This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
00
Q)
c: W
I
U
1
Paschen-Serie
n
!1 3
2
Balmer-Serie
Lyman-Serie c)
n=1
Abbildung 2.5 a) Balmer-Serie im Atomspektrum des Wasserstoffs; b) Deutung des Atomspektrums des Wasserstoffs (Energieniveau-Schema); c) Zustandekommen der Spektralserien des H-Atoms nach dem Schalenmodell (Bohr).
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
32
• Der energiearmste Zustand, bei dem sich das Elektron auf der kernnachsten Bahn befindet, wird als der Grundzustand des Atoms bezeichnet. Durch Energiezufuhr kann ein Elektron auf eine kernfernere Bahn (n = 2, 3, 4, ... ) angehoben werden (Anregung) und einen Zustand hoherer Energie einnehmen. Das Wasserstoffatom befindet sich nun in einem angeregten Zustand. • Nach sehr kurzer Zeit (ca. 10-8 s) springt das Elektron von der kernferneren auf eine kernnahe Bahn zuriick, wobei ein definierter Energiebetrag als Licht bestimmter Wellenlange emittiert wird. Die Energie des ausgesandten Lichts entspricht somit der Energiedifferenz zwischen beiden Elektronenbahnen. Es konnen also keine beliebigen Energiebetrage, sondern nur ganz bestimmte .Energiepakete" (Energiequanten) aufgenommen und abgegeben werden. Damit sind nach Bohr die Linien der Spektren auf Elektronennbergange von auBeren auf kernnahe Bahnen zuruckzufuhren. Elektronenubergange von Niveaus hoherer Energie auf die kernnachste Bahn n = 1 des Wasserstoffs ergeben die Lyman-Serie. Da die Entfernung zwischen den Bohrschen Kreisbahnen nach auBen kontinuierlich abnimmt, sind die aus kernnahen Elektronenubergangen resultierenden Energiedifferenzen am grobten. Deshalb liegt die Lyman-Serie im UV-Bereich (100-380 nm). Weitere Spektralserien des Wasserstoffs wurden, wie bereits oben erwahnt, im sichtbaren Spektralbereich (n = 2, BalmerSerie), aber auch im IR-Bereich (n = 3, Paschen-Serie; n = 4, Brackett-Serie) gefunden (Abb. 2.5). Die obere Grenze der Energieniveaus ist durch die lonisierungsenergie des jeweiligen Atoms gegeben. Neben der Leistungsfdhigkeit des Bohrschen Atommodells (Berechnung des Spektrums des H-Atoms) wurden bald seine Grenzen deutlich: Die quantitative Berechnung der Spektralserien von atomaren Systemen mit mehr als 2 Teilchen lieferte Werte, die im Widerspruch zum Experiment standen und die Intensitat der Strahlung war prinzipiell nicht zu deuten. Diese Schwierigkeiten zeigen, dass die Gesetze der klassischen Physik eben nicht in der Lage sind, Sachverhalte im atomaren Bereich widerspruchslos zu beschreiben.
2.1.3.2
Orbitalbild der Elektronen
1m Jahre 1924 postulierte der franzosische Physiker L. de Broglie, dass jedes bewegte Teilchen Welleneigenschaften besitzt. Damit wurde der Welle-Teilchen-Dualismus auf die gesamte Materie ausgedehnt. Der experimentelle Beweis der Welleneigenschaften des Elektrons erfolgte 1927 anhand von Beugungsexperimenten an Nickel-Einkristallen. Die mathematisch komplizierte Behandlung des Elektrons als Welle erfolgte durch E. Schrodinger (1926). Schrodinger wandte die Wellengleichung auf das Wasserstoffatom an und erhielt Aussagen hinsichtlich der Energiezustande des H-Atoms und der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons. Die Bedeutung des wellenmechanischen Atommodells besteht fur uns vor allem in der sehr anschaulichen Darstellungsmoglichkeit der Wellenfunktion 'ljJ als Losung der Schrodingergleichung. 1m Unterschied zur Bohrschen Vorstellung vom Aufenthaltsort des Elektrons gibt das Quadrat der Wellenfunktion (1jJ2) nur die Wahrscheinlichkeit an, mit der sich ein Elektron zu einem gegebenen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufhalt, Die raumliche Verteilung des Elektrons im Wasserstoffatom ist in Abb. 2.6a dargestellt. Die Dichte der Punkte ist ein Mall fUr die Wahrscheinlichkeit, das Elektron an dieser Stelle anzu-
33
2.1 Bau der Atome
treffen. Je mehr Punkte, umso groBer ist der Wert von 'ljJ2 und umso grober ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons (auch Elektronen- oder Ladungsdichte) an einer bestimmten Stelle. Ein Gebiet mit einer hohen Aufenthaltswahrscheinlichkeit besitzt eine hohe Elektronendichte. Einen interessanten Einblick in die Struktur der Elektronenhtille des Wasserstoffatoms aus wellenmechanischer Sicht ermoglicht die Darstellung der radialen Aufenthaltswahrscheinlichkeit bzw. radialen Elektronendichteverteilung (Abb.2.6b). Die Kurve besitzt fur das HAtom bei r = 0,529 10-8 em ein Maximum, das exakt dem von Bohr berechneten Radius an der ersten Kreisbahn entspricht. 1m Unterschied zu den Bohrschen Vorstellungen ist im wellenmechanischen Atommodell die Elektronendichte nicht an der Stelle a, lokalisiert, sondem sie erstreckt sich tiber einen groberen Bereich. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit nimmt vom Maximum r = an ausgehend mit grofser werdenden r abo Abb. 2.7 zeigt die graphische Darstellung des Quadrates des winkelabhangigen Teils der Losungsfunktion. Diese raumlichen Darstellungen der Elektronendichte bezeichnet man (nicht ganz korrekt!) als Orbitale. Orbitale sind Bereiche im Raum, wo die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron anzutreffen, hoch ist. Exakter ausgedrtickt, jede Losung der Schrodingergleichung fur das Wasserstoffatom, die sich fur eine bestimmte Kombination der Parameter n, lund m ergibt, stellt ein Orbital des Wasserstoffatoms dar. Ftir das Elektron im H-Atom ergibt sich im energiearmsten Zustand eine kugelformige Anordnung der Elektronendichte (s-Orbital, Abb. 2.6c).
a)
b)
c)
Abbildung 2.6 a) Querschnitt durch die Ladungswolke fur den Zustand n 1 des H-Atoms. Die Punktdichte ist ein MaB fOr die Wahrscheinlichkeit, das Elektron an dieser Stelle im Raum anzutreffen. b) Radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit 4:n:r'\j.?; Schnitt durch die kugelsymmetrische Ladungswolke vom Kern ausgehend. c) Kugelsymmetrische Darstellung des 1s-Orbitals. Innerhalb der Kugelflachen halt sich das Elektron mit 90% Wahrscheinlichkeit auf.
=
Quantenzahlen. Die von Bohr eingefuhrte Quantenzahl n (= Nummer der Kreisbahn) taucht wieder als Parameter der Losung der Schrodingergleichung auf. Sie wird als Hauptquantenzahl n bezeichnet. n bestimmt die moglichen Energieniveaus im Wasserstoffatom. Die durch die Hauptquantenzahl n festgelegten Energieniveaus nennt man auch Schalen. Sie werden mit den GroBbuchstaben K (n = 1), L (n = 2), M (n = 3), N (n = 4), usw. bezeichnet. Die Schale ist somit ein Bereich, in dem die Aufenthaltswahrscheinlichkeit hoch ist. Besetzt das Elektron die K-Schale (n = 1), befindet sich das H-Atom im energiearmsten Zustand (Grundzustand). Mit wachsendem n wachst die Energie der Zustande (angeregte Zustande),
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
34
Neben der Hauptquantenzahl n treten in den Losungsfunktionen zwei weitere Quantenzahlen lund m auf, denen eine wichtige physikalische Bedeutung zukommt. Mit Ausnahme der kernnachsten und damit energiearmsten Schale (n = 1) zerfallen die Schalen in Unterschalen (Energieunterniveaus). Die Zahl der Unterschalen wird durch die Nebenquantenzahll bestimmt. Fur ein bestimmtes n kann I Werte zwischen Null und n-l annehmen, es gilt also 1=0, 1,2,3, ..., (n - 1). Fur n = 1 gibt es nur einen Wert fur I, namlich O. Fur n = 2 kann I die Werte 0 und 1 und fur n = 3 die Werte 0, 1 und 2 annehmen. Die zweite Schale zerfallt demnach in zwei, die dritte Schale in drei Unterschalen. Damit gilt: Auf der Schale mit der Hauptquantenzahl n ist die Zahl der Unterschalen ebenfalls gleich n. Aus der Sicht des wellenmechanischen Atommodells bestimmt I als Parameter der Losung der Wellengleichung die Gestalt der Orbitale. Die verschiedenen Orbitaltypen werden mit den aus der Spektroskopie stammenden Buchstaben s, p, d, f, g, ... bezeichnet. Die Zuordnung zu den Nebenquantenzahlen list folgende: I = 0, 1, 2, 3, 4, . s, p, d, f, g, . Symbol Die zugehorigen Orbitalformen sind in Abb. 2.7 gezeigt. Man spricht von hantelformigen p-Orbitalen und rosettenformigen d-Orbitalen (Ausnahme: dz2). Durch Kombination der Hauptquantenzahl mit einem der Buchstaben konnen die Unterschalen in eindeutiger Form bezeichnet werden, z.B. 2s fur die Unterschale mit n = 2 und I = 0 oder 3p fur n = 3 und 1= 1.
Abbildung 2.7 p- und d-Orbitale y
x
f..:
~y ~z ~z dxy
dxz
35
2.1 Bau der Atome
Die Magnetquantenzahl m dient schlieBlich der Unterscheidung der Orbitale innerhalb einer Unterschale. m gibt die moglichen raumlichen Orientierungen der Orbitale an. FUr ein gegebenes 1 gilt: m = -I,..., 0,..., +1. Damit kann die Magnetquantenzahl m jeweils (2/+1) verschiedene Werte annehmen.
1= 1
m = -1,0, 1
"'* es existieren 3 raumlich unterschiedlich
1=2
m=-2,-1,0,1,2
"'* es existieren 5 raumlich unterschiedlich
ausgerichtete p-Orbitale ausgerichtete d-Orbitale 1m iibertragenen Sinne legen die drei Quantenzahlen n, lund m des wellenmechanischen Atommodells GroBe, Form und Orientierung der Orbitale fest. Urn die Verteilung der Elektronen auf die Orbitale genauer beschreiben zu konnen, ist es notwendig, eine vierte Quantenzahl, die sogenannte Spinquantenzahl s, einzuflihren. Die Spinquantenzahl s kann fur ein gegebenes Orbital die Werte +Y2 und -Y2 annehmen. Beide Werte charakterisieren den "Spin" des Elektrons, den man sich modellhaft als zwei entgegengesetzte Richtungen der Eigenrotation (Drall) des Elektrons vorstellen kann. Elektronen gleichen Spins stollen sich gegenseitig stark abo Deshalb versuchen sie, verschiedene Bereiche im Raum einzunehmen. Auf dieser grundlegenden Gesetzmalsigkeit basiert das von Pauli formulierte Prinzip: Ein Atom darf keine zwei Elektronen enthalten, die in allen vier Quantenzahlen iibereinstimmen (Pauli-Prinzip). Tabelle 2.2 Beziehung zwischen den Quantenzahlen - Besetzung der Energieniveaus
Anzahl der Orbitale
Anzahl der Energiezustiinde fur I fUrn
n
I
Orbitaltyp
m
K
1
0
Is
0
1
±Y2
1· 2 =2
2
L
2
0
2s
0
1
±Y2
1· 2 =2
8
1
2p
-1 0 +1
3
±Y2
3· 2 =6
0
3s
0
1
±Y2
1· 2 = 2
1
3p
-1 0 +1
3
±Y2
3 '2=6
2
3d
-2-10+1 +2
5
±Y2
5'2=10
0
4s
0
1
±Y2
1· 2 =2
1
4p
-1 0 +1
3
±Y2
3 '2=6
2
4d
-2-10+1 +2
5
±Y2
5'2=10
3
4f
-3 -2 -1 0 +1 +2 +3
7
±Y2
7' 2 = 14
Schale
M
N
3
4
s
18
32
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
36
Nach dem Pauli-Prinzip kann ein Orbital mit maximal 2 Elektronen unterschiedlichen Spins besetzt werden. In Tab. 2.2 sind die Relationen zwischen den Quantenzahlen und den Energiezustanden angegeben. Beim Wasserstoffatom (EineIektronensystem) besitzen aile zu einer Hauptquantenzahl n gehorenden Zustande 1 und m gleiche Energie. Man bezeichnet diese Zustande als energetisch entartet. Dagegen kommt es als Folge der Elektronenwechselwirkung im Mehrelektronensystem zu einer energetischen Aufspaltung der zu einer Hauptquantenzahl gehorenden s-, p-, d- und f-Unterschalen (Abb. 2.8). Generell ubertragt man die bei der Behandlung des Wasserstoffatoms gewonnenen Erkenntnisse naherungsweise auf die ubrigen Atome, d.h. man beschreibt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen in diesen Fallen - was natiirlich nicht korrekt ist - mit den Wasserstofforbitalen.
I Q) .~
_3d
Q)
-
4f
-
4d 4p
-
45
-5f
Abbildung 2.8
-5d -5p -55
Energieniveauschema eines Mehrelektronensystems
-3p
l::
W
-35 2p
25
Elektronenkonfiguration. Die Verteilung der Elektronen auf die verschiedenen Orbitale bezeichnet man als die Elektronenkonfiguration eines Atoms. Urn die Elektronenkonfigurationen fur den Grundzustand, d.h. den energiearmsten Zustand fur die ersten 18 Atome abzuleiten, mussen neben dem gerade besprochenen Pauli-Prinzip noch die beiden nachfolgenden Regeln beriicksichtigt werden: • Die Besetzung der Atomorbitale erfolgt nach ansteigender Energie (Autbauprinzip). • p-, d- und f-Orbitale gleicher Hauptquantenzahl werden zunachst einfach, mit Elektronen parallelen Spins besetzt. Danach erfolgt die Spinpaarung (Hundsche Regel). Letzterer Sachverhalt kann sehr anschaulich anhand der von Pauling eingefuhrten Kastchenschreibweise der Elektronenkonfiguration verdeutlicht werden. Jedes Kastchen steht hier fur ein Orbital. Die Elektronen werden durch Pfeile symbolisiert, deren entgegengesetzte Richtung entgegengesetzten Spin symbolisiert. Energiegleiche Orbitale, also Orbitale mit gleicher Haupt- und Nebenquantenzahl, werden als zusammenhangende Kastchen geschrieben:
2.1 Bau der Atome
15
37
25
2p
15
B B EEIJ N: B B EEEJ
2p
B B EIIJ B B Err]
falsch:
c:
25
falsch:
In den beiden rechts stehenden E1ektronenkonfigurationen ist die Hundsche Regel verletzt.
Paralle1er Spin bedeutet die gleiche Richtung des Spins aller ungepaarter E1ektronen und damit gleiche Werte der Spinquantenzah1en. Die Gultigkeit dieser Regel der maximalen Multiplizitat 1iiBt sich experimentell durch magnetische Messungen nachprufen. Haufig wird eine vereinfachte Schreibweise fur die E1ektronenkonfiguration der Atome genutzt, die allerdings die Hundsche Regel nicht reflektiert:
Neon besitzt die Elektronenkonfiguration ls2 2s 2 2p6 , d.h. alle Orbitale der Hauptquanten2 zahl n = 2 sind vollstandig besetzt (Elektronenoktett). Eine Oktettkonfiguration ns np6 auf der auBeren Schale (Valenzschale) zeichnet sich durch eine besondere Stabilitat aus. Sie ist der Grund fur die besondere Reaktionstragheit der Edelgase. Tab. 2.3 enthalt die Elektronenkonfigurationen der Elemente der Ordnungszahl1 (Wasserstoff) bis 10 (Neon). Tabelle 2.3 Elektronenkonfiguration der Elemente H bis Ne Ordnungs- Element- K zahl
symbol H
2
He
3
Li
4
Be
5
B
6
C
7
N
8
0
9
F
10
Ne
1s
L 2s
EJ D BD
Kurzschreib2p
[II] [II]
B EJ [ I I ] B B [II] B B ITIJ BBEED B B EEEJ BB ~ BB ~ BB EEEJ
weise 1
1s
1s2
1s2 2s 1 1s2 2s 2 1s2 2s 2 2p 1 1s2 2s 2 2p2 1s2 2s 2 2 p3 1s2 2s 2 2 p4 1s2 2s2 2 p5 1s2 2s2 2 p6
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
38
Fur die Elektronenkonfigurationen der Elemente Natrium bis Titan ergibt sich in vereinfachter Schreibweise: 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Natrium Na Magnesium Mg Aluminium AI Silicium Si Phosphor P Schwefel S Chlor CI Argon Ar Kalium K Calcium Ca Scandium Sc Titan Ti
1m Zuge der Besetzung der Orbitale kommt es aus energetischen Grunden zu Inversionen (Vertauschungen) zwischen den Orbitalen. So beginnt bei den Elementen K (Z = 19) und Ca (Z = 20) bereits die Besetzung des energetisch tiefer liegenden 4s-Energieniveaus, bevor das 3d-Niveau aufgeflillt wird (Abb. 2.8). Nach dem Element Calcium folgen zehn Nebengruppenelemente Sc (Z = 21) bis Zn (Z = 30), bei denen die funf 3d-Orbitale mit zehn Elektronen besetzt werden. AnschlieBend geht die Auffullung der 4. Schale (4p-Orbitale) weiter. Diese Inversionen wiederholen sich in der 5. und 6. Schale. Halb- und vollbesetzte Unterschalen zeichnen sich durch eine besondere Stabilitat aus. Urn einen solchen stabilen Elektronenzustand zu erreichen, weichen einige Elemente von der regelmalligen Orbitalbesetzung entsprechend dem Aufbauprinzip abo Zum Beispiel geht ein Elektron aus der energetisch tiefer liegenden 4s-Unterschale in die energetisch hoher liegende 3d-Unterschale iiber, urn eine stabile d5-Konfiguration mit fiinf einfach besetzten d-Orbitalen (Cr: Is 2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d5 4sl) oder eine stabile dlO-Konfiguration mit fiinf vollstandig besetzten 3d-Orbitalen (Cu: Is2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 1o 4sl) zu realisieren. Es ist ublich, fur die Elektronenkonfigurationen vor allem hoherer Elemente eine Kurzschreibweise zu verwenden, indem die dem Element vorausgegangene Edelgaskonfiguration als 'Rumpfkonfiguration' in eckigen Klammern vorangestellt wird. Auf diese Weise ergibt sich z.B. fur Na: [Ne] 3s l; fur Sn: [Kr] 4d lO 5s2 5p2und fur Fe: [Ar] 3d6 4s2.
2.2
Periodensystem der Elemente
2.2.1
Ordnungsprinzip
Besetzt man die Atomorbitale nach ansteigender Energie mit Elektronen, so kommt es zu periodischen Wiederholungen gleicher Elektronenanordnungen. Gruppen von Elementen mit identischer Elektronenanordnung auf der auBersten Schale weisen ahnliche Eigenschaften auf. Damit findet die dem Periodensystem der Elemente (PSE) ursprunglich zugrunde liegende Systematik, Elemente aufgrund ihrer periodisch wiederkehrenden chemischen und physikalischen Eigenschaften in Gruppen anzuordnen (Mendelejew, Meyer, 1869), im Aufbauprinzip ihre atomtheoretische Erklarung.
39
2.2 Periodensystem der Elemente
Die Anordnung der Elemente nach steigender Kernladungszahl (Ordnungszahl) fiihrt zum periodischen Auftreten von Elementen mit ahnlichen chemisehen und physikalischen Eigenschaften. Die Periodizitat ahnlicher Eigenschaften ist eine Folge sich periodisch wiederholender Valenzelektronenkonfigurationen. Diese Systematik der chemischen Elemente wird als Periodensystem der Elemente bezeichnet. Ein Langperiodensystem ist am Ende des Buches dargestellt. In den Hauptgruppen stehen Elemente mit gleicher Elektronenverteilung auf der iiuBersten Schale. Da die iiuBeren Elektronen (Valenzelektronen) entscheidend das chemische Verhalten eines Elements beeinflussen, wird bei der Diskussion der Reaktivitat bzw. des Bindungsverhaltens haufig nur die Valenzelektronenkonfiguration des Elements betrachtet. Beispiele:
Alkalimetalle Li Na K Rb Cs
[He] [Ne] [Ar] [Kr] [Xe]
2 sl 3 sl 4 sl 5 sl 6 sl
Edelgase He Ne Ar Kr Xe
1 s2 2 s2 2 p6 [He] 3 s2 3 p6 [Ne] lO 4 s2 4 p6 [Ar] 3 d [Kr] 4 dID 5 s2 5 p6
Die Elemente einer Hauptgruppe besitzen identische Valenzelektronenkonfigurationen. Die Gruppennummer der Hauptgruppenelemente gibt die Anzahl der Valenzelektronen an. Fur die Bezeichnung der acht Hauptgruppen werden entweder die Elemente der zweiten und dritten Periode oder charakteristische Gruppeneigenschaften herangezogen: I. Hauptgruppe (IA): Alkalimetalle; II.(IIA): Erdalkalimetalle; III.(IlIA): Bor-Aluminium-Gruppe; IV.(IV A): Kohlenstoff-Silicium-Gruppe; V.(VA): Stickstoff-PhosphorGruppe; VI.(VIA): Chalkogene (Erzbildner); VII.(VlIA): Halogene (Salzbildner) sowie VIII.(VIIIA): Edelgase. Nach einer Empfehlung der Intemationalen Union fur Reine und Angewandte Chemie (IUPAC) werden die Hauptgruppen zusammen mit den Nebengruppen von 1 bis 18 nummeriert und als Gruppen bezeichnet. Danach sind z.B. die Alkalimetalle die 1. Gruppe, die Chalkogene die 16. Gruppe und die Edelgase die 18. Gruppe des PSE. 1m Periodensystem der Elemente spiegelt sich der Schalenaufbau des Atoms wider. Aile in einer Periode (waagerechte Reihe) stehenden Atome besitzen die gleiche Anzahl von Schalen, d.h. die gleiche Hauptquantenzahl n. Die Nummer der Periode stimmt jeweils mit der Hauptquantenzahl der iiuBersten Schale tiberein. Der Aufbau einer neuen Elektronenschale wird immer dann begonnen, wenn die s- und p-Orbitale der vorhergehenden Elektro2 nenschale voll besetzt sind (ns np''). Die Anzahl der Elemente der ersten sechs Perioden betragt: 2, 8, 8, 18, 18 und 32. Die zwei Elemente der ersten Periode entsprechen der maximalen Aufnahmekapazitat des 1s-Orbitals. Die zweite Periode umfasst acht Elemente, was wiederum der maximalen Aufnahmefahigkeit des einen s- und der drei p-Orbitale ent2 spricht (n = 2). Die dritte Schale (n = 3) ist mit ihren acht Elektronen (3s 3p6) noch nicht 2 abgesattigt, Sie kann gemiiB der fur n = 3 geltenden Elektronenzahl 2n = 18 noch weitere zehn d-Elektronen aufnehmen (s. Nebengruppen).
40
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
Die Elemente der Gruppen Ib - VIIIb (3. - 12. Gruppe) werden als Nebengruppenelemente bezeichnet. Bei ihnen erfolgt die Auffullung von d-Unterschalen (zweitaulserste Schale) bei Vorhandensein eines vollbesetzten s-Orbitals in der Valenzschale (Ausnahmen: s. PSE). Die Nebengruppenelemente werden auch als Ubergangselemente bezeichnet. In Abhangigkeit davon, welche d-Unterschale gefullt wird, unterscheidet man 3d-, 4d- bzw. .. 6 2 2 2 5d-Ubergangselemente (z.B. Fe: [Ar] 3d 4s ; Zr: [Kr] 4d 5s ). Bei den auf das Element Lanthan 57La folgenden 14 Elementen (Cer bis Lutetium) wird die 4f-Unterschale aufgefullt, die Elektronenkonfiguration in den auBen liegenden 5s-, 5p-, 5d- und 6s-0rbitalen bleibt im Prinzip gleich. Die Folge ist eine groBe chemische Ahnlichkeit dieser Elemente untereinander, so dass sie in der Natur meist gemeinsam auftreten. Sie werden mit La zur Gruppe der Lanthanoide zusammengefasst werden. FUr Scandium, Yttrium und die Lanthanoide ist auch der Begriff Seltenerdmetalle tiblich. Die Auffullung der 5f-Unterschale erfolgt bei den 14 auf das Element Actinium 89Ac folgenden Elementen Thorium bis Lawrencium (Actinoide). Sie sind radioaktiv und mussen uberwiegend kunstlich hergestellt werden. Lanthanoide und Actinoide werden als innere Ubergangselemente bezeichnet.
2.2.2
Periodizitiit wichtiger Eigenschaften
Die Abstufung wichtiger Eigenschaften im PSE solI an einigen ausgewahlten Beispielen gezeigt werden:
Atomradius. Die Bestimmung der GroBe eines Atoms ist problematisch, da nach der Wellenmechanik die Elektronendichte mit zunehmendem Abstand vom Atomkern asymptotisch gegen null geht. Damit gibt es keine auBere Grenze und auch keinen absoluten Wert fur den Radius eines Atoms. Es ist jedoch moglich, den Abstand zwischen den Kernen gleicher aneinandergebundener Atome zu messen und aus ihm, durch Halbieren des Wertes, den Atomradius zu ermitteln. Dabei ist zu bedenken, dass der Abstand zwischen den Kernen, also die Bindungslange, vom Bindungstyp abhangt, Bei den Hauptgruppenelementen nehmen die Atomradien innerhalb einer Periode mit zunehmender Ordnungszahl ab, was mit der Zunahme der Anziehung zwischen Kern und Elektronenhulle infolge ansteigender Kernladung erklart werden kann: In einer Periode erhoht sich beim Ubergang von einem Element zum nachsten die Kernladungszahl jeweils urn eins. Die neu hinzukommenden Elektronen werden in die gleiche Valenzschale, d.h. "in gleichem Abstand zum Kern", eingebaut. Sie schirmen die schrittweise ansteigende Kernladung kaum ab, so dass die effektive, auf die Valenzelektronen wirkende Kernladung (effektive Kernladung Z') nicht eins (pro Valenzelektron) ist, sondern standig anwachst, Z' nimmt in der 2. Periode Werte zwischen 1,3 (Li) und 5,2 (F) an. Damit verbunden ist eine starker werdende Anziehung der Elektronenschale an den Kern, der Atomradius wird sukzessive kleiner (s.a. lonisierungsenergie). Innerhalb einer Hauptgruppe des PSE nimmt der Atomradius mit zunehmender Ordnungszahl zu, da mit jeder neuen Periode eine neue Schale hinzukommt. Der Ionenradius andert sich innerhalb einer Hauptgruppe in analoger Weise (gleiche 10nenladung vorausgesetzt).
2.2 Periodensystem der Elemente
41
Der Atomradius ist eine fundamentale GroBe im PSE, von der eine Reihe wichtiger physikalisch-chemischer Eigenschaften abhangen, Ionisierungsenergie. Unter der lonisierungsenergie I versteht man den Energiebetrag, der einem Atom im Grundzustand zugefuhrt werden muss, um aus diesem ein Elektron abzuspalten. Aus dem Atom entsteht durch lonisierung ein einfach positiv geladenes Ion: A(g) - A'(g) + e", A(g) symbolisiert ein Atom eines beliebigen Elements im Gaszustand. Bei einer lonisierung ist in jedem Fall Energie zuzuflihren, da das Elektron gegen die Anziehungskraft des Atomkems entfemt werden muss. Bei Atomen mit mehreren Elektronen sind neben der ersten noch weitere lonisierungen moglich. Man nennt die Energie, die erforderlich ist, um das erste Elektron abzuspalten, deshalb auch die erste Ionisierungsenergie und die Energie, die aufgewendet werden muss, um das zweite Elektron abzuspalten (A+(g) - A 2+(g) + e"), die zweite Ionisierungsenergie usw. Je hoher die positive Ladung eines Ions ist, um so mehr Energie muss zur lonisierung aufgebracht werden. lonen mit Ladungen hoher als 3+ sind sehr selten, da die Betrage von I oberhalb der dritten lonisierungsenergien sehr hoch liegen. Innerhalb einer Periode steigt die lonisierungsenergie an. Da die Atomradien mit zunehmender Ordnungszahl von links nach rechts abnehmen, wird die Abspaltung eines Elektrons immer schwieriger. Die Edelgase besitzen in der Periode aufgrund abgeschlossener 2 Elektronenschalen (ns np") jeweils die hochste lonisierungsenergie. Die Alkalimetalle, bei denen eine neue Schale begonnen wird, haben die geringsten lonisierungsenergien. Unre2 gelmalsigkeiten innerhalb einer Periode sind auf die besondere Stabilitat gefullter (z.B. ns ) und halbgefullter (z.B. np'') Orbitale zuruckzufuhren. Die lonisierungsenergien spiegeln somit in sehr empfindlicher Weise die Strukturierung der Elektronenhlille in Schalen und Unterschalen wider. In der Hauptgruppe nimmt I mit zunehmender Ordnungszahl ab, da die Kem-Elektron-Anziehung aufjeder der hinzukommenden Schalen geringer wird. Die Abstufung der lonisierungsenergien soli am Beispiel der Elemente der 1. Hauptgruppe und der 2. Periode gezeigt werden (l eV = 1,6022 . 10- 19 J):
1. Hauptgruppe: I (eV): Li 5,4; Na 5,1; K 4,3; Rb 4,2; Cs 3,9. 2. Periode: I (eV): Li 5,4; Be 9,3; B 8,3; C 11,3; N 14,5; 0 13,6; F 17,4; Ne 21,6. Elektronenafflnitat. Die Elektronenaffinitat E ea ist die Energie, die frei wird (negative Werte) oder benotigt wird (positive Werte), wenn an ein neutrales Atom im Gaszustand ein Elektron angelagert wird:
Es bildet sich ein negativ geladenes Ion. Die GroBe von E ea wird durch zwei Effekte beeinflusst: Zum einen wird das ankommende Elektron von der Elektronenhlille des Atoms A abgestoBen, zum anderen wird es vom Atomkem angezogen. Ob Energie fur die Bildung von A'(g) benotigt oder freigesetzt wird, hangt im speziellen Faile davon ab, ob die Absto-
42
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
Bung oder die Anziehung uberwiegt. Das bedeutet, die GroBe von E ea wird im Wesentlichen vom Atomradius bestimmt. Kleinere Atome sollten sich durch eine groBere Tendenz zur Elektronenaufnahme auszeichnen als grolsere, denn in einem kleinen Atom ist das Elektron dem Kern naher. Entsprechend der Abnahme der Atomradien innerhalb einer Periode von links nach rechts sollten die Elektronenaffinitaten der Elemente mit steigender Kernladungszahl immer negativere Werte annehmen. Diese Tendenz wird im GroBen und Ganzen beobachtet, obwohl es einige Ausnahmen gibt, wie an den E ea- Werte der 2. Periode deutlich wird: Li -0,6; Be +2,5; B -0,3; C -1,3; N +0,07; 0 -1,46; F -3,4; Ne +0,3 (aIle Werte in eV). Die Ausnahmen gehen auf eine vollbesetzte 2s-Unterschale (Be) sowie halbbesetzte (N) und voIlbesetzte (Ne) 2p-Unterschalen zuruck, Diese Elemente besitzen eine relativ stabile Elektronenkonfiguration und nehmen nur ungern ein Elektron auf. AIle Elemente der zweiten Hauptgruppe besitzen positive E ea- Werte. Halogene weisen die am starksten negativen Werte auf, da sie durch Aufnahme eines Elektrons eine Edelgaskonfiguration erreichen: s; (eV): F -3.4; Cl -3.6; Br -3.4; I -3.1. Die abnehmende Tendenz zur Elektronenaufnahme innerhalb der Hauptgruppe (Cl --+ I) ist wiederum mit der in jeder Periode neu hinzukommenden Schale und damit einem zunehmenden Kern-Valenzelektron-Abstand zu erklaren. Den ersten Elementen in den Hauptgruppen (B, C, N, 0, F) kommt meist eine Sonderstellung zu. Metall- bzw. Nichtmetallcharakter. Der Metallcharakter nimmt innerhalb einer Periode von links nach rechts ab, in der gleichen Weise steigt der Nichtmetallcharakter an. Innerhalb einer Hauptgruppe nehmen die metallischen Eigenschaften der Elemente von oben nach unten zu. Legt man eine breite Diagonale durch das PSE, beginnend bei Be/B und verlaufend tiber die Elemente AI, Ga, Ge, Sn bis zu den Elementen Sb und Te, stehen links unten die Metalle und rechts oben die Nichtmetalle. Auf der Diagonale stehen Elemente mit nichtmetallischen und metallischen Modifikationen. AIle Nebengruppenelemente einschlieBlich der Lanthanoide und Actinoide sind Metalle. Saurer uud basischer Charakter der Oxide. Eng verknupft mit dem MetaIl- bzw. Nichtmetallcharakter der Elemente ist ihre Fahigkeit, Sauren bzw. Basen zu bilden. Generell gilt: Metalloxide hi/den Basen, Nichtmetalloxide hi/den Sauren. CaO
+
H20
Ca(OH)2
Calciumoxid
P20 j Phosphor(V)-oxid
Calciumhydroxid
+ 3 H 20
--+
2 H3P04 Orlhophosphorsiiure
CaO ist das Baseanhydrid des Calciumhydroxids, P20 j das Saureanhydrid der Orthophosphorsaure, Der Basecharakter der Metalloxide nimmt innerhalb einer Peri ode von links nach rechts ab, der Saurecharakter nimmt zu. Innerhalb einer Hauptgruppe steigt die Tendenz der Oxide, Basen zu bilden, mit zunehmenden metallischen Eigenschaften der Elemente von oben nach unten an. Die Oxide der auf der Diagonale befindlichen Elemente sind amphoter, d.h. sie verhalten sich je nach Reaktionspartner sauer oder basisch. Von
2.2 Periodensystem der Elemente
43
bauchemischer Relevanz ist insbesondere die Amphoterie der Verbindungen Aluminiumoxid Ah03 bzw. Aluminiumhydroxid Al(OH)3 (Kap. 8.3.1). Wertigkeit - Oxidationszahl. Der Begriff der Wertigkeit wird in der chemischen Praxis oft recht vielschichtig benutzt, haufig wird er an bestimmte Bindungsmodelle gekoppelt. Eine klare Definition kann fur die stechiometrtsche Wertigkeit gegeben werden: Die stochiometrische Wertigkeit gibt an, wie viele einwertige Atome oder Atomgruppen (H, Cl, OR) durch ein bestimmtes Atom oder eine Formeleinheit ersetzt werden konnen. In den Formeln HCI, H20, H2S und C~ sind nach dieser Definition die Elemente Chlor einwertig, Sauerstoff und Schwefel zweiwertig und Kohlenstoff vierwertig (bezogen auf die Ersetzung des einwertigen Wasserstoffatoms). In den Formeln MgCh und KCI sind Magnesium zwei- und Kalium einwertig. Die stochiometrischen Wertigkeiten der Elemente der Hauptgruppen verandern sich innerhalb einer Periode in charakteristischer Weise. Betrachtet man die Wasserstoffverbindungen der Elemente der 3. Periode, so nimmt die Wertigkeit von der I. bis zur IV. Hauptgruppe entsprechend der Gruppennummer von 1 nach 4 zu (NaH, MgH2, AlH3, Si~). Die ersten beiden Verbindungen gehoren zur Gruppe der salzartigen Hydride. Ihr Gitter besteht aus Metallkationen Na" bzw. Mg2+ und Hydridionen H-. In den Hauptgruppen V - VIII geht die Wertigkeit schrittweise auf null zuruck (z.B. 2. Periode: NH 3, H20, HF, /). Von einigen Ausnahmen abgesehen, steigt die maximale Wertigkeit der Elemente einer (Hauptgruppen)Periode gegenuber Sauerstoff entsprechend der Gruppennummer an, von I (I. Hauptgruppe, z.B. Na20) bis auf7 (VII. Hauptgruppe, z.B. Ch07). Eine grundlegende, besonders fur Redoxreaktionen (Kap. 7.2) bedeutsame Grobe, ist die Oxidationszahl (auch: Oxidationsstufe). Die Oxidationszahl gibt an, welche Ladung ein Atom in einem Molekiil bzw. einem ionischen Teilchen hatte, wenn man die Atome der Verbindung als lonen auffassen wiirde. Oxidationszahlen sind gedachte Ladungen, die den Atomen einer Verbindung nach bestimmten, auf dem Elektronegativitatskonzept beruhenden Regeln zugeordnet werden. Bei einem einatomigen Ion ist die Oxidationszahl mit der Ionenladung identisch. I. 2. 3. 4.
Metalle erhalten positive Oxidationszahlen. Fluor erhalt die Oxidationszahl -I. Wasserstoff erhalt die Oxidationszahl +1. Sauerstoff erhalt die Oxidationszahl -II.
Bei neutralen Verbindungen ist die Summe der Oxidationszahlen aller Atome null. Bei mehratomigen Ionen ist die Summe der Oxidationszahlen aller Atome gleich der Ionenladung. Die Oxidationszahl eines Atoms im elementaren Zustand (z.B. Fe, N2, He) ist null.
2 Atombau und Periodensystem der Elemente
44
Die Regeln I. - 4. sind als strenge Hierarchie aufzufassen. 1st ein Metall in einer chemischen Verbindung vorhanden, so wird zuerst die Oxidationszahl des Metalls, dann die der ubrigen unter 2. bis 4. genannten Elemente in der angegebenen Reihenfolge bestimmt. Fluor wird also vor Wasserstoff und Sauerstoff (z.B. in HF, OF2 ) und Wasserstoffjeweils vor Sauerstoff (z.B. in H20 oder H202 ) bestimmt. Auf diese Weise kommt man z.B. in der Verbindung OF2 zu der seltenen, aber chemisch korrekten Oxidationszahl +11 fur den Sauerstoff. Oxidationszahlen werden als romische Ziffem tiber die Atomsymbole geschrieben und beziehen sich aufjeweils ein Atom der betrachteten Sorte. +IV -II
CO 2 ,
+I +V-II
HN03 ,
+VI -I
SF6 ,
+VI -II
-III +1 2 - ,
S04
NH 3 ,
+1 -I
NaH,
1m praktischen Gebrauch, vor allem bei der Aufstellung von Redoxgleichungen, interessiert in erster Linie das Atom der Verbindung, das durch Reduktion bzw. Oxidation seine Oxidationszahl andert. Generell gilt: Die hochstmogliche Oxidationszahl eines Elements ergibt sich formal als die Zahl der Elektronen, die bis zum nachstniedrigen Edelgas abgegeben werden musste, die niedrigstmdgliche Oxidationszahl als die Zahl der Elektronen, die bis zum nachsthoheren Edelgas aufgenommen werden musste. Zum Beispiel reicht der Oxidationszahlbereich beim Stickstoffvon +V (z.B. in RN03 ) bis -III (z.B. in NH 3) . Lediglich bei den Hauptgruppenelementen Fluor (Oxidationszahlen: -I und 0) und Sauerstoff (-II, -I und 0) wird die maximale Oxidationszahl nicht erreicht. Die maximale (hOchstmogliche) Oxidationszahl eines Elements entspricht der Hauptgruppennummer im Periodensystem der Elemente. Als erleichtemd fur die Bestimmung der Oxidationszahlen erweisen sich folgende Orientierungshilfen: Alkalimetalle (Na, K, Li) besitzen stets die Oxidationszahl +1, Erdalkalimetalle (Ca, Mg, Ba): +11 und Aluminium +III; fur Sauerstoff ergibt sich bis auf wenige Ausnahmen die Oxidationszahl-II und fur Wasserstoff +1. Die Oxidationszahlen werden wie folgt bestimmt:
H 2S04 : Als Summe der Oxidationszahlen ergibt sich fur die beiden H-Atome 2· (+I) = +11 und fur die vier O-Atome 4 . (-II) = -VIII. Damit erhalt man als Gesamtsumme -VI. Da Schwefelsaure ein Neutralmolekiil ist, kann die Oxidationszahl fur den Schwefel nur +VI lauten. Betrachtet man dagegen das Sulfation so,", ergibt sich wiederum 4· (-II) = -VIII. Da das Sulfation zweifach negativ geladen ist, sind diese beiden Ladungen von der Summe (-VIII) abzuziehen, so dass sich (logischerweise!) fur das S-Atom wiederum die Oxidationszahl +VI ergibt. KN03 : Als Summe der Oxidationszahlen der drei O-Atome ergibt sich 3 . (-II) = -VI. Da Kalium die Oxidationszahl +1 besitzt, erhalt man als Gesamtsumme und gleichzeitig als Oxidationszahl fur den Stickstoff +V.
3
Chemische Bindung
Chemische Stoffe weisen teilweise sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Betrachtet man beispielsweise solche wichtigen Stoffeigenschaften wie die Loslichkeit oder die elektrische und thermische Leitfahigkeit, so existieren in der Regel signifikante Unterschiede zwischen den Salzen und Oxiden einerseits und den organischen Verbindungen bzw. den Nichtmetallen andererseits. Wahrend organische und nichtmetallische Stoffe haufig wenig wasserloslich sind und den Strom schlecht oder gar nicht leiten, losen sich Salze gut in Wasser und ihre wassrigen Losungen leiten den elektrischen Strom. Metalle zeichnen sich dagegen durch eine ausgesprochen hohe elektrische und thermische Leitfahigkeit und durch Glanz aus. Ursache fur dieses unterschiedliche Verhalten ist die Art und Weise, mit der die Atome untereinander verknupft sind. Erst die entstehenden Aggregate aus Atomen, Molektllen oder Ionen besitzen die fur die jeweilige Stoftklasse charakteristischen physikalisch-chemischen Eigenschaften wie salzartig, nichtleitend oder leitend und metallisch. Welche der verschiedenen Stoffeigenschaften vorliegen, ergibt sich aus den spezifischen Wechselwirkungen zwischen den Atomen oder Molektilen. Je nach der Natur der vorl iegenden Wechselwirkung unterscheidet man drei Grenztypen der chemischen Bindung:
• • •
Ionenbindung Atombindung (kovalente Bindung) Metallische Bindung,
3.1
lonenbindung
3.1.1
Ausbildung von lonen
lonenverbindungen entstehen durch Vereinigung von ausgepragt metallischen mit ausgepragt nichtmetallischen Elementen, also von Elementen, die im PSE links stehen (Alkalimetalle, Erdalkalimetalle) mit Elementen, die im PSE rechts stehen (Halogene, Sauerstoff). Bei der Reaktion von Natrium mit Chlor zu Natriumchlorid gibt jedes Natriumatom ein Elektron abo Das dabei gebildete positiv geladene Ion Na+ hat die gleiche Elektronenkonfiguration wie das Edelgas Neon (ls2 2s 2 2p6). Die Chloratome nehmenjeweils ein Elektron 2 2 auf und erlangen damit die Elektronenkonfiguration des Edelgases Argon (ls2 2s 2p6 3s 3p6). Aus den Chloratomen entstehen durch Elektronenaufnahme Chloridionen Cr.
Na·
+
ret-
-
Na +
+
Wesentliche Voraussetzung fiir das Zustandekommen einer lonenbindung ist der vollstandige Ubergang eines Elektrons vom Metall- zum Nichtmetallatom. Dabei entstehen positiv geladene lonen (Kationen) und negativ geladene lonen (Anionen). Mit der Erlangung der Elektronenkonfiguration eines Edelgases, also vollstandig besetzte s- und p-Orbitale, liegen die Ionen in einem besonders stabilen, energiearmen Zustand vor.
46
3 Chemische Bindung
3.1.2
Wechselwirkung zwischen den lonen - Gitterenergie
Zwischen den positiv und negativ geladenen Teilchen kommt es zu einer elektrostatischen Anziehung, die durch das Coulombsche Gesetz (3-1) beschrieben wird. Fur die Anziehungskraft F in einem lonenpaar ergibt sich: F
=
Z
K
'e'z A 'e £rel .
r
2
ZK, ZA
e Erel
F r
Ladungszahl des Kations bzw. Anions Elementarladung relative Dielektrizitatskonstante Anziehungskraft zwischen den lonen Abstand zwischen Kation und Anion.
(3-1)
Elektrostatische Wechselwirkungskrafte sind ungerichtete Krofte. Sie wirken nicht in einer bestimmten Vorzugsrichtung, sondem allseitig in den Raum. Damit kann ein Kation mehrere benachbarte Anionen und ein Anion mehrere benachbarte Kationen anziehen. Die dabei auftretenden Anziehungs- und Abstolsungskrafte fuhren zu einer regelmaliigen Anordnung der Kationen und Anionen unter Ausbildung eines lonengitters (Kap. 3.5.3). Wie bereits festgestellt, entstehen lonenverbindungen tlberwiegend durch Vereinigung metallischer mit nichtmetallischen Elementen. Reaktionen von Metallen mit Nichtmetallen erfordem mitunter eine starke Aktivierung (Erhitzen, Zunden), verlaufen dann aber meist recht heftig unter Warme- oder Lichtentwicklung. Es sind exotherme Reaktionen - und es stellt sich die Frage, woher die frei werdende Energie stammt. Urn diese Frage zu beantworten, solI am Beispiel der Umsetzung von Natrium mit Chlor die Bruttoreaktion gedanklich in Teilschritte zerlegt werden: Zunachst mussen aus dem als festes Metall vorliegenden Natrium (Metallgitter, Kap. 3.5.2) und dem molekular vorkommenden Chlor freie Atome erzeugt werden. Das erreicht man durch Sublimation des Metalls und Spalten der Cl--Molekule. In beiden Fallen wird Energie verbraucht. Auch fur die Uberfuhrung des Natriumatoms in ein Na+-Ion wird Energie benotigt (Ionisierungsenergie). Bei der Bildung des negativ geladenen Chloridions wird ein relativ kleiner Energiebetrag frei (Elektronenajfinitiit). Mehrfach negativ geladene Teilchen, wie z.B. das 02--lon als wichtiger Baustein der Oxidgitter, benotigen zu ihrer Entstehung wiederum Energie. Insgesamt muss fur den Prozess der Bildung der gasformigen lonen Na" und cr Energie aufgewendet werden. Aufgrund der Coulombschen Anziehung bilden sich im ersten Schritt lonenpaare Na+/Cr, die sich dann zum lonengitter des festen Salzes zusammenlagem. Dabei wird ein groBer Energiebetrag frei, der umgekehrt beim Verdampfen aber auch beim Auflosen und Schmelzen des festen Salzes wieder aufgewendet werden muss. Die frei werdende Energie wird als Gitterenergie UG bezeichnet. Sie tlbertrifft die bei der Bildung der gasformigen lonen aufgebrachten Energiebeitrage in der Regel deutlich und ist somit als Ursache fur den exothermen Verlauf der Umsetzung von Metallen mit Nichtmetallen anzusehen. Die Gitterenergie ist die bei der Bildung eines lonengitters aus den gasf"Ormigen lonen frei werdende Energie. Sie ist ein MaO nir die Starke der Bindung zwischen den lonen eines Kristalls.
47
3.1 lonenbindung
Die Gitterenergie ist umso groBer, je k1einer die lonen und je hoher geladen sie sind. Die Anordnung von Kationen und Anionen im Gitter hangt von der stochiometrischen Zusammensetzung der lonensubstanz und vom Verhaltnis der lonenradien abo
3.1.3
Eigenschaften von lonenverbindungen
lonenverbindungen leiten in wassriger Losung und in geschmolzenem Zustand den elektrischen Strom. Dartiber hinaus besitzen sie eine Reihe weiterer charakteristischer Eigenschaften: Sa1zkristalle sind harte, sprode Stoffe, die bei mechanischer Beeinflussung leicht zerstort werden konnen, 1m Vergleich zu den molekularen Stoffen besitzen sie hohe Schmelz- und Siedepunkte. Die hohen Temperaturen beim Schmelzen eines Salzes (z.B. NaCl, Smp. 801°C) sind notwendig, urn die starken Anziehungskrafte zwischen den lonen zu iiberwinden und sie in bewegliche Teilchen in der Schmelze zu iiberfuhren. Zwischen der Gitterenergie und der Schmelztemperatur von Salzen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang (Tab. 3.1). Ausnahmen wie BeO und MgO sind ein Beleg dafur, dass die Schmelztemperatur einer Verbindung noch von weiteren Faktoren abhangt, z.B. vom Gittertyp. ErwartungsgemiiB wirkt sich die Starke der Anziehungskrafte im Gitter auch auf die Harte der lonenverbindungen aus, wie die in Tab. 3.1 angefuhrten Hartegrade nach Mohs zeigen. Die 1812 von Friedrich Mohs aufgestellte qualitative Harteskala (Mohssche Harteskala) ermoglicht eine bequeme Abschatzung der Harte von Mineralen und Metallen nach zehn Hartegraden, Dabei ist jeder Mohssche Hartegrad durch ein Referenzmineral gekennzeichnet. Nach steigenden Hartegraden (jeweils in Klammern) ergibt sich: Talk Mg3(OHMShOsh (1), Gips CaS04· 2 H20 (2), Kalkspat CaC03 (3), Flussspat CaF 2 (4), Apatit Cas(P04HOH,CI,F) (5), Kalifeldspat K[AIShOg] (6), Quarz Si02 (7), Topas AhF2[Si04] (8), Korund Ah03 (9) und Diamant C (10). Jedes der angefuhrten Minerale ritzt das vor ihm stehende und wird vom nachfolgenden geritzt. Infolge der ungleichen Abstande zwischen den einzelnen Hartestufen - der Unterschied zwischen den Ritzharten 9 und 10 ist grofser als der zwischen 1 und 9 (!) - ist die Mohssche Skala fur exakte Angaben unbrauchbar. Eine heute in der Technik weit verbreitete Harteangabe ist die Vickers-Harre VH (Angabe in Nzmrrr', [BK I]. Tabelle 3.1 Gitterenergien, Schmelztemperaturen und Harteqrade einiger ausqewahlter lonenverbindungen
Verbindung BeO MgO CaO NaCl KC1
Gitterenergie (in kJ/mol, 25°C) -4519 -3933 -3523 -781 -710
Schmelztemperatur (in °C) 2570 2800 2570 801 770
Hiirtegrad (nach Mobs) 9,0 6,5 4,5 2,5 2,2
In der chemischen Literatur wird haufig statt von lonenbindung von Ionenbeziehung gesprochen. Damit solI deutlich gemacht werden, dass der Zusammenhalt zwischen den Ato-
48
3 Chemische Bindung
men nicht durch ein gemeinsames Bindungselektronenpaar (Kap. 3.2.1), sondem durch die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den lonen des Gitters bewirkt wird. Nicht in allen Hillen konnen durch den Ubergang eines Elektrons von einem Partner auf den anderen die beteiligten Atome eine stabile Edelgasschale erreichen. Betrachtet man zwei Atome eines im PSE rechts stehenden Elements (z.B. zwei Chloratome), so ist die Grundvoraussetzung einer lonenbindung, dass beide Partner bei Elektronenubergang eine stabile Edelgasschale erreichen, nicht erfiiIlt. Nur das Chloranion (Chloridion) wiirde das geforderte Elektronenoktett erreichen:
+
ICI'
+
ICI'
ICII
Wie die Bindung zwischen zwei Nichtmetallatomen zustande kommt, soIl im folgenden Kapitel besprochen werden.
3.2
Atombindung (Kovalente Bindung)
3.2.1
Elektronenpaarbindung - Modell von Lewis
Ein anschauliches Bindungsmodell zur Deutung der Wechselwirkung zwischen Nichtmetallatomen stammt von Lewis (1916): Bei einer Atombindung erfolgt der Zusammenhalt zwischen zwei Atomen durch ein gemeinsames Bindungselektronenpaar (Elektronenpaarbindung]. Durch das gemeinsame Elektronenpaar (Bindungselektronenpaar) erreichen beide Partner eine Edelgaskonfiguration, also acht Elektronen auf der iiuBersten Schale (Elektronenoktett). Das Wasserstoffatom bildet eine Ausnahme (s.u.). Die iibrigen nicht an der Bindung beteiligten Elektronenpaare eines Atoms werden als nicht bindende oder freie Elektronenpaare bezeichnet. He-Konfiguration
H'
. .
IN'
H'
+
+
+
'0'
.
.
'NI
'ell
+
'H
-
-
Ne-Konfiguration
~f2~
He
Ar
CEB~
In den Lewis-Formeln wird ein Bindungselektronenpaar durch einen Strich zwischen den Elementsymbolen der an der Bindung beteiligten Atome, ein nicht bindendes Elektronenpaar durch einen Strich am Elementsymbol gekennzeichnet (Valenzstrichformeln). Die Anzahl der Bindungen pro Atom ergibt sich aus der Oktettregel, wonach jedem Atom vier
3.2 Atombindung
49
Elektronenpaare - bindend oder nieht bindend - zugeordnet sein miissen (Achterschale). In manehen Molekiilen werden zwei (z.B. C020der C2H".t) oder drei (z.B. N 2, C2H2) Bindungselektronenpaare benotigt, um eine Aehtersehale zu erreiehen. 1m ersten Fall liegen Doppel- und im zweiten Fall Dreifaehbindungen vor. Kovalent gebundener Wasserstoff erreieht die Edelgaskonfiguration des Heliums (Zwei-Elektronen-Konfiguration). Die Oktettregel ist nur fur Atome von Elementen der 2. Periode streng giiltig. Da nur vier Orbitale, namlich ein 2s- und drei 2p-Orbitale zur Verfugung stehen, werden maximal vier Bindungen ausgebildet. In Verbindungen von Elementen hoherer Perioden konnen dagegen mehr als vier kovalente Bindungen auftreten (Oktetterweiterung). Eine hohere Zahl von Kovalenzen wird moglich, da den Elementen ab der 3. Periode auBer s- und p-Orbitalen aueh d-Orbitale zur Bindungsbildung zur Verfugung stehen. Vorhandene Elektronenpaare werden entkoppelt, besetzen leere Orbitale ahnlicher Energie (z.B. die d-Orbitale der gleichen Sehale) und erhohen damit die Zahl der Bindungsmoglichkeiten. Beispiele fiir Verbindungen mit erweitertem Oktett sind Phosphorpentaehlorid PCl 5 mit einer Zehnersehale (Elektronendecett) und Sehwefelhexafluorid SF6 mit einer Zwolfersehale (Elektronendodecett). CI
'"
F
CI
F
/p",,/ CI I CI CI
• p.
[±Iltltltll I I 35
. S·
3p
'-...~ ............
F
F/I"-F F
I
3d
[±I IUltltl1 I I I Grundzustand
1-[I]ltltltllt I I I 35
3p
3d
1-[I]ltltltlltltl I angeregter Zustand
•p •
· :S:· ·
Das einfaehe Lewis-Konzept liefert die Grundlage fiir die Deutung der Stochiometrie zahlreieher Verbindungen, versagt aber bei der Erklarung der Elektronenstruktur des Sauerstoffmolekiils O2: -
0=0
bzw. ·0-0·
Die linke Form gibt zwar den experimentell ermittelten Doppelbindungseharakter der Bindung zwischen den Sauerstoffatomen korrekt wieder, die radikalisehe Natur des 02-Molekiils kommt jedoeh nieht zum Ausdruek. Radikale sind Teilchen (Atome, lonen oder Molekiile), die iiber ein oder mehrere ungepaarte Elektronen verfugen. Das Molekiil Sauerstoff ist ein Diradikal. Es besitzt zwei ungepaarte Elektronen, die sehr wesentlieh seine physikaliseh-ehemisehen Eigensehaften bestimmen. Diese Eigensehaft gibt nur die reehte Lewis-Formel exakt wieder. Sie verletzt allerdings die Oktettregel und kann den Doppelbindungseharakter zwischen den O-Atomen nieht widerspiegeln. Das Beispiel Sauerstoff zeigt, dass das einfaehe Lewis-Modell nieht in allen Fallen in der Lage ist, die reale Elektronenstruktur ehemiseher Verbindungen in adaquater Weise zu
50
3 Chemische Bindung
beschreiben. Erst die Anwendung der Wellenmechanik fuhrt zu einem tieferen Verstandnis der Bindungsverhaltnisse (Details, s. Lehrbticher der Allgemeinen Chemie).
3.2.2
Oberlappung von Orbitalen
Nach der Lewis-Theorie ist eine kovalente Bindung auf ein gemeinsames Elektronenpaar zwischen den verbundenen Atomen zuruckzufuhren. Ausgehend vom wellenmechanischen Atommodell kann man sich das Zustandekommen einer kovalenten Bindung in folgender Weise erklaren: Bewegen sich zwei Atome aufeinander zu, uberlappt ein Orbital des einen Atoms, das mit einem ungepaarten Elektron besetzt ist, mit einem Orbital des anderen Atoms, das ebenfalls mit einem ungepaarten Elektron besetzt ist. Unter der Orbitaliiberlappung ist das Durchdringen zweier Ladungswolken zu verstehen. Es kommt zu einer Konzentration von Elektronendichte im Gebiet zwischen den Kernen, die dem Lewisschen Bindungselektronenpaar entspricht. Je starker zwei Atomorbitale tlberlappen, umso starker ist die Elektronenpaarbindung. Voraussetzung fur eine effektive Wechselwirkung zweier Orbitale sind vergleichbare Energien und gleiche Symmetrie der Orbitale. Stellt man nicht das Quadrat des winkelabhangigen Teils der Wellenfunktion, sondern die Winkelfunktion selbst dar (s. Kap. 2.1.3.2), erhalt man fur das totalsymmetrische s-Orbital ein positives Vorzeichen (Abb. 3.la). Fur die p-Orbitale (gleiches gilt fur die d-Orbitale!) ergeben sich dagegen Bereiche unterschiedlichen Vorzeichens (Abb. 3.1 und 3.2). Eine Bindung kommt dann und nur dann zustande, wenn die uberlappenden Orbitale gleicher Symmetrie ein gleiches Vorzeichen besitzen, so dass eine positive Uberlappung (Uberlappungsintegral S > 0) resultiert. Das heiBt fur den Fall zweier uberlappender p-Funktionen, dass zwei positive (oder zwei negative!) Orbitalbereiche der wechselwirkenden p-Funktionen zweier Atome tiberlappen mussen, Gleich groBe positive und negative Uberlappungsbereiche kompensieren sich und die resultierende Uberlappung ist null (Abb. 3.2b). 1m einfachsten FaIle uberlappen die totalsymmetrischen s-Orbitale zweier Atome (Abb. 3.1a).
a)
ffi s-s
():>o·x 9'"
a) Beschreibung der MolekOlgeometrie von Methan CH 4 (sp3-Hybridisierung des C-Atoms); b) Beschreibung der MolekOlgeometrie des Wasser H20 (Sp3-Hybridisierung des a-Atoms)
53
3.2 Atombindung
Das Hybridisierungsmodell ist nicht nur auf den Kohlenstoff und seine Verbindungen anwendbar. Es kann zur Diskussion der Geometrie nahezu aller kovalent aufgebauter Hauptund Nebengruppenverbindungen herangezogen werden. Dabei konnen auch Elektronenpaare in die Hybridisierung einbezogen werden, die nicht an der Bindung beteiligt sind. Betrachten wir beispielsweise die raumliche Struktur des HzO-Molekiils und der wichtigen Si04-Struktureinheit, die als Grundbaustein im Quarz, in Silicaten und silicatischen Baustoffen enthalten ist. Geht man beim HzO-Molekiil von einer Sp3-Hybridisierung am Sauerstoff (Grundzustandskonfiguration: Is z 2sz 2pxz 2p/ 2pzl) aus, stehen nur zwei der vier Sp3-Hybridorbitale fiir eine Bindung zur Verfiigung. Sie iiberlappen mit zwei Wasserstoff-ls-0rbitalen und bilden die beiden H-O-(o)-Bindungen aus. Die zwei anderen Hybridorbitale sind bereits mit zwei Elektronen besetzt, d.h. sie sind nicht bindend, was zur bekannten gewinkelten Struktur des HzO-Molekiils fiihrt. Da ihr Raumbedarf grolser ist als der der bindenden Orbitale, ergibt sich ein zum Tetraederwinkel deutlich reduzierter H-O-H-Bindungswinkel von 104,so (Abb. 3.4b). Auch im Quarz (SiOz)n konnen die Bindungsverhiiltnisse durch eine Sp3-Hybridisierung beschrieben werden (3.5a). Durch Uberlappung der vier einfach besetzten Sp3-Hybridorbitale des Si-Atoms mit je einem einfach besetzten Sp3-Hybridorbital eines O-Atoms bilden sich tetraedrische Si04-Struktureinheiten aus. Da jedes O-Atom noch iiber ein weiteres einfach besetztes Sp3-Hybridorbital verfiigt, wird eine Bindung zu einem zweiten Siliciumatom gekniipft. Dieses ist wiederum von drei Sauerstoffatomen umgeben, so dass eine Raumnetzstruktur mit gewinkelten Si-O-Si-Briicken entsteht (Abb. 3.5b). Valenzzustand
E
3p
~
rn:r--
2p
~
rn:r--
IO-Si
Grundzustand
a)
Si
o
b)
/
\ \ ':f?/ '9-
Abbildung 3.5 a) Schematische Elektronenkonfigurationen des Grund- und Valenzzustandes der Silicium- und Sauerstoffatome (sp3-Hybridisierung); b) Polymere Raumnetzstruktur des Quarzes; eine tetraedrische Si04 Struktureinheit ist hervorgehoben.
spZ-Hybridisierung. Kombiniert man Kohlenstoff-Wellenfunktionen des 2s-0rbitals und zweier 2p-Orbitale, entstehen drei spZ-Hybridorbitale, die in einer Ebene liegen (L 120°).
Das nichthybridisierte p-Orbital steht senkrecht auf den drei trigonal-planar angeordneten spz-Hybridorbitalen. Die Geometrie des ungesiittigten Molekiils Ethen Cz~ (Ethylen),
3 Chemische Bindung
54
Ausgangsprodukt fur den Kunststoff Polyethylen, kann durch Wechselwirkung zweier spz_ hybridisierter C-Atome beschrieben werden. Die o-Bindung entsteht infolge Uberlappung je eines der drei spz-Hybridorbitale der C-Atome in der Kemverbindungslinie. Die beiden anderen spZ-Hybridorbitale pro C-Atom tiberlappen mit den ls-Orbitalen zweier Wasserstoffatome, wobei insgesamt vier C-H-cr-Bindungen entstehen. Die beiden orthogonal zur Hybridisierungsebene stehenden p-Orbitale (pro C-Atom eines!) bilden durch Uberlappung die 1t-Bindung (Abb. 3.6a). 1m Lewis-Formelbild des Ethens CHz = CHz steht symbolisch ein Bindungsstrich zwischen den C-Atomen fur die c- und einer fur die 1t-Bindung. sp-Hybridisierung. Durch Kombination der 2s-Funktion mit einer p-Funktion des Kohlenstoffatoms werden schlieBlich zwei linear angeordnete sp-Hybridorbitale erhalten. Sie dienen zur Beschreibung der Bindung in linearen Molektilen, wie z.B. im Ethinmolektil (CzHz). Durch Uberlappung je eines sp-Hybridorbitals der beiden wechselwirkenden CAtome wird eine o-Bindung geknupft, Das jeweils verbleibende sp-Hybridorbital tiberlappt mit dem Is-Orbital eines Wasserstoffatoms und bildet eine C-H-cr-Bindung aus. Pro CAtom stehen zwei nichthybridisierte p-Orbitale fur die Ausbildung zweier n-Bindungen zwischen den C-Atomen zur Verfugung. Die Ebenen der wechselwirkenden p,,-Orbitale stehen senkrecht aufeinander (Abb. 3.6b). 1m Lewis-Formelbild einer Dreifachbindung (zum Beispiel: HC=CH) stehen ein Strich fur die o- und zwei Striche fur die 1t-Bindungen. 1t
Abbildung 3.6 Hybridisierung und
H --(J~~*BlI&~-(J- H Mehrfachbindungen: a) Ethen, b) Ethin.
H a)
3.2.4
b)
Polaritit einer Bindung - Elektronegativitit
lonen- und Atombindung stellen Grenztypen der chemischen Bindung dar. In den meisten Verbindungen treten Ubergangsformen zwischen diesen Bindungstypen auf. Eine "reine" Atombindung kommt nur in homonuklearen Molektilen, also Molektilen aus gleichen Atomen (Hz, C!z, N z), vor. Nur in diesen Hillen ist die Ladungswolke des Bindungselektronenpaares raumlich symmetrisch zwischen den beiden Atomen lokalisiert. Sind verschiedene Atome an einer kovalenten Bindung beteiligt, wird das Bindungselektronenpaar prinzipiell von einem der beiden Atome starker angezogen. Zur Charakterisierung der Tendenz eines Atoms, das Bindungselektronenpaar an sich zu ziehen, hat Pauling 1932 den Begriff der Elektronegativitat eingefuhrt. Die Elektronegatlvitat X eines Elements ist ein MaO f"lir die Fabigkeit eines Atoms dieses Elements, in einer Atombindung das Bindungselektronenpaar an sicb zu zieben.
55
3.2 Atombindung
Tabelle 3.2 Elektronegativitatswerte ausgewahlter Elemente (nach Pauling)
Die von Pauling aufgestellte Elektronegativitatsskala (Tab. 3.2) ordnet die chemischen Elemente nach ihrem elektronegativen Charakter. Die x-Werte sind relative Zahlen. Ihre Bedeutung besteht in erster Linie darin, qualitative Aussagen beim Vergleich verschiedener Elemente untereinander zu ermoglichen. Das Fluoratom zieht im Vergleich zu allen anderen Atomen die Elektronen einer Atombindung am starksten an. Deshalb wurde ibm der hochste Wert (X(F) = 4,0) zugeordnet. Den niedrigsten Elektronegativitatswert erhielt das Casium (X(Cs) = 0,7). Da Metalle generell leicht Elektronen abgeben, besitzen sie die kleinsten Elektronegativitaten. Sie werden deshalb auch als elektropositive Elemente bezeichnet. Die am starksten elektronegativen Elemente sind F > 0 >N = CI > Br. In Verbindungen dieser Elemente mit Wasserstoff ist mit dem Auftreten von Wasserstoffbruckenbindungen zu rechnen (Kap. 3.4). Innerhalb einer Periode nimmt die Elektronegativitat von links nach rechts zu, innerhalb einer Hauptgruppe von oben nach unten ab (Abb. 3.7). Q)
"tl
1
0 .;:: Q)
o,
J
2
F
3 4
K
5
Rb
6
Cs
1
2
3
Elektronegativitat
--
4
Abbildung 3.7 Elektronegativitatswerte der Hauptgruppenelemente (nach Pauling)
In der Folgezeit wurden weitere Elektronegativitatsskalen aufgestellt. Obwohl die Werte aufgrund unterschiedlicher Berechnungsverfahren etwas differieren, sind sie in sich doch weitgehend zu den Paulingschen x-Werten konsistent.
3 Chemische Bindung
56
Die Blektronegativiuit ist eine der grundlegenden Gro'pen der Chemie. Sie hildet nicht nur den theoretischen Hintergrund fur sich aushildende Polariuuen innerhalh der Molekide, intermolekulare Wechselwirkungen und daraus resultierende anomale physikalische Eigenschaften der StoJfe, sie ist in der Mehrzahl der Faile auch fur das vielschichtige Reaktionsverhalten vieler anorganischer und organischer Molekule verantwortlich. Dipolmoment - Polare Bindung. Atome unterschiedlicher Elektronegativitat bewirken eine ungleichmabige Verteilung des Bindungselektronenpaars zwischen den an der Bindung beteiligten Partnem. Damit fallen die Schwerpunkte negativer (Elektronen) und positiver (Keme) Ladungsbereiche nicht mehr zusammen, sondem sind raumlich getrennt. Sie kompensieren sich nicht mehr vollstandig und es bilden sich Bindungsdipole aus. Eine derartige Bindung, mit einem positiven und einem negativen Pol, bezeichnet man als polare kovalente Bindung (kurz: polare Bindung). Polare Bindungen konnen die Ursache fur das Vorliegen von Molekiildipolen sein. Bei Molekiildipolen fallen die Schwerpunkte negativer und positiver Partial- oder Teilladungen im Molekiil nicht zusammen. Es bilden sich raumlich getrennte Bereiche positiver und negativer Teilladungen mit den Eigenschaften eines Dipols aus. Oder einfacher ausgedriickt: Das Molekiil besitzt ein positives und ein negatives .Ende". Das Vorliegen eines Dipols wird quantitativ durch das Dipolmoment f.l charakterisiert. f.l entspricht dem Produkt aus der Ladung xe (positive Ladung +xe, negative Ladung -xe) und dem Atomabstand I (Bindungslange), Fur das Dipolmoment gilt: f.l = xe '1, als Einheit ergibt sich Coulomb' Meter (C·m). In der Praxis benutzt man als Einheit meist noch das Debye (D): 1 D = 3,336 . 10-30 Cm. Das Dipolmoment ist ein Vektor, dessen Spitze zum negativen Ende des Dipols zeigt. Ais vektorielle GroBe besitzt u damit eine Richtung und einen Betrag. Das Dipolmoment eines Molekiils ergibt sich als Vektorsumme der Dipolmomente der einzelnen Molekiilteile. Betrachten wir als Beispiel das HCI-Molekul. Infolge der hoheren Elektronegativitat des Chloratoms (X = 3,0) gegenuber dem H-Atom (X = 2,1) zieht das Chloratom die Ladungswolke des bindenden Elektronenpaares starker an sich. Die Elektronendichte ist folglich am Chloratom groBer als am H-Atom. An ersterem bildet sich eine negative Partialladung aus, was einem Elektroneniiberschuss entspricht. An letzterem bildet sich demzufolge eine positive Partialladung aus (Elektronenunterschuss). Beide Ladungen besitzen den gleichen Betrag, sie addieren sich zu null. Die Partialladungen werden durch den griechischen Buchstaben 6 charakterisiert und je nach Ladungssinn mit einem Plus- oder Minuszeichen versehen. - xe
+xe
H
• CI
Il =1.03D
•
3.2 Atombindung
57
Der Vektor des Bindungsdipolmoments des HCI-Molektils zeigt zum negativierten Chlor. Das Dipolmoment betragt 1,03 Debye. Fur das H 20-Molektil ergibt sich das Dipolmoment durch Vektoraddition der Bindungsdipolmomente der beiden H-O-Bindungen (/1 = 1,85 D). Sowohl HCI als auch Wasser sind Dipolmolekiile. Der ionische Anteil der Atombindung wird im Formelbild wie folgt angegeben: ()+
H-CI
bzw.
()-
H--CI
In symmetrischen Molektilen wie Schwefeltrioxid S03 oder Kohlendioxid CO 2 addieren sich die Bindungsdipole vektoriell zu null, d.h. die Ladungsschwerpunkte fallen zusammen. Trotz vorhandener polarer Bindungen bilden sich keine Molekuldipole aus. Die MoIektile sind unpolar.
bzw.
~
M
~-
O=C=O -
Die Dipolnatur des Wassers bildet den Hintergrund fur die in der Bau- bzw. Baustoffchemie oft verwendete empirische Einteilung des Wassers in "physikalisch gebundenes" Wasser und "chemisch gebundenes" Wasser (Kap. 6.3.1). Zur Beurteilung des vorliegenden Bindungstyps in einem Molektil sind die Elektronegativitatsdifferenzen eine wichtige Orientierungshilfe. Man kann im Allgemeinen von einer weitgehend kovalenten Bindung ausgehen, wenn die Differenz der Elektronegativitatswerte unter 1,0 liegt. Das trifft beispielsweise auf das oben betrachtete HCI-Molektil trotz seiner geringen Bindungspolaritat (AX = 0,9) zu, aber auch auf Kohlenwasserstoffe oder Kohlendioxid. Andererseits bilden sich Ionenbindungen nur zwischen Atomen aus, die mit ihrer Elektronegativitatsdifferenz tiber 2,0 liegen (Beispiel NaCI: AX = 2,1). Dabei muss jedoch stets berucksichtigt werden, dass die Bindungen selbst bei Differenzen AX < 1 noch ionische Anteile aufweisen, wahrend Bindungen zwischen Atomen mit Elektronegativitatsdifferenzen> 2,0 noch kovalente Anteile enthalten. Bei einem Elektronegativitatsunterschied AX = 1,0...2,0 kann weder von einer lonenbindung noch von einer kovalenten Bindung gesprochen werden. Der Ubergang zwischen den Bindungstypen (kovalente Bindung - polare kovalente Bindung - lonenbindung) lasst sich auch von der Seite der lonen beschreiben. Positive lonen konnen die Elektronenhulle von Anionen deformieren (polarisieren). Diese Polarisierung kann im Extremfall zur Ausbildung polarer Atombindungen fuhren. Dabei wirken kleine, hochgeladene Kationen besonders stark polarisierend, wahrend groBvolumige Anionen (Br , F) besonders leicht zu polarisieren sind. Zum Beispielliegt beim Aluminiumfluorid AIF 3 (Smp. 1290°C) eine lonenbindung, beim Aluminumbromid AlBr3 (Smp. 97°C) dagegen eine polare Atombindung vor. Die abnehmende Loslichkeit der Silberhalogenide AgX
58
3 Chemische Bindung
(X = CI, Br, I) ist ebenfalls auf den Ubergang zu polaren Atombindungen durch starke Polarisierung der Anionen zuruckzufuhren (Kap. 6.3.3).
3.3
Metal!bindung
3.3.1
Eigenschaften von Metallen - Metallischer Zustand
Wahrend Nichtmetalle mitunter stark voneinander abweichende physikalisch-chemische Eigenschaften aufweisen, sind die Metalle untereinander recht ahnlich. Mit Ausnahme von Quecksilber sind alle Metalle bei Zimmertemperatur fest, obwohl ihre Schmelzpunkte ein relativ groBes Temperaturintervall iiberstreichen. Quecksilber schmilzt beispielsweise bereits bei -39°C, Wolfram erst bei +3410°C. Metalle besitzen eine verhaltnismafsig hohe Dichte und sind gute Leiter fur Warme und Elektrizitat, Daher fassen sich ihre Oberflachen im Gegensatz zu Kunststoff- oder Holzoberflachen eher kalt an. Das Metall mit der hochsten elektrischen Leitfahigkeit (auch: elektrisches Leitvermogen) ist Silber (K = 6,3 . 10-5 S/cm), gefolgt von Kupfer (K = 5,8 . 10-5 S/cm), Gold (K = 4,5' 10-5 S/cm) und Aluminium 5 (K = 3,77 . 10- S/cm). Metalle besitzen eine gute mechanische Festigkeit, Elastizitat und lassen sich verformen. Durch ihr hohes Lichtreflexionsvermogen weisen sie einen starken (metallischen) Glanz auf. Diese charakteristischen Eigenschaften, die den sogenannten metallischen Zustand kennzeichnen, finden ihre Erklarung im Kristallaufbau und den besonderen Bindungsverhaltnissen der metallischen Elemente. Ein metallischer Festkorper setzt sich aus einer Vielzahl unregelmaliig geformter, kleiner Kristallite zusammen, die sich beim Erstarren einer Metallschmelze ausbilden. Diese Kristallite (auch: Kristallkorner) stollen, ahnlich wie die Minerale im Granit, an den Korngrenzen aneinander. Ihre Anordnung kann mit Hilfe eines angeatzten Schliffs des betreffenden Materials sichtbar gemacht werden. Innerhalb der kleinen Metallkristalle nehmen die einzelnen Bauelemente, also die Metallionen, nicht beliebige Lagen ein, sondern besetzen ganz bestimmte Positionen im Raum. Das fuhrt, wie bei Ionenkristallen, zu einem definierten Gitteraufbau (Kap. 3.5).
a)
00000 00000
- 88880 00000 b)
-
-
00000 00000 00-000 00000
-
Abbildung 3.8 Anderung der Kristallstruktur a) eines Metallgitters und b) eines lonengitters bei mechanischer Beanspruchung.
3.3 Metallbindung
3.3.2
59
Elektronengasmodell
Urn 1900 wurde von Drude und Lorentz eine Modellvorstellung tiber die Bindung in Metallen entwickelt. Danach sind die Valenzelektronen der Metalle in einem Gitter positiver Metallionen nach Art eines Gases frei beweglich. Die freie Beweglichkeit der Elektronen resultiert aus den im Vergleich zu den Nichtmetallen niedrigeren lonisierungsenergien. Das Elektronengas bewirkt den Zusammenhalt der positiven Atomrumpfe im Metallgitter. Die positiv geladenen Atomriimpfe liegen als Gitterbausteine in einem Metallgitter vor, die Valenzelektronen kdnnen sich wie Gasmolekiile zwischen den Atomriimpfen frei bewegen. Die hohe elektrische Leitfahigkeit und der metallische Glanz sind auf die frei beweglichen Elektronen zuruckzufuhren, die bei Anlegen einer auBeren Spannung zu einer Bewegung in Richtung positiver Pol gezwungen werden. Die Abnahme der Leitfahigkeit mit steigender Temperatur beruht auf den immer starker werdenden Schwingungen der Atomrumpfe, Der elektrische Widerstand des Metalls nimmt zu. Da das Elektronengas das Kristallgitter zusammenhalt, konnen die Atomrumpfe benachbarter Schichten aneinander vorbeigleiten, ohne dass der Kristallverband zerstort wird. Damit ist auch eine Erklarung fur die Verformbarkeit der Metalle gegeben. Ganz anders reagieren Salzkristalle auf mechanische Beanspruchung. Sie spalten entweder entlang der Schichten auf oder sie splittem bzw. zerspringen. Ursache ist die abwechselnde Anordnung positiver und negativer Ladungen im ionischen Kristallgitter. Wenn sich bei mechanischer Beanspruchung gleichsinnig geladene lonen benachbarter Schichten annahern (Abb. 3.8), sprengen die Schichten infolge starker elektrostatischer AbstoBung auseinander und der Kristall wird zerstort,
3.3.3
Energiebandermodell
Zur Diskussion der unterschiedlichen elektrischen Leitfahigkeiten von Metallen, Halbleitersubstanzen und nichtleitenden Stoffen (lsolatoren) wird in der Regel das auf der Molekiilorbital-Theorie der chemischen Bindung aufbauende Energiebandermodell herangezogen. Wechselwirken die ls-Orbitale zweier Wasserstoffatome miteinander, so bilden sich zwei sogenannte Molekiilorbitale (Mas), ein energiearmeres und ein energiereicheres MO, bezogen auf die Energie der ursprunglichen Atomorbitale. Es entstehen zwei neue Energieniveaus. 1m Metallverband wechselwirken N gleiche Metallatome miteinander. Aus aquivalenten Atomorbitalen bilden sich Molekiilorbitale, die tiber den gesamten Metallkristall delokalisiert sind und die sich energetisch nur wenig unterscheiden. Aus N Atomen entstehen N Molekiilorbitale, deren Energien sich mit zunehmendem Nimmer mehr angleichen. 1st N sehr groB- und davon kann man im Metallverband ausgehen - sind die Energiedifferenzen zwischen den Energieniveaus auBerst gering, sie verschmelzen schlieBlich zu einem Energieband (Abb. 3.9). Ein Energieband besteht aus einer Vielzahl messtechnisch voneinander nicht unterscheidbarer Energieniveaus.
60
3 Chemische Bindung
Band E
MolekOlorbitale
---
Das Kalkbrennen ist endothermer Vorgang (s.a. Kap. 9.3.2.1).
4.2.3
Satz von Hess
Es gibt zahlreiche Hille, wo die Produkte auf verschiedenen Reaktionswegen gebildet werden konnen oder aber die Bildung der Reaktionsprodukte tiber Zwischenstufen oder Teilreaktionen erfolgt. Hess konnte bereits 1840 zeigen, dass die Reaktionsenthalpie nur vom Anfangs- und Endzustand des Systems abhangt, nicht aber vom Reaktionsweg. Die Enthalpieanderung einer chemischen Reaktion entspricht der Summe der Reaktionsenthalpien der Teilreaktionen (Satz von Hess).
Nach dem Satz von Hess ist es moglich, Reaktionsenthalpien auch von experimentell nicht zuganglichen Reaktionen zu ermitteln. Das klassische Beispiel ist die experimentelle Bestimmung der Bildungsenthalpie von Kohlenmonoxid durch Verbrennung von Kohlenstoff. Sie ist kalorimetrisch nicht zuganglich, da bei der Verbrennung von Kohlenstoff im Sauerstoffunterschuss stets CO und CO2 nebeneinander entstehen.
C,Oz
co
Experimentell bestimmbar sind die Reaktionsenthalpien fur die Verbrennung von Kohlenstoff zu CO2
4 Die chemische Reaktion
82
und von CO zu CO 2 .&lRlO = .&lvo (CO) = -283 kJ/mol (.&lv Verbrennungsenthalpie).
Die gesuchte Reaktionsenthalpie .&lR/ (= .&lBo (CO» ergibt sich demnach zu
Unter Anwendung des Satzes von Hess und der auf den Standardzustand bezogenen Bildungsenthalpien kann man die Reaktionsenthalpien beliebiger chemischer Reaktionen berechnen. Dabei konnen die Teilreaktionen durchaus hypothetisch sein, d.h. es ist nicht notwendig, dass sie auch experimentell durchflihrbar sind.
4.2.4
Triebkraft chemischer Reaktionen - Freie Enthalpie
Eine der interessantesten Fragen der Chemie ist die nach der Triebkraft chemischer Reaktionen. Unter welchen Bedingungen laufen chemische Vorgange spontan ab und unter welchen Bedingungen erfolgt keine Umsetzung zwischen den Reaktionspartnem? Zunachst glaubte man die Antwort in den die Umsetzung begleitenden Warmeeffekten gefunden zu haben, da freiwillig ablaufende Reaktionen oft mit einer Warmeabgabe verknupft sind. 1m Jahr 1878 kamen Thomsen und Berthelot unabhangig voneinander zu der Ansicht, dass nur exotherme Vorgange freiwillig ablaufen konnen
(Prinzip von Thomsen und Berthelot). In der Folgezeit worden allerdings zahlreiche Beispiele fur endotherme Vorgange gefunden, die bei Raumtemperatur und erst recht bei hoheren Temperaturen ebenfalls spontan ablaufen. Zu nennen waren die endotherme Auflosung von Salzen in Wasser oder die Verdampfung einer Flussigkeit. Die Enthalpieanderung konnte folglich nicht der alleinige Faktor sein, der den Ablauf (und die Richtung) einer Reaktion bestimmt. Die tatsachlich fur den Ablauf einer chemischen Reaktion verantwortliche Grobe fand man in der freien Enthalpie G. Wie im FaIle der Enthalpie interessiert wiederum nur die Anderung der freien Enthalpie LJGR. 1st LJGR < 0, lauft die Reaktion freiwillig in der angegebenen Richtung abo 1st LJGR > 0, lauft die Reaktion nicht freiwillig, sondem nur unter Zwang abo In umgekehrter Richtung (Ruckreaktion) verlauft sie jedoch freiwillig. 1st LJGR = 0, so befindet sich das System im Zustand des chemischen Gleichgewichts (Kap. 4.5.1). Die Anderung der freien Enthalpie LJGR ist das eigentliche Kriterium fur das Reaktionsvermogen, Freie Enthalpie LJGR und Enthalpie.&lR unterscheiden sich urn den Term (-T· LJSR ) . LJGR = LJIlR - T·LJSR
(Gibbs-Helmholtz-Gleichung)
(4-3)
Die GroBe SR, die neben der Enthalpieanderung fur den Ablauf einer Reaktion verantwortlich ist, heiBt Entropie (Einheit: JIK). Die Entropie S kann als ein MaB fur die
4.3 Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
83
Unordnung in einem System gedeutet werden. Sie ist umso groBer, je geringer der Ordnungsgrad eines Systems ist. Chemische Reaktionen zeigen wie aIle Naturvorgange die Tendenz, aus einem geordneten in einen weniger geordneten Zustand iiberzugehen. Die Entropie nimmt dabei zu. Bei Phasenanderungen von fest nach flussig bzw. von flussig nach gasformig erhoht sich die Entropie des Systems. Flussigkeiten, deren Teilchen beweglich sind, zeigen eine geringere Ordnung als Kristalle mit fixierten Gitterpositionen. Gase besitzen aufgrund der wesentlich hoheren Beweglichkeit der Teilchen eine noch grolsere Unordnung und damit eine hohere Entropie als Fliissigkeiten. Der Wert der freien Enthalpie ergibt sich aus der Konkurrenz zwischen Enthalpie und Entropie (Gl. 4-3). Beide Groben konnen je nach Vorzeichen gegensatzlich oder aber in gleicher Richtung wirken. Auf eine detaillierte Diskussion der verschiedenen, sich aus der Gibbs-Helmholtz-Gleichung ergebenden Moglichkeiten, soIl im Rahmen dieses Buches verzichtet werden (s. [AC 9, 10]). Allgemein giltjedoch:
Eine Reaktion verHiuft stets so, dass sie einem Zustand minimaler Enthalpie (Energie) und maximaler Entropie (Unordnung) zustrebt.
4.3
Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
4.3.1
Allgemeine Betrachtungen
Neben dem Stoff- und Energieumsatz ist auch die Geschwindigkeit, mit der chemische Reaktionen ablaufen, von groBem praktischem Interesse. Die Frage nach der Geschwindigkeit einer Reaktion fuhrt in das Stoffgebiet der chemischen Reaktionskinetik. Einige chemische Reaktionen laufen sehr langsam ab, oft scheinbar uberhaupt nicht, obwohl die freie Reaktionsenthalpie negativ ist. Ein negativer LlGwWert ist demnach zwar die thermodynamische Bedingung fur den freiwilligen Ablauf einer Reaktion, er ist aber keine Garantie dafur, dass sie auch mit einer merklichen Geschwindigkeit ablauft. Betrachtet man beispielsweise ein KnaIlgasgemisch bestehend aus einem Mol H 2 und einem halben Mol O 2. Bei einer Temperatur von 11°C ist erst nach lOll Jahren mit einem vollstandigen Umsatz zu H 20 zu rechnen, obwohl LlGR deutlich negativ ist und eine hohe Triebkraft fur die Umsetzung von Wasserstoff und Sauerstoff gegeben ist. Beide Gase konnen also unter entsprechenden Bedingungen langere Zeit nebeneinander existieren, ohne dass eine Umsetzung erfolgt. Ursache fur die Reaktionshemmung ist die groBe Aktivierungsenergie dieser Umsetzung. Der stabile Endzustand des Wassers kann erst nach Uberwinden einer hohen Energiebarriere erreicht werden (Abb. 4.4). Das Rosten des Eisens ist ein weiteres Beispiel fur eine mit einer sehr geringen Geschwindigkeit ablaufende Reaktion. Es kann Monate oder Jahre dauem, bis ein Werkstuck vollstandig durchgerostet ist. Dagegen sind Saure-Base- oder Fallungsreaktionen Beispiele fur Umsetzungen mit einer geringen Aktivierungsenergie. Sie laufen mit hohen Geschwindigkeiten abo
4 Die chemische Reaktion
84
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist ein MaB fur den zeitlichen Ablauf einer chemischen Reaktion. Sie beschreibt die Konzentrationsanderung eines Edukts oder Produkts in Abhangigkeit von der Zeit t. Betrachten wir die Reaktion A + B ~ C. Zur Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeit kann entweder die Abnahme der Ausgangsstoffe A bzw. B oder die Zunahme des Produkts C pro Zeiteinheit herangezogen werden. Mathematisch wird die Reaktionsgeschwindigkeit als Differentialquotient definiert. Vereinbarungsgemals erhalt der Differentialquotient, der sich auf die Konzentrationszunahme von C bezieht, ein Pluszeichen und derjenige, der sich auf die Konzentrationsabnahme der Edukte A und B bezieht, ein Minuszeichen. Man kann also schreiben:
v
de( A) dt
= ---=
de(B) de(C) = +--. dt dt
Ais MaBeinheit der Reaktionsgeschwindigkeit ist mol/l-s oder auch mol/l-min gebrauchlich. Die Geschwindigkeit einer Reaktion ist in erster Linie von der Konzentration der reagierenden Edukte und der Temperatur des Reaktionssystems abhangig.
4.3.2
Konzentrationsabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit
Voraussetzung fur das Zustandekommen einer chemischen Reaktion ist der ZusammenstoB der reagierenden Teilchen (StoBtheorie). Da die Wahrscheinlichkeit des ZusammenstoBes von der Anzahl der reagierenden Teilchen abhangt, ist eine unmittelbare Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Konzentration gegeben. Die Zahl der reaktiven Zusammenstofse zwischen den Partnem pro Zeiteinheit steigt mit zunehmender Konzentration der Edukte, d.h. mit wachsender Teilchenzahl pro Volumeneinheit, an. Bei Gasreaktionen erreicht man hohere Konzentrationen durch Druckerhohung. Kehren wir zur Reaktion A + B C zuruck. Fur die Reaktionsgeschwindigkeit v der Bildung von C kann man demnach schreiben:
v -erA)
und v «c/B) bzw. v -erA) . e(B).
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist dem Produkt der Konzentrationen von A und B proportional. Fuhrt man den Proportionalitatsfaktor k ein, erhalt man
v
=
k . erA) . e(B).
Die Proportionalitatskonstante k bezeichnet man als Geschwindigkeitskonstante. Je grober k, umso schneller lauft eine Reaktion abo
4.3 Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
4.3.3
85
Temperaturabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit
Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt mit steigender Temperatur zu. Zur Erklarung dieser experimentellen Tatsache solI daran erinnert werden, dass Zusammenstofse zwischen den Atomen oder Molekulen der Reaktionspartner die Voraussetzung fur jede chemische Umsetzung bilden. Bei einer detaillierteren Betrachtung wird deutlich, dass nicht jeder ZusammenstoB zwischen den Teilchen zu einer Reaktion fuhrt, also erfolgreich ist. So sind z.B. die Atome oder Molekule eines Gases durch die zahlreichen StoBe standigen Anderungen ihrer Geschwindigkeit und ihrer Richtung unterworfen. Die Teilchen besitzen demnach in jedem Augenblick bei einer gegebenen Temperatur T sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten und damit sehr unterschiedliche kinetische Energien. Eine Reaktion tritt nur dann ein, wenn die aufeinander treffenden Teilchen eine bestimmte kinetische Mindestenergie besitzen. Sie ist notwendig, damit die in den Teilchen der Ausgangsstoffe bestehenden Bindungen gelockert bzw. gelost und neue Bindungen ausgebildet werden konnen. Bei einer hoheren Temperatur erhoht sich die Anzahl der Teilchen mit einer hoheren kinetischen Energie und damit die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Zusammenstolse. Die Reaktionsgeschwindigkeit steigt an.
Abbildung 4.3 Energieverteilung bei verschiedenen Temperaturen
kinet. Energie
Die Geschwindigkeiten der Teilchen in einem Gasvolumen sind in einer statistisch definierten Weise verteilt (Maxwell-Boltzmannsche-Geschwindigkeitsverteilung). Die Verteilung folgt einer definierten Funktion, die in Abb. 4.3 fur zwei unterschiedliche Temperaturen dargestellt ist. Jede der Kurven besitzt ein Maximum. Die zugehorige kinetische Energie (bzw. Geschwindigkeit) ist diejenige, die am haufigsten vorkommt. Die meisten Teilchen besitzen demnach eine mittlere kinetische Energie. Relativ wenige Teilchen sind energiearmer, andererseits weisen auch nur wenige Molekule eine Energie auf, die grolser als die Mindestenergie Emin ist. Fiir die Temperatur T, sind nur die Teilchen, deren Energie gleich oder grofser als E min ist, zur Reaktion befahigt (Abb. 4.3, gepunktete Flache), Beim Ubergang von T, zu T2 (T2 > Tj ) wird die Kurve flacher und dehnt sich in den Bereich hoherer Geschwindigkeiten aus. Damit wird die Anzahl an energiereichen Teilchen, die die Mindestenergie E min aufbringen, grolser, Die schraffierte Flache in Abb. 4.3 charakterisiert die Zahl der zusatzlichen Teilchen,
86
4 Die chemische Reaktion
die nach der Temperaturerhohung von T] auf T2 die Mindestenergie fur einen wirksamen ZusammenstoB besitzen. Erhoht man die Temperatur urn 10K, nimmt die Anzahl der reagierenden Teilchen in der Mehrzahl der Hille urn das Zwei- bis Vierfache zu. Darauf beruht die von van't Hojfgefundene RGT-Regel (RG = Reaktionsgeschwindigkeit, T = Temperatur): Eine Temperaturerhdhung um 10 K bewirkt eine Erhdhung der Reaktionsgeschwindigkeit auf das Zwei- bis Vierfache. Dieser qualitative Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Reaktionsgeschwindigkeit gilt innerhalb mittlerer Temperaturbereiche fur zahlreiche baurelevante anorganische und organische Reaktionen. Die Temperatur hat zum Beispiel einen groBen Einfluss auf den Erhartungsprozess des Betons. Grundsatzlich gilt, dass hohe Temperaturen die Festigkeitsentwicklung beschleunigen, wahrend niedrige sie verzogern, Die Endfestigkeit wird durch niedrigere Temperaturen allerdings nicht verringert. Es konnte im Gegenteil festgestellt werden, dass ein zunachst bei niedrigerer Temperatur erhartender Beton zum Schluss eine etwas hohere Festigkeit aufweist, als ein bei hoherer Temperatur erhartender [BK 1]. Mit der Saulschen Regel ist eine grobe Abschatzung der Verlangsamung der Betonerhartung bei niedrigen Temperaturen moglich. Sind Betone gleicher Zusammensetzung einer unterschiedlichen Lagerungstemperatur ausgesetzt, besitzen sie dann die gleiche Festigkeit, wenn ihr Reifegrad R tlbereinstimmt. Einheit: d- "C
(4-4)
f); Mittlere Tagestemperatur in "C, der der Beton ausgesetzt war; d, Anzahl der Tage mit f);.
Mit Hilfe von (4-4) kann das fur den Reifegrad wirksame Betonalter tw berechnet werden. Das wirksame Betonalter bezieht sich generell auf die Lagertemperatur f) = 20oe.
R w = tw' (20 + 10) Setzt man R
=
=
tw' 30
R w Reifegrad beim wirksamen Betonalter
R w, so ergibt sich fur das wirksame Betonalter Gl. (4-5). (in d)
(4-5)
Beispiel: Ein Beton ist 20 Tage lang bei 8°C erhartet, Sein Reifegrad und sein wirksames Betonalter sind zu ermitteln! Der Reifegrad ergibt sich nach R = 20 . (8 + 10) zu 360. Dieser Reifegrad entspricht einem wirksamen Betonalter von
87
4.3 Geschwindigkeit chemischer Reaktionen
tw
=
360 30
=
12 Tagen.
FUr genauere Abschatzungen der Festigkeitsentwicklung kann z.B. die gewichtete Reife des Betonsermitteltwerden(Einbeziehung von Eichgrafiken, [BKl]). Abb. 4.4 zeigt das Energiediagramm einer exothermen Reaktion. Nach Arrhenius kann eine Reaktion nur dann ablaufen, wenn sich zunachst aktivierte Molekiile (aktivierter Komplex, Ubergangszustand, s. a. Kap. 4.4) bilden. Dafur ist die Aufnahme der so genannten Aktivierungsenergie E a notwendig. Die Aktivierungsenergie entspricht der oben diskutierten Mindestenergie. Fur den Start einer Reaktion muss demnach Energie zugefiihrt werden, urn die Energiebarriere (Abb. 4.4) zu uberwinden. Die reagierenden Atome oder Molekiile konnen die Aktivierungsenergie durch Erwarmen, durch Bestrahlen (z.B. UV-Licht) oder durch Energieaustausch bei Zusammenstollen von Teilchen zugefuhrt bekommen. Energie des aktivierten Komplexes
Ql
-------!.--I
'2' Ql c:
W
~ Qj
E ~a.
E1
1E
2
1
E'a
_________ ~ ~ ~+_ J -
Abbildung 4.4 Reaktionsprofil einer exothermen Reaktion. Aktivierungsenergie der Ea Hinreaktion, Aktivierungsenergie der Ea ROckreaktion, ~HR Reaktionsenthalpie.
Reaktionskoordinate
Zahlreiche chemische Reaktionen des Bauwesens sind heterogene Reaktionen. Darunter versteht man Reaktionen, bei denen die Reaktionspartner nicht in der gleichen Phase vorliegen. Bei den meisten bauchemisch relevanten Reaktionen liegt mindestens ein Reaktand im festen Aggregatzustand vor. Beispiele fur heterogene Reaktionen sind • • • •
thermische Zersetzungsvorgange, wie z.B. das Kalkbrennen (CaC03 ~ CaO + CO 2, Kap. 9.3.2.1,4.5.4), die Dehydratisierung von Salzen, z.B. Brennen von Gips (CaS04 . 2H20 ~ 1Yz H20 + CaS04' Yz H20, Kap. 9.3.5), die Bindung von Gasen an Feststoffen, z.B. Rauchgasentschwefelung (CaC03 + S02 ~ CaS03 + CO 2, Kap. 5.5.3.2), Korrosionsvorgange an Metalloberflachen (Kap. 8.2).
Unter Festkdrperreaktionen versteht man Reaktionen zwischen zwei oder mehreren Feststoffen. Bei der wohl verbreitetsten Synthese anorganischer Feststoffe, dem Sintern, werden die festen Ausgangskomponenten zusammen tiber einen langeren Zeitraum bei hohen Temperaturen unterhalb des Schmelzpunkts gehalten. Die pulvrigen
88
4 Die chemische Reaktion
Einsatzstoffe werden durch Warme (und evtl. Druck) zu grolseren Partikeln verdichtet, wobei sich die Grenzflachen verringem. Es kommt zu einem "Zusammenbacken" des pulvrigen Ausgangsgemischs. Dabei finden Volumenkontraktionen, Rekristallisations- und Kristallwachstumsprozesse statt. Die lonen wandem tiber die Kontaktflachen zwischen den Kornern der reagierenden Komponenten von einem Gitter in das andere (Festkorperdiffusiony. Wenn Oxide miteinander reagieren, sind meist die im Vergleich zum Oxidion kleineren Kationen die mobilen Species. Der Sinterprozess beginnt bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunkts Ts (> 0,5 Ts). Die Notwendigkeit hoher Temperaturen folgt aus der Energiebilanz der Umsetzungen. 1m Gegensatz zur organischen Chernie, wo bei Reaktionen meist nur eine Bindung gelost und eine neu gebildet wird, werden in der Festkorperchemie die Kristallstrukturen von mindestens zwei der reagierenden Komponenten zerstort und voIlstandig neu gebildet. Die niedrigen Reaktions- bzw. Diffusionsgeschwindigkeiten von Feststoff-FeststoffReaktionen sind auf die hohen Bindungskrafte im Festkorper und die daraus resultierende stark eingeschrankte Teilchenbewegung zuruckzufuhren. Die Schwingungen der Teilchen urn die Fixpunkte im Gitter werden naturgemafs stark von der Temperatur beeinflusst. Temperaturanstieg fuhrt zu einer Erhohung der Diffusionsgeschwindigkeit der Teilchen. Auch die Gestalt der Oberflache des festen Stoffes beeinflusst die Geschwindigkeit der Umsetzung. Mit der Vergrolierung der Oberflache (Verfeinerung der Oberflachenstruktur) erhoht sich die Anzahl der aktiven Zentren und die Reaktionsfahigkeit steigt an. Beispiele fur technisch bedeutsame Sinterprozesse sind die Zementerzeugung sowie die Herstellung von Glasern und tonkeramischen Erzeugnissen. Der Begriff der heterogenen Reaktion erstreckt sich auch auf Umsetzungen zwischen Gasen und Losungen, z.B. auf die Reaktion von Kohlendioxid mit Wasser zu Kohlensaure H2C03 • Bei homogenen Reaktionen liegen aIle Reaktionspartner in der gleichen Phase vor, z.B. Gasreaktionen und Reaktionen in Losung.
4.4
Katalyse
Neben der Konzentration der Reaktionspartner und der Temperatur kann die Geschwindigkeit einer Reaktion auch durch den Zusatz von Stoffen erhoht werden, die selbst nicht in der Stoffbilanz der Reaktion auftreten. Diese Erscheinung nennt man Katalyse. Die zugesetzten Stoffe, die fest, flussig (gelost) oder gasformig sein konnen, werden als Katalysatoren bezeichnet. Katalysatoren sind Stoffe, die die Geschwindigkeit einer Reaktion erhiihen und dabei am Ende der Reaktion unverandert vorliegen. Auf die Lage des chemischen Gleichgewichts haben Katalysatoren keinen Einfluss. Urn wirksam zu werden, muss ein Katalysator in das Reaktionsgeschehen eingreifen. Damit verlauft eine katalysierte Reaktion zwangslaufig nach einem anderen Reaktionsmechanismus als eine unkatalysierte. Betrachten wir beispielsweise die Umsetzung der Stoffe A und B zu AB. Voraussetzung fiir die Bildung von AB sind Zusammenstolse von Teilchen A mit Teilchen B. Durch die Zugabe eines Katalysators
89
4.4 Katalyse
(Kat) lauft die Reaktion tiber einen Zweistufenmechanismus abo Zunachst geht A eine Verbindung A-Kat mit dem Katalysator ein. In der zweiten Stufe reagiert A-Kat mit B, wobei der Katalysator zuriickgebildet wird. Er kann dann erneut mit A reagieren. A
A-Kat
+ Kat + B
----.. ----..
A-Kat AB + Kat
Der Reaktionsweg tiber die Zwischenverbindung A-Kat besitzt insgesamt eine geringere Aktivierungsenergie als der der unkatalysierten Reaktion (Abb. 4.5). Die niedrigere Aktivierungsbarriere bedingt eine hohere Reaktionsgeschwindigkeit. Man unterscheidet zwischen der homogenen und der heterogenen Katalyse. Bei der homogenen Katalyse liegen Katalysator und Edukte in gleicher Phase vor. Als Beispiel kann die durch Eisen(II)-Ionen katalysierte Zersetzung von H 20 2 in Sauerstoff und Wasser genannt werden. Die technisch weitaus bedeutendere Variante ist die heterogene Katalyse. Hier liegen Katalysator und Edukte in verschiedenen Phasen vor. Meist sind die Edukte flussig oder gasformig und die Katalysatoren fest. Festkorperkatalysatoren werden in der Technik als Kontakte bezeichnet. Der Vorteil der heterogenen Katalyse besteht darin, dass die Ausgangsstoffe kontinuierlich tiber die Katalysatoroberflache geleitet werden konnen, Ein technisch bedeutsamer fester Katalysator ist fein verteiltes Platin. Pt-Katalysatoren beschleunigen alle Reaktionen, an denen Wasserstoffbeteiligt ist. Kommen wir an dieser Stelle wiederum auf das Knallgasgemisch Wasserstoff und Sauerstoff (Verhaltnis 2: 1) zuriick, das bei Raumtemperatur keine merkliche Reaktion zeigt. In Gegenwart eines Platinkatalysators setzen sich H 2 und O 2 explosionsartig zu Wasser urn. Ursache fur die heftige Reaktion ist die Bindungsschwachung bzw. -spaltung im Hr Molekiil als Folge der Wechselwirkung der Wasserstoffmolekule mit der Oberflache des Pt-Katalysators. Die Wechselwirkung der Hj-Molektlle mit dem festen Katalysator ist nicht nur rein physikalischer Natur (Adsorption). Es erfolgt auch eine chemische Aktivierung der adsorbierten Teilchen (Chemisorption). Die Teilchen werden durch chemische Bindungen mit der Katalysatoroberflache verknupft. Dadurch verandert sich die Elektronenverteilung innerhalb der chemisorbierten Molekule. Bindungen konnen geschwacht oder gar gelost werden und die Aktivierungsenergie fur die Folgereaktion(en) wird deutlich herabgesetzt. Durch die Adsorption/Chemisorption der Ausgangsstoffe an der Katalysatoroberflache erhoht sich dariiber hinaus ihre Konzentration, was ebenfalls zu einer Reaktionsbeschleunigung fuhrt. Die Chemisorption ist im Gegensatz zur Adsorption ein stoffspezifischer, in der Mehrzahl der Falle bei hoheren Temperaturen ablaufender Vorgang. Deshalb sind fur jede chemische Reaktion ganz spezifische Katalysatoren notwendig. Ihre Betriebstemperatur liegt meist deutlich tiber der Normaltemperatur (s. NH3-Synthese, Kap. 4.5.3). Sehr viele industrielle Prozesse, wie z.B. die Ammoniaksynthese nach Haber und Bosch, die Oxidation von S02 zu S03 im Rahmen der Schwefelsaureherstellung sowie die Rauchgasentstickung, waren ohne Beschleunigung durch Katalysatoren wirtschaftlich nicht durchfuhrbar. Zur Reinigung von Automobilabgasen dient ein Festbett-Katalysator, der mit einer Pt-Rh-Legierung uberzogen ist (Kap. 5.5.3.4).
90
4 Die chemische Reaktion
Abbildung 4.5 Ql
Katalysierter und nichtkatalysierter Verlauf einer Reaktion.
'e> Ql
c
UJ
Ea Aktivierungsenergie der nichtkatalysierten Reaktion, EaK Aktivierungsenergie der katalysierten Reaktion.
I -
Reaktionskoordinate
1m Bauwesen wird die katalytische Wirkung von Formiaten (Salze der Ameisensaure,
I
Kap. 10.1.6) und Aluminaten, auf den Verlauf der Betonerhiirtung genutzt. Sie werden dem Beton als Erhartuags- bzw. Erstarrungsbeschleuniger zugesetzt und erhohen die Reaktionsgeschwindigkeit des Hydratationsprozesses (s. Kap. 9.4.3). Stoffe, die die Reaktionsgeschwindigkeit emiedrigen, bezeichnet man als Inhibitoren, mitunter auch als "negative Katalysatoren". Der Ablauf einer chemischen Reaktion wird verzogert oder praktisch vollstandig gehemmt. Der Mechanismus der zu hemmenden Reaktion bestimmt Art und Wirkungsweise der einzusetzenden Inhibitoreno In Radikalkettenreaktionen konnen z.B. Stoffe als Inhibitoren eingesetzt werden, die mit den freien Radikalen stabile Zwischenverbindungen bilden. Damit wird die Reaktionskette nicht fortgesetzt. Praktisch wichtige Inhibitoren sind die auch im Bauwesen breit eingesetzten Korrosionsinhibitoren. Darunter versteht man Stoffe, die auf der Oberflache von Metallen dtlnne Deckschichten ausbilden und dadurch die Korrosion stark hemmen (Kap. 8.2.6.).
4.5
Chemisches Gleichgewicht - Massenwirkungsgesetz
4.5.1
Zustand des chemischen Gleichgewichts
Bisher wurde bei der Betrachtung chemischer Reaktionen haufig eine vollstandige Umwandlung der Ausgangsstoffe in die Reaktionsprodukte angenommen. Wiihlt man entsprechende Reaktionsbedingungen, ist diese Betrachtungsweise fur eine Reaktion wie die Umsetzung von Zink (Zn) mit Salzsaure (HCl) durchaus berechtigt. Setzt man die Salzsaure im Uberschuss zu, ist die Reaktion Zn + 2 H30 + + 2 Cl ~ Zn2+ + H2 + 2 H20 + 2 Cl" erst dann beendet, wenn alles Zn vollstandig verbraucht wurde. Der entstehende Wasserstoff entweicht gasformig aus dem offenen System. Man geht in diesem Fall von einem vollstandigen Stoffumsatz aus. Die quantitative Bildung von Reaktionsprodukten ist jedoch ein Grenzfall. Er kann streng genommen nur bei einigen heterogenen Reaktionen realisiert werden, bei denen die Ausgangsstoffe in unterschiedlicher Phase vorliegen. Bei zahlreichen homogenen
4.5 Chemisches Gleichgewicht
91
Reaktionen (Gas- und Losungsreaktionen) setzen sich die Reaktionspartner nicht vollstiindig miteinander urn. Die Reaktion kommt zum Stillstand, wenn sich ein bestimmtes konstantes Verhaltnis zwischen den Stoffmengen der Edukte und der Produkte eingestellt hat. Man spricht vom Zustand des chemisehen Gleichgewichts. In der Reaktionsgleichung kennzeichnet man eine Gleichgewichtsreaktion durch einen Doppelpfeil. Hinreaktion A + B C + D Ruckreaktion Bei der Einstellung des chemischen Gleichgewichts verringem sich die Konzentrationen der Edukte A und B, die Geschwindigkeit der Hinreaktion nimmt folglich abo In gleicher Weise erhohen sich die Konzentrationen der Reaktionsprodukte und die Geschwindigkeit der Ruckreaktion nimmt allmahlich ZU. 1m Zustand des chemisehen Gleichgewichts laufen Hin- und Riickreaktion mit gleicher Geschwindigkeit ab (dynamisches Gleichgewicht). Obwohl makroskopisch keine Kenzentrationsanderungen feststellbar sind, finden eine standfge Bildung und ein standiger Zerfall der Reaktionsprodukte statt. Der Zustand des chemischen Gleichgewichts ist scheinbar ein Zustand chemischer Unveranderlichkeit in einem Reaktionssystem. Woran erkennt man also das Vorliegen eines chemischen Gleichgewichts? Folgende Punkte mussen erfullt sein: • Stoffzusatz fuhrt zu weiterer Reaktion, die gleiche Wirkung hat das Entfemen eines Stoffes aus dem Reaktionssystem im Gleichgewichtszustand. • Ein chemisches Gleichgewicht reagiert empfindlich auf Anderungen des Drucks und der Temperatur. • Ein chemisches Gleichgewicht ist sowohl von Seiten der Edukte als auch der Produkte her einstellbar. Betrachten wir zum Beispiel das Gleichgewicht 2 CO + O2 ~ 2 CO2. Es tst gleichgidtig, ob bei einer bestimmten Temperatur T CO mit O2 reagiert oder ob CO2
auf die Temperatur T gebracht wird. Stets stellen sich die gleichen konstanten Volumenverhaltnisse zwischen den Gasen CO, CO2 und O2 ein. 1m strengen Sinne kann sich ein chemisches Gleichgewicht nur in einem abgeschlossenen System ausbilden. Fur eine konstante Temperatur T andert sich im Gleichgewichtszustand weder die Zusammensetzung des Systems noch wird Energie mit der Umgebung ausgetauscht.
4.5.2
Massenwirkungsgesetz
Der Gleichgewichtszustand ist dadurch charakterisiert, dass sich die durch die Hinund die Ruckreaktion hervorgerufenen Konzentrationsanderungen gerade gegenseitig aufheben. Betrachten wir die allgemeine Reaktion
92
4 Die chemische Reaktion
aA +
13 B
~
YC + 8 D.
Die Produkte C und D konnen nur entstehen, wennjeweils ein Teilchen des Stoffes A und ein Teilchen des Stoffes B zusammenstoBen. Die Wahrscheinlichkeit des ZusammenstoBes ist proportional der Konzentration der beteiligten Stoffe. FUr die Geschwindigkeit der Hinreaktion V kann man also schreiben: a fJ e (A) . e (B)
VH -
bzw.
FUr die Ruckreaktion ergibt sich entsprechend J Y e (C) . e (D)
VR -
kH , kR Geschwindigkeitskonstanten der Hinund der Ruckreaktion 1m Gleichgewichtzustand sind die Geschwindigkeiten von Hin- und Ruckreaktion gleich: VH= VR
kH
•
ea(A) . efJ(B) = kR
•
eY(C) . /(D).
Umstellen ergibt: eY(C).eJ(D) e a (A)· e fJ (B)
s;
Gleichgewichtskonstante
(4-6)
Gleichung (4-6) wird als Massenwirkungsgesetz (MWG) bezeichnet. Das 1867 von Guldberg und Waage empirisch gefundene MWG kann auf der Grundlage thermodynamischer Gesetze exakt abge1eitet werden. Die Einheit der Gleichgewichtskonstanten K folgt aus der Molzahldifferenz An, Die Molzahldifferenz ergibt sich als Summe der Molzahlen auf rechten Seite der Reaktionsgleichung minus Summe der Molzahlen auf der linken Seite der Gleichung, also iln = y + 8 - (a + 13). Damit erhiilt man fur K; die Einheit (mol/lj'". 1m Gleichgewichtszustand eines chemischen Systems besitzt der Quotient aus dem Produkt der Konzentrationen der Reaktionsprodukte und dem Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe einen nur von der Temperatur T abhangjgen charakteristischen Zahlenwert. Die Stochiometriekoeffizienten der Reaktionsgleichung erscheinen im MWG als Exponenten der Konzentrationen. Werden in das MWG die Stoffmengenkonzentrationen e der Reaktionspartner eingesetzt, fiigt man der Gleichgewichtskonstanten K mitunter den Index e an (Gl. 4-6).
4.5 Chemisches Gleichgewicht
93
Die Gleichgewichtskonstante K charakterisiert das Konzentrationsverhaltnis von Produkten zu Edukten und ist somit ein MaB fur die Lage des Gleichgewichts. Je groBer K, umso grofser sind die Konzentrationen der Endstoffe und umgekehrt. 1m Falle groBer Gleichgewichtskonstanten (K» 1) liegt das Gleichgewicht weitgehend auf der Seite der Reaktionsprodukte. In der Reaktionsgleichung weist man darauf hin, indem man den nach rechts weisenden Pfeil verstiirkt. Bei kleinen Konstanten (K« 1) liegt das Gleichgewicht uberwiegend auf der Seite der Ausgangsstoffe, entsprechend verstarkt man den nach links weisenden Pfeil. Ein Vergleich der Gleichgewichtskonstanten verschiedener Reaktionen kann nur dann erfolgen, wenn die Reaktionen dem gleichen stochiometrischen Grundtyp angehoren. Ansonsten unterscheiden sich die Konstanten beziiglich ihrer Einheit. Beispiele fur Grundtypen sind: A+B A A+B
~
C
~
B+C C+D
~
lImol molll ohne Einheit
Bei bekannter Gleichgewichtskonstante K und bekannter Ausgangskonzentration der Edukte lassen sich die Gleichgewichtskonzentrationen der Produkte und damit die Ausbeute der Umsetzung berechnen. Bei Reaktionen von Gasen werden anstelle der Stoffmengenkonzentrationen zweckmaBigerweise die Partialdriicke Pi der Reaktionsteilnehmer i in das MWG eingesetzt. Man erhalt dann fur die allgemeine Reaktion a A + 13 B ~ YC + 8 D den Ausdruck:
K P
pr (C)-po (D) pa(A)-pfJ(B)
[bar &1]
(4-7)
Der Zusammenhang zwischen Kp und K c ergibt sich aus der Zustandsgleichung fur ideale Gase: P: V = n . R . T. Umformen ergibt P = (n/V) . R . T. Da gilt: n/V= c, erhalt man die Beziehung P = c . R . T bzw. c = p/R . T und durch Einsetzen in K; schlieBlich Gl. (4-8).
IK = K c. (R· T In I p
(4-8)
Ftlr An = 0 ergibt sich Kp = K;
4.5.3
Beeinflussung der Lage des chemischen Gleichgewichts
Die Lage des Gleichgewichts kann durch Anderung der Reaktionsbedingungen, also der Temperatur, des Drucks und der Konzentration der Reaktionsteilnehmer, bee influsst werden. Allgemeine Aussagen tiber die Richtung, in die sich ein Gleichgewicht bei Anderung der auBeren Bedingungen verschiebt, wurden 1887 von Le Chatelier und Braun im Prinzip des kleinsten Zwanges formuliert.
94
4 Die chemische Reaktion
Ubt man auf ein im Gleichgewicht befindliches System durch Anderung der iiu8eren Bedingungen (Temperatur, Druck bzw. Konzentration der Reaktionspartner) einen Zwang aus, so verschiebt sich das Gleichgewicht derart, dass es dem iiu8eren Zwang ausweicht. Einfluss der Temperatur. Ein chemisches Gleichgewicht reagiert sehr empfindlich auf Temperaturiinderungen. Jeder Temperatur entspricht ein anderer Gleichgewichtszustand bzw. eine andere Gleichgewichtslage und damit ein anderes K. Bei TemperaturerhOhung verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung des endothermen Reaktionsverlaufs, bis sich ein neues chemisches Gleichgewicht eingestellt hat. Bei Temperaturerniedrigung erfolgt dementsprechend eine Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung des exothermen Reaktionsverlaufs. Der Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit bei Temperaturerhohung bedeutet fur den Gleichgewichtszustand eine Erhohung der Reaktionsgeschwindigkeit der Hin- und der Riickreaktion. Erwarmen flihrt zu einer schnelleren Gleichgewichtseinstellung. Je hoher die Temperatur, umso schneller wird der jeweilige Gleichgewichtszustand erreicht. Einfluss des Druckes. Bei einer Reihe von Gleichgewichtsreaktionen treten Volumenanderungen auf, wenn sie bei konstantem Druck ablaufen. In diesen Fallen lasst sich das Gleichgewicht prinzipiell durch Anderung des Druckes beeinflussen. Dieser Einfluss ist naturgemiiJ3 am starksten bei Gasgleichgewichten. Eine Druckanderung fuhrt dann zu einer Beeinflussung der Gleichgewichtslage, wenn das Volumen der gasformigen Reaktionsprodukte von dem der gasformigen Ausgangsstoffe verschieden ist. Bei DruckerhOhung verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung der Teilreaktion, die unter Volumenverminderung ablauft, bei Druckerniedrigung dagegen in Richtung der Teilreaktion, die unter Volumenzunahme ablauft. Die Volumenzunahme bei einer Gasreaktion ergibt sich aus der Differenz der Stochiometriekoeffizienten (Molzahldifferenz: An) der Reaktionsteilnehmer. Einfluss der Konzentration. Erhoht man die Konzentration eines der Reaktionsteilnehmer, verlagert sich das Gleichgewicht derart, dass der betreffende Reaktionsteilnehmer verbraucht wird und sich dessen Konzentration wieder emiedrigt. Wird zum Beispiel die Konzentration eines Ausgangsstoffes erhoht, verlagert sich das Gleichgewicht auf die Seite der Reaktionsprodukte. Die Reaktion schreitet in der Richtung fort, bei der die Ausgangsstoffe verbraucht und die Reaktionsprodukte gebildet werden. Damit erhoht sich die Ausbeute. Emiedrigt man die Konzentration eines Ausgangsstoffes, wird die Geschwindigkeit der Riickreaktion, bei der dieser Stoff nachgebildet wird, erhoht, Das Zusammenwirken von Druck, Temperatur und Katalysator soll am Beispiel der Ammoniaksynthese nach Haber und Bosch (Haber-Bosch-Verfahren) erlautert werden. Die Synthese von NH 3 war das erste chemische Produktionsverfahren bei dem die Forschungsergebnisse zum MWG unmittelbar zur Anwendung kamen. Ammoniak ist eine der wichtigsten anorganischen Grundchemikalien. Als Ausgangspunkt fur Salpetersaure, Nitrate und Hamstoff bildet NH 3 die Grundlage fur die Produktion von
4.5 Chemisches Gleichgewicht
95
Pflanzenschutzmitteln, Diingemitteln, Kunst- und Farbstoffen sowie Kunstfasem. Die Reaktionsgleichung fur die Ammoniaksynthese lautet: Kat.
N z + 3 Hz
Ml = -92 kJ/mol .
(4-9)
Die Bildung des NH 3 verlauft exotherm und unter Volumenverminderung. Nach dem Prinzip von Le Chatelier und Braun sollte demnach bei moglichst tiefen Temperaturen und hohen Driicken gearbeitet werden, urn eine hohe Ausbeute an NH 3 zu erhalten. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Umsetzung von N z und Hz ist bei niedrigen Temperaturen allerdings sehr gering. Urn ein wirtschaftlich arbeitendes Verfahren zu ermoglichen, miissen deshalb Katalysatoren eingesetzt werden. Diese benotigen wiederum eine bestimmte Betriebstemperatur, urn voll wirksam zu sein. Die chemische Industrie arbeitet heute bei Driicken urn 300 bar und Temperaturen zwischen 400 ...500° C unter Verwendung eisenoxidhaltiger Mischkatalysatoren, die als zusatzliche aktivierende Substanzen KzO, CaO, MgO und SiOz enthalten.
4.5.4
Heterogene Gleichgewichte
Die vorstehenden Betrachtungen gelten in dieser Form nur fur homogene Reaktionen in einem abgeschlossenen System. 1m Bauwesen spielen vor allem heterogene Reaktionen, d.h. Reaktionen zwischen Feststoffen und Gasen bzw. Feststoffen und Losungen eine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass baurelevante Umsetzungen nicht in abgeschlossenen, sondem in offenen Reaktionssystemen - also meist im Freien - ablaufen. Eine Phase kann also standig aus dem Reaktionssystem austreten oder in das System eintreten. Entweicht bei einer Umsetzung ein gasformiges Reaktionsprodukt aus dem (offenen) System, werden die Ausgangsstoffe verbraucht, ohne dass sich ein chemisches Gleichgewicht einstellen kann. Mit anderen Worten: Das System lauft seinem Gleichgewichtszustand hinterher, ohne ihn erreichen zu konnen. Die chemische Reaktion verlauft in diesem Faile nahezu quantitativ in Richtung des gebildeten Stoffes, der aus dem Reaktionssystem austritt. Dieser Sachverhalt soli am Beispiel des Brennens von Kalkstein dargestellt werden. Wird die thermische Zersetzung CaC03(s)
--.
CaO(s) + COz(g)
Ml
=
+178 kJ/mol
(4-10)
in einem geschlossenen Behalter durchgefuhrt, liegt ein Beispiel fur ein heterogenes chemisches Gleichgewicht vor. Die Reaktion kommt zum Stillstand, lange bevor alles CaC03 verbraucht ist. 1m Gleichgewichtszustand liegen 3 Phasen nebeneinander vor: zwei feste Phasen (CaO und CaC03) und eine Gasphase (COz). Die Gleichgewichtskonstante hat bei heterogenen Reaktionen eine einfache Gestalt. Zunachst kann man formulieren: Kc =
c(COl ) . c(CaO)
--'--~---'-----'-
c(CaC03 )
96
4 Die chemische Reaktion
Da die Konzentration (exakt: Aktivitat, s. Kap. 6.5.2.2) einer reinen Phase gleich 1 gesetzt werden kann, ergibt sich K; = c(CO])
bzw. bei Verwendung des Partialdrucks K p = p(COJJ.
Die Gleichgewichtskonstante - und damit die Lage des Gleichgewichts - ist allein vom Partialdruck des Kohlendioxids abhangig. Erhitzt man CaC03 in einem geschlossenen Gefiift, z.B. auf 800°C, zersetzt es sich bis zu einem COrPartialdruck von 0,22 bar. Bei diesem Druck liegt ein dynamisches Gleichgewicht vor. Die Zersetzungsgeschwindigkeit des CaC03 entspricht der Geschwindigkeit, mit der sich CaO und COz wieder zu Ca1ciumcarbonat verbinden. Der Druck von 0,22 bar ist der Zersetzungsdruck (auch: COrGleichgewichtsdruck) des CaC03 bei 800°C. Bei 500°C wird ein COz-Druck erreicht, der genauso groB ist wie der COz-Partialdruck in der Atmosphare, also 0,00035 bar. Erfolgt die Zersetzung des CaC03 bei 800°C in einem offenen Behalter (System), entweicht das gebildete COz. Ein COz-Partialdruck von 0,22 bar wird niemals erreicht und ein Gleichgewicht kann sich nicht einstellen. Bei der technischen Realisierung dieses Prozesses ist man natiirlich an einer vollstandigen Umsetzung interessiert. Es ist deshalb vom wirtschaftlichen Standpunkt her sinnvoll, die Reaktionstemperatur so hoch zu wahlen, dass der COz-Gleichgewichtsdruck groBer als der Luftdruck ist. Industriell wird Kalkstein bei etwa 950°C gebrannt. Bei dieser Temperatur betragt der COz-Gleichgewichtsdruck etwa 2 bar. Er ist damit bereits doppelt so groB wie der Luftdruck. Dieser Gleichgewichtsdruck kann sich allerdings nur in einem geschlossenen GefaB einstellen. Die Kalkbrennofen arbeiten jedoch als offene Systeme unter Atmospharendruck. Das Gleichgewicht kann sich nicht einstellen, da standig COz entweicht, ehe der COrGleichgewichtsdruck erreicht ist. Die Reaktion lauft rasch und vollstandig abo Die Kalkhartung ist ein weiteres Beispiel fiir eine heterogene Reaktion, die in der Baupraxis naturgemaf in einem offenen System, also an der Luft, ablauft (Gl.4-11).
L1H = -112 kl/mol
(4-11)
Der COrAnteil der Luft ist mit 0,3 Vol.-% relativ gering. Urn moglichst schnell eine vollstandige CaC03-Bildung gemaB Gl. (4-11) zu erreichen, kann Kohlendioxid im Uberschuss angeboten werden (s. Kap. 9.3.2.1).
5
Luft und Luftinhaltsstoffe
Bauwerke sind den standigen Einfliissen der Atmosphare mit den in ihr natiirlich enthaltenen Gasen Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid, den Edelgasen, wechselnden Mengen an Wasserdampf, aber auch mit den in ihr enthaltenen Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxiden, Ozon sowie Staubpartikeln unterschiedlichster Herkunft ausgesetzt. Schlagworte wie Saurer Regen, Sommersmog, Treibhausgase und Neuartige Waldschaden gehoren dank der Berichterstattung durch die Medien zu unserem Alltag. Haufig besteht jedoch gerade bei Begriffen, mit denen wir ununterbrochen konfrontiert werden, der groBte Erklarungsbedarf. Zum einen im Hinblick auf das Verstandnis des Phanomens selbst, zum anderen aber im Hinblick auf die komplexen Wechselbeziehungen zu anderen natiirlichen Prozessen und Vorgangen, die haufig auBerordentlich schwer zu iiberschauen und zu bewerten sind. Zum Beispiel ist das zur Carbonatisierung notwendige Kohlendioxid in der Lage, Wiirmeenergie zu speichem. Deshalb steht es im Mittelpunkt der meisten Diskussionen zum Thema Treibhauseffekt. CO 2 ist inzwischen im Verstandnis der meisten Menschen das Treibhausgas schlechthin. 1m Sonnenlicht wird der fur Menschen und Tiere lebensnotwendige Sauerstoff in Gegenwart von Farbstoffen in eine aggressive Form iiberfiihrt, die Farben bleicht, Kunststoffe vergilben und Lackiiberziige abblattern lasst, Saure Gase bzw. saurer Regen zerstoren zusehends historische Baudenkmale und fuhren zu einer Versauerung der Boden und Gewasser. Weitere Beispiele lieBen sich miihelos anfugen. Es ist deshalb fur den Bauingenieur unerlasslich, genauere Kenntnisse iiber die Zusammensetzung und die Eigenschaften der atmospharischen Luft und die darin ablaufenden Prozesse zu besitzen, urn sie gezielt beispielsweise im Rahmen von BautenschutzmaBnahmen anwenden zu konnen,
5.1
Zusammensetzung der Luft
Unsere Erde ist in drei Bereiche unterteilt, die untereinander in enger Wechselbeziehung stehen und in denen sich das menschliche Leben abspielt: die Atmosphare (Lufthiille), die Hydrosphiire (Wasserhiille) und die Lithosphare (Gesteinsmantel). Die Atmosphare ist von diesen drei Bereichen nicht nur der massenmiiBig kleinste, sondem vom chemischen Gesichtspunkt her auch der am einfachsten aufgebaute. Indem die Atmosphare UV -Strahlung aus dem Weltall weitgehend absorbiert, lebensnotwendiges Sonnenlicht zu den Oberflachen der Kontinente und Ozeane durchlasst und mit ihren Spurengasen den Wiirmehaushalt und das Klima reguliert, ermoglicht sie das Leben auf der Erde. Sie ist neben dem Wasser auch Transportmittel fur natiirliche und anthropogene (vom Menschen verursachte) Emissionen sowie fur Wiirmeenergie. Die Gase der Atmosphiire sind fur die chemischen Eigenschaften des Regens verantwortlich und beeinflussen damit die Verwitterungsprozesse auf der Erde. Die Untergliederung der Atmosphare kann nach verschiedenen Kenngrolsen erfolgen. Am bekanntesten und wohl auch am gebrauchlichsten ist die Unterteilung nach der Temperatur. Bis in ca. 12 km Hohe reicht die Troposphare als die unterste atmospharische Schicht. In der Troposphiire leben wir Menschen, hier spielt sich das Wettergeschehen abo Danach erstreckt sich bis in etwa 50 km Hohe die Stratosphare, gefolgt von der Mesosphare (bis ca. 90 km). In der Troposphare sinkt die Temperatur pro km Hohe urn etwa 6°C. In der dariiber
98
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
liegenden Stratosphare steigt die Temperatur mit zunehmender Hohe wieder an. Die Hohenbereiche der Umkehrpunkte der Temperatur nennt man Pausen. Die Tropopause (in ca. 12 km Hohe) trennt die Troposphare von der Stratosphare, das Temperaturminimum liegt bei etwa -60°C. Die Troposphare enthalt ca. 80% der gesamten Luft. Aufgrund der standigen Durchmischung kann die Zusammensetzung der Luft an der Erdoberflache als reprasentativ fur die Luftzusammensetzung iiberhaupt angesehen werden. Tab. 5.1 enthalt die mittlere Zusammensetzung von trockener Luft. Sie besteht zu 99,03% aus Stickstoff und Sauerstoff. An dritter Stelle folgt nicht, wie oft angenommen, Kohlendioxid, sondem das Edelgas Argon mit einem Volumenanteil von 0,934%. Alle anderen Bestandteile liegen unter 0,1%, sie werden als Spurengase bezeichnet. Ihre Konzentration wird nicht mehr in Prozent, sondem meist in ppm (parts per million, 10-6 Volumenteile) bzw. ppb (parts per billion, 10-9 Volumenteile) angegeben (s.a. Kap. 1.2.6). Tabelle 5.1 Mittlere Zusammensetzung von trockener Luff in der Troposphere (Bezugsjahr 1992, tuc 1])
a)
Bestandteil
Formel
Volumenanteil
Stickstoff Sauerstoff Argon Kohlendioxid Neon Helium Methan Krypton Wasserstoff Distickstoffmonoxid Xenon Kohlenmonoxid b) Ozon b) Stickstoffdioxid Schwefeldioxid
Nz Oz
78,084 % 20,946 % 0,935 % 0,0354 % (354 ppm) 18,18 ppm 5,24 ppm 1,7 ... 1,8 ppm 1,14 ppm 0,56 ppm 0,31 ppm 87 ppb 30 ... 250 ppb
Ar
CO z Ne He CH 4 Kr
Hz NzO Xe CO
03
NOz SOz
a)
10 ... 100 ppb 10 ... 100 ppb < 1 ... 50 ppb
Gehalt im Jahr 2006: 380 ppm [IPCC 2007], b) Starke zeitliche Fluktuationen.
Wasserdampf ist in Tab. 5.1 nicht aufgeflihrt, da sich die Angaben nur auf trockene Luft beziehen. Der Wasserdampf bleibt bei der Diskussion der Luftzusammensetzung meist unberucksichtigt, da sein Volumenanteil starken Schwankungen unterliegt. Er erstreckt sich von Bruchteilen eines Prozentes an kalten, klaren Wintertagen bis zu etwa 4% an schwiilheiBen Sommertagen. Stellt man den Volumenanteilen in Tab. 5.1 diejenigen gegenuber, die fur .normale Luft" mit einem mittleren Wasserdampfgehalt von etwa 2% erhalten werden (N2 76,6%, O 2 20,5%, H20-Dampf 2%, Ar 0,9%, CO 2 0,034%), kommt man zu einem iiberraschenden Ergebnis: Nicht das Edelgas Argon, sondem Wasserdampf ist das dritthaufigste Gas in der Atmosphare. Da H20-Dampf ein effektives Treibhausgas ist, kommt diesem Resultat grobte Bedeutung im Hinblick auf die Temperaturregulierung
5.2 Physikalisch-chemische Eigenschaften der Luft
99
auf der Erde zu (Kap. 5.4.3.3). Abgesehen von einigen Spurengasen ist die Zusammensetzung der Luft seit Millionen Jahren weitgehend konstant. Da es aber gerade die Spurengase Kohlendioxid (C02), Ozon (03), Methan (CRt) und Distickstoffinonoxid (N20) sind, deren Konzentration in den letzten 150 Jahren stetig im Ansteigen begriffen ist und die in direkter Beziehung zu den klimatischen Verhaltnissen stehen, gewinnt der Mensch durch seine industrielle Tatigkeit und seinen Verbrauch an fossiler Energie zunehmend Einfluss auf das Klima. Es ist eine der grobten Herausforderungen unserer Zeit, den anthropogenen Einfluss auf die globalen Temperatur- und Klimaverhaltnisse zu kontrollieren und zurtickzudrangen.
5.2
Physikalisch-chemische Eigenschaften der Luft
Luft ist ein Gasgemisch mit einer Normdichte von 1,293 gil (ODC, 1,013 bar), das in dunner Schicht farblos ist. Die Normdichte der Luft lasst sich naherungsweise aus den Normdichten der beiden Hauptbestandteile Sauerstoff (p = 1,43 gil) und Stickstoff (p = 1,25 gil) unter Berticksichtigung ihrer Volumenanteile berechnen. Es ergibt sich der Ausdruck: p(Luft) = 0,78·1,25 + 0,21·1,43 = 1,28 gil. Die spezifische Warmekapazitat, fruher auch als spezifische Warme bezeichnet, besitzt das Symbol cp (Index p steht fur konstanten Druck). cp von Luft ist mit einem Wert von 1010 J/kg . K etwa 2- bis 4-mal so groB wie cp von Metallen (z.B. Cu 381 J/kg· K, Fe 450 J/kg . K und Ag 230 J/kg . K), betragt aber nur etwa ein Viertel vom Wert des Wassers (4180 J/kg . K). Unter der spezifischen Warmekapazitat versteht man die Warmemenge, die benotigt wird, urn 1 kg eines Stoffes urn 1DC zu erwarmen, Wird also einem Kilogramm Wasser eine Energie von 4180 Joule zugefuhrt, so erhoht sich die Wassertemperatur urn 1DC. Als Einheit ist auch JI kg . DC gebrauchlich. Luft besitzt ein iiuBerst geringes Warmeleitvermogen, Das spezifische Warmeleitvermogen eines Stoffes wird durch die Warmeleitfahigkeit A (auch: Warmeleitzahl) charakterisiert. Die Warmeleitfahigkeit gibt an, we1che Warmemenge pro Stunde durch 1 m2 einer Schicht des Stoffes stromt, wenn das Temperaturgefalle in Richtung des Warmestroms 1 Kim betragt, Die Einheit der Warmeleitfahigkeit lautet W/m·K bzw. W/cm·K, weiterhin gebrauchlich sind die Einheiten Jzcm-s-K bzw. Jzm-h-K. Die Warmeleitfahigkeit fur Luft betragt 0,025 W/m·K (Vergleich: Cu 400, Al 237, Fe 81, flussiges H 20 0,59, Glas 0,7 ...1,4; Ziegelmauerwerk 0,4 ...1,2; Betonbauteile 0,4 ...1,4 und Warmedammstoffe 0,03 ...0,15; alle Werte in W/m-K). Luft kann in Abhangigkeit von der Temperatur unterschiedliche Mengen an Wasserdampf aufnehmen, die als Luftfeuchtigkeit oder Luftfeuchte bezeichnet werden. Den Hochstgehalt an Wasserdampf in einem Kubikmeter Luft bei einer bestimmten Temperatur T, gemessen in g/rrr', bezeichnet man als Sattigungsgehalt (auch: Sattigungskonzentration). Unter der absoluten Luftfeuchtigkeit versteht man die Masse an Wasserdampf in Gramm, die bei der Temperatur T tatsachlich in 1 nr' Luft enthalten ist. Dagegen versteht man unter der relativen Luftfeuchtigkeit das Verhaltnis von absoluter Luftfeuchtigkeit zum Sartigungsgehalt. Sie wird in Prozent angegeben. Abb. 5.1 zeigt die Temperaturabhangigkeit der Sattigungskonzentration. Als Faustregel gilt fur den unteren Temperaturbereich: IODC - 109 H20 pro m3 bzw.
30 DC - 30g H 20 pro m3 Luft.
100
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
-c
~E
~
Cl
30
20
10
o
9 H2O·Dampf
-20 -10 0 5 10 15 20 25
0,9 2,1 4,8 6,8 9,4 12,8 17,3 23,0
30 40
30,4 51,2
I i.-20
/
I
/
/
/
/ ./ ~ 0 -
20 40 Temperatur (0C)
Abbildung 5.1 Wasserdampf-Sattigung der Luft in Abhangigkeit von der Temperatur.
Die technische Gewinnung der Hauptbestandteile der Luft, Stickstoff und Sauerstoff erfolgt iiberwiegend durch Luftverfliissigung (Linde-Verfahren) und anschlieBende fraktionierte Destillation. Beim Linde-Verfahren macht man sich den Joule- Thomson-Effekt zunutze: Komprimierte Gase kiihlen sich beim Ausdehnen abo Bei der Expansion wird Arbeit gegen die intermolekularen Anziehungskrafte zwischen den Gasteilchen geleistet. Die dazu notwendige Energie wird der inneren Energie des Gases entnommen. Die Folge ist eine Abnahme der kinetischen Energie und damit der Temperatur des Gases. Nachdem die Luft von Staub und CO2 gereinigt ist, wird sie auf etwa 50 bar komprimiert und anschlieBend uber ein Drosselventil entspannt. Die Temperatur emiedrigt sich. Indem man die nun abgekuhlte Luft im Gegenstromverfahren zur Vorkuhlung der nachfolgenden komprimierten Luft einsetzt, erreicht diese nach der Expansion noch tiefere Temperaturen. Wahrend des ablaufenden Kreisprozesses erfolgt eine standige Tieferkuhlung bis schlieBlich eine Verflussigung eintritt. Mit Beginn der 80iger Jahre kam eine Technologie zur Abtrennung von Luftstickstoff auf den Markt (Air Liquide/Pont de Nemours), die die geringere Diffusionsgeschwindigkeit der Stickstoffmolekiile im Vergleich zu O2 und CO2 durch eine Hohlfasermembran ausnutzt. Mittels eines Kompressors wird Druckluft erzeugt, gereinigt und in Module gedruckt, in denen Hohlfasermembranen enthalten sind. Die Nj-Molekule diffundieren beim Durchstromen der Hohlfasem langsamer durch die feinen Poren der Faserwand « 100 urn), als die Oz-Molekiile. Kleine Mengen anderer Molekiile wie CO2 oder H20 (Restfeuchte) durchdringen die Membran ebenfalls schnell. Am Ende des Moduls wird trockener Stickstoff mit einer Reinheit von 90...99,9% gewonnen. Flussige Luft besitzt eine Temperatur von etwa -192°C und eine Dichte von 0,9 g/cnr'. Bei langerem Stehen nimmt sie eine blauliche Farbe an, da der farblose Stickstoff mit seinem tieferen Siedepunkt (-196°C) schneller absiedet als Sauerstoff (Sdp. -183°C).
5.3
Loslichkeit von Gasen
Die Loslichkeit von Gasen in Wasser ist nicht nur fur das pflanzliche und tierische Leben von groBer Bedeutung. Sie spielt auch fur zahlreiche baurelevante Vorgange wie z.B. den
5.3 Loslichkeit von Gasen
101
kalklosenden Angriff von Regenwasser oder Korrosionsprozesse an Baumetallen eine wichtige Rolle. FUr eine detailliertere Betrachtung des Losungsvorganges von Gasen in Wasser ist es von grundsatzlicher Bedeutung, ob das betreffende Gas neben seiner physikalischen Loslichkeit eine chemische Reaktion mit dem Wasser eingeht oder nicht. Die Loslichkeit eines Gases in einer Flussigkeit wird durch das Henry-Daltonsche Gesetz beschrieben. Es lautet: Die Loslichkeit eines Gases in einer Fliissigkeit verhalt sich bei gegebener Temperatur T proportional zum Partialdruck des Gases iiber der Ldsung, Der Begriff Partialdruck bezieht sich auf Mischungen von Gasen. Unter dem Partialdruck eines Gases in einem Gasgemisch versteht man den Druck, den dieses Gas ausuben wiirde, wenn es sich in dem Volumen allein befande, Der Gesamtdruck einer Gasmischung ist gleich der Summe der Partialdriicke der Bestandteile A, B, C, ..• der Mischung: p = PA + PH + Pc + ... (Dalton, 1801). Betrachten wir zuerst die Wechselwirkung von Kohlendioxid CO 2 mit einem definierten Volumen Wasser (T = konst.). Nach einer bestimmten Zeit t stellt sich zwischen dem in Wasser gelosten CO 2 und dem CO 2 des Gasraumes ein dynamisches Gleichgewicht ein (Gl. 5-1). (5-1) CO 2 (g) CO 2 (aq) Bezeichnet man die Konzentration des Gases in der Luft mit c(C02, Luft) und in Wasser mit c(C02 , Wasser), beide in mol/l, erhalt man fur Gl. (5-1) einen Loslichkeitskoeffizienten a' gemaB Gl. (5-2).
a'
=
c(C02,Wasser) c(CO2 , Lujt )
Nach (I-IS) und (1-4) gilt:
(5-2)
(a' ohne Einheit).
c(C02 , Lujt ) = n(C02 ) = p(C02 ) V(C02 ) RT
,
damit folgt fiir die Sartigungskonzentration von CO 2 in Wasser
mit KH
=
a' / R . T
(5-3)
Henry-Daltonsches Gesetz Der Loslichkeits- oder Absorptionskoeffizient a' gibt das aufNormbedingungen bezogene Gasvolumen an, welches bei einem Partialdruck des Gases von 1,013 bar von einem bestimmten Volumen Wasser (I cnr') absorbiert wird. Multipliziert man diesen Wert mit 103, erhalt man das jeweilige Volumen des Gases, das sich in 1 Liter Wasser lost, K H ist die
102
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
Henry-Konstante (Einheit: mol/ bad). Sie ist, wie der Loslichkeitskoeffizient a', abhangig von der Art des Gases, der Flussigkeit und der Temperatur T. Tabelle 5.2 Loslichkeitskoeffizienten a' und Henry-Konstanten KH ausgewahlter Gase
a)
3
Gase
O·C
20·C
40·C
10 . K H (mol/bar '1)
Stickstoff Sauerstoff Kohlendioxid Schwefeldioxid
0,024 0,049 1,713 79,3
0,015 0,D31 0,878 39,4
0,011 0,023 0,530 18,8
0,64 1,27 36 1620
a)
bei 20°C.
In Tab. 5.2 sind die Loslichkeitskoeffizienten fur die Temperaturen O°C, 20°C und 40°C sowie die Henry-Konstanten (20°C) einiger ausgewahlter Gase zusammengefasst, Es wird deutlieh, dass die Loslichkeit des Sauerstoffs doppelt so hoeh ist wie die des Stiekstoffs. Fur CO 2 ergibt sieh bei 20°C ein a'-Wert von 0,878. Demnaeh sind bei Sattigung in einem Liter Wasser 878 ml CO 2 (= 1735,6 mg) gelost, Hervorzuheben ist die aubergewohnlich hohe Loslichkeit von S02 in Wasser (20°C: 39,4 Liter S02 pro 1 Liter Wasser).
In einem Liter Wasser losen sich hei 20°C: 15,5 ml N 2, 31 ml02, 878 ml CO2, jedoch 39,41 S02. Naeh GI. (5-3) erhoht sieh die Loslichkeit eines Gases um das Doppelte, wenn sieh sein Partialdruek bei konstanter Temperatur verdoppelt, Da die Absorption eines Gases in einer Flussigkeit ein exothermer Vorgang ist, nimmt mit zunehmender Temperatur die Gaslosliehkeit abo Fur Gase, die effektiv mit dem Losungsmittel reagieren (z.B, Chlorwasserstoff HCl, der sieh mit Wasser zu Salzsaure umsetzt), gilt das Henry-Daltonsehe Gesetz nicht, Betraehten wir als nachstes die Wechselwirkung von Luft mit Wasser, d.h. die Loslichkeit der Gase N 2, O 2 und CO 2 als Komponenten der Luft: Entspreehend einem Stiekstoff-Volumenanteil von 78,1% (daraus folgt bei einem GesamtLuftdruek von 1 bar ein Nj-Partialdruck von 0,78 bar) und einer Henry-Konstanten von KH 3 = 0,64 . 10- mol/l-bar (20°C) erreehnet sich fur N 2 naeh GI. (5-3) eine Sattigungskonzentration von 4,97 . 10- 4 mol/I H 20. Das entsprieht einer Loslichkeit von 13,9 mg (= 11,1 ml) Stickstoffpro Liter Wasser. Demgegenuber erhalt man fur Sauerstoffmit KH = 1,27 . 10- 3 mol/bar-I (20°C) und einem 4 Volumenanteil von 20,95% eine Sattigungskonzentration e(02, Wasser) = 2,66' 10- mol/I, Das ist gleichbedeutend mit einer Loslichkeit von 8,51 mg (= 6 ml) Sauerstoff pro Liter Wasser. Von den 17,1 ml Luft, die sieh bei einer Temperatur von 20°C bei Sattigung losen, entfallen bei Vernachlassigung der anderen Luftkomponenten demnaeh 11,1 ml auf N, und 6 ml auf O 2 . Mit einem Wert von 35% hat sieh der prozentuale 02-Gehalt des Wassers im Vergleieh zu dem der atmospharischen Luft (ca. 21%) damit deutlieh erhoht,
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
103
Berucksichtigt man die Volumenantei1e der wichtigsten Luftkomponenten N 2 (- 78,1%) und Sauerstoff (- 20,9%), ergibt sich auch bei der Wechselwirkung von Luft mit Wasser der Befund: Sauerstoffweist eine deutlich hohere Wasserloslichkeit aufals Stickstoff. Diese relativ hohe Sauerstoftkonzentration ist von groBer biologischer Bedeutung fur das tierische Leben im Wasser. Sie besitzt aber auch eine erhebliche technische Bedeutung. Sauerstoffhaltige Wasser ermoglichen die Metallkorrosion. Je hoher der Oz-Gehalt, umso schneller laufen die Korrosionsprozesse abo Andererseits konnen geringe Sauerstoftkonzentrationen in Gegenwart bestimmter Salze wie Carbonate, Silicate und Phosphate zur Ausbildung schutzender Deckschichten flihren, die wiederum der Metallkorrosion entgegenwirken. Fur einen COrVolumenanteil von 370 ppm (= 0,0370% = 0,000370 bar) und einer HenryKonstanten K H = 3,598' 10-2 mol/l-bar errechnet sich fur 20°C eine CO 2-Konzentration im Wasser von 13,3 . 10-6 mol/l (ohne Berucksichtigung der Reaktion mit Wasser). Das entspricht einer Loslichkeit von 0,585 mg (= 0,293 ml) Kohlendioxid pro Liter H20.
Ein Liter Wasser, der mit Luft gesattigt ist, enthalt bei 20 °C co. 11 ml N 2 , 6 ml O2 und 0,3 ml COlo Wie oben bereits betont, zeichnet sich Schwefeldioxid durch eine ausgezeichnete Loslichkeit in Wasser aus. AuBerhalb von Ballungsgebieten ist S02 jedoch nur in auBerst geringen Konzentrationen in der Luft vorhanden. Vernachlassigt man wiederum die chemische Reaktion des S02 mit Wasser, ergibt sich fllr K H = 0,64' 10-3 mol/l-bar (20°e) und einen SOzVolumenanteil von 2 ppb (Tab. 5.1) eine "physikalische" S02-Gleichgewichtskonzentration in Wasser von 3,24' 10-9 mol/I. Fur einen S02-Volumenanteil von 500 ppb, was dem Mittelwert des London-Smogs entspricht (Kap. 5.5.1), erhoht sich die Konzentration bereits aufO,81 . 10-7 mol/I.
5.4
Naturliche Luftinhaltsstoffe
5.4.1
Stickstoff (N2 )
5.4.1.1
Physikalisch-chemische Eigenschaften
Stickstoff N 2 ist mit einem Volumenanteil von 78,08% Hauptbestandteil der Luft. In gebundener Form kommt er vor allem in Nitraten, z.B. Kalisalpeter KN0 3, Chilesalpeter NaN0 3, und in organischen Verbindungen (tierische und pflanzliche EiweiBstoffe, Harnstoff) vor. Stickstoff ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, das selbst weder brennt noch die Verbrennung anderer Stoffe unterhalt. Bei Normaltemperatur ist N 2 sehr reaktionstrage (inert), was mit der stabilen Dreifachbindung zwischen den N-Atomen zu erklaren ist. Nach dem Orbitalmodell wird der Zusammenhalt zwischen beiden Stickstoffatomen durch eine 0- und zwei n-Bindungen bewirkt. Zur Spaltung des Nj-Molektlls in die Atome (GI. 54) ist eine Bindungsdissoziationsenergie von 945,3 kJ/mol notwendig. Energiemengen dieser Grofsenordnung entstehen bei elektrischen Entladungen (Blitze) und in Verbrennungsmotoren.
104
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
N2
--
Ml = + 945,3 kJ/mol
2N
(5-4)
Wegen seiner Reaktionstragheit wird Stickstoff im chemischen Laboratorium und in der Industrie als Inertgas eingesetzt, urn Reaktionen mit dem Luftsauerstoff zu vermeiden. Stickstoff ist in grun gekennzeichneten Stahlflaschen im Handel.
5.4.1.2
Ausgewahlte Stickstoffverbindungen
Stickstoff ist das am starksten elektronegative Element der V. Hauptgruppe. Entsprechend seiner Elektronenkonfiguration auf der Valenzschale (2s 2 2p3) erreicht ein N-Atom das Elektronenoktett durch Ausbildung dreier kovalenter Bindungen. Seine Wasserstoffverbindung NH3 (Ammoniak) lagert leicht ein Proton an das nichtbindende Elektronenpaar des Stickstoffs an. Dabei entsteht das Ammoniumion NH4+. Das Ammoniumion besitzt die gleiche Elektronenanzahl wie das Methanmolekiil, deshalb bezeichnet man beide Molekiile als isoeIektronisch. Da ein N-Atom in der auBersten Schale (n = 2) nicht iiber d-Orbitale verfugt, kann es maximal vier kovalente Bindungen eingehen, wie z.B. im Ammoniumion. Eine Oktetterweiterung ist beim Stickstoff nicht moglich, Stickstoff tritt in seinen Verbindungen hauptsachlich in den Oxidationsstufen -III (NH 3, NH/), +III (RN02, Nitrite), +IV (N02) und +V (RN03, Nitrate) auf. Die fur das Bauwesen wichtigsten Stickstoffverbindungen sind die Nitrate. Nitrate sind die Salze der Salpetersaure RN0 3. In beiden Verbindungen besitzt Stickstoffmit der Oxidationsstufe +V die hochstmogliche Oxidationsstufe eines Elements der funften Hauptgruppe. Daraus resultiert die oxidierende Wirkung der Salpetersaure, Salpetersaure ist eine starke Saure, die wie Salzsaure HCI in Wasser praktisch vollstandig protolysiert vorliegt. Es gilt: c(RN03) = c(H30+). Durch Einwirkung salpetersaurer bzw. nitrathaltiger Wasser auf porose mineralische Baustoffe wie Ziegel, Martel und Beton kann es zu Nitrat- bzw. Salpeterausbliihungen kommen (Mauersalpeter Ca(N03h, Kap. 9.4.4). Nitrate sind sehr gut wasserloslich, weshalb sie in zum Teil recht erheblichen Mengen in Grund- und Oberflachenwasser gelangen. Ais Nitratquellen kommen vor allem Salpeterlagerstatten und Diingemittelausschwemmungen in landwirtschaftlichen Gebieten in Betracht. Da N-enthaltende tierische organische Verbindungen (vor allem Hamstoff!) durch Bakterien ebenfalls zu Nitraten abgebaut werden konnen, muss auch die Massentierhaltung als wichtige Nitratquelle angesehen werden. Deshalb sind Salpeterausbliihungen vor allem an den Mauem von Stallen sowie an Dung- und Jauchegruben zu finden. Die Umwandlung des in organischen Verbindungen enthaltenen Stickstoffs in die fur die pflanzliche Ernahrung nutzbare Nitratform verlauft wie folgt: Aus dem Hamstoffbzw. den EiweiBen entstehen zunachst durch Hydrolyse des in den Aminogruppen (-NH2) gebundenen Stickstoffs Ammoniak oder Ammoniumionen (Ammonifikation, Gl. 5-5, 5-6). (NH2)2CO + H 20
Kat.
--
2NH3 + CO
(5-5)
--
NH3 + R-OH
(5-6)
Hamstoff
R-NH 2 Amin
+ H 20
Alkohol
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
105
Durch nitrifizierende Bakterien wird ein Entweichen des Ammoniaks aus dem Boden bzw. dem Wasser verhindert. Es bilden sich Nitrit (Gl. 5-7) bzw. Nitrat (Gl. 5-8). Diese Umwandlung wird als Nitrifikation bezeichnet. Nitrite sind die Salze der salpetrigen Saure HN02. (5-7) Nitratbildner
- - - - - . . 2 N0 3-
(5-8)
Bruttoreaktion:
(5-9) Die reduktive Umwandlung von Nitraten in NO, N02 oder freien Stickstoff nennt man Denitrifikation. Sie erfolgt durch anaerobe, d.h. ohne Sauerstoff lebende, Bakterien. Die anaeroben Bakterien benutzen den Sauerstoff der Nitrate, urn organische Nahrstoffe abzubauen ("Nitratatmung"). Die bakterielle Denitrifikation wird zur Entfemung von nitratischem Stickstoff aus Abwassem in Klaranlagen genutzt. Sie lauft ebenfalls in den Sommermonaten in sauerstoffarmen Seen abo In der Landwirtschaft sind diese Bakterienarten von Nachteil, da sie den bei der Dungung auf die Felder verbrachten Nitratstickstoff umwandeln. Stickstoff wird standig durch unterschiedliche natiirliche und kilnstliche Vorgange der Luft entnommen und ihr wieder zugefiihrt. Aufgrund der beschriebenen Reaktionstragheit kann die lebende Zelle den Stickstoff nicht direkt assimilieren, urn aus ihm EiweiBstoffe zu synthetisieren. Durch die Prozesse der Stickstoff-Fixierung wird der Luftstickstoff in Verbindungen umgewandelt, die von der Pflanze aufgenommen werden konnen. So reagiert der bei Blitzentladungen in Gewittem entstandene atomare Stickstoff mit Luftsauerstoff zunachst zu Stickstoffmonoxid NO und anschlieBend zu Stickstoffdioxid N02 • Letzteres bildet mit dem Wasser der Atmosphare Salpetersaure. Die HN03 gelangt mit dem Regenwasser in das Erdreich, wird z.B. durch Kalk neutralisiert und in Nitrat iiberfiihrt. In nitratischer Form kann der Stickstoff dann von der Pflanze aufgenommen werden (anorganische Stickstoff-Fixierungy. Knollchenbakterien der Htilsenfruchte sowie einige stickstoffbindende Bakterien in BOden, aber auch Strahlenpilze und Blaualgen sind in der Lage, den Stickstoff der Luft in arteigenes EiweiB einzubauen (biologische Stickstoff-Fixierung). In der Ammoniaksynthese nach Haber und Bosch (Gl. 4-9, Kap. 4.5.3) wird der Stickstoff auf technischem Wege mit Wasserstoff fixiert. Aus dem NH 3 werden Dtmgemittel hergestellt (Nitrate, Ammoniumsalze), die von den Pflanzen in geloster Form aufgenommen werden konnen. Die vorstehend beschriebenen Prozesse sind Bestandteil des natiirlichen Stickstoffkreislaufs. Ammoniak ist in Wasser auBerordentlich gut loslich. Bei 20 0 e lost 1 Liter H20 702 Liter NH 3 . Das entspricht einem NH 3-Gehalt der Losung von 35%. Die gebildete Ammoniaklosung reagiert schwach alkalisch, da das in Wasser geloste Gas in geringem MaBe unter Bildung von Ammonium- und Hydroxidionen protolysiert (NH3 + H 20 :::::: NlLt+ + OH-). In einer 0,1 molll wassrigen Ammoniaklosung liegen bei 20 0 e weniger als 1% der NH 3Molekiile protolysiert vor. Mit Sauren bildet NH 3 Ammoniumsalze, z.B. mit Salpetersaure
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
106
Ammoniumnitrat (NH3 + HN03 ~ N~N03)' Ammoniumsalze zeigen in wassriger Losung aufgrund der Protolyse eine saure Reaktion (Kap. 6.5.3.5). Greifen Losungen von Ammoniumsalzen (vor allem von N~CI) Beton an, kann es aufgrund der Protolyse des N~ +-Ions zur Reaktion mit dem Calciumhydroxid des Zementsteins unter Bildung leicht loslicher Calciumverbindungen und Ammoniak kommen. Die Folge sind Schadigungen der Bausubstanz (Kap. 9.4.2).
I
5.4.2
Sauerstoff
Sauerstoff (Oxygenium) tritt in zwei Modifikationen auf: 1m .normalen'' Sauerstoff liegen zweiatomige Molekiil O2, in der als Ozon bezeichneten Modifikation dagegen dreiatomige Molekiile 0 3 vor. Daneben kommt Sauerstoff gebunden im Wasser, in vielen Mineralen und Gesteinen (z.B. als Silicate, Carbonate, Phosphate oder Oxide) sowie in organischen Stoffen wie Zuckem, Fetten und EiweiBen vor.
5.4.2.1
Sauerstoff (02): Physikalisch-chemische Eigenschaften
Unter normalen Bedingungen ist elementarer Sauerstoff ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Sauerstoff brennt selbst nicht, unterhalt aber die Verbrennung. Er ist im Vergleich zu Gasen wie CO2 oder S02 in Wasser nur maBig loslich (Kap. 5.3). In flussiger Form oder in dicken Schichten zeigt Sauerstoff eine hellblaue Farbe. O2 kommt in blau gekennzeichneten Stahlflaschen in den Handel. Das Sauerstoffmolekiil besitzt zwei ungepaarte Elektronen. Damit gehort Sauerstoff zu den paramagnetischen Substanzen. Der Paramagnetismus ist neben dem Diamagnetismus eine der wichtigsten magnetischen Eigenschaften der Materie. Bringt man einen Korper in ein homogenes Magnetfeld, sind zwei Faile zu unterscheiden: Entweder der Korper drangt die Feldlinien im Inneren auseinander (Diamagnetismus) oder der Korper verdichtet die Feldlinien in seinem Inneren (Paramagnetismus). Diamagnetisch sind aile Stoffe, deren Atome, lonen oder Molekiile abgeschlossene Elektronenschalen aufweisen. Sie besitzen kein resultierendes magnetisches Moment. Die meisten Stoffe zeigen ein diamagnetisches Verhalten, da die ungepaarten Elektronen der Atome bei der Bindungsbildung abgesattigt werden. Paramagnetische Stoffe enthalten Atome, lonen oder Molekiile mit ungepaarten Elektronen. Sie besitzen ein magnetisches Moment. Elektrisch neutrale oder geladene Teilchen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen bezeichnet man als Radikale. Das Sauerstoffinolekiil ist ein Diradikal, da es iiber zwei ungepaarte Elektronen verfugt (s. Kap. 3.2.1). Die paramagnetische Form des Sauerstoffs bildet den elektronischen Grundzustand. Aufgrund der Existenz der beiden ungepaarten Elektronen wird die Grundzustandskonfiguration auch als Triplett-Sauerstoff 302 bezeichnet. Die Bezeichnung Triplett stammt aus der Spektroskopie, naheres siehe Lehrbiicher der Allgemeinen Chemie. Von einigen wenigen Ausnahmen wie den Edelgasen (auBer Xe!) abgesehen, verbinden sich nahezu aile Elemente des Periodensystems mit gasformigem Sauerstoff zu Oxiden. Bei der Reaktion von Natrium oder Barium mit O2 entstehen Peroxide (Na202, Ba02)'
5.4 Naturliche Luftinhaltsstoffe
107
Bei gewohnlichen Temperaturen ist Sauerstoff ein verhaltnismallig reaktionstrages Element. Ursache dafiir ist die hohe Bindungsdissoziationsenergie des OrMolekiils. Umsetzungen von Elementen oder Verbindungen mit Sauerstoff (Oxidationen) laufen deshalb erst bei hoheren Temperaturen mit ausreichender Geschwindigkeit abo Obwohl viele dieser Reaktionen stark exotherm sind, mussen sie durch "Zlinden" in Gang gesetzt bzw. durch die Gegenwart katalytisch wirksamer Substanzen beschleunigt werden. Oxidationen, die unter Flammenerscheinung ablaufen, bezeichnet man gemeinhin als Verbrennungen. Beispiele fur langsam ablaufende Oxidationen (stille Verbrennungen) sind der Rostvorgang beim Eisen, die Zersetzung bzw. Verwesung organischer Stoffe und der Nahrungsmittelabbau im tierischen Organismus. Oxidationsprozesse laufen mit reinem Sauerstoff wesentlich schneller ab als mit Luft. 1m Sonnenlicht kann sich der atmospharische, unter normalen Bedingungen reaktionstrage Sauerstoff in Gegenwart von sensibilisierenden Farbstoffen in eine reaktionsfahige, stark oxidierend wirkende Form umwandeln, den sogenannten Singulett-Sauerstoff 10 2 • Durch die zugefuhrte Energie erfolgt eine Paarung der beiden Elektronen mit parallelem Spin, die die Grundzustandskonfiguration eOz) charakterisieren. Der gebildete Singulett-Sauerstoff ist damit diamagnetisch. 10z kann auch auf chemischem Weg erzeugt werden, z.B. durch Umsetzung von HzOz mit CIO-. Obwohl der Singulett-Sauerstoff sehr kurzlebig ist - innerhalb von Sekunden bis Minuten bildet sich die 30 z-Grundzustandskonfiguration zurtick - besitzt er als Oxidationsmittel groBe Bedeutung in der chemischen Industrie, z.B. in der Riechstoffindustrie. Vor allem aber ist er fur das Ausbleichen von Farbanstrichen an Fassaden und Hauserwanden, das Vergilben von Kunststoffen und das Abblattern von Kunststoffuberzugen verantwortlich. Selbst das Ausbleichen des Chlorophylls und die dadurch hervorgerufene Verfarbung der Blatter im Herbst sind auf den Einfluss des Singulett-Sauerstoffs zuruckzufuhren. In seinen Verbindungen kann das Sauerstoffatom die Edelgaskonfiguration durch Aufnahme von 2 Elektronen unter Ausbildung des Oxidions 0 2- oder durch Ausbildung von zwei kovalenten Bindungen (z.B. HzO, COz) erreichen. Da der Sauerstoff in nahezu allen Verbindungen der elektronegativere Partner ist, liegt er meist in der Oxidationsstufe -II vor. In den Peroxiden, z.B. HzOz, Na-O, oder BaOz, liegt er in der selteneren Oxidationsstufe -I vor.
5.4.2.2
Ozon (0 3 )
5.4.2.2.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften Das Auftreten eines Elements in verschiedenen Zustandsformen (Modifikationen) im gleichen Aggregatzustand bezeichnet man als Allotropie. Diese Erscheinung ist bei einer Reihe von Elementen, wie zum Beispiel beim Kohlenstoff, beim Phosphor und beim Schwefel, anzutreffen. Auch Sauerstoffbildet neben seiner normalen Form als OrMolekiil noch eine allotrope Modifikation, die aus dem dreiatomigen Molekiil 0 3 besteht und Ozon (griech. das Duftende) genannt wird. 0 3 ist ein gewinkeltes Molekiil (Bindungswinkel 116,7°) mit zwei gleich langen O-O-Abstanden, In der Valenzstrich-Schreibweise nach Lewis kann man - unter Berucksichtigung der Oktettregel- zwei gleichwertige Formeln aufstellen:
108
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
•
..
Eine ahnliche Situation tritt auch bei den Stickoxiden NO und N02 (Kap. 5.5.2) auf. Fiir sich betrachtet gibtjede dieser beiden Forme1n die experimentelle Realitat nur ungeniigend wieder. Die Bindungen zwischen den O-Atomen sollten laut Formel verschiedene Bindungslangen aufweisen, denn eine Doppelbindung zwischen zwei gleichen oder zwei verschiedenen Atomen ist immer kiirzer, als die entsprechende Einfachbindung. Die experimentellen Befunde weisen jedoch, wie bereits betont, auf zwei gleich lange Bindungen im Oj-Molekul hin. Urn dieses scheinbar widerspriichliche Problem zu losen, gibt man beide Formeln an und schreibt, wie obenstehend, einen Doppelpfeil zwischen ihnen. Diese Art der Darstellung bezeichnet man als Mesomerie oder Resonanz, die einzelnen Formeln werden mesomere Grenzformeln oder Grenzstrukturen genannt. Die tatsachliche Elektronenstruktur eines Molekiils ergibt sich als ,;Oberlagerung" beider Grenzformeln. Es liegt demnach weder eine Einfach- noch eine Doppelbindung, sondem ein mittlerer Bindungsgrad VOT. Die nElektronen sind iiber beide O-O-Bindungen gleichmaBig delokalisiert. Die endstandigen 0Atome des Oj-Molektils tragen jeweils eine (gleich groBe!) negative und das mittlere 0Atom eine positive Partialladung. Die Partialladungen elektrisch neutraler Molekiile miissen sich zu null erganzen. In der Realitat existiert nur eine Sorte von Ozonmolekiilen mit einer zugehorigen Elektronenstruktur. Es liegt an den begrenzten Ausdrucksmoglichkeiten der Lewis-Formeln, wenn zur Beschreibung der Bindungsverhaltnisse eines Molekiils zwei oder mehrere mesomere Grenzformeln notwendig sind, von denen jede einzelne fur sich ein falsches Bild vermittelt. Dass sie trotzdem haufig benutzt werden, hat mehrere Griinde. Sie sind einfach und bequem aufzuschreiben. Sie gestatten uns qualitative Aussagen zur Molekiilgeometrie und geben uns Auskunft iiber die Position von Partialladungen sowie die radikalischen Eigenschaften eines Molekiils. Ozon bildet sich bei Einwirkung stiller elektrischer Entladungen auf Sauerstoff, z.B. im Siemensschen Ozonisator. 1m ersten Schritt erfolgt die stark endotherme Aufspaltung der OrMolekiile in atomaren Sauerstoff (Gl. 5-10).
o
sir- +247 kl/mol
(5-10)
In einer nachfolgenden exothermen Reaktion lagert sich ein Sauerstoffatom an ein Sauerstoffmolekiil O2 unter Oj-Bildung an (Gl. 5-11).
o + O2
Ml = -105 kl/mol
(5-11)
Wie die Addition von Gl. (5-10) und (5-11) zeigt, ist der Gesamtprozess der Ozonbildung endotherm (Gl. 5-12). ~
03Ml= +142 kl/mol
(5-12)
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
109
Ais stark endotherme Verbindung neigt Ozon leicht zum Zerfall. Die Spaltung eines Sauerstoffinolektils in O-Atome kann auch durch kurzwelliges UV -Licht (A. < 242 nm) erfolgen. Deshalb riecht es in der Umgebung von UV -Lampen (Hohensonnen) und Kopierem haufig nach Ozon. Ozon ist bei Raumtemperatur ein blassblaues Gas mit einem charakteristischen stechenden Geruch, der noch bei einer Konzentration von 0,02 ppm wahmehmbar ist. Durch seine Aggressivitat gegenuber organischen Verbindungen ist es in hoheren Konzentrationen ftir Lebewesen toxisch. Es vemichtet niedere Organismen wie Bakterien, Pilze und Viren und schadigt das Blattgrun (s. Kap. 5.5.3.1, Waldschaden), Beim Menschen fuhrt es zu Schadigungen der Atemwege und Schleimhaute und ruft Schwindelgefuhle hervor. Der MAKWert liegt bei 0,2 mg/rrr' (- 0,1 ppm). Der MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) ist die hochstzulassige Konzentration eines Gases, Dampfes oder Schwebstoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei der die Gesundheit eines Erwachsenen bei einer achtstiindigen Exposition pro Tag tiber sein gesamtes Arbeitsleben hinweg vermutlich nicht bee intrachtigt wird. Ozon ist eines der starksten Oxidationsmittel. Sein Oxidationsvermogen ubertrifft das des Sauerstoffs (EO = + 1,23 V) deutlich. Wie aus dem Standardpotential (Kap. 7.3.3) zu ersehen ist, erreicht 0 3 fast das Oxidationsvermogen des atomaren Sauerstoffs (Gl. 5-13, 5-14). (5-13)
o
+ 2 H 30+ + 2 e-
~
3 H 20
EO = +2,42 V
(5-14)
(beide Werte in saurer Losung)
Ozon wird aufgrund seiner stark oxidierenden und dam it keimtotenden Wirkung zur Luftverbesserung und -desinfektion sowie zur Entkeimung von Trink- und Schwimmbadwasser eingesetzt.
5.4.2.2.2 Stratospharisches und trcpospharlsches Ozon - Ozonproblematik Wie bereits betont, ist energiereiche UV -Strahlung ebenfalls in der Lage, OrMolektile in die Atome aufzuspalten. Deshalb findet vor allem in der Stratosphare eine effektive Ozonbildung statt. In 15...40 km Hohe tiber der Erdoberflache befindet sich ein Ozongiirtel. Ftir die Aquatorzone konnte das Oj-Maximum bei 25 km Hohe nachgewiesen werden, mit zunehmender Entfemung vom Aquator verlagert es sich jedoch in tiefere Schichten. Dieser Ozongiirtel schirmt infolge der spezifischen Absorptionseigenschaften von 0 3 tierische und pflanzliche Organismen gegen den grobten Teil der lebensgefahrdenden energiereichen UV -Strahlen abo f... < 240 nm
(5-15) f... ... 240-315nm
Wiirde der Schutz durch das stratospharische Ozon wegfallen, kame es beim Auftreffen der energiereichen UV -B-Strahlung (A. = 280 ...315 nm) auf organische Materie zu einer Spaltung von Molektilbindungen. Die Folge waren signifikante pathologische Veranderungen der Zelle bis hin zu ihrer Zerstorung. Beim Menschen macht sich die Aufnahme zu hoher
110
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
Dosen energiereicher Strahlung in Veranderungen der Haut (Sonnenbrand, Hautkrebs) und in einer Schwachung des Immunsystems bemerkbar. Fiir den Anteil langwelliger energiearmerer UV-Strahlung (A = 315...380 om; UV-A-Strahlung) ist die Atmosphare von jeher durchlassig, so dass sich das pflanzliche und tierische Leben weitgehend an Strahlung dieses Energiesegments angepasst hat. Der anthropogene Einfluss auf das in der Stratosphare ablaufende Gleichgewicht der Bildung und des Abbaus von Ozon besteht vor allem darin, Substanzen zu produzieren, die unmittelbar oder mittelbar die Riickreaktion von Gl. (5-15) beeintrachtigen bzw. verhindem, indem sie 0 3 auf anderem Wege abbauen. Bei diesen ozonabbauenden Substanzen handelt es sich in erster Linie urn Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW, Kap. 10.1.2) und Stickoxide. Aufgrund der hohen chemischen Stabilitat der FCKW und den daraus resultierenden auBerordentlich langen Verweilzeiten in der Atmosphare (z.B. CChF z: 130 Jahre, CClF 3 : 380 Jahre) gelangen diese Verbindungen in einem Zeitraum von etwa 10 Jahren aus den unteren Atmospharenschichten in die Stratosphere. Hier werden sie durch die energiereiche UV-Strahlung gemaf Gl. (5-16) zersetzt. hv
(5-16)
A< 220 nm
Das Chloratom (= Radikal) katalysiert den Ozonabbau tiber die Zwischenstufe des Hypochloritradikals ClO· ( Gl. 5-l7a, b).
ci-
(5-l7a) (5-l7b)
ClO·
Ozonabbau Man geht davon aus, dass ein Chloratom mehrere zehntausend Oj-Molekule zerstoren kann, bis es etwa in HCl umgewandelt und mit HzO aus der Stratosphare entfemt wird. Weitere wirksame Radikale fur den Ozonabbau sind -Br, ·NO, ·OH und ·NO z. Uber der Sudhalbkugel ist die Ozonkonzentration in der Stratosphare bereits so niedrig, dass in einigen Landern wie z.B. Australien, Neusee1and oder auch in Chile die maximale ungeschutzte Aufenthaltsdauer in der Sonne, insbesondere fur Kinder, im Rundfunk durchgegeben wird. Die im langfristigen Trend registrierte globale stratospharische Ozonabnahme ist nicht mit dem 1985 erstmalig beschriebenen und bereits seit Ende der 70er Jahre nachweisbaren Ozonloch iiber der Antarktis zu verwechseln. Unter dem Ozonloch ist ein raumlich und zeitlich begrenzter Abfall des stratospharischen Ozongehalts in verhaltnismaliig kurzer Zeit bis auf weniger als die Halfte seines Ausgangswertes zu verstehen. Rund urn den Sudpol wird in einer GroBe etwa der USA der irdische Schutzschild aus Ozon regelrecht aufgelost. Das Ozonloch entsteht in den Monaten September und Oktober (also im antarktischen Friihling) und schlieBt sich in den Monaten NovemberlDezember allmahlich wieder. Sein Zustandekommen ist ebenfalls auf die Emission langlebiger FCKW zuruckzufuhren, die unter den Einfluss der besonderen Witterungsverhaltnisse des antarktischen Winters gelan-
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
111
gen. Damit ist auch dieses Phanomen Teil der globa1en FCKW- bzw. Ozondiskussion. Das Zustandekommen des Ozonlochs stellt man sich wie fo1gt vor: 1m antarktischen Winter herrscht in der Stratosphare ein isolierter Luftwirbe1 iiber dem Siidpol vor. Infolge des fehlenden Zuflusses von Warmluft kommt es zu einer starken Abkiihlung bis auf Temperaturen von etwa -80 ...-90°C. Aus den in die Stratosphiire gelangten Stickoxiden und Wasser bilden sich unter diesen Bedingungen salpetersaurehaltige Eiskristalle, die sich zu polaren Stratosphiirenwolken zusammenlagem. An der Oberflache dieser salpetersaurehaltigen Eiskristalle werden die aus dem photochemischen Zerfall der FCKW herriihrenden Chloratome in Form sog. Reservoirsubstanzen, z.B. HC1, CION02, Ch und HOC1, adsorbiert und zwischengespeichert. Die Ende August-Anfang September aufgehende Friihlingssonne setzt aus diesen Reservoirsubstanzen in kiirzester Zeit groBe Mengen katalytisch wirksamer CI-Atome frei, die einen effektiven Ozonabbau einleiten. 1m Marz 1997 riss erstmals iiber der Arktis ein Ozonloch auf. Dem Norden droht damit die gleiche Entwicklung wie der Siidhalbkugel, die Konsequenzen werden auch an Europa nicht spurlos voriibergehen. Da Fluorchlorkohlenwasserstoffe dariiber hinaus treibhausaktiv sind (Kap. 5.4.3.3), wurden seit 1987 eine Reihe intemationaler Abkommen zum Ausstieg aus der Produktion und der Anwendung der "Ozonkiller" FCKW geschlossen (z.B. Montrealer Abkommen, Sept. 1987). 1995 wurde in der BRD die Produktion vollhalogenierter FCKW eingestellt, der EU-weite Ausstieg erfolgte zum 01. Juli 1997. Die Suche nach konkurrenzfahigen FCKW-Ersatzstoffen, die vergleichbare physikalischchemische Eigenschaften und technische Einsatzmoglichkeiten bei vernachlassigbaren okclogischen Nebenwirkungen aufweisen, ist eine der grobten Herausforderungen der heutigen Chemie. Ein erster Schritt ist der Umstieg auf teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (Kurzbezeichnung: H-FCKW). Bei diesen Molekiilen wurden die Halogenatome teilweise durch H-Atome ersetzt (z.B. CHCIF 2 statt CChF 2) . Die H-FCKW sind besser abbaubar (bereits in der Troposphiire!), tragen jedoch nach wie vor zum Ozonabbau und zum Treibhauseffekt bei. Mit betrachtlichem Aufwand wurden in den letzten Jahren wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (Kurzbezeichnung: H-FKW, z.B. CF 3-CH2F) oder aber reine FKW (z.B. CF 2=CF2 ) entwickelt. Beide Gruppen von Verbindungen enthalten keine Chloratome mehr. Obwohl die H-FKW und die FKW nicht mehr in den Oj-Abbau eingreifen, weisen sie teilweise enorm hohe Verweilzeiten in der Atmosphare und eine hohe Treibhausaktivitiit auf. Ob man kiinftig vollstandig auf diese Stoffe verzichten kann, ist gegenwartig noch nicht abschatzbar, In Kiihlschriinken werden allerdings schon heute mit Erfolg Mischungen aus Propan und Butan oder fliissiges Cyclopentan eingesetzt und als Treibmittel fur Aerosole KW-Gemische oder Dimethylether verwendet. Ebenso besorgt wie die Ozonabnahme in der Stratosphiire wird die Ozonzunahme in der Troposphare (troposphartsches Ozon) registriert. Die daraus moglicherweise entstehenden Smogsituationen (smog, engl. smoke Rauch, fog Nebel) sind eng mit dem Anwachsen des Kfz-Verkehrs verkniipft und wurden in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Sommermonaten erstmals in Los Angeles (USA) beobachtet. Man bezeichnet diesen Smogtyp deshalb auch als Sommer-, Photo- oder L.A.-Smog. Damit sich Sommersmog bilden kann, muss neben starkem Autoverkehr und maximaler Sonneneinstrahlung eine Inversionswetterlage gegeben sein. Entgegen der "normalen"
112
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
Luftschichtung, bei der die Temperatur mit der Hohe abnimmt, ist eine Inversionswetterlage durch eine Uberlagerung bodennaher kalterer Luftmassen durch warmere Luftschichten gekennzeichnet. Die Schadstoffe werden unterhalb der sogenannten Inversionsschicht, die sich in Hohen von wenigen hundert Metem bis einigen tausend Metem (Hoheninversion, Sommersmog) ausbilden kann, festgehalten und angereichert. Inversionsschichten sind durch eine Temperaturumkehr charakterisiert. Da der natiirliche vertikale Luftwechsel tiber diese Sperrschicht hinaus fast vollstandig zum Erliegen kommt, konnen die Schadstoffe durch Luftbewegungen oder Wind nicht wegtransportiert und tiber ein grofseres Gebiet verteilt werden. Die schadstoffbeladene Luft wird damit in einem mehr oder weniger groBen Luftvolumen festgehalten (austauscharme Wetterlage). Den Sommersmog begunstigende Inversionswetterlagen sind durch warmes, trockenes, wolkenloses und wind schwaches Wetter gekennzeichnet. Eine Analyse der Schadstoffbelastung wahrend des Sommersmogs machte deutlich, dass tiber den Tag verteilt eine Reihe komplizierter photochemischer Reaktionen ablaufen. Dabei werden aus den primaren, in erster Linie aus den Kfz-Abgasen stammenden Schadstoffen CO, NO x und Kohlenwasserstoffe (vor allem hohere Alkane, Alkene und Aromaten) die sekundaren SchadstofJe Ozon, Aldehyde und Peroxoverbindungen gebildet. Da sie durch photochemische Oxidation entstehen, werden diese sekundaren Schadstoffe auch als Photooxidantien bezeichnet. Vor allem das Ozon muss als die charakteristische Komponente des Sommersmogs angesehen werden. Photooxidantien werden als eine der Ursachen fur die neuartigen Waldschaden betrachtet. Einige fur den Sommersmog typische Reaktionen sind in Gl. (5-18 bis 5-21) zusammengefasst. In der Realitat laufen diese Reaktionen meist tiber komplizierte, radikalische Teilschritte abo
hv N0 2 o + O2 Bruttoreaktion:
~
---
~
~
NO + 0 03
(5-18) (5-19)
NO + 0 3
(5-20)
hv , Kat.
N02 + O 2 R-CH 3 + 402
~
R-CHO + H20 + 2 0 3
(5-21)
Die Stickoxide stehen mit Ozon in einem photochemischen Gleichgewicht (Gl. 5-20). NO ist danach in der Lage, Ozon abzubauen (Rtlckreaktion, Gl. 5-20). Dieses Gleichgewicht gibt eine logische Erklarung fur den auf den ersten Blick erstaunlichen Tatbestand, dass die Oj-Konzentration in Reinluftgebieten hohere Werte annehmen kann, als in Ballungsraumen. In verkehrsreichen Gebieten kommt es auch nachts zur NO-Produktion und die Ruckreaktion von (Gl. 5-20) kann auch im Dunkeln erfolgen. Die photochemische Ozonbildung (Gl. 5-18, 5-19) unterbleibt nachts jedoch. Die Folge ist ein Absinken der Oj-Konzentration. Das durch Luftoxidation von NO gebildete N02 ist nachts stabil und wird in die Umgebung transportiert, z.B. in Reinluftgebiete weit entfemt von den Schadstoffquellen. Dort wird es am nachsten Tag durch das Sonnenlicht gemaB Gl. (5-18) zerlegt und es bildet sich Ozon. Die Konzentration an ozonabbauenden Stoffen ist in Reinluftgebieten gering.
5.4 Naturliche Luftinhaltsstoffe
113
Eine hohe Ozonbelastung wahrend der Sommersmog-Perioden fiihrt zu Reizungen der Augen und Atemwege sowie zu Kopfschmerzen. Der typische, als durchaus angenehm empfundene "Ozongeruch" in Waldgebieten stammt ausschlieBlich von Terpenen, die Bestandteil der etherischen Ole bestimmter Pflanzen sind. Die gesamte Ozonmenge der Atmosphare verteilt sich zu 90% auf die Stratosphare und zu 10% auf die Troposphare,
5.4.3
Kohlendioxid (C02 )
5.4.3.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften Das Kohlendioxid der Luft spielt im Rahmen der Bauchemie eine zentrale Rolle, wie die Beispiele Kalkhartung, Korrosion von Beton oder Natursteinen durch Regenwasser (kalklosender Angrift), Korrosion von Baumetallen und Harte des Wassers zeigen. Kohlendioxid CO 2 ist ein farbloses Gas, das nicht brennt und die Verbrennung nicht unterhalt. Es besitzt einen etwas sauerlichen Geruch und Geschmack. Da sein Litergewicht mit einem Wert von 1,9768 gil anderthalbmal so groB wie das der Luft ist, sammelt es sich in geschlossenen Raumen wie Hohlen, Grotten oder Garkellern am Boden an. CO 2 ist, wie der hohe MAK-Wert von 9100 mg/nr' zeigt, an sich nicht giftig, fiihrt aber durch Verdrangung der Luft - und damit des zur Atmung lebensnotwendigen Sauerstoffs - zum Ersticken. Dies ist besonders bei MaBnahmen zur schnelleren Erhartung von Kalkputzen in geschlossenen Raumen (Koks- oder Propanofen) zu beachten. Temperatur (0C)
o 10 20 25 30
40 60
Ldsliehkeit in Liter CO 2 pro Liter H 20 1,713 1,190 0,880 0,757 0,665 0,530 0,360
Tabelle 5.3 Loslichkeit von CO 2 in Wasser (p 1,013 bar)
=
Kohlendioxid ist in Wasser gut loslich. Bei 20°C losen sich 0,9 Liter CO 2 in I Liter Wasser. Die Loslichkeit nimmt mit ansteigender Temperatur ab (Tab. 5.3) und mit steigendem Druck zu. Bei einer Druckerhohung auf 25 bar losen sich bei 20°C bereits 16,3 Liter CO 2 in einem Liter Wasser. Handelsiibliche Mineralwasser werden unter einem Druck von 2 bis 3 bar mit CO 2 versetzt und in Flaschen abgefiillt (mit .Kohlensaure" versetzte Mineralwasser), Zwischen dem gasformigen und dem gelosten CO 2 stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein (Gl. 51). Beim Offnen der Flasche wird der Druck plotzlich auf 1,013 bar abgesenkt und das komprimierte Gas wird entspannt. Es kommt am Flaschenhals zu einer raschen Abkiihlung (Joule-Thomson-Effekt, Kap. 5.2). Die Folge ist eine teilweise Kondensation des Wasserdampfes. Sie fiihrt zu den weiBen Nebeln, die mitunter an der Offnung der Flasche sichtbar werden. Durch das Ausstromen des gasformigen CO 2 wird das dynamische Gleichgewicht
114
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
(Gl. 5-1) gestort und das geloste Kohlendioxid beginnt in Form von Blasen aus dem Mineralwasser zu entweichen. Gibt man Salzkristalle in das Fliissigkeitsvolumen, so beschleunigt sich der Prozess. Zum einen sind die Risse und Kanten an den Kristalloberflachen potentielle Keime fur eine verstarkte Blasenbildung. Zum anderen werden die lonen des Salzes starker hydratisiert als die Gasmolekiile. 1m Ergebnis der einsetzenden Umordnung der Hydrathiillen konnen die CO 2-Molekiile leichter freigesetzt werden. Bei 20°C kann Kohlendioxid durch einen Druck von 50 bar verflussigt werden. In dieser Form ist es in grau gekennzeichneten Stahlflaschen ("Kohlensaureflaschen") im Handel. Bei Druckminderung, wenn das fliissige CO 2 aus der Flasche stromt, kiihlt es sich infolge der sofortigen Verdampfung stark ab, wobei sich fester Kohlensaureschnee (korrekt: Kohlendioxidschnee) bildet. Diese feste Form des CO 2, die bei -78°C sublimiert, kommt gepresst als Trockeneis in den Handel. Kohlensaureschnee wird zu Feuerloschzwecken vor allem fur den Einsatz in elektrischen Anlagen genutzt (C02 ist nicht leitend!). Aufgrund seiner Eigenschaft, die Entwicklung von Mikroorganismen zu hemmen, findet er auch zur Kiihlung von Lebensmitteln Anwendung. CO 2 ist ein lineares Molekul (O=C=O). Die Bindungsverhaltnisse am C-Atom konnen durch eine sp-Hybridisierung beschrieben werden. Die beiden nichthybridisierten 2p-Orbitale des C bilden die zwei n-Bindungen aus. Die Oxidationsstufe des C-Atoms im CO 2 betragt +IV, damit hat der Kohlenstoff die maximale Oxidationsstufe eines Elements der vierten Hauptgruppe erreicht. CO 2 entsteht bei der vollstandigen Verbrennung von Kohlenstoff und C-haltigen Verbindungen (Gl. 5-22, 5-23). Beim Kalkbrennen fallt es als Nebenprodukt an (s. Kap. 9.3.2.1).
Ml = -394 kllmol
str- -891,1 kJ/mol
(5-22) (5-23)
Verbrennt man Kohlenstoffbzw. Kohle bei hohen Temperaturen (lOOO°C) und begrenzter Zufuhr von Sauerstoff, entsteht Kohlenmonoxid CO (Gl. 5-24).
Ml= -111 kJ/mol
(5-24)
1m chemischen Laboratorium erhalt man CO 2 durch Zersetzung von Carbonaten mit Mineralsauren, z.B. HCI (Gl. 5-25a). Leitet man das freigesetzte CO 2 in Barytwasser Ba(OH)2 oder Kalkwasser Ca(OH)2 ein, fallt emeut Carbonat aus (Carbonatnachweis, Gl. 5-25b). CaC03 + 2 H 30+ + 2 cr Ba(OH)2 + CO 2
---
CO 2 + Ca 2+ + 2 cr + 3 H 20 BaC03
~
+ H20
(5-25a) (5-25b)
CO 2 ist der .Rohstoff" fur die Bildung organischer Materie (Zucker, Starke, Cellulose) durch die Photosynthese der griinen Pflanzen (Assimilationsprozess). Mensch und Tier bauen die organischen Stoffe unter Aufnahme des dazu notwendigen Sauerstoffs ab (Atmung), die dabei gewonnene Energie wird zur Aufrechterhaltung der Lebensprozesse benotigt. Der Mensch atmet taglich im Mittel 350 I CO 2 aus, der COz-Volumenanteil der Atemluft liegt bei etwa 4%. Die natiirlichen COz-Zyklen einschlieBlich der sparer zu besprechenden Sedimentations- und Losevorgange sind in Abb. 5.2 gezeigt.
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
... n9 Ernal,ru
115
Pflanzen
Lebew~FOSSi lierun
Fo
"/"
s ~
Fossilien
c:
o
~
'E 'iii
{ o o
I I CO2
(Atrnosphare)
CO2 (aq)
-=------
Sedirnen~at· Ion
c: Q) c: c:
~
II)
Carbonatgestein
/l-U"O~
~d""",,enn\\iieerreen\1 se I,,·
Sedimentgestein
Abbildung 5.2 CO2-Zyklen in der Natur
5.4.3.2
Kohlensaure und Carbonate
Die wassrige Losung von Kohlendioxid reagiert schwach sauer, ihr pH-Wert hangt von der Menge des gelosten CO 2 abo CO 2 ist das Saureanhydrid der Kohlensaure H2C03 (Gl. 5-26 bis 5-28). CO2 + H20 H2C03 + H20 HC0 3- + H20
(5-26) (5-27) (5-28)
Das Gleichgewicht (5-26) liegt weitgehend auf der linken Seite. Mehr als 99% der Gesamtmenge des gelosten Kohlendioxids liegt physikalisch gelost als hydratisierte COrMolekiile vor. Nur ein auBerst geringer Anteil der gelosten CO 2-Molekiile setzt sich mit H20 zu Kohlensaure urn. Dabei liegen in der Losung praktisch keine H2C03-Molekiile vor, sondem iiberwiegend durch Proto lyse (5-27) gebildete H30+- und HC03--Ionen. Es ist chemisch falsch, wenn - wie es im Umgangssprachgebrauch haufig geschieht - Kohlendioxid selbst als Kohlensaure bezeichnet wird. Genauso unkorrekt ist es, wenn man im Faile COrhaltiger Wasser von Kohlensaurelosungen spricht, obwohl es sich praktisch iiberwiegend urn physikalisch gelostes CO 2 handelt. Kohlensaure lasst sich aus wassriger Losung nicht isolieren. Ais zweibasige Saure bildet H2C03 zwei Arten von Salzen, Hydrogencarbonate (fruher: Bicarbonate) mit dem Anion HC0 3- und Carbonate mit dem Saurerestion C032- . Das Carbonation ist eine starke Anionbase (Kap. 6.5.3.1).
116
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
Bei einer genaueren Betrachtung der Saurestarke von Kohlensaure gelangt man zu einem uberraschenden Ergebnis. Bezieht man den Anteil des physikalisch gelosten, hydratisierten CO 2 in die Saurekonstante ein, muss man gem. Gl. (5-26) und (5-27) fiir den Nenner schreiben: [c(C02(aq» + c(H 2C03)]. Man erhalt eine scheinbare Dissoziationskonstante K 1' (Gl. 5-26a), die meist in Tabellenwerken angegeben wird (pK S1 = 6,35). Sie weist die Kohlensaure als schwache Saure aus. (5-26a)
Berucksichtigt man den Anteil an physikalisch gelostem CO 2 nicht, steht also nur die Konzentration an nichtprotolysierter Kohlensaure c(H 2C03) im Nenner, ergibt sich eine neue, um drei Zehnerpotenzen grolsere Dissoziationskonstante K S1 = 2,5 . 10-4 ("wahre" Konstante; pK s1 = 3,6). Danach gehort die Kohlensaure zu den mittelstarken Sauren. Fur die zweite Protolysestufe (Gl. 5-28) betragt die Saurekonstante K S2 = 4,84 . 10-11 mol/l (pK S2 = 10,3). Das Hydrogencarbonation ist demnach eine sehr schwache Saure. Eine CO 2gesattigte Losung weist bei 20°C einen pH-Wert von 5,6 auf. Die Carbonate losen sich mit Ausnahme der Alkalimetallcarbonate (Na2C03, K2C0 3) schwer in Wasser. Mit dem Hydrogencarbonation bilden aIle Alkalimetalle (Ausnahme: Li) feste Verbindungen, die sich in der Hitze zum Carbonat zersetzen. Mit den Erdalkalimetallen bilden sich lediglich Losungen der Hydrogencarbonate. Dampft man die Losungen ein, fallen die Carbonate aus. Ein Salz Ca(HC03)2 kann nicht isoliert werden! Von groBer praktischer Bedeutung ist die Auflosung des CaC03 (bzw. des Kalksteins) durch Einwirkung COrhaltiger Wasser unter Bildung von Hydrogencarbonat (KalksteinKohlensaure-Gleichgewieht, auch: Kalk-Kohlensaure-Gleichgewicht, Gl. 5-29). (5-29) Dieses Gleichgewicht, das in analoger Weise fur MgC03 gilt, bildet die Grundlage fur zahlreiche praktische Problemstellungen wie den kalklosenden Angriff, die temporare Wasserharte einschlieBlich Kesselsteinbildung, die Sedimentierung von Erdalkalimetallcarbonaten im Meerwasser, ja selbst fur die Ausbildung von Stalaktiten und Stalagmiten in Kalk( stein)-Tropfsteinhohlen, In diesem Zusammenhang sollen einige Begriffe erlautert werden, die im Bauwesen, der Wasserchemie bzw. -analytik und der Kraftwerkschemie benutzt werden, um die Funktion der Kohlensaure in Gl. (5-29) klarer zu fassen. So spricht man im FaIle des im Wasser physikalisch gelosten Kohlendioxids von freier Kohlensaure, die loslichen Hydrogencarbonate des Calciums und Magnesiums bezeichnet man dagegen als gebundene Kohlensaure. Um eine bestimmte Menge an Erdalkalimetallionen (und damit eine bestimmte Carbonatharte, Kap. 6.4.1) in Losung zu halten und die Abscheidung der schwer loslichen Carbonate zu verhindem, ist eine ganz bestimmte Menge freies CO 2 notwendig. Sie wird als zugehorig bezeichnet (freie zugehorige Kohlensaure). Enthalt das Wasser gerade diese zur Stabilisierung der vorliegenden HC03-- und Ca2+-Konzentration erforderliche Menge an
5.4 Natiirliche Luftinhaltsstoffe
117
CO 2, befindet sich das Wasser im Kalkstein-Kohlensaure-Gleichgewicht. Reicht bei harten Wassern das vorhandene CO 2 zur Stabilisierung des Hydrogencarbonats (HC0 3- ) nicht aus, scheidet sich Kalkstein abo Unter der freien iiberschiissigen Kohlensaure (auch: aggressive Kohlensaure) versteht man schlieBlich den Mehranteil an CO 2, der tiber die Aufrechterhaltung des KalksteinKohlensaure-Gleichgewichts hinaus in einem Wasser vorhanden ist. Gelangt ein Wasser mit freier iiberschiissiger Kohlensaure in Kontakt mit Kalkstein- oder Dolomitschichten, werden die Carbonate unter Bildung von Ca- oder Mg-Hydrogencarbonaten gelost. Freie iiberschiissige Kohlensaure verhalt sich demnach aggressiv gegenuber Kalkstein bzw. Kalk und Beton.
5.4.3.3
Kohlendioxid als Treibhausgas - Treibhauseffekt
Kohlendioxid gehort zu den k1imawirksamen Spurengasen. Der Einfluss dieser Gase auf das Klima soli im Folgenden kurz dargestellt werden. Von den 47% der Strahlungsenergie des Sonnenlichts, die die Erdoberflache erreichen und erwarmen, wird der uberwiegende Teil in Form von Warmestrahlung, also Strahlung des infraroten Bereichs des elektromagnetischen Spektrums (IR-Strahlung), wieder in die Atmosphare zuriickgestrahlt. Wiirde dies nicht geschehen, kame es in kiirzester Zeit zu einer Aufheizung der Erde. Die klimawirksamen Gase der Atmosphare absorbieren einen groBen Teil der Warmestrahlung und speichem sie als Warmeenergie. AnschlieBend geben sie die aufgenommene Energie in aile Richtungen wieder ab, sowohl ins Weltall als auch zuruck zur Erdoberflache. Die Abgabe der Warmeenergie wieder zuruck zur Erdoberflache charakterisiert das Prinzip des Treibhauseffektes. Die diesen Effekt bewirkenden Gase werden als Treibhausgase bezeichnet. Der Vergleich mit einem Treibhaus (Gewachshaus), wo die Sonnenenergie in Form von Warme "eingefangen" wird, ist folgendermaBen zu verstehen: Wahrend in einem Gewachshaus das Sonnenlicht durch das Glasdach eindringen kann, wird ein Entweichen der warmen Luft weitgehend verhindert. Die Funktion des Glasdaches ubemehmen in der Atmosphare die Treibhausgase. Sie absorbieren die Warmestrahlung und regulieren damit das Klima. Damit ein Gas treibhausaktiv ist, muss es bestimmte strukturelle Voraussetzungen erfullen. Zum einen mtissen durch Absorption von IR-Strahlung Schwingungen der Atome entlang der Bindungsrichtungen angeregt werden konnen. Damit gehoren die einatomigen Edelgase von vomherein nicht zu den Treibhausgasen. Eine Bindung zwischen zwei Atomen des gleichen Elements ist nicht IR-aktiv, also nicht zur Absorption von IR-Strahlung in der Lage. Somit sind auch die zweiatomigen Gase N 2, O2 und H 2 keine Treibhausgase. IR-aktiv sind Molekule, die aus 2 verschiedenen Atomen bestehen oder aus mindestens drei Atomen aufgebaut sind. Zur letzteren Gruppe von Verbindungen gehoren die Treibhausgase H 20, CO 2, CRt, die FCKW, N 20 und 0 3 • Auch S02 und die Stickoxide NO x sind treibhausaktiv, obwohl ihr Einfluss aufgrund ihrer geringen Konzentration vernachlassigbar klein ist. Details zur IR-Spektroskopie siehe Lehrbucher der analytischen Chemie. Ohne die atmospharischen Treibhausgase lage die mittlere Durchschnittstemperatur auf der Erde urn 33°C tiefer, also nicht bei +15°C sondem bei -18°C. Die natiirlichen Treibhausgase, allen voran Wasserdampf und Kohlendioxid, ermoglichen das Leben auf der Erde in
118
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
seiner jetzigen Form. Sie mildem die groBen Temperaturschwankungen, die sonst zwischen Tag und Nacht auftreten wiirden (natiirlicher Treibhauseffekt). Betrachtet man den Beitrag der Treibhausgase an der Anhebung der Durchschnittstemperatur urn 33°C genauer, so wird deutlich, dass aIlein der HzO-Dampf eine Temperatursteigerung von 20,6°C bewirkt. Auf COz entfallt ein Beitrag von 7,2°C, auf Ozon 2,4°C, auf NzO 1,4°C, auf Methan 0,8°C und auf die restlichen Spurengase (FCKW, NH 3, CC14 u.a.) 0,6°C. Der Anteil des Wasserdampfes an der Durchschnittstemperatur von +l5°C (am Boden) betragt somit 62,4%, der des COz 21,8% [UC 1]. Infolge der standig anwachsenden Erdbevolkerung und der damit verbundenen Zunahme landwirtschaftlicher und industrieller Aktivitaten wie der Waldrodung, der ErschlieBung neuer landwirtschaftlicher Nutzflachen, der Brandrodung, dem Aufbringen mineralischer Diinger, der ungehemmten Verbrennung fossiler Brennstoffe und Holz sowie der Produktion halogenierter Kohlenwasserstoffe wachst die Emission klimawirksamer Gase standig an. Diese zusatzlich freigesetzten Treibhausgase reichem sich ebenfalls in der Atmosphare an (anthropogener Treibhauseffekt). Rund 60% des anthropogenen Treibhauseffekts werden durch COz verursacht. Damit ist Kohlendioxid das wichtigste Treibhausgas tiberhaupt, gefolgt von Methan (- 15%), den FCKW (- 11%), tropospharischem Ozon « 9%) und Distickstoffmonoxid (- 4%). Seit Beginn der Industrialisierung (1750/1800) ist die COz-Konzentration kontinuierlich angestiegen und zwar von 280 ppm auf 385 ppm im Jahre 2005. Das bedeutet einen Anstieg urn ca. 37%. Wie oben betont, tragen auch die Gase C~, die FCKW, Ozon und NzO zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Zum Beispiel besitzen die Spurengase C~ und NzO, deren Konzentrationen ebenfalls kontinuierlich ansteigen (C~ 1750/1800: 0,7 ppm, 2006: 1,774 ppm; NzO 1750/1800: 0,276 ppm, 2006: 0,319 ppm) im Sinne des Treibhauseffekts weitaus giinstigere Absorptionseigenschaften als COz (QueIle: IPCC 2007). Methan C~ entsteht iiberall da, wo organisches Material unter anaeroben Bedingungen abgebaut wird. Es stammt zu etwa 20% aus natiirlichen Quellen (Moore, Siimpfe ~ Sumpfgas) und zu etwa 80% aus anthropogenen Quellen (Landwirtschaft, Forderung und Verteilung von Erdol und -gas, Bergbau, anaerobe Verrottung organischer Abfalle auf den Deponien). Knapp 2/3 der anthropogenen Emissionen entstehen bei landwirtschaftlichen Aktivitaten, Hier sind insbesondere der Nassreisanbau, der wachsende Viehbestand durch die Massentierhaltung und die Brandrodung in den Tropen zu nennen. Beim Nassreisanbau entstehen in den iiberfluteten Reisfeldem aus organischer Substanz unter Sauerstoffausschluss Methan und Kohlendioxid; Methangiirung: (CHzO)n ~ n COz + n C~. Distickstoffmonoxid NzO ("Lachgas") entsteht durch mikrobielle Umsetzungen von NVerbindungen in Boden und Gewassern. HauptqueIlen: die in der Landwirtschaft eingesetzten mineralischen Stickstoffdiingemittel, Verbrennung von Biomasse (Brandrodung). Heute ist unbestritten, dass sich die Spurengaskonzentrationen in der Erdatmosphare durch anthropogene Aktivitaten nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Was sind die Konsequenzen einer sich stetig erhohenden Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphare? Tatsache ist, dass die global ermittelte Temperatur seit 1860 bis heute urn 0,7°C angestiegen ist. Dies ist der starkste Temperaturanstieg auf der Nordhalbkugel wahrend der letzten
5.5 Luftschadstoffe
119
1000 Jahre. Die Konsequenzen eines weiteren Temperaturanstiegs (Modellrechnungen ergeben fur das Jahr 2100 eine Temperaturerhohung urn ca. 5°C) auf das Klima sind sehr schwer abzuschatzen, da das K1imasystem aus einer Vielzahl von Teilprozessen besteht, die zudem durch vielfaltige Ruckkopplungsmechanismen aufeinander wirken. Man geht davon aus, dass die ungehemmte Emission von Treibhausgasen zu extremen Wetterlagen wie Trockenperioden und Uberschwemmungen und damit zu Hungersnoten und wirtschaft1ichen Katastrophen fuhren wird. Die Verhinderung der prognostizierten (besorgniserregenden!) Klimaentwicklung ist ein existentielles Problem, das nur im Rahmen eines grund1egenden okologischen Strukturwande1s zu losen ist und sowoh1 vonseiten der Wissenschaft a1s auch der Politik und der Wirtschaft ein hohes MaB an Sensibilitat und Verantwortungsbewusstsein, vor allem aber an Sachkompetenz verlangt.
5.5
Luftschadstoffe
Die aggressive, die Bausubstanz angreifende Wirkung der atmospharischen Luft ist in erster Linie auf die Luftschadstoffe Schwefeldioxid und die Stickoxide zuruckzufuhren. Auf Quellen, Eigenschaften und Reaktionen dieser Schadgase solI im Weiteren naher eingegangen werden.
5.5.1
Schwefeldioxid (502)
5.5.1.1
Physikalisch-chemische Eigenschaften
Schwefe1dioxid S02 gelangt uberwiegend durch die Verbrennung schwefelhaltiger fossiler Brennstoffe (Koh1e, Erdol), aber auch durch industrielle Prozesse wie die Eisen- und Stahlerzeugung, die Schwefelsaureproduktion und die Erdolaufarbeitung in groberen Mengen in die Atmosphare, Dazu kommen die aus naturlichen Quellen (Oxidation organischer schwefe1haltiger Verbindungen aus Ozeanen und Sumpfen, Vu1kanismus) stammenden S02Emissionen. Schwefeldioxid ist ein stechend riechendes, farbloses, giftiges Gas. Es entsteht als unmittelbares Verbrennungsprodukt des Schwefels, ist selbstjedoch nicht brennbar. Sein MAKWert 1iegt bei 5 mg/rrr' (2 ppm). Die Dichte des S02 betragt p = 2,927 gil. S02 ist damit ca. 2,3 mal schwerer als Luft. Bei 20°C und 1,013 bar losen sich 39,4 I S02 pro Liter Wasser. Damit ist seine Wasserloslichkeit etwa 45 mal hoher als die des CO 2. Das S02-Molekiil besitzt eine gewinkelte Struktur (Bindungswinkel 119,5°) mit zwei s-oBindungen gleicher Bindungslange. Der relativ kurze S-O-Bindungsabstand (143 pm) weist auf das Vorliegen von zwei Doppelbindungen hin. Damit ergibt sich die folgende LewisStruktur fur S02:
s
10
~~
01
120
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
5.5.1.2
Schwefelsauren und deren Salze
Die wassrige Losung von Schwefeldioxid reagiert sauer. S02 ist das Saureanhydrid der schwefligen Saure H2S0 3 (Gl. 5-30). (5-30) Ahnlich wie bei der Losung von CO2 in Wasser, 1iegt das Gleichgewicht weitgehend auf der linken Seite. Die Losung enthalt eine kleine (nicht bekannte!) Menge schwefliger Saure. Reine H2S03 ist instabil und kann nicht isoliert werden. Schweflige Saure H2S03 protolysiert in zwei Stufen (Gl. 5-31, 5-32):
H2S03 + H20 HS03- + H20
H30+ + HS03H30+ + S03 2- .
(5-31) (5-32)
Damit bi1det die schweflige Saure zwei Arten von Salzen, die Hydrogensulfite (Bisulfite) mit dem Anion HS03- und die Sulfite mit dem Saurerestion S032-. Aufgrund seines Vermogens, in Anwesenheit von Feuchtigkeit Hydroniunul-l-O'j-Ionen zu bilden, bezeichnet man S02 auch als saures Gas. CO2, N02 und HCI sind ebenfalls saure Gase. Schwefeldioxid, schweflige Saure und Sulfite zeichnen sich durch ihr Reduktionsvermogen aus, wobei sie se1bst zu Sulfat oxidiert werden. Dabei geht der Schwefel von der Oxidationsstufe +IV in die Oxidationsstufe +VI tiber. Die exotherme Oxidation von S02 zu SchwefeItrioxid (S03) ist kinetisch gehemmt und lauft nur in Anwesenheit von Katalysatoren ab (Gl. 5-33). Ml = -99 kJ/mol
(5-33)
Schwefeltrioxid bildet mit Wasser Schwefelsaure H2S0 4 • S03 ist demzufolge das Saureanhydrid der H2S0 4 • Von der zweibasigen Schwefelsaure 1eiten sich ebenfalls zwei Arten von Salzen ab, Hydrogensulfate HS04- und Sulfate SO/- (s.a. Kap. 6.5.3.8). Die katalytische Oxidation von S02 zu S03 bildet das Kemstiick der industriellen Schwefelsaureproduktion. In der Atmosphare ubernehmen RuBpartikel bzw. Metallstaube die Funktion des Katalysators. Mit dem H20 der Luft bildet sich Schwefelsaure, die sofort zu Tropfen kondensiert tSchwefelsaurenebel bzw. -aerosole). Die vorstehenden Betrachtungen machen deutlich, dass Schwefel in der Natur vor allem in Form von Verbindungen transportiert wird (Abb. 5.3), in denen er in oxidierter Form vorliegt (S02/S03, H2S0 4/SO/-). Natiirliche Quellen wie Pflanzen und Vulkane emittieren den Schwefel in reduzierter Form (z.B. H2S). Die mittlere Verweildauer des S02 in der Atmosphare liegt bei etwa 2 Wochen. Dies ist zu kurz, als dass sich das Schadgas global tiber grofsere Bereiche ausbreiten kann. Man muss demnach von Regionen mit hoher SOrBelastung (Industriegebiete und deren Umgebung) und Regionen mit geringer Be1astung (landliche Gebiete und Reinluftgebiete) ausgehen.
5.5 Luftschadstoffe
121
sot
sot
t \
\
Weitere Oxidation
Weitere Oxidation
\
Regen Ober dem Meer S02'
sot
SI"" j Seesalz
Regen Ober dem Land Verbrennung fossiler H2S Brennstoffe, Waldbrande Biologische Prozesse
S02'
t
(
sot
I
SO SO 22'
4
Aufnahme durch Pflanzen, trockene Deposition
~
Abbildung 5.3 Der Schwefelkreislauf in der Natur
Hinsichtlich des Einflusses der Atmosphare auf die Korrosion von Stahlen und anderen Baumetallen unterscheidet man in Abhangigkeit vom Ortsk1ima (Makrok1ima) fo1gende vier Atmospharentypen: L (Land) - Geringe Korrosionsbe1astung, Atmosphare ohne nennenswerte Gehalte an S02 und anderen Schadstoffen; S (Stadt) - MiifJige Korrosionsbe1astung, Atmosphare mit maBigen Gehalten an S02 und anderen Schadstoffen; I (lndustrie) Starke Korrosionsbelastung, Atmosphare mit hohen Gehalten an S02 und anderen Schadstoffen; M (Meer) - Sehr starke Korrosionsbelastung, Atmosphare durch besonders korrosionsfordernde Schadstoffe (z.B. verunreinigt und/oder mit standig hoher Luftfeuchte [KS 10].
en
5.5.1.3
Saurer oder London-Smog
Treten in der atmospharischen Luft hohe S02-Konzentrationen auf, z.B. Feuerung schwefelhaltiger Brennstoffe im Winter (!), kann es unter entsprechenden geographischen (z.B. Tallage) und meteoro1ogischen Bedingungen (lnversionswetterlage) ebenfalls zu einer Smogsituation kommen. Man spricht vom Sauren bzw. Wintersmog, auch London-Smog. Der Begriff London-Smog geht auf die Geschehnisse im Winter 1952 in London zuruck. Die Verbrennung stark S-haltiger Brennstoffe, die Art der Heiztechnik in Fabriken und Haushalten verbunden mit einer niedrigen Auslasshohe der Abgase, die geographische Lage Londons im Themsetal und eine nasskalte, austauscharme Wetterlage fiihrten zu einer zwei Wochen andauemden extrem starken Smogbelastung. Ais Folge der auBerordentlich hohen Konzentration an schwefelhaltigem Aerosol verstarben tiber 4000 Menschen. Beim
122
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
London-Smog handelt es sich urn eine disperse Verteilung von festen (RuB) und flttssigen (vor allem Schwefelsaure) Stoffen in der Luft, die durch thermische undloder chemische Prozesse bzw. durch Kondensation entstanden sind. Von London abgesehen, wo sich durch drastische Reduzierung des SOr und Staubgehaltes der Luft die Situation seit 1952 spurbar verbessert hat, kann sich eine winterliche Smogsituation jederzeit bei Vorherrschen entsprechender Bedingungen einstellen.
5.5.2
5tickoxide (NO, N02)
Der Begriff Stickoxide (allgemeine Formel: NOx) bezieht sich im Umgangssprachgebrauch auf die Stickstoffoxide Stickstoffmonoxid NO und Stickstoffdioxid N0 2, die tiber die Gleichgewichtsreaktion (Gl. 5-35) miteinander verknupft sind und deshalb stets gemeinsam auftreten. Mehr als 90% der anthropogen emittierten Stickoxide gehen auf Verbrennungsvorgange der Energieerzeugung und des Kfz- und Flugzeugverkehrs zuriick. Bei Temperaturen tiber 10000e entsteht aus dem Stickstoff des Brennmaterials oder der Verbrennungsluft und dem Luftsauerstoff zunachst NO, das schnell zu N02 oxidiert wird.
Stickstoffmonoxid NO ist ein farbloses, giftiges, nicht brennbares Gas. Es lasst sich aufgrund der inerten Natur des Stickstoffs nur bei hohen Temperaturen (elektrischer Lichtbogen, Verbrennungsmotor) aus den Elementen herstellen und das auch nur mit geringen Ausbeuten. Technisch gewinnt man NO durch katalytische Oxidation von Ammoniak (PtIRh-Katalysatoren, T = 820 ...950 De; Gl. 5-34). Stickstoffmonoxid ist ein wichtiges Zwischenprodukt der Salpetersaureherstellung, Kat.
4 NO + 6 H 20
(Ostwald-Verfahren).
(5-34)
NO ist ein paramagnetisches Molekul. Seine Elektronenstruktur kann durch die nachfolgenden Grenzformeln wiedergegeben werden:
e N=O
--
.
EEl
N=O
Kommt Stickstoffmonoxid mit Luft in Beriihrung, entstehen sofort braunrote Dampfe von N02 (Gl. 5-35). Bei der ablaufenden Oxidationsreaktion erhoht sich die Oxidationszahl des Stickstoffs von +11 (NO) auf +1V (N02)'
Ml= -114,2 kl/mol
(5-35)
Stickstoffdioxid N02 ist ein braunrotes, charakteristisch riechendes, stark giftiges Gas. Sein MAK-Wert betragt 9 mg/m' (-5 ppm). Bei Temperaturemiedrigung wird das Gas allmahlich farblos, wahrend bei Erwarmung des Gases tiber die Zimmertemperatur hinaus die Intensitat der braunroten Farbe zunimmt. Hintergrund dieser Farbanderung ist eine Dimerisierung (Gl. 5-36). Das braunrote N0 2 steht im Gleichgewicht mit der farblosen, dimeren Verbindung Distickstofftetraoxid N 20 4 . Mit fallender Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts, unterhalb von o-c ist nur noch N 20 4 vorhanden.
5.5 Luftschadstoffe
2N02
123
MI= -57,2 kJ/mol
(5-36)
rotbraun
Wie die folgenden Grenzformeln zeigen, verfugt auch Stickstoffdioxid tiber ein ungepaartes Elektron. N02 ist ebenfalls paramagnetisch.
•e •e N .---. N ~ '"101 e e101/ ~01 10 Bei der Dimerisierung zum N 20 4 werden zwei N02-Molekiile tiber eine N-N-Bindung miteinander verknupft. Die ungepaarten Elektronen der N02-Molekiile lagem sich zu einem Bindungselektronenpaar zusammen. Der Paramagnetismus geht verloren. Stickstoffdioxid wird als gemischtes Saureanhydrid bezeichnet, da bei Losung von N02 in Wasser sowohl salpetrige Saure (HN02, Salze: Nitrite) als auch Salpetersaure (HN0 3, Salze: Nitrate) entstehen (Gl. 5-37). Durch die Reaktion von N02 (Oxidationsstufe des N: +IV) mit Wasser entstehen mit HN02 (Oxidationsstufe des N: +III) und HN03 (Oxidationsstufe des N: +V) Verbindungen, die den Stickstoff in einer niedrigeren und einer hoheren Oxidationsstufe enthalten als die Ausgangsverbindung. Die Hinreaktion des Gleichgewichts (5-37) ist damit ein Beispiel fur einen besonderen Typ einer Redoxreaktion, eine Disproportionierungsreaktion (Kap. 7.2). (5-37) In Anwesenheit von Sauerstoff lost sich N02 zu Salpetersaure (Gl. 5-38). (5-38) Das N02 der Luft ist zu weiteren chemischen Reaktionen in der Lage. Deshalb betragt seine Verweilzeit in der Atmosphare nur wenige Tage. Die in feuchter Luft gebildete Salpetersaure (evtl. auch salpetrige Saure) und deren Salze werden mit dem Regenwasser ausgewaschen und tragen zur Versauerung von BOden und Gewassern bei. Da die gebildeten Sauren die Oberflache von Metallen angreifen, werden die Stickoxide auch als korrodierende Gase bezeichnet.
5.5.3
Schadwirkungen und MaBnahmen zu ihrer Verhinderung
Aufgrund seines saurebildenden Verhaltens bewirkt Schwefeldioxid Reizungen und Schadigungen der Schleimhaute (Augenbrennen, starker Reizhusten). Besonders empfindlich reagieren Kinder, Personen mit chronischer Bronchitis und Asthmatiker auf eine Schwefeldioxidbelastung. Da S02 oftmals mit anderen gesundheitsschadigenden Faktoren kombiniert auftritt, sind klare Aussagen zu seiner Schadwirkung auf den Menschen schwierig. Erwiesen ist, dass hohe Schwebstaubkonzentrationen in der Luft die Toxizitat von S02 signifikant steigem und damit das Risiko von Bronchitiserkrankungen erhohen konnen (s.
124
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
London-Smog). Bekannt ist auch, dass die Kombination NOx/SO z - beide Schadgase treten haufig gemeinsam auf - zu einer Steigerung der Atemwegserkrankungen flihrt. Pflanzen reagieren weitaus empfindlicher auf SOz als der Mensch. Das von der Pflanze vor allem iiber die Blatter aufgenommene SOz greift als schweflige Saure in den biochemischen Funktionsmechanismus der Zelle ein. Veranderungen der Feinstruktur der Zelle, Gewebeveranderungen sowie eine Blockierung des SchlieBmechanismus der Spaltoffnungen von Blattern und Nadeln fuhren zu Storungen von Transpirations- und Stoffwechselvorgangen sowie der Photosynthese. Schadigungen der Blatter und Nadeln bis hin zum Absterben sind die Folge.
5.5.3.1
Saurer Regen und Folgeschiden
1m Zuge der Selbstreinigung der Atmosphare werden wasserlosliche Stoffe durch den Regen oder andere Niederschlage ausgewaschen. Auf diese Weise gelangen die Schadgase wieder zuriick zur Erde. Regenwasser, das im Wesentlichen nur in Kontakt mit dem COz der Luft steht (Reinluftgebiete), besitzt einen pH-Wert von ca. 5,6 (COz-Sattigung!). Es wird mitunter als .Sauberer Regen" bezeichnet.
Da Regenwasser stets mehr oder weniger grofle Mengen an gelostem CO2 enthalt, besitzt es niemals den pli-Wert 7 (neutral). Es reagiert immer schwach sauer. Saurer Regen. In Ballungs- und Industriegebieten liegt der pH-Wert des Regens deutlich unter 5,6. Verantwortlich fur die Absenkung des pH-Wertes sind Schwefelverbindungen und Stickoxide - oder genauer gesagt, die sich aus ihnen bildenden Sauren H zS0 4 und RN0 3 , neben HCI. Der Anteil dieser Sauren an der Aciditat des so genannten Sauren Regens wurde wie folgt bestimmt: H zS0 4 (83%), RN03 (12%) und HCI (5%) [UC 1]. In der BRD geht man heute von einem mittleren pH-Wert des Regens zwischen 4,5 ... 5,0 aus. In der Vergangenheit wurden in Ballungsgebieten pH-Werte unter 3,0 gemessen. Saurer Regen fuhrt zu einer Versauerung der Oberflachengewasser und - besonders bei kalkarmen Boden mit einer geringen Pufferkapazitat - zu einer Bodenversauerung. Fur Lander, die einen GroBteil des Trinkwassers aus Oberflachenwasser erzeugen, ist die standige Kontrolle des pH-Wertes von Seen und Fliissen lebensnotwendig. Gesunde Seen besitzen pH-Werte urn 7, d.h. sie sind neutral. Beim Unterschreiten eines pH-Wertes von 5,5 gelten die Gewasser als ubersauert, bei pH-Werten < 5 sterben die Lebewesen abo Die Gewasser sind "tot". Saurer Regen schadigt auch Baustoffe und damit Bauwerke in starkem MaBe. Sowohl carbonathaltige Putze und Betone als auch Natursteine wie kalkig gebundene Sandsteine werden angegriffen (Kap. 9.4). Metalle korrodieren unter dem Einfluss saurer Gase bzw. des Sauren Regens schneller (Kap. 8.2), Glaser und Glasgemalde alter Bauwerke werden zerstort, In diesem Zusammenhang soli noch auf das vieldiskutierte Problem des "Waldsterbens" eingegangen werden. Urspriinglich wurden auftretende Waldschaden unrnittelbar der Produktion von Rauchgasen angelastet, standen die geschadigten Walder doch meist im Einflussgebiet groBer Braunkohlen- oder Steinkohlenkraftwerke. Seit den achtziger Jahren treten jedoch gehauft grolsflachige Waldschaden in weniger belasteten Gebieten auf. Man
5.5 Luftschadstoffe
125
erkannte bald, dass die sauren Gase (S02, NO x und HCI) - ob gasformig oder im Niederschlagswasser gelost - nicht die alleinigen und direkten Schadensfaktoren der sogenannten Neuartigen Waldschaden sein konnen. Heute geht man von einem Ursachenkomplex unterschiedlicher biotischer und abiotischer Faktoren aus. Die Luftverunreinigungen aus anthropogenen Quellen (Industrieanlagen, Kraftwerke, Verkehr, Haushalte, Landwirtschaft) spielen dabei eine Schliisselrolle.
Ursachen der Neuartigen Waldschaden: • Wirkung anthropogen emittierter Luftschadstoffe und Photooxidantien (S02, NO x, NH 3 , Staube, Herbizide, 0 3) • Versauerung der Waldboden • Witterungsbedingte Ursachen (Trockenheit, Schneebruch, starke Temperaturstiirze) • Schadlingsbefall (Viren, Bakterien, Pilze, Insekten) und Wildverbiss • Mangel bei der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Monokulturen, mangelnde Diingung, unzureichende Waldpflege, ungeeignete Baumarten) und Bodenversiegelung.
5.5.3.2
Rauchgasentschwefelung - REA-Gips
Die heute in der Bundesrepublik Deutschland giiltigen gesetzlichen Verordnungen und Vorschriften zur Reinhaltung der Luft leiten sich im Wesentlichen vom Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG, [UC 5]) als dem zentralen Gesetz zur Luftreinhaltung abo Das Bundes-Immissionsschutzgesetz gliedert sich in 14 Verordnungen und sechs Verwaltungsvorschriften (Stand 1986). Die wichtigsten sind die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), die Grofifeuerungsanlagenverordnung (13. BImSchV), die Verordnung tiber Immissionswerte (22. BImSchV) und die Verordnung zur Verhinderung schadlicher Einwirkungen bei austauschannen Wetterlagen (Smog-Verordnungen der Bundeslander), Die Methoden und Verfahren zur Luftreinhaltung miissen in erster Linie dem Ziel dienen, von vomherein durch veranderte Synthese- und Verfahrensschritte, durch neuartige Technologien mit moglichst geschlossenen Stoffkreislaufen und durch den Einsatz altemativer Rohstoffe die Bildung von Luftschadstoffen zu minimieren oder ganz zu venneiden. 1st eine vorbeugende Venneidung von Luftschadstoffen (noch) nicht moglich, miissen Nachsorgetechnologien eingesetzt werden. Zur Erfiillung der Vorgaben der Verordnung iiber GroBfeuerungsanlagen (1983) waren die Kraftwerksbetreiber angehalten, die Kohlekraftwerke mit Rauchgasenentschwefelungsanlagen (REA) auszuriisten. Dabei hat sich in der BRD mit etwa 90% Marktanteil das Kalk-/Kalkstein-Waschverfahren durchgesetzt. Durch Einspriihen einer Kalk- bzw. Kalksteinsuspension in den Abgasstrom wird das Schwefeldioxid wirkungsvoll gebunden (Spriihabsorption). Ob Kalk oder Kalkstein eingesetzt wird, hangt in der Regel von den ortlichen Gegebenheiten abo Die Herstellung von CaO ist energieintensiv. Damit liegt der Preis der Waschfliissigkeit im Fall des natiirlichen Kalksteins ungleich giinstiger als beim Branntkalk. Dem stehen eine geringere Loslichkeit und Reaktionsfahigkeit, ein erhohter VerschleiB durch die groBere Harte und ein hoherer spezifischer Verbrauch beim Kalkstein gegeniiber. Diese Fakten muss der Betreiber der REA-Anlage genau gegeneinander abwagen, Yom okologischen Standpunkt sollte der Kalkstein gegeniiber dem energieintensiven Branntkalk bevorzugt werden. Mit Blick auf die Qualitat und die Verwendungsmoglichkeiten des anfallen-
126
5 Luft und Luftinhaltsstoffe
den Gipses (s.u.) ist dem reineren Kalk gegenuber dem mehr oder weniger verunreinigtem Kalkstein der Vorzug zu geben. Die wichtigsten ablaufenden chemischen Reaktionen sind: Ca(OH)2 + S02 CaC03 + S02 CaS03 + ~ O 2 + 2H 20
----
CaS03 + H 20 CaS03 + CO2 CaS04 ·2H20.
(5-39) (5-40) (5-41 )
Es werden Schwefelabscheidungsgrade von tiber 95% erreicht. Das primar entstehende Calciumsulfit CaS03 (5-39, 5-40) fallt als Sulfitschlamm im Kalkwaschturm an. Durch Einblasen von Luft (02) in die Suspension lauft unter standigem Umriihren die Oxidation zum Sulfat ab (5-41). Nach dem Zentrifugieren und dem anschlieBenden Wasch- und Filtrierprozess werden die Gipskristalle als feuchtes, feinteiliges Produkt mit ca. 10% Feuchte erhalten (REA-Gips). Eine weitgehend mechanische Entwasserung erspart Energie beim Brennen des Gipses und naturlich Transportkosten. Wahrend die Qualitat von Naturgips fiir die einzelnen Lagerstatten bekannt ist und sich nicht mehr verandert, muss die Qualitat des REA-Gipses im Kraftwerk standig neu justiert und uberpruft werden. Eine entscheidende Voraussetzung fur die Verwendung des Rohstoffes REA-Gips sind deshalb strenge Qualitatskriterien und Analysenmethoden (Tab. 5.4). Qualitat wie auch Menge des REA-Gipses werden im Kraftwerk von verschiedenen Einflussgroisen bestimmt. Die wichtigsten sind die Betriebsweise des Kraftwerks, die Art des eingesetzten Brennstoffs (Stein- oder Braunkohle) und sein Schwefelgehalt, die vorhandene REA-Technologie sowie die chemische Natur des eingesetzten Absorptionsmittels. Zum Beispiel schwankt der S-Gehalt der Steinkohle zwischen 0,45 ...1,75%, der der deutschen Braunkohle zwischen 0,15 ...3,2%. Die ersten Rauchgasentschwefelungsanlagen wurden in Steinkohlekraftwerken installiert. 1m mitteldeutschen wie auch im osteuropaischen Raum stellt aber die Braunkohle nach wie vor einen auBerordentlich wichtigen Energietrager dar. Deshalb kommt hier der Entschwefelung von Braunkohle-Rauchgasen eine besondere Bedeutung zu. Tabelle 5.4 Spezifikationen und Qualitatsanforderungen fOr das Produkt REA-Gips [Be 12]
Elaenschaft Freie Feuchtigkeit Calciumsulfat-Dihydrat (CaS04 . 2 H 20) Magnesiumoxid MgO, wasserloslich Chlorid cr Natriumoxid Na20, wasserloslich Calciumsulfit CaS03 . Y, H 20 pH-Wert Farbe Geruch Toxische Bestandteile
Anforderunz < 10% > 95% < < <
0). Die Salze bewirken beim Auflosen eine
6.3 Losung und Loslichkeit
155
Abkuhlung der Losung. In diesen Hillen ist der absolute Betrag der Hydratationsenthalpie geringfiigig kleiner als der der Gitterenergie. Der fehlende Energiebetrag wird der Umgebung entzogen. Betrachten wir als Beispiel die Auflosung von Kochsalz NaCI in Wasser: Die Gitterenergie besitzt einen Wert von UG = +780 kJ/mol und die Hydratationsenthalpie einen Wert von L1HHydr = -774 kJ/mol. Damit ergibt sich eine positive Losungsenthalpie von +6 kJ/mol. Die Auflosung von NaCI ist ein schwach endothermer Prozess. Die Betrage von UG und L1Hhydr liegen meist in vergleichbaren Grobenordnungen, die resultierenden Losungsenthalpien besitzen hingegen viel kleinere Werte. Deshalb wirken sich bereits geringe Abweichungen entscheidend auf den Differenzbetrag aus. Sie implizieren deutliche Unterschiede im Losungsverhalten, die bei praktischen Messungen oft nicht verifizierbar sind. 1st die Gitterenergie vie1 grolser als die Hydratationsenthalpie, sind die Salze in Wasser schwer loslich. Damit konnen die teilweise gravierenden Loslichkeitsunterschiede in erster Linie aufUnterschiede in den Gitterenergien zuruckgefuhrt werden. Der im Bauwesen zentrale Begriff der Zementhydratation ist weiter gefasst als die gerade bescbriebene Hydratation der Ionen. Er beinhaltet aIle Reaktionen des Zements mit Wasser, und zwar von Hydratations- und Protolysereaktionen bis hin zu komplizierten Festkorperprozessen, an deren Ende der erhartete Beton steht (Kap. 9.3.3.4). Das bei der Zementhydratation eingelagerte Wasser wird in der bauchemischen Literatur haufig in chemisch und physikalisch gebundenes Wasser unterteilt. Unter chemisch gebundenem Wasser versteht man das vom Zement als Hydratwasser oder Hydroxid gebundene Wasser, unter physikalisch gebundenem Wasser dagegen das in den Gelporen durch intermolekulare Bindungskrafte gebundene Wasser. Wahrend sich das chemisch gebundene Wasser beim Erwarmen auf eine Temperatur von 105°C nicht aus dem Zementstein austreiben lasst, entweicht das in den Gelporen physikalisch gebundene Wasser bis 105°Cvollstiindig. Die Unterteilung in chemisch und physikalisch gebundenes Wasser hat in erster Linie einen praktischen Hintergrund. Ihre Bestimmung wird u.a. zur Beurteilung des Hydratationsgrades und damit der Nachbehandlungsqualitat des Betons herangezogen.
6.3.2 Einteilung von Losungen nach ihrem Dispersionsgrad - Kolloide Sehr viele chemische Reaktionen laufen in Losung abo Das wichtigste Losungsmittel, insbesondere was die Reaktionen der Baustoffe betrifft, ist das Wasser. Deshalb wollen wir uns im Weiteren ausschlieBlich mit wassrtgeu Ldsungen befassen. Bei der Auflosung eines Salzes in Wasser erhalt man eine (echte) Losung. Echte Ldsungen sind homogene Mischungen, die aus wenigstens zwei Komponenten bestehen. Die hinsichtlich ibres Anteils tlberwiegende Komponente wird als Losungsmittel bezeichnet, die ubrigen Komponenten sind die im Losungsmittel verteilten Stoffe. Die Verteilung des gelosten Stoffes im Losungsmittelvolumen erfolgt durch die Wiirmebewegung der Teilchen. Mitunter wird in der neueren Fachliteratur anstelle des Begriffes Losungsmittel der Begriff Losemittel verwendet. Im Rahmen des vorliegenden Buches wird an der traditionellen Ausdrucksweise Losungsrnittel festgehalten.
156
6 Wasser und wassrige Losungen
In einer allgemeineren Betrachtungsweise ist die Losung ein Sonderfall einer Dispersion. Unter einer Dispersion (lat. dispersio Zerteilung) versteht man ein aus mindestens zwei Phasen bestehendes System (disperses System), bei dem die eine Phase (disperse oder dispergierte Phase) in einer zweiten Phase, dem Dispersionsmittel, verteilt ist. Echte Losungen sind molekulare Dispersionen. Sie sind durch eine molekulardisperse Verteilung eines Stoffes in einem anderen (meist H20) charakterisiert. Dispergierte Substanz und Dispersionsmittel konnen, wie die unten angefuhrten Beispiele zeigen, in verschiedenen Aggregatzustanden vorliegen. Die Teilchengrofse des dispergierten Stoffes ist fur die Eigenschaft einer Dispersion von zentraler Bedeutung. Den Grad der Zerteilung bezeichnet man als den Dispersionsgrad. Je kleiner die Zerteilung des Stoffes, umso hoher ist der Dispersionsgrad. Nach der Teilchengrobe der dispersen Phase unterscheidet man grobdisperse, molekular- oder iondisperse (feindisperse) und kolloiddisperse Systeme. Grobdisperse Systeme: Teilchengrofse > 10-7 m, Zahl der Atome im dispergierten Teilchen > 109 ; dispergierte Teilchen sind deutlich groBer als die des Dispersionsmittels Wasser. Ein grobdisperses System erscheint dem Auge nicht mehr als klare, sondem als triibe Losung (Suspension, AufschUimmung). Die Teilchen grobdisperser Systeme konnen durch Absetzen oder Filtration vom Dispersionsmittel abgetrennt werden (z.B. Filtration einer Aufschlammung von fein zermahlenem Sand in Wasser). Beispiele fur Fest-Flussig-Dispersionen sind Sand/Ton in Wasser (Schlamm) und die Dispersionsfarben. Die grobdisperse Verteilung einer Flussigkeit in einer zweiten nennt man Emulsion. Beispiele flir natiirliche Emulsionen sind Milch und Kautschuk. Rauch (feste Teilchen in Luft) und Schaum (Luftblasen in einer Fltissigkeit) sind weitere Beispiele fiir grobdisperse Systeme. Die grobdispersen Systeme gehoren zu den heterogenen Mischungen (Tab. 1.1). Molekular- oder iondisperse Systeme (echte Ldsungen): Teilchengrofse < 10-9 m, Zahl der Atome im dispergierten Teilchen 103 ••• 2; molekulardisperse Systeme erscheinen sowohl dem bloBen als auch dem "bewaffneten" Auge (Linse, Mikroskop) als vollkommen klare Flussigkeiten. Durch Filtration ist keine Trennung moglich. Molekular- oder iondisperse Systeme gehoren zu den homogenen Mischungen (Tab. 1.1). Beispiele: Kochsalz oder Traubenzucker in Wasser.
Kolloiddisperse Systeme (Kolloide, kolloide oder kolloidale Ldsungen, Sole): Teilchengrofse 10-9 ••• 10-7 m, damit nehmen die Kolloide eine Zwischenstellung zwischen einer homogenen (einphasigen) und einer heterogenen, aus mehreren Phasen bestehenden Mischung ein. Kolloidteilchen enthalten 103 •• .109 Atome. Bei den kolloiden Teilchen dominieren die Oberflacheneigenschaften die Festkorpereigenschaften. Teilt man z.B. 1 g Sand in kugelformige Partikel von 1 mm Durchmesser auf, so ergibt sich eine Gesamtoberflache von 30 cnr'. Dagegen besitzt dieselbe Menge Sand bei einer Aufteilung in 10 nm groBe Teilchen (kolloide Dimension!) eine Gesamtoberflache von 30 m2 • Wie im Weiteren gezeigt wird, spielen Reaktionen an Oberflachen kolloider Teilchen eine wichtige Rolle.
6.3 Losung und Loslichkeit
157
Nach der Bindungsart zwischen den Atomen konnen Kolloide wie folgt unterteilt werden (Staudinger, in [OC 1]): a) Dispersionskolloide Kolloider Zustand stellt hier eine Zerkleinerungsform der Materie dar. Er lasst sich fur die meisten Stoffe durch geeignete Methoden der Zerkleinerung (Kolloidmuhle, Ultraschall, Zerstaubung im Lichtbogen, Losen in organischen Losungsmitteln) oder der Aggregation bzw. Kondensation (Ubersattigen von Losungen, Fallung und Hydrolyse) erreichen, vorausgesetzt die Substanzen sind nicht im Dispersionsmittel loslich. Dispersionskolloide befinden sich thermodynamisch nicht im Gleichgewicht. Urn eine Aggregation zu vermeiden, ist eine elektrostatische Stabilisierung oder eine sterische Stabilierung durch Schutzkolloide (s. u.) zur Aufrechterhaltung des kolloiden Zustands notwendig. b) Molekiilkolloide Zusammenhalt der Atome, die ein Kolloidteilchen autbauen, ist durch "echte" chemische Bindungen gegeben. Die kolloiden Teilchen sind Makromolektile, die prinzipiell den gleichen chemischen Autbau wie eine niedermolekulare Substanz aufweisen. Bestimmte Stoffe, die Makromolekule enthalten, konnen sich gar nicht anders als kolloidal losen. Es sei denn, die Makromolektile werden unter Bindungsbruch zerstort, Beispiele: Losungen von Proteinen, Polysacchariden und synthetischen Hochpolymeren sowie von Polykieselsauren und Heteropolysauren.
c) Assoziationskolloide (Micellkolloide) Kolloide mit einem besonderen Molekulaufbau. Sie bilden sich erst ab einer bestimmten Konzentration (Micellen). Micellkolloide entstehen beim Auflosen der reinen Substanzen, ohne dass Schutzkolloide oder Peptisatoren notwendig sind. Beispiele: Losungen von Tensiden (z.B. Seife) oder Farbstoffen. Eine weitere Moglichkeit der Einteilung von Kolloiden bezieht sich auf den Aggregatzustand von dispergierter Phase und Dispersionsmittel. So liegt beispielsweise bei flussigen Aerosolen (z.B. Nebel) die Kombination flussige dispergierte Phase und gasformiges Dispersionsmittel und bei festen Aerosolen (z.B. Rauch, Staub) die Kombination feste dispergierte Phase und gasformiges Dispersionsmittel vor. Bei Emulsionen handelt es sich urn die Kombination flussig-flussig (z.B. wassrige Olemulsion) und bei Messing oder bei Goldrubinglas urn die Kombination fest-fest. In den nachfolgenden Betrachtungen wollen wir uns auf die Kombination feste disperse Phase und fltissiges Dispersionsmittel, also auf kolloide Losungen, beschranken (s.a. Tab. 1.1). Kolloide Losungen (Sole) erscheinen bei Anwendung relativ grober Untersuchungsmethoden weitgehend homogen. Bestrahlt man sie jedoch mit einem Lichtstrahl, kann der Strahlengang in der Losung beobachtet werden, da die kleinen dispergierten Partikel das Licht nach allen Seiten streuen (Tyndall-Effekt, Abb. 6.14). In echten Losungen bleibt der einfallende Lichtstrahl bei seitlicher Beobachtung unsichtbar ("optisch leere" Flussigkeit). Dass man den Lichtstrahl eines Projektors in einem mit Zigarettenrauch gefullten Raum oder den Lichtstrahl eines Autoscheinwerfers auf einem staubigen Weg sehen kann, ist ebenfalls auf den Tyndall-Effekt zuruckzufuhren.
158
6 Wasser und wassrige Losungen
Abbildung 6.14 Tyndall-Effekt
Tyndall-Kegel
Die dispergierten Teilchen der Kolloide konnen im Elektronenmikroskop sichtbar gemacht werden. Eine Trennung ist durch Ultrafiltration mittels kunstlicher, tierischer oder pflanzlicher Membranen mit einer mittleren Porenweite von _10- 8 m moglich, Das wichtigste Dispersionsmittel zur Bildung kolloider Losungen ist das Wasser. Je nach dem Verhalten der dispergierten Teilchen gegenuber Wasser bezeichnet man die Kolloide als hydrophil oder hydrophob. Hydrophile Kolloide verhalten sich mehr oder weniger wie in Wasser geloste Stoffe, sie treten mit dem Wasser in Wechselwirkung. Hydrophobe Stoffe konnen naturgemiiB nur dann in Losung gehalten werden, wenn man sie stabilisiert. Damit sind wir bei einer der grundlegenden Fragen der Kolloidchemie angelangt, der Frage nach der Stabilitiit kolloiddisperser Systeme. Wieso kommt es nicht zu einer Abnahme des Dispersionsgrades, indem grofsere Partikel auf Kosten kleinerer anwachsen und sich die entstehenden Aggregate unter Aufhebung des Solzustandes (s.u.) spontan zusammenballen? Die Stabilisierung erfolgt in Fall der hydrophoben bzw. hydrophilen Kolloide auf unterschiedliche Weise: Hydrophobe Kolloide. Kolloide Teilchen zeigen aufgrund ihrer groBen Oberflache ein betrachtliches Adsorptionsvermogen gegenuber bestimmten lonen. Dabei kann es sich urn Wasserstoff- bzw. Hydroxidionen des Losungsmittels Wasser oder urn eine lonenart der dispergierten Substanz handeln. Die elektrostatische AbstoBung der gleichsinnig aufgeladenen Teilchen bedingt die Stabilitat des Sols und verhindert den Zusammenschluss der kolloiden Teilchen zu groberen Aggregaten. Die Ladungskompensation erfolgt durch die Gegenionen, die lonenwolken urn die kolloiden Teilchen ausbilden. Eine Aufladung kann auch durch Eigendissoziation von Kolloidteilchen mit dissoziationsfahigen Gruppen erfolgen. Kolloide Hydroxide wie Fe(OH)3 oder Al(OH)3 spalten Olf-Gruppen ab und laden sich positiv auf. Sole aus Metallsulfiden wie AS2S3 und Sb2S3 sind durch Adsorption tiberschussiger Sulfidionen (S2-) negativ aufgeladen. Will man die kolloide Losung wieder zum Ausflocken (Koagulation) bringen, muss die abstoBende Ladung der Teilchen kompensiert werden. Urn dies zu erreichen, fiigt man der Losung leicht adsorbierbare lonen entgegengesetzter Ladung zu. Losungen hydrophober Kolloide sind deshalb generell empfindlich gegenuber Elektrolytzusatz. Hydrophile Kolloide. 1m Gegensatz zur Stabilisierung der Teilchen durch elektrische Aufladung beruht die Stabilisierung hydrophiler Kolloide im Wesentlichen auf der Hydratation der dispergierten Teilchen. Die dispergierten Teilchen lagem adsorptiv oder tiber
6.3 Losung und Loslichkeit
159
Wasserstoffbriickenbindung Wassermolekule an und bauen Hydrathullen auf. Die gegenseitige AbstoBung der Hydrathullen verhindert eine Aggregation der Teilchen zu grolseren Partikeln und stabilisiert die kolloide Losung. Beispiele fur hydrophile Kolloide sind organische Sole, also Losungen von Makromolekiilen wie Starke, Proteine, Gummi, Harze und Gerbsauren, Verantwortlich fur die Ausbildung der Hydrathiillen sind hydrophile polare Gruppen der dispergierten Teilchen, z.B. -COOH, -OH, -CHO und -NH 2, sowie die Dipolnatur des Wassers. Durch weitergehende Anlagerung von Wasser kann das Sol zu einer gallertartigen, wasserreichen Masse (Gel) erstarren. Wichtige Beispiele sind konzentrierte Polykieselsaure- bzw. Aluminiumhydroxidlosungen, Falls nicht vorher Alterung eintritt, z.B. durch Teilchenvergrolserung bei den Polykieselsauren, kann das Gel durch Verdunnung mit Wasser wieder zum Sol gelost werden. Sol-Gel-Umwandlungen hydrophiler Kolloide sind mehrfach wiederholbar (reversible Kolloide). Koagulation
Sol flussig; disperse Teilchen sind weitgehend voneinander getrennt.
Gel gallertartig; disperse Teilchen sind in weitmaschigen, von Losungsmittelmolekiilen unterbrochenen Gerusten miteinanderverbunden; freie Bewegung nicht Hinger moglich.
Es genugt mitunter ein bloBes Schutteln, urn die unregelmalsigen, schwachen Bindungen zwischen den dispergierten Teilchen zu losen und das Gel wieder zu verflussigen (Thixotropie). Nachdem die mechanische Storung aufhort, werden nach einer bestimmten Zeit die Bindungen wieder gekniipft. Das Sol erstarrt wiederum zum Gel. Die Erscheinung der Thixotropie ist z.B. bei Ton-Wasser- bzw. Zement-Wasser-Mischungen anzutreffen. Zum Beispiel bewirken die mechanischen Schwingungen bei der Vibrationsverdichtung von Frischbeton eine deutlich bessere Beweglichkeit des Zementleimes. Auch Losungen hydrophober Kolloide konnen in den Gelzustand iibergehen. 1m Gegensatz zu den hydrophilen Kolloiden lassen sich die meisten Gele jedoch nach der Ausflockung nicht mehr in den Solzustand zuriickversetzen (irreversible Kolloide). Da hydrophobe Kolloide keine schiitzende Wasserhiille besitzen, erfolgt bei der Koagulation ein irreversibler Zusammenschluss zu stabilen grolieren Teilchen bzw. Aggregaten. Diese Teilchenvergrolserung ist durch den Zusatz eines Schutzkolloids vermeidbar. Schutzkolloide sind leicht adsorbierbare hydrophile Kolloide, die eine Stabilisierung der Losung hydrophober Kolloide bewirken. Die Teilchen des hydrophoben Kolloids nehmen durch Adsorption der Teilchen des hydrophilen Schutzkolloids selbst den Charakter eines hydrophilen Kolloids an. Beachte: Der Begriff Sol als kolloide Losung darf nicht mit der sogenannten Sole verwechselt werden. Darunter versteht man Natriumchlorid- oder Steinsalzlosungen, die z.B. durch Einleiten von Wasser in Steinsalzlager erhalten und abgepumpt werden. Kunststoffdispersionen (Kap. 10.4.5) und BitumenlOsungen (10.3) sind hinsichtlich der
GroBe der dispergierten Teilchen im kolloiden Bereich bzw. im Grenzbereich zwischen kolloiddispersen und molekulardispersen Systemen einzuordnen.
I
160
6 Wasser und wassrige Losungen
6.3.3 Loslichkeit - Loslichkeitsprodukt Das Loslichkeitsverhalten von Salzen bzw. organischen Molekiilverbindungen in Wasser ist fur eine Reihe praktischer Problemstellungen von groBer Wichtigkeit.
Unter der Loslichkeit eines Stoffes AD versteht man die maximale Menge an AD, die sich bei einer bestimmten Temperatur T in einer bestimmten Menge Wasser gerade noch lost. Die Loslichkeit ist eine charakteristische Stoffeigenschaft. Fugt man einem bestimmten Wasservolumen eine grolsere Menge eines Stoffes AB zu, als sich darin zu losen vermag, stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der Losung und dem ungelosten Rest des Stoffes ein. Den festen ungelosten Stoffrest bezeichnet man als Bodenkorper (auch: Bodensatz). 1m Gleichgewichtszustand geht standig ungeloster Stoff AB(s) als A'(aq) und B'(aq) in Losung, wahrend gleichzeitig geloster Stoff wieder als AB(s) aus der Losung ausgeschieden wird (Gl. 6-10). Es liegt ein dynamisches heterogenes Gleichgewicht vor. Die Konzentration in der Losung bleibt konstant. Eine Losung, die im Gleichgewicht mit ihrem festen Bodenkorper steht, bezeichnet man als gesatngte Ldsung, Ihre Konzentration wird Sattigungskonzentration genannt. Sie entspricht der Loslichkeit des betreffenden Stoffes.
- -- - - --- - f--- - - f-St- - -f- - -f-
-
A+
AB(s) (Feststoff)
A'(aq)
+ B'(aq)
(Losung)
(6-10)
AS
Eine Unterteilung der Salze in leicht und schwer losliche Vertreter gibt im Prinzip die beiden Extremlagen des heterogenen Gleichgewichts (6-10) wieder. Zu den leicht los lichen Salzen gehoren zum Beispiel N~N03 mit einer Loslichkeit von 188 g, K 2C03 mit 112 g und CaCh mit 74 g, zu den schwer loslichen gehoren PbS04 mit 4,2' 10- 3 g und AgCl mit 1,54 . 10-4 g; alle Werte bezogen auf 100 g H 20 (20 GC). Die Loslichkeiten einiger ausgewahlter Salze sind im Anhang 3 zusammengestellt. Durch eine gute Wasserloslichkeit zeichnen sich im Allgemeinen Nitrate, Acetate, Halogenide (Ausnahme: Silber- und Blei(II)-halogenide) sowie Sulfate (Ausnahme: Sulfate der Erdalkalimetalle Ca, Sr und Ba sowie des Pb und Ag) aus. Die fur das Bauwesen fundamental wichtigen Verbindungen Calciumcarbonat CaC03 und Calciumsulfat-Dihydrat CaS04 . 2H 20 gehoren mit ihren Loslichkeiten von 1,4 . 10- 3 g bzw. 0,2 g pro 100 g H20 (20 G C) zur Gruppe der schwer loslichen Verbindungen. Dass sich ihre Loslichkeiten urn etwa zwei Zehnerpotenzen unterscheiden, hat unmittelbare Konsequenzen fur ihren Einsatz als Baustoff. Gips mit einer Loslichkeit von ca. 2 g pro Liter Wasser darf fur AuBenbauten, die standig feuchter Witterung ausgesetzt sind, nicht verwendet werden.
6.3 Losung und Loslichkeit
161
Temperaturabbangigkeit der Ldslichkeit. Das Losungsverhalten der Stoffe ist temperaturabhangig. Wie sich die Anderung der Temperatur auf die Loslichkeit eines Stoffes auswirkt, hangt davon ab, ob beim Auflosen des Stoffes Energie freigesetzt oder aufgenommen wird. Kennt man das Vorzeichen der Losungsenthalpie, kann der Einfluss der Temperaturanderung mit Hilfe des Prinzips des kleinsten Zwanges (Kap. 4.5.3) leicht vorhersagt werden. 0 I
'"
120
Cl 0 0
.....
C,
100
Abbildung 6.15
.~
~ .Jo' s: .2
(jj :0
80
...J
60
1
40
Temperaturabhangigkeit der l.oslichkeit ausqewahlter Salze
20
o
20
40
60 -
80
100
Temperatur (DC)
Betrachten wir eine gesattigte Losung, die sich im Gleichgewicht mit ihrem Bodenkorper befindet und zu deren Herstellung die Zufuhr von Energie notig ist (endothermer Losungsprozess). Die Erhohung der Temperatur stellt einen auBeren Zwang dar. Das System weicht dem Zwang aus, indem der Prozess bevorzugt ablauft, der Warme verbraucht. Fur den endothermen Losungsprozess bedeutet das, dass ein weiterer Teil des Bodenkorpers in Losung geht. Zufuhr von Warmeenergie begunstigt den Abbau des Kristallgitters. Damit bewirkt die Temperaturerhohung eine Erhohung der Loslichkeit. T (in DC)
Ca(0H)2 (in 2/100 ml H 2O)
0 10 20 30 40 50
0,130 0,125 0,118 0,109 0,100 0,097
T (in "C)
60 70 80 90 100
Ca(OH)2 (in 21100 ml H 2O) 0,082 0,076 0,066 0,060 0,052
Tabelle 6.4 Loslichkeit von Ca(OHh zwischen und 1
a
oo-c
Bei Salzen, die sich unter Warmeabgabe losen, kehrt sich die Situation urn. Nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges nimmt bei Temperaturerhohung die Loslichkeit abo Beispiele fur diesen eher seltenen Fall sind Lithiumcarbonat LizC03 und Natriumsulfat
162
6 Wasser und wassrige Losungen
Na2S04. In den meisten Fallen erhoht sich die Loslichkeit mit steigender Temperatur (Abb. 6.15).
Bei endothermen Losungsprozessen (MIL> 0) nimmt die Ldslichkeit mit steigender Temperatur zu, bei exothermen (MIL < 0) nimmt sie dagegen abo Ein fur die Bauchemie wichtiges Beispiel der Loslichkeitsabnahme bei Temperaturerhohung liegt beim Calciumhydroxid im Temperaturbereich zwischen 0 und 100DC vor (Tab. 6.4). Zwischen Temperaturanstieg und Loslichkeitsverminderung besteht eine annahernde Linearitat, Kuhlt man eine gesattigte Losung von T2 auf T1ab (T2> T I), wird die Loslichkeit der tieferen Temperatur T 1 uberschritten und ein Teil des Salzes kristallisiert aus. Haufig verzogert sich jedoch der Vorgang des Auskristallisierens ("metastabiles System") und es bildet sich eine tibersattigte Ldsung aus. Fiir eine tibersattigte Losung gilt: Konzentration der Salzlosung> Sattigungskonzentration. Erst durch Zugabe kleiner Salzkristalle (Kristallisationskeime!) erfolgt die Ausscheidung des uberschussig gelosten Salzes. Dementsprechend gilt fur eine ungesatngte Ldsung: Konzentration der Salzlosung < Sattigungskonzentration.
Loslichkeitsprodukt. Gesattigte Losungen sind durch ein dynamisches Gleichgewicht zwischen dem festen Bodenkorper AB und den hydratisierten Ionen A+ und B- charakterisiert (Gl. 6-10). Wendet man auf dieses temperaturabhangige Losungsgleichgewicht das MWG an, ergibt sich Gl. (6-11). K = c(A+aq )
·
c(B- aq )
c(AB(s))
(6-11)
Da die Konzentration (eigentlich Aktivitat, Kap. 6.5.2.2) des festen Bodenkorpers AB gleich eins gesetzt werden kann, folgt Beziehung (6-12). (6-12) Kr(AB) wird als Ldslichkeitsprodukt der Verbindung AB bezeichnet, seine Einheit ergibt sich zu moI 2 KL ist ein MaB fur die Loslichkeit der Verbindung AB. Fiir das Loslichkeitsprodukt eines Salzes der allgemeinen Stochiometrie AmBn gilt:
/e.
mAn+ + nB m-
(6-13)
In einer mit einem Bodenkorper im Gleichgewicht befindlichen gesatngten Losung besitzt das Produkt der Ionenkonzentrationen des Elektrolyten einen konstanten, nur von der Temperatur T abhangigen Wert K L (Loslichkeitsprodukt).
6.3 Losung und Loslichkeit
163
Je schwerer loslich ein Salz, umso kleiner ist K L • Nach einer Festlegung wird die Loslichkeit schwer loslicher Salze (KL < 1) durch das Loslichkeitsprodukt, leicht loslicher Salze (KL > 1) hingegen durch die in 100 g Wasser losliche Grammenge des Salzes angegeben. Tab. 6.5 enthalt die Loslichkeitsprodukte einiger ausgewahlter Salze. Aus Gl. (6-12) und Gl. (6-13) folgt, dass das Loslichkeitsprodukt verschiedene, von der stochiometrischen Zusammensetzung des Salzes abhangige Einheiten besitzen kann. Die Kenntnis des Loslichkeitsprodukts ermoglicht das Verstandnis zahlreicher Fallungsund Losungsreaktionen. Betrachtet man zum Beispiel eine gesattigte Calciumcarbonatlosung mit K L = c(Ca2+) . c(CO/-) = 4,8 . 10- 9 mot2/1 2 (bei 25°C). 1st das Produkt der Konzentrationen von Ca 2+_ und CO/--Ionen kleiner als K L (= ungesattigte Losungy; lost sich solange festes Calciumcarbonat auf, bis die Gleichgewichtskonzentrationen an Ca 2 + und CO/- in der Losung erreicht sind (Aufldsen), Eine ungesattigte Losung erreicht man entweder durch Verdunnen oder indem der Losung etwa durch Komplexbildung eine lonenart entzogen wird. 1st das Produkt der Konzentrationen von Ca 2+ und CO/- in der Losung grober als K L (iibersdttigte Losungy; kristallisiert solange Salz aus, bis die Gleichgewichtskonzentrationen der lonen in Losung wieder erreicht sind (Fallen). Tabelle 6.5 Loslichkeltsprodukte einiger ausqewahlter Salze (25°C)
Verbindunz
Verblnduna AgI AgBr AgCl
CaFz 'J
Einheit:
1,5 . 10-16 5,0' 10-13 1,6 . 10-10 1,7'10- 10 . )
CaC0 3 CaS04 Mg(OH)z Ca(OH)z
4,8' 10-9 2,4' 10-5 1,5 . 1O-IZ a) 3,9' 10-6 . )
moeIe
Die Loslichkeit c(AB) eines Salzes AB (molare Loslichkeit) kann aus dem Loslichkeitsprodukt KdAB) ermittelt werden und umgekehrt kann der Wert des Loslichkeitsprodukts einer Verbindung aus ihrer Loslichkeit c(AB) errechnet werden. Fur eine Verbindung AB aus lonen gleicher Ladungsstufe (l: l-Elektrolyte, z.B. CaC03, Agel) errechnet sich die molare Loslichkeit (= Sattigungskonzentration) c(AB) entsprechend Gl. (6-l4a). [mol/I].
(6-14a)
Fur die molare Loslichkeit eines Salzes AmBo mit dem Loslichkeitsprodukt KdAmB,J gilt allgemein Gl. (6-l4b).
[mol/I].
(6-14b)
164
6 Wasser und wassrige Losungen
Damit ergeben sich fur die Sattigungskonzentrationen der lonen in Losung die Beziehungen (6-15).
c(A n+)
=
m . c(AmBrJ
und
c(~} = n . c(AmBrJ.
(6-15)
Die KL-Werte konnen nur dann fur einen Vergleich der Loslichkeiten verschiedener Salze herangezogen werden, wenn die Salze dem gleichen Stochiometrietyp angehoren. Ansonsten mussen die molaren Loslichkeiten entsprechend Gl. (6-14a bzw. b) berechnet werden. Multipliziert man die molare Loslichkeit c(AB) einer Verbindung AB mit ihrer molaren Masse M, erhalt man die Ldslichkeit in Gramm pro Liter (Gl. 6-16). Diese GroBe entspricht der Massenkonzentration f3(AB) (Gl. (1-17)) und wird mitunter auch mit cg(AB) bezeichnet. Weitere Einheiten sind glI00 g oder ug/l. (6-16)
[gil]
Werden unterschiedliche Salzlosungen vereinigt, kristallisieren zuerst die beiden lonenarten aus, die das Salz mit der geringsten Loslichkeit bilden. Zum Beispiel fallt bei Zugabe von BaCh-Losung zu einer K 2S04-Losung augenblicklich ein weiBer Niederschlag von Bariumsulfat BaS04 aus (Sulfatnachweis!). K+ und Cl" bleiben als hydratisierte lonen in Losung (cg(KCl) = 343 gil). Bariumsulfat ist ein schwer losliches Salz, cg= 2,3 . 10-3 gil. Entfemt man eine lonensorte eines schwer loslichen Niederschlags, gegebenenfalls auch beide, durch eine chemische Reaktion aus dem Gleichgewicht (z.B. durch Komplexbildung), so lost sich der Niederschlag wieder auf. Chloridionen konnen mit Silbernitratlosung AgN03 als schwer losliches Silberchlorid ausgefallt werden (Gl. 6-17a). Gibt man zum AgCI-Niederschlag Ammoniaklosung, lost er sich wieder auf, da die Agt-Ionen der Losung durch Bildung des kationischen Diamminsilber(l)-Komplexes (Gl. 6-17b) standig aus dem dynamischen Gleichgewicht entfemt werden (Chloridnachweis). AgCl(s)
~
Ag" (aq) + Cl'{aq)
(6-17a) (6-17b)
In natiirlichen Wassern findet man nie nur ein Salz oder nur eine einzige organische Verbindung, sondem immer ein relativ komplexes Substanzgemisch gelost vor. Auch wenn Baustoffe in Kontakt mit Grundwasser oder Abwassern gelangen, entstehen immer Losungen unterschiedlichster Inhaltsstoffe. Die Beeinflussung der Ldslichkeit eines Salzes durch andere geloste Stoffe ist ein auch fur die Bauchemie wichtiges Problem. Handelt es sich um die Wirkung eines oder mehrerer Salze, sind zwei Falle zu unterscheiden: a) b)
Beeinflussung der Loslichkeit eines Salzes durch ein anderes gelostes Salz, wobei beide Salze eine lonenart gemeinsam enthalten. Beeinflussung der Loslichkeit eines Salzes durch ein oder mehrere andere geloste Salze, wobei diese mit dem ersteren keine lonenart gemeinsam haben.
6.3 Losung und Loslichkeit
165
Fall a) liegt vor, wenn man einer gesattigten Calciumcarbonatlosung zusatzlich Ca2+_ oder C032--lonen zufiigt, z.B. einige Tropfen Ca(N03)r oder Na2C03-Losung. Das Loslichkeitsprodukt wird uberschritten und es fallt bis zum abermaligen Erreichen der Sattigungskonzentration festes Calciumcarbonat aus (gleichioniger Zusatz). Gleichionige Zusatze verringern die Ldsliehkeit eines Elektrolyten und damit die Konzentration des Gegenions. Die Verringerung der Loslichkeit eines Salzes durch die Anwesenheit der gleichen lonensorte aus einer anderen Verbindung spielt bei bauchemischen Prozessen haufig eine Rolle. Zum Beispiel ist die hohe Wasserbestandigkeit des Betons unter anderem auch dadurch bedingt, dass die an sich bereits geringen Loslichkeiten der hydratisierten CS-, CA- und CAF-Phasen durch die Anwesenheit des bei der Zementhydratation entstehenden Ca(OH)2 noch weiter abgesenkt werden. Die Ca2+-Ionen wirken als gleichioniger Zusatz. Alkalisches Milieu verringert die Loslichkeit von Ca(OHh. Bei 20°C betragt die Loslichkeit von Ca(OH)2 0,118 g pro 100 g Wasser (Tab. 6.4). In einer NaOH-Losung, die 0,16 g Natriumhydroxid in 100 ml H20 gelost enthalt, geht die Loslichkeit des Calciumhydroxids auf 0,057 g/100 ml Losung zuruck, in einer NaOH-Losung mit 0,5 g NaOH/IOO ml H20 geht sie auf 0,018 g Ca(OH)2 und in einer NaOH-Losung mit 2 g NaOH/I00 ml H20 geht sie bereits auf 0,002 g Ca(OH)2 pro 100 ml Losung zuruck. Die hohe Stabilitat des Betons gegeniiber alkalischem Milieu ist darin begrundet, dass dUTCh mehrere miteinander verknupfte Loslichkeitsgleichgewichte die Bestandigkeit des Zementsteins deutlich erhoht wird. Zum Beispiel vermindert die Konzentration an OH-lonen die Loslichkeit des Ca(OH)2, andererseits verringert die Anwesenheit des Calciumhydroxids die Loslichkeit der calciumenthaltenden Hydratphasen des Zements. Fremdionige Zusatze fiihren zu einer Erhohung der Loslichkeit eines Salzes (Salzeffekt). Die lonen des Fremdelektrolyten beeinflussen die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen den lonen in der Losung, Dadurch wird die Auskristallisation gehemmt und der Losevorgang nimmt relativ gesehen zu. Die Loslichkeit des Silberchlorids liegt z.B. in einer 0,02 molaren Kaliumnitratlosung urn etwa 20% hoher, Die Fremdionen K+ und N03umgeben die Silber- und Chloridionen und schirmen sie hinsichtlich einer Ausfallung zu AgCl abo Aufgaben: 1.
Berechnen Sie die molare Loslichkeit von Calciumsulfat (25°C)! Geben Sie die Konzentration der Ca2+-Ionen (in mol/l) an und berechnen Sie, wie vieI mg CaS04 sich in 100 g H20 losenl c(CaS04)
=..jK;, = ~2,4'1O-5moI2 /12 =4,9'10-3 mol/1
Da CaS04 ein I: l-Elektrolyt (Typ AB) gilt: c(CaS04) = c(Ca 2+) = 4,9,10- 3 mol/l . cg(CaS04) = c(CaS04) . M(CaS04) = 4,9'10-3 mol/l . 136,2 g/mol = 0,667 gil Die molare Loslichkeit des CaS04 betragt 4,9'10- 3 mol/l; in 100 g Wasser losen sich demnach 66,7 mg CaS04.
166
2.
6 Wasser und wassrige Losungen
Vergleichen Sie die Loslichkeiten von Calciumcarbonat und Calciumfluorid anhand der molaren Loslichkeiten bei 25°C! Welches Salz ist leichterloslich?
CaF2 ist in Wasserbesserloslichals CaC0 3 • 3.
Wie verandert sich die Konzentration an Ca2+-Ionen einer gesattigten Calciumcarbonatlosung (25 "C), wenndie Carbonationenkonzentration der Losung auf 0,5 molll erhohtwird? c(Ca2+)
KL c(COl-)
2 2 9 4,8'10- mol /1 0,5 mol/ I
=
9,6'10-9 moll 1.
Die Konzentration an Ca2+ andertsich von 6,9'10-5 molll auf 9,6'10-9 molll .
6.4
Wasser und Wasserinhaltsstoffe
6.4.1
Harte des Wassers - Enthartung
Naturlich vorkommende Wasser sind niemals "rein" im chemischen Sinne. Zum Beispiel enthalt Regenwasser durch den Kontakt mit der Luft neben gelosten Gasen wie N 2 , O2 und CO 2 auch mehr oder weniger groBe Mengen an Staubpartikeln. In Industriegebieten und Grolistadten kommen haufig betrachtliche Mengen an S02 und N02 dazu. Sie sind fur die mitunter stark sauren pH-Werte des Regenwassers verantwortlich (Kap. 5.5.3.1). Sobald das Regenwasser die Erdkruste erreicht, setzen sich die Loseprozesse fort und zwar umso starker, je saurer das Wasser ist. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Kohlendioxidgehalt des Wassers. COz-haltige Wasser sind in der Lage, carbonathaltige Minerale wie Kalkstein CaC03 und Dolomit CaMg(C03)2, die wesentlich am Autbau von Gebirgsztigen und Erdschichten beteiligt sind, als Hydrogencarbonate zu losen (Gl. 5-29). Zum Beispiel kann COz-freies Wasser bei Raumtemperatur nur 13 mg CaC03, COz-gesattigtes Wasser jedoch 1086 mg CaC03 pro Liter losen. Analoge Losliohkeitsverhaltnisse gelten fur MgC0 3, so dass auf diese Weise Calcium- und Magnesiumionen in Grund- und Oberflachenwasser gelangen. Je nach ihrer Herkunft enthalten die aus unterschiedlichen Ressourcen gewonnenen Trinkund Brauchwasser unterschiedliche Mengen an Hydrogencarbonaten, Sulfaten und Chloriden der Erdalkalimetalle Calcium und Magnesium. Ca2+_ und Mg 2+-Ionen sind fur die Harte des Wassers verantwortlich. Da in der BRD, in Frankreich und in England unterschiedliche Definitionen fur die Wasserharte gebrauchlich waren, wurde im Zuge einer EU-weiten Vereinheitlichung dieser Begriff neu gefasst und nur noch auf den Gehalt der Calcium- und Magnesiumionen bezogen. Unter der Wasserharte versteht man die Stoffmengenkonzentration der Calciumund Magnesiumionen c(Ca2++ Mg2+) in mmol pro Liter (DIN 38409).
6.4 Wasser und Wasserinhaltsstoffe
167
In der Regel besteht die Gesamtharte zu 70 ...85% aus der Calcium- und entsprechend zu 30 ... 15% aus der Magnesiumharte. Eine sehr verbreitete und haufig angewendete Unterteilung der Wasserharte orientiert sich an den vorhandenen Anionen. Man unterscheidet hier zwischen der Carbonatharte und der Nichtcarbonatharte (auch Restharte), Carbonatharte (temporare Harte). Die Carbonatharte (Abk.: KH) ist jener Anteil an Calcium- und Magnesiumionen, fiir den in der Volumeneinheit eine aquivalente Konzentration an Hydrogencarbonationen vorliegt. Die KH lasst sich durch Kochen entfemen (Gl. 6-18). T (6-18) Ca 2+ + Mg 2+ + 4 HC0 3- ~ CaC03 ~ + MgC03 ~ + 2 H20 + 2 CO 2 Kesselstein Nichtcarbonatharte (permanente Harte). Die Nichtcarbonatharte (Abk.: NKH) ist der nach Abzug der Carbonatharte von der Gesamtharte (GH) gegebenenfalIs verbleibende Rest an Calcium- und Magnesiumionen, der vor alIem aus der Auflosung von Sulfaten und Chloriden stammt. Zur NKH konnen auch Nitrate und Phosphate des Calciums bzw. Magnesiums beitragen, wenngleich in deutlich geringerem MaBe. Die Nichtcarbonatharte lasst sich nicht durch Kochen entfemen. Carbonat- und Nichtcarbonatharte addieren sich zur Gesamtharte: KH + NKH = GH. Obwohl es korrekterweise .Hydrogencarbonatharte" und "Nichthydrogencarbonatharte" heiBen musste, haben sich die beiden vorher erlauterten Begriffe eingeburgert, Die Bestimmung der Wasserharte gehort mit Sicherheit zu den haufigsten analytischen Routinebestimmungen sowohl im technischen als auch im naturwissenschaftlichen Bereich. In Deutschland wird die Wasserharte haufig noch in Grad deutscher Harte °dH (auch: ad) angegeben. Es gilt: l°dH = 10 mg CaO (bzw. 7,14 mg MgO) in 1 Liter Wasser.
(6-19)
Die Problematik dieser Festlegung besteht darin, dass die Konzentration an Hartebildnern auf den Gehalt an CaO zuruckgefuhrt wird, obwohl diese Verbindung uberhaupt kein Wasserinhaltsstoff ist. SolI also fiir eine konkrete ProblemstelIung die Harte des Wassers bestimmt und DIN-gerecht angegeben werden, kommt nur die Stoffmengenkonzentration der Hartebildner (berechnet als Calcium) in mmol pro Liter in Betracht. Fur praktische Zwecke solIte jedoch zusatzlich die Harteangabe in °dH erfolgen. Nach dem deutschen Wasch- und Reinigungsmittelgesetz werden vier Hartebereiche unterschieden (Tab. 6.6). Tabelle 6.6
Harteberelehe 1 2 3 4
(weich) (mittelhart) (hart) (sehr hart)
< 1,3
mmol 1,3 2,5 mmol 2,5 3,8 mmol > 3,8 mmol
21
Hartebereiche
168
6 Wasser und wassrige Losungen
Daneben ist noch fo1gende Unterteilung ublich: O...4°dH (0...0,71 mmol Ca2+ + Mg2+): sehr weich; 4...8°dH (0,71...1,43 mmol): weich; 8...12°dH (1,43...2,14 mmol): mittelhart; 12... 18°dH (2,14...3,21 mmol): ziemlich hart; 18...30odH (3,21...5,35 mmol): hart; >30odH (>5,36 mmol): sehr hart. Wasser mittlerer Harte mit einem hohen Gehalt an Hydrogencarbonat schmeckt frischer und ist als Trinkwasser hervorragend geeignet. 1st Wasser zu hart, kann z.B. der Geschmack von Tee und Kaffee beeintrachtigt werden. Waschaktive Substanzen werden in hartem Wasser teilweise unwirksam. Beim Waschen mit Seife entstehen Calcium- und Magnesiumseifen (schwer losliche Ca- und Mg-Salze der Fettsauren), die sich auf den Textilien niederschlagen und sie vergrauen lasst. Durch die Hartebildner kommt es im Rohrleitungssystem zur Ausbildung von Schutzschichten aus Calcium- und Magnesiumcarbonat. Obwohl diese Schichten die Korrosion wenigstens teilweise unterbinden, fiihren sie in Abhangigkeit von der Zusammensetzung und der Struktur zu einem Mehrverbrauch an Energie. Er ist bei einer kristallinen, weitgehend homogenen, harten Kalkschicht deutlich hoher als bei einer porosen, heterogenen, mit Rostablagerungen durchzogenen Kalkkruste. Fur eine Vielzahl technischer Anwendungen ist hartes Wasser ungunstig bzw. unbrauchbar. Deshalb wird in weiten Bereichen der Industrie wie Kraftwerken, Druckereien, Papierfabriken und Brauereien das Wasser enthartet oder zumindest teilenthartet, urn Ablagerungen von Kesselstein bzw. andere storende Reaktionen zu vermindem bzw. ganz auszuschlieBen. Historisch bedeutsame Verfahren zur Wasserenthartung sind die Destillation des Wassers bzw. die chemische Ausflillung storender lonen als schwer losliche Verbindungen. Als Beispiel fiir letztere Moglichkeit solI das Kalk-Soda-Verfahren genannt werden. Durch Zugabe von Ca(OHh wird die temporare Harte (Gl. 6-20) und durch Zugabe von Na2C03 (Soda) die permanente Sulfatharte (Gl. 6-21) beseitigt. (6-20) (6-21) Da die bei diesem Verfahren erreichte Enthartung des Wassers bis auf etwa 0,3°dH fur die Dampferzeugung in Hochstdruckkesseln nicht ausreicht, erfolgt haufig eine Nachenthartung mit Trinatriumphosphat Na3P04. Die noch im Wasser enthaltenen Spuren an Ca- und Mg-Ionen werden als schwer losliche Phosphate gefallt, wobei gleichzeitig leicht losliche Natriumsalze entstehen (Gl. 6-22). (6-22) Heute wird zur vollstandigen Enthartung des Wassers die Methode des Ionenaustauschs genutzt. Das Prinzip eines lonenaustauschers besteht darin, storende Kationen wie Ca2+, Mg2+, aber auch Sr2+, Ba2+, Na" gegen H30+-lonen (Kationenaustauscher) bzw. storende Anionen wie cr, SO/-, CO/-/HC03- gegen Olf-Ionen (Anionenaustauscher) auszutauschen. Kationenaustauscher sind Polystyrolharze mit sauren Gruppen wie z.B. der Sulfonsauregruppe R-S0 3- H+ oder der Carboxylatgruppe R-COO- H+. Anionenaustauscher sind Polystyrolharze mit positiven Ladungen an tertiaren oder quartaren Ammoniumgruppen.
6.4 Wasser und Wasserinhaltsstoffe
169
Als Anionen enthalten sie meist Hydroxidionen, z.B. R-NMe3+ OH-, Me = Methylgruppe. Leitet man Wasser durch Saulen mit Kationen- bzw. Anionenaustauscher, so laufen die in Abb. 6.16 dargestellten Reaktionen abo Es werden Salzgehalte von 0,02 mg pro Liter erreicht. Durch Versetzen der Filter mit Sauren (HCI) oder Laugen (NaOH) und nachfolgendem Waschen erfolgt eine Regenerierung. In der Technik verwendet man zunehmend Mischbett-Ionenaustauscher, in denen die Polystyrolharze nebeneinander in der sauren und der basischen Form vorliegen. Die vom Kationenaustauscher abgegebenen H'-Ionen reagieren mit den vom Anionenaustauscher abgegebenen Olf'-Ionen zu Wasser. Auf diese Weise wird auch demineralisiertes Wasser im chemischen Labor gewonnen. Kationenaustausch Enthartung Regenerierung mit
Hel
SO3
Ca2+
+ 2 H+
sot
+ 20H-
S03-
Anionenaustausch
sot
Enthartung
NR3+
Regenerierung mit NaOH
NR/
+
Abbildung 6.16 Schema des Kationen- und Anionenaustauschs
In Vollwaschmitteln sorgen die Geriiststoffe (builder) fur die Enthartung des Wassers und garantieren damit die Funktionsfahigkeit der waschaktiven Substanzen (Kap. 6.2.2.3). Ihr Anteil betragt ca. 20 bis 55%. Ende der 80iger Jahre spielten Polyphosphate, wie z.B. das Pentanatriumtriphosphat NajP30 IO, die dominierende Rolle. Ihre Funktion bestand darin, die Hartebildner komplex zu binden. Der okologische PferdefuB des Einsatzes von Phosphaten in Waschmitteln ist bekannt: Phosphor (als Phosphat) ist ein wichtiger Pflanzennahrstoff, Wird er tiber das biologische Gleichgewicht hinaus angeboten, mutiert er zum Storfaktor im Selbstreinigungsmechanismus der Gewasser, Durch die unbegrenzte Forderung des Algenwachstums in Flussen und Seen (Eutrophierung) gerat als Folge des sich einstellenden Sauerstoffdefizits das Leben in den Gewassern in Gefahr. Die in der Zwischenzeit eingefuhrten phosphatfreien Waschmittel enthalten Zeolithe (Kap. 9.2.3.1) als Wasserentharter, Zeolithe sind kristalline wasserhaltige Alumosilicate mit einer hohlraumreichen Geriiststruktur, in der Alkalimetallionen enthalten sind. Die wasserunloslichen Makromolekiile wirken als Ionenaustauscher. Die Na-Ionen im synthetisch hergestellten Zeolith A (Sasil, Na12[(AI02)n(Si02)d . 27 H 20) sind in dem Si-AI-O-Geriist frei beweglich und lassen sich leicht gegen die Hartebildner Ca 2+ und Mg 2+ austauschen. Zeolithe sind wegen ihrer Wasserunloslichkeit okologisch unbedenklich, vermehren allerdings die Klarschlammenge.
170
6 Wasser und wassrige Losungen
Wasser sehr hoher Reinheit kann durch die Technologie der Umkehrosmose erhalten werden. Dabei driickt man Leitungswasser mit 2...20 bar gegen eine semipermeable Polymermembran, wobei ein molekularer Trennprozess stattfindet. Die Wassermolekiile konnen in umgekehrter Richtung zur "normalen" Osmose (s. Kap. 9.3.3.4.2) - die ultrafeinen Poren der Membran passieren. Unerwiinschte Stoffe und Kontaminationen wie Salze (z.B. Carbonate, Nitrate und Sulfate), Schwermetalle, organische Verbindungen (Dioxine, Pestizide), ja selbst hohermolekulare Species wie Viren und Bakterien werden dagegen, je nach Molekiildurchmesser und Ausgangskonzentration, zu 90...99% zuriickgehalten.
6.4.2 Trinkwasser Trinkwasser ist Wasser, das fur den menschlichen Bedarf bzw. die Zubereitung der Nahrung geeignet ist. Es ist fur uns das wichtigste, unersetzliche Lebensmittel. Trinkwasser muss keimarm, appetitlich, farb1os, kiihl (6...1O°C), geruchlos, geschmacklich einwandfrei sein und darf nur einen geringen Gehalt an gelosten Stoffen besitzen (DIN 2000). Da die fur die Trinkwassergewinnung zum Einsatz kommenden Wasser (Grund-, Quell- bzw. Oberflachenwasser) auf natiirliche Weise oder durch anthropogene Aktivitaten bedingt eine Vielzahl geloster chemischer Stoffe bzw. Mikroorganismen enthalten konnen, miissen bestimmte Giiteeigenschaften erfullt sein. Sie sind in der Trinkwasserverordnung [UC 6] niedergelegt und gelten selbstverstandlich auch fur Betriebswasser der Lebensmittelindustrie. Tabelle 6.7 Grenzwerte fur chemische Stoffe; Auszug aus der Verordnung uber Trinkwasser und uber Wasser fur Lebensmittelbetriebe (Trinkwasserverordnung vom 22. Mai 1986, Novellierung vom 21. Mai 2001 [Ue 6]) Stoffe
Grenzwert
Stoffe
(ml!/l)
Arsen Blei Cadmium Chrom Cyanid Fluorid Nickel Nitrat Nitrit Quecksilber Kupfer
0,01 0,01 0,005 0,05 0,05 1,5 0,02 50 0,5 0,001 2
Grenzwert (ml!/l)
Polycylische aromatische Kohlenwasserstoffe
0,0001 (insgesamt)
Trihalogenmethane: Trichlormethan, Bromdichlormethan, Dibromchlormethan und Tribrommethan
0,05 (insgesamt)
Pflanzenschutzmittel (PSM) und Biozidprodukte
0,0001 (einzelne (Substanz) 0,0005 (insges.)
Die festgeschriebenen Grenzwerte fur Metalle und Anionen, fur polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), organische Chlorverbindungen, chemische Stoffe zum Pflanzenschutz und zur Schadlingsbekampfung einschlieBlich ihrer Abbauprodukte diirfen nicht iiberschritten werden (Tab. 6.7). Die Einhaltung der Grenzwerte fiir Eisen (0,5 mg/l) und Mangan (0,12 mg/l) erweist sich im Hinblick auf die Vermeidung von Verstopfungen in Trinkwasserrohrleitungen als auBerst sinnvoll.
6.4 Wasser und Wasserinhaltsstoffe
171
GroBe praktische Bedeutung bei der Untersuchung des Trinkwassers hat der Nachweis von Escherichia coli (Coli-Bakterien). Denn bei einem Vorkommen tiber einer niedrig angesetzten Schwellenkonzentration ("keine E. coli-Zelle in 100 ml Trinkwasser") wird eine Verunreinigung des Wassers mit Fakalien angenommen, die dann auch die Gefahr einer Kontamination mit pathogenen Bakterien mit sich bringen wurde. Trinkwasser werden deshalb regelmafsig auf die Anwesenheit von E. coli (und coliformen Bakterien) als Indikator untersucht. Die sicherste Methode der Keimtotung ist neben der ebenfalls wirksamen, aber teureren Ozonierung immer noch die Chlorierung des Wassers.
6.4.3
Wasser im Bauwesen
1m Bauwesen spielt Wasser vor allem als Zugabe- und Baugrundwasser, aber auch als Abwasser oder Regenwasser eine wichtige Rolle. Als Zugabe- oder Anmachwasser fur Mortel oder Beton kann jedes naturlich vorkommende Wasser genutzt werden, das nicht verunreinigt ist und dessen Salzgehalt unter 3,5% (Abdampfrtickstand) liegt. Ansonsten ist mit Ausbluhungen bzw. anderen schadigenden Folgereaktionen zu rechnen (Kap. 9.4.4). Ein hoher Chloridgehalt ist insbesondere bei Zugabewassern fur bewehrten Beton oder Mortel zu vermeiden, da die Chloridionen durch elektrochemische Effekte korrosiv auf die Bewehrung wirken (9.4.2.3). Tabelle 6.8a Betonangriff durch aggressive chemische Umgebung (Expositionsklassen) Klasse
Beispiele
XAl
chemisch schwach angreifende Umgebung nach Tab. 6.8b
Behalter von Klaranlagen, Gullebehalter
XA2
chemisch maJ3ig angreifende Umgebung nach Tab. 6.8b und Meeresbauwerke
Betonbauteile, die mit Meerwasser in Beriihrung kommen; Bauteile in betonangreifenden BOden
XA3
chemisch stark angreifende Umgebung nach Tab. 6.8b
Industrieabwasseranlagen mit chemisch angreifenden Abwassem; Garfuttersilos und Futtertische der Landwirtschaft; Kiihltiirme mit Rauchgasanbindung.
Die schadigende Wirkung von Baugrundwasser ist in erster Linie auf das Vorhandensein von freier Kohlensaure und Sulfaten zuruckzufiihren. Zum Beispiel konnen bei stark mit Gips durchsetzten Bodenschichten (Gipsmergel, Gipskeuper) Sulfatgehalte bis zu 1500 mg SO/- pro Liter im Grundwasser auftreten. In Boden mit hohen Anteilen an Mull (alte Deponien), Bauschutt, Industrieabfallen oder Schlacke sind die Grundwasser meist reich an Chloriden, Sulfaten, Ammoniumsalzen und freier Kohlensaure, Prinzipiell ist die Betonschadigung stehender Gewasser geringer als die flieBender, da im letzteren Fall die angreifenden lonen kontinuierlich neu herangefllhrt werden.
6 Wasser und wassrige Losungen
172
Ftlr die Beurteilung der Aggressivitat von Wassern nattirlicher Zusammensetzung gegentiber einem Angriff auf Beton wurden auf der Grundlage der in Tab. 6.8b aufgefuhrten Grenzwerte die Expositionsklassen XAl, XA2 und XA3 festgelegt (Tab. 6.8a). Die Grenzwerte (Tab. 6.8b) gelten fur stehendes bzw. schwach flieBendes, in groBen Mengen vorhandenes Wasser, bei dem die lonenkonzentration weitgehend konstant sein solI. Tabelle 6.8b
Grenzwerte fur die Expositionsklassen bei chemischem Angriff durch Grundw8sser (DIN EN 206-1/DIN 1045-2)
chemisches Merkmal
Expositionsklassen
XAI
XA2
pH-Wert
6,5 ... 5,5
< 5,5 ... 4,5
kalklosende Kohlensliure (CO 2) (mg/I) Sulfat (mg/I) NH 4+ (mg/I) Mg 2+ (mg/I)
15 ... 40 200 ... 600 15 ... 30 300 ... 1000
> > > >
40 ... 100 600 ... 3000 30 ... 60 1000 ... 3000
XA3 < 4,5 und
4,0
> 100 bis zur Slittigung > 3000 und s 6000 > 60 ... 100 > 3000 bis zur Slittigung
Die Belastungen des Abwassers konnen physikalischer oder chemischer Natur sein. 1m Bereich der Energieerzeugung entsteht sogenanntes "thermisch verschmutztes" Kuhlwasser. Durch die Erwarmung wird die Wasserloslichkeit des Sauerstoffs verringert und damit das Sauerstoffangebot fur Lebewesen in den Gewassern reduziert. Die chemische Belastung durch Fest- bzw. Schwebstoffe und geloste Stoffe kann je nach Herkunft des Abwassers sehr unterschiedlich sein. Hiiusliche Abwiisser enthalten vor allem Phosphate, neben Tensiden (Waschmittel) und fakalischen Bestandteilen. Die Phosphate stammen in erster Linie aus den Humanexkrementen, kaum noch aus Waschmitteln. Die aggressiven Eigenschaften sind in erster Linie auf die in bestimmten Sanitar-Reinigungsmitteln enthaltenen Laugen (z.B. NaOH) bzw. Sauren (z.B. H 2S04 oder Essigsaure CH 3COOH) zurtickzufuhren. Die Nitratbelastung der Wasser geht ebenfalls zu etwa einem Viertel auf die Haushalte zuruck. Der grolsere Teil des Nitrats stammt jedoch aus der Landwirtschaft (Tierhaltung, Mineraldunger, organische Dunger), Gewerbliche und industrielle Abwiisser enthalten haufig anorganische (HCI, H 2S04, RN0 3) und organische Sauren (Essigsaure, Milchsaure, Fruchtsauren), neben unterschiedlichen Konzentrationen an Schwermetallen. Schwermetalle und anorganische Sauren stammen vor allem aus Abwassem der metallverarbeitenden Industrie, organische Sauren aus den der Lebensmittelindustrie und des Garungsgewerbes. Baugrundwasser mit einem Chloridgehalt > 1500 mg/l bzw. einem Nitratgehalt > 150 mg/l bewirken ebenfalls eine Schadigung des Betons.
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
6.5
Chemische Reaktionen in Losung
6.5.1
Komplexbildungsreaktionen
6.5.1.1
Hydratation als Komplexbildung - Aufbau der Komplexe
173
Durch An1agerung von neutralen Wassermolekiilen an ein positiv geladenes Metallion bilden sich hydratisierte Kationen (Kap. 6.3.1). Dieser Hydratationsprozess kann als Spezialfall eines allgemeinen Reaktionstyps der anorganischen Chemie, der Komplexbildungsreaktion, verstanden werden. Die entstehenden Verbindungen nennt man Komplexverbindungen (Metallkomplexe, Komplexe oder Koordinationsverbindungen). 1m Resultat der Hydratation eines Metallkations werden Aquakomplexe mit in der Regel sechs angelagerten H 20-Molektilen erhalten. Bei der Komplexbildung gruppiert sich eine bestimmte Anzahl von Molekiilen oder lonen in einer definierten geometrischen Anordnung um ein zentrales Metallatom bzw. -ion. Es entsteht eine komplexe Baugruppe, die auch bei Dissoziation der Verbindung in wiissriger Ldsung als solche erhalten bleibt. In den Formeln der Komplexverbindungen werden das komplexe Kation bzw. das komplexe Anion durch eckige Klammem gekennzeichnet.
Die Ladung eines Komplexes ergibt sich als Summe der Ladungen aller im Komplex enthaltenen lonen. Erfolgt ein Ladungsausgleich, liegt ein Neutralkomplex vor. Der grundsatzliche Unterschied zu einem Salz besteht darin, dass die Anlagerung geladener lonen urn ein Metallion tiber die stochiometrische Wertigkeit des Metallions hinaus erfolgen kann. Zur Nomenklatur von Metallkomplexen gibt es klare Festlegungen [AC 1, AC 2]. Der Formalismus solI an drei ausgewahlten Beispielen gezeigt werden: [CO(NH3)6]Cb Kt[Fe(CN)6] [CuClz(H 20)2]
Hexaammincobalt(III)-chlorid Kalium-hexacyanoferrat(II) Diaquadichlorokupfer(II).
Metallkomplexe bestehen aus einem Zentralatom (oder -ion) und den Liganden. Die Liganden sind entweder lonen, wie z.B. Halogenidionen und Hydroxidionen, oder Neutralmolekiile, wie z.B. H 20 und NH3. Sie mussen tiber wenigstens ein freies Elektronenpaar verfiigen. Die freien Elektronenpaare sind von entscheidender Bedeutung fur das Zustandekommen der chemischen Bindung zwischen Zentralatom und Ligand. Sie werden vom Liganden zur VerfUgung gestellt. Der grundlegende Unterschied zwischen der Bindung in Metallkomplexen und der kovalenten Bindung liegt damit einzig und allein im Bildungsschritt: Wiihrend bei der kovalenten Bindung beide Partner ein ungepaartes Elektron zum gemeinsamen Bindungselektronenpaar beisteuem, stammen die beiden Elektronen der Elektronenpaarbindung zwischen
174
6 Wasser und wassrige Losungen
Metall und Ligand ausschlieBlich vom Liganden. Generell steht die chemische Bindung in einem Metallkomplex (fruher: koordinative Bindung) in enger Beziehung zur Kovalenz. Sie kann als polare Atombindung betrachtet werden. 1m Sprachgebrauch der Komplexchemie sagt man, der Ligand ist am Metall "koordiniert". Mit Ausnahme von einatomigen Liganden wie F-, Cl" und 0 2- ist das am Metall koordinierende Atom (Haftatom) Bestandteil eines Molekuls (NH 3 , H 20) oder eines zusammengesetzten Ions (CN-, SCN-). Wird pro Ligand nur eine Elektronenpaarbindung zum Metallzentrum ausgebildet, liegen einzahnige Liganden vor. Eine Reihe von Liganden enthalten mehrere Haftatome in sterisch giinstiger Stellung. Sie sind deshalb in der Lage, mehr als eine Koordinationsstelle am Zentralatom zu besetzen (mehrzahnige Liganden). Ein mehrzahniger Ligand umschlieBt das Zentralatom zangenformig. Deshalb werden die entstehenden Komplexe als Chelatkomplexe oder kurz Chelate (griech. chele, Krebsscheren) bezeichnet. Bevorzugt werden fUnf- und sechsgliedrige Ringe gebildet. Chelatkomplexe sind im Allgemeinen stabiler als Komplexe mit einzahnigen Liganden. Ein Beispiel fur einen haufig verwendeten, einfach aufgebauten Chelatliganden ist das Ethylendiamin H2N-CH2-CHz-NH2 (Abk.: en). Dieser zweizahnige Ligand kann mit den freien Elektronenpaaren der beiden N-Atome zwei Koordinationsstellen am Zentralatom besetzen (Abb. 6.17).
H2 N/.
H C/ 2
~ +
2
Cu2+
1
»
H2 C,
"N" H 2
Ethylendiamin (en)
Abbildung 6.17 Komplexbildung zwischen dem zweizahnigen Uganden Ethylendiamin (en) und Cu2+. Es entsteht das Bis(ethylendiamin)kupfer(II)-ion. CI CI
I
l3-
CI Co""CI""- I--CI
b)
CI
Oktaeder
Abbildung 6.18 a) Oktaedrische Koordinationsgeometrie: Ein Oktaeder kann durch sechs einzahniqe, drei zweizahniqe (z.B. en) oder einen sechszahnigen Uganden 3 (z.B. EDTA, Kap. 6.5.1.2) gebildet werden. b) [CoCls1- als Beispiel fur einen oktaedrischen Komplex, Koordinationszahl 6.
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
175
Die Anzahl der Haftatome der Liganden, mit denen das Zentralatom (-ion) im Komplex verbunden ist, bezeichnet man als die Koordinationszahl des Komplexes. Nur bei einzahnigen Liganden ist die Koordinationszahl mit der Anzahl der koordinierten Liganden identisch. Viele Ubergangsmetalle haben unterschiedliche Koordinationszahlen, am haufigsten treten die Koordinationszahlen sechs und vier auf. Die unterschiedlichen Koordinationszahlen sind mit unterschiedlichen Koordinationsgeometrien verknupft. In Komplexen mit der Koordinationszahl 6 besetzen die Haftatome in der tiberwiegenden Mehrzahl der Faile die Ecken eines regularen oder verzerrten Oktaeders mit dem Metallion im Zentrum (Abb. 6.18). Weitere Beispiele fur oktaedrische Komplexe sind [CrF 6]3-, [Fe(CN)6]3- und [Co(en)3]3+. In Ubergangsmetallkomplexen mit der Koordinationszahl 4 (Abb. 6.19) befinden sich die Haftatome der Liganden an den Ecken eines Tetraeders, wie im [AI(OH)4r und [ZnCI4]2-, oder an den Ecken eines Quadrates, wie im [Ni(CN)4]2- und [CU(NH3)4]2+ (Festzustand!). Es liegen tetraedrische oder quadratisch-planare Komplexe vor. Komplexe mit der Koordinationszahl 2 sind linear aufgebaut. Ais Beispiele sollen die beiden Silberkomplexe [Ag(NH3)2r (Gt. 6-17b) und [Ag(S203)2]3- angefuhrt werden. Letzterer Komplex entsteht bei der Fixierung des entwickelten Silberhalogenidbildes mit Natriumthiosulfat Na2S203 (Photographie).
tetraedrisch
quadratisch-planar
Abbildung 6.19 Tetraedrische und quadratisch-planare Koordinationsgeometrie. Komplexe dieser Koordinationsgeometrie konnen durch vier einzahniqe bzw. zwei zweizahnige Liganden gebildet werden.
Bei Koordination rnehrzahniger Liganden kommt es generell zu Abweichungen von den reguliiren Geometrien des Oktaeders, Tetraeders bzw. Quadrates.
6.5.1.2
Analytische Bedeutung von Komplexverbindungen
Komplexbildungsreaktionen, die mit Farb- bzw. Loslichkeitsanderungen gekoppelt sind, bilden haufig die Grundlage qualitativer und quantitativer Nachweisreaktionen. Zum Beispiel wird zum qualitativen Nachweis von Kupfer(ll)-Ionen die Komplexbildung mit NH 3 herangezogen. Genauer betrachtet handelt es sich bei der Bildung des tiefblauen Tetraammindiaquakupfer(ll)-Komplexes urn einen sukzessiven Austausch der H 20- gegen die NH 3Liganden (Gl. 6-23). Es liegt eine Ligandenaustauschreaktion vor. Aufgrund der besonderen Geometrie des entstehenden Tetraammindiaquakupfer(ll)-Komplexes wird haufig die einfachere Formel [Cu(NH3)4]2+ bevorzugt (s.a. Kap. 8.3.2, Gl. 8-21). [Cu(H 20)6]2+ + 4 NH 3 ~ hellblau
[Cu(NH3MH20)2]2+ + 4 H20 tiefblau
(6-23)
176
6 Wasser und wassrige Losungen
Zum analytischen Nachweis von Fe(III) wird meist die Farbreaktion mit SCN- (Thiocyanat- oder Rhodanidion) herangezogen (Gl. 6-24). Auch bei dieser Umsetzung handelt es sich urn eine Ligandenaustauschreaktion. [Fe(H20)6]3+ + SC~ blassgelb
~
[Fe(H20)sSCNf+ + H 20
(6-24)
blutrot
Komp1exbi1dungsreaktionen konnen auch zur quantitativen Bestimmung von Metallionen durch Titration herangezogen werden. Unter einer Titration versteht man ein maBanalytisches Verfahren, bei dem eine unbekannte Menge einer gelosten Teilchenart dadurch ermittelt wird, dass man sie quantitativ von einem chemisch exakt definierten Ausgangszustand in einen ebenfalls exakt definierten Endzustand iiberflihrt (Maftanalyse, Volumetrie). Bei den Teilchen kann es sich urn Protonen oder Hydroxidionen (Saure-Base-Titratiom, urn Oxidations- oder Reduktionsmittel (Redoxtitration) oder urn Metallionen bzw. Saurerestionen (Komplexometrie, F'allungstitrationj hande1n. Zu der zu bestimmenden Losung wird solange eine Losung bekannter Konzentration zugefiigt, bis ein vollstandiger Umsatz zwischen den interessierenden Teilchenarten erfolgt ist. Dabei kommt es auf eine genaue Messung des zugegebenen Volumens an. Die Losung bekannter Konzentration (Ma8IOsung) befindet sich in einer Burette. Die Burette ist ein Glasrohr mit einer geeichten Graduierung, an dessen unterem Ende sich ein Glashahn befindet. Er ermoglicht die kontrollierte Zugabe der Malllosung zu der zu bestimmenden Losung. Zur Erkennung des Endpunktes oder Aquivalenzpunktes werden unterschiedliche Methoden eingesetzt (Kap. 6.5.3.3). Bei der komplexometrischen Titration (Komplexometrie) erfolgt die quantitative Bestimmung von Metallionen mittels mehrzahniger organischer Liganden (Komplexone). Das praktisch wichtigste Komplexon ist der sechszahnige Ligand Ethylendiamintetraacetat, kurz: EDTA (Abb. 6.20), das Anion der Ethylendiamintetraessigsaure. EDTA ist ein ausgezeichneter Komplexbildner fiir die meisten zwei- und dreiwertigen Metallionen (Abb. 6.20). Zur Erkennung des Aquivalenzpunktes, an dem sich die zu bestimmende Menge an Metallion und die zugegebene Menge an Komplexon genau entsprechen, also aquivalent sind, benutzt man sogenannte Metallindikatoren. Metallindikatoren sind organische Farbstoffe, die der Untersuchungslosung vor der eigentlichen Titration zugefiigt werden und die mit den Metallionen farbige Metall-Indikator-Komplexe bilden. Bei der nachfolgenden Titration mit dem Komplexbildner EDTA entsteht ein Metall-EDTA-Komplex, der stabiler als der vorliegende Metall-Indikator-Komplex ist. Es lauft wiederum eine Ligandenaustauschreaktion abo Der anfangs am Metall komplex gebundene Farbstoffligand wird im Verlauf der Titration sukzessive durch EDTA verdrangt: Metall-Indikator-Komplex + EDTA ~ Metall-EDTA-Komplex + Indikator. Farbe I
Farbe II
Die Farbe des freigesetzten Indikators, die sich von der des Metall-Indikator-Komplexes unterscheiden muss, zeigt den Aquivalenzpunkt an. Auf komplexometrischem Wege ist es moglich, die Gesamtharte von Wassem, also die im Wasser enthaltene Menge an Calciumund Magnesiumionen, zu bestimmen.
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
177
EDTA
Abbildung 6.20
6.5.2 6.5.2.1
2
Komplexbildung von Ca + mit EDTA: 1m gebildeten Komplex realisiert der organische Komplexbildner die Koordinationszahl6.
Elektrolyte und elektrolytische Leitfahigkeit Elektrolyte - Elektrolytlosungen
Viele elektrochemische Vorgange beruhen auf Leitungsvorgangen, bei denen der Ladungstransport durch bewegliche Ionen erfolgt. Stoffe, die einen solchen Ladungstransport ermoglichen, werden als Elektrolyte bezeichnet. Neben geschmolzenen oder in Wasser gelosten Salzen gehoren auch saure und alkalische Losungen zu den Elektrolyten, da sie ebenfalls Ionen enthalten. Elektrolyte sind Stoffe, die beim Auflosen in Wasser oder durch chemische Reaktion mit Wasser (protolyse) ElektrolytlOsungen bilden. Die Elektrolytldsungen enthalten bewegliche hydratisierte lonen, die den Strom leiten.
1m Gegensatz zu den metallischen Leitem (Leiter I. Klasse), bei denen der Stromtransport durch Elektronen erfolgt, transportieren in Elektrolytlosungen die Ionen den elektrischen Strom (Leiter II. Klasse). Verbindungen wie Zucker oder Alkohol, die in wassriger Losung den Strom nicht leiten, werden als Nichtelektrolyte bezeichnet. In Losungen dieser Stoffe liegen keine Ionen, sondem neutrale Molektile vor. Neben der Unterteilung in starke und schwache Elektrolyte, auf die im Weiteren detaillierter eingegangen werden solI, ist auch eine Unterteilung dieser Verbindungen in echte und potentielle Elektrolyte gebrauchlich. Als echte oder permanente Elektrolyte bezeichnet man Stoffe, die bereits im festen Zustand aus Ionen aufgebaut sind. Mit anderen Worten: Die in wassriger Losung zu beobachtenden Ladungstrager sind bereits im Kristallgitter vorgebildet. Der Zusammenhalt der Teilchen im Ionengitter beruht auf der Wirksamkeit elektrostatischer Krafte (Kap. 3.1). Ein ideal aufgebauter Salzkristall zeigt keine elektrische Leitfahigkeit, da die in ihm enthaltenen Ladungstrager nicht beweglich sind. In realen Ionenkristallen kann auf Grund yon Baufehlern in geringem Umfang eine Ionenbewegung erfolgen, Deshalb besitzen diese
178
6 Wasser und wassrige Losungen
Kristalle eine geringe e1ektrische Leitfahigkeit, die beispie1sweise fur die Herstellung von Ha1b1eitem oder sehr k1einen ga1vanischen Elementen von groBer Bedeutung ist. Zu den echten E1ektro1yten zahlen fast alle Sa1ze, sowie eine Reihe von Oxiden und Hydroxiden. In einer E1ektro1ytschmelze, die je nach Temperatur aus einzelnen Ionen, Ionenpaaren und grolseren Ionenassoziaten besteht, liegen bereits bewegliche Ionen vor. Deshalb leiten Schmelzen salzartiger Stoffe den elektrischen Strom. Die Vorgange, die beim Auflosen eines Ionenkristalls in Wasser unter Bildung hydratisierter Ionen ablaufen, sind in Kap. 6.3.1 beschrieben. Bei den potentiellen Elektrolyten handelt es sich urn Molekulsubstanzen, aus denen erst durch Reaktion mit Wasser (Protolyse) Ionen entstehen. Die Molekiile mussen mindestens eine po1are kova1ente Bindung aufweisen. Lost man zum Beispiel den potentiellen E1ektro1yten Ch1orwasserstoff (HC1) in Wasser, wird die Po1arisierung der Bindung zwischen dem H- und dem C1-Atom verstarkt und das Molekul zerfallt in die Ionen H+ (bzw. H30+) und cr. Zu den potentiellen E1ektrolyten zahlen zahlreiche anorganische und organische Sauren, Ammoniak und einige organische Basen wie z.B. Anilin. Der Sachverhalt, dass bestimmte Stoffe unter dem Einfluss von Wasser in negativ und positiv geladene Molekulteile zerfallen, wird in der chemischen Literatur meist als elektrolytische Dissoziation (lat. dissociato Trennung) bezeichnet. Dieser Terminus geht auf den schwedischen Physikochemiker Svante Arrhenius (1883) zuruck und ist Teil seiner Ionenhypothese. Mitunter wird der Arrheniussche Begriff der elektrolytischen Dissoziation dahingehend modifiziert, dass man vom Zerfall der Ionensubstanzen in wassriger Losung in frei bewegliche Ionen spricht. Die Arrheniussche Einteilung der Elektrolyte in starke und schwache Vertreter leitet sich vom AusmaB der Dissoziation, d.h. vom AusmaB des Zerfalls der Molekiile in Ionen, abo Starke E1ektrolyte sind in wassriger Losung praktisch vollstandig dissoziiert, schwache Elektrolyte dagegen nur teilweise. 1m letzteren Fall stellt sich zwischen den undissoziierten Molekiilen AB und den gebildeten Ionen A+ und B- ein Gleichgewicht (AB ~ A+ + B-) ein. Der Umfang der elektrolytischen Dissoziation wird durch die Lage des Gleichgewichts bestimmt. Damit kann die Starke des Elektrolyten durch die Gleichgewichtskonstante (Dissoziationskonstante) beschrieben werden. Auskunft tiber den dissoziierten Anteil eines schwachen Elektrolyten gibt auch der Dissoziationsgrad a (Gl. 6-25).
a
=
Anzahl der dissoziierten Molekiile Anzahl der Molekiile vor der Dissoziation
s 1
(6-25)
In einer modemeren Betrachtungsweise sind die Termini .Elektrclytische Dissoziation" und .Dissoziationsgrad'' in der wassrigen Chemie tiberfltissig und in ihrer Handhabung inkonsequent. Salze mussen nicht mehr dissoziieren, d.h. in negativ und positiv geladene Ionen zerfallen ("aufgespalten werden"), da ihre Ionenstruktur im Gitter bereits vorgebildet ist. Da sie in wassriger Losung praktisch vollstandig in hydratisierte Ionen ubergehen ("dissoziieren"), besitzt der Dissoziationsgrad keine physikalische Bedeutung. Es gilt immer a = 1. Bei den schwachen Elektrolyten, die bei der Reaktion mit Wasser nur teilweise in Ionen "dissoziieren", handelt es sich fast ausnahmslos urn Sauren und Basen. Sie reagie-
179
6.5 Chemisehe Reaktionen in Losung
ren mit Wasser unter Bildung von lonen (Gl. 6-48, 6-49). Statt .Dissoziationsgleichgewiehte" laufen Protolysegleiehgewiehte abo Das AusmaB der Protolyse wird dureh die Saure- bzw. Basekonstante (Kap. 6.5.3.4) besehrieben. Beide Groben stellen ein quantitatives MaB fur die Starke von Sauren und Basen dar. Chemiseh korrekter und vor allem konsequenter wird fur den Dissoziationsgrad der Protolysegrad a eingefuhrt (Kap. 6.5.3.4). Der Protolysegrad a sehwaeher Sauren bzw. Basen hangt von der analytisehen Konzentration der Elektrolytlosung ab (Gl. 6-58). Je hoher die Verdunnung, d.h. je geringer die Konzentration, umso starker protolysieren die Elektrolyte und umso hoher ist der Anteil der Ladungstrager fur den Stromtransport.
6.5.2.2
Elektrolytische Leitfahigkeit - Aktivitat
Legt man an eine Elektrolytlosung dureh Eintauehen zweier Metallplatten eine elektrisehe Gleiehspannung an, so findet in der Losung ein Stromtransport dureh ionisehe Ladungstrager statt. Die lonen wandern zur jeweils entgegengesetzt geladenen Elektrode. Der Ladungstransport ist mit einem Stofftransport verbunden. Urn eine Elektrolyse (Kap. 7.5) zu vermeiden, muss man fur Leitfahigkeitsmessungen eine Weehselspannung hoherer Frequenz (- 1000 Hz) wahlen. Versehiedene Elektrolyte setzen dem Stromfluss untersehiedlieh groBe Widerstande entgegen. Damit laufen Messungen der e1ektrisehen Leitfahigkeit letztlieh auf Widerstandsmessungen hinaus. Der Widerstand eines elektrisehen Leiters ist von seinen Dimensionen und seiner Natur abhangig. Fur den Ohmsehen Widerstand R gilt:
1= Lange, q = Quersehnitt, p = spezifiseher Widerstand.
(6-26)
Gl. (6-26) ist aueh fur Elektrolytlosungen gultig. Anstelle der Lange 1 tritt hier jedoeh die Entfernung der Elektroden (in em bzw. m). Statt eines Quersehnitts setzt man die wirksame Elektrodenoberflache in cnr' bzw. m2 ein. Der Reziprokwert des spezifisehen Widerstands p ist die spezifische Leitfahigkeit re (Gl. 6-27). Wahrend bei Metallen Lange und Quersehnitt fest vorgegeben sind und leieht bereehnet werden konnen, besitzt im Falle von Elektrolytlosungen der Quotient l/q die Bedeutung einer gefabspezifischen Konstanten, der Zellkonstanten C.
re
lIe
=-=--=-
p
R'q
Einheit: g-I. crn"
(6-27)
R
Als Einheit der spezifisehen Leitfahigkeit ergibt sieh g-I. cm'". Da man g-I als Siemens (S) bezeiehnet, wird die spezifisehe Leitfahigkeit in S . em- I angegeben. Meist werden kleinere Einheiten benotigt: 1 S . ern" = 103 mS . em- I = 10\"S . em". Die spezifisehe Leitfahigkeit einer Elektrolytlosung ist temperaturabhangig. A.hnlich wie bei einem Gas nimmt die lonenbewegliehkeit mit steigender Temperatur zu. Deshalb sind Leitfahigkeitsdaten immer auf eine bestimmte Temperatur bezogen. Neben der Temperatur hangt die spezifisehe Leitfahigkeit einer Elektrolytlosung aueh stark von der Konzentration
180
6 Wasser und wassrige Losungen
des Elektrolyten und der Art der Ladungstrager abo Damit konnen Leitfahigkeitsmessungen als analytische Routinemethode zur Beurteilung des Salzgehalts von Wassern eingesetzt werden. Will man das Leitvermogen verschiedener Elektrolytlosungen miteinander vergleichen, ist es zweckmalsig, Losungen gleicher Konzentration zu betrachten. Hierzu hat man die molare Leltfajngkeit A = re Ie definiert. Wird re in g-l. cm'" angegeben, erhalt man mit der molaren Konzentration e in mol/em' fur A die Einheit g-l. cm2 • morl. Berucksichtigt man die Aquivalentkonzentration en, ergibt sich die sogenannte Aqutvalentleitfahigkeit.
1
II
Abbildung 6.21 Konzentrationsabhangigkeit der spezifischen Leitfahigkeit
-c Abb. 6.21 zeigt den allgemeinen Kurvenverlauf fur die Konzentrationsabhangigkeit der spezifischen Leitfahigkeit. Zunachst ist zu erwarten, dass die Leitfahigkeit eines Salzes stetig mit der Konzentration der lonen zunimmt, da sich die Anzahl der Ladungstrager erhoht. Diese Erwartung bestatigt sich aber nur fur den ersten Teil der Kurve, also fur nicht allzu hohe Konzentrationen (Teil I). Nach dem Durchlaufen eines Maximums nimmt die Leitfahigkeit und damit die lonenbeweglichkeit ab (Teil II der Kurve). Am Leitfahigkeitsmaximum ist die Zahl der frei beweglichen lonen am groBten. Obwohl die molare Leitfahigkeit auf die Konzentration .normiert'' ist, bekommt man bei der graphischen Darstellung von A gegen e keine Konstante. Vielmehr wird auch hier mit zunehmender Konzentration e eine Abnahme von A beobachtet. Der Grund fur die Leitfahigkeitsabnahme bei hoheren Konzentrationen ist fur die Gruppe der sehwaehen Sauren und Basen in der Konzentrationsabhangigkeit des Protolysegrades (Gl, 6-58) zu sehen. Mit zunehmender Konzentration der Elektrolytlosung wird der ionische (protolysierte) Anteil des Elektrolyten kleiner. Damit verringert sich auch die Anzahl der fur den Ladungstransport verantwortlichen Ladungstrager. Die Protolyse schwacher Elektrolyte wird mit zunehmender Konzentration zuruckgedrangt. Bei starken Elektrolyten (z.B. starke Sauren) kann die Abnahme der Leitfahigkeit nicht auf die Konzentrationsabhiingigkeit des Protolysegrades zuruckgefuhrt werden, denn selbst bei hohen Konzentrationen ist von einer vollstandigen Protolyse (a = 1) auszugehen. 1m Falle starker Elektrolyte kommt es mit ansteigender Konzentration vielmehr zur Ausbildung von lonenassoziaten ("Ionenwolken") in der Elektrolytlcsung. In der unmittelbaren Umgebung eines positiven Ions sammeln sich negativ geladene Teilchen an und umgekehrt. Die entstehende .Losungsstruktur" ist keine fixierte Anordnung, sondem stellt einen mehr oder weniger losen Verband dar, der sich infolge der Warmebewegung der Teilchen standig verandert. Die durch interionische Wechselwirkungen entstandenen Raumladungswolken beeinflussen die lonenbeweglichkeiten bei der Wanderung im elektrischen Feld und sind fur die verringerten Leitfahigkeiten verantwortlich.
181
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
Urn die Wechse1wirkungen zwischen den gelosten lonen bei hoheren Konzentrationen quantitativ besser zu erfassen, ersetzt man die Konzentration c durch die Aktivitat a. Die Aktivitat ist eine korrigierte, tatsachlich "wirksame Konzentration". Sie ist aufgrund der beschriebenen Wechse1wirkungen immer k1einer a1sdie ana1ytische Konzentration. 1m Gegensatz zur analytischen Konzentration c beriicksichtigt die Aktivitat a das Ausman der in der Ldsung existierenden Wechselwirkungen. Konzentration c und Aktivitat a sind tiber den Aktivitatskoeffizientenj'verknupft (6-28). a(X) =
t :c(X)
[mol/I].
(6-28)
Der Aktivitatskoeffizient j besitzt als Korrekturfaktor keine Einheit. Da fur alle realen Losungen gilt: a < c, muss der Aktivitatskoeffizient j < I sein. Nur im Grenzfall unendlicher Verdunnung wiirde gelten: a = c undj= l. Ftlr reine kondensierte Phasen wie Feststoffe oder reine Flussigkeiten kann a definitionsgemiiB gleich eins gesetzt werden (a = I). Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass jede Anwendung des MWG sowohl auf Gas- als auch auf Losungsgleichgewichte eine Naherung bleibt, solange man die Konzentrationen statt der Aktivitaten der beteiligten Stoffe benutzt. Zum Beispiel werden bei experimentellen Untersuchungen haufig grolsere Gleichgewichtskonzentrationen erhalten, als aufgrund der tabellierten K-Werte (z.B. Kj-Werte bei Loslichkeitsmessungen) zu erwarten sind. Im Rahmen dieses Buches werden grundsatzlich Konzentrationen verwendet. Der Leser sollte sich jedoch stets iiber den Ndherungscharakter der abgeleiteten Beziehungen tm Klaren sein.
6.5.3
Saure-Base-Reaktionen
6.5.3.1
Saure-Base-Begriff
Die Bezeichnungen Saure und Base bzw. saures und basisches Verhalten sind Ausdruck fur ein fundamentales Grundprinzip in der Chernie, einen Dualismus, bezogen auf strukturelle und funktionelle Eigenschaften der Stoffe. Sauren und Basen sind chemische Kontrahenten, deren gegensatzliche Eigenschaften - sauer bzw. basisch zu reagieren - sich bei Wechselwirkung aufheben. Auch die Begriffe Oxidations- und Reduktionsmittel bzw. Oxidation und Reduktion (Kap. 7.1) manifestieren diesen Dualismus. Die Eigenschaften, reduzierend bzw. oxidierend zu wirken, gehen bei gegenseitiger Wechselwirkung ebenfalls verloren.
Definition nach Arrhenius Arrhenius leitete aus der von ihm 1887 entwickelten Theorie der elektrolytischen Dissoziation die folgende Definition fur Sauren und Basen ab: Sauren sind Stoffe, die in wassriger Losung Wasserstoffionen (H+, Protonen) abspalten kdnnen und Basen sind Stoffe, die in wassrfger Losung Hydroxidionen (OH-) abspalten konnen.
182
6 Wasser und wassrige Losungen
Der saure bzw. basische (auch: alkalische) Charakter von wassrigen Losungen wird im Rahmen dieser Theorie auf das Vorhandensein von H+- und OH- -Ionen zuruckgefuhrt. Die Arrhenius-Theorie steht noch heute am Anfang jedes Grundkurses Chemie, gibt sie doch zunachst eine schliissige Erklarung fur die meisten Saure-Base-Reaktionen. Salzsaure HCl und Salpetersaure RN0 3 sind beispielsweise typische Arrhenius-Sauren. Sie erfullen das konstitutionelle Kriterium dieser Theorie, Wasserstoffatome zu besitzen, und das funktionelle Kriterium, sie in wassriger Losung abgeben zu konnen. Dagegen ist die einfache organische Verbindung Methan Cf4 trotz vorhandener Wasserstoffatome keine ArrheniusSaure, Das Methanmolekiil ist nicht in der Lage, die H-Atome in Wasser als Protonen abzuspalten. Natriumhydroxid NaOH ist nach Arrhenius eine typische Base. Sie zerfallt in wassriger Losung in Na+- und Olf-Ionen. Ein wichtiger funktionaler Zusammenhang zwischen Sauren und Basen konnte von Arrhenius in der Neutralisationsreaktion gefunden werden. Bei der Neutralisation von Salzsaure mit Natronlauge entsteht eine Losung von Natriumchlorid: HCI + NaOH - NaCI + H 20. Das Reaktionsprodukt NaCI ist ein Salz, sein Kation stammt von der Base und sein Anion von der Saure, Die eigentliche Nettogleichung der Neutralisation ist die Vereinigung von H+- und Olf'-Ionen zu undissoziierten Wassermolekiilen (Gl. 6-29). Die dabei frei werdende Reaktionswarme von 57,4 kJ/mol wird als Neutralisationswarme bezeichnet. t1H= - 57,4 kJ/mol
(6-29)
Obwohl diese Theorie zunachst einen deutlichen Fortschritt gegeniiber empirischen und halbempirischen Klassifizierungen saurer und basischer Stoffe bedeutete, erkannte man in der Folgezeit bald eine Reihe von Schwachpunkten. Nach Arrhenius sind nur Hydroxide Basen, obwohl Ammoniak und eine Reihe organischer Verbindungen in wassriger Losung ebenfalls eine alkalische Reaktion hervorrufen. Fiir die saure bzw. alkalische Reaktion von Salzlosungen konnte keine Erklarung gegeben werden und schlieBlich erwies sich eine einseitige Ausrichtung auf wassrige Systeme als zu eng. Wie bereits in Kap. 6.5.2.1 beschrieben, zerfallt die nichtleitende, gasformige Molekiilsubstanz Chlorwasserstoff HCI unter dem Einfluss des Losungsmittels Wasser in ihre lonen. Die wassrige Losung ist elektrisch leitend und reagiert sauer. Die Chloridionen lassen sich mit Silberionen nachweisen. Das Wesen der chemischen Umsetzung wird durch die Gleinur sehr unvollkommen wiedergegeben. Das vom Chlorwasserchung HCI - H+ + stoffmolekiil abgegebene Proton ist ein extrem kleines, positiv geladenes Teilchen, das wegen seiner hohen elektrischen Ladungsdichte viel zu reaktiv ist, als dass es frei existieren konnte. Es lagert sich in wassriger Losung sofort an ein freies Elektronenpaar eines H20-Molekiils an, wobei sich ein H 30+-Ion bildet (Gl. 6-30). Damit geht bei der Reaktion von HCI mit Wasser ein Proton vom HCI- auf das H 20-Molekiil iiber. Die H 30+-Ionen bewirken die saure Reaktion der gebildeten Salzsaure.
cr
(6-30) Das gebildete H 30+-Ion wird als Oxoniumion bezeichnet. Durch Hydratation, also weitere Anlagerung von Wassermolekiilen, treten in wassriger Losung Spezies der Zusammensetzung [H30 . H 20r = H S02+, [H30 . 2H 20r = H 703+, [H30 . 3H 20r = H 90/ usw. auf, die wiederum hydratisiert werden. Hydratisierte Oxoniumionen werden als Hydroniumionen
183
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
H 30+(aq) bezeichnet. Da in wassriger Losung generell hydratisierte H 30+-Ionen vorliegen, soll im Rahmen dieses Buches an der weithin gebrauchlichen Bezeichnung Hydroniumion fur das H 30+-Ion (hydratisiertes Proton) festgehalten werden.
Beachte: Der Einfachheit und besseren Ubersichtlichkeit halber wird mitunter anstelle von H 30+ nur H+ geschrieben. Auch das Gas Ammoniak NH 310st sich in Wasser. Die entstehende Losung leitet ebenfalls den elektrischen Strom, reagiert jedoch alkalisch. Die fur die alkalische Reaktion verantwortlichen Hydroxidionen sind durch einen Protoneniibergang vom Wassermolekiil zum Nl-l--Molekul entstanden (Gl. 6-31). Das Proton wurde also nicht wie in Reaktion (6-30) auf das Wasser iibertragen, sondem umgekehrt, das H20-Molekiil hat ein Proton auf das Molekiil NH3 iibertragen. Die OIr-Ionen liegen, genau wie das Proton, hydratisiert vor. NH3(g) + H 20(l) ~
~ + (aq)
+ OH- (aq)
(6-31)
In beiden Fallen (Gl. 6-30 und 6-31) handelt es sich urn Reaktionen, wo jeweils ein Teilchen ein Proton abgibt und ein anderes Teilchen ein Proton aufnimmt. Reaktionen, bei denen Protonen iibertragen werden, nennt man Protolysereaktionen (Protolysen). Sie finden auch bei der Auflosung bestimmter Salze in Wasser start (6.5.3.5).
Definition nach Brdnsted Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass das Wesen aller Saure-Base-Reaktionen in wassriger Losung Protonenubergange sind, entstand die nachfolgende Saure-Base-Theorie von Bronsted (1923). Sauren sind Verbindungen oder lonen, die Protonen abspalten kdnnen (Protonendonatorem, Basen sind Verbindungen oder lonen, die Protonen aufnehmen kdnnen (Protonenakzeptoren). Alle Bronsted-Basen besitzen mindestens ein freies Elektronenpaar. Die Bronsted-Theorie bezieht den Saure-Base-Begriff nicht auf Stoftklassen, sondem auf die Funktion von Teilchen, Protonen abgeben oder aufnehmen zu konnen. Sauren und Basen sind Protolyte. Eine Bronsted-Saure geht bei Protonenabgabe in eine Bronsted-Base uber, aus der durch Protonenaufnahme die Bronsted-Saure wieder zuriickgebildet werden kann. Ein solches Paar von Teilchen nennt man ein korrespondierendes (mlat. correspondere, in Beziehung stehend) oder konjugiertes Saure-Base-Paar. 1m Weiteren wird flir die Saure kurz S und fur Base B geschrieben. Nachfolgend einige Beispiele fur korrespondierende Saure-BasePaare: + H+ S B ~
~
HCi H2SO4 NH4+ CH3COOH
~ ~
~ ~
~ ~
~ ~
cr HS04NH3 CH3COO-
+ + + +
H+ H+ H+ H+
6 Wasser und wassrige Losungen
184
Das Chlorwasserstoffmolekiil ist die korrespondierende bzw. konjugierte Saure der Base Cl" und umgekehrt ist das Chloridion die korrespondierende bzw. konjugierte Base der Saure Chlorwasserstoff. Wenn eine starke Saure durch das Bestreben charakterisiert ist, leicht ein Proton abzugeben, muss die konjugierte Base notwendigerweise eine schwache Base sein. Das Bestreben der Base, das Proton zu halten, ist in diesem Fall gering.
Je starker eine Saure, desto schwacher ist die zur Saure gehorige konjugierte Base und umgekehrt, je starker eine Base, desto schwacher ist ihre konjugierte Saure. Bronsted-Protolyte konnen nach ihrer Ladung in Neutralsduren (HCI, HN0 3, CH 3COOH, H 20) und Neutralbasen (NH 3, H 20), in Kationsauren (H 30+, NH/, [AI(H20)6]3+) und Kationbasen (AI(H20)50H]2+ sowie Anionsauren (H 2P04- , HSOn und Anionbasen (OH-, SO/-, C032-) eingeteilt werden. Da in wassriger Losung freie Protonen nicht existent sind, kann eine Bronsted-Saure dann und nur dann ein Proton abspalten, wenn eine Base vorhanden ist, die das Proton aufnehmen kann. Mit anderen Worten: Eine Bronsted-Saure kann nur dann als Saure fungieren, wenn eine Bronsted-Base zugegen ist (und umgekehrt).
Zu einer Saure-Base-Reaknon kommt es erst dann, wenn zwei korrespondierende Saure-Base-Paare miteinander in Beziehung treten. Bei der Reaktion von Chlorwasserstoff mit Wasser iibemehmen, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht, die H 20-Molekiile die Basefunktion. Korrespondierendes Saure-Base-Paar I:
~
HCI 81
Korrespondierendes Saure-Base-Paar II: H+ H+
~
~ ~
+ H 2O + 82
HCI + H 2O 81 + 82
~ ~
~
~ ~
~ ~
H+ H+
+
cr
+ 81
H 3O+ 82
H 3O+ + cr + 81 82
Ampholyte sind nach der Bronsted-Theorie Molekiile oder lonen, die je nach Reaktionspartner Protonen abgeben oder aufnehmen konnen. Sie verhalten sich amphoter (griech.lat. zwitterhaft). Wichtigstes Beispiel ist das Wasser, das mit einer Saure als Base (Gl. 630) und mit einer Base als Saure (Gl. 6-31) reagieren kann. Auch die verschiedenen Hydrogenanionen, wie z.B. HC03-, HS04- , H 2P04- und HPO/-, gehoren zu den BronstedAmpholyten. Sauren, Basen und Ampholyte werden auch als Protolyte bezeichnet. 1m Umgangssprachgebrauch bezieht sich der Begriff der Saure meist auf Neutralsauren wie HCl, H 2S04, HN03. Sie fallen sowohl nach der Arrhenius- als auch nach der BronstedTheorie unter den Saurebegriff Dagegen sind die Hydroxide NaOH, KOH, Ca(OH)2, deren wassrige Losungen schlechthin als klassische Basen gelten, zwar nach Arrhenius, nicht aber nach Bronsted Basen. Vielmehr stellt das beim Auflosen der Hydroxide entstehende und fiir die alkalische Reaktion der Losung verantwortliche OH- -Ion die Bronsted-Base dar.
185
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
6.5.3.2
Autoprotolyse des Wassers und pH-Wert
Mit Prazisionsmessgeraten kann man selbst in reinstem Wasser eine, wenn auch auBerordentlich niedrige, Leitfahigkeit messen. Demnach mussen in sehr geringer Konzentration Ladungstrager, also Ionen, vorhanden sein. Die Ionen konnen nur im Ergebnis der Reaktion der Wassermolekiile mit sich selbst entstanden sein (Gl. 6-32). Der Ampholyt Wasser geht im Resultat eines Protonenubergangs zwischen zwei H20-Moleklilen in seine korrespondierende Base OIr und in seine korrespondierende Saure H30+ tiber. Diese Reaktion wird als Autoprotolyse des Wassers bezeichnet. (6-32) Durch Anwendung des MWG auf(Gl. 6-32) erhalt man den Ausdruck (6-33). (6-33) Die experimentell ermittelte Gleichgewichtskonstante betragt 3,265 . 10-18 (25°C). Damit liegt Gleichgewicht (6-32) praktisch auf der Seite der unprotolysierten H20-Molekiile. Das Autoprotolysegleichgewicht des Wassers stellt sich selbstverstandlich in allen wassrigen Losungen von Protolyten ein. Obwohl die Konzentration an H30+ und OIr durch Zugabe von Sauren und Basen signifikant verandert werden kann, bleibt die .Konzentration des Wassers" von 55,346 mol/l praktisch konstant, solange verdunnte Losungen vorliegen. Der Wert c = 55,346 molll ergibt sich aus dem Quotienten der Masse von I Liter Wasser bei 25°C, m = 997,07 gil und der molaren Masse des Wassers M= 18,0153 glmol. Da dieser Wert signifikant grober ist als die Ionenkonzentrationen der Losungen, kann der Term c2(H 20 ) im Nenner von Gl. (6-33) praktisch als konstant angesehen und in die Gleichgewichtskonstante einbezogen werden. Flir c2(H 20 ) = (55,346i moe/e gilt damit (25°C): Ic(H 3 0 +) . c(OH-) = 1,0 .1O-14moZ 2 11 2 = K w
I
(6-34)
Die Konstante K w bezeichnet man als das Ionenprodukt des Wassers. Da die Anzahl der H30+- und OIr-Ionen gleich ist, ergibt sich fur deren Konzentration nach dem Ionenprodukt: (6-35) Eine Konzentration von 10-7 mol H30+ pro Liter Wasser bedeutet, dass von 55,346 Mol H20 nur 10-7 Mol H20 protolysiert vorliegen. Demnach liegen von einer Milliarde Wassermolekiilen nur zwei protolysiert als H30+- und OIr-Ionen vor. Mit steigender Temperatur nimmt das AusmaB der Autoprotolyse und damit der Wert fur das Ionenprodukt des Wassers geringfugig zu (alle Werte in moe/e):
6 Wasser und wassrige Losungen
186
Mittels Beziehung (6-35) lassen sich die Begriffe neutrale, saure und basische (alkalische) Losung quantitativ eindeutig erfassen: saure Losung basische (alkalische) Losung neutrale Losung
c(H30+) > c(OIr) c(H30+) < c(OIr) c(H30+) = c(OIr).
In einer sauren Losung mit einer hohen Konzentration an c(H30+) muss demzufolge die OIr-Konzentration niedrig sein, damit das Produkt beider lonenkonzentrationen wieder den Wert K w = 10- 14 mot2/t2 (25°C) besitzt. Entsprechend gilt fur den umgekehrten Fall einer alkalischen Losung: Eine hohe Konzentration an OIr bedingt eine niedrige Konzentration an H 30+-lonen. Es ist ublich, den sauren bzw. alkalischen Charakter von Losungen quantitativ durch die vorliegende Konzentration an H 30+ zu beschreiben. Urn moglichst einfache Zahlenangaben zu erhalten, fuhrte Sorensen 1909 den pH-Wert (lat. potentia hydrogenii, Wirksamkeit des Wasserstoffs) ein. Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus des Zahlenwertes der H 30+ -Konzentration, die in mol/l anzugeben ist (Gl, 6-36). In der Praxis wird anstelle des pH-Wertes mitunter yom Siiuregrad einer Losung gesprochen.
pH = -lg c(H30+) mol·r]
(6-36)
Losungen mit pH = 7 bezeichnet man als neutral, Losungen mit pH < 7 als sauer und Losungen mit pH > 7 als basisch bzw. alkalisch. 1st der pH-Wert einer Losung bekannt, kann man nach Beziehung (6-37) die Konzentration an H 30+ ermitteln. (6-37) Ebenfalls gebrauchlich ist der analog definierte pOH-Wert (Gl. 6-38).
pOH = - 19 (OH- ) mol·r]
(6-38)
Der pOH-Wert ist mit dem pH-Wert tiber das lonenprodukt des Wassers (Gl. 6-34) verkniipft.
I pH + pOH = pKw = 14 I
(6-39)
Tab. 6.9 enthalt lonenkonzentrationen und zugehorige pH-Werte fur saure, neutrale und alkalische Losungen (pH-Skala). In Tab. 6.10 sind die pH-Werte einiger im taglichen Leben haufig vorkommender Losungen zusammengestellt.
187
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
C(H3 0
j
pH
in mol/l 10° = 1 10- 1 10-2 10-3 10-4 10-5 10-6
10-8 10-9 10- 10 10- 11 10- 12 10- 13 10- 14
Tabelle 6.10
Eigenschaft der Losung
pOH
c(OIr) in mol/l
Tabelle 6.9
14 13 12 11 10 9 8
10- 14
pH-Skala mit den zugehOrigen Konzentrationen an H30+ - und OW -Ionen
0 1 2 3 4 5 6
sauer
7
neutral
7
8 9 10 11 12 13 14
alkalisch
6 5 4 3 2 1
o
10- 13 10- 12 10- 11 10- 10 10-9 10-8
10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10- 1 10° = 1
pH-Werte einiger haufig vorkommender Losunqen
Substanz
pH
Substanz
pH
1 molll HCI Magensaft Orangensaft Haushaltessig CocaCo1a Wein Tomatensaft Regen (BRD, mittlerer Wert) Bohnenkaffee
0 0,9 ... 1,6 2,8 2,5 ... 3,0 3,0 3,5 4,0
Bier Unbelastetes Regenwasser (COz-gesattigt) Trinkmilch Wasser (chern. rein, 25°C) Blut Meerwasser Seifenlauge Kalkwasser, gesattigt 1 molll NaOH
5,0 ... 5,5
4,1 5,0
5,6 6,4 ... 6,7 7,0 7,4 7,8 ... 8,2 8,2 ... 8,7 12,5 14,0
Fur zahlreiche praktische Aufgabenstellungen besitzt eine einfache und rasche pH-WertMessung groBe Bedeutung. Die naherungsweise Bestimmung des pH-Wertes kann mit Universalindikatoren erfolgen, die gewohnlich in Form von Losungen oder Indikatorpapieren vorliegen. Ein Universalindikator ist ein Gemisch von Indikatoren, das bei verschiedenen pH-Werten unterschiedliche Farben annimmt. Anhand einer zugehorigen Farbvergleichsskala kann der pH-Wert ermittelt werden.
6.5.3.3
Indikatoren, Saure-Base-Titration, Normallosungen
Siiure-Base-Indikatoren sind organische Farbstoffe, die selbst schwach sauren bzw. basischen Charakter aufweisen und deren Saure (bzw. Base) eine andere Farbe besitzen als der
6 Wasser und wassrige Losungen
188
jeweilige korrespondierende Partner. So ist z.B. beim Indikator Methylorange die Saure rot und die korrespondierende Base gelb. Bezeichnet man die Indikatorsaure mit HInd, kann man fur das in wassriger Losung vorliegende reversible Protolysegleichgewicht schreiben: (6-40) Die aktuelle Farbe der Indikatorlosung ergibt sich aus dem im Gleichgewicht vorliegenden Verhaltnis c(HInd) : c(Ind-) und damit aus der Lage des plI-abhangigen Protolysegleichgewichts (6-40). Eine Emiedrigung des pH-Wertes (Zusatz von Saure) fuhrt zu einer Verschiebung des Gleichgewichts nach links, die Losung nimmt die Farbe der Indikatorsaure HInd an. Dagegen fuhrt eine Erhohung des pH-Wertes (Zusatz von Base) zur Farbe der Indikatorbase Ind-. Methylrot, Methylorange und Lackmus sind Zweifarbenindikatoren, Phenolphthalein ist ein Einfarbenindikator. Bei Phenolphthalein ist die Saureform farblos, die Baseform rotviolett. Diesen gut wahmehmbaren Farbumschlag von rotviolett nach farblos nutzt man bei der Bestimmung der Carbonatisierungstiefe von Beton (Kap. 9.4.2.3.1). Die Umschlagsbereiche und Farbanderungen einiger ausgewahlter Indikatoren sind in der nachfolgenden Tabelle enthalten: Indikator Methylorange Methylrot
Lackmus Phenolphthalein
Umschlaabereich (pH) 3,0 4,4 5,0 8,4
4,4 6,2 8,0 10,0
Farbanderung rot gelborange rot gelb rot blauviolett farblos ... rotviolett
In einer Reihe von Fallen reicht die Genauigkeit der Indikatormethode zur pH-Wert-Messung nicht aus. Dazu kommt, dass der pH-Wert farbiger Losungen mit Farbindikatoren naturgemaf nicht bestimmbar ist. Die pH-Wert-Messung erfolgt dann meist mittels pHMeter. In einem pH-Meter ist eine Elektrode, deren Potential von der Konzentration der H 30+-Ionen in Losung abhangt, gegen eine Bezugselektrode mit einem konstanten Potential geschaltet (Kap. 7.3.3). Ais pH-abhangige Elektrode wird in der Regel eine Glaselektrode eingesetzt. Sie besteht aus einer kleinen diinnwandigen Glaskugel, die mit einer Pufferlosung bestimmten pH-Wertes gefullt ist. Die Hydroniumionen der Pufferlosung diffundieren in die Oberflachenschicht an der Innenseite, die H 30+-Ionen der zu vermessenden Losung in die Oberflachenschicht auf der AuBenseite der Glaskugel. Die Konzentration an H 30+ in der auBeren Oberflachenschicht ist eine direkte Funktion der Konzentration der Hydroniumionen in der Messlosung. Auf beiden Seiten der Glasmembran baut sich somit ein plf-abhangiges Potential auf. Die Potentialdifferenz (Spannung) wird mit einem Voltmeter bestimmt und ist ein direktes MaB fur den pH-Wert der Untersuchungslosung,
Saure-Base-Titration. Bei einer Saure-Base-Titration erfolgt die Bestimmung einer Saure (Base) unbekannter Konzentration mit einer Base (Saute) bekannter Konzentration. Einer
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
189
Saure-Base-Titration liegt die Neutralisationsreaktion H+ + OH- ~ H20 zugrunde. Deshalb spricht man auch von einer Neutralisationsanalyse. Urn beispielsweise die Konzentration einer Salzsaurelosung zu bestimmen, wird ein bestimmtes Volumen der Saurelosung genau abgemessen und mit einigen Tropfen Indikatorlosung versetzt. Dann lasst man aus einer Burette eine Lauge, z.B. NaOH, bekannter Konzentration (Maftlosung) zutropfen bis der Aquivalenzpunkt erreicht ist. Der Aquivalenzpunkt ist durch eine vollstandige stochiometrische Umsetzung entsprechend der Reaktionsgleichung charakterisiert. Saure und Base haben sich gegenseitig vollstandig neutralisiert. Der Aquivalenzpunkt ist am Farbumschlag des Indikators erkennbar. Die graphische Darstellung des pH-Wertes der zu titrierenden Losung in Abhangigkeit yom zugegebenen Volumen bezeichnet man als Titrationskurve. Aus ihrem Verlauf konnen interessante Schlussfolgerungen gezogen werden. Titriert man z.B. 100 ml einer 0,01 M HCI mit 0,1 M NaOH, also eine starke Saure mit einer starken Base, ergibt sich folgender Verlauf (Abb. 6.22): Nach Zugabe von 9 ml 0,1 M NaOH sind 90% der vorliegenden Saure neutralisiert. Die Konzentration an H30+ hat sich auf ein Zehntel der urspriinglichen Konzentration verringert und der pH-Wert steigt von 2 auf3 an. Werden abermals 90% der noch vorhandenen Saure neutralisiert (was einer Gesamtneutralisation von 99% entspricht!), steigt der pH-Wert wiederum urn eine Einheit an, also von 3 auf 4 usw. Bei Zugabe von 10 ml 0,1 M NaOH ist eine vollstandige Neutralisation erreicht. Es ergibt sich eine Kurve, die zuerst langsam und in der Nahe des Aquivalenzpunktes sprunghaft ansteigt. Am Wendepunkt der Kurve, wo ein sehr geringer Zusatz an OIr-Ionen (ein Tropfen!) eine betrachtliche Anderung des pH-Wertes bewirkt, liegt der Aquivalenzpunkt. Hier haben sich die zur Neutralisation erforderlichen Mengen an Saure und Lauge miteinander umgesetzt. Bei Zugabe von uberschussiger Lauge andert sich der pH-Wert in entsprechender Weise. Da die Genauigkeit einer Titration maximal ± 0,1% betragt, konnen alle Indikatoren, deren Umschlagsbereich innerhalb des pH-Intervalls 4...10 liegt (Methylorange, Lackmus, Methylrot, Phenolphthalein, Abb. 6.22) zur Erkennung des Endpunkts dieser Titration verwendet werden. Der pH-Sprung ist umso kleiner, je geringer die Konzentration der zu bestimmenden Saure oder Base ist. Den gerade beschriebenen Verlauf der Titrationskurve sollte man sich stets vor Augen halten, wenn bei praktischen Tests pH-Indikatoren herangezogen werden (z.B. bei der Beurteilung der Carbonatisierungtiefe mit Phenolphthalein; Kap. 9.4.2.3.1). Liegen in etwa aquivalente Mengen an Base und Saure vor, so sind die Messungen zwangslaufig wenig aussagekraftig. Bei der Titration einer schwachen Saure, z.B. 0,01 M Essigsaure, mit einer starken Base, z.B. 0,1 M NaOH, verschiebt sich der pH-Wert des Aquivalenzpunktes infolge Proto lyse der gebildeten Natriumacetatlosung in den alkalischen Bereich. Der pH-Sprung ist hier kleiner als im Falle stark - stark. Er umfasst etwa den pH-Bereich 8...10. Als Indikator kommt somit nur Phenolphthalein in Frage. Je schwacher die zu titrierende Saure ist, umso mehr verschiebt sich der Wendepunkt in den alkalischen Bereich. Sind 50% der Essigsaure neutralisiert, gilt pH = pK s = 4,75 (Kap. 6.5.3.7).
6 Wasser und wassrige Losungen
190
pH
13
b)
a)
0,1 MNaOH neutra1isiert c(H3O+) pH 11 9
ml
%
°9
0 90 99 99,9
9,9 9,99
7
5 Methylorange /
/
3
10-2 10-3 10-4 10-5
2 3 4 5
10
100
10-7
7
10,01 10,1
100,1 101,0 110
10-9 10-10 10-11
9 10
11
11
Sa/zsaure
5
10
15
- - m/ 0, 1 rna/II NaOH
Abbildung 6.22 Saure-Base-Titration. a) Titration von 100 ml 0,01 mol/l HCI bzw. 0,01 mol/l Essigsaure mit 0,1 mol/l NaOH: Titrationskurven mit Umschlagbereichen einiger wichtiger Indikatoren; b) Neutralisationsverlauf von 100 ml 0,01 mol/l HCI mit 0,1 mol/l NaOH: Neutralisationsgrad, c(H3 0 +) und pH-Werte der t.osunq in Abhangigkeit von der zugegebenen Laugenmenge in ml (ohne Volumenkorrektur!).
Aus dem verbrauchten Volumen V der NaOH (in ml) ermittelt man die Konzentration und den Gehalt der untersuchten Salzsaurelosung, Nach n = c . Vergibt sich:
c(Siiure) . V(Siiure) bzw.
c(Siiure)
=
=
c(Base) . V(Base)
c(Base)· V(Base)/V(Siiure)
(6-41) (6-42)
Bei der Titration von Schwefelsaure mit Natronlauge liegen andere stochiometrische Verhaltnisse vor. Verwendet man 1 molll H2S04 und setzt diese mit dem entsprechenden Volumen 1 molll NaOH urn, ergibt sich Gl. (6-43). (6-43) Fur die chemische Neutralisation von einem Mol NaOH ist demnach nur ein halbes Mol Schwefelsaure notwendig. Demzufolge ist eine 0,5 mol/l Schwefelsaure (98 g : 2 = 49 g H 2S04 pro Liter) einer 1 mol/l Salzsaure (36 g HCI pro Liter) aquivalent. Die Nichtaquivalenz von einem Mol Schwefelsaure und einem Mol Natriumhydroxid ergibt sich aus der ,,2 : l-Stochiometrie" der Schwefelsaure, Ein Molekiil H 2S04 protolysiert in wassriger Losung zu zwei H 30+-Ionen und einem SOl--Ion. Dagegen entstehen bei der Protolyse von HCI in wassriger Losung jeweils nur ein H 30+-Ion und ein Saurerestion Cr.
191
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
Die Stoffmengenkonzentration des gelosten Stoffes entspricht foiglich nicht der Stoffmengenkonzentration der Teilchen, auf die es bei dieser Reaktion ankommt. Fur Neutralisationsreaktionen sind dies H'(bzw. H 30+)- und Olf'-Ionen. Wertigkeit von Sauren, Basen und Salzen. Die Anzahl der verfugbaren W -und OH-Ionen von Sauren und Basen wird auch ais deren Wertigkeit bezeichnet. Sie ist wie foIgt definiert: Sauren: Die Wertigkeit z ergibt sich aus der Anzahl der im Rahmen der Salzbildung durch Metallkationen ersetzbaren Protonen H\ z.B. HCI, RN03 z = 1; H 2S04 Z = 2; H 3P04 Z = 3. HCI und RN0 3 sind einwertige (einprotonige, einbasige) Sauren, H 2S04 ist eine zweiwertige (zweiprotonige, zweibasige) und H 3P04 eine dreiwertige tdreiprotonige, dreibasige) Saure, Basen (Laugen): Die Wertigkeit entspricht der Anzahl der durch Saurerestionen ersetzbaren Hydroxidionen OH-. KOH und NaOH sind einwertige bzw. einsaurige Basen mit z = 1. Ca(OH)2 und Ba(OH)2 sind zweiwertige bzw. zweisdurige Basen, z betragt 2, und AI(OH)3 ist eine dreiwertige bzw. dreisaurige Base, z = 3. Salze: Die Wertigkeit Ieitet sich von der Wertigkeit der hoher geladenen ionischen Komponente des Salzes, also entweder des positiv geladenen Metallions oder des negativ geladenen Saurerestions, abo Beispiele fiir Salze: KCI, NaN03 z = 1; Na2S04, CaCh z = 2 und K 3P04, AICh z = 3. Sind nicht alle Wasserstoffatome einer mehrbasigen Saure durch Metallkationen ersetzt, so spricht man von "sauren" Salzen (auch: "Hydrogen"- oder .Bi"Salze), z.B. KHS04: "saures" Kaliumsulfat (Kaliumhydrogensulfat). Die durch diese Wertigkeit z dividierten molaren Massen Mwerden auch ais Aquivalentmassen MA bezeichnet. Die Aquivalentkonzentration (fruher: Normalitat, Gl. 6-44) ist die Stoffmengenkonzentration bezogen auf Aquivalente bzw. Aquivalentmengen ns. Sie wird in der Regel mit c; abgekurzt, c.; gibt die Anzahl der Mole an Aquivalenten pro Liter an. Eine Normalldsung ist eine Losung, deren Konzentration ais Aquivalentkonzentration angegeben wird. (6-44)
[mol/I] Fur die Aquivalentmenge gilt: nA(X)
= z· n(X) = z . m(X)/M(X),
mit z = wirksame Wertigkeit
(6-45)
Einsetzen von (6-45) in (6-44) fiihrt zur Beziehung (6-46). C
n
Merke:
(X) = z . n( X) = z· m( X ) Y M(X)'Y
(6-46)
Veraltete, aber in der Praxis noch haufig anzutreffende Schreibweisen fur eine Aquivalentkonzentration 0,1 moI/I sind 0,1 N oder 0,1 normal.
Der Zusammenhang zwischen der Stoffmengen- und der Aquivalentkonzentration ist durch Gl. (6-47) gegeben. Die Aquivalentkonzentration unterscheidet sich von der Stoffmengenkonzentration nur durch den Faktor z, also durch die Wertigkeit.
192
6 Wasser und wassrige Losungen
(6-47) Eine Schwefelsaure H2S04 (z = 2) der Stoffmengenkonzentration 1 molll besitzt demnach eine Aquivalentkonzentration von 2 mol/l, bei HCl (z = I!) entsprechen sich dagegen Stoffmengen- und Aquivalentkonzentration. Etwas problematischer ist die Herstellung von Normallosungen bei Redoxtitrationen. Die wohl bekannteste Methode ist die Manganometrie. Mit Hilfe des Oxidationsmittels Kaliumpermanganat KMn04 konnen in saurer Losung quantitativ Reduktionsmittel wie Oxalat (C 20/-) oder Fe 2+ bestimmt werden. Das Permanganation Mn04- nimmt dabei 5 Elektronen aufund geht in Mn 2+tiber. Die Oxidationszahl des Mn andert sich von +VII zu +11. Urn die Aquivalentmasse des KMn04 zu ermitteln, muss man in diesem Fall die molare Masse (M = 158 g/mol) durch 5 dividieren (Aquivalentmasse = 31,6 g/mol).
6.5.3.4 Starke von Siuren und Basen Sauren und Basen gehoren zu den potentiellen Elektrolyten. Sie gehen unter dem Einfluss des Losungsmittels Wasser in Ionen tiber. Eine starke Saure liegt in wassriger Losung vollstandig protolysiert vor, solange sich ihre Konzentration in ublichen Bereichen bewegt. Starke Sauren gibt es relativ wenige. Fur bauchemisch relevante Problemstellungen sind vor allem die Salzsaure, die Salpetersaure und die Schwefelsaure von Bedeutung. Zu den starken (Brdnstedjlsasen gehort in erster Linie das Hydroxidion, das aus der Auflosung von Alkalimetallhydroxiden (z.B. NaOH, KOH) oder von Erdalkalimetallhydroxiden (z.B. Ca(OH)2, Ba(OH)2) stammen kann. AIle angefuhrten Metallhydroxide sind echte Elektrolyte. Weitere Beispiele fur starke Basen sind das Phosphation (PO/-) und das Carbonation (COl-). Eine sehr starke Base wie das Oxidion 0 2- liegt in wassriger Losung vollstandig protoniert als OH--Ion vor (Gl. 6-55, 6-56). Schwache Sauren und schwache Basen protolysieren in wassriger Losung nur unvollstandig unter Bildung von H 30+- bzw. OIr-Ionen. Zu den schwachen Sauren gehoren die meisten organischen Sauren, wie Essigsaure, Ameisensaure, Zitronensaure und Milchsaure, aber auch anorganische Sauren wie Kohlensaure und Kieselsaure sowie die Hydrogenphosphationen H 2P04-, HPO/-. Zu den schwachen Basen gehoren vor allem Ammoniak NH3 und die strukturell vom Ammoniak abgeleiteten Amine. Fur quantitative Aussagen zur Starke von Sauren und Basen ist der pH-Wert ("Sauregrad") nicht geeignet, obwohl gerade pH-Wert und Saurestarke falschlicherweise haufig gleichgesetzt und unkorrekt verwendet werden. Einige Beispiele sollen diesen Sachverhalt verdeutlichen: Bei einer pH-Wert-Messung bestimmt man den sauren bzw. alkalischen Charakter einer Losung, also die Konzentration an Hydroniumionen H30+. Die Konzentration an H 30+ hangt aber von zwei Groben ab: Zum einen von der Saurestarke der gelosten Saure (Base) und zum anderen von deren Ausgangskonzentration. Obwohl beispielsweise Salz4 saure gegenuber Essigsaure die deutlich starkere Saure ist, ergibt sich fur eine 10- mol/l Salzsaurelosung ein pH-Wert von 4. Dagegen erhalt man fur eine 1 molare Essigsaurelosung einen pH-Wert von 2,4. Die konzentriertere jedoch schwachere Saure zeigt demnach
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
193
einen kleineren pH-Wert (oder hoheren Sauregrad) als die verdiinntere, aber starkere Salzsaure. Geht man von gleich konzentrierten Sauren (z.B. 0,1 mol/l) aus, erhalt man fiir die Salzsaure einen pH-Wert von 1, fiir Essigsaure jedoch einen pH-Wert von 2,88. In der 0,1 mol/l Essigsaure betragt demnach die H30+-Konzentration 1,32' 10-3 mol/l und nicht 10-1 mol/l wie in der Salzsaure. Sie ist damit etwa 76 mal kleiner als in der 0,1 molll Salzsaure. Dieser Sachverhalt lasst sich leicht experimentell anhand der Reaktion beider Sauren mit unedlen Metallen wie Al und Mg iiberpriifen. Mit Salzsaure ist eine deutlich starkere Wasserstoffentwicklung zu beobachten als mit Essigsaure. Der pH-Wert ist durch die Konzentration steuerbar. Die Starke von Sauren und Basen stellt dagegen eine stoffspezifische Gro8e dar. Bei gleicher Ausgangskonzentration der Protolyte wird die Konzentration an H30+- und OH--Ionen durch das unterschiedliche AusmaB der Protolysereaktion bestimmt. Quantitative Aussagen zum AusmaB der Proto lyse und damit zur Starke von Sauren und Basen sind nur bei Wahl eines geeigneten Bezugssystems moglich. Es konnen deshalb keine absoluten Saure- und Basestarken, sondern immer nur relative, auf eine Base bzw. Saure bezogene Werte angegeben werden (vergleiche Gl. 6-30, 6-31). Aufgrund seiner amphoteren Eigenschaften kann H20 im Bronstedschen Sinne sowohl als Bezugsbase fiir Sauren als auch als Bezugssaure fiir Basen fungieren. Reaktion der Saure HA mit Wasser: Reaktion der Base B mit Wasser:
HA + H 20 B + H 20
(6-48) (6-49)
Aus der Lage dieser beiden Gleichgewichte ergeben sich klare Aussagen zur Starke der Protolyte HA und B. Liegt das Gleichgewicht weitgehend auf der Seite der Produkte, handelt es sich urn starke Protolyte. 1m umgekehrten Fall sind die Protolyte schwach. Die Starke einer Saure HA wird durch die Leichtigkeit der Protonenabgabe an die Base Wasser, die Starke einer Base B durch die Leichtigkeit der Protonenaufnahme von der Base Wasser bestimmt.
Beachte: Beim Losen von Hydroxiden (z.B. NaOH, KOH) in Wasser findet keine Protolyse start, da die OH--Ionen bereits im festen Hydroxid vorhanden sind. Eine Protolysereaktion verlauft bevorzugt in die Richtung, in der die schwachere Saure und die schwachere Base entstehen. Dieser Verlauf ist in der Bronsted-Theorie synonym fiir den Neutralisationsprozess. Die Anwendung des MWG auf das Protolysegleichgewicht (6-48) ergibt Gl. (6-50). K
c(H30+)' c( A-)
c(HA)' c( H 20)
(6-50)
Sieht man die Wasserkonzentration c(H 20) als konstant an und bezieht sie in K ein, erhalt man fiir verdiinnte Losungen Gl. (6-51).
194
6 Wasser und wassrige Losungen
K
s
_ e(H 30+) . e(A-) e(HA)
Ks Siurekonstante
(6-51)
r
FUr das Proto1ysegleichgewicht (6-49) ergibt sich in Analogie zur Saurekonstante die Beziehung fur die Basekonstante (6-52). K
_ e(OH-) . e(BH+ ) e(B)
KB Basekonstante.
B -
(6-52)
Die Saurekonstante Ks ist ein quantitatives MaB fur die Starke einer Saure HA. Je groBer Ks, desto starker ist die Saute HA. Analoges gilt fur die Basekonstante KB der Base B. Da in wassrigen Losungen (sehr) starker Sauren und Basen keine nichtproto1ysierten Mo1ekiile (oder Teilchen) HA bzw. B mehr vorliegen, kann nicht mehr von Saure-Base-Gleichgewichten gesprochen werden. Saure- bzw. Basekonstanten sind (in H20!) nicht mehr bestimmbar. Die Saure- und Basekonstanten werden aus Grunden der einfacheren Handhabbarkeit in Form ihrer negativen dekadischen Logarithmen angegeben:
I pK
und
B =
-lgKB
(6-53)
Je kleiner der pKs-Wert, umso grolier ist die Starke einer Saure, Der pKs-Wert wird auch als Siureexponent, der pKB - Wert auch als Baseexponent bezeichnet.
Beachte: saurestarke
Basestarke
Die pKs- und pKB - Werte charakterisieren die Starke von Sauren und Basen gegenuber Wasser. Wahlt man eine andere Bezugsbasis, ergeben sich andere Werte. Einige haufig benotigte pKs- und pKB- Werte sind in Anhang 4 zu finden. Der Zusammenhang zwischen dem K s - und dem KB -Wert eines korrespondierenden SaureBase-Paares ist durch das Ionenprodukt des Wassers gegeben (Gl. 6-54). bzw.
I
pKs + pKB
=
14
1
(6-54)
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
195
1st der pKs-Wert bekannt, kann mittels Beziehung (6-54) der pKB-Wert der korrespondierenden Base ermittelt werden (und umgekehrt). Die starken Sauren HCI und HN0 3 protolysieren vollstandig unter Bildung von H 30+- und Saurerestionen. Damit mussen diese beiden Sauren zwangslaufig starker als die entstehende Saure H 30+ sein, da im Resultat einer Protolyse immer die jeweils schwacheren Sauren und Basen gebildet werden. Gleichkonzentrierte wassrige Losungen von HCI und HN03 besitzen folglich die gleiche Saurestarke, namlich die des H 30+-Ions (nivellierender Effekt des Wassers). Sehr starke Sauren werden auf das Niveau der in Wasser starksten Saure H 30+ nivelliert. Der nivellierende Effekt gilt auch fur Basen. Die starkste Base in wassriger Losung ist das Hydroxidion OH-. Sind Basen starker als das Hydroxidion, werden sie auf das Basizitatsniveau von OH- nivelliert. Gibt man beispielsweise Bariumoxid BaO in Wasser, entsteht eine stark alkalische Losung (Gl. 6-55). Die eigentliche Base ist das im Gitter des ionischen Oxids bereits vorgebildete Oxidion 0 2- , das mit Wasser zu Hydroxidionen reagiert (Gl. 6-56). Die sehr starke Base 0 2- wird im Wasser auf die Basestarke des Ol-l-Ions nivelliert. BaO + H 20 0 2-
-
+ H 20 -
Ba 2+ + 20H-
(6-55)
20W
(6-56)
Urn das AusmaB der Protolyse wassriger Saure- bzw. Baselosungen vergleichen zu konnen, berechnet man in Analogie zum Dissoziationsgrad a (Kap. 6.5.2.1) den Anteil der Saure HA bzw. Base B, der mit Wasser reagiert hat. Dieser Anteil wird als Protolysegrad a bezeichnet. Er ergibt sich fur das Protolysegleichgewicht der Saure HA (Gl. 6-48) entsprechend Gl. (6-57), mit co(HA) = Ausgangskonzentration der Saure HA.
Protolysegrad
(6-57)
Sinngemaf gilt fur die Reaktion der Base B mit Wasser (Gl. 6-49): a = c(OH-)/co(B) = c(BH+)/co(B). Der Protolysegrad a kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei starken Sauren ist a= 1, was einer 100%igen Protolyse entspricht. Wendet man auf Gl. (6-48) das MWG an und substituiert c(H 30+), c(A-) und c(HA) durch (6-57), erhalt man einen einfachen Zusammenhang zwischen dem Protolysegrad a und der Saurekonstanten Ks(GI. 6-58).
Ostwaldsches Verdiinnungsgesetz
(6-58)
Der Protolysegrad a einer schwachen Saure nimmt mit abnehmender Konzentration zu, d.h. er nahert sich dem Wert 1. Vereinfachung fur (sehr) schwache Sauren: Ks = a 2. Co . Fur schwache Sauren und Basen liegt der protolysierte Anteil in der Mehrzahl der Faile unter 10%, haufig sogar deutlich darunter.
196
6 Wasser und wassrige Losungen
Zum Beispiel betragt in einer 0,01 molaren Essigsaurelosung der Protolysegrad 4%. Demnach liegen 96% der Essigsauremolekule unprotolysiert und nur 4% protolysiert vor. In einer Essigsaure der Konzentration 0,1 mol/l betragt der Protolysegrad nur noch 1,32% und in einer 1 molll Essigsaure hat sich der a-Wert auf 0,4% verringert. Der Protolysegrad verhalt sich demnach umgekehrt proportional zur Konzentration des Protolyten (Ostwaldsches Verdiinnungsgesetz, Gl. 6-58). Werden in der Losung einer schwachen Saure die H 30+-lonen durch Reaktion mit OH-lonen laufend aus dem System entfernt, bildet die Saure solange Hydroniumionen nach, bis keine undissoziierten Sauremolekule mehr vorhanden sind. Entsprechendes gilt umgekehrt fur Basen. Daran wird deutlich, dass der Umfang der Neutralisationsreaktion einer Saure mit einer Base (und umgekehrt) nicht vom pH-Wert, sondern von der Konzentration des Protolyten abhangt. Zur Neutralisation von 100 ml 0,1 mol/l Essigsaure (pH = 2,9) benotigt man das gleiche Volumen 0,1 molll Natronlauge wie zur Neutralisation von 100 ml 0,1 mol/l Salzsaure (pH = 1). Diese Tatsache ist fur die Betonkorrosion durch saure Wasser bedeutsam. Zum Beispiel besitzen eine Essigsaure- oder eine Milchsaurelosung (landwirtschaftliche Bauten!) vom pH-Wert 4 eine wesentlich hohere Konzentration co(S) als eine Salzsaure oder eine Schwefelsaure gleichen pH-Wertes. Geht man davon aus, dass beim sauren Angriff auf Beton mit dem Ca(OHh-Anteil des Zementsteins Calciumsalze gebildet werden, so konnen bei gleichem pH-Wert schwach dissoziierte organische Sauren in wesentlich grofserem Umfang Calciumionen binden, als starke Mineralsauren. Starke mehrwertiger Sauren und Basen, Der Begriff der Wertigkeit von Sauren und Basen (Kap. 6.5.3.3) muss im Licht der Bronsted-Theorie etwas modifiziert werden. Mehrwertige (auch: mehrprotonige oder mehrbasige) Sauren sind Verbindungen oder lonen, die bei der Protolyse mehr als ein Proton abgeben konnen, z.B. H 2S04 , H 3P04 oder H2C03 • Mehrwertige Basen sind Verbindungen oder lonen, die bei der Protolyse mehr als ein Proton aufnehmen konnen, z.B. SO/-, CO/-, PO/- oder Amine. Die Zahl der H'-Ionen, die eine mehrprotonige Saure abgeben kann, sagt nichts iiber ihre Saurestarke aus. In Wasser protolysieren die mehrprotonigen Sauren schrittweise, wobei jedem Schritt eine Protolyse- bzw. Saurekonstante K zugeordnet wird. Dem Symbol K werden Indices angefugt, um den Bezug zum entsprechenden Protolyseschritt deutlich zu machen. Die Protolyse der zweiprotooigeo Schwefelsaure verlauft in der ersten Stufe vollstandig (Gl. 6-59), wahrend das Gleichgewicht fur den zweiten Protolyseschritt (Gl. 6-60) weitgehend auf der Seite des Hydrogensulfats liegt (s.a. Kap. 6.5.3.8: Schwefelsaure), Die Saurekonstante fur die zweite Stufe besitzt einen Wert von K S2 = 1,2'10-2 mol/l (pKs = 1,92). H 2S04 + H 20 HS04- + H 20
-
H 30+ + HS04H 30 + + SO/-
(6-59) (6-60)
In einer 0,1 molll Schwefelsaurelosung betragt der Anteil an Hydroniumionen, der aus der zweiten Protolysestufe stammt, nur 9%. Es liegen also iiberwiegend H 30+- und HS04- -10nen vor. Fur die dreiwertige Orthophosphorsaure H 3P04 ergeben sich die Protolysegleichgewichte (6-61 bis 6-63).
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
H 3P04 + H20 H 2P04- + H 20 HPO/- + Hp
H 30+ + H2P04H 30+ + HP042H 30 + + PO/-
197
(6-61) (6-62) (6-63)
Die Abstufung zwischen den Saurekonstanten K S1 = 1,10 . 10-2 , K S2 = 7,58 . 10-8 sowie K S3 = 4,78' 10- 13 zeigt, dass mehrprotonige Sauren bei sukzessiver Protonenabgabe immer schwacher werden: K S1 > K S2 > K S3 • Begriindung: Aus einem Neutra1molekiil ist ein Proton leichter abspaltbar als aus einem einfach negativ geladenen Ion und aus diesem wiederum leichter als aus einem zweifach negativ geladenen Teilchen (elektrostatische Anziehung nimmt zu!). Wahrend die H 3P04 hinsichtlich ihrer ersten Protolysestufe (K = 1,10 . 10-2) als starke Saure klassifiziert werden kann, gehort das HPO/--Ion mit K = 4,78 . 10- 13 zu den sehr schwachen Sauren.
6.5.3.5
Protolyse von Salzen
Die wassrigen Losungen zahlreicher Salze reagieren nicht neutral, manche reagieren basisch und andere wiederum sauer. Welcher pH-Wert sich beim Auflosen eines Salzes in Wasser einstellt, hangt von einer moglichen Protolyse des Kations bzw. des Anions des Salzes mit dem Wasser abo Man kann drei Falle unterscheiden:
Fall A: Salzlosungen verhalten sich neutral, wenn weder das Kation noch das Anion des Salzes protolysieren, d.h. mit dem Wasser reagieren konnen, Weder das Kation noch das Anion des Salzes sind in der Lage, dem Wasser in einer Saure-Base-Reaktion ein Proton zu iibertragen bzw. zu entziehen. Beispiele fur neutrale Salzlosungen sind Losungen von NaCI oderKN03 • Die Metallkationen der I. und II. Hauptgruppe werden als neutrale Kationen bezeichnet, da sie zur Protolyse mit dem Wasser generell nicht fahig sind. Die Anionen starker Sauren, wie z.B. cr, N03- , HS04- und CI04- , sind sehr schwache Bronsted-Sauren. Auch in diesen Fallen ist eine Protolysereaktion mit dem Wasser zu vernachlassigen. Besteht das Salz aus einem protolysierenden Kation und einem protolysierenden Anion, so entscheidet die jeweilige Saure- und Basestarke iiber den pH-Wert der Losung. Sind pKsund pKB-Wert gleich groB, so kann auch in diesem Fall ein pH-Wert urn 7 (neutral) gemessen werden. Ein Beispiel fur diesen relativ seltenen Fall ist das Ammoniumacetat.
Fall B: Enthalten Salze Anionen wie z.B. C032- , PO/-, CN- (Cyanid) und Acetat, die sich von schwachen Sauren ableiten, so reagieren ihre wassrigen Losungen alkalisch. Die Anionbasen entziehen dem Wasser ein Proton unter Bildung von Olf'-Ionen. Beispielsweise reagiert beim Auflosen von Natriumacetat (CH3COONa) in Wasser das Acetation CH 3COO- mit dem H20 unter Bildung der schwachen Essigsaure CH 3COOH. Da Hydroxidionen entstehen, erhoht sich der pH-Wert (Gl. 6-64). (6-64)
198
6 Wasser und wassrige Losungen
Anionen, die korrespondierende Basen mehrwertiger Sauren sind, bilden bei Protonenaufnahme ebenfalls alkalische Losungen (Gl. 6-65). (6-65) Auch das Losen (Zersetzen!) von Kalkstein CaC03 durch verdtinnte Sauren, z.B. HCl (Gl. 5-25, Carbonat-Nachweis), ist die Reaktion einer Anionbase (COl-) mit einer Saure, Das Carbonation bindet als starke Base zwei Protonen der Saure, Es entsteht Kohlensaure, die in CO 2 und H 20 zerfallt, Unter Aufschaumen lost sich der Kalkstein
l
Fall c. Die wassrigen Losungen von Salzen schwacher Basen (vomehmlich Salze der schwachen Base Ammoniak NH3, also Ammoniumsalze) reagieren sauer. Die Kationsiiure NH/ ubertragt ein Proton auf das Wasser unter Bildung des Hydroniumions. Lost man z.B. Ammoniumchlorid Nl-l.Cl in Wasser, reagiert das NH/-Ion mit H20 unter Bildung von NH3 und einem H 30+-Ion (Gl. 6-66). Da Hydroniumionen entstehen, sinkt der pH-Wert. (6-66)
Einen Sonderfall stellen kleine, hochgeladene Metallionen wie At3+ und Fe 3+ dar, deren Salze in wassriger Losung ebenfalls sauer reagieren konnen. Die Erklarung dieses interessanten Verhaltens ergibt sich aus der Existenz hydratisierter Metallionen. Die hohe Ladung des Metallions polarisiert die Sauerstoff-Wasserstoff-Bindung eines der H20-Molekiile der Hydrathiille so stark, dass es zur Abspaltung eines Protons und dam it zur sauren Reaktion der Losung kommt (Gl. 6-67). (6-67) Die Protolyse eines Ions mit Wasser wird mitunter auch als Hydrolyse (alterer Begriff!) bezeichnet.
6.5.3.6
Berechnung des pH-Wertes
Zahlreiche praktische Vorgange werden wesentlich durch den Sauregrad bzw. den pHWert der Losung beeinflusst. Als Beispiele sollen die metallische Korrosion, der Saureangriff auf anorganisch-nichtmetallische Baustoffe und das Problem der Carbonatisierung genannt werden. Es ist deshalb wichtig, Naherungsformeln zur Verfugung zu haben, urn aus vorhandenen Daten pH-Werte berechnen - vor allem aber interpretieren zu konnen, Wie aus der Anordnung der pKs- und pKB - Werte in Anhang 4 zu ersehen ist, ergibt sich fur die Abstufung der Saurestarke eine groBe Spreizung mit flieBenden Ubergangen. Obwohl fur die Sauren und Basen mit unterschiedlichem Protolysegrad (tibliches Einteilungsmuster: sehr starke - starke - mittelstarke - schwache - sehr schwache Protolyte) zum Teil unterschiedliche Formeln zur pH-Wert-Berechnung entwickelt wurden, kann man fur bauchemisch relevante Aufgabenstellungen die Protolyte in vernunftiger Naherung in zwei Gruppen einteilen:
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
199
• pH-Werte starker Sauren und Basen a) pH-Werte starker Siiuren (pKs < 4) FUr Sauren mit einem pKs- Wert k1einer a1s 4 wird in wassriger Losung naherungsweise eine vollstandige Proto lyse angenommen. Damit gilt c(H 30+) = co(S), mit co(S) = Ausgangskonzentration der Saure S und fur den pH-Wert ergibt sich die Beziehung (6-68).
p
H - - I co(S) g I I-I mo'
(6-68)
1m Falle der starken zweiprotonigen Saure H2S04 kann man in grober Naherung schreiben: c(H 30+) = 2 . co(S). Die Konzentration an H30+-Ionen ist demnach doppelt so groB wie die Ausgangskonzentration der Saure. Damit ergibt sich: pH = - 19(2 . co(S»/mol . r'. b) pH-Werte starker Basen (pKB < 4)
FUr Basen mit einem pKB - Wert kleiner als 4 wird in wassriger Losung ebenfalls eine volIstandige Protolyse angenommen. Damit gilt c(OH-) = co(B), mit co(B) = Ausgangskonzentration der Base B und fur den pOH-Wert folgt Gl. (6-69). pOH= -Ig co(B)
mol·r I
(6-69)
FUr starke zweiwertige Basen (z.B. Ca(OH)z) ist wiederum zu beachten, dass die OH-Konzentration doppelt so groB ist wie die Ausgangskonzentration der Base co(B). Demnach gilt c(OH-) = 2 . co(B) und es ergibt sich die Beziehung: pOH = -lg (2 . co(B»/mol . r '. • pH-Werte schwacher Protolyte a)
pH-Werte schwacher Siiuren (pKs > 4)
In Losungen schwacher Sauren HA sind weder die G1eichgewichtskonzentrationen an H 30+ und A- noch die an nichtprotolysierter Saure HA bekannt. Urn trotzdem die Konzentration an Hydroniumionen und damit den pH-Wert ermitteln zu konnen, fuhrt man in den Ausdruck fur die Saurekonstante (Gl. 6-51) zwei Naherungen ein: • Aus Grunden der Elektroneutralitat solI im Gleichgewicht gelten: c(H 30+) = c(A"), Dabei werden die aus der Autoprotolyse des Wassers herriihrenden 10-7 molll H 30+ vernachlassigt, • Die Gleichgewichtskonzentration c(HA) wird der Ausgangskonzentration co(S) gleichgesetzt. Dabei vernachlassigt man den geringen Anteil an protolysierter Saure.
Es ergibt sich:
(6-70)
6 Wasser und wassrige Losungen
200
Logarithmieren von (6-70) ergibt Beziehung (6-71). H = .!... [ K - 1 Co (8) ] 2 P s g mol.r]
(6-71)
P
h) pli-Werte schwacher Basen (pK B >4) FUrden pOR- Wert schwacher Basen ergibt sich analog zu (6-71) die Beziehung (6-72). (6-72)
Beachte: Zur Berechnung des pH-Wertes von SalzlOsungen sind keine zusatzlichen Beziehungen notwendig. 1m Falle einer protolysierenden Base (Anionbase) wird Gleichung (6-72), bei Vorliegen einer protolysierenden Saure (Kationsaure) dagegen Gl. (6-71) benutzt.
Aufgaben: 1.
Berechnen Sie die pH-Werte einer 0,2 mol/l Salzsaure und einer 0,05 mol/l Natronlauge ! HCI: pH = -Ig co(S)/mol·r l = -Ig (2· 10- 1 ) = (-Ig 2 -Ig 10- 1 ) = 1 -Ig 2 = 0,7. NaOH: pOH = -Ig co(B)/moH I = -lg (5 . 10- 2) = 1,3 ; pH = 14 - 1,3 = 12,7
2.
Eine gesattigte Calciumhydroxidlosung (Kalkwasser) enthalt 1,26g Ca(OH)z pro Liter Wasser gelost, Berechnen Sie den pH-Wert der Losung! Nach Gl. (1-11) ist die Stoffmengenkonzentration der Losung n m 1,26 g = 1,7-10 -2 mol /1. c=-=--= Y M·Y 74,1 g /mol . I 1
c(Olr) = 2· c = 3,4 . 10- 2 mol/l, pOH = -Ig (3,4 . 10- 2) /mol-l" = 1,47; pH = 12,53 . 3.
Welche Konzentration an H 30+ in mol/l liegt bei einem pH-Wert von 2,4 vor?
4.
Berechnen Sie den pH-Wert a) einer 0,5 M Essigsaurelosung und b) einer 0,03 M Ammoniaklosung ! zu a) pH = Vi [pK s -Ig co(S)/mol·r l
]
= Vi( 4,75 -Ig 0,5) = 2,53.
zu b) pOH = Vi [pK B -Ig co(B) /mol-I"] = Yz (4,75 -Ig 0,03) = 3,14; pH = 10,86. 5.
Berechnen Sie den pH-Wert einer 0,1 M K 2C03-Losung! Bei Dissoziation von K 2C03 in Wasser entsteht die Anionbase C0 32- , die zur Protolyse mit H 20 in der Lage ist. Deshalb ist zur pH-Berechnung Gl. (6-64) anzuwenden.
201
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
pOH = Y2 [pKB -lg co(Salz)/mol·r'] = Y2 [3,6 -lg 0,1] = 2,3; pH = 11,7 .
6.5.3.7
Pufferlosungen
Praktische Aufgabenstellungen machen es mitunter notwendig, Losungen eines definierten pH-Wertes herzustellen, der dartiber hinaus eine langere Zeit konstant ist. Die erste Forderung ist kein Problem. Losungen eines gewunschten pH-Wertes lassen sich leicht durch geeignete Wahl der Konzentration entsprechender Sauren oder Basen herstellen. Schwieriger ist es schon, den pH-Wert der hergestellten Losung tiber einen bestimmten Zeitraum konstant zu halten. Jede Losung nimmt aus der Luft CO2 auf. Damit wird sie starker sauer und der pH-Wert emiedrigt sich (Gl. 5-26 bis 5-28). Bewahrt man eine Losung tiber Iangere Zeit in einem GlasgefaB auf, konnen zusatzlich basische Verunreinigungen aus der GefaBwand herausgelost werden. Pufferlosungen (Puffergemische) zeigen diese Probleme nicht. Sie "puffem" die Wirkung der Hydroniumionen (Siiurezugabe) und Hydroxidionen (Basezugabe) ab und halten damit den pH-Wert weitgehend konstant. Puffergemische sind wassrige Losungen aus einer schwachen Saure (Base) und einem Salz dieser schwachen Saure (Base). Sie haIten den pH-Wert weitgehend konstant, wenn Sauren oder Basen in begrenzter Menge zugegeben werden. Pufferlosungen bestehen aus den beiden Bestandteilen eines korrespondierenden SaureBase-Paares. Die in der Losung wirksame Saure HA wird als Puffersiiure, die wirksame Base B als Pufferbase bezeichnet. Die quantitative Beschreibung der Puffergemische erfolgt durch die sogenannte Puffergleichung (nach Henderson-Hasselbalch, Gl. 6-73).). Sie wird durch einfache Umstellung der Definitionsgleichung fur die Saurekonstante K s der Puffersaure (Gl. 6-51) erhalten. +
c(H30 )
pH
=
pK
s _
=
Ks
19c(1l4) c( A-)
c(1l4) .-
c( A-) ::;.
H p
K
_ I c(Siiure)
- P s g c( Salz)
(6-73)
Bei Berechnungen des pH-Wertes von Pufferlosungen wird fur c(HA) die Konzentration der Saure und fur c(A-) die Konzentration des Salzes eingesetzt. Die maximale Pufferkapazitat einer Pufferlosung ergibt sich nach Gl. (6-73) zu: pH = pKs. Entspricht der pH- dem pKs-Wert, liegen aquimolare Mengen an Salz und Saure vor. Damit eine Pufferlosung effektiv wirksam ist, sollte das Stoffmengenverhaltnis von Saure zu Salz c(HA)/c(A-) im Bereich zwischen 1/10 und 10/1liegen. Setzt man diese Stoffmengenverhaltnisse in Gl. (6-73) ein, erhalt man die Beziehung (6-74). pH
=
pKs ± 1
(6-74)
202
6 Wasser und wassrige Losungen
Innerhalb eines pH-Bereichs von pH = pKs ± 1 lasst sich der pH-Wert eines Puffergemischs durch Variation der Konzentrationen von Saure und Base gezielt einstellen (Pufferbereich). Die Wirkungsweise eines Puffersystems soll am Beispiel des Essigsaure-Acetat-Puffers erklart werden. Die Pufferlosung soll x molll Essigsaure und x mol/l Acetat (als Natriumacetat) enthalten. Dem System liegt das Gleichgewicht Gl. (6-75) zugrunde. CH 3COOH
+ H 20 .:;;::= CH 3COO-
Konzentration derSiiure
c(HA) -PH = p Ks - I g c( £) ,
+
(6-75)
Konzentration des Salzes
H p
=
4 75 _ I x mol / I , g xmol / I '
pH = pKs
=
4,75.
Fiir eine Losung, die aquimolare Mengen an Essigsaure und Natriumacetat enthalt (Verhaltnis 1:1), ergibt sich ein pH-Wert von 4,75. Die Pufferkapazitat des Essigsaure-AcetatPuffers liegt somit nach Gl. (6-74) im pH-Bereich von 3,75 ...5,75. Gibt man der Pufferlosung eine Saure (H 30+) zu, reagiert das Hydroniumion mit der Base CH 3COO- unter Bildung von Essigsaure und Wasser. Gleichung (6-75) verlauft so lange von rechts nach links, bis sich das gestorte Gleichgewicht neu eingestellt hat. Setzt man der Losung Hydroxidionen (z.B. NaOH) zu, neutralisieren diese die sich im Gleichgewicht befindlichen H 30+-Ionen. Das so gestorte Gleichgewicht stellt sich durch weitere Protolyse der Essigsaure wieder ein, indem Hydroniumionen nachgeliefert werden. Gleichung (6-75) verlauft von links nach rechts. Die H 30+-Ionen werden durch den Vorrat an Acetationen und die OH--Ionen durch den Vorrat an Essigsauremolekulen abgepuffert. In beiden Fallen bleibt der pH-Wert weitgehend konstant. Sollen "basische" Pufferlosungen (pl-l » 7) hergestellt werden, so muss man konjugierte Saure-Base-Paare mitpKs-Werten > 7 verwenden. Als Beispiel soll der Ammoniumchlorid (NHtCI)1Ammoniak (NH 3)-Puffer angefuhrt werden. Der pKs -Wert der Kationsaure NHt+ betragt 9,25. Damit liegt der Pufferbereich des Ammoniumchlorid/Ammoniak-Puffers (kurz: NHt+/NH 3-Puffer) zwischen pH = 10,25 und 8,25. Pufferlosungen spielen nicht nur bei zahlreichen technischen Prozessen, wie z.B. beim Galvanisieren, bei der Herstellung photographischer Schichten bzw. von Farbstoffen oder beim Gerben von Leder, eine wichtige Rolle. Die Reaktionen aller biologischen Systeme sind gepuffert. Ohne Puffersysteme ware Leben auf der Erde nicht moglich. Der Erdboden enthalt in der Humusschicht verschiedene Puffersysteme, von denen das System CaCOi Ca(HC03h eine besondere Bedeutung besitzt. Der Kohlensaure/Hydrogencarbonat (H 2C03/HCOn-puffer stellt auch das wichtigste Puffersystem fur das Blutplasma dar. Er halt den pH-Wert des menschlichen arteriellen Blutes konstant auf 7,40 ± 0,05. Ein Absinken des pH-Wertes des Blutes auf 7,0 tiber einen langeren Zeitraum ist lebensbedrohlich.
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
6.5.3.8
203
Technisch und bauchemisch wichtige Siiuren und Basen
Scbwefelsiiure H 2S04 • Wasserfreie Schwefelsaure ist eine farblose, olig-dicke Flussigkeit (Smp. 10°C, Sdp. 280°C) mit einer Dichte von p = 1,83 g/cm", Die im Handel erhaltliche konzentrierte Schwefelsaure ist 98%ig, das entspricht einer Stoffmengenkonzentration c(H 2S04) von 18 mol/I. Enthalt sie S03 im Uberschuss gelost, spricht man von "rauchender Schwefelsaure". Konzentrierte H2S04 wirkt stark bygroskopiscb (wasserentziehend). Deshalb wird sie im chemischen Laboratorium als Trocknungsmittel fur Chemikalien genutzt. Sie ist auch in der Lage, einer Reihe von Verbindungen das Wasser zu entziehen (Dehydratisierungsmittel). Zum Beispiel entsteht beim Einwirken von konz. H2S04 auf Zucker eine porose Kohlenstoffmasse. Schwefelsaure ist eine oxidierende Saure, da neben den Hydroniumionen (H 30+) auch das Sulfation als Oxidationsmittel reagieren kann. Zwar ist ihre Oxidationskraft geringer als die der Salpetersaure, trotzdem ist sie insbesondere bei hoheren Temperaturen in der Lage, Metalle wie Cu, Ag und Hg zu losen, Die Reaktion der Schwefelsaure mit Wasser ist stark exotherm. Beim Verdunnen von reiner oder konz. H2S04 mit Wasser ist es deshalb notwendig, die Saure in dunnem Strahl, oder noch besser tropfenweise, unter Umrtihren in das Wasser einzutragen. Gibt man umgekehrt H20 in die Schwefelsaure, kann es durch die starke Warmeentwicklung zum Herausspritzen der Saure, vielleicht sogar zum Springen des Glasgefalles kommen. Schwefelsaure ist ein zweiprotonige Saure. Die Protolyse erfolgt in zwei Stufen (GI. 6-59: H2S04 + H20 - H 30+ + HS04- und GI. 6-60: HS04- + H20 ~ H30+ + SOl-), wobei die Abspaltung des ersten Protons praktisch vollstandig ablauft, Das bedeutet, GI. 6-59 liegt weitgehend auf der rechten Seite. Es entstehen Hydrogensulfationen (HS04-) und Hydroniumionen (H 30+). Das zweite Gleichgewicht (6-60) liegt dagegen - insbesondere bei hoheren Konzentrationen - vorwiegend auf der Seite des Hydrogensulfations. Damit sind in einer labortiblichen, verdtmnten H2S04-Losung der Konzentration 1 mol/l als vorherrschenden Species HS0 4-- und H 30+-Ionen zu finden, Erst bei relativ starker Verdunnung (c < 10-2 mol/l) oder bei Zugabe von starkeren Basen als Wasser (z.B. Hydroxidionen: HS04- + OH- - H20 + SOl-) liegen tiberwiegend Sulfationen (SOl-) vor. Vor dem Hintergrund der obigen Protolysegleichgewichte kann eine Schwefelsaurelosung als Mischung zweier verschieden starker Sauren aufgefasst werden, einer sehr starken Saure (H 2S04) und einer nur zum Teil protolysierten mittelstarken Saure (HSOn. Trotzdem kristallisiert bei Zugabe von mehrfach geladenen Metallionen (z.B. Ca 2+) das entsprechende Metallsulfat und nicht das Hydrogensulfat aus. Begrtindung: Die frei werdende Gitterenergie (Kap. 3.1.2) ist im Fall eines Kristalls aus zweifachgeladenen Kationen und Anionen grolier als bei einer Kombination von zweifach geladenen Kationen und einfach geladenen Anionen. Die Sulfate insbesondere der Erdalkali- und Alkalimetalle sind von auBerordentlicher Bedeutung fur das Bauwesen. So ist zum Beispiel Calciumsulfat als Halbhydrat, Dihydrat oder Anhydrit ein wichtiger Bau- bzw. Zementzusatzstoff. Auf der anderen Seite bildet CaS04 den Ausgangspunkt fur gefurchtete Bauschaden (Gips- bzw. Sulfattreiben, Kap. 9.4.2.2).
204
6 Wasser und wassrige Losungen
Salpetersaure HN03 . Reine Salpetersaure ist eine farblose Fliissigkeit, die bei 82,6°C siedet. Da sie sich bei Lichteinwirkung teilweise zersetzt, wird sie in braunen Flaschen autbewahrt. Das bei der Zersetzung (2 HN03 - 2 NO z + HzO + 12 Oz) entstehende braune Gas NO z farbt verdiinnte Losungen gelb, in hoheren Konzentrationen rot. Die an der Luft rotbraun dampfende Losung bezeichnet man als "rote rauchende Salpetersaure". Handelsiibliche konzentrierte Salpetersdure (p = 1,41 g/crrr' bei 20°C; Sdp. 121,8°C) ist eine 69,2%ige Losung von Salpetersaure in Wasser (c = 14,5 mol/l). Die Salze der Salpetersaure heiBen Nitrate. Der Name Salpeter leitet sich von den historisch entstandenen Bezeichnungen fur einige Nitrate ab, z.B. Natriumnitrat NaN03 (Chilesalpeter), Kaliumnitrat KN03 (Salpeter), Ammoniumnitrat N~N03 (Ammonsalpeter) und Calciumnitrat Ca(N03h (Kalksalpeter). Das hygroskopische Ca(N03h gehort zu den stark bauschadigenden Salzen (Mauersalpeter, Kap. 9.4.4). Sowohl konzentrierte als auch die im Laborbetrieb gebrauchliche halbkonzentrierte Salpetersaure (-30%ig) sind starke Oxidationsmittel. Sie losen Metalle wie Kupfer, Quecksilber und Silber auf. Gold und Platin werden nicht gelost (Kap. 7.3.5). Neben den Metallkationen entstehen Stickoxide. Mit halbkonzentrierter Salpetersaure bildet sich iiberwiegend NO, mit zunehmender Konzentration der Salpetersaure wird mehr und mehr NO z zum Hauptprodukt des oxidativen Angriffs. Das bedeutet, dass neben dem H30+-Ion auch das Nitration N0 3- als Oxidationsmittel reagieren kann. Salpetersaure gehort deshalb zu den oxidierenden Sauren. Starker verdiinnte HN0 3 reagiert mit unedlen Metallen unter H zEntwicklung. Salzsaure HCl. Salzsaure (Chlorwasserstoffsaure) ist die wassrige Losung des Gases Chlorwasserstoff (HCl). Chlorwasserstoff ist in Wasser extrem gut loslich, Zum Beispiel lost 1 Liter Wasser bei O°C unter starker Warmeentwicklung 507 Liter, bei 20°C 442 Liter Chlorwasserstoffgas. Der Name Salzsaure riihrt von der Darstellung der Saure her. Salzsaure wird aus Kochsalz (NaCl) gewonnen. Handelsiibliche konzentrierte Salzsaure (p = 1,19 g/cnr' bei 20°C) ist 38%ig. Das entspricht einem Stoffmengenanteil von etwa 12 mol/I. Da sie an der Luft stark raucht, wird sie auch als "rauchende Salzsaure" bezeichnet. Die Salze der Salzsaure heiBen Chloride. Charakteristisch fur konzentrierte Salzsaure ist ihr stechender Geruch. Er ist auf HCI-Molekiile in der Gasphase zuriickzufUhren. Die im Laborbetrieb verwendete verdiinnte HCl besitzt in der Regel eine Stoffmengenkonzentration von 2 mol/I. Verdiinnte Salzsaure ist in der Chemie die nichtoxidierende Saure schlechthin, denn wenn ein unedles Metall wie z.B. Zink von HCl gelost wird (Bildung von Zn z+ und Hz), kommen nur die H30+-lonen als Oxidationsmittel in Frage. Die Chloridionen sind redoxstabile Teilchen. Salzsaure lost deshalb nur unedle Metalle wie Zn, Al und Fe. Salzsaure bildet sich bei der Reaktion von Chlorwasserstoff (Gas!) mit Wasser. In der wassrigen Losung liegen ausschlieBlich H30+- und Cl-Ionen vor. Das heiBt, aile HCI-Molekiile haben sich in einer Protolysereaktion mit HzO umgesetzt (Merkmal einer starken Siiure!). Wenn bei stochiometrischen Aufgabenstellungen von Salzsaure die Rede ist, bezieht man sich stets auf die Stoffmenge des gelosten Chlorwasserstoffs, obwohl dieser in Losung praktisch nicht mehr vorliegt. Es gilt somit: c(HCl) = c(H 30+). Reine Salzsaure ist farblos. Technische Salzsaure weist dagegen eine Gelbfarbung auf, die von Eisenverunreinigungen (Fefll, bzw. [FeC14 stammt.
n
6.5 Chemische Reaktionen in Losung
205
Wasserlosliche Chloride fordern generell die Korrosion von Eisen/Stahl (Kap. 8.2.2). Wirken chloridhaltige Wasser, z.B. Meerwasser oder chloridhaltige Taumittel, auf Stahlbeton ein, miissen besondere SchutzmaBnahmen getroffen werden.
Schwefelsaure, Salpetersaure uud Salzsdure gehoren zu den stark betonaggressiven Stoffen. Ihr Angriffsgrad hangt von der Konzentration abo Phosphorsaure H l P0 4 . Wenn man im praktischen Sprachgebrauch von der Phosphorsaure spricht, meint man im Allgemeinen die Orthophosphorsaure H3P04 . Sie ist eine mittelstarke dreiprotonige Saute, die ihre Protonen in drei Protolysestufen abspalten kann (Gl. 661 bis 6-63). Dabei entstehen drei Gruppen von Salzen: M 1H2P0 4 M I2HP04 M I3 P0 4
Dihydrogenphosphate (primare Phosphate), Hydrogenphosphate (sekundare Phosphate), Orthophosphate (tertiare Phosphate).
Orthophosphorsaure H 3P04 bildet farblose Kristalle (Smp. 42°C), die sich gut in Wasser losen, Handelsiibliche konz. Phosphorsaure (85%ig) ist eine sirupose Losung der Dichte 1,687 g/cm'' (20°C). Ihre hohe Viskositat ist auf Wasserstoftbriickenbindungen zwischen den Molekiilen zuriickzufiihren. Die betonangreifende Wirkung der Phosphorsaure ist als gering einzustufen. 1m Bauwesen findet H3P04 vor allem als Bestandteil von Rostwandlem und beim Phosphatieren von Stahloberflachen (8.2.6.1) Anwendung. Salz-, Schwefel- und Salpetersaure werden haufig als Mineralsauren bezeichnet, da sie in Form ihrer Salze in den meisten Mineralen enthalten sind. Die Kohlensaure und die Kieselsauren werden in Kap. 5.4.3.2 bzw. 9.2.2 naher besprochen. Natriumhydroxid NaOH und Kaliumhydroxid KOH. Natriumhydroxid und Kaliumhydroxid sind weiBe, hygroskopische Substanzen. Sie losen sich sehr gut in Wasser (z.B. bei 25°C: 1090 g NaOH pro Liter H20) und bilden unter Warmeentwicklung Basen (Laugen). Sowohl Natronlauge als auch Kalilauge reagieren stark alkalisch. Sie wirken atzend und sind giftig. Beide Laugen greifen Zink und Aluminium an, in heiBer hochkonzentrierter Form sogar Eisen. Na20 und K 20 (mitunter kurz als .Alkalien" bezeichnet) sind in geringen Mengen im Zement enthalten bzw. entstehen aus Natrium- oder Kaliumsalzen. Bei Zugabe von Wasser bilden sie Laugen (M 20 + H20 --+ 2 MOH, M = Na, K). Verdiinnte Alkalilaugen schadigen den Zementstein nicht. Bei Verwendung von Gesteinskornungen mit alkaliloslicher Kieselsaure konnen die Alkalien zur Alkali-Kieselsaure-Reaktion fiihren (Alkalitreiben, Kap. 9.4.2.2). Die wichtigsten alkalischen Verbindungen der Bauchemie, das Calciumhydroxid Ca(OH)2 bzw. dessen Baseanhydrid, das Calciumoxid CaO, werden in Kap. 9.3.2.1 naher besprochen.
7
Redoxreaktionen - Grundlagen der Elektrochemie
7.1
Begriffe: Oxidation - Reduktion
Die Begriffe Oxidation und Reduktion sind im Laufe der historischen Entwicklung der Chemie mehrfach erweitert und auf einer hoheren Erkenntnisebene neu definiert worden. Urspriinglich wurde unter einer Oxidation die Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff (Oxygenium), also eine Sauerstoffaufnahme verstanden. Die Riickfiihrung des Stoffes in den urspriinglichen Zustand, d.h. die Abgabe von Sauerstoff, wurde als Reduktion bezeichnet. Zum Beispiel verbrennt Magnesium bei hoheren Temperaturen unter Aussendung von blendend weiBem Licht. Mg wird oxidiert und es bildet sich weiBes Magnesiumoxid MgO (Gl. 7-1). 2Mg + O2
---
(7-1)
2MgO
Betrachtet man andererseits die Umsetzung von Magnesium mit Chlor (Gl. 7-2), ergeben sich eine Reihe von Analogien zur Oxidation des Mg mit Luftsauerstoff. Mg + Cl,
(7-2)
- - - MgCh
Obwohl Sauerstoff nicht beteiligt ist, verlauft auch diese Reaktion heftig und exotherm. Auch in diesem FaIle spricht man von einer Verbrennung des Magnesiums im Chlorstrom. In beiden Reaktionen - und darin besteht ihre Gemeinsamkeit - gibt das Magnesiumatom Elektronen abo Mg wird oxidiert (Gl. 7-3). Mg
---
Mg 2+ + 2 e"
(Elektronenabgabe, Oxidation)
(7-3)
Die Elektronen werden vom jeweiligen Reaktionspartner aufgenommen, der dabei reduziert wird (Gl. 7-4 und 7-5). (7-4)
(Elektronenaufnahme, Reduktion)
Cl, + 2e-
---
2Cr
(7-5)
Im Resultat dieser Betrachtungen konnen die Begriffe Oxidation und Reduktion neu gefasst werden: Eine Oxidation ist stets mit einer Elektronenabgabe und eine Reduktion stets mit einer Elektronenaufnahme verbunden. Oxidation und Reduktion laufen immer gekoppelt abo Der Gesamtprozess wird als Redoxreaktion bezeichnet. Unter Verwendung der in Kap. 2.2.2 eingefiihrten Oxidationszahlen ergeben sich die folgenden Aussagen:
Die Oxidation ist mit einer Erhohung der Oxidationszahl und die Reduktion mit einer Erniedrigung der Oxidationszahl verbunden. Eine Elektronenabgabe kann nur erfolgen, wenn ein Reaktionspartner vorhanden ist, der die Elektronen aufnehmen kann. Dieser Reaktionspartner wird als Oxidations mittel bezeichnet. Denjenigen Reaktionspartner, der die Elektronen abgibt und damit die Reduktion hervorruft, nennt man Reduktionsmittel.
207
7.1 Begriffe: Oxidation - Reduktion
Oxidationsmittel sind Stoffe, die Elektronen aufnehmen kdnnen (Etektronenakzeptoren) und dabei selbst reduziert werden. Reduktionsmittel sind Stoffe, die Elektronen abgeben kdnnen (Elektronendonatoren) und dabei selbst oxidiert werden. Bei der Oxidation von Magnesium mit Sauerstoff ist Mg das Reduktionsmittel. Magnesium wird oxidiert und erhoht seine Oxidationszahl von ±O auf +II. Der Sauerstoff als Oxidationsmittel emiedrigt seine Oxidationszahl von ±O auf -II.
Beispiele fur praktisch wichtige Oxidationsmittel sind: Cl-, O 2 (bzw. 0 3), H 20 2, Kaliumpermanganat (KMn04), Kaliumchromat bzw. -dichromat (K 2Cr04 bzw. K2Cr207). Wichtige Reduktionsmittel sind die Alkalimetalle, Koks (C), Sulfite (z.B. Natriumsulfit Na2S03), Nitrite (z.B. Kaliumnitrit KN02) und Fe(II)-Salze (z.B. Eisen(II)-sulfat FeS04)' Wie Saure-Base-Reaktionen sind auch die Redoxprozesse umkehrbar. Schreibt man Gl. (73) und (7-5) als Gleichgewichtsreaktionen, entspricht jeweils die Hinreaktion einer Oxidation und die Ruckreaktion einer Reduktion (Gl. 7-6a und b). Mg
2Cr
Oxidation
E'(Fe/Fe2+) = -0,44 V) zum Tragen. Das unedlere Eisen bildet die Anode (Abb. 8.5). Es lost sich auf und geht in Rost tiber. Folgende chemische Reaktionen laufen ab: Anode: Katode:
Fe
Oxidation
2 H30+ + 2 ebzw. O2 + 2 H20 + 4 e-
Reduktion
Elektrolytlosung (Wassertropfen) ZinnOberzug (Katode)
Eisen (Anode)
Abbildung 8.5
Lokalelement Fe/Sn: Korrosion von Eisen, das mit metallischem Zinn in Kontakt steht (Wasserstoffkorrosion).
246
8 Chemie der Baumetalle
Die beim Anodenvorgang freigesetzten Elektronen flieBen zum edleren Metall (Sn) und werdenje nach pH-Wert und 02-Konzentration an dessen Oberflache von H 30+-lonen oder von Sauerstoff aufgenommen. Das Zinn bleibt im Wesentlichen unverandert. Ein analoges elektrochemisches Verhalten zeigt ein durch eine Kupferschicht geschutztes Stahlblech. Bei Beschadigung der Schutzschicht korrodiert der Stahl. Es kommt zum Unterrosten der Schutzschicht und der Korrosionsabtrag schreitet in die Tiefe fort (LochfraB).
Korrosion an verzinktem Stahlblech. Anders sind die Verhaltnisse, wenn Zink als Uberzugsmaterial fur Stahlteile (Kfz-Karosserien, Stahlmasten, Dachrinnen) eingesetzt wird. 1st die Zinkschicht beschadigt, fungiert das Eisen als Katode des sich ausbildenden Lokalelements. Das unedlere Zink (E'(ZnlZn2+) = -0,76 V < E'(Fe/Fe 2+) = -0,44 V) bildet die Anode und wird zu Zn 2+-Ionen oxidiert. Die Zinkschicht lost sich allmahlich auf (Abb. 8.6). Die Elektronen flieBen zum edleren Eisen, wo wiederum die H 30+-lonen unter Wasserstoffbildung entladen werden. Das Eisen ist weitgehend vor dem Rosten geschutzt. Elektrolytlosung (Wassertropfen) ZinkOberzug (Anode)
Eisen (Katode)
Abbildung 8.6
Lokalelement Zn/Fe: Katodischer Schutz von Eisen durch leitenden Kontakt mit Zink (Wasserstoffkorrosion).
Folgende chemische Reaktionen laufen ab: Anode: Katode:
Zn
2H30 + + 2ebzw. O2 + 2 H20 + 4 e
Oxidation
-
+ 2 H 20
-
H2
---.
40Ir
Reduktion
In beiden betrachteten Fallen wird das jeweils unedlere Metalls korrosiv zerstort, Fur den praktischen Korrosionsschutz ergibt sich dam it folgende Schlu ssfolgerung: Wenn keine Bedenken funktioneller Art dagegen sprechen, sollte die Schutzschicht immer aus einem unedleren Metall als die zu schutzende Schicht bestehen (z.B. Zink auf Eisen). Dann geht bei einer Beschadigung der Schutzschicht immer zuerst das unedlere Metall (Zn) in Losung und das edlere (Fe) bleibt so lange erhalten, so lange noch Zink vorhanden ist. Edlere Uberznge schiitzen das Grundmetall nur, wenn sie porenfrei aufgetragen und vollkommen dicht sind. Bei Kontakt von AI- und Zn-Werkstoffen mit Cu, Cu-Legierungen, Fe, Ni und Edelstahlen ist prinzipiell eine Gefahrdung durch Kontaktkorrosion gegeben. Auch bei der Wechsel-
8.2 Korrosion von Metallen
247
wirkung von Eisenwerkstoffen mit Cu, Cu-Legierungen, Ni und Ni-Legierungen, Edelstahlen und Chrom kann es - immer die Gegenwart eines Elektrolyten vorausgesetzt - zur Kontaktkorrosion kommen (Lager, Buchsen, Schraubverbindungen!). Zur Venneidung der Korrosion zwischen zwei Metallen mit unterschiedlichen Elektrodenpotentialen konnen isolierende Zwischenschichten aus Kunststoffe bzw. Isolierpasten aufgebracht werden, die den leitenden Kontakt zwischen den Metallen unterbinden. 1st ein leitender Kontakt zwischen zwei verschieden edlen Metallen technisch nicht venneidbar, solIte der unedlere Partner eine moglichst groBe Oberflache im Vergleich zum edleren besitzen.
8.2.4 Korrosion von Stahl Die chemische Zusammensetzung der meisten metallischen Werkstoffe ist nicht homogen. Das kann auf Fremdatome als Folge natiirlicher Verunreinigungen oder absichtlicher Zulegierung von Metallen zuriickzufiihren sein. Inhomogenitaten konnen ihre Ursache aber auch in UnregelmaBigkeiten im Kristallgitter (Fehlstellen) haben. Der uneinheitliche Aufbau kann zur Ausbildung elektrochemischer Potentiale fuhren. Befinden sich Fe-Atome in der Umgebung von Kristallbaufehlem, werden sie leichter oder schwerer als die iibrigen Eisenatome oxidiert. Auch die Einschliisse selbst sind naturgemaf edler oder unedler als das Wirtsmetall. Baustahle enthalten neben C, S, P und Si wechselnde Mengen an Cr, Cu und Ni. Die beiden letzteren Metalle besitzen positivere Standardpotentiale als das Eisen. Unter den Bedingungen eines sich ausbildenden Lokalelements ubernehmen sie die Katodenfunktion und bewirken die anodische Zersetzung des Eisens. Kommt eine Stahloberflache mit Wasser in Beriihrung, ist generell mit der Ausbildung von Lokalelementen dieses Typs zu rechnen.
Sauerstoffhaltiges Wasser _
Rostneubildung
Abbildung 8.7 Lokalelement Eisen/Rost (Sauerstoffkorrosion): Anode: Fe - Fe2+ + 2 eKatode:
Eisen (Anode)
-
% O2 + 2 e- + H20 -
2 OW
Eisenoxidschicht (Katode)
Dariiber hinaus kann die stets vorhandene, nicht zusammenhangende Eisenoxidschicht zur Ausbildung unregelmaliig verteilter katodischer und anodischer Bezirke auf der Oberflache fuhren (Abb. 8.7). Es entstehen Lokalelemente mit der Eisenoberflache als Anode und dem "edleren" Rost als Katode. Die meisten Metalloxide besitzen ein positiveres Potential, d.h. sie sind edler als die zugehorigen Metalle. Damit konnen sie, sofem sie den Strom leiten, als Elektrode einer galvanischen Zelle fungieren. In Gegenwart eines sauren Elektrolyten flieBen die Elektronen vom Eisen zum Eisenoxid. Wenn sich gleichzeitig Sauerstoff als
248
8 Chemie der Baumetalle
Elektronenakzeptor an der Reaktion beteiligt, erweitem sich die Rostbereiche. Der beschriebene Fall stellt eine spezielle Variante der Kontaktkorrosion dar. Durch Zulegieren von Metallen wie Kupfer, Chrom, Nickel und Molybdan wird die Korrosionsanfalligkeit des Eisens deutlich verringert. Die Schutzfunktion der sich ausbildenden Korrosionsdeckschicht erhoht sich. Das insbesondere durch den Einfluss von S02 entstandene Eisen(II)-sulfat FeS04 wird in Gegenwart der Legierungsmetalle Cu, Ni und Cr in schwer losliche Hydroxidsulfate tiberfllhrt. Durch ihren Einbau in die Poren der Rostschicht erfolgt eine weitere Abdichtung und Stabilisierung der Korrosionsschicht.
Hochlegierte Stahle (Edelstahle) weisen vor allem durch ihren hohen Cr-Anteil eine besondere Korrosionsbestandigkeit auf. Es bildet sich eine relativ widerstandsfahige Chromoxid-Schutzschicht aus. Als Schwellenwert ("Resistenzgrenze") werden 12,5% Cr angegeben. Oberhalb dieses Wertes erfolgt in Gegenwart von Sauerstoff eine Passivierung der Edelstahle. Mit steigendem Chromgehalt erhoht sich die Korrosionsbestandigkeit, da die Schutzschicht aus Chromoxid immer undurchlassiger wird. Durch Zulegieren von Nickel und/oder Molybdan wird ihre Bestandigkeit weiter erhoht. Allerdings ist auch bei sogenannten "nicht rostenden" Stiihlen stets von einer, wenn auch mit geringer Geschwindigkeit, ablaufenden Sauerstoftkorrosion auszugehen, wobei die Korrosionsgeschwindigkeit - wie in allen anderen Fallen auch - von der Aggressivitiit der umgebenden Atmosphiire (Reinluftgebiete, Industrie- oder Meeresluft) abhangt, Weit wichtiger sind fur die legierten Stahle jedoch lokalisierte Angriffe wie die Loch- und die Spaltkorrosion sowie die Spannungsrisskorrosion (Kap. 8.2.5). Fur das Bauwesen ist das Korrosionsverhalten des Bewehrungsstahls von fundamentaler Bedeutung. Das im Beton eingeschlossene Porenwasser ist wegen der immer im Zement enthaltenen Alkalien und des bei der Zementhydratation entstehenden Calciumhydroxids stark alkalisch (pH 13,..13,8). Das ist genau der pH-Bereich, in welchem Eisen, als Hauptbestandteil des Stahls, nicht bzw. kaum rostet (Passivitat des Stahls im alkalischen Medium). Diese auBerordentlich gtinstige, dem System Beton natiirlich innewohnende Eigenschaft, bildet die Grundlage fur die Verwendung der Baumaterialkombination Stahl-Beton. Korrosionsprobleme treten beim Bewehrungsstahl dann auf, wenn in das stark alkalische Milieu drastisch eingegriffen wird bzw. wenn Chloridionen in den Beton eindringen (Kap. 9.4.2.3).
8.2.5 Erscheinungsformen der Korrosion Je nach dem verwendeten Werkstoff, den Korrosionsbedingungen und dem Stoffabtrag konnen die Erscheinungsformen der Korrosion sehr vielfaltig sein. Sie lassen sich in zwei Hauptgruppen zusammenfassen:
• Gleichmii'pige Fldchenkorrosion Der Korrosionsangriff erfolgt parallel zur Oberflache. Der metallische Werkstoff wird eben und gleichmaliig tiber groBe Bereiche der Metalloberflache abgetragen, wobei eine allmiihliche Querschnittsverminderung eintritt (Abb. 8.8a). Flachenkorrosion findet man beispielsweise bei Zink und unlegierten bzw. niedrig legierten Stiihlen, die in neutralen Wiissem oder feuchter Atmosphere korrodieren. Als Beispiel soIl das Rosten von Stahlkonstruktionen in aggressivem Industrieklima angefuhrt werden. Aus technischer Sicht ist ein
8.2 Korrosion von Metallen
249
gleichmalsiger Korrosionsabtrag wenig problematisch. Die Korrosionsraten sind meist gering, so dass die Flachenkorrosion trotz ihres gefahrlichen Aussehens leicht iiberwacht und die Standzeit eines Stahlbauteils gut abgeschatzt werden kann.
• Ungleichmiijige oder lokal begrenzte (punktjOrmige) Korrosion Eine ungleichmiiBige Korrosion liegt vor, wenn an bestimmten, lokal begrenzten Stellen die korrosive Zersetzung mit einer deutlich hoheren Geschwindigkeit abliiuft als an anderen Stellen der Werkstoffoberflache, Voraussetzung sind ortliche Konzentrationsunterschiede im korrosiven Medium und daraus resultierende Potentialdifferenzen auf der Werkstoffoberflache. Die Folge der Zersetzungsprozesse sind lokal unterschiedliche Materialabtrage, Sie konnen zu schwerwiegenden Schadigungen des Werkstoffs fuhren, !
a)
Abbildung 8.8
Angriff!
~
!
b)
Angriff
!
~
Typische Erscheinungsformen der Korrosion: a) GleichmaBige Flachenkorrosion; b) LochfraBkorrosion (Lochkorrosion, LochfraB).
Besondere Arten dieser Korrosionsform sind die LochfraB- und die selektive Korrosion. Der Lochfra8 ist eine Korrosionsform, bei der kraterf6rmige, die Oberflache unterhohlende tiefe Locher auftreten. AuBerhalb der LochfraBstellen tritt praktisch kein Flachenabtrag auf. Die Tiefe der LochfraBstelle ist im Allgemeinen gleich oder grober als ihr Durchmesser [KS 2]. LochfraBkorrosion tritt nur an Metallen im .Passivzustand", d.h. an passivierten metallischen Werkstoffen auf. Je nach Bedingungen bilden sich nach kurzen oder liingeren Zeitraumen tiefe Ausfressungen, die schnell zu einer vollstandigen Durchlocherung des Werkstoffs fiihren konnen. Der iibrige Teil der passiven Oberfliiche wird nicht angegriffen. Zu den passiven Werkstoffen, die besonders durch Lochkorrosion gefahrdet sind, gehoren hochlegierte ferritische Chrom- und Chrom-Nickel-Stahle sowie Aluminiumteile. Ausgangspunkt fiir die Lochkorrosion sind Fehl- und Storstellen in der Passivschicht. Darunter sind herstellungs- und bearbeitungsbedingte mechanische Oberflachendefekte, Heterogenitiiten des Werkstoffs oder auch Oberflachenverunreinigungen bzw. Ablagerungen zu verstehen. Indem bestimmte lonen wie cr, aber auch Br" und I" an diesen Stellen adsorbiert und eingebaut werden, wird die Passivschicht so verandert, dass es zu einer stationaren Auflosung des Metalls kommen kann. Wegen ihrer hohen Adsorptions- und Polarisationswirkung (s. Kap. 9.4.2.3.2), aber auch ihrer Fahigkeit, aufgrund des geringen lonenradius die Passivschicht zu durchdringen und die kristallinen Oxide in eine kolloide Form zu uberfuhren [KS 2], sind insbesondere die Chloridionen zur LochfraBkorrosion in der Lage. Findet auf einer ansonsten kaum korrosiv angegriffenen Metalloberflache ein ortlich begrenzter Abtrag statt und der Durchmesser der Locher (Mulden) ist groBer als ihre Tiefe, spricht man von Muldenkorrosion. In zahlreichen Schadensfallen ist zwischen LochfraB und MuldenfraB keine eindeutige Abgrenzung moglich,
250
8 Chemie der Baumetalle
Unter selektiver Korrosion fasst man Korrosionsformen zusammen, bei denen "bestimmte Gefiigebestandteile, komgrenzennahe Bereiche oder Legierungsbestandteile bevorzugt gelost werden" (DIN 50 900 Tl.l). Man unterscheidet die interkristalline Korrosion (iiltere irrefuhrende Bezeichnung: .Komzerfall"), die transkristalline Korrosion, die Entzinkung (bei Messing), die Entnickelung und Entaluminierung sowie die Spongiose. Die interkristalline Korrosion tritt vorwiegend bei passivierenden Legierungen im Bereich der Komgrenzen des Werkstoffgeftiges auf. Unter Korngrenzen versteht man die Grenzen zwischen den Metallkristalliten im Metallverbund. UnsachgemiiBe Behandlung, z.B. durch zu starke Wiirmeeinwirkung bei bestimmten Bearbeitungsschritten wie SchweiBen oder Warmverformungsverfahren kann zu Inhomogenitiiten im Werkstoffgefuge und damit zur Ausbildung von Lokalelementen an den Komgrenzen fuhren. Die Folge ist eine Auflockerung des Gefuges, verbunden mit einem Festigkeitsverlust des Metalls. Interkristalline Korrosion ist vor allem an Chrom-Nickel-Stahlen zu beobachten. Beim Erhitzen eines Cr-Ni-Stahls auf Temperaturen von 400 ...800°C kann es zur Ausscheidung gemischter Carbide des Typs (Fe,CrbC6 an den Komgrenzen kommen. Die den Komgrenzen nahen Kristallitbereiche verarmen relativ an Chrom und ihre Passivitiit geht verloren. Damit sind sie einem Korrosionsangriff zugiinglich. Bei der transkristallinen Korrosion verliiuft die Korrosion durch die Kristallite des Metallgefuges hindurch. In Ausnahmefallen wird an Bauteilen aus Messing, die in stiindigem Kontakt mit Trinkwasser oder Schwitzwasser stehen, die sogenannte Entzinkung beobachtet. Sie kann im Extremfall zu Schiiden an Armaturen oder Rohren fuhren. Die Entzinkung wird - was nicht ganz korrekt ist - ebenfalls der selektiven Korrosion zugerechnet. Sie ist als Schiidigungsprozess seit langem bekannt. Vereinfacht dargestellt losen sich bei der Entzinkung die Mischkristalle des Messings auf. Die edleren Cu-Ionen werden durch die unedleren Znlonen aus der Losung "verdriingt". Sie scheiden sich an der Messingoberfliiche wieder ab und bilden einen rotlichen, schwammigen Niederschlag. Damit tiiuschen sie eine entzinkte Oberflache vor. Die angegriffene Stelle weist praktisch keine Eigenfestigkeit mehr auf. Aus der falschlichen Annahme einer lokalen Verminderung des Zn-Gehaltes wurde fruher der Begriff .Entzinkung" gepriigt. Die Entzinkung ist in der Regel mit einer ortlichen pfropfenformigen Zerstorung (LochfraB) des Bauteils verbunden. Die Zinkionen werden sukzessive weggefuhrt. Voraussetzung fur diese Korrosionserscheinung ist chloridhaltiges, relativ weiches Wasser. Der Entzinkung kann in unserer Zeit problemlos vorgebeugt werden. Der Einsatz von entzinkungsbestiindigem Messing (dr-Messing, dezincification resistant) ist heute Stand der Technik. Entzinkungsbestiindige dr-Messinge werden durch eine spezielle Wiirmebehandlung hergestellt, die den Anteil der Messing-a-Phase gegentiber der 13-Phase (wird bei der Entzinkung bevorzugt angegriffen!) erhoht, 1m Gefuge von dr-Messing dominiert demzufolge die a-Phase. Sie liisst sich im Gegensatz zur 13-Phase durch Zusatz geringer Mengen an Hemmstoffen (lnhibitoren) gegen die Entzinkung schtitzen. Die Spongiose (Graphitisierung) beim Grauguss wird ebenfalls der selektiven Korrosion zugerechnet. Durch den Angriff bevorzugt sauerstoffarmer Wiisser oder Wasserdampf werden aus dem Grauguss dessen Gefugebestandteile Ferrit und Perlit herausgelost, Zuruck bleibt ein relativ weiches, schwammiihnliches ("Eisenschwamm"), im Wesentlichen aus Graphit bestehendes Korrosionsprodukt. Hervorgerufen wird die Spongiose durch die
8.2 Korrosion von Metallen
251
Ausbildung eines Lokalelements zwischen dem edleren Graphit und der unedleren Ferrit/Perlit-Metallmatrix. Die urspriingliche Form des Werkstiicks bleibt erhalten, die Festigkeit geht verloren. 1m weiteren Sinne zahlen auch die Spaltkorrosion sowie die Spannungs- und Schwingungsrisskorrosion zur Gruppe der ungleichmalsigen Korrosion. Gehen Korrosionsprozesse auf Spalten oder kleine Hohlraume in Werkstoffdeckschichten zuriick, spricht man von Spaltkorrosion. Wie bei der LochfraBkorrosion fuhren unterschiedliche Sauerstoftkonzentrationen in der den Spalt fullenden Elektrolytlosung zur Ausbildung von Beliiftungselementen. Ursache fur unterschiedliche Oz-Konzentrationen sind Diffusionshemmungen. Der Bereich im Inneren des Spaltes ist sauerstoffarmer als der obere Bereich. Die gut beluftete obere Spaltseite bildet die Katode, an der die Reduktion des Sauerstoffs stattfindet. 1m Bereich des Sauerstoffunterschusses im Inneren des Spaltes lauft der Anodenprozess, z.B. die Oxidation des Eisens, abo Korrosion bei mechanischer Belastung. Wirken auBer einem aggressiven Medium mechanische Spannungen (Zugspannungen) auf den metallischen Werkstoff ein, so konnen Korrosionsprozesse ausgelost bzw. verstarkt werden. Die Korrosionsschaden resultieren aus dem Zusammenwirken werkstoffbezogener, medienseitiger und mechanischer Wirkgroben. Sie treten nur dann auf, wenn im speziellen Fall die kritische mechanische Beanspruchung iiberschritten wird. 1st dies nicht der Fall, reicht der medienseitige korrosive Angriff nicht aus, urn einen Schaden hervorzurufen. Bei der Spannungsrisskorrosion wirken statische mechanische Zugspannungen im Werkstoff. Dabei kann es sich sowohl urn durch auBere Lasten erzeugte Spannungen als auch urn innere Zugspannungen handeln. Die dreidimensional wirkenden Zugspannungen bewirken vor allem interkristalline Risse. Das Metallgefuge "reiBt" entlang der Komgrenzen auf. Ein in der Praxis haufig anzutreffendes Beispiel fur diesen Korrosionstyp sind die an Schweilinahten von Rohren auftretenden Spannungsrisse, in denen die Korrosion sehr schnell fortschreitet. Sind Metalle, die von einem aggressiven Medium angegriffen werden, gleichzeitig dynamischen, mit der Zeit wechselnden Zugspannungen ausgesetzt, kann Schwingungsrisskorrosion auftreten. Die Rissbildung erfolgt stets transkristallin. Die chemische Natur des Korrosionsmediums ist fur den Umfang des Korrosionsverlaufs kaum von Bedeutung. Spalt- und Spannungsrisskorrosion sind weit verbreitet. Die von ihnen ausgehenden Gefahren sind nicht zu unterschatzen, da der gesamte Umfang des Schadens haufig erst dann festgestellt wird, wenn die Bauteile bzw. Werkstiicke oder die gesamte Stahlkonstruktion kaum noch zu retten sind. Die gebildeten Risse sind so fein, dass sie mit bloBem Auge oft nicht erkennbar sind. Meist sind sie mit Korrosionsprodukten gefullt, Obwohl der chemische Umsatz der Korrosionsreaktion von vernachlassigbarer GroBe ist, kann es trotzdem zu einer signifikanten Schadigung des Werkstoffquerschnitts kommen.
8.2.6 Korrosionsschutz Die Schaden durch Korrosion haben wirtschaftliche Konsequenzen von nahezu gigantischem AusmaB. Deshalb sind MaBnahmen zu ihrer Verhiitung von allergrolster Bedeutung. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kosten, die zur Erhaltung von Stahlkonstruktionen im Laufe der Zeit aufgewendet werden miissen, mitunter ein Vielfaches der urspriinglichen
252
8 Chemie der Baumetalle
Baukosten betragen. Man geht davon aus, dass in den entwickelten Industrielandern pro Jahr etwa 4% des Bruttosozialproduktes durch Korrosion verloren gehen. Dabei weisen die Gesamtkosten durch Korrosionsschaden und fiir Aufwendungen zum Korrosionsschutz eine zunehmende Tendenz auf. Als exemplarische Ursachen fur diesen Anstieg sollen die zunehmende Aggressivitat der Atmosphare durch eine erhohte Schadstoffbelastung, das Auftreten neuartiger Korrosions- und Korrosionsschutzprobleme und hohere technologische Anforderungen (hohe Driicke und Temperaturen) bei Industrieprozessen angefuhrt werden. Die Erarbeitung von Korrosionsschutzprojekten unter Beriicksichtigung okonomischer, funktioneller und bautechnischer Aspekte sowie standortspezifischer Einfliisse ist heute Teil jeder Projektierungsphase fur Industrieanlagen und Bauten. Verfahren und MaBnahmen zum Korrosionsschutz an Eisen, d.h. zur Verhinderung des Rostens bzw. Durchrostens von Eisen, werden haufig unter der Sammelbezeichnung Rostschutz zusammengefasst. Die Methoden und MaBnahmen zur Vermeidung von Korrosionsschaden an Werkstoffen sind auBerst vielseitig (Abb. 8.9). Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen passivem und aktivem Korrosionsschutz. Zum aktiven Korrosionsschutz gehoren Verfahren, die Korrosionserscheinungen durch den aktiven Eingriff in das System Werkstoff / angreifendes Medium ausschalten sollen. Als Moglichkeiten ergeben sich Veranderungen am Werkstoff, z.B. durch Legieren, durch die Verminderung der angreifenden Wirkung des korrosiyen Mediums (lnhibitoren) und durch MaBnahmen zur Kompensation des Korrosionsstroms.
Katodischer Korrosionsschutz
Nichtmetallischanorganische Schutzschichten
Abb.8.9 Methoden und Ma~nahmen des aktiven und passiven Korrosionsschutzes
Der Schutz des Werkstoffs vor dem aggressiven Medium durch geeignete Deckschichten ist das Anliegen des passiven Korrosionsschutzes. Verfahren zum passiven Korrosionsschutz besitzen die volkswirtschaftlich grolsere Bedeutung, da ihr Einsatz oft okonomisch
8.2 Korrosion von Metallen
253
sinnvoller ist als eine Veredlung des Grundwerkstoffs bzw. die Anwendung der unterschiedlichen Verfahren des aktiven Korrosionsschutzes. Der Begriff des passiven Korrosionsschutzes steht in keinem Zusammenhang mit der Passivitiit der Metalle.
8.2.6.1
Passiver Korrosionsschutz
Die Grundidee des passiven Korrosionsschutzes ist eine raumliche Trennung des metallischen Bau- oder Werkstoffes vom angreifenden Medium durch eine Schutzschicht. Diese Schicht muss porenfrei sein (und bleiben!) und gegenuber dem korrosiven Agens eine hohere Bestandigkeit aufweisen als der Grundwerkstoff. Entscheidend fur den Wirkungsgrad und die Lebensdauer der Schutzschicht ist eine sorgfaltige Vorbehandlung der Oberflache. Werden Oxidationsprodukte wie Rost und Zunder nicht entfemt, setzen sich die Korrosionsvorgange unter der Schutzschicht weiter fort (Unterrosten). Durch eine Vorbehandlung sollen jedoch auch artfremde Verunreinigungen von der Metalloberflache entfemt werden. Dazu zahlen Staub, Salzreste und Schmutz, aber auch organische Verunreinigungen, die von bestimmten technologischen Bearbeitungsschritten oder von Konservierungsmitteln, wie z.B. Fetten, Olen und Siliconen, stammen. 1m Bauwesen kommen als passive Schutzsysteme fur Stahl neben Spritzmetallschichten (Zn, AI) und Feuerverzinkungen (s.u.) insbesondere organische Beschichtungen zum Einsatz. Eine optimale Schutzwirkung durch die Beschichtung kommt allerdings nur in direktem Kontakt mit einer technisch reinem Metalloberflache zum Tragen. Die Reinheit der Oberflache wird durch denn sogenannten Norm-Reinheitsgrad [KS 10] charakterisiert. Bei Beschichtungen ist der Norm-Reinheitsgrad Sa 2 Y2 gefordert: Zunder, Rost und Restschichten sind durch Strahlen soweit zu entfemen, dass Reste auf der Stahloberflache lediglich als leichte Schattierungen erscheinen. •
Metallische Schutzschichten
Unter den Methoden zur Erzeugung metallischer Schutzschichten, den sogenannten Metallisierungsverfahren, sind vor allem das Schmelztauchen und das Galvanisieren hervorzuheben. Beim Schmelztauchen (Feuermetallisieren) wird das zu schutzende Metall in die Schmelze eines Uberzngsmetalls getaucht. Die nach dem Abschrecken an der Luft oder in Wasser erstarrte metallische Schutzschicht ist im Allgemeinen dicker als ein auf galvanischem Wege hergestellter Uberzug. Aus okonomischen Grunden wird das Schmelztauchen vor allem zur Erzeugung von Korrosionsschutzschichten aus niedrig schmelzenden Metallen eingesetzt. Die wichtigste Anwendungsform ist die Feuerverzinkung. Nach dem Entfetten und Beizen mit verdunnten Sauren werden die Stahlbleche, Stahlrohre und -halbzeuge bzw. Stahlfertigerzeugnisse (z.B. Eimer, Kessel) in flllssiges Zink (Smp. 419,6°C) getaucht. Wegen der Dicke der Schutzschicht (0,05 mm) und der sofortigen Passivierung der Zinkoberflache an der Luft, wird die Feuerverzinkung bevorzugt als SchutzmaBnahme gegen AuBenbewitterung im Stahlbau, im Bauwesen, in der Landwirtschaft und in der Elektroversorgung eingesetzt. Eine Erhohung der Schutzwirkung ergibt sich durch eine zusatzlich aufgebrachte organische Deckschicht (Duplex-System: Feuerverzinkung + organische Beschichtung). Durch die Kombination Zink / organische Beschichtung erhoht sich die Schutzwirkung urn das 1,5- bis 2,5-fache der Summe der individuellen Schutzfak-
254
8 Chemie der Baumetalle
toren. Das ist vor allem fur den Einsatz von Bauteilen in belasteten Industrieregionen und in aggressiven Boden von Bedeutung. Bei groBen Stahlkonstruktionen wird die Zinkschicht auf die Oberflache des zu schutzenden Grundmetalls aufgespritzt (Spritzverzinkung). In einer Spritzpistole wird das Zink (entweder als Pulver oder als Draht) durch ein Brennstoff-Oj-Gemisch geschmolzen, unter Druck zerstaubt und anschlieBend auf den Werkstoff aufgespritzt. Beim Galvanisieren wird das Uberzugsmetall elektrolytisch auf der zu schutzenden Oberflache abgeschieden. Man unterscheidet die dekorative Galvanotechnik, bei der es im Wesentlichen auf ein gutes Aussehen der Oberflachen und auf den Glanz ankommt, und die funktionelle Galvanotechnik. Bei letzterer geht es urn eine Verbesserung bestimmter funktioneller Eigenschaften, wie z.B. des Korrosions-, VerschleiB- und Leitfahigkeitsverhaltens, von Werkstiicken bzw. Bauteilen. Das zu beschichtende Werkstiick wird als Katode einer Elektrolysezelle geschaltet. Die Anode besteht aus dem als Schutzschicht aufzubringenden Metall. Das Werkstiick taucht in eine Elektrolytlosung (galvanisches Bad), die ein Salz des Schichtmetalls in schwefelsaurer Losung enthalt. Die Kationen der Salzlosung scheiden sich an der Katode ab und bilden die Deckschicht auf dem Werkstiick. Das allmahliche Auflosen des Anodenmaterials halt die Konzentration an Metallkationen im Elektrolytbad annahernd konstant. Die erzeugten Uberzuge (0,012 mm) haften bei sachgemalser Vorbehandlung des Werkstiicks gut auf der Metalloberflache. Eines der am haufigsten angewendeten galvanischen Verfahren ist die Vernickelung. Den Verfahren zur Herstellung galvanischer Uberzuge aus Edelmetallen (vor allem Gold und Silber), aus Kupfer, Chrom und Zinn, aber auch aus Legierungen (Messing, Bronze) kommt ebenfalls eine groBe wirtschaftlich-technische Bedeutung zu. Fur eine Reihe von Anwendungen ist es zweckmaBig, mehrere Schichten iibereinander abzuscheiden (Mehrschichtsysteme). Zum Beispiel werden gut haftende und besonders glanzende Nickelschichten erzielt, wenn das Werkstiick aus Stahl zunachst einer vorhergehenden Verkupferung unterzogen wird. Die erzeugte Schichtfolge Fe/Cu/Ni ist im FaIle einer mechanischen Beschadigung der auBeren Nickelschicht weitgehend gegen Korrosion geschutzt. Bei den Diffusionsverfahren werden an der Oberflache des zu schutzenden Metalls dunne Schutzschichten erzeugt, indem Atome des eingesetzten Schutzmetalls in die darunter liegende Oberflache des zu schutzenden Metalls diffundieren. Beim Inchromieren (Diffusionschromieren) gluht man die zu schutzenden Stahlteile (C-Gehalt < 0,1%) in einem Ofen bei 1100°C etwa zehn Stunden in Gegenwart leichtfluchtiger Chrom(II)-halogenide (Crl, bzw. CrClz). Das in Gegenwart von Hz (Reduktionsmittel!) freigesetzte Chrom diffundiert in die Stahloberflache, wobei 30...40% der Fe- durch Cr-Atome ersetzt werden. Die Chromierung des Stahls wird solange durchgefuhrt, bis die auBere, etwa 0,15 mm dicke Schicht einen Chromgehalt > 12% aufweist. Inchromierte Stahle sind nicht nur korrosionsbestandiger, sie weisen zusatzlich eine hohere Harte, VerschleiBfestigkeit und Zunderbestandigkeit auf.
•
Organische Schichten
Die verbreitetste Methode des Korrosionsschutzes von Stahlkonstruktionen, Elektromasten und Briicken ist das Aufbringen organischer Beschichtungen (fruher: Anstriche, Anstrichsysteme). Die organischen Beschichtungsstoffe enthalten neben den Korrosions-
8.2 Korrosion von Metallen
255
schutzpigmenten entweder Bindemittel, die sich in organischen Losungsmitteln losen, z.B. Chlorkautschuk, PVC, Acrylharze, Epoxidharze, oder solche, die sich in Wasser losen, z.B. Acrylharze, Vinylharze, Polyurethan. Daneben konnen Farbmittel und Fiillstoffe enthalten sein. Die Bindemittel werden nach der Art ihrer Erhartung in physikalisch trocknende und chemisch vemetzende Bindemittel unterteilt (Kap. 10.4.5). Korrosionsschutzbeschichtungen sollen zwei Aufgaben erfullen: Sie sollen a) eine schutzende, gegebenenfalls passivierende Wirkung auf den Untergrund ausuben und b) widerstandsfahig gegen auBere Einflusse sein. Urn diese Aufgabe zu erfullen, werden mehrere Schichten aufgetragen (Mindestschichtdicken: 200 urn in Stadtluft, 300 urn in Industrieluft). Das kann z.B. durch Streichen oder im Spritzverfahren erfolgen. Die Grundbeschichtung enthalt die aktiven Korrosions- oder Rostschutzpigmente, deren Aufgabe es ist, die Passivierung durch die oxidische Schicht dauerhaft zu erhalten und an den Stellen, wo sie durch mechanische Einwirkungen beschadigt wird, nachzubilden. Die daruber liegenden Deckschichten haben die Aufgabe, die Grundbeschichtung vor Witterungseinflussen zu schutzen, indem sie dichte, thermisch und chemisch widerstandsfahige, evtl. durch Farbpigmente eingefarbte Kunstharze ausbilden. Urn beispielsweise die Passivitat einer Stahloberflache tiber langere Zeitraume zu erhalten, muss dafur gesorgt werden, dass die oxidische Passivschicht standig intakt bleibt und sich dort, wo sie beschadigt wird, nachbildet. Diese Funktion erfullt das Rostschutzpigment Mennige Pb304 in hervorragender Weise. Obwohl es noch vor Jahren breit eingesetzt wurde, wird es heute kaum noch verwendet. Das gleiche gilt fur das Rostschutzpigment Zinkchromat ZnCr04 . Blei- und Chrom(VI)-haltige Rostschutzanstriche gefahrden die Gesundheit, insbesondere wenn sie inhalativ aufgenommen werden. Die inhalative Aufnahme erfolgt weniger beim Aufbringen der Beschichtung, sondem eher bei ihrer Entfemung von einer Werkstoffoberflache. Beide Pigmente werden heute zunehmend durch Zinkstaub bzw. Zinkphosphat ersetzt (Kap. 8.3.3). Der Wirkmechanismus des Korrosionsschutzpigmentes Mennige Pb304, der auf einer Reihe interessanter elektrochemischer Prozesse beruht, soli im Folgenden kurz dargestellt werden: Prinzipiell bieten die fur den Korrosionsschutz von Stahlkonstruktionen haufig benutzten Leinol/Mennige-Anstriche tiber langere Zeitraume einen guten Schutz vor Feuchtigkeit und Luft. Infolge der immer vorhandenen Poren im Anstrichfilm diffundieren jedoch im Laufe der Zeit geringe Mengen Wasser und Sauerstoff an die Metalloberflache. Da selbst sandgestrahlte Stahloberflachen noch Oxidspuren aufweisen, bilden sich anodische und katodische Bereiche aus. Normalerweise musste nun eine Sauerstoffkorrosion einsetzen (Abb. 8.4, 8.7). Durch die Gegenwart von Mennige verlaufen die elektrochemischen Prozesse jedoch in eine etwas andere Richtung: Der Anodenprozess ist auch hier die Auflosung des Eisens zu Fe 2+. Die Elektronen flieBen in den katodischen Bereich (Rost), wo je nach pHWert und 02-Konzentration die Teilreaktionen (8-5), (8-6) bzw. (8-9) ablaufen. An der Anode oxidiert die Mennige das entstandene Fe 2+ zu Fe 3+, wobei sie selbst zu Blei(II)-oxid PbO reduziert wird. Das PbO vermischt sich mit Rost FeO(OH) und "wachst" mit ihm zu einer besonders festen, dichten, passivierenden Deckschicht zusammen. Der Korrosionsprozess wird gestoppt. Das PbO kann daneben mit den Fettsauren des Leinols schwer 16s1iche Salze ("Bleiseifen") bilden. Uber die genaue Zusammensetzung der Schutzschicht gibt
256
8 Chemie der Baumetalle
es in der Literatur widerspriichliche Angaben, als Bruttogleichung kann Gl. (8-12) geschrieben werden.
2 Fez+ + Pb 304 + 40H- - .
2 FeO(OH) . PbO
+ PbO + HzO
(8-12)
korrosionshemmende Deckschicht
•
Anorganisch-nichtmetallische Schutzschichten
Anorganische Uberzuge auf Metalloberflachen erhalt man entweder durch gezielte Oberflachenreaktionen (Reaktionsbeschichten) oder durch Aufschmelzen anorganischer Stoffe auf die Oberflache des zu schutzenden Werkstoffs. Es entstehen Konversions- oder Umwandlungsschichten. Sie besitzen eine ausgezeichnete Haftfestigkeit, da sie "aus dem Metall heraus" gebildet werden. Die auf der Metalloberflache aufwachsenden amorphen oder kristallinen Schichten weisen im Allgemeinen eine geringe Formbestandigkeit auf, besonders wenn es sich urn sprode Oxidschichten handelt. Oxidschichten konnen durch unterschiedliche Verfahren erhalten werden. Zur Erzeugung oxidischer Schichten auf Stahlen nutzt man die kontrollierte Oxidation mit Ilberhitzter Luft bzw. mit etwa 500°C hei13em Wasserdampf (Blaueni oder das Tauchen von Stahlteilen in hei13e oxidierende Schmelzen. Die Korrosionsbestandigkeit und der dekorative Charakter von Stahlwerkstoffen lassen sich durch Briinieren (Schwarzoxidieren) verbessem. Das Werkstuck wird in eine hei13e (135 - 145°C) NaOH-Losung getaucht, die Natriumnitrat NaN03 als Oxidationsmittel enthalt. Anschlie13end wird mit inhibitorhaltigen Olen nachbehandelt. Es bildet sich eine dunne, fest haftende, dunkelbraune bis schwarze Oxidschicht der Dicke 0,45 - 1 urn aus. Die Oberflachen von Bedienteilen und Waffen werden durch Briinieren behandelt. Bei dem in Kap. 8.3.1 besprochenen, sehr bedeutsamen Eloxal-Verfahren wird die naturlich vorhandene oxidische Schutzschicht des Aluminiums auf elektrochemischem Wege verstarkt. Der wahrscheinlich technisch wichtigste anorganische Uberzug auf Gusseisen oder Stahl ist das Email (jrz. Emaille). Er hat gro13e Bedeutung fur antikorrosive, saurefeste Auskleidungen von Apparaturen der chemischen und pharmazeutischen Industrie, fur Haushaltgerate und fur den Sanitarbereich. Beim Emaillieren werden durch Aufschmelzen anorganischer Substanzen (Ausgangsstoffe: Borax, Quarzmehl und Feldspat sowie geringe Mengen Soda, Kryolith und Flussspat als Flussmittel) glasartige Uberzuge erhalten. Die heute gangigen Emailsorten bestehen aus Borsilicatglasern, die bei technischen Anwendungen getrubt sein konnen. Durch Zusatz von Metalloxiden entstehen farbige Schichten, die fur dekorative Zwecke Verwendung finden. Emailliert wird im Allgemeinen in mehreren, mindestens jedoch in zwei Schichten, dem Grund- und dem Deckemail.Beisaure- und hochsaurefesten Emaillierungen werden mehrere Deckschichten aufgebrannt, wobei die Schichten nach au13en kieselsaurereicher werden. Die Saurefestigkeit eines Emai1s nimmt mit dem Anteil an SiOz zu. 1m Gegensatz zu ihrer Saurefestigkeit sind Emailschichten gegenuber Alkalien sehr anfallig. Die Oberflache wird angeatzt (s. Kap. 9.2 SiOz/Silicate). Emailschichten reagieren empfindlich auf plotzliche Temperaturwechsel, obwohl sie thermisch hoch beansprucht werden konnen, Dariiber hinaus besitzen sie eine nur geringe
8.2 Korrosion von Metallen
257
Schlag- und Biegefestigkeit. Sie weisen eine fast ideale Porenfreiheit und eine hohe Oberflachenglatte auf. Zu einer weiteren, wenn auch strukturell vollig anderen Gruppe anorganischer Schutzuberzuge gehoren die Phosphatschichten. Sie lassen sich durch Phosphatieren der Oberflache von Stahlen, Zink, Aluminium, Cadmium und Magnesium erzeugen. Bei diesem besonders fur Eisenwerkstoffe wichtigen Verfahren wird eine dunne (0,002...0,02 mm) Oberflachenschicht aus schwer loslichen Phosphaten gebildet. Sie stellt - trotz eventueller Nachbehand lung - zwar nur einen kurzfristigen Korrosionsschutz dar, weist aber eine Reihe praktisch bedeutsamer Vorteile auf. Zum einen ist sie durch ihre feinkristalline Struktur ein gut geeigneter Haftgrund fur Rostschutzbeschichtungen. Zum anderen vermindert sie bei Verformungen den Gleitwiderstand und wirkt deshalb als Schmiermitteltrager, Bei der Zinkphosphatierung von Stahl wird das zu phosphatierende Teil in eine Losung getaucht, die aus primaren Zink- oder Manganphosphaten (Zn(H2P04)2 bzw. Mn(H2P04h ), Phosphorsaure und anderen Zusatzen besteht. Primare Phosphate sind generell leicht loslich. Das Wirkprinzip dieses Verfahrens besteht darin, die Lage der in der Losung ablaufenden unterschiedlichen chemischen Gleichgewichte so zu beeinflussen, dass die leicht loslichen primaren Metallphosphate in schwer losliche sekundare oder sehr schwer losliche tertiare Phosphate uberfuhrt werden. Zunachst atzen (beizen) die Hydroniumionen der Phosphorsaure die Eisenoberflache (Gl. 8-13). (8-13) Neben primaren H 2P04--lonen entstehen Wasserstoffund oxidiertes Eisen, also Fe 2+-lonen. Die Zinkionen der Phosphatierungslosung bilden mit den H 2P04--Ionen schwer losliches sekundares Zinkphosphat ZnHP04 (Gl. 8-14), das die Deckschicht auf dem Stahl ausbildet. In einem nachsten Schritt wandelt sich das sekundare Zinkphosphat allmahlich in das sehr schwer losliche tertiare Zinkphosphat urn (Gl. 8-15). Zn 2+ + 2 H 2P04-
3 ZnHP04
ZnHP04 + H3P04 Zn3(P04)2 + H3P04
(8-14) (8-15)
Daruber hinaus entsteht auf unverzinkten Eisen- und Stahlwerkstoffen schwer Iosliches Zn2Fe(P04)2 . 4H 20 (Phosphophyllit), auf verzinkten Werkstoffen fast ausschlieBlich Zn3(P04)2 . 4H 20 (Hope it). Phosphatierte, verzinkte Stahlbleche werden fur Kraftfahrzeugkarosserien eingesetzt. Die Wirkungsweise von Rostwandlern beruht im Prinzip auf der Umwandlung des fest haftenden Rostes in eine schwer losliche Eisen(III)-phosphatschicht, die auf der Stahloberflache gut verankert ist. Rostwandler bestehen im Wesentlichen aus einem Gemisch von Phosphorsaure und verschiedenen Additiven zur Reinigung und Entfettung der Metalloberflache. Das gebildete FeP04 ist ein sehr guter Haftgrund fur Beschichtungen (Haflgrundvermittler). Problematisch bei der Verwendung von Rostumwandlem ist die richtige Dosierung des Phosphorsaureanteils, urn den Rostprozess zu stoppen. Wird zuviel aufgebracht, greift der Rostwandler auch nicht korrodiertes Eisen oxidativ an, wird zuwenig aufgebracht, bleiben Rostinseln erhalten. In beiden Fallen geht der Korrosionsprozess weiter. Kombiniert man Rostwandler mit deckschichtbildenden organischen Verbindungen, wird der Rostschutz fur Eisen- und Stahloberflachen deutlich erhoht.
258
8 Chemie der Baumetalle
SchlieBlich soIl noch das Chromatieren als Verfahren zur Erzeugung anorganischer Korrosionsschutzschichten angefiihrt werden. Durch Einwirkung meist schwefelsaurer, aber auch alkalischer Chromatlosungen auf metallische Werkstoffe, insbesondere Zn, AI, Cd und Stahl, werden auf der Metalloberflache diinne (0,5 urn), amorphe, flachendeckende Schichten gebildet. Die schwer loslichen Schichten bestehen vor allem aus Chromaten, Cr(III)-oxid und Metalloxiden des Grundmetalls. Besonders im Bereich der metallischen Grenzschicht werden Kationen des zu schiitzenden Metalls in die Schutzschicht eingebaut.
8.2.6.2
Aktiver Korrosionsschutz
Zum aktiven Korrosionsschutz gehoren zunachst aIle Methoden, die gezielt in die Struktur des potentiell korrodierenden Systems eingreifen. Man nutzt die Besonderheit aus, dass sich die Passivitat von Metallen wie z.B. Chrom auf Legierungen iibertragen lasst, wenn das betreffende Metall in der Legierung einen bestimmten Grenzwert iiberschreitet. Auch durch eine Warmebehandlung (temporarer Korrosionsschutz) kann die Korrosionsbestandigkeit verbessert werden. Die Ausbildung eines homogenen, weitgehend spannungsfreien Metallgefiiges erschwert die Entstehung von Korrosionselementen. Die Korrosionsstabilitat steigt. SchlieBlich tragen aIle MaBnahmen korrosionsgerechten Konstruierens und sachkompetenten Werkstoffeinsatzes wie die Minderung der zu schiitzenden Oberflache und die Anwendung elektrochemisch sinnvoller Werkstoffkombinationen zur Senkung der Korrosionsverluste bei. •
Katodischer Korrosionsschutz
Bei dieser wichtigen Variante des Korrosionsschutzes wird versucht, durch entsprechende MaBnahmen eine Kompensation des zwischen den katodischen und anodischen Bereichen der Metalloberflache flieBenden Korrosionsstroms zu erreichen. Man erzeugt einen Schutzstrom (Gleichstrom), der dem Korrosionsstrom entgegengerichtet ist und dessen Starke mindestens der des Korrosionsstroms entspricht. Ziel ist ein Potentialausgleich auf der gesamten Werkstoffoberflache, so dass ein Ubertritt von positiven Metallionen in die Elektrolytlosung nicht mehr moglich ist. Eine Kompensation des anodischen, die Metallauflosung bewirkenden Korrosionsstroms kann entweder durch geeignete galvanische Anoden oder durch einen Fremdstrom erreicht werden. Auf diese Weise wird die Korrosion durch einen aktiven Eingriff elektrochemischer Art gestoppt. Katodischer Korrosionsschutz kommt ilberall dort zur Anwendung, wo Eisen(Stahl)-Konstruktionen grolsflachig in Kontakt mit Elektrolytlosungen stehen, wie z.B. bei Rohrleitungen, Lagerbehaltern oder Kabeln im Erdboden sowie bei Stahlkonstruktionen im Meerwasser. Eine erste Moglichkeit zur Erzeugung eines Korrosionsschutzstroms ergibt sich aus der Tatsache, dass bei der elektrochemischen Korrosion das korrodierende, anodisch in Losung gehende Metall stets das unedlere ist. Man schaltet das zu schutzende Metall (meist Eisen) als Katode eines galvanischen Elements und verbindet es leitend mit einem unedleren Metall als Anode (Abb. 8.l0a). Die vorhandene Bodenfeuchtigkeit reicht als erforderliche Elektrolytlosung vollkommen aus. Das unedlere Metall korrodiert, d.h. es wird "geopfert" (Opferanode, Aktivanode). Die Elektronen flieBen zum Eisen (Schutzstrom) und kompensieren den Korrosionsstrom auf der Eisenoberflache. Die Bildung von Fe2+-Ionen wird unterdriickt und das zu schiitzende Objekt (Katode) vor der Zerstorung bewahrt. Ais Mate-
8.2 Korrosion von Metallen
259
rial fur Aktivanoden, die in speziellen Bettungsmassen verlegt werden, eignet sich im Prinzip jedes Metall, wenn es nur unedler als das zu schiitzende ist. In der Praxis verwendet man meist Mg und Mg-Legierungen, in geringerem MaBe auch Zn und Al. Da die Starke des benotigten Schutzstroms nicht nur von der Potentialdifferenz zwischen eingesetzter Anode und dem Schutzobjekt, sondem auch vom spezifischen Widerstand der umgebenden Elektrolytlcsung (Erdboden) abhangt, stellt der Korrosionsschutz mittels Opferanode naturgemaf eine sehr unflexible Methode dar. Bei dieser Art des Korrosionsschutzes ist es nicht moglich, auf stetig sich verandernde Parameter des Elektrolyten zu reagieren. Korrosionsschutz mittels Opferanode ist noch haufig bei Tankanlagen anzutreffen. r----:>-..... Messstelle
Boden
• Rohrleitung
•
Opferanode
•
a)
Gleichrichter Boden
•
Fremdstromanode Rohrleitung
Koksbettung
b) Abbildung 8.10 Katodischer Korrosionsschutz: a) durch den Einsatz einer Opferanode; b) durch Fremdstrom.
Den gleichen Effekt wie mit einer Opferanode kann man durch den Einsatz eines Fremdstroms erreichen. In diesem Fall wird der notwendige Korrosionsschutzstrom durch eine Gleichspannungsquelle (meist ein mit Wechselstrom gespeister Gleichrichter) von auBen geliefert. Die dazu notwendigen Hilfselektroden (Anoden) bestehen aus Siliciumeisen, Graphit oder Magnetit und sind in einiger Entfemung vom zu schiitzenden Objekt in einer Koksbettung positioniert. Verbindet man den positiven Pol der Gleichspannungsquelle mit der Hilfselektrode und den Minuspol mit dem zu schiitzenden Objekt, so flieBt ein Strom
8 Chemie der Baumetalle
260
von der Hilfselektrode durch den Elektrolyten zur Katode, z.B. zu einer Rohrleitung (Abb. 8.10b). Der katodische Korrosionsschutz mit Fremdstrom gehort heute zum Stand der Technik und ist fur Gashochdruck- und Olleitungen vorgeschrieben. Auch fur den Schutz von Tankbehaltern und ganzer Industrieanlagen gewinnt er zunehmend an Bedeutung. Die besondere Attraktivitat dieser Variante besteht darin, dass tiber potentialregelnde Gleichrichter standig Korrekturen des Einspeisepotentials moglich sind, die sich etwa aus jahreszeitlich bedingten Anderungen der Leitfahigkeit des Elektrolyten ergeben. In der Schifffahrt wurden jahrzehntelang AI- und Zn-Opferanoden fur den Korrosionsschutz der Schiffsrumpfe eingesetzt. Heute rusten die Werften ihre Schiffe tiberwiegend mit Fremdstromanlagen aus. Die Grunde wurden im Prinzip bereits genannt. Der Schutzstrom kann effektiver unterschiedlichen Schiffsgeschwindigkeiten, unterschiedlichen Temperaturen und einem sich haufig andernden spezifischen Widerstand des Meerwassers angepasst werden.
•
Anodischer Korrosionsschutz
Ein Werkstiick kann auch durch eine gezielte Beeinflussung des Anodenvorgangs vor korrosivem Angriff geschutzt werden. Voraussetzung fur die Anwendung des anodischen Korrosionsschutzes ist die Passivierbarkeit eines metallischen Werkstoffs. Durch einen Fremdstrom wird ein passives Verhalten des Werkstoffs erzwungen. Man pragt dem Meta11 von auBen einen anodischen Strom auf, der das Potential in den Passivbereich verschiebt. Der Strom muss kontinuierlich flieBen, damit der korrosionsfreie Zustand aufrechterhalten bleibt. Der anodische Korrosionsschutz findet vor a11em bei Chrom- und Chrom-NickelStahlen Anwendung, die in Kontakt mit konzentrierter Schwefelsaure oder Phosphorsaure stehen. Auch unlegierte Stahle, die H2S04, HN0 3, Sulfaten, Nitraten oder Dungemittellosungen ausgesetzt sind, konnen anodisch vor Korrosion geschutzt werden.
Korrosionsinhibitoren vermindem die angreifende Wirkung korrosiver Medien. Durch Zusatz bestimmter chemischer Substanzen zu dem mit dem metallischen Werkstoff in Kontakt stehenden Medium (z.B. saure bzw. alkalische Losungen, Ole, aggressive Gase, Losungsmittel, Kraftstoffe) werden physikalische oder chemische Veranderungen an der Metalloberflache bewirkt, die den elektrochemischen Korrosionsvorgang direkt beeinflussen. Die Korrosionsinhibitoren setzen die Geschwindigkeit des Korrosionsvorganges herab (negative Katalyse). Die Reaktionshemmung wird erreicht, indem die zugesetzten Chemikalien die meta11ische Elektrodenflache blockieren. Sie bilden durch Adsorptionsprozesse (physikalische Inhibitoren) oder chemische Reaktionen (chemische Inhibitoren) einen stabilen Film auf der zu schutzenden Oberflache aus, der den Elektronenfluss zwischen anodischen und katodischen Bezirken weitgehend hemmen sol1. Die als Korrosionsinhibitoren in Frage kommenden Stoffe mussen im Korrosionsmittel loslich sein und in moglichst kleinen Mengen eine optimale Wirkung erreichen. Dariiber hinaus durfen sie die Eigenschaften des Werkstoffes nicht nachteilig beeinflussen. Zur Gruppe der physikalischen Inhibitoren gehoren die Beizinhibitoren. Meta11e werden gebeizt, d.h. mit Sauren behandelt, urn "reine" Metalloberflachen zu erzeugen. Bei den von Rost und Zunder gereinigten Stahlen erfolgt das Beizen in der Regel mit anorganischen Sauren wie HCI, H2S04 und HN03 in spezie11en Badern. Durch den Zusatz von Sparbeizen
8.3 Nichteisenmetalle
261
erreicht man eine bevorzugte Auflosung der Eisenoxide. Die verwendeten Beizinhibitoren, z.B. aliphatische und aromatische Amine bzw. deren Oniumverbindungen, Thiohamstoffderivate u.a., vermindem den Angriff der Sauren auf das Grundmetall. Zu den chemisehen Inhibitoren gehoren oxidierende Anionen, wie Nitrate oder Chromate. Sie bilden durch chemische Reaktion mit der Metalloberflache einen dtmnen, gleichmaBigen Schutzfilm (ca. 20 nm), der passivierend wirkt und damit die Korrosion verhindert (Passivatoren). Die Wirkung von Reduktionsmitteln wie Natriumsulfit Na2S03 und Hydrazin N 2Ht beruht auf der reduktiven Entfemung des korrosionsfordernden, im Elektrolyten gelosten Sauerstoffs, z.B.: N 2Ht + O2 --+ N 2 + 2 H20. Korrosionsinhibitoren kommen in den verschiedensten Anwendungsgebieten zum Einsatz, von der Erdol- und Erdgasforderung, dem Automobilsektor bis hin zur Metallbearbeitung.
8.3
Nichteisenmetalle - Eigenschaften und Korrosionsverhalten
8.3.1 Aluminium Aluminium ist das wichtigste Leichtmetall in der Bauindustrie. Als Leichtmetalle werden aile die Metalle bezeichnet, deren Dichte unter 5 g/cnr' liegt. Aluminium ist ein silberweiBes, kubisch-flachenzentriert kristallisierendes Metall, das bereits in der Kalte gut verformbar ist. Man kann es zu Drahten ausziehen oder zu dunnen Blechen bis hin zu sehr feinen Folien (bis 0,004 mm Dicke, .Blartaluminium") auswalzen bzw. aushammern. Bei 600°C wird das Aluminium kornig. Es kann dann in Schuttelmaschinen zu AluminiumgrieB verarbeitet werden. Bei noch feinerer Zerteilung erhalt man Aluminiumpulver. Die spezifische Leitfahigkeit des Aluminiums betragt etwa zwei Drittel von der des Kupfers. Wichtige physikalische Daten: Dichte 2,7 g/cnr' (25°C), Smp. 660,4°C, Sdp. 2467°C, Warmeleitfahigkeit 230 W/m'K, spezifische elektrische Leitfahigkeit 3,77'10 5 S/cm (Leitfahigkeitswerte fur 20°C).
Aluminium sollte als unedles Metall leicht oxidiert werden konnen. Es ist aber sowohl an der Luft als auch in Wasser bestandig, da es sich mit einer fest haftenden, zusammenhangenden, dunnen Oxidschicht uberzieht (0,05...0,1 urn). Diese Deckschicht schutzt das darunter liegende Metall vor weiterer Oxidation (Passivierung). In seinen Verbindungen tritt Aluminium in der Oxidationsstufe +III auf, wie z.B. im Aluminiumoxid Ah03 oder im Aluminiumhydroxid AI(OHk Reines Aluminiumoxid (Tonerde) kommt in der Natur als Korund vor. Aluminium ist Bestandteil wichtiger Minerale, wie z.B. der Feldspate, der Glimmer und der Tone (Kap. 9.2.1 - 9.2.3), die allesamt Ausgangsmaterialien fur eine Reihe von Baustoffen sind. Die Oxidschicht kann auf elektrolytischem Wege verstarkt werden (ELOXAL-Verfahren, Elektrolytisch Oxidiertes Aluminium). Die elektrolytisch verstarkte, hartere Oxidhaut kann eine Dicke bis zu 20 urn erreichen. Beim ELOXAL-Verfahren wird das zu oxidierende Werkstuck als Anode einer Elektrolysezelle geschaltet. Das Katodenmaterial ist Aluminium und als Elektrolyt wird verdunnter Schwefelsaure verwendet. An der Katode entwickelt sich Wasserstoffund an der Anode oxidiert der gebildete Sauerstoff das Al zu Ah03. Eloxiertes Aluminium ist bestandig gegen Witterung, Meerwasser und Alkalien.
8 Chemie der Baumetalle
262
Entsprechend seinem Standardpotential lost sich Al in nichtoxidierenden Sauren wie HCI unter H 2-Entwicklung (Gl. 8-16), nicht aber in oxidierenden Sauren wie RN03 (Passivierung!). Von Schwefelsaure wird Aluminium angegriffen. In H 20 oder sehr schwachen Sauren ist Al unloslich. (8-16) In Tab. 8.2 sind die Stoffabtrage an einer Reinaluminiumoberflache bei Angriff von Schwefelsaure und Salpetersaure unterschiedlicher Konzentration gegeniibergestellt. Der aggressive Angriff organischer Sauren nimmt in der Reihenfolge Ameisensaure, Oxalsaure und Essigsaure abo Er wird durch die Konzentration und die Temperatur der Elektrolyte bestimmt.
Saure H2SO4 RN0 3
1
Konzentration in % 10 25 65
1,1 1,5
1,6 8,8
2,0 14,5
25 6,4
Tabelle 8.2
96 27 0,7
Stoffabtrage an einer Reinalumi2 niumoberflache in g/cm pro Tag (20°C)
In wassriger Losung liegen die At3+-lonen hydratisiert vor ([AI(H 20)6]3+). Wassrige Losungen der Aluminiumsalze reagieren sauer. Ursache ist die polarisierende Wirkung des dreifach positiv geladenen Aluminiumions, das zur Bildung des Pentaaquahydroxoaluminium-Komplexes [AI(H20)sOHf+ fiihrt. Dabei kommt es zur Abspaltung eines Protons (Gl. 6-67). Aluminium lost sich auch in Alkalilaugen unter Wasserstoffentwicklung. Es bilden sich Aluminate [AI(OH)4r (Gl. 8-17). Das heiBt, Al ist in alkalischer Umgebung nicht in der Lage, eine Schutzschicht auszubilden. 1m neutralen bis schwach sauren pH-Bereich ist Al dagegen bestandig, Al + 3 H 20 +
mr -
[AI(OH)4]- + 1Yz H2
(8-17)
Ammoniak oder geringe Mengen NaOH fallen aus Aluminiumsalzlosungen Aluminiumhydroxid (AI(OH)3) aus. AI(OH)3 ist ein amphoteres Hydroxid. Es lost sich sowohl im sauren Milieu unter Bildung von At3+-lonen (Gl. 8-18) als auch im Basischen unter Bildung von Tetrahydroxoaluminationen (kurz: Aluminationen, Gl. 8-19). (8-18) (8-19) Beim Verschmelzen von Ah03 mit Metalloxiden M I20 bzw. MIlO (M I: Element der I. und MIl: Element der II. Hauptgruppe) entstehen wasserfreie Aluminate des Typs M I[AI0 2] , z.B. Na[AI02] , und M Il[AI0 2h. Kristallisierte Aluminate der stochiometrischen Zusammensetzung M Il[AI0 2 h = M IlAh04 kommen in der Natur vor. Sie werden als Spinelle bezeichnet. Beispiele fur Spinelle sind der Zinkspinell ZnAh04 und der Eisenspinell FeAh04.
8.3 Nichteisenmetalle
263
Auf amalgamiertem Aluminium, das durch Verreiben mit Quecksilber erhalten wird, kann sich keine Schutzschicht ausbilden. Es korrodiert deshalb an der Luft und lost sich in Wasser unter Al(OH)3-Bildung rasch auf. Bei Kontakt mit edleren Metallen wie Cu, Ag, Au, Pt, aber auch Eisen und Stahl wird die Oxidhaut zerstort und Kontaktkorrosion setzt ein. Al ist ein kraftiges ReduktionsmitteI. Diese Eigenschaft wird im aluminothermischen Verfahren nach Goldschmidt (Thermitverfahren) zur Darstellung von Metallen wie Mn, Cr, Fe und V genutzt. Aufgrund der hohen Bildungsenthalpie des Ah03 ist Aluminium in der Lage, alle Metalloxide zu reduzieren, deren Bildungsenthalpien kleiner als die des Aluminiumoxids sind. Beispielsweise kann ein Gemisch aus Eisenoxid und Aluminiumgrief ("Thermit") zum Verbinden und SchweiBen von Eisenteilen, z.B. von StraBenbahnschienen, verwendet werden. Nach der Entziindung entsteht nach wenigen Sekunden weiBgluhendes, flussiges Eisen (GI. 8-20). 3 Fe304 + 8 Al
---+-
4 Ah03 + 9 FeLiH= -3341 kJ/mol
(8-20)
Legierungen des Aluminiums mit Mg, Cu, Mn und Si zeigen teilweise deutlich verbesserte Werkstoffeigenschaften im Vergleich zum reinen AI. So ist zum Beispiel Duraluminium (auBer Al sind 2,5 ...5% Cu, 0,2 ... 1% Mg, 0,2 ... 1% Si und etwa 1% Mn enthalten) auBerordentlich fest und Hydronalium (ca. 7% Mg und geringe Anteile an Si) iiuBerst korrosionsbestandig. Aluminiumbronzen besitzen ebenfalls eine hohe Festigkeit, weisen dariiber hinaus aber auch noch eine giinstige Elastizitat auf. Aluminium wird in feinverteilter Form (Pulver oder Paste) als Treibmittel bei der Herstellung von Porenbeton (Kap. 9.3.7) verwendet. Die treibende Wirkung wird durch den im alkalischen Milieu des Betons entwickelten Wasserstoffverursacht (GI. 8-17). Er blaht den Beton auf und fuhrt zur Porenbildung. Bauteile aus Aluminium weisen infolge ihrer dichten, zusammenhangenden Schutzschicht eine hohe Bestandigkeit gegenuber Witterungseinfliissen auf. Bei mechanischen Beschadigungen wird in einer Art "Selbstheilungsprozess" die Schutzschicht relativ schnell nachgebildet.
Saurer Regen mit pH-Werten s 4 greift die Aluminiumoberflache unter Wasserstoffentwicklung an. Auch Chloride und hohe S02-Konzentrationen in der Luft beschleunigen ihre korrosive Zerstorung. Aluminiumbauteile, die in Beruhrung mit alkalisch reagierenden Betonen oder Putzen kommen, mussen durch Folien oder Deckschichten > 100 urn (z.B. organische Schutzlacke) geschiitzt werden. Die im Bauwesen eingesetzten Aluminiumlegierungen konnen zwar aufgrund ihrer inhomogenen Kristallstruktur zu Heterogenitaten in der Oxidschicht und damit zur Ausbildung unterschiedlicher elektrochemischer Potentiale fuhren, letztendlich verhindert aber das System AllAh03 ein Voranschreiten korrosiver Zersetzungsvorgiinge. Die Schutzschicht kann atmosphiirische Verunreinigungen einlagem, was zu einer Aufrauung der Oberflache fuhrt,
264
8 Chemie der Baumetalle
8.3.2 Kupfer Kupfer ist ein rotlich glanzendes, sehr zahes, schmied- und dehnbares Metall, das in einer kubisch-flachenzentrierten Struktur kristallisiert. Es lasst sich zu feinen Drahten ausziehen und zu sehr dunnen Folien ausschlagen. Cu besitzt nach Silber die hochste elektrische und Warmeleitfahigkeit aller Metalle. Wichtige physikalische Daten: Dichte 8,96 g/cnr' (25°C), Smp. 1083,4°C, Sdp. 2595°C, Warmeleitfahigkeit 394 W/m'K, spezifische elektrische Leitfahigkeit 5,8'10 5 S/cm (Leitfahigkeitswerte fiir 20°C). An der Luft bildet Kupfer langsam rotbraunes Cu(l)-oxid CU20, das an der Oberflache fest haftet und fur die typische Farbe des Kupfers verantwortlich ist. In Gegenwart hoherer Konzentrationen an CO 2 (in Stadten), S02 (in Ballungs- und Industriegebieten) oder chloridhaltigen Aerosolen (vorzugsweise in Kustennahe) bildet sich auf dem Kupfer allmahlich ein gruner Uberzug von basischem Carbonat CuC03 • CU(OH)2, basischem Sulfat CUS04 . CU(OH)2 oder basischem Chlorid CuCh . CU(OH)2' Dieser Uberzug wird als Patina bezeichnet. Die Patina-Deckschicht besteht demnach in der Stadt- und Industrieatmosphare vorwiegend aus basischem Kupfersulfat und in Reinluftgebieten vor allem aus basischem Kupfercarbonat. Sie schutzt das darunter liegende Metall vor weiterer Zerstorung und verleiht den Kupferdachern die sehr schone grune Farbe. In seinen Verbindungen tritt Cu vorzugsweise in der Oxidationsstufe +11 auf, z.B. im Kupfer(II)-oxid CuO und im Kupfer(II)-sulfid CuS (Covellin), seltener in der Oxidationsstufe +1, z.B. im Kupfer(l)-oxid CU20. In Kupfersalzlosungen liegt das hellblaue [Cu(H20)6]2+Ion vor. Die 6 H 20-Molekiile bilden ein tetragonal-verzerrtes Oktaeder, in dem die beiden axialen H20-Molekule we iter entfemt und schwacher gebunden sind. Das bekannteste Kupfersalz ist das Kupfer(II)-sulfat. Es entsteht beim Auflosen von metallischem Kupfer in heiBer verdunnter Schwefelsaure in Gegenwart von Luftsauerstoff und kristallisiert als Pentahydrat CUS04 . 5 H 20 ("Kupfervitriol") in Form blauer, durchsichtiger Kristalle aus. In seiner Festkorperstruktur sind vier H 20-Molekiile in quadratischplanarer Anordnung am Cu 2+ koordiniert. Das funfte H 20-Molekiil ist uber Wasserstoffbriicken an ein Sulfation und ein koordiniertes H 20-Molekiil gebunden. Beim Erhitzen des Kupfervitriols auf BO°C werden in einem ersten Schritt zunachst vier Molekiile Wasser abgegeben, wobei CUS04 . H20 (Monohydrat) entsteht. Erst oberhalb von 200°C setzt das Monohydrat das letzte, starker gebundene H 20-Molekiil frei. Entwassertes CUS04 ist weiB. Versetzt man eine Kupfersulfatlosung mit Ammoniakwasser, bildet sich nach anfanglicher Ausfallung eines hellblauen Hydroxidniederschlags eine tiefblaue Losung. 1m zunachst vorliegenden Aquakomplex des Kupfers [Cu(H20)6f+ werden die vier quadratisch-planar koordinierten H 20-Molekiile gegen vier Ammoniakmolekiile ausgetauscht. Es bildet sich das Tetraammindiaquakupfer(II)-lon [Cu(NH3MH20)2]2+. Die beiden verbleibenden (axialen) H 20-Molekiile sind als Spitze und FuBpunkt eines verzerrten Oktaeders deutlich weiter vom Cu-Zentralion entfemt, als die vier NH3-Liganden. Deshalb werden haufig For-
8.3 Nichteisenmetalle
265
meln bevorzugt, die dem Kupferion nur die vier nachsten Nachbam als Liganden zuordnen. Fur den Cu-Nachweis ergibt sich danach die Gleichung (8-21). [Cu(H 20)4]2+ + 4 NH 3 ~ [Cu(NH3)4]2+ + 4 H 20 hellblau
(8-21 )
tiefblau
Entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe wird Kupfer nur von oxidierenden Sauren wie HN0 3 und konz. H 2S04 gelost. In letzter Zeit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass bereits schwach saure Wasser in der Lage sind, die Schutzschicht zu zerstoren und Kupferrohre bzw. -armaturen korrosiv anzugreifen. So konnten im Trinkwasser, insbesondere nach langeren Standzeiten in den Rohrleitungen, Cu-Gehalte gemessen werden, die den empfohlenen Richtwert (s. Tab. 6.7) deutlich ubertrafen. Es ist deshalb unbedingt empfehlenswert, bei der Verwendung des Werkstoffs Kupfer fur Rohrleitungen vorher die Wasserbeschaffenheit, insbesondere den pH-Wert, genauer zu untersuchen. Cu 2+-Ionen sind fur niedere Organismen wie Bakterien, Algen und Pilze toxisch. Deshalb werden sie zu Desinfektionszwecken eingesetzt (z.B. swimming pools, Hallenbader), 1m Bauwesen besitzen Kupferlegierungen eine weitaus grobere Bedeutung als das unlegierte Kupfer. Cu-Legierungen mit Zink (und evtl. weiteren Metallen) werden als Messing bezeichnet. Man unterscheidet je nach dem Zn-Gehalt: Rotmessing (bis zu 20% Zn), rotlich goldahnliche Legierung, sehr dehnbar, bis zu feinsten Blattchen aushammerbar ("Blattkupfer", unechtes Blattgold); Gelbmessing (20 ...40% Zn), dient besonders zur Fertigung von Maschinenteilen; Weifimessing (50 ...80% Zn), blassgelbes, sprodes Legierungsmetall, kann nur vergossen werden. Wird Ni zulegiert, erhalt man z.B. Nickelmessing (auch: Neusilber) der Zusammensetzung 45 ...67% Cu, 12...38% Zn, 10...26% Ni, der Rest ist Zn. Veraltete Bezeichnungen fur Neusilber sind Alpaka sowie Argentan. Urn der Entzinkung vorzubeugen, wurde dr-Messing entwickelt. Bronzen sind Legierungen aus Cu mit einem oder mehreren Legierungsmetallen (auBer Zn). Ihr Cu-Gehalt betragt mindestens 60%. Zinnbronzen (,,Bronzen" im engeren Sinne) sind Cu-Sn-Legierungen mit bis zu 10% Sn. Durch den Zinnzusatz kann das Kupfer vergossen und geschmiedet werden. Die Harte und Festigkeit des Cu wird erhoht, Ein Zusatz von Phosphor erhoht die Dichte und Festigkeit der Legierung und verhindert die Oxidbildung beim Guss (Phosphorbronzen, z.B. 92,5% Cu, 7% Sn und 0,5% P). Phosphorbronzen werden fur besonders beanspruchte Maschinenteile (z.B. Achslager) verwendet. Glockenbronzen enthalten 20...25% Zinn. Durch Zusatz von 1...2% Si (Siliciumbronzen) kommt es zu einer weiteren Erhohung der Harte und Festigkeit. Bleibronzen (bis zu 28% Pb) sind gut gieB- und verarbeitbar. Sie dienen als Guss- und Gleitwerkstoffe, z.B. Achslagermetall fur Eisenbahnwagen. Wie zahlreiche, aus vergangenen Jahrhunderten stammende Bauwerke belegen, ist Kupfer als Baumetall durch seine Patina-Schutzschicht weitgehend vor atmospharischer Korrosion geschutzt, Vor der Ausbildung der Patina betragen die Abtragsraten an Kupfer in Reinluft etwa 1,9 urn/a, in Stadtluft 1,5...2,9 urn/a, in Industrieluft 3,2 ...4,0 urn/a und in Meeresluft etwa 3,8 urn/a. Mit zunehmender Patinabildung nimmt die korrosive Zerstorung des Kupfers abo Die Patinabildung setzt in Reinluftgebieten nach etwa 30 Jahren, in Stadt-
266
8 Chemie der Baumetalle
atmosphare nach 15 bis 20 Jahren, in Industrieatmosphare nach 8 bis 12 Jahren und in Meeresluft nach 4 bis 6 Jahren ein. Wird die Patina-Schutzschicht mechanisch beschadigt, setzt auch hier ein Se1bstheilungsprozess ein und der Uberzug bildet sich neu. Problematisch ist der Einsatz von Regenfallleitungen aus Kupfer in der Nahe von Klaranlagen, landwirtschaftlichen Dunggruben, Stallen oder Toiletten, wo aggressive, das Cu angreifende Zersetzungs- bzw. Faulgase (Ammoniak, Schwefelwasserstoft) entweichen. Gegeniiber Gips, Kalk und Zement ist Kupfer bestandig, Gelangt durch aggressive Gase bzw. Sauren Regen gelostes Kupfer (-+ Cu 2+) von Kupferdachern in darunter angebrachte Zinkdachrinnen, kommt es zur Abscheidung des ed1eren Cu unter Auflosung von Zn (Spannungsreihe!). Die Folge sind LochfraBkorrosionen. Gelangen Cu 2+-haltige Niederschlagswasser in Kontakt mit Betonplatten oder mineralischen Putzen, kann es durch Salzbildung zu grtm-blauen Verfarbungen kommen.
8.3.3 Zink Zink ist ein blaulich weiBes, an frischen Schnittstellen glanzendes Metall, das in einer verzerrt hexagonal-dichtesten Kugelpackung kristallisiert. Es ist bei gewohnlichen Temperaturen sehr sprode, Beim Erwarmen tiber 100°C wird es weich und dehnbar, so dass es gewalzt und zu Draht gezogen werden kann. Bei hoheren Temperaturen (» 150°C) nimmt die Sprodigkeit des Zinks wieder zu, tiber 200°C ist sie so groB, dass sich das Metall pulverisieren lasst.
Wichtige physikalische Daten: Dichte 7,14 g/cnr' (25°C), Smp. 419,6°C, Sdp. 907°C, Warmeleitfahigkeit 113 W/m'K, spezifische e1ektrische Leitfahigkeit 1,69'105 S/cm (Leitfahigkeitswerte fur 20°C). Zink uberzieht sich an der Luft bei re1ativen Luftfeuchtigkeiten > 70% mit einer dunnen, fest haftenden Schutzschicht aus Zinkoxid ZnO und basischem Zinkcarbonat ZnC03 ' Zn(OH)2' die es vor weiteren korrosiven Angriffen schutzt. In seinen Verbindungen 1iegt Zn in der Oxidationsstufe +11 vor. ZnO wie auch Lithopone (ZnSIBaS04) sind wichtige WeiBpigmente in der Farben- und Lackindustrie. Entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe lost sich Zn in Sauren unter Wasserstoffentwick1ung, z.B. Zn + 2 HCI -+ ZnCh + H2t . Bei sehr reinem Zink erfolgt die Auflosung bei Raumtemperatur allerdings sehr langsam, da Wasserstoff am Zink eine hohe Uberspannung besitzt (Kap. 7.5). Entgegen seiner Stellung in der Spannungsreihe lost sich Zink nicht in Wasser. Ursache ist die schwer losliche Zinkhydroxid-Schutzschicht, die sich bei Kontakt von metallischem Zink mit Wasser rasch ausbildet und einen weiteren Angriff des H 20 verhindert (Zn + 2 H 20 -+ Zn(OH)2 + H 2). Zink lost sich auch in Laugen unter Wasserstoffentwick1ung, da wegen des amphoteren Charakters von Zn(OH)2 die Schutzschicht unter Bildung von Hydroxokomplexen (Zinkaten) zerstort wird (Gl. 8-22). Zn(OH)2 + 2 OH- - - [Zn(OH)4fZinkat
(8-22)
8.3 Nichteisenmetalle
267
1m mittleren pH-Bereich weist Zink eine gute Bestandigkeit auf. Ca- und Mg-Ionen sowie Kohlensaure im Leitungswasser begiinstigen die Entstehung von Schutzschichten in Zinkleitungen, da sie basische schwer losliche Erdalkalimetallcarbonate bilden, die in die Schutzschicht eingebaut werden konnen, Aus diesem Grund ist der Einsatz von verzinkten Stahlrohren fur Wasserleitungen im Faile von Wassem niedriger Harte generell problematisch. Bei direktem Kontakt mit edleren Metallen (Cu!) kommt es zu starker Kontaktkorrosion.
1m Bauwesen wird vorzugsweise die Knetlegierung D-Zn (DIN 17770) fur Dachabdeckungen und -rinnen sowie fur Regenfallrohre eingesetzt. Diese Legierung, die haufig aufgrund ihres geringen Titananteils (neben Cu!) als Titanzink bezeichnet wird, besitzt einen im Vergleich zum Feinzink reduzierten Warmeausdehnungskoeffizienten. Mit Ausnahme des "normalen" Zinkchromats ZnCr04 fanden (und finden?) die nachfolgend angefuhrten Zinkchromate bzw. -dichromate allesamt Anwendung als Korrosionsscbutzpigmente: I. Zink-Kalium-Chromat (Zinkgelb, KZn2(Cr04)20H), basisches ZinkKaliumchromat (Zitronengelb, K2Cr04 . 3 ZnCr04 . Zn(OH)2 . 2 H20); II. Zinktetraoxichromat ZnCr04 . 4 Zn(OH)2; III. Zinkdichromat ZnCr207 . 3 H20. Die Zn-Cr-Verbindungen passivieren entweder die Metalloberflache oxidativ unter Bildung von Cr203, FeO und ZnO oder reagieren mit Eisen zu unloslichem Fe(III)-chromat Fe2(Cr04)3. Das unedle Zink, das als Zinkstaub zum Einsatz kommt, wirkt gegenuber der Stahloberflache als Aktivanode (Zn + FeO --+ ZnO + Fe) Zink ist aufgrund seiner ZnO/Zn(OHh/ZnC03-Schutzschicht ein sehr witterungsbestandiges Metall. Trotzdem erfolgt durch standigen Temperaturwechsel und kontinuierlich wechselnde Nasse- und Trockenperioden ein allmahlicher Abtrag der Deckschichten. Indem sich die Deckschicht standig emeuert, wird fortlaufend Zink verbraucht. Der Zinkabtrag betragt pro Jahr 4,..8 urn (Stadtatmosphare). Er ist damit deutlich hoher als der des Kupfers (1...2 urn), des Al (0,1...1,0 urn) und des Pb (ca. 0,5 um) pro Jahr. Der Saure Regen zerfrisst in Industriegegenden Zinkdacher und -bauteile relativ schnell unter Bildung von loslichem Zinksulfat (Zn + H2S04 --+ ZnS04 + H2; Zn + S02 + Y2 O2 + H20 --+ ZnS04 + H2). Dabei kann der Zinkabtrag in den Wintermonaten (Heizperiode) den des Sommers um ein Mehrfaches iibersteigen.
8.3.4 Blei Blei ist ein blaulich graues, weiches, dehnbares Metall, das in einer kubisch-flachenzentrierten Struktur kristallisiert. Es ist duktil, lasst sich gut walzen und pressen und ist sehr gut gieBbar. Wichtige physikalische Daten: Dichte 11,4 g/cnr' (25°C), Smp. 327,4°C, Sdp. 1740°C, Warmeleitfahigkeit 34,7 W/m'K, spezifische elektrische Leitfahigkeit 4,82'104 S/cm (Leitfahigkeitswerte fur 20°C).
268
8 Chemie der Baumetalle
Blei zeigt nur an frischen Schnittflachen einen metallischen Glanz. Ansonsten tlberzieht es sich an der Luft mit einer dunnen Schicht von Bleioxid PbO. Diese Schicht schutzt das darunter liegende Metall vor weiterer oxidativer Zerstorung. In seinen Verbindungen tritt Pb in den Oxidationsstufen +11 (z.B. PbO, PbS04) und +IV (z.B. Pb02) auf. Die rote Mennige (Pb 304) fand als Rostschutzmittellange Zeit breite Anwendung. Wegen der Toxizitat des Schwermetalls Blei (s.u.) ist sie inzwischen durch andere Rostschutzpigmente ersetzt worden (Kap. 8.2.6.1). In Mennige liegt Pb sowohl in der Oxidationsstufe +11 als auch in der Oxidationsstufe +IV vor. Pb 304 kann als Pb(II)-Salz der hypothetischen Bleisaure HtPb04, also als Blei(II)-plumbat(IV) Pb 2Pb04 aufgefasst werden. Die haufig fur Mennige gebrauchte Schreibweise 2 PbO . Pb02 verdeutlicht das Vorliegen unterschiedlicher Pb-Oxidationsstufen. Bleichromat PbCr04 (Chromgelb) und basisches Bleicarbonat PbC03 • Pb(OH)2 (Bleiweifl) sind wichtige Farbpigmente. Trotz seines negativen Standardpotentials lost sich Blei nicht in Salzsaure und in verdunnter Schwefelsaure. Mit diesen beiden Sauren bilden sich die schwer loslichen Verbindungen PbCh und PbS04, die auf der Oberflache sofort einen schiitzenden Uberzug bilden und einen weiteren Angriff verhindem. In oxidierenden Sauren erfolgt eine rasche Auflosung unter Bildung von Pb(II)-Salzen. Auch organische Sauren losen Pb in Gegenwart von Luft unter Salzbildung. Zum Beispiel bildet Essigsaure Bleiacetat Pb(CH3COO)2. Eine 6%ige Essigsaure lost pro Tag bis zu 800 g Pb pro m 2. Auch Milchsaure, Buttersaure und Zitronensaure greifen Pb in Gegenwart von Luftsauerstoff oxidativ an. In heiBen Laugen lost sich Blei unter Bildung von Blei(II)-oxidhydraten PbO . nH 20, mit n < 1. Luftfreies Wasser greift Blei nicht an. Dagegen wird Pb von sauerstoffhaltigem Wasser allmahlich in Bleihydroxid uberfuhrt (Gl. 8-23). (8-23) Diese Reaktion ist die Ursache fur die Bleibelastung von Trinkwasser, das durch Bleirohre geleitet wird. Nach langeren Verweilzeiten des Wassers in Bleileitungen konnten Werte bis zu 0,3 mg Pb pro Liter gemessen werden. Der Grenzwert fur Pb liegt laut Trinkwasserverordnung bei 0,01 mg/I. Kohlensaurehaltige Wasser losen Pb unter Hydrogencarbonatbildung (GI. 8-24). (8-24) Blei, das lange Zeit atmospharischen Einfliissen ausgesetzt war (z.B. Bleidachdeckungen), uberzieht sich mit einem schutzenden Uberzug aus PbC03 • Pb(OH)2 . PbO. Das in S02haltiger Atmosphare gebildete Bleisulfat wird zusatzlich in die Schutzschicht eingebaut. Blei gehort zu den starken Umweltgiften. In den menschlichen Korper gelangt es vor allem inhalativ tiber das Atmungssystem (Einatmen von Pb-Stauben) oder oral tiber die Nahrungsaufnahme in Form loslicher anorganischer Verbindungen. Kennzeichen chronischer Bleivergifiungen sind u.a. Blutarmut, schmerzhafte Koliken, Leber- und Nierenschaden, Besonders giftig sind organische Bleiverbindungen. Sie filhren zu schweren Schadigungen des Zentralnervensystems.
269
8.3 Nichteisenmetalle
8.3.5
Chrom
8.3.5.1
Physikalisch-chemische Eigenschaften und Verwendung
Chrom ist ein silberglanzendes, kubisch-raumzentriert kristallisierendes Metall, das nur in reinem Zustand aufgrund seiner Ziihigkeit dehn- und schmiedbar ist. Bereits Spuren von Verunreinigungen machen es hart und sprode, Chrom gehort zur Gruppe der hochschmelzenden und hochsiedenden Metalle. Wichtige physikalische Daten: Dichte 7,19 g/cm" (25°C), Smp. 1900°C, Sdp. 2690°C, Warmeleitfahigkeit 67 W/m'K, spezifische elektrische Leitfahigkeit 6,7'10 4 S/cm (Leitfahigkeitswerte fur 20°C). Obwohl unedel, ist Chrom gegeniiber atmospharischen Einfliissen bei Normaltemperatur bestandig, Deshalb wird es in groBem Umfang zum Schutz anderer, reaktionsfahigerer Metalle verwendet. 1st das Chrom durch Tauchen in starke Oxidationsmittel wie konz. HN03 oder durch anodische Oxidation vorbehandelt (Passivierung), wird es selbst von verdiinnten Sauren nicht angegriffen Auch kalte Salpetersaure, Konigswasser und Alkalilaugen greifen passiviertes Chrom nicht an. In seinen Verbindungen liegt Cr vorzugsweise in den Oxidationsstufen +III, wie im Chrom(III)-oxid Cr203, oder +VI, wie im Kaliumchromat K2Cr04 bzw. Kaliumdichromat K2Cr207, vor. Zwischen den beiden letzteren Verbindungen besteht in Losung ein pll-abhangiges Gleichgewicht (Gl. 8-25). (8-25) Einige Chromverbindungen besitzen als Farbpigmente praktische Bedeutung. Beispiele sind Cr203 (Chromgriln) und PbCr04' PbO (Chromrot). Wegen seiner Sprodigkeit spielt Chrom als Werkstoff kaum eine Rolle. Trotzdem gilt Cr als eines der wichtigsten Legierungsmetalle fur die Stahlherstellung. Bereits geringe CrZusatze verbessem die mechanischen Eigenschaften des Stahls signifikant (Kap. 8.2.4). Als Uberzugsmetall wird Cr in groBem Umfang zur Erhohung der VerschleiBfestigkeit von Bauteilen und Werkzeugen sowie fur dekorative Zwecke verwendet (z.B. Galvanisieren, Kap. 8.2.6.1). Verbindungen, die Cr in der Oxidationsstufe +VI enthalten (Chromate, Dichromate) sind toxisch. Sie wirken atzend gegeniiber Haut und Schleimhauten, Chromat wirkt sensibilisierend und krebserzeugend.
8.3.5.2
Chrom im Zement - Chromatreduzierer
Der Gehalt an wasserloslichen Chrom(VI)-Verbindungen liegt bei deutschen Zementen zwischen 1...30 mg/kg, der groBte Teil stammt aus den Zementausgangsstoffen. Seit Anfang der 90er Jahre gilt es als medizinisch gesichert, dass wasserlosliche Chromate der Ausloser fur das sogenannte Kontaktekzem (" Maurerkratze ") sind. In den letzten Jahren erkrankten jahrlich bis 400 Beschaftigte an dieser durch den Umgang mit Zement hervorgerufenen Hautkrankheit.
8 Chemie der Baumetalle
270
Auf Initiative der Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft konnte erreicht werden, dass ab dem Jahr 2000 in Deutschland nur noch chromatarme Sackzementware (Chromgehalt < 2 mg pro kg Zement) verfugbar ist. Nachdem der Chromgehalt nicht nur von Sackzementen, sondem auch von einer Reihe zementhaltiger Produkte wie Mortel und Fliesenkleber reduziert wurde, ist die Zahl der an Kontaktekzem Erkrankten von 429 im Jahre 1998 auf 243 im Jahre 2003 zuriickgegangen. Ihren Abschluss fand die Initiative "Chromatarmer Zement" im Januar 2005. Die Umsetzung der europaischen Gesetzgebung (Richtlinie 2003/53/EG) in nationales Recht, Anhang IV Nr. 26 der Gefahrstoffverordnnng: "Zement und Zubereitungen, die Zement enthalten, durfen nicht verwendet werden, wenn in der nach Wasserzugabe gebrauchsfertigen Form der Gehalt an loslichem Chrom(VI) mehr als 2 mgikg Trockenmasse des Zements betragt" fuhrte dazu, dass ab dem 17.01.2005 ausschlieBlich chromatarmer Zement in Verkehr gebracht und fur zementhaltige .Zubereitungen" wie Beton verwendet werden darf, wenn grundsatzlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei der Verarbeitung Hautkontakt auftritt. Bleibt nun noch die Frage zu beantworten, wie chromatarme Zemente hergestellt werden. Urn den Chromatgehalt des Zements zu reduzieren, muss das enthaltene wasserlosliche Chrom(VI) durch ein Reduktionsmittel in Chrom(III) umgewandelt werden. Cr(lII)-Verbindungen sind nicht toxisch und besitzen keine sensibilisierende Wirkung. Sie losen keine "Maurerkratze" aus. In alkalischer Losung geht Chrom(III) in blaulich-grune Chrom(III)hydroxid-Gele uber, Als Chromatreduzierer (CR) kommen Eisen(II)-sulfat, Zinnsulfat und verschiedene Sulfonate zum Einsatz. Aus Kostengriinden wird bisher am haufigsten Eisen(II)-sulfat eingesetzt, meist als gut losliches Heptahydrat FeS04 . 7 H20. Gl. (8-26) beschreibt die Reduktion von Chromat durch Eisen(II)-sulfat. 1m stark alkalischen Milieu des Betons wandelt sich das Fe 2+ sofort in Eisen(II)-hydroxid Fe(OH)2 urn. Die Redoxprodukte sind die Hydroxide von Cr 3+ und Fe 3+.
Crol-
+ 3 Fe(OHh + 4 H20 - - Cr(OH)3 + 3 Fe(OH)3 + 2 mr
(8-26)
Theoretisch mtissen zur Reduktion von 1 mg Chromat 7,2 mg Eisen(II)-sulfat-Heptahydrat eingesetzt werden. Praktisch arbeitet man meist mit dem 7 - 10fachen Uberschuss an FeS04, damit die Reduktion von Chrom(VI) so vollstandig wie moglich erfolgt. Das Reduktionsmittel kann entweder als Zementzusatzmittel bei der Herstellung des Zements oder als Betonzusatzmittel bei der Betonherstellung eingesetzt werden. Untersuchungen haben ergeben, dass der Einsatz von Chromatreduzierem zu keinen gravierend negativen Einflussen auf die Frisch- und Festbetoneigenschaften von Beton und Mortel sowie auf die Bewehrungskorrosion fuhrt. Dennoch sind einige Fragen noch nicht bis ins Detail aufgeklart. Durch die Zugabe von FeS04 . 7 H20 als Chromatreduzierer wird der Anteil an Sulfattrager verandert, Das kann die Wirksamkeit der Betonzusatzmittel beeinflussen, z.B. konnen sich die Verarbeitungseigenschaften bei der Verwendung modemer FlieBmittel andern.
271
8.3 Nichteisenmetalle
Betrachtet man die Auslaugrate von Schwermetallen, insbesondere von Chrom, aus Beton als ein Indiz fur seine Umweltvertraglichkeit (Kap. 9.3.8), so ist der ohnehin geringe Anteil an auslaugbarem Chrom bei chromatreduzierten Betonen noch kleiner. Insofem kann man von einer verbesserten Umweltvertraglichkeit chromatreduzierter Betone sprechen. Es soll an dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen werden, dass zweiwertiges Eisen relativ leicht durch Luftoxidation in Eisen(ill) iiberfuhrt wird. Das bedeutet, der Eisen(II)Gehalt chromatarmer Zemente nimmt mit der Zeit infolge Luftoxidation unter Bildung von Eisen(ill)-Verbindungen ab und steht es fur die Reduktion von Chromat nicht mehr zur Verfugung. Die volle Reduktionskraft wird bei chromatarmen Zementen auf ca. 2 Monate veranschlagt. Das macht kiinftig die generelle Angabe eines Verfallsdatums notwendig. Tab. 8.3 enthalt einige orientierende Angaben zur Korrosion ausgewahlter Baumetalle durch nichtmetallisch-anorganische Baustoffe. Tabelle 8.3 Korrosiver Angriff nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe auf Baumetalle
Nichtmetallischanorganischer Baustoff
Baumetalle AI
Cu
Zn
Pb
Cr
Stahl
-
+
-
-
+
+
Gips- und Anhydritbinder (Sulfate)
-
+
-
+
+
-
Magnesiabinder (Chloride)
-
-
-
+
+
-
Kalke, Zementmortel, Beton (alkalisches Milieu)
(+ bestandig, - korrosiver Angriff)
9
Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
9.1 Minerale und Gesteine Die auBerste Schicht unserer Erde ist aus einer Vielzahl unterschiedlicher Gesteine aufgebaut, die sich tiber lange geologische Zeitraume hinweg gebildet haben. Von der Art der bei der Bildung der Gesteine ablaufenden physikalischen oder chemischen Vorgange hangen Struktur und Aufbau und damit die Gebrauchseigenschaften eines Gesteins ab, wie z.B. Harte, Druckfestigkeit, Porositat und Wasseraufnahmevermogen, Natursteine besitzen als Baustoffe eine zentrale Bedeutung. Sie finden unter anderem fur Fassadenbekleidungen und Dachbedeckungen, fur Treppen und Fensterbanke, als Setzsteine fur Massivmauerwerk und als Beton- und Mortelzuschlage Anwendung. 1m StraBenbau werden sie als Schotter, Splitt, Sand, Pflaster- und Bordsteine genutzt, im Eisenbahnbau vor allem als Gleisbettungsstoff. Dariiber hinaus stellt man aus Natursteinen wichtige Baustoffe her, zum Beispiel aus Kalkstein Kalk, aus Kalkmergel Zement und aus Gipsstein Gips.
9.1.1 Gesteinsbildende Minerale Gesteine sind heterogene Gemenge von Einzelbausteinen, den Mineralen. Unter einem Mineral (lat. minera, Erzader) versteht man einen in der Erdkruste gebildeten, chemisch und physikalisch einheitlichen natiirlichen Stoff. Ais Bestandteil der Gesteine kommen die Minerale meist in kristalliner Form vor. Ihre raumliche Anordnung bzw. Verteilung im Gestein bezeichnet man als die Textur des Gesteins. Von der Vielzahl gesteinsbildender Minerale sind nur etwa 40 mit groBer Haufigkeit anzutreffen. Die wichtigsten sind: Feldspate (55 ...60%); Ketten- und Bandsilicate, z.B. Amphibole (15 ...16%); Quarz (12%); Glimmer (3...4%); Olivin, Kalkspat und Aragonit (1,5%); Tonminerale, Dolomit, Limonit, Gips/Anhydrit (1...1,5%), weiterhin Salze (NaCI, KCI), Graphit, Serpentin, Apatit, Talk. Chemisch handelt es sich bei den angefuhrten Mineralen vor allem urn Silicate und Siliciumdioxid, urn Carbonate, Sulfate, Phosphate, Oxide, Hydroxide sowie Sulfide (Tab. 9.1). Manche Gesteine, wie z.B. Quarz und Gipsstein, bestehen nur aus einem Mineral. Geologische Prozesse vollziehen sich als Wechselspiel exogener und endogener Krafte, Exogene Krafte sind auf die Erdoberflache einwirkende Krafte, die den standigen Kreislauf von Erosion, Transport und Sedimentation in Gang halten. Endogene Krafte sind durch Magmabewegungen im Innem der Erde wirksam werdende Krafte, Sie sind verantwortlich fur den Vulkanismus, gebirgsbildende Vorgange und Erdbeben. Bis auf chernische (Kalkstein, Salze) und biogene Ablagerungen (Kohle) entstammen die Gesteine urspriinglich der glutflussigen Schmelze im Inneren unserer Erde (magmatische Gesteine). Gelangen sie an die Oberflache, so unterliegen sie der Verwitterung und Abtragung. Die in den Meeren und Seebecken abgelagerten Gesteinsmaterialien sind Ausgangspunkt fur die Entstehung von Sedimentgestein (Sandstein, Kalkstein). Gelangen Gesteine in Bereiche hoher Drucke und Temperaturen, so werden sie umgewandelt. Zunachst erfolgt eine mechanische Verformung, anschlieBend verandert sich das Gefuge und die Zusammensetzung. Es entstehen neue Gesteinsarten, die metamorphen Gesteine. Sie werden durch exogene Faktoren umgehend in den Gesteinskreislauf einbezogen. Die Erdkruste besteht bis in
9.1 Minerale und Gesteine
273
ca. 16 km Tiefe zu etwa 95% aus magmatischen und metamorphen Gesteinen und nur zu etwa 5% aus Sedimentgesteinen. Dieses Verhaltnis kehrt sich um, betrachtet man die die Erdoberflache bedeckenden Gesteine. Hier findet man zu etwa 75% Sedimentgesteine und nur zu 25% Magmagesteine. Tabelle 9.1 Einteilung der Minerale nach ihrer chemischen Zusammensetzung Klasse I II
Wichtige chemische Verbindunzen bzw. Elemente Elemente
III IV
Sulfide: Kiese Glanze Blenden Halogenide Oxide und Hydroxide
V
Carbonate
VI VII
Sulfate Phosphate
VIII
Silicate
Beispiele Schwefel, Kupfer, Diamant Kupferkies CuFeS2, Magnetkies FeS Bleiglanz PbS Zinkblende ZnS Flussspat CaF 2, Sylvin KCl Quarz Si02, Korund Ah03, Magnetit Fe304, Hamatit Fe203, Rutil Ti0 2 Kalkspat bzw. Aragonit CaC03, Dolomit CaMg(C03h Gips CaS04 . 2H 20, Schwerspat BaS04 Phosphorit Ca3(P04h Hydroxylapatit CasCP04MOH), Fluorapatit Ca5(P04)3F Feldspate (Kap. 9.2.3.1)
1m Bauwesen werden die Gesteine nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilt. Man unterscheidet: • Naturstein als natiirlich entstandenes Gestein im Gegensatz zum kiinstlich hergestellten Stein (Beton, Ziegel). • Hart- und Weichgestein: Unterscheidung im Hinblick auf die Druckfestigkeit des Gesteins; die Grenze liegt bei ca. 180 N/mm 2 . Unterhalb dieser Grenze liegt Weichgestein (Sandsteine, Kalksteine), oberhalb Hartgestein (Granite, Porphyre und Basalte) vor. • Fest- und Lockergestein: Unterscheidung hinsichtlich des Zusammenhalts im Kristallit- bzw. Komverband. Wahrend das Festgestein im Bauwesen als Naturwerksteine unmittelbar verwendet werden kann, muss Lockergestein (Sande, Tone) mit Hilfe eines Bindemittels verfestigt werden. Im Hinblick auf ihre Entstehung unterteilt man die Gesteine in 3 Gruppen: magmatische
Gesteine, Sedimentgesteine und metamorphe Gesteine. Alle drei Gesteinsgruppen gehoren zum Festgestein.
9.1.2
Gesteine
9.1.2.1
Magmatische Gesteine
Zu den magmatischen Gesteinen (Erstarrungsgesteine, Magmatite) gehoren alle Gesteine, die durch Abkuhlung der magmatischen, hauptsachlich silicatischen Schmelze (Magma)
274
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
entstanden sind. Das Magma befindet sich in etwa 100...120 kID Tiefe. Seine Temperatur wird auf ca. 1200°C geschatzt, Je nach dem art der Abkiihlung werden Tiefengesteine oder Ergussgesteine unterschieden. Tiefengesteine oder Plutonite bilden sich, wenn die heiBen Schmelzen innerhalb der Erdkruste erstarren. Da die Abkiihlung sehr langsam erfolgt, entstehen groBe Kristalle, die im Gesteinsmaterial gut sichtbar sind. Die magmatischen Tiefengesteine weisen eine richtungslose (keine Schichtung oder Schieferung!), gleichmaBig kornige bis grobkornige Mineralstruktur auf. Die wichtigsten Tiefengesteine sind Granit (Abb. 1.1), Syenit, Gabbro und Diorit. Granit ist mit einem Anteil von - 95% das mit Abstand am haufigsten vorkommende Tiefengestein. Gelangt das flussige Magma durch Risse, Spalten oder Schwachstellen der Erdkruste an die Oberflache und ergieBt sich dort als Lava, werden die Kristallisationsprozesse aufgrund der schnellen Abkiihlung weitgehend unterdriickt. Es entstehen feinkristalline Strukturen oder glasige Erstarrungsprodukte, die man als Ergussgesteine oder Vulkanite bezeichnet. Ihr Gefuge erscheint einheitlich und massiv, sie besitzen eine dichte Grundmasse. Wichtige Ergussgesteine sind Basalt, Diabas, Trachyt und Quarzporphyr. Bei explosionsartigen Eruptionen (z.B. Vulkanismus) kann es zum Auswurf von Lockerprodukten kommen. Zu den Lockerprodukten gehoren Aschen, Bimssteine (durch Gase aufgeblahte, glasig erstarrte Magmateilchen und Tuffe (verfestigte vulkanische Aschen). Sind in der feinkornigen, dichten Gesteinsmasse grollere Komer eines anderen Minerals enthalten (Einsprenglinge), nennt man die Struktur porphyrisch. Einsprenglinge entstehen durch Auskristallisation von Mineralen, bevor das Magma die Erdoberflache erreicht. Eine porphyrische Struktur ist haufig bei Ganggesteinen vorzufinden. Sie bilden sich, wenn dunnflussiges Magma in schmale Gesteinsspalten (Wirkung als Abkiihlspalten!) eindringt und dort abkuhlt, Wichtige Ganggesteine sind Granitporphyr, Syenitporphyr, Diorit- und Gabbroporphyr. Hinsichtlich ihres SiOrGehalts werden die Magmatite in saure (65...82%), intermediare (52 ...65%) und basische (40 ...52%) Gesteine unterteilt. Zu den sauren Magmatiten gehoren die Tiefengesteine Granit und Trachyt sowie die Ganggesteine Granitporphyr und Syenitporphyr. Sie bilden aufgrund ihres hohen Gehalts an Quarz und Quarzabkommlingen meist hellere Gesteine. Die dunkle Farbung der basischen Magmatite ist dagegen auf einen mehr oder weniger hohen Anteil an grauen bis schwarzen Fe(II)-haltigen Mineralen, wie z.B. Augiten (Pyroxene), Amphibolen (Homblenden) und Olivin, zuruckzufuhren. Beispiele fur basische Magmatite sind Gabbro, Basalt und Diabas. Mit Ausnahme von porosen Lavagesteinen sind Magmatite (Porenvolumen < 1 V01%) sehr dichte Gesteine. Ihre Druckfestigkeit liegt im Bereich zwischen 160...400 Nzmnr', z.B. Granit, Syenit: 160...400 Nzmm"; Diorit, Gabbro: 170...300 Nzmm"; Quarzporphyr, Porphyrit: 180 ...300 Nzmnr'; Basalt: 250 ...400 Nzmnr'; Diabas: 180...250 Nzrnrrr'. Dagegen betragt die Druckfestigkeit von Basaltlava 80...150 Nzmm",
9.1.2.2
Sedimentgesteine - Kalkstein
Sedimentgesteine (Schichtgesteine, Sedimentite) entstehen als Verwitterungsprodukte anderer Gesteine. Die Geschwindigkeit des Verwitterungsprozesses wird vom Gefuge des Gesteins beeinflusst. Grobkornige Minerale verwittem schneller als feinkornige. Die Art der Verwitterung hangt von den klimatischen Bedingungen und den geologischen Gegebenheiten abo Gesteine konnen durch mechanische und/oder chemische Verwitterungspro-
275
9.1 Minerale und Gesteine
zesse zerfallen bzw. umgebi1det werden. Die mechanische (physikalische) Verwitterung fuhrt infolge standigen Temperaturwechsels (starke Sonneneinstrahlung, starke Abkuhlung), kontinuierlichen Frost-Tau-Wechsels (Frostsprengungen durch gefrierendes Wasser und Auftauen von Wasser in Gesteinsspalten), des Kristallisationsdruckes auskristallisierender Salze (Sa1zsprengungen) und des standigen Einflusses stlirmischer Winde und flieBenden Wassers zu einer allmahlichen Zerk1einerung der Gesteine. Dabei andert sich die chemische Zusammensetzung der Gesteine nicht. Diese mechanischen Abtragungsprozesse werden auch als Erosion bezeichnet. Die chemische Verwitterung (Losungsverwitterung) umfasst chemische Reaktionen, die zwischen den Bestandteilen des Gesteins und dem Wasser, einschlieBlich der darin gelosten Stoffe, ablaufen. Sie beruht auf Losungs-, Proto1yse- und Hydrolysereaktionen sowie auf Oxidationsprozessen. Wasserlosliche Bestandtei1e werden gelost, an andere Stellen transportiert und dort beim Uberschreiten der Loslichkeitsgrenze als Salze abge1agert. Da in den oberen Bodenschichten vomehmlich schwer losliche Verbindungen anzutreffen sind, vollziehen sich die Losereaktionen tiberwiegend in tieferen Schichten. Sie betreffen vor allem Kalke und Gipse. Die Carbonatverwitterung fuhrt zu einer "Entkalkung" carbonathaltiger Gesteine. Kalklosende Prozesse spielen im Bauwesen bei der Korrosion von Natursteinen wie z.B. kalkig gebundenen Sandsteinen und von kalkhaltigen mineralischen Baustoffen eine wichtige Rolle (Kap. 9.4). Auch die durch hydrolytische Prozesse ausgeloste Silicatverwitterung ist von bauchemischem Interesse. Ihr unterliegen vor allem Feldspate. In Gl. (9-1, 9-2) ist die hydro1ytische Verwitterung von Kalifeldspat KA1Si30 g gezeigt. Sie kann infolge Protolyse tiber die Zwischenverbindung HAISi 30 g verlaufen (Gl. 9-1). Dabei musste der pH-Wert ansteigen, sofern nicht saure Komponenten neutra1isierend wirken. Nachfolgend kommt es entweder zur Bildung von Tonmineralen wie Kao1init (Gl. 9-2) oder von A1(OH)3' 1m Fall des Angriffs saurer Wasser werden die OIr-Ionen neutralisiert. In Gl. (9-3) ist die Bruttoreaktion der hydrolytischen Zersetzung von Kalkfeldspat (Anorthit, CaAhSizOg) wiedergegeben. KAIShOg
+ HzO
~ HAIShOg
+ K+ + OIr
(9-1)
Kalifeldspat
2 KA1ShOg + 3 HzO ~ Ah(OH)4SizOs + 4 SiOz + 2 K+ + 2 OIr
(9-2)
CaAhSizOg + 2 COz + 3 HzO ~ Ah(OH)4SizOs + Ca z+ + 2 HC03-
(9-3)
Kalkfeldspat
Die Verwitterungsprodukte werden zunachst a1s Lockermassen (Geroll, Kies, Sand, Ton) in Schichten abgelagert. Durch standiges weiteres Uberdecken erfolgt eine Veranderung der unteren Schichten. Durch den allmahlichen Druck- und Temperaturanstieg, durch chemische Umsetzungen, Dehydratisierungs- und Umkristallisationsprozesse erfo1gt eine Verfestigung des Gesteins (Diagenese). Dabei entstehen Sedimente, in denen die Lockergesteine durch Bindemitte1 (CaC03, Tonerdeminera1e, Kieselsaure) verkittet sind. Nach ihrem Entstehungsort unterscheidet man terrestrische (auf dem Land entstandene) und marine (im Meer entstandene) Sedimentgesteine. Nach der Art ihrer Entstehung unterteilt man sie in zwei Gruppen: in klastische Sedimente (mechanische Sedimente, Trummergesteine) und chemische bzw. biogene Sedimente.
276
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Klastische Sedimente. Zu den klastischen Sedimenten gehoren durch Diagenese verfestigte grobe Steine (Konglomerate, Brekzien), verfestigte Sande (Sandsteine) und Tone (Tonschiefer). Sandsteine besitzen im Bauwesen eine groBe Bedeutung. Sie enthalten vorwiegend Quarz, Feldspat und Glimmer, die in ein kieseliges, kalkiges oder toniges Bindemittel eingebettet sind. Kieselig gebundene Sandsteine bezeichnet man auch als saure Sandsteine. Sie gehoren zu den hochwertigen Sandsteinen mit einer hohen Festigkeit. Sind ihre Poren weitgehend mit Bindemittel gefullt, sind sie frostsicher. Quarzite sind Sandsteine mit einem hohen Prozentsatz an kieseligem Bindemittel und einem vergleichsweise geringen Prozentsatz an Quarz (Si02)-Kristallen. Kalkig gebundene Sandsteine werden auch als basische Sandsteine bezeichnet. Sie sind, wie die Rauchgasschadigungen an Sandsteinfassaden alter Kirchen und Dome, z.B. der Leipziger Thomaskirche, zeigen, empfindlich gegenuber einem Angriff saurer Gase (vor allem S02)' Grauwacken sind im Erdaltertum entstandene graue Sandsteine. Die Qualitat eines Sandsteins richtet sich nach seiner Kornung. Je feiner und gleichmalsiger er im Kom ist, umso qualitativ hochwertiger ist der Sandstein. Die Druckfestigkeiten liegen fur Quarzit und Grauwacke zwischen 150...300 Nzrnrrr', fur kieselig gebundene Sandsteine im Bereich 120...200 Nzmm' und fur sonstige Quarzsandsteine zwischen 30...180 Nzmnr'. Chemische und biogene Sedimente. Zu den am haufigsten vorkommenden und gleichzeitig fur den Menschen nutzbringendsten Sedimentgesteinen gehoren die Kalksteine. Sie bestehen uberwiegend aus Calciumcarbonat CaC03 und werden der Gruppe der chemischen und biogenen (organischen) Sedimente zugeordnet. Gerade bei der Entstehung des Kalksteins wird deutlich, dass eine scharfe Trennung zwischen chemischen und biogenen Sedimenten nicht moglich ist. Natiirlich vorkommender Kalkstein ist zum einen durch Verwitterung von Feldspaten entstanden. Er ist ein feinkristallines Calciumcarbonat, das vor allem durch Tonminerale verunreinigt ist (deshalb auch: Kalkstein-Ton-Gesteine). Liegt der Carbonatgehalt tiber 90% spricht man von Kalksteinen, liegt er unter 10% von Tonen. Dazwischen folgen die Stufen Mergelton (>10 ...30%), Tonmergel (>30 ...50%), Mergel (>50 ...70%), Kalkmergel (>70... 85%) und Mergelkalk (>85 ...90%); in Klammem jeweils die Carbonatgehalte. Bei den angefuhrten Mergelgesteinen darf der MgC03-Anteil 5% des Gesamtcarbonatgehalts nicht ubersteigen. Dolomit CaMg(C03)2 ist durch das Eindringen hoher konzentrierter magnesiumhaltiger Losungen in kalkhaltige Gesteine entstanden. Der MgC03-Anteilliegt hier tiber 30% des Gesamtcarbonatgehalts. Zum anderen entstand (und entsteht) der Kalkstein infolge Ausfallung der im Meer gelosten Calciumionen durch Carbonationen. Der Kalkgehalt des Meeres beruht auf den durch Verwitterungslosungen vom Festland herangefuhrten Hartebildnern (Kap. 6.4.1). Ein Teil der Calciumionen wird von den im Meer lebenden Organismen aufgenommen und zu kalkhaltigen Hartteilen (Schalen, Panzer, Skelette) verarbeitet (Biomineralisation). Sterben die Organismen ab, sinken sie zu Boden und bilden ebenfalls Kalkstein. Damit ist der am Meeresboden sedimentierte Kalkstein ein Gemisch aus ausgefalltem (anorganisch-chemischen) und biogenem (organischen) Sediment. Muschelkalk, Kreide (z.B. Kreidefelsen auf der Insel Rugen) und Korallenkalk bestehen tiberwiegend aus organischen Sedimenten. Die biogene Sedimentierung von kieselsaurehaltigen Schalen und Hartteilen der Diatomeen (Kieselalgen) fuhrte zur Bildung von Kieselgur (Kap. 9.2.2).
9.1 Minera1e und Gesteine
277
Kalktuffe sind ge1be bis rotliche, weiche, sehr gut bearbeitbare Kalksteine. Reiner Marmor ist weiB und unter hohem Druck entstanden. Die Farbigkeit der roten Varietaten ist auf Eisenoxid, der ge1ben bis braunen auf Eisenhydroxid und der grauen bis schwarzen auf Koh1enstoff zuruckzufuhren. Marmor ist g1eichzeitig die Hande1sbezeichnung fur alle polierfahigen Ka1ksteine. Dolomite und dichte Ka1ksteine einschlieBlich der Marmorvarietaten besitzen Druckfestigkeiten im Bereich von 80...180 Nzmrrr'. Mergel und Kalktuffe (z.B. Travertin) weisen deutlich reduzierte Druckfestigkeiten auf, z.B. Mergel20...90 Nzmrrr', Travertin 20...60 Nzmnr', Salzgesteine wie Gips und Steinsalz sind chemische Sedimente. Sie sind im Ergebnis der Verdunstung von Meerwasser entstanden.
Gesteinsverwitterung
(+CO z)
Abbildung 9.1
9.1.2.3
Verwitterungsprozess eines magmatischen Erstarrungsgesteins (z.B. Granit), Verwitterungsprodukte und daraus hergestellte Baustoffe.
Metamorphe Gesteine
Metamorphe Gesteine (Umwandlungsgesteine, Metamorphite) sind durch Umwandlung von magmatischen oder Sedimentgesteinen entstanden. Durch Verschiebungen, Uberwerfungen oder Faltungen der Erdoberflache gelangten Magmatite und Sedimentite in den zuruckliegenden Erdformationen in tiefere Erdschichten. Hier veranderte sich unter dem Einfluss starken Drucks und hoher Temperaturen ihre Gesteinsstruktur. Die Ausgangsgesteine wurden umgewandelt ("metamorphisiert"). Spatere Erdbewegungen forderten sie wieder zutage. Ein charakteristisches Strukturmerkmal der Metamorphite ist ihre Schieferung. Durch Druckeinwirkung in einer bestimmten Vorzugsrichtung erfolgte eine parallele Ausrichtung von blattchenformigen Mineralen senkrecht zur Druckrichtung. Aus Graniten, Dioriten bzw. Syeniten entstanden Gneise (kristalline Schiefer), aus Tongesteinen Glimmerschiefer
278
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
bzw. Phyllite und aus Kalkgesteinen wie Marmor Kalkschiefer. Die Druckfestigkeit der Gneise liegt im Bereich 160...280 Nzmrrr'. Tonschiefer, der als Dachschiefer verwendet werden soli, muss im Verlaufe langer geologischer Zeitraume vollstandig metamorphisiert (entwassert, silicatisiert) worden sein. Er soli eine Biegezugfestigkeit von etwa 50...80 Nzmnr' besitzen. Abb. 9.1 zeigt schematisch den Verwitterungsprozess eines Erstarrungsgesteins (z.B. Granit). Granit besteht hauptsachlich aus den Mineralen Quarz, Feldspat und Glimmer. 1m Verlaufe des Verwitterungsprozesses werden die Alkali- und Erdalkalimetallbestandteile herausgelost, wobei sich leicht losliche Alkalimetall- und schwer losliche Erdalkalimetallverbindungen bilden. Aus letzteren entstehen Kalkstein bzw. Gips; Tone und Sande bleiben zuruck. Tone bilden mit Feinsand Lehm und mit Kalkstein Mergel. Einige ausgewahlte, aus den Verwitterungsprodukten hergestellten Baustoffe sind in Abb. 9.1 aufgefuhrt.
9.2
Silicate und siliciumorganische Verbindungen
Silicate, einschlieBlich Siliciumdioxid, sind zu etwa 90% am Aufbau unserer Erdkruste beteiligt. Sie werden im Bausektor entweder direkt als Natursteine verwendet oder sie bilden die Rohstoffbasis fur technische Silicate wie Zement, Glas, Keramik und Hochofenschlacke. Siliciumorganische Verbindungen sind wichtige Hydrophobierungsmittel im Bautenschutz.
9.2.1
Siliciumdioxid
Siliciumdioxid tritt in zahlreichen kristallinen wie auch amorphen Modifikationen auf. Die wichtigste kristalline Modifikation ist - neben Tridymit und Cristobalit - der Quarz. Amorphe Formen des Siliciumdioxids sind Kieselgur, Trass und der Opal. Kristalliner reiner Quarz (Bergkristall) ist sehr hart, wasserklar und schmilzt bei einer Temperatur von 1713°C. Die Farbigkeit natiirlich vorkommender Quarzkristalle ist meist auf Spuren von Ubergangsmetallionen zuriickzufuhren, die in das Quarzgitter eingebaut sind, z.B. Rosenquarz (rosa, Ti), Amethyst (violett, Fe), Rauchquarz (braun, AI) und Citrin (gelbbraun, Fe). Gut ausgebildete Kristalle werden als Schmucksteine verwendet. Anders als Kohlenstoff bildet Silicium nur in seltenen Fallen Doppelbindungen aus. Deshalb existiert Siliciumdioxid nicht wie CO2 als isoliertes Molekiil, sondem bildet ein dreidimensionales Kristallgitter aus. Jedes Si-Atom ist tetraedrisch von vier O-Atomen umgeben (Sp3-Hybridisierung, Abb. 3.5b) und jedes Sauerstoffatom besitzt zwei Si-Atome als Nachbam. Demnach sind die Si04- Tetraeder tiber gemeinsame Ecken verknupft. Die hin und wieder anzutreffende Formel (Si02 )n fur Siliciumdioxid tragt dieser besonderen Bindungssituation in einem raumlichen Netzwerk Rechnung. Ordnet man jedes Briickensauerstoffatom zur Halfte den beiden an ibm gebundenen Siliciumatomen zu, so kommen auf ein Si-Atom 4/2 O-Atome. Damit erhalt auch die weithin gebrauchliche Formel Si02 ihre Berechtigung. Die polaren Einfachbindungen zwischen Si und a sind durch n-Bindungsanteile verstarkt. Die Folge ist eine relativ groBe Harte und hohe thermische Stabilitat des Si02 • Die stabilen
9.2 Silicate und siliciumorganische Verbindungen
279
Bindungen sind auch der Grund fur die chemische Inertheit von Siliciumdioxid. Si02 wird von Sauren kaum angegriffen (Ausn.: Flusssaure HF). Selbst heiBen, wassrigen Laugen gegenuber verhalt sich Siliciumdioxid relativ inert. Schmilzt man es jedoch mit Alkalihydroxiden oder -carbonaten, entstehen Alkalimetallsilicate (Kap. 9.2.3.1, Gl. 9-4 bis 9-7). Die verbriickten Si04- Tetraeder des SiOz-Gitters konnen sich in Abhangigkeit von der Temperatur umordnen. Es entstehen verschiedene polymorphe Modifikationen, die bei bestimmten Temperaturen ineinander ubergehen. Bei Normaldruck ist Quarz bis 870°C die stabile Modifikation. Bis 573°C liegt er in der Niedertemperaturform (a-Quarz), dariiber in der Hochtemperaturform (f3-Quarz) vor. Die Umwandlung von der a- in die f3-Form ist mit einer Volumenausdehnung verknupft, was u.a. zu Problemen bei der Verwendung SiOzhaltiger Gesteinskornungen bei feuerfesten Baustoffen flihrt. Bei 870°C geht der f3-Quarz in Tridymit und bei 1470°C geht Tridymit in Cristobalit tiber. Bei 1713°C schmilzt Cristobalit. Wegen der auBerordentlich geringen Umwandlungsgeschwindigkeiten kommen auch die Hochtemperaturmodifikationen Tridymit und Cristobalit in der Natur vor. Mit zunehmender Temperatur nimmt die Dichte der Kristallmodifikationen des Si02 ab: a-Quarz 2,66 g/crrr', f3-Quarz (Hochquarz) 2,60 g/cm', Tridymit 2,30 g/cnr' und Cristobalit 2,21 g/crrr'. Eine SiOz-Schmelze erstarrt bei rascher Abkuhlung zu einer glasartig, amorphen Masse, dem Quarz- oder Kieselglas (Kap. 9.2.3.2.1). Die durch Gesteinsverwitterung entstandenen Quarzkiese (> 97% Si02) und Quarzsande (s- 98% Si02) besitzen vor allem Bedeutung als industrielle Rohstoffe. Quarzsand wird fur die Herstellung von Glas, Wasserglas, elementarem Silicium, Siliciumcarbid (Werkstoff groBer Harte, extrem hoher Warmeleitfahigkeit und geringer Warmeausdehnung) sowie als Formgrundstoff in GieBereien verwendet. Quarzmehl (gemahlener Quarzsand) wird vor allem in der Glas-, Email- und keramischen Industrie eingesetzt. Sande und Kiese, die einen hohen Prozentsatz an Siliciumdioxid enthalten, werden in gro8en Mengen zur Herstellung von Beton und Mortel benongt,
9.2.2
Kieselsiuren
Monokieselsaure (Orthokieselsaure) ~Si04 ist praktisch in allen naturlichen Gewassern enthalten. Sie bildet sich durch Auflosen von amorphem Siliciumdioxid, das durch Verwitterung aus den Silicaten entstanden ist: Si02 + 2 H20 fest
~Si04 gelost
Kieselsaure ist nur in sehr verdunnter Losung (C(~Si04) < 2 . 10-3 mol/l) kurzzeitig stabil. Derartig verdunnte Losungen erhalt man im Labor durch Auflosen von Si02, gunstigerweise von amorphem, aus der Gasphase abgeschiedenem Si02, in Wasser. Die Loslichkeit von amorphem Si02 ist mit einem Wert von 120 mg pro Liter Wasser (25°C) deutlich groBer als die von kristallinem oder glasigem Si02 (Quarz: 2,9 mg/l; Quarzglas 39 mg/l; 25°C).
280
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Die in verdunnter Losung vorliegende Orthokieselsaure ist eine schwache Saure (pKSI = 9,51; pKS2 = 11,74). In neutraler Losung liegt sie praktisch unprotolysiert vor. H
o I r - HO-Si-OIH + I L o
H Orlhokieselsaure
H 0
H
- -, I HOI-Si-OH ...J
I
- H20 -
H
o
0
I I
I I
HO -Si-O-Si-OH
o
0 H H Orlhodikieselsaure
0 H Orlhokieselsaure
Abbildung 9.2 Kondensation der Kieselsauren
H
-
•••
H
H
H
o 0 0 0 I I I I -O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-OI I I I 000 H
H
H
•••
0
H
Polymetakieselsaure (H25iO3) n
-
••• -
••• -
Kieselgel (amorphes 5i02 )
weitere Kondensation
Charakteristisches Merkmal der Kieselsaure ist ihre Neigung zur intermolekularen Wasserabspaltung (Kondensation) unter Bildung von Polykieselsauren. Die Geschwindigkeit der Kondensation ist abhangig von der Konzentration, der Temperatur und dem pH-Wert. Am bestandigsten sind ~Si04-Lasungen bei einem pH-Wert urn 2. Die Orthokieselsaure geht unter H 20-Abspaltung zunachst in die Dikieselsaure !f Verarbeitungsphase
Ruhephase
Abbildung 9.11 Thixotropie von Tonmineralen
Keramik. Unter Keramik bzw. keramischen Erzeugnissen versteht man im klassischen Sinne alle Produkte, die durch Brennen von feinteiligen, meist feuchten geformten Tonen bei Temperaturen zwischen 900...1500°C hergestellt werden (Tonkeramik). Die Verfahrensschritte zur Herstellung von Tonkeramik konnen wie folgt unterteilt werden: 1) Auswahl der Rohstoffe, Vor- und Nachbehandlung; 2) Formgebung; 3) Trocknung; 4) Keramischer Brand und 5) Nachbehandlung bzw. Veredlung. Die groBte Bedeutung fur tonkeramische Erzeugnisse besitzen der Kaolinit und der Illit. Nach der Formgebung (Modellierung der plastischen Rohmasse mit der Topferscheibe bzw. industriell durch Strangpressen, GieB- oder Pulververdichtungsverfahren) schlieBt sich die Trocknung der geformten Werkstiicke an. Dabei muss beachtet werden, das die beim Trocknen auftretende Volumenabnahme (Schwinden) rissfrei erfolgt. Die lineare Trockenschwindung betragt bei feuchten Formgebungsverfahren 2...6%, bei trockenen dagegen nur 0,2...2%. Beim keramischen Brand (Tonbrennen) laufen in Abhangigkeit von Reaktionstemperatur und Reaktionszeit unterschiedliche Fest-Fest- und Fest-Fltissig-Reaktionen abo Die Verfestigung beim Brennprozess wird als Sinterung bezeichnet. Die verbreitetste Nachbehandlung bzw. Veredlung ist das Aufbringen einer schutzenden und/oder dekorativen Glasur (s.u.). Prozesse beim Brennen. Brennt man eine geformte, getrocknete Tonmasse, so entweicht bis zu einer Temperatur von -200°C sowohl das in den Hohlraumen des Gerusts eingeschlossene als auch das gebundene Wasser und der Ton wird starr und sprode. Ab 450°C zerfallen die Tonminerale infolge Abgabe des "hydroxidisch gebundenen" Wassers aus den OH-Gruppen der Oktaederschicht. Unter Volumenverminderung bilden sich amorphes reaktionsfahiges Si02 (bis zu 20%), kristallines Ah03 und amorphes schuppiges Mullit der
298
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Zusammensetzung 3 Ah03 . 2 Si02 • Das mit diesen Prozessen verbundene Brennschwinden kann bis zu 20% betragen. Es lasst sich durch Vermischen mit Magerungsmitteln (gepulverter gebrannter Ton, Quarzsand oder -mehl) weitgehend vermeiden. Die amorphen Modifikationen von Si02 und Mullit losen sich in der bei ca. 950°C entstehenden Schmelze auf und scheiden sich anschlieBend in Form von Cristobalit und kristallinem Mullit wieder aus. Das aus dem Feldspat bzw. aus Illit stammende K 20 bildet mit dem Si02 bei Temperaturen tiber 1000°C ein Glas, das nach dem Abkuhlen des keramischen Produkts die kleinen Keramikteilchen verkittet. Durch Zusatz von Feldspat als Flussmittel wird die Sintertemperatur emiedrigt. Durch den Einsatz hochreiner Oxide, Carbide, Nitride oder Boride sowie die Verwendung neuer Technologien hat sich die Vielfalt keramischer Werkstoffe sowie ihr Anwendungsspektrum stark erweitert, wobei die Entwicklungen noch lange nicht abgeschlossen sind. Neben den tonkeramischen Werkstojfen (Tongehalt der Rohmischung >20%) unterscheidet man deshalb noch die Gruppe der Sonderkeramischen Werkstoffe (Tongehalt s 20% bis tonmineralfrei). Hierzu gehoren Oxid- und Nichtoxidkeramiken sowie die Cermets (Keramik-Metall-Verbundwerkstoffe). Zu ihren herausragenden Eigenschaften gehoren eine hohe Festigkeit und Harte sowie eine ausgezeichnete chemische Bestandigkeit. Sie werden auch als Hochleistungskeramiken bezeichnet.
Tonkeramische Erzeugnisse. Mengenmafiig besitzen die tonkeramischen Erzeugnisse die weitaus groBte industrielle Bedeutung. Sie werden hinsichtlich ihrer Scherbenhomogenitat infeinkeramische (kristalline Gefiigebestandteile < 0,2 mm) und grobkeramische (Gefiigebestandteile bzw. Poren 13). Dieser stark alkalische pH-Wert ist verantwortlich fur die Rostsicherheit des Bewehrungsstahls im Beton. Dariiber hinaus bildet er, gemeinsam mit dem vorliegenden Ca(OH)z, eine wichtige Voraussetzung fur die Reaktion von latent-hydraulischen Stoffen und Puzzolanen. Wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben, lauft die Zementhydratation als Summe exothermer Prozesse abo Die wahrend der Hydratation frei werdende Warmemenge (Hydratationswiirme) ist ein Charakteristikum fur das jeweilige Stadium des ablaufenden Prozesses. Sie wird haufig herangezogen, urn den Gesamt-Hydratationsprozess in einzelne Abschnitte zu unterteilen: die Induktionsperiode, die dormante oder Ruheperiode, die Accelerations- oder Beschleunigungsperiode, die Retardations- oder Verzogerungsperiode und die Finalperiode (Tab. 9.5). Jede dieser Perioden ist durch unterschiedliche Reaktionen gekennzeichnet. In Abb. 9.16 ist der zeitliche Verlauf der Warmeentwicklung der C 3S-Phase dargestellt. Nach einer kurzen intensiven Reaktionsphase in den ersten Minuten nach dem Anmachen mit Wasser tritt eine Ruheperiode ein (9.16a). Es finden nur noch sehr geringfugige Reaktionsumsatze statt. Nach einigen Stunden ist die Ruheperiode abgeschlossen, nun beginnt die Hauptperiode der Zementhydratation (Accelerations- und Retardationsperiode). Nach dem Abklingen der Hauptperiode werden nur noch geringe Warmemengen freigesetzt (9.16b). Die Untergliederung der C 3S-Reaktionen in Perioden lasst sich auf die Hydratation des Portlandzements ubertragen. :c
-
100
18 a)
Cl
2.
~ Ul
80
14
60
10
40
8
20
4
/
b)
Friihphase
Cl
C ::l
32
o
~c Q) Q)
E ,m $:
0
0 0
0,5
1,0
Zeit [hI
0
5
10
15
20
25
30
Zeit [hI
Abbildung 9.16 Zeitlicher Verlauf der Warmeentwicklung der C3S-Phase [AB 9)
Die bei der Hydratation primar anfallenden Calciumsilicathydrate sind nanokristallin bzw. rontgenamorph. Sie sind einer direkten rontgenographischen Beobachtung nicht zuganglich. Fur die C-S-H-Phasen lasst sich die allgemeine Formel x CaO . SiOz . y HzO angeben. Richartz und Locher beschrieben 1965 die Ausbildung zweier verschiedener Typen von CS-H-Phasen [AB 2]. In den C-S-H(I)-Phasen soll das Verhaltnis zwischen CaO und SiOz (C/S-Verhaltnis) zwischen 0,8 und 1,5 und in den C-S-H(II)-Phasen zwischen 1,0...2,0 liegen. Mit der Erhohung des C/S-Verhaltnisses emiedrigt sich die Kristallinitat der Phasen. Die C-S-H(I)-Phasen werden als blattchenformig bzw. in folienformigen Tafelchen kristallisierend beschrieben. Die Verbindungen des Typs C-S-H(II) sind dagegen faserfor-
326
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
mig aufgebaut. Die Fasem bestehen aus Folien, die zu dunnen, rohrchenartigen Strukturen mit eingelagerten CH-Schichten zusammengerollt sind. Sie bilden Faserbundel. Wie bereits festgestellt, sind die Hydratationsprodukte der Calciumsilicate keine einheitlichen chemischen Verbindungen, sondem submikrokristalline Phasen, deren Zusammensetzung innerhalb bestimmter Grenzen schwankt. Taylor (1992) bezeichnet die C-5-H-Phasen als "tobermoritiihnlich" [AB 6]. Tohermorit, benannt nach der schottischen Landschaft Tobermory, besteht aus CaO-Teilschichten, die zwischen anionischen silicatischen Schichten angeordnet sind. Je nach der Menge an gebundenem Wasser betragt der Schichtabstand 1,4 nm, 1,1 nm oder 0,9 nm. Ais weitere Vergleichsstruktur wird von ihm das Mineral Jennit herangezogen. Jennit besitzt ein hoheres C/5-Verhiiltnis als Tobermorit, die Schichten aus Si04-Tetraedem sind durch (Ca-OH)-Endgruppen voneinander getrennt. Tabelle 9.5 Reaktionsfolge bei der Hydratation von C3S [Be 14] Periode
Sta- Bezeiehnung Kinetik der Reaktion Chemiseher dium der Periode Prozess
Friih
I
lnduktionsperiode
Chemisch kontrolliert, sehr schnell
II
Dormante Periode Accelerationsperiode
Durch Keimbildung gesteuert, lanasam Chemisch kontrolliert, schnell
Mittel
Spat
III
IV
Retardations- Chemisch und durch periode Diffusion kontrolliert, langsam
V
Finalperiode
Durch Diffusion kontrolliert, langsam
Einfluss auf den Zementleim bzw. -stein Beginn der HydrataEinstellung des basischen pHtion, Inlosunggehen Wertes von lonen Ansteifen, ErInlosunggehen von lonen setzt sich fort starrunzsbezinn ErstarrungsBildungsbeginn und Wachstum von perma- ende undErnenten Hydratationshartungsbeginn produkten Weiteres Wachstum Bestimmt die von HydratationsproFriihfestigkeit dukten, Ausbildung von Mikrostrukturen. Langsame Bildung Bestimmt die von C-S-H-Phasen, Endfestigkeit allmiihliche Verdichtung der Mikrostruktureno
1,4 nm Tobermorit (C s5sHg) und Jennit (C g5sH11) konnen als "Grenzen" fur die im Zementstein vorkommenden C-5-H-Phasen angesehen werden. Innerhalb dieser strukturellen Grenzen sind eine Reihe von Calciumsilicaten bekannt und mineralogisch exakt charakterisiert. Zu ihnen zahlen: Hillebrandit Gyrolit Afwillit Foshagit Xonotlit
2 CaO 2 CaO 3 CaO 4 CaO 6 CaO
. Si02 • H 20 . 3 Si02 • 2 H 20 . 2 Si02 • 3 H 20 . 3 Si02 • H 20 . 6 Si02 • H 20
C25 H
C253H2 C352H 3 C453H Cs5sH
9.3 Anorganische Bindemittel
327
Ob diese Phasen (oder evtl. noch ganz andere!) im Zementstein auftreten, ist mit den gegenwartigen Untersuchungsmethoden nicht aufklarbar. Auf alle Falle hangt die Stochiometrie der gebildeten C-S-H-Phasen von einer Reihe unterschiedlicher Einflussgrolsen abo Die wichtigsten sind die Temperatur, der w/z-Wert, die Mahlfeinheit des Zements, die Kornverteilung und natiirlich die Zusammensetzung des Zements. Zum Beispiel beeinflussen grofsere Mengen an PuzzoIan bzw. Silicastaub signifikant das C/S-Verhaltnis und damit die Stochiometrie der C-S-H-Phasen. Seit Mitte der 90er Jahre fuhren Stark und Mitarb. [AB 7-9] systematische Untersuchungen zur Hydratation der Klinkerphasen durch, wobei einige grundlegende neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Sie sollen im Folgenden stichpunktartig dargestellt werden: • Anfangsstadium der Hydratation: Urn das Alit-Korn bildet sich eine Reaktionsschicht, Dicke der umhullenden Schicht: 20...30 nm. Diese Schicht wirkt als Membran. Sie behindert den Stofftransport zwischen fester und flussiger Phase, was zu einer Erniedrigung der Reaktionsgeschwindigkeit fuhrt (Ruhephase). • Nach 2 bis 3 Stunden (Acceleration): An der Oberflache der Klinkerphase bilden sich erste, vereinzelte, kristalline C-S-H-Phasen, gleichzeitig werden Locher und Kavitaten auf der Oberflache beobachtet. • Die C-S-H-Phasen wachsen im Laufe der Hydratation zu spitznadeligen Kristallen mit einer Lange bis zu 1 - 2 urn und einem Durchmesser von maximal 50 nm (Abb. 9.17a). Die Nadeln sind strukturiert. Die kleineren Struktureinheiten weisen Querschnitte von wenigen Nanometern auf. Die geringen Abmessungen der einzelnen C-S-H-Phasen sind fur die auBerordentlich groBe Oberflache des Zementsteins (50 - 200 m2/g) verantwortlich. Abbildung 9.17a Bildung von spitznadeligen C-S-HPhasen bei der Hydratation von C3S. Die Fasern wachsen nach 600 Tagen Hydratationszeit bis auf eine Lange von 1,5 urn, (QueUe: F. A. Finger-Institut fOr Baustoffkunde, Bauhaus-Universitat Weimar)
• Durch die Alithydratation bildet sich eine dichte Hulle aus nadelformigen C-S-H-Phasen urn das Klinkerkorn. In der Regel wachsen die C-S-H-Phasen nur in Richtung des Porenraumes. Dies bewirkt nach einigen Stunden ein Verwachsen der einzelnen .Hydratationssaume" (Abb. 9.17b), wobei eine stabile Matrix entsteht. Die Faserspitzen verzahnen sich allmahlich ineinander "reiBverschlussartig". Das erklart den hohen Beitrag der silicatischen Hydratphasen zur Festigkeitsentwicklung des Zementsteins.
328
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
• Innerhalb der C-S-H-Phasen des Hydratationssaumes befinden sich einzelne Ettringitkristalle, die moglicherweise Reaktionsprodukte des als Fremdoxid im Alit enthaltenen Aluminiums mit Sulfat sind. • Der Hydratationssaum bildet sich nicht nur urn den Alitbereich der Klinkerkorner aus. Es werden auch langsamer reagierende Bereiche wie Belit und Ferrit davon uberdeckt. • Nach mehreren Monaten kann ein dichter Bewuchs von verfilzten C-S-H-Nadeln auf der Kornoberflache als Endpunkt der Hydratation angesehen werden.
Zusammenfassung: Die bei der Zementhydratation entstehenden C-S-H-Phasen besitzen eine variable Zusammensetzung. Fur das Ca : Si-(Atom)Verhaltnis werden Werte zwischen 1,6 und 1,9 angegeben, damit bewegt sich die Stochiometrie eher in Richtung des Minerals Tobermorit. Der Wassergehalt der C-S-H-Phasen liegt zwischen 20...40% [AB 9]. Eine rollchen- bzw. blattchenformige Gestalt der C-S-H-Phasen, wie sie zunachst von Richartz und Locher publiziert wurde [AB 2], konnte in neueren Untersuchungen nicht nachgewiesen werden. Eine exakte analytische Aufklarung des chemisch-mineralogischen Aufbaus der Kristallstruktur der C-S-H-Phasen ist gegenwartig noch nicht moglich. Mittels Si-NMR-Untersuchungen [AB 13] konnte nachgewiesen werden, dass die isolierten Si04-Tetraeder, die zu Beginn der Hydratation vorliegen, allmahlich kondensieren und sich teilweise zu Einfachketten verknupfen. Diese unvollstandige Verknupfung, kombiniert mit der Einlagerung von Fremdionen in die C-S-H-Phasen und dem Auftreten von Fehlordnungen, kann als Ursache angesehen werden, dass die C-S-H-Phasen nur sehr kleine Bereiche mit einem hohen Ordnungsgrad aufweisen, wie er fur die Identifizierung mittels Rontgenbeugung notwendig ware. Abbildung 9.17b GefOgeverdichtung durch das gerichtete Wachstum von ssumen aus C-S-H-Phasen um die reagierenden Partikeln. (QueUe: F. A. Finger-Institut fur Baustoffkunde, Bauhaus-Universitat Weimar)
In morphologischer Hinsicht sind die aus C 3S-Hydratation (s.o.) identisch.
~-C2S
gebildeten C-S-H-Phasen mit denen der
Hydratation der Aluminat- und Aluminatferrithydrate. Die Umwandlung des C:A und C2(A,F) in die entsprechenden Hydratphasen ist ein wesentlich komplexerer Prozess als die Hydratation der Silicate. Die Calciumaluminathydrate bilden sich am schnellsten, sie sind fur das Erstarren des Zements verantwortlich.
9.3 Anorganische Bindemittel
329
Reaktionen des Aluminats C~ Sind keine Sulfattrager als Erstarrungs- oder Abbinderegler vorhanden, reagiert C~ so rasch mit Wasser, dass ein frisch angemachter Zementmortel bereits nach Minuten erstarrt und nieht mehr verarbeitbar ist (" Loffelbinder "), Es bilden sieh dunntafelige Calciumaluminathydrate (Abb. 9.18), wobei eine erhebliehe Warmemenge (ca. 900 Jig) freigesetzt wird. In Gl. 9-18a ist die Bildung von C2AH s und C~H13 formuliert. 2 (3CaO' Ah03) + 2lH20 2 C~ + 21 H -
4CaO· Ah03' 13H20 + 2CaO· Ah03' 8H20 C~H13
(9-18a)
+ C2AH s
Die entstehenden Kristalle der sulfatfreien Hydratphase verknupfen die einzelnen Zementpartikel. Sie tiberbrticken den wassergefiillten Porenraum durch Ausbildung eines kartenhausahnlichen Gefiiges und verursachen so nach Wasserzugabe eine erste Verfestigung. Die instabilen Calciumaluminathydrate C~H13 und C2AH s wandeln sieh anschlieBend in stabiles C~H6 (Katoit) urn (Gl. 9-18b). (9-18b)
Abbildung 9.18 Hydratation von C3A ohne Sulfatzusatz: auf ein C 3A-Korn aufgewachsene dunntafelige Calciumaluminatkristalle (Quelle: F. A. Finger-Institut fur Baustoffkunde, Bauhaus-Universitat Weimar)
Anwesenheit von Sulfattragern. Urn das spontan einsetzende Erstarren des Aluminats zu verhindem, werden dem Zement Calciumsulfate CaS04 . x H20 (CsH x ) als Erstarrungsoder Abbinderegler zugesetzt. Zum Einsatz kommen in der Regel das Di- oder das Halbhydrat bzw. ein Gemisch beider. 1st der Gehalt an CaS04 . x H20 hoch, verzogert dies das Erstarren bzw. Abbinden starker als ein geringer Gehalt. Je nach der CsH x -Konzentration laufen unterschiedliche Reaktionen ab, die zu verschiedenen Calciumaluminatsulfaten als Hydratationsprodukte fiihren. Steht ein hoher CaS04-Gehalt zu Verfiigung, reagiert das C 3A mit Wasser und CaS04 zu Ettringit (Gl. 9-19a). Die Bezeichnung Ettringit wurde aufgrund der strukturellen Analogie des Tricalciumaluminattrisulfathydrates mit dem bei Ettringen/Eifel gefundenen Mineral C~Ah[(OH)iS04h . 26 H20 gewahlt. Ettringit bildet stabchenformige Kristalle (Abb. 9.19). Bei ausreichendem Sulfatangebot ist es sehr stabil und andert seine Kristallform kaum. Da pro Mol Ettringitdrei Mole CaS04 gebunden werden, bezeichnet man Ettringit auch als "Trisulfat" (in der englischsprachigen Literatur: "AFt-Phase").
330
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
3 CaO . Ah03 + 3 (CaS04 . 2 H 20) + 26 H 20
--
3 CaO . Ah03 . 3 CaS04 . 32 H 20
(9-19a)
Trisulfat (Ettringit), AFt
(9-19b) 1st der Su1fatgehalt in der Mischung niedrig, reagiert das Aluminat mit Sulfat zum Monosulfat C~{CS)H12 als sulfatarmere Phase (Gl. 9-20). Zur Bildung von Monosulfat ("AFm-Phase") kann es auch bei lokalem Mangel an Sulfattrager kommen. C~
C~{CS)H12 Monosulfat, AFm
+ CsH 2 + 10 H - -
(9-20)
Die Monosu1fatkristalle (AFm) sind im Unterschied zum Trisu1fat blattchenformig ausgebildet. Beim Anmachen eines "normalen" Portlandzements ist der Sulfatgehalt der Losung zu Beginn relativ hoch. Es bildet sich zunachst Trisulfat (Gl. 9-19). Die zur Erstarrungsregelung des angemachten Zements benotigten Sulfatmengen verbrauchen sich in den ersten Stunden des Erhartungsprozesses, Damit ist die primare Ettringitbildung abgeschlossen. In der Regel steht noch ursprungliches C~ fur die weitere Hydratation zur Verfugung. Da die Aluminatphase eine groBe Neigung zur Bildung sulfathaltiger Hydrate besitzt, reagiert das C~ mit Trisulfat und Wasser gemaB Gl. 9-21. Unter Zerfall des urspriinglich gebildeten Trisulfats entsteht Monosulfat. Trisulfat ist unterhalb einer Sulfationenkonzentration von 2,35 mg SO/-/Liter nicht mehr stabil. Wird diese Konzentration im Porenwasser unterschritten, wandelt es sich in Monosulfat um. C~{CshH32
+ 2
C~
+ 4 H - - 3 C~{CS)H12
(9-21)
1st die Gipsmenge zu reichlich bemessen, kann es im bereits erharteten Zementstein zur Trisulfatbildung kommen. Da das Trisulfat ein im Vergleich zum C~ deutlich gr6Beres Volumen aufweist, sind Sprengwirkungen im Gefuge die Folge (Abb. 9.35). Diese Schadigung kann vor allem durch den spateren Kontakt des Zementsteins mit sulfathaltigen Wassem (Abwasser, Grundwasser) eintreten (Kap. 9.4.2.2, Sulfattreiben). Abbildung 9.19 Lokale Anreicherung der stabchenformigen Ettringitkristalle auf der Oberflache der Aluminatphase. Links: C-S-H-Phasen. (Quelle: F. A. Finger-Institut fur Baustoffkunde, Bauhaus-Universitat Weimar
Sollte nach der Umwandlung des Trisulfats in Monosulfat immer noch nicht umgesetztes vorhanden sein, bildet sich sulfatfreies C~H13 (Gl. 9-22a), das sparer in stabiles C~H'6 (9-22b) ubergehen kann. C~
9.3 Anorganische Bindemittel
331
3 CaO' Ah03 + Ca(OH)2 + 12 H20 C:A + CH + 12 H
-
4 CaO' Ah03' 13 H20
-
C~H13
4 CaO . Ah03 . 13 H20
-
3 CaO . Ah03 . 6 H20 + Ca(OH)2 + 6 H20
C~H13
-
C:AH 6 + CH + 6 H
(9-22a)
(9-22b)
Urn zu erreichen, dass die Aluminatphase moglichst vollstandig in Ettringit umgewandeIt wird, mussen Menge und Loslichkeit der zugefuhrten Sulfattrager auBerst genau auf die Reaktionsfahigkeit des C:A abgestimmt sein. Das gelingt in der Praxis nur seIten. Deshalb konnen je nach dem Verhaltnis C:A/CsH2 unterschiedliche Hydratationsprodukte erwartet werden (Tab. 9.6). Tabelle 9.6 Hydratationsprodukte fur verschiedene C3A1CsH2-Verhaltnisse [AS 7)
C:A/CsH2 >3 3,0 1,0...3,0 1,0 < 1,0
°
Hauptprodukte der Hydratation Ettringit und freier Gips Ettringit Ettringit und Monosulfat Monosulfat Monosulfat und C~H13, C2AH s bzw. C:A (Cs,CH}H 12 C:AH 6
Hydratation der Aluminatferritphase C2 (A,F)
Die Hydratation der Aluminatferritphase gehort bis heute zu den am wenigsten aufgeklarten und verstandenen Prozessen. Prinzipiell bilden sich ahnliche Produkte wie bei der Hydratation von C:A, wobei Aluminium teilweise durch Eisen ersetzt ist. In welcher Form das Eisen in die Hydratationsprodukte eingebaut wird, ist bis heute unklar. Tetracalciumaluminatferrit C~F - als typischer Vertreter der Aluminatferrite - setzt sich zwar langsamer mit Wasser urn als C:A, die Reaktion muss aber ebenfalls mit einem Sulfattrager verzogert werden. Gleichung (9-23a) beschreibt die Hydratation von C~F bei Abwesenheit eines Sulfattragers. (A,F}H 3 steht fur das Gemisch Eisenhydroxid Fe(OH)3 und Aluminiumhydroxid Al(OHk Die instabilen Reaktionsprodukte zerfallen anschlieBend gemaf Gl. (9-23b) in C3(A,F}H6 . 2 C~F + 32 H -
C4(A,F}H 13 + 2 C2(A,F}H s + (A,F}H 3
C4(A,F}H13 + C2(A,F}H s -
2 C3(A,F}H6
+ 9H
(9-23a) (9-23b)
In Gegenwart eines Sulfattragers werden ebenfalls Trisulfate C 3(A,F}(CshH32 (Aluminatferrit-Trisulfat, AFt; .Eisenettringit'') gebildet (Gl. 9-24a), die sich sparer in Monosulfate der allgemeinen Formel C 3(A,F} Cs H12 umwandeln konnen (Gl. 9-24b).
3 C~F + 12 CsH 2 + 110 H -
4 C3(A,F}(CshH32 + 2 (A,F}H 3 Eisenettringit, AFt
(9-24a)
332
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
3 C,.AF + 4 C 3(A,F)(CshH 32 + 12 CsH 2 + 14 H
--
4 C 3 (A,F)CsH 12
+ 2 (A,F)H 3
(9-24b)
Aluminatferrit-Monosulfat, AFm
Das gerade beschriebene Modell der Hydratation der Ferritphase zu Aluminatferrit-Trisulfat und A1uminatferrit-Monosulfat stammt von Taylor [AB 6]. 1m Licht der in den letzten Jahren von Stark und Mitarb. [AB 7-9] durchgefuhrten ESEM-Untersuchungen wurden auch hierzu neuere Erkenntnisse gewonnen: Die im Vergleich zur Aluminatphase langsamere Hydratation des C,.AF wird durch eine Auslaugung des Aluminiums aus den C,.AF-K6mem erklart, Je hoher der Eisenanteil in den Aluminatferriten ist, desto langsamer verlauft der Hydratationsprozess. • Das in Losung gelangte Aluminat reagiert mit Sulfat und Ca(OH)2 zu Ettringit. Gleichzeitig entstehen an Aluminium verarmte, eisenreiche C,.AF-K6mer. Sie sind im Gefuge auch nach langer Zeit noch sichtbar. • Da die Auslaugung ein langsamer Prozess ist, der Sulfattrager dagegen meist sehr rasch in Losung geht, kann vorubergehend sekundarer Gips im Gefuge des Zementsteins gebildet werden. Er verschwindet wieder, sobald fur die Ettringitbildung des ausgelaugten Aluminats weiteres Sulfat benotigt wird. • Die Hydratation des C,.AF fuhrt demnach zunachst zur Bildung von eisenfreiem Ettringit, der sich sparer in Monosulfat und sekundaren Gips umwandelt (s. Abb. 9.21). Entgegen den Vorstellungen von Taylor konnte kein Eisenhydroxid gefunden werden. •
Weitere Untersuchungen zur vollstandigen Klarung des C,.AF-Hydratationsprozesses sind notwendig.
9.3.3.4.2
Hydratation von Zementen
Beim Anmachen von Zement mit Wasser fullt das Wasser sowohl Poren und Risse in den Zementpartikeln als auch aIle Zwischenraume aus. Der entstehende plastische Zementleim beginnt zu erstarren und allmahlich zu erharten, Erstarrung und Erhartung sind zwei nicht scharf trennbare Perioden des Verfestigungsprozesses eines Baustoffes, sie gehen flieBend ineinander tiber. Die sofort nach Zugabe des Anmachwassers einsetzende Erstarrung eines Frischbetons ist durch den Ubergang von der plastisch-breiigen Konsistenz zu einer gewissen, allerdings noch geringen Anfangsfestigkeit gekennzeichnet. In der sich anschlieBenden Erhartungsphase verfestigt sich das erstarrte System immer weiter. Es geht mit fortschreitender Dauer in einen Zementstein hoher Festigkeit tiber. In der Praxis wird der anfangs eintretende Erstarrungsprozess kurz als Abbinden und der Gesamtprozess als Erharten bezeichnet. Die zuvor fur die einzelnen Klinkerphasen beschriebenen Prozesse laufen bei der Hydratation von Zement in unterschiedlichem Umfang neben- und hintereinander abo Die Zementhydratation stellt somit ein komplexes Reaktionssystem mit mehreren, sich teilweise beeinflussenden Einzelreaktionen dar. Die entstehenden Hydratphasen konnen zunachst metastabile Verbindungen sein, die erst im weiteren Verlauf der Zementhydratation in die thermodynamisch stabile (End)-Hydratphase tibergehen. In Abb. 9.20 sind die Bildung der Hydratphasen und die Gefugeentwicklung bei der Hydratation des Zements nach dem Mo-
9.3 Anorganische Bindemittel
333
dell von Locher, Richartz und Sprung [AB 3-5] schematisch dargestellt. Diese Prozesse sollen im Folgenden kurz beschrieben werden: Der beim Anmachen von Zement mit Wasser entstehende Zementleim liegt bis etwa eine Stunde nach Wasserzugabe (L Hydratationsstufe, Abb. 9.20) als Suspension von Zementkornern ohne jede Festigkeit vor. Er ist aufgrund seiner Plastizitat verform- und verdichtbar und durch ein gutes Einbindevermogen fur die Gesteinskornung gekennzeichnet. Sofort nach Wasserzugabe reagieren ca. 10% der im Zement enthaltenen Aluminatphase und ca. 2% des im Zement enthaltenen Alits. Urn das Zementkom bildet sich eine dunne Haut, die aus Hydratphasen besteht. Haufig spricht man heute noch von "Zementgel" und meint sowohl die Haut ("Gelhaut") als auch die Summe der Hydratphasen. Der Begriff Zementgel stammt aus den Anfangen der Zementchemie. Mit Hilfe der modemen Elektronenmikroskopie und Spektroskopie konnte nachgewiesen werden, dass es sich keinesfalls urn ein Gel (Begriff stammt aus der Kolloidchemie, Kap. 6.3.2) handelt, sondem urn nanokristalline Phasen, die aufgrund ihrer groBen Oberflache stark fehlgeordnet sind [AB 8]. Das Wasser reagiert sofort mit dem im Klinker vorliegenden Freikalk zu Ca(OH)2' Diese Reaktion lauft deshalb so schnell ab, da der Freikalk nicht feinverteilt im Klinker vorliegt, sondem haufig separate Phasen bildet (0 10...20 nm; [AB 9]). Der Freikalk kann sich auch mit Alkalimetallsulfaten zu Gips oder mit Aluminat und Alkalimetallsulfaten zu Ettringit umsetzen.
Porenraum
--
...
......
....... \,
,
j
c: c:
\
III
Q)
01
\
\
\
c:
Abbildung 9.20
Q)
:2
Bildung der Hydratphasen und Gefugeentwicklung des Zements nach Locher und Mitarb. [AB 3]
Trisulfat
o 5 30 1 2 6 '-"-------v---- ~
I·
v
Minuten Stunden Tage Hydratationszeit I. -I. II. -I.. 111..-Hydratationsstufen Labiles GefUge GrundgefOge Stabiles GefOge
.
~1iolal' - ,, =~~:.
=U-~;~~-~ - -
~
~~~
1m Ergebnis der Reaktion von C;A mit Wasser bildet sich auf der Kornoberflache ein wasserreiches Aluminat. Nach dem Inlosunggehen des als Abbinderegler zugesetzten Sulfattragers entstehen sowohl in der Porenlosung als auch auf der Kornoberflache Ettringit-
334
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
keime ("primarer Ettringit"). Die sich auf dem Kom herausbildenden nanokristallinen Ettringituberzuge behindem zunachst den weiteren Wasserzutritt. Nach 0,5 ...2 Stunden kommt die Reaktion des Aluminats mit dem CaS04 zum Stillstand. Es setzt eine Ruheperiode (dormante Periode) von 2...4 Stunden ein. Allmahlich diffundierenjedoch SOl--lonen und H 20-Molekiile durch die Ettringitschicht und setzen sich im Kominneren zu Ettringit um. EttringithOlle Beim Aufreitsen der EttringithOlleerfolgt weiterer Zutritt von H20 und 80/- lonen.
Da das Volumen der sich bildenden Reaktionsprodukte das der Ausgangsstoffe deutlich ubersteigt, sprengt der Kristallisationsdruck die erste Ettringithtille. Solange noch genugend Sulfationen vorhanden sind, erfolgt eine sofortige Neubildung der Ettringitschicht. 1st der Vorrat an Sulfationen jedoch aufgebraucht, konnen die gesprengten Ettringitschichten nicht langer "abgedichtet" werden und das Aluminat hydratisiert gem. Gl. (9-19a) rasch we iter. Die Reaktionen der C,.AF-Phase entsprechen denen des C:A. In der dormanten Peri ode kommt nicht nur die Reaktion der Aluminatphase, sondem auch die des C 3S weitgehend zum Stillstand. Die Umsatze sind gering. Dennoch wurden nach ein bis zwei Stunden auch C-S-H-Phasen nachgewiesen. Die Wasserbindung der Calciumsilicate unter Bildung der C-S-H-Phasen ist auBerlich als Erstarrungsbeginn zu beobachten. Das Erstarren beginnt demnach in der Ruheperiode. 1m Ergebnis der Hydratation von C 3S wird aus einer an Ca 2+- und OH- -Ionen tibersattigten Losung Calciumhydroxid (Portlandit) abgeschieden. Die parallel verlaufende Reaktion der Alkalimetallsulfate mit dem Ca(OHh zu Gips und Alkalimetallhydroxiden senkt die Loslichkeit von Ca(OHh ab (hohe Olf-Ionenkonzentrationl), was zur partiellen Auskristallisation des Ca(OH)2 fiihrt. Die tafeligen Portlanditkristalle (Abb. 9.15) entstehen haufig zuerst an den aktiven Stellen der groBen Zuschlagkorner. Die geringe Loslichkeit des Gipses beeinflusst ebenfalls das Loslichkeitsgleichgewicht des Ca(OH)2, fiihrt aber andererseits zur gerade beschriebenen Reaktion mit C:A zu Ettringit. In ahnlicher Weise wie bei den Aluminaten diffundieren die Wassermolekiile durch die Calciumsilicathydrathulle in das Innere der C 3S-(und C 2S)-Komer. In geringerem MaBe konnen lonen (vor allem Ca 2+) auch aus dem Kom nach auBen diffundieren. Durch die Diffusion der H 20-Molekiile ins Kominnere bildet sich innerhalb der Calciumsilicathydrathulle ein osmotischer Druck aus, der die Hulle schlieBlich zum (teilweisen) Platzen bringt. Auf diese Weise .frisst" sich der Hydratationsprozess nach innen. Zwischen der Zeit bis zur restlosen Hydratation eines Zementteilchens und der Korngrofe besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Wahrend kleine Partikeln vollstandig reagieren konnen, verbleibt bei groBen Partikeln mitunter ein Kem mit noch unreagierten Phasen zuriick. Dabei handelt es sich uberwiegend um die langsamer reagierenden Klinkerphasen Belit und Ferrit. Unter Diffusion versteht man die gegenseitige Vermischung zweier oder mehrerer Fliissigkeiten (oder auch Gase) entgegen der Schwerkraft. Wird zum Beispiel eine Kupfersulfatlosung in einem Standzylinder mit Wasser iiberschichtet, wandem Wassermolekiile in die Kupfersalzlosung und
9.3 Anorganische Bindemittel
335
umgekehrt Cuz+_ und SO/--lonen in das Wasservolumen. Der Vorgang ist beendet, wenn uberall die gleiche Konzentration und damit die gleiche Blaufarbung vorliegt. Werden beide Flussigkeitsvclumina durch eine semipermeable (halbdurchlassige) Wand getrennt, die nur fur eine Teilchenart (Molekule, lonen) durchlassig ist, kann die gegenseitige Durchmischung verhindert werden. Betrachten wir zum Beispiel einen unten durch eine semipermeable Wand abgeschlossenen und oben mit einem Steigrohr versehenen Zylinder, der mit einer Salzlosung gefiillt ist und in ein grolseres GefaJ3 mit Wasser taucht. Ist aufgrund der Porenweite die semipermeable Wand nur fiir Wassermolekule durchlassig, so treten so lange HzO-Molekiile in die Salzlosung tiber, bis sich die Konzentrationsunterschiede ausgeglichen haben. Der Flussigkeitsspiegel steigt im Inneren an. Die Erscheinung der einseitigen Durchmischung zweier Flussigkeiten infolge Wanderung durch eine semipermeable Wand nennt man Osmose. Im lnneren des Zylinders stellt sich ein osmotischer Druck ein.
Die beschleunigte Bildung der Hydratphasen des C 3S und C 2S tritt nach 6-7 Stunden ein (Accelerationsperiode). Die Erstarrung des Zementleims schreitet voran. An den Ecken und Kanten der C 3S- und C 2S-Korner bilden sich zunachst langfaserige Calciumsilicathydrate. Sie breiten sich in den wassergefiillten Porenraumen zwischen den Zementpartikeln aus und verkniipfen benachbarte Zementkomer. Durch diese Gefiigeverfestigung entsteht das Grundgefiige des Zementsteins. In die Gefugehohlraume lagern sich Ca(OH)2Kristalle ein. Die langfaserigen C-S-H-Kristalle sind fiir die Friihfestigkeit des Zementsteins verantwortlich. Der Erstarrungsprozess ist nach etwa 24 Stunden (IL Hydratationsstuje, Abb. 9.20) abgeschlossen. Selbst bei dichtester Packung konnen die Hydratphasen die Hohlraume nicht vollstandig ausfiillen. Es verbleiben sehr kleine Zwischenraume, die sogenannten Gelporen (Kap. 9.3.3.5). Der eigentliche Erhartungsprozess setzt nach etwa 24 Stunden ein (IlL Hydratationsstufe, Abb. 9.20). Nach dem Modell von Locher und Mitarb. bilden sich aus den langfaserigen zunehmend kurzfaserige C-S-H-Kristalle. Calciumhydroxid wird in groBen Mengen frei. Es liegt entweder dissoziiert in der Porenlosung oder kristallisiert als Portlandit im Zementstein vor. Der Abbau des Trisulfats durch C~ bzw. C~F zum Monosulfat setzt nach 2 bis 3 Tagen ein. Die Festigkeit des Zementsteins wird davon nicht beriihrt, da Monosulfat kaum zur Festigkeit beitragt, Nach Verbrauch des Gipses bilden sich kristalline Calciumaluminat- und Calciumaluminatferrithydrate. Kurzfaserige C-S-H-Kristalle und kristalline Calciumaluminat- und Calciumaluminatferrithydrate fiillen die restlichen Poren der von den langfaserigen C-S-H-Kristallen durchwachsenen Hohlraume bzw. verkleinern sie. Dadurch entsteht ein festes Gefiige. Die Hydratation der silicatischen Phasen ist nach ca. zwei Wochen auch im Inneren des Korns deutlich fortgeschritten. Da sie diffusionsgesteuert ablauft, ist sie erst nach Monaten, bei groberen Zementpartikeln eventuell erst nach Jahren abgeschlossen. Neue Erkenntnisse, die mit Hilfe der ESEM-Technik von Stark und Mitarb. [AB 7-9] gewonnen werden konnten, fiihrten zu einem modifizierten und verfeinerten Hydratationsmodell (Abb. 9.21). Einige wesentliche Unterschiede sollen stichpunktartig angefiihrt werden: • Aus dem Sulfattrager und Kaliumionen bildet sich voriibergehend die Mineralphase Syngenit (K 2S04 . CaS04 . H 20). Ursache fiir eine hohe Konzentration an K+ in der Porenlosung sind die wahrend der Klinkerkiihlung auf der Oberflache auskristallisierenden
336
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Alkalimetallsulfate, insbes. Arcanit (a-K1S04) und die gemischten Kaliumsulfate Langbeinit (K 1Mg1[S04h) und Ca-Langbeinit (K1Cal[S04h). Sie sind sehr gut wasserloslich und erhohen die Konzentration an K+-Ionen. Bei alkalireichen Portlandzementen entsteht Syngenit neben Ettringit sofort zu Reaktionsbeginn. Erste Kristalle sind nach wenigen Minuten sichtbar, danach bilden sich zunehmend groBe Kristallaggregate aus. Bei Zementen mit einem sehr niedrigen Alkaligehalt wird die Syngenitbildung zeitlich verzogert beobachtet. Syngenit fallt hier als plattchen- oder leistenformige Kristalle an. • Nach 4-6 Stunden verschwindet Syngenit wieder. Es entsteht sekundarer Gips, der zu verstarkter Ettringitbildung fiihrt. Das Verstandnis von Bedeutung und Funktion der temporaren Syngenitbildung bedarfweiterer Untersuchungen. • C-S-H-Phasen sind zunachst stumpfnadelig (bis 300 nm), wandeln sich nach einigen Tagen in spitznadelige Phasen (bis 1,5 urn) urn. Eine Umwandlung von lang- in kurzfaserige C-S-H-Kristalle, wie sie von Richartz und Locher postuliert wurde [AB 2], konnte nicht beobachtet werden.
.
.
••••• C-5-H C-5-H (etwa 600 nm) • (etwa 1 urn)
.
•
Portland it
Ettrinq!! __
r-
Sekundarer Ettringit
, , o
2
.. -- ~m!..
(etwa 500 ~..
- - - -
:
,,---
10
Minuten
30
----
(etwa 2,5 um)
Gips
Syngenit
5
...
..
. 2
6
12
Stunden
1 2
7
14
28
rage
Abb. 9.21 Schematische Darstellung der Zementhydratation in Abhangigkeit von der Hydratationsdauer (nach Stark, [AB 9])
Unter Beton ist ein kunstlicher Stein zu verstehen, der durch Erharten einer Mischung aus Zement, Wasser und Gesteinskornung entsteht. Solange der Beton noch verarbeitbar ist, heiBt er Frischbeton. Nach der Erhartung nennt man ihn Festbeton. Urn bestimmte Frischoder Festbetoneigenschaften zu erzeugen, konnen dem Beton chemische Zusatzmittel wie Verflilssiger, Verzogerer, Luftporenbildner (Kap. 9.3.4) und latent-hydraulische oder puzzolanische Zusatzstoffe wie Hilttensand und Flugasche (Kap. 9.3.3.3.1) zugesetzt werden. Wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben, sind die Umwandlungsprozesse der Klinkerminerale in die Hydrate exotherme Vorgange. Beim Erstarren und Erharten des Zements
9.3 Anorganische Bindemittel
337
wird demnach entsprechend dem Reaktionsfortschritt Warme frei. Dabei setzen die kalkreichen Minerale CaA und C 3S groliere Warmemengen in kiirzerer Zeit frei als die kalkarmeren Klinkerkomponenten C2S und C,.AF. Die Gesamt-Hydratationswarme eines Zements ergibt sich als Summe der Reaktionswarmen der Klinkerminerale, deren Betrag wiederum vom prozentualen Anteil der Klinkerminerale im Zement abhangt, Bei Annahme einer vollstandigen Hydratation liegt die Hydratationswarme eines Portlandzements je nach Zusammensetzung zwischen 375...525 Jig. Die praktische Konsequenz der Exothermie der Hydratationsreaktionen besteht in der Temperaturerhohung im Beton wahrend des Erstarrungs- bzw. Erhartungsprozesses. Fiir Bauteile iiblicher Abmessungen, die im Winter betoniert werden, ist dieser Sachverhalt durchaus von Vorteil. Die schnelle Freisetzung von Warme in der Anfangsphase verhindert ein Durchfrieren des jungen Betons vor dem Erreichen der in der Norm festgelegten Mindestdruckfestigkeit. Bei Massenbeton oder dickwandigen Konstruktionen stellt die Hydratationswarme ein echtes Problem dar. Sie muss moglichst gering gehalten werden, urn Temperaturspannungen zwischen dem Kern und den auBeren Schichten des Bauteils so niedrig wie moglich zu halten. Ansonsten kann es zum Auftreten von Spaltrissen kommen.
Hlittensandhaltige Zemente Wie bereits in Kap. 9.3.3.3.1 beschrieben, handelt es sich bei Hiittensanden urn fein gemahlene Kalk-Tonerde-Silicatschlacke. Die Schlacke besteht aus Calciumalumosilicaten unterschiedlicher stochiometrischer Zusammensetzung. Sie sind durch ein niedrigeres CaO/SiOz-Verhaltnis charakterisiert als die Verbindungen des Portlandzementklinkers. Die latent-hydraulischen Eigenschaften werden durch die Gegenwart eines alkalischen (z.B. Ca(OH)z) oder eines sulfatischen (z.B. CaS04) Anregers wirksam. Dabei bilden sich in Anwesenheit von Wasser iiberwiegend die gleichen festigkeitsgebenden Hydratphasen wie sie bei der Hydratation von Klinkermineralen entstehen. Durch die Hydratation der Calciumsilicate des Klinkers entsteht Ca(OH)z. Der pH-Wert der Losung steigt auf 12,5 an, durch zusatzliches Inlosunggehen von Alkalien des Zements innerhalb kiirzester Zeit sogar aufpH-Werte > 13. Damit sind die Voraussetzungen fur eine alkalische Anregung des Hiittensandes gegeben. Die hochalkalische Losung greift die glasig-amorphen Huttensandkorner an und lost sie von der Oberflache her auf. Zwei mogliche Reaktionen der Calciumalumosilicate bzw. Calciumsilicate sind in Gl. 9-25 und 9-26 angegeben [BC 14]. C2AS
C2S
-
(CH, H)
-
(H)
C,.AH13 + C-S-H
C-S-H + CH
(9-25)
(9-26)
Das bei der Hydratation der Calciumsilicate frei werdende Ca(OH)z wird vom Hiittensand bei der Bildung der hydratisierten Phasen teilweise verbraucht. Wie Gl. 9-26 zeigt, sind auch Reaktionen ohne Beteiligung von Calciumhydroxid moglich. Der geringe Ca(OH)zAnteil sowie das Vorliegen CaO-armerer Calciumsilicathydrate fuhren bei hydratisierten Hochofenzementen zu einer erhohten Widerstandsfahigkeit gegeniiber dem Angriff saurer Wasser.
338
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
9.3.3.4.3 Erstarren· Erstarrungsstorungen Die Bedeutung des Sulfattragers als Erstarrungs- oder Abbinderegler wurde ausfiihrlich in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben. Zum Einsatz kommen normalerweise Calciumsulfate CaS04' x H 20. 1st der Sulfattrager nicht optimal auf die Menge und die Reaktivitat des C~ abgestimmt, treten Erstarrungsstorungen auf. Die Reaktivitat des Klinkers bzw. des C~ wird sehr stark von der Mahlfeinheit bestimmt. Locher und Mitarb. [AB 3] konnten zeigen, dass Zemente mit vergleichbaren C~-Gehalten, aber unterschiedlichen Reaktivitaten, bei Verwendung von natiirlichem Anhydrit als Erstarrungsregler rasch erstarren. Wird der Anhydrit schrittweise durch Halbhydrat ersetzt, erhoht sich die erstarrungsverzogernde Wirkung des Sulfattragers. Sie durchlauft ein Maximum, nimmt dann jedoch wieder abo Die Lage des Maximums hangt empfindlich von der Reaktivitat des C~ abo Die Untersuchungen belegen, dass der Erstarrungsbeginn stark von der Zusammensetzung des zugesetzten Sulfattragers abhangt. 1st das Sulfatangebot zu gering, kommt es augenblicklich zur Ausbildung von Calciumaluminathydraten. Die dunntafeligen Kristalle lagern sich im Porenraum zu einem kartenhausahnlichen Gefiige zusammen. Die Verarbeitbarkeit des Zementleims verschlechtert sich ("Friihes Erstarren"). 1st der Sulfattrager zu hoch eingestellt, bildet sich neben Trisulfat sekundarer Gips. Aus der ubersattigten Losung kristallisiert Dihydrat in Form von Gipsnadeln aus. Die Gipsnadeln bilden aufgrund ihrer Lange ein starres Gefiige aus und lassen den Zementleim ebenfalls erstarren ("Falsches Erstarren"). Durch Nachmischen, eventuell auch durch Rutteln, kann die zu fruhe Erstarrung behoben werden. Nachteile fiir die Endeigenschaften des Mortels entstehen dadurch nicht.
9.3.3.5
Aufbau und Eigenschaften des Zementsteins
Setzt man porenfreie Gesteinskornungen ausreichender Festigkeit voraus und schlieBt Gefugestorungen durch Annahme einer optimalen Verdichtung weitgehend aus, dann hangen zentrale Eigenschaften des Betons wie Festigkeit und Dichtigkeit ausschlieBlich vom Gefiige des Zementsteins abo Verantwortlich fiir die Festigkeit des Zementsteingefiiges sind Form und Grobe, raumliche Anordnung sowie Packungsdichte (Porositat) der gebildeten Hydratationsprodukte. Nach einer vollstandigen Hydratation fiillt ein Zementstein etwa ein doppelt so groBes Volumen aus wie vorher das Volumen der Zementpartikeln und des Anmachwassers. Das bedeutet, es ist ein Festkorper mit einer hohen Porositat entstanden. 1m Verlauf der Hydratation baut der Zement jedoch 25% Wasser in die Hydratphasen ein. Damit verbunden ist eine Volumenverminderung urn ca. 6 cm 3/1 00 g Zement, die als "inneres Schrumpfen" (auch: "inneres Schwinden") bezeichnet wird. Beim diesem inneren Schwinden tritt weder eine Veranderung der auBeren Abmessungen ein, noch kommt es zur Ausbildung von Schwindrissen. Vielmehr entstehen sehr kleine Gelporen (s.u.). Die Porenverhaltnisse spielen fiir die Eigenschaften des Betons eine dominierende Rolle. Dabei ist nicht so sehr der Gesamtporenraum von Bedeutung, sondern vielmehr die PorengroBe. Aufgrund der ablaufenden, sehr unterschiedlichen Hydratationsvorgange erstreckt sich die Porositat des Zementsteins tiber einen kaum vorstellbaren Porengrolsenbereich. So kann der Durchmesser der kleinsten Poren noch unter 1 urn liegen, wahrend andererseits sichtbare Poren mit Durchmessern von mehreren Millimetern auftreten konnen. Das entspricht einem Grolsenverhaltnis von etwa 1 : 10 Millionen.
9.3 Anorganische Bindemittel
339
Porenarten. Die verschiedenen Porengrolsen lassen sich mit der unterschiedlichen Art ihrer Entstehung erklaren. Die grobten Poren im Zementstein, die Verdichtungsporen (auch: natiirliche Luftporen), werden beim Anmachen des Zements in den Zementleim eingetragen. Sie konnen durch nachfolgende Verdichtung niemals vollstandig ausgetrieben werden. Verdichtungsporen kann man mitunter mit bloBem Auge erkennen. Ihr Grolsenbereich erstreckt sich 1 bis zu 10 mm [AB 7]. Ihr Anteil im Beton wird umso geringer sein, je verdichtungswilliger der Beton ist. Verdichtungsporen durfen nicht mit den kunstlich in den Zementstein eingefuhrten Luftporen (Abb. 9-22) verwechselt werden, deren Aufgabe es ist, den Frost-Tausalz-Widerstand zu erhohen (Kap. 9.3.4, Luftporenbildner). Kapillarporen, die einen Porenbereich von 10 nm bis 100 ~m umfassen (Abb. 9.22), sind durch Uberschusswasser entstanden, das vom Zement weder chemisch bei der Bildung der Hydratationsprodukte, noch adsorptiv (physikalisch) von den C-S-H-Phasen gebunden werden kann. Dieses Uberschusswasser ist fur die Ausbildung eines Systems feiner, haufig zusammenhangender, unregelmaliig geformter, kleiner Hohlraume verantwortlich, dem Kapillarporensystem (Abb. 9.23). 1m Gegensatz zu den vorher beschriebenen Verdichtungsporen andert sich der Kapillarporenraum mit fortschreitender Hydratation. Die gebildeten Hydratationsprodukte binden standig Anmachwasser und fullen dessen Volumen aus. Damit wird der Kapillarporenanteil reduziert. Uber das Kapillarporensystem finden alle Transportvorgange statt, in den Zementstein hinein und aus dem Zementstein heraus. Der Anteil der Kapillarporen an der Gesamtporositat eines Zementsteins hangt primar vom w/zWert, dem Hydratationsgrad und der Art des Zements abo Eine hoher Anteil an Kapillarporen vermindert die Festigkeit, die chemisehe Widerstandsfahigkeit und die Frost-Tau-Wechselbestandigkeit eines Zementsteins bzw. Betons. Die kleinsten Poren im Zementstein sind die Gelporen. Ihr Durchmesser liegt unter 50 nm. Gelporen sind Bestandteil des Zementgels bzw. der Hydratphasen und - wie oben bereits ausgefuhrt - durch .Jnneres Schrumpfen" entstanden. Detaillierter betrachtet bezieht sich der Begriff Gelpore auf die sehr kleinen Zwischenraume (Nanometerbereich!) zwischen den nadelformigen Kristallen der C-S-H-Phasen. Insofem sind sie eigentlich keine Poren im umgangssprachlichen Sinne. In Kap. 9.3.3.4.2 wurde bereits daraufverwiesen, dass der Begriff Zementgel, obwohl weit verbreitet, wissenschaftlich nicht korrekt ist. Es sind im kolloidchemischen Sinne keine Gele, die sich bilden, sondem wasserhaltige nanokristalline Phasen. In gleicher Weise ist natiirlich der Begriff Gelporen inkorrekt. Da er aber in der Zementchemie zum Sprachgebrauch gehort und in fast allen Fach- und Lehrbuchern anzutreffen ist, soll er im Weiteren trotzdem verwendet werden. Das in den Ge1poren verbliebene Wasser wird zum uberwiegenden Teil durch starke intermolekulare Wechselwirkungen an den Porenwanden gebunden, also adsorbiert. Da der GroBenunterschied zwischen dem Durchmesser einer Gelpore und den Abmessungen eines Wassermolekiils nur rund eine Zehnerpotenz betragt, sind die Gelporen mit Gelwasser (Porenlosung) vollstandig gefullt. Gelporen sind fur Gase undurchlassig. Das in den Gelporen "physikalisch gebundene" Wasser ist im Gegensatz zu dem in den Hydraten gebundenen Wasser bei 105°Cverdampfbar.
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
340
Partikel 1m)
t~
1
(em) ,
Abb.9.22 (mm)
,~ ,-
, . 1: '.
>
partikeln und Zementsteinporen
Ql
.
!'
10-6
Gr6Benbereiche von Feststoff-
E
[AB 14]
't
t .. •
(nm)
}~ Ql
>-
~~
,.
, N ~
Das Verhaltnis von Kapillar- zu Gelporen ist ein wichtiger Indikator fur den Hydratationsfortschritt und damit fllr die erreichte Festigkeit. Sind viele Gel- und wenig Kapillarporen vorhanden, kann man von einer fortgeschrittenen Hydratation und einer hohen Festigkeit ausgehen. In Abb. 9.22 sind die GroBenbereiche von Feststoffpartikeln und Zementsteinporen dargestellt. AIs Schrumpfporen bezeichnet man Poren, die auf die Hydratation zurtlckzufiihren sind. Sie entstehen, da - wie oben bereits beschrieben - das Volumen der Hydratationsprodukte das der Ausgangsstoffe ubersteigt. Schrumpfporen besitzen einen mittleren Durchmesser von ca. 10 nm und sind insofem dem oberen Gelporenbereich zuzuordnen.
Wasserzementwert (w/z-Wert) . Die Kapillarporen uben einen groBen Einfluss auf die Dichtigkeit und Festigkeit und damit auf die Dauerhaftigkeit des Betons aus. Deshalb stellt die Minimierung des Kapillarporenanteils eines der wichtigsten betontechnologischen Probleme dar. Der Anteil der Kapillarporen an der Gesamtporositat hangt neben dem Hydratationsgrad und der Zementart in erster Linie vom Wasserzementwert (GI. 9-27) abo Der Wasserzementwert (w/z) kennzeichnet das Massenverhaltnis zwischen Wasser (wirksamer Wasseranteil) und Zement.
w/
wirksamer Wasseranteil w (in kgoder kg / m 3 )
z=-----------'--~--7-----'-
Zementgehalt z (in kg oder kg / m 3 )
(9-27)
Zur Erlauterung des Terminus "wirksamer Wasseranteil" sollen die einzelnen Anteile an Bauwasser, die in die Gesamtwassermenge eingehen, etwas genauer betrachtet werden: Zugabe- oder Anmachwasser, Eigenfeuchtigkeit der Gesteinskornung, Wasser bei Einsatz wassriger Zusatzmittel und -stoffe sowie Wasser, das bei speziellen technologischen Verfahren Verwendung findet. Fur den Beton ist nur der wirksame Wasseranteil wesentlich,
9.3 Anorganische Bindemittel
341
der sich als Differenz zwischen der Gesamtwassermenge und der Wassermenge ergibt, die von den Poren der Gesteinskornung aufgenommen wird. Zur vollstandigen Bildung der Hydratphasen benotigt ein Zement eine Wasserzugabemenge von etwa 25 ...30%, bezogen auf die Zementmasse. Das entspricht einem w/z-Wert von 0,25 ...0,30. Mit dieser Wassermenge kannjedoch kein verarbeitbarer Beton hergestellt werden. Bei der Rezeptur fur einen verarbeitbaren Beton geht man deshalb von einem "chemischen" (25% der Wasserzugabemenge) und einem "physikalischen" (15% der Wasserzugabemenge) Wassergehalt aus. Das entspricht einem Wasserzementwert von w/z = 0,4. Diesem Wert kommt damit eine theoretische Bedeutung zu. Er bezieht sich auf den Fall der vollstandigen Zementhydratation, d.h. auf einen Hydratationsgrad von 100%. Der Zement bindet in diesem Fall chemisch und physikalisch 40% seiner Masse an Wasser. Allerdings wird dabei lediglich eine steife Konsistenz erzielt. Nach Abschluss der Hydratation wiirde bei einem Wasserzementwert von 0,4 das gesamte Zugabewasser in gebundener Form vorliegen. Kapillarporen waren im Zementstein nicht vorhanden, es kame nur zur Ausbildung von Gelporen. Praxisgerechte w/z-Werte liegen in der Regel zwischen 0,5 0,6. Bei niedrigeren w/z- Werten durften ebenfalls keine Kapillarporen auftreten. Das zugegebene Wasser ist nicht mehr in der Lage, die Zementpartikel vollstandig zu hydratisieren. 1m Gefuge des Zementsteins bleiben nichthydratisierte Anteile des Zementklinkers zuruck. Das Vorliegen nichthydratisierter Klinkeranteile ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Festigkeitsabfall des Zementsteins. Die Festigkeit nimmt sogar zu, da zum einen der nichthydratisierte Zement die Gesamtporositat vermindert und zum anderen die Eigenfestigkeit der Klinkerreste und ihr enger Verbund mit den nanokristallinen wasserhaltigen Phasen festigkeitssteigemd wirken. Allerdings ist ein angemachter Zement mit w/z- Werten :::;; 0,4 schlecht verarbeitbar, so dass der Einsatz von Zusatzmitteln erforderlich wird. w/zWerte > 0,4 flihren aufgrund eines Zugabewasseruberschusses immer zu einem mehr oder weniger ausgepragten Kapillarporenraum (Abb. 9.23). Es gilt:
Je gro8er der w/z-Wert, umso geringer sind Festigkeit und Dichtigkeit des Betons. Unter praktischen Bedingungen ist im Beton ein bestimmter Kapillarporenraum selbst bei w/z-Werten < 0,4 nicht zu vermeiden, da auch nach einer langen Erhartungszeit der Zement nicht vollstandig hydratisiert vorliegt. Liegt der Kapillarporenraum unter 25%, kann man von einem dichten Beton sprechen. Die Begrtmdung ist in der Kapillarstruktur zu suchen: Bis zu einem Kapillarporenanteil von etwa 25% sind die Kapillarporen untereinander kaum verbunden (Diskontinuitat). Die Wasserdurchlassigkeit ist somit vernachlassigbar gering. Bei Anteilen > 25% stehen die Kapillarporen untereinander in Verbindung (Kontinuitat) und die Wasserdurchlassigkeit steigt stark an. Geht man von praxisnahen Hydratationsbedingungen aus, muss man den Hydratationsgrad eines Portlandzements selbst bei fachgerechter Nachbehandlung zwischen 70...80% ansetzen. Urn eine Kontinuitat des Kapillarporensystems zu verhindem, muss ein w/z-Wert von etwa 0,5 gewahlt werden. Die Druckfestigkeit (Festigkeit) ist fur alle Baumaterialien, die im Bauwerk auf Druck beansprucht werden, eine auBerordentlich wichtige Kenngrolse. Unter der Druckfestigkeit versteht man die bei einer zugigen einachsigen Druckbeanspruchung ertragbare Hochstkraft Fmax bezogen auf den Ausgangsquerschnitt So: f3d = Fmax/S o (N/mm 2 ) . f3d wird vor-
342
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
zugsweise an wurfelformigen Probekorpern auf einer Druckpriifmaschine bestimmt, wobei die Probekorper zwischen zwei ebenen, vollig planen Stahlplatten aufliegen (Details, s. Lehrbucher der Baustoffkunde). Zementkom .
•
'l1-ot'" "" ss ...
Hydratalion
\< ........... }!
/ "' Wasser
Wasserzementwert (w/z= 0,20)
.::-
~ • _
unhydratisierter Zement
h.ro=-.',' ....... hydratisierter
Zement und Gelporen
Hydratation Wasserzementwert (w/z 0,40)
=
Abbildung 9,23 Erhartung eines Zementsteins bei verschiedenen w/z-Werten [AB 14]
Wie in Kap. 9.3.3.4.1 beschrieben, leisten die verschiedenen Hydratationsprodukte der Klinkerphasen einen recht unterschiedlichen Beitrag zur Festigkeit des Zementsteins. Am starksten tragen die Hydratationsprodukte der silicatischen Phasen zur Festigkeit bei, der Beitrag von C~ und C,.AF ist dagegen als gering einzuschatzen. Abb. 9.24 zeigt die Entwicklung der Druckfestigkeit der Klinkerminerale [AB I]. Wahrend C 3S anfanglich relativ schnell hohe Festigkeiten erreicht, liefert C 2S zu Beginn nur einen geringen Beitrag. Nach etwa drei Jahren hat sich dieser Unterschied jedoch ausgeglichen, beide Phasen weisen die gleiche Endfestigkeit auf. 80
'"E ~
30°C liegt seine Loslichkeit sogar unter der des Dihydrats. Das erklart, weshalb reiner Anhydrit als Bindemittel ungeeignet ist. Erst wenn durch Zugabe von Anregem (s.u.) das Loslichkeitsprodukt der Dihydrate abgesenkt wird, ergibt sich ein genugender Loslichkeitsunterschied und dam it ein fur praktische Anwendungen hinreichendes Abbindeverhalten. Unter 42°C stellt das Dihydrat und tiber 42°C der Anhydrit II die thermodynamisch stabilste Modifikation dar. 12
S
-
10
Abbildung 9.32
'(jj .> 10%ig) konnen allerdings die Calciumaluminathydratphase unter Aluminatbildung auflosen (Gl. 9-42). (9-42) Angriff durch Salzlosungen. Die Losungen einiger sauer reagierender Salze, wie z.B. Ammonium-, Aluminium- und Eisen(III)-Chloride und -Nitrate, greifen den Beton unter Bildung leicht loslicher Calciumverbindungen an. In Analogie zum Saureangriff - wenngleich auch bedeutend langsamer - reagieren die infolge Proto lyse schwach sauer reagierenden Salzlosungen mit dem Calciumhydroxid des Zementsteins. Nachdem das Ca(OH)2 umgesetzt ist, kann es infolge der Absenkung des pH-Wertes auch zu einer hydrolytischen Zersetzung der Hydratphasen kommen. Dabei werden die Calciumionen gegen N~ +-, Ae+oder Fe 3+-lonen "ausgetauscht" und als losliche Calciumsalze vom Regen- oder Sickerwasser weggefuhrt, Beim Entweichen des Ammoniaks verb leiben Liicken im Kristallgefuge, die zu dessen zusatzlicher Schwachung beitragen. Ammoniumcarbonat, -oxalat und -fluorid greifen in wassriger Losung den Zementstein kaum an, da ihre Anionen mit dem Ca 2+-10nen schwer losliche Verbindungen bilden. Obwohl wassrige Magnesiumsalzlosungen, wie z.B. MgCh-Losung, neutral bis schwach sauer reagieren, sind auch sie zu einem Austausch von Ca 2+ gegen Mg 2+ unter Verminderung der Festigkeitseigenschaften in der Lage. 1m Gegensatz zum kristallinen Calciumhydroxid ist das entstehende Magnesiumhydroxid Mg(OH)2 eine amorphe lockere Masse, die die verfestigende Funktion der entsprechenden Calciumverbindung nicht ubemehmen und unter Umstanden aufgrund ihrer Quellfahigkeit Treiberscheinungen hervorrufen kann. Angriff durch sehr weiche Wasser. Sehr weiche Wasser, die nur einen geringen Gehalt an gelosten Calcium- und Magnesiumsalzen enthalten « 3°dH, z.B. Gletscher- und Gebirgswasser, Regenwasser), konnen Betonoberflachen auslaugen. Zunachst wird Calciumhydroxid gelost, anschlieBend kann eine hydrolytische Zersetzung der Hydratphasen erfolgen. Die Porositat des Betons erhoht sich und die Festigkeit des Gefuges nimmt abo Aus dem Zusammenhang zwischen der Wasserharte und dem Loslichkeitsprodukt KL(Ca(OH)2) folgt, dass die Auslaugung dann besonders intensiv ist, wenn standig weiches, losungsintensives Wasser zuflieBt und das Ca(OHh-gesattigte Wasser kontinuierlich weggefuhrt
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
371
wird. Sachgemals hergestellte Betone hoher Dichtigkeit sind gegenuber einem korrosiven Angriff durch weiche Wasser weitgehend widerstandsfahig, Angriff durch Fette und Ole. Tierische und pjlanzliche Ole und Fette sind Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerin HOHzC-CHOH-CHzOH mit langerkettigen Carbonsauren (Fettsauren). Glycerinester werden auch als Triglyceride bezeichnet (Kap. 10.1.7). Naturliche Ole und Fette bestehen zu etwa 98% aus gemischten Triglyceriden, also Glycerinestern mit drei unterschiedlichen Fettsauren. Daneben enthalten sie noch geringe Mengen an freien Fettsauren, die - wie bereits besprochen - als organische Sauren den Zementstein angreifen und Schadigungen hervorrufen konnen. Das Ca(OH)z des Zementsteins ist in der Lage, die Fette und Ole unter Bildung von Calciumsalzen der Fettsauren (Kalkseifen) und Glycerin aufzuspalten (Verseifung, Kap. 10.1.7). Fett, 01 (Triglycerid) + Ca(OH)2 - - Kalkseife + Glycerin Die Kalkseifen besitzen eine teigige, seifenartige Konsistenz. Sie weichen den Beton auf und setzen seine Festigkeit herab. A.uBerlich sichtbar wird die vom basischen Milieu des Betons initiierte Verseifung der Ole und Fette, wenn man beispielsweise einen leinolhaltigen Anstrich auf Beton oder Kalkmortel aufbringt. Durch die Kalkseifenbildung blattert die Anstrichschicht allmahlich abo Erdol und Erdoldestillatei Mineralole und -fette) sind als Gemische gesattigter langkettiger und cyclischer Kohlenwasserstoffe (KW) nicht mit Laugen verseifbar. Insofern wirken sie nicht schadigend auf Mortel oder Beton ein, vorausgesetzt sie enthalten keine Harze oder Ole auf Basis von Glycerinsaureestern. Kommt es durch eingedrungene Mineralole oder Treibstoffe zu einer vollstandigen Durchtrankung des Betons, kann allerdings eine deutliche Verminderung seiner Festigkeit eintreten (urn bis zu 25%). Die abnehmende Druckfestigkeit des Gefiiges wird in diesem Fall auf einen "Schmiereffekt" zuruckgefuhrt, der zwischen den Teilchen wirksam wird. Er hat seine Ursache in der unpolaren Natur (geringe Elektronegativitatsdifferenz zwischen C und H) und damit im hydrophoben Verhalten der Kohlenwasserstoffe. Es bilden sich KW-Zwischenschichten aus, die die intermolekularen Krafte zwischen den Teilchen des Gefiiges vermindern bzw. ganz aufheben.
9.4.2.2
Treibender Angriff
Bilden sich im Innern eines Betonbauteils durch chemische Reaktion zwischen einem aggressiven Medium und dem Zementstein bzw. der Gesteinskornung Produkte, die ein groBeres Volumen beanspruchen als die festen Ausgangsstoffe, kommt es zum sogenannten Treiben. Der durch die Neubildungen hervorgerufene Druck fiihrt zu Gefiigespannungen, die ein Auftreiben des Betons bewirken. Als Folge dieser auch als Sprengkorrosion bezeichneten Schadigung treten Risse und Abplatzungen auf, was mit einem Verlust der Festigkeit verbunden ist. Treibvorgange wirken starker schadigend als Lose- bzw. Auslaugprozesse, in der Regel treten beide kombiniert auf. Treiberscheinungen sind deshalb so gefahrlich, da sie zunachst aulserlich nicht erkennbar sind. Die nachstehend beschriebenen Treibprozesse werden entweder durch den Angriff sulfathaltiger bzw. Mgz+-haltiger Wasser auf den Zementstein, durch eine nicht sachgemalse Rohstoffzusammensetzung des Zementklinkers oder durch Fehler in der Technologie des Zementbrennens verursacht.
372
9 Chemie niehtmetalliseh-anorganiseher Baustoffe
Sulfattreiben. Das Sulfattreiben ist eine der haufigsten Ursaehen der ehemisehen Zersetzung von Beton. Sulfate gelangen auf untersehiedliehe Weise in Oberflachen- und Grundwasser. Die wiehtigsten Sulfatquellen sind das S02 der Luft (Saurer Regen), Gips (Anhydrit)- oder MgS04-haltige Bodensehiehten, industrielle und gewerbliehe Abwasser, landwirtsehaftliehe Aktivitaten (Mineraldiingung) und bakterielle Abbauprozesse sehwefelhaltiger organiseher Stoffe. Greifen sulfathaltige Wasser erharteten Beton oder Mortel an, so kann sieh dureh Auflosen des kristallisierten Calciumhydroxids bzw. anderer ealciumhaltiger Phasen aus der Losung Gips ausseheiden (Gl. 9-43). (9-43) In Gegenwart von Triealciumaluminat C~ (s. Gl. 9-19a) bzw. Calciumaluminathydraten wie z.B. C,AH 13 (Gl. 9-44) bildet sieh Trisulfat (Ettringit). Ettringit bildet stabchenformige bis nadelige Kristalle (Abb. 9.19). Wegen ihrer zerstorenden Wirkung wurden diese Kristalle fruher als Zementbazillus bezeiehnet. 3 CaO . Ah03 + 3 (CaS04 . 2 H20) + 26 H20
-
(C~)
3 CaO . Ah03 . 3 CaS04 . 32 H20
(~
9-19a)
Ettringit
-
4 CaO· Ah03' 13 H20 + 3 (CaS04' 2 H20) + 14 H20 (C,AH 13 ) 3 CaO· Ah03 . 3 CaS04' 32 H 20 + Ca(OH)2
(9-44)
Ettringit
Trisulfatbildung
Abbildung 9.35 Schematische Darstellung des Sulfattreibens; Treibwirkung des aus einer Calciumaluminathydratphase (CAH) gebildeten Trisulfats.
Die Volumenzunahme bei der Ettringitbildung soll am Beispiel von Gl. (9-19a) gezeigt werden: Beim Ubergang vom C~ (p = 3,04 g/cnr') zum Trisulfat (p = 1,75 g/cnr') erhoht sieh das Volumen von 89 cmvmol auf einen Wert von 717 em 3/mol, also auf das Aehtfaehe (genauer Wert: 8,06). Ettringit kristallisiert bevorzugt in den Mikroporen und an der Oberflache der Gesteinskornung (Phasengrenze Zementstein/Gesteinskornung). Damit bewirkt die Ausfallung von Ettringit zunachst eine Verdiehtung des Porengefiiges und eine Festigungssteigerung des Betons. Bei der sieh ansehlieBenden Volumenvergrolserung und Dehnung kommt es infolge der sieh ausbildenden Mikrorisse und Gefugeveranderungen zu einem starken Festigkeitsabfall. Eine sehematisehe Darstellung der dureh die Treibwirkung des gebildeten Ettringits hervorgerufenen Risse im Beton zeigt Abb. 9.35. Abb. 9.36 zeigt eine ESEM-Aufnahme der Ettringitbildung in einer Zementsteinpore.
373
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Abbildung 9.36 Ettringitbildung in einer Zementsteinpore. Quelle : F. A. Finger-Institut fur Baustoffkunde, Bauhaus-Universitat Weimar.
Auch bei Kalkputzen kann es durch Sulfatangriff zur Gipsbildung (Gl. 9-43) und damit zu Treibvorgangen kommen ("Gipstreiben", s. Abb. 9.37).
Abbildung 9.37 Putzschaden durch Sulfattreiben und kalklosenden Angriff.
Die Sulfatbestandigkeit eines Zements ist entscheidend vom C 3A-Gehalt und von dessen Reaktionsfahigkeit abhangig, Calciumaluminatferrithydrate sind ebenfalls in der Lage, mit Sulfationen komplexe Calciumverbindungen zu bilden. Allerdings ist die Geschwindigkeit der Umsetzung mit sol- im Vergleich zum C~ stark vermindert. Sulfattreiben kann bei Verwendung C~-armer bzw. C~-freier Zemente weitgehend vermieden werden. Liegt die Sulfatbelastung in angreifenden Wassern tiber 600 mg/l (Tab. 6.8b) und in Boden tiber 3000 mg/kg (lufttrocken!), mussen Zemente mit hohem Sulfatwiderstand (HS-Zemente, Kap. 9.3.3 .6) eingesetzt werden. Ende der 90er Jahre wurde bei der Untersuchung von Sulfatschaden in GroBbritannien eine dritte Verbindung identifiziert, das Mineral Thaumasit CaSi03 . CaS04 . CaC03 • 15 H 20. Thaumasit entsteht durch Reaktion der C-S-H-Phasen mit Sulfaten (Gips oder Sulfatlosungen) in Anwesenheit einer Carbonatquelle. Tiefe Temperaturen begunstigen seine Bildung. Durch die Thaumasitbildung werden die festigkeitsbildenden C-S-H-Phasen ganz oder teilweise aufgelost und der Beton in eine breiige Masse umgewandelt. Baupraktisch kann dem gegenwartig begegnet werden, indem ein vollig CaC03-freier Zement und ein CaC03freier Zuschlag verwendet werden. Es hat sich gezeigt, dass die Thaumasitbildung bei moderaten Konzentrationen an sol- -Ionen zuruckgedrangt werden kann, wenn bei der Beton-
374
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
herstellung ausreichende Mengen an puzzolanischen oder latenthydraulischen Stoffen zugegeben werden [AB 11]. Ettringitbildung im erharteten Beton (spate Ettringitbildung). Wie in den vorhergehenden Kapiteln ausgefuhrt, ist normgerechtes Erstarren des Zementleims ohne die Bildung von Ettringit im Friihstadium der Erhartung nicht moglich. In einem normal erharteten Beton liegen in der Regel sowohl Ettringit (Trisulfat) als auch Monosulfat vor, sie machen etwa 10...15% der Hydratneubildungen aus. Ettringit ist demzufolge ein normales Reaktionsprodukt der Zementhydratation eines Portlandzements. Seine Anwesenheit im Betongefuge muss nicht zwangslaufig Ausloser fur betonschadigende Reaktionen sein. Entsteht Ettringit jedoch zu einem spateren Zeitpunkt im bereits erharteten Beton ohne Sulfatangriff von auBen, kann dies zu schweren Schadigungen fuhren (spate oder sekundare Ettringitbildung). Seit den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die verspatete Ettringitbildung zunehmend an wiirmebehandelten Betonfertigteilen wie Spannbetonschwellen, AuBenwandelementen und Treppenstufen beobachtet. Und zwar immer dann, wenn sie der freien Bewitterung mit haufiger Durchfeuchtung ausgesetzt waren. Inzwischen sind allerdings auch einige wenige Beispiele bekannt, wo eine verspatete Ettringitbildung nicht als Folge der Wiirmebehandlung von Betonbauteilen, sondem durch ungunstige Bedingungen bei der Verarbeitung wie z.B. Temperaturen der Gesteinskornung von weit tiber 30°C im Sommer sowie hohen Eigentemperaturen des verwendeten Zements ausgelost wurde. Die haufig in der Fertigteilindustrie angewandte Wiirmebehandlung soIl die Hydratationsgeschwindigkeit des Zements erhohen und damit die Periode der Festigkeitsentwicklung verkurzen, Das Problem ist, dass sich - neben einer schnelleren Festigkeitsentwicklung - bei zu hohen Temperaturen im Betonelement das Verhaltnis der Hydratphasen Monosulfat / Trisulfat stark zum Monosulfat verschiebt. Die thermodynamische Stabilitat von Ettringit nimmt im Bereich zwischen 70...90 °C deutlich zugunsten von Monosulfat abo Der theoretische Umwandlungspunkt Trisulfat ~ Monosulfat liegt bei 90°C, er wird jedoch durch die in der Porenlosung immer vorhandenen Alkalien abgesenkt (bei entsprechendem Alkaligehalt bis auf 50...60°C!). Die Zersetzung von Ettringit in Monosulfat und Sulfat wird also bereits bei niedrigeren Temperaturen ablaufen (Gl. 9-45). C;A(Cs)H 12 + 2 SO/-
(9-45)
Monosulfat
Ein Teil des freigesetzten Sulfats liegt entweder frei in der Porenlosung oder adsorptiv an die C-S-H-Phasen gebunden vor. 1m erhiirteten Zustand kann nun das Monosulfat unter feuchten Nutzungsbedingungen mit dem Sulfat wiederum zu Ettringit reagieren (Gl. 9-45, Ruckreaktion). Die Folge ist eine Volumenvergrolierung, 1m Vergleich zur friihen Ettringitbildung bei der C;A-Hydratation verliiuft diese Reaktion sehr langsam. Die spate Ettringitbildung kann zu Treiberscheinungen fiihren, die erst nach Monaten, meist erst nach Jahren zu einem Zerfall von wiirmebehandelten Betonen fuhren konnen. Treibwirkung durch angreifende Magnesiumsalze. Dringen Mg 2+-haltige Wasser, z.B. Magnesiumchlorid MgCh und Magnesiumacetat (CH3COO)2Mg als Bestandteile von Taumitteln, in Beton ein, losen sie aufgrund des urn Zehnerpotenzen kleineren Loslichkeitsprodukts von Mg(OHh (Tab. 6.5) das Calciumhydroxid gemaf Gl. (9-46a) auf.
375
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Mg 2+ + 2 cr + Ca(OHh
-
Mg(OH)2 + Ca 2+ + 2 cr
(9-46a)
Das entstehende weiche, gallertartige Mg(OH)2 kann die verfestigende Funktion des Calciumhydroxids nicht tlbernehmen und aufgrund von Quellprozessen unter Umstanden zu Treibwirkungen fiihren. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Magnesiumsulfat. MgS04-haltige Losungen bewirken nicht nur die Bildung von Mg(OHh, die Sulfationen fuhren zusatzlich zur Gipsbildung (Gl. 9-46b). Die damit verbundene Volumenzunahme kann Sprengwirkungen hervorrufen. (9-46b) Kalk- und Magnesiatreiben. Portlandzemente durfen maximal 2% CaO (Freikalk, Freier Kalk) und 5% MgO enthalten. Infolge der Bedingungen bei der Zementherstellung (1400 ...1500°C) fallt der Kalk dicht gesintert an. Da die Reaktionsfahigkeit des CaO mit steigenden Brenntemperaturen abnimmt, ist es gegenuber Wasser wenig reaktionsfahig. Es hydratisiert bei der Erhartung des Zements sehr langsam. Enthalt ein Zement tiber 2% freien, nicht an Si02 und Ah03 gebundenen Kalk, kann eindringende Feuchtigkeit ebenfalls zum Treiben flihren (Kalktreiben). Das Kalktreiben beruht auf der Volumenzunahme des Kalks •• 3 bei der Wasseraufnahme. Man beobachtet beim Ubergang vom CaO (16,7 em /mol) zum Ca(OH)2 (35,6 crrr'zmol) eine Volumenzunahme urn das 2,I-fache, die mit einer Abnahme der Dichte von p = 3,35 g/cnr' auf p = 2,08 g/crrr' (aIle Werte fur 20°C) verbunden ist. Ein zu hoher Gehalt an Magnesiumoxid MgO (Magnesia) kann ebenfalls zum Treiben fuhren (Magnesiatreiben). Diese Art der Treibwirkung tritt ein, wenn der Zementklinker mehr als 5% MgO enthalt. Wahrend etwa 2...2,5% des Magnesiumoxids in die Klinkerphasen eingebaut werden konnen, reagiert das freie, als Periklas vorliegende, grobkristalline Magnesiumoxid langsam unter Bildung von Magnesiumhydroxid Mg(OH)2. In Analogie zum Kalktreiben ist mit der Dichteabnahme beim Ubergang vom MgO (p = 3,58 g/crrr', 20°C) zum Mg(OH)2 (p = 2,36 g/cm', 20°C) eine 2,2-fache Volumenzunahme verknupft, Sie ist die Ursache fur die auftretenden Treiberscheinungen. Das Magnesiatreiben ist problematischer als das Kalktreiben, da die Schaden zum Teil erst nach Jahren zu beobachten sind. Alkali-Kieselsiure-Reaktion (AKR): Korrosive Schiidigungen durch Reaktionen der Gesteinskdrnung. 1m Jahre 1965 wurde in Deutschland erstrnalig ein Schadensfall groberen AusmaBes bekannt (Lachswehrbrucke in Schleswig-Hohlstein), der auf die sogenannte Alkali-Kieselsaure-Reaktion zuruckzufuhren war. Inzwischen sind zahlreiche weitere Schaden an Plattenbauten sowie an Spannbetonschwellen der Bundesbahn aufgetreten. Alkali-Kieselsaure-Reaktionen verursachen neben dem Sulfattreiben Bauschaden in volkswirtschaftlichen Dimensionen, sie treten in der Regel innerhalb einiger Jahre auf. Unter der Alkali-Kieselsiure-Reaktion versteht man die chemische Reaktion zwischen reaktiven kieselsaurehaltigen Bestandteilen der Gesteinskornung einerseits und Alkalimetallhydroxiden der Porenlosung des erharteten Betons bzw. von auBen eindringenden Alkalien andererseits (Gl. 9-47).
2MOH Alkalilauge
(M=Na, K)
+
Si02
reaktive Gesteinskomung (Opal, Flint)
(9-47) Alkalimetallsilicatgel voiuminos, treibend
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
376
Das gebildete Alkalimetallsilicat (Gl. 9-47) geht bei Wasserzutritt unter Quellung in Alkalimetallsilicatgel (Alkali-Kieselsaure-Gel, "Alkalikieselgel") tiber. Diese Gelbildung ist mit einer Volumenvergrofserung verbunden, weshalb es zu Quelldruckspannungen und Rissbildungen im verfestigten Beton kommen kann (Abb. 9.38). Der Ablauf der Reaktion lasst sich vereinfacht in folgende Stufen unterteilen: Mit fortschreitender Hydratation des Zements reichem sich in der Porenlosung Alkalimetall- und OIr-Ionen an, die sukzessive an die Komgrenzen der kieselsaurehaltigen Gesteinskornung wandem. Dort kommt es zur Reaktion mit der Kieselsaure (Gl. 9-47) unter Bildung von quellfahigem Alkalimetallsilicatgel, Das Alkalimetallsilicatgel kann sich teilweise mit Ca(OH)2 umsetzen und festes, kristallines Calciumsilicathydrat bilden. Das Calciumsilicathydrat wirkt als semipermeable Schicht und lasst bevorzugt Na+- und K+-Ionen sowie Wasser in Richtung reaktives Kom durch. Die im Inneren der Gesteinskornung gebildeten Produkte, die Alkalimetallsilicate, konnen jedoch nicht nach aulsen wandem. Das Gel fiiIlt zunachst den zur Verfiigung stehenden Porenraum aus. Durch fortschreitende Reaktion und Wasseraufnahme baut sich ein Quelldruck auf. Ubersteigt der Innendruck (Quelldruck) die Zugfestigkeit der Gesteinskornung und des Zementsteins, bilden sich Risse durch die das Gel ausflieben kann.
A'ujJerliche erkennbare Merkmale einer schadigenden AKR sind feine netzartig verzweigte Risse auf Betonoberflachen, Abplatzungen und aus der Oberflache austretende, anfanglich klare, sparer sich eintriibende Geltropfen. H20 Zementstein (mit Alkalien)
reaktive Gesteinskornung z.B. opalines Sandkorn
Alkalimetallsilicatgel
reaktive Gesteinskomunq z.B. opalines Sandkorn
Abbildung 9.38 Aufbau von Quelldruckspannungen durch die Alkali-Kieselsaure-Reaktion (schematisch).
Die Ursachen fiir das Auftreten der AKR sind recht vielschichtig, z. B. • Hoher Alkaligehalt des eingesetzten Zements • Verwendung von reaktiver kieselsaurehaltiger Gesteinskornung • Standige bzw. haufige Durchfeuchtung des Betons • Exteme Alkalibelastungen durch Streusalzlosungen, durch sulfathaltige Wasser sowie durch Grund- und Bergwasser. Zu den alkaliempfindlichen Gesteinskornungen zahlen Opalsandsteine (Opal, Cristobalit), Flint oder Feuersteine (Chalcedon), kieselige Kalksteine, Kieselschiefer und Grauwacken.
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
377
Opalsandsteine, Flinte und Kieselkreiden kommen vor allem im Ostseekustenraum und den angrenzenden norddeutschen Gebieten vor. Die Gewinnungsgebiete prakambrischer Grauwacken liegen in der Lausitz (Gorlitz, Boxberg, Cottbus). Reaktivitat der Gesteinskdrnung. Zwischen Kieselsaure (bzw. Quarz) und stark basischen Losungen erfolgt generell eine chemische Reaktion. Allerdings hangt ihre Geschwindigkeit in empfmdlicher Weise sowohl vom kristallinen Zustand des Si02 als auch von der Konzentration an OIr-Ionen in der Porenlosung abo Enthalten die Gesteinskornungen Anteile an amorpher bzw. stark gittergestorter kristalliner Kieselsaure, verlauft die Reaktion mit merklicher Geschwindigkeit. Man spricht von reaktiver Kieselsaure, In der Folge kann es zu Betonschadigungen kommen. Grobkristalline und nicht gittergestorte Quarze werden vom alkalischen Milieu des Porenwassers nur sehr schwer angegriffen. Hier bleiben die chemischen Reaktionen auf die Oberflache des Quarzkoms beschrankt. Die Kornoberflachen werden angeatzt bzw. aufgeraut, was den Verbund mit dem Zementstein sogar verbessert [AB 4]. Die Ma8nahmen zur Verhinderung der AKR mussen sichje nach Umweltbedingungen auf die Auswahl der Zemente und der Gesteinskornung erstrecken. Hauptquelle fur die Alkalien ist der Zement - wenngleich gerade in den letzten Jahren deutlich wurde, dass die exteme Zufuhr von Alkalien, vor allem durch Tausalze auf Fahrbahnbeton, nicht unterschatzt werden darf. Alkalien beeinflussen gemeinsam mit den Sulfaten das Erstarrungs- und Erhartungsvermogen eines Zements. Deshalb kann ihr Anteil im Zement nicht unbegrenzt reduziert werden (NA-Zemente, Kap. 9.3.3.6). NA-Zemente weisen einen niedrigen wirksamen Alkaligehalt auf. Unter der wirksamen Alkalitat versteht man den Alkalianteil eines Zements, der in wirksamer Form als Alkalimetallhydroxid in der Porenlosung eines Zementleims gelost ist und die Ursache fur eine betonschadigende AKR sein kann. Bei Anwesenheit von kieselsaurereichen Puzzolanen (Trass, Mikrosilica, Flugaschen) tritt eine AKR in der Regel schon im Frischbeton ein, so dass bei normalen niedrigen Dosierungen spatere Schadigungen im Beton nahezu ausgeschlossen werden konnen, Insbesondere Silicastaub (Mikrosilica) bietet die Moglichkeit, die AKR ganz oder teilweise zu unterbinden. Der Silicastaub verringert den Alkaligehalt von Porenlosungen, indem bereits im Frischbeton ein groBer Teil der freien Alkalien gebunden werden. Zudem reduziert er die Durchlassigkeit im Beton - und damit die Aufnahme und den Transport von Wasser und Salzlosungen, SchlieBlich ermoglicht die Verwendung von Silicastaub die Reduzierung des Zementgehalts pro m3, was ebenfalls mit einer Verringerung der freien Alkalien einhergeht. Die DAfStb-Richtlinie (kurz Alkali-Richtlinie) "Vorbeugende MaBnahmen gegen schadigende Alkalireaktion im Beton" wurde im Januar 2007 vom Deutschen Ausschuss fur Stahlbeton (DAfStb) neu gefasst [KS 11]. Aus aktuellem Anlass (zunehmende Schaden durch AKR an Fahrbahnbetonen!) wurde neben den Feuchtigkeitsklassen WO, WF und WA die Klasse WS - "feucht + Alkalizufuhr + starke dynamische Beanspruchung" eingefuhrt, FUr diese Feuchtigkeitsklasse worden an die anzuwendenden Zemente zusatzliche Anforderungen bzgl. des Alkaligehalts festgeschrieben. Die Prufung der Alkaliempfindlichkeit der Gesteinskornung (Teil 3) wurde urn Schnellprufverfahren erweitert (Referenzverfahren: DAfStb- Mortelschnelltest; Altemativverfahren: LMP A-Mortelschnelltest).
378
9.4.2.3
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Korrosiver Angriff auf die Bewehrung
9.4.2.3.1 Carbonatisierung des Betons Der pH-Wert des Porenwassers liegt durch das bei der Hydratat ion der Calciumsilicatphasen gebildete Ca(OH)z (GI. 9-16, 9-17) und die in Losung gehenden Alkalien im Bereich pH = 13...13,8. Diffundiert COz aus der Umgebungsluft in den Beton, erfolgt eine Neutrali sation des basischen Milieus des Betons. Das COz reagiert mit dem im Porenwasser gelosten Ca(OH)z zu Calciumcarbonat CaC03 (9-12): Ca(OH)z + COz + HzO
~
CaC03 + 2 HzO
Diesen Vorgang bezeichnet man als Carbonatisierung des Betons. Durch die ablaufende Neutralisation wird die Konzentration der OIr-Ionen emiedrigt und der pH-Wert des Porenwassers kann auf einen Wert < 9 absinken. Die Umwandlung des Ca(OH)z in CaC03 fiihrt zu einem standigen Mangel an Ca(OH)z in der Porenlosung, was eine allmahliche Auflosung der Portlanditkristalle des Zementsteins zur Folge hat. Auch die Hydratphasen des Zementsteins konnen carbonatisieren. Sie bilden bei Umsetzung mit Luftkohlensaure neben CaC03 Verbindungen unterschiedlicher Zusammensetzung, ZoB. SiOz · n HzO. 1m stark alkalischen Milieu des Zementsteins bildet der Stahl auf der Oberflache eine diinne, nur wenige Atomlagen umfassende Oxidschicht aus, den so genannten Passivfilm. Diese Schutzschicht besitzt eine Dicke von etwa 50 nm und besteht vor allem aus Eisenoxiden. Sie schiitzt die Stahlbewehrung im Bereich II,S s pH ~ 13,8 gegen Korrosion . Wie vorher beschrieben, kann unter Carbonatisierungsbedingungen der pH-Wert aufWerte unter 9 absinken. Bereits bei einem pH-Wert von ca. 11 wird die Wirkung der Passivierungsschicht sukzessive aufgehoben (Depassivierung) und der Stahl beginnt in Gegenwart von Luft (Oz) und Feuchtigkeit zu rosten . Es bildet sich FeO(OH), neben anderen Eisenoxiden/-hydroxiden. Die entstehenden Korrosionsprodukte nehmen allesamt ein grofseres Volumen als der metallische Stahl ein. 1m Falle von FeO(OH) erhoht sich beispielsweise das Volumen auf das 2,5fache . Die Folge sind Treibwirkungen. Sie reichen haufig aus, urn die im Schadensfall mitunter zu geringe Betondeckung abzusprengen (Abb. 9.39).
Abbildung 9.39 Absprengung der Betondeckung durch Rosten der Bewehrung eines Stotzpfeilers
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
379
Fur den unbewehrten Beton hat die Carbonatisierung (fiiiher auch: chemische Alterung des Betons) keinerlei Konsequenzen. 1m Gegenteil: Durch die Bildung von kristallinem CaC03 erhoht sich die Dichtigkeit des Zementsteins bei Portlandzementen. Das Ausma8 der Carbonatisierung, die im Beton langsam von auBen nach innen fortschreitet, hangt wesentlich von der Betonzusammensetzung (Porositat), der Nachbehandlung des Betons, den Lagerungsbedingungen wahrend der Carbonatisierung (Luftfeuchte, Feuchtigkeitsgehalt des Betons) sowie der Carbonatisierungsdauer abo Relative Luftfeuchtigkeiten zwischen 50 ... 70% bewirken einen schnellen Carbonatisierungsfortschritt, da fur den Neutralisiationsprozess CO 2 und H 20 benotigt werden. An trockener Luft (relative Luftfeuchtigkeit < 30%) kann der Zementstein nicht carbonatisieren. Mit zunehmender Feuchtigkeit dringt die Carbonatisierungsfront langsamer in Richtung Bewehrung vor, da die Diffusion des CO 2 sukzessive erschwert wird. Befindet sich der Beton vollstandig unter Wasser, kann infolge weitgehenden Luftausschlusses eine Carbonatisierung ebenfalls vernachlassigt werden. Vor Regen ungeschutzter Beton im Freien carbonatisiert etwa 2...3 mal langsamer als vor Regen geschutzter ("im Freien unter Dach"), da - wie bereits betont - in den mit Wasser gefullten Poren die Diffusion des CO 2 ins Betoninnere vernachlassigbar gering ist. Die Betoncarbonatisierung setzt sich in gut messbaren Fronten am Anfang schneller, nach etwa 20 ...30 Jahren langsamer in die Tiefe fort. Erst wenn lokal der gesamte Kalk carbonatisiert ist, kann sich der Neutralisationsprozess nach innen fortsetzen. Wenn die Carbonatisierungsfront die Bewehrung erreicht hat, setzt die Korrosion am Stahl ein. Ein niedriger w/z- Wert und ein hoher Zementgehalt wirken dem carbonatisierungs-I fortschritt entgegen. Beschleunigt wird die Carbonatisierung durch hohe COrKonzentrationen und erhohte Durchschnittstemperaturen, z.B. in Ballungsgebieten. Fur die Bestimmung der Carbonatisierungstiefe sind neben anspruchsvolleren Methoden wie der Rontgendiffraktometrie, der Polarisationsmikroskopie und der IR-Spektroskopie auch chemisch-analytische Verfahren im Einsatz. Eine sehr einfache qualitative Methode zur Bestimmung der Carbonatisierungstiefe ist die Anwendung von Saure-Base-Indikatoren, meist von Phenolphthalein (im Sauren: farblos, im Basischen: rot; Umschlagpunkt bei pH = 9; Kap. 6.5.3.3). Man benutzt in der Regel eine l%ige alkoholische Phenolphthaleinlosung, die auf die frische Bruchstelle des Mortels oder Betons aufgesprtiht wird. Carbonatisierte Bereiche bleiben farblos, nichtcarbonatisierte Bereiche farben sich rot. Die Carbonatisierungstiefe ergibt sich als Abstand der Grenze des Farbumschlags zur jeweiligen Baustoffoberflache. Bei einer zweiten, mehr quantitativen Methode erfolgt die Bestimmung der Konzentration der OIr-Ionen mittels Saure-Base-Titration. Der Beton wird schichtweise abgetragen und auf eine bestimmte Korngrobe zerkleinert. Die titrimetrische Bestimmung der Konzentration an OIr-Ionen erfolgt entweder am pulverformigen Baustoff oder an der durch Extraktion des Baustoffes mit H 20 erhaltenen Losung gegen eine starke Saure,
9.4.2.3.2 Chloridangriff Zu einer Depassivierung des Stahls im Beton kann es nicht nur durch das Absinken des pHWertes der Porenlosung infolge Carbonatisierung kommen. Die Passivitat des Bewehrungsstahls kann auch verloren gehen, wenn ein kritischer Chloridgehalt an der Stahloberflache tlberschritten wird. Die angreifenden Chloride konnen entweder von Tausalzen (NaCl,
380
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
CaCh, MgCh), aus Meer- bzw. chloriertem Sehwimmbadwasser oder aus PVC-Brandgasen (Freisetzung von HC\!) stammen. Der Transport der Cl-Ionen erfolgt tiber das Porenwasser. 1m Gegensatz zur oben besprochenen Carbonatisierung diffundieren die Cl'-Ionen durch die wassergefiillten Poren und treten, wenn sie die Stahloberflache erreichen, in Wechselwirkung mit dem Passivfilm des Stahls . Wird eine kritische Konzentration an Cl" tlberschritten, bildet der Passivfilm keinen Schutz mehr und Korrosion tritt ein. Abb. 9.40 zeigt den zeitlichen Ablauf der akkumulierten Schadigungen an Bauwerken mit chloridinduzierter Korrosion. - ---- --- - ----- ----------~
•"
QD @
Depassivierung der Bewehrung
@
Bildung von Rissen
~
AbplalZung der Betondeckung
~
Bauteilversagen
]
Bewehrungskorrosion
Zeitt Einleitungsphase
ScMdigungsphase I
Lebensdauer
Abbildung 9.40 Zeitlicher Ablaut der akkumulierten Schadigungen an Bauwerken mit chloridinduzierter Korrosion [KS 3).
Die ablaufenden Vorgange bei der dureh Cl-Ionen induzierten Korrosion des Betonstahls sind sehr komplex und bis heute mechanistisch nicht vollstandig geklart. Als gesiehert gilt, dass in hochalkalischer, passivierender Losung der Schutzfilm des Stahls eine Doppelschicht ausbildet, bestehend aus Fe304 (an der Eisenanode) und Fe203 . H 20 hin zur Losung [KS 4]. Das Eisen(III)-oxid bildet sich entsprechend: 3 Fe304 ~ 4 Fe203 + Fe2+ + 2 e", wobei die Fe 2+-lonen in den auBeren Bereich des Passivfilms diffundieren. Sind aggressive lonen wie die Chloride anwesend, kann es zu einem Zusammenbruch des hydratisierten Passivfilms kommen. Ein plausibles Modell zur Beschreibung der Interaktion der Cl-Ionen mit dem Passivfilm und dessen lokaler Zerstorung stellt der so genannte Adsorptionsmechanismus dar. Die Chloridionen lagem sich an die Oberflache des Passivfilms an und bewirken einen Austausch mit den OIr- und den 02--lonen des Films. Die Folge ist eine Durchlocherung der hydratisierten Oxidschicht. Zum einem lokalen Zusammenbruch des Schutzfilms kommt es auch durch Bildung komplexer lonen. Die Cl-Ionen lagem sich bevorzugt an Fehlstellen des Oxidgitters an und bilden losliche Eisenchlorokomplexe (z.B. [FeCI6 bzw . nach Oxidation durch Luftsauerstoff [FeCI6]3-). Das fiihrt zu einer sukzessiven Ausdunnung des Passivfilms. Die Chloridionen zerstoren die Passivschicht stets ortlich und an lokal scharf begrenzten Stellen. Der anodisehe Bereich "frisst" sich rasch in die Tiefe und Lochfra8erscheinungen sind die Folge . Die ubrigen Oberflachenbereiche, an denen kein Angriff erfolgt, bleiben nahezu unbeeinflusst. Betrachtet man die Faktoren, die den kritischen, korrosionsauslosenden Chloridgehalt im Beton beeinflussen (Betonzusammensetzung, Porigkeit der Grenzschicht, Zusammenset-
t-
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
381
zung des Stahls, Art der Chloride, Umgebungsbedingungen usw.), so wird deutlich, dass es den kritischen Chloridgehalt als feststehenden Wert nicht geben kann. Ein Wert von 0,5 % Cl", bezogen auf die Zementmasse, stellt jedoch fur die Mehrzahl der Falle einen guten Anhaltswert dar. Ein groBer Teil des in den Beton eingedrungenen Chlorids wird von den Komponenten des Zementsteins gebunden. Es entstehen Verbindungen unterschiedlicher, zum Teil noch ungeklarter Stochiometrie. Beispielsweise bildet sich mit der Calciumaluminathydratphase das Friedelsche Salz 3 CaO . Ah03 . CaCh . 10 HzO. Durch die Verbindungsbildung verringert der Zementstein die Konzentration des Chlorids und schutzt in gewisser Weise den Bewehrungsstahl, denn nur das im Porenwasser vorliegende ungebundene Chlorid ist zu einem korrosiven Angriff in der Lage.
9.4.3
Biokorrosion
Biologische Ursachen fur eine korrosive Zerstorung von Baustoffen wurden - abgesehen von Spannungen durch Quell- und Wachstumsprozesse von Sporen, Samen und Wurzeln, die zu auBerordentlich hohen Drucken im Baugefuge fuhren konnen, und von Verschmutzungen durch Tiere (z.B. Taubenkot) - bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in die Untersuchungen nicht einbezogen. Diese Tatsache ist urn so bemerkenswerter, da bereits 1945 der australische Biologe Parker eine Arbeit tiber die Zersetzung von Beton in Abwasserleitungen durch Bakterien der Gattung Thiobacillus publizierte [KS 14] und damit erstmalig den Beweis fur eine mikrobielle Zerstorung nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe lieferte. An mikrobiell beeinflussten Korrosionsvorgangen (auch: Biokorrosion; im angelsachsischen Sprachgebrauch .Biodeterioration") konnen Mitglieder aus allen Gruppen von Mikroorganismen beteiligt sein. Dazu zahlen in erster Linie Bakterien, Algen, Flechten und Pilze. Den biogenen Schadensprozessen an anorganischen Werk- und Baustoffen ist im Zuge jungster Untersuchungen verstarkt Aufmerksamkeit gewidmet worden [KS 17]. Dabei wurde eines offensichtlich: Ihr Anteil an der Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe ist erheblich grober als bisher angenommen. Biokorrosion verursacht hohe wirtschaftliche Kosten und einen unwiederbringlichen Verlust an Kulturgutern, Trotz der unterschiedlichen Mikroflora lassen sich auf anorganischen Werkstoffen folgende Gruppen in wechselnder Vielfalt und Artendominanz nachweisen [KS 18]: • Chemolithotrophe Bakterien, die reduzierte anorganische Verbindungen (N~+ und NO z-, HzS/Sulfid, elementarer Schwefel und Thiosulfat, sowie Eisen(II)-Ionen) als Energiequelle und Elektronendonatoren benutzen. Sie vermogen aus deren Oxidation Energie zu gewinnen. Dabei kommt es zur Bildung von salpetriger Saure (Nitrosomonas) bzw. Salpetersaure (Nitrobacter), zu schwefliger oder Schwefelsaure (Thiobacillus) und von Eisen(III)-Ionen. Der Kohlenstoff zum Zellautbau wird von dieser Gruppe von Mikroorganismen aus der COz-Fixierung gewonnen (autotroph). • Photolithotrophe Mikroorganismen wie Algen und Cyanobakterien nutzen das Sonnenlicht als Energiequelle fur ihr Wachstum. Bei diesem Prozess wird Sauerstoff freigesetzt. Ihren C-Bedarf decken sie durch Fixierung von COz aus der Atmosphare, • Chemoorganotrophe Bakterien und Pilze gewinnen ihre Energie aus der Oxidation organischer Verbindungen (Wasserstoffdonatoren). Die organischen Stoffe werden auch in der Regel zum Autbau der Zellsubstanz verwendet (heterotroph).
382
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
• Flechten bestehen aus einer autotrophen Alge und einem heterotrophen Pilz. Der Pilz bezieht von der Alge organische Nahrstoffe, die diese tiber die Photosynthese produziert hat. 1m Gegenzug versorgt der Pilz die Alge mit Mineralien, die er mittels tief ins Baumaterial eindringender Hyphen und Ausscheidungen von Flechtensauren aus dem Gestein gewonnen hat. Die wichtigste und am besten untersuchte mikrobielle Materialschadigung ist der Saureangriff. Bestimmte spezialisierte Mikroorganismen scheiden als Zwischen- oder Endprodukte ihres Stoffwechsels starke anorganische Sauren wie Schwefel- oder schweflige Saure (Oxidation von Sulfiden und/oder Schwefel durch Bakterien der Gattung Thiobacillus), Salpeter- oder salpetrige Saure (Oxidation von Ammonium-Stickstoff durch Nitrifikanten) und Kohlensaure (Endprodukt des heterotrophen Stoffwechsels) abo Beim Wachstum von Thiobacillus aufzementgebundenen Baustoffen kann durch die gebildete Schwefelsaure das schwer Iosliche Ca(OH)2 in Gips (CaS04 . 2 H 20) umgewandelt werden. Bei feuchten Bedingungen geht damit die Festigkeit des Baustoffs verloren. AuBerdem konnen der maBig losliche Gips bzw. die umgesetzten Zementhydratationsprodukte mit der Zeit ausgewaschen werden. Mit dem Verlust des Bindemittels ist der Baustoff irreversibel geschadigt, Biogene Salpetersaure lost wie die Schwefelsaure den Baustoff auf. Beide Gruppen lithoautotropher Mikroorganismen konnen erhebliche Schaden an Beton und Natursteinen verursachen. Die meisten Mikroorganismen scheiden wahrend ihres Wachstums auch organische Sauren aus, z.B. Essig-, Glucon-, Oxal-, Zitronen- und Apfelsaure sowie Flechtensauren, aber auch Zuckersauren und Aminosauren. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirksamkeit kaum von den anorganischen Sauren, wobei man auch hier starke und schwache Sauren unterscheiden muss. Organische Sauren konnen wie die anorganischen Vertreter den Baustoff hydrolytisch zersetzen. Daruber hinaus sind sie bei gegebenen strukturellen Voraussetzungen in der Lage, Metallionen komplex zu binden (Chelatbildung). Schwer losliche Verbindungen konnen angegriffen und durch Komplexbildung aufgelost werden. Ein seit Jahren intensiv diskutiertes Problem ist die Schadigung von Beton durch biogene Schwefelsaure (Biogene Schwefelsaurekorrosion [KS 19]). An Klaranlagen, aber auch an Schachten und Kanalen aus Beton, die dem Einfluss von Faulgasen ausgesetzt sind, treten haufig massive Schaden durch den Angriff von Schwefelsaure auf. Die im Abwasser enthaltenen EiweiBstoffe werden durch anaerobe Mikroorganismen in Schwefelwasserstoff H 2S umgewandelt. Schwefelwasserstoff ist ein farbloses, in Wasser losliches, brennbares, stark giftiges Gas von unangenehmem Geruch (faule Eier!). H 2S ist noch in sehr groBer Verdunnung an seinem Geruch wahrnehmbar. Seine Toxizitat - die noch hoher als die von Blausaure HCN ist - wird oft unterschatzt. Die wassrige Losung von H 2S (Schwefelwasserstoffwasser) ist eine schwache zweibasige Saure. Sie bildet bei Protolyse mit Wasser Hydrogensulfide HS- (z.B. Natriumhydrogensulfid NaHS) und Sulfide S2- (z.B. Zinksulfid ZnS). H 2S und Sulfidionen sind starke Reduktionsmittel, wobei eine Oxidation zu S, S02 oder SO/- erfolgen kann. Der Schwefelwasserstoff greift als schwache Saure mineralische Baustoffe wie Beton nur geringfugig an, wenngleich er in der Lage ist, mit Schwermetallen schwer losliche Sulfide zu bilden. Das kann zu starker metallischer Korrosion flihren. Der in Abwasserleitungen gebildete Schwefelwasserstoff stellt eine wichtige Nahrstoffquelle fur aerob lebende schwefeloxidierende Bakterien dar. Er wird dabei durch bakteri-
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
383
elle Oxidation in Schwefelsaure umgewandelt. Diese sogenannte biogene Schwefelsaure greift massiv Betonoberflachen an. Die Schaden sind erwartungsgemaB oberhalb des Abwasserspiegels feststellbar. Sie sind abhangig von der Abwasserbeschaffenheit, den Milieubedingungen (Temperatur und Sauerstoffgehalt) sowie der Kontaktzeit des Abwassers mit dem Beton. Bei langen Aufenthaltszeiten, fehlender Beluftung, fehlender oder nicht ausreichender Entluftung, beim Mischen mit frischem, warmem oder saurem Abwasser sowie bei Turbulenzen ist die Gefahr des Auftretens von H2S besonders groB. Die Veralgnng und Vergriinnng von Fassaden hat in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen - Tendenz steigend! Dabei kommt es sowohl auf Fassaden mit Silicat- oder Mineralputzen als auch auf kunststoffgebundenen Beschichtungssystemen zur Algenbildung. Mit anderen Worten, es gibt keine bevorzugten Beschichtungssysteme, die das AIgenwachstum generell unterbinden. Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass bei Wechselwirkung der Algen mit der Baustoffoberflache die Oberflachenstruktur chemisch und physikalisch beeinflusst und verandert wird, so dass man kann heute davon ausgehen kann, dass eine mit Algen besiedelte Baustoffoberflache langfristig geschadigt wird [KS 20]. Damit muss dem weit verbreiteten Vorurteil entgegengetreten werden, dass ein Algenbewuchs lediglich einen asthetischen Mangel darstellt. Ais Baustoffoberflachen besiedelnde Algen wurden vor allem Grunalgen (Chlorophycea) und Blaualgen (Cyanobacter) identifiziert. Die Ursachen fiir die Veralgung einer Oberflache sind gut bekannt [KS 20]: Storung des Wasserhaushaltes im Bereich der Fassade bzw. des Bauwerkes; Problem der Warmedammung; Staub- und Schmutzablagerungen, die einen idealen Nahrboden fur die Algen bilden; hohe Konzentrationen an Amrnoniak (Landwirtschaft) und Stickoxiden (Kfz-Verkehr) in der Atmosphare, die die Wachstumsbedingungen verbessem. Urn die Verschmutzung als Grundlage fur das Algenwachstum zumindest teilweise zu unterbinden, mussen Beschichtungen eingesetzt werden, die eine auBerst geringe Neigung zu Schmutzablagerungen aufweisen. Mittel der Wahl sind hydrophob eingestellte, diffusionsfahige Beschichtungen (Siliconharzputze, Siliconharzfarben). Urn eine Veralgung effektiv zu bekampfen, sind chemische SchutzmaBnahmen unerlasslich. Ais Methode der Wahl gilt hier immer noch die Anwendung algizider Substanzen. Algizide sind biozid wirksame Verbindungen (Biozide), die speziell gegen Algen wirken. Sie werden in der Regel als Losungen aufgebracht oder Beschichtungsstoffen als Additiv beigegeben. Zu den gegenwartig eingesetzten Bioziden, also Bakteriziden, Algiziden und Fungiziden (wirken gegen Pilze), gehoren Substanzen wie Phenole und deren Derivate, Salicylanilide und Carbanilide, Dibenzamidine, quarternare Ammoniumsalze, Aldehyde und Organometallverbindungen. Heute sind mehr als 250 Biozide im Handel, dazu kommen zahlreiche Formulierungen und Kombinationen. Neben ihrer unspezifischen Wirksamkeit sind die Biozide im Allgemeinen toxisch, bilden gesundheitlich bedenkliche Abbauprodukte und werden haufig unkontrolliert an die Umwelt abgegeben. Generell ist festzuhalten, dass die durch Biokorrosion resultierenden Veranderungen am kunstlichen bzw. nattirlichen Gestein von Verfarbungen tiber Salzausbluhungen, Krustenbildungen bis zu tiefgreifenden Zerstorungen der Gesteinsmatrix reichen konnen.
384
9.4.4
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Salzablagerungen auf BauwerksoberfUichen (AusblUhungen)
Auf der Oberflache von Bauteilen, die aus porosen mineralischen Baustoffen wie Mortel, Ziegeln, Beton oder Natursteinen bestehen, konnen weiBe bis schmutzig-gelbe Salzablagerungen, sogenannte Ausbliihungen, auftreten. Sie entstehen, wenn die innerhalb eines Bauteils vorhandenen wasserloslichen Stoffe durch Fliissigkeitsbewegung nach auBen transportiert werden und sich nach dem Verdunsten des Wassers an der Oberflache kristallin oder amorph ablagem. Ausbliihungen sind nicht nur "SchOnheitsfehler" am Bauwerk, sie schadigen durch das Herauslosen der ausbliihenden Substanzen die Struktur der Baustoffe. Insofem existiert ein enger Zusammenhang zwischen der Chemie des losenden bzw. auslaugenden Angriffs und der Chemie der Ausbliihungen. Voraussetzungen fur das Entstehen von Ausbliihungen sind ein poriges Gefuge der Baustoffe, das Vorliegen loslicher Salze bzw. deren Bildung durch in das Mauerwerk diffundierende Gase (C02, S02) sowie die Anwesenheit von Feuchtigkeit. Ais Feuchtigkeitsquellen kommen die Witterungsfeuchtigkeit, die aufsteigende Bodenfeuchtigkeit, das in das Mauerwerk eindringende Gebrauchswasser und die durch den Bauvorgang bedingte, begrenzte Baufeuchtigkeit in Betracht.
Abbildung 9.41 Calciumcarbonat-AusblOhungen auf Betonbauteilen
Abbildung 9.42 Alkalimetalisulfat-AusblOhungen auf Ziegelsteinmauerwerk
Der Laie bezeichnet die weiBen Salzflecke, die unter bestimmten Bedingungen an der Oberflache von Putzen und Mauerwerk auftreten, meist als "Sa/peter Gliicklicherweise ist der das Mauerwerk stark schadigende Mauersalpeter Ca(N03)2 . 4 H20 heute nur noch selten anzutreffen. In der Mehrzahl der Falle handelt es sich bei den abgelagerten Salzen urn Carbonate und Sulfate. H.
Carbonate. Ablagerungen von Calciumcarbonat CaC03 (Kalkablagerungen, .Kalksinter") entstehen, wenn das Ca(OH)2 des erhartenden Kalkmortels oder Betons durch eindringende
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
385
Feuchtigkeit bzw. restliches Anmachwasser gelost und an die Oberflache befordert wird. In Kontakt mit dem CO 2 der Luft kristallisiert es gemii/3 Gl. (4-11) als CaC03 aus. Kalksteinausbluhungen ("Kalksinter") treten haufig als weiBe Krusten auf Beton (Abb. 9.41) und von den Mortelfugen ausgehend als vertikale Streifen auf Mauerwerksflachen auf. 1m letzteren Fall sind die Ausbltihungen ein Indiz dafur, dass zwei oder mehrere ubereinander liegende horizontale Mortelfugen undicht sind. Sulfate. Sulfatische Ausbluhungen sind sehr haufig anzutreffen. In den meisten Fallen handelt es sich bei den Sulfatablagerungen urn auskristallisierte Alkalimetall- und Erdalkalimetallsulfate (Abb. 9.42). Die Sulfate konnen aus den Baustoffen stammen (insbes. Ziegel sind sehr sulfatreich!), aus dem Untergrund zugeftihrt werden oder aus SOz-haltiger Stadtbzw. Industrieluft (Rauchgase) stammen. Gipsausbliihungen (Gl. 9-48) konnen auf Beton, Kalk- und Zementmortel sowie auf kalkhaltigen Natursteinen entstehen. Die Calciumionen entstammen in der Regel dem Baustoff. (9-48) Wird beispielsweise das Mortelwasser von porosen Ziegeln oder anderen Gesteinen mit grolieren Poren aufgesaugt, diffundiert es anschlieBend an die Oberflache und bildet dort die haufig zu beobachtenden weiBen Gipsablagerungen. 1m Extremfall kann die gesamte Steinoberflache mit einer Gipskruste uberzogen sein. Gipsablagerungen weisen im Gegensatz zu den Kalkablagerungen keine vertikale Ausrichtung auf. Sie sind bevorzugt an Mauerwerksflachen anzutreffen, bei denen durch undichte Stellen, z.B. durch Risse, undichte Mortel- oder Kittfugen, Wasser in grolieren Mengen eindringen und eine Durchfeuchtung der angrenzenden Steine von innen her bewirken kann. Die besondere Gefahrlichkeit sulfatischer Ausbluhungen besteht darin, dass sie haufig in Kombination mit Oberflachenabsprengungen auftreten. Das gilt insbesondere fur schlagregenbeanspruchte Fassaden, die bei schonem Wetter einer intensiven Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. In Phasen der Austrocknung verlagert sich die Gipsbildung von der Oberflache in das Gesteinsinnere und fuhrt zu Treiberscheinungen. Ausbliihungen von wasserlOslichen Sulfaten (vor allem M 2S04 • n H20 mit M = Na, K sowie MgS04 • n H 20) entstehen meist im Ubergangsbereich zwischen nassem und trockenem Mauerwerk. In den meisten Fallen handelt es sich urn Salzgemische, bei denen entweder Magnesiumsulfat oder Natriumsulfat dominiert. Kaliumsulfat und Natriumcarbonat treten haufig als Beimischungen auf. Ausbluhungen von wasserloslichen Salzen sind meist jahreszeitlich begrenzt. Sie treten typischerweise in den Monaten Januar bis Marz auf, da in dieser Zeit das Mauerwerk am starksten durchnasst wird und die tiefen Temperaturen die Kristallbildung fordern, Die Verwitterung der Baustoffoberflachen ist haufig eine Folge des Wechselspiels zwischen Auflosung und Auskristallisation von Salzen. Der Ubergang eines Salzes vom gelosten in den kristallisierten Zustand ist prinzipiell mit einer Volumenvergrolserung verbunden. Sie ist die Ursache fur den sich ausbildenden Kristallisationsdruck. Der Kristallisationsdruck ist vergleichbar mit dem Druck, der entsteht, wenn Wasser gefriert (Kap. 6.2.2.1). Befinden sich in den Poren eines Baustoffs tibersattigte Salzlosungen, fuhrt die Kristallisation dann zu einer Schadigung, wenn das Gefuge den Kristallisationsdruck nicht aufnehmen kann.
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
386
Neben der Temperatur hangt der Kristallisationsdruck vor allem vom Sattigungsgrad der Losung abo In Tab. 9.11 sind die Kristallisationsdrucke einiger wichtiger bauschadlicher Salze aufgefuhrt. Die Umwandlung dreier, in Bindemitteln haufig enthaltener schwer laslicher Carbonate in leichter losliche, kristallwasserhaltige Sulfate ist mit den folgenden Volumenzunahmen verbunden: CaC03 --+ CaS04 . 2 H20 (ca. 100%), MgC03 --+ MgS0 4 . 7 H20 (Bittersalz; ca. 430%) und FeC03 --+ FeS04' 7 H20 (ca. 480%) [KS 6]. Tabelle 9.11 KristallisationsdrOcke wichtiger bauschadlicher Salze [KS 6] Chemische Fonnel
Volumen eines Mois der Substanz (in I)
CaS04 . Y2 HzO CaS04' 2 HzO MgS04' 7H zO MgS04' 6H zO MgS04' HzO Na zS04 . 10 HzO Na zS04 NaCI Na zC0 3 ' 10 HzO Na zC0 3 • 7 HzO Na zC0 3 ' HzO
46 55 147 130 57 220 53 28 199 154 55
Kristallisationsdruck (Nzmrrr') c/cs = 10 c/cs = 2 O°C 50°C O°C 50°C 33,5 28,2 10,5 11,8 27,2 7,2 29,2 55,4 7,8 10,0 28,0
39,8 33,4 12,5 14,1 32,4 8,3 34,5 65,4 9,2 11,9 33,3
112,0 93,8 35,0 39,5 91,0 23,4 97,0 184,5 25,9 33,4 93,5
132,5 111,0 41,5 49,5 107,9 27,7 115,0 219,0 30,8 36,5 110,9
..
c/cs = Wert fur die Ubersattigung der Losung
Von besonderem Interesse sind Salze, die in Abhangigkeit von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit unterschiedliche Hydrate ausbilden. Der mit dem "Umkristallisationsprozess" verbundene Druck wird in der bauchemischen Literatur haufig als Hydratationsdruck bezeichnet. Er kann ebenfalls Absprengungen bewirken. Zu gravierenden Schaden fuhren vor allem solche Salze, die in relativ niedrigen Temperaturbereichen durch Feuchtigkeitsaufnahme oder -abgabe Hydrate mit unterschiedlichem Wassergehalt bilden. Kristallisiert z.B. Natriumsulfat aus einer wassrigen Losung aus, fallt es unterhalb von 32,4°C als Decahydrat Na2S04' 10 H20 (Glaubersalz) und oberhalb von 32,4°C als wasserfreies Na2S04 (Thenardit) an. Natriumcarbonat kristallisiert unterhalb von 32,5°C ebenfalls als Decahydrat Na2C03 . 10 H20 ("Kristallsoda") aus. Oberhalb von 32,5°C geht das Deca- in das Heptahydrat (Na2C03 . 7 H20) und oberhalb von 35,4°C das Hepta- in das Monohydrat (Na2C03 . H20) tiber. Scheiden sich die kristallwasserhaltigen Formen dieser Salze in den Poren ab, kann unter der Voraussetzung, dass der Wasserdampf-Partialdruck der Luft deutlich unter dem Dampfdruck des Hydrats liegt (trockene Witterung!), Kristallwasser an die Umgebungsluft abgegeben werden. Es entstehen die wasserarmeren bzw. wasserfreien Formen. Durch fortgesetzte Auflosung, Auskristallisation und hohe Verdunstungsgeschwindigkeiten lagem sich grobere Mengen an entwasserten Salzen in die Baustoffporen ein. Kommt es anschlieBend zu einer langer andauemden, extrem feuchten Witterung, bilden sich unter starker Volumenzunahme die wasserhaltigen Formen zurtick, Ais
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
387
Folge der dam it verbundenen Hydratationsdrticke kann es zu Absprengungen und Rissen kommen. Tab. 9.12 enthalt die Hydratationsdrucke der Bildung von CaS04 . 2 H 20 und Na2C03 . 7 H 20 aus wasseriirmeren Hydraten in Abhangigkeit von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. CaS04 . % H20 ..... CaS04· 2 H2O Tabelle 9.12 Relative Luftfeuchtigkeit (%)
o-c
20
100 70 50
219,0 160,0 107,2
175,5 114,5 57,5
Na2C03· H2O
.....
0
e
60
0
e
92,6 25,4 0
2
HydratationsdrOcke (in N/mm ) fur zwei bauchemisch relevante Reaktionen in Abhangigkeit von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit [KS 6]
Na2C03 . 7 H2O
Relative Luftfeuchtigkeit (%)
ooe
20 0 e
30 0 e
100 80 60
93,8 63,7 24,3
61,1 28,4 0
43,0 9,4 0
Nitrate. Der Mauersalpeter Ca(N03)2 . 4 H 20 (auch: Kalksalpeter) gehort zu den gefahrlichsten Bauschadigungen, Calciumnitrat kristallisiert aus wassriger Losung als Tetrahydrat aus. Die Kristalle schmelzen oberhalb von 40°C in ihrem Kristallwasser, wobei sich wasserarmere Formen bilden. Uber 100°C entsteht das wasserfreie Calciumnitrat. Der Ubergang der verschiedenen Hydratstufen ineinander, insbesondere der Ubergang zum Tetrahydrat, ist wiederum mit der Ausbildung von Hydratationsdrucken verbunden, die zu Baufolgeschaden fiihren konnen, Mauersalpeter kann naturgemaf nur dort entstehen, wo Stickstoffverbindungen in hohen Konzentrationen auftreten. Das ist vor allem im landwirtschaftlichen Bereich der Fall. Das aus organischen Stickstoffverbindungen wie HarnlJauche oder faulenden EiweiBstoffen freigesetzte Ammoniak wird durch nitrifizierende Bakterien zum Nitrat oxidiert (s. Kap. 5.4.1), das sich mit dem Kalk des Mortels zum Ca(N03h· 4 H 20 umsetzt. Mauersalpeter ist demnach vor allem auf Mauem von Stallen, Dung- und Jauchegruben, aber auch auf undichten Rohren in WCs zu finden. Eine analoge Umsetzung zwischen Kalk und Nitrat findet statt, wenn Fakalwasser in den Kapillaren eines Mauerwerkes hochsteigt. Die fortgesetzte Bildung des leicht las lichen Mauersalpeters fuhrt vor allem infolge seiner Hygroskopie zu einer starken Zerstorung des Mauerwerks (Mauerfra8). Zum einen kommt es infolge des Herauslosens der Kalkbestandteile zu einer Lockerung des Mortelgefuges. Zum anderen wird - und das gilt auch fur andere wasserlosliche Salze - die Gesteinsoberflache durch das standige Ablagem und Losen von Salzen geschadigt, Die oberflachennahen Gesteinsporen sind durch die an den Wechsel von feuchter und trockener Witterung gekniipften Losungs- und Kristallisationsvorgange standig wechselnden Kristallisationsund Hydratationsdrucken ausgesetzt.
388
9 Chemie nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
Mauersalpeter wird umgangssprachlich oft inkorrekt als Sa/peter bezeichnet. Dieser Trivialname bezieht sich jedoch ausschlieBlich auf Kaliumnitrat KN03 • Behandlung von Ausbliihungen. Salzablagerungen mussen durch trockenes Abbursten beseitigt werden, da bei Nassbehandlung die durch das Wasser gelosten Salze in der Regel wieder vom Mauerwerk aufgenommen werden. Eine Ausnahme bilden die Kalkausbluhungen, die nach intensivem Vornassen zweckmafsigerweise mit Essigsaure (- 5%ig) oder Salzsaure (1 Teil konz. HCI und 10 Teile Wasser) behandelt werden sollten. Dabei zersetzen sich die Carbonate entsprechend Gl. 5-25. AnschlieBend muss mit Wasser nachgespiilt werden. 1st ein Mauerwerk bereits weitgehend von Mauersalpeter zersetzt, muss es herausgestemmt und emeuert werden. Korrosion von Natursteinen. Natursteine, die vor allem fiir Fassadenbekleidungen Verwendung finden, unterliegen beim Angriff aggressiver Medien im Prinzip den gleichen Reaktionen wie die zementgebundenen Baustoffe. Das AusmaB der durch die Luftschadstoffe bedingten Gesteinsverwitterung hangt von der chemischen Zusammensetzung und der Porositat des Gesteins abo Magmatite wie Basalte, Granite, Syenite und einige Porphyrarten, werden praktisch kaum angegriffen. Auch bestimmte Sedimentite, z.B. dichte Kalksteine, kieselig gebundene Sandsteine und Grauwacken, sind relativ gut bestandig. Dagegen werden kalkig gebundene Sandsteine beim Angriff saurer Wasser durch Auflosung der Bindemittelmatrix geschadigt. Zu den uber langere Zeitraume bestandigen Metamorphiten gehoren Quarzit, Dachschiefer und Marmor. Bestimmte Gneise und einige Schiefervarietaten konnen dagegen aufgrund ihres spezifisch lagigen Aufbaus schnell verwittem. Der Schutz von Natursteinen erfolgt in erster Linie durch Impragnierung mit Silanen und Siliconen (Kap. 9.2.4).
9.4.5
MaBnahmen zum Korrosionsschutz (Bautenschutz)
Zum Bautenschutz gehoren zunachst aIle MaBnahmen, die zu einer Verbesserung der Baustoffeigenschaften fiihren. Sie mussten in Anlehnung an die Terminologie des metallischen Korrosionsschutzes dem aktiven Korrosionsschutz zugeordnet werden. 1m Folgenden soIl kurz auf den Einsatz von Oberflachenschutzsystemen als MaBnahme des passiven Oberflachenschutzes eingegangen werden. Oberflachenschutzsysteme besitzen die Aufgabe, den Beton gegenuber einem Angriff aggressiver Flussigkeiten und Gase abzudichten, den VerschleiBwiderstand zu erhohen und den Abrieb zu vermindem, die Reinigung der Betonoberflachen zu erleichtem, einen schadigenden bakteriologischen Befall zu unterbinden und eine eventuelle farbliche Gestaltung zu ermoglichen. Sie kommen entweder in Form von Impragnierungen oder von Beschichtungen zum Einsatz.
Impragnierungen sollen moglichst tief in den porosen Untergrund eindringen - je nach Betongute/Porositat bis zu 5 mm; Mindesteindringtiefe 1,5 mm - ohne einen dichten, deckenden Film auszubilden. Sie sollen den Baustoff hydrophobieren, d.h. das Eindringen von Wasser verhindem, ohne die Wasserdampfdurchlassigkeit wesentlich zu reduzieren. Impragnierungen sollen alkali- sowie UV - und witterungsbestandig sein und klebfrei auftrocknen. AIle diese Forderungen werden von den siliciumorganischen Verbindungen (Kap. 9.2.4) erfiiIlt. Silane, Siloxane und Siliconharze sind die wichtigsten Hydrophobierungs-
9.4 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe
389
mittel im Bautenschutz. Die besondere Stabilitat der Siliconimpragnierungen beruht auf ihrem Vermogen, sich kovalent an die mineralischen Baustoffe zu binden (s. Abb. 9.13). Dadurch besitzen sie eine auBerordentlich gute Haftung zum Untergrund. Die Bindung erfolgt derart, dass die unpolaren Kohlenwasserstoffreste von der Oberflache weggerichtet sind. Die dadurch bedingte Molekiilorientierung ist die Ursache fur die wasserabweisende Wirkung der Silicone. Molekiilorientierung und Wirkung einer hydrophobierenden Siliconimpragnierung sind in Abb . 9.43 gezeigt.
c.
E "E Q)
Cll
<Jl <Jl
~
-OH+ H,O Phenol
-
(10-6) Phenolat-Anion
Phenol bildet farblose Kristalle von charakteristischem Geruch (Smp. 41°C), die sich an der Luft schwach rotlich farben und in kaltem Wasser nur maBig losen. In Alkohol und Ether ist Phenol leicht loslich, Phenollosungen (ca. 5%ig) wirken desinfizierend und keimtotend, Phenol ist ein wichtiges Ausgangsprodukt fur die Herstellung von Kunststoffen (Kap. 10.4.4.2) sowie von kunstlichen Farb- und Gerbstoffen. Das vollch1orierte Phenol, Pentachlorphenol (PCP, Abb. 10.2c), hat eine weite Verbreitung als Holzschutzmittel und Fungizid gefunden. Seitdem bekannt ist, dass PCP nicht nur fischtoxisch ist, sondern auch beim Menschen zu erheblichen gesundheitlichen Schaden flihren kann, ist seine Produktion und Verwendung in der BRD eingestellt worden. Wie die anderen Chloraromaten (z.B. PCB, DDT) wird auch Pentachlorphenol schwer abgebaut und aufgrund seiner Lipophilie (Fettloslichkeit) im menschlichen Organismus angereichert. PCP ist stark krebserregend.
10.1.4
Ether
Ether sind organische Verbindungen, in denen zwei Kohlenwasserstoffreste tiber ein Sauerstoffatom verbunden sind. Die allgemeine Formel fur einen Ether lautet: R - a - R, wobei die Reste R (R = Alkyl-, Aryl- oder heterocyclischer Rest) identisch oder verschieden sein konnen. 1m ersten Fall spricht man von symmetrischen, im zweiten von asymmetrischen oder gemischten Ethern. 1st der Sauerstoff Bestandteil eines ringformigen KW, liegt ein cyclischer Ether vor. Tab. 10.5 enthalt Namen, Formeln und Siedepunkte einiger ausgewahlter Ether. Beim (inzwischen kaum noch gebrauchlichenl) Narkosemittel Ether sind zwei Ethylreste durch ein a-Atom verbunden. Es handelt sich demnach bei der im Umgangssprachgebrauch als Ether bezeichneten Verbindung urn Diethy1ether C2Hs - a - C 2Hs. Diethylether ist brennbar, seine Dampfe bilden mit Luft explosive Gemische. Aufgrund der 1eichten Fltichtigkeit (Sdp. 34,6°C) sind beim Umgang mit Ether besondere VorsichtsmaBnahmen erforderlich. Bei Einwirkung von Licht reagiert Ether mit Luftsauerstoff zu Peroxiden, die beim Erwarmen explosionsartig zerfallen konnen (Aufbewahrung in braunen Flaschen!). Diethylether ist mit Wasser nicht mischbar. Die Ether sind allesamt farblose Verbindungen mit einem charakteristischen, durchaus angenehmen Geruch. Ihre Siedepunkte liegen deutlich unter denen der Alkohole mit analoger C-Atomzahl, was auf die Abwesenheit von Wasserstoffbruckenbindungen zwischen den Ethermolekiilen zuruckzufuhren ist. Die Reaktionstragheit, kombiniert mit der Fahigkeit,
407
10.1 Grundklassen organischer Verbindungen
nahezu alle organischen Verbindungen losen zu konnen, machen die Ether zu wichtigen Losungs- und Extraktionsmitteln. Insbesondere die cyclischen Ether Tetrahydrofuran und 1,4-Dioxan besitzen als Losungsmittel fur Kunststoffe eine groBe technische Bedeutung. Sdp. (0C)
Name
Formel
Dimethylether
CH 3 -0- CH 3
-25
Diethylether
C2Hs - 0 - C2Hs
34,6
("Ether")
Namen, Formeln und Siedepunkte (bei Normaidruck) ausqewahlter Ether
154
Methylphenylether (Anisol) Tetrahydrofuran (THF)
65
1,4-Dioxan
10.1.5
Tabelle 10.5
101,5
Aldehyde und Ketone
Aldehyde und Ketone gehoren zu den Carbonylverbindungen, deren strukturelles Merkmal die polare Carbonylgruppe (C = 0) ist. In den Aldehyden ist die Carbonylgruppe mit einem H-Atom und einem Alkyl-, Aryl- oder heterocyclischen Rest R verknupft: ,---"I I
R--r-C IL
~O
"H
I I
funktionelle Gruppe der Aldehyde.
.JI
Eine Ausnahme bildet der Formaldehyd (Methanal) als einfachster Vertreter der homologen Reihe der aliphatischen Aldehyde, bei dem die Carbonylgruppe mit zwei H-Atomen verbunden ist. Der Name der aliphatischen Aldehyde leitet sich vom jeweiligen Stammkohlenwasserstoff durch Anhangen der Endung -al ab (Beispiel: Methan ~ Methanal). Die allgemeine Bezeichnung fur die Stoffklasse lautet daher auch Alkanale. Bei aromatischen und heterocyclischen Aldehyden hangt man die Endung -aldehyd an den (evtl. verkurzten) Namen des Ringsystems (Beispiel: Benzol ~ Benzaldehyd). FUr die homologe Reihe der Alkanale gilt die allgemeine Forme! CnH2n+l CHO (n = 0, 1, ... ). Die Stoffklasse der Ketone enthalt die Carbonyl- oder Ketogruppe zwischen zwei Alkyl-, Aryl- oder heterocyclischen Resten (auch gemischt).
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
408
R,,---, I C=OI
R/l---.J
funktionelle Gruppe derKetone.
Der Name der aliphatischen Ketone (Alkanone) leitet sich vom jeweiligen Stammkohlenwasserstoff durch Anhangen der Endung -on ab (Beispiel: Propan ~ Propanon). FUr komplizierter aufgebaute Ketone gilt die allgemeine Nomenklaturregel: Benennung der beiden an die Carbonylgruppe gebundenen Reste sowie Anhangen der Silbe -keton. Beispiele fur Ketone sind: Ethylphenylketon, Ethylpropylketon und Dimethylketon (Propanon). Zur Bezeichnung von Aldehyden und Ketonen sind eine Reihe von Trivialnamen ublich. Sie sind in Tab. 10.6 jeweils in Klammem angegeben. Tabelle 10.6 Namen, Formeln und Siedepunkte (bei Normaldruck) ausgewahlter Aldehyde und Ketone
Name
Formel
Sdp, (Oe)
Methanal (Formaldehyd) Ethanal (Acetaldehyd) Propanal (Propionaldehyd) Benzaldehyd
H-CHO CH 3 -CHO CH 3 - CH z - CHO C6H s - CHO
-19
Propanon (Aceton) Butanon (auch: Methylethylketon)
CH 3 - co - CH 3 CH 3 - CO - CH z - CH 3
21 49
180 56 80
Die Bindungsverhaltnisse des Kohlenstoffatoms der Carbonylgruppe konnen durch eine spz-Hybridisierung beschrieben werden. Das senkrecht auf dem C-Atom stehende nichthybridisierte p-Orbital uberlappt mit einem p-Orbital des Sauerstoffatoms und bildet die 1t-Bindung. Infolge der unterschiedlichen Elektronegativitaten zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff ist die C=O-Doppelbindung stark polarisiert, d.h. die Bindungselektronen sind in Richtung Sauerstoffatom verschoben. Das chemische Verhalten der Aldehyde und Ketone wird sehr wesentlich durch die Carbonylgruppe bestimmt und zeigt sich vor allem im Auftreten von Additions- und Kondensationsreaktionen. Carbonylverbindungen sind die Oxidationsprodukte der primaren und sekundaren Alkohole. Die Oxidation primarer Alkohole fuhrt zu Aldehyden, die Oxidation sekundarer AIkohole zu Ketonen. Demnach werden Ethanol zu Ethanal (Acetaldehyd, Gl. 10-7) und Isopropanol zu Propanon (Aceton, Gl. 10-8) oxidiert. H
I CH -C-OH 3
I
-
+0
(10-7)
H Ethanol
Ethanal (Acetaldehyd)
409
10.1 Grundklassen organischer Verbindungen
CH 3
I
CH -C-OH 3
I
CH 3
+0
------+
CH
3
H Isopropanol
r -6I
o
r. -
LH
I
OH' I
I ...J
I I ...J
(10-8) Propanon (Aceton)
1m Gegensatz zu Ketonen konnen Aldehyde weiter zu Carbonsauren oxidiert werden. Aldehyde besitzen demnach reduzierende Eigenschaften. Der Nachweis ihres Reduktionsvermogens kann mittels Tollens Reagenz (ammoniakalische Silbernitratlosung) oder FehIingscher Liisung (Kupfersulfatlosung + alkalische Losung von Kalium-Natrium-Tartrat) erfolgen. Dabei werden aus den Losungen fein verteiltes metallisches Silber (Braun- bis Schwarzfarbung, evtl. Silberspiegel, Gl. 10-9) bzw. rotbraunes, schwer losliches Kupfer(l)oxid ausgeschieden (Gl. 10-10; evtl. bildet sich auch hier ein Cu-Spiegel!). CH3CHO + 2 [Ag(NH3)2t + H20 CH3CHO + 2 Cu2+ + 5 OH-
------+ ------+
2 Ag±O + CH 3COOH + 2 NH 3 + 2 NI-4+ CU20 + CH3COO- + 3 H20
(10-9) (10-10)
Die Wasserloslichkeit der Aldehyde und Ketone hangt wiederum von der Kettenlange des Restes R abo Formaldehyd, Acetaldehyd und Aceton sind vollstandig mit Wasser mischbar. Aldehyde und Ketone mit fiinf und mehr C-Atomen sind nicht mehr wasserloslich. Formaldehyd. Formaldehyd H-CHO ist ein sehr reaktives, stechend riechendes, gut wasserlosliches Gas. Die im Handel erhaltliche 35...40%ige Formaldehydlosung bezeichnet man als Formalin. Sie wird als Konservierungs- und Desinfektionsmittel verwendet. Formaldehyd gehort zu den am haufigsten auftretenden Innenraumschadstoffen. Er kann aus Baustoffen, aber auch aus Einrichtungsgegenstanden (Mobell), aus Textilien, aus Bodenbelagen sowie aus Reinigungs- und Pflegemitteln stammen. Baustoffe, die Formaldehyd emittieren, enthalten haufig Hamstoff-Formaldehydharze (Kap. 10.4.4.2). Hamstoff-Formaldehydharze werden zur Herstellung von Leimharzen fur Holzwerkstoffe (Span- und Faserplatten, Sperrholz) sowie als Bindemittel in Mineralwolleerzeugnissen verwendet. Eine weitere Formaldehydquelle sind die sogenannten saurehartenden Lacke, die zur Oberflachenversiegelung von Mobeln, Paneelen und Parkettfulsboden eingesetzt werden. Die Wahmehmungsschwelle fur Formaldehyd ist individuell verschieden, sie liegt zwischen 0,05...1,0 ppm. Bereits unterhalb dieser Schwellenkonzentration kann es zu Augenund Schleimhautreizungen kommen. 1m Tierexperiment erwies sich Formaldehyd als krebserregend. Eine entsprechende Wirkung beim Menschen konnte bisher nicht festgestellt werden. In der BRD gilt fur die Innenraumluft der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Grenzwert von 0,120 mg H-CHO/m 3 Raumluft (= 0,1 ppm). Acetaldehyd ist eine farblose, stechend riechende Flussigkeit, die sich mit Wasser, Alkohol und Ether injedem Verhaltnis mischt. Aceton, ebenfalls eine farblose Fltissigkeit, ist leicht entflammbar, wasserloslich und besitzt einen angenehmen Geruch. Aceton ist ein ausgezeichnetes Losungsmittel, z.B. zum Losen von Lacken und Kunstfasem.
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
410
10.1.6
Carbonsauren und Ester
Carbonsauren sind strukturell durch die Carboxylgruppe -COOH charakterisiert:
r-----, -:;:/ 0
I
R-r-C IL
I I
"OHI :J
funktionelle Gruppe der Carbonsauren.
Fur R = Alkylrest gelangt man zur Gruppe der Alkansiiuren. Die Carboxylgruppe -COOH ist, wie die Carbonylgruppe, trigonal-planar gebaut (spz-Hybridisierung). Je nach der Anzahl der in einem Molekiil gebundenen Carboxylgruppen wird zwischen Mono-, Di- und Tricarbonsauren unterschieden. Die in Tab. 10.7 aufgefuhrten organischen Sauren sind allesamt Monocarbonsauren, Die gesattigten aliphatischen Monocarbonsauren bilden eine homologe Reihe von Verb indungen der allgemeinen Formel CnH2n+lCOOH (n = 0, 1, ... ). Die ersten vier Glieder sind die Ameisensaure (Methansaure), Essigsaure (Ethansaure), Propionsaure (Propansaure) und die Buttersaure (Butansaure). Bei der Essigsaure ist der Methylrest (R = CH 3) , bei der Propionsaure der Ethylrest (R = CzHs) und bei der Buttersaure der Propylrest (R = C3H7) mit der Carboxylgruppe verbunden. Tabelle 10.7 Namen, Formeln sowie Schmelz- und Siedepunkte (bei Normaldruck) einiger ausqewahlter Carbonsauren Systematischer Name
Trivialname (Salze)
Formel
Smp.
Sdp.
(0C)
Alkansauren (Gesattigte aliphatische Monocarbonsauren):
Methansaure Ethansaure
Propansaure 1-Butansaure
Hexadecansaure Octadecansaure
Ameisensaure (Formiate) Essigsaure (Acetate) Propionsaure (Propionate) n-Buttersaure (Butyrate) Palmitinsaure (Palmitate) Stearinsaure (Stearate)
H-COOH CH3 -COOH CH3 - CH z - COOH CH3-CHz-CHz-COOH CH3 - (CH Z) 14 - COOH CH3 - (CH Z) 16 - COOH
8 17 -22 -6 63 70
101 118 141 164 390 Zers. 376 Zers.
CHz = CH - COOH C I7H33 COOH
14 16
141 360 Zers.
Ungesdttigte aliphatische Monocarbonsauren: 2-Propensaure 9-0ctadecensaure
Acrylsaure (Acrylate) Olsaure (Oleate)
Aromatische Monocarbonsauren: QCOOH
Benzoesaure
Salze: Benzoate (C 6Hs - COOH)
122
249
10.1 Grundklassen organischer Verbindungen
411
Die Ameisensaure (Methansaure), als einfachster Vertreter der homologen Reihe der Alkanmonosauren, bildet wiederum eine Ausnahme. Hier ist die Carboxylgruppe mit einem H-Atom und nicht mit einem organischen Rest R verknupft. Da sie gleichzeitig eine Aldehydgruppe enthalt, nimmt sie eine Sonderstellung zwischen Aldehyd und Carbonsaure ein. Sie ist durch Oxidationsmittel zu CO 2 und H 20 oxidierbar und reduziert Tollens Reagenz. Die ubrigen Monocarbonsauren sind gegen Oxidationsmittel resistent. Da einige hohere aliphatische Carbonsauren wie die Stearinsaure C 17H3SCOOH und die Palmitinsaure C 1sH31COOH Bestandteil der naturlichen Fette und Ole sind (s. Kap. 10.1.7), werden sie auch als Fettsauren bezeichnet. Die Benennung der Alkansauren erfolgt entsprechend der Nomenklaturregeln durch Anhaugen der Endung -saure an den Namen der Stammkohlenstoffverbindung. Ftir die meisten Carbonsauren werden, wie die obigen Beispiele bereits zeigen, Trivialnamen verwendet. In Tab. 10.7 sind neben der systematischen Bezeichnung auchjeweils die Trivialnamen der Saure und des zugehorigen Salzes angegeben. Die Eigenschaften der Alkansauren resultieren zum groBen Teil aus ihrer besonderen Struktur. Die Molekule enthalten neben einer polaren Carboxylgruppe einen unpolaren Alkylrest unterschiedlicher Kettenlange, Niedermolekulare Alkansauren (C 1 ••• C3) sind mit Wasser injedem Verhaltnis mischbar. Mit zunehmender Kettenlange nimmt die Loslichkeit abo Interessanterweise weisen Carbonsauren im festen und flussigen Zustand sowie in unpolaren Losungsmitteln eine doppelt so hohe Molekulmasse auf, wie die aus ihrer Summenformel errechnete. Sie liegen als Dimere vor. Es bilden sich tiber H-Brtickenbindungen verknupfte Doppelmolekule aus.
R-C
~Ol' .. H-Q"""
"""--
~
C-R
0- H· . ·10 /"
Die Wasserstoffbrtickenbindungen sind auch der Grund fur die relativ hohen Siede- und Schmelzpunkte der Carbonsauren. In der Gasphase werden die H-Brticken gelost und die Molekule liegen wieder monomer vor. Carbonsauren gehoren zu den schwachen Sauren (Kap. 6.5.3.4). Innerhalb der homologen Reihen der aliphatischen Mono- und Dicarbonsauren stellenjeweils die Anfangsglieder die starksten Sauren dar. Mit zunehmender Kettenlange nimmt die Saurestarke abo Carbonsauren protolysieren in wassriger Losung unter Bildung eines Carboxylations und eines Hydroniumions (z.B. Essigsaure, Gl. 6-75). CH 3COOH + H 20
~
Carbonsaure (Essigsaure)
CH 3COO-
+
H 30+
Carboxylation (Acetation)
Bei der Neutralisation von Carbonsauren mit Basen entstehen Salze, z.B. entsteht bei der Umsetzung von Essigsaure mit Natronlauge Natriumacetat CH 3COONa (Gl. 10-11). In wassriger Losung liegt Natriumacetat protolysiert vor und reagiert alkalisch. CH 3COOH + NaOH Essigsaure
~
CH 3COONa + Hp Natriumacetat
(10-11)
412
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Ameisensaure ist eine farblose, stechend riechende Fliissigkeit, die aufgrund ihrer besonderen Struktur sowohl als Aldehyd als auch als Saure reagieren kann. Damit unterscheidet sie sich deutlich von den anderen Alkansauren. Beispielsweise lasst sie sich durch Oxidationsmittel wie KMn04 zu Kohlendioxid und Wasser oxidieren. Sie besitzt wie die Aldehyde reduzierende Eigenschaften. Ameisensaure wird u.a. als Konservierungs- und Desinfektionsmittel verwendet. Essigsaure ist die wichtigste organische Saure. Wie die Ameisensaure ist sie eine stechend riechende, atzende Fliissigkeit. In stark verdiinnter Form (5...10%ig) kommt sie als Speiseessig in den Handel. Ihre Salze, die Acetate, sind gut wasserloslich. Wasserfreie Essigsaure erstarrt bereits bei 16,6°C zu einer eisartigen, festen Masse (Eisessig). 1st die Carboxylgruppe an einen Alkenylrest gebunden, liegen ungesattigte Carbonsauren vor. Der einfachste Vertreter der Gruppe der ungesattigten Carbonsauren ist die Acryl- oder Propeasaure CH2=CH-COOH (Tab. 10.7). Sie bildet gemeinsam mit der Methacrylsaure CH2=C(CH3)-COOH das Ausgangsprodukt fur die Herstellung von Kunststoffen (Polyacrylate und Polymethacrylate, Kap. 10.4.4.1). Die Olsaure C17H33COOH, ebenfalls eine ungesattigte Carbonsaure, ist ein wesentlicher Bestandteil fetter Ole und zahlreicher Fette. Benzoesaure C6Hs-COOH, bei der die Carboxylgruppe an einen Benzolring gebunden vorliegt, ist die einfachste aromatische Carbonsaure, Sie wird als Konservierungsmittel in der Lebensmittelindustrie verwendet. Die Salze der Benzoesaure heiBen Benzoate. Alkandisliuren (gesattigte aliphatische Dicarbonsauren) enthalten zwei Carboxylgruppen im Molekiil. Aufgrund von Wasserstoffbruckenbindungen zwischen den Molekiilen sind aIle Dicarbonsauren bei Raumtemperatur fest. Der einfachste Vertreter der Alkandisauren, die Oxalsaure, leitet sich strukturell vom Ethan ab (systematischer Name: Ethandisiiure). Als zweiprotonige Saure bildet die Oxalsaure zwei Gruppen von Salzen: Hydrogenoxalate HOOC-COO- und Oxalate (COO)l-. Ca2+-Ionen bilden mit dem Oxalation schwer losliches Calciumoxalat Ca(COO)2(analytischer Calciumnachweis).
o II r(j'Y'COOH
~COOH a)
C2H s
I
rAYC-O-CH -CH-C H
~
249
C-O- CH2 -CH-C4 H9
c)
II
o
I
C2H s
Abbildung 10.3 a) Phthalsaure; b) Phthalsaureanhydrid; c) Phthalsaureester. Das in 10.3c) dargestellte Di(2-ethylhexyl)-phthalat (DEHP) ist der mit uber 50% Produktionsvolumen wichtigste Weichmacher fur Kunststoffe (Kap. 10.4.3.1).
Technisch wichtige aromatische Dicarbonsauren sind die Phthalsaure (Benzol-l,2-dicarbonsaure, Abb. 10.3a; Salze: Phthalate) und die Terephthalsaure (Benzol-l,4-dicarbonsaure; Salze: Terephthalate). Phthalsaure reagiert beim Erhitzen unter Wasserabspaltung zu Phthalsaureanhydrid (Abb. 10.3b), das in groBem Umfang zur Synthese von Farbstoffen und zur Gewinnung von Kunstharzen verwendet wird. Die Phthalsaureester hoherer Alkohole (Abb. 10.3c) besitzen eine auBerordentlich groBeBedeutung als Weichmacher fur Polyvinylchlorid. Die Phthalsaureester mehrwertiger Alkohole (z.B. des Glycerins) werden
413
10.1 Grundklassen organischer Verbindungen
zur Herstellung von Lackrohstoffen (Alkydharze) verwendet. Terephthalsaure ist einer der Ausgangsstoffe fur Polyesterharze (Kap. 10.4.4.2).
Carbonsaureester (Ester). Eine der wichtigsten Reaktionen der Carbonsauren ist ihre Umsetzung mit Alkoholen zu Carbonsaureestern unter Abspaltung von Wasser (Veresterung). Die Veresterung ist eine typische Gleichgewichtsreaktion, sie lauft saurekatalysiert abo Gl. (10-12) zeigt die Veresterung von Essigsaure mit Ethanol. Veresterung
Carbonsaure
+
Carbonsaureester
Alkohol
+ Wasser
Verseifung
(10-12)
-f'0
CH3 -C"
+
H20
O-C2Hs Essigsaure
Ethanol
Essigsaureethylester
Zur Erhohung der Ausbeute an Ester muss das Gleichgewicht nach rechts, auf die Seite der Reaktionsprodukte verschoben werden. Dies geschieht entweder durch Erhohung der Konzentration eines der Ausgangsstoffe (meist des Alkohols) oder durch Verwendung von konz. H 2S04 als Katalysator, da diese gleichzeitig das bei der Veresterung frei werdende Wasser bindet und damit dem Gleichgewicht entzieht. Durch Isotopenmarkierung mit 18 0 konnte nachgewiesen werden, dass das entstehende H 20-Molekiil aus der OHGruppe des Carboxylrestes und dem Proton der alkoholischen OH-Gruppe stammt (Gl. 1012). Der systematische Name des Esters wird aus dem Namen der Carbonsaure, dem Restnamen des Alkohols und der Endung -ester gebildet. Ester sind keine Salze, sondem Molekiilverbindungen. Trotzdem ist es in der Praxis immer noch gebrauchlich, den Ester auch nach dem Restnamen des Alkohols und dem Namen der Salze der Carbonsauren zu benennen. Die Bezeichnungen Essigsaureethylester und Ethylacetat fur das in Gl. (10-12) gebildete Produkt werden gleichberechtigt verwendet. Ester niedermolekularer Carbonsauren mit einfachen Alkoholen sind farblose, leicht entflammbare Flussigkeiten mit einem meist angenehm fruchtartigen Geruch (Fruchtaromen). Essigsauremethylester (Sdp. 57°C) und Essigsaureethylester (Sdp. 77,2°C) sind wichtige Losungs- und Lackverdunnungsmittel. Die Ruckreaktion von Gl. (10-12), die Hydrolyse des Esters, wird als Verseifung bezeichnet. Dieser Name ist historisch entstanden, da bei der Spaltung von Fetten (Ester der Fettsauren, s.u.) in alkalischer Losung Seifen entstehen. Seifen sind Kalium- bzw. Natriumsalze der hoheren Fettsauren, Obwohl bisher nur Carbonsauren betrachtet wurden, ist die Veresterung ein Reaktionstyp, der generell die Umsetzung von Sauren - also auch von anorganischen Sauren - mit Alkoholen umfasst. Betrachten wir die Reaktion eines Alkohols R-OH mit einer Halogenwasserstoffsaure HX (Gl. 10-13). Wahrend in diesem Falle die OH-Gruppe des Alkohols abgespalten wird und mit dem Proton der Saure Wasser bildet, kann bei Sauerstoffsauren wie der HN03 (Gl. 10-14) die Wasserbildung wiederum aus der OH-Gruppe des Carboxylrestes der Saure und dem Proton der OH-Gruppe des Alkohols erfolgen. Setzt man Methanol mit
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
414
Salzsaure urn, entsteht ein Halogenalkan (Alkylhalogenid) als Ester der Halogenwasserstoffsaure, im speziellen Falle Methylchlorid CH 3Cl. R -IOH
+
Alkohol
H
1-
R -X
X
Saure
+
(10-13)
HzO
Ester
Wasser
1m Ergebnis der Umsetzung von Ethanol mit Salpetersaure (Gl. 10-14) bildet sich Salpetersaureethylester (Ethylnitrat).
+ c.n, - 0 I=H'--_...:cH:....:O---'~ Ethanol
10.1.7
CzHs-O-NO z + HzO
NO z
Salpetersaure
(10-14)
Salpetersaureethylester
Fette und Ole
Natiirliche Fette und Ole besitzen den gleichen chemischen Autbau, obwohl die einen im Allgemeinen bei Raumtemperatur fest und die anderen fltissig sind. Sie sind beide Triester des dreiwertigen Alkohols Glycerin mit langkettigen Carbonsauren (Gl. 10-15). Fette und Ole werden deshalb auch als Triglyceride bezeichnet. Die am Autbau cler Triglyceride am haufigsten beteiligten Carbon- oder Fettsauren sind die Olsaure C 17H33COOH, die Stearinsaure C 17H3SCOOH und die Palmitinsaure C 1sH31COOH (Kap. 10.1.6). Die einzelnen Fette und Ole unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihres Gehaltes an diesen drei Sauren. Einheitliche Trigylceride kommen in der Natur selten vor, in der Regel handelt es sich bei den Fetten und Olen urn komplexe Gemische von Triglyceriden mitjeweils drei verschiedenen Fettsauren. H2C - 0 -
co -
I
C15H31
HC-O - CO - C17H35 + 3 NaOH
I
H2C - 0 Felt
co -
C17H33
H2C- OH
------.
C15H31 COO
I
HC-OH
I
H2C- OH Glycerin
+
C17H35 COO C17H33 COO
-
Na+
-
Na+
-
Na+
(10-15)
Seifen
Je hoher der Anteil an Olsaure ist, umso leichter wird das Fett flussig (Schweine- und Ganseschmalz!). Manche Ole enthalten uberwiegend die Olsaure (z.B. Olivenol ca. 83% 01saure) neben anderen starker ungesattigten Fettsauren (z.B. Linol- und Linolensaure), Uberwiegen die gesattigten Fettsauren, schmelzen die Fette bei wesentlich hoheren Temperaturen (Rinder- und Hammeltalg). Erhitzt man ein Fett oder 01 mit Alkalilauge, z.B. mit NaOH, werden die Esterbindungen gespalten und es entstehen Glycerin und die Alkalisalze der Fettsauren (Seifen). Die alkalische Esterhydrolyse wird deshalb als Verseifung bezeichnet (Kap. 10.1.6). Die Herstellung von Seifen durch Verkochen von tierischem Fett mit Pflanzenasche (enthalt basische Alkalimetallcarbonate, z.B. Pottasche K ZC03) ist seit ca. 2300 Jahren bekannt und gehort zu den altesten chemischen Prozessen. Unter dem Einfluss von Luftsauerstoff neigen Ole mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesattigten Fettsauren (z.B. Leinol) zur oxidativen Vemetzung, wobei sie verharzen.
10.1 Grundklassen organischer Verbindungen
415
Diese sogenannten "trocknenden Ole" finden daher in Fimissen, Olfarben und Olkitten Anwendung. Sie wirken als oxidativ trocknende Bindemittel (Kap. 10.4.5). Die zur Bildung der harzigen Produkte fiihrende Vemetzung der Molektile erfolgt an den Stellen, an denen sich die Doppelbindungen der ungesattigten Fettsauren befinden. Wie bereits in Kap. 10.1.1.1 besprochen, besitzen die MineralOie eine grundsatzlich andere chemische Zusammensetzung als die natiirlichen Ole. Mineralole fallen als Rohprodukte bei der Erdolraffination im Sumpf der atmospharischen Destillation an. Sie werden in paraffinbasische (Hauptbestandteil Paraffin) und naphthenbasische (Hauptbestandteil Cycloalkane und Aromaten) Grundole eingeteilt und finden vor allem als Schmierole Verwendung. Fette konnen Beton korrosiv schadigen, da im alkalischen Milieu eine Verseifung der Triester erfolgt. Die freigesetzten Fettsaurereste binden die Calciumionen zu schwer loslichen Verbindungen (Calciumseifen). Das fiihrt zu einem Aufweichen und zu einer Lockerung der Struktur (Kap. 9.4.2.1). Wachse unterscheiden sich von den Fetten dadurch, dass anstelle des dreiwertigen Alkohols Glycerin langkettige, geradzahlige Alkohole (C 16 bis C36) mit Fettsauren verestert sind. Damit liegen keine Tri-, sondem Monoester vor. Beispielsweise enthalt Bienenwachs als Hauptkomponente den Palmitinsaureester des Myricylalkohols (Gemisch der hoheren AIkohole C30~lOH und C32~50H). Weitere Bestandteile sind - wie bei vielen anderen natiirlichen Wachsen - Paraffine unterschiedlicher Kettenlange,
10.1.8
Heterocyclische Verbindungen
In heterocyclischen Verbindungen (kurz: Heterocyclen) ist mindestens ein Atom des cyclischen Systems (Rings) ein Heteroatom, also ein Nichtkohlenstoffatom. Obwohl die Atome zahlreicher Elemente als Heteroatom in einem Ring auftreten konnen, handelt es sich in der Mehrzahl der Faile urn Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelatome. Sind die Heteroatome Bestandteil eines aromatischen Rings, spricht man auch von Heteroaromaten. Furan
Pyrrol
Thiophen
o
N
s
o o o I
H
o Pyridin
N
Wichtige fiinfgliedrige heterocyclische Verbindungen sind Furan, Pyrrol und Thiophen. Da sich in diesen Fiinfringen das freie Elektronenpaar an der Elektronendelokalisation im Ring beteiligt und zur Ausbildung eines st-Elektronensextetts beitragt, liegen aromatische Systeme vor. Der wichtigste sechsgliedrige Heteroaromat ist das Pyridin. Von den heterocyclischen Systemen leiten sich zahlreiche weitere Verbindungen ab, in denen ein oder mehrere H-Atome des heterocyclischen Rings durch Kohlenwasserstoffreste oder funktionelle Gruppen ersetzt sind. Die in Tab. 10.5 aufgefiihrten cyclischen Ether Tetrahydrofuran und 1,4-Dioxan sind der Gruppe der O-Heterocyclen zuzuordnen. Traurige Beriihmtheit hat eine Verbindungsklasse erlangt, deren Grundstruktur aus einem zweifach ungesattigten sechsgliedrigen Ringsystem mit zwei Sauerstoffatomen (l,4-Dioxin oder p-Dioxin) und zwei annelierten Benzolringen besteht (dibenzkondensiertes p-Dioxin).
416
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Die polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (peDD) entstehen als Kondensationsprodukt von 2,4,5-Trichlorphenol bei technischen Prozessen. In geringen Mengen konnen sie sich auch bei Verbrennungsvorgangen in Miillverbrennungsanlagen, Diesel- und Benzinmotoren, hauslichen Kaminen oder Ofen, beim Grillen und im Zigarettenrauch bilden - also letztlich bei allen Verbrennungsvorgangen, bei denen organisch oder anorganisch gebundenes Chlor anwesend ist. In den Blickpunkt des offentlichen Interesses sind die Dioxine durch den Chemieunfall in Seveso/Oberitalien im Juli 1976 geriickt, wo grobere Mengen des extrem starken Gifts 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin ("Seveso-Dioxin") freigesetzt wurden und zu einer Umweltkatastrophe bisher unbekannten AusmaBes fuhrten, CIXX 0l(YCI CI
~
1
O~CI
2,3,7,8 - Tetrachlorodibenzo-p-dioxin "Seveso-Dioxin"
Das umgangssprachlich als Dioxin bezeichnete 2,3,7,8-PCDD gilt als das starkste kiinstlich hergestellte Gift. Es fuhrt zu gefahrlichen Hautausschlagen (Chlorakne) und hat sich im Tierversuch als krebserregend erwiesen. Ob es beim Menschen krebserregend wirkt, ist noch strittig. Wie zahlreiche Halogenalkane und chlorierte Aromaten, ist auch das 2,3,7,8PCDD inzwischen global verbreitet.
10.2
Organische Losungs- und Verdiinnungsmittel
Organische Losungs- und Verdiinnungsmittel sind wichtige Bestandteile von Beschichtungs- und Klebstoffen, von Kitten und anderen plastischen Massen. Wie aus Tab. 10.8 zu ersehen, handelt es sich in der Regel urn niedermolekulare organische Substanzen, die den in Abschnitt 10.1 besprochenen Grundklassen organischer Verbindungen zuzuordnen sind. Die Wahl des im konkreten Fall zu verwendenden Losungsmittels bzw. Losungsmittelgemischs hangt von den folgenden Kriterien ab: • hohes Losevermogen fur das Bindemittel • ausreichende Verdunstungsgeschwindigkeit • moglichst hoher Flammpunkt (d.h. geringe Entflammbarkeit) • physiologische Unbedenklichkeit. Unter dem Flammpunkt (FP) versteht man die niedrigste Temperatur (in DC), bei der sich die aus der Fliissigkeit entweichenden Dampfe bei Atmospharendruck durch eine offene Flamme (oder andere Ziindquellen) entflammen lassen. Bei dieser Temperatur erlischt die Flamme allerdings wieder, sobald die Ziindquelle entfemt wird. Damit das Gemisch dauerhaft brennt, ist eine Temperatur erforderlich, die ungefahr 10°C iiber dem Flammpunkt liegt. Diese Temperatur wird als der Brennpunkt der Fliissigkeit bezeichnet. Der Flammpunkt wird zur Beurteilung der Brandgefahrdung einer Fliissigkeit herangezogen. Je niedriger der Flammpunkt, desto starker neigen die Fliissigkeiten zur Bildung explosiver DampfLuft-Gemische (z.B. Flammpunkt von Diethylether: -40°C, von Benzol: -11°C und von Benzin: ca. -26°C). Die Losungsmittel wurden bisher hinsichtlich ihrer Mischbarkeit mit Wasser in zwei Gejahrengruppen unterteilt:
10.2 Organische Losungs- und Verdunnungsmittel
417
• Gefahrengruppe A: mit Wasser nicht oder nur begrenzt mischbar; • Gefahrengruppe B: mit Wasser mischbar. Diese Unterteilung ist mit dem Inkrafttreten der neuen Betriebssicherheitsverordnung (10/2002) - BetrSichV - am 01.01.2003 und dem gleichzeitigen AuBerkrafttreten der Verordnung tiber brennbare Fltissigkeiten (VbF) weggefallen. Seitdem gelten fiir die Entziindlichkeit der Losungsmittel nur noch die Einstufungen und Kennzeichnungen laut Richtlinie 67/ 548/EWG, was eine Vereinfachung und Harmonisierung im europaischen Gefahrstoffrecht bedeutet. Die Entziindlichkeitskriterien sind wie folgt festgelegt: • Flammpunkt < O°C und Siedepunkt von hochstens 35°C, Einstufung: "Hochentztindlich", Kennzeichnung: F+; • Flammpunkt < 21°C aber nicht hochentziindlich, Einstufung: .Leichtentzundlich", Kennzeichnung: F; • Flammpunkt 21...55°C, Einstufung: "Entziindlich", Kennzeichnung: ohne; • Flammpunkt » 55°C, keine Einstufung, Kennzeichnung: ohne. Physiologisch vollig unbedenkliche Losungsmittel gibt es nur sehr wenige. Hat man die Wahl, sollte man stets ein Losungsmittel mit einem hohen MAK-Wert, d.h. einer geringen gesundheitsschadigenden Wirkung, und einem hohen Flammpunkt verwenden. Die Toxizitat des Losungsmittels kann der Kennzeichnung auf dem Etikett bzw. dem Sicherheitsdatenblatt entnommen werden. Es gelten hier die Kriterien wie fiir aile Gefahrstoffe: "Sehr giftig" (Symbol T+), "Giftig" (Symbol T) und "Gesundheitsschadlich" (Symbol Xu). AuBerdem sind unbedingt die Kennzeichnungen .Krebserzeugend", "Fortpflanzungsgefahrdend", .Erbgutverandemd" oder "Sensibilisierend" zu beachten, die verschlusselt in den R-Siitzen enthalten sind. AuBer diesen reinen Toxizitatskriterien muss darauf verwiesen werden, dass ein Losungsrnittel auch atzend (Kennzeichnung: C) sein kann oder die Haut, die Atemwege bzw. die Augen reizen kann (Kennzeichnung: Xi)' Zum Schutz der Umwelt hat man inzwischen fiir eine Reihe von Stoffen die Kategorie "Umweltgefahrdend" (Kennzeichnung: N) eingefiihrt. Das Losungsmittel bewirkt eine molekulare Auflosung bzw. Verteilung des Bindemittels. Haufig werden dem Losungsmittel aus Kostengriinden oder zur Verdunnung des Bindemittels Verschnitt- bzw. Verdiinnungsmittel beigemischt. Obwohl sie ailein nicht in der Lage sind, das Bindemittel aufzulosen, verbessern sie die Verarbeitbarkeit von Beschichtungsstoffen unterschiedlichster Art. Ein glatter, porenfreier Anstrichfilm kann bei Verwendung von Verschnittmitteln allerdings nur dann entstehen, wenn sie schneller verdunsten als die Losungsmittel. Anderenfalls fallt der geloste Stoff wahrend des Trocknens aus. Olige Bindemittellassen sich beispielsweise mit Terpentinolen oder Nitroverdunnung (Losungsmittelgemisch aus Estern, Ethanol, Aceton, Toluol, Xylolen und Glycolderivaten) verdtinnen. Ftir Olfarben wird auch Leinolfirnis benutzt. Eine Ubersicht tiber die Mischbarkeit der Losungsmittel ist Abb. 10.4 zu entnehmen. Die losende bzw. verdunnende Wirkung ist zeitlich begrenzt, da bereits mit dem Auftragen der Mischung Losungs- und Verdtinnungsmittel wieder zu verdunsten beginnen. Man geht davon aus, dass sich beispielsweise in einer losungsmittelhaltigen Kunststoffdispersion der
418
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Losungsmittelanteil durch Verdunsten innerhalb der ersten 24 Stunden um ca. 80% verringert. Bei der Verarbeitung losungsrnittelhaltiger Kleb- und Anstrichstoffe ist deshalb in Innenraumen fur eine gute Beluftung zu sorgen. Tabelle 10.8
Organische t.osunqs- und VerdOnnungsmittel a
Loslichkeit ) in H20 (gil)
Dichte a) Flammpunkt (0C) (g/cm')
MAK-Wert c) (mg/m')
Bezeichnung
Formel
Kohlenwasserstoffe Benzin (z.B. n-Hexan) Cyclohexan Benzol Toluol Xylole Styrol
CnH2n+2 C6H 12 C6H6 C6H s-CH3 C6H4(CH3) 2 CH2 = CH-C 6H s
0,013 0,050 1,77 0,47 0,2 0,24
CH 2C12 CHCh
20 8,2
1,3283 1,4832
360 50
CC4
0,8
1,5924
64
CHCl= cct, C6H sCI
1,1 0,49
+28
1,4692 1,1058
270 47
CH30H C2HsOH i-C4H9OH CH 2OH-CH2OH CH2OHCHOH-CH2OH
mischbar mischbar 95 mischbar mischbar
+11 +12 +27 +111 +160
0,7914 0,7894 0,8027 1,1131 1,261
260 1900 300 26
Ether Diethylether
C2Hs-O-C2Hs
75
-40
0,7137
1200 (308/EG)
Ketone Aceton
CH3-CO-CH3
mischbar
-19
0,7908
1200
C2Hs-O-CO-CH3
86
-4
0,9020
1400
C4H9-O-CO-CH3
30
+19
0,8716
480
+8
0,944
210
-30
1,2625
Chlorkohlenwasserstoffe Dichlormethan Trichlormethan (Chloroform) Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) Trichlorethylen Chlorbenzol Alkohole Methanol Ethanol Isobutanol Ethylenglycol Glycerin
-26 -10 -11 +7 +23 +31
0,6594 180 0,7785 700 3,3 (TRK)b) 0,8788 0,866 190 0,857-0,876 440 (221/EG) 0,909 85
Ester
Essigsaureethylester (Ethylacetat) Essigsaurebutylester (iso-Butylacetat) Methylmethacrylat (MMA)
CH 2 = C(CH 3)-COOCH3 16
Sonstige Schwefelkohlenstoff
CS2
a)
2,2
bei 20°C; b) TRK = Technische Richtkonzentration; c) [DC 7].
16
10.3 Bitumen, Teer und Asphalt
Wasser
Methylethylketon (Butanon)
419
Heptan
Essigsaureethylether
Abbildung 10.4 Mischbarkeit von Losungsmitteln a) durchgezogene Linien: unbegrenzt mischbar; b) gestrichelte Linien: begrenzt mischbar; c) gepunktete Linien: wenig mischbar und d) keine Verbindung: nicht mischbar.
Die Gesundheitsgefahrdung durch Losungsmittel auf der Grundlage von aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen, von Estern und Ketonen hangt mit ihrer hohen Fluchtigkeit und ihrem ausgezeichneten Fettlosevermogen zusammen. Durch Anreicherung im Organismus kommt es zu Schadigungen der Leber, der Nieren und des Zentralnervensysterns. Aufgrund ihrer gesundheitsschadigenden Wirkungen geht die Industrie heute mehr und mehr zur Entwicklung und Produktion von losungsmittelarmen bzw. -freien, wasserverdunnbaren Beschichtungsstoffen tiber, zu nennen waren Dispersions-Anstrichstoffe und Lacke mit Acryl- und Alkydharzen als Bindemittel.
10.3
Bitumen, Teer und Asphalt
1m taglichen Leben werden Bitumen und Teer immer noch verwechselt, obwohl sie sich in ihrer chemischen Zusammensetzung grundlegend unterscheiden (Tab. 10.9). Damit werden beim Umgang mit Bitumen noch heute Gefahren gesehen, die es nachweislich nur beim Umgang mit Teeren und Pechen gibt. Das betrifft insbesondere den Gehalt an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Bitumen sind Bindemittel, die als Rtickstand bei der Destillation von Erdol anfa11en, Teere entstehen bei der thermischen Zersetzung fossiler Brennstoffe, vor a11em von Steinkohle (Steinkohleteer). Peche sind Ruckstande, die bei der Destillation von Steinkohlenteer erhalten werden. Jahrzehntelang wurde sowohl im StraBenbau als auch im Bautenschutz Pech verwendet, jedoch als Teer bezeichnet. 1m Umgangssprachgebrauch heiBt es immer noch: "Die StraBe wird geteert ..." , wenn eine Fahrbahn eine neue Asphaltschicht erhalt, Dabei werden Asphalte seit den 80er Jahren nicht mehr mit Teerpechen, sondern mit bitumenhaltigen Bindemitteln produziert. Die Begriffsverwirrung ist unter anderem dadurch entstanden, dass bis 1983 sowohl Bitumen als auch Teer, Pech und Asphalt unter dem Oberbegriff .Bituminose Stoffe" zusammengefasst wurden. Der Sammelbegriff "bituminos" wurde aufgehoben und durch den Begriff "bitumenhaltig" ersetzt. Damit so11 eine Verwechslung von Bitumen mit der aus
420
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Gesundheitsgrunden nicht mehr verwendeten Gruppe der Teere bzw. Peche verhindert werden. Tabelle 10.9 GegenOberstellung von Bitumen und Teeren (Pechen)
Bitumen Farbe Ausgangsstoff Herstellungsverfahren / ungefahre Herstellungstemperatur Hauptbestandteile BaP-Gehalt 'J Phototoxische Reaktionen / Hautkrebsrisiko
Teere, Peche
schwarz Erdol Destillation / 350-400°C
schwarz Kohle Pyrolyse / > 1000°C
Asphaltene und Maltene max. 5 mg/kg nicht bekannt / nicht bekannt
PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) ca. 5 g/kg Teer kann in Verbindung mit Sonneneinstrahlung Hauterkrankungen bzw. Hautverfarbungen verursachen, teerverursachte Hautkrebserkrankungen werden als Berufkrankheit anerkannt.
')BaP Benzo[a]pyren, aromatisches 5-Ringsystem, krebserzeugend; s. Abb. 10.6.
10.3.1
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel.
Bitumen (lat. pix tumens ausschwitzendes Pech) ist nach DIN EN 12591 ein .nahezu nicht fliissiges, klebriges und abdichtendes, erdolstarnmiges Produkt, das auch im Naturasphalt vorkommt und das in Toluol vollstandig oder nahezu vollstandig loslich ist. Bei Umgebungstemperatur ist es hochviskos oder nahezu fest." Bitumen kommt in der Natur als Bestandteil von Asphalten und Asphaltgesteinen vor. Zu den bekanntesten Beispielen gehort der auf der Insel Trinidad ge1egene Asphaltsee, des sen Bitumengehalt etwa 40% betragt, Die Asphaltgesteine (z.B. Asphalt-Kalksteine) sind in langen geologischen Zeitraumen durch Verdunsten der leichter siedenden Anteile des Erdols entstanden. Das fur die Bitumengewinnung geeignete Rohol wird in einer ersten Stufe nach Erwarmen unter Atmospharendruck destilliert, wobei Benzin und die sogenannten Mitteldestillate (Petroleum, Gasole) verdampfen und kondensieren. Unterzieht man in einer zweiten Stufe den Riickstand einer Vakuumdestillation, werden weitere Bestandteile abgetrennt (Schmierole). Zuriick bleibt ein hochsiedender braunschwarzer Riickstand, das Bitumen. Sein Hartegrad ist in gewissen Grenzen steuerbar, indem mehr oder weniger Destillatanteile "abgezogen" werden.
Chemische Zusammensetzung und Eigenschaften Die Bitumenbestandteile, die beim Losen mit dem 30fachen Volumen n-Heptan ausfallen, also nicht loslich sind, nennt man Asphaltene. Die tiefschwarzen Asphaltene besitzen relative Molekiilmassen iiber 1000, durch Micellbildung konnen sie sich auf iiber 50 000 erhohen. Die in n-Heptan loslichen oligen, niedermolekularen Bestandteile werden als Maltene bezeichnet. Bitumen sind kolloide Systeme, in denen Bestandteile hoher Molekiilmasse in einer fliissigen Phase aus Bestandteilen niedrigerer Molekiilmasse dispergiert sind. Das
421
10.3 Bitumen, Teer und Asphalt
Dispersionsmittel besteht aus gesattigten KW und partiell hydrierten, kondensierten aromatischen Ringsystemen in dem hochmolekulare Asphaltene und Erdclharze kolloidal verteilt sind. Sie bilden die disperse Phase. Die dispergierten Teilchen liegen als Micellen (s. Kap. 6.2.2.3) vor. Bitumen sind kolloide Systeme (meist Sole), die in oligen Maltenen dispergierte AsphaItene und ErdOlharze enthalten.
Schicht M r= 1000
Abbildung 10.5 Struktur der Asphaltene; Mr relative Molekulmasse.
=
Cluster M r = 5000
-
Micellen M r = 50 000 bis 50 000 000
Auch Asphaltene bestehen aus hochmolekularen unpolaren und polaren Molekulteilen bzw. -gruppen, wenngleich die Verhaltnisse aufgrund des komplizierten Autbaus und der anspruchsvollen sterischen Struktur ungleich komplexer sind. Die unpolaren Molekulteile konnen kondensierte Aromaten, gesattigte Ringe oder Ketten sein. Die Anordnung der Asphaltene in den Micellen ist in Abb. 10.5 gezeigt. Die Stabilisierung der Asphalten-Micellen in der oligen Maltenphase erfolgt durch polare Aromaten niedriger Molekiilmasse (ErdOlharze). Die Erdolharze bilden eine Schutzschicht urn die Asphalten-Micellen und bewahren sie auf diese Weise vor dem Ausflocken. Durch Einblasen von Luft (Oxidationsbitumen, s.u.) wird infolge einsetzender chemischer Reaktionen und Aggregationsvorgange die Schutzschicht urn die Asphaltene zerstort und die polaren Aromaten wandeln sich teilweise in Asphaltene urn. Es bildet sich ein Asphaltengerust aus, in dessen Hohlraume die Maltene eingelagert sind. Das Bitumen geht dabei aus dem Solzustand in eine gelartige Konsistenz hoherer Harte tiber. Eigenschaften. Bitumen zeigen thermoplastisches Verhalten. Unterhalb des sog. Brechpunktes (BP) liegen sie in einem festen, sproden Zustand vor, oberhalb des Erweichungspunktes (EP) werden sie zunehmend flussig, Im Temperaturbereich zwischen BP und EP weisen sie zahplastisches Verhalten auf. Dieser Bereich wird deshalb auch als Plastizitats-
422
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
bereich oder .Plastizitatsspanne" bezeichnet. Fur die Praxis ist es wiinschenswert, dass der Gebrauchsbereich eines Bitumens mit seiner Plastizitatsspanne weitgehend ubereinstimmt. EP und BP sind wichtige Temperaturpunkte fur die praktische Anwendung von Bitumen, sie werden mittels spezieller Priifverfahren bestimmt (s. Lehrbucher der Baustoftkunde). • Bitumen sind in Wasser praktisch unloslich. Bei intensivem Kontakt mit Wasser oder Wasserdampf liegt die Loslichkeit von Bitumen zwischen 0,001...0,1%. Bitumen kann Wasser also nur in Spuren aufnehmen. Hinsichtlich seiner Wasserundurchlassigkeit ubertrifft es eine Reihe von Kunststoffen, die sich als Korrosionsschutzstoffe bereits bewahrt haben. Da Bitumen auch gegenuber Lufteinwirkung (0 2) bestiindig ist, gilt es als ideales Abdicht- und Korrosionsschutzmittel. • Gegenuber Losungen von Salzen, aggressiven Wassern, Sauren und Laugen ist Bitumen, zumindest bei Normaltemperatur, weitgehend bestandig. Seine Widerstandsfiihigkeit gegen Chemikalien erhoht sich mit zunehmender Harte. • Bitumen sind in organischen Losungsmitteln wie Schwefelkohlenstoff (CS 2 ) , Chloralkanen (z.B. CCI4, CHCh), Benzol und Toluol sowie in Benzinen und Olen loslich. Loslich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich das zugesetzte Losungsmittel mit den oligen Maltenen vermischt, d.h. in die kolloide Struktur "eingebaut" wird. Die Loslichkeit der Bitumen in gesattigten Kohlenwasserstoffen wie den Benzinen fuhrt zu Zerstorungen der Asphaltdecke durch auslaufendes oder tropfendes Benzin auf StraBen oder an Tankstellen. Physikalische Kenndaten der Bitumen. Niedrige Dichten: p = 1,07...1,10 g/cnr' (25°C), die Dichte nimmt mit steigender Harte des Bitumens zu; niedrige Wiirmeausdehnungskoeffizienten: 6 . 10-4 K- 1 im Temperaturbereich 15...200°C; niedrige spezifische Warmekapazitaten: 1,7 J/g'K (O°C), 1,9 J/g'K (l00°C); sehr geringe Warmeleitfahigkeiten (im Temperaturbereich 0...70°C betragt die Warmeleitfahigkeit A = 0,16 W/m K). Die auBerordentlich niedrigen Warmeleitfahigkeiten sind fur die hervorragende Isolierwirkung des Bitumens verantwortlich. Bitumensorten und Haupteinsatzbereiche. Nach der Herstellungsweise oder ihren Anwendungsgebieten werden verschiedene Bitumensorten unterschieden: Destillationsbitumen werden durch Destillation von Erdol in mehreren Stufen unter vermindertem Druck bei Temperaturen zwischen 350...380°C erhalten. Es handelt sich urn weiche bis mittelharte Bitumensorten, die bevorzugt als Bindemittel im StraBenbau Verwendung finden. Hochvakuumbitumen entsteht bei der Weiterbehandlung von Destillationsbitumen in einer zusatzlichen Bearbeitungsstufe im erhohten Vakuum. Es weist eine harte bis sprode Konsistenz auf und findet vor allem als Bindemittel fur Gussasphalt (Estriche) und bei der Produktion von Lacken, Gummiwaren sowie Isoliermaterial Verwendung. Oxidationsbitumen (geblasenes Bitumen) stellt man in speziellen Reaktoren her, indem man weiche Destillationsbitumen bei Temperaturen zwischen 230 ...290°C durch Einblasen von Luft oder Wasserdampf weiterbehandelt. Je nach eingesetztem Produkt, Temperatur und Blaszeit werden Bitumensorten mit verbesserter Kalte- und Warmebestandigkeit hergestellt (hoherer Erweichungspunkt). Verwendung: Dach- und Dichtungsbahnen, Klebemassen, Isoliermaterial.
10.3 Bitumen, Teer und Asphalt
423
Hartbitumen sind spezielle Oxidationsbitumen mit der harten bis springharten Konsistenz von Hochvakuumbitumen. Verwendung: siehe Hochvakuumbitumen. Polymermodifizierte Bitumen (PmB) werden durch chemische Vemetzung von Destillationsbitumen und Polymeren (z.B. Ethylenvinylacetat, Ethylenbutylacrylat, Styrol-Copolymerisate) hergestellt. Dabei verandern sich das thermo- und das elastoviskose Verhalten beider Komponenten. Anwendungsfelder sind besonders beanspruchte Verkehrsflachen im StraBen- und Flughafenbau sowie Dach- und Dichtungsbahnen. Durch den grofseren Plastizitatsbereich der PmB verbessem sich bei ihrer Verwendung als Trank- und Deckmassen solche Eigenschaften wie das Kaltbiegeverhalten und die Warmestandfestigkeit der Bahnen. Besonders interessant ist der Einsatz von Tragereinlagen in Polymer-Bitumendachdichtungsbahnen und Polymer-BitumenschweiBbahnen. Neben den ublichen Tragereinlagen wie Jute- und Glasgewebe werden auch Bahnen mit Polyesterfaservlies hergestellt. Dadurch kann die Zugfestigkeit vergrolsert und das Dehnverhalten verbessert werden. Die Verwendung von Bitumen als Baustoffreicht ca. 6000 Jahre zuriick. Bereits die Sumerer, Babylonier und Assyrer benutzten Sand-Bitumen-Mischungen fur unterschiedlichste Anwendungen. Ein gezielter industrieller Einsatz begann im 19. Jahrhundert mit der Zunahme des motorisierten Verkehrs. Hinsichtlich der Anwendbarkeit von Bitumen unterscheidet man die Hei8- und die Kaltverarbeitung. So wird z.B. bei der Herstellung von Bitumenbahnen das Bitumen mit Zuschlagstoffen bei etwa 160°C vermischt und bei Temperaturen zwischen 180 und 190°C auf das Tragermaterial aufgebracht. Der Einbau auf den Baustellen kann dann durch SchweiBen mittels Propangasbrenner (Verarbeitungstemperatur -200°C, Bitumenbahn wird angeschmolzen und mit Untergrund verklebt) oder durch Einlegen in HeiBbitumen (180 bis 230°C) erfolgen. HeiBflUssige Bitumenmassen werden zum Verkleben von Dammstoffen oder zum VerschlieBen von Fugen verwendet. Der mit Abstand groBte Bitumenanteil (75 bis 80%) wird flir die Herstellung von Walzasphalt fur den StraBenbau verwendet. Daneben finden auch Gussasphalte als Estriche fur Werkhallen, Parkdecks, im Wohnungsbau sowie fur Deckschichten im StraBen- und Briickenbau Anwendung. FUr die Kaltverarbeitung wird Bitumen entweder in Olen oder organischen Losemitteln gelost (Bitumenlosungen) oder in Wasser dispergiert (Bitumenemulsionen). BitumenlOsungen. Bitumen konnen mit anderen Komponenten vermischt ("verschnitten" oder technisch korrekt: "gefluxt") werden. In Frage kommen bestimmte Fluxole, fruher: Verschnittole (Erdoldestillate), oder niedrig siedende Losungsmittel wie Benzine oder Benzol, die mit den Bitumenmaltenen mischbar sind. 1m ersten Fall erhalt man Fluxbitumen (fruher: Verschnittbitumen). Die Fluxbitumen werden unter Zusatz schwer fluchtiger Fluxole in Raffinerien neben der Produktion von Bitumen hergestellt, indem weiche StraBenbaubitumen mit bestimmten Erdoldestillaten bei etwa 100°C vermischt werden. Durch das Verschneiden wird die Viskositat der eingesetzten Bitumen deutlich herabgesetzt, so dass sie bei nur leichter Erwarmung verarbeitet werden konnen (Einbautemperatur: -60°C). Verwendung finden die Fluxbitumen im StraBenbau bei hohlraumreichen Decken (Verdunsten der Fluxole muss gewahrleistet sein!). Da diese Decken nur noch selten gebaut werden, ist die Anwendung von Fluxbitumen deutlich zuruckgegangen, Werden zum Verschneiden von weichem bis mittelharten StraBenbaubitumen niedrig siedende Losemittel wie Benzine verwendet, erhalt man Kaltbitumen oder Bitumenanstrich-
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
424
mittel (Bautenschutz). Kaltbitumen sind schnell abbindend und dienen zur Herstellung von StraBenbaugemischen fur den Soforteinbau (Bitumenanteil ca. 70 - 80%).
Bitumenemulsionen. Obwohl nicht wasserloslich, verteilt sich in heiBes Wasser eingertihrtes Bitumen tropfchenformig, Es bildet sich eine Bitumenemulsion. Sind der wassrigen Losung vorher keine Emulgatoren zugesetzt worden, kommt es sofort nach Beendigung des Ruhrvorganges zu einer Koagulation der Bitumentropfchen, Sie flieBen ineinander und bilden wieder eine zusammenhangende Masse. Zugesetzte Emulgatoren reichem sich an der Grenzflache Bitumen/Wasser an und verhindem die Koagulation. Nach der Art der Emulgatoren wird zwischen einer kationischen und einer anionischen Bitumenemulsion unterschieden. Ais kationische Emulgatoren kommen hochmolekulare und als anionische Emulgatoren Alkalisalze von Fett- bzw. Ammoniumsalze R-NH3+ Harzsauren zur Anwendung. Die hochmolekularen Ammoniumsalze lagem sich an die Bitumentropfchen an. Die geladenen NH3 +-Gruppen sind vom Bitumentropfen weg zur wassrigen Losung gerichtet und vennitteln die Wasserloslichkeit der Tropfchen, Durch die positive Aufladung der Bitumenkugelchen und die daraus resultierende AbstoBung werden sie im Schwebezustand gehalten. Alkalische Emulgatoren (anionische Emulsionen) fuhren zu einer negativen Aufladung der Oberflache der Bitumenteilchen und damit ebenfalls zur elektrostatischen AbstoBung.
cr
Nach dem Verarbeitungsschritt (Vennischen mit Mineralstoffen) muss die Emulsion zerfallen (Brechen), damit die Bitumenteilchen so dicht wie moglich an die Gesteinsoberflache gelangen und den Bitumenfilm ausbilden konnen, Der Brechvorgang wird sowohl durch die chemische Natur des Emulgators als auch durch die mineralische Zusammensetzung und Oberflachenbeschaffenheit des Untergrunds beeinflusst. Kationische Emulsionen sind besonders fur den Einsatz auf einem silicatischen sauren Untergrund (z.B. Quarzit, Kiese) geeignet. Die sich ausbildenden elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen den positiv geladenen Ammoniumgruppen und den nicht abgesattigten, negativ geladenen Sauerstoffatomen der Si04 - Tetraeder des silicatischen Untergrunds sind die Ursache fur die ausgezeichnete Haftung des Bitumenfilms auf der Gesteinsoberflache, Die Fettsaurereste der anionischen Emulgatoren konnen durch basische Gesteine gebunden werden. Deshalb werden anionische Emulsionen bevorzugt fur basische Gesteine, wie z.B. Kalksteine, verwendet. Daruber hinaus tragen noch Adsorptionsprozesse zur Filmbildung bei. Die Filmbildung ist dann abgeschlossen, wenn das Emulsionswasser vollstandig verdunstet ist. Ein wichtiger Anwendungssektor fur kaltverarbeitbare Bitumenprodukte ist die Abdichtung von Kellerwanden mit Bitumendickbeschichtungen vor allem im Wohnungsbau. Oft werden Bitumenvoranstriche zur Haftverbesserung vor dem Aufbringen von Bitumenbahnen aufgetragen. Bitumenhaftkleber werden zum Verkleben von Dachpappen, Dammstoffplatten usw. eingesetzt. Fur die Verarbeitung von Iosemittelhaltigen Bitumenprodukten wie auch von Bitumenemulsionen wurde auf Anregung des Gesprachskreises BITUMEN vom Industrieverband Deutsche Bauchemie e.V. die Verwendung geeigneter Schutzhandschuhe empfohlen.
Mogliche gesundheitliche Auswirkungen bei der Verarbeitung von Bitumen. In ihrer MAK-Liste des Jahres 2001 hat die Senatskommission zur Prufung gesundheitsschadlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bitumen (Dampf und Aerosol) als
10.3 Bitumen, Teer und Asphalt
425
hautresorptiv (wird durch die Haut aufgenommen) und krebserzeugend (Kategorie 2) eingestuft. Begriindet wird diese Bewertung vor allem damit, dass im Bitumen polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten sind. Hier ist allerdings zu berticksichtigen, dass der Gehalt an Benzo[a]pyren (BaP, Abb. 10.6), das als Leitsubstanz fur die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe gilt, mit 2-3 mg/kg im Bitumen deutlich unter den 50 mg/kg liegt, ab denen Substanzen laut Gefahrstoffverordnung als krebserzeugend gelten. Zum Vergleich: Teer enthalt 5 g/kg BaP! Zudem werden die PAK nur bei Temperaturen deutlich tiber 100°C freigesetzt. Die Bewertung in der MAK-Liste stellt die Meinung der MAK-Kommission dar und ist rechtlich nicht bindend. Rechtlich bindend ist dagegen der Luftgrenzwert von 10 mg/rrr' fur Dampfe und Aerosole aus Bitumen fur die HeiBverarbeitung, ausgenommen sind Arbeiten mit Gussasphalt (TRGS 900). Aus festem Bitumen im StraBenbelag, aus Dachbahnen, aus Isolieranstrichen u.a, treten bei normalen Temperaturen praktisch keine Emissionen auf. Die MAK-Kommission bezeichnet ihre Empfehlung zur obigen Einstufung vor allem als VorsorgemaBnahme. Sie solI solange Gtiltigkeit besitzen, bis endgultige Daten vorliegen, die eine Schadwirkung von Bitumendampfen bestatigen - oder eben nicht. Ftir die Zukunft wird eine weitere Verringerung der Emissionen aus Bitumen bei der HeiBverarbeitung erwartet, da gegenwartig groBe Anstrengungen untemommen werden, die Misch- und Einbautemperatur von Asphalt bei gleichbleibender Qualitat zu verringem. Dies wiirde dartiber hinaus nicht nur den Energieverbrauch senken, sondem harte auch geringere CO2-Emissionen zur Folge. Alterung von Bitumen. Alterungsprozesse sind immer auf das komplexe Zusammenwirken unterschiedlicher Witterungs- und Umwelteinflusse zurtickzufuhren (s.a. Kap. 10.4.7). 1m Fall der Bitumen bzw. bitumenhaltigen Bindemittel sind in erster Linie UV-Strahlung, Luftsauerstoff und hohe Temperaturen verantwortlich. Vor allem bei Lichteinwirkung erfolgt in Gegenwart von Luftsauerstoff eine Oxidation der Kohlenwasserstoffe, was zu einer chemischen Veranderung der Oberflachenschicht fuhrt (" chemische Verhdrtung H). Zu einer Bindemittelverhartung kann es auch durch geringfugiges Verdampfen der leicht fluchtigen Olanteile bei erhohten Gebrauchstemperaturen kommen ("physikalische Verhartung"}. So kann sich bei der HeiBaufbereitung von Asphalt infolge von Oxidationsprozessen der Anteil an leichten Maltenen zugunsten hohermolekularer Asphaltene verringem. Die Folge ist eine ungunstigere Adhasion des Bitumens an der Mineralstoffkomung.
10.3.2
leer und Pech
Teer (miuelniederdt. tere das zu Baum gehorende) ist ein aus verschiedenen organischen Verbindungen bestehendes, fliissiges bis halbfestes, tiefschwarzes bis braunes Gemisch, das durch trockene Destillation (-+ Pyrolyse: thermische Zersetzung bei hohen Temperaturen) von organischen Naturstoffen wie Stein- oder Braunkohle, Holz, Torfund anderen fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Die chemische Zusammensetzung der entstehenden Teere ist je nach Ausgangsmaterial recht unterschiedlich. Steinkohlenteer ist beispielweise ein Gemisch aus weit tiber 1000 Einzelsubstanzen, 500 davon wurden mit Sicherheit identifiziert. Dazu gehoren Benzol, Naphthalin, Phenol, Pyridin, Kresole, Indole, Anthracen, Phenanthren u. v. a. In die Diskussion sind die Teere in den 70-80er Jahren vor allem wegen ihres relativ hohen Anteils an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK, s. Kap. 10.1.1.3) gekommen. PAK, vor allem Benzo[a]pyren (Abb. 10.6), gelten als krebserzeugend.
426
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Grofste wirtschaftliche Bedeutung besitzt nach wie vor der Steinkohlenteer - mit Abstrichen auch der Braunkohlenteer. Sie gehoren beide zu den Hochtemperaturteeren. Steinkohlenteer wird bei der Verkokung von Steinkohle als tiefschwarze, viskose Fliissigkeit erhalten. Die bei der fraktionierten Destillation von Steinkohlenteer anfallenden Teerole sind olige Flussigkeiten. Sie machen etwa 30% des Rohteers aus. Teerole werden zur Gewinnung von aromatischen Verbindungen wie Naphthalin und Anthracen sowie zur Produktion von Heizolen, Impragnierolen fur den Holzschutz und zur Gewinnung von RuBgenutzt. Abbildung 10.6 Benzo[a]pyren (BaP) als Vertreter der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK)
Teerpeche sind die zahflussigen bis festen, teerartigen bis schmelzbaren Ruckstande, die bei der Destillation der oben genannten Naturstoffe zuriickbleiben. Peche sind Gemische aus hochmolekularen cyclischen Kohlenwasserstoffen und heterocyclischen Verbindungen mit mittleren Molmassen bis ca. 30.000. Liingerfristige Einwirkung von Teer auf die Haut kann Hautveriinderungen hervorrufen, die im schlimmsten FaIle zu Hautkrebs fuhren konnen. Wegen ihres Gehaltes an PAK sind die Teere und Peche in die Gruppe III der MAK-Liste (MAK-Liste III A 1) eingestuft worden. Seit 1987 werden in Deutschland Peche als Bindemittel fur technische Asphalte (evtl. auch in Kombination mit Bitumen) nicht mehr eingesetzt.
10.3.3
Asphalte
Unter Asphalten versteht man natiirlich vorkommende oder technisch hergestellte Gemische aus Bitumen oder bitumenhaltigen Bindemitteln und Mineralstoffen. Naturasphalte sind durch Verdunstung der leichtfliichtigen Bestandteile des Erdols und oxidative Polymerisation der schwerer fliichtigen Bestandteile unter eventuellem Einfluss von Mikroorganismen entstanden. Nach ihrem Bitumengehalt werden sie in Asphaltite, Seeasphalte und Asphaltgesteine unterteilt. Die als StraBenbelag eingesetzten Mischungen von komigen Mineralstoffen und Bitumen werden als technische Asphalte bezeichnet. Ais Mineralstoffe kommen entweder natiirliche (Kiese, Sande, aus Felsgestein hergestellte Korngemische) oder kiinstliche Mineralstoffe (Hochofen- und Metallhiittenschiacke, Aschen) zum Einsatz. Asphalte zeichnen sich durch einen hohen Gesteinsanteil aus. Er liegt bei Asphalten fur den StraBenbau etwa bei 95%. In baustofftechnischer Hinsicht wird zwischen ungebrochenen Mineralstoffen wie Kies und Natursand (Rundkorn) und gebrochenen Mineralstoffen wie Schotter, Splitt, Brechsand und Gesteinsmehlen (Brechkorn) unterschieden. Aufgrund der guten Benetzungseigenschaften des flussigen Bitumens ergibt sich eine dauerhafte Bindung zu den Gesteinsfliichen. Die Einzelkorner werden durch Bitumen zu einem dauerhaften Verbundmaterial "verkittet".
10.4 Kunststoffe
10.4
Kunststoffe
10.4.1
Allgemeine Eigenschaften
427
Kunststoffe sind makromo1eku1are Werkstoffe, die ihren einstigen Ruf als .Ersatzstoffe" fiir Naturstoffe wie Kautschuk, Horn und pflanzliche Harze durch eine Reihe giinstiger Eigenschaften und eine hohe Wirtschaftlichkeit lange widerlegt haben. Auf bestimmten Anwendungsgebieten sind die Kunststoffe den traditionellen Werkstoffen inzwischen weit iiberlegen. Dazu kommt der vergleichsweise geringe Energieaufwand bei der Herstellung von Kunststoffen im Gegensatz zu klassischen Metallen wie Aluminium und Eisen. Vergleicht man beispielsweise den Energieverbrauch fur die Produktion gleicher Volumina Aluminium und Polyethylen, ergibt sich fur Aluminium ein neunmal hoherer Verbrauch [OC 5]. Zur Gewinnung des gleichen Volumens Stahl muss immerhin noch die dreifache Energiemenge aufgewendet werden. Obwohl im Bauwesen nach wie vor mineralische Baustoffe dominieren, findet heute bereits ein Viertel der Kunststoffproduktion der BRD im Bausektor Anwendung. Zu den herausragenden Eigenschaften des Werkstoffs Kunststoffziihlen: • eine geringe Massendichte Mit Dichten im Bereich von 0,8 bis 2,2 g/cm" sind die Kunststoffe deutlich leichter als die Metalle, bei Schaumstoffen werden sogar Werte s 0,05 g/cnr' erreicht. • eine hohe Korrosionsbestdndigkeit Kunststoffe weisen gegeniiber den meisten aggressiven Fliissigkeiten bzw. Chemikalien eine hohe Widerstandsfahigkeit auf (Ausnahme: Organische Losungsmittel). eine niedrige Verarbeitungstemperatur und gute Verformbarkeit Die Verarbeitungstemperaturen liegen in der Regel unter 250°C. Es ist sowohl eine spanende als auch eine spanlose Verformung moglich, • eine geringe thermische und elektrische Leitfiihigkeit. Die Mehrzahl der Kunststoffe weisen eine geringe thermische und elektrische Leitfahigkeit auf, weshalb sie fur Isolations- und Warmedammzwecke geradezu pradestiniert sind. Andererseits konnen auch leitfahige Kunststoffe (Polypyrrol, Polyacetylen) hergestellt werden. Ihre Leitfahigkeit kann durch Dotieren (z.B. mit AsF s oder Natrium) auf Werte von etwa 104 S/cm, also in den Leitfahigkeitsbereich des metallischen Quecksilbers erhoht werden. Leitfahige Kunststoffe finden beispielsweise in metallfreien Batterien Anwendung.
Kunststoffe weisen allerdings auch eine Reihe nachteiliger Eigenschaften auf. Sie sind meist nur wenig warmebestandig, leicht brennbar und altern schnell (Kap. 10.4.7). Dariiber hinaus besitzen sie meist niedrigere Festigkeiten und eine deutlich hohere Warmeausdehnung als die Metalle. Kunststoffe zeigen ein charakteristisches thermisches Verhalten. Entweder sind sie oberhalb einer bestimmten Temperatur plastisch erweichbar oder sie harten nach einmaligem Durchlaufen eines plastischen Zustands irreversibel aus. Deshalb werden sie auch als Plaste oder Plastik (engl. plastics) bezeichnet. Fiir Kunststoffe mit harzahnlicher Konsistenz verwendet man die Begriffe Kunstharze oder synthetische Harze, Reaktionsharze, Giefiharze oder Laminatharze. Reaktionsharze sind Kunstharze, die fur sich oder durch chemische
428
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Reaktion mit einer zweiten (evtl. auch mehr!) Komponente, z.B. einer Harter-, einer Beschleuniger- oder weiteren Harzkomponenten, zum eigentlichen Kunstharz ausharten. Bei den Reaktionsharzen handelt es sich meist urn flussige oder verflussigbare niedermolekulare Harze (Grundharze) mit mittleren Molmassen im Bereich von 380...500. Harter sind Stoffe oder Stoffgemische, die die Aushartung des Grundharzes zum ausgehiirteten Harz bewirken. Der neue Begriff Polymerwerkstoff schlieBt den Begriff Kunststoff vollstandig ein. Ausgangsstoffe fur die vollsynthetischen Kunststoffe sind vor allem Erdol, aber auch Kohle und Erdgas sowie Kalk, Kochsalz, Wasser u.a.
10.4.2 Aufbau und Struktur Kunststoffe sind polymere Verbindungen (Polymere). Sie bestehen aus groBen Molekiilen (Makromolekiilen), deren Molekiilaufbau durch wiederholte Aneinanderreihung bestimmter Struktureinheiten bzw. -bausteine beschrieben werden kann. Da es eine Reihe natiirlicher Polymere, wie z.B. Cellulose, EiweiBe und Kautschuk gibt, bezeichnet man die Kunststoffe auch als synthetische Polymere. Dabei trifft man nochmals eine Unterscheidung dahingehend, ob die Makromolekiile durch Umwandlung makromolekularer Naturstoffe (halbsynthetische Kunststoffe, z.B. Celluloseacetat) oder durch Bildung aus niedermolekularen Verbindungen (synthetische Kunststoffe) entstanden sind. Den niedermolekularen einzelnen Baustein bezeichnet man als Monomer. Durch bestimmte Aufbau- oder Bildungsreaktionen (Polymerisation, Polykondensation, Polyaddition, s.u.) werden Monomere zu Polymeren verknupft,
a)
-0-
bifunktioneller Baustein
-Q-
trifunktioneller Baustein
Abbildung 10.7 Schematische Darstellung a) linearer, b) verzweigter, c) vernetzter MakromolekOle gleicher Monomerbausteine (Homopolymere).
Unterschiedliche Aufbaureaktionen fuhren zu Makromolekulen mit unterschiedlichen Molekiilmassen. Kunststoffe sind demnach keine einheitlichen Verbindungen, sondem besitzen eine Molekiilmassenverteilung: Die mittlere relative Molekiilmasse liegt bei den meisten Kunststoffen zwischen 10 000 und 300 000. Ihre GroBe beeinflusst entscheidend die Eigenschaften und das Verarbeitungsverhalten der Polymere. Eine wichtige GroBe in der Polymerchemie ist der Polymerisationsgrad. Dabei muss korrekterweise zwischen dem Polymerisationsgrad eines Makromolekiils und dem durchschnittlichen Polymerisati-
429
10.4 Kunststoffe
onsgrad der Gesamtheit der in einem Polymer vorliegenden Makromolekule unterschieden werden. Der Polymerisationsgrad eines Makromolektils gibt die Anzahl der Monomerbausteine pro Makromolekill an. Der Polymerisationsgrad eines Polymers entspricht dagegen dem Mittelwert des Polymerisationsgrads der in ihm vorliegenden Makromolektile. Besitzt ein Kunststoffbeispielsweise einen Polymerisationsgrad von 5000, so sind die Makromolekule des Polymers aus durchschnittlich 5000 Monomermolektilen aufgebaut. Ftir den Autbau von Makromolekiilen gibt es unterschiedliche Moglichkeiten: Um aus Monomeren Makromolektile zu bilden, mussen die Grundbausteine zumindest bifunktionell im Sinne der angestrebten Polyreaktion sein. 1m einfachsten Fall erhalt man ein lineares Polymer (Abb. 10.7a). Dagegen fiihren trifunktionelle Bausteine zu verzweigten und vemetzten Polymeren (Abb. 10.7b,c). Vemetzte Makromolektile bilden ein dreidimensionales Netzwerk aus. In Abb. 10.7a wurde stillschweigend angenommen, dass es nur eine einzige Moglichkeit gibt, Monomerbausteine in eine Kette einzubauen. Haufig existieren jedoch mehrere Moglichkeiten, wie das Beispiel der Verknupfung von Polystyrol zeigt (Abb. 10.8). Molektile einer solchen Grundstruktur besitzen zwei reaktive Zentren, ein Zentrum am .Kopf" und eines am "Schwanz" des Molektils. Die Makromolektile konnen sich demnach durch Schwanz-Kopf-, Kopf-Schwanz-, Kopf-Kopf- und Schwanz-Schwanz-Verknupfung aufbauen. Aber selbst bei einer einheitlichen Art der Verknupfung gibt es wiederum jeweils zwei Moglichkeiten fiir das Monomer, sich an die wachsende Kette anzulagem: Da die Kettenmolektile zwei verschiedene Seiten besitzen, kann sich das Monomer entweder von der "rechten" oder von der .Jinken" Seite an die Polymerkette anlagem. Die Folge sind Makromolektile mit unterschiedlicher Anordnung der Seitenketten.
Kopf~
........
~
~
/
Abbildung 10.8 Schwanz
•••
Unterschiedliche Moglichkeiten der raurnlichen VerknOpfung von Styrol zu Polystyrol
•• ••••• t Schwanz-Schwanz-
Kopf-Kopf-
Verkniipfung
Makromolektile konnen aus einer einzigen oder aus mehreren Arten von Monomereinheiten bestehen. 1m ersten Fall liegen Homopolymere (z.B. Polyethylen) vor. Sind zwei oder mehrere verschiedene Arten von Monomerbausteinen zu sogenannten Copolymeren mit-
430
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
einander verknupft (Abb. 10.9), erhohen sich naturgemaf die Variationsmoglichkeiten hinsichtlich der Struktur und der Eigenschaften des Kunststoffs: Je nach ihrer Verknupfung unterscheidet man alternierende und statistische Copolymere (Abb. 10.9). Blockcopolymere entstehen, wenn entweder die Polymerisation der einen Komponente mit einer hoheren Reaktionsgeschwindigkeit ablauft als die der anderen oder beide Polymerisationen zeitlich versetzt erfolgen. Zur Bildung von Pfropfcopolymeren kommt es, wenn eine zweite Komponente auf die Makromolekule einer ersten als Seitenverzweigungen aufpolymerisiert wird. Indem sich die Seitenketten miteinander verbinden, erfolgt wiederum eine Vemetzung der Polymerketten. alternierende Copolymere statistische Copolymere Blockcopolymere
Abbildung 10.9 Arten von Copolymeren
Propfcopolymere
Die raumliche Anordnung der Substituenten einer polymeren Kette charakterisiert man durch die Taktizitat (griech. taxis ordnen). Man unterscheidet zwischen einer isotaktischen, syndiotaktischen und ataktischen Anordnung der Substituenten (Abb. 10.10). Bei isotaktischen Polymeren befinden sich die Seitengruppen aile auf der gleichen Seite, bei syndiotaktischen Polymeren abwechselnd auf der einen und der anderen Seite und bei ataktischen Polymeren statistisch verteilt auf beiden Seiten der Molektilkette angeordnet. Der Begriff der Taktizitat spielt nattirlich beim Polyethylen keine Rolle, wohl aber beim Polypropylen, wo eines der H-Atome durch eine CH3-Gruppe ersetzt ist.
isotaktisch
Abbildung 10.10 Unterteilung verzweigter Polymerketten hinsichtlich ihrer Taktizitat
syndiotaktisch
ataktisch
Makromolektile sind je nach der Art und der Anzahl ihrer Bausteine sterisch mehr oder weniger kompliziert aufgebaute Molekule mit einer grofsen raumlichen Ausdehnung. Es liegt deshalb auf der Hand, dass es den kettenformigen, z.T. ineinander verschlungenen
lOA Kunststoffe
431
bzw. zusammen geknaulten Makromolekiilen nahezu unmoglich ist, sich regelmalsig im Raum anzuordnen und ein Kristallgitter zu bilden. Allenfalls ist es vorstellbar, dass sich innerhalb der ansonsten unregelmafiigen Molekiilanordnung kristalline bzw. teilkristalline Bereiche ausbilden. Stark verzweigte und sehr unregelmafsig aufgebaute Makromolekiile sollten demnach vorwiegend amorphe Produkte mit einem geringen Anteil kristalliner Bereiche bilden. Ein hoher Anteil an kristallinen Bereichen ist nur zu erwarten, wenn lineare, moglichst wenig verzweigte Makromolekiile einen weitgehend regelmaBigen Aufbau aufweisen oder wenn unregelmaliig gebaute Ausgangsmolekiile in bestimmter regelmalsiger Weise im linearen Makromolekiil miteinander verbunden sind. Zur Ausbildung regelmalliger Strukturen kommt es insbesondere dann, wenn zwischen den einzelnen Makromolekulen zusatzliche intermolekulare Wechselwirkungskrafte auftreten, die zu einer gewissen Ausrichtung der Kettenmolekiile fiihren. Hier sind vor allem Wasserstoffbruckenbindungen zu nennen, wie sie sich z.B. bei den Polyamiden ausbilden. Sind Carboxylgruppen im Makromolekiil vorhanden, so konnen sich durch den zusatzlichen Einbau von Metallkationen wie Mg2+ oder Zn2+ elektrostatische Anziehungskrafte zwischen entgegengesetzt geladenen Ionen bzw. ionischen Molekiilfragmenten ausbilden. Die relativ festen Ionenbindungen lockem sich jedoch bei hoheren Temperaturen allmahlich wieder, so dass sich, auch Ionomere genannte Kunststoffe, tiber die in der Kunststofftechnik gangigen Formgebungsverfahren fiir Thermoplaste verarbeiten lassen. Der Volumenanteil an kristallinen Bereichen im Kunststoff liegt in vielen Fallen zwischen 40...70%. Bei Polyethylen kann er je nach Herstellungsverfahren noch daruber liegen (bis 80%). Der theoretische Wert von 100% kannjedoch nie erreicht werden.
Kunststoffe Hegen stets als teilkristalline Polymere mit einem mehr oder weniger gro8en Anteil kristalliner Bereiche in einer ansonsten ungeordneten Molekiilanordnung vor. Polymere mit einer weitgehend regellosen Anordnung der Makromolekiile (Filzstruktur) und einem geringen kristallinen Anteil werden vereinfachend als amorphe Polymere, solche mit einem hohen Anteil kristalliner Bereiche als kristalline Polymere bezeichnet.
10.4.3
Einteilung der Kunststoffe nach ihren thermischen und mechanischen Eigenschaften
10.4.3.1 Thermoplaste (Plastomere) Thermoplaste (griech. thermos warm, plastikos formbar) bestehen aus kettenformigen oder verzweigten Makromolekiilen, zwischen denen nur schwache intermolekulare Krafte wirken. Je starker die Verzweigung bzw. je sperriger die Seitengruppen, umso ungeordneter und starker verknault liegen die Makromolekiile vor (amorpher Thermoplast, Abb. 10.11a). Zeigen die Kettenmolekiile eine mehr oder weniger starke Ausrichtung, liegen teilkristalline Thermoplaste vor (Abb. 10.11b). Kristalline Teilbereiche fiihren zu einer Verbesserung mechanischer Kennwerte, z.B. zu einer Erhohung der Schlagzahigkeit. 1m Gegensatz zu mineralischen oder metallischen Baustoffen, von denen jeweils zwei kondensierte Aggregatzustande (fest und flussig) existieren, werden bei den Thermoplasten in Abhangigkeit von der Temperatur drei kondensierte Zustandsformen unterschieden: fest (bzw. hartelastisch), weichelastisch und olig-Ilussig.
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
432
a)
b)
Abbildung 10.11 Strukturen thermoplastischer Kunststoffe: a) Thermoplast mit einem geringen Anteil an kristallinen Bereichen (amorpher Thermoplast); b) Thermoplast mit einem hoherem Anteil an kristallinen Bereichen (teilkristalliner Thermoplast).
Amorphe Thermoplaste sind durch die Glasiibergangstemperatur Tg (auch: Glastemperatur) charakterisiert. Sie kennzeichnet die Temperatur, bei der die amorphen Polymere im Verlauf der Temperaturerhohung vom glasartig harten, sproden in einen zah- bis weichelastischen Zustand iibergehen. Die Beweglichkeit der Molekiilketten nimmt zu und die intermolekularen Wechselwirkungen werden allmahlich iiberwunden. Sind sie vollstandig abgebaut, konnen die Molekiilketten ungehindert aneinander vorbeigleiten. Der Kunststoff nimmt eine teigig-zahe bis olig-flussige Konsistenz an. Der Ubergang aus dem thermoelastischen in den thermoplastischen Bereich ist durch die Flie8temperatur Tjgekennzeichnet, bei teilkristallinen Thermoplasten bezeichnet man diesen Ubergang als Kristallitschmelztemperatur Tm • Die hochviskose Fliissigkeit (Schmelze) lasst sich verfahrenstechnisch durch Pressen, Extrudieren, SpritzgieBen usw. verarbeiten. Ab einer bestimmten Temperatur Tz (Zersetzungstemperatur) erfolgt die thermische Zersetzung des Polymers durch Spaltung der kovalenten Bindungen im Makromolekiil. Die Zustandsformen und -bereiche der Thermoplaste sind in Abb. 10.12 dargestellt. Es wird deutlich, dass bereits geringe Temperaturunterschiede eine Veranderung der mechanischen Eigenschaften bewirken konnen. 1m thermoelastischen Zustandsbereich lassen sich die Thermoplaste umformen, z.B. durch Biegen, Tief- oder Streckziehen, im thermoplastischen Bereich dagegen urformen (z.B. durch GieBen, Extrudieren, Kalandrieren) und schweiBen. Kiihlt man die Schmelze ab, wird unterhalb von Tg die Beweglichkeit und Drehbarkeit der Makromolekiile stark eingeschrankt und die intermolekularen Wechselwirkungskrafte werden wieder wirksam. Die Struktur wird praktisch "eingefroren". Man bezeichnet Tg deshalb auch als Einfriertemperatur. 1m Gegensatz zu monomeren kristallinen Substanzen sind die Ubergange von einer Zustandsform zu einer anderen nicht exakt lokalisiert. Sie erstrecken sich vielmehr iiber ein mebr oder weniger breites Temperaturintervall. Man spricht deshalb besser vom Erweichungs/Einfrier}-, Fliefi- und Zersetzungsbereich. Thermoplaste erweichen bei Erwarmung und sind im erweichten Zustand verformund verarbeitbar. Sie harten nicht aus. Thermoplaste konnen je nach ihrer chemischen Zusammensetzung bei Normaltemperatur im hartelastischen (sproden), im weichelastischen oder sogar im olig-flussigen Zustand vorliegen. Dies hat seine Ursache in unterschiedlichen Erweichungsbereichen. Thermoplaste sind in den meisten organischen Losungsmitteln gut loslich, da die Losungsmittel-
433
10.4 Kunststoffe
molekule die schwachen intennolekularen Wechselwirkungskrafte zwischen den Makromolekiilen iiberwinden konnen.
IZersetzung I
.... 2
~
r. (Zersetzungsbereich) 1~
Q)
a. E
Iteigig-zaher bis olig-flOssiger Zustand I Ttl t; H
Thermoplastischer Bereich
~
(Flie13bereich)
Izah- bis weichelastischer Zustand I
Thermoelastischer Bereich
Tg (Erweichungsbereich)
H
Ihartelastischer Zustand, glasartig I Abbildung 10.12 Zustandsbereiche und -formen von Thermoplasten
Durch den Zusatz von Weichmachern zu Thennoplasten (z.B. PVC) werden Elastizitatsmodul und Einfrier- bzw. Glasiibergangstemperatur emiedrigt. Der thennoplastische Bereich wird zu niedrigeren Temperaturen verschoben. Das Formveranderungsvermogen und die elastischen Eigenschaften erhohen sich. Die Harte nimmt abo CI
H
H
I
I
I
H
H
CI
Abbildung 10.13
---T-T-T~······ :
Weichmachung durch Schamiereffekt.
'0' o Schamiereffekt
o H
H
CI
I
I
I
,9, •
---6-6-6~ CI
H
.
H
Bei der Weichmachung eines Polymers verringert man gezielt die Wechselwirkungen zwischen den Makromolekiilen. Das kann zum einen - was in der Praxis iiberwiegend angewandt wird - durch den Zusatz von Weichmachem erfolgen (iiu8ere Weichmachung). Die polaren Gruppen des Weichmachers treten mit den polaren Gruppen des Kunststoffs (Ausnahme: Polyolefine, Kautschuke) in Wechselwirkung. Die kleinen, beweglichen Weichmachennolekiile (Dipole!) schieben sich zwischen die Kettenmolekiile des Kunststoffs, wo sie durch intennolekulare Wechselwirkungskrafte festgehalten werden. Auf diese Weise vergroliem sie den Abstand zwischen den Makromolekiilen und verringem die zwischen ihnen existierenden Anziehungskrafte. Die Polymerketten werden aufgelockert und beweglicher.
434
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Weichheit und Dehnbarkeit des Kunststoffs nehmen zu. Da vor allem die O-Atome aufgrund ihrer hohen Elektronegativitat zu Polaritaten, d.h. zu Dipolen, fiihren (z.B. in den COOR-Gruppen), sind Carbonsaureester als Weichmacher besonders geeignet. Vorrangig werden Ester der Phthalsaure (Kap. 10.1.6) eingesetzt. Abb. 10.13 zeigt die Schamierwirkung eines Phthalsaureestermolekuls. Das Molekiil schiebt sich zwischen zwei PVCKettenmolekiile, wobei die Fixierung durch elektrostatische Anziehung zwischen partiell positiv geladenen H-Atomen der PVC-Kettenmolekiile und den partiell negativ geladenen O-Atomen der Estergruppe erfolgt. Die innere Weichmachung kann durch Copolymerisation erfolgen. Zum Beispiel wird Vinylchlorid mit Co-Monomeren mit raumfiillenden Seitengruppen (Acrylsauremethylester u.a.) polymerisiert, wobei sich die Abstande zwischen den Makromolekiilen vergrolsern. Die Moglichkeiten zur intermolekularen Bindung verringem sich und die Kettenbeweglichkeit nimmt zu. SchlieBlich kann die Substitution der HAtome durch CH 3-Gruppen bei Polyamiden zu einer Verringerung des Anteils an Wasserstoffbriickenbindungen fiihren. Damit sinkt der Anteil an kristallinen Bereichen. Wichtige Thermoplaste sind Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol, Polyvinylchlorid, Polyacrylnitril, Polyacrylate und Polyamide.
10.4.3.2 Elastomere Elastomere (griech. elastos dehnbar, biegsam) sind polymere Werkstoffe, die aus weitmaschig vemetzten, linearen bis schwach verzweigten Makromolekiilen bestehen (Abb. 10.l4a). Durch kovalente und zwischenmolekulare Bindungen wird die freie Beweglichkeit der Kettenmolekiile zwar begrenzt, die Kettensegmente bleiben aber beweglich und konnen aneinander vorbeigleiten. Die Folge ist ein gummielastisches Verhalten der Elastomere. Wirkt beispielsweise auf ein Stiick Gummi eine liuBere Kraft, so werden die Molekiilketten aus einer ungeordneten (statistisch wahrscheinlicheren) Position in eine geordnetere (statistisch unwahrscheinlichere) Position iiberfiihrt. Beim Nachlassen der liuBeren Kraft gehen die Makromolekiile in ihre verknaulte Lage zuriick und der Gummi nimmt seine urspriingliche Form wieder an. Die reversible Dehnung kann bis auf das Acht- bis Zehnfache der Ausgangslange erfolgen.
a)
b)
Abbildung 10.14 a) Weitmaschige Vernetzung der MakromolekOle in einem Elastomer und b) Anordnung der MakromolekOle in einem Duroplast.
Der Zustand der Gummielastizitat erstreckt sich iiber den gesamten Bereich oberhalb der Glasiibergangstemperatur Tg bis zur Zersetzungstemperatur Tz • Ein thermoplastischer Zustand wird zwischen Tg und T, nicht durchlaufen. Demnach zersetzen sich die Elastomere, ohne vorher hochviskos-fliissig zu werden, also ohne zu schmelzen. 1m Gegensatz zu den Thermoplasten ist keine plastische Verformbarkeit moglich, Elastomere konnen also weder warmeverformt noch verschweiBt werden. Die Glasiibergangstemperaturen der Elastomere
10.4 Kunststoffe
435
liegen zwischen -100...-20°C. Unterhalb Tg sind die Elastomere hart und fest. Sie sind in den gangigen Losungsmitteln kaum loslich, aufgrund der Einlagerung von Losungsmittelmolekiilen in das weitmaschige Netzwerkjedoch quellbar. Elastomere sind Polymere mit einem kantschukartigen, gummielastischen Verhalten. Da sie keinen thermoplastischen Zustand durchlaufen, sind sie nicht wiirmeverformbar. Zusatzliche chemische Bindungen zwischen den Makromolekiilen erreicht man durch Zugabe vemetzender Verbindungen wdhrend des Polymerisationsprozesses oder durch Vulkanisation mittels Schwefel bzw. Schwefelverbindungen am fertigen Polymerisat. Durch die Vulkanisation von Naturkautschuk mit Schwefel wird beispielsweise eine schwache zusatzliche Vemetzung erreicht (Abb. 10.15). Die in den Makromolekiilen noch enthaltenen Doppelbindungen spalten unter Einschub von Disulfidbrlicken (-S-S-) zwischen je zwei Polymerketten auf, wobei sich in geringer Anzahl zusatzliche Bindungen zwischen benachbarten Ketten ausbilden. I
I
S
S
I
I
S
S
I
I
- CH 2 - 9H- CH - CH 2 - CH 2 - 9H- CH - CH 2 S
S
S
S
I
I
I
I
-C~-CH-9H-C~-C~-CH-9H-C~-
S I S I
Abbildung 10.15 Vernetzung von MakromolekOlen mittels DisulfidbrOcken (Vulkanisation)
S I S I
Auf dem Bausektor werden vor allem Siliconkautschuke (Abk.: S1, Kap. 9.2.4) und Polysulfidkautschuke (SR) als reaktionshartende Elastomere eingesetzt. Polysulfidkautschuke bestehen aus Molekiilsegmenten der allgemeinen Formel HS-(R-S-S)n-R-SH, in denen lineare Makromolekiilketten tiber zwei oder mehrere Schwefelatome miteinander verbunden sind. Die zur Hydroxylgruppe homologe SH-Gruppe wird als Mercaptogruppe bezeichnet. Sie ist als endstandige, reaktive Gruppe in der Lage, mit einem Harter zu reagieren, wobei sich unter Wasseraustritt Disulfidbrlicken ausbilden (Gl. 10-16). R-S-H + 0 + H-S-R
-
R - S - S - R + H20
(l0-16)
Den zur Verknupfung notwendigen Sauerstoff liefert das Harter- bzw. Vemetzersystem (z.B. Mn02 Braunstein). Die meist flussig vorliegenden aliphatischen Polysulfide werden durch eine oxidative Vemetzung in hochmolekulare, gummielastische Produkte tiberfiihrt, die im Bauwesen vor allem als Zweikomponenten-DichtstofJe Anwendung finden. Als thermoplastische Elastomere bezeichnet man Verbindungen, die zwar bei Normaltemperatur ebenfalls gummielastisch sind, bei hoheren Temperaturen jedoch wie Thermoplaste verarbeitet werden konnen, Damit fallen sie streng genommen nicht unter die in DIN
436
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
7724 gegebene Definition fur Elastomere. Vertreter dieser Gruppe polymerer Werkstoffe sind Blockpolymere aus weichen, dehnbaren Segmenten niedrigerer Erweichungstemperatur (z.B. Polybutadien) und Segmenten, die entweder eine hohe Glastemperatur oder einen hohen Anteil kristalliner Bereiche besitzen (z.B. Polystyrol). Die thermoplastische Verarbeitung wird moglich, da die bei der Gebrauchstemperatur vernetzend wirkenden, harten Polymerblocke bei hoheren Temperaturen aufbrechen und die Makromolekiile beweglich machen. Die thermoplastischen Elastomere bilden das Verbindungsglied zwischen Thermoplasten und Elastomeren Die Thermoelaste bilden dagegen eine echte Untergruppe der Elastomere. Bei den thermoelastischen Werkstoffen handelt es sich urn weitmaschig vernetzte Polymere, die nicht oberhalb der Glasiibergangstemperatur, sondern erst ab 20°C (oder bei hoherer Temperatur) bis zur Zersetzungstemperatur gummielastische Eigenschaften aufweisen.
10.4.3.3
Duroplaste (Duromere)
Duroplaste (lat. duros hart, griech. plastikos formbar) bestehen aus Makromolekiilen, die durch kovalente Bindungen fest zu einem engmaschigen Raumnetzwerk verkniipft sind. Sie liegen bei Raumtemperatur als harte, sprode Polymerwerkstoffe vor, die ihre starre Form und ihre mechanische Festigkeit bis zur Zersetzungstemperatur T; beibehalten. Duroplaste sind plastisch nicht verformbar. Oberhalb von T; geht die Festigkeit durch den Bruch der kovalenten Bindungen innerhalb und zwischen den Makromolekiilen verloren. Intermolekulare Wechselwirkungen spielen eine untergeordnete Rolle. Allerdings fuhrt auch Temperaturerhohung unterhalb von T; zu einer gewissen Erweichung der Duroplaste. Der Umfang der Erweichung hangt unter anderem von der Vernetzungsdichte der Makromolekiile und vom - wenn auch geringen - Anteil an intermolekularen Wechselwirkungskraften abo Duroplaste sind in organischen Losungsmitteln praktisch unloslich, kaum quellbar und besitzen eine hohe thermische und chemische Widerstandsfahigkeit. Duroplaste sind Polymere, die nach einmaligem Durchlaufen eines plastischen Zustandes im Verlauf der Verarbeitungsprozesse irreversibel aushiirten. In der Praxis sind die Ausgangsmaterialien der Duroplaste entweder feste vorgeformte Pressmassen aus Harzen (und evtl. Zusatzstoffen) oder hochviskose zahflussige Reaktionsharze. Wahrend erstere unter Druck und evtl. Hitze raumlich vernetzen und ausharten, benotigt man fur die raumliche Vernetzung der Reaktionsharze eine Harterkomponente. Die endgiiltige Form des Duroplastes ist erst nach der Aushartung erreicht. Der Prozess der Hartung ist irreversibel. Bautechnisch wichtige Duroplaste sind die durch Polykondensation entstehenden Aminound Phenoplaste und die Furanharze, die durch Polyaddition entstehenden Polyurethane und Epoxidharze sowie die durch vernetzende Polymerisation entstehenden ungesattigten Polyvinylester und ungesattigten Methacrylatharze (s. Kap. 10.4.4).
10.4.3.4 Hilfs-, Full- und Verstiirkungsstoffe in Polymeren Die unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich nicht nur durch eine gezielte Beeinflussung von Struktur und Vernetzung der Makromolekiile bzw. durch Kombination verschiedener Polymere mit sich erganzenden Eigenschaften
10.4 Kunststoffe
437
abwandeln, sie sind auch durch den Einsatz geeigneter Full-, Hilfs- und Verstarkungsstoffe steuerbar. Fiillstoffe sind feste, nichtreaktive Stoffe, die sowohl reaktionshartenden Duroplasten und Elastomeren als auch Thermoplasten in sehr feiner Verteilung zugegeben werden und die nahezu aile Eigenschaften des Kunststoffs beeinflussen konnen, Man unterscheidet zwischen anorganischen (CaC03 , CaS04' 2 H 20, BaS04' Quarz, Tone, Glimmer) und organischen (Holzmehl, Cellulose) Fullstoffen. Zu den Hilfsstoffen, die den Polymeren zur Einstellung gunstiger Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften in relativ kleinen Mengen zugesetzt werden, zahlen vor allem Weichmacher (Kap. 10.4.3.1), Initiatoren, Beschleuniger, Katalysatoren und Inhibitoren, Antioxidantien, Stabilisatoren und Farbmittel. Initiatoren sind Verbindungen, die beim Erwarmen oder in Gegenwart eines Beschleunigers in Radikale zerfallen und dadurch eine Kettenreaktion (Kap. 10.4.4.1) auslosen konnen. In der Regel handelt es sich urn Peroxide (H202, Benzoylperoxid) und Persulfate, aber auch Azoverbindungen, wie z.B. 2,2'-Azoisobutyronitril, exakt: Ll/-Dimethyl-Ll t-dicyanazoethan (H 3C)2 (CN)C-N=N-C(CN)(CH3)2, finden Anwendung. Substanzen mit Initiatorfunktion werden in der Praxis wie auch in der baupraktischen Literatur mitunter unkorrekterweise als Katalysatoren bezeichnet. Zugesetzte Beschleuniger bewirken einen raschen Zerfall der Initiatoren. In Abhangigkeit von der gewahlten Perverbindung werden Co(II)-Salze bzw. -Komplexe oder tertiare Amine verwendet. Die Bildung der Radikale unter Zersetzung der Perverbindung erfolgt im Ergebnis einer Redoxreaktion. Katalytisch wirksame Substanzen finden vor allem bei der Hartung von Epoxidharzen (Alkohole, Phenole, tert. Amine) und Polyurethanen (Sn-Verbindungen, tert. Amine) Anwendung. Sie sollen die Geschwindigkeit der Hartungsreaktion erhohen. Dagegen werden dem Reaktionsgemisch Inhibitoren zugesetzt, urn radikalische Polymerisations- und/oder Vernetzungsvorgange zu verzogern. Indem die Inhibitorsubstanzen - ahnlich wie die primaren Antioxidantien (s.u.) - die entstehenden radikalischen Species binden, wird die Lagerstabilitat der reaktiven Ausgangsprodukte (z.B. ungesattigte Polyester- und Methacrylatharze) erhoht, Antioxidantien (Antioxidationsmittel) sind chemische Substanzen, die unerwiinschte, durch Sauerstoffeinwirkung und/oder andere oxidative Prozesse bedingte Abbauprozesse in den Kunststoffen hemmen bzw. verhindem sollen. Verantwortlich fiir den Polymerabbau sind in der Regel Radikale. Die primaren Antioxidantien wandeln die durch Warme, mechanische Beanspruchung oder auch durch Licht gebildeten freien Radikale urn. Sie wirken als Radikalfanger. Meist handelt es sich urn substituierte Phenole mit sterisch anspruchsvollen Gruppen, z.B. 2-tert.-Butylphenol. Sekunddre Antioxidantien (z.B. Phosphite Na2HP03) zersetzen die Peroxide praventiv, d.h. sie verhindem von vomherein die Entstehung von Radikalen. Haufig werden primate und sekundare Antioxidantien kombiniert. Die als Stabilisatoren zugesetzten Stoffe sollen den Kunststoff vor Schadigungen durch Licht (vor allem UV-Licht der Wellenlangen 315 ...400 nm, UV-Stabilisatoren), durch Warme (Wiirmestabilisatoren) und durch Mikroorganismen (Biostabilisatoren) schlitzen. Die UV-Strahlung kann aufgrund ihrer hohen Energie zur direkten photolytischen Spaltung von chemischen Bindungen im Polymer fiihren. Bindungsspaltung, Radikalbildung und sich anschlieBende Autoxidationsprozesse bewirken eine Alterung der Kunststoffe (Kap. 10.4.7).
438
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
UV-Stabilisatoren zeichnen sich durch ein ausgepragtes Absorptionsvermogen im ultravioletten Bereich aus. Die durch Absorption aufgenommene Energie wird anschlieBend als Warme wieder abgegeben (strahlungslose Desaktivierung). Die Stabilisatorwirkung kann auch darin bestehen, dass die als UV-Stabilisatoren eingesetzten Substanzen Energie von elektronisch angeregten Makromolekiilen aufnehmen. Sie .Joschen" die angeregten Zustande des Makromolekiils (Loscher, engl. Quencher) und geben die Uberschussenergie anschlieBend als Warme wieder abo In beiden Fallen wird eine photochemisch induzierte Zersetzung der Makromolekiile verhindert. Ais UV-Absorber verwendet man substituierte Benzophenone (Benzophenon: C6Hs-CO-C6Hs) und Ubergangsmetallkomplexe, z.B. des Nickels. Wo es das Anwendungsprofil erlaubt, kommt auch RuB als UV-Absorber zum Einsatz. Bei Zusatz von Ti02 soli das hohe Reflexionsvermogen des WeiBpigments genutzt werden. Die Alterung von Polymeren durch Wdrmeeinwirkung (Sonneneinstrahlung, kiinstliche Warmequellen oder heiBe Gase bzw. Fliissigkeiten) wird in der Regel durch die vorhandenen Antioxidationsmittel minimiert. Die Stabilisierung gegen Mikroorganismen (Schimmel- und Mikrobenbefall) durch den Zusatz von Biostabilisatoren ist nur fur einige bestimmte, bedingt bestandige Kunststoffe wie Polyurethan, Polyvinylacetat oder Polyvinylalkohol bedeutsam. Mitunter fuhrt erst die Anwesenheit von niedermolekularen Zusatzstoffen, z.B. von Weichmachem und organischen Fiillstoffen, zu einer Instabilitat gegeniiber Mikroorganismen. Zur farblichen Gestaltung werden dem Polymer Farbmittel zugesetzt. Der Begriff Farbmittel erstreckt sich It. DIN 55943 aufPigmente und Farbstoffe. Pigmente sind in Losungsund Bindemitteln praktisch unlosliche, meist anorganische Substanzen, die feinkristallin im Kunststoff dispergiert sind (Teilchengrofse 1O-6...1O-8m). Das wichtigste anorganische Weifipigment ist Titandioxid Ti02. Es verfugt iiber ein ausgezeichnetes Deckvermogen und ist witterungs- und chemikalienbestandig, Das wichtigste Schwarzpigment ist RuB (amorpher Kohlenstoff). Hochwertige Rotpigmente sind Hamatit Fe203, Mennige Pb 304 und Cadmium-Rot Cd(S,Se); Blaupigmente sind PreuBisch-Blau K[Fe IIIFeII(CN)6l (idealisierte Formel!) und Spinell-Blau CoAh04 und Grunpigmente Spinell-Griin (Co,Ni,Zn)Ti04 und Chromoxid-Griin Cr203. Losliche organische Farbstoffe gibt es sehr viele. Sie liegen im Kunststoff molekular verteilt vor. Da ihre Deckfahigkeit deutlich geringer als die der Pigmente ist, besitzen sie zum Einfarben von Kunstharzen kaum Bedeutung. Ais Verstiirkungsstoffe kommen in erster Linie Glasfasem zum Einsatz. Durch die Einbettung der Glasfasem in die Polymermatrix lassen sich die mechanischen Eigenschaften, vor allem die Festigkeit und dadurch bedingt die konstruktive Belastbarkeit, deutlich steigem. Von bautechnischem Interesse sind vor allem glasfaserverstarkte Polyester- und Epoxidharze. Eine verstarkende Wirkung wird auch durch Zusatz von Kohlenstoff- und Textilfasem erreicht.
10.4.4
Einteilung der Kunststoffe nach ihrer Bildungsreaktion
Polymere werden durch Polymerisation, Polykondensation oder Polyaddition gebildet. Diese klassische Unterteilung der Bildungs- oder Aufbaureaktionen von Makromolekiilen entspricht nicht mehr den neuesten IUPAC-Regeln. Ais Polymerisationen (friiher: Polyreaktionen) bezeichnet man heute zusammenfassend alle Bildungs- oder Aufbaureaktionen fur Polymere, wobei eine Unterteilung in Additions- und Kondensationspolymerisationen erfolgt. Die Additionspolymerisation kann entweder als Kettenreaktion (friiher: Polymeri-
10.4 Kunststoffe
439
sation) oder als Stufenreaktion (fiiiher: Polyaddition) ablaufen. 1m Rahmen des vorliegenden Buches wurde an der in der Bau- bzw. Baustoffchemie bis heute ublichen, traditionellen Klassifizierung der Kunststoffe in Polymerisate, Polykondensate und Polyaddukte festgehalten.
10.4.4.1 Polymerisationskunststoffe (Polymerisate) Unter einer Polymerisation versteht man die Bildung von Makromolekiilen aus Monomeren mit reaktionsfahlgen Doppelbindungen, ohne dass ein niedermolekulares Nebenprodukt abgespalten wird. Der entscheidende Schritt ist die Aktivierung der C=C-Doppelbindung. Sie kann durch Initiatorsubstanzen, aber auch durch Warmezufuhr und Lichteinwirkung (UV- und sichtbares Licht) erfolgen. Durch .Entkopplung" der a-Bindung entstehen reaktionsfahige Radikale, die sich durch Reaktion mit weiteren Molekiilen tiber kovalente Einfachbindungen verknupfen und den Aufbau makromolekularer Kohlenstoftketten bewirken. Da sich wahrend des Polymerisationsvorganges kein Reaktionsprodukt abspaltet, ist die elementare Zusammensetzung von Monomer und Polymer gleich. Die Polymerisation verlauft stets unter Warmeabgabe, also exotherm. Damit sind die Polymerisate reaktionsarmer als die ungesattigten Ausgangsverbindungen. Die Polymerisation lauft als Kettenreaktion abo Nach dem Reaktionsmechanismus unterscheidet man zwischen einer radikalischen, einer kationischen und einer anionischen Polymerisation. 1m ersten Fall sind die Reaktionspartner Makroradikal und Monomer, im zweiten Fall Makrokation und Monomer und im letzten Fall Makroanion und Monomer. We1cher Mechanismus ablauft, hangt vor allem von der Elektronenverteilung im Monomermolekul abo Die grundlegenden Reaktionsschritte sindjedoch in allen drei Fallen immer die gleichen: Kettenstart, Kettenwachstum und Kettenabbruch. Sie sollen am Beispiel der radikalischen Polymerisation von Ethen kurz erlautert werden: Kettenstart:
Kettenwachstum:
Kettenabbruch:
Ethen (Ethylen) ist die einfachste Ausgangsverbindung fur eine Polymerisationsreaktion. Es reagiert bei 200°C und 2000 bar in Gegenwart von Spuren von Sauerstoff zu Polyethylen. Beim Kettenstart entstehen Radikale R·, die im Folgeschritt an die C=C-Doppelbindung eines Ethenmolekiils addiert werden. Dabei entkoppelt das Radikal die n-Bindung der Doppelbindung und es entsteht ein neues Radikal.
440
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Wahrend des Kettenwachstums reagieren Alkylradikale mit weiteren Ethylenmolekiilen zu neuen, stets um eine Monomereinheit verlangerten Radikalen. 1m Ergebnis der fortgesetzten Kettenreaktion erhalt man schlieBlich Makromolekiile, in denen mehr als 1000 Ethylenmolekiile miteinander verkniipft sind. Zum Kettenabbruch kommt es, wenn zwei Radikale rekombinieren, d.h. sich miteinander umsetzen. Indem sie eine kovalente Bindung ausbilden, verlieren beide Reaktionspartner ihren radikalischen Charakter. Als Initiator fur die Startreaktion fungiert im betrachteten Falle (Synthese von Hochdruckpolyethylen) der diradikalische Sauerstoff (Kap. 5.4.2.1), bei anderen Polymerisationen werden vorwiegend instabile Peroxide (R-O-O-R --+ 2 R-O·) als Radikalbildner eingesetzt.
Bautechnisch wichtige Polymerisate: Die Polymerisate zeigen ein mehr oder weniger ausgepragtes thermoplastisches Verhalten. Ihre leichte Verarbeitbarkeit und ihre vielseitigen Einsatzmoglichkeiten sind die Ursache fur die dominierende Stellung solch wichtiger Polymerisationskunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen, Polyvinylchlorid und Polystyrol.
A) Polyolefine und abgeleitete Verbindungen • Polyethylen (polyethen), PE
n ilnzahlderverknupften Monomerbausteine
Die Herstellung von Polyethylen erfolgt iiberwiegend nach dem Hochdruck- oder dem Niederdruckverfahren. In Abhangigkeit vomjeweiligen Verfahren unterscheiden sich die Makromolekiile hinsichtlich Verzweigungs- und Kristallisationsgrad sowie Molekiilmasse. Mit abnehmendem Verzweigungsgrad und einer Verkiirzung der Seitenketten wird der Anteil an kristallinen Bereichen groBer und die Dichte des Polymers erhoht sich. Beim Hochdruckverfahren findet eine radikalische "Gaspolymerisation" bei Driicken zwischen 1000...3000 bar und Temperaturen um 200°C in Anwesenheit geringer Mengen an Sauerstoff statt. Der Sauerstoff fungiert als Katalysator fur die Startreaktion. Das anfallende PE (PE-LD; engl. LDPE Low Density Polyethylene) besteht aus verzweigten Makromolekiilen, die einen relativ groBen Abstand voneinander haben. Daraus resultiert eine gewisse Beweglichkeit der Makromolekiile, so dass PE-LD als ein weiches Material geringer Festigkeit und Dichte (p = 0,91 - 0,93 g/cm') erhalten wird. Der Volumenanteil an kristallinen Bereichen liegt zwischen 40...55%. Die maximale Gebrauchstemperatur betragt etwa 85°C. Bei Temperaturen zwischen 105...115°C beginnt PE-LD zu erweichen. PE-LLD (Linear Low Density) ist ein modifiziertes Hochdruckprodukt mit einem hoheren Kristallanteil und einer giinstigeren Zugfestigkeit. Beim Niederdruckverfahren wird Ethylen bei Normal- bzw. geringem Uberdruck und Temperaturen < 100°C in Gegenwart von Ziegler-Natta-Katalysatoren (Gemische aus Li-, Be- oder Al-organischen Verbindungen und einem Ubergangsmetallhalogenid, z.B. TiC14, in einem inerten Losungsmittel) polymerisiert (PE-HD; engl. HDPE High Density Polyethylene). Die Polymerisation findet im Unterschied zum Hochdruckverfahren an der Katalysatoroberflache statt. PE-HD besitzt wegen der weitgehend linearen und unverzweigten Struktur seiner Makromolekiile eine hohere Dichte (p = 0,94...0,97 g/cnr'). Es weist einen hoheren Kristallinitatsanteil (bis zu 80%) und eine hohere mechanische Festigkeit auf. Nie-
10.4 Kunststoffe
441
derdruckpo1yethy1en wird deshalb auch als Hart-PE und Hochdruckpolyethylen als Weich-PE bezeichnet. Die maximale Gebrauchstemperatur von PE-HD liegt zwischen 10...120°C, die Erweichungstemperatur bei etwa BO°C. Bei einem Mitteldruckverfahren (Philips-Petroleum-Comp.) wird Ethylen bei - 35 bar und 150... 180°C in einem Losungsmittel (z.B. Xylol) an Chromium(VI)-oxid/AluminiumsilicatKatalysatoren polymerisiert. Dabei entsteht ein fast vollkommen linear gebautes Polyethylen mit einem kristallinen Anteil von 65...75%. Dichte, Harte und Zugfestigkeit des Mitteldruck-PE liegen zwischen denen des Hart- und Weich-PE. Polyethylen ist ein transparentes bis milchig durchscheinendes (opakes) Material. Gegentiber verdunnten Sauren und Laugen sowie gegenuber den meisten Losungsmitteln ist es weitgehend bestandig, Es ist auch resistent gegenuber dem Angriff von Mikroorganismen. Von oxidierenden Sauren wird PE jedoch angegriffen. Durch UV-Strahlen und durch den Einfluss von Warme werden in Gegenwart von Sauerstoff Alterungsprozesse ausgelost (Kap. 10.4.7). Deshalb werden die PE-Sorten grundsatzlich mit Stabilisatoren produziert. Aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe bewirken eine Quellung. PE-Formmassen lassen sich durch SpritzgieBen, Extrudieren und durch Blasverfahren bearbeiten. Sie sind spanend verformbar und gut schweiBbar. Polyethylen enthalt keine Weichmacher. Verwendung: Folien, Dichtungsbahnen, Kabelummantelungen; Rohrleitungen fur Trinkwasser, Abwasser und Gase; Behalter (Eimer, Wannen, Container, Mortelkubel, Tanks), Tafeln, Rohrzubehor, Bodenverfestigungsgitter u.a. • Polypropylen (Polypropen), PP
+
+
CH2 - CH I n CH3
Polypropylen unterscheidet sich vom Polyethylen durch eine Methyl-Seitengruppe, 1m Ergebnis der Polymerisation von Propylen konnen die Methylgruppen isotaktisch, syndiotaktisch und ataktisch angeordnet vorliegen (Abb. 10.10). Die gleichmalsige raumliche Ausrichtung der CH3-Gruppen des isotaktischen PP fuhrt zu einem Kristallinitatsanteil von 50...70% und einem im Vergleich zum PE erhohten Erweichungsbereich (l60... 170°C). Deshalb ersetzt PP Polyethylen vor allem dort, wo es auf eine gute Warmebestandigkeit ankommt. Die maximale Gebrauchstemperatur liegt bei etwa BO°C. Das durchsichtige bis milchig-triibe Material zeichnet sich durch eine besonders niedrige Dichte (p = 0,90 g/cm") aus, was auf den Raumbedarf der Methylgruppen und die daraus resultierende geringe Packungsdichte der Makromolekiile zuriickzufuhren ist. 1m Gegensatz zu PE ist seine Oberflache hart und glanzend und lasst sich nicht mit dem Fingernagel ritzen. PP ist nicht spannungsrissempfindlich, versprodet unterhalb von O°C jedoch leicht. Wie Polyethylen neigt auch Polypropylen zu statischer Aufladung. Sie wird fur bestimmte Anwendungszwecke durch den Zusatz von Antistatika vermindert. Polypropylen ist in seinen Eigenschaften dem PE ahnlich. Gegenuber verdunnten Sauren, Laugen, Salzlosungen sowie den meisten Losungsmitteln ist es bestandig. Von konz. H 2S04 und RN03 sowie von Wasserstoffperoxid H 202 wird es angegriffen. Nichtstabilisiertes PP ist empfindlich gegen Lichteinwirkung. Wie PE brennt es nach dem Entziinden mit einer nicht ruBenden, einen blauen Kern aufweisenden Flamme unter Abtropfen weiter (Paraffingeruch). Verwendung: Rohre, Sanitararmaturen, Beschlage, Folien, Haushaltgerate.
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
442
• Polybutylen (Polybuten), PB
+n
+ CH2-?H CH 2 I
CH 3 Wie Propen ist auch l-Buten durch stereospezifische Polymerisation in ein isotaktisches, teilkristallines Polymerisat iiberfiihrbar, das in seinen Eigenschaften weitgehend dem Polypropylen ahnelt, PB besitzt eine Dichte von 0,915 g/cnr', seine Erweichungstemperatur liegt bei 100°C. Es zeichnet sich durch eine hohe Schlagzahigkeit und Festigkeit (auch bei hoheren Temperaturen!) sowie eine hohe Spannungsrissbestandigkeit aus. PB ist gegeniiber nichtoxidierenden Sauren, Laugen, Olen, Fetten und den meisten organischen Losungsmitteln bestandig. Von oxidierenden Sauren sowie aromatischen und Halogenkohlenwasserstoffen wird es angegriffen. Polybutylen brennt wie PE und PP mit einer leuchtenden, nicht ruBenden Flamme, die einen blauen Kern aufweist. Die Rauchschwaden riechen stechend nach Paraffin. Verwendung: Rohrleitungen, Behalterauskleidungen, Folien, Kabelisolation u.a.
• Polyisobutylen (Polyisobuten), PIB +CH 2 -
?H3 C I
-tn
CH 3 Die Polymerisation des Isobutens fuhrt in Abhangigkeit vom Polymerisationsgrad zu klebrig-oligen bis kautschukartigen Produkten. Niedermolekulare Polyisobutylene sind bei Raumtemperatur viskose Fliissigkeiten, hochmolekulare Polybutylene (Molekiilmassen bis 200 000) dagegen gummielastische, dem Kautschuk ahnliche Materialien (p = 0,92 g/cm'). Die maximale Gebrauchstemperatur liegt bei 120°C, ab 380°C erfolgt Zersetzung. Von Sauren, Laugen und Salzlosungen wird PIB nicht angegriffen, wohl aber von Mineralolen und Benzin. Nach dem Entziinden brennt es mit leuchtender Flamme, seine Schwaden riechen nach verbranntem Gummi. Verwendung: Folien, Dachbahnen und Dichtungsbahnen (hochmolekulares PIB), Klebstoffe und Abdichtmassen (niedermolekulares PIB).
B) Polyvinyle und abgeleitete Verbindungen In den Vinylverbindungen CH 2=CH-R ist ein H-Atom des Ethylens (Kap. 10.1.1.2) durch unterschiedliche Reste R ersetzt, z.B. R = CI: Vinylchlorid CH 2=CH-CI, R = Phenyl: Vinylbenzol (Styrol) CH 2=CH-C6Hs und R = Acetat: Vinylacetat CH 2=CH-OCOCH3 • Die einseitige Substitution eines oder beider Wasserstoffatome im Ethylen durch Atome oder Atomgruppen, die eine hohere Elektronegativitat als Kohlenstoff aufweisen, fiihrt zu einer mehr oder weniger starken Polarisierung der Doppelbindung. Damit ware eine ionische Polymerisation begiinstigt. Ein ionischer Polymerisationsmechanismus ist aber nur bei Vinylethern anzutreffen, bei den Vinylhalogeniden und Vinylacetaten laufen die Polymerisationen dagegen radikalisch abo Auf alle Falle bewirken die unterschiedlichen Reste Reine Aktivierung der C=C-Doppelbindung, so dass Vinylverbindungen auBerordentlich rasch po lymerisieren.
443
10.4 Kunststoffe
• Polyvinylchlorid, PVC
+
CH
2
-
CH
I
+ n
CI
Po1yvinylch1orid ist neben Polyethylen und Polystyrol einer der am haufigsten verwendeten thermoplastischen Kunststoffe. Die Polymerisation des Vinylchlorids liiuft in Gegenwart von Peroxiden als Initiatoren radikalisch abo 1m Ergebnis unterschiedlicher Polymerisationsverfahren (Suspensions-, Emulsions- und Massepolymerisation) fallt Polyvinylchlorid als Pulver bzw. in Form kleiner Perlen an. Urn wiihrend der thermischen Verarbeitung des Roh-PVC (bei etwa 160°C) die Abspaltung von HCI zu vermeiden, werden ihm Stabilisatoren (z.B. anorganische Schwermetallsalze, Metallseifen des Ba, Zn und Ca, Soda und AIkaliphosphate) zugesetzt. Man unterscheidet weichmacherfreies (unplasticized) Polyvinylchlorid PVC-U und weichgemachtes (plasticized) Polyvinylchlorid PVC-Po Ersteres wird als Hart-PVC und letzteres als Weich-PVC bezeichnet. Weichmacher sind der Schlussel fur die beeindruckende Vielseitigkeit des Kunststoffs PVC. Reines PVC ist ein ziemlich sprodes Material. Je mehr Weichmacher hinzugefugt wird, umso geschmeidiger wird es. Hart-PVC (PVC-U) Hart-PVC ist ein bei Raumtemperatur harter, polymerer Werkstoff, der zwischen 70...80°C in den weichelastischen Zustand ubergeht, Seine Dichte betriigt 1,38...1,40 g/crrr', Die maximale Gebrauchstemperatur liegt bei 60°C. Bei 170°C wird PVC-U olig-flussig und bei 230°C kommt es zur Zersetzung. PVC-U ist leicht einfarbbar, spanend verarbeitbar, schweiBbar, verklebbar und zwischen 130...140°C verformbar. Bis zu einer Temperatur von ca. 60°C zeigt PVC-U gegenuber den meisten Chemikalien eine gute bis sehr gute Bestandigkeit (Ausn.: konz. H2S04 und HN03) . In Ketonen, Estern, Chlorkohlenwasserstoffen und aromatischen KW wird PVC-U angequollen bzw. gelost. Verwendung: Rohre fur Wasserleitungen und Gasversorgung, Dranrohre, Bedachungen, Tafeln, Dachrinnen u.a. Weich-PVC (PVC-P) Die Eigenschaften von PVC-P hangen von der Art und der Menge des zugesetzten Weichmachers abo Der Weichmacheranteilliegt zwischen 20 ...40%. Ais Weichmacher kommen vor allem Phthalsiiureester (Abb. 10.3) zum Einsatz. In Abhiingigkeit vom Weichmacheranteil fallen Produkte von weichgummi- bis lederahnlicher Beschaffenheit an. Infolge der tiefen Einfriertemperaturen « -SoC) liegen die weichgemachten PVC-Sorten bei normalen Gebrauchstemperaturen im weichelastischen Zustand vor. Eine Urformung durch Extrudieren, GieBen, Tauchen, Streichen, Kalandrieren, Schaumen und Hohlkorperblasen ist oberhalb lS0°C moglich, PVC-P liisst sich sehr gut schweiBen. Bei einem Weichmacheranteil von 30 ...40% Dioctylphthalat (DOP) betragt die Dichte des PVC-P etwa 1,3 g/cm", Die chemische Bestandigkeit des Weich-PVC ist naturgemiiB geringer als die des Hart-PVC. Es ist starker quellbar und leichter in organischen Losungsmitteln loslich. Verlust des Weichmachers durch Verfluchtigung, Herauslosen oder mikrobiellen Verzehr der Weichmachermolekiile (z.B. bei bekiesten PVC-Flachdiichern mit unzureichendem Gefalle und Pflitzenbildung) ftihrt zur Versprddung des Polyvinylchlorids. PVC ist schwer entflammbar. Es brennt in der Flamme gelb ruBend, wobei der untere Flammenteil bei Anwesenheit von Cu grun gesaumt ist (Beilstein-Probe). AuBerhalb der Flamme erlischt das PVC wieder.
444
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Verwendung: Folien, Planen, Dichtungs- und Dachbelagbahnen, Fulsbodenbelage, Weichschaumstoff, Schlauche, Draht- und Kabelisolation u.a. • Polyvinylidenchlorid, PVDC
Polyvinylidenchlorid ist ein thermoplastischer, widerstandsfahiger, nicht brennbarer Kunststoff, der durch radikalische Polymerisation von Vinylidenchlorid CH 2=CCh hergestellt wird. PVDC weist einen hohen Anteil kristalliner Bereiche auf. Die Glastibergangstemperatur betragt -19°C, bei etwa 200°C kommt es zur Schmelze. Aufgrund ungtinstiger thermischer Eigenschaften werden fur praktische Belange meist Copolymerisate unter Zusatz von Vinylchlorid (bis zu 20%) bzw. Vinylacetat (13%) und Acrylnitril (2%) hergestellt. Die Copolymerisate sind harte, unbrennbare, abriebfeste, wasserdampfundurchlassige, chemikalienbestandige Produkte. Ihr Erweichungsbereich liegt zwischen 100...120°C. Verwendung: Folien, Lackrohstoff, Faden (Weichmacherzusatz!), Rohre, Siebe, Borsten, Dispersionen fur Anstrichmittel.
• Polystyrol, PS
Polystyrol wird hauptsachlich durch radikalische Polymerisation (Kopf-Schwanz-Verkntipfung, Abb. 10.8) von Styrol in Gegenwart peroxidischer Radikalbildner hergestellt. Das Polymerisat ist ein harter, glasklarer Werkstoff geringer Schlagzahigkeit, Es besitzt eine glanzende Oberflache, die allerdings nicht kratzfest ist. Die Sprodigkeit unterhalb der Glastibergangstemperatur ist auf die sterische Behinderung der Makromolektile durch die Phenylgruppen zuruckzufuhren, Sie erschwert ihre Beweglichkeit. Reines Polystyrol (Homopolymerisat) besitzt eine Dichte von 1,05 g/cm", Es erweicht zwischen 80...90°C und ist gut verformbar. PS lasst sich problemlos einfarben, spanabhebend bearbeiten, polieren und kleben. Gegentiber Sauren, Laugen, Alkoholen und Mineralolen ist es bestandig, gegentiber den meisten organischen Losungsmitteln jedoch unbestandig. PS brennt mit leuchtender, stark ruBender Flamme nach dem Entfemen der Ztindquelle we iter und verbreitet einen stiBlichen Geruch (Styrol!). Unter dem Einfluss von UV-Licht erfolgt eine allmahliche Vergilbung des Polystyrols. Seine Festigkeit nimmt ab und die Oberflache wird langsam matt. Verwendung: PS-Formmassen werden zu Haushaltgegenstanden (Dosen, Behalter, Wegwerfgeschirr, Spielzeuge usw.) sowie zu Profilen, Beschlagen, Folien flir Kabel u.a. verarbeitet. PS-Hartschaum. Enthalt das Polymerisat in der Hitze vergasende Stoffe oder leicht verdampfende Losungsmittel, entsteht ein geschaumtes Polystyrol (Schaumpolystyrol). Beim Erwarmen zersetzt sich das Treibmittel oder das Losungsmittel verdampft. Zum Beispiel
10.4 Kunststoffe
445
setzen Azoverbindungen wie Azobenzol C6H s-N=N-C6H s in der Hitze Stickstoff N 2 frei, der das Granulat aufblaht. Die entstehenden Blasen und Poren behalten auch nach dem Erkalten ihre ursprungliche Form bei, so dass sich ein Schaumstoff mit einer geschlossenen, zahharten Zellstruktur ausbildet. Eine weitere Moglichkeit besteht im Einpressen eines Treibgases in die PS-Schmelze im Extruder. Extrudergeschaumtes PS besitzt aufgrund einer kompakteren Zellstruktur eine hohere Festigkeit als ein durch zugesetzte Treibmittel geschaumtes PS.
Styrodur (BASF) ist ein extrudergeschaumtes Polystyrol. Als Treibmittel zur Herstellung geschaumter Kunststoffe wurden in der Vergangenheit nahezu ausschlieBlich FCKW verwendet, was auf die niedrige Warmeleitfahigkeit dieser Substanzklasse zuruckzufuhren ist. Der in den kleinen Poren eingeschlossene Halogenkohlenwasserstoff erhoht das Warmedammvermogen des Schaumstoffs. 1m speziellen Fall des Styrodur kam Dichlordifluormethan CChF2 (R 12) in Verbindung mit einem Co-Treibmittel zum Einsatz. Aufgrund der in Kap. 5.4.2.2 diskutierten okologischen Konsequenzen, die sich aus der Herstellung und der Nutzung von FCKW ergeben, stand (und steht) vor der chemischen Industrie die Aufgabe, diese Treibmittel schrittweise zu ersetzen. R 12 wurde 1990 zunachst durch den teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoff H-FCKW 142b (CH 3CCIF 2) ersetzt. 1996 erfolgte dessen Substitution durch CO 2, obwohl die Warmeleitfahigkeit von CO 2-geschaumtem Polystyrol (Styrodur C, BASF) tiber der von H-FCKW-geschaumtem Polystyrol liegt rOC 5]. Der Vorteil von Styrodur C-Platten besteht jedoch darin, dass sie im Gegensatz zu H-FCKW-geschaumten Platten nicht altern. Ihr Warmedammvermogen bleibt tiber Jahre nahezu konstant. Die Co-Treibmittel (vor allem Chloralkane) wurden aus toxikologischen Grunden durch Ethanol ersetzt. Verwendung: PS-Hartschaum wird als Dammstoff zur Warme- und Schalldammung in der Bauindustrie sowie in der Kaltetechnik eingesetzt, femer als Verpackungsmaterial, Dekomaterial usw. In speziellen Brandschutzplatten ist geschaumtes Polystyrol mit wasserhaltigem Natriumsilicat kombiniert, das durch eine wasserdichte Epoxidharzschicht gegen Austrocknen geschutzt ist (BASF). Bei Hitzeeinwirkung (Feuer!) blahen sich die dunnen Platten infolge der Zersetzung des PS und des frei werdenden Wasserdampfs auf und erzeugen eine unbrennbare, porose Brandschutzschicht (Verwendung fur Wande und Turen), Um die thermischen und mechanischen Eigenschaften des Homopolymerisats zu verbessem, wird PS mit anderen Monomeren copolymerisiert. Das sogenannte schlagfeste Polystyrol ist ein Styrol-Butadien-Pfropfcopolymer (Kurzzeichen: SB), dessen Butadienanteil zwischen 10...15% liegt. Die SB-Formmassen sind Zweiphasensysteme. Die gummiartigen Butadienteilchen (disperse Phase) sind im thermoplastischen WerkstoffPolystyrol (Dispersionsmittel) verteilt und verbessem dessen Schlagzahigkeit entscheidend. SB-Copolymere weisen allerdings eine geringere Alterungsbestandigkeit als das Homopolymerisat auf und neigen zur Versprodung, Fur die Praxis wichtige Copolymerisate sind die Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisate (ABS) und die Styrol-Acrylnitril-Copolymerisate (SAN). Das chemische Verhalten der Copolymerisate unterscheidet sich nicht grundlegend von dem der Reinpolymerisate, wenngleich sich die Unbestandigkeit gegenuber oxidierenden Sauren, Alkoholen, Estern, Aceton, aromatischen und Chlorkohlenwasserstoffen etwas erhoht. Verwendung der Copolymerisate: Rohre, Gehause fur Telefonapparate und Radios, Gerateteile, Schutzhelme, Kfz-Teile usw.
446
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
Acrylharze (Acrylatharze) Acrylharze sind thermoplastische und warmehartbare synthetische Harze, die durch Homound Copolymerisation von (Methjacrylsaureestern gewonnen werden. Reine Acrylharze basieren ausschlieBlich auf (Meth)acryl-Monomeren. Zur Copolymerisation setzt man Monomere wie Styrol oder Vinylester ein. Uber die Wahl der Monomeren lassen sich sowohl Loslichkeits- als auch Filmeigenschaften (z.B. Harte) der Acrylharze breit variieren. Bei den Acrylharzen handelt es sich in der Regel urn transparente, gegen UV-Licht bestandige, nicht verfarbende Werkstoffe. • Polyacrylsaureester (Polyacrylate)
+
CH - CH2
+
n COOR Polyacrylsaureester sind Polymere auf Basis von Estern der Acrylsaure H 2C=CH-COOR, wobei R fur lineare, verzweigte oder cyclische, gegebenenfalls auch funktionelle Substituenten (z.B. Hydroxy-, Amin- oder Epoxidgruppen) enthaltende Alkylreste steht. Polyacrylate entstehen durch radikalische Polymerisation. Sie fallen je nach Polymerisationsgrad als durchsichtige, farblose, viskose, evtl. klebrige Flussigkeiten oder feste Produkte an. Ihre Einsatzmoglichkeiten werden durch ihre sehr niedrigen Glasubergangstemperaturen limitiert. Durch Copolymerisation mit Methacrylsaure, Styrol, Acrylnitril, Vinylchlorid oder Vinylacetat konnen ihre Eigenschaften verbessert werden. Verwendung: Elastische Harze (Acrylharze), Klebstoffe (Acrylat-Klebstoffe), Beschichtungen, Anstriche (Acrylat-Lacke), Impragnierungen, Betonzusatze, Grundstoffe fur Fugendichtmassen. I
• Polymethacrylsauremethylester , PMMA (Polymethylmethacrylate)
Die Polymethacrylate (Polymethacrylsaureester) werden durch radikalische Polymerisation von Estern der Methacrylsaure H 2C=C(CH3)-COOR (R = CH 3, C2Hs, C3H7 , ••• ) als amorphe, glasartig harte und transparente Kunststoffe ("organisches Glas") erhalten. Die technisch groBte Bedeutung haben die Polymethylmethacrylate (obiges Formelbild) erlangt. Polymethylmethacrylate (p = 1,18 g/cnr') sind glasklare polymere Werkstoffe (Acrylglas) hoher Harte und Festigkeit sowie hoher Warme- und Witterungsbestandigkeit. 1m Gegensatz zu Fensterglas sind sie auch fur UV- Licht durchlassig. Sie sind hochglanzend, kratzfest und lassen sich gut bearbeiten (polieren, sagen, frasen, bohren usw.). Sie konnen verklebt und verschweiBt werden. Die Erweichungstemperaturen der PMMA-Polymere liegen zwischen 120 und 140°C. Bei etwa 150°C, also im thermoelastischen Bereich, konnen sie gebogen, gezogen bzw. tiefgezogen werden. PMMA sind bestandig gegeniiber verdtmnten Sauren (s 20%), verdunnten Laugen, Benzin, Mineralolen sowie tierischen und pflanzlichen Olen. Nicht bestandig bzw. loslich bis quellbar sind sie in Benzol, Toluol, Estern, Ketonen, Chlorkohlenwasserstoffen sowie konz. Sauren und Laugen. PMMA brennt nach der Entziindung mit leuchtender, nicht ruBender Flamme (blauer Kern) knisternd ab, wobei ein scharfer, fruchtartiger Geruch entsteht.
447
lOA Kunststoffe
Verwendung: Verglasungen, lichtdurchlassige Platten, Stabe, Rohre, Profile, Sanitarartikel; Sicherheitsg1as (splitterfrei und schusssicher). Das bekannteste Polymethylmethacrylat ist Plexiglas (Fa. Rohm),
• Polyvinylacetat, PVAC
t CH - CH2
I
-+n
O-COCH 3
Durch radikalische Polymerisation von Vinylacetat CH 2=CH-0-COCH3 wird Polyvinylacetat erhalten. Die Polymerisate sind glasklare, sprode, licht-, warme- und witterungsbestandige Thermoplaste mit Dichten zwischen 1,16 und 1,18 g/crrr', Die Glasubergangstemperaturen der Polyvinylacetate liegen in Abhangigkeit von der relativen Molekulmasse zwischen 28...180°C. PVAC ist unloslich in Wasser, loslich dagegen in vielen organischen Losungsmitteln (Ester, Ether, niedere Alkohole, Halogenkohlenwasserstoffe u.a.). Aufgrund seiner geringen mechanischen Festigkeit kann PVAC nicht als Konstruktionswerkstoff eingesetzt werden. Verwendung: Bindemittel fur Anstriche und Beschichtungen, zur Herstellung von Lacken, Klebstoffen und Spachtelmassen, Haft- und Kontaktmittel. Polyvinylalkohol lasst sich durch eine alkalisch katalysierte Umesterung von Polyvinylacetat mit Alkohol (vorzugsweise Methanol!) herstellen. Die makromolekulare Kette bleibt erhalten (Gl. 10-17). Bei einer Umesterung wird der Alkoholrest eines Carbonsaureesters gegen einen anderen ausgetauscht. Dabei geht ein Ester in einen anderen tiber. Die Umesterung kann somit als eine Abfolge von Verseifungs- und Veresterungsreaktion angesehen werden. tCH -CH 2
I
-+n
O-COCH 3 Polyvinylacetat
tCH -CH 2 I OH
-+n
(10-17)
Polyvinylalkohol
• Polyvinylalkohol, PVAL Handelsubliche PVAL sind weiB-gelbliche Pulver oder Granulate unterschiedlichen Polymerisationsgrades. Aufgrund der im Polymer enthaltenen polaren OH-Gruppen sind die Polyvinylalkohole wasserloslich und bilden schwach- bis zahviskose Losungen. Trockener PVAL (p = 1,25...1,35 g/cnr') ist sehr sprode, weshalb mitunter Wasser oder weichmachende Substanzen (Ethylenglycol, Glycerin) zugesetzt werden. Mit Ausnahme einiger stark polarer Losungsmittel wie Dimethylformamid und Dimethylsulfoxid ist PVAL in den meisten organischen Losungsmitteln unloslich. PVAL-Folien sind weitgehend undurchlassig fur Gase wie N2, O2, CO2 und H2, jedoch durchlassig fur Wasserdampf. Verwendung: Folien, Klebstoffe, Dichtungen, Schlauche u.a. Durch die polare OH-Gruppe sind sie als Schutzkolloide (Kap. 6.3.2) verwendbar. Durch Umsetzung von PVAL mit Butanal (Butyraldehyd C3H7 -CHO) entsteht Polyvinylbutyral, PVB, der technisch wichtigste Vertreter der Gruppe der Polyvinylacetale. Das Strukturelement der Polyvinylacetale besitzt die allgemeine Formel:
448
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
+CH z- CH -CHz-CH+ I I n o 0 "CH/ I R
FUr Polyvinylbutyral ist R = C3H7 • Die pulverformig anfallenden PVB sind wasserunlosliche, amorphe, transparente Produkte, die in der Lage sind, zahe und feste Filme zu bilden. Verwendung: Folien als Zwischenschichten in Sicherheitsglasscheiben, Lacke und Klebstoffe, Anstrichmittel.
• Polyvinylether
+CH-CHzt I n
O-R Polyvinylether entstehen uberwiegend durch kationische Polymerisation von Alkylvinylethem CH 2=CH-OR. Technische Bedeutung haben der Polymethylvinylether, PVM (mit R = CH 3) , der Polylethylvinylether, PVE (R = C2Hs) und der Polyisobutylvinylether, PVI (R = CHrCH(CH3)2) erlangt. Die Polyvinylether besitzen in Abhangigkeit von Alkylrest und Polymerisationsgrad eine klebrig-flussige bis feste, wachsartige Konsistenz. Sie sind in den meisten organischen Losungsmitteln loslich. Polyvinylether mittlerer Molekiilmassen besitzen eine auBerordentlich gute Haftfahigkeit. Verwendung: Klebstoffe (z.B. auf Klebe- und Isolierbandern), wiederbefeuchtbare Papierklebstoffe (PVM), Lacke u.a.
• Polytetrafluorethylen, PTFE
F I
F I
F
F
fc-c+ I I n
Polytetrafluorethylene entstehen durch radikalische Polymerisation von Tetrafluorethylen CF 2=CF2 • Die auBerordentlich temperaturbestandigen Thermoplaste bestehen weitgehend aus linearen Makromolektilen und weisen einen hohen Anteil kristalliner Bereiche (bis zu 70%) auf. PTFE sind wasserabweisende und nicht brennbare Werkstoffe mit Dichten zwischen 2,1...2,3 g/cm". Der Kristallitschmelzpunkt dieser Polymere geringer Harte liegt bei 327°C. Oberhalb 400°C zersetzen sie sich unter Freisetzung fluorhaltiger toxischer Abbauprodukte wie Fluorphosgen (COF 2) und Perfluorisobuten. Der Gebrauchsbereich der PTFE erstreckt sich von -200...+250°C, da sich uber das gesamte Temperaturintervall ihre mechanischen und chemischen Eigenschaften kaum andern, AuBer der hohen Thermostabilitat besitzen PTFE eine hohe Chemikalienbestiindigkeit. Ein Angriff erfolgt nur durch Fluor, Fluorverbindungen bei erhohten Temperaturen und verflussigte Alkalimetalle. Verwendung: Wartungsfreie Gleitlager, Bruckenlager, Dichtungen, Rohre, Folien, Platten, Beschichtungen fur Kuchengerate (Teflon) und Isolationsmaterial.
449
10.4 Kunststoffe
10.4.4.2 Polykondensationskunststoffe (Polykondensate) Bei einer Polykondensation erfolgt die Bildung eines Makromolekiils durch Verkniipfung gleicher oder verschiedener Monomere unter Abspaltung k1einer anorganischer Molekiile (meist H 20 , seltener NH3, Hel). Strukturelle Voraussetzung filr den Ab1auf einer Polykondensation ist das Vorliegen zweier, meist endstandiger reaktiver Gruppen im Monomermolekul, Durch die Abspa1tung niedermo1eku1arer Reaktionsprodukte verandert sich beim Ubergang vom Monomer zum Polykondensat die e1ementare Zusammensetzung. 1m Unterschied zur Polymerisation, bei der die Makromolekiile nach einem Kettenwachstumsmechanismus gebildet werden, lauft die Polykondensation nach einem Stufenmechanismus abo Die Polykondensate entstehen stufenweise tiber stabile Zwischenprodukte, die die gleiche Reaktionsfahigkeit wie die Monomeren aufweisen. Zu jedem Zeitpunkt konnen Molekille, so unterschiedlich ihre GroBe auch sein mag, miteinander reagieren. Kondensationsreaktionen reprasentieren einen allgemeinen Reaktionstyp, der nicht nur in der organischen, sondem auch in der anorganischen Chemie anzutreffen ist (z.B. Kondensation von Kieselsauren unter Bildung von Polykieselsauren, Kap. 9.2.2).
Bautechnisch wichtige Polykondensate: Polyamide, PA. Durch Umsetzung von Diaminen und Dicarbonsauren oder durch Po1ykondensation von Aminosauren entstehen Polyamide. Sie werden sowoh1 zu Texti1fasem a1s auch zu Werkstoffen verarbeitet. Zum Beispiel fiihrt die Umsetzung von Hexamethylendiamin H 2N-(CH2kNH2 mit Adipinsaure HOOC-(CH2)4-COOH zu einem Polyamid des Nylontyps (Gl. 10-18). Die Anzahl der Kohlenstoffatome der Methylenkette einschlieBlich der Saureamidgruppe (-NH-CO-) wird zur Kennzeichnung des Polyamids herangezogen. Das in Reaktion (10-18) gebildete Po1ykondensat tragt die Bezeichnung PA 66 (Nylon). r---..,
n {H 2N - (CH2)s - N-lH + HOIOC - (CH2) 4 - COOH } IL -l
- (2n-1) Hp
•
H
t
H
~ - (CH2)s - ~ -
oCII -
Of
(lO-18)
II
(CH2) 4 - C
OH
n
Polyamide sind ziemlich harte, zahe, abriebfeste, farblose bis schwach ge1bliche Thermoplaste, deren Oberflache einen Glanz aufweist. Die homartigen Stoffe besitzen aufgrund ihres relativ hohen kristallinen Anteils keinen breiten Erweichungsbereich, sondem einen mehr oder weniger scharf ausgepragten Schmelzpunkt. Er liegt je nach PA-Sorte zwischen 185 und 255°C. Polyamide lassen sich verspinnen, gieBen, pressen und spanabhebend bearbeiten. Von Nachteil fur den Werkstoffeinsatz ist ihre Empfindlichkeit gegenuber Luftsauerstoff bei hoheren Temperaturen (» 100°C) und gegenuber UV-Strah1ung. Dariiber hinaus nehmen sie in Abhangigkeit von der Luftfeuchtigkeit wechselnde Mengen Wasser auf (bis zu 10%). Gegenuber A1kalien und den meisten organischen Losungsmitteln sowie Kraftstoffen und Olen sind die PA bestandig. Von konz. Sauren und starken Oxidationsmitteln
450
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
werden sie angegriffen. Polyamide brennen mit leuchtender Flamme unter Abtropfen (Geruch nach verbranntem Hom). Verwendung: Folien, Platten, Schrauben, Diibel, Beschlage, Dichtungen, Textilfasem u.a. Formaldehydkondensationsprodukte: • Phenol-Formaldehyd-Harze, PF (Phenolharze, Phenoplaste) entstehen durch Einwirkung von Formaldehyd auf Phenol im basischen bis schwach sauren Milieu. Die Substitution der H-Atome des Phenols kann in ortho- und in para-Stellung erfolgen. Durch intermolekulare Wasserabspaltung (Abb. 10.16a) entstehen zunachst lineare und verzweigte Makromolekiile (Vorkondensate). Sie besitzen einen niedrigen Polymerisationsgrad, die Polykondensation ist noch nicht abgeschlossen. Bei den Vorkondensaten handelt es sich urn zahflussige bis feste, pulverformige thermoplastische Massen, die in der Regel mit FiiIlstoffen (Mineral- und Gesteinsmehle, Holzmehl, Textilfasem, Glasfasem u.a.) versetzt und anschlieBend mit Hilfe von Vemetzungsmitteln (Hartern) unter Druck oder durch Hitzeeinwirkung verpresst werden. Die FiiIlstoffe sollen die Kosten fur den Kunststoff senken und seine mechanischen Eigenschaften verbessem.
Abbildung 10.16 Phenol-Formaldehyd-Harze: a) Bildung des Vorkondensats durch intermolekulare HzO-Abspaltung; b) Ausschnitt aus der vernetzten Struktur.
Die bei der alkalischen Kondensation anfallenden Ioslichen thermoplastischen Vorprodukte bzw. Vorkondensate werden Resole (A-Harze) genannt. Sie gehen durch weitere Kondensation beim Erhitzen auf 150°C in Resitole (B-Harze) tiber, die kaum noch loslich und nur in der Hitze thermoplastisch sind. Durch Zugabe einer Saure als Harter werden die Resitole bei Normaltemperatur in unlosliche, schwer schmelzbare Formen uberfuhrt (Resite). Resite sind durch eine raumliche Vemetzung der Molekiilketten (Abb. I0.16b) gekennzeichnet. Bei der sauren Kondensation reagieren Phenol und Formaldehyd zu halbfliissigen, weitge-
10.4 Kunststoffe
451
hend loslichen Produkten (Novolake). Sie konnen durch Zusatz von Hexamethylentetramin ausgehartet werden. Ein Phenol-Formaldehyd-Harz war der erste und lange Zeit einer der wichtigsten synthetischen Kunststoffe, der unter dem Namen seines Erfinders L. H Baekeland als Bakelit bekannt geworden ist. Die geruch- und geschmacklosen Phenol-Formaldehyd-Harze besitzen den Nachteil, dass sie im Laufe der Zeit nachdunkeln. Deshalb werden sie vor der Weiterverarbeitung meist dunkelbraun oder schwarz eingefarbt. Die Harze sind widerstandfahig gegeniiber Wasser und Chemikalien (auch organischen Losungsmittelnl) und besitzen etwa die Harte des Kupfers. Verwendung: Wegen ihrer niedrigen elektrischen und Warmeleitfahigkeit werden sie zur Herstellung von Isolatoren, Schaltem, Steckdosen usw. verarbeitet. Dariiber hinaus finden sie Verwendung in Schichtpressstoffen, Holzspan- bzw. Holzfaserplatten. Die durch Zusatz von Sauren kalt hartenden Resole sind Bestandteil einiger Kleb- und Schaumstoffe. • Harnstoff-Formaldehyd-Harze, UF (Harnstoffharze, Carbamidharze) gehoren zur Gruppe der Aminoplaste. Aminoplaste sind Kunststoffe, die durch Einwirkung von Aldehyden (meist Formaldehyd) auf Amine hergestellt werden konnen. Das Kurzzeichen UF leitet sich von Urea (griech.-lat. Hamstoff) und Formaldehyd abo Bei der Umsetzung von HarnstoffHzN-CO-NHz und Formaldehyd H-CHO entstehen unter entsprechenden Reaktionsbedingungen zunachst kettenformige Molekiile (Abb. 10.17a) als Vorkondensate. Sie werden ahnlich wie die Phenolharze durch Erhitzen unter Druck vemetzt. Abb. 10.17b zeigt einen Ausschnitt aus der vemetzten Struktur eines Hamstoff-Formaldehyd-Harzes. 000
+ H-N-CO-N-H + CH2 + I
H
a) (-H 20) --'----=--.:.....;..~
LH
+
+
H-N-CO-N-H
°
~---#----~
NH - CO - NH - CH2
000
I
H.:J
H
+
-----+-
0
0
o-----+-
n
b)
Abbildung 10.17 Harnstoff-Formaldehyd-Harze: a) Bildung des Vorkondensats unter H20-Abspaltung; b) Ausschnitt aus der vernetzten Struktur.
Harnstoffharze werden in der Regel mit Fiillstoffen wie Holzmehl, Cellulose oder Textilfasem zu weiBen Pressmassen verarbeitet, die sich durch Lichtechtheit sowie Geschmacks und Geruchlosigkeit auszeichnen. Allerdings sind sie hitze- und feuchtigkeitsempfindlich. Ihre Widerstandsfahigkeit gegeniiber Chemikalien entspricht der der Phenolharze. Problematisch ist die nachtragliche Abspaltung von Formaldehyd aus den Fertigprodukten. Die Emission von Formaldehyd aus Mobeln und Spanplatten fuhrt zu einer teilweise betrachtlichen Belastung der Innenraumluft (s. Kap. 12). Verwendung: Bindemittel fur Pressmassen (Sanitiirbereich, Elektroinstallation), Bindemittel fur Holzwerkstoffe, nichtelastische Schaumstoffe (Warmedammung). Die Kondensation
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
452
von Hamstoff und Formaldehyd in Gegenwart von Alkoholen (z.B. Butanol) fiihrt zu hochwertigen Lackharzen, die als losungsmittelbestandige, nicht vergilbende Einbrennlacke Anwendung finden, • Melamin-Formaldehyd-Harze, MF (Melaminharze) entstehen durch Polykondensation von Melamin (2,4,6-Triamino-l,3,5-triazin) mit Formaldehyd. Wie die Hamstoffharze gehoren auch die Melaminharze zu den Aminoplasten. Aufgrund der drei freien Aminogruppen kann das Melamin bis zu sechs Formaldehydmolekiile anlagem.
Die Vorkondensate fallen als feinpulvrige, wasserlosliche Harze an. Sie vemetzen beim Erhitzen auf 120...165°C zu unloslichen, schwer schmelzbaren Produkten von guter Lichtbestandigkeit, Melaminharze sind glasklar, gut anfarbbar und iibertreffen die Hamstoffharze in Bezug auf Wasser- und Temperaturbestandigkeit deutlich. Sie sind geruchsfrei und physiologisch unbedenklich. Verwendung: Mit Fiillstoffen wie Gesteinsmehl, Holzmehl, Cellulose oder Textilfasem versetzt, werden die Melaminharze zu Pressmassen verarbeitet, die in der Elektroindustrie, Mobelindustrie (Deko-Platten, Deckfumiere), Rundfunk- und Femsehtechnik Verwendung finden, Dariiber hinaus werden sie als Rohstoffe fur Lacke und Leime eingesetzt. Polyesterharze - Alkydharze
• Lineare Polyester. Durch Polykondensation von zweiwertigen Alkoholen mit Dicarbonsauren werden lineare Polyester erhalten. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Gruppe von Kunststoffen ist das Polyethylenterephthalat, PET. PET entsteht durch Umsetzung von Ethylenglycol mit Terephthalsaure (Gl. 10-19).
r---,
-IQ\-
n { HO-(CH2h-0Ltt -.!" ll~OC~ COOH Ethylenglycol
}
-(2n-1)Hp
(10-19)
Terephthalsaure
O
-o-cQ II
H O-(CH 2h
t
O II
C- -OH
n
Aus PET werden vor allem Dichtungsbahnen fur Bauwerksabdichtungen und Folien mit einer auBerordentlich hohen ReiBfestigkeit und Temperaturbestandigkeit hergestellt. PET wird auBerdem zu Kunstfasem (z.B. Diolen) und Polyesterseilen verarbeitet. Aufgrund ihrer geringen Masse gewinnen PET-Flaschen fur Getranke immer mehr an Bedeutung. Setzt man 1,4-Butandiol anstelle von Ethylenglycol mit Terephthalsaure urn, erhalt man Polybntylenterephthalat, PDT. PBTP besitzt ahnliche Eigenschaften wie PET.
10.4 Kunststoffe
453
• Vernetzte Polyester. Bei der Polykondensation eines drei- (z.B. Glycerin) oder hoherwertigen Alkohols (Polyols) mit einer zweiwertigen aromatischen Dicarbonsaure oder deren Anhydrid bilden sich bei Temperaturen urn 250°C vernetzte, schwer schmelzbare Kondensationsprodukte (Glyptalharze). Setzt man pflanzliche Ole (z.B. Leinol) oder Fettsauren zu, bilden sich im Resultat der Polykondensation Alkydharze (Olmodifizierte Alkydharze). Dabei wird mindestens eine OH-Gruppe des Polyols mit einer Fettsaure verestert. Je nach "Olbasis" unterscheidet man (luft)trocknende, halb- und nicht trocknende Alkydharze. Die Alkydharze bilden wetter- und wasserfeste, lichtbestandige Anstrichfilme, weshalb sie vor allem als Lackharze verwendet werden. Ungeslittigte Polyesterharze, UP, werden durch Polykondensation ungesattigter Dicarbonsauren bzw. polyfunktioneller ungesattigter Carbonsaurederivate mit mehrwertigen Alkoholen erhalten. Die zunachst durch Kondensation entstehenden linearen und verzweigten ungeslittigten Polyester fallen als glasig-amorphe, feste Massen an. Indem man sie in einem polymerisationsfahigen Losungsmittel wie Styrol lost, erreicht man eine Vernetzung. Die ausgeharteten UP liegen als vernetzte Polyester vor. Ihre Synthese stellt eine Kopplung von Polykondensations- und Polymerisationsreaktionen dar. Die Losungen der ungesattigten Polyester in Styrol (Achtung: Styroldampfe wirken reizend auf Augen, Atemwege und Haut!) bezeichnet man als Giefi- oder Reaktionsharze (auch: Laminarharze). Der Styrolgehalt kommerziell gehandelter Losungen liegt zwischen 35 ...40%. Die Aushartung kann je nach eingesetztem Harter und evtl. Beschleunigern bei hoheren Temperaturen oder bei Normaltemperatur erfolgen. Durch Zugabe organischer Peroxide als Harter erfolgt die Polymerisation der Kondensate bei Temperaturen zwischen 80... 160°C. Soll eine effektive Aushartung unter 80°C erreicht werden, miissen Beschleunigersubstanzen, z.B. Metallsalze, zugesetzt werden. Die vernetzten, ausgehlirteten Polyesterharze sind harte, sprode, farblose und glasklare Werkstoffe, die sich leicht einfarben lassen. Sie sind bestandig gegeniiber Wasser, verdiinnte Mineralsauren und Alkalien, Salzlosungen sowie den meisten organischen Losungsmitteln (Ausnahme: Aceton, Essigsaureethylester). Die mechanischen Eigenschaften der Polyesterharze konnen durch Glasfaserverstarkung verbessert werden (Glasfaserverstlirkte Kunststoffe, GFK). Verwendung: Klebstoff (Zweikomponenten-Kleber), Polymermortel und -betone, GieBharze, glasfaserverstarkte Polyesterharze (UP-GF). UP-GF finden im Bausektor Verwendung fur lichtdurchlassige, ebene bzw. gewellte Platten und Tafeln fur Fassadenbekleidungen, Wande und Decken; des Weiteren fur Profile, Rohre sowie Bauelemente fur Schwimmbader. Polycarbonate, PC, sind lineare Polyester, die durch Polykondensation von Derivaten der Kohlensaure mit Dialkoholen (Diolen) hergestellt werden. Von Bedeutung sind vor allem Polycarbonate auf der Basis aromatischer Dihydroxyverbindungen, hauptsachlich des 4,4'Dihydroxy-dimethyl-diphenyl-methans (Bisphenol A, auch: Dian, Abb. 10.18a). Durch Umsetzung mit Phosgen CI-CO-Cl, dem Dichlorid der Kohlensaure, bilden sich unter Abspaltung von HCl lineare Makromolekule (Abb. 10.18b). Die Bezeichnung dieser Kunststoffe als Polycarbonate geht auf die Gruppierung (-O-CO-O-, Carbonat: C032- ) zuriick. Polycarbonate sind klare, durchsichtige, farblose bis schwach gelbliche, thermoplastische Kunststoffe, die in ihren mechanischen, thermischen und elektrischen Eigenschaften zahlreichen anderen Kunststoffen iiberlegen sind. PC sind hartelastische Stoffe, die sich polieren, spanend bearbeiten, kleben, schweiBen und nageln lassen. Sie sind bis -100°C schlag-
454
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
zah und wegen ihres relativ hoch liegenden Erweichungsbereichs bis ca. BO°C einsetzbar. Polycarbonate sind bestandig gegenuber Wasser, Salzlosungen, verdtmnten Mineralsauren, Kohlenwasserstoffen, Olen und Fetten. Von bestimmten Chlorkohlenwasserstoffen, wie z.B. CH 2Clz und CCI4 , sowie von Benzol werden sie angequollen. Wassrige Losungen von Alkalien und Ammoniak greifen PC an. Polycarbonate weisen eine ausgezeichnete Bestandigkeit gegenuber Sonnenlicht, Witterungseinflussen und radioaktiver Strahlung auf. Verwendung: Platten, Tafeln und Stangen, lichtdurchlassige Formplatten, Verglasungen, durchsichtige Gerateabdeckungen, Telefonzellen, CD und DVD u.a.m.
--, 0 O+H + CI+C+CI + H+O--?H--3 0 O+H,-H+O--?H--3 C C I '- - - -' II '- - - -' I r
~
C~
a)
Bisphenol A (Dian)
-
-..,
r
-
-..,
~
o
Phosgen
C~
Bisphenol A (Dian)
Abbildung 10.18 Polycarbonate: a) Kondensationreaktion von Phosgen mit Dian unter Abspaltung von Hel; b) Strukturelement des Kunststoffs.
Furanharze sind Polymere, die in der Hauptkette Furanringe (s. Kap. 10.1.8) enthalten. Sie werden durch Polykondensation von Furfurylalkohol (2-Furanmethanol) mit sich selbst oder mit Furfurol (o-Furfurylaldehyd), Formaldehyd, Harnstoff, Ketonen und/oder Phenol als Co-Monomeren hergestellt. Furanharze sind braune bis schwarze, viskose Fliissigkeiten, die unter dem Einfluss stark saurer Katalysatoren zu Produkten mit ausgezeichneten Gebrauchseigenschaften vernetzen. Kommerziell erhaltliche Furanharze bestehen aus den entsprechenden Furfurylalkohol-Cokondensaten, denen zur Viskositatserniedrigung Reaktivverdunner wie Furfurol, Furfurylalkohol oder aromatische Aldehyde zugesetzt sind. Die Kalterhartung erfolgt entweder mit Mineralsauren (H 3P04 , verd. H 2S04) , die als wassrigalkoholische Losungen zugegeben werden, oder mit festen kristallinen aromatischen Sulfonsauren. Sie konnen dem Harz in fester Form, z.B. im Gemisch mit den Fullstoffen, aber auch als wassrig-alkoholische Losung, zugesetzt werden. Verwendung: Chemikalienbestandige Kitte und bei niedriger Temperatur hartende Klebstoffe. Glasfaserverstarkte Furanharze werden als Konstruktionsmaterialien mit hoher Korrosions-, Hitze- und Flammbestandigkeit fur Behalter, Rohrleitungen und Reaktoren eingesetzt.
10.4.4.3 Polyadditionskunststoffe (Polyaddukte) Bei einer Polyaddition erfolgt die Bildung eines Makromolekiils durch wechselseitige Verkniipfung (Addition) unterschiedlicher Monomermolekiile mit je zwei charakteristischen Gruppen ohne Abspaltung von Nebenprodukten.
10.4 Kunststoffe
455
Wesentliche Voraussetzung fur den Ablauf einer Polyaddition ist das gleichzeitige Vorhandensein eines Protonendonators und eines Protonenakzeptors. Eines der beiden sich verkniipfenden Molekiile muss demnach als Bronsted-Saure und eines als Bronsted-Base fungieren konnen. Ais Protonendonatoren kommen vor allem Diole und als Protonenakzeptoren Diisocyanate mit reaktiven Isocyanatgruppen (O=C=N-) zur Anwendung. Die Protonen der beiden OH-Gruppen des Diols wandern jeweils zu einer Isocyanatgruppe, wobei sich das partiell positiv geladene H-Atom an das Stickstoffatom und das partiell negativ geladene Sauerstoffatom der Hydroxylgruppe an das Kohlenstoffatom der O=C=N-Gruppe anlagert. Dabei wird die n-Bindung der N=C-Doppelbindung gelost (Additionsreaktion) und zwischen den beiden Monomerkomponenten bildet sich eine kovalente Bindung aus. Die in Gl. (10-20) dargestellte Umsetzung eines Diisocyanats mit einem Diol zu einem Polyaddukt lauft bei der Darstellung von Polyurethanen (s.u.) abo n {HO-CH 2-CH 2-OH Ethylenglycol
+
O=C=N-(CH 2)s-N=C=O} 1,6-Hexandiisocyanat
t
(10-20)
o
ot
II
II
o-c~-c~-o-C-~-~H~-~-C
H
H
n
Bautechnisch wichtige Polyaddukte: Polyurethane, PUR. Setzt man aliphatische Diisocyanate, z.B. 1,6-Hexandiisocyanat, und Diole wie Ethylenglycol (Gl. 10-20) oder 1,4-Butandiol ein, erhalt man iiberwiegend lineare Polyurethane. Sie besitzen ahnliche Eigenschaften wie die Polyamide. Durch Zusatz von Fiillstoffen wie RuB oder Metalloxide (Alz0 3 , Ti02) konnen ihre Gebrauchseigenschaften verbessert werden. Vernetzte Polyurethane entstehen durch Polyaddition von Diund Triisocyanaten (Gemische!) an hohermolekulere Alkohole bzw. verzweigte Polyester. Ihre Eigenschaften sind je nach Vernetzungsgrad iiber einen weiten Bereich variierbar. Sie fallen als harte, sprode Feststoffe oder als Elastomere (Polyurethanelastomere) an.
PUR-Harze haften gut auf unterschiedlichen Untergrundmaterialien, altern nur geringfligig und werden von verdunnte Sauren und Laugen, Kohlenwasserstoffen sowie Olen und Fetten kaum angegriffen. Konz. Laugen und Sauren losen die Harze an. Entsprechend breit gefachert wie das Eigenschaftsspektrum ist auch das Verwendungsgebiet der Polyurethane. Verwendung: Fugenfullstoff, Abdichtungen, Lackbindemittel, Klebstoffe, GieBharze, Spachtelmassen. Polyurethanschaumstoffe lassen sich in PUR-Weich- und PUR-Hartschaumstoffe unterteilen. Sie wurden in der Vergangenheit ausnahmslos durch FCKW (bes. CChF, R 11) geschaumt. Die Suche nach Alternativen machte schnell deutlich, dass es ein halogenfreies Treibmittel, das aIle gunstigen Eigenschaften der FCKW in sich vereint, nicht geben kann. So wurden je nach Schaumstofftyp anwendungsspezifische Ersatzlosungen entwickelt (s.a. PS-Hartschaum). Ein alternatives Treibmittel fur die Weichschaume zu finden, war nicht schwierig. Fuhrt man namlich die Polyaddition in wassriger Losung durch, kommt es unter Abspaltung von CO2 zur Bildung von Diaminen (Gl. 10-21), die als Vernetzerkomponente
456
10 Chemie organischer Stoffe im Bauwesen
wirken. Das freigesetzte Koh1endioxid besitzt blahende und schaumbi1dende Eigenschaften (chemische Schiiummethode). (10-21) Fiir die Produktion der iiberwiegend als Warmedammstoffe eingesetzten PUR-Hartschaume ist heute vor allem Cyclopentan das Treibmittel der Wahl (BASF). Cyclopentan kommt hinsichtlich Siedepunkt und Warmeleitfahigkeit den Anforderungen an ein FCKWErsatztreibmittel am nachsten, Klar ist, dass die zukiinftige Entwicklung zu den COr Schaumen gehen wird. W 0 mit CO 2 als Treibmittel die erforderlichen Schaumstoffeigenschaften nicht erreicht werden, kommen Kohlenwasserstoffe zum Einsatz. Nur in den wenigen Ausnahmefallen, wo die Verwendung unbrennbarer Treibmittel unabdingbar ist, wird man sich weiterhin auf die teuren, teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (H-FKW) stiitzen miissen.
Epoxidharze, EP, sind hartbare, industriell hergestellte organische Verbindungen, deren Reaktivitat auf den im Molekiil befindlichen Epoxidgruppierungen beruht. Epoxide enthalten den Sauerstoff in einer cyclischen, aus drei Atomen bestehenden Etherstruktur, bei der ein Sauerstoffatom an zwei direkt miteinander verkniipfte C-Atome gebunden ist. - CH -CH-
"o
/
Epoxidgruppe
Die Grundharze entstehen durch Umsetzung von Epichlorhydrin (exakt: l-Chlor-2,3-epoxipropan) mit Diolen, zumeist aromatischen Dihydroxyverbindungen (Phenole), unter Zusatz von Alkalilauge. Als phenolische Komponente verwendet man hauptsachlich das bereits von den Polycarbonaten bekannte Bisphenol A (Dian, Abb. 10.18). Aufgrund der endstandigen Epoxidgruppen sind die Grundharze (Abb. 1O.19a) in der Lage, mit aminogruppenhaltigen Hartern zu reagieren (Abb. 10.19b). Zur Herabsetzung der Viskositat und Verbesserung der GieBbarkeit konnen den Epoxiden Reaktivverdiinner zugesetzt werden, z.B. Glycidether aliphatischer und aromatischer Alkohole, Glycidester hoherer Carbonsauren, Durch Polyaddition der Harterkomponenten an die Epoxid(grund)harze bilden sich vernetzte Makromolekiile, wobei ein harter Duroplast entsteht. Als Harter werden vor allem Di- und Polyamine mit reaktionsfahigen Aminogruppen verwendet. Ein heute haufig eingesetztes cycloaliphatisches Amin ist das Isophorondiamin (IPD). Die raumliche Vemetzung des EP-Grundharzes erfolgt uber reaktive H-Atome des Amins, so dass im ausgeharteten Epoxidharz iiberwiegend tertiare Amine vorliegen (Abb. 10.19b). Die Heillhartung der Grundharze erfolgt bei Temperaturen zwischen 100...150°C mit sauren Hartern (z.B. Dicarbonsaureanhydride), Dabei werden Harze mit einer hoheren Warmebestandigkeit und giinstigeren elektrischen Eigenschaften erhalten. Die spezifischen physikalisch-chemischen Eigenschaften der Epoxide hangen weitgehend von den verwendeten Ausgangs- und Fiillstoffen abo Die ausgeharteten EP-Harze sind relativ hart und abriebfest, chemisch sehr bestandig und haften gut auf den verschiedensten Untergrundmaterialien. Breite Anwendung finden heute in der Baupraxis die Epoxidharzemulsionen (wiissrige 2Komponenten-EP-Systeme). Die Besonderheit dieser Emulsionen, die wie die konventionellen EP-Systeme auf der Umsetzung von EP-Harz mit reaktiven Polyaminen beruhen,
10.4 Kunststoffe
457
besteht darin, dass mindestens eine Komponente wasserverdiinnbar sein muss. Zur Bildung eines kolloiddispersen Systems werden entweder Dispergiermittel eingesetzt oder in die polymere Struktur des Harzes hydrophile Gruppen eingebaut (in der Paxis setzt man iiberwiegend Dispergiermittel ein!). Ais Harter kommen wasserverdiinnbare Polyaminoamide oder hydrophil modifizierte Epoxid-Amin-Addukte zum Einsatz. Der ungeschiitzte Einsatz von Epoxiden (Epoxidharze, Reaktivverdiinner, Harter und ggf'l Losungsmittel) kann neben Reizungen der Augen zu allergischen Kontaktekzemen fuhren (Handschuhe!). Verwendung: Lack- und GieBharze, Injektionsharz fur Abdichtungen, Klebstoffe (Zweikomponenten-Kleber), Bindemittel zur Beschichtung oder zur Herstellung von Kunstharzmortel und Kunstharzbeton (Kap. 10.4.6).
--
......
•• • -0-CH 2-CH-!CH -N-CH ~CH-CH -0- ••• I OH "
2
260°C) gehoren die polycyclischen aromatischen Koh-
12.3 Schwarze Ablagerungen in Wohnungen ("Fogging")
483
lenwasserstoffe (PAK), Fungizide wie Pentachlorphenol (PCP) bzw. sein Natriumsalz (PCP-Na), Lindan (y-HCH) und DDT, polychlorierte Biphenyle (PCB) und Phthalsaureester (Weichmacher). Trotz ihrer Schwerfluchtigkeit konnen diese Verbindungen in der Raumluft in relativ hohen Konzentrationen auftreten. Haufig besitzen sie eine ausgepragte Neigung zur Adsorption an Staubpartikeln und an Oberflachen von Tapeten, Gardinen sowie Einrichtungsgegenstanden - womit diese selbst wiederum zu Sekundarquellen fur diese Schadstoffe mutieren. Ma8nahmen zur Verringerung der Innenraumbelastung. Sind die Quellen moglicher Belastungen erst einmal identifiziert, konnen sie entfemt oder zumindest in ihrer Wirkung reduziert werden. Urn den Eintrag von Chemikalien in die Raumluft zu verringem, sollte der Einsatz uberflussiger Chemikalien (Haushalt-, Sanitar- und Heimwerkerbereich) vermieden werden, schadstoffarme Produkte (Mobel, Einrichtungsgegenstande, Elektrogerate) angeschafft werden, Textilien vor dem ersten Tragen gewaschen - und nach einer chemischen Reinigung ausgeluftet werden. Der Heizungs- und der Garagenbereich solIte zu den Wohnraumen hin abgedichtet werden. Losungsmittelhaltige Farben und Lacke sowie Verdunnerflussigkeiten sollten nicht in den Wohnraumen gelagert werden. Urn die Belastungen zu mindem, sollte regelmiiBig geluftet und der Staub entfemt werden, z.B. Staubsaugen bei offenem Fenster. 1st man finanziell dazu in der Lage, sollte man belastete Spanplatten, belastete Teppichboden und mit bioziden Holzschutzmitteln belastete Holzer entfemen und durch schadstoffarme Produkte ersetzen. Wenn nicht, kann man die Emission belasteter Spanplatten (Formaldehyd!) durch Anstreichen der Oberflache oder Bekleben mit Aluminium- oder Verbundfolie reduzieren. Mit bioziden Holzschutzmitteln behandelte Dachboden sollten gut gegen den Wohnbereich abgedichtet werden.
12.3
Schwarze Ablagerungen in Wohnungen ("Fogging")
1m Winter 1995/96 trafen beim Umweltbundesamt erste Anfragen nach den Ursachen plotzlich auftretender, ruBiihnlicher schwarzer Flecken und olig schmieriger Ablagerungen auf Tapeten, Fensterrahmen, Steckdosen, Fliesen und anderen Einrichtungsgegenstanden ein. Die schwarzen Ablagerungen bildeten sich innerhalb von Tagen bzw. innerhalb weniger Wochen. Selten war nur ein Raum betroffen, meist traten die schwarzen Flecken in mehreren Raumen einer bestimmten Wohnung auf. 1m Sommer verschwinden die Ablagerungen haufig wieder, treten eventuell im nachsten Winter jedoch emeut auf. Das Phanomen der schwarzen Flecken wird in der Literatur als "Fogging" bezeichnet. Der Begriff stammt aus der Automobilbranche. Hier bezeichnet man die Ausbildung eines Films auf der Windschutzscheibe von Neufahrzeugen infolge von Ausgasungen schwer fluchtiger Bestandteile aus Kunststoffbauteilen als Fogging. Die genauen Ursache-Wirkungs-Beziehungen fur das Auftreten dieser "Schwarzstaub-Ablagerungen" (Magic Dust) im Wohnbereich sind bis heute nicht vollstandig geklart. Es ist noch nicht klar, welchen Beitrag a) die Bewohner mit ihrem Wohnverhalten, b) die Beschaffenheit des Gebaudes und c) die Zusammensetzung der verwendeten Bauprodukte und Einrichtungsgegenstande im Einzelnen auf die Entstehung dieser schwarzen Ablagerungen leisten. 1m Ergebnis zahlreicher Studien und Analysen sowie von Fragebogenaktionen vor allem durch das Umweltbundesamt konnen gegenwartig eine Reihe von Ursachen fur dieses Pha-
12 Luftschadstoffe in Innenraumen
484
nomen angegeben und grundsatzliche Zusammenhange aufgezeigt werden. Folgende allgemeingultige Aussagen wurden erhalten: • • •
Die schwarzen Ablagerungen werden ausschlieBlich in der Heizperiode zumeist als schwarz-grauer, olig-schmieriger Belag sichtbar. Haufig handelt es sich urn neu gebaute oder sanierte bzw. renovierte Wohnungen. Kalte Wandbereiche, Warmebrucken und die Art der Luftstromung sind entscheidende Faktoren beim Auslosen dieses Phanomens, Deshalb sind die Ablagerungen vor allem an Stellen hoher Luftbewegung, z.B. urn den Heizkorper (Abb. 12.2 links), entlang der Wand, der Fenster und Gardinen, oberhalb der Heizquellen und an Stellen verminderter Oberflachentemperatur (Zimmerecken, Abb. 12.2 rechts) am starksten.
Eine Gesamtiibersicht tiber mogliche Ursachen und Einflussfaktoren ist in Abb. 12.1 gegeben. ,
Schwarze Wohnungen I
AuP.>enluft DieselruP.> Plotzliche Staubablagerung
PAK
KaltebrOcken
Elektrostatik
Wohnverhalten
Luftfeuchtigkeit
Luftwechsel
Luftstromung
undichte Schornsteine im Mauerwerk
Temperaturgradient (Innen/auP.>en)
SVOC RuP.>
Verbrennungsprozesse • Kerzen ·Ollampen • Ofenheizung • Kamin
Potentielle Primarquellen • Bauprodukte • Einrichtungsgegenstande
Abbildung 12.1 Fogging: Mogliche Ursachen und Einflussfaktoren [Ue 9]
Die in der Literatur in den vergangenen Jahren beschriebenen schwarzen Ablagerungen im Wohnbereich hatten oft einen anderen Entstehungshintergrund. Es handelte sich vor allem urn RuB aus Schornsteinen und Kaminen, von Kerzen und vom Tabakrauch. Die Analyse der hier besprochenen Schwarzstaub-Ablagerungen ergab in nahezu keinem Fall Hinweise auf hohere Konzentrationen an Verbrennungsruckstanden wie z.B. RuB oder polycyclische Aromaten. Da das Problem offensichtlich in Zusammenhang mit gerade erfolgten Bau- und RenovierungsmaBnahmen auftritt, mussen die Hauptgrtinde auf diesem Gebiete liegen. Die Hersteller zahlreicher Produkte des Bau- und Heimwerkerbereichs setzen vermehrt hoher siedende organische Verbindungen ein. Damit steigt die Konzentration an mittel- und an schwer fluchtigen organischen Stoffen (SVOC) im Innenraum an. Besonders hoch ist sie im Winter bei Heizungsbetrieb und verminderter Luftung, Mittels chemischer Analyse hat man
12.4 Sick-Building-Syndrom
485
vor allem langerkettige Alkane, langkettige Alkohole ("Fettalkohole", z.B . Tetradecanol, Hexadecanol, Octadecanol), gesattigte und ungesattigte Fettsauren (Stearin- und Palmitinsaure, Olsaure, Linol- und Linolensaure) und deren Ester sowie Phthalsaureester nachgewiesen. Die mittel- und schwer fliichtigen organischen Verbindungen spielen beim Fogging eine extrem wichtige Rolle. Ihre Anwesenheit in der Innenraumluft geniigt allerdings noch nicht, um Ablagerungen zu verursachen. Weitere wichtige Faktoren sind • • •
die baulichen Gegebenheiten (Warmebrucken, Risse) die Raumnutzung (Verwendung zusatzlicher Emissionsquellen fur SVOC wie 01lampchen, Kerzen; Liiftungsverhalten) sowie sonstige raumklimatische und Witterungsverhaltnisse (Luftfeuchtigkeit, Elektrostatik der Luft).
Um dem Auftreten der schwarzen Ablagerungen vorzubeugen, sollten emissionsarme bzw. emissionsfreie Produkte (Anstrichstoffe, Lacke, Klebstoffe) und Einrichtungsgegenstande verwendet werden. Da mittel- und schwer fliichtige Verbindungen offensichtlich eine der Hauptursache bilden, muss deren Freisetzung weitgehend vermieden werden. Renovierungen sollte man am besten im Friihjahr durchfuhren. Dann haben sich die anfanglichen Ausgasungen von Bauprodukten und Einrichtungsgegenstanden bis zur nachsten Heizperiode stark reduziert. Abb . 12.2 zeigt schwarze Ablagerungen an exponierten Stellen im Wohnraum .
Abbildung 12.2
12.4
Fogging : Typische schwarze Ablagerungen uber einem Heizungskorper (links) und in einer Raumecke (rechts).
Sick-Building-Syndrom
Seit Mitte der 70er Jahre wird iiber Beschwerden berichtet, die die Betroffenen auf einen Aufenthalt in Biiros, gelegentlich auch in Schulen, Labors oder Krankenhauser zuriickfuhren o Wenn sie die betreffenden Gebaude verlassen, dann lassen meist auch die Beschwer-
12 Luftschadstoffe in Innenraumen
486
den nacho Bei emeutem Aufenthalt in den Gebauden nehmen die Symptome wieder deutlich zu. Von Fach1euten wird diesem Beschwerdebild der Begriff "Sick-Building-Syndrom" (SBS) zugeordnet [UC 10-12]. SBS ist nicht als medizinischer Fachbegriff (Syndrom: ein sich stets mit gleichen Krankheitszeichen manifestierendes Krankheitsbild) zu verstehen. Vielmehr kennzeichnet SBS einen Komplex unspezifischer Symptome, ohne dass eine eindeutige Krankheit oder pathologische Parameter diagnostiziert werden konnen [UC 11]. Als Kriterium fur das Vorliegen eines SBS gilt, dass mindestens 20...25% der exponierten Personen in einem Gebaude tiber folgende unspezifische Symptome klagen: • • • • • •
Reizungen der Augen-, Nasen- und Rachenschleimhaut Ermudung, schwerer Kopf, Kopfschmerzen, Ubelkeit, Benommenheit Konzentrationsschwache Trockener Hals, Halsschmerzen, Husten Trockene Gesichtshaut, gerotetes Gesicht, Hautausschlag, Juckreiz und unspezifische Uberempfindlichkeit.
1m Resultat einer umfangreichen US-amerikanischen Studie, in der 529 Gebaude hinsichtlich der SBS-Symptomatik untersucht wurden, ergab sich das in Abb. 12.3 dargestellte Ursachenspektrum [UC II]. In etwa 50% der Falle wurde als Ursache mangelnde Luftung, in 20-25% der Falle das Vorhandensein bestimmter Innenraumschadstoffe (s. Kap. 12.2), in 10% der Falle bestimmte AuBenluftschadstoffe und in etwa 5% der Falle Schimmelpilze, Milben, Bakterien (stammen oft aus schlecht gewarteten oder falsch dimensionierten Klimaanlagen ~ verkeimtes Befeuchterwasser, Filteruberladung) diagnostiziert. Dazu kommen burotypische Expositionen wie Bildschirmtatigkeit, Larm und evtl. Passivrauchen.
• Reinigungsmittel
Abbildung 12.3
• Tabakrauch
Ursachenkomplex fur das SickBuilding-Syndrom (Gewichtete Daten fur 529 USGebaude, tuc 11D.
• Kleber
unzureichende LOftung
Angesichts der benannten Ursachen wird das Dilemma eines eindeutigen kausalen Zusammenhanges zwischen Ursache(n) und Wirkung deutlich. Wie sollen Effekte, die auf eine unzureichende Ltlftung zuruckgehen, von denen abgetrennt werden, die auf verstarkte Emissionen - seien sie nun chemischer oder biologischer Art - zuruckzufuhren sind? Es ist auch derzeit noch ungeklart, welche Rolle psychosoziale Gesichtspunkte bei der Entstehung von SBS spielen. Es ist durchaus moglich, dass die auf die oben genannten Ursachen zu-
riickgehenden Beschwerden durch psychischen Stress verstarkt - oder iiberhaupt erst ausgelost werden (Mobbing am Arbeitsplatz!). Die Zahl der in Deutschland von SBS betroffenen Menschen liegt nach vorsichtigen Schatzungen bei 1 Million. Diese Zahl verdeutlicht die Notwendigkeit gezielter MaBnahmen, urn dem Sick-Building-Syndrom vorzubeugen. Die haufigsten MaBnahmen sind standiges Liiften in neuen oder frisch renovierten Gebauden und die Gewahrleistung einer giinstigen Luftfeuchtigkeit. Sie sollte in .normalen'' Buroraumen zwischen 50...65%, in klimatisierten Raumen bei 70% liegen. Treten Anzeichen fur ein SBS auf, sollten die Betroffenen einen Arzt fur Umweltmedizin konsultieren. Seine Aufgabe ist es, anhand chemischer Analysen von Proben aus dem Biiro oder den Wohnraumen, aber auch anhand von Fragen zum Betriebsklima oder zur Stimmung in der Familie einen Zusammenhang zwischen den Symptomen und potentiellen Ursachen zu finden. Das Sick-Building-Syndrom muss vom eher selten auftretenden Beschwerdebild "Building Related Illness" (BRl) klar abgegrenzt werden, obwohl es sich in beiden Fallen urn gebaudebezogene Gesundheitsstorungen handelt. Beim BRi geht es urn Beschwerden, die meist nur Einzelpersonen betreffen und die auf wohlbekannte Ursachen zuriickgefuhrt werden konnen, z.B. auf Legionellen oder auf Schimmelpilze. Das SBS stellt dagegen ein kollektiyes Phanomen dar, das auf einen ganzen Ursachenkomplex zuriickgefuhrt wird.
13
Recycling von Baustoffen
13.1
Allgemeine Bemerkungen
So unterschiedlich wie die auf dem Bausektor eingesetzten mineralischen und nichtmineralischen Baustoffe (s. Kap. 8 -10), so unterschiedlich sind die Baureststoffe (Bauabfalle), die am Ende der Nutzungsphase von Bauwerken, von StraBen usw. anfallen. Baureststoffe stellen im Hinblick auf das Gesamt-Abfallaufkommen in der BRD (2002: ca. 381 Mio. 1.) mit 241 Mio. t den groBten Anteil, nach Gewicht sind das etwa 65% und nach Volumen ca. 45...50% des Gesamtaufkommens [AB 21]. Der Anfall an Baureststoffen lag Mitte der 90er Jahre noch bei etwa 300 Mio. Tonnen. Der Riickgang zu heute wird auf eine absinkende Bautatigkeit zuriickgefuhrt. Der durch Recycling autbereitete Anteil ist mit etwa 25% gleich geblieben. Die Verwendung von Recyclingmaterialien schont nicht nur unsere Umwelt und unsere natiirlichen Ressourcen, sie hat sich auch Mitte der 90er Jahre in der Gesetzgebung niedergeschlagen. Am 07. Oktober 1996 trat das "Gesetz zur Forderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltvertraglichen Beseitigung von Abfallen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz, KrW-/AbfG)" in Kraft. Es regelt die Verpflichtung zur Abfallvermeidung und zur schadlosen Abfallverwertung. Eine Beseitigung von Abfallen kommt nur dann in Betracht, wenn eine Verwertung technisch nicht moglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz formuliert die eindeutige Zielhierarchie: Vermeiden geht vor Verwerten und Verwerten geht vor Beseitigen. Zur Schonung der Ressourcen miissen Abfalle von vomherein vermieden bzw. minimiert werden. Unvermeidbare Abfalle sollen einer qualitativ hochwertigen Verwertung zugefuhrt werden. Nicht verwertbare Abfalle sollen durch Behandlung oder Ablagerung beseitigt werden, wobei Vermeidung und Verwertung immer Prioritat vor der Beseitigung der Abfalle haben. Damit
riickgehenden Beschwerden durch psychischen Stress verstarkt - oder iiberhaupt erst ausgelost werden (Mobbing am Arbeitsplatz!). Die Zahl der in Deutschland von SBS betroffenen Menschen liegt nach vorsichtigen Schatzungen bei 1 Million. Diese Zahl verdeutlicht die Notwendigkeit gezielter MaBnahmen, urn dem Sick-Building-Syndrom vorzubeugen. Die haufigsten MaBnahmen sind standiges Liiften in neuen oder frisch renovierten Gebauden und die Gewahrleistung einer giinstigen Luftfeuchtigkeit. Sie sollte in .normalen'' Buroraumen zwischen 50...65%, in klimatisierten Raumen bei 70% liegen. Treten Anzeichen fur ein SBS auf, sollten die Betroffenen einen Arzt fur Umweltmedizin konsultieren. Seine Aufgabe ist es, anhand chemischer Analysen von Proben aus dem Biiro oder den Wohnraumen, aber auch anhand von Fragen zum Betriebsklima oder zur Stimmung in der Familie einen Zusammenhang zwischen den Symptomen und potentiellen Ursachen zu finden. Das Sick-Building-Syndrom muss vom eher selten auftretenden Beschwerdebild "Building Related Illness" (BRl) klar abgegrenzt werden, obwohl es sich in beiden Fallen urn gebaudebezogene Gesundheitsstorungen handelt. Beim BRi geht es urn Beschwerden, die meist nur Einzelpersonen betreffen und die auf wohlbekannte Ursachen zuriickgefuhrt werden konnen, z.B. auf Legionellen oder auf Schimmelpilze. Das SBS stellt dagegen ein kollektiyes Phanomen dar, das auf einen ganzen Ursachenkomplex zuriickgefuhrt wird.
13
Recycling von Baustoffen
13.1
Allgemeine Bemerkungen
So unterschiedlich wie die auf dem Bausektor eingesetzten mineralischen und nichtmineralischen Baustoffe (s. Kap. 8 -10), so unterschiedlich sind die Baureststoffe (Bauabfalle), die am Ende der Nutzungsphase von Bauwerken, von StraBen usw. anfallen. Baureststoffe stellen im Hinblick auf das Gesamt-Abfallaufkommen in der BRD (2002: ca. 381 Mio. 1.) mit 241 Mio. t den groBten Anteil, nach Gewicht sind das etwa 65% und nach Volumen ca. 45...50% des Gesamtaufkommens [AB 21]. Der Anfall an Baureststoffen lag Mitte der 90er Jahre noch bei etwa 300 Mio. Tonnen. Der Riickgang zu heute wird auf eine absinkende Bautatigkeit zuriickgefuhrt. Der durch Recycling autbereitete Anteil ist mit etwa 25% gleich geblieben. Die Verwendung von Recyclingmaterialien schont nicht nur unsere Umwelt und unsere natiirlichen Ressourcen, sie hat sich auch Mitte der 90er Jahre in der Gesetzgebung niedergeschlagen. Am 07. Oktober 1996 trat das "Gesetz zur Forderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltvertraglichen Beseitigung von Abfallen (Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz, KrW-/AbfG)" in Kraft. Es regelt die Verpflichtung zur Abfallvermeidung und zur schadlosen Abfallverwertung. Eine Beseitigung von Abfallen kommt nur dann in Betracht, wenn eine Verwertung technisch nicht moglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz formuliert die eindeutige Zielhierarchie: Vermeiden geht vor Verwerten und Verwerten geht vor Beseitigen. Zur Schonung der Ressourcen miissen Abfalle von vomherein vermieden bzw. minimiert werden. Unvermeidbare Abfalle sollen einer qualitativ hochwertigen Verwertung zugefuhrt werden. Nicht verwertbare Abfalle sollen durch Behandlung oder Ablagerung beseitigt werden, wobei Vermeidung und Verwertung immer Prioritat vor der Beseitigung der Abfalle haben. Damit
488
13 Recycling von Baustoffen
verbunden ist eine Ausweitung und Differenzierung des Abfallbegriffs in Abfalle .zur Verwertung" und solche "zur Beseitigung".
13.2
Recyclingbaustoffe: Charakterisierung und Einteilung
Recyclingbaustoffe sind Materialien, die bereits mindestens einmal als Baustoff eingesetzt worden sind und nun fur eine weitere BaumaBnahme verwendet werden sollen. Dabei konnen sie entsprechend dem neuen Verwendungszweck aufbereitet oder aber unaufbereitet eingesetzt werden. Recyclingbaustoffe fallen beim Ruckbau, beim Aufbruch und Ausbau von Hoch- und Tiefbauten, von StraBen und Flughafen, von Schienenwegen u.a. an. Es handelt es sich uberwiegend urn ungebundene Mineralstoffgemische, urn hydraulisch gebundene oder bitumenhaltige Stoffe. Zu den ungebundenen Baustoffen zahlen Schotter und Gleisschotter, Werksteine aus Natursteinen, Mineralstoffgemische, ungebundene Tragschichten u.a. Sie konnen im Allgemeinen mit geringem Aufwand der Wiederverwendung im StraBenbau zugefuhrt werden, vorausgesetzt sie sind nicht schadstoffbelastet. Zu den hydraulisch gebundenen Baustoffen gehoren vor allem Beton, Stahlbeton, Fahrbahndecken, Bordsteine, Platten und zu den bitumenhaltigen Baustoffen vor allem Asphaltaufbruch und Frasgut. Der Begriff Baureststoffe ist unter Zugrundelegung des KrW-/AbfG sowie in Anlehnung an die Verordnung zur Einfuhrung des Europaischen Abfallkatalogs (EAKV) vom 13.09.1996 gleichzusetzen mit der EWC (European Waste Catalogue)-Nr. 17: .Bau- und Abbruchabfalle". Sie werden unterteilt in: •
Bauschutt (EAK-Nr. 1701): Beton, Blahton, Erdreich, FliesenIKeramik, Gips, Kalkstein, Steinwolle und Ziegel. Bauschutt ist im Wesentlichen mineralisches Material, das vor allem bei BaumaBnahmen im Hoch- und Tiefbau anfallt, Er ist in der Regel heterogen zusammengesetzt und mitunter mit organischen Materialien verunreinigt. Bauschutt wird zur Zeit noch uberwiegend deponiert.
•
Stra8enautbruch (EAK-Nr. 1703): bitumenhaltige und hydraulisch gebundene Stoffe, teerhaltige und mit Teer behandelte Stoffe, Pflaster- und Randsteine, Sand, Kies und Schotter. StraBenaufbruch entsteht beim Ruckbau, Ausbau und der Instandsetzung von StraBen, Wegen oder verfestigten Flachen. Er besteht aus mineralischem Material, das entweder mit Bitumen oder Teer gebunden oder ungebunden beim StraBenbau verwendet wurde. StraBenaufbruch wird zu 60...70% wiederverwendet. Fur die Verwertung von teerhaltigen Deck- und Binderschichten gelten gesonderte Vorschriften, s.u.
•
Baustellenabfalle (EAK-1707): Farben, Holz, Kabel, Kunststoffe, Lacke, Kleister, Metall, Pappe und Papier. Baustellenabfalle sind Baureststoffe, die bei Neubauten bzw. Sanierungen, dem Ausbau oder dem Abriss von Gebauden anfallen. Sie enthalten, wie die obige Aufzahlung zeigt, viele verschiedenartige Materialien.
•
Erdaushub (EAK-Nr. 1705): Lehm/Ton, Mutterboden, Sand und Kies, Steine.
13.3 Anforderungen an Baustoffe aus Recyclingmaterial
489
Der Erdaushub kann unbelastet oder durch Schadstoffe belastet sein. Unbelasteter Erdaushub besteht aus naturlichem oder bereits verwendetem Erd- oder Felsmaterial. Er fallt bei nahezu allen Bautatigkeiten an und muss als ein wertvolles Wirtschaftsgut betrachtet werden. Erdaushub wird praktisch vollstandig wiederverwendet und nicht auf Deponien abgelagert. 1st der Erdaushub kontaminiert, fallt er in den Bereich der Altlastensanierung. Je nach Reinheitsgrad und Zusammensetzung wird er im StraBenbau, fur Dammschiittungen oder fur Larmschutzwalle verwendet. Die einzelnen Gruppen waren prozentual am Gesamt-Baurestaufkommen 1997 (285 Mio. t) wie folgt beteiligt: Erdaushub 75,5%, StraBenaufbruch 9,1%, Bauschutt 10,5% und Baustellenabfalle 4,9% [AB 22, 23]. Diese Aufteilung des Baurestaufkommens hat sich bis heute nicht wesentlich verandert. Der hohe Anteil anfallender Baureststoffe macht deutlich, dass eine Wiederverwertung unabdingbar notwendig ist. Deponieraum in diesen Grofenordnungen ist nicht verfugbar. Die in groBen Mengen verwendeten "Massenbaustoffe" wie Kies, Sand, Schotter oder Splitt konnen, wenn sie z.B. als ungebundene Tragschichtmaterialien eingesetzt werden, unbedenklich durch Altemativmaterialien aus dem Recyclingbereich ersetzt werden. Allerdings findet in diesem Bereich angesichts der enormen Mengen anfallenden Bauschutts nur ein geringer Teil der aufgearbeiteten Baustoffe Wiederverwendung. Lediglich 3% des Betonabbruchmaterials dienen der Herstellung von neuem Beton. Der grobte Teil wird im StraBenbau oder im Tiefbau als Verfullmaterial verwendet. Hier handelt es sich immer noch hauptsachlich urn ein Downcycling anstelle von Recycling, d.h. vormals hoherwertige Baustoffe werden als minderwertigere Baustoffe wiederverwendet. Ein wichtiger Grund fur diese unbefriedigende Situation besteht darin, dass es sich bei dem Abbruchmaterial in den seltensten Fallen urn eine Monocharge (Beton) handelt. Urn ein qualitativ hochwertiges Recyclat zu erhalten, ist jedoch ein Betonbruch notwendig, der frei von storenden Stoffen ist und der eine hohe Sortenreinheit aufweist. Erster Schritt in Richtung qualitativ hochwertiger Recyclate ist eine entsprechende Vorsortierung des Bauschutts im Rahmen eines selektiven Abbruchs. Die jeweilige Aufbereitungstechnik hangt wesentlich von der Art und der Zusammensetzung des Eingangsprodukts und der beabsichtigten Qualitat (Kornung, Komverteilung, Reinheit) des Endprodukts abo Bauschuttaufbereitungsanlagen bestehen aus Zerkleinerungsanlagen (Brecher), Siebmaschinen, Magnetabscheidem, mechanischen Sortieranlagen (Windsichter, Schleuderbander), Einrichtungen zur manuellen Sortierung und Forderanlagen zum Materialtransport. Zusatzliche Schutzeinrichtungen wie Entstaubungsanlagen und Filter sind moglich. Die Aufbereitungsanlagen konnen stationar und mobil betrieben werden. Details zum Aufbau und zur Arbeitsweise von Bauschuttaufbereitungsanlagen siehe [AB 25].
13.3
Anforderungen an Baustoffe aus Recyclingmaterial
Die Anforderungen an die Eigenschaften und die Nutzungsdauer von Bauwerken, die aus Recyclingbaustoffen errichtet wurden, miissen generell denen von Bauwerken entsprechen, fur die konventionelle Baustoffe verwendet wurden. Verwendungskriterien fur eine mogliche Anwendung von Recyclingbaustoffen sind [AB 22]: •
die technische Eignung (getrennte stoffliche, technische und technologische Eigenschaften des jeweils giiltigen Regelwerkes)
490
• •
13 Recycling von Baustoffen
Wirtschaftlichkeit gegenuber konventionellen Baustoffen Umweltvertraglichkeit,
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz fordert die Abfallvermeidung und Ressourcenschonung und definiert allgemeine Anforderungen an die ordnungsgemalse und schadlose Verwertung. Grundsatzliche Verpflichtungen zur Verwendung von Recyclingmaterialien sind im Wasserhaushaltgesetz (WHG), im Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) und im Bundesimmissionsschutzgesetz (BimsSchG) festgelegt. Allerdings lassen sich aus diesen Gesetzen keine konkreten Anforderungen an die Baustoffe ableiten. Hier sind die bundeseinheitlichen Regelungen der Landerarbeitsgerneinschaft Abfall (LAGA, [AB 24]) "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfallen" maBgebend. Dieses Regelwerk trat 1997 in Kraft und beurteilt anhand des im Feststoff oder im Eluat gemessenen Schadstoffgehaltes die Moglichkeit der Wiederverwendung aufbereiteter Baustoffe mit Schwerpunkt Bodenaushub, StraBenaufbruch und Bauschutt. Die Baureststoffe werden auf der Grundlage bestimmter Zuordnungswerte in sechs Einbauklassen eingeteilt (Abb. 13.1). Materialien der Klassen ZO bis Z2 sind grundsatzlich fur den Erd-, StraBen-, Landschaftsbau u.a, wiederverwendbar. Fur Recyclingmaterialien der Klassen Z3 bis Z5 ist ein Wiedereinbau nicht zugelassen. Die Festlegung der zulassigen Einbauklasse erfolgt nach Verwendungszweck und Einbauort durch die zustandige Umweltbehorde, Die Zuordnungswerte werden auf der Grundlage der gemessenen Schadstoffgehalte ermittelt. Neben Arsen (ZO = 20) werden in den Feststoffen die Schwermetalle Blei (100), Cadmium (0,6), Chrom (50), Kupfer (40), Nickel (40), Quecksilber (0,3) und Zink (120), Kohlenwasserstoffe Hl8 (IR-spektroskopische Bestimmung von KW nach DIN 38409-HI8; ZO = 100), polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, PAK (1) und polychlorierte BiphenylelPCB (0,02) bestimmt. In Klammem stehen jeweils die von der LAGA in den Technischen Regeln 11.1.4 Bauschutt festgelegten Zuordnungswerte (ZO) .Feststoffe fur Boden", alle ZO-Werte sind in mg/kg angegeben. In den Eluaten ermittelt man zusatzlich die Sulfat- und die Chloridkonzentration sowie die elektrische Leitfahigkeit und den pH-Wert. 20
21
22
Zuordnungswert (Obergrenze der Einbauklasse)
uneingeschrankter Einbau
24
Z3
25
1
1
Einbau/Ablagerung in Deponien einge-
•
schrankter offener Einbau
eingeschrankter Einbau mit
-----. ------. -----• DeponieDeponieSonderklasse 1 (TA SieAbfall)
klasse 2 (TA SieAbfall)
.
abfalldeponie (TAAbfall)
definierten techno SicherungsmaBnahmen
Abbildung 13.1 Einbauklassen mit den dazugehorigen Zuordnungswerten (Quelle: LAGA)
Die Zuordnungswerte ZO bis Z2 sind als Obergrenze der jeweiligen Einbauklasse definiert. ZO bedeutet uneingeschrankten Einbau, ZI steht fur offenen, eingeschrankten Einbau und
13.4 Bitumen- und pechhaltige Recyclingstoffe
491
Z2 fur eingeschrankten Einbau mit definierten technischen SicherheitsmaBnahmen. Somit werden fur die Einbauklasse ZO die geringsten und fur die Einbauklasse Z2 die hochsten Anforderungen gestellt. Die Einbauklasse Z 1 wurde nochmals unterteilt in Z 1.1 (ungiinstige hydrogeologische Voraussetzungen) und Z1.2 (giinstige hydrogeologische Voraussetzungen). Grundsatzlich gelten die Z1.1-Werte. Recyclingbaustoffe mit Z1.2-Werten diirfen lediglich in hydrogeologisch giinstigen Gebieten (Abstand zum hochsten Grundwasserstand mind. 1 m; keine Wasserschutz- und Naturschutzgebiete) eingebaut werden, soweit dies die landesspezifischen Regelungen erlauben. Fiir die Zuordnungswerte Z2 gelten bereits sehr umfangreiche Auflagen und Einschrankungen, Weitere Details siehe [AB 24]. Fiir Recyclingbaustoffe wie auch fur zahlreiche industrielle Nebenprodukte existieren schon seit langem Technische Lieferbedingungen (TL) sowie Merkblatter, in denen bautechnische Anforderungen und Mindestanforderungen an wasserwirtschaftliche Parameter festgelegt sind. Die Landergemeinschaft Abfall hat die oben erlauterten Empfehlungen fur die Verwendung solcher StraBenbaustoffe erarbeitet. Ais Konsequenz der unterschiedlichen Umweltvertraglichkeit der genannten StraBenbaustoffe erarbeitete die Forschungsgesellschaft fur StraBen- und Verkehrswesen (FGSV) Richtlinien fur die umweltvertragliche Anwendung von industriellen Nebenprodukten und Recyclingbaustoffen im StraBenbau (RuA-StB 01, Ausgabe 2001). Diese Richtlinien beriicksichtigen neben der wasserwirtschaftlichen Vertraglichkeit die Vorgaben des Bundesbodenschutzgesetzes im Hinblick auf den Einsatz von Recyclingbaustoffen und Nebenprodukten.
13.4 Bitumen- und pechhaltige Recyclingbaustoffe Bei Stralienbelagen geht man von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 20...30 Jahren aus. Damit fallen durch standige Emeuerung und Reparatur von StraBen groBe Mengen an Altasphalt und Frasgut an. Eine Wiederverwendung ist dringend anzustreben. Den bei BaumaBnahmen von StraBen und Verkehrsflachen zuriick gewonnenen Asphalt bezeichnet man als Ausbauasphalt. Er kann als Frasasphalt (durch Frasen kleinstiickig gewonnen) oder als Aujbruchasphalt (durch Aufbrechen und Aufnehmen in Schollen gewonnen) anfallen. Die Wiederverwertung von Asphalten ist in den technischen Vorschriften ZTV Asphalt-StB und ZTVT-StB geregelt. Ausbauasphalte konnen a) entweder Bitumen oder b) Pech/Teer als Bindemittel enthalten. Dass Bitumen und Peche (Teerpeche) sich nicht nur chemisch, sondem auch in ihrer Wirkung auf die Umwelt signifikant unterscheiden, wurde bereits in Kap. 10.3 besprochen. Jahrlich fallen in der Bundesrepublik Deutschland etwa 15 bis 16 Mio. t Ausbauasphalt an, etwa 12 Mio. t werden wieder verwendet. Bei (Bitumen)Asphalten geht die Entwicklung in Richtung einer fast 100%igen Wiederverwendung in Asphalt-HeiBmischanlagen. Die Asphaltbefestigung wird durch Frasen und/oder Aufbrechen abgetragen und in HeiBmischanlagen gezielt mit zusatzlichem Mischgut verarbeitet (In Plant). Dabei konnen Asphalte hoher Qualitat produziert werden. 1m .Merkblatt fur die Erhaltung von AsphaltstraBen, Teil B: Bauliche MaBnahmen-Riickformen der Fahrbahnoberflache" ist die Wiederverwendung von Asphalt "Vor Ort" (In Place) geregelt. Sie kann nach 3 Verfahren erfolgen:
492
13 Recycling von Baustoffen
• • •
Riickformen der Fahrbahnoberflache ohne Zugabe von zusatzlichem Material (Reshape) Riickformen der Fahrbahnoberflache mit Zugabe von Material fur eine zusatzliche Beschichtung - ohne Mischen (Repave) Riickformen der Fahrbahnoberflache unter Zugabe von zusatzlichem Material, Vermischen von bereits vorhandenem mit neuem Asphaltmaterial (Remix).
Bei diesen drei Verfahren ist die Moglichkeit einer Qualitatsverbesserung ziemlich beschrankt, Das in der Praxis bevorzugte Verfahren ist das Riickformen mit Mischgutzugabe und Mischen (Remix). Pechhaltige Asphalte. Bis 1987 wurden im StraBenbau und bei der Bauwerksabdichtung Steinkohlenteerpeche (Peche) verwendet. Damit fallen jahrlich groBe Mengen pechhaltiger Ausbauasphalte an, fur deren Wiederverwertung aus Grunden des Umweltschutzes besondere Bedingungen einzuhalten sind ("Merkblatt fur die Wiederverwendung pechhaltiger Ausbaustoffe im StraBenbau unter Verwendung von Bitumenemulsionen" (1993) sowie .Merkblatt fur die Verwendung von Asphaltgranulat und pechhaltigen StraBenbaustoffen in Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln" (2002». Teere und Peche enthalten einen relativ hohen Anteil an krebserzeugenden polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und an Phenolen. Diese Substanzen konnen als Dampfe emittiert oder durch Wasser eluiert werden. Da die Emission mit steigender Temperatur zunimmt, ist die fur Ausbauasphalte iibliche Wiederverwendung im HeiBmischverfahren (s.o.) unter okologischen und arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten abzulehnen. Die Aufarbeitung pechhaltigen StraBenaufbruchs sollte auf kaltem Wege erfolgen. Dazu wurden Verfahren entwickelt, bei denen pechhaltige Ausbauasphalte mit Bitumenemulsionen oder hydraulischen Bindemitteln (oder Kombinationen beider) gebunden werden. Die auf diese Weise aufbereiteten Ausbaustoffe konnen als untere Tragschichten (oberhalb der Frostschutzgrenze), als kapillarbrechende Schicht und unterhalb von bitumenhaltigen Oberbauschichten, die eine wasserdichte Abdeckung gewahrleisten soIlen, eingebaut werden [AB 22]. Der Einsatz von teerhaltigem StraBenaufbruch verbietet sich in wasserwirtschaftlich sensiblen Bereichen wie Grundwasserschutz- und Uberschwemmungsgebieten.
13.5
Baustoffrecycling heute: Eine kritische Bestandsaufnahme
Als das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 1996 in Kraft trat, wurde der Grundsatz .Vermeiden vor Verwerten vor Beseitigen" als iibergeordnetes Ziel fiir Wirtschaft und Politik verbindlich festgeschrieben. Die verstarkte Forderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung unserer natiirlichen Ressourcen wurde als Hauptanliegen des neuen Gesetzes formuliert. Betrachtet man die aktuelle Situation auf dem Gebiet des Baustoffrecycling heute kritisch, so zeigt sich, dass das KrW-/AbfG nur wenig bewirkt hat. Sein untergeordnetes Regelwerk wird in den verschiedenen Bundeslandern unterschiedlich ausgelegt und wissenschaftlich fragwiirdige .Besorgnisgrundsatze" in Verbindung mit nicht einzuhaltenden Grenzwerten hebe In den Verwertungsanspruch aus [AB 26]. Zu den Leidtragenden dieses okologischen (und biirokratischen) Konflikts gehort in erster Linie die Bauwirtschaft. Laut Arbeitsgemeinschaft Kreislaufwirtschaftstrager Bau (ARGE KWTB), eine
1995 gegriindete freiwillige Brancheninitiative, die die (Kreislaufwirtschafts)-Interessen aller am Bau Beteiligten vertritt, fallen die Auswirkungen drastisch aus: •
•
•
•
Verwertbare Abfalle werden auf kommunal gefuhrten .Billigv-Deponien (die es nach den urspriinglichen Zeithorizonten der TA Siedlungsabfall heute gar nicht mehr geben sollte!) entsorgt. Technisch gut ausgestattete und nach hochsten Umweltstandards arbeitende Recyclingfachbetriebe werden in die Insolvenz getrieben. Damit verliert die deutsche Bauwirtschaft wertvolles, tiber zwei Jahrzehnte entwickeltes Know-how im Recyclingbereich - und dariiber hinaus Arbeitsplatze. GroBe Mengen giiteiiberwachter Recyclingbaustoffe lagem auf Halde, da ihre Verwendung durch Bewertungsmodelle blockiert wird, die sich auf z.T. nicht nachvollziehbare Grenzwerte stiitzen. BauausfUhrende Firmen werden nach willkiirlichem Ermessen zu Abfallerzeugem erklart. Indem man diesen Untemehmen ungerechtfertigt Verantwortung, Ptlichten, Risiken und zusatzliche Kosten ubertragt, treibt man auch sie ins Aus.
In ihrem 2003 publizierten Positionspapier fordert die Arbeitsgemeinschaft Kreislaufwirtschaftstrager Bau, das iiberdimensionierte und z.T. widerspriichliche Ordnungsrecht auf ein anwendungsorientiertes MaB zu reduzieren und fur die Behandlung von Baureststoffen ein bundesweit einheitliches und praktikables System zu etablieren [AB 26]. 1m Sinne einer akzeptierten Kreislaufwirtschaft muss nach einem qualitatsgepruften Recyclingprozess den Baustoffen der Produktstatus zugesprochen werden. Recycelte Baustoffe sind keine Abfalle mehr. Die Beibehaltung des Abfallstatus fur Recyclingbaustoffe bis zu ihrem Einbau ist in der Praxis schwer vermittelbar und wirkt sich prinzipiell negativ auf ihren Absatz aus. Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bedeutet Bauen, Riickbauen und verwertungsorientiertes Recycling. Kreislaufwirtschaft ist praktizierter Umweltschutz, da durch das Recycling und die Wiederverwendung von Baureststoffen natiirliche Ressourcen geschont werden. Wer eine Wiederverwertung giiteiiberwachter Recyclingbaustoffe - durch welche MaBnahmen auch immer - verhindert, versiindigt sich an unserer Umwelt und damit an nachfolgenden Generationen.
14
Hightech im Bauwesen: Anwendung der Nanotechnologie in Architektur und Bauwesen
Die Nanotechnologie gilt weltweit als die Schliisseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Fiir zahlreiche Industriebranchen wie etwa den Automobilbau, die chemische und pharmazeutische Industrie, die Informationstechnik sowie die optische Industrie hangt die kiinftige Wettbewerbsfahigkeit ihrer Produkte sehr wesentlich von der ErschlieBung modemer Technologien zur kontrollierten Erzeugung und Nutzung nanoskaliger Strukturen abo Doch die Nanotechnologien bieten nicht nur den Hightech-Branchen, sondem auch den konventionellen Industriezweigen wie dem Bausektor erhebliche Entwicklungs- und Geschaftspotentiale. Der gezielte Einsatz nanotechnologischer Innovationen, die das Bauen schneller, flexibler, nachhaltiger und kostengiinstiger machen, starkt die Wettbewerbsfahigkeit der Bauwirtschaft - und schafft Arbeitsplatze.
1995 gegriindete freiwillige Brancheninitiative, die die (Kreislaufwirtschafts)-Interessen aller am Bau Beteiligten vertritt, fallen die Auswirkungen drastisch aus: •
•
•
•
Verwertbare Abfalle werden auf kommunal gefuhrten .Billigv-Deponien (die es nach den urspriinglichen Zeithorizonten der TA Siedlungsabfall heute gar nicht mehr geben sollte!) entsorgt. Technisch gut ausgestattete und nach hochsten Umweltstandards arbeitende Recyclingfachbetriebe werden in die Insolvenz getrieben. Damit verliert die deutsche Bauwirtschaft wertvolles, tiber zwei Jahrzehnte entwickeltes Know-how im Recyclingbereich - und dariiber hinaus Arbeitsplatze. GroBe Mengen giiteiiberwachter Recyclingbaustoffe lagem auf Halde, da ihre Verwendung durch Bewertungsmodelle blockiert wird, die sich auf z.T. nicht nachvollziehbare Grenzwerte stiitzen. BauausfUhrende Firmen werden nach willkiirlichem Ermessen zu Abfallerzeugem erklart. Indem man diesen Untemehmen ungerechtfertigt Verantwortung, Ptlichten, Risiken und zusatzliche Kosten ubertragt, treibt man auch sie ins Aus.
In ihrem 2003 publizierten Positionspapier fordert die Arbeitsgemeinschaft Kreislaufwirtschaftstrager Bau, das iiberdimensionierte und z.T. widerspriichliche Ordnungsrecht auf ein anwendungsorientiertes MaB zu reduzieren und fur die Behandlung von Baureststoffen ein bundesweit einheitliches und praktikables System zu etablieren [AB 26]. 1m Sinne einer akzeptierten Kreislaufwirtschaft muss nach einem qualitatsgepruften Recyclingprozess den Baustoffen der Produktstatus zugesprochen werden. Recycelte Baustoffe sind keine Abfalle mehr. Die Beibehaltung des Abfallstatus fur Recyclingbaustoffe bis zu ihrem Einbau ist in der Praxis schwer vermittelbar und wirkt sich prinzipiell negativ auf ihren Absatz aus. Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bedeutet Bauen, Riickbauen und verwertungsorientiertes Recycling. Kreislaufwirtschaft ist praktizierter Umweltschutz, da durch das Recycling und die Wiederverwendung von Baureststoffen natiirliche Ressourcen geschont werden. Wer eine Wiederverwertung giiteiiberwachter Recyclingbaustoffe - durch welche MaBnahmen auch immer - verhindert, versiindigt sich an unserer Umwelt und damit an nachfolgenden Generationen.
14
Hightech im Bauwesen: Anwendung der Nanotechnologie in Architektur und Bauwesen
Die Nanotechnologie gilt weltweit als die Schliisseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Fiir zahlreiche Industriebranchen wie etwa den Automobilbau, die chemische und pharmazeutische Industrie, die Informationstechnik sowie die optische Industrie hangt die kiinftige Wettbewerbsfahigkeit ihrer Produkte sehr wesentlich von der ErschlieBung modemer Technologien zur kontrollierten Erzeugung und Nutzung nanoskaliger Strukturen abo Doch die Nanotechnologien bieten nicht nur den Hightech-Branchen, sondem auch den konventionellen Industriezweigen wie dem Bausektor erhebliche Entwicklungs- und Geschaftspotentiale. Der gezielte Einsatz nanotechnologischer Innovationen, die das Bauen schneller, flexibler, nachhaltiger und kostengiinstiger machen, starkt die Wettbewerbsfahigkeit der Bauwirtschaft - und schafft Arbeitsplatze.
494
14 Nanotechnologie im Bauwesen
14.1 Was sind Nanoteilchen? Die Nanowelt gleicht in vielem noch einem unbekannten Kosmos mit kaum vorstellbaren Dimensionen - und zwar unvorstellbar kleinen Dimensionen. 250 Mrd. Nanopartikel aus RuB passen beispielsweise problemlos in den Punkt, der am Ende dieses Satzes steht. In der Nanowelt bewegen wir uns auf der Ebene einzelner Molektile und Atome. Die Vorsilbe Nano entstammt dem griechischen Wort "nanos" (Zwerg), ein Nanometer entspricht dem millionsten Teil eines Millimeters. Schon 5. .. 10 Atome nebeneinander ergeben einen Nanometer. Eine Veranschaulichung dieser Grofenverhaltnisse zeigt Abb. 14.1.
Abbildung 14.1 Die Nanowelt im Grc>f1envergleich. Links: Typische Nanopartikel (Silica(Si0 2)-Nanopartikel , www.furukawa.co.jp)verhaltensichzueinemFur..ball wie etwa ein Fufsball zur Erdkugel.
Die Nanotechnologie befasst sich mit Strukturen, die per Definition kleiner als 100 Nanometer sind . Das bedeutet, sie befasst sich sowohl mit dunnen, wenige Nanometer dicken Schichten als auch mit kleinsten Objekten oder Strukturen, deren Dimensionen im Bereich weniger bis einzelner Molekiile liegen . Die Besonderheit bei der Beschaftigung mit Nanopartikeln besteht darin , dass die Gesetze der klassischen Physik im Nanokosmos ihre Giiltigkeit verlieren. Hier gilt die Quantenmechanik, nach der sich Eigenschaften von Stoffen nicht mehr kontinuierlich, sondem in Sprungen (gequantelt) andern. Die Nanomaterialien besitzen im Vergleich zu ihren grober strukturierten Formen deutlich veranderte Eigenschaften, die physikalische und chemische, aber auch biologische Stoffcharakteristika betreffen. So andem sich z.B. wichtige Materialeigenschaften eines Festkorpers wie elektrische Leitfahigkeit, Magnetismus, Fluoreszenzverhalten, Harte und Festigkeit signifikant mit der Anzahl und der Anordnung der wechselwirkenden Atome, lonen oder Molekiile. Nichtleiter werden zu Leitem, Stoffe wechseln ihre Farbe wenn sie zu Nanopartikeln verarbeitet werden. Zum Beispiel variiert das Fluoreszenzverhalten des Cadmiumtellurids (CdTe) stark mit der Partikelgrofse: Ein 2 nm groBes CdTe-Partikel sendet griines Licht aus, ein 5 om groBes Partikel dagegen rotes . Auch chemische Eigenschaften hangen stark von der Strukturierung der Materialoberflache aboJe kleiner die Teilchen, umso graj3er ist das Verhaltnis zwischen Oberfldche und Volumen, umso hoher ist der Anteil an Oberflachenatomen. Nanoskalige Strukturen weisen demnach ein deutlich groBeres Verhaltnis von reaktiven Oberflachenatomen zu reaktionstragen Teilchen im Inneren des Feststoffs auf. Zum Beispiel enthalt ein Partikel des Durchmessers 20 om etwa 250 .000 Atome, wobei sich 10% der Atome an der Oberflache befinden. Verkleinert man das Partikel auf einen Durchmesser von 1 nm enthalt es ca. 30 Atome, wobei der Anteil der Oberflachenatome nun 99% betragt,
495
14.2 Innovationsfelder fllr Nanotechnologien
Durch die Nanostrukturierung ergeben sich somit vollig neue Moglichkeiten fur die Entwicklung funktionaler Oberflachen, bei denen gewiinschte Materialeigenschaften wie der Selbstreinigungseffekt bei Werk- und Baustoffoberflachen, eine verbesserte Kratzfestigkeit von Lacken, spezielle Effekte bei Farben und Lacken durch Einsatz von Nanopartikeln, Antireflexeigenschaften bei Gebrauchsglas und Displays, ein verbesserter UV- und Warmeschutz sowie antibakterielle Eigenschaften von Werk- und Baustoffen gezielt auf den jeweiligen technischen Anwendungszweck zugeschnitten werden konnen.
14.2 Innovationsfelder fOr Nanotechnologien auf dem Bausektor Die Moglichkeiten zur Anwendung nanotechnologischer Innovationen erstrecken sich auf nahezu aile Bereiche des Bausektors, vom Rohbau, der Fassadengestaltung, der Haustechnik bis hin zur Innenausstattung. Selbst der Infrastrukturbereich (StraBen, Briicken, Kanale) kann wesentlich von nanotechnologischen Prinziplosungen profitieren. In Abb . 14.2 sind einige Beispiele zur Anwendung nanotechnologischer Innovationen im Hausbau dargestellt. Selbstreinigende Ziege l
Innenausbau Antireflexsch ichten far Solarzellen
Funktionale Beschichtungen
Fassadendilmmung
optimierte Betoneigenschaften
BrandgeschOtzte Taren , Fenster , Kabel
Abbildung 14.2 Anwendungsbeispiele der Nanotechnologie im Hausbau
14.2.1
OberfUichenfunktionalisierung
Einen Schwerpunkt der Anwendung der Nanotechnologie im Bauwesen stellt die Oberflachenfunktionalisierung von Fassadenflachen (AuBen- und Dachfassaden) dar. Durch die Anwendung von Nanomaterialien lasst sich beispielsweise das Verhalten von Oberflachen gegeniiber Fliissigkeiten gezielt einstellen, z.B. hydrophob, hydrophil oder oleophob (olabweisend). Die wohl bekannteste Herangehensweise ist die Hydrophobierung der Fassadenoberflache, Sie beruht in der Regel auf Beschichtungen mit Si-organischen (Kap . 9.2.4) oder fluororganischen Verbindungen. Auf wasserabweisenden Schichten (groBe Randwinkel a.; Kap. 6.2.2.2) perlt das Wasser ab und auf der Oberflache anhaftende Schmutzpartikel werden abgespiilt. Durch eine chemische Modifizierung der Oberflache konnen Randwinkel bis max . 110... 120° realisiert werden. Sollen hohere a.-Werte - und damit eine noch
496
14 Nanotechnologie im Bauwesen
stiirkere Wasserabsto13ung - erreicht werden, muss die Oberflache (mikro)strukturiert werden. Dabei gilt: Bei hydrophoben Oberflachen wird die Benetzbarkeit durch die (Mikro)Rauigkeit der Oberflache reduziert, bei hydrophilen wird sie dagegen verbessert . Den Zusammenhang: Starke Wasserabstoj3ung durch Mikrostrukturierung der Oberflache realisiert die Natur bei den Blattoberflachen einiger Pflanzen, z. B. auch der Lotuspflanze (Lotus-Effect ®). Der Tropfen liegt nur auf den au13eren Spitzen der Mikrostruktur auf, wobei Randwinkel urn 1600 auftreten . Man spricht von ultra- oder superhydrophoben Oberflachen. Der Selbstreinigungsmechanismus stutzt sich auf die minimalen Kontaktflachen zwischen Tropfen und Oberflache (2 - 3%!). Die wie auf einer Burste aufliegenden Schmutzpartikel werden vom abrollenden Fltlssigkeitstropfen mitgenommen (Abb. 14.3b). Die Besonderheit der Blattstruktur besteht darin, dass auf der Noppenstruktur (die Noppen sind 5. .. 10 11m hoch und 10... 15 11m voneinander entfemt; Abb. 14.3a) noch eine zweite, sehr feine Nanostruktur realisiert ist. Dabei handelt es sich urn kleine Wachskristalle (0 ca. 100 nm), die sowohl die Noppen als auch die Taler dazwischen uberziehen.
a)
b)
Abbildung 14.3 a) Noppenstruktur des Lotusblattes (www.lotus.effect.com); b) Selbstreinigungsmechanismus an einer mikrorauen Oberftache.
Die Ubertragung einer soleh komplexen Oberflachenstruktur auf technische Produkte zur Erlangung eines Selbstreinigungseffektes ist hoch kompliziert und au13erst anspruchsvoll . So wurden Anstrichstoffe entwickelt, bei denen durch Zugabe von Si02-Mikropartikeln zu geeigneten Bindemitteln nach der Verarbeitung eine klinstlich mikrostrukturierte Oberflache erzeugt wird. Die 1999 auf den Markt gebrachte Fassadenfarbe Lotusan" wirbt beispielsweise mit dem oben dargestellten Selbstreinigungsmechanismus. Es hat sich in den letzten Jahren jedoch gezeigt, dass die gewlinschte Selbstreinigung der Oberflache nicht in dem Ma13e eintritt, wie erhofft. Die Tauwassertropfen sind so leicht und vor allem so klein, dass sie nicht abrollen konnen. Sie verbleiben im Mikrorelief und trocknen dort abo Wenn sie losliche Verschmutzungen aufgenommen haben, lagert sich der Schmutz in der Mikrostruktur ab und die Fahigkeit zur Selbstreinigung geht allmahlich verloren. Hier ist die Lotuspflanze klar im Vorteil! Sie besitzt die Fahigkeit, ihre Oberflache zu regenerieren . Wird die Grenzschicht beschadigt, emeuert sie die defekte Oberflachenstruktur innerhalb weniger Stunden bis die Selbstreinigung wieder funktioniert.
Titandioxid (Ti02)-Photokatalyse. Wie die Nutzung des gerade beschriebenen LotusEffects", so kann auch die Anwendung der Titandioxid-Photokatalyse im Baubereich inzwischen schon als Klassiker bezeichnet werden . Gibt es doch inzwischen eine ganze Reihe
14.2 Innovationsfelder fiir Nanotechnologien
497
kommerziell erhaltlicher Produkte, die Titandioxid als Photokatalysator zur Zersetzung von Luftschadstoffen praktisch nutzen. Titandioxid gehort neben Verbindungen wie ZnO, ZnS, CdS und Fe203 zu den Photohalbleitem (Kap. 3.3.3). Es kommt in drei unterschiedlichen kristallinen Modifikationen vor, dem Rutil, dem Anatas und dem Brookit. Die thermodynamisch stabile Rutil-Modifikation findet als WeiBpigment fiir Farben, Lacke, Kunststoffe und Keramiken sowie in der Lebensmittelindustrie breite Anwendung. Anatas ist thermodynamisch instabil, kinetisch jedoch stabil. Die Anatas-Modifikation wird aufgrund der im Vergleich zum Rutil deutlich erhohten Photoaktivitiit nur begrenzt technisch verwendet. Fur einen Einsatz als Photokatalysator ist Anatas geradezu pradestiniert. Abb. 14.4 zeigt das Energieniveauschema eines Halbleiterteilchens in der Darstellungsweise des Energiebandermodells. Bestrahlt man TiOrPartikel mit UV-Strahlung der WelIenlange A ::; 390 nm (dieser Wert entspricht der Energie der Bandlucke zwischen Valenz (VB)- und Leitungsband (LB) des Ti02(Anatas), E g = 3,2 eV), so reicht die Energie hv der Photonen aus, urn die Bandlucke zu uberwinden. Es erfolgt der Ubergang eines Elektrons in das Leitungsband (e-LB), wobei im Valenzband ein Defektelektron (auch "Loch", h+VB ) zuruckbleibt (Gl. 14-1). (14-1) Liegen die Redoxpotentiale potentieller Akzeptormolektile (A) und Donormolektile (D) innerhalb der Bandlucke des Halbleiters, kann eine Redoxzersetzung erfolgen. Die an die Partikeloberflache migrierten Elektron-Loch-Paare konnen, falls sie nicht vorher rekombinieren, auf direktem Wege adsorbierte Schadstoffmolekule zersetzen. Eine zweite Moglichkeit des Schadstoffabbaus kann tiber intermediiir gebildete Radikale erfolgen. Durch die hohe Oxidationskraft der Locher im Valenzband kann Wasser in einem Einelektronenschritt zum Hydroxylradikal -OH oxidiert werden. OH-Radikale gehoren zu den effektivsten Oxidationsmitteln der Atmosphare, ihre Oxidationskraft iibertrifft die des Chlors und Ozons. Die photolytisch erzeugten Elektronen sind dagegen in der Lage, adsorbierten Sauerstoff zu Superoxidionen O 2-- zu reduzieren. Aus den Superoxidionen konnen im Resultat unterschiedlicher Sekundarprozesse Wasserstoffperoxid (H 20 2), Peroxyradikale (H02-) und wiederum Hydroxylradikale entstehen (Details s. [BC 16,17]). Q) .~ Q)
c
W
Abbildung 14.4 Energieniveauschema eines Halbleiterteilchens (Energiebandermodell)
498
14 Nanotechnologie im Bauwesen
Uber ein zweites faszinierendes Phanomen, das vollig unabhangig vom gerade beschriebenen photoinduzierten Schadstoffabbau existiert, wurde 1997 von Watanabe und Mitarbeitern berichtet [BC 16]: Eine Titandioxid-Oberflache wird bei UV-Einstrah1ung ultrahydrophil (Kontaktwinkel a < 10 ) . Das Wasser flieBt auseinander und bildet einen flussigen Film. Unterbricht man die UV-Bestrah1ung, bleibt der niedrige Kontaktwinkel fur einen, maximal zwei Tage erhalten, steigt dann jedoch langsam wieder an. Die Oberflache wird wieder hydrophober. Die Ultrahydrophilie kann durch erneute UV-Bestrahlung wiedererlangt werden. 1m Jahre 1994 kamen die ersten, gemeinsam vom japanischen Konzern TOTO Ltd. und der Universitat Tokio entwickelten photokatalytisch aktiven Fliesen auf den japanischen Markt. Aufgrund ihrer nachgewiesenermaBen bakteriziden Wirkung wurden sie in Krankenhausern (OP-Bereich), Kliniken und im hauslichen Sanitarbereich eingesetzt. Mit der Entdeckung der hohen Hydrophilie der TiOrBeschichtung bei solarer Einstrahlung wurden die Fliesen sofort fur AuBenanwendungen interessant und 2002 in ersten Bauwerken in Japan eingesetzt. Von beschichteten Keramiken zu beschichteten Glasern ist es nur ein kleiner Schritt. Der international agierende Flachglashersteller Pilkington stellte 2002 das erste Bauglas Pilkington Aktiv™ mit dualaktiver (selbstreinigend und ultrahydrophil) Wirkungsweise vor. Photokatalytisch aktives, selbstreinigendes Glas kann fur nahezu aIle AuBenanwendungeneingesetzt werden. Heute gibt es in Deutschland fast keinen Hersteller von Beschichtungs- bzw. Anstrichstoffen, der nicht in mindestens einem Produkt die Schadstoffzersetzung der photoaktiven TiOrPigmente nutzt. Daneben werden Ti0 2-modifizierte Dachziegel, Ti02-modifizierte Zemente fur Fassaden und StraBenbeton zur Reduktion der hohen Konzentrationen an NOx und leicht fluchtigen organischen Verbindungen in Ballungsgebieten, Putze sowie Gegenstande fur die Innenausstattung kommerziell vertrieben [18].
Thermische Isolierung. Als weiteres Anwendungsgebiet der Nanotechnologie muss die thermische Isolierung von AuBenfassaden angefuhrt werden. Die Warmedammung von AuBenfassaden ist ein wesentlicher Faktor in der Bauwirtschaft - und zwar sowohl im Hinblick auf Investitionskosten bei Neubauten und Gebaudesanierungen als auch hinsichtlich anfallender Betriebskosten. In Westeuropa wird der Markt fur die thermische Isolierung in der Gebaudetechnik auf ca. 6 Mrd. Euro geschatzt [BC 19, 20]. Hier bietet sich ein Zukunftsmarkt fur nanoporose Materialien. Seit 1999 werden so genannte Vakuumisolationspaneele (VIP, Vacuum Insulated Panel) entwickelt. Diese Dammplatten nutzen das Prinzip der Vakuumdammung. Die Vakuumdammung benotigt bei gleicher Dammwirkung wesentlich geringere Dammstarken als konventionelle Dammstoffe, Als Dammmaterial wird Aerosil" (Kap. 6.2.2.2), ein hochporoses, nanostrukturiertes Kieselsaurepulver verwendet. Platten aus feinteiliger, poroser Kieselsaure besitzen schon unter Normaldruck gute Warrneschutzeigenschaften, Bereits ein moderates Vakuum von etwa 50 Millibar reicht aus, urn das Warmeleitvermogen des feinporigen Dammmaterials weiter deutlich herabzusetzen. Die VIP bestehen aus Kieselsaureplatten, die in ein schutzendes Vlies gepackt, anschlieBend evakuiert und in metallisierte gasdichte Kunststofffolien eingeschweiBt werden. Ihre Warmeleitfahigkeit betragt nur ca. 0,004 W/m K. Ihre Warmeschutzwirkung ist fast 10-mal besser als die herkommlicher, am Bau eingesetzter Dammmaterialien wie Polystyrol, Polyurethan, Glas- oder Mineralwolle. Das bedeutet: Statt z.B. 40 em eines ublichen Dammstoffs wie Polystyrol erzielen 4 em Vakuumisolationspaneele den gleichen Warmeschutz. Fazit: Schlankere Konstruktionen werden moglich. Die ersten Produkte erhielten im Juli 2007 ihre allgemeine bauaufsichtliche Zulassung.
14.2 Innovationsfelder fur Nanotechnologien
499
Ein weiteres in den letzten Jahren entwickeltes Isolationsmaterial sind die so genannten Silica-Aerogele (z.B. Nanogel"), Silica-Aerogele, auch als "gefrorener Rauch" bezeichnet, bestehen aus einem nanostrukturierten, dreidimensionalen Netzwerk von Si02-Partikeln. Die Partikelgrobe betragt etwa 10 nm. Die Porositat dieser Gele kann Werte tiber 95% (!) erreichen. Fassadenelemente auf Basis von Silica-Aerogelen sind transparent im Gegenteil zu den in der Regel lichtundurchlassigen Vakuum-Dammplatten. Aufgrund der Lichtdurchlassigkeit eignen sich diese Materialen sowohl fur durchscheinende Gebaudefassaden als auch fur Dachfenster. Die Aerogel-Fenster basieren auf Doppelverglasungen zwischen denen mit Aerogelgranulat gefullte Polycarboxylat-Stegplatten eingebracht wurden. Die Dammelemente weisen aufgrund der extrem hohen Porositat des Gels sehr gute Warmeund Schalldammwerte auf und bewirken gleichzeitig eine ausgezeichnete Grundhelligkeit mit angenehmem Streulicht. 1m Hinblick auf modeme Fassadenfunktionalitaten muss auch die Anwendung von Latentwarmespelchern angefuhrt werden, wenngleich sich diese Entwicklungsrichtung noch auf dem Weg zur Nanostrukturierung befindet. Durch die Verwendung spezieller warmespeichemder Materialien kann der temperaturausgleichende Effekt dicker Wande auf nur wenige Millimeter dicke Putzschichten ubertragen werden. Das Prinzip ist leicht erklart: Bei der Speicherung von Warme tritt gewohnlich im Speichennaterial eine Temperaturerhohung auf. Diese Temperaturerhohung verhalt sich zur gespeicherten Warmemenge proportional (Abb. 14.5). Da die gespeicherte Warme zu fuhlen ist, wird diese Form der Warmespeicherung alsfuhlbare oder sensible Warmespeicherung bezeichnet. Bei der latenten Warmespeicherung wird die Warme dagegen von einem Material gespeichert, bei dem ein Phasenubergang, z.B. vom festen in den flussigen Zustand, erfolgt. Man spricht von Phasenwechselmaterialien (engl. Phase Change Materials, PCM). Nach dem Erreichen der Phasenubergangstemperatur bleibt die Temperatur trotz weiterer Warmezufuhr solange konstant, bis das Speichennaterial vollstandig geschmolzen ist (Abb. 14.5). Erst dann steigt die Temperatur weiter an. Die wahrend des Phasenubergangs eingespeicherte Warme bezeichnet man als "versteckte" oder latente Warme,
Temperatur des PhasenObergangs
,
, ,,
,,
, ,,
,,
, ,,
, ,,
,, Abbildung 14.5 Temperaturverhalten eines sensiblen (gestrichelte Kurve) und eines latenten (durchgezogene Kurve) Warmespeichers.
~
latente warme des PhasenObergangs
eingespeicherte warmemenge
Fur den Phasenubergang fest-flussig entspricht die latente Warme der Schmelz- oder Kristallisationswarme (Kap. 4.2.1). Latentwarmespeicherung ist ein aus dem Alltag gut bekanntes Phanomen, z.B. von so genannten Warmekissen. Sie enthalten meist ubersattigte
500
14 Nanotechnologie im Bauwesen
Losungen von Natriumacetat-Trihydrat (CH3COONa . 3 H 20) . Diese ubersattigten Losungen stellen den "geladenen Zustand" des Warmekissens dar. Chemisch handelt es sich bei der Salzlosung urn ein metastabiles System. Erst durch .Anstoben" wird der metastabile Zustand gestort, Das Natriumacetat kristallisiert schlagartig aus und das System gibt (latente) Warme an die Umgebung abo Dabei handelt es sich sowohl urn Kristallisations- als auch urn Salzhydratbildungswarme. Durch das AnstoBen, z.B. durch Bewegung eines Stahlklickers oder durch Biegen eines Metallstreifens bzw. -plattchens, werden aktive Stellen erzeugt. Wahrscheinlich handelt es sich urn Mikrorisse im Metall, die als Kristallisationskeime wirken konnen, Das neuerliche "Aufladen" erfoIgt im heiBen Wasser, wobei das feste Salzhydrat wieder in eine iibersattigte Losung iibergeht. Ein zweites Beispiel fur Latentwarmespeicherung stellt die Speicherung von Kalte im Eis dar. Latentwarmespeicher konnen in einem groBen Temperaturbereich verwendet werden. Je nach Phasenumwandlungstemperatur und Anwendungsbereich werden Stoffe unterschiedIichster Substanzklassen als PCM verwendet, z.B. Salzhydrate und Salzhydratmischungen, wassrige Salzlosungen und Paraffine. Bei den auf dem Bausektor eingesetzten PCM-Materialien handelt es sich gegenwartig vor allem urn Paraffine (Paraffinwachse) mit Schmelztemperaturen zwischen -3 . . . 100 °C. Die Entwicklung geht jedoch in Richtung Salzhydrate, da bei ahnlichen Umwandlungsbereichen die gespeicherte Warmemenge dieser Verbindungen die der Paraffme deutlich iibersteigt. Fiir Anwendungszwecke werden die Paraffine in Kunststoff-Mikrokapseln eingebracht (0 der Kapseln 5...20 urn), Durch diese Mikroverkapselung ergeben sich eine Reihe von Vorteilen: • Die Paraffine konnen nicht in den Baustoff gelangen und eventuell dessen Eigenschaften negativ beeinflussen. • Die Gesamt-Paraffinoberflache ist aufgrund der geringen GroBe der Kapseln sehr groB, damit wird ein optimaler Warmeaustausch zwischen PCM und Baustoff ermoglicht, • Mikroverkapseltes Paraffin (Abb. 14.6) ist wie ein Pulver leicht und vielseitig einsetzbar, z.B. in Innenputzen und Spachtelmassen. Abbildung 14.6 REM-Aufnahme eines PCM-haltigen Gipsputzes : Die Mikrokapseln sind deutlich zu erkennen . QueUe: Fraunhofer ISE.
Steigt die Umgebungstemperatur an, wird das Paraffmwachs fliissig und Warme wird gespeichert. Fallt die Temperatur wieder ab, wird das Wachs emeut fest und Warme wird an die Umgebung abgegeben. 1m Februar 2005 kam in Deutschland der PCM-haltige Gipsputz maxit clima® (Fa. maxit) auf den Markt. Die eingesetzten mikroverkapselten Paraffine sind auf eine Phasenwechseltemperatur von 24 ...26 °C eingestellt. Laut Hersteller nimmt der Spezialputz funfinal mehr Warme auf als ein herkommlicher Innenputz. Eine 1,5 em dicke Putzschicht mit maxit
14.2 Innovationsfelder fur Nanotechnologien
501
clima® weist demnach etwa die gleiche Warmespeicherkapazitat auf wie eine 7 em dicke Gipsdielenwand. Wichtig ist, dass die durch sommerliche Uberhitzungseffekte "aufgeladene" PCM-Putzschicht durch Nachtluftung wieder "entladen" wird. Da Paraffine brennbar sind, wurde der PCM-Gipsputz wie auch die Knauf-Latentwarmespeicherplatte in die Brandschutzklasse B2 eingestuft. Durch Aufbringen einer feuerhemmenden Beschichtung (Dammschicht) erfiilIen beide Baustoffe die Anforderungen der Brandschutzklasse Bl. Entwicklungsbedarf besteht gegenwartig noch hinsichtlich der Erhohung der Lebensdauer der Mikrokapseln in zementgebundenen Baustoffen. Die Mikrokapseln durfen weder beim Einmischen noch bei der Verarbeitung zerstort werden. Des Weiteren muss der erhartete Baustoff eine nahezu beliebige Anzahl von Schmelz-lErstarrungszyklen uberstehen, ohne dass er in seiner Stabilitat beeintrachtigt wird. Es ware ein technologischer Durchbruch, gelange es Nano-PCM herzustellen - z.B. als Nano-Komposite, die dauerhaft in die Zementmatrix eingebettet werden, ohne die Betoneigenschaften zu beeinflussen [BC 19].
14.2.2
Weitere Anwendungsfelder
Wenn man so will kann man den Zement als altestes Nanotech-Produkt bezeichnen, denn bei der Hydratation dieses Bindemittels etwa im Beton entstehen nadelformige, mikro- bis nanometerfeine KristalIe, die zusammenwachsen und die Festigkeit des Materials bewirken. Die Betontechnologie hat gerade in den Jahren nach 1990 deutliche Fortschritte gemacht, die vor allem auf die Entwicklung neuartiger, leistungsfahiger Betonzusatzmittel wie die modemen FlieBmittel, aber auch auf Betonzusatzstoffe wie Mikrosilica zuruckzufuhren sind. Wie in Kap. 9.3.3.5 ausgefiihrt, beruhen Festigkeit und Dauerhaftigkeit zementgebundener Baustoffe auf einer moglichst dichten Mikro- und Nanostruktur der durch die Hydratation gebildeten C-S-H-Phasen. Je dichter die nadelige Struktur, umso dichter ist das Gefiige des erharteten Betons. Durch Verwendung von Mikrosilica erreicht man eine wesentliche Verringerung des Porenvolumens sowie Veranderungen in der Kontaktzone ZementsteinGesteinskornung (Kap. 9.3.3.3.1). Aufgrund der sehr hohen spezifischen Oberflache kann Uberschusswasser gebunden werden. Der Verbund wird verbessert, die Festigkeit erhoht, Die Verwendung von Nanomaterialien (Nanopulver, Polymerdispersionen) fiihrt zu einer weiteren Verbesserung der Baustoffeigenschaften. Durch Anwendung von Nanosilica (z.B. Aerosil") mit einer Partikelgrofse zwischen 5... 50 nm wird eine noch optimalere Verdichtung der Mikrostruktur des Zementsteins erreicht. Die Nanopartikeln fiillen die Poren weitgehend aus, die Packungsdichte wird erhoht und der Verbund in der Kontaktzone Zementstein/Gesteinskornung wird weiter verbessert. Zusatzlich zu den physikalischen Packungseffekten (Fullerfunktion) wird durch die bei kleiner werdender Partikelgrofse exponentiell ansteigende Oberflache die puzzolanische Reaktivitat wesentlich gesteigert. Ais Beispiel solI die Umsetzung von Si02 mit Ca(OH)2 angefiihrt werden [BC 19]: 1st das Quarzmehl grob gemahlen, so lauft beim Mischen mit Ca(OH)2 ohne Warmebehandlung keine chemische Reaktion abo Mikrosilica dagegen, mit einer mittleren Teilchengrolse zwischen 0,1 ... 0,15 urn, reagiert innerhalb weniger Tage (bis Wochen) in Gegenwart von Wasser mit Ca(OH)2 zu den entsprechenden C-S-H-Phasen. Ein homogenes Gemisch aus Nanosilica und Ca(OHh hat dagegen bereits nach 24 Stunden einen hohen Anteil an C-S-H-Phasen gebildet, so dass dieses Gemisch bereits als ein eigenstandiges Bindemittel betrachtet werden kann.
502
14 Nanotechnologie im Bauwesen
Die genannten Vorteile machen Nanosilica zu einem idealen Zusatzmitte1 fur modeme zementbasierte Bindemittel (hochfester und ultrahochfester Beton). Seine Anwendung spiegelt sich in verbesserten mechanischen Eigenschaften, insbesondere einer hohen Druckfestigkeit, in einer geringen Porositat und einer erhohten Dauerhaftigkeit wider. Wie eingangs ausgefiihrt, nimmt die Bedeutung der Oberflache mit abnehmender PartikelgroBe zu. Die extrem groBe Oberflache bei Nanopartikeln ist, wie gerade beschrieben, fiir eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften wie die hohe Reaktivitat und die sehr gute Wasserbindung verantwortlich. Urn diese Eigenschaften zu entfalten, miissen die Nanopartikeln moglichst homogen in die jeweilige Formulierung eingebracht werden. Und genau hier liegt das Problem. Hinsichtlich der Auswahl und der Wirkung geeigneter Dispergiermittel besteht zur Zeit noch ein erheblicher Klarungsbedarf Neben Nanosilica sind auch andere nanoskalige Oxide wie Fe203, Ah03 oder Ti0 2 als Betonzusatzstoffe denkbar. Abbildung 14.6 Raurnliche Struktur einer Kohlenstoff- Nanorohre (CNT) (www.3dchem.com/molecules).
Eine interessante Forschungsrichtung beschaftigt sich mit der Verwendung von Nanorohren bzw. -fasem anstelle von Nanopartikeln. Fur die Herstellung von Nanorohren eignen sich vor allem schichtformig aufgebaute Stoffe oder Polymere, von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Kohlenstoff-Nanorohren (Carbon Nano Tubes, CNT; Abb. 14.6). Kohlenstoff-Nanorohren weisen eine Reihe extremer Eigenschaften auf: Ihre Zugfestigkeit kann bis 50 GPa betragen, damit ist sie mehr als 20-mal so hoch wie die von Stahl. Ihr E-Modulliegt bei ca. 1000 GPa. Dariiber hinaus besitzen sie eine etwa 1000-mal hohere elektrische Leitfahigkeit als Cu und eine hohe thermische Leitfahigkeit (bis zu 5.800 W/m K). Ihre Dichte betragt rund 1,4 g/cm', Die Rohren aus Kohlenstoff haben einen Durchmesser von wenigen Nanometem. Sie sind damit etwa 50.000-mal dunner als ein menschliches Haar. Aufgrund ihrer extrem kleinen Abmessungen lassen sie sich wesentlich besser im Beton verteilen als ubliche Stahl- oder Kunststoffbewehrungen. Da sich gezeigt hat, dass sie zusatzlich als Kristallisationskeime wirken, hartet der Beton schneller aus und erhalt eine hohere Dichtigkeit. Die Druckfestigkeit von UHPC kann durch Zugabe von Kohlenstoff-Nanorohren nochmals deutlich erhoht werden. Ein gegenwartig noch zu losendes Problem beim Verarbeitungsprozess betrifft die Dispergierbarkeit der CNT. Sie neigen aufgrund ihres hydrophoben Verhaltens in wassriger Losung zur Clusterbildung. Interessante Anwendungsfelder ergeben sich fur die Nanotechnologie auch im Bereich Fenster und Verglasnngen. Durch Anwendung nanoskaliger Schichten bzw. Beschichtungen konnen der Warme- und Sonnenschutz sowie das Reflektions- und Verschmutzungsverhalten der Glasscheiben (s. o. TiOrPhotokatalyse) gesteuert werden. Fenster (Glasflachen) sind wichtige Komponenten des (solaren) Bauens: Indem sie Sonnenstrahlung und Warme in den Raum lassen, senken sie den Heizbedarf der Gebaude in der kalten Jahreszeit und ermoglichen im Winter passiv-solare Energiegewinne. Dariiber hinaus
14.2 Innovationsfelder fur Nanotechnologien
503
garantieren sie ganzjahrig eine naturliche Beleuchtung und reduzieren so den Energieaufwand fur elektrische Beleuchtung. Die hohe Licht- und Energiedurchlassigkeit groBer Fensterflachen bringt jedoch auch Nachteile mit sich: 1m Sommer kommt es zu Uberhitzungen. Damit wird entweder eine aktive Klimatisierung erforderlich oder die Glasflachen mussen aufwendig abgeschattet werden, z.B. durch Jalousien, Stores oder Markisen. Kiinftig sollen schalt- oder regelbare Verglasungen dieses Problem losen und die teilweise gegensatzlichen Anforderungen besser in Ubereinstimmung bringen. Schalt- oder regelbare Verglasungen andern ihre optischen Eigenschaften quasi per Knopfdruck (aktive Systeme) oder selbsttatig (reaktive Systeme). Je nach Aktivierung und Aufbau unterscheidet man folgende schaltbare Schichten:
•
Elektrochrome Schichten
Bei elektrochromen Verglasungen erfolgt die Schaltung durch elektrischen Strom. Dabei lasst sich die Transmission (Durchlassigkeit) der Verglasung entweder in mehreren Stufen (haufig 5) oder stufenlos verandern. Die Durchsicht bleibt immer erhalten. Unter Elektrochromie versteht man die Anderung der optischen Eigenschaften von Molekiilen und KristaIlen, insbesondere der Lichtabsorption, durch ein auBeres elektrisches Feld. Der Aufbau des elektrochromen Glases ist vergleichbar mit dem einer Verbundglasscheibe, die aus zwei TCO-beschichteten Glasern (TCO = tranparent conductive oxide, z.B. fluordotiertes Sn02) besteht (Abb. 14.7). An den Glasern sind die elektrischen Anschlusse montiert. Zwischen den beiden Glasscheiben des Glasverbunds befindet sich die aktive Schicht, bestehend aus Wolframoxid (W0 3, Elektrode) bzw. einem Li-Ionen enthaltenden Mischoxid (Gegenelektrode). Eine leitfahige, transparente Polymerfolie trennt die beiden Elektroden. Wird nun zwischen Elektrode und Gegenelektrode eine Spannung in der Grobenordnung von 3 V angelegt, wandem die Lithiumionen durch das leitfahige Polymer zum Wolframoxid. Dort lagem sie sich in das Kristallgitter ein, das selbst wahrend des gesamten Prozesses unverandert bleibt. Durch die Einlagerung der lonen verandert sich die Oxidationsstufe des Wolframs und damit die Bandstruktur des Ubergangsmetalloxids, was wiederum zu einer Anderung der elektrischen Leitfahigkeit und der optischen Eigenschaften fuhrt. Die gebildeten "Li-WOx-Farbzentren" absorbieren das einfallende Licht. Wird danach die umgekehrte Spannung angelegt, werden die Farbzentren wieder .zerstort". Die Lithiumionen wandem durch das Polymer zur Gegenelektrode zuruck, Der Verbund entfarbt sich wieder.
Randversiegelung
wax lonenleitfiihiges Polymer Gegenelektrode
--Gl Li-Ionen •
Li-WOa-Farbzentren
Teo innen
Abbildung 14.7 Schichtaufbau einer elektrochromen Verglasung; TeO = transparent conductive oxide, z.B. f1uordotiertes Sn02. QueUe: FLABEG
504
14 Nanotechnologie im Bauwesen
Die geschilderten Vorgange sind mit dem Lade- und Entladevorgang eines Akkumulators vergleichbar. Bei falscher Steuerung konnen hier ebenso Memory-Effekte auftreten und bei Uberladung konnen die Elektroden geschadigt werden. Deshalb wird kommerziell fur jede elektrochrome Scheibe ein Controller mitgeliefert, der eine ordnungsgemafse Steuerung von Ladung und Entladung garantiert. Je nach Grobe der Scheibe kann ein vollstandiger Umfarbevorgang bis zu 15 Minuten dauem. Bei Einsatz von W03 erreicht man eine intensive Blaufarbung der Verglasung. Durch Variation der elektrochromen Substanzen kann die Farbe des aktivierten Fensters verandert werden: Mo-dotiertes Nioboxid (Nb10S-Mo) ~ grau; Li-dotiertes Nioboxid (Nb10S-Li) oder Nickeloxid/Titandioxid (NiO-Ti01) ~ braun. Lebensdauer und Eigenschaften der elektrochromen Verglasung hangen wesentlich von der Zuverlassigkeit der Steuerungselektronik abo Es wird eine Lebensdauer von 20 Jahren angestrebt. Mit elektrochromen Verglasungen kann die Energieeinstrahlung variabel gestaltet und Energie eingespart werden. Bei direktem Sonnenlicht gibt es allerdings keinen sicheren Blendschutz, eine mogliche Blendung wird nur stark reduziert. • Gaschrome (hydrochrome) Schichten Die Schaltung bei gaschromen Schichten erfolgt durch Kontakt mit einem Gas. Fur die einzufarbende Schicht wird meist ebenfalls Wolframoxid verwendet, d.h. die gaschromen Schichten zeigen im abgedunkelten Zustand ebenfalls eine tiefblaue Farbung. Die Durchsicht bleibt wiederum erhalten. Die transparente Wolframoxidschicht befindet sich auf der Innenseite der Doppelverglasung. Die Einfarbung erfolgt aber nicht wie gerade beschrieben durch elektrischen Strom, sondem durch die Einlagerung von atomarem Wasserstoff. Durch den Kontakt mit dem Wasserstoff andert die vorher "unsichtbare" WOrSchicht ihre chemische Zusammensetzung, farbt sich dunkelblau und streut zusatzlich das Licht. Der Wasserstoff entsteht wie folgt: Wasserdampfwird in einer Elektrolyse-Einheit durch Strom in Wasserstoffund Sauerstoff zerlegt. Der Wasserstoff wird katalytisch (Pt) in atomaren Wasserstoff aufgespalten. Durch Wechselwirkung des atomaren Wasserstoffs bzw. der gebildeten Protonen mit den O-Atomen der Wolframoxidschicht werden O-Fehlstellen im Gitter erzeugt. Sie sind die Ursache fur die auftretende Farbanderung. Der sich bildende Wasserdampf entweicht. Die Lichtdurchlassigkeit der gaschromen Verglasung wird tiber die Wasserstoffkonzentration im Gasspalt der Verbundscheibe gesteuert. Entfarbt wird die aktivierte Schicht durch Uberstromen mit atomarem Sauerstoff, der ebenfalls katalytisch erzeugt wird. Das Gasversorgungsgerat, das den Wasserstoff und den Sauerstoff liefert sowie das gebildete Wasser recycelt, wird idealerweise in die Fassade integriert. Ftir den Aufbau einer Warmeschutzverglasung kann der gaschrome Zweischeiben-Verbund mit einer niedrig emittierend beschichteten Glasscheibe kombiniert werden. Je nach Gasversorgungssystem konnen Verglasungsflachen von bis zu 10 m 1 geschaltet werden. Die Einfarbung der Glaseinheit benotigt etwa funf Minuten. Auch bei gaschromen Verglasungen ist ein vollstandiger Blendschutz nicht gegeben. • Photochrome/photoelektrochrome Schichten Photochrome Glaser (oder Kunststoffscheiben) sind bekannt von selbsttonenden Sonnenbrillen. Bei Sonneneinstrahlung dunkeln diese Glaser in den Farben grau und braun ein, bleiben aber durchsichtig. Der Effekt der Abdunklung wird durch UV -Licht bzw. kurzwelliges sichtbares Licht hervorgerufen. In Abwesenheit von Sonnenlicht erfolgt die Aufhellung von selbst. Hintergrund der Ein- bzw. Entfarbung sind reversible Ubergange zwischen
505
14.2 Innovationsfelder fur Nanotechnologien
im Glas eingelagerten, mit Cu dotierten Silberhalogeniden (AgCI, AgBr). Durch Einstrahlung von Licht entstehen z.B. aus Silberchlorid (AgCI) Silber- bzw. Chloratome: ~
0
AgCI ......-- Ag + CI· Ftir die Eindunkelung sind die Silberatome verantwortlich. Diese Photoreaktion ahnelt dem Primarvorgang des photografischen Prozesses. Anders als im photografischen Material konnen aber in den photochromen Glasern die Chloratome nicht wegdiffundieren und die Silberkeime nicht nennenswert wachsen. Dies verhindert die starre Borosilicatmatrix. Damit sind giinstige Voraussetzungen fur die Ruckreaktion gegeben, die sowohl durch Licht als auch durch Warme ausgelost werden kann. Vorteile: Sehr einfacher Aufbau (keine TCO-Schichten), keine exteme Spannungsversorgung notwendig, kein Problem mit Kurzschltissen, in modemeren Systemen wird zum Einfarben kein UV -Licht mehr gebraucht. Photochrome Glaser besitzen aber auch eine Reihe von Nachteilen: Die Ein- bzw. Entfarbung sind stark temperaturabhangig, die Glaser besitzen eine mangelnde Langzeitstabilitat, einen hohen Absorptionsgrad im abgedunkeltem Zustand, sind nicht wie die oben besprochenen schaltbaren Glaser steuerbar und besitzen hohe Preise. Es gibt auch hier Neuentwicklungen (Kombination mit Farbstoffzellen), auf die aber nicht naher eingegangen werden solI. TCO/Pt
Abbildung 14.8 Funktionsprinzip einer photoelektrochromen Schicht (QueUe: Fraunhofer ISE) Glas
Farbstoff
Bei photoelektrochromen Schichten (Abb. 14.8) wurden die Wirkmechanismen einer elektrochromen Schicht und einer elektrochemischen Solarzelle kombiniert. Eine Glasscheibe wird mit einer transparenten leitfahigen Schicht (TCO) und einer elektrochromen W0 3-Schicht belegt. Daraufbringt man nanoporose TiOz-Partikeln, die mit einer Monolage eines Sensibilisierungsfarbstoffes bedeckt sind (Farbstoffzelle!). Die Poren und der Raum zwischen TrO, und Gegenelektrode sind mit einem festen Elektrolyten gefullt, indem Lithiumiodid (Lil) gelost ist. Ais Gegenelektrode fungiert eine zweite, mit einer TCOSchicht bedeckte Glasscheibe. Die TCO-Schichten werden mit katalytisch aktivem Platin uberzogen. Beide Elektroden sind tiber einen extemen Schalter miteinander verbunden. Bei Absorption von Licht durch die Farbstoffmolekiile erfolgt ein Elektronentransfer auf die TiOz-Partikeln, die die Elektronen zum W0 3 weiterleiten. Dort wird das Wolfram reduziert und die photoelektrochrome Schicht farbt sich blau. Die oxidierten Farbstoffmolekiile werden durch die anwesenden lodidionen gemaf! 3 T ~ 13- + 2 e wieder reduziert, wobei Tri-
506
14 Nanotechnologie im Bauwesen
iodidionen (13-) entstehen. Uberschussige Li+-Ionen diffundieren durch die porose TiOzSchicht in die WOrSchicht und sorgen fur den Ladungsausgleich. Die photoelektrochrome Schicht wird tiber einen extemen Stromkreis geschaltet: 1st der Stromkreis geoffnet, farbt sich die Schicht unter Bestrahlung blau. Wird der Stromkreis geschlossen, konnen die Elektronen aus dem W0 3 tiber den Schalter zur Gegenelektrode zuruckflieben, wo das Platin die Rtickreaktion des 13- zum T katalysiert. Gleichzeitig wandem die Lithiumionen in den Elektrolyten zuruck. Die Schicht entfarbt sich - auch unter Bestrahlung, d.h die Lichtdurchlassigkeit kann sowohl bei Beleuchtung als auch im Dunklen durch Schalten wieder erhoht werden. Vorteile des photoelektrochromen Systems: Keine exteme Stromversorgung notwendig, Ein- und Entfarbung konnen unabhangig voneinander optimiert werden, durch Schalten kann die Entfarbung auch bei starker Beleuchtung verringert werden. Die Schaltzeit betragt etwa 15 Minuten. • Thermochrome und thermotrope Schichten Thermochrome Schichten wechseln die Farbe, wenn ihre Temperatur einen bestimmten Wert tibersteigt. Fur Verglasungen wird zurzeit dem Vanadiumpentoxid V Z05 das grolste Potential zugemessen. In dunnen Schichten auf das Glas aufgetragen, andert das V Z05 bei 68°C seine optischen Eigenschaften (von gelb nach grun; je nach Herstellungsverfahren sind auch andere Farbwechsel bekannt!). Erwtinscht ist allerdings weniger eine temperaturabhangige Verfarbung im sichtbaren Bereich. Vielmehr wiinscht man sich die Veranderung der optischen Eigenschaften im IR-Bereich, so dass Wiirmestrahlung je nach Schaltzustand der Scheibe durchgelassen wird - oder eben nicht. Entwicklungsstand: LabormaBstab. Thermotrope Glaser gehen mit steigender Temperatur (selbstandig) von einem klaren, lichtdurchlassigen in einen opaken, lichtstreuenden, weiB eingetrubten Zustand uber, Bei den eingesetzten Substanzen handelt es sich urn Zweikomponentensysteme wie KunststoffKunststoff (Polymerblend)- oder Kunstoff-Wasser (Hydrogel)-Kombinationen. Bei niedriger Temperatur liegt das System homogen und klar vor. Steigt die Temperatur an, kommt es zur Zusammenballung der Polymere. Durch diese .Entmiscbung" stellt sich eine erhohte Lichtstreuung und eine diffuse Reflektion ein. Der Vorgang ist reversibel. Nachteile: nicht steuerbar, ungleichmiiBige Eintriibung, langsame Reaktion.
I
Bis heute ist ein Durchbruch fUr eine breite kommerzielle Anwendung schaltbarer Glaser ("Smart Windows") sowohl aus Kostengriinden als auch aus technischen Griinden noch nicht absehbar.
Marktreif ist inzwischen die Entwicklung von Antireflexschichten fur Flachglas, deren Aufgabe es ist, den Licht- Transmissionsgrad zu erhohen. Die Antireflexeigenschaften beruhen auf einer nanoporosen Interferenzschicht aus SiO z oder Siliciumnitrid (SiN x) , die auf beiden Seiten des Glases aufgebracht wird. Die Reflektionsverluste, die liblicherweise bei 8% liegen, konnen bis auf etwa 2% verringert werden. Anwendungsfelder sind Photovoltaik-Module, grofsflachige Glasfassaden und Gewachshauser. Obwohl noch einige weitere Beispiele fur die Anwendung nanotechnologischer Innovationen in Architektur und Bauwesen zu nennen waren, z.B. mit Nanopartikeln modifizierte Fliesenkleber, Nanocoating von Keramik und Holz sowie neue Flammschutzmittel mit optimiertem Eigenschaftsprofil, erscheinen mir die vorstehend beschriebenen Anwendungsfelder als besonders reprasentativ und zukunftsweisend.
Literatur Allgemeine, anorganische und physikalische Chemie [AC 1] [AC 2]
[AC 3] [AC 4] [AC 5] [AC 6] [AC 7] [AC 8]
Mortimer, C.E.: Chemie - Das Basiswissen. 9. Aufl., Stuttgart-New York: Georg Thieme Verlag 2007. Binnewies, M., Jackel, M., Willner, H., Rayner-Canham, G.: Allgemeine und Anorganische Chemie. 1. Aufl., Heidelberg-Berlin: Spektrum Akademischer Verlag 2004. Holleman, A.F.; Wiberg, E.: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Aufl., Berlin: Walter de Gruyter 2007. Riedel, E.: Allgemeine und Anorganische Chemie. 8. Aufl., Berlin: Walter de Gruyter 2004. Muller, U.: Anorganische Strukturchemie. 4. Aufl., Stuttgart: Teubner 2004. Flottmann, D., Forst, D.; RoBwag, H.: Chemie fur Ingenieure. 2. Aufl., Springer 2004. Jander, G.; Blasius, E.: Lehrbuch der analytischen und praparativen Chemie. 16. Aufl., Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2006. Hoinkis, J., Lindner, E.: Chemie fur Ingenieure, 12. Aufl., WILEY-VCH, Weinheim 2001.
Umweltchemische und okologische Probleme (Kap. 5, 6 und 7) [UC 1] [UC 2] [UC 3] [UC 4] [UC 5]
[UC 6] [UC 7] [UC 8] [UC 9] [UC 10] [UC 11] [UC 12]
Bliefert, C.: Umweltchemie. 3. Aufl., Weinheim: WILEY-VCH 2002. Heintz, A; Reinhardt, G.A: Chemie und Umwelt. 4. Aufl., BraunschweigWiesbaden: Vieweg 1996. Fellenberg, G.: Umweltbelastungen: Eine Einfuhrung. 1. Aufl., Stuttgart-Leipzig: Teubner 1999. Hulpke, H.: Rompp Lexikon Umwelt. 2. Aufl., Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2000. Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), Gesetz zum Schutz vor schadlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Gerauschen, Erschiitterungen und ahnlichen Vorgangen vom 14.5.1990 (BGBI. I 880). Verordnung uber die Qualitat von Wasser fur den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung; TrinkwV). Yom 21.Mai 2001, BGBI. 1959. Deutsche Forschungsgemeinschaft: List of MAK and BAT Values, Weinheim: VCH2001. www.umweltbundesamt.de Moriske, H.-J., Rudolphi, A, Salthammer, T., Wensing, M.; GesundheitsIngenieurlHaustechnikIBauphysiklUmwelttechnik 121 (2000) 305. Seifert, B.: Das Sick Building Syndrom, Off. Gesundheitswesen 53 (1991) 376. Gebbers, J.-O., Gluck, U.: "Sick building"-Syndrome, Schweiz. Med. Forum 2003, H.5, S.109. www.lfu.bayem.de/index.php
Literatur
508
Bau- und Baustoffchemie (LehrbOcher und Monografien) [BC 1] [BC 2] [BC 3] [BC 4] [BC 5] [BC 6] [BC 7] [BC 8]
[BC 9] [BC 10] [BC 11]
[BC 12] [BC 13] [BC 14]
[BC 15]
[BC 16] [BC 17] [BC 18]
[BC 19] [BC 20] [BC 21]
Henning, 0.; Knofel, D.: Baustoffchemie. 6. Aufl., Berlin: Verlag fur Bauwesen 2002. Knoblauch, H.; Schneider, U.: Bauchemie. 6. Aufl., Dusseldorf: Werner-Verlag 2006. Karsten, R.: Bauchemie. 11. Aufl., Karlsruhe: Verlag C.F.Muller 2002. Reul, H.: Handbuch der Bauchemie. 1. Aufl., Augsburg: Verlag fur chemische Industrie, H. Ziolkowsky KG 1991. Cammenga, H.K.: Bauchemie. 1. Aufl., Braunschweig-Wiesbaden: Vieweg 1996. "Natiirliche Radionuclide in Baumaterialien", Bundesamt fur Strahlenschutz, 19.11.2003. SchieBl, P., Hohberg, I.: Umweltvertraglichkeit zementgebundener Baustoffe: Radioaktivitat. Aachen: Institut fur Bauforschung 1995. Keller, G.: Strahlenexposition der Bevolkerung durch Baustoffe unter besonderer Berucksichtigung von Sekundarrohstoffen. In: VGB Kraftwerkstechnik, 74 (1994) S. 711-714. "Radon", Bayerisches Landesamt fur Umweltschutz, April 2005. Bundesamt fur Strahlenschutz, Infoblatter Radon, 2003. Delibrias, G., Labeyrie, J.: The dating of mortars by the Carbon-14 method. Proceedings of the 6. Int. Conf. Radiocarbon and Tritium Dating, compiled by R.M.Chatters and E.A.Olson.Springfield, Virginia: Clearinghouse for Federal Scientific and Technical Information, 1965, p. 344. "Quality Criteria and Analysis Methods of FGD Gypsum", Eurogypsum, Brussels, Belgium (www.eurogypsum.org). Hamm, H., Kersten, H., Hueller, R.; Cement Internat. 4 (2004) 92. Plank, J., Stephan, D., Hirsch, Chr.: Bauchemie, In: Winnacker / Kuchler: Chemische Technik-Prozesse und Produkte, Band 7, 5. Aufl., S. 1-168, Weinheim: WILEY-VCH 2004 Plank, J. u. Mitarb.: Neues zur Wechselwirkung von Zementen und FlieBmitteln, 16. ibausil, Bauhaus-Universitat Weimar 2006, Tagungsband 1, p. 579-598 und dort zitierte Literatur. Fujishima, A., Hashimoto, K., Watanabe, T.: Photocatalysis, Bkc. Inc., Tokyo, Japan 1999. Hoffmann, M. R., Martin, S. T., Bahnemann, D.: Chem. Rev. 95 (1995) 69. a) Benedix, R.: TiOrPhotokatalyse und Baustoffe. GDCh-Monographie Bauchemie, Bd. 31, Frankfurt am Main 2004; b) Stephan, D.: Innovative Werkstoffe mit Titandioxid - selbstreinigende und photokatalytisch aktive Baustoffoberflachen, Cement International 6 (2006) 77. Nanooptimierte Hightech-Baustoffe, 9.Mai 2007, Universitat Kassel, Schriftenreihe Baustoffe und Massivbau, Heft 8. Einsatz von Nanotechnologien in Architektur und Bauwesen, Band 7 der Schriftenreihe der Aktionslinie Hessen-Nanotech, 2007. Nanotechnologie und Bauwesen, Fachgesprach vom 05.12.2006, VDI Technologiezentrum GmbH, Dusseldorf und dort zitierte Literatur.
509
Literatur
Bau- und Werkstoffkunde (LehrbOcher und Monographien) [BK I] [BK2] [BK3] [BK4]
Scholz, W.: Baustoftkenntnis. 16. Aufl., Dusseldorf: Werner-Verlag 2007. Wendehorst, R.: Baustoftkunde. 25. Aufl., Hannover: Vincentz Verlag 1998. Harig, S., Klausen, D., Hoscheid, R.: Technologie der Baustoffe. 14. Aufl., Heidelberg: C.F .Muller Verlag 2003. Merkel, M.; Thomas, K.-H.: Taschenbuch der Werkstoffe. 6. Aufl., LeipzigKoln: Fachbuchverlag 2003.
Silicat- und Glaschemie (Kap. 9.2) [SC I] [SC 2] [SC 3] [SC 4] [SC 5] [SC 6]
Vogel, W.: Glaschemie. 3. Aufl., Berlin-Heidelberg-New York: Springer-Verlag 1992. Lohmeyer, S.: WerkstoffGlas, Renningen: expert-Verlag 2001. Petzold, A.; Marusch, H.: Der Baustoff Glas. 3. Aufl., Berlin: Verlag fur Bauwesen 1990. Korn, A ..: Glas: 1m Bau und als Gebrauchsgegenstand. Berlin: Gebr. Mann Verlag 1999. Technisches Handbuch - Glas am Bau. VEGLA Vereinigte Glaswerke GmbH, Aachen 1998. Funktions-Isolierglaser. Moderne Verglasungen fur Fenster und Fassaden. Renningen: expert-Verlag 1994.
Anorganische Bindemittel, Mortel und Beton (Kap. 9.3, 13) [AB I] [AB 2] [AB 3] [AB 4]
[AB 5] [AB 6] [AB 7]
[AB 8] [AB 9] [AB 10] [AB II]
Bogue, R.H.: The Chemistry of Portland Cement. New York: Reinhold Publishing Corp. 1947. Richartz, W., Locher, F.W.; Zement-Kalk-Gips, 18 (1965) 449. Locher, F.W., Richartz, W., Sprung, S.; Zement-Kalk-Gips, 29 (1976) 435 und 33 (1980) 271. a) Locher, F.W., Richartz, W., Sprung, S., Sylla, H.-M.; Zement-Kalk-Gips, 35 (1982) 669; b) Locher, F.W., Richartz, W., Sprung, S., Rechenberg, W.; Zement-Kalk-Gips, 36 (1983) 224. Locher, F.W.: Zement: Grundlagen der Herstellung und Verwendung, Verlag Bau und Technik, Dusseldorf 2000. Taylor, H.F.: Cement Chemistry. London: Academic Press 1990. a) Stark, J., Wicht, B.: Anorganische Bindemittel. Schriften der BauhausUniversitat Weimar, Universitatsverlag 1998. b) Stark, J., Wicht, B.: Dauerhaftigkeit von Beton. Basel: Birkhauser 2001. Stark, J., Moser, B., Eckardt, A.; Zement-Kalk-Gips 54 (2001) 52, 114. Stark, J., Moser, B., Bellmann, F.: Hydratation von Portlandzement, Lehrbrief des F. A. Finger-Instituts der Bauhaus-Universitat Weimar, 2004. Powers, T.C.: A Discussion of Cement Hydratation in Relation to the Curing of Concrete, Proc. of the Annual Meeting: Highway Research Board (1947). Bellmann, F., Stark, J.: Bildungsbedingungen von Thaumasit beim Sulfatangriff auf Beton, ffiAUSIL 2006, Tagungsbericht Band 2, Bauhaus-Universitat 2006, 501 - 508 und dort zitierte Literatur.
510
[AB 12] [AB 13]
[AB 14] [AB 15] [AB 16] [AB 17]
[AB 18] [AB 19] [AB 20] [AB 21] [AB 22] [AB 23] [AB 24] [AB 25] [AB 26]
Literatur
Odler, I.; Hydration, Setting and Hardening of Portland Cement, In: Lea's Chemistry of Cement and Concrete, Arnold: London 1998. Skipsted, J., Jacobsen, H.J., Characterization of the Calcium Silicate and Aluminate Phases in Anhydrous and Hydrated Portland Cements, In: NMR Spectroscopy of Cement-Based Materials, Berlin: Springer 1998. Zement-Taschenbuch 2008, Verein Deutsche Zementwerke e.V., 51. Aufl., Verlag Bau und Technik 2008. Gips-Datenbuch, Bundesverband der Gipsindustrie e.V., Darmstadt 2003. J. Sieler, Universitat Leipzig. a) Spanka, G.: Umweltvertraglichkeit von zementgebundenen Baustoffen, In: Beitrage zum 41. Forschungskolloquium des DAfStb, S. 41, DUsselddorf2002. b) Hohberg, I., MUller, C., SchieBl, P.: Umweltvertraglichkeit zementgebundener Baustoffe. beton 46 (1996) 156. Mayer, L.; Beton- und Stah1bau, 89 (1994) 64. Sprung, S., Rechenberg, W., Bachmann, G.; Zement-Ka1k-Gips, 47 (1994) 456. Stark, J., Wicht, B.: Umweltvertraglichkeit von Baustoffen, Schriften der Bauhaus-Universitat Weimar 1996. Statistisches Bundesamt Deutschland, 2004. Kohler, G.: Recyclingpraxis Baustoffe. TOV Rheinland, Koln 1997. Kohler, G., Kurkowski, H.: Recycling-Produkte und neue Einsatzgebiete. StraBen- und Tiefbau, Heft 7/8 (2001). www.laga-online.de Gewiese, A., Gladitz-Funk, I., Schenk, B.: Recycling von Baureststoffen. Renningen: expert-Verlag 1994. "Forderungen und Losungsansatze zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft im Bauwesen", Positionspapier ARGE Kreislaufwirtschaftstrager Bau, 10/2003.
Korrosion metallischer und nichtmetallischer Baustoffe, Bautenschutz (Kap. 8.2, 9.4) [KS I] Kaesche, H.: Die Korrosion der Metalle. 3. Aufl., Berlin-Heidelberg-New York: Springer-Verlag 1990. [KS 2] Tostmann, K.H.: Korrosion - Ursachen und Vermeidung. Weinheim: WILEYVCH2000. [KS 3] Tuutti, K.: Corrosion of Steel in Concrete. Stockholm: Swedish Cement and Concrete Research Institute, In: CEI Research, 1982, Nr. Fo 4:82. [KS 4] Chr. Dauberschmidt: Untersuchungen zu den Korrosionsmechanismen von Stahlfasern in chloridhaltigem Beton, Dissertation RWTH Aachen, 2006. [KS 5] Weber, H.: Instandsetzung von feuchte- und salzgeschadigtem Mauerwerk. 1. Aufl., Renningen: expert-Verlag 1993. [KS 6] Weber, H. u.a.: Fassadenschutz und Bausanierung. 5. Aufl., Renningen: expertVerlag 1993. [KS 7] Schultze, W. u.a.: Wassrige Siliconharz-Beschichtungssysteme fur Fassaden. 2. Aufl., Renningen: expert-Verlag 2002. [KS 8] Noller, R.: Schaden an Ziegelbauten und ihre Behebung. Renningen: expertVerlag 1992. [KS 9] Schonburg, K.: Schaden an Sichtflachen, Bewerten-Beseitigen-Vermeiden.
Literatur
[KS 10] [KS 11] [KS 12] [KS 13] [KS 14] [KS 15] [KS 16] [KS 17] [KS 18] [KS 19]
[KS 20]
511
Berlin: Verlag fur Bauwesen 1993. Ettel, W.-P.; Diecke, W.; Wolf, H.-D.: Bautenschutztaschenbuch. 2. Aufl., Berlin: Verlag flir Bauwesen 1992. Deutscher Ausschuss fur Stahlbeton: Vorbeugende MaBnahmen gegen schadigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie), Berlin: Februar 2007. Reul, H.: Handbuch Bautenschutz und Bausanierung. 4. Aufl., Koln: Verlagsgesellschaft R. MUller GmbH 1994. Knofel, H.: Stichwort Baustoffkorrosion. 2. Aufl., Wiesbaden: Bauverlag 1985. Parker, C.D.: The corrosion of concrete, Aust. J. Exp. BioI. Med. Sci. 23 (1945) 81. Weimann, K. (Hrsg.): Handbuch Bautenschutz (3 Bde.). Renningen: expertVerlag 1992. Dinh, H.T., Kluver, J. et aI.: Iron corrosion by novel anaerobic microorganisms, Nature 427 (2004) 829. Brill, H. (Hrsg.): Mikrobielle Materialzerstorung und Materialschutz. JenaStuttgart: Gustav Fischer Verlag 1995. Ehrlich, H-L.: Geomicrobiology, New York-Basel: Marcel Dekker 1990. Vinck, E. et aI.: Recent Developments in the Research of Biogenic Sulfuric Acid Attack of Concrete, In: Biotechnological treatment of sulphur pollution (Ed. P. Lens), IWA, London 2000. Weber, H:. Es grunt so grun .., ARCONIS 3 (2001) 22.
Organische Stoffe im Bauwesen, Holz und Holzschutz (Kap. 10, 11, 12) [OC 1] [OC 2] [OC 3] [OC 4] [OC 5] [OC 6] [OC 7] [OC 8] [OC [OC [OC [OC
9] 10] 11] 12]
[OC 13]
Beyer, H.; Walter, W., Francke, W.: Lehrbuch der Organischen Chemie. 23. Aufl., Stuttgart: S. Hirzel Verlag 1998. Hart, H., Craine, L.E., Hart, J.: Organische Chemie. 2. Aufl., Weinheim: WILEY-VCH 2002. Saechtling, H.(Hrsg.): Kunststoff-Taschenbuch. 28. Aufl., Mlmchen: Carl Hanser Verlag 2001. Domininghaus, H.: Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. 4. Aufl., DUsseldorf: VDI-Verlag 1992. Neue Strategien in der Polymerforschung, Topics in Chemistry: BASF Aktiengesellschaft 1995. Ettel, W.-P.: Kunstharze und Kunststoffdispersionen fur Mortel und Betone, 1. Aufl., Beton-Verlag GmbH 1997. Schorn, H.: Betone mit Kunststoffen und andere Instandsetzungsbaustoffe. Berlin: Verlag Wilhelm Ernst & Sohn 1991. Fonds der Chemischen Industrie im Verband der Chemischen Industrie e.V., Informationsserie 27: Kleben / Klebstoffe, Frankfurt/Main 2001. Holzbautaschenbuch, Bd.l, 9. Aufl., Berlin: Verlag Ernst & Sohn 1996. LeiBe, B.: Holzschutzmittel im Einsatz. WiesbadenIBerlin: Bauverlag 1992. MUller, K.: Holzschutzpraxis. Wiesbaden: Bauverlag 1993. Deutsche Bauchemie e.V., Frankfurt/Main (Hrsg.): a) Schutz von Holz im Bauwesen (04.97); b) Holzschutzmittel und Umwelt - Sachstandsbericht 1998. Knofel, D.: Stichwort Holzschutz. 2. Aufl., Wiesbaden: Bauverlag 1982.
Sachwortverzeichnis Abbinden 329, 332f., 358 Abbindebeschleuniger 354 Abbindeverzogerer 353 Abgabe von Energie 77 Abgaskatalysator 129 abgebundener Gips 358 abgeschlossenes System 76 Abkiihlkurve des Eisens 232 absolute Luftfeuchtigkeit 99 Absorption, von Strahlung 30 Abstandsfaktor 352 Abstolsungskrafte, elektrostatische 46 Abtrag, s. Stoffabtrag Abwasser 172 Acetaldehyd (Ethanal) 409 Acetat 190, 197,200,202, 41lf. Aceton (Propanon) 409f., 418 Acetylen (Ethin) 397 Acetylide, s. Carbide Achterschale 49 Acrylate 410f., 446, 458, 468 Acrylharze 446, 458 Acrylnitril 445 Aery lsaure (Propensaure) 410 Actinoide 40 acyclische Kohlenwasserstoffe 391 Adhasion 64, 138 Adhasionskrafte 64, 138 Adipinsaure 449 Adsorption 89, 338 Aerosil 281,498 Aerosol 121 Aggregatzustand I Aggressivitat der Atmosphare (Korrosion) 121 Akkumulatoren 224 Aktivierungsenergie 85 Aktivitat 181 Aktivitat, radioaktive Strahlung 25 Aktivitatskoeffizient 181 Albit 66, 228 Aldehyde 407ff. Algizide 383 alicyclische Kohlenwasserstoffe 391 aliphatische Kohlenwasserstoffe 391
Alit 314 Alithydratation 324ff. Alkalibestandigkeit 460 Alkali-Kieselsaure-Reaktion 375f. Alkali-Mangan-Batterie 225 Alkalimetalle 39 Alkalipuffer 377 alkalische Losung 186 Alkalimetallsilicate 282f. Alkalitat, wirksame 377 Alkalitreiben, s. Alkali-KieselsaureReaktion Alkanale 407f. Alkandisauren 412 Alkane 391ff. Alkanole 404f. Alkansauren 41Off. Alkene 395ff. Alkine 396ff. Alkohole 150,403f. Alkydharze 453 Alkylreste 393 Allotropie 107 Alpaka 265 Alphastrahlung 24 Altersbestimmung 27 Alterung von Bitumen 425 von Kunststoffen 462 Aluminate 262 Aluminatphase 315 Aluminium 261ff. Aluminiumbronzen 263 Aluminiumhydroxid 262,275 aluminothermisches Verfahren 263 Alumosilicate 275, 286, 288 Ameisensaure (Methansaure) 412 Amine 401 Aminobenzol, s. Anilin Aminogruppe 401 Aminoplaste 451 Ammoniak 94, 104, 105 - basische Eigenschaft 105 - Puffer 201 Ammonifikation 104
Sachwortverzeichnis
Ammoniumchlorid 198, 202, 370 Ammoniumion 104 Ammoniumnitrat 204,370 Ammonsalpeter, s. Ammoniumnitrat amorphe Stoffe 65, 142,290 Amosit 284 Amphibolasbeste 287 Amphibole 284 Ampholyte (Saure-Base) 184 amphoter 42, 184f., 262 anaerob 105,382 Anfangsfestigkeit 342 angeregter Zustand 32 Angriffsgrad von Wassern 171 Anhydrit 66, 322, 329, 355 Anilin (Aminobenzol) 401 Anion 7,228 Anionbase 184, 197 Anionenaustauscher 168 Anionsaure 184 anisotrop 67 Anlassen 237 Anmachwasser 171 annelierte Ringsysteme 401 Annelierung 401 Anode 213,227£,239 anodische Oxidation 213,227,228 anodischer Korrosionsschutz 260f. anorganische Bindemittel 305ff. Anorthit 66, 288f. Anreger 318,360 Antioxidationsmittel, Antioxidantien 437f., 465 Anziehungskrafte - elektrostatische 46 - intermolekulare 62 Apatit 273, 355 Aquakomplexe 152, 173 Aquivalenzkonzentration (Normalitat) 191 Aquivalenzpunkt 176, 189 Aragonn 66,272,307 Argon 98 aromatische Verbindungen 397ff. Arrheniussche Saure-Base-Theorie 181 Arylrest 398
513
Asbest 287 Asbestzemente 288 Aschen 320 Asphalte 426 Asphaltene 420 Assoziationskolloide 157 ataktisch 430 Atmosphare 97 Atmospharendruck - und Siedepunkt 145 Atmosphiirentypen (Korrosion) 121 Atom 6 Atombau 2lff. Atombindung (Kovalenz) 48ff. Atomhypothese, Dalton 8 Atomkem 22 Atommasse - absolute 11 - relative 11 Atomare Masseneinheit 11, 541 Atommodell, Bohr 3Off. Atomorbital 32 Atomradius 40 Atomspektrum 30 Aufbauprinzip 36 Aufenthaltswahrscheinlichkeit 33 Auflosen eines Salzes 151ff. Aufnahme von Energie 77 Aufstellen von Reaktionsgleichungen 74,208 Ausbauasphalt 491 Ausbliihungen 384ff. Ausgleichsmasse 471 Auslaugung von Beton 365 auBere Weichmachung 433 Austenit 236 Autoabgase 129 Autoklav 146,356,364 Autoprotolyse des Wassers 185 Avogadrosche Konstante 12,541 Bakelit 451 bakterielle Besiedlung 381 Balmer-Serie 31 Bandermodell, s. Energiebandermodell Bandsilicate 284
514
Bariumsulfat 164,273,437 Basalte 274 Basen 42,181£,186,205 Baseanhydrid 42 Baseexponent 194 Basekonstante 194 Basestarke 192f. basische Losungen 186 basische Oxide 42 Baufeuchtigkeit 309 Baugipse 355ff. Bauglas 294f. Baukalke 307ff. Baustahle 237 Bauschutt 488 Baustellenabfalle 488 Baustoffrecyc1ing 487 ff. Bautenschutz 388f. Bauxit 344 Becquerel 25 Beilsteinprobe 443 Beizen 260 Beizinhibitoren 260 Belit 314, 315f. Beliiftungselement 242 Benetzung 138 Benzine 394f., 418 Benzoesaure 412 Benzol 398f., 418 Bergkristall 278 Beschichtungen 390, 459, 500 Beschleuniger 354f., 437 Besetzung von Orbitalen 36 Betastrahlung 24 Beton 332ff., 336, 338 Betoncarbonatisierung 378 Betonkorrosion 367ff. Betonverfliissiger 347 Betonzusatzmittel 347ff. Bewehrungsstahl (korr. Angrift) 378f. Bienenwachs 415 Bildungsenthalpie 79,536 Bimsstein 274 Bindemittel 305ff., 459 Bindungsdissoziationsenergie 463 Bindungselektronenpaar 48
Sachwortverzeichnis
Bindungsenergie 463 Bindungslange 40 Bindungspolaritat 56 Bindungswinkel 5U., 132 biogene Schwefelsaurekorrosion 382 biogene Sedimente 276 Biokorrosion 241,381 biologische Schadigungen 368,38Of. Biomineralisation 276 Biozide 383 Bittersalz 386 Bitumen 419ff. bitumenhaltige Bindemittel 419ff. Bitumenemulsion 424 Bitumenkitte 471 Bitumenlosung 423 Blauepilze 475 Blei 267ff. Bleiakkumulator 226 Bleiglanz 273 Bleikristallglas 294 Blockcopolymere 430 Bodenfeuchtigkeit 258 Bodenkorper 160 Bodenkorrosion 244 Bogue-Formeln 316 Bohmisches Kristallglas 293 Bohrsches Atommodell 28 Bor-Tonerde-Glaser 294 Borax 294 Boudouard-Gleichgewicht 233 Brandschutzglas 295 Branntkalk, s. gebrannter Kalk Bravais-Gitter 534 Brennen von Kalkstein 95, 307 Brennen der Zementrohstoffe 312 Brennstoffzelle 226 Bromierung von Doppelbindungen 395 Bronsted-Base 183 Bronsted-Saure 183 Bronzen 265 Brtmieren 176 Building Related Illness (BRl) 487 Biirette 176 1,3-Butadien 396 Butan 392
Sachwortverzeichnis
Butanol 405 Butansaure, s. Buttersaure I-Buten 396 2-Buten 396 I-Butin (Ethylacetylen) 396 2-Butin (Dimethylacetylen) 396 Buttersaure (Butansaure) 410 Calcinierung 307 Calcit 307 Calciumaluminate 315, 328f. Calciumaluminatferrite 328f., 316 Calciumaluminatferrithydrate 331f. Calciumaluminathydrate 330f. Calciumcarbid 397 Calciumcarbonat 274f., 307, 378 - Brennen 307 - Loslichkeit 166,531 - Reaktion mit Kohlensaure 116 Calciumhydrogencarbonat 116, 167,369 Calciumhydroxid 161,308,324 Calciumnitrat 387 Calciumnitrit (Korr.inhibitor) 354 Calciumoxid 42, 308 Calciumphosphat 168,355 Calciumsilicate 310, 314f. Calciumsilicathydrate 323f. Calciumsulfat 165, 168, 355f. Calciumsulfat-Dihydrat 356 Calciumsulfat-Halbhydrat 356 Carbidion 397 Carbonate 114, 115f. Carbonatharte 167 Carbonatisierung, Luftkalke 309 Carbonatisierung, Beton 378 Carbonatisierungstiefe 379 Carbonatnachweis 114 Carbon Nano Tubes 502 Carbonsauren 410ff. Carbonsaureester 413f. Carbonylgruppe 407 Carboxylgruppe 410 Cellulose 472 CEM(II)-Zemente 346 Cementit 235f. Chalkogene 39
515
Chelate 174 Chelatkomplexe 174 Chemiegips 355 chemische Bindung 45ff. chemische Formel 6,392 chemische Korrosion (Metalle) 237ff. chemische Korrosion nichtmetallischer Baustoffe 368ff. chemische Reaktion 7, 74ff. chemisches Gleichgewicht 90ff. chemisches Symbol 5 chemische Verbindung 6 chern. gebundenes Wasser 155,338,341 Chemisorption 89 Chlor 206, 210 Chloralkalielektrolyse 229 Chloralkane 40 If., 418 Chlorbenzol 399,418 Chloridkorrosion 245,379f. Chloridnachweis 164 Chlorkohlenwasserstoffe 401, 418 Chlormethan (Methylchlorid) 403 Chloroform, s. Trichlormethan Chlorokomplexe 173f., 245 Chlorsilane 300 Chlorwasser 210 Chlorwasserstoff 182, 204 Chrom 269ff. Chromat 269 Chromatieren 258 Chromatreduzierer 269f. Chrysotil 284 Cobaltkomplexe 174 Copolymere 429 Coulombsches Gesetz 46 Cristobalit 279 CSH-Phasen 323ff. Curie 25 Cyanid als Ligand 173 cyclische Ether 407, 415 Cycloalkane 394ff. Cyclohexan 394,418 Cypermethrin 479 Dammstoffe 294,445,455 Daltonsche Atomtheorie 8
516
Daltonsches Gesetz der Partia1drticke 101 Dampfdruck - Losungen 146f. - reines Wasser 143 Daniell-Element 213 DDT 400 Debye 56 Decan 392 Defektelektron 61 delokalisierte Bindung - Benzol 397 - Ozon 108 - Stickoxide 123 Deltamethrin 479 demineralisiertes Wasser 169 Denitrifikation 105 Depassivierung des Bewehrungsstahls 379 Depolymerisation 463 Desoxidation 234 Destillation 4 Detergentien, s. Tenside Deuterium 24 Diabas 274 Diagenese 275 diamagnetisch 106 Diamminsilber-Komplex 164 Diaphragma 213 1,2-Dibromethan 395 Dicalciumsilicat 310, 314f. Dicarbonsiiuren 412 Dichlordifluormethan 403 Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) 400 1,2-Dichlorethan 396 Dichlorethene 395 Dichlormethan (Methylenchlorid) 403, 418 Dichromat 269 dichteste Kugelpackung 67 Dichtungsmittel 353 Dielektrizitiitskonstante 152 Diene 396 Diethylether 406, 418 Diffusion 334 Diffusionschromieren 254
Sachwortverzeichnis
Dihydrogenphosphat 205 Dimethylacetylen, s. 2-Butin Dimethylbenzole, s. Xylole Dimethylether 407 Dimethylketon (Aceton) 408, 418 Dinasteine 299 Diole 404, 405 Diorit 274 Dioritporphyr 274 1,4-Dioxan 407 Dioxine 416 Dipol 56, 132 Dipol-Dipol-Wechselwirkungen 62 Dipolmolekiil 56f., 132 Dipolmoment 56 Diradikal 49, 106 Dispergiermittel, s. Tenside Dispersion 156ff. Dispersionsgrad 156 Dispersionskolloide 157 Dispersionskriifte 63 Dispersionsklebstoffe 467 Dispersionsmittel 141, 156 Disproportionierung 210 Dissoziation, elektrolytische 178 Dissoziationsgrad 178 Dissoziationskonstante 178 Distickstoffmonoxid 118 Dolomit 273, 307 Dolomitkalk 310 Doppelbindung 51,395 d-Orbitale 34 Dotierung 61 Dreifachbindung 51,396 dreiwertiger Alkohol 405,414 Dreiwegekatalysator 129 Druck - und chemisches Gleichgewicht 94 Druckfestigkeit von Beton 341 Dualismus, Welle-Teilchen 32 Duplex-System 253 Duraluminium 263 Duromere, s. Duroplaste Duroplaste 436 Dynamidonsteine 299
Sachwortverzeichnis
dynamisches Gleichgewicht 9lf., 143, 160 Echte Losung 155 Edelgase 39 Edelgaskonfiguration 46 Edelstahle 248 edle Metalle 218, 219 EDTA 176 Edukte 7,74 einbasige (einprotonige, einwertige) Sauren 191, 204 Einbauklassen 490 Einfachbindung 50, 39lf. Einfriertemperatur 432 Einkomponenten-Klebstoffe 468 Einlagerungsmischkristalle 71 Einpresshilfen 354 einsaurige (einwertige) Basen 191 Einstreumenge 361 einwertiger Alkohol 404 einzahniger Ligand 174 Eis 133, 134 Eisen - analytischer Nachweis 176 - Darstellung 233 - pysikalisch-chemische Eigenschaften 231 Eisenerze 231 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm 235 Eisenoxidhydroxid (Rost) 243 Eisenphosphat 257 Eisessig 412 Elastomere 434f. elektrische Leitfahigkeit 179f. elektrisches Potential 212 elektrochemische Spannungsreihe 214 f., 218,220,533 elektrochem. Stromerzeugung 224ff. elektrochrome Schichten 503 Elektrode 211 Elektrodenpotential 214 Elektrolyse 227f. Elektrolyte 177f. elektrolytische Dissoziation 178 elektromagnetisches Spektrum 29
517
elektromotorische Kraft 216 Elektron 21 Elektronegativitat 54 Elektronenaffinitat 41 Elektronendichte 33 Elektronengasmodell 59 Elektronenhulle 22, 28f. Elektronenkonfiguration 36 Elektronenoktett 48 Elektronenpaar 48 Elektronenpaarbindung 48 Elektronensprung 32 Elektroneniibergang (Redox) 45 elektrostatische Anziehung 46 Elementarladung 21, 541 Elementarteilchen 21f. Elementarzelle 65 Elemente - chemische 5,38f. - galvanische 213 Eloxal-Verfahren 256,261 Emaillieren 256 Emulgatoren, s. Tenside Emulsion 157f., 424 Emulsionspolymerisation 457 Enantiotropie 232 endogene Krafte 272 endotherme Reaktion 77 endothermer Losungsvorgang 154 Energie - chemischer Reaktionen 75 - elektromagnetische Strahlung 30 - von Orbitalen 36 Energiebandermodell 59 Entglasung 291,296 Entropie 82 Entsauerung 307 Entschwefelung von Rauchgasen 125 Entstickung von Rauchgasen 129 Entzinkung 250 EP 456 Epichlorhydrin 456 Epoxide 456 Epoxidharze 456 Erdalkalimetalle 39 Erdalkalimetallsilicate 282, 314 f.
518
Erdaushub 488 Erdol 394,419 Erdolharze 421 Ergussgesteine 274 Erhaltung der Masse 7 Erhartung 332,358,462 Erosion 275 Erstarren 332, 338 Essigsaure (Ethansaure) 412 Essigsaure-Acetat-Puffer 202 Essigsaurebutylester 418 Essigsaureethylester 413,418 Ester 413ff. Estrichgips 358 Ethan 392 Ethanal, s. Acetaldehyd 1,2-Ethandiol, s. Ethylenglycol Ethandisaure, s. Oxalsaure Ethansaure, s. Essigsaure Ethanol 404,418 Ethen (Ethylen) 395 Ether 406ff. Ethin 396 Ethinylrest 397 Ethylacetat, s. Essigsaureethylester Ethylacetylen, s. l-Butin Ethylalkohol, s. Ethanol Ethylen (Ethen) 395 Ethylendiamin 174 Ethylendiamintetraacetat (EDTA) 176 Ethylenglycol (1,2-Ethandiol) 150, 405f., 418 Ethylgruppe (-rest) 393 Ettringit 329f., 372, 374 Ettringitbildung, verspatete 374 Eutektikum 71 eutektisches Gemisch 71 Eutrophierung 169 exogene Krafte 272 exotherme Reaktion 77 exothermer Losungsvorgang 154 extensive GroBe 13 Fallen 163 Farben von Glas 294 Faradaykonstante 2l7f., 221, 541
Sachwortverzeichnis
Faradaysche Gesetze 229 Farbmittel 438 FCKW 117, 402f., 455 Fehlingsche Losung 409 Feldspate 273,288f. Ferritphase 316 Ferrosilicium 234 feste Losungen (Mischkristalle) 70f. fester Zustand 64ff. Festgestein 273 Festigkeitsklassen 342 Festigkeit von Beton 341 Festigkeit von Polymermorteln und Polymerbetonen 461 Festkorper 64 Festkorperreaktionen 87 Fette 414 Fettsauren 411 feuerfeste Steine 299 Feuerschutzmittel (Holz) 480 Feuerverzinkung 253 Filtration 4 Flachenkorrosion, gleichmalsige 248 flachenzentriert 66 Flammschutzmittel (Holz) 480 FlieBbereich 432 FlieBbeton 348 FlieBmittel 348 FlieBtemperatur 432 Flint 376 Fluate 390 Flugrost 244 Fluorchlorkohlenwasserstoffe 117, 402f., 455 Fluorkieselsaure, s. Hexafluorokieselsaure Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) 111 Fluorosilicate 390 Fluorwasserstoff 64, 279 Flussmittel 298 Flussspat 273 Fogging 483 Formaldehyd (Methanal) 409,450 Formalin 409 Formel 6, 392 Formelumsatz 74
Sachwortverzeichnis
Formiate 410 fraktionierte Destillation 100 freie Enthalpie 82 freier Kalk 313,317,375 freie Kohlensaure 116 freie iiberschiissige Kohlensaure 116, 369 freie zugehorige Kohlensaure 116 freiwillig ablaufende Prozesse 82 Fremdstrom (Korrosionsschutz) 259 Frequenz 29 Friedelsches Salz 380 Frigene 402 Frischbeton 336 Frischholzinsekten 474 Frostangriff an Beton 149 Frostschutzmittel 150 Frost-Tausalz-Angriff 150 Fiillstoffe (Fiiller) 321,437,459 fungizide Wirkstoffe 383, 477f. Furanharze 454 Gabbro 274 galvanische Zelle (galvanisches Element) 213 Galvanisieren 254 Gammastrahlen 24 Gangart 233 Ganggesteine 274 gaschrome Schichten 504 Gase - allgemeine Zustandsgleichung 10 - ideale Gase 9 - im chemischen Gleichgewicht 93 - Loslichkeit 100f. - reale Gase 9 Gasbeton, s. Porenbeton Gaskonstante 10,221,541 gebrannter Kalk 308 gebundene Kohlensaure 116 Gefrierpunkt 2, 135, 146 Gefrierpunktsemiedrigung 146f. Gel 159f., 333, 339 geloschter Kalk 308 Gelporen 335, 339f. Gelwasser 339
519
Gemenge, s. Gemisch Gemisch 3 Gerbstoffe des Holzes 474 Geriistsilicate 288f. Gesamthiirte 167 gesattigte Kohlenwasserstoffe 391ff. gesattigte Losung 160 geschlossenes System 75 Geschwindigkeit einer Reaktion 83 Geschwindigkeitskonstante 84 Geschwindigkeitsverteilung 85 Gesetz der Erhaltung der Masse 7 Gesetz der konstanten Proportionen 7 Gesetz der multiplen Proportionen 8 Gesteine 273ff. Gesteinskornung (friiher: Zuschlag) 321,336,338,375£ GFK 435 Gibbs-Helmholtz-Gleichung 82 Gips 273,322,355£ Gipserhartung (-hydratation) 358 Gipsstein, s. Gips Gipstreiben 373 Gitterenergie 46 Gitterkonstanten 65 Glas (Definition) 290 Glaselektrode 188 Glaser 290ff. Glasfaserprodukte 294 glasfaserverstarkte Kunststoffe 435 Glaskeramiken 296 Glaskorrosion 295 Glassorten 292 Glasiibergangstemperatur 432 Glasur 300 Glaubersalz 386 Gleichgewicht, chemisches 9lff. - Druckabhangigkeit 94 - Temperaturabhangigkeit 94 Gleichgewichtskonstante 92 - bei Fallungs- und Losereaktionen 162 - bei Saure-Base-Reaktionen 194 Gleichgewichtsreaktionen 90f. gleichioniger Zusatz 165 Glimmer 284f. Glimmerschiefer 278
520
Glucose 473 Glycerin (Propantriol) 150, 405f., 414, 418 Glycerinester 414 Gneise 278 Goldschmidt-Verfahren 263 Grad deutscher Harte 167 Granite 3,274 Grauwacken 276 grenzflachenaktive Stoffe 140ff. Grenzformeln , mesomere 108, 122, 123, 398 Grenzwerte fur chemische Stoffe im Trinkwasser 170 Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffsgrades von Wassern 172 grobdisperse Systeme 156 Grundwasser 131, 171 Grundzustand, e1ektronisch 32 Gruppensilicate 284 Gumrnielastizitat 434 Gussschiacke 234 Haber-Bosch-Verfahren 94 Haftatom 174 Haftgrundvermittler 257 halbbesetzte Schale 38 Halbelement, s. Halbzelle Halbhydrat 356 Halbleiter 61 Halbwertszeit 26 Halbzelle (Halbelement) 211 Halogenalkane 401f. Halogene 39 Halogenkohlenwasserstoffe 400, 401 Haltepunkt 232 Hamatit 231,273 Hamstoff 451 Hamstoff-Formaldehyd-Harze 451 Harte des Wassers 166ff. Hartebereiche 167 Hartegrade nach Mohs 47 Harter 428,435,450,453,456,462,468 Hartgestein 273 Hart-PE 441 Hart-PVC 443
Sachwortverzeichnis
Harze 427, 450f(, 456,459,474 Hauptgruppen 39 Hauptquantenzahl 33 y-HCH, s. y-Hexachlorcyclohexan Hemicellulose 472 Henderson-Hasselbalch-Gleichung 201 Henry-Daltonsches Gesetz 101 Heptan 392 Hess, Satz von 81 Heteroatom 415 heterocyclische Verbindungen 415ff. heterogene Gleichgewichte 95f. heterogene Katalyse 89 heterogene Reaktionen 87 heterogenes Gemisch 3 y-Hexachlorcyclohexan (Lindan) 478 Hexafluorokieselsaure 390 hexagonal 66,534 hexagonal dichteste Kugelpackung 67 Hexamethylendiamin 449 Hexammincobalt(III)-chlorid 173 Hexan 392 1,6-Hexandiisocyanat 455 Hinreaktion 91 Hochdruckpol yethylen 440 hochhydraulischer Kalk 311 Hochofen 223 Hochofenschlacke 234 Hochofenzement (CEM III) 346 Holz 472ff. - chemische Zusammensetzung 472 Holzcellulose 472 Holzschadigungen 475 Holzschutz 474ff. HolzschutzmitteI 475ff. homogenes Gemisch 3 homogene Katalyse 89 homologe Reihe 391 Homopolymere 429 Hornblenden, s. Amphibole Hume-Rothery-Phasen 73 Hundsche Regel 36 Hiittenbims 234 Hiittensand 234 Hiittenzemente 346 Hybridisierung 51f.
521
Sachwortverzeichnis
Hybridorbita1e 51 Hydratation 151ff., 173 Hydratation des Zements, s. Zementhydratation Hydratationsdruck 154,387 Hydratationsentha1pie 153 Hydratationswarme, s. Hydratationsentha1pie Hydrate 153,385 Hydrathtille 153 hydratisierte lonen 151, 173 Hydratphasen des Zements 323ff. Hydrau1efaktoren 310 Hydrau1emodu1 313 hydrau1isch 3 10 hydrau1ische Kalke 310 Hydridion 43 Hydrogencarbonate 115, 167,369 Hydrogenphosphate 205 Hydrogensu1fate 120,203 Hydrogensu1fite 120 Hydrolyse 198 Hydrona1ium 263 Hydroniumion 182 hydrophi1 138, 140f., 158 hydrophile Kolloide 158 hydrophob 138, 140(, 158 hydrophobe Kolloide 158 Hydrophobierung 301,388f. Hydrophobierungsmitte1 301,388f. hydrotherma1e Prozesse 146,364 Hydroxide 42, 205 Hydroxidion 181, 185 Hydroxy1gruppe 403 hygroskopisch 154f., 203, 362, 390 Idea1er Zustand eines Gases 9 Illit 285,296 Impragnierung 388 Inchromieren 254 Indikator (Saure-Base) 187 Induktionskrafte 62 induzierter Dipo1 62 Initiatoren 437 Inhibitor 90f., 260 Innenraume 480
Innenraumschadstoffe 488ff. innenzentriert 66 innere Energie 77 innere Weichmachung 434 insektizide Wirkstoffe 475f. Inse1si1icate 284 intensive GroBe 13 interionische Wechse1wirkungen 180 interkristalline Korrosion 250 intermetallische Verbindungen 73 intermo1eku1are Bindungskrafte 62ff. intermo1eku1are Wechse1wirkungen, s. intermo1eku1are Bindungskrafte iondisperse Systeme 156 lon-Dipo1-Wechse1wirkung 62 lonen 7 lonenaustausch 168 lonenbindung 45f. lonengitter 46, 68f. loneng1eichung 208 lonen1adung 7 lonenprodukt des Wassers 185 lonenradius 40 lonenverbindungen 6 ionischer Charakter einer Bindung 57 lonisierungsenergie 41 Irdengut 298 Isobutan 393 Isobutano1 405f., 418 Isocyanat 455 isoe1ektronisch 104 Isolator 62 Isomerie 392, 395 Isomorphie 70 Isopren 396 Isopropanol 405 isotaktisch 430 Isotope 23 isotrop 67 Jenaer G1as 293 Jou1e-Thomson-Effekt 100 Ka1i-Blei-G1as 294 Ka1ife1dspat 273, 288 Kali-Ka1k-G1as 293
522
Kalilauge, s. Kaliumhydroxid Kaliumcarbonat (Pottasche) 293,390 Kaliumchromat 207, 269f. Kaliumdichromat 207, 269f. Kaliurnhydroxid 205 Kaliumnitrat (Kalisalpeter) 204,388 Kaliumpermanganat 207,209 Kaliumsilicat (Kaliumorthosilicat) 282 Kaliumsulfat 385 Kalke 307ff. Kalkablagerungen (Ausbluhungen) 384 Kalkbrennen 95, 307f. Kalkerhartung 309 Kalkfeldspat 288 Kalkhydrat 308 kalkig gebundener Sandstein 276 Kalk(stein)-Kohlensaure-Gleichgewicht 116 Kalkloschen 308 kalklosende Kohlensaure 117, 369f. Kalkmilch 308 Kalkmergel 276£., 312 Kalkmortel 308 Kalksalpeter 204,387 Kalksandstein 364 Kalkschiefer 278 Kalkseifen 371 Kalk-Soda-Verfahren 168 Kalkspat 307 Kalkstandard 313 Kalkstein 95, 274f., 307 Kalktreiben 375 Kalktuffe 277 Kalorimeter 79 Kanalstrahlen 21 Kaolin 287,296 Kaolinit 284 Kapillaritat 139 Kapillarporen 339 Kapillarwasser 339 Katalysator 88, 129 Katalyse 88ff., 129,497 Kation 7 Kationenaustauscher 168 Katode 7,213,225,227,239 Katodenstrahlen 22
Sachwortverzeichnis
katodischer Korrosionsschutz 258ff. Kautschuk 435 Kautschukkitte 471 Keramik 297f. keramische Wolle 295 Kernladungszahl 23 Kesseldrucktrankung 479 Kesselstein 167 Ketogruppe 407 Ketone 407ff. Kettenreaktion 439 Kettensilicate 284 Kiesabbrand 312 Kiese 275, 279f. Kieselgel 280 Kieselglas 292 Kieselgur 276,281£. kieselig gebundener Sandstein 276 Kieselsauren 279ff. Kieselsaureester 389 kinetische Energie 78, 86 Kitte 471 klastische Sedimente 276 Klebstoffe 466ff. klimawirksame Spurengase 117 Klinker (Ziegel) 298 Klinkerphasen 314ff. Knallgasgemisch 83 Koagulation 159 Kochsalz, s. Natriumchlorid Kohasionsdruck 136 Kohasionskrafte 64, 136 Kohlendioxid 95, 113f., 115,309 Kohlendioxid-Zyklen 115 Kohlenmonoxid 114 Kohlensaure I 15ff. Kohlenstoff- Nanorohren 502 Kohlenstoff-Silicium-Gruppe 39 Kohlenstoff-Uhr 27 Kohlenwasserstoffe 391ff. Koks 233 Kolloide 156£f. Komplexbildner, s. Ligand Komplexbildung 173 Komplexe, s. Komplexverbindungen Komplexometrie 176
Sachwortverzeichnis
Komplexbildungsreaktionen 173ff. Komplexverbindungen 173 Kompositzement (CEM V) 346 Komproportionierung 210 Kondensation (phys.) 143 Kondensationsreaktion 280, 300, 449 kondensierte Aromaten 401 Konigswasser 220 konjugierte Doppelbindungen 396 konjugiertes Saure-Base-Paar, s. korrespondierendes Saure-Base-Paar Konstitutionsformel 392 Konstitutionsisomerie 392 Kontaktekzem (Zement) 269 Kontaktklebstoffe 467 Kontaktkorrosion 245ff. Kontaktwinkel 138 kontinuierliches Spektrum 29 Konzentration 13 Konzentrationskette 223 KonzentrationsmaBe 13ff. Koordinationsgeometrie 175 Koordinationsverbindungen 173 Koordinationszahl 175 koordinative Bindung 173 Korallenkalk 276 Korngrenze 250 korrespondierendes Saure-Base-Paar 183 Korrosion, metallische 237ff. - Bewehrung 378f. - Erscheinungsformen 248f. - Typen 238 - Wesen 238 Korrosion nichtmetallisch-anorganischer Baustoffe 367ff. Korrosion von Natursteinen 388 Korrosionselement 239 Korrosionsgeschwindigkeit 240 Korrosionsinhibitoren 260,354 Korrosionsschutz 251ff. Korrosionsschutzpigmente 255f., 267 Korrosionsstrom 240 Korund 261£,273,363 kovalente Bindung 48ff. Kreide 276
523
Kristalle 64 - Auflosung 15If. Kristallgitter 65 kristalline Hochofenschlacke 234 Kristallisationsgrad von Kunststoffen 431 Kristallisationsdruck 385 Kristallite 58, 72, 250 Kristallitschmelztemperatur 432 Kristallstruktur 65 Kristallsysteme 66,534 Kristallwasser 153 kritische Temperatur 145 kritischer Druck 145 kritischer Punkt 145 kubische Kristallgitter 66, 534 kubisch-dichteste Kugelpackung 67 Kunstharze 427 Kunststoffdispersionen 457ff. Kunststoffe 427ff. kunststoffgetrankter Beton 459 kunststoffmodifizierter Beton 459 Kupfer 264ff., 273 Kupfer-HDO 477 Kupferkies 273 Kupfernachweis 265 Kupfersulfat-Pentahydrat 154, 175,264 Ladung des Elektrons 21,535 Ladung des Protons 21,535 Ladung eines Ions 7 Ladungsbilanz chemischer Reaktionen 75, 208f. Ladungsdichte 33 Lanthanoide 40 latent-hydraulisch 318 Latentwarmespeicher 499f. Laugen (Basen) 42, 18If., 186,205 Lavagesteine 274 Ledeburit 236 Leclanche-Element 224 Legierungen 70ff. Lehm 296 Leichtmetalle 261 Leinol 255,414 Leitfahigkeit, elektrolytische 179ff.
524
Leitfahigkeitsband (Leitungsband) 60 Lewis-Formel 48 Lichtabsorption 30 Lichtgeschwindigkeit 29,541 Ligand 173 Lignin 472 Ligninsulfonate 347 Limonit 231 Lindan 478 lineare Makromolektile 301,428 Linienspektrum 30 Linoxyn (Linoxid) 459 Liquiduslinie 71,235 Lithiumzelle 225 Lithopone 266 Lochfrabkorrosion 249 Lochleitung 61 Lockergesteine 273 Lokalelement 239,245 Loschkalk 308 losender Angriff 369ff. Loslichkeit 160ff. - von Gasen 100f. - von Salzen 160,531 Loslichkeitsprodukt 160ff. Losungen 155ff. - Dampfdruck 146 - Gefrierpunkt 148 - Konzentration 13 - Siedepunkt 148 Losungsenthalpie 154 Losungsmittel 13, 152, 155 Iosungsmittelhaltige Nassklebstoffe 466 Losungsvorgang 151ff. Lotus-Effect'" 496 Luft 97ff. - Zusammensetzung 97 - physikalisch-chemische Eigenschaften 99 Luftbindemittel, s. Luftkalke Luftfeuchtigkeit 99 Luftkalke 307 Luftporenbildner 352 Luftschadstoffe 119ff., 480 Luftverflussigung 100 Lyman-Serie 32
Sachwortverzeichnis
Magerungsmittel 298 Magmatite 273 Magnesia 362 Magnesiabinder 362 Magnesiaestrich 363 Magnesiatreiben 375 Magnesit 362 Magnesiumcarbonat 167 Magnesiumchlorid 362,370,374 Magnesiumhexafluorosilicat 390 Magnesiumhydroxid 362,375 Magnesiumsulfat 385,386 magnetische Eigenschaften 106 Magnetit 231 Magnetquantenzahl 35 Makromolekille 300,421,428 MAK-Wert 109 Maltene 420 Mangan 225,234,237,263 Marmor 277 Martensit 237 Masse - Atom 11 - Elektron 21 - molare 12 - Neutron 23 - Proton 21 Massenanteil 14 Massenprozent 14 Massenkonzentration 15 Massenwirkungsgesetz 91ff. - Anwendung auf Losungsgleichgewichte 162 - Anwendung auf Saure-Base-Gleichgewichte 193 Massenzahl 23 Mauersalpeter 387 Mauerziegel 298 Maurerkratze (Kontaktekzem) 269 Maxwell-Boltzmannsche-Geschwindigkeitsverteilung 85 mehrwertige (mehrbasige) Sauren 191, 196,199,203,205 Mehrfachbindung 49,51,53,395 mehrprotonige Sauren, s. mehrwertige Sauren
525
Sachwortverzeichnis
mehrwertige (mehrsaurige) Basen 191, 199 mehrzahniger Ligand 174 Me1amin-Formaldehyd-Harz 452 Melamin-FormaldehydSulfit-Harze 348 Membran 136, 188 Mennige 255,268 Mercaptogruppe 435 Mergel 276f., 310, 312 mesomere Grenzformeln 108, 122,398 Messing 250, 265 Metallbindung 58ff. Metallgitter 67 metallische Korrosion 237ff. metallische Leiter 58 metallischer Zustand 58 Metallkomplexe, s. Komplexverbindungen metamorphe Gesteine (Metamorphite) 277ff. metastabil 162,322,356,362 Methacrylsaureester 446 Methan 52,98,118,391£ Methanal, s. Formaldehyd Methangarung 118 Methansaure, s. Ameisensaure Methanol (Methylalkohol) 404f.,418 Methylacetylen, s. Propin Methylbenzol, s. Toluol Methylbutan (i-Pentan) 393 Methylchlorid, s. Chlormethan Methylenchlorid, s. Dichlormethan Methylgruppe (-rest) 393 Methylmethacrylat 418, 446 Methylorange 188 Methylphenylether 407 Methylpropan 393 2-Methyl-l-Propanol (lsobutanol) 405 2-Methyl-2-Propanol (t-Butanol) 405 Methylrot 188 MF 452 Micellen 141,421 Microfibrillen 473 Mikrosilica 320 Milchsaure 172
Mindestfilmtemperatur 460 Mineraldammstoffe 294 Minerale 272ff. Mineralole 371,394,415 Mineralsauren 205 Mischbarkeit 152 Mischelemente 23 Mischkristalle 70 MMA 418 Modifikationen 106,232,307 Modifikatoren 462 Molzahldifferenz 92 Mohssche Harteskala 47 Mol 12 molale Gefrierpunktsemiedrigung 148 molale Siedepunktserhohung 148 Molalitat 148 molare Leitfahigkeit 180 molare Masse (Molmasse) 12 Molaritat 16 Molekiil 6 molekulardisperse Systeme 156 Molekiilgeometrie 5Uf. Molekiilgitter 62 Molekiilkolloide 157 Molekiilmasse, relative 11 Molekiilorbital (MO) 59 Molekiilverbindungen 6 Molenbruch 18 Molprozent 18 Molvolumen 9,541 monoklin 66, 534 Monomer 428 Monosulfat 330,332,333,336,374 Montmorillonit 284 Mortel 279, 282, 308, 323, 329, 332, 344,348,362,384,385,387,390 MS-Polymere 469 Muldenkorrosion 249 Mullit 298 Musche1kalk 276 Muskovit 284, 287 Nanosilica 321,501 Nanotechnologie 493 Na20-Aquivalent 13
526
Naphthalin 401 Naphthalin-ForrnaldehydSulfit-Harze 348 Natriumacetat 197,202 Natriumcarbonat (Soda) 168, 292 Natriumchlorid 197,204 - Elektrolyse 228 - Gittertyp 70 -lonenbindung 45 Natriumhydroxid 205, 229 Natriumnitrat (Natronsalpeter) 204 Natrium(ortho )silicat 282 Natriumsulfat 385ff. Natriumsulfit 128 Natron-Kalk-Glas 292 Natronlauge, s. Natriumhydroxid Naturkautschuk 435 natiirliche Radioaktivitat 24 Natursteine 273 ,388 NA-Zemente 343 Nebengruppen 39 Nebengruppenelemente 40 Nebenquantenzahl 34 Nemstsche Gleichung 221 ff. neutrale Losung 186, 197 Neutralisation 182, 189 Neutron 22 n-Halbleiter 61 nichtbindendes Elektronenpaar 48 Nichtcarbonatharte 167 Nichtelektrolyte 177 Nichtmetalle 42 nichtrostender Stahl 237 Nickel 234 ,237 Nitrate 104, 204f., 370, 387 Nitrifikation 105 Nitrite 105 Nitrobenzol 401 Nitrosylchlorid 220 nivellierender Effekt 195 Norrnalalkane (n-Alkane) 391 Norrnalglas 292 Normalitat 191 Norrnalpotential 215 Norrnalwasserstoffelektrode 215 Norrnalzementarten 346
Sachwortverzeichnis
Norrnbedingungen 9 Norrndichte von Gasen 13 Norrnfestigkeit 342 Norrn-Reinheitsgrad 253 Novolake 451 Nucleonen 22 Nuclide 22 Nylon 449 Oberflachenenergie 136 Oberflachenbenetzung 138 Oberflachenschutz 388 Oberflachenspannung 137f., 141,348 offenes System 75 Oktaeder 175 oktaedrischer Komplex 175 Oktetterweiterung 49 Oktettregel 48 Ole 371 ,414 Olefine 395f., 440 olige Holzschutzmitte1 478f. Olivin 272 , 284f. Olsaure 410,414 Opal 278 , 376 opaline Sande 376 Opferanode 258 optisches Glas 294 Orbitale 32f. Orbitalbesetzung 36 OrbitaliiberJappung 50 Ordnungszahl 23 organisches Glas 446 organische Verbindungen 391ff. Orientierungskrafte 62 Orthokieselsaure 279 Orthoklas 288 Orthophosphorsaure, auch Phosphorsaure 205 ortho-Stellung 399 Osmose 335 osmotischer Druck 335 Ostwaldsches Verdiinnungsgesetz 195 Ostwald-Verfahren 122 Oxalate 412 Oxalsaure (Ethandisaure) 412 Oxide 42, 106f., 206
Sachwortverzeichnis
Oxidation 206 Oxidationsbitumen 422 Oxidationsmitte1 207 Oxidationsstufe, s. Oxidationszah1 Oxidationszah1 43 oxidierende Saure 203,204,219 Oxidion 107 Oxidschicht 219,231,243,247,256, 261,264,266,268 Oxoniumion 182 Ozon 107ff. Ozon1och 110 Ozonschicht (Ozongurtel) 109 PA 449 Palmitinsaure 411, 414 Paraffine 394,500 Paraffinwachs 394,500 Parallelepiped 65 paramagnetisch 106 para-Stellung 399 Parathion 478 Partia1druck 93, 101 Partialladung 56, 132 Paschen-Serie 32 passiver Korrosionsschutz 253ff. Passivierung 219, 231, 237, 261, 269 Patina 264 Pau1i-Prinzip 35 PB 442 PBT 453 PC 453 PCM 499 PE 440 Peche 426 Pectacrete 344 Pentan 392 Pentanatriumtriphosphat 169 Penten 396 Perik1as 317,375 Periodensystem der E1emente 38ff. periodische Eigenschaften 40ff. Perlit 236 Permanganat 207,209 permanente (echte) E1ektro1yte 177 permanente Wasserharte 167
527
Permethrin 477, 479 PET 452 Petro1ether 394 PF 450 Pfropfcopo1ymere 430 p-Ha1b1eiter 62 Phase 3 Phase Change Materials 499 Phasendiagramm des Wassers 145 Phasengrenze 145 Phasenumwand1ung 78,144,494 Pheno1e 403,406 Pheno1at 406 Pheno1-Forma1dehyd-Harze 450 Phenolphthalein 188,379 Pheny1rest 398 Phosphate 205 Phosphatieren 257 Phosphor 233,237 Phosphorit 273,355 Phosphorsaure 205 photochrome Schichten 504 photoelektrochrome Schichten 504 Photokata1yse 496 Photon 30 Photosmog 111 Photosynthese 131 Phthalate 412 o-Phthalsaure 412 Phthalsaureester 412,434 pH-Wert 186 pH-Wert-Berechnung 198ff. pH-Wert-Messung 187, 188 pH-Wertska1a 187 physikalische Verwitterung 275 phys. gebundenes Wasser 155,338,341 physika1ischerVorgang (physika1ischer Prozess) 2 PIB 442 Pi (nj-Bindung 51,53,395,398 Pi (1t)-E1ektronen 395,398 Pi (1t)-Dberlappung 51,53 Pigmente 438 pK-Werte 194,532 P1ancksche Konstante 30,541 P1aste 427
528
Plastizitatsbereich (-spanne) 421 Platin 89, 130 Plattchenstruktur der Tone 297 Plexiglas 447 PMMA 446 pOR-Wert 186 polare kovalente Bindung 54ff. polare Losungsmittel 152 polare Molekiile 56, 132, 152 Polarisierung der Elektronenhiille 57 Polaritat der Bindung 54ff. Polyacrylate, s. Polyacrylsaureester Polyacrylsaureester 446 Polyaddition 454 Polyaddukte 454ff. Polyamide 449 Polybutylen 442 Polycarbonate 453 Polycarboxylate 350 Polycarboxylatether 351 Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) 401,419,425 Polyene 396 Polyesterharze 453 Polyethylen 440 Polyethylenterephthalat 452 Polyisobutylen 442 Polykieselsauren 280 Polykondensate 449ff. Polykondensation 449 Polymerbetone 459 Polymerbitumen, s. polymermodifizierte Bitumen polymer cement concrete (PCC) 459 polymer concrete (PC) 459 polymer impregnated concrete (PIC) 459 Polymere 428 Polymerisate 439ff. Polymerisation 439 Polymerisationsgrad 428 Polymermodifizierte Bitumen 423 Polymethacrylsauremethylester 446 Polymethylmethacrylate, s. Polymethacrylsauremethylester Polymorphie 232,279,307 Polyphosphate 169
Sachwortverzeichnis
Polypropylen (Polypropen) 441 Polysaccharide 473 Polystyrol 444 Polysulfidkautschuke 435 Polytetrafluorethylen 448 Polyurethan 455 Polyurethanschaumstoffe 455 Polyvinylacetat 447 Polyvinylalkohol 447 Polyvinylchlorid 443 Polyvinylether 448 Polyvinylidenchlorid 444 Porenbeton 364 Porenvolumen 338ff. Porenwasser 339 Porositat 338 Porphyrgesteine 274 Portlandflugaschezement (CEM II) 346 Portlandhiittenzement (CEM II) 346 Portlandit 324,334 Portlandkalksteinzement (CEM II) 346 Portlandkompositzement (CEM II) 346 Portlandpuzzolanzement (CEM II) 346 Portlandschieferzement (CEM II) 346 Portlandsilicastaubzement (CEM II) 346 Portlandzement (CEM I) 312ff., 346 Portlandzementhydratation 322ff. Portlandzementklinker 314ff. Porzellan 299 Porzellanerde 287,299 Potentialdifferenz 212 potentielle Elektrolyte 178 Pottasche, s. Kaliumcarbonat PP 441 ppb 15,98 ppm 15,98 Primarelemente 224 primarer Alkohol 404 Prinzip des kleinsten Zwanges 93 Propan 392 Propanal, s. Propionaldehyd I-Propanol (Propylalkohol) 405 2-Propanol (Isopropanol) 405 Propanon, s. Aceton Propansaure, s.Propionsaure Propantriol, s. Glycerin
Sachwortverzeichnis
Propen (Propylen) 396 Propensaure, s. Acrylsaure Propin (Methylacetylen) 396 Propionaldehyd (Propanal) 408 Propionsaure (Propansaure) 410 Propylalkohol, s. l-Propanol Propylen (Propen) 396, 441 Propylgruppe (-rest) 393 Protolyse 183, 197 Proton 21, 181£. Protonenakzeptor 183 Protonendonator 183 Protoneniibertragung, s. Protolyse Prozentgehalt, prozentuale Zusammensetzung 14 PS 444 PTFE 448 Pufferlosung 201 ff. PUR 455 Putzgips 357 Puzzolane 319ff. Puzzolanzement (CEM IV) 346 PVAL 447 PVE 448 PVC 443 PVDC 444 PVM 448 Pyrethrin 479 Pyridin 415 Pyrit 231 Pyroxene 274,284 Quadratisch-planarer Komplex 175 Quantenzahlen 33 Quarz 278 Quarzglas 292 Quarzite 276 Quarzkiese 279 Quarzporphyr 274 Quarzsande 279 Quellen des Betons 343 Radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit 33 Radienverhaltnis von lonen 69 Radikale 49, 106, 110, 122,439,497
529
radikalische Polymerisation 439 Radikalkettenreaktion 439 radioaktiver Zerfall 24 radioaktive Strahlung 24 Radioaktivitat 24ff. - von Baustoffen 26ff. Radiokohlenstoff-Methode 27 Randwinkel 138 Raoultsches Gesetz 147 Rauchgasentschwefelung 125ff. Rauchgasentstickung 129 Reaktanden, s. Edukte Reaktion, chemische 74f., 90, 206 Reaktionsenthalpie 75f., 79 Reaktionsgeschwindigkeit 83ff. Reaktionsgleichung 74f., 90, 208 Reaktionsharzbeton 459 Reaktionsharze 427,446,453, 455, 456 Reaktionsklebstoffe 468 Reaktionswarme 76 REA-Gips 126 reale Gase 9 Redispersionspulver 458 Redoxampholyt 210 Redoxpaar 207 Redoxpotential 215 Redoxreaktion 206 Reduktion 206 Reduktionsmittel 206 Regenwasser 166, 187,370 Reinelemente 23 reine Stoffe 2 relative Atommasse 11 relative Luftfeuchtigkeit 99 relative Molekiilmasse 11 Resistenzgrenze 248 Resitole 450 Resole 450 Resublimation 144 RGT-Regel 86 rhombisch 534 Ringsilicate 284 Rost 243 Rostschutz 252ff. Rostvorgang 240ff. Rostwandler 257
530
Ruckreaktion 91 RuB 438 Rutherfordsches Experiment 21 Rutil 66, 273
Salpeter, s. Kaliumnitrat Salpetersaure 104, 204, 369 salpetrige Saure 105, 123 Salzablagerungen (Ausbluhungen) 384ff. Salze 182 Salzgesteine 277 Salzsaure 204, 369 SAN 445 Sande 279 Sandstein 276 Sattigungskonzentration 162 Sauerstoff 106ff. Sauerstoffkorrosion 238, 240f., 245, 247 Saulsche Regel 86 Saure 181£f. Saureanhydrid 42 Saure-Base-Reaktionen 181ff. Saure-Base-Titration 188 saure Gangart 233 Saurekonstante 194 saure Losung 186 saure Oxide 42 saurer Regen 124 saurer Smog 121 saure Salze 191 Saurestarke 192f., 532 schaltbare Verglasungen 502 Schamottesteine 298 Schaumglas 294 Schaumpolystyrol 444 Schichtsilicate 284 Schiefer 278 Schlacke 234,318 Schmelzdiagramme (Legierungen) 71ff. Schmelzdruckkurve 145, 147 Schmelzenthalpie, molare 78 Schmelzflusselektrolyse 228 Schmelzklebstoffe 466 Schmelzpunkt 2 Schnellzement 345
Sachwortverzeichnis
Schrodinger-Gleichung 32 Schiitteltest 365 Schutzkolloide 159f., 354, 361 schwache Basen 192 schwache Elektrolyte 178 schwache Sauren 192 Schwarze Wohnungen 483 Schwarzstaub 483 Schwefel 121,233,234 Schwefeldioxid 119ff. Schwefelhexafluorid 49 Schwefelkohlenstoff 418 Schwefelkreislauf 121 Schwefelsaure 120£., 196, 203f., 369 Schwefeltrioxid 120 Schwefelwasserstoff 382 schweflige Saure 120 Schwermetalle 231,366 Schwerspat 273 Schwinden 297,343 Schwindreduzierer 355 Schwingungsrisskorrosion 251 Sedimentgesteine (Sedimentite) 274ff. Seifen 140, 168,371,413,414 Sekundarelemente 224 sekundarer Alkohol 404 Seltenerdmetalle 40 semipermeable Wand 335 Serpentin 272, 287 Sicherheitsglas 294 sichtbares Licht 29 Sick-Building-Syndrom 485ff. Siderit 231 Siedepunkt 2, 146 Siedepunktserhohung 148 Sigma (cr)-Bindung 50, 54, 395, 397 Sigma (oj-Uberlappung 50 Silane 302f. Silberbromid 163 Silberchlorid 163 Silberiodid 163 Silbemitrat 164 Silica 320 Silicagel 280 Silicastaub 281,320 Silicate 273,282ff.
Sachwortverzeichnis
Silicatklassen 283ff. Silicatverwitterung 275 Silicium 39,61, 278f. Siliciumdioxid 53, 273, 278f. Siliconate 303 Silicone 300ff. Siliconharze 301,303 Siliconkautschuke 304 Siliconole 301 Sillimanit 299 Sillimanitsteine 299 Siloxane 303 Siloxankette 300 Sintern 87f., 297, 312 Sinterzeug 299 Soda, s. Natriumcarbonat Sol 159 Soliduslinie 71,235 Solvatation 153 Solvathulle 153 Solvens 153 Sommersmog 111 s-Orbita1 33 Spachtelmasse 471 spate Ettringitbi1dung 374 Spaltkorrosion 251 Spannungsreihe 217f., 533 Spannungsrisskorrosion 251 Spektralanalyse 30 Spektrallinie 30 Spektrum 30 Spin 35 Spine11e 262 Spinquantenzahl 35 sp-, Sp2-, Sp3-Hybridorbita1e 5Uf. Spongiose 250 Stabilisatoren (Kunststoft) 437 Stabilisierer (Beton) 354 Stahl 234ff. Stahlbeton 378 Stah1korrosion 247ff. Standardbedingungen 79,215 Standardbi1dungsenthalpie 79 Standardelektrodenpotential 215 Standardpotential, s. Standarde1ektrodenpotential
531
Standardreaktionsenthalpie 80 Standtest 365 starke Basen 192 starke Elektrolyte 178 starke Sauren 192 Stearinsaure 410,411,414 Steigvermogen, kapillares 140 Steingut 299 Steinholz 363 Steinkohlenflugasche 320 Steinkohlenteer 426 Steinwolle 295 Steinzeug 299 Stickoxide (NOx) 122 Stickstoff 103ff. Stickstoffdioxid 122 Stickstoff-Fixierung 105 Stickstoffmonoxid 122 Stickstoff-Phosphor-Gruppe 39 Stochiometrie chemischer Reaktionen 74,208 stochiometrische Berechnungen 18ff. stochiometrische Wertigkeit 43 Stoffabtrag (Metalle) 244, 248, 262 Stoffbilanz chemischer Reaktionen 75,208 Stoffe If. Stoffmenge 12 Stoffmengenanteil (Molenbruch) 18 Stoffmengenkonzentration (Molaritat) 16 StraBenaufbruch 488 Stromschlussel 214 Strukmrlormel6,392 Stuckgips 357 Stufenmechanismus 449 Styrodur 445 Styrol 396, 444 Sublimation 144 Sublimationsdruck 144 Sublimationsenthalpie, molare 79 Sublimationskurve 145 Substitutionsmischkristalle 70 Substitutionsreaktion 398 Sulfate 120,196,203,318,322,355£, 369,372,385
532
Sulfatnachweis 164 Sulfattrager 314 Sulfattreiben 372 Sulfide 273, 382f. Sulfite 120 Summenformel 6, 392 Superverfliissiger 348 Suspension 4, 156f. Suspensionspolymerisation 457 Sylvin 273 synthetische Polymere 428 System 75 Talk 272, 284, 286f. Taumittel 150,353 Tausalze, s. Taumittel Teere 425 Teerpeche 426 Teflon 448 Temperatur, Abhangigkeit - chemisches Gleichgewicht 94 - Dampfdruck des Wassers 144 - Gasdruck und Gasvolumen 10 - Gefrier- und Siedepunkt 145 - Loslichkeit 161 - Reaktionsgeschwindigkeit 85 - Redoxpotential 221 temporare Wasserharte 167 Tenside 140f., 347, 348, 352, 424, 458 Terephthalsaure 412 Terrakotten 296 tert. Butanol 405 tertiarer Alkohol 404 Tetraca1ciumaluminatferrit 316f., 331 Tetracalciumaluminatferrithydrat 331 Tetrachlorkohlenstoff, s. Tetrachlormethan Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff, Tetra) 40lf.,418 Tetraeder 51,52, 133 Tetraederwinkel 51 tetraedrischer Komplex 175 Tetrafluorethylen 448 Tetrahydrofuran 407 Textur 272 Thermitverfahren 263
Sachwortverzeichnis
thermochrome Schichten 506 thermotrope Schichten 506 Thermoelaste 436 Thermoplaste 431ff. Thixotropie 159,297,323 Tiefengesteine 274 Titan 234,237 Titandioxid 66, 273, 496f. Titanzink 267 Titration 176, 188f. Titrationskurve 190 Tobermorit 326 Tollens Reagenz 409 Toluol (Methylbenzol) 399,418 Tone 296ff. Tonerde 261 Tonerdeschmelzzement (Tonerdezement) 344 Tongut 298 Tonkeramik 298ff. Tonminerale 283f.,296 Trachyt 274 Transportbeton 348 Trass 278, 319f. Trasskalk 311 Travertin 277 treibender Angriff 371ff. Treibhauseffekt 117 Treibmittel fur Beton 263, 364 Treibmittel fur Kunststoffe 444, 455 Tremolit 284 Trennverfahren 4 Trica1ciumaluminat 314,315,329,333 Trica1ciumaluminattrisulfat 329f.,372, 374 Trica1ciumsilicat 314f., 323, 334 Trichlorethylen 418 Trichlormethan (Chloroform) 402f.,418 Tridymit 269 Triester 414 Triglyceride 414 trigonal-planar 53 triklin 66, 534 Trinkwasser 170 Trinkwasserverordnung 170 Tripelpunkt 145
533
Sachwortverzeichnis
Trisu1fat, s. Trica1ciuma1uminattrisu1fat Trockenelemente 225 Trockenho1zinsekten 474 trocknende Ole 414,459 Trogtriinkung 479 Tuffe 274 Ubergangse1emente 40 Ubergangsmetallkomplexe 173ff. Uberlappung von Orbita1en 5Off. ubersattigte Losung 162 Uberspannung 228 ubiquitare Stoffe 400 UF 451 Ultrahydrophi1ie 496, 498 Umformen 432 Umkehrosmose 170 uned1e Metalle 218 ungepaarte E1ektronen 49 ungesattigte Koh1enwasserstoffe 395ff. ungesattigte Losung 162 ungesattigte Po1yesterharze 453 un1egierte Stahle 237 Unordnung 83 unpo1are Losungsmittel 152 unpo1are Mo1ekii1e 56, 152 Unterscha1e 34 UP 453 Uranzerfall 25 Urformen 432 UV-Absorber, s. UV-Stabi1isatoren UV-Stabi1isatoren 437 UV-Strah1ung 110,437,465 Vakuumiso1ationspanee1e 498 Va1enzband 60 Va1enze1ektronen 39,41,59 Va1enzscha1e 37,39,48 Va1enzstrichforme1 48 Van-der-Waa1s-Krafte 62 Van't-Hoff-Faktor 148 Vanadium 234, 237 Vaterit 307 Vera1gung 383 Verbindungen, chemische 6 verbotene Energiezone 60 Verbrennung 107
Verbrennung fossi1er Brennstoffe 118, 119 Verbrennungsentha1pie 82 Verdampfungsentha1pie, mo1are 79 Veresterung 413 Verflussiger 347ff. Vergi1bung 463 Verharzung 414 Verho1zung 473 Vemetzung 301,414,429,434,436, 438f. Versprodung von PVC 443,465 Verseifung 371, 413f., 414 Verstarkungsstoffe 438, 465 Verwitterung 275 verzinktes Stah1b1ech (Korrosion) 246 verzinntes Stah1b1ech (Korrosion) 245, Verzogerer 353f., 361 verzweigte Makromo1ekiile 428 Viny1benzo1(Styrol) 396, 399, 442, 444f. Vinylchlorid 396,442, 443f. Viny1gruppe (-rest) 395 Viskositat 142 Vitrokerame 296 vollbesetzte Scha1e 38 Vorkondensate 450, 452 Vu1kanisisation 435 Vu1kanite 274 Wachse 415,474 Waldschaden 124 Warmebehandlung des Stah1s 235 Warmeleitfahigkeit 58,99f., 142 Warmeleitzahl, s. Warmeleitfahigkeit Wasser 131£f. - als Komp1ex1igand 173 - a1sLosungsmittel 151ff. - Assoziation 133 - Autoproto1yse 185 - Dampfdruck 143f., 154 - Dichteanoma1ie 134 - Dipo1moment 57, 132 - Gefrierpunkt 135, 146 - Harte 166ff. - Mo1ekiilstruktur 52, 132
534
- Phasendiagramm 145 - saure und basische Eigenschaften 186 - Siedepunkt 135, 145 - Warmekapazitat 142 - Warmeleitfahigkeit 142 Wasserdampfdurchlassigkeit 302,389 Wasserglas 282 Wasserglaskalk 311 Wasserloslichkeit von Salzen 531 Wasserstoff - Atomspektrum 31 - Isotope 24 - Standardpotential 214 Wasserstoffbruckenbindung 63f., 133 Wasserstoffion, s. Proton Wasserstoffkorrosion 238, 240f., 245, 246 Wasserstoffperoxid 211 Wasser-Zement-Wert (w/z-Wert) 340 Weichmacher 412,433,443 Weichmachung eines Polymers 433 Weich-PVC 443 WeiBblech 245 WeiBkalk 310 wellenmechanisches Atommodell 32 Welle-Teilchen-Dualismus 29 Wellmann-Lord-Verfahren 128 Wertigkeit, stochiometrische 43 Wertigkeit von Sauren und Basen 191 Xylo1e (Dimethy1benzole) 399,418 Youngsche Gleichung 139 Zementarten 311, 343ff., 346 Zemente 311ff. Zementekzem, s. Kontaktekzem Zementerhartung 332ff. Zementgel 333, 339 Zementhydratation 86, 155, 322f., 332ff. Zementit, s. Cementit Zementklinker 314ff. Zementleim 323 Zementstein 323, 338f. Zentralatom 173 Zeolithe 289
Sachwortverzeichnis
Zerfallsreihe, radioaktive 25 Zersetzungstemperatur von Kunststoffen 432 Ziege1 298 Zink 246,253,266£ Zinkate 266 Zinkcarbonat 266 Zinkchromat 267 Zink-Kohle-Batterie, s. LeclancheElement Zink-Kupfer-Element, s. DaniellElement Zinkphosphat 257 Zinkstaub 267 Zugabewasser 171 Zunder 231, 238 Zusatzmittel 347ff. Zusatzstoffe 321 Zusammensetzung der Luft 97ff. Zusch1ag, s. Gesteinskornung Zustandsbereiche der Kunststoffe 432 Zustandsdiagramm Fe-C 285 Zustandsdiagramm des Wassers 145 Zustandsgleichung idealer Gase 10 zweibasige Saure 191, 203 Zweikomponenten-K1ebstoffe 486 zweiprotonige Saure 191, 203 zweiwertiger Alkohol 405 zweizahniger Ligand 174 zwischenmolekulare Anziehungskrafte 62ff.
Anhange
535
Anhang 1: Elemente, Symbole, Ordnungszahlen (OZ) und Atommassen (Ar ) Element
Symbol
Actinium Aluminium Americium Antimon Argon Arsen Astat Barium Berkelium Beryllium Bismut Blei Bohrium Bor Brom Cadmium Casiurn Calcium Californium Cer Chlor Chrom Cobalt Curium Darmstadtium Dubnium Dysprosium Einsteinium Eisen Erbium Europium Fermium Fluor Francium Gadolinium Gallium Germanium Gold Hafnium Hassium Helium Holmium Indium lod Iridium Kalium Kohlenstoff Krypton
Ae AI Am 8b Ar As At Ba Bk Be Bi Pb Bh B Br Cd Cs Ca Cf Ce CI Cr Co Cm Ds Db Dy Es Fe Er Eu Fm F Fr Gd Ga Ge Au Hf Hs He Ho In I Ir K C Kr
OZ 89 13 95 51 18 33 85 56 97 4 83 82 107 5 35 48 55 20 98 58 17 24 27 96 110 105 66 99 26 68 63 100 9 87 64 31 32 79 72 108 2 67 49 53 77 19 6 36
Ar 227,0278 26,9815 (241) 121,76 39,948 79,922 210 137,327 (249) 9,0122 208,9804 207,19 (264) 10,811 79,904 112,411 132,9054 40,078 (252) 140,115 35,4527 51,9961 58,9332 (244) (271) (262) 162,50 (252) 55,847 167,26 151,965 (257) 18,9984 223 157,25 69,723 72,61 196,9665 178,49 (269) 4,0026 164,9303 114,818 126,9045 192,217 39,0983 12,0112 83,80
Element
Symbol
Kupfer Lanthan Lawrencium Lithium Lutetium Magnesium Mangan Mendelevium Meitnerium Molybdan Natrium Neodym Neon Neptunium Nickel Niob Nobelium Osmium Palladium Phosphor Platin Plutonium Polonium Praseodym Proactinium Promethium Quecksilber Radium Radon Rhenium Rhodium Roentgenium Rubidium Ruthenium Rutherfordium Samarium Sauerstoff Scandium Schwefel Seaborgium Selen Silber Silicium Stickstoff Strontium Tantal Technetium Tellur
Cu La Lr Li Lu Mg Mn Md Mt Mo Na Nd Ne Np Ni Nb No Os Pd P Pt Pu Po Pr Pa Pm Hg Ra Rn Re Rh Rg Rb Ru Rf 8m
0 8e 8 8g 8e Ag 8i N 8r Ta Te Te
OZ 29 57 103 3 71 12 25 101 109 42 11 60 10 93 28 41 102 76 46 15 78 94 84 59 91 61 80 88 86 75 45 111 37 44 104 62 8 21 16 106 34 47 14 7 38 73 43 52
Ar 63,546 138, 9055 (262) 6,941 174,967 24,305 54,9381 (260) (268) 95,94 22,9898 144,24 20,1797 (237) 58,6934 92,9064 (259) 190,23 106,42 30,9738 195,08 (239) 209 140,9077 231,0359 (145) 200,59 226,0254 222 186,207 102,9055 (272) 85,4678 101,07 (261) 150,36 15,9994 44,9559 32,066 (266) 78,96 107,8682 28,0855 14,0067 87,62 180,9479 (99) 127,60
Anhange
536
Terbium Tb Thallium TI Thorium Th Thulium Tm Titan Ti Uran U Vanadium V Wa55er5toff
65 81 90 69 22 92 23
H
158,925 204,383 232,0381 168,9342 47,88 238,0289 50,9415 1
Wolfram Xenon ytterbium Yttrium Zink Zinn Zirkonium 1,00794
W Xe Yb Y
Zn Sn Zr
74 54 70 39 30 50 40
183,84 131,29 173,04 88,9059 65,39 118,710 91,224
Anhang2: Molare Bildungsenthalpien ausgewahlter Verbindungen a) Verbindung
~H
AgCI (5) AgBr (5) -62 Agi (5) Ag 20 (5) AI203 (5) AICI3 (5) A1 2(S04h -635 CaO CaCI 2(5) CaC12·6 H2O -2607 CaC03(5) Ca(OHh(5) CaS04(5) CaS04' % H20 (5) CaS04' 2 H20 (5) -938 Ca(N03h (5) CaC 2 (5) CH 4 (g) -75 C 2Hs(g) C 2H4(g) C 2H2 (g) +83 CsHs(l) CH 30H (I) C 2HsOH (I) CO (g) -111 CO 2 (g) -394 CuO (5) -157 CU20 (5) CUS04(5) CUS04 . 5 H20 (5) FeO (5) -272 Fe203 (5) Fe304 (5) FeC03(5) a)
(kJ/mol) -127 -100 -31 -1676 -704 -3442 -796 -1207 -986 -1434 -1577 -2023 -60 -85 +52 +227 -239 -278
-169 -771 -2280 -824 -1118 -741
Verbindung
~H
(kJ/mol)
FeS04 (5) FeS04 . 7 H20 (5) FeS2, Pyrit (5) -178 HCI (g) HCI (aq) HN03 (I) H20 (g) -285 H20 (I) H2S (g) KBr (5) -392 K2C03 (5) KCI (5) KOH (5) K20 (5) MgC03 (5) MgCI 2 (5) -642 Mg(OHh (5) MgO (5) -601 MgS04 (5) MgS04· 7 H20 (5) NaCI (5) -1131 Na2C03 (5) Na2C03· 10 H20 (5) NaOH (5) Na20 (5) -416 -515 Na202 (5) -1318 Na2S04 (5) Na2S04' 10 H20 (5) NH 3 (g) NO (g) +33 N02 (g) Si02, Quarz (5) S02 (g) S03 (g)
-928 -3015 -92 -167 -174 -242 -21 -1146 -436 -425 -361 -1096 -924 -1288 -3388 -411 -4082 -427
-4324 -46 +90
Aylward, G.H., Findlay, T.J.v.: Datensammlung Chemie. Weinheim: VCH 1986; (g) gasformig, (I) liquidus flussiq, (s) solidus fest.
-911 -297 -396
Anhange
537
Anhang 3: Ldslichkeiten einiger Salze (200 e ) Verbindung
Formel
Aluminiumchlorid-Hexahydrat Aluminiumnitrat-Nonahydrat Aluminiumsulfat-18-Hydrat Ammoniumchlorid Ammoniumnitrat Ammoniumsulfat Bleichlorid Bleinitrat Bleisulfat Calciumcarbonat Calciumchlorid Calciumchlorid-Dihydrat Calciumchlorid-Hexahydrat Calciumsulfat-Dihydrat Eisen(lll)-chiorid-Hexahydrat Eisen(II)-chlorid-Tetrahydrat Eisen(II)-sulfat-Heptahydrat Kaliumcarbonat Kaliumchlorid Kaliumdichromat Kaliumhydrogensulfat Kaliumnitrat Kaliumpermanganat Kaliumsulfat Kupferchlorid-Dihydrat Kupfersulfat-Pentahydrat Magnesiumchlorid Mag nesiumchlorid-Hexahydrat Magnesiumsulfat-Heptahydrat Natriumcarbonat Natriumcarbonat-Decahydrat Natriumchlorid Natriumnitrat Natriumsulfat Natriumsulfat-Decahydrat
AICl s· 6 H20 AI(NOsh . 9 H20 AI2(S04h . 18 H20 NH 4CI NH 4NOs (NH 4hS04 PbCI 2 Pb(NOsh PbS04 CaCOs CaCb CaCI 2· 2 H20 CaCI 2 ·6 H20 CaS04· 2 H20 FeCl s· 6 H20 FeC1 2·4 H20 FeS04· 7 H20 K2COS KCI K2Cr20 7 KHS04 KNO s KMn04 K2S0 4 CuC1 2·2 H20 CUS04· 5 H20 MgCI 2 MgCI 2· 6 H20 MgS04· 7 H20 Na2COS Na2COS . 10 H20 NaCI NaNOs Na 2S04 Na 2S04 . 10 H20
Loslichkeit (g/100g H20) 45,6 75,4 36,4 37,6 187,7 75,4
1 52,2 4,1 . lO- s 1,4 . lO- s 83 128,1 (40°C) 74,5 0,204 91,9 62,4 26,6 112,3 34,2 12,5 51,4 31,7 6,4 11,1 77,0 20,8 55,5 54,6 35,6 29,4 21,7 35,8 88,3 19,2 28,0 (25°C)
538
Anhange
Anhang 4: Starke von Sauren und ihren korrespondierenden Basen (22°C)
pK s
Saure
- -10 - -10 - -9 - -6 - -3
HCI04 HI HBr HCI H2SO4
-1,74
H3O+
-1,32 1,81 1,92 2,12 2,22 3,14 3,35
HN03 H2S03 HS04H3P04 [Fe(H2O)6]3+ HF HN02
4,75 6,35 6,92 7,20 9,25 9,40 9,51 10,40 11,74 12,36 12,90
CH3COOH H2C03 H2S H2P04NH/ HCN H4Si04 HC03H3Si04HPO/HS-
15,74
H2O
-16 -23 -24
C2H sOH NH3 OW
~
~ ~
~
~ ~
~
~ ~
~ ~
~
~
~ ~
~ ~
~ ~
~
~
~ ~
~
~ ~
~
~ ~
~
~ ~
~ ~
~ ~
~ ~
~
~ ~
~
~
~ ~
Proton +
Base
pK B
H+ H+ H+ H+ H+
+ + + + +
C104-
-24 -24 -23 -20 -17
H+
+
H2O
15,74
H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+
+ + + + + + +
N0 3HS03SO/H2P04[Fe(H2O)sOH]2+ FN02-
15,32 12,19 12,08 11,88 11,78 10,86 10,65
H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+ H+
+ + + + + + + + + + +
CH3COOHC03HSHPO/NH3 CNH3Si04C032H2SiO/P04 3S2-
H+
+
OH-
H+ H+ H+
+ + +
C2H sONH20 2-
r Br-
cr HS04-
9,25 7,65 7,08 6,80 4,75 4,60 4,49 3,60 2,26 1,64 1,10 -1,74 - -2 - -9 - -10
Anhiinge
539
Anhang 5: Elektrochemische Spannungsreihe mit den Standardpotentialen EO ausgewahlter Redoxpaare
Reduzierte Form
Oxidierte Form
Li
Li+ K+
ee2 ee-
Cr
Cr3+
Fe Co Ni Sn Pb
Fe 2+ Co 2+ Ni2+ Sn 2+ Pb 2+
+ + + + + + + + + + + + + +
Cu
Cu 2+
+ 2
21H202 + 2 H20
12
O2 + 2 H30+
Fe 2+
Fe 3+
Ag
Ag+
Hg
Hg 2+
NO + 6 H20
N03- + 4 H30 +
+ 2 e+ 2 e+ e+ e+ 2 e+ 3 e+ 2 e+ 2 e+ 4 e-
K Ca
Ca 2+
Na
Na+
Mg AI Mn Zn
Mg 2+
2
sr
A1 3+ Mn 2+ Zn 2+
Br2
Pt
Pt2+
6 H20 2 Cr3+ + 21 H20 2 CIAu Mn 2+ + 12 H2 0 Au 4 H20 2 F-
O 2 + 4 H30 + Cr20/- + 14 H30+ + + CI2 Au 3+ + Mn04- + 8 H30+ + + Au' + H202 + 2 H30+ + F2
2e 3e 2e 2 e-
e2 e-
3
2e 2e 2e 2 e-
e
6e 2 e3 e5 e-
e2 e2 e-
-3,04 -2,92 -2,87 -2,71 -2,36 -1,66 -1,18 -0,76 -0,74 -0,44 -0,28 -0,23 -0,14 -0,13
°
+0,34 +0,54 +0,68 +0,77 +0,80 +0,85 +0,96 +1,07 +1,19 +1,23 +1,33 +1,36 +1,50 +1,51 +1,69 +1,76 +2,87
Anhange
540
Anhang 6: Die 14 Bravais-Gitter
a)
d)
,-::::
e) ;..,l
1"'" -::'- -'.0