Analytische Zahlentheorie Vorlesung Wintersemester 2004/05 Peter Mu ¨ller 12. Oktober 2004
Inhaltsverzeichnis 1 Einfu ¨...
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Analytische Zahlentheorie Vorlesung Wintersemester 2004/05 Peter Mu ¨ller 12. Oktober 2004
Inhaltsverzeichnis 1 Einfu ¨ hrung
1
2 Arithmetische Funktionen
3
3 Dirichlet-Reihen
5
4 Erste Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion
11
5 Der Primzahlsatz
14
6 Charaktere abelscher Gruppen
20
7 Der Dirichletsche Primzahlsatz
22
8 Die Gammafunktion
26
9 Mehr zur Riemannschen Zetafunktion
29
10 Das große Sieb der Zahlentheorie
35
11 Zwei Anwendungen des großen Siebs
41
1
Einfu ¨ hrung
Die analytische Zahlentheorie befasst sich in erster Linie mit der Verteilung von Primzahlen und anderen arithmetischen Dichtefragen. Die bis heute st¨arksten Methoden kommen aus der Funktionentheorie. In diesem Zusammenhang ist die Riemannsche Vermutung (siehe Abschnitt 9) von großer 1
Bedeutung; diese Vermutung ist wohl die wichtigste offene Frage in der Mathematik1 . Die Menge der Primzahlen bezeichnen wir mit P. Meist bezeichnet Q ei p eine Primzahl. Die Primfaktorzerlegung von n schreiben wir als n = pi . Das vielleicht fr¨ uheste Resultat der analytischen Zahlentheorie ist Satz 1.1 (Euklid). Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Seien p1 , p2 , . . . , pr ∈ P verschieden. Dann ist 1 + p1 p2 . . . pr > 1 durch kein pi , i = 1, 2, . . . , r, teilbar, liefert also einen neuen Primteiler pr+1 . Setze das Verfahren unbeschr¨ankt fort. F¨ ur reelles x sei π(x) die Anzahl der Primzahlen ≤ x. Obiger Beweis liefert eine sehr schwache untere Absch¨atzung von π(x). Eine bessere Absch¨atzung (und erneuten Beweis f¨ ur Euklids Satz) liefert das folgende elegante Argument von Erd¨os. Satz 1.2. Es gilt π(n) ≥
log n log 4
f¨ ur alle n ∈ N.
Beweis. Schreibe jedes m ∈ {1, 2, . . . , n} eindeutig in der Form m = a2 b mit √ a, b ∈ N und b quadratfrei. F¨ ur a gibt es ≤ n √ M¨oglichkeiten, und f¨ ur b gibt π(n) es h¨ochstens 2 M¨oglichkeiten. Es folgt n ≤ n2π(n) , und daraus folgt die Behauptung. Unsere ersten Ziele in der Vorlesung sind der Beweis des Primzahlsatzes (Abschnitt 5) π(n) lim =1 n→∞ n/ log n und des Dirichletschen Primzahlsatzes (siehe Abschnitt 7), n¨amlich dass in jeder arithmetischen Folge aN + b mit teilerfremden a, b ∈ N unendlich viele Primzahlen liegen. Aufgaben. Die folgenden Aufgaben behandeln weitere einfache Zug¨ange zu Primzahlabsch¨atzungen. m
1. (Polya) Zeige, dass die Zahlen 22 + 1, m = 0, 1, 2, . . . , paarweise teilerfremd sind. Welche untere Schranke f¨ ur π(n) folgt daraus? 1
Siehe http://www.claymath.org/Millennium Prize Problems/ f¨ ur weitere Informationen, und wie man 1 Million $ verdienen kann. . .
2
2. Der folgende Beweis von Euler f¨ ur die Unendlichkeit der Primzahlmenge ist wesentlich konzeptioneller, und kann als Startpunkt und Motivation f¨ ur die folgenden zwei Abschnitte gesehen werden. F¨ ulle die Details in folgendem Argument aus: Y 1 Y 1 1 1 = (1 + + 2 + 3 + . . . ) 1 p p p 1− p p≤n p≤n 1 1 1 1 + + + ··· + 2 3 4 n > log n ≥1+
3. Diese Aufgabe enth¨alt einfache, aber wichtige Absch¨atzungen der Fakult¨atsfunktion. Zeige n n e( )n < n! < en( )n e e f¨ Runr alle n ∈ N. Tipp: Zeige mittels Riemann-Summen log(n − 1)! < log t dt < log n!, und verwende n! = n(n − 1)!. 1
4. F¨ ur x ∈ R sei [x] die gr¨oßte ganzePZahl ≤ x. Sei pe die h¨ochste Potenz n von p ∈ P, die n! teilt. Zeige e = ∞ k=1 [ pk ]. Dies benutzte Tchebychev, um elementare Absch¨atzungen zur Primzahlverteilung zu erzielen. Zeige zum Beispiel X log p ≥ log n − 1. p−1 p≤n 5. Sei 2 ≤ p ∈ N. Zeige, dass der Binomialkoeffizient kp f¨ ur alle 1 ≤ k ≤ p−1 durch p teilbar ist genau dann, wenn p eine Primzahl ist. (Hinweis: Sei p nicht prim, und q ein Primteiler von p. Sei q k die h¨ochste Potenz, die p teilt. Zeige, dass q k kein Teiler von pq ist.)
2
Arithmetische Funktionen
Sei A die Menge der Funktionen N → C. Die Funktion f ∈ A heißt multiplikativ, wenn f (mn) = f (m)f (n) f¨ ur alle teilerfremde m, n gilt, und es ein n ∈ N gibt mit f (n) 6= 0. Gilt f (mn) = f (m)f (n) sogar f¨ ur alle m, n ∈ N, so heißt f vollst¨andig multiplikativ. Ist d ein Teiler von n, so schreiben wir d|n. Neben der gew¨ohnlichen Addition auf A definieren wir ein Produkt ?, die Faltung durch X n (f ? g)(n) := f (d)g( ). d d|n
3
Lemma 2.1. Sind f, g ∈ A multiplikativ, dann auch f ? g. ¨ Beweis. Ubung. Satz 2.2. (A, +, ?) ist ein kommutativer Ring mit Einselement η, mit η(1) = 1 und η(n) = 0 f¨ ur n > 1. Ferner gilt: f ∈ A ist eine Einheit genau dann, wenn f (1) 6= 0. ¨ Beweis. Der einfache Nachweis der Ringaxiome sei als Ubung u ¨berlassen. Sei f eine Einheit, es gibt also g ∈ A mit f ? g = η. Es folgt 1 = η(1) = f (1)g(1), also f (1) 6= 0. Sei nun f ∈ A mit f (1) 6= 0. Setze g(1) = 1/f (1), und f¨ ur n > 1 definiere g(n) rekursiv durch 0 = η(n) = (f ? g)(n) = f (1)g(n) +
X
1 1 nicht quadratfrei, (−1)r falls n = p1 p2 . . . pr mit pi ∈ P verschieden.
Beweis. µ ist multiplikativ nach Satz 2.3, daher gilt µ(1) = 1, und wir m¨ ussen e nur den Fall n = p betrachten. Es gilt 0 = ( ? µ)(p) µ(p), also µ(p) P = µ(1) + P P= −1. Sei nun e ≥ 2. Aus 0 = ( ? µ)(pe ) = d|pe µ(d) = ei=0 µ(pi ) = ei=2 µ(pi ) folgt induktiv µ(pe ) = 0. 4
Als Folge des bisherigen notieren wir die klassische M¨obiussche Umkehrformel. Korollar 2.5. Sei
X
F (n) =
f (d)
d|n
f¨ ur alle n ∈ N. Dann gilt f (n) =
X d|n
n µ(d)F ( ). d
Beweis. Aus F = ? f folgt µ ? F = µ ? ( ? f ) = (µ ? ) ? f = η ? f = f . Sind f, g ∈ A, so ordnen wir diesen Funktionen formale Dirichlet-Reihen F (s) =
∞ X f (n) n=1
ns
, G(s) =
∞ X g(n) n=1
ns
zu. Formales Ausmultiplizieren von F (s)G(s) liefert ∞ X (f ? g)(n) . F (s)G(s) = ns n=1
Somit steht die Faltung zu Dirichlet-Reihen im analogen Verh¨altnis wie das Pn wohlvertraute Cauchy-Produkt i=0 f (i)g(n−i) zu den Potenzreihen. Dieser Zusammenhang ist der Grund f¨ ur die Bedeutung der Dirichlet-Reihen in der Zahlentheorie. Aufgaben.
1. Vervollst¨andige die Beweise von Lemma 2.1 und Satz 2.2.
2. Gilt Lemma 2.1 auch dann, wenn multiplikativ durch vollstandig multiplikativ ersetzt wird? 3. Sei id(n) = n f¨ ur alle n ∈ N. Welche Interpretation haben ? und ?id? Gib einen direkten Beweis f¨ ur die Multiplikativit¨at dieser Funktionen.
3
Dirichlet-Reihen
Die Produkte im folgenden Satz heißen Euler-Produkte. 5
P∞ f (n) ur Satz 3.1. Sei f ∈ A multiplikativ, und n=1 ns absolut konvergent f¨ s ∈ C. Dann gilt ∞ ∞ X f (n) Y X f (pk ) = . sk ns p n=1 p∈P k=0 Ist f sogar vollst¨andig multiplikativ, so gilt ∞ X f (n) n=1
ns
Y
=
1
p∈P 1 −
f (p) ps
.
P P f (n) f (n) Beweis. Sei F = ∞ n>N | ns | < . Setze n=1 ns . Sei > 0, und N ∈ N mit P = {p ∈ P|p ≤ N }, und sei M die Menge der nat¨ urlichen Zahlen die nur Primfaktoren aus P enthalten. Es gilt ∞ X f (n) = . ns n∈M
∞ YX f (pk )
p∈P k=0
psk
Aus {1, 2, . . . , N } ⊆ M folgt daher |F −
∞ YX f (pk )
p∈P k=0
psk
|≤
X f (n) < . ns n>N
Ist f vollst¨andig multiplikativ, so gilt ∞ X f (pk ) k=0
psk
=
∞ X f (p) 1 ( s )k = . f (p) p 1 − s k=0 p
Beispiele. 1. Sei f = ≡ 1 und s > 1. Wir erhalten die Riemannsche Zetafunktion ∞ Y 1 X 1 = ζ(s) = 1 . s n 1 − s p n=1 p∈P
Hier sieht man sch¨on, wie die harmlos aussehende linke Seite mit den Primzahlen verbunden wird. P∞ µ(n) 2. Wieder sei s > 1. Setze F (s) = n=1 ns . Aus ? µ = η folgt ζ(s)F (s) = 1, also ∞
X µ(n) Y 1 1 = = (1 − s ). s ζ(s) n=1 n p p∈P 6
Bemerkung. Vertauschung von Summation und Grenz¨ ubergang l¨aßt sich vielfach nur mit großem Aufwand rechtfertigen. Die Argumente sind meist sehr trickreich und kompliziert, und keineswegs langweilige Routine, wie man das von der Analysis oft kennt. Diese Vertauschungen sind oft ¨aquivalent zu tiefen zahlentheoretischen Aussagen, und sind deshalb ein Hauptthema der analytischen Zahlentheorie. Man kann zum Beispiel elementar ohne großen Aufwand dass der Primzahlsatz folgt, sobald man die Konvergenz der P∞zeigen, µ(n) urze ohne großen Aufwand, dass Reihe n=1 n kennt. Auch sehen wir in K¨ 1 lims→1 ζ(s) = 0 gilt. Aber daraus folgt nicht ohne weiteres die Konvergenz der Reihe. s.
F¨ ur s ∈ C bezeichnen R(s) und I(s) den Realteil bzw. Imagin¨arteil von
P a(n) Satz 3.2. Sei a ∈ A, s0 ∈ C, und ∞ n=1 ns0 konvergiere (nicht notwendig P∞ a(n) absolut). Dann ist f¨ ur alle δ > 0 die Reihe n=1 ns gleichm¨aßig konvergent P a(n) in Gδ := {s ∈ C| |arg(s − s0 )| ≤ π2 − δ}. Insbesondere ist F (s) = ∞ n=1 ns holomorph in R(s) > R(s0 ). I(s) δ s s0
R(s)
δ
Beweis. Setzt man an = a0n ns0 , so sieht man, dass man s0 = 0 annehmen darf. Der Beweis benutzt die wichtige Technik der partiellen Summation. Dieses diskrete Analogon der partiellen Integration wird uns noch oft begegnen. 7
Seien M, N ∈ N mit M ≤ N . F¨ ur z ∈ R setze A(z) =
X
a(n).
M ≤n≤z
Dann gilt X
M ≤n≤N
X a(n) 1 = (A(n) − A(n − 1)) s s n n M ≤n≤N N N −1 X X A(n) A(n) = − s n (n + 1)s n=M n=M −1
=
N −1 X
A(n)(
n=M
1 A(N ) A(M − 1) 1 . − )+ − s s s n (n + 1) Ns | M {z } =0
Schreibe2 s = σ + it mit σ, t ∈ R. Es gilt
1 1 | s− | = |s n (n + 1)s
Z
≤ |s|
n+1
z −s−1 dz| n
Z
n+1
z −σ−1 dz n
|s| 1 1 = ( σ− ). σ n (n + 1)σ Sei nun > 0 beliebig. W¨ahle M (), so dass |A(z)| < f¨ ur alle M () < M ≤ z gilt. Aus den bisherigen Absch¨atzungen folgt
|
X
M ≤n≤N
N −1 X a(n) |s| 1 1 |≤ ( σ− )+ σ s σ n σ n (n + 1) N n=M
=
1 |s| 1 ( σ − σ) + σ. σ M N N
2
Die etwas merkw¨ urdige Mischung aus lateinischen und griechischen Buchstaben f¨ ur die Komponenten einer komplexen Zahl ist traditionell in der analytischen Zahlentheorie, wir folgen auch hier dieser Notation.
8
Wegen
σ |s|
= sin δ und 0 ≤
1 Mσ
−
1 , 1 Nσ Nσ
≤ 1 gilt weiter
a(n) 1 1 |≤ ( σ − σ) + σ s n sin δ M N N M ≤n≤N ≤ + sin δ 1 ). = (1 + sin δ Hieraus folgt die Behauptung. P a(n) Korollar 3.3. In Satz 3.2 gilt lims→s0 F (s) = ∞ n=1 ns0 . |
X
s∈Gδ
Beweis. Wegen gleichm¨aßiger Konvergenz in Gδ vertauschen Summation und Grenzwertbildung.
Bemerkung. Nach Satz 3.2 existiert genau ein α ∈ R ∪ {±∞}, so dass P a(n) f¨ ur R(s) > α konvergiert, und f¨ ur R(s) < α divergiert. die Reihe ns Man nennt α deshalb die Konvergenzabszisse. Vorsicht: F¨ ur R(s) > α muss im allgemeinen keine absolute Konvergenz vorliegen. Obwohl die Konvergenzabszisse dem Konvergenzradius von Potenzreihen entspricht, ist hier die Situation also komplizierter. Wenn der Summationsbereich f¨ ur eine Dirichlet-Reihe von 1 bis ∞ ist, P dann schreiben wir ab jetzt h¨aufig ohne Angabe der Summationsgrenzen. Die folgende Aussage ist eine Art Identit¨atssatz f¨ ur Dirichlet-Reihen. P bn P an und G(s) = f¨ ur R(s) > α konvergent. Satz 3.4. Seien F (s) = ns ns Es gelte F (σ) = G(σ) f¨ ur alle hinreichend großen σ. Dann gilt an = bn f¨ ur alle n ∈ N. P an −bn ). Sei also F (σ) = 0 Beweis. Wir d¨ urfen bn = 0 annehmen (betrachte ns f¨ ur alle hinreichend großen σ. Sei m minimal mit am 6= 0. Wir erhalten P )σ . Von dieser letzten Summe zeigen wir, 0 = F (σ)mσ = am + n>m an ( m n dass P sie f¨ ur σ → ∞ gegen 0 konvergiert. Sei β > α. Wegen der Konvergenz an von gibt es C ∈ R mit |an | ≤ nβ f¨ ur alle n ∈ N. F¨ ur σ > β + 1 liefert nβ ein Vergleich mit Riemann-Summen ∞ X X 1 m | a n ( )σ | ≤ C · m σ n nσ−β n=m+1 n>m Z ∞ z β−σ dz ≤ C · mσ m β+1
m , σ−β−1 und der letzte Teil konvergiert offensichtlich f¨ ur σ → ∞ gegen 0. =C·
9
Ist s0 ∈ C und h(s) meromorph in C, so ist der Konvergenzkreis um s0 gerade so groß, dass er die erste Singularit¨at von h trifft. Eine analoge Aussage gilt f¨ ur Dirichlet-Reihen nicht. Ein in vielen F¨allen wichtiger Ersatz ist aber die Folgende Aussage von Landau. P an Satz 3.5. Sei eine Dirichlet-Reihe mit Konvergenzabszisse α. Ferner ns sei 0 ≤ an ∈ R f¨ uP r alle n ∈ N. Dann l¨asst sich die f¨ ur R(s) > α holomorphe an nicht holomorph nach α fortsetzen. Funktion f (s) = ns
Beweis. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir α = 0 annehmen. Wir nehmen an, dass sich f (s) auf einen Kreis um 0 holomorph fortsetzen l¨asst. Dann ist f (s) holomorph in einem offenen Kreis um 1 mit einem Radius 1 + 2 > 1. Die Taylorreihe mit Entwicklungspunkt 1 ist f (s) =
∞ X f (k) (1) k=0
k!
(s − 1)k .
P an Diese Reihe konvergiert also auch f¨ ur s = −. Die Reihe konvergiert f¨ ur ns P an (log n)k k s > 0 gleichm¨aßig, daher konvergieren auch alle Ableitungen (−1) ns gleichm¨aßig. Wegen an ≥ 0 konvergiert die folgende Doppelsumme absolut, was die Vertauschung der Summation rechtfertigt. Die folgende erste Zeile konvergiert, daraus erhalten wir wegen ∞ X f (k) (1) k=0
k!
(− − 1)k = =
∞ ∞ X ( + 1)k X an (log n)k k=0 ∞ X n=1
= =
k!
n=1
n
∞ an X ( + 1)k (log n)k n k=0 k!
∞ X an
n=1 ∞ X
n=1
n
e(+1) log n
an n−
P an die Konvergenz der Dirichlet-Reihe f¨ ur s = − < 0, im Widerspruch ns dazu, dass die Konvergenzabszisse 0 ist. Aufgaben. 1. Sei λ(n) die Anzahl der Primteiler von n, mit Vielfachheit P λ(n) = . gez¨ahlt. Zeige ζ(2s) ζ(s) ns 10
4
Erste Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion
Wir erinnern daran, dass die Riemannsche Zetafunktion durch ∞ X 1 ζ(s) = ns n=1
definiert ist. Die folgende Aussage zeigt, dass ζ(s) eine in R(s) > 1 holomorphe Funktion ist. Lemma 4.1. Die Reihe f¨ ur σ = R(s) > 1.
P∞
1 n=1 ns
konvergiert absolut und lokal gleichm¨aßig
Beweis. Die Behauptung folgt sofort aus einem Vergleich mit Riemann-Summen: ∞ X
Z ∞ ∞ X dz 1 1 1 1 ≤ = · σ−1 | s| = σ σ n n σ−1 M M z n=M +1 n=M +1
Wir notieren eine einfache, aber wichtige Folgerung. Lemma 4.2. F¨ ur R(s) > 1 gilt ζ(s) 6= 0. Beweis. Sei σ = R(s) > 1 und ζ(s) 6= 0. Aus |
X µ(n) X 1 1 |=| | ≤ = ζ(σ) ζ(s) ns nσ
folgt |ζ(s)| ≥
1 . ζ(σ)
Beide Seiten der Ungleichung h¨angen stetig von s ab, daher gilt diese Ungleichung ohne die Einschr¨ankung ζ(s) 6= 0. Die Behauptung folgt. Satz 4.3. ζ(s) −
1 s−1
hat eine holomorphe Fortsetzung nach R(s) > 0. 11
Beweis. Durch partielle Summation erhalten wir f¨ ur R(s) > 1 eine Integraldarstellung von ζ(s): ∞ X 1 ζ(s) = ns n=1
=
∞ X n − (n − 1) n=1 ∞ X
ns
1 1 − ) s n (n + 1)s n=1 Z n+1 ∞ X s dz = n s+1 z n n=1 ∞ Z n+1 X [z] dz =s z s+1 n=1 n Z ∞ [z] =s dz z s+1 1 =
n(
R∞ z s dz = s−1 Vergleich mit der asymptotisch sehr ¨ahnlichen Funktion s 1 z s+1 R R ∞ ∞ s liefert ζ(s) − s−1 = s 1 [z]−z dz. Aber |z − [z]| ≤ 1, also 1 | [z]−z |dz ≤ z s+1 z s+1 R R ∞ dz ∞ z−[z] 1 = σ . Daher konvergiert 1 z s+1 dz gleichm¨aßig in jedem Kompak1 z σ+1 tum in R(s) > 0, ist also holomorph. Die Behauptung folgt. Oben sahen wir recht einfach ζ(s) 6= 0 f¨ ur R(s) > 1. Diese Aussage dehnen wir nun aus auf R(s) = 1. Der Beweis beruht auf einem genialen Trick von Hadamard, versehen mit Vereinfachungen durch Mertens und de la Vall´ee Poussin. Der urspr¨ ungliche Beweis von de la Vall´ee Poussin umfasste etwa 25 Seiten! Im Beweis verwenden wir eine einfache Aussage u ¨ber die von Mangoldt Funktion Λ(n). Lemma 4.4. F¨ ur n ∈ N definiere Λ(n) durch Λ(n) = log p, wenn n eine Potenz von p ∈ P ist, und Λ(n) = 0 sonst. Dann gilt f¨ ur R(s) > 1 ∞
ζ 0 (s) X Λ(n) − = . ζ(s) ns n=1
P Beweis. Aus der Definition folgt sofort log n = d|n Λ(d), also log = ? P P ∞ ∞ Λ(n) log n 0 Λ. Aus −ζ 0 (s) = n=1 ns . (Beachte, dass n=1 ns folgt −ζ (s) = ζ(s) die angegebenen Reihen in R(s) > 1 absolut und in jedem Kompaktum gleichm¨aßig konvergieren.) 12
Satz 4.5. ζ(s) 6= 0 f¨ ur R(s) ≥ 1. Beweis. F¨ ur R(s) > 1 kennen wir die Aussage schon, es sei also R(s) = 1. 0 (s) . Wir wissen, dass F (s) meromorph f¨ ur R(s) > 0 ist. Setze F (s) = − ζζ(s) r Sei r die Ordnung von ζ(s) in s0 , d.h. ζ(s) = (s − s0 ) h(s), mit h(s0 ) 6= 0 und 0 (s) 0 0 )h (s) h holomorph in einer Umgebung von s0 . Aus (s − s0 ) ζζ(s) = rh(s)+(s−s h(s) folgt lim F (s0 + ) = −r. →0
Sei s = 1 + iα eine Nullstelle von ζ(s) der Ordnung µ ≥ 0. Sei ν ≥ 0 die Ordnung von ζ(s) in 1 + 2iα. Dies liefert lim F (1 + ) = 1 &0
lim F (1 + ± iα) = −µ &0
lim F (1 + ± 2iα) = −ν. &0
Wegen X 2 2 X X 4 4 Λ(n) F (1 + + irα) = 1++irα 2+r 2 + r n∈N n r=−2 r=−2 X Λ(n) iα iα = (n 2 + n− 2 )4 1+ n n∈N ≥0
folgt −ν − 4µ + 6 − 4µ − ν ≥ 0, also 8µ ≤ 6 − 2ν ≤ 6, und das ist nur f¨ ur µ = 0 m¨oglich. Im n¨achsten Abschnitt ben¨otigen wir die folgende Aussage. Satz 4.6. Sei Φ(s) =
P
log p p∈P ps .
1 Dann ist Φ(s)− s−1 holomorph in R(s) ≥ 1.
0
(s) Beweis. Sei wieder F (s) = − ζζ(s) . Aus dem bisherigen wissen wir, dass F (s)− 1 holomorph in R(s) ≥ 1 ist. Die Behauptung folgt also, wenn wir zeigen, s−1 dass sich F (s) − Φ(s) nach R(s) ≥ 1 holomorph fortsetzen l¨aßt. Offenbar gilt f¨ ur R(s) > 1 X log p . F (s) − Φ(s) = r )s (p p∈P 2≤r∈N
13
Die folgende Rechnung zeigt sogar holomorphe Fortsetzbarkeit von F (s) − √ Φ(s) nach R(s) > 12 . Dabei ist C = 2/(2 − 2), und wir verwenden p2σ1−pσ ≤ C f¨ ur p ∈ P und σ > 1/2. p2σ |
X log p X log p | ≤ (pr )s (pr )σ p∈P p∈P 2≤r∈N
2≤r∈N
=
X p∈P
≤C ≤C
log p − pσ
p2σ
X log p p∈P
p2σ
X log n n∈N 0
n2σ
= −ζ (2σ)
Aufgaben. 1. F¨ ur n ∈ N ist die Eulersche ϕ-Funktion ϕ(n) definiert als die Anzahl der zu n teilerfremden Zahlen aus {1, 2, . . . , n}. Zeige P d|n ϕ(d) = n. Hinweis: Zeige, dass es in der zyklischen Gruppe der Ordnung n f¨ ur alle d | n genau ϕ(d) Elemente der Ordnung d gibt. 2. Zeige, dass ϕ multiplikativ ist, und gib eine Formel f¨ ur ϕ(pm ), p ∈ P, m ∈ N an. 3. Sei G eine endliche zyklische Gruppe der Ordnung n. F¨ ur g ∈ G sei |g| die Ordnung von g. Sei a(n) die durchschnittliche Ordnung der ElemenP te von G, d.h. a(n) = n1 g∈G |g|. Zeige3 ϕ(n) ≤ a(n) ≤ ζ(2)ζ(3) ϕ(n). ζ(6) m m Hinweis: a(n)/ϕ(n) multiplikativ ist. Berechne a(p )/ϕ(p ).
5
Der Primzahlsatz
Definition 5.1. F¨ ur Funktionen f, g schreiben wir f ∼ g, wenn limx→∞ 1 gilt. 3
f (x) g(x)
=
Dieses Resultat erscheint in einer gemeinsamen Arbeit von von zur Gathen, Knopfmacher, Luca, Lucht und Shparlinski.
14
Der Primzahlsatz π(n) ∼ logn n wurde bereits um 1800 von verschiedenen Mathematikern (Gauß, Legendre, . . . ) vermutet. Erst 1896 konnten Hadamard [Had96] und de la Vall´ee Poussin [dlVP96] diese Vermutung beweisen. Eine bahnbrechende Vorarbeit ist Riemanns kurze Arbeit [Rie] von 1858. In der Folge wurde der analytische Beweis vereinfacht (Landau, Wiener, . . . ). 1980 fand D. J. Newman [New80] einen besonders einfachen Beweis. Dieser wurde sp¨ater von Korevaar [Kor82] und Zagier [Zag97] noch etwas vereinfacht. Wir werden weitgehend Zagiers Darstellung folgen. Lange Zeit suchte man elementare Beweise des Primzahlsatzes, d.h. solche, die keine Funktionentheorie verwenden. Bereits 1852 bewies Tchebychev durch Betrachtung der Primfaktorzerlegung von n! (siehe Aufgabe 4 in Abschnitt 1) und raffinierten elementaren Argumenten die Existenz von 0 < c1 < c2 (mit expliziten Beispielen), so dass c1 logn n < π(n) < c2 logn n gilt. Ferner zeigte er: Falls der Grenzwert limn→∞ n/π(n) existiert, dann ist er 1. log n Erst knapp 100 Jahre sp¨ater gelangen 1949 Erd¨os und Selberg elementare Beweise. Trotz sp¨aterer Vereinfachungen sind die sogenannten elementaren Beweise auch heute noch sehr technisch und undurchsichtig. Die wesentliche Neuerung durch Newman ist der einfache Beweis des folgenden Satzes von Ingham 1935. Satz 5.2. Sei f (t) (t ≥ 0) eine beschr¨ankte und lokal R ∞ integrierbare Funktion. Ferner sei die Laplace-Transformierte g(z) = 0 fR (t)e−zt dt (R(z) > 0) ∞ nach R(z) ≥ 0 fortsetzbar. Dann existiert 0 f (t)dt, und es gilt Rholomorph ∞ f (t)dt = g(0). 0 RT Beweis. F¨ ur T > 0 ist gT (z) := 0 f (t)e−zt dt offensichtlich holomorph in C. Wir wollen limT →∞ gT (0) = g(0) zeigen. Sei R > 0 beliebig, und δ > 0 (in Abh¨angigkeit von R) so gew¨ahlt, dass g(z) auf G := {z ∈ C| |z| ≤ R, R(z) ≥ −δ} holomorph ist. Sei C der Rand von G. Die Cauchysche Integralformel liefert4 Z z 2 dz 1 (g(z) − gT (z))ezT (1 + 2 ) . (1) g(0) − gT (0) = 2πi C R z Wir sch¨atzen den Integranden auf verschiedenen Teilen von C ab. Sei C+ = {z ∈ C| R(z) > 0}. W¨ahle B mit |f (t)| < B f¨ ur alle t ≥ 0. Auf C+ gilt Z ∞ Z ∞ e−R(z)T −zt |g(z) − gT (z)| = | f (t)e dt| ≤ B |e−zt |dt = B · R(z) T T Der Faktor ezT im Integrand ist durch die folgenden Rechnungen nahegelegt. Der 2 Trick in Newmans Beweis ist das Hinzuf¨ ugen des Faktors 1 + Rz 2 , welcher dort Nullstellen hat, wo der Integrand ohne diesen Faktor groß werden w¨ urde, siehe Aufgabe 3 unten. 4
15
I(s)
R
−δ
R(s) 0 C−
C−
C+
und
2R(z) z2 1 ) | = eR(z)T · . 2 R z R2 Daher ist der Integrand in Gleichung (1) auf C+ betragsm¨aßig durch beschr¨ankt. Somit gilt Z z 2 dz 1 2B B 1 (g(z) − gT (z))ezT (1 + 2 ) | ≤ · 2 · Rπ = . | 2πi C+ R z 2π R R |ezT (1 +
2B R2
Nun wenden wirRuns dem anderen Teil C− = {z ∈ C| R(z) < 0} zu. Zun¨achst 2 betrachten wir C− (gT (z))ezT (1 + Rz 2 ) dz . Wegen der Holomorphie von gT (z) z in C k¨onnen wir C− durch den Halbkreis C−0 = {z ∈ C| |z| = R, R(z) < 0} ersetzen. Wie oben folgt f¨ ur z ∈ C−0 Z T Z T e−R(z)T −zt |gT (z)| = | f (t)e dt| ≤ B |e−zt |dt = B · |R(z)| 0 −∞
und
|ezT (1 +
2|R(z)| z2 1 ) | = eR(z)T · , 2 R z R2
also
Z z 2 dz 1 B (gT (z))ezT (1 + 2 ) | ≤ . | 2πi C− R z R R 2 1 . Beachte, dass g(z)(1 + Nun betrachte 2πi (g(z))ezT (1 + Rz 2 ) dz z C− zT abh¨angig von T ist, und limT →∞ e = 0 gilt. Es folgt lim sup|g(0) − gT (0)| ≤ T →∞
16
2B . R
z2 1 ) R2 z
un-
Aber R war beliebig gew¨ahlt, die Behauptung folgt. Ersetzt man im Satz f (t) durch h(et ), und macht die Variablentransformation et = x, so erh¨alt man folgendes Korollar 5.3. Sei h(x) (xR ≥ 1) eine beschr¨ankte und lokal integrierbare ∞ Funktion. Ferner sei g(z) = R1 h(x) xdx holomorph nach R(z) ≥ z+1 (R(z) > 0) R ∞ ∞ h(x) dx 0 fortsetzbar. Dann existiert 1 h(x) dx , und es gilt = g(0). x x 1 Die Primzahlz¨ahlfunktion π(n) l¨asst sich nicht direkt mit Dirichlet-Reihen in Verbindung bringen. Als Br¨ ucke dient uns die f¨ ur x ∈ R definierte Funktion X θ(x) = log p. p≤x
Wir beginnen mit einer elementaren Aussage von Tchebychev. Lemma 5.4. F¨ ur x ≥ 1 ist
θ(x) x
beschr¨ankt.
2n·(2n−1)...(n+1) Beweis. Jede Primzahl p mit n < p ≤ 2n teilt 2n = , hieraus n 1·2...n folgt X 2n Y 2n 2n θ(2n)−θ(n) e = p≤ ≤ = 22n , n k n 1 gilt
Φ(s) = =
X log p
p∈P ∞ X n=2
∞ X
ps
θ(n) − θ(n − 1) ns
1 1 − ) s n (n + 1)s n=1 Z n+1 ∞ X s dx = θ(n) s+1 x n n=1 Z ∞ θ(x) =s dx. xs+1 1 =
Die Funktion h(x) = Wir berechnen
θ(x) x
θ(n)(
− 1 erf¨ ullt die Voraussetzungen von Korollar 5.3. Z
∞
dx xz+1 Z1 ∞ θ(x) − x = dx xz+2 1 Φ(z + 1) 1 − . = z+1 z
g(z) =
h(x)
Nach Satz 4.6 ist Φ(z+1) − z1 holomorph in R(z) ≥ 0, Korollar 5.3 liefert daher R z+1 ∞ dx. die Existenz von 1 θ(x)−x x2 Der restliche Weg zum Primzahlsatz besteht aus Routineargumenten.
Satz 5.6. Es gilt θ(x) ∼ x. Beweis. Man nehme an, es gibt λ > 1 mit θ(u) ≥ λu f¨ ur beliebig große u. Aus der Monotonie von θ(u) folgt f¨ ur diese u Z
λu u
θ(x) − x dx ≥ x2
Z
u
λu
λu − x dx = x2 18
Z
λ 1
λ−y dy > 0, y2
unabh¨angig von u. Dies widerspricht Lemma 5.5. Sei nun λ < 1 mit θ(u) ≤ λu f¨ ur beliebig große u. Eine ¨ahnliche Rechnung liefert den Widerspruch Z u Z u θ(x) − x λ−y dx ≤ dy < 0. 2 x y2 λu λu
Nun erhalten wir das Ziel dieses Abschnitts. Satz 5.7. Es gilt π(x) ∼ Beweis. Aus θ(x) =
x . log x
X p≤x
log p ≤
X p≤x
log x = π(x) · log x
folgt zusammen mit Satz 5.6 lim sup x→∞
Es bleibt lim inf x→∞
π(x) x/ log x
θ(x) π(x) = lim sup = 1. x/ log x x x→∞
= 1 zu zeigen. Wir nehmen an, dass das nicht gilt.
Dann gibt es > 0 und eine unendliche Teilmenge M ⊆ N mit x/π(x) ≥ 1+ log x 1−δ f¨ ur x ∈ M . W¨ahle δ > 0 mit 1+ρ := (1−δ)(1+) > 1. Wegen π(x ) ≤ x1−δ gilt f¨ ur x ∈ M : X θ(x) ≥ log p x1−δ 1 mit |tz−1 e−t | ≤ C · e−t/2 , und f¨ ur t ≤ 1 gilt |tz−1 e−tR| ≤ t 0 folgt, dass Γ(z) im Parallelstreifen {z ∈ C| a ≤ R(z) < b} beschr¨ankt ist. Die Funktionalgleichung, zusammen mit einer Beschr¨anktheit in einem Parallelstreifen, liefert eine Art Umkehrung. Satz 8.3 (Wielandt 1939). Sei C+ = {z ∈ C| R(z) > 0, und f : C+ → C holomorph mit (a) f ist beschr¨ankt auf {z ∈ C|1 ≤ R(z) < 2}. (b) f (z + 1) = zf (z) f¨ ur alle z ∈ C+ . Dann gilt f (z) = f (1)Γ(z) f¨ ur alle z ∈ C+ . Beweis. Wie f¨ ur Γ(z) zeigt man: f (z) ist nach C \ S holomorph fortsetzbar, und f (z + 1) = zf (z) f¨ ur alle z ∈ C \ S. Ferner hat f in −n ∈ S einen Pol n f (1). Daher hat h(z) = f (z) − f (1)Γ(z) der Ordnung ≤ 1 mit Residuum (−1) n! nur hebbare Singularit¨aten, also ist h(z) eine ganze Funktion. Offensichtlich ist h(z) in {z ∈ C|1 ≤ R(z) < 2} beschr¨ankt. Setze H(z) = h(z)h(1 − z). Wegen H(z + 1) = h(z + 1)h(−z) = zh(z)h(−z) = −h(z)(−zh(−z)) = −h(z)h(−z + 1) = −H(z) ist die ganze Funktion H(z) auf C beschr¨ankt. Nach Liouville ist H(z) eine Konstante. Wir berechnen H(1) = h(0)h(1) = h(0)(f (1) − f (1)Γ(1)) = 0, also h(z)h(1 − z) = 0 f¨ ur alle z ∈ C. Aber die Nullstellen ganzer Funktionen 6= 0 liegen diskret in C, daher ist h(z) = 0 f¨ ur alle z ∈ C, und die Behauptung folgt. 27
Lemma 8.4. Die Reihe pakt auf C.
P∞
z z −n n=1 ((1 + n )e
− 1) konvergiert absolut und kom-
−w
−1 Beweis. Die Funktion (1+w)e ist holomorph auf C, also insbesondere stew2 −w −1 |≤C tig. F¨ ur alle r > 0 gibt es daher eine Konstante C, so dass | (1+w)e w2 z z n gilt f¨ ur alle |w| ≤ r. F¨ ur |z| ≤ r und n ∈ N gilt daher |(1 + n )e − 1| ≤ P∞ 2 |z|2 r2 C n2 ≤ C n2 . Aber n=1 C nr 2 konvergiert, und die Behauptung folgt.
Hieraus folgt aus einfachen Aussagen u ¨ber die Holomorphie von Produkten (siehe etwa ???) Q z z −n Korollar 8.5. H(z) = ∞ ist eine ganze Funktion, mit H(z) = n=1 (1 + n )e 0 genau dann wenn −z ∈ N.
Lemma 8.6. Der Grenzwert γ = limn→∞ (1+ 12 + 13 +· · ·+ n1 −log n) existiert, und heisst Eulersche Konstante. ¨ Beweis. Ubung. Qn
z ν=1 (1+ ν ).
Lemma 8.7. Setze Gn (z) = ze−z log n zeγz H(z). 1
1
1
Beweis. Folgt aus Gn (z) = zez(1+ 2 + 3 +···+ n −log n)
Dann gilt limn→∞ Gn (z) =
Qn
ν=1 (1
z
+ νz )e− ν .
Korollar 8.8. G(z) = limn→∞ Gn (z) ist ganz, und hat Nullstellen erster Ordnung in z ∈ S = {0, −1, −2, . . . }, und sonst keine weiteren Nullstellen. Aus dem folgenden Satz folgt insbesondere, dass Γ(z) keine Nullstellen in C hat; eine Eigenschaft, die nicht direkt aus der Integraldefinition zu folgen scheint. Satz 8.9 (Gauß). F¨ ur alle z ∈ C gilt 1) . . . (z + n).
1 Γ(z)
= G(z) = limn→∞
n−z z(z n!
+
1 Beweis. Es ist nur G(z) = Γ(z) zu zeigen. G(z) hat keine Nullstellen f¨ ur 1 R(z) > 0, daher ist G(z) holomorph f¨ ur R(z) > 0. F¨ ur R(z) > 0 und ν ∈ N0 −z −R(z) gilt |n | = n und |z + ν| ≥ R(z) + ν, also |Gn (z)| ≥ Gn (R(z)). F¨ ur 1 1 1 n → ∞ folgt | G(z) | ≤ | G(R(z)) |. Insbesondere ist G(z) beschr¨ankt im Streifen {z ∈ C|1 ≤ R(z) < 2}. Weiter zeigt eine einfache Rechnung zGn (z + 1) = z+n+1 1 1 Gn (z). F¨ ur n → ∞ folgt daraus G(z+1) = z G(z) . Wielandts Satz ??? n Qn 1+ν 1 1 1 , also G(1) = 1, liefert G(z) = G(1) Γ(z). Ferner ist Gn (1) = n ν=1 ν = n+1 n und die Behauptung folgt.
Eine weitere wichtige Identit¨at ist 28
Satz 8.10 (Euler). F¨ ur alle z ∈ C \ Z gilt Γ(z)Γ(1 − z) =
π . sin πz
Beweis. Die meromorphe Funktion f (z) = Γ(z)Γ(1 − z) hat Pole erster Ordnung in n ∈ Z, mit Residuum (−1)n . Dasselbe gilt f¨ ur die Funktion sinππz . π Daher ist h(z) = f (z) − sin πz holomorph nach C fortsetzbar. Der Parallelstreifen B = {z ∈ C|1 ≤ R(z) ≤ 2} wird durch z 7→ 3 − z bijektiv auf sich abgebildet. Daher sind Γ(z) und Γ(3 − z) beschr¨ankt auf B. Sei Γ(3−z) ist dann Γ(1 − z) Q = {z ∈ B| − 1 ≤ I(z) ≤ 1}. Wegen Γ(1 − z) = (2−z)(1−z) π auf B \ Q beschr¨ankt. Man zeigt leicht, dass auch sin πz auf B \ Q beschr¨ankt ist, also ist h(z) auf B \ Q beschr¨ankt. Die ganze Funktion h ist auch auf dem Kompaktum Q beschr¨ankt, daher ist h(z) auf B und schließlich wegen h(z + 1) = −h(z) in ganz C beschr¨ankt. Nach Liouville ist h(z) eine Konstante. Aus h( 12 ) = −h(− 12 ) folgt h(z) = 0 f¨ ur alle z ∈ C, was zu zeigen war. Als Folge erhalten wir die klassische Produktdarstellung der Sinusfunktion. Korollar 8.11. In C gilt ∞ Y π z2 =z (1 − 2 ). sin πz n n=1
In diesen Zusammenhang geh¨ort auch die Verdoppelungsformel von Legendre. Satz 8.12 (Legendre). In C gilt √ z+1 π z ) = z−1 Γ(z). Γ( )Γ( 2 2 2 Beweis. Die ganze Funktion f (z) = 2z−1 Γ( z2 )Γ( z+1 ) erf¨ ullt die Vorausset2 zungen aus Wielandts Satz 8.3. Es folgt f (z) = f (1)Γ(z). Es gilt f (1) = Γ( 21 )Γ(1) = Γ( 12 ). Aus Satz 8.10 folgt Γ( 12 )2√= Γ( 12 )Γ(1 − 12 ) = π, und die Behauptung folgt, da Γ( 12 ) > 0, also Γ( 12 ) = π.
9
Mehr zur Riemannschen Zetafunktion
In diesem Abschnitt beweisen wir unter anderem die Funktionalgleichung der Zetafunktion. Hierf¨ ur ist eine Vielzahl von Beweisen bekannt, siehe etwa 29
Titchmarsh ???. Wir folgen einem der Beweise aus Riemanns kurzer Arbeit ???. Die Methode ist vielleicht nicht die schnellste. Allerdings liefert sie eine Integraldarstellung der Zetafunktion, die sowohl vom theoretischen als auch vom praktischen Standpunkt aus sehr wichtig ist. Diese Integraldarstellung basiert auf Eigenschaften einer Thetafunktion θ(z), die im wesentlichen eine Modulform ist ??? (mehr dazu). Wir entwickeln die ben¨otigten Eigenschaften ad hoc. P −πzn2 Lemma 9.1. Sei ε > 0. Dann konvergiert die Reihe θ(z) = ∞ n=−∞ e gleichm¨aßig und absolut in R(z) ≥ ε. Insbesondere ist θ(z) eine in R(z) > 0 holomorphe Funktion, die Thetafunktion. 2
Beweis. F¨ ur n ≥ 1 und R(z) ≥ ε gilt |e−πzn | ≤ e−πnε , die Behauptung folgt P e−πmε −πnε dann aus ∞ = 1−e −πε . n=m e F¨ ur große x > 0 konvergiert die Thetareihe sehr schnell. Ist hingegen x nahe bei 0, dann sind erst mal viele Summanden nahe bei 1, bevor gute Konvergenz einsetzt. Die folgende Transformationsformel erlaubt es, den Fall kleiner x auf den Fall großer x zur¨ uckzuf¨ uhren. Der Beweis benutzt die klassische Technik des Residuensatzes zur Berechnung von Reihen. Andere Beweise benutzen z.B. die Poissonsche Summenformel, siehe etwa Br¨ udern???.
Satz 9.2. F¨ ur x > 0 gilt θ(x) =
√1 θ( 1 ). x x
Beweis (Landsberg 1893). Sei x > 0 fixiert. Wir w¨ahlen N ∈ N, und betrachten den positiv orientierten Rand ∂R des Rechtecks mit den Eckpunkten ±(N + 12 ) ± i. Die obere und untere Kante seien L+ und L− , die linke und −πxt2
rechte Kante seien M+ und M− . Die Funktion f (t) = ee2πit−1 ist holomorph 1 −πxn2 in C \ Z, und hat Pole in n ∈ Z mit Residuum 2πi . Der Residuensatz e liefert Z N X −πxn2 = f (t)dt. e ∂R
n=−N
Sei t ∈ M+ , also t = N + 21 + iτ mit −1 ≤ τ ≤ 1. Es gilt |e2πit − 1 2 2 2 2 1| = 1 +R e−2πτ ≥ 1 und |e−πxt | = e−πx((N + 2 ) −τ ) < e−πxN . Hieraus folgt limN →∞ M+ f (t)dt = 0, und analog folgt die entsprechendne Aussage f¨ ur M− . R Einfache Absch¨atzungen zeigen die Existenz der Grenzwerte limN →∞ L± f (t)dt. Es folgt Z Z θ(x) = lim
N →∞
f (t)dt + lim
N →∞
L+
30
f (t)dt.
L−
1
Sei t ∈ L+ . Dann gilt |e2πit | < 1, also Z
e2πit −1
Z
=−
2
P∞
n=0
e2πint . Daher gilt
e−πxt dt f (t)dt = 2πit−1 L+ L+ e Z X ∞ 2 =− e−πxt +2πint dt =− =−
L+ n=0 ∞ Z X
2 +2πint
dt
L+
n=0
∞ X
e−πxt
e
− πn x
n=0
2
Z
ni 2
e−πx(t− x ) dt, L+
wobei Summation und Integration wegen gleichm¨aßiger KonvergenzRvertauscht R −∞+i ur N → ∞ bezeichnen wir mit ∞+i . In werden d¨ urfen. Das Integral L+ f¨ obiger Gleichung darf Summation und der Grenz¨ ubergang N → ∞ vertauscht werden. Es folgt lim
N →∞
Z
f (t)dt =
L+
=
∞ X
n=0 ∞ X
e
− πn x
2
Z
∞+i
ni 2
e−πx(t− x ) dt
−∞+i
e
− πn x
2
Z
∞+i(1− ni ) x
2
e−πxw dw,
−∞+i(1− ni ) x
n=0
wobei wir im im letzten Schritt die Substitution w = t − ni gemacht haben. x Der Cauchysche Integralsatz und eine einfache Absch¨atzung zeigen, dass wir den Integrationsweg im letzen Integral um −i(1 − nx ) verschieben d¨ urfen. Es gilt also Z Z ∞ ∞ X 2 2 − πn x f (t)dt = e e−πxw dt. lim N →∞
L+
−∞
n=0
Mittels der Substitution u =√πxw 2 berechnen wir das Integral, und beachten, dass nach Satz 8.10 Γ( 21 ) = π gilt: Z
∞
e
−πxw 2
−∞
dt = 2
Z
∞
e
−πxw 2
dt = 2
Z
0
0
∞
1
e−u u− 2 1 1 1 √ du = √ Γ( ) = √ . 2 πx πx 2 x
Hieraus folgt lim
N →∞
Z
∞
1 X − πn2 e x . f (t)dt = √ x L+ n=0 31
¨ Ahnlich verfahren wir mit L− , und erhalten lim
N →∞
Z
−∞ 1 X − πn2 f (t)dt = √ e x , x n=−1 L−
und die Behauptung folgt wegen θ(x) = lim
N →∞
Z
f (t)dt + lim
N →∞
L+
Z
∞ 1 X − πn2 1 1 f (t)dt = √ e x = √ θ( ). x n=−∞ x x L−
Wir wissen bereits, dass die Zetafunktion ζ(s) im Streifen 0 < R(s) < 1 holomorph ist. Die folgende Aussage ist die Funktionalgleichung der Zetafunktion, und wird uns unter anderem die holomorphe Fortsetzbarkeit von ζ(s) nach C \ {1} liefern. s
Lemma 9.3. F¨ ur 0 < R(s) < 1 setze ξ(s) = s(s − 1)π − 2 Γ( 2s )ζ(s). Dann hat ξ(s) eine holomorphe Fortsetzung nach C, und es gilt ξ(s) = ξ(1 − s). R∞ s Beweis. In Γ( 2s ) = 0 e−t t 2 −1 dt setze t = πn2 x. Dies ergibt s s Γ( ) = π 2 ns 2
Z
∞
2
s
e−πxn x 2 −1 dx.
0
F¨ ur s > 1 folgt daraus π
− 2s
s Γ( )ζ(s) = 2
Z
∞ 0
(
∞ X
e
−πxn2
)x
s −1 2
dx =
n=1
Z
∞
s
ω(x)x 2 −1 dx
0
P∞ −πxn2 √ mit ω(x) = = θ(x)−1 . Aus Satz 9.2 folgt ω( x1 ) = − 21 + 12 x + n=1 e 2 √ xω(x). Dies verwenden wir in der folgenden Rechnung: π
− 2s
s Γ( )ζ(s) = 2
Z
1
ω(x)x
Z0 ∞
s −1 2
dx +
Z
∞
s
ω(x)x 2 −1 dx
1 Z ∞ s 1 1− s dy 2 = ω( )y + ω(x)x 2 −1 dx 2 y y 1 Z1 ∞ Z ∞ 1 s 1 1 1 − s2 −1 2 2 = (− + y + y ω(y))y dy + ω(x)x 2 −1 dx 2 2 1 1 Z ∞ s 1 s 1 1 =− − + ω(x)(x− 2 − 2 + x 2 −1 )dx. s 1−s 1
32
Es gilt also ξ(s) = 1 + s(s − 1)
Z
∞
s
1
s
ω(x)(x− 2 − 2 + x 2 −1 )dx.
1
P∞ −πxn e−πx e−πx Wegen ω(x) ≤ = 1−e ur x ≥ 1 konvergiert das −πx ≤ 1−e−π f¨ n=1 e Integral gleichm¨aßig auf allen kompakten Teilmengen von C, und stellt daher eine ganze Funktion dar. Insbesondere hat ξ(s) eine holomorphe Fortsetzung nach C, und es gilt ξ(s) = ξ(1 − s), da die Darstellung von ξ(s) invariant unter der Ersetzung von s mit 1 − s ist. Als unmittelbare Folgerung notieren wir Satz 9.4. ζ(s) l¨asst sich holomorph nach C \ {1} fortsetzen, hat eine einfache “triviale Nullstellen” in −2, −4, −6, . . . . Die restlichen Nullstellen liegen im Parallelstreifen 0 < R(s) < 1, und liegen darin symmetrisch zur Achse R(s) = 12 . Beweis. Wir benutzen, dass Γ( 2s ) keine Nullstellen hat, aber Pole erster Ordnung in 0, −2, −4, . . . besitzt. Da ζ(s) nach ??? keine Nullstellen f¨ ur R(s) ≥ 1 besitzt, gilt das gleiche auch f¨ ur ξ(s), wobei wir noch verwenden, dass ζ(s) einen Pol in 1 besitzt. Wegen ξ(s) = ξ(1 − s) hat daher ξ(s) keine Nullstellen in R(s) ≤ 0. F¨ ur R(s) ≤ 0 hat ζ(s) genau dort eine Nullstelle, wo sΓ( 2s ) einen Pol hat, mit Polordnung gleich der Nullstellenordnung von ζ(s), also in −2, −4, −6, . . . . Die Aussage u ¨ber die restlichen Nullstellen folgt nun aus ¨ ξ(s) = ξ(1 − s) und der folgenden Uberlegung: ξ(x) ist reellwertig f¨ ur x > 1, daher hat die Potenzreihenentwicklung von ξ(s) um x = 2 reelle Koeffizienten, und somit gilt ξ(¯ s) = ξ(s). H¨aufig verwendet man die Funktionalgleichung, um Aussagen u ¨ber die 1 Zetafunktion f¨ ur R(s) ≤ 2 zur¨ uckzuf¨ uhren auf Aussagen f¨ ur R(s) ≥ 21 . F¨ ur diese Zwecke ist die folgende Form der Funktionalgleichung sehr n¨ utzlich, die man aus ξ(s) = ξ(1 − s) gewinnt unter Verwendung der Formeln von Euler 8.10 und Legendre 8.12: Γ(s)ζ(s). Satz 9.5. Es gilt ζ(1 − s) = 2(2π)−s cos πs 2 Im folgenden wollen wir noch einige einfache Aussagen u ¨ber die nicht trivialen Nullstellen von ζ(s) beweisen. Hierzu braucht man obere Absch¨atzun¨ gen von ζ(σ + it) bei festem σ f¨ ur große t. Ublicherweise gewinnt man sie mittels obiger Funktionalgleichung und der Sterlingformel f¨ ur die Gammafunktion. Da wir die Stirlingformel hier nicht bewiesen haben, und auch deren Anwendung etwas technisch ist, gehen wir hier anders vor. 33
Lemma 9.6. Sei m ∈ N. Dann gibt es ein Polynom Pm (z) vom Grad ≤ m−1, und eine Funktion fm : R → R mit folgenden Eigenschaften: (a) fm (x) R1 ist periodisch mit Periode 1, (b) 0 fm (x)dx = 0, (c) f1 (x) = 12 + [x] − x, (d) f¨ ur m ≥ 2 ist fm (x) stetig, und Z ∞ 1 fm (x) ζ(s) = + Pm (s) + s(s + 1) . . . (s + m − 1) dx s−1 xs+m 1 f¨ ur alle s ∈ C mit R(s) > 1 − m.
R∞ 1 Beweis. Setze f1 (x) = 12 + [x] − x. Aus 1 xdx s+1 = s und dem Beweis von ??? folgt die Behauptung f¨ ur m = 1 mit P1 (X) = 21 . Der allgemeine Fall folgt durch vollst¨andige Induktion. Die Behauptung gelte f¨ ur m. Sei fm+1 (x) eine Stammfunktion von fm (x). Wegen (a) und (b) f¨ ur fm (x) folgt die Bedingung (a) f¨ ur fm+1 (x). Durch Addition einer geeigneten Konstanten bleibt (a) erhalten, und (b) l¨asst sich erf¨ ullen. Nach Konstruktion ist (d) erf¨ ullt. Die behauptete Identit¨at folgt dann mittels partieller Integration, da ∞ Z ∞ Z ∞ fm+1 (x) fm (x) fm+1 (x) + (s + m) dx = dx s+m s+m x x xs+m+1 1 1 1 Z ∞ fm+1 (x) dx. = −fm+1 (1) + (s + m) xs+m+1 1 Dabei beachte man, dass das Integral im angegebenen Bereich konvergiert, da der Z¨ahler wegen Stetigkeit und Periodizit¨at beschr¨ankt ist. Eine direkte Folgerung ist Korollar 9.7. Sei n ∈ N0 , und δ > 0. Dann gibt es r, C > 0, so dass |ζ(s)| ≤ C|s|n+1 gilt f¨ ur alle s mit R(s) ≥ −n + δ und |s| > r. Beweis. Wir verwenden den Satz mit m = n + 1. Sei |fm (x)| ≤ K f¨ ur alle x. Die Behauptung folgt dann aus Z ∞ Z ∞ fm (x) K K | dx| ≤ dx = . s+m 1+δ x x δ 1 1 Aufgaben. 1. Zeige, dass ζ(x) f¨ ur 0 < x < 1 keine Nullstellen hat. (Hinweis: Zeige und benutze (1 − 21−x )ζ(x) = 1 − 21x + 31x − . . . f¨ ur x > 0.) 34
10
Das große Sieb der Zahlentheorie
Als Motivation betrachten wir das Sieb des Erathostenes zur Anzahlbestimmung der Primzahlen bis √ zu einer Gr¨oße N . Dabei setzen wir voraus, dass die Primzahlen bereits bis N √ bekannt sind. Sei A die Menge der Primzahlen a √ mit N < a ≤ N . F¨ ur p ≤ N ist kein a ∈ A durch p teilbar, also enth¨alt A h¨ochstens p−1 modulo p verschiedene Elemente. Mit Siebmethoden versucht man nun diese Information zu benutzen um die M¨achtigkeit von A nach oben abzusch¨atzen. Eine sehr starke Methode ist das große Sieb. Definition. Sei A ⊆ Z und p ∈ P. Die Anzahl der modulo p verschiedenen Restklassen der Elemente in A bezeichnen wir mit p(A). √ In obigem Beispiel gilt also p(A) ≤ p − 1 f¨ ur alle p ≤ N . Satz 10.1. Sei ∅ 6= A ⊂ Z eine endliche Menge und Q ≥ 1. F¨ ur p ∈ P sei v(p) ≤ p mit p(A) ≤ v(p). Setze X Y p − v(p) . L(Q) = v(p) q≤Q q quadratfrei
p|q
Ferner sei N = max(A) − min(A) + 1. Dann gilt |A| ≤
πN + Q2 . L
Bemerkung. Im Satz gilt v(p) 6= 0, denn da A nicht leer ist, kommt mindestens eine Restklasse modulo p vor, also p(A) ≥ 1. Mit erheblichem h¨oherem Aufwand l¨asst sich die obige Absch¨atzung verbessern, der Z¨ahler πN + Q2 kann durch N − 1 + Q2 ersetzt werden, siehe z.B. ???. P Der Beweis des Satzes verwendet die endliche Fourierreihe S(t) = a∈A e2πita . F¨ ur die Zwischenschritte betrachten wir allerdings allgemeinere Summen P 2πita . Wir beginnen mit einigen Vorbereitungen. a∈A ca e
Lemma 10.2 (Gallagher). Sei f : [0, 1] → C stetig differenzierbar. Dann gilt Z 1 1 1 |f ( )| ≤ (|f (t)| + |f 0 (t)|)dt. 2 2 0 Beweis. Mittels partieller Integration verifiziert man Z 1 Z x Z 1 0 f (x) = f (t)dt + t · f (t)dt + (t − 1)f 0 (t)dt, 0
0
x
35
und daraus folgt die Behauptung f¨ ur x = 12 , da der Faktor vor f 0 (t) stets 1 zwischen 0 und 2 liegt. Durch Variablentransformation erhalten wir daraus Korollar 10.3. Sei x ∈ R, δ > 0, und f : [x − 2δ , x + 2δ ] → C stetig differenzierbar. Dann gilt |f (x)| ≤
Z
x+ δ2
x− δ2
1 1 ( |f (t)| + |f 0 (t)|)dt. δ 2
Aus Gr¨ unden der Vollst¨andigkeit beweisen wir noch schnell die wohlbekannte Ungleichung von Cauchy-Schwarz. (a) Seien f, g : [0, 1] → C stetig. Dann gilt
Lemma 10.4.
Z
1 0
|f (t)g(t)|dt
2
≤
Z
1 2
|f (t)| dt
0
Z
1 0
|g(t)|2 dt.
(b) Seien ai , bi ∈ C mit i = 1, 2, . . . n. Dann gilt !2 X X X |ai |2 |bi |2 . |ai bi | ≤ i
i
i
Beweis. Wir urfen f (t) ≥ 0, g(t) ≥ 0 f¨ ur alle t ∈ [0, 1] annehmen. F¨ ur alle R 1 d¨ 2 z ∈ R ist 0 (f (t) − zg(t)) dt ≥ 0, also Z 1 Z 1 Z 1 2 2 2 f (t)g(t)dt. g(t) dt ≥ 2z f (t) dt + z 0
0
0
Ist g(t) = 0R f¨ ur alle t, dann zu zeigen. Sei also g nicht identisch 0. R 1 ist nichts 1 2 Setze z = 0 f (t)g(t)dt/ 0 g(t) dt, die Behauptung (a) folgt. Analog zeigt man (b), indem man Integration durch Summation ersetzt. Im folgenden betrachten wir Fourierpolynome S(t) =
M +N X
cn e2πitn
n=M +1
mit M ∈ Z, N ∈ N, cn ∈ C. Offenbar hat S(t) die Periode 1. Wegen ( Z 1 1 falls n = m e2πit(n−m) = 0 sonst 0 36
f¨ ur n, m ∈ Z gilt die im folgenden wichtige Beziehung Z 1 M +N X 2 |S(t)|2 dt. |cn | = 0
n=M +1
Definition. F¨ ur α ∈ R sei ||α|| der Abstand von α zur n¨achsten ganzen Zahl. Satz 10.5. Sei δ > 0, und α1 , α2 , . . . , αr ∈ R gegeben mit ||αu − αv || ≥ δ f¨ ur alle 1 ≤ u < v ≤ r. Dann gilt M +N 1 X |cn |2 . |S(αj )| ≤ (πN + ) δ j=1 n=M +1
r X
2
Beweis. Sei M0 ∈ Z beliebig, und setze T (t) =
MX 0 +N
n=M0 +1
cn−(M −M0 ) e2πitn = e2πi(M −M0 ) S(t).
Wegen |S(t)| = |T (t)| sehen wir, dass wir zum Beweis M beliebig w¨ahlen d¨ urfen. Zun¨achst sehen wir, dass man δ ≤ 21 annehmen darf. Denn falls δ > 21 , ur alle α ∈ R. Aber f¨ ur r = 1 folgt die dann gilt r = 1 wegen ||α|| ≤ 12 f¨ Behauptung aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung: |S(α1 )|2 ≤
M +N X
|cn |2
n=M +1
M +N X
|e2πiα1 n | = N
n=M +1
M +N X
|cn |2 .
n=M +1
Korollar 10.3 mit f (t) = S(t)2 liefert δ Z Z αj + δ 2 1 αj + 2 2 2 |S(t) |dt + |S(t)S 0 (t)|dt. |S(αj )| ≤ δ δ δ αj − 2 αj − 2 Sei Π : R → [0, 1) die Reduktion modulo Z, also Π(α) = α − [α]. Ist I ⊂ R ein offenes Intervall der L¨ange ≤ 1, dann ist die Einschr¨ankung von Π auf gilt: Hat die reelle Funktion f (t) die Periode 1, dann ist RI injektiv. Ferner R f (t)dt = f (t)dt. Nach Voraussetzung sind die Mengen Π((αj − 2δ , αj + I Π(I) δ )) ⊆ [0, 1) paarweise disjunkt. Daher gilt 2 r X
1 |S(αj )| ≤ δ j=1 2
Z
1 2
0
|S(t) |dt+
Z
1
Z 1 M +N 1 X 2 |S(t)S (t)|dt = |cn | + |S(t)S 0 (t)|dt δ n=M +1 0 0
0
37
Die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung liefert Z 1 2 Z 1 Z 1 Z 1 M +N X 0 2 0 2 2 |S(t)S (t)|dt ≤ |S(t) |dt |S (t) |dt = |cn | |S 0 (t)2 |dt. 0
0
Wegen S 0 (t) =
PM +N
0
n=M +1
2πincn e2πitn gilt
n=M +1
Z
0
1
0
|S 0 (t)2 |dt = 4π 2
M +N X
n=M +1
n2 |cn |2 .
Wie Anfangs bemerkt, d¨ urfen wir M beliebig w¨ahlen. Wir setzen M = [− N2 ], 1 2 2 dann gilt n ≤ 4 N , also Z 1 M +N X 0 2 2 2 |S (t) |dt ≤ π N |cn |2 , 0
n=M +1
und hieraus folgt die Behauptung.
Bemerkung. Mit gr¨oßerem analytischen Aufwand kann man den Faktor πN + 1δ zu N − 1 + 1δ verkleineren, siehe???,???. Im folgenden bezeichnen wir den gr¨oßten gemeinsamen Teiler der ganzen Zahlen a und b mit (a, b). Wir notieren ein wichtiges P +N 2πitn Korollar 10.6. Sei Q ≥ 1 und S(t) = M wie oben. Dann gilt n=M +1 cn e M +N X j |cn |2 . |S( )|2 ≤ (πN + Q2 ) q n=M +1 1≤j≤q≤Q
X
(j,q)=1
Beweis. Sei {α1 , α2 , . . . , αr } die Menge der gek¨ urzten Br¨ uche
q ≤ Q. Seien
j q
6=
j0
q0
zwei solche Br¨ uche. Wegen
j q
mit 1 ≤ j ≤
jq 0 − j 0 q 1 1 j j0 || ≥ 0 ≥ 2 || − 0 || = || 0 q q qq qq Q folgt die Behauptung mit δ =
1 . Q2
Wir beginnen nun mit der Betrachtung modulo Primzahlen. Sei ∅ 6= A ⊂ endliche Teilmenge, und f¨ ur n ∈ A sei cn ∈ C. Setze S(t) = P Z eine 2πitn . Sei p(A) ≤ v(p) ≤ p beliebig. Definiere die multiplikative n∈A cn e Funktion g durch (Q p−v(p) falls q quadratfrei p|q v(p) g(q) = 0 sonst. 38
Satz 10.7. Mit den Bezeicnungen von oben gilt f¨ ur alle q ∈ Q q X
X j |S( )|2 ≥ g(q)| c n |2 . q n
j=1 (j,q)=1
Beweis. Wegen
P
n cn
= S(0) ist 2
g(q)|S(0)| ≤
q X
j |S( )|2 q
(2)
j=1 (j,q)=1
˜ = P c˜n e2πitn = S(t + β). zu zeigen. F¨ ur β ∈ R setze c˜n = cn e2πiβn und S(t) n Ungleichung (2) f¨ ur S˜ statt S schreibt sich dann als 2
g(q)|S(β)| ≤
q X
j |S( + β)|2 . q
(3)
j=1 (j,q)=1
Gilt also (2) f¨ ur festes q und alle S, dann gilt auch (3) f¨ ur alle S und alle β ∈ R. Seien q, q 0 ∈ N mit (q, q 0 ) = 1, und (2) gelte f¨ ur q und q 0 . Wir zeigen, dass (2) dann auch f¨ ur qq 0 gilt. Sei 1 ≤ j ≤ q, (j, q) = 1, 1 ≤ j 0 ≤ q 0 , (j 0 , q 0 ) = 1. Man rechnet sofort nach, dass die Zahlen jq 0 +j 0 q f¨ ur verschiedene Paare (j, j 0 ) inkongruent modulo qq 0 sind. Ferner gilt (jq 0 +j 0 q, qq 0 ) = 1. Wegen ϕ(q)ϕ(q 0 ) = ϕ(qq 0 ) durchlaufen die Zahlen jq 0 + j 0 q modulo qq 0 genau die zu qq 0 teilerfremdem c mit 1 ≤ c ≤ qq 0 . Zusammen mit (3) mit β = qj und wegen S(t) = S(t + 1) folgt 0
qq X
q X c 2 |S( 0 )| = qq j=1
c=1 (c,qq 0 )=1
0
q X
j 0 =1 (j,q)=1 (j 0 ,q 0 )=1 q X 0
≥ g(q )
j j0 |S( + 0 )|2 q q
j |S( )|2 q
j=1 (j,q)=1
≥ g(q 0 )g(q)|S(0)|2 = g(qq 0 )|S(0)|2 . Daher m¨ ussen wir (2) nur noch f¨ ur Primpotenzen nachweisen. Wegen g(q) = 0 2πi f¨ ur nicht quadratfreie q sei also q = p eine Primzahl. Sei ζ = e p . Wegen ( p−1 X p p teilt u ζ ju = 0 sonst j=0 39
und S( pj ) =
P
n cn ζ
jn
gilt
p−1 p−1 X X j 2 XX |S( )| = ( cm ζ jm )( c¯m ζ −jn ) p n j=0 j=0 m
=
X
cm c¯n
m,n
=p
p−1 X
ζ j(m−n)
j=0
X
cm c¯n
m,n p|m−n
=p
p−1 X X
cm c¯n
p−1 X X
cm
m,n p|m−k p|n−k
k=0
=p
m p|m−k
k=0
X
c¯m
n p|n−k
p−1 X |Ck |2 mit =p k=0
Ck =
X
cn .
n p|n−k
H¨ochstens v(p) der Terme Ck sind von 0 verschieden, denn ist Ck 6= 0, dann gibt es ein n ∈ A mit p|n−k. Die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung, summiert u ¨ber die h¨ochstens v(p) Indizes k mit Ck 6= 0, liefert X X X |Ck |2 · v(p) = |Ck |2 · 12 k
k
k
X ≥ ( |Ck | · 1)2 k
≥|
=| 40
X k
X n
C k |2
c n |2 ,
also p−1 X
p−1 X j 2 X j 2 |S( )| = c n |2 |S( )| − | p p n j=1 j=0 X X p | c n |2 − | c n |2 ≥ v(p) n n p − v(p) X 2 = | cn | , v(p) n
was zu zeigen war. Damit folgt nun sofort der Beweis von Satz 10.1. Sei A ⊂ Z gegeben mit N = max A −P min A + 1. Dann gilt A ⊆ [M + 1, M + N ] mit M = min(A) + 1. ur q ≤ Q Setze S(t) = n∈A e2πitn . Satz 10.7 liefert f¨ 2
g(q)|A| ≤
q X
j |S( )|2 . q
j=1 (j,q)=1
Dies summieren wir u ¨ber alle q ≤ Q. Korollar 10.6 liefert dann L(Q) · |A|2 ≤
j |S( )|2 ≤ (πN + Q2 ) · |A|, q 1≤j≤q≤Q X
(j,q)=1
und daraus folgt die Behauptung. Aufgaben. 1. Sei c > 0, so dass f¨ ur alle stetig Rdifferenzierbaren Funktio1 nen f : [0, 1] → C die Ungleichung |f ( 12 )| ≤ 0 (|f (t)| + c|f 0 (t)|)dt gilt. Zeige c ≥ 21 .
11
Zwei Anwendungen des großen Siebs
Das große Sieb ist vor allem dazu geeignet, arithmetische Aussagen u ¨ber kleine Intervalle ganzer Zahlen zu machen. Hierzu wollen wir zwei Beispiele betrachten. Zuerst betrachten wir die Anzahl der Primzahlen in kurzen Intervallen, und danach beweisen wir eine obere Schranke f¨ ur die Anzahl von Primzahlzwillingen. Das Hauptproblem ist dabei, gute untere Absch¨atzungen f¨ ur L(Q) zu finden. Sei A eine Menge von Primzahlen a > Q. Dann gilt nat¨ urlich p(A) ≤ 41
v(p) = p − 1 f¨ ur p ≤ Q, da kein a ∈ A durch p ≤ Q teilbar ist. In diesem Fall ist also X Y 1 . L(Q) ≥ p−1 q≤Q q quadratfrei
p|q
In einer weiteren Anwendung sei A eine Menge, so dass f¨ ur a ∈ A sowohl a alsauch a + 2 Primzahlen sind, und a > Q gilt. Offenbar gilt dann 2(A) ≤ 1 und p(A) ≤ p − 2 f¨ ur 3 ≤ p ≤ Q. Lemma 11.1. F¨ ur Q ≥ 1 gilt L(Q) ≥
X
Y
q≤Q p|q q quadratfrei
Beweis. F¨ ur quadratfreie q gilt q = X
Y
q≤Q p|q q quadratfrei
1 = p−1 =
Q
p|q
p. Es folgt
X
1Y 1 q 1−
X
1Y 1 1 (1 + + 2 + . . . ) q p p
X
1 X 1 , q u
q≤Q q quadratfrei
q≤Q q quadratfrei
=
1 ≥ log Q. p−1
q≤Q q quadratfrei
p|q
1 p
p|q
u∈M (q)
wo M (q) die Menge der nat¨ urlichen Zahlen deren Primfaktoren Q bezeichnet, αi schon in q vorkommen. Sei n Q ≤ Q, und pi die Primfaktorzerlegung von Q n. Setze q = pi , und u = pαi i −1 ∈ M (q). Wegen n = qu und q ≤ Q quadratfrei kommt n1 in obiger Summe vor. Daher gilt X
q≤Q q quadratfrei
X1 1 X 1 ≥ ≥ log Q, q u n≤Q n u∈M (q)
und die Behauptung folgt. Hieraus erhalten wir nun Satz 11.2. Sei M ∈ N, 2 ≤ N ∈ N. Dann gibt es im Intervall [M +1, M +N ] nicht mehr als (2π + 3) logNN Primzahlen. 42
√ Beweis. Setze Q = N . Sei A die Menge der Primzahlen in [M + 1, M + N ]. Wir betrachten zuerst den Fall M ≥ Q. Dann ist A disjunkt zur Menge der Primzahlen ≤ Q, es gilt also p(A) ≤ p − 1 f¨ ur alle p ≤ Q. Obiges Lemma, zusammen mit Satz 10.1, liefert daher
|A| ≤
πN + Q2 πN + Q2 N N ≤ = (2π + 2) ≤ (2π + 3) . L(Q) log Q log N log N
Sei nun M < Q =
√
¨ N . Die Uberlegung von gerade gezeigt
π(M + N ) − π(Q) ≤ (2π + 2)
N . log N
Wegen M < Q und π(Q) ≤ Q gilt weiter |A| ≤ π(M + N ) = π(M + N ) − π(Q) + π(Q) ≤ (2π + 2) Man verifiziert schnell die Behauptung folgt.
√
N ≥ log N f¨ ur N > 1, also Q =
√
N + Q. log N
N ≤
N , log N
und
Unsere zweite Anwendung betrifft die Primzahlzwillinge (a, a + 2) mit a, a + 2 ∈ P. F¨ ur Q ≥ 1 sei v(p) = p − 2 f¨ ur 3 ≤ p ≤ Q, und v(2) = 1. Mit dem Kroneckerdelta k¨onnen wir das kompakt als v(p) = p−2+δ2,p schreiben. Wir beweisen ein Analogon zu obigem Lemma. Lemma 11.3. F¨ ur Q ≥ 1 gilt L(Q) =
X
Y
q≤Q p|q q quadratfrei
2 − δ2,p (logQ)2 ≥ . p − 2 + δ2,p 4
Beweis. Sei λ0 (n) die Anzahl der ungeraden Primfaktoren (mit Vielfachheit) 0 0 von n ist. Nat¨ urlich gilt 2λ (p) = 2 − δ2,p . Ferner ist die Funktion 2λ (n) 43
vollst¨andig multiplikativ. Analog wie oben erhalten wir
L(Q) =
Y
X
0 2λ (q) Y 1 0 2λ (p) q 1 − p|q p
X
0 0 k ∞ 2λ (q) Y X 2λ (p ) q pk k=1
q≤Q p|q q quadratfrei
=
q≤Q q quadratfrei
=
q≤Q q quadratfrei
X
=
0
2λ (p) p − 2λ0 (p)
X
p|q
X 2λ0 (qu) . qu
q≤Q u∈M (q) q quadratfrei
Schreibt man wieder jedes n ≤ Q in der Form n = qu wie oben, so sehen wir X 2λ0 (n) . L(Q) ≥ n n≤Q Q Sei n = 2α pαi i die Primfaktorzerlegung von n mit pi ungerade. Sei τ 0 (n) die Anzahl der ungeraden Teiler von n. F¨ ur α ∈ N gilt 1 + α ≤ 2α , also τ 0 (n) =
Y
(1 + αi ) ≤
Y
0
2αi = 2λ (n) .
Daher gilt L(Q) ≥
X τ 0 (n) . n n≤Q
In der folgenden Rechnung verwenden wir die Trivialit¨at, dass τ 0 (n) gleich 44
der Anzahl aller Paare a, b ∈ N mit (2a − 1)b = n ist. Wir erhalten L(Q) ≥ =
X τ 0 (n) n n≤Q X X
n≤Q
a,b (2a−1)b=n
X
=
a,b (2a−1)b≤Q
=
≥
1 (2a − 1)b
X
X 1 2a − 1 Q
X
Q 1 log 2a − 1 2a − 1
a≤ Q+1 2
≥
1 (2a − 1)b
a≤ Q+1 2
Z
Q+1 2
1
b≤ 2a−1
log Q − log(2t − 1) dt 2t − 1
log(2t − 1) · (2 log Q − log(2t − 1)) = 4 (log Q)2 = 4
Q+1 2 1
Wir kommen nun zur Anwendung auf Primzahlzwillinge. Satz 11.4. F¨ ur 2 ≤ N ∈ N sei π2 (N ) die Anzahl der n ∈ N mit n ≤ N , so dass n und n + 2 Primzahlen sind. Dann gilt π2 (N ) ≤ 68 (logNN )2 .
√ Beweis. Sei A die Menge der N ≤ n ∈ N, so √ dass n und n + 2 Primzahlen sind. Wir verwenden Satz 10.1 mit Q = N und v(p) = p − 2 + δ2,p . Zusammen mit dem Lemma erhalten wir √ π2 (N ) − π2 ( N ) ≤ 16(1 + π)
N . (log N )2
√ √ 1 Nat¨ urlich gilt π2 ( N ) ≤ N . Sei γ = 4e . Man rechnet nach, dass γN 4 ≥ √ log N gilt f¨ ur alle reellen N ≥ 1. Hieraus folgt N ≤ γ 2 (logNN )2 . Die Behauptung folgt nun aus 16(1 + π) + 4e = 67.737 . . . < 68. 45
P Es ist nicht schwer zu sehen, dass p∈P 1p = ∞, siehe Aufgabe ???. Mit einer Siebmethode, die verschieden vom großen Sieb ist, konnte 19?? bereits Brun eine obere Absch¨atzung f¨ ur π2 (N ) beweisen. Als Folge erhielt er, dass die Summe u ¨ber die Kehrwerte der Primzahlzwillinge konvergiert. Dies folgt sofort aus folgendem Korollar 11.5. Sei A die Menge der n ∈ N mit n, n + 2 ∈ P. Dann gilt X1 < ∞. n n∈A Beweis. Sei 3 ≤ N ∈ N. Wegen X 1 X π2 (n) − π2 (n − 1) = n n≤N n n∈A
n≤N
=
X
π2 (n)(
3≤n≤N
≤ 68 < 68
X
3≤n≤N
X
3≤n≤N
1 π2 (N ) 1 − )+ n n+1 N +1
N 1 n + 68 2 (log n) n(n + 1) (N + 1)(log N )2 1 1 + 68 2 n(log n) (log N )2
ist nur die Konvergenz der Reihe N X n=3
1 ≤ n(log n)2
Z
P
N
2
1 n≥3 n(log n)2
zu zeigen. Aber es gilt
1 dt 1 − , = 2 t(log t) log 2 log N
und daraus folgt die Behauptung.
46
Index L(Q), 35 [x], 3 Γ(z), 26 Λ(n), 12 P, 2 A, 3 I(s), 7 R(s), 7 χ, 20 γ, 28 µ(n), 4 π(x), 2 π2 (x), 45 ?, 3 θ(x), 17 θ(z), 30 ϕ(n), 14 |, 3 ξ, 32 ζ(s), 6 f ∼ g, 14 p(A), 35
47
Literatur [dlVP96] C.-J. de la Vall´ee Poussin, Recherches analytiques sur la th´eorie des nombres premiers, Ann. Soc. Sci. Bruxelles (1896), 20, 183– 256, 281–397. [Had96] J. Hadamard, Sur la distribution des z´eros de la fonction ζ(s) et ses cons´equences arithm´etiques, Bull. Soc. Math. France (1896), 24, 199–220. [Kor82]
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[Zag97]
D. Zagier, Newman’s short proof of the prime number theorem, Amer. Math. Monthly (1997), 104(8), 705–708.
48