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Steffen Greubel: Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor. Empfehlungen zur Methodenselektion und -erweiterung am Beispiel großer Finanzdienstleistungsunternehmen auf Basis einer empirischen Untersuchung ISBN 978-3-86618-192-2, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2007, 333 S., € 32.80
"Was wir in diesem Zeitalter des radikalen Wandels benötigen, ist der Gebrauch von Vorhersagen als einen Weg, um Zeit zu kaufen. Um die Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandhabbar werden und um die Gelegenheit zu erfassen, bevor sie verloren sind." Ian Wilson Die Analyse und die Vorhersage von Entwicklungen der Unternehmensumwelt sind von hoher strategischer Bedeutung. Die Passgenauigkeit der einschlägigen Antizipationsmethoden auf die einzelnen Umweltsegmente unter der Berücksichtigung von Branchenspezifika ist aber weitgehend unerforscht In einer empirischen Untersuchung, an der 187 große deutsche Finanzdienstleister teilnahmen, wurden u.a. Turbulenzniveau der einzelnen Umweltsegmente sowie Eignung und Anwendung von 16 Antizipationsmethoden getestet. Die Ergebnisse wurden mit der theoretischen Konzeption und den Individualcharakteristika der einzelnen Teilumwelten (makro-ökonomische, politisch-rechtliche, technologische, soziokulturelle) abgeglichen. Insbesondere der Bedarf nach Erweiterungsmöglichkeiten zur Verarbeitung der in strategischen Kontexten vorherrschenden unbestimmten Informationen ergab sich sowohl aus Empirie als auch aus der Theorie. Mittels eines multikriteriellen Scoring-Modells wurden auf dieser Basis die am besten geeigneten Methoden für Finanzdienstleister selektiert. Für die notwendige MethodenErweiterungen ist das Konzept der Fuzzy-Logic als zentrales Ergänzungselement dargestellt und konkret auf die Methodenselektion angewendet. Schlüsselwörter:
Strategisches Management, Strategische Planung, Umweltanalyse, Finanzdienstleistungen, Antizipationsmethoden, Fuzzy-Logic
Dr. Steffen Greubel wurde im Juli 1973 in Werneck geboren. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke begann er im Jahr 2000 als Unternehmensberater bei McKinsey&Company. Von 2003 bis 2007 promovierte er am Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation an der Otto-vonGuericke Universität Magdeburg.
Steffen Greubel
Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor Empfehlungen zur Methodenselektion und -erweiterung am Beispiel großer Finanzdienstleistungsunternehmen auf Basis einer empirischen Untersuchung
Rainer Hampp Verlag
München und Mering
2007
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
DOI 10.1688/9783866181922 ISBN: 978-3-8618-192-2 1. Auflage, 2007 © 2007
Rainer Hampp Verlag Meringerzeller Str. 10
München und Mering D – 86415 Mering
www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. ∞
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Für meine Eltern
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2007 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als Dissertation angenommen.
Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Spengler, der die Fertigstellung der Arbeit in vielfältiger Weise gefördert und mich stets durch konstruktive Anregungen und stete Gesprächsbereitschaft unterstützt hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Bodo Vogt für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.
Ich danke meiner lieben Freundin Henni für ihre herzliche Unterstützung. Sie hat durch ihre Geduld, ihr germanistisches Feingefühl und ihre aufmunternde Unterstützung vor allem in der Zeit der Disputationsvorbereitung einen erheblichen Beitrag geleistet.
Besonders herzlicher Dank gebührt meinen Eltern Helga und Bernd, denen ich dieses Buch widme. Ihre uneingeschränkte Förderung meiner Ausbildung und ihre liebevolle Unterstützung hat die Anfertigung der vorliegenden Arbeit erst ermöglicht.
Berlin, den 15. Oktober 2007
Steffen Greubel
GELEITWORT Seit einigen Jahren wird verstärkt auf eine stark zunehmende Komplexität, Kontingenz und Dynamik der betrieblichen Umwelt hingewiesen, die sich u.a. in Globalisierungstendenzen der Wirtschaft, in einer rasanten Entwicklung des technischen Fortschritts sowie in Umwälzungen hinsichtlich politisch-rechtlicher und sozio-kultureller Rahmenbedingungen äußern. Von der Wirtschaftswissenschaft wird traditionell empfohlen, den mit solchen Entwicklungen einhergehenden Umweltturbulenzen durch strategisches Management bzw. mit strategischer Planung zu begegnen, damit sich der Betrieb frühzeitig auf alternative Szenarien vorbereiten, wesentliche Chancen nutzen sowie Bedrohungen abwenden und Zukunft aktiv gestalten kann. Zur ökonomisch legitimierbaren Konzipierung, Evaluation und Selektion von Strategien ist die Analyse der Unternehmensumwelt erforderlich, und zwar in Bezug auf vergangene, aktuelle sowie zukünftige Entwicklungen. Dabei gestaltet sich vor allem die Antizipation der technologischen, der makroökonomischen, der politisch-rechtlichen sowie der sozio-kulturellen Umwelt schwierig. Von den drei grundsätzlichen Antizipationsformen Prognose, Projektion und Prophezeiung sind vor allem die ersten beiden (wirtschafts-) wissenschaftlich einschlägig. Hierzu wurde in der Vergangenheit eine kaum übersehbare Fülle von Verfahren, Modellen und Methoden entwickelt. Einer der wesentlichen volkswirtschaftlichen Sektoren ist die Dienstleistungsbranche und innerhalb derer der Finanzdienstleistungssektor. Während die oben angesprochenen Antizipationsverfahren in der Literatur vielfach in allgemeiner Form dargestellt werden, fehlt bis dato eine fundierte Analyse solcher Methoden im Bereich der Finanzdienstleister. Diese Lücke zu schließen und auf Basis empirischer Analysen Handlungsempfehlungen für die Methodenevaluation, -selektion und -erweiterung abzuleiten ist vorrangiges Ziel der Dissertationsschrift von Herrn Greubel. Die von ihm gewählte Vorgehensweise, aus konzeptionellen und theoretischen sowie empirisch getesteten Vorüberlegungen Gestaltungsempfehlungen abzuleiten, steht in bester wirtschaftswissenschaftlicher Tradition. Die Arbeit beeindruckt durch eine Fülle interessanter Ergebnisse. Dazu zählt nicht zuletzt die Erkenntnis, dass die beiden für Finanzdienstleister besonders geeigneten Verbundverfahren (nämlich Szenario-Technik und Früherkennungssysteme) hinsichtlich der Berücksichtigung und Verarbeitung unbestimmter Informationen bislang defizitär sind und diese Defizite durch Fuzzy Logic abgebaut werden können. Ich wünsche der Arbeit die ihr gebührende Verbreitung. Magdeburg, im Herbst 2007
Prof. Dr. Thomas Spengler
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
VII
TABELLENVERZEICHNIS
X
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
XI
I. EINFÜHRUNG
1
1. Grundlegende Problemstellung ........................................................................................ 1 2. Zielsetzung der Arbeit ....................................................................................................... 3 3. Aufbau der Arbeit.............................................................................................................. 5
II. ZUM SYSTEMATISCHEN UMGANG VON UNTERNEHMEN MIT KOMPLEXITÄT, DYNAMIK UND KONTINGENZ IHRER UMWELT
8
1. Das System Unternehmen - systemtheoretische Einführung......................................... 8 2. Charakterisierung der Unternehmensumwelt .............................................................. 11 2.1
Abgrenzung von Unternehmen und Unternehmensumwelt ....................................... 11
2.2
Elemente der Unternehmensumwelt .......................................................................... 14
2.3
Attribute der Unternehmensumwelt ........................................................................... 19
3. Die Bedeutung der Unternehmensumwelt für das Strategische Management .......... 21 3.1
Elementarkategorien des Strategischen Managements .............................................. 21
3.1.1 Begriff................................................................................................................... 22 3.1.2 Entstehung ............................................................................................................ 24 3.1.3 Aufgabenspektrum................................................................................................ 25
I
3.2
Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements ...................... 28
3.3
Die Analyse der Unternehmensumwelt als Kernelement der Strategischen Analyse....................................................................................................................... 33
3.3.1 Die Analyse der Aufgabenumwelt........................................................................ 37 3.3.2 Die Analyse der allgemeinen Umwelt .................................................................. 46
III. FINANZDIENSTLEISTUNGSUNTERNEHMEN – EINE CHARAKTERISIERUNG UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG IHRER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
49
1. Definitorische Grundlagen zum Themenkomplex Dienstleistungsunternehmen ...... 49 1.1
Zum Terminus der Dienstleistung.............................................................................. 49
1.2
Struktur des Dienstleistungssektors............................................................................ 55
2. Finanzdienstleister als typische Dienstleistungsunternehmen..................................... 62 2.1
Auswahl und Eignung von Finanzdienstleistern als typische Dienstleistungsunternehmen ...................................................................................... 63
2.2
Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche ........................................... 71
3. Outside-In-Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern......................................................................................................... 80 3.1
Inhaltliche Ausgestaltung der Elemente der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern............................................................................................. 81
3.2
Attribute der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern .............. 98
IV. METHODEN ZUR ANTIZIPATION VON ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT FÜR FINANZDIENSTLEISTER
112
1. Grundlegende Problematiken bei der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt .............................................................................. 112 1.1
Charakter von strategischen Informationen ............................................................. 113
1.2
Diskontinuitäten in der Unternehmensumwelt......................................................... 115 II
2. Übersicht der Methoden zur Antizipation von Entwicklung der allgemeinen Unternehmensumwelt.................................................................................................... 119 2.1
Quantitative Methoden ............................................................................................. 120
2.1.1 Zeitreihenanalysen .............................................................................................. 121 2.1.2 Regressionsmethoden ......................................................................................... 126 2.1.3 Strukturmodellgestützte Methoden..................................................................... 130 2.2
Qualitative Methoden ............................................................................................... 134
2.2.1 Explorative Methoden......................................................................................... 135 2.2.2 Normative Methoden .......................................................................................... 138 2.3
Verbundmethoden .................................................................................................... 139
2.3.1 Strategische Frühaufklärung ............................................................................... 139 2.3.1.1
Das Ansoff´sche Konzept der schwachen Signale als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung
140
2.3.1.2
Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz
147
2.3.1.3
Die Evolution der Strategischen Frühaufklärung
151
2.3.1.4
Prozess der Strategischen Frühaufklärung
156
2.3.1.5
Kernelemente der Strategischen Frühaufklärung
158
2.3.2 Szenario-Analyse ................................................................................................ 165 2.3.2.1
Grundlagen und begriffliche Abgrenzung
166
2.3.2.2
Phasen bei der Anwendung der Szenario-Analyse
169
2.3.2.3
Ausgewählte Instrumente der Szenario-Analyse
174
2.3.3 Trendforschung................................................................................................... 182
V. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ÜBER DIE ANWENDUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN IN DER FINANZDIENSTLEISTUNGSPRAXIS
187
1. Zusammenfassung der in den theoretischen Abschnitten dargestellten Annahmen über Umweltsituation von Finanzdienstleistern und geeignete Antizipationsmethoden als Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung....... 187 2. Motivation zur Durchführung der empirischen Untersuchung................................ 191
III
3. Art und Umfang der empirischen Untersuchung ....................................................... 192 3.1
Auswahl der Grundgesamtheit ................................................................................. 192
3.2
Die schriftliche Befragung mittels standardisierten Fragebogens als geeignete Datenerhebungstechnik ............................................................................................ 197
3.3
Rechnerische Handhabung der gewonnenen Daten ................................................. 205
4. Ergebnisse der empirischen Untersuchung................................................................. 207 4.1
Rücklauf ................................................................................................................... 207
4.2
Ergebnisse der einzelnen Fragekategorien ............................................................... 209
4.2.1 Einschätzung der Ausprägung von Attributen und Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt..................................................................... 209 4.2.2 Aussagen zur Informationsstruktur und -verarbeitung für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt ..................................... 213 4.2.3 Eignung und tatsächliche Anwendung der Prognosemethoden.......................... 217 4.2.4 Informationsquellen für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt ......................................................................................... 224 4.2.5 Angaben zu Art und Größe der teilnehmenden Unternehmen sowie zur organisatorischen Zuordnung der Funktion der Strategischen Planung ............. 226
VI. EMPFEHLUNGEN FÜR EINE METHODENAUSWAHL ZUR ANTIZIPATION VON ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT FÜR FINANZDIENSTLEISTER
228
1. Ausgangslage .................................................................................................................. 228 2. Eingeschränkte Anwendbarkeit quantitativer Verfahren zur Verarbeitung unbestimmter Informationen........................................................................................ 229 3. Fuzzy-Logic als Möglichkeit zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen................................................................................................................. 233 3.1.1 Fuzzy-Sets........................................................................................................... 234 3.1.2 Operationen mit unscharfen Mengen.................................................................. 238 3.1.3 Linguistische Variable ........................................................................................ 240
IV
3.1.4 Unscharfes Schließen.......................................................................................... 243 3.1.5 Defuzzifizierung ................................................................................................. 246 4. Gestaltungsempfehlung für die Selektion von Antizipationsmethoden unter Berücksichtigung der Einbindungsmöglichkeiten der Fuzzy-Logic ......................... 249 4.1
Kriterien für die Auswahl von Antizipationsmethoden ........................................... 249
4.2
Verfahren für die Auswahl von Antizipationsmethoden.......................................... 251
4.3
Empfehlung für eine Methodenselektion ................................................................. 252
4.4
Ansätze für Erweiterungsmöglichkeiten der wichtigsten selektierten Methoden durch Fuzzy-Logic ................................................................................................... 256
VII. ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
263
1. Zusammenfassung ......................................................................................................... 263 2. Ausblick .......................................................................................................................... 265
ANHANG
268
1. Materialien zur schriftlichen Befragung ..................................................................... 268 1.1
Anschreiben.............................................................................................................. 268
1.2
Fragebogen ............................................................................................................... 269
1.3
Fragebogenbeiblätter ................................................................................................ 276
2. Ergebnisse der empirischen Untersuchung................................................................. 278 2.1
Struktur der Grundgesamtheit und Antwortquoten .................................................. 278
2.2
Ergebnisse ................................................................................................................ 281
2.2.1 Allgemeine Unternehmensumwelt ..................................................................... 281 2.2.2 Prognose.............................................................................................................. 286 2.2.3 Antizipationsmethoden ....................................................................................... 288 2.2.4 Informationsbeschaffung .................................................................................... 291 2.2.5 Allgemeines ........................................................................................................ 295 3. Verzeichnis der wichtigsten Symbole........................................................................... 297 V
LITERATURVERZEICHNIS
298
WEITERE QUELLEN
314
VI
Abbildungsverzeichnis Abb. I-1:
Aufbau der Arbeit .......................................................................................6
Abb. II-1:
Segmentierung der Unternehmensumwelt..............................................16
Abb. II-3:
Koordinationsaufgabe des Strategischen Managements .......................27
Abb. II-4:
Bereiche der Umweltanalyse ....................................................................37
Abb. II-5:
Modell der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter...................................40
Abb. III-1: Gütersystematik.........................................................................................50 Abb. III-2: Typologie von Dienstleistungen................................................................54 Abb. III-3: Ausprägung monetärer Größenindikatoren der deutschen Gesamtwirtschaft.......................................................................................59 Abb. III-4: Wachstumsraten und Konzentrationstendenz im deutschen Dienstleistungssektor.................................................................................60 Abb. III-5: Größenindikatoren der Wirtschaftszweige des tertiären Sektors ........61 Abb. III-6: Übersicht Finanzdienstleistungsunternehmen .......................................63 Abb. III-7: Wesentliche primäre Leistungen von Finanzdienstleistern...................66 Abb. III-8: Typologisierung ausgewählter Finanzdienstleistungen .........................70 Abb. III-9: Verteilung der Marktanteile in der Finanzdienstleistungsbranche .....76 Abb. III-10: Anzahl Mitarbeiter Banken und Versicherungen..................................78 Abb. III-11: Total Return to Shareholders europäischer Banken und Versicherungen..........................................................................................79 Abb. III-12: Übersicht wichtiger Einflussfaktoren der allgemeinen Unternehmensumwelt ...............................................................................82 Abb. III-13: Typische Aufteilung der Operations-Kosten für eine deutsche Bank .. 87 Abb. III-14: S&P-Ratings ausgewählter Kreditinstitute............................................. 91 Abb. III-15: Zeitreihen ausgewählter volkswirtschaftlicher Indikatoren ................. 99 Abb. III-16: Anzahl Insolvenzen in Deutschland....................................................... 100 Abb. III-17: Zeitreihen ausgewählter Indikatoren des Kapitalmarktes.................. 101 Abb. III-18: Entwicklung des Ölpreises...................................................................... 102 Abb. III-19: IT-Architektur-Generationen bei Finanzdienstleistern....................... 105 Abb. III-20: Komponenten der IT-Architektur einer typischen Bank .................... 106 VII
Abb. III-21: Zeitliche Entwicklung der IT-Kosten ....................................................107 Abb. III-22: Bevölkerungsveränderung in Deutschland...........................................108 Abb. III-23: Entwicklung der Altersstruktur in westlichen Industrienationen......109 Abb. III-24: Wandel von ausgewählten Wertorientierungen ...................................111 Abb. IV-1: Systematisierung kontingenter Informationen.....................................114 Abb. IV-2: Diskontinuität ..........................................................................................117 Abb. IV-3: Quantitative Antizipationsmethoden.....................................................120 Abb. IV-4: Qualitative Antizipationsmethoden .......................................................135 Abb. IV-5: Ablaufschema – Delphi-Methode...........................................................136 Abb. IV-6: Ungewissheitsgrade bei Diskontinuitäten .............................................142 Abb. IV-7: Strategieraster nach Ansoff....................................................................144 Abb. IV-8: Möglicher Einsatz alternativer Reaktionsstrategien............................145 Abb. IV-9: Reaktionszeiträume der drei Ansoff´schen Reaktionsformen ............146 Abb. IV-10: Diffusionsfunktionen ...............................................................................150 Abb. IV-11: Vorgehensmodell der Früherkennung nach Hahn...............................153 Abb. IV-12: Prozess der Strategischen Frühaufklärung ..........................................158 Abb. IV-13: Analysematrix..........................................................................................162 Abb. IV-14: Die Ableitung von Entwicklungsclustern ..............................................163 Abb. IV-15: Denkmodell der Szenario-Analyse.........................................................168 Abb. IV-16: Prozess der Szenario-Analyse.................................................................170 Abb. IV-17: System-Grid .............................................................................................176 Abb. IV-18: Verfahren der Cross-Impact-Analyse ...................................................181 Abb. V-1:
Rücklauf der empirischen Untersuchung nach Institutskategorien...208
Abb. V-2:
Dynamik der allgemeinen Unternehmensumwelt von Finanzdienstleistern entlang der einzelnen Umweltsegmente.............210
Abb.V-3:
Beeinflussungsgrad einzelner Umweltsegmente auf den Unternehmenserfolg................................................................................212
Abb. V-4:
Stellungnahme zu Aussagen aus dem Bereich der Prognose ..............214
VIII
Abb. V-5:
Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt mit besonderer Eignung zur Anwendung von Verfahren zur quantitativen Verarbeitung unbestimmter Informationen ......................................... 216
Abb. V-6:
Eignung von Antizipationsmethoden ....................................................219
Abb. V-7:
Tatsächliche Verwendung von Antizipationsmethoden ...................... 220
Abb. V-8:
Differenz von Methodeneignung und -anwendung .............................. 222
Abb. V-9:
Nutzung von Informationsquellen zur Erstellung von Prognosen der allgemeinen Unternehmensumwelt........................................................225
Abb. VI-1: Beispiel einer Zugehörigkeitsfunktion................................................... 236 Abb. VI-2: Weitere Verläufe von Zugehörigkeitsfunktionen.................................237 Abb. VI-3: Satz von linguistischen Termen für die linguistische Variable Ölpreis ......................................................................................................241 Abb. VI-4: Fuzzifizierung ..........................................................................................244 Abb. VI-5: Auswertung der Regeln R3 und R4 .......................................................245 Abb. VI-6: Überlagerung der Fuzzy-Ausgangsmengen über den MAX-Operator ........................................................................................ 246 Abb. VI-7: Anwendung der Nährungsformel für die Schwerpunktberechnung.. 248 Abb. VI-8: Struktur eines Fuzzy-Logic-basierten Früherkennungs/Frühaufklärungssystems .......................................................................258
IX
Tabellenverzeichnis Tab. II-1:
Merkmale offener Systeme .......................................................................10
Tab. II-2:
Entwicklungsphasen des Strategischen Managements ..........................24
Tab. II-3:
7-S-Modell ..................................................................................................28
Tab. II-4:
Fragestellungen zur Charakterisierung eines Marktes .........................38
Tab. II-5:
Faktoren bei der Analyse von Kapitalgebern.........................................46
Tab. II-6:
Segmente der allgemeinen Umwelt und Beispiele für Indikatoren ......47
Tab. III-1: Wirtschaftszweigsystematik der amtlichen Statistik der BRD .............55 Tab. III-2: Anzahl Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland ..........................75 Tab. IV-1: Grundformen des Environmental Scanning.........................................160 Tab. IV-2: Vernetzungsmatrix..................................................................................175 Tab. IV-3: Beispiel einer Bewertungsskala für die Konsistenzanalyse .................178 Tab. IV-4: Konsistenzmatrix.....................................................................................178 Tab. IV-5: Kalkulation des durchschnittlichen Konsistenzmaßes ........................179 Tab. V-1:
Benötigte Antwortquoten in Abhängigkeit vom Stichprobenfehler...196
Tab. V-2:
Skalentypen..............................................................................................206
Tab. VI-1: Definition der linguistischen Variablen am Beispiel Ölpreis ..............242 Tab. VI-2: Verfahren der Defuzzifizierung ............................................................. 246 Tab. VI-3: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentunabhängige Kriterien ..... 253 Tab. VI-4: Zielgrößenbewertung für umweltsegmentabhängige Kriterien .........253 Tab. VI-5: Ergebnisse der Nutzwertanalyse............................................................254 Tab. VI-6: Bestgeeignete Antizipationsmethoden ...................................................256
X
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
Aufl.
Auflage
AuM
Assets under Management
Bd.
Band
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BWL
Betriebswirtschaftslehre
bzw.
Beziehungsweise
DAX
Deutscher Aktienindex
d.h.
das heißt
etc.
et cetera
EUR
Euro
EURIBOR
European Interbank Offered Rate
f.
Folgende
F&E
Forschung und Entwicklung
ff.
fortfolgende
FSAP
Financial Service Action Plan
GfK
Gesellschaft für Konsumgüterforschung
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hg.
Herausgeber
IFRS
International Financial Reporting Standards
ISD
Investment Service Directive
IT
Informationstechnologie bzw. Information Technology
Kfz
Kraftfahrzeug
KWG
Kreditwesengesetz
Mio.
Million(en)
Mrd.
Milliarde(n) XI
o.g.
oben genannte(r)
OLS
Ordinary Least Squares
S.
Seite
Tab.
Tabelle
TRS
Total Return to Shareholders
u.a.
unter anderen
US
United States
v.
Von
vgl.
Vergleiche
www
World Wide Web
z.B.
zum Beispiel
XII
I. Einführung Das erste Kapitel dieser Arbeit ist in drei Abschnitte untergliedert. Zu Anfang wird ein Überblick über die zu Grunde liegende Problemstellung gegeben. Darauf basierend erfolgt die Formulierung der Zielsetzung, die gleichzeitig den Rahmen für die nachfolgenden Ausführungen aufzeigt. Das Kapitel schließt im dritten Abschnitt mit einer überblicksartigen Darstellung des Aufbaus der Arbeit.
1. Grundlegende Problemstellung Die systematische Beobachtung und die Analyse der Unternehmensumwelt sind von hoher strategischer Bedeutung für alle Unternehmen und deren Führung. Eine steigende Umfeldturbulenz, verursacht durch die Zunahme von Komplexität (Anzahl von relevanten Veränderungen), Dynamik (Geschwindigkeit von Veränderungen) sowie Unbestimmtheit (Kontingenz), hat weitreichende Folgen für die Prognostizierbarkeit der Zukunft und damit für jegliche Form des zukunftsorientierten unternehmerischen Handelns.1 Tendenziell werden unter dem Begriff der Unternehmensumwelt die unmittelbar auf das Unternehmen wirkenden externen Kräfte, wie Kunden, Konkurrenten oder Lieferanten, verstanden (diesen Teilbereich der Umwelt bezeichnet man als Aufgabenumwelt). Auf Grund dieser Nähe sind für Unternehmen derartig gelagerte Einflussfaktoren und Entwicklungen transparenter, als dies bei den indirekt Einfluss nehmenden Kräften der technologischen, makro-ökonomischen, politisch-rechtlichen und sozio-kulturellen Umweltsegmenten, die unter dem Begriff der allgemeinen Unternehmensumwelt zusammengefasst werden, der Fall ist.2 Aus allen Veränderungsprozessen der Umwelt emergieren Risiken, die in letzter Konsequenz existenzgefährdend sein können und Chancen, die Optionen für die Sicherung und den Ausbau der Marktstellung sowie des Unternehmenserfolges darstellen. Je frühzeitiger und je verlässlicher Entwicklungen der Umwelt von Unternehmen antizipiert werden können, desto besser sind die Möglichkeiten, adäquate Reaktionen und Maßnahmen zu entwickeln, um nicht zuletzt einen Vorteil gegenüber den Konkurrenten zu erzielen.3
1
Die praktische Relevanz dieser Aussagen belegt eine empirische Untersuchung der Universität Witten/Herdecke und der MarketLab AG. 98% aller befragten Top-Manager bewerteten die Überwachung der Unternehmensumwelt als "wichtig" oder "sehr wichtig". Vgl. Janson, I.; Liebl, F. (Empirische Untersuchung 2000). 2 Siehe Abschnitt II.2 und insbesondere Abb. II-1. 3 Vgl. Ansoff, H.I.; Sullivan, P.A. (Turbulent Environments 1993), S. 11-23. 1
Bemerkenswert ist, dass gerade im Strategischen Management bzw. in der Strategischen Planung die Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt ggü. der Analyse der (unmittelbar wirkenden) Aufgabenumwelt tendenziell unterrepräsentiert wird.4 Die entscheidenden Determinanten, die die Möglichkeiten eines Unternehmens für die Antizipation von zukünftigen Entwicklungen der Unternehmensumwelt abstecken und damit den Unterbau für die Ableitung entsprechender Maßnahmen bilden, sind die Verfügbarkeit und die Qualität von Informationen sowie die adäquate Verarbeitung dieser Informationen im Rahmen der Anwendung passender Methoden zur Erstellung möglicher Zukunftsbilder. Insbesondere im Bereich der allgemeinen Umwelt ist ein Unternehmen aus strategischer Perspektive mit komplexen Problemstellungen konfrontiert, da oftmals schlecht strukturierte, unbestimmte oder unvollständige Informationen über die aktuelle Situation und besonders über potenzielle zukünftige Entwicklungen vorliegen. Dieser Umstand wird im Falle dynamischer Umweltsituationen, die von großer Veränderlichkeit gekennzeichnet sind, noch verstärkt. In der wissenschaftlichen Forschung und in der Praxis wurden im Rahmen des Strategischen Managements und insbesondere in der Strategischen Planung unterschiedlichste Methoden und Konzepte entwickelt, die das Aufzeigen zukünftiger Entwicklungen unterstützen sollen. Dabei reicht die Bandbreite von etablierten quantitativen Verfahren bis hin zu neueren Methoden und Ideen (z.B. Strategische Frühaufklärung, Trendforschung), die auch auf qualitativer Basis Vorhersagen treffen. Über die in der Praxis empfundene Eignung und tatsächliche Anwendung dieser Methoden für Antizipationen von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt aus eine strategischer Perspektive existieren kaum profunde Erkenntnisse. Dieser Mangel ist umso valider, je stärker die Charakteristika von einzelnen Branchen bzw. deren individuelle Umweltstruktur und Umweltsituation, über die oftmals wenig Stichhaltiges bekannt ist, berücksichtigt werden sollen. Nur eine Untersuchung dieser Faktoren in Referenz auf die Spezifika einer Branche kann Ansatzpunkte für eine Methodenauswahl geben bzw. Bedarf für eine Methodenerweiterung aufzeigen. Zur adäquaten Adressierung dieser Problemstellung, besteht die Notwendigkeit der Auswahl einer geeigneten Branche, die zum einen eine entsprechende wirtschaftliche Bedeu4
So beschäftigen die meisten konzeptionellen Abhandlungen mit der Analyse von Märkten oder Branchen. Insbesondere ist hier das Modell der Five Forces von Michael E. Porter zu nennen. Siehe Abschnitt II.3.3.1. 2
tung aufweist und die zum anderen auf Grund ihrer individuellen Umweltsituation einen Bedarf für die Weiterentwicklung von antizipativen Methoden indiziert. Auf Grund der herausragenden Stellung der Dienstleistungsbranche in der bundesdeutschen Volkswirtschaft soll dieser Zweig als Referenz für die oben dargestellten Problematiken dienen.5 Wie im Laufe dieser Arbeit noch gezeigt werden wird, ist die Struktur der Dienstleistungsbranche so heterogen, dass der Fokus auf eine spezifische und repräsentative Industrie gerichtet werden muss. Auf Grund der großen Abhängigkeit der Finanzdienstleistungsbranche (namentlich Banken und Versicherungen) von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt und der Repräsentativität dieser Branche für den Dienstleistungssektor,6 wird dieser Wirtschaftszweig als Bezug für die in dieser Arbeit auszuarbeitenden Empfehlungen für die Selektion und Erweiterung von Antizipationsmethoden7 gewählt. Der Titel der vorliegenden Arbeit lautet „Analyse der Unternehmensumwelt im Dienstleistungssektor“. Wie soeben aufgezeigt, liegt die Problemstellung, die bearbeitet werden soll, insbesondere in der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt bei Dienstleistungsunternehmen. Diese Präzisierung liegt dem weiteren Verlauf der Ausarbeitung zu Grunde.
2. Zielsetzung der Arbeit Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ergibt sich unmittelbar aus der Problemstellung. Wie bereits angedeutet, müssen mehrere Teilgebiete (u.a. Strategisches Management, Planung, Controlling, Dienstleistungsmanagement, Bank- und Versicherungsbetriebslehre, Ökonometrie, Organisation) der Betriebswirtschaftslehre mit teils unterschiedlichen Perspektiven zur Schaffung einer theoretischen Ausgangsbasis integriert werden. Daher ist das erste Hauptziel die Aufstellung eines theoretischen Bezugsrahmens, in dem die wichtigsten Begrifflichkeiten zu folgenden Teilthemen definiert werden sollen: •
Abgrenzung und Definition des Begriffs Unternehmensumwelt sowie Darstellung deren wesentlicher Elemente und Faktoren
5
Siehe Abschnitt III.1.2. Siehe Abschnitt III.2. 7 Als Antizipationsmethoden definieren wir diejenigen Verfahren und Konzepte, die prinzipiell zur Vorhersage zukünftiger Entwicklungen im Rahmen der Unternehmensplanung genutzt werden. Oftmals wird in der Betriebswirtschaftslehre, vor allem in der Praxis, von Prognosen/Prognosemethoden gesprochen. Auf Grund der theoretischen Differenzierung von Antizipationen in Prognosen, Projektionen und Prophezeiungen, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch dargestellt werden wird (siehe Abschnitt II.3.3), verwenden wir aus Praktikabilitätsgründen den Terminus der Antizipation als Überbegriff. 6
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•
Einordnung des Konstruktes Unternehmensumwelt in den Zusammenhang des Strategischen Managements bzw. der Strategischen Planung
•
Darstellung der Bedeutung der bundesdeutschen Dienstleistungswirtschaft
•
Argumentation der Auswahl der geeigneten Bezugsbranche innerhalb der Dienstleistungswirtschaft in Form der Finanzdienstleistungsbranche, definitorische Abgrenzung derselben und individuelle Beschreibung der aktuellen Umweltsituation dieser Branche
•
Herausarbeitung der Besonderheiten von Antizipationen in einem langfristigen, strategischen Kontext in Bezug auf Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt
•
Vorstellung der wichtigsten Antizipationsmethoden und Beurteilung ihrer theoretischen Eignung für die spezielle Situation der allgemeinen Unternehmensumwelt
Das zweite Hauptziel dieser Arbeit ist der Transfer der theoretischen Erkenntnisse in einen Praxiszusammenhang mittels Konzeption und Durchführung einer empirischen Untersuchung in der entsprechend ausgewählten Bezugsbranche. Folgende Kernelemente sollen innerhalb dieser empirischen Untersuchung adressiert werden: •
Auswahl einer geeigneten empirischen Methode und Festlegung einer handhabbaren Grundgesamtheit
•
Beurteilung der Einflusskräfte der allgemeinen Unternehmensumwelt durch die Praxis
•
Bewertung der Eignung von Antizipationsmethoden inklusive deren tatsächlicher Anwendungshäufigkeit
•
Identifikation möglicher Ansatzpunkte für Erweiterungen der existierenden Antizipationsmethoden aus dem Praxiskontext
Das dritte Hauptziel dieser Arbeit ist schließlich die Synthese aus den theoretischen und den empirischen Teilen in Form einer Empfehlung für eine Methodenselektion und dem Aufzeigen möglicher Ansatzpunkte für Methodenerweiterungen entlang folgender Aspekte: •
Herausarbeitung von Kriterien zur Auswahl von geeigneten Antizipationsmethoden nebst Auswahl bzw. Anwendung eines entsprechend geeigneten Auswahlverfahrens
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•
Aufstellung einer "short list" der bestgeeigneten und praktikabelsten Methoden für die jeweiligen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt
•
Identifikation und kurze Darstellung von Erweiterungsansätzen für die selektierten Methoden
3. Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Die Kapitel II mit IV stellen das theoretische Grundgerüst dieser Arbeit dar. Da die Themenstellung erfordert, unterschiedliche Forschungsgebiete der Betriebswirtschaft darzustellen und zu integrieren, wurde eine dreigeteilte theoretische Struktur gewählt. Im Kapitel V werden die theoretischen Erkenntnisse mittels einer empirischen Untersuchung für die Finanzdienstleistungsbranche überprüft. Im Kapitel VI werden theoretische Erkenntnisse und die Ergebnisse der Empirie als Grundlage für eine Methodenselektion bzw. -erweiterung für Finanzdienstleistungsunternehmen verarbeitet. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und dem Ausblick im letzten Kapitel VII. Diese Grobstruktur wird in nachfolgender Abb. I-1 übersichtsartig dargestellt.
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Einführung
I
II
V
VI
Zum systematischen Umgang von Unternehmen mit Komplexität, Dynamik und Kontingenz ihrer Umwelt
III Finanzdienstleistungsunternehmen – Eine Charakterisierung unter besonderer Berücksichtigung ihrer allgemeinen Unternehmensumwelt
IV Methoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister
Empirische Untersuchung über die Anwendung von Antizipationsmethoden in der Finanzdienstleistungspraxis
Empfehlungen für eine Methodenauswahl zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister
VII Abschließende Betrachtung
Abb. I-1: Aufbau der Arbeit8 Folgende Zusammenhänge veranlassten uns, obige Gliederung zu wählen: Da die Abgrenzung und Strukturierung der Unternehmensumwelt in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung durchaus heterogen behandelt wird, aber diese Differenzierung von entscheidender Bedeutung für den restlichen Verlauf der Arbeit ist, beginnen wir im Kapitel II mit einer Definition des Terminus Unternehmensumwelt entlang der Dimensionen "Elemente" und "Attribute", wobei die Grundlage eine systemtheoretische Einführung bildet. Da Entwicklungen der Unternehmensumwelt insbesondere in der Literatur zum Strategischen Management bzw. zur Strategischen Planung aufgegriffen werden, stellen wir deren Beziehungsgefüge dar und definieren die wichtigsten Begrifflichkeiten in diesem Kontext. Im Kapitel III legen wir den nächsten theoretischen Schwerpunkt, indem wir die Dienstleistungsbranche als Referenz für unsere weiteren Betrachtungen festlegen und theoretisch darstellen. Am Beispiel der Finanzdienstleister, deren Auswahl als typischer Vertreter des Dienstleistungssektors begründet wird, führen wir eine Outside-In-Analyse der
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Quelle: Eigene Darstellung. 6
allgemeinen Unternehmensumwelt für diese spezifische Branche entlang der im vorhergehenden Kapitel eingeführten Dimensionen "Elemente" und "Attribute" durch. Im Kapitel IV werden ausgehend von einer Analyse der Charakteristika von strategischen Informationen über die allgemeine Unternehmensumwelt die in der Betriebswirtschaftslehre gängigsten Antizipationsmethoden für die Strategische Planung beschrieben. Besonderes Augenmerk gilt dabei den sog. Verbundmethoden (Frühaufklärung, SzenarioAnalyse), da diese Konzepte spezifisch auf die Verarbeitung von schlecht strukturierten Informationen in einem strategischen Kontext ausgerichtet sind. Im Kapitel V werden die aus theoretischer Perspektive hergeleiteten Erkenntnisse durch eine empirische Studie in einen Praxiszusammenhang gestellt. In diesem Abschnitt werden sowohl Design als auch Vorgehensweise und Ergebnisse der Befragung dargestellt. Das Kapitel VI wird auf Basis eines theoretischen Exkurses aufzeigen, inwiefern quantitative Verfahren für die Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt und für die Verarbeitung der in diesem Zusammenhang vorherrschenden Informationscharakteristika tendenziell schlecht geeignet sind. Zusätzlich wird das Konzept der Fuzzy-Logic als geeignetes Verfahren für die Verarbeitung von unbestimmten Informationen eingeführt. Auf dieser Basis, und unter Zugrundelegung der empirischen und weiteren theoretischen Erkenntnisse, wird unter Verwendung eines geeigneten Verfahrens eine Methodenselektion entlang der einzelnen Teilumwelten durchgeführt, und im Anschluss werden Ansätze für Methodenerweiterungen dargestellt. Die Arbeit schließt mit Kapitel VII, in dem neben einer Zusammenfassung der Arbeit im Ausblick erste grobe Ansatzpunkte für eine Individualisierung und Erweiterung der selektierten Methoden speziell im Zusammenhang mit der Finanzdienstleistungsbranche gegeben werden.
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II. Zum systematischen Umgang von Unternehmen mit Komplexität, Dynamik und Kontingenz ihrer Umwelt 1. Das System Unternehmen - systemtheoretische Einführung Aus systemtheoretischer9 bzw. kybernetischer10 Perspektive kann ein Unternehmen als (reales) offenes sozio-technisches System11 verstanden werden, das aus mehreren Subsystemen besteht, die Inputs aus der Unternehmensumwelt12 beziehen, welche sie in Outputs transformieren.13 Die Festlegung der Ausgestaltung dieses für das Überleben des Systems dominanten und damit kritischen Transformationsprozesses ist der primäre Zweck (der Organisation).14 Die Differenzierung in Subsysteme ermöglicht eine Spezialisierung auf bestimmte Systemfunktionen und stellt zudem eine Reaktion auf die Umweltstrukturen dar, da komplexe Systemumwelten eine ebenfalls komplexe Binnenstruktur des Systems erfordern ("law of requisite variety").15 In der Literatur existiert eine Vielzahl von Vorschlägen zur Unterscheidung der Subsysteme.16 In der Regel gibt es ein Subsystem für den Input aus der
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Die (allgemeine) Systemtheorie ist ein abstrakter und sehr formaler Ansatz, mit dessen Hilfe sich Eigenschaften und Verhaltenweisen realer Erscheinungen in einer einheitlichen Terminologie und unter Verwendung formal isomorpher Gesetzmäßigkeiten erklären lassen. Die Systemtheorie kann als Metawissenschaft bezeichnet werden, da sie nicht konkrete bzw. empirisch gehaltvolle Aussagen zu einer Klasse von Phänomenen (wie z.B. der Unternehmung) liefert, sondern eine übergreifende und allgemeine Methodik zur Verfügung stellt. Vgl. u.a. Grochla, E. (Systemtheorie 1976), S. 558; Ulrich, H. (Unternehmung 1968), S. 42. 10 Die Kybernetik beschäftigt sich mit der Struktur, den Beziehungen und dem Verhalten dynamischer Systeme. Sie ist ein Teilgebiet der Systemtheorie. Vgl. Ulrich, H. (Unternehmung 1968), S. 111. 11 Allgemein formuliert ist ein System eine reale oder ideelle, natürliche oder künstliche Ganzheit, das aus Teilen (Elementen) mit unterschiedlicher Anordnung zueinander besteht. Die einzelnen Elemente eines Systems sind über Relationen (Beziehungen) miteinander verbunden. Vgl. Krallmann (Systemanalyse 1994), S. 6. 12 Zur Differenzierung und Beschreibung des Begriffs der Unternehmensumwelt siehe Abschnitt II.2. 13 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390. 14 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390. Staehle nimmt dabei Bezug auf Rice; Miller/Rice (die beide am Tavistock-Institute of Human Relation in London das Konzept der soziotechnischen Systemanalyse entwickelt haben) und Sydow. Vgl. Rice, A.K. (Environment 1963); Miller, E.J.; Rice, A.K. (Systems 1967) und Sydow, J. (Arbeits- und Organisationsgestaltung 1985). 15 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 63; Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391. 16 Als eine alternative Differenzierung sei die von Katz/Kahn zu nennen, die die fünf Subsysteme Produktion, Versorgung, Erhaltung, Anpassung und Management nennen. Vgl. dazu die Übersicht von Staehle, der sich auf Katz/Kahn bezieht. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 394 bzw. Katz, D.; Kahn, R. L. (Organizations 1978), S. 23 ff. 8
Systemumwelt (Import), eines für die Transformation innerhalb des Produktionsprozesses (Conversion) und eines für den Output an die Umwelt (Export). Zusätzlich ist für die Koordination, Integration, Kontrolle und Unterstützung der aufgezählten Subsysteme, die unter dem Überbegriff der "Operating Systems" zusammengefasst werden können und für die Steuerung der Transaktionen, die die Systemgrenzen überschreiten, ein so genanntes "Managing System" notwendig.17 Ein reales System ist dabei ein Ausschnitt aus der realen Welt mit ebenfalls realen Systemkomponenten, die entweder Teil- bzw. Subsysteme oder nicht weiter unterteilbare Systemelemente darstellen.18 Im Umkehrschluss sind alle Teile, die nicht Bestandteil des Systems sind, der Systemumwelt (teilweise in der Systemtheorie auch als Umsystem bezeichnet) zuzurechnen.19 Die Frage nach der Grenzziehung zwischen System (Unternehmen) und Umwelt wird im Abschnitt II.2 detailliert behandelt. Die (realen) Systemkomponenten sind dabei eine Menge aus materiellen bzw. energetischen Potenzialen und Aktivitäten zur Veränderung dieser Potenziale, die als Systemgrößen oder Systemvariablen bezeichnet werden.20 Die Systemkomponenten sind untereinander durch Kombinations- und Interaktionsbeziehungen verbunden.21 Die Kombinationsbeziehungen beschreiben die Zusammensetzung des Systems aus den verschiedenen Komponenten, die Interaktionsbeziehungen beschreiben die Einflussnahme der Komponenten untereinander bzw. mit der Systemumwelt. Einwirkungen aus Interaktionsbeziehungen werden als Systeminput, Auswirkungen als Systemoutput bezeichnet.22 Die Systemstruktur ergibt sich aus der Menge sämtlicher Interaktions- und Kombinationsbeziehungen eines Systems.23 Das Begriffspaar "sozio-technisch" als Eigenschaft der o.g. Systemdefinition bezieht sich auf das Zusammenwirken der Systemkomponenten "Mensch" und "Technologie", das seinerseits auf Zielen beruht, welche vom System (Unternehmen) im Hinblick auf zukünftig zu erreichende Zustände festgelegt werden. Die Zielerreichung wird durch personenbezogene Verhaltensregeln und technologische Funktionsregeln sichergestellt. Die 17
Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390 f. Vgl. u.a. Ferstl, O. (Analyse 1979), S. 26; Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 1 ff.; Bossel, H. (Modellbildung 1992), S. 16; Gomez, P (Management 1981), S. 41. 19 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 16. 20 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 3. 21 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 16. 22 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 3; Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 17. 23 Vgl. Niemeyer, G. (System- und Modelltheorie 1977), S. 4 ff.; Bossel, H. (Modellbildung 1992), S. 17. 18
9
Gesamtheit dieser Regeln bildet in der Systemtheorie das artifizielle Konstrukt der Organisation. Die Gestaltungsaktionen, die auf Basis des Regelwerks durchgeführt werden, bezeichnet man als organisatorisches Gestalten bzw. Organisieren.24 Die Offenheit bezieht das System Unternehmen durch die Interaktionsbeziehungen der Systemkomponenten mit der Systemumwelt.25 Diese Beziehungen können u.a. informationeller (System erhält Informationen aus der Umwelt) Natur sein oder Input/OutputZusammenhänge darstellen.26 Folgende Tabelle fasst die wesentlichen Merkmale offener Systeme zusammen: Tab. II-1: Merkmale offener Systeme27 Input
Aufnahme von Ressourcen/Potenzialen aus der Umwelt
Throughput
Transformation des Inputs durch innerorganisatorische Aktivitäten
Output
Abgabe des Transformationsergebnisses an die Umwelt
Differenzierung
Abteilungsbildung und Rollendifferenzierung zur arbeitsteiligen Erledigung der Systemaufgaben
Integration/Koordination Gemeinsame Normen/Werte bzw. formale Koordinationsmechanismen Die dargestellte systemtheoretisch fundierte Definition ist prinzipiell auf alle Formen der Organisation anwendbar. Ein Unternehmen als eine mögliche Form der Organisation erhält Spezifizität aus seiner Zielsetzung, die sich in Sach- und Formalziele differenzieren lässt. Dabei bezieht sich das Sachziel auf Art und Zweck der Leistungserstellung, das Formalziel widerspiegelt die Präferenzstruktur für die Aktionen, die zur Erreichung des Sachziels durchgeführt werden müssen.28 Die Unternehmensaufgabe folgt dem Sachziel, da festgelegt wird, welche Produkte bzw. Dienstleistungen herzustellen und zu distribuieren sind. Für den Input (Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen) und den Output (Absatz von Gütern und Dienstleistungen) werden Märkte genutzt. Das Unternehmen transformiert die beschafften Inputs durch den Leistungserstellungsprozess und vertreibt
24
Vgl. Grochla, E. (Organisation 1982), S. 1 ff. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 63; Staehle, W. H. (Management 1994), S. 390 bzw. Abschnitt II.2.1. 26 Weiterführende Informationen zur Charakteristika offener Systeme geben Katz/Kahn. Vgl. dazu Katz, D.; Kahn, R. L. (Organizations 1978), S. 23 ff. 27 Quelle: Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391. 28 Vgl. Ferstl, O., Sinz, E. (Grundlagen 1998), S. 59; Grochla, E. (Organisation 1982), S. 2. 25
10
diese an Kunden. Innerhalb der Transformation werden Potenziale eingesetzt, die man entweder als Produktionsfaktoren (extern) oder als Leistungspotenziale (intern) bezeichnet.29 Im Unternehmen und zwischen Unternehmen und Umwelt werden Transaktionen durchgeführt, die zur Koordination von Austauschbeziehungen und Leistungsübergabe dienen. Da für uns die Unternehmensumwelt von besonderem Interesse ist, werden die wesentlichen Dimensionen dieses Begriffs in den nächsten Abschnitten präzisiert.
2. Charakterisierung der Unternehmensumwelt In diesem Abschnitt werden ausgehend von einer Darstellung der Diskussion zur Abgrenzung der Unternehmensumwelt die Elemente und die Attribute der Unternehmensumwelt dargestellt. 2.1
Abgrenzung von Unternehmen und Unternehmensumwelt
Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigt, ist das System Unternehmen als offen zu bezeichnen, da es mit der Systemumwelt in Interaktionsbeziehung steht, die Systemgrenzen also "durchlässig" sind. Nach diesem Verständnis beeinflussen Unternehmen durch ihr Handeln ihre Umwelt (z.B. durch technische Innovationen, durch die Herstellung und den Verkauf von Produkten etc.) und werden durch ihre Umwelt beeinflusst (z.B. durch Gesetzgebungen, Marktentwicklungen etc.). Damit sind Unternehmen gezwungen, sich einerseits den Anfordernissen der Umwelt anzupassen, andererseits besteht die Möglichkeit die Entwicklung der Umwelt aktiv mitzugestalten. Hinter diesem Verständnis steht ein interaktives Modell des Verhältnisses von Unternehmen und Umwelt, da weder die Umwelt deterministisch (deterministisches Modell) noch das Unternehmen als autonome Entscheidungseinheit (voluntaristisches Modell) gesehen wird. Damit stellt die Umwelt also gleichzeitig eine Restriktion des Handlungsfeldes und einen Gegenstand strategischer Veränderungen dar.30 Umwelt und Unternehmen stehen demzufolge in einem interdependenten Beziehungsgefüge. Dieses Verständnis der Umwelt/Unternehmen-Relation bildet die Basis für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit.
29 30
Vgl. Corsten, H. (Produktionswirtschaft 1992), S. 11. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 155-156. 11
Bereits der Begriff der Umwelt bzw. der Unternehmensumwelt impliziert, dass eine prinzipielle Grenzziehung zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt möglich ist.31 Aus systemtheoretischer Perspektive heißt das, dass spezifiziert werden muss, welche Subsysteme bzw. Systemelemente dem System Unternehmung und welche der Unternehmensumwelt bzw. dem Umsystem zuzurechnen sind. Aus der Offenheit des Systems gegenüber der Umwelt resultiert allerdings das Problem, dass die Grenze zwischen System und Umwelt nicht einfach wahrnehmbar ist. "Nature has neatly packaged people into skins, animals into hides, and allowed trees to enclose themselves with bark. It is easy to see where the unit is and where the environment is. Not so for social organizations."32 In der Systemtheorie geht man davon aus, dass soziale Systeme keine empirisch erfahrbaren Systemgrenzen haben. Vielmehr muss das System selbst und individuell die Leistung der Grenzziehung erbringen. Vereinfacht gesagt heißt das, dass der Prozess der Grenzziehung dahingehend zu steuern ist, dass das Übermaß an Handlungsmöglichkeiten auf spezifische Weise eingeengt werden muss (Komplexitätsreduktion).33 "Eine spezielle Unternehmung stellt z.B. nicht alles her, was auf dem Markt verkauft werden könnte, sondern wählt bestimmte Produkte und Märkte aus (...). Diese Funktion macht ihre Grenze zur Umwelt aus, macht sie als System im Verhältnis zur Umwelt identifizierbar, unterscheidet sie von anderen Unternehmungen, die mit anderen Selektionsvorgängen ihre Grenze definiert haben."34 Für die "klassische" Betriebswirtschaftslehre ist die Frage nach einer Definition der Unternehmensumwelt auch immer gleichzeitig eine Frage nach dem Differenzierungskriterium zwischen Unternehmen und Umwelt.35 Man kann an dieser Stelle vorausschicken, dass in der betriebswirtschaftlichen Forschung kein einheitliches, universales und praktikables Abgrenzungskriterium spezifiziert werden konnte, das unabhängig von der Entscheidungssituation zu eindeutigen und replizierbaren Ergebnissen hinsichtlich der Zugehörigkeit einzelner Systemelemente (z.B. Personen, Objekte) zu Umwelt bzw. Unter-
31
Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 305. Pfeffer, J., Salancik, G.R. (Organizations 1978), S. 29. 33 Vgl. Staehle, W. H. (Management 1994), S. 391 f.; Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 64; 34 Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 64. 35 Vgl. Wirth, W. (Umweltanalyse 1980), S. 9 ff. 32
12
nehmen führt. Daher ist auch keine eindeutige und systematische Definition des Begriffs der Unternehmensumwelt in der Literatur zu finden.36 An Ansätzen bzw. Versuchen zur Grenzziehung zwischen Unternehmen und Unternehmensumwelt mangelt es jedoch nicht. Abgrenzungskriterien (mit universellen Gültigkeitsanspruch), die in der BWL Verwendung finden, konzentrieren sich hauptsächlich auf arbeits- und gesellschaftsjuristische Verbindungen von Personen und Unternehmen, Kapitalverflechtungen oder Beeinflussungsmöglichkeiten von Handlungen.37 Diese können aber naturgemäß nicht die grundsätzliche Problematik lösen, dass in Abhängigkeit vom angewendeten Kriterium jeweils andere Elemente, die zudem noch in der Struktur heterogen sein können (Personen, Organisationen, Dinge), Teil der Umwelt oder Teil des Unternehmens sein können.38 Bei Verwendung derartiger Kriterien emergieren weitere Schwierigkeiten. Die potenzielle Mehrfachzugehörigkeit von Personen zu unterschiedlichen Organisationen verhindert eine eindeutige Zuordnung bei personenbezogenen Differenzierungskriterien. Zudem kann die Intensität der Integration in ein Unternehmen, die bei verschiedenen Personen, aber auch Organisationen unterschiedlich sein kann, nicht berücksichtigt werden. 39 Zusätzliche Komplexität erlangt die dargestellte Problematik, wenn von einer statischen Momentaufnahme zu einer dynamischen Betrachtungsweise übergegangen wird.40 Unternehmen ändern über Zeit ihre Struktur und lassen die potenziellen Ergebnisse einer Abgrenzung zur Unternehmensumwelt zu einem "moving target" werden. Fazit dieser Betrachtungen ist, dass eine objektive Zuordnung der Elemente zu Umwelt und Unternehmen auf Grund des Fehlens eines universellen Abgrenzungskriteriums nicht getroffen werden kann. Trotzdem ergibt sich aus dem faktischen Vorhandensein eines Beziehungsgefüges zwischen Unternehmen und Umwelt die Notwendigkeit einer Klärung.41 In der Betriebwirtschaftslehre hat sich in diesem Zusammenhang die Auffassung durchgesetzt, dass zum einen ein Unternehmen als potenziell subjektiv gegenüber der Umwelt
36
Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 66; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96. Vgl. Schreyögg, G. (Umwelt 1978), S. 81-83. 38 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 306 ff.; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96-97. 39 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96; in ähnlicher Form auch bei Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 306-307. 40 Vgl. Höfer, R. (Umwelten 1977), S. 53. 41 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 70. 37
13
abgrenzbares System aufgefasst werden kann, und zum anderen die Umwelt individuell in Abhängigkeit von Problemstellung und Untersuchungsperspektive definiert werden muss.42 Teilen wir diese Auffassung, kann der Frage nach der relevanten Unternehmensumwelt43 nachgegangen werden. Auch hier ist die Bestimmung eines Auswahlkriteriums notwendig, das erlaubt aus der unendlichen Anzahl der Umweltelemente, diejenigen zu selektieren, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. In der Wissenschaft findet die Unternehmensaufgabe bzw. das Sachziel als Auswahlkriterium häufige Verwendung.44 "Danach werden jene Elemente der Umwelt als relevant erachtet, die für die Zielsetzung und Zielerreichung der Unternehmung bedeutsam sind."45 Allerdings ist es mit diesem Ansatz ebenfalls schwierig, zu einer objektiven und eindeutigen Aussage hinsichtlich der relevanten Unternehmensumwelt zu gelangen. Vielmehr ist eine Abhängigkeit der Selektion der relevanten Umweltmerkmale von einer konkreten Entscheidungssituation (und vom Entscheidungsträger) zu konstatieren, und damit ist die Relevanz wiederum ein subjektiver Tatbestand.46 2.2
Elemente der Unternehmensumwelt
Wohlwissend, dass die Differenzierung der (relevanten) Unternehmensumwelt bis dato nicht exakt theoretisch gelöst wurde, hat es sich in der wirtschaftwissenschaftlichen Literatur durchgesetzt, pragmatisch die Unternehmensumwelt nach dem Grad der Unmittelbarkeit des Umwelteinflusses in zwei Analyseebenen, die ihrerseits in einzelne Elemente bzw. Komponenten separiert werden, einzuteilen.47 42
Vgl. Höfer, R. (Umwelten 1977), S. 50; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 96. Relevante Unternehmensumwelt ist die Summe derjenigen externen Elemente die abhängig vom Differenzierungskriterium (z.B. Sachziel) für das Unternehmen von Bedeutung sind. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 70. 44 Dieses Auswahlkriterium wurde erstmalig von Dill spezifiziert, der in diesem Zusammenhang auch von der Aufgabenumwelt (task environment) des Unternehmens spricht, zu der Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und regulative Institutionen zu zählen sind. Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410 ff. Nach Kubicek/Thom ist allerdings eine Ergänzung dieses Kriteriums notwendig. Beispielsweise sollen auch generellen Bedingungen (gesellschaftliche, gesetzliche etc.) und zukünftig relevante Bedingungen einbezogen werden. Vgl. Kubicek, H., Thom, N. (Umsystem 1976), S. 3985. 45 Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 71. 46 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97. 47 Dieses Vorgehen wird von den meisten Autoren in den Bereichen Strategisches Management bzw. Organisation angewendet. Vgl. dazu u.a. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 156; Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 126 ff.; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97 ff. 43
14
Zum einen ist dies die so genannte Aufgabenumwelt oder auch engere ökonomische Umwelt, die direkte oder indirekte Austauschbeziehungen (Wettbewerb) zum Unternehmen unterhält bzw. unmittelbaren Bezug zur Zielsetzung und Zielerreichung des Unternehmens aufweist.48 Zum anderen ist dies die allgemeine, generelle oder auch globale Umwelt, welche diejenigen Einflüsse und Bedingungen bezeichnet, die indirekt wirken und damit einen prinzipiellen Rahmen beschreiben, in dem die Aktionen aller Unternehmen und weiteren Organisationen eines geographischen Gebietes (z.B. Staat) stattfinden.49 Diese Einteilung findet sich auch in der amerikanischen Literatur wieder, wo zwischen industry bzw. task environment und general environment unterschieden wird.
50
Wie
bereits angemerkt, lassen sich die beiden Analyseebenen, die im weiteren Verlauf der Arbeit als (1) Aufgabenumwelt und (2) allgemeine Umwelt bezeichnet werden, in einzelne Komponenten bzw. Segmente einteilen, was im Folgenden expliziert bzw. in nachfolgender Abbildung dargestellt wird.
48
Vgl. Wirth, W. (Umweltanalyse 1980), S. 15. Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 97; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317. 50 Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410 ff; Hill, C.W.L, Jones. G.R. (Strategic Management 1995), S. 66 ff. 49
15
Allgemeine Umwelt Sozio-kulturelle
Aufgabenumwelt Konkurrenten
Technologische
Kunden
Unternehmen
Lieferanten
Politischrechtliche
Sonstige (Kapitalgeber, Arbeitnehmer)
Makroökonomische
0
Abb. II-1: Segmentierung der Unternehmensumwelt51 Ad (1) - Aufgabenumwelt: Die konzeptionellen Ansätze, die in der Literatur zu finden sind, basieren auf einer Untersuchung von Dill, der die Aufgabenumwelt in die Elemente Konkurrenten, Lieferanten, Kunden und regulative Institutionen einteilt.52 In neueren Klassifikationen geht man davon ab, regulative Institutionen als Teil der Aufgabenumwelt anzusehen, sondern ordnet diese vielmehr in die allgemeine Umwelt ein. Stattdessen hat sich der Einbezug
51
Quelle: Modifiziert nach Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 157. Ähnliche Segmentierungen bzw. Darstellungen auch bei: Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149; Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 18; Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 73 ff.; Schönert, O. (Frühaufklärung 1997), S. 26 ff.; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 18 ff.; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 317; Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 102.Teilweise findet sich ein separates fünftes Segment der allgemeinen Umwelt: die ökologische Umwelt. Auf eine gesonderte Abbildung dieses Bereichs wird verzichtet, da zu den dargestellten vier Segmenten große Überschneidungen vorhanden sind, z.B. kann steigendes Umweltbewusstsein eigentlich als Einflusskraft des sozio-kulturellen Bereichs gewertet werden Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 89. 52 Vgl. Dill, W.R. (Environment 1958), S. 410. 16
von Arbeitnehmern und Kapitalgebern durchgesetzt, so dass sich die Aufgabenumwelt aus folgenden Komponenten zusammensetzt:53 •
Kunden
•
Lieferanten
•
Konkurrenten
•
Sonstige – Kapitalgeber – Arbeitnehmer
Ad (2) - Allgemeine Umwelt: Insbesondere auf dieser Ebene sind in der Literatur eine Fülle von Klassifikationen vorgenommen worden, die sich größtenteils ergänzen oder überlagern.54 Der Ursprung dieser Arbeiten ist im Werk von Farmer und Richman zu sehen, die als erste die Bedeutung der allgemeinen Unternehmensumwelt für das Management analysiert bzw. die Segmentierung in unterschiedliche Einflussbereiche vorgenommen haben.55 Nach einer Synthese von Aeberhard, der wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen, wird die allgemeine Umwelt in die Komponenten bzw. Segmente "makro-ökonomisch", "politisch-rechtlich", "sozio-kulturell" und " technologisch" differenziert.56 Die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Segmente ist in der Betriebswirtschaftslehre ebenfalls als heterogen zu bezeichnen. Nachfolgende Beschreibungen der allgemeinen Umweltkomponenten geben eine Zusammenfassung aus der Literatur wieder und legen gleichzeitig die definitorische Basis für den weiteren Verlauf dieses Textes:57 •
Makro-ökonomisch: Diese Kategorie umfasst die gesamtwirtschaftlichen Größen und Tendenzen, die das Angebots- und Nachfrageverhalten prägen und sich demzufolge auf die Güter- und Kapitalmärkte einer Volkswirtschaft auswirken. Die makro-ökonomische Teilumwelt wird meist durch Faktoren, wie
53
Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 101. Eine Übersicht über die gängigsten Klassifikationen der allgemeinen Unternehmensumwelt in den Wirtschaftswissenschaften gibt Eulgem. Vgl. dazu Eulgem, S. (Unternehmung und Umwelt 1993), S. 38. 55 Vgl. Farmer, R., Richman, B. (Management 1965). 56 Vgl. Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996), S. 45 f. 57 Einen Überblick über die wichtigsten Faktoren/Indikatoren der jeweiligen Umweltsegmente ist aus einer allgemeinen Perspektive in Tab. II-6 bzw. spezifisch für Finanzdienstleister in Abb. III-12 dargestellt. 54
17
beispielsweise Zinsniveau, Bruttosozialprodukt, Inflation, Arbeitslosen- oder Sparquote, beschrieben.58 •
Sozio-kulturell: Unter diesem Begriff werden neben den soziodemographischen Strukturen und Entwicklungen (Bevölkerung, Alter, Einkommensverteilung etc.) die Werte59 und Einstellungen bzw. kulturelle Normen der Bevölkerung verstanden, die entsprechend ihrer Ausprägung auf Makro-Ebene die Gesamtstruktur von Gesellschaften und auf Mikro-Ebene den Lebensstil des Einzelnen beeinflussen.60 Entwicklungen und Veränderungen solcher Wertmuster werden häufig unter dem Überbegriff "Wertewandel" diskutiert.61 Hierzu ist neben den Verschiebungen in der Einstellung zu prinzipiellen Kategorien, wie beispielsweise zu Arbeit bzw. Freizeit, zur Rolle der Industrie, zu Statussymbolen oder zur Rolle der Frau, ebenfalls die Wahrnehmung und damit assoziiert der Konsum von Produkten und Dienstleistungen zu zählen.62 Im Gegensatz zu den anderen Segmenten der allgemeinen Unternehmensumwelt, fehlt es Entwicklungen auf dem sozio-kulturellen Gebiet - von den gut messbaren Entwicklungen der Soziodemographie einmal abgesehen - meist an Prägnanz und "Greifbarkeit".63 "Das ändert nichts daran, dass sie für das Handlungsgerüst einer Organisation sehr häufig von nachhaltiger Bedeutung sind; ihre Nichtbeachtung oder Fehleinschätzung ist nicht selten die Ursache nicht tragfähiger Selektionsmuster, die sich als Unternehmenskrisen bemerkbar machen."64
•
Politisch-rechtlich: Der Staat bzw. andere legislative Institutionen (z.B. Europäisches Parlament) verändern die Abhängigkeits- und Machtstrukturen, in-
58
Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 98, Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 319. Werte sind allgemeine Ziele, die das Handeln in den verschiedenen Lebensbereichen regieren. Anders formuliert sind Werte Vorstellungen des Wünschbaren, die nicht individuell, sondern als verbindliche Maxime für jede Person interpretierbar sind, aber im Gegensatz zu Normen allgemeiner, sozusagen als generelle Orientierungspunkte verstanden werden können. Wertewandel bedeutet in diesem Zusammenhang die Wandlungstendenz der Wertestruktur bzw. ihrer Beziehungen untereinander. Vgl. Meulemann, H. (Werte und Wertewandel 1996), S. 25 f. und S. 30 f. 60 Vgl. Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 187. 61 Vgl. Ulrich, H. (Unternehmungspolitik 1990), S. 71; Amelung, T., Corsepius, U. (Strategische Führung 1991), S. 41 ff. 62 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318; Welge, M. K., Al-Laham, A. (Strategisches Management 2001), S. 187. 63 Vgl. Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318. 64 Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 318. 59
18
dem sie Gesetze und Verordnungen kodifizieren bzw. erlassen, an die sich das Unternehmen anpassen muss.65 Insbesondere Modifikationen des Steuer-, Handels-, Arbeits- und Sozialrechts, aber auch Infrastrukturmaßnahmen, Subventionen, Zölle etc. haben direkten Einfluss auf die Handlungen und die Planungen der Unternehmen. •
Technologisch: Dieses Segment beinhaltet das bereits bekannte und das in der Entwicklung befindliche technologische Wissen. Dieses wirkt sich sowohl auf die Anwendung und den Einsatz von Technologien im Bereich der zu erstellenden Produkte und der Produktionsverfahren als auch in einer Beeinflussung der Gesamtgesellschaft (z.B. durch die Adaption neuere Technologien) aus.66
2.3
Attribute der Unternehmensumwelt
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt die Unternehmensumwelt entlang zweier Analyseebenen und deren einzelner Elementen systematisch kategorisiert wurde, werden in diesem Kapitel die Attribute der Unternehmensumwelt entlang der Dimensionen Differenziertheit (Komplexität), Veränderlichkeit (Dynamik) und Unbestimmtheit (Kontingenz) beschrieben.67 Wenden wir uns zuerst dem Begriff der Umweltkomplexität zu. Die Komplexität (auch Vielfältigkeit bzw. Heterogenität genannt) beschreibt die gesamtstrukturelle Ausprägung der Umwelt zu einem festgelegten Zeitpunkt. Dabei ist das Niveau der Komplexität von den zwei Merkmalen (1) Varietät und (2) Konnektivität determiniert.68 Ad (1): Varietät ist die Anzahl bzw. Verschiedenartigkeit der Umweltfaktoren und die Verteilung dieser Faktoren auf die Umweltkomponenten. Je größer die Anzahl der relevanten Umweltfaktoren aus unterschiedlichen Teilumwelten, desto höher ist die Varietät und ergo auch der Grad der Komplexität.69 Ad (2): Konnektivität bezeichnet die Möglichkeit, dass einzelne Umweltfaktoren miteinander in einem Beziehungsgeflecht stehen bzw. in Interaktion treten. Ana-
65
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149; Welge, M. K., AlLaham, A. (Strategisches Management 2001), S. 186. 66 Vgl. Hoffmann, F. (Führungsorganisation 1980), S. 98. 67 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199 ff. 68 Zahn, E. (Strategische Planung 1979b), S. 13. 69 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 81, der sich auf Duncan bezieht. Vgl. Duncan, R. (Environments 1972), S. 314 ff. bzw. 19
log zur Varietät erhöht sich das Komplexitätsniveau, je stärker die Konnektivität ausgeprägt ist.70 Die beiden Komplexitätsdimensionen Varietät und Konnektivität stehen in einem interdependenten Zusammenhang, da mit zunehmender Anzahl der Umweltmerkmale auch die potenziellen Möglichkeiten der Interaktion wachsen. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass mit steigender Anzahl der für ein Unternehmen relevanten Umweltmerkmale und -facetten und zunehmenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Umweltmerkmalen die Umweltkomplexität größer wird. Dynamik bezeichnet die Veränderlichkeit der Struktur der Unternehmensumwelt im Zeitablauf oder genereller formuliert den Wandel der Unternehmensumwelt.71 Die drei Merkmale (1) Häufigkeit, (2) Ausmaß der Änderungen sowie (3) Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse konkretisieren den Begriff der Dynamik und bestimmen entsprechend ihrer Ausprägung das Niveau.72 Ad (1): "Mit dem Merkmal Häufigkeit soll das quantitative Auftreten von Änderungsprozessen in einer Zeiteinheit ermittelt werden."73 Ad (2): Der Faktor "Ausmaß der Änderungen" gibt die Intensität der Veränderungen der Unternehmensumwelt an. Ad (3): Die " Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse" stellt das Veränderungsmuster der Unternehmensumwelt dar. In diesem Zusammenhang spricht man von einer Stetigkeit (Kontinuität) bzw. Unstetigkeit (Diskontinuität) der Veränderung. Bei einer stetigen Veränderung vollzieht sich der Wandel der Umwelt in kleinen, inkrementellen Schritten nach ähnlichen Mustern und ist somit im Prinzip durch das Unternehmen antizipierbar. Unstetige bzw. diskontinuierliche Änderungen unterliegen kaum prognostizierbaren Mustern, die "Vertrautheit" der Ereignisse für das Management des Unternehmens und damit die Möglichkeit zur Anwendung von erprobten Reaktionsmustern sinkt.74 In der Regel kündigen sich
70
Vgl. Malik, F. (Strategie 1984), S. 186 f.; Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 82. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 83. 72 Vgl. Child, J. (Environment 1972), S. 3; ähnlich auch: Frank, H., Plaschka, G., Rößl, D. (Umweltdynamik 1988), S. 2-4; Schreyögg, G. (Organisation 1998), S. 313 ff.; Kieser, A., Kubicek, H. (Organisation 1992), S. 371. 73 Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 84. 74 Vgl. Liebl, F. (Schock des Neuen 2000), S. 10. 71
20
Diskontinuitäten aber in Form so genannter Schwacher Signale an.75 Verglichen mit kontinuierlichen Änderungen haben Diskontinuitäten durch ihr Ausmaß zudem eine ungleich stärkere Impulskraft auf das Unternehmen.76 Das dritte Attribut, mit dem sich die Unternehmensumwelt charakterisieren lässt, ist der Begriff der Kontingenz. Die Kontingenz beschreibt das Zufällige bzw. das Unbestimmte in Entwicklungen der Unternehmensumwelt und bedeutet zudem, dass Informationen aus den unterschiedlichen Teilumwelten oftmals in unpräziser Form77 vorliegen, so dass eine Anwendung traditioneller entscheidungstheoretischer Kalküle nicht angebracht ist.78 Im Vergleich zu Diskontinuitäten kündigen sich unbestimmte Entwicklungen nicht durch Vorläuferereignisse (Schwache Signale) an, sondern sind zufällig und überraschend.
3. Die Bedeutung der Unternehmensumwelt für das Strategische Management In diesem Abschnitt wird dargestellt, inwiefern die Unternehmensumwelt eine wichtige Rolle innerhalb des Strategischen Managements spielt. Dazu wird der Begriffskomplex "Strategisches Management" definiert, um darauf aufbauend die Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements zu explizieren. Da die Analyse der Unternehmensumwelt in die Strategische Planung zu verorten ist, werden die zwei bereits eingeführten Ebenen "Aufgabenumwelt" und "Allgemeine Umwelt" im Kontext der Strategischen Analyse, welche einen Teilbereich der Strategischen Planung darstellt, beschrieben. 3.1
Elementarkategorien des Strategischen Managements
In diesem ersten Teilabschnitt werden die wesentlichen Termini des Begriffspaares "Strategisches Management" definiert. Im Anschluss wird Strategisches Management als Konsequenz eines betriebswirtschaftlichen Evolutionsprozesses dargestellt. Weiterhin werden Aufgabenspektrum bzw. die unterschiedlichen Teilsysteme und Funktionen expliziert.
75
Zu Definition des Begriffs der Schwachen Signale im Zusammenhang mit der Theorie von Igor Ansoff siehe Abschnitt IV.2.3.1.1. 76 Der Begriff der Diskontinuität wird im Abschnitt IV.1.2 noch weiter detailliert. 77 Zum Charakter strategischer Informationen (über die Unternehmensumwelt) siehe den Abschnitt IV.1.1. 78 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. 21
3.1.1
Begriff
Bevor auf betriebswirtschaftlich geprägte Spezifikationsansätze des Terminus "Strategisches Management" eingegangen wird, erscheint es auf Grund der vielfältigen Konzeptionen und der damit einhergehenden Definitionsfülle zunächst sinnvoll, die beiden Begriffsbestandteile "Strategisch" bzw. "Strategie" sowie "Management" separat zu behandeln. Der wörtliche Ursprung des Begriffs "Strategie" leitet sich aus dem altgriechischen "stratos" (Heer) und "agos" (Führer) ab. Strategie bedeutet in diesem Zusammenhang Kunst der Heeresführung.79 Ebenfalls aus militärischer Perspektive reinterpretiert v. Clausewitz in seinem Werk "Vom Kriege" den Strategiebegriff und definiert diesen als "Gebrauch des Gefechts zum Zwecke des Krieges". Allgemeiner formuliert kann der Begriff Strategie im ursprünglichen Sinn auch als "(...) Denken, Entscheiden und Handeln, das an übergeordneten Zielen orientiert ist und auf einer umfassenden Sichtweise beruht (...)"80 verstanden werden. Den Transfer in die Ökonomie erfährt der Begriff Strategie durch die Generalisierung der Definition von v. Clausewitz. Strategie wird allgemein als Mittel- bzw. Maßnahmenwahl zum Erreichen festgelegter Ziele verstanden, wobei die Zielfestlegung als integrativer Bestandteil der Strategie angesehen wird.81 Konkretisierend hat Spengler aus den vielfältigen Definitionsansätzen zum Strategiebegriff der Betriebswirtschaftslehre folgende vier Eckpunkte synthetisiert, denen wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen:82 •
Eine Strategie ist ein Bündel abstrakter Maßnahmen.
•
Sie belässt Freiheitsgrade für in späteren Zeitpunkten zu konkretisierende Maßnahmen.
•
Eine Strategie ist an globalen Orientierungsmustern83 ausgerichtet.
79
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 7. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 13. 81 Vgl. u.a. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 7; Hinterhuber, H. (Wettbewerbsstrategie 1990), S. 3 ff.; Gälweiler, A. (Unternehmensführung 1990), S. 59 ff. 82 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64 ff. 83 Globale Orientierungsmuster sind sog. Strategiebasen, die auch als Kriterien der Strategiebildung verstanden werden und sich auf unterschiedliche Objekte beziehen können. Beim Kriterium "Betriebliche Funktionen oder Objekte" wären demzufolge mögliche korrespondierende Strategiebezeichnungen Absatz-, Personal- oder Finanzierungsstrategien. Vgl. dazu Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 66. 80
22
•
Weiterhin weist sie wesentliche Relevanz für die Weiterentwicklung des Systems auf, für das sie konzipiert ist.
Eine Strategie bildet somit einen Rahmen für die Entscheidungen, die Art und Richtung der Unternehmung festlegen und bestimmt somit die zukünftige Stellung der Unternehmung in der Umwelt. Weiterhin determiniert sie die Auswahl der Technologien und die Entwicklung der Fähigkeiten bzw. Ressourcen sowie deren Zuteilung.84 Eine Strategie ist immer an Kontexte (z.B. Umwelt, Wettbewerb) gebunden und individuell für die entsprechende Bezugseinheit, sei es nun das Gesamtunternehmen, eine Geschäftseinheit oder eine Abteilung, festzulegen.85 Sowohl im militärischen als auch im ökonomischen Sinn ist der Begriff der Strategie immer mit der Grundphilosopie des Strategischen Denkens verbunden. Diese Denkmethode dient zur Erfassung von Situationen, Einordnung ihrer Bedeutung und dem Festlegen eines grob umrissenen Zielzustandes sowie dem regressiven Ausarbeiten des wirksamsten Vorgehens im Sinne eines flexiblen Maßnahmenbündels.86 Nach Schertler orientiert sich die Strategische Denkweise im Wesentlichen an folgenden Punkten:87 •
Konstellation und Relevanz von Unternehmungseinflüssen
•
Analyseergebnisse eigener Stärken und Schwächen
•
Zukünftige Erfolgspotenziale
•
Auswirkungen des gegnerischen Verhaltens für die eigene Zielrealisierung
•
Wahrscheinlichkeit bestimmter Verhaltensweisen des Gegners
•
Umweltentwicklungen verstanden als Chancen und Bedrohungen
•
Konsequenzen des eigenen und des gegnerischen Verhaltens
Der zweite Begriffsbestandteil "Management" kann einerseits als "Institution", andererseits als "Funktion" verstanden werden. Institution meint dabei eine Anzahl Personen, die in einer Organisation mit Weisungsbefugnissen ausgestattet ist. Funktion bezieht sich auf die Summe der Handlungen, die zur Steuerung des Leistungsprozesses notwendig sind.88 Dem Management aus funktionaler Sicht wohnt dabei eine sachbezogene (Erfüllung
84
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 52 f. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 67. 86 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 23; Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64. 87 Vgl. Schertler, W. (Organisation 1985), S. 97. 88 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 6. 85
23
bestimmter Aufgaben im Rahmen des Managementprozesses, wie z.B. Planung, Organisation, Kontrolle) und eine personenbezogene (Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens zur Erreichung gemeinsam akzeptierter Ziele) Aufgabenkomponente inne. Dem weiteren Verlauf dieser Arbeit liegt ein funktionales Verständnis zu Grunde. Somit kann Management als die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des Systems Unternehmen in sach- und personenbezogener Dimension verstanden werden.89 Durch Kombination der Begriffsdefinitionen von Strategie und Management sollte demzufolge Strategisches Management in einem Unternehmen einen Komplex von Steuerungshandlungen darstellen, der sich auf Basis einer Analyse der unternehmenseigenen Stärken und Schwächen sowie der umweltinduzierten Chancen und Bedrohungen mit der Festlegung von strategischen Zielen sowie der Auswahl eines geeigneten (abstrakten) Maßnahmenbündels zur Erreichung dieser Ziele beschäftigt. 3.1.2
Entstehung
Strategisches Management ist die derzeitige Endstufe einer Genese, die in einem historisch-zeitlichen Ablauf darstellbar ist und an deren Anfang die Planung stand.90 Nachfolgende Tab. II-2 skizziert den Wandlungsprozess, der im Wesentlichen aus vier Entwicklungsphasen besteht. Dabei ist hervorzuheben, dass in diesem Zusammenhang nicht die Inhalte der einen Phase durch die der nächsten "überschrieben" wurden, vielmehr stellen die Phasen die jeweiligen Schwerpunkte des damaligen Fokus der Managementpraxis und -forschung dar.91 Tab. II-2: Entwicklungsphasen des Strategischen Managements92 Phase Titel
Zeitrahmen
1.
Planung
1945 – 1960
2.
Langfristige Planung
1960 – 1973
3.
Strategische Planung
1973 – 1980
4.
Strategisches Management
1980 - ...
89
Vgl. Hopfenbeck, W. (Managementlehre 1996), S. 327. Vgl. Ansoff, H.I., McDonell, E.J. (Strategic Management 1990), S. 3 ff. 91 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 11-14, Horváth, P. (Controlling 1996), S. 204-205; Welge, M.K., Al-Laham, A. (Planung 1992), S. 7 ff. 92 Quelle: Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 11; ähnlich auch bei Hax, A.C., Majluf, N.S. (Strategisches Management 1991), S. 18. 90
24
Phase 1 - Planung: In den Verkäufermärkten der Nachkriegszeit war das Management zentral auf die Planung von Finanzströmen ausgerichtet. Unter der Vorstellung, dass sich wirtschaftliche Handlungen grundsätzlich monetär niederschlagen, war der Kerninhalt der Planung die Budgetierung, was gleichzeitig die zentrale Bezugsgröße für die Kontrolle war, die im Sinne einer Ergebniskontrolle (Ermittlung von Soll-Ist-Abweichungen) durchgeführt wurde. Phase 2 - Langfristige Planung: Zu Anfang der Sechziger Jahre rückte vermehrt das Bedürfnis nach einer weitsichtigen (also langfristigen) Planung in den Vordergrund. Ziel war es, Langfristprognosen mittels Extrapolation bisheriger Entwicklungen zu erstellen, die dann die Aufstellung von Budgetplänen über mehrere Jahre hinweg zuließen. Zur Abbildung von Diskontinuitäten, also unerwartet auftretenden Ereignissen (z.B. Ölkrise im Jahre 1973), war die Langfristplanung jedoch nicht geeignet und wurde aus diesem Grund durch die Betrachtungsweise der Strategischen Planung abgelöst. Phase 3 - Strategische Planung: Die nachfolgende Phase der Strategischen Planung war geprägt von einer systematischen Analyse der zukünftigen, umweltinduzierten Chancen und Risiken und unternehmenseigenen Stärken und Schwächen. Eine reine Fortschreibung von Entwicklungen aus der Vergangenheit wurde unter dem Eindruck von immer häufiger auftretenden Diskontinuitäten und Unbestimmtheiten verworfen. In diesem Zusammenhang wurden innerhalb des Komplexes der Strategischen Planung zahlreiche Methoden und Techniken entwickelt. Insbesondere im Bereich der Umweltanalyse sind die Wettbewerbs- und Branchenanalyse, die Szenario-Analyse und die Früherkennungssysteme zu nennen. Phase 4 - Strategisches Management: Die vierte Evolutionsstufe ist die Phase des Strategischen Managements. Zwar bildet die Strategische Planung ein wichtiges Subsystem innerhalb dieses Gesamtkomplexes, ergänzend erlangen zusätzliche "weichere" Dimensionen, wie Personalkompetenzen, Organisation und Unternehmenskultur, ein höheres Maß an strategischer Bedeutung, da sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass bei einer strategischen Ausrichtung dieser weiteren Teilsysteme eine bessere Implementierung von Strategien und Einzelmaßnahmen und eine höhere Qualität der Planung erzielbar ist. 3.1.3
Aufgabenspektrum
In der Definition von Bea/Haas, der wir uns im Rahmen dieser Arbeit anschließen, liegt die Kernaufgabe des Strategischen Managements in der Gestaltung des Unternehmens 25
und seiner Beziehungen zur Unternehmensumwelt. "Die aus dieser Grundaufgabe abzuleitenden Einzelmaßnahmen richten sich auf die Modifikation von Strategien, die Gestaltung der Organisation, der Unternehmenskultur und der übrigen Subsysteme des Unternehmens."93 Bea/Haas unterscheiden in ihrer Konzeption die folgenden Subsysteme:94 •
Strategische Planung
•
Strategische Kontrolle
•
Information
•
Organisation
•
Unternehmenskultur
•
Leistungspotenziale
Die Aufgabe des Strategischen Managements ist dabei die Abstimmung zwischen den einzelnen Subsystemen (Intra-System-Fit), die Koordination innerhalb eines Subsystems (z.B. Intra-Organisations-Fit) und die Abstimmung zwischen Gesamtsystem (Summe der Subsysteme) und der Unternehmensumwelt, was in Abb. II-2 veranschaulicht wird.95
93
Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 7 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 18 95 Vgl. F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 17 94
26
System-Umwelt-Fit
System-Umwelt-Fit IntraStrategieFit IntraInformationsFit
IntraOrganisationsFit IntraSystemFit IntraLeistungspotenzialFit
IntraKontrollFit IntraUnternehmenskulturFit System-Umwelt-Fit
System-Umwelt-Fit
Abb. II-2: Koordinationsaufgabe des Strategischen Managements96 Prinzipiell orientierten sich Bea/Haas dabei an den konzeptionellen Vorüberlegungen von Ansoff. In seinem Werk "Corporate Strategy"97 wird die Maxime postuliert, dass sich das Kompetenzprofil eines Unternehmens konsequent an der Unternehmensumwelt auszurichten hat. Anders formuliert war die Forderung nach einem Fit (Passgenauigkeit) zwischen System (Unternehmen) und Umwelt geboren. Unter dem Eindruck der Arbeit von Chandler und seiner zentralen Hypothese "Structure follows Strategy" weitet Ansoff den Gedanken vom System-Umwelt-Fit in seinem Buch "Strategic Management"98 aus. "This book, like Chandler´s, is built on the basic hypothesis that environment, external strategic behaviour, an the internal `structure` are interrelated."99 In diesem Zusammenhang fordert er, dass die einzelnen Elemente bzw. Subsysteme eines Unternehmens ebenfalls untereinander und mit der Umwelt abzugleichen sind (Intra-System-Fit). Die Arbeiten von Ansoff haben für die akademische Forschung in der Disziplin Strategisches Management wichtige Grundlagen gelegt. Den Beleg dafür, dass die Ansoff´schen
96
Quelle: Leicht modifiziert nach Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 17. Vgl. Ansoff, H.I. (Corporate Strategy 1965). 98 Vgl. Ansoff, H.I. (Management 1979). 99 Ansoff, H.I. (Management 1979), S. 7. 97
27
Konzeptionen auch unmittelbar von der Praxis aufgegriffen wurden, zeigt exemplarisch das 7-S-Modell des Beratungsunternehmens McKinsey&Company. Ähnlich wie bei dem dieser Arbeit zu Grunde gelegten Ansatz von Bea/Haas wird der Gesamtkomplex des Strategischen Managements in strategisch relevante Teilbereiche differenziert. Zentrale Aufgabe ist einerseits die inhaltliche Ausgestaltung der Teilsysteme und andererseits die Koordination der Systeme untereinander. Dabei werden die Teilsysteme in die zwei Kategorien "hard facts" (rational-qualitativ) und "soft facts" (emotional-qualitativ) eingeteilt. Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Teilsysteme des 7-SModells:100 Tab. II-3: 7-S-Modell101 Teilsystem
Kategorie
Beschreibung
Subordinate Goals
Soft
Übergeordnete Ziele der Unternehmung; Vision
Strategy
Hard
Strategische Planung und Zielfestlegung
Structure
Hard
Aufbau- und Ablauforganisation
Systems
Hard
DV- und Informationsverarbeitungssysteme
Skills
Soft
Kompetenzen
Staff
Soft
Personalressourcen und- qualität
Style
Soft
Führungsstil, Unternehmenskultur
3.2
Strategische Planung als Teilsystem des Strategischen Managements
Nachdem eine definitorische Abgrenzung des Begriffsgefüges Strategisches Management vorgenommen wurde, ist nun der Komplex der Strategischen Planung genauer zu untersuchen. Wie ja bereits in den Ausführungen zu der Definition von Bea/Haas erläutert wurde, stellt die Strategische Planung ein zentrales Teilsystem des Strategischen Managements dar. Zunächst zum Planungsbegriff im Allgemeinen: Die betriebswirtschaftliche Literatur liefert vielfältige und zahlreiche Definitionen des Terminus Planung.102 Ohne an dieser
100 101
Vgl. Peters, T.; Waterman, R.H. (Spitzenleistungen 1983), S. 30 ff. Quelle: Vgl. Peters, T.; Waterman, R.H. (Spitzenleistungen 1983), S. 32. 28
Stelle detailliert die verschiedenen Begriffsinhalte im Einzelnen darzustellen, geben folgende Abgrenzungen einen Überblick der grundlegenden, weitgehend einheitlich verstandenen Merkmale: •
Nach Wild wird Planung als "(...) ein systematisches zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur zukünftigen Zielerreichung (...)"103 verstanden.
•
Horváth sieht Planung in Anlehnung an Kosiol104 als "prospektives Denkhandeln" mit dem "zukünftiges Tathandeln" vorweggenommen werden soll. Damit ist Planung gedankliche Zukunftsgestaltung für das Unternehmen.105
•
Küpper definiert Planung in ähnlicher Weise: "Über die gedankliche Vorwegnahme, das Durchdenken künftiger Handlungsmöglichkeiten, der sie begrenzende Rahmenbedingungen, ihrer Wirkungen auf die eigenen Ziele und andere Größen will man Handlungsalternativen finden, analysieren und eine zielentsprechende auswählen. (...) Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis umfasst Planung die Entscheidungsvorbereitung und den Entscheidungsakt, der sich in den Plänen niederschlägt."106
Den dargestellten Definitionen ist gemein, dass sie in einem weiteren Sinne die Zielbildung und das Fällen von antizipativen Entscheidungen einbeziehen.107 "Eine antizipative Entscheidung ist dadurch gekennzeichnet, dass man durch die Wahl geeigneter Handlungsalternativen mögliche künftige Störgrößen kompensiert, bevor sie tatsächlich aufgetreten sind. Demgegenüber stehen reaktive Entscheidungen, bei denen es eine bereits eingetretene Störung zu kompensieren gilt."108 Zusammenfassend ist für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit festzuhalten, dass Planung sich durch den gedanklichen Charakter, den Zukunfts- sowie den Entscheidungsbezug umschreiben lässt. Analog zu der o.g. Definition des Begriffs Management 102
Übersichten zu den unterschiedlichen Definitionen des Planungsbegriffs finden sich beispielsweise bei Syperski/Winand oder bei Mag. Vgl. hierzu Syperski, N., Winand, U. (Unternehmensplanung 1980), S. 32 bzw. Mag, W. (Planung 1993), S. 4. 103 Wild, J. (Unternehmensplanung 1974), S. 13. 104 Vgl. Kosiol, E. (Planung 1967), S. 79. 105 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 158-159. 106 Küpper, H.U. (Controlling 1997), S. 59. 107 Im Gegensatz dazu wird Planung im engeren Sinne als rein auf die Entscheidungsvorbereitung beschränkte Tätigkeit aufgefasst. Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 10; Hammer, R. (Unternehmungsplanung 1982), S. 13. 108 Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999), S. 10. 29
wird Planung in dieser Arbeit ebenfalls in einem funktionalen Zusammenhang verstanden.109 Planung ist zudem ein informationsbeschaffender und -verarbeitender Prozess110, bei dem Informationen111 zur Identifikation von Problemen und zum Treffen von Entscheidungen benötigt werden.112 Die Generierung und Verarbeitung der unterschiedlichen Informationen (z.B. Umweltdaten, unternehmensinterne Daten etc.) findet typischerweise in mehreren Phasen innerhalb des Planungsprozesses statt. Es existieren mehrere Möglichkeiten, Arten der Planung nach unterschiedlichen Kriterien zu unterscheiden. Folgende Differenzierungen sind in der Betriebswirtschaftslehre gängig:113 •
Simultane oder sukzessive Planung: Unterscheidung bezüglich des Koordinationsvorgehens der Planungen für verschiedene Unternehmensteile, Geschäftseinheiten, Perioden oder Planungshierarchien
•
Zentrale oder dezentrale Planung: Differenzierung hinsichtlich der Organisation der Planung
•
Periodische oder fallweise Planung (Projektplanung): Unterscheidung nach Regelmäßigkeit der Planung
•
Rollierende oder nicht-rollierende Planung: Differenzierung nach dem Anpassungsrhythmus
•
Kurzfristige, mittelfristige und langfristige Planung: Unterscheidung bezüglich des Planungszeitraumes
•
Absatz-, Produktions-, Beschaffungs-, Finanz-, Personal-, F&E-Planung: Differenzierung bezüglich der betreffenden Funktionsbereiche eines Unternehmens
•
Strategische, Taktische und Operative Planung: Unterscheidung nach Hierarchie im Planungssystem114
109
Siehe Abschnitt II.3.1.1. Prozess sei als "(...) Folge von Aktivitäten verstanden, die zum Erreichen eines bestimmten, abgrenzbaren Ergebnisses erforderlich sind." Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 14. 111 Nach der in der Betriebswirtschaftslehre gängigen Definition nach Wittmann stellen Informationen zweckgerichtetes Wissen dar. Diese Definition ist Grundlage für den weiteren Verlauf dieser Arbeit. Vgl. Wittmann, W. (Information 1959), S. 14. 112 Vgl. Wall, F. (Planungs- und Kontrollsysteme 1999) S. 13. 113 Vgl. Götze, U. (Szenario-Technik 1991), S. 10 ff.; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 192. 110
30
Letztere Differenzierung ist im Kontext dieser Arbeit von besonderer Relevanz. Ausgehend vom dargestellten Verständnis des Planungsbegriffs im Allgemeinen wird nun der Terminus der Strategischen Planung spezifiziert. Auf Basis der in Abschnitt II.3.1.1 definierten Merkmale des Terminus "Strategie" nach Spengler ist in diesem grundsätzlichen Rahmen der Begriff der Strategischen Planung "(…) die bewusste, frühzeitige und geordnete Vorbereitung eines zu implementierenden Bündels abstrakter Maßnahmen, das an globalen Orientierungsmustern ausgerichtet ist, Freiheitsgrade für in späteren Zeitpunkten zu konkretisierende Maßnahmen belässt sowie wesentliche Relevanz für das System ausweist."115 Die konkreten Charakteristika der Strategischen Planung hat Hammer aus der betriebswirtschaftlichen Literatur synthetisiert. Folgende Merkmale können der Strategischen Planung zugeordnet werden:116 •
Umweltorientierung: Die Strategische Analyse der Umwelt ist ein Kernelement der Strategischen Planung, da sie potenzielle Bedrohungen und Chancen, die sich aus Änderungen in der externen Umwelt des Unternehmens ergeben, systematisch erkundet.
•
Zielbezogenheit: Die Strategische Planung ist eine zielbezogene Planung, da die Diskussion und Formulierung strategischer Ziele (Marktanteil, Wachstum etc.) auf Basis der Umweltanalyse bzw. die Analyse der unternehmenseigenen Stärken und Schwächen sowie weiterer Werte von Unternehmensführung, Kapitalgebern und Mitarbeitern elementare Bestandteile der Planung sind.
•
Flexibilität: Die Strategische Planung ist eine Rahmenplanung, durch die die grundsätzliche Entwicklungsrichtung des Unternehmens formuliert wird. Beim Aufkommen von neuen Informationen bzw. Entwicklungen werden diese flexibel in den Strategischen Plan integriert.
•
Langfristigkeit: Im Hinblick auf die Erfolgswirkung ist die Strategische Planung als langfristig zu bezeichnen, da nachhaltige Entscheidungen für den Un-
114
Ein Planungssystem ist die "(...) geordnete und integrierte Gesamtheit verschiedener Teilplanungen, Planungsträger, Prozesse und anderer Elemente sowie ihrer Beziehungen, die nach einheitlichen Prinzipien aufgebaut und zwecks Erfüllung bestimmter Funktionen miteinander verknüpft sind." Wild, J. (Bestandteile 1973), S. 217. 115 Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 64 ff. 116 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 57-58. 31
ternehmenserfolg als zentraler Fokus im Vordergrund stehen.117 Oftmals wird auch der Planungshorizont als langfristig bezeichnet (5 bis 7 Jahre); dieser kann aber auf Grund von Innovationszyklen oder Branchendynamiken von Unternehmen zu Unternehmen variieren. •
Wettbewerbsorientierung: Eine der Hauptziele der Strategischen Planung ist die Generierung und Verteidigung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.
•
Methodenunterstützung: Zur Durchführung der Strategischen Planung werden spezifische Methoden angewendet, die sich von den Methoden der Operativen Planung unterscheiden.
•
Führungsbezug: Die Strategische Planung ist eine Kernaufgabe der Unternehmensführung und elementarer Bestandteil des Strategischen Managements.
•
Einbezug qualitativer Faktoren: Im Gegensatz zur Operativen Planung kann die Strategische Planung auch qualitative Einflussgrößen integrieren.
•
Prozessorientierung: Der Prozess der Strategischen Planung läuft in mehreren Phasen ab. Typischerweise besteht dieser Prozess aus den Schritten:118 – (Zielbildung)119 – Umweltanalyse – Unternehmensanalyse – Strategiewahl – Strategieimplementierung Umwelt- und Unternehmensanalyse werden zusammen als Strategische Analyse bezeichnet.120
117
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 63, der sich u.a. Wittmann zitiert. Vgl. Wittmann, W. (Betriebswirtschaftslehre 1982), S. 228. 118 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 49. Ähnlich auch bei Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 152. 119 Über die Integration der Zielbildung in den Prozess der Strategischen Planung gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Beispielsweise sehen Ansoff oder Hofer/Schendel die Phase der Zielbildung nicht als Bestandteil des Strategischen Planungsprozesses wohingegen Hinterhuber und Kreikebaum, H. diese explizit integrieren. Vgl. dazu: Ansoff, H.I. (Corporate Strategy 1965), S. 202; Hofer, C.W., Schendel, D (Strategy 1978), S. 52; Hinterhuber, H. (Unternehmungsführung 1992), S. 25 ff.; Kreikebaum, H. (Unternehmensplanung 1993), S. 32 ff. 120 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 49; Pümpin, C. (Strategische Erfolgspositionen 1992), S. 87 ff.; Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 3; Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 70. 32
Formales Resultat der Strategischen Planung ist der Strategische Plan. Trotz eingeschränkter Standardisierbarkeit ist es auf Grund der Nachvollziehbarkeit, Vergleichbarkeit und Kontrollfähigkeit notwendig, eine solche Formalisierung vorzunehmen. Ebenso wie der Prozess der Strategischen Planung besteht der Strategische Plan aus unterschiedlichen Elementen:121 •
Leitbild und Aufgabenbereiche
•
Umweltanalyse und -prognose (inkl. Konkurrenzanalyse und -prognose)
•
Unternehmenseigene Stärken-/Schwächenanalyse und -prognose
•
Ist-Portfolio und Ziel-Portfolio
•
Maßnahmen (Aktionspläne)
•
Organisatorischen Konsequenzen
•
Wenn-/Dann-Pläne
•
Kosten-/Nutzen-Schätzungen
Die Strategische Analyse, die wie bereits erwähnt aus Umwelt- und Unternehmensanalyse besteht, stellt ein wichtiges Kernelement der Strategischen Planung bzw. ihre formalisierten Ergebnisse einen essentiellen Bestandteil des Strategischen Plans dar. Ihr Zweck ist die Gewinnung von Informationen über Art, Stärke und Zusammenspiel der Einflusskräfte von Umwelt und Unternehmung sowie deren zukünftige Entwicklung.122 Von besonderer Bedeutung für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist das Teilgebiet der Umweltanalyse, welches im nächsten Abschnitt dargestellt wird. 3.3
Die Analyse der Unternehmensumwelt als Kernelement der Strategischen Analyse
Die Umweltanalyse soll im Rahmen der Strategischen Analyse Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) aufzeigen, die sich auf Grund von Konstellationen und Entwicklungen der Faktoren der Unternehmensumwelt ergeben. Die Unternehmensanalyse hingegen fördert die eigenen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) zu Ta-
121 122
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 59-60. Vgl. Pümpin, C. (Strategische Erfolgspositionen 1992), S. 103; Kreilkamp, E. ( Strategisches Management 1987), S. 69; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 109; Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 113.
33
ge.123 Von Relevanz für die Themenstellung dieser Arbeit ist die Umweltanalyse, so dass eine weitere Vertiefung der Unternehmensanalyse124 nicht vorgenommen wird. Im Rahmen jedes einzelnen Prozessschrittes der Strategischen Planung, also auch bei der Umweltanalyse, kommen verschiedene Planungstechniken und -methoden zum Einsatz.125 Prinzipiell ist bei der Umweltanalyse zu unterscheiden, ob der Fokus dieser Techniken auf einer Momentaufnahme der aktuellen Komplexität des Unternehmens-/Umweltgefüges liegt oder auf der Adressierung von Umweltdynamiken und in diesem Zusammenhang der Antizipation von zukünftigen Veränderungen der Unternehmensumwelt. Da in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nicht explizit zwischen diesen beiden Schwerpunkten unterschieden wird, soll an dieser Stelle eine eigene Differenzierung erfolgen. •
Deskriptive Umweltanalyse - dient dazu die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und der Umwelt in einer "Stichtagsbetrachtung" abzubilden. Sowohl die Ermittlung der relevanten Einflusskräfte als auch die Beschreibung der Abhängigkeiten dieser Einflusskräfte untereinander und zum Unternehmen sind das Ziel. Unter diesem Überbegriff können die Methoden der Stakeholder-Analyse, der Markt-/Kundenanalyse und der Branchenanalyse sowie die deskriptive Analyse der allgemeinen Umwelt subsumiert werden.
•
Antizipative Umweltanalyse - fokussiert auf die zukünftigen Veränderungen der Einflusskräfte der Unternehmensumwelt. Ziel ist es, möglichst treffend die potenziellen Entwicklungstendenzen zu bestimmen und deren Eintreffen zu überwachen. Grundsätzlich sind hierbei Prognosen von Projektionen und Prophezeiungen zu differenzieren.126 Prognostische Aussagen basieren dabei"(..) auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer Theorie zur Erklärung dieser Beobachtungen sowie der Annahme der Fortgeltung der Erklärungszusammenhänge."127 Damit stützen sich Prognosen auf die sog. Zeitstabilitätshypothese,
123
Vgl. Aaker, D.A. (Strategies1984), S. 2. Wir verweisen zur näheren Beschäftigung mit der Unternehmensanalyse auf die zusammenfassenden Werke von Mauthe und Aeberhard. Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984) bzw. Aeberhard, K. (Strategische Analyse 1996). 125 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 54-55. Hier findet sich auch eine tabellarische Übersicht über die Planungstechniken der einzelnen Phasen des Strategischen ManagementProzesses. 126 Vgl. u.a. Schanz, G. (Betriebswirtschaftslehre 1975), S. 75 ff.; Kosiol, E. (Planung 1975), S. 46 f. 127 Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 254. 124
34
die besagt, dass die Prämissen und das Systemverhalten stabil bleiben.128 Bei Projektionen fehlt im Gegensatz zur Prognose die generelle Gesetzesaussage, an deren Stelle tritt eine Ad-hoc-Annahme über die Fortschreibung von Vergangenheitswerten in die Zukunft. Projektionen haben in der Praxis (Trendextrapolationen, Korrelationsrechnungen) und innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (Ökonometrie) einen vergleichsweise hohen Stellenwert, wenngleich das Fehlen einer allgemein gültigen theoretischen Grundlage die Gefahr birgt, dass plötzliche Trendbrüche (z.B. Börsencrash) oder Nonsens-Korrelationen (in Schweden wurde eine statistisch signifikante Beziehung zwischen dem Auftreten von Störchen und der Geburtenrate errechnet) die Gültigkeit der Vorhersagen relativieren.129 Prophezeiungen sind in Differenzierung zu Prognose und Projektion als die (aus wissenschaftlicher) Perspektive schwächste Form von Vorhersagen anzusehen, da weder Gesetzesaussagen noch Ad-hoc-Hypothesen, sondern lediglich ungestützte Vermutungen vorliegen.130 Beide Kategorien der Umweltanalyse bedingen sich gegenseitig und sind in der Praxis kaum separat durchführbar. Um Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Einflusskräften zu erlangen, ist es essentiell diese zu kennen und über die Interdependenzen mit dem Unternehmen informiert zu sein. Umgekehrt wäre eine reine Stichtagsbetrachtung der Unternehmensumwelt nur dann sinnvoll, wenn sich keinerlei Verschiebungen der Einflussgrößen der Umwelt auf das Unternehmen ergeben. Dennoch erscheint es für das Ziel dieser Arbeit sinnvoll, diese synthetische Trennung aufrechtzuerhalten, da sonst eine präzise Verortung der Antizipationsmethoden in die Strategische Planung bzw. Strategische Analyse nicht möglich wäre. Bevor also auf die Methodiken und Instrumente zur Antizipation von zukünftigen Entwicklungen, die ja den eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit darstellen, eingegangen werden kann, ist es daher eine Grundvoraussetzung, die Konzepte zur deskriptiven Umweltanalyse grob aufzuzeigen. Wir folgen dabei Müller-Stewens, der vorschlägt, der eigentlichen Auswertung der Einflusskräfte der Umwelt auf das Unternehmen eine einfach durchzuführende Anspruchs-
128
Vgl. Brockhoff, K. (Prognosen 1993), S. 560 ff. Vgl. Schanz, G. (Betriebswirtschaftslehre 1975), S. 94 ff. 130 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 43 129
35
gruppen- oder Stakeholder Analyse voranzustellen, um so schnell zu einer Grobstrukturierung der Aufgabenumwelt zu gelangen.131 Dabei baut die Anspruchsgruppenanalyse "(...) auf dem historisch gewachsenen Verständnis eines Unternehmens über seine Anspruchsgruppen auf (...)"132 und verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: •
Identifikation der relevanten Anspruchsgruppen
•
Klärung der Bedeutung der Anspruchsgruppen für das Unternehmen
•
Ermittlung der Erwartungen der Anspruchsgruppen und potenzieller Nutzen für die Unternehmen
Im Anschluss an die Anspruchgruppenanalyse, folgt eine "Tiefenbohrung" der relevantesten Anspruchsgruppen, in der die ermittelten Ergebnisse durch den Einsatz von Analyseinstrumenten verfeinert werden. Für die weitere Reflexion der Aufgabenumwelt wird diese in drei weitere Analyseebenen unterteilt, die separat betrachtet werden. Dies ist in nachfolgender Abbildung veranschaulicht.
131 132
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 126 ff. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 127. 36
Reflexion der Anspruchsgruppen der Umwelt
Aufgabenumwelt Kunden und Absatzmärkte
Wettbewerber und Branche
Weitere Anspruchsgruppen
Allgemeine Umwelt
Abb. II-3: Bereiche der Umweltanalyse133 3.3.1
Die Analyse der Aufgabenumwelt
Kunden und Absatzmärkte Kunden und ihre Aggregation in Absatzmärkten sind wohl für das Unternehmen die zentralste aller Anspruchsgruppen. "Der Absatzmarkt einer Unternehmung (...) ist (...) zu verstehen als die Gesamtheit jener Bedarfsträger, an die sich die Unternehmung als potentielle Abnehmer ihrer Leistungen wendet, um sie durch die Gestaltung ihres Angebots und den aktiven Einsatz ihrer Absatzinstrumente zum Kauf ihrer Leistungen zu veranlassen. Der Markt einer Unternehmung ist deshalb nicht eine von vorneherein gegebene Größe, ein Datum, sondern muss von ihr gesucht und bestimmt und durch aktive Maßnahmen vom potenziellen in einen realen Markt verwandelt werden."134 Demzufolge ist es essentiell, die Spezifika des Marktes auf dem das Unternehmen agiert zu bestimmen. Kotler hat zu diesem Zweck sechs zentrale Fragestellungen entwickelt, deren Beantwor-
133
Quelle: Leicht modifiziert nach Müller-Stewens. Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 133. 134 Hill, W. (Marketing 1982), S. 16. 37
tung zu einer Grobcharakterisierung des für das Unternehmen relevanten Marktes führt, was in Tab. II-4 übersichtsartig dargestellt ist. Tab. II-4: Fragestellungen zur Charakterisierung eines Marktes135 Fragestellung
Analyseziel
Wer bildet den Markt?
Marktteilnehmer
Was wird auf dem Markt gekauft?
Kaufobjekte
Wann wird gekauft?
Kaufanlässe
Wer tätigt den Kauf?
Kaufakteure
Warum wird gekauft?
Kaufziele
Wie wird gekauft?
Kaufpraktiken
Um jedoch den betreffenden Markt genauer zu charakterisieren, ist es notwendig eine differenziertere Marktsegmentierung vorzunehmen, weil innerhalb einzelner Markttypen (z.B. Konsumgütermarkt) unterschiedliche Käuferschichten mit individuellen Bedürfnissen existieren. Laut Kuss/Tomczak ist Marktsegmentierung die "(...) Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in relativ homogene Käufergruppen mit dem Ziel der differenzierten Ansprache dieser Gruppen"136 Dabei nutzt man Kriterien unterschiedlicher Kategorien, wie Eigenschaften von Menschen (Alter, Geschlecht, Familiengröße etc.), Kaufsituation (Kaufvolumen, Markentreue, Nutzungszweck etc.) und Käuferbedürfnissen (Preis-/Markenpräferenzen, Qualitätsanspruch etc.), um das Leistungsangebot den jeweiligen Zielsegmenten anpassen zu können.137 Wettbewerber und Branche Neben der Analyse des Kunden bzw. der Nachfrageseite des Marktes ist es im Zuge einer Umweltanalyse ebenso notwendig, die Angebotsseite des Marktes zu beleuchten. Eine Untersuchung der Wettbewerbsumwelt in Form der jeweiligen Branche liefert Hinweise über die eigene Marktpositionierung und gegebenenfalls Ansätze zur Verbesserung der Wettbewerbsstellung.138
135
Quelle: Vgl. Kotler, P. (Marketing Management 1994). Kuss A., Tomczak, T. (Marketingplanung 1998), S. 51. 137 Vgl. Kuss A., Tomczak, T. (Marketingplanung 1998), S. 54. 138 Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 136. 136
38
Eine Branche ist eine Anzahl von Unternehmen, die Güter herstellen oder Dienstleistungen anbieten, die untereinander substituierbar sind.139 Die Analyse der Attraktivität einer Branche und die Ausgestaltung der Wettbewerbsstrategie sind vor diesem Hintergrund zentrale Fragestellungen, die Michael. E. Porter in seinem Strategiekonzept bearbeitet.140 In seinem industrieökonomisch fundierten Modell bestimmt Porter fünf Einflusskräfte ("Five Forces"). "The collective strength of these forces determines the ultimate profit potential in the industry, where profit potential is measured in terms of long run return on invested capital."141 Für Porter sind diese Einflusskräfte und die Wahl der passenden Strategie die entscheidenden Parameter für wirtschaftlichen Erfolg. Einflussfaktoren aus der globalen Umwelt nimmt Porter als Konstante an, die auf alle Unternehmen in gleichem Maße wirken und die nicht explizit in der Wahl einer Strategie berücksichtigt werden. Das Modell der "Five Forces", welches in nachfolgender Abb. II-4 veranschaulicht ist, wird im Folgenden als etabliertes Konzept zur Analyse der Wettbewerbsumwelt dargestellt.
139
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 5. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Advantage 1985), S. 1. 141 Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 3. 140
39
Neue Anbieter
Bedrohung durch neue Anbieter
Verhandlungsmacht der Lieferanten
Wettbewerber in der Branche
Lieferanten
Verhandlungsmacht der Abnehmer Abnehmer
Rivalität zwischen existierenden Unternehmen Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienstleistungen
Ersatzprodukte
Abb. II-4: Modell der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter142 Die Bedrohung durch neue Anbieter, die noch nicht im Markt etabliert sind, aber einen Markteintritt erwägen, ist die erste der fünf Einflusskräfte, die Porter beschreibt. Durch neue Anbieter werden zusätzliche Kapazitäten auf den Markt gebracht, die den Verlust von Marktanteilen und eine Reduktion der Profitabilität (bedingt durch sinkende Preise) für die bestehenden Anbieter einer Branche nach sich ziehen können. Nicht nur die Profitabilität einer Branche determiniert das Niveau der Bedrohung durch neue Anbieter, sondern auch die zu erwartenden Reaktionen der bestehenden Unternehmen und die Markteintrittsbarrieren. Porter identifiziert sechs Kategorien von potenziellen Hürden für den Markteintritt:143 •
Economies of Scale: Darunter ist ein Stückkostenvorteil zu verstehen, der mit zunehmender Ausbringungsmenge (bessere Auslastung begrenzt durch Maximalkapazität) durch Fixkostendegression entsteht. Bei fixkostenintensiven Branchen (z.B. Chemie, Montan) ist dieser Effekt demzufolge besonders hoch. Für neue Anbieter bedeutet dies, dass sie gezwungen sind, entweder direkt mit hohen Stückzahlen auf den Markt zu kommen, was hohe und potenziell ris-
142
Übersetzung durch Verfasser. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Advantage 1985), S. 5 bzw. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980) S. 4. 143 Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 7 ff. 40
kante Investitionen erfordert oder einen strukturellen Kostennachteil bei niedrigeren Stückzahlen zu akzeptieren, was ihre Konkurrenzfähigkeit mindert. •
Produktdifferenzierung: Etablierte Unternehmen einer Branche verfügen über einen bestehenden Kundenstamm mit entsprechender Marken- und Produktreue. Dies ist ein Resultat aus Marketing- und Vertriebsaktivitäten der Vergangenheit. Für neue Anbieter hat dies zur Konsequenz, dass sie erhebliche Ressourcen in Kundenakquisition und Marketing investieren müssen, was mit einem erheblichen Risiko assoziiert ist, da derartige Investitionen in Falle des Scheiterns keinen oder nur geringen Liquidationserlös abwerfen.
•
Kapitalanforderungen: Als neuer Marktteilnehmer ist es insbesondere in ressourcenintensiven Branchen notwendig Investitionen u.a. zum Aufbau von Kapazitäten, für Forschung und Entwicklung oder für das Marketing zu tätigen. Neue Anbieter benötigen daher eine hohe Kapitalausstattung zur Finanzierung dieser relativ risikoreichen Investitionen und zur Deckung der Verluste, die insbesondere in den ersten Jahren anfallen ("Start-up-Losses"). Sollte die Kapitaldecke des Marktneulings nicht für diese Investitionen ausreichen, ergibt sich ein weiterer struktureller Nachteil, da er gezwungen ist über den Kapitalmarkt zu finanzieren, wo auf Grund des relativ höheren Risikos eine entsprechende Risikoprämie zu zahlen wäre.
•
Skalenunabhängige Kostennachteile: Etablierte Firmen haben, unhabhängig von den Economies of Scale, weitere strukturelle Kostenvorteile, die nicht durch den Neuanbieter replizierbar sind. Durch Faktoren, wie proprietäre Produkttechnologien und -standards, Erfahrungsvorteile (Lernkurveneffekte), staatliche Subventionen und vorteilhafter Zugang zu Ressourcen, können etablierte Unternehmen den Raum für Branchen-Neueinsteiger stark verknappen. Insbesondere, wenn durch Standards oder Patente, die die Kunden in Form der Produkte nutzen, der Markt "verschlossen" wurde (z.B. Microsoft), entstehen neben den Kostennachteilen für das Unternehmen auch Umstellungskosten beim Kunden, was tendenziell zu einer geringeren Akzeptanz der neuen Produkte führt.
•
Vertriebskanäle: Für einen neuen Anbieter ist es essentiell, seine Produkte über die entsprechenden Groß- und Einzelhandelsstrukturen zu platzieren. Da anzunehmen ist, dass existierende Unternehmen bereits eng mit dem Handel verwoben sind, muss der Neuankömmling versuchen durch attraktive Rabatte 41
oder Werbekostenzuschüsse sicherzustellen, dass die Produkte auch platziert werden. Eine andere Alternative ist der Aufbau einer eigenen Vertriebsstruktur. In jedem Fall hat der neue Anbieter einen Profitabilitätsnachteil gegenüber den existierenden Unternehmen. •
Staatliche Politik: Diese kann für neue Anbieter eine weitere Barriere für den Markteintritt darstellen. Insbesondere durch Reglementationen in der Lizenzvergabe (regulierte Industrien) oder Einschränkungen für die Bezugsmöglichkeiten von Rohmaterial (Bergbau) können neue Anbieter vom Brancheneintritt abgehalten werden. Auch durch das Festlegen von Sicherheits- und Umweltstandards (Energiebranche) werden die Eintrittshürden durch den Staat teils markant hoch gehalten.
Im weiteren Sinne werden die Unternehmen einer Branche auch von Firmen bedroht, die Ersatzprodukte anbieten. Ersatz- oder Substitutionsprodukte sind Güter, welche die Funktionen bestehender Güter gleichwertig ersetzen können (z.B. Zucker - Süßstoff) und somit in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Ersatzprodukte limitieren die Möglichkeit zu Preissteigerungen bei den Gütern der bedrohten Branche. Je besser das Preis/Leistungsverhältnis des Substitutionsprodukts, desto gefährlicher werden Anbieter dieser Produkte für die Branche, da dies eine Änderung des Käuferverhaltens nach sich ziehen kann.144 Lieferanten sind ebenfalls eine entscheidende Determinante für die Profitabilität einer Branche, da sie Güter und Dienstleistungen verkaufen, die elementarer Bestandteil des Wertschöpfungsprozesses sind. Der Preis und die Qualität der von Lieferanten bezogenen Produkte haben demzufolge eine direkte Wirkung auf Gewinnmarge und Qualität. Ergo ist die Verhandlungsmacht der Lieferanten, also die Fähigkeit Preise zu erhöhen oder Qualität zu reduzieren, eine wichtige Einflussgröße aus der unmittelbaren ökonomischen Umwelt. Porter bestimmt fünf grundsätzliche Faktoren, die die Verhandlungsmacht der Lieferanten determinieren:145 •
Konzentrationsgrad: Bestehen nur wenige Zulieferunternehmen für die benötigten Produkte oder Dienstleistungen, haben diese eine höhere Verhandlungsmacht gegenüber den Abnehmern.
144 145
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 23-24. Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 27-29. 42
•
Substitutionsprodukte: Die Existenz potenzieller Ersatzprodukte bzw. deren Anbieter schränken die Verhandlungsmacht der Lieferanten ein.
•
Standardisierungsgrad: Je standardisierter die Produkte und Dienstleistung der Lieferanten ausgestaltet sind, desto leichter sind die Anbieter für die beziehenden Unternehmen austauschbar, da Umstellungskosten in diesem Falle nicht anfallen. Umgekehrt erhöhen hochspezifische Zulieferprodukte die potenziellen Umstellkosten und damit die Verhandlungsmacht der Lieferanten.
•
Bedeutung der Lieferanten: Falls die Produkte des Lieferanten eine wichtige Rolle im Wertschöpfungsprozess des beziehenden Unternehmens spielen, hat der Lieferant eine hohe Verhandlungsmacht. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die bezogenen Produkte nicht oder eingeschränkt lagerfähig sind.
•
Vorwärtsintegration: Bezeichnet die Möglichkeit des Lieferanten eine Ausweitung der Aktivitäten in die betreffende Branche hinein glaubhaft darzustellen. Durch dieses Drohpotenzial kann er seine Verhandlungsmacht steigern.
Porter trifft die Annahme, dass Abnehmer von Produkten versuchen, stetig niedrige Preise, höhere Qualität und mehr Service bei den Unternehmen durchzusetzen. Dies beeinflusst prinzipiell die Profitabilität bei den Unternehmen. Inwiefern die Käufer bzw. Käufergruppen in der Lage sind, ihre Vorstellungen durchzusetzen, hängt, analog zu den Lieferanten, von deren Verhandlungsmacht ab. Daher lassen sich die o.g. Argumente in umgekehrter Form wieder finden. Der Konzentrations- und Standardisierungsgrad, die Möglichkeit der Produktsubstitution, die Bedeutung der Kunden für das Unternehmen sind daher genauso relevant, wie die Gefahr, dass die Abnehmer mittels Rückwärtsintegration in die Branche eindringen. Gesondert zu erwähnen ist der Faktor der Markttransparenz. Je besser die Kunden das Angebot einer Branche kennen und somit Vergleiche zwischen den einzelnen Produkten verschiedener Anbieter durchführen können, desto stärker ist deren Verhandlungsposition.146 Die fünfte und letzte Einflusskraft in der Konzeption Porters ist die Rivalität zwischen den existierenden Wettbewerbern in der Branche. "Rivalry occurs, because one or more competitors either feel the pressure or sees the oppurtunity to improve position."147 In den meisten Branchen haben Änderungen des Verhaltens von einzelnen Unternehmen, sei es durch modifizierte Preise oder bessere Qualität, Auswirkungen auf die anderen Unter-
146 147
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 24-27. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 17. 43
nehmen des Marktes, die ihrerseits das eigene Verhalten ändern, um so auf die Aktionen der Konkurrenz zu reagieren. Die Intensität der Rivalität innerhalb einer Branche hängt von einer Reihe interdependenter struktureller Faktoren ab, von denen die wichtigsten im Folgenden kurz beschrieben werden:148 •
Wachstum der Branche: In prosperierenden Branchen ist der Rivalitätsgrad zwischen den Unternehmen vergleichsweise gering, da das Marktvolumen stetig wächst. In stagnierenden Branchen kommt es hingegen zu Verteilungskämpfen und Verdrängungswettbewerb.
•
Ausmaß der Produktdifferenzierung: Bei homogenen Produkten, die es dem Kunden leicht machen, auf Grund fehlender Umstellkosten den Anbieter zu wechseln, erhöht sich der Anreiz für die Unternehmen durch aggressive Marketingpolitik, Kunden von der Konkurrenz abzuwerben, was sich in einem erhöhten Rivalitätsgrad ausdrückt.
•
Ausmaß der Überschusskapazität: Die Rivalität zwischen Anbietern einer Branche ist insbesondere hoch, wenn Überkapazitäten aufgebaut wurden. Es wird versucht, durch aggressive Preispolitik die Überkapazitäten auszulasten, um so die Wettbewerber durch Skaleneffekte aus dem Markt zu drängen.
•
Austrittsbarrieren: Austrittsbarrieren sind ökonomische, strategische oder emotionale Faktoren, die Unternehmen dazu veranlassen, weiterhin in einem Geschäftsfeld tätig zu sein, obwohl nur niedrige oder negative Renditen erwirtschaftet werden. Die Existenz von Austrittsbarrieren erhöht den Grad an Rivalität innerhalb einer Branche. Insbesondere wenn auf Grund hoher Spezifizität des Anlagevermögens eine Liquidation kaum Erlöse bringen würde, wenn hohe Kostenbelastungen auf Grund von Verträgen oder Gewährleistungspflichten bei einer Abwicklung des Unternehmens zu erwarten sind oder wenn das Management aus persönlichen oder sozialen Gründen nicht gewillt ist, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, entstehen dementsprechende Austrittsbarrieren.
Mit dem Modell von Porter ist es möglich die unmittelbar auf das Unternehmen wirkenden Einflusskräfte aus der Branchenumwelt strukturiert zu erfassen.
148
Vgl. Porter, M. E. (Competitive Strategy 1980), S. 17-23. 44
In der unmittelbaren Unternehmensumwelt gibt es zudem noch weitere wichtige Anspruchsgruppen die im Rahmen einer Stakeholder-Analyse typischerweise immer wieder genannt werden. Weitere Anspruchsgruppen Die Umweltbeziehungen eines Unternehmens beschränken sich nicht nur auf die Kunden und Konkurrenten und Lieferanten, sondern schließen eine Reihe weiterer Anspruchsgruppen ein. Dazu sind beispielsweise staatliche Stellen und Behörden und insbesondere die Kapitalgeber zu zählen. Exemplarisch wird an dieser Stelle die Analyse dieser wichtigen Anspruchsgruppe vertieft, da im Regelfall ein ständiger Kontakt zwischen diesen und dem Unternehmen besteht:149 Wenn die zur Finanzierung von Aktivitäten notwendigen Mittel durch ein Unternehmen nicht selbst erwirtschaftet werden, wird je nach Bedarfslage auf (zusätzliches) Eigenoder Fremdkapital zurückgegriffen. In der Regel erfolgt die Vergabe von Fremdkapital als Kreditfinanzierung über Kreditinstitute während für die Eigenkapitalfinanzierung (abhängig von der Rechtsform) verschiedene Kapitalgeber (private Investoren, institutionelle Investoren, wie Pensionskassen, Versicherungen etc.) zur Verfügung stehen. Da gewissermaßen ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Unternehmen und den Kapitalgebern besteht, ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die Beziehung zwischen Unternehmen und tatsächlichen bzw. potenziellen Kapitalgebern gepflegt wird. Dies wird gemeinhin unter dem Begriff der Investor Relations zusammengefasst. Dabei wird je nach Finanzierungsquelle zwischen "Creditor Relations" (Anspruchsgruppen, die Fremdkapital anbieten) und "Stockholder Relations" (Anspruchsgruppen, die Eigenkapital anbieten) unterschieden.150 Die Kenntnis der Anlagemotive, der strategischen Ziele und weiterer Faktoren ist für das Unternehmen eine wichtige externe Einflussgröße und sollte daher in der Analyse der Aufgabenumwelt berücksichtigt werden. In Tab. II-5 werden die wichtigsten Faktoren, die im Zuge einer Analyse der Kapitalgeber adressiert werden sollten, genannt.
149 150
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 145. Vgl. Tiemann, K. (Investor Relations 1997), S. 4.
45
Tab. II-5: Faktoren bei der Analyse von Kapitalgebern151 Fremdkapitalanbieter
Eigenkapitalanbieter
Ziele und Rentabilitätskriterien
Ziele und Rentabilitätskriterien
Produktportfolio
Zeithorizont der Anlage
Expertise und Beratungskompetenz
Risiko-/Gewinnerwartungen
Konditionen
Einflussmöglichkeiten
Verhalten bei Kreditausfällen
Verhalten bei negativen Informationen
Vertrauensverhältnis zu Schlüsselpersonen
Informationsbedarf
Durch die vorangegangen Ausführungen dieses Abschnittes haben wir aufgezeigt, wie eine Analyse der Aufgabenumwelt typischerweise auf den einzelnen Ebenen durchgeführt wird. In Differenzierung dazu steht die Analyse der allgemeinen Umwelt. Diese stellt den Fokus dieser Arbeit dar und wird im nächsten Abschnitt kurz konzeptionell beschrieben 3.3.2
Die Analyse der allgemeinen Umwelt
Bevor die einzelnen Einflussfaktoren dargestellt werden, sei an dieser Stelle herausgestellt, dass die auf Seite 33 f. dargestellte Differenzierung zwischen deskriptiver und antizipativer Umweltanalyse bezüglich der Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt auf den ersten Blick problematisch erscheint, da in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Bestandteile beider Bereiche nicht überschneidungsfrei dargestellt werden. Steinmann/Schreyögg fordern auf Basis einer Bestandsaufnahme der wesentlichen Charakteristika und der Ausarbeitung der Querverbindungen zwischen den einzelnen Einflussgrößen (Cross-Impact-Analyse152) ebenfalls eine Identifikation der zukünftigen Entwicklungen, ohne jedoch zu explizieren, welche Instrumente vor diesem Hintergrund einzusetzen sind.153 Müller-Stewens formuliert das Ziel der Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt in der Identifikation der aktuell dominierenden Trends und Entwicklungen und in der Abschätzung der Auswirkungen auf die einzelnen Anspruchsgruppen des Unternehmens,
151
Quelle: Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 147-148. Zu näheren Beschreibung der Cross-Impact-Analyse siehe Abschnitt IV.2.3.2.3 153 Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G. (Management 1993), S. 161. 152
46
verlagert aber die Ausarbeitung der zukünftigen Entwicklungen auf Frühaufklärung und Szenario-Analyse.154 Bea/Haas schlagen vor, die Analyse der allgemeinen Umwelt entlang folgender zwei Kernfragestellungen zu strukturieren. 1. Welche Indikatoren bilden die Entwicklung der Unternehmensumwelt gut ab? 2. Wie kann die Veränderung der Indikatoren prognostiziert werden?155 Für diese Arbeit ist die Differenzierung nach Bea/Haas geeignet, da dies im Wesentlichen der Aufteilung zwischen deskriptiver und antizipativer Umweltanalyse entspricht. In diesem Zusammenhang werden in diesem Abschnitt die wichtigsten Indikatoren der einzelnen Segmente der allgemeinen Umwelt dargestellt. Die Beschäftigung mit der Antizipation zukünftiger Entwicklungen ist Kernstück dieser Arbeit und wird im weiteren Verlauf explizit behandelt. Wie bereits dargestellt wurde, lässt sicht die allgemeine Umwelt in die vier Segmente technologische Umwelt, politisch-rechtliche Umwelt, makro-ökonomische Umwelt und sozio-kulturelle Umwelt aufgliedern. Diese Bereiche mit ihren Einflussfaktoren bilden den Bezugsrahmen für die Analyse der allgemeinen Umwelt. Zwischen den einzelnen Segmenten existieren teilweise Abhängigkeiten, die eine eindeutige Zuweisung der einzelnen Einflusskräfte erschweren. Beispielsweise wirken sich Veränderungen in der Steuergesetzgebung (politisch-rechtliches Segment) auf das Nachfrageverhalten (makro-ökonomisches Segment) aus. In Tab. II-6 werden beispielhaft wichtige Indikatoren innerhalb der einzelnen Segmente dargestellt. Tab. II-6: Segmente der allgemeinen Umwelt und Beispiele für Indikatoren156 Technologisches
Politisch-recht-
Makro-ökono-
Sozio-kulturelles
Segment
liches Segment
misches Segment
Segment
Produktinnovatio-
Unternehmensver-
Inflationsrate
Bevölkerungsent-
nen
fassung
Prozessinnovatio-
Steuerrecht
wicklung Zinssätze
Altersstruktur
nen
154
Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149 ff. Frühaufklärung und Szenario-Analyse werden in den Abschnitten IV.2.3.1 bzw. IV.2.3.2 detailliert beschrieben. 155 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 88. 156 Vgl. Müller-Stewens, G., Lechner, C. (Strategisches Management 2001), S. 149 und Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 89. 47
Veralterungsrate
Patentrecht
Sparraten
Geografische Verteilung
Konvergenz
von Produzentenhaf-
Technologien
tung
Patentanmeldun-
Regulation
gen
Arbeitslosigkeit
Mobilitätsverhalten
Infrastrukturver-
Einkommensver-
fügbarkeit
teilung
Politische Stabili- Rohstoffversor-
Konsumverhalten
tät
gung
Verflechtung
Wechselkurse
Arbeitseinstellung
Bruttosozialpro-
Ökologische Ori-
dukt
entierung
Politik/Wirtschaft Subventionspolitik
Wir verzichten an dieser Stelle auf eine weitere Explikation der einzelnen Faktoren bzw. Einflussgrößen der allgemeinen Unternehmensumwelt und adressieren diesen Sachverhalt im Rahmen der Charakterisierung der allgemeinen Umwelt am Beispiel der Finanzdienstleistungsunternehmen im nächsten Kapitel.157 Die Darstellung der antizipativen Analyse der allgemeinen Unternehmensumwelt, welche ein weiterer Hauptschwerpunkt dieser Arbeit ist, verlagern wir auf das Kapitel IV.
157
Siehe Abschnitt III.3. 48
III. Finanzdienstleistungsunternehmen – eine Charakterisierung unter besonderer Berücksichtigung ihrer allgemeinen Unternehmensumwelt 1. Definitorische Grundlagen zum Themenkomplex Dienstleistungsunternehmen Bevor auf die Spezifika von Finanzdienstleistern eingegangen wird, soll zuerst ein grundlegendes Verständnis vom Begriff Dienstleistung gebildet werden. Zudem wird geklärt, welche Arten von Unternehmen zum Dienstleistungssektor im hier zu Grunde gelegten Sinn zu zählen sind. 1.1
Zum Terminus der Dienstleistung
Zwar existiert in der Wirtschaftswissenschaft eine Vielzahl von Ansätzen zur Systematisierung des Begriffs Dienstleistung, doch fehlt bis heute eine allgemein anerkannte und universell gültige Definition158 auf Basis von konstitutiven Merkmalen.159 In eine tiefe Diskussion zur eigentlichen definitorischen Abgrenzung soll in dieser Arbeit nicht eingestiegen werden,160 allerdings ist es auf Grund der zentralen Stellung des Terminus Dienstleistung notwendig, zumindest einen Überblick über die verschiedenen Ansätze zu geben. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, in Anlehnung an Corsten, zuerst Klarheit über den Gutscharakter von Dienstleistungen zu gewinnen. Dienstleistungen sind ein Wirtschaftsgut, d.h. sie unterliegen dem Charakteristikum eines jeden Gutes nämlich der Nutzenstiftung und sind zudem im Gegensatz zu einem freien Gut knapp und daher mit einem Preis (als Folge des Nutzens und der Knappheit) belegt.161 Die Systematisierungsübersicht in Abb. III-1 unterteilt die Wirtschaftsgüter in Kategorien:
158
Vgl. u.a. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3; Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 3. Neben der Definition des Dienstleistungsbegriffs anhand konstitutiver Merkmale (Kriterien) gibt es noch zwei weitere Gruppen von Definitionsansätzen: Zum einen ist dies die enumerative Definition, d.h. Spezifikation durch Aufzählung von Dienstleistungsbeispielen, zum anderen die Negativdefinition, d.h. es werden die materiellen Güter von der Summe aller Güter ausgeschlossen. Da diese Definitionsansätze in der Wissenschaft kaum verwendet werden, erfolgt keine Einbeziehung. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 17 ff. 160 Eine detaillierte Darstellung des Diskussionstands zur Definition des Dienstleistungsbegriffs findet sich u.a. bei folgenden Autoren: Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3 ff.; Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 15 ff.; Bruhn, M (Dienstleistungen 1997), S. 9 ff.; Maleri, R. (Dienstleistungsproduktion 1994), S. 1 ff. 161 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 19. 159
49
Geld Nominalgüter
Darlehenswerte Beteiligungswerte
Reinformen
Materielle
Realgüter Dienstleistungen
Wirtschaftsgüter Immaterielle
Arbeitsleistungen Rechte (Patente, Lizenzen)
Mischformen (Leistungsbündel)
Abb. III-1: Gütersystematik162 Eine Dienstleistung würde in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Reinform eines immateriellen Realgutes darstellen. Immaterialität wird vor diesem Hintergrund in den Wirtschaftswissenschaften auch sehr häufig als ein konstitutives Merkmal innerhalb von Definitionsversuchen verwendet.163 Allerdings ist es recht offensichtlich, dass das Kriterium der Immaterialität bei einer Vielzahl von Dienstleistungen nicht erfüllt ist.164 Oftmals sind Dienstleistungen untrennbar mit Sachleistungsanteilen verbunden (Autoreparatur mit Ersatzteilen) oder auf Sachleistungsinfrastrukturen angewiesen (Mobilfunknetze, Geldausgabeautomaten) bzw. nutzen materielle Güter zur "Konservierung" (z.B. Kinofilm, Software-CD-ROM).165 Auch für weitere in der Literatur verwendete Abgrenzungskriterien, wie Intangibilität, die die Abstraktheit bzw. "Ungreifbarkeit" von Dienstleistungen beschreibt, Unteilbarkeit ("uno-actu-Prinzip" - simultanes Erfolgen von Produktion und Konsumption), Vergänglichkeit (keine Lagerungsfähigkeit von Dienstleistungen), Standortgebundenheit (kein
162
Quelle: Modifiziert nach Corsten. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 20. Ähnliche Systematisierungsansätze u.a. auch in: Blum, U. (Volkswirtschaftlehre 1992), S. 2 f.; Schertler, W., Popp, W. (Dienstleistungen 1983), S. 28; Meffert, H., Bruhn, M. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 28. 163 Vgl. dazu die Übersicht von Woratschek, der Definitionen des Dienstleistungsbegriffs unterschiedlicher Autoren, die die Immaterialität als konstitutives Merkmal verwenden, aufführt. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 6-7. 164 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 7. 165 Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 11. 50
Transport), Beteiligung des Kunden (auch als Integration des externen Faktors bezeichnet) und Individualität (jeweils Neuerstellung bei jedem Geschäftsvorfall),166 lassen sich Ausnahmen finden (z.B. Software auf Trägermedium), die eine universelle Gültigkeit der Kriterien negieren und damit die Verwendung innerhalb einer allgemeingültigen Definition nicht zulassen. Statt der Verwendung von Abgrenzungskriterien postulieren einige Autoren die Phasenorientierung in der Definition. Beispielsweise verwenden Meffert/Bruhn folgende Definition: "Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren - den Menschen oder deren Objekten - nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung)."167 Durch diese Definition sollen sowohl Dienstleistungen wie das durch Menschen oder Maschinen geschaffene Potenzial, die Leistung für den Nachfrager zu erbringen als auch die eigentliche Dienstleistungstätigkeit (Prozess) sowie das tatsächlich erstellte Gut (Ergebnis) zusammengefasst werden. Als Beispiel werden in diesem Zusammenhang Bankdienstleistungen genannt, die sich allen drei Kategorien zuordnen lassen. Geldausgabeautomaten oder Infrastruktur sind als Potenzial anzusehen, während das eigentliche Beratungsgespräch als Prozess und der Abschluss, z.B. in Form eines Kreditvertrages, als Ergebnis eingeordnet werden kann.168 Bei genauerer Betrachtung weisen phasenorientierte Dienstleistungsdefinitionen aber ebenfalls Schwächen auf: •
Für die Bereitstellung des Leistungspotenzials sind wiederum materielle Komponenten nötig (siehe obiges Beispiel). Für den Fall, dass das Dienstleistungspotenzial selbst per definitionem als immateriell festgelegt wird (im Gegensatz zu Sachleistungen, die schon fertig gestellt sind)169 greifen wiederum Ausnahmen wie Auftragsfertigungen von Maßanzügen etc.170
166
Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 10 ff.; ähnliche Systematisierung bezüglich der Besonderheit von Dienstleistungen bei Pepels. Vgl. Pepels, W. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 20 ff. 167 Meffert, H., Bruhn, M. (Dienstleistungsmarketing 1995), S. 27; ähnlich auch bei Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 10-14 168 Vgl. Bruhn, M. (Dienstleistungen 1997), S. 13. 169 Wie zum Beispiel bei Hilke. Vgl. Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 11-12. 170 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 9. 51
•
Auch bei der prozessorientierten Definition sind zum konstituierenden Merkmal der Integration des externen Faktors (Einbezug des Kunden bzw. dessen Wünsche und Vorstellungen in den eigentlichen Erstellungsprozess) Ausnahmen identifizierbar, die den Gültigkeitsraum stark einschränken. Bei Marktforschungsberichten oder Hotelübernachtungen wird kein Prozess gekauft und Informationen seitens des Kunden sind in der Regel nicht notwendig.171
•
Ebenso weist die ergebnisorientierte Definition Mängel auf, da die nutzenstiftende Wirkung im Gegensatz zur Sachleistung ebenfalls immateriell sein muss.172 Als Gegenposition ist anzuführen, dass jegliche Form von wirtschaftlichen Gütern immateriellen Nutzen nach sich ziehen kann.173
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass in den dargestellten Definitionsversuchen "(...) etwas abgegrenzt werden soll, was eigentlich nicht abgrenzbar ist."174 •
"Eine strenge Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistung ist aus ökonomischer Perspektive nicht zweckmäßig.
•
Spezifische Absatzobjekte bestehen aus einem Bündel von Teilleistungen mit materiellen und immateriellen Komponenten
•
Externe Faktoren werden in unterschiedlichem Ausmaß in dessen Leistungserstellungsprozess integriert."175
Selbst wenn eine eindeutige Definition des Begriffs Sachleistung/Dienstleistung, wie dargestellt, nicht möglich ist, soll auf eine Differenzierung nicht verzichtet werden, da diese Begrifflichkeiten, trotz der Unschärfe, häufig benutzt werden.176 "Die Dienstleistung kann als Kürzel aufgefasst werden, bei dem man tendenziell eher an Absatzleistungen177 denkt, die hoch integrativ sind, weitgehend individuell zugeschnitten werden und einen hohen Grad an Unsicherheit über das Leistungsergebnis aufweisen."178
171
Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 10. Vgl. Hilke, W. (Dienstleistungs-Marketing), S. 14. 173 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 9. 174 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 14 175 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 14 und die dort angegebene Literatur: Engelhardt, W., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (Leistungsbündel 1993), S. 404-423. 176 Damit schließen wir uns der Meinung von Woratschek an. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 40. 172
52
Auf Basis dieser Differenzierung nach Woratschek, der wir uns für den weiteren Verlauf dieser Arbeit anschließen, können Dienstleistungen in eine dreidimensionale Typologie unscharf systematisiert179 werden, was in Abb. III-2 dargestellt ist. Die in der Typologie verwendeten Komponenten Verhaltensunsicherheit, Integrativität und Individualisierungsgrad bedürfen angesichts der Diskussion über Abgrenzungskriterien einer kurzen Erläuterung: •
Verhaltensunsicherheit resultiert aus der Tatsache, dass Dienstleistungen zumeist Leistungsversprechen sind, also die Eigenschaften der Leistung vor dem Kauf kaum durch den Käufer beurteilbar sind.180 Dies gilt insbesondere dann, wenn keine standardisierten (z.B. Pakettransport, Hotelübernachtung), sondern individuelle Leistungsversprechen (auch Kontraktgüter genannt; beispielsweise Beratungsprojekte) Gegenstand des Vertrages sind. Der Grad an Verhaltensunsicherheit ist dabei durch den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit des Anbieters, die ihrerseits die Qualität der Dienstleistung beeinflussen, determiniert. Anders formuliert entsteht die Verhaltensunsicherheit durch die notwendige Kooperation nach Vertragsabschluss bzw. durch die Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager.181
•
Integrativität bezeichnet die Einbeziehung der externen Faktoren (z.B. Kunden) in den Leistungserstellungsprozess. Damit bezieht sich die Integrativität immer auf die Prozessebene. Eine hohe Integrativität erzwingt eine intensive Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager.182
177
Absatzleistungen sind Bündel von Leistungen, die aus einer Kombination von Rechten, Dienstleistungen und Waren (Sachgütern) bestehen. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 28. Dabei kann man Absatzleistungen, abhängig von deren physischer Existenz zum Vertragsabschluss, in Austauschgüter und Leistungsversprechen einteilen. Zu den Austauschgütern sind fertig produzierte Sachleistungen und sog. veredelte Dienstleistungen (z.B. Software auf Trägermedium) zu zählen, wohingegen zu den Leistungsversprechen Auftragsfertigungen (Sachleistungen) und das Gros der Dienstleistungen zu zählen sind. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 25. 178 Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 40. 179 "Ziel von Systematisierungen ist die ordnende Beschreibung der Realität, indem sie charakteristische Ausprägungen realer Phänomene auf der Grundlage von sachbezogenen Merkmalen kennzeichnen, wobei zwischen Klassifikationen und Typologien zu unterscheiden ist. Während Klassifikationen mit Hilfe eines einzelnen Merkmals gebildet werden, verwenden Typologien mehrere Merkmale (...)". Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 31. 180 Siehe auch Fußnote 177. 181 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 23-33. 182 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 33-35. 53
•
Der Individualisierungsgrad bezieht sich auf die Ausrichtung der Wertaktivitäten auf die Bedürfnisse des Kunden im Sinne einer individuellen Abstimmung der Absatzleistung mit dem Kunden. In seinen Extremausprägungen kann zwischen standardisiert (keine Individualisierung) und maßgeschneidert (volle Individualisierung) unterschieden werden.183
integrativ
d ra rt g e gs eid n ru chn ie il s ges ua aß id m rt v di sie In di r a nd a st
Friseur
Privatunterricht
Gruppenunterricht
Akupunktur
autonom
Integrativität
Versicherungspaket Literaturrecherchen
Gütertransport
hoch
niedrig Verhaltensunsicherheit
Abb. III-2: Typologie von Dienstleistungen184 Die Unschärfe der Einordnung ergibt sich aus der Tatsache, dass einerseits nahezu ausschließlich Dienstleistungen in Kombination mit Sachgütern vermarktet werden, und dass andererseits die Fristigkeit der individuellen Geschäftsbeziehung insbesondere bezüglich der Verhaltensunsicherheit eine entscheidende Rolle spielt.185
183
Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 33-35. Quelle: Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 39. Dem achten unsichtbaren Würfel ("linksunten-hinten") könnte als Beispiel die Dienstleistung "Umzugsdienst" zugeordnet werden. 185 Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 16 bzw. S. 37. 184
54
1.2
Struktur des Dienstleistungssektors
Nachdem nun der generelle Begriff der Dienstleistung spezifiziert wurde, soll untersucht werden, welche Arten von Unternehmen typischerweise zum Dienstleistungssektor zu zählen sind, und welche Stellung dieser im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen in Deutschland einnimmt. Eine der gängigsten Klassifikationen ist die institutionell ausgerichtete Einteilung der Wirtschaft durch das Statistische Bundesamt entlang von Wirtschaftszweigen. Dabei werden 17 Abteilungen unterschieden, die zu drei Sektoren aggregiert werden. Der Dienstleistungssektor wird als tertiärer Sektor bezeichnet. In vielen amtlichen Statistiken wird zudem noch eine weitere Gliederungsebene ausgewiesen, die als "Zusammengefasster Wirtschaftsbereich" bezeichnet wird.186 Diese Unterteilungen sind in Tab. III-1 dargestellt. Anzumerken ist noch, dass bei Unternehmen, die Sachgüter und Dienstleistungen erstellen, eine Zuordnung nach dem überwiegenden Output der Produktion erfolgt.187 Tab. III-1: Wirtschaftszweigsystematik der amtlichen Statistik der BRD188 Sektor
Wirtschaftsbereich
Abteilung
Primär
Land- und Forstwirtschaft, Fi-
A) Land- und Forstwirtschaft
scherei Primär
Land- und Forstwirtschaft, Fi-
B) Fischerei und Fischzucht
scherei Sekundär
Sekundär
Produzierendes Gewerbe, ohne
C) Bergbau und Gewinnung von Steinen
Baugewerbe
und Erden
Produzierendes Gewerbe, ohne
D) Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe Sekundär
Produzierendes Gewerbe, ohne
E) Energie- und Wasserversorgung
Baugewerbe Sekundär
Baugewerbe
F) Baugewerbe
Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
G) Handel; Instandhaltung und Reparatur
kehr
von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern
186
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 11. 188 Quelle: Vgl. Bundesamt für Statistik (Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003). 187
55
Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
H) Gastgewerbe
kehr Tertiär
Handel, Gastgewerbe und Ver-
I) Verkehr und Nachrichtenübermittlung
kehr Tertiär
Finanzierung, Vermietung und
J) Kredit und Versicherungsgewerbe
Unternehmensdienstleister Tertiär
Finanzierung, Vermietung und
K) Grundstücks- und Wohnungswesen,
Unternehmensdienstleister
Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleitungen, anderweitig nicht benannt
Tertiär
Tertiär
Öffentliche und private
L) Öffentliche Verwaltung, Verteidigung,
Dienstleister
Sozialversicherung
Öffentliche und private
M) Erziehung und Unterricht
Dienstleister Tertiär
Tertiär
Tertiär
Öffentliche und private
N) Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwe-
Dienstleister
sen
Öffentliche und private
O) Erbringung von sonstigen öffentlichen
Dienstleister
und persönlichen Dienstleistungen
Öffentliche und private
P) Private Haushalte mit Hauspersonal
Dienstleister Tertiär
Öffentliche und private
Q) Exterritoriale Organisationen und Kör-
Dienstleister
perschaften
Die Einteilung basiert auf den Grundzügen der Drei-Sektoren-Theorie, die mittels vorher spezifizierter Kriterien eine Volkswirtschaft in drei grundsätzliche Wirtschaftsbereiche untergliedert.189 Zu dieser Einteilung existiert jedoch eine Reihe von Kritikpunkten, die eine undifferenzierte Übernahme dieser Form der Einteilung erschwert:190
189
Die Drei-Sektoren-Theorie wurde im Wesentlichen durch Fourastié, Fisher, Wolfe und Clark geprägt, welche allerdings unterschiedliche Kriterien, wie z.B. Einkommenselastizität (Fisher) oder technischen Fortschritt (Fourastié) für ihre Gruppierungen zu Grunde legen. Das Ergebnis der Gruppierung ist aber immer ähnlich und stimmt prinzipiell mit der Einteilung des Statistischen Bundesamts überein. Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 2 ff. 190 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsmanagement 1997), S. 7. 56
•
Ungenaue Abgrenzung des Dienstleistungssektors: Zum einen ändern sich Zuordnungen einzelner Unternehmen zu den Sektoren im Zeitverlauf, zum anderen werden Unternehmen, die weder dem primären noch dem sekundären Sektor zugeteilt werden können, in den tertiären Sektor verortet
•
Hohes Aggregationsniveau: Strukturelle Verschiebungen innerhalb eines Sektors werden nicht berücksichtigt und teilweise stark heterogene Abteilungen werden summiert (z.B. Abteilung K)
•
Institutionelle Zuordnung: Dienstleistungen werden nicht nur von Unternehmen des tertiären Sektors erbracht, sondern ebenfalls von Firmen der anderen beiden Sektoren (z.B. Reparaturservice eines Elektrogeräteherstellers)
Auf Basis dieser Kritikpunkte haben sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur bereits sehr früh weitere Ansätze zu einer differenzierteren Aufgliederung von Volkswirtschaften bzw. zu einer trennschärferen Abgrenzung des Dienstleistungssektors herausgebildet.191 Insbesondere ist hierbei die Gliederung einer Wirtschaft nach Funktionsbereichen zu nennen. Prinzipiell werden hierbei die Angestellten nach ihren Tätigkeiten den Sektoren zugeordnet, so dass Berufsbereiche mit Tätigkeitsschwerpunkten (z.B. Montage- und Wartungsberufe, Handelsberufe etc.) gewonnen werden. Weitergehende Ansätze ermitteln auf dieser Basis noch den Anteil an produzierenden und dienstleistenden Tätigkeiten, da beispielsweise herstellende Tätigkeiten auch Dienstleistungsanteile enthalten (z.B. Distribution). Festzuhalten bleibt, dass bei den dargestellten tätigkeitsorientierten Ansätzen differenziertere Ergebnisse zu erwarten sind. Jedoch verhinderte mangelndes statistisches Material eine Etablierung derartiger Ansätze in Wissenschaft und Praxis.192 Um also Aussagen über die Bedeutung des Dienstleistungssektors bzw. einzelner Abteilungen in Deutschland treffen zu können (so tendenziell sie auch sein mögen), muss auf die institutionell geprägte Sektoreneinteilung Bezug genommen werden, da entlang dieser Einteilung Größen, wie Beschäftigtenzahlen oder Bruttowertschöpfung, durch das Bun-
191
Als Beispiele seien die Ansätze von Entgelter und Rasmussen genannt. Vgl. hierzu Entgelter, K.A. (Dienstleistungsbereich 1979), S. 27 f. und Rasmussen (Dienstleistungssektor 1977), S. 54 ff. 192 Vgl. Corsten, H. (Dienstleistungsunternehmungen 1990), S. 10 57
desamt für Statistik kontinuierlich193 erhoben werden. Wohlwissend ob der Unwägbarkeiten dieser Systematisierung, lassen sich auf dieser Basis zumindest prinzipielle Aussagen über die Entwicklung und die Bedeutung des Dienstleistungssektors in Deutschland gewinnen. Zudem ist im Rahmen dieser Arbeit die Tatsache wichtig, dass innerhalb des tertiären Sektors Kreditinstitute und Versicherungen (Abteilung J) einen homogenen Zweig bilden. Der Dienstleistungssektor stellt für die Bundesrepublik Deutschland den wichtigsten Wirtschaftszweig dar. Betrachtet man die in diesem Zusammenhang als monetäre Größenindikator Bruttowertschöpfung und Umsatz, lässt sich feststellen, dass der Dienstleistungssektor ca. 70% der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und über die Hälfte (ca. 54%) der gesamten Umsatzerlöse erzielt, was durch nachfolgende Abbildung dargestellt ist:
193
Leider sind zum Erstellungszeitpunkt dieses Kapitels in den Statistiken des Bundesamts für Statistik nicht alle Indikatoren aktuell publiziert. So werden beispielsweise Bruttowertschöpfung entlang der einzelnen Sektoren bzw. Wirtschaftszweige für das Jahr 2002 zur Verfügung gestellt, wohingegen die Daten für die einzelnen Abteilungen nur für das Jahr 2000 (und vorherige) erhältlich sind. Zudem hinken Umsatzsteuerstatistik bzw. Statistiken über Erwerbstätige ebenfalls ein bis zwei Jahre (je nach Aggregationsebene) hinterher. Demzufolge können in den folgenden Analysen nicht immer Daten mit dem identischen Erhebungsstand zu Grunde gelegt werden. Das Ziel, Tendenzaussagen über die Bedeutung und Struktur des Dienstleistungssektors bzw. der Finanzdienstleistungsbranche zu gewinnen, sollte dadurch aber nicht gefährdet sein. 58
Verteilung Bruttowertschöpfung
Verteilung Umsatz
in Prozent, Deutschland 2002
in Prozent, Deutschland 2000
100% = 1.919 Mrd. EUR
100% = 4.153 Mrd. EUR
Tertiärer Sektor (Dienstleistungen) 70,7
Tertiärer Sektor (Dienstleistungen) 53,5
0,6
Primärer Sektor (Agrarwirtschaft)
1,3 Primärer Sektor (Agrarwirtschaft) 28,0 Sekundärer Sektor (Produzierendes Gewerbe)
45,9 Sekundärer Sektor (Produzierendes Gewerbe)
Abb. III-3: Ausprägung monetärer Größenindikatoren der deutschen Gesamtwirtschaft194 Bemerkenswert ist, dass in beiden Kategorien die Wachstumsraten des Dienstleistungssektors über dem Durchschnitt liegen. Beim Indikator der Bruttowertschöpfung ist der Dienstleistungssektor von 1998 bis 2002 um 11,6% gewachsen (Durchschnitt 7,6%)195, beim Umsatz liegt das Wachstum von 1996 bis 2000 bei 19,0% ggü. dem Durchschnitt von 18,5%.196 Auch bei der Anzahl der Unternehmen der Beschäftigten stellt der tertiäre Sektor in Deutschland den größten Wirtschaftszweig dar. Von insgesamt ca. 2,7 Mio. Unternehmen zählen ca. 75% (2000) zum Dienstleistungssektor197, von ca. 39 Mio. Erwerbstätigen in
194
Quelle: Bundesamt für Statistik (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2002) bzw. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 195 Vgl. Bundesamt für Statistik (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2002); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 196 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 1996); Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000); aus Vergleichsgründen preisbereinigt auf Basis der Preise von 1995. 197 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000). 59
2002 sind ca. 70% bei Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Dies entspricht einer Steigerung ggü. dem Jahr 1996 von ca. 10%.198 Charakteristisch für die Dienstleistungsbranche ist die starke Konzentrationstendenz. Folgende Abbildung zeigt, dass zum einen 0,2% der Institute über 50% der Umsätze erzielen und dass zum anderen die Anzahl der Unternehmen in den hohen Umsatzkategorien (5 Mio. EUR bis 50 Mio. EUR bzw. >50 Mio. EUR) von 1996 bis 2000 mit jeweils 13% am stärksten gewachsen sind (Durchschnitt 6%).199 Wachtumsraten Anzahl Dienstleistungsunternehmen in Prozent, Deutschland 1996 bis 2000 13
13
7
Ø = 6%
Anteil/Anzahl Unternehmen (in Prozent) Anteil/Umsatz (in Prozent)
5
< 0,5 Mio. EUR
0,5 - 5 Mio. EUR
5 - 50 Mio. EUR
> 50 Mio. EUR
84,1
14,0
1,7
0,2
9,8
19,2
20,2
50,8
Abb. III-4: Wachstumsraten und Konzentrationstendenz im deutschen Dienstleistungssektor200 Innerhalb des Dienstleistungssektors (tertiärer) Sektor teilen sich die Größenverhältnisse nach Wirtschaftszweigen in Bezug auf die Indikatoren Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige wie in nachfolgend dargestellter Abb. III-5 auf. Der Wirtschaftszweig Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister, zu dem auch das Kredit- und Versi198
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Vgl. Jahresgutachten 2002/03 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Tabelle 17. 200 Vgl. Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 1996); Bundesamt für Statistik (Umsatzsteuerstatistik 2000). 199
60
cherungsgewerbe (Finanzdienstleister) zählt, stellt bei der Bruttowertschöpfung mit 44% Anteil den größten Part. Bei den Erwerbstätigen ergibt sich ein gegenteiliges Bild: Mit 22% aller Erwerbstätigen (durchschnittlich ca. 6 Mio.) nimmt der Wirtschaftszweig Finanzierung, Vermietung Unternehmensdienstleister den letzten Platz innerhalb des Dienstleistungssektors ein. Verteilung Bruttowertschöpfung Tertiärer Sektor nach Wirtschaftsbereichen
Verteilung Erwerbstätige Tertiärer Sektor nach Wirtschaftsbereichen
in Prozent, Deutschland 2002
in Prozent, Deutschland 2002 100% = 27 Mio. Personen
100% = 1.357 Mrd. EUR
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 43,8
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister 22,0
Handel, Gastgewerbe, Verkehr 29,2
Handel, Gastgewerbe, Verkehr 36,7
41,3 Öffentliche und private Dienstleister
27,0 Öffentliche und private Dienstleister
Abb. III-5: Größenindikatoren der Wirtschaftszweige des tertiären Sektors201 Die Abteilung J (Kredit- und Versicherungsgewerbe) erwirtschaftet innerhalb des Wirtschaftszweiges Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister von den ca. 590 Mrd. EUR (entspricht dem Anteil von 43,8%) ca. 15%. Dies entspricht einer Bruttowertschöpfung von ca. 85 Mrd. EUR. Damit lässt sich bereits an dieser Stelle konstatieren, dass das Kredit- und Versicherungsgewerbe einen bedeutenden Wirtschaftszweig innerhalb der Dienstleistungsbranche bzw. der gesamtdeutschen Wirtschaft darstellt.202
201 202
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2003), S. 664. Eine detaillierte Betrachtung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche findet sich im Abschnitt III.2.2. 61
2. Finanzdienstleister als typische Dienstleistungsunternehmen Bevor Finanzdienstleister im nächsten Abschnitt definitorisch als Dienstleistungsunternehmen abgegrenzt werden, soll an dieser Stelle zuerst expliziert werden, welche Arten von Unternehmen als Finanzdienstleister im hier verstandenen Sinn zu bezeichnen sind. Grundsätzlich sind Finanzdienstleister spezialisierte Unternehmen, die den Finanzbedarf eines Geldnehmers mit dem Anlagebedarf eines Geldgebers ausgleichen. Da sie eine Mittlerrolle zwischen den Geldgebern und den Geldnehmern einnehmen, die ihrerseits auch direkt miteinander in Kontakt treten könnten, werden Finanzdienstleister auch als Finanzintermediäre bezeichnet. Die Leistungen beziehen sich in diesem Zusammenhang prinzipiell auf die Entgegennahme von Zahlungsmitteln (Anlageleistung) sowie auf die Zuverfügungstellung von Zahlungsmitteln (Finanzierungsleistung) jeweils gegen entsprechende Versprechen späterer Rückzahlung.203 In einer Wirtschaft agieren in der Regel mehrere Finanzintermediäre, die ihrerseits untereinander finanzielle Beziehungen unterhalten. Folglich wird der originäre Finanz- und Anlagebedarf durch ein ganzes System untereinander in Beziehung stehender Institute ausgeglichen. In Deutschland sind insbesondere Geschäftsbanken204, Kapitalbeteilungsgesellschaften und Kapital-Lebensversicherer zu diesem System zu zählen. Des Weiteren gehören zum System der Finanzintermediäre auch sonstige Versicherungsunternehmen (Kranken-, Rück-, Schadens-/Unfallversicherer), da sie einerseits Zahlungsmittel gegen die bedingte Verpflichtung zukünftiger Zahlungen entgegennehmen und andererseits Zahlungsmittel gegen den Erwerb unbedingter zukünftiger Rückzahlungsansprüche an andere Geldnehmer weiterleiten, was den Merkmalen der eigentlichen Finanzintermediäre nahe kommt.205 Aufbauend auf diesen Definitionen kann die Finanzdienstleistungsbranche mit ihren zwei Kerngruppen Geschäftsbanken und Versicherungen weiter in unterschiedliche Institutskategorien untergliedert werden, was in nachfolgender Systematisierung (Abb. III-6) veranschaulicht wird. Die Deutsche Bundesbank sowie weitere Finanzintermediäre (Makler, Börsen, Rating-Agenturen, Kreditvermittler) sind nicht in dieser Aufstellung
203
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 14 f. Die Gruppe der Banken in Deutschland lässt sich grundlegend in die Kategorie der Geschäftsbanken und die Deutsche Bundesbank untergliedern. Im Rahmen dieser Arbeit sind nur die Geschäftsbanken von Belang. Zur detailierteren Systematisierung der Kategorie Geschäftsbanken sei auf die Abb. III-6 verwiesen. 205 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 16. 204
62
berücksichtigt, da für diese Arbeit nur Geschäftsbanken und Versicherungsunternehmen im engeren Sinne zu den Finanzdienstleistern gezählt werden.206 Finanzdienstleister
Versicherungen
Geschäftsbanken
Universalbanken
Spezialbanken
Private Geschäftsbanken
Realkreditinstitute
Lebensversicherungen
Sparkassensektor
Bausparkassen
Krankenversicherungen
Genossenschaftssektor
Kapitalanlagegesellschaften
Schadens- und Unfallversicherungen
Kreditinstitute für Sonderaufgaben
Rückversicherungen
Abb. III-6: Übersicht Finanzdienstleistungsunternehmen207 In den folgenden beiden Abschnitten werden auf Basis einer Darstellung des typischen Dienstleistungsangebots von Finanzdienstleistern im hier verstanden Sinn die wesentlichen Gründe für die Auswahl dieses Wirtschaftszweiges als Referenzbranche für Dienstleistungsunternehmen aufgezeigt. Des Weiteren werden die einzelnen Institutskategorien expliziert und die generelle Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche dargelegt. 2.1
Auswahl und Eignung von Finanzdienstleistern als typische Dienstleistungsunternehmen
Dienstleistungsunternehmen sind Unternehmen, die Dienstleistungen im hier verstandenen Sinn erstellen und anbieten.208 In diesem Abschnitt wird geklärt, inwiefern Finanzdienstleistungsunternehmen als typische Dienstleister zu klassifizieren sind. 206 207
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 15 ff. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 16 und S. 19; ähnlich auch bei Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 103 bzw. Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 27. Teilweise beinhalten die angeführten Darstellungen unter der Rubrik Spezialbanken die sog. Wertpapiersammelbanken. Aktuell existiert nur noch eine dieser Banken in Form der Deutschen Börse Clearing AG. Daher erfolgt keine weitere Behandlung dieser Institutsart. 63
Banken und Versicherungen werden sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur als auch in der Praxis häufig als "klassische" Dienstleistungsunternehmen bezeichnet.209 Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass bei den meisten Geschäften im Finanzbereich der nicht-stoffliche Charakter von Nominalgütern bzw. Beratungs- und Verarbeitungsleistungen (Zahlungsverkehr, Verwahrgeschäft) dominiert.210 Zudem stellen sie eine der homogensten Abteilungen im tertiären Sektor der Wirtschaftszweigsystematik des Bundesamts für Statistik dar. Im Falle der Finanzdienstleister (Kredit-/Versicherungsgewerbe) schwächen sich die oftmals geäußerten und aus unserer Perspektive durchaus gerechtfertigten Kritikpunkte211 am prinzipiellen System der institutionellen Einordnung von Unternehmen ab. In der Bundesrepublik existiert ein System der Banken-/Versicherungsaufsicht bzw. eine eigene Aufsichtsbehörde (BaFin), die unter anderem überwacht, dass jeglicher Betreiber von Bank- und Versicherungsgeschäften eine eigene Lizenz beantragt und den entsprechenden Auflagen (Monatsberichte etc.) nachkommt. Damit sind in diesem speziellen Fall Finanzdienstleistungsunternehmen nicht nur institutionell zugeordnet, da die Wahrnehmung von Funktionen des Finanzdienstleistungsgeschäftes im hier verstandenen Sinn eine Aufnahme in die entsprechende Abteilung der Wirtschaftszweigsystematik nach sich zieht. Wie allerdings bereits im Abschnitt zur terminologischen Abgrenzung des Begriffs der Dienstleistung212 aufgezeigt wurde, fällt es schwer, Dienstleistungen anhand von konstitutiven Merkmalen ggü. Nicht-Dienstleistungen abzugrenzen, da in der Realität komplexe Leistungsbündel vorherrschen, die immer auch Sachleistungsanteile beinhalten. In diesem Zusammenhang erscheint es zwecklos, die Leistungen, die Finanzintermediäre erbringen und anbieten anhand von Kriterien als Dienstleistung oder Nicht-Dienstleistung einzuordnen, um daraus den Schluss zu ziehen, ob Banken oder Versicherungen auf Basis dieser Analyse als Dienstleistungsunternehmen zu bewerten sind. Zudem sind Finanzdienstleistungen meistens ein Bündel von Einzel(dienst)leistungen, da beispielsweise bei einer Kreditvergabe nicht nur die entsprechende Summe genehmigt wird, sondern Beratung und Information, die Überweisung des Kreditbetrags und die Kontoführung unmittelbar mit dem eigentlichen Kredit verknüpft sind.
208
Siehe Abschnitt III.1.1. Vgl. Woratschek, H. (Dienstleistungen 1998), S. 3. 210 Vgl. Maleri, R. (Dienstleistungsproduktion 1994), S. 75. 211 Siehe Abschnitt III.1.2. 212 Siehe Abschnitt III.1.1. 209
64
Daher ist es zunächst sinnvoll, die Leistungen, die Finanzdienstleister im hier verstandenen Sinne grundsätzlich anbieten, strukturiert aufzuarbeiten, um davon ausgehend zu beurteilen, inwiefern nun eine Bank bzw. eine Versicherung als "typisches" Dienstleistungsunternehmen zu werten ist. Zuerst einmal ist zu unterscheiden, ob es sich bei den von Finanzdienstleistern erbrachten Leistungen um so genannte primäre oder sekundäre Leistungen handelt. Im wesentlichen sind erstgenannter Kategorie jegliche Formen von Kundengeschäften mit Dritten zuzurechnen, während in der zweitgenannten Kategorie Interbankleistungen und eigene Geschäfte (z.B. Eigenhandel von Wertpapieren, Emission eigener Schuldverschreibungen etc.) zu subsumieren sind.213 Unsere Aufmerksamkeit gilt den primären Leistungen von Finanzdienstleistern, die in nachfolgender Abbildung, getrennt nach Banken und Versicherungen, kategorisiert wurden.
213
Vgl. Grill, W., Perczynski, H. (Kreditwesen 1993), S. 13. f. 65
Banken
Kreditleistungen
Anlageleistungen
Zahlungsverkehrsleistungen (Beispiele) (Beispiele) (Beispiele) • Konto• Sichtein- • Einzahkorrentlagen lungen kredit • Sparein- • Auszah• Überziehlagen lungen • Sparver- • Scheckungskredit • Ratenkredit träge verkehr • Baufinan• Sparbriefe • Wechsel• ... zierungsverkehr • Überweikredit • Hypothekarsungskredit verkehr • Bauspardar• Sortenlehen /Devisen • Investions• Kontokredit führung • Kommunal• Lastkredit schrift• Avalkredit verkehr • Akzeptkredit • Kreditkartenverkehr • Diskont-/ • InkassoLombardleistungen kredit • Emissions• Akkreditivkredit leistungen • ... • ...
Versicherungen
Wertpapierleistungen
Sonstige Leistungen
(Beispiele) • Emissionen • Wertpapierkundengeschäfte • Depotbuchführung • Depotverwaltung • ...
(Beispiele) • Beratung • Informationsleistungen • Verwahrung (Safe) • Vermögensverwaltung • Vermittlungsleistungen • Produktentwicklungen • Sonstige Verwaltungstätigkeiten • ...
AnlageVersicherungsleistun- leistungen gen (Beispiele) (Beispiele) • Risiko• Kapitalanübernahme lageleistun– Leben gen – Schaden • Sparprozesse – Kranken – Unfall • ... – Recht – Rück • ...
Sonstige Leistungen (Beispiele) • Beratung • Informationsleistungen • Vermittlungsleistungen • Kreditleistungen • Produktentwicklungen • Sonstige Verwaltungstätigkeiten • ...
Abb. III-7: Wesentliche primäre Leistungen von Finanzdienstleistern214
Ohne jede einzelne Form der oben aufgeführten Auswahl beschreiben zu wollen,215 ist es essentiell für das weitere Verständnis dieser Arbeit, einen kurzen Überblick über die Leistungskategorien zu geben. Bei den Banken sind dies im Einzelnen: •
Kreditleistungen: Kreditleistungen stellen das klassische Aktivgeschäft von Banken dar. Ein Kredit ist die befristete Zuverfügungstellung von Kaufkraft gegen später zu erbringende Gegenleistungen (Zinsen, Tilgung). Nachfrager sind Unternehmen sowie öffentliche und private Haushalte.216 Man unterscheidet zwischen Geldleihe (unmittelbare Bereitstellung einer Geldsumme, wie beispielsweise beim Ratenkredit oder bei der Baufinanzierung) und Kre-
214
Eigene Darstellung als Synthese der Darstellungen bei: Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 35 ff.; Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 38 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 325 und S. 327 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 23; Grill, W., Perczynski, H. (Kreditwesen 1993), S. 14. 215 Stattdessen sei auf die entsprechende Literatur verwiesen, die die einzelnen Leistungen explizit darstellt. Vgl. u.a. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 38 ff.; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 311 ff.; Hein, M. (Bankbetriebslehre 1993), S. 19 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 149 ff. 216 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 350. 66
ditleihe (Vermittlung der Geldaufnahme bei Dritten, wie z.B. Aval- oder Akzeptkredit).217 •
Anlageleistungen: Diese stellen den Gegenpart zu den Kreditleistungen dar, da sie Anlegern das Recht gewähren, geleistete Zahlungen nach Ablauf einer gevereinbarten Laufzeit inklusive der in dieser Zeitdauer aufgelaufenen Zinsen zu beanspruchen (Passivgeschäft). Man unterscheidet zwischen Sicht-, Termin- und Spareinlagen, die sich im Wesentlichen durch unterschiedliche rechtliche Grundlagen bzw. verschieden Laufzeiten unterschieden.218
•
Zahlungsverkehrsleistungen: Bezeichnen Leistungen von Banken, bei denen Geldbeträge in barer, halbbarer oder bargeldloser Form zwischen Kunden und Dritten (bzw. vice versa) transferiert werden. Dazu sind insbesondere im inländischen Bereich der Bargeld, Scheck, Wechsel, Lastschrift und Überweisungsverkehr und im Auslandszahlungsverkehr Inkasso- und Akkreditivleistungen zu zählen.219
•
Wertpapierleistungen: Sind der Überbegriff für Leistungen, bei denen Kreditinstitute
Effekten
(Wertpapiere,
wie
Aktien,
Schuldverschreibungen,
Wandelanleihen etc.) entweder kommissionarisch für Kunden am Kapitalmarkt besorgen sowie die anfallenden Depot- und Verwahrtätigkeiten übernehmen, oder im Rahmen einer Emission Wertpapiere des Emittenten am Kapitalmarkt platzieren.220 •
Sonstige Leistungen: In diese Kategorie entfallen jegliche Form von Beratungsleistungen (z. B. Kundengespräch, telefonische Beratung) die in der Regel unentgeltlich angeboten werden,221 Informationsbereitstellungen (mündlich, Prospekte, Broschüren, Internet etc.), aber auch Verwahrleistungen (z.B. Safe, Schließfächer).
Die von Versicherungsunternehmen hauptsächlich angebotenen Leistungen sind:
217
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 60 und S. 65; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 202 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 327 ff. 218 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 151; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 346 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 379 ff. 219 Vgl. Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 418; Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 360 ff. 220 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 362 ff; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 346 ff. bzw. 385 ff. 221 Vgl. Priewasser, E. (Bankbetriebslehre 1996), S. 365. 67
•
Versicherungsleistungen: Das charakteristische Geschäftsfeld von Versicherungsunternehmen stellt die entgeltliche Risikoübernahme dar, bei der gegen Prämienzahlung des Versicherungsnehmers (unbedingte Zahlungsverpflichtung) ein bedingtes Zahlungsversprechen gegeben wird, dessen Einlösung von dem Eintritt eines im Versicherungsvertrags definierten Schadens abhängt. Prinzipiell werden die Versicherungsleistungen nach Güterversicherung und Personenversicherung elementar differenziert. Erstgenannte Kategorie ist dadurch charakterisiert, dass der versicherte Schaden unmittelbar Vermögensgüter trifft, und die Höhe der Versicherungsleistung aus dem tatsächlich eingetretenen Schaden ermittelt wird (z.B. Schadensversicherungen, wie Kfz oder Hausrat). Bei Personenversicherungen trifft der Schaden die versicherte Person (z.B. Krankheit, Unfall), was mittelbar Auswirkungen auf die Vermögenslage hat (z.B. Krankenhauskosten).222
•
Anlageleistungen: Diese werden in erster Linie für den Endkunden bei Kapitallebens- oder der Rentenversicherungen erbracht, da die Prämien, die der Versicherungsnehmer periodisch an das Versicherungsunternehmen bezahlt, nicht nur zur Deckung des Risikos und der entstehenden Kosten verwendet werden, sondern auch zur Bildung eines Sparanteils, den der Versicherungsnehmer beispielsweise bei einer Kapitallebensversicherung inklusive seiner Prämienzahlungen nach Ablauf der Versicherungslaufzeit ausgezahlt bekommt. Dieser Sparanteil wird vom Versicherungsunternehmen während der Laufzeit angelegt, um die Zinszahlung von üblicherweise ca. 3,5% leisten zu können. Zusätzlich werden den Versicherten von den Unternehmen erwirtschaftete Überschüsse, die durch sog. Sterblichkeitsgewinne und Verzinsungsgewinne (Versicherung erzielt höhere Rendite durch die Anlage der Prämien als den garantierten Zinssatz) zu mindestens 90% ausgezahlt.223
•
Sonstige Leistungen: Die sonstigen Leistungen im Versicherungsbereich unterscheiden sich dem Charakter nach kaum von den bereits dargestellten sonstigen Leistungen im Bankenbereich, allerdings exklusive des Verwahrgeschäftes.
222
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 339 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 540 f. 223 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 166 ff.; Fuhry, D. (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 542. 68
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wurde über den Dienstleistungscharakter der unterschiedlichen Leistungen von Finanzintermediären eingehend diskutiert, mit dem Ergebnis, dass je nach zu Grunde liegender Dienstleistungsdefinition die Einzelleistungen mal als Dienstleistung und mal als Nicht-Dienstleistung eingeordnet werden. Insbesondere existieren diese Kontroversen bei der Differenzierung des Kredit- bzw. des Versicherungsgeschäfts, das isoliert betrachtet von einer Reihe von Autoren nicht als Dienstleistung, sondern beispielsweise als Übertragung von Rechten oder Vermietungsleistung angesehen wird. Über den Dienstleistungscharakter von Beratungs- und Transaktionsleistungen herrscht dagegen weitgehend Einigkeit.224 Wir werden an dieser Stelle den dargestellten Diskurs nicht weiter vertiefen, sind wir uns doch bewusst, dass erstens in realiter diese Leistungen immer im Verbund auftreten (Leistungsbündel) und dass zweitens bei vielen Leistungen noch Sachleistungsanteile enthalten sind (Kontoauszugsdrucker, Geldausgabeautomaten, Call-Center, Filialstrukturen, Online-Banking etc.). Daher sind nahezu alle Finanzdienstleistungen als Absatzleistungen zu werten, die Dienstleistungs-, Rechteübertragungs- und Sachleistungselemente beinhalten.225 Erinnern wir uns an die dieser Arbeit zu Grunde gelegte Dienstleistungsdefinition nach Woratschek, sind die Absatzleistungen tendenziell integrativ, individuell und weisen einen gewissen Grad an Verhaltenunsicherheit auf.226 In Abb. III-8 werden einige ausgewählte, heterogene Leistungen aus dem Bankenbereich hinsichtlich der typologischen Merkmale ihrer Teilleistungen (unscharf) auf einer 5erSkala227 eingeordnet.
224
Eine Übersicht über die Einordnung von Bankdienstleistungen (allerdings ohne die Nennung der Beratungskomponente) gibt Rück. Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 289 ff., der sich auf vornehmlich auf folgende Autoren bezieht: Haak, W. (Produktion in Banken 1982), S. 72-94; Berekhoven, L. (Dienstleistungsbetrieb 1974), S. 41 ff.; Meyer, A. (Dienstleistungs-Marketing 1988), S. 64 ff. 225 Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 289. 226 Siehe Abschnitt III.1.1. 227 "Skalen sind Messinstrumente, mit denen die relative Größe, Position, das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein einer wissenschaftlich relevanten Einheit (Dimension) auf einem Kontinuum numerisch, d.h. zahlenmäßig bestimmt werden kann." Atteslander, P. (Methoden 1993), S. 251. 69
Merkmale der Teilleistungen
Leistung
Absatzleistung? Teilleistungen
Ratenkredit
• • • •
Beratung Kreditvertrag Überweisung Kontoführung
Vermögensverwaltung
• • • •
Beratung Transaktionen Verwahrung Information
Wertpapieremission
• • • •
Beratung Vertragsabschluss* Vorbereitung** Plazierung
Sparvertrag
• • • •
Beratung Vertrag Transaktion Ausstellung SB***
VerhaltensunIntegration Individualität sicherheit autonom integrativ standard. maßgeschn. niedrig
hoch
* Emissions- und Konsortialvertrag ** Publikation der Emissionsbedingungen, Emissionswerbung, Aufforderung der Anleger zur Zeichnung *** Sparbuch 228
Abb. III-8: Typologisierung ausgewählter Finanzdienstleistungen
Trotz simplifizierter Darstellung, lässt sich erkennen, dass die einzelnen Komponenten der Absatzleistungen jeweils unterschiedlich anhand der ausgewählten Merkmale zu bewerten sind. Zusammenfassend kann man Folgendes festhalten: •
Die meisten Finanzdienstleistungen (insbesondere im Kredit-, Anlage- und Versicherungsgeschäft) beinhalten eine Beratungskomponente. Die Teilleistung "Beratung" stellt sich bei allen Leistungen als tendenziell integrativ, maßgeschneidert und mit einer hohen Verhaltensunsicherheit belegt dar, da die Qualität der Leistung vom Leistungswillen und der Leistungsfähigkeit des Beraters determiniert sind. Damit sind Beratungsleistungen in der Definition von Woratschek als typische Dienstleistungen anzusehen. Zudem wird Beratung auch in weiteren einschlägigen Abhandlungen meist als Reinform einer Dienstleistung angesehen werden. Bei den gewählten Beispielen sind lediglich
228
Quelle: Eigene Darstellung. 70
bei einer weitgehend standardisierten Beratung (Sparvertrag) die Ausprägungen weniger deutlich. •
Transaktionsleistungen werden in der Literatur gemeinhin als Dienstleistungen angesehen.229 Transaktionen von Finanzdienstleistern unterscheiden sich in Bezug auf die drei wesentlichen Dienstleistungsmerkmale nach Woratschek stark voneinander, da beispielsweise transaktionelle Teilleistungen, die in hohem Maße technisiert und/oder standardisiert sind, prinzipiell eine niedrige Verhaltensunsicherheit aufweisen und weitestgehend autonom ablaufen. Dies ist insbesondere bei Überweisungen, Verwahrung, Kontoführung oder einem Sparvertrag der Fall. Es existieren allerdings auch Transaktionen, die sehr individuell auf den Kunden zugeschnitten sind, und die trotzdem auf Grund von Informationsasymmetrien zwischen Anbieter und Kunde Verhaltensunsicherheiten bergen. Insbesondere sind hier die Verwaltung von überlassenen Geldern (z.B. durch Fondsmanager, Vermögensverwalter) oder die Platzierung von Wertpapieren im Rahmen einer Emission zu nennen (Wertpapierleistungen). Zu diesem Punkt ist festzuhalten, dass in den meisten Ansätzen der Dienstleistungsökonomie Transaktionen als reine Dienstleistungen angesehen werden, und dass in der von uns zu Grunde gelegten Typologie nach Woratschek, zumindest die (Individual-)Transaktionen von Finanzdienstleistern als "Reinform" einer Dienstleistung eingeordnet werden können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus Gründen der institutionellen Zuordenbarkeit sowie dem originären Charakter des Leistungsspektrums, Finanzdienstleister als typischer Vertreter der Dienstleistungswirtschaft angesehen werden können. Somit ist die Auswahl dieser Branche als Referenz für den wichtigsten deutschen Wirtschaftszweig gerechtfertigt. Der nächste Abschnitt wird die Struktur und die Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungswirtschaft detailliert darstellen. 2.2
Bedeutung der deutschen Finanzdienstleistungsbranche
Wie bereits angesprochen besteht die Finanzdienstleistungsbranche im hier verstandenen Sinn aus Geschäftbanken und Versicherungen. Der Bankenbereich untergliedert sich weiter in Universal- und Spezialbanken.230
229
Vgl. Rück, H.G. (Dienstleistungen 1995), S. 291, der sich auf Berekhoven, L. (Dienstleistungsbetrieb 1974), S. 44. und Meyer, A. (Dienstleistungs-Marketing 1988), S. 65 bezieht. 230 Siehe Abb. III-6. 71
Universalbanken nehmen grundsätzlich die komplette Bandbreite bankbetrieblicher Leistungen war und differenzieren sich weiter in:231 •
Private Geschäftsbanken (Groß- und Regionalbanken, Privatbankiers, Zweigstellen ausländischer Banken) werden ausschließlich in den Rechtsformen des privaten Rechtes betrieben, wobei Kapitalgesellschaften in Form von AGs überwiegen.
•
Der Sparkassensektor besteht aus den regionalen Sparkassen, deren Tätigkeitsbereich auf ihr Geschäftsgebiet (Stadt, Kreis) beschränkt ist und den Girozentralen (Landesbanken), die als Zentralinstitute der jeweils ansässigen Sparkassen dienen. Die Rechtsform ist vornehmlich die der Körperschaft des öffentlichen Rechts (Ausnahme: "Freie Sparkassen") mit Trägerschaft durch die jeweiligen Städte oder Kreise, die auch für die Verbindlichkeiten ihrer Sparkassen haften (Gewährträgerhaftung)232
•
Der Genossenschaftssektor umfasst ebenfalls nur regional tätige Kreditgenossenschaften (meist Volksbanken oder Raiffeisenbanken) sowie zwei Zentralinstitute (DZ-Bank und WGZ-Bank). Die große Mehrzahl der Institute wird in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) geführt.233
Die Spezialbanken sind die zweite Unterkategorie der Geschäftsbanken. Im Gegensatz zu den Universalbanken fokussieren sich auf einen eingeschränkten Kreis von Bankgeschäften. Folgende Institutskategorien fallen unter dem Überbegriff der Spezialbanken: 234 •
Realkreditinstitute zeichnen sich durch die Vergabe von Hypothekarkrediten (langfristige, grundpfandrechtlich gesicherte Kredite) und Kommunalkrediten (Kredite an öffentliche Haushalte) aus. Die Refinanzierung erfolgt dabei durch die Ausgabe von Pfandbriefen, die wiederum durch die Grundpfandrechte bzw. dem Steueraufkommen der Kommunen als gesonderte Deckungsmasse abgesichert sind.235
231
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 20; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 102 ff.; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 79 ff. 232 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 22; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 87 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 106 ff. 233 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 23; ; Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 94 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 102 ff. 234 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 19; 235 Vgl. Büschgen, H.E. (Bankbetriebslehre 1998), S. 98 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 36. 72
•
Bausparkassen vergeben auf nach Erreichen einer festgeschriebenen Ansparsumme (Ansparvertrag) Kredite, die zweckgebunden zur Finanzierung des Baus, des Erwerbs oder der Renovierung von Wohneigentum verwendet werden müssen.236
•
Kapitalanlagegesellschaften finanzieren ein oder mehrere Sondervermögen (Umgangssprachlich: Fonds) durch die Ausgabe bzw. den Vertrieb klein gestückelter Investmentzertifikate, welche den jeweiligen Anteil am Sondervermögen (Wertpapiere, Beteiligungen, Immobilien, Renten) verbriefen und in der Regel nach dem Prinzip der Risikodiversifikation zusammengestellt und verwaltet werden.237
•
Kreditinstitute mit Sonderaufgaben stellen eine heterogene Gruppe von Instituten dar, die in erster Linie historisch bedingte Sonderaufgaben vor allem im Kreditbereich wahrnehmen. Beispiele sind die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), deren Aufgabe nach dem 2. Weltkrieg die Finanzierung der Wirtschaft der BRD im Rahmen des Marshall-Plans war und die heute spezielle Vorhaben in den Bereichen Umweltschutz, Export und Existenzgründung fördert und finanziert, sowie die Industriekreditbank AG, deren Aufgabe es ist, langund mittelfristige Investitionskredite an kleine und mittelständische Unternehmen zu vergeben.238
Die Versicherungen werden gemeinhin in folgende Kategorien eingeteilt: •
Lebensversicherungen: Diese Versicherungsunternehmen bieten in der Regel Personenversicherungen in den Kategorien Leben (Kapitallebensversicherungen, Risikolebensversicherungen) und private Rente (Leibrentenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung) an. Die eingezahlten Prämien der Versicherungsnehmer werden dabei zur Deckung der laufenden Kosten und des Risikos verwendet, die Einzahlungsüberschüsse werden in der Regel mittel- bis langfristig angelegt. Dabei unterliegen Lebensversicherer den aufsichtsrechtlichen
236
Vgl. Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 116 f.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 37. 237 Vgl. Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 117 ff.; Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A., Weber, M. (Bankbetriebslehre 2000), S. 37. 238 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 20. 73
Vorschriften des VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) und dabei insbesondere den allgemeinen Anlagegrundsätzen des §54 VAG.239 •
Krankenversicherungen: Die Anbieter von privaten Krankenversicherungen bieten Personenversicherungen in den Kategorien Krankheitskostenversicherung und Kranken- und Krankenhaustagegeldversicherungen an. In erster Linie werden Aufwendungen abgedeckt, die als Folge einer Krankheit zu deren Heilung dienen. Die Kunden sind dabei insbesondere freiberuflich Tätige und Personen, die über ein gewisses Mindesteinkommen (46.800 EUR/p.a.) verfügen.240
•
Schaden- und Unfallversicherungen: In dieser Kategorie fällt eine Vielzahl von unterschiedlichen Versicherungsformen, denen gemein ist, dass sich die Versicherungsleistung nach dem effektiv messbaren Vermögensschaden (z.B. Feuer) bzw. dem Eintreffen einer bestimmten Ursache (Unfall) bemisst.241
•
Rückversicherungen: Die oben aufgeführten Typen von Versicherern werden auch als Erstversicherer bezeichnet. Im Gegensatz dazu versichern Rückversicherungen andere Erstversicherer, indem sie das so genannte versicherungstechnische Risiko gegen entsprechende Prämienzahlung übernehmen. Das heißt, dass beispielsweise der tatsächliche Schadenverlauf von den in den Prämienkalkulationen zu Grunde gelegten statistischen Annahmen (z.B. durch Eintritt von Großschäden) abweicht.242
Nach dieser überblicksartigen Beschreibung der für uns relevanten Finanzdienstleister im engeren Sinn sollen einige Daten zur bundesdeutschen Finanzdienstleistungsbranche die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges aufzeigen und zugleich ein tieferes Verständnis der Struktur dieser Branche vermitteln.
239
Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 99 f. bzw. S. 166 ff.; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 124 ff. 240 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 345 bzw. S. 453; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 127 ff. 241 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 345 bzw. S. 467; Stracke, G., Geitner, D. (Finanzdienstleistungen 1992), S. 128 f. 242 Vgl. Bitz, M. (Finanzdienstleistungen 2002), S. 466. 74
•
Anzahl Unternehmen: In Deutschland existieren circa 2.500 Banken243 und 850 Versicherungsunternehmen244 im Rahmen der in dieser Arbeit zu Grunde gelegten Definition. Folgende Tabelle stellt dar, wie sich die Unternehmen auf die einzelnen Institutskategorien245 aufteilen: Tab. III-2: Anzahl Finanzdienstleistungsinstitute in Deutschland246 Institutskategorien
Anzahl
Prozent
2527
100
Universalbanken
2379
94
– Private Geschäftsbanken
355
14
– Sparkassensektor
532
21
– Genossenschaftssektor
1492
59
Spezialbanken
148
6
– Realkreditinstitute
25
1
– Bausparkassen
28
1
– Kapitalanlagegesellschaften
79
3
– Wertpapiersammelbanken
1
60jährigen): USA
Japan
Europa
2,5
2,5
3,3 3,0
-42%
2,3 1,9
1,8
-56%
-52% 1,2
1,1
2000
2010E
2050E
2000
2010E
2050E
2000
2010E
2050E
Abb. III-23: Entwicklung der Altersstruktur in westlichen Industrienationen297 Hinsichtlich der sozialpsychologischen Strömungen lassen sich am Beispiel des Wertewandels ebenfalls Entwicklungsrichtungen aufzeigen. Da diese Effekte aber teilweise noch langfristiger wirken als die soziodemographischen, können im gewählten Betrachtungszeitraum allenfalls graduelle Änderungen festgestellt werden. Bei Ausweitung des zeitlichen Horizonts bis in die sechziger Jahre lassen sich für die Bundesrepublik aber einige gewichtige Veränderungen im Wertegefüge der deutschen Gesellschaft aufzeigen, die in ihrer Tendenz auch heute noch wirken.
295
Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 40. Vgl. Bundesamt für Statistik (Statistisches Jahrbuch 2004), S. 40. 297 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis McKinsey Research. 296
109
Gegenüber der auf Arbeit, Konsum und Pflichterfüllung ausgerichteten Orientierung in den fünfziger Jahren, begann ab den Sechzigern eine Verschiebung der Wertestruktur hin zu Selbstverwirklichung, Selbsterfüllung und hedonistischen Prinzipien.298 Dieser Wertewandel von der materiellen hin zur postmateriellen Gesellschaft wurde von Inglehart299 auch als "silent revolution" beschrieben. Die immer stärkere werdende Erlebnisorientierung setzt sich auch in den folgenden Jahrzehnten fort. Neben der hohen Bedeutung der Freizeit, in der Erlebnisse beispielsweise bei Reisen, im Sport oder in Partnerschaften gesucht werden, kommt auch dem Berufsleben eine geänderte Bedeutung zu, welches nicht nur dem Lebensunterhalt, sondern auch der Selbsterfüllung dienen soll.300 Dass diese Werteverschiebung immer noch aktuell ist, zeigt exemplarisch folgende Abbildung, in der der Wandel von Werten in Bezug auf den Sinn des Lebens von 1974 bis 1997 dargestellt wird und aus der ersichtlich wird, dass Werte, wie Glück/Freude und Lebensgenuss, zunehmend wichtiger geworden sind.
298
Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 91 ff. Vgl. Inglehart, R. (Silent Revolution 1977). 300 Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 101. 299
110
1974 1984
49
1997
56
Glück, viel Freude
68 26 40
Das Leben genießen
55 34 38
Welt kennen lernen
46 42 32
Bessere Gesellschaft
38 23 Tun, was Gott will
20 20
Abb. III-24: Wandel von ausgewählten Wertorientierungen301 Fazit: In der sozio-kulturellen Teilumwelt finden Verschiebungen statt, die allerdings zum größten Teil sehr langfristig wirken. Unbestimmtheiten bzw. Diskontinuitäten finden beispielsweise im Vergleich zum makro-ökonomischen Umweltsegment in weitaus geringerem Maße statt. Des Weiteren ist die Komplexität insbesondere im soziodemographischen Teilbereich eingeschränkt, da die wesentlichen Faktoren und deren Interdependenzen bekannt sind und auch durch staatliche Stellen quantitativ und regelmäßig erfasst werden. Im Zusammenhang mit dem von uns gewählten Betrachtungszeitraum der vergangenen fünf Jahre kann daher nur von einem mittleren Niveau der Attribute Komplexität, Dynamik und Kontingenz ausgegangen werden.
301
Quelle: Vgl. Müller-Schneider, T. (Wertewandel 2001), S. 100, der sich auf eine IFD Allensbach Umfrage von 1998 bezieht. 111
IV. Methoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt für Finanzdienstleister Wie wir bereits dargestellt haben, sind bei der Antizipation von Umweltentwicklungen die drei grundsätzlichen Methoden Prognose, Projektion und Prophezeiung möglich.302 Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur liefert eine Fülle unterschiedlicher Methoden zur Antizipation langfristiger, strategischer Entwicklungen, die sich hauptsächlich in die beiden erstgenannten Kategorien einordnen lassen. Da strategische Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt Besonderheiten aufweisen, die sich auf den Einsatzbereich der Antizipationsmethoden auswirken, werden zu Beginn die grundlegenden Problematiken bei der Antizipation von Umweltentwicklungen aufgeführt, die in erster Linie durch die Charakteristika von Strategischen Informationen bedingt sind. Ziel dieses Abschnittes ist es, auf dieser Basis einen Überblick über die einzelnen Antizipationsmethoden bzw. -konzepte, die bei der Vorhersage von strategischen Umweltentwicklungen Verwendung finden können, zu geben und dabei die zu Grunde liegenden Theorien darzustellen, um somit das methodische Grundgerüst für die empirische Untersuchung aufzubauen.
1. Grundlegende Problematiken bei der Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt In diesem einleitenden Abschnitt werden zwei Kernproblemfelder beschrieben, die bei Antizipationen von Umweltentwicklungen und damit auch in der Strategischen Planung eine zentrale Rolle spielen. Im Folgenden werden ausgehend von einer Spezifikation der Unvollkommenheit von Informationen im Entscheidungsprozess der kontingente Charakter von strategischen Informationen und die Problematik von diskontinuierlichen Entwicklungen expliziert, um ein grundlegendes Verständnis für die Möglichkeitsräume der im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschriebenen Antizipationsmethoden der Prognose und Projektion zu schaffen.
302
Siehe Abschnitt II.3.3. 112
1.1
Charakter von strategischen Informationen
Vollkommene Informationen sind lückenlos und sicher bezüglich aller in einem Entscheidungsproblem beteiligten Größen.303 Gerade in einem strategischen Kontext, bei dem Informationen über die (langfristige) Zukunft eine zentrale Rolle spielen, kann aus folgenden Gründen der Zustand vollkommener Information als hypothetisch bezeichnet werden: •
Eine vollkommene Beschreibung der gegenwärtigen und vor allem der zukünftigen Unternehmensumwelt ist nicht möglich, da die an einem Entscheidungsproblem beteiligten Variablen, die Handlungsalternativen und deren Konsequenzen nichtvollständig a priori zu beschreiben sind.304
•
"Vollkommene Information ist wegen deren Komplexität und wegen der damit verbundenen Kosten der Informationsbeschaffung nicht möglich, da man bereits bei einer unbekannten oder sogar nur unsicheren – z.B. weil deren Messung schon weiter in der Vergangenheit lag – Größe nicht mehr von vollkommener Information sprechen kann."305
•
Vollkommene Information stellt ein logisches Paradoxon dar, da in diesem Zustand alle zukünftigen Handlungen der Akteure jedem einzelnen beteiligten Individuum bekannt wären und richtig beurteilt würden. Damit wären alle Handlungen ex ante festgelegt, der Information und folglich auch der Entscheidung kämen keinerlei Bedeutung zu.306
Ebenso wie der Zustand der vollkommenen Information hypothetisch ist, ist das opposite Extremum, der Zustand vollständiger Ignoranz bzw. Unwissenheit, nicht realistisch, da in diesem Fall keine begründbare Entscheidung, sondern nur "blindes Zufallshandeln" möglich wäre. Somit kommt einer Entscheidung nur dann eine Bedeutung zu, wenn der Informationsgrad zwischen den Stadien vollständiger Information und vollständiger Ignoranz liegt.307 Eine realistische Informationssituation muss demzufolge immer unvollkommen sein und ist dabei neben Unvollständigkeit auch durch Unbestimmtheit determiniert.
303
Vgl. Wittmann, W. (Information 1980), S. 897. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 152. 305 Dörfler, P. (Information 1986), S. 39. 306 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 152 ff., der sich auf Morgenstern und Wittmann bezieht. Vgl. Morgenstern, O. (Voraussicht 1964), S. 253-257; Wittmann, W. (Entscheidungen 1975), S. 59. 307 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 154. 304
113
Eine grundlegende Problematik im Zusammenhang mit der Gewinnung und Analyse von strategischen Informationen stellt deren hohes Maß an Kontingenz bzw. Unbestimmtheit dar.308 "Das hohe Maß an Kontingenz bedeutet, dass die erforderlichen Informationen oft nicht mit der Präzision vorliegen, wie sie für die Verwendung traditioneller entscheidungstheoretischer Kalküle erforderlich wäre."309 Insbesondere im Bereich der Strategischen Planung können auf Grund der Langfristigkeit und der damit einhergehenden Interpretationsoffenheit der Indikatoren Ereignisse vielmehr nur in vager bzw. unscharfer Form angegeben werden. Beispielsweise können in einem strategischen Kontext für viele Entwicklungen viel eher verbale Tendenzaussagen getroffen werden (z.B. "der Ölpreis wird hoch sein" oder "die Aktienmärkte werden sich ziemlich gut entwickeln") als konkrete Zahlenwerte angegeben werden.310 Für den nicht-deterministischen Fall lässt sich nach Spengler Unbestimmtheit, wie in folgender Abbildung dargestellt, systematisieren: Unbestimmtheit
Unsicherheit
Unsicherheit im engeren Sinne
Unschärfe
Risiko
Terminologische
Relationale
Abb. IV-1: Systematisierung kontingenter Informationen311 Demnach hat insbesondere der rechte Ast der Abbildung aus Perspektive der Strategischen Analyse eine besondere Bedeutung, da dort die Unbestimmtheit der zukünftigen
308
Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 199. 310 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 128. 311 Quelle: Modifiziert nach Spengler. Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 130. 309
114
Ereignisse selbst und nicht das Eintreten dieser Ereignisse (linker Ast)312 systematisiert ist. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da das Eintreten von Ereignissen in einem langfristigen, strategischen Kontext nicht oder sehr unzureichend mit Wahrscheinlichkeiten belegt werden kann.313 Bei der Unschärfe unterscheidet man terminologische Unschärfe und relationale Unschärfe. Unter der terminologischen Unschärfe versteht man Ereignisse oder, allgemeiner gefasst, Begrifflichkeiten, die durch weitere Kriterien spezifiziert werden müssen (z.B. "hoher" Ölpreis). Die relationale Unschärfe meint Beziehungen zwischen Objekten, welche als vage bezeichnet werden können (z.B. A ist "viel größer" als B).314 1.2
Diskontinuitäten in der Unternehmensumwelt
Im ersten Kapitel wurden bereits die Attribute der Unternehmensumwelt spezifiziert. Eine wichtige Determinante, die das Niveau der Dynamik determiniert, ist die "Regelhaftigkeit der Veränderungsprozesse" in Form von Stetigkeit (Kontinuität) bzw. Unstetigkeit (Diskontinuität) der Veränderung.315 Das Phänomen der Diskontinuität wird in diesem Abschnitt als eine grundlegende Problematik für die Antizipation genauer untersucht. Etymologisch lässt sich der Begriff Diskontinuität mit "Mangel an Zusammenhang" oder als "Ablauf von Vorgängen mit zeitlichen oder räumlichen Unterbrechungen" umschreiben.316 Da diese Definitionen keinen detaillierten Aufschluss über die einzelnen Merkmale von Diskontinuitäten bzw. die daraus resultierenden Problematiken geben können, werden die folgenden Spezifikationen stellvertretend für die betriebswirtschaftlichen Forschung317 zum Themengebiet Diskontinuitäten dargestellt. •
Erstmaligen Eingang in die Wirtschaftswissenschaft erfuhr der Terminus der Diskontinuität durch das Werk "The Age of Discontinuity"318 von Peter Dru-
312
"Während der Entscheidungsträger im Falle der Unsicherheit i.e.S. lediglich angeben kann, welche Zustände der Welt (in seinem Urteil) überhaupt eintreten können, ist er in Risikosituationen darüber hinaus in der Lage, sich ein abgestuftes Glaubwürdigkeitsurteil über (den Eintritt) dieser Zustände zu bilden." Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 129. 313 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 126. 314 Vgl. Spengler, T. (Strategische Personalplanung 1999), S. 129. 315 Siehe Abschnitt II.2.3. 316 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 32. 317 Ebenso wie in den Wirtschaftswissenschaften wird der Begriff der Diskontinuität in der Philosophie, Geschichtswissenschaft und der Naturwissenschaft diskutiert und anerkannt. Dies soll aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weitere ausgeführt werden. Stattdessen sei auf die Zusammenfassung von Konrad verwiesen, der die Verwendung und die Bedeutung des Diskontinuitätsbegriffs in den drei angesprochenen Disziplinen expliziert. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 88-100. 318 Vgl. Drucker, P. (Discontinuity 1969). 115
cker. Drucker beschreibt, dass sich die ökonomische Welt nach einer Periode der Kontinuität (Age of Continuity 1918-1968) in ein neues Zeitalter bewegt, das von Unstetigkeiten in den Bereichen der Technologie, der Weltwirtschaft, des sozial-politischen Bereichs und der Bildung geprägt sein wird.319 Zu einem späteren Zeitpunkt definiert Drucker den Begriff der Diskontinuität als "(...) unregelmäßige, nichtlineare und unvorhersehbare Störung."320 •
Bei Igor Ansoff, dessen Konzept der Schwachen Signale im weiteren Verlauf dieses Kapitels als zentrale Leitidee der Strategischen Frühaufklärung vorgestellt wird,321 spielen Diskontinuitäten bzw. Turbulenzen322 eine grundlegende Rolle. Ansoff definiert Diskontinuität als ein Ereignis, das nicht mittels Extrapolation aus einer Reihe vergangener Ereignisse abgeleitet werden kann und nicht durch die vorhandenen Fähigkeiten eines Unternehmens zu handhaben ist. Somit weisen Diskontinuitäten ein Überraschungsmoment auf und sind nicht vorhersehbar.323 "Discontinuous change comes from many quarters, and because it is frequently indirect and comes from outside the industry, it is increasingly surprising and novel. Historical experience is decreasingly applicable."324
•
Keuning bezeichnet Diskontinuitäten als sich unregelmäßig vollziehende, bedeutende Strukturveränderungen im Grundaufbau der Unternehmensumwelt, die dann auftreten, wenn ein Unternehmen, das sich in einer komplexen und dynamischen Umweltsituation befindet, den relativen Einfluß auf Umweltkomponenten, mit denen sie in einer wechselseitigen Beziehung steht, verliert.325
•
Zahn versteht unter Diskontinuitäten "(...) spezifische verhaltensdynamische Erscheinungen, die sich als plötzlich auftretende signifikante Veränderungen in den Beziehungen zwischen verschiedenen Systemvariablen oder in der Sys-
319
Vgl. Drucker, P. (Discontinuity 1969), S. 7 ff. Drucker, P. (Management 1980), S. 10. 321 Siehe Abschnitt IV.2.3.1.1. 322 Eine eindeutige Differenzierung der Begriffe Diskontinuität und Turbulenz ist bei Ansoff nicht feststellbar. Daher werden die beiden Termini an dieser Stelle synonym aufgefasst. Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 105. 323 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 106. 324 Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 134. 325 Vgl. Keunig, D. (Turbulence 1978), S. 6 f. 320
116
temdynamik bemerkbar machen."326 Zahn bringt diese Definition in einen formalen Zusammenhang, der sich wie folgt darstellt: In einer Funktion ensteht ein diskontinuierlicher Verlauf zunächst dadurch, dass eine Steuervariable bei einer Verhaltensvariablen zunächst eine kontinuierliche Entwicklung initiiert. An einem gewissen Schwellpunkt A wird diese Entwicklung durch einen diskreten Sprung auf eine höhere (tiefere) Ebene unterbrochen, auf der sie dann weiter kontinuierlich verläuft.327 Dieser Zusammenhang wird durch nachfolgende Abbildung verdeutlicht, in der das Beispiel des Sprungs auf eine höhere Ebene dargestellt wird:
Verhaltensvariable
A Steuervariable
328
Abb. IV-2: Diskontinuität
Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit schließen wir uns der Synthese von Konrad an, der aus den unterschiedlichen Begriffsdefinition zum Themenkomplex der Diskontinuität folgende zwei Basismerkmale synthetisiert hat: "Diskontinuitäten sind •
abrupte, plötzliche und unregelmäßig auftretende Änderungen. Sie beinhalten damit immer den Charakter der Überraschung.
326
Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 119. Vgl. Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 122. 328 Quelle: Zahn, E. (Diskontinuitäten 1979a), S. 122. 327
117
•
tief greifende, umfassende und massiert auftretende Änderungen. Sie haben demnach eine qualitative Niveauveränderung, d.h. neuartiges und erstmaliges Auftreten von Phänomenen, denen historische Parallelen fehlen, zur Folge."329
Die rechtzeitige Erkennung, Verarbeitung und Bewältigung von Diskontinuitäten kann als Diskontinuitätenmanagement bezeichnet werden, dabei kann dieser Aufgabenkomplex gedanklich in zwei Vorgehenskonzepte gegliedert werden.330 •
Ex-Ante-Bereitschaft: Der Fokus liegt auf der frühzeitigen Erkennung von Diskontinuitäten. In einem zweiten, nachgelagerten Schritt werden Reaktionsmöglichkeiten evaluiert und ausgewählt. Damit ist die Ex-AnteBereitschaft proaktiv. In erster Linie kommen Methoden und Instrumente zum Einsatz, die einen antizipativen Charakter aufweisen.331
•
Ex-Post-Bereitschaft: Die Aktivitäten konzentrieren sich auf Schaffung und Erhaltung eines Reaktionspotenzials, mit dem aufkommende Diskontinuitäten bewältigt werden sollen. Damit ist die Ex-Post-Bereitschaft reaktiv. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies für ein Unternehmen, dass über alle betrieblichen Funktionen und Stellen eine größtmögliche Flexibilität vorgehalten werden muss. Zudem können speziell geschulte Teams oder Bereiche geschaffen werden, die bei Konfrontation mit einer Diskontinuität als "Feuer wehr" oder Krisenstab fungieren, um Situationsanalysen durchzuführen und mögliche Reaktionsstrategien umgehend zu entwickeln. 332
Hervorzuheben ist, dass o.g. Differenzierung lediglich eine generische Trennung darstellt, die die unterschiedlichen Schwerpunkte aufzeigt. In der Praxis können und sollen beide Aktivitätsfelder nicht voneinander getrennt werden. Im Rahmen dieser Arbeit konzentrieren wir uns auf erstgenannten Aspekt, indem die wichtigsten Methoden zur Antizipation zukünftiger Entwicklungen in den folgenden Abschnitten dargestellt werden.
329
Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 106. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 285. 331 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 287 f. 332 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 286 f. 330
118
2. Übersicht der Methoden zur Antizipation von Entwicklung der allgemeinen Unternehmensumwelt Antizipationenmethoden lassen sich neben der theoretischen Differenzierung in Prognosen, Projektionen und Prophezeiungen333 nach der zeitlichen Reichweite (kurz-, mittel-, langfristig), nach der Art der unabhängigen Variablen (Wirkung, Entwicklung) und nach der Art der Variablenverknüpfung (quantitative bzw. mathematische Variablenverknüpfung, qualitative, verbal-argumentative Variablenverknüpfung) unterscheiden.334 In diesem Abschnitt sollen sowohl die in den Wirtschaftswissenschaften verbreiteten Methoden zur Antizipation von Entwicklungen und Ereignissen als auch die Methoden dargestellt werden, die sich speziell auf die Problematiken der allgemeinen Unternehmensumwelt fokussieren (z.B. Strategische Frühaufklärung). Unsere theoretische Differenzierung eignet sich aus folgenden Gründen nicht für eine strukturelle Grundlage für diesen Abschnitt: •
Oftmals wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zur Prognostik und Langfristplanung nicht die theoretisch fundierte Aufteilung (Prognose, Projektion, Prophezeiung) in der Darstellung der unterschiedlichen Methoden gewählt. Vielmehr werden oftmals Projektionsmethoden auch unter dem Begriff der Prognose zusammengefasst. Es erfolgt vielmehr meist eine Differenzierung nach quantitativen und qualitativen Methoden.335
•
Die Methoden der Frühwarnung/Frühaufklärung, der Szenario-Analyse und der Trendforschung haben auf Grund der Fokussierung auf die allgemeine Unternehmensumwelt eine besondere Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit. Diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie unterschiedlichste Ansätze/Aspekte aus dem quantitativen und qualitativen Bereich einbeziehen. Daher bilden wir die genannten Methoden unter dem Überbegriff Verbundmethoden ab. Diese Methoden sind nicht eindeutig theoretisch zuzuordnen, da sie aus einem Konvolut unterschiedlicher Methoden bestehen, die je nach Schwerpunktlegung prognostischen, projektiven und unter Umständen sogar prophezeienden Charakter haben können.
333
Siehe Abschnitt II.3.3. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 255. 335 Vgl. u.a. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 268; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201-202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392-394; Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186 und 186; Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 89. 334
119
Daher wird für diesen Abschnitt eine Differenzierung in quantitative-, qualitative- und Verbundmethoden zur Antizipation von Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt zu Grunde gelegt. Dabei stellen die in den folgenden Abschnitten vorgestellten Antizipationsverfahren in den Kategorien "Quantitative Methoden" und "Qualitative Methoden" die gängigen Methoden der Betriebswirtschaftslehre für im strategischen Kontext durchgeführte Langfristprognosen dar.336 2.1
Quantitative Methoden
Quantitative Methoden liefern auf der Basis mathematisch-statistischer Operationen rechnerische Ergebnisse hinsichtlich der zu antizipierenden Größe.337 Quantitative Antizipationsmethoden lassen sich wie folgt systematisieren: Trendextrapolation Zeitreihenanalysen
Durchschnittswertberechnungen Glättungsverfahren Einfache Regression
Quantitative Methoden
Regressionsmethoden
Multiple Regression Ökonometrische Modelle Wachstumsmodelle
Strukturmodellgestützte Methoden
Simulationsmodelle
Input-Output-Analyse
Abb. IV-3: Quantitative Antizipationsmethoden338 Jede der einzelnen Methoden ausführlich darzustellen, würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Dennoch soll nicht darauf verzichtet werden, die Antizipationsverfahren in 336
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 f, der sich auf Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186 und 188 bezieht 337 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269. 338 Quelle: Eigene Darstellung als Synthese unterschiedlicher Systematisierungen. Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 256; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 13 ff.; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393, Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186.
120
der gebotenen Kürze zu beschreiben. Dabei werden in den folgenden drei Abschnitten die Kategorie der Zeitreihenanalysen, der Regressionsmethoden und der strukturmodellgestützten Verfahren beschrieben. Es sei darauf hingewiesen, dass in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Einordnung der einzelnen Verfahren keineswegs einheitlich ist. Insbesondere die unterschiedliche Zuordnung der Regressionsmethoden (beispielsweise zu den Zeitreihenanalysen bei Horváth339 bzw. zu den strukturmodellgestützten Verfahren bei Weber340) hat uns veranlasst, analog zu Bircher341 diese als gesonderte Kategorie abzubilden. 2.1.1
Zeitreihenanalysen
Zeitreihenanalysen bestimmen zukünftige Realisationswerte einer Variablen unter Zuhilfenahme mathematischer Verfahren anhand von präkurrenten Werten einer Zeitreihe aus der Vergangenheit.342 Abhängig von der Anwendung der mathematischen Verfahren können Trendextrapolation, Durchschnittswertberechnungen und exponentielle Glättungen unterschieden werden. •
Trendextrapolationen werden in erster Linie dann angewandt, wenn die zu prognostizierende Größe in der Vergangenheit einen trendförmig steigenden oder sinkenden Verlauf aufgewiesen hat und Schwankungen nur innerhalb einer festgelegten Bandbreite zu beobachten waren.343 Meist wird versucht, den bisherigen Datenverlauf durch eine lineare Trendgerade so zu approximieren, dass die Summe der quadrierten Abweichungen der tatsächlichen Werte von den Werten der Trendgerade minimal ist (Methode der kleinsten Quadrate
339
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 16-17. 341 Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186. 342 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 17; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 259. 343 Ein Trend beschreibt die Entwicklungsrichtung einer Zeitreihe. Im Allgemeinen wird die Entwicklungsrichtung eines Trends durch einen Koeffizienten wiedergegeben, der diese durch ein negatives oder positives Vorzeichen indiziert; hat der Koeffizient kein Vorzeichen, spricht man von einer konstanten Entwicklung. Eng mit dem mathematischen Begriffs des Trends sind die Termini der Konjunktur, die eine mehrjährige Schwankung um den (langfristigen) Trend darstellt und der Saison, bei der es sich um unterjährige (Quartals- bzw. Monats-) Schwankungen handelt. Bei beiden handelt es sich um die so genannte oszillatorische Komponente einer Entwicklungsrichtung (Trend). Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 11 f. 340
121
bzw. OLS = Ordinary Least Squares).344 Dabei gehen alle Beobachtungswerte mit einer gleichen Gewichtung in den Berechnungsvorgang ein. Prinzipiell unterscheidet man zwischen linearen und nicht-linearen Trends bzw. Trendfunktionen. Während lineare Trends sich durch gleich bleibende absolute Zuwächse bzw. Abnahmen definieren, kann sich der "Trendanstieg" nicht-linearer Trends in unterschiedlichen Formen, wie z.B. quadratisch, kubisch oder exponentiell, gestalten.345 Eine lineare Trendfunktion lässt sich formal wie folgt darstellen: yˆ = bt + c
Dieser Trendfunktion können bei Anwendung der OLS-Methode und bei der Verwendung von Kennziffern statt Jahreszahlen, deren Summe Null ergibt und die mit t´ bezeichnet werden, folgende vereinfachte Normalgleichungen346 zugeordnet werden.347
b=
ty t
2
und c =
y m
mit m = Anzahl der Beobachtungswerte
Die somit berechnete Trendfunktion kann durch Einsetzen zukünftiger Zeitkennziffern entsprechende Vorhersagen errechnen. Die eigentliche Extrapolation entspricht geometrisch einer Verlängerung der ermittelten Trendfunktion in die Zukunft bzw. bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.348 In erster Linie erstreckt sich der Einsatzbereich der einfachen Trendextrapolation auf Prognosen in relativ stabilen Umwelten in einem tendenziell kurz- bis maximal mittelfristigen Zeithorizont, wobei eine Reihe von Vergangenheitsdaten als Basisinformation vorliegen muss.349 344
Dieses Verfahren der Trendprojektion entspricht einer Regression auf die Zeit. Da Regressionsfunktionen aber prinzipiell breiter einsetzbar sind, erfolgt eine gesonderte Darstellung im nächsten Abschnitt dieses Kapitels. Vgl. dazu Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 17 bzw. Abschnitt IV.2.1.2 dieser Arbeit. 345 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 17-26. Die nicht-linearen Verfahren erfahren an dieser Stelle keine Vertiefung, da die quadratische und kubische Trendfunktion auch durch die Ansätze der multiplen Regression abgebildet werden können und exponentielle Verläufe den ebenfalls separat abzuhandelnden Wachstumsfunktionen in Abschnitt IV.2.1.2 entsprechen. Weitere nicht-lineare Trends können außerdem potenziell oder logarithmisch verlaufen, für eine nähere Beschäftigung sei auf oben stehende Quelle verwiesen. 346 Zu den Normalgleichungen findet sich im nächsten Abschnitt IV.2.1.2 eine detailliertere Betrachtung 347 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 18 f. 348 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 260. 349 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. 122
Insbesondere ist die einfache Trendextrapolation geeignet, die Entwicklung volkswirtschaftlicher oder sonstiger Marktgrößen auf einem hohen Aggregationsniveau zu antizipieren bzw. erste Überschlagsberechnungen durchzuführen, die im Anschluss durch feinere Verfahren ergänzt werden.350 Zur Identifikation von Diskontinuitäten bzw. Wendepunkten in Entwicklungen weist die Trendextrapolation nur eine geringe Eignung auf.351
•
Bei Durchschnittswertberechnungen wird prinzipiell der Durchschnitt aus den Werten einer Zeitreihe ermittelt und dann als Wert für zukünftige Perioden verwendet. Der Rechenaufwand dieser Verfahren ist gering, da stark vereinfachten Annahmen zur Vorausschätzungen getroffen werden. Daher werden diese Verfahren auch als "naive" Antizipationsverfahren bezeichnet.352 Neben der einfachen Mittelwertbildung (arithmetisches Mittel) haben vor allem die Verfahren der gleitenden Durchschnitte und der gewogenen Durchschnitte Verbreitung gefunden. Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, dass sich formal wie folgt darstellen lässt:353
xˆ t +1 = x t =
1 t
t i =1
xi
mit 1 für die Prognosedistanz
ist der gleitende Durchschnitt ein verfeinertes Verfahren, bei dem "ältere" Werte sukzessive aus der Betrachtung herausfallen bzw. bei dem nur jeweils die letzten p Werte zur Berechnung herangezogen werden, und das sich formal wie folgt ausdrücken lässt:354 xˆ t +1 = x t gl =
1 t x n mit 1 für die Prognosedistanz p n = t p +1
Arithmetischer und gleitender Durchschnitt gewichten alle in die Berechnung eingehenden Werte gleich. Eine weitere Erweiterung dieses Verfahrens stellt die gewogene, gleitende Durchschnittswertberechnung dar, bei der neuere
350
Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186. Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 394. 352 Vgl. Hüttner, M. (Markt- und Absatzprognosen 1982), S. 75. 353 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 13. 354 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 14. 351
123
Werte eine höhere Gewichtung haben als ältere. Im Prinzip ergänzt man obige Formel nur um Wichtungsfaktoren w für jeden einzelnen Vergangenheitswert. Der Einsatzbereich der vorgestellten Durchschnittswertberechnungen erstreckt sich analog zur Trendextrapolation vornehmlich auf die Antizipation quantitativ erfassbarer Entwicklungen (auf Basis von Vergangenheitsdaten) in einem kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont, wobei bei den Durchschnittswertberechnungen die Möglichkeit besteht, saisonale Schwankungen einzubeziehen und dadurch auch eine Anwendung auf etwas instabilere Umweltsituationen möglich zu machen.355 •
Ein weiteres zeitreihengestütztes Verfahren stellen exponentielle Glättungen (Exponential Smoothing) dar. Prognosefehler der unmittelbaren Vorperiode werden ebenso berücksichtigt wie eine Gewichtung zwischen "jüngeren" und "älteren" Vergangenheitsdaten.356 Die exponentielle Glättung ist eine Weiterentwicklung des gewogenen, gleitenden Durchschnitts. Die Grundgleichung des Exponential Smoothing lautet:357 St =
Yt + (1- ) St-1 mit 0
1, wobei S für den Mittelwert gesetzt
wird Der Prognosewert ergibt sich damit aus
Prozent des letzten Beobachtungs-
werts und aus (1- ) Prozent des bisherigen Mittelwerts. Er lässt sich mit wenigen Daten bestimmen, es werden lediglich der vorhergehende Prognosewert, der letzte Zeitreihenwert und der so genannte Glättungs- bzw. Reaktionsparameter
benötigt.
ist damit von zentraler Bedeutung für die Bestimmung des
Schätzwerts. In den beiden Extrema: St-1), während bei
= 0 erfolgt keinerlei Anpassung (St =
= 1 eine sofortige Anpassung erfolgt (St =Yt). Wird
zu
niedrig gewählt, werden Änderungen zu spät erkannt, bei zu hohen Werten von
wird hingegen auch auf eher zufällige Störungen reagiert. Es ist in der
Praxis kaum möglich, ein optimales
ex ante zu bestimmen. „Erfahrungen
bzw. Experimente ergaben, dass es oft zweckmäßig ist, mit Werten zwischen 0,1 und 0,3 zu arbeiten.“358
355
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 259. 357 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 56 ff. 358 Vgl. Hüttner, M. (Markt- und Absatzprognosen 1982), S. 99. 356
124
Problematisch wird das Verfahren des exponentiellen Glättens vor allem dann, wenn die betrachtete Zeitreihe durch einen Trend gekennzeichnet ist, da der aktuelle Trend den Prognosewerten, die ja immer noch Durchschnittswerte darstellen, vorauseilen wird. Es wäre also sinnvoller, den Trend explizit in der Prognoseformel zu erfassen.359 Hierzu existieren eine Reihe spezieller Verfahren (exponentielles Glätten zweiter Ordnung nach Brown, Zwei- bzw. DreiParameter-Verfahren nach Holt, Drei-Parameter-Modell nach Box-Jenkins)360, von denen das Verfahren nach Brown, das auf einen linearen Trend anwendbar ist, auf Grund der großen Verbreitung361 an dieser Stelle näher expliziert wird. Der lineare Trend wird durch die Größen b (Trendanstieg) und c (Konstante) beschrieben. Da in der Literatur statt c meist die Bezeichnung a verwendet wird, soll dies hier auch geschehen. Sind die Anfangswerte dieser beiden Größen ermittelt, werden sie mittels eines Glättungsparameters fortgeschrieben, um somit den Trendanstieg bt und die nun als Periodengrundwert at bezeichnete Konstante zu erhalten. Formal ergibt sich der Prognosewert für die nächste Periode wie folgt: xˆ t +1 = a t + bt Beim Verfahren nach Brown werden zur Trenderfassung die einfachen Glättungswerte St (im Folgenden als St1, also Glättungswerte erster Ordnung, bezeichnet) als Beobachtungswerte aufgefasst und mittels exponentiellen Glättens erster Ordnung fortgeschrieben. Damit erhält man einen Glättungswert zweiter Ordnung (St2), der sozusagen einen Glättungswert des Glättungswerts darstellt, was sich formal wie folgt darstellt.362 St2 = St-12 + ( St1- St-12) Auf dieser Basis lässt sicht der Periodengrundwert wie folgt errechnen: at = St1 + (St1- St2) = 2St1- St2 Für den Trendanstieg ergibt sich:
359
Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 60. Eine übersichtliche Darstellung aller Verfahren findet sich bei Schröder. Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 46-59. 361 Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 48. 362 Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 48 ff.; Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 60 ff. 360
125
bt =
1
( St
1
2
St )
Auf eine detailliertere Darstellung dieser Verfahren inklusive der entsprechenden mathematischen Herleitungen und Beweise wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.363 Die Methoden des exponentiellen Glättens können auch bei relativ instabilen Umweltsituationen angewendet werden, da die Möglichkeit der Datengewichtung und des Ausgleiches von Prognosefehlern besteht. Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei ebenso wie bei den beiden vorher vorgestellten Verfahren auf quantitativ erfassbare Entwicklungen in einem kurz- bis maximal mittelfristigen zeitlichen Horizont.364 2.1.2
Regressionsmethoden
Regressionsmethoden bzw. -analysen dienen zur Gewinnung funktionaler oder kausaler Zusammenhänge, wie sie in Form von ökonomischen Funktionen (z.B. Kostenfunktion) bekannt sind. Dabei geht eine Variable als abhängige Größe (Regressand) in die Untersuchung ein, die anderen Variablen (Regressoren) werden als unabhängig betrachtet. Die Beziehung zwischen den beiden Arten von Variablen können durch unterschiedliche Modelle, die in wiederum unterschiedlichen Regressionsfunktionen ihre Ausprägung finden, dargestellt werden.365 Nach der Anzahl der in die Untersuchung berücksichtigten unabhängigen Variablen, werden Regressionsanalysen in einfache (eine unabhängige Variable) und multiple (mehrere unabhängige Variablen) Regressionen differenziert.366 Ökonometrische Modelle sind dagegen ein System von wechselseitig voneinander abhängigen Regressionsgleichungen.367 Eine weitere Form der Differenzierung stellt die
363
Stattdessen sei auf die Literatur zu diesem Thema verwiesen. Eine genaue Darstellung nebst Herleitungen bietet Schröder. Vgl. Schröder, M. (Verfahren 1975), S. 46-50. 364 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 365 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 77-78; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 261. 366 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 78 ff.; zusätzlich existieren noch das Verfahren der Regression mit Dummy-Variablen (Verfahren zur regressionsanalytischen Behandlung nominalskalierter Variablen, wie z.B. "Ja/Nein"-Variablen) und die Methode der Regression mit verzögerten Variablen (Berücksichtigung der zeitlichen Verschiebung einer Zeitreihe), welche jedoch nicht im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden. Eine Übersicht über diese beiden Verfahren gibt Hüttner. Vgl. dazu Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 93-97. 367 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 126
Unterteilung nach der Art der Beziehung zwischen den Variablen dar, welche prinzipiell linear bzw. nicht linear sein können.368 Prognosen auf der Basis von Regressionsfunktionen werden durch Extrapolation der Entwicklung bzw. durch Abschätzung zukünftiger Werte der unabhängigen Variablen und durch Anwendung der mathematischen Beziehungsformel (Funktion) durchgeführt.369 •
Einfache Regressionen lassen sich in ihrer einfachsten linearen Form durch die unabhängige Variable x (Regressor), die abhängige Variable ˆy (Regressand) sowie den Regressionskoeffizienten b und der Regressionskonstante c wie folgt darstellen:370 ˆy = bx + c
Die Gewinnung von b und c erfolgt nach der bereits erwähnten371 Methode der kleinsten Quadrate (OLS), die die Summe der quadrierten Abstände zwischen den Schätzwerten ˆy i und den Beobachtungswerten y i (i=1,2,...,m) minimiert. Dies lässt sich formal folgendermaßen ausdrücken:372 ( yi
ˆy i ) 2 = MIN
Als Resultat erhält man durch Einsetzen der Minimierungsgleichung in die lineare Einfach-Regressionsgleichung und durch partielle Differenzierung nach den beiden unbekannten Koeffizienten b und c folgende zwei Normalgleichungen:373 1.) b
x + mc =
2.) b
x2 + c
y x=
xy
Nach Auflösung der ersten Normalgleichung nach c ergibt sich: c=
1 ( m
y
b
x)
368
Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 261; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 370 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. 371 Siehe den vorhergehenden Abschnitt IV.2.1.1. 372 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78. 373 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 78/79. Dort ist auch die detaillierte Herleitung der Normalgleichungen dargestellt, auf die in dieser Arbeit verzichtet wird. 369
127
Durch Einsetzen und Umformen der obigen ersten Normalgleichung ergibt sich für b: 1 b= m 1 m
xy
xy
x2
x2
Die nicht-lineare Einfachregression wird in dieser Arbeit nicht näher dargestellt, stattdessen sei auf die entsprechende Literatur verwiesen.374 In erster Linie können Einfachregressionen für die Antizipation von quantitativ erfassbaren Entwicklungen eingesetzt werden, die von einer kausalen Schlüsselgröße abhängig sind (zum Beispiel in einem makro-ökonomischen Zusammenhang, wie Abhängigkeit der Arbeitslosenquote von der Leitgröße Bruttosozialprodukt).375 Der Antizipationshorizont ist dabei kurz- bis mittelfristig.376 •
Die Multiple Regression unterscheidet sich gegenüber der Einfachregression durch Hinzunahme weiterer unabhängiger Variablen (Regressoren). Bei Einführung einer weiteren Variablen lautet die Regressionsfunktion wie folgt:377 ˆy = b1 x1 + b2 x 2 + c Bei Anwendung der OLS für diesem Fall ergäben sich nunmehr folgende drei Normalgleichungen, die nunmehr nach b1 , b2 und c aufzulösen sind:378 1.) b1
x1 + b2
x 2 + mc =
2.) b1
x1 + b2
x1 x 2 + c
3.) b1
x1 x 2 + b2
2
y x1 =
x 2 + b2 + c 2
x1 y x2 =
x2 y
Im Prinzip erstrecken sich der Anwendungsbereich sowie der zeitliche Horizont auf die gleichen Dimensionen wie bei der einfachen Regression. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei der Methode der multiplen
374
Zum Beispiel Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 84. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 376 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 394. 377 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 87. 378 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 87. 375
128
Regression Entwicklungen von Größen antizipiert werden können, die von mehreren Einflussfaktoren abhängig sind.379 •
Allgemein formuliert sind ökonometrische Modelle ein System von interdependenten Regressionsgleichungen (Mehrgleichungsmodelle), die einen zu untersuchenden Bereich (z.B. Wirtschaftssektor) beschreiben.380 In den Lehrbüchern der Ökonometrie wird zwar meistens mit den sog. Eingleichungsmodellen (einfache und multiple Regressionen) begonnen, welche im weiteren Sinne auch der Ökonometrie zuzurechnen sind, allerdings sind ökonometrische Modelle im engeren Sinne immer Mehrgleichungsmodelle. Der Begriff Ökonometrie geht dabei auf die Gründung der Econometric Society 1930 zurück und wird gemeinhin als eine Verbindung von ökonomischer Theorie, empirischer Wirtschaftsforschung und mathematisch-statistischen Methoden dargestellt, was zusätzlich ein Indiz dafür darstellt, dass ökonometrische Modelle aus mehreren Gleichungen bestehen.381 Sie werden in erster Linie dazu eingesetzt, zusammenhängende Größen des makro-ökonomischen Umweltsegments (Konsumausgaben, Investitionen etc.) oder Marktentwicklungen im Sinne von Wirkungs- oder Entwicklungsprognosen zu antizipieren. Der Anwendungsbereich umfasst aus einer zeitlichen Perspektive, wie bei den beiden vorher vorgestellten Regressionsmodellen, kurz- bis mittelfristige Antizipationen, allerdings im Unterschied zu diesen können ungleich mehr voneinander abhängige Größen untersucht werden, entsprechend höher sind allerdings auch die Informationserfordernisse.382 Wir werden an dieser Stelle aus Komplexitätsgründen darauf verzichten, die sehr umfangreiche Literatur zu ökonometrischen Modellen wiederzugeben, stattdessen sei auf einige Standardwerke zur Ökonometrie verwiesen.383
379
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 und Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 380 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393. 381 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 97. 382 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 383 Vgl. u.a. Frohn, J. (Ökonometrie 1980); Schneeweiß, H. (Ökonometrie 1990), Heil, J. (Ökonometrie 1991). 129
2.1.3
Strukturmodellgestützte Methoden
Unter den strukturmodellgestützten Antizipationsmethoden werden gemeinhin die Wachstumsmodelle und Simulationsmodelle als Standardverfahren, sowie die InputOutput-Analyse als Spezialverfahren subsumiert.384 Strukturmodelle (structural models) bilden komplexe Systeme und/oder sie betreffende Prozesse in kompakter Art und Weise ab und weisen damit verbundene Ergebnisse zumeist in Form hoch aggregierter Kennzahlen aus. Des Weiteren zeichnen sie sich durch ihren hohen Formalisierungsgrad aus.385 •
Wachstumsmodelle führen zu Erstellung von Zukunftsbildern auf der Basis vorgegebener, mathematischer Entwicklungsmuster (meist in Form von Funktionen). Prinzipiell gibt es zwei Unterarten, nämlich Modelle mit und ohne Sättigungsniveau. Da Wachstumsmodelle ohne Sättigungsniveau eher zurückhaltend zu verwenden sind (z.B. Linear- oder Potenzfunktionen), erfolgt an dieser Stelle keine nähere Explikation, stattdessen konzentrieren wir uns auf die Modelle mit Sättigungsniveau. Dabei existieren eine Reihe unterschiedlicher Ansätze, die einerseits nach den zu Grunde gelegten Funktionstypen (z.B. Exponentialfunktion andererseits nach deren Promotoren (z.B. Pearl-, von Bertalanffy, Gompertz- oder Johnsonfunktion) benannt sind. Neben unterschiedlichen Formen der Exponentialfunktion (z.B. Gompertz-Funktion) basieren Wachstumsmodell auch häufig auf einer logistischen Funktion, aus der sich eine S-förmige Kurve ergibt. 386 Wachstumsmodelle können einerseits für Populationsentwicklungen (z.B. Weltbevölkerung), andererseits in der Spezialform der Lebenszyklusanalyse für Vorhersagen von Absatzmengen neuer Produkte oder für die Verbreitung von Technologien verwendet werden. Letztere basiert dabei auf den typischen S-Kurven, die erfahrungsgemäß den Lebenszyklus eines Produktes oder einer Technologie beschreiben.387
384
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 16-17 bzw. S. 156. Wie bereits angesprochen ordnet Weber auch die Regressionsrechnungen den strukturmodellgestützten Methoden zu. Aus aufgezeigten Gründen widmen wir diesen jedoch ein separates Kapitel. Siehe auch Abschnitt IV.2.1. 385 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 15 bzw. S. 155. 386 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 157-159. 387 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201. 130
Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass für die Antizipation zukünftiger Entwicklungen der gesuchten Größe (z.B. Anzahl Nutzer einer neuen Technologie) Vergangenheitswerte mindestens über einen Zeitraum von einem Jahr und Informationen über die Entwicklung bzw. das Verbreitungsmuster einer ähnlichen Größe (z.B. vergleichbare Technologie) vorliegen müssen. In erster Linie bietet sich die vorgestellte Methode für mittel- und vor allem langfristige Antizipationen an, demzufolge können die abgeschätzten Werte nur immer sehr grober Natur sein.388 Diskontinuitäten können mit Wachstumsmodellen nicht antizipiert werden, sie bergen eher eine Gefahr für die Reliabilität der errechneten Werte. •
Simulationsmodelle bilden ein ausgewähltes System formalisiert ab.389 Die Modellauswertung erfolgt zumeist aus Komplexitätsgründen computergestützt und fokussiert eine Untersuchung des entsprechenden Systemverhaltens über Zeit. Die Entwicklung erfolgt in drei Schritten deren Beschreibung im Folgenden gleichzeitig Aufschluss über die Charakteristika von Simulationsmodellen gibt: Der erste Arbeitsschritt besteht in der Festsetzung der angestrebten Modellkonzeption. D.h. Grundsystem, unterschiedliche Modelleinsätze und Genauigkeitsgrad werden festgelegt und ein erstes Ausgangsmodell entwickelt, bei dem bereits die Intensität der Beziehung der einzelnen Systemelemente deutlich wird. Des Weiteren werden alle Eingangsgrößen (input variables) und Ausgangsgrößen (output variables) festgelegt, welche deterministisch oder
388
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201 und Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 389 Die Differenzierung zwischen den im Abschnitt IV.2.1.2 beschriebenen ökonometrischen Modellen und den Simulationsmodellen ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur oftmals nicht trennscharf bzw. wird nicht erkennbar getroffen. Wir schließen uns Hammer an, der eine Differenzierung vornimmt und ein öknonometrisches Modell vornehmlich in einem makro-ökonomischen Zusammenhang als System voneinander abhängiger Regressionsgleichungen sieht, wohingegen ein Simulationsmodell eine universell für die Planung auf unterschiedliche Systeme anwendbare Methode verstanden als ein System von Strukturgleichungen darstellt. Vgl. Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 83-89 sowie Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 162-164. Zudem hat Töpfer in einer empirischen Untersuchung, bei der u.a. nach der Verbreitung von Prognoseinstrumenten in deutschen Unternehmen gefragt wurde, ebenfalls ökonometrische Modelle und Simulationsmodelle differenziert. Da beide Methoden unterschiedliche Anwendungsintensität in der Praxis aufwiesen (Simulationen in etwa drei mal so starke Verbreitung im Vergleich zum ökonometrischen Modell), kann davon ausgegangen werden, dass bei den Unternehmen ebenfalls zwischen beiden Verfahren differenziert wird, was unmittelbare Konsequenz auf die in dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung hat. Vgl. Töpfer, A. (Planungsund Kontrollsysteme 1975), S. 186. 131
stochastisch sein können.390 Es werden nur Größen berücksichtigt, die für die zu simulierenden Situation wichtig sind, komplexe Details werden tendenziell vernachlässigt.391 Im nächsten Schritt werden die bestehenden mathematischen und logischen Beziehungen der einzelnen Variablen in Form von Strukturgleichungen spezifiziert. Dabei können Strukturgleichungen grundsätzlich den Charakter von Definitions- und Verhaltensgleichungen392 aufweisen. Des Weiteren ist auf dieser Stufe festzulegen, ob die Modellgleichungen rekursiv (sukzessiv bzw. in kausal geordneter Reihenfolge) oder simultan (gleichzeitig) gelöst werden. Der letzte Arbeitsschritt ist die Programmierung, Validation und Dokumentation des Simulationsmodells.393 Die Einsatzgebiete für Simulationsmodelle sind sehr vielseitig. Diese können sowohl im eher langfristigen Zusammenhang der Strategischen Planung als auch im kurzfristigen operativen Bereich, z.B. in der Budgetplanung, verwendet werden. Die Relevanz für Antizipationen zukünftiger Entwicklungen besteht vor allem darin, das Prognosewerte, die bereits vorhanden sind, als Inputs in das Simulationsmodell eingegeben werden können und dann weitere Antizipationswerte als Ergebnis errechnet werden.394 •
Die Input-Output-Analyse analysiert Transaktionen zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren bzw. deren Untergruppen und wird daher in erster Linie im makro-ökonomischen Bereich oder von Großunternehmen angewendet.395 Die Einordnung der Input-Output-Modelle als eigenständige Antizipationsmethoden ist allerdings in der Literatur strittig.396 Während einzelne Autoren diese zu den Standardverfahren der Langfristprognose zählen,397 postulieren wie-
390
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 162-163. Vgl. Hammer, R. (Unternehmensplanung 1992), S. 87. 392 "Durch Definitionsgleichungen werden die rechnerisch-definitorischen Beziehungen zwischen den Variablen spezifiziert; Verhaltensgleichungen drücken hypothetische Gesetzmäßigkeiten aus und lassen sich anhand statistischer Analysen ermitteln oder aufgrund - relativ grober - Erfahrungs- oder Schätzwerte festlegen." Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 163. 393 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 163. 394 Vgl. Henschel, H. (Wirtschaftsprognosen 1979), S. 57 ff. 395 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 201; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 176. 396 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 173. 397 Vgl. Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 186; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394; Chisholm, R.K., Whitaker, G.R. (Forecasting 1971), S. 62 ff. 391
132
derum andere die Meinung, dass es sich bei der Input-Output-Analyse nur um eine Beurteilungshilfe für die Abschätzung von Folgen verschiedener Zukunftsvisionen handeln kann.398 Nichtsdestotrotz wird die Funktionsweise von Input-Output-Modellen an dieser Stelle kurz dargestellt. Prinzipiell geht die Input-Output-Analyse sukzessive vor: Ein Verflechtungsschema der einzelnen Sektoren wird in eine Input-Output-Tabellendarstellung (auch Transformationsmatrix genannt) überführt aus der sich nach Auswertung die Output-Werte auf Basis der zu Grunde liegenden Beziehungen der einzelnen Sektoren und der Eingangsdaten ergeben. Man unterscheidet mehrere Formen der Input-Output-Analyse. Input-OutputTabellen, nach denen Waren- und Dienstleistungsströme zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren auf Basis der Vorleistungsverflechtung, der Endnachfrage und den primären Inputs (Importe, Subventionen etc.) aufgezeigt werden. Diese Form wird in erster Linie durch staatliche Stellen in Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung angewendet und hat einen analytischen und keinen antizipativen Charakter.399 Das am weitesten verbreitete Input-Output-Modell ist das sog. statisch offene Leontief-System. "Statisch" wird das Modell deswegen bezeichnet, da sich alle Variablen auf einen Zeitpunkt beziehen, "offen" indiziert, dass es exogene und endogene Modellteile beinhaltet. Im Wesentlichen wird auf Basis einer Produktionsfunktion vom Walras-Leontief-Typ die Nachfrage nach sekundären Inputs (Vorleistungen) und nach Arbeit ermittelt, die notwendig ist, um einen vorgegeben finalen Output zu erzielen.400 Dies geschieht unter Zuhilfenahme so genannter technischer Koeffizienten, die die Verhältnisse bzw. Relationen zwischen Inputs und Outputs determinieren. Auf dieser Basis wird eine Transformationsmatrix (Leontief Input-Output-Matrix) erstellt, aus der die für den angenommen Output notwendigen Inputwerte sowie weitere intermediäre Größen abgelesen werden können.401 Vereinfacht gesagt erhält das vorge-
398
Vgl. Dauner, W., Dauner-Lieb, B. (Input-Output-Simulation 1996), S. 240; Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 173. 399 Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 209. 400 Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 210. 401 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 176. 133
stellte Modell den Antizipationscharakter durch Setzen einer Annahme für die als exogen vorausgesetzte Endnachfrage (finaler Output).402 Der Einsatzbereich der Input-Output-Analyse erstreckt sich in erster Linie auf die Analyse und Prognose des "Flusses" von Gütern, Dienstleistungen, Kapital o.ä. innerhalb des makro-ökonomischen Sektors (zwischen einzelnen Volkswirtschaften bzw. Gruppen innerhalb einer Volkswirtschaft) oder zwischen Wirtschaftszweigen inklusive deren Sub-Sektoren. Voraussetzung zur Durchführung der Input-Output-Analyse ist eine fundierte Kenntnis der Austauschbeziehungen, Interdependenzen und Zusammenhänge der jeweils unter suchten Sektoren auf Basis von Vergangenheitswerten. Kurzfristig ist diese Methode nicht anwendbar, vielmehr fokussiert die Input-Output-Analyse auf einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont.403 2.2
Qualitative Methoden
Qualitative Antizipationsmethoden (auch konjekturale Methoden genannt) basieren auf subjektiv begründeten Beurteilungen einer Antizipationssituation. Sie sind daher, im Gegensatz zu quantitativen Verfahren, nicht replizierbar.404 Der methodische Fokus liegt dabei in der Unterstützung der Erfassung von Meinungen und Einstellungen. Folgende Kategorisierung in Abb. IV-4 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen qualitativen Verfahren, die im Rahmen dieser Arbeit näher erläutert werden. Ebenso wie bei den quantitativen Antizipationsmethoden würde eine tiefgehende Explikation aller qualitativen Verfahren nebst den zahlreich vorhandenen Abwandlungen und Kombinationen405 für die Zielsetzung dieser Arbeit zu weit führen, dennoch werden die Grundzüge der Kernmethoden nachfolgend im Überblick dargestellt:
402
Vgl. Frerichs, W., Kübler, K. (Prognoseverfahren 1980), S. 211. Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 393-394. 404 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 14; Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 273. 405 Für eine weitergehende Beschäftigung mit qualitativen Antizipationsmethoden vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 119 ff. 403
134
Delphi-Methode Explorative Methoden
Historische Analogie Sonstige heuristische Methoden (Morphologie, Brainstorming, etc.)
Qualitative Methoden
Relevanzbaum Normative Methoden
Systemanalyse
Abb. IV-4: Qualitative Antizipationsmethoden406 2.2.1
Explorative Methoden
Explorative Antizipationsmethoden entwickeln ausgehend von der heutigen Situation und unter bestimmten Annahmekonstellationen mögliche zukünftige Umweltzustände.407 Gemeinhin fasst man die Verfahren der Delphi-Technik, die historische Analogie und weitere heuristische Methoden, wie beispielsweise Morphologie oder Brainstorming, unter dieser Kategorie zusammen. •
Die Delphi-Methode wurde ursprünglich für die Vorhersage technologischer Entwicklungen 1963 von der RAND-Corporation entwickelt. Sie stellt eine stark formalisierte Form einer iterativen Expertenbefragung dar, die meist schriftlich und immer anonym durchgeführt wird.408 Die Resultate der Befragungsgruppe werden in Form statistischer Kennzahlen (z.B. Mittelwerte, Median, Quartilsabstände) zu den jeweiligen Antworten berechnet, und die Experten mit stark abweichenden Antworten können eine entsprechende Begründung abgeben. Diese Schritte werden zwei- bis dreimal409 wiederholt, so dass
406
Quelle: Modifiziert nach Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; ähnlich auch bei Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 269. Beide beziehen sich dabei auf Bircher, B. (Unternehmensplanung 1976), S. 188 f. Die genannten Autoren beziehen in die explorativen Methoden noch die Entwicklung von Szenarien (Szenario-Analyse) ein. Szenarien sind Darstellungen von Zukunftsalternativen. Wir ordnen die Szenario-Analyse den Verbundmethoden zu, verzichten daher an dieser Stelle auf eine Darstellung und verweisen auf den Abschnitt III.3.2 dieser Arbeit. Damit schließen wir uns der Auffassung bzw. Kategorisierung Bea/Haas an. Vgl dazu Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 262 ff. 407 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 275. 408 Vgl. Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 220, Elbing, O., Kreuzer, C. (Strategische Instrumente 1994), S. 79. 409 Die Zahl der Iterationen ist nicht festgelegt. Üblich sind zwei- bis dreimalige Wiederholungen bzw. Iteration bis eine bestimmte Meinungskonvergenz erreicht wird. Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 128. 135
man als Resultat meist einen Meinungskonsens bzw. eine Konvergenz der Expertenmeinungen erzielt.410 Zum Abschluss wird ein schriftlicher DelphiSchlussbericht angefertigt, der an die Auftraggeber und üblicherweise auch an die Experten ausgehändigt wird. Folgende Abbildung fasst den schematischen Ablauf einer Delphi-Befragung zusammen: Auftragsgeber
Untersuchungsleitung
Auftragserteilung
Delphi-Vorbereitung • Problemdefinition • Festlegung von Inhalt, Form und Dauer • Expertenselektion
Expertengruppe
Teilnahmezusage 1. Fragebogen
• Ausarbeitung und Verteilung Beantwortung Auswertung 2. Fragebogen • Ausarbeitung • Resultate der vorhergehenden Runde • Kommentare Beantwortung Kommentare Auswertung Weitere Befragungsrunden
Evaluation
Zusammenfassende Auswertung der Ergebnisse
Evaluation
Abb. IV-5: Ablaufschema – Delphi-Methode411
In erster Linie wird die Delphi-Methode eingesetzt, um Zeitpunkte für das Eintreffen bestimmter Entwicklungen (oftmals aus dem technologischen Be reich) oder Absatzpotenziale neuer Produkte zu bestimmen.412 Sie kann aber auch allgemein für die Gewinnung von Wahrscheinlichkeitsaussagen zu künftigen Entwicklungen als Grundlage für die Szenarien-Erstellung dienen.413 Prinzipiell ist die Delphi-Methode universell für Antizipationen in kurz-, mit410
Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 14 bzw. S. 126-136; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 257-258; Hüttner, M. (Prognoseverfahren 1986), S. 221. 411 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 129. 412 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 413 Siehe Abschnitt IV.2.3.2.3. 136
tel und langfristigen Zeithorizonten einsetzbar.414 Allerdings ist die Verlässlichkeit und Validität der Ergebnisse stark von der Qualität der beteiligten Personen abhängig.415 •
Historische Analogien versuchen, ein Systemverhalten (vorwiegend neue Technologien) zu prognostizieren, indem ein Vergleich bzw. Analogieschluss mit früheren, ähnlich strukturierten Entwicklungen getroffen wird.416 Hierbei finden für den Technologiebereich S-förmige Entwicklungskurven bzw. für den Absatzbereich Penetrationskurven Verwendung, die auf Grund von historischen Erfahrungswerten entwickelt wurden. In Abgrenzung zu den historischen Analogien stehen Wachstumsmodelle, die auf mathematischer Basis entwickelt werden und Ausbreitungsfunktionen verwenden.417 Der Einsatzbereich von historischen Analogien erstreckt sich in erster Linie auf die Verbreitungsmuster neuer Technologien, aber auch auf die Antizipation von politischen Entwicklungen oder Krisen sowie (im Segment der Aufgabenumwelt) auf Absatzentwicklungen oder Umsatzvorhersagen.418 Neben Daten bzw. Informationen über den Betrachtungsgegenstand (z.B. neue Technologie) sind fundierte, sprich mehrjährige Informationen über den Analogvorgang nötig, auf den referenziert wird. Da sich allerdings die Lebenszyklen neuer Technologien in jüngster Vergangenheit erheblich verkürzt haben, wird man bei Anwendung des vorgestellten Verfahrens immer mit der Vergleichbarkeit des herangezogenen Analogvorgangs konfrontiert sein. Zudem bietet die historische Analogie kaum Möglichkeit, Diskontinuitäten in Entwicklungen konzeptionell zu adressieren. Die ermittelten Werte werden u.a. aus diesen Gründen immer nur grobe Schätzwerte für alle betrachteten Zeithorizonte sein können.419
•
Im engeren Sinne keine eigenständige Antizipationsmethoden stellen die so genannten heuristischen Methoden, die auch Kreativitätstechniken oder Prognosestützverfahren genannt werden, dar. Auf Grund der hohen praktischen Bedeutung, werden die genannten Verfahren jedoch in dieser Arbeit betrach-
414
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. Vgl. Elbing, O., Kreuzer, C. (Strategische Instrumente 1994), S. 79. 416 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 417 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 155; eine spezielle Form der Wachstumsmodelle stellen Diffusionsfunktionen dar, die in Abschnitt IV.2.3.1.2 erklärt werden. 418 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202; Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 419 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 415
137
tet. Zu diesen werden in erster Linie die intuitiv-kreativen sowie die logischsystematischen Verfahren gezählt. In die erste Kategorie lassen sich Brainstorming und Methode 635, in die zweite Kategorie das häufig im Zusammenhang mit der Langfristprognose genannte Verfahren der Morphologie einordnen. Es existieren zudem eine Anzahl weiterer Verfahren (z.B. Synektik, Funktionsanalyse) die ebenfalls zu den heuristischen Instrumenten zu zählen sind, die aber auf Grund der eher untergeordneten Bedeutung nicht näher erläutert werden.420 Die von Zwicky421 konzipierte morphologische Methode, stellt ein spezielles Verfahren eines mehrstufigen Brainstormings für Expertengruppen dar. Dabei werden systematisch für ein spezifiziertes Problemfeld die potenziell relevanten Lösungsparameter festgelegt und darauf basierend ein in der Regel zweidimensionales morphologisches Schema entwickelt. Auf dieser Basis wird ein Selektionsprozess hinsichtlich Zulässigkeit und Zielrelevanz aller möglichen Lösungsalternativen durchgeführt.422 Die aufgeführten heuristischen Methoden haben den Vorteil einer universellen Einsetzbarkeit. Abhängig von den zu Grunde gelegten Themen- bzw. Fragestellungen eignen sie sich prinzipiell für Antizipationen von Entwicklungen in allen Umweltsegmenten und in allen zeitlichen Dimensionen. Die Qualität und Verlässlichkeit der Ergebnisse hängt jedoch stark von den Qualifikationen und dem Informationsstand der beteiligten Personen ab. 2.2.2
Normative Methoden
Normative Methoden gehen im Unterschied zu den explorativen Methoden von einem gegebenen Zielzustand aus und analysieren retrograd bis zur Gegenwart die Abfolge von Ereignissen, Aktivitäten und Voraussetzungen, die eintreffen müssen, um das vorab definierte Ziel zu erreichen.423 •
Die Relevanzbaum-Methode dient dazu, ausgehend von einem gewünschten Zielzustand auf mehreren Ebenen rückwärts schreitend, die notwendigen Ent-
420
Vgl. Töpfer, A. (Planungs- und Kontrollsysteme 1975), S. 185. Vgl. Zwicky, F. (Morphologie 1956), S. 425-428. 422 Vgl. Weber, K. (Wirtschaftsprognostik 1990), S. 140-141; Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 423 Vgl. Mauthe, K.D. (Strategische Analyse 1984), S. 275. 421
138
scheidungen und Lösungsmöglichkeiten festzulegen. Durch Durchspielen der einzelnen Pfade des "Baumes", lässt sich die Relevanz von einzelnen Maßnahmen oder Entscheidungen im Hinblick auf die Zielsetzung beurteilen.424 Dabei kann eine Ordnung der notwendigen Inputs hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Zielerreichung festgelegt werden.425 Typischerweise wird die Relevanzbaum-Methode zur Ableitung und Prognose von Teilzielen und Strategien verwendet, allerdings in erster Linie mit einem Fokus auf die betriebliche Entwicklung von Distributionsprogrammen oder der Planung von Forschung und Entwicklung.426 •
Bei der Systemanalyse wird versucht die wechselseitigen Beziehungen einzelner Elemente eines zumeist komplexen Systems (z.B. ein Segment der allgemeinen Unternehmensumwelt) herauszuarbeiten, um die Wirkungen von Inputänderungen auf den Gesamtoutput des Systems vorherzusagen.427
2.3
Verbundmethoden
Wie bereits angedeutet, soll auf die Methoden der Strategischen Frühaufklärung, auf die Szenario-Analyse und auf die Trendforschung ein besonderer Fokus im Rahmen dieser Arbeit gelegt werden, da diese Methoden, die wir als Verbundmethoden zusammenfassen, sich explizit für langfristige Prognosen der einzelnen Segmente der allgemeinen Unternehmensumwelt eignen. 2.3.1
Strategische Frühaufklärung
Folgendes Zitat von Ian Wilson, einem ehemaligen Manager von General Electric, verdeutlicht die Relevanz von Frühaufklärung im Rahmen des Strategischen Managements: "Was wir in diesem Zeitalter des radikalen Wandels benötigen, ist der Gebrauch von Vorhersagen als einen Weg, um Zeit zu kaufen. Um die Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandhabbar werden und um die Gelegenheiten zu erfassen, bevor sie verloren sind."428
424
Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. 426 Vgl. Horváth, P. (Controlling 1996), S. 392. 427 Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 202. Für eine weitere, detailliertere Beschäftigung mit der Systemanalyse sei auf Krallmann verwiesen. Vgl. Krallmann (Systemanalyse 1994). 428 Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 2, zitieren Ian Wilson (ohne Quellenangabe). 425
139
Insbesondere gilt diese Aussage vor dem Hintergrund von komplexen und dynamischen Umweltzuständen, die durch Diskontinuitäten geprägt sind und sich nur noch eingeschränkt mit den "klassischen" Antizipationsmethoden abbilden lassen. Dabei fokussiert die Strategische Frühaufklärung sich auf Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt,429 wohingegen sich operative Frühaufklärungsprozesse auf die Aufgabenumwelt konzentrieren.430 Der Zweck von strategischen Frühaufklärungssystemen besteht darin, als spezialisiertes Informationssystem Veränderungen der allgemeinen Unternehmensumwelt, die Chancen und Bedrohungen darstellen, frühzeitig zu identifizieren, um damit Strategien bzw. Maßnahmen zur Ausnutzung oder Abwendung des jeweiligen Ereignisses zu schaffen.431 Die Strategische Frühaufklärung ist als spezielles ergänzendes Teilsystem des Strategischen Managements zu verstehen, das Informationen über die Entwicklung und Veränderung der Unternehmensumwelt sucht und analysiert sowie mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen beschreibt. Durch expliziten Zukunftsbezug und Außenorientierung stellt die Strategische Frühaufklärung somit eine wichtige Informationsbasis der Strategischen Planung dar, um einerseits planerische Unsicherheit zu reduzieren und andererseits Reaktionszeiten in den Planungs- und Kontrollprozessen zu verkürzen.432 Die grundlegende Annahme der Strategischen Frühaufklärung besteht darin, dass keinerlei Ereignisse der Unternehmensumwelt völlig diskontinuierlich, also ohne jegliche Vorankündigung eintreffen. Vielmehr können Diskontinuitäten mit Vorläuferereignissen in Zusammenhang gebracht werden.433 Diese zentrale Hypothese der "weak signals", der "Schwachen Signale" geht auf Igor Ansoff zurück und wird als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung im nächsten Abschnitt expliziert. 2.3.1.1
Das Ansoff´sche Konzept der schwachen Signale als Leitidee der Strategischen Frühaufklärung
Unternehmen, deren Umwelt durch Instabilität und Dynamik geprägt ist, haben höhere Anforderungen an die Informationsversorgung, als dies beispielsweise bei Firmen in
429
Siehe Abschnitt II.2.2. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 10. 431 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 21. Ähnliche Umschreibung auch bei Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 32 ff; Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 52 ff.; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 269. 432 Vgl. Hazebrouck, J.P. (Frühaufklärung 1998), S. 53. 433 Vgl. Krystek, U., Müller-Stewens, G. (Frühaufklärung 1993), S. 165. 430
140
stabilen bzw. statischen Umwelten der Fall ist. Dabei müssen Informationen aus der Unternehmensumwelt kontinuierlich und "real-time" gesammelt sowie unmittelbar, d.h. auch ohne vollständige Sicherstellung der Zuverlässigkeit, analysiert werden.434 Auf dieser grundlegenden Forderung basiert Ansoff das Konzept der Schwachen Signale, unter denen Informationen aus der Unternehmensumwelt verstanden werden, die hinsichtlich ihrer Herkunft und potenzieller Auswirkungen nicht exakt einzuordnen sind. Schwache Signale sind inhaltlich unstrukturiert, meist qualitativ, unbestimmt bzw. ungewiss und können als Hinweise auf bevorstehende Diskontinuitäten oder zukünftige Entwicklungen verstanden werden.435 Ansoff geht davon aus, dass sich Schwache Signale im Zeitverlauf konkretisieren und nach und nach an Ungewissheit verlieren. Dabei unterscheidet er fünf Grade der Ungewissheit, die den Prozess des Wandels von Schwachen in Starke Signale abbilden und denen unterschiedliche Möglichkeit für Reaktionen zuordenbar sind, was in nachfolgender Abb. IV-6 illustriert ist.
434 435
Vgl. Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 370. Eine exakte Definition des Begriffs der Schwachen Signale bleibt Ansoff schuldig, daher ist die dargestellte Definition eine Synthese aus mehreren Spezifikationen. Vgl. dazu Simon, D. (Schwache Signale 1985), S. 18. ff.; Müller, G., Zeiser, B. (Signale 1980), S. 605; Kirsch, W., Esser, W., Gabele, E. (Management 1979), S. 353-355; Kirsch, W., Trux, W. (Frühaufklärung 1983), S. 227; Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 278. 141
Ungewißheitsgrade (1) Anzeichen der Bedrohung oder Chance
(2) Ursachen der Bedrohung oder Chance
(3) Konkrete Bedrohung oder Chance
(4) Konkrete Reaktion
(5) Konkretes Ergebnis
JA
JA
JA
JA
JA
Bereich oder Organisation als Ursache der Diskontinuität ist bekannt
NEIN
JA
JA
JA
JA
Merkmale der Bedrohung, Art der Wirkung, allgemeiner Wirkungsgrad, Zeitpunkt der Wirkung
NEIN
NEIN
JA
JA
JA
Reaktion festgelegt, Zeitpunkt, Handlung, Programme, Budgets
NEIN
NEIN
NEIN
JA
JA
Wirkung auf Gewinn und Folgen der Reaktion sind errechenbar
NEIN
NEIN
NEIN
NEIN
JA
Informationsgehalt Überzeugung, dass Diskontinuitäten bevorstehen
Abb. IV-6: Ungewissheitsgrade bei Diskontinuitäten436
Die grau hinterlegten Flächen visualisieren den entsprechenden Reaktionsspielraum in Abhängigkeit vom jeweiligen Ungewissheitsgrad der von Fall (1) bis Fall (5) kontinuierlich abnimmt. So ist im Fall (1), der den höchsten Grad der Ungewissheit repräsentiert, lediglich ein allgemeines Bewusststein vorhanden, dass mit Diskontinuitäten und somit mit Chancen und Bedrohungen zu rechnen ist. Das Unternehmen kann auf Basis des geringen Informationsstandes keine konkreten Maßnahmenpakete zur Adressierung der Diskontinuität entwickeln, wohl aber die weitere Entwicklung mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten, sowie eine eigene Stärken-Schwächen-Analyse in Bezug auf die Reaktionsmöglichkeiten durchführen. Im Fall (2) konkretisiert sich die Bedrohung oder Chance, indem deren Ursachen bekannt werden, wohingegen es im Fall (3) bereits möglich ist, konkret die Diskontinuität zu spezifizieren und deren Wirkung in Stärke und Zeitpunkt abzuschätzen. Im Fall (4) kann das Unternehmen bereits Reaktionsstrategien im Sinne von Maßnahmenpaketen oder Handlungsprogrammen entwickeln. Der geringsten Grad der Ungewissheit herrscht schließlich im Fall (5) vor, bei dem quantitativ ab-
436
Leicht modifiziert nach Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 241. 142
leitbar ist, welche konkreten Ergebnisauswirkungen die Chance oder Bedrohung bzw. die korrespondierenden Maßnahmen haben.437 Des Weiteren stellt Ansoff die These auf, dass Unternehmen, nicht wie bei der Theorie der Planung im Allgemeinen,438 mit der Reaktion auf Chancen und Bedrohungen warten sollen, bis sich der Ungewissheitsgrad soweit reduziert hat, dass ein quantitatives Erfassen der Auswirkungen von Diskontinuitäten möglich ist (Fall 5), sondern dass bereits beim Vorliegen von Schwachen Signalen (Fälle 1-4) eine (angepasste) Reaktion durchzuführen ist.439 Neben den herkömmlichen "starken" bzw. "direkten" Reaktionen", die konkrete Aktionen bzw. Maßnahmen als Antwort auf eine relativ sichere Bedrohung oder Chance darstellen, sollen entsprechend "schwache" Reaktionen, die flexibilitäts- bzw. aufmerksamkeitserhöhend wirken, den Reaktionsspielraum des Unternehmens erweitern und die Opportunitätskosten möglicher entgangener Gewinne bzw. zusätzlicher Kosten auf Grund von zeitlichen Versäumnissen in der Adressierung von Chancen bzw. Bedrohungen minimieren.440 Folgende Abb. IV-7 verdeutlicht die von Ansoff vorgeschlagenen Reaktionsstrategien, wobei zwischen externen (die Beziehung zur Unternehmensumwelt betreffend) und internen (die unternehmensinterne Konfiguration betreffend) Reaktionsbereichen differenziert wird:441
437
Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 133 ff. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 219. 439 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 136. 440 Zum optimalen Zeitraum der Reaktion hat Ansoff das formale Modell der "geplanten" Verzögerung entwickelt, das an dieser Stelle nur genannt aber nicht näher erläutert sei. Stattdessen der Verweis auf Hammer, der die wesentlichen Bestandteile dieses Modells aufbereitet hat. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 191-193. 441 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 137 ff.; Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 388 ff. 438
143
Reaktionsstrategien Flexibilität
Direkte Reaktion
Aufmerksamkeit
Reaktionsbereich
Beziehung zur Unternehmensumwelt
Interne Konfiguration
"External Action"
"External Flexibility"
"Environmental Awareness"
Die "External Action Strategy" stellt direkte, ausformulierte Maßnahmen zur Bekämpfung der Bedrohung bzw. zur Wahrnehmung von Chancen dar.
Die "External Flexibility Strategy" soll die zukünftigen Reaktionspotenziale des Unternehmens erhöhen. Die externe Flexibilität wird insbesondere durch Differenzierung erreicht, um Abweichungen vom erwarteten Mittelwert sicher auffangen zu können.
Die "Environmental Awareness Strategy" zielt darauf ab, durch Prognosen das Bewußstsein des Unternehmens auf mögliche Diskontinuitäten zu lenken. Im Zentrum stehen Szenarien, Umfeldmodelle, Prognosen und Projektionen.
"Internal Action"
"Internal Flexibility"
"Self Awareness"
Die "Internal Action Strategy" ist die Vorstufe und Unterstützung der "External Action Strategy". In dieser Phase werden die zur Durchführung der Reaktionen erforderlichen Ressourcen, Strukturen und Kenntnisse bereitgestellt.
Die "Internal Flexibility Strategy" soll die zukünftigen Reaktionspotenziale des Unternehmens erhöhen. Intern müssen sich Manager auf Diskontinuitäten vorbereiten und mit strategischer Planung umgehen lernen.
Die "Self Awareness Strategy" hilft, Diskontinuitäten im eigenen Unternehmen zu erkennen. Zu Einsatz alle bekannten Formen der internen operativen und strategischen Analyse.
Abb. IV-7: Strategieraster nach Ansoff442
Wie bereits angedeutet, hängt die Wahl der Reaktionsstrategie vom Grad der Ungewissheit oder anders formuliert von der Menge und Qualität an zu Verfügung stehenden Informationen ab. Dieses Vorgehen stellt eine fundamentale Abkehr der bis dahin gängigen Planungsansätze dar. Statt auf Basis einer Basisstrategie die notwendigen Informationen zu beschaffen, postuliert Ansoff, dass ausgehend von der Informationslage die Reaktionsstrategie zu bestimmen ist. Somit ist die Strategie (Reaktion) eine Funktion der verfügbaren Information.443 Auf dieser Basis hat Ansoff die einzelnen Reaktionsmöglichkeiten den Ungewissheitsgraden zugeordnet, um den Zeitpunkt des Einleitens der Reaktion grob anzugeben (abgestufte Antwortstrategie)444, was in nachfolgender Abb. IV-8 durch die graue Schattierung visualisiert ist.
442
Quelle: Leicht verändert auf Basis der Übersetzung von Eschenbach, der auf Ansoff referenziert. Vgl. dazu: Eschenbach, R. (Strategische Konzepte 1993), S. 46. bzw. Ansoff, H.I. (Implanting 1991), S. 388 ff. Die ursprüngliche Orginalgrafik findet sich bei Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 137. Zur Konkretisierung dieses recht globalen Schemas hat Ansoff eine Reihe von Instrumenten für die einzelnen Reaktionsstrategien spezifiziert, deren Explizierung allerdings den Rahmen dieses Abschnittes überschreiten würden. Stattdessen sei verwiesen auf: Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 243 ff. 443 Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 283. 444 Vgl. Liebl, F. (Frühaufklärung 1996), S. 16. 144
Ungewißheitsgrade
Reaktionstrategien
(1) Anzeichen der Bedrohung oder Chance
(2) Ursachen der Bedrohung oder Chance
(3) Konkrete Bedrohung oder Chance
(4) Konkrete Reaktion
(5) Konkretes Ergebnis
"Environmental Awareness"
"Self Awareness"
"Internal Flexibility"
"External Flexibility"
"Internal Awareness"
"External Action"
Abb. IV-8: Möglicher Einsatz alternativer Reaktionsstrategien445
Wirklich nutzenstiftend wirkt sich der Einsatz der abgestuften Reaktionsstrategien nur dann aus, wenn erreicht wird, dass die Reaktionszeit auf eine emergierende Chance oder Bedrohung durch vorbereitende Maßnahmen bzw. erhöhte Flexibilität signifikant verkürzt wird. Umgekehrt heißt dies, dass je weniger ein Unternehmen auf (potenzielle) Diskontinuitäten vorbereitet ist, desto länger wird der Zeitraum für eine Reaktion sein. Ansoff unterscheidet in diesem Zusammenhang drei mögliche Formen der Reaktion:446 •
"Normal Response"
•
"Ad-hoc-Crash-Response": Alles Mögliche (z.B. außer Acht lassen von normalen Regeln und Verfahren) wird getan, um eine Reaktion auf die Diskontinuität zu beschleunigen.447
•
"Pre-planned-Response": Durch Vorbereitung und Erhöhung der Flexibilität (z.B. durch ständiges Training der Reaktionsweise auf sich rasch entwickelnde
445
Quelle: Leicht modifiziert nach Ansoff. Vgl. Ansoff, H.I. (Schwache Signale 1981), S. 248. Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 136 ff. 447 Hammer übersetzt den Begriff "Ad-hoc-Crash-Response" mit dem Terminus "Krisenmanagement" ins Deutsche. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 223. 446
145
Chancen und Bedrohungen) können im Bedarfsfall die notwendigen Reaktionen noch schneller durchgeführt werden.448 Die Dauer bei den drei beschriebenen Formen der Reaktion kann in einem Kurvenzusammenhang dargestellt werden. Kombiniert mit den oben genannten alternativen Reaktionsstrategien ergibt sich folgende schematische Illustration: Zeit bis zum Abschluss der Reaktion Normal Response
Ad-hoc-CrashResponse Pre-plannedResponse
Keine (unvorbereitet)
"Environmental Awareness"
"Self Awareness"
"Internal Flexibility"
"External Flexibility
"Internal Awareness"
"External Action"
Reaktionsstrategie
Abb. IV-9: Reaktionszeiträume der drei Ansoff´schen Reaktionsformen449
Der Ansatz von Ansoff ermöglicht also, den nutzbaren Prognose- bzw. Projektionshorizont zu vergrößern und frühzeitig Reaktionen durchzuführen. Als notwendige Voraussetzung für das Erkennen von "Schwachen Signalen" benötigt ein Unternehmen ein System, dass umweltinduzierte Chancen und Bedrohungen erkennen und interpretieren kann.450 In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Basisaktivitäten des "Scanning" und des "Monitoring" genannt.451 Erstere ist ein ungerichtetes Abtasten der Unternehmensumwelt mit dem Ziel aus der Vielzahl unterschiedlichster Signale diejenigen herauszufiltern, die strategisch relevante Entwicklungen induzieren können. Zweitere verarbeitet
448
Hammer übersetzt den Begriff "Pre-planned-Crash-Response" mit dem Terminus "Antizipatives Management" ins Deutsche. Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 223. 449 Quelle: Leicht verändert nach Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 224. 450 Vgl. Ansoff, H.I. (Surprise and Discontinuity 1976), S. 143. 451 In Abschnitt IV.2.3.1.5 erfolgt eine detailliertere Darstellung dieser beiden Instrumente. 146
und analysiert wahrgenommene Schwache Signale im Rahmen einer Tiefenanalyse, die die tatsächliche Relevanz und die potenziellen Auswirkungen auf das Unternehmen untersucht.452 Zu Erklärung der Wirkungsweise von Diskontinuitäten, die durch Schwache Signale angekündigt werden, können Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz verwendet werden, was im nächsten Abschnitt expliziert wird. 2.3.1.2
Diffusionsfunktionen als theoretischer Erklärungsansatz
Nach Krystek fußt die Strategische Frühaufklärung neben dem Konzept von Ansoff auf einer zweiten theoretischen Grundlage, der Diffusionstheorie.453 Gegenstand der Diffusionsforschung bzw. der Diffusionstheorie ist die Erkundung der Ausbreitungswege neuer Verhaltensformen, Ereignisse und Ideen im Sinne von formalisierten Gesetzmäßigkeiten. Zudem leistet die Theorie einen Beitrag zur Erklärung zum diskontinuierlichen Verlauf von Zeitreihen.454 Ebenso wie im Konzept der "Schwachen Signale" basiert die Diffusionstheorie auf der Basishypothese, dass Veränderungen nicht plötzlich auftreten, sondern sich durch Vorläuferereignisse ankündigen.455 Die Diffusionsforschung geht davon aus, dass ein technologischer, politischer oder sozialer Wandel von so genannten Vorreitern initiiert wird, die als Träger einer neuen Erkenntnis gelten. Von diesem Ausgangspunkt diffundieren diese neuartigen Verhaltensformen in die Öffentlichkeit. Anders formuliert geht vom Vorreiter eine "Ansteckungswirkung" aus, durch die ein immer größer werdender Kreis von Sub- und Objekten (Personen bzw. Unternehmen) "infiziert" wird.456 Grundlage bzw. "Nährboden" für die Verbreitung solch neuer Ideen, Erkenntnisse oder Verhaltensweisen bildet ein Paradigmenwechsel (Änderung vorhandener Denkmuster, Normen). Der Paradigmenwechsel kommt durch eine Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit bestehender Paradigmen (z.B. aus der Überzeugung, dass innerhalb herrschender Paradigmen anstehende Problem nicht mehr zu lösen sind) zu Stande und macht Subjekte/Objekte einer Gesellschaft gegenüber neuen Ideen empfänglich.457 Die eigentliche
452
Vgl. Bea, F.X., Haas, J. (Strategisches Management 1995), S. 279. Vgl. Krystek, U. (Frühwarnsysteme 1985), S. 27. 454 Vgl Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 209. 455 Vgl. Konrad, L. (Früherkennung 1991), S. 53. 456 Vgl Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 210. 457 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 391. 453
147
Diffusion von Neuerungen in die Öffentlichkeit vollzieht gewissermaßen den Paradigmenwechsel nach.458 Auf Basis des Grundgedankens der epidemischen Ausbreitung von Neuerungen lassen sich für den Weg bzw. Prozess der Ausbreitung Kurvenverläufe in Form so genannter Diffusionsfunktionen ermitteln, die für jeden Zeitpunkt den Stand des Diffusionsprozesses in der Dimension "Anzahl angesteckter Personen" angeben.459 Zur funktionalen Abbildung von Verbreitungsmustern werden zwei grundlegende Infektionsarten unterschieden:460 1. Die Infektion erfolgt mit einem pro Zeiteinheit konstanten Prozentsatz der noch nicht angesteckten Subjekte. 2. Die Infektion erfolgt von Subjekt zu Subjekt. Pro Zeiteinheit hat jeder bereits Infizierte Kontakt mit einer Anzahl von infizierten und nicht-infizierten Subjekten, wobei die Begegnung mit einem Teil der noch nicht infizierten Subjekte zu deren Infektion führt. Aus den Grundmustern der Infektion ergeben sich daraus folgende Diffusionsfunktionen:461 1. Exponentielle Diffusionsfunktion: Zu jeder Zeiteinheit t gelangt zum Kreis der bereits infizierten Personen Gt ein gleich bleibender Anteil p noch nicht infizierter Personen hinzu (G* - Gt) hinzu, wobei G* die Gesamtheit aller infizierbaren Subjekte repräsentiert. Die Zuwachsrate einer Periode t sei dabei definiert als die Differentialgleichung 1. Ordnung von Gt , d.h. Gt =dGt/dt:462 dGt/dt = p(G* - Gt) wobei p > 0 und konstant
458
Vgl. Hammer, R. (Planung und Frühaufklärung 1998), S. 210. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392. 460 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392. Krampe/Müller definieren noch eine dritte Verbreitungsart, die als Resultat einer Kombination der unter 1. und 2. beschriebenen Ausbreitungsverläufe zu sehen ist, aber an dieser Stelle auf Grund eines eingeschränkten explorativen Zusatznutzens nicht weiter expliziert wird. 461 Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 392 ff. Auf Basis eines additiven Zusammenwirkens von exponentieller und logistischer Diffusionsfunktion konstruieren Krampe/Müller und Zuhilfenahme des Modells von Pyatt einen dritten Grundtypen einer Diffusionsfunktion. Da bereits auf die Explikation der korrespondierenden dritten Infektionsart verzichtet wurde, wird die dritte Diffusionsfunktion nicht an dieser Stelle dargestellt. Zudem gibt es in ihrer Anwendung Probleme in der numerischen Bestimmung der Parameter. 462 Dabei wird von einer Reihenentwicklung der Funktion G´t = a0 + a1G1 + a2G12. Für die vorliegende exponentielle Funktion gilt dann: G´t = a0 + a1G1 = p(G* - Gt), wobei a0 = pG* und a = -p ist. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 459
148
Durch Auflösung463 der Differentialgleichung ergibt sich die exponentielle Diffusionsfunktion: Gt = G* - ea-pt Die linke Grafik in Abb. IV-10 zeigt den Kurvenverlauf zweier exponentieller Diffusionsfunktionen, die von einem Anfangsbestand G0 degressiv wachsen und sich asymptotisch der Sättigungsgrenze G* annähern. Unterschied zwischen den beiden Funktionen ist die Ausprägung des Zuwachskoeffizienten p. 2. Logistische Diffusionsfunktion: Hier ist die Zunahme der infizierten Subjekte proportional abhängig von der Summe der angesteckten bzw. der noch nicht angesteckten Subjekte. Formal lässt sich dieser Zusammenhang durch folgende Differentialgleichung ausdrücken: dGt/dt = u Gt (G* - Gt) wobei u > 0 Die Variable u repräsentiert die Zuwachsrate und stellt das Äquivalent zu p in der exponentiellen Diffusionsfunktion dar, wobei u nur >0 und nicht konstant sein muss. Durch Auflösung der Differentialgleichung ergibt sich die logistische Diffusionsfunktion, deren Verlauf in der rechten Grafik der Abb. IV-10 dargestellt ist: Gt =
G 1 + ea
bt
wobei b = uG* 464
463
Lösung der Differentialgleichung: Gt = G* - ea-pt ex-pt = G* - Gt dGt/dt = pea-pt wobei: G0 = G* - e2 und a = ln(G* - G0) Vgl. dazu: Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 464 Wobei wiederum gilt: a = ln [(G* - G0)/G0]. Vgl. Krampe, G., Müller, G. (Diffusionsfunktionen 1981), S. 393. 149
Exponentielle Diffusionsfunktion
Logistische Diffusionsfunktion
Gt
Gt
G*
G*
p1
b1 p2(10.000
BILANZSUMME (Mrd. EUR)
1.000
BRUTTOBEITRÄGE (Mrd. EUR)
< 0,5
0,5 bis 2
2 bis 5
5 bis 10
>10
oder
2. Welche Art von Finanzdienstleistern ist ihr Unternehmen zuzuordnen (Mehrfachnennung möglich, falls z.B. Ihr Unternehmen eine Konzernmutter oder Holding ist)? UNIVERSALBANK
INVESTMENTBANK
ZENTRALINSTITUT
BAUSPARKASSE
LEBENSVERSICHERUNG
GENOSSENSCHAFTSBANK
KRANKENVERSICHERUNG
SACHVERSICHERUNG
REALKREDITINSTITUT
SPARKASSE
SONSTIGES
3. Wer führt bei Ihnen die Aufgabe der Strategischen Planung hauptsächlich durch? STRATEGISCHE PLANUNG
ANDERE PLANUNGSEINHEIT
UNTERNEHMENSLEITUNG
CONTROLLING
SONSTIGE
Kommentar Wenn Sie möchten, haben Sie an dieser Stelle Gelegenheit, Anmerkungen und Kommentare abzugeben:
VIELEN DANK FÜR IHRE MITARBEIT! Steffen Greubel Kremmener Str. 2 10435 Berlin Tel.: 0175-318-2208 Fax.: 030-8845-2209
Bitte senden Sie die Ergebnisse der Untersuchung als Management Summary zu. Meine Email-Adresse lautet: ……………………………………………......
Zurück an: Steffen Greubel - (Fax) 030-8845-2209
Seite 7 von 7
275
1.3
Fragebogenbeiblätter Beiblatt 1
Technologische Teilumwelt • Innovationen – Hardware/Software – Internet – Telekommunikation – Automation/Verfahrenstechnologie – Prozessinnovationen • Technologietrends – Technologiekonvergenz – Substitutionstechnologien • Kostenentwicklungen
Relevante Sozio-kulturelle Teilumwelt Analyseebene • Sozio-demografische Entwicklungen – Bevölkerungsentwicklung gesamt sowie einzelner Nicht relevant im Gruppen Rahmen der – Alterstruktur Arbeit – Geografische Verteilung bzw. Bevölkerungswanderungen – Bildungsstruktur – Einkommensverteilungen • Sozialpsychologische Strömungen – Allgemeine Werteveränderungen – Arbeitsmentalität – Freizeitverhalten – Trends (z.B. "Cocooning", "Sicherheitsstreben") – Konsumverhalten – Ökologische Orientierung Politisch-rechtliche Teilumwelt • Globalpolitische Allgemeine Umwelt Tendenzen Sozio-kulturelle – Konflikte/Krisen/ Kriege – Staatsallianzen Aufgabenumwelt (z.B. USA/GB) • EU-, national- und Konkurrenten parteipolitische Entwicklungen • Wirtschaftspolitik TechnoPolitisch– Regulation (z.B. logische rechtliche Kunden Lieferanten Unternehmen Basel II)/ Deregulationen – Aufsichtsämter – EZB-Politk Sonstige • Rechtliche (Kapitalgeber, Entwicklungen Arbeitnehmer) – Steuerrecht – Arbeitsrecht/Sozialgesetzgebung Makro– Zivilrecht ökonomische – Handelsrecht – Haftungsvorschriften (z.B. ComplianMakro-ökonomische Teilumwelt ce) 0 • Volkswirtschaft – Arbeitsmarkt – Inflation – Konjunktur – Konsum-/Sparquoten – Investitionen • Kapitalmärkte – Aktienkurse – Zinssätze – Wechselkurse • Gütermärkte – Ölpreis – Edelmetallpreise
276
Methode
Beschreibung
Beiblatt 2
Trendextrapolation
Mathematische Fortschreibung (Extrapolation) vergangener zeitlicher Entwicklungen („Trends“ wie z.B. Altersstruktur in D) in die Zukunft
Durchschnittswertberechnungen
Errechnung eines Mittelwerts aus einer Reihe von Vergangenheitswerten, welcher dann den Prognosewert für die Zukunft darstellt
Exponentielle Glättungsverfahren
Prognosewert ergibt sich zu einem Teil aus dem letzten („jüngsten“) Vergangenheitswert und zum anderen Teil aus bisherigem Mittelwert
Regressionmethoden
Ermittlung einer funktionalen Beschreibung der Beziehung zweier oder mehrerer Variablen (z.B. Arbeitslosen- und Sparquote). Prognose durch Vorausschätzung von kausalen Größen, Errechnung gesuchte Größe
Ökonometrische Modelle
System voneinander abhängiger Regressionsgleichungen, zur Modellierung von Zusammenhängen (z.B. Volkswirtschaft)
Wachstumsmodelle
Ermittlung Wachstumsfunktion (z.B. S-Kurven, Lebenszyklus); Prognose auf Basis dieser Funktion (z.B. bei Technologienutzung wie Internet o.ä.)
Simulationsmodelle
Systemabbildende Modellation von gesamtheitlichen Zusammenhängen unter Verwendung von Strukturgleichungen
Input-Output-Analyse
Analyse/Prognose von Transaktionen (z.B. zwischen Bereichen der Gesamtwirtschaft) in einer Input-/Output-Matrix
Delphi-Methode
Spezielle iterative Expertenbefragung, meist schriftlich und immer anonym. Resultate der Befragungsgruppe werden in Form statistischer Kennzahlen berechnet, Experten mit stark abweichenden Antworten geben Begründung ab. Zwei- bis dreimalige Wiederholung. Resultat meist Meinungskonsens
Historische Analogie
Prognose eines Systemverhaltens, indem ein qualitativer Vergleich mit früheren, ähnlich strukturierten Entwicklungen gezogen wird
Heuristische Methoden
Systematische Suche nach allen Zukunftsmöglichkeiten eines bestimmten Gebietes mit anschliessendem Selektionsprozess (Kosten, Durchführbarkeit), Abschätzung Auswirkungen neuer Entwicklungen
Relevanzbaum
Definition eines zukünftigen Zielzustandes; dannach rückwärtsschreitende Festlegung notwendiger Entscheidungen und Zustände auf mehreren Ebenen
Systemanalyse
Herausarbeitung der wechselseitigen Beziehungen einzelner Elemente eines zumeist komplexen Systems; Erstellung von Prognosen auf dieser Basis
Frühwarnung
Frühzeitige Vorhersage von Krisen und Bedrohungen auf Basis von Kennzahlen des internen Berichtswesens (laufender Plan-Ist-Vergleich, Extrapolation von Wird-Größen)
Früherkennung-/aufklärung
Erkennen von strategischen Chancen und Bedrohungen bereits im Frühstadium. Informationsbeschaffung z.B. durch Festlegung von Beobachtungsfeldern und Indikatoren bzw. Scanning der Umwelt
Szenario-Analyse
Beschreibung mehrerer zukünftiger Entwicklungen des Prognosegegenstandes unter Zugrundelegung alternativer Rahmenbedingungen
Trendforschung
Fokus auf sozio-kulturelles Teilsegment der Unternehmensumwelt. Identifikation von Trends (z.B. Gesellschaftstrends) durch Medienanalysen, Meinungsumfragen o.ä.
277
2. Ergebnisse der empirischen Untersuchung 2.1
Struktur der Grundgesamtheit und Antwortquoten STRUKTUR DER GRUNDGESAMTHEIT – ÜBERSICHT in Prozent
Auswahlkriterien
100% = 387 Institute
• Banken: Bilanzsumme 2002
2 Mrd. EUR
• Versicherungen: Gebuchte Bruttobeiträge 2002 400 Mio. EUR
• KAGs*: Assets under
Versiche24 rungen
Ban69 ken
7
Management 2002 1 Mrd. EUR
KAGs*
* Kapitalanlagegesellschaften ** Jeweils bezogen auf die Auswahlkriterien
278
• Die ausgewählten Institute stellen ca. 10% der gesamten deutschen Finanzdienstleister dar
• Bezogen auf den Marktanteil** verbuchen die Institute der hier ausgewählten Grundgesamtheit ca. 85% Marktanteil
STRUKTUR DER GRUNDGESAMTHEIT – DETAILS DER INSTITUTSGRUPPEN in Prozent
100% = 265 (Banken) BauZentralsparinstitute kassen 6 6 GenoBanken 19
100% = 94 (Versicherungen)
100% = 387 Institute
Krankenversicherungen Spar48 kassen
Versiche24 rungen
Ban68 ken
20
35
8
21
KAGs*
Universalbanken**
Sachversicherungen
* Kapitalanlagegesellschaften ** Inkl. der Großbanken Deutsche Bank, HypoVereinsbank, Commerzbank, Dresdner Bank sowie der Realkreditinstitute und Banken mit Sonderaufgaben
RÜCKLAUF – GESAMTBETRACHTUNG Anzahl Institute
387
Rücklaufquote: 46,8%
206
181
Grundgesamtheit
Beantwortung abgelehnt/ keine Antwort
279
Fragebogen beantwortet
Lebens45 versicherungen
RÜCKLAUF – BETRACHTUNG NACH INSTITUTSKATEGORIEN 1 Versendete Fragebögen in Prozent der Grundgesamtheit (387 Institute)
• Sparkassen 19
• Geno-Banken 4
• Zentralinstitute
4
-1 1
3
-1
29
11
versicherungen
5
5
14
8
versicherungen
-7 1
7
24
• Sach-
-7
5
Versicherungen
• Lebens-
Differenz 2 - 1 in Prozentpunkten
20
8
• Bausparkassen
Kapitalanlagegesellschaften
26
33
• Universalbanken
versicherungen
61
68
Banken
• Kranken-
2 Erhaltene Fragebögen in Prozent der Summe erhaltener Fragebögen (181)
9 6
8
1 1
10
280
3
2
2.2
Ergebnisse
2.2.1
Allgemeine Unternehmensumwelt
I 1) ENTWICKLUNGEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
HABEN FÜR FINANZDIENSTLEISTER IM VERGLEICH ZU ANDEREN BRANCHEN EINE HÖHERE BEDEUTUNG in Prozent, 100% = 181 Antworten 2,5 • Mittelwert* 2,0 • Median • Standardabweichung* 1,1
40
24 17 12 7
1
2
3
Trifft zu
4
5 Trifft nicht zu
* Mittelwert und Standardabweichung, hier und im Folgenden immer nachrichtlich, da Skalenproblematik bei ordinalen Daten (d.h. Abstände zwischen einzelnen Bewertungen können individuell unterschiedlich wahrgenommen werden). Mittelwertbildung nur unter Annahme Vorhandensein kardinale Daten möglich.
281
I 2A) DYNAMIK DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT VON
FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
1,9 2,0 0,8
45
45
36
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
38
16
10
3 1
2
3
0
4
Sehr dynamisch
5
1
Undynamisch
Sozio-kulturelles Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2
5
3
5
4
Sehr dynamisch
28
1
Undynamisch
2
3
Sehr dynamisch
2
2
4
5 Undynamisch
I 2B) ÄNDERUNG DYNAMIK GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 80 1,9 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,7
53
27 18
1 Zunahme Dynamik
2,1 2,0 0,9
39
3 2
4
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
29
22
7 1
0
Undynamisch
Technologisches Umweltsegment
43 26
3
7
Sehr dynamisch
3,0 2,9 0,9
1,8 2,0 0,9
2
3
Stagnation
282
2
0
4
5 Abnahme Dynamik
I 3A) KOMPLEXITÄT DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
BEI FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
39
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
1,8 2,0 0,8
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
1,9 2,0 0,7
49
44 30
20
15
1
2
3
2
0
4
5
Hoch komplex
1
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
3
2,8 3,0 0,8
45
5
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2,4 2,0 0,8
45 34 18
12
5
8
1 2
0
Nicht komplex
Technologisches Umweltsegment
31
1
1 4
Hoch komplex
Nicht komplex
Sozio-kulturelles Umweltsegment
2
3
4
Hoch komplex
5
1
Nicht komplex
2
3
Hoch komplex
1
4
5 Nicht komplex
I 3B) ÄNDERUNG KOMPLEXITÄT GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 83 2,0 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,6
66
17
1 Zunahme Komplexität
16
2
3 Stagnation
283
1
0
4
5 Abnahme Komplexität
I 4A) UNBESTIMMTHEIT DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT
BEI FINANZDIENSTLEISTERN ENTLANG DER EINZELNEN UMWELTSEGMENTE (ZEITRAUM: VERGANGENE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten Makro-ökonomisches Umweltsegment
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
Politisch-rechtliches Umweltsegment
2,1 2,0 0,9
21
20
2
3
Sozio-kulturelles Umweltsegment
1
0
4
Sehr unbestimmt
5
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
2
1
3
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
4
Sehr unbestimmt
22
4
3
2 3
2,9 3,0 0,8
46
41 27
2
5 Bestimmt, sicher
Technologisches Umweltsegment
3,3 3,0 0,8
11 1
4
Sehr unbestimmt
Bestimmt, sicher
43
21 10
8 1
2,2 2,0 0,9
47
48 24
• Mittelwert • Median • Standardabweichung
5
1
1
2
3
Sehr unbestimmt
Bestimmt, sicher
4
5
Bestimmt, sicher
I 4B) ÄNDERUNG UNBESTIMMTHEIT GESAMTE ALLGEMEINE
UNTERNEHMENSUMWELT (NÄCHSTE 5 JAHRE) in Prozent, 100% = 181 Antworten 51
45
48
2,5 • Mittelwert 2,0 • Median • Standardabweichung 0,6
6 2 1 Zunahme Unbestimmtheit
2
3 Stagnation
284
4
0 5 Abnahme Unbestimmtheit
I 5A) BEEINFLUSSUNGSGRAD EINZELNER UMWELTSEGMENTE
AUF DEN UNTERNEHMENSERFOLG
Makro-ökonomisches Segment Politisch-rechtliches Segment Sozio-kulturelles Segment Technologisches Segment
in Prozent, 100% = 181 Antworten
StandardMedian abweichung
Mittelwert
66
46
44 37
36
33
1,0 2,0 3,0 3,0
1,4 1,8 2,7 2,7
0,7 0,8 1,0 0,8
31
28
21
18
14
11 6
4
1
2
2
1
3
0
1
0
4
1
5
Hohe Beeinflussung
Keine Beeinflussung
I 5B) BEEINFLUSSUNGSGRAD EINZELNER UMWELTSEGMENTE
AUF STRATEGISCHE PLANUNG
Makro-ökonomisches Segment Politisch-rechtliches Segment Sozio-kulturelles Segment Technologisches Segment
in Prozent, 100% = 181 Antworten
Mittelwert
59
33
31
29
36
1,0 2,0 3,0 3,0
1,6 2,1 2,8 2,7
44
42
StandardMedian abweichung
0,8 0,9 0,9 0,8
36
23
22
14 6
1
7
4
6 2
2
3
Hohe Beeinflussung
1 4
2
1
2
5 Keine Beeinflussung
285
2.2.2
Prognose
II A) STELLUNGNAHME ZU AUSSAGEN AUS DEM BEREICH
Ja/Stimmt
DER PROGNOSE
Nein/Stimmt nicht
in Prozent, 100% = 181 Antworten
Fragen
Antworten
1.) Verwendung von Unsicherheitsmaßen in Prognosen über die allgemeine Unternehmensumwelt
52 48
2.) Vernachlässigung von Ereignissen in Prognosen, die nicht exakt quantifizierbar sind
39 61
3.) Informationen über zukünftige Entwicklungen der allgemeinen Unternehmensumwelt sind unbestimmt/nicht exakt quantifizierbar
87 13
4.) Verarbeitung von unbestimmten Informationen in den aktuellen Prognosen
81 19
5.) Verbesserung der Prognosequalität durch quantitative Verarbeitungsmöglichkeiten für unbestimmte Informationen
91 9
286
II B) SEGMENTE DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT MIT
BESONDERER EIGNUNG ZUR ANWENDUNG VON VERFAHREN ZUR QUANTITATIVEN VERARBEITUNG UNBESTIMMTER INFORMATIONEN in Prozent, 100% = 164 Antworten*; Mehrfachnennungen möglich 94
42 32 22
Makroökonomisches Segment
Politischrechtliches Segment
SozioTechnokultulogisches relles Segment Segment
* 164 Antworten = 91% Zustimmungsquote auf Frage II.A.5
287
2.2.3
Antizipationsmethoden
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
VON ENTWICKLUNGEN IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – QUANTITATIVE VERFAHREN Sozio-kulturelles Makro-ökonomisches Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen Trendextrapolationen
94
Durchschnittswertberechnungen
Umweltsegment Technologisches Umweltsegment
12 136
41
Regressionsmethoden Ökonometrische Modelle
127 62
Wachstumsmodelle
63
204
31
55
36
13 18
64
3 171
68
120
Input-Output-Analysen
35
6
11
Simulationsmodelle
11 192
64
3
114
19 179
46
10
83
19 245
120
12
104
Exponentielle Glättungsverfahren
Umweltsegment Politisch-rechtliches Umweltsegment
242
21 116
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – QUALITATIVE VERFAHREN Makro-ökonomisches Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen
Delphi-Methode
44
Historische Analogie 26
Relevanzbaum-Methode
21
Systemanalyse
Sozio-kulturelles Umweltsegment
Politisch-rechtliches Umweltsegment
Technologisches Umweltsegment
81
70
55
Heuristische Methoden
Umweltsegment
52
52
21 59
15 174
69
58
27
31
288
69
100
35
27
53
50
171
222
248
III 1) EIGNUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN FÜR DIE VORHERSAGE
IN DEN EINZELNEN UMWELTSEGMENTEN – VERBUNDVERFAHREN Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen möglich; Basis 181 Fragebögen
Frühwarnsysteme
132
Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung
28
36
97
51
35
131
Szenarioanalyse
34
Makro-ökonomisches Umweltsegment
Sozio-kulturelles Umweltsegment
Politisch-rechtliches Umweltsegment
Technologisches Umweltsegment
33
235
58
70 42
236
84
138
276
70
81
373
II 2) TATSÄCHLICHE VERWENDUNG VON ANTIZIPATIONSMETHODEN in Prozent, Basis 181 Fragebögen Regelmäßige Verwendung Fallspezifische Verwendung
Quantitative Verfahren
Qualitative Verfahren
54
Trendextrapolation Durchschnittswertberechnungen Exponentielle Glättungsverfahren Regressionsmethoden
19
51 25
22 20
34
23
24
12 36
Wachstumsmodelle
24
25
Input-OutputAnalysen
46
Historische Analogie Heuristische Methoden RelevanzbaumMethode
73
45
Ökonometrische Modelle
Simulationsmodelle
Delphi-Methode
73
Systemanalyse
57
10
18
15
28
31
19 7
46
26 24
20
45
31
20
40
Verbundverfahren Frühwarnsysteme Früherkennungs-/ Frühaufklärungssysteme Trendforschung
49
17
63
13 9 22
Szenarioanalyse
289
13 73
60 19
40 24
24 66
59
48
18 84
III 1./2. DIFFERENZEN ZWISCHEN EIGNUNG UND VERWENDUNG VON
ANTIZIPATIONSMETHODEN – QUANTITATIVE VERFAHREN 1 Eignung* in Prozent
2 Verwendung** in Prozent
Trendextrapolation
Delta 2 - 1 in Prozentpunkten
73
80
Durchschnittswertberechnungen
73
64
Exponentielle Glättungsverfahren
9
45
51
Regressionsmethoden
73
Ökonometrische Modelle
74
Wachstumsmodelle Simulationsmodelle
-6
57
-16
36
-38
49
72
-23
63
80
Input-Output-Analysen
-7
-17
22
45
-23
* Mindestens für ein Umweltsegment wurde eine gute/sehr gute Eignung der entsprechenden Methode angegeben; Verhältnis dann in Relation zur gesamten Anzahl der teilnehmenden Institute (181) ** Regelmäßig oder fallspezifisch
III 1./2. DIFFERENZEN ZWISCHEN EIGNUNG UND VERWENDUNG VON
ANTIZIPATIONSMETHODEN – QUALITATIVE VERFAHREN UND VERBUNDVERFAHREN 1 Eignung* in Prozent
2 Verwendung** in Prozent
Delphi-Methode
64
Delta 2 - 1 in Prozentpunkten
-36
28
Historische Analogie
60
46
-14
Heuristische Methoden
60
45
-15
Relevanzbaum-Methode Systemanalyse
38 55
Trendforschung Szenarioanalyse
-15
40 79
Frühwarnsysteme Früherkennungs-/Frühaufklärungssysteme
-7
31
-6
73
69
-10
59 80
-32
48
87
84
-3
* Mindestens für ein Umweltsegment wurde eine gute/sehr gute Eignung der entsprechenden Methode angegeben. Verhältnis dann in Relation zur gesamten Anzahl Institute (181) ** Regelmäßig oder fallspezifisch
290
2.2.4
Informationsbeschaffung
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – ÜBERSICHT Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
1.837 491
459 373
Nennungen gesamt
Presse
Veröffent- Netzlichungen werke
240
274
Befragungen
Beauftragte Studien
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – PRESSE Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
491 154
177
140
9 Nennungen gesamt
TagesFachzeitungen presse
11
WirtLifestyle- Sonstige schafts- Magazine magazine
291
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – VERÖFFENTLICHUNGEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
459
174
68 135 76
Nennungen gesamt
Verbände Universi- Behörden Firmen täten
6 Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – NETZWERKE Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich 61% 373 115
115 41 96
6 Nennungen gesamt
Konferenzen
Seminare Newsgroups
292
Datenbanken
Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – BEFRAGUNGEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
240 64
93 21 61
1 Nennungen gesamt
Experten- Meinungs- Fokusinterviews umfragen gruppen
Workshops
Sonstige
IV 1) NUTZUNG VON INFORMATIONSQUELLEN ZUR ERSTELLUNG
VON PROGNOSEN DER ALLGEMEINEN UNTERNEHMENSUMWELT – BEAUFTRAGTE STUDIEN Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
274 85
87
65
37 0
Nennungen gesamt
Intern
Beratungen
Meinungs- Universi- Sonstige forscher täten
293
IV 2A) VERHÄLTNIS ZWISCHEN QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN
INFORMATIONEN, DIE IM RAHMEN DER INFORMATIONSBESCHAFFUNG ERHOBEN WERDEN in Prozent (Anzahl Antworten) Verhältnis in Prozent
Verhältnis Anzahl Antworten
100% = 175 Antworten* Quantitativ/qualitativ ausgewogen
17
Qualitativ 49,6
Überwiegend 81 quantitative
50,4 Quantitative Überwiegend qualitativ
77
* Restlichen 6 Institute haben keine Angabe gemacht
IV 2B) GENAUIGKEIT DER EINSCHÄTZUNG ÜBER DAS VERHÄLTNIS VON
QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN INFORMATIONEN in Prozent, 100% = 175 Antworten 3,5 • Mittelwert 3,0 • Median • Standardabweichung 0,9
47
29
14 10 1 1
2
3
4
Sehr genau
5 Ungenau
294
2.2.5
Allgemeines
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
ANZAHL MITARBEITER in Prozent, 100% = 181 Antworten
50
18
18 6
< 500
500 2.000
2.000 5.000
5.000 10.000
8
> 10.000
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
BILANZSUMME (BANKEN UND KAGs*) in Prozent, 100% = 129 Antworten
64
Alles KAGs*
17 6
5
8
1 - 10 100 Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR
* Kapitalanlagegesellschaften
295
V TEILNEHMENDE INSTITUTE NACH GRÖSSE AUF BASIS
GEBUCHTER BRUTTOBEITRÄGE (VERSICHERUNGEN) in Prozent, 100% = 52 Antworten
59
23 10 6 2 < 0,5 0,5 - 2,0 2,0 - 5,0 5,0 - 10,0 > 10 Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR Mrd. EUR
V DURCHFÜHRUNG DER AUFGABE/FUNKTION DER STRATEGISCHEN
PLANUNG Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich
Strategische Planung Andere Planungseinheit
58 7
Unternehmensleitung
75
Controlling Sonstige
93 11
296
3. Verzeichnis der wichtigsten Symbole809 Logische Symbole, Relationen: =
Gleichheitszeichen
>
größer-Zeichen