Selbstbereichs wurde die Skala „allgemeine Hilflosigkeit“ (Hilfall) von Jerusalem & Schwarzer (1986) verwandt. Typische Items dieser Skala lauten: „Wenn die Arbeit zu viel wird, möchte ich am liebsten alles hinschmeißen“. Es gibt Situationen, bei denen weiß ich weder ein noch aus“. Die Ursprungsskala erbrachte auch in der Anwendung in der vorliegenden Stichprobe befriedigende Reliabilitäten (Chonbachs alpha = .82), so dass sie beibehalten werden konnte.
Rigidität/Kognitive Flexibilität Zur Erfassung dieses Merkmals wurde die Skala „Aggression“ des „Mehrdimensionalen Persönlichkeitstests für Jugendliche“ (MTP; Schmidt, 1981) gewählt. Diese Skala erfasst keine verhaltensmäßige Aggression, sondern ein rigides und starres Einstellungssystem, Intoleranz sowie Ungeduld. Typische Items lauten: „Es stört mich sehr, wenn zuhause nicht alles in geordneter Weise abläuft“, „Ich hatte schon immer ein und dieselbe Lieblingspeise“. Auch bei dieser Skala waren Anpassungen notwendig, um die Reliabilität zu steigern. Die Skala wurde auf neun
98
Anhang
Items verkürzt, wodurch eine ausreichende Reliabilität (Chronbachs alpha = .58) erreicht wurde. Hohe Werte stehen für Rigidität, geringe Werte für kognitive Flexibilität.
Soziale Ängstlichkeit Hier wurde die Skala „Shy“ (Jerusalem, Schwarzer & Quast, 1986) gewählt. Typische Items lauten: „Es fällt mir schwer, mit fremden Menschen zu telefonieren“, „Ich werde sehr leicht verlegen“. Durch eine Verkürzung der Skala um zwei Items wurde eine Reliabilität von Chronbachs alpha = .78 erreicht.
Zwischenmenschliches Vertrauen Hier wurde die Skala „Interpersonal Trust“ von Amelang, Gold und Kübel (1984) adapiert, indem diese um einige Items verkürzt und selbstkonstruierte Items hinzugefügt wurden. Die revidierte Skala besteht nun aus elf Items, wodurch eine befriedigende Reliabiltät in Höhe von Chronbachs alpha = .73 erreicht wurde. Typische Items der Skala lauten: „Es gibt nur wenige Menschen, auf die man sich verlassen kann“; „Worte und Taten der Menschen stimmen selten überein“.
Reaktanzneigung Ausgewählt wurde die Skala „Reaktanz“ aus dem „Reaktanzfragebogen“ von Merz (1983). Diese Skala wurde verkürzt und einige selbstkonstruierte Fragen hinzugefügt, so dass die nunmehr aus neun Items bestehende Skala eine Reliabilität (Chronbachs alpha) in Höhe von .78 gewährleistet. Typische Items der Skala lauten: „Vorschriften und Verbote erwecken in mir starke Widerstände“, „Es reizt mich, anderen zu widersprechen“.
Eigene Selbstwertschätzung Revidiert wurde die Skala „Selbstkonzept der eigenen Selbstwertschätzung“ von Deusinger (1996). Auf neun Items gekürzt erreicht die Skala in der vorliegenden Stichprobe eine Reliabilität von Chronbachs alpha = .78. Markeritems sind: „Ich bin zufrieden mit mir“, „Ich wollte, ich könnte mehr Achtung vor mir haben“.
Anhang
99
Selbstkonzept der eigenen Entscheidungssicherheit Vorgelegt wurde eine Revision der Skala „Verhaltens- und Entscheidungssicherheit“ von Deusinger (1996). Die nunmehr auf vier Items reduzierte Skala misst in dieser Stichprobe mit einem Chronbachs alpha = .65. Typische Items sind: „Ich kann wichtige Entscheidungen ohne Hilfe treffen“, „Ich glaube, dass ich in den meisten Fälllen mein Verhalten vor mir rechtfertigen kann“. Kontrollskala Es wurde die Skala „K“ (Kontrolle) aus dem „Mehrdimensionalen Persönlichkeitstest für Jugendliche“ (Schmidt, 1981) zugrunde gelegt. Die Revision wurde vorgenommen, indem die Zustimmungshäufigkeit für jedes Item in der Analysestichprobe gesichtet wurde und nur die Items in die neue Skala aufgenommen wurden, die von höchstens 25% der Probanden akzeptiert wurden. Auf diese Weise wurden vier Items entfernt, die eine höhere Zustimmensrate aufwiesen. Durch Betrachtung der Häufigkeitsverteilung der individuellen Scores auf dieser Skala wurde ein kritischer Wert für die Zurückweisung eines Fragebogens bei Kontroll: >/= 2 gesetzt. Bei diesem Wert wurden 15,2% der Ausgangsmessungen zurückgewiesen. Die verbleibenden Messungen (N = 324) gingen in die Hauptanalyse ein.
100
Anhang
Anhang 1.4: Fragebogen zur Berufswahl Name: Datum: Dinge bei der Berufswahl, über die ich mir Gedanken mache Bitte gib an, ob oder wie oft dir folgende oder ähnliche Gedanken in letzter Zeit durch den Kopf gegangen sind
1: Ich mache mir Sorgen darüber, ob ich in einem Ausbildungsbetrieb die Erwartungen des Chefs, der Kollegen oder des Meisters erfüllen kann. 2: Mir wäre es in meiner komplizierten Situation am liebsten, wenn mir einer sagen würde, was ich machen soll. 3: Wenn ich nicht den richtigen Beruf wähle, könnten mir wichtige Personen (z.B. meine Eltern) von mir enttäuscht sein. 4: Ich weiß eigentlich gar nicht, wie man sich richtig bei einer Firma bewirbt oder vorstellt. 5: Ich habe ein unsicheres Gefühl, wenn ich an meine berufliche Zukunft denke. 6: Ich habe in meinem Zielberuf mit meinem Schulabschluss oder meinen Schulnoten viel weniger Chancen als andere, eine Lehrstelle zu finden. 7: Ich mache mir Gedanken …ich dann später arbeitslos darüber, den falschen Beruf sein könnte. wählen zu können, weil… …ich dann vielleicht in dem Beruf nicht glücklich wäre. 8: Ich habe das Gefühl, dass ich noch Zeit brauche, um herauszufinden, was das richtige berufliche Ziel für mich ist. 9: Ich denke daran, dass ich die Berufschule oder die Prüfungen in meinem Wunschberuf nicht schaffen könnte. 10: Es würde mich sehr enttäuschen, einen anderen Beruf als meinen Wunschberuf zu erlernen. 11: Gedanken an meine berufliche Zukunft bedrücken und verunsichern mich. 12: Ich finde einfach keinen Beruf, der mir Spaß macht. 13: Die ganzen widersprüchlichen Tipps, Hinweise und Ratschläge zu meiner Berufswahl bringen mich ganz durcheinander, so dass ich gar nicht mehr durchblicke. 14: Ich habe schon sehr viel und oft über meine berufliche Zukunft nachgedacht, komme aber einfach nicht weiter.
Thomas Casper-Kroll 2010
Nein, das habe ich noch nie gedacht, denke ich nicht
Ja, das denke ich manchmal
Ja, das denke ich oft
101
Anhang
Anhang 1.5: Tabellen zur 3-Faktoren-Hypothese Tabelle 9: Mittelwerte „Allgemeine Belastung“ in den Kriteriengruppen Gruppe
Kontrollgruppe
M (N) allgemeine Belastung
SD allgemeine Belastung
0.40 (89)
4.62
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
–1.42 (41)
3.97
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
–1.71 (17)
3.00
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
2.14 (22)
6.12
Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
2.03 (17)
4.87
Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme
3.75 (3)
3.78
Varianzanalyse: Mittelwertdifferenz in den Gruppen signifikant (F = 3.34; df = 5; p = .005)
Tabelle 10: Mittelwerte der Variable „private Selbstaufmerksamkeit“ in den Kriteriengruppen Gruppe
M (N) private Selbstaufmerksamkeit
Kontrollgruppe
–0.05 (26)
0.88
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
–0.02 (27)
1.05
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
–0.43 (14)
0.95
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
–0.29 (13)
1.11
Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
0.67 (19)
0.78
Abbruch aufgrund des Antritts einer medizinisch-psychotherapeutischen Maßnahme
0.55 (3)
0.65
SD private Selbstaufmerksamkeit
Varianzanalyse: Mittelwertdifferenz in den Gruppen signifikant (F = 2.89; df = 5; p = .015)
102
Anhang
Anhang 2.0 Zentrale statistische Ergebnisse: Tabelle 11 und Abbildung 17 mit Erläuterungen Die Tabelle 11 (siehe S. 106 und 107) enthalten die Ergebnisse der Kriteriengruppenvergleiche mit der Kontrollgruppe auf der Basis des im Anhang 1.1 dargestellten Versuchsplans. Zunächst wurden hypothesengerichtete einseitige t-tests (Signifikanzniveau 5%) gerechnet. Für die Variable „Schulabschluss“ wurden Chi-QuadratTests gerechnet. Bei Signifikanz wurde die Mittelwertdifferenz in die Effektstärke d transformiert (d = Mittelwertsdifferenz dividiert durch Standardabweichung), so dass die unterschiedlichen Differenzen untereinander und zwischen den Gruppen aufgrund des gleichen Maßstabs vergleichbar sind. Nach den Konventionen lautet die Faustregel: d < 0.35 = schwacher Effekt; 0.35 < d < 0.65 = mittlerer Effekt; 0.65 < d = starker Effekt. In Spalte 1 sind die sieben Entwicklungsaufgaben aufgeführt, in Spalte 2 die damit assoziierten Merkmale. Spalte 3 enthält die Richtung der geprüften Hypothesen (komplementäre Hypothesen invers). Bezüglich des Merkmals „Kognitive Flexibilität“ ist zu beachten, dass dieses negativ gepolt ist, d. h., hohe Werte stehen für geringe kognitive Flexibilität bzw. hohe Rigidität. Lediglich ein Mittelwertvergleich fiel entgegen der gesetzten Hypothesen signifikant aus, es handelt sich um die erhöhten Werte bei dem Merkmal „öffentliche Selbstaufmerksamkeit“ in der Gruppe „Maßnahmenabbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten“. Die Komplementärgruppenvergleiche wurden allein für die unten aufgeführten Gruppenpaare mit folgenden Hypothesen durchgeführt: – Die Gruppe „Hohe Fehlzeiten (ohne Abbruch)“ ist belasteter als die Gruppe „Geringe Fehlzeiten“. – Die Gruppe „Maßnahmenabbruch nach hohen Fehlzeiten“ ist belasteter als die Gruppe „Hohe Fehlzeiten (ohne Abbruch)“. – Die Gruppe „passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme“ ist belasteter als die Gruppe „Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ – Die Gruppe „Beendigung der Maßnahme ohne berufliche Perspektive“ ist belasteter als die Gruppe „Frühe Einmündung in eine betriebliche Ausbildung“. Die signifikanten Komplementärgruppenvergleiche sind durch Buchstaben gekennzeichnet. Da diese Vergleiche nicht auf einer gleichen Bezugsgröße beruhen (Mittelwert in Kontrollgruppe), ist keine Effektstärke angegeben. Die Ergebnisse der Komplementärgruppenvergleiche haben eine geringere Evidenz, da zwar bei Signifikanz
Anhang
103
die Bedeutsamkeit dieses Merkmals für das unterschiedliche Verhalten in den Kriteriengruppen bestätigt wird, jedoch nicht sicher zu entscheiden ist, in welche Richtung (Entwicklungsressource/Entwicklungsbelastung) das Merkmal wirkt. In Spalte J in Tabelle 11 ist die Summe der Effektstärkenbeträge über alle Kontrollgruppenvergleiche des entsprechenden Merkmals gebildet worden, welche die Grundlage für Abbildung 7 liefern. In Spalte K ist dementsprechend die Summe aller signifikanten Vergleiche (auch der Komplementärgruppenvergleiche) über das entsprechende Merkmal gebildet worden. Die Rangfolge, die sich in Spalte J und K über die Merkmale ergibt, ist ähnlich. Für die Differenzen beim Chi-Quadrat-Test (Schulabschluss) kann keine Effektstärke berechnet werden, daher sind die Darstellungen in Abbildung 6 und 7 (Differenz der Anteile von Jugendlichen ohne Regelschulabschluss in den verglichenen Gruppen) für dieses Merkmal nicht maßstabsgetreu. Die Darstellungen in Abbildung 6 und 7 sind in dieser Form jedoch trotzdem vertretbar, da die Rangfolge bezüglich der Summe der signifikanten Kriterien-Kontrollgruppenvergleiche (Spalte K in Tabelle 11) die relative Position des Merkmals „Schulabschluss“ bezüglich der verhaltensbezogenen Wirksamkeit stützt. Die Stichprobenumfänge für das Merkmal „private Selbstaufmerksamkeit“ sind geringer als angegeben, da dieses Merkmal erst zur zweiten Untersuchungswelle mit aufgenommen wurde. Da verschiedene Vergleiche aufgrund des reduzierten Stichprobenumfangs nur kanpp die Signifikanzgrenze verfehlten ist es möglich, dass die dargestellten Befunde die Bedeutung dieses Merkmals im Untersuchungszusammenhang unterschätzen. In Abbildung 17 (siehe S. 105) sind die in der Tabelle 11 aufgeführten signifikanten Kriterien-Kontrollgruppenvergleiche je nach Wirkrichtung als Entwicklungsressourcen oder Entwicklungsbelastungen dargestellt. Die Entwicklungsressourcen oder Entwicklungsbelastungen beeinflussen (als Persönlichkeitsmerkmale) die Qualität der Bewältigung der zugrunde gelegten Entwicklungsaufgaben (Situation) und führen auf der Verhaltensebene zum typischen Verhalten der Kriteriengruppen. Die identifizierten Entwicklungsressourcen und Entwicklungsbelastungen sind durch Pfeile (durchgezogen: Entwicklungsressource; gestrichelt: Entwicklungsbelastung) als vermittelnde Größen zwischen den Entwicklungsaufgaben und den Kriteriengruppen gekennzeichnet. Beispiel: Die signifikant erhöhte Leistungsmotivation (ist der Entwicklungsaufgabe der Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“ zugeordnet) in der Gruppe „Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ ist in Abbildung 17 als durchgezogener Pfeil zwischen der Entwicklungsaufgabe „Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe
104
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Beruf“ und der Gruppe „Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme“ dargestellt. Die peripheren Entwicklungsaufgaben sind durch gestrichelte Rahmen gekennzeichnet. Die Gruppe „Selbstabmeldung in Arbeit“ weist eine für diese Darstellung „ungewöhnliche“ Entwicklungsbelastung bei dem Merkmal „schulspezifische Hilflosigkeit“ auf.
105
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Entwicklungsressourcen*
Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsbelastungen
Gruppen mit zielbezogenem Bewältigungsverhalten
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Aktives und engagiertes Verhalten in der Maßnahme
Emotionale Verarbeitung des Berufsvorbereitungsprozesses
Frühe Eingliederung in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen
Abbruch nach Entwicklung hoher Fehlzeiten
Selbstabmeldung in ein Arbeitsverhältnis*
Umgang mit neuen sozialen Settings und Rollenanforderungen
Passives und eingeschränktes Verhalten in der Maßnahme
Antizipation schulischer Anforderungen einer Ausbildung*
Antritt einer stationären medizinischpsychotherapeutischen Maßnahme
Berufswahl und Berufswahlrealisation
Beendigung der Maßnahme ohne eine berufliche Perspektive
Geringe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Gruppen mit kritischem Bewältigungsverhalten
**
Hohe Quote unentschuldigter Fehlzeiten
Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Anmerkungen:
Entwicklungsressourcen Entwicklungsbelastungen * beachte spezifische Entwicklungsbelastung ** nicht hypothesenkonformes Ergebnis Rahmen gestrichelt: Periphere Entwicklungsaufgaben Rahmen durchgezogen: Zentrale Entwicklungsaufgaben
Abbildung 17: Bewältigungsverhalten bei der Bearbeitung der Entwicklungsaufgaben in Abhängigkeit von Entwicklungsressourcen und Belastungen
g g
7: Reaktanz
8: Kognitive Flexibilität (beachte Polung) 9: Selbstwertschätzung 10: Allgemeine Hilflosigkeit 11: Öffentliche Selbstaufmerksamkeit 12: Leistungsmotivation Niedrig
Niedrig
Hoch
Niedrig
Hoch
Hoch
0.43
g
0.83
g
–0.33 n***
–0.43
–0.34
0.27
–0.51
0.59
h
k
j
i
k
0.60
i
0.53
j
h
* p < .05; t-Test; gerichtete Fragestellung gemäß Hypothese, ** nach der Konvention: d < 0.35 = schwacher Effekt; 0.35 < d < 0.65 = mittlerer Effekt; 0.65 < d = starker Effekt, *** siehe auch Tabelle 11 (S. 107)
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
Signifikante* hypothesenkonforme Abweichungen der Mittelwerte in den Kriteriengruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe (N = 123) in Form der Effektstärke (d = Mittelwertsdifferenz dividiert durch Standardabweichung**); bei signifikantem Komplementärgruppenvergleich Kennzeichnung durch Buchstaben Entwicklungsaufgabe Assoziiertes Merkmal HypothesenA: frühe B: Beendigung C: SelbstD: geringe E: Aktives F: Passives richtung: Eingliederung der Maßnahme abmeldung Quote und und eingekritisches in ein nach Ende des in ein unentschul- engagiertes schränktes Verhalten bei: betriebliches Förderzeitraums Arbeitsdigter Verhalten in Verhalten in Ausbildungs- ohne berufliche verhältnis Fehlzeiten der der verhältnis Perspektive Maßnahme Maßnahme Emotionale N = 18 N=7 N=8 N = 47 N = 45 N = 37 1: Private Verarbeitung des Selbstaufmerksamkeit Hoch Berufsvorbereitungsa a prozesses Antizipation 2: Schulspezifische Hoch 1.02 c 0.44 c berufsschulischer Hilflosigkeit Anforderungen einer Nicht 3: Schulabschluss sig Ausbildung vorhanden 4: ZwischenmenschUmgang mit neuen Niedrig d d e*** liches Vertrauen sozialen Settings und 5: Soziale Rollenanforderungen Hoch –0.58 –0.73 –0.54 f 0.38 f Ängstlichkeit 6: Selbstkonzept EntBerufswahl und Niedrig scheidungssicherheit Berufswahlrealisation
g
Tabelle 11: Signifikante Differenzen zwischen den Untersuchungsgruppen
106 Anhang
g g
(
g
)
8: Kognitive Flexibilität (beachte Polung) 9: Selbstwertschätzung 10: Allgemeine Hilflosigkeit 11: Öffentliche Selbstaufmerksamkeit 12: Leistungsmotivation Niedrig
Niedrig
0.47****
l
l
0.73
0.9
–0.54
0.27
1.01
2.17
n***
i
Hoch
i
1.02
0.47
Niedrig
Hoch
2
3
6
3
3
* p < .05; t-Test; gerichtete Fragestellung gemäß Hypothese, ** nach der Konvention: d < 0.35 = schwacher Effekt; 0.35 < d < 0.65 = mittlerer Effekt; 0.65 < d = starker Effekt, *** siehe auch Tabelle 11 (S. 106), **** nicht hypothesenkonformes Ergebnis
Bereitschaft zur Inangriffnahme der Entwicklungsaufgabe „Beruf“
Anpassung an neue, heterogene und unklare situative Anforderungen Aufrechterhaltung eines positiven Selbstmodells gegenüber den Anforderungen
signifikante* hypothesenkonforme Abweichungen der Mittelwerte in den Kriteriengruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe (N = 123) in Form der Effektstärke (d = Mittelwertsdifferenz dividiert durch Standardabweichung**); bei signifikantem Komplementärgruppenvergleich Kennzeichnung durch Buchstaben J: Summe der K: Summe aller Entwicklungsaufgabe Assoziiertes Merkmal HypothesenHohe Quote unentschuldigter I: Abbruch Effektstärken- signifikanten richtung: Fehlzeiten aufgrund des beträge in Vergleiche in kritisches Antritts einer G: mit anH: ohne Zeile über Zeile über Verhalten bei: schließendem medizinischMaßnahmeSpalten Spalten psychotheraMaßnahmeabbruch A–I*** A–I*** peutischen abbruch Maßnahme Emotionale N = 19 N = 16 N=4 1: Private Verarbeitung des Selbstaufmerksamkeit Hoch Berufsvorbereitungs0.81 b b 0.81 3 prozesses Antizipation 2: Schulspezifische Hoch 1.46 3 berufsschulischer Hilflosigkeit Anforderungen einer Nicht 3: Schulabschluss sig 2 Ausbildung vorhanden 4: ZwischenmenschUmgang mit neuen Niedrig e*** 0 2 liches Vertrauen sozialen Settings und 5: Soziale Rollenanforderungen Hoch 2.25 5 Ängstlichkeit 6: Selbstkonzept EntBerufswahl und Niedrig 0 0 scheidungssicherheit Berufswahlrealisation 7: Reaktanz Hoch 1.04 2.74 6
g
Tabelle 11: (Fortsetzung)
Anhang
107
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