N. Garzorz BASICS Neuroanatomie
Natalie Garzorz Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. lngo Bechmann, Dr. med . Martin Krüger
BASICS Neuroanatomie
URBAN & FISCHER ELSEVIER URllAN& f iSCliER
München ·Jena
Zuschriften und Kritik bitte an: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Medizinstudium, Karlstraße 45, 80333 München, E-Mail: medizinstud
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikati on in der Deutschen Nationalbibl iografie; detaill ierte bibliografische Daten sind im Internet unter http:/ / dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten I. Auflage 2009 © Elsevier Gm bH, München Der Urban & Fischer Verlag ist ein lmprint der Elsevier Gmb H.
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Für Copyri ght in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis. Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln . Soll te dem Verl ag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchen übliche Honorar geza hl t. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt Jede Verwertun g außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafba r. Das gilt insbesondere fü r Vervielfaltigungen, Überse tzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronisch en Systemen. Programmleitung: Dr. Dorothea Hen nessen Planung: Christina Nussbaum Lektorat: Veronika Sonn leitner Redaktion: Gabriele Bäum! Herstellung: Elisabeth Märtz, Rainald Schwarz Zeic hnungen: Stefan Elsberger Satz: Käse!, Krugzell Druck und Bindung: MKT-Print d. d., Ljubljana Covergestaltung: Spieszdesign, Büro für Gesta ltung, Neu-Uim Bildquelle: © Digita!Vision/ Gettylmages, München Gedruckt auf I 00 g Eurobulk I , I f. Vol. Printed in Slovenia ISBN: 978-3-437-42456-4
Aktu elle In formationen find en Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevl r. com
Vorwort Die Neuroanatomie gilt als eines der schwierigsten Fächer der Vorklin ik, einerseits wegen des Umfangs dieses Stoffgebiets, andererseits, weil die vielen Einzelstrukturen auf sehr komplexe Weise miteinander zusammenwirken. Dass dieses Fach dennoch auf 67 Doppelseiten umfassend beschrieben werden kann, belegt dieses Buch. Am Ende wird der Leser nicht nur über das nötige Faktenwissen für die Prü· fungen verfügen, sondern auch ein grundlegendes Verständnis der funktionellen Zusammenhänge erworben haben. Üblicherweise werden in Lehrbüchern der Anatomie die einzelnen Strukturen separat dargestellt Dies wirkt übersichtlich, birgt jedoch die Gefahr, dass das Verständnis für die Zusammenhänge verloren geht. Gerade im Bereich des zentralen Nervensystems sind die einzelnen Strukturen jedoch so stark miteinander verflochten, dass bei einer rein topographisch orientierten Darstellung das funktionelle Zusammenwirken der Einzelelemente nicht genügend erkennbar wird. Außerdem wird man bei einer solchen Vorgehensweise ständig auf noch Unbekanntes vorgreifen müssen, da die meisten Bahnen und Systeme durch mehrere Hirnabschnitte ziehen. Aus diesem Grund habe ich in den Kapiteln zum zentralen Nervensystem den Schwerpunkt zunächst auf die Darstellung der anatomischen Struktur und Lage der einzelnen Elemente gelegt. In den darauffolgenden Kapiteln werden dann die Einzelstrukturen in ihren Verbindungen untereinander und damit in ihrer Funktion für das Gesamtsystem beschrieben. Die weitgehende Trennung von Funktion und Struktur hat dazu beigetragen, dass Redundanzen nahezu vermieden wurden undtrotzder Reduktion auf nur 67 Doppelseiten
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kaum auf Details verzichtet werden musste. Ein Lexikon der neuroanatomischen Begriffe rundet dieses Buch ab und ermöglicht einen raschen und einfachen Einstieg in das Fach, klinische Bezüge und Fälle stellen die Verbindung zum ärzt· Iichen Alltag her. Zur raschen Rekapitulation und Orientierung sind im Anhang die wichtigsten Bahnen und Schnittbilder zu finden. Ich möchte mit diesem Buch auch das Interesse für ein Gebiet der Medizin wecken, welches zu den faszinierendsten und zukunftsträchtigsten der Forschung gehört. Über Anregungen, Korrekturen oder Verbesserungsvorschläge freue ich mich daher sehr und bitte jede Leserirr und jeden Leser, diese dem Verlag mitzuteilen. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. med. lngo Bechmann und Herrn Dr. med. Martin Krüger vom Anatomischen Institut der Universität Frankfurt für die fachliche Betreuung und die wertvollen inhaltlichen Tipps und Anregungen sowie Herrn Chefarzt Dr. Peters vom Ostalbklinikum Aalen für die Mithilfe bei der Erstellung der klinischen Fälle. Mein besonderer Dank gilt ferner Gabi Bäum! (Redaktion) für die Durchsicht des Manuskripts sowie Stefan Elsberger für die hervorragende Umsetzung der Grafiken. Ebenso möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Elsevier, Urban & Fischer Verlag für die gute Zusammenarbeit bedanken. Nicht zuletzt danke ich Norbert Locher und meiner Familie für die stete Unterstützung und Ermutigung.
München, im Sommer 2008
Natalie Garzorz
Inhalt A Allgemeiner Teil . ... ... ... .. . . ..... .
l - 13
Überblick ... ... . .. ... .. . ... . . . .... . .. .
2- 3
I Organisation des Nervensystems .... . . . .... .
2
Grundbausteine des Nervensystems ... . .
4- 9
I Die Nervenzelle .. . ........... . . .... . .. . I Die Synapsen . .... . .. . . . ....... ....... . I Die Gliazellen ... ... .. ... .. . ..... . . . . .. .
4 6 8
Entwicklung des Nervensystems I Au sgangsmaterial und Entwicklung des Rückenmarks . ..... ........ .. ... ... . I Entwicklung des Gehirns ......... . .. . .... .
10 - 13 I0 12
Hirnnerven ..... . .. . . . .. ........ . . .... . I Hirn nerven und Hirnnervenkerne im Überblick ........ .... .... ..... ... .. . I Augenmuskelnerven (N . 111 , N. fV, N. Vl ) .... . I N. trigeminus (N . V) I ............. . .. ... . I N. trigeminus (N. V) II . . ..... .. . .. .. .. .. . I N. Facialis (N . VII) . ............. . ... .... . I N. glossopharyngeus (N . IX) ........... . . . . I N. vagus (N. X) . . ..... . . ... . ..... . ..... . I N. accessorius (N. XI), N. hypoglossus (N . XII), Hirnnervengangl ien .. ... . . . .. . .... ... .. .
Blutversorgung des zentralen Nervensystems ..... . . . . ... . ..... . . . . . . I Arterien .. ... . . ... . .. .. ....... .. .. .. . . I Mikrozirkulation und Venen .. . . ....... ... .
74 - 89 74
76 78 80 82 84 86 88
90-9 3
90
92
B Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14- 137 Peripheres Nervensystem . .. . . .. ....... .
16- 35
Hirn- und Rückenmarkshäute, Liquorräume . ... .. . .. ..... . ..... . . . .. .
94 - 97
Aufbau des peripheren Nervensystems . . ... . . . Organisation der Spinalnerven .... .. .... . .. . Segmentale und periphere Innervation ... .. . . . Plexus cervicalis, Rr. posteriores der Nn. cervicales (C 1- C3) .. ...... . . . ... ... . Plexus brachialis I ... ... ............. . .. . Plexus brachialis II . .. ... . ..... ... . . .... . Plexus brachialis III . .. . . . ....... .. . . .. . . . Plexus lumbosacralis I .... . ............ . . . Plexus lumbosacralis I! ........ .. . . .. . ... . Plexus lumbosacralis III .... .. . . ........ .. .
16 18 20
I Meningen und äußerer Liqu orraum . . . . . . . . . . I Innerer Liquorraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94 96
Zentrales Nervensystem . ..... . . ... .. . . .
36 - 73
I I I I I I I I I I
I Aufbau des zentralen Nervensystems im Überblick .. ... . . . .... . . .. ......... . . I Rückenmark I ..... .. .. .. ..... . . . . .. . .. . I Rückenmark 11 . ...... .. ....... . ... .. . . . I Rückenmark III . .... . . . . .... . . . . . ...... . I Hirnstamm I ......... .. . ..... . . .. .. . .. . I Hirnstamm !I . ... ... . . .. ... . .... . . .... . I Hirnstamm 111 .. . ... .. . ... .. . .. . ....... . I Kleinhirn I . . .... . . .... ........ ... .. .. . I Kleinhirn II ... ........ . . . ... .... .. .... . I Zwischenhirn I . .. .... . .. . .... ..... .... . I Zwischenhirn II .. ......... . ... . .. . .. . .. . I Zwischenhirn 111 .. . ..... . ........ . . .. . . . 1 Hypophyse und zirkumventrikulä re Organe .. . . 1 Äußere Gestalt und Gliederung des Großhirns . . .... . .... .... . . ..... ... . 1 Subkortikale Kern e des Großhirn s .......... . 1 Histologie und Entwicklung des Kortex .. . ... . 1 Funktionelle Gliederung des Isokortex . ...... . 1 Kortikale Repräsenta tion komplexer Leistu ngen ...... .. . . ... . ..... . ...... . . 1 Fasersysteme des Großhirns . .......... .. . .
22 24
26 28 30 32 34
36 38 40 42
44 46 48
50
52
54 56
58
Somatasensorisches System .. . . .... .... 98- 101 I Somatasensorisches System I ... . ...... .. .. .
98
I Somatasensorisc hes System II ..... . . ... . . . .
100
Speziell-sensorische Systeme . . . .. . . .. .. 102 - 109 I I I I
Visuelles System I .. .. . . .. .. .... . . .... .. . Visuelles System II . . .. .. ...... .. ........ . Auditarisches und vestibuläres System ..... .. . Olfaktorisches und gustatorisches System .... . .
102 104 106 108
Somatamotor isches System ... ...... . . . 110 - 123 I Organisa tion der Somatamotorik im Überblick ...... . ........... . ...... . . I Spinales Grundsystem .......... . .... . .. . . I Motorische Bahnen des Hirnstam ms I . . . . .. . . I Motorische Bahnen des Hirnstamms II . ..... . I Motorische Bahnen des Kleinhirns ... . ... . .. . I Basalganglien . . ........... ... . . ... ... • . I Motorische Kortexareale und Pyram idenbahn . . ... .. . . ... ... ....... .. .
110 112 114
116 118 120 122
60
Limbisches System ... ... .. .. .. . . ... .. . 124 - 127
62
I Limbisches System I ........ ..... . .. ... . . I Limbisches System II ........ . ...... ... . . .
64
124 126
66 Autonomes Nervensystem . . ... . ..... ... 128 - 137 68 70 72
I Aufbau des autonomen Nervensystems im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I ympathikus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128 130
VI I VII I Parasympathikus und intrinsisches
Nervensystem . . . . .. . .. ........... . .. . . . I Vegetative Innervation der einzelnen Organe . .................. . . . . ... .... . I Viszerale und gemischte Reflexe, Head-Zonen .......................... .
0 Anhang . . . ......... . ...... . ........ 144- 155
132 134 136
I Lexikon Lexikon (Fortsetzung) ... .. . . ... . . . ... · · · · Abbildungen . ... ..... . . .. .. . . . .. ..... . . Schnittbilder . ....... ......... . ..... . . . . Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur ... .. .. . . ... .... . .
I I I 1
146 148 150 152
155
C Fallbeispiele .... .. .. ... .... .. ... .. . 138 - 143 I Fälle I . . . . .. . ..... .. .. .. - - .. - ... - . . - - · I Fälle II ..... .. .... .. .. .. . . . .. . . ... . .. .
140 142
E Register .......................... .. 156-166
Abkü rzu ngsverzeich nis A.,Aa. ACTH ADH ant. AP ARAS
Arteria, Arteriae adrenokortikotropes Hormon (Kortikotropin) antidiuretisches Hormon [Vasopressin) an terior, an teri us Aktionspotential aszendierendes retikuläres aktivierendes System
bes. best. Bsp. bzgl. bzw.
besonders bestimmter, bestimmte, bestimmtes Beispiel bezüglich beziehungsweise
ca. chron. CRH CT
circa chronisch Corticotropin-releasing-Hormon (Kortikoliberin) Computertomogramm, -graphie
DD dext. d.h. DOPA dors.
Differentialdiagnose dexter, dextra, dextrum das heißt 3,4-Dihydroxyphenylalanin dorsalis, dorsale
EEG EPS etc. evtl. ext.
Elektroenzephalogramm, -graphie extrapyramidales System et ceiera eventuell externus, externa, externum
fMRT FR FSH
funktionelle Magnetresonanztomographie Formatio reticularis follikelstimulierendes Hormon
GABA GFAP ggf. Ggl., Ggll. GHRH GHRIH GI., Gll. GnRH griech.
y-Aminobuttersäure saures G!iafibrillenprotein gegebenenfalls Ganglion, Ganglia Growth-hormone-releasing-Hormon Growth-hormone-release-inhibiting-Hormon (Somatostatin) Glandula, Glandulae Gonadotropin-releasing-Hormon (Gonadoliberin) griechisch
HE HF
Hämatoxylin-Eosin Herzfrequenz
i. Allg. inf. inkl. int.
im Allgemeinen inferior, inferius inklusive internus, interna, internum
VIII I IX lat. LH Lig., Ligg. M.,Mm. med. MIH mind. Mio. Mrd. MRH MSH
lateralis, laterale; lateinisch (je nach Zusammenhang) luteinisierendes Hormon Ligamentum, Ligamenta Musculus, Musculi medius, media, medium; medialis, mediale (je nach Zusammenhang) Melanotropin ·release-inhibi ting-Hormon mindestens Million Milliarde Melanotropin ·releasing-Hormon melanozytenstimulierendes Hormon
Nervus, Nervi N., Nn. Nervenaustrittspunkt NAP Ne!., Ncll. Nucleus, Nuclei o.g.
oben genannt
PET PNS post. prox.
Positronenemissionstomog,ramm, ·graphie peripheres Nervensystem posterior, posterius proximalis, proximale
R., Rr.
RR
Ramus, Rami Blutdruck
s. a. SCN sin. s.o. sog. STH s. u. sup. superf.
siehe auch Nucleus suprachiasmaticus sinister, sinistra, sirristrum siehe oben sogenannt somatotropes Hormon [Somatotropin) siehe unten superior, superius superficialis, Superficiale
Tr. TRH TSH
Tractus Thyreotropin-releasing· Hormon (Thyreoliberin) thyroideastimulierendes Hormon [Thyreotropin)
u u.a. u.U.
Ursprung (Arterie, Nerv) unter anderem unter Umständen
V., Vv. v.a. Vergr. vgl.
Vena, Venae vor allem Vergrößerung vergleiche
z.B. ZNS z.T.
zum Beispiel zentrales Nervensystem zum Teil
Überblick
Entwicklung des Nervensystems
2
10
Organisation des Nervensystems
Grundbausteine des Nervensystems
4 6 8
Die Nervenzellen Die Synapsen Die Gliazellen
12
Ausgangsmaterial und Entwicklung des Rückenmarks Entwicklung des Gehirns
Organisation des Nervensystems Das Nervensystem ist das komplex este System des Körpers, das jeden Tag wohl mehr Verbindungen aufbaut als alle Telefonnetze der Welt zusammen. Es ist dem gesamten Organismus übergeordnet und schafft durch seine Leistungen geordnete Verhältnisse, wo sonst nur Chaos vorherrschen würde. So steuert das Nervensystem die Tätigkeit der Eingeweide und der Muskeln und ermöglicht di e Kommu nikation des Organismus mit der Umwelt, so dass dieser blitzschnell an die wechselnden Bedingunge n der Au ßenwelt angepasst werden kann; darüber hinaus ist es die Grundlage sämtl icher psychischer und geistiger Fähigkeiten wie Denken und Fühlen sowie der Herausbildung der individuellen Persönlichkeit. Aufge baut ist das Nervensystem aus Nervengewebe, d. h. aus Nervenzellen und Gliazellen. Die untereinand er kompliziert vernetzten Nervenzellen bilden dabei die Grundbausteine des Informationsflusses im Nervensystem: Sie besitzen zahlreiche Fortsätze (Dendriten und Axone), über die sie Informa tionen (Erregungen, Impulse) aufnehmen, verarbeiten und weiterleiten, wobei z. T. Erregungsleitungsgeschwindigkeiten von über 400 km/ h erreicht werden! Dadurch wirkt das Nervensystem sehr viel schneller als das zweite Steuerungssystem des Körpers, das endokrine System. Die Gliazellen übernehmen v. a. Stütz-, Schutz·, Isolations- und Ernährungsfunktionen für die Nervenzell en.
Nn. spinales (Spinalnerven), die mit dem l~ück e nmark in
Verbindung stehen. Au ch im ZNS verl aufen Nerve nfase rbün del, allerdings werden sie don nicht als Nerven, ondern als Tractus (Bahnen) oder Fasciculi (Bünd el) bezeicl1ner. Graue und weiße Substanz
Im ZNS untersc heid et man - bereits ma kroskopisc h an Querschnitten erken nbar - dunklere Gebiete, di e sog. graue Substan z (Substantia gri sea), und hellere Gebiete, die sog. weiße Substanz (Substantia alba ). Die graue Substanz enr-
--Großhirn
Gliederung des Nervensy stems
Der Funktion nach untergliedert man das Nervensystem in das vegetative (autonome, viszerale) Nervensystem und das somatische (animalische) Nervensystem. Das vegetative Nervensystem steuert meist unbewusst die Tätigkeit der Eingeweide (u. a. Innervation der glatten Muskulatu r) und hält das innere Milieu konstant. Das so matische Ne rvensystem ermöglicht hingegen die Kommunikation mit der Umwelt (äußeres Milieu), da es der meist bewussten Wahrnehmung von Sinnesreizen und der willkürlichen Bewegung der Skelettmuskulatur dient. Beide Systeme arbeiten jedoch nicht isoliert voneinander, sondern beeinflusse n sich wec hselseitig. Nach topographischen Gesichtspunkten kann man das Nervensystem darüber hinaus in das zentrale Nervensystem (ZNS) und das periphere Nervensystem (PNS) gliedern, wobei beide vegetative und somatische Anteile besitzen. Das ZNS besteht aus Gehirn und Rückenma rk (I Abb. 1) und ist die Steuerzentrale, in welcher Informationen aus dem Körper selbst und der Außenwelt ei ntreffen und verarbeitet werden. Das PNS hingegen besteht aus allen Anteilen des Nervensystems außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Es dient der "Verkabelung" des ZNS mit der Peripherie und fungi ert damit als dessen "Zuträger- und Ausführun gsorgan". Seine Leitungskab el sind die aus Nerven zellfortsätze n und Gliazellen aufgebauten Nervenfase rn , welche sich zu Bün· dein zusa mm ensc hließe n, di e als Nerven bezeichnet werden. Man unterscheidet dabei die Nn . craniales (Hirnnerven), di e mit dem Gehirn in Verbindung stehen, und di
I Abb.
I:
Dns N rv n
ys1 m Im Üb rbl i k.
J!J
Überblick
somataefferentes bzw. visze raefferentes Neuron
rezeptive Endigung
I
somatoatferentes bzw. viszeraafferentes Neuron
z.
B. Skelettmu skel
oder glatte Muskulatur
Abb. 2: Informationsfluss im Nervensystem.
steht durch Anhäufungen von Nervenzellkörpern (Perikarya). Sie liegt in Form von sog. Kernen (Nuclei; nicht zu verwechseln mit Zellkernen!) vor, aber auch als graue Substanz an der Oberfläche von Großhirn und Kleinhirn, wo sie als Kortex bezeichnet wird. Die weiße Substanz besteht v. a. aus markhaltigen Nervenfasern (s. S. 16 ), die ihr die weiße Farbe verleihen, aber auch aus marklosen Fasern. Informationsfluss im Nervensystem
Das Nervensystem funktioniert in Form von einfachen, aber auch sehr komplizierten Neuronenketten, den Leitungsbögen (I Abb. 2). Diese bestehen prinzipiell aus einem afferenten Schenkel, Interneuronen im ZNS und einem efferenten Schenkel. Afferenter Schenkel
Über Rezeptoren werden Reize aus dem Körperinneren und der Umwelt aufgenommen. Man kann die Rezeptoren nach ihrer Funktion gliedern (I Tab. 1) oder nach ihrem Bau einteilen in:
2 13
(afferente Nervenfasern} dem ZNS zu. Sie werden daher auch als sensible bzw. sensorische Neurone bezeichnet. Die afferenten Neurone sind dabei entweder mit der Rezeptorzelle identisch (primäre Sinneszelle) oder direkt mit dieser verknüpft (sekundäre Sinneszelle). Handelt es sich um Neurone des somatischen Nervensystems, bezeichnet man sie als somataafferent (somatosensibel), gehören sie zum vegetativen Nervensystem, spricht man von viszeraafferenten (viszerasensiblen) Neuronen.
Interneurane
Im ZNS werden die ein treffenden Informationen dann i. Allg. über viele Interneurane komplex verarbeitet, deren zugehörige Nervenfasern z. T. in Form von Tractus (s.o.) weite Strecken innerhalb des ZNS zurücklegen. Man benennt die Tractus nach ihrem Ursprungs- und Zielort, wobei zuerst der Wortteil für den Ursprung in den Namen eingeht (Bsp.: Tractus spinothalamicus; Ursprung: Rückenmark, Zielort: Thalamus). Als Ergebnis der Verarbeitung im ZNS werden meist Steuerbefehle für die Peripherie generiert. Efferenter Schenkel Efferente Neurone (lat. efferens = wegführend) leiten die Steuerkommandos des ZNS über ihre Axone (efferente Nervenfasern) zu den Effektororganen, wie z. B. den Skelettmuskeln oder der glatten Muskulatur der Eingeweide. Man bezeichnet sie daher auch als motorische Neurone. Gehören sie zum somatischen Nervensystem, werden sie als somataefferent (somatomotorisch) bezeichnet, gehören sie zum vegetativen Nervensystem, heißen sie viszeraefferent (viszeramotorisch).
t Primäre Sinneszellen, die nicht nur rezeptive Endigun-
gen/ Strukturen , sondern auch Axone (afferente Nervenfasern) besitzen, über die sie die Impulse zum ZNS weiterleiten. Zu ihnen gehören: - Neurone, deren Fortsätze frei im Gewebe enden (freierezeptive Nervenendigungen), wie z. B. Schmerzrezeptoren - Neurone, deren rezeptive Fortsatzendigungen mit Hüllstrukturen korpuskuläre Strukturen ausbilden (z. B. Meissner-Körperchen der Haut) - Geruchssinneszel len (bipolare Neurone) t Sekundäre Sinneszellen, die keine eigenen Axone besitzen, sondern ihre Impulse zur Weiterleitung auf Axone afferenter Neurone (afferente Nervenfasern) übertragen. Zu ihnen gehören die Haarzellen des Innenohrs sowie Geschmackszellen. Die Photorezeptoren der Retina besitzen Axone und sind damit im anatomischen Sinne primäre Sinneszellen. Da in diesen Axonen aber keine Aktionspotentiale (APs) gebildet werden, rechnet man sie in der Physiologie zu den sekundären Sinneszellen.
Rezeptoren Exterozeptoren
Vermitteln Informationen der Außenwelt; sie gehören zum somatasensiblen System (Exterozeptoren der Haut wie z. B. die Meissner-Körperchen) bzw. zu den speziell-sensiblen Systemen (Auge, Ohr, Zunge und Nase)
Propriozeptoren
Vermitteln Informationen des Bewegungsapparats (z. B. GolgiSehnenorgane) und gehören damit zum somatasensiblen System
Viszerale Rezeptoren
Affe rente Neurone (tat. afferens = zuführend) leiten die Sinneseindrücke aus den Rezeptoren über ihre Axone
Funktion
Vermitteln Informationen des inneren Milieus sowie der Eingeweide (z. B. Dehnungsrezeptoren im Magen) und gehören damit zum viszerasensiblen System
I Tab. 1: Gliederung der Rezeptoren nach ihrer Funktion.
Die Nervenzellen Die Nervenze lle (Neuron, Ganglienzelle) bildet den kleinsten funktionellen Grundbaustein des Nervensystems (I Abb. I ). jeder M ensch besitzt wohl bis zu I 0 12 Neurone, wobei jedes einzelne Neuron mit mindestens 1000 anderen Neuronen verbunden ist. Die besondere Eigenschaft aller Neurone ist die Fähigkeit, durch Reize der Umgebun g erregt zu werden, diese Erregungen zu verarbeiten und weiterzuleiten. Über Synapsen (s. S. 6) werden die Erregungen auf and ere Nervenzellen oder direkt auf das Erfolgsorgan wie Muskel- und Drüsenzellen übertragen.
ment): Iysosomale Residualkörper, die nicht abbaubare Substanzen enthal ten Beim Morbus Alzheimer kommt es zu Ablagerungen von Amyloid (Giykoproteinkomplexe) an den Gefäßen und im perivaskulären Raum sowie zur Ausbildung seniler Plaques (aus Amyloid und degenerierten Nervenzellfortsätzen bestehend) im Neuropil. Ferner lassen sich intrazelluläre .,Tangles" beobachten _ Dabei handelt es sich um Zytoskelettaggregate im Perikaryon, die u. a. aus atypischen, periodisch gedrehten Neurofilamenten bestehen.
Dendriten Aufbau der Nervenzelle Perikary on Die Perikarya (Zellkörper der Nervenzellen) sind in Form und Struktur sehr verschieden. Die größten Perikarya besitzen die Motoneuronen im Rückenmark mit einer Größe von 120 11m, während die in der Klein hirnrinde liegenden Körnerzellen nur 7 11m groß sind. Auffällig im Perikaryon ist der zentral liegende, blasse, recht große Zellkern, der einen deutlichen Nucleolus ( ~hohe Stoffwechselaktivität) besitzt. Das Perikaryon ist das Stoffwechselzentrum der ganzen Nervenzelle. Sein Zytoplasma besitzt daher zahlreiche Organellen, d. h. reichl ich gla ttes endoplasmatisches Retikulum , viele Mitochondrien sowie einen großen Golgi-Apparat. Außerdem weist das Zytoplasma folgende charakteristische Strukruren auf: ~ Nissi-Substanz: basophile Schollen, die aus Stapeln von rauem endoplasmatischem Retikulum sowie zahlreichen freien Ribosomen bestehen und der Synthese von Tran sport- und Strukturproteinen dienen. Nissi-Substanz ko mmt auch an den somanahen Bereiche n der Dendriten vor, nich t aber im Axonhüge l (Axoninitialsegment)! ~ Neurofibrillen: gebündelte Neurofil amente (lnterm ediärfilam ente); sie kommen auch in den Nervenze ll-
fo rtsätzen vor! ~ Lipofuszingranula (AJterspig-
Di e Dendriten empfangen Erregungen und leiten diese dem Perikaryon zu. Sie sind somit die afferenten bzw. rezeptiven Fortsätze der Nervenze llen. Das Zytoplasma der Dendriten gleicht dem des Peri karyons, d. h., sie besitzen wie dieses Organellen und Elemente des Zytoskeletts (Mikrotubul i, Neuro· filameme) . Nissi-S ubstanz kommt aber nur in ihrem An fangsteil am Perikaryon vor. Im weiteren Verl auf verjüngen sich die Dendriten zunehmend und verzweige n sich wie ein Baum in zahlreich e Äste (griec/7. dend ran = Baum ). Häufig besitzen Dendriten an ihrer Oberfläche zahlreiche Fortsätze, die als Dornen (Spines) bezeichnet werden. An diesen Dorn en enden Axone anderer Neurone unter Ausbi ldung von Dorn-
synapsen.
Myelinscheide
I Abb . 1: Aufbaud r N rv nz II . Inach
21
Axon jedes Neuron besitzt nur ein Axon, über welches die Erregungen vorn P ri karyon weggel eitet werden. Das 1\xon stellt somit den efferenten Fortsat z der Nervenzellen dar. Im Gegensatz zu den Dendriten sind die Axone länger [bis zu I m und mehr! ) und weisen während ihres gesamten Verlaufs einen konstan ten Durchm esser auf. Im Zytoplasma des Axons (Axoplasma) findet sich kein raues endoplasmatisches Retikulum, jedoch Mitochondrien, glattes endopla smatisches Retikulum und eine gro ße Zahl an parallel angeordneten Neurofila menten und Mikrotubu li. Im Axoplasma werden laufend Substanzen in Ri chtung Peripherie (an terograd er Transport) oder in Richtung Perikaryon (retrograder Transport) transportie rt. Man unterscheidet den:
t Schnellen Transport (50 - 400 mm/ Tag): Die Mikrotubuli dienen diesem Transport als Lei tstrukturen . Man untergliedert ihn in: - Schnellen anterograden Transpo rt: Über diesen werden z. B. Vesikel mit Transmittern (Neu ropeptidtransmi tter) zu den Synapsen gebracht. Motor dieses Tran sports ist das mikrotubuliassoziierte Protei n Kinesin. - Schnellen retrograde n Transport: Über diesen werden abzubauende Produk te und Transmitter zum ., Recycling" in das Perikaryon transportiert. Motor
Grundbausteine des Ne r vensystems
di eses Transports ist das mikrotubuliassoziierte Protein Dynein. • Langsamen Transport (0,2- 5 mm/ Tag): Über den langsamen anterograden Transport werd en mikrotubuliunabhängig Bestandteile des Zytoskeletts und Enzyme transportiert Über diesen Transport ist noch nicht viel bekannt Ober den retrograden Transport gelangenauch bakterielle Toxine (z. B. Tetanustoxin) und Viren (die die Gürtelrose hervorrufenden Varicella-Zoster•Vlren) in das ZNS, wo sie ihre schädliche Wirkung entfalten.
4 15
Klassifikation der Nervenzellen
Nervenzellen werden nach Form und Anzahl ihrer Fortsätze klassifiziert (I Abb. 2). Man unterscheidet folgende Typen: • Bipolare Nervenzellen: Sie besitzen
ein Axon und einen Dendriten. ßsp.: Neurone im Ganglion spiralecochleae und Ganglion vestibulare, olfaktorische Neurone • Pseudounipolare Nervenzellen:
Sie besitzen am Anfang ihrer Entwicklu ng noch zwei Fortsätze, die sich allerdings perikaryonnah zu einem Fortsatz Jedes Axon besteht aus fol genden vereinigen. Dieser Stammfortsatz verI Abb. 2: Haupttypen von Neuronen. [nach 21 Abschnitten: zweigt sich nach nur kurzem Verlauf T-förmig, wobei ein Ast in die Peripherie • Ursprungskegel (Axonhügel): Hier (dendritisches Axon) und der andere -Golgi-Typ-1-Neurone: Neurone mit entspringt das Axon am Perikaryon; zum Rückenmark bzw. Gehirn (Axon langen Axonen (bis 1 m und länger), durch fehlende Nissl-Substanz erscheint sui generis) ziehen. Die Erregung läuft die als ProjektionsneuroDe weit vondieses kegelförmige Areal auffallend dabei vom dendritischen Axon - ohne einander entfernte Areale innerhalb helL Passage des Perikaryons - direkt im des ZNS, aber auch zwischen PNS und • Initialsegment: Als kennzeichnendes zentralen Fortsatz weiter. Nervenzellen ZNS miteinander verbinden. Bsp.: Merkmal besitzt dieser Abschnitt zahldieser Art finden sich in den Spinal- und Motoneuronen im Rückenmark, Pyrareiche Bündel von Mikrotubuli. Er sensiblen Hirnnervenganglien sowie midenzellen der Großhirnrinde schließt sich dem Ursprungskegel an im NcL mesencephalicus n_ trigemini. - Golgi-Typ-11-Neurone: Neurone mit und besitzt wie dieser eine große AnAnders als die Dendriten anderer kurzen Axonen, die als Interneurane zahl an Na+-Kanälen. Daher können Neurone weist das dendritische Axon Areale innerhalb des ZNS miteinander in diese n leicht erregbaren Gebieten (afferenter Schenkel) der pseudounipoverbinden. Bsp.: Sternzellen der Kleindie APs (s. Lehrbücher der Physiologie) laren Nervenzellen eine Myelinisierung und Großhirnrinde gebildet werden. (s. S. 16) auf. • Hauptverlaufsstreck e: Im Anschluss t Multipolare Nervenzellen: Sie Besondere multipolare Nervenzellen an das Initialsegment wird das Axon stellen den häufigsten Neuronentyp sind die Körnerzellen des Bulbus olfacvon Gliazellen umhüllt Ein Axon mit (Bsp.: Motoneuronen; Pyramidenzellen) torius und die amakrinen Zellen der Gliazellumhüllung wird als Nervenfaser dar und besitzen neben einem Axon Netzhaut. Diese besitzen zwar viele (s. S. 16) bezeichnet. Je nach Art der zahlreiche Dendriten. Die multipolaren Dendriten, aber kein Axon (anaxoUmhüllung unterscheidet man dabei Neuronewerden weiter untergliedert: nische Nervenzellen) . marklose und markreiche Nervenfase rn . In der Hauptverlaufsstrecke können vom Axon rechtwinklige AbZusammenfassung zweigungen (Kollateralen) abgehen, • Die Nervenzellen bestehen jeweils aus einem Zellkörper (Perikaryon), die das gleic he Ziel wie das Axon erreichen können, aber auch zu weiter zahlreichen Dendriten und einem Axon: entfernten Nervenzellen ziehen oder - Perikaryon: hochaktives Stoffwechselzentrum der Zelle(~ zahlreiche ga r rückläufig an das eigene PerikaOrganellen) ryon herantreten. - Dendriten: rezeptive (afferente) Fortsätze, die über dornenähnliche • Endaufzweigungen: Am Ende verzweigen sich die Axone baumartig Fortsätze mit anderen Nervenzellen in Kontakt treten und Erregungen (Telodendron ). Die Verzweigungen bedem Perikaryon zuleiten sitze n dabei an der Kontaktstelle mit - Axon: leitet Erregungen vom Perikaryon weg; außerdem erfolgt im Axon den Zielstru kturen (Muskel, Drüsen etc. ) Verdickun gen, die als syn aptisc he ein Transport von Stoffen anterograd zu den Endverzweigungen und Endknöpfc hen oder Boutons bezeichnet retrograd zum Perikaryon werden.
Die Synapsen damit zu einer Potentialänderung der Als Synapsen (griech. synapsis = Verpostsynaptischen Mem bran. Diese kann knüpfung) bezeichnet man die Kontaktein bzw. mehrere APs am wiederum stellen zwischen Nervenzellen und hen Neurons postsynaptisc des Axon deren Zielzellen (z. B. andere Nervenbei der Poten sich es Handelt . auslösen zellen, Muskel- und Drüsenze llen) . Depolarisation eine um tialänderung Über sie werden Erregungen von einer (durch Na·-Ei nstrom in die Postsynapse Zelle auf die nächste übertragen, wobei hervorgerufen), wird die Auslösung man nach Art der Erregungsübertragung APs wahrscheinlicher, und man eines Bei zwei Formen unterscheiden kann. von einer erregenden ode r spricht den elektrischen Synapsen erfolgt die en Synapse. Handelt es exzitatorisch 5 Signalübertragung durch Gap junctions, sation (durch Hyperpolari eine um sich die als Proteinkanäle benachbarte Zellen I Abb. 1: Chemische Synapse; 1 - Bouton, 2 = verurEinstrom Cl-oder M embran , 3 = synap1ische Vesikel, •-Ausstrom K präsynaptische miteinander verbinden. Man findet 4 = syn aptischer Spalt, 5 = post synapti sc he APs eines Auslösung die wird sacht), sie v. a. außerhalb des Nervensystems Membran, 6 = lösliche Proteine enthalt ende sekrespricht man und licher, unwahrschein (z. B. an den Herzmuskelze llen) und tori sc he Granula, 7 = Mitocho ndri en, 8 = Neu rovon einer hemmend en oder inhibitotubu li, 9 = gesamtes Neuron. [nach 21 nur selten zwischen Neuronen (z. B. rischen Synapse. Gray- I-Synapsen sind zwischen Horizontalzellen der Retina, übrigens erregende, Gray- li-Synapsen im Bulbus olfactorius). Im Folgenden hemmende Synapsen. Um eine DauerEinstrom von Kalziumionen. Diese bewerden die beim Menschen am häuzu vermeiden, wird der Transittern wirkung Neurotransm mit die dass wirken, die figsten vorkommenden Synapsen, geta ner Arbeit entweder nach Bläsmitter (synaptische Vesikel gefüllten chemischen Synapsen, besprochen. chen) in den Boutons mit der präsynap- enzymatisch abgebaut (z. B. Acetylcholin), von Gliazellen aufgenommen oder tischen Membran verschmelzen. Dabei Die chemische Synapse wieder in den Bouton transportiert und werden die Transmitter aus den Vesiin Vesikel verpackt. keln in den synaptischen Spalt freigeEine chemische Synapse (I Abb. 1) postsynapzur setzt. Sie gelangen nun besteht aus der präsynaptischen Memtischen Membran und binden dort an Transmitte r und bran, dem synaptischen Spalt und der Rezeptoren {ligandengesteuerte Ionenpostsynaptischen Membran. Die präNeuronenverbände kanäle oder G·Protein-gekoppelte Resynaptische Membran wird von der zeptoren). Durch diese Bindung kommt Im Nervensystem existiert eine große Plasmamembran des Axonendes gebilAnzahl von Transmittern (I Tab. I). es zur Öffnung von Ionenka nälen und det, welchesamEnde kolbenartige Verdickungen, sog. Boutons, ausbildet. Die Boutons treten sehr dicht an die von der Plasmamembran der Zielzelle Vorkommen (Beispiele) Wirkung Transmitter gebildete postsynaptische Membran ZNS, vegetatives Nervensystem, motorische Endplatten Meist exzitatori sch Acetylcholin heran, so dass zwischen beiden MemBiogene Amine branen ein nur 20 - 30 nm breiter synV. a. Groß- und Kleinhirn; Rü ckenmark, Zwischenhirn und Auge lnhibitorisch GABA aptischer Spalt entsteht. Prä- und postHypothalamus, Bulbus olfac torius, Substantia nigra lnhibitorisch Dopamin synaptische Membranen scheinen unter Raphekerne im Hirn stamm lnhibitorisch Serotonin dem Elektronenmikroskop aufgrund Hirnstamm (z. 8. Locus caeruleus), 2. Neuron des Sympathikus Teils inhibitorisch, Noradrenalin ihrer Fülle an Proteinen verdichtet. je teils exzi tat orisch nach Aussehen dieser VerdichtungszoHypothalamus (Ncl. tuberomammillaris) Teils inhibitorisch, Histamin nen unterscheidet man sog. Gray-I- und teils exzitatorisch Gray-li-Synapsen. Bei Gray-I-Synapsen Am inosäu re n (asymmetrische Synapsen) ist die postHirnstamm, Rü ckenmark, Auge lnhibitorisch Glycin synaptische Membran stärker verdickt Ubiquitär Exzitatorisch Glutamat als die präsynaptische. Bei Gray-li-SynNeuropeptide apsen (symmetrische Synapsen) si nd Ko transml tt er im Großhirn (Z. B. Strlatum), Rückenmark, Exzitatorisch P Substanz post- und präsynaptische Membranen Hirnstamm und Zwlsch n111rn etwa gleich dick. Bulbus olfactorlus Endogene Opiate (Enkephalin, Endorphin)
Erregungsübertragung an der chemischen Synapse
Erreich t ein elektrisches Signal, d. h. ein AP, den Bouton, kommt es dort zum
V. a. Rückenmark; Hypothalamus,
Gasförmige Transmitter
Stickoxid,
ZNS (NO im Corcb llurn , CO Im Hippocampus),
Kohlenmonoxid
I
Tab. 1: Einige wichtige Transmltt r und Ihr Vork ommen.
Grundbausteine des Nervensystems
Der häufigste erregende Transmitter im ZNS ist Glutamat, der häufigste hemmende Transmitter GABA (y-Aminobuttersäure). Beachte: Ob ein Transmitter exzitatorisch oder inhibitorisch wirkt, hängt nicht von ihm ab, sondern davon, an welchen Rezeptor er bindet. Da jedoch viele Transmittersubstanzen an jeweils einen spezifischen Rezeptor binden, der wiederum eine definierte Wirkung (Hyper- oder Depolarisation) auslöst, spricht man dennoch von exzitatorischen und inhibitorischen Transmittern. Neurone können meist nicht nur einen, sondern mehrere Transmitter bilden. Setzen sie den "Haupttransmitter" zusammen mit einem weiteren frei, bezeichnet man den zweiten Transmitter, der häufig ein Neuropeptid ist, als Kotransmitter. Er verstärkt die synaptische Übertragung und wirkt meist länger als der Haupttransmitter. Eine Gruppe von Neuronen, die den gleichen Transmitter verwenden und mit ihren Axonen oft geschlossene Faserbündel ausbilden, bezeichnet man als Neuronensystem. Bsp.: Locus caeruleus im Hirnstamm aus noradrenergen Neuronen, Pars compacta der Substantia nigra aus dopaminergen Neuronen.
t Neuromuskuläre Synapsen zwischen Axon und quergestreifter Muskulatur (motorische Endplatte) t Neuroglanduläre Synapsen zwischen Axon und Drüsenzellen t Synapsen adistance en passant; treten bei Axonen vegetativer Neurone auf; in seinem Verlauf bildet das Axon immer wieder Verdickungen (Varikositäten) aus, die v. a. mit glatter Muskulatur in Kontakt treten. Der synaptische Spalt ist stark erweitert (a distance).
617
Synaptische Verschaltung
Über Synapsen werden Neurone komplex miteinander verschaltet. Meist wird dabei ein Neuron von vielen anderen erreicht, d. h., die Signale konvergieren in diesem Neuron (Signalkonvergenz), wobei eben dieses Neuron wiederum selbst eine Vielzahl von Neuronen kontaktieren kann (Signaldivergenz). Damit es nicht zur "Reizüberflutung" kommt, sind hemmende Neurone in das Nervennetz eingeschaltet, durch die die Signale ggf. unterdrückt werden. Man unterscheidet folgende Formen neuronaler Hemmung: t Vorwärtshemmung (I Abb. 2) t Rückwärtshemmung t Disinhibition: Ein Neuron hemmt ein nachgeschaltetes hemmendes Neuron, so dass es durch Hemmung der Hemmung indirekt zur Erregung kommt.
Vorwärtshemmung
Rückwärtshemmung
Startneuron
Startneuron
I Abb. 2: a) Startneuron ( 1) aktiviert über Axonkollateralen ein hemmendes Interneuron (2; z. B. Renshaw-Zelle), das das Startneuron selbst rückläufig hemmt (Rückwärtshemmung);
inhibitorisches Neuron
a
b
b) Startneuron ( 1) aktiviert ein inhibitorisches Neuron (4), das die Signalweiterleitung in der Neuronenkette verhindert, so dass ein von 2 kommendes AP kein AP in 3 bewirkt (Vorwärtshemmung). [3]
Einteilung der Synapsen
nach ihrer Lokalisation
Zusammenfassung
Nach Lokalisation der Synapsen und den an ihrem Aufbau beteiligten Zellen unterscheidet man:
• Synapsen sind der Erregungsübertragung dienende Kontaktstellen zwi-
t Interneuronale Synapsen zwischen
• ln chemischen Synapsen werden Erregungen durch chemische Substanzen
Neuronen: - Axodendritische Synapsen zwischen Axon und Dendrit - Axosomatische Synapsen zwischen Axon und Perikaryon - Axoaxonale Synapsen zwischen zwei Axonen
(Transmitter) über folgenden Weg vermittelt: ankommendes AP am Axon-
schen Neuronen und deren Zielzellen (andere Nervenzellen, Muskel- und Drüsenzellen).
ende
~
Freisetzung der Transmitter aus den Vesikeln der Präsynapse in
den synaptischen Membran
~
Spalt~
Bindung an Rezeptoren der postsynaptischen
postsynaptische Depolarisation/Hyperpolarisation ~ evtl.
Entstehung einer AP1AP-Salve am Axon des postsynaptischen Neurons.
Die Gliazellen Das Nervengewebe besteht neben den Nervenzellen aus Gliazellen. Diese kommen in zehnmal höherer Anzahl vor als die Nervenzellen und sind für die Funktion sowohl des PN S als auch des ZNS unverzichtbar. Man unterschei· det die Gliazellen des ZNS (I Abb. l ) von denen des PNS (periphere Glia). Die zentrale Glia geht- abgesehen von den Mikrogliazellen, welche wohl mesodermalen Ursprungs sind - aus dem Neuralrohr hervor. Die peripheren Gliazellen entwickeln sich aus der Neuralleiste.
Zentrale Glia Astrozyten Die Astrozyten sind die größten und am häufigsten vorkommenden Gliazellen des ZNS ("Makroglia"). Sie weisen eine große Anzahl sternförmiger Fortsätze auf, die auch zur Namensgebung der Zellen geführt haben (griech. aster = Stern). Die Astrozyten sind untereinander über Nexus verbunden, treten aber auch an Kapillaren und Nervenzellen heran. Aufgrund der Form ihrer Fortsätze unterscheidet man zwei Arten von Astrozyten: die protoplasmatischen und die fibrillären Astrozyten. Die protoplasmatischen Astrozyten befinden sich vorwiegend in der grauen Substanz und haben stärker verzweigte, dickere und kürzere Fortsätze als die fibrillären Astrozyten. Die fibrillären Astrozyten kommen v. a. in der weißen Substanz vor und haben lange, schmale Fortsätze (I Abb. 2). Außerdem besitzen sie deutlich mehr Gliafilamente als die proto·
fi bri llärer Astrozyt
plasmatischen Astrozyten. Bei den Gliafilamenten der Astrozyten handelt es sich um Bünd el von speziellen intermediären Filamenten, welche aus dem sauren Gliafibrillenprotein (GFAP = Gliafibrillar acidic protein ) aufgebau t sind. GFAP-positive Zellen kommen übrigens auch im enterischen Nerve nsystem vor. Im Zytoplasma der Astrozyten finden sich charakteri stisch er· weise Glykogengranula. ln der Tumordiagnostik kann man durch immunhistochemischen Nachweis der zellspezifischen Intermediärfilamente (z. 8. Desmin in Muskelzellen, Zytokeratinein Epithelzellen) die Art des Tumors (z. 8. epithelialer oder muskutarer Tumor) bestimmen. Durch Nachweis von GFAP kann ein Hlmtumor so als Tumor astrozytlren Ursprungs identifiziert werden. Die häufigsten Tumoren des ZNS sind Obrlgens Aatrozytome, d. h. Tumoren, die von Astrozyten ausgehen.
Funktionen "Helfer" der Nervenzellen: lt K+-Homöostase des ZNS: Die Astrozyten nehmen die von den Nervenzellen bei APs freigesetzten K'-Ionen auf. Sie verhindern so einen Anstieg der in terstitiellen K+·Kon zentration, welche zu unerwünschter Depolarisation der Nervenzellen führen würde. lt Synapsenabschirmu ng, Transmitterrecycling, Stoffwechselfunktio nen für Neurone: Die Astrozytenfort· sätzeschirmen die Synapsen von der Umgebung ab, so dass die Transmitter nur in den synap tischen Spalt gelangen und nicht unkontrolliert an anderen
Stellen ihre Wirkun g entfa lten. Außer dem beenden sie Transmittersignale, indem sie Transmitter aufnehmen, verstoffwechseln und die inaktiven Produkte an die Nervenzellen zu rü ckgeben, we lche daraus erneut Transmitter synthetisieren. Darüber hinaus sind sie am Stoffwechse laustausch zwischen Gehirn und Blu t beteiligt. 1t Sekretion neurotrapher Faktoren Wie ~ e urotrophin für Differenzierung und Uberleben der Neurone Bildung der Glia limitans und lndUk:_. tion der Blut-Hirn-Schranken -Eigenschaften des Kapillarendothels : Die Fortsätze von Astrozyten bilden die oberflächliche Abgrenzung des Neuropilsgegen über dem Subarachnoida lraum als Glia limitans superficialis und gegenüber den intraparenchymalen Gefä ßen als Gl ia limi tans perivascu lari s. Da Kapillaren keine Tuni ca media besitzen, treten die Astrozytenfüße hier nur durch eine Basalmembran ge trennt an die Endothelien heran. Diese enge Beziehung ist für die Induktion der Tight junctions notwendig, welche die hohe Abdichtung und damit die wichti ge Blut-Hi rn -Schranken-Eigenschaft des Kapillarendothels bewirken. Fasergliose: Astrozyten haben im ZNS - ähnlich wie Bind egewebszellen im restlich en Körper - eine stü tzende stru kturgebende Funklion. Bei Schädigungen des Nervengewebes des ZNS (z. B. durch Hirninfarkte, Entzündungen) proli ferieren sie und ersetzen das zugrunde gegangene ewebe, wodurch Glianarben entstehen. Embryonalentwicklung: Während
proloplasmati scher Astrozyt Oligodendrozyten
Mikrogliazelle
I Abi) . 1: Gllaz II n Teile des Gyrus preund postcentralis (untere Extremität), frontales Blasenzentrum, präfrontaler Kortex (Persönlichkeit, Gedächtnis) • Vordere '/ 5 des Balkens • Hypothalamus, Commissura anterior, Lamina terminalis • Grus anterius der Capsula anterior und Caput nuclei caudati (durch die A. recurrens, Heubner-Arterie)
A. cerebri media
• Laterale (äußere ) Hemisphärenfläche mit Teilen der Lobi frontalis , parietalis, temporal is, occipitalis und insularis --> Teile des Gyrus pre- und postcentralis (Rumpf, obere Extremität, Kopf), Broca- und Wernicke-Zentrumsowie Gyrus angularis • Großteil der Capsula interna, Capsula externa, Claustrum • Globus pallidus, Striatum
A. cerebri posterior
I
t t t t
Basaler Teil des Lobus temporalis, Lobus occipitalis (--> Sehrinde) Hinteres '/ 5 des Balkens Thalamus Mittelhirn (Vierhügelplatte, Pedunculi cerebri)
Tab. 1: Verso rgungsgebiete der drei großen zerebralen Arterien.
Arterien des Rückenmarks Die arterielle Versorgung des Rückenmarks erfolgt durch die beiden Aa. spinales posteriores, di e im Sulcus posterolateralis verlaufen, und die unpaarige A. spinalis anterior, die vor der Fissura longitudinalis anterior des Rückenmarks verläuft. Die Aa. spinales posteriores versorgen die dorsalen (Hinterstränge, Hinterwurzeln, z. T. die Hinterhörner), die A. spinalis anterior die vorderen Rückenmarksanteile (Pyrami-
cerebri
[21
Zusammenfassung
ac Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt durch die paarigen Aa. carotides internae und vertebrales.
ac Die drei großen, jeweils paarigen Zerebralarterien (Aa. cerebri anterior, media und posterior) sind über Aa. communicantes zu einem Ring, dem Circulus arteriosus cerebri (Willisii), verbunden.
ac Das Rückenmark wird über drei an ihm entlang verlaufende Gefäße, A. spinalis anterior und Aa. spinales posteriores, mit Blut versorgt.
Mikrozirkulation und Venen Mikrozirkulation
Die Endothelzellen der Kapillaren des ZNS sind durch besonders dichte Tight junctions miteinander verbunden, die einen Stoffaustausch durch die Interzellularspalten verhindern. Dadurch besteht eine Barriere zwischen Blut und Nervengewebe, die BlutHirn-Schranke (I Abb. 3, S_ 61), welche das ZNS vor Schadstoffen und Stoffwechselschwankungen im Gesamtsystem schützt. Im Bereich der Kapillaren besteht sie aus dem Kapillarendothel und der dahinter liegenden Basalmembran. Die Astrozyten, die mi t ihren Fortsätzen um die Kapillaren herum die Membrana limitans gliae perivascularis bilden, induzieren und erhalten die Blut-Hirn-Schranken-Eigenschaften des Kapillarendothels. Um trotzdieser Barriere die Versorgung des Hirngewebes zu gewährleisten, können Substanzen per Diffusion oder durch selektive Transporter die Endothelzellen passieren. Über den Diffusionsweg gelangen nur lipidlösliche, nichtpolare Substanzen (z. B. 0 2 und C02 ) zum Hirngewebe, nicht aber polare Stoffe und Ionen. Diese (z. B. Glukose, Aminosäuren oder Peptidhormone wie Insulin) müssen über spezielle Transportproteine in den Liquorraum bzw. das Hirnparenchym
Sinus sagittalis superior (unpaarig)
gelangen . Carrierproteine stehen u. a. für Glukose, Eisenionen, einige Aminosä uren und Peptidhormone wie Insulin bereit. Die Blut-Hirn-Schranke kann in ihrer Funktion durch Traumen, Entzündungen oder Perfusionsstörungen geschädigt werden, so dass Blutplasma in das Hirngewebe übertritt. Es entsteht ein Hirnödem, infolge dessen das intrakraniale Volumen und - durch fehlende Dehnbarkeit des knöchernen Schädels - der intrakraniale Druck steigen. Dadurch wird das Hirngewebe komprimiert und verschoben (Einklemmungsrisiko!); eine lebensbedrohliche Situation tritt ein.
Venen des Gehirns
Die klappenlosen Venen des Gehirns werden in oberflächliche und tiefe Venen gegliedert, welche untereinander durch zahlreiche Anastomose n verbunden sind. Vv. Superficiales cerebri
Die oberflächlichen Venen liegen im Subarachnoidalraum , sammeln das Blut der äußeren Gebiete des Großhirns (Kortex und Mark) und münden in Form von Brückenvenen in die Sinus durae matris (s. u. ). Man unterscheidet fo lgende Venen:
t Vv. superiores cerebri: sammeln das Blut aus Frontal- und Parietallappen und leiten es dem Sinus sagittalis superior zu t Vv. inferiores cerebri: sammeln das Blut aus Temporal- und basalem Okzipitallappen und münden v. a. in den Sinus transversus t V. media superficialis cerebri: sammelt das Blut im Bereich des Sulcus lateralis und mündet in den Sinus sphenoparietalis Vv. profundae cerebri
Die Vv. profundae cerebri sammeln das Blut des Zwischenhirns, der basalen Hemisphärenanteile und des tiefen Marklagers und entleeren es über die V. magna cerebri in die Sinus. t V. magna cerebri (Galeni): Diese
kurze unpaarige Vene entsteht aus dem Zusammenfluss der Vv. intern ae cerebri und de r Vv. basal es und zieht um das Splenium corporis callosi nach oben , wo sie in den Sinus rectus mündet. t V. basalis (Rosenthali): Diese paarige Vene entsteht im Bereich der Substantia perforata anterior aus der Vereinigung der V. anterior cerebri (führt Blut aus dem Balken und angrenzenden Arealen) und V. media profunda
Verlauf
Zuflüsse von
Abfluss in
Unter dem Schädeldach an der An sa tzstell e der
Vv. superi ores cerebri
Confluens sinuum
Kleinen Venen aus Falx, Balken und
Sinus rectus
Falx cerebri von der Crista ga lli aus nach dorsal Sinus sagittalis inferior (unpaarig)
Am unteren Rand der Falx cerebri
Gyru s cinguli An der Anheftungstelle des Tentorium cerebelli
t V. magna cerebri
an der Fa lx cerebri
• Sinus sagittal is infe rior
Sinus occipitalis (unpaarig)
An der Anheftungsstelle der Falx cerebell i
Confluens sinuum
Sinus margina lis
Sinus m arginali s (paarig)
Um das Foramen magnum
• Sinu s occipita lis
t Bulbu ssuperior v. jugularis internae
• Plexus basi laris
t Plexus venosus vertebral is internus
Sinu s sagitta/i s superior, rectus,
Sinus tran sversus
Sinus rectus (unpaarig)
Confluens sinuum (unpaarig)
Im Bereich der Pro tuberan tia occipitalis Interna
Confluens sinuum
occipita lis, die sich hier vereinigen Sinus transvers us (paarig)
Sinus sigmoideus (paarig)
An der Anheftungsstell e des Tentorium cerebelli;
t Vv. inferiores cerebr i
geht aus dem Confluens sinuum hervor
• Confluens sinuum
S-förmig hinter der Felsenbeinpyramide zum
Sinus tran sversus
Sinus sigmoideu s
Bulbus Superior v. jugularis internae
Foramen jugulare; setzt den Sinus transversus fort Sinus pet rosus superior (paarig)
Entlang der oberen Felse nbei nkante
Si nus cavernosus
Sinus sigmoideus
Sinus pet rosus inferior (paarig)
Entlang der unteren Felsenbeinkante
Sinus cavernosus
Bu lbussuperior v. jugularis internae
Sinus sphenoparietali s (paa rig)
Ent lang der Ala minor
V. media superficialis cereb ri
Sinus caverno sus
Plexus bas iiaris (unpaarig)
Auf dem Ciivus
Verbind et den Sinus cavernosus mit den Sinus margin ales
1 Tab.
1: Venöse Blutleiter (Sinus) d es Gehirns. Sinus cavernosus nicht aufgefüh rt.
Blutversorgung des zentralen Nervensystems
Sinus sag tttalis superrar Sinus sagiltalis inferior I
Stnus intercavernosi
!
A. carotis interna,
Pars cavernosa N. trochlearis [IV] --.k~ N. abducens [VI] - - -a N. ophthalmicus [V/1
Falx cerebri
Dura mater cranialis N. maxillaris [V/2] -
Hypophyse Sella turcica. Fossa hypophysialis
-;::j'(;l1f_,
Sinus sphenoidalis
Septum sinuum sphenotdalium
I
Abb. 2:
I I I I
I I \ cavernosus 1 1
sinuum Sinus occipitalis
Sinus cavernosus. [nach 6]
superior und dem Sinus sphenoparietalis. Die V. ophthalmica superior anastomosiert mit der V. angularis aus der V. facialis. Das Blut fließt über die Sinus petrosi und den Plexus basilaris ab.
Sinus marg inalis
Sinus petrosus tn fenorl supenor
I
I 93
I : Sinus transversus
\_...,.-::;;::::::::::t:~:- 1
Sinus sphenopari etalis
92
Abb. 1: Sinus durae matris. [I]
cerebri (führt Blut aus der Inselregion und den Basalgan-
glien). Sie nimmt u. a. noch Äste aus Hypothalamus, Subthalamus und Mesencephalon auf und bildet analog zum Circulus arteriosus cerebri einen venösen Ring. t V. interna cerebri: Sie verläuft zwischen Fornix und Thalamus nach dorsal und nimmt folgende Äste auf: -V. choroidea superiormit Blut aus Plexus choroideus ' Balken, Fornix und Hippocampus - V. septi pellucidi mit Blut aus Septum pellucidum und tiefem frontalem Marklager -V. thalamostriata superiormit Blut aus Ne!. caudatus, Septum pellucidum und Lobi parietalis und frontalis t Vv. superiores et inferiores cerebelli für die venöse Drainage des Kleinhirns Sinus durae matris
Die Sinus durae matris (I Abb. 1, I Tab. 1) sind große venöse Blutleiter zwischen äußerem und innerem Durablatt, die das gesamte venöse Blut des Gehirns sammeln und in die V. jugularis interna leiten. Über Vv. emissariae sind die Sinus mit Vv. diploicae (im Schädelknochen) und Kopfhautvenen verbunden, wodurch ein Überdruck in den Sinus verhindert werden kann.
Eine Sinusvenenthrombose (Blutgerinnsel in den Sinus durae matris) ist die häufigste Abflussstörung im venösen Bereich des Gehirns und führt u. a. zu Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen. Sie kann aseptisch durch verlangsamten Blutfluss und/oder gesteigerte Gerinnungsfähigkeit des Bluts (Schwangerschaft, Tumoren, Protein-G-Mangel etc.) oder septisch durch fortgeleitete Infektionen aus der Umgebung entstehen. Eine septische Thrombose im Sinus cavernosus kann durch Erreger verursacht werden, die z. B. aus Furunkeln des Gesichts über den Blutweg (V. facialis ~ V. ophthalmica superior ~ Sinus cavernosus) in den Sinus cavernosus gelangen oder von den Nasennebenhöhlen aus (bei Sinusitis) in den Sinus durchbrechen.
Venen des Rückenmarks
Das venöse Blut aus dem Rückenmark fließt über Vv. radiculares zu den Plexus venosi vertebrales interni des Epiduralraums. Diese stehen sowohl mit Plexus venosi vertebrales externi vor und hinter der Wirbelsäule als auch mit den Sinus durae matris sowie über die Vv. intervertebrales mit den segmentalen Venen in Verbindung. Das venöse Netz setzt sich nach kranial bis in den Bereich von Pons und Medulla oblongata fort!
Zusammenfassung • Oie
Sinus cavernosus Der paarige Sinus cavernosus (I Abb. 2) liegt lateral der Sella turcica. Beide Sinus cavernosi sind durch kürzere Sinus (Sinus intercavernosi anterior et posterior) miteinander verbunden, so dass die Hypophyse in der Sella turcica von einem ringförmigen Venengeflecht umgeben ist. Im Sinus cavernosus verlaufen A. carotis interna (Pars cavernosa), N. abducens (VI) sowie in seiner lateralen Wand Nn. oculomotorius (III ), trochlearis (!V), ophthalmicus (V 1) und maxillaris (V 2 ). Der Sinus cavernosus erhält seine Zuflüsse v. a. aus der V. ophthalmica
Bl~:~t-Hirn-Schranke
wird vsn Kapillarendothel-
zellen und Astroglia gebildet und ist eine Barriere zwischen Blut und Hirngewebe, welche den Übertritt hydrophiler, polarer Substanzen verhindert. • Oas Gehirn wird von oberflächlichen und tiefen Venen drainiert: Die oberflächlichen fließen alle in die Sinus durae matris (venöse Sammelleiter), die tiefen alle in die V. magna cerebri ab.
Meningen und äußerer Liquorraum Gehirn und Rückenmark sind von Hirn- bzw. Rückenmarkshäuten, den Meningen, umgeben (I Abb. I). Diese setzen sich aus Dura mater, Arachnoidea mater und Pia mater zusammen. Dura mater cranialis
Die Dura materdes Gehirns besteht aus straffem, kollagenfaserigem Bindegewebe und kann in zwei Blätter, das äußere periostale Blatt und das innere meningeale Blatt, gegliedert werden. Das periostaJe Blatt der Dura ist mit dem Periost des Schädelknochens zu einem Blatt verwachsen, wobei sich die Verbindung zwischen Periost Lind Dura im Laufe des Lebens mit Ausnahme weniger Stellen (z. B. Suturenbereich, Felsenbein, Foramen magnum) zu nehmend lockert Im periostalen Blatt der Dura verlaufen folgende Hirnhautarterien:
Sinus durae matris
t R. meningeus anterior aus der A ethmoidalis anterior t A meningea mediaaus der A. maxillaris t A. meningea posterior aus der A pharyngea ascendens
A~~~~~
Granulationes arachnoideae
•~fiiiiiii~~~ ~-- Arachnoidea mater Duramater äußeres Blatt
Duramater inneres Blatt
Bei Verletzungen der Meningealgefäße nach einem Schädeltrauma kommt es zu Epiduralblutungen, die die Dura vom Schädelknochen ablösen. Der Hirndruck nimmt dadurch lebensgefährlich zu! Die Schädelkalotte muss eröffnet und das Hämatom ausgeräumt werden. Da die Dura sich vom Periost lösen muss, kann der Beginn der Symptomatik dem traumatischen Ereignis deutlich hinterherhinken.
Das meningeale Blatt ist zur Arachnoidea gerichtet und weniger zellreich als das periostale. An einigen Stellen sind die beiden Durablätter nicht miteinander verwachsen: Während das äußere Blatt am Schädel haftet, reicht das innere in die Schädelhöhle hinein. Dadurch entstehen folgende Strukturen: t Die zwischen den beiden Blättern liegenden Sinus durae matris, welche das venöse Blut des Gehirns abtransportieren t Durch das innere Blatt der Dura hervorgerufene Septen, die das Gehirn unterteilen: -Die Falx cerebri (Hirnsichel) liegt zwischen den beiden Hemisphären, ist vorn an der Crista galli, oben am Schädeldach und hinten an der Protuberantia occipitalis interna befestigt Nach hinten geht sie in das Tentorium cerebelli über. Am oberen Rand umfasst sie den Sinus sagittalis superior, am unteren Rand den Sinus sagittalis inferior und über dem Tentorium cerebelli den Sinus rectus. -Das Tentorium cerebelli (Kleinhirnzelt) legt sich über die hintere Schädelgrube und liegt damit zwischen Endund Kleinhirn. Es heftet sich an der Falx cerebri, an den Rändern des Sinus transversus, welchen es umfasst, und vorn an den Processus clinoidei an. Durch die Jncisura tentorii wird der Durchtritt des Hirnstamms gewährleistet
Pia mater
I Abb. 1: Ge hirn- und Rückenmarkshäute, schematische Darstellung.
-Die Falx cerebelli (Kleinhirnsichel) liegt als Fortsetzung der Falx cerebri zwischen den beiden Kleinhirnhemisphären. t Das zwischen den beiden Blättern liegende Cavum trigeminale, welches das Ganglion trigeminale umkleidet t Das aus dem inneren Durablatt bestehende Diaphragma sellae, das sich über die Fossa hypophysialis spannt und ein Loch für den Durchtritt des Hypophysenstiels frei lässt. Dura mater spinalis
Auch das Rückenmark weist eine Dura matermit zwei Blättern auf. Das äußere Blatt liegt dem Periost der Wirbelkörper an, ist aber nicht mit ihm verwachsen. Das innere Blatt bildet den Durasack, in dem das Rückenmark liegt. Es weist Ausstülpungen auf, die zusammen mit den anderen beiden Rückenmarkshäuten Spinalnervenwurzeln und Spinalganglien umfassen. Im Unterschied zum Gehirn sind die beiden Durablätter nicht miteinander verbunden, um die Bewegungen der Wirbelsäule zu ermöglichen. Zwischen den beiden Blättern befindet sich daher ein Raum: der mit Venen und Fettgewebe gefüllte Epiduralraum (Periduralraum) . Auf Höhe des 2. - 3. Sakralwirbels vereinigen sich beide Blätter wieder.
Hirn- und Rückenmarkshäute, Liquorräume
Man kann selektiv einzelne Spinalnerven betäuben, wenn man das Anästhetikum in den Epiduralra um (Periduralanästhesie) spritzt. Da dieser Fett statt Liquor enthält, verbreiten sich die Substanzen kaum in andere Rückenmarksegmente. Bei der Spinalanästhesie hingegen spritzt man das Medikament in den Subarachnoldalraum (Cisterna lumbalis), wo es mit dem Liquor gleich viele Nerven erreicht!
Arachnoidea mater
Subdurale Hämatome entstehen durch Abriss von Brü"ckenvenen (der Abschnitt der oberllächlichen Hirnvenen, welcher aus dem Subarachnoidalraum heraustritt, zwischen Arachnoidea und Dura verläuft und Letztere durchbricht, um in die Sinus zu münden), in dessen Folge sich die Dura von der Arachnoidea löst. Da es sich um venöse Blutungen handelt, verläuft der Druckanstieg langsamer. Sie treten im Alter spontan auf und verlaufen dann häufig chronisch, weil sie aufgrund ihrerwenig spezifischen Symptomatik (Müdigkeit, Kopfschmerzen) nicht erkannt werden.
Die Arachnoidea mater ist eine lockere bindegewebige Membran, die über eine Schicht fest miteinander verbundener Eine subarachnoidale Blutung wird meist Meningealzellen (modifizierte Fibrodurch Reißen eines Aneurysmas der basalen Hirnarterien (v. a. R. communicans blasten) mit dem inneren Blatt der Dura anterior des Circulus Willisii) verursacht. verzahnt ist Diese Schicht wird auch Da diese Arterien im Subarachnoidalals Neurothel bezeichnet und meist raum verlaufen, blutet es ungehindert in der Arachnoidea zugeordnet Durch die diesen Raum ein, so dass man im Liquor Blut findet. Neurothelbarriere werden die Gefäße der Dura vom Liquorraum getrennt (Blut-Liquor-Schranke)_ Im Gehirn bildet Pia mater die Arachnoidea mater im Bereich der Sinus durae matris Granulationes Die Pia materist eine durchsichtige arachnoideae (Pacchioni-Granulatiodünne Haut und liegt als innerstes Blatt nen), gefäßlose Zotten der Arachnoidea, der Oberfläche des Gehirns bzw. des die sich in die Sinus und sogar bis in die Rückenmarks auf. Sie bildet mit ihren Vv. diploicae des Schädelknochens vorzahlreichen Gefäßen die bindegewebige schieben. Im Rückenmark finden sich die Granulationen v. a. im Bereich der Spinalnervenwurzeln. Die Arachnoidea ist über zahlreiche Trabekel und Septen mit der Pia mater verbunden, die durch Subarachnoidalraum ihre Spinnengewebsform namensgeVentriculus tertius bend für die Arachnoidea sind. Im RüCisterna ckenmark sind die Trabekel spärlicher Cisterna chiasmatica basalis { Cisterna ausgebildet. Der Raum zwischen interpeduncularis Arachnoidea und Pia heißt Subarachnoidalraum. Er ist mit Liquor gefüllt und identisch mit dem äußeren LiquorCisterna pontocerebellaris raum. Im Rückenmark reicht der Subarachnoidalraum bis zum 2. SakralI Abb. 2: Liquorzirkulation. [nach 61 wirbel.
I
Zisterne
Inhalt/ Besonderheft
94 1 95
Grundlage für die Plexus choroidei (s. S. 96) im Gehirn und begleitet zudem Arterien und Arteriolen bis zu ihren Aufzweigungen in Kapillaren in das Gehirn (Piatrichter) hinein. Auffallend im Rückenmark sind die sog. Ligg. denticulata, laterale Septen, die von der Pia entspringen und sich an der Dura anheften. Dura mater und Pia materwerden von zahlreichen Nervenästen innerviert und sind daher sehr schmerzempfindlich! Die Innervation erlolgt weitgehend über Äste des N. trigeminus. Das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich! Kopfschmerz hat daher seine Ursache in den Meningen (Dehnung, Einwirkungvon Noxen etc.).
Äußerer Liquorraum
Da die Arachnoidea der Dura und damit der Form der Schädelkapsel folgt, die Pia mater aber sämtlichen auch nicht sichtbaren Einbuchtungen des Rückenmarks bzw. des Gehirns anliegt, ist der Subarachnoidalraum an vielen Stellen erweitert. Diese größeren, mit Liquor gefüllten Räume heißen Cisternae subarachnoideae (I Abb. 2). Wichtige Zisternen zeigt I Tabelle 1. Ventriculus lateralis Sinus sagittalis superior Plexus choroideus ventriculi lateralis Plexus choroideus ventriculi tertii V. magna cerebri Sinus rectus ~~~~-1"/l- Ventriculus quartus ..-~-r--
Confluens sinuum Plexus choroideus ventriculi quarti
Apertura mediana ventriculi quarti
Cisterna cerebellomedullaris
Ort der Liquorentnahme bei Subokzipitalpunktion, hier mündet die Apertura mediana des IV. Ventrikels (s. S. 96)
Cisterna pontocerebellaris
Beinhaltet u. a. denN. tri gerninus, hier münden die Ap erturae laterales des IV. Ventrikels
Cisterna interpeduncularis
N. oculomo torius
Cisterna ambiens
U.a. N. troch learis
Cisterna chi asma ti ca
U. a. N. op ti cus und Hypophysenstiel
Cisterna lumbali s
Liegt unterha lb des Conus rnedullaris des Rückenm ark s und ist der Ort der Liquorentnahme bei Lumbalpunktion (hier kann nämlich das Rückenmark nicht mehr versehentlich getroffen werden!) wie auch der Spinalanästhesie
Tab . 1: Zisternen.
Innerer liquorraum Der innere Liquorraum entwickelt sich aus dem Hohlraum des Neuralrohrs und besteht aus dem Ventrikelsystem des Gehirns und dem Zentralkanal im Rückenmark. Das Ventrikelsystem wiederum setzt sich aus den vier Kammern (Ventrikel) und dem Aqueductus mesencephali zusammen . Der innere Liquorraum ist von einschichtigen Ependymzellen mit Mikrovilli und Kinozilien ausgekleidet Der den inneren und äußeren Liquorraum füllende Liquor cerebrospinalis wird von den Plexus choroidei gebildet Ventrikel
mi, die ihn in der Adhesio interthalamica unterbrechen, und geht nach unten in den Aqueductus mesencephali über. Er besitzt in seinem Dach einen Plexus choroideus, der an der Taenia thalami befestigt ist und über das Foramen interventriculare (Foramen Monroi)
mit den beiden Plex us der Seitenventrikel in Verbindung steht. Außerdem fin den sich in diesem Ventrikel zahlreiche Recessus: Recessus pinealis und suprapinealis (am Abgang bzw. oberhalb des Corpus pineale), Recessus optic us (oberhalb des Chiasma opticum ) und Recess:;:l :: ~fundibu li (im Beginn des Hypophy~enstiEi s) .
Die Seitenventrikel
Die paarigen Seitenventrikel (linker, L, und rechter, IL Ventrikel) liegen im Telencephalon und weisen aufgrund der Hemisphärenrotation (s. S. 62) die Form zweier Widderhörner auf. Durch die Foramina interventricularia stehen die Seitenventrikel mit dem IIL Ventrikel in Verbindung. Jeder Seitenventrikel wird in ein Vorderhorn (Cornu anterius), einen Mittelteil (Pars centralis), ein Hinterhorn (Cornu posterius) und ein Unterhorn (Cornu inferius) gegliedert Der Plexus choroideus ventriculi lateralis ist an Fornix und Laminaaffixades Thalamus befestigt und reicht vom Boden der Pars centralis bis an das Dach des Cornu inferius. Vorder- und Hinterhorn besitzen keine Plexusanteile (I Abb. I, I Tab. I).
Der IV. Ventrikel
Der IV Ventrikelliegt zwischen Cerebellum und Pons im Rhombencepha· Ion. Er setzt sich nach oben in den Aqueductus mesencephali und nach unten in den Canalis centralis des Rückenmarks fort. Der Ventrikel besitzt als Besonderheit drei Öffnungen (Aperturae ), die in den äußeren Liquorraum münden. Die Apertura mediana (Foramen Magendii) mündet in die Cisterna cerebellomedullaris (s. S. 95); die beiden Aperturae laterales (Foramina Luschkae) befinden sich am Ende der paarigen Recessus laterales und münden in die Cisterna pontocerebellaris. Beide Plexus choroidei sind über die Tela choroidea ventriculi quarti am unteren Kleinhirnsegel befestigt und vereinigen sich im Bereich der Apertura Der 111. Ventrikel mediana. Freie Enden der Plexus könDer schmale III. Ventrikelliegt im Dien- nen durch die Aperturae laterales in den Subarachnoidalraum hineinreichen und cephalon zwischen den beiden ThalaAdhesio interthalamica
Commissura anterior
Ventricutus tertius Ventriculus lateralis . Pars centralis Recessus suprapinealis
Seitenventrikel
Ventriculus lateralis. Cornu occipitale
Liquor ist ei ne wasserklare Flüssigkeit, welche di e inneren und äußeren Liquorräume ausfüllt. Die Elektrolytwerte des Liquors entsprechen weitgehend denen des Bluts. Der Liquor enthält jedoch im Gegensatz zu Blul wenig Eiweiß und kaum Zellen (v. a. Leukozyten) . Größtenteils wird der Liquor von den Plexus choroidei sezerniert. Diese Auffal cun _ gen der Ventrikelwände kommen dadurch zustande, dass die Gefäße der Pia mater Konvolute bilden, die sich in die Ventrikel vorschieben. Mikroskopisch bestehen die Plexus aus zwei Schichten: t Tela choroidea: piales Bindegewebe
mit fenestrie rten Kapillaren t Plexusepithel: spezialisierte liquorproduzierende Ependymzellen, die über Tight junctions verbunden sind ln den Plexus choroidei ist das Kapillarblut durch eine Blut-Liquor-Schranke (s. s_ 61) vom Liquorraum getrennt Diese besteht aus dem fenestrierten Kapillarendothel, den Basalmembranen von Endothel und Plexusepithel und dem PlexusepitheL Für H20, 0 2 und C0 2 ist die Schranke gut, für Elektrolyte schlecht und für andere Moleküle praktisch nicht durchlässig. Das zi rkulierende Liquorvolumen wird immer wieder ausgeta uscht: So werden täglich bis zu 500 ml gebildet, wobei das gesamte Liquorvolum en in den äußeren und inneren Liquorräumen lediglich ca. ISO ml beträgt. Fissura longitudinalis
I
I
~
I
Ii
re
Ai = Adhesio interthalamica Ne = Nucleus caudatu s VI = V. lhalamostriala superi or
Recessus laterali s ventriculi quarti Apertura media na ve ntricu li quarti
Canalis centralis
Liquor
I
Recessus pinealis
Ventriculus laterali s. Cornu frontale
werden dann als Bochdalek-Biumenkörbchen sichtbar.
Vi
b
:=
V. intern a cerebri
I Abb. 1: Ventrike lsystem (a). Fronta lsc hnitt durch Seitenventrikel und 111. Ventrikel (b). [n ac l1 1 und 6]
Hirn- und Rückenmarkshäute, Liquorräume
Seitenventrikel Cornu anterlus Dach
Boden
Pars centralis
Trun cus corpori s cal losi
Ros trum corporis ca llosi, Ca put nuclei cau dati
Th alamus mi l Lamina
Cornu posterius
Cornu inferius
Ba lken- un d Sehstrah lung
Cauda nuc lei ca udati
Trigonum collaterale mit Eminentia collateralis
96 1 97
111. Ventrikel
IV. Ventrikel
Plexus choroi deus
Oberes und unteres
ven tricul i tertii
Klei nhirn segel
lnfundibulu m, Tuber
Raute ngrube
affixa, Stria term inalis,
cinereu m, Aqueduc tus
Corpus nuclei caudati
mesencep hali, Corpora mammillaria
Laterale
Ca put nuc lei ca udati
Corpus nuc lei ca udati
Ba lk en- und Sehstrah lung
Sept um pellucidu m
Septum pellucidum.
Ca lca r avis (wird durch
Hippocampus. Plexus
Fornix, Pl exus choroideus
den Sulcus ca lcarinus
choroideus
ventric uli lateralis
hervorgerufen)
Th alamus, Hypo thal amus
Wand Mediale
Kleinhirnstiele
Wand
Vordere
Obere und untere
Genu co rp oris ca llosi
Corn u anteriu s
Wand
Überga ng in Pars ce ntralis
Corpus amygdalo ideu m
Commissura anterior,
Übergang in Pars central is
Commissura poste rior,
und Corn u posteriu s
Epiphyse
und Cornu inferius
Hintere
Übergang in die
Übergang in
Wand
Pars centralis
Cornu posteriu s
Ok zipitalpo l
Lam ina temina li s
I Tab . 1: Begre nzungen der Ventrikel.
Funktionen des Liquors t Das "Liquorwasserkissen", in welches das ZNS eingebettet ist, schützt vor mechanischen Einwirkungen (Stöße etc.) . t Durch den umgebenden Liquor erfährt das ZNS einen Auftrieb, der zu einer 97 %igen Gewichtsreduktion (von ca. 1400 g auf 45 g) des ZNS führt. t Wichtige Funktion beim Stoffwechsel des ZNS, Entfernung schädlicher Stoffe, Transport von Hormonen (z. B. Leptin)
Für diagnostische Zwecke (z. B. Nachweis von Entzündungen wie einer eitrigen Meningitis oder multiplen Sklerose) kann Liquor durch Lumbalpunktion entnommen werden. Hierbei nimmt der Patient eine gekrümmte Haltung ein und wird zwischen den Fortsätzen des 3. und 4. oder 4. und 5. Lendenwirbels punktiert. Bei der Subokzipitalpunktion wurde früher Liquor aus der Cisterna cerebellomedullaris entnommen. Liquorzirkulation
Der größte Teil des Liquors wird in den Seitenventrikeln gebildet und fließt von dort aus über die Foramina interventricularia in den 111. Ventrikel. Über den Aqueductus mesencephali gelangt er vom 111. in den IV. Ventrikel und in den Zentralkanal des Rückenmarks. Durch die Aperturae laterales und mediana wird der Liquor vom inneren in den äußeren Liquorraum, den Subarachnoidalraum , transportiert (s. S. 95). Dort
wird er von den Granulationes arach- die dann in die zervikalen Lymphknoten noideae resorbiert und an die venösen drainieren. Sinus durae matris abgegeben. Außerdem gelangt Liquor durch die InterzelBlutungen, Tumoren, Fehlbildungen etc. lularspalten des Ependyms in die Interkönnen zu Liquorabflussblockaden fühze llularräume von Gehirn und Rückenren. Bel einer Blockade Innerhalb des mark. Weitere Resorptionsorte sind die Ventrikelsystems liegt ein Hydrocephalus internus, bei einer Abflussstörung im Venen im Subarachnoidalraum sowie Bereich des Subarachnoidalraums ein die Austrittsstellen der Nervenwurzeln Hydrocephalus extemus vor. Zeichen von Hirn- und Rückenmarksnerven. einer Liquorblockade sind u. a. Kopfschmerzen, Obelkelt und eine gestaute In letzterem Fall gelangt der Liquor über Papilla n. optici (Stauungspapllle). Als den Endeneuralraum in venöse Plexus Hydrocephalus e vacuo wird eine Zunahoder Lymphbahnen. Auch über das Siebme der VentrikelgriSBe bezeichnet, die bein kann der Liquor abfließen; er geals Folge des Verlusts von Hirnsubstanz z. B. bei Morbus Alzhelmer auftritt, langt dann in die Mukosa der Nase, wo er Anschluss an Lymphgefäße findet,
Zusammenfassung X Gehirn und Rückenmark sind von einem Hüllsystem, den Meningen, umgeben. Die Duramater liegt ganz außen, gefolgt von Arachnoidea mater und Pia mater, welche direkt dem Gehirn bzw. dem Rückenmark anliegt. Zwischen Arachnoidea und Pia befindet sich der Subarachnoidalraum, der auch den äußeren Liquorraum darstellt. An vielen Stellen ist er zu Zisternen erweitert. Der innere Liquorraum umfasst das Ventrikelsystem, bestehend aus vier Ventrikeln und dem Aqueductus mesencephali, sowie den Canalis centralis des Rückenmarks. Über seitliche Öffnungen des
IV. Ventrikels steht der innere mit dem äußeren Liquorraum in Verbindung. Im inneren Liquorraum wird durch spezielle Ependymzellen der Plexus choroidei Liquor cerebrospinalis gebildet, der nach Zirkulation im inneren und äußeren Liquorraum hauptsächlich über die Granulationes arachnoideae zurück in die venösen Blutleiter transportiert wird.
Somatasensorisches System I Um mit der Umwel t komm unizieren und körperinterne Vorgänge regulieren zu können, besitzt der Körper sensorische Systeme. Diese di enen der Aufnahme, Weiterleitung und zentralen Verarbeitung von Sinnesreizen sowohl aus der Außenwelt als auch aus dem inneren Milieu. Zu diesen sensorischen Systemen gehören:
Rezeptoren
Exterozeptoren
Kutane Mechanorezeptoren
(Hautrezeptoren)
(R ezepto ren des Ta stsinn s)
Rezeptive Endigung
Adäquater Reiz
Me rkei-Endigung
Hau tdeform ation (Druck)
Ruffini-Körpe rchen
Hautdehnung
Meissner-Körperchen
Hautbe rüh ru ng
--> Oberflächensensibilität
(Spannung)
Thermorezeptoren
Haarfollik elrezeptoren
Haa rb erührung
Vater-Pacini-Körperchen
Vibra tion
Fre ie Nervenend igungen
(Kä lte- und Wärm erezeptoren) Nozizep toren
t Das viszerosensorische (viszero-
sensible) System (s. S. 129 und 136): Es übermittelt über viszerale Rezeptoren v. a. Reize aus den inneren Organen und Gefäßen (Magendehnung, Blutdruckanstieg etc.) . t Das somatosensorische (somatosensible) System (s. u. ): Es ermöglicht über Exterozeptoren der Haut die Wahrneh· mung von Berührung, Druck, Vibration, Schmerz und Temperatur. Außerdem vermittelt es Informationen des Bewegungsapparats über Propriozeptoren, d. h. zu Stellung und Bewegungen des Körpers im Raum. t Speziell-sensorische (speziell-sensible) Systeme: Zu diesen gehören die speziellen Sinnesorgane Auge, Ohr, Zunge und Nase, die im Gegensatz zu den Rezeptoren der Somatasensorik nicht im gesamten Körper, sondern nur im Kopf lokalisiert sind. Nach älterer Nomenklatur verwendet man ,.sensorisch" für die Sinnesmodalitäten Hören, Sehen, Schmecken, Riechen im Unterschied zu den ,.sensiblen• Modalitäten wie Schmerz, Temperatur und Berührung. Heute verwendet man beide Begriffe meist als Synonyme und fasst unter dem Oberbegriff ,.speziellsensorische• Systeme gesondert das visuelle, audltorlsche, vestibuläre, gustatorische und olfaktorische System zusammen.
Das somatasensible System besteht wie die and eren sensiblen Systeme aus Rezeptoren {I Tab. 1) zur Reizaufnahme sowie Bahnen zur Weiterleitung der sensiblen Impulse und nicht zuletzt aus kortikalen Arealen im Großhirn (somatosensibler Kortex), in welchem die Impulse zu Bewusstsein gelangen. Für alle Bahnen des somatasensiblen Systems gelten dabei folgend e Gemeinsamkeiten: Die 1. Neurone (primärafferente Neurone) der Bahnen sind pseu-
I
Propriozeptoren
Mechanorezeptoren
--> Ti efensensibil ität
der Propriozeption
15- 35 30 - 45
oc bzw. oc
Freie Nervenen digungen
Noxen, Gewebesc hädigung etc.
Muskelspindeln
Muskeldehnung
Golgi-Sehnenorga ne
Mu skelspan nung
Gelenkrezeptoren
Gelenk bewegu ng
Tab . 1: Einte il ung d er Rezepto re n d es soma tasensiblen Syst ems .
dounipolare Nervenzellen, deren Perikarya in den Spinalganglien (spinaafferentes System) oder - für die Versorgung einiger Areale des Kopfs (Trigeminussystem) - im Ganglion trigeminale bzw. im Ne!. mesencephalicus n. trigemini liegen. Die Endigungen ihrer peripherwärts gerichteten (dendritischen) Axone dienen der Aufnahme der sensiblen Reize: Es handelt sich dabei entweder um freie Nervenendigungen (z. B. Nozizeptoren) oder Endigungen, die mit Hüllzellen komplexere rezeptive Strukturen (z. B. Meissner-Tastkörperchen) bilden. Die sensiblen Impulse werden dann über die Axone (sensible/ afferente Nervenfasern) der 1. Neurone in Richtung ZNS geleitet, wo sie in Rückenmark oder Hirnstamm auf 2. Neurone umgeschaltet werden. Diese projizieren dann in somatatopischer Anordnung zum Thalamus, in dem die Umschaltung auf das 3. Neuron der afferenten Strecke erfolgt. Die 3. Neuroneerreichen schließlich mit ihren Axonen über die Capsula interna den primären somatasensiblen Kortex (Gyrus postcentralis) . Spinaafferentes System Anterolaterales System (Vorderseitenstra ngbah nen)
Das anterolaterale System umfasst im Wesentlichen die Trac tus spinoth alamici anteri or und lateralis sowie den
Tractus spinoreticularis. Diese sog. Vorderseitenstrangbahnen leiten Impulse der protopathischen Sensibilität, d. h. Temperatur- und Schmerzimpulse sowie grobe Informationen aus kutanen Exterozeptoren (grobe Druck- und Berührungsempfindung) und Propriozeptoren (Informationen zur groben Stellung der Extremitäten im Raum). Tractus spinothalamicus lateralis
Der Tractus spinothalamicus lateralis (I Abb. I) vermittelt Schmerz- und Temperaturempfind ungen. Die primärafferenten Neurone nehmen über ihre peripheren Fortsatzendigungen (freie Nervenendigungen) Schmerz- und Temperaturreize auf und projizieren mit ihren zentralwärts gerichteten Fortsätzen über die entsprechenden Hinterwurzeln in das Hinterhorn (v. a. Laminae I und II ) des Rückenmarks. Dort werd en die Impulse auf Strangzellen umgeschaltet, welche die 2. Neurone der afferenten Strecke darstellen. Die Axone der 2. Neurone kreuzen noch auf Höhe des jeweiligen Rückenmarksegments in der Commissura alba anterior zu r Gegenseite und ziehen in den Seitensträngen des Rückenmarks als Tractus spinoth alamicus an terior nach kranial bis zum Ne!. ven tralis posterolateralis des Thalamus. Im Tractus spinoth alamicus lateralis besteht
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Somatosensorisches System "~------------------------------------~~~~~~~~~~
wie auch bei den Hinterstrangbahnen, eine somatatopische Anordnung: Die Fasern der unteren Extremität liegen ganz lateral, während sich medialwärts nach und nach diejenigen von Rumpf und Extremitäten anlagern. Im Thalamus werden dann die Impulse erneut umgeschaltet (3. Neurone) und zum Gyrus postcentraUs geleitet.
dem Septum medianum posterius des Rückenmarks liegt. Fasern aus der oberen Rumpfhälfte und den oberen Extremitäten bilden hingegen den Fasciculus cuneatus (Tractus spinobulbaris lateralis), der lateral des Fasciculus gracilis liegt. Die beiden Fasciculi enden schließlich an den entsprechenden gleichnamigen Hinterstrangkernen in der Medulla oblongata, nämlich
98 I 99
Ncl. gracilis und Ne!. cuneatus, wo die Umschaltung auf die 2. Neurone erfolgt. Deren Axone kreuzen unter· halb der Rautengrube zur Gegenseite (Decussatio lemniscorum) und ziehen dann als Lemniscus medialis zum Ncl. ventralis posterolateralis des Thala· mus, wo sie erneut umgeschaltet werden und dann den somatasensiblen Kortex erreichen.
Tractus spinothalamicus anterior Homunkulus
Der Tractus spinothalamicus anterior nimmt den gleichen Verlauf wie der Tractus spinothalamicus lateralis. Allerdings leitet er grobe Druck- und Berührungsempfindungen sowie grobe propriozeptive Impulse (u. a. aus MeissnerKörperchen, Merkel-Endigungen etc.), welche ebenfalls im Hinterhorn auf Strangzellen umgeschaltet werden. Untrennbar mit dem Tractus spinothalamicus anterior verbunden ist der Tractus spinoreticularis, der seinen Ausgang von den Laminae V- VII des Hinterhorns nimmt. Dieser Trakt zieht zur Formatio reticularis und vermittelt v. a. lang anhaltende, dumpfe Schmerzen. Hinterstrangsystem (Hinterstrangbahnen)
Die Hinterstrangbahnen leiten Impulse der epikritischen Sensibilität, d. h. genaue Informationen aus kutanen Exterozeptoren (genaue Druck- und Berührungsempfindung, Vibrationsempfindung) und Propriozeptoren (Informationen zur genauen Stellung der Extremitäten im Raum). Die sensiblen Impulse werden auch hier über die Hinterwurzel in das Rückenmark geleitet. Dort werden sie allerdings nicht im Hinterhorn umgeschaltet, sondern verlaufen an diesem vorbei, um in den ipsilateralen Hintersträngen des Rückenmarks bis zur Medulla oblongata zu ziehen. Auf ihrem Weg zur Medulla oblongata schließen sich dabei die Fasern aus der unteren Rumpfhälfte und den unteren Extremitäten zum Fasciculus gracilis (Tractus spinobul· baris medialis; Merkhilfe: "das grazile Bein") zusammen, der direkt neben
Tractus spinocerebellaris anterior Tractus spino/--T-cerebellaris posterior
Tractus spinothalamicus lateralis
Hinterstrangsystem (obere Rumpfhälfte und obere Extremitäten)
Tractus spinothalamicus anterior
Hinterstrangsystem (untere Rumpfhälfte und untere Extremitäten) I Abb. 1: Übersicht der Bahnen des spinaafferenten Systems.
Somatasensorisches System II Spinozerebelläres System (Kieinh irnseitenstrangbahnen)
Die Kleinhirnseitenstrangbahnen leiten v. a. propriozeptive Impulse aus dem Bewegungsapparat (Muskeln, Sehnen und Gelenke) an das Kleinhirn. Diese Informationen benötigt das Kleinhirn, um ohne unser Bewusstsein Haltung und Bewegung laufend an die Gegebenheiten in der Peripherie anzupassen (s. S. I 18). So können wir manche Dinge wie z. B. Treppensteigen oder Fahrradfahren ganz automatisch durchführen . Die propriozeptiven Impulse zum Kleinhirn bleiben, da sie nicht den sensiblen Großhirnkortex erreichen, also unbewusst. Ganz anders sieht es z. B. bei den mechanosensiblen Impulsen der Hinterstrangbahnen aus, die be· wusst wahrgenommen werden können: Man spürt z. B. den Boden unter den Füßen oder weiß (auch bei geschlossenen Augen), dass man z. B. die Hände zu r Faust geballt hat.
ipsilateral, sondern v. a. gekreuzt im kontralateralen Seitenstrang zum Klein· hirn. Vor Erreichen der Kleinhirnrinde kreuzen jedoch die gekreuzten Fasern wieder zurück, so dass jede Kleinhirnhälfte letztlich nur Fasern der ipsilateralen Körperhälfte erhält. Tractus cuneocerebellaris
chend den drei Kerngebieten des N. trigeminus in drei Anteile gegliedert werden. Diese entsprechen funktionell weitgehend den drei Bahnsystemen im Rückenmark (I Tab. 2). Leitung der protopathischen Sensibilität
Der Tractus cuneocerebellaris entsprin gt Die primärafferenten Neurone haben im Ne!. cuneatus accesso rius in der ihre Perikarya im Gangl ion trigeminale proprioleitet und oblongata Medulla und leiten protopathische Impulse zeptive Informationen der oberen (Schmerz, Temperatur, grobe exterozepKörperhälfte zum Kleinhirn. Er ist das tive Impulse) in somatatopischer Ordfunktionelle Äquiva lent zum Tractus nung zum Ncl. spinalis n. trigemini, spinocerebellaris posterior. Unterstützt wo sie auf 2. Neurone umgeschaltet wird er dabei noch vom Tractus spino- werden. Deren Axone kreuzen zur cerebellaris superior, welcher dem Gegenseite, schließen sich dem Tractus Tractus spinocerebellaris anterior entspinothalamicus anterior an und erreispricht. chen den Thalamus. Dort werden sie im Ne!. ventralis posteromedialis auf Weitere Bahnen 3. Neurone umgeschaltet, deren Axone Über die Kleinhirnstrangbahnen zum Gyrus postcentralis ziehen. hinaus existieren noch weitere kleinere Bahnen, die auch im Hinterhorn des Leitung der epikritischen Rückenmarks entspringen und proprioSensibilität zeptive Impulse zu den Ncll. olivares Tractus spinocerebellaris inferiores und den Ncll. vestibulares Auch hier liegen die Perikarya der priposterior im Hirnstamm senden {Tractus spino- märafferenten Neurone [pseudounipoolivaris und Tractus spinovestibuDer Tractus spinocerebellaris posterior lare Neurone) im Ganglion trigeminale Iaris ). führt propriozeptive Impulse aus der allerdings leiten diese Neurone epikri- ' unteren Körperhälfte. Diese werden in tische Impulse (genaue exterozeptive das Hinterhorn des Rückenmarks geleiImpu lse) zum Ne!. principalis n. trigerniNach halbseitiger Schädigung des tet und im Ncl. dorsalis umgeschaltet. ni, wo die Umschaltung auf die 2. NeuRückenmarks (z. B. aufgrundvon Trauerfolgt. Die Axone der 2. Neurone rone Von dort aus ziehen Fasern im Seitenmen, Bandscheibenvorfällen) kommt es zum Brown-Sequard-5yndrom (s. a. kreuzen zur Gegenseite und bilden den strang der gleichen Seite als Tractus S. 43): Kaudal der Läsion fallen ipsilatezum Thalamus ziehenden Lemniscus spinocerebellaris posterior zum Kleinral die epikritische und kontralateral die lis, der sich dem Lemniscus trigemina hirn (Spinocerebellum) . protopethische Sensibilität aus. AußerIm Ne!. ventralis anschließt. medialis dem tritt eine Lähmung (erst schlaff, ein. Muskulatur der spastisch) dann erfolgt Thalamus des posteromedialis Tractus spinocerebellaris anterior die Umschal tung auf 3. Neurone, Auch dieser Trakt führt propriozeptive deren Axone zum Gyrus postcentraUs Impulse (allerdings weniger gut differenTrigeminussystem ziehen. zierte) aus der unteren Körperhälfte, Das Trigeminussystem (I Abb. 2) samwobei die Umschaltung u.a. im melt über denN. trigeminus (N . V) Ncl. proprius des Hinterhorns stattfinLeitung der Propriozeption die somatasensiblen Informationen aus det. Außerdem verlaufen die aufsteidem Kopfbereich und kann entspregenden Axone des Trakts nicht nur Die propriozeptiven Bahnen des Trigeminussystems vermitteln propriozeptive Impulse der Kaumusku latur. Eine Trigeminussystem Splnoafferentes System Qualität Besonderheit dieser Bahn ist, dass die Ncl. spinalis n. tri gemini Antero tatera les System Grobe exterozeptive und propriozep tive Impulse, pseudounipolaren Neurone nicht im Schmerz, Temperatur (protopathische Sensibilität) Ganglion trigeminale, sondern direkt Ncl. principalis n. trigemini Hinterstra ngsystem Genaue exterozeptive und propriozeptive Impul se im Ne!. mesencephalicus n. trigem ini (epikritische Sensibilität) liege n. Ihre Axone ziehen auch nicht Spinozerebelläres System Ncl. mesencephalicus n. trigemini Propriozeptive Impul se zum Thalamus, so ndern direkt zum Ncl . motorius n. trigemini, so dass über 1 Tab. 2: Spino- und trigeminoafferentes System.
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Somatasensorisches System
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diesen afferent-efferenten Schaltkreis die Der sekundäre somatosensible beteiligt ist der posteriore parietale reflektorische Steuerung der Kaumusku- Kortex (S II) befindet sich hinter dem Kortex (Areae 5 und 7). Er ist wird im latur erfolgen kann. primären somatasensiblen Kortex (Area Zusammenhang mit anderen multimo5). Er ist ebenfalls somatatop (wenn dalen Assoziationskortizes besprochen auch gröber!) organisiert und bekommt (s. S. 70). Somatasensibler Kortex im Gegensatz zu S I Signale aus beiden Der primäre somatosensible Kortex Körperseiten. Gemäß der Funktion Eine Läsion von S II hat entsprechend I (SI, s. S. 68) befindet sich im Gyrus sekundärer Rindenfelder erfolgt in S II seiner Funktion eine taktile Agnosie zur postcentralis und nimmt die Areae 1, das Erkennen, d. h. die erste InterpreFolge: Hierbei entfällt - bei uneinge2 und 3 nach Brodmann ein. Hier gelan- tation der in S I wahrgenommenen schränkter bewusster Tastwahrnehmung gen die Schmerz- und Temperaturreize Sinnesreize, indem die Signale mit (S I ist intakt!) - die Fähigkeit, bei geschlossenen Augen Gegenstände durch sowie die Impulse der Oberflächen- und früher gespeicherten verglichen werden Abtasten zu erkennen. Tiefensensibilität der kon tralateralen und eine bestimmte Bedeutung erhalKörperhälfte (alle Bahnen haben schließ- ten . An dieser Interpretation wesentlich lich auf ihrem Weg zum Kortex eine Kreuzung zur Gegenseite vollzogen!) zu Bewusstsein. Außerdem erreichen Thalamus S I auch Signale des Vestibularis- und des Geschmackssystems sowie aus motorischen Kortexarealen. S I weist eine somatotope Gliederung auf: Dabei sind, wie man am Homunkulus sieht, bestimmte Körperregionen wie Lippen, Gesicht und Daumen überproportional repräsentiert. Solche überrepräsentierten Gebiete weisen auch peripher eine besonders hohe Rezeptordichte auf! Efferenzen aus S I erreichen den sekundären somatasensiblen Kortex (unimodaler Assoziationskortex) sowie den Ncl. motorius --.... ,~......,. - +i+---hH/';, - - - - -+-n. trigemini multimodalen Assoziationskortex des posterioren Parietallappens. Darüber " 'c;~l\."lf---fiJ-~~~L..-- Ncl. principalis n. trigemini hinaus ziehen Efferenzen über die Lemniscus 'E-fjr,_,f.iE- - - - - trigeminalis Pyramidenbahn zu wichtigen Stationen Ganglion trigeminale (Thalamus, Hinterstrangkerne etc.) Hll-:;/-- - - - - - Lemniscus medialis somatasensibler Bahnen hinab. Über diese meist hemmenden Projektionen kann der sensible Input zum Kortex Tractus .' ! ' + - - - - - - - spinothalamicus wohl schon im Voraus reduziert bzw. I Abb. 2: Übersicht der Bahnen (anterior und posterior) gefiltert werden. des Trigeminussystems. Eine Läsion von S I hat im kontralate-
ralen Körperbereich eine Herabsetzung der Wahrnehmung von BerOhrung, Druck, Vibration, Lageempfindung sowie Schmerz und Temperatur zur Folge. Da z. T. in den Relaiskernen der somatosensiblen Bahnen (u. a. Thalamus, Hinterstrangkerne) bereits eine grobe Wahrnehmung der Sinnesreize - bes. von Temperatur und Schmerz- erfolgt, ist die Empfindung oft nicht komplett gestört. Die felndiskriminative Wahrnehmung ist jedoch an die Funktion des Kortex gebunden und fällt daher völlig aus.
Zusammenfassung X Das somatosensorische (somatosensible) System dient: - Der Aufnahme propriozeptiver (Informationen über Stellung und Bewegungen des Körpers im Raum) und exterozeptiver Reize aus der Haut (Berührung, Druck, Vibration, Schmerz, Temperatur) - Der Weiterleitung dieser sensiblen Impulse über Nerven und aufsteigende Bahnen (spinoafferente und trigeminoafferente Bahnen) - Der Verarbeitung in somatasensiblen kortikalen Arealen: v. a. primärer und sekundärer somatasensibler Kortex und multimodaler Assoziationskortex des posterioren Parietallappens
Visuelles System I Sehbahn Retina
Die Photorezeptoren (Sinneszellen neuraler Herkunft) sind die 1. Neurone der Sehbahn und befinden sich in der äußersten Schicht der Retina. Sie liegen in zwei Formen vor, den lichtempfindlichen Stäbchen und Zapfen, wobei die Zap· fen fü r das photopisehe Sehen (Sehen bei Tageslicht, Farbensehen) und die Stäbchen für das skotopische Sehen (Dämmerungs- und Nachtsehen, Hell-Dunkel-Sehen) zuständig sind. Die Stäbchen und Zapfen besitzen Sehpigmente (Rhodopsin bzw. Zapfenopsine), die durch Lichteinfall aktiviert werden und dadurch Signale auslösen, welche auf die nachgeschalteten Bipolarzellen (2. Neurone der Sehbahn) übertragen werden. Diese geben die Erregungen ihrerseits an die Gangli· enzellen (3. Neurone der Sehbahn) weiter, deren Axone denN. opticus bilden. Auf die genaueren Verschaltungsmechanismen (On-off-Sysrem, laterale Hemmung durch Interneurone etc.) innerhalb der Retina wird in diesem Rahmen nicht näher eingegangen, es sei auf Lehrbücher der Physiologie verwiesen. Man sollte jedoch wissen, dass die Zellen der Retina visuelle Impulse nicht nur weiterleiten, sondern bereits komplex verarbeiten. So "zerlegen" z. B. drei verschiedene Typen von Ganglienzellen das Bild der Umwelt, indem sie jeweils unterschiedliche Aspekte des Bilds erfassen:
beiden Augen abgedeckt, während periphere Bereiche nur von einem Auge erfasst werden. Das erklärt auch , dass Gesichtsfeldausfälle von manchen Betroffenen nicht wahrgenommen werden. Die linke Gesichtsfeldhäl fte wird nun im nasalen (medialen) Gesichtsfeld des rechten Auges - und dam it in dessen temporaler Retinahälfte - sowie im temporalen (lateralen) Gesichtsfeld des linken Auges - und damit in dessen nasaler Retinahälfte- abgebildet. Ana loges gi lt für die rechte Gesichtsfeldhälfte. Gesichtsfeldausfälle Läsionen der Sehbahn (z. B. durch multiple Sklerose, Tumoren, Meningitis oder Infarkte verursacht) führen zu Gesichtsfeldausfällen. Um diese genauer zu bestimmen, prüft man jeweils getrennt voneinander das Gesichtsfeld des rechten und des linken Auges z. B. mit Hilfe eines Hohlkugelperimeters. Anhand von Art und Ausprägung der Ausfälle kann man dann in vielen Fällen bereits den Ort der Läsion ableiten.
t Eine Unterbrechung des N. opticus führt zu einem vollständigen Gesichtsfeldausfall der betroffenen Auges: einseitige Amaurosis. t Eine Schädigung in der Mitte des Chiasma opticum (---+ z. B. Hy.. pophysentumor) führt dazu, dass jeweils die beiden temporalen Gesichtsfelder beider Augen ausfallen: bitemporale Hemianopsie ("Scheuklappenphänomen"). Eine Zerstörung des gesamten Chiasmas ruft eine völlige Blindheit hervor. t Bei Schädigung des Tractus opticus kommt es zur homonymen Hemianopsie, bei der die beiden ausgefallenen Gesichtsfeldhälften zur gleichen Seite zeigen. t Ausfälle bei Unterbrechung der Sahstrahlung (~ z. B. Infarkt der A. cerebri posterior) oder der primären Sehrinde führen je nach läsionsort und -größe zu unterschiedlich großen Ausfällen in der kontralateralen Gesichtsfeldhälfte. Da die primären Seh rtn~ den belder Hemisphären dicht beleinander liegen, können sie z. Q. durch Tumoren im Interhemisphärenspalt gemeinsam geschlid!st werden ~ komplette Erblindung.
t Die großen M-Zellen (magnozelluläres System) machen ca. 10%der Ganglienzellen aus, haben schnell leitende dicke Axone und sind, da sie v. a. mit Stäbchenzellen in Verbindung stehen, nicht farbempfindlich. Sie dienen daher bes. der Bewegungswahrnehmung, der Erfassung von Entfernungen von Objekten sowie der groben nichtfarbigen Objektwahrnehmung. t Die kleinen P-Zellen (parvozelluläres System) machen N. opticus, Chiasma opticum ca. 80 %der Ganglienzellen aus, haben langsamer leitende und Tractus opticus dünne Axone und sind hochauflösende farbempfindliche Zellen. Damit stehen sie im Dienste der Erfassung von Farbe Die langen Axone der Ganglienzellen treten in der Papilla und Form. n. optici ("blinder Fleck") aus der Retina aus und bilden, t Die heterogenen K-Zellen (koniozelluläres System) projizie- umhüllt von einer Markscheide aus Oligodendrozyten, die ren zwar auch in die primäre Sehrinde, aber v. a. in Zentren ca. I Mio. Fasern des N. opticus (N . II) , welcher die Orbita des Hirnstamms (Colliculi superiores, Area pretectalis), woverlässt und in die Schädelhöhle eintritt. Der Sehnerv ist, durch sie Teil optischer Reflexbahnen (Pupillenreflex, reflek- wie übrigens auch die Retina, ein vorgesc hobener Teil des Zwischenhirns und als solcher von Hirnhäuten umgeben. torische Augenbewegungen) sind . Im Chiasma opticum über der Hypophyse treffen dann die Nn. optici beider Seiten zusammen , wobei diejenigen Fasern Das Gesichtsfeld der Nn. optici, die von den (medialen) nasalen Retinahälften Unter dem (binokularen) Gesichtsfeld (I Abb. I) versteht man denjenigen Teil der Umwelt, der von beiden Augen ohne kommen, zur Gegenseite kreuzen. Die Fasern der (lateralen) Zuhilfenahme von Blick- oder Kopfbewegungen wahrgenom- temporalen Retinahä lften bleiben hingegen ungekreuzt. Aus dem Chiasma opticum geht beidseits der Tractus opticus men werden kann. Es setzt sich aus der Summe der beiden hervor, der nun jeweils Fasern der ipsilateralen temporalen monokularen Gesichtsfelder, d. h. aus dem Gesichtsfeld des und der kontralateralen nasalen Retinahälfte enthält. Das rechten und des linken Auges zusammen. Dabei sind die bedeutet, dass der rechte Tractus opticus die Fasern für die Gesichtsfelder der beiden Augen keineswegs räumlich so verWahrnehmun g der linken Gesichtsfeldhälfte führt, der linke schieden, wie es die meisten schema tischen Abbi ldungen Tractus opticus diejeni gen für di e Wahrnehmung der rechten suggerieren, sond ern überlagern sich größtenteils: Der BeGesichtsfeld hälfte. reich in der Mitte des binokularen Gesichtsfelds wird von
o ~ri~s~c~h~e~S~y~s~t~e~m~e l -~s~e~n~s~ ~·---------------------------------------------~S~p~e~zi~e~l~
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Corpus geniculatum laterale nasales Gesichtsfeld des rechten Auges temporales Gesichtsfeld des linken Auges
temporales Gesichtsfeld des rechten Auges
Corpus geniculatum laterale
Sehrinde
Gesichtsfeldau sfälle
(Chiasma opticum) I Abb. 1: Sehbahn mit möglichen Schädigungsorten und entsprechenden Gesichtsfeldausfäl len.
Der Tractus opticus endet im Corpus geniculatum laterale, einem Kern des Thalamus. Dort erfolgt die Umschaltung auf die 4. Neurone der Sehbahn. Das Corpus geniculatum laterale besteht aus sechs Schichten: den beiden aus großen Neuronen bestehenden magnozellulären Schichten 1- 2, in welche die magnozellulären Neurene (M-System) der Retina projizieren, und den aus kleinen Neuronen bestehenden parvozellulären Schichten 3-6, in welche die parvozellulären Neurene (P-System) der Retina projizieren. Außer den AY..onen des Sehnervs erreichen das Corpus geniculatum laterale Afferenzen aus dem Hirnstamm (v. a. Formatio reticularis), welche den Informationsfluss an den Wachheitsgrad anpassen (z. B. Signalverstärkung bei erhöhter Aufmerksamkeit), sowie Afferenzen aus der Sehrinde. Bei Letzteren handelt es sich um retinotope Rückprojektionen aus der Sehrinde, die es ermöglichen, dass Impulse aus ganz bestimmten Arealen des Gesichtsfelds verstärkt bzw. abgeschwächt weitergeleitet werden (gezielte "Auswahl" der visuellen Information) . Die Efferenzen aus dem Corpus geniculatum laterale ziehen als Sehstrahlung (Gratiolet-Sehstrahlung) über den hinteren Schenkel der Capsula interna zur primären Sehrinde. Primärer visueller Kortex (V1)
Der primäre visuelle Kortex befindet sich im Okzipitallappen, wo er die Area 17 nach Brodmann einnimmt. Er wird auch als Area striata bezeichnet, da ihn ein bereits makroskopisch sichtbarer weißer Streifen (Gennari- bzw. Vicq-d'Azyr-Streifen) durchzieht. In VI treffen die visuellen Impulse der kontralateralen Gesichtsfeldhälfte ein und gelangen zu Bewusstsein. Gegliedert wird VI in vertikale Säulen, die jeweilsgemäß der Retinotopie - Impulse aus eng umschriebenen Bereichen der Retina erhalten. Impulse der oberen Retinahälfte werden über dem Sulcus calcarinus, Impulse der unteren Retinahälfte unterhalb des Sulcus calcarinus repräsentiert. Innerhalb dieser Säulen werden Informationen aus P- und M·System getrennt verarbeitet: in oberen Schichten solche des P-Systems (Farben in "Blobs", Formen in "Interblobs") und in tieferen solche des M-Systems (Bewegungen). Seine Efferenzen sendet VI v. a. in die sekundäre Sehrinde, welche die primäre Sehrinde wie ein Hufeisen umgibt Sekundäre Sehrinde (V2- V5)
Noch vor Erreichen des Corpus geniculatum laterale zweigen vom Tractus opticus Fasern (aus K-und M-Zellen) ab und ziehen zum Ncl. suprachiasmaticus des Hypothalamus (Abzweigung bereits im Chiasma opticum) sowie zu Area pretectalis und Colliculi superiores. Hierdurch erklärt sich, dass z. B. die Pupillenreaktion bei Zerstörung von Corpus geniculatum laterale oder Seh rinde nicht beeinträchtigt ist!
Die Felder V2- VS der sekundären Sehrinde befinden sich in den Areae 18 (V2) und 19 (V3- VS) nach Brodmann und dienen der Interpretation der visuellen Information. Viele Autoren rechnen nur Area 18 zur sekundären Sehrinde und bezeichnen die Felder in Area 19 als visuelle Assoziationsfelder/ Tertiärfelder. Wichtiger ist aber der grundsätzliche Informationsfluss: In V2 werden die Impulse aus M-und P-System getrennt verarbeitet, und zwar durch abwechselnd aufeinanderfolgende Streifen für Farbe, Form und Bewegung.
Visuelles System II Sekundäre Sehrinde (V2- V5) (Fortsetzung)
Im Anschluss an V2 trennen sich aber nun die Wege des M- und P-Systems, so dass man V2 quasi als Verteiler der weiteren Information betrachten kann: Der temporale Weg leitet die Informationen des P-Systems über V4 im unteren Temporallappen bis zum frontobasalen Kortex. Er dient der ldentifika· tion von Objekten durch Erkennung von Farben und Form. Der parietale We g hingegen führt die Impulse des M-Systems über V3 und V5 [V5 liegt im Bereich des Sulcus temporalis) bis zum Motokortex. Er dient dami t der Wahrnehmung bewegter Objekte und indem er motorische Felder erreichtder Steuerung von an die Umwelt ange· passten Augenbewegungen. Ausfälle im temporalen Weg der visuellen Informationsverarbeitung führen zu Agnosie (.Seelenblindheit") für Form, Muster und Farbe, infolge deren - trotz primär intakter Wahrnehmung - das Erkennen von Objekten und Gesichtern (~ Prosopagnosie), aber auch das Benennen von Farben und das Unterscheiden von Farbtönen gestört sind. Ausfälle im parietalen Weg führen zur Bewegungsagnosie, bei welcher für den Betroffenen Bewegungen nicht flüssig, sondern als .abgehackte" Folge von Einzelbewegungen erscheinen.
[ ~ M. rectus lateralis) . Durch diese "3-zu-6"· bzw. "6-zu-3"-Verbind ungen [I Abb. 2) können beid e Augen gleichsinnig, d. h. konjugiert, bewegt werden . Bei der Konvergenzreaktion (s. u.) wird diese Verbindung gehemmt, da hier beidseits die Mm. recti mediales kontrahieren.
Präokulomotorische Zentren
Die präokulomotorischen Zentren generieren und koordinieren horizontale und vertikale Augenbewegungen [Sakkaden, Folgebewegungen etc.). Sie erhalten je nachdem, ob es sich um willkürliche oder unwillkürliche Bewegungen handelt - Impulse aus verschiedenen Arealen [s. u.) . Die paramediane pontine Formatio reticularis ist v. a. die ze n· trale Schaltstelle für horizontale Blickbewegungen, während das Zentrum für vertikale Blickbewegungen in der rostralen mesenzephalen Formatio reticularis liegt. Weitere den Augen·
muskelkernen vorgeschaltete Zentren sind die Ncll. vestibulares (s. u. ).
Formen von Augenbewegungen Kompensatorische Augenbewegungen
Kompensatorische Augenbewegungen ermöglichen, dass Bildverschiebungen aufgrund von Kopfbewegungen, wie siez. B. beim Gehen passiv auftreten durch entgegengerichtete konjugierte' Augenbewegungen kompensiert werden (vestibulookulärer Reflex} , so dass wir fixierte Objekte nicht aus den
fronta les Blickzentrum im Großh irnkortex
kontralaterale pa ramediane pontine Formatio re ticularis (PPRF)
Okulomotorik
Um die Augenmuskeln [s. S. 76) für die verschiedenen Bewegungsformen (s. u.) koordinieren zu können, sind sie untereinander und mit zahlreichen anderen Gebieten des Gehirns komplex vernetzt
Übergeordnete Blickzentren
Diese Zentren sind wichtige Lwischenstationen für Impulse aus der Sehrinde und den kortikalen Blickzentren des Großhirns (u.a. frontales Augenfeld) auf ihrem Weg zu den präokularnotorischen Zentren. Wichtige übergeordnete Blickzentren si nd die Colliculi superiores (bes. für willkürliche Sakkaden) und das Vestibulocerebellum (für Blickfolgebewegungen).
M. rec tus medialis M. rectus lateralis
Okularnotorische Zentren und Verbindungen
lnternuk leäre Verbindu ngen Die motorischen Augenmuskelkerne sind durch Interneurane miteinander verbunden. Gut nachgewiesen sind die im Fasciculus longitudinalis media· lis verlaufenden reziproken Verbin· dungenzwischen dem Ne!. n. oculo· motorii (~ M. rectus medialis) und dem kontralateralen Ne!. n. abducentis
........____.., I
I
1 Abb . 2: Neuronale Versc haltung zur Generierung willkürlicher horizontaler Sakkaden (Co ll icu li sup. aus Übersichtlichkeilsgründen nicht dargestellt). [nach 2)
~------------------------------------------~S~p~e~z~i~ e~ ll ~-s~e~n~s~o~r~is~c~h~e~S~y~s~te~m ~e Augen verlieren. Die Rezeptoren der Bogengänge melden dazu Informationen über Kopfbewegungen an die Ncll. vestibulares, welche diese direkt über den Fasciculus longitudinalis med. an die entsprechenden Augenmuskelkerne weitergeben. Bei länger andauernder Bogengangsstimulation, wie sie z. B. auftritt, wenn man einen Probanden auf einem Drehstuhl dreht, beobachtet man eine rhythmische Abfolge aus langsamen Folgebewegungen entgegen der Bewegungsrichtung und schnellen Rückstellbewegungen (Sakkaden, s. u.), wobei Letztere der Fixierung eines neuen Punkt dienen, wenn die Beweglichkeit der Augenmuskeln erschöpft ist. Man bezeichnet dieses Phänomen als vestibulären Nystagmus_ Ein weiterer kompensatorischer Reflex ist der optokinetische Reflex, durch welchen ebenfalls bewegte Bilder auf der Netzhaut stabilisiert werden. Er tritt bei bestimmten Bewegungen des Kopfs (z. B. bei langsamen Kopfdrehungen und länger anhaltenden Rotationen des Kopfs, wenn der vestibulookuläre Reflex abklingt) , aber auch dann auf, wenn sich die Umwelt bewegt (z. B. beim Blick aus einem Zugfenster bewegt sich die Umwelt vom Betrachter weg -7 optokinetischer Nystagmus).
Sakkaden Sakkaden sind konjugierte schnelle Augenbewegungen, durch welche die Fovea centralis ruckartig auf visuelle Ziele gerichtet wird. Reflektorische Sakkaden ("visueller Greifreflex" ) entstehen, wenn plötzlich ein Objekt im Gesichtsfeld auftaucht: Die visuellen Impulse werden dabei von der Retina direkt oder über die Sehrinde zu den Colliculi superiores geleitet. Diese lösen dann über die präokulomotorischen Zentren horizontale und vertikale Sakkaden aus. Da die Colliculi superiores neben visuellen Impulsen auch auditarische (über die Colliculi inferiores, s. S. I 06) und somatasensible Impulse bekommen, können Geräusche und Berührungen ebenfalls reflektorische Sakkaden bzw. Kopf- und Rumpfbewegungen zum Ort des Reizes hin auslösen. Die motorischen Kommandos für die Rumpfbewegungen werden dazu
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locerebellum) an die präokulomotoüber den Tractus tectospinalis an die rischen Zentren weiter. Moloneuronen im Rückenmark übermittelt. Durch die Verbindungen zum Ncl. n. fac ialissollen die Colliculi supeNah- und Ferneinstellungsriores ferner den Lidschlussreflex bei reaktionen plötzlich auftretenden visuellen Reizen Die beiden Sehachsen und die Augenvermitteln. linsen müssen sich beim Betrachten der Willkürliche Sakkaden (bewusstes Umwelt ständig den jeweiligen Entfervisuelles "Abtasten" der Umgebung) werden hingegen vom frontalen Augen- nungen der einzelnen Objekte anpassen. Für die Betrachtung eines nahe feld -vor der prämotorischen Rinde gelegenen Objekts konvergieren die gelegen -sowie vom supplementären Blickzentrum (Area 6) generiert, welche Sehachsen. Außerdem kontrahiert der M. ciliaris (Verdickung der Linse ebenfalls die auslösenden visuellen Im~ höhere Brechkraft) um eine scharfe pulse über die Sehrinde erhalten. Sie Abbildung des Gegenstands auf der projizieren sowohl direkt als auch indiRetina zu ermöglichen. Wechselt hinrekt (Basalganglien, okulomotorische Schleife, s. S. 120) zu den Colliculi supe- gegen der Blick von einem nahe gelegenen zu einem entfernten Objekt, riores, welche ihrerseits mit den prä· müssen die Sehachsen wieder auseinanokulomotorischen Zentren in Kontakt derweichen (Divergenz) und die Linse treten. fiacht ab. Beim willkürlichen (bewusstes Fixieren) oder unwillkürlichen BetrachEinseitige Läsionen des frontalen Augenten eines sich nähernden Objekts werfelds führen dazu, dass der Patient reden folgende reflektorische Vorgänge flektorische Sakkaden nicht mehr unterausgelöst: drücken (d. h., auftauchende visuelle Reize können nicht ignoriert werden) und auch keine willkürlichen Sakkaden mehr generieren kann.
~
Konvergenz Akkommodation ~ Pupillenverengung (für die Erhö-
~
Blickfolgebewegungen
hung der Bildschärfe)
Willkürliche Blickfolgebewegungen haben zum Ziel, bewegte Objekte (z. B. einen bestimmten Spieler während eines Fußballspiels) in der Fovea centralis beider Augen zu behalten. Geschwindigkeit und Richtung des bewegten Objekts werden dabei von der Area VS (s.o.) erfasst und an Assoziationsfelder im Bereich der Region, in der parietaler, okzipitaler und temporaler Lappen aufeinandertreffen, geleitet. Diese generieren die konjugierten Blickfolgebewegungen und geben die Programme über die übergeordneten Blickzentren (v. a. Vestibu-
Der Weg der Signalübertragung für die Auslösung dieser Vorgänge ist folgender: Die Sehimpulse erreichen die primäre Sehrinde und gelangen von dort über die Area pretectalis zu einem parasympathischen Kerngebiet, dem Perlia-Kern. Von dort aus werden die beiden Mm. recti mediales für die Konvergenzbewegung sowie die parasympathischen Edinger-Westphal-Kerne für die Pupillenverengung (M. sphincter pupillae) und die Akkommodation (M. ciliaris) angesteuert.
Zusammenfassung X Das visuelle System besteht aus dem Auge mit seinen Hilfseinrichtungen (Lider, Bindehaut etc.), dem Sehnerv sowie Sahzentren und Bahnen im Gehirn. Darüber hinaus gehört zum visuellen System die Okulomotorik, da die Gesamtheit der visuellen Wahrnehmung wesentlich dll!rch die Augenbewegungen mitbestimmt wird.
Auditarisches und vestibuläres System Hörbahn N. cochlearis, Ncll. cochleares, oberer Olive nkern komplex, Ncll. lemnisci laterales
Die Rezeptoren des auditarischen Systems sind die inneren und äußeren Haarzellen (sekundäre Sinneszellen) im Corti-Organ, welche über komplexe physiologisc he Vorgänge durch Schallwellen erregt werden. Die inneren Haarzellen übertragen die Erregungen nun an afferente Nervenfasern, da sie als sekundäre Sinneszellen keine Axone zur Fortleitung der Impulse besitzen. Bei diesen Fasern handelt es sich um die peripheren Fortsätze der bipolaren Neurone (I. Neurone der Hörbahn) des Ganglionspiralecochleae im Modialus (knöcherne Längsachse der Cochlea). Die zentralen Fortsätze der bipolaren Neurone bilden den N. cochlearis, der wie sämtliche Stationen der Hörbahn tonotop gegliedert ist. Das bedeutet, dass jede einzelne Schallfrequenz in einer bestimmten Nervenfaser des N. cochlearis bzw. einem bestimmten Areal innerhalb der weiteren Strukturen der Hörbahn repräsentiert wird. Der N. cochlearis schließt sich mit dem N. vestibularis zum N. vestibu· locochlearis (N. VIII) zusammen, welcher durch den Meatus acusticus internus zieht und lateral des N. facialis im Kleinhirnbrückenwinkel in den Hirnstamm eintritt. Dort trennen sich die vestibulären und kochleären Faserkomponenten wieder voneinander. Der N. cochlearis erreicht den Ncl. cochlearis anterior (I Abb. I), in welchem die Umschaltung auf die 2. Neurone der Hörbahn erfolgt. Im Ne!. cochlearis anterior werden - wie auch in den Folgestrukturen - erstmals bestimmte Merkmale des Schallmusters erfasst (z. B. Beginn, Ende, Änderung der Frequenz). Seine Axone ziehen zumeist in Form eines dicken Bündels, des sog. Corpus trapezoideum, zur Gegenseite, wobei auf diesem Weg bereits ei n Teil des Bündelsam oberen Olivenkernkomplex (Ncll . olivares superiores, Ncll. corporis trapezoideil der gleichen Seite endet. Dieser Anteil
wird dort umgeschal tet und zieht dann entweder ipsilateral nach oben oder schließt sich wieder dem restlichen größeren Teil des Corpus trapezoideum an, welcher den kontralateralen oberen Olivenkernkomplex erreicht. in Letzterem erfolgt dann z. T eine weitere Umschaltung auf die 3. bzw. 4. Neurone der Hörbahn . Der obere Olivenkernkomplex ist übrigens die erste Station der Hörbahn, die Impulse aus beiden Cochleae erhält und somit entscheidend am Richtungshören beteiligt ist: Komm t z. B. ein Schall von links, erreicht er das linke Ohr schneller als das rechte (Laufzeitdifferenz) und kommt im linken Ohr auch mi t einem höheren Schalldruck an. Solche feinen Unterschiede können bereits auf dieser Ebene registriert werden! Außerdem entsendet der obere Olivenkernkomplex efferente Fasern über den N. cochlearis zu den äußeren Haarzellen, wodurch diese in ihrer Funktion als Signalverstärker beeinflusst werden. Die Axone der Neurone aus dem kontralateralen Olivenkernkomplex steigen als Lemniscus lateralis bis zu den Colliculi Superiores auf. Zuvor werden auf diesem Weg noch einige Fasern in den NeU. lernnisei lateralis, eine in den Lemniscus lateralis eingeschaltete Kerngruppe, umgeschaltet und kreuzen z. T. wieder zur ursprünglich gleichen Seite zurück. Ein Teil des N. cochlearis erreicht ferner auch noch den Nd. cochlearis posterior, in welchem ebenfalls eine Umschaltung auf die 2. Neurone der Hörbahn erfolgt. Die Axone aus diesem Kern kreuzen dabei größtenteils zur Gegenseite und steigen ebenfalls im Lemniscus lateralis bis zu den Colliculi inferiores auf. Colliculi inferiores, Corpus geniculatum mediale
Der Colliculus inferior jeder Seite erhält Impulse vom Lemniscus iateralis, aber auch vom Colliculus inferior der Gegenseite. Im Coiliculus inferior werden die Impulse umgesc haltet und über das Brachium colliculi inferioris zum Corpus geniculatum mediale des Thaia-
mus geleitet, wo sie erneut eine Umschaltung erfahren. Efferenzen der Coiiiculi inferiores erreichen darüber hinaus auch and ere Zentren, wie z. B. die Colliculi superiores. Über diese Verbindung werden reflektorische Augenbzw. Kopf- und Rumpfbewegungen auf einen akustischen Reiz hin vermittelt. Vom Corpus genicuiatum mediale gelangen dann die Impulse über die Hörstrahlung (Radiatio acustica), welche durch den hinteren Schenkel der Ca psula interna zieht, zur primären Hörrinde. Primäre Hörrinde
Die primäre Hörrinde (Area 4 1 nach Brodmann) entspricht den Heschl-Ouerwindungen des Gyrus temporalis superior, welche man erst nach Entfernung des parietalen und frontalen Operculums erkennen kann. Sie ist auch tonotop gegliedert: Hinten-medial werden höhere Frequenzen, vorn-latera l tiefe Frequenzen abgebildet. In der primären Hörrinde gelangen die akustischen Impulse zu Bewusstsein, wobei sie erst in der sekundären Hörrinde interpretiert werden. Bei Reizung der primären Hörrinde werden daher lediglich einzelne Laute von unterschiedlicher Frequenz und Lautstärke wahrgenommen, niema ls aber komplette Wörter oder Melodien. Der auditarische Kortex entsendet außerdem absteigende Efferenzen, die sämtliche Stationen der Hörbahn beeinflussen und dadurch den aufsteigenden akustischen Informationsfluss kon trollieren (z. B. Filterung~ Heraushören bestimmter Impulse aus Umgebungslärm).
Speziell-sensorische Systeme
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Abb . 1: Hörbahn. 111
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t Ncll. vestibulares superior (Bechterew)
und medialis (Schwalbe): erhalten Impulse aus den Bogengängen und dem Utriculus t Ne!. vestibularis inferior (Roller): erhält Impulse aus dem Sacculus t Ne!. vestibularis lateralis (Deiters): erhält Impulse aus dem Kleinhirn
"
Radiati o acustica Corpus geniculatum mediale Colliculus rn ferior
-
Lemniscus lateralis
- Nucler lemnrscr lateralrs Brachium colliculi inferioris
•
- - - Nucleus cochlearis posterior
Trapezkreuzung (Corpus trapezoideum) 1 direkt e Hörbahn 2 indirekte Hörbahn
Sekundäre Hörrinde
In der sekundären Hörrinde (Area 42) werden die akustischen Impulse interpretiert, indem sie mit Gedächtnisinhalten abgeglichen und so als Wörter, Melodien und Geräusche erkannt werden. In der sprachdominanten Hemisphäre werden durch das WernickeZerrtrum (sensorisches Sprachzentrum, s. S. 71), welches in dieser Hemisphäre die Areae 22 bzw. 22 und 42 einnimmt, v. a. sprachliche Informationen verarbeitet. Die nichtsprachdominante Hemisphäre soll vorwiegend nonverbale Impulse und Musik verarbeiten. Gleichgewichtsbahn
Ganglion vestibulare, welches sich am Boden des inneren Gehörgangs befindet. Die zentralen Fortsätze der Neurene bilden denN. vestibularis, welcher sich mit dem N. cochlearis (s.o. ) zum N. vestibulocochlearis zusammenschließt und zum Hirnstamm zieht. Dort erfolgt die Umschaltung auf die 2. Neuronein den Ncll. vestibulares:
Von den Ncll. vestibulares ziehen Efferenzen zu Kleinhirn, Augenmuskelkernen und Rückenmark, welche im Zusammenhang mit der Motorik näher erläutert werden (s. S. 116). Darüber hinaus ziehen Fasern bilateral über den Ne!. ventralis posterolateralis des Thalamus zu vestibulären Kortexarealen, wodurch Informationen zu Stellung und Bewegung im Raum zu Bewusstsein gelangen (Raumorientierung). Zu diesen Kortexarealen gehören Bereiche im Sulcus centralis sowie im Sulcus lateralis (Gesichtsbereich des Gyrus postcentralis!) mit Ausdehnung bis zur Inselrinde. Da diese Gebiete auch propriozeptive und visuelle Eingänge haben, können wohl verschiedenartige Informationen über Kopf- und Körperstellung im Raum komplex integriert werden. Durch elektrische Reizungen der vestibulären Rindenfelder ließen sich Schwindel und Bewegungswahrnehmungen auslösen.
Zusammenfassung X Das auditorische System dient der Aufnahme, Weiterle,itung und Verarbeitung von Schallwellen. Es umfasst das Ohr, den N. cochlearis sowie Hörzentren und Bahnen des ZNS (u. a. Ncll. cochleare.s, Corpus trapezoideum, oberer Olivenkern komplex, Colliculi inferiores, Corpus geniculatum mediale und Hörrinde).
Die Rezeptoren des vestibulären Systems sind die Haarzellen des Vestibularapparats. Die Haarzellen in den Bogengängen registrieren Drehbeschleunigungen, während diejenigen in Sacculus und Utriculus lineare Beschleunigungen erfassen. Als sekundäre Sinneszellen übertragen die Haarze llen di e Erregungen auf die peripheren Fortsätze der bipolaren Neurone (I. Neurone) im
X Das vestibuläre System umfasst den Vestibularapparat (Sacculus, Utriculus und die drei Bogengänge) im lnnenohr, denN. vestibularis sowie Zentren und Bahnen des ZNS. Es vermittelt Informationen über Bewegung und Stellung des Kopfs und sorgt über seine Verbindungen zur Motorik zusammen mit visuellen und propriozeptiven Impulsen für die Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts beim Gehen und Stehen. Darüber hinaus dient es der Kontrolle der reflektorischen Augenbewegungen.
Olfaktorisches und gustatorisches System Geruchssystem (olfaktorisches System) Peripheres Geruchssystem
Im Bereich der oberen Nasenschleimhaut liegt das nur wenige Quadratzentimeter große Gebiet geruchsempfindlicher Nasenschleimhaut, die Regio olfactoria. In ihrem Epithel befinden sich bis zu 30 Mio. Riechsinneszellen. Diese primären Sinneszellen sind bipolare Neurone, die als einzige Neurone des Nervensystems Kontakt mit der Außenwelt haben und immer wieder (alle 30-60 Tage) erneuert werden. Die Dendriten der Sinneszellen ragen in den Riechsch leim hinein und tragen Rezeptoren für die Geruchsstoffe, während sich die unmyelinisierten Axone der Sinneszellen zu Fila olfactoria zusammenlagern. Diese Fila werden in ihrer Gesamtheit als N. olfactorius (N. I) bezeichnet, obwohl sie getrennt voneinander durch die Öffnungen der Lamina cribrosa ziehen. Zentrales Geruchssystem
Der paarige Bulbus olfactorius (I Abb. 1) ist ein vorgeschobener Teil des Endhirns und wird mit dem Tractus olfactorius zum Paläokortex gerechnet. Die Fila olfactoria konvergieren in jedem Bulbus auf etwa 1000 Glomeruli. Letztere sind Orte, an denen die Fila olfactoria über zahlreiche Synapsen auf Mitratzellen (2. Neurone der Geruchs· bahn) umgeschaltet werden. Dabei erreichen alle Neurone, die den gleichen Geruchsrezeptor aufweisen, mit ihren Axonen den Glomerulus, welcher für genau diesen der insgesamt I 000 Geruchsrezeptoren spezifisch ist. Außerdem befinden sich im Bulbus noch lnterneurone, wie die Körnerzellen, welche für Adaptation und Kontrastverstärkung [Erhöhung der Unterscheidungsfähigkeit für unterschiedliche Signale) sorgen. Die Axone aus dem Bulbus bilden gemeinsam den Tractus olfactorius, der sich im Trigonum olfactorium in die Striae olfactoriae lateralis et medialis teilt. Die Stria olfactoria medialis besteht aus Neuronen des Ncl. olfactorius ante-
• Cortex prepiriformis • Cortex periamygdaloideus • entorhinaler Kortex
frontaler und orbitafrontaler Kortex
limbisches System
I Abb. 1: Riechbahn.
rior (Neuronengruppe im Tractus olfac - t Entorhinaler Kortex (im engeren Sinn torius) sowie aus Fasern des Tractus Bestandteil des Periarchikortex) olfactorius, die die Neurone dieses Kerns erreichen. Die Stria projiziert in Während die Impulse, die über die Stria den kontralatera len Bulbus sowie in die olfactoria med ialis laufen, wohl unbebeiden paläokortikalen Areale Substan- wusst bleiben, gelangen jene, welche tia perforata anterior (Tuberculum über die Stria olfactoria lateralis weiterolfactorium), die übrigens wegen ihrer geleitet werden, zu Bewusstsein. Die Durchlöcherung durch Gefäße so beSignale laufen dabei von den drei o. g. zeichnet wird, und Area septalis. Von Strukturen entweder über den Thaladort aus werden die Ncll. habenulares mus oder unter dessen Umgehung zu sowie der Hypothalamus erreicht. Über "sekundär olfaktorischen" isokortikalen diesen Weg sollen viszerale Antworten Arealen (frontaler und orbitafrontaler auf Geruchsreize, wie z. B. SpeichelKortex). Hier erfolgen dann Wahrnehsekretion, erfolgen. mung und Diskrimination der Gerüche. Die Stria olfactoria lateralis entsendet Die Verbindungen zum limbisehen Sysihre Projektionen v. a. in folgende drei tem (u. a. Amygdala und Hippocampus) paläokortikalen Areale (I Abb. 2): werden für emotionale Reaktionen auf Gerüche verantwortlich gemacht (z. B. t Cortex prepiriformis ("primäre RiechAufkommen von Emotionen, wenn man rinde") einen Geruch wahrnimmt, den man mit t Kortikale Anteile der Amygdala (Coreinem bestimmten Ort/Erlebnis der tex periamygdaloideus) Vergangenheit verbindet).
Bul bus olfactorius
- - - -----ti...-:,..-
seku ndäre olfaktorische Areale
Stria olfactoria ""'c1. Stria olfactoria lat. Substantia perforata anterior primä r olfaktorischer Kortex
--. I Abb. 2: Basa le Ans icht der olfaktorischen Area le. ]nach 51
Speziell-sensorische Systeme
Geschmackssystem (gustatorisches System) Peripheres Geschmackssystem
Das Geschmacksorgan besteht aus einer Vielzahl von Geschmacksknospen, die sich v. a. in den Papillen der Zunge (Papillae vallatae, fungiform es und foliatae) befind en . Die Geschmacksknospen bestehen aus Basal- und Stützzellen sowie den eigentlichen Sinneszellen, den Geschmackszellen. Diese sind modifi zierte Epithelzellen, die nur ca. I 0 Tage leben und ständig aus den Basalzellen nachgebildet werden. Da die Geschmackszellen sekundäre Sinneszellen sind, besitzen sie keine Axone, über welche sie die Impulse weiterleiten können . Daher sind an sie Geschmacksfasern zur Impulsweiterleitung angeschlossen. Diese laufen in drei Hirnnerven und gehören zu pseudounipolaren Neu ronen (1. Neurone), welche ih re Perikarya in sensiblen Ganglien haben: t Die Geschmacksfasern der vorderen zwei Drittel der Zunge laufen mit der Chorda tympani, die sich zeitweise dem N. Iingualis (N. V) anschließt, zum Ganglion geniculi des N. facialis [N. VII ). t Die Geschmacksfasern des hinteren Zungendrittels laufen mit dem N. glossopharyngeus [N. IX) zum Ganglion superius, aber v. a. zum Ganglion inferius dieses Nervs. t Geschmacksfasern aus der Zungenwurzel, der Epiglottis sowie dem Pharynx- und Larynxbereich ziehen im N. vagus (N. X) zu dessen Ganglion inferius.
108
I
109
Reaktionen auf Geschrnacksempfindungen, aber auch viszerale Reflexe ausgelöst werden. Reflektorisch werden so der Ncl. dorsalis n. vagi und die Speichelkerne angesteuert, die mit ihren efferenten Fasern die Magensaft- bzw. Speichelsekretion anregen. Da beim Menschen - abgesehen von den Mischqualitäten wie z. B. • süßsauer" - nur vier bzw. fünf Geschmacksqualitäten wahrgenommen werden können, wird der Eindruck des Schmeckens ganz wesentlich vom Geruchssystem beeinflusst. Dabei gelangen die flüchtigen Geruchssubstanzen des Essens in das Riechepithel der Nase. Ein kompletter Ausfall des Geruchssystems (Anosmie}, z. B. aufgrundvon Tumoren entlang der Riechbahn, führt daher zu starken Beeinträchtigungen beim Schmecken. Dieses Gefühl kennt man auch von starken Erkältungen, bei denen die Nase verstopft ist.
Ncll. tractus solitarii - - - - - -- Ganglion trigeminale _ _ _____;;;~N. mandibularis
--::;t-i
(V3) ----~~~~~~::Jm
Beim Menschen gibt es die Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig und bitter, wobei neuerdings auch .umami" (durch Glutamat hervorgerufen) dazugerechnet wird. Die Geschmacksqualitäten können überall wahrgenommen werden, besitzen jedoch bevorzugte Lokalisationen (I Abb. 3) auf der Zunge. Nicht gustatorisch, sondern über Schmerzfasern des N. trigaminus werden scharf schmeckende Substanzen wahrgenommen.
Zentrales Geschmackssystem I Abb. 3: Geschmacksbahn. [nach 11
Die zentralwärts gerichteten Fortsätze der 1. Neurene ziehen zu den Ncll. tractus solitarii, wo sie in somatatopischer Ordnung auf die 2. Neurene der Geschmacksbahn umgeschaltet werden. Deren Axone (sekundäre Geschmacksfasern) kreuzen zur Gegenseite und ziehen im Lemniscus medialis zum Nct. ventralis posteromedialis thalami. Dort werden sie auf die 3. Neurone der Geschmacksbahn verschaltet, die ihre Axone in somatotaper Ord nung in den unteren Bereich des Gyrus postcentraUs sowie in die Inselrinde senden. Hier gelangt die Gesch mackswahrnehmung dann zu Bewusstsein. Gesc hm acksinformationen treffen übrigens auch im orbitafrontalen Kortex ein, so dass dieser an der Verknüpfung guslatorischer und olfaktorischer Reize Anteil hat! Ein Teil der sekundären Gesc hmacksfasern geht unter Umgehung des Thalamus Verbindungen mit dem limbisehen System (Corpora marnmillaria) und den Hirnnervenkernen ein. Man geht davon aus, dass über diese Bahnen emotionale
Zusammenfassung • Riech- und Geschmackssystem sind chemische Sinnesorgane, da sie chemische Substanzen (Geruchsund Geschmacksstoffel aus der Umwelt wahrnehmen können. Beide Systeme besitzen periphere (Hirnnerven I, VII, IX und X) und zentrale Anteile. Im Kortex erfolgen die Bewusstwerdung und Diskrimination der Sinneswahrnehmung, während über Projektionen zu Hypothalamus und Iimbisehern System emotio-
nale und viszerale Reaktionen auf Gerüche bzw. Geschmacksreize erfolgen.
Organisation der Somatamotorik im Überblick Das somatornotorische System steuert willkürlich und unwillkürlich die Aktivitäten des Bewegungsapparats. Um einwandfrei funktionieren zu können, ist es ständig auf sensorische Informationen (u . a. propriozeptive, visuelle und akustische Impulse] aus der Peripherie angewiesen, wodurch Körperhaltung und Bewegungen laufend an die aktuelle Situation angepasst werden können. Motorische und sensorische Systeme funktionieren also nicht unabhängig voneinander, sondern eng miteinander, weshalb v. a. in der Physiologie der Begriff der Sensomotorik verwendet wird. In der Neuroanatomie betrachtet man beide Systeme gern getrennt voneinander, da im praktischen Klinikalltag die Bahnen der beiden Systeme separat untersucht werden, um Schädigungen, die meist ganz best. Teile der jeweiligen Systeme betreffen, zielgerichtet zu erkennen. Einen Überblick über die Bestandteile des motorischen Systems und deren Funktion im Gesamtzusammenhang gibt I Tabelle I. Extrapyramidal-und Pyramidalmotorik
Traditionell gliedert man das motorische System des ZNS in ein pyramidales und extrapyramidales System. Das pyramidale System umfasst die langen Nervenfasern, die in motorischen Kartexarealen entspringen und gebündelt
als sog. Pyramidenbahn ohne Umschaltung bis zu Hirnstamm und Rücke nmark absteigen . Zum extrapyramidalen System (EPS) rechnet man hingegen sämtliche Bahnen und Strukturen außerhalb des pyramidalen Systems. Dazu gehören u. a. die Basalganglien, das Kleinhirn, motorische Hirnstamm· zentrensowie jene motorischen Kortexa reale, deren absteigende Fasern nich t in der Pyramidenbahn laufen. Innerhalb des EPS definiert man extrapyramidale Bahnen im engeren Sinn. Dabei handelt es sich um absteigende Faserbahnen, die in subkortikalen Zentren (d. h. v. a. im Hirnstamm] entspringen und wie die Pyramidenbahn bis in das Rückenmark ziehen. Früher dachte man, dass das EPS die unwillkürliche Motorik und damit nur die grobe Stützund Haltemotorik sowie den Ablauf automatischer Bewegungsmuster vermitteln würde. Das Pyramidalsystem sollte hingegen ganz allein für die Willkürmotorik zuständig sein . Heute weiß man, dass beide Systeme eng zusammenarbeiten und sowohl im Dienste der willkürlichen als auch der unwillkürlichen Motorik stehen. Willkürliche Bewegungen werden auch immer von unwillkürlichen begleitet. Z. B. werden bei der willkürlichen Bewegung der einen Extremität zugleich unbewusst die andere Extremität und der Rumpf an die neuen veränderten Bedingungen angepasst, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten oder die Bewegung
Bestandteile
Funktionen
Rückenmark
»Selbstständige Durch führu ng elementarer Funktionen (Eigen- und Fremdreflexe) -> spinales Grundsystem (s. S. 112)
»Au sführungsorgan supraspinaler motorischer Kommandos Hirnstammzentren
» V. a. unwillkürliche Regulation der Stütz- und Gangmotorik sowie Koordin ati on
(u. a. Ncl. ruber, Formatio
Planung und Durchführung willkürlicher Bewegungen
Am Anfang jeder willkürlichen Bewegung (I Abb. I) steht die Absicht bzw. innere Motivation, ein best. Ziel zu erreichen (z. B. der Wille, etwas zu trinken, da man Durst hat). Der Ursprungsortdieses initialen Handlungsantriebs ist wohl in Strukturen des limbisehen Systems zu sehen (s. S. 124 - 127]. Diese leiten die Impulse an Assoziationsfelder (präfrontaler Kortex, posteriorer parietaler Kortex] we i tet~ welche daraufh in eine Handlungsstrategie entwickeln (d. h., was muss ich tun, um das Ziel zu erreichen? z. B. Greifen des Glases]. Für die konkrete Umsetzung dieser Bewegung werden nun motorische Sekundärfelder kontaktiert, welche die Bewegung in ihrer Abfolge konkret planen (d . h., wie muss ich es tun? z. B. muss zunächst festgestellt werden, wo sich das Glas befindet, wie schwer es wohl sein könnte und welche Muskeln in welchem Ausmaß erforderlich sind, um es zu erreichen und zu greifen] bzw. aus bereits gespeicherten Programmen das geeignete auswählen. Da dieses Bewegungsprogramm i. Allg. noch nicht ausgefeilt genug ist, wird es zur weiteren Bearbeitung an die Basalganglien und das Kleinhirn (v. a. Pontocerebellum] geleitet. Dort werden dann die Bewegungspläne moduliert und fein abgestimmt, wobei die Basalganglien ebenfalls an der Auswahl von Bewegungsprogrammen beteiligt sind
von Bewegungen (-+geordneter Ablauf von Willkürbew egungen) durch za hlrei che Kerngebiete und die aus ihnen hervorgehenden ex trapyramidalen Bahnen
reticularis, unterer Olivenkern komplex; Ncll . pontis,
» Beteiligung an der Feinabstimmung von Willkürbewegungen
s. S. 114 ff.)
• Zentren zur Steuerung der Ok ulomotorik (s. S. 104)
Kl einhirn (s. S. 1181
reibungslos ablaufen zu lassen. Auch bei der Vorbereitung und Programmierung willkürlicher Bewegungen (s. u.) ist das EPS (v. a. Basalganglien und Kleinhirn) unverzichtbar.
• Aufrechterhallung des Gleichgewichts
t Kontrolle von Stütz- und Zielmotorik
Ba sa lgangl ien (Striatum,
»Programmierung (Feinabstimmung und Modulation) der Zielmotorik » Programmierung (Feinabstimmung und Modulation) der Zi elmotorik
Pallidum, Ncl. subthalamicus und Substant ia nigra, s. S. 128) Motorische Kortexarea le und
» Erstell ung von Bewegungsstrategien und -programmendurch Ass oziationsfelder und sekund ärmotorische Kort exarea le
Pyramidenbahn (s. S. 122)
t
Durchführung von Will kürbewegungen über den Weg primärmotorischer Kortex -+ Pyramidenba hn -+ Rückenmark
I
Tab . 1: Bes tand te ile d es m o tori schen Systems und ihre Funktionen.
Somatornotorisches System
und darüber hinaus auch motorische Impulse bahnen bzw. ungewollte ganz unterdrücken können. Nach dieser Planungsphase wird das nun modu lierte Bewegungsprogramm über den Thalamus den motorischen Arealen, bes. dem Motokortex (motorisches Primärfeld) , zugeleitet, der dessen Ausführung (Ausführungsphase) veranlasst. Er projiziert dazu mit seinen Efferenzen, den Fibrae corticospinales und corticonucleares, welche zusammen die Pyramidenbahn bilden, in die Moloneuronen in Hirnstamm und Rückenmark. Deren lange Axone verlassen das ZNS und übermitteln die Impulse an die entsprechenden Skelettmuskeln in der Peripherie, welche die Bewegungen ausführen (z. B. Kontraktion von Arm- und Handmuskulatur, um das Glas zu greifen). Auf ihrem Weg gibt die Pyramidenbahn Kollateralen zu den unteren Oliven ab, über welche sie dem Kleinhirn eine Kopie der Informationen, die gerade in das Rückenmark geschickt werden, zukommen lässt. Das Kleinhirn kann auf diese Weise noch korrigierend einwirken. Nicht zu vergessen sind weiter sensorische Rückmeldungen aus der Peripherie, die auf alle o. g. Strukturen rückwirken und so den reibungslosen Ablauf motorischer Vorgänge ermöglichen. Die beschriebenen Vorgänge bei der Planung und Ausführung von Willkürbewegungen können über EEG registriert werden: Bereits 0,5- 1 s vor Bewegungsbeginn kann man diffus über dem Kortex ein Bereitschaftspotential (-+ Handlungsantrieb), ca. 100 ms zuvor ein Potential über der sekundärmotorischen Rinde (-+ Programmerstellung) und ca. 50 ms zuvor ein Potential über dem Motokortex (-+ .Versand des Bewegungsplans") messen.
l I
limbisches System
I
Assoziationsfelder
I
I
H
/ Kleinhirn
~ I
~ I Basalganglien I I
/
Thalamus
Ncll olivares_ mfenores
V
Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) degenerieren sowohl die absteigenden motorischen Bahnen als auch die Motoneuronen im Vorderhorn unaufhaltsam. Daher kommt es zur Kombination aus Muskelatrophie und spastischer Lähmung.
Programmierung
Läsion des I. motorischen
Läsion des 2. motorischen
Neurons (von Kortex und
Neurons (Moloneuronen des
anderen supraspinalen Zentren
Hirnstamms, Vorderhornze llen
über absteigende Bahnen bis
des Rückenm ark s, vordere
hin zum Rückenmark); immer
Wurzeln, peripherer Nerv)
Gesteigert
Abgeschwächt
Muskel-
Gesteigert
Erloschen
Muskel-
Abgeschwächt bzw. erloschen,
Erloschen
fremdreflexe
zusätzlich pathologische
eigenreflexe
Reflexe (primitive Fremdreflexe wie Babinski)
I
Nein
Ja
atrophie
I Tab. 2: Untersch iede zwischen spastischer und peripherer Lähmung.
J
H1rnstar m
Muskel
Periphere Lähmung
Muskeltonus
Muskel-
Molokortex
Spastische Lähmung
zentrale Ursache
I
Durchführung
I Ruckenmark I
I
Das Erkennen von Lähmungen ist ein zentraler Punkt bei der Untersuchung der Motorik innerhalb der neurologischen Untersuchung. Man unterscheidet spastische von peripheren (schlaffen) Lähmungen (I Tab. 2). Spastische Lähmungen sind typisch für eine Läsion der Pyramidenbahn. Sie treten jedoch auch bei Läsionen extrapyramidaler Bahnen auf, bzw. man nimmt stark an, dass die Mitschädigung extrapyramidaler Bahnen erst die nötige Voraussetzung für das Entstehen der Spastik ist. Bei Läsion des Motokortex oder der Pyramiden d. h. , die nichtpyramidalen Fasern bleiben intakt- tritt nämlich eine schlaffe und keine spastische Lähmung auf! Spastische Lähmungen entwickeln sich typischerweise auch erst nach einiger Zeit (Stunden, Tagen, Wochen) aus einer schlaffen Lähmung.
Handlungsstrategie
! Rezeptoren
Spastische und periphere Lähmung
Ursache
't
I
Eine Schädigung der für den Handlungsantrieb verantwortlichen limbisehen Strukturen (Läsionen in Gyrus cinguli, zentralem Höhlengraul ka nn einen akinetischen Mutismus (Stummheit) auslösen. Hierbei sind trotz intakter kognitiver Fähigkeiten und Muskulatur die motorischen Funktionen wie Mimik, Gestik und Sprache stark reduziert.
Handlungsantrieb
' Imotorische Sekundärfelder I
110 1 111
I
-
I Abb. 1: Organisation der Soma tamotorik im Überblick (vereinfachtes Schema).
Spinales Grundsystem Über den Eigenapparat (s. S. 41] kann Reflex Segment Reflexauslösung Erfolgsorgan Nerv (afferenter und das Rückenmark selbstständig "einefferenter Schenkel) fachere" elementare Aufgaben erfüllen, Bizepsreflex C5 - C6 Sch lag auf Bizepssehne M. biceps brachii N. musculocutaneus die im Wesentlichen aus der DurchfühBrachioradia lisreflex C5 - C6 Schlag au f die AnsatzM. brach ioradiali s, N. rad ia lis, rung spinaler Reflexe bestehen. Nach (Radius-Periost-Reflex) sehne des M. brachioM. brachialis, N. musculocutaneus ihrer Verschaltung und Komplexität unradiali s bzw. das Periost M. biceps brachii terscheidet man zwei Reflexformen: die Trizepsreflex C6 - C8 Schlag auf Trizepssehne M. triceps brachii N. rad ialis monosynaptischen (Eigenreflexe] und L2 - L4 Pate IIa rsehnen refl ex Schlag auf Li g. patell ae M. quadriceps femoris N. femoralis die polysynaptischen Reflexe (FremdL5 - 52 Achil lesseh nen reflex Schlag auf Achillessehne M. triceps surae N.libialis reflexe) . Diese Reflexe werden zwar I Tab. 1: Für die Diagnostik wichtige Eigenreflexe des Rückenmarks. eigenständig über das Rückenmark vermittelt, können jedoch - v. a. die polysynaptischen Reflexbögen - von (reziproke Antagonistenhemmung). messererregen ihrerseits Interneurane supraspinalen Zentren beeinflusst werSchließlich kann beim Patellarsehnendie hemmend auf die Motoneuronen ' den. Jene können dafür sorgen, dass reflex eine vollständige Streckung nur des gedehnten Muskels und aktivierend Reflexe zur bewussten Wahrnehmung dann erfolgen, wenn der Beuger zuauf seinen Agonisten rückwirken. So gelangen und in ihrem Ablauf verändert gleich gehemmt wird ! wird eine zu große Spannung der Musoder gar unterdrückt werden. Beendet wird die Reflexantwort, d. h. kulatur vermieden. Die Golgi-Organe die Muskelkontraktion, folgendermasind damit wie die Muskelspindeln ßen: allerdings über di-/ polysynaptische Eigenreflexe Reflexbahnen - an der Regulation des {Muskeldehnungsreflexe) t Durch die Kontraktion des Muskels Muskeltonus beteiligt. Der einfachste Leitungsbogen ist der entdehnen sich die Muskelspindeln, t Rekurrente Hemmung durch Renmonosynaptische Reflex (I Abb. I, so dass die Impulsfrequenz in den shaw-Zellen [I Abb. 2, S. 7]: KollateI Tab. 1): Wird der Muskel gedehnt la-Afferenzen abnimmt. ralen der Motoneuronen des gedehnten (z. B. durch einen Schlag auf seine Seht Die Muskelkontraktion bewirkt i. Allg. Muskels erregen über Acetylcholin ne), werden die dazugehörigen Muskel- eine Zunahme der Muskelspannung/ Renshaw-Zellen [inhibitorische Interspindeln, die als Dehnungsrezeptoren -kraft, die zu einer Erregung der Golgineurone), die über GABA genau das Änderungen der Muskellänge registrieSehnenorgane führt. Diese Spannungs- Motoneuron hemmen, durch das sie ren, durch passive Mitdehnung erregt. Sie leiten die Impulse über Ia- und !1Afferenzen in das Rückenmark. Dort ziehen die Afferenzen durch das Hinterhorn zum Vorderhorn, wo sie auf die Ganglion spirale Motoneuronen des gedehnten Muskels umgeschaltet werden (Transmitter: Glutamat]. Die Motoneuronen werden aktiviert, worauf der gedehnte Muskel kontrahiert. Monosynaptisch ist der Reflex also, weil nur eine einzige Umschaltung, meist nur innerhalb eines Segments, erfolgt. Da beim monosynaptischen Reflex Rezeptor (Muskelspindel] und Effektor [Muskel] im selben Organ [Muskel] liegen, spricht man auch vom Eigenreflex.
Tatsächlich weist der Muskeldehnungsreflex nun auch polysynaptische Anteile auf: Es werden nämlich nicht nur die Vorderhornzellen des gedehnten Muskels erregt [z. B. Streckmuskel beim Patellarsehnenreflex), sondern auch über Interneurane die Motoneuronen des antagonistischen Muskels gehemmt, da sonst di e Reflexantwort in der Ausführung gehemmt werden würde
I I
1 2 3 4 5
I
Ha ut Zwischenneurons motorische Vorderhornzelle motorische Endplatte Mu skelspindel
Abb. 1: Rü ckenmarksre fl exe: Eigenreflex (link s) und Fre mdreflex (rechts).
161
l
Somatornotorisches System
Segment
Reflexauslösung
Erfolgsorgan
Afferenter Schenkel
Efferenter
Schenkel
Bauchhaut-
TB- T 12
Bestreichen der Bauchhaut
Bauch-
Nn. intercostale s VIII - XII,
muskulatur
N. il iohypogastricus, N. ilioinguinalis
M. cremaster
N. femoralis und R. genitalis des
Best reichen des late ral en
Be uge r der
Nn. plantares n. tibiali s
Fußsohlenrand s
Zehen 2- 5
reflex
Kremaster-
L 1 - L2
refl ex Fußsohlen -
Innenseite des Oberschenkels S 1 - S2
reflex Analreflex
Bestreichen der Haut an der
S3 - S5
Bestreichen der Ana lregion
N. genitofemora lis
M. sphincter
Nn. anococcygei
N. tibialis
N. pudendus
ani ext.
I Tab. 2: Für die Diagnostik wichtige Fremdreflexe des Rückenmarks .
selbst aktiviert wurden ~ das Motoneuron inaktiviert sich also selbst.
zu entledigen, indem er mit seiner hinteren Extremität das Papier wegwischt (Wischreflex)!
Fremdreflexe Funktion der spinalen Reflexe
Fremdreflexe (I Tab. 2) sind polysynaptische Reflexe, d. h., zusätzlich sind Interneurane in den Reflexbogen eingeschaltet. Beim Fremdreflex liegt der Rezeptor in einem vom Rezeptor verschiedenen Organ. Tritt man z. B. mit dem Fuß auf eine spitze Glasscherbe, wird man sofort das Bein des betroffenen Fußes zurückziehen (Schutzreflex). Auf neuronaler Ebene spielt sich dabei Folgendes ab: Afferente Schmerzfasern leiten die Impulse aus der Haut in das Hinterhorn, wo sie über zahlreiche Interneurone verschaltet werden . Diese steigen u. a. über die Faserbahnen der Fasciculi proprii in verschiedene Segmente auf und ab (auch in supraspinale, s. u.), um Moloneuronen verschiedenster Muskelgruppen zu aktivieren bzw. zu hemmen, denn mit dem Wegziehen (Beugereflex) des schmerzenden Fußes allein ist es nicht getan. Das kontralaterale Bein muss zugleich über Tonuserhöhung seiner Extensoren als Standbein stabilisiert werden (gekreuzter Streckreflex), und auch die Oberkörpermuskulatur muss zur Erhaltung des Gleichgewichts miteinbezogen werden. Im Fall einer solchen komplexen "Ganzkörperanpassung" ist das Rückenmark auf die Mitwirkung supraspinaler Zentren (Kleinhirn, Hirnstamm) angewiesen. Für "einfachere" Fremdreflexe scheint aber das Gehirn nicht unbedingt nötig zu sein: Setzt man einen gehirnlosen Frosch auf säuregetränktes Papier, schafft er es allein über das Rückenmark, sich der Gefa hr für den Körper
Die Muskulatur steht, da sie der Schwerkraft der Erde ausgesetzt ist, auch in Ruhe immer unter Spannung. Ohne diesen Ruhetonus der Muskeln würde das Skelett zusammenklappen. Nehmen wir eine Last auf die Schulter, würden die Gelenke wegen des dann nicht mehr ausreichenden "normalen" Muskeltonus einknicken. Die Last löst jedoch über die Dehnung der Muskulatur den Muskeldehnungsreflex aus, durch welchen der Muskeltonus erhöht wird . Monosynaptische Reflexe dienen also der Aufrechterhaltung bzw. der Anpassung des Muskeltonus an die aktuelle Situation im Gang und Stand. Auch spinale Fremdreflexe sind, wie
1121113
z. B. bei der reziproken Antagonistenhemmung ersichtlich, an der Kontrolle des Muskeltonus beteiligt. Ihre Bedeutung liegt jedoch v. a. in der Vermittlung komplexer unwillkürlicher Bewegungsabfolgen wie bei Schutz- und Fluchtreaktionen (s.o.). Fremd- und Eigenreflexe lassen sich auch künstlich (z. B. Schlag auf die Muskelsehne) auslösen, was man sich diagnostisch zunutze macht. Reflexprüfungen in der Klinik Die Untersuchung spinaler Fremd- und Eigenreflexe ist elementarer Bestandteil der neurologischen Untersuchung. Die Nichtauslösbarkeit eines Reflexes lässt auf eine Unterbrechung des Reflexbogens in den für den Reflex typischen Segmenten des Rückenmarks schließen (z. B. nach einer frischen Querschnittslähmung) . Gesteigerte Reflexe hingegen zeigen sich z. B. beim chron. Ouerschnittssyndrom bei Pyramidenbahnläsi· on (s. S. 123). Pyramidenbahnläsionen führen übrigens auch zum Auftreten pathologischer Reflexe (z. B. BabinskiReflex, s. S. 123). Das sind Reflexe, die normalerweise fehlen und - falls sie doch nachgewiesen werden könnenals "Pyramidenbahnzeichen" gelten. Neben diesen Eigen- und Fremdreflexen des somatischen Nervensystems vermittelt das Rückenmark auch viszerale und gemischte Reflexe (s. S. 136).
Zusammenfassung X Über den Eigenapparat (s. S. 41) kann das Rückenmark im Prinzip unabhängig von supraspinalen Zentren Aufgaben erfüllen, die v. a. aus der Durchführung spinaler Reflexe bestehen. Diese dienen u. a. der Konstanthaltung des Muskeltonus im Stand und Gang sowie dem Schutz des Organismus (z. B. Zurückziehen des Arms nach Berühren einer heißen Herdplatte). Man unterscheidet Eigen- und Fremdreflexe: - Eigenreflex: meist monosynaptisch, kurze Reflexzeit {ca. 10- 20 ms), kaum ermüdbar, Rezeptor- und Erfolgsorgan identisch, Beteiligung meist nur eines Segments - Fremdreflex: polysynaptisch, längere Reflexzeit {ca. 30-100 ms), schnell ermüdbar, Rezeptor- und Erfolgsorgan ve~schieden, Beteiligung mehrerer Segmente
Motorische Bahnen des Hirnstamms I Im Folgenden werden einige wichtige motorische Hirnstarnmzentren dargestellt, um einen Eindruck von der Komplexität der Hirnstammmotorik zu vermitteln. Nicht erwähnt werden an dieser Stelle die motorischen Hirnnervenkerne (s. S. 74 ff.), an welchen die somataefferenten Hirnnervenfasern zur Inner· vation der Muskulatur im Kopf- und Halsbereich entspringen, sowie die okularnotorischen Zentren (s. S. I 04) und die Sub· stantia nigra. Letztere gehört zwar zum Hirnstamm, wird aber un ter funktionellen Gesichtspunkten zu den Basalganglien gerechnet. Ncl. ruber
Der Ncl. ruber (I Abb. I) befindet sich im Mittelhirn (Lage und Struktur s. S. 48) und besitzt sowohl für die Pyramidal· als auch für die Extrapyramidalmotorik eine wichtige Rolle. Wichtige Afferenzen empfängt der Ne!. ruber aus ipsilate· ralen sekundärmotorischen Kortexarealen (Area 6), aber auch aus dem motorischen Primärfeld (Motokortex). Die Signale, welche von diesen Fibrae corticorubrales übermittelt wer· den, erfahren im Ncl. ruber eine Umschaltung und erreichen über den Tractus rubrospinalis, eine der Efferenzen des Ne!. ruber, das Rückenmark. Hierbei wird bereits deutlich, dass die Pyramidenbahn nicht die einzige Verbindung zwischen dem motorischen Kortex und dem Rückenmark ist, sondern dass der Kortex auch über indirekte Verbindungend. h. jene, die im Hirnstamm eine Zwischenstation einlegen, bevor sie in das Rückenmark absteigen - willkürliche Bewegungen vermitteln kann. Der Tractus rubrospinalis (I Tab. I) nimmt seinen Ursprung von der Pars magnocellu· laris des Ncl. ruber, kreuzt noch auf Höhe des Tegmentums (Decussatio tegmentalis anterior, ventrale Haubenkreuzung) zur Gegenseite und zieht neben dem Tractus corticospinalis lateralis nach kaudal, wobei er beim Menschen nur bis in das zervikale Rückenmark reicht. Dort beeinflusst er als einzige extrapyramidale Bahn ganz besonders die distalen Extremi· tätenmuskeln, wobei er auf Flexoren aktivierend, auf Exten·
soren hingegen hemmend wirkt. Er kooperiert dadurch mit der Pyramidenbahn (die ebenfalls vornehmlich distale Muskeln beeinflusst) bei der Durchführung zielgerichteter feinmotorischer Bewegungen, v. a. solcher, die automatisch ablaufen. Die Pyramidenbahn ist nämlich unerlässlich für das Erlernen neuer Bewegungen! Wird eine neu erlernte Bewegung dann zur Routine, wird wohl vom pyramidalen auf das rubraspinale System umgeschaltet. Über den Tractus rubrospinalis hinaus hat der Ncl. ruber weitere Einflussmöglichkeiten auf das Rückenmark, allerdings indirekt wie z. B. über die Formatio reticularis (Tractus rubroreticularis ). Neben den kortikalen Afferenzen erreichen den Ncl. ruber des Weiteren wichtige Projektionen aus der kontralateralen Kleinhirnhälfte (Tractus cerebellorubralis ). Die Afferenzen aus dem Kleinhirn stammen dabei zum einen aus dem Ne!. interpositus (Ncl. emboliformis, Ncl. globosus) und zum anderen aus dem Ncl. dentatus. Der Ne!. interpositus steuert die Pars magnocellularis des Ne!. ruber, aus welchem der Tractus rubrospinalis hervorgeht, an und nimmt auf diesem Weg Einfluss auf die Extrapyramidalmotorik. Der Ne!. dentatus hingegen erreicht die Pars parvocellularis des Ne!. ruber ' welche ihrerseits über den Tractus tegmentaUs centraUs (Tractus rubroolivaris) zum unteren Olivenkernkomplex projiziert. Letzterer gibt die Impulse an das Kleinhirn (Spinocerebellum) weiter, welches seinerseits wieder in den Ncl. ruber projiziert. Dadurch ist der Ne!. ruber in einen komplexen Schaltkreis (Kleinhirn ~ Ncl. ruber ~ Klein· hirn ~Olive~ Kleinhirn) eingebunden, welcher die Bewegungsprogramme des Kortex modifiziert und fein abstimmt bevor sie dann vom Kleinhirn über den Thalamus zum Kor~ex zurückgeleitet werden und letztlich über die Pyramidenbahn zur Ausführung gelangen. Auf diese Weise beeinflusst der Ncl. ruber also die Pyramidalmotorik. Läsionen im Ncl. ruber führen - aufgrund seiner Einbindung in den Schaltkreis Kleinhirn ~ Ncl. ruber ~ Kleinhirn ~ Olive -4 Kleinhirn - zu Symptomen, wie man sie auch bei Kleinhirnläsionen beobachtet, darunter Intentionstremor und verminderter Muskeltonus. Außerdem treten Chorea-Huntington-ähnliche Bewegungsstörungen auf (unkontrollierte, ausfahrende Bewegungen sowie langsame schraubende Bewegungen), die auf Läsionen der rubraretikulären Bahnen zurückgeführt werden. Ferner kann es zu Störungen der Okulomotorik kommen, da die Fasern des N. oculomotorius auf Ihrem Weg durch den Hirnstamm den Ncl. ruber durchqueren.
motorische Kortexareale Fibrae corticorubrales
Tractus
Tractus rubroreticularis
Pars magnocellularis Pars parvocellularis Traclus legmentalis cenlralis Traclus rubrospinalis
Extrapyramidale Bahnen (s. a. Anhang)
t Trac tus rubrospinalis
t
Tra ctus tec to spinalis (s. S. 105)
t Tra ctus vest ibulaspinales mediali s ellaterali s t Tractu s olivospinalis
Rückenmark I Abb. 1: Verbin dun gen des Ncl. rube r.
t
Tra clus reticulo spinales latera lis el medialis
I Tab . 1: Übersicht über di e extrapyramidal en Bahn en.
Somatornotorisches System
motorische Großhirnrinde
1141115
I Abb. 2: Verbindungen der Ncll. olivares inferiores. [n ach 21
Ncl. olivaris principalis
Ncll. pontis (Brückenkerne)
Die Brückenkerne liegen ventral im Pons (Struktur und Lage s. S. 48) und sind wichtige Relaiskerne der Bahn vom Kortex zum Kleinhirn (Tractus corticopontocerebellaris). Auf diese Weise spielen die Brückenkerne, mehr noch als der untere Olivenkernkomplex und der Ne!. ruber, eine entscheidende Rolle für die Funktion des Kleinhirns. Die Ncll. pontis erhalten über den Tractus corticopontinus aus sekundärmotorischen Kortexarealen bzw. Assoziationskortizes Informationen über die vom Kortex geplanten Willkürbewegungen (Bewegungsentwurf). Sie übermitteln diese Programme über den Tractus pontocerebellaris an das Kleinhirn (Pontocerebellum) zur weiteren Bearbeitung. Lähmungen der Ncll. pontis führen daher zu ähnlichen Symptomen wie eine entsprechende Kleinhirnschädigung im Bereich der Hemisphären. Ncll. olivaresinferiores (unterer Olivenkernkomplex)
Die Ncll. olivaresinferiores (Struktur und Lage s. S. 49) befinden sich lateral der Pyramiden in der Medulla oblongata. Ihre wichtigsten Afferenzen (I Abb. 2) stammen aus dem Ne!. ruber (Tractus rubroolivaris), dem Rückenmark (Tractus spinoolivaris) und dem Motokortex (Kollateralen der Pyramidenbahn). Die Efferenzen des Kerns bilden den
Tractus olivocerebellaris, der zur Gegenseite kreuzt und
die kontralaterale Kleinhirnhälfte erreicht. Seine Fasern enden- nach Abgabe von Kollateralen zu den Kleinhirnkernen-in der Kleinhirnrinde in Form von Kletterfasern. Ein kleinerer Teil der Efferenzen des Kerns zieht als Tractus olivospinalis zum Rückenmark hinab. Über diese afferenten und efferenten Verbindungen sind die Ncll. olivaresinferiores auf vielfältige Weise in die motorischen Abläufe eingebunden: t Über seine Afferenzen aus dem Ncl. ruber und die Efferenzen zum Kleinhirn ist der untere Olivenkernkomplex in den Schaltkreis Kleinhirn ---7 Ne!. ruber---+ Kleinhirn---+ Olive---+ Kleinhirn (s.o.) eingebunden und so an der Modulation der kortikalen Bewegungsprogramme beteiligt. t Über die Kollateralen der Pyramidenbahn erhält der untere Olivenkernkomplex Informationen darüber, welche motorischen Kommandos vom Kortex letztlich an den Bewegungsapparat geleitet werden. Er kann diese Informationen dem Kleinhirn (Spinocerebellum) zuführen, welches daraufhin evtl. korrigierend in den Bewegungsablauf eingreift. t Über die aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks erhält der untere Olivenkernkomplex Rückmeldungen über die Verhältnisse in der Peripherie und leitet sie dem Kleinhirn zu, so dass dieses den Ablauf der Stand- und Gangmotorik sowie den Muskeltonus optimal kontrollieren kann.
Motorische Bahnen des Hirnstamms II Ncll. vestibulares
Die Ncll. vestibulares (s. S. 107, Gleich· gewichtsbahn) liegen dorsal in der Me· dulla oblongata und im kaudalen Pans. Sie erhalten über den N. vestibularis Impulse aus dem Vestibularorgan im Innenohr, welches Translations· und Drehbeschleunigungen des Kopfs misst. Die Efferenzen der Ncll. vestibulares (I Abb. 3) erreichen v. a. Kleinhirn, Großhirn (über den Thalamus), Augen· muskelkerne, Rückenmark (Tractus vestibulaspinales medialis et lateralis) und Formatio reticularis (u. a. Area postrema ~ Vermittlung von Brechreizen bei starken Drehbewegungen!). Über diese Verbindungen ermöglichen die Vestibulariskerne zusammen mit visuellen und propriozeptiven Impulsen die Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts beim Gehen und Stehen (s. u.), die Kontrolle der reflektorischen Augenbewegungen und die Blickstabilisierung (s. u.) sowie die Orientierung im Raum (s. S. 107). Regulation der Körperhaltung
Die Ncll. vestibularesübermitteln die Informationen des Vestibularargans über Bewegung und Stellung des Kopfs im Raum an das Kleinhirn (Vestibulocerebellum), welches seinerseits wieder auf die Ncll. vestibulares zurückprojiziert In den Ncll. vestibulareskonvergieren
so Informationen aus Kleinhirn und Vestibularorgan, aber auch propriozeptive Impulse aus dem Bewegungsapparat (u. a. über den Tractus spinovestibularis) sowie visuelle Informationen. Die Vestibulariskerne integrieren nun diese multiplen Informationen und nutzen das Resultat der Verarbeitung dazu, die Körperhaltung laufend an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Wird z. B. der Körper gedreht oder gekippt, wie dies beim Hinfallen passieren kann, werden automatisch durch vestibulo· spinale Reflexe und spinale Muskeldeh nungsreflexe Korrekturbewegungen durchgeführt und der Muskeltonus so verändert, dass der Körper wieder ins Gleichgewicht gebracht bzw. beim Fallen abgestützt werden kann. Für die Ausführung dieser Reflexe, d. h. die Übermittelung der Kommandos an die entsprechende Muskulatur, steht den Ncll. vestibulares der Tractus vestibulospinalis Iateralis zur Verfügung. Er entspringt im Ne!. vestibularis lateralis und steigt ipsilateral im Vorderstrang des Rückenmarks ab. Dort bewirkt er im Gegensatz zum Tractus rubrospinalis- eine Tonuserhöhung der Extensoren und eine Entspannung der Flexoren. Dies ist durchaus sinnvoll, da Streckbewegungen i. Allg. die sinnvollsten Korrekturbewegungen darstellen. Vestibulospinale Reflexe wirken auch im Halsbereich und dadurch auf die Kopfstellung (s. u.).
Regulierung der Körperha ltung (z.T. Blickstabilisierung)
~ormalfall
werden die Impulse des Tractus vestibulospinalis durch solche aus anderen Bahnen antagonisiert, damit es nicht zu einem Ungleichgewicht zwischen Extensoren- und Flexorentonus kommt. Schädigungen des Mittelhirns (z. B. durch dessen Einklemmung im Tentoriumschlitz verursacht) können nun dazu führen, dass die antagonistisch wirkenden Bahnen ausfallen, wä hrend der Tractus vestibulospinalis noch intakt ist. Durch die daraus resultierende Enthemmung des Tractus vestibulospinalis kommt es zu einem gesteigerten Extensorentonus, infolge dessen eine Streckstarre der Extremitäten eintritt (Dezerebrationsstarre).
Reflektorische Augenbewegungen und Blickstabilisierung
Bei jeder Bewegung des Körpers wird der Kopf passiv mitbewegt Vestibulookuläre Reflexe (s. S. 105) vermitteln nun konjugierte Augenbewegungen, die den passiven Kopfbewegungen entgegengerichtet sind. Dadurch werden die beim Laufen und Gehen auftretenden Bildverschiebungen im Auge kompensiert und ein scharfes Abbild der Umwel t auf der Netzhaut ermöglicht. Die Konstanthaltung des Blicks wird aber nicht nur durch Augen-, sondern auch durch Kopfbewegungen ermöglicht. Wird z. B. der Körper um verschiedene Achsen gedreht, erfolgt zeitgleich über vestibulaspinale Reflexe
Blickstabilisierung
Kleinhirn Lobus flocculonodularis
I Abb. 3: Verbin dungen der Nc ll. ves tibu la res. [ 2)
Regulierung der Körperhaltung
Somatornotorisches System
eine kompensatorische Gegenbewegung des Kopfs, um die Blickachsen zu stabilisieren. Bei Schädigungen der Ncll. vestibulares oder des Vestibularargans kommt es zu Schwindel, Übelkeit, Fallneigung zur erkrankten Seite und pathologischem Nystagmus. Diese Symptome verlieren sich jedoch mit der Zeit, da sich das Gehirn mit den noch vorhandenen vestibulären sowie den propriozeptiven und visuellen Impulsen neu organisiert (-+ dreifache Sicherung der Balance).
Formatio reticularis
Die Formatio reticularis [FR; Struktur, Lage und Funktion s. S. 44) ist über ihre intensiven Verbindungen mit prak· tischsämtlichen Strukturen des ZNS auf komplexe Weise an der Regulation der Motorik beteiligt. Hirnstammreflexe
In der FR, v. a. in deren lateralen Gebie· ten, werden wichtige Reflexe (I Tab. 2) vermittelt. Diese werden dabei grund· sätzlich auf folgende Weise verschaltet: Die sensiblen, in den Hirnstamm proji· zierenden Hirnnervenfasern werden in entsprechenden Neuronengruppen der FR umgeschaltet. Diese projizieren auf motorische Hirnnervenkerne, welche wiederum efferente Fasern in die Peripherie entsenden. Die Untersuchung der Hirnstammreflexe ist besonders bei komatösen Patienten von Interesse. Ein Reflexausfall weist hier auf eine schwere Hirnschädigung hin und kann die Patienten - da es sich bei den Reflexen meist um Schutzreflexe han· delt - in große Gefahr bringen. Fällt z. B. der Hustenreflex aus, kann Nahrung in die Luftwege aspiriert werden, wodurch eine Aspirationspneumonie entstehen kann. Ein Ausfall sämtlicher Hirnstammreflexe ist eines der Krite· rien für die Diagnose des Hirntods.
1161117
Reflex
Reflexauslösung
Afferenz
Umschaltung
Efferenz
Schluc k-
Berührung der Rachen-
Fasern des N. glos-
Umschaltung in der FR
U. a. Fase rn aus Ncll. motorii
refl ex
wan d durch die Nahrung
soph arynge us und
der Medulla oblongata
n. tri gemini und n. hypo-
N. vagus
(Sc hluck zentrum)
glossi
FR im Mittelhirnbere ich
U. a. Fase rn der Nn. trige-
Saug-
Berüh rung von Li ppen
Fasern der
refl ex
und Zunge nspi tze
Nn. maxill aris und
minu s, facia lis und hypo-
(be im Neugeborenen)
mand ibulari s
glossus
Berührung der Co rn ea
Trigeminu sä ste
Korn ea I·
FR (u. a. präokulomotori sc he Zentren)
refl ex
U. a. Fasern aus N. faci ali s
(--> Lidschl uss) und zervikalen Spinalnerven (--> Zurückwerfen des Kopfs)
I Tab. 2: Beispie le für Hirn stammrefl exe, die in der FR versch altet werd en.
unterschiedlichster Art (multisensorische Konvergenz) erhält - laufend den Muskeltonus an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Beide Tractus wirken dabei sowohl aktivierend als auch inhibitorisch auf die Motoneuronen der proximalen Rumpf- und Extremitätenmuskulatur. Ferner können die retikulospinalen Bahnen Reflexe auf Rückenmarksebene und über Projektionen Absteigendes retikuläres zum Hinterhorn des Rückenmarks die System Weiterleitung afferenter Impulse unterdrücken (z. B. Schmerzhemmung über In der FR entspringen zwei extrapyraserotoninerge Fasern, s. S. 40 und 45). midale Bahnen, die in das Rückenmark Allerdings ist die FR, wie auch der absteigen: der Tractus reticulospinalis medialis aus der FR des Pons sowie der Ne!. ruber (s.o. ), nicht nur mit Aufgaben der Haltemotorik betraut, sondern Tractus reticulospinalis lateralis aus wirkt über ihre Afferenzen aus dem der FR der Medulla oblongata. Über Kortex (s.o., indirekte Projektionen des beide Bahnen kann die FR - da sie wie auch Colliculi superiores und Ncll. vesti· Kortex in das Rückenmark) auch an zielmotorischen Bewegungen mit. bulares sensorische Informationen
Blickbewegungen und die rostrale mesenzephale FR für vertikale Blickbewegungen. Zusammen mit kortikalen Arealen und anderen Hirnstammarealen (Colliculi superiores, Area pretectalis etc.) generieren und koordinieren sie willkürliche und reflektorische Augenbewegungen (s. S. 104, Okulomotorik).
Zusammenfassung
ac Wichtige motorische Zentren im Hirnstamm sind: Ncl. ruber, Ncll. pontis, Ncll. olivares inferiores, Ncll. vestibulares und Formatio reticularis.
ac Zu den motorischen Aufgaben des Hirnstamms gehören im Wesentlichen: - Unwillkürliche Aufrechterhaltung und Anpassung von Körperhaltung und Muskeltonus sowie Koordination der Bewegungsabläufe (geordneter Ablauf der Willkürbewegungen) durch die motorischen Zentren und die aus ihnen hervorgehenden extrapyramidalen Bahnen (Tractus vestibulospinalis, Tractus reticulospinalis etc.) - Mitwirkung an der Modulation kortikaler Bewegungsprogramme über
Okulomotorik
In der FR befind en sich wichtige Zentren zur Steuerung der Okulomotorik, wie die paramediane pontine FRals zentrale Schaltstelle fü r hori zo ntale
Verbindungen zum Kleinlilirn; Beteiligung an der Durchführung willkürlicher Bewegungen (indirekte kortikale Verbindungen in das Rückenmark: Kortex -7 Hirnstamm -7 extrapyramidale Bahnen -7 Rückenmark) - Regulation der Okulomotorik
Motorische Bahnen des Kleinhirns Im Folgenden werden die drei funktionellen Kompartimente des Kleinhirns (I Abb. 1) und ihre Bedeutung für die Motorik näher erläutert Struktur und Lage des Kleinhirns werden auf Seite 50 f. beschrieben. Das Vestibulocerebellum
Die Rinde des Vestibulocerebellums, bestehend aus Flocculus und Nodulus (s. S. 80), erhält ihre Afferenzen v a. über den Tractus vestibulocerebellaris, der im unteren Kleinhirnstiel verläuft Dieser beinhaltet zumeist Fasern aus den ipsilateralen Ncll. vestibulares, aber auch Fasern, die direkt aus den Vestibularorganen in die Rinde projizieren. Außerdem erreichen das Vestibulacerebellum visuelle Impulse. Die efferenten Impulse aus der Rinde steuern nun zum einen direkt die vestibulären Kerne (Ausnahme!) an, zum anderen gelangen sie zum Ncl. fastigii, um danach im Tractus cerebellovestibularis die Ncll. vestibulares zu erreichen. Der Ncl. fastigii projiziert außerdem noch in die Formatio reticularis (FR).
des Kopfs und dessen Stellung im Raum. Nach Verarbeitung in der Kleinhirnrinde gelangen die Impulse zu okulomotorischen Zentren der FR und zu Augenmuskelkernen, wodurch die Augenbewegungen angepasst und stabilisiert werden. Über Vestibulariskerne und FR, die beide mit dem Rückenmark in Verbindung stehen, nimmt das Vestibulocerebellum v. a. Einfluss auf die Rumpfmuskulatur und die Extremitätenextensoren, wodurch es für stabilen Stand und Gang sorgt Eine Läsion des Vestibulocerebellums, z. B. durch Alkoholmissbrauch, ist v. a. durch Gleichgewichtsstörungen charakterisiert. Die Fähigkeit, über vestibuläre Informationen sowohl Augenbewegungen bei Bewegungen des Kopfs als auch Rumpf- und Extremitätenmuskeln beim Stehen, Sitzen und Gehen zu kontrollieren, ist beeinträchtigt. Es kommt zur Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination), die sich als Gangataxie (schwankender, breitbeiniger Gang), Rumpfataxie (Schwankungen des Rumpfs im Sitzen mit Fallneigung) und Standataxie (Fallneigung im Stehen) manifestiert. Ausfälle in der Koordination der Blickmotorik führen u. a. zu spontanem Nystagmus und ruckartigen Blickfolgebewegungen.
Rückenmark über die Tractus Spinacerebellares ant et post sowie über den Tractus cuneocerebellaris. Des Weiteren wird sie vom Tractus reticulocerebellaris der FR und vom Tractus olivocerebellaris (s. u.) angesteuert. Die Tractus spinocerebellares ant. et post. entspringen im Rückenmark (u. a. Ne!. dorsalis) und ziehen in den Seitensträngen zur ipsilateralen Kleinhirnhälfte, der sie propriozeptive Impulse der unteren Extremitäten und des Rumpfs zuleiten. Der Tractus cuneocerebellaris entspringt im Ne!. cuneatus accessorius in der Medulla oblongata und übermittelt Impulse der oberen Extremität. Der Tractus reticulocerebellaris sendet ebenfalls spinale Informationen an das Kleinhirn, welche die FR zuvor vom Rückenmark erhalten hat. Die Fasern des Tractus spinocerebellaris ant. steigen z. T. auch gekreuzt im Seitenstrang nach oben. Allerdings kreuzen diese Fasern vor Erreichen der Rinde wieder zurück, so dass sie ebenso die ipsilaterale Kleinhirnhälfte erreichen! Beachte: Der Tractus spinocerebellaris ant. verläuft im oberen Kleinhirnstiel, der Tractus spinocerebellaris post. im unteren Kleinhimstiel.
Funktion
Das Vestibulocerebellum sorgt für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Dazu erhält es von den Ncll. vestibulares Informationen über die Bewegungen
Das Spinecerebellum
Die Rinde des Spinocerebellums, bestehend aus Vermis und paravermaler Zone, erhält ihre Afferenzen aus dem Kleinhirnrinde
Von der Rinde gelangen die Impulse zu Ncl. interpositus und Ncl. fastigii.
Der Ncl. fastigii steuert, wie beim Vestibulocerebellum beschrieben, die FR sowie die Vestibularorgane an. Der
Kleinhirnkerne
Tractus pontocerebellaris
Pontocerebellum (Hemisphären) Tractus olivocerebellaris
Tractus spinocerebellares ant./post. Tractus cuneocerebellaris
Tractus reticulocerebellaris
Tractus vestibulocerebellaris
1 Abb. 1: Die drei Kompartimente des Kleinhirns mit den dazugehörigen afferenten und efferenten Verbindunge n.
Somatornotorisches System
Ncl. interpositus hingegen sendet seine Signale über den Tractus cerebellorubralis an den kontralateralen Ncl. ruber (Pars magnocellularis). Funktion
Pans auf die Gegenseite und erreicht über den Pedunculus cerebellaris medius die kontralaterale Rinde des Pontocerebellums. Der Tractus olivocerebellaris entspringt in der Olive und beinhaltet als einziger Tractus Kletterfasern. Er kreuzt im Hirnstamm zur Gegenseite und zieht zur kontralateralen Rinde des Ponto- wie auch des Spinacerebell ums. Die efferenten Impulse der Rinde treffen v. a. im NcL dentatus ein, von welchem der Tractus cerebellothalamicus entspringt. Dieser kreuzt im Hirnstamm zur Gegenseite und erreicht den kontralateralen Thalamus, der seinerseits die Impulse an den Motokortex weiterleitet. Außerdem projiziert der Ncl. dentatus in den Ncl. ruber (Pars parvocellularis).
Das Spinacerebellum kontrolliert den Muskeltonus und sorgt für einen reibungslosen Ablauf der Stand· und Gangmotorik, indem es das Zusammenspiel von agonistischen und antagonistischen Muskelgruppen koordiniert. Um diese Aufgabe zu meistern, hat es zwei wichtige Impulseingänge: Zum einen erhält es direkt vom Rückenmark und indirekt über die Ncll. olivares Informationen über Muskeltonus und Stellung der Extremitäten in der Peripherie. Zum anderen bekommt es über die Ncll. olivareseine sog. Efferenzkopie. D. h., dass Kollateralen der absteigenden moFunktion torischen Bahnen das Kleinhirn über die Das Pontocerebellum ist an der Erstelvom Kortex in die Peripherie geschicklung willkürlicher Zielbewegungen beten Bewegungskommandos informieren. Das Spinacerebellum vergleicht die- teiligt. Es erhält dazu von motorischen Assoziations- bzw. Sekundärfeldern über se Efferenzkopie (Bewegungsplan) mit die Ncll. pontis (Tractus corticopontinus den Informationen , die es aus der Peripherie erhalten hat. Daraufhin sendet es ~ Ncll. pontis ---t Tractus pontocerebelggf. korrigierende Signale an Ncl. ruber laris) Informationen über die vom Korund FR, welche ihrerseits in das Rücken- tex geplanten Bewegungen (Bewegungsmark zurückprojizieren. Das Spinacere- entwurf). Die kortikalen Eingänge stellen übrigens den Hauptteil der Impulse bellum beeinflusst dabei v. a. die proxizum Pontocerebellum. Das Kleinhirn male Extremitäten- sowie die Rumpfmoduliert den Entwurf, stimmt ihn muskulatur und die der Schwerkraft fein ab und sorgt so für einen reibungsentgegenwirkende Muskulatur. losen Ablauf der Bewegung. Es gibt dann das fertige Programm über den Tractus cerebellothalamicus an den Kortex zurück, der über die Pyrami-
1181119
denbahn die Ausführung veranlasst. Das Pontocerebellum beeinflusst so v. a. die pyramidal innervierten distalen Extremitäten. Für die Modifikation und Feinabstimmung des Bewegungsprogramms spielen ferner wohl die Projektion des Ncl. dentatus zum Ncl. ruber und die Eingänge über die Olive (Neuronenkreis Kleinhirn ~ Ncl. ruber ---t Olive ~Kleinhirn , s. S. 114) eine wichtige Rolle.
Typisch für die Schädigung des Pontocerebellumsist der lntentlonstremor. Bei Ausführung einer Zielbewegung kommt es zum Tremor in den Extremitäten, der umso stärker wird, je mehr man sich dem Ziel nähert. Störungen der Muskelkoorclinationen resultieren in Asynergien, die sich als Dysmetrien, aber auch als Dysdiadochokinese manifestieren. Unter Letzterer versteht man die Unfähigkeit, einen schnellen Wechsel antagonistischer Bewegungen (z. B. schnelle Drehbewegung) durchzuführen.
Das Kleinhirn nimmt ferner kompartimentübergreifend eine zentrale Rolle beim Erlernen von motorischen Abläufen ein. Bsp.: Beim Dart-Spiellernt man, mit dem Pfeil das Ziel zu treffen. Setzt man nun eine Brille auf, die den optischen Weg ablenkt, wird man zunächst das Ziel verfehlen. Nach einigen Versuchen aber lernt man, sich an die neue Situation anzupassen, und trifft das Ziel wieder. Ein Patient mit Kleinhirnfunktionsstörung ist zu diesem motorischen Lernprozess nicht fähig und wird nach Aufsetzen der Brille konstant am Ziel vorbeischießen!
Zusammenfassung Das Pontocerebellum (Cerebrocerebell um)
X Vestibulocerebellum: Aufrechterhaltung des Gleichgewichts; Ausfall:
Das Pontocerebellum erstreckt sich über die Hemisphären und wird afferent von den Tractus pontocerebellaris und olivocerebellaris angesteuert. Der Tractus pontocerebellaris nimmt seinen Ursprung von den Ncll . pontis, kreuzt im
X Spinocerebellum: Kontrolle und Koordination der Stütz- und Zielmotorik;
Rumpf-, Gang- und Standataxie Ausfall: Stand- und Gangataxie, Dysmetrie X Pontocerebellum: Beteiligung an der Planung willkürlicher Zielbewegungen; Ausfall: Dysmetrie, Dysdiadochokinese, Intentionstremor
Basalganglien Zu den Basa lganglien gehören das Striatum (Ne!. caudatus und Putamen), das Pallidum sowie der Ncl. subthalamicus und die Substantia nigra (Pars compacta und Pars reticularis). Da die zellärmere Pars reticularis dem Pallidum med iale strukturell und funktionell sehr ähnlich ist, werden beide zusammen als Pallidum·mediale·Komplex bezeichnet. Struktur und Lage der Elemente werden auf Seiten 48 und 64 beschrieben. Im Gegensatz zu anderen Komponenten des motorischen Systems haben die Basalganglien keine direkte Verbindung zum Rückenmark. Sie sind stattdessen in große Rückkopplungsschleifen mit dem Kortex eingebunden, über welche sie an der Organisation und Kontrolle von Bewegungen beteiligt sind, die im Kortex geplant werden. Ein- und Ausgänge der Basalganglien
Das Eingangstor der Basalganglien ist das Striatum. Dieses erhält primär Signale vom zerebralen Kortex, aber auch von intralaminäreD Thalamuskernen. Über die funktionelle Bedeutung der Afferenzen aus dem Thalamus ist noch wenig bekannt. Das Ausgangstor der Basalganglien ist der Pallidum-mediale-Komplex. Er projiziert über die Ansa lenticularis v. a. in den Thalamus, aber auch zu motorischen Zentren des Hirnstamms, die ihrerseits mit dem Rückenmark in Verbindung stehen.
Direkter Weg Geschwindigkeit von Bewegungen: motorische und sensorische Kortexareale ---+ Basalganglien ---+Thalamus Beim direkten Weg hemmen die (Ne!. ventralis anterolateralis)---+ Moto- GABAergen Neurone des Striatums mit kortex, supplementär- und prämotodem Kotransmitter Substanz P und rische Areale Dynorphin jene des Pallidum-medialet Die okulomotorische Schleife zur Komplexes. Da dessen Neurone - ebenKontrolle der Augenbewegungen: fronfalls über GABA - hemmend auf den tale und parietale Kortexareale ---+ Basal· Thalamus wirken, wird dieser durch ganglien ---+ Thalamus (Ne!. ventralis Disinhibition (s. S. 7) letztlich aktiviert. an terolateralis) ---+ frontales Augenfeld Hierbei ist zu beachten, dass die Neut Die limbisehe Schle ife für motorirone des Pallidum-mediale-Komple· sches Verhalten, das im Zusammenhang xes eine hohe Daueraktivität haben mit Emotion und Motivation steht: Are- (I 00 APsis). Sie wirken daher ohne ale des Gyrus cinguli, Hippocampus ---+ äußere Beeinflussung tonisch inhibieBasalganglien---+ Thalamus (Ne!. medio- rend auf den Thalamus und - da der dorsalis)---+ Areale des Gyrus cinguli Thalamus den Kortex über Glutamat t Die frontale assoziative Schleife aktiviert- auch inhibierend auf die für das Erlernen neuer Bewegungen, thalamokortikale Übertragung. Problemlösung und Selektion von Be· wegungen: frontal e Assoziationsgebiete, Indirekter Weg parietale und temporale Areale, Gyrus cinguli---+ Basalganglien---+ Thalamus Beim indirekten Weg wirken die (Ne!. mediodorsalis, Ne!. ventralis GABAergen Neurone des Striatums mit anterolateralis) ---+frontale Assoziations- dem Kotransmitter Enkephalin hemareale mend auf das laterale Pallidumsegment. Letzteres wirkt wiederum über GABA hemmend auf den Ncl. subthalamicus, Schaltkreise innerhalb der durch Disinhibition aktiviert wird. der Basalganglien Da die Projektionen des Ne!. subthalaDas Striatum wird von kortikalen Effemicus über Glutamat erregend auf den renzen erreicht, die über den Transmit· medialen motorikhemmenden Palliter Glutamat erregend auf die GABAdumkomplex wirken, wirkt der indirekte Weg motorikhemmend. ergen Neurone des Striatums wirken. Vom Striatum aus werden die Informationen dann über zwei Wege {I Abb. 1), Oie Aktivität der Neurone des Psilidumeinen direkten, motorikfördernden und mediale-Komplexes und damit die Wireinen indirekten, motorikhemmenden kung der Ba~~&lganglien auf Thalamus Weg, weiterverarbeitet: und Kortex hängen vom Verhältnis der
Aufbau der Rückkopplungsschleifen
Die Rückkopplungsschleifen der Basalganglien mit dem Kortex sind grund· sätzlich folgendermaßen aufgebaut: Impulse aus dem Kortex erreichen die Basalganglien. Letztere projizieren zum Thalamus, der dann seinerseits zum Kortex zurückprojiziert Innerhalb der Schleife Kortex ---+ Basalganglien ---+ Thalamus---+ Kortex werden nun nach ihren Aufgaben vier Funktionsschleifen unterschieden: t Die skelettomotorische Schleife
zur Steuerung von Ausmaß, Kraft und
Signale aus dem direkten und Indirekten Verschaltungsweg in den Basalganglien ab.
Normal
Cortex
r---
G
1
~0
T(!)')l GABA Striatum 0 SP/ Dyn
indirektei I Weg
dinekter! O Weg -
0
Pallidum laterale
I
lo Cf!
Nucleus subthalam .
I
' D2 -1 '01 ?
Pallidum mediale 1Substantia
nigra !Pars 1 compacta)
I J
0
Basalganglien
-
Substantia nigra (Pars retl· cuiarls)
Thalamus
8
I Abb . 1: Verscha ltung de r Ba salga nglien, direkter (rot) und indirekter (grün) Weg, Afferenze n aus der Substantia nigra (gelb) zum Striatum; Enk = Enkepha lin , Dyn = Dynorphin, SP = Substanz - = GABA. (l]
P, + = Glutamat,
Somatornotorisches System
Bedeutung der Substantia nigra (Pars compacta)
Neben kortikalen und thalamisehen Afferenzen bekommt das Striatum auch Input aus dem Basalgangliensystem selbst, nämlich von dopaminergen Neuronen der Substantia nigra, Pars compacta. Die dopaminergen Neurone wirken über D2-Rezeptoren inhibitorisch auf den motorikhemmenden indirekten Weg und über D1-Rezeptoren aktivierend auf den motorikfördernden direkten Weg. Insgesamt gesehen hat sie also einen fördernden Einfluss auf die Motorik. Da die Substantia nigra unterschiedlich stark auf den motorikhemmenden bzw. den motorikfördernden Striatumanteil einwirken kann, ist sie in der Lage, das Verhältnis der Signale aus dem direkten und indirekten Verschaltungsweg zu modulieren. Das Striatum selbst kann über hemmende Projektionen (Transmitter GABA) die Aktivität der Substantia nigra rückkoppelnd beeinflussen.
mor (langsames Zittern in Ruhe mit Abnahme bei Bewegung) und Akinese (allgemeine Bewegungsarmut). Letztere bewirkt Startprobleme bei Bewegungen, plötzliche Stopps beim Gehen und Bewegungsarmut der Gesichtsmuskeln (~starre, ausdruckslose Mimik). Ein Parkinsan-Kranker geht i. Allg. gebeugt in kleinen Schritten, ohne schwingende Arme. Therapiert wird die Erkrankung u. a. mit L-DOPA, der Vorstufe von Dopamin. Dopamin selbst kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden.
Su bstantia nigra
Klinik
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I
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Chorea Huntington
Die Chorea Huntington ist eine autosomal-dominant vererbte hyperkinetische hypotone Bewegungsstörung. Ihr liegt eine Degeneration von Neuronen des Striatums, v. a. des motorikhemmenden Teils, zugrunde. Dadurch kommt es zur Enthemmung des lateralen Pallidumsegments und damit zur Hemmung des Ne!. subthalamicus. Charakterisiert ist die Erkrankung durch schnelle, unkaardinierte Bewegungen, die von langsamen, schraubenden (athetotischen) Bewegungen begleitet werden. Sie treten plötzlich und ungewollt auf, so dass gewollte Bewegungen erschwert werden. Des Weiteren treten psychische Veränderungen (häufig als Primärsymptome) und kognitive Defizite auf. Eine weitere hyperkinetische Bewegungsstörung resultiert aus einer Schädigung des Ne!. subthalamicus: der Ballisrnus. Er ist durch spontane, schnelle, wuchtig-schleudernde Extremitätenbewegungen charakterisiert, die meist nur einseitig (Hemiballismus) auftreten.
Kenntnisse über die Funktionsweise des Basalgangliensystems hat man v. a. über Defekte in diesem System gewonnen. Solche Defekte manifestieren sich in Form von Bewegungsstörungen, welche man in drei Gruppen einteilen kann: t Hypokinetische Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinsan t Hyperkinetische Bewegungsstörungen wie Chorea Huntington t Dystonien, über deren Ätiologie noch wenig bekannt ist. Typisch für diese Gruppe von Bewegungsstörungen sind unwillkürliche Körperfehlhaltungen, die plötzlich eingenommen (schiefer Hals, Schreibkrampf) und für längere Zeit beibehalten werden.
I Abb. 2: Gesunder (links) und Parkinson-Kranker (rechts) . [nach 2]
Zusammenfassung X Die Basalganglien sind in verschiedene kortikale Rückkopplungsschleifen
(Kortex -t Basalganglien ~ Thalamus ~ Kortex) eingebunden, wodurch sie an der Erstellung von Bewegungsprogrammen beteiligt sind. Sie modulieren dabei v. a. Kraft, Ausmaß und Richtung der Bewegung.
Morbus Parkinsan
Beim Morbus Parkinsan (I Abb. 2) kommt es zur Degeneration dopaminerger Neurone der Substantia nigra. Dadurch wird der motorikhemmende indirekte Weg überaktiv und bewirkt eine hypokinetische hypertone Bewegungsstörung. Klinisch zeigt sich diese in der klassischen Trias aus Rigor (Steifheit der Muskulatur), Ruhetre-
• ln den Basalganglien werden eintreffende Impulse in einem direkten motorikfördernden Weg und einem indirekten motorikhemmenden Weg verarbeitet. Die Substantia nigra beeinflusst über Dopamin beide Wege auf verschiedene Weise und wirkt insgesamt motorikfördernd. • Ein Defekt innerhalb der Basalganglien führt je naclil Lokalisation zu schweren hyper- oder hypokinetischen Bewegungsstörungen oder zu Dystonien.
Motorische Kortexareale und Pyramidenbahn ders fein differenzierte Körperareale (Hand; Gesicht, Zunge~ Sprache!) werden überproportional repräsentiert. Zu diesen gehören die jeweils grob soAfferente Impulse erhält der Motokormatotop gegliederte prämotorische (Area 6, lateral) und supplementärmo- tex über den Thalamus (Ncll. ventrales anterior et lateralis) aus Basalganglien torische Rinde (Area 6, medial) sowie der vordere Gyrus cinguli (s. S. 124). und Kleinhirn sowie aus der somatosen· Die Funktion der Areale ist noch nicht siblen Rinde und den motorischen Sevollständig geklärt, man weiß aber, kundärfeldern. Seine Efferenzen ziehen dass sie Bewegungsprogramme erstelgrößtenteils als sog. Pyramidenbahn len, welche zur Ausführung direkt an den Motokortex (s. u. ) bzw. zuvor noch an Kleinhirn und Basalganglien zur weiteren Bearbeitung geleitet werden (über den Tractus frontopontinus). Sie wirken ferner aber auch an der unmittelbaren Bewegungsdurchführung mit. So projiziert v. a. der prämotorische Kortex zu extrapyramidalen Zentren (z. B. Formatio reticularis, Ncl. ruber) im Hirnstamm und steuert Faseranteile zur Pyramidenbahn bei. Er soll dadurch die proximale Muskulatur beeinflussen, den aufrechten Gang stabilisieren und Reflexe auf Rückenmarksebene hemmen. Motorische Sekundärfelder
Läsionen der supplementärmotorischen Rinde führen zu Bewegungsarmut der Gegenseite (Hypokinese) und erschweren komplexe motorische Aufgaben, bes. solche, die mit beiden Händen durchgeführt werden bzw. den ganzen Körper betreffen (z. B. beim Klettern, Orientierungsreaktionen im Raum). Läsionen der prämotorischen Rinde führen u. a, dazu, dass der Stand sowie die Aufeinanderfolge und Abstufung von Muskelkontraktionen bei Bewegungen gestört sind.
Weitere motorische Felder sind das Broca-Zentrum (s. S. 70) und das frontale Augenfeld (s. S. 104, Okulomotorik).
Decussatio pyramidum
Primärer somatornotorischer Kortex
Der primäre somatornotorische Kortex liegt im Gyrus precentralis (Area 4 nach Brodmann) und wird auch als Motokortex bezeichnet. Er ist somatatop gegliedert: Die untere Extremität wird an der Medialseite des Hemisphäre sowie im Bereich der Mantelkante repräsentiert, während sich nach lateral bis zum Sulcus lateralis Rumpf, obere Extremität und Kopf anschließen. Motorisch beson-
I Abb. 1: Pyramidenbahn und Motokortex.
gebündelt ohne weitere Umschaltung bis zu Hirnstamm und Rückenmark. Über die Pyramidenbahn dient der Motokortex, welcher als Endstation eines komplexen motorischen Verarbeitungsprozesses angesehen werden kann, letztlich der Ausführung der Willkürmotorik. Er versorgt dabei v. a. die distalen Extremitäten (~ Feinmotorik).
Homunkulus
Somatamotorisches System
Eine Läsion der Area 4 führt zur schlaffen Parese der Gegenseite, die -falls motorische Sekundärfelder (bes. prämotorische Rinde) mitbetroffen sind - in eine spastische Lähmung übergeht. Da die prämotorische Rinde die extrapyramidalen Zentren wie Ncl. ruber und Ncll. vestibulares (hemmend) kontrolliert, kommt es bei ihrem Ausfall zu verstärkter Wirkung der Tractus rubrospinalis (aktiviert die Beuger der oberen Extremität) und vestibulospinalis (aktiviert die Extensoren der unteren Extremität). Es resultiert das Bild der supraspinalen Spastik (Wernicke-Mann-Lähmung): Der Arm wird gebeugt, und das Bein wird, da es durch den erhöhten Extensorentonus nicht im Knie gebeugt werden kann, durch halbkreisförmige Bewegung (Zirkumduktion) nach vorn gebracht.
Pyramidenbahn (Tractus pyramidalis)
Die Pyramidenbahn (I Abb. 1) vermit· telt die Kommandos aus dem motori· sehen Kortex sowohl an die motori· sehen Hirnnervenkerne im Hirnstamm (Fibrae corticonucleares) als auch an die Moloneuronen im Vorderhorn des Rückenmarks (Fibrae corticospinales). Sie entspringt größtenteils im Mo· tokortex, führt aber auch Fasern aus den Sekundärfeldern und aus somatasensiblen Kortexarealen. Nach Verlassen des Kortex zieht sie in somatotaper Anordnung durch Genu und Crus pos· terius der Capsula interna (s. S. 73) und weiter durch die Crura cerebri im Mit· telhirn. Im Pons wird die Pyramiden· bahn in Faserbündel aufgesplittert, die sich jedoch im Bereich der Medulla ob· longata wieder vereinigen und dadurch die Pyramiden bilden. Während ih rer Passage durch den Hirnstamm verlassen die Fibrae corticonucleares auf verschie· denen Höhen die Pyramidenbahn, so dassamkaudalen Ende der Medulla oblongata nur noch die Fibrae cortico· spinales vorliegen. Fibrae corticonucleares Sie erreichen die somatornotorischen und speziell·viszeromotorischen Hirn· nervenkerne, welche die Skelettmuskulatur in Kopf- und Halsbereich ver· sorgen. Dabei werden einige Kerne bilateral, d. h. von Kortexarealen beider Hemisphären, versorgt, während andere
nur von einer Hemisphäre, und zwar entweder kontra- oder ipsilateral, erreicht werden (I Tab. im Anhang). Von klinischer Relevanz ist bes. die Versorgung des Ne!. n. facialis (s. S. 83, Fazialisparese). Der Teil des Ne!. n. facialis, der die Stirnmuskulatur versorgt, wird nämlich bilateral angesteuert, während derjenige für die Versorgung der übrigen mimischen Muskulatur nur kontralateral versorgt wird! Die Fibrae corticonucleares aus dem frontalen Augenfeld erreichen übrigens nicht direkt die Zielkerne, sondern werden zuvor in verschiedenen Zentren des Hirnstamms (z. B. Colliculi superiores, Formatio reticularis) umgeschaltet, welche ihrerseits dann in die okularnotorischen Hirnnervenkerne projizieren.
1221123
siblen Kortexarealen hervorgegangene Teil der Fibrae corticospinales projiziert auf Neurone des Hinterhorns, wodurch sie inhibierend auf aufsteigende sensible Impulse wirken. Funktion der beiden Tractus corticospinales
Zusammen mit dem Rubraspinaltrakt (s. S. 114] projizieren die Tractus corticospinales v. a. zur distalen Extremitätenmuskulatur, wodurch ihnen eine entscheidende Rolle für die präzise Feinmotorik zukommt. Außerdem kann der Tractus corticospinalis hem· mend auf über den Eigenapparat des Rückenmarks vermittelte Reflexbögen (z. B. primitive Fremdreflexe wie der Babinski·Reflex) einwirken.
Fibrae corticospinales Die Fibrae corticospinales steigen in den Pyramiden (s.o.] ab und kreuzen zumeist (ca. 70-90% der Fasern) in deren kaudalem Teil, in der sog. Decussatio pyramidum , zur Gegenseite. Die gekreuzten Fasern ziehen in somatoto· perAnordnungals Tractus corticospinalis lateralis im Seitenstrang des Rückenmarks nach kaudal, während die ungekreuzten Fasern als Tractus corticospinalis anterior im Vorderstrang abwärts ziehen und erst auf Höhe des Zielsegments zur Gegenseite kreuzen. Beide Tractus erreichen die a-Motoneu· ronen im Vorderhorn, deren Axone das Rückenmark verlassen und die quergestreifte Skelettmuskulatur innervieren. Allerdings projiziert nur ein kleiner Teil der Fasern (für Hände und Finger] direkt auf die Motoneuronen. Die meisten Fasern erreichen Interneurone, welche die Signale auf die Motoneuronen übertragen. Der aus somatosen-
Zusammenfassung X Die sekundärmotorischen Rindenfelder planen Willkürbewegungen und übermitteln diese Programme direkt bzw. über Basalganglien und Kleinhirn dem Motokortex, welcher die Kommandos über die Pyramidenbahn zu den Motoneuronen in Hirnstamm (Fibrae corticonucleares) und Rückenmark (Fibrae corticospinales) leitet. Die Motoneuronen senden dann die Signale über ihre langen Axone zur quergestreiften Skelettmuskulatur.
Limbisches System I Einführung
1878 beschrieb Broca den Lobus limbicus ("Grand lobe limbique"). Er fasste unter diesem Begriff jene Hirnwindungen zusammen, die ringförmig Balken, Thalamus und Basalganglien umsäumen (lat. Iimbus =Gürtel, Saum). Zu diesen Hirnwindungen gehören u. a. Gyrus cinguli (Hauptanteil des Lobus limbicus) und Gyrus parahippocampalis. Broca sah die Funktion der limbisehen Kortexareale v. a. in der Verarbeitung olfaktorischer Impulse, wobei man in den darauffolgenden Jahren schon Vermutungen über weitere Funktionen dieser Areale, wie z. B. solche für Gedächtnis und Emotionen, anstellte. Ein erstes Konzept zur Lokalisation von Emotionen erfolgte 1937 durch Papez. Er postulierte, dass Strukturen des limbisehen Lappens den Sitz der Emotionen darstellen würden, und entwickelte das Konzept des heute so bezeichneten Papez-Kreises. Mitte des 20. Jahrhunderts verwendete MacLean erstmals den Begriff des limbisehen Systems. Er integrierte es in sein bis heute stark umstrittenes Modell des dreieinigen Gehirns (Triune brain), wonach das menschliche Gehirn nach funktionellen und strukturell-phylogenetischen Aspekten in drei Teile gegliedert werden kann: das phylogenetisch alte "protoreptilische Gehirn" - u. a. aus dem Hirnstamm bestehend - für Instinkthandlungen, das jüngere "paleomammalische" Gehirn- bestehend aus dem limbisehen System (Lobus limbicus, Septum, Amygdala, Hippocampus etc.) - u. a. für Emotionen und Triebverhalten und das "neomammalische" Gehirn - bestehend aus dem Neokortex - für logisch-abstrakte Denkvorgänge. Das heutige, moderne Konzept vom limbisehen System ist weitaus komplexer und weder anatomisch-strukturell noch funktionell genau definiert. Es kamen daher immer wieder Diskussionen auf, sich völlig von der Idee des limbisehen Systems zu verabschieden. Trotzdem verwendet man dieses Modell weiterhin, da limbisehe Strukturen - wie nicht zuletzt durch pathologische Befunde bestätigt- funktionell zusammenwirken wie z. B. bei Lernvorgängen, Gedächtnisleistungen und Emotionen.
tex herum und stellt die Übergangszone zwischen !so· und Allokortex dar. Zum äußeren Ring gehören:
t Area subcallosa des Gyrus cinguli, welche vorn unter dem Corpus callosum liegt t Gyrus cinguli t Gyrus parahippocampalis mit Area entorhinalis Der Hippocampus
Der Hippocampus ist ein zentrales Element des limbisehen Systems. Er bildet den Hauptteil des Archikortex und befindet sich medial in der Tiefe des Temporallappens. Dort bildet er die mediale Wand des Unterhorns des Seitenventrikels. Durch die Hemisphärenrotation nimmt der Hippocampus eine C-förmig gebogene Gestalt ein, die bis zum kaudalen Balkenende reicht. Sein Vorderende (Pes hippocampi) ist verbreitert und weist mehrere Einkerbungen (Digitationes) auf, so dass es einer Tatze ähnelt. Das Hinterende verschmälert sich hingegen zunehmend und geht am Balken in das Indusium griseum über, eine schmale Schicht grauer Substanz, die sich bis zum Vorderende des Balkens erstreckt. Auf der ventrikelwärts gerichteten dorsalen Seite befindet sich die Fimbria hippocampi, ein starkes Bündel mit Fasern zum und vom Hippocampus, an welchem der Plexus choroideus des Unterhorns befestigt ist. Die Fimbria hippocampi geht- ebenfalls am kaudalen Balkenende- in den Fornix über. Um die komplexe räumliche Struktur des Hippecampus bzw. der Hippocampusformation besser zu verstehen, erfolgt an dieser Stelle ein Exkurs in die Entwicklungsgeschichte. Entwicklung der Hippocampusformation Die Hippocampusformation besteht aus dem Hippocampus sowie der Area entorhinalis des Gyrus parahippocampalis. Der Gyrus parahippocampalis überlagert den Hippocampus
Bestandteile des limbisehen Systems
Zum limbisehen System (I Abb. 1) werden i. Allg. die in 1 Tabelle 1 aufgeführten Strukturen gerechnet. Der limbisehe Kortex besteht v. a. aus phylogenetisch älteren allokortikalen Elementen und ist aus zwei Ringen aufgebaut. Der innere Ring setzt sich aus archikortikalen Strukturen zusammen. Zu ihm gehören: t Gyrus paraterminalis, welcher vorn unter dem Balken (genauer: Rostrum corporis callosi) liegt • Indusium griseum, eine dünne Schicht grauer Substanz, die über dem Balken liegt t Hippecampus [s. u. )
I Abb. 1: Wic htige limbiseh e Strukturen; I = Amygdala, 2 - Corpus mammillare, 3 = Ncll. septa les, 4 = Fornix, 5 = Ba lk en, 6 = Gyru s cingu li, 7 Gyrus parahippocampali s, 8 - Indu sium gri se um, 9 - Gyrus para terminali s, 10 = Area subca ll osa, II = Area entorhinali s, 12 = Hippoca mpus, 5
Der äußere Ring wird von Elementen des Periarchikortex gebildet. Dieser liegt um (griech. peri =herum) den Archikor-
13
=
Fimbria hippocampi.
Limbisches System
Limbischer Kortex
t t t t
rechnet wird ) sowie die Area entorhinalis, die als Übergangszone aus bis zu sieben Schichten aufgebau t ist
Gyru s paraterminalis Ind usium gri seum Hippocam pus Gyru s parahippocampali s mit Area entorhinalis (vorderer Abschnitt des Gyrus para hippoca mpalis)
t Gyru s cinguli mit Area subca llosa Limbisehe Kerngebiete
t
im Großhirn
t Ncl. acc umbens (s. S. 64)
Limbisehe Kerngebiete
t Corpus mammillare (s . S. 58)
t im Zwischenhirn
Area septalis mit Ncll . septa les (s. S. 65) Corpus am ygdaloideum (s. S. 64 und 65)
t NeII. habenulares (s. S. 54)
t Ncll. th alami (bes. Ncll. anteriores thalami, s. S. 57) Limbisehe Kerngebiete
t Ncl. interpeduncularis (zwischen rechter und linker Substantia nigra gelegen)
im Mittelhirn
t Ncl. tegmentalis dorsali s, Area tegmentalis ven tralis (dopaminerge Neuronen-
Limbisehe Verbindungen
t Forni x (s. S. 59)
an sa mmlung, medial de r Substanlia nigra gelegen )
t
Cingulum (Faserbündel im Gyrus ci nguli, s. S. 127)
t Commissura an terior (s. S. 72 )
t
Tractu s pertora ns (s. S. 12 6)
t Stria terminalis (s. S. 59)
t
Stria di agonalis (s. S. 65)
t Fasc iculu s medialis tel encephali (mediales Vorderhirnbünd el, s. S. 59) t Fasciculi mammillotegmenta li s (Gudden, s. S. 58) und mammillothalamicus (Vicq-d'Azyr-Bünd el. s. S. 58)
I
1241 125
Tab . 1: Wichtige limbi se he Strukturen und Verbindungen.
fast vollständig, so dass nur der Gyrus dentatus noch geringfügig an der Hirnoberfläche sichtbar ist Durch das starke Wachstum des Neokortex wird nämlich die zum Archikortex gehörende Hippocampusformation immer mehr nach kaudal und medial abgedrängt, so dass sie sich aufgrund von Platzmangel in die Tiefe nach innen wickelt und gegen das Unterhorn des Seitenventrikels vor-
wölbt Im Frontalschnitt erscheint die Hippocampusformation daher als S-förmige Gestalt, an der man folgende Strukturen erkennen kann (I Abb. 2): die den Hippocampus bildenden und aus jeweils drei Schichten aufgebauten Elemente Gyrus dentatus, Cornu ammonis (Ammonshorn) und Subiculum (wobei das Subiculum von manchen Autoren nicht zum Hippocampus ge-
Histologie des Hippecampus Im Cornu ammonis lassen sich die drei Schichten Stratum oriens (enthält die basalen Dendriten der Pyramidenzellen), Stratum pyramidale (enthält glutamaterge Pyramidenzellen) und Stratum radiatum-lacunosum-moleculare [enthält apikale Dendriten der Pyramidenzellen) unterscheiden. In allen Zellschichten existieren darüber hinaus GABAerge Interneurane wie die Korbzellen. Innerhalb des Ammonshorns unterscheidet man außerdem die vier Regionen CA1 - CA4. Im Gyrus dentatus kommen statt der großen Pyramidenzellen Körnerzellen vor, so dass hier anstelle eines Stratum pyramidale ein Stratum granulosum vorliegt Die Region CA 1 (Sommer-sektor) des Hippocampus spielt in der Klinik eine wichtige Rolle: Die Neurone dieses Sektors sind sehr empfindlich gegenüber hypoxischen Zuständen und gehen daher bei lscnllmlen Im Stromgebiet der A. cerebri post. besonders schnell zugrunde. CA 1 ist auch bei der Alzheimer-Erkrankung sowie bei therapieresistenten Temporallappenepllepsien bevorzugt betroffen.
Fimbria hippocampi
Gyrus dentatus
Subic ulum Gyrus parahippocampalis Cornu inferius des Seilenventrikels Sulcus hippocampalis Stratum pyramidale Stratum radiatumlacunosum-molecu lare
I
Stratum moleculare des Gyrus dentatus Stratum granulosum des Gyrus dentatus
Abb . 2: Entwick lung der Hippocampu sfo rm a ti on ; CA I • kl eine Pyramide nze l/en, CA2 = dic ht gelage rt e große Pyra miden zellen , CA3 und CA4 = locker ge lage rte große Pyram id enzell en.
Limbisches System II Verbindungen des Hippocampus Alle Bestandteile des Hippocampus sind untereinander sowie mit dem Hippocampus der Gegenseite verknüpft (Commissura hippocampi unterhalb des Balkens). Afferent ist der Hippocampus v. a. mit der Area entorhinalis, welche ein wichtiges Tor zum Hippocampus darstellt, verbunden. Die Area entorhinalis bezieht wiederum ihre Afferenzen aus zahlreichen Strukturen, darunter Gebiete des Neokortex (v. a. multimodale Assoziationsgebiete), Bulbus olfactorius und Corpus amygdaloideum. Nachdem die Informationen die Area entorhinalis passiert haben, werden sie im Tractus perforans, welcher quer ("perforierend") durch das Subiculum läuft, zur äußeren Molekularschicht des Gyrus dentatus geleitet. Weitere Afferenzen des Hippocampus stammen aus den Ncll. septales (GABAerg und cholinerg) sowie aus Hirnstamm (katecholaminerg), Thalamus (u. a. nozizeptive Impulse) und Gyrus cinguli. Im Hippocampus breitet sich dann die Erregung vom Gyrus dentatus über das Ammonshorn bis zum Subiculum aus, dessen efferente Fasern sich in der Fimbria hippocampi und damit im Fornix, der Hauptefferenz des Hippocampus, sammeln. Der Fornix zieht bogenförmig über den III. Ventrikel zum Corpus mammillare, wobei er auf diesem Weg auch Faserzüge, u. a_ zu Thalamus, Habenulae, vorderen Hypothalamuskernen, Amygdala und Septumregion, abgibt. Das Corpus mammillare wiederum stellt durch den Tractus mammillotegmentalis und Pedunculus corporis mammillaris die Verbindung zu limbisehen Strukturen im Hirnstamm her.
Radiatio thalami
Funktion des limbisehen Systems
Einen ersten Schaltplan zwischen limbisehen Strukturen stellt der sog. PapezKreis (I Abb. 3) dar. Nach Auffassung von Papez entstehen über diesen Schaltkreis Emotionen, indem kortikale und hypothalamisehe Signale im Gyrus cinguli integriert werden. Die von Papez postulierten Verbindungen zwischen den Strukturen konnten später tatsächlich auch neuroanatomisch nachgewiesen werden. Allerdings hat man festgestellt, dass Läsionen des Neuronenkreisesnicht nur zu emotionalen Veränderungen, sondern vielmehr auch zu Störungen der Gedächtnisfunktionen führen. Neue Inhalte können dabei nicht mehr vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis transportiert werden. Der Papez-Neuronenkreis soll daher v. a. der Überführung von Informationen vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis dienen, wobei statt des Gyrus cinguli vermutlich eher der Gyrus parahippocampalis in den Kreis eingebunden ist. Inzwischen weiß man, dass die limbisehen Strukturen untereinander äußerst komplex vernetzt sind , so dass man den Papez-Kreis als ein vereinfachendes Konzept betrachten sollte. Funktionelle Erkenntnisse, die man im Zusammenhang mit dem limbisehen System gewonnen hat, basieren heute v. a. auf Läsions- und Stimulationsexperimenten sowie auf klinischen Befunden_Im Folgenden werden einzelne limbisehe Strukturen anhand dieser Experimente und Befunde dargestellt. Auf diese Weise soll ein Eindruck von den vielfältigen Funktionen des limbisehen Systems entstehen.
Einen ersten Nachweis, dass das limbisehe System maßgeblich an der Entstehung von Emotionen beteiligt Ist, erbrachten Bucy und Klüver, indem sie beidseitig den Temporallappen- inkl. Hippocampus und Amygdala - bei Rhesusaffen entfernten. Die Tiere waren anschließend zahm und verloren ihre Angst vor gefährlichen Objekten. Darüber hinaus zeigten sich Verhaltensänderungen, die nicht direkt mit Emotionen zu tun haben, darunter Hypersexualität, Störungen der Merkfähigkeit und starke Gewichtszunahme aufgrund eines gestörten Sättigungsgefühls.
Hi ppoca mpusformation Die Hippocampusforma tion spielt eine entscheidende Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen. Über ihre Verbindungen zu fast allen sensorischen Kortizes erhält sie jede Menge Informationen, die sie auf ihre Wichtigkeit bzw. ihren Neuheitsgrad überprüft. Die Funktion der Hippocampusformation liegt dabei weniger in der Speicherfunktion selbst als vielmehr in der Überführung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in die kortikalen Areale des Langzeitgedächtnisses. Sie dient der Abspeicherung expliziter, nicht aber impliziter Gedächtnisinhalte! Läsionen des Hippocampus führen zu ausgeprägter anterograder Amnesie. Dabei können neue Informationen nicht mehr gespeichert werden, während alte Erinnerungen (d. h. Inhalte, die vor der Schädigung gespeichert wurden) verfügbar sind. Das Erlernen motorischer Fertigkeiten (durch das Kleinhirn vermittelt) sowie emotionales Lernen (durch die Amygdala vermittelt) sind hingegen noch möglich. Über seine Verbindungen zu Hypothalamus und anderen Iimbi-
Cingulum
I Abb. 3: Papez-Kreis.
Limbisches System
sehen Strukturen beeinflusst der Hippocampus außerdem vegetative und emotionale Vorgänge. Ferner ist er im Vergleich mit anderen Hirnstrukturen häufig Entstehungsort epileptischer Anfälle; auch Schizophrenien sollen insbesondere auf Verminderung glutamaterger Neurone im Hippocampus zurückgehen. Das explizite (deklarative) Gedächtnis speichert Fakten und Ereignisse. Der Zugriff auf die Inhalte dieses Speichers erfolgt meist bewusst. Das implizite (prozedurale) Gedächtnis speichert Handlungsabläufe, motorische Fertigkeiten und emotionale Verhaltensweisen. Wiedergabe und Erwerb seiner Inhalte können auch ohne Bewusstsein erfolgen. Kehrt man z. B. an den Ort eines Unfalls zurück, werden zum einen - durch die Amygdala als . emotionales Gedächtnis" unbewusst ausgelöst - körperliche emotionale Reaktionen auftreten (Schwitzen, Angst etc.), und zum anderen wird man mit Hilfe des expliziten Gedächtnisses Einzelheiten des Geschehens abrufen (beteiligte Personen, Ort etc.).
Amygdala
Wie bereits auf Seite 64 dargestellt, ist die Amygdala eine zentrale Schaltstelle für die Entstehung von Emotionen sowie des emotionalen Gedächtnisses. Dies zeigt sich durch elektrische Reizung der Amygdala bei Affen und Katzen. Dabei kommt es zu emotionalen Reaktionen wie Wut und Angst mit entsprechenden vegetativen Reaktionen: Zunahme der Sympathikusaktivität (u. a. Blutdruckanstieg, Pupillenerweiterung), zugleich Zunahme der parasympathischen Aktivität (Defäkation, Speichelsekretion), motorische Reaktionen (Flucht- oder An griffsverhalten, veränderte Mimik) und Zunahme der Aufmerksamkeit. Darüber hinaus konnte man feststellen, dass die Amygdala einen förd ernden Einfluss auf Sexualtrieb, Aggressions- und Fressverhalten hat und bei ihrer Stimulation sog. Deja-vu-Erlebnisse und Halluzi nationen herbeigeführt werden können. Moderne bildgebend e Verfahren zeigen ferner, dass die Amygdala wesentlich an der Interpretation von Gesichtsausdrücken beteiligt ist. Sie weist z. ß. eine besonders hohe Aktivitä t auf, wenn die Ge-
sichter Bedrohung signalisieren. Menschen mit lädierter Amygdala haben daher Probleme, den Gesichtsausdruck anderer Menschen zu deuten, was zu sozialen Kommunikationsschwierigkeiten führen kann. Ncll. septales Die Ncll. septales (s. S. 65) beeinflussen vegetative Funktionen, so dass man bei ihrer Reizung wie bei Amygdalastimulation exkretorische (Defäkation und Miktion) und sexuelle Reaktionen (Erektion) hervorrufen kann. Ferner hat man in der Septumregion, bes. am diagonalen Broca-Band (Stria diagonalis, verbindet Ncll. septalesmit der Amygdala), erfolgreich Selbstreizversuche an Ratten durchführen können: Durch eingepflanzte Elektroden konnten sich die Tiere selbst perTastendruck reizen; die dabei ausgelösten Reaktionen führten zu extremem Wohlbefinden, so dass die Ratten auch im ausgehungerten Zustand die Selbststimulation der Nahrungsaufnahme vorzogen. Auch beim Menschen ließen sich durch Reizung angenehme Gefühle bis hin zur Euphorie auslösen. Durch die Verbindungen zu limbisehen Strukturen, insbesondere zum Hippocampus, wirken die Ncll. septales außerdem entscheidend bei Lern- und Gedächtnisleistungen mit;
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so kann man bei Läsionen der Septumregion Störungen der Gedächtnisfunktionen beobachten. Gyrus cinguli
Der Gyrus cinguli unterhält neben den Verbindungen zu Thalamus und Hippocampus (s.o., Papez-Kreis) reziproke Verbindungen zu kortikalen Assoziationsgebieten, Ncll. septales, Striatum und Hypothalamus. Die Verbindungen zu Letzterem erklären, dass Reizungen des Gyrus cinguli zu vegetativen Veränderungen (Speichelsekretion 1', Blutdruck 1' ) führen. Das vordere Areal des Gyrus cinguli gilt als eines der sekundärmotorischen Gebiete, so dass eine Läsion des Gyrus cinguli zu psycho- und lokomotorischer Antriebslosigkeit (Gleichgültigkeit, Bewegungsarmut) führen kann. Außerdem treten bei seiner Läsion Veränderungen der Persönlichkeit wie z. B. enthemmtes Verhalten auf. Da der Gyrus cinguli zudem wohl eine große Rolle bei der Verarbeitung der emotionalen Schmerzkomponente spielt, können Patienten mit schwersten chronischen Schmerzen durch eine Zingulektomie (Entfernung des Gyrus cinguli) therapiert werden, was allerdings nur äußerst selten durchgeführt wird.
Zusammenfassung ac Das limbisehe System ist ein funktionelles Konzept, das unterschiedlichste Hirnstrukturen aus Telencephalon, Diencephalon und Mesencephalon zusammenfasst. Die wichtigsten Strukturen sind Hippocampusformation, Amygdala, Gyrus cinguli und Ncll. septales.
ac Aufgrund der starken Vernetzung der limbisehen StruktureA kann man das limbisehe System weder strukturell noch f1:mktionell vollständig erfassen, so dass man unter dem Begriff des limbisehen Systems sehr viele unterschiedliche Funktionen zusammenfasst, darunter Antrieb, Lernen, Gedächtnis, Emotionen, Regulation vegetativer Funktionen wie Nahrungsaufnahme, Verdauung und Fortpflanzung.
Aufbau des autonomen Nervensystems im Überblick Organe werden von parasympathischen und sympathischen Fasern erreicht.
Im Gegensatz zum somatischen Nervensystem, mit welchem wir unsere Skelettmuskeln willkürlich ansteuern können, regelt das autonome (vege-
Sympathikus: . Fight-or-flight"-Prinzip Parasympathikus: . Rest-and-digest"Prinzip
tative, viszerale) Nervensystem
zumeist unbewusst und ohne unsere willkürliche Steuerung die Tätigkeit innerer Organe, meist über viszerale Reflexe (s. S. 136) -daher die Bezeich· nung autonom. Es versorgt v. a. die glatte Muskulatur der Eingeweide (= "viscera") und der Blutgefäße sowie exokrine und endokrine Drüsen. Durch die Regulation vegetativer Parameter wie z. B. Atmung, Körpertemperatur und Verdauung hält es das innere Milieu des Organismus konstant und passt den Körper wechselnden Umwelt· bedingungen an. Das autonome Nervensystem wird in ein viszerasensibles und ein viszeramotorisches System gegliedert, wobei beide Systeme Projektionsbzw. Ursprungsorte im ZNS sowie periphere Anteile aufweisen. Viszeramotorisches System
Der viszeramotorische Teil des autonomen Nervensystems wird in einen parasympathischen und einen sympathischen Anteil gegliedert. Die Aufteilung in Sympathikus und Parasympathikus bezieht sich nur auf den efferenten Scht:mkel des autonomen Nervensystems. Beim afferenten (viszerosenslblen) Schenkel ist diese Unterscheidung nicht möglich.
Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus
Der Sympathikus wirkt i. Allg. aktivierend und leistungssteigernd in Stresssituationen, während der Parasympathi· kus für Ruhe und Regeneration der körperlichen Reserven sorgt. So bewirkt z. B. der Sympathikus eine Steigerung, der Parasympathikus eine Senkung der HE Gerrau umgekehrt verhalten sich beide im Verdauungstrakt Hier beschleunigt der Parasympathikus die Peristaltik des Darms, erhöht die Drüsensekretion und wirkt damit als "Energieauftanker", während der Sympatikus gerrau gegenteilig wirkt. Die meisten
Seitenhorn des thorakolumbalen Rückenmarks, beim Parasympathikus in den Hirnnervenkernen im Hirnstamm sowie im Seitenhorn des sakralen Rückenmarks (I Tab. 2). Peripherer Anteil
Während das sympathische System häufig komplett aktiviert wird (Pupillenverengung, erhöhte HF und verlangsamte Darmperistaltik in Schrecksituationen), steuert der Parasympathikus die von ihm innervierten Organe selektiv an (z. B. selektives Erschlaffen des Harnblasensphinkters), weil die postganglionären Neurone nahe bzw. im Erfolgsorgan liegen und so die Signaldivergenz geringer ist. Weiter hat der Parasympathikus keinen Anteil an der Innervation von Rumpfwand und Extremitäten, während der Sympathikus Gefäße, Schweißdrüsen und Haare von Kopf, Hals, Rumpf und Extremitäten innerviert. Prinzipieller Aufbau der viszeramotorischen Strecke
Im Unterschied zum somatischen Nervensystem ziehen die Axone der parasympathischen und sympathischen Neurone nicht direkt aus dem ZNS zum Innervationsort, sondern werden in Ganglien auf 2. Neurone (postganglionäre Neurone) umgeschaltet. Diese vegetativen Ganglien sind nicht mit den sensiblen Ganglien der Spinalund Hirnnerven (z. B. Ganglion trigeminale) zu verwechseln (I Tab. I)! Zentraler Anteil Die Perikarya der 1. efferenten Neurone (präganglionäre Neurone) befinden sich im zentralen Teil des autonomen Nervensystems. Beim Sympathikus liegen die präganglionären Neurone im
Sensibles Ganglion
1
Sympathikus
Die Fasern der präganglionären Neurone des Sympathikus ziehen zu den paravertebralen Ganglien (Bsp.: Ggl. cervicale sup.), die rechts und links jeweils einen Grenzstrang, den Truncus sympathicus, bilden. Dort werden die Fasern auf postganglionäre Neurone umgeschaltet (I Abb. I]. Der Transmitter dabei ist Acetylcholin (ACh). Einige Fasern (Nn. splanchnici) durchlaufen den Grenzstrang jedoch ohne Umschaltung und ziehen zu prävertebralen unpaaren Ganglien, wo sie dann umgeschaltet werden. Die aus den Ganglien austretenden postganglionären Fasern ziehen anschließend zum Erfolgsorgan, wobei hier meist Noradrenalin ausgeschüttet wird. Die Innervation von Schweißdrüsen und Nebennierenmark (I Abb. 1) stellt eine Ausnahme der sympathischen Innervation dar (s. S. 131). Parasympathikus
Die präganglionären Fasern des Parasympathikus werden auf postganglionäre Neurone umgeschaltet (Transmitter: ACh), die in Ganglien liegen, welche sich in oder nahe den Erfolgsorganen (z. B. in Plexus, s. u.) befinden. Der Parasympathikus zeichnet sich also- im Gegensatz zum Sympathikusdurch lange präganglionäre Strecken und kurze postganglionäre Wege aus. Die postganglionären Neurone setzen an ihren Enden ebenfalls Acetylcholin frei. Sowohl beim Parasympathikus als auch beim Sympathikus sind die präganglio-
Vegetatives Ganglion
Dazugehörige
Spinalganglien, sensible Hirnnerven-
Sämtliche sympathischen und parasympa thisch en
Ganglien
ganglien (z. 8. Ganglion trigeminal e)
Ganglien (z. 8. Ganglion ciliare)
Qualität
Sensibel
Motorisch
Inhalt
Pseudounipolare Neure ne
Multipolare Neurene
Umschaltung
Keine Umschaltung
Umschaltung au f das 2. Neuron der efferenten Strecke
Tab. 1: Unterschied zwi sc hen vegetativen und se nsibl en Gang lien .
Autonomes Nervensystem
Sympathikus
Parasympathikus
Lage des
Thorakolumba lmark
Hi rnstamm und Sakralmark
1. Neurons
---> thorakolumba les System
---> kranlosakrales System
Transmitter
I . Neuron: Acetylcholin
I . Neuron: Acetylcholin
2. Neuron: Noradrenalin
2. Neuron: Acetylcholin Organnah
Lage der
Organfern (Grenzstrang und
Ganglien
prävertebra le Ganglien)
Aktivierung
Wirkt oft unselektiv
128
I
129
Organ
Organ lnnerva-
Eingeweide, ab er auch
tionsorte
Rumpfwand und Extremitäten
Wirkt selektiv auf einzelne Organe Eingeweide
---> praktisch überal l'
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Tab. 2: Untersch iede zwischen Sympathikus und Parasympathikus.
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Grenzstrangganglien
nären Fasern schwach myelinisiert (Faserklasse B, s. S. 17), während die postganglionären Fasern nicht myelinisiert sind (Faserklasse C, s. S. 17).
Viszerasensibles System Das viszerasensible System (s. S. 136) ist ein eigenständiges System, das weder dem Sympathikus noch dem Parasympathikus zuzurechnen ist. Es vermittelt allgemein·viszerosensible Impulse aus den Eingeweiden wie z. B. Dehnungszustand der glatten Muskulatur, 0 2-Gehalt und pH·Wert des Bluts, aber auch speziell-viszerasensible Impulse aus den Geschmacksknospen. Viszerasensible Neurone haben ihre Perikarya in Spinalganglien bzw. in den sensiblen Hirnnervenganglien von N. facialis (N. VII), N. glossopharyngeus (N. IX), und N. vagus (N. X). Die sensiblen viszeralen Neurone sind wie die somatosensiblen Neurone pseudounipolare Nervenzellen. Sie proji· zieren mit ihren zum ZNS gerichteten Fortsätzen in das Rückenmark bzw. in die viszerasensiblen Ncll. tractus solitarii des Hirnstamms. Die peripherwärts gerichteten Fortsätze der Neurone der Hirnnervenganglien verlaufen in o. g. Hirnnerven zu den Erfolgsorganen, während bei den Spinalganglienneu· ronen die peripherwärts gerichteten Fortsätze über sympathi· sehe Efferenzen verlaufen (I Abb. I, S. 131 ).
Plexusbildung Vor allem im Rumpfbereich bilden sich um größere Gefäße und in Organnähe vegetative Nervenfasergeflechte (Plexus) aus. In diesen befinden sich viszeramotorische (sympathische und parasympathische) und viszerasensible Fasern sowie v. a. prävertebrale, sympathische Ganglien. Die aus den Plexus austretenden Fasern ziehen zu den Organen, die sie innervieren. Die wichtigsten Plexus und ihre lnnervationsgebiete sind:
....... ....... -
I Abb.
präganglionäre sympathische Strecke postganglionäre sympathische Strecke präganglionäre parasympathische Strecke postganglionäre parasympathische Strecke somatornotorische Strecke
1: Somatische und autonome Innerva ti on, Schema.
Übergeordnete Zentren Das vegetative Nervensystem arbeitet nicht vollständig "autonom", sondern wird von übergeordneten Steuerzentren reguliert. Das oberste Integrationszentrum des vegetativen Nerven· systemsist der Hypothalamus (s. S. 57ff.), der viele Körperfunk· tionen wie Wasserhaushalt und Körpertemperatur reguliert. Ebenfalls beteiligt sind Zellgruppen der FR (z. B. Atem- und Kreislaufzentrum, s. S. 46) sowie das limbisehe System, das emotionale Zustände mit vegetativen Vorgän gen verknüpft.
Zusammenfassung • Das vegetative Nervensystem reguliert weitgehend selbstständig und unbewusst die Funktion innerer Organe und hält das innere Milieu des Organismus konstant. • Der efferente Teil des vegetativen Nervensystems besteht aus zwei antagonistisch arbeitenden Anteilen, dem Sympathikus und dem Parasympathikus, wobei Ersterer aktivierend, Letzterer regenerativ wirkt. Bei beiden ziehen die Neurene nicht direkt zu
II Plexus aorticus thoracicus mit Plexus card iacus (zum Her·
zen) und Plexus pulmonaUs (zur Lunge) II Plexus aortic us abdominal is mit u. a. Plexus coeliacus, Plexus renalis, Plexus hepaticus (Baucheingeweide) II Plexus hypogastrici superior et inferior (zu Organen des kleinen Beckens)
den Erfolgsorganen, sondern werden in davor liegenden Ganglien auf 2. Ne1:1rone umgeschaltet. • Übergeordnete Zentren wie z. B. der Hypothalamus nehmen Einfluss auf das vegetative Nervensystem.
Sympathikus Verschaltung sympathischer Neurone
Die Perikarya der präganglionären Neurone des Sympathikus liegen im Ne!. intermediolateralis im Seitenhorn der Rückenmarksegmente C8- L2/L3. Von dort aus ziehen präganglionäre Fasern gemeinsam mit somataefferenten Fasern über die Vorderwurzel zu den Spinalnerven. Letztere verlassen sie aber wieder, um über die Rr. communicantes albi (erscheinen wegen ihrer Myelinisierung makroskopisch weiß) den Grenzstrang (Truncus sympathicus} zu erreichen. Dieser liegt zu beiden Seiten der Wirbelsäule und besteht jeweils aus einer Kette von ca. 22 - 23 Ganglien, die durch Rr. interganglionares verbunden sind. Beide Stränge vereinigen sich am unteren Ende im Ganglion impar. Ab dem Truncus sympathicus werden nun die Fasern über vier verschiedene Wege weitergeleitet (I Abb. 1):
gebiet im Bauchraum oder im kleinen Becken haben, werden nicht im Grenzstrang umgeschaltet Sie ziehen als Nn. splanchnici zu den sog. prävertebralen Ganglien im Bauchraum, wo sie dann organnah auf das postganglionäre Neuron verschaltet werden.
diaci zum Plexus cardiacus ziehen, welcher das Herz innerviert Weitere Fasern aus dem Ganglion stellatum und thorakalen Ganglien ziehen zum Plexus pulmonalis für die Innervation der Lunge und zum Plexus oesophageus für die Innervation der Speiseröhre.
Sympathische Innervation
Bauch- und Beckenorgane
Aus den thorakalen und lum balen Grenzstrangganglien gelangen präganIm Zervikalmark befinden sich keine glionäre Fasern als Nn. splanchnici vegetativen Neurone. Um trotzdem die majores (5.-9. thorakale Ganglien), sympathische Versorgung des Kopf-Hals- Nn. splanchnici minores (10. und Bereichs zu gewährleisten, ziehen prä11. thorakale Ganglien), N. splanchganglionäre Fasern aus den Thorakalseg- nicus imus ( 12. thorakales Ganglion; menten über die Rr. interganglionares zieht zur Niere ), vier Nn. splanchnici im Grenzstrang nach oben. Dort werlumbales (aus den vier lumbalen den sie in den drei obersten Ganglien Ganglien) und vier Nn. splanchnici des Grenzstrangs, Ganglion cervicale sacrales (aus den vier sakralen Gansuperius, Ganglion cervicale medium glien) zu den prävertebralen unpaaren und Ganglion cervicothoracicum (GanGanglien (Ganglia coeliaca, Ganglia mesenterica superius et inferius), die glion stellatum), auf postganglionäre Neurone verschaltet. Das Ganglion cer- miteinander in Verbindung stehen vicothoracicum entsteht übrigens durch (I Abb. 1, S. 133). t Ein Teil der Fasern wird im jeweiligen die Verschmelzung des untersten zerviGrenzstrangganglion umgeschaltet. kalen Ganglions mit dem ersten BrustAuch wenn nur in den Segmenten CB- L3 Die hervorgehenden postganglionären ganglion. Ein Teil der postganglionären Perikarya prägangllonärer sympathischer Fasern ziehen dann als eigenständige Fasern erreicht über Spinalnerven wie Neurone vorliegen, verläuft der GrenzNerven (Bsp. : Nn. cardiaci) zu den auto- oben beschrieben die entsprechenden strangtrotzdem über die gesamte Rückenmarkslinge. Da nämlich Fasern Im nomen Plexus (s. S. 129) oder schließen Hautdermatome des Halses. Andere aus Grenzstrang ab- und aufsteigen können sich Gefäßen an, um welche sie Gedem Ganglion cervicale superius austre(s.o.), finden sich auch Ganglien in flechte bilden (Bsp.: Plexus caroticus tende Fasern bilden Geflechte um die Bereichen tiefer und höher gelegener Segmente. internus). A. carotis interna (Plexus caroticus int Ein Teil der Fasern wird im entspreternus) sowie um die A. carotis externa chenden Grenzstrangganglion umge(Plexus caroticus externus). Der Plexus Ganglia coeliaca schaltet und zieht über die Rr. commu- caroticus internus versorgt Gefäße, Die Ganglia coeliaca liegen im Plexus einige Augenmuskeln (M. dilatator nicantes grisei (marklose Fasern) zucoeliacus und werden von den rück, um sich wieder den Spinalnerven pupillae, M. tarsalis, M. orbitalis) und Nn. splanchnici majores et minores erdie GI. lacrimalis, der Plexus caroticus reicht. Diese werden im Ganglion umanzuschließen. Gemeinsam mit diesen externus versorgt Gefäße, die Haut des geschaltet und ziehen meist mit den ziehen sie zu Hinterkopf, Hals, RumpfKopfs (Schweißdrüsen, Mm. arrectores wand und Extremitäten, wo sie BlutÄsten der Aorta zu den Plexus von Mapilorum, Hautgefäße) und die Speichel- gen, Dünndarm, Leber, Bauchspeichelgefäße innervieren. Die Fasern enden drüsen. drüse, Milz, Niere und Nebenniere in der Peripherie mit den Spinalnerven (Plexus gastrici, Plexus hepaticus etc.). im jeweiligen Hautdermatom, wo sie Schweißdrüsen, Mm. arrectores piloBei den lediglich sympathisch versorgten rum und Hautgefäße versorgen. Bei einem Schlag gegen den Bauch und Schweißdrüsen ist der Transmitter des t Einige Fasern werden nicht im entdamit auf den Plexus coeliscus kann es postganglloniren Neurons nicht Noradzu schweren vegetativen Störungen wie renalin, sondern Acetylcholin. sprechenden Grenzstrangganglion verAtemnot und Blutdruckabfall kommen. schaltet, sondern ziehen innerhalb des Truncus sympathicus über die Rr. interThoraxorgane Ganglion mesentericum superius ganglionares kranial- bzw. kaudalwärts, Das Ganglion mesentericum superius Aus den zervikalen und vier bis fünf um in einem anderen Grenzstrangganliegt im gleichnam igen Plexus und wird oberen thorakalen Ganglien treten postglion verschaltet zu werden. ebenfalls von Ästen der Nn . splanchnici ganglionäre Fasern aus, die als Nn. cart Nur die Fasern, die ihr JnnervationsKopf und Hals
~1~------------------------------------------------~A~u~t~o~n~o~m~e~s~N~e~r~v~e~n~s~y~s~t~e~ m ~
130
I
131
I Abb. 1: Verschal tu ng sympath ischer Neurone.
prä.gan9llonare s-ympathische Fa5er
···· ·· postga.ngtlolläre srmpaU1ls~:;he Faser -
Viszeroafferenz
Spinalganglion
Haut
Prävertebralganglion
Grenzstrangganglion
majores et minores angesteuert. Nach Umschaltung ziehen die Fasern zu Dünndarm, Colon ascendens und Colon transversum. Ganglion mesentericum inferius
Das Ganglion mesentericum inferius, das sich im gleichnamigen Plexus befindet, bezieht seine präganglionären Fasern v. a. aus den oberen Nn. splanchnici lumbales. Nach Umschaltung ziehen die Fasern zu Colon descendens, Colon sigmoideum und Rectum. Die Versorgung der Organe des kleinen Beckens [Harnblase und Genitale) erfolgt über die Plexus hypogastrici superior et inferior. Der Plexus hypogastricus superior erhält präganglionäre Fasern v. a. über die unteren Nn. splanchnici lumbales sowie Fasern aus dem Ganglion mesentericum inferius. Der unpaarige Plexus hypogastricus superiorteilt sich am Ende in einen rechten und linken plexusartigen Strang, di e Nn . hypogastrici dexter et sinister mit prä- und postganglionären Fasern. Diese ziehen nun zu den beiden links und rechts in der Bec kenwand liegenden Plexus hypogastrici inferiores, die im Gegensatz zum Plexus hypogastricus superior zahlreiche Ga nglien
(Ganglia pelvica) enthalten, in welchen noch nicht verschaltete Fasern umgeschaltet werden. Zudem erreichen den Plexus hypogastricus inferior präganglionäre Fasern über die Nn. splanchnici sacrales. Gerade im Bauch- und Beckenbereich sind die Verschaltung und der Verlauf der Fasern äußerst kompliziert. In den verschiedenen Lehrbüchern findet man daher immer unterschiedliche, vereinfach te Darstellungen! Nebennierenmark
Das Nebennierenmark nimmt eine besondere Stellung in der sympathischen Innervation ein. Die chromaffinen Nebennierenmarkzellen sind nämlich spezialisierte postganglionäre Sympathikusneurane ohne Axone, die von prägan-
glionären [nicht von postganglionären!) Fasern direkt angesteuert werden. Die Transmitter Adrenalin und Noradrenalin geben die Nebennierenmarkzellen statt an nachfolgende Neurone direkt an das Blut ab. Bei sympathischer Erregung dieser Zellen werden also Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, wodurch die aktivierende Wirkung des Sympathikus verstärkt wird. Die Wirkungsweise des Sympathikus in den übrigen Organen wird auf Seite 134 besprochen. Klinik
Eine Schädigung des zervikalen Sympathikus führt zum sog. Horner-Syndrom mit folgender Symptomentrias: Miosis [Pupillenverengung durch Ausfall des M. dilatator pupillae) , Ptosis (herabhängendes Augenlid durch Ausfall des M. tarsalis) und Enophthalmus [eingesunkenes Augapfel durch Ausfall des M. orbitalis). Zudem ist das Gesicht wegen fehlender Schweißsekretion trocken und durch Ausfall der sympathischen vasokonstriktiven Wirkung gerötet.
Zusammenfassung X Die 1. Neurone des Sympathikus liegen im Seitenhorn des Rückenmarks, von wo aus sie über einen kurzen gemeinsamen Weg mit der.~ Spinalnerven in den Grenzstrang ziehen. Dort werden sie verschaltet oder zu prävertebralen Ganglien weitergeleitet, in welchen dann die Umschaltung erfolgt. X Die Nebennierenmarkzellen werden als Besonderheit nicht von postganglionären, sondern von präganglionären Fasern erreicht. Als modifizierte postganglionäre Neurone geben diese Zellen die Hormone Adrenalin und Noradrenalin direkt in die Blutbahn ab.
Parasympathikus und intrinsisches Nervensystem organen sowie den Speichel- und Schweißdrüsen bewirken.
welche Gruppen von Nervenzellen (intramurale Ganglien), aber auch einzelne Nervenzellen eingelagert sind. Wie Kranialer Teil des oben erwähnt, enden viele präganglioSakraler Teil des Parasympathikus näre Fasern des Parasympathikus in den Parasympathikus intramuralen Ganglien, wo sie dann Die Perikarya der präganglionären Die präganglionären Fasern des sakralen auf postganglionäre Neurone verschaltet Neurone des kranialen ParasympathiParasympathikus haben ihre Neurone in werden. Diese postganglionären Neukus liegen in den allgemein-viszeraden Ncll. parasympathici sacrales im roneerhalten jedoch auch "plexusintermotorischen Kernen des Hirnstamms Seitenhorn der Rückenmarksegmente nen" (intrinsischen) Input von anderen (s. S. 74). Diese sind: S2-S4. Sie verlassen das Rückenmark Nervenzellen und sind damit funk tioüber die vorderen Wurzeln und ziehen nell gesehen Teil der intramuralen Plet NcL salivatorius superior xus. als Nn. splanchnici pelvici zum Plet NcL salivatorius inferior xus hypogastricus superior, aber v. a. zu Von allen intramuralen Plexus wurde t NcL dorsalis n. vagi Plexus hypogastrici inferiores. Der den der besonders hochdifferenzierte Plexus oculomotorii n. t NcL accessorius größte Teil der Fasern wird wohl in den entericus bislang am besten untersucht. Die präganglionären Fasern, welche die- Ganglien (Ganglia pelvica im Plexus hy- Obwohl dieser von extrinsischen (parapogastricus inferior) dieser Plexus umge- sympathischen und sympathischen) Fase Kerne verlassen, schließen sich den sern erreicht und beeinflusst wird, arHirnnerven III, VII, IX und X an. Details schaltet, der restliche Teil erst in den beitet er grundsätzlich eigenständig und zum Verlauf der Hirnnerven finden sich intramuralen Ganglien der zu versorsteuert autonom - auch nach Isolation auf Seiten 76-87. Mit den Hirnnerven genden Organe. Der sakrale Teil innervon extrinsischen Signalen- die Darmviert das distale Drittel des Colons, das gelangen die Fasern dann in die Hirnbewegungen sowie die DarmwanddrüRectum und den Urogenitaltrakt Blase nervenganglien (I Tab. 1), wo sie auf sen. Das vegetative Nervensystem kann postganglionäre Neurone umgeschaltet und Darm werden mit motorischen daher als Modulator des intramuralen werden. Fasern versorgt, während die SchwellNervensystems verstanden werden. So Fasern gefäßerweiternden von Durch die parasympathischen Anteile körper der Parasympathikus im Rumpffördert ermöglichen Letztere Innervationsgedas werden. erreicht des N. vagusreicht darm Motilität und Sekretion, während die Erektion, weshalb die Nn. splanchbiet der parasympathischen Ursprungsder Sympathikus gegenteilig wirkt. Innici pelvici auch Nn. erigentes gekerne des Hirnstamms bis in die Brustwieweit diese Autonomie von extrinund Bauchhöhle. So versorgt der N. va- nannt werden (I Abb. 1). sischen Einflüssen auch in anderen OrDie Wirkungsweise des Parasympathigus Herz, Lunge, Oesophagus, Leber kus in den jeweiligen Organen wird auf ganen gegeben ist, ist noch nicht genau und Gallenblase, Milz, Pancreas, Mageklärt. Seite 134 besprochen. gen, Dünndarm und die proximalen Der Plexus entericus besteht aus zwei zwei Drittel des Colons (bis zum CanPlexus: non-Böhm-Punkt). Die parasympaIntramurales (intrinsisches) orvaguswerden thischen Äste des N. Nervensystem t Plexus submucosus (Meissner-Piegannah in den Ganglien der jeweiligen in der Tunica submucosa der xus) befindet Nervensystem Organplexus oder in den intramurallie- Das intramurale zur Innervation der Darmwand Organe innerer in der Wand zahlreicher genden Ganglien verschaltet (s. u.). Schleimhaut und der Darmwanddrüsen Der Parasympathikus erreicht die glatte wie Herz, Lungen und Beckenorgane t Plexus myentericus (Auerbach-Pleund hat seine größte Ausdehnung im Muskulatur der Gefäße nicht und überxus) zwischen Stratum circulare und Rumpfdarm (Oesophagus, Magen, lässt damit die Regulation der Gefäße Stratum longitudinale der Tunica musDarm), wo es auch als enterisches fast komplett dem Sympathikus. Allerder Darmwand zur Innervation wird. cularis bezeichnet Nervensystem dings kann er über endothelvermittelte Muskeln für die Darmmotiliglatten der Plexus intramuralen aus besteht Es Freisetzung von NO (Stickstoffmonoxid) tät in Rumpfdarm), im entericus (Plexus eine Gefäßdilatation in den GenitalParasympathikus
Ganglion
Versorgungsgebiete der aus dem Ganglion austretenden postgangllonären paraaympathlschen Fasern
Ganglion ci liare
M. ciliaris, M. sphincter pupillae
Ganglion pterygopalatinum Ganglion submandibulare Ganglion oticum
Tränen-, Nasen-, Gaumen- und Rachendrüsen GI. submandibularis, GI. sublingualis Ohrspeicheldrüse
I
Tab . I : Hirnnervenga nglien und ihre
parasympathischen Versorgungsgebiete .
Autonomes Nervensystem
Beide Plexus sind durch eine große Zellzahl (vergleichbar mi t der Zellzah l im Rückenmark) und einen enormen Transmitterreic htum (ca . zwei Dutzend verschiedene Stoffe wie NO, Opioide, Somatostatin und GABA) charakterisiert. Die Zellen weisen eine große morphologische Vielfa lt auf und sind untereinander eng verknü pft. Dadurch kön nen sie eigene intrinsische Regelkreise aufbauen. So gibt es sensorische Neurene, die durch Dehnung oder Kontraktion der Darmwand erregt werden, sowie motorische Neurone zur Innervation der Muskeln und Drüsen. Des Weiteren finden sich Interneurane und interstitielle Zellen, wobei Letztere wahrscheinlich Schrittmacherfunktion ausüben.
.......··•
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Plexus ca roticus
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..· ..·
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132
I
133
..-· .-··
...:-
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Plexus caroticus externus
···-..... N. cardiac~~ -;n~_-- ·· ·
··- ...
.....
...
... ::·-,~~---······ T1
Herz
............ .................. ........*!":::·.-....... Trachea
..-·
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