Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/Jorg Schuppener Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen
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Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/Jorg Schuppener Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen
Christian Lutzenrath/Kai Peppmeier/ Jorg Schuppener
Bankstrategien fur Unternehmenssanierungen Erfolgskonzepte zur Fruherkennung und Krisenbewaltigung
2., aktualisierte und erweiterte Auflage
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Dieser Ausgabe liegt ein Post-i1 3 M Deutschland GmbH bei.
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Wir bitten unsere Leserinnen und Leser um Beachtung.
1. Auflage April 2003 2., aktualisierte und erweiterte Auflage Marz 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbHr Wiesbaden 2006 Lektorat: Karin Janssen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschliefclich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufcerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Satz: Fotosatz Huhn, Maintal Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8349-0028-1
Knapp drei Jahre nach Fertigstellung der 1. Auflage war eine Aktualisierung der Inhalte angezeigt. Die Autoren haben sich weiterhin ihrer Intention, ein Praktikerhandbuch erstellen zu wollen, verpflichtet gefiihlt. Neue betriebswirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen bei der Sanierung von Krisenunternehmen, die in den letzten drei Jahre Raum gegriffen haben, sind eingearbeitet worden. Dies gilt insbesondere fur das neue Kapitel zum Verkauf von Disstressed und NonPerforming-Loans. Fur die Mitarbeit an der 2. Auflage diirfen wir uns bei Herrn Henning Graw, Herrn Claus Keller, Herrn Arne Oltmann, Herrn Alexander Neumann und Herrn Marcus Schroer sowie bei alien anderen Mitarbeitern der TMC Turnaround Management Consult GmbH bedanken. Erneut gilt der besondere Dank der Autoren ihren Familien, die durch Verstandnis und Verzicht auf familiare Freizeit das Entstehen der 2. Auflage ermoglichten. Dortmund, im Juli 2005
CHRISTIAN LUTZENRATH KAI PEPPMEIER JORG SCHUPPENER
V
Das vorliegende Buch beschreibt die aus Bankensicht wesentlichen Grundlagen fiir eine Unternehmenssanierung. Es stellt das erforderliche Basiswissen fiir das Verhalten von Banken und Sparkassen bei der Sanierung von Unternehmen praxisnah und kompakt zusammen. Mit diesem Buch sollen in erster Linie diejenigen angesprochen werden, die in Banken und Sparkassen Krisenunternehmen beraten und betreuen. Ziel der Autoren war es, ein Praktikerhandbuch zu erstellen und Anregungen sowie Hilfestellungen zu geben. Auf wissenschaftliche Diskussionen und theoretische Uberlegungen wurde bewusst verzichtet. Fiir die Mitarbeit an diesem Buch durfen wir uns herzlich bei Herrn Marcus Schroer, Herrn Claus Keller, Herrn Henning Graw und Herrn Robin Hardt sowie bei alien weiteren Mitarbeitern der TMC Turnaround Management Consult bedanken. Unser Dank gilt dariiber hinaus alien Geschaftspartnern, die durch Diskussionen zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Letztendlich gilt der besondere Dank der Autoren ihren Familien, die durch Verstandnis und Verzicht auf familiare Freizeit das Entstehen dieses Buchs ermoglichten. Dortmund, im Oktober 2002
CHRISTIAN LUTZENRATH KAI PEPPMEIER JORG SCHUPPENER
Christian Lutzenrath, Kai Peppmeier und Jorg Schuppener sind Geschaftsflihrer der TMC Turnaround Management Consult GmbH, einer auf die Sanierung von Krisenunternehmen spezialisierten Beratungsgesellschaft. Zusammen mit Mandanten, Banken, Kreditversicherern und weiteren Beteiligten fiihren Sie Unternehmen zum Turnaround. Bei Diskussionsbedarf hinsichtlich der Inhalte dieses Buchs freuen sich die Autoren iiber eine Kontaktaufnahme unter www.turnaround.de. VII
Vorwort zur zweiten Auflage Vorwort
V VII
1. Entstehung und fruhzeitiges Erkennen der Unternehmenskrise . .
l
1.1 Zeitliche Entwicklung von Unternehmenskrisen 1.1.1 Potenzielle Gefahren 1.1.2 Latente Gefahren 1.1.3 Manifeste Gefahren 1.2 Arten von Unternehmenskrisen 1.2.1 Strategische Krise 1.2.2 Ertragskrise 1.2.3 Liquiditatskrise 1.3 Ursachen von Unternehmenskrisen 1.3.1 Endogene Ursachen 1.3.2 Exogene Ursachen 1.3.3 Multikausalitat der Ursachen 1.4 Fruhzeitiges Erkennen von Unternehmenkrisen 1.4.1 Typische Krisensymptome 1.4.2 Risiko und Krisenfruherkennung durch (qualitative) Jahresabschlussanalyse 1.4.3 Risiko und Krisenfruherkennung durch Analyse der mehrjahrigen Erfolgsrechnung 1.4.4 Checkliste zur Friiherkennung von Unternehmenskrisen (Fruherkennungstreppe)
2 2 2 3 3 4 5 5 5 6 8 9 10 12
2. Insolvenzeroffnungsgrunde 2.1 2.2 2.3 2.4
Zahlungsunfahigkeit Drohende Zahlungsunfahigkeit Uberschuldung Insolvenzantragsrechte und -pflichten
13 16 19
21 22 25 26 31
IX
3. Krisenmanagement-Einleitung von SofortmaBnahmen 3.1 Teambildung 3.2 Liquiditatsmanagement 3.2.1 Debitorenmanagement 3.2.2 Lagermanagement 3.2.3 Vertriebsmanagement 3.2.4 Kreditmanagement 3.2.5 Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva 3.3 Uberschuldungsproblematik
4. Sanierungskonzepte-Erstellung und Priifung von MaBnahmenkatalogen 4.1 Gutachterauswahl/Wer erstellt das Sanierungskonzept? 4.2 Inhaltliche Bereiche der Sanierungspriifung 4.2.1 Analyse der Krisenursachen 4.2.1.1 Segmentierung der Geschaftstatigkeit 4.2.1.2 Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsbereiche 4.2.2 Analyse der relevanten Unternehmensbereiche 4.2.2.1 Markt- und Wettbewerbsbedingungen 4.2.2.2 Produkte und/oder Dienstleistungen 4.2.2.3 Beschaffung und Materialwirtschaft 4.2.2.4 Aufbau-und Ablauforganisation der Produktion 4.2.2.5 Marketingstrategie 4.2.2.6 Management und Schlusselpositionen 4.2.2.7 Personelle Ausstattung 4.2.2.8 Rechnungswesen und Controlling 4.2.2.9 Unternehmensorganisation 4.3 Erstellung des Sanierungskonzeptes 4.3.1 Strategische Neuausrichtung des Unternehmens 4.3.2 Erstellung eines umsetzungsorientierten MaBnahmenplans 4.3.3 Szenario-Rechnungen 4.3.4 Sanierungsfahigkeit/Sanierungswurdigkeit 4.4 Stolpersteine von Sanierungskonzepten
5. Kommunikation in der Unternehmenskrise 5.1 Kommunikationsstrategien in der Krise 5.1.1 Wahl des Zeitpunktes und der Reihenfolge X
33 34 35 37 37 38 38 39 39
41 41 42 43 43 44 45 46 48 48 49 50 51 52 54 55 56 59 60 61 62 63
67 67 68
5.1.2 Wahl der Inhalte 5.2 Instrumente der Krisenkommunikation 5.3 Regeln fur den Aufbau einer Kommunikationsstrategie
6. M&A als Mittel zum Turnaround 6.1 Motive und Erwartungen der Beteiligten 6.2 Darstellung potenzieller Unternehmenskaufer 6.2.1 Marktteilnehmer 6.2.2 Management 6.2.3 Investoren 6.3 Ablauf des M&A-Prozesses 6.3.1 Analyse der Ausgangssituation 6.3.2 Entscheidungsprozess 6.3.3 Vorbereitung des Verkaufs 6.3.4 Verhandlungsphase 6.4 Kaufpreisfindung 6.4.1 Substanzwertmethode 6.4.2 Ertragswertmethode 6.4.3 Cashflow-Analyse 6.4.4 Multiplikatorverfahren 6.4.5 Problematik negativer Cashflows 6.4.6 Probleme der Kaufpreisfindung 6.5 Finanzierung von Unternehmensubernahmen 6.6 Fallbeispiel einer struktuierten Finanzierung 6.6.1 Schilderung der Ausgangslage 6.6.2 Entscheidungsprozess und Nachfolgeprozess 6.6.3 Transaktions- und Finanzierungsstruktur 6.6.3.1 Finanzinvestor/MBI-Team 6.6.3.2 Alt-Gesellschafter 6.6.3.3 Kreditinstitut 6.6.4 Auswirkungen der Finanzierungstruktur 6.6.5 Exit-Szenario 6.6.6 Renditebetrachtung der Investoren 6.6.7 Resiimee des Fallbeispiels 6.7 Mitarbeiterbeteiligung an Krisenunternehmen 6.7.1 Ziele und Motive der Beteiligten 6.7.2 Rahmenbedingungen im Krisenfall 6.7.3 Mittelherkunft in Krisenunternehmen 6.7.3.1 Lohn- und Gehaltsumwandlungen 6.7.3.2 Einbringung von Privatvermogen 6.7.3.3 Offentliche Forderungen fiir Existenzgrundungen
69 70 71
73 74 76 76 78 80 83 83 84 84 85 86 87 87 88 89 90 92 93 97 97 97 99 100 101 101 101 103 103 104 105 105 106 106 107 108 108 XI
6.7.3.4 Sonderfall: Sozialplanmittel und Abfindungsvereinbarungen 6.7.4 Transaktionsmodelle einer Mitarbeiterbeteiligung 6.7.4.1 Transaktionsstruktur 6.7.4.2 Transaktionsformen 6.8 Steuer- und gesellschaftsrechtliche Einflusse 6.8.1 Interessenlage des Kaufers 6.8.2 Besonderheiten bei Personengesellschaften 6.8.3 Nutzung von Verlustvortragen
7. Finanzwirtschaftliche Sanierung 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6
7.7 7.8 7.9 7.10 7.11
7.12 7.13
Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen Finanzierung von Einzelgeschaften Factoring/Forfaitierung Wechsel-Scheck-Verfahren Umschuldung Freigabe von Sicherheiten 7.6.1 Ausgestaltungsmoglichkeiten 7.6.2 Risiken bei der Freigabe von Sicherheiten Verzicht auf Zins- und Tilgungsleistungen Verzicht auf Kapitalforderungen AuBergerichtlicher Vergleich Rangrucktrittserklarung Umwandlung von Krediten in Beteiligungen 7.11.1 Probleme des Umwandlungsvorgangs 7.11.2 Problem der Gesellschafterstellung Einraumung eines Sanierungskredites Offentliche Finanzierungshilfen zur Sanierung
8. Sicherheitenpoolvertrag 8.1 PoolanlasseAvorteile 8.2 Poolorganistion 8.3 SanierungsmaBnahmen des Pools 8.3.1 Stillhalten bzw, Aufrechterhalten der Kreditlinien 8.3.2 Neukreditvergabe 8.3.3 Probleme der Sanierungspraxis 8.4 Verwertung und Haftungsgefahren 8.4.1 Verwertung durch den Pool XII
109 109 109 109 112 112 112 113
115 116 116 117 118 119 120 120 121 124 124 127 128 129 129 131 132 133
137 137 139 140 140 140 141 142 142
8.4.2 Sicherheitenabgrenzung 8.4.3 Haftungsgefahren
9. Verkauf von Distressed and Non-Performing Loans (NPLs) . . . . 9.1 Der deutsche NPL-Markt 9.2 Strategien und Effekte 9.3 Formen der Verwertung notleidender Forderungen 9.3.1 True Sale 9.3.2 Unterbeteiligung 9.3.3 Verbriefung 9.4 Typischer Ablauf einer NPL-Transaktion 9.4.1 Portfoliozusammenstellung 9.4.2 Bieterauswahl 9.4.3 Datenzusammenstellung und Vorbereitung fiir Kaufer-Due Diligence 9.4.4 Due Diligence 9.4.5 Zuschlag an Bieter 9.4.6 Erstellung und Unterzeichnung des Kaufvertrages, Kaufpreiszahlung und Ubergabe der Akten 9.5 Strategien der Erwerber 9.6 Rechtliche Rahmenbedingungen
lO.Prufungspflichten in derUnternehmenskrise 10.1 Stillhalten 10.2 Kiindigung des Kreditengagements 10.3 Stellung eines Insolvenzantrages 10.4 Gewahrung eines Sanierungskredites 10.4.1 Erstellung eines Sanierungskonzeptes 10.4.2 Kiindigung des Sanierungskredites 10.4.3 Vereinbarung von Financial Covenants 10.4.3.1 Regelungsinhalte von Financial Covenants 10.4.3.2 Nichteinhaltung von Financial Covenants 10.4.3.3 Grenzen von Financial Covenants 10.5 Gewahrung eines Uberbriickungskredites 10.6 Kredit zur Liquidation des Krisenunternehmens
144 145
149 149 150 150 150 151 152 154 154 155 155 156 158 159 160 161
165 165 167 171 172 173 176 177 177 178 179 179 181
XIII
11. Begleitung von Krisenunternehmen-Haftungen und Risiken. . . . 11.1 Haftungsrisiken fiir die Kreditinstitute 11.1.1 EigenkapitalersetzendeGesellschafterdarlehen 11.1.2 Quasi-Gesellschafterhaftung 11.1.3 Haftungsrisiken aus Glaubigergefahrdung 11.2 Exkurs: Beirateines Krisenunternehmens 11.3 Haftungsrisiken fiir Bankmitarbeiter 11.3.1 Insolvenzverschleppung 11.3.2 Eigenniitziger Sanierungskredit 11.3.3 Schuldnerknebelung 11.3.4 Haftung aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs
12.Unternehmenssanierung in der Insolvenz 12.1 Ein Blick in die Insolvenzstatistik 12.2 Strategien im Regelinsolvenzverfahren 12.2.1 Vorgehen im vorlaufigen Insolvenzverfahren 12.2.1.1 Der vorlaufige Insolvenz ver waiter 12.2.1.2 Unternehmensfortfuhrung 12.2.2 Vorgehen im eroffneten Insolvenzverfahren 12.2.2.1 Voraussetzung und Wirkung des eroffneten Verfahrens . 12.2.2.2 Verfahrensverlauf 12.3 Mitwirkung im Glaubigerausschuss 12.3.1 Aufgaben des Glaubigerausschusses 12.3.2 Bildung und Zusammensetzung des Glaubigerausschusses 12.3.3 Haftung und Vergiitung im Glaubigerausschuss 12.4 Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung - Sanierungsinstrumente? . 12.4.1 Insolvenzplanverfahren 12.4.2 Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan) 12.4.2.1 Voraussetzungen fiir die Eigenverwaltung (mit Insolvenzplan) 12.4.2.2 MaBnahmen im Zusammenhang mit der Beantragung der Eigenverwaltung
13. Kreditvergabe in der Insolvenz 13.1 Insolvenzgeldvorfinanzierung 13.1.1 Individuelles Verfahren 13.1.2 Forderungskaufverfahren 13.1.3 Umfang des Insolvenzgeldes XIV
185 185 185 191 192 192 194 194 195 197 199
203 204 205 205 206 208 211 211 212 214 214 216 218 219 221 225 225 226
229 229 230 230 232
13.1.4 Forderung der Bundesanstalt fur Arbeit gegen den Arbeitgeber. . 13.2 Exkurs: Einsatz einer Transfergesellschaft zur Durchfuhrung von PersonalmaBnahmen 13.3 Kreditaufnahme im vorlaufigen und eroffneten Verfahren 13.3.1 Kreditaufnahme 13.3.2 Sicherheiten 13.4 Finanzierung eines Insolvenzplanverfahrens 13.4.1 Regelungen im Insolvenzplan 13.4.2 Kreditarten 13.4.3 Kreditrahmen 13.4.4 Dauer der Privilegierung 13.4.5 Gesetzlicher Glaubigerschutz
14. Anfechtung im Insolvenzverfahren 14.1 Anfechtungsvoraussetzungen 14.1.1 Anfechtungsgegenstand 14.1.2 Anfechtungsberechtigter 14.1.3 Anfechtungsgrund 14.1.4 Anfechtungsgegner 14.2 Anfechtungswirkung 14.3 Besonderheiten des Bargeschaftes 14.4 Anfechtungstatbestande und -moglichkeiten 14.4.1 Kongruente Deckung 14.4.2 Inkongruente Deckung 14.5 Aufrechnung von Kontogutschriften 14.5.1 Wirkung der Insolvenzeroffnung 14.5.1.1 Zahlungseingange nach Eroffnung 14.5.1.2 Zahlungseingange vor Eroffnung 14.5.1.3 Zahlungseingange nach Kundigung 14.5.2 Kongruente oder inkongruente Zahlungseingange? 14.5.2.1 Girovertrag ohne Kontokorentkredit 14.5.2.2 Kontokorrentkredit (vereinbarte Kreditlinie) 14.5.2.3 Kontokorrentkredit mit geduldeter Uberziehung . . . . 14.5.2.4 Kontokorrentkredit (Uberziehungskredit) 14.6 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung 14.7 Vorsatzliche Glaubigerbenachteiligung durch Vertrage mit nahestehenden Personen 14.8 Kapitalersetzende Darlehen 14.9 Unmittelbare Benachteiligung 14.10 Unentgeltliche Leistungen
233 234 235 235 236 238 238 238 239 240 240
241 242 242 242 243 243 245 245 246 246 248 251 252 252 253 253 253 254 254 255 256 258 259 260 261 262
XV
15.Verwertung von Sicherheiten 15.1 Bewegliches Anlagevermogen 15.1.1 Sicherungsiibereignung 15.1.2 Pfandrechte 15.2 Vorratsvermogen 15.3 Forderungen 15.4 Verwertung von Immobilien 15.4.1 Auswirkung des Insolvenzverfahrens auf die Verwertung 15.4.2 Voraussetzungen fur die Verwertung 15.5 Handlungsalternativen der Bank 15.5.1 Voruberlegungen 15.5.2 Absonderungsberechtigung und ihre Konsequenzen 15.5.3 Vollstreckungsversteigerung 15.5.4 Zwangsverwaltung 15.5.5 Freihandige VerauBerung 15.5.6 Insolvenzantrag zur Vermeidung eines Zwangsversteigerungsverfahrens Stichwortverzeichnis
XVI
263 263 264 266 267 268 271 272 274 275 275 275 276 277 278 279 281
Die Fruherkennung von Krisenpotenzialen ist das zentrale Instrument zur Vermeidung und Reduzierung von Kreditrisiken. Dieses Thema hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da die konjunkturelle Entwicklung und die damit verbundene hohe Anzahl von Unternehmensinsolvenzen das Firmenkundengeschaft vieler Kreditinstitute nachhaltig belastet haben. Es bleibt allerdings zu befurchten, dass sich der Druck auf die Kreditinstitute in den nachsten Jahren noch weiter erhoht, zumal nicht mit einer raschen Erholung der gesamtwirtschaftlichen Situation zu rechnen ist und Experten einen weiteren Anstieg der Unternehmensinsolvenzenprognostizieren.
Abbildung 1: Unternehmensinsolvenzen in Deutschland Aufgrund der tatsache, dass Kreditinstitute einem konjunkturbedingten Risikoanstieg im Firmenkundengeschaft kaum entgegensteuern konnen, stellt sich insofern die Frage, ob die etablierten Fruherkennungssysteme probate Mittel zur Risikominimierung darstellen. 1
Nach den hohen Ausfallen im Bereich der New Economy oder auch der Baubranche bestehen jedenfalls Zweifel an der Effizienz dieser Systeme. Aus diesem Grund sollen alternative Analyseansatze aufgezeigt werden, die es ermoglichen, Unternehmenskrisen bereits in einem friihen Stadium zu erkennen. Das friihzeitige Erkennen einer Unternehmenskrise basiert auf der Identifikation von Krisensymptomen. Die Identifikation von Krisensymptomen wird erfahrungsgemaB dadurch erleichtert, dass man sich zunachst die Ursachen von moglichen Unternehmenskrisen vor Augen fiihrt. Insofern werden in einem ersten Schritt die Entstehung und der Verlauf von Unternehmenskrisen aufgezeigt.
1.1
Zeitliche Entwicklung von Unternehmenskrisen
Akute Unternehmenskrisen werfen regelmaBig lange Schatten voraus und stehen am Ende einer bestimmten Gefahrenentwicklung. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch einen Anstieg des Gefahrdungspotenzials sowie eine unterschiedliche Wahrnehmung der sich abzeichnenden bzw. entwickelnden Krise. Potenzielle Gefahren werden zu latenten Gefahren und steigern sich weiter zu manifesten Gefahren, das heiBt zu einer bereits eintretenden akuten Krisensituation.
1.1.1
Potenzielle Gefahren
In dieses Stadium fallen Ereignisse, die lediglich eine mogliche Gefahr fur das Unternehmen darstellen. Anhaltspunkte fiir eine konkrete Gefahrdung liegen noch nicht vor. Das Stadium wird als Quasi-Normalzustand eines Unternehmens bezeichnet, da sich das Unternehmen noch nicht in einer Krise befindet.1 Diese Situation erfordert vom Unternehmer ein antizipatives Krisenmanagement als gedankliche Vorwegnahme moglicher, nachfolgend eintretender Krisen.2
1.1.2
Latente Gefahren
Latente Gefahren werden trotz eines Anstiegs des Gefahrdungspotenzials von den Unternehme(r)n ebenfalls noch nicht als Bedrohung wahrgenommen. 1 David, Externes Krisenmanagement aus Sicht der Banken, S. 44. 2 Topfer, Plotzliche Unternehmenskrisen - Gefahr oder Chance? S. 15.
2
Dies liegt zum einen daran, dass sie nicht iiber geeignete Instrumentarien zur Fruherkennung verfiigen. Zum anderen wird diesen Gefahren lediglich die Bedeutung einer temporaren bzw. singularen Erscheinung beigemessen. Die Unternehmen qualifizieren dieses Krisenstadium insoweit eher als Storung, dessen Griinde auGerhalb des Unternehmens liegen (schleppende Konjunktur, schlechte Witterung etc.). Latenten Gefahren ist nur durch ein preventives Krisenmanagement zu begegnen. Dessen zentrale Aufgabe besteht darin, die Unternehmensinternen in Bezug auf Krisensymptome zu sensibilisieren und ein funktionierendes Fruhwarnsystem zu installieren. Latente Risiken werden zu oft bagatellisiert. Nach dem Prinzip Hoffnung werden keine konkreten MaBnahmen zur Abwendung der sich abzeichnenden Krise eingeleitet.
1.1.3
Manifeste Gefahren
Die Wahrnehmung von manifesten Gefahren als Unternehmenskrise markiert den Ubergang zum akuten Krisenstadium. Die Krise auBert sich u. a. bereits durch starke Umsatzeinbriiche und die Nichterreichung von selbst gesetzten Zielen. Die Krisenbewaltigung wird in diesem Stadium haufig auf Seiten des Managements durch eine selektive Wahrnehmung der objektiven Situation erschwert. Dieser psychologische Schutzmechanismus ist erfahrungsgemaB durch folgendes Verhaltensmuster gepragt: Nach der Wahrnehmung eindeutiger Krisensignale steht das Management zunachst unter Schock, ist verunsichert und wirkt wie gelahmt. AnschlieBend versucht es, die Krise nach auBen und nach innen zu kaschieren. Erst allmahlich kommt es zu einem Eingestandnis der Krise. Erst dann startet das Management den Versuch, die Krise aktiv durch VeranderungsmaBnahmen zu bewaltigen. Mit fortschreitendem Zeitablauf verschlechtern sich jedoch die Handlungsmoglichkeiten der Geschaftsleitung zur Krisenbewaltigung. Dies liegt zum einen daran, dass die noch zu Beginn der Krise im Unternehmen vorhandenen Potenziale und Reserven zunehmend verbraucht werden. Zum anderen erhoht sich aber auch mit dem Ablauf der Zeit der Entscheidungsdruck auf die Geschaftsleitung.
1.2
Arten von Unternehmenskrisen
In der Praxis sind folgende Krisenarten zu unterscheiden: ft strategische Krisen, li Ertragskrisen und 88 Liquiditatskrisen.3 3 Reich/Unruh, Insolvenzvermeidung, Insolvenzabwehr und Insolvenzbewaltigung, S. 64.
3
Abbildung 2: Arten von Unternehmenskrisen Unternehmenskrisen finden ihren Ursprung regelmaBig in der strategischen Krise, die zu einer Ertragskrise fiihrt und bei fehlendem oder schlechtem Krisenmanagement in einer Liquiditatskrise endet.
1.2.1
Strategische Krise
Eine strategische Krise entseht durch eine fehlende bzw. unzureichende strategische Ausrichtung des Unternehmens. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass langfristige Erfolgsfaktoren des Unternehmens ernsthaft gefahrdet bzw. aufgebraucht und parallel keine neuen Erfolgspotenziale erschlossen worden sind. Strategische Krisen resultieren beispielsweise aus der Nichtbeachtung technologischer Entwicklungen oder einer den Marktbedurfnissen nicht entsprechenden Produktstrategie. Typische Symptome einer strategischen Krise: % H M S B
4
sinkende Auftragseingange/Auftragsbestande, zunehmender (Preis-)Wettbewerb, UmsatzeinbuBen, Verlust von Marktanteilen, geringe Kapazitatsauslastung.
1.2.2
Ertragskrise
In der Ertragskrise erwirtschaftet das Unternehmen bereits operative Verluste. In dieser Situation versucht die Geschaftsleitung nicht selten, die Ertragskrise durch die Ausnutzung von Bilanzwahlrechten oder die Auflosung stiller Reserven (so genannte Puffer bei der Bewertung des Lagers, der halbfertigen Arbeiten o.a.) zu verschleiern. Durch die Vorlage eines „geschonten" Geschaftsergebnisses sollen die Glaubiger ruhig gestellt werden. Trotz der ausgewiesenen positiven Ergebnisse steigt der Finanzierungsbedarf jedoch weiter an. Typische Symptome einer Ertragskrise: • H H M M
steigende Erlosschmalerungen (Skonti/Boni), Verschlechterung des operativen Ergebnisses, stetiger Aufbau der Banken- und Lieferantenverbindlichkeiten, zunehmende Fluktuation bei Fuhrungskraften und Mitarbeitern, zunehmender Ressoureenmangel (Kapital, Ideen, qualifizierte Mitarbeiter).
1.2.3
Liquiditatskrise
Die Ertragskrise manifestiert sich schlieBlich in der Liquiditatskrise. Die Liquiditatssituation des Unternehmens verschlechtert sich zunehmend und die Zahlungsfahigkeit kann nicht mehr jederzeit gewahrleistet werden. In dieser Situation besteht in den seltensten Fallen die Moglichkeit, die Krise noch aus eigener Kraft zu meistern. Die Bewaltigung der Krise wird zusatzlich dadurch erschwert, dass das Vertrauen der Banken, der Lieferanten und nicht selten auch der eigenen Belegschaft erschuttert ist. Typische Symptome einer Liquiditatskrise: H M M #
Kreditlinien sind stetig voll ausgenutzt bzw. uberzogen, Verzicht auf Skontoausnutzung, regelmaBige Zahlungsstockungen, stark ansteigender Informationsbedarf der Kreditgeber.
1.3
Ursachen von Unternehmenskrisen
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien und empirische Erhebungen uber Krisenursachen von Unternehmen.4 Ergebnis der Forschungen sind lange Listen von Misserfolgs4 Hausschild, Krisenmanagement. Eine Herausforderung fiir die Betriebswirtschaftslehre, www.krisennavigator.de.
5
ursachen. Sie beginnen regelmaBig mit „Mangel an Eigenkapital", „Nachfrageriickgang" oder Ahnliches. Die Studien belegen aber auch, dass in der Regel erst das Zusammentreffen mehrerer Ursachen eine Unternehmenskrise auslost. Die Ursachen von Unternehmenskrisen sind dabei zum einem im Unternehmen selbst zu suchen (endogene Ursachen) sowie zum anderen im Umfeld des Unternehmens (exogene Ursachen).5 RegelmaBig sind beide Felder zu analysieren.
1.3.1
Endogene Ursachen
Endogene Krisenursachen liegen im eigenen, internen Einfluss- und Verantwortungsbereich des Unternehmens. ErfahrungsgemaB ist der uberwiegende Teil der Unternehmenskrisen primar auf endogene Ursachen zuruckzufiihren. Folgende endogene Krisenursachen dominieren in der Praxis: Managementfehler/Fiihrungsschwache Unternehmenskrisen sind uberproportional haufig auf Managementfehler/Fuhrungsschwachen zuruckzufuhren. Das Management bestimmt schlieBlich iiber die Chancen und Risiken der Unternehmensentwicklung. Die eigentlichen Ursachen fiir Unternehmenskrisen stehen immer im Verantwortungsbereich des Managements.
Abbildung 3: Endogene Krisenursachen
5 Dorner/Hense/Gelhausen/Muller/Siepe, Wirtschaftspruferhandbuch Rdnr. 94.
6
In unseren Zeiten fordern rasche Markt- und Wettbewerbsveranderungen, neue Technologies veranderte Verbrauchergewohnheiten etc. permanent das Management von Unternehmen. Insofern ist die Risiko- und Krisenfruherkennung als eine Daueraufgabe im unternehmerischen Entscheidungsprozess zu verstehen. Krisen sind zunachst einmal grundsatzlich ein naturlicher Bestandteil in der Entwicklung eines jeden Unternehmens. Das Management kann daher sicherlich nicht das Ziel verfolgen, jede Krise zu verhindern. Die Geschaftsleitung hat jedoch geeignete MaBnahmen zu treffen, um Krisen friihzeitig zu erkennen und ihnen rechtzeitig entgegenwirken zu konnen. Die Wahrnehmung von Krisen durch das Management hat jedoch auch immer etwas mit der Fahigkeit zur Selbstkritik zu tun. Bei der Analyse von Krisensituationen drangt sich zwangslaufig die Frage auf, ob nicht schon zu einem fruheren Zeitpunkt zur Krisenvermeidung etwas Preventives durch die Geschaftsleitung hatte in Gang gebracht werden konnen oder miissen. Die Krisenwahrnehmung wird daher beim Management regelmaBig durch verschiedene psychologische Schutzmechanismen blockiert, die in der personlichen Auseinandersetzung mit dem eventuellen eigenen Versagen und eventuellen Schuldfragen begrtindet sind. Folgende Verhaltensmuster sind daher typisch: % Das Management erkennt die Krise bzw. die Krisenursachen nicht an. W Konstruktive Auseinandersetzungen im Flihrungskreis und mit Mitarbeitern werden aus Scheu vor berechtigter Kritik gemieden. ^ Fehlentscheidungen werden uminterpretiert, verteidigt und nicht mehr korrigiert. Stattdessen werden Ersatzursachen gesucht und es wird nach dem Prinzip Hoffnung mit zu optimistischen Planungen argumentiert. Unternehmenskrisen sind in aller Regel weder dem Zufall noch vollig unvorhersehbaren Ereignissen zuzuschreiben. Vielmehr gehen sie regelmaBig im Wesentlichen auf Managementfehler zuriiek, die daruber hinaus meist auch nur zeitverzogert - wenn iiberhaupt - korrigiert werden. Dabei bietet jede Krise auch eine wesentliche Chance, denn eine Krise ist immer auch die Ursache und der Antrieb von Erneuerungen. Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Eine Krise sollte daher nicht um jeden Preis vermieden oder zerredet werden, sondern von einem professionellen Management als Chance zur Verbesserung engagiert genutzt werden. Fehlen eines aussagefahigen Controllings/Friihwarnsystems Ein GroBteil der Unternehmenskrisen resultiert aus dem Umstand, dass Unternehmen nicht iiber ein entsprechendes Controlling verfugen, das Krisensignale auffangt und an die jeweiligen Entscheidungstrager weiterleitet. Der Grund hierfiir liegt in einem wenig ausgepragten Krisenbewusstsein auf Seiten des Managements. Viele Unternehmenslen7
ker setzen die Auseinandersetzung mit einer eventuellen zukunftigen Unternehmenskrise immer noch einem Eingestandnis der eigenen Fehlbarkeit gleich und vernachlassigen dementsprechend die Krisenprophylaxe. Eines der wichtigsten Friihwarnsysteme fiir kleine und mittelstandische Unternehmen ist das Controlling. Es umfasst die Definition von Unternehmenszielen, die Planung der Geschaftsentwicklung sowie die permanente Kontrolle der Zielerreichung. In der Regel existieren aber gerade bei kleinen und mittelstandischen Unternehmen - wenn uberhaupt - nur Ansatze eines Controllings. Dieser Umstand beruht zum GroBteil auf einer unzureichenden oder nicht zeitnahen Aufbereitung der Daten durch das Rechnungswesen. Es liegen regelmaBig keine ausreichenden Erkenntnisse dariiber vor, mit welchen Geschaftsfeldern Gewinne oder auch Verluste erwirtschaftet werden. Insofern besteht auch die Gefahr, dass ein fehlerhaftes Controlling selbst eine Unternehmenskrise maBgeblich mit auslost.
1.3.2
Exogene Ursachen
Exogene Ursachen sind dagegen Ursachen, die von auBen auf das Unternehmen einwirken und von diesem nicht beeinflusst werden konnen. Exogene Krisenursachen losen im Allgemeinen den strategischen Anpassungsdruck fiir das Unternehmen aus. Unternehmenskrisen erwachsen daraus erst dann, wenn das Management nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend reagiert.6 Marktsattigung Eine Marktsattigung liegt vor, sobald das Marktpotenzial fiir ein Produkt oder eine Dienstleistung ausgeschopft ist. Dieser Prozess kann auch dadurch beschleunigt werden, dass von Mitbewerbern Substitutionsprodukte mit entscheidenden Vorteilen gegenuber den bisherigen Produkten des eigenen Unternehmens auf den Markt gebracht. Preisverfall Einzelne Marktteilnehmer versuchen immer wieder, iiber eine aggressive Preispolitik Marktanteile zu gewinnen bzw. den Markteintritt von moglichen Konkurrenten zu verhindern. Preissteigerung bei Rohstoffen/Zulieferern/Devisen Preissteigerungen bei Rohstoffen oder Zulieferern wirken sich besonders negativ auf die Geschaftsentwicklung aus, sofern sie nicht unmittelbar an die Kunden weitergegeben werden konnen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Unternehmen iiber einen langeren Zeitraum Festpreise mit den Kunden vereinbart haben.
6 Dorner/Hense/Gelhausen/Miiller/Siepe, Wirtschaftspruferhandbuch Rdnr. 95.
8
Veranderung des Kaufverhaltens Die Umsatzentwicklung der Unternehmen steht im engen Zusammenhang mit dem Kaufverhalten der Kunden. Unvorhersehbare Veranderungen (siehe BSE-Krise oder die Terroranschlage vom 11. September 2001) konnen insoweit zu einem Umsatz- und Rohertragsverlust fuhren, der unter Umstanden die gesamte Finanzstruktur des Unternehmens erschuttert.
Abbildung 4: Exogene Krisenursachen
1.3.3
Multikausalitat der Ursachen
Unternehmenskrisen sind jedoch, wie bereits angesprochen, in den seltensten Fallen auf eine einzige Misserfolgsursache zuruckzufiihren. Empirische Untersuchungen belegen vielmehr, dass sie regelmaBig erst durch das Aufeinandertreffen mehrerer Ursachen, die sich teilweise auch gegenseitig bedingen, entstehen.7 Eine Krisenursache als solche gibt es also nicht. Abbildung 4 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die Datenbasis lieferte die Analyse von 142 Kreditprotokollen von insolvent gewordenen Unternehmen. Der angegebene Prozentwert gibt die relative Haufigkeit der Nennung als Insolvenzursache an.
7 Topfer, Plotzliche Unternehmenskrisen - Gefahr oder Chance? S. 17.
9
Abbildung 5: Insolvenzursachen* Der Gesichtspunkt der Multikausalitat ist insbesondere im Rahmen von Sanierungsbemiihungen zu beachten, da zielflihrende SanierungsmaBnahmen das Verstandnis fiir die Krisenursachen voraussetzen.
1.4
Fruhzeitiges Erkennen von Unternehmenskrisen
Die Kunst des Krisenmanagements liegt in der Friiherkennung sich anbahnender Krisen. Risikofriiherkennung ist kein notwendiges Ubel oder eine wissenschaftliche Disziplin ohne praktische Relevanz, sondern eine zentrale Managementaufgabe. Ein Unternehmen/ Unternehmer kann nur dann auf Dauer erfolgreich sein, wenn die Chancen des Unternehmens optimal erkannt und genutzt werden und zugleich die strategischen und operativen Schwachstellen und Risiken am besten kontrolliert und bewaltigt werden. Die Friiherkennung von UnternehmensrisikenAkrisen ist insofern eine operative Notwendigkeit einer jeden Geschaftsleitung. Sie dient letztendlich dem Ziel der Vermogenssicherung und Ergebnismaximierung und kann daher zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor des Unternehmens ausgebaut werden. Der Gesetzgeber hat diesem Umstand im Mai 1998 durch die Einfuhrung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) Rechnung getragen. Danach sind Kapitalgesellschaften verpflichtet, ein Fruhwarnsystem in Form eines Risikomanagementsystems (RMS) einzufiihren. 8 Hausschildt, Krisenmanagement. Eine Herausforderung fur die Betriebswirtschaftslehre, www.krisennavigator.de.
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Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, konkrete Inhalte oder Mindestanforderungen zur Ausgestaltung eines RMS vorzugeben. Hier sind ausschlieBlich betriebswirtschaftliche Aspekte und das Gebot der ZweckmaBigkeit maBgebend. GroBe und Art des Unternehmens, die Tatigkeitsfelder und Branchen, Aufbau- und Ablauforganisation sowie auch das vorhandene Vermogen bestimmen jeweils individuell die Ausgestaltung. Aufgabe eines RMS ist die Erkennung aller, das heiBt auch latenter Risiken. Diese unternehmerischen Risiken konnen durch ein RMS nicht vermieden werden, sie sollten allerdings rechtzeitig erkannt, begleitend uberwacht und spatestens zu dem Zeitpunkt, zu dem sie wesentlich fur die wirtschaftliche Lage des Unternehmens werden, abgewehrt oder zumindest gemildert werden. Kreditinstitute setzen bei der Frtiherkennung von Unternehmenskrisen im Wesentlichen auf ihre internen Jahresabschlussanalyse- und Ratingsysteme. Diese Bonitatsprufungen basieren vorwiegend auf der Entwicklung von Bilanzkennzahlen. Dariiber hinaus floss in den vergangenen Jahren die Bewertung des Managements sowie der Zukunftsperspektiven der Branche zunehmend in die Prufung ein. Allein die Analyse der stark vergangenheitsbezogenen und oft zu allgemeinen Daten aus dem Rechnungswesen ist nicht geeignet, um heutzutage die stetig dynamischer werdenden Unternehmensprozesse zu kontrollieren und zu steuern. Damit ein zu installierendes RMS seine Aufgaben erfullen kann, sind verschiedene Voraussetzungen zu schaffen. Zunachst einmal sollte sich die Geschaftsleitung iiber die eigentlichen operativen Erfolgsfaktoren des Unternehmens im Klaren sein, bevor sie sich den Risiken zuwendet. Viele Mittelstandler halten von solchen fur sie theoretischen Ansatzen oder auch einfach nur vom Controlling sehr wenig, mit der Folge, dass sie zu wenig iiber ihr Unternehmen wissen, was dann wiederum meistens erst in der akuten Krisensituation - wenn iiberhaupt - erkannt wird. Bevor sich ein Unternehmer oder Manager den in der Literatur sehr zahlreich vertretenen und groBtenteils sehr akademisch anmutenden Ansatzen von Risikomanagementsystemen zuwendet, sollte er sich also zunachst etwas intensiver mit dem eigenen Unternehmen beschaftigen: Womit verdiene ich mein Geld und womit verliere ich eventuell sogar Geld und warum ist das so. Die auBerst wichtige Beantwortung dieser Fragen und Konkretisierung durch plausibles Zahlenmaterial durfte die Mehrzahl der Geschaftsleitungen der stark mittelstandisch gepragten Unternehmensstrukturen heute jedoch noch vor ernsthafte Schwierigkeiten stellen. Wenn diese Fragen geklart sind, ist es ebenfalls wichtig - allerdings in dieser zeitlichen Reihenfolge auch leichter -, sich iiber eventuelle Storfaktoren oder auch Risiken Gedanken zu machen. AbschlieBend sei noch einmal auf die Grenzen von Risikofruherkennungssystemen verwiesen: Eine naturliche Grenze der Fruherkennung von Unternehmenskrisen liegt sicherlich in der Unvorhersehbarkeit von plotzlichen Ereignissen, die das Erreichen von Un11
ternehmenszielen beeintrachtigen. Eine weitere Grenze der Friiherkennung ist aus dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit der angewendeten Fruherkennungssysteme abzuleiten. Eine zu aufwendig betriebene Risikofruherkennung darf aufgrund ihrer nachhaltigen Unwirtschaftlichkeit nicht selbst zu einem Unternehmensrisiko werden.
1.4.1
Typische Krisensymptome
Ein wichtiger Bestandteil der Risikofruherkennung ist die Wahrnehmung von Krisensymptomen, die auf die Entwicklung einer strategischen Krise, einer Ertrags- bis hin zu einer Liquiditatskrise hinweisen. Folgende typischen Verhaltensmuster seien beispielhaft genannt: Im Verhaltnis zu den Kreditgebern: • Die Uberziehung der Kreditlinien nimmt zu und dauert immer langer an. Die Geschaftsleitung kann keine stichhaltigen Griinde fur diese Entwicklung anfiihren. • Der Wunsch einer Erhohung der Kreditlinie wird nicht mit nachvollziehbaren Argumenten belegt. • Es werden neue Bankverbindungen/Kreditgeber gesucht. • Die Vorlage von Finanzplanen, Bilanzen sowie betriebswirtschaftlichen Auswertungen verzogert sich. Im Verhaltnis zu den Lieferanten: H Die Skontoinanspruchnahme nimmt ab. • Vereinbarte Zahlungsziele werden uberschritten. H Die Bestellmengen verringern sich. W Es wird um Ratenzahlung gebeten (unter Umstanden auch um Einrichtung eines Konsignationslagers). if Selbst der Zahlungseingang nach Mahnung verschlechtert sich zunehmend. Im Verhaltnis zu den Kunden: • Die Sortimentsbreite wird unsystematisch (Verzettelung). • Termin- und Qualitatsprobleme - das komplette Sortiment steht immer seltener zur Verfugung. • Haufige Sonderangebote (Skonti, Boni und Sonderpreise) sowie leichte Preisverhandlungen. • Kulanz im Zusammenhang mit der Beseitigung von Mangeln nimmt ab.
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Abbildung 6: Typische Krisensymptome
1.4.2
Risiko und Krisenfruherkennung durch (qualitative) Jahresabschlussanalyse
Wie bereits im vorherigen Abschnitt angesprochen, nutzen Kreditinstitute fur die Beurteilung der Rentabilitat und finanziellen Stabilitat bei der Bilanzanalyse traditionelle Kennzahlen und Kennzahlensysteme, die auf vergangenheitsorientierten Jahresabschlussdaten basieren und durch Zeit-, Betriebs- und Soll-Ist-Vergleiche entsprechende Informationen iiber die Unternehmensentwicklung darstellen. Mit Hilfe neuerer, statistischer Verfahren werden geeignete Kennzahlen zur Insolvenzdiagnose und -prognose bzw. Fruherkennung von Unternehmenskrisen zu einem Gesamtbeurteilungsindikator verkniipft, die einen bestimmten Sachverhalt (Insolvenz) mit hoher Wahrscheinlichkeit erklaren bzw. vorhersagen konnen (Diskriminanzanalyse, neuronale Netze). In der Praxis zeigt sich regelmaBig, dass ein Jahresabschluss das Ergebnis „subjektiver Wertungsprozesse" darstellt. Wird in wirtschaftlich guten Zeiten eines Unternehmens haufig das bilanzpolitische Ziel verfolgt, ein moglichst geringes Steueraufkommen zu realisieren, greifen Unternehmen in einer angespannten wirtschaftlichen Lage nicht selten bei der Bilanzierung zu „schonenden'\ ertragsteigernden GestaltungsmaBnahmen. Hauptaugenmerk dieser Bilanzpolitik ist der Erhalt der Kreditwurdigkeit des Unternehmens. Durch Ausnutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten sowie Ermessenspielraumen konnen negative Entwicklungen zum Teil verschleiert und kaschiert 13
werden. Kennzahlensysteme verlieren ihre Aussagekraft. Die quantitative Bilanzanalyse stoBt an ihre Grenzen. Dem rechtzeitigen Erkennen und Aufdecken des verwendeten bilanzpolitischen Instrumentariums durch den Firmenkundenbetreuer im Wege einer qualitativen Bilanzanalyse kommt insofern eine groBe Bedeutung zu. Der Bilanzierende hat mangels Objektivierbarkeit eine gewisse Bandbreite bei den Ermessensspielraumen fur Wertansatze zur Verfugung. Diese konnen mit der speziellen Situation des Unternehmens plausibel begriindet und - vom Wirtschaftspriifer akzeptiert - in den Jahresabschluss aufgenommen werden. Da die Einschatzung von Sachverhalten immer nur eine Momentaufnahme ist und zu jedem Jahresabschluss neu erfolgt, ist sie ein flexibel einzusetzendes, bilanzpolitisches Instrument. Fur externe Bilanzleser ist haufig nicht erkennbar, in welche Richtung ein Spielraum ausgenutzt wird. Beispiele fur die Ausnutzung von Ermessensspielraumen in einer negativen Unternehmenssituation sind: If • • H H S
Reduzierung von Gangigkeitsabschlagen bei fertigen Erzeugnissen, Verlangerung der Nutzungsdauer von Gegenstanden des Anlagevermogens, Ansatz von geringen Abschlagen bei retrograder Ermittlung der Herstellungskosten, unzureichende Bildung von Ruckstellungen (z.B. fiir Gewahrleistungen), Reduzierung von Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen, unzureichende Einzelwertberichtigung auf Forderungen.
Bei der Analyse der Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte kann das Saarbriicker Modell zur Unternehmensbeurteilung vom Institut fiir Wirtschaftspriifung an der Universitat des Saarlandes eine Hilfestellung geben.9 Hierbei werden die verwendeten Bilanzierungsweisen mit einer fiir deutsche Unternehmen typische Bilanzierung („Normbilanz") verglichen. Von dieser Normbilanz abweichende Bilanzierungsweisen werden, soweit sie sich negativ auf das Jahresergebnis auswirken, als Indikatoren fiir eine konservative Bilanzpolitik und wenn sie das Jahresergebnis positiv beeinflussen, als progressive Bilanzpolitik gewertet. In der nachfolgenden Checkliste (siehe Tabelle 1) sind wesentliche Indikatoren fiir die Verwendung von ergebnisverbessernden BilanzierungsmaBnahmen und ihre mogliche Erkennbarkeit aus dem Jahresabschluss dargestellt. Neben den dargestellten Ansatz- und Bewertungsspielraumen ermoglicht die Bilanzpolitik auch die Gestaltung von Sachverhalten. Es wird in zeitliche Vorverlagerung und zeitliche Nachverlagerung unterschieden, sowie in originare Gestaltungen. Originare Gestaltung bedeutet, dass Sachverhaltsgestaltungen ohne ein bilanzstrategisches Motiv nicht stattgefunden hatte. Tabelle 1 zeigt entsprechende Beispiele. 9 Vgl. Kiiting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter, Die Bilanzanalyse, Lehrbuch zur Beurteilung von Einzel- und Konzernabschlussen, 7. AufL, 2004, S. 414ff.
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Tabelle 1: Wesentliche Indikatoren progressiver Bilanzpolitik (Checkliste) Sachverhaltsgestaltung wird oftmals dann eingesetzt, wenn die Moglichkeiten von Bilanzierungs- und Bewertungspolitik erschopft sind, z. B. wenn seit Jahren nach „oben" bilanziert wurde. Es ist ein deutliches Indiz dafur, dass sich das Unternehmen in einer Krise befindet. Sachverhaltsgestaltungen sind aus den Jahresabschlussdaten als solche nicht erkennbar - sollten jedoch im Rahmen einer qualitativen Bilanzanalyse durch den Firmenkundenbetreuer im Jahresgesprach hinterfragt werden Ergibt sich die Vermutung, dass mit Hilfe von MaBnahmen der Bilanzpolitik die geschaftlichen Verhaltnisse besser dargestellt werden, als sie tatsachlich sind, sollte der 15
Tabelle 2: Beispiele von Sachverhaltsgestaltungen Firmenkundenbetreuer auftretende Fragen zur Erlangung eines tatsachlichen Bildes in Form eines personlichen Gesprachs klaren. Ein Rechtsanspruch auf ein solches Gesprach besteht nur teilweise (§ 51a GmbHG), im konkreten Fall wird sich ein Unternehmen, besonders gegenuber Kreditgebern, jedoch nicht weigern konnen. Die Art der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und die Wertansatze im Bereich der Ermessensspielraume sollten detailliert besprochen werden. Besonders eventuelle Methodenanderungen gegenuber den Vorjahren sind zu plausibilisieren. Ansatzpunkte fiir moglich Fragen und Themenbereiche werden in Tabelle 2 dargestellt.
1.4.3
Risiko und Krisenfruherkennung durch Analyse der mehrjahrigen Erfolgsrechnung
Neben den Problematiken des bilanzpolitischen Instrumentariums besteht ein wesentlicher Nachteil einer kennzahlenbasierten Bonitatsprufung in dem vergangenheitsbezogenen Zahlenmaterial. Die Bilanz wird nicht selten erst im dritten oder vierten Quartal des Folgejahres vorgelegt. Gerade bei negativen Geschaftsentwieklungen versuchen Firmenkunden tendenziell, die Vorlage der Bilanz noch weiter zu verzogern. Berucksichtigt man die schnelle Entwicklung einzelner Branchen, wird eine derartig lange Reaktionszeit dem Anspruch einer effektiven Risikominimierung im Kreditgeschaft nicht gerecht. Man schlieBt aus Zahlen von vorgestern, die gestern vorgelegt worden sind, auf die Solvenz des Kunden von morgen. Im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen ist daher den Bilanzkennzahlen lediglich der Stellenwert von Spatwarnindikatoren beizumessen. Verdichten sich die Anzeichen einer Krise, ist es sinnvoll, die unterjahrige Erfolgsrechnung einer naheren Betrachtung zu unterziehen.
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Hauptaugenmerk ist auf folgende Punkte zu richten: • Vorjahres-, Vormonatsvergleich: Negative Geschaftsentwicklungen werden unter Umstanden erst durch den Vergleich mit entsprechenden Vorjahreswerten sichtbar (Erhohung der Materialeinsatzquote, uberproportionaler Anstieg einzelner Kostenpositionen, etc.). Durch einen Vormonatsvergleich kann der Firmenkundenberater feststellen, ob regelmaBig anfallende Aufwendungen und Kosten (Miete, Leasing, AfA) tatsachlich verbucht worden sind. • Analyse der Umsatzentwicklung und Umsatzrendite: Sie sind wesentliche Indikatoren fur die Geschaftsentwicklung. Der Firmenkundenberater kann sich der Tragweite einer stagnierenden oder rucklaufigen Umsatzentwicklung bewusst werden, indem er in regelmaBigen Abstanden (z.B. quartalsweise) einen Forecast von dem Kunden fiir das laufende Geschaftsjahr anfordert. Dieser sollte auch eine Darstellung der monatlichen Umsatzentwicklung der Vorjahre sowie die Entwicklung des Auftragsbestandes beinhalten. • Bestandsveranderungen - verlustfreie Bewertung: Unternehmen versuchen haufig, negative Ergebnisentwicklungen durch eine entsprechend „optimistische" Bewertung der fertigen und unfertigen Erzeugnisse zu kaschieren. Die Praxis zeigt, dass gerade Krisenunternehmen der gesetzlichen Pflicht zur verlustfreien Bewertung nicht nachkommen. Fertige und unfertige Erzeugnisse sind jedoch gem. § 253 III HGB abzuschreiben und damit „verlustfrei" zu bewerten, wenn die bereits angefallenen und zuktinftig noch anfallenden Herstellungskosten fiir den Vermogensgegenstand und die sonstigen noch anfallenden Kosten (z.B. Vertriebs- u. Verwaltungskosten) den voraussichtlich erzielbaren Wert ubersteigen. Durch den Verzicht auf so genannte Gangigkeitsabschlage unterstellen die Unternehmen, dass sie mit samtlichen Erzeugnissen Gewinne erwirtschaften. Davon ist jedoch gerade bei Unternehmen mit Ertragsdefiziten nicht auszugehen. & Bewertung der Ergebnisentwicklung bei fehlendem Ausweis der Bestandsveranderungen: Viele Unternehmen verzichten unterjahrig auf ihren Ausweis. Krisenunternehmen versuchen sich diesen Umstand zu Nutze zu machen und rechtfertigen eine negative Ergebnisentwicklung sowie den steigenden Liquiditatsbedarf mit dem fehlenden Ausweis der Bestandsveranderungen. Obwohl nur schwer zu widerlegen ist, besteht zumindest bei Unternehmen mit einer relativ konstanten Materialeinsatzquote die Moglichkeit, das Geschaftsergebnis unter Ansatz des durchschnittlichen prozentualen Materialeinsatzes der Vorjahre hochzurechnen. Diese Ergebnisindikation kann ebenfalls eingefordert werden. •
Darstellung des tatsachlichen operativen Ergebnisses Bereinigung des Ergebnisses um auBerordentliche bzw. nicht operative Effekte: Defizite im eigentlichen „Kerngeschaft" des Unternehmens werden durch a.o. Effekte (z.B.: Ertrage aus dem Abgang von Anlagenvermogen, Aktivierung von Eigenleistungen, 17
Versicherungsentschadigungen, etc.) verschleiert. Der Firmenkundenberater kann die tatsachliche Entwicklung im operativen Geschaft offen legen, indem er das Ergebnis um diese Effekte bereinigt. Ebenso sollten Faktoren in Abzug gebracht werden, die mit dem eigentlichen Kerngeschaft nicht in Verbindung stehen (Beispiel: Ein Produktionsunternehmen erzielt nur durch die Vermietung einer Betriebsimmobilie ein positives Geschaftsergebnis.) • Analyse der Falligkeitsstruktur der Debitoren: Der Wertberichtigungsbedarf auf Forderungen wird nicht selten erst im Rahmen des Jahresabschlusses offen gelegt. Dabei ist fur einen Externen nur schwer abschatzbar, ob der tatsachliche Wertberichtigungsbedarf noch hoher ist. Aufschluss hieruber kann die Falligkeitsstruktur der Debitoren geben. Bei Verdachtsmomenten sollte sie in das regelmaBige Reporting des Firmenkunden aufgenommen werden. ft Anfordern von Summen- und Saldenlisten: Summen- und Saldenlisten beinhalten wichtige Informationen in Bezug auf die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens (Anlagevermogen; Salden der langfristigen Darlehen; Warenbestand - sofern unterjahrig Bestandsveranderungen gebucht werden; Debitorenund Kreditorenbestand; Salden der Kontokorrentkredite; gegebenenfalls Hone der Entnahmen). Daruber hinaus lassen einzelne Konten Ruckschliisse auf auBerordentliche und negative Geschaftsvorfalle zu, die in der unterjahrigen Erfolgsrechnung nicht separat ausgewiesen werden (Erlosschmalerungen, Aufwendungen fiir Gewahrleistungen, etc.). Die Anforderung einer Summen- und Saldenliste unmittelbar nach dem Abschlus seines Geschaftsjahres bietet sich an, um bereits fruhzeitig gewisse Entwicklungen in den angesprochenen Bereichen zu erkennen. Eine quartalsmaBige Anforderung ist zumindest in einem fortgeschrittenen Krisenstadium sinnvoll, da neben den vorgenannten Punkten sichtbar wird, ob z.B. eines der involvierten Kreditinstitute sein Kreditengagement zuruckfiihrt. Bei Beurteilung der Summen- und Saldenlisten ist zu hinterfragen, inwieweit die korrekten Saldenvortrage aus dem Vorjahr vollstandig vorgetragen wurden. Die tatsachliche Vermogens- und Finanzlage lasst sich nur mit korrekten Vortragen abbilden. Die folgende Checkliste (siehe Tabelle 3) stellt mogliche Analysefelder fiir eine unterjahrige Erfolgsrechnung fiir die Risikofriiherkennung zusammen.
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Tabelle 3: Risikofriiherkennung durch unterjahrige Erfolgsrechnung (Checkliste)
1.4.4
Checkliste zur Fruherkennung von Unternehmenskrisen (Friiherkennungstreppe)
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Risikofriiherkennung ist die Rechtzeitigkeit, mit der Krisen erkannt werden. Fur die tagliche Arbeitspraxis werden Instrumentarien benotigt, mit deren Hilfe ermittelt werden kann, ob ein Kreditengagement einer intensiveren Analyse zu unterziehen ist. Im Hinblick auf die (wirtschaftlichen) Grenzen der Fruherkennung gilt es dabei, die zusatzliche Uberpriifung moglichst bedarfsgerecht auszugestalten. 19
Die nachfolgende Checkliste (siehe Abbildung 7) stellt ein solches Instrumentarium dar, mit dessen Hilfe die Mitarbeiter im Firmenkundenkreditgeschaft den entsprechenden Handlungsbedarf fur ein Kreditengagement klassifizieren konnen. Vorgehensweise: Beantworten Sie die Fragen von oben nach unten und kreuzen Sie auf der linken Seite das entsprechende Kastchen an. Stufen 1 bis 3: Wenn Sie bereits in den Stufen 1 bis 3 eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist die Besicherung der Kredite zu uberprufen. Dariiber hinaus ist festzustellen, ob es sich bei den angesprochenen Entwicklungen nur um temporare oder um langer andauernde Erscheinungen handelt. Es stellt sich zudem die Frage, ob das Management die ersten Krisensymptome wahrgenommen hat. Stufen 4 bis 6: Wenn Sie in diesem Bereich eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist die Geschaftsentwicklung des Unternehmens einer intensiven Priifung zu unterziehen. Dariiber hinaus ist zu klaren, ob und welche MaBnahmen das Unternehmen zur Bewaltigung der Krise ergriffen hat. Soweit das Management keine klaren Aussagen iiber die Ursachen der Krise machen kann bzw. Zweifel an dem Erfolg der ergriffenen MaBnahmen bestehen, kann die Einschaltung eines externen Gutachters sinnvoll sein. Dariiber hinaus ist die Hereinnahme von zusatzlichen Sicherheiten anzustreben. Stufen 7 bis 9: Wenn Sie in den Stufen 7 bis 9 eine Frage mit „ja" beantworten miissen, ist das Unternehmen bereits nachhaltig in seinem Fortbestand gefahrdet. Das Kreditengagement ist umgehend in eine Intensivbetreuung zu iibergeben.
Abbildung 7: Fruherkennungstreppe 20
Die akute Unternehmenskrise findet ihren Hohepunkt, wenn ein nach § 16 InsO fiir die Eroffnung des Insolvenzverfahrens erforderlicher Eroffnungsgrund gegeben ist. Die Insolvenzordnung definiert drei Insolvenzeroffnungsgriinde: •
Allgemeiner Eroffnungsgrund fiir das Insolvenzverfahren ist nach § 17 InsO die Zahlungsunfahigkeit.
W„ Fiir Sehuldner besteht dariiber hinaus das Recht, auch schon bei so genannter drohender Zahlungsunfahigkeit nach § 18 InsO das Insolvenzverfahren zu beantragen. $% Bei juristischen Personen (§ 19 Abs. 1 InsO) oder Personenhandelsgesellschaften, bei denen kein deren personlich haftender Gesellschafter eine juristische Person ist (§ 19 Abs 3 InsO), tritt neben den Insolvenzgrund der Zahlungsunfahigkeit nach § 19 Abs. 1 InsO noch der Insolvenzgrund der Uberschuldung. Gegeniiber dem bis vor 1. Januar 1999 giiltigen Konkursrecht wurden mit Einfuhrung des Insolvenzrechtes die Insolvenzeroffnungsgriinde um den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfahigkeit erweitert und die Bestimmungen fiir die bereits zuvor bestehenden Insolvenzgriinde Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung verscharft. Hierin spiegelt sich die Intention des Gesetzgebers wider, mit der Insolvenzrechtsreform den Eroffnungszeitpunkt der Insolvenzverfahren nach Moglichkeit vorzuverlagern, um somit die Anzahl der massearmen Verfahren zu verringern und die Aussichten der Sanierung zu erhohen.
Abbildung 8: Insolvenzeroffnungsgriinde 21
Abbildung 9: Die Eroffnungsgrunde (rechnerische Darstellung)
2.1
Zahlungsunfahigkeit
Die Insolvenzordnung liefert mit § 17 die Legaldefinition fiir die Zahlungsunfahigkeit: „Der Schuldner ist zahlungsunfahig, wenn er nicht in der Lage ist, die falligen Zahlungspflichten zu erfullen". Erganzend gilt: „Zahlungsunfahigkeit ist in der Kegel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat." Vor Einfiihrung der neuen Insolvenzordnung war die Zahlungsunfahigkeit in der Rechtsprechung als der dauernde Mangel an Zahlungsmitteln definiert, der den Schuldner auBerstande setzt, seine falligen und ernsthaft eingeforderten Geldschulden ganz oder zu einem wesentlichen Teil zu erfullen. Mit dem Ziel, den Insolvenzeroffnungszeitpunkt nach Moglichkeit vorzuverlagern, wurden die Merkmale W, dauernde Unfahigkeit, H fallige und ernsthaft eingeforderte Geldschulden, WA die einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten ausmachen, nicht in die Legaldefinition mit aufgenommen. In der Praxis spielen diese Merkmale jedoch teilweise weiterhin eine - gleichwohl deutlich eingeschrankte - Rolle bei der Frage, ob der Tatbestand der Zahlungsunfahigkeit eingetreten ist. Das Merkmal der Dauerhaftigkeit stellt auf die Fristigkeit der Zahlungsunfahigkeit ab. Sind die Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners kurzfristiger, voriibergehender Natur, so liegt nur eine Zahlungsstockung vor. Vor Einfiihrung der Insolvenzordnung war gemaB laufender Rechtssprechung selbst bei einem Zeitraum von vier Wochen bis 22
hin zu drei Monaten teilweise noch von Zahlungsstockung auszugehen. Hier sieht der Gesetzgeber durch die Nichtberucksichtigung in der Legaldefinition eine deutliche Verscharfung vor. Im Sinne der Insolvenzordnung ist nunmehr von einer rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung nur dann auszugehen, sofern innerhalb von ein bis zwei Wochen die Zahlungsfahigkeit wieder hergestellt werden kann.1 Nach herrschender Meinung reicht dieser Zeitraum fur Versuche aus, um im Falle positiver Zukunftsaussichten des schuldnerischen Unternehmens mittels Kreditfinanzierung das finanzielle Gleichgewicht wiederherzustellen. Von einer Zahlungsstockung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Schuldner nach Ablauf der genannten Frist in der Lage ist, samtliche dann falligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Kann er eine offene Verbindlichkeit nur dann bezahlen, wenn er neu hinzutretende fallige Verbindlichkeiten offen lasst, ist weiterhin von Zahlungsunfahigkeit auszugehen.2 Das Merkmal der Wesentlichkeit dient zur Abgrenzung von so genannten „unerheblichen Zahlungsproblemen". Darunter wird uberwiegend eine prozentual festgelegte Unterdeckung der falligen Verbindlichkeiten im Verhaltnis zu dem im Betrachtungszeitraum zur Verfugung stehenden Zahlungsmitteln verstanden. In der Legaldefinition der Zahlungsunfahigkeit nach der InsO entfallt das Merkmal der Wesentlichkeit. Allerdings sollen auch kiinftig „ganz geringfiigige Liquiditatslucken" aufier Betracht bleiben. Wahrend jedoch im Rahmen der alten Konkursordnung auch Unterdeckung zwischen 25 Prozent und 50 Prozent als unwesentlich betrachtet wurden, ist nach herrschender Meinung nunmehr davon auszugehen, dass nur noch Liquiditatslucken von 5 Prozent bis zu 10 Prozent als geringfiigig betrachtet werden konnen.3 Das Merkmal „fallig und ernsthaft eingefordert" fiihrte nach altem Konkursrecht zu einer Differenzierung von falligen Zahlungsverpflichtungen, die auch ernstlich eingefordert wurden, und den insolvenzrechtlich unbeachtlichen falligen Zahlungsverpflichtungen, die nicht ernstlich eingefordert wurden. Der wesentliche Unterschied zwischen den ernstlich eingeforderten und den nicht ernstlich eingeforderten falligen Verbindlichkeiten ist darin zu sehen, dass moglicherweise eine ausdruckliche oder stillschweigende Stundung vorliegen konnte, wenn eine ernstliche Einforderung nicht erfolgte oder Hinweise auf eine solche nicht vorliegen. Daher ging es nach dem alten Recht offensichtlich darum, solche Verbindlichkeiten nicht in die Feststellung der Zahlungsunfahigkeit einzubeziehen, bei denen eine Stundung gewahrt wurde, sei es eine stillschweigende oder eine ausdruckliche. Auf das Kriterium „ernstliches Einfordern" wurde im § 17 InsO verzichtet. Schwierigkeiten bereitet nunmehr die so genannte „stillschweigende" Stundung. Nach uberwiegender Auffassung reicht es heute nicht mehr aus, dass die Glaubiger ihre Anspruche nicht ausdriicklich geltend machen. In der Regel sind die Zahlungsmodalitaten entweder in den 1 Vgl. Obermuller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankenpraxis, Koln, 2002, S. 36 2 Vgl. Pelz, Christian, Strafrecht in Krise und Insolvenz, C. H. Beck, 2004, S. 23. 3 Vgl. AG Koln vom 9. Juni 1999, ZInsO 1999; Obermuller, Manfred, Insolvenzrecht in der Bankenpraxis, Koln, 2002, S. 35.
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AGBs oder in den gesonderten Vereinbarungen festgelegt. Der Schuldner kann allein durch Nichtzahlung bzw. verspdtete Zahlung keine Stundung erzwingen. Es kommt auch nicht mehr darauf an, wie nachhaltig der Glaubiger auf Zahlungen besteht. Es geniigt, angelehnt an die BGH-Entscheidungen, jedes - auch schliissige - Verhalten des Glaubigers, mit dem er vom Schuldner erkennbar Zahlung erwartet. Daher gibt es keinen Raum mehr fur die Annahme einer stillschweigenden Stundung im Zeitalter der InsO. Zu berucksichtigen sind nur eindeutige Stundungen, bei denen die Falligkeit einvernehmlich hinausgeschoben wird. Feststellung der Zahlungsunfahigkeit Zur Feststellung der Zahlungsunfahigkeit kommen nach Auffassung von Literatur und Rechtsprechung im Wesentlichen zwei Verfahren in Frage: die kriminalistische Analyse und die betriebswirtschaftliche Analyse. Bei der kriminalistischen Analyse wird in einer ex post-Betrachtung anhand von Indizien gepriift, ob und wann die Zahlungsunfahigkeit eingetreten ist. Als Beweisanzeichen werden zu diesem Zweck beispielsweise die Haufung von Mahnungen, Mahnund Vollstreckungsbescheiden, Pfandungen des Gerichtsvollziehers, die langerfristige Nichtabfiihrung von Sozialversicherungsbeitragen sowie die Nichtzahlung betriebsnotwendiger Ausgaben herangezogen. Ist ein deutlicher Anstieg in der Haufigkeit eines oder mehrerer Indizien zu verzeichnen, liegt die widerlegbare Annahme von Zahlungsunfahigkeit nahe, wahrend das Vorliegen nur einzelner Beweisanzeichen noch keinen Schluss hierauf zulasst. Da Glaubiger auf ausbleibende Zahlungen regelmaBig erst mit einiger Verspatung reagieren und somit die zur Feststellung der Zahlungsunfahigkeit herangezogenen Krisenanzeichen erst mit zeitlicher Verzogerung manifest werden, kann die kriminalistische Analyse nur zu einer nachtraglichen Feststellung des Tatbestands dienen, wie es regelmaBig im Rahmen gerichtlicher Verfahren bei der Feststellung des Vorliegens einer Insolvenzantragspflicht der Fall ist. Zur rechtzeitigen Feststellung, und bestenfalls Vermeidung eines Insolvenztatbestands ist die kriminalistische Analyse hingegen ungeeignet. Praziser und zeitnaher ist eine Feststellung mittels betriebswirtschaftlicher Analyse moglich. Diese umfasst nach herrschender Meinung die zwei Bestandteile Liquiditatsstatus und Liquiditatsplan.4 Liquiditatsstatus Im Liquiditatsstatus erfolgt eine stichtagsbezogene Erfassung und Gegenuberstellung aller falligen Zahlungsverpflichtungen und der zu ihrer Erfiillung an diesem Tage verfiigbaren liquiden Finanzmittel des Schuldners. Er spiegelt somit die zeitpunktbezogene Liquiditat bzw. Illiquiditat des Schuldners wider. 4 Vgl. IDW Priifungsstandard: Empfehlungen zur Priifung eingetretener oder drohender Zahlungsunfahigkeit bei Unternehmen (IDW PS 800).
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Zur Ermittlung des Liquiditatsstatus kann in der Regel. auf Bilanz- und Buchhaltungsdaten zuriickgegriffen werden, die jedoch einer weitergehenden sorgfaltigen Analyse bediirfen. Unter die falligen Zahlungsverpflichtungen fallen regelmaBig samtliche Waren- und Leistungsverbindlichkeiten, fallige Schuldwechsel und sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten. Ferner zu beriicksichtigen sind buchhalterisch nicht erfasste fallige Zahlungsverpflichtungen aus Dauerschuldverhaltnisse, wahrend vereinbarte Stundungen und Ratenzahlungen abzusetzen sind. Gewahrte Kontokorrent-Kredite gelten nicht als fallig, wahrend stillschweigend geduldete Uberziehungslinien als fallig betrachtet werden miissen. Zu den verfiigbaren liquiden Finanzmitteln zahlen neben Kassenbestanden, Guthaben bei Kreditinstituten, Kundenschecks sowie diskontfahigen Wechseln auch nichtausgeschopfte Kontokorrentlinien. Die Beriicksichtigung zeitnah erwarteter Zahlungseingange aus falligen Forderungen wird in der Literatur hingegen weitgehend kritisch gesehen und erfordert eine sorgfaltige Einzelanalyse. Liquiditatsplan Aufbauend auf dem Liquiditatsstatus ist - zwecks Abgrenzung der Zahlungsunfahigkeit von der Zahlungsstockung und um eine unmittelbar drohende Zahlungsunfahigkeit zu erkennen - ein Liquiditatsplan zu erstellen, der die kiinftig erwarteten Ein- und Auszahlungen darstellt. Der erforderliche Detaillierungsgrad des Liquiditatsplans (monats-, wochen- oder tageweise Darstellung) wird durch den Grad der zum Priifungszeitpunkt bestehenden Liquiditatsanspannung bestimmt. Der Planungshorizont sollte im Fall der Prufung eingetretener Zahlungsunfahigkeit nach herrschender Meinung einen Zeitraum von etwa drei Monaten umfassen.
2.2
Drohende Zahlungsunfahigkeit
Fur den Fall des Eigenantrages des Schuldners kann auch die drohende Zahlungsunfahigkeit als Eroffnungsgrund in Betracht gezogen werden (§ 18 Abs.l InsO). Der Schuldner ist berechtigt, nicht aber gesetzlich verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfahigkeit Insolvenzantrag zu stellen. Nach § 18 Abs. 2 InsO droht der Schuldner zahlungsunfahig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt ihrer Falligkeit zu erfullen. Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfahigkeit erfolgt - wie bei der Prufung der eingetretenen Zahlungsunfahigkeit - ebenfalls mittels eines Liquiditatsplans, den der Schuldner im Insolvenzantragsverfahren vorlegen muss, damit das Gericht sich von 25
dem Vorliegen des Insolvenzgrundes iiberzeugen kann. In den Liquiditatsplan sind alle bestehenden Schulden, unabhangig von ihrer Falligkeit einzubeziehen. Neben den bereits falligen Verbindlichkeiten sind hierbei auch die zukiinftigen, noch nicht begriindeten, aber sicher zu erwartenden Zahlungspflichten mit zu beriicksichtigen und den erwarteten Zahlungseingangen gegeniiberzustellen. Als Planungshorizont wird ein Zeitraum von etwa zwei Jahren d. h. das laufende und das nachste Geschaftsjahr empfohlen. Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfahigkeit ist zukunftsgerichtet. Demnach wird fur deren Feststellung ein voraussichtliches Zahlungsunvermogen erfordert. Nach der Gesetzesbegrundung ist der Wortlaut „voraussichtlich" in § 18 Abs. 2 InsO so zu verstehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfahigkeit wahrscheinlicher sein muss als deren Vermeidung. Sobald diese Voraussetzung vorliegt, wird die Befriedigung der Glaubiger als stark gefahrdet und die Eroffnung eines Insolvenzverfahrens als gerechtfertigt angesehen. Entsprechend der Gesetzesbegrundung ist die drohende Zahlungsunfahigkeit dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Erfiillung der Zahlungsverpfliehtungen nicht gelingen wird, mindestens 50 Prozent betragt.
2.3
Uberschuldung
Die Uberschuldung ist neben der bestehenden und der drohenden Zahlungsunfahigkeit ein Eroffnungsgrund bei juristischen Personen (§19 Abs. 1 InsO) und nichtrechtsfahigen Vereinen (§11 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 19 Abs. 1 InsO), ferner bei Gesellschaften ohne Rechtspersonlichkeit (vgl. § 11 Abs. 2 Nr.2 InsO), bei denen keiner der personlich haftenden Gesellschafter eine naturliche Person ist, auch nicht mittelbar (§ 19 Abs. 3 InsO; Hauptfall: GmbH & Co. KG). Die Uberschuldung ist ausdrucklich kein Insolvenzeroffnungsgrund fiir naturliche Personen und reine Personengesellschaften. Nach der Legaldefinition des § 19 Abs.2 InsO liegt eine Uberschuldung vor, „wenn das Vermogen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermogens des Schuldners ist jedoch die Fortfiihrung des Unternehmens zu Grunde zu legen, wenn diese nach den Umstanden iiberwiegend wahrscheinlich ist". Die Feststellung des Tatbestandes der Uberschuldung kann nach iiberwiegender Literaturmeinung entweder mittels einer dreistufigen Uberschuldungsprufung oder mittels einer zweistufigen Uberschuldungsprufung erfolgen.5 Im Rahmen der dreistufigen Uberschuldungsprufung wird zunachst die Deckung der Schulden durch die Erstellung einer tiberschuldungsbilanz zu Liquidationswerten uberpruft. Ergibt sich hieraus eine Schuldendeckung, ist die Gesellschaft nicht iiberschuldet und weitere Priifungsschritte konnen unterbleiben. Wird stattdessen eine Unterdeckung festgestellt, ist eine Fortfiihrungsprog5 Vgl. Fromm, Andreas, Der Uberschuldungsstatus im Insolvenzrecht, ZInsO 17/2004, 943-950.
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Abbildung 10: Der neue Uberschuldungsbegriff der InsO nose zu erstellen. Fallt diese ebenfalls negativ aus, ist die Gesellschaft iiberschuldet und es ist Insolvenzantrag zu stellen. Im Falle einer positiven Fortfiihrungsprognose ist eine erneute Uberschuldungsprufung zu Fortfuhrungswerten durchzufiihren, deren Ergebnis dann maBgeblich fiir die Feststellung der Insolvenzantragspflicht ist.
Abbildung 11: Die dreistufige Uberschuldungsprufung In der betrieblichen Praxis wird die Uberschuldungsprufung zu Liquidationswerten bei Krisenunternehmen haufig zu einer Unterdeckung fiihren, sodass im Rahmen des dreistufigen Verfahrens auch regelmaBig alle drei Prufungsschritte durchzufiihren sind. Da hierdurch das Priifverfahren erschwert wird, ohne hieraus wesentliche zusatzliche 27
Erkenntnisse zu erlagen, wird sich nach herrschender Meinung fiir die Feststellung des Tatbestands der Uberschuldung aus Praktikabilitatsgrunden die zweistufige Uberschuldungsprufung durchsetzen, die sich aus den beiden Bestandteilen Fortftihrungsprognose und Uberschuldungsstatus zusammensetzt.6 Diese werden nachfolgend dargestellt.
Abbildung 12: Die zweistufige Uberschuldungspriifung Fortftihrungsprognose Die Fortfuhrungsprognose muss zunachst die Frage beantworten, ob das Unternehmen mittelfristig in der Lage ist, wieder die notwendige Finanzkraft zu entwickeln, um wirtschaftlich uberlebensfahig zu sein. Dies ist, ebenso wie die Frage der drohenden Zahlungsunfahigkeit, anhand eines detaillierten Finanz- und Ertragsplans zu priifen (und zu dokumentieren!), indem die finanzielle Entwicklung des Unternehmens fortgeschrieben wird. Uberwiegend wird dabei ein Zeitraum von etwa zwei Jahren, d.h. das laufende und das nachste Geschaftsjahr, als angemessener „mittelfristiger" Zeitraum angesehen, in dem festgestellt werden muss, dass die Ertrags- und Finanzkraft des Unternehmens wiederhergestellt werden kann. Die Prognose ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erstellen. Die Geschaftsentwicklung ist im Rahmen der Planrechnungen umfassend darzustellen und detailliert zu begrunden. Allein die punktuelle Angabe bestimmter Geschaftsvorfalle, die eine positive Fortfuhrungsprognose begrunden sollen, geniigt nicht. SchlieBlich tragen die antragspflichtigen Organe der juristischen Person im Zweifel die Beweislast fiir die Aufstellung und Richtigkeit der positiven Fortfuhrungsprognose.
6 Vgl. Reck, Reinhard, Die Analyse der Uberschuldung in der strafrechtlichen Praxis (Teil I), in ZInsO 12/2004, S. 661-667; ebenso: IDW-Verlautbarung: Empfehlungen zur Uberschuldungsprufung bei Unternehmen (FAR 1/1996).
28
Eine positive Fortfuhrungsprognose ist dann zu stellen, wenn davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft auf Dauer lebensfahig ist und in absehbarer Zeit nicht mit der Liquidation gerechnet werden muss. Die gesetzliche Formulierung enthalt selbst keine messbaren allgemeinen Kriterien. Nach herrschender Meinung ist davon auszugehen, dass die Fortfiihrbarkeit nicht im Zweifel (z.B. bei Chancen 50:50), sondern nur bei uberwiegender Wahrscheinlichkeit (groBer als 50 Prozent) anzunehmen ist. Uberschuldungsstatus Der Fortfuhrungsprognose folgt als zweiter Teil der Uberschuldungsprufung die Aufstellung eines so genannten. Uberschuldungsstatus. Eine gesetzlich vorgeschriebene Gliederung fur den Uberschuldungsstatus gibt es nicht. Einigkeit besteht dariiber, dass Ausgangspunkt fur die Aufstellung des Uberschuldungsstatus die Handelsbilanz ist. Die Uberschuldungsbilanz ist somit eine Sonderbilanz. Sie dient in erster Linie dazu, das gesamte Vermogen und die gesamten Verbindlichkeiten des Unternehmens zu ermitteln und durch Gegenuberstellung festzustellen, ob die Verbindlichkeiten noch durch das Vermogen gedeckt werden. Der als Sonderbilanz aufzustellende Uberschuldungsstatus ist jedoch nicht ausschlieBlich nach den fiir Handelsbilanzen geltenden Grundsatzen aufzustellen. Vielmehr kommt es darauf an, die Werte „realistisch" und vollstandig zu ermitteln. Daraus folgt, dass stille Reserven in der Uberschuldungsbilanz aufzulosen und alle Vermogenswerte vollstandig zu erfassen sind. Bei der Bewertung des Vermogens des Schuldners ist zunachst die Frage zu klaren, ob unter der Annahme der Liquidation (= Liquidationswerte) oder unter der Annahme der Fortfuhrung (= Fortfilhrungswerte) zu bewerten ist. Dies entscheidet sich in Abhangigkeit vom Ergebnis der Fortfuhrungsprognose: Bei positiver Fortfuhrungsprognose ist eine Bewertung mit Fortfiihrungswerten vorzunehmen, wahrend bei negativer Fortfuhrungsprognose Liquidations- bzw. VerauBerungswerte anzusetzen sind. Allein das Ergebnis des Uberschuldungsstatus entscheidet dariiber, ob Insolvenzantragspflicht wegen Uberschuldung besteht. 7 Bei negativem Reinvermogen muss also trotz positiver Fortfuhrungsprognose eine Uberschuldung festgestellt werden mit der Folge, dass Insolvenz zu beantragen ist. Hierin unterscheidet sich die Uberschuldungsprufung gem. Insolvenzordnung fundamental von den Regelungen der vor 1999 giiltigen Konkursordnung, die eine Uberschuldung bereits dann fiir ausgeschlossen betrachtete, wenn die Fortfuhrungsprognose positiv ausfiel. Ursachlich fiir diese Neudefinition ist die Zielsetzung des Gesetzgebers, den Glaubigerschutz zu verbessern. Damit soil vermieden werden, dass der Glaubiger in der Krise des Schuldners von dessen subjektiver Einschatzung in Bezug auf die Fortfuhrungsfahigkeit des Unternehmens abhangig ist.8 7 OLG Naumburg, Urt. v. 20.8.2003 - 5 U 67/03, in ZInsO 9/2004, S. 512ff. 8 Vgl. Reck, Reinhard, Die Analyse der Uberschuldung in der strafrechtlichen Praxis (Teil I), in: ZInsO 12/2004, S. 663.
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Wie bereits erwahnt, bildet die Handelsbilanz eine erste Grundlage zur Erstellung des Uberschuldungsstatus. Jedoch sind die Ansatz- und Bewertungsgrundsatze im Uberschuldungsstatus am Zweck der Uberschuldungsprufung auszurichten. Handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsgrundsatze, wie z. B. Anschaffungsksoten-, Imparitats-, Realisations- und Vorsichtsprinzip treten also in den Hintergrund. Vielmehr werden Ansatzfahigkeit und Bewertung der Vermogenswerte und Schulden durch deren Verwertbarkeit im Rahmen des zu Grunde liegenden - je nach Fortfuhrungsprognose auf Fortfuhrung oder Liquidation ausgerichteten - Unternehmenskonzepts bestimmt. Beispielhaft seien folgende Abweichungen genannt, die regelmaBig zu beriicksichtigen sind: Abweichung auf der Aktivseite: • keine Aktivierung von Griindungskosten, Entwicklungskosten, •
nicht aktivierungsfahige immaterielle Vermogensstande des Anlagevermogens, die nicht von Dritten erworben wurden (z.B. selbst erstellte Software) konnen im Uberschuldungsstatus angesetzt werden9, wenn sie ein Erwerber des Unternehmens im Rahmen der Findung des Gesamtkaufpreises vergiiten wiirde,
P Firmenwert (good-will) bleibt auBer Ansatz; nur zu aktivieren, wenn ihm im Rahmen einer Betriebs-(teil)verauBerung ein eigenstandiger Wert zukommt, W sonstige immaterielle Vermogenswerte, Markenrechte, Konzessionen, Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster sind zu Fortfuhrungs- bzw. Liquidationswerten zu aktivieren, $f ausstehende Einlagen der Gesellschafter sind zu aktivieren, ebenso Riickzahlungsanspriiche wegen zuriickbezahlter Einlagen oder Leistungen auf kapitalersetzende Darlehen (jedoch auf Werthaltigkeit dieser Anspruche achten), St Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halb- und Fertigerzeugnisse sind mit dem tatsachlichen am Markt aktuell erzielbaren Wert anzusetzen, W Ansatz der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen unter Berucksichtigung einer Ausfallquote; hier ist die Ausfallquote zumindest in Hohe der bisherigen pauschalen Wertberichtigung im Rahmen der Bilanzkontinuitat der Vorjahre in Ansatz zu bringen, 3£ Grundstiicke, Beteiligungen, Wertpapiere etc. des Anlagevermogens sind mit Verkehrs- bzw. Kurswert anzusetzen, ft Patronatserklarung: AusschlieBlich harte Patronatserklarungen sind zu bewerten und aufzunehmen, wenn sie werthaltig sind.
9 Reck, S. 666.
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Abweichungen auf der Passivseite: • Eigenkapital bleibt auBer Ansatz. Auch freie Kapitalriicklagen sind nicht zu passivieren. •
Ruckstellungen sind in der Hone zu erfassen, in der ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist.
•
Pensionsverpflichtungen und Pensionsanwartschaften sind mit dem vollen Barwert zu passivieren, soweit sie in der Insolvenz bestehen bleiben, das heiBt auch wenn der PSV einzustehen hat.
•
Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen oder ahnliche Mittel sind mit ihrem Ruckzahlungsbetrag in Ansatz zu bringen, wenn keine Rangriicktrittserklarung vorliegt.
•
Samtliche Verbindlichkeiten sind grundsatzlich in Ansatz zu bringen, auch wenn sie noch nicht fallig oder streitig sind. Fur den Fall, dass werthaltige Drittsicherheiten vereinbart worden sind und die Sicherungsgeber auf einen Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschaft verzichten, sind die Verbindlichkeiten nicht zu passivieren. Sofern es sich um gekiindigte Engagements handelt, bei denen Drittsicherheiten bereits verwertet wurden, sind auch die Regressanspruche des Burgen fiir den Fall der Inanspruchnahme zu passivieren, so nicht eine entsprechende Rangriicktrittserklarung oder Verzichtserklarung vorliegt.
H Eventuelle Sozialplan-, Interessenausgleichs-, Nachteilsausgleichsanspriiche mtissen nur passiviert werden, wenn die Betriebsanderungen bereits beschlossen sind. Sie sind nicht zu passivieren, wenn diese Anspriiche erst durch die Insolvenz entstehen.
2.4
Insolvenzantragsrechte und -pflichten
Das Insolvenzverfahren wird gem. § 13 Abs. 1 InsO nur auf Antrag eroffnet, wobei kein Formzwang besteht. Der Antrag kann schriftlich gestellt oder zu Protokoll der Geschaftsstelle des Amtsgerichts erklart werden (§ 4 InsO i.V.m. § 129a ZPO). Gem. § 13 Abs. 1 InsO sind die Glaubiger und der Schuldner zur Antragstellung berechtigt. Der Antrag eines Glaubigers ist dann zulassig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eroffnung des Insolvenzverfahrens hat und er seine Forderung und den Eroffnungsgrund glaubhaft machen kann (§ 14 Abs. 1 InsO). Im Fall der drohenden Zahlungsunfahigkeit beschrankt sich das Antragsrecht auf den Schuldner. Neben dem Antragsrecht sieht das Insolvenzrecht fiir den Schuldner, sofern es sich um eine juristische Person handelt, im Falle eingetretener Zahlungsunfahigkeit bzw. Uberschuldung zudem eine Antragspflicht vor. Die Regelungen hierzu finden sich in den spezifischen Gesellschaftsnormen (§ 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a HGB, 31
§ 177a i.V.m. § 130a HGB, § 283 Nr. 14 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 99 GenG). Liegt demnach mindestens einer der beiden genannten Insolvenzeroffnungsgriinde vor, miissen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft unverziiglich, das heiBt „ohne schuldhaftes Verzogern", spatestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfahigkeit bzw. Uberschuldung die Erbffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Wird die Antragspflicht schuldhaft verletzt, kann dies zu einer Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung fuhren (§ 84 Abs. 1 GmbHG, § 401 Abs. 1 AktG, § 130b Abs. 1 HGB, § 177a i.V.m. 130b Abs. 1 HGB, § 408 i.V.m. 401 Abs. 1 AktG, § 148 Abs. 1 GenG). Dariiber hinaus ist es den Vertretungsorganen juristischer Personen verboten, nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen zu leisten. Dies gilt nicht fur Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschaftsleiters vereinbar sind. VerstoBen die gesetzlichen Vertreter gegen das Zahlungsverbot, sind sie der Gesellschaft personlich zum Ersatz hieraus entstandener Schaden verpflichtet (§ 64 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 3 AktG, § 130a HGB, § 34 Abs. 3 GenG).
Tabelle 4: Antragsrechte und -pflichten Die Regelungen zu Antragspflicht und Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung betreffen nur juristische Personen. Einzelkaufleute, Freiberufler und Personengesellschafter (mit mindestens einer naturlichen Person als personlich haftendem Gesellschafter) sind nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die fehlende Verpflichtung schliefit jedoch nicht die zivilrechtliche Haftung fiir Schaden von Dritten aus, die moglicherweise aus einem verspateten Insolvenzantrag resultieren. Daneben gilt fiir alle Wirtschaftssubjekte - unabhangig von der Gesellschaftsform - eine grundsatzlich Strafbarkeit bei Begehung sonstiger Insolvenz- und insolvenznaher Delikte (z. B. Nichtabfiihren von Sozialversicherungsbeitragen gem. § 266a StGB sowie Bankrottdelikte gem. §§ 283 ff. StGB).
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Zur Erstellung eines tragfahigen Sanierungskonzeptes sind zunachst das Unternehmen selbst sowie insbesondere die Krisenursachen sorgfaltig zu analysieren. Erst auf der Grundlage der Ergebnisse einer solchen Analyse konnen Konzepte und MaBnahmen zur Wiederherstellung der dauerhaften wirtschaftlichen Tragfahigkeit definiert und solide berechnet werden. Diese Analysen erfordern jedoch in der Regel mehrere Wochen Zeit. In akuten Krisensituationen steht jedoch regelmaBig nur sehr wenig oder auch uberhaupt keine Zeit mehr zur Verfugung, um erst einmal eine detailierte Analyse durchzufuhren. Akute Probleme mussen in der Regel sofort gelost werden, um die drohende Insolvenz des Unternehmens abzuwenden. SofortmaBnahmen zur Unternehmenssicherung sind daher regelmaBig unmittelbar einzuleiten, um die anschlieBende konzeptionelle Analyse uberhaupt erst zu ermoglichen. Die SofortmaBnahmen zielen darauf ab, die insolvenzrechtlichen Tatbestande der Zahlungsunfahigkeit und/oder tJberschuldung zu beseitigen und somit sicherzustellen, dass die Handlungsfahigkeit des Unternehmens bis zur Fertigstellung des endgultigen Sanierungskonzeptes gewahrleistet wird.
Abbildung 13: Die Entwicklung des Turnaround 33
Abbildung 14: Tatikeitsschwerpunkte im Krisenmanagement Auf der Basis einer Grobanalyse sind daher zunachst festzulegen: M die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, H die SofortmaBnahmen M und der Zeitplan fiir die weitere Vorgehensweise.
3.1
Teambildung
Zunachst miissen also die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen festgelegt werden. Hier gilt zunachst einmal der Grundsatz: „Krisenmanagement ist Chefsache". Der Unternehmer ist derjenige, der die Genesung seines Unternehmens personlich in die Hand nehmen und forcieren muss. Krisenmanagement kostet viel Zeit und Kraft. Es ist schwierig, noch Energie fiir das „normale" Tagesgeschaft zu reservieren. Fiir den Erhalt des Unternehmens miissen jedoch auch die wichtigen Dinge des laufenden Geschaftes bewerkstelligt werden. Die Akquisition neuer Auftrage ist ebenso wenig wie die erfolgreiche Abwicklung der laufenden Auftrage zu vernachlassigen. In einer kritischen Unternehmenssituation muss der Unternehmer mehr denn je als Vorbild fungieren. Vorbildliches Verhalten der obersten Fiihrungsebene ist die unabdingbare Voraussetzung fiir ein erfolgreiches Krisenmanagement. Die Mitarbeiter werden die 34
erheblichen Mehrbelastungen und die schmerzlichen Sparplane nur akzeptieren und mit umsetzen, wenn der „Chef' es ihnen vorlebt. Krisenmanagement erfordert schnelles und konsequentes Handeln. Krisenmanager miissen eine starke Personlichkeit mitbringen, iiber eine schnelle Auffassungsgabe, analytisches Denkvermogen sowie Stressresistenz verfiigen und zudem noch alle wichtigen Mitarbeiter zur Mithilfe motivieren konnen. In Anbetracht dieses Anforderungsprofils drangt sich die Frage auf, ob die Ressourcen der Unternehmensinternen ausreichen, um allein die Krisensituation meistern zu konnen oder ob nicht - zumindest temporar - externe Hilfe benotigt wird. Mittelstandische Unternehmer tun sich regelmaBig sehr schwer, gerade in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch noch Geld fiir externe Berater auszugeben. Dies ist auch regelmaBig dann der Fall, wenn die erforderlichen Sanierungserfahrungen und das entsprechende betriebswirtschaftliche Know-how offensichtlich nicht im ausreichendem MaBe im Unternehmen vorhanden sind. Sanierungen ohne professionelle Hilfe von auBen kosten schnell mehr Geld, als der Unternehmer - ohne sie - zu sparen glaubt. Beratungsgesellschaften, die sich auf Sanierungen und Sanierungsmanagement spezialisiert haben, konnen Hilfe leisten, die sich schnell rechnet. Sie unterstutzen bei der Einleitung von SofortmaBnahmen, der Entwicklung des Sanierungskonzeptes und bei Gesprachen mit den Banken, Lieferanten und Gesellschaftern. Mit dieser externen Hilfe werden die Sanierungsbemiihungen professioneller und damit vor allem schneller und erfolgreicher zum Ziel gebracht. Die Unternehmensinternen werden entlastet und zielgerichtet gefiihrt. Externe Berater sind zudem in keiner Weise befangen und begegnen den Problemen im Unternehmen grundsatzlich wesentlich objektiver. Sie hinterfragen zunachst alles, um das Unternehmen in seiner jetzigen (nicht erfolgreichen) Form erst zu verstehen. Altgediente Mitarbeiter tun sich da mit der Objektivitat in der Praxis erfahrungsgemaB wesentlich schwerer.
3.2
Liquiditatsmanagement
Akute Krisensituationen in Unternehmen sind durch eine bedrohliche Liquiditatsknappheit gekennzeichnet. Die fiir das Krisenmanagement Verantwortlichen miissen sich intensiv mit der Frage beschaftigen, ob das Unternehmen noch zahlungsfahig ist oder ob ggf. bereits eine Insolvenzantragspflicht besteht. Unerlasslich ist es darum, einen standigen Uberblick iiber die finanziellen Mittel sicherzustellen. Die in der Praxis oft praktizierte Methode „Management bei Kontoauszug" (haben wir Geld, konnen wir etwas ausgeben, haben wir keines, miissen die Glaubiger warten) reicht in einer Krisensituation nicht mehr aus, um den gesetzlichen Anforderungen zu gemigen und damit das Uberleben des Unternehmens zu gewahrleisten. 35
Um die wichtige Frage nach der Zahlungsfahigkeit hinreichend beantworten zu konnen, bedarf es einer moglichst exakten Planung sowie Kontrolle samtlicher Ein- und Auszahlungen. Um die Liquiditat eines Unternehmens zu planen und zu uberwachen, muss die voraussichtliche Entwicklung mittels einer Liquiditatsplanung systematisch vorausberechnet werden. Diese Planung sollte den Zeitraum der nachsten sechs, besser der nachsten zwolf Monate umfassen. In der Liquiditatsplanung werden die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen an ihren jeweiligen Falligkeitsterminen gegenubergestellt. Aus der Differenz der Ein- und Auszahlungen ergibt sich ein monatlicher Saldo: Die Liquiditat, die im betroffenen Zeitraum zur Verfugung steht bzw. fehlt. Auf der Einzahlungsseite sind zunachst die Zeitpunkte der Einzahlungen aus den bereits vorhandenen Debitorenbestanden zu planen. Dariiber hinaus sind die Zahlungseingange - unter Berucksichtigung des durchschnittlichen Zahlungsziels - der zukunftig zu fakturierenden Planumsatze in die Liquiditatsplanung einzustellen. Diesen Einzahlungen sind samtliche Auszahlungen zunachst aus dem bereits vorhandenen Kreditorenbestand und den sonstigen Verbindlichkeiten sowie aus alien zukiinftigen Aufwendungen (unter Berucksichtigung des durchschnittlichen Zahlungsziels) gegenuberzustellen. Saisonal bedingte oder sonstige planbare Bestandsveranderungen mussen dabei Berucksichtigung finden. Die Ein- und Auszahlungen sind - sofern relevant - inklusive Umsatzsteuer zu planen. Eine sich aus dem Saldo ergebende Umsatzsteuerzahllast bzw. ein Erstattungsanspruch ist dariiber hinaus mit in die Liquiditatsplanung einzustellen. Samtliche sonstigen liquiditatswirksamen Geschaftsvorfalle, die sich nicht in den G & V-Positionen wiederfinden, wie zum Beispiel Tilgungsleistungen, Privatentnahmen, Investitionen, Steuernachzahlungen oder Ahnliches sind ebenfalls im Liquiditatsplan zu berucksichtigen. Eine rein statische Darstellung der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen reicht in Krisensituationen nicht aus, um die Liquiditat eines Unternehmens sicherzustellen. Daher sind SofortmaBnahmen einzuleiten, die die Liquiditatssituation des Unternehmens kurzfristig verbessern sollen. Die nachfolgend beschriebenen Handlungsoptionen H ^ B % 8Sf
Debitorenmanagement, Lagermanagement, Vertriebsmanagement, Kreditmanagement, Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva
sind zu analysieren und konsequent auszuschopfen und deren Auswirkungen mit in der Liquiditatsplanung zu berucksichtigen.
36
Aufbau eines Liquiditatsplanes m m m m m
Einrichtung EDV-Netz Definition der Verantwortlichkeiten/Aufgabenverteilung Erfassung und Einplanung Oebitoren alt/neu Erfassung und Einplanung Kreditoren alt/neu Erfassung und Einplanung der Kosten
Sicherstellung von Aktivitaten und Qualitat w m m m
Koordination der Informationsflusse Festlegung derTermine fur Liquiditatsberichte Einrichtung eines Workshops Definition und Festlegung von Aufgaben - Debitoren-, Kreditoren- und Bankenmanagement m Suche nach Liquiditatspotenzialen
Liquiditatsbeobachtung und -steuerung m. Optimierung der Informationsflusse m Optimierung der Steuerungsprozesse m Analyse der Soll-lst-Abweichungen 11 Optimierung des Kreditoren-/Debitorenmanagements n eventuell Einleitung von Stundungen, Moratorien etc. m konsequente Ausschopfung von Liquiditatspotenzialen
Tage
Abbildung 15: Zeitplan des Liquiditatsmanagements
3.2.1
Debitorenmanagement
Eine wichtige Voraussetzung, um „ziigig an sein Geld zu kommen", ist eine zeitnahe Fakturierung aller erbrachten Leistungen und verauBerten Produkte. Aufgrund personeller Uberlastung bzw. organisatorischer Defizite erfolgt jedoch gerade bei Krisenunternehmen eine zeitverogerte oder sehr schleppende Fakturierung der erbrachten Leistungen. Die rechtzeitige Rechnungsstellung allein geniigt nicht. Dariiber hinaus ist die Uberwachung der termingerechten Zahlungseingange sicherzustellen sowie darauf aufbauend ein Mahnwesen zu organisieren bzw. zu optimieren. In einer akuten Krisensituation von Unternehmen gilt immer der Grundsatz: Liquiditat vor Rentabilitat. Insofern ist auch regelmaBig uber Anreizsysteme, wie zum Beispiel Sonder-Skonti, zu entscheiden, mit deren Hilfe die Zahlungsziele auf der Kundenseite zumindest vorubergehend gesenkt werden konnen.
3.2.2
Lagermanagement
Im Ron-, Hilfs- und Betriebsstofflager, im Halbfertigteillager sowie im Fertigteil- bzw. Warenlager sind oft erhebliche liquide Ressourcen gebunden. Die Lagerbestande sind in Krisensituationen daher unverziiglich nach eventuellen Uberbestande zu durchforsten. Ziel ist es, die identifizierten Uberbestande durch Sonderverkaufsaktionen schnellstmoglich zu liquidieren. 37
Neben der Identifizierung und dem Abbau von eventuellen Uberbestanden muss parallel ein kontrollierter/liquiditatsschonender Einkauf eine unnotige Liquiditatsbindung im Lagerbereich verhindern. Auch wenn vorubergehend nicht in kostenoptimalen BestellgroBen eingekauft werden kann, gilt hier wiederum der Grundsatz: Liquiditat vor Rentabilitat. Bestellungen sollten daher, wenn moglich, nur noch auftragsbezogen erfolgen. Mit Lieferanten ist iiber die Moglichkeit von Kaufen auf Abruf zu verhandeln. Die Produktion „auf Lager" ist aus Liquiditatsgesichtspunkten grundsatzlich zu vermeiden bzw. auf ein Minimum zu beschranken.
3.2.3
Vertriebsmanagement
Neben der Konzentration auf Liquiditatsreserven im Debitoren- und Lagerbereich sind bei unzureichender Auftragslage auch direkt Gesprache mit dem Vertrieb aufzunehmen. Um dem Ziel einer direkten Umsatzbelebung gerecht werden zu konnen, miissen zunachst die bisherigen Kalkulationsgrundlagen hinterfragt und gegebenenfalls - zumindest vorubergehend - angepasst werden. Zur Auslastung des Betriebes konnen auch iiber Sonderpreisnachlasse Auftrage hereingenommen werden, sofern diese zumindest noch einen erheblichen Teil zur Fixkostendeckung beitragen und dartiber hinaus die Bonitat und Zahlungsmoral des Kunden einen kurzfristigen Zahlungseingang erwarten lasst. In anderen Krisenfallen, bei denen zum Zeitpunkt der Krise eher ein Kapazitatsengpass als ein Auslastungsproblem vorliegt, ist die Produktionsreihenfolge anhand der Bonitat sowie der Zahlungsmoral der Kunden zu organisieren. Grundsatzlich halt der Vertrieb den besten Kontakt zu den Kunden. Viele Kunden werden ein berechtigtes Interesse am Uberleben des Krisenunternehmens haben und sind auch bereit, zur Stiitzung der Sanierungsbemuhungen kurzfristig durch Verkurzung der Zahlungsziele, Sonderauftrage oder Ahnliches zu helfen. Hieruber ist mit dem Vertrieb, der iiber den besten Kontakt zu den Kunden verfiigt, gezielt zu sprechen, um daraus MaBnahmen abzuleiten.
3.2.4
Kreditmanagement
Ein Unternehmen in einer akuten Krisensituation hat sicherlich schlechte Karten bei Verhandlungen mit Kreditgebern. Insbesondere im Bereich der SofortmaBnahmen, in denen ja noch kein ausgereiftes Sanierungskonzept vorliegt, tun sich Kreditgeber verstandlicherweise schwer damit durch zusatzliche liquide Mittel zu helfen. Um das Uberleben des Unternehmens - zumindest fiir den Zeitraum bis zur Erstellung des endgultigen Sanierungskonzeptes - jedoch zu sichern, sind grundsatzlich alle MaBnahmen in Erwagung zu Ziehen bzw. auszuschopfen. 38
Der Krisenmanager hat zumindest daflir Sorge zu tragen, dass die wesentlichen Kreditgeber (Hauptbanken und Hauptlieferanten) zunachst „bei der Stange bleiben". Hierzu zahlt zum einen eine offene und gezielte Kommunikation sowie einer aufmerksame Steuerung der Risiken der Beteiligten. So hat der Krisenmanager sicherzustellen, dass in der Phase der SofortmaBnahmen keinem der Hauptglaubiger die Moglichkeit zum Ausstieg (zum Beispiel durch einen hohen Zahlungseingang) gewahrt wird. Eine solche Situation wurde die Handlungsmoglichkeiten der verbliebenen Glaubiger komplett einschranken, da der „Gleichbehandlungsgrundsatz" regelmaBig von alien Beteiligten gefordert wird.
3.2.5
Verwertung nicht betriebsnotwendiger Aktiva
Neben der Verwertung der Liquiditatsreserven im Debitoren- und Lagerbereich sind naturlich auch alle sonstigen MaBnahmen aus der Verwertung von nicht mit Drittrechten belasteten Aktiva zu analysieren und nach Moglichkeit kurzfristig umzusetzen. Neben der VerauBerung der Aktiva muss naturlich auch die Moglichkeit der Verwendung der Aktiva als Sicherheit fiir Neukredite in Betracht gezogen werden.
3.3
Uberschuldungsproblematik
Wie zuvor dargelegt, besteht nicht nur bei Zahlungsunfahigkeit, sondern auch bei einer Uberschuldung eine Insolvenzantragspflicht. 1st der Geschaftsleitung die Uberschuldung einer Kapitalgesellschaft schon offenkundig, so ist sie verpflichtet, unverzuglich, spatestens jedoch innerhalb von drei Wochen, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Liegt eine Uberschuldung vor, so hat sich der Krisenmanager daher auch direkt mit Moglichkeiten zur Losung dieses Problems zu beschaftigen. Durch m Erhohung der Eigenmittel, B Rangriicktrittserklarungen von Glaubigern, M Forderungs-(teil-)verzichte (mit/ohne Besserungsschein) ist der Tatbestand der Oberschuldung kurzfristig zu beseitigen.1 Folgende Checkliste stellt die SofortmaBnahmen vor. Checkliste: Krisenmanagement - die Einleitung von SofortmaBnahmen 1. Krisenstab zusammensetzen • Sanierung ist Chefsache. • Anforderungsprofil an Sanierer (schnelle Auffassungsgabe, analytisches Denkvermogen, Unbefangenheit, Stressresistenz, Motivationsfahigkeit). 1 Vgl. hierzu ausfiihrlich Kapitel 8.
39
M Qualifikation der unternehmensinternen Mitarbeiter? * Externer Berater (Bedarf an zusatzlichen Ressourcen, Expertenwissen, Neutralist). 2. Kurzfristig Liquiditatsplan erstellen • Wie iiberstehen wir die nachsten Wochen? 3. Liquiditatsmanagement 3.1 Debitorenmanagement • Zugige und korrekte Reehnungsstellung. • Gewahrung von Sonder-Skonto (Liquiditat vor Rentabilitat). • Einforderung von Abschlagszahlungen. • Uberwachung termingerechter Zahlungseingange. • Organisation/Straffung des Mahnwesens. 3.2 Lagermanagement M Bestandssonderverkaufe bei Uberbestanden. H Kontrollierter/liquiditatsschonender Einkauf (auftragsbezogene Bestellung). B Kaufauf Abruf. & Keine Produktion auf Lager. 3.3 Vertriebsmanagement M MaBnahmen zur kurzfristigen Umsatzbelebung. W Gegebenenfalls Sonderpreisnachlasse (Ziel: mindestens Fixkostendeckung). W, Stiitzungskaufe dureh A-Kunden. 3.4 Kreditorenmanagement B, Zahlungsziele. 38 Scheck-Wechsel-Verfahren. «B Kommissionsware. B Stundungsvereinbarungen. 3.5 Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermogens ft Durch Verkauf. f M Durch Sicherheitengewahrung. 4. Uberschuldungsproblematik U Erhohung der Eigenmittel (Kapitalerhohung von auGen). if Rangriicktrittserklarungen von Glaubigern. M Forderungs(teil)verzicht von Glaubigern (mit/ohne Besserungsschein).
40
Der Begriff Sanierung geht auf das lateinische „sanare" zurtick und steht sinngemaB fiir die Heilung. In den nachfolgenden Ausfuhrungen wird die Sanierung interpretiert als die Gesamtheit aller MaBnahmen, die ein in seiner Existenz bedrohtes Unternehmen durch Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfahigkeit, Ertragskraft und Zahlungsfahigkeit vor dem Zusammenbruch bewahren soil. Die Sanierung geht somit weit iiber das klassische Krisenmanagement hinaus, da zur Sicherstellung eines nachhaltigen Unternehmenserfolgs in der Regel eine grundlegende strategische Neuausrichtung zu erfolgen hat.
4.1
Gutachterauswahl/Wer erstellt das Sanierungskonzept?
Wie im vorangegangenen Kapitel „Krisenmanagement" bereits erortert,1 ist die Sanierung eines Unternehmens zunachst einmal „Chefsache" und obliegt somit dem Unternehmer/ der Geschaftsleitung. Fraglich ist jedoch, ob die vorhandene Geschaftsleitung uberhaupt in der Lage ist, geeignete Sanierungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Je klarer in einem konkreten Fall die Krise auf das Versagen des Managements zuruckzufuhren ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Management nur mit der Unterstiitzung externer Berater in der Lage sein wird, das Unternehmen nachhaltig zu sanieren. Oft sieht sich selbst ein erfahrenes Management in akuten Krisensituationen angesichts der Bedrohung des Unternehmens und der weitreichenden Konsequenzen seines Handelns dazu veranlasst, das Sanierungskonzept unter Hinzuziehung von spezialisierten Beratern zu erstellen. Die Krise ist eine Art Ausnahmezustand - weit entfernt vom normalen Tagesgeschaft. Die Nutzung von externem Expertenwissen ist insbesondere deshalb zu empfehlen, da • • • •
die in Krisensituationen zu losenden Probleme wesentlich komplizierter und vielschichtiger sind als in normalen Planungssituationen, die zu erledigenden Arbeiten unter einem hohen Zeitdruck stehen und gleichzeitig das Tagesgeschaft nicht vernachlassigt werden darf, die vorliegenden Informationen und Unterlagen vielfach unvollstandig und unzuverlassig sind und die Betroffenen oft in einem erhohten MaBe befangen sind.
1 Vgl. Abschnitt 3.1.
41
Mit anderen Worten gibt es also drei Hauptgriinde fur die Inanspruchnahme von auf Unternehmenssanierungen spezialisierten Unternehmensberatern: • • •
Bedarf an zusatzlichen Ressourcen, Bedarf an Expertenwissen, Bedarf an Objektivitat.
Die Einschaltung von spezialisierten Beratern, die die Techniken zur raschen Analyse komplexer Problemstellungen und zu effizienter Erarbeitung von Losungskonzepten beherrschen, sind vielfach uberlebenswichtig. Entsprechend qualifizierte Berater sollten jedoch nicht nur bei der Konzepterstellung hilfreich, sondern dariiber hinaus insbesondere in der Lage sein, die Unternehmensleitung dabei zu unterstutzen, den Restrukturierungsprozess einzuleiten und konsequent, anhand des gemeinsam erarbeiteten MaBnahmenkatalogs, umzusetzen.
4.2
Inhaltliche Bereiche der Sanierungspriifung
Die Sanierungspriifung umfasst grundsatzlich alle fiir die Geschaftsentwicklung des Unternehmens wesentlichen Bereiche. Sinnvollerweise kann hier unterschieden werden zwischen einer internen Analyse, die sich auf alle unternehmensinternen Sachverhalte fokussiert, und einer externen Analyse, die das Unternehmensumfeld und die Stellung des Unternehmens in diesem Umfeld untersucht.
Abbildung 16: Externe und interne Analyse zur Erstellung eines Turnaround-Konzeptes 42
Die Sanierungsprufung dient zunachst der Gewinnung von verlasslichen Informationen iiber das gesamte Unternehmen. Dieses Informationsmaterial bildet die Basis fur die Erarbeitung der RestrukturierungsmaBnahmen sowie der Unternehmensplanung. Im Rahmen der Sanierungsprufung wird zunachst die Ist-Position der Unternehmung im Marktund Wettbewerbsumfeld bestimmt. Wesentliche Chancen und Risiken der zukunftigen Unternehmensentwicklung mussen dariiber hinaus als Basis fur die Unternehmensplanung herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse der Analyse mussen ausreichen, um die Restrukturierungskosten sowie die Restrukturierungsmogliehkeiten der einzelnen Geschaftsfelder planen zu konnen. Jeder Unternehmensbereich ist dabei in Frage zu stellen. Defizitare Geschaftsfelder, die den Erfolg des Unternehmens gefahrden, sind zu lokalisieren. Nicht restrukturierbare Geschaftsfelder mussen - naturlich unter Berucksichtigung von Verbundeffekten - gegebenenfalls aufgegeben werden. Die Kosten fur alle verbleibenden Geschaftsfelder sind zu priifen und nach Moglichkeit zu senken. Zusatzlich bedarf es auch der ErschlieBung neuer, zukunftsweisender Geschaftsfelder. Der Personalbestand muss iiberpriift und gegebenenfalls angepasst werden.
4.2.1
Analyse der Krisenursachen
Ein erfolgversprechendes und realisierbares Sanierungskonzept setzt zunachst Detailkenntnisse iiber die Krisenursachen voraus. Ziel der Sanierungsprufung ist es daher, die eigentlichen Ursachen fiir die Krisenentwicklung des Unternehmens genau zu identifizieren und zu analysieren. Die Geschaftsbereiche, die den Erfolg des gesamten Unternehmens hemmen oder sogar gefahrden, mussen ausgemacht und saniert werden. Grundsatzlich mussen daher alle Geschaftsfelder iiberpriift und zur Disposition gestellt werden. Eine Sanierung verlangt, iiber alle Unternehmensbereiche nachzudenken und notfalls das gesamte Unternehmen neu zu organisieren. 4.2.1.1
Segmentierung der Geschaftstatigkeit
Nicht nur bei Konzernen, sondern auch beim mittelstandig gepragten Unternehmen ist aufgrund der Vielfalt der Produkte, Sortimente, Kunden und geographischen Markte eine einheitliche - fiir alle Bereiche des Unternehmens giiltige - Unternehmensstrategie haufig nicht sinnvoll. Eine Unternehmensstrategie soil einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil mit einer guten Rentabilitat sicherstellen. Dies lasst sich fiir kleinere Einheiten innerhalb des Unternehmens, zum Beispiel fiir bestimmte Produkt- oder Kundengruppen, die am Markt vergleichbar und damit steuerbar sind, deutlich besser realisieren als fiir das gesamte Unternehmen. Im Ergebnis gilt es die Frage zu beantworten, mit welchen Produkt- oder Produktgruppen, in welchen regionalen Markten, mit welchen Kunden oder Kundengruppen, iiber 43
Abbildung 17: Kernfrage fur ein Sanierungskonzept - Analyse fur Werteerzeuger und Wertevernichter welche Vertriebswege, mit welchen Fertigungsstechniken und mit welcher internen Organisation das Unternehmen gestern, heute und morgen welche Ergebnisse erzielt und welche Ursachen diese Entwicklung hat. Gerade diese grundlegenden Informationen liegen dem Management von Krisenunternehmen typischerweise jedoch nicht vor. Die Unternehmen werden regelmaBig vielmehr „aus dem Bauch heraus" gesteuert, als auf der Basis von fundiertem Zahlenmaterial. Die Ermittlung und Analyse der Profitabilitaten der einzelnen - strategisch sinnvoll zu differenzierenden - Geschaftsbereiche bildet den Kern einer jeden Analyse zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes. Die letztendliche Bestimmung der jeweils einzeln zu analysierenden Geschaftsbereiche muss individuell auf die Gegebenheiten des jeweiligen Krisenunternehmens abgestimmt erfolgen. Eine zu starke Aufsplitterung birgt die Gefahr der Verzettelung. Ein Sanierungskonzept ist immer unter sehr groBem Zeitdruck zu erstellen. Um den Analyseprozess handebar zu halten, sollten in einem Stepp nicht mehr als zehn bis zwanzig Geschaftsbereiche differenziert betrachtet werden. 4.2.1.2
Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsbereiche
Anhand der zuvor erfolgten Segmentierung sind den jeweiligen Geschaftsfeldern zunachst die entsprechenden Umsatze und Rohertrage zuzuordnen. Die Grundlage hierfiir bilden die hausinternen Warenwirtschaftssysteme, Vor- und Nachkalkulationen, Deckungsbeitragsrechnungen, Artikel- oder Kundenauswertungen etc. Dariiber hinaus werden - idealerweise im Rahmen einer vereinfachten Prozesskostenrechnung - die an44
fallenden internen Kosten (Personal-, Raum-, Fuhrpark-, Zinskosten, Abschreibungen etc.) zunachst Kostenstellen und im Anschluss verursachungsgerecht den jeweiligen Segmenten zumindest iiberschlagig zugeordnet, um somit einen ersten Uberblick iiber die Kostenstrukturen der einzelnen Unternehmensprozesse und die Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsfelder zu erlangen. Die Prozesskostenrechnung eignet sich deshalb besonders bei Sanierungspriifungen, da sie eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung der Gemeinkosten gewahrleistet. Die Gemeinkosten machen in manchen Unternehmen bis zu 50 Prozent der internen Kosten aus. Sie entstehen nicht zufallig und ihre Zuordnung zu Kostentragern ist keine lastige Pflicht. Vielmehr entstehen die Kosten durch die jeweiligen Prozesse im Unternehmen. Die Bewertung dieser Prozesse mit Preisen/Kosten im Rahmen der Prozesskostenrechnung gibt dem Management entscheidende Informationen zur Unternehmenssteuerung. Die Prozesskostenrechnung ist eine Vollkostenrechnung mit dem Ziel, die Kostentransparenz insbesondere bei den so genannten „Overhead-Kosten" zu erhohen und somit Schwachstellen zu lokalisieren. Mit Hilfe der Prozesskostenrechnung werden die Gemeinkosten entsprechend der Inanspruchnahme der betrieblichen Ressourcen den einzelnen Produkten oder Kunden verursachungsgerecht zugeordnet. Die Komplexitatskosten und Kostentreiber werden lokalisiert und damit steuerbar. Mogliche Kosteneinsparpotenziale lassen sich mit Hilfe einer uberschlagigen Prozesskostenrechnung relativ rasch bestimmen. Die traditionellen Kostenrechnungssysteme konnen die seit vielen Jahren laufend steigenden Gemeinkosten nicht verursachungsgerecht auf die Produkte und Dienstleistungen verrechnen. Pauschale Zuschlagsatze auf die Material-, Lohn- oder Fertigungskosten ergeben ein falsches Bild. Aus den sich daraus ergebenden Kostenstrukturen lassen sich kaum RestrukturierungsmaBnahmen ableiten. Eine konsequente Planung, Kontrolle und Steuerung der Gemeinkosten ist mit diesen Systemen nicht moglich. Das birgt die Gefahr von Fehlentscheidungen.
4.2.2
Analyse der relevanten Unternehmensbereiche
Zur Erstellung von Sanierungskonzepten sind so genannte Starken-Schwachen-Analysen aller relevanten Unternehmensbereiche notwendig, um die Ausgangssituation sowie die Entwicklungspotenziale des Unternehmens genau bestimmen zu konnen. Die Starken und Schwachen sollten mit dem Ziel, im Rahmen des Sanierungskonzepts die gegenwartigen Schwachen zu beseitigen bzw. in zukiinftige Starken umzuwandeln, moglichst exakt herausgearbeitet werden. Eine Starken-Schwachen-Analyse bezieht sich grundsatzlich auf die gegenwartige Situation des Krisenunternehmens. Im Rahmen einer Sanierungsprufung sind jedoch auch ausdrucklieh die Starken und Schwachen im Hinblick auf die zukiinftige Entwicklung 45
des Unternehmens zu beurteilen. Des Weiteren gilt es, die festgestellten Starken und Schwachen im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern zu gewichten. Starken und Schwachen sind relative GroBen. Sie lassen sich daher letztendlich nur im Vergleich mit den kritischen Erfolgsfaktoren der Wettbewerbern sinnvoll beurteilen. Wie bereits zuvor ausgefuhrt, sind die Ursachen einer Unternehmenskrise oft vielfaltig. Es liegt nicht nur am falschen Produkt, sondern vielleicht auch an der Organisation, den internen Ablaufen, die zu teuer, zu langsam oder zu unkoordiniert sind. Folgende Bereiche sind im Einzelnen zu analysieren: • • • • • • • • •
Markt- und Wettbewerbsbedingungen, Produkte und/oder Dienstleistungen, Beschaffung und Materialwirtschaft Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion, Absatzstrategie/Vertriebswege/Preispolitik/Kundenstruktur, Management und Schliisselpositionen, personelle Ausstattung, Rechnungswesen und Controlling, Unternehmensorganisation,
4.2.2.1
Markt- und Wettbewerbsbedingungen
Ein Unternehmen kann auf Dauer nur am Markt erfolgreich sein, wenn es seine Aktivitaten konsequent auf die Markt- und Wettbewerbssituation ausrichtet. Voraussetzung dieser AuGenorientierung des Betriebes ist zunachst die genaue Kenntnis des Marktes, der Branche und der Wettbewerber. Es ist jedoch in der Praxis immer wieder uberraschend, wie viele Unternehmer nur vage Vorstellungen von ihrer Branche, ihren Markten und den Starken und Schwachen ihrer Hauptwettbewerber haben. Voraussetzung fur die Starken-Schwachen-Analyse ist daher zunachst die Beschaffung aller relevanten Marktinformationen. Die Gegeniiberstellung der Marktgegebenheiten einerseits sowie andererseits der betrieblichen Starken und Schwachen des zu beurteilenden Unternehmens in Abgrenzung zu seinen Hauptwettbewerbern zeigt die Chancen und Risiken, die der Markt fiir das Unternehmen bietet. Externe Marktforschung, Wettbewerbsanalyse sowie die interne Betriebsanalyse bilden die Grundlage fiir die Beurteilung der Markt- und Wettbewerbspositionierung. Informationsbedarf besteht zunachst hinsichtlich aller Trends, die Einfluss auf die Entwicklung der Branche haben oder haben werden. Hierzu zahlen quantitative Informationen iiber die Entwicklung von Marktdaten (Absatzvolumen, Preisniveau, Marktanteilen etc.) sowie qualitative Informationen iiber zum Beispiel technologische Entwicklungen. Folgende Fragestellungen sind beispielsweise zu eruieren: H Wie entwickelt sich der Markt insgesamt? Wachst er (langsam oder schnell), stagniert er oder schrumpft er sogar? 46
•
Welche Marktanteile werden von wem gehalten? Wie haben sich die Marktanteile in der Vergangenheit entwickelt? H Wie entwickelt sich das Preisniveau? H Verandert sich das Konsumverhalten der Verbraucher? Wk Wer sind die wesentlichen Wettbewerber und wo liegen ihre Starken und Schwachen? H Wie wird sich das Wettbewerbsumfeld zukiinftig entwickeln? M Gibt es einen zunehmenden Wettbewerb aus dem Ausland (zum Beispiel aus Billiglohnlandern)? • Gewinnen Substitutionsprodukte (Produkte, die die bisherigen Produkte ersetzen) an Bedeutung? H Welches sind die bedeutendsten Probleme bzw. Herausforderungen, die die kiinftige Entwicklung des Marktes mit sich bringt? W In welchen Marktsegmenten liegen die groBten Gewinn- und Wachstumsperspektiven? Sfc Welche Marktstellung nimmt das Unternehmen innerhalb der Branche ein? M Welches sind die kritischen Faktoren und Ressourcen fiir den kiinftigen Erfolg des Unternehmens innerhalb der Branche? Zur Beurteilung der Starken und Schwachen ist eine isolierte Betrachtung der Marktsituation sowie des jeweiligen Unternehmens nicht aussagekraftig. Die Positionierung ist immer im Vergleich zu den Hauptwettbewerbern zu analysieren. Hierzu bietet sich folgende Fragestellung an: Was sind die entscheidenden Kaufkriterien der Kunden in der Branche? Ist es wirklich nur der Preis? Was ist mit folgenden Kriterien: i# Standorte (Marktnahe, Ausstellungsflachen, Verkaufsraume etc.), r S Produktsortiment (Variantenvielfalt, Design, Qualitat, Image, After-Sales-Service, Umweltvertraglichkeit, technische Vorteile, Zertifizierungsnachweise, Rating, etc.), M qualitative oder quantitative Produktionskapazitaten, H die personliche Betreuung, If die Gute der Auftragsabwicklung, %, die Lieferfahigkeit, If die Lieferzuverlassigkeit, if die Lieferschnelligkeit, •M die Zahlungskonditionen, M dieKulanz. Kurz gesagt, nicht nur der Preis ist entscheidend, sondern das Preis-Leistungs-Verhaltnis. Es ist zunachst zu klaren, welche dieser Kaufkriterien - in welcher Rangfolge - letztendlich fiir die Kaufentscheidung der Kunden/Konsumenten ausschlaggebend sind. Gewichtet nach ABC-Kriterien ist daraufhin die Leistungsfahigkeit des eigenen Betriebes festzustellen. Hierbei bietet sich auch ein Abgleich des Selbstbildes (Befragung des Vertriebes) und des Fremdbildes (Kundenbefragung) an. 47
Neben der Bewertung des Erfullungsgrades der Leistungsanforderungen durch das Unternehmen ist die Leistungsfahigkeit des Unternehmens der Leistungsfahigkeit der Mitbewerber gegenuberzustellen. Ziel ist es, klar zu definieren, wo die entscheidenden Wettbewerbsvorteile oder gegebenenfalls auch wo die entscheidenden Wettbewerbsnachteile liegen und welche MaBnahmen sich aus dieser Erkenntnis ableiten lassen. 4.2.2.2
Produkte und/oder Dienstleistungen
Ziel der Sanierung ist es, die Ertragskraft des Unternehmens wiederherzustellen. Dies hangt vor allem davon ab, dass das Unternehmen zukunftig diejenigen Produkte und Dienstleistungen am Markt anbietet, die es zu wettbewerbsfahigen Kosten herstellen und an einem attraktiven Markt kundengerecht vertreiben kann. Von entscheidender Bedeutung ist daher die Frage, welches Dienstleistungsprofil und welche Produktpalette das Unternehmen zukunftig gezielt anbietet. Durch die Analyse der Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschaftsfelder wird die Profitability des gegenwartigen Sortiments transparent. Grundsatzlich hat darauf aufbauend eine Konzentration auf gewinnbringende oder gewinnbringend zu gestaltende Geschaftsfelder zu erfolgen. Nachhaltig defizitare Geschaftsfelder sind nur dann beizubehalten, wenn dies aus Wettbewerbsgriinden absolut zwingend notwendig ist bzw. wenn die Aufgabe des Geschaftsfeldes aufgrund von nicht abbaubaren Fixkosten nicht zu einer Ergebnisverbesserung fiihren wiirde. 4.2.2.3
Beschaffung und Materialwirtschaft
Der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten des Unternehmens betragt in der produzierenden Industrie ublicherweise zwischen 40 und 60 Prozent, teilweise jedoch auch darliber. Die Auswirkung von moglichen Einsparpotenzialen im materialwirtschaftlichen Bereich ist daher erheblich fiir das Unternehmensergebnis. Die erste Grundlage fiir die Beurteilung der eigenen Starken und Schwachen im Einkauf im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzeptes bildet zunachst eine Lieferantenanalyse. Die derzeitigen Lieferantenbeziehungen sind - mit dem Ziel, Kosteneinsparpotenziale zu identifizieren - grundsatzlich alle in Frage zu stellen. Vergleichsangebote von alternativen Lieferanten sind einzuholen. Um die Lieferanten untereinander vergleichen zu konnen, sind die wesentlichen Informationen uber diese einander gegenuberzustellen: allgemeine Unternehmensdaten, spezifische produktbezogene Daten, Konditionen, Zuverlassigkeit, Qualitat, Preisniveau. Folgende Entscheidungskriterien sind bei der Auswahl der Lieferanten zu berucksichtigen: K giinstige Einstandspreise, • erforderliches Qualitatsniveau, H optimale BestellgroBen, 48
• • •
Termintreue, Zuverlassigkeit der Lieferanten, kostengiinstige Abwicklung des Bestellvorgangs.
Die Uberprufung der Lieferantenauswahl gehort zu den permanenten Aufgaben des Einkaufs. Die Beschrankung auf einen reinen Preisvergleich ist hierbei nicht ausreichend. Wichtige Fragen sind in diesem Bereich: • H it S M
Welches alternative Material kann eingesetzt werden? Welche alternativen Beschaffungsmarkte kommen in Frage? Konnen ganze Module/Bauteile/Komponenten direkt bezogen werden? Welche Forschungs- und Entwicklungsleistung erbringen die Lieferanten? Welche Vorteile und welche Risiken bringt die Konzentration auf einige ausgewahlte Lieferanten mit sich?
Typischen Schwachstellen im Einkaufs-/Materialbereich konnen in der Regel nicht ausschliefilich in der Einkaufsabteilung gelost werden. Auch die erforderlichen Anpassungen in den angrenzenden Unternehmensbereichen sind herauszufiltern. Zu denken ist hierbei beispielsweise an die Einsparpotenziale, die sich durch eine Standardisierung, Normung oder Typung einzelner Bauteile, eine Reduzierung der Variantenvielfalt oder den Ubergang von Einzelfertigung auf Kleinserienfertigung ergeben konnen. Eine effiziente Abwicklung der Aufgaben innerhalb des Einkaufs und der Materialwirtschaft ist dariiber hinaus heute selbst in kleineren Unternehmen ohne den Einsatz einer leistungsfahigen EDV kaum noch darzustellen. Gerade durch konsequente Anwendung und Weiterentwicklung von EDV-Programmen ist es moglich, Materialkosten und die Kosten der Lagerhaltung zu optimieren bzw. nachhaltig zu senken, um sich daraus Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. 4.2.2.4
Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion
Die Produktion hat die Erstellung der Produkte zu wettbewerbsfahigen Kosten und Qualitaten sicherzustellen. Krisenbehaftete Unternehmen zeigen typischerweise folgende Schwachstellen innerhalb des Produktionsprozesses: H Es fehlt ein funktionierendes Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS-System). H Es existieren keine plausiblen Vor- und Nachkalkulationen. Haufig gibt es noch nicht einmal rudimentare Kalkulationsgrundlagen. H Kapazitatsengpasse in einzelnen Wertschopfungsstufen behindern immer wieder den Produktionsablauf. K Unterauslastungen in einzelnen Wertschopfungsstufen verhindern eine insgesamt wirtschaftliche Produktion. H Uberalterte, unwirtschaftliche und storanfallige Anlagen und Maschinen fiihren zu teuren Produktionsausfallen und uberhohten Instandhaltungsaufwendungen. 49
H M W H
Liefertermine konnen immer wieder nicht eingehalten werden. Es kommt immer wieder zu Qualitatsmangeln. Es wird mit einer zu hohen Fertigungstiefe produziert. Eine uberhohte Variantenvielfalt verhindert Einsparungen bei den Produktionskosten sowie bei den Materialkosten aufgrund fehlender Standardisierungen und Normungen. W Die Produktionsdurchlaufzeiten sind zu lang - trotz eines hohen Personaleinsatzes und Uberstunden. M Mangelnde Kommunikation innerhalb der wesentlichen Unternehmensbereiche verhindert eine effektivere Fertigung. Der gesamte Fertigungsfluss (inklusive F&E, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung) des Krisenunternehmens ist einer kritischen Analyse hinsichtlich aller moglichen Optimierungspotenziale zu unterziehen. Die Produktionsplanung und -steuerung, die Auslastung der Produktionskapazitaten (Maschinen und Mitarbeiter), der Zustand der Fertigungsanlagen, die Qualitat der Produktion, die Qualifikation der Mitarbeiter und das F&EKnow-how sind zu bestimmen. Die Modernitat, Effektivitat, Qualitat und Wirtschaftlichkeit der Produktionsverfahren, -ablaufe und -anlagen sind isoliert und soweit moglich im Vergleich zum Wettbewerb zu beurteilen. Ziel ist es, moglichst rasch die Ablaufe zu verbessern, die Kosten zu senken und die Produktivitat zu erhohen. Auf der Basis transparenter Kostenstrukturen und plausibler Produktkalkulationen - die in der Regel erst einmal erstellt werden miissen - sind RationalisierungsmaBnahmen einzuleiten oder Make-or-buy-Entscheidungen zu treffen, um somit die Fertigungstiefe und damit die Komplexitat zu reduzieren und die Produktionsablaufe zu vereinfachen. Optimierungen in der Fertigung setzen regelmaBig Investitionen voraus. Auch wenn das Geld bei Krisenunternehmen knapp ist, darf man sich diesen Moglichkeiten nicht verschlieBen, wenn sie dazu dienen, die nachhaltige Uberlebensfahigkeit des Unternehmens zu gewahrleisten. Die Sinnhaftigkeit eventueller InvestitionsmaBnahmen ist zunachst aus technischer Sicht zu beurteilen. Daruber hinaus sind im Rahmen von Szenario-Rechnungen die Kosteneinsparpotenziale zu quantifizieren, die sich durch die geplanten InvestitionsmaBnahmen ergeben konnen. Diese sind der Investition gegeniiber zu stellen. 4.2.2.5
Marketingstrategie
Im Rahmen der Marketingstrategie werden 95 die Produktpolitik, % die Preispolitik, S die Absatzstrategie sowie % die MarketingmaBnahmen
50
festgelegt. Zentrale Zielsetzung hierbei ist es, das Unternehmen eindeutig am Markt zu positionieren und somit ein unverwechselbares Profil in den Augen der Kunden aufzubauen. Es sollen Alleinstellungsmerkmale geschaffen werden, um dadurch Wettbewerbsspielraum zu erlangen. Im Ergebnis miissen die Kunden eindeutig erkennen konnen, warum sie bei dem Unternehmen und nicht bei der Konkurrenz kaufen sollen. Vielfach wird Marketing mit Werbung gleichgesetzt. Das ist jedoch falsch - Marketing beginnt viel friiher. Bereits die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen muss sich an den Bedurfnissen des Marktes und der Kunden orientieren. Erst danach muss dieses Angebot dem Kunden mittels MarketingmaBnahmen (zum Beispiel Werbung) naher gebracht werden. Zunachst ist also die gegenwartige Marketingstrategie des Unternehmens zu erfassen und abzubilden. Insbesondere anhand der ermittelten Profitabilitaten der einzelnen Geschaftsbereiche ist die derzeitige Marketingstrategie zu hinterfragen. So sind auch die Ergebnisse der einzelnen Geschaftsbereiche auf einzelne Absatzgebiete oder Vertriebsgebiete zu verdichten, um die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Unternehmensbereiche auch aus dieser Blickrichtung kritisch hinterfragen zu konnen. 4.2.2.6
Management und Schlusselpositionen
Letzten Endes begrunden das Management, die Fiihrungskrafte und die Mitarbeiter den Erfolg oder auch den Misserfolg eines Unternehmens. Die Griinde fiir den Misserfolg von Krisenunternehmen liegen, wie bereits zuvor beschrieben, primar im Verantwortungsbereich des Managements.2 Insofern kommt der Analyse des Fuhrungsbereichs eine besondere Bedeutung zu. Viele Sanierungen scheitern, weil das Management nicht in der Lage ist, die im Sanierungskonzept aufgeftihrten MaBnahmen erfolgreich umzusetzen. Ein Sanierungsmanagement muss in der Lage sein, eine ganzheitliche Sicht der Problemfelder zu behalten, komplexe Sachverhalte zu zerlegen und zu vereinfachen sowie Prioritaten zu setzen. Wichtig ist vor allem, dass die Fiihrungsmannschaft motivieren kann und die gesamte Belegschaft hinter ihr steht. Zur Beurteilung der entsprechenden Qualifikation des Managements gibt das Verhalten im Vorfeld der Krise und bei den Bemiihungen, die Krise zu bewaltigen, deutliche Hinweise. Weitere wichtige Informationen iiber die vorhandenen und die mangelnden Fahigkeiten der Fiihrungsmannschaft lassen sich aus dem Unternehmen selbst - im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung - ableiten. Diese Mitarbeiterbefragung kann durch Einzelgesprache oder auch standardisiert, iiber Fragebogen, erfolgen. Eine Mitarbeiterbefragung bringt haufig wichtige Hinweise zur Bewertung der Qualitat der ersten und zweiten Fuhrungsebene.
2 Vgl. Abschnitt 1.3.1 Endogene Krisenursachen.
51
Bei Krisenunternehmen sind in der Praxis im Bereich der Unternehmensfuhrung haufig folgende Schwachstellen anzutreffen3: H mangelhafte Organisation des Managements, M fehlende, unklare oder zu optimistische Zielsetzungen, il Duldung von anhaltenden Verlusten in einzelnen Geschaftsbereichen, solange der Gesamtprofit des Unternehmens als befriedigend angesehen wird, M verspatetes Eingestandnis einer Krisensituation, • Fehlinvestitionen bzw. unzureichende Investitionen (Sparen am falschen Ende), H ungeniigende Anpassungen an den technischen Fortschritt, fi Verlust der Ubersicht durch unorganisches bzw. unkontrolliertes Wachstum, H iiberwiegende Ressortinteressen bei wichtigen Entscheidungen der Unternehmensfuhrung, M ungeloste Generationsprobleme im Unternehmen, '& unangemessener - wenig motivierender - Fiihrungsstil. Einen kritischen Erfolgsfaktor bildet neben der Geschaftsleitung die zweite Fuhrungsebene, die Abteilungsleiter und Meister. Dieser Personenkreis verkorpert regelmaBig die Unternehmenskultur und das Know-how von mittelstandischen Unternehmen. Von ihnen gehen Multiplikatoreffekte aus. Es kommt deshalb besonders darauf an, sie auf die neue Unternehmenskonzeption einzuschworen. Die formelle und insbesondere die informelle Struktur der zweiten Fuhrungsebene muss transparent gemacht und kritisch hinterfragt werden. „Alte Zopfe mussen abgeschnitten werden", um die Krisensituation nachhaltig beseitigen zu konnen. Der Erfolg hat bekanntlich immer viele Vater, der Misserfolg ist hingegen stets ein Waisenkind. So fuhrt der Misserfolg eines Unternehmens regelmaBig zu „chemischen Storungen", Schuldzuweisungen und Rangeleihen zwischen den einzelnen Ressortleitern (zum Beispiel Vertrieb und Technik). Um den Erfolg des Sanierungskonzeptes zu gewahrleisten, sollten „Spielregeln" fiir das Zusammenwirken der Fuhrungskrafte festgelegt werden. Mit Hilfe der „Spielregeln" lassen sich zukunftig insbesondere Reibungen und Unklarheiten hinsichtlich Kompetenzen vermeiden. Die Arbeitsatmosphare sowie die Arbeitsbereitschaft muss gesteigert werden, um die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. 4.2.2.7
Personelle Ausstattung
Der Analyse des Personalbereichs kommt eine groBe Bedeutung zu, da innerhalb von Sanierungskonzepten oft die Bereinigung der Personalstrukturen notwendig wird. Die Personalkosten stellen neben den Materialkosten regelmaBig den groBten Kostenblock dar. In den groBten Kostenblocken liegen naturgemaB auch die groBten Turnaround-Hebel. Sanierungskonzepte ohne drastische Anpassung im Personalkostenbereich sind daher auBerst selten anzutreffen. 3 Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.3.1 Endogene Krisenursachen.
52
Folgende MaBnahmen zur Personalkostensenkung werden in Sanierungskonzepten typischerweise vorgesehen: *& Abbau von Leistungszulagen/iibertariflichen Lohn- und Gehaltszulagen, H SchlieBung des Versorgungswerkes, % Abbau von zusatzlichen Kosten aus Uberstunden (zum Beispiel durch Einfuhrung von Arbeitszeitkonten), II! Abbau von Leiharbeitern, 'B Einfuhrung von Kurzarbeit (Kurzarbeit ist jedoch bei einer hohen Personalkostenquote sehr teuer, da uberproportionale Sozialversicherungsbeitrage des Arbeitgebers anfallen. AuBerdem sehen Tarifvertrage regelmaBig die Zahlung von Zuschussen vor.), % Personalentlassungen. Bei der Durchfiihrung der einzelnen MaBnahmen sind die gesetzlichen und tariflichen Regelungen zu beachten, wozu insbesondere auch die Mitwirkungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss zahlen. Zu beachten sind neben den Kiindigungsfristen die zahlreichen Kundigungsschutzbestimmungen, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sowie die Vorschriften zum Interessenausgleich und zur Massenentlastung. Aufgrund der arbeitsrechtlichen Komplexitat sollte das Unternehmen sorgfaltig priifen, welche rechtliche Unterstiitzung es bei der Planung und Durchfiihrung der PersonalmaBnahmen in Anspruch nimmt. Bei dieser speziellen Aufgabenstellung sind ausdriicklich die „altgedienten Hausanwalte" daraufhin zu iiberpriifen, ob sie liber geniigend Erfahrung und Kompetenz im Bereich des Arbeitsrechts, insbesondere im Bereich der Massenentlassungen, verfiigen. Bei PersonalentlassungsmaBnahmen geht es um sehr viel Geld. Scheinbar teure, spezialisierte Arbeitsrechtler machen sich bei der Erstellung und Umsetzung von Sanierungskonzepten schnell bezahlt. GroBe Erfahrung ist insbesondere auch wichtig fur die Planung der Auswirkungen der PersonalmaBnahmen. Hierzu ist zunachst die Frage zu klaren, wie vielen und welchen Mitarbeitern gekiindigt wird. Relativ leicht lassen sich abzubauende Stellen bestimmen, wenn ganze Unternehmensbereiche geschlossen werden. Schwieriger ist es, diejenige Personalstarke in den Unternehmensbereichen neu festzulegen, mit der - moglichst unter Steigerung der Effizienz - das Unternehmen fortgefuhrt werden soil. Bei der Auswahl der Mitarbeiter fiir eine Kundigung sind verschiedene soziale Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen. Zu beachten sind: Alter, Dauer der Betriebszugehorigkeit, Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen, eventuelle Schwerbehinderungen oder Ahnliches, die Vermogensverhaltnisse etc. Mitarbeiter, deren Weiterbeschaftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fahigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes uberlebensnotwendig ist, sind dem Unternehmen zu erhalten. Stehen die zu kiindigenden Mitarbeiter fest, so sind alle formellen Voraussetzungen des Kiindigungsverfahrens strengstens zu beachten. Unter Wiirdigung der Kiindi53
gungsfristen, der geplanten Freistellungen der Mitarbeiter sowie der zu erwartenden Abfindungszahlungen ist die zukunftige Unternehmensplanung aufzubauen. Die zur Sanierung des Unternehmens notwendigen PersonalmaBnahmen belasten zunachst die Ergebnis- und Liquiditatssituation des ohnehin angeschlagenen Unternehmens, da die gekundigten Mitarbeiter im Zeitraum ihrer Kundigungsfrist weiterhin ihr Geld erhalten, parallel jedoch oft die Motivation und Produktivitat bei diesen Mitarbeitern sinkt und der Krankheitsstand steigt. Dariiber hinaus sind regelmaBig Abfindungszahlungen zu leisten. Durch die Krisensituation selbst sowie durch notwendige PersonalmaBnahmen wird das Verhaltnis zwischen Unternehmensleitung, Betriebsrat und Belegschaft regelmaBig schwer belastet. Im Rahmen eines Sanierungskonzeptes sollte der Sanierer sich daher auch Gedanken dariiber machen, mit welchen Mitteln sich bei einer groBtenteils demotivierten Belegschaft positives Denken und Teamgeist fordern lassen. Die verbleibende Mannschaft ist auf das Restrukturierungskonzept einzuschworen. Dariiber hinaus sind zum Beispiel durch Veranderungen des Entlohnungssystems zumindest in Teilbereichen zusatzliche Leistungsanreize zu schaffen. Auch wenn es sich im Rahmen von Sanierungskonzepten regelmaBig nicht vermeiden lasst, die Personalstarke deutlich zu reduzieren, so sollten alle Beteiligten bedenken, dass es primar darum geht, die verbleibenden Arbeitsplatze (hierbei handelt es sich regelmaBig um mehr Stellen, als um die abzubauenden Stellen) zu erhalten 4.2.2.8
Rechnungswesen und Controlling
Gerade in mittelstandisch gepragten Unternehmen ist immer wieder folgendes Phanomen festzustellen: Die Unternehmer sind zwar „Meister ihres Fachs", haben aber von kaufmannischen und betriebswirtschaftlichen Dingen „keinen blassen Schimmer". Zu viele Entscheidungen werden ohne eine sorgfaltige Planung „aus dem Bauch heraus" getroffen. Es ist also kein Wunder, dass in vielen Unternehmen keine oder nur unzureichende Zahlen zur Unternehmenssituation vorliegen oder die vorliegenden Zahlen nicht ausreichend interpretiert werden. Somit verfiigen Krisenunternehmen haufig auch iiber kein funktionsfahiges Controlling, und es fehlt jegliche Zahlentransparenz (die Datenquantitat uberwiegt der Datenqualitat). Selbst wenn eine Controllingabteilung existiert - oder zumindest eine Abteilung diesen Namen tragt -, reicht haufig die Qualifikation der Mitarbeiter nicht aus oder die Abteilung ist derart mit anderen Aufgaben beschaftigt, dass ein Controlling faktisch nicht vorhanden ist. Das Sanierungskonzept muss in solchen Fallen MaBnahmen zur Verbesserung des Controllings vorsehen. Die der Geschaftsleitung des Krisenunternehmens zur Verfugung stehenden Managementinformationen und Plandaten sind auf Plausibilitat zu prlifen und hinsichtlich ihrer Eignung und Aussagefahigkeit zu hinterfragen. Sofern notwendig sind Verbesserungs54
vorschlage zu unterbreiten und in Abstimmung mit der Geschaftsleitung auch unmittelbar einzuleiten. Besonderes Augenmerk ist hierbei der Planbarkeit und Kontrollmoglichkeit der eingeleiteten bzw. gegebenenfalls noch einzuleitenden Turnaround-MaBnahmen sowie deren Auswirkungen auf die Ergebnis- und Liquiditatssituation des Krisenunternehmens zu widmen. Folgendes ist im Rahmen einer effizienten Controllingstrategie festzulegen: if Was soil berichtet werden? (Zum Beispiel Auftragseingange, Umsatzentwicklungen, Lagerentwicklung, Umsatz je Mitarbeiter, Produktivitatskennzahlen etc.) 81 Wer soil berichten und in welcher Form? M. Wem soil berichtet werden? (Zum Beispiel Geschaftsleitung, Abteilungsleiter, Mitarbeitern, etc.) % Wann soil berichtet werden? (Wochen-, Monats-, Quartals-, Halbjahres- oder Jahresberichte) Im Rahmen eines Sanierungsprozesses ist es wichtig, dass die groBtenteils sehr aufwendigen Analysen, die zur Erstellung des Sanierungskonzeptes durchgefuhrt wurden, in einer praktikablen und wirtschaftlichen Form weiter gepflegt werden. Die gesamte Analyse zur Erstellung des Sanierungskonzeptes ist daher von einem erfahrenen Berater von Anfang an so aufzubauen, dass sie auf die Gegebenheiten des Unternehmens optimal abgestimmt wird. Die einmaligen aufwendigen Erhebungen, die mittels der externen Berater durchgefuhrt werden, machen gerade dann Sinn, wenn sie in einem rollierenden System mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand auch weitergefiihrt werden. Eine wichtige Voraussetzung fur ein effektives Controlling ist allerdings, dass die Finanzbuchhaltung zeitnah und exakt arbeitet. In vielen Unternehmen ist es eine „schlechte Sitte", dass die Buchhaltung monatelang „hinterherhinkt". Dafur gibt es keinen wirklich plausiblen Grund. Monatsabschliisse konnen in jedem Unternehmen zwei bis maximal sechs Wochen nach dem Monatsultimo gefahren werden. Dies setzt lediglich eine entsprechende Organisation und vor allem ein gewisses Selbstverstandnis (Einhaltung der GOB) im Rechnungswesen voraus. Das gesamte Rechnungswesen inklusive Finanzbuchhaltung und Controlling ist unter diesen speziell auf ein Krisenunternehmen ausgerichteten Gesichtspunkte zu analysieren. Schwachstellen sind durch den Sanierer unmittelbar abzustellen. 4.2.2.9
Unternehmensorganisation
Letztlich ist auch die Organisation des Unternehmens zu hinterfragen. Hierfur wird zunachst einmal die bestehende Organisationsform abgebildet (in der Regel existieren in vielen Unternehmen noch nicht einmal aussagefahige Organigramme). Zu uberprufen ist, ob die Organisationsform plausibel und zeitgemaB ist, nicht iibermaBig viele den Arbeits55
prozess hemmende Hierarchiestufen beinhaltet. Dariiber hinaus ist zu analysieren, ob die entscheidenden Stellen auch mit den richtigen Leuten besetzt sind. Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, ob die Organisation des Unternehmens zukiinftig, d. h. nach erfolgter Sanierung, auch noch die Richtige ist. Ferner ist zu hinterfragen, ob eine Organisation nach Sparten (Produktbereich A, Produktbereich B etc.) oder nach Funktionen (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Verwaltung, etc.) die Richtige ist. Dies ist immer im Einzelfall, insbesondere auch unter Wurdigung der handelnden Personen und Entscheidungstrager zu priifen. In Sanierungsfallen kann es auch hilfreich sein, durch eine Anderung der Organisation alte Strukturen zu durchbrechen und somit wichtige Zeichen fur einen Neuanfang zu setzen. Auf jeden Fall wird es wichtig sein, die Unternehmensinternen von der neuen Organisationsform zu uberzeugen. Jeder Mitarbeiter muss sich in der Organisation wiederfinden. Er muss wissen, wer fiir ihn zustandig ist (idealerweise gibt es hier nur eine Zustandigkeit) und mit welcher Organisationsform das Unternehmen sich insgesamt positioniert.
4.3
Erstellung des Sanierungskonzeptes
Auf der Basis aller in diesem Kapitel zuvor beschriebenen Analysen ist nunmehr ein ganzheitliches Sanierungskonzept zu entwickeln, welches die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens wieder herstellt und nachhaltig sichert. Auf folgende Kernfragen muss das Konzept eine Antwort geben: H Mit welcher strategischen Neuausrichtung wird das Unternehmen zukiinftig erfolgreich sein? Welche Veranderungen sind in der Angebotspalette, der Wettbewerbspositionierung, im Einkaufs-, Material- und Produktionsbereich, in der Marketingstrategie, im Management, in der personellen Ausstattung, im Rechnungswesen und Controlling, in der Unternehmensorganisationen zur Realisierungen des Turnaround notwendig? M Welche Ergebnisse wird das Unternehmen wahrend und nach erfolgter Restrukturierung erzielen und welcher Liquiditatsbedarf ergibt sich dabei? #1 Kann auf der Basis des Sanierungskonzeptes von einer Sanierungsfahigkeit und Sanierungswiirdigkeit ausgegangen werden? Nach den Vorstellungen des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprufer (IDW) hat ein Sanierungskonzept folgende Mindestbestandteile: H Beschreibung des Unternehmens, if Analyse des Unternehmens, * Krisenursachenanalyse, W. Lagebeurteilung des Unternehmens, 56
Abbildung 18: Entwicklung eines Turnaround-Konzeptes
M Leitbild des sanierten Unternehmens, W: MaBnahmen zur Sanierung des Unternehmens, it Planverprobungsrechnungen. Grundlage eines Sanierungskonzeptes ist zunachst die vollstandige Erfassung und Zusammenstellung aller fur das Unternehmen wesentlichen Daten. Die Vollstandigkeit in diesem Sinne soil so verstanden werden, dass alle fiir eine Sanierung relevanten Sachverhalte zu benicksichtigen sind. Somit muss das Sanierungskonzept alle Angaben enthalten, die fiir die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Verhaltnisse sowie der Risiken und auch Chancen der kunftigen Entwicklung erforderlich sind. Die Angaben im Sanierungskonzept soil dem Leser ein zutreffendes Bild von der Ausgangslage des Unternehmens und der voraussichtlichen Entwicklung vermitteln. Grundsatzlich mussen nur Informationen und Sachverhalte in die Beurteilung einbezogen werden, die zur Darstellung der Sanierungsproblematik wesentlich sind. Auf diese Weise lasst sich die erforderliche Informationsmenge sinnvoll verringern und auf die eigentlichen Sanierungsproblemstellungen fokussieren. Ein Sanierungskonzept muss eine sachlich korrekte Darstellung der Krisenproblematik bieten und mit Angaben aller Pramissen eine liickenlose und logische Argumentationskette wiedergeben. Als MaBstab fiir Vollstandigkeit, Wesentlichkeit und Richtigkeit ist die Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Kaufmanns heranzuziehen. 57
Abbildung 19: Bausteine eines Turnaroundkonzepts
Durch eine klare, eindeutige und verstandliche Darstellung der Problemstellungen und der Problemlosungsansatze soil gewahrleistet werden, dass jeder Leser auf der Grundlage des Sanierungskonzeptes in der Lage ist, die Ausgangssituation, die daraus abgeleiteten MaBnahmen sowie die wesentlichen Annahmen in den Planungspramissen zu verstehen. Im Interesse der Klarheit sollten wesentliche Sachverhalte durch grafische Darstellungen hervorgehoben werden.
4.3.1
Strategische Neuausrichtung des Unternehmens
Mit Hilfe der SofortmaBnahmen stellt der Krisenmanager zunachst das Uberleben des Unternehmens sicher. Die SofortmaBnahmen sind jedoch nur auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet und haben aufgrund der Eilbedurftigkeit, mit der sie einzuleiten sind, oft kein strategisches Konzept zugrunde. Zudem gilt in diesem Stadium der Krisensituation der Grundsatz, Liquiditat vor Rentabilitat. SofortmaBnahmen konnen sich somit gegebenenfalls negativ in Bezug auf die langfristige Stabilisierung des Unternehmens auswirken. Zudem ist zu berucksichtigen, dass viele Unternehmenskrisen darauf basieren, dass die Unternehmensleitung es versaumt hat, sich klare Vorstellungen von der zukiinftigen Entwicklung zu machen und das Unternehmen insofern uberhaupt keine strategische Ausrichtung besaB. 58
Abbildung 20: Anforderungen an Sanierungskonzepte gemaB IDW
Wichtige Voraussetzung fiir das langfristige Uberleben des Unternehmens ist daher, dass die Fiihrung kunftig die operativen Geschafte auf klar definierten Strategien aufbaut. Auf der Basis der Analyseergebnisse ist daher ein nachhaltiges Unternehmenskonzept basierend auf einer erfolgversprechenden strategischen Neuausrichtung des Unternehmens zu erarbeiten. Strategische Konzepte haben eine Langzeitwirkung und beeinflussen Uber langere Zeit die Effizienz der operativen MaBnahmen. Bei einer Sanierung sind alle Geschaftsbereiche und Unternehmensstrukturen aus strategischer Sicht in Frage zu stellen. Wie jede andere Planung auch beginnt die strategische Planung mit einer Zielsetzung. Aufbauend auf den Erkenntnissen der zuvor beschriebenen Analyseschritte ist die Zielrichtung der zukiinftigen Unternehmensstrategie festzulegen und darzustellen. Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, mit welchen betrieblichen Unternehmensstrukturen, mit welchen Produktionstechniken und -anlagen, mit welcher Produkt- und Dienstleistungspalette und mit welcher personellen Ausstattung das Krisenunternehmen zukiinftig erfolgreich sein kann. Eine Konzentration auf gewinnbringende - oder gewinnbringend zu gestaltende Geschaftsfelder - dient dabei als Grundlage fiir die strategische Neuausrichtung des Krisenunternehmens im Markt.
59
Die strategische Neuausrichtung basiert auf folgenden Leitfragen: W. Welche Chancen und Risiken in den einzelnen Geschaftsbereichen ergeben sich zukiinftig in Anbetracht des Markt- und Wettbewerbsumfelds sowie der Ergebniserwartungen? % Was sind die wesentlichen Kernkompetenzen des Unternehmens in den einzelnen wichtigen Geschaftsfeldern? & Welche Geschaftsfelder sind aufzugeben bzw. umzustrukturieren, da sie in ihrer gegenwartigen Form nicht profitabel gefiihrt werden konnen? M Welche profitablen Geschaftsfelder miissen gehalten bzw. weiter ausgebaut werden, um das Unternehmen nachhaltig zu stiitzen? M Sind in Anbetracht der sich verandernden Markt- und Wettbewerbsbedingungen, der fehlenden Eigenmittel sowie der eventuell vorhandenen Altlasten nicht strategische Allianzen/Kooperationen oder sogar Beteiligungen neuer Gesellschafter anzustreben?
4.3.2
Erstellung eines umsetzungsorientierten MaBnahmenplans
Sofern die strategische Neuausrichtung des Unternehmens klar definiert ist, stehen faktisch auch alle SanierungsmaBnahmen fest. Die Sanierung verlauft nicht nur bei der Erstellung des Sanierungskonzeptes, sondern insbesondere auch bei der Umsetzung des Sanierungskonzeptes unter einem hohen Zeit- und Erfolgsdruck. Ein professionelles Projektmanagement bildet daher die Grundlage einer erfolgsversprechenden Umsetzung eines Sanierungskonzeptes. Dieses Projektmanagement basiert idealerweise auf einem detaillierten und umsetzungsorientierten MaBnahmenkatalog. Der MaBnahmenkatalog hat die vorgesehenen Veranderungen in den Prozessen und Funktionen mit Zustandigkeiten und Erledigungsterminen zu dokumentieren. Diese sind zunachst moglichst vollstandig aufzuzahlen und nach ihrer Proiritat zu ordnen. Dabei kann naturlich nicht jeder Handgriff in den MaBnahmenkatalog aufgenommen werden. Die theoretische Forderung, alles in einem Totalmodell abzubilden, ist fur die Praxis wenig hilfreich. In der Praxis miissen die wesentlichen MaBnahmen im Mittelpunkt stehen. Hierbei kommt es ausdrucklich nicht auf einen hohen Detaillierungsgrad an. Auf Perfektion muss verzichtet werden, ohne dass dabei wesentliche Aspekte ubersehen oder vernachlassigt werden. Aus der Gesamtzahl der einzelnen MaBnahmen sind Projekte und Teilprojekte zu bilden. Mit engen Zeitvorgaben miissen die Fertigstellungstermine der einzelnen Teilprojekte bestimmt werden. Daruber hinaus ist es auch wichtig festzulegen, wer fur die Durchfuhrung der MaBnahmen verantwortlich ist und wer die Durchfuhrung/ Umsetzung entsprechend kontrolliert. 60
Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten groBtenteils bei der Erstellung des MaBnahmenkatalogs mitwirken, damit eine hohe Identifikation mit dem Sanierungsprozess sichergestellt ist und die relevanten Mitarbeiter schon friihzeitig in die Verantwortung genommen werden. Der umsetzungsorientierte MaBnahmenplan dient zum einen als Grundlage fiir ein erfolgreiches Projektmanagement. Zum anderen sind die MaBnahmenplane geeignet, das Informationsbedurfnis der Geschaftsleitung sowie der Hauptglaubiger zu befriedigen. Anhand des MaBnahmenplans ist jederzeit der Stand der Umsetzung des eingeleiteten Restrukturierungsprozesses zu uberprufen.
4.3.3
Szenario-Rechnungen
Aufbauend auf den Erkenntnissen der einzelnen Analyseschritte sowie dem MaBnahmenplan miissen die erarbeiteten Turnaround-Potenziale quantifiziert und in die bestehenden Ergebnis- und Liquiditatsplane des Krisenunternehmens eingearbeitet werden. Es ist abzubilden, welche Ergebnisse das Unternehmen wahrend und nach erfolgter Restrukturierung erzielen und welcher Liquiditatsbedarf zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes benotigt wird. Gerade in komplexen Sanierungssituationen verbleiben jedoch erhebliche Planungsunsicherheiten. Aufgrund dieser nicht auszuschlieBenden Planungsunsicherheiten empfiehlt es sich, die Planungen teilweise in Szenario-Rechnungen darzustellen. Die Ergebnisplane sollten dabei zumindest zwei Szenarien („best case" und „worst case") beriicksichtigen, um die moglichen Auswirkungen der Planungsunsicherheiten transparent zu machen. Die an der Sanierung beteiligten Interessengruppen gewinnen anhand der SzenarioRechnungen ein besseres Bild liber die Erfolgsaussichten des Sanierungskonzeptes sowie ihrer eigenen Nutzen- und Risikoposition. Das „worst-case-Szenario" sollte dabei als letztendliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Der Liquiditatsplan ist in Sanierungsfallen immer anhand der Planungspramissen des „Worst-case-Szenarios" zu erstellen.
4.3.4
Sanierungsfahigkeit/Sanierungswurdigkeit
Die Beurteilung der Sanierungsfahigkeit erfolgt auf der Grundlage des Sanierungskonzeptes. Das Sanierungsmanagement hat zur endgiiltigen Beurteilung der Sanierungsfahigkeit ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das fiir einen sachverstandigen Dritten nachvollziehbar ist und die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens dokumentiert. Die Sanierungsfahigkeit ist zu bejahen, wenn auf der Grundlage eines uberzeugenden und tragfahigen Sanierungskonzeptes nicht nur die Insolvenzgriinde beseitigt werden konnen, sondern dariiber hinaus auch eine operative Sanierung erfolgt und das Unternehmen mit 61
Uberwiegender Wahrscheinlichkeit wieder in die Lage versetzt wird, nachhaltig positive Ergebnisse zu erwirtschaften. Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn •
das Sanierungskonzept auf einer plausiblen und tragfahigen strategischen Planung aufbaut, • die vorgesehenen operativen MaBnahmen mit dem strategischen Konzept im Einklang stehen, H zwischen den Beteiligten Einigkeit iiber die Sanierungsziele und das zu verfolgende Sanierungskonzept besteht und &f die Umsetzung des Sanierungskonzeptes personell und finanziell abgesichert ist. Die SanierungsmaBnahmen sind mit Blick auf ihre voraussichtliche Realisierbarkeit zu wlirdigen und im Hinblick auf die dargestellten Auswirkungen auf die Ergebnis- und Liquiditatsplanung zu hinterfragen. Eine Quantifizierung in Bandbreiten des Risikos nach optimistischer, mittlerer und pessimistischer Auspragung ist hilfreich. Zur Beurteilung der Sanierungsfahigkeit ist das vorliegende Sanierungskonzept dariiber hinaus mit Blick auf % die Uberpriifung der kritischen Planungspramissen, ?4 die Qualifikation des Umsetzungs-Managements und ft die Sanierungsvorteile der Beteiligten zu wlirdigen. Ausgangspunkt der Sanierungswiirdigkeitsprufung sind die subjektiven Interessenlagen der an einer Sanierung Beteiligten. Die Feststellung der Sanierungswiirdigkeit zielt auf die Frage ab, ob die Sanierung auch aus der Interessenlage der Betroffenen gerechtfertigt ist. Es kommt also ein subjektives Beurteilungskriterium ins Spiel, das fiir jeden Beteiligten individuell zu betrachten ist. Zu den Interessentengruppen zahlen neben den Anteilseignern insbesondere die Hausbanken, die Hauptlieferanten, die Arbeitnehmer und die offentliche Hand. Die teilweise unterschiedlichen, wenn nicht sogar gegenlaufigen Interessen dieser Gruppen und ihre Erwartungen fiihren zu vielschichtigen Beurteilungsmoglichkeiten der Sanierungswiirdigkeit. Die Bank muss beurteilen, ob sie unter Berucksichtigung samtlicher Chancen und Risiken an die Sanierung glaubt und davon uberzeugt ist, dass ihr Verlustpotenzial im Rahmen der Sanierung minimiert wird. Das ist insbesondere dann eine heikle Frage, wenn die Gewahrung von Neukrediten erforderlich ist. Auch aus der Sicht des Eigentumers muss das Kriterium der Sanierungswiirdigkeit erfiillt sein, was gegebenenfalls dann nicht der Fall ist, wenn die kunftigen Uberschiisse des Unternehmens lediglich fiir die Bedienung der Bankkredite ausreichen, Gewinnausschuttungen jedoch ausgeschlossen sind. Um die Sanierungswiirdigkeit herzustellen, muss eine ausgewogene Losung, die die Interessenlagen aller wesentlich Beteiligten beriicksichtigt, im Rahmen des Sanierungskonzeptes gefunden werden. Die Sanierungsbeitrage der einzelnen Anspruchsgruppen 62
(Eigentiimer, Glaubiger, Mitarbeiter etc.) miissen in einem ausgewogenen Chancen-Nutzen-Verhaltnis stehen. Von einer Sanierungswiirdigkeit kann daher ausdriicklich nicht ausgegangen werden, wenn die Sanierung auf Kosten einzelner Beteiligter durchgefuhrt werden soil, ohne dass die wirkliche Aussicht besteht, dass das Unternehmen dauerhaft fortgeftihrt werden kann.
4.4
Stolpersteine von Sanierungskonzepten
Das beste Sanierungskonzept liefert zwar eine wesentliche Grundlage, jedoch noch lange keine Garantie fur eine erfolgreiche Unternehmenssanierung. Die Gesamtheit und Komplexitat der zu berucksichtigenden Aspekte schurt die Gefahr, dass die Beherrschbarkeit der Unternehmenskrise und damit zugleich die Sanierungsaussichten verloren gehen. Zunachst miissen alle betroffenen Interessengruppen von dem Sanierungskonzept iiberzeugt werden, damit diese ihren Teil zur Sanierung auch leisten. Diese Sanierungsbereitschaft der Interessenten ist ublicherweise dann eingeschrankt, wenn bereits ein oder mehrere Sanierungsversuche aufgrund unzulanglicher Konzepte oder eines unzureichendes Umsetzungsmanagements gescheitert sind. Besonders ungunstige Aussichten bestehen in aller Regel, wenn einzelne Beteiligte durch das Management in der Vergangenheit iiber die wahre Unternehmenssituation getauscht wurden oder sich zumindest getauscht fuhlten. Fehlentwicklungen solcher Art lassen sich vermeiden, indem ein erfahrener Berater auf der Grundlage eines uberzeugenden Sanierungskonzeptes die Sanierung steuert. Ein neues, nicht vorbelastetes Sanierungsmanagement kann positiv auf das Verhandlungsklima einwirken. Sind alle Beteiligten vom Sanierungskonzept tiberzeugt, beginnt eigentlich erst die wirkliche Arbeit. Die Erstellung des Sanierungskonzeptes und die damit erforderlichen umfangreichen Analysen, die zudem noch unter groBem Zeitdruck erarbeitet wurden, stellten bereits eine hohe Belastung fiir alle Beteiligten dar. Mit der Umsetzung des Konzepts beginnt dann jedoch erst die wirkliche Arbeit. Ein Unternehmen ist nicht von „heute auf morgen" zu sanieren. Die Sanierungs- und Konsolidierungsphase zieht sich meist iiber zwei bis drei Jahre hin. Ausdauer und konsequentes Handeln sind gefragt. Sobald erste wichtige Anfangserfolge erzielt werden, darf der Druck auf die Beteiligten nicht nachlassen, weil dies eine nachhaltige Sanierung des Unternehmens gefahrden konnte. Den in der Praxis immer wieder groBten Stolperstein bei Unternehmenssanierungen stellt der Zeitfaktor dar. Die Sanierungsbemuhungen werden immer wieder viel zu spat - erst dann, wenn die Reserven des Unternehmens schon zu weit aufgebraucht sind - eingeleitet.
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Sanierungen bergen zudem das Risiko einer uberdimensionierten Fixierung auf Schwachstellen. Der einseitige Abbau von verlustbringenden Tatigkeiten fiihrt meist nicht zur Uberwindung der Krise. Der Erhalt und Ausbau zukunftstrachtiger und profitabler Bereiche diirfen auf keinen Fall vernachlassigt werden. Auch der menschliche Aspekt kann immer wieder einen Stolperstein bei Sanierungen darstellen. Krisen werden durch Menschen verursacht, von Menschen durchlebt und erlebt. Befurchtungen und Angste der Mitarbeiter fiihren oft zu einer Art Boykott der SanierungsmaBnahmen. Ursache hierfur ist meist, dass die Unternehmensleitung zu wenig iiber die geplanten Konzepte und iiber den Stand der Dinge informiert. Ein erfolgreiches Krisenmanagement setzt eine spezifische Kommunikation mit alien Beteiligten voraus. Fehlende Kommunikation oder auch Kommunikation mit falschen Inhalten, falschem Tonfall oder im falschen Moment konnen die Belegschaft erheblich demotivieren. Beratungsgesellschaften, die sich speziell auf Sanierungen und Sanierungsmanagement spezialisiert haben, stellen eine wichtige Unterstiitzung bei der Einleitung von SofortmaBnahmen, der Erstellung von Sanierungskonzepten und insbesondere auch der Umsetzung der Konzepte dar. Sie unterstiitzen den Unternehmer bei den wichtigen Gesprachen mit Banken, Glaubigern und Lieferanten und tragen mit ihrer Erfahrung auf diesem Gebiet dazu bei, dass die Vielzahl der zu bewaltigenden Probleme letztendlich doch gemeistert werden. Ein Konzept, das von einem noch so guten Berater isoliert, das heiBt ohne Einbindung der Unternehmensinternen erstellt wurde, ist jedoch zum Scheitern verurteilt. Ein Berater alleine kann ein Unternehmen ohne die aktive und konstruktive Unterstiitzung der Unternehmensinternen niemals erfolgreich sanieren und gegen deren Willen schon gar nicht. Neben der fachlichen Kompetenz gehort daher auch eine groBe soziale Kompetenz zu dem Anforderungsprofil eines erfolgreichen Sanierers. Die folgende Abbildung fasst die wichtigsten Punkte im Hinblick auf ein Sanierungsgutachten zusammen.
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Abbildung 21: Anforderungen an ein Sanierungskonzept
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In einer akuten Unternehmenskrise stehen alle Beteiligten unter einem groBen Zeit-, Entscheidungs- und Erfolgsdruck - der Stressfaktor ist enorm. Gleichwohl werden aber auch unter diesen Bedingungen niichterne und zutreffende Lagebeurteilungen und zielgerichtete Informationen erwartet. Mitarbeiter, Betriebsrat und Gewerkschaften, Kunden und Lieferanten, Anteilseigner und Banken haben in Krisenzeiten ein deutlich groBeres Interesse an Informationen iiber das Unternehmen als in „guten" Zeiten; Mitarbeiter fiirchten um ihren Arbeitsplatz, Fuhrungskrafte werden von Headhuntern umworben, Kunden drohen abzuwandern, Lieferanten sorgen sich um ihre unbezahlten Rechnungen und Banken sowie Anteilseigner fiirchten um ihr Kapital. Die Geschaftsleitung des Krisenunternehmens weiB oftmals nicht, wann und in welcher Reihenfolge, mit welchen Inhalten und mit welchem Detaillierungsgrad die unterschiedlichen Adressaten angesprochen werden miissen. Jeder Adressat hat andere Interessen und reagiert unterschiedlich auf negative Informationen. Es gilt daher, einen kiihlen Kopf zu bewahren und gezielt zu kommunizieren. Unternehmenskrisen sind immer auch Vertrauenskrisen. Vertrauen, welches in jahrelanger Arbeit aufgebaut wurde, droht in einer Unternehmenskrise in kurzester Zeit verloren zu gehen. Eine wesentliche Zielrichtung der Kommunikation in einer Unternehmenskrise ist daher, das Vertrauen und die Glaubwiirdigkeit aufrechtzuerhalten bzw. wieder zuriickzugewinnen. Dabei kann die Krisenkommunikation naturgemaB die eigentlichen Ursachen der Unternehmenskrise nicht beseitigen. Jedoch konnen die Folgen der Krise und der Verlauf der Krise durch ein angemessenes und uberlegtes Verhalten positiv beeinflusst werden. Je nach Gelingen kann die Krisenkommunikation krisenhemmend bzw. -eindammend, bei falscher Handhabung auch krisenintensivierend wirken.1
5.1
Kommunikationsstrategien in der Krise
Ein Patentrezept ftir die Kommunikation in Krisenzeiten gibt es nicht - jede Krisensituation bedarf einer individuell entwickelten Kommunikationsstrategie. Kaum ein Un1 Vgl. Lambeck, A., Die Krise bewaltigen. Management und Offentlichkeitsarbeit im Ernstfall. Ein praxisorientiertes Handbuch. Frankfurt am Main, Institut fur Medienentwicklung und Kommunikation (IMK), 1992.
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ternehmen wird jedoch in guten Zeiten eine Kommunikationsstrategie erarbeitet haben, welche in schlechten Zeiten „in einer Schublade parat liegt". Aufgrund der Mannigfaltigkeit von wirtschaftlichen Unternehmenskrisen und des schnellen Wandels im Verlauf der Arbeiten in einer Unternehmenssanierung ware dies auch nicht zielfuhrend. Eine Kommunikationsstrategie sollte daher „just in time" und auf die einzelnen Anspruchsgruppen zugeschnitten erstellt und nur so weit geplant werden, als es dem Kommunikationsgrundsatz der offenen, positiven, sachlichen und wahren Information der Beteiligten dienlich ist. Um eine Kommunikationsstrategie aufzustellen, sollte sich der Krisenmanager folgende Kernfragen beantworten konnen: 88 it II 94 % tk
Wer sind meine Adressaten und Anspruchsgruppen? Wer sind die jeweiligen Ansprechpartner und wer soil die Gesprache fiihren? Woran sind die Beteiligten interessiert? Was wollen wir von wem erbitten? Wie kann Vertrauen erhalten/wiedererlangt werden? Welche Inhalte/Informationen sollen mit welchem Detaillierungsgrad vermittelt werden? f t Wann kommuniziere ich am besten? ^ Wer soil zuerst angesprochen werden? Welche Reihenfolge soil gewahlt werden? Welche Interessengruppen miissen unbedingt zeitgleich informiert werden? ii Wie kommuniziere ich? Welche Instrumente sollen gewahlt werden? Zu Beginn eines jeden Krisenmanagements sind die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen festzulegen, um somit ein Sanierungsteam zusammenzustellen.2 In diesem Zusammenhang hat auch die Bestimmung eines Sprechers und Ansprechpartners zu erfolgen. Als Faustregel gilt, dass derjenige Informationsiibermittler ist, der das meiste Fachwissen tiber die Krise hat und iiber die besten Kontakte zu den Informationsgruppen verfugt. Die bestimmten Sprecher sollten zugleich auch Hauptansprechpartner sein, um Informationsverluste zu vermeiden.
5.1.1
Wahl des Zeitpunktes und der Reihenfolge
Mit Blick auf den Zeitpunkt ist spatestens dann zu kommunizieren, wenn die Gefahr besteht, dass der Adressat die missliche Lage selbst oder - schlimmstenfalls - iiber Dritte wahrnehmen konnte. Die Information iiber Dritte birgt die Gefahr, dass Geruehte in Umlauf gebracht werden, die sich mit MutmaBungen und Teil-Wahrheiten vermischen. Eine solche „Geruchtekuche" wirkt sich krisenintensivierend aus. Keine Anspruchsgruppe erfahrt gerne negative Informationen - von denen sie selbst unmittelbar oder mittelbar betroffen ist - iiber Dritte und keinesfalls iiber den Weg der Medien. 2 Vgl. Abschnitt3.1.
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Vor diesem Hintergrund sollten zum Beispiel Banken iiber eine schlechte Unternehmenslage informiert werden, bevor beispielsweise Kontenpfandungen oder Ahnliches erfolgen und die eingetretene Krisensituation im Nachhinein dokumentieren; Mitarbeiter, bevor sie Informationen aus der Presse erhalten, und Lieferanten, bevor die Zahlungsmodalitaten geandert werden. Bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Information ist jedoch abzuwagen, ob erst nach der Erarbeitung und Fertigstellung des Sanierungskonzeptes informiert werden soil oder bereits schon fruher. Uber Probleme zu informieren, ohne bereits iiber - zumindest Ansatze von - Losungsmoglichkeiten zu verfiigen, birgt teilweise groBe Gefahren. Es gilt daher genau abzuwagen, wann informiert werden kann und wann moglicherweise nur Nervositat ausgelost wird. So sollte mit einigen Adressaten erst dann kommuniziert werden, wenn nach einer ersten Grobanalyse und Problemdiagnose zumindest ein erster Oberblick iiber das AusmaB der Unternehmenskrise und der potenziellen Losungsmoglichkeiten besteht. Bei der Wahl der Reihenfolge der Kommunikation gilt der Grundsatz: Kommuniziere von „innen nach auBen". Das heiBt kommuniziere im engen Management-Kreis - bilde ein Turnaround-Team - kommuniziere mit den Unternehmensinternen - erarbeite ein schliissiges und transparentes Konzept - kommuniziere dann mit externen Adressaten.
5.1.2
Wahl der Inhalte
Bei der Wahl der Inhalte gilt es zunachst festzulegen, was den betroffenen Adressat wirklich interessiert. Der Krisenmanager muss auf die individuellen Bediirfnisse der Anspruchsgruppen eingehen. Es ist somit eine differenzierte Kommunikation durchzufiihren. Nicht jeder Adressat muss jedoch Kenntnis „iiber alles" haben, was ihn interessiert. Krisensituationen lassen es nicht zu, dass man immer alles sagt, was man weiB. Aus Griinden der Vertraulichkeit gilt es, den Detaillierungsgrad je Adressat zu variieren. Generell gilt es abzuwagen, ob die Betroffenen nur so viele Informationen erhalten wie eben notig, oder ob Detailinformationen bis hin zu gesamtbetrieblichen Zusammenhangen sowie Hintergriinde der Krise erlautert werden, um hierdurch zum Beispiel ein besseres Verstandnis fur durchzufiihrende SanierungsmaBnahmen zu erhalten. Stehen Inhalt und Umfang der zu kommunizierenden Sachverhalte fest, kommt es entscheidend darauf an, wie kommuniziert wird. Denn Krisensituationen stellen eine extreme Belastung flir alle Beteiligten dar. Die Gefahr einer gedriickten bis leicht depressiven und damit wenig konstruktiven Grundstimmung bei Krisenunternehmen ist groB. Dieses Stimmungsbild darf jedoch in keinem Fall die Kommunikation pragen. Dieser Sachverhalt lasst sich wohl am besten anhand eines Beispiels erlautern. Sofern zum Beispiel defizitare Geschaftsbereiche aufzugeben sind, sollte beispielsweise nicht wie folgt kommuniziert werden: „Aufgrund nachhaltiger Verluste sahen wir uns auf 69
Druck unserer Glaubiger veranlasst, den Geschaftsbereich XY aufzugeben, und hoffen, somit die Existenz unseres Unternehmens retten zu konnen." Der gleiche Sachverhalt sollte eher wie folgt formuliert werden: „Wir stellen uns den Herausforderungen der sich stetig verandernden Markte und Techniken und entwickeln uns stets weiter. Um den zukiinftigen Bedurfnissen unserer Kunden noch besser entsprechen zu konnen, konzentrieren wir uns im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung zukunftig auf unsere Kernkompetenzen A, B und C. Im Rahmen dieser strategischen Neuausrichtung werden wir unsere bisherigen Tatigkeiten im Bereich XY konsequenterweise nicht weiterverfolgen. Schon heute wollen wir Sie auf unsere Neuerungen im Bereich D hinweisen. ..." Der Grundsatz gilt, dass jeder vermeintlich schlechten Nachricht auch etwas Positives abzugewinnen ist. Dieser positive Aspekt ist in der Kommunikation in Krisenzeiten immer voranzustellen. So sollte ein „deprimiertes Management" auch nicht davon sprechen, dass ihm von der Bank ein Berater aufs Auge gednickt wurde, sondern vielmehr, dass es mit Unterstiitzung seiner langjahrigen Hausbank einen Berater und Fachmann gefunden hat, der dem Unternehmen eine wertvolle Unterstiitzung ist. Den Berater muss der Unternehmer sowieso dulden und bezahlen, dann sollte er auch durch seine Kommunikation keine unbedachten Barrieren aufbauen und somit die Erfolgsaussichten des Beraters schmalern. Wie bereits zuvor erwahnt bedeutet eine Krise immer zugleich auch eine Chance. Diese Chancen miissen genutzt und in der Kommunikation zielfuhrend „positiv missbraucht" werden.
5.2
Instrumente der Krisenkommunikation
Da Hauptziel der Krisenkommunikation die Vertrauensbildung ist, hat die direkte, miindliche Kommunikation mit unmittelbaren Feedback-Moglichkeiten stets Prioritat. Als Instrumente fur die Kommunikation in Krisenseiten stehen grundsatzlich zur Auswahl: M W M £$ H M
personliche Gesprache, personliche Ansprachen, Informationsveranstaltungen, Prasentationen, Mitarbeiterversammlung, Betriebsversammlungen, individuelle Anschreiben,
Wk Rundschreiben/Serienbriefe, m E-Mails. 70
Es ist darauf zu achten, dass der Schriftverkehr immer streng vertraulich/personlich adressiert und behandelt wird. Bei der Kommunikation mit dem Fax ist unbedingt darauf zu achten, dass nur vertrauenswurdige Personen Zugriff auf das Fax erhalten. Oft empfiehlt es sich sogar, den Empfanger per Telefon personlich an das Faxgerat zu bitten, um sicherzustellen, dass die Papiere nicht in unbefugte Hande geraten.3 Elektronische Medien wie E-Mail, Internet oder Videokonferenzen gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Krisenkommunikation. Bei Einsatz dieser Medien ist ebenfalls unbedingt die Wahrung der gebotenen Vertraulichkeit sicherzustellen. Nach Moglichkeit sollte es sich bei den Empfanger-E-Mail-Adressen um personliche Adressen handeln. Haufig anzutreffende info@-Sammeladressen" sollten aus Griinden der Vertraulichkeit gemieden werden. Weiterhin sollte jede E-Mail einen Anhang mit einem Passus iiber Vertrauensschutz und Handhabung der E-Mail enthalten.
5.3
Regeln fur den Aufbau einer Kommunikationsstrategie
Das „General"-Ziel der Krisenkommunikation ist eine moglichst M m *$ %
schnelle, ehrliche, positiv dargestellte und vollstandige
Information aller an der Unternehmenskrise beteiligten Anspruchsgruppen durch % klar verstandliche Aussagen, '%> rechtzeitige Informationsgebung M und Vermeidung von Fach-Jargon, um die Bewahrung bzw. Ruckgewinnung des Vertrauens zu erreichen. Im Folgenden werden die wichtigsten Anforderungen an eine erfolgreiche Krisenkommunikation noch einmal thesenformig zusammengefasst: M Friihzeitig mit dem engen Fiihrungskreis kommunizieren. % Sofortiger Aufbau eines Turnaround-Teams. WL Krisenmanagement einleiten und ein schliissiges, zielfiihrendes und transparentes Sanierungskonzept erstellen. M Bestimmung der Kommunikationsstrategien. ti Auflistung aller Adressaten und Anspruchsgruppen. 3 Vgl. Lambeck, a.a.O.
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Von innen nach auBen kommunizieren: Zunachst die Unternehmensinternen informieren - dabei zuhoren und nach Moglichkeit den Dialog fordern. Nach einer Grobanalyse bzw. nach Erstellung des Sanierungskonzeptes die wichtigsten externen Anspruchsgruppen informieren. Unternehmensinternen und externen Adressaten bei Bedarf die wesentlichen Inhalte des Sanierungskonzeptes erlautern. Grundsatz: Spatestens dann informieren, wenn die Gefahr besteht, dass die Anspruchsgruppe von sich aus oder iiber Dritten Informationen erhalt!
Fallt ein Unternehmen in eine Krise, ist die Gewahrung weiterer Kredite aufgrund der Risiken einer Sanierung sowie des Fehlens zusatzlicher, werthaltiger Sicherheiten haufig nicht mehr darstellbar. Auch die Gesellschafter sind oft nicht in der Lage, weitere Mittel als Fremd- oder Eigenkapital einzubringen, oder Sicherheiten aus dem Privatvermogen zur Verfiigung zu stellen. In einer derartigen Situation stellt sich die Frage, inwieweit Investoren bereit sind, neue finanzielle Mittel aufzubringen und unter welchen Bedingungen sie dies tun. Die Verstarkung des Eigenkapitals durch einen Investor kann helfen, eine mogliche Uberschuldung zu beseitigen bzw. die Zahlungsfahigkeit wiederherzustellen. Dariiber hinaus ist an die Bereitstellung zusatzlicher Sicherheiten zu denken, die die Kreditinstitute zu einer Ausweitung der Kreditlinien bewegen konnte. RegelmaBig beabsichtigt der Investor, zumindest Mehrheitsgesellschafter des Krisenunternehmens zu werden. Dazu erwirbt er die Geschaftsanteile - haufig zu einem symbolischen Kaufpreis -, um nach erfolgtem Kapitalschnitt das Eigenkapital wieder herzustellen. Das Eigenkapital muss ausreichen, die anhand von Planergebnisrechnungen und -bilanzen dargestellte Unternehmensentwicklung - insbesondere die in einer Sanierungsphase zu erwartenden Verluste - aufzufangen und das Entstehen neuer Insolvenzantragspflichten zu vermeiden. Unternehmenssanierungen sind nicht selten deshalb von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil dem bisherigen Management entweder die notwendige Kompetenz oder der erforderliche Umsetzungswille fur die einschneidenden SanierungsmaBnahmen fehlt. Vor diesem Hintergrund ist es haufig notwendig, einen Interimsmanager temporar mit der Fuhrung und Sanierung des Unternehmens zu beauftragen bzw. das Management durch diesen zu unterstiitzen. Parallel hierzu sollte dariiber nachgedacht werden, auf welche Weise die Struktur der Geschaftsftihrung bzw. der Gesellschafter erganzt oder verandert werden muss, um den Bestand des Unternehmens zu sichern. Dabei ist der Unternehmensverkauf oder die Hereinnahme eines externen Managers als wesentliche SanierungsmaBnahme zu verstehen. Dies gilt vor allem, wenn der Sanierungsplan auf eine Vorwarts- oder auch Wachstumsstrategie ausgerichtet ist. Unter Umstanden ist das Unternehmen zu klein, um mittelfristig erfolgreich wirtschaften zu konnen (Problem der „kritischen UnternehmensgroBe"). Das fiir diesen Fall sinnvolle Wachstum muss jedoch vorfinanziert werden (Aufbau Warenlager, Aufbau Debitoren, Aufbau neuer Vertriebsstrukturen, Entwicklung auslandischer Markte, Ausbau der Produktionskapazitaten usw.). In dieser Phase die finanzierenden Kreditinstitute zu einer Ausweitung ihres Risikos zu bewegen, ist kaum realisierbar. Daher kommt in diesem Fall nicht selten nur die Aufnahme eines Investors in Betracht. Vergleichbares gilt fiir Unternehmen, deren Sanierungschancen in der Weiter- oder Neuentwicklung von technologierorientierten Produkten oder Dienstleistungen liegen. Dies verursacht in der Regel hohe Vorlaufkosten bei 73
relativ hohem Umsetzungsrisiko. Auch in derartigen Fallen zeigen sich Kreditinstitute gegemiber einer Ausweitung der Finanzierung zurlickhaltend. Mit Blick auf die zahlreichen „Schieflagen" im Bereich der Technologieunternehmen nimmt die Vorsicht von Venture-Capitalisten ebenfalls spurbar zu, sodass auch von dieser Seite die Finanzierung eines Krisenunternehmens haufig ausgeschlossen ist. Es verbleibt dann letztlich nur die Moglichkeit der Suche nach einem strategischen Investor. Hierbei bieten sich im Grunde drei Wege an, die mit dem Altunternehmer diskutiert, auf deren Umsetzbarkeit uberpruft und anschlieBend priorisiert werden miissen: • Kontakte des Krisenunternehmens (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, etc.), H Unternehmensborsen (insb. bei kleineren Mittelstandlern; IHK, „Change" etc.), H M&A-Berater (wegen der Kosten in der Regel nur bei groBeren Mittelstandlern).
6.1
Motive und Erwartungen der Beteiligten
Zu Beginn des M&A-Prozesses ist es entscheidend, sich einen Uberblick iiber die Interessenlage potenzieller Verhandlungspartner zu verschaffen. In einem Sanierungsfall diirfte die Interessenlage des Verkaufers eindeutig darauf gerichtet sein, Wt % H ^
das Uberleben seines Unternehmens und damit Lebenswerkes zu sichern, mit einer erfolgreichen Sanierung sein offentliches Ansehen zu wahren, sich von den personlichen Haftungstatbestanden zu befreien und sich moglicherweise einen Beitrag zur Altersversorgung zu sichern.
Neben den Motiven des Verkaufers sind vor allem die Beweggriinde der Kaufinteressenten zu hinterfragen, um mit denjenigen als Erstes Geprache aufzunehmen, die das vermeintlich groBte Interesse an dem Fortbestand des Krisenunternehmens haben konnten. Diese Analyse ist unerlasslich, um im spateren Verlauf schnellstmoglich einen Verkaufserfolg herbeizufiihren. Gerade Krisenunternehmen, die normalerweise von knapper Liquiditat, ersten Geriichten zur Unternehmenslage, einer „unruhigen" Belegschaft und ahnlichem Unbill betroffen sind, vertragen keine langwierigen Verkaufsverhandlungen. Vielmehr miissen der Unternehmer und die Kreditinstitute ein Interesse daran haben, dass der Unternehmensverkauf schnell und „gerauschlos" vollzogen wird, um den Gefahren einer weiteren Vermogensverschlechterung durch kursierende „Marktgeruchte" entgegenzuwirken. Fur eine aktive Beteiligung der Kreditinstitute am M&A-Prozess spricht die Chance zur Festigung des bestehenden Engagements sowie der Unternehmenssicherheiten, die fur den Fall einer Zerschlagung durch das Insolvenzverfahren haufig einer massiven Wertevernichtung unterliegen. Gegebenenfalls wird in dieser Situation ein beteiligtes Kreditinstitut sogar den Kaufer finanzieren, nachdem alle anderen Fremdkapitalgeber mit einer bestimmten Kapitalquote abgefunden worden sind. In jedem Fall sollten sich die Kreditinstitute darauf einstellen, dass der zukunftige Unternehmenseigner von den Glaubigern zum Teil deutliche Sanierungsbeitrage verlangen wird. Dies gilt 74
grundsatzlich auch fur Lieferanten, Mitarbeiter, Kreditinstitute und Kreditversicherer und weniger fur Kunden, deren Abnahmebereitschaft gesichert werden muss. In der Praxis sind aber gerade Lieferanten und deren Kreditversicherer schwierige Verhandlungspartner, da deren Sanierungsbeitrage automatisch Verschlechterungen zukiinftiger Konditionen (Preise, Lieferfristen, Zahlungsziele, Kreditversicherungsschutz etc.) nach sich ziehen. Dies wiirde eine Sanierung de facto blockieren. Damit verbleiben als mogliche Ansprechpartner die Mitarbeiter, denen der Kaufer unter Hinweis auf die Sicherung der Arbeitsplatze sicherlich Zugestandnisse zugemutet, und die Kreditinstitute, denen regelmaBig ein Forderungsverzicht abverlangt wird. Im Gegenzug erfolgt in der Regel die vollstandige Ablosung der Kreditinstitute, die hiervon ihren Forderungsverzicht abhangig machen. Die Frage, ob es fur die Kreditinstitute nicht „billiger" ware, das Unternehmen iiber das Insolvenzverfahren zu sanieren, bedarf immer einer Einzelfallpriifung, da mit der Insolvenz immer ein Flurschaden bei Kunden, Lieferanten, Kreditversicherern etc. verbunden ist, der die Fortsetzung des Geschaftsbetriebes in der Zukunft wesentlich erschwert. Die Sanierung iiber die Insolvenz ist jedoch meist zwingend, wenn die Altverbindlichkeiten zu hoch sind und damit vom Krisenunternehmen serioserweise nicht mehr zuriickgefiihrt werden konnen. Hierzu bedarf es eines zwischen Kaufer und wesentlichen Glaubigern abgestimmten Vorgehens, um der Nachfolgegesellschaft eine reibungslose Wiederaufnahme der Geschaftstatigkeit zu ermoglichen (Belieferung durch Lieferanten, Versicherung durch Kreditversicherer, Personalabbau/Sozialplan, (Banken-)Finanzierung etc.). Erfolgt die Sanierung iiber die Insolvenz, miissen die Kreditinstitute alle akzessorischen Sicherheiten - zum Beispiel Biirgschaften - iiberpriifen und entscheiden, ob diese fur das
Abbildung 22: Motive und Erwartungen der Beteiligten I 75
Abbildung 23: Motive und Erwartungen der Beteiligten II Neu-Kreditengagement der Nachfolgegesellschaft weiterbestehen sollen. Hierzu bedarf es der ausdriicklichen Zustimmung des Drittschuldners. Erklart dieser seine Bereitschaft zum Schuldbeitritt, ist er von dem Kreditinstitut nicht unbedingt iiber die damit verbundenen Risiken aufzuklaren, es sei denn, es musste erkennen, dass der Dritte iiber das Risiko nicht hinreichend informiert ist.1
6.2
Darstellung potenzieller Unternehmenskaufer
Grundsatzlich sind potenzielle Kaufer in folgenden Segmenten zu finden (siehe Abbildung 25):
6.2.1
Marktteilnehmer
In jeder Krisensituation ist der Faktor Zeit von entscheidender Bedeutung. Ein lang andauernder Verkaufsprozess beinhaltet das Risiko, dass Geriichte iiber die Situation des Unternehmens oder zum anstehenden Verkauf in den Markt gelangen, die Kunden verunsichern, von den Konkurrenten als „Akquise-Mittel" missbraucht werden oder die Kreditversicherer zur Reduzierung bzw. Kundigung der Lieferantenkredite veranlassen. Im fragilen Sanierungsprozess kann dies zu einer Kettenreaktion von sinkendem Vertrauen, sinkenden Umsatzen, sinkendem Finanzmittelbestand, sinkenden Kreditrahmen bis zur Einstellung der Produktion und zur Insolvenz fiihren. 1 Vgl. BGH, Urteil v. 16.1.1996, in: ZIP 1996, S. 499.
76
Marktteilnehmer 1 Lieferanten Vorwartsintegration • Marktsicherung • Markterforschung
1 Wettbewerber • Marktanteilska uf • Synergien • Sortimentserganzung
Manager Kunden Riickwartsintegration • Verbesserung der Prozesssteuerung • Ressourcensicherung • Nutzung von Synergien Anrainer • Komplentare Lleferung • Wachstum • Synergien
Investoren
MBO (Management-Buy-Out) • Unternehmerisches Engagement • Arbeitsplatzsicherung • Insiderwissen/ Branchenkenntnis • Finanzielle Interessen
Institutionelle Kapitalgeber (Venture Capital, Kapitalbeteiligungsges. etc.) • Rendite
MBI (Mangement-Buy-ln) • Unternehmerisches Engagement • Finanzielle Interessen
Private Kapitalanleger • Personliche Interessen • Finanzielle Interessen aktive passive Beteiligung Beteiligung
Abbildung 24: Darstellung potenzieller Kaufinteressen Grundsatzlich erscheinen Lieferanten und Kunden als potenzielle Kaufinteressenten. Tatsachlich ist die Wahrscheinlichkeit einer raschen Unternehmensubernahme durch diesen Kreis eher gering. Der im Rahmen einer Sanierung erforderliche Mittelbedarf und das damit verbundene Investitionsrisiko werden diese - mit Blick auf deren eher geringere Marktkenntnis - vor einem Risiko-Investment zuriickschrecken lassen. Nur wenn zwischen dem Krisenunternehmen und seinem Lieferanten oder Kunden groBe, nur schwer veranderliche Abhangigkeiten existieren, mag sich dieser Sachverhalt anders darstellen. Eine solche Situation diirfte allerdings die Ausnahme bleiben. Demgegemiber erweisen sich Mitbewerber oder Anrainer, also Unternehmen mit ahnlichen Produkten und Dienstleistungen, als diejenigen Kandidaten, denen vom Altunternehmer mit dem groBten Vorbehalt begegnet wird, die tatsachlich aber die groBte Chance fiir eine schnelle Abwicklung des Deals bieten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kontaktaufnahme mit den Mitbewerbern besonders heikel ist, da regelmaBig davon ausgegangen werden kann, dass diese vor allem ein Interesse an den Kundenverbindungen haben. Insofern sollten die ersten Informationen und Gesprache anonymisiert von dritter Seite durch einen M&A-Berater erfolgen, dessen Herkunft keinen Ruckschluss auf das Zielunternehmen zulasst. Fiir einen Mitbewerber sind Chancen und Risiken einer Ubernahme in der Regel rasch einschatzbar, da er den Markt und dessen Moglichkeiten kennt und vorhandene Synergiepotenziale einzuschatzen weiB. Diese liegen regelmaBig in einer Kostenreduzierung - vor allem der Personalkosten - durch das Zusammenlegen von Zentralabteilungen (Entwicklung, technischem Kundendienst, Materialwirtschaft etc.), von Niederlassungen, von einzelnen Produktionsstandorten oder von gleichartigen Produkten/Dienstleistungen. Auch die Uberwindung bestehender Marktzutrittsschranken kann ein Ubernahmemotiv darstellen. 77
6.2.2
Management
Der Management-Buy-Out (MBO), die Ubernahme eines Unternehmens durch leitende Angestellte, findet immer weitere Verbreitung. Der Verkauf an das eigene Management sichert eine Unternehmenskontinuitat, wie sie bei klassischen Fremdinvestoren oft nicht gegeben ist. Die bisherige „zweite Ebene" des Unternehmens bringt haufig hohe Fachund Branchenkompetenz und personliche Motivation (Arbeitsplatzsicherung) mit. Fraglich ist allerdings ihre unternehmerische Kompetenz, da sie an der Krisensituation nicht unschuldig sein diirfte. Fur das Anforderungsprofil an ein externes Management gelten grundsatzlich die gleichen Anforderungen wie fur die Auswahl bzw. Priifung unternehmensinterner Kandidaten. Im Vorfeld oder nach einer ersten Kontaktaufnahme kann mit Hilfe einer Checkliste der potenzielle Kandidatenkreis eingegrenzt werden. Die aufgezeigten Kriterien und deren Gewichtung sind unternehmensindividuell festzulegen. Die Ubernahme des Unternehmens durch einen unter Umstanden branchenerfahrenen „Unternehmer", der Management-Buy-In (MBI), stellt eine weitere Variante des Managementwechsels dar. Seine Interessenlage ist einerseits durch rein finanzielle, andererseits haufig auch durch personliche Motive (Selbstverwirklichung) bestimmt. Gerade die Kombination von MBO und MBI, also die Nutzung der Kenntnis der Unternehmensspezifika durch das alte Management gepaart mit Branchen-/Fachkenntnis und gegebenenfalls sogar Sanierungserfahrung bei einem externen Manager sind in einer Unternehmenskrise eine erfolgversprechende SanierungsmaBnahme. Der externe Manager bringt „frischen Wind" und Know-how in Unternehmen und Management. Beim Verkauf an externe Manager spielen bereits heute Firmenborsen eine wichtige Rolle. Die groBte Initiative dieser Art wird von den IHK sowie den Spitzenverbanden der Kreditwirtschaft getragen. Unter www.change-online.de existiert eine Firmenborse, mit der der Nutzer relativ schnell in der Lage ist, durch Einstellung bestimmter Suchkriterien (Postleitzahlen, Branchen, Beteiligungshohe etc.) potenzielle Unternehmenskaufer zu lokalisieren. Dies hilft insbesondere bei kleineren mittelstandischen Unternehmen bis etwa 25 Mio. € Jahresumsatz, da sich bei diesen GroBenordnungen in der Regel der Einsatz eines M&A-Beraters nicht rechnet. Typischerweise sind MBO/MBI Unternehmensubertragungen mit hohem Fremdkapitaleinsatz, da die Ubernehmer in der Regel nicht uber ausreichende Eigenmittel verfugen. Gleichzeitig sollen diese ein Krisenunternehmen ubernehmen, welches im Normalfall aufgrund seiner Situation hoch verschuldet und illiquide ist. Daher wird vor der Ubernahme das wirtschaftliche Eigenkapital des Zielunternehmens durch KapitalmaBnahmen seitens der Banken (Forderungsverzichte, Rangriicktritte, Zinsverzichte, Wandlung von Fremdkapital in eigenkapitalahnliche Mittel etc.) wiederherzustellen sein. Zusatzlich benotigt das Krisenunternehmen neues Geld zur Finanzierung der Sanierung. Dies wird von Kreditinstituten sicherlich nur mitgetragen, wenn ein uberzeugendes Sanierungskon78
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o 3? Beteiligung uber eine privilegierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (§ 24 UBGG). Das Kleinbeteiligungsprivileg zielt darauf ab, Gesellschafter, die nur eine geringfugige Beteiligung halten und aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung auf das unternehmerische Handeln keinen Einfluss nehmen konnen, von den einschneidenden Folgen der Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts freizustellen. Als Grund fiir diese Privilegierung wird i.W. angefuhrt, dass derartige Gesellschafter keine Finanzierungsverantwortung fiir eine Gesellschaft besitzen. Insofern gelten die vorstehenden Regelungen nicht fiir einen nicht geschaftsfuhrenden Gesellschafter, der zur Bewaltigung der Krise mit 10 Prozent (GmbH) bzw. 25 Prozent (AG) oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist.15 Im Zusammenhang mit dem Kleinbeteiligungsprivileg bestehen jedoch 11 12 13 14 15
Vgl. BGH v. 13.07.1992 - IIZR 251/91 - ZIP 1992, S. 1300. Vgl. BGH v. 14.11.1988 - II ZR 115/88 - ZIP 1989, S. 93. Vgl. BGH v. 14.11.1988 - ZIP 1989, S. 93, sowie BGH v. 19.9.1988 - ZIP 1988, S. 1248 u. 1250. Vgl. B G H - W M 1992, 1655. Vgl. BGH v. 26.03.1984 - II ZR 171/83, sowie BGH v. 11.01.1999 - II ZR 247/97.
187
noch eine Reihe von Rechtsfragen, die noch nicht hochstrichterlich geklart worden sind. Ungeklart ist u.a. die Frage der Zusammenrechnung von Gesellschaftergruppen, die in einer Interessenverbindung stehen und ihre Interessen durch ein entsprechendes Zusammenwirken gemeinsam durchsetzen konnen (Beispiel: Sanierungskonsortium). Ferner ist offen, ob bereits bei einer koordinierten Kreditvergabe eine Zusammenrechnung der einzelnen Kleinbeteiligungen droht. Das Sanierungsprivileg seinerseits gilt fiir Darlehensgeber, die in der Krise des Unternehmens Geschaftsanteile zum Zwecke der Uberwindung der Krise erwerben. Auf die bereits gewahrten oder neu zu gewahrenden Kredite finden insoweit die Regeln des Eigenkapitalersatzes keine Anwendung. Das Sanierungsprivileg gilt jedoch nicht, wenn der Darlehensgeber bereits vor der Krise eine Beteiligung von 10 Prozent (GmbH) bzw. 25 Prozent (AG) gehalten oder wesentliche Geschaftsfuhrungsfunktionen ausgeubt hat. Auch im Hinblick auf das Sanierungsprivileg besteht aufgrund der fehlenden hochstrichterlichen Rechtsprechung noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. So ist fraglich, ob die bloBe Sanierungsabsicht des Darlehensgebers als rein subjektives Element fiir die Anwendbarkeit des Sanierungsprivilegs ausreicht oder ob die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens auch objektiv gegeben sein muss. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Riickschlusse ziehen. Da jedoch derjenige, der sich auf eine gesetzliche Privilegierung beruft, die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen zu beweisen hat, sollten Kreditinstitute vor dem Erwerb der Geschaftsanteile die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens durch ein entsprechendes Sanierungsgutachten prufen lassen. Daruber hinaus ist aber auch unklar, welche Konsequenzen eine wiederholte Krisenfinanzierung nach sich zieht. Wenn die Sanierung zunachst zwar gelingt, es aber im spateren Verlauf aufgrund unvorhersehbarer, neu eintretender Ursachen zu einer weiteren Krise kommt und die Gesellschafter noch aus der ersten Krise Beteiligungen halten, die eine privilegierte Kleinbeteiligung uberschreiten, spricht laut herrschender Meinung vieles dafur, dass die Kredite dann eigenkapitalersetzenden Charakter entfalten. Eine RUckqualifizierung von Darlehen, die bereits aufgrund einer bestehenden Beteiligung als Eigenkapitalersatz qualifiziert waren, ist selbstverstandlich ausgeschlossen.16 Eine weitere Haftungsprivilegierung besteht schlieBlich nach § 24 UBGG (Gesetz iiber Unternehmensbeteiligungsgesellschaften). Danach finden die Regeln des Eigenkapitalersatzes keine Anwendung, sofern ein Gesellschafter einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft einem anderen Unternehmen, an dem die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft ihrerseits beteiligt ist, ein Darlehen gewahrt bzw. eine andere der Darlehensgewahrung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vornimmt. Auf diese Weise konnten Kreditinstitute einem Unternehmen, an dem die bankeigene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft beteiligt ist, unter Umstanden Kredite oder andere wirtschaftliche Hilfen gewahren, ohne sich dem Risiko des Eigenkapitalersatzes auszusetzen. 16 Vgl. BT-Drucksache 13/10038, S.28.
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Voraussetzung hierfur ist jedoch, dass eine Unternehmensbeteiligungsgesellschaft i.S.d. UBGG vorliegt. Das Gesetz differenziert zwischen offenen und integrierten Unternehmensbeteiligungsgesellschaften. Diese Beteiligungsformen unterliegen einer besonderen behordlichen Kontrolle und unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der Anteilsstruktur sowie der Anlagestrategie. Eine offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft darf Wagniskapitalbeteiligungen (gem. § la II UBGG: Aktien, GmbH-Geschaftsanteile, Kommanditanteile, Beteiligungen als Komplementar, Beteiligungen als stiller Gesellschafter i.S.d. § 230 HGB und Genussrechte) an Unternehmen nur erwerben, soweit sie dadurch bei einem Unternehmen nicht mehr als 49 Prozent der Stimmrechte erlangt (§ 4 III UBGG). Daruber hinaus darf die offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft spatestens fiinf Jahre nach ihrer Anerkennung kein Tochterunternehmen mehr sein (§7 1 UBGG). Ein Anteilinhaber darf insoweit nach dem Ablauf dieser Frist nicht mehr als 40 Prozent der Stimmrechte oder des Kapitals der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft halten. Im Gegensatz dazu kann eine integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft dauerhaft als Tochterunternehmen eines Kreditinstitutes gefiihrt werden, da fur sie gem. § 7 VI UBGG weder eine zeitliche Befristung der Beteiligung noch eine Begrenzung vom Umfang der Beteiligung vorgesehen ist. Diese Beteiligungsform kommt insofern fiir Konzerntochterunternehmen von Banken und Sparkassen vorrangig in Betracht. Fiir die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft gelten jedoch strengere Vorschriften in Bezug auf die Anlagestrategie. Gem. § 4 IV, 1 UBGG darf sie nur Wagniskapitalbeteiligungen an Unternehmen erwerben, bei denen mindestens einer der zur Geschaftsfiihrung berechtigten Gesellschafter eine natiirliche Person ist, die mit mindestens 10 Prozent an den Stimmrechten des Unternehmens beteiligt ist (damit ist z.B. eine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG, bei der keine natiirliche Person Komplementar ist, ausgeschlossen). Ferner mussen Mehrheitsbeteiligungen vor Ablauf eines Jahres so zuruckgefiihrt werden, dass die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft nicht mehr als 49 Prozent der Stimmrechte halt (§ 4 IV, 2 UBGG). Sowohl fiir die offene als auch fiir die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft gelten gewisse Anlagegrenzen in Bezug auf die eigene Bilanzsumme (§ 4 I, II, V, VI UBGG). Daruber hinaus diirfen auch Darlehen nur in begrenzter Hohe gewahrt werden (§ 4 VII UBGG). Diesen Restriktionen stehen jedoch auch steuerliche Vergunstigungen gegeniiber. So sind UBGs insbesondere von der Gewerbe- und Vermogenssteuer befreit (gem. § 3 GewStG bzw. § 3 VStG). Trotz der gegebenen rechtlichen Moglichkeiten zur Beteiligung an einem Krisenunternehmen sollten solche Sanierungshilfen nach Auffassung der Autoren. auf absolute Einzelfalle beschrankt bleiben. Dies gilt umso mehr, als dass zukiinftig keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass entweder rechtliche Rahmenbedingungen verandert werden oder durch die unternehmerische Beteiligung das Risiko erhoht wird, aus weiteren 189
Tatbestanden in die Haftung genommen zu werden.17 Dabei ist rechtlich zu berucksichtigen, dass die Beseitigung einer Uberschuldung sowie die Starkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals auch auf anderen Wegen - z.B. durch Rangrucktrittserklarungen oder die Gewahrung eigenkapitalahnlichen Fremdkapitals - darstellbar ist. Oft wird zudem das Risiko des Darlehensverlustes unterschatzt, wenn ein Kreditinstitut dem Gesellschafter selbst das Darlehen gewahrt und der Gesellschafter den Betrag seinerseits als Darlehen an die Gesellschaft weitergibt. In einem solchen Fall ist zwar unmittelbar nur das Darlehen des Gesellschafters an die Gesellschaft den Kapitalersatzregeln unterworfen. Dies kann jedoch zur Folge haben, dass auch der Gesellschafter selbst zahlungsunfahig wird und daher das ihm gewahrte Darlehen nicht vereinbarungsgemaB zuriickfiihren kann. In derartigen Fallen sollte das Kreditinstitut die Bonitat des Kunden auch unter der Bedingung priifen, dass die Gesellschaft insolvent wird und nur die sonstigen Vermogenswerte des Kunden als Sicherheiten zur Verfugung stehen. Hierbei sind - wegen der Eigenkapitalersatzregeln - gerade die Biirgschaften sowie Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu priifen. AuBerdem ist auch fur den Fall der indirekten Kreditvergabe iiber den Gesellschafter oder sonstige Dritte nach herrschender Meinung ein positives Sanierungsgutachten notwendig, um den Vorwurf der sittenwidrigen Kreditvergabe gegeniiber den beteiligten Kreditinstitute zu vermeiden. Wird der Gesellschafter im Verlauf einer spateren Insolvenz aus seinen Biirgschaften durch den Sicherungsnehmer nicht in Anspruch genommen, wird dies der Insolvenzverwalter nachholen (eigenkapitalersetzende Burgschaftsstellung).18 Ebenso wird der Insolvenzverwalter vom Gesellschafter alle diejenigen Betrage zuriickverlangen, die diesem seit dem Ausbruch der Krise, mindestens aber innerhalb des letzten Jahres vor Antrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens in Form von Mieten fiir Immobilien, Maschinen und Ahnliches (eigenkapitalersetzende Gebrauchsiiberlassung) zugeflossen sind.19 Dies gilt vor allem, wenn ein Dritter in der Krisensituation dies nicht mehr geduldet hatte.20 Ein Anspruch auf Ubertragung des zur Nutzung iiberlassenen Gegenstandes zu Gunsten der spateren Insolvenzmasse kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Sollten die Vermogensgegenstande der den Gesellschafter finanzierenden Bank sicherungshalber ubereignet sein, wird deren Sicherungswert allerdings dadurch eingeschrankt, dass der Insolvenzverwalter berechtigt ist, das Nutzungsrecht weiter auszuiiben, wobei die vorinsolvenzlichen vertraglichen Regelungen greifen. Die Regelungen zur nicht vollzogenen Kundigung stehen gelassener Darlehen sind auf nicht gekiindigte Nutzungsiiberlassungsvertrage analog anzuwenden.
17 18 19 20
Z.B. aus „faktischer Geschaftsfiihrung", „Glaubigerbenachteiligung" u.a. Vgl. BGH v. 25.11.1985 - WM 1986, S. 447. Vgl. § 135 (2) InsO. Vgl. OLG Karlsruhe v. 29.03.1996 - 15 U 39/95 — EWIR § 30 GmbH-Gesetz 2/96, S. 553.
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11.1.2 Quasi-Gesellschafterhaftung Die Regeln zum Eigenkapitalersatz kommen grundsatzlich dann zur Anwendung, wenn der jeweilige Kreditgeber als Gesellschafter am Krisenunternehmen beteiligt ist. Die Rechtsprechung hat jedoch die Regeln iiber den Eigenkapitalersatz auf solche Falle ausgedehnt, in denen das Kreditinstitut die Geschaftsfuhrung des Kreditnehmers faktisch entmachtet und maBgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen ausiibt. In einem solchen Fall ubernimmt das Kreditinstitut eine gesellschafterahnliche Verantwortung fiir die nachhaltige Finanzierung des Unternehmens und muss daher die Regeln des Kapitalersatzrechtes gegen sich gelten lassen; dies gilt vor allem, wenn es sich zuvor die Geschaftsanteile am Krisenunternehmen hat verpfanden lassen.21 Vor diesem Hintergrund miissen die maBgeblichen Entscheidungen im Unternehmen nach wie vor durch die Gesellschafter getroffen werden. Im Regelfall liegt gerade hierin ein Problem, da viele Unternehmen aufgrund von Managementfehlern auf Gesellschafterebene in Schwierigkeiten geraten sind. In solchen Fallen ist es haufig unausweichlich, das Managament abzulosen und insoweit entsprechenden Einfluss auszuuben. Dabei wird jedoch die Meinung der Gesellschafter selbst zu respektieren sein. Insofern kann allein Uberzeugungsarbeit zum Ziel ftihren. Da im Falle eines Scheiterns der Sanierung Gesellschafter haufig gegen das Kreditinstitut opponieren, ist zu empfehlen, die Art und Weise der (sanften) Einflussnahme zu dokumentieren. Quasi-Gesellschafter-Haftung - ein Beispiel: Eine Bank stellt in ihren Geschaftsraumen den damaligen Geschaftsfuhrer des Schuldnerunternehmens ultimativ vor die Alternative, entweder das Kreditengagement sofort zu beenden oder aber eine Unternehmensberatung als Krisenmanagerin zu beauftragen; der Inhaber dieser Unternehmensberatung wartet bereits in einem Hinterzimmer. Am selben Tag verlangt die Bank von dem Geschaftsfuhrer, der Unternehmensberatung umgehend einen Auftrag zu erteilen, Aufstellungen iiber Debitoren, Kreditoren, Auftragsbestand und Barbestand bereitzustellen, eine Verpflichtungserklarung abzugeben, dass nur betriebsnotwendige Zahlungen geleistet werden, kunftige Gesellschafterversammlungen mit dem Inhaber der Unternehmensberatung durchzufuhren und die kaufmannische Leitung dariiber zu informieren, dass der Unternehmensberatung Vollmacht zur Weisungsbefugnis erteilt sei. Die Unternehmensberatung kontrolliert in der Folgezeit durch ihre Mitarbeiter den gesamten Zahlungsverkehr des Schuldnerunternehmens mit der Bank und fiihrt durch umfangreiche Verkaufe der Warenvorrate innerhalb eines Monats das Kreditengagement der Bank um 1,3 Mio. Euro zuriick. Die Tatigkeit der Unternehmensberatung mundet schlieBlich in eine von den Gesellschaftern zu unterzeichnende Verpflichtungserklarung, in der sich diese zur Abberufung des bisherigen Geschaftsfuhrers unter Aufhebung des Anstellungsvertrags und zur Be21 Vgl. BGH - NJW 1992, S. 3036.
191
stellung eines neuen, von der Unternehmensberatung auszusuchenden Geschaftsfiihrers und eines aus drei Mitgliedern bestehenden Beirats verpflichten muss, wobei die Bank berechtigt ist, ein Mitglied des Beirats unmittelbar zu benennen, und zudem der Benennung des dritten Mitglieds zuzustimmen hat.
11.1.3 Haftungsrisiken aus Glaubigergefahrdung Die nachfolgend erlauterten Tatbestande werden in der Literatur und Praxis hochst unterschiedlich zusammengefasst und strukturiert. Bei der Analyse eines Sachverhaltes kommt es insofern in erster Linie darauf an, den jeweiligen Krisenfall in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu bewerten. Insofern sind die einzelnen Tatbestande nur als idealtypische Einzeldarstellung des jeweiligen Problemfeldes zu verstehen. Im „wirklichen Leben" sind die Sachverhalte zumeist so angelegt, dass mehrere Tatbestande gleichzeitig vorliegen. Ob hieraus fur die beteiligten Kreditinstitute tatsachlich Haftungsrisiken erwachsen, hangt letztlich von der Wurdigung des Gesamtzusammenhanges ab. Je mehr und je deutlicher Einzeltatbestande von Kreditinstituten und ihren Mitarbeitern erfiillt werden, desto groBer ist selbstverstandlich das jeweilige Haftungsrisiko. Die Haftungsgefahren sind auf keinen Fall theoretischer Natur. Auch den Autoren sind einige Falle bekannt, in denen spater bestellte Insolvenzverwalter die beteiligten Institute hieraus in Anspruch genommen haben. Dabei ubersteigen mogliche Schadenersatzanspruche nicht selten deutlich die eigentlichen Kreditausfalle. Dies liegt an der Vielzahl der unter Umstanden anspruchsberechtigten Glaubiger (Kreditinstitute, Kreditversicherer, Einkaufsverbande, Vermarktungsverbande, Belegschaft, Finanzverwaltung, Sozialversieherungstrager, Pensionssicherungsvereine und -kassen, Lieferanten, Subunternehmer etc.). 11.1.3.1
Insolvenzverschleppung
Die zur Vertretung berechtigten Organe von Kapital- und haftungsbeschrankten Personengesellschaften (z.B. einer GmbH&Co.. KG, bei der der einzige Vollhafter eine GmbH ist) haben im Falle der Zahlungsunfahigkeit und der Uberschuldung der Gesellschaft die Pflicht, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, miissen sie nicht nur strafrechtliche Konsequenzen befiirchten, sie sind dariiber hinaus zivilrechtlich den Gesellschaftsglaubigern auch zum Ersatz des ihnen entstehenden Schadens verpflichtet. Eine Schadenersatzpflicht tritt auch bei einer Einzelfirma oder einer Personengesellschaft mit naturlichen Personen als unbeschrankt haftender Gesellschafter ein, wenn aufgrund vorsatzlich verspateter Verfahrenseinleitung andere Glaubiger geschadigt wurden, obwohl fur diese Gesellschaftsformen eine Insolvenzantragspflicht nicht besteht. Gleichwohl sind sie insolvenzfahig. Der Schadenersatzanspruch entsteht dadurch, dass die Vermogenslage der Gesellschaft sich weiter verschlechtert und die Glaubiger ihre Forderungen in einem verspatet eroff192
neten Insolvenzverfahren in geringerem Umfang erfullt erhalten, als dies bei rechtzeitiger Antragstellung der Fall gewesen ware. Glaubigern, denen nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht Forderungen entstanden sind, ist sogar der gesamte Ausfall zu ersetzen. Die gleichen Ersatzpflichten treffen auch den faktischen Geschaftsfuhrer, also denjenigen, dem das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft die Geschaftsfiihrung rein tatsachlich uberlassen hat. Banken sind regelmaBig nicht als faktischer Geschaftsfuhrer in diesem Sinne tatig. Dies gilt zumindest solange, wie sie fur ihren Kunden keine Wirkung nach auBen entfalten, indem sie den Zahlungsverkehr disponieren, an Betriebsversammlungen teilnehmen, mit den Hauptkunden und -lieferanten verhandeln etc. Eine zunehmende Kumulation von Einzelsachverhalten erhoht in diesem Zusammenhang das Risiko. Kreditinstitute konnen grundsatzlich als Anstifter oder Gehilfen an einer Insolvenzverschleppung beteiligt sein. In einem solchen Fall trifft sie die Pflicht zum Ersatz des entstandenen Schadens ebenso wie den Tater selbst.22 Dabei ist hervorzuheben, dass bereits eine psychische Unterstiitzung des eigentlichen Taters von der Rechtsprechung als Beihilfe in diesem Sinne angesehen wird. Allerdings ist hierzu erforderlich, dass die Bank die Umstande der Insolvenzantragspflicht kannte und trotzdem durch ihre Handlungsweise die Schadigung von Glaubigern in Kauf genommen hat. In der Praxis zeigt sich, dass die Anforderungen an diese Voraussetzungen nicht allzu hoch gesteckt werden. Die mogliche Haftung aus Beihilfe zur Insolvenzverschleppung ist durch die Beseitigung der Insolvenzgrunde und damit der Insolvenzantragspflichten zu vermeiden. Dies muss vor Beginn aller weiteren SanierungsmaBnahmen geschehen. Erst wenn feststeht, dass eine Insolvenzantragspflicht nicht mehr besteht, ist ein Sanierungskredit zuzusagen und auszuzahlen. Hierzu benotigen die Kreditinstitute insbesondere die Vorlage eines schlussigen, von einem unabhangigen und branchenkundigen Wirtschaftsfachmann erstellten Sanierungsgutachtens. Steht bereits vor dem Gutachten fest, dass eine Sanierungsfahigkeit des Krisenunternehmens im Grunde verneint werden muss, ist auch kein Uberbriickungskredit fur den Zeitraum der Gutachtenerstellung zu gewahren.23 Bei Gewahrung eines unzureichenden Kredites, also insbesondere eines Darlehens, dessen Umfang nicht geeignet ist, die aktuelle oder drohende Zahlungsunfahigkeit zu vermeiden, droht ebenfalls der Tatbestand der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung24, vor allem wenn das Kreditinstitut in dieser Phase riicksichtslos und eigenmitzig seine eigene rechtliche und wirtschaftliche Stellung auf Kosten anderer Glaubiger verbessert.25
22 Vgl. § 830IIBGB. 23 Vgl. BGH - IIZR 118/77 - WM 1997, S. 878; BGH - IIZR 109/84 - WM 1986, S. 2. 24 Vgl. OLG Koln v. 27.02.1981 - WM 1991, S. 1238, sowie OLG Dusseldorf v. 14.07.1981 - WM 1981, S. 960 und BGH v. 26.11.1979 - WM 1980, S. 78. 25 Vgl. BGH, Urteil v. 9.7.1979, S. 878.
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11.1.3.2 Eigennutziger Sanierungskredit Ein weiteres Risiko bei der Kreditgewahrung an Krisenunternehmen wird unter dem Stichwort „eigennutziger Sanierungskredit" zusammengefasst. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Kreditinstitut, das einem insolvenzreifen Unternehmen ein Darlehen gegen Sicherheitsleistung gewahrt, moglicherweise dazu beitragt, dass Dritte iiber die Kreditwiirdigkeit des Unternehmens getauscht werden und hierdurch einen Schaden erleiden. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die von dem Kreditinstitut in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Darlehensvertrage sittenwidrig und daher nichtig, sofern nicht zuvor eingehend die Sanierungsfahigkeit des Unternehmens uberpriift worden ist. Dies gilt parallel fur die mit der Kreditvergabe im Zusammenhang stehenden Sicherungsvereinbarungen. Wird ein konkreter Schaden durch Glaubiger nachgewiesen, besteht eine Schadenersatzpflicht des Kreditinstitutes gegeniiber den Glaubigern aufgrund sittenwidriger Schadigung.26 In der Vergangenheit wurden die Regelungen zum eigenniitzigen Sanierungskredit lediglich auf Falle der Uberschuldung angewendet. Es ist jedoch nicht auszuschlieBen, dass auch bei Zahlungsunfahigkeit oder sogar drohender Zahlungsunfahigkeit entsprechendes gilt. Vermeidbar sind derartige Risiken dadurch, dass vor Vergabe von Darlehen die Sanierungsfahigkeit eingehend uberpriift wird. Wird ein Sanierungskredit nicht mit ernsthafter Sanierungsabsicht, sondern nur mit dem Ziel gewahrt, den Zusammenbruch des Unternehmens hinauszuschieben und sich hierdurch Vorteile zu verschaffen, so beinhaltet dieses Verhalten eine sittenwidrige Tauschung anderer Glaubiger und fiihrt zu den aufgezeigten Schadenersatzanspruchen. Um dahingehende Risiken zu minimieren, ist die Sanierung durch intensive Kontrollen seitens der Bank zu begleiten. 11.1.3.3 Schuldnerknebelung Als Schuldnerknebelung bezeichnet man ein Verhalten des Kreditgebers, das im Ergebnis dazu fiihrt, Umgehung des Kostenbeitrages durch Bestellung eines Pfandrechts an Forderungen gegen GroSkunden des Kreditnehmers (Nachteil: Anzeige der Verpfandung bei jeder Rechnungslegung)
Abbildung 57: Verwertung von Forderungen Steht die Verwertung allein dem Glaubiger zu, so ist dies mit dem Zeitpunkt der Eroffnung des Insolvenzverfahrens moglich. Die gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen des Sicherungsvertrages sind dabei zu beachten. Fur die Verwertung kann dem Glaubiger durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters eine Frist zur Verwertung gesetzt werden, nach deren Ablauf das Verwertungsrecht auf den Insolvenzverwalter ubergeht. Bei der eigenhandigen Verwertung sind an die Insolvenzmasse keine Kostenbeitrage fur die Feststellung und Verwertung zu leisten. Mochte der Glaubiger die Verwertung nicht in eigener Hand durchfiihren, kann er mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung zur Verwertung treffen, wird diesen aber dann an dem Verwertungserlos beteiligen mlissen. Der Verwertungserlos gebiihrt in der Hohe der besicherten Forderung dem Glaubiger. Auf den Vorrang des verlangerten Eigentumsvorbehalts gegeniiber der Zession sei hier nochmals hingewiesen. Ubersteigende Betrage sind an die Insolvenzmasse herauszugeben. Reicht der Erlos nicht zur Befriedigung der Forderung, so kann der Differenzbetrag als Insolvenzforderung nach § 52 InsO geltend gemacht werden.
15.4 Verwertung von Immobilien Der grundsatzliche Zwiespalt zwischen Erhalt der Fortftihrungsmoglichkeiten und Starkung der Rechte der Glaubiger wird insbesondere im Zusammenhang mit der Verwertung von Grundbesitz im Insolvenzfall deutlich. So besitzen nach der InsO absonderungsberechtigte Glaubiger ein Stimmrecht in der Glaubigerversammlung (und dazu zahlen die Inhaber von Grundpfandrechten an Immobilien), gleichzeitig aber sind die rechtlichen Moglichkeiten des Insolvenzverwalters, etwaige Antrage auf Zwangsvollstreckung oder Zwangsverwaltung von Immobilien des betroffenen Unternehmens einstweilig einstellen oder aufheben zu lassen, sehr vielfaltig, um die Befriedigung der Glaubiger aus der Unternehmensfortfuhrung zu gewahrleisten. So kann ein solcher Einstellungsantrag bereits vom vorlaufigen Insolvenzverwalter gestellt werden, wenn dieser glaubhaft machen kann, dass die Einstellung zur Vermeidung 271
nachteiliger Veranderungen in der Vermogenslage des insolventen Schuldners erforderlich ist. Aufgrund dieser Vorgaben wird der Insolvenzverwalter und auch bereits der vorlaufige Insolvenzverwalter haufig eine Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens erreichen konnen. Daraus konnen sich fiir die an einer schnellen Verwertung der Immobilie interessierte Bank teils erhebliche Verzogerungen ergeben, denn grundsatzlich ist davon auszugehen, dass eine Zwangsversteigerung des Immobilienbesitzes einer insolventen Firma die Fortfuhrung des Unternehmens unmoglich machen wird. Die sich aus dieser hier kusorisch umrissenen Sachlage ergebenden Konsequenzen fiir die Verwertungsstrategien von Immobilien werden im Folgenden detaillierter analysiert sowie die Vor- und Nachteile moglicher Verhaltensoptionen fiir Banken erortert.
15.4.1 Auswirkung des Insolvenzverfahrens auf die Verwertung Der vorlaufige Insolvenzverwalter hat das Vermbgen des Schuldners zu erhalten und zu sichern. Ihm obliegt es daher auch zu verhindern, dass Glaubiger von ihren Aus- und Absonderungsrechten schon vor der Verfahrenseroffnung Gebrauch machen. Deshalb wird er in aller Regel versuchen, Zwangsversteigerungen oder Zwangsverwaltungen von Immobilien des Schuldnerunternehmens einstweilig einstellen zu lassen. Bei gewerblich genutzten Grundstiicken besteht fiir den Insolvenzverwalter nach § 30d ZVG die Moglichkeit, einen Zwangsvollstreckung einstweilig einstellen zu lassen. Dieses ist moglich, wenn S im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 Abs.l Nr. 1 InsO noch bevorsteht, % das Grundstiick nach dem Ergebnis des Berichtstermins im Insolvenzverfahren fiir eine Fortfuhrung des Unternehmens oder fiir die Vorbereitung der VerauBerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenstanden benotigt wird, Sif durch die Versteigerung die Durchfuhrung eines vorgelegten Insolvenzplans gefahrdert wiirde oder -h in sonstiger Weise durch die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wiirde. Nach § 30 Abs. 4 ZVG besitzt auch ein vorlaufiger Insolvenzverwalter die Moglichkeit, die Zwangsversteigerung einstellen zu lassen, wenn er glaubhaft machen kann, dass die einstweilige Einstellung zur Verhutung nachteiliger Veranderungen in der Vermogenslage des Schuldnerunternehmens erforderlich ist - was in der Regel erfolgreich durchgefiihrt werden kann.
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Dieser Antrag auf einstweilige Einstellung ist nicht an Fristen gebunden und kann selbst dann noch gestellt werden, wenn die Bank schon vor der Insolvenz ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet hat. Sowohl im Antragsverfahren, aber insbesondere nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens sind also erhebliche Einschrankungen beziiglich der Verwertungsmoglichkeiten fiir Grundpfandglaubiger zu konstatieren. Wird dem Antrag auf Einstellung stattgegeben, ist nach § 30e ZVG jedoch anzuordnen, dass dem Kreditinstitut fiir die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Falligkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Fiir den Fall, dass das Versteigerungsverfahren schon vor der Eroffnung des Insolvenzverfahrens nach § 30d Abs. 4 ZVG eingestellt worden ist, ist die Zahlung von Zinsen spatestens von dem Zeitpunkt anzuordnen, der drei Monate nach der einstweiligen Anordnung liegt. Wird das Grundstiick durch den Verwalter weiter genutzt, so wird das Gericht auf Antrag des Instituts als Auflage anordnen, dass der entstehende Werteverlust von der Einstellung des Versteigerungsverfahrens an durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse auszugleichen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn nach Hohe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstiicks nicht mit einer Befriedigung aus dem Versteigerungserlos zu rechnen ist. Im eroffneten Verfahren wird dem Verwalter nach § 153b ZVG die Moglichkeit gegeben, ein Zwangsverwaltungsverfahren ganz oder teilweise einstellen zu lassen, wenn er glaubhaft machen kann, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird. In diesem Fall ist den Glaubigern ein Ausgleich fiir etwaige Nachteile aus der Einstellung des Verfahrens aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Fiir den Fall einer Betriebsaufspaltung und einer damit haufig einhergehenden eigenkapitalersetzenden Nutzungsiiberlassung hat der Bundesgerichtshof5 entschieden, dass die Zwangsverwaltung Vorrang vor kapitalersetzender Nutzungsiiberlassung in der Insolvenz hat. Somit folgt, dass im Falle einer Beschlagnahmung nach den §§ 1123, 1124 BGB der Zwangsverwalter selbst dann Miet- und Pachtanspriiche hat, wenn eine eigenkapitalersetzende Nutzungsiiberlassung in der Insolvenz vorliegt. Auf der Basis dieser Entscheidung werden sich Kreditinstitut und Insolvenzverwalter in der Regel auf eine so genannte „kalte Zwangsverwaltung" einigen konnen, wenn die Bank Grundpfandglaubiger der Immobilie ist, fiir die eine solche eigenkapitalersetzende Nutzungsiiberlassung besteht. Unter Androhung einer Zwangsverwaltung schlieBt die Bank oder Sparkasse mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung, aus der hervorgeht, dass auf die Zwangsverwaltung verzichtet wird, das Kreditinstitut allerdings so gestellt wird, wie es durch eine Zwangsverwaltung gestellt sein wiirde.
5 BGH, Urteil v. 7.12.1998 Zeichen IIZR 382/96.
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Kommt es nicht zu einer solchen Vereinbarung, gilt die MaBgabe, fur eine schnellstmogliche und rechtzeitige Einleitung eines Zwangsverwaltungsverfahrens zu sorgen.
15.4.2 Voraussetzungen fur die Verwertung Als erste Voraussetzung einer Verwertung ist das wirksame Bestehen bzw. die wirksame Begriindung eines Grundpfandrechtes zu sehen. Nach der Eroffnung des Insolvenzverfahrens konnen Rechte an den Gegenstanden der Insolvenzmasse nicht mehr wirksam erworben werden. Deshalb muss das Grundpfandrecht bereits zum Zeitpunkt der Eroffnung des Insolvenzverfahrens wirksam begriindet gewesen sein. Ist die Einigung iiber die Grundschuldbestellung bindend geworden und der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt eingegangen, hindert der nachfolgende Insolvenzeintritt die Entstehung der Grundpfandrechte nicht (§ 91 Abs. 2 InsO). Bei nicht rechtzeitiger Antragstellung kann ein Glaubiger ein Grundpfandrecht gutglaubig erwerben, wenn er zum Zeitpunkt, zu dem der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt eingeht, keine Kenntnis von der Eroffnung des Insolvenzverfahrens hatte und der Insolvenzvermerk im Grundbuch noch nicht eingetragen war (§ 892 BGB, § 81 Abs.l InsO). Dariiber hinaus ist der Umfang des Grundpfandrechtes festzustellen und abzugrenzen. Uber den Umfang des Absonderungsrechts hinsichtlich des Zubehors entstehen haufig Konflikte mit dem Insolvenzverwalter.6 Die Zubehoreigenschaft ist geregelt in §§ 1120, 97, 98 BGB. Da die gesetzliche Formulierung sehr allgemein und abstrakt gehalten ist, kann es in bestimmten Fallen Streitigkeiten iiber die Zubehoreigenschaft geben. Dieser Punkt ist fur Verwalter und Grundpfandglaubiger von Bedeutung, da der Erlos aus der VerauBerung von Zubehor des haftenden Grundstiicks unter der Voraussetzung des § 1121 BGB (VerauBerung und Entfernung vor Beschlagnahme) in die Masse entfallt und somit nicht an den Grundpfandglaubiger. Wird zum Beispiel Grundsttickszubehor nach einer Betriebsstilllegung verauBert, ist die Zubehoreigenschaft mit Betriebsstilllegung aufgehoben, weil die Zweckbestimmung auf Dauer entfallt. Die Inventarstiicke scheiden damit jedoch nicht grundsatzlich aus dem Haftungsverband des Grundpfandrechts aus, da eine VerauBerung innerhalb der Grenzen einer ordnungsmaBigen Wirtschaft bei einer Betriebsstillegung nicht gegeben ist. Verfugt der Insolvenzverwalter nicht innerhalb der Grenzen der ordnungsmaBigen Wirtschaft, handelt er dem Grundpfandglaubiger gegeniiber rechtswidrig (§ 1135 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB). Daher steht der so erzielte Erlos dem Absonderungsberechtigten zu. Entsprechend der Regelung iiber die pauschalen Kostenbeitrage in § 171 InsO sieht auch § 10 Abs. 1 Nr. la ZVG vor, dass im Fall der Zwangsversteigerung eines Grundstiicks 6 Vgl. Lauer, Jorg: Die Bank in der Kundeninsolvenz, 2., S. 78 f.
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der Insolvenzmasse diejenigen Kosten zu erstatten sind, die durch die Feststellung des mithaftenden Grundstuckszubehbrs entstehen. Die Pauschale betragt 4 Prozent des Verkehrswertes der Mobilien. Selbst wenn die Fragen zum Entstehungszeitpunkt und zum Umfang des Grundpfandrechts geklart sind, folgt daraus nicht automatisch, dass die Bank als absonderungsberechtigte Glaubigerin die Zwangsvollstreckung oder -verwaltung nunmehr durchfuhren kann. Zum einen hat der Insolvenzverwalter selbst nach § 165 InsO die Moglichkeit, beim zustandigen Gericht selbst die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung der Immobilie zu beantragen, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht. In soweit konnte dann er und nicht das Kreditinstitut die Verwertung betreiben. Zum anderen gibt es ftir den Vewalter die bereits dargestellten Moglichkeiten, etwaige Zwangsversteigerungen und -Verwaltungen einstweilig einstellen zu lassen, um eine Unternehmensfortftihrung sicherzustellen.
15,5 Handlungsalternativen der Bank 15.5.1 Voruberlegungen Die Verwertung von Immobilien ist regelmaBig abhangig von der Marktlage und der Ertragskraft des betreffenden Objekts. Um die VerauBerbarkeit der Immobilie zu ermoglichen oder verbessert darzustellen, ist zu priifen, ob vor einem Verkauf die Mietertrage steigerbar sind. Bei Wohnungseigentum ist eine GesamtverauBerung des Objekts gegen eine TeilverauBerung in einzelnen Einheiten abzuwagen. Wird die Finanzierung eines Portfolios notleidend, konnen zu sanierende Objekte in eine Auffanggesellschaft eingebracht werden mit dem Ziel, sie zu revitalisieren, sie durch gesteigerte Ertrage entsprechend aufzuwerten und anschlieBend bestmoglich zu verauBern.
15.5.2 Absonderungsberechtigung und ihre Konsequenzen Absonderungsberechtigte Glaubiger werden in der Regel weniger Interesse an der Ausschopfung samtlicher Verfahrensmoglichkeiten der Unternehmensfortfiihrung haben als die Insolvenzglaubiger. Wahrend die absonderungsberechtigten Grundpfandglaubiger ein verstarktes Interesse an der Verwertung ihrer Sicherheiten haben diirften, sind die Insolvenzglaubiger regelmaBig verstarkt an der Fortfiihrung des betroffenen Unternehmens interessiert, soweit dadurch die Insolvenzmasse angereichert werden kann, da auf diese Weise die Quote ihrer Befriedigung (tendenziell) steigen wird.
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Absonderungsberechtigte Glaubiger sind neben den in § 49 InsO erfassten Grundpfandglaubigern aber auch die Glaubiger mit Pfandrechten an Gegenstanden der Insolvenzmasse. Soweit diese Glaubiger auch eine personliche Forderung gegen den Schuldner haben, haftet ihnen die Masse iiber die Duldung der Befriedigung aus dem ihnen verhafteten Gegenstand hinaus nach § 52 InsO anteilig auch auf Ersatz eines moglichen Ausfalls, den sie bei Verwertung des Gegenstandes erleiden. Sie sind deshalb auch Insolvenzglaubiger. In der Regel ist die Bank durch Grundpfandrechte besichert, das heiflt sie ist absonderungsberechtigt nach § 49 InsO. Die absonderungsberechtigten Glaubiger mussen im Falle der Bertriebsfortfuhrung zwecks VergroBerung der Masse fiir die Insolvenzglaubiger ihr Sicherungsgut iiber einen langeren Raum der Masse zur Verfugung stellen. Trotz der Tatsache, dass ihnen in diesem Fall Ausgleichszahlungen zustehen, sollte ihr Bestreben darin liegen, die Fortfuhrung des Betriebs ziigig zu beenden, wenn feststeht, dass ihnen aus der andauernden Fortfuhrung keine weiteren Vorteile erwachsen, da erst dann eine Verwertung ihres Sicherungsgutes moglich ist.
15.5.3 Vollstreckungsversteigerung Um eine Zwangsvollstreckung beantragen zu konnen, mussen eine Reihe von Voraussetzungen erfullt sein. So ist fiir die Beantragung ein vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich. Hierfiir kommt ein dinglicher Titel, wie zum Beispiel Eintragung einer Grundschuld, einer Hypothek oder einer Reallast in Frage. Dieser Titel gibt dem Glaubiger einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung. Moglich ist auch ein personlicher Titel, zum Beispiel ein Vollstreckungsbescheid (§ 699 ZPO), ein Prozessvergleich (§794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder eine vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Bevor eine Bank aus einem fiir sie eingetragenen Grundpfandrecht die Zwangsversteigerung beantragen kann, muss die durch das Grundpfandrecht gesicherte personliche Forderung fallig sein. Im Rahmen eines Darlehens beispielsweise, zu dessen Sicherung der Grundbucheintrag vorgenommen wurde, muss (bei Ausbleiben der Ratenzahlung) zunachst das Darlehen gekundigt werden, bevor die Zwangsvollstreckung beantragt werden kann. Das wird im Rahmen eines Insolvenzverfahren allerdings regelmaBig der Fall sein. Daruber hinaus bedarf es eines entsprechenden Antrags des Kreditinstituts, der Durchfiihrung des Klauselverfahrens und der Zustellung an den Schuldner. Betreibt bereits ein anderer Glaubiger die Vollstreckung und sind die Voraussetzungen fiir einen Antrag auf Zwangsversteigerung gegeben, sollte die Bank dem bereits betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren beitreten. Fiir den Beitrittsantrag gelten dieselben Voraussetzungen wie fiir den Anordnungsantrag. Dem Glaubiger, dessen Beitritt zuge276
lassen ist, stehen dieselben Rechte zu, als wenn auf seinen Antrag die Versteigerung angeordnet worden ware.
15.5.4 Zwangsverwaltung Im Zwangsverwaltungsverfahren bleibt dem Schuldner im Gegensatz zum Zwangsversteigerungsverfahren das Eigentum erhalten, es entzieht dem Schuldner aber die Verwaltung und Nutzung des Grundstiicks. Die Befriedigung des Glaubigers wird aus der Nutzung des Grundstiicks vorgenommen. Die Voraussetzungen fiir die Beantragung einer Zwangsverwaltung sind die Gleichen wie im Falle der Zwangsversteigerung, das heiBt Titel, Klausel, Zustellung und fallige Forderung. Die Wirksamkeit der Zwangsverwaltung und Beschlagnahme des Grundstiicks erfolgt nach Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner und Eingang des Ersuchens um Eintragung des Zwangsverwaltungsvermerks in das Grundbuch. Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist giiltig bis zu seiner Aufhebung durch das Gericht. Es erfolgt die Beschlagnahme samtlicher mithaftenden Gegenstande - im Gegensatz zur Zwangsversteigerung, bei der nur die Beschlagnahme des Grundstiicks und des Zubehors erfolgt. Grundsatzlich ist die Zwangsverwaltung natiirlich nur dann eine Option, wenn das Grundstiick vermietet ist und entsprechende Mietertrage generiert, denn nur dann wird eine Befriedigung der Anspruche aus den Mietertragen moglich sein. Des Weiteren sollte sie aber auch in den Fallen in Betracht gezogen werden, in denen die Bank als Grundpfandglaubigerin ein Interesse an der Erhaltung des Gebaudes haben muss, zum Beispiel bei leer stehenden Gebauden. Wesentlich haufiger als die Durchfuhrung einer Zwangsverwaltung ist die bereits angesprochene „kalte Zwangsverwaltung". Dies ist eine Vereinbarung zwischen dem (vorlaufigen) Insolvenzverwalter und dem iiber Grundschulden abgesicherten Kreditinstitut, in der festgelegt wird, von einer Zwangsverwaltung abzusehen und die Mieteinnahmen abzuglich einer geringen Massebeteiligung an das Kreditinstitut auszukehren. Eine solche Vereinbarung beinhaltet meist folgende Punkte: P, Verzicht auf die Beantragung einer Zwangsverwaltung, % Einziehung der Mieteinnahmen durch den Verwalter, is Gegenleistung an die Insolvenzmasse fiir die Einziehung der Mieteinnahmen (in der Regel ca. 5 Prozent der Nettokaltmiete), •€ Auskehrung der verbleibenden Mieteinnahmen an das Kreditinstitut, # Regelung der Verrechnung von Instandhaltungs- und Reparaturkosten mit den auszukehrenden Mieteinnahmen sowie Festlegung von Hochstbetragen, 277
• • •
Vereinbarung einer spateren freihandigen Verwertung, Kostenbeitrage bei freihandiger Verwertung, Fortsetzungsklausel fiir das eroffnete Verfahren, falls eine Vereinbarung bereits im Antragsverfahren zustande gekommen ist.
In der Regel wird der Insolvenzverwalter dariiber hinaus versuchen zu vereinbaren, dass die Mieteinnahmen fiir den Zeitraum, der bis zur Einleitung einer Zwangsverwaltung vergehen wiirde, vollstandig der Masse zuflieBen. Durch eine solche Vereinbarung wird sich in der Regel fiir beide Seiten eine wirtschaftlich sinnvolle Regelung erreichen lassen.
15.5.5 Freihandige VerauBerung In den meisten Fallen erfolgt die freihandige VerauBerung eines belasteten Grundstiicks auf der Basis einer Verwertungsvereinbarung zwischen Grundpfandglaubigern und Insolvenzverwalter. Im Rahmen dieser Vereinbarung gilt es, hinsichtlich folgender Punkte Einigkeit zu erlangen: ?B den Verwertungsgegenstand (einschlieBlich Belastungen), % die zeitliche Begrenzung der VerauBerung, H die Preisuntergrenze, •H die Erlosverteilung. Bei lastenfreier VerauBerung erfolgt die Verteilung Zug um Zug gegen Abgabe von Loschungsbewilligungen. Das Kreditinstitut hat einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Verkaufserlos. Sind mehrere Glaubiger vorhanden, empfiehlt sich eine Erlosverteilung nach den Rangklassen des § 10 ZVG. Es ist jedoch auch moglich, hiervon abweichende Regelungen zu treffen, M Hohe der Vergutung fiir den Makler und den Insolvenzverwalter, % Anteil des Erloses zur Masse; hieriiber findet sich in der InsO keine Regelung, er ist Verhandlungssache zwischen Glaubiger und Insolvenzverwalter, if Umsatzsteuer; die freihandige VerauBerung bei der Versteigerung eines Grundstiicks ist grundsatzlich nicht umsatzsteuerpflichtig (§ 4 Nr. 4a UStG). Jedoch kann der Insolvenzverwalter nach § 9 UStG den Grundstiickskaufpreis der Umsatzsteuer unterwerfen. Bei der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens ist von Seiten der Bank darauf zu achten, dass solche Verwertungsvereinbarungen ziigig zustande kommen, um zum Teil jahrelange „Hangepartien" zu vermeiden. Die freihandige VerauBerung wird allerdings haufig erschwert durch die Tatsache, dass Glaubiger im Rahmen der Krise eines Unternehmens versuchen, ihre Forderungen durch die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken abzusichern. Hierdurch wird eine freihandige VerauBerung wesentlich erschwert, da die Zustimmung aller Grundbuchglaubiger bei der freihandigen Verwertung notwendig ist. Nachrangige Glaubiger ver278
suchen in diesem Zusammenhang immer wieder, so genannte „Lastigkeitspramien" zu erzielen - das heiBt ihre Zustimmung zur freihandigen Verwertung von der Erfullung eines groBeren Teils ihrer Forderung abhangig zu machen. Ein ahnliches Verhalten ist bei der Gewahrung von Sanierungskrediten zu beobachten, wenn die die neuen Mittel zur Verfugung stellende Bank nachrangige Grundschuldeintragungen auf alle Betriebsimmobilien erhalt. Fiir den Fall des Scheiterns des Sanierungsversuchs wird auch dann versucht, von den erstrangig abgesicherten Glaubigern diese „Lastigkeitspramien" zu erhalten, wenn von den Letzteren eine freihandige Verwertung angestrebt wird. Das Erstreiten einer solchen „Lastigkeitspramie" ist allerdings haufig nicht ohne Risiko moglich. Aus dem Treueverhaltnis zwischen Bank und Schuldnerunternehmen kann sich namlich im Einzelfall die Verpflichtung ergeben, auf eine Sicherheit ersatzlos zu verzichten, wenn sich nur so ein giinstiger Verkauf der Immobilie durchfiihren lasst, der zu einem deutlich besseren Ergebnis als eine mogliche Zwangsverwertung fuhrt. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verweigerung der Zustimmung zur freihandigen Verwertung ohne vorherige Zahlung aller Verbindlichkeiten des Schuldners eine schuldhafte Verletzung nebenvertraglicher Treuepflichten aus bestehenden Kreditvertragen darstellen kann und so auch zu einer Schadenersatzpflicht aus positiver Vertragsverletzung ftihren kann.
15.5.6 Insolvenzantrag zur Vermeidung eines Zwangsversteigerungsverfahrens Wollen Erstranggrundbuchglaubiger eine weitere Belastung der Sicherungsobjekte durch die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken vermeiden, kann auch auf Seiten des Kreditinstituts iiber die Beantragung eines Insolvenzverfahrens nachgedacht werden. Nach dem eventuellen Scheitern von Sanierungsbemuhungen kann die Bank die Kiindigung des Kreditengagements aussprechen und einen Glaubigerantrag stellen. Voraussetzung fiir den Insolvenzantrag durch die Bank ist, dass der Schuldner zahlungsunfahig oder uberschuldet ist, die Bank ein berechtigtes Interesse an der Eroffnung des Verfahrens hat und ihre Forderung sowie den Eroffnungsgrund glaubhaft machen kann. Der Eroffnungsgrund kann zum Beispiel dadurch glaubhaft gemacht werden, dass die Bank betriebswirtschaftliche Zahlen vorlegt, die belegen, dass der Kreditnehmer allein durch die Kundigung des Engagements der antragstellenden Bank zahlungsunfahig im Sinne der InsO ist. Die Voraussetzungen fiir den Insolvenzantrag durften daher von der Bank nachzuweisen sein. Die so genannte Riickschlagsperre bewirkt dann, dass alle im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag eingetragenen Zwangssicherungshypotheken unwirksam werden. Die Zwangssicherungshypotheken, die im zweiten und dritten Monat vor dem Insolvenzantrag eingetragen wurden, konnen durch Anfechtung des Insolvenzverwalters zu Fall gebracht werden.
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Dariiber hinaus gilt gemaB § 88 InsO, dass die Zwangsvollstreckungen fiir einzelne Insolvenzglaubiger wahrend der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht zulassig sind.
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A
C
ABS-Transaktion 152 Absonderungsrechte 266 Akkordstorer 127 Akquisitionskredit 95 Anfechtung 118 Anfechtungsfristen 166 Anfechtungsmoglichkeiten 241 Anfechtungstatbestande 241 Anfechtungsvoraussetzungen 242 Anfechtungswirkung 245 Anlagevermogen 263 Antragsverfahren 235 Asset-Deal 87 Asset Backed Securities 152 Asset Trading Clause 162 Aufrechnung 251
Cashflow-Analyse 88 Closed-shop-Prinzip 206 Collateralised Debt Obligations 153 Controlling 7, 8, 11, 54, 55, 214 Controllingstrategie 55 Credit Default Swaps 153 Credit Linked Note 153 Cut-Off Date 159
B Bankenpool 138, 140 Bargeschaft 117, 119, 121 Barkapitalerhohung 130 Barwert 87 Beirat 197,201 Belegschaft 54 Beratungsgesellschaften 64 Besicherungsalternativen 94 Besserungsschein 39, 125, 126 Beteiligungen 60, 129 Beteiligungsgesellschaften 80 Beteiligungskapital 131 Betriebsimmobilien 279 Betriebsrat 53, 67, 223 Bilanzkennzahlen 11 Bundesanstalt fur Arbeit 230, 233 Business-Plan 80
D Darlehensverzicht 94 Data-Room 86 Deal-Breaker 86 Debitorenmanagement 36, 37 Debt-Equity-Swap 129, 160 Deckung 246, 247, 248, 254 Distressed Debts 149 Due Diligence 84, 86, 156 Duldungskredit 257 Durchschnittsgewinnmethode 88
E Eigenkapital 31, 73, 80 Eigenkapitalersatz 131, 190, 191 Eigenmittel 39 Eigentumsvorbehalt 118, 267, 268 Eigenverwaltung 219, 220, 225 Einkauf 48 Einlagen 30 Einlagenruckgewahrverbot 95 Ertragskrise 5 Ertragswert 87, 88 Ertragswertmethode 87 Ertragswertverfahren 92 ewige Rente 88 281
F Factoring 117 Fahrlassigkeit 201 Fertigungsfluss 50 Fertigungstiefe 50 Financial Covenants 177, 195 Finanzbuchhaltung 55 Finanzierungshilfen 133 Finanzierungsinstrumente 116 Finanzierungsmoglichkeiten 93 Finanzmittel 88 Firm Bids 158 Firmeninsolvenzen 204 Firmenwert 30, 237 Firm Offer 158 Forderungen 30, 117, 268 Forderungsabtretung 167 Forderungserlass 125 Forderungskaufverfahren 230 Forderungsverkauf 117 Forderungsverzicht 75, 78, 124, 130 Forderwege 134 Forfaitierung 117 Fortfuhrungsprognose 29 Fortfuhrungswahrscheinlichkeit 209 Fortfuhrungswert 27 Fremdfinanzierungskosten 131 Fremdkapital 78, 80, 131 Friiherkennung 1, 3, 10, 19 Fruherkennungstreppe 20 Fruhwarnsystem 7, 8 Fuhrungskrafte 51
G Gemeinkosten 45 Genussrechtskapital 132 Geschaftsbereiche 44, 59 Geschaftsfuhrung 173, 179, 189 Gesellschafter 186 Gesellschafterdarlehen 31, 185 Gesellschafterstellung 131 282
Gesellschaftsdarlehen 186 Gesellschaftskapital 95 Gewerkschaften 67 Girovertrag 252, 254, 256 Glaubigerausschuss 214, 215, 216, 218 Glaubigerbenachteiligung 165, 185, 258, 259, 260 Glaubigergefahrdung 185, 192, 198 Glaubigergruppen 224 Glaubigerschutz 240 Glaubigerversammlung 213, 216, 223 Gleichbehandlungsgrundsatz 39 Globalzessionen 118 Goodwill 87 Grundbesitz 271 Grundpfandrechte 245, 264, 271, 274, 276 Grundsttick 277 Grundstuckszubehor 274 Gutachter 174
H Haftungsrisiko 165, 174, 181, 185, 192
I Immobilien 271,272,275 Information 69 Insolvenz 203 Insolvenzantrag 250, 255 Insolvenzantragstellung 166 Insolvenzantragsverfahren 25 Insolvenzeroffnung 252 Insolvenzeroffnungsgriinde 21 Insolvenzforderung 131 Insolvenzgeld 208, 229, 232 Insolvenzgeldvorfinanzierung 229 Insolvenzgericht 208, 216, 236, 264 Insolvenzglaubiger 219 Insolvenzgrund 21, 208 Insolvenzmasse 271, 275 Insolvenzordnung 21, 241 Insolvenzplan 215, 221, 224, 225, 238, 239
Insolvenzplanverfahren 215, 219, 220, 238, 239 Insolvenzstatistik 204 Insolvenzverfahren 203, 205, 211, 214, 232, 238, 241, 272 Insolvenzverschleppung 112, 165, 192, 203, 253 Insolvenzverwalter 206, 211, 214, 232, 241, 253, 271, 272, 278 Institut der Deutschen Wirtschaftspriifer (IDW) 56 Interimsmanager 73 Investitionspool 137 Investor 73, 80
K KalkulationszinsfuB 87 Kapitalbeteiligungen 80 Kapitalbeteiligungsgesellschaften 80 Kapitalerhaltungsvorschriften 95 Kapitalerhohungsbeschluss 129 Kapitalersatzrecht 198 Kapitalersatzregeln 190 Kapitalersetzende Darlehen 260 Kapitalgesellschaften 128 Kapitalschnitt 73, 85, 93, 113 Kaufinteresse 85 Kaufinteressenten 74, 77, 83 Kaufkriterien 47 Kaufpreisfinanzierung 80, 94 Kaufpreisfindung 86, 92 Knebelung 179 Kommunikation 64, 67, 69, 71 Kommunikationsstrategien 67, 71 Kontogutschriften 251 Kontokorrent 255 Kontokorrentkredit 254 Kontokorrentvertrag 252 Konzernhaftung 195 Kooperationen 60 Kostenbeitrage 237 Kostenrechnungssysteme 45
Kreditarten 238 Kreditaufnahme 235 Kreditgeber 38 Kreditkonsortium 138 Kreditkundigung 167 Kreditmanagement 36, 38 Kreditrahmen 239 Kreditunwurdigkeit 186 Kreditversicherer 75, 76, 118, 226 Kreditvertrag 252 Krisenarten 3 Krisenkommunikation 67, 70 Krisenmanagement 2, 34, 64 Krisenmanager 35, 39, 59, 68 Krisensymptome 2, 12 Krisenursachen 5, 43, 174 Krisenwahrnehmung 7 Kundigung zur Unzeit 169
Lagermanagement 36, 37 Lastigkeitspramien 279 Letter of Intent (LOI) 85 Lieferanten 48 Lieferantenanalyse 48 Lieferantenauswahl 49 Liquidation 133, 181 Liquidationskredit 132, 182 Liquidationswert 26, 27, 87 Liquiditat 36 Liquiditatsbedarf 61 Liquiditatskrise 5, 12 Liquiditatsmanagement 35 Liquiditatsplan 61 Liquiditatsplanung 36 Liquiditatsreserven 39 Liquiditatsvorschau 210
M M&A 73 M&A-Berater 74, 77, 84 M&A-Prozess 74
Make-or-buy-Entscheidung 50 Management 3 Management-Buy-In (MBI) 78 Management-Buy-Out (MBO) 78 Managementfehler 6 Marketingstrategie 50 Marktdaten 46 Marktforschung 46 Marktsattigung 8 Marktsituation 47 Massedarlehen 235 Massekostenvorschusses 211 Massekredite 235 Massenentlastung 53 Masseverbindlichkeiten 236 MaBnahmenkatalog 60 Materialkosten 48 Materialwirtschaft 48 Mezzanine-Capital 94 Mindesteigenkapitalausstattung 177 Mitarbeiter 53, 67 Mitarbeiterbefragung 51 Mobiliarsicherheiten 265
N Nachfolgegesellschaft 75, 76 New Economy 2 Nichtigkeit 194 Niederstwertprinzip 268 Non-Performing Loans 149 Notleidende Kreditforderungen 150 NPL-Portfolio 149, 155 NPL-Transaktion 149, 154, 159
o Offentliche Finanzierungshilfen 133 Organisation 55 Organkredit 198 Overhead-Kosten 45
P Pensionsverpflichtungen 31 284
Personalkostensenkung 53 PersonalmaBnahmen 53 Personalstrukturen 52 Personengesellschaften 112, 125 Pfandrecht 245, 266 Pleitewelle 203 Pool-GbR 137 Poolanlasse 137 Poolbank 142 Poolfuhrer 137, 142 Poolfuhrung 139 Poolmitglieder 145 Poolrecht 144 Poolsicherheit 142 Poolvereinbarung 146 Poolverhandlung 141 Poolvertrag 139, 142 Poolvorteile 137 Preis-Leistungs-Verhaltnis 47 Preissteigerung 8 Preisverfall 8 Prioritatsprinzip 267 Privilegierung 238,240 Produktion 49 Produktionsplanung 50 Produktivitat 50 Produktpalette 48 Projektmanagement 60 Prozesskostenrechnung 44 Priifungspflichten 181
Q Qualitatsmangel 50 Quasi-Gesellschafterhaftung 185, 191, 198
R Rangrucktritt 78 Rangrucktrittserklarung 39, 128, 182, 190 Rangrucktrittsvereinbarung 94 Rating 150 Raumsicherungsubereignung 264, 267, 268
Rechnungswesen 54, 55 Regelinsolvenzverfahren 205, 223, 242 Reibungsverlust 137 Residential Retail Loans 157 Restrukturierungskosten 43 Risikoanstieg 1 Risikofruherkennung 10, 19 Risikomanagementsystem 10 Ruckschlagsperre 279 Riickstellungen 31
s Sacheinlage 130 Sachwalter 225 Sanierungsbeitrage 74 Sanierungsbemuhungen 35 Sanierungserfahrungen 35 Sanierungsfahigkeit 56, 62, 172, 173, 180 Sanierungsgewinn 125, 130 Sanierungsgutachten 116, 173, 180, 200 Sanierungskonzept 56, 61, 172, 173 Sanierungskredit 132, 140, 172, 173, 176, 181, 194 Sanierungsmafinahmen 62, 78, 93 Sanierungsplan 116 Sanierungspool 138 Sanierungsprivileg 130 Sanierungsprozess 76 Sanierungspriifung 42 Sanierungsversuch 172 Sanierungswiirdigkeit 56, 62 Sanierungswiirdigkeitsprufung 62 Schadenersatz 169 Schadenersatzanspruche 169, 175, 182, 192,198 Schadenersatzforderungen 200 Schadenersatzpflicht 194 Schenkung 262 Schliisselpositionen 51 Schuldnerknebelung 194, 198 Selbstkontrahierungsverbot 139 Sellers-Note 96
Share-Deal 87 Sicherheiten 20, 120, 137, 236, 263 Sicherheitenabgrenzungsvertrage 144 Sicherheitenfreigabe 121 Sicherheitenpool 137 Sicherheitenpoolvertrag 137 Sicherheitenvertrag 140 Sicherheitenverwaltung 137 Sicherheitenverwertung 140, 169 Sicherungsubereignung 167, 264 Sicherungszweckerklarung 117, 139 Sittenwidrigkeitsgrundsatze 95 SofortmaBnahmen 33, 59 Sorgfaltspflicht 200 Sortimente 43 Sozialplan 182 Special Purpose Vehicle 152 Steuergestaltung 112 Stillhalten 140, 165 Strategien 59 Strategische Krise 4 Stundung 116 Subordination 128 Substanzwert 87 Substanzwertmethode 87 Synthetische Verbriefungen 152 Szenario-Rechnungen 61
T True Sale 150
u Uberbruckungskredit 132, 175, 179, 182 Uberschuldung 21, 26, 33, 39, 73, 124, 127, 128, 132, 171, 174, 190, 192, 200, 249 Uberschuldungspriifung 26 Uberschuldungsstatus 29 Uberziehungskredit 256 Umschuldung 119 Unentgeltliche Leistungen 262 Unmittelbare Benachteiligung 261 285
Unternehmensberater 42 Unternehmensbereiche 45 Unternehmensbewertung 87, 93 Unternehmensborsen 74 Unternehmensfortfuhrung 208, 270 Unternehmensfuhrung 52 Unternehmensinsolvenzen 1, 204 Unternehmenskauf 112 Unternehmenskaufer 76, 78 Unternehmenskaufpreis 92 Unternehmenskrise 5, 6, 9, 67 Unternehmensleitung 54 Unternehmenssanierung 42, 83, 172 Unternehmensiibernahme 93 Unternehmensubertragung 78 Unternehmensverkauf 73
V Variantenvielfalt 50 Venture-Capitalisten 74, 80, 82 VerauBerungsgewinn 112 Verbindlichkeiten 31 Verbriefung 152 Vergleich 127 Verkaufsmandat 83 Verkaufsprozess 76 Verlustvortrage 113 Vermieterpfandrecht 267 Vermogensbenachteiligung 243 Vermogensverschiebung 241 Vermogenswerte 30 Vertrauen 67
286
Vertriebsmanagement 36, 38 Verwertung 265,271 Verwertungsmoglichkeiten 263 Verwertungsvereinbarung 278 Vollkostenrechnung 45 Vollstreckungsbescheid 276 Vollstreckungsversteigerung 276 Vorratsvermogen 267, 268 Vorsatz 201
w Wechsel-Scheck-Verfahren 118 Wettbewerbsanalyse 46 Wettbewerbsbedingungen 46 Working Capital 177
z Zahlungsfahigkeit 36, 73, 171 Zahlungsstockung 116 Zahlungsunfahigkeit 24, 116, 124, 127, 132, 171, 192, 247, 249 Zahlungsverkehr 251 Zession 118, 268 Zessionskredit 116 Zinsforderungen 124 Zinsverzicht 78, 124 Zwangssicherungshypotheken 279 Zwangsversteigerung 272, 275 Zwangsversteigerungsverfahren 272 Zwangsverwaltung 271, 275 Zwangsverwertung 279 Zwangsvollstreckung 271, 275, 280