Udo Stefan Schlipf Angewandte Volkswirtschaftslehre für Finanzberater
Udo Stefan Schlipf
Angewandte Volkswirtschaftslehre für Finanzberater So erklären Sie sicher die Entwicklung von Kursen, Zinsen und Konjunktur
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1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Guido Notthoff Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-409-12704-2
Vorwort
Das vorliegende Buch möchte grundsätzlich zwei Aspekte verfolgen: Einerseits möchte es dem praxisorientierten Leser die fachlichen Grundlagen dafür vermitteln, wie gesamtwirtschaftliche Entwicklungen das betriebliche und private Umfeld beeinflussen können. Andererseits möchte es den Lesern die gesamtwirtschaftlichen bzw. makroökonomischen Zusammenhänge und langfristige Wirtschaftstrends sowie deren Auswirkungen auf die Wertpapiermärkte näher bringen. Letzteres bildet dabei den Schwerpunkt dieser Buchveröffentlichung. Ziel dieser praxisorientierten Buchkonzeption ist es, dass bei einem aktiven Studium des Buches die Grundlagen dafür vermittelt werden, Wirtschaftsinformationen bereits nach wenigen Kapiteln besser zu verstehen und deren Folgen einschätzen zu können. Darüber hinaus möchte dieses Buch die Basis dafür legen, Zins-, Währungs- und Konjunkturprognosen abzuleiten und damit einen Ausblick auf Beschäftigung, Staatsbudget und daraus abgeleitet auf Effektenmärkte entwickeln und bewerten zu können. Dieses Buch richtet sich dabei in erster Linie an Bankpraktiker aus den Bereichen Privat- und Firmenkundenberatung, Geld- und Devisenhandel sowie an alle Berufstätigen aus Industrie, Handel und Verwaltung, welche sich fundierte und praxisorientierte Kenntnisse innerhalb einer kurzen Zeit aneignen müssen, um den hohen fachlichen Anforderungen einer zunehmenden Globalisierung genügen zu können. Im Unterschied zu „traditionellen“ volkswirtschaftlichen Buchveröffentlichungen wird in diesem Werk verstärkt die Theorie mit der Praxis in verständlicher Form in Verbindung gebracht. Der Autor wird in den Kapiteln 1 bis 5 zunächst den wirtschaftstheoretischen Hintergrund aufzeigen. Im Anschluss daran wird ab dem Kapitel 6 dieser Inhalt in der Realität anhand eines Beispieles veranschaulicht, um im Anschluss daran einen zukunftsorientierten Ausblick mit den für alle Leser verfügbaren Informationsmedien zu erleichtern. Die Leser lernen so, ökonomische Analysen zu verbinden und verstärkt perspektivisch zu denken. Auf Wiederholungen, Vernetzungen zwischen den Kapiteln sowie Anwendungsbereiche in der Realität mit der Thematik wird großen Wert gelegt. Insbesondere der Praxisbezug ermöglicht den Lesern das Gelernte anzuwenden, zu vertiefen und somit mehr Selbstsicherheit für eigene Prognosen zu entwickeln.
München, im Oktober 2008
Dr. Udo Stefan Schlipf M.B.A.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort............................................................................................................................... 5 1. Einleitung ...................................................................................................................11 2. Grundlagen der Volkswirtschaftslehre ...................................................................... 13 2.1 Begriffliche Grundlagen ................................................................................... 13 2.2 Idealtypische Wirtschaftssysteme .................................................................... 28 2.3 Grundlagen der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Paradigmen ...... 32 2.3.1 Klassische Lehre ................................................................................... 32 2.3.2 Keynesianismus .................................................................................... 33 2.3.3 Monetarismus ....................................................................................... 36 3. Stabilisierungsaufgabe des Staates............................................................................ 38 3.1 Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung ... 38 3.2 Preiswettbewerb und die Folgen: Rechtfertigung der Marktwirtschaft ........... 41 3.3 Marktformen .................................................................................................... 42 3.4 Angebot und Nachfrage: Preisfunktion............................................................ 42 3.4.1 Ursachen des Marktversagens, geborene öffentliche Güter sowie meritorische Güter ............................................................................... 43 3.4.2 Angebot und Nachfrage: Grundlagen der Preisbildung in einer Marktwirtschaft..................................................................................... 45 3.5 Kostenfunktion des Unternehmens .................................................................. 52 3.5.1 Kostenfunktion bei gegebenen Faktorpreisen ...................................... 53 3.5.2 Durchschnittskosten und Grenzkosten ................................................. 54 3.6 Änderung des Verlaufs der Angebotskurve ...................................................... 58 3.7 Preis- und Mengeneffekte durch Nachfrageerhöhungen.................................. 63 3.7.1 Direkte Preiselastizität der Nachfrage .................................................. 65 3.7.2 Einkommenselastizität der Nachfrage .................................................. 66 4. Konjunktur und Wachstum........................................................................................ 67 4.1 Konjunktur ....................................................................................................... 68
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Inhaltsverzeichnis
4.2
4.3
4.4
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität .................................. 71 4.2.1 Konjunkturniveau und Beschäftigung .................................................. 73 4.2.2 Konjunkturniveau und Inflationsentwicklung ...................................... 74 4.2.3 Ursachen und Konsequenzen konjunktureller Schwankungen............. 75 4.2.4 Gesamtwirtschaftliche Konsequenzen von stabilitätspolitischen Zielverletzungen ................................................................................... 77 Phillipskurve .................................................................................................... 79 4.3.1 Phillipskurve: (K)ein stabiler „Trade-off“? .......................................... 80 4.3.2 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StWG) der Bundesrepublik Deutschland ................................................................ 81 Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen .......... 82 4.4.1 Geld-, Fiskal-, Stabilisierungspolitik und öffentliche Finanzen ........... 82 4.4.2 Konjunkturprognosen und deren Wirksamkeit ..................................... 85
5. Einführung in die Geld- und Währungspolitik.......................................................... 91 5.1 Währungspolitik ............................................................................................... 91 5.2 Funktionsweise des Geldmarktes ..................................................................... 94 5.2.1 Steuerung des Geldmarktes durch die Europäische Zentralbank (EZB) ........................................................... 95 5.2.2 Einfluss der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das langfristige Zinsniveau ................................................................... 96 5.2.3 Geldpolitische Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) ...... 97 5.3 Funktionsweise des Devisenmarktes ............................................................. 103 5.3.1 Aufbau der Zahlungsbilanz................................................................. 107 5.3.2 Zahlungsbilanzmechanismen ...............................................................110 5.3.3 Zusammenspiel von Leistungs- und Kapitalverkehrsbilanz in der Zahlungsbilanz ..........................................................................112 6. Einführung in eine einfache Modellwirtschaft.........................................................113 6.1 „Robinson-Crusoe-Modellwirtschaft“ ............................................................115 6.2 Einbeziehung des Staates und des Außenhandels ...........................................117 6.3 Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik ..................................................118 6.4 Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank ................................................. 126 6.4.1 Wirkungsweise geldpolitischer Maßnahmen ...................................... 126 6.4.2 Einsatz der geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) ....................................................... 128 6.4.3 Der Transmissionsmechanismus in der Wirtschaft ............................. 132 6.4.4 Geldpolitik und Preisentwicklung im Euroraum ................................ 133
Inhaltsverzeichnis
6.5
6.6
6.7
6.8
9
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik ..... 133 6.5.1 IS-/LM-Diagramm .............................................................................. 133 6.5.2 Auswirkungen der Geld- und Fiskalpolitik ....................................... 137 6.5.3 Simultanes Gleichgewicht von Güter- und Geldmarkt ....................... 141 6.5.4 Reaktion der Wirtschaftssubjekte im Nichtbankensektor auf den Anpassungsmechanismus der inländischen Kreditinstitute: Substitutionseffekte ............................................................................ 146 6.5.5 Timelags der Geldpolitik .................................................................... 147 6.5.6 Rolle der „adaptiven“ Erwartungshaltung .......................................... 148 Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur ..... 153 6.6.1 Zinswirkungen der Geldpolitik anhand des IS-/LM-Konzeptes ......... 154 6.6.2 Policy-Mix .......................................................................................... 159 „Offene“ Volkswirtschaft ............................................................................... 162 6.7.1 Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur ................................................................ 165 6.7.2 Einfluss des Zinsniveaus auf Kapitalanlageentscheidungen............... 170 6.7.3 Einfluss der „Zinselastizität“ auf die Kapitalbewegungen ................. 172 6.7.4 Simulationen in einer „realen“ Welt anhand des IS-/LM-Diagramms ...................................................................... 172 Einfluss von Zinsniveau und Konjunktur auf die Wertpapiermärkte ............. 179 6.8.1 Asset-Renditen von Commodities ...................................................... 180 6.8.2 Asset-Renditen im Konjunkturabschwung ......................................... 180 6.8.3 Asset-Renditen im Konjunkturaufschwung ........................................ 181 6.8.4 Asset-Renditen in der Spätphase des Konjunkturaufschwunges ........ 182
7. Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA ................. 183 7.1 USA-Spezial: Die „neue“ Notenbankpolitik der USA................................... 183 7.2 Wöchentlicher Marktausblick für das Euroland am 23. Januar 2006 und die Anwendung der theoretischen Erkenntnisse....................................................................... 191 7.2.1 Konjunkturfrühindikator und Preisniveaustabilität ............................ 194 7.2.2 Wechselkursentwicklung und Außenhandel ....................................... 195 Abbildungsverzeichnis................................................................................................... 199 Autor .............................................................................................................................. 203 Stichwortverzeichnis ...................................................................................................... 205
1.
Einleitung
Ich hoffe, Sie werden Spaß am Lesen dieses Buches finden. Und Sie entwickeln zunehmend Ehrgeiz. Denn zukünftig wollen Sie sich am besseren Verständnis der volkswirtschaftlichen Literatur messen. Viele Informationen sind bislang jedoch für Sie noch unverständlich. Und genau das wollen Sie ändern! Eine ideale Einstellung. Dieses Buch wird Ihnen mit Sicherheit dabei helfen. Unabhängig davon, ob Sie noch kein Basiswissen aufweisen oder einfach „nur“ Ihre Fachkenntnisse verbessern wollen: Das Wichtigste ist, dass Sie den Spaß am Lesen dieses Buches nie verlieren, insbesondere und gerade auch dann, wenn für Sie ein Themenbereich einmal zunächst als nicht verständlich erscheint! Konzentrieren Sie sich in diesem Fall auf die beschriebenen Inhalte und überprüfen Sie regelmäßig Ihr Wissen durch eine regelmäßige Wiederholung der Kapitel. Sie werden sehen: So schwer ist es gar nicht, Ihr Fachwissen sukzessive zu verbessern. Um es Ihnen einfacher zu machen, habe ich dabei stets bewusst versucht, auf eine verständliche „unwissenschaftliche“ Weise den Themenkomplex für Sie darzustellen. Das Themengebiet Volkswirtschaftslehre gehört in nahezu allen Bank- und Betriebswirtschaftsstudiengängen zu den wichtigsten Disziplinen und ist daher aus nahezu allen Lehrplänen nicht mehr wegzudenken. Und obwohl sich Lehrbeauftragte und Studenten durchgehend über die Wichtigkeit einig sind, so ist doch der Volkswirtschaftslehre gegenüber nahezu durchgängig eine gewisse Skepsis oder gar Ablehnung zu erkennen. Umgekehrt erfahren beispielsweise die Fachgebiete „Marketing“ und „Planung und Organisation“ sowie „Betriebliches Rechnungswesen“ im Gegensatz dazu aufgrund einer vermeintlich geringeren Komplexität eine weitaus größere Akzeptanz. Dies hat jedoch nicht zuletzt im Bankgeschäft fatale Auswirkungen auf die Beratungsqualität im Kundengeschäft: Gerade im Kundenverkehr und hier insbesondere im gehobenen Privatkunden- sowie Firmenkundengeschäft erwartet der Kunde qualitativ hochwertige Aussagen zu Zins-, Währungsund Konjunkturprognosen, entscheiden doch diese Aussagen über die richtigen und Erfolg versprechenden Strategien bei den Fragen der Geldanlage und Finanzierung. Ohne Frage: Es ist nicht mehr zu leugnen, dass insbesondere im gehobenen Privatkundengeschäft sowie im Firmenkundengeschäft eine hochwertige Vermögensanlageberatung bei einer entsprechenden Wertpapierorientierung deutlich erhöhte quantitative und qualitative Anforderungen an die Fachkompetenz jedes Kundenberaters stellt. Dessen sind sich die Finanzdienstleister auch durchaus bewusst, offenbar gelingt es vielen Dozenten in den Hochschulen jedoch noch immer nicht, den Lernstoff anschaulich und ohne den Anspruch der wissenschaftlichen Vollständigkeit verlassen zu müssen, verständlicher zu vermitteln. Ich selbst kann aus meinen Tätigkeiten an den Berufsakademien ein Lied davon singen. Insbesondere aber bei meinen langjährigen Erfahrungen als praxisorientierter Trainer ist mir aus eigener Erfahrung bekannt, dass es innerhalb von drei Tagen sehr wohl möglich ist, interessierte Teilnehmer in den Seminaren in die Lage zu versetzten, selbstständig anhand selbst beschaffter Statistiken Zins-, Währungs-, Konjunktur- und Leistungsbilanz- sowie Staatshaushaltsbudgetentwicklungen zu prognostizieren, darauf strategisch richtige Entwicklungsaussagen im Kundengeschäft abzuleiten und gleichzeitig aufbauend darauf
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Einleitung
eine hochwertige Vermögensanlageberatung folgen zu lassen. Offenbar liegt ein wichtiger Grund für die schlechte Akzeptanz bei der Vermittlung des Fachinhaltes in der zumeist zu wissenschaftlich-abstrakten Darstellung und nicht in einer vermeintlich zielorientierteren pragmatisch-problemorientierten Darstellung des zu vermittelnden Stoffes. Bei der Konzeption meines Buches bin ich aus diesem Grunde davon abgegangen, einen volkswirtschaftlichen „Rundumschlag“ darzustellen und habe im Wesentlichen darauf verzichtet, die Grundlagen umfassend in einer wissenschaftlich vollständigen Art darzustellen. Vielmehr erscheint es mir im Hinblick auf die Zielgruppen angeratener zu sein, die entscheidenden Wirkungszusammenhänge in einer pragmatischen Weise zu vermitteln, welche die Zins-, Konjunktur-, Wechselkurs- und Finanzpolitik und nicht zuletzt dadurch die Vermögensanlagegesichtspunkte maßgeblich betreffen. Die Wirkungsweisen von Anpassungsprozessen bei geänderten Rahmenbedingungen, beispielsweise ausgelöst durch Rohölpreissteigerungen, Strukturwandel etc. legen den Schwerpunkt dieses Buchkonzeption zugrunde, da ausschließlich diese Zusammenhänge das Interesse der praxisorientierten Leser im Firmen- und Privatkundengeschäft bestimmen. Dieses Buch möchte gerade deshalb einen engen praxisorientierten Bezug zur Realität legen. Vielerorts haben Researchabteilungen in den Banken einen eher zweifelhaften Ruf, da die dort getätigten Aussagen nicht immer für die Zielgruppe vollständig nachvollziehbar erscheinen. Die Folge: In der Praxis wird verstärkt ein „Eigenresearch“ betrieben mit einem trügerischen Gefühl, es doch viel besser zu wissen und doch im weiteren Verlauf wieder eines besseren überzeugt zu werden. Mein Buch möchte deshalb alle Praktiker aus dem Finanzdienstleistungssektor dazu einladen, sich eines besseren belehren zu lassen und sich die für die Beratung relevanten Bestandteile der Volkswirtschaftslehre in verständlicher Sprache ohne unnötige Mathematik vermitteln zu lassen. Sicherlich: Ganz bzw. vollständig ohne theoretische Grundlagen ist es auch mir nicht gelungen, den notwendigen fachlichen Inhalt zu vermitteln. Als Autor, der ebenfalls aus der Vermögensanlageberatung entstammt, habe ich zur besseren Darstellung jedoch stets versucht verstärkt eine visuelle Darstellung zu wählen und weitergehend ein übertriebenes Fachchinesisch zu vermeiden. Bei dieser „unorthodoxen“ Vorgehensweise kann davon ausgegangen werden, dass diese Methode insbesondere bei Vertretern der traditionellen Lehre der Volkswirtschaftslehre vielerorts Kritik auslösen wird, wenn einerseits vermeintlich wichtige Themenbereiche wissentlich vernachlässigt werden, welche insbesondere an den Universitäten als unverzichtbar angesehen werden, andererseits nicht zuletzt von mir bewusst eine plakative und polarisierende Vermittlung des Lehrinhaltes gewählt wird. Bei der Darstellung dieses Lehrinhaltes geht es jedoch weniger darum, Lösungsansätze für die bestehenden makroökonomischen Probleme der Bundesrepublik Deutschland zu geben, vielmehr hat dieses Buch ausschließlich das Ziel, dem Praktiker die verwirrende Informationsvielfalt zu kanalisieren, auszugsweise und zielorientiert die für ihn einzig relevanten Informationen in einem Gesamtkonsens bei Vermögensanlagefragen zu bringen und aus dem Begreifen der Folgen in der Zukunft ex ante die richtigen Entscheidungen in den Vermögensanlagefragen zu treffen. Wenn es den Lesern gelingt, dieses Ziel zu erreichen, stellen die Lektüre sowie die Erstellung des Buches durchaus einen nachhaltigen Wert für die gesellschaftliche Wohlfahrt dar. Ein Ziel, das es zu erreichen gilt.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
2.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
2.1
Begriffliche Grundlagen
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Zunächst gilt es einige grundlegende Begrifflichkeiten aus der Volkswirtschaftslehre näher zu erläutern. Womit beschäftigt sich eigentlich nun konkret die Volkswirtschaftslehre? Die Volkswirtschaftslehre behandelt das Zusammenwirken aller Wirtschaftseinheiten (Unternehmungen, private Haushalte, staatliche Stellen) in einem Wirtschaftsgebiet. Sie ist vom Zuschnitt ihrer Kernfragen her gesamtwirtschaftliche Theorie, muss dabei jedoch auch einzelwirtschaftliche Theorien verwenden und entwickeln. ■
Mikroökonomie Ausgangspunkt der Mikroökonomie ist das einzelne Wirtschaftssubjekt, dessen Einzelentscheidungen sie zu erklären versucht. Die Mikroökonomie verwendet Größen, die einzelnen Wirtschaftseinheiten zugeordnet sind (monatliches Einkommen eines Haushalts, Jahresproduktion eines Unternehmens usw.). Im Mittelpunkt der Mikroökonomie stehen zunächst die ausschnitthaften Zusammenhänge (Partialanalyse).
■
Makroökonomie Die Makroökonomie beschäftigt sich mit dem Verhalten der Wirtschaft insgesamt. Sie geht nicht vom einzelnen Haushalt aus, sondern vom Aggregat aller Haushalte. Die Makroökonomie orientiert sich an Größen, die Gruppen von Wirtschaftseinheiten bestimmen oder kennzeichnen, zum Beispiel verfügbares Einkommen aller privaten Haushalte, Volkseinkommen eines Jahres, Monatsproduktion des Sektors Maschinenbau, Beschäftigtenzahl eines Sektors am Jahresende. Für bestimmte Aussagen, und um ein umfassenderes Bild eines vollständigen Wirtschaftsgefüges darstellen zu können, bedarf es einer Totalanalyse. Die makroökonomische Theorie stellt somit auf das ökonomische Verhalten sowie das Verhalten derjenigen ab, die sowohl Konsum, Investitionen, Wechselkursentwicklungen, Staatsausgaben etc. beeinflussen.
Fazit: Gesamtwirtschaftliche Theorie sollte man nicht, wie dies vereinzelt geschieht, mit Makroökonomie gleichsetzen!
Im Folgenden wollen wir uns mit einigen weiteren wichtigen Begriffen aus der Volkswirtschaftslehre beschäftigen.
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Begriffliche Grundlagen
Güter: Sachgüter, Investitionsgüter, Gebrauchsgüter, Dienstleistungen
Güter
Sachgüter (Waren)
Dienstleistungen (Dienste)
Nutzungen
dauerhaft
nicht dauerhaft
nicht dauerhaft
nicht dauerhaft
dauerhafte Produktionsmittel
nicht dauerhafte Produktionsmittel
Produktionsdienstleistungen
menschlicher Arbeitskraft
dauerhafte Konsumsachgüter
nicht dauerhafte Konsumsachgüter
Konsumdienstleistungen
dauerhafter Produktionsmittel
(Gebrauchsgüter)
(Gebrauchsgüter)
immaterieller Vermögensobjekte
dauerhafter Konsumgüter
Abbildung 1:
Güterarten
Güter lassen sich darüber hinaus wie folgt unterscheiden: ■
private und öffentliche Güter (Individualgut, Kollektivgut)
Güter, deren Nutzung bzw. Verwendung durch einen Markt koordinierbar sind, werden als „private Güter“ bezeichnet. Hierbei treten zwei Merkmale auf: 1. Rivalität: Bei einer begrenzten Menge eines Gutes ist irgendwann eine zusätzliche Inanspruchnahme des Gutes durch eine weitere Person nicht oder nur eingeschränkt möglich. 2. Ausschließbarkeit von der Nutzung: Wird ein „privates Gut“ beansprucht, so ist die Nutzung dieses Gutes durch eine weitere Person ausgeschlossen. Da die „Nutzungsrivalität“ die Inbesitznahme des Gutes durch denjenigen erfordert, der das Gut nutzen möchte, macht erst die Ausschließbarkeit durch den Markt ein Gut zu einem „privaten“ Gut. Nur so kann verhindert werden, dass eine unentgeltliche bzw. „parasitäre“ Nutzung dieses Gutes durch Personen, welche nicht bereit sind für die Nutzung ein entsprechendes Entgelt zu bezahlen, ausgeschossen werden kann.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
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Beispiel Jeder Bürger ist sich der Notwendigkeit der Bereitstellung des Gutes (bzw. der Dienstleistung) von Rechtssicherheit und Landesverteidigung bewusst. Würde – zugegebenermaßen ein sicherlich sehr theoretisches Beispiel – diese Dienstleistung rein privat und nicht staatlich bereitgestellt werden, so würden Bürger für diese Dienstleistung, und das obwohl sie sich durchaus darüber einig sein dürften, dass sie diese Dienstleistung sehr wohl beanspruchen wollen und müssen, auf Anfrage nicht bereit sein, eine entsprechende Honorierung vorzunehmen. Die Folge: Dieses Gut würde nicht von privaten Anbietern angeboten werden, da kein Bürger ernsthaft bereit wäre, für diese Dienstleistung zu bezahlen und damit eine wirtschaftliche, da gewinnbringende unternehmerische Leistung nicht durchgehalten werden könnte.
Warum ist das so? Bei derartigen Gütern sind sich alle Konsumenten bewusst, dass es geradezu unintelligent wäre, für dieses Gut zu bezahlen, da diejenigen, die nicht bezahlen, in gleicher Weise in den Genuss der Dienstleistung kommen wie diejenigen, die dafür bezahlen. In Folge dessen wird in naher Zukunft keiner mehr für diese Dienstleistung bezahlen mit der Konsequenz, dass die Bereitstellung dieses Gutes durch private Unternehmen nicht vorgenommen werden könnte. Güter, die die beiden Merkmale „Rivalität“ und „Ausschließbarkeit“ nicht aufweisen, werden als „geborene öffentliche Güter“ bezeichnet. Alle Bürger sind sich im wesentlich darüber einig, dass die Bereitstellung dieser Güter für die Gesellschaft unabdingbar ist. Da hier jedoch das beschriebene Marktversagen auftritt, ist der Staat nunmehr gefordert, diese Güter unter Vereinnahmung zwangsweise erhobener Steuern bereitzustellen.
Trittbrettfahrer, Marktversagen und fehlendes Ausschlussprinzip Das Verhalten einzelner Marktteilnehmer, am Markt bereitgestellte Güter und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, ohne ein entsprechendes Entgelt zu bezahlen, wird als „Trittbrettfahren“ bezeichnet. Man kann diese Verhaltensweise durchaus mit dem Trittbrettfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln vergleichen: In früheren Zeiten musste man beim Betreten des Busses das Fahrentgelt bezahlen. Betrat man den Bus nicht direkt, sondern nur „indirekt“ über das ledigliche Betreten des äußeren Trittbrettes und gleichzeitigem Festhalten, so fiel diese Bezahlung zumindest theoretisch nicht an. Zugegeben: Bei modernen Verkehrsmitteln hinkt dieser Vergleich. Bei meinem kürzlichen Besuch in der Hauptstadt Portugals konnte ich mich beim Beobachten der sicherlich nicht übermäßig schnellen „Elҿctricos“ durchaus visuell von diesem Verhalten überzeugen, wenn das Entgelt insbesondere von vielen Kindern nicht bezahlt werden konnte und sich diese deshalb lediglich im Außenbereich der Straßenbahnen aufhielten. Die „bezahlende“ Nachfrage auf diesen Märkten wäre insbesondere bei geborenen öffentlichen Gütern, wie beispielsweise
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Begriffliche Grundlagen
der Rechtssicherheit oder der Landesverteidigung eines rein privat bereitgestellten Anbieters, nahezu null, eine Situation, die zu einem Marktversagen führen müsste. Grund hierfür ist das fehlende „Ausschlussprinzip“, welches regelt, dass nur diejenigen Nachfrager, welche bereit sind, für die in Anspruch genommene Leistung auch ein adäquates Entgelt zu bezahlen, in den Genuss der Leistung kommen dürfen.
Mischformen privater und öffentlicher Güter Eine Vielzahl von Gütern und Leistungen könnte zumindest theoretisch durchaus von privaten Anbietern bereit gestellt werden. Neben rein privaten oder rein öffentlichen Gütern sind jedoch auch Mischformen vorstellbar und in der Realität auch anzutreffen. Oftmals ist bei vermeintlich „privaten“ Gütern zu beobachten, dass der Staat diese zumindest teilweise bereitstellt. Ein typisches Beispiel für derartige „gekorene öffentliche Güter“ ist der öffentliche Nahverkehr. Aus gutem Grund: Würde der öffentliche Nahverkehr ausschließlich durch private Anbieter angeboten, so würden aus wirtschaftlichen Gründen die weniger frequentierten Strecken nicht oder nur wenig versorgt, eine Situation, die nicht gewünscht wäre und von den Bürgern auch nicht toleriert werden dürfte. Auch die Dienstleistung der Arbeitsvermittlung wird überwiegend durch die öffentliche Hand abgedeckt, obwohl sie sehr wohl theoretisch durch private Anbieter dargestellt werden könnte und in der Realität auch durchgeführt wird. Aber auch in diesem Beispiel liegt es auf der Hand, dass private Anbieter aus wirtschaftlichen Gründen vorwiegend in den Segmenten den Markt abdecken, in welchen sich diese Dienstleistungen für diese lohnen dürften. Dies ist jedoch nahezu ausschließlich bei der Vermittlung von hoch qualifizierten Fach- und Führungskräften der Fall. Nicht- oder nur geringfügig qualifizierte Arbeitskräfte sind für private Anbieter nicht oder nur wenig attraktiv, eine Situation, die aus sozialpolitischen Aspekten inakzeptabel ist. In diesem Falle dürfte der Markt nur unterdurchschnittlich zu einer befriedigenden Abdeckung der Marktbedürfnisse beitragen. Deshalb ist auch dieser Bereich als ein „gekorenes öffentliches Gut“ zu betrachten. Augenscheinlich ist die „Rivalität“ beim Ge- und Verbrauch dieser Dienstleistung zu gering.
Geld: Tausch- und Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsfunktion. Bargeld, Sichteinlagen, Termineinlagen Das Geld übt in einer Volkswirtschaft mehrere Funktionen aus: Zum einen dient es als Tausch- sowie Zahlungsmittel, gleichzeitig aber auch als Recheneinheit. Im Grunde wird das Geld dabei frei von „Geldillusion“ betrachtet. Dies bedeutet, dass eine fiktive gleiche proportionale Änderung aller Einkommenszahlungen und der Preise keinerlei Anlass für güterwirtschaftliche Umdispositionen geben dürfte. Die Wirtschaftssubjekte re-
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
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agieren also lediglich auf Änderungen des in Kaufkraft ausgedrückten (Real-)Einkommens sowie Änderungen der Preisrelation. Geld wird selbst zu einem Gut, wenn es als „Wertaufbewahrungsmittel“ dient. Dies setzt bis zu einem gewissen Maße Geldwertstabilität voraus. Geldwertstabilität bezeichnet im Allgemeinen das Ziel der Wirtschaftspolitik, den inneren Geldwert stabil zu halten. Umstritten hierbei ist, ob Geldwertstabilität nur bei einer völligen Stabilität des Preisniveaus erfüllt ist oder ob man auch bei einem mäßigen Geldwertschwund von beispielsweise zwei Prozent p. a. noch von Geldwertstabilität sprechen kann. Die grundsätzliche Forderung nach einer hohen Geldwertstabilität folgt aus der Einsicht, dass ständige Steigerungen des Preisniveaus die Verteilungspositionen derjenigen Gruppen schwächen, deren Marktmacht nicht ausreicht, ihre Einkommensforderungen der Inflationsrate anzupassen. Im Allgemeinen sind dies die Besitzer kleinerer Geldvermögen sowie die Bezieher von Lohn-, Gehalts- und Renteneinkommen, die allenfalls mit einer zeitlichen Verzögerung ihre Einkommensforderungen an die gestiegenen Preise anpassen können. Darüber hinaus wird für die Geldwertstabilität ins Feld geführt, dass inflationäre Preissteigerungen das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen können, da zum einen wegen der sich dauernd wandelnden Berechnungsgrundlagen keine optimale Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen mehr möglich erscheint, zum anderen die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland reduziert wird. Unter Bargeld wird der Bestand an gesetzlichen Zahlungsmitteln (Münzgeld, Banknoten) verstanden. Sichteinlagen stellen dabei Bankguthaben dar, über die jederzeit verfügt werden können. Diese können von Nichtbanken bei Geschäftsbanken gehalten werden, um den bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuwickeln, oder von Geschäftsbanken bei anderen Geschäftsbanken sowie von Geschäftsbanken bei der Zentralbank bestehen. Unter Termineinlagen sind Geldbeträge zu verstehen, die einer Bank für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt werden.
Inflation, Kerninflationsrate Unter Inflation versteht man die anhaltende Abnahme des Geldwertes bzw. die Zunahme des Preisniveaus auf Güter- und Faktormärkten, wobei als Indikatoren ausgewählte Preisindizes herangezogen werden. Preisindizes sind beispielsweise der Preisindex für das Bruttoinlandsprodukt, Preisindizes für die Lebenshaltung sowie der Index für die Erzeugerpreise industrieller Produkte. Werden bei diesen Indikatoren die Preise für Energie und frische Lebensmittel nicht berücksichtigt, spricht man von der sogenannten „Kerninflationsrate“. Die Kerninflationsrate weist typischerweise einen „glatteren“ Verlauf auf als der Gesamtpreisindex. Insbesondere aufgrund des Fehlens des Energiesektors zeigt die Kerninflationsrate sehr gut an, ab wann und in welchem Ausmaß Kostenüberwälzungen stattfinden. Die Kerninflationsrate reagiert andererseits aber auch etwas träger auf Veränderungen, da stark volatile Sektoren nicht enthalten sind.
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Begriffliche Grundlagen
Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft: 31.01.2007
US-BIP: Über Konsensus im vierten Quartal Die erste Schätzung für das US-BIP im vierten Quartal 2006 lag heute mit einem annualisierten realen Zuwachs von 3,5 % leicht über dem Marktkonsens von 3,0 % (Q3: 2,0 %). Besonders stark war wie erwartet der private Konsum (+ 4,4 %), aber auch die Exporte (+ 10 %). Überraschend schwach die Unternehmensinvestitionen (-0,4 %, nach einem Plus von 10 % in Q3), und ebenfalls sehr schwach, aber absehbar, der Wohnbau (-19,2 %, stärkster Einbruch seit 15 Jahren). Erfreulich die Inflationsseite: Konsumdeflator (VPI des BIP) Ölpreis bedingt -0,8 %, der stärkste Rückgang seit 1954 (!), und auch die (PCE) Kerninflation mit 2,1 % nur mehr knapp über der Alarmschwelle der US-Notenbank von 2,0 %. Marktreaktion: Anleihenmärkte reagierten auf den in Summe stärkeren Wert in einer ersten Reaktion mit Kursverlusten, der USD konnte zulegen. Einschätzung und Empfehlung: Wie schon letzte Woche ausgeführt ist diese Woche (noch) mit recht starken US-Daten zu rechnen, weshalb wir für diese Woche Anleihenmärkte und EUR/USD kurzfristig weiter unter Druck sehen. Der private Konsum profitierte in Q4 (und zum Teil auch noch in Q1) vom starken Ölpreisrückgang, sowie bis vor kurzem auch noch vom unnatürlich warmen Wetter. Diese Sondereffekte, die derzeit den Effekt des Immobilienmarkteinbruchs offensichtlich völlig kompensieren, werden aber in den kommenden Monaten sukzessive wegfallen, weshalb wir dann mit einer nochmaligen vorübergehenden Verschlechterung der Konjunkturdaten rechnen. Die vom Markt derzeit für 2007 praktisch völlig ausgepreisten Zinssenkungen der US-Notenbank dürften dann für das zweite Halbjahr wieder schrittweise eingepreist werden (wir erwarten sogar eine erste Zinssenkung schon zur Jahresmitte), der Anleihenmarkt sollte sich im Gleichklang dazu in den kommenden Monaten wieder etwas erholen. Auf Quartalssicht empfehlen wir deshalb einen Kauf von Anleihen und einen Verkauf des USD; diese Woche dürften die Daten aber weiterhin noch zu stark für einen Trendwechsel sein (Fed mit unverändertem „Tightening Bias“ heute Abend, starker Arbeitsmarktbericht am Freitag), so dass diese Woche das Abwärtsrisiko bei Anleihen und EUR/USD noch weiterhin überwiegen dürfte. Prognosen USA
akt.
Mär.07
Leitzins 3M 5J 10J
5,25 5,38 4,87 4,88
5,25 5,30 4,50 4,50
Jun.07 Dez.07 4,75 4,90 4,70 4,70
4,75 4,90 4,90 5,00
Euro-12 Leitzins
3,50
3,75
3,75
4,00
3M 5J 10J Spread
3,78 4,05 4,11 77
3,90 3,70 3,70 80
3,90 3,90 3,90 80
4,20 4,30 4,40 60
Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
Abbildung 2:
Marktbericht vom 31.01.2007
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
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Folgende Fragestellungen aus dem Marktbericht sollten Sie im Laufe des folgenden Kapitels 2 für sich beantworten können: ■
Wie ist die (negative) Marktreaktion auf den Anleihenmärkten durch die erfreuliche Entwicklung bei der Inflationsentwicklung zu erklären?
■
Mit welcher „klassischen“ Marktreaktion hätte Sie üblicherweise gerechnet? Welchen Wirkungszusammenhang hätten Sie hierbei als Erklärung aufgezeigt?
■
Wie ist es zu erklären, dass eine niedriger als erwartet ausgefallene Inflationsrate zu einer Aufwertung des US-Dollars führen konnte? Welchen Wirkungszusammenhang hätten Sie hierbei als Erklärung aufgezeigt?
Konjunkturindikatoren: Frühindikator Ifo-Geschäftsklimaindex, ISM-Index (USA) Frühindikatoren bei der Erstellung von Konjunkturprognosen versuchen einen kausalen Zusammenhang zwischen Indexwert und zukünftiger Konjunkturentwicklung zu geben. Die Entwicklung von Konjunkturindikatoren lässt sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nachverfolgen. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist der Harvard Index of general Business Conditions (Harvard Barometer) und dessen prognostisches Versagen bei der Weltwirtschaftskrise von 1929 bekannt geworden. In den USA hat das National Bureau of Economic Research (NBER) seit 1938 an Konjunkturindikatoren weiter gearbeitet und seither das Instrumentarium auch stark verbessert. Nach dem Timing der Indikatoren gegenüber dem allgemeinen Konjunkturverlauf unterscheidet man vorauseilende (leading), parallel zur Konjunktur verlaufende (coincident) sowie verzögert folgende (laging) Indikatoren. Einen Fortschritt bei der frühzeitigen Konjunkturdiagnose und Konjunkturprognose brachte Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts das vom Ifo-Institut in München entwickelte Konjunkturtest-Verfahren, welches auf qualitative Zeitreihen (Urteile, Erwartungen und Pläne von Unternehmern) aufbaut und diese Entwicklungen zum Beispiel im sogenannten „Geschäftsklimaindex“ zusammenfasst. Allerdings bestreiten verschiedene theoretische Überlegungen und ökonometrische Untersuchungen bei den gängigen Frühindikatoren die in sie gesetzten Erwartungen. Der Verlauf einzelner Frühindikatoren lässt nach diesen Untersuchungen keine eindeutigen Schlussfolgerungen auf die reale Wirtschaftsentwicklung zu. Darüber hinaus betrug nach diesen Untersuchungen der Vorlauf der Frühindikatoren vor der realen Entwicklung bestenfalls einige Monate. Bei der Erstellung von Konjunkturprognosen, welche in der Regel eine Zeitspanne von einem oder gar zwei Jahren beinhalten, bedeutet dies zwangsläufig, dass Frühindikatoren allenfalls einen nur kleinen Abschnitt abdecken dürften. Für die kurzfristige Diagnose und Prognose sind Frühindikatoren durchaus wertvoll, für eine län-
20
Begriffliche Grundlagen
gerfristige Prognose jedoch müssen sich die Prognosen nach wie vor auf eine Analyse der Rahmenbedingungen stützen. (s. Abschnitt 4.4.2.) Konjunkturprognosen für die Bundesrepublik Deutschland veröffentlichen typische Wirtschaftsforschungsinstitute, wie beispielsweise das Ifo-Institut in München, das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, das HWWA (Institut für Wirtschaftsforschung, früher Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv, Sitz Hamburg) sowie internationale Organisationen, wie beispielsweise das OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) oder die EU-Kommission. Bemerkenswerterweise werden keine Frühindikatoren von nationalen amtlichen Organisationen veröffentlicht, beispielsweise vom Statistischen Bundesamt oder der Bundesbank. Allerdings spielen angesichts der zunehmenden Globalisierung der Märkte sowie des wachsenden internationalen Konjunkturverbunds mit den USA sowie der zunehmenden europäischen Integration auch Frühindikatoren aus anderen Ländern, beispielsweise aus den USA, für die Erwartungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland eine immer größere Rolle.
Überblick über wichtige Frühindikatoren Der in Deutschland am meisten beachtete Konjunkturindikator ist der Ifo-Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft. Dieser setzt sich als geometrisches Mittel aus den Beurteilungen der Unternehmen zur aktuellen Lage und deren Geschäftserwartungen für die folgenden Monate zusammen. Diese haben naturgemäß einen deutlichen Vorlauf vor der realen Wirtschaftsentwicklung, wobei der durchschnittliche Vorlauf in der Regel circa drei Monate beträgt. Für analytische Zwecke ist den beiden Komponenten des Ifo-Geschäftsklimaindex, dem Ifo-Index der Geschäftserwartungen, als vorlaufenden und dem Ifo-Index der Geschäftslage als gleichlaufenden Indikator ebenfalls Beachtung zu schenken.
Abbildung 3:
Ifo-Geschäftsklimaindex, die Lagebeurteilung und die Geschäftserwartungen
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
21
ISM – Index des Institute for Supply Management (USA) Der ISM Einkaufsmanagerindex ist ein guter Indikator für die zukünftige wirtschaftliche Aktivität. 400 Einkaufsmanager (Stand 2004) in den USA helfen, diesen Indikator zu ermitteln, indem Veränderungen der Bereiche Auftragseingänge, Produktion, Beschäftigung, Lieferfristen und Lagerbestände betrachtet werden. Am ersten Werktag jedes Monats werden die Ergebnisse der Umfragen mitgeteilt, wobei ein Wert von über 50 Punkten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Aktivität signalisiert.
Konsumentenpreisindex (USA) Nach der Befragung von rund 30.000 Haushalten (Stand 2004) in den USA werden die Preise in Kombination mit zwei Konsumentenpreisindizes veröffentlicht. Diese Publikation zusammen mit den Arbeitsmarktdaten und den Produzentenpreisen spielen eine enorm wichtige Rolle bei der Betrachtung der Inflationsentwicklung und der Zinsentscheidung.
Index of Leading Indicators (USA) Der Index of Leading Indicators wird aus insgesamt zehn Zeitreihen berechnet. Dabei sind enthalten: Wochenarbeitsstunden, Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, Auftragseingang Konsumgüter, Lieferfristen, Auftragseingänge Investitionsgüter, Baugenehmigungen, S&P 500, reale Geldmenge M2, Zinsspread und Konsumklima. Die beiden Zeitreihen bezüglich der Auftragseingänge werden dabei geschätzt und erst im Folgemonat durch IstWerte ersetzt. Die Berechnung des Indexwertes erfolgt durch unterschiedliche Gewichtungen der einzelnen Zeitreihen und unter Verwendung der Niveauwerte.
USA: Index of Leading Indicators Veränderung gegenüber dem Vormonat in % 0.6 0.4 0.2 0.0 -0.2 -0.4 -0.6 Feb 02
Mrz 02
Apr 02
Mai 02
Jun 02
Jul 02
Aug 02
Quelle: Conference Board
Abbildung 4:
USA: Index of Leading Indicators
Sep 02
Okt 02
Nov 02
Dez 02
Jan 03
Feb 03
22
Begriffliche Grundlagen
Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft: 01.02.2007
USA: ISM-Index unter Erwartungen Der ISM-Index für die US-Industrie, einer der wichtigsten Konjunkturvorlaufindikatoren für die USA, fiel im Jänner von 51,4 auf 49,3 Punkte, deutlich unter den offiziellen Marktkonsens (51,9). Er liegt damit – wie auch schon im November – wieder unter der 50-Punkte-Marke, die allgemein als Schwelle zwischen Wachstum und Schrumpfen des Industriesektors angesehen wird. Marktreaktion: Anleihenmärkte reagierten in einer ersten Reaktion positiv, der USD gab kurzfristig nach. Die Reaktion hielt sich aber bisher in Grenzen, da viele Marktteilnehmer nach dem gestrigen Einbruch des Chicago-PMI wahrscheinlich bereits recht pessimistisch geworden waren. Einschätzung: Der Rückgang des ISM belegt eindrucksvoll, dass die US-Wirtschaft bei weitem nicht so robust dasteht, wie es das gestrige starke BIP und der durch Sondereffekte in den letzten Monaten unterstützte private Konsum und Arbeitsmarkt glauben machen wollen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass sich die US-Konjunkturdaten in den kommenden Monaten wieder abschwächen werden. Wir empfehlen deshalb auf Quartalssicht einen Kauf von Anleihen und einen Verkauf des USD.
Abbildung 5:
Marktbericht vom 01.02.2007
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
23
Bitte beantworten Sie unter Berücksichtigung der Erläuterungen aus Kapitel 2 für sich die nachfolgenden Fragen: ■
Wie und durch welchen Wirkungszusammenhang ist es zu erklären, dass sich die USKonjunktur sich in naher Zukunft voraussichtlich abschwächen wird?
■
Wie erklären Sie die Empfehlung eines Kaufes von Anleihen und gleichzeitigem Verkauf von USD-Beständen?
Abbildung 6:
Entwicklung ausgewählter Frühindikatoren
24
Begriffliche Grundlagen
Realeinkommen, Nominaleinkommen, reale und nominale Größen
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
IX. Konjunkturlage 7. Preise Deutschland
Verbraucherpreisindex davon:
Zeit
insgesamt
andere Ver- u. Gebrauchsgüter ohne Energie 1)
Nahrungsmittel
2)
Dienstleistungen ohne Wohnungs- Wohnungs- BaupreisEnergie 1) mieten 2) mieten index 2) 3)
Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte im Inlandsabsatz 4)
Index der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte 4)
Indizes der Preise im Außenhandel
Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe 5)
Ausfuhr
Energie 6)
Einfuhr
sonstige Rohstoffe 7)
2000 = 100 2001 2002 2003 2004
102,0 103,4 104,5 106,2
105,1 106,1 106,0 105,7
100,3 101,1 101,4 102,9
105,7 106,0 110,2 114,8
102,4 104,9 106,4 108,9
101,2 102,6 103,8 104,8
100,3 100,2 100,3 101,4 102,7
2005
108,3
105,8
103,8
126,6
111,1
105,9
2004 Sept.
106,4
104,3
102,9
116,6
109,2
105,0
Okt. Nov. Dez.
106,6 106,2 107,3
104,2 104,1 105,3
102,9 103,0 103,7
120,4 117,2 114,5
108,9 108,4 111,7
105,1 105,2 105,2
2005 Jan. Febr. März
106,9 107,3 107,6
105,7 106,3 106,6
103,5 103,6 103,7
116,4 117,5 120,7
109,8 110,5 110,3
April Mai Juni
107,7 108,0 108,1
106,4 107,1 107,0
103,7 103,6 103,5
123,3 123,0 125,8
Juli Aug. Sept.
108,6 108,7 109,1
105,9 104,9 104,8
103,2 103,1 104,2
103,0 102,4 104,1 105,8
107,1 100,0 101,3 99,7
101,0 100,8 100,6 101,1
100,6 98,4 96,2 97,2
91,4 86,1 82,9 101,4
91,9 91,1 86,9 96,3
110,7
98,8
102,4
101,4
139,5
105,4
106,6
99,1
101,5
98,3
112,7
93,5
102,0
107,6 107,1 107,2
97,4 98,6 98,7
101,7 101,6 101,2
99,4 98,1 97,2
123,0 108,1 96,8
92,0 91,4 89,2
105,4 105,6 105,6
102,5
108,1 108,5 109,1
97,6 98,8 100,0
101,5 101,8 102,1
98,0 98,8 100,1
107,5 111,4 125,3
95,7 99,2 103,1
109,7 110,9 110,6
105,7 105,8 105,9
102,5
109,9 109,9 110,4
98,4 98,4 98,5
102,1 102,0 102,2
100,1 99,7 101,3
128,2 124,3 144,6
103,1 102,3 106,6
129,0 130,9 135,1
112,1 112,5 111,3
106,0 106,0 106,0
102,7
111,0 111,3 111,8
97,5 98,7 98,4
102,4 102,4 102,8
101,9 102,8 103,3
151,8 160,9 160,5
107,0 105,9 105,8
Okt. Nov. Dez.
109,1 108,6 109,6
104,4 104,6 105,5
104,3 104,4 104,2
135,6 130,9 131,0
111,2 110,4 113,7
106,1 106,2 106,3
103,0
112,6 112,5 112,8
98,7 100,4 101,4
103,0 103,0 103,1
103,7 103,5 103,8
154,0 148,5 152,0
108,0 112,0 115,8
2006 Jan. Febr. März
109,1 109,5 109,5
106,6 107,1 107,0
103,7 104,0 104,4
134,4 134,7 135,0
110,7 111,6 111,3
106,5 106,7 106,7
103,7
114,1 114,9 115,5
101,1 103,3 104,9
103,3 103,7 104,0
104,7 105,1 105,6
163,7 160,9 163,6
120,1 124,5 123,7
April Mai Juni
109,9 110,1 110,3
107,4 108,4 108,5
104,4 104,3 104,2
139,2 139,8 140,7
111,2 111,3 111,7
106,8 106,9 107,0
104,4
116,6 p) 116,7 ...
105,9 ... ...
104,5 104,8 ...
107,0 107,2 ...
177,8 171,6 172,7
129,3 134,5 130,0
Veränderung gegenüber Vorjahr in % 2001 2002 2003 2004
+ + + +
2,0 1,4 1,1 1,6
+ + − −
5,1 1,0 0,1 0,3
+ + + +
0,3 0,8 0,3 1,5
+ + + +
5,7 0,3 4,0 4,2
+ + + +
2,4 2,4 1,4 2,3
+ + + +
1,2 1,4 1,2 1,0
+ − + +
0,3 0,1 0,1 1,1
+
1,3
2005
+
2,0
+
0,1
+
0,9
+ 10,3
+
2,0
+
1,0
2004 Sept.
+
1,8
−
1,2
+
1,5
+
6,3
+
2,3
+
1,1
Okt. Nov. Dez.
+ + +
2,0 1,8 2,1
− − −
1,4 1,3 0,4
+ + +
1,5 1,6 2,3
+ + +
9,5 7,0 4,7
+ + +
2,3 2,5 2,5
+ + +
1,2 1,1 1,1
+
2005 Jan. Febr. März
+ + +
1,6 1,8 1,8
− − +
1,1 0,1 0,5
+ + +
1,4 1,7 0,6
+ + +
5,3 6,6 8,3
+ + +
2,4 2,0 2,1
+ + +
1,0 1,1 1,0
April Mai Juni
+ + +
1,6 1,7 1,8
+ + +
0,1 0,5 0,3
+ + +
0,4 0,5 0,4
+ 9,0 + 5,9 + 10,2
+ + +
1,5 2,6 1,8
+ + +
Juli Aug. Sept.
+ + +
2,0 1,9 2,5
− + +
0,1 0,0 0,5
+ + +
0,4 0,3 1,3
+ 11,7 + 11,6 + 15,9
+ + +
2,0 2,0 1,9
3,0 0,6 1,7 1,6
+ − + −
7,1 6,6 1,3 1,6
+ − − +
1,0 0,2 0,2 0,5
+ − − +
0,6 2,2 2,2 1,0
− − − +
8,6 5,8 3,7 22,3
− − − +
8,1 0,9 4,6 10,8
+
4,6
−
0,9
+
1,3
+
4,3
+
37,6
+
9,4
+
2,3
−
5,3
+
1,0
+
2,7
+
43,2
+
6,9
1,7
+ + +
3,3 2,8 2,9
− − −
5,5 5,9 4,3
+ + +
1,3 1,2 1,0
+ + +
4,1 2,7 2,2
+ + +
51,9 32,3 20,0
+ + −
3,7 0,4 0,2
+
2,0
+ + +
3,9 4,2 4,2
− − −
5,8 6,1 4,9
+ + +
1,3 1,5 1,3
+ + +
2,9 3,7 3,8
+ + +
30,1 35,5 37,4
+ + −
3,1 3,1 0,4
1,0 1,1 1,0
+
1,1
+ + +
4,6 4,1 4,6
− − −
5,8 5,6 8,1
+ + +
1,0 0,7 1,1
+ + +
3,3 2,2 4,4
+ + +
35,1 18,9 43,5
− + +
1,9 1,2 7,6
+ + +
1,1 1,0 1,0
+
0,9
+ + +
4,6 4,6 4,9
− − −
7,1 1,1 0,7
+ + +
1,2 0,9 1,3
+ + +
4,7 4,7 5,1
+ + +
45,0 40,8 42,4
+ + +
9,6 11,9 13,2
+
1,0
+ + +
4,6 5,0 5,2
+ + +
1,3 1,8 2,7
+ + +
1,3 1,4 1,9
+ + +
4,3 5,5 6,8
+ + +
25,2 37,4 57,0
+ + +
17,4 22,5 29,8
+ + +
5,6 5,9 5,9
+ + +
3,6 4,6 4,9
+ + +
1,8 1,9 1,9
+ + +
6,8 6,4 5,5
+ + +
52,3 44,4 30,6
+ + +
25,5 25,5 20,0
+ +
6,1 p) + 6,2 ...
7,6 ... ...
+ +
2,4 2,7 ...
+ +
6,9 7,5 ...
+ + +
38,7 38,1 19,4
+ + +
25,4 31,5 22,0
Okt. Nov. Dez.
+ + +
2,3 2,3 2,1
+ + +
0,2 0,5 0,2
+ + +
1,4 1,4 0,5
+ 12,6 + 11,7 + 14,4
+ + +
2,1 1,8 1,8
+ + +
1,0 1,0 1,0
2006 Jan. Febr. März
+ + +
2,1 2,1 1,8
+ + +
0,9 0,8 0,4
+ + +
0,2 0,4 0,7
+ 15,5 + 14,6 + 11,8
+ + +
0,8 1,0 0,9
+ + +
1,0 1,0 1,0
+
1,2
April Mai Juni
+ + +
2,0 1,9 2,0
+ + +
0,9 1,2 1,4
+ + +
0,7 0,7 0,7
+ 12,9 + 13,7 + 11,8
+ + +
1,4 0,4 1,0
+ + +
1,0 1,0 1,0
+
1,9
Quelle: Statistisches Bundesamt; für den Index der Weltmarktpreise: HWWAInstitut. — 1 Strom, Gas und andere Brennstoffe sowie Kraftstoffe.— 2 Eigene Berechnung unter Verwendung von Angaben des Statistischen Bundesam-
Abbildung 7:
+ − + +
tes. — 3 Früher: Gesamtwirtschaftliches Baupreisniveau. — 4 Ohne Mehrwertsteuer. — 5 HWWA-Rohstoffpreisindex „Euroland” auf Euro-Basis. — 6 Kohle und Rohöl. — 7 Nahrungs- und Genussmittel sowie Industrierohstoffe.
Preisindex der Bundesrepublik Deutschland
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
25
Das Realeinkommen ermittelt sich aus dem Nominaleinkommen dividiert durch einen Preisindex, zum Beispiel dem Preisniveau der Konsumgüter. Das Realeinkommen stellt einen Indikator für die reale Kaufkraft des Geldeinkommens dar. Umgekehrt stellt das Nominaleinkommen das in Geld bewertete Einkommen eines Wirtschaftssubjektes ohne Berücksichtigung der realen Kaufkraft dieses Einkommens dar. Reale Größen ermittelt man also durch Dividieren von nominalen Größen durch den Preisindex. Preisindizes werden im Rahmen der amtlichen Preisstatistik errechnet. Diese Indexzahlen werden zur Beobachtung der Preisentwicklung in bestimmten Bereichen des Binnenmarktes verwendet. Nach Ermittlung des Preisindex kann der volkswirtschaftliche Prozess in preisbereinigten Reihen dargestellt werden. Für sämtliche Preisindizes werden Preisangaben für Güter und Leistungen in Form von Repräsentativerhebungen ermittelt. Die Vielzahl von Preisen wird dabei zu Messzahlen zusammengefasst und durch Gewichtung zur Beobachtung der durchschnittlichen Preisveränderung zu einer Reihe verschmolzen. Wichtig hierbei: Bei der Darstellung der Preisentwicklung durch Preisindizes werden Umsatz- und Verbrauchsverhältnisse einer beliebigen Referenzperiode zugrunde gelegt, die nicht unbedingt mit dem Basisjahr übereinzustimmen braucht. Derzeit (Stand 2005) werden die Preisindizes in der nachfolgend abgebildeten Statistik der Deutschen Bundesbank auf der Basis des Jahres 2000 berechnet.
Sozialprodukt: Bruttoinlandsprodukt, Bruttoinländerprodukt, Volkseinkommen Das (Brutto-)Sozialprodukt stellt ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einer Periode dar. Es entspricht dem Wert aller in einer Periode, üblicherweise einem Kalenderjahr, produzierten Güter (Waren und Dienstleistungen), jedoch ohne diejenigen Güter, die als Vorleistungen bei der Produktion verbraucht wurden, und einschließlich der aus dem Ausland netto empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Das Bruttosozialprodukt (Bruttoinländerprodukt) unterscheidet sich vom Bruttoinlandsprodukt, das die im Inland entstandene wirtschaftliche Leistung umfasst. Das Bruttosozialprodukt und das Bruttoinlandsprodukt unterscheiden sich also um den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt, wobei das Bruttosozialprodukt keine Erwerbs- und Vermögenseinkommen enthält, die an Ausländer fließen, schließt jedoch andererseits entsprechende Einkommen mit ein, die die Inländer aus dem Ausland beziehen. Wird das Bruttosozialprodukt dabei zu konstanten Preisen berechnet, so wird die reale Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leistung abgebildet und damit als globales Maß für das wirtschaftliche Wachstum einer Volkswirtschaft verwandt. Werden nun vom Bruttosozialprodukt die Abschreibungen auf das Anlagevermögen abgezogen, so ergibt sich das Nettosozialprodukt. Werden darüber hinaus noch die indirekten Steuern abgezogen und die Subventionen hinzuaddiert, so ergibt sich das Bruttosozialprodukt (Bruttoinlandsprodukt) zu Faktorkosten bzw. das Volkseinkommen.
26
Begriffliche Grundlagen
In weiterer Folge werden wir insbesondere bei der theoretischen Erklärung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen aus Vereinfachungsgründen die Begriffe „(Brutto-) Sozialprodukt“ und „(Volks-)Einkommen“ synonym verwenden.
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
IX. Konjunkturlage 1. Entstehung und Verwendung des Inlandsprodukts, Verteilung des Volkseinkommens Deutschland
2004 2003 Position
2004
2005
Index 2000=100
2003
2004
2005
2005
3.Vj.
2006
4.Vj.
1.Vj.
2.Vj.
3.Vj.
4.Vj.
1.Vj.
Veränderung gegen Vorjahr in %
Preisbereinigt, verkettet I.Entstehung des Inlandsprodukts Produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe) Baugewerbe Handel, Gastgewerbe und Verkehr 1) Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 2) Öffentliche und private Dienstleister 3)
100,5 86,4
105,0 85,1
107,8 81,9
1,0 − 4,5
4,4 − 1,6
2,7 − 3,8
4,2 − 4,2
3,4 − 3,1
0,3 − 12,0
4,1 − 1,5
2,9 − 1,2
3,4 − 1,2
7,1 5,0
102,3
104,2
106,0
− 1,3
1,9
1,7
1,0
2,2
0,9
2,6
2,2
1,0
2,2
105,2
107,1
108,9
0,6
1,8
1,7
1,4
1,7
1,8
1,9
1,8
1,3
1,8
102,1
102,4
101,8
− 0,3
0,4
− 0,6
0,1
0,1
− 1,0
− 0,3
− 0,4
− 0,7
0,3
Bruttowertschöpfung
101,7
103,9
105,1
− 0,1
2,1
1,1
1,5
1,7
0,0
1,9
1,4
1,2
3,0
Bruttoinlandsprodukt 4)
101,1
102,8
103,8
− 0,2
1,6
1,0
1,2
1,3
− 0,5
1,8
1,5
1,1
2,9
101,5 102,1 88,9 88,4 111,1 .
102,0 100,5 91,3 86,3 113,1 .
102,2 100,6 94,9 83,4 115,2 .
0,1 0,1 − 0,2 − 1,6 3,3 0,5
0,6 − 1,6 2,6 − 2,3 1,8 0,5
0,2 0,1 4,0 − 3,4 1,8 0,2
− 0,1 − 1,0 5,1 − 4,4 1,6 1,7
1,5 − 3,0 5,1 − 3,3 1,7 0,5
− 0,5 − 1,5 3,7 − 10,8 2,2 0,1
1,1 0,5 7,5 − 1,5 2,2 0,5
0,9 0,6 2,2 − 1,2 1,9 − 0,3
− 0,9 0,7 2,8 − 1,4 1,1 0,6
1,1 0,8 8,3 4,3 3,0 1,0
Inländische Verwendung Außenbeitrag 8) Exporte Importe
98,1 . 113,6 104,9
98,7 . 124,2 112,3
99,0 . 132,0 118,2
0,6 − 0,7 2,4 5,1
0,6 1,1 9,3 7,0
0,4 0,6 6,3 5,3
1,4 − 0,1 7,3 8,7
1,0 0,3 8,4 8,5
− 1,2 0,7 3,7 2,2
1,8 0,1 4,9 5,5
0,5 1,0 8,6 6,6
0,4 0,7 7,8 6,7
2,8 0,2 14,2 16,2
Bruttoinlandsprodukt 4)
101,1
102,8
103,8
− 0,2
1,6
1,0
1,2
1,3
− 0,5
1,8
1,5
1,1
2,9
1 287,6 1 312,5 1 332,2 415,5 412,8 417,2 146,9 149,4 153,9 213,0 210,7 205,6 24,5 24,9 25,2 − 11,6 − 4,0 1,3
1,7 0,8 − 3,2 − 1,6 − 0,2 .
1,9 − 0,6 1,7 − 1,1 1,6 .
1,5 1,1 3,0 − 2,4 1,4 .
1,4 − 1,1 4,3 − 2,7 2,0 .
2,9 − 2,1 4,0 − 1,5 2,2 .
0,7 − 0,2 2,8 − 8,9 1,7 .
2,1 1,6 6,3 − 0,6 1,2 .
2,3 1,5 1,2 − 0,6 1,1 .
0,9 1,4 2,1 − 0,8 1,7 .
2,9 2,0 7,0 5,1 1,3 .
Inländische Verwendung Außenbeitrag Exporte Importe
2 075,8 2 106,2 2 135,3 87,6 109,5 112,1 772,7 842,8 901,7 685,1 733,4 789,6
1,4 . 0,9 2,5
1,5 . 9,1 7,0
1,4 . 7,0 7,7
2,2 . 7,7 10,0
2,1 . 9,6 11,1
− 0,0 . 4,7 4,3
2,6 . 5,7 7,5
1,5 . 8,8 9,1
1,5 . 8,5 9,3
4,2 . 15,7 20,8
Bruttoinlandsprodukt 4)
2 163,4 2 215,7 2 247,4
0,9
2,4
1,4
1,7
1,9
0,4
2,1
1,7
1,5
3,2
107,4 105,0 101,2
1,5 1,0 1,0
1,4 0,8 − 0,2
1,3 0,5 − 1,5
1,5 0,5 − 0,8
1,4 0,6 − 1,3
1,2 0,8 − 1,1
1,0 0,4 − 1,2
1,3 0,2 − 2,0
1,8 0,5 − 1,7
1,7 0,3 − 2,5
1 131,1 1 134,5 1 128,8
0,0
II.Verwendung des Inlandsprodukts Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen 6) Vorratsveränderungen 7) 8)
In jeweiligen Preisen (Mrd €) III.Verwendung des Inlandsprodukts Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen 6) Vorratsveränderungen 7)
IV.Preise (2000 = 100) Privater Konsum Bruttoinlandsprodukt Terms of Trade V.Verteilung des Volkseinkommens Arbeitnehmerentgelt Unternehmens- und Vermögenseinkommen
104,5 103,7 103,0
106,0 104,5 102,8
0,2
0,3
− 0,5
− 0,1
− 0,1
− 0,3
− 0,4
− 0,6
− 0,7
557,0
3,6
11,7
6,3
8,0
9,8
3,6
7,8
5,4
8,7
9,2
1 600,0 1 658,3 1 685,8
1,2
3,6
1,7
2,4
2,4
1,0
2,3
1,4
1,9
3,2
Nachr.: Bruttonationaleinkommen 2 147,3 2 216,0 2 251,2
1,2
3,2
1,6
2,5
2,5
0,8
2,3
1,7
1,6
3,0
Volkseinkommen
468,9
523,8
Quelle: Statistisches Bundesamt; Rechenstand: Mai 2006. — 1 Einschl. Nachrichtenübermittlung. — 2 Kredit- und Versicherungsgewerbe, Grundstückswesen, Vermietung und Unternehmensdienstleister. — 3 Einschl. Häusliche Dienste. — 4 Bruttowertschöpfung zuzüglich Gütersteuern (saldiert mit
Abbildung 8:
Gütersubventionen). — 5 Einschl. Private Organisationen ohne Erwerbszweck. — 6 Immaterielle Anlageinvestitionen (u. a. EDV-Software, Urheberrechte) sowie Nutztiere und -pflanzen. — 7 Einschl. Nettozugang an Wertsachen. — 8 Wachstumsbeitrag zum BIP.
Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2005
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
27
Verbrauchsgüter, Gebrauchsgüter, dauerhafte Konsumgüter sowie freie Güter Verbrauchsgüter stellen Güter dar, welche in einer produktionsorientierten Betrachtungsweise, abgesehen von Rest- und Abfallstoffen, in andere Güter eingehen bzw. in qualitativ andere Substanzen übergehen, beispielsweise bei chemischen Umwandlungsprozessen oder aber indem sie zum Prozessablauf beitragen. Bei einer konsumorientierten Betrachtungsweise stellen Verbrauchsgüter solche Güter dar, welche durch den Konsum vernichtet werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Nahrungsmittel. Gebrauchsgüter stellen bei einer produktionsorientierten Betrachtungsweise technische Potenziale dar, die in einer technologisch und arbeitswissenschaftlich bestimmten Kombination mit anderen Gebrauchsgütern (unter Umständen in Kombination mit Arbeitskräften) Produktionsvorgänge bewirken können. Gebrauchsgüter in einer konsumorientierten Betrachtungsweise werden dabei als „dauerhafte Konsumgüter“ bezeichnet. Charakteristisch hierbei ist, dass diese nach dem Kauf nicht unmittelbar konsumiert bzw. einmalig gebraucht werden, sondern dem mehrmaligen Gebrauch dienen. Der Gegensatz hierfür sind einfache Verbrauchsgüter, welche unmittelbar nach dem einmaligen Gebraucht nicht mehr weiter zur weiteren Verfügung stehen. In der Regel sind die Mittel zur Befriedigung unserer nahezu unbegrenzten Bedürfnisse weitgehend begrenzt. Meist sind in Relation zu unseren Bedürfnissen zu wenige Güter vorhanden, um die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Derartige Güter werden als „knappe Güter“ bezeichnet. Falls diese Güter jedoch in der Natur in fast unbeschränkter Menge zur Verfügung stehen, so werden sie als „freie Güter“ bezeichnet.
Arbeitseinkommen, Besitzeinkommen Unter dem Arbeitseinkommen versteht man den dem Produktionsfaktor Arbeit zuzurechnenden Teil des im Zuge der Produktion von Gütern entstehenden Einkommens. Den Gegensatz dazu stellt das Besitzeinkommens dar: Hierunter versteht man das Einkommen, welches auf einer Monopol- oder Quasimonopolstellung der Bodenbesitzer bzw. Besitzer produzierender Produktionsmittel gegenüber den Arbeitern bzw. Angestellten beruht.
Ökonomisches Prinzip und Nutzenmaximierung Das ökonomische Prinzip, auch Wirtschaftlichkeitsprinzip bezeichnet, beschreibt den Grundsatz, nach welchem zum einen ein bestimmter wirtschaftlicher Erfolg mit dem geringstmöglichen Mitteleinsatz (Minimalprinzip) oder mittels eines bestimmten Mitteleinsatzes der größtmögliche Erfolg (Maximalprinzip) erzielt werden soll.
28
Idealtypische Wirtschaftssysteme
Produktionsfaktoren Als Produktionsfaktoren werden die zur Produktion verwendeten Güter materieller und immaterieller Art bezeichnet, deren Einsatz für das Hervorbringen anderer wirtschaftlicher Güter aus technischen oder anderen Gründen notwendig ist.
2.2
Idealtypische Wirtschaftssysteme
Als Wirtschaftssystem im engeren Wortsinn wird die Methode der gesamtwirtschaftlichen Lenkung verstanden. Hierbei gilt es zwei „idealtypische“ bzw. „extremtypische“ Wirtschaftssysteme zu unterscheiden: Die zentrale Lenkung durch den Staat, die sogenannte Zentralverwaltungswirtschaft, oder die dezentrale Lenkung durch die Marktkräfte, die sogenannten Marktwirtschaft. Eine Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen legt dabei den Rahmen für den Ablauf der Wirtschaft fest. Dieser „Rahmen“ wird als Wirtschaftsordnung bezeichnet. Die Bildung von Wirtschaftsordnungstypen ist dabei kein Versuch, tatsächlich anzutreffende Ordnungen abzubilden, sondern lediglich das Ergebnis einer Abstraktion. Wirtschaftsordnungen lassen sich dergestalt unterscheiden, ob in dieser gesamtwirtschaftlichen Koordination der Arbeitsteilung eine zentrale oder aber eine dezentrale Koordination maßgeblich beeinflusst wird. In der Realität existieren diese „idealtypischen“ Wirtschaftssysteme also nicht. Vielmehr werden in jedem System Ausnahmen von der zentralen respektive dezentralen Lenkung durchaus vorgenommen. In der Literatur wird deshalb von einer dezentral gelenkten Wirtschaftsordnung, der sogenannten marktwirtschaftlichen oder Wettbewerbsordnung beziehungsweise der zentral gelenkten respektive zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung oder auch der Befehlswirtschaft gesprochen. Bitte beachten Sie jedoch: Eine einheitliche Terminologie hierüber besteht in der volkswirtschaftlichen Literatur nicht. So werden in der Literatur die Begriffe Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung meist synonym verstanden und auch die Marktwirtschaft mit der Wettbewerbswirtschaft, sowie analog die Planwirtschaft mit der Zentralverwaltungswirtschaft gleichgesetzt. An Realitätsnähe wird gewonnen, wenn von diesen beiden Extremformen im Zuge einer abnehmenden Abstraktion Abstand genommen wird.
Marktwirtschaft Die Marktwirtschaft stellt eine Wirtschaftsordnung mit einer dezentralen Planung und Lenkung der wirtschaftlichen Prozesse dar, die über Märkte mittels eines Preismechanismus koordiniert werden. Die Mindestaufgaben des Staates liegen in der Steuerung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer die wettbewerbliche Koordination wirkungsvoll erfolgen kann, sowie die Bereitstellung privatwirtschaftlich unrentabler öffentlicher Güter.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
29
In Abhängigkeit der wirtschaftspolitischen Konzeption treten weitere konjunktur-, struktur- oder sozialpolitische Aufgabenbereiche hinzu, wobei hierbei zu beachten ist, dass diese grundsätzlich die individuelle Planungsautonomie nicht aufheben dürfen.
Zentralverwaltungswirtschaft Während im marktwirtschaftlichen System also die Einflussnahme des Staates in Bezug auf die Wirtschaftspolitik vergleichsweise gering ist, so dominiert sie in einem zentralverwaltungswirtschaftlichen System. Die Zentralverwaltungswirtschaft beschreibt dabei eine Wirtschaftsordnung, in der die innerhalb einer Gesellschaft ablaufenden Wirtschaftsprozesse von einer staatlichen Zentralinstanz geplant und koordiniert werden. Idealtypisch ist hierbei nur ein Planträger vorhanden. Hierzu sind folgende Formen denkbar: ■
die absolut zentralgeleitete Wirtschaft, in welcher die Konsumenten ein von der Zentralinstanz individuell eindeutig determiniertes Konsumgüterbündel erhalten
■
die zentralgeleitete Wirtschaft mit freiem Konsumguttausch, in welcher die Konsumenten untereinander die ihnen jeweils zugeteilten Güter nach eigenen Präferenzen austauschen können
■
die zentralgeleitete Wirtschaft mit freier Konsumgutwahl, in welcher die Konsumenten sogenannte Berechtigungsscheine bzw. Geldzeichen erhalten, mit denen diese nach eigenen Präferenzen staatlich bereitgestellte Güter auswählen können.
Darüber hinaus kann die Zentralverwaltungswirtschaft im Hinblick auf die Eigentumsformen in Form einer Zentralverwaltungswirtschaft mit Privateigentum, als Zentralverwaltungswirtschaft mit Gesellschaftseigentum sowie als Zentralverwaltungswirtschaft mit Staatseigentum unterschieden werden. Bitte beachten Sie Abbildung 9, in welcher die Begriffssystematik der gesamtwirtschaftlichen Lenkung schematisch nachvollziehbar ist. Lenkungsbereich: (Aufgabe) Wirtschaftssystem: (Idealtypus)
Wirtschaftsordnung: (Realtypus)
Abbildung 9:
Arbeitsteilige Volkswirtschaft freiheitliches Wirtschaftssystem (dezentrale Lenkung oder Marktwirtschaft)
sozialistisches Wirtschaftssystem (zentrale Lenkung oder Zentralverwaltungswirtschaft)
freiheitliche Wirtschaftsordnung oder –politik (marktwirtschaftliche Ordnung oder Wettbewerbsordnung)
sozialistische Wirtschaftsordnung oder -politik (zentralverwaltungswirtschaftliche Ordnung oder Befehlswirtschaft)
Systematik der gesamtwirtschaftlichen Lenkung
30
Idealtypische Wirtschaftssysteme
Exkurs: Die Soziale Marktwirtschaft An dieser Stelle sei insbesondere das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft kritisch gewürdigt. Historisch gesehen kann die Soziale Marktwirtschaft, konzipiert im Wesentlichen durch dem liberal gesinnten Wirtschaftswissenschaftler Alfred Müller-Armack und in die praktische Politik durch Ludwig Erhard umgesetzt, als Reaktion auf den in den westlichen Industrieländern zwischen den beiden Weltkriegen zunehmenden orientierungslosen Interventionismus, die in Deutschland sich anschließende nationalistische Zwangswirtschaft sowie die wirtschaftsbürokratische Verwaltung des Elends in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg interpretiert werden. Somit stellt die Soziale Marktwirtschaft ein wirtschaftspolitisches Leitbild dar, welches auf die Erklärung des Ordoliberalismus nach staatlicher Gewährleistung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung aufsetzt und um einen Katalog wirtschaftspolitischer Staatsaufgaben unter der Betonung sozialpolitischer Ziele ergänzt wurde. Das Ziel der Sozialen Marktwirtschaft war es, Ziele und Lösungsvorschläge des Liberalismus, der christlichen Soziallehre sowie der sozialdemokratischen Programmatik miteinander in Einklang zu bringen. Die Soziale Marktwirtschaft stellt dabei kein streng in sich geschlossenes Konzept dar, der Gestaltungsaufbau an die Träger der Wirtschaftspolitik ist dabei viel umfangreicher und weiträumiger als im Konzept des Ordoliberalismus, ist doch neben der Gewährleistung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung eine soziale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik unabdingbar. Die Beziehungen zu den gesellschaftlichen Grundwerten dieser Konzeption lassen sich wie folgt skizzieren: ■
Individuelle Freiheit: Diese wird durch eine weitgehende Übertragung der Entscheidungsbefugnisse im Bereich des Wirtschaftens auf die Privaten in Übereinstimmung mit der durch die Verfassung gewährten Garantie von Privatautonomie und Privateigentum gefördert.
■
Gerechtigkeit im Sinne von Leistungsgerechtigkeit: Leistungsgerechtigkeit wird durch Leistungskontrollen erreicht, welche von einem funktionsfähigen Wettbewerb auch erwartet werden, wobei Korrekturen im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit vor allem durch eine Einkommensbesteuerung sowie durch Transferzahlungen erreicht werden müssen.
■
Wirtschaftliche Sicherheit: Diese soll durch die Förderung der individuellen Daseinsvorsorge, durch ein System kollektiver Daseinsvorsorge sowie Vermögensbildung erreicht werden.
■
Fortschritt: Der Fortschritt soll durch eine marktmäßige Koordination durch preisgesteuerte Wettbewerbsprozesse erreicht werden.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
31
Ordnungspolitisch kann diese Konzeption als Versuch einer konkreten Ausformung des Typs einer gelenkten Marktwirtschaft angesehen werden. Für die Soziale Marktwirtschaft hat das Postulat der Freiheit einen wesentlichen Stellenwert. Hierbei gilt insbesondere die Norm, dass die Koordination der wirtschaftlichen Angelegenheiten weitgehend im Wettbewerb zwischen den Individuen geregelt werden soll. Dies kann jedoch nur bei einem funktionierenden Rechtssystem in einem Staat einhergehen, der die entsprechenden Rahmenbedingungen auch setzen kann. Diese Wirtschaftspolitik wurde genau aus diesem Grund in der Bundesrepublik Deutschland seit der Währungsreform im Jahre 1948 verfolgt und ist auch deshalb eng mit dem Namen Ludwig Erhard (1897–1977) in der Politik verwurzelt. Der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft lässt sich dabei insbesondere vor dem historischen Hintergrund begreifen. Streng genommen kann eine Marktwirtschaft gar nicht „unsozial“ sein, denn durch die zwangsläufige Verknüpfung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ist der Staat logischerweise zwangsläufig sozial. Allerdings wurde in der Geschichte von den Gegnern der marktwirtschaftlichen Ordnung der Begriff Marktwirtschaft derartig negativ besetzt, dass oftmals ein freiheitliches System zwangsläufig als „unsozial“ gebrandmarkt werden musste mit dem Hinweis, dass es in der Marktwirtschaft grundsätzlich keine Entlohnung nach den physischen Mühen der Arbeit geben könne, der Markt auf ethische Werte keinerlei Rücksicht nehmen würde und der wirtschaftlich Starke (zum Beispiel der Unternehmer) den Schwächeren (in der Regel den Arbeiter) stets wirtschaftlich ausbeute. Somit stand mit der Währungsreform bzw. der Gründung der Bundesrepublik die Einführung der Marktwirtschaft anfangs noch unter keinem guten Stern, da die Gefahr bestand, dass mit der Einführung der Marktwirtschaft die erhofften sozialen Wirkungen ausbleiben könnten. Seit Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde die Ordnungspolitik verstärkt von der Prozesspolitik verdrängt, wobei hier die Fiskalpolitik vermehrt den Vorrang vor geldpolitischen Instrumenten erhielt. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass vermehrt eine überwiegend paternalistische Politik anstelle der das Subsidiaritätsprinzip betonenden freiheitliche Sozialordnung getreten war.
Definition: Paternalistische Politik Als „paternalistisch“ (lat. Einmischen; pater = Vater) wird eine Handlung bezeichnet, wenn sie gegen den Willen, aber auf das Wohl eines anderen gerichtet ist. Sie beschreibt eine Herrschaftsordnung, die im außerfamiliären Bereich ihre Autorität und Herrschaftslegitimierung auf eine vormundschaftliche Beziehung zwischen Herrscher/Herrschern und dem Herrschaftsuntergeordneten begründet. Nach Robert Owen bezeichnet der Paternalismus eine Idee zur Lösung der sozialen Frage in Deutschland im 19. Jahrhundert und bezeichnet die private betriebliche Sozialpolitik der Großunternehmer, welche den Arbeitern Leistungen wie beispielsweise Betriebskrankenkasse, betriebliche Altersversorgung etc. anboten.
32
Grundlagen der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Paradigmen
Definition: Subsidiaritätsprinzip Das Subsidiaritätsprinzip beschreibt ein der katholischen Soziallehre entstammendes gesellschaftsethisches Gestaltungsprinzip. Es akzentuiert die Entfaltung der individuellen Möglichkeiten, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Menschen. Nur dort, wo die Kraft des einzelnen bzw. einer keinen Gruppe, zum Beispiel Familie, nicht ausreicht, die Aufgaben der Daseinsgestaltung zu lösen, soll der Staat subsidiär eingreifen. Die Hilfe zur Selbsthilfe hat dabei den Vorzug vor unmittelbarer Aufgabenübernahme durch die Großgruppe, wobei andererseits der Staat diesem Prinzip zufolge auch die materiellen Grundlagen für die individuelle Selbstverwirklichung in der kleinen Gruppe schaffen muss. Die Selbstverantwortlichkeit nach dem Subsidaritätsprinzip ist daher Bestandteil der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft.
2.3
Grundlagen der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Paradigmen
Vorab ein kurzer historischer Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Volkswirtschaftslehre.
2.3.1 Klassische Lehre Unter der „Klassik“ wird vorwiegend die Lehre von angelsächsischen Ökonomen verstanden, welche mit ihren Forschungen und Erkenntnissen in der Zeitspanne von etwa 1750 bis 1850 die Grundlagen der modernen Nationalökonomie geschaffen haben. Bedeutende Vertreter der klassischen Lehre sind dabei David Ricardo, Adam Smith, Thomas Malthus, John St. Mill sowie Jean Baptiste Say. Klassik in Kürze: 1770: Herausgabe von „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ von Adam Smith: Konsolidierung bestehender Erkenntnisse, die er mit der „unsichtbaren Hand” zusammenfasste. Harmonieprinzip: Überzeugung der Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft. Bildlicher Ausdruck in der „invisible hand“ von Adam Smith. Die „unsichtbare Hand“ ist der Preismechanismus. Diese führt trotz oder gerade wegen der eigennützigen und individualistischen Handlungsweisen der einzelnen zu einer Koordination der Wirtschaftspläne (Vorstellung der natürlichen Ordnung).
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
33
Ziel: „optimum optimorum“. Forderung an den Staat, sich aus dem Wirtschaftsleben herauszuhalten (vgl. F. Lassalle: „Nachtwächterstaat“). Beschränkung auf innere und äußere Sicherheit, Rechtssystem und Garantie des Privateigentums.
Zentraler Punkt der „klassischen Lehre“ stellt das Individuum und dessen wirtschaftliches Handeln dar, welches nach Auffassung der Klassiker stets und ausschließlich durch das Gewinnstreben bzw. den Eigennutz determiniert ist. Dieser „utilitaristische“ Ansatz wird durch den „homo oeconomicus“ beschrieben. Durch das eigennützige Handeln werde nicht nur die eigene Wohlfahrt, sondern auch die allgemeine gesellschaftliche Wohlfahrt gemehrt. Auf Basis dieser Auffassung gründet sich die Forderung des klassischen Liberalismus nach individueller Freiheit bei einer weitreichenden Zurückhaltung des Staates, dessen eigentliche Aufgabe ausschließlich darin besteht, die individuelle Freiheit des Einzelnen zu schützen und einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen. Eine grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass das individuelle Streben nach Eigennutz tatsächlich auch das Gemeinwohl fördert, ist das Vorhandensein eines wirksamen Konkurrenzmechanismus. Dieser wurde von Adam Smith als „invisible hand“ bezeichnet. Grundlegend für die klassische Sichtweise der wirtschaftlichen Zusammenhänge ist der Glaube an eine inhärente Stabilität des privaten Sektors, was bedeutet, dass sowohl die privaten Haushalte als auch die privaten Unternehmen stets in einem privatwirtschaftlich-kapitalistisch organisierten Wirtschaftsraum in der Lage sind, wirtschaftliche (temporär vorherrschende) Instabilitäten aus eigener Kraft zu lösen und die Vollbeschäftigung so regelmäßig wieder durch die Marktkräfte zu erreichen. Historisch muss die klassische Lehre vor dem Hintergrund der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der industriellen Revolution sowie der Ideen der Aufklärung betrachtet werden, welche die Fragestellungen und Auffassungen der Begründer der klassischen Lehre beeinflusst hat. So ist es auch zu erklären, weshalb das Interesse in erster Linie der Angebotsseite einer Volkswirtschaft gewidmet wurde und weniger der Nachfragekomponente, da im Vordergrund der Untersuchungen im Wesentlichen Fragestellungen der Mehrung des Wohlstandes durch Produktionssteigerungen und Verteilungsfragen standen.
2.3.2 Keynesianismus Spätestens mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 wurde der Glaube an die Selbstheilungskräfte der erschüttert und forderte ein Überdenken der klassischen Theorie in der Wissenschaft. Die beschriebenen Selbstheilungskräfte des privaten Sektors waren seinerzeit offensichtlich nicht in der Lage, die enorme Massenarbeitslosigkeit in Verbindung mit drastischen Produktionsrückgängen und Preissenkungen zu erklären, geschweige denn Lösungsvorschläge zu bieten. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu
34
Grundlagen der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Paradigmen
beachten, dass andererseits auch in dieser Zeit bestimmte entscheidende Voraussetzungen der Klassik, beispielsweise eine Flexibilität der Preise, nicht vorlagen. In Abgrenzung zur klassischen Theorie entwickelten deshalb verschiedene Nationalökonomen neue Ansätze zur Erklärung und Lösung der bestehenden Weltwirtschaftskrise. Weltweite Bekanntheit erlangte hierbei der Engländer John Maynard Keynes mit der Veröffentlichung der „General Theory“, in welcher er in zahlreichen Punkten entgegengesetzte Positionen zur Klassik einnahm. Keynesianismus in Kürze: 1936: Veröffentlichung der „General theory of employment, interest and money” von John Maynard Keynes. Beschäftigungsproblem als zentraler Punkt bzw. das zentrale Problem überhaupt. Untersuchung des Auslastungsgrades nicht vollbeschäftigter Produktionsfaktoren. Erklärungsziel hängt hier mit dem realgeschichtlichen Ereignis der Weltwirtschaftskrise von 1929 zusammen. Betrachtungsweise neu: Wende von der langfristigen Analyse hin zur kurzfristigen Betrachtungsweise. Bildung einer neuen zweiten „Orthodoxie“ und neuer Gegensatz zur Neoklassik
Nach der Auffassung von John Maynard Keynes neigen die hoch entwickelten Volkswirtschaften prinzipiell zu wirtschaftlichen Störungen, da der Marktmechanismus unter bestimmten Bedingungen versagt, wobei insbesondere der private Sektor eine inhärente Instabilität aufweist. Wirtschaftspolitisch läuft dies auf die Nichterreichung des im Stabilitäts- und Wachstumgesetz (StWG) verankerten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts hinaus. Die Ursachen für diese Krisen liegen nach der Auffassung von Keynes in einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, wodurch die in der Volkswirtschaft vorhandenen Produktionsmöglichkeiten nicht vollständig ausgeschöpft werden. Liegen nun in einer privatwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft derartige Instabilitäten vor, so bedarf es einer konsequenten Steuerung der Gesamtnachfrage, welche von der Wirtschaftspolitik unterstützt werden sollte. Versagen die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Nachfrage, so hat der Staat als die geeignete Instanz aktiv in Erscheinung zu treten. Demnach besitzt diese Nachfrageorientierung kurzfristigen Charakter. Die Fiskalpolitik erhält damit mit ihren konjunkturell gezielt einsetzbaren Veränderungen der Staatsausgaben und Staatseinnahmen im Rahmen von sogenannten Konjunkturprogrammen eine entscheidende Schlüsselrolle. Zur Finanzierung dieser Konjunkturprogramme kann der Staat zusätzliche Kredite aufnehmen, eine konjunkturbedingte Erhöhung der Staatsverschuldung ist nach der Auffassung von Keynes in einer derartigen Situation dabei durchaus angemessen.
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
35
Die Bedeutung der keynesianischen Lehre für die Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik ist kaum zu überschätzen. Sie wird auf theoretischem Gebiet neben der wirtschaftspolitischen Akzeptanz seit 1936 fortlaufend weiterentwickelt.
Paradigmen
Klassik (18./19. Jhdt.) Smith, Ricardo, Say
(1936, „General Theory“) Smith, Ricardo, Say
ĺ „Marktoptimismus“
ĺ „Marktpessimismus“
Stabilität
Instabilität
• Vollbeschäftigung
• Unterbeschäftigung
• „laissez faire“, Selbstheilungskräfte
• Interventionismus
• Absage an Staat als Stabilisator der Wirtschaft
• Bedeutung des Staates als Stabilisator der Wirtschaft
• Preismechanismus
• Kreislaufzusammenhänge
• Wettbewerbspolitik
• Fiskalpolitik
• Haushaltsausgleich
• Haushaltsdefizite
seit Sechzigerjahren: Monetarismus/Neoklassik
seit Sechzigerjahren: Post-/Neokeynesianismus
ĺ angebotsorientierter Ansatz (längerfristig)
ĺ nachfrageorientierter Ansatz (kürzerfristig)
Keynes
Abbildung 10: Klassik und Keynesianismus: Zwei gegensätzliche makroökonomische Paradigmen
36
Grundlagen der Wirtschaftspolitik und wirtschaftspolitische Paradigmen
2.3.3 Monetarismus Nachdem mit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 der Glaube an die klassische Theorie erschüttert wurde, dauerte es rund dreißig Jahre, bis der klassische Gedanke in einer erweiterten Form wieder eine verstärkte Beachtung finden konnte. Vor allem die Bekämpfung der aufkommenden Inflation nach dem zweiten Weltkrieg führte zu einer gewissen Renaissance der klassischen Theorie mit der Bezeichnung „Monetarismus“, welche eng mit dem Namen Milton Friedman verbunden ist. Nach der Auffassung der Monetaristen kommt der Geldpolitik innerhalb der Stabilitätspolitik eine entscheidende Rolle zu, hat sie doch für Preisniveaustabilität als oberstes Ziel der Geldpolitik zu sorgen, um den Allokationsmechanismus zu gewährleisten und zu erhalten.
Definition: Allokationsfunktion des Preises Die Verteilung der Produktionsfaktoren auf die einzelnen Branchen einer Volkswirtschaft hängt in der Regel von der Höhe der Faktorpreise ab, die von den Branchen bezahlt werden. Eine Branche kann umso höhere Faktorpreise bezahlen, je höher ihre Rentabilität und damit Profitabilität ist. Nur im Fall einer freien Güter- und Faktorpreisbildung ist es daher gewährleistet, dass die Produktionsfaktoren in der produktivsten Verwendung eingesetzt werden, wobei dies voraussetzt, dass keine Mobilitätshemmnisse für die Produktionsfaktoren bestehen. Die produktivste Verwendung der Produktionsfaktoren setzt also ein Funktionieren des Preismechanismus voraus, wofür eine Preisniveaustabilität unabdingbar ist. Das Inflationsproblem trat seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland vor allem in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts infolge der drastischen Erhöhung der Rohstoffpreise auf. Der Monetarismus knüpfte an die Gleichgewichts- und Harmonieidee der klassischen Theorie an. Grundlegendes Postulat des Monetarismusses stellt die Annahme der relativen Stabilität des privaten Sektors dar, womit gemeint ist, dass das marktwirtschaftliche System bei flexiblen Preisen zu einem stabilen Gleichgewicht tendiert. Die Dynamik des privaten Sektors ist dabei annahmegemäß stabil. Die dem Monetarismus zugrunde liegende „Quantitätstheorie“ stellt dabei auf einen strikt proportionalen Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau ab und postuliert, dass das Realeinkommen unabhängig von monetären Größen oder Größenveränderungen im realen Bereich der Volkswirtschaft bestimmt wird. Treffen nun diese Hypothesen zu, so gilt eine streng proportionale Beziehung zwischen der Geldmenge und der Inflationsrate. Diese Beziehung gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant ist. Langfristig führt eine höhere Wachstumsrate der Geldmenge im Vergleich zum Volkseinkommen zwingend zu einer erhöhten Inflationsrate. Aus den monetaristischen Positionen heraus ergibt sich die Forderung nach einem Verzicht auf jede diskretionäre Konjunktur- und Beschäftigungspolitik, insbesondere bei geldpolitischen
Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
37
Maßnahmen. Beschäftigungspolitische Maßnahmen führen nach dieser Auffassung lediglich zu einer vorübergehenden Minderung der Arbeitslosenquote, und zwar nur solange, bis die Wirtschaftssubjekte in ihren Erwartungen enttäuscht werden. Sobald sich die Erwartungen vollständig angepasst haben und die Wirtschaftssubjekte die erhöhte Inflationsrate adaptiert haben, wird sich auch die ursprüngliche Unterbeschäftigung bei einer erhöhten Inflationsrate wieder einstellen. Durch die Verzerrung der Preise ist der Allokationsmechanismus der Preise eingeschränkt, wodurch sich derartige Maßnahmen nach der Auffassung der Monetaristen darüber hinaus auch wohlfahrtsmindernd auswirken werden. Monetarismus in Kürze:
Mögliche prägnante Definition: „Reformierte Quantitätstheorie mit der zentralen These, dass die Entwicklung des volkswirtschaftlichen Nominaleinkommens von Veränderungen des Geldangebotes dominiert wird.“ Erklärungsziel wandte sich in der Nachkriegszeit weg von der Beschäftigung hin zur Inflation. Monetarismus wird oftmals als „Anti-Interventionismus“ verstanden. In diesem Fall kann dies als eine bestimmte Spielart des Wirtschaftsliberalismus interpretiert werden.
Quantitätstheorie (Fishersche Verkehrsgleichung) Unter der Annahme, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes konstant bleibt, führt ein im Vergleich zur Steigerung des Volkseinkommens überproportionales Geldmengenwachstum zwangsläufig zu einem Ansteigen der Inflationsrate. Fishersche Verkehrsgleichung:
M*v=P*Y Es gilt: M:
Geldmenge
V:
Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
P:
Preisindex (vgl. Abbildung 7: Preisindex der Bundesrepublik Deutschland)
Y:
Volkseinkommen bzw. gesamtwirtschaftliche Beschäftigung
38
Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung
Exkurs: Geldmengenaggregate als Indikator- und Zwischenzielgröße Die Geldmenge beschreibt den Bestand an Zahlungsmitteln (Zentralbankgeldmenge) einer Volkswirtschaft. Die Summe aus Bargeld und Sichteinlagen wird auch als reale Geldmenge bezeichnet. Der Begriff der Geldmenge wird im Hinblick auf seine Eignung als geldpolitische Steuerungs- und Zielgröße unterschiedlich abgegrenzt. Abgrenzungskriterien der Deutschen Bundesbank ■
Zentralbankgeldmenge: Umfasst das Mindestreservesoll für Sicht-, Termin- und Spareinlagen von Inländern zu konstanten Reservesätzen sowie den Bargeldumlauf bei privaten Haushalten, Unternehmen und der öffentlichen Hand.
■
Geldmengenaggregat M 1: Umfasst das laufende Bargeld ohne Kassenbestände der Banken und die Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei den Kreditinstituten.
■
Geldmengenaggregat M 2: Beinhaltet das Geldmengenaggregat M 1 und zusätzlich alle Termineinlagen inländischer Nichtbanken bei den Kreditinstituten mit einer Befristung bis zu zwei Jahren sowie Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist bis zu drei Monaten.
■
Geldmengenaggregat M 3: Beinhaltet das Geldmengenaggregat M 2 und zusätzlich Geldmarktfondsanteile, Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen (mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren) sowie Beträge aus Reprogeschäften.
3.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
3.1
Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung
Das marktwirtschaftliche System ist gekennzeichnet durch den Gegensatz zwischen den vielfältigen und zahlreichen Bedürfnissen der Gesellschaft einerseits, andererseits aber gleichzeitig durch die Beschränktheit der Ressourcen, welche zur Befriedigung dieser zahllosen Bedürfnisse nicht ausreichen können. Dies ist auch der Grund, weshalb die Gesellschaft mit ihren knappen Mittel wirtschaften muss. Bitte verinnerlichen Sie sich in diesem Zusammenhang noch einmal das ökonomische Prinzip aus Abschnitt 2.1:
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Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung
Exkurs: Geldmengenaggregate als Indikator- und Zwischenzielgröße Die Geldmenge beschreibt den Bestand an Zahlungsmitteln (Zentralbankgeldmenge) einer Volkswirtschaft. Die Summe aus Bargeld und Sichteinlagen wird auch als reale Geldmenge bezeichnet. Der Begriff der Geldmenge wird im Hinblick auf seine Eignung als geldpolitische Steuerungs- und Zielgröße unterschiedlich abgegrenzt. Abgrenzungskriterien der Deutschen Bundesbank ■
Zentralbankgeldmenge: Umfasst das Mindestreservesoll für Sicht-, Termin- und Spareinlagen von Inländern zu konstanten Reservesätzen sowie den Bargeldumlauf bei privaten Haushalten, Unternehmen und der öffentlichen Hand.
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Geldmengenaggregat M 1: Umfasst das laufende Bargeld ohne Kassenbestände der Banken und die Sichteinlagen inländischer Nichtbanken bei den Kreditinstituten.
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Geldmengenaggregat M 2: Beinhaltet das Geldmengenaggregat M 1 und zusätzlich alle Termineinlagen inländischer Nichtbanken bei den Kreditinstituten mit einer Befristung bis zu zwei Jahren sowie Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist bis zu drei Monaten.
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Geldmengenaggregat M 3: Beinhaltet das Geldmengenaggregat M 2 und zusätzlich Geldmarktfondsanteile, Geldmarktpapiere, Schuldverschreibungen (mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren) sowie Beträge aus Reprogeschäften.
3.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
3.1
Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung
Das marktwirtschaftliche System ist gekennzeichnet durch den Gegensatz zwischen den vielfältigen und zahlreichen Bedürfnissen der Gesellschaft einerseits, andererseits aber gleichzeitig durch die Beschränktheit der Ressourcen, welche zur Befriedigung dieser zahllosen Bedürfnisse nicht ausreichen können. Dies ist auch der Grund, weshalb die Gesellschaft mit ihren knappen Mittel wirtschaften muss. Bitte verinnerlichen Sie sich in diesem Zusammenhang noch einmal das ökonomische Prinzip aus Abschnitt 2.1:
Stabilisierungsaufgabe des Staates
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Das Ziel aller Wirtschaftssubjekte muss es sein, mit Hilfe lediglich knapper und alternativ nutzbarer Ressourcen Güter und Dienstleistungen in einer arbeitsteilig organisierten Welt anzubieten. Wirtschaften bedeutet hierbei im Wesentlichen, die folgenden fünf Punkte zu klären: ■
Mit welchen Verfahren, an welchen Orten und durch wen wird produziert?
■
Welche Güter bzw. Dienstleistungen sollen in welchen Mengen und durch wen produziert werden?
■
Wer nimmt die Güter bzw. Dienstleistungen am Markt überhaupt ab und zu welchen Preisen bzw. Konditionen?
■
Durch welche Maßnahmen kann der Produzent bzw. Dienstleister erreichen, dass seine Kapazitäten möglichst vollständig ausgelastet werden, um Ineffizienzen durch das Brachliegen von Ressourcen zu verhindern?
■
Wie kann der Produzent bzw. Dienstleister flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse des Marktes oder des globalen Umfeldes reagieren?
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung versucht der Markt über den Preismechanismus einen Ausgleich auf die Beantwortung der fünf oben genannten Fragen zu geben. Wie hat man sich das vorzustellen? In der marktwirtschaftlichen Ordnung treten Produzenten bzw. Dienstleister und Konsumenten auf einem einzigen Markt zusammen.
Definition Markt: Nachfrage: viele
wenige
einer
viele
vollständige Konkurrenz
Nachfrageoligopol
Nachfragemonopol
wenige
Angebotsoligopol
zweiseitiges Oligopol
beschränktes Nachfragemonopol
einer
Angebotsmonopol
beschränktes Angebotsmonopol
zweiseitiges Monopol
Angebot:
Abbildung 11: Einfache Marktformen
Der Markt ist der ökonomische Ort des Tausches und der Preisfindung durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Das Zusammentreffen von Käufern und Verkäufern an einem konkreten zentralen Ort ist hierbei keinesfalls die Voraussetzung für die Existenz eines Marktes. Im Effekten- und Devisengeschäft wird mittels moderner Informations- und Kommunikationssystemen erfolgreich praktiziert, dass lediglich die Kenn-
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Preismechanismus und Wettbewerb in der marktwirtschaftlichen Ordnung
zeichnung der Märkte nach qualitativen und quantitativen Merkmalen den Gegenstand der Lehre von Marktformen bildet. In einer Marktwirtschaft bilden Märkte und die durch den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sich ergebenden Preise einen Steuerungsmechanismus für die Produktion und die Verteilung der Produktionsergebnisse. Der Preismechanismus bestimmt dabei, was konkret produziert bzw. angeboten wird. Wird beispielsweise für zwei beliebige Güter 1 und 2 ein Gleichgewichtspreis realisiert und kommt es nun zu einer Mehrnachfrage nach Gut 1 und zu einer Mindernachfrage nach Gut 2, so hat dies in der Regel kurzfristig zur Folge, dass der Preis von Gut 1 ansteigt und der Preis von Gut 2 sinkt.
Definition: Gleichgewichtspreis Unter einem Gleichgewichtspreis versteht man den Preis eines Gutes, zu welchem keine Überschussnachfrage nach dem betrachteten Gut entsteht. Ist nun der Gleichgewichtspreis positiv, so stimmen die zu diesem Preis nachgefragten und angebotenen Gütermengen überein. Ist der Gleichgewichtspreis dagegen gleich null, so übertrifft die angebotene Menge die zu diesem Preis nachgefragte Menge. In diesem Fall liegen „freie“ Güter vor.
Preis Gleichgewichtspreis
Angebotsfunktion
Nachfragefunktion
Gleichgewichtsmenge
Abbildung 12: Gleichgewichtspreis
Menge
Stabilisierungsaufgabe des Staates
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Steigt der Preis von Gut 1 an und sinkt der Preis von Gut 2, so hat dies auf die Gewinnsituation des Unternehmens oder der Unternehmen einen entscheidenden Einfluss: Der Gewinn der Produzenten bzw. der Anbieter der Dienstleistung für Gut 1 liegt nun über dem „Normalniveau“, das heißt dem „angemessenen“ Unternehmerlohn zzgl. Kapitalverzinsung. Der Gewinn des Produzenten bzw. Dienstleisters 2 sinkt dagegen unter dieses „Normalniveau“. Mittel- bis langfristig führt dies in der Konsequenz zu einer Abwanderung von Ressourcen aus den weniger ertragreichen Produkten hin zu Produkten, welche höhere Ertragschancen erwarten lassen. Deshalb wird dies in „begünstigten“ Branchen zu einer Erweiterung bestehender und Markteintritte neuer Unternehmen führen mit der Folge, dass hier das Angebot erweitert wird. Dieser Prozess funktioniert nicht endlos. Die ausgelösten Anpassungsprozesse finden dann ein Ende, wenn die Gewinne der betroffenen Unternehmen ihr „Normalniveau“ aufgrund des angestiegenen Angebots wieder erreicht haben.
3.2
Preiswettbewerb und die Folgen: Rechtfertigung der Marktwirtschaft
Der Preiswettbewerb zwingt alle Anbieter zu einer Wahl der kostengünstigsten Produktionsform. Der Produzent bestimmt, wie beziehungsweise mit welchen Einsatzfaktoren produziert wird. Diejenigen Produzenten, die kostenungünstiger produzieren als ihre Mitanbieter, müssen zwangsläufig mittel- bis langfristig aus dem Markt ausscheiden, da der Preis unter ihrem langfristigen Stückkostenminimum und ihr Gewinn damit unter dem angemessenen Branchenniveau liegt und umgekehrt. Es ist dabei eine zentrale Erkenntnis der Volkswirtschaftslehre, dass der Preismechanismus in einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu einem Wohlfahrtsoptimum in einer Gesellschaft führt. Sind Güter gleichwertig, bestehen also von Seiten der Konsumenten keinerlei Präferenzen ■
sachlicher Art (sind also die Güter in der Beschaffenheit absolut gleich),
■
zeitlicher Art (bezüglich Lieferfristen),
■
räumlicher Art (bezüglich Präferenzen dem einen Geschäft gegenüber einem beliebigen anderen Geschäft),
■
oder persönlicher Art (gehe ich in ein Geschäft lieber aufgrund einer bestimmten Verkäuferin bzw. eines bestimmten Verkäufers),
so werden aufgrund der besseren Produktionsform stets höhere Gewinne erzielt. Dies führt zu Anreizen, in der gesamten Branche Bestrebungen anzustellen, die vorhandenen knappen Ressourcen kostengünstiger einzusetzen. Dies ist im Sinne aller, da hierbei entsprechend dem ökonomischen Prinzip knappe Ressourcen zu einem höheren Produktionsergebnis verwendet werden und damit die Gesamtwohlfahrt der Gesellschaft erhöht wird.
42
3.3
Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
Marktformen
Bislang gingen wir von folgenden Annahmen aus: Der Einfluss der einzelnen Marktteilnehmer sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ist derart gering, dass diese sich als sogenannte „Mengenanpasser“ verhalten müssen.
Definition: Mengenanpasser Als Mengenanpasser werden Wirtschaftssubjekte bezeichnet, welche die am Markt vorherrschenden Preise in einem System vollständiger Konkurrenz als gegeben betrachten und deshalb ihre wirtschaftlichen Ziele durch eine Anpassung der angebotenen bzw. nachgefragten Mengen realisieren. Dies bedeutet, dass sowohl die Zahl der Anbieter als auch der Nachfrager relativ groß, gleichzeitig aber ihr Marktanteil relativ gering ist. Oftmals ist eine derartige „atomistische“ Marktstruktur in modernen Volkswirtschaften nicht gegeben. Vielmehr ist es in vielen Branchen Tatsache, dass entweder eine monopolistische Konkurrenzsituation, ein Angebotsmonopol oder aber ein bilaterales Monopol anzutreffen sind. Bitte beachten Sie Abbildung 13, welche die verschiedenartigen Konstellationen des Einflusses der Marktteilnehmer auf der Angebotsseite und der Nachfrageseite aufzeigt: Nachfrager:
einer (groß)
wenige (mittelgroß)
viele (klein)
einer (groß)
Bilaterales Monopol
Beschränktes Monopol
Monopol
wenige (mittelgroß)
Beschränktes Monopson
Bilaterales Oligopol
Oligopol
viele (klein)
Monopson
Oligopson
Polypol
Anbieter:
Abbildung 13: Ausführliches Marktformenschema
3.4
Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sorgt der Preismechanismus dafür, dass stets diejenigen Güter in denjenigen Mengen produziert werden, welche grundsätzlich auch von den Konsumenten gewünscht werden. Die Koordination der Wirtschaft erfolgt also über die Preise, welche hierbei folgende Funktionen erfüllen:
Stabilisierungsaufgabe des Staates
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■
Informationsfunktion: Die Preise signalisieren dem Anbieter, ob und in welchem Ausmaße es sich lohnt, in einen bestimmten Markt überhaupt zu investieren. Ändern sich die Preise, so signalisiert dies Veränderungen von relativen Überschüssen oder veränderten Knappheiten. Somit deuten steigende Preise darauf hin, dass das Angebot im Vergleich zur Nachfrage derzeit offensichtlich zu gering ist. Es entstehen neue Gewinnchancen, wodurch neue Anbieter angelockt werden. Der Preis signalisiert, in welchen Bereichen die Ressourcen den höchsten Nutzen bzw. Ertrag erbringen.
■
Steuerungs- und Allokationsfunktion: Unter dem Begriff Allokation wird die mengenmäßige Zuweisung von verfügbaren Ressourcen zur Herstellung bestimmter Güter und Dienste verstanden. Dies ist entscheidend bei der Beantwortung der Frage, mit welchen Produktionsverfahren und mit welchen Technologien welche Güter hergestellt werden. Zur Beantwortung dieser, für die Gesamtwohlfahrt der Gesellschaft entscheidenden Frage, obliegt dem Preismechanismus eine wichtige Steuerungsfunktion. Knappe Ressourcen werden dorthin gelenkt, wo die Verwendung am dringendsten ist, was von den Nachfragern durch Nachfrageund Preisänderungen entsprechend signalisiert wird. In einer Marktwirtschaft sind die Produzenten und Konsumenten deshalb auch stets um den bestmöglichen Einsatz der verfügbaren Mittel bemüht. Dieser Mechanismus führt zu einer großen Dynamik und einer hohen Leistungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems. Die vorhandenen Ressourcen werden somit durch eine fortlaufende Umverteilung, ausgelöst durch den Preismechanismus (Realallokation), in ihrer produktivsten Verwendung eingesetzt, wodurch die Gesamtleistung der Volkswirtschaft maximiert wird.
Dies gilt jedoch nur in dem Fall, in welchem der Preismechanismus durch staatliche Eingriffe, wie beispielsweise Mindest- oder Höchstpreise, nicht beeinflusst wird. Insbesondere aber Monopole oder Oligopole unterbinden einen effizienten Markt. Monopole führen in der Regel zu Marktergebnissen, die im Hinblick auf die Gesamtwohlfahrt eines Staates suboptimal sind.
3.4.1 Ursachen des Marktversagens, geborene öffentliche Güter sowie meritorische Güter Der Staat hat nicht nur die Aufgabe, öffentliche Güter bereitzustellen, er hat auch in bestimmten Fällen, in denen zwar der Markt technisch die Versorgung gewährleistet, aber unerwünschte „Ergebnisse“ hervorbringt, die Aufgabe in die individuelle Konsumwahl der Bürger einzugreifen. Ein rein öffentliches Gut ist bekanntermaßen ausschließlich gemeinschaftlich nutzbar, das heißt, die Nutzung des Gutes durch bestimmte Wirtschaftssubjekte erlaubt zwangsläufig auch die Nutzung des Gutes durch andere. Die Menge des Gutes steht deshalb allen gleichzeitig und in gleicher Höhe zur Verfügung. Es ist nicht möglich, bestimmte Wirtschaftssubjekte von der Nutzung auszuschließen. Bei rein privaten Gütern stellt sich die
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Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
Situation anders dar: Bei gegebenen Mengen dieser Güter ist gewöhnlich eine gleichzeitige Nutzung derselben durch bestimmte Individuen ausschließbar. In diesem Fall liegt der Extremfall eines rein privaten Gutes vor. Allerdings ist die gemeinsame Nutzung bzw. die „Nichtrivalität“ im Verbrauch des Gutes nur eine Bedingung für das Vorliegen eines rein öffentlichen Gutes. Eine zweite Bedingung kommt hierbei entscheidend hinzu: Bei einem rein öffentlichen Gut kann niemand von der Nutzung aus ökonomischen oder technischen Gründen ausgeschlossen werden. Wie bereits in Abschnitt 2.1 erläutert, ist nur durch die Möglichkeit des Ausschlusses kooperations- oder zahlungsunwilliger Nutzer eines öffentlichen Gutes ein durchgreifender Sanktionsmechanismus gegeben, wodurch sich eine Zahlungsbereitschaft erzwingen lässt. Fehlt dagegen diese Ausschlussmöglichkeit, so gibt es keinen Anreiz, eine Zahlungsbereitschaft zu offenbaren. Deshalb versagt hier der Markt, es gäbe deshalb aufgrund der fehlenden Ausschlussmöglichkeit keine privaten Anbieter dieses Produktes, da niemand ernsthaft bereit wäre, für diese Güter etwas zu bezahlen, obwohl gesellschaftlich allen bewusst ist, dass dieses betrachtete Gut am Markt angeboten werden sollte. Ein typisches Beispiel für derartige „geborene“ öffentliche Güter stellt die Landesverteidigung bzw. Rechtssicherheit des Staates dar. Grundsätzlich wird in einem marktwirtschaftlichen System idealtypisch davon ausgegangen, dass die sozialen Entscheidungen auf individuellen Präferenzen beruhen sollten, weiß doch der Einzelne am besten, was für ihn gut ist. Unter bestimmten Voraussetzungen bringt jedoch der Markt in der Realität auch durchaus ein optimales Ergebnis hervor, in diesem Falle würden staatliche Aktivitäten sich erübrigen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es in einem marktwirtschaftlichen System über die Problematik der geborenen öffentlichen Güter hinaus sich auch regelmäßig verschiedene Situationen ergeben, in denen die Bedingungen für eine effiziente Marktlösung nicht oder nicht vollständig erfüllt sind. Folgende Gründe für ein derartiges Marktversagen sind denkbar: ■
sinkende Durchschnittskosten in Unternehmen mit der Folge monopolistischer Situationen und damit einhergehende Beeinträchtigungen des vollkommenen Wettbewerbs,
■
externe Effekte.
Die Voraussetzungen für eine effiziente Allokation der Ressourcen werden in einem marktwirtschaftlichen System aber nicht verwirklicht, wenn die langfristigen Durchschnittskosten bestimmter Produzenten bis zur Kapazitätsgrenze (entgegen dem idealtypischen Uförmigen Verlauf der Durchschnittskostenkurve, s. Abschnitt 3.5) sinken. Ein typisches Beispiel hierfür können Versorgungsunternehmen darstellen mit der Folge monopolistischer Strukturen, da neu in den Markt eintretende Unternehmen mit enormen Nachteilen zu kämpfen haben. Damit eine Preisdiskriminierung ausgeschlossen werden kann, ist eine staatliche Regulierung der Preispolitik der Unternehmen unabdingbar oder aber durch eigene staatliche Produktion beziehungsweise Bereitstellung zu gewährleisten. Externe Effekte sind stets dann gegeben, wenn die Produktion eines Unternehmens oder der Nutzer eines Individuums nicht nur von dessen eigenen Entscheidungen abhängig ist, sondern auch von den Aktivitäten eines anderen Unternehmens oder Individuums ohne Zwischenschaltung des Marktes beeinflusst wird. Der von einem Produzenten oder Kon-
Stabilisierungsaufgabe des Staates
45
sumenten ausgehende externe Effekt ist dann positiv bzw. negativ, wenn der Empfänger dieses externen Effektes Vorteile erfährt bzw. Nachteile erleidet, ohne dass er dafür über den Markt einen bestimmten Betrag zu zahlen hätte bzw. erhalten könnte. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten ist das insbesondere für Unternehmen von Bedeutung. Die Unternehmen der verschiedenen Wirtschaftszweige stehen im Wettbewerb um die knappen Mittel der Nachfrager. Zwischen den Anbietern kommt es dann zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn diese negative (oder auch positive) Externalitäten hervorrufen. Unternehmen mit negativen Externalitäten können für ihre Güter Preise verlangen, die unter den sozialen Grenzkosten (das heißt den Kosten, die für jede weitere produzierte Gütereinheit entstehen) liegen, während die anderen Unternehmen Preise veranschlagen müssen, die den gesamten Grenzkosten entsprechen bzw. die unter Umständen sogar darüber liegen. Nur durch eine Internalisierung (Beseitigung) der externen Kosten können diese Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Externalitäten führen also zu einer nicht optimalen Allokation von Ressourcen. Eine gebotene Internalisierung kann dabei beispielsweise durch eine Besteuerung im Fall von negativen Externalitäten bzw. Subventionierung im Fall von positiven Externalitäten erfolgen. Die Gründe für die unerwünschten „Ergebnisse“ sind oftmals auch durch verzerrte Präferenzen, fehlende oder falsche Informationen oder gar in irrationalen Entscheidungen der Individuen begründet. Diejenigen Güter, deren Nützlichkeit die Bürger dabei verkennen, werden als „meritorische“ Güter bezeichnet. Güter, deren Nachteile die Bürger dagegen verkennen, werden „demeritorische“ Güter genannt. Meritorische Güter stellen solche Güter dar, deren Bereitstellung die Gesellschaft – unabhängig von den Präferenzen des individuellen Konsumenten – zu begünstigen, oder im Falle demeritorischer Güter zu benachteiligen versucht. Das Konzept der meritorischen Güter erscheint dabei grundsätzlich auch in einem marktwirtschaftlichen System als zweckmäßig, da so verschiedene Maßnahmen gerechtfertigt werden können, deren Notwendigkeit der Beseitigung grundsätzlich auf lange Frist von der Gesellschaft kaum bestritten wird. Ein treffendes Beispiel für ein meritorisches Gut stellt das System der Sozialversicherung dar, das aufgrund fehlender oder unzureichender individueller Vorsorge oder entsprechender Kurzsichtigkeit der Bürger als öffentliches Gut bereitgestellt werden sollte.
3.4.2 Angebot und Nachfrage: Grundlagen der Preisbildung in einer Marktwirtschaft Der Preismechanismus in der Marktwirtschaft regelt also, dass Angebot und Nachfrage zur Lösung der Probleme der Allokation im Modell einer dezentral organisierten Volkswirtschaft ausgeglichen werden.
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Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
Definition: Allokation Unter der Allokation versteht man die Verteilung der Güter, insbesondere aber der Produktionsfaktoren in einer Volkswirtschaft. Eine optimale Allokation der Ressourcen bedeutet, dass die Produktionsfaktoren optimal auf die alternativen Verwendungszwecke verteilt werden. Wir wollen uns zunächst dem bedeutendsten Einflussfaktor, dem Preis auf dem jeweilig betrachteten Gütermarkt, zuwenden. Denken Sie daran: Die nachfolgenden Zusammenhänge gelten nicht nur ausschließlich für reine Gütermärkte. Selbstverständlich sind alle Wirkungszusammenhänge anlog auch auf Devisen- oder Effektenmärkte übertragbar. Nichts anderes gilt am Geldmarkt. Genaugenommen ist der Zins ja auch nichts anderes als der Preis für Geld: Auch der Preis für Geld, also der Zins, wird allein durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage geregelt. Auf diesen Zusammenhang kommen wir zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer zurück.
Nachfragekurve Die Nachfragekurve stellt eine hypothetische und individuelle Nachfrage eines Haushaltes oder einer Gesellschaft nach einem Gut dar. Hypothetisch deshalb, weil diese aufzeigt, wie die mengenmäßige Nachfrage des Individuums bzw. der Gesellschaft nach einem bestimmten Gut vom Preis dieses Gutes abhängt. Hierbei wird unterstellt, dass das Einkommen des Haushaltes bzw. der Gesellschaft, die Präferenzstruktur sowie die Preise aller übrigen Güter unverändert bleiben.
Definition: Präferenzstruktur In der sogenannten „Wahlhandlungstheorie“ werden die Rangfolge von subjektiv veranschlagtem Nutzen sowie die Nutzenmessung verschiedener Güterbündel als Präferenzstruktur oder auch Präferenzordnung bezeichnet. Entsprechend dieser subjektiv geäußerten Präferenzstruktur zieht ein Individuum ein bestimmtes Güterbündel gegenüber einem anderen Güterbündel vor, oder aber es verhält sich zwischen diesen indifferent. In letzterem Falle würde dieses Individuum diese beiden als gleichrangig einschätzen. Wie variiert nun die private Nachfrage, wenn sich der Preis des betrachteten Gutes verändert? Erfahrungsgemäß nimmt die Nachfrage mit sinkendem Preis zu und umgekehrt. Bitte betrachten Sie in diesem Zusammenhang Abbildung 14.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
47
Preis
Menge Abbildung 14: Nachfragekurve
Die Nachfragekurve visualisiert, welche Mengen die Nachfrager zu unterschiedlichen Preisen zu kaufen bereit sind. Auch hier gilt: Die Nachfragekurve beschreibt dabei das Verhalten einer einzelnen Person oder das Verhalten eines gesamten Marktes. In letzterem Fall stellt die Nachfragekurve im Prinzip nichts anderes als die Aggregation aller individuellen Nachfragekurven auf dem relevanten Markt dar. Wie ist jedoch der Verlauf der Nachfragekurve ökonomisch zu begründen? Bitte halten Sie sich zunächst folgenden Zusammenhang vor Augen: Steigen die Preise eines Gutes auf dem Markt, so bedeutet dies zwangsläufig, dass das Realeinkommen (vgl. Abschnitt 2.1) sinkt. Die Folge: Durch die Reduktion des realen Einkommens sind die Menschen zwangsläufig nicht mehr in der Lage, die bisherige Menge an Gütern weiterhin zu erwerben. In weiterer Folge wird die nachgefragte Menge sinken und umgekehrt. Umgekehrt nimmt mit zunehmend konsumierter Nachfrage der Nutzen für jede weitere Einheit des jeweiligen Gutes ab, da eine zunehmende „Sättigung“ nach diesem Gut eintritt. Die Folge: Der Konsument ist in der Regel auch immer weniger bereit, dafür zu bezahlen. Der Preis nach dem betrachteten Gut sinkt.
Änderung des Verlaufes der Nachfragekurve Steigt nun die Nachfrage nach einem Gut auf dem betrachteten Markt durch eine Preissenkung an, so bedeutet dies eine Bewegung auf der bestehenden Nachfragekurve von links oben nach rechts unten. Dies gilt immer dann, wenn Nachfrageänderungen ausschließlich durch Preisänderungen ausgelöst werden.
48
Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
Anders stellt sich der Zusammenhang dar, wenn sich die Nachfrage durch zusätzliche und exogen ausgelöste Bedürfnisse der Nachfrager erhöht hat. In diesem Fall bedeutet dies, dass die Nachfrage insgesamt aufgrund geänderter, also erhöhter Bedürfnisse der Konsumenten zugenommen hat. Die Folge: Die Konsumenten fragen zum selben Preis eine erhöhte Menge an Gütern nach. Hierdurch verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts.
Preis
Preis
P
P
M1 Abbildung 15:
M2
Menge
M1
M2
Menge
Verschiebung der Nachfragekurve durch Erhöhung der Konsumentenbedürfnisse
Wodurch könnte eine derartige Entwicklung verursacht werden? Einerseits können beispielsweise Einkommenserhöhungen, die zu einer Erhöhung der Bedürfnisse der Konsumenten führen, die Ursache dafür sein. Zusätzlich wäre denkbar, dass neue Bedürfnisse durch Modeerscheinungen geweckt werden. Denken Sie hierbei an steigende Preise bei ausgewählten Sportartikeln im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Popularität ausgewählter Teilnehmermannschaften führte zwangsläufig zu einer steigenden Nachfrage nach den Trikots dieser Mannschaften, da das steigende Interesse der Fans im Zuge dieses Events zwangsläufig mehr Aufmerksamkeit und damit einen steigenden Konsum auslöste, ohne dass dies insgesamt durch eine Einkommenssteigerung der Bevölkerung einher gehen musste.
Angebotskurve Um den Verlauf der Angebotskurve zu verstehen, sollten wir uns zunächst mit der Frage beschäftigen, wie der Anbieter sein Angebot mengenmäßig variieren wird, wenn sich der Preis des angebotenen Gutes ändert. Prinzipiell hängt die angebotene Menge ja vom Preis ab, den der Unternehmer am Markt realisieren kann.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
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Darüber hinaus hängt die angebotene Menge des Gutes von den Kosten der Herstellung ab. Die Kosten pro produzierte Einheit bleiben bei einer steigenden Ausbringungsmenge nicht konstant, sondern verändern sich. Bitte beachten Sie hierbei Abbildung 16, in welcher der Ertragsverlauf bei steigendem Einsatz ersichtlich ist.
y
für –r 2
für –r 2
y r1 G1`
r1
Hierbei gilt: y: r1: _y : r_1 r2 :
Ertrag Gütereinsatzfaktor 1 Durchschnittsertrag für Gut 1 Konstanz von Gütereinsatzfaktor 2
G`1: Grenzertrag von Gut 1 Abbildung 16: Ertragsverlauf und Grenzertrag
Was ist eine Ertragskurve und wie kann die Ertragskurve (Isoquante) erklärt werden?
Definition: Ertragskurve (Isoquante) Die Ertragskurve (Isoquante) beschreibt die Menge aller Inputvektoren, mit deren Hilfe bei gegebener Technologie und effizienter Produktion eine gegebene Ausbringungsmenge erstellt werden kann. Diese hat im „Zwei-Güter-Fall“ den in Abbildung 17 dargestellten Verlauf:
50
Angebot und Nachfrage: Preisfunktion
r1
P – r1 Q –r 1 – y
–r 2
Es gilt:
_ y: r 1: r 2:
– r2
r2
Etragsniveau (konstant) Gütereinsatzniveau 1 Gütereinsatzniveau 2
Abbildung 17: Verlauf der Ertragskurve (Isoquante)
Isoquanten weisen folgende Charakteristiken auf: ■
Die Ertragskurve steigt überall an, das heißt, der Ertragszuwachs (Grenzertrag, bzw. die Grenzproduktivität) des Faktors 1 bzw. Faktors 2 ist positiv.
■
Es herrscht unbegrenzte Faktorergiebigkeit.
Mit der Vergrößerung des Faktoreinsatzes nehmen die Ertragszuwächse zunächst zu, erreichen am Wendepunkt das Maximum und nehmen danach ab. Die vorliegenden Grafiken bilden dabei das sogenannte „Ertragsgesetz“ der Ökonomen Robert Jacques Turgot bzw. Johann Heinrich von Thünen ab, welche den produktionstheoretischen Zusammenhang einer partiellen Variation eines Einsatzfaktors bei der Herstellung eines Gutes beschreiben. Grundsätzlich ist das Ertragsgesetz von landwirtschaftlichen Produktionsprozessen abgeleitet, sicherlich aber auch in gewissen Grenzen für industrielle Produktionsprozesse verwendbar. In seiner ursprünglichen Form beschreibt es jedoch den Boden als fixen Produktionsfaktor (X2) sowie den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft bzw. den Einsatz von Düngemittel als variablen Einsatzfaktor (X1), welcher in der Grafik auf der Abszisse abgebildet wird. Diejenige Produktionsfunktion, bei welcher nur ein Einsatzfaktor variiert werden kann, während der oder die anderen Faktor(en) konstant gehalten werden, wird dabei als partielle Ertragsfunktion bezeichnet. Das Ertragsgesetz besagt dabei in seiner charakteristischen Form, dass bei einem zunehmenden Einsatz des variablen Gütereinsatzfaktors der sogenannte „Grenzertrag“, das heißt der absolute Ertragszuwachs, zunächst zunimmt (Bereich 1), im weiteren Verlauf von einer bestimm-
Stabilisierungsaufgabe des Staates
51
ten Einsatzmenge an weiter positive, jedoch stark abnehmende Grenzerträge aufweist (Bereich 2,3), ab einem bestimmten Niveau dann jedoch schließlich sogar negative Grenzerträge erwirtschaftet (nach Bereich 3). In Abbildung 18 ist dabei zusätzlich der sogenannte Durchschnittsertrag mit in die Betrachtung einbezogen worden, so dass vier Bereiche unterschieden werden können. Y Ertragskurve _ Y=Y(X1, X 2)
Y,dY X,dX 1
II
III
VI
X1 (X2=konst.)
Durchschnittsertragskurve Y X1 dY Grenzertragskurve dX1
Bereich I
II
III
IV
Grenzertrag
steigend
fallend positiv
fallend positiv
negativ
Durchschnittsertrag
steigend
steigend
fallend positiv
fallend positiv
Gesamtertrag
steigend
steigend
steigend
fallend
Abbildung 18: Ertragskurve sowie abgeleitete Durchschnittsertrags- und Grenzertragskurve
Allgemein formuliert bedeutet somit das Ertragsgesetz, dass mit steigendem Einsatz eines Produktionsfaktors und gleichzeitiger Konstanz der Menge der übrigen Faktoren der Output des Unternehmens zunächst noch mit steigenden, dann jedoch mit fallenden Grenzerträgen einher geht, schließlich dann sogar negative Grenzerträge ausweisen werden.
52
Kostenfunktion des Unternehmens
steigender Grenzertrag
abnehmender Grenzertrag
negativer Grenzertrag
Ertrag
Einsatz (z.B. Arbeitsstunden)
Grenzertrag Grenzertrag
Einsatz (z.B. Arbeitsstunden)
Abbildung 19: Ertragsverlauf und Grenzertrag
3.5
Kostenfunktion des Unternehmens
Warum ist der Ertragsverlauf für die Bestimmung des Verlaufes der Angebotskurve von so großer Wichtigkeit? Wir unterscheiden zunächst sogenannte „fixe“ und sogenannte „variable“ Kosten. Fixe Kosten fallen unabhängig von der produzierten Gütermenge in konstanter Höhe an. Die Kostenfunktion stellt dabei einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Kosten und der Ausbringungsmenge, dem sogenannten Ertrag, dar. Geht man nun von der Annahme aus, dass die Gütereinsatzfaktoren bzw. Faktorpreise konstant sind, so kann die Kostenfunktion unmittelbar aus der Produktionsfunktion abgeleitet werden.
Definition: Produktionsfunktion: Unter der Produktionsfunktion versteht man die funktionale Beschreibung des Zusammenhangs zwischen dem Einsatz von Produktionsfaktoren und dem Produktionsoutput bei einem gegebenen Stand der Technologie.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
53
Kostenfunktion Unter der Kostenfunktion versteht man den funktionalen Zusammenhang zwischen den Kosten und der Ausbringungsmenge (Ertrag). Unter der Annahme konstanter Faktorpreise kann die Kostenfunktion direkt aus der Produktionsfunktion abgeleitet werden.
Merkmale der Produktionsfunktion ■
Transformation von Gütern in andere Güter
■
Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden
■
Fixe und variable Faktoren
Zwischen Faktoreinsatz und Aufbringung besteht folgende Beziehung:
y = g (r1, r2) Beachten Sie bitte hierbei: ■
Die Produktionsfunktion ordnet „nicht-negative“ Einsatzmengen einer nicht-negativen Produktionsmenge zu.
■
Sie ist „einwertig“ und „stetig“.
Die Produktionsfunktion gilt während der betrachteten Periode als gegeben. Der Einsatz fixer Faktoren kann dabei nicht variiert werden. Die Produktionsfunktion betrachtet einen gegebenen Stand der Technik.
3.5.1 Kostenfunktion bei gegebenen Faktorpreisen Die Kostenfunktion gibt die Kosten an, die mindestens anfallen, wenn eine Menge eines Gutes bei gegebenen Faktorpreisen produziert wird. Die Kostenfunktion ist nicht abnehmend, linear, homogen konkav und stetig. Sie kann wie folgt dargestellt werden:
K = r1 • q1 + r2 • q2 + F Hierbei gilt: K:
Gesamtkosten
r1, r2:
Faktoreinsatzmengen
q1, q2:
Preise der Faktoreinsatzmengen
F:
Fixkosten
54
Kostenfunktion des Unternehmens
Daraus folgt:
Æ r1 = – (q2/q1) • r2 + (K – F) / q1
r1
– K–F q1
0
–
K–F q2
r2
Abbildung 20: Die Kostenfunktion
3.5.2 Durchschnittskosten und Grenzkosten Aus der Ertragskurve lässt sich die Kostenfunktion ableiten. Grundsätzlich ist – sofern der Preis des variablen Faktors P1 = 1 ist – die Kurve der variablen Kosten eine direkte Spiegelung der partiellen Ertragskurve um die Ertragsachse Y. Entspricht dabei der Verlauf der zugrunde liegenden Produktionsfunktion dem ertragsgesetzlichen Verlauf, dann kann die Kostenkurve der variablen Kosten (Produkt der Einsatzmenge des variablen Faktors X1 mit dem Faktorpreis P1) durch die Spiegelung der Ertragskurve ermittelt werden. Im Falle P = 1 des variablen Faktors ist die Kurve der variablen Kosten eine direkte Spiegelung der partiellen Ertragskurve um die Ertragsachse Y. Durch eine Addition der fixen Kosten zu den variablen Kosten erhält man die Gesamtkostenkurve.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
55
K
K ges K var
K
fix
Y Abbildung 21: Kurve der variablen Kosten
GK, DTK, DVK, DF
K
GK DTK
DVK ȕ
DF Į
ȝ y(3) y(1) y(2)
y
y(3)
y(1) y(2)
y
Abbildung 22: Gesamtkostenkurve und die daraus abgeleiteten Grenzkosten (GK), durchschnittlichen Fixkosten (DF), durchschnittlichen variablen Kosten (DVK) und durchschnittlichen totalen Kosten (DTK)
56
Kostenfunktion des Unternehmens
Bei genauerer Betrachtung der Kostenfunktion ergeben sich mehrere Phasen der Kostenverläufe: Begriffe
Merkmale
Schwelle des Ertragsgesetzes
1. Wendepunkt der (ertragsgesetzlichen) Gesamtkostenkurve 2. Minimum der Grenzkosten
Betriebsminimum (minimaler Kostenpunkt)
1. Minimum der durchschnittlichen variablen Kosten (der variablen Stückkosten = DVK) 2. Durchschnittliche variable Kosten = Grenzkosten
Betriebsoptimum (optimaler Kostenpunkt)
1. Minimum der durchschnittlichen Gesamtkosten (der Stückkosten = DTK) 2. Durchschnittliche Gesamtkosten = Grenzkosten
Abbildung 23: Phasen der Kostenverläufe
Warum weist die Angebotskurve einen ansteigenden Verlauf auf? Nachdem wir uns nunmehr ausführlich mit dem Ertragsverlauf und der Kostenfunktion eines Unternehmens beschäftigt haben, wenden wir uns nunmehr der ursprünglichen Frage, warum die Angebotskurve eine steigende Entwicklung aufweist, wieder zu. Aus dem dargestellten Verlauf des Ertrages lässt sich der Kostenverlauf ableiten. Warum ist das so? Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass bereits bei einer Produktionsmenge von Null Kosten entstehen. Diese Kosten werden als „fixe“ Kosten bezeichnet. Denken Sie zum Beispiel an Mieten oder Leasinggebühren für Fahrzeuge, die auch dann anfallen, wenn noch gar keine Produktion durchgeführt wird oder die Produktion gar vollständig brach liegt. Bitte lassen Sie sich von dem Begriff „fix“ nicht irritieren. Grundsätzlich sind diese Kosten nur kurzfristig „fix“. Mittel- bis langfristig sind auch diese Kosten „variabel“, da auf mittel- bis langfristige Sicht auch diese Kosten durch Verhandlungen mit Geschäftspartnern bzw. Veränderungen der Produktionsprozesse bzw. Produktionstechnologien in ihrer Höhe variabel sind. Beginnt nun das Unternehmen zu produzieren bzw. erhöht sich die Ausbringungsmenge, so steigen die Gesamtkosten im Bereich steigender Grenzerträge an. Dies ist unmittelbar einzusehen: Grundsätzlich hängen ja die variablen Kosten von der Höhe der produzierten Einheiten ab. Ein exemplarisches Beispiel hierfür sind die Energie-, Rohstoff- oder Materialkosten.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
57
Fazit: Mit steigenden Grenzkosten gehen also die Grenzerträge zurück. Dies ist auch der Grund, weshalb die Angebotskurve, welche aufzeigt, zu welchen Mengen Produzenten zu den jeweiligen Preisen ihre Güter am Markt anbieten, dem ansteigenden Ast der Grenzkostenkurve entspricht. Sie gilt somit sowohl für den betrachteten Anbieter selbst, darüber hinaus natürlich auch für die Gesamtheit aller Anbieter auf dem betrachteten Markt. In letzterem Falle sind alle individuellen Angebotskurven aggregiert für alle auf dem betrachteten Markt auftretenden Anbieter zu verstehen. In diesem Fall addiert man bei einem gegebenen Preis die Angebotsmengen der einzelnen Unternehmen und gelangt damit zur kollektiven Angebotsfunktion für das betrachtete Gut.
Preis
Menge
Abbildung 24: Angebotskurve
Exkurs: Optimaler Produktionsplan des Unternehmens Wo liegt jedoch das Gewinnmaximum des Unternehmens bzw. wie lange wird der Unternehmer im Falle ansteigender Grenzkosten seine Produktion ausdehnen? Grundsätzlich gilt: Auch bei ansteigenden Grenzkosten lohnt sich die Ausdehnung der Produktion bis zu einem bestimmten Punkt noch durchaus. Mit jeder zusätzlich verkauften bzw. produzierten Einheit steigt der Gewinn ja so lange noch weiter an, bis die Grenzkosten für die zuletzt abgesetzte Einheit über dem Marktpreis liegen. Erst ab diesem Punkt sinkt der Gesamtgewinn wieder. Solange also die zusätzlichen Kosten unter dem Marktpreis liegen, solange kann der Unternehmer mit jeder zusätzlichen produzierten und auch abgesetzten Einheit seinen Gewinn erhöhen. Umgekehrt gilt: Sinkt der Preis des Gutes auf dem relevanten Markt und liegen dann die Grenzkosten beim alten Produktionsniveau über dem Marktpreis, so muss zur Beibehaltung des Gewinnmaximums die Produktion so lange reduziert werden, bis der Marktpreis mit den Kosten der zuletzt produzierten Einheit wieder übereinstimmt, also der Preis gleich den Grenzkosten entspricht. Es gilt:
G=E–K=y • P–K
58
Änderung des Verlaufs der Angebotskurve
bzw.
G(y) = E(y) – K(y) Hierbei gilt: G: Gewinn E: Erlös K: Gesamtkosten Y: Absatzmenge P: Absatzpreis
Gewinnmaximierung: Eine Maximierung des Gesamtgewinns wird also dann erreicht, wenn die letzte Mengeneinheit durch die Ausweitung der Produktionsmenge keinen Gewinn mehr erzielt, der „Grenzgewinn“ also null beträgt! Bedingung 1. Ordnung:
G`(y) = E`(y) – K`(y) =! 0 E`(y) = K`(y) Grenzerlös = Grenzkosten Æ P = K`(y), bzw. Preis = Grenzkosten! Bedingung 2. Ordnung:
G``(y) = E``(y) – K``(y) < 0 bzw.
E``(y) < K``(y)
3.6
Änderung des Verlaufs der Angebotskurve
Die zuvor dargestellte mikroökonomische Angebotsfunktion stellt die Beziehung zwischen der geplanten Angebotsmenge eines Unternehmens respektive der gesamten Branche auf dem betrachteten Markt und dem betrachteten Marktpreis dar. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass die erläuterte Regel für die Gewinnmaximierung Preis = Grenzkosten nur bei Vorliegen der Bedingungen der vollständigen Konkurrenz gilt.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
59
Definition: Vollständige Konkurrenz: Die vollständige Konkurrenz beschreibt eine Marktform, die in einem vollkommenen Markt unendlich viele Anbieter und Nachfrager aufweist. Dabei ist der Marktanteil eines einzelnen Marktteilnehmers so klein, dass dieser die vorherrschenden Marktpreise keinesfalls durch Angebots- oder Nachfrageänderungen beeinflussen kann und somit als gegeben betrachten muss. Er wird sich deshalb lediglich als Mengenanpasser verhalten können. Welche Gründe können nun die Lage der Angebotskurve verändern bzw. eine Verschiebung dieser bewirken und was bedeutet ökonomisch eine Verschiebung derselben? Eine Verschiebung bedeutet, dass die Anbieter im Falle einer Rechtsverschiebung zum analogen Preis mehr anbieten würden als zuvor und umgekehrt.
Gründe für eine Linksverschiebung der Angebotskurve: Beispiel Bedenken Sie hierbei die Effekte einer Naturkatastrophe auf die Ernte der Landwirtschaft in den betroffenen Regionen: Eine Naturkatastrophe führt zu einer verringerten Ernte der ansässigen Landwirtschaft. Die Kostensituation der Landwirte hat sich grundsätzlich nicht geändert, lediglich die erwirtschafteten Mengen haben sich reduziert. Folglich werden die Anbieter der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zum selben Preis nur noch geringere Mengen anbieten können. Die Angebotskurve verschiebt sich nach links. Analog führen jedoch auch steigende Kosten bzw. Gebühren, Steuern, Zinsen etc. dazu, dass für gleiche Absatzmengen durch die veränderte Kostensituation in den Unternehmen höhere Preise veranschlagt werden müssen. Auch in diesem Fall führt – um beim obigen Beispiel eines landwirtschaftlichen Betriebes zu bleiben – die zunehmend ungünstigere Kostensituation in diesen landwirtschaftlichen Unternehmen zu einer Linksverschiebung der Angebotskurve. Dieses Beispiel ist natürlich nicht auf landwirtschaftliche Unternehmen beschränkt, sondern analog für alle Anbieter zu verstehen.
Gründe für eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve: Es ist auch denkbar, dass – um weiter am Beispiel der Landwirtschaft zu bleiben – besonders ergiebige Ernten bei gleichen Kosten in den Betrieben höhere Produktionsmengen bewirken. In diesem Falle verschiebt sich die Angebotskurve nach rechts. Anders gestaltet sich der Fall, wenn zum Beispiel staatliche Subventionen bezahlt werden, durch welche sich die Kostenfunktionen der Unternehmen zunehmend günstiger, das heißt
60
Änderung des Verlaufs der Angebotskurve
billiger darstellen lassen. In diesem Fall sind die Unternehmen bereit, die analogen Angebotsmengen zu günstigeren Preisen anzubieten. Die Angebotskurve verschiebt sich ebenfalls nach rechts. Im Zuge des technischen Fortschrittes gelingt es den Unternehmen vermehrt, analoge Produktionsmengen im Laufe der Zeit billiger und effizienter herstellen zu können. Die zunehmend günstiger verlaufende Kostenfunktion führt dazu, dass gleiche Mengen zu niedrigeren Preisen bzw. bei gleichen Preisen höhere Absatzmengen dargestellt werden können: Die Angebotskurve verschiebt sich ebenfalls nach rechts.
Angebots-/Nachfragekreuz und Marktgleichgewicht Wie läuft nun in der Realität die Preisbildung bzw. das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den betrachteten Märken auf einem „vollkommenen Markt“ ab? Im Folgenden legen wir die Bedingungen eines „vollkommenen Marktes“ zugrunde. In Abschnitt 3.2. hatten wir dargestellt, dass im Falle gleichwertiger Güter und im Falle eines Nichtvorhandenseins von Präferenzen die Bedingungen eines vollkommenen Marktes erfüllt sind. Dies bedeutet konkret:
Der vollkommene Markt ist durch die nachfolgenden Merkmale gekennzeichnet: ■
Es besteht eine sachliche Gleichartigkeit der angebotenen und nachgefragten Güter.
■
Es fehlen persönliche Präferenzen zwischen Anbietern und Nachfragern.
■
Räumliche Unterschiede zwischen Anbietern und Nachfragern sind absolut unerheblich.
■
Zeitliche Unterschiede in der Erfüllung bei Anbietern und Nachfragern sind unerheblich.
■
Es besteht eine vollständige Marktübersicht, also eine vollständige Markttransparenz.
■
Darüber hinaus besteht ein unbeschränkter Marktzugang.
■
Der Markt selbst ist organisiert.
Sind alle diese Bedingungen auf dem betrachteten Markt erfüllt bzw. vorhanden, so spricht man in der Volkswirtschaftslehre von einem vollkommenen Markt, auf welchem vollkommene Konkurrenz herrscht. Wird nun auf einem solchen Markt die Angebots- und Nachfragekurve in einer gemeinsamen Grafik dargestellt, dann kann die gesamte Nachfragekurve als Zusammenfassung aller individuellen Nachfragekurven auf dem jeweiligen Markt betrachtet werden. Die Nachfragekurve zeigt dabei auf, welche Mengen von den Nachfragern zu einem bestimmten Zeitpunkt zu den unterschiedlichen Preisen zu kaufen bereit sind.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
61
Hierbei wollen wir uns noch einmal den Verlauf der beiden Kurven in Abbildung 25 vor Augen führen: Die aggregierte Angebotskurve beschreibt, welche Outputmengen die Anbieter bei einem gegebenen Preisniveau anzubieten bereit sind. Sie weist eine positive Steigung auf, weil die Anbieter bei steigenden Preisen mehr Output anzubieten gewillt sind. Die aggregierte Nachfragekurve weist Kombinationen des Preisniveaus und der Nachfrage auf, welche Nachfragemengen die Nachfrager beim jeweils gegebenen Preisniveau nachzufragen bereit sind. Die aggregierte Nachfragekurve ist negativ geneigt, weil höhere Preise den Wert des Geldangebotes reduzieren, wodurch die mengenmäßige Nachfrage sinken wird. Im Schnittpunkt der aggregierten Nachfrage und des aggregierten Angebotes haben sich die beiden Gruppen, welche völlig gegensätzliche Interessen aufweisen, mengen- und preismäßig getroffen: Grundsätzlich sind die Nachfrager an möglichst niedrigen Preisen interessiert, Anbieter dagegen an möglichst hohen Preisen. Analog ist die Angebotskurve zu verstehen: Die Angebotskurve zeigt als Zusammenfassung aller Anbieter auf dem jeweilig betrachteten Markt auf, welche Mengen die Anbieter zum betrachteten Zeitpunkt bei den jeweiligen Preisen anbieten möchten. Wie erwähnt haben diese beiden Gruppen entgegengesetzte Interessen: Während die Anbieter ein Interesse haben, ihre Waren zu möglichst hohen Preisen zu veräußern, so haben die Nachfrager ein natürliches Interesse, die Waren zu möglichst niedrigen Preisen zu erwerben. Das Marktgleichgewicht liegt dabei genau in demjenigen Punkt, in welchem die Mengen und Preisvorstellungen beider Gruppen übereinstimmen. Dieses Marktgleichgewicht befindet sich im Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurve.
Preis Angebot
Preis1 GG-Preis Preis2
Angebotsüberschuss
Gleichgewicht Nachfrageüberschuss
Menge1 GG- Menge2 Menge
Nachfrage
Menge
Abbildung 25: Marktgleichgewicht im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve
62
Änderung des Verlaufs der Angebotskurve
Hierbei haben Sie sich bestimmt die folgenden Fragen gestellt: ■
Ist in einer Marktwirtschaft stets gewährleistet, dass sich Angebot und Nachfrage zwingend immer in einem Marktgleichgewicht treffen?
■
Wie laufen die Prozesse in einer Marktwirtschaft ab, die zu einem Marktgleichgewicht bzw. Ausgleich der Interessen der Anbieter und Nachfrager führen?
■
Wie können diese Prozesse des Ausgleichs im Angebots- und Nachfragekreuz dargestellt werden?
Im Rahmen einer komparativ-statischen Analyse treffen im Marktgleichgewicht die angebotenen und die nachgefragten Mengen zu einem einheitlichen Preis aufeinander. Im Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragekurven ist die Bedingung des Marktgleichgewichts stets erfüllt. Im Marktgleichgewicht gehen die Erwartungen der Anbieter und der Nachfrager in Erfüllung: Die gewünschte Kaufmenge der Nachfrager entspricht beim jeweiligen Preis genau der von den Anbietern gewünschten Verkaufsmenge. Da sich jedoch die Einflussfaktoren auf Angebot und Nachfrage fortlaufend ändern, ist ein Marktgleichgewicht jedoch keinesfalls dauerhaft gewährleistet. Im Gegenteil: Würden die Marktkräfte in einer Marktwirtschaft nicht dazu führen, dass sich tendenziell immer wieder ein neues Marktgleichgewicht einstellen würde, so wäre ein Marktversagen die zwangsläufige Folge. Doch wie wirken die Marktkräfte, über welche sich dieses neue Marktgleichgewicht einstellt und welche Vorhersagen über zukünftige Preis- und Mengenentwicklungen lassen sich treffen?
Exkurs: Schweinezyklus Der „Schweinezyklus“ beschreibt ein auf den Schweinemarkt bezogenes Konjunkturbarometer, das einen regelmäßigen zirka drei- bis vierjährigen Schweinepreiszyklus aufweist. Der bestimmende Faktor hierbei stellt das unter Rentabilitätserwägungen sich variierende Angebot dar, wobei gleichzeitig die Intensität der Nachfrage unverändert bleibt. Eine vergleichsweise „günstige“ Relation zwischen den Schweine- und Futterpreisen regt zu einer gesteigerten Aufzucht von Schweinen an. Hierdurch wird sich erfahrungsgemäß ein vergrößertes Angebot an Schweinen nach zirka 1½ Jahren auf dem Markt einstellen, allerdings kann das gesteigerte Angebot in weiterer Folge dann nur noch zu vergleichsweise niedrigen Preise abgesetzt werden. Nach weiteren 1½ Jahren ist das Bild wiederum ein gänzlich anderes: Das Angebot ist gesunken, die Preise aber angestiegen. Der Schweinezyklus eignet sich aufgrund der wesentlich naturgebundenen Veränderlichkeit des Angebots bei gleichzeitig relativer Beständigkeit der Nachfrage annahmegemäß als vergleichsweise treffsicherer Konjunkturindikator.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
3.7
63
Preis- und Mengeneffekte durch Nachfrageerhöhungen
Welche Preis- und Mengeneffekte stellen das Resultat einer Erhöhung der Nachfrage dar? Im Falle einer Erhöhung der Nachfrage nach dem betreffenden Gut verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts. Kurzfristig entsteht ein Nachfrageüberhang. Bislang haben wir das Ergebnis einer Nachfrageerhöhung lediglich im Rahmen einer sogenannten „komparativ-statischen“ Betrachtungsweise dargestellt. Doch wie laufen die dynamischen Prozesse, also die Wirkungsketten und die einzelnen Entwicklungsprozesse bis zum Endzustand, dem neuen Marktgleichgewicht im Zeitablauf ab? Grundsätzlich gilt: Die Höhe der produzierten Mengen werden bei Veränderungen des Verlaufes der Angebots- und Nachfragekurven zunächst unverändert bleiben. Zunächst werden deshalb die Anbieter die Preise bis zu demjenigen Niveau erhöhen, welches die Nachfrager zur „Räumung“ des Marktes gerade noch zu bezahlen bereit sind. Durch die Preiserhöhung wird die Produktion für die Anbieter jedoch zunehmend lukrativer, weshalb diese die Ausbringungsmengen erhöhen werden. Dies führt wiederum zu sinkenden Preisen, da die erhöhte Ausbringungsmenge nur noch zu diesen niedrigeren Preise von den Konsumenten akzeptiert wird. Die Folge: Die Produktionsmenge wird in einem geringeren Umfange reduziert, weshalb die Preise weitaus weniger ansteigen werden. Dies führt wiederum zu einem nur geringfügigen Anstieg der Produktionsmenge und so weiter. Im Regelfall führt dieser konvergierende Prozess zu einer spinngewebeartigen Hinführung zum neuen Marktgleichgewicht. Aber es gibt auch Ausnahmen: Verläuft die Nachfragekurve äußerst steil, so besteht zwar ebenfalls im Rahmen einer komparativ-statischen Betrachtungsweise ein theoretisch neues Marktgleichgewicht, die dynamischen Marktkräfte finden jedoch eine Konstellation vor, die aufgrund eines äußerst unelastischen Verlaufs der Nachfrage mit daraus resultierenden extremeren Preisschwankungen bei verändernden Angebotsmengen Signale liefert, die eher zu Instabilität führen mit dem Ergebnis, dass das neue Marktgleichgewicht im Zuge einer divergierenden Entwicklung nicht erreicht wird. Diese dynamische Betrachtungsweise kann anhand des sogenannten „Spinngewebemodells“ dargestellt werden.
64
Preis- und Mengeneffekte durch Nachfrageerhöhungen
P
P (a) konvergierende Entwicklung N´1
(b) divergierende Entwicklung N1
A´
A´
P1 P3 P2
N´1
N
N
P0 P0 A A N´
X0
X3
X4 X2
Hierbei gilt: N, N´, N1, N1´: A, A´:
N´
X
X0
N´1
X
Nachfragekurven Angebotskurven
Abbildung 26: Spinngewebemodell
Praktisches Beispiel Welchen Effekt hätte vor diesem Hintergrund eine Erhöhung der Einkommensteuer auf die Gesamtnachfrage? Eine Erhöhung der Einkommensteuer bedeutet, dass zunächst das (Brutto-) Gehalt selbst sich nicht ändert, das verfügbare Einkommen der Haushalte sich nach Abzug der Einkommensteuer und der Sozialabgaben jedoch reduzieren wird. Die Folge: Die Gesamtnachfrage nach Gütern wird zurückgehen. Im Angebots- und Nachfragekreuz bedeutet dies eine Linksverschiebung der Nachfragekurve. Die Preise sinken tendenziell und die nachgefragten Mengen des betreffenden Gutes sinken.
Stabilisierungsaufgabe des Staates
65
Preis Angebot1 Angebot
Steuererhöhung
Preis2 Preis1 Preis3
Nachfrage
Menge2
Menge1
Menge
Abbildung 27: Wirkung einer Erhöhung der Einkommenssteuer auf Preise und Mengen
Exkurs: Unterschiedliche Elastizitäten der Angebots- und Nachfragekurven Die Preiseffekte von Änderungen der Angebots- und Nachfragekurven sind abhängig von den Steigungen der Angebots- und Nachfragekurven. Diese Steigungen werden durch unterschiedliche Elastizitätswerte definiert. Der Wert der Elastizität ist dabei das Verhältnis der relativen Änderung der „abhängigen“ Variablen zur relativen Änderung der „unabhängigen“ Variablen. Beispiele hier stellen die sogenannten „direkte Preiselastizität der Nachfrage“ sowie die „Einkommenselastizität der Nachfrage“ dar.
3.7.1 Direkte Preiselastizität der Nachfrage Die direkte Preiselastizität der Nachfrage gibt an, um wie viel sich die nachgefragte Menge X eines Gutes verändert, wenn sich der Preis P dieses Gutes um ein Prozent ändert. Damit dies mathematisch positive Werte ergibt, wird das Verhältnis der beiden relativen Änderungen entweder als Absolutbetrag oder aber mit einem negativen Vorzeichen versehen. Mathematisch kann die direkte Preiselastizität wie folgt dargestellt werden:
66
Preis- und Mengeneffekte durch Nachfrageerhöhungen
a) ȯxp=
dx dp : x p
b) ȯxp= –
dx dp : x p
c) ȯxp=
dx dp : x p
Niedrige Werte der Preiselastizität der Nachfrage repräsentieren also „steile“ Nachfragekurven und umgekehrt.
3.7.2 Einkommenselastizität der Nachfrage Die Einkommenselastizität der Nachfrage gibt an, um wie viel Prozent sich die nachgefragte Menge x eines Gutes ändert, wenn sich das Einkommen um ein Prozent verändert. Mathematisch wird die Einkommenselastizität wie folgt dargestellt:
ȯX,E=
dx dE : x E
Niedrige Werte der Einkommenselastizität der Nachfrage repräsentieren also vergleichsweise geringe Nachfragesteigerungen des betreffenden Gutes bei steigendem Einkommen und umgekehrt.
Konjunktur und Wachstum
4.
67
Konjunktur und Wachstum
Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft:
Raiffeisen Schauplatz Börse 15. Februar 2007
Ausgabe 4/07
Schlagzeilen Starke BIP-Zahlen in Japan...Stimmung an den Aktienmärkten weiterhin gut...Verkaufsfantasie beflügelt DaimlerChrysler...Stahlwerte in Wien im Fokus...Cisco Systems mit starken Zahlen...Notenbanker bewegen die Anleihenmärkte...Hutchison Whampoa mit interessanten Unternehmensanleihen
Ausgezeichnetes Wirtschaftswachstum in Japan - die Risiken sind aber geblieben Mit den Daten für das Bruttoinlandsprodukts (BIP) des vierten Quartals 2006 gab Japan wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich: So betrug das reale Wirtschaftswachstum zum Ende des Vorjahres 1,2 % p.q. bzw. 2,3 % p.a. Die Konjunktursorgen in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft sind damit aber noch nicht vorüber. Denn obwohl sich der private Konsum, der rund 55 % zur Wirtschaftsleistung beiträgt, im vierten Quartal mit einem Anstieg von 1,1 % p.q. kräftig erholen konnte, wurde mit diesem Zuwachs gerade einmal der starke Rückgang des dritten Quartals ausgeglichen. Wir denken zwar, dass sich der private Konsum angesichts der leichten Zunahme des verfügbaren Einkommens auf moderatem Erholungspfad befindet - eine deutliche Konsum-
Morgendämmerung in Japan?
0,50 % leicht rechtfertigen. In diesem Szenario würde der Yen vorübergehend an Stärke gewinnen. Unsere Wechselkursprognosen liegen im März daher bei EUR/JPY 157 und USD/JPY 116. Im Anschluss könnte dann aber wieder eine längere Zinspause erfolgen, um abzuwarten, wie Konjunktur und Inflation sich weiter entwickeln. Die gut verlaufene japanische Berichtssaison zum vierten Quartal und die zuletzt deutlich besser als erwartet ausgefallenen Makrodaten sorgten zuletzt auch am Aktienmarkt für äußerst optimistische Stimmung. Ein gewichtiger Grund für diese Entwicklung war sicherlich auch der seit langer Zeit zur Schwäche neigende JPY, der den exportlastigen japanischen Unternehmen als Stütze diente. Eben von dieser Seite könnte nun kurzfristig etwas Belastung erwachsen. Zusätzlich sollte sich eine nochmals verlangsamende US-Wirtschaft für Wachstumsängste sorgen und zu Gewinnmitnahmen an der japanischen Börse führen. Mittelfristig bleiben wir aufgrund der im historischen Kontext moderaten Bewertungen und der nachhaltigen Gesundung der japanischen Volkswirtschaft allerdings optimistisch. Peter Brezinschek
Chartecke: Nikkei 225 Index Letzter Kurs: 17.897 Kauf Kursziel: 20.833 Seit dem Durchbruch der (fallenden) Widerstandslinie bei etwa 17.500 scheint nun die Aufwärtsbewegung bestätigt zu sein. Im Laufe des Jahres ist mit einem Anstieg bis etwa 20.833 (Hoch März und April 2000) zu rechnen. Aufwärtstrend: 18000 ->19000/20833/22751 Abwärtstrend: 16900 ->15600/14000/12200 beschleunigung ist allerdings nicht absehbar. Darüber hinaus ist der Ausblick bei den Exporten und den Unternehmensinvestitionen, die zwar in den letzten Quartalen immer kräftig anstiegen, mit Unsicherheiten behaftet: Denn sollte die US-Wirtschaft heuer langsamer als erwartet expandieren, werden dies auch die japanischen Exporteure spüren. Ein anderer Risikofaktor ist die unverändert tiefe Inflation. Die Kerninflation lag zuletzt bei nur 0,1 % p.a. Das Problem ist, dass auch in den kommenden Monaten kaum größere Anstiege zu erwarten sind. Trotz allen Risiken ist die derzeitige Datenlage in Japan aber so gut wie schon lange nicht mehr. Aus diesem Grund könnte die Bank of Japan, die am 21. Februar ihre Zinsentscheidung bekanntgibt, eine Anhebung des Leitzinses von derzeit 0,25 % auf
Abbildung 28: Marktbericht vom 15.02.2007
Nikkei 225 Index
Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
68
Konjunktur
Folgende Fragestellungen sollten Sie im Laufe der folgenden Kapitel 4 und 5 beantworten können: ■
Wodurch unterscheiden sich die Begriffe „Konjunktur“ und „Wirtschaftswachstum“?
■
Ist es legitim, die reale Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) mit dem Begriff Wirtschaftswachstum in Einklang zu bringen?
■
In wie weit und durch welchen Prozess ist es zu erklären, dass eine mögliche Zunahme des privaten Konsums zu einer wahrscheinlichen Erholung der inländischen konjunkturellen Situation führen wird?
■
Wie ist es zu erklären, dass eine mögliche konjunkturelle Erholung zu einer Aufwertung der heimischen Währung dieses Landes auf den internationalen Devisenmärkten führen dürfte?
4.1
Konjunktur DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
I. Wichtige Wirtschaftsdaten für die Europäische Währungsunion 3. Allgemeine Wirtschaftsindikatoren
Zeit
Deutschland
Belgien
Finnland
Frankreich
Reales Bruttoinlandsprodukt 2003 2004 2005 2004 4.Vj. 2005 1.Vj. 2.Vj. 3.Vj. 4.Vj. 2006 1.Vj.
0,9 2,6 1,2 2,3 1,2 1,5 1,0 1,3 2,6
− 0,2 1,6 1,0 1,3 − 0,5 1,8 1,5 1,1 2,9
Industrieproduktion 2003 2004 2005 2004 4.Vj. 2005 1.Vj. 2.Vj. 3.Vj. 4.Vj. 2006 1.Vj.
p) p)
0,8 3,2 p) − 0,3 p) 3,7 p) − 1,2 p) 0,5 p) − 1,8 p) 1,0 p) 6,4
r)
r) r) r) r) r)
0,4 3,0 3,4 2,0 2,5 2,3 3,5 5,1 4,9
Griechenland
1,8 3,5 1,5 3,9 2,5 1,1 2,5 2,3 3,8
1,1 2,3 1,2 1,9 1,4 1,7 1,1 0,8 1,5
78,7 80,4 79,4 80,9 79,4 78,2 79,1 80,4 82,8
82,0 83,2 82,9 83,9 81,9 82,7 82,9 84,2 84,4
Arbeitslosenquote 2003 2004 2005 2005 Dez. 2006 Jan. Febr. März April Mai Juni
8,2 8,4 8,4 8,4 8,2 8,3 8,3 8,4 8,4 8,4
9,0 9,5 9,5 9,5 9,1 8,9 8,7 8,2 8,3 ...
Luxemburg
Italien
Niederlande
Österreich
Portugal
Spanien
EWU
1,2 5,0 − 2,4 6,4 0,5 − 6,8 − 2,1 − 0,7 3,0
− 0,4 2,0 0,2 2,0 0,8 0,3 0,5 − 0,7 0,4
4,8 4,7 3,7 4,8 3,4 3,7 3,8 3,7 4,1
4,4 4,5 4,7 2,3 2,6 4,5 4,7 5,3 ...
0,3 1,2 0,9 0,7 1,5 2,6 0,7 1,3 1,2
4,7 0,3 3,0 − 5,8 1,2 2,0 3,0 5,8 2,7
0,0 1,1 0,0 0,6 − 0,4 0,2 0,1 0,0 1,9
2,0 4,2 4,0 3,0 1,4 3,6 5,4 5,7 ...
− 0,1 1,7 1,1 2,4 0,4 1,9 2,0 1,9 2,9
1,4 2,5 1,9 3,3 1,7 1,8 1,5 2,2 3,0
− 1,1 1,2 0,4 0,7 0,0 0,4 0,3 0,8 1,0
3,0 3,1 3,4 3,3 2,2 4,3 3,1 4,0 3,2
0,8 2,1 1,3 1,6 1,2 1,2 1,6 1,7 2,0
− − − − − −
0,5 0,6 0,8 2,1 2,7 1,2 0,4 0,5 3,0
5,4 5,5 5,6 4,0 3,0 3,9 9,6 6,4 8,8
− 1,4 2,5 − 1,2 2,5 − 0,9 − 0,1 − 2,3 − 1,6 3,0
2,1 6,3 4,3 8,0 4,6 5,1 3,9 3,5 6,0
0,1 − 2,7 0,3 − 5,0 − 1,7 0,0 0,7 2,3 1,6
1,4 1,6 0,7 0,4 0,3 0,1 0,7 1,6 2,6
0,3 2,0 1,2 1,2 0,6 0,7 1,5 2,1 3,4
1) 2)
Kapazitätsauslastung in der Industrie 2003 2004 2005 2005 1.Vj. 2.Vj. 3.Vj. 4.Vj. 2006 1.Vj. 2.Vj.
Irland
1)
− − − − −
3)
81,9 84,5 84,9 85,5 87,5 82,4 84,3 85,2 85,1
84,8 84,1 83,2 84,0 84,6 82,5 81,8 83,6 83,7
76,5 75,6 72,1 71,9 72,4 71,9 72,2 74,2 74,6
75,1 75,6 74,2 72,2 69,7 78,2 76,8 74,0 76,1
76,3 76,4 76,4 76,4 76,4 75,9 76,7 76,8 77,3
84,7 85,6 82,3 84,9 83,2 79,8 81,4 82,8 84,0
81,7 82,7 82,0 82,3 82,0 81,7 82,1 81,5 81,9
80,0 81,3 81,7 82,2 81,8 81,3 81,3 81,9 83,2
79,0 80,4 80,0 81,6 79,2 79,9 79,2 78,7 78,0
78,9 79,0 80,2 80,1 80,1 80,6 80,1 80,7 81,1
81,0 81,5 81,3 81,9 81,1 80,9 81,1 82,0 82,4
9,0 8,8 8,4 8,2 8,1 8,0 7,9 7,7 7,6 ...
9,5 9,6 9,5 9,2 9,1 9,1 9,0 8,9 8,8 ...
9,7 10,5 9,8
4,7 4,5 4,3 4,3 4,3 4,3 4,3 4,3 4,3 4,4
8,4 8,0 7,7 7,7 ... ... ... ... ... ...
3,7 5,1 4,5 4,7 4,7 4,7 4,8 4,8 4,7 ...
3,7 4,6 4,7 4,4 4,3 4,2 4,1 4,0 3,9 ...
4,3 4,8 5,2 5,1 5,1 5,0 5,0 4,9 4,9 4,9
6,3 6,7 7,6 7,8 7,6 7,6 7,6 7,6 7,5 ...
11,1 10,7 9,2 8,8 8,8 8,9 8,9 8,3 8,3 8,3
8,7 8,9 8,6 8,3 8,2 8,1 8,0 8,0 7,9 ...
4)
Abbildung 29: Kapazitätsauslastungsgrad der Bundesrepublik Deutschland im Sommer 2006
Konjunktur und Wachstum
69
Zunächst gilt es einen weit reichenden Irrtum aus der Welt zu schaffen. Vielerorts werden die Begriffe Konjunktur und Wachstum synonym verwendet, obwohl sie unterschiedliche Bedeutungen haben. Spricht man von der Konjunktur, so bezieht sich das Augenmerk in der Regel auf die Schwankungen im Auslastungspotenzial der gesamten Volkswirtschaft eines Landes, während der Begriff Wachstum die Zunahme des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials beschreibt. Der Konjunkturverlauf selbst ist von einem ständigen Auf und Ab im Auslastungsgrad des Produktionspotenzials gekennzeichnet. In einer „guten“ Wirtschaftslage sind die Produktionskapazitäten vergleichsweise hoch ausgelastet, während in einer „schlechteren“ konjunkturellen Situation diese eine vergleichsweise geringe Auslastung aufweisen. Wie können Sie sich kurzfristig einen eigenen Überblick über die derzeitige konjunkturelle Lage der Bundesrepublik Deutschland verschaffen? Zuverlässig Auskunft gibt Ihnen hierbei der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, welcher im Internet unter www.bundesbank.de zum Download bereitsteht. Als „Normalauslastung“ kann dabei erfahrungsgemäß eine Kapazitätsauslastung in Höhe von circa 85 Prozent unterstellt werden. Unter „Konjunktur“ versteht man also eine wellenartige Bewegung der wirtschaftlichen Aktivität einer Volkswirtschaft. Durch Beobachtung verschiedener variabler Konjunkturindikatoren bzw. ihrer Veränderungsraten ist es möglich, im Vergleich zum relativen Trend Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Konjunktur zu treffen. Den grundsätzlichen Schwingungsverlauf bezeichnet man als Konjunkturzyklus.
a) konstanter Trend
a) fallender Trend
wr
wr
A
D B t
C Es gilt:
Phase AB: B: C: Phase BD: D:
Abschwung Rezession, unterer Wendepunkt Depression Aufschwung Hochkonjunktur, Boom
Abbildung 30: Phasen im Konjunkturzyklus
t
70
Konjunktur
Auf eine Expansion bzw. einem Konjunkturaufschwung folgt die Rezession, dazwischen liegen Wendepunkte. In diesem Zusammenhang ist es wichtig sich vor Augen zu halten, dass nicht jeder Höhepunkt bzw. Boom zu einer „Prosperität“ in dem Sinne führt, dass die Arbeitslosigkeit zurückgehen muss. Auch muss beachtet werden, dass einige Rezessionen sehr viel ausgeprägter ausgefallen sind, als manch andere Rezessionen.
Produktionspotential 1) und Bruttoinlandsprodukt in Preisen eines ausgewählten Zeitraumes 600 Produktionspotential Bruttoinlandsprodukt, halbjährlich 2) Unsicherheitsbereich 3) 560
520
480
440 420
420 %
lin. Maßstab Veränderung gegen Vorjahr in % Produktionspotential p Bruttoinlandsprodukt
+8
+4
0
105
100
95
Zeit
Abbildung 31: Produktionspotenzial und Auslastungsgrad (Beispiel)
Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten werden von den Wirtschaftssubjekten im Zeitablauf in einem unterschiedlichen Ausmaße genutzt, wobei diese unterschiedlichen Aktivitäten als Konjunkturen, Konjunkturschwankungen oder Konjunkturzyklen bezeichnet werden. Natürliche Schwankungen im Ablauf eines Jahres werden dagegen als „Saisonzyklen“ bezeichnet, Schwankungen in Teilbereichen einer Volkswirtschaft als „Branchenzyklen“.
Konjunktur und Wachstum
71
Dagegen abzugrenzen sind jedoch die Schwankungen des Produktionspotenzials, welche als „Wachstumszyklus“ bezeichnet werden. Auf den Themenkomplex Wirtschaftswachstum und dessen Beeinflussung werde ich im Folgenden noch tiefgreifender eingehen. Die grundsätzliche Frage, wodurch Konjunkturen ausgelöst werden, beschäftigt die Nationalökonomie bereits seit je her. Diese Fragen sind Gegenstand der Wirtschaftstheorie. Für die Politikbereiche entscheidender ist jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung es überhaupt geboten ist, ausgeprägte Konjunkturzyklen durch staatliche Interventionen im Rahmen einer Konjunkturpolitik zu bekämpfen, also unterschiedliche, über ein gewisses Maß hinausgehende Auslastungsgrade des wirtschaftlichen Produktionspotenzials zu verstetigen und damit stabilisierend auf den Konjunkturverlauf einzuwirken.
4.2
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität
Folgende Ursachen können zu einer gesamtwirtschaftlichen Instabilität und damit zu einem Auftreten von Konjunkturen führen: ■
Die Instabilität des privaten Sektors. These: Die private Nachfrage reicht bei gegebener Nachfrage des Staates zur Vollbeschäftigung in der Regel nicht aus. Dies führt zur Notwendigkeit einer Globalsteuerung des Staates, um das zur Vollbeschäftigung nötige Niveau der Nachfrage auch kurzfristig zu sichern (vgl. „Keynesianische Theorie“).
■
Der Wettbewerb funktioniert nicht bzw. nicht schnell genug, deshalb kehrt die Wirtschaft im Falle einer gesamtwirtschaftlichen Instabilität nicht bzw. nicht schnell genug zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht zurück.
■
Strukturelle Ursachen bzw.
■
politisch ausgelöste Zyklen.
Zu unterscheiden sind somit „exogene“, also außerhalb der betrachteten Volkswirtschaft ausgelöste Faktoren und sogenannte „endogene“ Faktoren, die direkt aus der Binnenwirtschaft entstammen und damit eher „hausgemacht“ sind. Folge: ■
„Stop-and-go-Politik“ und wirtschaftspolitischer Aktionismus der Politik: „Paradefelder“ für Politiker stellt deren Wirksamkeit einer möglichen Stabilisierungs- bzw. Konjunkturpolitik in Frage.
■
Der private Sektor verliert wegen der unvorhersehbaren staatlichen Eingriffe und der nicht absehbaren Folgen an Fähigkeit, für einen Ausgleich an Angebot und Nachfrage über die Märkte zu sorgen.
72
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität
Gründe für staatliche Interventionen: Die Ziele der staatlichen Konjunkturpolitik beschreiben alle Maßnahmen zur Dämpfung der konjunkturellen Schwankungen und Verstetigung der Entwicklung von Produktion, Einkommen und Beschäftigung. Aufgrund ihrer operationalen, globalen und kurzfristigen Zielsetzung wird diese oftmals auch als Gegenpol zur Strukturpolitik betrachtet.
Konjunktur und Wachstum
73
4.2.1 Konjunkturniveau und Beschäftigung Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft: 01.02.2007
US-Notenbank belässt Leitzins bei 5,25 % Die US-Notenbank (Fed) beschloss auf ihrer gestrigen Sitzung einstimmig, den Leitzins - wie allgemein erwartet - unverändert bei 5,25 % zu belassen. Bei ihren begleitenden Aussagen gab es nur geringfügige Änderungen: Die Fed stellte fest, dass die jüngsten Wirtschaftsdaten für ein etwas stärkeres Wachstum der US-Wirtschaft sprechen, anerkannte aber gleichzeitig, dass sich die Kerninflation in den letzten Monaten etwas verbessert hat. Der „Tightening Bias“ blieb weiterhin aufrecht, für die Fed überwiegt also weiterhin das Inflationsrisiko das Risiko einer Konjunkturabschwächung. Marktreaktion: Die vom schwächeren Chicago PMI ausgelöste Kurserholung am Anleihenmarkt setzte sich nach der Fed-Entscheidung weiter fort, die zehnjährige US-Staatsanleiherendite ging auf 4,82 % zurück. Auch die Abschwächung des USD nach dem Rückgang des Chicago PMI von 51,6 auf 48,8 setzte sich fort. Einschätzung und Empfehlung: Der Markt hat inzwischen als Folge der starken US-Daten der letzten Wochen Zinssenkungen der US-Notenbank für das ganze Jahr 2007 fast völlig ausgepreist. Und in den nächsten Monaten ist eine Zinsänderung der Fed tatsächlich äußerst unwahrscheinlich. Wenn sich die US-Wirtschaftsdaten aber in den kommenden Monaten wieder spürbar abschwächen, was uns sehr wahrscheinlich erscheint, so dürfte der Markt beginnen, für das zweite Halbjahr wieder einige Zinssenkungen einzupreisen (wir erwarten eine erste Zinssenkung der Fed bereits zur Jahresmitte). Der Anleihenmarkt sollte sich deshalb bereits in den kommenden Monaten wieder deutlich erholen, unsere Anleihen-Empfehlung auf Quartalssicht lautet „Kauf“. Für den USD wäre eine solche Entwicklung negativ, hier empfehlen wir auf Quartalssicht einen Verkauf. Heute steht der ISM-Index Industrie (16:00) im Mittelpunkt (nach dem Rückgang des Chicago PMI gestern dürfte sich der Markt auch beim ISM einen Rückgang erwarten), morgen 14:30 kommt der (wetterbedingt wahrscheinlich noch ein letztes Mal sehr starke) US-Arbeitsmarktbericht. Prognosen USA
akt.
Mär.07
Leitzins 3M 5J 10J
5,25 5,38 4,82 4,82
5,25 5,30 4,50 4,50
Jun.07 Dez.07 4,75 4,90 4,70 4,70
4,75 4,90 4,90 5,00
Euro-12 Leitzins
3,50
3,75
3,75
4,00
3M 5J 10J Spread
3,78 4,04 4,09 73
3,90 3,70 3,70 80
3,90 3,90 3,90 80
4,20 4,30 4,40 60
Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
Abbildung 32: Marktbericht vom 01.02.2007
74
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität
Folgende Fragestellungen sollten Sie im Laufe von Kapitel 4 beantworten können: ■
Warum überwiegt für die Fed das Inflationsrisiko das Risiko einer Konjunkturabschwächung?
■
Warum sind Zinssenkungen im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld „einzupreisen“? Bei welchem konjunkturellen Szenario sind weitere Zinssenkungen besonders wahrscheinlich?
Die negativen Folgen konjunktureller Schwankungen stellen vor allem die konjunkturbedingten Verletzungen der Beschäftigung und der Geldwertstabilität dar. Während eines Konjunkturaufschwungs nimmt der Auslastungsgrad der Produktionsfaktoren zu. Die Folge: Auch die Zahl der Arbeitsplätze steigt, zumindest im Normalfall. Im Abschwung dagegen sinkt die Auslastung der Produktionsfaktoren und die Arbeitslosigkeit steigt. Grundsätzlich sind Schwankungen der Arbeitslosigkeit also im Wesentlichen auch konjunkturbedingt anzusehen. Allerdings ist zu beachten, dass Veränderungen des konjunkturellen Beschäftigungstandes nicht unmittelbar zeitgleich mit den Änderungen des Produktionspotenzials verlaufen, sondern unter Umständen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung stattfinden. Der Grund dafür ist, dass im Falle eines Konjunkturaufschwunges Neueinstellungen von Mitarbeitern meist nicht sofort, sondern erst mit einem gewissen Zeitverzug stattfinden können und im Falle einer Erhöhung der Produktion diese Mehrleistung grundsätzlich bis zu einer gewissen Grenze mit den vorhandenen Kapazitäten dargestellt werden muss. Dies gilt selbstverständlich auch im umgekehrten Fall: Schwächt sich die Konjunktur ab, finden Freisetzungen von Arbeitskräften nicht sofort, sondern erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung statt.
4.2.2 Konjunkturniveau und Inflationsentwicklung Die Veränderung der Inflationsrate entwickelt sich dazu spiegelbildlich. In rezessiven Phasen entwickelt sich die nachfragebedingte konjunkturelle Inflationsrate gegen Null. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang unbedingt die Ausführungen zu den Ursachen der Inflation in Abschnitt 6.5.3. Insbesondere in Phasen der Hochkonjunktur, in welchen die Produktionskapazitäten stark ausgelastet sind, würde eine steigende Auslastung der Kapazitäten nicht in steigenden Mengen, sondern verstärkt in Steigerungen der Inflationsrate münden. Dies gilt selbstverständlich nicht in Phasen unterausgelasteter Produktionskapazitäten, da in diesem Fall ein Anstieg der Nachfrage aufgrund geringer Preiselastizitäten keine nennenswerten Steigerungen des Preisniveaus auslösen wird.
Konjunktur und Wachstum
75
GNF : Gesamtnachfrage GAF : Gesamtangebot λ : Auslastungsgrad des Produktionspotentials
P
GNF3 GAF
P3
GNF2 GNF1
P2
GNF
P1 P0
Lu
L*
Lmax
L
Abbildung 33: Steigende Nachfrage und die Entwicklung des Preisniveaus
4.2.3 Ursachen und Konsequenzen konjunktureller Schwankungen Phasen der Hochkonjunktur werden als Phasen überdurchschnittlicher Inanspruchnahme der Produktionskapazitäten angesehen. Rezessionen stellen dagegen Phasen unterdurchschnittlicher Inanspruchnahme der Produktionskapazitäten dar. Nicht korrekt ist es hingegen, Konjunkturschwankungen anhand der Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes zu identifizieren. Würde man versuchen, Konjunkturschwankungen anhand dieser Veränderungsraten zu verifizieren, so könnte dies zwangsläufig zu irreführenden Aussagen führen, da in diesem „Wachstumsratenansatz“ eine Abschwungphase bereits dann einsetzt, wenn der Auslastungsgrad des Produktionspotenzials noch ansteigt, gleichzeitig jedoch bereits Engpässe in der Kapazitätsauslastung eintreten, welche eine Verminderung des Zuwachses der Produktion bewirken. Auf der anderen Seite würde der Aufschwung bereits dann wieder einsetzen, wenn die Wachstumsrate gegenüber dem Vorjahreswert ansteigt, obwohl der Auslastungsgrad des Produktionspotenzials sinkt. Erfahrungsgemäß liegt bei einem „sinusförmigen“ Konjunkturverlauf die „Wachstumsratenkonjunktur“ circa eine Viertelperiode vor einer „Auslastungsgradkonjunktur“.
76
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
IX. Konjunkturlage 2. Produktion im Produzierenden Gewerbe Deutschland Arbeitstäglich bereinigt o) davon: Industrie 1) davon: nach Hauptgruppen
Produzierendes Gewerbe
Zeit
Bauhauptgewerbe 2)
Energie 3)
Vorleistungsgüterproduzenten 4)
zusammen
Investitionsgüterproduzenten 5)
darunter: ausgewählte Wirtschaftszweige
Gebrauchsgüterproduzenten
Verbrauchsgüterproduzenten 6)
Chemische Industrie
Metallerzeugung und -bearbeitung
Herstellung von Kraftwagen und Maschinen- Kraftwabau genteilen
2000 = 100 2001 2002 2003 2004
99,5 98,3 98,4 100,9
92,7 88,7 84,9 80,6
97,3 97,4 99,8 102,7
100,4 99,3 99,5 102,5
99,4 98,9 99,5 103,3
102,3 101,1 102,0 105,7
100,4 92,0 87,2 87,4
98,8 98,2 97,4 98,0
98,0 101,7 102,0 104,6
101,1 101,8 99,9 103,7
102,1 99,5 97,8 101,2
104,0 105,4 107,6 111,9
2005 r)
103,7
76,1
102,8
106,3
106,5
111,0
87,8
101,0
110,0
104,6
106,1
116,8
2004 Sept.
106,8
95,0
95,3
109,1
109,0
114,7
96,8
101,4
106,0
107,3
112,8
120,7
Okt. Nov. Dez.
108,2 106,8 95,9
93,3 86,8 62,4
104,8 110,1 115,6
109,9 108,3 96,9
109,9 107,7 89,5
113,8 112,3 107,9
96,6 94,4 78,8
105,4 104,9 95,5
108,0 107,7 99,1
106,8 105,2 84,3
104,0 104,2 118,3
126,9 120,4 93,0
2005 Jan. r) Febr. r) März r)
94,5 94,7 106,6
47,9 43,3 60,3
112,6 107,8 112,3
96,9 98,1 110,3
101,0 99,2 108,7
95,4 100,5 117,8
81,8 85,8 95,9
94,6 94,1 102,5
109,9 107,0 116,5
104,9 101,8 109,2
86,3 93,1 113,8
106,8 112,2 126,4
April r) Mai r) Juni r)
102,7 100,6 106,3
80,5 83,2 88,5
101,3 97,8 92,5
104,9 102,5 109,5
106,1 105,2 109,3
109,4 104,6 117,3
87,1 79,6 90,5
97,4 97,8 99,1
108,6 108,6 108,0
106,2 102,8 107,7
101,2 99,0 115,6
122,5 112,1 122,3
Juli r) Aug. r) Sept. r)
106,8 95,7 110,8
93,0 84,2 92,3
96,5 92,4 93,6
109,1 97,2 114,3
110,2 101,5 113,4
114,0 94,9 121,4
83,9 70,0 97,8
102,8 98,7 106,3
112,7 108,2 111,4
108,3 96,1 109,6
107,7 92,0 114,5
122,3 90,4 129,7
Okt. r) Nov. r) Dez. r)
113,0 112,2 100,3
93,2 85,7 61,3
104,0 107,8 115,5
115,8 115,1 102,3
115,6 113,6 94,4
119,5 122,1 115,5
100,4 99,2 81,6
112,8 108,2 97,9
118,0 110,7 100,9
112,8 111,0 84,5
108,0 113,3 128,6
131,5 130,0 95,7
7)
98,0 100,3 111,5 7)
41,6 45,6 62,8
119,5 109,1 112,5
100,9 104,3 115,9
104,5 105,2 116,3
101,0 109,3 124,0
86,0 89,5 98,4
96,4 95,8 103,0
113,5 109,6 118,4
104,4 106,7 116,8
92,5 99,4 117,3
107,3 121,6 131,5
7) 7)
107,0 7) 106,5 7)
85,5 89,4
102,2 98,1
109,5 109,0
112,1 112,2
113,0 112,8
92,0 89,1
101,2 99,4
113,6 111,5
108,3 110,0
107,6 108,7
119,7 120,8
2006 Jan. r) Febr. r) März r) April +) r) Mai +) p)
Veränderung gegenüber Vorjahr in % 2001 2002 2003 2004
− − + +
0,5 1,2 0,1 2,5
− − − −
7,7 4,3 4,3 5,1
− + + +
2,6 0,1 2,5 2,9
+ − + +
0,5 1,1 0,2 3,0
− − + +
0,5 0,5 0,6 3,8
+ − + +
2,4 1,2 0,9 3,6
+ − − +
0,6 8,4 5,2 0,2
− − − +
1,1 0,6 0,8 0,6
− + + +
1,9 3,8 0,3 2,5
+ + − +
1,1 0,7 1,9 3,8
+ − − +
2,2 2,5 1,7 3,5
+ + + +
4,1 1,3 2,1 4,0
2005 r)
+
2,8
−
5,6
+
0,1
+
3,7
+
3,1
+
5,0
+
0,5
+
3,1
+
5,2
+
0,9
+
4,8
+
4,4
2004 Sept.
+
4,4
−
5,8
+
3,4
+
5,4
+
5,5
+
7,5
−
0,4
+
2,2
+
8,6
+
5,7
+
7,9
+
8,8
Okt. Nov. Dez.
+ + +
2,9 0,5 0,9
− − −
5,4 5,1 7,1
+ + +
2,5 5,3 8,0
+ + +
3,7 0,5 0,7
+ + +
2,8 2,3 2,8
+ − −
7,1 1,3 0,8
− − −
1,3 5,7 4,9
+ + +
0,2 1,7 1,4
+ + +
3,8 6,2 7,0
− + +
0,4 1,8 1,6
+ − +
5,9 1,5 0,4
+ − −
12,9 3,6 4,6
2005 Jan. r) Febr. r) März r)
+ + +
2,8 0,6 1,1
− − −
1,4 23,2 23,1
− + +
3,1 1,2 1,8
+ + +
3,9 2,0 2,8
+ + +
4,6 0,5 0,7
+ + +
5,3 3,7 5,4
− − −
1,9 0,8 0,2
+ + +
1,1 2,3 2,9
+ + +
7,9 5,3 8,4
+ − −
0,3 1,3 2,2
+ + +
4,6 6,2 7,1
+ + +
9,8 1,9 3,9
April r) Mai r) Juni r)
+ + +
2,1 0,8 2,6
− − −
6,4 4,4 4,3
+ + +
0,3 0,2 1,5
+ + +
2,9 1,2 3,4
+ + +
1,6 1,6 2,0
+ + +
5,4 0,6 5,6
− − +
1,1 7,7 4,0
+ + +
1,1 3,3 2,0
+ + +
0,9 6,0 4,3
+ − −
2,0 2,5 3,1
+ + +
2,7 0,5 8,6
+ − +
7,2 2,7 1,3
Juli r) Aug. r) Sept. r)
+ + +
3,4 2,0 3,7
− − −
2,7 1,5 2,8
+ + −
4,2 1,9 1,8
+ + +
3,8 2,4 4,8
+ + +
2,9 2,9 4,0
+ + +
5,4 1,5 5,8
− + +
3,6 2,8 1,0
+ + +
3,7 3,0 4,8
+ + +
6,7 4,3 5,1
+ + +
1,6 2,2 2,1
+ + +
2,2 2,8 1,5
+ − +
9,1 0,2 7,5
Okt. r) Nov. r) Dez. r)
+ + +
4,4 5,1 4,6
− − −
0,1 1,3 1,8
− − −
0,8 2,1 0,1
+ + +
5,4 6,3 5,6
+ + +
5,2 5,5 5,5
+ + +
5,0 8,7 7,0
+ + +
3,9 5,1 3,6
+ + +
7,0 3,1 2,5
+ + +
9,3 2,8 1,8
+ + +
5,6 5,5 0,2
+ + +
3,8 8,7 8,7
+ + +
3,6 8,0 2,9
2006
Jan. r) Febr. r) März r)
7)
+ + +
3,7 5,9 4,6 7)
− + +
13,2 5,3 4,1
+ + +
6,1 1,2 0,2
+ + +
4,1 6,3 5,1
+ + +
3,5 6,0 7,0
+ + +
5,9 8,8 5,3
+ + +
5,1 4,3 2,6
+ + +
1,9 1,8 0,5
+ + +
3,3 2,4 1,6
− + +
0,5 4,8 7,0
+ + +
7,2 6,8 3,1
+ + +
0,5 8,4 4,0
April +) r) Mai +) p)
7) 7)
+ +
4,2 7) 5,9 7)
+ +
6,2 7,5
+ +
0,9 0,3
+ +
4,4 6,3
+ +
5,7 6,7
+ +
3,3 7,8
+ +
5,6 11,9
+ +
3,9 1,6
+ +
4,6 2,7
+ +
2,0 7,0
+ +
6,3 9,8
− +
2,3 7,8
Quelle der Ursprungswerte: Statistisches Bundesamt. — o Mit Hilfe des Verfahrens Census X-12-ARIMA, Version 0.2.8. — 1 Verarbeitendes Gewerbe, soweit nicht der Hauptgruppe Energie zugeordnet, sowie Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden. — 2 Die Ergebnisse beziehen sich auf die Wirtschaftszweige „Vorbereitende Baustellenarbeiten” sowie „Hoch- und Tiefbau”. — 3 Energieversorgung sowie insbesondere Kohlenbergbau, Gewinnung von Erdöl und Erdgas, Mineralölverarbeitung. — 4 Einschl. Erz-
bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden. — 5 Einschl. Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen. — 6 Einschl. Druckgewerbe. — 7 Vom Statistischen Bundesamt schätzungsweise vorab angepasst an die Ergebnisse der jährlichen Totalerhebung im Bauhauptgewerbe (durchschnittlich +3%). — + Vorläufig; vom Statistischen Bundesamt schätzungsweise vorab angepasst an die Ergebnisse der Vierteljährlichen Produktionserhebung für das II. Quartal (Industrie: durchschnittlich -3,7%).
Abbildung 34: Konjunkturelle Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland seit 2001
Konjunktur und Wachstum
77
Aufgabe der Konjunkturpolitik ist es, den Wirtschaftsprozess auf ein optimales Auslastungsniveau hin zu stabilisieren. Hierbei sind lediglich konjunkturelle Bereiche zu steuern. Bitte beachten Sie dabei: Die Bekämpfung nichtkonjunktureller Teilkomponenten, beispielsweise die Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit respektive die Bekämpfung einer möglichen Marktmachtinflation, gehören nicht zu den Aufgabenbereichen der Konjunkturpolitik. Konjunkturpolitik bedeutet im Wesentlichen die konjunkturellen Zielverletzungen des Geldwertstabilitätszieles sowie des Beschäftigungsziels so gering wie möglich zu halten. Hierbei besteht jedoch ein Zielkonflikt.
4.2.4 Gesamtwirtschaftliche Konsequenzen von stabilitätspolitischen Zielverletzungen
Stabilitätspolitische Konsequenzen der Inflation Das Verletzen des wirtschaftspolitischen Zieles der Geldwertstabilität hat im Hinblick der Gewährleistung gesellschaftspolitischen Grundwerte (Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt, Sicherheit etc.) unerwünschte Konsequenzen. Wirtschafts- und gesellschaftliche Gründe für die Bekämpfung von Inflation und Arbeitslosigkeit: ■
Arbeitslosigkeit als wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Problem: Zum einen bedeutet Arbeitslosigkeit für die betroffenen Erwerbstätigen wirtschaftliche Einschränkungen und psychologische unerwünschte Folgen. Darüber hinaus stellt eine hohe Arbeitslosenquote eine Gefahr für die politische Stabilität eines Landes dar, da in Folge dessen gesellschaftliche Unzufriedenheit antidemokratische Strömungen auslösen kann. Aus makroökonomischer Sicht ist Arbeitslosigkeit ebenfalls unerwünscht, da brachliegende Ressourcen für die Gesellschaft wohlstandsmindernd sind.
■
Unerwünschte Allokationswirkungen der Inflation: Grundsätzlich wirkt ein stabiles Preisniveau wohlstandsmehrend. Nur in Phasen hoher Preisniveaustabilität funktioniert der Preismechanismus reibungslos und führt zu einer optimalen Allokation der Produktionsfaktoren. Bitte führen Sie sich vor diesem Hintergrund die Aussagen aus Kapitel 3 noch einmal vor Augen. In Phasen hoher und stark schwankender Inflationsphasen sind Fehllenkungen der Produktionsfaktoren die Folge. Zu beachten hierbei ist jedoch, dass in der Nationalökonomie auch die Aussage vertreten wird, dass durch Inflation unter Umständen auch positive Allokationswirkungen ausgelöst werden können, insbesondere dann, wenn im Falle einer schleichenden Inflation dadurch Umstrukturierungsprozesse der Produktionsfaktoren verstärkt gefördert werden könnten.
78
Mögliche Ursachen gesamtwirtschaftlicher Instabilität
■
Umverteilungswirkungen der Inflation: In Phasen hoher Inflationsraten sind Nominaleinkommen und Nominalwerte der Vermögen in der Regel nicht in gleichen Relationen von Steigerungen betroffen, mit der unerwünschten Folge, dass einzelne Wirtschaftssubjekte real benachteiligt sind, während andere Wirtschaftssubjekte real begünstigt werden. Die Höhe der dadurch ausgelösten Umverteilungseffekte hängt davon ab, in wie weit sich die von der Inflationsentwicklung betroffenen Wirtschaftssubjekte zur Wehr setzen und im Rahmen der Verteilungskämpfe ihre Interessen durchsetzen können.
■
Inflation und Lohn-Lag-These: Die Inflation hat Konsequenzen auf die funktionelle Einkommensverteilung. Die Anpassung der Nominallöhne geschieht im Rahmen der Verhandlungen regelmäßig mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wodurch ein tendenzielles Absinken der Lohnquote und sukzessive ein steigender realer Kaufkraftverlust der Lohneinkommensbezieher zwangsläufig die Folge sein muss.
■
Transfereinkommenshypothese: Für diejenigen Wirtschaftssubjekte, die Transferleistungen beziehen, gelten analog die beschriebenen Problematiken der Lohneinkommensbezieher.
■
Die Gläubiger-Schuldner-Hypothese: Inflation löst unerwünschte Wirkungen im Rahmen von unerwünschten Einkommensumverteilungen aus. Durch Inflation wird der Realwert von Geldvermögensforderungen geschmälert, während der Realwert der Schulden durch die Inflation sukzessive absinkt. Die Folge: Gläubiger stellen Inflationsverlierer dar, während Schuldner durch die Inflation auf der Gewinnerseite stehen.
■
Der Staat als Gewinner der Inflation: Insbesondere der Staat als größter Schuldner profitiert von den Effekten der „Gläubiger-Schuldner-Hypothese“ der Inflation. Allerdings gibt es einen zweiten, nicht unerheblichen Effekt, durch welchen der Staat bei steigenden Inflationsraten profitieren wird. Im Rahmen eines vorhandenen progressiven Steuersystems ergibt sich bei inflationsbedingten Einkommenssteigerungen der Effekt, dass die relative Steuerlast durch den Ausgleich der inflationsbedingten Einkommenssteigerungen anteilsmäßig zunimmt. In der Fachliteratur bezeichnet man diesen Effekt als „heimliche“ oder „kalte“ Progression. Zwangsläufig führt dieser Effekt im Zeitablauf zu einer Umverteilung zwischen dem privaten Sektor und dem Staat mit der Folge, dass in inflationären Phasen der Staat Gewinner als Resultat zweier sich ergänzender Effekte ist. Problematisch in diesem Zusammenhang ist zusätzlich, dass sich aufgrund der unterschiedlichen Steuerlastverteilungen der Wirtschaftssubjekte ungleiche Auswirkungen auf die Nettoeinkommenspositionen ergeben. Diese Aussage erscheint zunächst sehr plakativ, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass der Staat andererseits auch inflationsbedingte Mehraufwendungen in Phasen erhöhter Inflation zu leisten hat, um das bisherige Niveau der Staatsausgaben aufrecht zu halten.
Konjunktur und Wachstum
4.3
79
Phillipskurve
Der Zielkonflikt zwischen konjunktureller Inflation und konjunktureller Arbeitslosigkeit stellt das zentrale Wahlproblem der Stabilisierungspolitik dar. Stellt in einer Rezession, welche bekanntermaßen durch geringe Auslastungsgrade des Produktionspotenzials gekennzeichnet ist, die (konjunkturbedingte) Inflationsrate noch kein nennenswertes Problem dar, so ist die Situation im Fall einer Hochkonjunktur gänzlich anders zu beurteilen. In Phasen der Hochkonjunktur ist eine hohe Auslastung der Produktionskapazitäten, verbunden mit einer nur geringen (konjunkturellen) Arbeitslosigkeit, nicht das Hauptproblem. Vielmehr ist in dieser Phase die nachfrageinduzierte Inflation die zentrale stabilitätspolitische Herausforderung.
_ 51
10 _ _ 9 _ 8 _ 7 6 _
56 55 52 57
5 _ 4 _
54
3 _ 2 _
48 53 49
1
2
3
4
_
_
_
_
_
_
_
_
_ _
1
50
_
11
_
Änderungsrate des Nominallohnsatzes (in Prozent pro Jahr)
Dieser stabilitätspolitische Zielkonflikt wurde in Anlehnung an die ursprünglichen Untersuchungen des Nationalökonomen A. W. Phillips und den Modifikationen durch die Nationalökonomen P. A. Samuelson und R. M. Solow als „Phillipskurven-Zielkonflikt“ bezeichnet. Der Phillipskurven-Zielkonflikt ist als eine Art Menükarte zu verstehen, welche in diesem Zusammenhang eine Wahlfreiheit zwischen hohen Inflationsraten und einer vergleichsweise niedrigen Arbeitslosigkeit und umgekehrt darstellt. Dieser Zielkonflikt kann unmittelbar in ein Inflations-Arbeitslosigkeits-Diagramm übertragen und dann als Möglichkeitskurve der Konjunkturpolitik verstanden werden.
5 Arbeitslosenquote in v. H.
Abbildung 35: Phillipskurve in den Fünfzigerjahren
80
Phillipskurve
In der Praxis hatte sich diese Wahlmöglichkeit jedoch als vergleichsweise kurzfristige Wahlmöglichkeit bzw. lediglich als vergleichsweise instabile „Menükarte“ der Wirtschaftspolitik herausgestellt. So musste die Regierung der Bundesrepublik Deutschland spätestens in den Siebzigerjahren schmerzhaft feststellen, dass dieser Zusammenhang in der politischen Realität allenfalls vergleichsweise kurzfristig einen stabilen Wirkungszusammenhang zwischen konjunktureller Inflationsrate und Arbeitslosenquote aufwies und auf Dauer über eine erhöhte Inflationsrate zumindest kein höherer Beschäftigungsstand erkauft werden konnte. Der Grund hierfür war, dass Inflationsveränderungen sukzessive die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte veränderten und in Folge dessen in deren Preiserwartungen adaptiert wurden. Infolge dessen erkannten die Wirtschaftssubjekte vermehrt den inflationären Effekt, womit sukzessive der Beschäftigungseffekt vermindert wurde. So war langfristig lediglich eine erhöhte Inflationsrate die Folge, während der Beschäftigungseffekt auf Dauer zum Erliegen kam. Folglich ist in der politischen Realität ein langfristiger „Trade-off“ zwischen Inflationsrate und Arbeitslosigkeit offensichtlich nicht vorhanden.
4.3.1 Phillipskurve: (K)ein stabiler „Trade-off“? Wie bereits erläutert zeichnete die Realität der Bundesrepublik Deutschland ein von der Theorie abweichendes Bild. Zeigten die Sechzigerjahre noch einen lehrbuchmäßigen Zielkonflikt zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation, so beschleunigte sich zu Beginn der Siebzigerjahre die Inflation, ausgelöst durch die erste Erdölkrise, zunächst erheblich. Als Folge der Wirtschaftskrise ging gleichzeitig die Beschäftigung zurück, ein Prozess, der als „Stagflation“ bezeichnet wird. Infolge der zunehmenden Verteilungskämpfe stieg die Inflationsrate zusätzlich an, wobei dieser Effekt nicht originär auf konjunkturelle Ursachen zurückgeführt werden konnte. Insgesamt hat sich während der Siebzigerjahre die Phillipskurve nicht auf der Ebene der Sechzigerjahre bewegt, sondern vertikal nach oben verschoben. Zwar führte eine geldwertstabilitätsorientierte Geldpolitik Mitte der Siebzigerjahre zu einer Eindämmung der Inflationsrate, dieser stabilitätsorientierte Erfolg musste jedoch im Nachhinein betrachtet durch eine stark steigende Arbeitslosigkeit erkauft werden. Folglich verschob sich dadurch die Phillipskurve in den Sechzigerjahre nicht nur nach oben, sondern sukzessive darüber hinaus nach rechts. In den Achtzigerjahren gelang es zwar die hohen Inflationsraten zu reduzieren, es konnten aber trotz der im Zuge einer verstärkt angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ausgelösten Wachstumsdynamiken zunächst keine nennenswerten Erfolge bei der Eindämmung der Arbeitslosenquote erreicht werden. Erst mit einem zeitlichen Verzug wurden geringere Erfolge im Hinblick auf ein Mehr an Beschäftigung erreicht, wodurch die Phillipskurve tendenziell wieder in Richtung Ursprung des Koordinatensystems verschoben wurde.
Konjunktur und Wachstum
81
Inflationsrate in v.H. Phillips-Kurve (Anfang 70er Jahre)
73
74
75
72 5 4 3 2
_
71
76 77
70,66
_ 65
63
91
69
67
68
83
89
78
84 85
90
Phillips-Kurve (Ende 80er Jahre)
78 Phillips-Kurve (60er Jahre)
_
_
_
_
_
88
_
_
82
79
1 _ 0
80
_
_
Phillips-Kurve (Anfang 80er Jahre)
81
_
1
2
3
4
5
6
7
_
6
_
_
7
8
87
Arbeitslosenquote in v.H.
86
Quelle: Ursprungswerte SVR und BBK
Abbildung 36: Entwicklung der Phillipskurve seit den Sechzigerjahren
4.3.2 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StWG) der Bundesrepublik Deutschland Der stabilitätspolitische Auftrag der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland findet seine gesetzliche Grundlage im „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ aus dem Jahre 1963 sowie in dem im Jahre 1967 verabschiedeten „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (StWG, „Stabilitäts- und Wachstumsgesetz“). „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, StWG) aus dem Jahre 1967: ■
„... die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen“. (§ 1 StWG)
■
Die vier Ziele des „magischen Vierecks“ wurden um ein weiteres Ziel (Verteilungsziel) zum magischen Fünfeck in der Literatur bzw. in der wirtschaftspolitischen Diskussion der letzten Jahre erweitert. Seit den Siebzigerjahren kam das Ziel des Umweltschutzes dazu.
82
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
Stabilität des Preisniveaus
stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
hoher Beschäftigungsgrad
außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Abbildung 37: Magisches Viereck
Allerdings ist der Begriff „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“, welcher in der makroökonomischen Theorie relativ genau abgegrenzt ist, in der praktischen Stabilitätspolitik vergleichsweise inhaltsleer. Die Ziele wurden nie operational definiert, das heißt, es fehlen konkrete Maßstäbe, an denen der Zielerfüllungsgrad gemessen wird.
4.4
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
4.4.1 Geld-, Fiskal-, Stabilisierungspolitik und öffentliche Finanzen
Fiskalpolitik Die Bereitstellung privater Güter wird in einer Marktwirtschaft durch den Marktmechanismus koordiniert. Doch welche Aufgaben kommen in Bezug auf die Stabilisierungsbzw. Konjunkturpolitik auf den Staat zu?
Konjunktur und Wachstum
83
Grundsätzlich sind drei unterschiedliche Funktionsbereiche einer staatlichen Fiskalpolitik zu unterscheiden: 1. Allokationsfunktion 2. Distributions- bzw. Verteilungsfunktion 3. Stabilisierungsfunktion (Konjunkturpolitik). ■
Zu (1): Allokationsfunktion Nicht immer funktioniert die Bereitstellung privater Güter in einem befriedigenden Maße über den Marktmechanismus. Versagt der Marktmechanismus, so ist der Staat gefordert, diese Güter über staatliche Entscheidungen zur Verfügung zu stellen.
■
Zu (2): Distributions- bzw. Verteilungsfunktion Der Staat verfolgt darüber hinaus verteilungspolitische Aufgaben. Hierunter ist die Aufgabe zu verstehen, die im Marktprozess entstehende Einkommensverteilung (Primärverteilung), welche gesellschaftspolitisch als unsozial empfunden werden kann, durch die Fiskalpolitik im Rahmen eines progressiven Steuersystems sowie Transferleistungen zu korrigieren und in eine anders geartete Sekundärverteilung zu transformieren.
■
Zu (3): Stabilisierungsfunktion (Konjunkturpolitik) Eine aktive Konjunkturpolitik, angeleitet durch die Keynesianische Lehre, welche ihren Ursprung in der Weltwirtschaftskrise von 1929 hat, ist in ihrer Konzeption eine antizyklische staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik mit dem Ziel, stabilisierend auf den Wirtschaftsprozess einzuwirken. Die „Postkeynesianische“ Ansicht sieht hierfür eine den Konjunkturzyklen entgegengesetzte Budgetgestaltung des Staates vor. Diese Stabilisierungspolitik kann dabei auf zwei Wegen funktionieren: – durch automatische Stabilisatoren des Steuersystems, oder – durch einen fallweisen antizyklischen Einsatz der fiskalpolitischen Instrumente.
Automatische Stabilisatoren Automatische Stabilisatoren wirken dergestalt, dass eigentlich keine anderen „Ad-hocMaßnahmen“ von staatlicher Seite zur Stabilisierungspolitik notwendig sind. Stabilisierend wirkt dabei insbesondere ein progressives Steuersystem. In Phasen der Hochkonjunktur steigt die Steuerbelastung stärker als das Einkommen, wodurch die Kaufkraft nur unterproportional zunimmt und umgekehrt. Die Folge: Konjunkturschwankungen werden durch die gedämpftere Veränderung der Konsumausgaben geringer ausfallen, als wenn ein proportionales Steuersystem vorliegen würde. Überproportionale Steuermehreinnahmen haben zunehmend Einkommensveränderungen zur Folge, wodurch die Hochkonjunktur mithin gedämpft werden kann. In der Rezession gilt der umgekehrte Fall: Überproportionale Steuerausfälle führen zu einer Entlastung der privaten Wirtschaftssubjekte und somit zu einem höheren kaufkräftigen Einkommen.
84
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
Veränderungsrate
Budgetsaldo
+ Budgetüberschuss (BÜ)
T Y
BÜaut 0
Zeit
t0 BDaut
Budgetdefizit (BD) -
Boom Automatische Bildung von Budgetüberschüssen. Kaufkraftabschöpfung durch überproportionales Steueraufkommen. Kontraktive Wirkung. Dämpfung des inflatorischen Nachfrageüberhangs.
Symbole: Y: Volkseinkommen (Index) Yt0: Gleichgewichtseinkommen T: Steueraufkommen (Index)
Rezession Automatische Bildung von Budgetdefiziten. Durch überproportionale Steuerausfälle verbleibt Kaufkraft bei den Privaten. Expansive Wirkung. Dämpfung der deflatorischen Nachfragelücke.
BS – T – (AST + Tr + Zu) = T – GSt Annahmen: BS in t0 = 0; GSt = const.
Abbildung 38: Wirkungsweise automatischer Stabilisatoren
Wichtig in diesem Zusammenhang ist dabei sich folgendes vor Augen zu führen:
Konjunktur und Wachstum
85
Entscheidend ist, ob diese zusätzliche zur Verfügung stehende Kaufkraft wirklich für weitere konsumtive oder investive Zwecke verwendet wird. Ein typisches Beispiel eines automatischen Stabilisators ist auch im System der Arbeitslosenversicherung verankert. In der Hochkonjunktur nehmen die Beiträge absolut zu und mindern somit die Kaufkraft der Bevölkerung. In Phasen der Rezession sinken andererseits die Einnahmen, während die Leistungen des Systems deutlich zunehmen, sodass die Kaufkraft weit weniger absinkt. Infolge dessen werden im Hinblick auf die gedämpftere absolute Änderung der privaten Konsumausgaben weitaus geringere Konjunkturschwankungen ausgelöst. In Boomphasen nimmt das Steueraufkommen schneller zu als das Bruttoinlandsprodukt. In der Rezession sinkt das Steuereinkommen zugunsten privater Konsumausgaben im Hinblick auf das Bruttoinlandsprodukt nur unterproportional. Die in der Realität festzustellende überproportionale Wirkungsweise des Gesamtsteueraufkommens auf Veränderungen des Volkseinkommens ist im Wesentlichen auf die direkten Steuern, also auf die Lohn- und Einkommensteuer und nicht auf die indirekten Steuern, beispielsweise die Umsatzsteuer, zurückzuführen. Die Umsatzsteuer ist durch ihren proportionalen Tarif (mit Ausnahme des ermäßigten Steuersatzes für bestimmte Warengruppen) proportional zur Konjunkturentwicklung und wirkt somit nicht als automatischer Stabilisator.
4.4.2 Konjunkturprognosen und deren Wirksamkeit Konjunkturprognosen können von Wirtschaftssubjekten nur dann betrieben werden, wenn ihnen drei verschiedene Arten von Informationen vorliegen: 1. Ausreichende Erkenntnisse über die derzeitige konjunkturelle Situation. Dies beinhaltet insbesondere Informationen darüber, wie sich die konjunkturelle Situation in Zukunft weiter entwickeln wird, wenn keinerlei staatliche Eingriffe erfolgen werden. Dies wird in der Literatur auch als „Status-quo-Prognose“ bezeichnet. 2. Ausreichende Erkenntnisse darüber, wie sich bzw. in welchem Ausmaße die ergriffenen Maßnahmen auf die konjunkturelle Entwicklung auswirken werden. Dies wird in der Literatur auch als „Wirkungsprognose von konjunkturpolitischen Maßnahmen“ bezeichnet. 3. Ausreichende Erkenntnisse über die Wirkungsverzögerungen konjunkturpolitischer Maßnahmen, also Erfahrungen darüber, wie lange die zeitlichen Verzögerungen andauern, bis diese Maßnahmen aufgrund dieser „Timelag-Problematik“ überhaupt greifen. Betrachtet man die derzeitige konjunkturelle Situation, so analysiert man die Schwankungen des Auslastungsgrades des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials innerhalb dieses Landes. Mit dem Beginn einer systematischen Betrachtungsweise wirtschaftlicher Zusammenhänge und der zentralen Erkenntnis mehrjähriger Auf- und Abschwünge der Wirtschaftstätigkeit – verbunden mit unterschiedlichen Auslastungsgraden des Produktionspotenzials – hatte sich deshalb bereits früh der konkrete Wunsch herausgearbeitet, nicht nur rückblickend gesamtwirtschaftliche Entwicklungen erklären zu können. Vielmehr ist es seit Beginn der Konjunkturforschung das Ziel aller wissenschaftlichen Unter-
86
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
suchungen, Gesetzmäßigkeiten im zeitlichen Verlauf konjunktureller Schwankungen zu erfassen, welche den Betrachter in die Lage versetzen sollen, zukünftige Entwicklungen treffsicher vorherzubestimmen. Das „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ von 1963 sowie das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) von 1967 stellten den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern neben Instrumentarien zur Durchführung auch die im Vorfeld notwendigen Instrumentarien zur Diagnose und Prognose zur Verfügung. Aber nicht nur die Stabilisierungspolitik bedarf derartiger Instrumente. Nicht zuletzt die Unternehmer benötigen für ihre Investitionsentscheidungen im Zuge einer gewinnorientierten Betrachtungsweise einen Informationsvorsprung, um vor anderen Wirtschaftssubjekten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auf das konjunkturelle Phänomen und die Erklärung, warum es zu einem „Auf und Ab“ innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Auslastung der Produktionspotenziale kommt, wird im Folgenden ausführlich eingegangen. Entscheidend ist es, sich diesen Zusammenhang noch einmal genauer vor Augen zu führen, um zu erkennen, wie sich das reale Bruttosozialprodukt aus seinen einzelnen Bestandteilen zusammensetzt. Dies ist deshalb wichtig, da die Grundlagen der Konjunkturprognosen auf die konjunkturellen Gesetzmäßigkeiten zwangsläufig unmittelbar aufbauen. Die Messung des Produktionspotenzials ist in der Realität jedoch oftmals mit erheblichen statistischen Problemen verbunden, weshalb in der Praxis der Konjunkturverlauf meist anhand des realen und inflationsbereinigten Bruttoinlandsproduktes gemessen wird. In der Realität können zwischen vorauslaufenden Konjunkturindikatoren, auch „Leading Indicators“, gleichlaufenden Konjunkturindikatoren, auch „Coincident Indicators“ und nachlaufenden Konjunkturindikatoren, auch „Laging Indicators“ unterschieden werden:
Indikatoren
Frühindikator z.B. Auftragseingänge
Präsenzindikator z.B. Produktion
Spätindikator z.B. Preise
1. Lag
2. Lag
Abbildung 39: Wirkungsweisen von Konjunkturindikatoren im Zeitablauf
Zeit
Konjunktur und Wachstum
87
Zu den „Präsenzindikatoren“ zählen insbesondere die Investitionen, der Konsum, die Exporte und die bestehenden Umsätze. Beispiele für „Spätindikatoren“ sind neben der Entwicklung der Arbeitslosenquote die Löhne sowie die Preisentwicklung. Doch weder die Präsenzindikatoren als auch die Spätindikatoren können dem eigentlichen Zweck der Konjunkturprognose genügen und eignen sich – falls überhaupt – lediglich zur nachträglichen Bestätigung und Kontrolle der Richtigkeit von Diagnose und Prognose. Weiterhelfen hierfür können lediglich diejenigen Indikatoren, die mit höchster Regelmäßigkeit der konjunkturellen Entwicklung vorauseilen. Musterbeispiele für derartige Indikatoren sind die „Auftragseingänge in der verarbeitenden Industrie“. Aber auch der Geldmengenentwicklung sowie der Entwicklung von Börsenindizes wird nachgesagt, zukünftige konjunkturelle Entwicklungen in einer Volkswirtschaft regelmäßig zuverlässig voraussagen zu können.
Auftragseingänge in der verarbeitenden Industrie Die Datenbasis für diese Informationen sind dabei problemlos für jeden Praktiker leicht zu beschaffen: Fast alle diese Informationen können unmittelbar und aktuell aus dem Internet bezogen werden. Die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank sind mit dem Acrobat Reader unter www.bundesbank.de für jedermann einsehbar. Dem statistischen Teil können in Kapitel IX Abschnitt 3. unter anderem auch die „Auftragseingänge in der Industrie“ entnommen werden (Siehe Abbildung 40) Betrachtet man die verschiedenen Indikatoren im Zeitablauf, so kann festgestellt werden, dass sich die einzelnen Früh-, Präsenz- und Spätindikatoren nicht nur in ihrer zeitlichen Abfolge, sondern auch in deren Intensität zum Teil deutlich unterscheiden. Die Schwankungen des privaten Konsums sind zwangsläufig deutlich kleiner als die Änderungen des Bruttosozialproduktes. Die Erklärung hierfür ist in der Tatsache zu suchen, dass der private Konsum nicht zuletzt auch Güter mitbeinhaltet, die für den täglichen Bedarf lebensnotwendig sind und auf welche die Bevölkerung nicht unmittelbar verzichten kann. Steigt jedoch das Gewicht von Luxusgütern innerhalb des privaten Konsums an, so kann auch die Reaktion auf Konjunktur- und Einkommensänderungen stärker ausfallen. Betrachten wir nun beispielsweise Änderungen von Investitionen bzw. die Veränderungen der Auftragseingänge in der Industrie, so ist dann auch einsehbar, dass diese Ausschläge ungleich stärker im Vorfeld einsetzen und damit für den Betrachter auch im Vorfeld eines Konjunkturaufschwunges leichter erkennbar sind. Damit tragen diese jedoch auch wesentlich zu den auftretenden Konjunkturschwankungen bei. Wird von den Unternehmern die Zukunftserwartung nun als ungünstig eingeschätzt, so werden die Investitionen im Folgenden reduziert oder zumindest zeitlich herausgeschoben, wodurch sich die konjunkturelle Nachfrage nicht zuletzt durch die Nachfragereduzierung weiter verschlechtert und umgekehrt. Erst wenn die Nachfrage der privaten Haushalte sich wieder verstärkt und sich die Warenlager wieder reduzieren, werden Investitionen erhöht und die konjunkturelle Situation verbessert sich wieder.
88
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
IX. Konjunkturlage 3. Auftragseingang in der Industrie *) Deutschland Arbeitstäglich bereinigt o) davon: davon: Vorleistungsgüterproduzenten
Industrie
Zeit
2000=100
Veränderung gegen Vorjahr %
2000=100
Investitionsgüterproduzenten 1)
Veränderung gegen Vorjahr %
2000=100
Konsumgüterproduzenten 2)
Veränderung gegen Vorjahr %
2000=100
Gebrauchsgüterproduzenten
Veränderung gegen Vorjahr %
2000=100
Verbrauchsgüterproduzenten 2)
Veränderung gegen Vorjahr %
2000=100
Veränderung gegen Vorjahr %
insgesamt 2001 2002 2003 2004
98,3 98,2 99,0 105,1
− − + +
1,6 0,1 0,8 6,2
95,9 96,4 97,8 104,9
− + + +
4,0 0,5 1,5 7,3
99,4 99,6 100,7 107,6
− + + +
2005
111,7
+
6,3
109,9
+
4,8
116,1
2005 Mai Juni
105,4 113,6
+ +
1,8 7,1
106,4 111,1
+ +
1,8 3,2
108,4 120,1
Juli Aug. Sept.
114,4 101,7 117,9
+ + +
8,0 6,5 8,3
113,6 102,0 114,6
+ + +
6,5 3,4 5,5
Okt. Nov. Dez.
118,6 119,9 114,2
+ + +
9,9 13,6 5,4
117,3 116,8 103,6
+ + +
2006 Jan. Febr. März
117,5 121,3 127,3
+ + +
9,8 15,4 8,5
115,5 116,2 125,9
+ + +
121,3 118,9
+ +
15,0 12,8
123,7 123,5
96,4 94,6 95,0 100,3
April Mai p)
0,6 0,2 1,1 6,9
101,4 99,0 95,6 95,1
+ − − −
1,5 2,4 3,4 0,5
99,8 95,7 90,3 89,3
− − − −
0,1 4,1 5,6 1,1
102,4 101,0 98,8 98,7
+ − − −
2,5 1,4 2,2 0,1
+
7,9
99,7
+
4,8
91,4
+
2,4
104,9
+
6,3
+ +
1,7 10,3
90,5 95,4
+ +
2,6 6,6
85,0 92,0
− +
3,2 3,5
93,9 97,5
+ +
6,1 8,5
118,2 102,2 123,6
+ + +
9,6 8,7 11,5
101,3 98,4 105,7
+ + +
5,6 7,0 4,3
88,7 79,0 99,5
+ + +
0,6 7,9 4,6
109,0 110,4 109,5
+ + +
8,2 6,6 4,2
7,7 9,3 9,1
122,6 126,4 128,3
+ + +
12,2 18,7 3,2
106,5 104,0 91,4
+ + +
7,6 7,1 5,8
102,7 102,5 83,2
+ + +
6,4 7,6 6,8
108,8 104,8 96,4
+ + +
8,2 6,7 5,1
5,7 11,3 10,3
123,2 129,1 131,9
+ + +
14,5 21,4 8,0
100,5 105,8 112,8
+ + +
3,4 3,1 4,2
91,9 92,3 103,2
+ + +
4,0 5,4 6,2
105,9 114,1 118,8
+ + +
3,2 2,0 3,1
+ +
16,9 16,1
124,4 120,6
+ +
15,3 11,3
100,8 97,2
+ +
5,8 7,4
95,8 93,3
+ +
5,7 9,8
103,9 99,6
+ +
5,8 6,1
− − + +
3,5 1,9 0,4 5,6
98,0 94,6 96,0 100,2
− − + +
2,0 3,5 1,5 4,4
99,9 94,6 89,9 87,2
+ − − −
0,0 5,3 5,0 3,0
99,5 92,0 86,3 83,0
− − − −
0,4 7,5 6,2 3,8
100,2 96,3 92,1 89,8
+ − − −
0,3 3,9 4,4 2,5
aus dem Inland 2001 2002 2003 2004
97,6 94,6 94,6 98,3
− − + +
2,3 3,1 0,0 3,9
2005
101,4
+
3,2
103,5
+
3,2
102,8
+
2,6
91,0
+
4,4
85,2
+
2,7
94,6
+
5,3
2005 Mai Juni
95,9 104,1
+ +
1,4 5,7
100,0 104,2
+ +
0,3 2,4
96,5 110,3
+ +
2,0 9,1
82,6 86,6
+ +
2,7 6,3
78,3 85,0
− +
1,9 6,0
85,2 87,6
+ +
5,4 6,4
Juli Aug. Sept.
103,6 96,1 105,9
+ + +
4,1 4,5 5,8
107,6 98,7 107,2
+ + +
3,5 2,5 4,3
103,7 95,8 107,8
+ + +
3,8 6,4 7,9
91,8 89,8 96,7
+ + +
7,0 5,0 4,0
83,5 74,5 92,7
+ + +
5,2 6,4 5,5
96,9 99,2 99,2
+ + +
8,0 4,4 3,2
Okt. Nov. Dez.
107,2 107,4 98,1
+ + −
4,7 7,6 0,6
111,0 110,9 95,5
+ + +
5,4 6,8 7,2
106,3 107,9 106,1
+ + −
3,0 8,6 7,9
98,6 95,9 82,6
+ + +
7,1 7,0 4,3
95,6 96,0 75,5
+ + +
6,3 7,3 4,1
100,4 95,8 87,0
+ + +
7,5 6,9 4,3
2006 Jan. Febr. März
102,3 103,4 113,0
+ + +
5,1 7,9 5,8
106,9 106,9 115,6
+ + +
3,9 9,4 8,4
102,3 102,8 114,7
+ + +
7,9 8,1 4,8
89,2 95,1 100,5
+ + +
1,0 2,8 0,7
86,4 86,4 95,5
+ + +
4,1 4,9 3,9
91,0 100,4 103,6
− + −
0,5 1,7 1,1
107,3 107,5
+ +
9,3 12,1
114,8 115,5
+ +
14,7 15,5
105,8 106,4
+ +
5,7 10,3
89,9 87,7
+ +
3,1 6,2
86,1 85,5
+ +
2,5 9,2
92,3 89,0
+ +
3,5 4,5
7,5 3,7 2,2 4,0
April Mai p)
aus dem Ausland 2001 2002 2003 2004
99,1 102,8 104,4 113,5
− + + +
0,9 3,7 1,6 8,7
95,1 99,1 102,3 112,2
− + + +
4,9 4,2 3,2 9,7
100,6 104,1 105,1 114,5
+ + + +
0,6 3,5 1,0 8,9
104,8 108,6 108,2 112,5
+ + − +
4,9 3,6 0,4 4,0
100,4 103,9 99,3 103,1
+ + − +
0,4 3,5 4,4 3,8
107,4 111,4 113,8 118,4
+ + + +
2005
124,7
+
9,9
119,9
+
6,9
128,4
+
12,1
118,9
+
5,7
104,9
+
1,7
127,6
+
7,8
2005 Mai Juni
117,3 125,5
+ +
2,4 8,5
116,3 122,0
+ +
3,9 4,3
119,3 129,2
+ +
1,4 11,3
108,1 114,9
+ +
2,6 7,2
99,7 107,5
− −
5,2 0,5
113,4 119,5
+ +
7,4 12,0
Juli Aug. Sept.
127,9 108,6 133,0
+ + +
12,2 8,7 11,0
123,0 107,2 126,2
+ + +
10,8 5,0 7,2
131,6 108,1 138,1
+ + +
14,3 10,6 14,1
122,2 117,4 125,5
+ + +
3,2 10,4 4,9
100,2 88,8 114,3
− + +
6,8 10,9 3,2
136,0 135,2 132,5
+ + +
8,6 10,2 5,9
Okt. Nov. Dez.
132,9 135,6 134,4
+ + +
15,9 20,3 11,6
127,1 125,9 116,2
+ + +
11,0 12,7 11,4
137,7 143,4 148,7
+ + +
19,8 26,8 12,1
124,0 121,8 110,8
+ + +
8,4 7,0 8,3
118,3 116,8 100,1
+ + +
6,7 8,0 11,5
127,6 124,9 117,4
+ + +
9,4 6,4 6,6
2006 Jan. Febr. März
136,4 143,6 145,2
+ + +
14,4 23,1 11,3
128,9 130,7 142,0
+ + +
8,0 13,9 12,8
142,5 153,4 147,8
+ + +
19,3 31,6 10,5
125,5 129,4 140,1
+ + +
7,4 3,5 10,2
103,9 105,1 120,0
+ + +
3,7 6,1 10,2
138,9 144,5 152,6
+ + +
9,1 2,3 10,2
138,7 133,2
+ +
20,9 13,6
137,5 136,1
+ +
19,9 17,0
141,5 133,7
+ +
23,0 12,1
124,9 118,3
+ +
10,3 9,4
117,2 110,4
+ +
11,4 10,7
129,7 123,3
+ +
9,7 8,7
April Mai p)
Quelle der Ursprungswerte: Statistisches Bundesamt. — * Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes, insbesondere ohne Ernährungsgewerbe, Tabakverarbeitung und Mineralölverarbeitung; Ergebnisse für fachliche
Betriebsteile; Angaben ohne Mehrwertsteuer. — o Mit Hilfe des Verfahrens Census X-12-ARIMA, Version 0.2.8. — 1 Einschl. Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen. — 2 Einschl. Druckgewerbe.
Abbildung 40: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Juli 2006: IX: Konjunkturlage
In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass diejenigen Branchen, welche vorwiegend Investitionsgüter herstellen, von konjunkturellen Änderungen ungleich stärker betroffen sind als andere. Als Musterbeispiel kann hierbei der Maschinenbau genannt werden, der innerhalb der konjunkturellen Zyklen meist von besonders ausgeprägten Veränderungen bei den Auftragseingängen betroffen ist. In Abbildung 41 sind tabellarisch die Veränderungen der Auftragseingänge der Industrie bis August 2003 sowie die sich mit einer zeitlichen Verzögerung einstellenden Änderungen der Produktion ersichtlich.
Konjunktur und Wachstum
Monat
89
Delta Auftr. Industrie
Delta Produktion
Delta BSP
Delta Preise
Aug. 02
1,2
-0,6
0,9
1,2
Sep. 02
3,1
-0,8
0,9
1,1
Okt. 02
4,7
-0,1
0,3
1,3
Nov. 02
6,3
3,1
0,3
1,2
Dez. 02
-1,8
-0,8
0,3
1,2
Jan. 03
3,1
1
0,4
1,1
Feb. 03
3,2
1
0,4
1,3
Mrz. 03
-0,9
0,4
0,4
1,2
Apr. 03
-0,2
0,1
-0,6
1
Mai 03
-5,7
0,7
-0,6
0,7
Jun. 03
-1
-1,7
-0,6
1
Jul. 03
-0,6
1,3
0,9
Aug. 03
-1
-1,8
1,1
Sep. 03
1,1
Okt. 03 Nov. 03 Dez. 03 Jan. 04 Feb. 04
Abbildung 41: Wirkungsweise von Indikatoren im Zeitablauf: Datenbasis
Für den wirtschaftspolitischen Akteur ist es von großer Wichtigkeit, in die oben beschriebene Datenbasis Einblick zu nehmen, um keine oder nur geringe Verzögerungen zu erfahren und unmittelbar wirtschaftspolitische Maßnahmen einleiten zu können. In der Praxis ist dies nicht oder nicht unmittelbar realisierbar. Aus Abbildung 41 ist erkennbar, dass aus dem Ende Oktober 2003 erschienenen Monatsbericht der Deutschen Bundesbank lediglich die Auftragseingänge in der Industrie des Monats August 2003 in einer vorläufigen Datenbasis entnommen werden konnten. Der Grund für die auftretenden Verzögerungen liegt in der Tatsache, dass die Berechnung der Indizes für den Auftragseingang bei der Industrie von den Statistischen Landesämtern auf Meldungen von circa 18.000 Betrieben beruht. Darüber hinaus ist es oftmals notwendig, diese Ergebnisse nach Abschluss der endgültigen Erhebung teilweise im Nachgang noch einmal zu revidieren, wodurch darüber hinaus die Gefahr besteht, dass aus dem sich abzeichnenden Trend unter Umständen voreilige und damit falsche Schlüsse gezogen werden. Entscheidend für eine verlässliche Datenbasis und damit gesicherte Schlussfolgerungen ist deshalb ein sich deutlich abzeichnender Trend bei der Betrachtung von Konjunkturindikatoren über einige Monate hinweg.
90
Konjunktur-, Wachstums-, Zins-, Budget- und Wechselkursprognosen
Abbildung 42 zeigt die konjunkturelle Situation im Oktober 2003 anhand der Auftragseingänge in der Industrie aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank. Aufgrund des sich eindeutig abzeichnenden abwärts gerichteten Trends beim Frühindikator zeichnete sich bereits im Herbst 2003 eine weitere Abschwächung der konjunkturellen Situation in der Bundesrepublik Deutschland ab, welche sich dann auch in den nächsten Monaten bewahrheitete.
8 6 4 2 0
Aug 02
Sep 02
Okt 02
Nov 02
Dez 02
Jan 03
Feb 03
Mrz 03
Apr 03
Mai 03
Jun 03
Jul 03
-2 -4 -6
Veränderungsrate Auftr. Industrie Veränderungsrate Produktion
-8
Abbildung 42: Wirkungsweise von Indikatoren im Zeitablauf: Trendentwicklung
Aug 03
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
91
5.
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
5.1
Währungspolitik
Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft: 15.02.2007
Bernanke – Balsam für die Märkte Der halbjährliche Bericht zur US-Wirtschaft von Ben Bernanke, dem Vorsitzenden der US-Notenbank, vor dem Bankenausschuss des US-Senats wurde mit Spannung vom Finanzmarkt erwartet. Seine Ausführungen führten zu merklichen Kurszuwächsen am Anleihen- und Aktienmarkt sowie bei EUR/USD. Aus unserer Sicht beinhaltete die Rede folgende Kernpunkte: x
Die Immobilienmarktschwäche hat sich bislang kaum auf andere Teile der Wirtschaft ausgebreitet. Doch selbst wenn sich die Immobiliennachfrage stabilisieren sollte, so wird auch in den kommenden Quartalen der Wohnungsbau schwach verlaufen und so das gesamte Wirtschaftswachstum dämpfen.
x
Der private Konsum stellte den Hauptpfeiler für das US-Wachstum dar und sollte sich weiterhin solide entwickeln. Allerdings wird die Nachfrage der privaten Haushalte etwas an Dynamik verlieren. Mit geringeren Anstiegen von Immobilienpreisen sollten sich die Sparquoten erhöhen, und so dürfte das Konsumwachstum hinter dem Einkommenswachstum zurückbleiben.
x
Da die Produktion in einigen Teilbereichen die Absatzzahlen übertraf, dürfte in der nächsten Zeit die Aktivität in der Industrie etwas gedämpfter sein.
x
In Summe ist dieses und nächstes Jahr von einem moderaten Wirtschaftswachstum auszugehen. Mit einer Belebung wird gerechnet, sobald die Immobilienmarktschwäche überwunden wird.
x
Der Inflationsdruck hat begonnen etwas nachzulassen, Hauptfaktor ist dabei der Rückgang beim Ölpreis. Die Inflationserwartungen blieben bislang im Zaum. Die hohe Kapazitätsauslastung und die Lohnsteigerungen stellen mittelfristig jedoch ein Inflationsrisiko dar.
Einschätzung/Empfehlung: Die Hoffnungen auf eine baldige Beschleunigung des US-Wachstums werden von der US-Fed nicht geteilt. Von einem gedämpften aber soliden BIP-Wachstum (=unter dem langfristigen Schnitt aber keine negative Wachstumsraten), was auch unserem Szenario entspricht, geht jedoch keine Gefahr für höhere Zinsen aus. Der „tightening bias“ der US-Fed erklärt sich in der Unsicherheit, dass die Teuerungsraten nicht wie erwartet in den kommenden Monaten zurückgehen. Allerdings vertraut sie, anders als etwa die Europäische Zentralbank, dass erhöhte Lohnzuwächse durch Produktivitätsgewinne bzw. die historisch hohen Margen abgefedert werden können. Wir sehen den Inflationsverlauf unter Kontrolle. Die Kernrate sollte sich stabilisiert haben und die Gesamtinflationsrate dürfte markant nach unten laufen. Letztlich sollten schwächere Konjunkturdaten die Oberhand über etwaige mittelfristige Inflationsrisiken gewinnen. Wir bleiben bei unserer Meinung, dass die Fed zur Jahresmitte beginnen wird, den einen oder anderen Zinsschritt nach unten zu setzen. Der Markt scheint uns dafür zu wenig vorbereitet und so sehen wir sowohl bei Anleihenkursen als auch EUR/USD erhebliches Aufwärtspotenzial (=schwächerer Dollar). Unsere Empfehlungen für die kommenden Monate sind unverändert: Kauf langlaufende US-Anleihen sowie EUR/USD.
Abbildung 43: Marktbericht vom 15.02.2007
92
Währungspolitik
Folgende Fragestellungen sollten Sie im Laufe des folgenden Kapitels beantworten können: ■
Welchen Einfluss hat eine Erhöhung der Sparquote auf die momentane konjunkturelle Situation in den USA?
■
Welche Effekte hat eine Erhöhung der Sparquote auf – – – –
Inflationsrisiken, Beschäftigung im Inland, Leistungsbilanzentwicklung sowie die Wechselkursentwicklung?
Der Begriff Währungspolitik beschreibt die Gesamtheit der Maßnahmen des Staates, die darauf abzielen, die Volkswirtschaft mit den notwendigen Zahlungsmitteln, Geld und Kredit zu versorgen um die Währung zu sichern, den monetären Rahmen für die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu setzen sowie den Außenwert der heimischen Währung zu regulieren. Hierzu zählen beispielsweise Interventionen zur Devisenkursglättung sowie Auf- und Abwertungen der Währung. Die Währungspolitik ist Bestandteil der staatlichen Wirtschaftspolitik und kann daher nur koordiniert werden, wenn dies im Einklang mit den übrigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen erfolgt. Die reine Theorie der Außenwirtschaft beschäftigt sich mit der Darstellung der Voraussetzungen, welche Gleichgewichtslösungen sich einstellen müssen, wenn in einer Welt mit paritätisch vorgegebenen Ressourcenausstattungen und gegebener Technik der Nutzen der betrachteten Haushalte auf der Grundlage der gegebenen Präferenzen und Eigentumsrechte maximiert werden soll, indem diese die relativen Preise betrachten und sich daran orientieren.
Definition: Relative Preise: Relative Preise bezeichnen einerseits diejenigen Preise, die dadurch charakterisiert sind, dass sie nicht als absolute Größe, sondern nur als Relation zum Preis eines anderen Gutes festgelegt sind, andererseits Mengenverhältnisse, zu welchen zwei Güter ausgetauscht werden. Der relative Preis des Gutes 1 wird durch die Mengeneinheiten des Gutes 2 angegeben, die für eine Einheit des Gutes 1 eingetauscht werden müssen.
Hierzu ein Hinweis zur Vereinfachung: Im weiteren Verlauf werden wir von der Wirkungsweise bzw. der Berücksichtigung von Zöllen absehen. Die Berücksichtigung von Zöllen offenbart grundsätzlich eine Divergenz des durch den Freihandel höchstmöglich zu steigernden Niveaus der Wohlfahrt des Welt-
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
93
ganzen und der individuellen Wohlfahrt derjenigen Länder, die Zölle erheben. Sie erinnern sich an die „Theorie der komparativen Kosten“ von David Ricardo. Nach dieser Theorie gewinnt im Außenhandel auch die Volkswirtschaft desjenigen Landes, das den anderen Ländern kostenmäßig unterlegen ist, wenn sich die anderen Länder auf die Produktion derjenigen Güter verlegen, bei der der vergleichsweise (komparative) Kostenunterschied am größten ist. Die Theorie der Zölle lehrt uns dagegen, dass durch eine Handelsbeschränkung eine Mehr- oder Besserbeschäftigung des heimischen Ressourcenvorrates gesichert ist und bei längerfristiger Betrachtung ein günstigeres Tauschverhältnis zwischen Ex- und Importen erzeugt werden kann, weil diese Handelsbeschränkungen der Entwicklung der nationalen Wirtschaftsmöglichkeiten dienlich sind. Hierbei hat vor allem der „geldpolitische Ansatz“ im Rahmen des „Merkantilismus“ im Hinblick auf den „Zahlungsbilanzansatz“ eine besondere Bedeutung in der Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre erfahren. Dieser zeigte auf, inwiefern eine wachsende internationale Verschuldung den Wechselkurs und die Preise dergestalt verändern kann, dass eine grenzüberschreitende Bewirtschaftung der Territorien dem Bankwesen einen Überschuss verschafft, die Nachfrage nach der Währung steigert und diese einer sukzessiven Knappheit unterwirft. Die Folge: Der Merkantilismus lieferte zunehmend die theoretische Grundlage dafür, dass nicht nur die Bedingungen des Gütertausches, sondern auch durch die territorialen Bedingungen der Güterproduktion die Wechselkursentwicklung erklärt werden kann. Die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung eines von einer Monopol- bzw. Zentralbank gebildeten Handelszentrums ergeben sich gemäß dieser Lehre aus den durch den Wechselkurs bestimmten Gütermengen, die aus der heimischen Produktion sowie dem Handelsgewinn für Konsum und Investitionen verfügbar gemacht werden können. Betrachtet man diese Zusammenhänge, so wird verständlich, warum oftmals Wirtschaftsnationen mit vergleichsweise unermesslichen Ressourcenvorräten vergleichsweise arm im Hinblick auf die hoch industrialisierten Länder mit typischerweise niedrigen Ressourcenvorräten sind. Der Grund liegt in den Preisen, die zweifelsohne offenbar das Humankapital der Industrienationen höher bewerten, als die rohen Vorräte der Natur und wirtschaftliche Arbeitsleistungen der geringer entwickelten Nationen der Erde. Weitaus schwieriger ist jedoch die zentrale Frage zu beantworten, wie unterschiedliche Ressourcenpreise bei identischer Ausstattung und vergleichbaren Einsätzen erklärt werden können. Wie ist es zu verstehen, warum zwischen der Entlohnung ein und derselben Arbeitskraft in beiden Ländergruppen solche gravierenden Unterschiede entstehen, welche unter anderem letztendlich auch zu einer immensen Arbeitskräfteauswanderung aus der dritten Welt in die Industrienationen führen? Offenbar ist – weit entfernt davon, Ausdruck güterwirtschaftlicher Verhältnisse zu sein – die nationale Geldpolitik bei der Verteidigung der nationalen Wohlfahrt der bestimmende Einflussfaktor auf den Wechselkurs. Kann eine nationale Geldpolitik nicht oder nur bedingt die für die volkswirtschaftlichen Investitionen notwendige Höhe des Zinssatzes durchsetzen, so ist die Politik gezwungen, durch eine Abwertung einen ausreichenden Zustrom an fremden Währungen zu bewirken. Auf diesen zentralen Zusammenhang werde
94
Funktionsweise des Geldmarktes
ich in Kapitel 6 noch genauer eingehen. Nur so ist es erklärbar, weshalb beispielsweise in ein und demselben Land sich die Profite auf einem ähnlichen Niveau befinden, gleichzeitig diese jedoch unter verschiedenen Nationen in der Regel sich mehr oder weniger deutlich voneinander unterscheiden. Ist dies der Fall, so ist es vor dem Hintergrund eines freien Kapitalverkehrs im Normalfall die logische Konsequenz, dass das Kapital aus weniger profitablen Wirtschaftsräumen solange in Regionen mit einer höheren Kapitalverzinsung abwandern wird, bis die Renditen des Kapitals sich wieder tendenziell auf demselben Niveau einpendeln werden. Sollten jedoch infolge einer verminderten Gesamtkapitalrentabilität eines Landes sowie infolge des Zuwachses an Kapital und unterstützt durch ein entsprechendes Bevölkerungswachstum die Löhne ansteigen und hieraus die Profitrate sukzessive absinken, so muss dies aber andererseits nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Kapital sowie die Bevölkerung in diejenigen Länder abwandern, in welchen die Profite sich auf einem höheren Niveau befinden. Dies erklärt auch, weshalb die Preise in höher entwickelten Ländern oftmals über den vergleichbaren Preisen weniger entwickelten Länder liegen. In weniger entwickelten Ländern führen niedrigere Lohnkosten trotz höherer Profitraten zu Preisen, die das Niveau der hoch entwickelten Industrieländer nicht erreichen. Ein Ausgleich der Profitraten ist aufgrund der nicht in vollem Umfang bestehenden Mobilität von Kapital und Arbeit eben nicht immer vollumfänglich zu erwarten.
5.2
Funktionsweise des Geldmarktes
Der Geldmarkt beschreibt im makroökonomischen Sinne das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage für oder nach Geld bzw. Zahlungsmitteln. Dabei wird das Geldangebot stets als exogene Größe behandelt, da diese ausschließlich von der Zentralbank kontrolliert wird. Die Geldnachfrage setzt sich zusammen aus der Nachfrage nach „Transaktionskasse“, das heißt Nachfrage nach Zahlungsmitteln, die erforderlich sind, um die laufenden Transaktionen im Geschäftsverkehr durchführen zu können, sowie der Nachfrage nach „Spekulationskasse“, das heißt Geldnachfrage für spekulative Zwecke. Das Geldmarktgleichgewicht, also der Ausgleich der Geldnachfrage und des Geldangebotes, bestimmt dabei den Marktzinssatz. Im institutionellen Sinne stellt der Geldmarkt den Markt für den Austausch von Zentralbankgeld zwischen den Geschäftsbanken durch Kreditvergabe oder durch An- und Verkauf von Geldmarktpapieren dar. Diese Geldmarktgeschäfte führen zu Veränderungen der Liquiditätsreserven der einzelnen Geschäftsbanken. Geldmarktpapiere sind dabei sehr liquide, äußerst kurssicher und können jederzeit bei der Zentralbank eingelöst werden, welche ihrerseits im Rahmen von Offenmarktgeschäften in diesen Markt auch aktiv eingreift.
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
95
5.2.1 Steuerung des Geldmarktes durch die Europäische Zentralbank (EZB) Der Bedarf der Banken an Zentralbankgeld, der insbesondere mit der Geldschöpfung einhergeht, ist Ausgangspunkt für die Beeinflussung der Kreditgewährung und Giralgeldschöpfung. Banken müssen stets darauf vorbereitet sein, dass sich ihre Kundschaft einen Teil ihrer Einlagen unmittelbar wieder bar auszahlen lässt und sind außerdem dazu verpflichtet, in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für Einlagen Guthaben beim Eurosystem als Mindestreserve zu unterhalten. Banken können das Zentralbankgeld jedoch nicht selbst schaffen, sondern müssen es sich durch Geschäfte mit der Zentralbank besorgen. Somit ist das Monopol der Zentralbank auf Zentralbankgeld auch der Hebel, mit dem sie auf die Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute Einfluss nimmt. Grundsätzlich haben Banken aber die Möglichkeit, Zentralbankgeld bei anderen Kreditinstituten aufzunehmen, die über überschüssige Liquidität verfügen. Die Zentralbank ist aber über alle Banken hinweg der einzige Akteur, der zusätzliches Zentralbankgeld schaffen kann. Der Geldmarkt wird bekanntermaßen nicht an einem bestimmten Ort abgehalten. Vielmehr werden Zentralbankguthaben telefonisch bzw. elektronisch zwischen den einzelnen Banken gehandelt. Je nach der Fristigkeit unterscheidet man Märkte für Tagesgeld, für Monatsgeld, für Dreimonatsgeld usw. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Tagesgeldmarkt. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Notenbank für die Refinanzierung der Kreditinstitute richten sich die Sätze am Geldmarkt in starkem Maße nach den Bedingungen, zu denen die Notenbank den Kreditinstituten Zentralbankguthaben anbietet. Je knapper und teurer diese im „Direktverkehr“ mit der Notenbank zu haben sind, desto mehr Zinsen müssen dafür auch am Geldmarkt entrichtet werden. Je reichlicher und zinsgünstiger sie von der Zentralbank angeboten werden, desto billiger werden sie am Geldmarkt zu haben sein. Die Zentralbank, die die monetären Bedingungen für die Wirtschaft beeinflussen will, kann insbesondere die Höhe der kurzfristigen Zinsen verändern. Knappheitsverhältnisse und die Zinsen am Geldmarkt bleiben ja nicht ohne Einfluss auf die Zinsen im Einlagenund Kreditgeschäft der Geld- und Kreditinstitute mit Nichtbanken. Warum ist das so? Erhöht die Notenbank zum Beispiel die Notenbankzinsen, so sehen sich die Geldinstitute einer verteuerten Refinanzierung ausgesetzt. Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen auf den Geldmarkt, denn die Banken geben die verteuerte Refinanzierung in Form von steigenden Kreditzinsen an ihre Kunden weiter. Darüber hinaus könnten die Banken auch versuchen, über höhere Einlagenzinsen zusätzliche Mittel von Nichtbanken an sich zu binden. Dies ist auch der Grund, warum kürzerfristige Bankzinsen in der Regel den Geldmarktsätzen folgen. Sicherlich würden die Banken bei höheren Zinsen in der Regel gern mehr Kredite vergeben, aber zumeist lässt ihre Kreditvergabe im Gefolge einer Zinserhöhung nach, weil bei weiteren Zinssteigerungen die potenziellen Kreditnehmer befürchten müssen, dass die ausgeliehenen Mittel auf die Dauer weniger an Ertrag bringen als sie an Kreditzinsen bezahlen. Dadurch werden Geschäfte, die sich bisher noch lohnten, bei hohen Zinsen
96
Funktionsweise des Geldmarktes
zunehmend uninteressant, weshalb die Banken im Umfeld gestiegener Zinsen zudem ihren Wertpapiererwerb einschränken. Steigende kurzfristige Zinsen führen häufig zu fallenden Wertpapierkursen, was einen Wertverlust des Wertpapierbestands bedeuten würde. Somit übertragen sich die beschriebenen Zinssteigerungen – ausgelöst durch die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank – auf die langfristigen Finanzmärkte.
5.2.2 Einfluss der Europäischen Zentralbank (EZB) auf das langfristige Zinsniveau Weitaus schwieriger durch die Zentralbank zu gestalten sind die Möglichkeiten zur Beeinflussung des längerfristigen Zinsniveaus. Wie ist das zu erklären? Die langfristigen Zinsen werden von vielen Faktoren beeinflusst. Wenn zum Beispiel die Konjunktur boomt und die Ertragserwartungen der Investoren günstig sind, fragen diese vergleichsweise viel Kapital nach. In dieser Phase ist das Zinsniveau vergleichsweise hoch. Eine analoge Konstellation liegt vor, wenn die Inflationserwartungen der Wirtschaftssubjekte zunehmen, da in diesem Falle die Anleger gewissermaßen eine höhere Inflationsprämie zum Ausgleich des absehbaren Substanzverlustes bei einer langfristigen Geldanlage verlangen werden. Ein drittes Argument: Der Kapitalmarkt ist zunehmend ein „globalisierter“ Markt, da international ausgerichtete Anleger, die teilweise sehr kurzfristige Strategien betreiben, zunehmend auf diesem Markt anzutreffen sind. Dadurch können Zinsausschläge im Ausland, insbesondere in den USA, beispielsweise schnell auf den europäischen Kapitalmarkt übertragen werden, selbst dann, wenn langfristig die nationalen Wachstums- und Inflationsperspektiven dominieren. Aus diesem Grund ist auch der Einfluss der Notenbank auf die Kapitalmarktzinsen grundsätzlich in dessen Wirkung begrenzt. Sollte also eine Senkung der Notenbankzinsen zu einer höheren Inflationserwartung führen, so werden die Kapitalmarktzinsen nicht sinken, sondern steigen. Deshalb ist die Geldpolitik auch gut darin beraten, wenn sie durch eine überzeugende Stabilitätspolitik Vertrauen an den Märkten gewinnt. Nur dann kann sie zu niedrigen langfristigen Zinsen beitragen: Niedrige Zinsen sind entscheidend die für die langfristige Finanzierung der Wirtschaft mit den positiven langfristigen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung. Zudem tragen höhere Zinsen zu einer höheren Geldkapitalbildung bei den Kreditinstituten bei, da bei hohen Zinsen für längerfristige Anlagen es sich verstärkt lohnt, mehr zu sparen und die Ersparnisse für längere Zeit anzulegen, wodurch das Geldmengenwachstum und die Ausgabentätigkeit reduziert wird. Bei fallen Zinsen läuft der Prozess in umgekehrter Richtung ab: Dann nimmt die Kreditnachfrage der Wirtschaft zu und die Neigung lässt gleichzeitig nach, Geldvermögen längerfristig anzulegen. In diesem Fall beschleunigt sich das Wachstum der Geldbestände, wodurch die Ausgabentätigkeit mit der damit verbundenen expansiven Wirkung auf Konjunktur und Beschäftigung ansteigt. Dieser Übertragungsprozess braucht allerdings Zeit und lässt sich auch keinesfalls exakt steuern, da das Wachstum der Geldmenge und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht nur von der Höhe der Notenbankzinsen abhängt, sondern auch vom Verhalten
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
97
der Kreditinstitute und der Wirtschaft beeinflusst wird. Grundsätzlich wird ja die Geldund Kreditnachfrage der Wirtschaft bekanntermaßen nicht nur von den Zinsen, sondern auch von vielen anderen Einflussfaktoren gesteuert. Denken Sie hierbei beispielsweise an die konjunkturelle Lage der Wirtschaft, verbunden mit den damit ausgelösten Inflationserwartungen. Bei einem dynamischen Wirtschaftswachstum mit zunehmenden Inflationserwartungen besteht insbesondere die Notwendigkeit steigender Realzinsen, die dem Nominalzinssatz abzüglich der erwarteten Inflationsrate entsprechen, um die Konjunktur wirkungsvoll zu dämpfen. Andererseits werden Zinsen, die in einer wirtschaftlichen Abschwungphase lediglich im Gleichschritt mit sinkenden Inflationserwartungen abnehmen und die Realzinsen unverändert lassen, die Konjunktur kaum anregen. In der Realität bremsen steigende Realzinsen die Wirtschaftsaktivität meist weniger stark ab, wenn die Konjunktur „boomt“ und die Inflationserwartungen hoch sind als im umgekehrten Fall bei einem ausgeprägtem Pessimismus.
5.2.3 Geldpolitische Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) Zur Erreichung seiner geldpolitischen Zielsetzungen stehen dem Eurosystem eine Reihe geldpolitischer Instrumente zur Verfügung. Die Europäische Zentralbank (EZB) führt dabei Offenmarktgeschäfte durch, bietet darüber hinaus ständige Fazilitäten an und verlangt, dass die Kreditinstitute Mindestreserven bei ihr unterhalten. (Kredit-)Fazilitäten beschreiben dabei die Gesamtheit der Kreditmöglichkeiten der Banken bei der EZB, die unbeschadet der Inanspruchnahme zur Deckung des Kreditbedarfes zur Verfügung stehen. Im Zentrum der geldpolitischen Instrumente der EZB steht jedoch die Offenmarktpolitik. Mit dem Begriff „Offenmarktpolitik“ wird grundsätzlich der Kauf und Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank für eigene Rechnung „am offenen Markt“ bezeichnet. Bei einem derartigen Geschäft stehen nicht – wie bei den zuvor genannten ständigen Fazilitäten – die bilateralen Beziehungen zwischen der Notenbank und einzelnen Banken im Vordergrund. Bei der „Offenmarktpolitik“ richtet sich die Notenbank unmittelbar an den „offenen“ anonymen Markt.
Offenmarktpolitik Die Offenmarktpolitik stellt ein typisches Geldmarktinstrument dar. Der Handel kann dabei sowohl mit kurz- als auch mit langlaufenden Wertpapieren betrieben werden, wobei der Kauf der Wertpapiere sowohl bei Banken als auch bei Nichtbanken möglich ist. Die Notenbank kann Wertpapiere „endgültig“ (outright) oder nur für eine bestimmte Zeit ankaufen (bzw. verkaufen). Im Fall eines Kaufes für eine bestimmte Zeit muss sich die verkaufende Bank verpflichten, die Papiere nach einer bestimmten Zeit (zum Beispiel nach vierzehn Tagen) wieder zurückzukaufen. Dieses Offenmarktgeschäft mit der beschriebenen Rückkaufvereinbarung bezeichnet man oftmals auch als ein Pensionsgeschäft, weil das Wertpapier für eine kurze Zeitspanne gewissermaßen „in Pension“ gegeben wird, be-
98
Funktionsweise des Geldmarktes
vor man es wieder zurücknimmt. Gegenüber dem „endgültigen“ Ankauf von längerfristigen Wertpapieren (outright) haben Wertpapierpensionsgeschäfte den Vorteil, dass damit den Kreditinstituten nur für einen begrenzten Zeitraum Zentralbankguthaben zur Verfügung gestellt werden. Wertpapierpensionsgeschäfte sind dadurch sehr flexibel und haben darüber hinaus keinen nennenswerten Einfluss auf die Wertpapierkurse im Gegensatz zu den „endgültigen“ An- und Verkäufen beispielsweise von öffentlichen Anleihen am Rentenmarkt. Bei diesen Geschäften geht stets die Initiative von der Zentralbank aus und nicht – wie im Rahmen von festen Refinanzierungslinien wie der Spitzenrefinanzierungsfazilität – von den Banken. Die Europäische Zentralbank stellt das Zentralbankgeld in der Regel über sogenannte „befristete Transaktionen“ zur Verfügung. Dabei sind entweder Wertpapierpensionsgeschäfte oder – wie im Fall Deutschlands – um eine mit Wertpapieren besicherte Kreditvergabe der Notenbank an die Kreditinstitute gemeint. Bei diesen Geschäften nimmt die Zentralbank notenbankfähige Aktiva zum Pfand herein, anstatt diese anzukaufen, wobei ökonomisch hierbei an sich kein Unterschied besteht. Mit Hilfe derartiger befristeter Transaktionen steuert das Eurosystem die Zinsen und die Liquidität am Geldmarkt und kann zudem auch Signale über seinen gegenwärtigen und zukünftigen geldpolitischen Kurs geben. Die wöchentlich im Ausschreibungswege durchgeführten siebentägigen Hauptrefinanzierungsgeschäfte stehen hierbei im Mittelpunkt der Betrachtung, da über diese rund drei Viertel des Refinanzierungsvolumens der Banken bereitgestellt werden. Darüber hinaus wird zusätzlich einmal im Monat ein Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit von drei Monaten angeboten. Dieser sogenannte „Basistender“ ermöglicht den Banken eine vergleichsweise längerfristige Zentralbankgeldversorgung und kann dadurch zur Planungssicherheit und zur Verstetigung des Geldmarkts beitragen. Hauptrefinanzierungsgeschäfte und auch die Basistender werden den Banken im Wege der Ausschreibung angeboten. Hierbei sind zwei unterschiedliche Verfahren üblich: Beim sogenannten „Mengentender“ legt die EZB lediglich den Zins fest, und die Kreditinstitute können in ihren Geboten nur die Beträge nennen, über die sie Liquidität zu erhalten wünschen. Die EZB teilt diesen dann denjenigen Betrag zu, der ihren liquiditätspolitischen Vorstellungen entspricht. Die Einzelgebote werden bei diesem Verfahren ausschließlich gleichmäßig, das heißt mit demselben Prozentsatz „bedient“ oder „repartiert“. Bei der zweiten Alternative, dem sogenannten „Zinstender“, müssen die Kreditinstitute dagegen nicht nur ihre Gebote über die gewünschten Mengen abgeben, sondern darüber hinaus auch zusätzlich den Zins nennen, zu dem sie bereit sind, die Refinanzierungsgeschäfte abzuschließen. Dies bliebt dabei nicht ohne Konsequenzen: Wenn die Banken dabei zu niedrige Zinsen bieten, laufen sie Gefahr, bei der Zuteilung leer auszugehen. Bei zu hohen Zinsgeboten bleibt die Chance einer vollen Zuteilung. Gebote zu dem gerade noch zum Zuge kommenden Satz werden auch hier gegebenenfalls „repartiert“. In der Regel setzt die EZB bei längerfristigen Refinanzierungsgeschäften den Zinstender ein, womit diese die Zinsfindung dem Markt überlässt, da sie mit diesem Instrument keine geldpolitischen Signale geben möchte. Bis Juni 2000 setzte die EZB beim Hauptrefinanzierungsgeschäft stets den Mengentender ein, seither kommt der Zinstender zum Einsatz. Dies hat einen einfachen Grund: Beim Mengentender gaben die Banken so hohe Gebote ab, dass der Anteil der bedienten Gebote (Re-
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
99
partierungsquote) seinerzeit schließlich bis unter ein Prozent sank. Das Eurosystem legt beim nun verwendeten Zinstender einen Mindestbietungssatz fest. Dies führt zu einem eindeutigen geldpolitischen Signal und kann darüber hinaus auch einen unerwünschten Zinsrückgang am Geldmarkt verhindern. Allerdings besteht andererseits auch bei diesem Vorgehen dann die Gefahr, dass die Banken zu niedrige Gebote abgeben, insbesondere dann, wenn diese einen Zinsrückgang am Geldmarkt erwarten. In diesem Falle kann das dazu führen, dass das Geldangebot am Geldmarkt mit der Folge steigender Tagesgeldmarktsätze sinkt.
Zinsspekulationen Um den Spielraum von Zinsspekulation unter den Marktteilnehmern zu begrenzen, hat der EZB-Rat den Marktteilnehmern signalisiert, Zinsänderungen gewöhnlich nur auf der ersten EZB-Ratssitzung im Monat beschließen zu wollen. Ziel ist es, den Kreditinstituten dadurch eine gewisse Planungssicherheit bei ihrer Liquiditätsdisposition einzuräumen.
Feinsteuerungs- und strukturelle Operationen Neben dem Hauptrefinanzierungsgeschäft und dem Basistender stehen dem Eurosystem zusätzlich sogenannte Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen zur Verfügung. Feinsteuerungsoperationen werden lediglich von Fall zu Fall eingesetzt, um die Auswirkungen unerwarteter Liquiditätsschwankungen auf die Zinssätze auszugleichen. Die Feinsteuerung erfolgt in der Regel ebenfalls über befristete Transaktionen. Beispiel Eine Möglichkeit ist die Hereinnahme einer Termineinlage. Eine andere Alternative könnte ein sogenanntes Devisenswapgeschäft sein. Bei letzterem übernimmt das Eurosystem von den Banken für kurze Zeit Devisen gegen Zentralbankguthaben, die von den Banken nach Ablauf dieser Zeit wieder zurückgenommen werden müssen. Das Eurosystem kann auch Devisen für einen befristeten Zeitraum verkaufen. Strukturelle Operationen dienen in der Regel dazu, die Liquiditätsposition des Bankensystems gegenüber dem Eurosystem langfristig zu beeinflussen. Wenn beispielsweise das Liquiditätsdefizit der Banken aus der Sicht des Eurosystems zu gering ist und die Banken zur Deckung ihres Zentralbankgeldbedarfs nicht auf Refinanzierungsgeschäfte mit dem Eurosystem angewiesen sind, kann die EZB dieses zum Beispiel durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen erhöhen und auf diesem Weg die Banken wieder in die Refinanzierung zwingen.
100
Funktionsweise des Geldmarktes
Ständige (Kredit-)Fazilitäten Zum Instrumentarium des Eurosystems gehören neben der Offenmarktpolitik zusätzlich zwei sogenannte ständige Fazilitäten. Zum einen handelt es sich dabei um die sogenannte „Spitzenrefinanzierungsfazilität“, welche die Aufgabe hat, die „Übernachtliquidität“ zu einem vorgegebenen Zinssatz bereitzustellen und dadurch ein Ausscheren des Tagesgeldsatzes nach oben zu begrenzen. Die Banken können prinzipiell in unbegrenzter Höhe „über Nacht“ auf diese Refinanzierungsmöglichkeit zurückgreifen. Allerdings müssen diese am nächsten Tag den Kredit wieder zurückzahlen. Auch dieser Kredit wird auf Pfandbasis abgewickelt. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist stets höher als der Satz im Hauptrefinanzierungsgeschäft und bildet im Allgemeinen die Obergrenze für den Tagesgeldsatz. Dies hat einen guten Grund: Keine Bank, die ausreichend Sicherheiten hat, würde am Geldmarkt mehr für Liquidität bezahlen, als sie bei der Notenbank für einen Übernachtkredit bezahlen muss.
Einlagenfazilität Das Eurosystem hat darüber hinaus eine sogenannte Einlagefazilität geschaffen, um ein zu starkes Absacken des Tagesgeldsatzes nach unten zu verhindern. Dies bedeutet, dass die Kreditinstitute überschüssige Zentralbankguthaben bis zum nächsten Geschäftstag bei den nationalen Zentralbanken zu einem festen Zins anlegen können. Natürlich ist dieser Zins niedriger als der Satz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bzw. für das Hauptrefinanzierungsinstrument. Im Allgemeinen bildet dieser die Untergrenze des Tagesgeldzinssatzes, da keine Bank sich bei der Geldausleihe an andere Banken mit weniger Zinsen begnügen wird als sie bei einer Anlage bei der Notenbank von dieser erhält. Deshalb bewegen sich die Zinssätze am Geldmarkt innerhalb eines Korridors, der durch die Zinsen für die Spitzen- und die Einlagefazilität begrenzt ist. Lediglich innerhalb dieses Kanals orientieren sie sich weitgehend am Satz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft, durch welches den Banken bekanntlich die meiste Liquidität bereitgestellt wird. Diese Konstellation erlaubt es der EZB, mit ihren Hauptrefinanzierungsoperationen die Geldmarktsätze steuern zu können und sowohl die Zinsentwicklung am Tagesgeldmarkt zu verstetigen als auch die Geldmarktzinsen flexibel in die eine oder andere Richtung zu drängen.
Mindestreserve Die Mindestreserve bildet gewissermaßen den Rahmen für den Einsatz der vorstehend beschriebenen geldpolitischen Operationen des Eurosystems. Die Mindestreserve dient in erster Linie dazu, die Geldmarktzinsen zu stabilisieren und eine strukturelle Liquiditätslücke des Bankensystems herbeizuführen oder gar zu vergrößern. Die Mindestreservepflicht der Kreditinstitute richtet sich zum einen nach der Höhe ihrer Nichtbankeneinlagen, zum
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
101
anderen nach dem Mindestreservesatz, der vom EZB-Rat einheitlich auf zwei Prozent festgelegt wurde. Die Mindestreserve ist sowohl für täglich fällige Einlagen, Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit bzw. Kündigungsfrist von bis zu zwei Jahren, Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Geldmarktpapiere zu halten. Für alle übrigen Bankverbindlichkeiten beträgt der Reservesatz derzeit null Prozent. Ein Grundproblem für die Zentralbank besteht stets darin, dass durch eine Geldpolitik das Preisniveau nicht direkt gesteuert werden kann. Einerseits schlagen sich geldpolitische Maßnahmen nicht sofort in der Inflationsrate nieder. Andererseits wird die Inflationsrate kurzfristig auch von anderen Einflussfaktoren bestimmt, wie beispielsweise durch die Lohnpolitik, die Fiskalpolitik und auch durch die Außenwirtschaft. Dies hat zur Folge, dass zwischen einer geldpolitischen Maßnahme und der Reaktion des Preisniveaus unter Umständen lange und variable Wirkungsverzögerungen bestehen, die auch die Notenbank nicht genau kennen kann. Geldpolitik heißt also stets Handeln unter Unsicherheit. Darüber hinaus kann die Geldpolitik sich nicht an der aktuellen Inflationsrate orientieren, da diese lediglich das geldpolitische Handeln der Vergangenheit widerspiegelt. Vielmehr muss sie sich an solchen (Früh-)Indikatoren ausrichten, die die Inflationsgefahren stets rechtzeitig anzeigen. Ein solcher Indikator stellt die Geldmenge dar. Bitte führen Sie sich in diesem Zusammenhang noch einmal die „Fishersche Verkehrsgleichung“ vor Augen: Auf lange Sicht wird die Preisentwicklung letztlich von der Entwicklung der Geldmenge bestimmt. Ein Preisauftrieb kann grundsätzlich viele Ursachen haben, ohne eine übermäßige Geldvermehrung wird jedoch ein inflationärer Prozess auf die Dauer nicht Bestand haben können, da steigende Preise finanziert werden müssen. Grundsätzlich ist die Knappheit der Geldmenge eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für anhaltende Preisstabilität.
Geldmengen- und Preisniveauentwicklung Eine entsprechende Orientierung der Zinspolitik an der Geldmenge setzt jedoch voraus, dass die Beziehung zwischen Geldmengen- und Preisniveauentwicklung hinreichend stabil ist. Dabei muss insbesondere die Geldmenge einen Vorlauf vor den Preisen haben, die Preisentwicklung sollte also von der Geldmengenentwicklung bestimmt werden und nicht umgekehrt. Die Geldmenge muss darüber hinaus von der Notenbank mit ihren Instrumenten gesteuert werden können, nur dann reagiert die Geldmenge verlässlich auf Zinsveränderungen und ihre Indikatoreigenschaft bleibt damit gewährleistet. Diese Voraussetzungen waren zumindest in der Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt. Zumindest auf lange Frist stand die Geldmenge in einer durchaus stabilen Beziehung zu den Produktionsmöglichkeiten der Wirtschaft bzw. zum Bruttoinlandsprodukt und in einem negativen Zusammenhang zur Zinsentwicklung und die Deutsche Bundesbank hatte diesen Zusammenhang früher auch in den Mittelpunkt ihrer Geldpolitik gestellt.
102
Funktionsweise des Geldmarktes
Von 1975 bis 1998 hatte dabei die Deutsche Bundesbank eine am Zwischenziel „Geldmenge“ ausgerichtete Politik betrieben und dabei ein jährliches Geldmengenziel verkündet. Sie hatte seinerzeit stets das in ihren Augen vertretbare und angemessene Wachstum des Geldumlaufs jährlich im Voraus angekündigt. Neben dem Anstieg des Produktionspotenzials, für dessen Ausschöpfung mehr Geld benötigt wurde, richtete sich das inflationsfreie Wachstum der Geldbestände auch an der Veränderung der Zahlungsgewohnheiten aus. Veränderungen von Zahlungsgewohnheiten spiegelten sich im trendmäßigen Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wider, da Geld nicht nur zur Bezahlung der Güter und Dienstleistungen, sondern auch zur Ansammlung von Vermögen gehalten wird. Zusätzlich kalkulierte die Deutsche Bundesbank bis zur Einführung des Euros einen Anstieg des Preisindex von höchstens zwei Prozent im Jahr ein. Hinter der Zwischenzielstrategie der Deutschen Bundesbank stand seinerzeit die zentrale These, dass die Bekanntgabe eines Geldmengenziels allen am Wirtschaftsleben Beteiligten als wichtige Orientierungsgröße dienen kann, und die Geldpolitik wird mit einem solchen Zwischenziel überschaubarer wird, weil die Notenbank damit die wichtigste Richtschnur für ihre Entscheidungen offen legt. Liegt also das Geldmengenwachstum für längere Zeit über den Zielvorstellungen, so erfordert dies normalerweise eine Zinserhöhung, liegt es darunter, so ist eine Zinssenkung notwendig. Aufgrund der mittelfristigen Natur der Geldmengensteuerung hatte dabei die Deutsche Bundesbank die Geldmengenziele auf kurze Sicht aber nie als alleinige Richtschnur für ihr geldpolitisches Handeln betrachtet, sondern berücksichtigte bei ihren Entscheidungen das gesamte geldpolitische Umfeld. Das galt insbesondere in den Neunzigerjahren, als die Ausschläge in der Geldmengenentwicklung und die Zielverfehlungen zunahmen. Insgesamt konnte sie aber fast 25 Jahre an ihrem pragmatischen Konzept festhalten.
16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 1 Vj
1988 1 Vj
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj 1 Vj
Abbildung 44: Zinssatz des Eurosystems und Bankzinsen in Deutschland
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
5.3
103
Funktionsweise des Devisenmarktes
Der Devisenmarkt beschreibt den ökonomischen „Ort“ des Zustandekommens der durch Devisenhändler von Banken oder Disponenten von Nichtbanken betriebenen Geschäfte mit Devisen. Auch hier gibt es eine Angebots- und eine Nachfragefunktion. Im Schnittpunkt beider Funktionen finden sich der aktuell festgestellte Wechselkurs P sowie die zu diesem Wechselkurs umgesetzte Menge X der betrachteten Devise.
P
NX
AX
P3 P1 P2
x2
x1
x3
x4
x
Abbildung 45: Devisenangebot und Devisennachfrage
Auch auf dem Devisenmarkt gilt: Der Preis der Währung wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt, ein Funktionszusammenhang, der Ihnen aus Abschnitt 3.1 bekannt ist. Je nachdem, ob das Angebot von oder die Nachfrage nach ausländischen Devisen im Inland überwiegt, wird sich der in Euro ausgedrückte Preis der Devise (Wechselkurs) verändern. Der Preis der Devise ist der Preis einer Währung ausgedrückt in heimischer Währung. Hierbei sind zwei unterschiedliche Preisangaben denkbar: 1. Preisnotierung des Wechselkurses (Devisenkurses) 2. Mengennotierung des Wechselkurses (Devisenkurses)
Definition: Wechselkurs (Devisenkurs): Der Wechselkurs ist der Preis einer Währungseinheit. Dieser kann also Preis in der ausländischen Währungseinheit, ausgedrückt in der heimischen Währung (Preisnotierung) oder aber als Preis in der heimischen Währungseinheit, ausgedrückt in ausländischer Währung (Mengennotierung) erfolgen. Je nach Einfluss des Staates bzw. der Zentralbank ergeben
104
Funktionsweise des Devisenmarktes
sich auf die Wechselkursbildung entweder feste Wechselkurse, flexible Wechselkurse oder aber „gespaltene“ Wechselkurse. Bei „gespaltenen“ Wechselkursen werden verschiedene Wechselkurse für unterschiedliche außenwirtschaftliche Transaktionen bestimmt, um entsprechend den von der Regierung gesetzten Prioritäten bestimmte Transaktionen zu erleichtern bzw. andere zu belasten. Der in den volkswirtschaftlichen Lehrbüchern verwendete Begriff des Wechselkurses ist dabei auf die früher vorwiegend gehandelten Devisenart des Auslandswechsels zurückzuführen.
Wechselkurse Devisen
Bargeld
Devisen
Bargeld
( 1 Euro entspricht) Ankauf* Verkauf*
( 1 Euro entspricht) Ankauf* Verkauf*
( 1 Euro entspricht) Ankauf* Verkauf*
( 1 Euro entspricht) Ankauf* Verkauf*
EuroFX USA Dänemark Großbritannien Japan Kanada Norwegen Schweden Schweiz
1.2629 7.4412 0,6711 148,61 1,4113 8,2468 9,1470 1,5877
1,2669 7,418 0,6751 149,09 1,4233 8,2948 9,1950 1,5917
$ dKr Brit. £ Yen Can. $ nKr sKr sfrs
1,23 7,18 0,66 144,97 1,35 7,79 8,74 1,56
1,30 7,76 0,70 154,76 1,49 8,74 9,74 1,63
7,3293 1,6885 15,818 9,8990 59,060 7,4800 0,7098
Ägy. £ Aus. $ Kronen HK $ Rupie Kuna Lats
6,16 1,56 12,74 8,84 46,53 6,56 0,65
8,09 1,76 18,54 10,91 74,53 8,92 0,75
Freiverkehrskurse Ägypten Australien Estland Hongkong Indien Kroatien Lettland
7,2493 1,6685 15,498 9,7990 57,460 7,3200 0,6958
Litauen 3,4028 3,5028 Litas 3,10 3,80 Malaysia 4,6270 4,6870 Ringgit 3,44 7,34 Malta 0,4253 0,4343 M-Lira 0,40 0,46 Marokko 11,000 11,080 Dirham 8,81 13,61 Neuseeland 1,8990 1,9230 NZ-$ 1,68 2,13 Philippinen 62,600 64,200 Peso 42,23 99,23 Polen 3,9290 3,9770 Zloty 3,35 4,40 Singapur 2,0000 2,0120 Sing. $ 1,85 2,19 Slowakei 36,650 38,250 Kronen 32,76 47,16 Slowenien 234,60 244,60 Tolar 204,35 294,35 Südafrika 9,1900 9,4300 Rand 8,21 10,51 Taiwan 41,845 42,645 Taiw. $ 34,20 49,20 Thailand 46,350 47,950 Bath 40,64 54,64 Tschechien 28,040 28,840 Kronen 26,60 32,60 Tunesien 1,6270 1,6920 T-Dinar 1,27 2,23 Türkei 1,8350 1,8850 Lira 1,76 1,92 Ungarn 271,35 276,55 Forint 244,37 334,37 Zypern 0,5729 0,5799 Pfund 0,52 0,66 Wechselkurse der BW-Bank (Euro FX/Freiverkehr), *von Euro durch die Banken.
Abbildung 46: Mengennotierung der Wechselkurse (Stand 19.09.2006)
Aufgrund der hohen wirtschaftspolitischen Bedeutung von Wechselkursbewegungen wird es aus dem Blickwinkel der politischen und wirtschaftlichen Interessengruppen als Aufgabe der zuständigen Zentralbanken angesehen, entsprechende Operationen an den Devisenmärkten unter Berücksichtigung der jeweiligen währungspolitischen Zielsetzungen auszuführen. Neben den Aktivitäten von Ex- und Importeuren von Gütern und Dienstleistungen, welche ja vollumfänglich in der Leistungsbilanz abgebildet werden, spielen auf den Devisenmärkten aber nicht zuletzt die entscheidenden Aktivitäten eine Rolle, die in der Kapitalverkehrsbilanz abgebildet werden. Hier ist in erster Linie der von der internationalen Zinsdifferenz abhängige kurzfristige Kapitalverkehr von besonderer Bedeutung. Der langfristige Kapitalverkehr wird dagegen mehr durch längerfristige und strategische Überlegungen determiniert. Stimmt nun der in- und ausländische Zinssatz der beiden Währungsnationen überein, so wäre es vor diesem Hintergrund für den international agierenden Kapitalinvestor ohne Bedeutung, in welche der beiden Währungen er investiert. In diesem Fall würde der sogenannte Devisenterminkurs mit dem Devisenkassakurs übereinstimmen. Ist aber hingegen – beispielsweise aufgrund der restriktiven inländischen Geldpolitik – der Inlandszins höher als der Auslandszins, so kommt es per Saldo – sofern gegenüber dem Inland aus stabilitäts- bzw. bonitätspolitischen Überlegungen keine Vorbehalte dafür bestehen – zu einem Kapitalimport bei unveränderter Leistungsbilanz. Somit können in
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
105
diesem Fall ausländische Kapitalanleger von dem höheren Zinssatz bei einer Anlage im Inland profitieren, mit der weiteren Folge am Devisenmarkt, dass durch diese betriebene „Zinsarbitrage“ die Nachfrage nach der inländischen Währung steigt und die inländische gegenüber der ausländischen Währung eine Aufwertung an den Devisenmärkten erfährt. Allerdings ist auch denkbar, dass im Gegensatz zu reinen Zinsarbitrageuren, welche in der Regel lediglich verzinsliche Aktiva im Ausland erwerben wollen, auch Spekulanten mehrheitlich eine zukünftig erwartete Wechselkursveränderung profitabel anzunutzen versuchen, wobei hierbei verstärkt subjektive Erwartungen die entscheidende Rolle spielen. Diese Spekulationsgeschäfte setzen zum einen ein Termingeschäft, zum anderen ein zukünftiges Devisenkassageschäft voraus. Natürlich kann die Transaktion auch mit einem Arbitragegeschäft kombiniert sein. Wird nun eine zukünftige Aufwertung der inländischen Währung am Devisenkassamarkt erwartet, ist es für den Spekulanten zielführend, die ausländische Währung am Devisenterminmarkt anzubieten.
Exkurs: Kaufkraftparitätentheorem Nach dieser Theorie werden international als homogen betrachtete Güter stets dort nachgefragt, wo sie am billigsten zu erwerben sind. Dadurch steigt die Nachfrage aus dem Inund Ausland, gleichzeitig sinkt die Nachfrage im Land mit der teueren Produktion. Die zwingende Konsequenz: Es finden ein Güterexport in das Land mit der teueren sowie ein Güterimport aus dem Land mit der billigeren Produktion statt. Dabei wird der Außenhandel solange ausgedehnt, wie die internationalen Preisunterschiede bestehen. Nach dieser Theorie wird der Außenhandel also von der Höhe der internationalen Preisverhältnisse abhängig gemacht und Wechselkursentwicklungen hierdurch erklärt, wie dies im übrigen in der realen Außenwirtschaftstheorie mit dem Theorem der komparativen Kosten zur Begründung des internationalen Handels und seiner Vorteilhaftigkeit für alle am Außenhandel beteiligten Ländern auch gezeigt wird. In der makroökonomische Theorie (vgl. Kapitel 6) können Wechselkursentwicklungen typischerweise jedoch bei der Betrachtung des zinsabhängigen Kapitalverkehrs dargestellt werden, wo die Höhe des Außenhandels nicht von den internationalen Preisunterschieden, sondern von der Höhe des jeweiligen Volkseinkommens abhängig gemacht wird. Ein internationaler Preisausgleich kann jedoch ausschließlich nur über eine Einbeziehung des Wechselkurses erfolgen. Das Kaufkraftparitätentheorem postuliert daher, dass der Außenhandel solange ausgedehnt wird, bis die Relation
Pi = Pa • w mit Pi = Inlandspreisniveau eines Gutes sowie Pa = Auslandspreisniveau des gleichen Gutes sowie w = der Wechselkursrelation gilt. Dies setzt jedoch zwingend voraus, dass sämtliche Güter eines Landes auch international gehandelt werden, da der Wechselkurs lediglich die Preise der Außenhandelsgüter ausgleichen kann. Dies ist der Grund, weshalb
106
Funktionsweise des Devisenmarktes
zwischen Handelsgütern und Inlandsgütern unterschieden werden muss. Der Wechselkurs kann ausschließlich durch die Handelsgüterpreise beeinflusst werden und spiegelt deshalb eben nicht das volkswirtschaftliche Preisniveau wider. Es kommt deshalb bei einer erhöhten inländischen Inflationsrate im Inland solange zu Umschichtungen der Nachfrage auf Handels- und Inlandsgüter, bis in einem neuen Gleichgewicht die alte Preisstruktur zwischen dem Preis der Handelsgüter und den Inlandsgütern erreicht ist. Cross-Rates
(zu lesen: 1 EUR = 1,2681 USD)
USD
EUR
JPY
GBP
CHF
CAD
AUD
HZD
117,50
0,5298
1,2524
1,1289
1,3293
1,5119
149,00
0,8721
1,5882
1,4317
1,6862
1,9186
0,0045
0,0107
0,0096
0,0113
0,0129
1,4879
221,72
2,3632
2,1306
2,5092
2,8541
0,8296
93,82
0,4232
0,9014
1,0616
1,2079
0,5558
0,6985
104,09
0,4694
1,1094
1,1774
1,3396
0,7523
0,5930
88,39
0,3985
0,9420
0,8493
1,1378
0,6614
0,5212
77,67
0,3504
0,8279
0,7465
½
USD
0,7886
EUR
¾
1,2681
JPY
0,0085
0,0067
GBP
1,8874
CHF
0,7985
CAD
AUD
HZD
0,8799
Abbildung 47: Cross-Currency-Tableau
Zurück zur Funktionsweise des Devisenmarktes: Auf den Devisenmärkten kann also zwischen Devisenkassageschäften und Devisentermingeschäften unterschieden werden. ■
Devisenkassageschäft: Hierunter versteht man gehandelte Beträge, welche unverzüglich (in der Praxis innerhalb von zwei Tagen nach Abschluss) anzuschaffen sind. Der Kurs, zu dem das Kassageschäft durchgeführt wird, wird als Devisenkassakurs bezeichnet.
■
Devisentermingeschäft: Hierunter versteht man gehandelte Beträge, welche erst zu einem später vereinbarten Zeitpunkt anzuschaffen sind. Dabei gilt: Der zum Zeitpunkt des Abschlusses und bei der Abwicklung des Geschäftes festgelegte Kurs stellt den Terminkurs dar. Der dabei für die Termindevise festgelegte Kurs weicht vom Devisenkassakurs ab. Zu unterscheiden sind hierbei sogenannte „Reports“ (Kursaufschläge) und „Deports“ (Kursabschläge). Die Begriffe „Deport“ bzw. „Report“ werden darüber hinaus allgemein auch als Swapsätze bezeichnet und umgerechnet auf Jahresbasis in Prozenten des Kassakurses ausgedrückt, welcher die Zinsdifferenz der beiden Währungen bezogen auf die Laufzeit abbildet. Der für das Devisentermingeschäft festgelegte Devisenterminkurs setzt sich aus Kassakurs plus Report bzw. minus Deport zusammen. Die Differenz zwischen Terminkurs und Kassakurs wird oftmals auch als Agio bezeichnet.
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
107
5.3.1 Aufbau der Zahlungsbilanz Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass allgemein ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht als eine Situation umschrieben werden kann, in der von den wirtschaftlichen Aktivitäten des Inlandes mit dem Ausland offenbar keine negativen Wirkungen auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung ausgehen kann. Welche negativen Auswirkungen sind hierbei denkbar? Bitte berücksichtigen Sie hierbei die Ziele des magischen Vierecks, insbesondere aber die Auswirkungen auf die Beschäftigung und das Preisniveau. Ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht stellt (zumindest langfristig) die Voraussetzung dafür dar, dass die binnenwirtschaftlichen Ziele erreicht werden können. Ist es jedoch umgekehrt möglich, binnenwirtschaftliche Ziele mit Hilfe einer entsprechenden Außenwirtschaftspolitik zu lösen, beispielsweise eine zu niedrige binnenwirtschaftliche Beschäftigung bzw. eine im Inland als zu hoch bewertete Arbeitslosigkeit mit Hilfe von Importschranken bzw. Subventionierung von Exporten bzw. einer Abwertung der inländischen Währung? Diese Frage muss zumindest auf lange Frist erfahrungsgemäß verneint werden, da eine zur Lösung von binnenwirtschaftlichen Problemen eingeleitete „Beggarmy-neighbour-policy“ notwendigerweise im Gegenzug entsprechende Gegenmaßnahmen aus dem Ausland erwarten lässt und somit zwischen In- und Ausland regelrecht eine „Abwertungsspirale“ eingeleitet werden würde.
Definition: „Beggar-my-neighbour-policy“: Eine „Beggar-my-neighbour-policy“ beschreibt den Versuch eines Landes, Exportüberschüsse zu erzielen, um auf diese Weise im Inland das Einkommen und die Beschäftigung zu erhöhen. Da jedoch die Zunahme der Exporte eines Landes notwendigerweise eine Zunahme der Importe für das Ausland darstellt, können sich durch diese Politik kontraktive Wirkungen für das Ausland (sinkende Einkommen und sinkende Beschäftigung) ergeben. Diese Politik kann zum einen durch eine Abwertung der heimischen Währung sowie sonstige Maßnahmen, zum Beispiel Einfuhrbeschränkungen, Exportförderung etc. erreicht werden. Meistens stellt diese Politik keine Erfolg versprechende Maßnahme dar, da das Ausland mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagieren kann, mit der Folge einer Abwertungsspirale zwischen diesen Ländern. Welche Rolle spielt nun hierbei die Zahlungsbilanz? Die Zahlungsbilanz gibt einen Überblick über die wirtschaftlich relevanten Transaktionen mit dem Ausland, indem sie deren systematische wertmäßige Aufzeichnung für eine bestimmte Periode (regelmäßig ein Kalenderjahr) betrachtet. Hierbei findet der Grundsatz der doppelten Buchführung Anwendung, wodurch grundsätzlich eine Zahlungsbilanz ausgeglichen ist. Bitte beachten Sie dies, wenn Sie die fälschlicherweise in der Tagespresse regelmäßig getätigten Aussagen zu „unausgeglichenen“ Zahlungsbilanzen lesen. Offensichtlich ist hierbei etwas anderes gemeint bzw. es wird oftmals eine unscharfe Formulierung für das gewählt, was wirklich erläutert ist. Im Gegensatz zu einer Bilanz im betriebswirtschaftlichen Sinne werden bei der Zahlungsbilanz keine Bestandsgrößen, sondern ausschließlich Stromgrößen in der jeweiligen Periode betrachtet.
108
Funktionsweise des Devisenmarktes
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
X. Außenwirtschaft 2. Wichtige Posten der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland (Salden)
Leistungsbilanz
Saldo der Leistungsbilanz
Zeit
Außenhandel 1) 2)
Ergänzungen zum Außenhandel 3) 4)
Dienstleistungen 5)
Erwerbs- und Vermögenseinkommen
laufende Übertragungen
Vermögensübertragungen und Kauf/ Verkauf von immateriellen nichtproduzierten Vermögensgütern
Kapitalbilanz
insgesamt 6)
darunter Veränderung der Währungsreserven zu Transaktionswerten 7)
Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen
Mio DM 1992 1993 1994
− − −
35 438 31 450 49 418
+ + +
33 656 60 304 71 762
− − −
1 426 3 217 1 318
− − −
44 983 52 549 62 803
+ + +
28 481 19 095 2 393
− − −
51 167 55 083 59 451
− − −
1 963 1 915 2 637
+ + +
16 574 43 448 60 708
− + +
52 888 22 795 2 846
+ − −
20 827 10 082 8 653
1995 1996 1997 1998
− − − −
42 363 21 086 17 336 28 695
+ + + +
85 303 98 538 116 467 126 970
− − − −
4 294 4 941 7 875 8 917
− − − −
63 985 64 743 68 692 75 053
− + − −
3 975 1 052 4 740 18 635
− − − −
55 413 50 991 52 496 53 061
− − + +
3 845 3 283 52 1 289
+ + + +
50 117 24 290 6 671 25 683
− + + −
10 355 1 882 6 640 7 128
− + + +
3 909 79 10 613 1 724
1999 2000 2001
− − +
49 241 68 913 830
+ + +
127 542 115 645 186 771
− − −
15 947 17 742 14 512
− − −
90 036 95 848 97 521
− − −
22 325 16 302 21 382
− − −
48 475 54 666 52 526
− + −
301 13 345 756
− + −
20 332 66 863 23 068
+ + +
24 517 11 429 11 797
+ − +
69 874 11 294 22 994
11 415 8 335 10 932 18 022 15 925
− − − − −
24 785 27 950 26 856 27 511 28 282
− + − − +
154 6 823 387 212 312
− + − − −
10 396 34 187 11 794 38 448 48 054
+ + + + +
12 535 5 844 6 032 2 065 445
+ − + − +
35 726 5 775 11 757 4 716 7 451
Mio € 1999 2000 2001 2002 2003
− − + + +
25 177 35 235 425 43 375 40 291
+ + + + +
65 211 59 128 95 495 132 788 129 921
− − − − −
8 153 9 071 7 420 8 552 11 149
− − − − −
46 035 49 006 49 862 35 328 34 274
− − − − −
2004 2005 r)
+ +
81 925 92 623
+ +
156 096 160 554
− −
15 243 20 170
− −
31 254 27 484
+ +
635 8 643
− −
28 309 28 921
+ −
430 1 268
− −
114 695 100 078
+ +
1 470 2 182
+ +
32 340 8 723
2003 2.Vj. 3.Vj. 4.Vj.
+ + +
4 732 10 334 15 078
+ + +
29 841 38 430 31 815
− − −
2 571 2 672 2 994
− − −
7 989 13 384 4 886
− − −
6 934 3 384 2 571
− − −
7 616 8 656 6 285
+ + −
149 208 16
− + −
23 849 9 792 27 506
+ − +
1 505 751 1 186
+ − +
18 969 20 335 12 444
2004 1.Vj. 2.Vj. 3.Vj. 4.Vj.
+ + + +
24 233 24 091 13 814 19 787
+ + + +
41 359 43 303 36 436 34 998
− − − −
3 325 3 510 4 269 4 139
− − − −
6 993 5 945 11 476 6 841
− − + +
1 151 2 401 1 555 2 632
− − − −
5 656 7 357 8 432 6 863
+ + + −
280 177 191 218
+ − − −
482 61 906 23 665 29 606
+ − + +
205 339 1 568 37
− + + +
24 996 37 638 9 660 10 037
2005 1.Vj. r) 2.Vj. r) 3.Vj. r) 4.Vj. r)
+ + + +
29 191 23 419 19 505 20 508
+ + + +
43 229 41 543 41 059 34 723
− − − −
4 421 4 677 5 182 5 890
− − − −
5 405 5 755 12 038 4 287
+ − + +
3 135 1 307 3 294 3 520
− − − −
7 348 6 386 7 628 7 558
− + + +
1 491 107 60 57
− − − −
22 591 24 592 15 579 37 316
− + − +
181 1 230 783 1 916
− + − +
5 109 1 066 3 985 16 751
2006 1.Vj.
+
26 486
+
39 887
−
4 657
−
5 983
+
3 276
−
6 037
+
153
−
43 369
+
1 082
+
16 730
2003 Dez.
+
6 839
+
10 584
−
1 369
−
247
−
561
−
1 568
−
38
−
16 346
+
921
+
9 546
2004 Jan. Febr. März
+ + +
5 984 6 341 11 908
+ + +
12 498 12 273 16 588
− − −
1 362 1 043 920
− − −
3 797 1 879 1 317
− − +
809 343 0
− − −
546 2 667 2 443
+ − +
13 179 447
+ + −
4 947 6 043 10 508
− − +
206 26 437
− − −
10 944 12 205 1 846
April Mai Juni
+ + +
7 716 7 634 8 741
+ + +
14 371 14 140 14 791
− − −
1 068 1 223 1 219
− − −
2 189 1 409 2 347
− − +
1 610 1 232 442
− − −
1 788 2 642 2 926
+ − +
84 30 123
− − −
40 093 7 317 14 496
− + −
628 607 318
+ − +
32 293 287 5 633
Juli Aug. Sept.
+ + +
6 300 2 543 4 972
+ + +
13 572 10 917 11 947
− − −
1 722 1 411 1 135
− − −
2 426 4 865 4 184
+ + +
178 300 1 078
− − −
3 301 2 398 2 733
+ + −
164 80 52
+ − −
2 957 7 626 18 996
+ + +
847 517 204
− + +
9 421 5 003 14 077
Okt. Nov. Dez.
+ + +
6 360 7 293 6 134
+ + +
12 387 11 763 10 848
− − −
1 438 1 336 1 365
− − −
2 820 1 592 2 429
+ + +
709 906 1 017
− − −
2 478 2 448 1 938
− − −
22 186 10
− − −
1 620 19 467 8 520
+ − −
839 182 621
− + +
4 718 12 360 2 396
2005 Jan. r) Febr. r) März r)
+ + +
7 800 9 406 11 985
+ + +
13 333 13 571 16 325
− − −
1 621 1 372 1 428
− − −
1 857 1 385 2 163
+ + +
581 963 1 591
− − −
2 637 2 372 2 340
− − −
1 221 107 164
+ − −
12 505 8 662 26 434
− + −
353 494 322
− − +
19 084 637 14 613
April r) Mai r) Juni r)
+ + +
6 307 5 475 11 637
+ + +
12 719 12 079 16 746
− − −
1 474 1 376 1 826
− − −
1 737 2 271 1 746
− − +
1 809 809 1 312
− − −
1 392 2 146 2 848
− + +
199 272 34
− + −
17 615 8 126 15 103
+ − +
404 141 967
+ − +
11 507 13 873 3 432
Juli r) Aug. r) Sept. r)
+ + +
8 341 3 044 8 120
+ + +
14 466 11 576 15 017
− − −
1 662 1 707 1 813
− − −
2 913 5 364 3 761
+ + +
876 883 1 535
− − −
2 426 2 345 2 858
+ − +
104 86 42
− + −
5 752 571 10 398
+ + −
324 932 2 039
− − +
2 693 3 528 2 236
Okt. r) Nov. r) Dez. r)
+ + +
6 163 8 388 5 958
+ + +
12 181 13 306 9 236
− − −
2 350 1 851 1 690
− − −
2 757 1 027 503
+ + +
1 425 1 059 1 036
− − −
2 337 3 100 2 121
+ − −
329 108 165
− − −
6 148 14 159 17 008
+ + +
207 1 059 650
− + +
344 5 879 11 215
+ + +
6 254 10 986 9 246
+ + +
12 583 12 951 14 354
− − −
1 714 1 217 1 726
− − −
3 043 924 2 016
+ + +
815 1 552 910
− − −
2 386 1 376 2 274
+ + −
7 283 137
− − −
11 489 18 367 13 514
− + −
26 1 534 426
+ + +
5 227 7 099 4 404
+ +
6 982 4 304
+ +
11 235 12 940
− −
1 489 1 572
− −
1 067 1 574
+ −
539 4 396
− −
2 237 1 093
− −
144 280
− −
9 868 14 776
+ −
1 475 1 067
+ +
3 030 10 753
2006 Jan. Febr. März April Mai p)
1 Spezialhandel nach der amtlichen Außenhandelsstatistik: Einfuhr cif, Ausfuhr fob. — 2 Ab Januar 1993 einschl. der Zuschätzungen für nicht meldepflichtigen Außenhandel, die bis Dezember 1992 in den Ergänzungen zum Außenhandel enthalten sind. — 3 Hauptsächlich Lagerverkehr auf inländische Rechnung und Absetzung der Rückwaren sowie der Warenwerte
bei Reparaturen. — 4 S. Fußnote 2. — 5 Ohne die im cif-Wert der Einfuhr enthaltenen Ausgaben für Fracht- und Versicherungskosten. — 6 Saldo der Kapitalbilanz einschließlich Veränderung der Währungsreserven. Kapitalexport: − . — 7 Zunahme: − .
Abbildung 48: Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland:
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
109
Durch eine international weitgehende Vereinheitlichung der Zahlungsbilanzen werden folgende Teilbilanzen der Zahlungsbilanz unterschieden: ■
Die Leistungsbilanz besteht aus – der Handelsbilanz, welche den Warenaustausch mit dem Ausland beschreibt, – der Dienstleistungsbilanz, welche den Ex- und Import von Dienst- und Faktorleistungen mit dem Ausland abbildet, – sowie der Übertragungsbilanz, welche die unentgeltlichen Leistungen an das und vom Ausland abbildet.
■
Die Kapitalverkehrsbilanz bildet den kurz- und langfristigen Kapitalverkehr mit dem Ausland ab.
■
Die Devisenbilanz beschreibt die Veränderungen der Währungsreserven der Zentralbank.
Letztendlich gilt es noch die Bilanzposition der „Restposten der Zahlungsbilanz“ zu betrachten, welche all diejenigen Transaktionen mit dem Ausland aufführt, welche statistisch nicht zugeordnet werden können bzw. alle ungeklärten Beträge beinhaltet. Betrachtet man nunmehr die Zahlungsbilanz in ihrer Gesamtheit, so wird unmittelbar klar, warum und in welchen Fällen oftmals in der „Fachpresse“ von einer „unausgeglichenen“ Zahlungsbilanz gesprochen wird. Offenbar wird in diesen Fällen auf „unausgeglichene“ Teilbilanzen abgestellt, wobei dabei von zwei konkurrierenden alternativen Konzepten ausgegangen wird. ■
Devisenbilanzkonzept: In einem System fester Wechselkurse ist die Devisenbilanz meist nicht ausgeglichen. Die Folge: Devisenzu- oder -abflüsse lösen (teilweise) erhebliche und unerwünschte binnenwirtschaftliche Folgen aus. Aus den konkreten Auswirkungen wird im weiteren Verlauf des Buches noch ausführlich eingegangen.
■
Grundbilanzkonzept: Eine Zahlungsbilanz ist als „ausgeglichen“ anzusehen, wenn die Summe aus Leistungsbilanz und die Bilanz des langfristigen Kapitalverkehrs zusammen einen Saldo in Höhe von null ausweist.
■
Leistungsbilanzkonzept: Weist ein Land eine „unausgeglichene“ Leistungsbilanz aus, so bedeutet dies, dass sich die Nettoauslandspositionen geändert haben. Dies bedeutet, sich dass die Summe der Forderungen von Inländern an Ausländer abzüglich der Summe der Verbindlichkeiten von Inländern gegenüber Ausländern geändert hat.
110
Funktionsweise des Devisenmarktes
5.3.2 Zahlungsbilanzmechanismen Wie zuvor dargestellt, ist allein aufgrund des Systems der doppelten Buchführung eine Zahlungsbilanz per se immer ausgeglichen. Doch wie verlaufen die Mechanismen, die immer wieder – trotz externer Einflüsse – zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz führen? Grundsätzlich sind hierbei im Hinblick auf die Einflussfaktoren des Volkseinkommens, der Preisniveauentwicklung im In- und Ausland sowie der Wechselkursentwicklung zwei verschiedene Mechanismen zu unterscheiden:
Einfluss des Einkommensmechanismus Der Einkommensmechanismus basiert auf der (weitgehend unrealistischen) Annahme konstanter Preise, sowohl auf dem Binnenmarkt als auch im Ausland, sowie der Annahme eines Systems fester Wechselkurse. Hierbei ist folgender Mechanismus zu beachten: Eine autonome Erhöhung der Exporte führt zwangsläufig zu einer Aktivierung der Leistungsbilanz bzw. bei einem vorhandenen Leistungsbilanzüberschuss zu einer weiteren Erhöhung des Saldos der Leistungsbilanz. Da nun jedoch die Exporterhöhung multiplikativ (s. Kapitel 6) zu einer Erhöhung des Volkseinkommens führt, steigen jedoch gleichzeitig (in Abhängigkeit der marginalen Sparquote bzw. der einkommensinduzierten marginalen Importquote des Inlandes) die inländischen Importe, weshalb die ursprüngliche Aktivierung der Leistungsbilanz sich im weiteren Verlauf wieder reduzieren wird. Umgekehrt löst eine autonome Erhöhung der inländischen Importe über eine verstärkte Passivierung der Leistungsbilanz eine Reduzierung des Volkseinkommens aus, wodurch die inländischen Importe tendenziell reduziert werden. Die Folge: Die ursprüngliche Wirkung auf die Erhöhung des Leistungsbilanzdefizites wird tendenziell niedriger ausfallen. Bitte beachten Sie hierbei: Durch den multiplikativen Einkommenseffekt wird in der Regel der ursprüngliche, durch eine Abwertung ausgelöste aktivierende Effekt auf die Leistungsbilanz abgeschwächt. Dieser Effekt ist jedoch um so geringer, je größer die marginale Sparquote und je kleiner die marginale Importquote des betreffenden Landes ist.
Warum ist das so? Bei einer hohen marginalen Sparquote ist die multiplikative Wirkung auf die Veränderung des Volkseinkommens vergleichsweise niedrig, da nur ein vergleichsweise kleiner Teil des zusätzlichen Einkommens im Hinblick auf das Volkseinkommen zunächst (ohne Betrachtung der langfristigen Wirkung in Bezug aus Wachstum) wirksam wird. Deshalb ist die induzierte Importwirkung ebenfalls vergleichsweise gering. Ist die marginale Importquote gering, so ist der entgegen wirkende Effekt ebenfalls schwach ausgeprägt: Auch hier gehen nur niedrige Indizierungswirkungen auf die Importnachfrage aus.
Einführung in die Geld- und Währungspolitik
111
Einfluss des Geldmengen-Einkommensmechanismus Der Geldmengen-Einkommensmechanismus stellt ebenfalls einen Mechanismus zum Ausgleich der Zahlungsbilanz dar. In einem System fester Wechselkurse führt ein Überschuss (bzw. Defizit) der Zahlungsbilanz zu einem Zufluss (bzw. Abfluss) an Devisen bei der Notenbank und zu einer entsprechenden Ausdehnung (bzw. Reduktion) des Geldumlaufvermögens in der betreffenden Volkswirtschaft. Die Folge sind tendenziell sinkende (bzw. steigende) Zinssätze auf dem Geld- bzw. Kapitalmarkt. Sofern das Spar- bzw. Investitionsverhalten in der betreffenden Volkswirtschaft zinsreagibel reagiert, das heißt die Höhe des Zinssatzes einen maßgeblichen Einfluss auf die Spar- bzw. Investitionstätigkeit hat, so resultiert hieraus eine Ausdehnung (bzw. Reduktion) der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf den binnenwirtschaftlichen Gütermärkten mit der Folge entsprechender Effekte auf Volkseinkommen und Beschäftigung. Im Falle einer Einkommenserhöhung ist als Folge eine Zunahme der Importnachfrage mit der zwingenden Konsequenz einer Passivierung der Leistungsbilanz zu erwarten. Im Falle einer Reduktion des Einkommens ist eine Aktivierung das erwartungsgemäße Ergebnis dieses Effektes.
Einfluss des Geldmengen-Preismechanismus Der Geldmengen-Preismechanismus beschreibt ebenfalls einen Mechanismus zum Zahlungsbilanzausgleich und kann ebenfalls auf ein System fester Wechselkurse Anwendung finden. Sofern eine Volkswirtschaft einen Leistungsbilanzüberschuss erfährt, ist ein Zufluss von Devisen die logische Folge. Durch den folgenden Umtausch in die heimische Währung führt dies zu einer Ausdehnung der inländischen Geldmenge. Bitte erinnern Sie sich in diesem Zusammenhang an die „Fishersche Quantitätstheorie“ in Abschnitt 2.3.3: Basierend auf dem dort zwischen Geldmengenentwicklung und Preisniveauentwicklung zugrunde liegenden Zusammenhang löst eine überproportionale Ausweitung der Geldmenge einen Anstieg des inländischen Preisniveaus aus und umgekehrt. Da dieser Effekt im Ausland jedoch zwangsläufig in umgekehrter Richtung verlaufen muss, ist ein Preisniveaugefälle zwischen In- und Ausland die notwendige Konsequenz. Die weitere Folge: Bei einer „normalen“ Reaktion der Leistungsbilanz führt dies zu einer abgeschwächten Aktivierung der Leistungsbilanz; die zunächst bewirkte Aktivierung der Leistungsbilanz wird zumindest durch diesen Effekt reduziert.
Einfluss des Wechselkursmechanismus Die Wechselkursentwicklung selbst bewirkt selbstverständlich ebenfalls einen Ausgleich bei Zahlungsbilanzungleichgewichten. Im Falle eines Zahlungsbilanzdefizits übersteigt die Devisennachfrage der betreffenden Volkswirtschaft das Devisenangebot. Hierdurch wird am Devisenmarkt die inländische Währung abgewertet. Die ausgelöste Wechselkurs-
112
Funktionsweise des Devisenmarktes
veränderung bewirkt, dass Auslandsgüter, bewertet in der inländischen Währung, sukzessive auf dem Binnenmarkt teurer und im Ausland dadurch billiger werden. Unter der Voraussetzung einer „normalen“ Reaktion der Leistungsbilanz wird dies zu einer Abwertung der inländischen Währung bzw. Aufwertung der ausländischen Währungen und damit sukzessive zu einer Aktivierung der inländischen Leistungsbilanz führen. Tendenziell wird hierbei ein Ausgleich der Zahlungsbilanz erreicht.
Einfluss des Zins-Kreditmechanismusses Der Zins-Kreditmechanismus stellt ebenfalls einen der theoretischen Erklärungsansätze für einen Zahlungsbilanzausgleichsmechanismus dar. Wie bereits zuvor dargestellt, erfährt ein Land mit einem Zahlungsbilanzüberschuss in einem System fester Wechselkurse einen Devisenzufluss. Durch den Umtausch dieses Devisenzuflusses bei der inländischen Zentralbank in die heimische Währung führt dieser Devisenzufluss zu einer Erhöhung der inländischen Geldmenge, wodurch der inländische Zinssatz sinkt. Durch die international verflochtenen Zinsarbitragegeschäfte löst das gesunkene Zinsniveau einen Kapitalexport aus, da zinsinduzierte Kapitalanlagen im Inland sukzessive an Attraktivität verlieren. Per Saldo bedeutet es für die inländische Währung durch den Kapitalexport tendenziell einen Ausgleich der Zahlungsbilanz.
5.3.3 Zusammenspiel von Leistungs- und Kapitalverkehrsbilanz in der Zahlungsbilanz Die aggregierten Forderungen und Verbindlichkeiten können somit in der Zahlungsbilanz zu jedem beliebigen Zeitpunkt als Bestandsgröße bzw. über jeden beliebigen Zeitraum als Stromgröße gegenübergestellt werden. Zwischen der Leistungsbilanz und der Kapitalverkehrsbilanz besteht hierbei ein rechnerischer Zusammenhang dergestalt, dass der Saldo der Leistungsbilanz dem Saldo der Kapitalverkehrsbilanz dann entspricht, wenn keine ungeklärten weiteren Posten existieren. Von dieser Annahme werden wir im weiteren Verlauf ausgehen. Aktiva
Zahlungsbilanz
Passiva
Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen
Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen
Kapitalimport (Ausfuhr von Vermögenswerten)
Kapitalexport (Einfuhr von Vermögenswerten)
Abbildung 49:
Vereinfachter Aufbau der Zahlungsbilanz
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
6.
113
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
Exkurs: Ihre Ausgangssituation im täglichen Geschäft:
15.02.2007
Japan: BIP-Wachstum von 1,2 % p.q. macht baldige Zinsanhebung wahrscheinlich Das Wachstum des japanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag im vierten Quartal 2006 mit real 1,2 % p.q. bzw. annualisiert 4,8 % deutlich über den ohnehin hohen Erwartungen (Konsensus: 0,9 % p.q.). Im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug der Anstieg des BIP 2,3 % p.a. Durch die enorme Beschleunigung des Wachstums zum Jahresende wuchs die Wirtschaft im gesamten Kalenderjahr 2006 um real 2,2 % p.a. und damit im siebenten Jahr in Folge. Die privaten Konsumentenausgaben, die rund 55 % zur Wirtschaftsleistung beitragen, stiegen im Berichtsquartal um 1,1 % p.q., nachdem im dritten Quartal ein massiver Rückgang registriert wurde (-1,1 % p.q.). Die Kapitalausgaben der Unternehmen bleiben mit einem Wachstum von 2,2 % p.q. ein wichtiger Wachstumstreiber, während die Exporte mit 1,1 % p.q. etwas langsamer anstiegen. Die Importe blieben gegenüber dem Vorquartal unverändert (0,0 % p.q.). Der BIP-Deflator ist weiterhin auf dem Weg, bald positives Terrain zu erreichen: Im vierten Quartal betrug dieser -0,5 % p.a., nachdem er im dritten Quartal noch bei -0,7 % p.a. lag. Marktreaktion: Der Yen profitierte durch die guten BIP-Zahlen, allerdings kann von einem Ende der YenSchwäche keine Rede sein. EUR/JPY notiert bei 157,7, und USD/JPY pendelt um die Marke 120. Die Rendite einer 10jährigen japanischen Staatsanleihe ist mit 1,76 % fast unverändert. Zins-FRAs stiegen signifikant an und preisen eine rasche Zinsanhebung (Februar bzw. März) voll ein. Einschätzung/Ausblick: Nächste Woche findet die Februar-Zinssitzung der Bank of Japan (BoJ) statt. Wenn die Zinsentscheidung am 21. Februar verkündet wird, ist es angesichts dieser starken BIP-Daten (auch wenn die Zuverlässigkeit der provisorischen japanischen BIP-Daten hinterfragt werden muss, wie die kräftigen Revisionen der Vergangenheit zeigten) wahrscheinlich, dass der Leitzins um 25 Basispunkte auf 0,50 % angehoben wird. Denn durch das schwache BIP-Wachstum des dritten Quartals war die BoJ in den letzten Monaten nicht in der Lage, eine Zinsanhebung durchzuführen, obwohl NotenbankMitglieder diese mehrmals verbal vorbereitet hatten. Mit den guten BIP-Daten des vierten Quartals ist die Datenlage nun allerdings günstig wie schon lange nicht mehr. Dennoch gibt es einige Risikofaktoren: Der private Konsum ist immer noch schwach, denn im zweiten Halbjahr 2006 blieb dieser praktisch unverändert. Der Anstieg im vierten Quartal glich lediglich den Rückgang des dritten Quartals aus. Wir denken zwar, dass sich der private Konsum angesichts der leichten Zunahme des verfügbaren Einkommens auf moderatem Erholungspfad befindet – eine deutliche Konsumbeschleunigung ist allerdings nicht absehbar. Ein anderer Risikofaktor ist die weiterhin tiefe Inflation. Die Kerninflation (welche die Preise für verderbliche Nahrungsmittel nicht berücksichtigt) lag zuletzt bei nur 0,1 % p.a. Das Problem ist, dass auch in den kommenden Monaten kaum größere Anstiege zu erwarten sind. In Summe rechnen wir mit einer 60 %igen Wahrscheinlichkeit, dass die BoJ nächste Woche die Zinsen anhebt. Im Anschluss könnte dann aber wieder eine längere Zinspause erfolgen, um abzuwarten, wie der private Konsum und die Inflation sich weiter entwickeln. Aufgrund des unveränderten Zinsszenarios bleiben auch unsere Wechselkursprognosen unverändert: Im März liegen unsere Ziele bei EUR/JPY 157 bzw. USD/JPY 116.
Private Binnennachfrage (privater Konsum und Investitionen) treibt Wachstum an 20
5 4
15
3 2
10
1 5
0 -1
0
-2
-5
-3 2002
2003
2004
2005
2006
reales BIP Japan, % p.a. Private Binnennachfrage, % p.a. Exporte, % p.a. (r. Skala)
Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH
Abbildung 50: Marktbericht vom 15.02.2007
114
Funktionsweise des Devisenmarktes
Folgende Fragestellungen sollten Sie im Laufe der folgenden Kapitel 6 und 7 beantworten können: ■
Wie ist es zu erklären, dass eine Erhöhung der verfügbaren Einkommen nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des privaten Konsums führen muss?
■
BIP von der „Verwendungsseite“: Welcher Posten des BIP müsste sich saldentechnisch nach dem vorangestellten Marktbericht eigentlich erhöht haben? Welche zwangsläufigen Effekte auf die langfristige Entwicklung der Inflationsrate müssten sich dadurch ergeben?
■
Ist es zwangsläufig nachvollziehbar, dass aufgrund der prognostizierten steigenden Inflationsgefahren die BoJ die Leitzinsen erhöhen wird?
Im Folgenden werden wir uns mit dem sogenannten „Absorptionsansatz“ näher beschäftigen. Dieser theoretische Erklärungsansatz, welcher auf der keynesianischen Lehre basiert, untersucht den Zusammenhang zwischen den Salden der Zahlungsbilanz und dem inländischen Gleichgewicht von Investition und Ersparnis.
Definition: Absorptionstheorie Die Absorptionstheorie beschreibt im Rahmen der Außenwirtschaftslehre die Untersuchung der Wirkung von gleichzeitig auftretenden Wechselkurs- und Volkseinkommensänderungen auf die Zahlungsbilanz. Während beim Wechselkursmechanismus lediglich auf die primäre Reaktion der Leistungsbilanz auf eine durch Überschüsse oder Defizite induzierte Wechselkursveränderung hin abgestellt wird, berücksichtigt die Absorptionstheorie darüber hinaus, dass die primäre Leistungsbilanzwirkung auch eine Einkommenswirkung zur Folge hat. Wichtig hierbei: Diese hat ihrerseits Rückwirkungen auf die Leistungsbilanz, da ein steigendes Volkseinkommen im Inland einen expansiven Importeffekt zur Folge hat und damit (bei annahmegemäß unveränderter Höhe der Exporte) die Aktivierung der Leistungsbilanz damit tendenziell geringer ausfallen lassen wird. Wie sehen derartige Rückwirkungen aus? Bewirkt eine Steigerung des Einkommens infolge einer Abwertung eine Aktivierung der Leistungsbilanz, so hat dies im Rahmen eines Sekundäreffektes durch eine Steigerung des Volkseinkommens zur Folge, dass die Importe in weiterer Folge wiederum zunehmen. Da sich Primär- und Sekundäreffekt also gegenläufig verhalten, hängt die Gesamtwirkung von der Stärke der einzelnen Effekte ab. Dieser Zusammenhang ist für die Erklärung der Ursachen für das Entstehen eines Leistungsbilanzdefizits von entscheidender Bedeutung. Der „Absorptionsansatz“ zeigt auf, wie sich der Leistungsbilanzsaldo auf die im Inland verfügbaren und sowohl für den Konsum als auch für die inländischen Investitionen zu verwendenden Güterbestände auswirkt, insbesondere aber, inwieweit die Salden aus der Kapitalverkehrsbilanz Auswirkungen auf die inländische Ersparnisse auslösen, welche nicht zuletzt wiederum entscheidenden Einfluss auf die inländischen Investitionen haben.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
6.1
115
„Robinson-Crusoe-Modellwirtschaft“
Die „Robinson-Crusoe-Modellwirtschaft“ stellt die einfachste aller denkbaren Volkswirtschaften dar. Sie besteht aus nur einer Person. Eine staatliche Aktivität existiert nicht, darüber hinaus existiert auch kein Güter- oder gar Kapitaltransfer mit dem Ausland. Robinson selbst ist sowohl „Unternehmer“ als auch „Privatier“ in einer Person. Annahmen: ■
Vernachlässigung von Abschreibungen
■
Nichtbeachtung der Unterschiede bei den Sozialproduktkonzepten (Output)
■
(zunächst nur) vorübergehende Beschränkung auf eine geschlossene Volkswirtschaft
■
Beschränkung auf Investitionsausgaben
■
Vernachlässigung indirekter Steuern und Transferzahlungen
Hierbei gilt: Y:
Output
C:
Konsum
I:
Investitionsausgaben
Demgemäß können wir die Identität des verkauften und produzierten Outputs wie folgt beschreiben:
Y=C+I
(1)
Privater Sektor: ■
Das Einkommen des privaten Sektors entspricht dem Output Y, da der private Sektor als gesamtes Einkommen den Wert aller Güter und Dienstleistungen erhält.
■
Ein Teil fällt auf C: den privaten Konsum
■
Ein Teil fällt auf S: die private Ersparnis
Demgemäß können wir als Identität schreiben:
Y=S+C
(2)
Aus Gleichung (1) und (2) folgt:
I = S (3) Die Investitionen entsprechen also in ihrer Höhe grundsätzlich der Höhe der Ersparnis in der Volkswirtschaft.
116
„Robinson-Crusoe-Modellwirtschaft“
■
Investitionen können zum Beispiel durch Schuldenaufnahme bei sparenden Individuen finanziert werden.
■
Investitionen können jedoch auch ungewünschte Lagerinvestitionen darstellen.
Diese Erkenntnis stellt eine Schlüsselrolle der Makroökonomie dar!
Y = Angebot = Produktion = Einkommen = C + S
ver
S) rt (= a p (= I ges ) wird n f vo wir da Kau rn nH m u güte v ) dz (= C erkau wir nsum t (= C o f t ) K ende w ver ble
ibt
in U
Abbildung 52: Ex-Post-Analyse des Volkseinkommens
Einkommen
Produktion
Abbildung 51: Zusammenhang zwischen Angebot, Produktion und Einkommen
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
6.2
117
Einbeziehung des Staates und des Außenhandels
In einer „geschlossenen“ Volkswirtschaft gilt notwendigerweise immer, dass die Höhe der inländischen Ersparnisse mit der Höhe der inländischen Investitionen übereinstimmen muss. In einer offenen Volkswirtschaft, in welcher unbeschränkt Kapital- und Handelsverkehr mit dem Ausland stattfinden kann, gilt dieser Zusammenhang nicht. Lediglich die Summe in- und ausländischer Ersparnis und die Summe in- und ausländischer Investitionen müssen ex post per Saldo übereinstimmen. Es gilt somit: G:
Staatsausgaben
TA:
Steuern
TR:
Transferzahlungen an den privaten Sektor (einschl. Zinsen)
NX:
Nettoexporte (Exporte ./. Importe)
Identität zwischen produziertem Output und verkauftem Output:
Y = C + I + G + NX (4) Verfügbares Einkommen (Yd):
Yd = Y + TR –TA (5) oder
Yd = C + S (6) Daraus folgt:
S – I = (G + TR – TA) + NX (7) G + TR – TA:
Budgetdefizit bzw. Überschuss der Staatsausgaben über die Einnahmen des Staates
NX:
Überschuss der Exporte über die Importe bzw. die Handelsüberschüsse
Gleichgewichtsoutput ■
Der Output befindet sich bei einem Gleichgewichtswert, wenn die produzierte Outputmenge der nachgefragten Outputmenge entspricht.
■
Bei einer erhöhten produzierten Menge würde der Output die Nachfrage übersteigen: Die Unternehmen würden somit nicht in der Lage sein, die produzierte Ware vollstän-
118
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
dig am Markt abzusetzen und ihre Lager würden sich mit Warenbeständen an unverkauften Gütern füllen. Sie würden dann ihre Produktion verringern und umgekehrt. ■
Im Gleichgewichtsoutput setzen die Unternehmen genau so viel ab wie sie produzieren, es gibt keinen Grund, das Produktionsniveau zu ändern.
Aber: Output = geplante Ausgaben + unfreiwillige Lageranpassung! ■
Das Gleichgewichtseinkommensniveau stellt das Einkommens- (oder Output-)Niveau dar, bei dem die geplanten Ausgaben dem tatsächlichen Output entsprechen, so dass es keinen unfreiwilligen Lageraufbau oder Lagerabbau gibt.
6.3
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
Offensichtlich besteht ein enger und deshalb auch entscheidender Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der Höhe der inländischen Ersparnis zu inländischen Investitionen einerseits und dem Leistungsbilanzsaldo andererseits.
Bitte beachten Sie: Aus Gleichung 7 lässt sich eine entscheidende Erkenntnis ableiten: Weist ein Land höhere inländische Investitionen aus als das Land an inländischen Ersparnissen aufbringen kann, so ist es unerlässlich dieses Kapital aus dem Ausland „importiert“ zu bekommen. Voraussetzung hierfür ist es jedoch, dass es für ausländische Investoren überhaupt attraktiv ist, im Inland Investitionen vorzunehmen. Gründe hierfür können überdurchschnittliche Gewinnerwartungen bei Direktinvestitionen aufgrund vergleichsweise niedriger inländischer Steuersätze sein, im Falle von Investitionen in Aktien oder Anleihen eine hohe Dividendenrendite, hohe Performanceerwartungen oder international hoch attraktive (Nachsteuer-)Renditen. Dieser Zusammenhang wird insbesondere dann augenscheinlich, wenn Sie sich die „Robinson-Crusoe-Volkswirtschaft“ noch einmal in Erinnerung rufen. Da diese Volkswirtschaft vollständig von der Außenwelt abgeschlossen ist, kann Robinson als Saatgut nur das in seine (in diesem Falle handelt es sich ja um eine reine Agrarvolkswirtschaft) Volkswirtschaft investieren, was er sich zuvor an Naturprodukten buchstäblich vom Munde „abgespart“ hatte. Zukünftiges Wachstum ist also nur durch einen gegenwärtigen Verzicht möglich. Prinzipiell gilt dies auch – wenn auch nur bedingt – für eine „offene“ Volkswirtschaft.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
119
Hier gilt es mit einem viel verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: Eine hohe Sparquote ist ökonomisch grundsätzlich nicht als eine schlechte Ausgangslage zu beurteilen. Vielmehr ist eine hohe Sparquote – zumindest zwingend in einer geschlossenen Volkswirtschaft – die notwendige Voraussetzung dafür, dass die Volkswirtschaft zukünftig ein entsprechendes Wirtschaftswachstum überhaupt leisten kann. Dabei gilt auch: Nur durch fortlaufende Erhaltungssubventionen kann das bisherige Produktionspotenzial überhaupt erhalten werden, da sich im fortlaufenden Wirtschaftsprozess durch die notwendigen Abschreibungen das Produktionspotenzial bereits fortlaufend verringert. Erst über die weiterführenden Erweiterungsinvestitionen steigt das Produktionspotenzial. Auch in konjunktureller Hinsicht gilt es von einem weit verbreiteten Missverständnis Abhilfe zu schaffen. Grundsätzlich ist es auch für die konjunkturelle Situation nicht schädlich, wenn zu Lasten einer sinkenden Konsumquote sich die inländische Sparquote erhöht. Allerdings gilt es hier eine differenziertere Betrachtung anzustellen: Wird die inländische Ersparnis vollständig im Inland investiert, so ist der Gesamteffekt auf die gesamte inländische Nachfrage bzw. Produktivität als neutral anzusehen. Bitte beachten Sie die Zusammensetzung des Bruttoinlandsprodukts der Bundesrepublik Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt ist aus drei verschiedenen Perspektiven dargestellt: ■
von der Entstehungsseite (I)
■
von der Verwendungsseite (II)
■
sowie von der Verteilungsseite (V)
Betrachten Sie das Bruttoinlandsprodukt zunächst von der Entstehungsseite. Würde eine erhöhte Ersparnis zu Lasten des inländischen Konsums vollständig im Inland investiert, so würde dieser Effekt in Bezug auf das gesamte Sozialprodukt bzw. die Gesamtnachfrage in der inländischen Volkswirtschaft zunächst als neutral zu bewerten sein. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Arbeitsplätze bzw. die Beschäftigung durch diesen Effekt in der folgenden Periode nicht gefährdet wäre. Mittel- bis langfristig steigt tendenziell die Beschäftigung bzw. die Arbeitslosenquote könnte sogar sinken, da durch die steigenden Investitionen steigende Einkommen die Folge sind und damit insgesamt über einen kumulativen Prozess in der weiteren Folge sowohl Konsum- als auch Investitionsausgaben nominal zunehmen und somit auch die Gesamtnachfrage zunehmen wird.
Einbeziehung des Staates Welche Auswirkungen könnte eine erhöhte Sparquote im Falle einer erhöhten inländischen Investitionsquote auf den Staatshaushalt haben? Werden die erhöhten inländischen Ersparnisse im Inland vollständig investiert, so steigen tendenziell die inländischen Steuereinnahmen. Gleichzeitig ist tendenziell mit einer Entlastung des Sozialversicherungs-
120
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
systems zu rechnen. Einerseits steigen durch eine erhöhte Beschäftigung die Beitragszahlungen, andererseits wird die Höhe der Ausgaben durch die erhöhte Beschäftigung reduziert. Bei einer weitgehend ausgabenneutralen Haushaltspolitik wird hierdurch die Haushaltslage des Staates insgesamt entlastet.
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
IX. Konjunkturlage 1. Entstehung und Verwendung des Inlandsprodukts, Verteilung des Volkseinkommens Deutschland
2004 2003 Position
2004
2005
Index 2000=100
2003
2004
2005
2005
3.Vj.
2006
4.Vj.
1.Vj.
2.Vj.
3.Vj.
4.Vj.
1.Vj.
Veränderung gegen Vorjahr in %
Preisbereinigt, verkettet I.Entstehung des Inlandsprodukts Produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe) Baugewerbe Handel, Gastgewerbe und Verkehr 1) Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 2) Öffentliche und private Dienstleister 3)
100,5 86,4
105,0 85,1
107,8 81,9
1,0 − 4,5
4,4 − 1,6
2,7 − 3,8
4,2 − 4,2
3,4 − 3,1
0,3 − 12,0
4,1 − 1,5
2,9 − 1,2
3,4 − 1,2
7,1 5,0
102,3
104,2
106,0
− 1,3
1,9
1,7
1,0
2,2
0,9
2,6
2,2
1,0
2,2
105,2
107,1
108,9
0,6
1,8
1,7
1,4
1,7
1,8
1,9
1,8
1,3
1,8
102,1
102,4
101,8
− 0,3
0,4
− 0,6
0,1
0,1
− 1,0
− 0,3
− 0,4
− 0,7
0,3
Bruttowertschöpfung
101,7
103,9
105,1
− 0,1
2,1
1,1
1,5
1,7
0,0
1,9
1,4
1,2
3,0
Bruttoinlandsprodukt 4)
101,1
102,8
103,8
− 0,2
1,6
1,0
1,2
1,3
− 0,5
1,8
1,5
1,1
2,9
101,5 102,1 88,9 88,4 111,1 .
102,0 100,5 91,3 86,3 113,1 .
102,2 100,6 94,9 83,4 115,2 .
0,1 0,1 − 0,2 − 1,6 3,3 0,5
0,6 − 1,6 2,6 − 2,3 1,8 0,5
0,2 0,1 4,0 − 3,4 1,8 0,2
− 0,1 − 1,0 5,1 − 4,4 1,6 1,7
1,5 − 3,0 5,1 − 3,3 1,7 0,5
− 0,5 − 1,5 3,7 − 10,8 2,2 0,1
1,1 0,5 7,5 − 1,5 2,2 0,5
0,9 0,6 2,2 − 1,2 1,9 − 0,3
− 0,9 0,7 2,8 − 1,4 1,1 0,6
1,1 0,8 8,3 4,3 3,0 1,0
Inländische Verwendung Außenbeitrag 8) Exporte Importe
98,1 . 113,6 104,9
98,7 . 124,2 112,3
99,0 . 132,0 118,2
0,6 − 0,7 2,4 5,1
0,6 1,1 9,3 7,0
0,4 0,6 6,3 5,3
1,4 − 0,1 7,3 8,7
1,0 0,3 8,4 8,5
− 1,2 0,7 3,7 2,2
1,8 0,1 4,9 5,5
0,5 1,0 8,6 6,6
0,4 0,7 7,8 6,7
2,8 0,2 14,2 16,2
Bruttoinlandsprodukt 4)
101,1
102,8
103,8
− 0,2
1,6
1,0
1,2
1,3
− 0,5
1,8
1,5
1,1
2,9
1 287,6 1 312,5 1 332,2 415,5 412,8 417,2 146,9 149,4 153,9 213,0 210,7 205,6 24,5 24,9 25,2 − 11,6 − 4,0 1,3
1,7 0,8 − 3,2 − 1,6 − 0,2 .
1,9 − 0,6 1,7 − 1,1 1,6 .
1,5 1,1 3,0 − 2,4 1,4 .
1,4 − 1,1 4,3 − 2,7 2,0 .
2,9 − 2,1 4,0 − 1,5 2,2 .
0,7 − 0,2 2,8 − 8,9 1,7 .
2,1 1,6 6,3 − 0,6 1,2 .
2,3 1,5 1,2 − 0,6 1,1 .
0,9 1,4 2,1 − 0,8 1,7 .
2,9 2,0 7,0 5,1 1,3 .
Inländische Verwendung Außenbeitrag Exporte Importe
2 075,8 2 106,2 2 135,3 87,6 109,5 112,1 772,7 842,8 901,7 685,1 733,4 789,6
1,4 . 0,9 2,5
1,5 . 9,1 7,0
1,4 . 7,0 7,7
2,2 . 7,7 10,0
2,1 . 9,6 11,1
− 0,0 . 4,7 4,3
2,6 . 5,7 7,5
1,5 . 8,8 9,1
1,5 . 8,5 9,3
4,2 . 15,7 20,8
Bruttoinlandsprodukt 4)
2 163,4 2 215,7 2 247,4
0,9
2,4
1,4
1,7
1,9
0,4
2,1
1,7
1,5
3,2
107,4 105,0 101,2
1,5 1,0 1,0
1,4 0,8 − 0,2
1,3 0,5 − 1,5
1,5 0,5 − 0,8
1,4 0,6 − 1,3
1,2 0,8 − 1,1
1,0 0,4 − 1,2
1,3 0,2 − 2,0
1,8 0,5 − 1,7
1,7 0,3 − 2,5
1 131,1 1 134,5 1 128,8
II.Verwendung des Inlandsprodukts Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen 6) Vorratsveränderungen 7) 8)
In jeweiligen Preisen (Mrd €) III.Verwendung des Inlandsprodukts Private Konsumausgaben 5) Konsumausgaben des Staates Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen 6) Vorratsveränderungen 7)
IV.Preise (2000 = 100) Privater Konsum Bruttoinlandsprodukt Terms of Trade V.Verteilung des Volkseinkommens Arbeitnehmerentgelt Unternehmens- und Vermögenseinkommen
104,5 103,7 103,0
106,0 104,5 102,8
0,2
0,3
− 0,5
− 0,1
− 0,1
− 0,3
− 0,4
− 0,6
− 0,7
0,0
557,0
3,6
11,7
6,3
8,0
9,8
3,6
7,8
5,4
8,7
9,2
1 600,0 1 658,3 1 685,8
1,2
3,6
1,7
2,4
2,4
1,0
2,3
1,4
1,9
3,2
Nachr.: Bruttonationaleinkommen 2 147,3 2 216,0 2 251,2
1,2
3,2
1,6
2,5
2,5
0,8
2,3
1,7
1,6
3,0
Volkseinkommen
468,9
523,8
Quelle: Statistisches Bundesamt; Rechenstand: Mai 2006. — 1 Einschl. Nachrichtenübermittlung. — 2 Kredit- und Versicherungsgewerbe, Grundstückswesen, Vermietung und Unternehmensdienstleister. — 3 Einschl. Häusliche Dienste. — 4 Bruttowertschöpfung zuzüglich Gütersteuern (saldiert mit
Gütersubventionen). — 5 Einschl. Private Organisationen ohne Erwerbszweck. — 6 Immaterielle Anlageinvestitionen (u. a. EDV-Software, Urheberrechte) sowie Nutztiere und -pflanzen. — 7 Einschl. Nettozugang an Wertsachen. — 8 Wachstumsbeitrag zum BIP.
Abbildung 53: Zusammensetzung des Bruttoinlandsproduktes der Bundesrepublik Deutschland
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
121
Auswirkungen auf die inländische Inflationsrate Sie erinnern sich sicherlich an meine Ausführungen in Kapitel 4.2.2.: Durch die Ausweitung der Produktionskapazitäten werden bei steigender Nachfrage die Engpässe der Produktivität sukzessive bei erst weit aus höheren Nachfragemengen erreicht, ein Effekt, welcher sich stabilisierend auf die Inflationsrate auswirken kann.
P: A, A` : Lu, L*, Lmax: N0, N1, N2:
Preisniveau Angebotskurven Grad der Kapazitätsauslastung Nachfragekurven
P A N2
A`
Nachfragekurven N1
N0
Verschiebung der Angebotskurve durch Kapazitätserweiterungen nach rechts
Lu L* Lmax (94%) (96,5%) (100%)
Kapazitätsauslastung
Abbildung 54: Nachfrageinflation bei steigenden Kapazitätsauslastungen
122
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
Exkurs: Das deutsche Dilemma im Frühjahr 2006
30
WERTE 01/2005
Mehrwer te schaf fen in Deutschland: Licht und Schatten in 2005 – Quo vadis Konjunktur?
Quo vadis, Konjunktur? Diese Frage beschäftigt Dr. Udo Stefan Schlipf (links im Bild), Leiter BW-PRIVAT und Gunter Eckner, Leiter Research Portfoliomanagement. Die Experten der BW-Bank haben immer alle wirtschaftlichen Entwicklungen im Auge.
Mehrwer te schaf fen in Deutschland: Licht und Schatten in 2005 – Quo vadis Konjunktur?
Gewundert hätte es wohl niemanden, wenn „Konjunktur“ das Wort des Jahres 2004 geworden wäre. Das Rennen hat letztlich „Hartz IV“ gemacht – immerhin auch ein Begriff aus der Reformdiskussion. Wäre es nach Häufigkeit gegangen, Konjunktur wäre weit vorn gewesen: Sie war in aller Munde.
Wen wundert es: Ihre Entwicklung bekommt jeder zu spüren, ihre
Dazu gehört, dass im Inland verstärkt Maßnahmen ergriffen wer-
Bewegungen wirken direkt auf die Werte, an denen eine Gesell-
den müssen, die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Be-
schaft sich und ihre Stärke misst.
schäftigung schaffen. Grundlage dafür sind die Rückführung der Defizite in den öffentlichen Haushalten und die Schaffung eines
Hilflos ausgeliefert ist die Gesellschaft der Konjunktur trotzdem
die Wachstums- und Investitionsanreize stärkenden Steuersystems,
noch lange nicht. Sie kann dem Aufschwung Antrieb geben – mit
eine Reform des Sozialversicherungssystems, ein verbessertes
Vertrauen.
Bildungssystem und eine Neuausrichtung des Aufbaus Ost.
Das Jahresgutachten 2004/05 des „Sachverständigenrates zur Be-
Doch wo liegen die Gründe für diese bisherige Entwicklung und
gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ hat unlängst
wie sind die Trends an den Finanzmärkten vor diesem Hintergrund
gezeigt: Die ökonomische Situation Deutschlands ist vielschich-
aktuell einzuschätzen? In „werte“ melden sich Gunter Eckner, Leiter
tiger als oftmals angenommen. In den vergangenen Jahren hat die
Research der BW-Bank und Dr. Udo Stefan Schlipf, Leiter der
deutsche Wirtschaft die Chancen der internationalen Arbeitstei-
Abteilung BW-PRIVAT, zu Wort:
lung für sich erfolgreich zu nutzen verstanden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Behebung der seit Jahren andauern-
Herr Dr. Schlipf, das Jahr 2004 war politisch geprägt von einer
den Wachstumsschwäche krankt an binnenwirtschaftlichen Prob-
Vielzahl von wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Das Wirtschafts-
lemen, die dringend gelöst werden müssen.
wachstum wird allgemein als zu niedrig bezeichnet und als Ur-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
123
31
WERTE 01/2005
©2005, Volker Schrank
Mehrwer te schaf fen in Deutschland: Licht und Schatten in 2005 – Quo vadis Konjunktur?
sache der verschiedenen Problembereiche wie Haushaltsdefizit,
tumshemmend auf die Weltkonjunktur auswirken und insbesondere
Arbeitslosigkeit und der Probleme der Sozialversicherungskassen
die Exportwirtschaft belasten. Und was das niedrige Wirtschafts-
verantwortlich gemacht. Welche Erwartungen haben Sie an das
wachstum als Ursache der Misere betrifft: Natürlich lässt sich
Jahr 2005?
grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung feststellen. Unterschreitet das Wirtschafts-
Dr. Udo Schlipf: Blicken wir zunächst kurz zurück: Die Jahre
wachstum ein bestimmtes Niveau, so steigt die Arbeitslosigkeit.
2001 bis 2003 müssen als Stagnationsphase bezeichnet werden.
Das Gleiche gilt selbstverständlich auch andersherum. Die
Erst das Jahr 2004 war durch einen Zuwachs des Bruttoinlands-
Folge: Die Steuereinnahmen sinken, die Staatsausgaben steigen,
produktes in Höhe von zirka 1,6 % gekennzeichnet und beendete
die Belastungen der Sozialversicherungskassen werden größer
diese Phase. Allerdings wurde dieser Aufschwung – und das ist
und die Staatsverschuldung nimmt zu. Unsere Prognose für
entscheidend – bislang im Wesentlichen durch die kräftigen
2005: Der Konsum war im vergangenen Jahr sehr verhalten und
Exportzuwächse und nicht durch die Binnennachfrage getragen.
die Investitionstätigkeit der Unternehmen entwickelte sich nur
Das Hauptproblem der deutschen Volkswirtschaft liegt in der enor-
relativ schwach. Aber die Wettbewerbsfähigkeit deutscher
men Abhängigkeit des Auslandsabsatzes deutscher Unternehmen
Unternehmen auf den internationalen Absatzmärkten ist unver-
von der realwirtschaftlichen Entwicklung der Handelspartner. Und
kennbar und stimmt uns in Bezug auf das Wirtschaftswachstum
hier liegt der Knackpunkt: Die jüngste Entwicklung an den Roh-
positiv. Grundsätzlich sollte sich diese erfreuliche Entwicklung
stoffmärkten könnte sich über ein steigendes Preisniveau wachs-
positiv auf die inländische Beschäftigung auswirken. Entscheidend
124
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
32
WERTE 01/2005
Mehrwer te schaf fen in Deutschland: Licht und Schatten in 2005 – Quo vadis Konjunktur?
sind zum einen die weitere Entwicklung des privaten Konsums und
nach Feststellung der Deutschen Bundesbank nicht haltbar. Die
zum anderen die Entwicklung der inländischen Investitionsnach-
Befürchtung einer durch die angebliche Kreditvergaberestrik-
frage. Letztere scheint allmählich Tritt zu fassen – eine Entwick-
tion ausgelösten „Kreditklemme“ ist nicht gegeben. Der Grund
lung, die mich zuversichtlich stimmt. Wir gehen für das Jahr 2005
ist ein anderer: Die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft sind
deshalb mit einer realen Zunahme des Bruttoinlandsprodukts in
das Resultat der jüngsten Entwicklung hin zu einer verstärkt wert-
Höhe von 1,9 % aus.
schöpfungsintensiven Produktion im Inland. Die Folge: Gerade die verstärkte Produktionsverschiebung der vorgelagerten Wert-
Wie kann die Politik diese positive Entwicklung unterstützen –
schöpfungsketten ins Ausland hat die dortige Nachfrage nach
und sie für die Lösung der Beschäftigungssituation und die Ver-
deutschen Produkten durch einen zunehmend niedrigeren Anteil
besserung der Staatsfinanzen nutzen?
an in Deutschland erwirtschafteter Wertschöpfung belebt. Dieser Prozess birgt in Zukunft Gefahren: Im Extremfall droht der all-
Dr. Udo Schlipf: Vielerorts werden Maßnahmen für die Sicherstel-
mähliche Verlust der industriellen Basis mit der Folge des Ver-
lung des privaten Konsums gefordert. Ohne Frage: In der momen-
lustes von Arbeitsplätzen im Inland. Dies könnte die zentrale Er-
tanen Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte drückt sich
klärung sein, weshalb die weltwirtschaftliche Dynamik nicht mit
der Einfluss der niedrigen Nettoeinkommenszuwächse in Verbin-
einer analog anziehenden Inlandsbeschäftigung einhergehen wird.
dung mit Arbeitslosigkeit und der Verunsicherung der Arbeitsplatz-
Die boomende Exportentwicklung ist ein Indiz dafür, dass die
sicherheit aus. Denken Sie nur an die jüngsten Diskussionen um die
strukturellen Probleme differenzierter sind als vielerorts disku-
Beschäftigungspolitik deutscher Großunternehmen im Herbst letz-
tiert und angenommen.
ten Jahres! Verschlechterte Einkommenserwartungen werden sich zwangsläufig in einer anhaltenden Konsumzurückhaltung mani-
Herr Eckner, wir sprechen die ganze Zeit von der Exportabhängig-
festieren. Besser ist es jedoch, Voraussetzungen dafür zu schaffen,
keit der deutschen Wirtschaft. Da lohnt sich der Blick auf die Welt-
alle wachstumsrelevanten Faktoren zu forcieren. Dazu gehören
konjunktur. Was erwarten Sie da?
sicherlich auch zunächst zurückhaltendere Lohnsteigerungserwartungen und eine stärkere Flexibilität im Hinblick auf Mehr-
Gunter Eckner: Grundsätzlich ist bei unveränderten geopolitischen
arbeit ohne Lohnausgleich. Die diskutierte Einführung von Min-
Risiken und voraussichtlich hohen Öl- und Rohstoffpreisen mit einer
destlöhnen ist aus diesem Blickwinkel sicherlich kontraproduktiv.
Abschwächung, jedoch nicht mit einem Einbruch der Weltkonjunktur
Zusätzlich könnte neben kapital- und gewinnbeeinflussenden Kom-
zu rechnen. In den USA wird die Konjunktur durch eine exzessive,
ponenten für eine wachstums- und beschäftigungsfördernde Ent-
langfristig riskante Defizitpolitik in Schwung gehalten. Anhaltend
wicklung insbesondere auch ein verstärktes Augenmerk auf das
starkes Wachstum in China, eine nachhaltige Wiederbelebung der
Bildungssystem positiv Einfluss nehmen. Die Mängel sind unüber-
Wirtschaft Japans sowie die Wachstumsimpulse der neuen Märkte
sehbar, die jüngsten Studien belegen diese These. Auch hier sind
in Übersee und Osteuropa bilden die Eckpfeiler für einen mode-
Reformen im Schul- und Universitätssystem unter Einbindung
raten Aufschwung im Euro-Raum.
eines flächendeckenden höheren Leistungsniveaus von zentraler
Mit der Wiederwahl von Präsident Bush sind die wirtschaftspo-
Bedeutung. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage nach der
litischen Weichenstellungen in den USA fixiert: Die Fiskalpolitik
Finanzierung. Um es vorwegzunehmen: Zukünftig wird – und das
bleibt unter Inkaufnahme weiter anschwellender Haushaltsdefi-
zeigt die aktuelle Entwicklung bei Studiengebühren – nicht nur im
zite expansiv. Begleitet werden die Ausgabenprogramme von einer
Bildungssystem eine verstärkte Eigenbeteiligung aller unumgäng-
Geldpolitik, die stabilem Wirtschaftswachstum mehr Gewicht zu-
lich sein. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine
billigt als der präventiven Inflationsverhütung. So wird die FED
Bemerkung bezüglich der vielerorts geäußerten These, die re-
zwar die Leitzinsen in kleinen Schritten anheben, dabei aber dem
striktive Kreditvergabepolitik der Banken sei verantwortlich für
Markt stets signalisieren, dass sie die Zinsen lediglich auf ein kon-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
125
33
WERTE 01/2005
Mehrwer te schaf fen in Deutschland: Licht und Schatten in 2005 – Quo vadis Konjunktur?
tuellen Konjunkturzyklus der Zenit des Wirtschaftswachstums in
werden. Der in den vergangenen Jahren begonnene und teil-
den USA überschritten wurde, kann 2005 dennoch ein sehr solides
weise beachtliche Schuldenabbau sollte sich fortsetzen und sich
Wachstum erwartet werden.
positiv auswirken. Auch das zuletzt geringe Interesse an Aktien
In Europa sind die Konjunkturperspektiven bescheidener. Das
könnte sich bei einer Erholung der Börse als Pluspunkt erweisen.
Wachstum in Deutschland wird von Strukturschwächen gehemmt,
Während Aktien bei institutionellen Anlegern nach einem starken
die unter dem harten Druck des internationalen Wettbewerbs noch
Abbau der Aktienquote eher gemieden wurden, standen Bonds und
konsequenter bekämpft werden müssen. Bislang sind die Impul-
Unternehmensanleihen stark im Vordergrund. Aufgrund der zuletzt
se des Exportbooms nicht auf die Inlandskonjunktur übergesprun-
recht mageren Renditen bei Staatsanleihen sowie des markant ge-
gen. Neben der Konsumschwäche ist seit längerem eine starke In-
schrumpften Zinsvorteils für Unternehmensanleihen geben wir
vestitionszurückhaltung bei den Unternehmen zu beklagen. Auf der
Aktien den Vorzug. Solange die Renditen – wie von uns erwartet –
anderen Seite macht sich derzeit ein wieder steigendes Interesse
nur moderat anziehen, dürfte dies den Aktienmarkt nicht wesentlich
von Ausländern an Investitionen in Deutschland bemerkbar. Offen-
belasten. Beim DAX ist angesichts der Unsicherheitsfaktoren
sichtlich wecken die Chancen eines verstärkten Reformprozesses
Irak-Konflikt und Ölpreis sowie US-Defizite und US-Dollar zeit-
die Erwartung einer mittelfristig wieder dynamischer wachsenden
weise mit deutlichen Rückschlägen zu rechnen. Aus heutiger Sicht
Volkswirtschaft. Daher bestehen gute Chancen, dass sich die In-
scheint 2005 dennoch ein Kursniveau bis ca. 4700 Punkten im
vestitionsmöglichkeit 2005 spürbar belebt. Dagegen könnte eine
DAX erreichbar.
Fortsetzung der Dollarschwäche – vor allem bei einem weiteren Einbruch – die konjunkturelle Entwicklung belasten.
Was raten Sie, Herr Dr. Schimpf, in einem derartigen ökonomischen Umfeld Ihren Kunden?
Und was erwartet uns an der Börse? Dr. Udo Schlipf: Hierzu machen wir grundsätzlich keine pauschaGunter Eckner: Wir rechnen am Aktienmarkt 2005 mit einer leicht
len Aussagen. Wichtig ist, dass in dem beschriebenen Umfeld für
positiven Grundtendenz. Europäische Aktien – insbesondere bei
den langfristigen Erfolg der Vermögenssituation individuell die
Berücksichtigung der relativ hohen Dividendenrenditen und der
Strukturierung der Vermögenspositionen und deren Gewichtung
niedrigen Kurs-/Gewinn-Verhältnisse – können als ausgesprochen
von entscheidender Bedeutung sind. Erst nach einem ausführ-
günstig bewertet eingestuft werden. Der Aktienmarkt dürfte 2005
lichen Beratungsgespräch – und diese Zeit sollten wir uns nehmen –
auch von der verbesserten Finanzsituation der meisten börsenno-
kann unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Kun-
tierten Unternehmen profitieren, die ihre liquiden Mittel für er-
den eine optimale Zusammensetzung seiner Vermögensdisposition-
höhte Dividendenausschüttungen oder Aktienrückkäufe nutzen
en vorgenommen werden.
GUNTER ECKNER, 48
DR. UDO STEFAN SCHLIPF, 40
Portfoliomanagement Diplom-Volkswirt
Privatkundenmarketing Diplom-Volkswirt MBA
Gunter Eckner startete seine Karriere nach dem Studium in Göttingen im Dresdner-Bank-Konzern. 1986 wechselte er zur BW-Bank, wo er sich in einem berufsbegleitenden DVFA Post-Graduate-Studium an der TH Darmstadt zum Investmentanalyst/DVFA weiterbildete. Seit 2000 ist er stellvertretender Direktor und in dieser Funktion der Leiter Research im Ressort Portfoliomanagement.
Abbildung 55: (aus BW Privat, Nr. 1/2005)
Dr. Udo Stefan Schlipf war nach seinem Studium mehrere Jahre als VermögensManager tätig. Seit Mai 2000 leitet er als Abteilungsdirektor die Abteilung BW-Privat. In seine Abteilung gehören die fachliche Koordination der Bereiche Kredit- und Wertpapiergeschäft sowie die Verkaufsförderung im gehobenen Privatkundengeschäft.
126
6.4
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank
6.4.1 Wirkungsweise geldpolitischer Maßnahmen Für die Beeinflussung der Kreditgewährung und Giralgeldschöpfung ist der Bedarf der Banken an Zentralbankgeld als Ausgangslage anzusehen. Dies ist unmittelbar logisch: Die Kreditinstitute müssen jederzeit darauf vorbereitet sein, dass sich die Kunden ihre Einlagen, welche von den Banken wiederum nicht jederzeit verfügbar sind, zu jedem beliebigen Zeitpunkt wieder auszahlen lassen. Deshalb sind die Kreditinstitute dazu verpflichtet, stets einen Teil ihrer Einlagen als Guthaben im Eurosystem als Mindestreserve zu unterhalten. Da das Zentralbankgeld von den Banken nicht selber geschaffen werden kann, müssen sich letztere im Falle von Liquiditätsengpässen diese von der Zentralbank besorgen. Somit stellt das Monopol der Zentralbank den notwendigen Hebel dafür dar, auf die Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute Einfluss nehmen zu können. Allerdings steht es den Kreditinstituten im Falle von Liquiditätsengpässen frei, sich die notwendigen Mittel auch bei anderen Kreditinstituten zu besorgen, sofern diese die notwendige überschüssige Liquidität besitzen sollten. Der ökonomische Ort bzw. Markt, der den kurzfristigen Ausgleich von Liquiditätsüberschüssen und -defiziten ausgleicht, wird bekanntermaßen als Geldmarkt bezeichnet. Analog dem Devisenmarkt ist dieser Markt nicht an einen bestimmten Ort gebunden, sondern vielmehr werden die Zentralbankguthaben über den Telefonverkehr bzw. über elektronische Systeme unter den Kreditinstituten gehandelt. Sie erinnern sich: Hierbei werden unterschiedliche Laufzeiten unterschieden. Je nach Fristigkeit unterscheidet man hierbei Märkte für Tagesgeld, Monatsgeld, Dreimonatsgeld usw., wobei eine zentrale Rolle hierbei insbesondere das Tagesgeld spielt. Durch die zentrale Bedeutung der Zentralbank für die Refinanzierungsmöglichkeiten der Kreditinstitute werden sich die Sätze somit in starkem Maße nach den Bedingungen richten, zu welchen die Notenbank den Kreditinstituten Zentralbankguthaben anbieten will. Das Zinsniveau wird umso höher sein, je knapper und damit auch teurer die Zentralbankguthaben im Direktverkehr mit der Notenbank sind. Je reichlicher und damit zinsgünstiger diese dagegen von der Notenbank angeboten werden, desto billiger werden diese am Geldmarkt auch gehandelt. Die monetären Bedingungen für die Wirtschaft, welche von der Zentralbank gesteuert werden, können dabei insbesondere über die kurzfristigen Zinsen beeinflusst sein. Allerdings folgen die kürzerfristigen Zinsen an Geld- und Kapitalmarkt in der Regel den Geldmarktzinsen. Die Knappheitsverhältnisse und die Geldmarktzinsen bleiben dabei nicht ohne Auswirkungen auf die Zinsen im Einlagen- und Kreditgeschäft der Geld- und Kreditinstitute mit Nichtbanken. Im Falle einer Erhöhung der Notenbankzinsen sehen sich die Geld- und Kreditinstitute einer verteuerten Refinanzierung ausgesetzt. Diese werden sie in Form von höheren Kreditzinsen an ihre Kunden weitergeben und gleichzeitig in Form von höheren Einlagenzinsen verstärkt Kundengelder an sich zu binden versuchen. Da gleich-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
127
zeitig bei weiteren Kreditzinssteigerungen die potenziellen Kreditnehmer befürchten müssen, dass die ausgeliehenen Gelder auf Dauer unter Umständen weniger Ertrag bringen als diese kosten, werden Geschäfte, die sich derzeit gerade noch lohnen, für die Kreditnehmer zunehmend uninteressant. Die Folge: Die Kreditvergabe geht aufgrund der gestiegenen Zinsen zurück. Zusätzlich schränken die Kreditinstitute im Umfeld gestiegener Zinsen den Wertpapiererwerb ein, weil steigende Zinsen sinkende Wertpapierkurse bedeuten und damit per Saldo einen Wertverlust des Wertpapierbestandes bewirken. Dadurch übertragen sich Zinssteigerungen vom Geldmarkt sukzessive auch auf die länger- und langfristigen Geld- und Kapitalmärkte. Allerdings ist dieser Effekt in der Praxis nicht immer eindeutig in diese Richtung zu beobachten. Im Falle einer nachhaltig boomenden Konjunktursituation sind die Ertragserwartungen bei Investitionsvorhaben in der Regel so günstig und gewinnversprechend, dass die Investoren sich in dieser Phase von steigenden Zinsen in Bezug auf Erweiterungsinvestitionen meist noch nicht abhalten lassen. Dadurch ist auch zu erklären, weshalb sich in der Praxis die Investoren trotz möglicherweise bereits erfolgter Zinserhöhungen bei einer weiteren Nachfrage nach Kapital zu diesem Zeitpunkt auch von steigenden Zinsen nicht abschrecken lassen. Überdurchschnittliche Auslastungsgrade der Produktionskapazitäten, verbunden mit steigenden Inflationsraten führen dazu, dass die Kapitalanleger gleichzeitig auf den Geld- und Kapitalmärkten weitere Zinsaufschläge, gewissermaßen als zusätzliche „Inflationsprämie“ zum Ausgleich des absehbaren Substanzverlustes verlangen, um weiterhin das zur Verfügung gestellte Kapital bereitstellen zu können. Darüber hinaus kann sich der Kapitalmarkt zwischenzeitlich durch die sich ständig fortschreitende weltweite Globalisierung auch von ausländischen Einflüssen, insbesondere aber von der weltweit größten Volkswirtschaft, der „Ökonomie dominante“ USA, kaum mehr von den dort herrschenden Entwicklungen an den Geld- und Kapitalmärkten nennenswert abkoppeln. Kommt es an diesen Märkten mehr oder weniger zu Zinsausschlägen, so hat dies unmittelbar zur Folge, dass sich dies auf die europäischen Märkte ebenfalls durchschlagen wird, wenngleich zumindest mittel- und langfristig wieder die nationalen Wachstums- und Inflationsperspektiven Oberhand gewinnen dürften. Hierdurch wird auch deutlich, weshalb die Geldpolitik gut beraten ist, aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten durch eine überzeugende Stabilitätspolitik dauerhaft Vertrauen an den Märkten zu genießen.
Notwendigkeit einer stabilitätsorientierten Geldpolitik der Zentralbank Nur durch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik ist es dauerhaft möglich, zu niedrigen kurz- und langfristigen Zinsen beizutragen, welche für ein inflationsfreies und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, verbunden mit einer hohen Beschäftigung und einer ausgeglichenen Leistungsbilanz, notwendig sind. Verliert die Binnenwährung dagegen an Vertrauen, so ergeben sich die folgenden zwingenden Konsequenzen:
128
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank
■
die Unmöglichkeit eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums (durch geringeres Wachstum, ausgelöst durch steigende Zinsen durch Kapitalknappheit und sinkende Investitionen)
■
höhere Inflationsraten (ausgelöst durch Kostendruckinflation durch Abwertungen der eigene Währung)
■
eine steigende Arbeitslosigkeit bzw. eine geringere Beschäftigung, ausgelöst durch zu geringes Wirtschaftswachstum
■
eine steigende Staatsverschuldung, ausgelöst durch ein geringeres Wirtschaftswachstum, verbunden mit geringen Steuereinnahmen und höheren Ausgaben in den Sozialversicherungssystemen.
6.4.2 Einsatz der geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) Im Zentrum der geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) steht die Offenmarktpolitik (s. Abschnitt 5.2.1).
Offenmarktpolitik Als „Offenmarktpolitik“ bezeichnet man den An- und Verkauf von Wertpapieren „am offenen Markt“ durch die Zentralbank. Hierbei wendet sich die Zentralbank an den „anonymen“ Markt und betreibt dabei einen Handel mit kurz- und langlaufenden Wertpapieren. Beim Kauf von Wertpapieren wird darüber hinaus zwischen sogenannten „Outright-Geschäften“ und Offenmarktgeschäften mit einer Rückkaufvereinbarung unterschieden. Bei sogenannten „Outright-Geschäften“ ist das Geschäft endgültig, das heißt dauerhaft abgeschlossen. Bei Wertpapiergeschäften mit Rückkaufvereinbarungen dagegen muss sich die verkaufende Bank dazu verpflichten, diese Wertpapiere nach Ablauf einer zuvor festgelegten Frist (zum Beispiel nach 30 Tagen) wieder zurückzunehmen. Da hierbei gewissermaßen die Wertpapiere „in Pension“ genommen werden, werden im Fachjargon diese Geschäfte auch als „Wertpapierpensionsgeschäfte“ bezeichnet. Im Gegensatz zu einem endgültigen Ankauf von festverzinslichen Wertpapieren haben Wertpapierpensionsgeschäfte den großen Vorteil, dass sie auf die Kurse der Wertpapiere keinen Einfluss ausüben und darüber hinaus durch diese Geschäfte den Kreditinstituten nur für einen begrenzten Zeitraum Liquidität zur Verfügung gestellt wird, womit Wertpapierpensionsgeschäfte für die Bereitstellung von Zentralbankguthaben über eine sehr hohe Flexibilität verfügen, da hierbei die Initiative immer von der Zentralbank ausgeht. Mithilfe dieser befristeten Transaktionen kann also die Zentralbank die Zinsen sowie die Liquidität am Geldmarkt steuern und gleichzeitig die für die Wirtschaftssubjekte wichtigen Signale über den weiteren geldpolitischen Kurs senden.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
129
Hauptrefinanzierungsgeschäfte Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind zum einen Wertpapierpensionsgeschäfte oder im Falle der Bundesrepublik Deutschland auch eine mit Wertpapieren abgesicherte Kreditvergabe der Notenbank an die Kreditinstitute. Im letzteren Falle nimmt die Zentralbank die notenbankfähigen Aktiva zum Pfand herein und kauft sie nicht an. Über diese im Ausschreibungsverfahren durchgeführten siebentägigen Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden den Kreditinstituten etwa drei Viertel des Refinanzierungsvolumens zur Verfügung gestellt.
Basistender Einmal im Monat wird den Kreditinstituten ein Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit von drei Monaten angeboten, welches ihnen ermöglicht, eine etwas längere Zentralbankgeldversorgung zu erhalten und somit eine bessere Planungssicherheit zu erreichen, wodurch eine gewisse Verstetigung des Geldmarktes erlangt wird.
Mengentender
Ständige Fazilitäten
Offenmarktgeschäft
Transaktionsart Geldpolitische Geschäfte
Liquiditätsbereitstellung
Liquiditätsabschöpfung
Laufzeit
Rhythmus
Verfahren
Hauptrefinanzierungsinstrument
• befristete Transaktionen
-
• eine Woche
• wöchentlich
• Standardtender
Langfristige Refinanzierungsgeschäfte
• befristete Transaktionen
-
• drei Monate
• monatlich
• Standardtender
• befristete Transaktionen • Devisenswaps
• Devisenswaps • Hereinnahme von • nicht Termineinlagen standardisiert • befristete Transaktionen
• unregelmäßig
• Schnelltender • bilaterale Geschäfte
• definitive Käufe
• definitive Verkäufe
-
• unregelmäßig
• bilaterale Geschäfte
Strukturelle Operationen
• Emissionen • befristete von SchuldverTransaktionen schreibungen • definitive Käufe • definitive Verkäufe
• standardisiert/ nicht standardisiert
• regelmäßig und unregelmäßig • unregelmäßig
• Standardtender • bilaterale Geschäfte
Spitzenrefinanzierungsfazilität
• befristete Transaktionen
-
• über Nacht
• Inanspruchnahme auf Initiative der Geschäftspartner
Einlagenfazilität
-
• Einlagenannahme
• über Nacht
• Inanspruchnahme auf Initiative der Geschäftspartner
Feinsteuerungsoperationen
Abbildung 56: Überblick über die geldpolitischen Instrumente der EZB
130
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank
Sowohl die Hauptrefinanzierungsgeschäfte als auch die Basistender werden den Kreditinstituten im Ausschreibungsverfahren angeboten. Zwei unterschiedliche Verfahren werden hierbei unterschieden: Beim sogenannten „Mengentender“ wird der Zins durch die EZB festgelegt. Die Kreditinstitute nennen dabei in ihren Geboten lediglich die Beträge, welche sie zu den vorgegebenen Konditionen abzunehmen bereit sind. In diesem Fall teilt die EZB den Kreditinstituten dann denjenigen Betrag zu, wobei Einzelgebote gleichmäßig bedient oder in einem gleichen quotalen Verhältnis „repartiert“ werden. Im Gegensatz dazu müssen bei einem „Zinstender“ die Kreditinstitute nicht nur Gebote über die gewünschten Mengen, sondern auch zu dem gewünschten Zins nennen, zu welchem sie die Refinanzierungsgeschäfte abzuschließen bereit sind. Bei hohen Zinsangeboten bestehen dann gute Chancen einer vollen Zuteilung. Bei niedrigen Zinsgeboten besteht dagegen die Gefahr, nicht zum Zuge zu kommen. In der Praxis setzt die EZB in der Regel den Zinstender ein, wodurch die Zinsfindung durch den Markt geregelt wird. Gleichzeitig können auf diese Weise keine geldpolitischen Signale abgeleitet werden.
Zinskanal im Eurosystem: Durch diese geldpolitischen Instrumentarien wird erreicht, dass sich ein Zinskanal ergibt, welcher durch die Zinsen der Spitzen- und Einlagenfazilität begrenzt ist. Im Wesentlichen wird der Satz maßgeblich durch die Hauptrefinanzierungsfazilität bestimmt, weil den Kreditinstituten hierüber die meiste Liquidität zur Verfügung gestellt wird.
Mindestreserven Mit den Mindestreserven wird gewissermaßen der Rahmen für den Einsatz der zuvor dargestellten geldpolitischen Operationen des Eurosystems gelegt. Ziel ist es, die Geldmarktsätze zu stabilisieren und eine strukturelle Liquiditätslücke der Kreditinstitute herbeizuführen oder gar zu vergrößern. Diese Reservepflicht der Kreditinstitute richtet sich zum einen nach der Höhe der Nichtbankeneinlagen, zum anderen aber auch nach dem Mindestreservesatz, der vom EZB-Rat einheitlich auf zwei Prozent festgelegt wurde. Diese Mindestreserve ist für täglich fällige Einlagen, Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit bzw. Kündigungsfrist von bis zu zwei Jahren, Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie Geldmarktpapiere zu halten. Alle übrigen Bankverbindlichkeiten unterliegen derzeit einem Mindestreservesatz von Null. Wurden im System der Deutschen Bundesbank bislang die Mindestreserven zinslos hinterlegt, so werden diese zwischenzeitlich im Eurosystem zum Hauptrefinanzierungssatz verzinst. Damit haben die deutschen Banken – im Gegensatz zu früher – durch dieses In-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
131
strumentarium keine Zinsverluste. Wettbewerbsnachteile gegenüber Kreditinstituten außerhalb des Euroraumes gehören damit zwischenzeitlich der Vergangenheit an.
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
V. Mindestreserven 1. Reservesätze Deutschland
Europäische Währungsunion
% der reservepflichtigen Verbindlichkeiten
% der Reservebasis 1)
Sichtbefristete verbindlichkeiten Verbindlichkeiten Spareinlagen
Gültig ab: 1995 1. August
2
2
1,5
Gültig ab:
Satz
1999 1. Januar
2
1 Art. 3 der Verordnung der Europäischen Zentralbank über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (ohne die Verbindlichkeiten, für die gemäß Art. 4 Abs. 1 ein Reservesatz von 0 % gilt).
2. Reservehaltung in Deutschland bis Ende 1998 − gemäß der Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven (AMR) − Mio DM Überschussreserven 4)
Reservepflichtige Verbindlichkeiten Durchschnitt im Monat 1) 1995 Dez. 1996 Dez. 1997 Dez. 1998 Dez.
Sichtverbindlichkeiten
insgesamt 2 066 565 2 201 464 2 327 879 2 576 889
befristete Verbindlichkeiten
579 337 655 483 734 986 865 444
Reserve-Soll 2)
Spareinlagen
519 456 474 342 476 417 564 878
967 772 1 071 639 1 116 477 1 146 567
1 Gemäß §§ 5 bis 7 der Anweisung der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven (AMR). — 2 Betrag nach Anwendung der Reservesätze auf die reservepflichtigen Verbindlichkeiten (§ 5 Abs. 1 AMR). — 3 Durchschnittliche
Ist-Reserve 3)
36 492 38 671 40 975 45 805
Betrag
37 337 39 522 41 721 46 432
Summe der Unterschreitungen des Reserve-Solls
in % des Reserve-Solls 845 851 745 627
2,3 2,2 1,8 1,4
3 4 3 4
Guthaben der reservepflichtigen Kreditinstitute auf Girokonten bei der Deutschen Bundesbank. — 4 Ist-Reserve abzüglich Reserve-Soll.
3. Reservehaltung in der Europäischen Währungsunion − ab 1999 gemäß der EZB-Verordnung über Mindestreserven nach Art. 19.1 EZB/ESZB-Statut − Erfüllungsperiode beginnend im Monat 1)
Reserve-Soll vor Abzug des Freibetrages 3)
Reservebasis 2)
Reserve-Soll nach Abzug des Freibetrages
Freibetrag 4)
Guthaben der Kreditinstitute auf Girokonten 5)
Summe der Unterschreitungen des Reserve-Solls 7)
Überschussreserven 6)
Europäische Währungsunion (Mrd €) 2005 Nov. Dez.
7 624,2 7 687,9
152,5 153,8
0,5 0,5
152,0 153,3
153,0 154,1
1,0 0,8
0,0 0,0
2006 Jan. Febr. März
7 758,3 7 908,7 7 969,3
155,2 158,2 159,4
0,5 0,5 0,5
154,7 157,7 158,9
155,4 158,3 159,5
0,7 0,6 0,6
0,0 0,0 0,0
8 045,3 8 154,9 ...
160,9 163,1 ...
0,5 0,5 ...
160,4 162,6 165,6
161,2 163,3 ...
0,8 0,7 ...
0,0 0,0 ...
...
...
...
...
...
...
...
April Mai Juni p) Juli p)
Darunter: Deutschland (Mio €) 2005 Nov. Dez.
1 962 969 1 953 946
39 259 39 079
204 203
39 056 38 875
39 343 39 246
287 371
2 1
2006 Jan. Febr. März
1 974 075 1 977 327 1 984 283
39 481 39 547 39 686
203 203 203
39 278 39 343 39 483
39 573 39 581 39 699
295 238 216
1 1 0
2 003 934 2 026 250 2 050 379
40 079 40 525 41 008
203 203 203
39 876 40 322 40 805
40 177 40 647 ...
301 325 ...
0 0 ...
2 060 073
41 201
203
40 999
...
...
...
April Mai Juni p) Juli p)
1 Ab März 2004 beginnt die Erfüllungsperiode am Abwicklungstag des Hauptrefinanzierungsgeschäfts, das auf auf die Sitzung des EZB-Rats folgt, in der die monatliche Erörterung der Geldpolitik vorgesehen ist. — 2 Art. 3 der Verordnung der Europäischen Zentralbank über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (ohne die Verbindlichkeiten, für die gemäß Art. 4 Abs. 1 ein Reservesatz von 0 % gilt). — 3 Betrag nach Anwendung der Reserve-
Abbildung 57: Mindestreservesätze im Eurosystem
sätze auf die Reservebasis. — 4 Art. 5 Abs. 2 der Verordnung der Europäischen Zentralbank über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht. — 5 Durchschnittliche Guthaben der Kreditinstitute bei den nationalen Zentralbanken. — 6 Durchschnittliche Guthaben abzüglich Reserve-Soll nach Abzug des Freibetrages. — 7 Reserve-Soll nach Abzug des Freibetrages. —
132
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank
6.4.3 Der Transmissionsmechanismus in der Wirtschaft Durch den Einsatz der geldpolitischen Instrumentarien möchte die Zentralbank bestimmte Wirkungen entsprechend ihrer geldpolitischen Zielsetzungen erreichen. Doch wie sieht nun der Zusammenhang zwischen dem Instrumenteneinsatz und den Auswirkungen auf die Zielgrößen aus? Hierbei ist nun besonderes Augenmerk auf den sogenannten „Transmissionsmechanismus“ zu richten. Der Transmissionsmechanismus beschreibt eine Vorstellung über den Einsatz der geldpolitischen Instrumente und den dadurch ausgelösten Veränderungen im realwirtschaftlichen Bereich auf Investitionen, Konsum, Beschäftigung, reales Bruttoinlandsprodukt sowie die Inflationsrate.
Abbildung 58: Transmissionsmechanismus geldpolitischer Instrumente durch die Wirtschaft
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
133
6.4.4 Geldpolitik und Preisentwicklung im Euroraum Zwar werden die geldpolitischen Entscheidungen ausschließlich durch den EZB-Rat getroffen, die Durchführung der Geldpolitik liegt jedoch weitestgehend in der Verantwortung der nationalen Notenbanken. Bei den nationalen Notenbanken werden die Zentralbankkonten der Kreditinstitute geführt und damit auch die Mindestreserven unterhalten. Die Hauptrefinanzierungs-, die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, die strukturellen Operationen und auch die Feinsteuerungsmaßnahmen werden über die nationale Notenbank des Eurolandes abgewickelt. Ebenfalls unterliegen die Fazilitäten der ständigen Verwaltung der jeweiligen nationalen Notenbanken. Bitte erinnern Sie sich an die Ausführungen zur „Fisherschen Quantitätstheorie“ in Abschnitt 2.3.3. Auf lange Sicht wird die Entwicklung des Preisniveaus letztendlich von der Entwicklung der Geldmenge beeinflusst. Zwar kann kurzfristig eine Erhöhung der Inflationsrate unterschiedliche Ursachen haben, langfristig kann sich aber ohne eine übermäßige Geldvermehrung, welche sich oberhalb der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes bewegt, ein dauerhafter inflationärer Prozess nicht ergeben. Steigende Preise müssen „finanziert“ werden. Deshalb ist eine Knappheit der Geldmenge zwar keine hinreichende Bedingung für eine anhaltende Preisniveaustabilität, in jedem Falle aber eine notwendige Bedingung hierfür.
6.5
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
6.5.1 IS-/LM-Diagramm Im folgenden Abschnitt leiten wir die Gütermarktgleichgewichtskurve ab, welche auch als IS-Kurve bezeichnet wird. Die IS-Kurve beschreibt alle Kombinationen von Marktzinssatz und Bruttoinlandsproduktniveau, bei denen der Gütermarkt im Gleichgewicht ist.
Definition: Gleichgewicht auf dem Gütermarkt Das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt repräsentiert Kombinationen von Marktzinssätzen und Volkseinkommensniveaus, bei welchen die geplanten Ausgaben der Volkswirtschaft mit den Einkommen übereinstimmen.
134
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Investieren und Zinssatz Annahmen: ■
Die gewünschten und geplanten Investitionen sind um so niedriger, je höher die Zinssätze sind.
■
Umgekehrt macht ein niedriger Zinssatz Investitionsausgaben profitabler und spiegelt sich deshalb in einer hohen geplanten Investitionsnachfrage wider.
Investitionsausgabenfunktion:
I = Ia – b • i Es gilt hierbei: I:
geplante Investitionsausgaben
i:
Zinssatz
b:
Zinsreagibilität der Investitionen
Ia:
autonome Investitionsausgaben
Zinssatz (Prozent/Jahr)
Die Investitionsfunktion setzt sich somit aus autonomen als auch zinsabhängigen Einflussfaktoren zusammen. Die oben genannte Gleichung besagt also, dass die geplanten Investitionen um so höher ausfallen werden, je niedriger der aktuelle Marktzinssatz ist. Fällt der Wert der Zinsreagibilität der Investitionen dabei relativ hoch aus, so erzeugt bereits ein relativ kleiner Anstieg des Marktzinssatzes einen relativ großen Rückgang der Investitionsausgaben.
B
Kurve der Investitionsnachfrage
20
M´
10
M
5
0
10
20
30
40
50
60
Investitionsausgaben
Abbildung 59: Marktzinssatz und Investitionsausgaben
70
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
135
Die Steigung der Investitionsausgabenkurve wird wie erläutert durch die Zinsreagibiliät der Investitionen beeinflusst. Sind also die Investitionen sehr zinsempfindlich, so wird bereits ein geringes Sinken des Marktzinssatzes zu einem verhältnismäßig großen Anstieg der Investitionen führen. In diesem Falle wird die Kurve relativ flach verlaufen. Umgekehrt wird die Kurve nahezu einen vertikalen Verlauf aufweisen, sofern die Investitionen nur sehr schwach auf sich ändernde Zinssätze reagieren. Verändern sich die autonomen Investitionsausgaben, so wird sich die Investitionskurve parallel verschieben. Erhöhen sich die autonomen Investitionen, so bedeutet dies ökonomisch, dass die Unternehmen bei jedem beliebigen Zinsniveau grundsätzlich mehr investieren. In diesem Falle verschiebt sich die Investitionskurve parallel nach rechts.
IS-Kurve Das gesamtwirtschaftliche (Volks-)Einkommen bzw. das Sozialprodukt in einer geschlossenen Volkswirtschaft stimmt mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage überein und setzt sich von der Verwendungsseite aus dem privaten Konsum C, den privaten Investitionsausgaben I sowie den Staatsausgaben G zusammen. Wie zuvor dargestellt ist die Höhe der Investitionen nicht autonom zu betrachten, sondern wird durch das Marktzinsniveau maßgeblich beeinflusst. Es gilt somit
Y = C + Ia – b • i + G
(1)
Auch die Höhe des privaten Konsums ist keinesfalls konstant, sondern vielmehr von der Höhe des Volkseinkommens abhängig. Dies ist auch unmittelbar einsichtig und in der Realität nachvollziehbar: Länder mit einem vergleichsweise hohen Sozialprodukt weisen ein ungleich höheres Konsumniveau auf als Länder mit einem unterdurchschnittlichen Niveau des Sozialproduktes. Offensichtlich korreliert die Höhe der Konsumausgaben mit der Höhe des Sozialproduktes. Allerdings ist zu beobachten, dass Konsumausgaben grundsätzlich auch einen autonomen Bestandteil aufweisen, welcher also nicht vom Einkommen abhängig ist und als Existenzminimum erklärt werden kann. Die Funkton der Konsumausgaben lässt sich wie folgt definieren:
C = Ca + c • Y
(2)
Ca > 0; 0 < c < 1
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kann also wie folgt erweitert werden:
Y = Ca + c • Y + Ia – b • i + G
(3)
136
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
In Abhängigkeit der Marktzinsniveaus i1 und i2 ergeben sich also zwangsläufig unterschiedliche aggregierte Nachfragekurven. Daraus lassen sich verschiedene Kombinationen von Marktzinssätzen und Sozialproduktniveaus ableiten. Die lineare Ableitung dieser Kombinationen, die sich in beliebiger Anzahl fortschreiten lassen würden, nennt man die IS-Kurve.
Definition: IS-Kurve Die IS-Kurve beschreibt diejenigen Kombinationen der Marktzinssätze und Sozialproduktniveaus, bei denen der Gütermarkt ausgeglichen ist, also weder Überschussangebot noch Überschussnachfrage auftritt. Die IS-Kurve ist negativ geneigt, da eine hohe aggregierte Nachfrage aufgrund des Verlaufs der Investitionsausgabenfunktion mit sinkenden Zinsen einhergehen muss.
aggregierte Nachfrage
45° E2
– – A+ cY – bi2 – – A+ cY – bi1
– A– bi2
E1
– A– bi1
0
(a)
Y1
Y2
Y
Einkommen, Output
Zinssatz
i
E1
i1
E2
i2
(b)
IS 0
Y1
Y2
Einkommen, Output
Abbildung 60: Ableitung der IS-Kurve
Y
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
137
6.5.2 Auswirkungen der Geld- und Fiskalpolitik
Einfluss der Geldpolitik Durch den Einsatz von geldpolitischen Instrumentarien wird die Zentralbank entsprechend ihrer geldpolitischen Zielsetzungen Einfluss auf die Märkte nehmen und damit realwirtschaftliche Wirkungen auslösen. In der volkswirtschaftlichen Literatur wird diese Hypothese auch als „Transmissionsmechanismus“ bezeichnet. Hiermit ist gemeint, dass ein Wirkungszusammenhang zwischen dem Einsatz der zuvor vorgestellten geldpolitischen Instrumentarien und den auch herbeigeführten Änderungen im realwirtschaftlichen Bereich (Zinsniveau, Inflationsrate, Konjunktur sowie Wechselkurse etc.) existiert. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Nationalökonomie lange Zeit im Rahmen der klassischen Theorie mit vergleichsweise einfachen Vorstellungen bezüglich dieses Zusammenhangs begnügte. So existierte die grundlegende Vorstellung, dass durch den Preismechanismus zumindest auf längere Sicht stets Vollbeschäftigung entstehen muss. Insofern war schon allein aus dieser Vorstellung heraus, ganz abgesehen von den institutionellen Begrenzungen aus der Sicht der Metallwährungen, der Geldpolitik nur eine sehr geringe Bedeutung zuzuweisen. Nach der Theorie der „Fisherschen Verkehrsgleichung“ bewirken Veränderungen der Geldmenge lediglich eine Einflussnahme auf das zukünftige Preisniveau. Veränderungen der „realen“ Größen, also ein Einfluss auf die Konjunktur und die Beschäftigung, bleibt nach dieser Ansicht davon unberührt. Inzwischen hat sich die Nationalökonomie längst von diesem Ansatz entfernt. Spätestens durch die Liquiditätstheorie des Zinses zeigte der Nationalökonom John Maynard Keynes einen Zusammenhang auf, wie im Gegensatz zu der klassischen Auffassung monetäre Impulse durch die Geldpolitik durchaus auf den realen Sektor übertragen werden können. Diese Effekte können im Rahmen eines IS-/LM-Diagrammes visuell verdeutlicht und nachvollziehbar dargestellt werden.
Durchführung der Fiskal- und Geldpolitik: Einführung in das IS-/LM-Diagramm Am Gütermarkt bzw. auf der realwirtschaftlichen Seite besteht ein Gleichgewicht, wenn das (geplante) güterwirtschaftliche Angebot sowie die (geplante) güterwirtschaftlichen Nachfrage mengenmäßig übereinstimmen. Wichtig hierbei: Beide Größen entsprechen dem Volkseinkommen. Das „güterwirtschaftliche Angebot“ (Y(S)) entspricht dabei dem Sozialprodukt von der Entstehungsseite, die „güterwirtschaftliche Nachfrage“ dem Sozialprodukt von der Verwendungsseite (Y(D)).
138
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Es gilt somit:
Y (S) = Y (D) = Y In den vorangegangenen Abschnitten hatten wir uns ausführlich mit den Sozialproduktkonzepten von der Entstehungs- sowie von der Verwendungsseite auseinandergesetzt. Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank hatten wir dabei die Zusammensetzung der Komponenten des Sozialproduktes der Bundesrepublik Deutschland von der Verwendungsseite betrachtet. Im Folgenden werden wir uns aus Vereinfachungsgründen zunächst auf die Bestandteile Konsum (C) sowie private Investitionen (I) beschränken. Es gilt somit im güterwirtschaftlichen Gleichgewicht:
Y = C + I
(1)
Bekanntermaßen sind Investitionen zinsreagibel, das heißt von der Höhe des Marktzinssatzes abhängig. Es gilt somit:
Y = C (Y) + I (i)
(2)
Darüber stellt die Ersparnis die Differenz zwischen Einkommen und Konsum dar. Es gilt:
S = S (Y)
(3)
In Folge dessen gilt im Gütermarktgleichgewicht:
S (Y) = I (i)
(4)
Wie zuvor dargestellt hatten wir die realistische Annahme getroffen, dass Investitionen grundsätzlich von der Höhe des Marktzinssatzes unmittelbar beeinflusst werden. Je höher der Marktzinssatz, desto teurer werden die kreditfinanzierten Investitionen und umgekehrt. Allerdings werden die Wirtschaftssubjekte gleichzeitig umso mehr Liquidität halten, je höher deren Einkommen ist. Umgekehrt steigen mit steigendem Zinsniveau die Opportunitätskosten der Geldhaltung.
Definition: Opportunitätskosten Wenn knappe Faktoren zur Produktion eines Gutes verwendet werden, so gehen diese zwangsläufig für die Produktion anderer Güter verloren. Auf die Erstellung dieser Güter muss somit notgedrungen verzichtet werden. Opportunitätskosten werden deshalb oftmals auch als Alternativkosten bezeichnet.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
139
Je höher also der Zinssatz am Geldmarkt ist, desto mehr Zinseinnahmen entgehen den Wirtschaftssubjekten, wenn diese ihre überschüssige Liquidität nicht zins- bzw. gewinnbringend am Kapitalmarkt investieren. Ein Gleichgewicht am Geldmarkt ist immer dann gegeben, wenn das Geldangebot M(s) und die Geldnachfrage M(d) übereinstimmen. Es gilt somit:
M(s) = M(d) (Y(n), i) Bitte beachten Sie hierbei: Y(n) stellt das nominale Volkseinkommen dar, welches von der Höhe des Marktzinssatzes maßgeblich beeinflusst wird. Allerdings orientieren sich die Wirtschaftssubjekte regelmäßig an realen Größen, womit das Gleichgewicht stets dann erreicht ist, wenn das reale Geldangebot und die reale Geldnachfrage übereinstimmen. Die Folge: Die nominellen Werte von Geldangebot sowie Geldnachfrage und das nominelle Volkseinkommen sind mit dem Preisniveau zu „deflationieren“.
M(s) / P = M(d) / P (Y, i) Hierbei gilt: M(s):
Nominelles Geldangebot
P:
Preisindex
M(d):
nominelle Geldnachfrage
M(d)/P: reale Geldnachfrage (Nachfrage nach Realkasse)
Herleitung der LM-Kurve Die Geldnachfrage nach Realkasse steigt mit dem Realeinkommensniveau und nimmt ab, wenn das Marktzinsniveau ansteigt. Die Höhe der Nachfrage nach Realkasse wird deshalb wie folgt definiert:
M(d)/P = k • Y – h • i Die Parameter k und h spielen dabei die Sensitivität der Nachfrage nach Realkasse im Hinblick auf das Einkommensniveau bzw. des Marktzinssatzes wider. Diese Nachfragefunktion nach Realkasse impliziert dabei, dass für ein vorgegebenes Einkommensniveau die Menge eine abnehmende Funktion des Marktzinssatzes ist. Die Kosten der Geldhaltung werden nach dem Opportunitätskostengedanken durch den Marktzins vorgegeben, der dem Individuum durch die Entscheidung, Geld anstatt anderer verzinslicher Vermögenstitel zu halten, verloren geht. Je höher dabei der Marktzinssatz ist, desto teurer gegenüber anderen Vermögensanlagen wird es, Geld unverzinslich zu halten. Dementsprechend wird deshalb weniger Kasse zu jedem Einkommensniveau gehalten. Je höher aber
140
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
das Einkommensniveaus ist, desto größer wird die Nachfrage nach Realkasse sein, deshalb wird sich die Nachfragekurve bei einem ansteigenden Einkommensniveaus parallel nach rechts verschieben. Betrachten Sie in diesem Zusammenhang Abbildung 61: In dieser Abbildung sind zwei Nachfragekurven nach Realkasse mit unterschiedlichen Einkommensniveaus abgebildet. Das von der Zentralbank exogen vorgegebene Angebot an Realkasse wird durch eine vertikale Gerade angezeigt. Diese Menge ist gegeben und unabhängig vom Marktzinssatz definiert. Allerdings hat der Marktzinssatz die Eigenschaft, dass dieser den Geldmarkt ausgleicht. Deshalb stellen die Schnittpunkte zwischen den beiden Geldnachfragekurven und der Geldangebotskurve Gleichgewichtspunkte für den Geldmarkt dar. Beim Einkommensniveau Y1 gilt dabei L1 und der Gleichgewichtszinssatz ist i1. Damit erhält man den Punkt E1 auf der LM-Kurve. Beim Einkommensniveau Y2, das größer ist als Y1, ist der gleichgewichtige Zinssatz i2. Dies ergibt den Punkt E2 auf der LM-Kurve.
Definition: LM-Kurve Die LM-Kurve bzw. die Geldmarktgleichgewichtskurve repräsentiert alle Zinssätze und Einkommensniveaus, bei denen die Nachfrage nach Realkasse gleich dem Angebot ist. Entlang der LM-Kurve ist der Geldmarkt im Gleichgewicht. Die LM-Kurve hat eine positive Steigung. Ein Anstieg des Zinssatzes reduziert die Nachfrage nach Realkasse. Um jedoch die Nachfrage nach Realkasse gleich dem festen Angebot zu erhalten, muss das Einkommensniveau zwangsläufig ansteigen. Demgemäß muss ein Geldmarktgleichgewicht implizieren, dass ein Anstieg des Marktzinssatzes von einem höheren Einkommensniveau begleitet wird. Je größer dabei die Empfindlichkeit der Geldnachfrage bezüglich des Einkommens und je niedriger die Empfindlichkeit der Geldnachfrage bezüglich des Zinssatzes, desto steiler wird die LM-Kurve verlaufen.
i
Zinssatz
i2
i1
i
LM E2
i2
E1
i1
E2
E1
L2 L1
0
Y1
Y2
Abbildung 61: Ableitung der LM-Kurve
Y
0
– – M / P
L
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
141
6.5.3 Simultanes Gleichgewicht von Güter- und Geldmarkt Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, repräsentiert die IS-Kurve das Gleichgewicht auf dem Gütermarkt, die LM-Kurve das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht liegt dabei im Schnittpunkt der beiden Kurven. Der dort herrschende Zinssatz sowie das zugehörige Volkseinkommen repräsentiert dann die Zins-/Einkommenskombination, in welcher sowohl der Geld- als auch der Gütermarkt im Gleichgewicht sind. Welche Auswirkungen hat aber nun eine expansive Geldpolitik auf das Geld- und Gütermarktgleichgewicht?
Wirkungen einer expansiven Geldpolitik Eine expansive Geldpolitik führt wie zuvor dargestellt zu einer Rechtsverschiebung der LMKurve. Die Folge: Der Marktzinssatz sinkt, infolgedessen ist mit einer Erhöhung der privaten Investitionstätigkeit zu rechnen. Hierdurch ist eine Erhöhung des realen Volkseinkommens und einer Erhöhung der Beschäftigung in dieser Volkswirtschaft die Folge. Im Falle einer restriktiven Geldpolitik ist von einer genau entgegengesetzten Entwicklung auszugehen. Diese Keynesianische Theorie geht also davon aus, dass prinzipiell eine expansive Geldpolitik als ein probates Mittel zur Expansion des realen Sozialprodukts und damit der Beschäftigungserhöhung anzusehen ist. Keynes selbst stand jedoch gerade dieser Auffassung grundsätzlich skeptisch gegenüber, da der Wirksamkeit der Geldpolitik, im gewissen Umfang aber auch der Fiskalpolitik, einige Argumente entgegenstehen.
Hemmnisse einer wirksamen Geldpolitik Im Konjunkturabschwung • die von der Bundesbank gebotenen Finanzierungsmöglichkeiten werden nicht wahrgenommen • Geldexport • geringe Verschuldungsbereitschaft • fehlender Einfluss auf Export und Importe • verstärkte Reservebildung der Finanzintermediäre
In der Hochkonjunktur • Elastizität des Geldsystems • geringe Zinselastizität der Nachfrage • Verschuldung der Banken und Unternehmer im Ausland • Geldzufluss aus dem Ausland aufgrund relativ hoher Zinsen im Inland oder Aufwertungsspekulation • fehlender Einfluss auf Exporte und Importe • erhöhte Ausleihungen der Finanzintermediäre
Abbildung 62: Hemmnisse der Wirksamkeit von Geld- und Fiskalpolitik
142
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Die Wirkung einer Geldmengenerhöhung auf die Zinshöhe ist umso niedriger, je größer die Zinselastizität der Geldnachfrage ist.
Definition: Zinselastizität der Geldnachfrage Die Zinselastizität der Geldnachfrage gibt an, wie sich die Geldnachfrage proportional verändert, wenn der Zinssatz am Geldmarkt um einen bestimmten Prozentsatz steigt oder fällt. Die Zinselastizität der Geldnachfrage ist für die Beurteilung der Effizienz geldpolitischer Maßnahmen von erheblicher Bedeutung, da bei einer völlig zinsunelastischen Geldnachfrage die Fiskalpolitik zur Wirkungslosigkeit verurteilt ist, wobei andererseits expansive (kontraktive) geldpolitische Maßnahmen über den gesunkenen (gestiegenen) Zinssatz und als Folge davon über die Zinsreagibilität der Investitionsnachfrage erhebliche Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung haben können. Umgekehrt wird bei einer vollkommenen zinselastischen Geldnachfrage nur der Fiskalpolitik Erfolg beschieden sein, da in diesem Fall Geldmengenerhöhungen keine Zinswirkungen auslösen werden, da das gestiegene Geldangebot vollständig von der Geldnachfrage nach Spekulationskasse aufgesogen wird. Die Wirkungsweisen einer Geldmengenerhöhung auf die Höhe des Marktzinssatzes fallen um so geringer aus, je größer dabei die jeweilige Zinselastizität der Geldnachfrage ausfällt. Liegt nun der Extremfall einer absolut zinselastischen Nachfrage nach Geld vor, so kann die Zentralbank auch durch eine extreme Ausdehnung der Geldmenge den Marktzinssatz nicht reduzieren, da jede zusätzliche Geldmengeneinheit nicht mehr als Angebot am Geldmarkt angelegt und damit weiter zinssenkend wirkt. In der Keynesianischen Theorie wird dieser Effekt als „Liquiditätsfalle“ bezeichnet, weil hierdurch eine Ausdehnung der Güternachfrage nicht erreicht werden kann. In diesem Falle verläuft die LM-Kurve also waagrecht.
i
IS
i
IS
LM
LM´
LM
0
0 Y
Liquiditätsfalle
Y
Zinsunelastische Investitionen
Abbildung 63: Liquiditätsfalle und Wirkungslosigkeit einer expansiveren Geldpolitik
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
143
Zinselastizität der Investitionen Auch die Wirksamkeit einer expansiveren Geldpolitik ist von der Höhe der Zinselastizität der Investitionen abhängig.
Definition: Zinselastizität der Investitionen Eine Erhöhung des Marktzinssatzes wird im „Normalfall“ die Geld- und Investitionsnachfrage sinken lassen. Die Zinselastizität der Investitionen gibt an, wie sich die Geldnachfrage für Investitionen prozentual ändern wird, wenn der Marktzinssatz um einen Prozentpunkt ansteigen oder fallen wird. Ist der Wert der Zinselastizität der Investitionen vergleichsweise groß, so reagieren die privaten Investoren entsprechend aktiv auf eine Veränderung des Marktzinssatzes, ausgelöst durch eine veränderte Geldmenge durch die Zentralbank. In diesem Fall ist die Wirksamkeit einer expansiveren Geldpolitik auf die Investitionstätigkeit der privaten Investoren natürlich auch sehr groß. Ist der Wert der Zinselastizität der Investitionen dagegen nur vergleichsweise gering, so ergeben sich im Falle einer expansiveren Geldpolitik auch nur vergleichsweise geringe Chancen auf eine Erhöhung des realen Volkseinkommens verbunden mit einer verbesserten Beschäftigung. Im denkbaren Extremfall von völlig zinsunelastischen Investitionen würde also eine expansive Geldpolitik völlig wirkungslos sein. Die IS-Kurve verläuft in diesem Falle als Senkrechte. Eine durch die expansive Geldpolitik ausgelöste parallele Rechtsverschiebung der LM-Kurve führt dann zwar zu einer Senkung des Marktzinssatzes, allerdings wird diese Zinssenkung nicht von einer Expansion des realen Volkseinkommens sowie einer Beschäftigungsausweitung begleitet.
Quantitätstheorie nach Milton Friedman Die Auffassung, dass eine „übermäßige“ Geldversorgung der Wirtschaft keine realen Effekte auslösen kann und lediglich eine erhöhte Preissteigerungsrate zur Folge hat, hatte jedoch gerade in Zeiten einer erfolglosen Fiskalpolitik wieder eine erhöhte Relevanz erfahren. Wie ist dies zu erklären? Als Protagonist der „Quantitätstheorie des Geldes“ hatte Friedman dargestellt, dass zumindest auf längere Sicht der Quotient aus der Wachstumsrate der Geldmenge pro Produktionseinheit die Inflationsrate bestimmt, eine zu große Geldversorgung stets eine entsprechende Geldentwertung zur Folge haben muss.
144
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Monetarismus und die Geldillusion Definition: Geldillusion: Unter der „Geldillusion“ wird die psychologisch begründete Einstellung zum Geldwert mit besonderem Vertrauen in dessen (scheinbar) objektive Gegebenheit und Stabilität, das heißt das Vertrauen der Wirtschaftssubjekte zum umlaufenden Geld, verstanden. Geldillusion ist die Voraussetzung für eine funktionierende Geldwirtschaft heutiger Prägung mittels der multiplen Geldschöpfungsmechanismen, da dahinter das Vertrauen der Bevölkerung in die durch den Staat geschaffenen und durch seine Autorität abgesicherte Geldordnung steht. Das Konsumentenvertrauen, das ausschließlich an den absoluten Preisen und am Nominaleinkommen, nicht aber an den Relativpreisen und Realeinkommen orientiert ist, wird bei einer Erhöhung des Nominaleinkommens, welches keine Änderungen des Realeinkommens bedeutet, zumindest kurz- bis mittelfristig das Ausgabenverhalten verändern. Auf lange Frist durchschauen die Wirtschaftssubjekte den vermeintlich expansiven Effekt einer zu großzügigen Geldversorgung und richten dementsprechend ihre wirtschaftlichen Aktivitäten darauf ein. Deshalb haben Erhöhungen der Geldmengenwachstumsrate nur temporäre Folgen, also lediglich vorübergehende expansive Wirkungen auf Produktion und Beschäftigung. Hierdurch ist auch zu erklären, weshalb die Geldpolitik zumindest auf lange Sicht nicht auf das mögliche Vorhandensein einer „Geldillusion“ bauen kann. Der bekannte Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman vertritt deshalb die Auffassung, dass dem Zins in Bezug auf die Geldnachfrage in letzter Konsequenz auch nur eine untergeordnete Rolle zukommt, wodurch die „Liquiditätsfalle“ an sich empirisch ohne Belang ist. Die Zentralbank ist zwar in der Lage die nominale Geldmenge zu steuern, die reale Geldmenge wird jedoch ausschließlich durch Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte bestimmt.
Definition: Transmissionsmechanismus der Geldpolitik: In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit dem Transmissionsmechanismus noch einmal eingehender beschäftigen. Der „Transmissionsmechanismus“ beschreibt im Rahmen der monetären Theorie, wie monetäre Impulse auf den realen Sektor übertragen werden. Unbestritten bleibt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass mittels des Einsatzes der geldpolitischen Instrumente durch die Zentralbank in jedem Falle Anpassungsprozesse durch Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte, zum Beispiel der Banken, welche entsprechende Impulse an Nichtbanken weiterleiten, ausgelöst werden können. In diesem Zusammenhang sind jedoch nicht nur unmittelbare Auswirkungen zu beachten, sondern auch entsprechende Erwartungen bei den Nichtbanken zu berücksichtigen, welche nicht zuletzt auch in weiteren Entscheidungen über Ausgaben, Sparen etc. münden.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
145
Allerdings ist selbst über eine strikte Kontrolle der Geldmenge das Wirtschaftsgeschehen durch die Zentralbanken nur bedingt steuerbar. Ein Grund hierfür liegt in der Möglichkeit der Wirtschaftssubjekte über ein Ausweichen auf Geldsubstitute den jeweiligen geldpolitischen Kurs zu unterlaufen. Ein weitaus stärkerer Zusammenhang besteht zwischen dem jeweiligen geldpolitischen Kurs der Zentralbanken sowie den dadurch ausgelösten Anpassungsmechanismen der inländischen Kreditinstitute. Wie ist das zu erklären? Der Hauptgrund dieses Zusammenhanges liegt in der Tatsache begründet, dass die inländischen Banken in ihrem Gewinnstreben durch die Liquiditätsüberlegungen natürlich begrenzt sind. Der Zentralbankgeldbedarf wird durch den Umfang und die Art der Aktiv- und Passivgeschäfte der Banken bestimmt, und das in einem Medium, das die Banken selbst nicht schaffen bzw. bereitstellen können. Die Folge: Die inländischen Banken sind stets darin bestrebt, ihre Aktiv- und Passivpositionen so zu gestalten, dass sich unter der Berücksichtigung von Risikoerwägungen der optimale Ausgleich aus Rentabilität und Liquidität ergibt. Ist im Sinne der Banken nun ein optimaler Ausgleich erreicht und wird nun der geldpolitische Kurs der Zentralbank geändert, so sind die Positionen in den Banken nunmehr in keinem optimalen Gleichgewicht mehr, weshalb ein Anpassungsmechanismus zwingend die Konsequenz sein muss. Beispiel
Senkt die Europäische Zentralbank (EZB) die Mindestreservesätze, so führt dies zunächst zu einem erhöhten Bestand an Überschussreserven bei den inländischen Banken. Die Banken werden aus Rentabilitätsgründen also unmittelbar bestrebt sein, diese Überschussreserven baldmöglichst gewinnbringend(er) anzulegen und somit auf das „technisch bedingte“ Minimum zu begrenzen. Der grundsätzliche Effekt liegt jedoch in einer notwendigerweise verminderten Inanspruchnahme der Refinanzierung bei der Zentralbank und einem gleichzeitig verstärkten Engagement in Geldmarktpapiere. Die Liquiditätssituation der Banken hat sich also verbessert, wodurch sich für diese nun Möglichkeiten ergeben, ihre Rentabilität zu verbessern, indem sie langfristig festverzinsliche Wertpapiere erwerben und zusätzlich Kredite an Nichtbanken vergeben. Durch die erhöhte Nachfrage nach festverzinslichen Wertpapieren bei gleichem Angebot steigen jedoch deren Kurse und die sich ergebenden Renditen gehen zurück. Das Ziel der verstärkten Kreditvergabe geht mit einem erhöhten Angebot der Banken bei zunächst unveränderter Nachfragesituation der Nichtbanken einher und ergibt eine Situation, die nur durch eine Senkung der Kreditzinsen geändert werden kann.
146
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Fazit: Auch am Geld- und Kreditmarkt führt der Ausgleich von Angebot und Nachfrage zu einem Gleichgewichtspreis für Geld, dem Marktzinssatz, welchem eine Gleichgewichtsmenge gegenübersteht. Der Zins stellt also hierbei den Preis für das Geld dar, welcher über den Ausgleich von Geldangebot und Geldnachfrage ermittelt wird, eine Annahme, die im Normalfall als nachvollziehbar interpretiert werden kann, sofern die Zentralbank keine verordnete quantitative Kreditbeschränkung (sog. Kreditplafondierung) verordnet.
Zins A
AҒ i0
i1
N
0 i0
Hierbei gilt:
i1
Kreditmenge
N: Nachfrage am Geld- und Kreditmarkt A, A :̖ Geldangebot
Abbildung 64: Angebot und Nachfrage auf dem Geld- und Kreditmarkt
6.5.4 Reaktion der Wirtschaftssubjekte im Nichtbankensektor auf den Anpassungsmechanismus der inländischen Kreditinstitute: Substitutionseffekte Welche ökonomischen Konsequenzen gehen nun von den Anpassungsmechanismen der inländischen Kreditinstitute aus? Eine zentrale Rolle spielt hierbei die veränderte Kreditnachfrage der Nichtbanken auf ein verändertes Kreditangebot der Banken. Sinken die Kreditzinsen, so ist es wahrscheinlich, dass die inländischen Nichtbanken auf dieses geänderte Kreditangebot der Banken reagieren und zusätzliche Ausgaben für Konsum- oder Investitionsgüter tätigen, wobei
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
147
diese Ausgaben über eine verstärkte Kreditnachfrage finanziert werden. In jenem Umfang, in welchem diese Maßnahme empirisch als Erfolg versprechend angesehen werden kann, wird ein geldpolitischer expansiver Impuls wirtschaftspolitisch erfolgreich eingesetzt werden können. Selbstverständlich ist auch die entgegengesetzte Wirkung im Falle einer kontraktiven bzw. restriktiven Geldpolitik denkbar: Im Fall einer restriktiveren Geldpolitik und einer daraus resultierenden restriktiveren Kreditvergabepolitik der inländischen Kreditinstitute werden infolge eines restriktiveren Kreditangebotes über steigende Kreditzinsen die Ausgaben der inländischen Nichtbanken für Konsum- und Investitionszwecke tendenziell zurückgehen, wodurch ein zurückgehendes Ausgabenverhalten der Wirtschaftssubjekte die Konsequenz sein wird. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der Habenseite der Vermögensanlagen. In der Ausgangssituation bilden die inländischen Nichtbanken mit ihren Vermögensanlagen annahmegemäß eine für sie optimale ökonomische Struktur ihrer Aktiva und Passiva. Nach der „Theorie der relativen Preise“ wird im Fall einer expansiveren Geldpolitik die Rendite festverzinslicher Wertpapiere zurückgehen. Die Konsequenz: Durch den Rückgang der Erträge aus den festverzinslichen Wertpapieren werden die Nichtbanken Umschichtungen bei ihren Vermögensanlagen vornehmen, wobei diese versuchen werden, durch geeignete Transaktionen diejenigen Bestände zu erhöhen, bei welchen die Renditen noch weitgehend unverändert geblieben sind. Allerdings ziehen derartige Transaktionen Preisentwicklungen nach sich, durch welche die zusätzliche Nachfrage nach höheren rentierlichen Anlagen eine vergrößerte Nachfrage bei unverändertem Angebot nach sich zieht, mit dem Effekt, dass die relativen Preis nach diesen steigen und dadurch die relativen Renditen bei diesen Anlagen in weiterer Folge ebenfalls zurückgehen werden. Dieser Prozess hält so lange an, bis sich die Renditen aller Wertpapiere dem niedrigeren Niveau der jeweiligen anderen Aktiva angeglichen haben. Dieser Prozess ist dabei jedoch keinesfalls nur isoliert auf dem Geld- und Kapitalmarkt zu beobachten. In dieses Kalkül sind grundsätzlich auch Konsum- und Investitionsentscheidungen der Wirtschaftssubjekte mit einzubeziehen. Nach der „Theorie der relativen Preise“ werden am Beispiel sinkender Renditen am Geld- und Kapitalmarkt auch Investitions- und langlebige Konsumgüter in Bezug auf deren Ertrage und Nutzen beurteilt. Bei denjenigen Investitions- bzw. Konsumgütern, bei denen die Renditen bzw. Nutzenniveaus noch auf dem alten Niveau liegen, wird eine vergrößerte Nachfrage einsetzen, wodurch die Preise nach diesen Gütern in weiterer Folge steigen werden. Durch steigende Preise wird aber auch die Produktion dieser Güter am Gütermarkt angeregt, womit der geldpolitische expansive Impuls entsprechende Effekte im realen Sektor der Volkswirtschaft entfalten wird. Selbstverständlich gilt dies auch im umgekehrten Fall: Eine restriktive Maßnahme der Zentralbank löst analog eine genau entgegengesetzte Wirkung im realen Sektor aus.
6.5.5 Timelags der Geldpolitik Diese Entwicklungen treten oftmals mit unterschiedlichen, nicht immer mit Sicherheit prognostizierbaren zeitlichen Verzögerungen ein. Die für die Wirtschaftssubjekte im Rahmen ihrer Anpassungsüberlegungen notwendigen Informationen, welche für den Erwerb
148
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
bzw. für die Veräußerungen der Aktiva notwendig sind, stehen nicht immer in vollständiger Höhe und der notwendigen Sicherheit zur Verfügung. In diesem Zusammenhang sind auch die auftretenden Informationskosten zu sehen, die mit den Anpassungsentscheidungen eng verbunden sind. Meist sind diese vergleichsweise leicht, schnell und kostengünstig beschaffbar, dies gilt im Besonderen bei Geld- und Kapitalmarktrenditen. Etwas anders stellt sich dies bei Entscheidungen über Kreditengagements dar, da hierfür zusätzlich das Vorliegen umfangreicherer Informationen, insbesondere im weniger standardisierten Kreditgeschäft, beispielsweise bei risikoreicheren und komplexeren Existenzgründungsdarlehn, vorausgesetzt werden muss. Dies erklärt auch die für die breite Bevölkerung nicht immer transparente Tatsache, dass bei den meisten expansiven geldpolitischen Entscheidungen der Zentralbank zunächst fast immer nur die Geld- bzw. Kapitalmarktrenditen gesenkt werden, während die Kreditkonditionen meist erst mit gewissen Verzögerungen angepasst werden können. Möglicherweise trägt aber auch gerade das Verhalten der Privatanleger zu dieser für diese selbst intransparenten Entwicklung bei. Im Zuge ihrer Anpassungsüberlegungen kann in der Realität immer wieder beobachtet werden, dass Privatpersonen im Falle von geldpolitischen Entscheidungen meist zunächst erst die Dispositionen ihrer Sicht- und Termineinlagen vornehmen, während die vermeintlich komplexeren Entscheidungen über Anpassungen am Kapital- und Kreditmarkt von diesen oftmals erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung vorgenommen werden.
6.5.6 Rolle der „adaptiven“ Erwartungshaltung Aber nicht nur „reale“ Ursachen führen zu Anpassungsmechanismen bei den Nichtbanken, auch mögliche Erwartungen sowie Spekulationen über den zukünftigen geldpolitischen Kurs der Zentralbanken üben nicht selten entscheidende Effekte im Hinblick auf die Wirksamkeit der Geldpolitik aus. In diesem Falle werden Signale oder konkrete geldpolitische Maßnahmen unmittelbar in konkrete Handlungsmaßnahmen der Wirtschaftssubjekte münden, ohne dass beispielsweise über Portfolioanpassungen Änderungen der relativen Preise und damit Substitutionseffekte ausgelöst werden, welche erst dann zu veränderten Ausgaben und im folgenden zu Effekten im realen Sektor und bei den Preisen führen. In Fall von Erwartungen stellt sich natürlich die Frage, welche Erfahrungen und in welcher Häufigkeit die Wirtschaftssubjekte in der Vergangenheit mit derartigen Maßnahmen machen konnten. Setzen beispielsweise Gewerkschaften auf Basis ihrer Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgrund eines erwarteten Inflationsschubes in den anstehenden Tarifverhandlungen einen analogen Lohnzuschlag durch, so bleibt der Preisanstieg im Falle eines expansiveren geldpolitischen Kurses der Notenbank ohne jede realwirtschaftliche Wirkung auf Konjunktur und Beschäftigung, da die Wirtschaftssubjekte in diesem Fall zunehmend ohne jegliche „Geldillusion“ agieren werden. Eine Verbesserung der konjunkturellen Situation wäre also nur dann möglich, wenn die Preissteigerungsrate stärker als erwartet ansteigen und damit die Wirtschaftssubjekte natürlich „unerwartet“ hoch treffen würde. Allerdings müsste sich in diesem Fall über eine
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
149
immer expansivere Geldpolitik die Inflationsrate in dem Wirtschaftsgebiet sukzessive erhöhen und damit in der weiteren Folge ständig über den sich steigernden Inflationserwartungen weiter ansteigen, um fortlaufend einen realwirtschaftlichen expansiven Impuls auf Konjunktur und Beschäftigung auszulösen. In diesem Fall müsste also von den geldpolitischen Akteuren über eine fortlaufend immer noch expansivere Geldpolitik gewollt die Inflation gesteigert werden, eine Politik, die auf lange Frist eine ruinöse Auswirkung auf die Stabilität der Volkswirtschaft haben würde. In der nachfolgenden Abbildung wird die Rolle der „adaptiven Erwartungsbildung“ in Abgrenzung zu einer direkten Wirkung der Geldpolitik ersichtlich. Erwartungseffekte
direkte Wirkung, z.B. Offenmarktpolitik mit Nichtbanken Änderungen der relativen Preise Maßnahmen der Geldpolitik
Portfolioanpassung
Geld- bzw. Kreditmenge Zinsen
Ausgaben
Änderungen des Vermögens
Rationisierungseffekte
Notenbank
Substitutionseffekte
Kreditinstitute
Kredite
realer Sektor und Preisniveau
Vermögenseffekte
Kreditinanspruchnahme
Nichtbanken
Abbildung 65: Erwartungseffekte versus einer direkten Wirkung der Geldpolitik
Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang noch einmal den Phillipskurveneffekt in Abschnitt 4.3. Sie erinnern sich bestimmt: Die Phillipskurve beschreibt in der Darstellung von Alban William Phillips (1958) die nach ihm benannte Transformations- bzw. Substitutionskurve, die den Zusammenhang zwischen der prozentualen Arbeitslosenquote und der prozentualen Veränderungsrate des Nominallohnniveaus darstellt. In der weiteren Folge hatten Paul A. Samulson und Robert M. Solow (1960) darauf hin im Rahmen einer modifizierten Phillipskurve einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Arbeitslosigkeit und der Preisniveauveränderungsrate abgeleitet. Nach der Phillipskurve ist die Veränderungsrate des Nominallohnniveaus bzw. des Preisniveaus um so geringer, je höher das Niveau der Arbeitslosenquote ist und umgekehrt. Hieraus ist nun die entscheidende Aussage ableitbar: Offensichtlich ist Geldwertstabilität lediglich bei einem bestimmten Grad der Arbeitslosigkeit erreichbar oder anders ausgedrückt ist es nur möglich, einen hohen Grad der Beschäftigung bei einer bestimmten Akzeptanz von Inflation (also einer gewissermaßen zu akzeptierenden Höhe der Inflationsrate) zu erreichen. Sehen Sie sich in diesem Zusammenhang unbedingt die nachfolgende Abbildung an: Sinkt die Arbeitslosenquote aufgrund einer expansiveren Geldpolitik und eines fallenden Zinsniveaus und steigt zeitgleich die Inflationsrate, so findet eine Bewegung entlang der un-
150
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
tersten Phillipskurve von Punkt B nach Punkt C statt. Zeitverzögert – und das ist entscheidend – werden die Wirtschaftssubjekte, im vorangegangenen Beispiel anhand der Entscheidungen der Gewerkschaften verdeutlicht – zunehmend registrieren, dass diese mit Ihren Ansichten der „Geldillusion“ unterlegen sind. Folge: Lediglich in dem Fall, in dem die Wirtschaftssubjekte nicht registrieren, dass das Reallohnniveau durch die Steigerung der Inflationsrate gesunken ist, werden sich diese mit der neuen Situation zufrieden geben und der neue Punkt C repräsentiert in diesem Fall das neue und bis auf weiteres auch „stabile“ Verhältnis von Preissteigerungsrate und Arbeitslosenquote. Wie dargestellt werden die Wirtschaftssubjekte jedoch zunehmend realisieren, dass das Reallohnniveau gesunken ist und werden deshalb natürlich verstärkt versuchen, anschließend den vollen Inflationsausgleich durchzusetzen. In weiterer Folge wird dadurch jedoch der expansive realwirtschaftliche Effekt zunehmend verloren gehen, weshalb der expansive Effekt auf die Beschäftigung möglicherweise auch ganz obsolet werden könnte.
Inflationsrate
K3
K2 E K1
F D
C B
A1
A0
Arbeitslosenquote
Abbildung 66: Phillipskurve im Zeitablauf
Time-lags der Geldpolitik in Abgrenzung zur Fiskalpolitik Geldpolitische-, aber auch fiskalpolitische Maßnahmen wirken meist nicht unmittelbar, sondern in der Regel erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Die Wirkungsverzögerung selbst erstreckt sich auf den Zeitraum zwischen dem Moment, zu welchem die geldpolitischen Maßnahmen notwendig werden, bis zu jenem Zeitpunkt der Einwirkung auf das eigentlich angestrebte Endziel. Diese zeitliche Verzögerung wird auch als „time-lag“ bezeichnet. Diese zeitlichen Verzögerungen können dabei unterschiedliche Ursachen haben.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
information lag
151
Notenbank
Kreditinstitute
Nichtbankensektor
Inside lag
intermediate lag
outside lag
recognition lag
nee od action
decision lag
Maßnahmen der Geldpolitik
Wirkung auf Geldmenge bzw. Zinssätze
Wirkung auf gesamtwirtschaftlich Ziele
gesamter time lag der Geldpolitik t0
tn
Abbildung 67: Unterschiedliche „time-lags“ in der Geldpolitik
„Inside-lag“: Unter einem „inside-lag“ versteht man dabei die Spanne zwischen dem Zeitpunkt, indem die geldpolitischen Maßnahmen erforderlich wurden, und jenem Zeitpunkt, in welchem sie von den Entscheidern dann tatsächlich getroffen werden. Innerhalb des „inside-lags“ sind dabei zwei verschiedene „Teil-lags“ zu unterscheiden: ■
„Information-lag“: Meist liegen die benötigten Informationen, zum Beispiel über die aktuelle Konjunkturentwicklung nicht vor oder stehen nicht in geeigneter Form unmittelbar zur Verfügung. Somit verstreicht also zunächst eine gewisse Zeit, bis diese beschafft werden können.
■
„Recognition-lag“: (engl.: recognize: anerkennen,(wieder)erkennen, einsehen.) Selbst wenn die Informationen vollständig und in geeigneter Form vorliegen, so sind sie meist noch interpretationsfähig, weshalb es in vielen Fällen – insbesondere über die Prognose der zukünftigen Entwicklung – unter den Entscheidungsträgern Meinungsverschiedenheiten geben wird. Oftmals müssen infolgedessen erst noch weitere Informationen beschafft werden, um die Informationsbasis zu erweitern und um eine Entscheidungsfindung unter einer höheren Basis der Sicherheit treffen zu können. Dieser für die weitere Meinungsbildung erforderliche Zeitbedarf wird in der volkswirtschaftlichen Literatur oftmals auch als „decision-lag“ oder auch als „administrative-lag“ bezeichnet.
152
Rollenverteilung und Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpolitik
■
„Intermediate-lag“: (engl.: in der Mitte liegend) Wie zuvor dargestellt, ist eine unmittelbare Einwirkung von geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank auf die Handlungen der Wirtschaftssubjekte, eher die Ausnahme als die Regel. Zwar sind alle geldpolitischen Maßnahmen darauf ausgerichtet über monetäre Größen, wie Geldmenge und das Zinsniveau realwirtschaftliche Veränderungen auszulösen. Allerdings ergeben sich diese Wirkungen zwangsläufig erst mit einer gewissen Zeitverzögerung, da sich diese Wirkungen erst indirekt (über die in Abschnitt 6.5.4. beschriebenen Anpassungsmechanismen der Kreditinstitute mittels veränderten Refinanzierungsbedingungen, zum Beispiel durch veränderte Mindestreservesätze) einstellen werden. Der „intermediate-lag“ beschreibt dabei also die zeitliche Wirkungsverzögerung zwischen dem Einsatz der Maßnahme und dem Beginn der Auswirkung auf den Nichtbankensektor.
■
„Operational-lag“: Zuletzt liegt im folgenden noch zwischen den durch die geldpolitischen Maßnahmen herbeigeführten Änderungen der Geldmenge bzw. der Zinssätze und den dann ausgelösten Wirkungen auf die Zielgrößen noch einmal eine zeitliche Verzögerung, welche als „operational-lag“ oder auch oftmals in der volkswirtschaftlichen Literatur als „outside-lag“ bezeichnet wird.
Zeitliche Dimensionen der einzelnen „time-lags“ Trotz oder gerade aufgrund der beschriebenen Wirkungsverzögerungen kann im Vergleich zu fiskalpolitischen Maßnahmen der Geldpolitik ein vergleichsweise kurzer „inside-lag“ unterstellt werden, da insbesondere der Instrumenteneinsatz prinzipiell ohne nennenswerte Verzögerung durchgeführt werden kann. Zwar ist auch die Europäische Zentralbank (EZB) nicht gänzlich frei von den Einflüssen der einzelnen europäischen Regierungen, wodurch ebenfalls die notwendigen Entscheidungsprozesse erschwert oder zumindest verzögert werden können. Eine ausgesprochene Schwäche der Geldpolitik stellt in jedem Fall die zwischengeschaltete Komponente der Kreditinstitute dar. In der Realität kann immer wieder eine Unterwanderung des geldpolitischen Kurses der Zentralbank durch die Kreditinstitute beobachtet werden, wodurch der geldpolitische Kurs – zumindest über einen gewissen Zeitraum – unterlaufen werden kann. Selbstverständlich sind darüber hinaus auch Ausweichreaktionen im Nichtbankensektor in weiterer Folge möglich. So ist beispielsweise, wie in der obigen Darstellung aufgeführt, in der Realität immer wieder zu beobachten, dass im Zeitalter der weltweiten Globalisierung und weltweit verflochtenen internationalen Finanzmärkte eine Abkopplung von den nationalen Geld- und Kapitalmärkten insbesondere für kleinere Volkswirtschaften zunehmend unmöglich wird.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
153
Die zeitliche Dimension der Wirkungsverzögerung der Geldpolitik hängt dabei von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab. Die tatsächliche Schwankungsbreite von geldpolitischen Maßnahmen ist in der Realität nur schwer prognostizierbar, da die tatsächliche Länge der Wirkungsverzögerungen bei empirischen Untersuchungen sehr stark divergieren. Die Konjunktur- und Stabilisierungspolitik ausschließlich über eine Geldpolitik auszurichten erscheint somit allein schon aufgrund einer erheblichen Wirkungsverzögerung wenig geeignet, da unter Umständen die expansive Wirkung einer expansiveren Geldpolitik erst zu einem Zeitpunkt wirksam werden könnte, wenn sich die Konjunktur im Zyklus bereits wieder in einer Aufschwungphase befindet. In diesem Fall würden dann diese Maßnahme, nicht wie gewünscht antizyklisch, sondern prozyklisch wirken mit dem Ergebnis, dass der folgende Boom weit ausgeprägter ausgebildet sein würde mit den damit verbundenen Gefahren für die Preisniveaustabilität.
wa
K1 K0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
t
Abbildung 68: Prozyklische Wirkung einer expansiven Geldpolitik (wa: = Wachstumsrate des Sozialprodukts K0, K1: Verlauf der Konjunkturzyklen)
6.6
Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur
Wie zuvor dargestellt kann ein Ansteigen des Marktzinssatzes als Ergebnis einer restriktiveren Geldpolitik und ein Sinken des Marktzinssatzes als das Ergebnis einer expansiveren Geldpolitik verstanden werden. Der Marktzinssatz ist ja bekanntlicherweise das Ergebnis von Angebot und Nachfrage auf den Geld- und Kapitalmärkten. Hierbei ist es wichtig sich stets vor Augen zu halten, dass die Zentralbank den Marktzinssatz natürlich keinesfalls unmittelbar beeinflussen kann. Grundsätzlich kann die Zentralbank lediglich auf den
154
Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur
Geld- und Kapitalmarkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluss nehmen. Über die Beeinflussung der Geldmenge bzw. des Marktzinsniveaus versucht dabei die Zentralbank die Kreditnachfrage der Wirtschaft zu beeinflussen und hierüber die Investitionen in den Unternehmen entsprechend dem geldpolitischen Kurs zu steuern.
6.6.1 Zinswirkungen der Geldpolitik anhand des IS-/LM-Konzeptes Sie erinnern sich bestimmt: Im Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve befindet sich der Geld- als auch der Gütermarkt im Gleichgewicht. Liegt nun das Gleichgewicht unterhalb der Vollbeschäftigung bzw. ist der Auslastungsgrad der Volkswirtschaft unterhalb des Niveaus, welches im derzeitigen Umfeld von den (geld-)politischen Akteuren als akzeptabel betrachtet wird, so liegt es nahe, einen expansiveren geldpolitischen Kurs zu verfolgen und beispielsweise die Geldmenge zu erhöhen. In diesem Fall verschiebt sich in der nachfolgend dargestellten Grafik die LM-Kurve nach rechts (LM1). Der Marktzinssatz fällt zunächst unmittelbar von i0 auf i1. Infolge dessen werden die privaten Investitionen ausgedehnt, die Konjunktur erholt sich und in weiterer Konsequenz nimmt die Beschäftigung in dieser Volkswirtschaft idealtypisch wieder zu. Durch die zusätzliche Geldnachfrage der Investoren steigt der Zins im neuen Gleichgewicht auf i2 bei einem neuen Gleichgewichtseinkommen in Höhe von Y2. i
IS
LM
LM2
LM1
i0 i3 i2
i1 0
Y0
Y3
Y2
Y
Abbildung 69: IS-/LM-Diagramm: Die Wirkung einer expansiven Geldpolitik
Der Wiederanstieg des zunächst sehr niedrigen Zinses (i1) auf das neue Niveau (i2) ist dabei auf den Einfluss des realen Sektors durch die Ausdehnung der Investitionstätigkeit zurückzuführen. Gerade hierdurch ist die zusätzliche Nachfrage nach Geld zu erklären, weshalb das neue Gleichgewichtseinkommen mit einem höheren Zinsniveau als unmittelbar nach der geldpolitischen Maßnahme einhergehen wird. Allerdings tritt diese Einkommenszunahme auf das neue Niveau in Y2 nur in dem Fall ein, in welchem das Preisniveau
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
155
gänzlich unverändert bleibt. Dies kann aber nur in einer Konstellation erwartet werden, in welcher die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten trotz der geldpolitischen Maßnahme noch immer deutlich unter der Vollbeschäftigungsgrenze liegen. Sofern nun das Preisniveau aufgrund der Zunahme der Beschäftigung und steigender Kapazitätsengpässe spürbar ansteigt, so sinkt im weiteren Verlauf die „reale“ Geldmenge. Die das reale Geldangebot und die reale Geldnachfrage abbildende LM-Kurve verschiebt sich in diesem Fall wieder zunehmend nach links. Nachdem nun der Marktzinssatz aufgrund der expansiven Geldpolitik zunächst auf i1 gesunken ist, beginnen die Preise bei unveränderten Volkseinkommen deutlich anzusteigen, wodurch die reale Geldmenge im neuen Gleichgewicht den ursprünglichen Ausgangswert mit dem Ergebnis erreicht, dass die neue und die alte LM-Kurve in ihrer Lage vollständig identisch sind. In diesem neuen Gleichgewicht sind die Werte für das Marktzinsniveau und das Volkseinkommen also identisch. Somit hat die ursprüngliche expansive Geldpolitik den Marktzinssatz nur kurzfristig gesenkt, mittel- bis langfristig hat sich das Zinsniveau auf den alten Ursprungswert zurückentwickelt. Dieses Szenario in der Extremform ist in der Realität wohl jedoch nur selten anzutreffen. Realistischer ist eher der Fall, dass als Folge der expansiven Geldpolitik zwar durchaus im Zeitverlauf mit steigenden Preisen gerechnet werden muss, sich parallel dazu aber das reale Volkseinkommen ebenfalls erhöhen wird. In diesem realitätsnäheren Fall würde die LM2-Kurve das neue Gleichgewicht für Zins und Volkseinkommen repräsentieren mit den Gleichgewichtswerten Y3 und i3.
Inflation und Zinsentwicklung Welchen Einfluss hat nun die Inflationsrate auf die langfristige Zinsentwicklung in einer Volkswirtschaft? Die getätigten Aussagen könnten die Annahme rechtfertigen, dass grundsätzlich fallende Zinsen mit steigenden Inflationsraten zwangsläufig gekoppelt sein müssten. Die langfristige Entwicklung geht aber in eine andere Richtung. Eine auf Kosten einer erhöhten Inflationsrate ausgeführte Geldpolitik kann nur auf einen kurzen bis mittelfristigen Horizont eine Zinssenkung auslösen, längerfristig werden durch diese Politik die Zinsen tendenziell über das bestehende Zinsniveau hinaus ansteigen. Warum ist das so? Wenn das Preisniveau nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft ansteigt, so stellen sich sukzessive Erwartungen über die weitere Entwicklung der Inflationsrate bei den Wirtschaftssubjekten ein. Insbesondere die Geldanleger werden diese Entwicklung dabei mit in ihr Kalkül einzubeziehen versuchen. Diese werden ihre Anlagebeträge natürlich dann nur noch in Nominalwerte anlegen, wenn sie im Rahmen eines höheren bzw. angestiegenen Zinssatzes für einen möglichen Wertverlust durch die steigende Inflationsrate gewissermaßen auch entschädigt werden. Umgekehrt werden die Kreditnehmer gleichzeitig verstärkt bereit sein, auch zunehmend steigende Kreditzinsen zu tolerieren, da diese mit einer realen Minderung der Zins- und Tilgungsleistung aufgrund des
156
Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur
Preisanstieges rechnen dürfen. Konnten nun die Wirtschaftssubjekte über einen längeren Zeitraum eine relativ konstante Inflationsrate erkennen, so wird dies zu einer vergleichsweise analogen Inflationserwartung führen und sich in einer entsprechenden Zinshöhe eher niederschlagen können als im Fall vergleichsweise stark schwankender Inflationsraten. In der Realität werden die Wirtschaftssubjekte aber mit unterschiedlichen und in Puncto Höhe veränderlichen „Zinsaufschlägen“ kalkulieren, die mehr oder weniger von der erwarteten Inflationsrate abweichen, wobei es meist auch nicht möglich sein wird, den Marktzinssatz in die Komponenten Realzins und erwartete Inflationsrate aufzuspalten. In dieser – zugegebenermaßen sicherlich sehr theoretischen Annahme – müsste im Idealfall durch diesen „Inflationserwartungseffekt“ der Marktzins (it) um die zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Inflationsrate (pt*) ansteigen. Es gilt:
It = irt + pt*
Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik in der geschlossenen Volkswirtschaft Sie erinnern sich bestimmt: Das Bruttosozialprodukt der Verwendungsseite setzt sich in einer geschlossenen Volkswirtschaft, also ohne Berücksichtigung von Im- und Exporten, zusammen aus den privaten Konsumausgaben, den privaten Investitionen und den Staatsausgaben. Es gilt:
Y = C(Y) + I(i) + G Verdeutlichen Sie sich in diesem Zusammenhang noch einmal den in Abbildung 70 dargestellten „Normalverlauf“ der IS- und LM-Kurve. In solch einem Fall sind die privaten Investitionen nicht völlig „zinselastisch“, das bedeutet, private Investitionen reagieren in einem mehr oder weniger großen Verhältnis auf steigende bzw. fallende Marktzinsen und passen also ihre Investitionsentscheidungen entsprechend der Marktzinsentwicklung in einem bestimmten Verhältnis diesen an. Völlig zinselastische Investitionen würden dagegen bedeuten, dass die privaten Investoren bereits bei einer nur vergleichsweise kleinen Änderung mit extremen Veränderungen Ihrer Investitionsentscheidungen reagieren würden.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
157
i
LM1 IS
0
IS´
Y0
Y1
Y2
Y
Abbildung 70: Normalverlauf der IS-/LM-Kurve
Crowding-out-Effekt Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit noch einmal der Abbildung 70 zu: Steigen nun in dieser idealtypischen Konstellation die Staatsausgaben im Zuge einer konjunkturpolitisch motivierten Ausgabenerhöhung des Staates, so verschiebt sich zunächst die IS-Kurve nach rechts. Die Folge: Zwar erhöhen sich sowohl Volkseinkommen als auch die Beschäftigung, gleichzeitig steigt aber auch der Marktzins an. Wie ist das zu erklären? Annahmegemäß sind die zusätzlichen Staatsausgaben kreditfinanziert, also lediglich durch eine weitere Kreditaufnahme des Staates auf dem Kapitalmarkt realisierbar. Durch die zusätzliche Nachfrage nach Kapital steigt am Kapitalmarkt die Nachfrage nach diesem bei einem zunächst noch weitgehend unveränderten Angebot. Hierdurch erhöht sich der Preis nach Geld, dem Marktzinssatz. Reagieren nun aber die privaten Investoren in einem „normalen“ Ausmaß auf die Veränderungen des Marktzinssatzes, so ist unmittelbar nachvollziehbar, dass durch das Ansteigen des Marktzinssatzes teilweise private Investitionen zunehmend unrentabler werden, da die Kosten für diese Investitionen (bei unveränderter Gewinnerwartung in der Zukunft) ansteigen und die privaten Vorhaben tendenziell unattraktiver werden lassen. In diesem Fall bedeutet „crowding-out“ also ein „Ausmengen“, bzw. Verdrängen von privaten Investitionen durch eine zusätzliche Staatsausgabenerhöhung, sofern diese am Kapitalmarkt kreditfinanziert ist.
158
Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur
Definition: Crowding-out-Effekt: Der crowding-out-Effekt ist ein Begriff aus der Finanzwissenschaft, speziell der Analyse allokativer Wirkungen bei der öffentlichen Kreditaufnahme und besagt, dass durch eine kreditfinanzierte Ausweitung der Staatsnachfrage die private Nachfrage in gleichem oder sogar vergrößertem Umfang verdrängt wird. Damit wird jedoch auch die expansive Wirkung einer expansiven Konjunkturpolitik durch Kreditaufnahme des Staates grundsätzlich in Frage gestellt. Betrachten Sie in diesem Zusammenhang also noch einmal die Abbildung 70. Was wäre passiert, wenn die privaten Investitionen nicht verdrängt worden wären, weil der Staat keine zusätzliche Verschuldung für die Ausgabenexpansion hätte vornehmen müssen? Ohne Frage: In diesem Fall wäre eine Erhöhung des Volkseinkommens auf das Niveau von Y2 möglich geworden. Durch die eingeleitete Zinserhöhung wurden jedoch teilweise private Investitionen „verdrängt“, weshalb das Volkseinkommen lediglich auf das Niveau Y1 ansteigen konnte. Bitte beachten Sie: Langfristig ist also eine steigende Staatsverschuldung im Hinblick auf das zukünftige Wirtschaftswachstum äußerst kritisch zu betrachten, da private Investitionen aufgrund des sukzessiven ansteigenden Zinsniveaus negativ in Bezug auf Volkseinkommen und Beschäftigung zu bewerten sind. Auf lange Frist wird eine steigende Staatsverschuldung negative Auswirkungen auf die zukünftigen Wachstumsraten einer Volkswirtschaft haben! Da aber eine verlangsamte Wachstumsrate des Volkseinkommens und dadurch eine sinkende Beschäftigung wiederum tendenziell sinkende Steuereinnahmen sowie steigende Staatsausgaben aufgrund einer damit verbundenen Zunahme der Transferzahlungen durch den Staat bedeuten, sind weitere negative Begleiterscheinungen für den Staatshaushalt sowie die Sozialversicherungskassen zwangsläufig die weitere Folge dieser Politik.
i
LM IS
LM1
IS´
i1
i0
0
Abbildung 71: Crowing-out-Effekt
Y0
Y1
y
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
159
Dieser Effekt tritt umso extremer auf, je steiler die LM-Kurve verläuft. Im Extremfall werden die privaten Investitionen vollständig durch die expansive (und kreditfinanzierte) Fiskalpolitik verdrängt. Dieser Extremfall ist dann denkbar, wenn die Geldnachfrage ausschließlich vom Volkseinkommen abhängig ist, also völlig „zinsunelastisch“ reagiert.
Exkurs: Konjunkturausgleichsrücklage Das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (StWG) von 1967 schreibt vor, dass im Fall „…einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung…“ diese Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank oder zur Zuführung zu einer „Konjunkturausgleichsrücklage“, welche bei der Deutschen Bundesbank hinterlegt werden muss, zu veranschlagen sind. Zu Ankurbelung der Wirtschaft sind diese Mittel sodann aus dieser Konjunkturausgleichrücklage zu entnehmen. So ist eine expansive Fiskalpolitik in Puncto Auswirkung auf den Marktzins als vollständig neutral anzusehen, da zur Finanzierung der expansiven Ausgaben keine zusätzliche Nachfrage bei einem weitgehend unveränderten Angebot entstehen muss. Die Folge: Die zusätzliche Erhöhung der Staatsausgaben erfolgt ohne jegliche Verdrängung privater Investitionen, ein „crowding-out“-Effekt entsteht im idealtypischen Fall also nicht.
6.6.2 Policy-Mix Von einigen „Extremsituationen“ einmal abgesehen, ist zumindest im keynesianischen Modell (IS-/LM-Modell) mittels eines koordinierten Zusammenwirkens von Geld- und Fiskalpolitik die zuvor beschriebene Problematik jedoch weitgehend lösbar. Dies gilt zumindest für das IS-/LM-Modell: In diesem Modell ist die Wirksamkeit der Geld- und Fiskalpolitik ja ausschließlich von der Lage der beiden Kurven bestimmt. Somit liegt es nahe, dass im Fall einer optimalen Koordination der beiden Politiken eine „optimale“ gesamtwirtschaftliche Konstellation zumindest theoretisch erreicht werden könnte.
Definition: Policy-Mix Unter „Policy-Mix“ versteht man in der Makroökonomik die gleichzeitige Durchführung verschiedener Varianten der Wirtschaftspolitik, insbesondere aber ein kombinierter Einsatz der Geld- und Fiskalpolitik. In der Praxis ergeben sich in diesem Zusammenhang jedoch eine Reihe von zentralen Fragen, welche für die Umsetzung eines koordinierten Policy-Mixes von entscheidender Bedeutung sind. Bedenken Sie in diesem Zusammenhang beispielsweise die folgenden Konsequenzen:
160
Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur
■
Reagiert der Arbeitsmarkt überhaupt auf eine Expansion öffentlicher Ausgaben?
■
Wie reagiert der Arbeitsmarkt auf diese Expansion? Steigen hierdurch die Lohnforderungen unmittelbar, und in Folge dessen die Inflationsrate?
■
Welche gesamtwirtschaftlichen Erwartungen ergeben sich in weiterer Folge auf diese Ausgabenerhöhung des Staates in Puncto Inflationserwartung und der dann erwarteten (Nominal-)Zinserhöhung?
■
Welche parlamentarischen Hemmnisse ergeben sich im jeweiligen System bzw. welchen Spielraum haben die Regierungsvertreter überhaupt? Besitzen die geld- und fiskalpolitischen Akteure überhaupt die Möglichkeit, eine koordinierte Geld- und Fiskalpolitik umzusetzen?
Im Rahmen des „Gesetzes zur Förderungen der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (StWG) von 1967 wurde zumindest in Ansätzen versucht, diese zentralen Problembereiche zu lösen. Durch die Schaffung des „Konjunkturrates“ als beratendes Gremium konnte zur Koordination der Wirtschafts- und Fiskalpolitik von Bund und Ländern und der Haushaltspolitik der einzelnen Gebietskörperschaften die Bundesbank seinerzeit als teilnehmendes Mitglied mehr oder weniger gezielt Einfluss darauf nehmen. Gleichzeitig konnte die Bundesregierung durch Rechtsverordnung weiter mit Zustimmung des Bundesrates eine Höchstgrenze für die Kreditaufnahme der öffentlichen Hände anordnen.
i
B
ZB
A IS´ +¨ G
LM´ LM IS 0
Abbildung 72: Policy-mix
Y0
Y1
Y
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
161
Definition: Konjunkturrat Der Konjunkturrat stellte eine im Jahre 1967 errichtete Institution zur konjunkturpolitischen Koordinierung von Bund, Ländern und Gemeinden dar, um eine konsistente Konjunkturpolitik auf allen Ebenen des föderativen Staates zu gewährleisten. Der Konjunkturrat setzte sich in seiner ursprünglichen Konstellation unter dem Vorsitz des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen aus je einem Vertreter der Bundesländer sowie vier Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände zusammen. Der Konjunkturrat hatte jedoch zusammen mit den übrigen Instrumenten der sukzessive vermehrt zurückgedrängten Konjunkturpolitik keynesianischer Prägung bald an Bedeutung verloren.
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
VIII. Öffentliche Finanzen in Deutschland noch: 7. Verschuldung der öffentlichen Haushalte *) Mio €
Stand am Jahres- bzw. Monatsende
Obligationen/ Schatzanweisungen
Unverzinsliche Schatzanweisungen 1)
Insgesamt
Bundesobligationen 2)
2) 3)
Westdeutsche Gemeinden
Bundesschatzbriefe
Anleihen 2)
Direktausleihungen der Kreditinstitute 4)
Darlehen von Nichtbanken
Altschulden
Sozialversicherungen
verAuseinigungs- gleichsbefordedingte 5) 6) rungen 6)
sonstige 4)
sonstige 7)
11)
2000 2001 2002 2003 2004
81 414 82 203 84 097 90 906 95 057
. . . . .
153 153 153 77 −
. . . . .
. . . . .
680 629 629 603 552
78 656 79 470 81 307 87 868 91 317
33 29 22 19 13
1 891 1 922 1 986 2 339 3 174
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2005 März Juni Sept. Dez. p)
95 600 97 250 97 500 98 260
. . . .
− − − −
. . . .
. . . .
591 591 591 335
91 819 93 469 93 719 94 735
15 15 15 15
3 175 3 175 3 175 3 175
. . . .
. . . .
. . . .
Ostdeutsche Gemeinden
11)
2000 2001 2002 2003 2004
17 048 17 005 16 745 16 951 17 353
. . . . .
51 − − − −
. . . . .
. . . . .
335 284 284 131 131
16 497 16 581 16 318 16 601 16 914
114 107 102 87 73
50 33 41 132 235
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2005 März Juni Sept. Dez. p)
17 250 17 250 17 200 17 300
. . . .
− − − −
. . . .
. . . .
131 131 131 131
16 809 16 809 16 759 16 859
75 75 75 75
235 235 235 235
. . . .
. . . .
. . . .
ERP-Sondervermögen
8)
2000 2001 2002 2003 2004
18 386 19 161 19 400 19 261 18 200
. . . . .
. . . . .
− − 51 51 51
. . . . .
7 585 9 462 10 144 10 169 10 169
10 411 9 310 8 686 8 522 7 584
13 8 8 8 8
377 381 512 512 389
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2005 März Juni Sept. Dez.
18 098 17 270 15 864 15 066
. . . .
. . . .
51 51 51 51
. . . .
10 169 10 169 10 169 10 169
7 482 6 812 5 406 4 609
8 − − −
389 238 238 238
. . . .
. . . .
. . . .
14 811
.
.
51
.
10 169
4 353
−
238
.
.
.
2006 März
Entschädigungsfonds 2000 2001 2002 2003 2004
204 285 369 469 400
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
204 285 369 469 400
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2005 März Juni Sept. Dez.
302 302 301 300
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
302 302 301 300
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
200
.
.
.
.
200
.
.
.
.
.
.
2 634 10 134 10 134 10 134 9 634
. . . . .
29 593 21 292 22 315 23 563 23 787
7 790 4 315 3 146 793 690
− − − − −
133 149 26 − −
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2006 März
Fonds „Deutsche Einheit“ 8) 10) 2000 2001 2002 2003 2004
40 425 39 638 39 441 39 099 38 650
− − − − −
275 3 748 3 820 4 610 4 538
Abbildung 73: Struktur der Staatsschuld in der Bundesrepublik Deutschland
162
6.7
„Offene“ Volkswirtschaft
„Offene“ Volkswirtschaft
Im vorangegangenen Abschnitt hatten wir zunächst das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik unter der zugegebenermaßen noch unrealistischen Annahme einer „geschlossenen“ Volkswirtschaft dargestellt, welche zum Ausland weder güterwirtschaftliche noch grenzüberschreitende Geld- und Kapitaltransaktionen unterhält. Dies bedingt zunächst für diese Volkswirtschaft einige Vorteile. So kann sie in dieser Konstellation ohne Rücksicht auf die Vorgänge in anderen Volkswirtschaften ihre Geld- und Fiskalpolitik völlig isoliert im Hinblick auf ihre eigenen Anforderungen heraus durchführen. Eine vollständig „geschlossene“ Volkswirtschaft ist in der Realität jedoch nicht existent und deshalb eher ein theoretisches Konstrukt. Entsprechende Transaktionen zwischen dem In- und Ausland werden in der sogenannten Zahlungsbilanz erfasst, in welcher im Wesentlichen der internationale Handelsverkehr (inkl. Dienstleistungen) sowie der Kapitalverkehr abgebildet sind.
Determinanten der Zahlungsbilanz: Einfluss der Gütermärkte: Geht man (sicherlich eine in der Realität nicht immer zutreffende Annahme) von einem „vollkommenen“ Markt aus, so gilt das Gesetz der „Unterschiedslosigkeit der Preise“, welches besagt, dass in diesem Fall die Preise für identische Güter im In- und Ausland an sich nicht differieren können. Ohne Frage: Je größer der Grad der Offenheit einer Volkswirtschaft, desto größer ist auch zwangsläufig der Anteil der auf dem internationalen Gütermarkt gehandelten inländischen Güter anteilsmäßig am inländischen Sozialprodukt. Durch die Konkurrenzsituation auf den Weltmärkten werden demnach die Preise sich nicht (nennenswert) von den Preisen gleichwertiger Güter auf dem Weltmarkt nachhaltig unterscheiden können.
Definition: Kaufkraftparitätentheorie: Die Kaufkraftparitätentheorie stellt einen Versuch dar, den Wechselkurs durch die Kaufkraftverhältnisse in den entsprechenden Ländern zu erklären. In einer modifizierten Form bedeutet dies, dass die Veränderung des Wechselkurses pro Zeiteinheit längerfristig der Veränderung der Preisniveaurelation der betrachteten Länder entspricht, ohne dass der Wechselkurs zu jedem Zeitpunkt unbedingt mit dem Verhältnis des Preisniveaus übereinstimmen muss. Steigt beispielsweise das Preisniveau im Inland, so sinkt demnach der Wechselkurs.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
163
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
X. Außenwirtschaft 1. Wichtige Posten der Zahlungsbilanz für die Europäische Währungsunion *) Mio € 2005 Position
2003
A. Leistungsbilanz
+
2004
32 443 +
2005
49 868 −
2006
3.Vj.
22 610 −
4.Vj.
1.Vj.
Febr.
1 365 − 12 291 − 10 005 −
März 426 +
April 115 −
7 991
1. Warenhandel Ausfuhr (fob)
1 036 038
1 128 189
1 218 596
309 008
325 938
326 652
104 813
121 112
107 279
929 915
1 022 899
1 165 642
293 030
322 126
330 183
104 542
118 507
107 415
Einfuhr (fob) Saldo
+ 106 120 + 105 291 +
52 952 + 15 978 +
3 812 −
3 531 +
271 +
2 605 −
136
2. Dienstleistungen Einnahmen
331 810
362 051
395 458
108 910
103 942
92 310
30 062
32 219
32 629
Ausgaben
312 293
333 074
361 145
99 314
93 599
88 860
28 234
30 671
29 669
Saldo 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Saldo)
+
19 516 +
28 977 +
34 313 +
9 596 + 10 343 +
3 450 +
1 828 +
1 548 +
2 959
−
37 159 −
27 999 −
41 533 −
7 096 − 10 128 +
742 +
982 +
786 −
4 783
4. Laufende Übertragungen fremde Leistungen
82 103
81 898
83 382
15 294
21 945
32 831
16 311
6 927
4 758
eigene Leistungen
138 139
138 299
151 723
35 135
38 264
43 496
19 818
11 751
10 790
Saldo
B. Saldo der Vermögensübertragungen und Kauf/Verkauf von immateriellen nichtproduzierten Vermögensgütern
C. Kapitalbilanz (Nettokapitalexport: −) 1. Direktinvestitionen
−
56 034 −
56 404 −
68 341 − 19 842 − 16 318 − 10 665 −
3 507 −
4 824 −
6 032
+
12 942 +
17 457 +
12 486 +
1 008 +
649 +
522
10 913 +
89 979 + 34 580 − 12 907 + 36 886 + 13 207 + 34 684 +
−
1 263 −
−
12 264 −
2 821 +
41 192 − 145 463 − 97 613 −
4 661 +
2 669 +
9 387 − 11 872 − 25 426 +
Anlagen außerhalb des Euro-Währungsgebiets
− 147 166 − 141 722 − 216 129 − 115 933 − 30 667 − 37 040 − 33 580 −
ausländische Anlagen im Euro-Währungsgebiet
+ 134 906 + 100 525 +
2. Wertpapieranlagen Anlagen außerhalb des Euro-Währungsgebiets
+
74 877 +
70 669 + 18 321 + 21 282 + 25 168 +
8 638 −
3 146 2 452
4 274 − 12 379
8 154 + 12 912 +
9 928
60 291 + 162 537 + 89 784 − 42 011 + 31 772 + 20 486 + 48 429 −
5 655
− 276 413 − 338 069 − 443 107 − 108 771 − 118 647 − 156 211 − 44 841 − 44 432 − 31 559
Aktien
−
Anleihen
− 175 711 − 177 693 − 283 401 − 71 449 − 60 610 − 88 719 − 23 492 − 31 309 − 19 792
Geldmarktpapiere
−
ausländische Anlagen im Euro-Währungsgebiet
78 687 − 103 432 − 140 449 − 31 946 − 58 584 − 62 235 − 21 376 − 11 999 − 22 016 −
56 942 −
19 256 −
5 377 +
547 −
5 258 +
27 −
1 125 −
3 633 8 135
+ 351 289 + 398 360 + 605 645 + 198 556 + 76 637 + 187 983 + 65 327 + 92 861 + 25 905
Aktien
+ 110 250 + 128 058 + 280 153 + 150 700 + 63 228 + 103 812 + 31 595 + 51 772 −
Anleihen
+ 198 855 + 254 948 + 260 309 + 24 499 + 30 958 + 58 578 + 17 961 + 42 277 + 24 896
Geldmarktpapiere
+
42 183 +
3. Finanzderivate
−
13 009 −
4 986 −
4. Übriger Kapitalverkehr (Saldo)
−
79 085 −
37 545 +
Eurosystem
+
9 147 +
6 771 +
4 388 +
4 773 −
4 755 +
5 144 −
4 258 +
1 564 −
2 129
Staat
−
3 808 −
5 902 +
2 624 +
8 951 −
4 378 +
857 +
37 +
2 031 −
910
Monetäre Finanzinstitute (Ohne Eurosystem)
−
17 810 −
12 570 +
91 295 + 35 120 + 39 134 + 76 032 + 34 154 −
23 755 −
55 833 −
15 351 +
1 188 + 10 954
13 597 −
2 079 −
439 −
7 165 −
7 368 −
2 980 −
5 806
67 750 + 40 807 + 36 901 + 18 823 + 19 232 − 26 258 + 18 287
langfristig
+
1 553 −
kurzfristig
−
19 363 +
11 189 + 147 128 + 42 494 + 80 416 + 78 213 + 30 627 +
Unternehmen und Privatpersonen
9 945
65 181 + 23 355 − 17 549 + 25 593 + 15 771 −
7 375 − 41 282 −
2 180 +
4 872 + 17 382
3 527 − 10 713 +
3 981
5 841 + 13 401
−
66 613 −
25 848 −
30 553 −
8 035 +
6 900 − 63 210 − 10 701 − 24 981 +
3 944
5. Veränderung der Währungsreserven des Eurosystems (Zunahme: −)
+
28 217 +
12 522 +
18 748 +
2 040 +
8 754 +
5 954 −
1 229
D. Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen
−
44 124 −
56 414 −
79 855 − 36 037 + 20 538 − 29 550 − 13 789 − 35 448 +
4 324
* Quelle: Europäische Zentralbank.
Abbildung 74: Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland
5 530 +
1 895 +
164
„Offene“ Volkswirtschaft
Zwangsläufig muss nach der Kaufkraftparitätentheorie der Wechselkurs zweier Währungen bzw. Volkswirtschaften dem Gleichgewicht der relativen Kaufkraft dieser beiden Währungen entsprechen. Hierbei kann es sich durchaus um Interdependenzen zweier gleich großer Länder, oder aber auch um eine einseitige Abhängigkeit eines kleinen Landes handeln. Im Fall eines „kleinen“ Landes liegt eine einseitige Abhängigkeit allein deshalb vor, weil sowohl Im- als auch der Export wegen eines vergleichsweise nur geringen Anteils keinen nennenswerten Einfluss auf das Güterpreisniveau auf dem Weltmarkt hat und diese Preise aus der Sicht des kleinen Landes faktisch ein „Datum“, also eine fest vorgegebene Größe darstellen.
Der Einfluss der Finanzmärkte Werden inländische und ausländische homogene Finanzanlagen von den Wirtschaftssubjekten als vollständig gleichwertige Anlageformen betrachtet, so kann man analog von einer perfekten Kapitalmobilität sprechen. Voraussetzung ist zeitgleich ein freier Kapitalverkehr ohne jegliche Restriktionen. Ein typisches Merkmal derartiger Konstellationen ist ein Anpassungsmechanismus, welcher unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung vonstatten geht. Hierdurch ist an den weltweiten Finanzmärkten eine vollständige Transparenz erreicht, welche unter Einbindung von modernen Informationssystemen zu einer vollständigen Unterschiedslosigkeit der Preise an den Finanzmärkten und zu einer absoluten Gleichheit von inländischem und ausländischem Zins führt. Treffen jedoch Inlandsund Auslandsanlagen auf unterschiedliche Währungen, so tritt im Fall einer vollständigen Kapitalmobilität diese Angleichung der Marktzinsen nur dann ein, wenn die Wirtschaftsobjekte keine zukünftige Veränderung der Wechselkurse erwarten. Erwarten sie aber eine Änderung, beispielsweise eine Abwertung der heimischen Währung, so muss zwangsläufig der Inlandszins gegenüber dem Marktzins im Ausland höher liegen, damit unter Berücksichtigung der Veränderung der zukünftigen Wechselkursrelation die Renditen unter dem Strich bei der In- als auch der Auslandswährung gleich hoch ausfallen werden. Abweichungen können somit nur dann auftreten, wenn die Finanzmärkte nicht „vollkommen“ sind, zum Beispiel indem keine vollkommene Substituierbarkeit durch fehlenden Ausgleich von Angebot und Nachfrage infolge einer nichtvorhandenen oder nicht transparenter Börsenfunktion vorliegt, oder aber die Finanzanlagen heterogen sind.
Fall des „kleinen“ Landes: Ohne Frage: Für ein kleines Land stellt das Niveau des Auslandszinses faktisch ein Datum dar, von welchem es sich nur schwer abkoppeln kann. So ist auch zu erklären, weshalb die geldpolitische Ausrichtung der „Ökonomie dominante“, der USA, stets und auch nach Einführung des Euro noch immer einen entscheidenden Einfluss auf das Zinsniveau im Euroraum hat. Das Bruttoinlandsprodukt der USA beträgt derzeit zirka 12.438 Mrd. US-$. (Stand 2005)
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
165
Im Vergleich dazu beträgt das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland zum Jahresende 2005 zirka 2.251 Mrd. Euro. Leicht einzusehen, dass ein „kleines“ Land keinen dauerhaft nennenswerten Einfluss auf das inländische Zinsniveau haben kann und sich an das (nicht zuletzt durch die „Ökonomie dominante“ USA) vorherrschende Weltmarktzinsniveau anpassen wird. Infolge dessen ist es für kleinere Länder meist auch nicht möglich, ihre Wirtschaftspolitik dauerhaft autonom zu bestimmen. Unfraglich bewirkt die Offenheit der kleineren Volkswirtschaften (im Hinblick der am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu USA betrachteten Relationen einer mehr als drei mal so großen Einwohnerzahl in den USA sowie eines zirka fünfmal mal größeren Bruttoinlandsproduktes der USA) klare Beschränkungen, so dass insbesondere das inländische Preisniveau sowie die Zinshöhe von den Auslandsbedingungen determiniert ist. Darüber hinaus ist zumindest für die Länder des Euroraumes natürlich ohnehin der geldpolitische Spielraum durch die EZB vorgegeben. Im Fall einer eigenen autonomen Zentralbank kann diese Autonomie darüber hinaus ebenfalls eingeschränkt sein, beispielsweise im Fall einer restriktiven Geldpolitik, welche zu einem Ausweichen inländischer Wirtschaftssubjekte auf ausländische Märkte führt, wodurch die isolierte inländische Betrachtungsweise nahezu wirkungslos wird. Schließlich ist das inländischen Preisniveau durch die globale güterwirtschaftliche Verflechtung an den Weltmärkten von letzteren sehr stark abhängig, so dass eine isolierte geldpolitische Gegensteuerung nahezu unmöglich ist und dann bei einer restriktiven Geldpolitik allenfalls zu einer Verlangsamung der inländischen Konjunktur führen muss.
6.7.1 Einfluss einer expansiveren Geldpolitik auf Zinsniveau und Konjunktur Sie erinnern sich sicher: Das Bruttoinlandsprodukt von der Verwendungsseite setzt sich zusammen aus
Y = C + I + G + EX – IM Es gilt hierbei: Y:
Sozialprodukt
C:
privater Konsum
I:
private Investitionen
G:
Staatsausgaben
EX:
Exporte
IM:
Importe
Wovon hängt nun die Höhe des Exportes ab? Die Einflussfaktoren auf die Höhe der Exporte sind natürlich vielfältig. So ist das Verhältnis der inländischen Güterpreise zu den
166
„Offene“ Volkswirtschaft
ausländischen Güterpreisen (bei einer weitgehenden Homogenität der betrachteten Güter) ein wichtiger Faktor. Entscheidend dafür ist auch der Wechselkurs zwischen den Ländern sowie die konjunkturelle Situation im Ausland.
Höhe des Exportes Die mengenmäßigen Exporte nehmen zu, wenn beispielsweise der Wechselkurs EUR/ US-$ sinkt, da in diesem Fall die inländischen Güter in den USA billiger und damit attraktiver werden und umgekehrt. Das gleiche gilt natürlich auch für die Importe: Die mengenmäßigen Importe nehmen ab, wenn beispielsweise der Wechselkurs EUR/US-$ sinkt, da dann die ausländischen Güter der USA im Inland teurer werden und umgekehrt. Da die Differenz zwischen Ex- und Importen die Höhe des Außenbeitrages der Länder bestimmt, kann dies im weiteren Verlauf des Buches als eine „normale“ Reaktion der Handelsbilanz unterstellt werden.
Definition: J-Kurveneffekt versus „normale“ Reaktion der Leistungsbilanz Grundsätzlich führt die Aufwertung einer Währung mittel- bis langfristig annahmegemäß zu einer Passivierung der Handelsbilanz. Allerdings zeigt sich in der Realität, dass die Aufwertung einer Währung oftmals nicht zu einer Verringerung des womöglich vorhandenen Exportüberschusses führt, sondern zu dessen weiterer Erhöhung. Der Grund hierfür liegt in einer verzögerten mengenmäßigen Anpassung des Angebotes an die Nachfrage. Durch die Aufwertung werden zunächst bei einem gegebenen internationalen Güterabsatz – sofern diese Güter auch in der inländischen Währung fakturiert werden – die Importprodukte für das Inland billiger. Damit sinkt der Importwert in der inländischen Währung. Werden nun inländische Exportgüter in der Inlandswährung ebenfalls fakturiert, so bleibt auf der anderen Seite der Exportwert konstant, wodurch es in jedem Fall zunächst durch die Aufwertung der heimischen Währung zu einer Ausweitung des ursprünglichen Exportüberschusses kommen wird. Erst wenn sich in der Folgezeit die Gütermengen den Preiseffekten anpassen werden, kann die zunächst anormale Reaktion der Handelsbilanz neutralisiert werden, mit der Folge einer dann als „normal“ zu erwartenden Reaktion der Handelsbilanz. Eine grafische Darstellung in einer zeitlichen Reihenfolge jener zunächst „inversen“, in späterer Folge aber „normalen“ Reaktion der Entwicklung des Handelsbilanzsaldos zeigt die Figur eines J, weshalb dieser beschriebene Effekt auch als J-Kurveneffekt bezeichnet wird. Eine Abwertung, am obigen Beispiel ein Steigen der EUR/US-$-Relation, hat demnach zumindest mittel- bis langfristig einen „positiven“ Effekt auf die Leistungsbilanz, während eine Aufwertung der heimischen Währung, am obigen Beispiel ein Sinken der EUR/ US-$-Relation die Handels- bzw. Leistungsbilanz zunächst tendenziell verschlechtert.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
167
Notwendiges Gleichgewicht von Sparen und Investieren in einer offenen Volkswirtschaft im IS-/LM-Diagramm Der Wechselkurs stellt in einer offenen Volkswirtschaft einen entscheidenden Lageparameter für die konjunkturelle Situation des Landes dar. In einem IS-/LM Diagramm führt eine Ausweitung der Exporte zu einer Verschiebung der IS-Kurve. Eine Abwertung der heimischen Währung macht die inländischen Exportgüter auf den Weltmärkten attraktiver, weshalb dies zu einer Expansion des heimischen Güterangebotes führt. Die Folge ist eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve und umgekehrt. Gleichzeitig gilt:
Y = C + I + G + EX – IM
(1)
sowie
Y=C+S
(2)
Aus (1) und (2) ergibt sich:
S = I + G + EX – IM
(3)
S – I = G + EX – IM
(4)
Daraus folgt:
Dies stellt eine wesentliche makroökonomische Erkenntnis dar: Ist die Summe der inländischen Ersparnisse höher als die Summe der inländischen Investitionen, so ist der Saldo aus Staatsausgaben und Außenbeitrag stets positiv. Um nun ein mögliches Handelsbilanzdefizit zu verringern bzw. in einen Überschuss zu verwandeln, stehen drei grundsätzliche Handlungsalternativen zur Auswahl: 1. Weitere Erhöhung der privaten Ersparnis 2. Reduzierung der inländischen Investitionen 3. Reduktion der Staatsausgaben durch konsequentes Sparen Dieser Zusammenhang hat gerade in jüngster Zeit am Beispiel der USA im Rahmen des vorhandenen „Zwillingsdefizites“ eine entscheidende Relevanz erfahren. In Kapitel 7 werde ich darauf noch tiefer eingehen. Allerdings zeigt bereits der in Gleichung 4 dargestellte Zusammenhang die Abhängigkeit der Handelsbilanz von der Höhe der Staatsausgaben und deren zukünftige Entwicklung die Problematik der USA deutlich auf. Für die Bestimmung von Güter- und Geldmarktgleichgewicht in einer offenen Volkswirtschaft sind somit auch der Devisenmarkt und die Zahlungsbilanz zu berücksichtigen. Da die Zahlungsbilanz aufgrund des Systems der doppelten Buchungen immer ausgeglichen sein muss, muss für die Summen der Salden der Leistungs- als auch Kapitalverkehrsbilanz somit stets gelten:
168
„Offene“ Volkswirtschaft
ZB = LB + KB + DB = 0 Fazit: Der Saldo der Devisenbilanz entspricht stets der Veränderung der Währungsreserven. Ein Zahlungsbilanzgleichgewicht und damit ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht sind stets dann gegeben, wenn sich die Währungsreserven nicht verändern.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
169
DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2006
X. Außenwirtschaft 3. Außenhandel (Spezialhandel) der Bundesrepublik Deutschland nach Ländergruppen und Ländern *) Mio € 2005 Ländergruppe/Land Alle Länder 1) I. Europäische Länder 1. EU-Länder (25) nachrichtlich: EU-Länder (15) EWU-Länder darunter: Belgien und Luxemburg Frankreich Italien Niederlande Österreich Spanien Andere EU-Länder darunter: Vereinigtes Königreich 2. Andere europäische Länder II. Außereuropäische Länder 1. Afrika 2. Amerika
2003
2004
2005
Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo
664 455 534 534 + 129 921 490 672 384 939 + 105 733 426 342 324 043 + 102 299
731 544 575 448 + 156 096 541 395 408 698 + 132 697 466 326 342 636 + 123 691
786 186 625 632 + 160 554 581 549 445 391 + 136 157 498 556 368 831 + 129 725
Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo
369 776 266 404 + 103 372 288 668 215 705 + 72 963
404 770 285 049 + 119 720 317 696 230 717 + 86 979
430 995 309 453 + 121 542 339 752 249 162 + 90 590
Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo Ausfuhr Einfuhr Saldo
darunter: Vereinigte Staaten Ausfuhr Einfuhr Saldo 3. Asien Ausfuhr Einfuhr Saldo darunter: Länder des nahen Ausfuhr und mittleren Einfuhr Ostens Saldo Japan Ausfuhr Einfuhr Saldo Volksrepublik Ausfuhr China 2) Einfuhr Saldo 4. Ozeanien und Ausfuhr Polarregionen Einfuhr Saldo Nachrichtlich: Südostasiatische Ausfuhr Schwellenländer 3) Einfuhr Saldo
+ + + − + + +
+ + + + +
+ −
38 413 26 132 12 282 69 025 48 545 20 480 48 414 34 259 14 156 42 219 42 301 83 35 857 21 453 14 404 32 364 16 518 15 846 137 674 108 337 29 336 55 597 31 712 23 885 64 331 60 897 3 434 172 329 148 895 23 434 12 072 10 239 1 832 79 629 51 948 27 681 61 654 39 231 22 423 75 620 84 783 9 162
+
15 511 4 469 11 043 11 889 19 684 7 795 18 265 25 681 7 417 5 008 1 925 3 083
−
24 515 27 119 2 603
+ − −
+ + + + + + +
+ + + + +
43 992 28 818 15 173 74 360 51 535 22 825 51 479 35 676 15 803 46 730 46 204 526 40 244 24 020 16 224 36 249 17 426 18 823 148 630 111 919 36 711 59 986 34 466 25 520 75 069 66 062 9 007 188 782 166 132 22 650 13 785 11 092 2 694 84 694 54 679 30 016
+ + + − + + +
+ + + + +
47 749 33 687 14 062 79 871 54 627 25 244 54 374 35 589 18 785 47 799 53 371 5 573 42 533 25 292 17 241 40 395 17 985 22 410 158 804 119 669 39 135 61 681 39 414 22 268 82 993 76 561 6 432 203 210 179 603 23 608 14 785 13 208 1 577 91 970 57 443 34 527
Dezember
2006 Januar
70 130 57 180 + 12 951 51 568 40 130 + 11 439 44 171 32 586 + 11 586
76 959 62 605 + 14 354 57 215 44 659 + 12 556 49 502 36 171 + 13 331
35 161 27 166 7 995 27 999 21 954 + 6 045
37 990 26 482 + 11 508 30 068 21 163 + 8 905
37 938 27 081 + 10 858 30 244 21 948 + 8 295
42 540 30 310 + 12 230 33 630 24 680 + 8 950
+
+ + + − + + +
+ + + + +
3 995 2 674 1 320 6 353 4 842 1 511 4 420 2 898 1 523 4 053 5 174 1 122 3 752 2 147 1 605 3 039 1 555 1 483 13 187 10 436 2 751 4 606 3 417 1 190 7 582 7 407 175 17 738 17 502 236 1 276 1 020 256 7 964 5 019 2 945
+ + + − + + +
+ − + + +
4 032 2 858 1 174 7 154 4 623 2 532 4 898 3 014 1 884 4 433 4 566 133 3 769 2 145 1 624 3 291 1 419 1 871 13 814 10 399 3 415 5 380 3 307 2 073 6 947 7 291 344 17 512 17 051 461 1 173 1 092 81 7 779 5 298 2 481
69 311 41 342 + 27 969 90 608 106 882 − 16 275
6 092 3 460 + 2 632 7 990 11 267 − 3 277
5 809 3 775 + 2 034 8 107 10 435 − 2 328
+
17 357 4 398 12 959 12 719 21 583 8 865 20 992 32 791 11 800 5 513 2 184 3 329
+
20 478 4 967 15 512 13 330 21 435 8 104 21 280 39 891 18 611 5 847 2 069 3 778
+
1 756 492 1 264 1 087 2 283 1 195 1 947 4 202 2 255 508 197 311
+
1 698 481 1 218 1 156 1 780 625 1 883 4 158 2 275 454 226 228
−
26 838 30 012 3 174
−
27 542 30 596 3 054
−
2 449 3 386 938
−
2 435 3 056 621
−
+ − −
+ − −
* Quelle: Statistisches Bundesamt. Ausfuhr (fob) nach Bestimmungsländern, Einfuhr (cif) aus Ursprungsländern. Ausweis der Länder und Ländergruppen nach dem neuesten Stand. — 1 Einschl. Schiffs- und Luftfahrzeugbedarf
März
68 541 55 957 + 12 583 50 828 38 853 + 11 976 43 882 31 562 + 12 320
64 860 40 709 24 151 84 789 98 177 13 388
+
Februar
66 593 57 357 + 9 236 48 769 39 797 + 8 972 41 186 32 390 + 8 796
+ − −
+ − −
+ + + − + + +
+ − + − +
4 483 2 881 1 602 6 943 4 608 2 335 4 947 3 071 1 876 4 413 5 030 617 3 710 2 204 1 506 3 356 1 557 1 799 13 928 10 637 3 290 5 231 3 385 1 846 7 397 7 544 147 18 484 16 995 1 489 1 294 1 496 201 8 472 5 444 3 028
+ + + − + + +
+ − + − +
4 932 3 250 1 682 7 790 5 780 2 009 5 346 3 342 2 004 4 900 5 381 481 4 132 2 521 1 612 3 720 1 803 1 917 15 871 11 491 4 381 6 015 3 723 2 292 7 713 8 488 775 19 661 17 889 1 772 1 330 1 424 94 9 362 5 758 3 604
6 392 3 883 2 509 8 227 9 926 1 699
7 114 3 961 + 3 153 8 456 10 467 − 2 011
+
1 729 457 1 272 1 239 1 912 673 2 023 3 808 1 785 490 130 361
+
1 914 407 1 507 1 176 2 211 1 035 2 009 3 944 1 934 514 241 273
−
2 417 2 685 268
−
2 566 2 822 256
+ −
+ − −
+ − −
April
Mai p)
69 861 58 627 + 11 235 52 358 41 834 + 10 524 44 832 33 975 + 10 857
72 642 59 702 + 12 940 ... ... ... ... ... ...
38 156 28 343 9 813 30 338 23 006 + 7 331
... ... ... ... ... ...
4 228 3 081 1 148 6 921 5 330 1 591 4 878 3 184 1 694 4 605 4 840 235 3 866 2 401 1 465 3 353 1 590 1 763 14 494 10 969 3 525
... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...
5 258 3 576 1 682 7 526 7 859 333 17 435 16 738 697 1 267 1 192 74 7 640 5 649 1 991
... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...
5 696 3 834 1 863 8 072 9 710 1 638
... ... ... ... ... ...
+
1 742 427 1 314 1 031 1 959 928 2 061 3 588 1 527 456 187 269
... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...
−
2 395 2 739 344
... ... ...
+
+ + + − + + +
+ − + + +
+ −
+ − −
sowie anderer regional nicht zuordenbarer Angaben. — 2 Ohne Hongkong. — 3 Brunei Darussalam, Hongkong, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Republik Korea, Taiwan und Thailand.
Abbildung 75: Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland nach Ländern und Ländergruppen
170
„Offene“ Volkswirtschaft
Darüber hinaus: Bei einem Zahlungsbilanzgleichgewicht steht, sofern durch die Notenbank keine Interventionen erfolgen, einem Aktivsaldo der Leistungsbilanz stets ein gleich großer Passivsaldo der Kapitalverkehrsbilanz gegenüber und umgekehrt, wobei die Kapitalverkehrsbilanz im Fall eines Nettokapitalimportes (das heißt Kapitalimporte sind größer als die Kapitalexporte) einen positiven, und bei einem Nettokapitalexporte (das heißt Kapitalimporte sind kleiner als die Kapitalexporte) einen negativen Saldo aufweist.
6.7.2 Einfluss des Zinsniveaus auf Kapitalanlageentscheidungen Unter der Annahme, dass die Kapitalbewegungen zwischen In- und Ausland allein vom inländischen (i) und ausländischen Zins (ia) abhängig sind, ergibt sich als Ergebnis folgender Zusammenhang für das außenwirtschaftliche Gleichgewicht:
ZB = A (w, Y) + KB (i, ia) = 0 Es gilt: ZB:
Saldo der Zahlungsbilanz
A:
Saldo der Leistungsbilanz, abhängig von Wechselkurs (w) und Volkseinkommen (Y)
KB: Saldo der Kapitalverkehrsbilanz, abhängig von in- (i) und ausländischem (ia) Zinsniveau Da der Aktivsaldo einer Leistungsbilanz – bei nicht vorhandener Interventionen an den Devisenmärkten durch die Zentralbanken – stets dem Passivsaldo der Kapitalverkehrsbilanz entspricht, kann der Saldo der Devisenbilanz also nur der Höhe der Veränderungen der jeweiligen Devisenreserven entsprechen. Geht man nun von der annahmegemäßen Zinsabhängigkeit des Saldos der Kapitalverkehrsbilanz aus, so kann im Fall einer Erhöhung des inländischen Zinsniveaus im weiteren Verlauf von einer zunehmenden Aktivierung der Kapitalverkehrsbilanz ausgegangen werden, da der Kapitalimport zu- und der Kapitalexport tendenziell abnehmen wird. Umgekehrt bewirkt eine Erhöhung des ausländischen Zinsniveaus eine Abnahme des Kapitalimportes und eine Zunahme des Kapitalexportes und damit tendenziell eine Passivierung der Kapitalverkehrsbilanz. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die nachfolgende Grafik. Der Einfluss des Zinsniveaus auf die internationalen Kapitalanlageentscheidungen kann anhand des nachfolgend dargestellten Zahlungsbilanzkurvenverlaufs, kurz ZB-Kurvenverlaufs verdeutlicht werden. Wie dargestellt können in einem i/Y-Diagramm alle Kombinationen von Zins- und realem Volkseinkommen bei einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz dargestellt werden. Bitte bedenken Sie aber dabei stets: Der Verlauf der Zahlungsbilanzkurve muss zwangsläufig einen steigenden Verlauf aufweisen, da bei einer Zunahme des realen Volkseinkommens wie bereits ausgeführt steigende Importe die Folge sein werden. Dadurch wird der Außenbeitrag verringert und die Leistungsbilanz tendenziell passiviert. Da die Zah-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
171
lungsbilanz aber grundsätzlich – bei unterlassenen Interventionen an den Devisenmärkten durch die Zentralbank – stets ausgeglichen ist, muss der Kapitalverkehrsbilanzsaldo zwangsläufig zunehmen. Dies ist annahmegemäß aber nur durch ein Ansteigen des inländischen Zinsniveaus möglich, weshalb die ZB-Kurve den dargestellten steigenden Verlauf notwendigerweise auch aufweisen muss. Kombinationen von Zinsniveau und realem Volkseinkommen unterhalb der Kurve repräsentieren dabei ein mögliches Zahlungsbilanzdefizit, Kombinationen von Zinsniveau und realem Volkseinkommen oberhalb der Kurve einen möglichen Zahlungsbilanzüberschuss.
i
ZB
0
Y
Abbildung 76: Kombinationen von inländischem Zinsniveau und realem Volkseinkommen und das Zahlungsbilanzgleichgewicht
Die Lage der Zahlungsbilanzkurve ist keinesfalls als „zementiert“ zu verstehen: Ein Ansteigen des Wechselkurses führt zu einer Rechtsverschiebung der ZB-Kurve, ein Sinken des Wechselkurses zu einer Linksverschiebung.
Definition: Aufwertung einer Währung: Unter einer Aufwertung (Revalation) versteht man die Erhöhung des Preises der einheimischen Währung gegenüber ausländischen Währungseinheiten durch Änderung des Wechselkurses. Im Gegensatz dazu bezeichnet man das Absinken der Preise der einheimischen Währung gegenüber ausländischen Währungseinheiten durch Änderung des Wechselkurses als Abwertung. Wie ist das zu erklären? Bei einem Ansteigen des Wechselkurses wird der Außenbeitrag des betrachteten Landes durch die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten tendenziell zunehmen. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht kann deshalb nur bei einem höheren Volkseinkommen sowie niedrigerem Inlandszinsniveau erreicht werden. Wenn
172
„Offene“ Volkswirtschaft
nun das ausländische Zinsniveau ansteigt und der Saldo der inländischen Kapitalverkehrsbilanz abnimmt, so muss sich zwangsläufig die ZB-Kurve nach links verschieben, da das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ein höheres Inlandszinsniveau bzw. ein niedrigeres inländisches reales Volkseinkommen verlangt. Im Falle eines Absinkens des Wechselkurses gilt analog die umgekehrte Entwicklung.
6.7.3 Einfluss der „Zinselastizität“ auf die Kapitalbewegungen Der zuvor dargestellte Zusammenhang ist natürlich nur dann nachvollziehbar, wenn die internationalen Kapitalbewegungen überhaupt auf Veränderungen des in- und ausländischen Zinsniveaus entsprechend reagieren. Sollten die Kapitalbewegungen – bei einer zugegebenermaßen sehr theoretischen Betrachtungsweise – überhaupt nicht auf Veränderungen des inländischen Zinsniveaus reagieren, so ist von einem senkrechten Verlauf der Zahlungsbilanzkurve auszugehen und mit nur einem Wert des realen Volkseinkommens vereinbar. Reagieren diese hingegen – bei der zugegeben ebenfalls sehr theoretischen Betrachtungsweise – sehr extrem, so kann das inländische Zinsniveau streng genommen und insbesondere im beschriebenen Fall des „kleinen“ Landes gar nicht vom Auslandszinsniveau abweichen. Infolge dessen muss in diesem Extremfall die ZB-Kurve parallel zur Abszisse verlaufen, da bereits eine verhältnismäßig kleine Veränderung des inländischen Zinsniveaus dazu führen muss, dass für die Wiederherstellung des Gleichgewichtes der Zahlungsbilanz über die Kapitalverkehrsbilanz ein vergleichsweiser großer Ausgleich geschaffen werden muss. Im der Praxis dürfte die Realität zwischen den beiden theoretischen Extremfällen zu finden sein.
6.7.4 Simulationen in einer „realen“ Welt anhand des IS-/LM-Diagramms
i IS
LM
ZB
0
Y
Abbildung 77: Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter-, Geld- und Devisenmarkt
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
173
Bei meinen ersten Ausführungen in Kapitel 6 ging ich zunächst noch von einer „geschlossenen“ Volkswirtschaft aus. Diese in der Realität selten anzutreffende Konstellation werde ich sukzessive vollständig aufgeben und uns deshalb im weiteren Verlauf dieses Kapitels verstärkt nur noch ausschließlich in eine offene Volkswirtschaft innerhalb des IS-/ LM-Diagramms führen. Bitte betrachten Sie in diesem Zusammenhang Abbildung 77, in welcher sich sowohl der Güter-, der Geldmarkt und der Devisenmarkt simultan in einem Gleichgewicht befinden. In dieser Konstellation schneiden sich alle drei Kurven gleichzeitig in einem Punkt. In der Realität ist zumindest kurzfristig der Fall anzutreffen, in welchem die ZB-Kurve entweder ober- oder aber unterhalb des Schnittpunktes der IS-/LM-Kurve verläuft. In diesem Fall liegt ein außenwirtschaftliches Ungleichgewicht vor, das heißt die Leistungsbilanz ist temporär unausgeglichen. In Abbildung 79 liegt ein Zahlungsbilanzüberschuss in einem System fester und flexibler Wechselkurse vor, da der Schnittpunkt der IS-/LM-Kurve jeweils eine Kombination zwischen Zinsniveau und realem Volkseinkommen repräsentiert, das sich oberhalb der ZB-Kurve befindet.
i
LM
IS
S
LM´
ZB
is U T
0
Ys
(a) bei festem Wechselkurs
Abbildung 78: Zahlungsbilanzüberschuss (bei festem Wechselkurs)
Y
174
„Offene“ Volkswirtschaft
i
IS
LM
IS´
S
is
iv
ZB´ ZB
V U
0
Yv
Ys
Y
(b) bei flexiblem Wechselkurs
Abbildung 79: Zahlungsbilanzüberschuss (bei flexiblem Wechselkurs)
In einem System flexibler Wechselkurse interveniert (zumindest im „Normalfall“) die Zentralbank im Gegensatz zu einem System fester Wechselkurse nicht. Lediglich in einem System „fester“ Wechselkurse wäre sie zu Interventionen verpflichtet, um die vorgegebene Wechselkursrelation einzuhalten. Dadurch ergeben sich normalerweise in einem System flexibler Wechselkurse notwendigerweise auch keine Veränderungen der Devisenreserven, womit der Saldo der Devisenbilanz unverändert bleibt. Somit ist in einem System flexibler Wechselkurse zwangsläufig auch immer ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht – in welcher Konstellation auch immer – gegeben. Liegt nun, wie in der vorherigen Abbildung angenommen, ein kurzfristiger Zahlungsbilanzüberschuss vor, so führt zunächst der ausgelöste Devisenüberschuss im Inland zu einer Aufwertung der heimischen Währung. Dies hat auf mittlerer Frist Konsequenzen für die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Güter und Dienstleistungen: Zumindest auf mittlere Frist dürfte eine Verringerung des heimischen Außenbeitrages und damit eine Verschiebung der ZB-Kurve nach links die Folge sein. Durch die Reduktion des Außenbeitrages wird ein Angebotsüberschuss auf den heimischen Gütermärkten die zwangsläufige Folge sein. Dieser Angebotsüberschuss kann durch zwei Alternativen abgebaut werden: Entweder reduziert sich das
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
175
inländische Zinsniveau oder aber das inländische reale Volkseinkommen. Hierdurch wird sich die IS-Kurve (in Abbildung 78 unten bei unveränderter Lage der LM-Kurve) nach links verschieben, bis im Punkt V sowohl der Güter-, Geldmarkt und die Devisenbilanz wieder im Gleichgewicht sind.
Effekt einer restriktiveren Geldpolitik auf die volkswirtschaftlichen Rahmendaten Welche Effekte gehen nun von einem restriktiveren geldpolitischen Kurs der Zentralbank aus? Eine restriktivere Geldpolitik hat zwangsläufig zur Folge, dass das Geldmengenwachstum im Inland tendenziell verringert wird. In der Regel ist damit auch ein Anstieg des inländischen Zinsniveaus verbunden. Der Anstieg des inländischen Zinsniveaus führt in weiterer Folge zu einem erhöhten Kapitalimport und einer tendenziellen Abnahme des Kapitalexportes. Die Folge: Die Aktivierung der Kapitalverkehrsbilanz respektive eine Zunahme des Kapitalverkehrsbilanzsaldos wird durch das Ansteigen des inländischen Zinsniveaus von einer Reduktion des inländischen realen Volkseinkommens begleitet. Hierdurch werden jedoch gleichzeitig die inländischen Importe verringert. Dies lässt – sofern wir den J-Kurveneffekt zunächst außer Acht lassen wollen – eine tendenzielle Verbesserung bzw. Aktivierung der Leistungsbilanz erwarten. Trägt gleichzeitig die restriktive Geldpolitik im Hinblick auf die Entwicklung der Preisniveaustabilität im Inland Früchte und reduziert sich im weiteren Verlauf die inländische Inflationsrate, so wird der beschriebene positive Effekt im Hinblick auf die Entwicklung der Leistungsbilanz sogar noch verstärkt, da Importe durch die verstärkte Wettbewerbsfähigkeit inländischer Güter auf dem Heimatmarkt abnehmen und die Exporte aufgrund steigender Wettbewerbsfähigkeit zunehmen werden.
Effekt einer expansiveren Geldpolitik auf die volkswirtschaftlichen Rahmendaten Eine expansivere Geldpolitik löst durch das verstärkte Geldangebot tendenziell sinkende Zinsen am Geldmarkt aus. Die Folge: Die Kapitalverkehrsbilanz erfährt eine verstärkte Passivierung. Durch die Expansion des inländischen realen Volkseinkommens nehmen die inländischen Exporte tendenziell zu, weshalb eine Passivierung der Leistungsbilanz zwangsläufig auf mittlere Frist erwartet werden kann. Im Hinblick auf die Entwicklung des inländischen Preisniveaus könnte eine expansive Geldpolitik negative Effekte auslösen. Steigt im weiteren Verlauf die inländische Inflationsrate, so wird der beschriebene negative Effekt im Hinblick auf die Entwicklung der Leistungsbilanz sogar noch verstärkt, da Importe durch die verminderte Wettbewerbsfähigkeit inländischer Güter auf dem Heimatmarkt zunehmen und die Exporte aufgrund einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich abnehmen werden.
176
„Offene“ Volkswirtschaft
Wechselkurseffekte bei einer expansiveren Geldpolitik Wie bereits dargestellt ist der Devisenbilanzsaldo, solange die Zentralbank keine Interventionen durchführt, ex definitione stets gleich Null. Dies ist für die Durchführung einer autonomen Geldpolitik des betrachteten Landes auch von entscheidender Bedeutung, kann es damit – im Gegensatz zu einem System fester Wechselkurse, in welchem die Zentralbank ja zur Aufrechterhaltung des Wechselkurses mehr oder weniger regelmäßig am Devisenmarkt intervenieren muss – die Geldmenge enger autonom bestimmen. Betreibt nun das betrachtete Land aufgrund steigender Inflationsgefahren zukünftig eine restriktivere Geldpolitik, so führt dies in weiterer Folge zu steigenden inländischen Geldmarktzinsen. Die Folge: Die Kapitalverkehrsbilanz erfährt tendenziell eine Aktivierung bzw. das Land erfährt einen Nettokapitalimport. Dies führt in weiterer Konsequenz zu einer Aufwertung der heimischen Währung und damit aufgrund höherer Importe und sinkender Exporte zu einer Passivierung der Leistungsbilanz. Sinkt jedoch der Außenbeitrag, so reduziert sich in weiterer Folge aber auch das reale Volkseinkommen. Beachten Sie in diesem Zusammenhang den Wirkungszusammenhang der „monetären“ Schiene (Zinswirkungen auf die Kapitalverkehrsbilanz) sowie die Auswirkungen auf die „reale“ Schiene (Leistungsbilanzauswirkungen auf das reale Volkseinkommen). Bitte beachten Sie dabei: Die ursprüngliche Motivation einer restriktiveren Geldpolitik, steigende Inflationsgefahren zu begegnen, kann durch die indirekt damit ausgelöste Reduktion des realen Volkseinkommens zusätzlich unterstützt werden, da ein sinkendes Volkseinkommen durch sinkende Kapazitätsauslastungen tendenziell stabilisierend auf das inländische Preisniveau wirkt. Halten Sie sich in diesem Zusammenhang noch einmal die in Kapitel 4 dargestellten Zusammenhänge vor Augen.
Abbildung 80: Monetäre und reale Wirkungskette einer expansiven Geldpolitik
Betreibt die Zentralbank hingegen eine expansivere Geldpolitik, um beispielsweise das inländische reale Volkseinkommen (und damit auch wirtschaftspolitisch motiviert die Beschäftigung) zu erhöhen, so führt dies zunächst durch ein sinkendes inländisches Zinsniveau zu einer Abwertung der Heimatwährung. Durch das sinkende Zinsniveau wird sich die Kapitalverkehrsbilanz tendenziell passivieren. Dies führt, selbst wenn die inländische private Investitionstätigkeit atypisch nicht aufgrund der sinkenden Zinsen einer Expan-
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
177
sion unterliegen würde, zu einer Ausweitung des inländischen realen Volkseinkommens, da die Exporte aufgrund einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit zunehmen und die Importe aufgrund der steigenden Preise im Inland für diese Güter abnehmen werden. In diesem Fall liegt der damit ausgelöste erhöhte Angebotsdruck auf den Inlandsmärkten natürlich vollständig im Interesse der wirtschaftspolitischen Akteure, da allein bereits durch die ausgelöste wirtschaftliche Expansion über eine Ausweitung des Außenhandels ein positiver Effekt auf die inländische Beschäftigung erwartet werden kann. In der Realität dürften jedoch zusätzlich expansive Effekte durch das sinkende Zinsniveau und dadurch ausgelöst eine steigende private Investitionstätigkeiten zusätzlich das reale Volkseinkommen und damit auch das Beschäftigungsniveau positiv beeinflussen. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang den Effekt im IS-/LM-Diagramm in Abbildung 81. Zur Vereinfachung der Darstellung gehen wir im weiteren Verlauf von einem horizontalen Verlauf der ZB-Kurve aus. Durch die expansive Geldpolitik verschiebt sich die LM-Kurve zunächst nach rechts, bis im Punkt kurzfristig ein neues simultanes Gleichgewicht von Güter- und Geldmarkt erreicht wird. Das sinkende Zinsniveau im Inland führt jedoch ex definitione zu einer Abwertung der heimischen Währung an den Devisenmärkten, weshalb sich die ZB-Kurve nach unten absenken wird. Durch die Abwertung der heimischen Währung erhöht sich mittelfristig der Außenbeitrag, weshalb sich im weiteren Verlauf die IS-Kurve zusätzlich nach rechts verschieben wird. Das neue Endgleichgewicht befindet sich dabei zwangsläufig auf der neuen LM-Kurve, deren Lage von der Wechselkursveränderung nicht tangiert wird. In der nachfolgenden Abbildung hat sich das neue Gleichgewicht im Punkt B gebildet, in welchem – ausgelöst durch die expansive Geldpolitik – sowohl das reale Volkseinkommen als auch die Beschäftigung erhöht werden konnte.
IS
IS´
LM
LM´
i
A ZB ZB´ B
0
Y
Abbildung 81: Expansive Geldpolitik in einem System flexibler Wechselkurse
178
„Offene“ Volkswirtschaft
Ergänzende Hinweise zur Wirkungsweise des beschriebenen Transmissionsmechanismusses Am zuvor erläuterten Wirkungszusammenhang einer expansiveren Geldpolitik dürfte für den aufmerksamen Leser des Buches ein Widerspruch entstanden sein. Wie in Kapital 6.5.6. dargestellt hat eine expansive Geldpolitik insbesondere im Fall weit unterausgelasteter Ressourcen zunächst nur reale Wirkungen auf das reale Volkseinkommen und damit das Beschäftigungsniveau. Sind die Ressourcen nämlich noch weitgehend unterausgelastet, so bleibt bis auf weiteres das Preisniveau nach dem expansiven geldpolitischen Impuls zunächst noch unverändert. Damit bleibt aber bei einer expansiven Geldpolitik- zumindest im Hinblick auf das Preisniveau – die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland – verbunden mit den Auswirkungen auf den Saldo der Leistungsbilanz – zunächst gegeben. Lediglich über ein sinkendes Zinsniveau im Inland wird die Inlandswährung abgewertet, verbunden mit einem steigenden Außenbeitrag und damit steigendem realen Volkseinkommen und Beschäftigung. Dabei ist keine Abnahme der Wettbewerbsfähigkeit – ausgelöst durch ein steigendes inländisches Preisniveau – zu erwarten, wodurch unter Umständen die durch die Abwertung ausgelösten expansive Effekte tendenziell abgeschwächt werden könnten. Die Anpassungsgeschwindigkeiten von Güter- und Geldmarkt sind dabei gänzlich unterschiedlich. Finanzmärkte reagieren auf Datenänderungen ungleich schneller als Gütermärkte. Nicht zuletzt moderne Informationstechnologien beschleunigen die Anpassungsmechanismen, führen aber auch dazu, dass beispielsweise Veränderungen der Wechselkurse bereits dann eintreten, wenn nur unterschiedliche Änderungsraten der Geldmengenentwicklung im In- und Ausland für eine solche in Zukunft über die beschrieben Anpassungsmechanismen sprechen könnten. Dagegen reagieren die Gütermärkte auf Änderungen der exogenen Größen meist erst mit einer erheblichen Verzögerung. Hat beispielsweise der expansive geldpolitische Impuls erst einmal über den Anpassungsmechanismus der Finanzmärkte eine Zinssenkung- und Wechselkursabwertung ausgelöst, so kann in weiterer Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass mit einer zeitlichen Verzögerung über eine Aktivierung der inländischen Investitionstätigkeit eine wirtschaftliche Expansion einsetzen wird. Es hängt dabei jedoch stets von der Reaktionszeit der Märkte ab, ob nun definitiv das reale Volkseinkommen zunimmt oder aber im Gegensatz dazu lediglich das nominelle Volkseinkommen. Warum ist das so? Über die dadurch ausgelöste Abwertung der heimischen Währung werden die Importe im Inland teurer. Insbesondere die für die inländische Produktion notwendigen Rohstoffimporte verteuern die heimischen Produkte, so dass in weiterer Folge der durch die Abwertung zunächst ausgelöste preisliche Wettbewerbsvorteil – in Abhängigkeit der Anpassungsreaktionsgeschwindigkeit auf den Gütermärkten – unter Umständen zum Teil wieder aufgehoben werden könnte.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
6.8
179
Einfluss von Zinsniveau und Konjunktur auf die Wertpapiermärkte
Warum ist es nun so wichtig, in der Vermögensanlageberatung derartig dezidierte Kenntnisse über die derzeitige und zukünftige ökonomische Entwicklung im In- und Ausland zu entwickeln? In wie weit werden durch ökonomische Entwicklungen Aktien-, Renten-, Commodities- und Derivatepreise beeinflusst und wie ist es möglich, Kurs- und Preisentwicklungen zu prognostizieren? Grundsätzlich ist es wichtig, einen Zusammenhang von Assetrenditen und aktueller Konjunkturlage herzustellen. Betrachten Sie in diesem Zusammenhang die nachfolgende Abbildung 82, welche den Konjunkturzyklus hinsichtlich des Auslastungsgrades der Wirtschaft (momentanes Volkseinkommen zu maximal möglichem Volkseinkommen) in einer idealtypischen Form abbildet.
Kapazitätsüberschuss, Fallendes Wachstum
Kapazitätsüberschuss, Rasches Wachstum
Kapazitätsengpass, Rasches Wachstum
Kapazitätsengpass, Fallendes Wachstum
Renten
Aktien
Rohstoffe
Renten
Cash
Renten
Aktien
Rohstoffe
Aktien
Aktien
Renten
Cash
Rohstoffe
Cash
Cash
Aktien
+2
+1
0
-1
-2
= Beste Rendite
Abbildung 82: Assetrenditen im Laufe eines Konjunkturzyklusses
Die heimischen Aktien- und Rentenpapiere neigen stets dann zu einer guten Performance, wenn die derzeitige konjunkturelle Situation der Binnenwirtschaft noch schwach ist, die Konstellation für die zukünftige Entwicklung aber positiv eingeschätzt wird und somit das Potenzial für die Verbesserung der konjunkturellen Auslastung gegeben ist. Umgekehrt neigen natürlich die heimischen Aktien- und Rentenpapiere stets zu einer vergleichsweise schlechten Performance, wenn die derzeitige konjunkturelle Situation der Binnen-
180
Einfluss von Zinsniveau und Konjunktur auf die Wertpapiermärkte
wirtschaft noch sehr stark ist, die zukünftige konjunkturelle Situation jedoch düsterer eingeschätzt wird und dadurch eine steigende Gefahr für die Verschlechterung des konjunkturellen Auslastungsgrades vorhanden ist. Insbesondere aber Commodities sind hierbei in einem besonderen Maße an die wirtschaftlichen Bedingungen geknüpft: Diese erzielen erfahrungsgemäß dann ihre höchsten Erträge, wenn das ökonomische Potenzial einer konjunkturellen Überhitzung der Wirtschaft vorhanden ist. Bei allen Anlageformen ist immer zu beachten, dass die in der Abbildung 82 dargestellten Zyklen keinesfalls symmetrisch sind. Auf diesen Tatbestand wurde in diesem Buch ja bereits mehrfach hingewiesen. Die Zyklen sind hinsichtlich ihrer Dauer nicht gleich.
6.8.1 Asset-Renditen von Commodities In einem Konjunkturaufschwung sind Commodities erfahrungsgemäß und empirisch erwiesen noch vergleichsweise unattraktive Anlageformen und werden idealtypisch erst im Zuge einer späten Phase des Konjunkturaufschwunges in Puncto Performance von besonderem Interesse. In der Realität könnten diese auch durch bestehende Kapazitätsengpässe auf den internationalen Rohstoffmärkten abweichend von der zuvor dargestellten idealtypischen Darstellung im Hinblick auf die Performance von hohem Interesse sein, dann nämlich, wenn die globale Nachfrage auf den Rohstoffmärkten weiter konstant bleibt oder im Zuge des globalen Konjunkturaufschwunges sogar ansteigt.
6.8.2 Asset-Renditen im Konjunkturabschwung Der Konjunkturabschwung ist durch einen steigenden Kapazitätsüberschuss, verbunden mit einer steigenden Arbeitslosenquote gekennzeichnet. In dieser Phase, in welcher die Ertragspotenziale der Unternehmen rückgängig sind, erscheinen Aktienanlagen wenig lukrativ. Allerdings ist die Gefahr weiter steigender Preise aufgrund gesunkener Kapazitätsauslastungen in der Produktion vergleichsweise gering. Die sinkende Nachfrage am Arbeitsmarkt (bei gegebenem Angebot) führt zu einem geringeren Anstieg des Lohnniveaus. Sinkende Inflationsgefahren aufgrund der steigenden Verunsicherung der Bevölkerung im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung von Konjunktur und Beschäftigung lassen die Konsumausgaben sinken und gleichzeitig die Sparneigung bzw. die Sparquote ansteigen. Da die Inflationsgefahr in dieser Konjunkturphase aber vergleichsweise gering ist, wird die Notenbank im Normalfall in dieser konjunkturellen Situation verstärkt bereit sein, den geldpolitischen Kurs expansiver zu gestalten. Durch das verstärkte Geldangebot und die verringerte Geldnachfrage, ausgelöst durch eine geringere Investitionsbereitschaft der Unternehmen und der privaten Haushalte, die höhere Sparquote und die expansivere Geldpolitik der Notenbank, ist ein sinkendes Zinsniveau auf den Geld- und Kapitalmärkten die Folge. Da ein sinkendes Zinsniveau bei festverzinslichen Wertpapieren unter der Voraussetzung unveränderter Bonitäten steigende Wertpapierkurse auslöst, stellen in dieser Phase neben Geldmarkt- bzw. Festgeldanlagen insbesondere Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren in der Heimatwährung in Puncto Performance eine interessante Anlageform dar.
Einführung in eine einfache Modellwirtschaft
181
Entscheidend für den Erfolg an den Effektenmärkten ist also das richtige Timing auch im Konjunkturabschwung.
6.8.3 Asset-Renditen im Konjunkturaufschwung Für den timingbewussten Anleger ist ein Einstieg in Aktien erst in einer Konstellation eines anstehenden Konjunkturaufschwunges sinnvoll. Insofern ist es entscheidend, rechtzeitig und im Vorfeld der Aktieninvestition diesen Zeitpunkt anhand von „Leading-Indicators“ auch trennscharf zu erkennen. Bitte vergegenwärtigen Sie sich dabei noch einmal den Abschnitt 4.4.2. Natürlich besteht bei einer verfrühten Investition in Aktien grundsätzlich immer die Gefahr zu überhöhten Kursen in diese Engagements einzusteigen, insbesondere dann, wenn womöglich die Rezession besonders stark ausgeprägt ist oder sich sogar noch im weiteren Verlauf sogar noch krisenartig zuspitzt. In diesem Fall riskiert der Anleger zu früh in das Aktienengagement eingestiegen zu sein und in Zukunft unter Umständen erhebliche Kursverluste zu erleiden. Allerdings liegt die Kunst des optimalen Aktieneinstiegs in der zentralen Erkenntnis, dass nach Ablauf mehrerer Monate nach dem Eintreten eines Tiefstandes des Konjunkturzyklusses, welcher durch die Konjunkturfrühindikatoren im Gegensatz zu den eher lautstark verbal artikulierten „Hiobsbotschaften“ aus der Wirtschaft in dieser Phase auch als solcher erkannt werden kann, ein nochmaliger Kursrückschlag des Aktienmarktes idealtypisch nur von vorübergehender Dauer sein wird, da aufgrund der verbesserten Ertragslage eine Trendwende an den Aktienmärkten die logische Konsequenz ist. Welche Konsequenzen hat nun der Konjunkturaufschwung für die Assetrenditen der Rentenmärkte? Der Konjunkturtiefstand ist ja bekanntermaßen gekennzeichnet durch eine vergleichsweise geringe Produktivität bei Investitions- und Konsumgütern. Da im Tiefpunkt (und auch dem darauf folgenden Konjunkturaufschwung) die Arbeitseinkommen stagnieren (oder gar noch sinken), ist die Nachfrage nach Gebrauchsgütern zunächst noch vergleichsweise schwach, da die ohnehin gesunkene Kaufkraft durch eine gestiegene Sparquote noch weiter abgeschwächt wird. Die Folge: Die Sparquote nimmt zu. Durch das vergrößerte Angebot bei einer noch weitgehend unveränderten Nachfrage am Geldmarkt führt dies in den Konjunkturaufschwung hinein zu sinkenden Zinsen, weshalb in dieser Phase zusätzlich neben Aktieninvestitionen auch Anlagen in festverzinsliche Wertpapiere angeraten sind. In dieser Phase sind sinkende Zinsen auch deshalb wahrscheinlich, da die noch weitgehend unterausgelasteten Ressourcen noch keine ernsthaften Gefahren für die binnenwirtschaftliche Preisniveaustabilität darstellen. Die in dieser Phase noch geringe Inanspruchnahme von Investitionsmitteln seitens der Unternehmen führt in Kombination mit der erhöhten Sparquote der privaten Individuen erfahrungsgemäß zu einer erhöhten Liquidität am Geld- und Kapitalmarkt und gerade dadurch zu sinkenden Renditen, weshalb die Performance von im Nennwert des betrachteten Landes emittierten festverzinslichen Wertpapieren eine überdurchschnittliche Performance (bei unterstellter gleich bleibender Bonität) erzielen sollten.
182
Einfluss von Zinsniveau und Konjunktur auf die Wertpapiermärkte
6.8.4 Asset-Renditen in der Spätphase des Konjunkturaufschwunges Eine Beschleunigung des Anstieges des inländischen Preisniveaus setzt idealtypisch erst in der Spätphase des Konjunkturaufschwunges ein. In dieser Phase geht zunächst die Arbeitslosenquote sehr stark zurück. Ebenfalls typisch für die Spätphase des Konjunkturaufschwunges ist auch, dass die Aktienkurse noch immer stark ansteigen, da insbesondere in dieser Phase auch diejenigen Anleger noch auf den „fahrenden Zug“ aufspringen wollen, die zunächst den idealen Einstiegszeitpunkt verpasst haben und durch die zusätzliche Nachfrage auf den Aktienmärkten für weiter steigende Preise auf den Märkten sorgen. In der Hochkonjunkturphase sind dann steigende Renditen als Folge der nun zurückgehenden Liquidität die zwingende Folge: Da die Unternehmen in dieser Phase stark expandieren wollen um die Investitionen auszuweiten, und die Anleger aufgrund des Gefühles der Sicherheit gleichzeitig ihre Sparquote reduzieren, ist eine zunehmende Knappheit an den Geld- und Kapitalmärkten die Folge: Dies führt zu steigenden Zinsen und damit einem Rückgang der Kurse an den Rentenmärkten. Zusätzlich führen verstärkte Kapazitätsengpässe in Produktion und auch am Arbeitsmarkt zu einem steigenden Preisniveau im Inland und wachsender Inflationsgefahr, weshalb die Notenbank einen verstärkt restriktiveren Kurs einschlagen wird, um die Gefahr der konjunkturellen Überhitzung abzumildern.
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
183
7.
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
7.1
USA-Spezial: Die „neue“ Notenbankpolitik der USA
USA-Spezial
Greenspan geht 30. Jänner 2006
Prognosen USA
akt. Mär.06
3M 5J 10J
4,69 4,41 4,49
4,70 4,80 4,80
Jun.06 Dez.06 4,70 4,60 4,60
4,70 4,50 4,40
2,54 3,20 3,46 103 1,22
2,80 3,40 3,70 110 1,22
2,70 3,20 3,50 110 1,22
3,00 3,60 3,90 50 1,30
Euro-12 3M 5J 10J Spread EUR/USD
Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
US-Prognosen 2004 2005e 2006f 2007f BIP, % p.a. VPI, % p.a. Kerninflation, % p.a. Leistungsbilanz* Budgetsaldo* EUR/USD Ø.
4,2 2,7
3,5 3,5
3,2 2,4
2,9 2,5
1,8 -5,7 -4,7 1,24
2,2 -6,4 -3,6 1,24
2,4 -6,2 -3,9 1,25
2,3 -5,8 -4,0 1,35
e: Schätzung; f: Prognose * in % des BIPs Quelle: Thomson Financial Datastream, Raiffeisen RESEARCH
Analyst Valentin Hofstätter, CFA
[email protected] Medieninhaber (Verleger), Herausgeber Raiffeisen Research GmbH A-1030 Wien, Am Stadtpark 9 Telefon: +43 1 717 07 - 1521 Dieser Bericht wurde von Raiffeisen Research ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Die in diesem Bericht enthaltenen Angaben, Analysen und Prognosen basieren auf dem Wissensstand und der Markteinschätzung der mit der Erstellung dieses Berichtes betrauten Personen zu Redaktionsschluss. Raiffeisen Research behält sich in diesem Zusammenhang das Recht vor, jederzeit Änderungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Die Vervielfältigung, Weiterleitung und Verteilung von Texten oder Textteilen dieses Berichtes ist ausdrücklich untersagt. Raiffeisen Research übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit der im Bericht enthaltenen Informationen und/oder für das Eintreten der Prognosen. Im wesentlichen werden folgende Quellen verwendet: Reuters, Factiva, Bloomberg, Value LIne, Hoppenstedt, Hoovers Handbook. Dieser Bericht richtet sich ausschließlich an Marktteilnehmer, die in der Lage sind, ihre Anlageentscheidungen eigenständig zu treffen und sich dabei nicht nur auf die Analysen und Prognosen von Raiffeisen Research stützen. Dieser Bericht ist unverbindlich und stellt weder ein Angebot zum Kauf der genannten Produkte noch eine Anlageempfehlung dar. Ausführlicher Disclaimer sowie Offenlegung gemäß § 48f Börsegesetz: http://www.raiffeisenresearch.at -> “Disclaimer”.
Führungswechsel bei der US-Fed Von Greenspan zu Bernanke Am 31. Jänner endet die Amtszeit des wohl bekanntesten Notenbankchefs der Welt: Alan Greenspan zieht sich nach 18 Jahren an der Spitze der US-Notenbank (Fed) zurück und übergibt das Amt an seinen Nachfolger Ben Bernanke. Das dürfte auch für die Finanzmärkte ein spannender Wechsel sein, war Greenspan doch ein stabilisierender Faktor, der ein enormes Ansehen auf den internationalen Finanzmärkten genoss, so wie vor bzw. neben ihm kaum ein anderer Notenbankchef1. Zeit somit für einen kurzen Rückblick auf die Ära Greenspan und einen Ausblick auf seinen Nachfolger. Auf den nächsten beiden Seiten geben wir dazu einen kurzen Rückblick auf die Ära Greenspan, zusammen mit den wesentlichen Fakten zu Aufbau und Funktionsweise des US-Notenbank systems (Seite 4). Auf den Seiten 3 ff stellen wir dann den neuen Notenbankchef Bernanke vor: Die wichtigsten Eckdaten zu seiner Person, eine Einschätzung seiner geldpolitischen Ausrichtung und die wesentlichen Unterschiede zu seinem Vorgänger Greenspan. Abschließend (Seiten 6 ff) beleuchten wir kurz eines der wichtigsten Vermächtnisse der Ära Greenspan, nämlich einige in diesem Ausmaß noch nie dagewesene Ungleichgewichte in der USWirtschaft, die Bernanke in den kommenden Jahren die Arbeit erschweren dürften. Welche Schlüsse und Investmentempfehlungen wir daraus für die wichtigsten Finanzmärkte ziehen, beschreiben wir abschließend auf der Seite 7.
1 Auf Grund des hohen Marktvertrauens in Greenspan könnte seine Ablöse in der Übergangszeit durchaus für Unruhe am Markt sorgen. Prinzipiell erwarten wir uns aber auch unter dem Nachfolger ein hohes Ausmaß an Kontinuität in der US-Fed-Politik. Bereits jetzt genießt Bernanke ein hohes Maß an Ansehen und Vertrauen am Markt. Wir erwarten uns deshalb keine Wiederholung der Turbulenzen, die es nach dem letzten Wechsel an der FedSpitze gab: Denn am Tag als Greenspan 1987 das Amt übernahm war das Vertrauen in den neuen Mann an der Spitze der Fed offensichtlich noch nicht besonders stark ausgeprägt: Der US-Anleihenmarkt verzeichnete an diesem Tag den größten Tagesverlust seit fünf Jahren! Und zwei Monate später kam es zum großen Börsencrash von 1987!
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USA-Spezial: Die „neue“ Notenbankpolitik der USA
USA - Spezial
1) Die Ära Greenspan
US-Inflationsabbau im globalen Gleichklang
Greenspan war erst der dreizehnte Mann an der Spitzer der US-Zentralbank seit deren Gründung 1913, und seit 1987 rund achtzehneinhalb Jahre im Amt. Wie erfolgreich war er bei der Gestaltung der USGeldpolitik? Sieht man sich rein die Inflationsentwicklung während seiner Amtszeit an, so war er durchaus erfolgreich: Die US-Verbraucherpreisinflation (gemessen an der Kerninflation, also ohne Nahrungsmittel und Energie) ging seit seinem Amtsantritt stark zurück (von 4,1 % 1987 auf 1,8 % p.a. aktuell).
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2 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04
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0 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 US VPI, % p.a. VPI Österreich
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VPI Euroland (zurückgerechnet)
Quelle: Thomson Financial Datastream
US-Leitzinsen vs. Kerninflation
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US Kerninflation (PCE Core Deflator ), % p.a. Leitzins Quelle: Thomson Financial Datastream
Der Großteil des Inflationsabbaus nach der Inflationsexplosion in den Siebziger Jahren war allerdings schon unter dem Vorgänger Greenspans (Volcker) erzielt worden. Greenspan musste nur noch auf dieser Politik aufbauen, und er erhielt dabei durch den weltweit seit 1980 beobachtbaren Inflationsabbau im Gefolge der stärkeren Globalisierung und Handelsöffnung kräftigen Rückenwind:
Wie die obige Grafik zeigt, war der deutliche Inflationsrückgang in diesem Zeitraum kein Spezifikum der Fed unter Greenspan, sondern gelang auch in den meisten anderen Industriestaaten. Wo die USA tatsächlich seit langem besser abschneiden als z.B. Euroland oder Japan ist beim Wirtschaftswachstum:
US-Wirtschaft wächst stärker 10
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80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 USA reales Wirtschaftswachstum, % p.a. Österreich Euroland (zurückgerechnet)
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Quelle: Thomson Financial Datastream
Die USA verzeichnete unter Greenspan die beiden längsten in den USA jemals erzielten Wachstumsperioden, die nur 1990 und 2001 von kurzen und relativ seichten Rezessionen unterbrochen wurden. In Summe lag das reale Wirtschaftswachstum in den USA seit 1987 bei durchschnittlich 3,1 % p.a., gegenüber 2,3 % p.a. in Euroland und 2,4 % in Österreich.
2
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
185
USA - Spezial
Allerdings ist gerade das langfristige Wirtschaftswachstum keine Größe, die eine Notenbank üblicherweise beeinflussen kann. Hier beruht der Wachstumsvorsprung der USA eher auf dem höheren Potenzialwachstum der USA, das wiederum durch das stärkere Beschäftigtenwachstum der USA und die flexibleren Arbeits- und Faktormärkte in den USA begründet liegt. Was man Greenspan aber sehr wohl zu Gute halten kann, ist, dass er in den letzten 18 Jahren jederzeit bereit war in (tatsächlichen oder potentiellen) Krisen den Finanzmarkt und die Wirtschaft mit ausreichend Liquidität und/oder tiefen Zinsen abzufedern und schlimmere Folgen zu verhindern. Anlässe dafür gab es während seiner Amtszeit genug, insbesondere während der Asienkrise 1997, dem Zusammenbruch des LTCM Hedgefund und der Russlandkrise 1998, sowie nach dem Platzen der Aktienblase ab 2000. Auf diesem ausgezeichnet funktionierenden Krisenmanagement gründet sich auch im Wesentlichen sein Ruf und seine hohe Reputation an den Märkten. Genau daran setzt aber auch die größte Kritik an Greenspan an: Seine Bereitschaft im Zweifelsfall eher mehr als weniger Liquidität zu günstigeren Zinsen bereitzustellen, bzw. während dem Entstehen von Preisblasen die Zinszügel nicht anzuziehen, nach dem Platzen der Blase aber mit einer sehr expansiven Geldpolitik die Konsequenzen abzufedern, führt tendenziell zu einer zu expansiven Geldpolitik und zu einem falschen Sicherheitsgefühl der Investoren. Laut seinen Kritikern wird damit nur das Entstehen neuer Preisblasen und noch größerer Ungleichgewichte gefördert. Eine Argumentation, der wir durchaus einiges abgewinnen können, war doch die extrem expansive Geldpolitik der Fed nach dem Platzen der Aktienblase in den letzten Jahren sicher zu einem großen Teil mitverantwortlich für die derzeitigen Preisexzesse am US-Immobilienmarkt. Wie erfolgreich die Politik Greenspans tatsächlich war, oder wie groß die noch ausstehenden Folgekosten seiner expansiven Geldpolitik ausfallen werden, wenn sich die von ihm während seiner Amtszeit geförderten Ungleichgewichte bereinigen (mehr zu diesen Ungleichgewichten weiter unten), werden erst die kommenden Jahre zeigen. Vielleicht wird dann der eine oder andere auf die Dienste der Beratungsfirma "Greenspan Associates" zurückgreifen wollen, die der mit 79 Jahren offensichtlich noch lange nicht arbeitsmüde Greenspan jüngsten Medienberichten zufolge nach
seinem Ausscheiden aus der Fed in Washington gründen möchte.
2) Bernanke - der neue Mann an der Spitze der Fed Zur Person Ben Bernanke, geboren 1953, unterrichtete in Stanford und später Princeton Volkswirtschaft und verfügt als Ökonom über langjährige Erfahrung und Reputation im Bereich der Geldpolitik. Er gehörte bereits für drei Jahre dem Gouverneursrat der USNotenbank an, bevor er im Juni zum Leiter des Wirtschaftsrates (Council of Economic Advisers, CEA) ins Weiße Haus berufen wurde. Er trat bisher in seinen öffentlichen Auftritten für mehr Transparenz der Fed nach außen ein und ist ein vehementer Befürworter eines expliziten Inflationsziels der US-Notenbank. Von seinen Äußerungen zur Zinspolitik her gilt er eher als moderat.
Der neue Chef der US-Fed
Quelle: www.princeton.edu
Mit Bernanke nominierte Bush einen fachlich angesehenen Kandidaten mit bereits mehrjähriger Erfahrung innerhalb der Fed, der vom Finanzmarkt bereits seit längerem als mit Abstand wahrscheinlichster Nachfolger von Greenspan gehandelt worden war. Zwar ist ein Wechsel an der Fed-Spitze zwangsläufig ein gewisser Unsicherheitsfaktor für den Markt. Mit der Nachfolge des vom Markt favorisierten Bernanke sollte der Überraschungseffekt aber so gering wie nur möglich ausfallen, zumal sich Bernanke bereits einiges an Reputation erarbeiten konnte und am Markt weitgehend als kompetenter und einschätzbarer Nachfolger gesehen wird.
3
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USA-Spezial: Die „neue“ Notenbankpolitik der USA
USA - Spezial
Die US-Fed
Verwendung, wurde aber schon vor vielen Jahren aufgegeben, da laut FED kein ausreichend stabiler Zusammenhang zwischen US-Geldmengenentwicklung und anderen Zielgrößen besteht.
Das Gegenstück zur EZB (Europäischen Zentralbank) in Europa ist in den USA das Federal Reserve System (kurz FED), das im Prinzip ähnlich föderal angelegt ist wie das europäische System der Zentralbanken. Bundesweit gibt es 12 lokale Federal Reserve Banks, die ihre Entscheidungen in einem zentralen Gremium, dem Federal Open Market Committee (FOMC) unter dem derzeitigen Vorsitzenden (Chairman) Alan Greenspan treffen. Der Hauptsitz der Fed befindet sich in Washington D.C.
Das Gegenstück zum Hauptrefinanzierungssatz der EZB (RefiSatz, Leitzins) ist bei der FED die "Fed Funds Rate", ein Overnight-Zinssatz, dessen Zielhöhe auf den FOMCSitzungen festgelegt wird (turnusmäßige Sitzungen in etwa alle sechs Wochen, 8 x im Jahr). Dieser Leitzinssatz lag bis 30.01.2006 bei 4,25 %.
Die zwölf Mitglieder des FOMC setzen sich zusammen aus den (maximal) sieben Mitgliedern des Gouverneursrats2, darunter dem Vorsitzenden3, sowie fünf Gouverneuren von regionalen Federal Reserve Banks4.
2 Mitglieder des Gouverneursrats = "members of the Board of Governors of the Federal Reserve System", die vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt werden und für eine Amtszeit von 14 Jahren bestellt sind. Derzeit sind nur fünf der sieben Posten im Gouverneursrat besetzt. 3 Der Vorsitzende (= Chairman), derzeit A. Greenspan, wird ebenfalls vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt. Die Bestellung zum Vorsitzenden erfolgt nur auf vier Jahre, kann aber auch mehrmals nacheinander verlängert werden. 4 Dabei ist die Federal Reserve Bank New York als einzige permanent im FOMC vertreten, während sich die anderen elf Regionalbanken auf den übrigen vier Plätzen im Jahresrhythmus abwechseln. 5 In dieser Reihenfolge, vgl. dazu das Federal Reserve Act: "... in conducting monetary policy, the Federal Reserve System and the Federal Open Market Committee should seek to promote effectively the goals of maximum employment, stable prices, and moderate longterm interest rates."
Zielsetzung der Fed Im Unterschied zur EZB, die in ihren Statuten an erster Stelle das Ziel der Preisstabilität definiert hat, ist die US-FED explizit dazu verpflichtet, mit ihrer Geldpolitik maximale Beschäftigung, Preisstabilität und niedrige langfristige Zinsen zu fördern5. Anders als die EZB, die sich ein explizites Geldmengen- und Inflationsziel gesetzt hat, verfolgt die FED offiziell keine derartigen Zielgrößen, sondern behält es sich vor, flexibel zu reagieren. In der Praxis sieht es aber auch die Fed als ihr Hauptziel an, Preisstabilität zu gewährleisten: Eine Kerninflation (Konsumentenpreisdeflator ohne Energiepreise) von maximal 2 % p.a. stellte in den letzten Jahren die Obergrenze der tolerierten Inflationsentwicklung dar.
Zinssitzungstermine der Fed in 2006 Jänner
Ein Geldmengenziel wie bei der EZB war einige Zeit in
Februar
März
April
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-
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-
Juli
August
September
Oktober
-
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Mai
Juni
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28/29
November Dezember -
12
Quelle: The Federal Reserve Board
Aktuelle Besetzung des FOMC Chairman
Vakant
Vakant
S. Schmidt Bies
Greenspan/ Ben Bernanke
Vice-Chairman
R. W.Ferguson M.W. Olson D.L. Kohn
7 Governors
5 Federal Reserve Bank Presidents New York immer, 4 alternierend für ein Jahr San Francisco
Boston New York
Philadelphia Cleveland Richmond
Atlanta
Chicago
Minneapolis St.Louis
Kansas City Dallas
Quelle: The Federal Reserve Board
4
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
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USA - Spezial
Was ändert sich? In Summe dürfte sich an der Ausrichtung der USNotenbankpolitik unter der neuen Leitung durch Bernanke wenig ändern. Zum einen werden die Zinsentscheidungen nicht vom Notenbankchef allein getroffen, sondern vom gesamten Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed. Bernanke wird hier (zumindest in seinen ersten Jahren) deutlich weniger Gewicht bei der Meinungsbildung innerhalb des FOMC haben als Greenspan, so dass eine selbständige Handschrift von Bernanke in der US-Zinspolitik schwer umzusetzen sein wird. Zum zweiten deckt sich die Ausrichtung von Bernanke zu wichtigen Fragen - soweit bekannt weitgehend mit der seines Vorgängers. Auch Bernanke ist z.B. der Meinung, dass die Zinspolitik nicht dazu verwendet werden sollte, um auf vermutete Preisblasen auf den Finanzmärkten zu reagieren (man sollte also z.B. nicht die Zinsen stärker anheben, nur um den Aktien- oder Immobilienmarkt abzukühlen). Damit würde nur zusätzliche Volatilität geschaffen. Die Bedeutung der Inflationserwartungen in der Wirtschaft sind laut seinen Reden für ihn sehr wichtig: Sollte es hier zu einem Anstieg kommen, wäre eine deutliche Zinsantwort sehr wahrscheinlich. Der plakativste Unterschied zur Meinung seines Vorgängers liegt bei Bernanke wohl in seinem Eintreten für ein explizites Inflationsziel der Fed. Ähnlich wie (zumindest am Papier) die EZB solle die US-Notenbank ihre Zinspolitik am Erreichen eines expliziten Inflationsziels orientieren, das z.B. bei maximal 2 % Kerninflation liegen könnte. Erreicht würde damit laut Befürwortern eine stetigere und für alle leichter berechenbare Geldpolitik der Fed, die Gefahr diskretionärer Fehlentscheidungen würde reduziert (allerdings um den Preis der Aufgabe von größerer Flexibilität, um auf Sonderfaktoren abseits der Inflationsentwicklung reagieren zu können).
Was sich ändern dürfte ist das "Fedspeak" des bisherigen Notenbankchefs, also die kunstvoll gewundenen Formulierungen, die Greenspan selbst als "konstruktive Zweideutigkeit" bezeichnete. Diese Zweideutigkeit erlaubte ihm ein hohes Maß an Flexibilität, um seine Aussagen von einem zum andern Mal anzupassen, machte aber die Interpretation seiner Stellungnahmen zu Zinspolitik und Wirtschaft nicht gerade einfach. Bernanke bediente sich hier während seiner ehemaligen Amtszeit als Fed-Gouverneur einer deutlich klareren Sprache. Behält er das bei, wovon wir ausgehen, erleichtert das zwar einerseits die Arbeit der Analysten, die nicht mehr über gewundenen Formulierungen rätseln müssen. Er könnte aber damit gerade in der Anfangsphase auch einige Marktteilnehmer, die noch an die schaumgebremsten Formulierungen von Greenspan gewöhnt sind, durch relativ klare und harte Aussagen verschrecken, und damit kurzfristig überzogene Marktbewegungen auslösen. Die ersten Stellungnahmen von Bernanke als Notenbankchef werden deshalb auch aus diesem Grund sehr genau verfolgt werden müssen. Von seiner Ausrichtung her würden wir Bernanke eher zu den Optimisten ("das Glas ist halbvoll") zählen: Eine Preisblase (Bubble) am USImmobilienmarkt kann er nicht erkennen (während Greenspan das inzwischen zumindest einigen Teilen des Immobilienmarktes zugesteht). Und das US-Leistungsbilanzdefizit sei seiner Meinung nach erstens leicht durch Kapitalzuflüsse finanzierbar (und deshalb kein Problem), und zweitens eher durch zu viel globales Sparen als durch eine zu niedrige Sparquote in den USA verursacht. So gesehen stehen unter Bernanke die Chancen für eine weitere Zinsanhebung im März besser als sie es unter Greenspan wären: Unbelastet von Sorgen um einen sich abschwächenden Immobilienmarkt könnte er leicht den Leitzins noch einmal um 25 Basispunkte (BP) anheben. Dafür spricht auch, dass es seiner Reputation als neuer Inflationswächter eher zuträglich wäre einen Zinsschritt zu viel als einen zu wenig zu tun.
Aber egal wie man zu diesem Vorschlag steht, ist die Chance äußerst gering, dass die US-Notenbank unter Bernanke bald zu einem expliziten Inflationsziel wechselt: Bernanke müsste dazu nicht nur das gesamte FOMC-Gremium überzeugen (was aus heutiger Sicht sehr schwierig wäre), sondern auch eine entsprechende Änderung des Notenbankgesetzes durchsetzen. Für beides fehlt wohl noch auf längere Zeit eine entsprechende Mehrheit. Außerdem hat er selbst bereits angekündigt, in diese Richtung keine übereilten Schritte tun zu wollen.
5
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USA-Spezial: Die „neue“ Notenbankpolitik der USA
USA - Spezial
3) Große Herausforderungen für den neuen Notenbankchef
Jahren, und dafür ist zum Teil auch die tiefe Leitzinssetzung der US-Notenbank mitverantwortlich6.
Greenspan hinterlässt seine Verhältnisse nicht so wohlgeordnet, wie ein erster Blick auf die tiefe (Kern-)Inflation bzw. das starke Wirtschaftswachstum nahe legt. Hinter dieser Fassade verbergen sich in der USWirtschaft derzeit die größten Ungleichgewichte seit dem zweiten Weltkrieg, deren langfristig unvermeidbare Bereinigung die Arbeit für den neuen Notenbankchef und die US-Wirtschaft in den kommenden Jahren um einiges schwieriger machen dürfte.
…werden Bernanke die nächsten Jahre erschweren
Das bekannteste Ungleichgewicht ist das enorme US-Leistungsbilanzdefizit, das auch 2005 einen neuen Rekord von USD 800 Mrd. erreichte (6,4 % des BIPs). Das zweite Ungleichgewicht ist die Rekord niedrige Sparquote der US-Haushalte (Ersparnisbildung aus dem laufenden Einkommen in % dieses Einkommens), die inzwischen praktisch bei Null liegt.
Rekord-Ungleichgewichte…
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 1983
12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8
Sparquote (in % der verfügbaren Haushaltseinkommen) US-Leistungsbilanzdefizit (% des BIPs) Quelle: Thomson Financial Datastream
Auf der anderen Seite haben die Preisanstiege am US-Immobilienmarkt 2005 neue Rekordniveaus erreicht, und sogar Greenspan selbst bestreitet inzwischen nicht mehr die übertriebene Bewertung zumindest für einzelne Teile des US-Immobilienmarktes. Dabei ist er selbst daran nicht ganz unschuldig: Die historisch unnatürlich tiefen Realrenditen in den USA waren einer der Hauptgründe für den Höhenflug der US-Immobilien in den letzten
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US-Immobilienpreisindex (OFHEO), % p.a. Realrendite 10J-Staatsanleihe (inflationsbereinigt) Quelle: Thomson Financial Datastream
Diese angesprochenen Ungleichgewichte können zwar theoretisch noch längere Zeit bestehen bleiben, ohne eine schmerzhafte Korrektur auszulösen. Was dem neuen Notenbankchef in dieser Hinsicht aber vor allem Kopfzerbrechen machen sollte sind die beiden folgenden Grafiken:
US-Konsum hängt am Tropf des Immobilienmarktes… 6
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20 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Aktivitätsindex Immobilienmarkt (NAHB)* (rechte Skala) Privater Konsum, % p.a.
*Aktivitätsindex für den US-Immobilienmarkt, kein Preisindex! Quelle: Thomson Financial Datastream
6 Genauso hängen natürlich auch die anderen Ungleichgewichte der USWirtschaft durchaus miteinander zusammen. Vereinfacht dargestellt unterstütz(t)en die tiefen Zinsen und Renditen die starken Wertzuwächse am Immobilienmarkt, das stärkte die Vermögensposition der Konsumenten, die dementsprechend weniger aus dem laufenden Einkommen sparen und ein überdurchschnittlich hohes Konsumwachstum finanzieren. Dieser Konsumboom sorgt wiederum für kräftig wachsende US-Importe, die das US-Leistungsbilanzdefizit vergrößern.
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Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
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USA - Spezial
…und dort werden die Immobilienpreisanstiege immer unhaltbarer 150
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90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05
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"Leistbarkeit" einer Durchschnittsimmobilie Aktivitätsindex Immobilienmarkt (NAHB, r. Skala) Quelle: Thomson Financial Datastream
Der starke Preisauftrieb am Immobilienmarkt war in den letzten Jahren ein wesentlicher Faktor für die Stärke des US-Konsums. Und hier mehren sich die Zeichen, dass eine Abkühlung des Marktes bereits begonnen hat: Die Leistbarkeit einer Durchschnittsimmobilie für einen Durchschnittsamerikaner ist in den letzten Quartalen stark gesunken, wie die obige Grafik zeigt. Erste Aktivitätsindikatoren für den Immobilienmarkt geben inzwischen auch schon spürbar nach, und auch der Preisanstieg hat sich in den letzten Monaten bereits stark reduziert. Eine deutliche Abkühlung des Marktes und ein Rückgang der Preiszuwachsraten gegen Null im weiteren Jahresverlauf erscheint uns deshalb sehr wahrscheinlich7. Dementsprechend steigen im Jahresverlauf 2006 die Risiken für den privaten Konsum und das Wirtschaftswachstum, was Bernanke 2007 zu ersten Zinssenkungen zwingen könnte.
4) Marktausblick/Empfehlung In den USA liegt der Zinsanhebungszyklus nach einer Serie von dreizehn Zinsanhebungsschritten inzwischen in den letzten Zügen. Eine weitere Zinsanhebung um 25 BP (Basispunkte) am 31. Jänner auf 4,5 % ist zwar praktisch fix (die letzte Zinssitzung der Greenspan-Ära). Wir glauben aber, dass damit (oder spätestens nach einer nochmaligen 25 BP-Anhebung am 28. März) der Zinsanhebungszyklus der Fed abgeschlossen sein wird. Denn die Inflationsraten dürften 2006 im Jahresvergleich deutlich zurückgehen und die Kerninflation (exkl. Energie) weiterhin moderat bleiben. Die unserer Meinung
nach bereits beginnende Abkühlung des USImmobilienmarktes wird über die nächsten Quartale zunehmend zu einer Wachstumsbremse für den US-Konsum werden, was weitere Zinsanhebungen unnötig macht und in Richtung 2007 sogar Zinssenkungsspekulationen beflügeln könnte. Für den Anleihenmarkt bedeutet das auf Jahressicht wenig Grund für nachhaltige Renditeanstiege, solange die Kerninflation unter Kontrolle bleibt: Eine Abkühlung am Immobilienmarkt samt Konjunkturverlangsamung, ein im ersten Quartal auslaufender Zinsanhebungszyklus der Fed und im Jahresverlauf stark fallende Inflationsraten (auf Grund des ÖlpreisBasiseffekts) sind kein Umfeld, in dem die Anleihenkurse auf Jahressicht gefährdet erscheinen. Kurzfristig dürften die Konjunkturdaten aber noch recht stark ausfallen, weshalb wir im ersten Quartal mit einem Renditeanstieg rechnen. Dieser kann dann zum Kauf auch längerer Laufzeiten genutzt werden, da wir bis Jahresende anschließend wieder von sinkenden Anleiherenditen und einer deutlichen Inversion der Renditekurve ausgehen. Der Ausblick für den USD dürfte sich unter diesen Vorzeichen 2006 und 2007 stark eintrüben. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass dem USD im Jahresverlauf eine deutliche Abschwächung bevorsteht: In den USA steht der Zinsanhebungszyklus kurz vor seinem Ende. In Europa hat der Zinsanhebungszyklus hingegen gerade erst begonnen. Dazu kommt, dass die durch Änderungen bei US-Steuergesetzen hervorgerufenen starken Kapitalzuflüsse in die USA mit Jahresbeginn 2006 auslaufen. Bei Schwächeanzeichen am US-Immobilienmarkt und aufflammenden Zinssenkungsspekulationen im Verlauf von 2006 wird der USD rasch die bisherige Zinsunterstützung verlieren. Bis Ende 2006 erwarten wir uns durch das weiterhin enorm hohe Leistungsbilanzdefizit deshalb eine Abschwächung auf EUR/USD 1,30 (2007 auch darüber).
7 Vergleiche dazu den Sonderbeitrag in unserer aktuellen Quartalspublikation "Strategie West" zum US-Immobilienmarkt.
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Wöchentlicher Marktausblick für das Euroland am 23. Januar 2006
Bitte legen Sie auf die Notenbankpolitik der USA besonderes Gewicht: Im weiteren Verlauf möchte ich der Prognose wesentlicher makroökonomischer Entwicklungen meine besondere Aufmerksamkeit widmen und eine wirtschaftstheoretische Würdigung derer aufzeigen. Entscheidend für das weitere volkswirtschaftliche Verständnis ist dabei, den in den Abschnitten 6.7. bis 6.8. dargestellten theoretischen Hintergrund verständlich zu machen und im Kundengespräch nachvollziehbar darstellen zu können. Der wohl entscheidendste Kritikpunkt in der Amtszeit von Alan Greenspan lag in der Bereitschaft der US-Notenbank, in der Vergangenheit im konjunkturellen Bedarfsfalle eher mehr als weniger Liquidität zu günstigen Zinsen bereit gestellt und damit per Saldo zu einer expansiven Geldpolitik beigetragen zu haben. Nach der Meinung seiner Kritiker wurde durch diese Politik das Entstehen von „Preisblasen“ am Aktien- und Immobilienmarkt entscheidend vorangetrieben. Für den Nachfolger Greenspans, Ben Bernanke steht dagegen offensichtlich verstärkt die Inflationserwartung der Wirtschaft im Fokus seiner Handlungsweise in dem Sinne, dass eine ansteigende Inflationserwartung durch eine restriktivere Geldpolitik konterkariert werden müsste. Hierbei ist eine klare Messlatte für das Inflationsziel positioniert: Sollte die Kerninflationsrate zum Beispiel über einem Wert von 2% p.a. liegen, so ist mit einer entsprechenden geldpolitischen Maßnahme auszugehen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nicht der Chairman isoliert den geldpolitischen Kurs bestimmt, sondern das ganze FOMC-Gremium. Interessant ist die Haltung des neuen US-Notenbankchefs zum US-Leistungsbilanzdefizit, welches offensichtlich nach dessen Einschätzung kein nennenswertes Risiko für die US-Wirtschaft darstellt. Der Fehlbetrag in der Leistungsbilanz könnte „leicht“ durch einen entsprechenden Kapitalzufluss in der Kapitalverkehrsbilanz kompensiert werden. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die in Abschnitt 6.2. beschriebenen Gefahren einer langfristigen Abhängigkeit vom Zufluss des Auslandskapitals aufgrund einer geringeren Sparquote im Verhältnis zur inländischen Investitionsquote! Sollte die Kerninflation auch im Ausland zukünftig ansteigen, so hätte dies also entscheidende Konsequenzen für die Entwicklung der Investitionsausgaben in den USA mit den damit verbundenen Begleiterscheinungen auf Konjunktur, Beschäftigung und Haushaltsbudget!
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
7.2
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Wöchentlicher Marktausblick für das Euroland am 23. Januar 2006 und die Anwendung der theoretischen Erkenntnisse
Wöchentlicher Marktausblick Empfehlungen VERKAUF: EUR-Anleihen: alle Laufzeiten VERKAUF: USD-Anleihen
Technische Analyse EUR Bund Future
USA Die vergangene Woche brachte in Summe recht gemischte Daten: Das reale BIP-Wachstum für Q4 wurde auf annualisiert 1,6 % nach oben revidiert, der Chicago PMI und das Konsumentenvertrauen gingen im Februar stark zurück; dafür verzeichnete der viel wichtigere ISM-Index für die Industrie einen stärkeren Anstieg auf 56,7 – ein Niveau, das kurzfristig für ein sehr starkes Konjunkturmomentum in Q1 spricht. Quelle: Reuters Graphics Professional
Langfristiger Wermutstropen: Die Immobilienmarktdaten fielen neuerlich schwächer aus. So verbuchten z.B. die Hausverkäufe im Jänner den fünften Monatsrückgang in Folge, was gut zu unserer Annahme einer deutlich Immobilienmarktabkühlung im Jahresverlauf passt.
U.S. Treasury Note Future
Quelle: Reuters Graphics Professional
Grund genug für höhere Zinsen
Der Anleihemarkt verzeichnete ab Mittwoch starke Kursverluste und ist inzwischen mit 4,65 % (zehnjährige Staatsanleiherendite) nicht mehr allzu weit entfernt von unserem Ziel für Quartalsende (4,80 %) entfernt. Wir würden dementsprechend auch bei einer Annäherung an dieses Niveau unsere Empfehlung auf Neutral zurücknehmen, die dann größtenteils alles Negative für den Anleihemarkt in den USA eingepreist sein sollte, und mit einer Konjunkturverlangsamung im weiteren Jahresverlauf sogar Renditerückgange unter das jetzige Niveau zu erwarten sind. Vorerst bleiben wir aber noch bei unserer Verkaufs-Empfehlung auf Sicht Ende März. Kommende Woche wird ganz klar der Arbeitsmarktbericht am Freitag im Mittelpunkt des Interesses stehen: Wir gehen - so wie auch der Konsensus - von einem starken Beschäftigtenzuwachs von rund 200.000 neuen Stellen aus.
Wichtige Indikatoren
Quelle: Thomson Financial Datestream
Prognosen
USA
akt.
Mo. 6.
Fabriksaufträge
Konsensus zuletzt Jan.
-5,5 %
1,1 %
USA
akt. Mär.06 Jun.06 Dez.06
Di. 7.
Arbeitskosten
Q4
3,1 %
3,5 %
3M 5J 10J
4,87 4,69 4,65
Fr. 10.
Stellenveränderungen
Feb.
200 Tsd.
193 Tsd.
4,90 4,80 4,80
4,90 4,60 4,60
4,90 4,50 4,40
Euro-12 3M 5J 10J Spread EUR/USD
2,67 3,38 3,59 106 1,20
2,80 3,40 3,70 110 1,22
2,70 3,20 3,50 110 1,22
3,00 3,60 3,90 50 1,30
*in Revison Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
Fr. 10.
Arbeitslosenrate
Feb.
4,8 %
4,7 %
Fr. 10.
Durchschnittliche Stundenlöhne
Feb.
0,3 %
0,4 %
Mo. 6.
EUR: PMI (Einzelhandel)
Feb.
n.v.
49,7
Di. 7.
DE: Fabriksaufträge
Jan.
1,0 % p.m.
-1,6 % p.m.
Do. 9.
DE: Industrieproduktion
Jan.
1,0 % p.m.
-0,5 % p.m.
Fr. 10.
FR: Industrieproduktion
Jan.
0,3 % p.m.
-0,3 % p.m.
Euro
192
Wöchentlicher Marktausblick für das Euroland am 23. Januar 2006
Wöchentlicher Marktausblick EUR Europas Konjunkturindikatoren zeigen weiterhin steil nach oben: Nachdem vergangene Woche bereits über den überraschend hohen Stand des deutschen IFO-Index berichtet wurde, gab es diese Woche weitere äußerst positive Nachrichten. Der am Mittwoch veröffentliche Industrie-PMI für die Eurozone erreichte 54,5 Punkte und damit den höchsten Wert seit Juli 2004. In Deutschland sind die Einzelhandelsumsätze im Jänner um 2,7 % p.a. gewachsen.
Technische Analyse EUR/CHF
Für uns ist das ein Zeichen für ein stabileres Wachstum, da die positiven Signale nun nicht mehr nur von der exportorientierten Industrie, sondern auch von der inländischen Nachfrage ausgehen. Die heute veröffentlichte Februar Zahl für den Dienstleistungs-PMI der Eurozone, die mit 58,2 Punkten sowohl den Jänner Wert von 57 Punkten als auch den Konsensus vom 57,3 Punkten deutlich übertrifft, bestärkt uns in unserer Meinung. Daher bleiben wir auch bei unserer Prognose für 2006 von 1,6 % p.a. Wachstum in Deutschland und 2,0 % in Europa. Die äußerst positiven Signale haben es gestern der Europäischen Zentralbank (EZB) leichter gemacht den Leitzins um 25 BP auf 2,5 % anzuheben. Ein weiterer Grund für diesen Anstieg war der harmonisierte Konsumentenpreisindex, der im Jänner 2,4 % ausmachte und somit das EZB-Ziel von 2 % verfehlte. Jean-Claude Trichet, der Präsident der EZB, nannte diverse Risiken für weitere Preissteigerungen. Darunter Energiepreise und Zweitrundeneffekte, die sich durch Weitergabe des höheren Ölpreises vergangener Perioden an Preise und in weiterer Folge an Löhne ergeben könnten. Daher sehen wir uns in unserer Meinung bestätigt, dass der Leitzins bis Jahresende in Richtung 3 % ansteigen wird.
Quelle: Reuters Graphics Professional
EUR/JPY
Quelle: Reuters Graphics Professional
EUR/USD
Die Renditen zehnjähriger Anleihen haben auf die Erhöhung des Leitzins mit einem Anstieg reagiert, wir halten ihr Niveau aber derzeit immer noch für zu niedrig, vor allem Angesichts der Tatsache, dass das Allzeit-Tief vom vergangenen Herbst mit 3 % erst um knapp 60 BP überetroffen wird. Wir rechnen daher mit weiteren Anstiegen der Rendite. Für die kommende Woche stehen keine bedeutenden Daten-Veröffentlichungen auf dem Kalender. Quelle: Reuters Graphics Professional
Prognosen CHF
akt. Mär.06 Jun.06 Dez.06
3M 10J EUR/CHF
1,18 2,28 1,56
1,25 2,40 1,55
1,50 2,50 1,53
1,75 2,70 1,51
0,10 1,63 139,9 1,20
0,10 1,80 137 1,22
0,10 1,80 134 1,22
0,50 2,20 137 1,30
YEN 3M 10J EUR/JPY EUR/USD
*in Revison Quelle: Reuters, Raiffeisen RESEARCH
FX Es lohnte sich vergangene Woche (wie im letzten Marktausblick empfohlen) auf einen Katalysator für eine EUR/USD-Erhohlung in Form der EZB-Sitzung zu setzen: Höhere Inflations- und Wachstumsprognosen und etwas aggressivere Aussagen brachten die Zinserwartungen des Marktes nach oben und verhalfen EUR/USD zu einem straken Anstieg. Wir setzen weiterhin auf ein Erreichen unseres Ziels für Quartalsende von 1,22.
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
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Wöchentlicher Marktausblick Empfehlungen Aktienmärkte: Kauf: Japan, Halten: USD; Europa Favorisierte Branchen: Defensiver Konsum, Gesundheitswesen, Grundstoffe, Energie
Technische Analyse Wochenperformance Märkte (%) Nasdaq C. S&P 500 MSCI World FTSE DJIA SMI Nikkei DJ Stoxx 50 DAX DJ ES 50 ATX -4 -3 -2 -1 0 Quelle: Thomson Financial Datestream
1
2
Wochenperformance Sektoren (%) IT Energie MSCI World Versorger Finanz Industrie Gesundheit Telekom Zykl. Konsum Def. Konsum Grundstoffe -1 0 1 *Performance der globalen MCSI Sektorenindizies Quelle: Thomson Financial Datestream
2
Prognosen* DJ ES50 DAX FTSE SMI DJ1A S&P 500 Nasdaq C. Nikkei ATX *in Revision
akt.
Jun.06
Sep.06
3.764 5.783 5.833 7.926 11.026 1.289 2.311 15.910 4.010
3.300 5.000 5.250 7.000 10.400 1.200 2.080 15.000 3.550
3.500 5.300 5.600 7.400 10.700 1.250 2.200 15.500 3.800
Überblick USA: Die US-Aktienmärkte halten sich auffallend stabil auf ihrem hohen Niveau. Zwar ist die US Unternhemensberichtssaison zum vierten Quartal 2005 nach anfänglichen Enttäuschungen doch noch zu einem insgesamt positiven Ende gekommen und größtenteils starke Konjunkturindikatoren bilden eine unverändert gute Grundlage für die Entwicklung an den Börsen, Auf der anderen Seite ist jedoch eine zunehmende Sorge der Anleger bezüglich weiter steigender Leitzinsen sowie ein neuerlicher Aufschwung bei den Energiepreisen zu beobachten, was die gute Börsenlaune mittelfristig schmälern könnte. Wir glauben, dass die Indizies bis auf weiteres stark bleiben werden, die nächste signifikante Bewegung jedoch auf tiefere Niveaus führen wird.
Europa: In den letzten Monaten konnte man sich dem Eindruck nicht verwehren, als seien die europäischen Aktienmärkte eine Einbahnstraße nach oben. Diese Einschätzung wurde zumindest in der letzten Woche kurzfristig widerlegt. Gemischte Konjunkturdaten aus den USA, besser als erwartete Daten aus der Eurozone, die Aussicht auf weiter steigende Leitzinsen, durchwachsene Unternehmensberichte etc.; dieser Mix führte zu Gewinnmitnahmen. Auf der anderen Seite gehen wir jedoch nach wie vor davon aus, dass die Märkte kurzfristig gut unterstützt bleiben und halten daher unsere „Halten“-Empfehlung aufrecht. Japan: Mit der Entwicklung der vergangenen Woche wurden die Gewinne der letzten Zeit umgehend konterkariert. Stärker als erwartet ausgefallene Verbraucherpreisdaten fachten die belastende Diskussion, wann es zu einem Schwenk in der Zinspolitik kommt, zusätzlich an. Wir halten die Entwicklung bei den Verbraucherpreisdaten grundsätzlich für positiv, zeigt sie doch, dass man der Überwindung der langjährigen lähmenden Deflation einen Schritt näher gekommen ist. Unserer Meinung nach sollte auch der Markt diesem Umstand Rechnung tragen uns unsere März-Quartalsziele (NIkkei: 16.800) noch erreichen.
Erwartete Veröffentlichungen USA Mo. Di Do. Europa Mo Di Mi Do
06. 07. 09.
Bausch & Lemb Pixar National Semiconductor
06. 07. 08 09
Bayer, HSBC, Linde Banca Intesa, Fraport, Telecom Italia Accor, Credit Agricole, Swisscom Ageon, Carrefour, E.ON, Suez
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Welche Erkenntnisse können aus dem vorliegenden Bericht gezogen werden? Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang zusätzlich die nachfolgende Konjunktureinschätzung.
7.2.1 Konjunkturfrühindikator und Preisniveaustabilität Die Konjunkturfrühindikatoren in Euroland signalisierten im Januar 2006 ein anhaltendes Ansteigen der Konjunktur im Binnenmarkt. (IFO-Index, Industrie- und Dienstleistungs-PMI). Steigende Inflationsraten weisen auf wachsende Kapazitätsengpäs-
Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
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se hin. Offensichtlich „erleichtert“ dies den Entscheidungsspielraum der Europäischen Zentralbank, zur Bewahrung der Preisniveaustabilität einen restriktiveren geldpolitischen Kurs einzuschlagen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Gefahr weiter ansteigender Rohstoffpreise. (Vgl. Kostendruckinflation, Abschnitt 4.2.2.) Steigende Leitzinsen, verbunden mit einer konjunkturbedingten verstärkten Geldnachfrage sowie einem parallel vorauseilenden Anstieg des Zinsniveaus in den USA lassen auf weiter ansteigende Zinsen in Euroland schließen. (Vgl. 6.7. sowie der „Fall des kleinen Landes“)
USA Zwar wurde das reale BIP-Wachstum im Berichtsjahr für das vierte Quartal nach oben revidiert, allerdings ging der Chicago PMI und das Konsumentenvertrauen im Februar 2006 stark zurück, ein Anzeichen dafür, dass sich die Konjunktur im Laufe des Jahres 2006 in den USA abschwächen wird. Die sich andeutende Abschwächung der Konjunktur gibt Spielraum für eine zumindest kurzfristige bis mittelfristige Lockerung der restriktiven Geldpolitik. Die grundsätzliche Gefahr für die binnenwirtschaftliche Preisniveaustabilität bleibt jedoch unverändert davon bestehen und geht weiter von den internationalen Rohstoffmärkten im Zuge einer Kostendruckinflation aus.
7.2.2 Wechselkursentwicklung und Außenhandel Wie reagierte die US-Notenbank auf diese Entwicklung? Bitte beachten Sie die Ausführungen in Abschnitt 7.1.: Das „bekannteste“ Ungleichgewicht in den USA liegt in dem vergleichsweise immens hohen US-Leistungsbilanzdefizit, welches zuletzt mit einem Volumen i.H. von US-$ 800 Mrd. und einer Höhe von 6,4% des US-BIP einen neuen Rekord aufweist. Grund hierfür ist eine Abschwächung der US-Sparquote, welche die prozentuale Ersparnisbildung im Verhältnis des laufenden Einkommens beschreibt und nunmehr gesamtwirtschaftlich einen Wert nahe Null aufweist. Da ein vergleichsweise äußerst niedriges Zinsniveau in den USA u.a. die Immobilienpreise durch eine hierdurch ausgelöste verstärkte Nachfrage stark ansteigen ließ und die Entwicklung der Immobilienpreise eine tragende Stütze für den inländischen Konsum darstellte, gleichzeitig aber nunmehr die Leistbarkeit der Immobilien für den Durchschnitt der US-Amerikaner verstärkt an seine Grenzen gestoßen ist, erscheint die Gefahr eines Rückgangs des Konsums in den USA größer zu werden. Sinkende Konsumausgaben im Jahresverlauf 2006 begegnen jedoch wachsender Gefahren für das Wirtschaftswachstum in den USA, eine Gefahr, die für eine kurz- bis mittelfristige Lockerung des geldpolitischen Kurses in den USA sprechen könnte. Im Gegensatz zu den USA, in welchen die Zinsanhebungszyklen zumindest im laufenden Jahr deutlich verlangsamt sein dürften, steht in Europa diese eher an dessen Anfang. Insofern dürfte sich der Spread zwischen dem US-Zinsniveau und dem europäischen Zinsniveau eher verringern und damit zur einer Euro-Aufwertung gegenüber dem US-Dollar führen.
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Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in der Praxis am Beispiel USA
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Solange also die Kerninflation sich unter den Erwartungen hält, ist mit einem nachhaltigen Renditeanstieg nicht zu rechnen. Diese Einschätzung wird dabei zusätzlich durch die nicht zu vernachlässigenden Risiken für den privaten Konsum und den damit verbundenen Risiken für das Wirtschaftswachstum verstärkt. Da die Kerninflation im Jahr 2006 moderat verlaufen dürfte, die Inflationsraten sich gleichzeitig rückläufig entwickeln dürften, kann im Jahre 2006 von einer weiteren Ansteigen des inländischen Zinsniveaus abgesehen werden, unter Umständen sogar mit leicht fallenden Zinsen gerechnet werden. Sinkende Zinsen sprechen für eine positive Performance festverzinslicher Wertpapiere. Dieser Effekt könnte jedoch unter Umständen durch eine ungünstige Dollarkursentwicklung negativ überkompensiert werden, sofern der Euro gegenüber dem US-Dollar aufgewertet werden könnte.
US-Leistungsbilanzdefizit Frühjahr 2006 Die weitere Leistungsbilanzentwicklung kann jedoch entgegen der Prognose des Raiffeisen-Researchs differenzierter betrachtet werden: Es spricht bedingt durch eine mögliche Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro manches für eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Güter auf dem Weltmarkt, wodurch die US-amerikanischen Exporte zunehmen und die US-amerikanischen Importe abnehmen könnten. Zusätzlich dürften im Falle einer sich abschwächenden Konjunktur in den USA die Importe (bei einer zunächst annahmegemäß unveränderten Höhe der Exporte) zurück gehen und dadurch ebenfalls für eine Verbesserung des US-Leistungsbilanzdefizites sprechen. Allerdings widerspricht dieser These die anhaltend geringe inländische Sparquote. Sollten die inländischen Investitionen weiterhin auf einem adäquat hohen Niveau verharren, so kann zwangsläufig das Leistungsbilanzdefizit nicht verringert werden. Bitte führen Sie sich in diesem Zusammenhang den Effekt von Seite 163 ff. noch einmal vor Augen: Zwangsläufig führt die saldentechnische Differenz zwischen der inländischen Ersparnis und den inländischen Investitionen zu einem positiven Saldo in der Kapitalverkehrsbilanz und einem adäquat hohem Leistungsbilanzdefizit. Insofern spricht vieles für ein weiterhin exorbitant hohes Leistungsbilanzdefizit in den USA. Allerdings dürfte aufgrund der steigenden Wettbewerbsfähigkeit aufgrund einer Abschwächung des Wechselkurses verbunden mit einer konjunkturbedingten Reduzierung der inländischen Importnachfrage und sinkenden inländischen Investitionen bei einer zunächst unveränderten Inländischen Ersparnis) im laufenden Jahr zumindest eine Verbesserung des Leistungsbilanzsaldos erwartet werden. Bitte führen Sie sich in diesem Zusammenhang die Ausführungen aus Kapitel 6 noch einmal vor Augen.
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Güterarten Abbildung 2: Marktbericht vom 31.01.2007 Abbildung 3: Ifo-Geschäftsklimaindex, die Lagebeurteilung und die Geschäftserwartungen Abbildung 4: USA: Index of Leading Indicators Abbildung 5: Marktbericht vom 01.02.2007 Abbildung 6: Entwicklung ausgewählter Frühindikatoren Abbildung 7: Preisindex der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 8: Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2005 Abbildung 9: Systematik der gesamtwirtschaftlichen Lenkung Abbildung 10: Klassik und Keynesianismus: Zwei gegensätzliche makroökonomische Paradigmen Abbildung 11: Einfache Marktformen Abbildung 12: Gleichgewichtspreis Abbildung 13: Ausführliches Marktformenschema Abbildung 14: Nachfragekurve Abbildung 15: Verschiebung der Nachfragekurve durch Erhöhung der Konsumentenbedürfnisse Abbildung 16: Ertragsverlauf und Grenzertrag Abbildung 17: Verlauf der Ertragskurve (Isoquante) Abbildung 18: Ertragskurve sowie abgeleitete Durchschnittsertrags- und Grenzertragskurve Abbildung 19: Ertragsverlauf und Grenzertrag Abbildung 20: Die Kostenfunktion Abbildung 21: Kurve der variablen Kosten Abbildung 22: Gesamtkostenkurve und die daraus abgeleiteten Grenzkosten (GK), durchschnittlichen Fixkosten (DF), durchschnittlichen variablen Kosten (DVK) und durchschnittlichen totalen Kosten (DTK)
14 18 20 21 22 23 24 26 29 35 39 40 42 47 48 49 50 51 52 54 55
55
200
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 23: Phasen der Kostenverläufe Abbildung 24: Angebotskurve Abbildung 25: Marktgleichgewicht im Schnittpunkt von Angebotsund Nachfragekurve Abbildung 26: Spinngewebemodell Abbildung 27: Wirkung einer Erhöhung der Einkommenssteuer auf Preise und Mengen Abbildung 28: Marktbericht vom 15.02.2007 Abbildung 29: Kapazitätsauslastungsgrad der Bundesrepublik Deutschland im Sommer 2006 Abbildung 30: Phasen im Konjunkturzyklus Abbildung 31: Produktionspotenzial und Auslastungsgrad (Beispiel) Abbildung 32: Marktbericht vom 01.02.2007 Abbildung 33: Steigende Nachfrage und die Entwicklung des Preisniveaus Abbildung 34: Konjunkturelle Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland seit 2001 Abbildung 35: Phillipskurve in den Fünfzigerjahren Abbildung 36: Entwicklung der Phillipskurve seit den Sechzigerjahren Abbildung 37: Magisches Viereck Abbildung 38: Wirkungsweise automatischer Stabilisatoren Abbildung 39: Wirkungsweisen von Konjunkturindikatoren im Zeitablauf Abbildung 40: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Juli 2006 Abbildung 41: Wirkungsweise von Indikatoren im Zeitablauf: Datenbasis Abbildung 42: Wirkungsweise von Indikatoren im Zeitablauf: Trendentwicklung Abbildung 43: Marktbericht vom 15.02.2007 Abbildung 44: Zinssatz des Eurosystems und Bankzinsen in Deutschland Abbildung 45: Devisenangebot und Devisennachfrage Abbildung 46: Mengennotierung der Wechselkurse (Stand 19.09.2006) Abbildung 47: Cross-Currency-Tableau Abbildung 48: Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland: Abbildung 49: Vereinfachter Aufbau der Zahlungsbilanz Abbildung 50: Marktbericht vom 15.02.2007 Abbildung 51: Zusammenhang zwischen Angebot, Produktion und Einkommen Abbildung 52: Ex-Post-Analyse des Volkseinkommens Abbildung 53: Zusammensetzung des Bruttoinlandsproduktes der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 54: Nachfrageinflation bei steigenden Kapazitätsauslastungen
56 57 61 64 65 67 68 69 70 73 75 76 79 81 82 84 86 88 89 90 91 102 103 104 106 108 112 113 116 116 120 121
Abbildungsverzeichnis
201
Abbildung 55: Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58:
125 129 131
Abbildung 59: Abbildung 60: Abbildung 61: Abbildung 62: Abbildung 63: Abbildung 64: Abbildung 65: Abbildung 66: Abbildung 67: Abbildung 68: Abbildung 69: Abbildung 70: Abbildung 71: Abbildung 72: Abbildung 73: Abbildung 74: Abbildung 75: Abbildung 76: Abbildung 77: Abbildung 78: Abbildung 79: Abbildung 80: Abbildung 81: Abbildung 82:
(aus BW Privat, Nr. 1/2005) Überblick über die geldpolitischen Instrumente der EZB Mindestreservesätze im Eurosystem Transmissionsmechanismus geldpolitischer Instrumente durch die Wirtschaft Marktzinssatz und Investitionsausgaben Ableitung der IS-Kurve Ableitung der LM-Kurve Hemmnisse der Wirksamkeit von Geld- und Fiskalpolitik Liquiditätsfalle und Wirkungslosigkeit einer expansiveren Geldpolitik Angebot und Nachfrage auf dem Geld- und Kreditmarkt Erwartungseffekte versus einer direkten Wirkung der Geldpolitik Phillipskurve im Zeitablauf Unterschiedliche „time-lags“ in der Geldpolitik Prozyklische Wirkung einer expansiven Geldpolitik IS-/LM-Diagramm: Die Wirkung einer expansiven Geldpolitik Normalverlauf der IS-/LM-Kurve Crowing-out-Effekt Policy-mix Struktur der Staatsschuld in der Bundesrepublik Deutschland Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland nach Ländern und Ländergruppen Kombinationen von inländischem Zinsniveau und realemVolkseinkommen und das Zahlungsbilanzgleichgewicht Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter-, Geld- und Devisenmarkt Zahlungsbilanzüberschuss (bei festem Wechselkurs) Zahlungsbilanzüberschuss (bei flexiblem Wechselkurs) Monetäre und reale Wirkungskette einer expansiven Geldpolitik Expansive Geldpolitik in einem System flexibler Wechselkurse Assetrenditen im Laufe eines Konjunkturzyklusses
132 134 136 140 141 142 146 149 150 151 153 154 157 158 160 161 163 169 171 172 173 174 176 177 179
Autor
Dr. Udo Stefan Schlipf, Jahrgang 1964, war nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre und einem Trainee-Programm bei einer Großbank zunächst mehrere Jahre als Vermögensanlageberater im gehobenen Privatkundengeschäft tätig, bevor er nach Stationen im Wertpapierhandel sowie im Produktmanagement für das Wertpapier- und Kreditgeschäft im Jahre 2005 als verantwortlicher Projektleiter zur Gründung einer neuen Tochterbank einer österreichischen Genossenschaftsbank als Bankgründer im Private Banking tätig wurde. Seit 1993 ist Dr. Schlipf nebenberuflich als selbständiger Personaltrainer für praxisorientierte Volkswirtschaftslehre für Vermögensanlageberater, im Kreditgeschäft sowie für alle Fragen um das Private-Banking tätig. Dr. Schlipf ist verheiratet und hat drei Kinder.
Stichwortverzeichnis
A Abschreibungen 25 Absorbtionsansatz 114 Abwertung 92, 93, 114, 171 Abwertungsspirale 107 Adam Smith 32 Adaptive Erwartungsbildung 149 Adaptive Erwartungshaltung 148 Administrative-lag 151 Agio 106 Aktieninvestition 181 Aktienkurse 182 Aktienmarkt 181, 190 Aktienpapier 179 Alan Greenspan 190 Allokation 43, 46 Allokationsfunktion des Preises 36 Allokationsmechanismus 36 Allokationswirkungen der Inflation 77 Alternativkosten 138 Angebot 40, 45, 94, 116, 166 Angebotsfunktion 57, 58, 103 Angebotskreuz 62 Angebotskurve 48, 56, 57, 58, 59, 61, 63 Angebots-/Nachfragekreuz 60 Anlageformen 180 Anpassungsgeschwindigkeiten 178 Anpassungsmechanismen 148 Anpassungsüberlegungen 148 Arbeitseinkommen 27, 181 Arbeitslosenquote 180, 182 Arbeitslosenversicherung 85 Arbeitslosigkeit 74, 77, 79, 80, 128 Asset-Renditen 179, 180
Atomistische Marktstruktur 42 Auftragseingang bei der Industrie 89 Auftragseingänge 87 Auftragseingänge in der verarbeitenden Industrie 87 Aufwertung 92, 171, 174 Ausbringungsmenge 52 Auslandszins 164 Auslastungsgrad 70, 127, 154 Auslastungsgradkonjunktur 75 Auslastungsniveau 77 Auslastungspotenzial 69 Ausschließbarkeit 14 Ausschließbarkeit von der Nutzung 14 Ausschlussmöglichkeit 44 Ausschreibungsverfahren 130 Außenbeitrag 167, 178 Außenhandel 105, 169, 177, 195 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 81 Außenwirtschaftliches Ungleichgewicht 173 Automatische Stabilisatoren 83, 84, 85 Autonome Investitionsausgaben 135 A. W. Phillips 79
B Basistender 98, 99, 129 Bedürfnisse 48 Beggar-my-neighbour-policy 107 Ben Bernanke 190 Beschäftigung 73, 74, 92, 96, 107, 149, 177, 178, 190 Beschäftigungseffekt 80 Beschäftigungsniveau 177, 178
206
Stichwortverzeichnis
Beschäftigungsstand 80 Besitzeinkommen 27 BIP 68, 114 Boom 70 Boomphasen 85 Branchenzyklus 70 Bruttoinlandsprodukt 25, 68, 85, 120 Bruttosozialprodukt 25, 86, 87 Budgetprognosen 82
C Coincident Indicators 86 Commodities 179 Cross-Currency-Tableau 106 Crowding-out-Effekt 157, 159 Crowing-out-Effekt 158
D Dauerhafte Konsumgüter 27 David Ricardo 32, 93 Decision-lag 151 Demeritorische Güter 45 Deport 106 Devisenbilanzkonzept 109 Devisenbilanzsaldo 176 Devisenkassageschäft 106 Devisenkassakurs 104, 106 Devisenkurs 103 Devisenkursglättung 92 Devisenmarkt 46, 103, 104, 126 Devisenreserven 170 Devisentermingeschäft 106 Devisenterminkurs 104 Diagnose 87 Dienstleistungen 14 Dienstleistungsbilanz 109 Die Soziale Marktwirtschaft 30 Direkte Preiselastizität der Nachfrage 65 Distributionsfunktion 83 Dreimonatsgeld 95 Durchschnittliche Fixkosten 56 Durchschnittliche totale Kosten 56 Durchschnittliche variablen Kosten 56
Durchschnittsertrag 51 Durchschnittskosten 54 Dynamische Betrachtungsweise 64
E Effektenmärkte 46 Einkommen 116 Einkommensbesteuerung 30 Einkommenseffekt 110 Einkommenselastizität der Nachfrage 65 Einkommenserhöhungen 48 Einkommensmechanismus 110 Einkommensveränderungen 83 Einkommensverteilung 78 Einkommenswirkung 114 Einlagenfazilität 100, 130 Einlagengeschäft 95 Einlagenzinsen 126 Elastizitäten der Angebotsund Nachfragekurven 65 Elastizitätswerte 65 Endogene Faktoren 71 Erdölkrise 80 Erhebliche Wirkungsverzögerung 153 Ersparnis 114, 115, 117, 118, 167 Ertragsgesetz 50 Ertragskurve 49, 54, 55 Ertragsverlauf 49, 52, 56 Ertragszuwachs 50 Erwartungseffekte 149 Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim 20 Europäische Zentralbank (EZB) 95, 96, 128, 145, 152 Eurosystem 126 Exogene Faktoren 71 Expansion 70 Expansive Geldpolitik 141, 147, 153, 154, 165, 176, 177, 178, 180 Exporte 165 Exportüberschüsse 107 Ex-Post-Analyse 116 Externalitäten 45 Externe Effekte 44
Stichwortverzeichnis
EZB-Rat 99 EZB-Ratssitzung 99
F Faktorergiebigkeit 50 Faktorpreise 36, 52, 53 Fazilitäten 97 Fehlendes Ausschlussprinzip 15 Feinsteuerungs- Operationen 99 Fester Wechselkurs 111 Festverzinsliche Wertpapiere 181 Fishersche Quantitätstheorie 111, 133 Fishersche Verkehrsgleichung 101, 137 Fiskalpolitik 31, 82, 137, 150, 156, 159 Fixe Kosten 52 Flexible Wechselkurse 177 FOMC-Gremium 190 Freie Güter 27, 40 Freihandel 92 Frühindikator 20, 90, 101 Frühindikator Ifo-Geschäftsklimaindex 19
G Geborene öffentliche Güter 43, 44 Gebrauchsgüter 14, 27 Gekorene öffentliche Güter 16 Geld 16 Geldangebot 146 Geldillusion 16, 144, 150 Geldmarkt 46, 94, 95, 126, 127, 141 Geldmarktgeschäfte 94 Geldmarktinstrument 97 Geldmarktpapiere 94, 145 Geldmarktzinsen 126 Geldmenge 36, 101, 111, 154 Geldmengenaggregate 38 Geldmengenaggregat M 1 38 Geldmengenaggregat M 2 38 Geldmengenaggregat M 3 38 GeldmengenEinkommensmechanismus 111 Geldmengenentwicklung 101 Geldmengen-Preismechanismus 111
207
Geldmengenwachstum 102 Geldnachfrage 146 Geldpolitik 36, 82, 91, 101, 137, 141, 149, 154, 155, 156, 159 Geldpolitische Instrumente 97, 128 Geldpolitische Instrumente der EZB 129 Geldpolitische Maßnahmen 126 Geld- und Währungspolitik 91 Geldvermögensforderungen 78 Geldwertstabilität 17, 74 Gelenkte Marktwirtschaft 31 Gesamtangebot 75 Gesamtkapitalrentabilität 94 Gesamtkostenkurve 54, 55 Gesamtnachfrage 75 Gesamtwirtschaftliche Instabilität 71 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial 69 Gesamtwirtschaftliche Theorie 13 Geschäftsklimaindex 19 Geschlossene Volkswirtschaft 162, 173 Gesellschaftspolitischen Grundwerte 77 Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 86 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) 81, 86, 159, 160 Gewinnmaximierung 58 Gewinnstreben 33 Giralgeldschöpfung 95 Gläubiger-Schuldner-Hypothese 78 Gleichgewicht 133 Gleichgewichtseinkommen 154 Gleichgewichtsoutput 117 Gleichgewichtspreis 40 Gleichgewichtszinssatz 140 Gleichlaufende Konjunkturindikatoren 86 Grenzertrag 49, 50, 52 Grenzerträge 57 Grenzgewinn 58 Grenzkosten 54, 55, 57 Grenzkostenkurve 57
208
Stichwortverzeichnis
Grenzproduktivität 50 Grundbilanzkonzept 109 Güter 14 Gütereinsatzfaktoren 52 Gütermarkt 46, 141 Gütermengen 40 Güterpreise 165 Gütertausch 93
H Handelsbilanz 109, 166 Handelsbilanzdefizit 167 Harmonieprinzip 32 Harvard Index of general Business Conditions 19 Hauptrefinanzierungsgeschäft 98, 99, 100, 129 Haushaltsbudget 190 Hiobsbotschaften 181 Hochkonjunktur 74, 75, 79 Hoher Beschäftigungsstand 81 Homo oeconomicus 33 HWWA (Institut für Wirtschaftsforschung, früher Hamburgisches Welt-WirtschaftsArchiv, Sitz Hamburg) 20
I Idealtypische Wirtschaftssysteme 28 Ifo-Geschäftsklimaindex 20 Ifo-Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft 20 Ifo-Index 194 Ifo-Index der Geschäftserwartungen 20 Ifo-Institut 19, 20 Illokationsfunktion 83 Immobilienmarkt 190 Importe 110 Importquote 110 Index für die Erzeugerpreise 17 Index of Leading Indicators (USA) 21 Indikatoren 89 Individualgut 14 Industrie- und Dienstleistungs-PMI 194
Inflation 17, 36, 74, 77 Inflationsausgleich 150 Inflationsbedingte Einkommenssteigerungen 78 Inflationsentwicklung 74, 78 Inflationserwartung 96, 97, 149, 160, 190 Inflationsgefahr 101, 180, 182 Inflationsprämie 96 Inflationsproblem 36 Inflationsrate 36, 74, 80, 101, 106, 114, 121, 127, 128, 150, 155, 160, 175 Inflationsrisiken 92 Inflationsrisiko 74 Inflationsverlierer 78 Information-lag 151 Informationsfunktion 43 Inlandszinsniveau 171 Inside-lag 151, 152 Intermediate-lag 152 Internalisierung 45 Interventionen 92, 174 Investieren 134, 167 Investitionen 114, 115, 117, 118, 167 Investitionsausgaben 134 Investitionsausgabenfunktion 134 Investitionsgüter 14 Investitionskurve 135 Investitionstätigkeit 154, 177 IS-Kurve 136, 156 IS-/LM-Diagramm 133, 137, 154, 167, 172, 177 IS-/LM-Konzept 154 ISM = Index des Institute for Supply Management (USA) 21 ISM-Index (USA) 19 Isoquante 49
J Jean Baptiste Say 32 J-Kurveneffekt 166, 175 Johann Heinrich von Thünen 50 John Maynard Keynes 137 John St. Mill 32
Stichwortverzeichnis
K Kapazitätsauslastungen 121, 176 Kapazitätsauslastungsgrad 68 Kapazitätsengpässe 180, 182 Kapitalanlageentscheidungen 170 Kapitalbewegungen 172 Kapitalexport 175 Kapitalimport 104, 175 Kapitalmärkte 127 Kapitalverkehr 104, 162 Kapitalverkehrsbilanz 104, 109, 112, 170, 172, 175, 176 Kapitalverkehrsbilanzsaldo 175 Kapitalverzinsung 94 Kaufkraftparitätentheorem 105 Kaufkraftparitätentheorie 162 Kaufkraftverlust 78 Kerninflationsrate 17 Keynesianismus 33 Klassik 32 Klassische Lehre 32 Kollektivgut 14 Komparativer Kostenunterschied 93 Komparativ-Statisch 62, 63 Komparativ-statische Analyse 62 Konjunktur 67, 68, 69, 71, 153, 165, 179, 190 Konjunkturabschwächung 74 Konjunkturabschwung 180, 181 Konjunkturaufschwung 70, 180, 181, 182 Konjunkturausgleichsrücklage 159 Konjunkturelle Arbeitslosigkeit 79 Konjunkturelle Entwicklung 76 Konjunkturelle Inflation 79 Konjunkturellen Überhitzung 180 konjunktureller Inflation 79 Konjunkturen 70 Konjunkturfrühindikator 181, 194 Konjunkturindikator 69 Konjunkturindikatoren 19, 86 Konjunkturlage 88, 179 Konjunkturniveau 73, 74 Konjunkturpolitik 77, 82, 158 Konjunkturprognosen 82, 85
209
Konjunkturrat 160 Konjunkturschwankung 70, 83, 85 Konjunkturverlauf 69 Konjunkturzyklen 69, 70, 71, 83 Konsum 135 Konsumausgaben 83 Konsumentenpreisindex (USA) 21 Kostendruckinflation 128 Kostenfunktion 53, 54, 56 Kostenfunktion des Unternehmens 52 Kostenverlauf 56 Kreditaufnahme 158 Kreditbeschränkung 146 Kredit-Fazilitäten 100 Kreditgeschäft 95 Kreditgewährung 95 Kreditinstitute 95 Kreditplafondierung 146 Kreditvergabepolitik 147 Kreditzinsen 126 Kursrückschlag 181
L Laging Indicators 86 Leading Indicators 86 Leading-Indicators 181 Leistungsbilanz 104, 109, 110, 112, 114, 166, 170, 175 Leistungsbilanzdefizit 114 Leistungsbilanzentwicklung 92 Leistungsbilanzkonzept 109 Leistungsbilanzsaldo 118 Leistungsbilanzüberschuss 111 Leistungsbilanzwirkung 114 Leistungsgerechtigkeit 30 Liquidität 95 Liquiditätsdisposition 99 Liquiditätsfalle 142, 144 Liquiditätsreserven 94 Liquiditätssituation 145 Liquiditätstheorie 137 LM-Kurve 155, 156, 159, 177 Lohneinkommensbezieher 78 Lohn-Lag-These 78
210
Stichwortverzeichnis
Lohnquote 78 Ludwig Erhard 31
M Magisches Viereck 81, 107 Makroökonomie 13 Markt 39 Marktformen 39 Marktgleichgewicht 60, 61, 62, 63 Marktmachtinflation 77 Marktmechanismus 82, 83 Marktpreis 57 Marktversagen 15 Marktwirtschaft 28, 40, 41, 45 Marktwirtschaftlichen Ordnung 39, 42 Marktzinsniveau 155 Marktzinssatz 134, 146, 153, 155 Maximalprinzip 27 Mengenanpasser 59 Mengeneffekte 63 Mengennotierung 103, 104 Mengentender 98, 129, 130 Meritorische Güter 43, 45 Merkantilismus 93 Mikroökonomie 13 Milton Friedman 36, 144 Mindestreserve 95, 100, 126, 130 Mindestreservesätze 131, 145 Minimalprinzip 27 Modeerscheinungen 48 Modellwirtschaft 113 Monatsbericht 88 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank 69, 90 Monatsgeld 95 Monetäre Schiene 176 Monetarismus 36
N Nachfrage 40, 45, 94, 166 Nachfrageänderungen 47 Nachfragefunktion 103 Nachfrageinduzierte Inflation 79
Nachfrageinflation 121 Nachfragekreuz 62 Nachfragekurve 46, 47, 61, 63 Nachtwächterstaat 33 Nettoexporte 117 Nettokapitalexport 170 Nettokapitalimport 170, 176 Nettosozialprodukt 25 Nichtrivalität 44 Nominale Geldmenge 144 Nominaleinkommen 25, 78, 144 Nominallöhne 78 Nominalwerte 78 Normalauslastung 69 Notenbank 95 Notenbankpolitik 183, 190 Notenbankzinsen 95 Nutzenmaximierung 27 Nutzungsrivalität 14
O OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) 20 Offene Volkswirtschaft 162, 167, 173 Offenmarktgeschäfte 94, 97 Offenmarktpolitik 97, 100, 128 Öffentliche Finanzen 82 Öffentliche Güter 14 Ökonomie dominante 164 Ökonomisches Prinzip 27, 38, 41 Operational-lag 152 Opportunitätskosten 138 Optimaler Produktionsplan 57 Optimum optimorum 33 Ordnungspolitik 31 Ordoliberalismus 30 Outside-lag 152
P Partialanalyse 13 Partielle Ertragsfunktion 50 P. A. Samuelson 79 Passivierung 166
Stichwortverzeichnis
Paternalistische Politik 31 Paul A. Samulson 149 Performance 179 Phillipskurve 79, 81, 150 Phillipskurveneffekt 149 Phillipskurven-Zielkonflikt 79 Planungsautonomie 29 Policy-Mix 159 Portfolioanpassungen 148 Präferenzen 41 Präferenzordnung 46 Präferenzstruktur 46 Präsenzindikatoren 87 Preisänderungen 47 Preisblasen 190 Preise 40 Preiseffekte 63, 65 Preisfunktion 42 Preisindex 25 Preisindex für das Bruttoinlandsprodukt 17 Preisindiz 17 Preisindizes für die Lebenshaltung 17 Preismechanismus 32, 36, 39, 40, 41, 42, 43, 45, 77 Preisniveau 17, 75, 101, 107, 111 Preisniveauentwicklung 101 Preisniveaustabilität 36, 77, 175, 194, 195 Preisnotierung 103 Preissenkung 47 Preisstabilität 101 Preiswettbewerb 41 Primärverteilung 83 Privatautonomie 30 Private Güter 14, 43 Privateigentum 30 Produktion 116 Produktionsfaktoren 28, 36, 46, 50, 74 Produktionsfunktion 52, 53 Produktionskapazität 79 Produktionskapazitäten 74, 75, 127 Produktionspotenzial 70, 71, 74, 102 Prognose 87 Progressives Steuersystem 83
211
Prosperität 70 Prozesspolitik 31 Prozyklische Wirkung 153
Q Quantitätstheorie 36 Quantitätstheorie des Geldes 143 Quantitätstheorie (Fishersche Verkehrsgleichung) 37
R Realallokation 43 Reale Geldmenge 38, 144 Realeinkommen 25, 144 Reale Schiene 176 Reales Volkseinkommen 177, 178 Recheneinheit 16 Rechtssystem 31 Recogntion-lag 151 Refinanzierung 95 Refinanzierungsgeschäfte 98, 130 Refinanzierungsmöglichkeit 100 Rein öffentliches Gut 43 Relative Preise 148 Relativpreise 144 Renditen 94 Rentenpapier 179 Report 106 Ressourcen 43, 77 Ressourcenpreise 93 Restposten der Zahlungsbilanz 109 Restriktive Geldpolitik 147, 175, 176, 190 Revalation 171 Rezession 70, 75, 79, 83, 85 R. M. Solow 79 Robert Jacques Turgo 50 Robert M. Solow 149 Robert Owen 31 Robinson-Crusoe-Modellwirtschaft 115
S Sachgüter 14
212
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 81 Schweinezyklus 62 Selbstheilungskräfte 33 Sichteinlagen 16 Simultanes Gleichgewicht 141 Sozialprodukt 25, 135 Sparen 167 Sparneigung 180 Sparquote 92, 110, 119, 180, 182 Spätindikatoren 87 Spekulationen 148 Spekulationskasse 94 Spinngewebemodell 63 Spitzenfazilität 130 Staatliche Interventionen 72 Staatsausgaben 78, 117, 167 Staatsschuld 161 Stabilisierungsaufgabe des Staates 38 Stabilisierungsfunktion (Konjunkturpolitik) 83 Stabilisierungspolitik 79, 82, 83 Stabilität des Preisniveaus 81 Stabilitätspolitik 36, 82, 96 Stabilitätspolitische Herausforderung 79 Stabilitätspolitischer Zielkonflikt 79 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz 81 Stagflation 80 Statistische Landesämter 89 Status-quo-Prognose 85 Steueraufkommen 85 Steuerausfälle 83 Steuermehreinnahmen 83 Steuern 117 Steuerungsmechanismus 40 Steuerungs- und Allokationsfunktion 43 Stop-and-go-Politik 71 Strukturelle Operationen 99 Strukturpolitik 72 Stückkostenminimum 41 StWG 81 Subsidiaritätsprinzip 31, 32 Substitutionseffekte 146, 148
Stichwortverzeichnis
Substitutionskurve 149 Swapsätze 106
T Tagesgeld 95 Tagesgeldmarktsätze 99 Tagesgeldsatz 100 Tausch- und Zahlungsmittel 16 Termineinlagen 16 Theorem der komparativen Kosten 105 Theorie der komparativen Kosten 93 Theorie der relativen Preise 147 Thomas Malthus 32 Timelag-Problematik 85 Time-lags der Geldpolitik 147, 150 Totalanalyse 13 Trade-off 80 Transaktionskasse 94 Transfereinkommenshypothese 78 Transferzahlungen 30, 117 Transformationskurve 149 Transmissionsmechanismus 132, 137, 144, 178 Transmissionsmechanismus der Geldpolitik 144 Trendentwicklung 90 Trittbrettfahren 15 Trittbrettfahrer 15
U Übernachtliquidität 100 Überschussnachfrage 40 Übertragungsbilanz 109 Umlaufgeschwindigkeit des Geldes 36, 37, 102 Umverteilungswirkungen der Inflation 78 Umweltschutz 81 Unelastische Verlauf der Nachfrage 63 Unsichtbare Hand 32 Unterausgelastete Ressourcen 178 Unterschiedslosigkeit der Preise 162 Ursachen des Marktversagens 43 USA 190
Stichwortverzeichnis
USA-Spezial 183 US-Leistungsbilanzdefizit 190 US-Sparquote 195 Utilitaristische Ansatz 33
V Variable Kosten 52, 55 Verbrauchsgüter 27 Verfügbares Einkommen 117 Verteilungsfunktion 83 Verteilungskämpfe 78 Verteilungsziel 81 Volkseinkommen 25, 110, 114, 116, 135, 155, 171, 175, 176, 177 Volkseinkommens 172 Vollkommene Konkurrenz 60 vollkommenen Markt 59 Vollkommenenr Markt 60 Vollkommener Markt 60 Vollständige Konkurrenz 42, 59
W Wachstum 67, 69, 96 Wachstumsprognosen 82 Wachstumsratenkonjunktur 75 Wachstumszyklus 71 Währungspolitik 91 Währungsreform 31 Wechselkurs 103, 105, 162, 166 Wechselkurseffekte 176 Wechselkursentwicklung 92, 93, 105, 195 Wechselkursmechanismus 111 Wechselkursprognosen 82 Wechselkursrelation 174 Weltwirtschaftskrise 33, 34, 83 Wertaufbewahrungsfunktion 16 Wertpapierpensionsgeschäfte 98, 129 Wettbewerbsverzerrung 45 Wirkungslosigkeit einer expansiveren Geldpolitik 142 Wirkungsprognose von konjunkturpolitischen Maßnahmen 85 Wirtschaftlichkeitsprinzip 27 Wirtschaftsforschungsinstitute 20
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Wirtschaftsordnung 28 Wirtschaftsordnungstypen 28 Wirtschaftspolitik 30 Wirtschaftssubjekte 146 Wirtschaftssystem 28 Wirtschaftswachstum 68, 71, 81 Wohlfahrtsoptimum 41
Z Zahlungsbereitschaft 44 Zahlungsbilanz 107, 108, 111, 112, 114, 162, 170 Zahlungsbilanzausgleich 111 Zahlungsbilanzdefizit 111, 171 Zahlungsbilanzgleichgewicht 170, 171 Zahlungsbilanzkurvenverlauf 170 Zahlungsbilanzmechanismen 110 Zahlungsbilanzüberschuss 171, 173, 174 Zahlungsmittel 16, 38 Zentralbank 126 Zentralbankgeld 95 Zentralbankgeldmenge 38 Zentralbankguthaben 95 Zentralverwaltungswirtschaft 28, 29 Zielkonflikt 77, 79 Zinsdifferenz 104 Zinselastizität 172 Zinselastizität der Geldnachfrage 142 Zinselastizität der Investitionen 143 Zinsentscheidung 21 Zinskanal 130 Zins-Kreditmechanismusses 112 Zinsniveau 96, 153, 165, 175, 179 Zinsprognosen 82 Zinsreagibilität 134 Zinssatz 134 Zinsspekulationen 99 Zinssteigerungen 127 Zinstender 98, 130 Zinswirkungen 154 Zölle 92 Zwillingsdefizites 167