Wolfgang Bechmann | Joachim Schmidt Einstieg in die Physikalische Chemie für Nebenfächler
Aus dem Programm
Chemie
Herausgegeben von Prof. Dr. rer. nat Christoph Elschenbroich, Marburg Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Friedrich Hensel, Marburg Prof. Dr. phil. Henning Hopf, Braunschweig Die Studienbücher der Reihe Chemie sollen in Form einzelner Bausteine grundlegende und weiterführende Themen aus allen Gebieten der Chemie umfassen. Sie streben nicht die Breite eines Lehrbuchs oder einer umfangreichen Monographie an, sondern sollen den Studierenden der Chemie – aber auch den bereits im Berufsleben stehenden Chemiker – kompetent in aktuelle und sich in rascher Entwicklung befindende Gebiete der Chemie einführen. Die Bücher sind zum Gebrauch neben der Vorlesung, aber auch anstelle von Vorlesungen geeignet. Es wird angestrebt, im Laufe der Zeit alle Bereiche der Chemie in derartigen Lehrbüchern vorzustellen. Die Reihe richtet sich auch an Studierende anderer Naturwissenschaften, die an einer exemplarischen Darstellung der Chemie interessiert sind.
www.viewegteubner.de
Wolfgang Bechmann | Joachim Schmidt
Einstieg in die Physikalische Chemie für Nebenfächler 3., überarbeitete und erweiterte Auflage
STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. rer. nat. habil. Wolfgang Bechmann Geboren 1948 in Neuhaus am Rennweg/Thüringen. Studium der Chemie und Mathematik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena für das Lehramt an der gymnasialen Oberstufe. 1975 Promotion bei E. Uhlemann über Fragen der Flüssig-Flüssig-Extraktion von Bleikomplexen. 1986 Habilitation zur Koordinationschemie des Vanadiums, beides an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. Hochschuldozent für Umweltchemie an der Universität Potsdam. Seit Dezember 1998 apl. Professor am Institut für Chemie/Physikalische Chemie und Theoretische Chemie der Universität Potsdam. Dr. rer. nat. Joachim Schmidt Geboren 1933 in Frankfurt (Oder). Chemiestudium für das höhere Lehramt an der Pädagogischen Hochschule Potsdam. 1966 Promotion bei H. Gehlen über die Kinetik der Hydrolyse von Triazolen und Oxadiazolen. Bis 1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physikalische Chemie und Theoretische Chemie der Universität Potsdam.
1. Auflage 2001 2. Auflage 2005 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Ulrich Sandten | Kerstin Hoffmann Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0607-9 Compiled by Matt Pretender
Vorwort Wahrend der Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin Physikalische Chemie haben sich die Schwerpunkte der aktuellen Forschung standig verandert, Wie in jeder anderen Wissenschaft fiihrte die Losung der Probleme sofort wieder zu neuen Fragestellungen. Oft warf die Weiterentwicklung angrenzender Naturwissenschaften Fragen auf, deren Beantwortung auch physikalisch-chemische Grundlagenforschung erforderte. Gegenwartig werden Techniken entwickelt, die es gestatten, den Weg von isolierten Spezies hin zur kondensierten Phase zu verfolgen. Cluster werden als Bindeglied zwischen den isolierten Spezies und der kondensierten Phase verstanden und in vielfaltiger Form, vor allem mit spektroskopischen Methoden, untersucht. Mit dem Begriff der Femtochemie umreiBt man die zeitaufgeloste Verfolgung chemischer Prozesse auf einer ultrakurzen Zeitskala bzw . die Steuerung molekularer Prozesse durch maBgeschneiderte optische Impulse z.B, mittels Ultrakurzzeit-Lasertechnologie. Dabei wird bereits ein Zeitbereich der Anregungsimpulse in der Grollenordnung von Femtosekunden erreicht. Dynamische Prozesse in Flilssigkeiten, Bildung und Losen chemischer Bindungen, Elektronen- bzw. Protoneniibertragungsprozesse werden zeitlich aufgelost verfolgbar oder bewusst durch optische Anregungen initiiert. Mittels modemer Nanotechnologie nimmt die Physikalische Chemie Einfluss auf die Mikrostrukturierung von Materialien und Oberflachen. Die sogenannte Rastersondentechnik erlaubt nicht nur die raumliche Abbildung von Strukturen und Oberflachen mit nahezu atomarer Auflosung, sondem auch die gezielte Manipulierung einzelner Atomgruppen. Diese aktuellen Trends haben sich vor allem aus materialwissenschaftlichen und biophysikalischen Problemstellungen entwickelt. Ihre Behandlung setzt sichere und solide Grundkenntnisse in Physikalischer Chemie voraus. Gleichzeitig wird deutlich, dass Inhalte der Physikalischen Chemie wichtig fiir cine Reihe angrenzender Wissenschaftsdisziplinen sind und gegenwartig die Bedeutung der physikalisch-chemischen Forschung vor allem fiir die Life-Sciences, die Materialwissenschaften und die Instrumentalanalytik weiter wachst. 1m vorliegenden Lehrmaterial legen wir den Schwerpunkt nicht auf die Behandlung der aktuellen Trends der physikalisch-chemischen Forschung. Ebenso wenig ist es unser Ziel, die physikalische Chemie in ihrer vollen Breite zu umreiBen. Fur beide Aufgaben
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gibt es zahlreiche spezielle Monografien bzw. ausgezeichnete und umfangreiche Lehrbiicher. Mit einer ausgewogenen Stoffauswahl aus den traditionellen Teilgebieten Chemische Thermodynamik, Reaktionskinetik und Elektrochemie wollen wir den Leser an das Studium der Physikalischen Chemie heranfiihren. Dabei wenden wir uns hauptsachlich an den Nebenfachstudenten, der solide Grundkenntnisse in Physikalischer Chemie benotigt, urn den Anforderungen seines speziellen Faches gerecht zu werden. Wir sind davon iiberzeugt, dass sich die naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung am Besten im bewussten Experimentieren umsetzen lasst und dass das Verstandnis naturwissenschaftlicher Zusammenhange dort erreicht ist, wo der Student experimentelle Daten richtig interpretieren und auswerten kann. Deshalb geben wir mit dem vorliegenden Buch dem Studenten Anregungen fur ausgewahlte Experimente zu traditionellen Teilgebieten der Physikalischen Chemie, mit denen sich ein Grundverstandnis physikalisch-chemischer Zusammenhange entwickeln lasst. Den Versuchsideen wird jeweils die theoretische Behandlung des Sachverhalts vorangestellt. Zur konkreten Versuchdurchfiihrung miiss en Konzentrations- und Masseangaben in verfiigbaren Praktikumbiichern nachgeschlagen bzw. den Internet-Seiten der Universitat Potsdam entnommen werden (www.chem.uni-potsdam.de/pc/). Das Verstandnis der Theorie wird durch zahlreiche Aufgabenstellungen und die Angabe ihrer Losungswege erleichtert. Ferner enthalt jedes Kapitel eine Zusammenstellung weiterer Rechenaufgaben, deren Losungen im Losungsteil nachgeschlagen werden konnen, Mit der stofflichen Beschrankung greifen wir Arbeitsfelder der Physikalischen Chemie heraus, die geeignet sind, das Grundverstandnis fur diese chemische Teildisziplin zu entwickeln und tragen gleichzeitig dem begrenzten Zeitvolumen der Nebenfachler Rechnung. Das Lehrmaterial wurde in der Ausbildung von Diplombiochemikern, Diplombiologen, Diplomemiihrungswissenschaftlem, Diplomgeookologen und Lehramtsstudenten als Begleitmaterial fur Vorlesung, Seminar und Praktikum erfolgreich eingesetzt. Den dabei mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen der Professur fur Physikalische Chemie der Universitat Pot sdam danken wir fur eine Viel zahl von Anregungen und Hinweisen, die in die vorliegende Form des Lehrmaterials bereits Eingang gefunden haben. Dem Leser und Nutzer des Buches dankcn wir im Voraus fur Hinweise auf Fehler, die sich leider doch eingeschlichen haben konnten und fur Anst6Be zur Verbesserung in der Darstellung des Lehrstoffes. Potsdam, September 2001 Wolfgang Bechmann
Joachim Schmidt
Vorwort zur 3. Auflage Naeh nur drei Jahren erhalten wir die Gelegenheit, das Manuskript unseres Lehrbuehs fiir die nunrnehr dritte Auflage zu iiberarbeiten. Fiir uns ist es die Bestatigung dafiir, dass unser .Einstieg in die Physikalisehe Chemie fiir Nebenfachler" sowohl von Studenten, als aueh von einer waehsenden Zahl von Dozenten flir den Start zur Auseinandersetzung fiir unser interessantes Wissensehaftsgebiet angenommen wird. Wir ziehen daraus aueh die Schlussfolgerung, dass es uns gelungen ist, die wertvollen Hinweise und Anregungen zahlreicher Kollegen, die uns bereits im Vorfeld der zweiten Auflage erreiehten , weitgehend umzusetzen. Wir mochten auch an dieser Stelle allen Gutaehtem und Lesem noehrnals ausdriicklich danken, die uns Anregungen und kritische Bemerkungen zuganglich gemacht haben . Wir wiederholen unseren besonderen Dank an: Prof. K.-F. Arndt TU Dresden, Dr. D. Brawarzik Univ. Halle, Prof. M. Bredol FH Miinster, Prof. H. K. Cammenga TU Braunschweig, Prof. T. Debaerdemaeker Univ. Ulm, Prof. J. Dietrichs Hochsch. Wismar, Prof R. Dom FH Bingen, Prof. U.-W. Grummt Univ. Jena, Dr. M. Hennes Univ. Greifswald, Prof. J. Koch FH Gief3enFriedberg, Prof. J. Kresse Univ. Halle, Prof. R. Mann FH Gief3en-Friedberg, Prof. U. Messow Univ. Halle, Prof. F. Richter Hochsch. Mittweida, Prof. K.-H. Schimmel FH Lippe-Hoxter, Prof. L. Strohmeier HAW Hamburg und Prof. J. H. Wenndorff Univ. Marburg . Der Aufbau des Buches mit der Abfolge Grundlagen , Ubungsaufgaben, Praktikum sversuche hat sich bewahrt und wurde auch in der neuen Auflage beibehalten. Gleiches gilt fiir die Beschrankung des Inhalts auf die Gebiete der Physikali schen Chemie: Heterogene Gleichgewichte, Chemische Thennodynamik, Reaktionskinetk und Elektrochemie. Einige Passagen wurden umfonnuliert, teils urn den Inhalt noch verstandlicher zu gestalten, bzw. urn an anderen Stellen - wo es moglich schien - die Ausflihrungen zu straffen. 1m Gegensatz zur zweiten Auflage wurden keine weiteren fachlichen Aspekte aufgenommen. Dort, wo neue Beispiele und Anwendungen hinzugefligt wurden, haben wir iiberholte Beziige entfemt. Unser Ziel bestand darin , den Umfang des Buches nieht weiter zu erhohen . Eine geringe Anzahl zusatzlicher Seiten ergeben sich allerding s aus der Ubcrarbeitung des Sachwortverzeichnisses. Damit entsprechen wir dem Wunsch verschiedener Leser, das Verzeichnis zu einem besseren Arbeitsinstrument bei der Erschlief3ung von fachlichem Inhalt und Querverbindungen weiterzuent wickeln . Zu diescm Zweck wurde die Anwendung von Fett- und Kursivdruck im Text noch starker eingesetzt.
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Fiir die Durchfiihrung der Experirnente ist es auch weiterhin notwendig, neben den fachlichen Grundlagen in den ausgewiesenen Buchkapiteln, die konkreten Experimentieranleitungen unter www.chem.uni-potsdam/pc/ herunterzuladen. Alle Abbildungen des Buches sind ebenfalls im Internet verfiigbar . Sie konnen iiber die OnlinePlus-Funktion der Intemetseite www.viewegteubner.de erreicht werden. In der OnlinPlus-Funktion fiir Dozenten fordem wir ausdriicklich zur Diskussion zu speziellen fachlichen Aspekten auf. Natiirlich war die Uberarbeitung des Manuskripts auch eine willkommene Gelegenheit, einige Druckfehler der vorhergehenden Auflage zu beseitigen. Ziel des Buchs bleibt es, dem Studierenden einen einfachen Einstieg in das Fachgebiet zu erm6g1ichen und ihn zurn Weiterlesen in der physikalisch - chemischen Fachliteratur anregen. Dabei wiinschen wir allen Nutzem viel Freude und Erfolg. Hinweise auf Fehler und Anregungen zur Entwicklung des Buches nehmen wir auch weiterhin dankbar entgegen. Potsdam, September 2008 Wolfgang Bechmann
Joachim Schmidt
Inhalt 1
Heterogene Gleichgewichte
15
1.1 1.2
Begriffe zur Beschreibung stoffl icher Zustande
15
Ideale und reale Gase
17
Die Gibbssche Phasenregel Phasendiagramme von Einkomponentensystemen
28 31
Losungen von Stoffen mit vernachlassigbarem Dampfdruck
35
Mischungen
37
1.3 1.4
1.5 1.6 1.7
Dampfdruckdiagrammc von Mischungen unbegrenzt
1.8 1.9 1.10 1.11 1.1 2 1.1 3 1.13.1 1.13.2 1.13.3
mischbarer Flussigkeiten
39
Siedediagramme
42
Schmelzdiagramme Heterogene chemische Gleichgewichte
47 54
Adsorptionsisotherme
56
Obungsaufgaben zu Kapitel 1
59
Versuche zu Phasengleichgewichten
63
Kryoskopie Adsorptionsisotherme einer gelosten Sub stanz
63 65
1.13.4
Schmelzdiagramm mittels mikroskopischer Beobachtung
67 69
1.13.5
Erstellen des Schmelzdiagramms mittels thermischer Analyse
71
Siedediagramm
2
Chemische Thermodynamik
72
2.1 2.2 2.3
Der erste Hauptsatz der Thcrmodynamik Volumenarbeit Innere Energie
72 73
2.4
Enthalpie
78 80
2.5 2.6 2.7 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3
Der Satz von Hess, Enthalpieberechnungen
85
Kalorische Grundgleichung und Warmekapazitat
89
Adiabatische Kompression und Expansion eines ideal en Gases
93
Entropieanderungen in abgeschlossenen Systemen
94 94 100
Entropieberechnungen, der dritte Hauptsatz der Thermodynamik
101
Der zweite Hauptsatz der Thcrmodynamik Spontane makroskopische Vorgange, die Entropie
Inha lt
10
2.11 2.12 2.12.1 2.12.2 2. 12.3 2.13 2. 13.1 2. 13.2
Triebkraft spontancr Vorgange in geschlossenen Systemen, die Freie Enthalpie Thermodynamik chemischer Gleichgewichte Die van't Hoffsche Reaktionsisotherme Die van't Hoffsche Reaktionsisobare Die Beschreibung realer Systeme mit partiellen Gr6J3en, das chemische Potenzial Ubungsaufgaben zu Kapitel 2 Kalorimetrische Versuche zur chemischen Th ermodynamik Neutra lisa tionsenthalpie Verdampfungsenthalpie Verbrennungsenthalpie Bestimmung weiterer thermodynamischer Konstanten Die EDA -Verbindung aus Naphthalin und Chloranil Saurekonstante von p-Nitrophenol
117 120 126 127 129 130 132 132 135
3
Reaktionskinctik
137
3.1 3.2
Reaktionsgeschwindigkeit Mo lekularitat von Elementarreaktionen, Reaktionsordnung von Geschwindigkeitsansatzen Geschwindigkeitsgesetze Geschwindigkeitsgesetz fur Reaktionen 1. Ordnu ng Geschwindigkeitsgesetz fur Reaktionen 2. Ordnung Geschwindigkeitsgesetze fur Reaktionen O. und 3. Ordn ung Weitere Reaktionsordnungen Herabsetzung der Reaktionsordnung durch Komponenteniiberschuss Zusammenfassung zu den integrierten Geschwindigkeitsgesetzen Weitere Methoden zur Bestimmung der Reaktionsordnung Experimentelle Bestimmung kinetischer Daten Die Arrheniussche Gleichung Komplexe Reaktionen Gleichgewichtsreaktionen Parallel- oder Nebenreaktionen Folgereaktionen Reaktionsmechanismen ausgewahlter Reaktionen Die Langm uirsche Adsorptionsisotherme Oxidation von Stickstoffinonoxid
138
2.8.4 2.9 2.9 .1 2.9.2 2.10
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6 .2 3.6 .3 3.7 3.7 .1 3.7.2
104 109 109 115
140 142 143 146 151 153 153 155 157 159 163 174 174 178 180 183 184 185
11
Inhalt
3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.8 3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.9 3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3 3.10.4
Thermodynamische Ableitung der Arrheniusschen Gleichung Diffusions- und aktivierungskontrollierte Reaktionen Bildung von HBr in einer Kettenreaktion Der Mechanismus unimolekularer Reaktionen Katalyse Saure- Base-Katal yse Enzymkatalysierte Reaktionen, Michaelis-Menten-Kinetik Katalytischer Ozonabbau Ubung saufgaben zu Kapite1 3 Versuche zur Reaktionskinetik Zerfallsgeschwindigkeit des Trioxalatomanganat(III)-Ions Inversionsgeschwindigkeit von Saccharose (Rohrzucker) Esterhydrolyse Iodierung von Aceton
186 187 188 191 193 195 196 199 201 207 207 208 210 211
4
Elektrochemie
215
4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Zur Geschichte der Elektrochemie Elektrolyte und deren Wechse1wirkung mit Losungsmitteln Elektrolytische Leitfahigkeit Spezifische und molare Leitfahigkeit Ionenwanderungsgeschwindigkeit und Ionenbeweglichkeit Bestimmung von Ionenleitfahigkeiten Analytische Anwendung von Leitfahigkeitsmessungen (Konduktometrie) Elektrochemische Potenziale Elektrochemische Doppelschicht und elektrochemische Spannungsreihe Die Nemstsche GleichungiEinze1potenziale und Ionenaktivitaten Einteilung von Elektroden in Anoden und Katodenl Elektrodentypen Diffusions- und Membranpotenziale Zellspannung Galvanische Ketten, EMK Aktivitatsbestimmung aus Potenzialmessungen Potentiometrische Bestimmung des Lcslichkeitsproduktes eines schwerloslichen Salzes Thermodynamische Betrachtung der Nemstschen Gleichung Elektrolyse Zersetzungsspannung, Polarisierung von Elektroden Uberspannung Anwendungsbeispiele fiir clektrolytische Verfahren
215 217 223 225 233 234
4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3
239 242 242 248 251 255 258 258 261 264 266 267 267 269 270
12
Inhalt
Elektrochemische Energiequellen Primarzellen Sekundarzellen Brennstoffzellen Ubungsaufgaben zu Kapite1 4 Versuche zur Elektrochemie Konduktometrische Bestimmung von Saurekonstanten Potenziomctrische Bestimmung von pKs- Werten schwacher Sauren Konzentrationsketten Bestimmung der Uberfiihrungszahlen von Salpetersaure nach Hittorf Zersetzungsspannung Konduktometrische Tit rat ion
273 273 275 276 278 282 282
5
Losungen zu den Ubungsaufgabcn
292
5.1 5.2 5.3 5.4
Losungen zu Losungen zu Losungen zu Losungen zu
297 304
4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.8
4.9 4.9.1 4.9.2 4.9.3 4.9.4 4.9.5 4.9.6
Sachverzcichnis
Kapitel 1 Kapite1 2 Kapite1 3 Kapitel 4
283 285 286 287 290
292
313
318
Verzeichnis haufig verwendeter Symbole A a
molare Freie Energie
Spezifischer Widerstand
Aktivitat
p S
a
Dissoziationsgrad
T
Absolute Tempcratur
a
Drchwinkel molare Warmekapazitat
S t
Celsius-Temperatur Zeit
Spezifische Warmekapazitat Stoffinengenkonzentration
4 ,1U
Uberfiihrungszahlen molare Innere Energie
0
infinitesimal kleines Quantum
U
Elektrodenpotenzial
E EA
Extinktion
u
Ionenbeweglichkeit
Arrheniussche Aktivierungsenergie Kryoskopische Konstante
V w
molares Volumen Arbeit
Ebullioskopische Konstante Elektromotorische Kraft EMK Anzahl der Freiheitsgrade
X
Molenbruch
C c c
Eo Es E F
Molare Entropie
f
Akti vitatskoeffizient
Index unten: p konstanter Druck
0;
dS 2 < 0
gilt.
Insgesamt ergeben die Entropieanderungen tlS I und tlS 2 zusammen die Entropieanderung des Systems.
Aus obigen Uberlegungen folgt , dass tlSs ys. wahrend des spontan ablaufenden Schmelzvorgangs einen positiven Zahlenwert besitzt (tlSsys. > 0). Nach einiger Zeit fiihren die Abkiihlung des Wassers und die Erwarmung des Eises dazu, dass beide Phasen die gleiche Temperatur angenommen haben. Sie stehen im thermischen Gleichgewicht. Als Folge ergibt sich:
2.8 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
101
Bei den Ausfiihrungen zum zweiten Hauptsatz wurde bereits festgestellt, dass spontan ablaufende Prozesse in abgeschlossenen Systemen mit Entropiezunahme (d Ssys. > 0) einhergehen. Befinden sich die unterschiedlichen Phasen oder Komponenten eines abgeschlossenen Systems im thermodynamischen Gleichgewicht, so andert sich die Entropie des Systems nicht. Prozesse, fiir die eine Entropieabnahme des abgeschlossenen Systems zu erwarten ware, laufen spontan in der Gegenrichtung ab, sofem sie nicht kinetisch gehemmt sind.
2.8.3 Entropiebercchnungen, der dritte Hauptsatz der Thermodynamik Urn zu tabellierbaren Entropiewerten fur 25 °C zu kommen, mus s zunachst die Temperaturabhangigkeit der Entropie erfasst werden. Dabei geht man von der Definition der Entropie dS = 8Q rev/ Taus. Fur konstanten Druck und eine gegen Null streb ende (infinitesimale) Anderung kann Qrev durch dH und dieses wiederum entsprechend Gleichung (2.20) durch C p dT ersetzt werden:
(2.34)
Urn die Entropieanderung S2 - Sl fiir das Temperaturintervall T2 - T 1 zu erhalten, muss die Gleichung (2.34) integriert werden: s,
I,
s,
I,
JdS= JC
dT .P
T
(2.35)
Fur genaue Berechnungen muss berucksichtigt werden, dass die Molwarme C p temperaturabhangig ist. C p wird dann im Integral durch seine Potenzreihe a + bT + cT 2 vertreten. Fur kleine Temperaturintervalle bzw. Naherungsrechnungen wird mit dem mittleren
Cp
des Temperaturintervalls gerechnet. In diesem Falle ergibt sich
(2.36)
Finden innerhalb des interessierenden Temperaturintervalls Phasenumwandlungen statt, so muss die s beachtet werden, denn bei Phas enumwandlungen andert sich die Entropie sprunghaft. Das ist verstandlich, wenn wir uns an die Deutung der Entropie als MaG der
2 Chemische Thermodynamik
102
Unordnung der Energieverteilung erinnem. Beim Schmelzen eines Stoffes werden viele kleinere Teilchen gebildet, die Energie aufuehmen konnen, Sie besitzen alle unabhangige Translationsfreiheitsgrade. Beim Sieden schlieBlich entstehen einzelne Molekiile bzw. Atome, die in der Gasphase zur ungeordneten freien Bewegung befahigt sind. Wahrend bei Phaseniibergangen die Temperatur konstant blcibt, erhoht sich die Entropie des Systems sprunghaft. Eine Integration der Funktion S = f(T) ist folglich nur in den Intervallen zwischen den Phasemibergangen moglich. Die Entropiezunahme, die einem Phaseniibergang entspricht, lasst sich iiber die zugehorige Phasenumwandlungsenthalpie und die Phasenumwandlungstemperatur erfassen.
(2.37)
s
gasformig
flDssig
T
Abb. 2.6: Entropie eines Stoffes als Funktion seiner Temperatur
Fiir die Entropieanderung, wie sie in Abbildung 2.6 schematisch dargestellt ist, ergibt sich demnach T,
t'iS=S -S = E
A
dT
TF~
dT
t'i
H
Tv..
dT
t'i v H
298
dT
Ic . - + J C ._ + ---.I!!L- + J C .- + ,p_ + J c . 0 Po T 1: PI T 'I 1: P, T T T P3 T I
Fus
Fus
Vap
Yap
In der Nahe des absoluten Nullpunktes ist die Potenzreihe fiir CpO experimentell nicht zu ermitteln. Deshalb wurde fiir das Intervall von 0 bis T t ein gesondertes Integral eingefiihrt.
2.8 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
103
Urn Abso1utwerte der Entropie des Endzustandes SE angeben zu konnen, muss So be-
dT .. ein Losungsvorschlag unterbreitet werden. Uber So wird o 0 T im dritten Hauptsatz del' Thermodynamik befunden. W. Nernst erkannte, dass aile Entropiedifferenzen gegen Null gehen, wenn die Temperaturen, bei denen die Prozesse T,
f Cp
kannt sein und fiir
•-
stattfinden sich dem absoluten Nullpunkt nahern (~S~O fiir T ~O, Nernstsches Wdrmetheorem). Daraufhin postulierte M. Planck 1911, dass die Entropie eines idealen Kristalls eines beliebigen Stoffes am absoluten Nullpunkt einen Wert von 0 J x' mOrl besitzt. Fur die Molwarme eines Stoffes in der Nahe des absoluten Nullpunkts schlug Dcbye vor, die Temperaturabhangigkeit von Cp durch die Naherung a . T3 zu beschreiTC .ar ben. Damit wird auch das Integral leicht losbar. Die Debye-Niiherung benutzt o T
f-p--
man meist im Temperaturbereich von 0 bis 10K, in dem Molwarmen experimentell nicht mehr vernunftig bestimmbar sind. Der Entropiewert eines Stoffes, der sich auf diese Weise unter Standardbedingungen ergibt, heiBt Standardentropie So. Die absoluten molaren Standardentropiewerte vieler Stoffe bei 298,15 K sind tabelliert und werden zu Entropieberechnungen verwendet. Ein Beispiel ist die Berechnung del' molaren Entropie des Wassel's bei 150°C nach Gleichung (2.38) o
ST = S
-
'dT f -dTT+ -Tv-vR+ _C TTf-+ ..· T I::,
Tv
+ Cp ,
298,15
298, 15
o
S423
=S
298,15
373,15
+ Cp
'
(2.38)
p, '
'
dT
40600
u
_I
-I
_
f -T + -373 J K mol + Cp
423,15 .
dT
f -
' 373,15 T 37315 40600 42315 = (70+ 75,6·!n 298'15 + 37315 + 36,I,ln 373'15) J K- 1 mol' " , ,
298,15
= 200,3 J K- 1 mol"
Wahrend der Erwarmung von 25°C auf 150°C erfahrt das System eine Entropie-
iinderung von
I::,S
= (200,3 -70) J K- 1 mol' = 130,3J K - 1 mol"
Die Entropieiinderung be; chemischen Reaktionen lasst sich nach der zur Enthalpieanderung analogen Beziehung berechnen : I::,R S0 =
0 "V L..Jl 'S l.0- "v L..JI"S.1
Pr odukte
Edukte
(2.39)
2 Chemische Thermodynamik
104
Fur die Oxidation von Glucose ergibt sich entsprechcnd der Reaktionsgleichung C6HI206 + 6 02
~
6 C02 + 6 H20
folgende molare Standardreaktionsentropie
~RS0 = [(6·214 + 6 ·70) - (212 + 6·205)] J K-1 mol"
= 262 J K 1 mOrl
Von der statistischen Deutung der Entropie ausgehend lasst sich allgemein feststellen, dass Stoffe mit groBen, aus vielen Atomen bestehenden Molekiilen viele Moglichkeiten der Energieverteilung besitzen. Sie haben deshalb in der Regel hohere molare Entropien als Stoffe mit kleinen Molekiilen. Wachst bei einem Vorgang die Teilchenzahl, so stellt dies auch cinen Entropiezuwachs dar. In Festk6rperreaktionen gleichen sich beide Tendenzen oft aus, so dass ~RS einen Wert nahe 0 J K-1 mOrl aufweist. Reaktionen, bei denen Gase verschwinden bzw. gebildet werden, sind mit starken Entropieiinderungen verbunden.
Reaktionen in fliissiger Phase sind vor allem immer dann mit einer Entropieiinderung verbunden, wenn sich die Teilchenzahlen in ihren Solvathiillen iindem. Fiir die Reaktion H+ (aq) + OR (aq) ~ H20 (1) betriigt ~RS0 (298,15 K) = 80,7 J K-1 mol", weil die Ionen stak solvatisiert sind, also H20-Molekiile freigesetzt werden.
Triebkraft spontaner Vorgange in geschlossencn Systemcn, die Freic Enthalpie Der Exkurs zu Reaktionsentropien schlieBt Aussagen zu Entropieanderungen in geschlossenen Systemen bereits ein. Wir erkennen, dass dort sehr wohl negative Entropieanderungen (Entropieabnahmen) auch bei freiwillig ablaufenden Reaktionen m6glich sind. Urn nun fiir Reaktionen auch in geschlossenen Systemen ein Kriterium der Freiwilligkeit ihres Ablaufens finden zu konnen, greifen wir wieder auf die Aussagen zu abgeschlossenen Systemen (Kapitel 2.8.2) zuriick. Geschlossene Systeme k6nnen zusammen mit ihrer Umgebung als abgeschlossen betrachtet werden. In abgeschlossenen Systemen laufen Vorgange bekanntermaBen dann freiwillig ab, 2.8.4
wenn Entropie produziert wird ~Sges. = ~Ssys.
(~Sges.
+ ~S Umgeb. > 0
> 0).
2.8 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
105
T
• qrev.
Umgebung Abb. 2.7: Energieaustausch zwischen einem Teilsystem und Umgebung im abgeschlosscnen System
Stellen wir uns entsprechend Abbildung 2.7 ein System vor, das Warme reversibel an die Umgebung abgibt. Die Entropieanderung der Umgebung resultiert dann aus der bei konstanter Temperatur aufgenommenen Warmemenge Qrev. Die Temperatur kann als konstant angesehen werden , wenn die Umgebung als sehr groB angenommen wird und auf Grund ihrer Grolie sich die Temperatur trotz Warmezufuhr nicht andert. Das System nimmt dabei die Umgebungstemperatur an. Fur die bei konstantem Druck ausgetauschte molarc Warme gilt: (2.40) Damit lasst sich die Anderung der Gesamtentropie mit Zustandsgrolsen erfassen, die nur das geschlossene Teilsystem beschreib en:
(2.41)
Urn die Aussage von Gleichun g (2.41) zu vereinfachcn, definierte J. W. Gibbs eine weitere Zustandsgrolle G, die sich aus S, T und H zusammensetzt und die Freie Enthalpie heiBt. Fur ein Mol gilt dann: G=H-T ·S
(2.42)
Angebbar sind, wie bei U und H, keine Absolutwerte der Freien Enthalpie , sondem nur Anderungen von G 1 auf Gz. (2.43)
2 Chemische Thermodynamik
106
Bei Standardbedingungen gelangt man zur Anderung der Freien Standardenthalpie (2.44) Durch Multiplikation mit -T erhalt der mittlere Term in Gleichung (2.41) die Form einer Freien Enthalpiedifferenz. Gleichzeitig kehrt sich dabei das Ungleichheitszeichen urn. Fur freiwillig ablaufende Vorgange in geschlossenen Systemen gilt folglich: LlG = LlH - T . LlS < 0
(2.45)
FUr Systeme im Gleichgewicht ist die Anderung der Gesamtentropie des aus dem System und seiner Umgebung gebildeten abgeschlossenen Systems gleich Null . Demzufolge tritt im Gleichgewichtszustand auch keine Anderung der Freien Enthalpie auf (LlG(Gleichgewicht) = 0). Vorgange, bei denen die Freie Enthalpie zunimmt (LlG > 0), laufen in der Natur nur erzwungen oder spontan in Gegenrichtung abo Die thermodynamische Gleichung (2.43) gilt fiir alle Vorgange in geschlossenen Systemen, natiirlich auch fiir chemischen Reaktionen. Fur die Freie Reaktionsenthalpie chemischer Reaktionen gilt: (2.46) Die Freie Reaktionsenthalpie LlRG erhalt man in Analogie zur Reaktionsenthalpie LlRH auch aus
~ RG = LV i'~FGi- LV i '~FGi Produkte
(2.47)
Edukte
LlFG reprasentiert die Freie Bildungsenthalpie. Die Freien Standardbildungsenthalpien LlFG0 (p = 1 bar) sind tabelliert. Fur die Freien Standardbildungsenthalpien der Elemen-
te in ihrer bei 25°C thermodynamisch stabilen Modifikation ergibt sich auf Grund der in Kapite1 2.3 diskutierten Differenzbildung wieder der Wert von 0 kJ mOrl. Berechnet man z. B. die Freie Reaktionsenthalpie der in diesem Abschnitt wiederholt angesprochen Glucoseoxidation, so erhalt man:
oder:
107
2.8 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
!'J. R G '" =
LVi' Pr odukte
!'J. FG'" i
-
L V i' Ausgangsstoffe
!'J. FG'" i
=
([6.(-394)+ 6.(-237)] - [(-911)+ 6 · O]}kJ. mol- l
=
-2875kJ · mol'
Die Abweichung zwischen beiden Werten tritt in Folge von Rundungsfehlem bei den verwendeten Tabellenwerten auf. Der stark negative Wert von ~RG0 besagt, dass unter Standardbedingungen (aile Stoffe 1iegen rein vor, s. S. 83) die Reaktion eine starke Tendenz hat, von links nach rechts spontan zu verlaufen. Bei einer eventuellen Berechnung der Freien Standardreaktionsenthalpie ~RG0 nach Gleichung (2.46) muss man ~RH0 aus den tabellierten Standardbi1dungsenthalpien berechnen. ~RS0 erhalt man unter Verwendung der Standardentropiewerte entsprechend Gleichung (2.39). Aus Gleichung (2.46) lasst sich beziiglich eines moglichen freiwilligen Ablaufs fur chemische Reaktionen feststellen: ~H
~S
Folgerung tiber die Freiwilligkeit eines Vorgangs
>0 0 bei niedriger Temperatur begi.instigt, da dort wahrscheinlicher ~RG
~RG
< 0
< 0 wahr-
Vorgange vom Typ c) bezeichnet man als enthalpiegetriehen. Als Beispiel sei die Knallgasreaktion angefiihrt, auch wenn sie bei Norma1bedingungen kinetisch gehemmt ist. Reaktionen vom Typ d) heif3en entropiegetriehen. Hier sind die bereits erwahnten endothermen Salzauflosungen im Wasser bzw. die Umsetzung von NH4SCN mit Ba(OH)2 . 8 H20 als Beispiele anfiihrbar. Die Anderung der Freien Enthalpie der chemischen Umsetzung A + B ~ C + D lasst sich in Abbildung 2.8 verfolgen. Die Reaktion startet mit den Ausgangsstoffen A und B. Mit wachsender Konzentration von C und D sinkt die Freie Enthalpie des Systems
(~RG
< 0) bis das Minimum der Enthalpiekurve erreicht ist. Ein weiteres Fort-
2 Chernisch e Therrnodynarnik
108
schreiten der Reaktion wiirde zu positiven Reaktion fiihren.
~RG-Werten
und damit zur Umkehrung der
G
t
A+B~C+D
t
nur A+B
Zusammensetzung des Reaktionssystems
t
nur C+D
Abb. 2.8: Andcrung der Freien Entha1pie wahrend einer chemischen Reaktion
Am Minimum der Freien Enthalpie hat sich das Gleichgewicht mit ~RG = 0 eingestellt und die Reaktion ihre thermodynamische Triebkraft verloren. Dies bedeutet keineswegs , dass das Reagieren zwischen den Teilchen aufhort. Wir haben es mit einem dynamischen Gleichgewicht aus Hin- und Riickreaktion zu tun. Makroskopisch jedoch, im Sinne einer mit thermodynamischen Groflen beschreibbaren Zustandsanderung, tritt keine Veranderung mehr auf. Zum Verstandnis der Namensgebung fiir ~G schauen wir uns nochmals die Formulierung der Differenz einer Freien Enthalpie in Gleichung (2.43) an. Sie ist die urn das Entropieglied T . ~S reduzierte Enthalpieanderung und verkorpert den als Arbeit nutzbar zu machenden Anteil ausgetauschter Warme. Im Entropieglied ist demnach der Anteil der degradierten und nicht mehr in Arbeit iiberfiihrbaren Warme enthalten. Es verkorpert den Wiirmetribut, den jeder in der Natur ablaufende Vorgang und damit auch jede chemische Reaktion an ihre Umgebung zu leisten hat. Bei Reaktionen, in denen keine Volumenarbeit geleistet wird , entspricht der Warmeaustausch der Anderung der Inneren Energie. Analog zur Freien Enthalpie definierte H. v, Helmholtz bereits 1892 die Freie Energie A die ebenso eine Zustandsgrolie darstellt: A= U - T . S bzw.
~A= ~U
- T . ~S
109
2.9 Th ermody namik chemischer Gleichgewichte
/),A wird bei isochorer Durchfiihrung als Krit erium fiir die Freiwilligkeit einer chemischen Reaktion genommen. Fur mogliche freiwillige Reaktionsablaufe bzw. erreichte Gleichgewichtszustand e gilt wieder M~ O.
Zustandsfunktionen von lonen Beim Aufsuchen thennodynamischer Daten von lonen in Tabellenwerken fallt auf, dass die Freie Bildungsenthalpie des Wasserstoffions den Wert 0 kJ morl hat, obwohl das Ion keine E1ementverbindung ist. Urspriinglich wurden nur fiir Elemcntverbindungen die Bildungsenthalpien, die Bildungsentropien und damit die Freien Bildungsenthalpien bei Standardbedingungen und 298,15 K gleich 0 kJ morl gesetzt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass es fiir lonen zweckrniilliger ist, ein eigenes Bezugsniveau festzulegen. Dieses Bezugsniveau ist das vollstandig solvatisierte Wasserstoffion bei einer Molalitatsaktivitat von ffiaH+ = 1 bzw. fiir Berechnungen in biologischen Systemen ffi aH+ = 10"7. Die Berechnung weiterer Enthalpicwerte erfolgt dann gemaf dem Hessschen Satz lediglich durch Subtraktion bzw. Addition , so dass das unterschiedliche Bezugsniveau fiir lonen und ungeladene Teilchenarten nicht stort. Fur das solvatisierte OH" -Ion erhalt man z. B. aufdiese Weise: /),FG 0 (OH" (aq) = /),FG0 (H20) + /),RG0 (H20
== H+ + OH") - /),FG0
(H+ (aq)
= (-237,00 + 79,89 - 0) kJ . mor l =-157, 11 kJ . mor l
2.9
Thermodynamik chemiseher Gleichgewichte
2.9.1 Die van't Hoffsche Reaktionsisotherme Die Reaktionsisothenne beschreibt die Abhangigkeit der Freien Reaktionsenthalpie von den Zusammensetzungsgrollen der Edukte und Produkte in einem Reaktionsgemisch. 1m einfachsten Fall, dass namlich die reagierenden Stoffe ideale Gase sind und als Zusammensetzungsgrollen deren Partialdriicke fungieren, benotigen wir zuallererst eine Gleichung, die die Druckabhangigkeit der molaren Freien Enthalpie G beschreibt. Diese Gleichung soll aus der Definitionsgleichung G = H - TS abgeleitet werden. Anderungen von G werden allgemein durch sein totales Differential dG erfasst. Es beriicksichtigt die Anderungen von allen drei Zustandsgroflen, aus denen G sich zusammen setzt. Liegen wie im Falle des Terms TS Produkte aus zwe i veranderlichen Grolien vor, wird nach der Produktenre ge1 differenziert, das heiBt, nacheinander wird immer cine GroBe konstant gehalten und die andere differenziert. Fur dG erhalt man somit: dG =dH- d (TS) = dH-TdS-SdT
(2.4 8)
2 Chemische Thermodynamik
110
Fur das totale Differential der Enthalpie (H = U + pV) erhalt man analog: dH = dU + P . dV + V . dp
(2.49)
Die Anderung der Inneren Energie entspricht nach dem 1. Hauptsatz der ausgetauschten Wiirme und der am System verrichteten Volumenarbeit: dU =8Q-p· dV
(2.50)
Daraus folgt fur dH in Gleichung (2.49) dH=8Q +V· dp
(2.51)
Die ausgetauschte Warme 8Q kann als reversible Warme betrachtet werden (8Qrev). Damit gilt unter Einbeziehung der Clausiusschen Entropiedefinition: SQTrev = dS
bzw.
~ Q rev = T· d S
U
dH = T . dS + V . dp
(2.52)
Damit vereinfacht sich Gleichung (2.48) zu: dG = V . dp - S . dT
(2.53)
Die Beziehung (2.53) verdeutlicht (V und S sind stets positiv), dass bei konstantem Druck die Freie Enthalpie eines Systems mit steigender Temperatur abnimmt, dass sie andererseits bei konstanter Temperatur mit steigendem Druck zunimmt. Da wir einen isothermen Vorgang zwischen idealen Gasen betrachten, vereinfacht sich die Gleichung (2.53) weiter zu:
R ·T
dG= V·dp= - · d p p
(2.54)
Durch Integration erhalt man aus der Gleichung (2.54): G,
Ll G =
P'dp
P
fdG = R · T · f-P = R · T -In PI
---l.
GI
PI
(2.55)
III
2.9 Thermodynamik chemischer Gleichgewichte
Fiir GI wahlt man zweckmiil3igerweise die Freie Standardenthalpie. Der zugehorige Partialdruck PI betragt dann 1 bar. Da der Druck P2 in der gleichen Einheit angegeben wird, stellt der Quotient der Partialdriicke einen reinen Zahlenwert dar (symbolisiert
durch {Pi}) und LlGvereinfacht sich zu: LlG = G2-G0 = R . T -ln {P2} und allgemein G = G0 + R . T -ln {p}
(2.56)
Fur die Freie Bildungsenthalpie LlFG gilt analog:
Betrachtet man eine chemische Reaktion v A A
+ VB B -+
Vc
C +
VD
D ,so ergibt
sich die Freie Reaktionsenthalpie LlRG als Differenz der Sumrnen der gewichteten Freien Bildungsenthalpien der Produkte und der Ausgangsstoffe.
Den Ausdruck hinter dem Logarithmus in Gleichung (2.57), der die Zusammensetzung des vorliegenden Reaktionsgemisches beschreibt, nennt man kurz Reaktionsquotient Q. Handelt es sich bei den reagierenden Stoffen nicht urn ideale Gase, sondem urn ideale
Losungen (meist Losungen von lonen), so sind im Reaktionsquotientcn deren standar= "m/ l mol . ki1Lsgm = {Cm} ) zu benutzen. Dies hangt
disierte Molalitiiten ( cml m 0
damit zusamrnen, dass die tabellierten Zustandsfunktionen Ll FG0 sich auf cm 0 = 1 mol/kg Losungsmittel beziehen. In verdiinnten Losungen (Cm < 1 mol/kg Losgsm.) kann naherungsweise auch mit den standardisierten Molaritaten ( c/c 0
= c/
l mol .
r' Losg =
{c}) gerechnet werden. Dies ist wichtig, weil im Labor benotigte Losungen meist mit Mal3kolben hergestellt bzw. verdiinnt werden und deshalb molaritatsbezogen sind. Fur fliissige und feste Stoffe beziehen sich die Tabellenwerte von Ll FG0 auf ihren reinen Zustand mit dem Molenbruch X = 1. Deshalb werden fiir diese Stoffe in der Reaktionsisothermen ihre Molenbriiche verwendet. Nehrnen an der Reaktion sowohl Gase als auch Flilssigkeiten bzw. reine Stoffe oder geloste Teilchen bzw. lonen teil, dann kann es im Reaktionsquotienten Q und auch im entsprechenden Gleichgewichtsquotienten, durchaus zu gemischten Ausdriicken komrnen, in denen sowohl Partialdriicke, als auch Molenbriiche bzw. Molalitaten oder Molaritaten enthalten sind.
2 Chemische Thermodynamik
112
Haufig sind die Reaktionsmisehungen nieht ideal, was daran zu erkennen ist, dass bereits beim Misehen, auch ohne dass eine chemische Reaktion ablauft, merkliche Warmeeffekte bzw. Volumenanderungen auftreten. Im Reaktionsquotienten Q der Reaktionsisothermen werden die zwischenmolekularen bzw. interionischen Wechselwirkungen beriicksichtigt, indem anstelle der Werte der Zusammensetzungsgriiflen ({Pi}, Xi, {Cmil , {c.j ) deren A ktivitiiten verwendet werden. Die Aktivitaten ergeben sich aus den Werten der Zusammensetzungsgrofien durch Multiplikation mit einem Aktivitiitskoeffizienten , der fur die jeweilige Zusammensetzung charakteristisch ist : Zustand
Art der Aktivitat
Gas
D ru ckaktivitdt
Pa=Pf· {p}
Flussigkeit oder Feststoff
Alolen bruchakuvuiit
xa=xf· X
Geloster Stoff oder Ion
AIolalitiitsaktivitiit
ma=mf · {m}
Konzentrationsaktivitdt
ca=cf· {c}
oder
Den Aktivitatskoeffizienten Pf bezeichnet man aueh als Fugazitiitskoeffizient und sein Produkt mit dem Partialdruck Pf . pals Fugazitiit. Die Akti vitatskoeffizienten haben in idealen Systemen den Wert I, in realen Systemen sind sie meist kleiner als 1. Die Akti vitaten sind GraBen ohne Einheit. Die Reaktionsisotherme fiir den allgemeinen Fall, der ideale und reale Gemische cinschlieBt, ist mit Aktivitaten zu formulieren, zum Beispiel:
(2.58)
Diskutieren wir die Anwen d ung der R caktionsisotherme (2.58) an zwei Beispielen: Beispiel l Gelingt unter Annahme von Standardbedingungen die Umwandlung von Kalziumkarbonat in Br anntk alk und C02 bei R aumte mper atur ?
CaC0 3 ~ CaO + C0 2
11 G = 11 GO + R. T.ln X eao ' {Peo) R
R
Xeaeo,
113
2.9 Thermodynamik chemischer Gleichgewichte
Die Molenbriiche reiner kondensierter Phasen sind I. Die Freie Standardreaktionsenthalpie ist fiir diese Reaktion positiv (stark endotherm, ARH 0 » 0). Die Freie Enthalpie wird dano negativ, weno es gelingt den Partialdruck des C02 so stark abzusenken, dass IR. 298K ·10Pco, I> !J. R0 0 = 132 kJ . mOr l gilt. Der C02 Partialdruck miisste dano in der Grollenordnung von 10-23 bar liegen. Beispiel 2 Fur die Bildung von Ammoniak aus den Elcmenten bei 25 °C erhiilt man eine negative Freie Standardreaktionsenthalpie (AR00 < 0). Die Reaktion lauft nur wegen ihrer kinetischen Hemmung nicht spontan abo Urn die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhohen, wird die Reaktion bei erhohter Temperatur (in Deutschland bei ca. 450 DC) durchgefiihrt, Wegen der Verringerung der Teilchenzahl verringert sich bei der Ammoniaksynthese die Entropie:
ARS 0(298,15 K) = 2 . S0(NH3) - [3 . S0(H2) + S0(N2)] = (2· 192,45 - 3 . 130,68 - 191,61) J mOrl 1 = -198,8 J mol" K
x:'
Wegen ARGO = ARH0 -T·ARS 0 wirkt sich die negative Reaktionsentropie besonders bei hoher Temperatur ungiinstig auf ARGO und damit auf die Lage des Gleichgewichts aus. Die Freie Reaktionsenthalpie kano wieder verkleinert werden, weno entsprechend o {PNH, }2 !J. RG=!J. RO +R.T 'ln {}3 } PH, . {PN,
durch Druckerhohung ein geeigneter Druckquotient gewahlt wird. Urn eine wirtschaftlich tragbare Ausbeute zu erhalten, wird in Deutschland bei ca. 300 bar gearbeitet. Die Druckerhohung auf 300 bar vergrOBert zwar alle Partialdriicke im Reaktionsgemisch, wirkt sich aber entsprechend der Reaktionsgleichung auf den Nenoer des Druckquotienten stiirker aus als auf den Zahler. Die Kurzform dcr Reaktionsisothermen Erreicht eine Reaktion den Gleichgewichtszustand, so wissen wir, dass die Freie Reak-
tionsenthalpie ARG den Zahlenwert null hat. Der Reaktionsquotient in der Reaktionsisothennen wird dann zur Gleichgewichtskonstanten K, und wir erhalten eine sogenanote Kurzfonn der Reaktionsisothennen:
bzw.
(2.59)
2 Chemische Thermodynamik
114
Die aus LlRG 0 berechnete Gleichgewichtskonstante K bezeichnet man auch als wahre oder thermodynamische Gleichgewichtskonstante. Da LlRG0, R und T konstante GroBen sind bzw. als konstant festgelegt sein konnen, ist auch K eine echte Konstante . Daraus folgt, dass zur Sicherheit zunachst der Massenwirkungsquotient immer mit Aktivitiiten zu fonnulieren ist. 1m Nachh inein kann man dann entscheiden, ob das System sich annahernd ideal verhalt, und die Werte der Zusammensetzungsgrollen anstelle der Aktivitaten benutzt werden konnen. Die Beziehung (2.59) ist eine der wichtigsten Gleichungen der chemischen Thennodynamik. Mit ihrer Hilfe kann man aus den tabellierten thennodynamischen Zustandsfunktionen LlFG0 bzw. LlFH0 und SO auch fiir Reaktionen, die messtechnisch schwer zuganglich sind - wie z.B. die Ammoniaksynthese bei 25 °C - Gleichgewichtskonstanten berechnen und so beispielsweise abschatzen, ob sich die Suche nach Katalysatoren uberhaupt lohnt. Umgekehrt kann man natiirlich auch K experimentell ennitteln und daraus LlRG0 berechnen. Wie man die Kurzform der Reaktionsisothermen nutzt, zeigen folgende Beispiele: Beispiel! Ein interessanter Fall ist die Berechnung des Loslichkeltsproduktes von AgCl. Der Berechnung liegt das Gleichgewicht AgCI (s)
+:t Ag" (aq) + cr (aq) zugrunde. Die Be-
rechnung der Freien Standardreaktionsenthalpie LlRG0 erfolgt aus den tabellierten Freien Standardbildungsenthalpien. Die fur 298,15 Kin kJ mol" angegebenen Werte betragen fiir AgCI (s): -109,79 , Ag" (aq): 77,11 bzw. cr (aq) -131 ,23. Mit diesen Werten ergibt sich Ll RG0
=
55,67 kJ mol" . Aus der Kurzfonn der Reaktionsisothenne folgt ein
Wert der Gleichgewichtskonstante von K = 1,8.10-10. Der zu K gehorende Massenwirkungsquotient ist aufgrund der zuvor geschilderten ZumaAg+·m a
sammenhange mit folgenden Aktivitaten zu fonnulieren:
K=
cl
-
--':':x 7'---=-
a AgC1
Geht man von reinem Silberchlorid aus, so ist die Molenbruchaktivitat XaAgCI gleich 1 und kann entfallen. Der Massenwirkungsquotient vereinfacht sich zur sogenannten Loslichkeitskonstanten KL = maAg+ . m acl- . Eine weitere Vereinfachung ist moglich, wenn das Silberchlorid in reinem Wasser gelost wurde . Da Silberchlorid sehr schwer loslich ist, liegen sehr geringe Ionenkonzentrationen vor, und die Aktivitatskoeffizienten sind nahezu 1. Das sich ergebende Produkt L = {CmAg+}·{Cmct-} = {CAg+} '{Cct-} wird gemeinhin als Liislichkeitsprodukt bezeichnet und gelegentlich zuziiglich der entsprechenden Einheit angegeben. Experimentell ergibt sich fiir 20°C L, = 1,61·10-lOmol2 r 2, also eine gute Ubereinstimmung mit dem aus LlRG 0 fur 25°C berechneten Wert K L = 1,8.10-10•
115
2.9 Thermodynamik chemischer Gleichgewichte
Beispiel 2 Experimentell ennittelte Grolien werden benutzt, urn zu neuen Tabellenwerten fur Zustandsfunktionen zu gelangen. Das Ionenprodukt von reinem Wasser K w = mall+·m aow ist durch viele Messungen heute sehr genau bekannt. Es betragt bei 25°C Kw = 1,008 . 10-14 . Kw soil der Ausgangswert zur Berechnung der Freien Standardreaktionsenthalpie fiir die Dissoziation des Wassers sein. Das Ionenprodukt des Wassers ist mit dem Massenwirkungsquotienten des Dissoidentisch. Unsere Betrachtungen gelten fiir
ziationsgleichgewichtes K =
reines Wasser, in dem die Ionenstarke vemachlassigbar gering ist. Deshalb kann man an Stelle der Aktivitaten der Ionen ihre Molalitaten benutzen, und die Molenbruchaktivitat des undissoziierten Wassers x aH20 kann annahemd gleich 1 gesetzt werden. Durch Einsetzen von Kw in die Kurzfonn der Reaktionsiothenne erhalt man fiir 25°C die Freie Standardreaktionsenthalpie fiir die Dissoziation des Wassers:
LiR G0
=
-R· 298,15 K -In 1,008 .10- 14 = 79,89 kJ·
mOrl.
2.9.2 Die van't Hoffsche Reaktionsisobare Die Reaktionsisobare beschreibt die Abhangigkeit der Gleichgewichtskonstanten K von der Temperatur. Die Reaktionsisobare kann foIgendennaBen abgeleitet werde: Unter isothenn-isobaren Bedingungen gilt fiir die Freie Standardreaktionsenthalpie (siehe 2.44)
Mit der Kurzfonn der Reaktionsisothennen Gl. (2.59) ergibt sich bzw.
6. H 0 lnK= __ R_ R ·T
t
6.
(2.60)
S0
_ R-
R
(2.61)
In Kist eine Funktion der Temperatur. Will man eine Gleichung erhalten, in der zwei Temperaturen mit den zugehorigen Gleichgewichtskonstanten verkniipft werden, ist dies iiber die Ableitung von Gleichung (2.61) nach dT Ieicht moglich, Setzt man voraus, 0
dass LiRH und LiRS0 im betrachteten Temperaturintervall als konstant angesehen werden konnen, ergibt die Ableitung:
2 Chemische Thermodynamik
116
d (lnK) dT
1l RH 0 = R ·T2
(2.62)
Nach Separation der Variab1en und nachfo1gender Integration der Funktion innerha1b der Grenzen In K, und In K2 bzw . T 1 und T2 erhalt man :
(2.63)
~RH wird fiir ein kleines Temperaturintervall als konstant angesehen. Ansonsten erfolgt die Umrechnung mittels Kirchhoffschem Gesetz. Die Beziehungen (2.61) bis (2.63) bezeichnet man als van't Hoffsche Reaktionsisobare. Mit der van 't Hoffschen Reaktionsisobaren lassen sich aus Gleichgewichtsdaten Standardreaktionsentha1pien bzw. Standardreaktionsentropien ermitteln oder die G1eichgewichtskonstante einer gegebenen Temperatur auf die Konstante einer weiteren Temperatur umrechnen. Wird z. B. die G1eichgewichtskonstante bei verschiedenen Temperaturen experimentell bestimmt, so kann die mitt1ere Standardreaktionsentha1pie im untersuchten Temperaturbereich grafisch aus dem Anstieg der Funktion In K = f(lff) ermitte1t werden.
Abb . 2.9: Ermitt1ung thermodynamischer Gro1fT
Hen aus Gleichgewichts-
daten einer Reaktion Die mitt1ere Standardreaktionsentropie wird aus dem Ordinatenabschnitt der Geraden zuganglich, Bei endothermen Reaktionen erhalt man , wie in Abbildung 2.9 gezeigt, eine 1l H 0 > 0 und die R Gerade besitzt einen positiven Anstieg. Dam it spiegelt der Kurvenverlauf in Abbildung 2.9 1etztlich auch die Aussage des Prinzips von Le Chatelier wider, dass in endothermen
fallende Gerade. Bei exothermen Reaktionen (~RH0 < 0) wird -
_ R-
2.10 Das chemische Potenzial
117
Reaktionen mit steigender Temperatur (liT wird kleiner) die Gleichgewichtskonstante wachst (Verschiebung des Gleichgewichts auf die Seite der Reaktionsprodukte). Wie mit Hilfe der Reaktionsisobaren aus der Abhangigkeit der Gleichgewichtskonstanten von der Temperatur die Reaktionsenthalpie berechenbar ist, lassen sich auch Enthalpieanderungen anderer Prozesse ermitteln, indem man anstelle der Gleichgewichtskonstanten andere, das Gleichgewicht charakterisierende Grolien, einsetzt. So lasst sich z. B. aus der Abhangigkeit des Dampfdruckes von der Temperatur die Verdampfungsenthalpie ermitteln: d(ln p) fj, vapH 0 ~= R·T 2
(2.64)
Die Beziehung (2.64) heiBt Clausius-Clapeyronsche Gleichung.
2.10
Die Beschreibung realer Systeme mit partiellen Grimen, das chemische Potenzial
Im vorangehenden Abschnitt wurde erlautert, wie die Zusammensetzungsgrolien durch Einfiihrung von Aktivitatskoeffizienten den intermolekularen bzw. interionischen Wechselwirkungen Rechnung tragen, und so die thermodynamische Wirksamkeit der Teilchen in realen Gernischen erfasst werden kann. Eine naheliegende Konsequenz der intermolekularen Wechselwirkungen ist, dass viele molare Zustandsgrofsen, insbesondere das Molvolumen und die Zustandsfunktionen G, H und S keine konstanten Grofsen mehr sind , sondem von der jeweiligen Zusammensetzung des Gemisches abhangen, Am Beispiel der Freien Enthalpie solI erlautert werden, wie man mit diesem Problem umgeht. Der Ansatz besteht darin, dass man untersucht, wie sich die Freie Enthalpie einer Mischung andert, wenn man 1 Mol des betrachteten Stoffes dem Gemisch zusetzt und gleichzeitig dafiir sorgt, dass die Temperatur, der Druck und die quantitative Zusammensetzung nahezu konstant bleiben. Die Konstanz der genannten Zustandsgrolien lieBe sich praktisch einigermaBen realisieren, wenn die zugegebene Stoffinenge im Vergleich zum vorhandenen System relativ klein ist. Am besten ware es, dem System nur eine infinitesimal kleine Stoffmenge zuzufiigen und den Bezug auf die Zugabe von 1 Mol rechnerisch herzustellen, indem die nun auch infinitesimal kleine A.nderung der Freien Enthalpie des Systems durch die Stoffmengenanderung dividiert wird. Diese Betrachtung fiihrt zu einer neuen molaren Zustandsgrolle, dem sogenannten Chemise/ten Po-
tenzial j.l
:
(2.65)
2 Chemische Thermodynamik
118
In dieser Definition bedeutet
ag
die extensive Zunahme der Freien Enthalpie des Sys-
tems bei Vermehrung der Stoffinenge von i urn ani. Die Indizierung mit T, p und n soll hervorheben, dass die Temperatur, der Druck und die Mengen der iibrigen Stoffe - auBer i - konstant bleiben sollen. Von mehreren moglichen Variablen wird also nur eine, bei Konstanz der anderen, verandert. Deshalb werden die fiir infinitesimal kleine partielle Anderungen in der Mathematik iiblichen Operatorensymbole
averwendet. Durch
die Division der extensiven Anderung der Freien Enthalpie des Systems
ag durch
die
Stoffmengenanderung ani erhalt man die molare GraBe !-!i. Solche molaren GraBen, die auf die geschilderte Art und Weise entstehen, heiBen in der Physikalischen Chemie par-
tielle Groflen . Das chemische Potenzial !-!i ist somit identisch mit G j , der partiellen molaren Freien Enthalpie des Stoffes i im System der gegebenen Zusammensetzung. Neben dem chemischen Potenzial als partieller molarer Freier Enthalpie sind die wichtigsten partiellen Grolien: partielles molares Volumen
~ = (BY / ani) T,p,n ,
partielle molare Enthalpie
H.
=
(ah / anih,p,n
partielle molare Entropie
Sj
=
(as /
,
anih,p,n
Der Querstrich iiber dem Symbol ist das Kennzeichen von partiellen Zustandsgrollen. Aus den obigen Betrachtungen folgt, dass die Werte der partiellen Grofsen von der konkreten Zusammensetzung abhangen. Will man mit ihnen ein praktisches Problem losen, miissen sie zuvor fiir die zu untersuchende Mischung ermittelt werden. Dies lasst sich nach bestimmten Verfahren, die hier nicht besprochen werden konnen, durchflihren, ist aber mit erheblichem Aufwand verbunden. Bei vielen Fragestellungen geniigen Naherungslosungen, und man wird dann auf die bekannten Tabellenwerte fiir ideale Systeme zuriickgreifen. Unabhangig von den praktischen Schwierigkeiten haben die partiellen Groben einen allgemeineren Geltungsbereich. Sie sind nicht auf den Idealzustand beschrankt, sondem schlieBen ihn als Grenzfall mit ein. In der Physikalischen Chemie spiegelt sich dies insofem wider, als viele thermodynamische Gleichungen, die filr Mischphasen Bedeutung haben (zum Beispiel Gleichungen fiir den osmotischen Druck, fiir die Siedepunktserhohung, fiir die Gefrierpunktsemiedrigung, fiir den Einfluss von fremden Ionen auf die Loslichkeit eines Salzes usw.) zunachst unter Verwendung der partiellen Grollen abgeleitet werden, urn sie dann gegebenenfalls vereinfachend fiir den Idealfall umzuformulieren. Fur diese Ableitungen benotigt man Gleichungen, die die Abhiingigkeit des chemischen Potenzials einer Teilchenart von den Aktivitaten wiedergeben. In integrierter Form ahneln sie der Gleichung (2.56), die die Abhangigkeit der Freien Enthalpie vom
2.10 Das chemische Potenzial
119
Partialdruck eines idealen Gases beschreibt. Fiir die Abhangigkeit der Druckaktivitat und der Molalitatsaktivitat lauten sie beispielsweise: f.l = pf.l 0 + RTln Pa
f.l = Pf.l 0 + RTln {p} + RTln "f
(2.66) (2.67)
Die Symbole {p} und {em} in den Gleichungen (2.66) und (2.67) stehen fiir standardisierte Partialdriicke bzw . standardisierte Molal itaten, also fiir dimensionslose Gr6Ben. In diesen Gleichungen - wie in den entsprechenden Gleichungen fur den Molenbruch bzw. fiir die Molaritat - spiegelt sich anschaulich wider, wovon in einem realen System das chemische Potenzial (das Potenzial, reagieren zu konnen) abhangt, Handelt es sich urn ein Gas (Gleichung 2.66), so ist fiir seine Reaktionsbereitschaft (auch als chemische Affinitat bezeichnet) zunachst sein chemisches Potenzial im Standardzustand p).l0 (also beim Partialdruck 1 bar) bestimmend. Im 2. Term der rechten Seite kommt zum Ausdruck, dass sein chemisches Potenzial urn einen entsprechenden Betrag erhoht (verringert) wird, wenn sein Partialdruck gr6Ber (kleiner) als 1 bar ist. Der 3. Term spiegelt wider, dass bei verandertem Druck sich auch die intermolekularen Wechselwirkungen verandern werden. Da erhohter Druck mit erh6hten intermolekularen Wechselwirkungen einhergeht und der Aktivitatskoeffizient Pf dann kleiner als 1 ist, wird der 3. Term negativ ausfallen, und das durch den erh6hten Druck zunachst (2.Term) vergr6Berte chemische Potenzial wird wieder etwas verringert. Analog waren die anderen Gleichungen zu interpretieren. Das chemische Potenzial hat in realen Systemen die gleiche Bedeutung wie die Freie Enthalpie in idealen Systemen. Gleichgewicht herrscht zwischen Stoffen, wenn ihre chemischen Potenziale gleich sind. Dies gilt auch fiir Phasengleichgewichte. Liegt kein Glcichgewicht vor, geht Stoff aus der Phase mit dem hoheren Potenzial in die Phase mit dem niedrigeren Potenzial iiber, Aus der Gleichsetzung der chemischen Potenziale im Gleichgewichtszustand und ihrer Abhangigkeit von den Aktivitaten leiten sich viele thennodynamische Gleichungen fiir reale Systeme ab, auf die oben bereits verwiesen wurde.
2 Chemische Thermodynamik
120
2.11 Ubungsaufgaben zu Kapitel 2 1.
Berechnen Sie die Volumenarbeit, die bei der Verdampfung von 18 g Wasser bei 100 °C und Normaldruck geleistet wird, wenn sich der Wasserdampfwie ein ideales Gas verhiilt!
2.
Berechnen Sie die Molwarmen von Wasserstoffbei 37,5 °C und von Sauerstoff bei 300 K. Verwenden Sie dazu die Potenzreihen: c, (H2): [27,72 + 33,91 . 10-4 K-1 T] J K1mor l c, (02): [25,74 + 12,99 . 10-3 K-1 T - 38,64 · 10-7 K 2 T2] J K-1morl
3.
Berechnen Sie die mittlere Molwarme fur Wasserstoff im Temperaturintervall von 25°C - 50 °C. Benutzen Sie die Potenzreihe aus Aufgabe 2!
4.
Welche Wiirmemenge ist erforderlich, urn 100 g Sauerstoffvon 25 °C auf 50 °C zu erwiirmen? Verwenden Sie die mittlere Molwarme C = 29,27 J K-l mOrl. p
5.
Die Verdampfung von 15 g Ethanol bei Siedetemperatur und 1 bar fiihrt zu einem Gasvolumen von 9,1 1. Berechnen Sie die Anderung der Inneren Energie, wenn die Verdampfungsenthalpie ~vapH0 (351,5 K) = 42,45 kJ mOrl betriigt!
6.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie fiir die nachfolgende Reaktion: F2 (g) + H20 (I) ~ 2 HF (g) + Y2 0 2 (g) ~FH0 (HF, g) = -269 kJ . mol" ; ~FH0 (H20, I) = -285 kJ . mol"
7.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie der Oxidation von Methanol zu Ameisensaure aus den Standardverbrennungsenthalpien! Mischungseffekte sollen unberiicksichtigt bleiben. ~CH0 (CH30H) = -727 kJ . mol" ; ~CH0 (HCOOH) = -270 kJ . mOrl
8.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie fur die Oxidation von Stickstoffmonoxid gemiiB der Gleichung: 2 NO + 02 ~ 2 N02 ~FH0 (NO) = +90,43 kJ . mor l ~FH0 (N02) = +33,62 kJ . mor l
9.
Bei der vollstiindigen Verbrennung von 10,0 g Benzoesaure wird eine Warme von 264,6 kJ freigesetzt. Berechnen Sie fur die gleichen Reaktionsbedingungen die molare Verbrennungsenthalpie!
2.11 Ubungsaufgab en zu Kapitel 2
10.
121
Bei der im offenen Kalorimetergefaf bei 25 °C durchgefiihrten Reaktion Zn + H2S04 -) ZnS04 + H2t wird pro Mol Formelumsatz vom Kalorimeter eine Wiirmemen ge von Qp = 143,2 kJ aufgenommen. Wie groB ist die Reaktionsenergie bei der gleichen Temperatur?
11.
Berechnen Sie die molare Standardbildungsenthalpie von Wasserstoffbei 50 °C. Verwenden Sie dazu a) die mittlere Molwarme C (H ) = 28,76 J·KI·mor l bzw. p
2
b) die Potenzreihe Cp (H2) = [27,72 + 33,91 . 10-4 K 1 T ] J .Klmor l ! 12.
Ermitteln Sie die Differenz der Molwarmen der Reaktanten bci der unter Standardbedingungen und 25 °C ablaufenden Reaktion C2H2 + 2 H2 -) C2H6 aus den
Cp
c, (298 K)-Werten!
(H2) = 28,89 J.KI .mOr 1; c, (C2H2) = 46,52 J·K-1 ·mor\
c, (C2H6) = 55,06 J·K-I·mor l 13.
Welche Standardreaktionsenthalp ie erhalt man , wenn die Hydrierungsreaktion in Aufgabe 12 bei 75°C durchgefiihrt wird. Die zugehorigen mittleren Molwarmen sind: C p (H2)
=
28,97 J K-1 mOr l
Cp (C2H2) = 47,35 J K-I mOr l
Cp (C2H6) =
56,48 J K-1 mort
Der ~RH0(298 K)-Wert betragt -310,2 kJ . mOr l. 14.
Fur die Reaktion CH 4 + H20(g) -) CO + 3H2 sind die Potenzreihen zur Bestimmung der wahr en Molwarmen bekannt. Cp(CH4) = (14,15 + 7,5' 10-2 K I T - 17,53 . 10-6 K 2 T2) J K I morl Cp(H20 , g) = (28,85 + 13,74 · 10-3 K-I T - 14,36 . 10-7 K-2 T 2) J K I mOrl C, (CO) = (26, 17 + 8,75 . 10-3 K I T - 19,22 . 10-7 K 2 T2) J K-I mOrl Cp(H2)
=
(28,80 + 27,63 · 10-5 K 1 T - 11,68 . 10-7 K-2 T 2) J K-1 mOrl
Die Standardreaktionsenthalpie ~RH0 (298 K) betragt + 195,98 kJ mOr l. Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie bei 1000°C.
122
2 Chemische Thermodynamik
15.
20 g einer Fliissigkeit mit der Molmasse 42,5 g . morl werden bei Normaldruck (vergl.S.20) bei der Siedetemperatur der Verbindung (85 °C) verdampft. Der Dampf verhalt sich wie ein ideales Gas. Welche Volumenarbeit wird verrichtet?
16.
Welche Volumenarbeit wird bei der vollstandigen Verbrennung von 1 mol Tetralin (C IOH'2) bei 25°C und konstantem Druck verrichtet?
17.
Welche Arbeit wird verrichtet, wenn 3 mol O2 bei 25°C isotherm von 1 atm a) in einem Schritt b) nahezu reversibel auf einen Gleichgewichtsdruck von 7 atm komprimiert werden?
18.
Welche Wiirmemenge muss man 50 g Arnmoniak zufiihren, urn das Gas bei konstantem Druck von 25°C auf 80°C zu erwiirmen? Seine mittlere Molwiirme im relevanten Temperaturintervall betragt Cp
=
42,29 J . K' . mOrl .
19.
Die Verdampfungsenthalpie des Wassers betragt bei lOO°C +40,6 kJ . mor'. Welche Anderung der Inneren Energie tritt auf, wenn 1 mol H20 bei lOO°C verdampft wird und der Wasserdampf als ideales Gas betrachtet werden kann? Das Volumen des fliissigen Wassers bleibe unbenicksichtigt.
20.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie der Zersetzung von H20 2 bei 25°C gemiiB der Gleichung H202---+ H20 + Y2 02. Gegeben sind die Standardbildungsenthalpien: ~FH0(H202, 1, 298 K) = -187,78 kJ mor' und ~FH0(H20, 1, 298 K) = -285,83 kJ mor'.
21.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie der Zersetzung von H202 bei 328,15 K . Nutzen Sie neben den Angaben in Aufgabe 20 die mittleren Molwarmen
Cp (H202, 1) =
89,1 J K" mol"
Cp (H20, 1)
75,29 J K" mol"
Cp (02, g)
= =
29,355 J K-' mor'.
2.11 Ubungsaufgaben zu Kapitel 2
22.
123
Die Standardreaktionsenthalpie fur die Reaktion
Yz N z + YzOz ~ NO betragt bei 25°C ~FH0(298 K) = 90,25 kJ marl Berechnen Sie den Wert der Standardreaktionsenthalpie bei 500°C. Verwenden Sie zur Berechnung der wahren Molwarmen die folgenden Potenzreihen: Cp(Nz) = (27,21 + 10-3 K-l T) J K'l marl Cp(Oz) = (25,74 + 12,99 · 10-3 K-l T - 38,64 · 10-7 K-z T Z) J K-l marl C p(NO) 23.
Ethin
° + 10 2
=
(26 "
schrnilzt
bei
103,9
. 10-3 K-l T - 25 , 62 .10-7 K"z K
mit
einer
r) J K-l marl
•
Standardschrnelzenthalpie
~FusH0 = 3,35 kJ . marl. Berechnen Sie die molare Schmelzentropie.
24.
25.
1 mol Ethen wird van 25°C auf 225°C erwarmt, Welchen Wert besitzt seine Standardentropie nach dem Erwarmen, wenn S0(298 K) = 219,56 J x' marl betragt (C p: [27,88 + 0,067 K-l T] J K"l marl)? Ermitte1n Sie aus den Standardentropiewerten der Reaktanten die Standardreak-
CzHz + Hz ~ CzH4
tionsentropie fiir
S0(C zHz, 298 K) S0(H z, 298 K) S0(C zH4 , 298 K) 26.
= = =
200,94 J K-l marl 130,68 J x' marl 219,56 J x' marl .
Berechnen Sie bei 25 °C und 1 bar Druck die Freie Reaktionsenthalpie der Re-
Fz + HzO ~ 2HF + YzOz. aktion Bekannt sind die Freien Bildungsenthalpien von HF und HzO ~FG0 (HF, 298 K) = -273 ,2 kJ . marl ~FG0 (HzO, 298 K)
27.
=
-237,13 kJ . marl.
Wie grof ist die Freie Standardreaktionsenthalpie der Reaktion PbO (rot)+ Hz ~ Pb + HzO bei 25°C? Bekannt sind : ~FG0 (HzO, 1) = -237 ,13 kJ . marl ~FG0 (PbO, rot) = -188 ,93 kJ . marl.
2 Chemische Thermodynamik
124
28.
Welche der beiden Reaktionen lauft bei 25 DC und 1 bar freiwillig ab? a)
MgO+Zn~Mg+ZnO
b) ZnO+Mg~Zn+MgO Bekannt sind die Freien Bildungsenthalpiewerte der Oxide ~FG0 (MgO, 298 K) = -569,91 kJ mol"; ~FG0 (ZnO, 298 K) = -318,41 kJ mOrl.
29.
Berechnen Sie die Standardreaktionsenthalpie der Reduktion yon Blei(II)oxid bei 25 DC (Aufg. 27), wenn auJ3er den in Aufg. 27 angefiihrten Freien Bildungsenthalpien der Oxide noch die S0(298 K)-Werte der Reaktanten bekannt sind: S0(Hz, 298 K) = 130,68 J K-l mol"; S0(Pb, 298 K) = 64,811 K"l mol"; S0(HzO, 298 K) = 69,91 J K-l mol"; S0(PbO, rot, 298 K) = 66,5 J K"t mol" .
30.
Die Freie Standardreaktionsenthalpie der Reaktion COz + Hz
== CO + HzO
betragt bei 25 DC +27,21 kJ . mOrl Welchen Wert besitzt die Gleichgewichtskonstante K fiir diese Bedingungen? 31.
Stellen Sie fest, welche der Reaktionen a)
N Z04 (g) ~ 2 NO z (g)
b) 2 NO z (g) ~ Nz04 (g) bei 25 DC freiwillig ablauft, wenn die Partialdriicke p(NOz) = 0,5 bar und P(NZ04) = 1 bar betragen. Der ~RG0 (298 K)-Wert der Reaktion a) wird mit +5,4 kJ mOrl angegeben. 32.
Wie grof ist die molare Entropie des Stickstoffs bei 700 K und 1 atm, wenn S0(Nz, 298 K) = 191,62 J K-l mol" betragt und die Molwarme nach der Potenzreihe 27,21 + 0,042 T·K"1 berechnet wird?
33.
Berechnen Sie die Freie Standardreaktionsenthalpie der Reaktion 4 HCI (g) + Oz (g) ~ 2 ci, (g) + 2 HzO (1) bei 25 DC aus den Biidungsenthalpien und den Entropiewerten der Reaktanten: ~FH0 (HCI, 298 K) = -92,31 kJ mol", ~FH0 (HzO, 298 K) = -285,83 kJ mol" S0(HCI, 298 K) = 186,91 J K-l mol", S0(H zO, 298 K) = 69,91 J K-l mOrl S0(Oz, 298 K) = 205,14 J . K"l mort, S0(Clz, 298 K) = 223,07 J K-l mol",
34.
Die Verdampfungsenthalpie yon Chloroform betragt am Siedepunkt (61,7 DC) +29,4 kJ mOrl . Urn welchen Betrag erhoht sich seine Entropie beim Verdampfungsvorgang unter konstantem Druck?
125
2.11 Ubungsaufgaben zu Kapitel 2
35.
Berechnen Sie den Gleichgewichtspartialdruck von N02 bei 25°C, wenn der Partialdruck von N204 1 atm betragt und ~RG0 (298 K) der Reaktion N 204 (g) == 2 N02 (g) bekannt ist (~RG0 (298 K)
36.
=
+5,5 kJ . mol").
Gegeben sind das Ionenprodukt von reinem Wasser bei verschiedenen Temperaturen sowie die Standardbildungsenthalpie- und Standardcntropiewerte der beteiligten Teilchen bei 25 °C. S in °C 10,0 20,0 30,0 40,0 Kw ,
10
14
in moe
r2
0,2918
°
°
0,6815
1,469
2,919
OH'(aq) -230
-286
-10,8
69,9
a) Berechnen Sie an Hand der Reaktionsisobaren durch Geradenausgieich ~RH0 und ~RS0! Fur welche Temperatur gelten die ennittelten Werte? b) Berechnen Sie ~RG0 aus den Ergebnissen der TeiIaufgabe a)! c) Fur welche Reaktion haben Sie ~RG0, ~RH0 und ~RS0 berechnet? d) Entscheiden Sie sich fiir den Massenwirkungsquotienten, der zu der Reaktion und den thennodynamischen Daten gehort, Foigende Moglichkeiten sind gegeben:
n
Denken Sie daran, dass die Konzentration des Wassers durch cH,o = ~ V Losung
gegeben ist und dass das gesuchte K mit K w identisch sein muss . e) ~RG0 hat einen positiven Wert. Unter welchen Reaktionsbedingungen ist deshalb die untersuchte Reaktion nicht moglich? f) Berechnen Sie Kw fiir 25 °C. Um wie viel % weicht das Ergebnis vom gerundeten Wert 1 . 10,14 ab? g) Berechnen Sie die Entropie von Oll'(aq) aus dem Regressionswert fiir ~RS0. Gegeben sind S0(H20 (1)) = 70 J K 1 mOrl und S0(H+(aq)) = J K I mOrl. Um wie viel % weicht dieser Wert vom Tabellenwert S0(OR (aq)) = -11 J K,I mol" ab?
°
126
37.
2 Chemische Thermodynamik
Entnehmen Sie die Tabellenwerte der Freien Bildungscnthalpien und Entropien von Ag'(aq), Cl'(aq) und AgCI (s) fiir Standardbedingungen bei 298 K der Literatur. Berechnen sie daraus das Loslichkeitsprodukt von AgCl in Wasser.
2.12 Kalorimetrische Versuche zur chemischen Thermodynamik Eine kalorimetrische Messung beginnt in der Regel mit der Bestimmung der Warmeka-
pazitat c des Kalorimeters. Grundlage ist die kalorische Grundgleichung (2.17) q = c . ~T mit c = L c, . m, (vergleichen Sie mit Kapitel 2.6). Da die spezifischen Warmen c, der Kalorimeterbestandteile (Gefali, Wasser, Thermometer, Riihrer u.a.m.) meist nicht angebbar sind, wird c durch Kalibrierung ermittelt. Dazu wird eine kleine bekannte Warmemenge zugefiihrt und die resultierende Temperaturerhohung sehr genau gemessen. Bekannte Warmemengen lassen sich auf verschiedene Weise zufiihren: 1. mittels einer elektrisch betriebenen Heizspirale, die erzeugte Warme folgt aus q=I ·U·t, 2. Durchfiihrung einer Reaktion mit bekannter Reaktionswarme, 3. Zugabe von Wasser oder einem Metall bekannter spezifischer Warme und bekannter Masse. Die zugegebene Komponente besitzt eine hohere Temperatur. Wenn nach der Kalibrierung die Warmekapazitat bekannt ist, wird im Kalorimeter die zu untersuchende Reaktion durchgefiihrt und iiber die Grundgleichung der Kalorimetrie aus der gemessenen Temperaturerhohung die Reaktionswarme q berechnet.
3,0
2,5
__
-~===-
1,9 .....
_L
20 Vorperiode
t1
to Hauplperiode
t2
35 t / min Nachperiode
Abb. 2.10: Temperatur Zeit - Diagramm bei einer kalorimetrischen Messung
2.12 Kalorimetrische Versuche zur chemischen Thermodynamik
127
Entscheidend fur die genaue Ennittlung von c und von q ist cine Bestimmung der meist nur einige Zehntel Grad betragenden Temperaturanderung auf ein 1/1000 K genau. Dies erfordert, dass man mit der Temperatunnessung schon vor der willkiirlich ausgelosten Warmeiibertragung beginnt. Man wartet, bis sich die Temperaturen der einzelnen Bestandteile des Kalorimeters ausgeglichen haben und beginnt dann im Minutenabstand die jetzt lineare Temperaturanderung etwa 10 Minuten lang zu notieren (Vorperiode). Dann lost man die eigentliche Warmeiibertragung aus. Die Temperatunnessung wird dabei kontinuierlich fortgesetzt (Hauptperiode). Der Temperatursprung wahrend der Hauptperiode ist beendet, wenn es wieder zu einer linearen Temperaturanderung bzw. bei einem sehr gut iso1iertem Kalorimeter zur Temperaturkonstanz kommt, was man wieder ca. 10 Minuten lang misst (N achperiode). Aus Vor- , Haupt- und Nachperiode gilt es nun, die Temperaturanderung zu ennitteln, die allein der ausgelosten Warmeubertragung zukommt und frei von Umgebungseinfliissen ist. Diese Temperaturanderung ~T erhalt man zu einem Zeitpunkt to, in dem die in ibm errichtete Senkrechte die Flache zwischen den extrapolierten linearen Abschnitten und der Hauptperiode in zwei gleichgroBe Teile zerlegt (Abbildung 2.10). Meist schneidet die
~T-Senkrechte
die Hauptperiode etwa in der Mitte. Am genauesten lasst
sich ~T bestimmen, wenn man die Regressionsgeraden von Vor- und Nachperiode ermittelt und daraus die T-Werte fiir den gewahlten Zeitpunkt gleicher Flachen berechnet. 2.12.1 Neutralisationsenthalpie Zur Bestimmung von Enthalpieanderungen ~h in Losung, die zu wenigstens einigen Zehntel Grad Temperaturanderung fiihren, lassen sich einfach gebaute Kalorimeter verwenden (Abbildung 2.11). Sehr geringe Warmetonungen erfordern teure Prazisionskalorimeter mit zusatzlicher Raumtemperierung. 1m vorliegenden Versuch soIl die relativ groBe Enthalpieanderung der Reaktion von Hydronium- und Hydroxidionen ennittelt werden: ~H0 (298 .15 K) = -56.6 kJ· mOrl
Zur Bestimmung der Neutralisationsenthalpie werden die starken Elektrolyte Salzsaure und Natronlauge eingesetzt. Der adiabatisch durchzufiihrende Versuch basiert auf dem Zusammenhang zwischen der entstehenden Warme q, der Wiirmekapazltdt c und der mit der Erwarmung verkniipften Temperaturerhohung
~T:
q
=
c .
~T.
Die Ennittlung der Warmekapazitat erfolgt auf
2 Chemische Thermodynamik
128
elektrischem Wege. Die zugefiihrte Warmemenge q ergibt sich aus der an einem Hei zwiderstand anliegenden Spannung U, der Stromstarke lund der Betriebszeit t nach der Gleichung: q = U . I . t
2
1 3
Abb. 2.11: Einfaches Kalorimeter fiir Enthalpieande-
rungenin Losung I-Gehause,
3-DevvargefaB,
2-Deckel,
4-JIeizung,
5-Riihrer,6-Thermometer
Die Bestimmung der Warmekapazitat erfolgt zweckmiiJ3igerweise im Anschluss an die Neutralisation in dem dann vorliegenden System. Zur Neutralisation wird das Dewarge-
faB mit 10 ml 0,1 M NaOH und 100 ml destilliertem Wasser gefiillt. Beide Fliissigkeiten besitzen, ebenso wie die zuzugebende Saure, Raumtemperatur. Zur Neutralisation der Natronlauge geben Sie 1 ml 1 N Hel aus einer Eppendorfpipette in das Kalorimeter. Gemessen wird mit Hilfe eines Widerstandsthermometers die Temperaturanderung in der Losung wahrend der Vor -, Haupt- und Nachperiode. Aus den Temperatur-ZeitKurven wird, wie unter 2.12 beschrieben.A'I' ermittelt und zur Berechnung von c bzw. q genutzt.
Fragen: 1. Warum unterscheiden sich .DoH und .DoU bei ciner Reaktion in Losung nur geringfiigig? 2. Berechnen Sie die Neutralisationsenthalpie aus tabellierten Bildungsenthalpien! 3. Warum muss sich der im Versuch ermittelte Wert auch be i Ausschluss von Messfehlern vom berechneten bzw. oben angegebenen Wert unterscheiden? 4. Wie wird .D.H aus dem q der kalorimetrischen Messung berechnet?
2.12 Kalorimetrische Versuche zur chemisch en Thermodynamik
2.12.2
129
Verdampfungsenthalpie
Wird eine Fliissigkeit bei konstanter Temperatur und konstantem Druck verdampft, so ist die zugefiihrte Warmemenge qp der Verdampfungsenthalpie Livaph aquivalent. In einem einfachen Versuch ist z. B. die Verdampfungsenthalpie von Wasser beim Siedepunkt in einem mit Tauchsieder und Liebig-Kiihler versehenen Dewargefaf bestimrnbar.
Dampfableitungsrohr durch stopfen verschlossene Bohrung far Trichter
_.-+-t-_.~=-==-==+f--
Spritzblech 1 cmvordem Dampfaustritt Heizrohr des Tauchsieders Dewargefa/!'
Abb. 2.12: Siedegefaf zur Bestimmung der Verdampfungsenthalpie des Wassers Die zugefiihrte Warmcmenge ergibt sich aus der elektrischen Arbeit tiber die Gleichung q = 1 . U . 1. Bei der 1. Messung wird die Stromstarke mit Hilfe eines Widerstandes auf 1,2 A einreguliert. Die Spannung U stellt sich dem Widerstand entsprechend ein und wird registriert. Das Wasser wird zum Sieden gebracht. Wenn das Kondensat gleichmaBig abtropft, beginnt man, es 300 s lang in einem zuvor gewogenen Kolbchen aufzufangen. Die Masse des Kondensats wird bestimrnt und das Wasser in das Siedegefaf zuriickgefiillt. Die Heizspirale des Tauchsieders muss vollstandig von Wasser umgeben sein. Bei den nachsten 6 Messungen wird die Stromstarke jeweils um 0,1 A emiedrigt. Bei allen Messungen ist darauf zu achten , dass in den Kiihler nur Dampf und keine durch den Siedevorgang eventuell hervorgerufenen Spritzer gelangen. Die Auswertung erfolgt durch grafische Darstellung und Regression anhand der Gleichung: I.U.t
=
LivapH . n + C
n: Stof:fmenge des Kondensats C: Konstante der Warmeverluste
130
2 Chemische Thermodynamik
Die molare Verdampfungsenthalpie i1vapH ergibt sich als Anstieg der Regressionsgeraden. Bei dieser Auswertung wird davon ausgegangen, dass die in C steckenden Warmeverluste durch Warmeleitung, Warmestrahlung und nicht kondensierten Dampf bei den verschiedenen Stromstarken gleich sind .
Fragen: 1. Welcher Art sind die Bindungskrafte, die beim Verdampfen von a) Wasser, b) Hexan
iiberwunden werden mussen. 2. Begriinden Sie, dass Wasser zwar bei beliebigen Temperaturen verdampfen, aber bei gegebenem Luftdruck nur bei einer Temperatur sieden kann. Liegt dies an einer verringerten Anzahl von Freiheiten gemaf der Gibbsschen Phasenregel? 3. Erfolgt die Verdampfung spontan mit i1G < 0 oder wird der Vorgang durch die zugefiihrte Warme - thermodynamisch betrachtet - erzwungen? 4. Berechnen Sie die molare Verdampfungsenthalpie fiir I bar und 25 DC aus tabellierten Bildungsenthalpien! 5. Vergleichen Sie den gemessenen Wert mit dem Literaturwert i1vapH0 (H20, 373 K) =40,656 kJ mor l und rechnen Sie die bei 100 DC ermittelte Verdampfungsenthalpie mit der Kirchhoffschen Gleichung auf 25 DC urn. Vergleichen Sie den Wert mit dem aus den Bildungsenthalpien berechneten Wert (benutzen Sie die Molwarmen Cp (H20(g)) = 33,58 J K-1 mor l und Cp (H20(1)) =75,291 J K 1 mol"),
2.12.3 Verbrennungsenthalpie Verbrennungswarmen organischer Stoffe werden normalerweise in einer BerthelotMahlerschen "Verbrennungsbombe" in reinem Sauerstoff bestimmt (Abbildung 2.13). Zunachst wird durch Verbrennung von Benzoesaure die Warmekapazitat der Anlage (Bombe in Kalorimeter) bestimmt. Dazu werden ca. 200 bis 300 mg Benzoesaure zusammen mit einem Ziinddraht bekannter Masse zu einer Tablette gepresst. Die Tablette wird gewogen und mit den Drahtenden an den Ziindelektroden tiber einem Quarzschalchen befestigt. Die Bombe wird mit Handkraft verschlossen und fiber ein Ventil mit etwa 20 bar Sauerstoffbeflillt. Die dichte Bombe setzt man in das Wasserbad des Kalorimeters.
2.12 Kalorimetrische Versuche zur chemischen Thermodynam ik
131
_ _ Steckkontakt far Zandkabel -
._- Bombenkopf Oberwurfring
Masseelektrode Mittelelektrode tb.v-,....pr-'iJ-vr~
Zanddraht mit Tablette Quarzschalchen BombenkOrper
Abb. 2.13: bombe
Verbrennungs-
Nach Aufstecken des Ziindkabels, Anstellen des Riihrmotors und Einfiihren des Thermometers verschlieBt man das Kalorimeter. Nach etwa 5 Minuten wird begonnen, die Temperatur auf 0,001 DC genau jede Minute abzulesen. Wenn sich in der Anlage die Temperaturunterschiede ausgeglichen haben, beginnt man mit der Aufnahme der Vorperiode. Nach mindestens 8 Werten der Vorperiode wird durch Driicken des Zimdknopfes die Verbrennung ausgelost, Dabei wird die Temperaturablesung ohne Unterbrechung fortgesetzt. Nach spatestens 3 Minuten sollte ein starkerer Temperaturanstieg urn etwa ein halbes Grad beobachtbar sein (Hauptperiode). 1st dies nicht der Fall, hat die Verbrennung nicht funktioniert, der Sauerstoff muss abgelassen, und die Bombe kann emeut beschickt werden. Wird ein deutlicher Temperaturanstieg beobachtet, ist die Temperaturmessung kontinuierlich fortzusetzen. Wenn die Temperaturanderung wieder konstant ist, werden noch mindestens 8 Werte der Nachperiode notiert. Nach der Verbrennung von Benzoesaure, fur die die Verbrennungswarme gegeben ist, wird nach dem gleichen Verfahren Naphthalin verbrannt. Die Auswertung fur die Bestimmung der Warmekapazitat c und die Bestimmung der Verbrennungswarme von Naphthalin erfolgt iiber die kalorische Grundgleichung q = c . ~T. Die Temperaturanderung ~T soIl aus dem Temperatur-Zeit-Diagramm (Vorperiode-Hauptperiode-Nachperiode) (siehe Abb.
2 Chemische Thermodynamik
132
2.10) entnommen werden. Die auf 1 Mol umgerechnete Warmemenge Qv ist gleich ~cU. ~v =
Die Verbrennungsenthalpie folgt aus der Gleichung:
~cH = ~cU
+
~vRT
-2 (vergleichen Sie mit Kapitel 2.4 , Gleichung (2.14» . Der Literaturwert:
mit ~cH
(Naphthalin (sj) betragt: - 5157 kl -mol'.
Fragen : 1. Warum ergibt der Versuch zunachst ~cU? Wofiir stehen 2. Wozu werden Verbrennungsenthalpien verwendet?
~v·R·T
und Av = -2 ?
2.13 Bestimmung weiterer thermodynamischer Konstanten 2.13.1 Die EDA -Verbindung aus Naphthalin und Chloranil Molekiile mit abgeschlossenem n-Elektronensystem und einer Ionisierungsenergie (IE) von 5 bis 9 eV sind in der Lage, gegeniiber n-Elektronenmolekulen mit relativ hohen Elektronenaffinitaten (EA) von 0,5 bis 2 eV als Elektronendonatoren zu wirken. Es bilden sich Elektronen-Donator-Akzeptor-Molekiilverbindungen (EDA-Komplexe) vom
n-n-Typ. Das Elektron des Donators (hier Naphthalin) geht im Gegensatz zur typischen Ionenbeziehung nur zu einem bestimmten Anteil auf das Akzeptonnolekiil (hier Chloranil, Trivialname fiir Tetrachlorchinon) uber, Man kann den Grundzustand des EDA-Komplexes durch zwei mesomere Grenzfonnen mit Hilfe einer Wellenfunktion tp beschreiben tp = a tpo +b tp!. Die erste Grenzfonn mit tpo entspricht den Dispersions- und Dipolwechselwirkungen, die zweite mit tpl einem
Ionenpaar. Die Konstanten a und b spiegeln die Anteile der Grenzzustande am Grundzustand wider. Der durch Strahlung angeregte Zustand unterscheidet sich vom Grundzustand lediglich durch einen hoheren Anteil der ionischen Grenzfonn. Die Literaturdaten fiir die EDA-Verbindung sind: IE (Naphthalin) 8,12 eV Konstanten der Wellenfunktionsgleichung im Grundzustand: Absorptionsmaximum in CCl4 :
"' max :
478 nm
EA(Chloranil) a: 0,995 E max :
1,35 eV b: 0,044 945 l·cm'l·mor 1
bei 20 DC : x, 1,35 mol -l" ; ~H0: -11,7 kl-mol"; ~S0: -37 J·mor1·K-1 und ~G0: _ 0,7 kJ·mor l .
Zur Durchfiihrung des Versuches benotigt man je 100 ml der Stammlosung I: CCl 4 0,002 molar an Chloranil und der Stammlosung II: CC4 0,002 molar an Chloranil und 1 molar an Naphthalen. Es werden gemischt:
2.14 Bestimmung weiterer thermodynamischer Konstanten
133
Versuchs-Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ml Losung I 1 2 3 4 5 6 7 8 9 ml Losung II 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Gleich zu Beginn des Versuches werden das Spektralfotometer und der an den temperierbaren Kiivettenhalter angeschlossene Thermostat angestellt. Der Thermostat wird auf etwa 20 0 e einreguliert. Zunachst werden von den Stamml6sungen und der Losung Nr. 1 in gasdichten 1 cm Kiivetten zwischen 400 und 600 nm Ubersichtsspektren aufgenommen. In der Vergleichskiivette sollte sich eel4 befinden. Die Losung Nr.l verbleibt in der Kiivette fur die 1. Glcichgewichtsmessung. Dann wird in der Nahe des Extinktionsmaximums der Molekiilverbindung eine giinstige Wellenlange fiir die Gleichgewichtsmessungen ausgesucht. Mit Hilfe einer wassergefiillten Kiivette wird mit einem Widerstandsthermometer gepriift, wie lange es dauert, bis eine frisch in den Kiivettenhalter eingestellte Kiivette eine konstante Temperatur angenommen hat. Diese Temperierzeit wird bei allen folgenden Messungen eingehalten. Die genaue Temperatur ist zu protokollieren. Nun werden bei der gewahlten Wellenlange die Extinktionen der anderen Losungen ermittelt. Die Kiivetten sind dabei mit den einzufiillenden Losungen vorzuspiilen. Auf saubere Kiivettenfenster ist jedes Mal sorgfaltig zu priifen. Nachdem die 1. Messreihe abgeschlossen ist, wird der Thermostat auf etwa 40 "C gebracht. Die langsame Temperaturerh6hung wird in der wassergefullten Kiivette verfolgt. Wenn die Kiivettenhaltertemperatur wieder konstant geworden ist, werden die Extinktionen der L6sungen Ibis 9 emeut, jetzt bei der hoheren Temperatur, gemessen. Die der Auswertung zugrunde liegende Gleichung von Benesi und Hildebrand lasst sich folgendermaBen herleiten. Durch Kombination der Massenwirkungsbeziehung
DA-Komplex, D-Donator, A- Akzeptor
und des Ausdrucks fiir die optische Dichte E' =
TE
l-Schichtdicke der Kiivetten, E'
= CD'CD
ergibt sich die Gleichung: M;·~E'
K=----------c
(tl!;.cDo-~E').(M;.CAo-~E')
Darin bedeuten: und
~C = CDA -
CD -
CA.
+ CA'CA + CDA'CDA
2 Chemische Thermodynamik
134
Durch Umformen folgt :
ClE' M:
c
'
c
Do Ao --+ --"---"2
i1E'
Wahlt man die Messbedingungen so, dass wie im vorliegenden Fall COo sehr viel gr6Ber ist als CAo, so kann CAo gegeniiber COo im Klammerausdruck vernachlassigt werden. Auch der Term
i1E' --2
i16
ist vernachlassigbar klein. Durch die beiden Approximationen
vereinfacht sich die obige Gleichung zu:
ClE' Diese Gleichung nach Benesi und Hildebrand kann zur Bestimmung von K, und Lll'; genutzt werden. Aus dem Wert von K, ist tiber die Kurzfonn der Reaktionsisotherme LlG0(298 K) zu berechnen. Der Wert von LlH0 ist tiber die Reaktionsisobare zuganglich. LlS0 ist aus LlG0 und LlH0 zu berechnen.
Fragen : 1. Wie sind lonisierungsenergie, Elektronenaffinitat und die Einheit Elektronenvolt definiert? 2. Wie grof ist der prozentuale lonenbindungscharakter in der Molekiilverbindung? 3. Welche Gleichungen sind fiir die Berechnung von LlG0, LlH0 und LlS0 heran zu ziehen? 4. Gelten die ermittelten Werte der Zustandsgr6Ben fiir den Umsatz der Ausgangskonzentrationen bis zum Gleichgewicht oder filr einen Formelumsatz? 5. Bezieht sich der Wert von LlG0 auf die konkreten Reaktionsbedingungen des Versuches oder auf die Bedingung, dass sowohl die Ausgangsstoffe als auch die Molekiilverbindung die Konzentration 1 mol-l" besitzen? Leiten Sie die Antwort aus dem Vergleich der Langform und der Kurzform der Reaktionsisothermen abo 6. 1st es plausibel, dass die Reaktionsentropie einen negativen Wert besitzt? 7. Warum sind die aus dem Experiment ermittelten Werte von LlH0 und LlS0 mit relativ groBen Fehlem behaftet? Denken Sie daran, worauf die Ermittlung von LlH0 beruht! 8. Warum kann bei der Auswertung auf Aktivitatskoeffizienten verzichtet werden?
135
2.14 Bestimmung weiterer thermodynamis cher Konstanten
2.13.2 Siiurekonstante von p-Nitrophenol Bei der Dissoziation von p-Nitrophenol in wassriger Losung bildet sich ein die Gelbfarbung verursachendes Anion , wahrend undissoziiertes p-Nitrophenol fast farblos ist.
19 {e}
4
3
2
If 0,1 NHCL 04
I 0,1 NNa OH
400
300
250
Nnm
Abb .
2.14:
UVIV1S-
Spektren von p-Nitrophenol und seinem Anion
Die unterschiedlichen Absorptionsbereiche von HA und A- ( Abb. 2.14) bedeuten giinstige Bedingungen fur die spektralfotometrische Bestimmung der Ssurekonstanten KS,exp
Im vorliegenden Versuch wird die Dissoziation von p-Nitrophenol in Pufferlosungen (Zitronensaure / Hydrogenphosphat) bei pH-Werten zwischen 6 und 8 untersucht. Diese pH-Werte ergeben Hl-Aktivitaten von ahnlicher GroBe wie die Werte von Ks (20°C): 7.08.10-8 bzw. K s (25°C): 6,16.10-8 , so dass das Verhaltnis von a w nicht zu einseitig aA ausfallt, was fur die gewahlte Untersuchungsmethode ungiinstig ware. Im Versuch wird zunachst KS,exp bestimmt. Durch Einsetzen des Dissoziationsgrades a in den entsprechenden Gleichgewichtsausdruck (s. Kapitel 4.3.1) ergeben sich die Arbeitsgleichungen:
aw ·a K S exp = - - bzw. , 1- a
1- a pK s exp = pHt 19-' a
2 Chemische Thermodynamik
136
Aus den pH-Werten der Pufferlosungen foIgt direkt aH+' Die GroBe von a im gewahlten Puffer lasst sich bei Giiltigkeit des Lambert-Beerschen Gesetzes wegen der Proportionalitat zwischen der Extinktion und der Konzentration des absorbierenden Teilchens aus den Extinktionen der untersuchten Losung und der Extinktion Eoo in 0.01 M NaOH berechnen. In 0,01 M NaOH ist p-Nitrophenol nahezu vollstandig dissoziiert und CA- kann mit
CAo
gleich gesetzt werden. Es gilt:
E
u=E ",
Ks erhalt man aus KS,exp durch Multiplikation mit dem iiber eine Debye-HiickelNaherung aus der Ionenstarke der Puffer berechneten Aktvitatskoeffizienten fA -.
Fragen : 1. Wie ist der Dissoziationsgrad definiert? 2. Was ist ein pK-Wert? 3. Begriinden Sie anhand des Ke-Wertes, dass p-Nitrophenol in 0,01 M NaOH nahezu vollstandig dissoziiert!
3
Reaktionskinetik
Bei der Untersuchung chemischer Reaktionen interessiert zunachst , welche Reaktionsprodukte aus gegebenen Ausgangsstoffen gebildet werden konnen. Wichtig sind weiterhin Angaben zum moglichen Grad der Umsetzung der Ausgangsstoffe und zur Energiebilanz einer Reaktion. Damit sind aber noch keine Aussagen iiber den zeitlichen Ablauf der Stoffumwandlung getroffen. Wem niitzen chemische Reaktionen, die von vorhandenen Ausgangsstoffen zu gewiinschten Reaktionsprodukten nahezu vollstandig unter Frcisetzung von Energie ablaufen, wenn die notwendige Zeit unendlich groB ist? Die auf die Zeiteinheit bezogene Stoffumsetzung ist eine wichtige GroBe zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit chemischer Reaktionen. Bestrebungen, chemische Reaktionen zu beschleunigen (manchmal auch zu verzogern) und damit die Effektivitat und Rentabilitat eines Verfahrens zu erhohen, standen am Beginn der Entwicklung der chemischen Kinetik. Die Reaktionskinetik untersucht den zeitlichen Verlauf chemischer Reaktionen und Moglichkeiten, diesen zu veriindern. Dabei geht es unter anderem urn Fragen, wie: • • •
Lauft die Reaktion mit messbarer Geschwindigkeit ab? Wie ist das Ausbeute/Zeit-Verhaltnis? Wie ist der Mechanismus der konkreten Stoffumwandlung und an welcher Stelle muss man ansetzen, urn das Ausbeute/Zeit-Verhaltnis zu optimieren?
Nach der Geschwindigkeit, mit der chemische Reaktionen ablaufen, unterteilt man in •
sehr schnelle Reaktionen Hierzu gehoren nahezu aIle Ionenreaktionen. Sie laufen in Bruchteilen einer Sekunde ab und konnen mit dem Auge nicht verfolgt werden. Eine der schnellsten bekannten Reaktionen ist die Protonenaustauschreaktion in fliissiger Phase.
H30+(aq) + OR(aq) +:t 2HzO (1) deren Geschwindigkeitskonstante fiir die Bildung von Wasser bei Raumtemperatur in der Grofienordnung von 1011 I . mOrl . S·I liegt. •
Reaktionen mit mittlerer Geschwindigkeit Sie benotigen wenige Sekunden bis Stunden fiir den Ablauf der Stoffumwandlung bzw. bis zum Erreichen eines Gleichgewichtszustandes. Hydrolysereaktionen (Rohrzuckerinversion, Esterhydrolyse) oder viele Gasphasenreaktionen laufen in
3 Reaktion skin etik
138
derartigen Zeitraumen abo Reaktionen mit mittlerer Geschwindigkeit bilden den Hauptgegenstand unserer weiteren Betrachtungen. •
sehr langsam e R eaktionen Sie erstrecken sich oft iiber viele Jahre. Festkorperreaktionen, wie das Rosten von Eisen, viele radioaktive Zerfallsreaktionen oder der Abbau bestimmter in der Umwelt relevanter Schadstoffe sind Beispiele fiir langsame Reaktionen.
Zur Vereinfach ung der folgenden Betrachtungen beziehen wir uns zunachst nur auf homogene Reaktionen, d. h. auf Vorgange, die innerhalb einer Phase ablaufen. Heterogene Reaktionen sind komplexer zu diskutieren . Sie laufen an der Grenzflache zwischen zwei Phasen abo Der Transport der Reaktanten zur Grenzflache, Adsorptionsreaktionen, Desorptionsreaktionen und Abtransport der Produkte sind zusatzliche Teilschritte im heterogenen System. Es ist bekannt, dass die Geschwindigkeit vieler Reaktionen durch Temperaturerhohung vergrollert wird, oder dass durch Temperaturemiedrigung chemische Reaktionen verzogert werden konnen (Kiihlen und Einfrieren von Lebensmitteln). Zunachst jedoch betrachten wir Stoffumwandlungsprozesse bei konstanter Temperatur.
3.1
Reaktionsgeschwindigkeit
Unter Geschwindigkeit versteht man stets die Anderung einer physikalischen GroBe in der Zeiteinheit. Chemische Reaktionen lassen sich an der Abnahme der Konzentration der Ausgangsstoffe bzw. an der Zunahme der Konzentration der Reaktionsprodukte verfolgen
C
cB c1 c2 c3 c4 cA t 1 t2
t3 t4
Abb. 3.1: Anderung der Konzentration von Ausgangsstoff und Reaktionsprodukt bei der Reaktion A~B.
3.1 Reaktionsgeschwindigkeit
Fiir die Reaktion A
~
139
B erhalt man den in Abbildung 3.1 dargestellten zeitabhangigen
Konzentrationsverlauf. Fur das einfache Beispiel A ~ B verhalten sich die beiden Kuryen wie Bild und Spiegelbild. Aus dem Kurvenverlauf ist ersichtlich, dass sich die Geschwindigkeit im Reaktionsverlauf andert. So ist die Konzentrationsanderung c, - C2 deutlich groBer als die Differenz
auch wenn die Zeitabstande h - t1 und 4 - t3
C3 - C4,
gleich gewahlt wurden. Bildet man die Quotienten aus ilc und ilt, so erhalt man eine mittlere Geschwindigkeit im betrachteten Zeitintervall. Ferner ist ersichtlich, dass sich die Differenzen C3 - C4 und C3' - C4' in ihrem Vorzeichcn unterscheiden. Man trifft fiir die Differenzbildung die Festlegungen: ilc = Cn + 1- Cn und ilt = tn+ 1 - tn' Dariiber hinaus solI VR > 0 sein, SO dass die mittlere Geschwindigkeit einer Reaktion im betrachteten Zeitintervall als
(3.1)
definiert wird . Die Augenblicksgeschwindigkeit (momentane Geschwindigkcit) bei der Reaktion A
~
B zur Zeit t erhalt man als Steigung der Tangente durch den Kurven-
punkt (c;t) bzw. als Grenzwert des Differenzenquotienten fiir ilt
dCA dt
dCB dt
R
0
(3.2)
=---=-
V
~
In vielen Reaktionen erfolgt kein iiquimolarer Stoffumsatz. Zur Einbeziehung dieser
I de de Falle verandem wir unsere Beispielreaktion in 2A ~ B. Es gilt - __A_ = _ 13 . Da fiir 2 dt dt die gleiche Rcaktion, egal welchen Reaktionspartner man verfolgt, natiirlich die gleiche Reaktionsgeschwindigkeit vorlicgen muss, definiert man VR der allgemeinen Reaktion VA .
A + VB • B
~ Vc •
C + vo • D
als
I deA
I de,
I dc.,
1 dc.,
vR = --.--= - -.-= -.-= -.-VA dt VB dt v c dt v D dt
(3.3)
Als MaBeinheit der Reaktionsgeschwindigkeit erhalt man den Quotienten aus Konzentrations- und Zeiteinheit, z. B.
[VR] =
mol·
r' . s-' . Die Einhaltung der eingangs ge-
troffenen Festlegung T = const. erfordert erheblichen experimentellen Aufwand. Reaktionen laufen oft unter spurbarer Energiefreisetzung (exothcrm) ab oder entziehen der Umgebung wahrend ihres Verlaufs Warmeenergie (endotherm).
3 Reaktionskinetik
140
Urn diese Warmeeffekte auszugleichen und den Einfluss der Zimmertemperatur auszuschalten, muss in thennostatierten Reaktionsraumen gearbeitet werden. Bei Gasphasenreaktionen ist zweckmalligerweise der Reaktionsraum von einem thennostatierten Metallblock umgebcn, Reaktionen in fliissiger Phase laufen in thennostatierten Gefallen abo
3.2
Molekularltat von Elementarreaktionen, Reaktionsordnung von Geschwindigkeitsansatzen
Unter Molekularitdt von Elementarreaktionen versteht man die Zahl von Teilchen der Ausgangsstoffe, die fur den Ablauf cines Stoffumsatzes auf molekularer Ebene mindestens vorhanden sein muss. Sie ist idcntisch mit der Zahl der Teilchen, die gleichzeitig zusamrncntreffen rmissen, damit neue Teilchen gebildet werden konnen. Molekularitat ist also ein Begriff, der das mikroskopische Geschehen widerspiegelt. Die Molekularitaten der folgenden Elementarreaktionen sind Z. B. A~B
ein Teilchen von A, unimolekular
A+B~C
ein Teilchen von A und ein Teilchen von B, bimolekular
A+2B~D
ein Teilchen von A und zwei Teilchen von B, trimolekular.
Es ist leicht einzusehen, dass die Geschwindigkeit einer Reaktion mit der ZOOl der zur Reaktion befahigten Teilchen wachst, Bei unimolekularen Reaktionen sind VR und CA proportional zueinander, bei bimolekularen Reaktionen ist VR proportional dem Produkt der Konzentration der Ausgangsstoffe. 1m Beispiel unserer trimolekularen Reaktion muss CB zweimal als Faktor im Produkt der Konzentrationen, also als CB2 erscheinen. Die Sumrne der Exponenten der Konzentrationsglieder sind in den drei diskutierten Fallen 1, 2 und 3. Auf Bruttoreaktionen ist der Begriff der Molekularitat nicht anwendbar. Die Reaktionsgleichung erlaubt keine Riickschliisse auf die Elementarreaktionen, die im Einzelnen ablaufen. Dennoch zeigt sich, dass in sehr vielen Reaktionen die Reaktionsgeschwindigkeit ebenfalls proportional dem Produkt ganzzahliger Potenzen von Konzentrationen der Ausgangsstoffe ist. Die Sumrne der Exponenten der Konzentrationsglieder im Geschwindigkeitsansatz von Bruttoreaktionen nennt man Reaktionsordnung (RO). Fur Elementarreaktionen wird die Reaktionsordnung von der Molekularitat gegeben. Sie sind stets 1., 2. oder 3. Ordnung. Hohere Molekularitaten als 3 treten praktisch nicht auf. Das gleichzeitige Zusammentreffen von drei Teilchen als Voraussetzung eines trimolekularen Elementarschrittes besitzt nur geringe Wahrscheinlichkeit.
3.2 Molekularitdt und Reaktionsordnung
141
Die Geschwindigkeitsansatze fur die Reaktionen 1., 2. bz w. 3. Ordnung lauten im allgemeinen Fall:
- -
1 dC A · - = k ·c dt A
- -
1 dC A .--= k -c . vc dt A B A
1. 0 rdnung
vA
oder
v
- -
1 dC A 2 ·-= k·c dt A
vA
2.0rdnung (3.4)
- -
1 dC A . - - = k -c . c . coder dt ABC
vA
1 dC A 2 - -·--=k·c -c vA dt A B
oder
3 I dC A --· -= k ·c v A dt A
3.0rdnung .
Die Proportionalitatsfaktoren k heiBen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten. Den Begriff der Reaktionsordnung wendet man nicht nur auf die Gesamtreaktion an, sond em auch auf einzelne Ausgangsstoffe. Die Reaktion mit dem Geschwindigkeitsansatz
1 dC
- - . - -A= k -c · c v dt A B A
2
besitzt als Gesamtreaktion die Reaktion sordnung 3, ist beziiglich des Ausgangsstoffes A von 1. Ordnung, im Bezug auf B aber von 2. Ordnung. Die Exponenten der Konzentrationsglieder mussen nicht ganzzah1ig sein. So ist fur eine Reaktion der Geschwindigkeit sansatz
denkbar. Die Reaktionsordnung der Gesamtreaktion ist Bezug auf B 1iegt eine Reaktion 1. Ordnung Reaktionsordnung
"23
VOL
3
1
"2 ' In Bezug auf A ist sie "2 ' in
Ein Beispiel fur eine Reaktion mit der
ist der thermische Zerfall von Acetaldehyd nach folgender Glei-
chung: CH3 CHO
~
CH4 + CO (T = 670 K) .
3 Reaktionskinetik
142
Es gibt auch Beispiele chemischer Reaktionen, auf die das Konzept der Reaktionsordnung der Gesamtreaktion nicht anwendbar ist. Fur die Darstellung von Bromwasserstoff aus den Elementen wird experimentell das Geschwindigkeitsgesetz 3
k-c H, -c B', 2
(3.5)
gefunden, das sich nicht in der Form VR = k . CAP . CBq zusammenfassen lasst und damit keine Angabe der Gesamtordnung fiir die ihrer Bruttogleichung nach recht einfache Umsetzung erlaubt.
3.3
Geschwindigkeitsgesetze
Die Differenzialgleichungen, die fiir chemische Reaktionen den Zusammenhang zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und Konzentrationen der Ausgangsstoffe (in seltenen Hillen sind auch Konzentrationen von Reaktionsprodukten einbezogen) beschreiben, heiBen Geschwindigkeitsgesetze. Wie sich zeigen lasst , gehorchen Reaktionen mit gleicher Reaktionsordnung dem gleichen Geschwindigkeitsgesetz. Reaktionsordnung und Geschwindigkeitsgesetz sind nicht aus der Bruttoreaktionsglei chung ableitbar, sondern miissen experimentell bestimmt werden. Kann fiir die allgemeine Reaktion VA •
A + VB • B
~
vc . C
+ VD • D
die Reaktionsordnung n ermittelt werden, so lautet das Geschwindigkeitsgesetz: 1 vA
dC
A - - .--= k -c
dt
A
P ,c q B
und
p+ q = n
(3.6)
Die Dimension der Reaktionsgcschwindigkeitskonstante hangt von der Reaktionsordnung abo In den folgenden Betrachtungen integrieren wir die Geschwindigkeitsansatze, die flir einfache Reaktionsordnungen aufgestellt werden konnen. In ihrer Form als integrierte Gesetze sind sie der experimentellen Uberpriifung einfach zuganglich, Mit der experimentellen Bestatigung eines speziellen Geschwindigkeitsgesetzes wird gleichzeitig die Reaktionsordnung der Bruttoreaktion bestatigt.
143
3.3 Geschwindigkeitsgesetze
3.3.1 Geschwindigkeitsgcsetz fiir Reaktionen 1. Ordnung Handelt es sich bei der Umsetzung A ~ B urn eine Reaktion 1. Ordnung, so gilt das Geschwindigkeitsgesetz: dC dt
A --= k -c
(3.7)
A
Die G1eichung wird durch Separation der Variablen und nachfolgende Integration gelost
J dCA c
--= k
Jdt
-lncA=k·ttC.
(3.8)
A
Die Integrationskonstante C erhalt man durch Einsetzen eines bekannten Wertepaares. Zum Zeitpunkt t = 0 besitzt CA den Wert der Ausgangskonzentration CAD -lncAo=k ·OtC . Damit 1autet das integrierte Geschwindigkeitsgesetz fiir Reaktionen 1. Ordnung: InCA= -k ·t t Inc Ao
(3.9)
Zum gleichen Ergebnis fiihrt die bestimmte Integration der Gleichung (3.8) , wenn sie in den Grenzen von CADbis CAbzw. von t = 0 bis t ausgefiihrt wird. Im allgemeinen Fall eines von 1 abweichenden stochiometrischen Koeffizienten von A geht der Koeffizient in die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante mit ein. Die Dimension dcr Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten fiir Reaktionen 1. Ordnung ergibt sich aus Gleichung (3.9) mit [k] = Zeiteinhcir l (S·I , min", h-I etc.). Eine wichtige, besser vorstcllbare GroBe im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion ist die Halbwertszcit. Sie gibt den Zeitpunkt an, an dem die Halfte des Ausgangsstoffes umgesetzt wurde. Fur Reaktionen 1. Ordnung folgt aus dem integrierten Geschwindigkeitsgesetz:
(3.10)
Die Halbwertszeit einer Reaktion 1. Ordnung ist also unabhangig von der Ausgangskonzentration des umgesetzten Stoffcs und umgekehrt proportional zur Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten.
3 Reaktionskinetik
144
Beispielfiir RO = 1: Azomethan CH3-N=N-CH3 wird thermisch in Ethan und Stickstoff gespaltet. Fur die Reaktion bei 600°C wurde der Partialdruck des Azomethans in Abhangigkeit von der Zeit gemessen. tin s
o
pinPa
10,9
2000 5,32
1000 7,63
3000 3,71
4000 2,59
Bestatigen Sie, dass eine Reaktion 1. Ordnung vorliegt. Ennitteln Sie grafisch die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und berechnen Sie die Halbwertszeit der Reaktion.
Losung: Liegt eine Reaktion 1. Ordnung vor, so lasst sich darauf das integrierte Geschwindigkeitsgesetz (3.9) anwenden. Die Giiltigkeit des Gesetzes fiir die vorliegende Reaktion zeigt sich daran, dass der Graf der Funktion In {p} = f (t) eine fallende Gerade mit dem Anstieg -k ist. Eine Umrechnung des Partialdrucks in die molare Konzentration c ist nicht erforderlich. Beide Groflen sind bei konstanter Temperatur einander proportional. {p} steht fiir den Zahlenwert des Partialdrucks. tin s
o
In {p}
2,39
1000 2,03
2000
3000
4000
1,67
1,31
0,95
'? 2,5 co :S C])
E: 0
N
s, C£ "W
.s:
2 1,5 1
y= -o,00036x + 2,39
0,5 0 0
1000
2000
3000
4000
tis Abb. 3.2: Thennische Zersetzung von Azomethan
In {p} lasst sich demnach wirklich als lineare Funktion der Zeit darstellen, was die Giiltigkeit des Geschwindigkeitsgesetzes fiir die untersuchte Reaktion und damit die Reaktionsordnung 1 bestatigt. Durch Einzeichnen der Geraden werden gleichzeitig mess-
3.3 Geschwindigkeitsgesetze
145
technisch bedingte Abwe ichungen ausgeglichen. Die grafisch aus dem Anstieg der Geraden bestimmte Reaktionsgeschwindigkeitskonstante stellt somit bereits einen Mitte1wert des rechnerisch aus der Zweipunktegieichung bestimmbaren Anstiegs dar. Verwendet man die Zweipunktegleichung der Geraden, so sollte man sich am Funktionsbiid iiberzeugen, dass die gewahlten Punkte keine .Ausreilier" unter den Messpunkten darstellen:
k=-
i11n{p} - (0,95-2,39) -4 -I = = 3 60 · lOs i1 t 4000 s '
Die berechnete Halbwertszeit betragt:
t
In2
4 s= 1925,4 s ~ 32 min Y2 = 360.10,
Neben weiteren chemischen Reaktionen, wie der thermischen Zersetzung von N20 S, der Zersetzung von Wasserstoffperoxid oder der thermischen Ethanspaltung gehoren radioaktive Zerfallsreaktionen zu den Umsetzungen mit der Reaktionsordnung 1. Eine Reihe radioaktiver Zerfallsreaktionen nutzt man als sogenannte radioaktive Uhren zu Altersbestimmungen. Zwei bekannte Beispie1e sind die Kalium-Argon-Methode bzw. die Radiocarbon-Methode. Erstere verwendet man zur Altersbestimmung kaliumhaltiger Mineraiien. Yom Kaliumisotop ~~ K, das eine natiirliche Haufigkeit von 0,0119 % und eine Halbwertszeit von 16,1 . 108 Jahren besitzt, wird in einer Kemeinfangreaktion ~~ Ar gebildet.
Aus dem Verhaltnis von 40K und 40Ar kann auf das Alter der Mineralien geschlossen werden . Verfalschungen treten auf, wenn zu junge Mineralien untersucht werden, die meist Einschliisse atmospharischer 4°Ar-Atome enthalten. Generell sollten bei radioaktiven Uhren Probenalter und Halbwertszeit nicht zu weit auseinander liegen . Fiir Datierungen, die sich auf Zeitraume innerhalb der letzten 500 bis 50000 Jahre beziehen, verwendet man oft die Radiocarbon-Methode. Die Methode beruht auf der natiirlichen Bildung von 14C. Die Neutronen der kosmischen Hohenstrahlung reagieren in Kernreaktionen mit 14N-Kemen. Der gebildete radioaktive Kohlenstoff zerfallt mit einer Halbwertszeit von 5570 ± 30 Jahren unter Abgabe von p-Strahlung und Riickbildung von stabilen 14N Stickstoff:
Bildung von 14C : I~ N + n-t Zerfall von 14C:
I:C + P
I: C-t l ~ N + e
.
3 Reaktionskinetik
146
Der gebi1dete 14C wird oxidiert und betei1igt sich am natiirlichen Kohlenstoffkreislauf. Er wird so Bestandteil organischer Verbindungen von Pflanzen und Tieren. Zwischen 14C-Zerfall und 14C_Zufuhr stellt sich ein Gleichgewicht ein, das von der natiirlichen 14C-Konzentration bestimmt wird, so lange der Organismus am Kohlenstoffaustausch mit der Natur teilnimmt. Hort dieser Austausch auf, weil mit dem Absterben des Organismus die Kohlenstoffaufnahme endet, klingt auch die 14C-AktiviHit nach dem Zeitgesetz einer Reaktion 1. Ordnung aboDer Vergleich der in einer Probe vorhandenen 14C_ Aktivitat mit der Gleichgewichtsaktivitat rezenten Kohlenstoffs (natiirliche Aktivitat) fiihrt zur Aussage iiber das Probenalter. Dem Verfahren liegt die Naherung zugrunde, die natiirliche 14C-Aktivitiit iiber die letzten 50.000 Jahre als konstant anzusehen. Allerdings treten bei Schwankungen der Sonnenaktivitat und den damit verbundenen Auswirkungen auf die kosmische H6henstrahlung St6rungen der 14C-Bildung auf. Massive Eingriffe in das stationare 14C-Gleichgewicht stell en auch die oberirdischen Atombombenversuche der 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts sowie der seit etwa 100 Jahren enorm gestiegene Verbrauch fossiler Brennstoffe dar. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe fiihrt in Folge erhohter 12C-Freisetzung zur Abnahme der 14C-Aktivitiit. Korrekturen von 2 % bis 5 % sind erforderlich. Die Kemwaffentests erhohten die 14C_ Konzentration in der Atmosphare, so dass weitere Korrekturen notig wurden. Mittels Radiocarbon-Methode wurde z. B. das Alter der altbronzezeitlichen Anlage von Stonehenge in England mit 3800
± 275 Jahren bestimmt, fur die steinzeitlichen Tempelanla-
gen von Hagar Qim (Malta) ein Alter von etwa 5500 Jahren ermittelt oder das beriihmte Turiner Leichentuch Christi als Falschung enttamt. Fiir seine Anfertigung konnte der Zeitraum zwischen 1260 und 1390 eingegrenzt werden.
3.3.2 Geschwindigkeitsgesetz fur Reaktionen 2. Ordnung Reaktionen, die nach dem Geschwindigkeitsansatz 1 dC dt
- - . - -A= VA
k'c -c A
B
bzw.
1 dC A 2 = k '·c dt A
- -· vA
(3.11)
ablaufen, heiBen Reaktionen 2. Ordnung. 1m einfachsten Fall sind die bimolekularen Elementarschritte A + B ~ C bzw. A + A ~ D Reaktionen 2. Ordnung. Bei Bruttoreaktionen kann die Ordnung wieder nicht aus den stochiometrischen Koeffizienten abgeleitet werden. Hier geht man einen analogen Weg, wie er bereits im Kapitel 3.3 .1 beschritten wurde. Man iiberpriift experimentell, ob das integrierte Geschwindigkeitsgesetz auf die Bruttoreaktion zutrifft. Bezieht man die stochiometrischen Koeffizienten als konstante Faktoren in die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ein, so geniigt es im weiteren
3.3 Geschwindigkeitsgesetze
dC dt
A - --= k ·c -c A
B
bzw.
147
_ dC A = k c 2 dt A
zu betrachten. Durch geeignete Wahl der Reaktionsbedingungen (CAO = CRO, s. a. Kapitel 3.3.7) lassen sich auch die Reaktionen mit dem allgemeineren Geschwindigkeitsansatz k . CA ' CR mittels VR = k . c/ beschreiben. Der Integration dieser Differenzialgleichung geht wieder die Separation der Variablen voraus. Es gilt: VR =
(3.12)
Als Losung der unbestimmten Integrale erhalt man: 1
-=
cA
k -t } C
(3.13)
Die Integrationskonstante C wird durch Einsetzen des bekannten (c; t)-Wertepaares 0) ermittelt. Damit lautet das integrierte Geschwindigkeitsgesetz fur Reaktionen
(CAO;
2. Ordnung, die dem Geschwindigkeitsansatz VR 1 cA
=
k . c/ gehorchen:
1
-= k·tt-
(3.14)
c AO
Seine Giiltigkeit fur eine gegebene Messreihe bestatigt man durch die grafische Darstel1 1 lung von - = f(t). Man muss eine steigende Gerade erhalten, die die Ordinate in cA c AO schneidet. Aus Gleichung (3.14) lasst sich die Dimension der Geschwindigkeitskonstanten fur Reaktionen 2. Ordnung ableiten. Sie ist
[k]
1 = K onzentrationsei ionseinhei eit- Z' eiteiinhei eit
z. B. 1 -mol' -s-I .
Die Dimension der Geschwindigkeitskonstanten einer chemischer Reaktion wird also durch deren Reaktionsordnung festgelegt.
3 Reaktionskinetik
148
Die zum Geschwindigkeitsgesetz (3.14) gehorende Halbwertszeit ist:
2
1 (3.15)
Sie hangt im Gegensatz zur Halbwertszeit der Reaktionen 1. Ordnung von der Ausgangskonzcntration ab und steigt mit sinkendem CAD (s. auch Abbildung 3.4). Damit sinkt die Eduktkonzentration in Reaktionen 2. Ordnung langsamer als in Reaktionen 1. Ordnung mit gleicher Anfangsgeschwindigkeit. Fur den Fall unterschiedlicher Ausgangskonzentrationcn der Reaktanten A und B, die nicht im Verhaltnis ihrer stochiometrischen Koeffizienten vorliegen, fiir den nicht zu
VR
VR
also
= k·cl vereinfacht werden kann, wird die mathematische Behandlung der
Differenzialgleichung komplizierter. Zunachst fiihrt man die Umsatzvariable x ein und stellt die Momentankonzentrationen CA und CB als Funktion von x dar:
C A = C AO
- x;
c B = CBO -
X
mit
dc _ A_ = -1 dx
bzw. dCA = -dx .
(3.16)
Das Geschwindigkeitsgesetz lautet also:
(3.17)
Separation der Variablen fiihrt zu
dx
- - - - - - = k- dt (c AO- x)· (c BO- x)
Uber Partialbruchzerlegung von
I (cAO-X) ·(cBO-x)
=
A (cAO-x)
t
(3.18)
1 erhalt man: (c AO - x) · (c BO- x) B (cBO-x)
Ausmultiplizieren und emeutes Ausklammem fiihren zu: A ·cBO-A·xtB ·cAO-B·x= 1
bzw.
A·cBOtB .cAO-x .(AtB)= I
Diese Gleichung ist fiir be1iebige Werte von x nur losbar, wenn A + B = 0, also A =-B ist.
3.3 Geschwindigkeitsg esetze
149
Damit erhalt man: B=---
A= - - -
und
dx
dx . - - = k-dt
- - -. - -+
Die Funktion
C BO-C A O c A O-x
tegrierbar. Man ersetzt
x
CAO -
=u
und
ist leicht in-
CA O -C BO c BO-x
x
CBO -
= v.
du dv Da dx = dx = - 1 gilt , vereinfacht
sich die Funktion zu: du
dv
-
- -. - = k -dt .
CA O-C BO
v
Bestimmte Integration in den Grenzen von C
- X
C AO
v bzw. 0 bis t liefert
CB O - x
AO ---·In--+ CB O - C A O
CAO bis U, CBO bis
·In---= kt bzw. CB O - C A O
CBO
(3.19)
Beispielfiir RO = 2: Lachgas (Distickstoffin onox id) zerfallt bei hohen Temperaturen in Stickstoffund Sauersto ff:
Die Reaktion lasst sich tiber den Druckanstieg verfolgen, wenn sie bei konstantem Reaktorvolumen durchgefiihrt wird. Au s dem Druckanstieg wird der Partialdruck des Ausgangsgases berechnet. Zur Zeit t = 0 betragt p (N20) = PO. Zur Zeit that p (N20) den Wert Po- x. Die Reaktionsprodukte haben entsprechend der Reaktionsgleichung die Partialdriicke p (N2) = x bzw. P (02) = x/2. Der jeweilige Gesamtdruck betragt folgli ch
x
x
(po - x) + x + - = P = Po+ 2 2' Experimentell wurden bei 1000°C folgende Wertepaare gem esscn: tin s
o
30
pin Pa
66660
72659
60 76659
90 79992
250 88191
500 92924
3 Reaktionskinetik
150
Der der NzO-Konzentration proportionale Partialdruck p(NzO) betragt Po- (2p - 2po) = 3po - 2p.
o
tin s
60 46662
30 54662
66660
90 39996
250 23598
500 14132
Welches integricrte Zeitgesetz gilt fiir die untersuchte Reaktion? Zur Beantwortung der Frage iiberpriift man, welche der Funktionen In {p(NzO)} = f (t) 1 bzw. = f(t) eine Iinearc Abhangigkeit ergibt. p(N 2 0 )
o
tin s In {p(NzO)} 10 /p(NzO)
60 10,751 2,143
30 10,909 1,829
11,107 1,500
90 10,596 2,500
250 10,069 4,238
500 9,556 7,076
~
11,5
5'
'"
I-
y= -o,003x + 10,962 R2= 0,9632
11 ~-a.
~ 10,5 ~
..... "
,
~
~
oS
kz gelten
und fur die Gesamtreaktion ergibt sich dc p -~ dt
k, ,c A , c a ,
also die gleiche Geschwindigkeit wie fiir die diffusionskontrollierte Komplexbildung. Braucht AB allerdings lange Zeit, urn in einen angeregten , fiir die Weiterreaktion befahigten Zustand zu gelangen, so gilt kz » h Fur die Produktbildung bedeutet das:
Da meist k 3 . K < k, ist, wird die aktivierungskontrollierte Reaktion in der Regel langsamer ablaufen als die diffusionskontrollierte.
3.7.5
Bildung von HBr in einer Kettenreaktion
Nachdem Max Bodenstein das lodwasserstoffgleichgewicht als Reaktion 2. Ordnung aufgekliirt hatte, wandte er sich der analogen Bruttoreaktion fur Bromwasserstoffzu.
Hz + Br,
~
2HBr
Uberraschender Weise ergab sich keine vergleichbare Kinetik , sondem das bereits angefiihrte komplizierte Geschwindigkeitsgesetz 3
d c HBr
_
k -c H,
dt
-
Cnr,
' C nr, 2"
+ k',c HBr
Die Erkliirung wurde erst 13 Jahre spater durch Christiansen, Herzfeld und Polanyi geliefert, in dem sie fiir die Bromwasserstoffbildung einen Radikalkettenmechanismus
3.7 Reaktionsmechanismen ausgewdhlter Reaktionen
189
fonnulierten . Kettenreaktionen sind spezielle Folgereaktionen. Ihre Elementarschritte unterteilt man in:
• •
Startreaktionen - Bildung von Kettentragern, z. B. Radikalen, Kettenwachstum - Reaktion der Kettentrager mit Reaktantmolekiilen unter Bildung neuer Kettentrager,
•
Abbruchreaktionen - Reaktion von zwei Kettentragern und Bildung eines Produktmolekiils, das selbst kein Kettentrager ist, damit Reduzierung der Kettentragerkonzentration.
Im Meehanismus von Kettenreaktionen konnen zusatzlich Kettenverzweigungsreaktionen, Inhibierungsreaktionen und Abfangreaktionen auftreten.
•
Kettenverzweigungsreaktionen sind Teil des Kettenwaehstums. In ihnen wird die Zahl der Kettentrager vergroflert. Aus der Reaktion eines Kettentragers mit einem Reaktantmolekiil entstehen dann mindestens zwei Kettentrager. Verzweigungsreaktionen sind die Ursaehe explosionsartig ablaufender Reaktionen.
•
Greift ein Kettentrager ein Produktmolekiil an, so entsteht dabei zwar wieder ein Kettentrager, aber die Nettobildungsgesehwindigkeit des Produkts verringert sich. Derartige Inhibierungsreaktionen fiihren nicht zum Kettenabbrueh, verlangsamen aber die Produktbildung.
•
Abfangreaktionen entfemen sehlieBlieh Kettentrager aus dem System, indcm Reaktionen mit nieht zur Kettenreaktion gehorenden stabilen Radikalen (O z, NO etc.) stattfinden bzw. die Kettentragerenergie in StoBen an Gefallwande oder kleine Partikel abgefiihrt wird.
Die Bromwasserstoftbildung lasst sieh als Radikalkettenreaktion fonnulieren: Startreaktion: Kettenwachstum:
Inhibierung:
Br- + Hz ~ HBr + H·
(k z)
H· + Brz ~ HBr + Br-
(k 3)
H· + HBr ~ Hz + Br-
(ka)
(Br- + HBr ~ Br, + H·) Kettenabbrueh:
M + Br- + Br- ~ Brz + M (M + H· + H·
Hz + M) (M + H· + Br- ~ HBr + M) ~
(ke)
3 Reaktionsldnetik
190
An den Kettenabbruchreaktionen ist jewei1s ein StoBpartner M betei1igt, der die freiwerdende Rekombinationsenergie abflihrt. Es hat sich gezeigt, dass die in Klammem stehenden Elementarschritte keine Bedeutung fiir die Geschwindigkeit der Bruttoreaktion besitzen. Leitet man die Nettobildungsgeschwindigkeit von HBr aus Kettenwachstum und der verbleibenden Inhibierungsreaktion ab, so gilt
H· und Br- sind reaktive Radikale, die in sehr geringen Konzentrationen vorliegen. Die Anderungen ihrer Konzentrationen
:~
sind ebenfalls sehr gering, dennje mehr von den
Radikalen gebildet werden, um so schneller konnen sie abreagieren. Damit kann man fiir diese Stoffe quasistationdre Zustiinde annehmen:
Die Termsurnme - k, . C Sr • c H, + k, . C II • C Sr, + k, . c II . c IISr gibt die Anderung der H-Konzentration wieder und wird Null gesetzt. Durch Vereinfachung beider Geschwindigkeitsansatze erhalt man fiir die Konzentrationen der kurzlebigen Zwischenprodukte
bzw. und bzw.
Die Substitution von
CBr
in
CH
ergibt
191
3.7 Reaktionsmechanismen ausgewdhlter Reaktionen
Durch Einsetzen in den eingangs forrnulierten Geschwindigkeitsansatz fiir die Bildung von HBr erhalt man: 1
k ·c ) 2 . c 1 k . ( -l 2 k Br, H, k ) .2 dc ~ - dt- -- k 2 . ( -k 1 ·c Br, ·c H, + k. c 5 + k . c . ( k ) · cBr, - k 4 · c HEr ) 5
)
Br,
HEr
4
Der Klammerterrn liefert: k ) 'C Br, + k 4 . C HEr + k ) . C Br, k) . CBr,
-
k 4 • C HEr
+ k, . Clm r
Folglich lautet das Geschwindigkeitsgesetz:
dC HEr dt -
k2
.(~) k ~ · 2· k ) · c -=5
Br,
L c H,
k, . C Br, + k, . C HEr
_
)
k ·c Br, .2· C H, k' C , + 'C Br
HEr
,
was identisch ist mit dem experimentell bestimmten Geschwindigkeitsgesetz der Reaktion.
3.7.6
Der Mechanismus unimolekularer Reaktionen
F. Lindemann und C. Hinshelwood untersuchten in den Jahren nach 1920 unimolekulare Gasphasenreaktionen (RO = I) und fanden heraus, dass diese Reaktionen bei sehr geringen Konzentrationen des Ausgangsstoffes oft dem Geschwindigkeitsgesetz fiir Reaktionen 2. Ordnung gehorchen. Dieser Wechsel der Reaktionsordnung fiir die gleiche Reaktion erscheint recht iiberraschend, Lindemann und Hinshelwood gingen davon aus, dass durch den Zusammenstof zweier Teilchen des Ausgangsstoffes ein angeregtes Teilchen entsteht: A +A---*A* +A
3 Reaktionskinetik
192
Das angeregte Molekiil kann in einem weiteren Stoll seine Energie wieder abgebcn A + A* ~ A + A A*~
P
(k2)
oder zum Produkt P weiter reagieren
(k 3)
Postuliert man filr A * einen quasistationaren Zustand, so gilt
bzw.
Die Produktbildung gehorcht dem Geschwindigkeitsansatz
Das Geschwindigkeitsgesetz I. Ordnung erhalt man bei hoherer Konzentration von A, wei! dann k 3 « k2 . CA wird und k, im Nenner vemachlassigt werden kann. Kiirzen von CA
fiihrt zu
de, k 3 · k. -=- ·c dt
k2
A
1m Mechanismus ist dieser Elementarschritt wegen k 3«k\, k 2 gcschwindigkeitsbestimmend. Der Lindemann-Hinshelwood-Mechanismus erklart auch die Beobachtung, dass bei sehr kleinen Reaktantkonzentrationen (k 2 . CA «k3) eine Reaktion 2.0rdnung vorliegen muss. Die vorletzte Gleichung vereinfacht sich dann zu
Stellt man das vollstandige Geschwindigkeitsgesetz
in der Form
193
3.8 Katalyse
dc p - = k ·c dt A
mit
dar , lasst sich der postulierte Mechanismus experimentell iiberpriifen. Wie Abbildung 3.20 verdcutlicht, kann
-& = f(~)
als Ger ade mit der Funktionsglei-
1 11k chung - = - . - +__ 2grafisch dargestellt werden. Bei gro lleren Molekiilcn mus s k k , c A k 1 • k, dem eigentlichen Reaktionsakt oft die Um verteilung der Energie im angeregten Molekiil auf einzelne Bindungen vorausgehen. Das fiihrt bei hoheren Konzentrationen von A zu Abweichungen von der Geraden (Abb. 3.20).
1/k
1/CA
3.8
Abb. 3.20: Abhangigkeit der Geschwindigkeitskonstanten von der Konzentration bei Gasreaktionen nach Lindemann-Hinshelwood
Katalyse
Katalysatoren sind Stoffe, die die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion verandem, ohne in der Bruttoreaktionsgleichung in Erscheinung zu treten. Sie senken in der Regel die Aktivierungsenergie der chemischen Reaktion, indem sie in den Mechanismus der Reaktion cingreifcn. Sie fiihren dazu , dass ein langsamer Reaktionsschritt durch schnellere Elementarrcaktionen unter Beteiligung des Katalysators ersetzt wird . Diese einfache Vorstellung iiber die Wirkungsweise eines Katalysators geht auf Wilhelm Ostwald zuriick und lasst sich anhand der folgenden Gleichungen darstellen. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt einer nicht katalysierten Reaktion sei: A + B -)0 AB Durch Verwendung eines Katalysators wird die ser Elementarschritt in zwei anderen Reaktions schritten mit geringerer Akti vierungsenergie umgangen.
3 Reaktionskinetik
194
A +K
~
AK und AK + B
~
AB + K
In ihrer Summe fiihren die Teilschritte ebenfalls zu AB. Ohne Katal ysator benotigen die Teilchen eine hohere Aktivierungsenergie. Bei Verwendung eines Katal ysators erhoht sich die Zahl der Elementarschritte, die aber aIle eine geringere Aktivierungsenergie besitzen. Bei einer gegebenen Temperatur sind in Gegenwart des Katalysators folglich viel mehr Teilchen zu einer crfolgreichen Umsetzung befahigt als in seiner Abwesenheit. Die katalysierte Reaktion verlauft schneller. Im Energieschema lasst sich der Sachverhalt wie folgt darstellen:
E
EK1
- -_-l- (A+K) E
_K2 (AK)+B
t ohne Katalysalor
mil Katalysalor
(AB)
Abb. 3.21: Energieprofil einer exothermen Reaktion mit und ohne Katalysator
Die Bedeutung der Verwcndung von Katalysatoren kann an folgenden Beispielen demonstriert werden: •
Die Zersetzung von H202 erfordert eine Aktivierungsenergic von 76 kJ mol". Sie verlauft deshalb bei Zimmertemperatur nur sehr langsam. In Gegenwart katalytisch wirkender Iodidionen wird EA auf 57 kJ marl herabgesetzt. Bei Zimmertemperatur entspricht das eincm Beschleunigungsfaktor von 2000.
•
Besonders effizient sind Biokatalysatoren (Enzyme). Die Aktivierungsenergie der Rohrzuckerinversion kann durch Verwendung von Hydroniumionen als Katalysator auf 107 kJ mol" hcrabgesetzt werden (saure Rohrzuckcrinversion). Das katalytisch wirkende Enzym Invertase senkt EA auf 36 kJ morl . Bei 37°C (Korpertemperatur) besitzt der Biokatalysator, verglichen mit H30+ einen Beschleunigung sfaktor von 10 12 •
3.8 Katalyse
3.8.1
195
Saure-Base-Katalyse
Die oben erwahnte H202-Zersetzung gemaB der Bruttoreaktionsgleichung 2 H202 ~ 2 H20 + O2 stellt in Gegenwart von kat alytisch wirksamen Hydroniumionen und Iodidionen ein Beispiel fiir die Wirkungsweise von Katalysatoren dar. Fur die Reaktion wird folgender Mechanismus vorges chlagen. In einer vorge1agerten Gleichgewichtsreaktion mit Hydroniumionen erfolgt die Protonierung der H202-Molekiile:
K= -----=--
Die Wasserkonzentration kann als konstant angesehen werden. Die protonierten Molekiile reagieren mit Iodidionen zur unteriodigen Saure (k2).
Die unteriodige Saure setzt sich sehr schnell mit Wasserstoffperoxidmolekiilen urn, wobei 02 freigesetzt und die katalysierenden Spezies riickgebildet werden (kj).
Geschwindigkeitsbestirnmend ist der zweite Elementarschritt, so dass fiir die Gesamtgeschwindigkeit
Die HOOH/-Konzentration ist aus der Gleichgewichtskonstanten erhaltlich: dca,
ili = k, .K· CHOOH . cH,o+ . c
j
_
•
In der Bruttoreaktion 2 H20 2 ~ 2 H20 + O 2 treten die katalytisch wirkenden Hydroniumionen bzw . Iodidionen nicht in Erscheinung. Ihre Konzentrationen werden im Ergebnis der Bruttoreaktion nicht geandert, Die Bruttoreaktion verlauft nach 1. Ordnung. Die katalytische Einbeziehung von H30+ in den Reaktionsmechanismus macht die H202-Zersetzung zugleich zu einem Beispiel fiir eine siiurekatalysierte Reaktion. Allgemein versteht man unter Siiurekatalyse die Protoneniibertragung vom Kata-
3 Reaktionskin etik
196
lysator auf den Reaktanten mit anschlieBender Weiterreaktion des protonierten Teilchens: und Weiterreaktion von HX+ . Analog lassen sich basekatalysierte Reaktionen diskutieren. Bei der Basekatalyse wird der Reaktant durch den Katalysator deprotoniert: HX + K
+:t HK+ + X
Weiterreaktion von X
Die Saure- und Basekatalyse sind zugleich Beispiele fur homogene Katalysen. Im Gegensatz zur heterogenen Katalyse befinden sich dabei Katalysator und Reaktanten in der gleichen Phase. Als weiteres Beispiel fur die homogene Katalyse sei die Metallionenkatalyse genannt. Durch Anlagerung von Metallionen kommt es zu Elektronendichteverschiebungen im Reaktantmolekiil. Der Reaktant-Metallion-Komplex bildet reaktive Zentren aus, die zur Wechse1wirkung mit weiteren Ausgangsstoffen befahigt sind. Die Schadstoffwirkung von Schwermetallionen beruht zum Teil auf der Metallionenkatalyse.
3.8.2
Enzymkatalysierte Reaktionen - Michaclis-Menten-Kinetik
Enzyme sind makromolekulare EiweiBe, die durch Bildung des Enzym-SubstratKomplexes (Anlagerung an das Substrat) ebenfalls Veranderungen der Elektronendichteverteilung im Substrat bewirken und damit dessen Weiterreaktion ermoglichen. Wegen der makromolekularen Eigenschaft der Enzyme stellen die Reaktionen einen Grenzfall zur heterogenen Katalyse dar. Fur einfache enzymkatalysierte Reaktionen schlugen L. Michaelis und M. Menten 1913 einen Mechanismus VOL
v
V
max
"[---------:
: Reaktion O. Ordnung
I
I
I
I
Reaktion 1. Ordnung
Cs,O
Abb. 3.22: Abhangigkeit der Anfangsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration bei enzymkatalysierten Reaktionen
197
3.8 Katalyse
Sie untersuchten die Anfangsgeschwindigkeit enzymkatalysierter Reaktionen in Abhangigkeit von der Substratkonzentration und fanden, dass die Reaktionen bei kleinen Substratkonzentrationen nach 1. Ordnung, bei grollen Substratkonzentrationen nach O. Ordnung verlaufen. Zur Erkliirung dieses Verhaltens nahmen Michaelis und Menten folgendes an: Substrat und Enzym bilden in einer Gleichgewichtsreaktion den Enzym-SubstratKomplex, der in einer Folgereaktion zum Produkt weiter reagiert und das Enzym wieder freisetzt: E +S
+± ES ~P
.
Fur die Teilschritte existieren die folgenden Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten: k, fiir die Bildung des Komplexes, k 2 fiir die Dissoziation des Komplexes und k, fiir die Wciterreaktion des Komplexes zum Produkt. Fur den Enzym-Substrat-Komplex kann nach kurzer Einlaufzeit der Reaktion ein quasistationiirer Zustand angenommen werden. Damit gilt:
(3.69)
Die aktuelle Enzymkonzentration CE erhalt man aus der Differenz der Ausgangskonzentration des Enzyms CEO und der Komplexkonzentration CES
(3.70)
Durch Umformen und Freistellen von
k
CES
erhalt man:
j
'C EO 'C S
c ES =
k2 + k3 k I 1+ k k ' Cs 2
+
3
(3.71)
3 Reaktionskinetik
198
Den Kehrwert von K M zusammen. Fur
k
j
k, t k, CES
fasst man zur sogenannten Michaelis-Menten-Konstanten
folgt daraus
(3.72)
Fur die Produktbildung gilt der Geschwindigkeitsansatz
(3.73)
Nimmt man sehr kleine Substratkonzentrationen an, so vereinfacht sich der Geschwindigkeitsansatz zu
(3.74)
was einer Reaktion 1. Ordnung entspricht. GroBe Substratkonzentrationen dagegen lassen K M t
Cs
'" Cs werden, woraus
(3.75)
eine Reaktion O. Ordnung resultiert. k, . CEO stellt die Maximalgeschwindigkeit der enzymkatalysierten Reaktion dar. Zur Bestimmung der Michaelis-Menten-Konstanten bildet man den Kchrwert der Gleichung (3.73) und misst die Anfangsgeschwindigkeit VRO in Abhangigkeit von der anfanglichen Substratkonzentration CSO.
-
v RO
K M t c so
k, . CEO' C SO
K
1
1
C SO
k, . CEO
= -M --·-t---
k, . CEO
(3.76)
3.8 Katalyse
199
Die Konstanten sind aus dem Anstieg und dem Ordinatenabsehnitt der Geraden _1_ = v RO
1 Il1_eso_ ) zuganglich, wie Abbildung 3.23 verdeutlieht. Der Sehnittpunkt der Gera-
1 1 den mit der - -Aehse entsprieht - . e so KM
1IC S,0
3.8.3
Abb. 3.23: Grafische Bestimmung der MichaelisMenten-Konstanten
Katalytischer Ozonabbau
Ozon bildet sieh aus molekularem Sauerstoff in der Bruttogleiehgewiehtsreaktion
302 +t 2 03 Aus thermodynamisehen Grunden ist die Riiekreaktion favorisiert, so dass das Gleiehgewicht normalerweise stark auf die Seite des molekularen Sauerstoffs versehoben ist. Intensive Sonnenstrahlung, wie sie in der Stratosphare der Erde auftritt, verschiebt das Gleichgewieht zu Gunsten des Ozons. Fur die Ozonbildung und den natiirlichen Ozonabbau in der Stratosphare wurden Mechanismen vorgeschlagen, von denen der Chapman-Mechanismus der bekannteste ist und stellvertretend fur alle behandelt werden soll . Er lasst sieh in folgende Teilsehritte zerlegen: O2 +:t 2 0
Ie :s; 240 nm
0 + 02 +:t 0 3 0 3 + 0 +:t 2 0 2 0 3 +:t 02 + 0 Ie :::: 310 nm . Die Wellenlangenaussagen ergeben sich aus den Bindungsenergiewerten der aufzubrechenden Bindungen. Sie verdeutlichen die Mindestenergie, die die Strahlung besitzen muss, urn fur die Fotolyse geeignet zu sein .
3 Reaktionskinetik
200
Resultat der Bildungs- und Abbaureaktionen war iiber mehrere hunderttausend Jahre der Erdgeschichte eine weitgehend konstante Ozonkonzentration der Stratosphare in 15 bis 40 km Hohe (fotostationares Gleichgewicht der Ozonosphare). Fiir das Leben auf der Erde ist es ganz wichtig, dass bei der fotolytischen Spaltung von molekularem Sauerstoffbzw. Ozon und bei einer Reihe von Prozessen, die zur elektromagnetischen Anregung kleiner Gasmolekiile, vor allem der Ozonmolekiile selbst oder zu Fotoionisationsprozessen fiihren, der fiir die Biosphare schadliche UVC- bzw. UVB-Anteil des Sonnen-
lichts (harte UV-Strahlung, A < 320 nm) verbraucht wird. Seit etwa 1950 wurden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zunehmend industriell hergestellt und eingesetzt. Zum Einen bildeten sie eine wichtige Halogensenke fiir die chemische Industrie, zum Anderen nutzte man die hervorragenden Gebrauchseigenschaften dieser Verbindungen aus (ungiftig, gute Losungsmittel, nicht brennbar etc.). Zu spat erwies sich die hohe Stabilitat der FCKW als todliche Eigenschaft fiir die Ozonosphdre. FCKW-Molekiile werden wegen ihrer Stabilitat in der Troposphdre (bis etwa 10 km Hohe, Hohe variiert in Abhangigkeit vom Breitengrad) chemisch nicht verandert. Einmal freigesetzt, steigen sie iiber einen Zeitraum von 15 bis 18 Jahren in die Stratosphare auf. Am iiu13eren Rand der Ozonosphare werden sie schlieJ31ich fotolytisch gespaltet: CFCh
Cl- + ·CFClz
~
A:S 220 run .
Die gebildeten Chlorradikale katalysieren eine der Abbaureaktionen des Chapman-
Zyklus: CI· + 0 3 ~ CIO + O2 CIO + 0
~
03+0~
Cl· + 0 2
2 02
Man schatzt, dass ein Chlorradikal 1 Million mal dies en Mechanismus durchlaufen kann, bevor es in der Reaktion mit OH- bzw. 02H-Radikalen in HCI uberfiihrt wird. Inzwischen sind die Produktion und Nutzung der FCKW weitgehend eingestellt. Die als Verschaumungsmittel eingesetzten Verbindungen und die in Aggregaten verwendeten Stoffe (z.B. Kiihlmittel etc.) gelangen aber weiter in die Umwelt. Die eigentliche Schadigung der Ozonosphare erfolgt ohnehin 15 bis 18 Jahre verzogert, so dass vorerst mit einem weiteren Anstieg der Chlorradikalkonzentration in der Stratosphare zu rechnen ist.
3.9 Ubungsaufgaben zu Kapitel3
3.9 1.
201
Ubungsaufgaben zu Kapitel 3 Unter Verwendung eines Katalysators zerfallt Wasserstoffperoxid entsprechend der Bruttoreaktionsgleichung H202 ~ H20 + Y2 O2 . In Abhiingigkeit von der Zeit wurde bei konstanter Temperatur die H202Konzentration verfolgt. Bestimmen Sie die Reaktionsordnung und die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante! t/ min c / mol·r
l
a
7,5
15
2,54
1,59
0,983
22,5 0,617
30 0,381
2.
Als Reaktionsgeschwindigkeitskonstante des H 20 2-Zerfalls in Aufgabe 1 wurde in einer anderen Versuchsreihe bei gegebener Temperatur 6,29 . 10-2 min· l ermittelt. In welcher Zeit zerfallen 2,32 mol H202 von eingesetzten 5,80 mol?
3.
Wie viel Gramm H202 bleiben nach 10 min zuriick, wenn die Ausgangslosung 5,80 mol H202 enthalt? Die Geschwindigkeitskonstante der Zerfallsreaktion betragt 6,29 . 10.2 min-l .
4.
Das Oxalatomanganat(III)ion zerfallt in einer Reaktion 1. Ordnung gemiiB der Bruttoreaktionsgleichung [Mn(C204hJ3• ~ Mn 2+ +
"25
C20/ - + C02
Bei 15 DC wurden folgende Messwerte ermittelt: t z min
102 . clmol ·r l
0 10,0 9,00
3 7,40
5 6,1
7 5,00
10
15
20
3,20
2,20
1,35
Ermitteln Sie grafisch die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante! 5.
Bei der alkalischen Hydrolyse von Propionsaureethylester wurden gleiche Ausgangskonzentrationen der beiden Edukte eingesetzt. Die Bruttoreaktionsgleichung lautet: C2HsCOOC2Hs + OR
~
C2HsCOO' + C2HSOH .
Bei 20 DC wurden folgende Esterkonzentrationen in Einheiten von 10'3 mol ·r l gemessen:
3 Reaktionskinetik
202
t /min
o 20,0
10 10,26
20 6,71
30 5,04
40 4,03
60 2,85
80 2,26
100 1,85
120 1,56
Bestimmen Sie Reaktionsordnung und Reaktionsgeschwindigkeitskonstante! 6.
Lachgas zersetzt sich thermisch entsprechend folgender Reaktionsgleichung: N20 ~ N2 + Y2 02 in einer Reaktion 2. Ordnung. Bei 1000 K wurde der Gesamtgasdruck gemessen.
tis p I Torr
30 545
60 577
90 600
Ermitteln Sie die Geschwindigkeitskonstante! 7.
Hirschhomsalz zersetzt sich bei 135°C irreversibel: NH4HC03 ~NH3 + H20 + C02 Die wahrend der Reaktion verbleibende Salzmenge wird durch Wagung erhalten. Ermitteln Sie die Reaktionsordnung.
t /min m ig 8.
5 74
10 56
20 20
In welcher Zeit ist eine bestimmte Menge Dimethylether bei 777 K zu 50%,
80 % bzw. nahezu vollstandig (99,9 %) zersetzt. Die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion betragt 4,4· 10-4 S-I. 9.
Fur die Dimerisierung von Butadien wurden in Abhangigkeit von der Temperatur zwei Geschwindigkeitskonstantcn bestimmt: 240,0
267,2
0,751
2,434
Berechnen Sic die Aktivicrungsenergie und den Frequenzfaktor der Reaktion!
3.9 Ubungsaufgaben zu Kapitel 3
10.
203
Oberhalb von 600 K zerfallt Stickstoffdioxid in einer Reaktion 2. Ordnung in Stickstoffinonoxid und Sauerstoff. Fur die Zerfallsreaktion wurden bei unterschiedlichen Temperaturen die Geschwindigkeitskonstanten bestimmt. T /K
592,0 0,522
603,5 0,755
627,0 1,70
651,5 4,02
656,2 5,03
Ermitteln Sie Aktivierungsenergie und Frequenzfaktor der Reaktion. 11.
Triethylamin reagiert mit Ethyliodid bei 70 °C in Nitrobenzol zu Tetraethylammoniumiodid. Die Aktivierungsenergie (EA = 49,82 kl-mol") und der Frequenzfaktor der Reaktion (ko = 7,5 . 106l. mor l.min-l) sind bekannt. Wie grof ist die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante?
12.
Durch Einsatz eines Katalysators wird die Aktivierungsenergie in Aufgabe 11 urn 40 % gesenkt. Urn welchen Faktor wird die Reaktion bei 70 °C beschleunigt?
13.
Die Geschwindigkeitskonstante der Rohrzuckerinversion betragt 2,17 .10-3 min-l bei 25 °C in 0,5 n HCl. Wie viel Masse % des eingesetzten Rohrzuckers sind nach 20 min bei 40 °C hydrolysiert , wenn die Aktivierungsenergie 109 kl·mor l betragt? Wie grof ist die Halbwertszeit bei 40 °C?
14.
Bei der Inversion des Rohrzuckers erhoht sich die Geschwindigkeitskonstante bei Temperaturerhohung von 20 °C auf 30 °C auf das 4,3 fache. Berechnen Sie die Aktivierungsenergie.
15.
Die Halbwertszeit der alkalischen Verseifung eines Esters (Reaktion 2. Ordnung) betragt bei einer Ausgangskonzentration von 0,250 mol·r l tv, = 11,5 min. Wie viel mol des Esters sind nach 2,3 h zersetzt?
16.
Wie verhalt sich die Zeit, in der 75 % der Ausgangsmenge reagiert haben, zur Halbwertszeit bei einer Reaktion 3. Ordnung?
17.
Berechnen Sie die Aktivierungsenergie fur die Zersetzung von N0 2 in NO und 0 2, wenn die Geschwindigkeitskonstanten k, = 83,9.10-5 l·morl·s- l bei 600 K und k2 = 407·1O-5l ·mor l·s-1 bei 640 K betragen?
204
18.
3 Reaktionskinetik
Fur den Zerfa11 von Nitrosylchlorid gemaf der Gleichung 2 NOCI ~ 2 NO + Clz ermittelt man bei unterschiedlichen Temperaturen die Geschwindigkeitskonstanten S / oC 200 k I I·morl ·s-I
76,3
Berechnen Sie die Aktivierungsenergie und den Frequenzfaktor der Reaktion! 19.
Welche Geschwindigkeitskonstante besitzt die Reaktion in Aufgabe 18 bei 180°C?
20.
Wann besitzt die Reaktionsgeschwindigkeit einer enzymatisch katalysierten Reaktion, die nach der Michaelis-Menten-Kinetik ablauft, die Halfte ihres Maximalwertes?
21.
Fur die Reaktion 1. Ordnung SOzClz ~ SOz + Clz wird bei 593 K die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante (RGK) mit 2,20 . 10-5 S'l ermittelt. Wie viel Prozent des SOzClz werden durch Erhitzen der Probe bei 593 K nach 2 h zersetzt?
22.
Die Reaktion CH3CHzNOz + OH-
CH3CHNOz- + HzO liiuft bei 273 K mit einer Anfangskonzentration der Ausgangsstoffe von 5,0 . 10-3 mol . r' abo Die OH'- Konzentration fallt nach 5 min auf 2,6 . 10-3 mol · r', nach 10 min auf 1,7.10-3 mol · r' und nach 15 min auf 1,3 . 10-3 mol· r'. Zeigen Sie grafisch, ~
dass eine Reaktion 2. Ordnung fiir glciche Anfangskonzentrationen von OR" und Nitroethan vorliegt und berechnen Sic die RGK bei der gegebenen Temperatur! 23.
Die Halbwertszeit des radioaktiven 1311betragt 193,4 h. In welcher Zeit zerfa11en 10 % dieses Stoffes?
24.
Fur eine Reaktion zweiter Ordnung wurde die RGK bei 25°C gemessen (k = 3,25 . 1O-z1 . mOrl . S'I). Die Konzentration der Ausgangsstoffe betrug bei Reaktionsbeginn jeweils 0,25 mol . r'. Berechnen Sie die Konzentration der Ausgangsstoffe nach 10 min Reaktionszeit!
3.9 Ubungsaufgaben zu Kapitel 3
25.
Der katalytische Zerfall von H20 2 wird titrimetrisch verfolgt. Dabei werden bei 40 °C folgende Konzentrationen gemessen:
tis cA /mol.
26.
205
r'
o
450
900
1350
1800
0,254
0,159
0,098
0,062
0,038
Ermitteln Sie die Reaktionsordnung und die RGK! Die Bildung des quarternaren Ammoniumsalzes Benzoylmethylenpyridiniumbromid (C6HsCOCH2NCsH sBr) aus Bromacetophenon (BrCH2COC6Hs) und Pyridin in Methanol lasst sich an der Zunahme der Leitfahigkeit der Losung verfolgen. Die Konzentration der beiden Ausgangsstoffe betrug vor Beginn der Reaktion je 38,5 mol· m,3. Die Abnahme der Ausgangskonzentration eines der beiden Ausgangsstoffe im Verlaufe der Reaktion, berechnet aus Leitfahigkeitsmessungen, zeigt die folgende Tabelle:
tis
o
1680
4080
5040
5940
6600
9180
12180
cAl mol· m,3
38,5
13,37
5,50
4,45
3,79
3,40
2,44
1,84
Bestimmen Sie die Reaktionsordnung, die Geschwindigkeitskonstante k und die Halbwertszeit der Reaktion! 27.
Die Hydrolyse eines bestimmten Insektizids verlauft nach einem Geschwindigkeitsgesetz pseudo-erster Ordnung, die RGK der Reaktion mit Wasser hat bei 12°C den Wert k = 1,45 a,l. Eine bestimmte Portion dieses Insektizids wird im Monat Juni in einen See gespiilt. Das fiihrt dort zu einer mittleren Ausgangskonzentration, die mit Co = 5 . 10'7 g . cm,3 bestimmt wird. Unter der Annahme, dass die durchschnittliche Temperatur des Sees 12 °C betragt und nur hydrolytischer Abbau erfolgt, sind folgende Aufgaben zu losen: a) Wie grof ist die Insektizidkonzentration nach einem Jahr? b) Wie lange dauert es, bis die Massenkonzentration auf 3 . 10'7 g . em" abgesunken ist?
28.
Eine chemische Reaktion zeigt einen 20 %igen Umsatz eines der Ausgangsstoffe in 12,6 min bei 300 K und 3,20 min bei 340 K. Berechnen sie die Aktivierungsenergie dieser Reaktion!
206
3 Reaktionskinetik
29.
Bei 20 °C betragen fiir die Verseifung von Essigsauremethylester die Geschwindigkeitskonstante k = 0,1141 mol" min" und die Aktivierungsenergie E A = 46,6 kJ mor l . Urn wie viel Prozent nimmt die Geschwindigkeitskonstante bei 10 K Temperaturerhohung zu und wie grof ist der Frequenzfaktor?
30.
Eine Reaktion 1. Ordnung hat eine Aktivierungsenergie von E A und einen Frequenzfaktor k o = 6 . 1013 Halbwertszeit 1 min?
31.
S·l.
=
94,62 kJ morl
Bei welcher Temperatur betragt die
Fiir den Zerfall von NzOs wurden folgende Werte erhalten:
S J OC
25,0
35,0
45,0
55,0
65,0
1,72
6,65
24,94
75,0
240
Berechnen Sie die Aktivierungsenergie, den Frequenzfaktor und die Halbwertszeit fiir diese Reaktion bei 50,0 °C! 32.
In Methanollaufen zwischen CoCh und Anilin Komplexbildungsreaktionen ab: CoCh + 2 An ~ [Co(An)2]Ch (1) [Co(An)2]Ch + 2 An ~ [Co(An)4]Ch (2) (blau) (rot) Die Reaktion (2) verlauft bei Aniliniiberschuss nach 1. Ordnung. Bei 25°C wurden folgende Extinktionen gem essen: t / min
5
100
200
300
400
E
0,3492
0,3665
0,3819
0,3979
0,4117
Die Extinktion der ausreagierten Losung betragt 0,5376. Ermitteln Sie die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion! 33.
Zeigen Sie, dass der allgemeine Geschwindigkeitsansatz
I dC
- - . - -A= k'·c p·c q v A dt A B
mit
n= p+q
inderForm
_ dC A = k-c dt
n
A
dargestellt werden kann, wenn A und B im st6chiometrischen Verhaltnis ihrer Konzentrationen eingesetzt werden.
207
3.10 Versuche zur Reaktionskinetik
3.10
Versuche zur Reaktionskinetik
3.10.1
ZerfaUsgeschwindigkeit des Trioxalatomanganat(III)-Ions
Oer Zerfall einer frisch hergestellten braunen Losung der Titelverbindung nach der Reaktionsgleichung:
2
c2oi-
2 [Mn(C204ht ~ 2 Mn + + 5 + 2 C02 ist eine Reaktion, die nach l.Ordnung ablauft. Oer Reaktionsmechanismus beginnt mit einem langsamen Schritt. 1m oktaedrischen Manganatkomplex wird eine von den 6 Bindungsstellen der Oxalatanionen durch ein Molekiil H 20 substituiert, wobei ein unsymmetrisches, fiir eine innere Redoxreaktion anfalliges Komplexion entsteht, das in schnellen Folgereaktionen die Endprodukte bildet:
p H,o~~n~/ 1°,,--,
°
H/ 'H Oer dargestellte Reaktionsschritt ist also geschwindigkeitsbestimmend und wegen des grollen Wasseriiberschusses eine Reaktion pseudo-erster Ordnung. Fur analoge Kobaltkomplexe erfolgt die Reduktion des Zentralions erst nach Bestrahlung mit Licht. Fur diese Komplexe diskutiert man als Geschwindigkeitsbestimmenden Schritt einen fotochemisch induzierten Elektronentransfer von einem Oxalatliganden auf das Zentralion. Oer Mechanismus fiihrt letztlich auch zu einer Reaktion I. Ordnung. Es werden Messreihen bei zwei verschiedenen Anfangskonzentrationen durchgefiihrt, die zeigen sollen, dass die Geschwindigkeitskonstante und die Halbwertszeit einer Reaktion 1. Ordnung von der Anfangskonzentration unabhangig sind . Oas braune Komplexion entsteht sofort nach dem Mischen von: 0,1 MMnS04, I. Konzentration 2. Konzentration
lam! 5 m!
0,1 M Oxalsaure 40ml 20 ml
0,01 MKMn04 5,Oml 2,5 ml + 25 ml H 20
Fiir die fotometrische Verfolgung der Reaktion wahlt man eine Wellenlange im blaugriinen Bereich mit Anfangsextinktionen zwischen 1 und 0,3. Auf Temperaturkonstanz und Temperaturubereinstimmung von ± 0,2 K bei den verschiedenen Ausgangskonzentrationen ist zu achten. Oer Leerwert der wassergefiillten Messkiivette muss auf Null abgeglichen sein.
3 Reaktionskinetik
208
Zur Veranschaulichung werden grafische Darstellungen E = f(t) und InE = f(t) angeferE tigt. Der Anstieg der Gleichung InE = -kt + InEo bzw. In ~
= k -t
liefert die Geschwin-
digkeitskonstante k. Die Halbwertszeit t1/2 ist aus E = f(t) abzulesen bzw. aus der Geschwindigkeitskonstanten zu berechnen.
Fragen: 1. Wie ist die Durchlassigkeit definiert? Wie gro/3 ist die Extinktion einer Losung, wenn sie 50% des einfallenden Lichtes absorbiert? 2. Welches ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei Folge- bzw. bei Nebenreaktionen? 3. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Extinktion und der Konzentration? 4. Wie berechnet man t1/2 aus k bei Reaktionen 1. und bei Reaktionen 2. Ordnung?
3.10.2
Inversionsgeschwindigkeit von Saccharose (Rohrzucker)
Die Hydrolyse der Saccharose verlauft nach der stochiometrischen Gleichung: H+ C12H22011
Saccharose
+
H20
~
C6H 120 6 D(+)Glucopyranose
+
C 6R1206
D( -)Fructopyranose
Rohrzucker dreht die Ebene polarisierten Lichtes nach rechts mit der spezifischen Drehung [afoo : 66,55 grd -g'i -crrr-dm". Das Gemisch der Endprodukte dreht dagegen nach links , da Glucose zwar nach rechts dreht ([afoo : 52,5 grd-gi-crrrdm"), Fructose jedoch vie! starker nach links ([afoo : -91,9 grd-gl-cm-dm' ). Im Verlauf der Hydrolyse wird also aus einem positiven ein negativer Drehwinkel ("Inversion"). Urn die Reaktion zu beschleunigen, wird 1 M Salzsaure als Katalysator cingesetzt. Der vermutete Reaktionsmechanismus fiihrt zu dem Geschwindigkeitsansatz
(3.77 )
K fur das vorgelagerte Protonierungsgleichgewicht, k fiir die nachfolgende Hydrolyse.
3.10 Versuche zur Reaktionskinetik
209
In diesem Ansatz sind alle Grollen, bis auf die Rohrzuekerkonzentration, konstant und lassen sieh zu k exp zusammenfassen. Fur die Messreihen werden 100 g 15 Masse-%ige Rohrzuckerlosung hergestellt. Die Losung sowie 40 ml 2 M HCI werden getrennt auf die Messtemperatur (etwa 20,0°C) vortemperiert. Dann werden 40 ml der Zuckerlosung zur Saure gemiseht. Die 20 em lange Polarimeterrohre wird gefiillt und in das an einem Thermostaten angeschlossene Polarimeter gelegt. Nach etwa 2 Minuten wird der 1. Messwert registriert. Die weiteren Messungen folgen alle 5 Minuten. Bei einem Drehwinkel von etwa -1 Grad bricht man die Messung abo Nach dem Start der l.Messreihe wird in gleicher Weise eine 2. Messreihe bei einer ca. 20 Grad hoheren Temperatur begonnen. Die genauen Temperaturen werden protokolliert. Die Ermittlung von k exp erfolgt nach der Gleichung: In(a - a",) = -kexp·t + In(ao - a",). Fur die Auswertung ist also die Kenntnis von a ", erforderlich. Da die Hydrolyse bei Zimmertemperatur erst nach mehreren Stunden sich dem Ende nahert, wird <Xao am Rest der Losungen bestimmt, der ca. 30 Minuten lang bei etwa 60 DC gehalten wird. Bevor die Drehwinkel a ex) gemessen werden konnen, muss wieder auf die jeweilige Messtemperatur temperiert werden, da bei Glucose und bei Fructose temperaturabhangige Gleichgewichte zwischen a- und p-Form vorliegen. Uber die Gleichung lnk exp = - E A + ln k, werden die Arrheniussehe AktivierungsR ·T energie E A und der Frequenzfaktor ko ermittelt. (Literaturwerte: E A : 106 kJ mol", ko: 7,1.10 14 S-I).
Fragen: 1. Warum sind die Konzentrationen von H20 nahezu und von H+ vollstandig konstant? 2. Was ist eine homogene Katalyse? Wie greift das H+ vermutlieh in die Hydrolyse ein? · ao illr diie MI" . g, 3 . B erec hnen Sie ess osung uiiber a = [a) ,I ·m (I'In dm, m In v 4. Leiten Sie anhand der Gleichung
. V In
em 3),.
k exp = K, k -e H+ • cH,o und der Arrheniusschen
Gleichung ab, dass die Arrheniussche Aktivierungsenergie E A unabhangig von der Katalysatorkonzentration c H+ ist! 5. Zeigen Sie, dass in die Arrheniussehe Aktivierungsenergie aueh die Reaktionsenthalpie des Protonierungsgleichgewichts eingeht! 6. Wie ist der Frequenzfaktor ko definiert? Wovon hangt die GroBe von ko ab?
3 Reaktionskinetik
210
3.10.3
Esterhydrolyse
Die saure Hydrolyse von Carbonsaureestern wird durch folgende Bruttogleichung beschrieben:
Die Hydrolyse verlauft vor allem infolge sterischer Hinderung des Angriffs von H 2 0 an der protonierten Carbonylgruppe urn so langsamer, je langer und verzweigter R, und R2 sind. 1m Versuch soll die Hydrolyse von Essigsaureethylester in 0,5 M HCI bei ca 35 DC untersucht werden. Der Umsatz wird durch Titration der entstehenden Essigsaure verfolgt. Damit der Verbrauch fiir den Katalysator vom Titrationsergebnis abgezogen werden kann, erfolgt gleich nach dem Mischen von vortemperierten 5 ml Ester und 100 ml 0,5 M HCI die 1. Titration mit 0,1 M NaOH gegen Phenolphthalein als Indikator. Dazu werden wie auch bei den weiteren alle 10 Minuten erfolgenden Messungen 5 ml Reaktionsgemisch entnommen und in ca. 200 ml kaltes Wasser iiberfiihrt. Durch Abkiihlen und Verdiinnen des Katalysators wird die Reaktion abgestoppt. Allerdings muss anschlieBend ziigig titriert werden, da die Reaktion langsam weiterlauft, was man auch daran merkt, dass nach dem Roturnschlag des Indikators am Aquivalenzpunkt sich die Losung allmahlich wieder entfarbt, Der Aquivalenzpunkt gilt als erreicht, wenn eine schwache Rosafarbung sich etwa 5 Sekunden gehalten hat. Die Carbonsaurederivate (Ester, Amide, Ssurechloride, Sdureanhydride u.a.) hydrolysieren in saurer Losung zumeist in einer Reaktion pseudo-erster Ordnung, das heiJ3t, in den Geschwindigkeitsansatz gehen anstatt der Konzentration der Hydroniumionen, des Wassers und des Substrats, die Gleichgewichtskonstante der Esterprotonierung und die Geschwindigkeitskonstante fiir die Umsetzung des protonierten Substrats mit dem Wasser ein. In Sauren, deren Konzentration groller als etwa 1 molar ist, tritt bei den Carbonsaurederivathydrolysen an die Stelle der Hydroniumionenkonzentration die sogenannte Hammettsche Aciditdtsfunktion hoals MaB fiir die protonierende Kraft des Losungsmittels . Die Aciditatsfunktion h o = aH+ . fs/fsH+ wird filr ungeladene Substrate verwendet und beriicksichtigt, dass die Protonierungskraft beim Konzentrieren der Saure starker ansteigt, als es die Hydroniumionenkonzentration zum Ausdruck bringt. Die Aciditatsfunktionen werden bestimmt, indem die Extinktionen und damit die Konzentrationen einer Indikatorbase B und der protonierten Base BH+ ermitte1t werden. Da die Hydrolyse bei konstanter Saurekonzentration bzw . Aciditatsfunktion untersucht wird, gehen alle geschwindigkeitsbestimmenden Grolien bis auf die Esterkonzentration in die experimentelle Geschwindigkeitskonstante k exp ein. Die Bestimmung von k exp erfolgt durch Auswertung der Gleichungen:
3.10 Versuche zur Reaktionskinetik
cE In_ o= k
cE
voo :
exp
-t
bzw.
In
211
V oo voo-v
=
(3.78)
kexp·t
t
Verbrauch an 0,1 M NaOH fiir die nach vollstiindiger Hydrolyse entstandene Essigsaure. Der Wert muss aus der Esteranfangskonzentration berechnet werden. Esterdichte: 0,894 g-ml" bei 25 DC; 0,888 g-ml" bei 30 DC;
0,882 g-ml" bei 35 DC. Verbrauch an 0,1 M NaOH fur die nach t entstandene Menge Essigsaure. Literaturwerte fiir 0,5 M HCl : kexp (25 DC) = 5,61·10,5 S,I ; k exp(35 DC) = 1,31·10,4 Vt:
S·I.
Die Aktivierungsenergie zur Berechnung des erwarteten k exp betragt 64,82 kJ·mor l
.
Fragen: 1. Warum wirkt die entstehende Essigsaure nicht autokatalytisch? 2. Worin besteht der Unterschied der Begriffe Reaktionsordnung und Molekularitat in ihrer Anwendung ? 3. Welcher Reaktionsmechanismus wird fur die saure Esterhydrolyse vorgeschlagen?
3.10.4
Iodierung von Aceton
Die kinetische Untersuchung der lodierung von Aceton
ergibt: •
Die Umsatzgeschwindigkeit ist proportional der Acetonkonzentration und der Wasserstoffionenkonzentration.
•
Sie ist weitgehend unabhangig von der h-Konzentration.
Aufgrund dieser Befunde nimmt man an, dass nicht die Ketoform CH3COCH3 (Symbol A), sondem die in verhaltnismaflig geringer Konzentration vorliegende Enolform CH 3COHCHz (Symbol E) mit lod reagiert und dass der geschwindigkeitsbestimmende Schritt die saurekatalysierte Enolisierung des Acetons ist, gefolgt von einer relativ schnellen lodierung unter Freisetzung von lodwasserstoff. CH 3COCH3 + H+ +:t CH 3COHCHz + H+ (Schritt 1) mit den Geschwindigkeitskonstanten k l und k z fiir Hin - bzw. Riickreaktion sowie CH3COHCHz + h --; CH 3COCHzI + H+ + r
mit der zugehorigen Geschwindigkeitskonstanten k 3.
(Schritt 2)
3 Reaktionskinetik
212
Die im Schritt 2 gebildeten Hl-Ionen wirkcn im Schritt I als Katalysator. Die Iodierung von Aceton ist dernnach eine autokatalytische Reaktion. Eine experimentell iiberpriifbare Geschwindigkeitsgleichung fiir den komplexen Mechanismus lasst sich unter Zuhilfenahme des Bodensteinschen Stationaritdtsprinzlps ableiten: Zuniichst wird unter Verwendung der Umsatzvariablen x der Geschwindigkeitsansatz fiir die Bildung des Reaktionsprodukts nach Reaktionsschritt 2 formuliert:
(3.79)
Die Konzentrationsiinderung der Enolform folgt andererseits dem Geschwindigkeitsgesetz:
(3.80)
Nimmt man nun, wie oben behauptet, an, dass sich die Enolform re1ativ langsam bildet und schnell weiter reagiert, dann sollte sich entsprechend dem Stationaritatsprinzip fiir die Enolform nach einer kurzen Einlaufzeit ein quasistationiires FlieBgleichgewicht (steady state) mit konstanter Enolkonzentration einstellen, in dem sich Bildung und Abreaktion des Zwischenprodukts die Waage halten (vergl. Enzymkatalyse, Kap . 3.8.2). Das bedeutet, dass dann
d~~] gleich Null wird. Setzt man dies in Gl. (3.80) ein und lost
nach [E] auf, ergibt sich:
(3.81)
Ersetzt man in Gl. (3.79) [E] durch die rechte Seite von Gl. (3.81), so folgt: dx _ kl·k2[A]'[H+] .~ dt -
k 2 '[H+]+k 3 '[12l
(3.82)
Eine weitere Vereinfachung ist moglich, wenn man in Ubereinstimmung mit den kinetischen Befunden annimmt, dass k 3 » k 2 •
3.10 Versuche zur Reaktionskinetik
213
Dann kann im Nenner von G1.(3.82) k 2 • [H+] gegeniiber k, . [h) vemachlassigt werden, und man erhalt naeh Kiirzen von k, . [12] eine verhaltnismallig einfaehe Gesehwindigkeitsg1eiehung fiir die komplexe Reaktion
(3.83)
Man ersetzt [A] dureh [A]a - x und [H+] dureh [H+]a + x . Die ansehliel3ende Integration naeh dem Verfahren der Partialbruehzerlegung ergibt die expcrimenteIl iiberpriifbare Integra1gleiehung
(3.84)
[A],
Anfangskonzentration an Aeeton Anfangskonzentration an H+-Ionen Konzentration an iodiertem Aeeton (Umsatzvariable) x = [Ia]o - [h] .
[H+]a x
Die Reaktion wird dureh Messung der Extinktion des Iods bei 550 nm verfo1gt. Fiir einen brauehbaren Reaktionsansatz gibt man je 2,5 ml 1 M HCI und 0,1 M h (mit KI gelost) in einen 50 ml-Mal3ko1ben, fiillt bis auf ca. 5 ml mit Wasser auf, temperiert bei 25 °C und startet dureh Zugabe von 1 m1 ebenfaIls vortemperiertem Aeeton. Naeh Auffiillen des Ma13ko1bens mit Wasser befiillt man eine temperierte, gasdiehte 1 emKiivette und beginnt naeh 5 Minuten mit den Extinktionsmessungen, die man ca. 90 Minuten lang fortsetzt. Die Auswertung erfo1gt iiber die G1. (3.84). Die zur Bereehnung von x erforderliehe Kenntnis der h-Konzentration entnimmt man einer zuvor ohne Saurezusatz durchgefiihrten Kalibrierung. Die Aussage, dass es im gesehwindigkeitsbestimmenden Sehritt zur Losung einer C-HBindung kommt, lasst sieh dureh Iodierung von deuteriertem Dx-Aceton verifizieren. Man wird wegen der gr6Beren Masse des Deuteriums einen deutliehen primaren Isoto k peneffekt k D < 1 erwarten konnen. H
214
3 Reaktionskinetik
Fragen: 1. Fonnulieren Sie die Strukturfonneln fur die tautomeren Fonnen des Acetons! 2. Was bezeichnet man als Autokatalyse? Warum kommt es mer zur Autokatalyse, wahrend eine solche bei der Hydrolyse von Essigsaureethylester nicht festgestellt werden kann, obwohl bei der Esterhydrolyse auch eine Saure entsteht? 3. Wie lasst sich das Stationaritatsprinzip begriinden? Warum stellt sich auch in einem See mit Zu- und Abfliissen meist ein relativ konstanter Wasserpegel ein? 4. Warum muss zur Integration der Geschwindigkeitsgleichung (3.38) das Verfahren der Partialbruchzerlegung herangezogen werden? Fiihren Sie die Integration durch!
4
Elektrochemie
4.1
Zur Geschichte der Elektrochemie
Es war eine Reihe experimenteller Befunde, die zur Entwicklung dieses Teilgebietes der Physikalischen Chemie und auch zu seiner Unterteilung fiihrte. Die Liste der Namen, die mit den Experimenten verkniipft sind, liest sich nicht nur wie eine Zeittafel der Geschichte der Elektrizitatslehre, sondern auch der Physikalischen Chemie selbst. Der Begriff Elektrizitat wurde urn 1600 von William Gilbert gepragt. Er leitete ibn von dem griechischen Wort fiir Bernstein abo Gilbert rieb verschiedene Stoffe an Fell und bemerkte, dass einige danach in der Lage waren, Papierstiickchen anzuziehen. Besonders gut gelang dies mit Bernstein. 1747 entwickelte Benjamin Franklin eine Theorie, wonach Korper Elektrizitat besitzen, die sich beim Aneinanderreiben ungleich auf zwei Korper verteilen kann. Folge sind Uberschuss oder Defizit an Elektrizitat. Er pragte die Begriffe von glasartiger (positiver) und harzartiger (negativer ) Elektrizitiit und fiihrte die beobachteten Krafte der geriebenen Korper auf die Ungleichverteilung ihrer Elektrizitat zuriick. 1791 fiihrte Luigi Galvani sein beriihrntes Froschschenkelexperiment durch und schrieb tierischem Gewebe sogenannte animalische Elektrizitdt zu. 1800 konstruierte Alessandro Volta eine Anordnung von Kupfer- und Zinkplatten, die er durch feuchte, mit Salzwasser getrankte Tiicher, trennte. Mit der Voltaschen Siiule konnte man nun auch Funken erzeugen und elektrische Schocks austeilen, was bislang nur mit Bandgeneratoren moglich war. Volta bezog seine Elektrizitat weder aus tierischem Gewebe noch aus dem Aneinanderreiben von Stoffen, sondern aus unbelebter Materie. Die Voltasche Saule, fiir deren Autbau bald weitere Metallkombinationen verwendet wurden, revolutionierte die Naturwissenschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts. 1m Mai 1800 setzten Nicholson und Carlisle elektrischen Strom zur Wasserzersetzung ein. Sie gewannen Sauerstoff an der Silberanode und Wasserstoff an der Zinkkatode ihrer Apparatur. Zwischen 1806 und 1807 stellte Humphry Davy Natrium und Kalium elektrolytisch aus deren Hydroxiden her und verwendete dazu eine Voltasche Saule. 1813 begann Michael Faraday, der grandiose Autodidakt unter den Naturwissenschaftlern, mit seinen Arbeiten zur Elektrolyse. Faraday fand heraus, dass die an einer Elektrode abgeschiedene Stoffinenge der zur Abscheidung bewegten Ladung proportional ist. Es gilt:
4 Elektrochemie
216
abgeschiedene Stoffmenge n A =
bewegte Ladung (I . t)
--~-----='--'---'
z ·F
z - lonenladungszahl des Teilchens, das abgeschieden wird, F - Faraday-Konstante = 96485 C mOr l (1 mol Elementarladungen) Faraday schuf einen wesentlichen Teil der heute noch giiltigen Nomenklatur der Elektrochemie. Die Begriffe Ion, Anion, Kation, Elektrode, Anode, Katode, Elektrolyt und Elektrolyse gehen auf ihn zunick, 1891 schlieBlich schlug J. Stoney vor, der Elementarladung den Namen Elektron zu geben. Sparer wurde diese Bezeichnung fiir das Elementarteilchen verwendet, das Trager der Elementarladung von - 1,6021 . 10-19 C ist. Geht es urn die exakte Messung einer bewegten Ladungsmenge, so verwendet man auch heute noch Coulometer, z. B. Silbercoulometer. 1m Silbercoulometer werden Silberionen an einer Platinelektrode entladen. Zur Abscheidung von 1 mol Silberionen (107,87 g) an der Platinelektrode benotigt man 96485 C (1 mol Elementarladungen). Mit der Ladung 1 C kann man folglich 1,1180 · 10-3 g Silber abscheiden. Die Platinelektrode wird nach dem Stromfluss gewogen und die Massenzunahme ermittelt. 1887 griinde te Wilhelm Ostwald die Zeitschrift fiir Physik alische Chemie. In den ersten Banden dieser Zeitschrift wurden fast ausschlieBlich Beitrage zu elektrochemischen Themen veroffentlicht, Die Autoren sind zugleich Vater der Physikalischen Chemie und der Elektrochemie. Als Beispiele seien angefiihrt: Friedrich Wilhelm Kohlrausch (Kohlrauschsches Quadratwurzelgesetz) Svante Arrhenius (Theorie der elektrolytischen Dissoziation) Jacobus van't Hoff (osmotischer Druck von Elektrolytlosung en) Wilhelm Ostwald (Ostwaldsches Verdiinnungsgesetz) . FUr die Entwicklung des Fachgebietes bedeutsame experimentelle Befunde, die letztlich zur Unterteilung der Elektrochemie fiihrten , waren: 1. Elektrolytlosungen leiten den elektrischen Strom (Elektrolytische Leitfahigkeit), 2. das Froschschenkelexperiment Galvanis (Elektrochemische Potenziale), 3. die Wasserzersetzung durch Nicholson und Carli sle (Elektrolyse). Sucht man nach einer allgemeinen Definition fiir Elektrochemie, so ist sie das Teilge-
biet der Physikalischen Chemie, das sich mit der Umwandlung von chemischer Energie in elektrische Energie und umgekehrt beschdftigt. Sie untersucht fe rner die Natur der Elektroly te, ihre Dissoziation und die Vorgdnge an Elektroden.
4.2 Elektrolyte und deren Wechselwirkung mit Losungsmitteln
4.2
217
Elektrolyte und deren Wechselwirkung mit Ldsungsmitteln
Elektrolyte sind chemische Verbindungen, die in geloster, fliissiger oder fester Form als ionische Leiter den elektrischen Strom leiten konnen. Ursache der Leitfahigkeit ist die Ausbildung oder Existenz von frei beweglichen positiv bzw. negativ geladenen Ionen. Die Ionen existieren bereits in den Verbindungen bevor man sie lost oder sie sind Ergebnis der Wechselwirkung der Verbindungen mit polaren Losungsmitteln. Stoffe, die aus Ionen aufgebaut sind, nennt man echte Elektrolyte. Verbindungen mit stark polarisierten kovalenten Bindungen, die erst durch Reaktion mit polaren Losungsmittelmolekiilen in Ionen uberfiihrt werden, heiBen potenzlelle Elektrolyte. Wasser ist soleh ein polares Losungsmittel, das in sogenannten Solvolysereaktionen die Aufspaltung potenzieller Elektrolyte in Ionen verursacht. Die Aufspaltung einer Verbindung in frei bcwegliche Ionen bezeichnet man als elektrolytische Dissoziation. Dissoziationen sind Gleichgewichtsreaktionen der allgemeinen Form Elektrolyt
+±
Anion + Kation
Verlauft die elektrolytische Dissoziation beim Losen der Verbindung vollstandig oder nahezu vollstandig, so spricht man von starken Elektrolyten. Schwache Elektrolyte bcsitzen dagegen ein auf der Seite der undissoziierten Verbindungen liegendes Gleichgewicht. Zur Beschreibung der Lage des Dissoziationsgleichgewichts verwendet man den Dissoziationsgrad a
a
Zahl der dissoziierten Molekiile Zahl der Molekiile vor der Dissoziation
= -
--------------
Demnach kann a Werte zwischen 0 und I annehmen. Fiir starke Elektrolyte gilt immer a "" 1, fiir schwache Elektrolyte ist der Dissoziationsgrad von ihrer Verdiinnung abhan-
gig. Mit wachsender Konzentration wird a sehr klein. Die Einteilungen der Elektrolyte in stark und schwach, echt und potenziell iiberschneiden sich. Festes Kochsalz besteht aus Ionenkristallen. In wassriger Losung spalten die Natriumchloridkristalle vollstandig in frei bewegliche und hydratisierte Natriumkationen und Chloridanionen auf. Die Verbindung ist sowohl ein echter als auch ein starker Elektrolyt. Chlorwasserstoff besteht aus HCl-Molekiilen mit polarer, kovalenter Bindung zwischen den Atomen. Lost man HCl in Was ser, so dissoziiert es in Folge der Wechselwirkung mit den Wassermolekiilen nahezu vollstandig in Hydronium- und Chloridionen, die vor der Dissoziation nicht im Chlorwasserstoffmolekiil vorhanden waren . HCl ist ein starker, aber potenzieller Elektrolyt. Echte Elektrolyte sind meist starke, potenzielle Elektrolyte sind oft schwache.
218
4 Elektrochemie
Die Frage, welche strukturellen und energetischen Vorgange stattfinden, wenn sich ein Stoff in einem Losungsmittel lost, befasst sich mit einem aul3erordentlich komplexen Problem. Auch wenn man sich auf das Losen starker Elektrolyte in Wasser beschrankt, sind so viele untereinander schwer abgrenzbare Wechselwirkungen zu beriicksichtigen, dass unser Wissen dariiber auch heute noch sehr liickenhaft und das verfiigbare Datenmaterial zwar sehr umfangreich, aber haufig noch unsicher ist. 1m Folgenden wollen wir andeuten, was man von den einzelnen strukturellen und energetischen Veranderungen, die den Auflosungsvorgang begleiten, mit einiger Sicherheit weiB. 1m Mittelpunkt der Betrachtung soIl der besonders einfache Fall des Auflosens von NaCI in Wasser stehen. Man kann das Auflosen von NaCI durch folgende Reaktionsgleichung beschreiben:
Das Zeichen aq bedeutet, dass vollstandig hydratisierte lonen entstanden sind. Beim Aufldsen von Salzen miissen folgende Teilvorgange stattfinden: 1. Das lonengitter des aufzulosenden Kristalls muss von der Oberflache ausgehend zerstort werden. Kationen und Anionen miissen zu frei beweglichen Teilchen werden . 2. Das Losungsmittel unterstiitzt durch Solvatation der lonen deren Obergang aus dem Gitter in das Losungsmittel. 3. Im Losungsmittel mussen fiir die solvatisierten Teilchen Hohlraume (Kavitaten) geschaffen werden. Das bedeutet, Anziehungskrafte zwischen den Losungsrnittelmolckiilen miissen gelockert werden. 4. Die solvatisierten lonen bewirken durch Femwirkung ihrer Ladung Strukturanderungen im Losungsmittel in ihrer Umgebung. Betrachtet man die Teilvorgange, wird deutlich, dass vorn energetischen Standpunkt aus gesehen die Wechselwirkungen bzw . Bindungen im lonengitter, im Losungsmittel und zwischen den lonen und den Losungsmittelmolektilen involviert sind. Diese Wechselwirkungen sollen zunachst naher beleuchtet werden.
Ion-Ion-Wechselwirkung im lonenkristall Die Energie, die man einem Mol kristallisiertem NaCI zufiihren muss , urn den Kristall in gasformige lonen zu zerlegen, nennt man seine Gitterenergie. 1m folgenden soIl untersucht werden, wie man diese Gitterenergie berechnen kann. 1m kubischen Kristallgitter von NaCI ist jedes Ion von 6 Gegenionen umgeben. Der Einfachhe it halber wollen wir vorerst die Wechselwirkung in einem lonenpaar untersuchen. Die zwischen zwei Ladungen QI und Q2 wirkende elektrostatische Kraft wird durch das Coulombsche Gesetz beschrieben:
4.2 Elektrolyte und deren Wechselwirkung mit Losungsmitteln
219
F= a - Q\ '2Q2
(4.1)
r
Frillier wurde das Coulombsche Gesetz fur punktformige Ladungen unter Verwendung der Einheiten des c-g-s-Systems formuliert. Unter diesen Voraussetzungen folgt a = 1. Heute, bei Verwendung des SI-Systems, ist fur den allgemeinen Fall, dass die Felder der Ladungen sich kugelformig im Raum ausbreiten und zwischen den Ladungen ein Stoff (Dielektrikum) anwesend ist, das Coulombsche Gesetz in folgender Form anzugeben:
(4.2)
Co
Influenzkonstante oder absolute 8.854 .10-12 A·s . V-I . mol
Dielektrizitatskonstante
des
Vakuums:
C
relative Dielektrizitatskonstante eines Dielektrikums, z.B. eines Losungsmittels, das sich zwischen den Ladungen befindet; s gibt an, wie viel mal starker das Dielektrikum das elektrische Feld und damit die Kraft zwischen den Ladungen QI und Q2 schwacht als das Vakuum; es ist eine dimensionslose und temperaturabhangige Zahl (z. B. fiir Wasser bei 25 DC: 78,54) .
4n?
bringt zum Ausdruck, dass sich die Kraft tiber eine kugelformige Oberflache verteilt
1 Die Konstante a ist dann a = - - I> • I> o ' 4it
Welche Energie wird nun frei, wenn sich ein Ionenpaar, so wie es im Gitter vorliegt, aus den freien Ionen bildet? Bei Annaherung unterschiedlicher Ladungen iiber die Distanz dr wird die potenzielle Energie des Systems emiedrigt. Erfolgt die Annaherung aus dem Unendlichen bis zum Abstand r, so lasst sich die Energieabgabe als Integral der iiber den zuriickgelegten Weg dr wirkenden Kraft F berechnen: r Q! .Q 2 W=E pot =-!F·dr=a·-co r
(4.3)
Weil QI . Q2 negativ ist, haben die geleistete Arbeit und die entsprechende potenzielle Energie eincn negativen Zahlenwert. Das entspricht der im Kapitel 2 getroffenen Regelung, dass vom System abgegebene Energie bzw. geleistete Arbeit ein negatives Vor-
4 Elektrochemie
220
zeichen erhalten. Legt man nun die potenzielle Energie der freien Ionen in groBer Entfemung als Bezugsniveau mit Null fest , sinkt die Energiekurve bei der Annaherung des Ionenpaares abo Bei der Annaherung tiber den Gleichgewichtsabstand der Ionen hinaus durchdringen sich die Ionenradien und die positiv ge1adenen Keme stollen einander ab, Arbeit muss zugefiihrt werden und die potenzielle Energie erhoht sich wieder. Man beriicksichtigt das durch einen AbstoBungsterrn, umgekehrt proportional etwa der 9. Potenz des Kemabstandes. Es ergibt sich:
W(r)=E pot
=a.Ql ·Q2+~9 r
r
(4.4)
Die Potenzialkurve fiir die Ionenbeziehung A+B- zeigt den in Abbildung 4.1 dargestellten V erlau f:
E pot kJmo/- 1 200
AbstoBung 0 mo/are Energie des/onenmo/eku/s AB //
-200
/'
/'
/
/
/
·400
Vcoulomb-AnZiehUng
l
·600
0
0,5
1,0
1,5 Kernabstand / nm
Abb. 4.1 : Potenzielle Energie einer Ionenbeziehung in Abhangigkeit vom Kemabstand
Der Gleichgewichtsabstand ro stellt sich im Potenzialminimum ein. Dies ermoglicht die Bestimmung der Konstanten b, denn im Minimum der Kurve muss entsprechend der Differentialrechnung, dE/dr = 0 gelten.
4.2 Elektrolyte und deren Wechselwirkung mit Losungsmitteln
221
Daraus folgt
Setzt man dies in die Gleichung (4.4) fiir Epa! ein, so ergibt sich :
(4.5)
Beriicksichtigt man nun, dass in einem NaCI-Gitter nicht nur 1 Ion mit einem, sondem mit 6 Ionen entgegengesetzter Ladung in Wechselwirkung steht und die Wirkung einer Ladung fiber die unmittelbar benachbarten Ionen hinausreicht, so muss a mit einer von MADELUNG berechneten und nach ihm benannten Konstanten MAmultipliziert werden, die fiir die Geometrie des NaCI-Gitters den Wert 1,748 hat. Setzt man die Made-
lungsche Konstante und den Gleichgewichtsabstand ro = 2,813 . 10.10 m in die obige Gleichung ein und bezieht das Ergebnis durch Multiplikation mit der Avogadroschen Konstante 6,02 . 1023 mol" auf ein Mol NaCI-Kristall, so ergibt sich die Energie, die bei der Bildung von 1 mol NaCI-Gitter aus den gasformigen Ionen freigesetzt wird. Der umgekehrte Vorgang fiihrt zur Gitterdissoziation in frei bewegliche gasformige Ionen und wird durch die positive Gitterenergie E = 767 kJ·mor' (s. auch Kapitel 2.5, BomHaber-Kreisprozess) wiedergegeben. Bei der beschriebenen Berechnung der Gitterenergie werden Bewegungen der Ionen, also Beitrage kinetischer Energie vemachlassigt und im Gitter nur Ion-IonWechselwirkungen beriicksichtigt. Der Vergleich mit experimentell ermittelten Gitterenergien zeigt, dass die Vereinfachungen bei nicht zu hohen Anspriichen statthaft sind.
Wechselwirkung zwischen Wassermolekillen Bevor wir die Wechselwirkungen zwischen Ionen und Wasser beschreiben, miissen wir kurz auf die Wechselwirkungen zwischen den Losungsmittelmolekulen eingehen. FUr Wasser ist bekannt, dass dies im wesentlichen Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, Wasserstoffbriickenbindungen und Dispersionswechselwirkungen sind. Dispersionswechselwirkungen (London-Krafte) sind Wechselwirkungen, die wellenmechanische Griinde haben. In modellhafter Vorstellung wirken dabei Krafte, die nicht auf permanente sondem auf fluktuierende Dipole zuriickgehen. Solche Dipole konnten durch kurzzeitige Verlagerungen der positiven und negativen Ladungen in den Molekiilen entstehen. Sie gleichen sich im Mittel aus, haben aber momentan wirkende Anziehung zur Folge. Dispersionswechselwirkungen sind die allgemeinsten Wechselwirkungen, die stets auftreten. Ohne sie konnte man beispielsweise nicht erklaren, warum sich vollig ungeladene, unpolare wasserstoffbriickenfreie Molekiile zu einer Fliissigkeit zusammenfinden konnen. Da die Dispersionswechselwirkungen jedoch nur geringe Reichweite haben und
222
4 Elektro chemie
zudem unspezifisch und ungerichtet wirken, haben sie keine besonderen Folgen beziiglich der Ordnung und der Struktur in einer Losung. Durch Dipole verursachte Wechselwirkungen und Dispersionswechselwirkungen bezeichnet man auch zusammenfassend als van der Waals- Wechselwirkungen.
Ion-Dipol- Wechselwirkungen Die Krafte, die beim Auflosungsprozess eines Ionenkristalls die Gitterenergie iiberwinden helfen, basieren auf den Ion-Dipol-Wechselwirkungen. Aus vielen Eigenschaften geloster lonen lasst sich schlief3en, dass sie in polaren Losungsmitteln von Solvathiillen umgeben sind. Die Kraft F, welche zwischen einem kugelformigen Ion und einem Dipol wirkt, hangt zunachst einmal von der Ladung des Ions Q und von der Grolle des Dipolmomentes f.l abo Es gilt die Beziehung
F oc
Q . J.1 . cos¢ r
(4.6)
3
Die dritte Potenz des Abstandes r macht deutlich, dass die Wechselwirkung mit der Entfemung stark abnimmt. Wichtig fiir die Wirksamkeit ist auch die raumliche Orientierung des Dipols zum lon, was durch cos Ij> beriicksichtigt wird. Ij> ist dabei der Winkel zwischen der Ausrichtung des Dipols (Verbindungslinie seiner Pole) und der Verbindungslinie zwischen den Mittelpunkten von Ion und Dipol. Die Wirksamkeit der lonenladung hangt davon ab, wie grof3 das geladene Teilchen ist. Grof3e lonen, meist Anionen , sind schwacher hydratisiert als die kleineren. Die Anziehung des negativen Ladungsschwerpunktes am Sauerstoff der Wassermolekiile fiihrt zur Ausbildung der Hydrathiille der Kationen. In der inneren Hydrathillle (unmittelbare Umgebung des Ions) werden die Wassermolekiile im Ergebnis der lon-Dipol-Wechselwirkung fest gebunden.
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1
8-
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HydrathOlie
Abb. 4.2: Ion-Dipol- bzw. Dipol-DipolWechselwirkung beim Autbau der HydrathiiIle eines Kations
4.3 Elektrolytische Leitfdhigkeit
223
In einer zweiten und dritten Schicht (iiuflere Hydrathiille) ist hauptsachlich die DipolDipol-Wechselwirkung fiir den Aufbau der Hydrathiille verantwortlich. Die sterische Anordnung der gewinkelt gebauten Wassennolekiile urn die kugelformigen Kationen fiihrt zu einer starken Vergrolierung der Radien der hydratisierten Ionen gegeniiber den nicht hydratisierten. So betragt der Ionenradius des hydratisierten Lithiumkations mit o
0
3,4 A das Fiinffache des nicht hydratisierten Ions (0,68 A ). Bei den vergleichsweise groBen Anionen (groBes Radius / Ladung - Verhaltnis) ist die Ion-Dipol-Wechse1wirkung geringer, was sich in einer kleineren Hydratationszahl niederschlagt, Wie bei der Bildung fester Salze im Ergebnis einer Ion-Ion-Wechselwirkung Energie in Form der Gitterenergie freigesetzt wird, so wird im Ergebnis der Ion-DipolWechselwirkung mit den Losungsmittelmolekulen Solvatationsenergie frei. Die IonDipol-Wechse1wirkung und besonders die Dipol-Dipol-Wechse1wirkung in der iiuBeren Hydrathiille fiihren nicht zu starren Verbanden wie den Ionenkistallen. Es erfolgt ein standiger Austausch der Losungsmittelmolekule der auBeren Solvathiille mit freien Losungsmittelmolekiilen. Die Austauschgeschwindigkeit wachst mit steigender Temperatur und fiihrt zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Solvatationszahl. Die DipolDipol- Wechse1wirkung ist aus energetischer Sicht von untergeordneter Bedeutung. Bei ihr ist die wirkende Kraft umgekehrt proportional zur siebenten Potenz der Dipolentfernung. Uber die auBere Hydrathiille hinaus besitzen die Wechselwirkungen Bedeutung fiir die Losungsmittelstruktur (z. B. in Clustem oder Ketten). Die elektrolytische Dissoziation ist also Ergebnis der Wechselwirkung zwischen undissoziiertem Elektrolyten und dem jeweiligen Losungsmittel. Ionenkristalle werden in frei bewegliche und solvatisierte Ionen aufgespaltet, wenn die Freie Solvatationsenthalpie die Freie Kristallgitterenthalpie zahlenmaBig iibersteigt und zu einer negativen Freien Liisungsenthalpie fiihrt, Echte Elektrolyte liegen in ihren Schme1zen ebenfalls in Form von beweglichen Ionen vor. Hier wird die notige Energie in Form der Schmelzwarme
zugefiihrt. Potenzielle Elektrolyte dissoziieren, wenn die Freie Solvatationsenthalpie der Freien Reaktionsenthalpie fiir die Aufspaltung der Elektrolytmolekiile in Ionen entspricht bzw. diese im Absolutbetrag iibersteigt. Die Lage des konzentrationsabhangigen Dissoziationsgleichgewichts wird, wie weiter oben bereits angefiihrt, vom Dissoziationsgrad ex beschrieben.
4.3
Elektrolytische Leitfiihigkeit
Die Fahigkeit eines Systems (metallischer Leiter, Elektrolytlosung etc.) , den elektrischen Strom zu leiten , wird durch seinen elektrischen Widerstand R best immt. Ange-
4 Elektrochemie
224
legte Spannung U, flieBender Strom lund elektrischer Widerstand R sind im Ohmschen Gesetz miteinander verknupft: R=
U
I
(4.7)
Der Widerstand Reines Leiters hangt von seinem speziflschen Widerstand p, seiner Lange I und dem Querschnitt A ab, in dem der Ladungstransport erfolgt. Es gilt:
I R= p.A
(4.8)
Bei metallischen Leitern sind I und A leicht messbar, und damit wird bei Kenntnis von R der spezifische Widerstand berechenbar. Widerstande lassen sich besonders genau mit der Wheatstoneschen Messbriicke bestimmen.
p
Q
Abb. 4.3: Wheatstonesche Briickenschaltung zur Leitfahigkeitsmessung
Dabei wird der einstellbare Widerstand R so lange verandert, bis die Briicke stromlos ist. 1m stromlosen Zustand gilt:
oder
R = x
R·R R
_I_
(4.9)
2
Bei Elektrolytlosungen bestimmt man die Leitfahigkeit, Unter Leitfiihigkeit G (in der alteren Literatur auch als Leitwert bezeichnet) versteht man den Kehrwert des elektrischen Widerstandes: 1 G=-
R
[G]=Q-I=S
(Siemens) .
(4.10)
225
4.3 Elektrolytische Leitfdhigkeit
Zur Messung der Leitfahigkeit von Elektrolytlosungen verwendet man ebenfalls die Wheatstonesche Briickenschaltung. In der obigen Anordnung gilt:
R2
G, = R . R .
(4.11)
1
Wichtig ist, dass bei Leitfahigkeitsmessungen hochfrequente Wechselspannung verwendet wird , damit es in der Messzelle nicht zu Elektrolysevorgangen kommen kann.
4.3.1
Spezifische und molare Leltfahlgkett
In Analogie zum Widerstand R definiert man die spezifische Leitfiihigkeit
K
als Kehr-
wert des spezifischen Widerstandes p. Aus Gleichung (4.8) folgt: A G=K ' -
1
bzw.
1 K=G·-
A
(4.12)
In Elektrolytlosungen erfolgt der Leitungsvorgang (Ionenbewegung) entlang der Feldlinien des von den Elektroden ausgehenden elektrischen Feldes. Nun sind weder eine mittlere Lange der Feldlinien noch die Gesamtflache, von der sie ausgehen, messtechnisch leicht zuganglich, In der schematischen Darstellung des Feldlinienverlaufs in Abbildung 4.4 erkennt man die unterschiedliche Linienlange und die uneinheitliche Wirkung der Elektrodenflache auf den Ladungstransport. Der Quotient 1/A kann folglich nur iiber Kalibriermessungen fiir eine bestimmte Elektrodenanordnung bestimmt werden. Die Kalibrierung der Messzelle erfolgt unter Verwendung von Elektrolytlosungen mit bekannter spezifischer Leitfahigkeit, Die Kalibrierlosungen wurden in sogenannten Drahtelektroden vermessen. Das sind diinne, zylindrische Rohren, die mit Scheibenelektroden der Flache A verschlossen sind. In ihnen kann der Ladungstransport nur entlang der nahezu parallel verlaufenden Feldlinien erfolgen.
Abb. 4.4: Feldlinienverlauf zwischen den Elektroden einer Leitfahigkeitszelle
4 Elektrochemie
226
Man bezeiehnet den Quotienten 11A als Widerstandskapazitdt C der Leitfahigkeitsmesszelle. Heute gelangen hauptsachlich industriell gefertigte Messzellen mit einer definierten Widerstandskapazitat zum Einsatz. Die Einheit der spezifisehen Leitfahigkeit ist 0,1 . em'l
=
S . em'l. Es lasst sieh leieht
einsehen, dass K eine konzentrationsabhangige Grofre ist, da mit der Elektrolytkonzentration die Zahl der Ladungstrager variiert wird.
K
Q,1cm-1
0,6
0,4
0,2
0 2
4
6
8
o/ mar!
Spezifische Abb. 4.5: Leitfahigkeit ciner wassrigen HC1-Losung bei 288 K
Abbildung 4.5 zeigt die Konzentrationsabhangigkeit der spezifischen Leitfahigkeit einer wassrigen HCI-Losung. Einen ahnlichen Verlauf der spezifischen Leitfahigkeit zeigen alle Elektrolyte. Sehwache Elektrolyte besitzen in Richtung sinkender Konzentrationen zusatzlich wachsende Dissoziationsgrade a und fallen deshalb weniger steil abo Die auf die Konzentration bezogene spezifische Leitfahigkeit eines Elektrolyten heil3t molare Leitfiihigkeit A K
A =c
(4.13)
In zahlreichen Arbeiten wird die sogenannte ;lquivalentleitflihigkeit A e verwendet. Sie ist der Quotient aus molarer Leitfahigkeit und Ladungszahl der Ionen .
227
4.3 Elektrolytische Leitfiihigkeit
Konzentrationsabhdngigkeit der molaren Leitfdhigkeit Bei starken Elektrolyten nahert sich die molare Leitfahigkeit bei zunehmender Verdunnung bereits im Bereich gut messbarer Konzentrationen einem Grenzwert fiir unendlich verdiinnte Losungen, denn die Veranderung von A wird nur durch interionische Wechselwirkung verursacht.
i
~
~ 140~
~ :;:
(a) KCI
-----------..!~~
120 100 80
60 40 20 f-
(b) CH3COOH I
o
0,02
I
0,04
I
0,06
0,08
0,10
c / (mol , 1-1)
Abb. 4.6: Molare Leitfahigkeit von Elektrolytlosungen bei 298 K
Schwache Elektrolyte verandern dagegen wegen zunehmender Dissoziation bei sinkender Konzentration die molare Leitfahigkeit sehr stark . Hier wird der Grenzwert Aoo (Grenzleitjiihigkeit bei unendlicher Verdiinnung) erst bei Konzentrationen abschatzbar, die sehr nahe 0 mol . r' liegen. Die Extrapolationen auf Aoo sind bei schwachen Elektrolyten wegen der Messfehler im Bereich niedrigster Konzentrationen stark fehlerbehaftet.
Starke Elektrolyte Fiir experimentell gut zugangliche starke Elektrolyte fand F. W. Kohlrausch eine empirische Beziehung zwischen molarer Leitfahigkeit und der Elektrolytkonzentration, in die die Grenzleitfahigkeit eingeht: (4.14) Gleichung (4.14) ist das nach dem Entdecker benannte Kohlrauschsche Quadratwurzelgesetz starker Elektrolyte. Die Grobe k stellt eine stoffabhangige Konstante dar, die im Wesentlichen von der lonenladung beeinflusst wird. 1m Giiltigkeitsbereich des Kohlrauschschen Gesetzes (c < 10-2 mol· r 1) erhalt man Gcraden, deren Anstiege k, bei
4 Elektrochemie
228
E1ektrolyten, die aus Ionen mit gleichen Ladungszahlen bestehen, sehr ahnlich sind . Bi1det man das Verhaltnis
( - 1>2 ist zwischen der festen Phase und der HelmholtzDoppelschicht am starksten und wird mit wachsender Entfemung von der Phasengrenze geringer Abbildung 4.13).
MetaH
ElektrolytfOsung
LOsungsinneres
T-r-r-------,-I
e
I I I
I I I
I I I
I
I
1
I
Potenzialberriere
I 1
Ortskoordlnate x -
E
Abb. 4.13: Schematischer Aufbau der elektrischen Doppelschicht
Die Potenzialdiffercnz Lll> einzelner Halbelemente ist nicht messbar, da das Potenzial der die feste Phase umgebenden Losung nicht abgegriffen werden kann. Moglich ist jedoch, das Potenzial eines Halbelements mit dem anderer Halbelemente zu vergleichen. Fiir den Vergleich schafft man sich mit der Standardwasserstoffelektrode einen willkiirlichen Bezugspunkt, dem man das Potenzial 0 V zuordnet. Wasserstoffelektroden Abb. 4.14) zahlen zu den Gaselektroden. Sind Gase an den potenzialbildenden Reaktionen beteiligt, verwendet man oft Platinoberflachen zur Aufnahme der freigesetzten Elektronen. Das Halbelement mit dem Elektrodensymbol Pt I H2 I H+ wird zur Standardwasserstoffelektrode, wenn ein Wasserstoffpartialdruck von I bar und eine Wasserstoffionenaktivitat rna = 1 vorliegen. Die Spannung PotenzialdijJerenz) zwischen einer ausgewdhlten Elektrode und der Standardwasserstoffelektrode nennt man verkiirzt Elektrodenpotenzial U dieser Elektrode.
4.4 Elektro chemische Potenziale
245
In der Praxis lasst sich eine Standardwasserstoffelektrode bislang nicht exakt konstruieren, da der Aktivitatskoeffizient f, des Wasserstoffions in solch konzentrierten Losungen eine individuelle Eigenschaft des Ions ist und bis heute nicht genau gemessen bzw. berechnet werden kann. Man weiB also nicht, welche Saurekonzentration die Wasserstoffionenaktivitat I ergibt. Diese Einschrankung betrifft jedoch nicht die Moglichkeit relative Elektrodenpotenziale anderer Elektroden im Vergleich mit Wasserstoffelektroden zu bestimmen, denn fur verdiinnte Losungen sind die individuellen Aktivitatskoeffizienten mit Hilfe der Debye-Hiickel-Gleichungen oder anderer Naherungsformeln berechenbar. Bei Kenntnis der exakten Aktivitat ist aus dem Elektrodenpotenzial einer Halbzelle dann auch ihr Standardpotenzial ableitbar (siehe Kapitel 4.4.2 und 4.5). In Wirklichkeit ist das absolute Potenzial der Standardwasserstoffelektrode natiirIich auch von 0 verschieden. Die willkiirIiche Vorgehensweise bei der Festlegung des Bezugspunktes wird aber bei vielen physikalischen GroBen praktiziert, wie z. B. bei unterschiedlichen Temperaturskalen oder den in Kapitel 2 diskutierten Zustandsgrollen Enthalpie und Freie Enthalpie. Der Aufbau einer WasserstofJelektrode ist in Abbildung 4.14 gezeigt.
reiner
H2 - - -
Abb.4.14: Aufbau der Wasserstoffelektrode
Die Elektrode enthalt ein platiniertes Platinblech, das von Wasserstoff umspiilt wird. Das Platinblech befindet sich in wassriger HCI-Losung bekannter Wasserstoffionenaktivitat. Der eingeleitete Wasserstoff perIt zur HCI-LOsungsoberfliiche, hat also einen dem Aullendruck entsprechenden Druck von ca. 1 bar. Das metallische Platin dient der Aufnahme der Elektronen, die auf der Seite des Oxidationsmittels H+ bei der Elektrodenreaktion entstehen
4 Elektrochemie
246
Unter Zuhilfenahme eines chemisch indifferenten Materials wie z. B. des Platindrahtes fiir die Aufnahme und Ableitung von Elektronen lassen sich auch unterschiedlich stark geladene und ineinander iiberfiihrbare Ionen fiir potenzialbildende Elektrodenreaktionen nutzen. Die allgemein giiltige Form der Elektrodenreaktion lautct: Reduktionsmittcl ~ Oxidationsmittel + z . e' In vielen Lehrbiichem werden Elektrodenreaktionen als Reduktionen formuliert. Da es sich urn Gleichgewichtsreaktionen handelt, sind beide Schreibweisen prinzipiell gleichwertig. Allerdings fiihrt die Form Oxidationsmittel + z e' ~ Reduktionsmittel zum Vorzeichenwechsel in der noch zu besprechenden Nemstschen Gleichung. Grundsatzlich lasst sich jede Bruttoredoxreaktion in zwei Teilreaktionen zerlegen, die als Elektrodenreaktion in einem Halbelement fungieren konnen. Uber den Vergleich mit der Standardwasserstoffelektrode sind Aussagen iiber die Starke der Reduktions- bzw. Oxidationsmittel bezogen auf das System Pt IH2 I H+ moglich. Zink ist ein starkeres Reduktionsmittel als H2, Wist ein starkeres Oxidationsmittel als Zn 2+. Von den beiden Halbelementen besitzt die Elektrode Zn IZn 2+ ein starker negatives Potenzial als Pt IH21 H+. Verbindet man beide Halbelcmente, so fliel3t ein Strom von der Zn IZn 2+_ Elektrode zur Pt I H2 1Hl-Elektrode. Kombiniert man die Standardwasserstoffelektrode mit der Standardelektrode Ag I Ag", so kehrt sich die Stromrichtung urn. Jetzt ist H2 ein starkeres Reduktionsmittel als Ag, die Standardwasserstoffelektrode absolut starker negativ geladen als die Ag I Ag-Elektrode. Ein Halbelement kann in Abhangigkeit vom zweiten Halbelement, mit dem es leitend verbunden wird, also sowohl Elektronenspender als auch Elektronenempfanger sein. Die Standardpotenziale aller Halbelemente, die gegeniiber Wasserstoff als Elektronendonator auftreten, erhalten ein negatives Vorzeichen. Die Standardpotenziale aller Halbelemente, die gegeniiber Wasserstoff als Elektronenakzeptor fungieren, erhalten ein positives Vorzeichen. Die Auflistung der Standardpotenziale der Halbelemente, beginnend mit den grolsten negativen Werten, heil3t elektrochemische Spannungsreihe. Tabelle 4.3 gibt eine Ubersicht iiber wichtige Standardpotenziale. Tabelle 4.3: Standardpotenziale bei 298 ,15 K berechnet flir wassrige Losungen) Elektrodenreaktion Oxidation) Elektrode lif /v Li I Lt
Li~ Lt +eo
-3,045
KIK+
K~
-2,925
Cs I Cs+ Ba I Ba 2+
K+ +e-
Cs ~ Cs+ + e'
-2,923
Ba ~ Ba2+ + 2e-
-2,906
4.4 Elektrochemische Potenziale
247
E1ektrode
E1ektrodenreaktion Oxidation)
UfO in V
NalNa+
Na +:t Na++ e-
-2,714
Mg I Mg2+
Mg +:t Mg 2++ 2e-
-2,363
Al +:t At3++ 3eZn +:t Zn2++ 2e-
-1,662
-0,440
Sn I Sn2+ Pb I Pb2+
Fe2++ 2eSn2++ 2e-
Pb +:t Pb2+ + 2e-
-0,126
Fe I Fe3+
Fe +:t Fe3++ 3e-
-0,036
Pt ID2 1D+
D2
2D++ ze
-0,003
Pt I H2 1H+ Pt I Sn2+, Sn4+
H2 +:t 2H++ 2 eSn2+ +! Sn4+ +2 e-
+0,15
Pt I cu' , Cu2+
Cu+ +! Cu2++e-
+0,153
Pt I S20{, s.o,"
2 S20{
Ag] AgClI cr
Ag + cr ~ AgCl,!.. + e
+0,222
Cu I Cu2+
Cu +:t Cu2++ 2 e"
+0,337
Pt Ih I r
2 r +:t
Pt I FeCN)64-, FeCN)63Pt IFe2+,Fe3+
FeCN)64- +:t FeCN)l + eFe2+ +:t Fe3++ e'
Ag IA g+ Hg IHg 2+
Ag +:t Ag++ eHg +± Hg2++ 2 e-
+0,854
Pt IHg+,Hg2+
Hg+
+0,920
Pt I Br-21 Br-
2 Br- +! Br2 + 2 e-
+1,065
Pt I ci, I cr
2 cr
+1,360
Pt I Ce3+, Ce4+ Pt I Co2+, Co3+ Pt I SO42-, S20 82-
Ce3+ Co2+ +:t Co3++ e2 S04 2- +:t S20 t + 2 e-
+2,010
Pt I F2 1 F
2 F +:t F2 + 2 eO
+2,850
All A1
3+
Zn I Zn2+ Fe I Fe2+
Fe Sn
+± +±
+±
-,+ ~
+± s,o," +2 e-
h + 2 e-
Hg2+ + e-
+± ci, + 2 e+± Ce4++e-
-0,763
-0,136
0,0
+0,170
+0,536 +0,690 +0,771 +0,799
+1,610 +1,808
4 Elektrochemie
248
Fur einige Elektrodenreaktionen muss deren pl-l-Abbangigkeit beriicksichtigt werden . In Tabelle 4.4 sind pH- abhan gige Redoxpaare mit ihren Standardpotenzialen aufgefiihrt. Tabelle 4.4: Standardpotenziale ausgewahlter pl-l-abhdngiger Redoxpaare Elektrodenreaktion Oxidation) Elektrode
UI<J / V
Pt I H2(COO) 2, C02, H+
H2(COO h
-0,49
Pt I NO I N0 3- , OH-
NO + 4 OH- +:t N03- + 2 H20 + 3 e'
Pt I H21 H+
H2 +:t 2 H++ 2 e'
Pt 10210K
4 OH- +:t O2 + 2 H20 + 4 e'
+0,40
Pt I h, OK, 10-
h + 4 OH- +:t 2 10- + 2 H20 + 2 e-
+0,45
r + 2 OK +:t 10- +H20 + 2 e
+0,49
H20 2 +:t 0 2 + 2 H+ + 2 e-
+0,68
cr + 2 OK +:t CIO- + H20 + 2 e' r + 3 H20 +:t 10 3- + 6 H+ + 6 e'
+0,88
+1,23
Pt I C? +, Cr20l , H+
2 H20 +:t O2 + 4 H++ 4 e" Mn 2+ + 2 H20 +:t Mn02 + 4 H+ + 2 e' 2 Cr 3+ + 7 H20 +:t Cr20l + 14 H+ + 6 e'
Pt I Br", Br03-, W
Br" + 3 H20
Pt
lr, OK, to:
I 02 I H202, H+ Pt I cr , OH-, CIOPt Ir , 103,- H+ Pt
Pt 1021 H+ Pt I Mn02 I Mn 2+, H+
I cr, CI03-, H+ Pt I Pb02 I Pb 2+, H+ Pt I C? +, crOl -' H+ Pt I Mn l +, Mn04- , H+ Pt I PbS04 I Pb02 I H+ Pt I H202, H+ Pt
Pt I F , OF2, H+
4.4.2
+:t 2 C02 +2 H+ + 2 e'
-0,14 0,0
+1,09
+ 1,23 +1,33
+:t Br03- +6 H+ + 6 e-
+ 1,44
cr + 3 H20 +:t CI03- + 6 H+ + 6 e'
+ 1,45
Pb 2++ 2 H20 Cr 3+ + 4 H20
+:t Pb02 + 4 H+ + 2 e"
+ 1,45
+:t CrOi- + 8 H+ + 3 e'
+1,48
Mn2+ + 4 H20 +:t Mn04- + 8 H++ 5 ePbS04 + 2 H20
+:t Pb02 + 4 H+ + sol -+2 e-
+:t H20 2 + 2 H+ + 2 e2 F + H20 +:t OF 2 + 2 H+ + 4 e'
2 H20
+1,52 +1,69 +1,78 +2,1
Die Nernstsche Gleichung, Einzelpotenziale und Ionenaktivitiiten
Der Zusammenhang zwischen dem Potenzial einer Elekt rode , ihrem Standardpotenzial und von 1 abweichenden Aktivitiiten der Reduktionsmittel/Oxidationsmittei sowie der Temperatureinfluss auf die Gleichgewichtsreaktionen in den Elektroden wird durch die nach Walter Nernst 1864 bis 1941) benannte Gleichung beschri eben . In ihrer allgemeinen Form kann die Nern stsche Glelchung auf aile Elektrodenreaktionen der Form
249
4.4 Elektrochemische Potenziale
n . Reduktionsmittel
+:t m . Oxidationsmittel' " + z . eO
angewendet werden. Sie lautet:
u=u
(2)
R·T Ila t - - · l n -oM z·F Ila RM
u, U" -
(4.33)
T-
Potenzial bzw . Standardpotenzial der Elektrode Temperatur in Grad Kelvin
F-
Faradaykonstante 96484,56 C . mol")
R-
allgemeine Gaskonstante 8,314 J . mOrl . K"I)
z-
Zahl der bei der Oxidation abgegebenen Elektronen
ITaoM/RM -
stochiometrisches Produkt der Aktivitaten der Oxidations- bzw. Reduktionsmittel und der an der Reaktion beteiligten Teilchen.
Die Aktivitaten kondensierter Phasen Metalle in fester oder fliissiger Form, reine Fliissigkeiten) und von Gasen, deren Partialdruck 1 bar betragt, sind a = 1. Fur sehr kleine Konzentrationen kann man die Aktivitat durch den Zahlenwert der Molaritat besser R·T 0,02569 V. Oft verwendet noch Molalitat) ersetzen. Der Faktor - - betragt bei 25°C z·F z man in der Nemstschen Gleichung anstelle des natiirlichen Logarithmus den dekadiR·T schen Logarithmus. In diesem Fall muss - - mit 2,303 multipliziert werden, was zu z ·F 0,0591 . dem Faktor - - V fiihrt. Fur die Elektrodenreaktion z Mn 2+ + 4H20 +:t Mn04' + 8H+ + Se' lautet bei 298,15 K die Nernstsche Gleichung: 8
00591 a MnO - • a H + U = U0 t - ' - - V. I -c':"""":":: '---;:-.:.::....5 g a 2+ Mn
Am ausgewahlten Beispiel wird der Einfluss des pH-Wertes auf die Elektrodenpotenziale aus Tabelle 4.4 deutlich. Die Verwendung der Aktivitat ist erforderlich, weil zwischen den Ionen vollstandig dissoziierter starker Elektrolyte die Coulombschen Wechselwirkungskriifte selbst in verdiinnten Losungen zu Abweichungen vom Ideal verhalten fiihren. Auf dieses Problem haben wir bereits im Zusammenhang mit der Leitfahigkeit starker Elcktrolyte auf-
250
4 Elektrochemie
merksam gemacht. Die Wechselwirlrung und damit das AusmaB der Abweichung hangt wesentlich von der Ladungszahl der Ionen ab und geht in den mittleren Aktivitiitskoeffizienten eines Elektrolyten ein. Dieser ist fiir einen Elektrolyt AaXb mit den individuellen Koeffizienten verkniipft durch f± = (fAa. fXb) I/a+b) Die mittleren Aktivitatskoeffizienten benutzt man, wenn man die Abweichung vom Idealverhalten nicht anteilig auf die Ionen des Elektrolyten aufteilen kann. So hangt zum Beispiel die auf Molalitatsaktivitaten bezogene Loslichkeitskonstante KL von PbCh mit dem auf Molalitaten bezogenem Loslichkeitsprodukt L iiber die Gleichung
zusammen. Wahrend die individuellen Aktivitatskoeffizienten experimentell nicht zuganglich sind, lasst sich f± durch Division der thermodynamisch berechenbaren Loslichkeitskonstanten durch das messbare Loslichkeitsprodukt berechnen. Tabelle 4.5: Mittlere Aktivitatskoeffizienten in wassriger Losung Elektrolyt Mittlercr Aktivitatskoeffizient f±fiir c / mol· r 1 bei 25°C 0,001 0,01 0,1 aci 0,966 0,904 0,796 0,889 0,441 K2S04 0,715 0,740 0,410 CUS04 0,149 NaCI 0,966 0,906 0,786 NaOH 0,964 0,905 0,772 0,965 0,902 HN03 0,785 0,837 0,543 0,379 H2SO4 0,964 AgN0 3 0,896 0,717 ZnS04 0,700 0,387 0,144 Tabelle 4.5 enthalt mittlere Aktivitatskoeffizienten f± fiir drei unterschiedliche Konzentrationen starker Elektrolyte. Man erkennt, dass fiir starke Verdiinnungen c < 10-3M) sich die Aktivitatskoeffizienten dem Wert 1 nahern. Ferner ahneln sich die Werte bei Elektrolyten, die in der Ladung ihrer lonen iibereinstimmen. HCl, NaCl , NaOH, HN03 , AgN03 bilden eine Gruppe, K2S04 und H2S04 eine zweite und CUS04 und ZnS04 eine dritte. Die erste Gruppe sind 1:1-Elektrolyte mit einer Ionenladung von 1. Die zweite Gruppe sind 2:1-Elektrolyte mit einer Kationenladung von 1 und einer Anionenladung von 2 und in der dritten Gruppe liegen wieder l i l-Elektrolyte mit einer Ionenladung von 2 vor. Zur Beschreibung der Abhangigkeit der mittleren Aktivitiitskoeffizienten von der "wirksamen Ionenladung" aller enthaltenen Ionen definiert man die Ionenstiirke I
251
4.4 Elektrochemische Potenziale
1=
21" L.
c 2 l~ ,zi
c, : lonenkonzentration;
z, : Ionenladung
(4.34)
I
Als Konzentrationsgrofse wird anstelle der standardisierten Molaritat oft die von der Temperatur unabhangige standardisierte Molalitat verwendet. Eine 0,02 M Na2S04-Losung weist demnach eine Ionenstarke von 1 2 2 1=2·(2.0,02 .1 +0,02·2 )=0,06 auf.
Die mittleren Aktivitatskoeffizienten verdiinnter Losungen erhalt man naherungsweise aus der Beziehung 19 f ± = -A
'Iz .z I· Ji +
-
,
(4.35)
wobei z, wieder die Ladungszahlen der aus dem Elektrolyten gebildeten lonen sind . A ist eine Konstante, in die die Losungsmitteleigenschatten eingehen (z. B. Temperatur, Viskositat, Dielektrizitatskonstante). Fiir Wasser hat A bei 25°C den Wert 0,509.
4.4.3
Einteilung von Elektroden in Anoden und Katoden, Elektrodentypen
Naeh der in 4.4.1 und 4.4.2 angewandten, auf Faraday zuriickgehenden Definition versteht man unter einer Elektrode ein Zweiphasensystem, in dem an der Phasengrenze Ladungsiibertragungsvorgiinge stattfinden. Gewohnlich handelt es sieh dabei urn die Ubertragung von Elektronen. Beide Phasen sind zum Ladungstransport befahigt. Umgangsspraehlieh wird der Elektrodenbegriff oft nur auf den in eine Elektrolytlosung eintauehendcn Festkorperstab angewendet. Findet an der Phasengrenze einer Elektrode eine Elektroneniibertragung yom Festkorper auf Tei1chen der Elektrolytlosung statt (Reduktionsreaktion), so nennt man sie Katode. 1m Gegensatz zur Katode, die aus der Sieht der Elektrolytlosung als Elektronendonator wirkt, besitzt die Anode Elektronenakzeptorfunktion, An ihrer Phasengrenze laufen Oxidationsreaktionen aboZu Katoden bzw. Anoden werden Elektroden erst, wenn zwei Halbelemente in einer clektroehemisehen Zelle leitend miteinander verbunden sind. Nach den an den Elektrodenreaktionen beteiligten Reduktions- bzw . Oxidationsmitteln und nach der besonderen Art der Phasengrenzen, an denen die Ladungsiibertragung stattfindet, unterseheidet man versehiedene Elektrodentypen:
4 Elektrochemie
252
•
Metall/Metallionen-Elektroden Sie besteht aus einem Metallkorper, der in Kontakt zur Losung eines seiner Salze steht. Die Elektrodenreaktion ist Me ~ Me z+ + ze' . Als Beispiel konnen die bereits angefiihrten Zink I Zinksulfat- bzw. Kupfer I Kupfersulfat-Elektroden genannt werden. Bei der ebenfalls bereits angesprochenen Symbolik fiir Elektroden wird die Reihenfolge Reduktionsmittel
I
Oxidationsmittel beibehalten, also
Zn I Zn + bzw. Cu I Cu2+. Da die kondensierten Phasen der reinen Metalle einen Molenbruch bzw. eine Molenbruchaktivitat X, = 1 besitzen, lautet die Nemstsche Gleichung fiir Metall /Metallionen-Elektroden 2
RT u=u '" +-;plna MeZ'
•
(4.36)
•
Gaselektroden In ihnen lauft die Elektrodenreaktion zwischen einem Gas mit einem Partialdruck Pi und einer L6sung seiner Ionen abo Man benotigt ein Inertmetall (meist Platin) fiir die Elektronenaufuahme oder -abgabe. Das lnertmetall vermittelt die Ladungsiibertragung, nimmt an der Potenzialbildung aber nicht tei!. Unter Beibehaltung der O. a. Schreibweise sind Wasserstoff- und Chlorelektroden Beispiele fiir Gaselektroden. Elektrodensymbol
Elektrodenreaktion
ptIH2IH+
H2 ~ 2H+ + 2e-
cr ki, Ipt
2cr +t ch + 2e-
Die Platinoberflache fungiert als Adsorbens fiir die Gasmolekiile. Das Inertmetall wird im Elektrodensymbol, wie in den Beispielen gezeigt, mit angegeben. Die auf die Potenzialbildung bei Gaselektroden angewandte Nemstschen Gleichungen lauten dann: 2
u= •
RT all' 2.pln-{-} PH,
(4.37)
Metall/Saiz-Elektroden Sie bestehen aus eincm Metallkorper, der von einer porosen Schicht eines unloslichen Salzes aus dem Metallkation und einem Gegenion X z- bedeckt ist. Der Pestkorper befindet sich in einer Elektrolytlosung, die die XZ--Ionen enthalt, Bcispiele sind die Silber/Silberchlorid-Elektrode, die Blei/Bleisulfat-Elektrode oder die Kalomel-Elektrode (Quecksilber/Quecksilber(Dchlorid-Elektrode).
253
4.4 Elektrochemische Potenziale
In der Schreibweise von Metall/Salz-Elektroden werden Metalll Metallsalz I Ge-
genion angegeben. Fiir die erwahnten Beispiele sind das Ag IAgCI!Cr, Pb IPbSo 4I s o / - und Hg IH~Cb Icr.
Riindelschraube
Elektrodenanschluss Ansatzstutzen zum NachfOlien derwiissr. ChloridlOsung
Silberslab mit AgCI -Oberzug
3 Moder gesattigte AlkalichloridlOsung
Glasrohr •.~ Glasfritte . Diaphragma
Abb. 4.15: Schema einer Ag IAgCl Icr -Elektrode
Das Elektrodenpotenzial derartiger Metall/Salz-Elektroden ergibt sich zunachst, wie das der entsprechenden Metall/Metallionen-Elektroden wieder aus dem Standardpotenzial und der Metallionenaktivitat, Letztere ist aber iiber die Loslichkeitskonstantc K L mit der Aktivitat des Gegenions verkniipft. Am Beispiel der Ag IAgCII cr -Elektrodc erhalt man Gleichung (4.38):
U =U
RT
e Ag /Ag'
+ -F Ina A g, = U
RT
0 Ag /Ag '
KL
+ -F In-- = U a cl-
0 A g/ A gCI/ CI- -
RT -F Ina c 1(4.38)
U
0
Ag /Ag CI/C)-
ist das Standardpotenzial der Metall/Salz-Elektrode, das urn den kon-
RT stanten Term -In K L vom Standardpotenzial U0 A gIAg' abweicht. F •
Redoxelektroden Der BegriffRedoxelektrode wird dann verwendet, wenn unter Einbeziehung eines inerten metallischen Leiters das Potenzial zwischen zwei Oxidationsstufen einer in Losung vorliegenden Spezies genutzt wird.
4 Elektrochemie
254
Beispiele fiir derartige Elektrodenreaktionen sind : Fe2+ ~ Fe 3+ + eMn 2+ + 4H20 ~ Mn04- + 8H+ + 5e-. In der Symbolik wird inertes Metall I Reduktionsmittel, Oxidationsmittel angegeb en, aIso Pt [Fe 2+, Fe3+ b zw . Pt IMn 2+, Mn04 -, H+. In der Nemstschen Gleichung sind dann die Ionenaktivitaten beider Oxidationsstufen und auch die pl-l-Abhangigkeit der Potenziale enthalten. Auf die angefiihrten Beispiele angewendet lautet die Gleichung:
(4.39)
Eine andere Einteilung der Elektroden unterscheidet zwischen den bereits erwahnten Redoxelektroden und Elektroden 1. bzw. 2. Art.
•
Elektroden 1. Art Zu ihnen gehoren die oben beschriebenen Metall/Metallionen-Elektroden. Allgemein steht das Element (auch Metalllegierungen oder Gase) in Kontakt mit seinem in Losung vorliegenden Ion. Da das Potenzial bei Elektroden 1. Art nur von der Aktivitat des an der Elektrodenreaktion beteiligten Ions abhangt, konnen Elektroden der 1. Art folglich als Messelektroden bei der Bestimmung von Ionenaktivitiiten in Elektrolytlosungen eingesetzt werden.
•
Elektroden 2. Art Hierzu gehoren die Metal//Salz-Elektroden. Bei ihnen wird tiber das Loslichkeitsgleichgewicht des schwer Ioslichen Salzes die Abhangigkeit des Potenzials von der Kationenaktivitat des Metalls durch die vom Anion ersetzt. Somit wird das Elektrodenpotenzial von der Aktivitat des Anions bestimmt. So lange eine konstante Anionenaktivitat im Elektrolyten garantiert wird , besitzen Elektroden 2. Art ein konstantes Potenzial und eignen sich als Referenz- bzw. Bezugselektroden. Eine oft benutzte Bezugselektrode ist die bereits erwahnte SilU = + 0,2105 V (20 CC, 3 M KCI-Losung). berlSilberchlorid-Elektrode mit Einen besonderen Typ von Elektroden 2. Art stellen die Metall/MetalloxidElektroden dar. Beispiele dieser Elektrodentypen sind die Antimon/Antimonoxid-
255
4.4 Elektrochemische Potenziale
Elektrode bzw. die Bismut/Blsmutoxid-Elektrode, die beide zu pH-Mcssungen verwendet werden konnen. Die Elektroden bestehen aus einem mit einer diinnen Oxidschicht iiberzogenen Metallstab. Die Oxidschicht bildet sich , weil sich die Metallkationen mit Wasser zu Metallhydroxid umsetzen, das sich mit dem zugehorigen Oxid im Gleichgewicht befindet. Fur die Sb/Sb-Oj-Elektrode gilt: 2 Sb +:t 2 Sb 3+ + 6 e'
2 Sb 3+ + 6 H20 +:t 2 Sb(OHh + 6 H+ 2 SbCOHh +:t Sbllli + 3 H20
bzw. als Bruttogleichung:
Wenden wir die Nemstsche Gleichung auf die Bruttoelektrodenreaktion an, so folgt: 6
R ·T aSb,o, ·a w U SbISb,O,.W + 6 . F -In 2 3 aSb . aH,o I2l
U=
Da die Aktivitaten der kondensierten Phasen = 1 sind , ergibt sich ein Elektrodenpotenzial, das nur von der Wasserstoffionenaktivitat abhangt
(4.40)
Eine pH-Wert-Messung ist allerdings nur im pH-Bereich von 3 bis 11 moglich, weil sich sonst der oben formulierte Mechanismus der Elektrodenreaktion nicht aufrecht erhalten lasst. Metall/Metalloxid-Elektroden werden heute nur noch dann zu pH-Messungen verwendet, wenn man mechanisch bcsonders robuste Elektroden benotigt.
4.4.4
Diffusions- und Mcmbranpotenziale
Potenzialbildende Vorgange sind nicht auf Elektroden beschriinkt, wie sie im Kapitel 4.4.3 beschrieben wurden. Sie treten auch an den Grenzflachen zweier Elektrolytlosungen auf. Die Elektrolytlosungen konnen sogar die gleiche Zusammensetzung haben, sofem sie sich in der Elektrolytkonzentration unterscheiden. Treten z. B. zwei HClLosungen unterschiedlicher Konzentration in Kontakt, so diffundieren aus der konzentrierteren Losung die Ionen mit dem Ziel des Konzentrationsausgleichs in die verdiinnte HCl-LOsung. Die Beweglichkeit der Hl-lonen ist aber wesentlich groller als die der Cl-Ionen, so dass die Kationen den Chloridionen anfangs voraus eilen. An der Grenzflache beider Losungen erfolgt eine Ladungstrennung. Sie fiihrt zu einem sogenannten
4 Elektrochemie
256
Diffusionspotenzial. Die mit steigendem Diffusionspotenzial wachsenden Coulombschen Anzlehungskriifte sorgen dafiir, dass die Front der Hl-Ionen nach kurzer Zeit in ihrer Beweglichkeit gebremst wird. Gleichzeitig beschleunigt die voraus eilende H+Schicht die langsameren Cl-Ionen. Bei einem fiir die Kombination aus verschiedenen Elektrolyten typischen Diffusionspotenzial werden schlielslich fur beide Ionen gleiche Diffusionsgeschwindigkeiten erreicht. Die Grolle des Diffusionspotenzials hangt folglich vom Konzentrationsgefalle und von der Differenz der Ionenbeweglichkeiten zwischen Kation und Anion im Elektrolyten ab o Diffusionspotenziale verfalschen die Potenzialdifferenz zwischen zwei Halbelementen, da zur Bestimmung der Potenzialdifferenz die Elektrolyte der Halbzellen leitend verbunden werden miissen. Dabei kommt es zwangslaufig zur Ausbildung von Diffusionspotenzialen. Sie lassen sich jedoch bei der Verwendung eines sogenannten Stromschliissels weitgehend unterdriicken. Stromschlilssel sind mit konzentrierten bzw. gesattigten Salzlosungen mit fester Salzphase) gefiillte Glasrohrchen, An beiden Enden verhindern Dlaphragmen oder andere Vorrichtungen das Auslaufen der Salzlosungen. Abbildung 4.16 zeigt die Verbindung zweier Halbelemente mit einem Stromschliissel (Salzbriicke). Nun kommt es in beiden Halbelementen an den Enden der Salzbriicke zu Diffusionspotenzialen, die aber etwa gleich grof und entgegengesetzt gerichtet sind, einander also nahezu kompensieren. In den
Salzbriicken verwendet man Elektrolyte wie KCl oder NH4N03, bei denen beide Ionen vergleichbare Beweglichkeiten besitzen. Mit Salzbriicken gelingt es, die Verfalschung der Potenzialdifferenz zwischen den Halbelementen auf 1 bis 2 mV zu reduzieren. Ganzlich unterdriicken lassen sich Diffusionspotenziale nicht.
Stromschlussel Cu
Abb. 4.16: Daniell-Element mit Stromschliissel
Eine vor allem auch fiir biologische Systeme sehr wichtige Potenzialbildung erfolgt an Membranen. Trennt eine Membran z. B. Nafll-Lcsungen unterschiedlicher Konzentration voneinander, so versucht das System wiederum einen Konzentrationsausgleich fiir alle Ionen auf beiden Seiten der Membran. Ist die Membran zwar fiir Na+-Ionen, nicht aber fiir die grolleren Cl-Ionen durchlassig, so gelingt der Ausgleich nicht. Er kann nur fiir die Nal-Ionen einsetzen. Das fiihrt zum Uberschuss von positiven Ladungen auf
257
4.4 Elektrochemische Potenziale
der Seite der verdiinnten Losung und zu einem negativen Ladungsiiberschuss in der ehemals konzentrierteren Losung , also zu einer Potenzialdifferenz zwischen beiden Kammem.
(a)
Membran
(b)
Konzentrationsausgleich
positive Ladung
Abb. 4.17: Ausbildung eines Membranpotenzials
Die Potenzialdifferenz auf beiden Membranseiten (Membranpotenzial) wirkt dem weiteren Konzentrationsausgleich entgegen. An den Zellwanden von Nervenzellen bauen sich Membranpotenziale auf, weil sich die K+- bzw. Na' 10-2 A-cm-2) an den Elektrodenoberfliichen und mit unterschiedlichen Elektrodenmaterialen durchgefiihrt, so kommt es vor allem bei der Abscheidung von Gasen zu deutlichen Abweichungen vom theoretischen Abscheidungspotenzial und zu deutlich hoheren Zersetzungsspannungen. Dieses Phiinomen bezeichnet man als Uberspannung.
Uberspannung
4.6.2
Benutzt man z. B. Graphitelektroden und hohere Stromdichten (0,1 A . em"), so sinkt das Abscheidungspotenzial von Wasserstoff von 0 V auf -0,96 V und das Abscheidungspotenzial des Chlors steigt von 1,36 V auf 1,62 V. Damit betriigt die tatsiichlich notige Zersetzungsspannung
E,
= 1,36 V + 0,26 V -
(-0,96 V)
= 2,58 V.
Die Abweichungen der bei Stromfluss messbaren Abscheidungspotenziale von den Idealwerten, die sich aus der Anwendung der Nernstschen Gleichung auf die eigentliche Elektrodenreaktion ergeben, heiBen Uberspannung
11
= E z, exp, -
E z ,Nemst
•
1]
(4.51)
Beim Auftreten von Uberspannungen ergibt sich fiir die Zersetzungsspannung eines Elektrolyten:
Ez
= E Z.Nemst + 11 Anode - 11 Katode
(4.52)
Die Ursachen der Uberspannung sind iiberwiegend kinetischer Natur. Oft sind den Elektrodenreaktionen vorgelagerte Reaktionen (Dissoziationen, Dehydratisierungen etc.) , Hemmungen der Durchtrittsreaktion an der Phasengrenze Elektrolyt/kondensierte Phase oder Prozesse, die mit dem Herauslosen aus oder dem Einbau von Ionen in Kristallgitter zusarnmenhiingen, fiir das Auftreten der Uberspannungen verantwortlich. Uberspannungen treten vor aHem bei der Abscheidung von Gasen auf. Verwendet man in der Wasserstoffelektrode z. B. nicht platinierte Elektroden, sondern andere Metalle, so hat man es stets mit deutlich negativeren Elektrodenpotenzialen zu tun. Die Grelle der Uberspannungen hiingt vor allem vom Elektrodenmaterial, von der Stromdichte (mit wachsender Stromdichte zunehmend), von der Ionenkonzentration, der Temperatur und der Elektrodenoberfliiche abo H2 hat die grolite Uberspannung an Quecksilber, 0 2
270
4 Elektrochemie
an blankem Platin. Das Auftreten von Uberspannungen ist in vielen elektrochemischen Anwendungen eine auBerst willkommene Erscheinung. Beispiele hierfiir sind: •
der Bleiakkumulator (s. auch Kapite14 .7.2) An den Bleikatoden miisste sich beim Ladevorgang der edlere Wasserstoff, der in der Akkusiiure in Form von Hydroniumionen vorliegt, abscheiden. lnfolge der Wasserstoffilberspannung (tatsachliches Abscheidungspotenzial U Z,exp = -1V) werden Pb2+-Kationen reduziert (UZ,Pb2+ = -0,36 V, wenn Pb2+im PbS0 vorliegt). 4
•
das Amalgam-Verfahren (E1ektrolyse gesattigter Alkalichloridlosungen zwischen Graphitanode und Quecksilberkatode) An der Katode miisste wiederum H2 abgeschiedcn werden. Die hohe H2Uberspannung am Quecksilber fiihrt dazu, dass Natriurnkationen reduziert werden und mit dem Quecksilber ein Amalgam bilden.
•
die Polarographie Die Quantifizierung und Identifizierung reduzierbarer lonen oder Verbindungen in wassriger Losung wird durch die Bestimmung der Zersetzungsspannungen und der Hohe des Diffusionsgrenzstromes moglich. Hinsichtlich ihrer Standardpotenziale sollten sich aus wassrigen Losungen jedoch nur Halbedel- bzw. Edelmetalle abscheiden lassen. Da als Elektrodensystem Quecksilber mit seiner groBen Wasserstoffiiberspannung verwendet wird, sind auch die Kationen der unedlen Metalle und Verbindungen mit negativen Redoxpotenzialen reduzierbar.
4.6.3
Anwendungsbeispiele fur elektrolytische Verfahren
Mehrere Bcispiele fiir die Anwendung elektrolytischer Vorgange wurden in den beiden vorhergehenden Kapiteln bereits angefiihrt. Verwiesen sei auf das Aufbringen von Metalliiberziigen auf Oberflachen , auf Metallraffination und das Amalgam-Verfahren. Ebenfalls angefiihrt wurde die Polarographie als Analysenmcthode. Bei polarographischen Messungen benotigt man einen Grundelektrolyten (Uberschusskomponente) der den Ladungstransport in der Messzelle iibemimmt. In der Stromstarke / Spannungskurve einer polarographischen Messung (Abbildung 4.23) sind stofftypische Stufen erkennbar. Sie werden durch die Teilchen der Probe (Unterschusskomponenten) verursacht, wenn diese elektrolytisch reduziert werden. Man erhoht kontinuierlich die negative Abscheidungsspannung, die an einer Quecksilbertropfelektrode (Katode) anliegt. Als Anode wird das abtropfende Bodenquecksilber verwendet. Die Teilchen der Unterschusskomponente besitzen ein geringeres Abscheidepotenzial als die Kationen des Grundelektrolyten. Ihre Reduktion fiihrt zum Stromanstieg in der Stromstarke / Spannungskurve, wie in Abb. 4.22 gezeigt. Sind nach dem Erreichen des Abscheidepoten-
271
4.6 Elektrolyse
zials die in umnittelbarer Nahe der Elektrode (elektrochemische Doppelschicht) vorhandenen Teilchen reduziert, stellt sich ein nahezu konstanter Strom ein. Da die reduzierten Teilchen nicht am Ladungstransport in der Losung beteiligt sind (sie stellen eine Unterschusskomponente dar) , miissen aus dem inneren der Elektrolytlosung weitere Teilchen durch Diffusion zur Elektrode transportiert werden. Man spricht vom Diffusionsgrenzstrom, der wegen der konstanten Diffusionsgeschwindigkeit nicht weiter ansteigt. Seine Hohe ist proportional zur Konzentration der reduzierten Spezies Depolarisator). Es entsteht die typische Stufenform eines Polarogramms. Der Vorteil der Quecksilbertropfelektrode ist ihre standige Selbstemeuerung. Damit wird sie durch die abgeschiedenen Metalle nicht vergiftet. Eine Ausbildung eines Uberzugs durch das abgeschiedene Metall mit vom Quecksilber abweichendem Standardpotenzial erfolgt auch deshalb nicht, weil sich die Metalle unter Amalgambildung im Quecksilber loscn. Anstelle des Abscheidepotenzials nutzt man zur Identifizierung der reduzierten Teilchen (Metallkationen, organische Molekiile) die zur halben Stufenhohe gehorenden, ebenfalls stofftypischen Halbstufenpotenziale Uh. Die Polarographie erlaubt sowohl die Identifizierung von Teilchen anhand der Halbstufcnpotenziale als auch deren Quantifizierung anhand der Stufenh6he. Die hohe Wasserstoffiiberspannung in der Quecksilberelektrode verhindert, dass aus was srigen L6sungen Wasserstoff abgeschieden wird und erlaubt die Bestimmung von Stoffen mit negativem Standardpotenzial. An der als Arbeitselektrode fungierenden Tropfelektrode konnen Potenziale von
+0,4 V bis -1 ,6 V eingestellt werden. Oberhalb von +0,4 V geht Quecksilber anodisch in Losung, unterhalb von -1,6 V erfolgt die Entladung von Alkalikationen, die als Teil des Grundelektrolyten den positiven Ladungstransport besorgen.
-1-
rT--
-'dfff.2
! j.i 'dfff.2 I I
I I
I
I
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i A'dfff.1
1
I_ -
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A'diff.3 StufenhOhe 3
StufenhOhe 2
- 'd iff.l
StufenhOhe 1
Uh 3 ,
Halbstufenpotential
u Abb.4.23: Polarogramm
4 Elektrochemie
272
Noch starker negative Potenziale lassen sich bei der Verwendung von quartaren Ammoniumsalzen als Grundelektrolyt (-2,5 V bei N(C2Hs)4Cl) vermessen. Im moglichen Potenzialbereich erfolgt allerdings auch die Reduktion physikalisch geloster Sauerstoffmolekiile nach der Gleichung 0 2 + 2H20 + 4e- ~ 40K. Der dabei auftretende Reduktionsstrom erstreckt sich in zwei Stufen tiber einen breiten Spannungsbereich und iiberlagert andere Stoffabscheidungen. Die Reduktion des im Wasser gelosten Sauerstoffs erfolgt zunachst zu 02 2- und dann zu OH-. Urn Storungen durch die breiten, ineinander iibergehenden Sauerstoffstufen zu urngehen, wird der geloste Sauerstoff vor der Messung durch Einleiten eines Inertgases (meist Argon) ausgetrieben. Mittels Polarographie ist die Simultanbestimmung mehrerer Depolarisatoren (reduzierbarer Stoffe) moglich, wenn ihre Halbstufenpotenziale mehr als 0,1 V auseinander liegen.
Elektrolytische Verfahren bieten sich zur Darstellung von Radikalen als Zwischenstufen in Synthesereaktionen an. Die Radikale erhalt man durch anodische Entladung von Anionen, Aus Acetationen kann z. B. auf diese Weise tiber die Zwischenstufe der Methylradikale Ethan erzeugt werden: CH3COO - ~ CH3COO. + e' CH 3COO · ~ CH3' + CO 2 2CH3'
~
CH3-eH3
Aus Oxoanionen konnen Peroxoverbindungen dargestellt werden: HS04- ~ HS0 4· + e' 2HS0 4· ~ H 2S20g rakteristischen S-O-O-S-Gruppierung).
(Peroxodisulfat mit der cha-
Die in Waschmitteln eingesetzten Perborate sind tiber eine analoge Reaktion zuganglich . Mittels katodischer Reduktion lassen sich Olefine in saurer Losung hydricrcn
bzw. Nitrovcrbindungen in Amine iiberfiihren.
+ 6 e-
273
4.7 Elektro chemische En ergiequellen
Als Zwischenstufe entsteht Nitrosobenzol, das mit Ani1in durch Kondensation Azobenz01bi1den kann: NO rEY ~
4.7
+
rEY NH 2 ~
--+
grAY
N=N "'fA
g
+ H 20
Elektrochemische Energiequellen
Ohne die Nutzung ga1vanischer Zellen zur Versorgung der verschiedensten Gerate mit elektrischer Energie ist unser heutiges Leben nicht mehr vorstellbar. Nach ihrem Wirkungsprinzip unterscheidet man drei Arten e1ektrochemischer Energiequellen, die Primar-, die Sekundar- und die Brennstoffzellen.
4.7.1
Primarzellen
Die Zellreaktion ist irreversibel. Nach ihrer Entladung sind Primiirzellen nicht mehr verwendbar. Die alteste und zuglcich bis heute verwendete Primarzelle ist das Leclanchi-Element. Es wurde 1867 von G. Leclanche entwickelt und kombiniert cine Zn IZn2+-Elcktrode mit einer Mn 3+ IMn 4+-Redoxelektrode. In einem Zinkbechcr (Anode, Anodenreaktion Zn ~ Zn2+ + Ze) befindet sich der Elektrolyt sowic die von cinem Braunstein (Mn02)/RuB-Gemisch umgebene Graphitkatode. Der Elcktrolyt ist wassrige Ammoniumchloridlosung, die 5 bis 10 % Zinkchlorid enthalt. Sie ist mit Mehl zu einer Paste verdickt. Der Zinkbecher wird mit einer Vergussmasse (Bitumen) vcrscblossen. Dadurch werden Elektrolyt und Katode luftdicht abgeschlossen und gegen Auslaufen geschiitzt. In der Katodenreaktion wird Mn 4+ zu Mn 3+ reduziert: Mn02 + H+ + e-~ MnO(OH) 2 MnO(OH)
+± Mn203 + H20
Die notwendigen Wasserstoffionen entstehcn durch Autoprotolyse der Ammoniumionen des Elektrolyten gcmiiB NH 4+
+± NH3 + H+
.
Als resultierende Zellreaktion erhalt man
4 Elektrochemie
274
Messingkontakt Abdichtung (Bitumen) Kohlestift
Elektrolyt Zinkbecher
Abb. 4.24: Autbau des Leelanche-Elements
Die EMK der Leclanche-Zelle betragt 1,65 V, die mittlere Klemmspannung 1 - 1,2 V.
Weitere Beispiele alkalischer Primarelemente sind •
die Zink/Silberoxid-Zelle Zn + Ag 20
~
ZnO + 2 Ag .
Einer Wiederaufladbarkeit der Zink/Silberoxid-Zelle steht die schlechte Loslichkeit entgegen, die das Silberoxid im alkalischen Med ium aufweist. Beim Entladen entstehen auBerdem Silberdendriten (feine Verastelungen von festem Silber), die innerhalb der Batterien zu Kurzschliissen fiihren konnen. •
die Lithium/Braunstein-Zelle Li + Mn02 ~ LiMn02 . Primarzellen, deren Anodenmaterial Lithium ist, besitzen besonders hohe elektrom otorische Krafte, Als Elektrolytlosungen werden Lithiumsalze in wasserfreien Losungsmitteln (Acetonitril, Propencarbonat, Dimethoxyethan etc.) verwendel.
•
In alkalischen Zink/Braunstein-Zellen verwendet man in einen Metallbehalter gefiilltes pulverisiertes Zink (Anode). Elektrolyt ist eine KOH-Losung. Als Katode fungiert wieder die Braunstein/Graphit-Kombination. Die Zellreaktion ist
4. 7 Elektrochemische Energiequellen
275
Zn + 2 MnO z -t ZnO + Mn z03 . Die alkalische ZinkIBraunstein-Zelle gehort streng genommen nicht mehr zu den Primarelementen. Sie ist in begrenztem Umfang (etwa 50 Lade- / Entladezyklen) wieder aufladbar, wenn vollstandige Entladung vermieden wird.
4.7.2
Sekundarzellen
Sekunddrzellen sind nach der Entladung wieder aufladbar. Bci der Entladung liefert die freiwillig ablaufende Zellrcaktion elektrische Energie. Der Ladevorgang ist die im Gegensatz zur Zellreaktion erzwungene Riickreaktion (Elektrolyse). Sekundarzellen werden als Akkumulatoren bezeichnet. Die bekannteste Anwendung von Akkumulatoren ist der Bleiakkumulator.
r.=~Lrili;;;;-- EinfUlIslulzen Gehause Elektrolyt
Bleiplatte
~::':~~;::;~J---Separator
Abb. 4.25: Aufbau eines Bleiakkumulators
Sein schematischer Aufbau ist in Abbildung 4.25 dargestellt. Die Anode besteht aus Blei, die Katode ist eine Bleiplatte, in deren Oberflache Blei(IV)oxid eingearbeitet ist. Beide Elektroden sind mit moglichst groBen Oberflachen ausgestattet (Gitter, Rohrchen, Schwammblei etc.). Das Diaphragma zwischen Anoden- und Katodenraum besteht oft aus saurebestandigen Kunststoff-, Cellulose- oder Gummivliesen. Der Elektrolyt ist Schwefelsaure (ca. 30 %, p = 1,21 g. ern"). Das Akkugehause wird aus Kunststoffoder Hartgummi gefertigt. Die Katodenreaktion ist PbS04 + 2 HzO ~ PbOz + 4 H+ + sol' + 2 e'. Die Anodenreaktion wird durch die folgende Reaktionsgleichung wiedergegeben: Pb + sol- ~ PbS04 + 2 c'
4 Elektrochemie
276
Daraus ergibt sich fiir die Zellreaktion beim Entladen Pb02 + Pb + 4 H+ + 2 sol- ~ 2 PbS0 4 + 2 H20. Wahrend des Entladevorgangs wird Schwefelsaure verbraucht. Das gebildete Wasser verdiinnt den Elektrolyten zusatzlich. Elektrolytaktivitat und EMK sinken, Die erzwungene Riickreaktion (Laden) fiihrt zur Bildung von Schwefelsaure. Die Dichte der Akkusaure steigt. Als Nebenreaktion tritt beim Laden des Bleiakkumulators Wasserzersetzung auf. Die Abscheidung der Gase ist kinetisch gehemmt und die fiir die Gasfreisetzung erforderlichen Uberspannungen werden erst bei Abschluss des Ladevorgangs erreicht. Auf T. A. Edison geht der Nickel/Eisen-Akkumulator zuriick. Katodenrnaterial ist basisches Nickeloxid (NiO(OH)). Die Anode wird von Eisenpulver gebildet. Der ElektroIyt ist eine 20 % KOH-L6sung. Die Elektrodenreaktionen sind: Katode
2 Ni(OHh + 2 OH- +! 2 NiO(OH) + 2 H20 + 2 e'
Anode
Fe + 2 OH- +t Fe(OHh + 2 e"
Daraus resultiert beim Entladen die Zellreaktion: 2 NiO(OH) + 2 H20 + Fe
~
2 Ni(OHh + Fe(OHh
In analoger Weise sind die Vorgange in Nickel/Cadmium- bzw. Nickel/ZinkAkkumulatoren zu formulieren. Basisches Nickeloxid stellt die Katode, Metallpuiver die Anode dar. Immer mehr an Bedeutung gewinnen wegen ihrer hohen Energiedichte (A·h ·kg-I ) und des geringen Memory-Effekts die sogenannten Lithium-Ionen-Akkumulatoren . Die Anode besteht aus Graphit, in das beim Ladevorgang Lithium-Atome eingelagert werden. Die Katode enthalt ein Lithium-Metall-Oxidgemisch (Me : z.B. Co oder Mn). Sie nimmt beim Entladen die aus der Anode freigesetzten Lithium-Ionen auf, indem im Metalloxid cine Erniedrigung der Oxidationsstufe stattfindet. Als Elektrolyt dient meist LiPF6 in einem organischen wasserfreien Losungsmittel. Die Zellreaktion beim Entladen kann mit Mn als Metall folgendermaBen formuliert werden: LiMn204 + C(Li x)
-+
LhMn204 + C(Li x- 1)
Die Zellspannung der Lithium-Ionen-Akkus betragt etwa 3,7 Volt und entspricht damit fast einer Reihenschaltung von drei Alkalibatterien.
4.7.3
Brennstoffzellen
Galvanische Zellen haben gegeniiber Warmekraftmaschinen den Vorteil der direkten Umwandlung von chemischer in elektrische Energie und deshalb eine hohere Energie-
4.7 Elektrochemische Energiequellen
277
ausbeute. Man ist deshalb bestrebt, die chemischen Reaktionen, welche zur Warmegewinnung in Kraftwerken dienen, auch in galvanischen Zellen , sogenannten Brennstoff-
zellen zu realisieren. In ihnen laufen die Reaktionen derart ab, dass Oxidation der Brennstoffe und Reduktion der Oxidationsmittel raumlich getrennt und freiwillig an den beiden Elektroden stattfinden. Die oxidierten Brennstoffe und die reduzierten Oxidationsmittel diirfen den Elektrolyten, der sich zwischen den Elektroden befindet, nicht verandern. Als Brennstoffe eignen sich Gase (H2, CO, Kohlenwasserstoffe) oder auch fliissige, leicht oxidierbare Verbindungen. Oxidationsmittel sind meist Sauerstoff, Luft oder Wasserstoffperoxid. Als Elektrolyte verwendet man Sauren, Laugen oder Oxidschmelzen bzw. sogenannte Festkorper-Elektrolyte. Das Problem der Brennstoffzellen besteht in der kinetischen Hemmung der Elektrodenreaktionen. Brauchbare Geschwindigkeiten der Brennstoffoxidation und Oxidationsmittelreduktion erfordem meist unterschiedliche Katalysatoren. Vor allem fliissige Brennstoffe erreichen ausreichende Reaktionsgeschwindigkeiten erst bei hohen Temperaturen. Nach ihrer Arbeitstemperatur unterscheidet man:
Hochtemperaturbrennstoffzellen 300°C - 1100 DC Mitteltemperaturbrennstoffzellen 100 DC - 300°C und Niedertemperaturbrennstoffzellen < 100 DC Am weitesten entwickelt ist die WasserstofflSauerstof.f-Zelle. Ihre Elektrodenreaktionen sind: Katode:
4 OH-+± O 2 + 2 H 20 + 4 e (Raney-Silber-Katalysator)
Anode:
2 H2 +± 4 H+ + 4 e'
(Raney-Nickel-Katalysator)
Daraus ergibt sich die Zellreaktion 2 H2 + O 2 ~ 2 H 20 . Das gebildete Wasser muss abgefiihrt werden. WasserstoffiSauerstoff-Zellen mit einer Lebensdauer von mehreren Jahren werden bereits technisch erprobt. Besondere Anforderungen werden dabei an die Reinheit der Gase gestellt. Verunreinigungen der Brennstoffe bzw. Oxidationsmittel wirken bei vielen Brennstoffzellen als Katalysatorgifte und schadigen die Zellen.
Oxydationsmittel
Abb. 4.26: Aufbau einer Sauerstoff/Brennstoff-Zelle
4 Elektrochemie
278
4.8 1.
Ubungsaufgaben zu Kapitel4 Die spezifische Leitfahigkeit einer 0,0200 M MgCh-Losung wurde bei 25°C experimentell ermittelt. Sie betragt K = 4,582 . 10-3 S . em". Berechnen Sie die molare Leitfahigkeit A bzw. die Aquivalcntleitfahigkeit Ae.
2.
In Abhangigkeit von der Konzentration wurden fiir eincn starken Elektrolyten
folgende molare Leitfahigkeiten bestimmt: e/ mol . r' A / S . mOrl . cm
2
0,0100
0,00500
0,00100
0,000500 0,000100
110,0
112,9
116,9
117,8
119,0
Ermitteln Sie die Grenzleitfahigkeit bei unendlieher Verdiinnung! 3.
In einer stark verdiinnten NH 4Cl-Losung wurden die Grenzleitfahigkeit mit Aoo = 149 S . mol" . cm 2 und die Uberfiihrungszahl der Chloridionen t, = 0,491 bestimmt, Berechnen Sie die Grenzleitfahigkeit des Ammoniumions und seine Ionenbeweglichkeit,
4.
Aus den bei 25°C gemessenen molaren Leitfahigkeiten von Ameisensaurelosungen und einer Grenzleitfahigkeit Aoo = 404 ,3 S . mOrl . em 2 sol1en die korrespondierenden Dissoziationsgrade a berechnet werden. Co/mol .
r'
A / S . mOrl . em
2
0,0100
0,00500
0,00100
0,000500
50,2
69,2
138,0
174,8
Stellen Sie die Funktion a = f(co) grafisch dar und schatzen Sie den Dissoziationsgrad einer 0,0075 M Ameisensaure durch Interpolation abo 5.
Berechnen Sie unter Verwendung der Dissoziationsgrade a bei 0,0100 M und 0,00100 M Ameisensaurelosungen (Aufgabe 4) die Dissoziationskonstante Ks und die pH-Werte der verdiinnten Sauren (f±
6.
~
1).
Die Grenzleitfahigkeit von AgBr soll bei 25°C bereehnet werden. Bekannt sind die entsprechenden Aa-Werte folgender Salze: Aoo (NaBr)
=
s· mOrl
. cm 2
78,16 S . mOr l . cm 2
Aoo (CH 3COONa)
Aoo (CH3COOAg)
128,2
=
88,8 S· mOrl . em 2
4.8 Ubungsaufgaben zu Kapitel 4
7.
279
Eine 0,135 M Propansaurelosung besitzt bci 18°C die Grenzleitfahigkeit
An = 349 S . mOrl . em'. Die Leitfahigkeit wurde mit 4,79 . 10-4 S gemessen. Die Widerstandskapazitat der Messze11e betragt C = 1,00 em-I. Berechnen Sie naherungsweise den pH-Wert der Losungl 8.
Die konzentrationsbezogene Dissoziationskonstante Ks von Chloressigsaure betragt bei 25°C 1,4· 10-3. Berechnen Sie a) den Dissoziationsgrad einer 0,5 M-Losung b) naherungsweise den pH-Wert dieser Losung.
9.
Die auf Aktivitaten bezogene Dissoziationskonstante von Cyanessigsaure wird bei 25°C mit K s = 3,56· 10-3 angegeben. Berechnen Sie den pH-Wert einer wassrigen Losung von 50,0 g der Saute in 1 I tiber die Naherung Ks = a(H+i / (a(HA)o-a(H+)).
10.
Berechnen Sie den pH-Wert einer gesattigten Kalziumhydroxidlosung. Bei 18°C betragt das Ldslichkeitsprodukt (L) 5,47.10- 6 mo13·r3 (Kw = 5,73,10- 15 ) .
11.
Die EMK des galvanischen Elements Cd I Cd2+ (a = 1) II Cu2+ (a = 1) I Cu sol1 fiir 25°C ermittelt werden. Bekannt sind U0(Cd ICd 2+) = -0,402 V und U0(Cu ICu 2+) = 0,346 V.
12.
Welche EMK licfert das folgende galvanische Element bei 25°C? Ni I Ni 2+ (a = 0,0014) II Ag+ (a =0,593) [Ag Gegeben sind U0(Ag IAg+) = 0,799 V bzw. U0(Ni INi2+) = -0,23 V.
13.
Wie groB ist die EMK der folgenden galvanischen Kette bei 25°C, wenn die Aktivitatskoeffizienten f± (0,005 M Ni(N03)2) = 0,57 und f± (0,1 M AgN0 3) = 0, 717 betragen ? Ni
14.
I Ni(N03h (aq, 0,005 M) II
AgN03 (aq, 0,1 M) lAg
Bereehnen Sie die EMK der folgenden galvanisehen Kette bei 25°C, bei der eine wasserstoffumspiilte Platinelektrode (P(Hz)= 1bar) und eine Silberelektrode in eine gesattigte Silberhydroxidlosung eintauehen. ptl Hz
I H+ , Ag''(aq) I AgOH (s)
lAg
Bekannt sind die Loslichkeitskonstante KL(AgOH) = 1,5 . 10-8, das Ionenprodukt des Wassers Kw = 1,0 .10-14 und U0(Ag I Ag")
= 0,799 V.
4 Elektrochemie
280
15.
Berechnen Sie das Standardpotenzial der Silber/Silberchlorid-Elektrode, wenn die Loslichkeitskonstant e bei 25°C KL(AgCl) = 1,73 . 10-10 betragt. Das Standardpotenzial U0(Agi Ag") = 0,799 V ist bekannt.
16.
Welches Potenzial besitzt eine SilberlSi1berchlorid-Elektrode, wenn die Akt ivitat der Chloridionen 0,37 betragt ?
17.
Berechnen Sie das Redo xpotenzia1 einer Ha1bzelle Pt IFe 3+; Fe 2+ mit den Aktivitaten a (Fe 3l = 0,2 und a (Fe 2+) = 1,5 bei 25°C.
18.
19.
Welche EMK besitzen fo1gende Konzentrationsketten bei 25 °C? a)
Ag
b)
Ag
I Ag+ (a = 0,01) II I Ag+ (a= 0,001) II
Ag+ (a = 0,1) lAg Ag+(a =O,I) lAg
Fur die Konzentrationskette Ag
I Ag+(a=x)11
Ag+(a=O,I) [Ag
wurde bei 25 °C eine EMK von 0,134 V gcmessen . Wie grol3 ist die unbekannte Silberionenaktivitat x? 20.
Berechnen Sic aus dem Stand ardpotenzia1 der Ag IAg+-Elektrode (0,799 V) und dem Standardpotenzia1 der Ag IAgC11Cl-Elektrode (0,223 V) die Loslichkeitskon stante von AgCI.
2 1.
Berechnen Sie die Gleichgewichtskonstante der Reaktion Fe 2+ + Zn + sol- ~ Fe + sol- + Zn 2+ bei 25 °C aus den Standardpotenzialen. U 0 (Zn IZn 2+) = -0,763 V; U 0 (Fe I Fe 2+) = -0,440 V.
22.
Das Standardpotenzia1 der Si1berlSilberchlorid-E1ektrode betragt 0,223 V. Bei einer unbekannten Cl-Ionenaktivitat wurde ein E1ektrodenpotenzia1 von 0,287 V gemessen. Berechnen Sie die cr Ionenaktivitat!
23.
Berechnen Sic aus den Standardpotenzialen die Gleichgewichtskonstante der Reaktion bei 25°C Zn + sol- + Cd 2+ ~ Zn 2+ + Cd + sol
u
0
(Zn IZn
l
2
= -0,763 V; U (Cd ICd 0
l
2
= -0,402 V.
-
4.8 Ubungsaufgaben zu Kapitel 4
24.
281
Berechnen Sie die Loslichkeitskonstante von Bleifluorid bei 25 °C, wenn das Standardpotential der Elektrode Pb IPbF2 (gesattigte Losung) -0,35 V betragt (U 0 (Pb IPb 2+) = -0,12 V) .
25.
Fur Cadmiumsulfat bestimmter Aktivitat berechnet man eine theoretische Zersetzungsspannung Ez = 1,33 V. Der tabellierte Wert der Gesamtiiberspannung betragt 11 = 0,7 V . Welche e1ektrische Arbeit (in kWh) ist erforderlich, urn
0,5 kg Cadmium bei anliegender Mindcstspannung e1ektrolytisch abzuscheiden? Der Spannungsabfall aufgrund des Gesamtwiderstandes betragt 0,6 V. 26.
Wie viel Gramm Nickel werden durch einen elektrischen Strom mit emer Stromstarke von I = 0,673 A bei der Elcktrolyse einer Nickelsulfatlosung in vier Stunden und 25 Minuten abgeschieden ?
27.
Die theoretische Zersetzungsspannung einer 0,5 molaren Kupfersulfatlosung betragt Ez = 0,74 V. Die experimentell ermittelte Elektrolysespannung ist U = 2,36 V. 1m Messstromkreis floss bei einem Gesamtwiderstand von R = 3,48 Q ein Strom von I = 0,25 A. Berechnen Sie die Gesamtiiberspannung
beim Elektrolyseprozess ! 28.
Bis zu welcher Aktivitat lasst sich Kupfer bei 25°C in einaktiver Salzsaure 10sen? Naherungsweise nimmt man gleiche Hydroniumionen- und Chloridionenaktivitaten an.
29.
Begriinden Sie , dass man mit Chlorwasser in einer iodidhaltigen Losung lod nachweisen kann!
282
4 Elektro chemie
4.9
Versuche zur Elektrochemie
4.9.1
Konduktometrische Bestimmung von Saurekonstanten
Werden sehr saubere schwache Sauren HA in sehr reinem Wasser
(1C H
20
:s; 5 J.!S em" )
gelost, hangt die Leitfahigkeit von den durch Dissoziation gebildeten Hydronium- und Saureanionen A" aboDa H30 + und A- in reinem Wasser nahezu ausschlieBlich aus der Dissoziation von HA stammen, lasst sich in der Definitionsgleichung des Dissoziationsgrades die Stoffinenge der dissoziierten Teilchen durch die Stoffinenge an H3 0 + bzw. an A- ersetzen. Daraus folgt: CH+ = a . CO und CA- = a· CO . Fuhrt man diese Gleichungen in K, =
cH+'c A ein, dann ergibt sich c HA
Der Dissoziationsgrad ist andererseits identisch mit dem Quotientcn aus der molaren Leitfahigkeit A der schwachen Saure in der gegebenen Losung und der Grenzleitfahigkeit A4 (a
A
=
A)
, 1st z.B. die Halfte der Saure dissoziiert, so ist a
=
0,5 und
'" -
A
A ",
ebenfalls 0,5 (vergl. Kap. 4.3.1).
Der Versuch beginnt mit der Ermittlung der Widerstandskapazitat C der Messzelle (Leitfahigkeitselektroden) mit 0,01 M KCI, deren spezifische Leitfahigkeit K fiir verschiedene Temperaturen tabelliert ist. Die Leitfahigkeit G wird mit einer Messbriicke gemessen und C wird aus K = C . G berechnet. AnschlieJ3end wird iiblicherweise noch einmal iiberpriift, ob das verfiigbare Wasser dem Leitfahigkeitskriterium geniigt. Dann erfolgt die 1. Messung einer 0,1 M Saurelosung, beispielsweise einer 0,1 M Essigsaure. Mit dem aus der Kalibrierung bekannten C wird nun zunachst K berechnet. lndem durch die Ausgangskonzentration dividiert wird, ergibt sich A entsprechend A
1C
= -.
Fur die
Co
Berechnung von a ist nun nur noch die Kenntnis der Grenzleitfahigkeit A4 erforderlich . Sie ergibt sich durch Addition der auf die Messtemperatur umgerechneten Ionenleitfahigkeiten. Die Umrechnung geht von den fiir 25°C tabellierten Werten aus ( s. Kapitel 4.3.1, Tabelle 4.1). Die Umrechnungsgleichung ist:
4.9 Versuche zur Elektrochemie
283
Neuere Messzellen messen auch die Temperatur und rechnen den Messwert automatisch auf25 °C urn. Die zweite Messlosung erhalt man durch Verdiinnen auf die halbe Konzentration. Analog wird der Leitwert von vier weiteren Verdiinnungsstufen gemessen. Die fiir Essigsaure zu erwartende Dissoziationskonstante Ke"pbetragt 1,80.10.5 mol ·r l . Sie weicht urn wenige Prozent von dem richtigen, auf Aktivitaten bezogenen Ks = 1,75·10,5 abo Die Abweichung von KS,e"p liegt daran, dass bei seiner Berechnung keine Korrekturen der Konzentration durch Leitfahigkeits- und Aktivitatskoeffizienten vorgenommen wurden.
Fragen: 1. Wie ist der Dissoziationsgrad a definiert? 2. Gegeben sei die Losung eines schwachen Elektrolyten in einem Leitfahigkeitsgefab. Wie hangen folgcnde Grolien von der Konzentration ab: Widerstandskapazitat, Leitfahigkeit, spezifische Leitfahigkeit, mol are Leitfahigkeit, Grenzleitfahigkeit, Dissoziationsgrad, Dissoziationskonstante? 3. Wie lassen sich Ionenleitfahigkeiten experimentell ermitte1n? 4. Berechnen Sie den Aktivitatskoeffizienten f± in 0,1 M CH3COOH iiber Ks und a!
4.9.2
Potenziomctrische Bcstimmung von pKg-Wertcn schwacher Saurcn
Titriert man eine 0,01 M Losung einer schwachen Saure mit 0,1 M NaOH und bestimmt dabei gleichzeitig den pH-Wert mit einer kalibrierten Glaselektrode, so kann man aus den Messdaten den pKs- Wert ermitteln. Das Dissoziationsgleichgewicht schwacher Sauren wird beschrieben durch:
Der Aktivitatskoeffizient fHA der undissoziierten Saure kann annahernd 1 gesetzt werden. Damit ist aHA durch CHA ersetzbar, so dass man nach Logarithmieren die sogenannte Henderson-Hasselbalchsche Gleichung erhalt: lg K ,
= Iga H
+
cA " cHA
+ 19-+ IgfA -
c bzw . pK s = pH+ 19 HA -lgf " cA ' A
1st halb so vie1 NaOH verbraucht, wie bis zurn Aquivalenzpunkt erforderlich ware , kann bei Sauren mit pKs•Werten zwischen 4 und 11 angenommen werden, dass die gleiche Menge Saure noch unneutralisiert vorliegt, wie bereits in Anionen umgewandelt wurde, dass also CHA gleich CA' ist. Nach der oben angefiihrten Henderson-Hasselbalchschen
4 Elektrochemie
284
Gleichung gilt also bei Vernachlassigung von lg fA - beim Halbaquivalenzpunkt pK s = pH y,. Eine umfassendere Arbeitsgleichung zur Auswertung der Messwerte erhalt man, wenn in der Gleichung CRA durch Co - c A _ und anschlieBend c A _ aufgrund der Elektro-
.+
neutralitatsbedingung durch c N + Cw - Cow ersetzt wird:
mit
Bruttokonzentration der Saure im Titrationspunkt aus der NaOH-Zugabe berechnete Na-Konzentration im Titrationspunkt aus dem pH-Wert am Titrationspunkt nach Berechnung von f± tiber die Debye-Huckel-Naherung (Kapitel 4.4 .2)zugiinglich. Diese Gleichung lasst eine Berechnung von pKs-Werten einbasiger Sauren nicht nur unmittelbar beim Halbaquivalenzpunkt, sondern auch in dessen Nahe zu. Die so an mehreren Titrationspunkten berechneten pK s- Werte sollten innerhalb der Fehlergrenzen iibereinstimmen. Fur eine exakte pKs- Bestimmung sind folgende Bedingungen einzuhalten: karbonatfreie Natronlauge, Temperaturkonstanz auf ± 0,2 K, Inertgasschutz, insbesondere wenn korrespondierende Sauren schwacher Basen mit pKs-Werten im basischen Bereich zu vennessen sind, intakte und nicht driftende Glaselektrode bzw. Einstabmesskette.
Fragen: I. Wie kann man aus der Titrationskurve pH = f(VNaO H) den Aquivalenzpunkt ermitteln? 2. Leiten Sie die Hasselbalchsche Gleichung aus der exakten Gleichung ab und erlautern Sie, dass die Hasselbalchsche Niiherung urn so schlechter wird, je weiter sich die pKs- Werte der untersuchten Sauren von pKs = 7 entfernen! 3. Wie andert sich die Arbeitsgleichung, wenn BH+ titriert werden soli? 4. Wie berechnet man c Na+' c w ' cow und c A - an einem Titrationspunkt? Man benotigt diese Grolien zur Berechnung der Ionenstarke I = 'is L( c/c0) z? und der
Aktivitatskoeffizienten
lgf, = -0,509
·Iz+.z_I' .JI .
mittels
der
Naherung
nach
Debye-Hiickel
4.9 Versuche zur Elektroch emie
4.9.3
285
Konzentrationskctten
Wenn man die Halbelemente Ag] Ag+ (a.) und Ag] Ag+ (az) mit ar < az iiber einen Stromschliissel miteinander verbindet, handelt es sich um eine Konzentrationskette, da die Potenzialdifferenz allein durch die unterschiedliche Konzentration gegeben ist. Wird der Stromschliissel mit konzentrierter NH4N03 -Lasung gefiillt und damit ein Diffusionspotenzial weitgehend vermieden, ergibt sich eine Zellspannung bzw. EMK entsprechend:
R·T a E = - - ·In-1. F a. lm Versuch wird die Lasung 1 0,01 MAgN03 0,001 M AgN03 0,0001 M AgN03
EMK folgender Losungen vermessen: Lasung 1 Lasung 2 gesattigte AgCI-Lasg. 0,1 MAgN0 3 gesattigte Agl-Losg. 0,1 MAgN0 3 Ag(NH 3)t -Losg, 0,01 MAgN0 3 Ag(SZ03)z3- -Lasg.
Lasung 2 0,01 M AgN03 0,01 MAgN03 0,01 MAgN03 0,01 MAgN0 3
Bei Kenntnis von az lassen sich die unbekannten aj aus der EMK berechnen. Im Falle der gesattigten Losungen von AgCl und AgI sind dann bei Kenntnis der Anionenaktivitaten die Loslichkeitskonstanten K L = a Ag" . a cr
bzw . K L = a Ag" . a 1- zuganglich,
Bei der Ermittlung von a aus c wird naherungsweise anstelle von a, = fi,cj mit aj = f±,cj gerechnet. Der mittlere Aktivitatskoeffizient f± kann iiber die Ionenstarke I und die Debye-Hiickel-Gleichung ermittelt werden. Dazu benotigt man die Konzentrationen aller in der entsprechenden Losung vorhandenen lonen. Wird beispielsweise der AgCI-Niederschlag durch Zugabe von 30 ml 0,01 M KC1 zu 20 ml 0,01 M AgN03 erzeugt, tragen in der Losung cr, K+ und N0 3' zur Ionenstarke bei . Die Cl-Konzentration ergibt sich aus der Uberlegung, dass von den zugesetzten 30 ml 0,01 M KCl 20 ml zur Fallung von AgCl verbraucht wurden und fiir die restlichen 10 ml eine Konzentrationsabnahme im Verhaltnis 10/50 anzusetzen ist. Es ergibt sich also c Cl c NO, '
1
= S·0,01 M = 0,002 M. 2
Entsprechend findet man c K +
= S·0,01 M = 0,004 M. Die Ionenstarke und
3
= S· 0,01 M = 0,006 M
und
den Aktivitatskoeffizienten in dieser
286
4 Elektrochemie
Losung berechnet man mit I O 509 • .Jj
f± = IO-
Yz (0,002 + 0,004 + 0,006)
0,006 bzw.
= 0,913 .
Fragen:
I. Erlautern Sie die Begriffe: Halbelement, elektrochemische Zelle, Zellspannung, EMK, Elektrodenpotenzial, Standardelektrodenpotenzial, Diffusionspotenzial! 2. Wie lautet die Nemstsche Gleichung in allgemeiner Form flir Elektrodenpotenziale? 3. Wie ergibt sich die Gleichung fiir die Spannung einer Konzentrationskette aus den Gleichungen fiir die Elektrodenpotenziale? 4. Warum ist die NH4N03-L6sung fiir einen Stromschliissel besonders geeignet? Vergleichen Sie die Ionenleitfahigkeiten von NH/ und N0 3' ! 5. Wie kann man die Loslichkeitskonstanten von Agel bzw . AgI aus thermodynamischen Zustandsfunktionen berechnen?
4.9.4
Bestimmung der Uberfuhrungszahlen von Salpetersaure nach Hittorf
Uberfiihrungszahlen (vergl. Kapitel 4.3.3) geben an, welchen Anteil die Kationen bzw. Anionen eines Elektrolyten am Ladungstransport iibcmehmen, wenn durch die Losung Gleichstrom flielit. Bei der Elektrolyse von Salpetersaure werden durch N03-Ionen ca. 0,16 Anteile und durch die H30+-Ionen ca. 0,84 Anteile der Ladung transportiert. Diesc Anteilc lassen sich ermitteln, wenn man 0, I M HN0 3 etwa cine halbe Stunde lang bei geringer Stromstarke elektrolysiert und anschlieliend durch alkalimetrische Titration die Stoffmengendifferenz Lln an HN03 zwischen Anodenraum und Katodenraum ermittclt. Die folgende Ubersicht zeigt, dass Lln doppelt so grof ist wie die durch N0 3' transportierte Ladungsmenge. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Bilanz daran gebunden ist, dass N03'-10nen zwar zur Anode wandem, dort aber wegen ihres relativ grolsen Abscheidungspotenzials nicht entladen werden. An der Anode werden Wassermolekiile oxidiert. Anodenraum (+) 100 H30 + IOO N0 3' 79 H 3O+ I04 N0 3' 104 H30 104 N0 3'
Mittelraum Katodenraum (-) Zeitpunkt IOOO H30 100 H 30 am Anfang 1000 N0 3' 100 N0 3' 1000 H3O+ 121 H3O+ nach Transport von insgesamt 25 1000 N0 3' 96 N0 3' Ladungseinheiten, davon 21 durch H30 +·Ionen und 4 durch N03'-lonen 96 H3O+ nach Entlad en von 25 H3O+-lonen 1000 H30 IOOO N03' 96 N0 3' an der Katode und 25 H20Molekiilen an der Anode
4.9 Versuche zur Elektrochemie
287
Die in wassriger Losung immer vorhandenen Olf-Ionen haben eine so geringe Konzentration, dass ihr Anteil am Ladungstransport trotz der hohen Ionenbeweglichkeit vernachlassigbar ist. Urn die Uberfiihrungszahl des N03- -Ions zu berechnen, muss man ~n halbieren und durch die insgesamt mittels beider Ionenarten transportierte Ladung dividieren. Die GroBe der transportierten Ladung wird experimentell ermittelt, indem man in den Stromkreis ein mit Kalilauge gefiilltes Knallgas-Coulometer einschaltet, durch das der gleiche Strom wie durch das Uberfiihrungsgefaf fliellt. Aus dem auf 0 °C und 1,01325 bar umgerechneten Knallgasvolumen ist durch Multiplikation mit 0,0594 mmol . cm,3 auf die insgesamt durch das Uberfiihrungsgefatl transportierten n Mol Elementarladungen zu schlieBen. Die Uberfuhrungszahl von N03- ergibt sich dann ~n .. + aus 1. = - . Die Uberfiihrungszahl von H30 folgt aus der Differenz zu 1.
2·n
Fragen: 1. Wie sind folgende Begriffe definiert: Wanderungsgeschwindigkeit, Beweglichkeit, Ioncnleitfahigkeit? 2. Wie erklart sich die besonders hohe Ionenleitfahigkeit von H+und OK? 3. Welche Beziehung besteht zwischen Uberfiihrungszahl und den Ionenleitfahigkeiten eines gelosten Elektrolyten? Welche Bedeutung hat die Messung von Uberfiihrungszahlen fiir die Bestimmung von Ionenleitfahigkeiten? 4. In welchem Verhaltnis stehen immer die an beiden Elektroden insgesamt abgeschiedenen zu den insgesamt transportierten Ladungsaquivalenten? 5. Zeigen Sie, dass zwischen der Oxidation eines Wassermolekiils bzw. eines OH' Ions an der Anode beziiglich der Art der gebildeten Teilchen kein Unterschied besteht. 6. Leiten Sie ab, dass zur Entwicklung von 1 ml Knallgas durch Elektrolyse unter Normalbedingungen insgesamt 0,0594 mmol Elementarladungen transportiert werden miissen.
4.9.5
Zersetzungsspannung
Die Elektrolyse von Salzsaure und vieler anderer Elektrolytlosungen beginnt erst, wenn ein bestimmtes Spannungsminimum iiberschritten ist. Man nennt diese Spannung Zersetzungsspannung. Elektrolysiert man 1 M Salzsaure zwischen zwei Platinelektroden, so find en eine Reihe von Vorgangen an den Elektroden statt, die den Veri auf der StromSpannungs-Kurve erklaren: Beginnt man mit einer Gleichspannung von 0,2 V, wird das Amperemeter noch keinen Stromfluss anzeigen. Das liegt daran, dass ein kurzer nicht beobachtbarer StromstoB an
4 Elektrochemie
288
der Katode Hl-Ionen in Wasserstoff und an der Anode Cl-Ionen in Chlor umwandelt. Die Platinelektroden adsorbieren Wasserstoff und Chlor an ihrer Oberflache und verwandeln sich dadurch in eine Wasserstoff- bzw. in eine Chlorelektrode. In der vorliegenden Salzs aure bedeutet dies die Ausbildung einer galvan ischen Kette (Chlorknallgas-Kette), deren Spannung der angelegten Spannung entgegenwirkt. Katode:
2 H+ + 2 e' ~ H2 Pt IH21 H+
U0 =
Anode:
°V
Die EMK der Kette betragt bei 298 K:
2 cr
~
PtlChlcr
Ch + 2eU0=1 ,36V
E = 1,36 V + 0,059 V . 19 PH,' PCI, 2 2 (aW·a CI -)
E = 1 36 V + 0,059 V -I PH, . PCI, und f+_ = 0,82. , 2 g (f 2 . c 2 )2 ±
He l
Der StromstoB dauert so lange, bis der Wert der Gegenspannung die angelegte Spannung erreicht hat und kompensiert. Wird die angelegte Spannung urn 0,2 V erhoht , kommt es wieder zu einem kurzen Stromstol3. Die Elektroden reichem sich mit H2 und Ch an. Da das Galvanometer die kurzen Stromstolie nicht registriert, bleibt der Stromfluss nahezu gleich Null. Nach einigen Spannungsschritten wird jedoch ein geringer Stromfluss wahrgenommen. Dies hangt damit zusammen, dass sehr kleine Mengen bereits entladenen Wasserstoffs und entladenen Chlors von den Elektroden in die Losung abwandem, so dass eine kleine wirksame Restspannung bleibt, die den Reststrom ermoglicht, Das Kompensieren der angelegten Spannung durch die Gegenspannung hart erst auf, wenn der Gasdruck an den Elektroden den AuBendruck erreicht. Dann konnen sich Blasen bilden, welche sich von den Elektroden ablosen. Dadurch wird ein weiteres Ansteigen des Gasdruckes an den Elektroden und, wie die obigen Gleichungcn zeigen, auch der Gegenspannung unmoglich. Von nun an kommt es zu einem geradlinigen Anstieg des Stromes mit steigcnder Spannung entsprechend dem Ohms chen Gesetz. Die Zersetzungsspannung findet man, wenn man den linearen Anstieg auf I gleich extrapoliert. Sie liegt hier bei etwa 1,36 V, wenn durch eine mit fein verteiltem Platin (Platinmohr) iiberzogene groBfliichige Katode die Wasserstoffiiberspannung minimiert wird. In einem zweiten Versuchsteil wird 1 M Salzsaure unter Zusatz von 0,5 bzw. l g KI elektrolysiert. Die Zersetzungsspannung von HI wird man in der Nahe des Standardpo-
°
tenzials von h Ir (0,536 V) vor der von HCl finden. Oberhalb der Zersetzungsspannung von HI beginnt wieder ein linearer Abschnitt, der anders als bei der Zersetzung von Hel ab einer bestimmten Spannung in eine nahezu waagerechte Strom-Spannungs-Kurve umschwenkt. Wahrend dieses waagerechten Abschnitts fliel3t der sogenannte Grenz-
289
4.9 Versuche zur Elektrochemie
strom der Hl-Zersetzung, Trotz Erhohung der Spannung kann die Strom starke nicht steigen, weil aIle dort ankommenden f-Ionen entladen werden und deren Nachlieferung durch Diffusion aus der Losung erfolgen muss. Die konstante Anzahl der an der Anode ankommenden f-Ionen begrenzt den Stromfluss solange, bis nach Erreichen der Zersetzungsspannung von HCl auch Cl'-Ionen entladen werden. Die Abbildung 4.27 zeigt die Strom-Spannungs-Kurve fiir die Zersetzung von HI in HCl als Leitelektrolyt. Da das Erreichen der Zersetzungsspannung von dem Elektrodcnpotenzial des abzuscheidenden Ions (Depolarisator) und die Hohe des Grenzstromes von seiner Konzentration abhangen, kann man auf diese Weise ein Ionengemisch, meist handelt es sich urn Metallionen, qualitativ und quantitativ analysieren (vergl. Kapitel 4.6.3 zur Polarographie).
_---01£-1--
Grenzstrom
"
u
Abb. 4.27: Polarogramm der Elektrolyse von HI im Leitelektrolyten Hel
Fragen: 1. Leiten Sic die Gleichung fiir die EMK der Chlorknallgas-Kette aus den Gleichungen fiir die Elektrodenpotenziale ab! 2. Wie ist die EMK definiert? 3. Warum findet man im vorliegenden Versuch die Zersetzungsspannung der Salzsaure in der Nahe von 1,36 V? Berechnen Sie Emit f± =0,82! 4. Wie andert sich die Zersetzungsspannung mit fallendem Luftdruck und wie mit sinkender Salzsaurekonzentration? 5. Wie miisste sich der erhohte Zusatz von KI in der dritten Messreihe auf die StromSpannungs-Kurve auswirken?
290
4.9.6
4 Elektrochemie
Konduktometrische Titration
Ionenreaktionen, in denen sich Anzahl und/oder Art der beteiligten Ionen andem , konnen konduktometrisch verfolgt werden. Die einzelnen Ionen leisten entsprechend ihrer Zahl und ihrer Beweglichkeit einen Beitrag zur Leitfahigkeit des Reaktionsgemisches. Hydronium- und Hydroxidionen besitzen die groBten Ionenbeweglichkeiten. Andert sich in der Ionenreaktion ihre Anzahl (Neutralisationsreaktionen, H2S-Fiillungsreaktionen), so hat das starken Einfluss auf die elektrische Leitfahigkeit der Reaktionsmischung. Leitfahigkeitsmessungen eignen sich deshalb besonders zur Erkennung des Aquivalenzpunktcs in Neutralisationsreaktionen. Die Losungen von starken und schwachen Sauren/Basen zeigen entsprechend dem Dissoziationsverhalten der Verbindungen unterschiedlichen Verlauf der Leitfahigkeitskurven in den verfolgten Neutralisationstitrationen. Das fiihrt dazu, dass starke und schwache Sauren/Basen simultan titriert werden konnen. Bei Fallungsreaktionen, in denen sich die Gesamtzahl der beteiligen Ionen (gleiche Ladungszahl der ausgefallten und der zugefiihrten Ionen) nicht andert und bei denen Hydronium- bzw. Hydroxidionen nicht beteiligt sind, beobachtet man zunachst nur geringfiigige Anderungen der Leitfahigkeit, Ursache dafiir sind die geringen Unterschiede in den Beweglichkeiten der ausgetauschten Ionen. Uberschilssiges Fallungsreagenz fiihrt zur Erhohung der Zahl der vorliegenden Ionen und damit zum Leitfahigkeitsanstieg, Die im Kapitel 4.3.4 besprochenen Leitfahigkeitstitrationen werden fiir HCl- und Essigsaurelosungen unbekannter Konzentration durchgefiihrt. Die Anderung im Ionenangebot der Losungen lasst sich anhand der Reaktionsgleichungen verfolgen: Na+ + OH-
Na+ +
cr
+ H20
Dabei ist immer zu iiberlegen, welche Ionen vorgelegt wurden, welche beim Titrieren zugefiihrt und was ein Uberschreiten des Aquivalenzpunktes fiir das Ionenangebot in der Losung bedeutet.
4.9 Versuche zur Elektroch emie
291
Der Verlauf der aufgenommenen Leitfahigkeitskurven ist zu diskutieren. Aus den Leitfahigkeitsmessungen werden die unbekannten Saurekonzentrationen ermittelt.
Fragen: 1. Wie sind Leitfahigkeit, spezifische Leitfahigkeit und molare Leitfahigkeit einer Elektrolytlosung definiert? Welche der angefiihrten physikalischen Grolien eignen sich als Messgrollen bei Leitfahigkeitstitrationen? 2. Zu Beginn der Leitfahigkeitstitration verdiinnen Sie die Probe auf 250 ml Losung. 1st es fiir die Titration wichtig, dieses Ausgangsvolumcn exakt einzuhalten? 3. Bei dcr konduktometrischen Titration soIl die Konzcntration des Titrationsmittels wesentlich groller sein als die Konzentration der Vorlage. Warum verfolgen Sie dieses Ziel?
5
Losungen
5.1
Kapitel1
1.
Es liegen 5 Stoffe in 5 Phasen vor. Feste Phasen: CUS04 ' 5 H20, CUS04 . 3 H20, CUS04 . H20 und CUS04 Gasphase: H20 Im System existieren drei chemische Gleichgewichte: CuS04·5 H20 +t CuS04 ·3 H20 + 2 H20 CUS04 . 3 H20 +t CUS04 . H20 + 2 H20 CUS04 . H20 +t CUS04 + H20 Folglich gibt es 5 - 3 = 2 Komponenten. Zweikomponentensysteme sind nonvariant an Quadrupelpunkten (2 + 2 - 4 = 0). Es konnen also drei, jedoch nie alle vier festen Phasen im Gleichgewicht mit Wasserdampfstehen. Dann ergabe sich 2 + 2 - 5 = -1.
2.
a) 1m System stehen eine fliissige Phase und eine Gasphase im Gleichgewicht. An stofflichen Bestandteilen miissen H20 (fliissige Phase und Gasphase) und NaH2P04 (zusatzlich in der fliissigen Phase) genannt werden. Beide stehen nicht im chemischen Gleichgewicht, so dass Zahl der Bestandteile und Zahl der Komponenten iibereinstimmen (K = 2). b) Die Gasphase besteht aus Wasserdampf (H20). In der fliissigen Phase sind an stofflichen Bestandteilen H20 , H30+, OH", Na+, H2P04', HPO/" und H3P04 zu beriicksichtigen (7 Teilchenarten). Fiir diese lassen sich Protolysegleichgewichte formulieren: 2 H 20 +t H30 + + OH" H3P04 + H20 +t H30+ + H2P04' H2P04' + H20 +t H30 + + HPO/" Hinsichtlich der Konzentrationen der einzelnen Ionen in der fliissigen Phase gelten die Einschriinkungen: [Na+] = [H2P04"] + [HP0 42"] und die Elektroneutralitatsbedingung [Na+] + [H30+] = [OR] + [H2P04"] + 2 [HPO/"] Die Zahl der Komponenten ergibt sich damit aus K = 7 - (3 + 2) = 2
5.1 Losungen zu Kapitel 1
3.
293
Das System besitzt eine feste Phase aus Na+, solo, eine fliissige Phase mit den Bestandteilen H20, H 30+, OH-, Na+ und sol- und eine Gasphase aus Wasserdampf (H20). Fur die 5 Bestandtei1e lassen sich die folgenden Einschrankungen formulieren: 2 H20 +t H 30+ + OH" . Ferner gelten in der fliissigen Phase die Konzentrationsverhaltnisse: [H30+] = [OH-] und [Na+] = 2-[SOll Demnach existieren K = 5 - 3 = 2 Komponenten. Die Zah1 der Frciheitsgrade ergibt sich aus F = K + 2 - P = 1.
4.
In der ungesattigten Losung fehlt die feste Phase. An der Zah1 der Bestandteile und der Einschrankungen andert sich nichts. Fur 2 Komponenten in 2 Phasen erhalt man deshalb F = 2 + 2 - 2 = 2 Freiheitsgrade.
5.
Es(H20) = 0,51 Kkg-mol" ATs = 0,51' 0,2·1 K = 0,102 K Die Siedetemperatur betragt (100 ,00+0,10) °C = 100,10 °C bei 1,01325 bar.
6. ~p
Po
MA =
(PO- ~p) ·mA ·M L M ~p '
m LM
=
(38,903-1,133)·5,15·74 1,133·100
g-rnol
-1
M A = 127 g mor'
7. p = PA + PB = X A. PAO + (1- X A) · PBO XA
-
p- PBO PAO-PBO
Da die Flussigkeit bei 0,5 atm siedet, muss der Gesamtdampfdruck 50662,5 Pa betragen. 50662,5 - 19998 XA = 53328 _ 19998
= 0,92 (Toluol)
(0- Xylol) X B = 1- X A = 0,08 Die Zusammensetzung des Dampfes ergibt sich aus:
5 Losungen
294
y A=PA= X A'P AO P XA'PAO+(l-XA)'PBO YB ~ 0,03 (0- Xylol)
8.
0,92·53328 0,92 .53328 + 0,08. 19998
~
0,97
Tragt man die Werte der Aufgabe 8 im Temperatur/Molenbruch-Diagramm ein, erhalt man das Siedediagramm des Toluol/Oktan-Gemisches.
126 124
Damp' 122
:::>
118
2i
116
~ 120 ~
"§ E
CIl
I-
114 FJassigkeit
112 110 0 .0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
X(Toluof)
Die Dampfzusammensetzung YT fiir X T = 0,25 bestimmt man mittels der Verbindungslinie (Konode) a. YT = 0,36. 9.
48 g Te + 52 g Bi;
A(Te)
= 127,6 g-mol" A(Bi) = 208,98 g-mol';
n(Te) = 0,38 mol , n(Bi) = 0,25 mol, n(Te) : n(Bi)
~
3 :2
0,38 10.
rnA
M A = E G • AT il
G '
m LM
67,0
= 29,8'105 ,500 ,
1
kg mol ~ 380gmol-
11.
J a, es existieren keine azeotropen Gemische.
12.
n 3,9· 8 !J.T = E . -A= --K~ 031K G G m 100 ' LM
Das Gemisch erstarrt bei (16,6 - 0,31) °C = 16,3 DC.
1
5.1 Losungen zu Kapitel 1
13.
295
15,45 nH = @ = 0,257 mol
98,43 nw = ~ mol = 5,468 mol Xw =
n w = 5,468 = 09551 n w + n H 5,725 '
P = Po ' X w = 2,064 '0,9551 kPa = 1,971 kPa 14.
nH 0,257 ~TG = EG' m = 1,86· 0,09843 K = 4,86 K w
Die Losung gefriert bei - 4,86 "C. 15.
P = Pr + PB = X r · Pro + (1- X r ) · PBO in 100 g Losung: 90 g Toluol und 1 g Benzol 90 10 n = - mol = 978 mol n = -mol= 0128mol r 92' B 78 '
°
°
X, =
nr nr
+ nil
0,978 = 11 06 = 0,884 ,
P = Pr + PB = (0,884 ·2,933 + (1- 0,884) ·9,999) kPa = 3,753 kPa 16.
Sieden bedeutet, dass P = 101,325 kPa X = P - Por B POB - Per
und
=
760 Torr
Y = POB' X B B P
85
90
95
100
105
0,7958
0,5976
0,2624
0,12 62
0,9079
0,7863
0,4143 0,6346
0,4642
0,2561
110 105 ~ 100