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Wiebke Lohmann
BASICS Homöopathie
ELSEVIER Ul~llAN &
FISCHER
URBAN & FISCHER München
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Alle Rechte vorbehalten I. Au flage 2009 © Elsevier GmbH, München Der Urban & Fischer Verlag ist ein lmprint der Elsevier GmbH . 09
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Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis. dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte gezahlt. Rechtsinhab erschaft geführt w erd en, wird das branchenüb liche Honorar der engen Grenzen des UrheberrechtsgeDas Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb fäl tigungen, Übersetzungen, Mikroverfilm ungen setzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Verviel und die Einspeicherung und Verarbei tung in elektronisch en Systemen . Programmle itung: Dr. Dorothea Hennessen Planung: Christina Nußbaum Lektorat: lnga Dopatka Red aktion + Register: Ursula Thum, Text+ Design Jutta Cram, Augsburg, www.textplusdesign.de Herstellung: Andrea lvlogwitz, Elisabeth Märtz Satz: Kösel, Krugzell Druck und Bindung: L.E.G.O. S.p.A., Lavis, Italien Umschlaggestaltung: SpieszDesign, N eu·Uim Titelfotografie: © Digi taiVision/Ge ttylmages, München Prin ted in ltaly ISBN 978·3·437-42296·0
Aktuelle Informationen finden Sie im lmernet unter www.elsevier.de und www.elsev ier.com
Vorw ort Liebe Leserinnen und Leser,
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Schreiben dieses Buches sehr unterstützt hat. Mein Dank gilt außerdem Dr. D. Spinedi, Dr. W. Köster, dem Trio ich möchte Ihnen in diesemBASICSeinen verständlichen Ein- Dr. G. Hermann , S. lcsezer, ]. Wörnle und dem Team des blick in die klassische Homöopathie geben, um Ihr Interesse Homöopathisch Therapeutischen Praxis Zentrums (HTPZ) zu wecken, sich näher mit dieser faszinierenden Heilmethode für den ständigen Dialog und Austausch. auseinanderzusetzen_ In der Homöopathie wird jeder Patient Meinen Patienten danke ich für das mir tagtäglich entgegenmit seinen Beschwerden, Eigenschaften und Krankheitsvergebrachte große Vertrauen. Ein großer Dank gilt dem Elsevierläufen individualisiert und in den Mittelpunkt der ärztlichen Verlag dafür, dass ich dieses Buch schreiben durfte, in das Behandlung gerückt. Dadurch ist ein tiefes Verständnis für meine Erfahrungen einfließen konnten. Den bisher nicht Geden Kranken sowie eine effektive und nebenwirkungsarme nannten, meiner Familie und meinen Freunden danke ich für homöopathische Therapie möglich. ihre Unterstützung und dafür, dass es sie gibt. Ich hatte das Glück, diese faszinierende Heilweise bei herausragenden Homöopathen zu erlernen und mein Wissen in den Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen! studentischen Arbeitskreisen für klassische Homöopathie an der LMU München weiterzugeben. Seit drei Jahren bin ich als homöopathische Ärztin in München tätig. Ich möchte München, im Januar 2009 mich bei all meinen Lehrern bedanken, durch die ich heute Dr. med. Wiebke Lohmann in der Lage bin, mit großer Sicherheit homöopathisch zu behandeln und mein Wissen weiterzugeben. Sie haben mich immer wieder inspiriert durch ihr Wissen, ihren Erfahrungsschatz, ihre Freude und Kompetenz. "An jedem Menschen die Merkmale finden, Im Besonderen möchte ich Dr. Thomas Ouak danken, bei die ihn von den andern unterscheiden, heißt, ihn erkennen ." dem ich seit 2006 in der Praxis arbeite und der mich beim (Hermann Hesse, Narziß und Goldmund}
Inhalt Verlaufsb eurteilung .... ... . ......... . . .
64 - 77
Reaktionen auf die erste Gabe I ... .. .... . .. . Reaktionen auf die erste Gabe II . . . .. .. . . .. . Verlaufsbeurteilung bei akuten Krankheiten .. . . Verlaufsbeurteilung bei chronischen Krankheite n I .... . .... . . . . .. . . . . . .. . .. . I Verlaufsbeurteilung bei chronischen Kra nkheiten II ... . .. ...... .. .... . .. . .. . . I Verlaufsbeurteilung bei chronischen Krankhei ten 111 ......... .... . ..... .. . .. . I Arzneimittelbeziehungen . .... . .. . .. .. . ... .
64 66 68
B Materia medica .. .. . . ..... .. . . . .. . . .
78 - 97
16- 21 Lernmögl ichkeiten von Arzneimit teln .....
80
I Erlernen von Arzneimitte ln ......... ...... . I Erlernen von Abrotan um (Abstrakte Analyse, Comic) .... . . . ........ . I Erlernen von Tuberculinum (Märc hen, Skizze) I Erlernen von Rhus toxicodendron (C harakteristika, Mind map) .. . .. . .... . . . . . I Erlernen der Metalle Platina, Aurum, Merc urius I (Allgemeines zum Speziellen) . . ... I Erlernen der Metalle Platina, Aurum, Merc urius II (Allgemeines zum Speziellen) .. . . I Erlernen der Metalle Platina, Aurum, Mercurius 111 (Allgemeines zum Speziellen) .. .. I Erlernen von Mandragora officinalis (Arzneimittelprüfung) . ...... . ... . .. .. .. . . I Erlernen von Verletzungsmitteln (Charakteristika, Übersicht) ... . ........ .. . .
80
A Allgemei ner Teil ......... ...... .. ... .
1- 77
Klassische Homöopa thie . ... . . . . . ..... . .
2- 5
I Einführung in die klassische Homöopath ie .. .. . I Erlernen der klassischen Homöopathie .... . .. .
I I 2 I 4 I
Geschich te der Homöopa thie ... . .. .... .
6- 15
I Die Entstehungszeit der Homöopathie .. . . ... . I Der Gründer der Homöopathie: Dr. Samuel Hahnemann ... .... .. . ... . .. . . I Übersicht über die Werke Samuel Hahnemann s I Homöopathie von 1800-200 0 ......... ... . I Homöopath ie heute .. . ... . .. .. . ... ..... .
6
Grundlagen der Homöopa thie . . . . . . . . . . .
8 10 12 14
16
I Das Ähnlichkeitsgesetz ..... . .... ........ . I Gesund heit und Krankheit aus homöopathischer Sicht .... .. .. . ... . ..... . I Wirkungsmodelle der Homöopathie ..... .. . . .
20
Homöopa thische Krankheit slehre . ..... . .
22-37
I Einführung in die homöopathische Krankheitslehre I . . .. . . . . .. ...... . . . .... . I Einfüh rung in die homöopathische Krankheitslehre li ..... . ......... ... . ... . I Einführung in die chronischen Krankheiten ... . I Die Psora ......... ........ . ......... . . I Die Sykosis ........ .. ... . .. ..... ... .. . . I Die Syphillis ......... .. . .. ... .... . .... . I Die Tuberkulinie . . .. . .. . . . . . ... . ... ... . . I Die Kanzerinie . ..... . .. . . .. . ...... . . .. . Homöopa thische Arzneimit tel .... .... . . .
I Homöopath ische Arzneimittel .... .... ..... . I Herstellung potenzierter homöopathischer Arzneimittel .. . . .. .. ..... . .. . .... . .... . I Die homöopathische Arzneimittelprüfung .. .. .
18
22
24 26 28 30 32 34 36 38 _ 43 38 40 42
Die homöopa thische Behandlung ..... .. .
44 - 63
1 Die homöopathische Anamnese I ..... ..... .
44 46 48 50 52
I I I I I I I I I
Die homöopath ische Anamnese II .. .. ...... . Fallanalyse . .. .. . ......... . .. ......... . Repertorisation ..... . . . .. . .. .. .. .. . . ... . Arzneimittelkenntnis ...... . . .. ......... . . Potenzen und Dosierung I ......... . ..... . . Po tenzen und Dosierung II ... .. . ......... . Beispielanamnese I .. .. . .. . .. .. .... ... . . . Beispielanamnese II ... . . . ... .. ......... . Beispielanamnese 111 . . . . .. . . .. ......... . .
54 56 58 60 62
70 72
74 76
82 84
86 88 90 92 94
96
C Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 - 11 3
I Repertorisation von äußerl ich sichtbaren Symptomen I . . . . . . ......... ......... . . I Repertorisation von äußerlich sichtbaren Symptomen II ......... ......... ..... . . . I Repertorisation von äußerlich sichtbaren Symptomen 111 . .... .. ......... ........ . I Fall 1: Halssc hmerzen ........ .. .. . . . .... . I Fall 2: Erbrechen .. . . . ..... . .... . ...... . . I Fall 3: Husten ..... . ...... . .. .. ... . .... . I Fall 4: Sturz ... .. . . ... . ... .. .. .. . ... .. .
100 102 104 106 108 11 0 112
DAnhang .... . .... . .. .... . .. . .. . .. .... 114 - 12 1
I I I I
Anamnese·Fragebögen . . . ..... . . . ........ . Reperto risationsbogen .. . .. . ... .. .... . .. . . Lebensorte Hahnemann s ... . ........ . . . .. . Literatur· und Quel lenverzeichn is
116 11 8 I 19 120
E Register . .. ......... ......... ....... 122 - 128
Abkürzungsverzeichnis Abb. agg. AMB amel. Auf!. bzw. CK
dest. d.h. DHU etc. evtl. fT3 fT4 ggf. griech. HAB HNO i.S. KH lat. M.
Abbildung aggraviert, versch limmert Arzneimittelbild amelioriert, bessert Auflage beziehungsweise Die chronischen Krankheiten (Werk von S. Hahnemann) destilliert das heißt Deutsche Homöopathie Union et cetera eventuell freies Thyroxin 3 freies Thyroxin 4 gegebenenfalls griechisch Homöopathisches Arzneibuch Hals-Nasen-Ohren im Sinne Zeitschrift für klassische Homöopathie lateinisch Morbus
VII VII min. mind. MS mü o.Ä. rez. ®
sog. Tab. Trp. TSH u.a. usw. u.U. V. a. v.a. vä v. Chr. vgl. WHO z.A. z.B. Z.n.
Minute mindestens Multiple Sklerose mütterlicherseits oder Ähnliches rezidivierend Handelsname sogenannte Tabelle Tropfen thyroideastimulierendes Hormon unter anderem und so weiter unter Umständen Verdacht auf vor allem väterlicherseits vor Christus vergleiche Weltgesundheitsorganisation zum Ausschluss zum Beispiel Zustand nach
Klassische Homöopathie
2 4
Einführung in die klassische Homöopathie Erlernen der Homöopathie
Homöopathische Arzneimittel
38 40 42
Homöopathische Arzneimittel Herstellung potenzierter homöopathischer Arzneimittel Die homöopathische Arzneimittelprüfung
Geschichte der Homöopathie
6 8 10 12 14
Die Entstehungszeit der Homöopathie Der Gründer der Homöopathie: Dr. Samuel Hahnemann Übersicht über die Werke Samuel Hahnemanns Homöopathie von 1800-2000 Homöopathie heute
Grundlagen der Homöopathie
16 18 20
Das Ähnlichkeitsgesetz Gesundheit und Krankheit aus homöopathischer Sicht Wirkungsmodelle der Homöopathie
Homöopathische Krankheitslehre
22 24 26 28 30 32 34 36
Einführung in die homöopathische Krankheitslehre I Einführung in die homöopathische Krankheitslehre II Einführung in die chronischen Krankheiten Die Psora Die Sykosis Die Syphilis Die Tuberkulinie Die Kanzerin ie
Die homöopathische Behandlung
44 46 48 50 52 54 56 58 60 62
Die homöopathische Anamnese I Die homöopathische Anamnese II Fallanalyse Repertorisation Arzneimittelkenntnis Potenzen und Dosierung I Potenzen und Dosierung II Beispielanamnese I Beispielanamnese II Beispielanamnese 111
Verlaufsbeurteilung
64 66 68 70 72 74 76
Reaktionen auf die erste Gabe I Reaktionen auf die erste Gabe II Verlaufsbeurteilung bei akuten Krankheiten Verlaufsbeurteilung bei chronischen Krankheiten I Verlaufsbeurteilung bei chronischen Krankheiten II Verlaufsbeurteilung bei chronischen Krankheiten 111 Arzneimittelbeziehungen
Einführung in die klassische Homöopathie Die klassische Homöopathie ist eine Heil· methode, die von Dr. Samuel Hahnemann begründet wurde. Als Geburtsjahr gilt das Jahr 1796, als Hahnemann erstmals klar und logisch das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen schriftlich darlegte. Den Begri ff "Homöopathie" definiert Hahnemann erstmals 1807 in dem Artikel: "Fingerzeige auf den homöopathischen Gebrauch der Arz· neien in der bisherigen Praxis": "Homöo· pathisch ist, was ein ähnliches Leiden zu erzeugen Tenden z hat." Die griechischen Begriffe homoios (ähnlich) und pathos (Leiden) beschreiben das zugrunde liegende Prinzip: Symptome einer Krankheit können durch ein Arzneimittel geheilt werden, das beim Gesunden ähnliche Symptome wie die der Krankheit hervorruft. Hahnemann beschreibt dies folgendermaßen:
.Wihle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll!• (Hahnemann, Organon 6, Einleitung).
Gesundheit und Krankheit Die Definition von Krankheit und Gesund· heit un terscheidet sich in Homöopathie und Schulmedizin (s. S. 18). Die Weltgesundhei tsorganisation (WHO) definiert Gesundheit folgendermaßen: "Gesu ndheit ist ein Zustand des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohl· befindens und nicht nur das Freisein von Krankheiten und Gebrechen" (WHO). Allgemein jedoch wird Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit gesehen. Doch was ist Krankheit? Zur Erleichterung der Klassifikation existieren mittlerweile standardisierte NormaJwerte, wie z. B. Entwicklungsstadien von Kindern oder Blutnormwerte. Bei Abweichungen werden z. B. Entwicklungsverzögerungen oder Hypercholesterinämien diagnostiziert. Therapeutisch wird auch bei guter Befindlichkeit des Patienten schnell eingegriffen, bis z. B. wieder normale Cholesterinwerte nachweisbar sind. Bei Störungen des Al lgemeinbefindens des Patienten ohne nachweisbare Verände· rungen der messbaren Parameter wird es schwieriger einzugreifen, sie si nd schwer bis gar nicht klassifizierbar und meistens nicht chemisch therapierbar. Es wird z. B. von funktionalen oder psychosomatischen Beschwerden gesprochen, bis sich messbare, objektivierbare oder bekannte Symptome einer Krankh eit finden, die therapiert werden kann.
Alle Krankheiten und Befindensänderungen zeigen sich beim Patienten in Form von Symptomen, die da sind, auch wenn sie kei· nem Formenkreis oder Syndrom zugeordnet werden können. Dies ist der Grund, warum Hahnemann Symptome als beste Wegweiser beschrieb, um Patienten zu behandeln. Eine Krankh eit en twickelt sich, sie ist ein Prozess und kein feststehender, fixierter Zustand. Hahnemann ging davon aus, dass im Menschen eine Kra ft waltet, die den Körper mit allen seinen Abläufen und Gefühlen in Har· monie hält. Er nannte sie " Lebenskraft": "Im gesunden Zustande des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organi sm) belebende Lebenskraft [Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Theile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Thätigkeiten , so dass unser inwohnende, vernün ftige Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem höhern Zwecke unsers Daseins bedienen kann." (Hahnemann, Organon §9) Die Lebenskraft ist das, was den lebendigen Menschen vom toten unterscheidet, also etwas, was mit dem Tod verschwindet. Die Homöopathie stößt dort an ihre Grenzen, wo der Patient wenig oder keine Reaktionskraft mehr besitzt, um schwere Krankheiten zu regulieren bzw. um genügend Symptome zu produzieren. Für Hahnemann sind die Symptome und Zeichen auch Repräsentan ten der Krankhei t: Solange sie vorhanden sind, ist Krankheit vorhanden: "Der vorurtheillose Beobachter 1---1 nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an je· der einzelnen Krankheit nichts, als äußerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen im Befinden des Leibes und der Seele, Krank· heitszeichen, Zufälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen vom gesunden, ehe maligen Zustande des jetzt Kranken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm be· obachtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen repräsentiren die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit." (Hahnemann, Organon § 6) Es muss berücksichtigt werden, dass es zu Hahnemanns Zeit wenig diagnostische Möglichkeiten gab. Durch den Wissenszuwachs in der Medizin haben wir heute den Vorteil, zusätzlich zur Wahrn ehmung und den Symptomen auch moderne Untersuchungsmethoden einsetzen zu könn en. Bei V. a. Appendizitis stehe n die Symptome und körperliche Untersuchung im Vordergrund, zusätzlich kann Blut untersucht und ein Ul traschall vom Abdom en durchgeführt
werden, um weitere Informationen und objektivierbare Verlaufsparameter zu erhalten.
Die Grundprinzipien der Homöopathie Hahnemann beschreibt die Grundlagen der Homöopathi e im Organon, von dem sechs Auflagen existieren . Zu den Grundprinz ipien gehören das Ähnlichkeitsgesetz (s . S. 16), die Arzneimittelprüfung am Gesunden (s. S. 42 ) und die Verwendung von Einzelmitteln in potenzierter Form (s. S. 38) . Der Homöopath hat das Anliegen, den Patienten im Gesamten zu erfassen und zu verstehen - mit all seinen Zeichen und Symptomen.
Das Ähnlichkeitsgesetz Hahnemann entdeckte das Ähnlichkeitsgesetz durch den Chinarindenversuch wieder (s. S. 16). Dieses in der Natur vorkommende Ähnlichkeitsgesetz wurde in der Geschichte der Medizin schon häufig zitiert, unter anderen bei Hippakrates [ca. 460 - 370 v. Chr.), Paracelsus ( 1493 - 1541) und Anton Stoerck ( 173 1- 1803). Hahnemann hat erstmals den Ähnlichkeitsgedanken systematisch untersucht, klinisch valid iert, dokumentiert und erfolgreich praktiziert. Hahnemann verwendete für Therapien, die bei der Prüfung am Gesunden andere Symptome erzeugen, als sie zu heilen angeben, den Begriff "Aliöopathie" oder "Allopathie". Die griechischen Begriffe allos (anders ) bzw. alloios (andersartig) und pathos (Leiden) beschreiben das zugrunde liegende Prinzip. Die Arznei en richten sich gegen krankhafte Symptome und Zustände, gegen krank machende Mikroorganismen oder als Substitut für einen MangeL Dies spiegelt sich in den Arzneinamen wider, wie z. B. Cholinesterase- Hem mer, Beta-Blocker, Inhibitoren, Anti -histaminika oder mikroorganismen-schädigende Wirkstoffe wie Anti·infektiva, Antibiotika. in diesem Buch wird die Bezeichnung "Schulmedizin" für die heu te an den Universitäten gelehrte Medizin verwendet. Definitionen: All(ö)opathie
Leiden durch ein Anderes (griech.: allos: anders, fremd), Unähnliches ...
Homöopa thi e
Leiden durch ein Ähnliches (griech.: homoios: ähnlich, gteict1) ...
lsopathie
Leiden durch das Selbige ... ... um gesu nd zu werden
Klassis che Homöo pathie
213 Die Arzneimittelprüfung am Gesunden Mit 35 Jahren übersetzte Hahneman n William Cullens "Treatise of the Materia Medica". Im Zweifel an der Aussage Cullens, Chinarinde wirke aufgrundihrer "stärkenden " Wirkungaufden Magen beim "Wechselfieber" (Malaria), überprüfte er diese These. Er nahm Chinarinde ein und entwickelte als Gesunder ähnliche Symptome, wie sie bei an Malaria Erkrankten zu finden sind. Im Laufe der Jahre überprüfte Hahnemann diesen Effekt und entwickelte die Arzneimittelprüfungen am Gesunden weiter. Die Symptome der Arzneimittelprüfung am Gesunden werden für die jeweiligen verschiedensten Ausgangsstoffe gesammelt und notiert.
Die potenzierten Arzneimittel Die Arzneimitte l stammen aus unterschiedlichsten Ausgangssu bstanzen: Pflanzen, Mineralien, Metallen, tierischen Substanzen, Krankheitsprod ukten etc. Um das individuelle Arzneimittel für den Patienten zu be· stimmen, wird eine ausführliche Anamnese durchgeführt. In der Anamnese werden die individuellen verbalen, non-verbalen, objektiven und subjektiven Symptome vor dem Hintergrund der Biografie erfasst, aufgrund derer ein individuelles Verständnis für den Patienten entwickelt wird. Die Anamnese dient dazu, ein homöopathisches Arzneimit· tel zu finden, das in der Arzneimittelprüfung am Gesunden zu einem ähnlichen Zustand geführt hat, in dem der Kranke sich befindet. Es wird nur ein Arzneimittel zu einem Zeitpunkt gegeben. Um die heftigen Wirkungen der Arzneien zu reduzieren, verdünnte und verschüttelte Hahnemann die von ihm verwendeten Medikamente bis zu dem Punkt, an dem eine Wirkung ohne Nebenwirkung vorhanden war. Hahnemann fasst es wie folgt zusammen: "Sieht der Arzt deutlich ein , was an Krankheiten , das ist, was an jedem einzelnen Krankheitsfalle insbesondere zu heilen ist (Krankheits- Erkenntniß, lndication) , sieht er deutlich ein, was an den Arz neien, das ist, an jeder Arznei insbesondere, das Heilende ist (Kenntniß der Arzneikrä fte) , und weiß
er nach deutlichen Gründen das Heilende der Arzneien dem was er an dem Kranken un bezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so anzupassen, dass Genesung erfolgen muss, anzupassen sowohl in Hinsicht der AngemessenheiLder für den Fall nach ihrer Wirkungsart geeignetste n Arznei (Wahl des Heilmittels, lndicat), als auch in Hinsicht der genau erforderlichen Zubereitung und Menge derselben (rechte Gabe ) und der gehörigen Wiederholungszeit der Gabe:kennt er endlich die Hindernisse der Genesung in jedem Falle und weiß sie hinwegzuräumen , damit die Herstellungvon Dauer sei: so versteht er zweckmäß ig und
orientiert sich hauptsächlich am Gemütszustand, während in der Homöopathie alle individuellen Symptome zur Verordnung eines Arzneimitte ls führen. In der Anthroposophie nach Rudolf Stein er (1861- 1925) wird das Arzneimittel nicht anhand des Ähnlichkeitsprinzips ausgewählt, sondern Arzneimittelmischungen werden aufgrund von Wesensgliedern verordnet. Ausleiten de Verfahren oder Einzelorganbehandlungen (z. B. Darmsanierungen, Leberaufbau) haben nichts mit Homöopathie zu tun. Hier wird ein Organ oder Organsystem einzeln behandelt - ohne Berücksichtigung der Wechselwirkungen auf das Cesamtsystem gründlich zu handeln und ist ein ächter und den gesamten Organismus. Außerdem Heilkünstler." (Hahnemann, § 3) werden die Arzneien nicht anhand des Ähnlichkeitsprinzips verordnet. Bei der Anwendungvon bewährten Indikationen (z. B. Was ist Homöopathie nicht? Belladonna bei Fieber und Halsschmerzen) Ausgehend vom homöopathischen Heilsysist Vorsicht geboten, denn es ka nn sein, tem haben sich viele Strömungen gebildet, dass die Arzneimitte l nicht für den Inbegriff die nicht mehr der Homöopathie zuzuordder Symptome und somit palliativ wirken . nen sind, da sie nicht auf den oben beschrieSie wirken nur auf einen lokalen Befund, benen vier Grundprinzipien aufbauen. auf eine Zwischenkrankheit, obwohl es sich Hierzu gehört die lsopathie, die Gleiches meistens um eine Eruption der chronischen mit Gleichem behandelt, während die Krankheit handelt (s. S. 22, 24 ). Für KomHomöopathie Ähnliches durch Ähnliches plexmittel (z. B. Meditonsin ®) werden viele behandelt. Die Biochemie nach Schüssler Einzelmittel kombiniert, deren Wirkung als wurde 1873 als "eine abgekürzte homöopaGesamtheit auf den Organismus unbekannt thische Therapie" vorgestellt. Schüssler ist, d. h., die Anwendung weicht vom Ähnschreibt in seinem Artikel: "Mein Heilverfah- lichkeitsprinzip ab. Jeder Wirkstoff eines horen ist aber kein homöopathisches, denn es möopathischen Arzneimittels erzeugt beim gründet sich nicht auf das Ähnlichkeitspri nGesunden eine künstliche Krankheit, die der zip." Im Gegensatz zur Homöopathie wird Symptomatik des Krankheitsbildes des PatienFehlendes ersetzt, d. h., es handelt sich um ten am Ähnlichsten sein soll. Diese saubere, eine Substitutionstherapie mithilfe von klare Vergehensweise wird bei einer Komhomöopathischen Potenzen. Außerdem entbination von mehreren homöopathisch wirscheidet nicht der ind ividuelle Gesamtzukenden Medikamenten völlig umgangen. stand des Patienten die Arzneimittelwahl, Durch Komplexmittel wird somit eine unsondern die Krankheit als solche. Die überschaubare Behandlung eingeleitet, die Bach-Blüten wurden von Edward Bach zu Wechselwirkungen bzw. veränderten (1886 - 1936) durch Intuition und SensitiWirkungen der vielen Arzneien führen kann, vität gefunden. Die Blüten werden anders aufgrundderer unbekannte Krankheitshergestellt als homöopath ische Potenzen, symptome ausgelöst werden können, die die Auswahl und Mischung der Blüten dem Patienten unnötig zugemutet werden.
Zusamm enfassung • Die klassische Homöopathie wurde von Dr. Samuel Hahnemann begründet. • Die klassische Homöopathie ist charakterisiert durch das Ähnlichkeitsgesetz, die Arzneimittelprüfung am Gesunden und die Verwendung von potenzierten Einzelmitteln. • Ausgehend von der klassischen Homöopathie haben sich viele Strömungen gebildet, die nicht mehr der Homöopathie zuzuordnen sind. Hierzu zählen die lsopathie, Schüssler-Salze, Bach-Blüten, Anthroposophie, ausleitende Verfahren, Einzelorganbehandlungen, nicht nach dem Ähn lichkeitsgesetz angewendete bewährte Indikationen und KomplexmitteL
Erlernen der Homöopathie Die Lehre der Homöopathie kann unterteilt werden in das Erlernen der Theorie, der Arzneimittel, des Repertorisierens und der praktischen Tätigkeit am Patienten. Zur Didaktik der Homöopathie gibt es nicht viele Bücher. Es existieren viele Grundlagenbücher und viele Beschreibungen von Arzneimit· teln (tat. materiae medicae), aber wenige Bücher, die dem Anfänger helfen, durch die Menge von Informationen und Daten zu finden. Bekannte Homöopathen beschreiben immer wieder, dass die Kombination aus dem gründlichen Studium der Theorie, der Arzneimittelbilder, von Fällen und der Hospi· tation und Supervision durch erfahrene Kollegen den Erfolg in der Praxis bringen. Auf di esem Wissen aufbauend hat sich an den Arbeitskreisen für Homöopathie an der Ludwig·Maximi· lians·Universität München ein bewährtes System entwickelt, welches auf den Grundlagen der Theorie immer weiter in die Praxis führt. Nach der Theorie werden erste .,Papierfälle" mit den verordneten Arzneimitteln bearbeitet. Hierauf folgen Informationen zu neuen Strömungen der Homöopathie und komplexere Fälle mit Repertorisationsübungen. Praxisbezo· gene Seminare und Hospitationen bzw. Supervisionen durch erfahrene Homöopathen in der Praxis bringen die Studenten in die Lage, selbst erste "Gehversuche" am Patienten zu unternehmen. Nach dem Abschluss des Studiums arbeitet der werdende Homöopath idealerweise einige Zeit in einer homöopathischen Praxis mit Supervision, so wie es auch in der Schulmedizin gefordert wird. Homöopathen behandeln oft ganze Familien, um Einblicke in Wechselwirkungen und Zusammenhänge des gesamten Fa· miliensystems zu bekommen. Dies kann für das Verständnis des Patienten und die Arzneimittelwahl eine große Hi lfe sein. Wenn z. B. ein Kind krank wird, während die Großmutter im Sterben liegt oder die Eltern sich scheiden lassen, hat der Homöopath ohne lange Anamnese eine mögliche Ursache (tat. causa) für die Erkrankung. Der Homöopath benötigt so· mit keine Spezialisierung fü r einen Fachbereich der Medizin, sondern sollte sich vor allem in der Homöopathie und der Allgemeinmedizin gut auskennen, um die meisten Erkran· kungen der Familie behandeln zu können.
Erlernen der Theorie
Die Theorie ist die Gru nd lage der Homöopathie. Der homöopathische Prakti ker so llte die Theorie vor Begin n jeder Praxistätigkeit verstanden und verinnerlicht haben. Die Theorie ze igt eklatante Unterschiede zur Schulmedizi n, die in der Therapie and ere Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist sinn· voll, auch den Pa tiente n ein Grundlagenbuc h zum Lesen zu empfehlen, da der Patient dann versteht, wie behandelt wird, welche Philosophie dahinter steht und welche Informationen für den Homöopathen wichti g sind. Der Begründer der Homöopath ie Samuel Hahnema nn ließ einige seiner Pati enten sogar sein Theoriebuch ("Orga non ") lesen, bevo r sie behan· delt wurden! Viele heutige La ie nratgeber geben Arzneihin· weise, ohne dass der Anwender die Theorie der Homöopathie verstanden hat. Dies führt zu einer fehlerhaften Anwendung mi t möglichem Schaden für den Patienten. Die Basisliteratur zur Theorie soll te jeder Homöopath ken· nen, sie gibt ihm eine solide Basis für sein tägliches Handeln und Denken. Hierzu gehören das "Organon", "Chronische Krankheiten" (erster Band ) von Hahnemann und die Vor· Iesungen zum "Organon" von Kent "Zur Theorie der Homöopathie". Oie Bücher Hah nemanns sind wegen der alten Sprache und die Bücher Kents wegen der Vermischung mit der Philosophie Svenborgs aufwendiger zu lesen . Oie Polemik und Anfeindungen gegenüber den Ärzten und der Allopathie sollte der Lernend e ausblenden - sie müssen im Kontext der damals ausgeübten Medizin mit ihren begrenzten Therapie· möglichkeiten gesehen werden (s. S. 6 ).
Oberprüfen Sie die Theorie der Homöopathie während der Hospitation bei einem erfahrenen Homöopathen, bei Patienten Im Alltag und in der Klinik. So können Sie die Theorie mit Leben füllen und in die Praxis umsetzen!
Erlernen der Arzneimittel
Die Kenntnis der Arzneimittel ist die zwe ite Grundsäule in der Homöopathie. Gerade das Erlernen von Arzneimitteln stellt den Anfänger oft vor große Schwierigke iten. Denn wie soll die Vielzahl an Symptomen jemals geordnet und abrufbar im Kopf verankert sein? Oie Kapitel zum Erlernen von Arzneimitteln besch rei ben detaillierter, welche Möglichkeiten es dafür gibt (s. S. 80 - 97).
Klassis che Homöo pathie
4 15
Erlernen des Repert orisiere ns
Erlernen der Praxis
Das Repertorium ist ein Buch, in dem einzelne Symptome beschrieben sind mit der Angabe der Arzneimittel dahinter, die dieses Symptom in der Arzneimittelprüfung beim Gesunden hervorgerufen haben (s. S. 42, 50). In der Praxis geht es darum, die Symptome des Pa rienten schnell im Repertorium wiederzufinden (s. S. 50) . Dadurch erhalten Sie Hinweise, welches Arzneimittel das richtige für den Patienten sein könnte. Nun folgt der Abgleich mit Ihrern Arzneimittelwissen, ob das Arzneimittel diesem Patienten auch wirklich ähnelt (s. S. 52). Das Repertorisieren kann auf unterschiedliche Weise erlernt werden, wobei auch hier gilt: Übung macht den Meister!
Die Umsetzung des Wissens in der Praxis ist für jeden Studierenden eine lang herbeigesehnte Herausforderung. Nachdem Sie kleinere Beschwerden von Patienten erfolgreich behandelt haben, werden nun auch kniffeligere Fälle auf Sie zukommen . Zunächst werden Sie die Anamnese in die Praxis umsetzen -wie bekomme ich die Informationen, die ich benötige (s. S. 44-47)? Wie kann ich den Patienten ganzheitlich verstehen, das richtige Arzneimittel auswählen (s. "Die homöopathische Behandlung" ab S. 44) und den Verlauf richtig beurteilen (s. "Verlaufsbeurteilung" ab S. 64)? Wie können Sie gut für sich sorgen und z. B. durch Patientenschicksale aufkommende Emotionen bearbeiten? Holen Sie sich die Unterstützung, die Sie benötigen, sei es im Rahmen einer Balintgruppe, Psychotherapie, Lern· und Ausbildungsgruppe, Hospitation, Supervision oder Intervision. Diese sind für Ihre persönliche Weiterbildung und Weiterentwicklung nur zu empfehlen!
t Die Kenntnis über den Aufbau und die Anwendung des Repertoriums ist Grundvoraussetzung, denn sonst suchen Sie mehr, als dass Sie finden (s. S. 50) . t Sie können einzelne Symptome und Krankheiten des Patienten nachschlagen (s. S. 100- 1OS) . t Sie können einzelne Symptome von Arzneimitteln suchen. t Sie können eine Rubrik auswählen, in der mehr als ein Arzneimittel steht und diese miteinander vergleichen und differenzieren. Auf diese Weise können Sie das Erlernen des Repertorisierens mit dem Erlernen und Differenz ieren von Arzneimitteln verbinden.
Zusam menfas sung X Zu den Grundsäulen der Homöopathie gehört das Studium der Theorie, der Arzneimittel, des Repertorisierens und das Erlernen der Praxis. X Versuchen Sie, die zunächst theoretischen Inhalte mit
Leben zu füllen, indem Sie z. B. anhand von Patientengeschichten die Theorie der Homöopathie und die Arzneimittel verstehen. • Das Repertorisieren ist reine Übungssache und ist essenziell zum Auffinden von Symptomen im Repertorium. X ln der Praxis werden Sie immer etwas zu lernen haben - neben der Anwendung der Theorie, der Anamnese und Arzneimitteltindung werden Sie Ihr Wissen durch weitere Möglichkeiten zur Arzneimitteltindung und andere Arzneimittelbeschreibungen ergänzen . Durch den Umgang mit Patienten werden Sie täglich Ihren Erfahrungsschatz erweitern.
Die Entstehungszeit der Homöopathie Deutschland um 1800
Berühmt e Persönlichkeiten um 1800
Der Absolutismus hatte sich im 18. Jahrhundert in Europa fast überall durchgesetzt. Das "Heilige Römisc he Reich Deut· scher Nation" bestand aus absolutistisch regierenden Fürsten mit deren Untertanen und hunderlen zersplitterte n Terri to· rien, denen jede Zentralgewalt fehlte. Der Adel entledigte sich seiner Herrschaftspflichten unter Belassung der Privi· legien. Somit hatte der "Dritte Stand", bestehend aus Kauf· Ieuten, Ärzten, Rechtsanwälten und Besitzern von Manu· fakturen, die Lasten, Kosten und Verschwendungssüchte des ersten und zweiten Standes zu tragen - und das trotz sozialer Benachteiligung und Ausschluss von politischer Verantwor· tung und Macht! Die Unzufriedenheit der Bevölkerung war groß, sodass das zersplitterte uneinheitliche Deutsche Reich unter diesen Umständen dem Ansturm der Armeen der Fran· zösischen Revolution (I 789) nicht standhalten konnte. Doch selbst unter der französischen Besatzung wurde die reaktio· näre Politik fortgeführt - Bildung und Besitz blieben weiterhin das Privileg einer schmalen Schicht. Schriften von Ficht und Arndt hatten einen wesentlichen Anteil an der Entste· hung eines neuen politischen Nationalbewusstseins und be· reiteten den Widersta nd gegen die napoleonische Herrschaft vor. Doch auch nach dem Sieg über die napoleonischen Armeen (Befreiungskriege 18 13- 1815) wurden die Hoffnungen der Patrioten erneut enttäuscht: Von "Deutschland" war wieder nicht die Rede. Auf dem Wiener Kongress bestimmten die ln· teressen der Fürsten über die Neuordnun g Deutschlands, so· dass erneut ein lockerer Fürstenverband geschaffen wurde. Diese Zersplitterung Deutschlands zeigte sich u. a. auch in uneinheitlichen Münz·, Maß· und Gewichtssystemen und in Zollschranken, die Staaten, Provinzen und Städte voneinan· der trennten. Liberal und national Gesinnte, die es auch nach dem erneu· ten Sieg der Reaktion wagten, Verfassungen, eine National· vertretungund Pressefreiheit zu fordern, wurden verfolgt. Trotzdem bildeten sich von 1815 bis 1848 zahlreiche Re· formbewegungen als Opposition gegen das bestehende Sys· tem, auf die der Deutsche Bund reagierte. Erhebungen an Universitäten wurden durch Verbote von Burschensc haften, Überwachung, Pressezensur und eine zentrale Untersu· chungs·Kommission zerschlagen. Erst die französisch e Julirevolution von 1830 löste in ganz Europa eine Welle von nationalrevolutionären Erhebungen aus. Diese mündeten 1848 in die deutsche Märzrevolution, durch die die Fürsten gezwungen wurden, ein deutsches Par· lament mit liberalen Verfass ungen einzusetzen. So tagte di e gewählte Nationalversammlung erstmals am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche. Doch schon nach der Einführung der ersten deutschen Grundrechte zerfi el diese an der Frage nach der territorialen Abgrenzun g des deutschen Nationa l· staats. Die reaktionären Kräfte ergriffen wieder Einfluss und Macht schon 1851 waren alle Grundrechte wieder abge· schafft 'und die Politik der fo lgenden Jahre war ern eu t vom reaktionären preußisc h·österreichischen Dualismus geprägt.
Zu Hahnemann s (1755 -1 843) Zeit lebten viele berühmte Persönlichk eiten, die wese ntliche Einflüsse auf das Leben und Denken des 18. Jahrhunderts hatten. Die Au tonomi e des Denkens wurde wichtiger Bestandteil des Lebens. Hierfür standen bekan nte Namen von Schriftstellern , Musikern und Denkern, wie z. B. Schi ller, Goethe, Mozart, Beethoven, Haydn, Lessing, Kant, Herder und Schopenha uer. Goethe nannte Hahnemann "den neuen Paracelsus" und schrieb 1820 in einem Brief an Hahnemann: "[... [und ich glaube jetzt eifriger denn je an die Lehre des wundersamen Arztes, seitdem ich die Wirkung ei ner allerkleinsten Gabe so Ieibhaft gefühlt und immer wieder empfinde." Die Medizin um 1800
Die Medizin im 18. und frühen 19. Jahrh undert war geprägt von zahllosen Strömungen und Systemen. Die Medizinstu· denten wurden an der Universität vor allem in theoretischen Fächern unterrichtet wie Mineralogie, Zoologie, Botanik, Chemie, Logik und Philosophie. Mit dem Abschluss begann das Dilem ma der jungen .Ärzte: Die Ausbildung hatte ihnen zu wenig praktisches Wissen mitgegeben, die theoretische n medizinischen Konzepte hatten keine therapeutische Rele· vanz, di e therapeutisc hen Möglichkeiten waren gering und ihre Anwendung rich tete oft große Schäden an. Somit war es nicht erstaunlich, dass die Bevölkerung nur wenig Vertrauen in die Ärzte hatte. Sie warteten zunächst bei Krankheiten ab ' probierten Hausmi ttel oder befragten Laienbehandler wie Schäfer, Hirten, Hufschmied e, Apotheker, Geistliche, Volks· schullehrer und "weise Frauen". Wenn diese Versuche ohne Erfolg blieben, gingen sie zu Wundärzten ("Chirurgen", Barbiere, Bader) und erst danach zu Ärzten. Somit hatten die Ärzte eine durchsch nittliche Patientenzahl von weniger als drei Patienten pro Tag. Dies führte zu steigend en Kosten pro Konsultation und zu diversen Nebentätigkeiten der Ärzte. Die meisten akademischen Ärzte waren männlich. Dr. Dorothea von Erxleben (Promotion 1754) blieb über 100 Jahre die erste und einzige promoviert e Ärztin. Durch die hohe Säuglingsswrblichkeit lag die Lebenserwartung bei 33 Jah ren. Die hä ufigsten Krankheiten waren "Ka· tarrhe", "Rheum atismen", en tzündli che Krankh eiten und Fieber - wobei die heu tige Fiebermessung erst Mi tte des 19. Jahrhunderts bekannt wurde. Auch das Stethos kop und die Perkussion waren noch nicht entdeckt. Die Kardinal· mittel waren Aderlass, ausleitend e Verfahren mit ßrech· und Abführmitteln , künstlich hervor·geru fene Hautgeschwüre und Opiumgaben. Die Arzneien bestanden oftmals aus Mi xturen aus über hundert In ha ltsstoffen pflanzlicher und chemischer Herkunft in drastischen Gaben und in hohen Dosen, die ohne nachvoll ziehbares ystem zusammengemi cht wurden. iftige Substanzen wie u ec ks ilbe r~ Tollkirsche, Opium, Arsen, Antimon und alomel wurd en teilweise in
Geschich te der Homöop athie
toxischen Dosen verabreicht und führten zu akuten und chronischen Vergiftungen . Hahnemann war einer von vielen Kritikern an der damaligen Medizin, die bemerkten, dass den Patienten oft mehr gescha· det als geholfen wurde. Aus diesem Grund zog sich Hahnemann nach einigen Jahren ärztlicher Tätigkeit mehr und mehr von der damaligen Medizin zurück. Er arbeitete vorwiegend als Übersetzer und schrieb in einem Brief an Hufeland 1808: "Auf diese Art ein Mörder oder Verschlimmerer des Lebens meiner Menschenbrüder zu werden, war mir der fürchterlichste Gedanke, so fürchterlich und ruhestörend für mich, dass ich in den ersten Jahren meines Ehelebens die Praxis ganz aufgab und fast keinen Menschen ärztlich behandelte, um nicht noch mehr zu schaden und bloss mich mit Chemie und Schriftstelle rei beschäftigte."
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Die Geburtsstunde der Homöopathie
ln der ärztlichen Behandlung legte Hahnemann viel Wert auf die wahrnehmbaren Symptome des Patienten, da diese unabhängig von der Interpretation und Diagnosestellung durch verschiedene Medizinströmungen und Systeme sichtbar vorhanden waren. Er entfernte Fremdkörper, die zu Eiterungen und Schmerzen führten, änderte die hygienischen Bedingungen und riet den Patienten zu einer Diät. Die ersten Hinweise auf das Ähnlichkeitsgesetz, das ein Grundpfeiler von Hahnemanns neuer Heilkunde - der Homöopathie - werden sollte, erhielt er bei der Übersetzun g von Cullens Arzneimittellehre und dem sich daran anschließenden Chinarinden Yersuch (s. S. 8). Sechs Jahre später ( 1796) veröffentlichte er die Ergebnisse seiner jahrelangen Forschungen in Hufelands Journal, sodass dieses Jahr als die Geburtsstunde der Homöopathie angesehen werden kann.
Hahnemann schimpft in seinen Bilchern viel Ober die damaligen Ärzte und die .,allopathische• Medizin. Bitte übertragen Sie das nicht unreflektiert ins Heute, denn die .,Schulmedizin" von damals und heute sind nicht vergleichbar!
Zusammenfassung X Deutschland um 1800 war geprägt von absolutistisch regierenden Fürsten und hundertenzersplitterten Territorien, denen jede Zentralgewalt fehlte. X Auch die Medizin im 18. und frühen 19. Jahrhundert war geprägt von zahllosen Strömungen und Systemen. X Hahnemann wandte sich von der Medizin ab, da sie den Zustand des Patienten eher verschlimmerte als verbesserte. X Hahnemann fand bei der Übersetzung von Cullens Arzneimittellehre und dem darauf folgenden Chinarindenversuch Hinweise auf das Ähnlichkeitsgesetz. X Hahnemann untersuchte das Ähnlichkeitsgesetz und veröffentlichte 1796 die Ergebnisse seiner jahrelangen Forschungen. Aus diesem Grund wir 1796 häufig als die Geburtsstunde der Homöopathie angesehen .
Der Gründer der Homöopathie: Dr. Samuel Hahnemann Dr. Samuel Hahnemann ist der Begründer der Homöopathie. Als studierter Mediziner war er zusätzlich erfahren als Apotheker, Chemiker und Übersetzer. Er beherrschte sieben Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisc h, Griechisch, Hebräisch, Arabisch und Latei n], die ihm Zugang zu vielen Quellen und Erkenntnissen der damaligen Medizin eröffneten. Die damals widrigen Umstände der Medizin führten dazu, dass Hahnemann sic h von der Medizin abwand , um durch Übersetzungen seinen Lebensunterhalt zu verdienen und neue therapeutische Möglichkeiten zu suc hen. Im Laufe der Jahre konnte Hahnemann seine neue Heilku nde en twickeln, die er 1796 erstmals der Öffentlichke it vorstellte. Lebenslauf
1755 - 1775
Am I 0. 04. 1755 wurde Christian Friedrich Samuel Hahnemann in Meißen als Sohn des Porzellanmalers Christian Gottfried Hahnemann geboren. Er hatte zwei ältere und zwei jüngere Geschwister. Nach dem Siebenjährigen Krieg ( 1756 - 1763) zwischen Preußen und Österreich herrschte große Armut, doch aufgrund seiner großen Begabung für alte Sprachen bekam Samuei Hahnemann einen Schulplatz in de r Fürstenschule St. Afra. 1775-17 90
1790-18 00
1790 übersetzte er die Arzneimittelleh re des Pharmakologen William Cullen, der behauptete, Chinarind e wirke aufgrund ihrer den Magen stärkenden Bitterkeit bei Wechselfieber. Mi t dieser spekulativen Erklärung unzufriede n überprüfte Hahnemann diese Angaben im Selbstversuch. Dabei merkte er, dass die Chinarinde "künstliches antagonistisches Fieber" auslöste . Dieses Ergebnis animierte Hahn emann, in der Li teratur und durch weitere Versuche an diesem Phänomen zu forschen: Arzneistoffe wurden au f ih re wa hren Heilwirkungen geprüft, indem Gesunde sie einnahm en und ihre Symptome protokollierten. 1792 bekam Hahnemann vom Herzog Ernst von SachsenGotha eine "Privatirrenanstalt" zur Behand lung psychiatrischer Patienten zur Verfügung gestellt. Der erste Patient, den Hahnemann zu sich und seiner Familie aufnahm, war der Schriftsteller und geheime Kanzleirat Klockenbring. ln den ersten Wochen beobachtete Hahnemann die Paranoia des Patienten rund um die Uhr. Die letztlich erfolgreiche Behandlung mit Stramonium dauerte von Sommer 1792 bis Frühjahr 1793. Da weitere Kranke ausblieben, kündigte der Herzog_ Hahnemann schrieb dara ufh in von 1793 bis 1799 ein Apothekerlexikon, das zu einem weit verbreiteten Nachschlagewerk wurde. Als eigentliche Geburtsstunde der Homöopattlle sJit der sechs
Jahre nach dem Chinarindenversuch veröffentlichte Aufsatz: .Ver~ Ab 1775 studierte Hahnemann in Leipzig Medizin. Nach such ilber ein neues Prinzip zur Auffinduns der Heilklilfte der Arz.; zwei Jahren theoretischem Unterricht zog er nach Wien, um nehsubstanzen, nebst einigen Blicken auf die blsherlgen•in Hufe.;. Iands Journal. dort im Spital der Barmherzigen Brüder praktisch als Arzt zu nach er nahm iten Schwierigke arbeiten. Wegen finanzieller neun Monaten eine Hausarzt- und Bibliothekarsstelle in ln diese m Artikel erläuterte Hahnemann 1796 die Ergebnisse Hermannstad t (Siebenbürgen) an. In dieser Zeit erkrankte er seiner jahrelangen Forschung und präsentierte das erste Mai an Malaria. 1779 schloss er sein Studium an der Universität das Simile- Prinzip der Öffentlichkeit. Hahnemann empfahl, Erlangen ab und promovierte über "Conspectu s adfectuum Arzneien in "kleinen Ga ben" zu verordnen, die knapp die g (Betrachtun s" therapeuticu et spasmodicorum aetilogicus der physiologischen Wirkung lagen. Schon 1799 empunter Krämpfe). der Ursachen und Behandlung der infi nitesimale Arzneigaben. er l fah Hettstedt. in Praxis Im Alter von 25 Jahren eröffnete er eine seinen wieder In den folgenden Jahre wechselte er immer 1800-18 21 Wohnort (I Abb. 2, S. 119). 1782 heiratete er Johanna Leopoldine Henriette Küchler, aus dieser Ehe gingen zehn Mit ungefähr 46 Jahre n hatte Hahnemann in seiner Praxis Töchter und ein Sohn hervor. Eine Tochter wurde tot geboin der Nähe vo n Lei pzig großen Erfolg. Dieser trieb ihn an, ren, ein Sohn verstarb im ersten Lebensjahr. Nach einigen zu forschen und die Hei lkunde weiterzue ntwickeln. weiter Jahren ärztlicher TäLigkeit zog sich Hahnemann mehr und sprach Hahnemann von "Homöopa thie" und zur 1807 Ab mehr von der damaligen Medizin zurück. Diese bestand u. a. vo n der damaligen Medizin, die an den UniverAbgrenzung aus ausleitenden Verfahren wie z. B. Aderlässen und Erbrewurd e, von "Allöopathie" bzw. "Allopathie" . gelehrt sitäten chen (s. S. 6). Er arbeitete vorwiegend als Übersetzer und hte er das "Organon der rationellen Heilveröffentlic 1810 hatte die Eigenart, den übersetzten Texten eigene Anm erkuner ab der zweiten Auflage "Organon der lches we kunde", gen und kritische Bemerkungen hinzuzufügen.
Geschichte der Homöopathie
8 19 Heilkunst" nannte. 181 1 habilitierte er an der Universität Leipzig und hielt neun] ahre lang Vorlesungen für Medizinstudenten, um sie mit seiner neuen Heilmethode vertraut zu machen. So bildete sich eine Arbeitsgruppe um Hahnemann, die im Laufe der Zeit viele Arzneimittelprüfungen durchführte. Diese wurden 181 1 bis 1821 in der "Reinen Arzneimittellehre" veröffentlicht. In sechs Bänden wurden die Symptome von 63 Arzneien aus der Taxi· kologie und den Arzneimittelprüfungen dargestellt. Hahnemanns Leipziger Zeit war geprägt von großen öffentlichen Erfolgen. Nach der Vielvölkerschlacht vor Leipzig kam es 1813 zum Ausbruch von Typhus. Hahnemanns Praxis florierte von 180 behandelten Typhuskranken starb nur einer. 1819 wurde Hahnemann von Apothekern angeklagt, da er seine Arzneimittel selbst dispensierte. Als ihm 1820 die Arzneimittelherstellung und -abgabe an Patienten verboten wurde, zog er 1821 nach Köthen, wo ihm alle Freiheiten und das Selbstdispensierrecht gewährt wurden. 1821-1834
ln den ersten Jahren hatte Hahnemann mit vielen Intrigen der Köthener Ärzte und Apotheker zu kämpfen. Eine Anekdote berichtet, dass Hahnemann viel Zeit in seinem kleinen Garten verbrachte, da er auf der Straße öffentlich beschimpft wurde. Ein Bekannter stellte fest: "Ihr Garten ist zum täglichen spazieren gehen sehr klein." Darauf antwortete Hahnemann: "Da haben Sie Recht, aber dafür ist er unendlich hoch!" Hahnemann modifizierte unablässig die Dosierung seiner Medikamente, bis er am Patienten eine Wirkung oh ne Nebenwirkung beobachten konnte. Schon 182 1 verschüttelte er Medikamente bis in nichtstoffliche Bereiche und fand 1827 den passenden Ausdruck für die Arzneimittelherstellung: Potenzieren (s. S. 40). 1828 veröffentlichte Hahnemann seine Krankheitslehre "Die chro-
nischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung". Der erste Band ist ein Lehrbuch zur Behandlung der chronischen Krankheiten "Psora", "Sykosis" und "Syphilis", die Bände zwei bis fünf sind eine Beschreibung von 47 Arzneien zur Behandlung dieser Krankheiten . Hahnemann behandelte etwa zwölf Kranke pro Jahr kostenlos, ansonsten wurde bar bezahlt. Noch vor der Entdeckung des Choleraerregers 1884 durch Robert Koch setzte Hahnemann Kampferspiritus gegen die Cholera ein, weil dieser "die feinsten Tiere niederer Ordnung] ... ] die unsern Sinnen entfliehen" tötet. So konnte er auch während der Choleraepidemie von 1831 bis 1832 viele Menschen retten. Seiner Frau Henrietta konnte er allerdings nicht helfen, die 1830 an einem malignen Leberkarzinom starb.
Metropole des gesellschaftl ichen und wissenschaftlichen Lebens der westlichen Welt. Dort wurde Hahnemann begeistert empfangen und führte mit seiner Frau eine luxuriöse Praxis und eine Poliklinik, in der Arme kostenlos behandelt wurden. Die Patienten kamen aus allen Teilen Europas und aus allen gesellschaftlichen Schichten. Hahnemann entwickelte in dieser Zeit die 0 -Potenzen (s. ab S. 54) . Er war sehr sicher in der Arzneitindung und hatte viele rasche und unglaubliche Erfolge. Es wird beschrieben, dass er neben Arzneien den Patienten Worte der Weisheit mit auf den Weg gab. Am 2.7. 1843 starb Hahnemann an Pneumonie im Alter von 88 Jahren in Paris. Seine Frau Melanie adoptierte ein Mädchen, das 1857 Karl Bönninghausen heiratete, den Sohn von Hahnemanns Schüler und Freund Clemens von Bön1834-1843 ninghausen. Kar! Bönninghausen eröff1834 reiste die 34-jährige Malerin und nete in Paris eine Praxis, in der Melanie Dichterirr Melanie d'Hervilly-Gohier intensiv mitarbeitete, bis sie 1878 mit (1800-1878 ) aus Paris zu Hahnemann, 78 Jahren starb. um sich von ihm behandeln zu lassen. Sie ruht heute zusammen mit Dr. SaNach drei Monaten ließen sich die beimuel Hahnemann auf dem Prominenden trauen und fünf Monate später ver- ten-Friedhof Pere Lachaise in Paris. ließ Hahnemann im Alter von 80 Jahren Aufgrund von Streitigkeiten wurde die Köthen, um mit seiner Ehefrau in Paris sechste und letzte Auflage des Organons eine Praxis zu eröffnen. erst 78 Jahre nach Hahnemanns Tod Paris war in der ersten Hälfte des von Richard Haehl im Jahr 192 1 veröf19. Jahrhunderts die bedeutendste fentlicht.
Zusammenfassung X Dr. Samuel Hahnemann ist der Begründer der Homöopathie. X Der Chinarindenversuch führte Hahnemann zum Ähnlichkeitsgesetz. Dem Versuch folgten viele Jahre der Forschung, bis er sich 1796 an die Öffentlichkeit wandte. X Als eigentliche Geburtsstunde der Homöopathie gilt der 1796 veröffentlichte Aufsatz .,Versuch über ein neues Prinzip zur Auftindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen" in Hufelands Journal. X Bis zu seinem Tod entwickelte Hahnemann die Homöopathie stetig weiter. X Die Q-Potenzen sind nur in der sechsten Auflage des Organon beschrieben. Diese wurde jedoch erst 1921 veröffentlicht, sodass es lange Zeit dauerte, bis die Q-Potenzen wieder in die homöopathische Praxis Einzug hielten.
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Ubersicht über die Werke Samuel Hahnemanns I Abb. I: Dr. Samu el Hahnem ann. [5 ]
Hahnemann hat im Laufe seines Lebens eine Vielzahl von Büchern und Artikeln geschrieben. Bis zu seinem Lebensende hat er neben seinen Übersetzungen ca. 27 000 Seiten publiziert. Die Publikationen können eingeteilt werden in Artikel, in denen es nicht oder kaum um Homöopathie geht, und Artikel bzw. Bücher zur Homöopathie. Das Wissen um die Entwicklung Hahnemanns (s. S. 8] und die seiner Werke führt zu einem größeren Verständnis für die Strömungen in der Homöopathie (s. S. 12), die sich teilweise auf dasselbe Werk, aber eine andere Auflage berufen. Hahnemanns Bücher strotzen vor Polemik und Anfeindungen gegenüber den ausübenden Medizinern und der Allopathie. Diese Anfeindungen müssen beim Lesen von Hahnemanns Büchern in den Kontext des damaligen Lebens, der Medizin und der Therapiemöglichkeiten (s. S. 6) eingeordnet werden. In unserer heutigen Zeit ist es nicht notwendig, diese Polemik weiterzuführen. Es ist eher an der Zeit, mit viel Wissen klar und eindeutig homöopathisch zu behandeln und im anerkennenden Dialog mit der Schulmedizin zu bleiben. Nicht homöopathische Werke
Neben seinen Übersetzungen finden sich viele chemische, hygienische und pharmazeutische Arbeiten von Hahnemann. Seine Arbeiten wurden in angesehenen Zeitschriften über· setzt. Einige seiner Arbeiten werden hier stellvertretend genannt: t Ätiologie und Therapie von Krampfleiden (1779):
Dissertation Hahnemanns. t Anleitung alte Schäden und faule Geschwüre gründlich zu heilen (1784): Hahnemanns Anleitung zur Therapie von Geschwüren. Zur Stärkung braucht der Patient Bewe· gung an frischer Luft, Diät und eine gute psychische Verfas· sung. t Die Weinprobe auf Eisen und Blei (1788): Diese hahnemannsche Weinprobe wurde in vielen Ländern amtlich eingeführt. t Genauere Bereitungsart des auflösliehen Quecksilbers (1789): Hahnemanns Angaben zur Herstellung eines löslichen Ouecksilberpräparats: Mercurius solubilis Hahnemanni.
Anatom ie und Chemie wegen ihrer "zerteilenden" analytischen Herangehenswei se. t De Helleborismo Veterum (1812): Hahnemanns Habilitationsschrift. Analyse zur Verwendung der Heilpflanze Veratrum album in der Antike. Die Homöopathie erwähnt er nicht. Homöopathische Werke t Versuch über ein neues Prinzip zur Auftindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen (1796 ): Erste Veröffentlichung Hahne-
manns zum Ähnl ichkeitsgesetz, ausgehend vom ChinarindenVersuch. 1796 gilt deshalb als das Geburtsjahr der Homöopath ie, obwohl diesem Jah r schon einige Jahre an Forschungen und Arzneimittelprüfungen vorausgegangen sind. t Krankenjournale (seit 1799 geführt): Hahnemann hat t Unterricht für Wundärzte über die venerischen Krank- diese Krankenjournale genauestens geführt. Sie zeigen Abweichungen seines praktischen Handeins im Vergleich zur heiten ( 1789): Hahnemanns Angaben zur Behandlung der niedergeschriebenen Theorie. Das erklärt sich daher, dass eine war, Vorgehensweise Seine Syphilis in 693 Paragrafen. Hahnemann in seiner Praxis experimentierte und Neues erzu Art Kunstkrankheit, die er "Merkurialfieber" nannte, Seine gewonnenen Erfahrungen schrieb er dann in erprobte. zeugen, die die Syphilis heilte. Außerdem Angaben zur Symni eder bzw. korrigierte sie. Büchern seinen ptomatik und Therapie des Trippers (Gonorrhöe) . viribus medicamentorum positivis, sive de Fragmenta t t Apothekerlexik on (1793 - 1799): Hahnemann hat das humano observatis ( 1805): Diese zwei corpore sano in pharmazeutische Wissen seiner Zeit in vier Bänden zusamund Vergiftungssymptome von 27 PrüfungsBänd e enthalten mengefasst. Das Apothekerlexikon war noch lange danach Arzneien. Die Bücher können als Vorläufer des Hepertoriums ein Standardwerk für Apotheker. und der Materia medi ca gesehen werden. t Der Kaffee in seinen Wirkungen ( 1803): Genaue BeHeilkunde der Erfahrung ( 1805): Hahnemann präse nt obachtungen Hahnemanns zu den Wirkun gen des Kaffees. tiert die Homöopat!1ie erstmals zusammenhän ge nd . Das Buch t Äskulap auf der Waagschale ( 1805): Hahnemanns kriOr·ganons gesehen werden. tische Auseinandersetzung mit dem Arztberuf. Er kritisiert di e kann als Vorläufer des
Ges c hichte de r Homöopathie
t Fingerzeige auf den homöopathischen Gebrauch der Arzneien in der bisherigen Praxis ( 1807): Enthält
viele Grundlagen der Homöopathie, die im Organon wortwörtlich wiederzufinden sind. t Organon der rationellen Heilkunde ( 181 0): Hahnemann präsentiert
die Homöopathie zusammenhängend in Form von Paragrafen. Hahnemann be· schreibt im "Organon" die theoreti· sehen Prinzipien der Homöopathie und gibt praktische Hinweise für das Ana· mnesegespräch und die Arzneimittel· herstellung. Das Ähnlichkeitsgesetz gilt als therapeutisches Hauptprinzip: Simi· lia similibus curentur. Er fordert Arzneimittelprüfungen am Gesunden und die Gabe von Einzelmitteln . In folgenden Auflagen präzisiert und korrigiert er seine Angaben und Erfahrungen immer weiter. Die zweite Auflage nennt Hahnemann "Organon der Heilkunst" (1819). InderdrittenAuflage (1824) finden sich bereits Andeutungen zu den chronischen Krankheiten . Er geht in den frühen Veröffentlichungen von einer Wirkungsabschwächung bei Verdünnung von Medikamenten aus. In den letzten Auflagen favorisiert Hahne· mann immer höhere Potenzen: In der fünften Auflage (1833) die C30-Potenzen mit tage· bis wochenlangen Wirkunksräumen und in der sechsten Auflage die tägliche Einnahme von O·Po· tenzen (I :50 000). In diesem Stadium geht er von einer Zuna hme der Wirkung mit steigendem Potenzgrad aus.
Bis I 921 behandelten die Homöopathen in der ganzen Welt nach der fünfte n Auflage des "Organons", da die sechste Auflage (1842) aufgrundvon Streitig· keiten erst 1921 durch Richard Haehl veröffentlicht wurde. Das "Organon" kann grob eingeteilt werden: - §§ 1- 70: theoretische Grundlagen - §§ 71 - 291: praktische Konsequenzen (§§ 72 - I04 Anamnese, §§I 05 - 145 Arzneimittelprüfung am Gesunden, §§ 146-285 Anwendung der Arzneimittel)
t Reine Arzneimittellehre (181 I 1821): In den Jahren 181 1-1821 ent· stand die sechsbändige "Reine Arznei· mittellehre" . Es ist eine Prüfungssym· ptomensammlung von 63 Arzneien mit der Toxikologie der Ausgangsstoffe. Die Symptome stammen vor allem aus den Arzneimittelprüfungen in der Leipziger Zeit, als Hahnemann an der Universität lehrte und sich ein Arbeitskreis um ihn formte . Er hob bei manchen Arzneimitteln Charakterzüge hervor. Das regte spätere Homöopathen an, sehr ausführlich Gemütslage und Charakter zu be· schreiben, die sog. Arzneimittelbilder. Hahnemann gab bei etwa einem Drittel
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der Arzneimittel krankheitsbezoge ne Indikationen an, z. B. die Gabe von Spongia bei Krupp. Diese unabhängig von den individuellen Symptomen gemachten Aussagen könnten ein Vorläufer der "bewährten Indikationen" sein. In der zweiten Auflage beschreibt Hahnemann 66 Arzneien- unter ihnen sind Pflanzen, Metalle, chemische Stoffe und der Magnet. t Die chronischen Krankheiten, ihre eigentümliche Natur und homöopathische Heilung (1828 - 1830):
In der Leipziger Zeit hat Hahnemann sich verstärkt mit der Bedeutung, Entstehung und Behandlung von chronischen Krankheiten auseinandergesetzt Seine Schlussfolgerungen find en sich in diesem Buch. Die erste Auflage besteht aus vier Bänden. Im ersten Band beschreibt er die Theorie der chronischen Krankheiten Psora, Sykosis, Syphilis. Fast drei Viertel des Platzes nimmt die Beschreibung der Psora ein. Er nennt hier auch bewährte Indikationen, wie z. B. die Gabe von Arsen bei Magen· verkältung mit Obst. ln den anderen drei Bänden beschreibt Hahnemann die Arzneimittel, mit denen chronische Krankheiten behandelt werden können. Hahnemann führt fast alle Beschwerden auf drei Infektionskrankheiten zurück, die chronisch verlaufenden Miasmen. Die zweite Auflage entstand von 1835-1839 und besteht aus fünf Bänden.
Zusammenfassung • Hahnemann veröffentlicht schon vor seiner Entdeckung der Homöopathie viele Bücher und Artikel. • Nach der ersten Veröffentlichung zur Homöopathie mit Formulierung des Ähnlichkeitsgesetzes 1796 publiziert er fast nur noch homöopathische Literatur. • Hahnemann forscht und experimentiert sein ganzes Leben lang. Er entwickelt die Therapieprinzipien der Homöopathie, die Dosierungen und die Arzneimittelherstellung immer weiter. • ln den letzten Jahren beschäftigt Hahnemann sich mit den chronischen Krankheiten und entwickelt immer höhere Potenzierungsstufen - bis zu 1 :50000.
Homöopathie von 1800- 2000 Ausgehend von der ursprünglichen Lehre Hahnemanns entwickelie sich die Homöopathie im Lau fe der Zeit weiter. Dadurch existieren heute zum Teil recht heterogene Strömungen. Die folgend e Übersicht über die Gesch ichte der Homöopathie soll Ihnen helfen, bekannte Homöopathen und Strömungen geschichtlich einordnen zu können.
Homöopathie von 1800-1900 Schon zu Hahnemanns Zeit gab es zwei Lager von Anhängern, zum einen die sog. "Hahnemannianer", die Hahnemann in allem nachfolgten, und zum anderen die später sog. "Naturwissenschaftlich-Kritischen", die z. B. die Entwicklung Hahnemanns zu den Hochpotenzen und der PsoraTheorie nicht nachvollziehen konnten. Hahnemann reagierte irritiert auf die Spaltung seiner Anhänger, denn nun musste er sich nicht nur gegenüber den Allopath en, sondern auch gegenüber den kri tischen Homöopathen rechtfertigen.
Entwicklung zu Lebzeiten Hahnemanns Hahnemann führte mit vielen seiner Schüler Arzneimittelprüfungen durch, die zur Veröffentlichung der "Reinen Arzneimittellehre" füh rten (s. S. I 0). Einer seiner Schüler war Ernst Stapf (I 788-1860), der 1822 das "Archiv für die homöopathische Heilkunst" gründete, bekannt als "Stapfs Archiv". G. H. G. Jahr ( 1800 - 1875) arbeitete bei Hahnemann in Köthen. Der Jurist C. M . F. von Bönninghausen (I 785- 1864) wurd e durch die Heilung von eitriger Schwindsucht durch Pulsatilla zum überzeugten Laienhomöopathen. Er entwickelte das erste Repertorium und gehörte zu Hahnemanns engsten Vertrauten. Hahnemanns Schüler Mo ritz Müller (I 784 - I 849) war ein Vertre· ter der später sog. naturwissenschaftlichkritischen Richtun g, die sich gegen Hahnemanns Absolutheitsanspruch stellte und in Deutschland bis etwa 1900 eine führende Rolle einnahm . Den russischen Laienhomöopathen Korsakoff kannte Hahnemann nur über Briefwechsel, er entwickelte 183 I eine spezielle Potenzierungsmethode, die bis heute verwend et wird (s. S. 38 ). Durch den zu nehmenden Bekann th eitsgrad wurden Vorlesungen an der Leipziger und Münchner Universität gehalten (u . a. von G. C. Hartlaub, C. Haubold, M. Müller, C. G. Caspari, Hahnemanns Soh n Fried ri ch, J.J. Roth ). Es wu rd en außerd em homöopathische Vereine, Zei tschri ften und Krank enhäuse r ge-
gründet: 1829 riefen 22 homöopath ische Ärzte den "Verein zur Beförd erung und Ausbildung der homöopathischen Heilkunst" ins Leben, 1832 um benannt in den " Homöopathischen Zentralverein" mit seiner "Allgemeinen homöopathischen Zeitung" (A HZ). Von 1834 - 1848 publizierte der "Homöopathische Verein für das Großherzogtum Baden" die Zeitschrift " Hygea". Die ersten homöopathischen Kranken häuser wurden voller Enthusiasmus eröffnet und oft aufgrundvon Streitigkeiten und Kon fl ikten zwischen den Kritikern und den Hahnemann ianern wieder geschlossen. Hering entwickelte die Potenzierung im Verhä ltnis I : I 0. Er verwendete diese D-Potenzen jedoch nicht, da er keinen Vorteil in ih nen sah. 1836 entwickelte Vehsemeyer in Deutschland di e D-Potenzen, die daraufhin häufig verwend et wurden und zunächst Hahnemanns C-Potenzen verdrängten. Erst nach dem 2. Weltkrieg nahm in Deutschland die Verordnung von C- und O·Potenzen wieder zu. Bereits zu Hahnema nns Lebzeiten entwickelte sich aus der Homöopathi e die lsopathie, die Gleiches mit Gleichem statt Ähnliches mit Ähnlichem(= homöopath isches Ähnlichkeitsgesetz) behand elt.
Weiterentwicklung nach Hahnemanns Tod Viele Homöopathen em igri erten nach Amerika und in andere Länder, als der hoffnungsvollen Märzrevolution ein erneuter Machtgewinn der reaktionären Kräfte fo lgte. Dies füh rte neben der weltweiten Verbreitung der Homöopathie dazu, dass Hahnemanns Werke in viele andere Sprachen übersetzt wurd en. Häu fig lagen diesen Übersetzungen allerdings nich t die aktuellen Auflagen zugrunde. Dies könnte eine Ursache dafür sein, dass heute in verschiedenen Ländern Differenzen bestehen, z. B. bei der Gabe der Potenzen. Zur weltweiten Verbreitung der Homöopathie trugen u. a. Constantin Herin g (1800-1880),J.M . Honigberger (1795 - 1869) und B.J. Mu re (1809 - 1858) bei. Hering sollte als angehender Chirurg in einem Artikel die Homöopathie widerlegen , wurde aber aufgrund seiner Recherchen zum begeisterten Homöopathen. Er reiste nach Südamerika, wanderte nach Amerika aus und gründete dort die erste homöopathische Hochschule. Neben seinen vielen Arzneimittelprüfungen entdeckte er das Nitroglycerin nicht nur für den homöopa· thi schen, sondern auch fü r den schul medizinischen Gebrauch. Die Schulmedizin machte große Fortsch ritte in Grundlagenfächern wie Anatom ie, Phy-
siologie, Pathologie und in der klinischen Diagnostik - sowohl das Stethoskop als auch die Ausku ltation und Perku ssion fanden erstmals ihre Anwendung in der klinischen Un tersuchung. Die jungen Homöopathen suchten nach organspezifischen Arzneien und orientierten sich mehr am Charakter und der Ursache der Krankh eit. Es wurden fast aussch ließl ich D-Potenzen verschrieben. Bekannte Homöopathen dieser Zeit waren Ernst Bastanier ( 1870 - 1953) und Alfons Stiegeie ( 187! _ 1956) . An den Universitäten gab es Lehrstühle für Homöopathie, jedoch hatten die Studenten, die sich mit der Homöopathie beschäftigten, mit Repressalien und Androhungen vonseilen der Fakultäten zu kämpfen . Einer der wen igen Hahnemann ianer dieser Zei t wa r Arthur Lutze ( 1813 - 1870), der in KöU1 en eine populäre Heilanstalt fü hrte. Er publizierte die " Fliegenden Blätter" ( 1858 - 1877) und die "Populäre homöopathische Zeitung" ( 1855 - 1871). Andere bekannte Hahnemannianer dieser Zeit waren Emil Schlegel (1852- 1934) und Kar! Stauffer ( 1870 - 1930). 1868 wurde in Baden-Württemberg die "Ha hnemannia" gegründet, die später der größte und ein flussreichste homöopathische Verein mit ihrer Vereinszeitschrift "Homöopathisc he Monatsblätter" wurde.
Die Lalenbehandler formierten sich in Vereinen, die in der Folg~lt eine wichtige Rolle spielten, da sle die Homöopathie auch in Krisenzeiten em Leben erhielten. Zwischen 1870 und 1933 wurden Ober 400 Laienvereine gegründet, die u. a.im Ersten Weltkrlq homöOpathische Taschenapotheken an die Front schickten. Taschenapotheken stammten groß teils von Wil lmarSchwabe ( 1839 - 19 17), der 1866 erstmals eine homöopathische Apotheke gründete, aus der sich die "Deutsche Homöopathie Un ion " (DHU ) entwickelte. Gegenüber Vereinfachungen und extremen Abweichungen vom Ähnlichkeitsgesetz dista nzierten sich die Homöopathen im Zentralverein ein heitli ch: Zu nennen sind die 1874 von Wi!helm Heinrich Schüssler ( 182 1- 1898) begründete Biochemie, die damals aufkomme nde Komplexmittelhomöo. pathie und die Elektro-Homöopath ie. 1865 gelang es dem Österreichisch en Physiker und Chem ikerJ oseph Losc hmidt ( 182 1- 1895) erstmals, Mo lekülgrößen zu bestimmen. Seitdem ist mi thi lfe de r Losc hmidtschen Zah l berechenbar, dass ab D24 bzw. C 12 nu r noch zufälli g Moleküle der Au sgangssu bstanz in den Arzneimittel n ntl1 alt n si nd.
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Geschichte der Homöopathie
Homöopathie ab 1900
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bund" zusammengeführt. Die na turheilkund- Kent wurde durch die homöopathische Heiliehe und homöopathische Laienbewegung lung sein er Frau ein begeisterter HomöoAufgrund des Wissenszuwachses in der näherte sich in ihrem öffentlichen Auftreten path. Er integrierte einige Aspekte des DenkSchulmedizin kam es zu einer zunehmender nazianalsozialistischen Ideologie. Die modells Swedenborgs in die Homöopathie. den Technisierung und Aufgliederung in NSDAP stellte die Ford erung, dass mindesln Kents Büchern sind diese Anteile oft Fachbereiche. Die Bakterien wa ren als Urtens 51 %der Vorstandsmitglieder Parteischwer zu identifizieren, sie zeigen sich z. B. sache von Erkrankungen entlarvt, aber es genossen sind und die Jugendgruppen der bei den Potenzgaben und der Hierarchisiewaren schon erste Fragen vo nseilen der Vereine in die Hitler-Jugend integriert wer· rung der Symptome: Swedenborg hatte eine Patiente n zu hören, warum dann nicht jeder den. Daraufhin nahm im Laufe der Jahre die komplexe Vorstellung von der Unendlichkrank wurde, der Kontakt mit den Erregern Aktivität der Laienbewegung stark ab, bis sie keit, der man sich schrittweise an nähern hatte. Nicht nur die Patienten wand ten sich am Ende des Dritten Reichs nicht mehr vorsollte. Kent integrierte dieses Wissen bei der vermehrt der Homöopathie zu, auch der handen war. Der jüdische Homöopath Otto Weiterentwicklung der C-Potenzen HahneInd ustrielle Robert Bosch (1861 - 1942) Leeser (1888-1 964) musste nach England manns: Die Potenzgrade werden scheinbar gründete 1925 den Hippakrates-Verlag und emigrieren. Nach seiner Rückkehr überbis ins Unendliche gesteigert. Bei Swedeneröffnete das homöopathische Robert-Bosch- nahm er 1949 die Leitung des Robertborg find et sich eine klare Hierarchisierung Krankenhaus. Bosch-Krankenhauses und leitete viele innerhalb der Strukturen des Menschen. Bei Fortbild ungen, in denen er u. a. Julius Metz- Kent findet sich dies in einem klaren Hierarger (189 1- 1976) ausbildete. Nach dem chieschema der erhobenen und beobachteZweite n Weltkrieg wurde die Homöopathie ten Symptome wieder. Wichtig für die Hoin Deutschland wesentlich durch di e Homöopathiegeschichte ist das von Kent her· möopathie aus Amerika und der Schweiz ausgegebene Repertorium , in dem die beeinflusst. Symptome im "Kopf-zu-Fuß-Schema" aufgein Amerika war die Homöopathie um die listet sind: Die den oberen Körperregionen Jahrhundertwende fest ins Gesundheitssys(Kopf) zugeordneten Symptome werden Auch der bedeutende Leiter der chirurgitem integriert. Es gab viele homöopathische zuerst beschrieben, die den unteren Körperschen Universitätsklinik Berlin August Bier Hochschulen, etwa 10 % aller Ärzte arbeiteregionen (Fuß) zugeordneten Symptome fol( 1861- 1949) sprach sich 1925 öffentlich ten homöopathisch. Wichtige Homöopathe n gen weiter hinten im Repertorium. für die Homöopathie aus. Daraufhin hielt dieser Zeit waren A. Lippe (1812-1 888 ), Einen Einschnitt in der amerikanische GeErnst Bastanier (1870 - 1953) an der BerliC. Dunharn (1828 - 1877), T. E Allen schichte der Homöopathie bedeutete der ner Friedrich-Wilhel m-Uni versität von 1928 ( 1837 - 1902 ), H. C. Allen (1836 - 1909), "Flexner-Report": Nach der Untersuchung bis 1938 Vorlesungen über Homöopathie. J. H. Allen (1854- 1925) (alle drei Allens wa- zur Qualität von Lehre und Forschung an 1929 eröffnete eine homöopathische Uniren Schüler von Hering), E. A. Farrington amerikanischen Hochschulen kam es zur versitätspoliklinik in Berlin, die hauptsäch(l847-1885),J.T. Kent (1849-19 16) und Schließung vieler schulmedizinischer und lich über die Arzneimittelhersteller Schwabe C. M. Boger [ 1861- 1935). homöopathischer Colleges. Während sich die und Mactaus finanziert wurde. Schulmedizinischen Hochschulen wieder Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler erholten, hatten die homöopathischen Hochzum Reichskanzler berufen. Da er die unterschulen Probleme durch weniger Fürspreschiedlich en medizinischen Richtungen in cher und Gelder, sodass die Homöopathie ein Gesundheitssystem zusammenführen ihre Stellung im ame rikanischen Gesundheitswollte, kam es 1935 zur Zwangsvereinigung system verlor. der naturheilkundlichen und homöopathischen Verbände zur" Reichsarbeitsgemeinschaftder Verbände für naturgemäße Le· bens- und Heilweise". Die Homöopathie Zusammenfassung schien gefördert zu werden: 1937 tagte der 12. Internationale homöopathische Kongress X Schon zu Hahnemanns Zeit gab es zwei Lager von Homöopathieund es wurde erstmals die offizielle ZusatzAnhängern, die sog. "Hahnemannianer" und die sog. "Naturwissenschaftbezeichnung "homöopathischer Arzt" verlich-Kritischen". liehen. An sieben deutsc hen Universitäten X Viele Laienhomöopathen und Ärzte kamen durch eigene Heilungserfolge existierten Lehraufträge; E. ßastanier, H. Rabe und A. Stiegeie wurden zu Professoren zur Homöopathie, z. B. Bönninghausen und Hering. ernannt. Es wurden insgesamt 13 homöoX ln Deutschland dominierte nach Hahnemanns Tod die .. naturwissenpathische Kra nkenhäuser bzw. Abteilungen schaftlich-kritische" Strömung der Homöopathie und die Verwendung von eröffnet. 1939 wurde das Heilpraktikergesetz erlassen, woraufhin einige der nichtD-Potenzen. ärztlichen Behandler die Erlaubnis erhielten, X Erst nach dem 2. Weltkrieg kam es durch den Einfluss aus Amerika und der ihre Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung Schweiz zum Vorherrschen der "klassischen" Homöopathie in Deutsch"Heilpraktiker" fortzuführen; Nac hwuchs durfte aber nich t ausgebildet werden. 1941 land. Diese Entwicklung wurde durch die Publikation der sechsten Auflage wurden die Einzelverbände aufgelöst und des Organons unterstützt. un ter dem "Deutschen Volksgesundheits-
Homöopathie heute Homöopathie ab 1950 Nach vielen Schwierigkeiten gelang es Richard Haehl 1921 , das Manuskript von Hahnemanns sechster Auflage des "Organon" zu veröffentlichen. Die wichtigste Neuerung in der sechsten Auflage sind die Herstellung und Verordnung der 0-Potenzen, die den Schweizern R. Flury (1903 - 1977), A. Voegeli (1898 - 1993), Pierre Schmidt (1894 - 1987) undJ. Künzli [1915 - 1992) aufgefallen war und durch sie verbreitet wurde . Adolf Voegeli veröffentlichte Bücher, die sich auf Hahnemanns Spätwerk beziehen, er lehrte in Seminaren das Konzept der chronischen Krankheiten und die Gabe von C- und O·Potenzen. Dieser Einfluss sorgte ab 1950 für einen Wechsel in der deutschen Homöopathie. Die "klassischen" Homöo· pathen gründeten I 957 die "Zeitschrift für Klassische Homöopathie" und die naturwissenschaftlich-kritische Richtung verlor an Einfluss. Ab 1960 wurde die Homöopathie Kents durch den Schweizer Pierre Schmidt in Deutschland bekannt. Er fuhr nach Amerika, um bei Kents Schülern Alonzo Austin (1894 - 1987) und Frederica Gladwin (1856 - 1931 ) die Homöopathie zu erlernen. Austin und Gladwin schenkten Schmidt mehr als I000 verschiedene homöopathische Werke und mehr als 4000 von Kents Hochpotenzen. Schmidt gründete nach sei· ner Rückkehr mit seiner Ehefrau, der Pharmazeutin Dora Nagel, die homöopathische Arzneimittelfirma Schmidt-Nagel in Genf, die bis heute existiert. Die Arzneimittel werden nach Kents Vorgaben hergeslellt: Bis zur C30 werden die Arzneimittel nach Hahnemann in der Mehrglasmethode, von C30 bis zur CI 000 IM) in der Korsakoffsehen Einglasmethode und von der M aufwärts in der Fluktionsmethode hergestellt. Schmidt gründete 1925 die "Liga Homoeopathica Interna· tionalis" und bildete eine neue Generation von Homöopathen aus . Zu seinen Schülern gehören Otto Eichelberger, Horst Barthel 11922 -2008) und jost Künzli von Fimmelsberg. Sie hielten regelmäßig Kurse in Deutsch land, lehrten Hierarchisierung, Repertorisierung und die Gabe von hohen C. und 0-Potenzen. Michael Barthel (• 1948) und Künzli veröffentlichten "Kents Repertorium Generale", in dem Künzli bewährte Rubriken und Mittel durch schwarze Punkte markierte, die sog. "Künzli-Punkte". Michael Barthellernte wie Dario Spined i (* 1950) bei Künzli. Barthel gründete den Barthel & Barthel-Verlag. Spinedi gründete 1997 die homöopathische "Ciinica Santa Croce" in Orselina (Tessin), in der schwer
kranke Patienten stationär homöopathisch behandelt werden.
Homöopathie weltweit Die Homöopathie ist mittlerweile in der ganzen Welt bekannt. Während die Homöo· pathie in Ländern wie Indien und Brasilien vollständig ins Gesundheitswesen integriert wurde, hat sie in vielen anderen Ländern einen kleinen, aber festen Platz in der medizinischen Versorgung. Teilweise hat eine ausgeprägte Schulenbildung innerhalb der Homöopathie stattgefunden. Einige Länder und Schulen sollen hier slellvertretend ge· nannt werden.
Europa Jürgen Becker (* 1951) und Gerhardus Lang [* 1931 ) entwickelten die "Boller-Schule", deren Hauptcharakteristikum die Verreibung der Arzneien bis zur C4 ist. Der Italiener Massimo Mangialavori (* 1958) ordnet den Arzneimitteln einer Arzneigruppe allgemeine Themen zu . Die einzelnen Arzneien innerhalb der Gruppe sind durch individuelle Unterthemen differenzierbar. Der Grieche George Vithoulkas (* 1932) veränderte die Lehre der Homöopathie, indem er mit VideoAufzeichnungen unterrichtet. Er gründete eine Akademie in Griechenland und lehrt die dynamische Entwicklung von Erkrankungen und Arzneimittelbildern. 1996 erhielt er den Alternativen Nobelpreis. Frederick Schroyens und Roger van Zandvoort trugen entscheidend zur Entwicklung der modernen Computerrepertorisation bei (Synthesis - Radar, Complete Repertory- MacRepenory). Jan Schalten I* 1951) lernte bei Vithoulkas und A. Geukens und baute für seine Methode auf den Grundideen von Arij Vrijlandt [1911 - 1992) auf. Er analysiert Arzneimittel anhand der Serien und Stad ien des Periodensystems, sodass Zusammenge· hörigkeilen und Unterschiede klarer werden und auch ungeprüfte Arzneimittel verwen · det werden können. Problematisch erscheint, dass die von Hahnemann geforderte Arzneimittelprüfung entfällt. In England führt jeremy Sherr sehr viele Arzneimittelprüfungen durch. Dort wird die Homöopathie durch das Königshaus unterstützt: Die Kosten der homöopathischen Th erapie werd en vom staatlichen Gesundheitsdienst übernommen. Der Österreicher Mathias Dorcsi I 1923 - 200 I) etablierte seit 1975 ein systematisches homöopathisches Ausbil dungsprogramm an der Universität und be· handelte vorwiegend nach bewährten Indikationen . 1995 wurde von Studenten di e "Studentlnneninitiative Wien" gegründet,
durch die Medizinstudenten stud ienbegleitend in klassischer Homöopathie ausgebild et werden .
Russland In Russland gibt es einige homöopathische Ambulatorien, Poliklin iken und in Moskau ein homöopathisches Krankenhaus.
Südamerika In Südamerika ist die Homöopathie sehr verbreitet. In Chile, Costa Rica, Kolumbien Kuba, Mexiko und Venezuela ist sie heu,te staatlich anerkannt. Der Mexikaner Proceso Sanchez Ortega (1919 - 2005) hat die Mias· menlehre Hahnemanns weiterentwickelt und gelehrt. Der Argentinier Tomas Pa bio Paschero I 1904 - 1986) integrierte psychoanalytische Ideen in die Kentsche Homöopathie. Alfonso Masi-Eliza lde (1932 - 2003) beschreibt die homöopathische Theorie auf der Grundlage der Glaubensvorstellungen von Thomas von Aquin [1225 - 1274): Der Mensch beneidet Gott um seine Vollkommenheit, dieser Neid führt zu Wahrnehmungsverzerrungen und Krankheiten .
Indien in Indien wurde die Homöopathie 1973 den anderen Heilweisen gesetzlich gleichgestellt. Homöopathie wird wie Schulmedizin oder Ayurveda fünf Jahre lang studiert. Mittlerweile gibt es über 300 000 qualifizierte Hom öopathen, etwa 7500 staatliche homöopathische Krankenhäuser und 300 private homöopathische Krankenhäuser. Mahatma Gandhi setzte sich für die Verbreitung der Homöopathie als Volksmedizin ein. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt die Anwendung der Homöopathie in Indien. Interessant ist dass obwohl in Indien kein Fachbereich Ps;cho· ' somatik existiert, die bekannten indischen Homöopathen primär den Gefühls- und Gemütszustand beachten. Zu nennen sind M. L. Sehgal (1929 - 2002) und Rajan Sankaran I* 1960). Sankaran legt viel Wert auf das Wesen der Krankh eit und die vitalen Empfindungen des Kranken. Er teilt die Arz. neimittel ihren Ausgangssubstan zen (z. B. Pflanze, Mineral , Tier) und zehn Miasmen (z. B. Ringworm, Malaria) zu.
Homöopathie um 2000 in Deutschland Ein bis zwei Prozent der Ärzte in Deu tschland wend en heute Homöopathie in der täglichen Praxis an. Hierzu gehören Ärzte, die hauptsäch licll bzw. fast ausscll li eßlich ho· möopathisc h behand eln, sowie Ärzte, die
Geschichte de r Homöopathie
neben der Schulmedizin einige Globuli nach bewährten Indikationen an ihre Patienten verteilen. lm sich stark verändernden Kran· kenkassensystem wird sich auch der Stellen· wert der Homöopathie weiter verändern. Im Rahmen der integrierten Versorgung zahlen auch einige gesetzliche Krankenkassen Homöopathie. Fraglich ist, ob unter den Umständen der Kassenmedizin der hohe Standard der Homöopathie aufrechterhalten werden kann oder die Gefahr besteht, dass Ärzte zu Schnellschuss-Homöopathie oder bewährten Indikationen greifen. Dies ist wohl ein Grund dafür, warum die meisten Kollegen, die fast ausschließlich homöopathisch arbeiten, sich privat niedergelassen haben, denn die Homöopathie braucht viel Zeit, engen Kontakt zum Patienten und Vertrauen. Die privaten Krankenkassen und privaten Zusatzversicherungen zahlen die Kosten für die Behandlung beim privat niedergelassenen Homöopathen. In Deutschland kann Homöopathie nicht als separates Fach studiert werden. An den meisten Universicäten werden im Rahmen des Medizinstudiums seit 1981 Vorlesungen gehalten, seit 1993 ist die Homöopathie im Gegenstandskatalog der ärztlichen Prüfung aufgenommen. Lehre und Prüfung sind jedoch häufig sehr oberfläch lich und theoretisch, sodass die Studierenden auf diesem Weg nur selten Zugang zu dieser faszinierenden Heilweise finden . Eher ist dies durch die studentischen homöopathischen Arbeitskreise möglich, die an vielen Universitäten existieren. Studenten organisieren für Studenten Arbeitskreise und Vorträge. Die Teilnehmer der Arbeitskreise treffen sich seit I 992 beim sog. "Wilseder Forum", um ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen. Unterstützt werden sie von der Kar! und Veronica Carstens-Stiftung und dem Förderverein Natur und Medizin . Um die Homöopathie zu erlernen, gibt es vielfältige Möglichkeiten. Gängig ist es in Deutschland, nach Abschluss des Schulmedizinstudiums die Zusatzbezeichnung .,Homöopathie" berufsbegleitend zu absolvieren. Sie besteht aus vier Kursen A- D, das Diplom wird nach sechs Kursen A- F verliehen. Alternativ ist es möglich , nach dem Medizinstudium einen Masterstud iengang in Homöopathie zu besuchen, der derzeit von Prof. Köster in Spanien angeboten wird. Außerd em gibt es viele andere Schu len, die auch für Heilpraktiker geöffn et sind , in denen meist über drei Jahre berufsbegleitend die Homöopath ie erlernt werden kann. Nach der doch oft th eoretischen Ausbildung braucht jeder; der gu te Homöopathie ausüben möchte, praktische Erfahrungen und
Supervision. Das Beste ist, bei einem erfahrenen Homöopathen zu arbeiten oder zumindest von ihm Supervision zu bekommen. Wer die homöopathische Theorie stark verinnerlicht hat und schon im Studium mit Schulmedizinischen und homöopathischen Augen die Patienten betrachten konnte, wird hier sicherlich Vorteile haben. Neben Homöopathie-Praxen gibt es auch Krankenhäuser, die homöopathisch behandeln . Einige behandeln ausschließlich klassisch homöopathisch, wie z. B. die Clinica Santa Croce in Orselina (Schweiz) unter der Leitung von D. Spinedi und die Hahnemann-Klinik in Bad Imnau unter der Leitung von Heinz Huber. Am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München werden durch Mira Dorsci-Ulrich und Sigrid Kruse einige schwer kranke Kinder begleitend homöopathisch behandelt. Im Krankenhaus für Naturheilweisen unter der Leitung von B. Ostermayr wird neben der internistischen Therapie auch Homöopathie angewandt. An der Fachklinik Hofheim/Taunus befindet sich die homöopathische Praxis von U. Koch, die in die psychiatrische Klinikambulanz integriert ist. An der UniversitätsFrauenklinik Heidelberg existiert eine von der Kar! und Veronica Carstens-Stiftung geförderte Ambulanz für Naturheilkunde. An der Charite Berlin existiert ein Lehrstuhl für Prävention und integrative Medizin . Führende homöopathische Arzneimittelhersteller sind Schmidt-Nagel in Genf, Gud jons in Stadtbergen und Homoeoden in Belgien. Aus dem Homöopathie-Sektor der Firma Willmar Schwabe ist die Deutsche Homöopathie Union (DHU) entstanden.
Ausblick Die Homöopathie wird immer bekannter und beliebter. Die Patienten wünschen sich eine homöopathische Therapie, bevor zu
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Antibiosen und anderen nebenwirkungsreichen Medikamenten gegriffen wird. Der Erfolg in der Praxis am Patienten und an sich selbst ist mit Sicherheit für jeden Einzelnen am überzeugendsten. Die Erforschung der physikalischen Wirksamkeit steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. An einigen Universitäten, wie z. B. in Paris, Lyon, Montpellier, Stuttgart und Graz wird Forschung zur Homöopathie, zu Hochpotenzen und zum Wassergedächtnis betrieben, in denen interessante Modelle zur Erklärung der Wirkung entstehen (s. S. 20). Von anderer Seite besteht das Bestreben, schon vorhandene Theorien, wie z. B. die Quantenphysik, auf die Homöopathie anzuwenden. Hier ist z. B. W. Köster zu nennen mit der von ihm geprägten "quantenlogischen Homöopathie". Auch die Recherchen zur Geschichte der Medizin und die Erforschung der Hintergründe und Vorgehensweisen von bekannten Homöopathen führen zu einer Weiterentwicklung der Homöopathie. Die Patienten und die Lernenden sehen sich zunächst einer Flut aus Strömungen der Homöopathie gegenüber. Der Lernende sollte sich zu Beginn mit den Grundlagen und den Grundgesetzen nach Hahnemann vertraut machen, um dann sein Wissen auf andere Gebiete auszuweiten. So kann er sein Wissen von einer soliden Basis aus erweitern und schneller überprüfen, was valide erscheint und was nicht So gehen auch die meisten Künstler vor - sie beginnen ihren Weg mit Zeichnungen und klassischer Malerei, erweitern diese Basis durch die moderne Malerei, um dann ihren Bildern eine individuelle Note zu geben und zum Erfolg zu kommen. Wenn die Homöopathen auf diese Art und Weise mit Hingabe und Menschenverstand die Homöopathie erlernen, wird es hoffentlich nie an talentiertem und erfolgreichem Nachwuchs mangeln.
Zusammenfassung • R. Hachl veröffentlichte 1921 Hahnemanns 6. Auflage des "Organon". • Die sog. klassischen Homöopathen behandeln nach der sechsten Auflage des "Organon", sie gewannen in Deutschland ab 1950 an Einfluss. • Ab 1960 wurde der Einfluss der amerikanischen Kentschen Homöopathie in die klassische Homöopathie integriert, aus der sich die Kent-KünzliSchule bildete. • Heute ist die Homöopathie weltweit bekannt und in vielen Staaten in das Gesundheitswesen integriert.
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Das Ähnlichkeitsgesetz Das Ähnlichkeitsgesetz ist ein zentraler Grundpfeiler der Homöopathie. Durch die Anwendung des Ähnlichkeits· gesetzes unterscheidet sich die Homöopathie von vielen anderen Heilweisen, u. a. von der Schulmedizin. Hahnemann und das Ähnlichkeitsgesetz
Schon zu Hahnemanns Zeiten wurd e die Erkrankung Malaria mit Chinarinde behandelt, ohne dass das Wirkprinzip be· kannt war. Die Analyse und die Erforschung der physiolo· gischen Wirkungen von Chinin auf den Organismus gelang erst Fran