DIE G R U N D L E H R E N
DER
MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN IN EINZELDARSTELLUNGEN BERÜCKSICHTIGUNG DER
MIT
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DIE G R U N D L E H R E N
DER
MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN IN EINZELDARSTELLUNGEN BERÜCKSICHTIGUNG DER
MIT
BESONDERER
VORLESUNGEN ÜBER GESCHICHTE DER ANTIKEN MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN VON
ANWENDUNGSGEBIETE
O. NEUGEBAUER GEMEINSAM
KOPENHAGEN
MIT
W. B L A S C H K E • F. K . S C H M I D T • B. L. V A N D E R W A E R D E N HERAUSGEGEBEN
VON
R. COURANT ERSTER BAND XLIII
BAND
VORGRIECHISCHE MATHEMATIK
VORLESUNGEN ÜBER GESCHICHTE D E R A N T I K E N MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN M I T 61 F I G U R E N
ERSTER BAND VORGRIECHISCHE MATHEMATIK VON
O. N E U G E B A U E R
BERLIN VERLAG
VON
JULIUS 1 9 3 4
BERLIN SPRINGER
V E R L A G VON JULIUS 1934
SPRINGER
A L L E RECHTE, INSBESONDERE I N F R E M D E SPRACHEN,
DAS D E R
ÜBERSETZUNG
VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1934 B Y JULIUS SPRINGER IN B E R L I N . PRINTED IN G E R M A N Y .
DER
MUTTER
GEWIDMET
Vorwort. Die Geschichte der antiken Mathematik ruht auf zwei zeitlich weit getrennten Fundamenten: es sind dies einerseits die Werke der klassi schen griechischen Mathematik: E U K L I D , A R C H I M E D E S u n d APOLLONIUS,
die d e m vierten und dritten vorchristlichen Jahrhundert angehören, andererseits die ägyptischen und babylonischen Texte, die wenigstens in ihrer Hauptmasse mehr als ein Jahrtausend älter sind. Will man die Entstehungsgeschichte des antiken mathematischen Denkens verfolgen, so muß man v o n diesen beiden einigermaßen festen Stützpunkten aus gehen. E s ergeben sich dann v o r allem zwei Problemgruppen. D i e eine betrifft die geschichtlichen Vorbedingungen, unter denen die alt orientalische Mathematik entstanden ist, die andere richtet sich auf die Rekonstruktion der Entstehung der eigentlich griechischen Mathe matik, für die uns ja fast alle direkten Quellen fehlen, d. h. auf die Herstellung der Brücke zum Vorgriechischen. Es ist die Absicht dieser Vorlesungen, diese beiden Problemkreise zu skizzieren, die Fragen zu erörtern, die sich aus ihnen ergeben, u n d die Methoden und Hilfsmittel darzustellen, die uns heute zu einer wenigstens teilweisen Beantwortung zur Verfügung stehen. Es ist nicht meine Absicht, eine in irgendeinem Sinne abschließende Gesamtdarstellung unserer heutigen Kenntnisse von der mathematischen Entwicklung der Antike zu geben. W a s hier veröffentlicht wird, sind wirklich V o r l e s u n g e n , die ich fast genau in dieser Gestalt in K o p e n hagen gehalten habe. D e r Charakter einer Vorlesung bringt es mit sich, daß ich zu den einzelnen Fragen wirklich habe Stellung nehmen müssen. I c h habe nicht versucht, dieser Notwendigkeit aus d e m W e g e zu gehen, sondern habe mich i m Gegenteil bemüht, so prägnant als irgend möghch die aus unserem Quellenmaterial resultierende Situation zu schildern und die Konsequenzen zu ziehen, die sich mir daraus zu ergeben schienen. E s ist also eine durchaus v o n persönlichen Ansichten getragene Auffassungsweise, die den Leitfaden der Darstellung abgibt. Das ganze W e r k ist auf drei Teile berechnet. D e r hier vorliegende erste Teil betrifft nur die altorientalische Mathematik. Der zweite wird sich mit der griechischen befassen und, wie schon gesagt, seinen Aus gangspunkt v o n d e m einzigen einigermaßen vollständig erhaltenen Quellenmaterial,
also
vor
allem
v o n APOLLONIUS u n d
ARCHIMEDES,
VIII
Vorwort.
nehmen und dann in die Vorgeschichte der Euklidischen Mathematik ein zudringen versuchen. Der dritte B a n d soll sich mit der exakten Astro nomie beschäftigen, also v o r allem mit dem grundlegenden und nicht hoch genug einzuschätzenden W e r k des PTOLEMÄÜS einerseits und mit der heute n o c h ungleich schwierigeren und unzugänglicheren, aber relativ späten babylonischen Astronomie. So hoffe ich schließlich d o c h eine Art v o n Gesamtüberblick über die antiken mathematischen Wissenschaften geben zu können. Ich m u ß nochmals hervorheben, daß es dabei mein einziges Ziel ist, die P r o b l e m e , denen wir hier gegenüberstehen, so deutlich als irgend möglich herauszuarbeiten und die V e r k n ü p f u n g e n aufzuzeigen, die zwischen ihnen bestehen. Diese Vorlesungen können und sollen aber nicht als ein K o m p e n d i u m unserer heutigen Quellenkenntnis benutzt werden. W e r sich sinnvoll mit Einzelfragen beschäftigen will, dem kann nicht erspart werden, sich selbst in die Originalquellen einzu arbeiten. Vorlesungen, wie die hier veröffentlichten, können nur den Sinn haben, daß sie einem weiteren Kreis zu zeigen versuchen, zu welchen Resultaten man aus der Beschäftigung mit den uns erhaltenen Resten der antiken mathematischen Literatur k o m m e n kann u n d auf welchen Voraussetzungen diese Arbeit ruht. Es ist das e r s t e Mal, daß versucht wird, eine geschlossene Dar stellung der Geschichte der vorgriechischen Mathematik zu geben. Niemand wird sich mehr bewußt sein als ich, wie sehr lückenhaft das Material ist, auf d e m sich eine solche Darstellung aufbauen muß. Gleich zeitig mit diesen Vorlesungen k o m m t eine Edition aller mir bekannt gewordenen mathematischen Keilschrifttexte zum Druck, in der ich mich bemüht habe, soweit als irgend möglich, ohne jede geschichtliche Konstruktion, das Textmaterial in allen seinen Einzelheiten zugänglich zu machen. W e r die hier gegebene Darstellung der babylonischen Mathematik nachprüfen und ergänzen will, sei also ausdrücklich auf diese Bearbeitung hingewiesen. Für den weiteren Kreis, an den sich diese Vorlesungen richten, wird selbstverständlich eine Kenntnis dieses Materials hier nicht vorausgesetzt. E s ist klar, daß bei einem so neu erschlossenen Gebiet wie der vorgriechischen Mathematik die k o m mende Zeit vieles v o n dem zu ergänzen und zu berichtigen berufen sein wird, was hier gesagt ist. I c h sehe aber die eigentliche Aufgabe solcher Vorlesungen darin, auch andere z u m Nachdenken über die b e handelten Fragen anzuregen. W e n n dies zu besseren Ergebnissen führt, als ich sie hier zu formulieren imstande war, so scheint mir dies wichtiger, als durch sorgfältiges Schweigen einen Irrtum in meinen Ansichten verbergen zu können. Ich bedaure es eigentlich, daß die Erschließung der babylonischen Mathematik notgedrungen verknüpft ist mit der zeitlichen V o r v e r -
Vorwort.
IX
legung der Entdeckung vieler mathematischer Sätze und Zusammen hänge. Ich hoffe aber, daß diese Vorlesungen einem Leser, dessen Interesse auf Prioritätsfragen gerichtet ist, nur wenig bieten wird. Die Zeit ist zwar das unvermeidliche Koordinatensystem der Geschichte, aber sie ist auch nicht mehr. Unsere Kenntnisse von der vorgriechischen Mathematik sind außerdem weit davon entfernt, eine i m zeitlichen Sinn geschlossene Geschichtsdarstellung zu ermöglichen. U n d selbst wenn unser Textmaterial ein zeitlich vielfach dichteres wäre, so würde ich d o c h eine chronologische Darstellung der vorgriechischen Mathe matik für einen grundsätzlichen Fehler halten. Denn wie sich die Ge schichte des antiken Denkens immer v o r d e m großen Hintergrund des Hellenismus abspielen wird, so ist die Spezialgeschichte des Vorgriechi schen wesentlich bedingt durch den D u a l i s m u s zwischen der Kultur Ägyptens und der der mesopotamischen Völker. So muß, scheint mir, gerade die Untersuchung der vorgriechischen Mathematik immer auf diese d o p p e l t e Ausdrucksmöglichkeit eines Prozesses das Hauptaugen merk richten. Diese Dualität zweier gleichzeitiger und in ihrer ganzen Problemlage durchaus analoger Entwicklungsvorgänge mit völlig ver schiedenen Resultaten ist ein so einzigartiges Geschenk des Schicksals, daß es sich des wesentlichsten Hilfsmittels zu einem tieferen Ver ständnis berauben hieße, wenn man zugunsten irgendeiner „systemati schen" Darstellung auf das immerwährende vergleichende Neben einander v o n ägyptischem und babylonischem Material verzichten wollte. Dieser Gesichtspunkt hat auch die Disposition dieser Vor lesungen bestimmt, über die in der Einleitung n o c h kurz Auskunft gegeben wird. Ich brauche kaum zu betonen, w i e s e h r d e r Verlag J u l i u s S p r i n g e r mit seiner bekannten Großzügigkeit auch allen meinen Wünschen in der äußeren Ausgestaltung dieses Buches entgegengekommen ist. Dar über hinaus habe ich ihm aber auch dafür ganz besonders zu danken, daß er in all den vergangenen Jahren die Veröffentlichung der EinzelUntersuchungen ermöglicht hat, auf denen zum großen Teil diese V o r lesungen beruhen; v o r allem hat er es auch jetzt wieder übernommen, die umfangreiche Edition des keilschriftlichen Quellenmaterials heraus zubringen, v o n der schon oben die R e d e war. Mein aufrichtiger D a n k gilt auch den Freunden R . COURANT und H. B O H R , ohne deren stets lebendiges Interesse u n d oft tatkräftige Hilfe ich nicht die Möglichkeit gehabt hätte, dieses W e r k zu einem Abschluß zu bringen. A b e r nicht nur ihnen, sondern mit ihnen einem großen Kreis v o n Freunden aus Göttingen und Kopenhagen habe ich zu danken. Nur dadurch, daß ich das Glück hatte, viele Jahre in stetem Gedankenaustausch mit ihnen zu leben und zu arbeiten, habe ich die innere Möglichkeit gehabt, allmählich den Fragenkreis aus-
Vorwort.
X
zubauen, über den hier berichtet wird. Ihnen allen sei in Dankbarkeit dieses Buch zugeeignet. W e n n es trotzdem nur e i n e n Namen trägt, so geschieht es, weil er mich mein ganzes Leben als besonderes S y m b o l treuester Freundschaft
begleitet
hat.
K o 4 ) e n h a g e n , 11. Juh 1934. 0 . NEUGEBAUER.
Inhaltsverzeichnis.
Der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen in Berlin, die mir in entgegenkommendster Weise ihr reiches einschlägiges T e x t
Seite
Einleitung
1
material zugänglich gemacht hat, habe ich außerdem für die Publika tionserlaubnis v o n Photographien v o n Texten ihrer Sammlung zu danken, ebenso wie der Bibliotheque Nationale et Universitaire de Strasbourg. Beim Lesen der Korrekturen hat
mich außer meiner Frau
auch
I. K a p i t e L
Babylonische
Rechentechnik
4
§ 1. Reziprokentabellen
4
a) V o r b e m e r k u n g e n , Ä u ß e r e s
4
b) A n o r d n u n g und Terminologie der Reziprokentabellen
Herr Dr. W . FELLER unterstützt, dem ich auch für eine große Reihe
c) Berechnungsweise
kritischer Bemerkungen herzlich zu danken habe.
d) A n h a n g .
6
. . . .
9
der Reziprokentabellen
15
Verallgemeinerte Reziprokentabellen
2 . A n d e r e Tabellentexte und babylonische Rechentechnik überhaupt
K o p e n h a g e n , 8. Oktober 1934.
16 16
a) A d d i t i o n und Subtraktion
I8
b) Multiplikation und Division c) Einzelbemerkungen z u m S y s t e m der Multiplikationstabellen
.
29
1 . Auswahlprinzip der K o p f z a h l e n
29
2. Ergänzung von Tabellentexten
30
d) Andere T a b e l l e n t e x t e
32
e) Berechnung irrationaler Quadratwurzeln
33
f) Schlußbemerkung
38
Literaturverzeichnis zu K a p . I
39
II. Kapitel.
Allgemeine Geschichte.
Sprache und Schrift.
. . .
40
§ 1 . Chronologische u n d geographische Übersicht
40
§ 2 . Prinzip der Keilschrift
49
a) Schreibtechnik
50
b) D a s Schriftsystem der Keilschrifttexte
53
c) D i e Sprachen der Keilschrifttexte
61
d) D i e m a t h e m a t i s c h e Terminologie
67
§ 3- Ä g y p t i s c h e Schrift
72
Literaturverzeichnis zu K a p . I I
78
I I I . Kapitel.
Zahlensysteme
80
§ 1 . Problemstellung
80
§ 2 . D i e ganzen Zahlen
83
§ 3- Bruchteile
86
§ 4. D a s Sexagesimalsystem
93
a) Tatsachenmaterial, Problemstellung
94
b) M a ß s y s t e m e c) D i e Entstehungsgeschichte
100
I V . Kapitel.
105
des sexagesimalen Positionssystems
Literaturverzeichnis zu K a p . I I I
.
Ägyptische Mathematik
110
§ 1 . D e r T y p u s der ägyptischen M a t h e m a t i k
110
a) D i e Quellen b) Allgemeine Charakterisierung der mathematischen T e x t e .
109
110 .
.
III
XII
Inhaltsverzeichnis. Seite
§ 2 . Ägjrptische
Geometrie
^22
a) E b e n e A u f g a b e n
122
b) V o l u m i n a
125
. . . .
c) M i o § 3. Ä g y p t i s c h e Bruchrechnung
129 ^37
a) Hilfszahlenalgorithmus
.137
b) D e r A u f b a u der ^ - T a b e l l e
147
Literaturverzeichnis zu K a p . I V V.Kapitel.
Babylonische Mathematik
^66
§ 1 . Geometrie 17^
§ 2 . Arithmetisches § 3- Algebra a) Lineare
475 175
Gleichungssysteme
175
1 . Dreieckszerlegung (5 U n b e k a n n t e ) 2 . Dreieckszerlegung ( 1 0 U n b e k a n n t e )
I80
3. Z w e i U n b e k a n n t e
I81
b) Quadratische
Gleichungen
I83
1 . Dreieckszerlegung 2. Weitere
^83
Dreieckszerlegungen
3. U n h o m o g e n e
Gleichungen
4. Quadratische
Gleichungen für reziproke Zahlen
5. Serien v o n A u f g a b e n
über quadratische Gleichungen
185 185 186 . . .
188 I89
c) Biquadratische Gleichungen 1 . Biquadratische Gleichungen für „ L ä n g e " und „ B r e i t e "
.
.
189
2 . Serien biquadratischer Gleichungen
190
3. W e i t e r e A u f g a b e n
192
§ 4. „Transzendente" 1. Kubische
über biquadratische Gleichungen . . . .
Probleme
I93
Gleichungen
193
2 . Z i n s - u n d Zinseszinsrechnung
I97
3. T a b e l l e n t e x t e und ihre Terminologie
199
§ 5. R ü c k b l i c k
und allgemeine P r o b l e m l a g e
Literaturverzeichnis zu K a p . V Sachverzeichnis
Einleitung.
^65
202 208 209
W e n n man sich über den Mechanismus der vorgriechischen Mathe matik einigermaßen Klarheit verschaffen will, so m u ß man zunächst den äußeren Apparat dieser Mathematik, d. h. die Rechentechnik ver stehen. Für die ganze vorgriechische Mathematik ist es eigentümlich, daß sie uns in allen ihren Texten nicht in allgemeinen Formeln o d e r . geometrischen Beweisen Euklidischen Stiles entgegentritt, sondern nur durch zahlenmäßig vorgerechnete Einzelbeispiele. Man ist also schon aus äußeren Gründen veranlaßt, sich mit der ägyptischen und babylo nischen Rechentechnik auseinanderzusetzen, denn ohne sie zu kennen ist es gar nicht möglich, die Fragen der numerischen Behandlung einer Aufgabe v o n den sachlichen Methoden zu scheiden. Darüber hinaus zeigt aber die nähere Untersuchung der vorgriechischen Mathematik, daß die tiefgehenden Unterschiede zwischen der ägyptischen und der babylonischen Mathematik ganz wesentlich b e d i n g t sind durch den Grad, in welchem man das rein Numerische zu beherrschen verstanden hat. Es wird eine der wesentlichsten Aufgaben dieser Vorlesungen sein, zu zeigen, daß die volle Beherrschung aller numerischen Probleme die eigentliche V o r a u s s e t z u n g für das hohe Niveau der babylonischen Mathematik bildet, ebenso wie der Zustand der ägyptischen Mathematik bedingt ist durch die eigentümliche Richtung, in der sich die ägyptische Rechentechnik im Gegensatz zur babylonischen entwickelt hat. Für die vorgriechische Mathematik ist also das Studium ihrer Rechen technik ebenso wesentlich wie die Kenntnis der eigentümlichen „ g e o metrischen Algebra" für das Verständnis etwa der Archimedischen Integrationsmethoden oder der griechischen Theorie der Kegelschnitte. Es betrifft also wirklich die Grundlagen der vorgriechischen Mathe matik, wenn wir uns zunächst mit ihrer numerischen Methode ver traut machen. Während unser Quellenmaterial der ägyptischen Mathematik ziemlich dürftig ist, so kennen wir v o n der babylonischen Mathematik gegenwärtig nahe an 200 „Tabellentexte", deren Funktion es offensichtlich ist, das praktische Rechnen zu erleichtern. W i r werden uns also zunächst auf den rein äußerlichen Standpunkt stellen, daß uns eine relativ große A n zahl solcher Texte bekannt ist, und werden sie nach ihren sachlichen Funktionen zu ordnen suchen. So wird erst einmal die Basis der babylonischen Mathematik in Umrissen beschrieben werden können. Aber schon in diesem ersten Kapitel wird sich zeigen, daß dieser TextNeugebauer,
Antike math. Wissenschaften I .
1
Einleitung.
Einleitung.
typus nicht einfach mit dem W o r t „Rechenhilfen'" erschöpft ist. W i r werden sehen, wie sich selbst noch an diesen einfachen Texten Spuren einer komplizierteren geschichtlichen Entwicklung erkennen lassen, die uns vor die Aufgabe stellen, nunmehr dieser Vorgeschichte nach zuspüren. U m das zu tun, wird es nötig sein, die ganze Entwick lungsgeschichte des babylonischen Rechen- und Zahlensystems zu untersuchen. Es wird sich zeigen, daß dies nicht möglich ist, ohne auf die Entstehungsgeschichte der mathematischen Zeichensprache des mesopotamischen Kulturkreises einzugehen, eine Frage, die aufs engste verknüpft ist mit der Entstehungsgeschichte des wichtigsten Ausdrucksmittels dieser Kultur überhaupt, der Keilschrift. Erst wenn dieser Fragenkreis näher diskutiert sein wird, werden wir auf die spezielle Geschichte des babylonischen Zahlensystems eingehen können.
durch den algebraischen Charakter die babylonische Mathematik noch nicht ausreichend beschrieben ist, sondern daß erst das volle Ineinander greifen von algebraischer Ausdrucksweise und numerischer Rechen technik das Bild wirklich abrundet. W i r werden sehen, daß gerade diese Betrachtungsweise uns zu neuen und in Einzelheiten noch gar nicht ausreichend beantwortbaren Fragestellungen weist, die nicht nur den Unterschied gegen die griechische Mathematik klarer hervortreten lassen, als es bisher möglich war, sondern in ihren Auswirkungen auch die Brücke wird schlagen lassen zu den charakteristischen Methoden der rechnenden an^ken Astronomie.
2
3
Dieses Zahlensystem nimmt bekanntlich eine ganz ausgezeichnete Stellung ein: es ist, wenigstens grob gesprochen, ein „Positionssystem" wie das unsrige, nur mit der Basis 60 statt mit der Basis 10. Es unter scheidet sich daher auf das Fühlbarste v o n allen anderen Ausdrucks mitteln der Zahlen in der Antike. Trotzdem wird sich zeigen, daß auch das ägyptische Zahlensystem in seinen Ursprüngen enge v o r stellungsmäßige Beziehungen gemein hat mit den Dingen, die dem Sexagesimalsystem zugrunde liegen. U n d wie einerseits die ganze b a b y lonische Mathematik ihr typisches Gepräge durch ihre wunderbare handliche Rechentechnik erhält, so wird auch andererseits die ägyp tische Mathematik aufs tiefste beeinflußt v o n der Struktur ihres Zahlen systems und der damit verknüpften Rechentechnik. So werden also vier Kapitel dieser Vorlesung trotz aller äußeren Verschiedenheit des zu behandelnden Stoffes doch innerlich eng zusammengehalten durch die Frage nach dem geschichtlichen Werden der vorgriechischen Zahlen systeme und ihrer Ausnutzung in der Mathematik. Einem fünften und letzten Kapitel wird es dann vorbehalten sein, in großen Zügen zu schil dern, wie nun die babylonische Mathematik aussieht, die auf dieser Basis ruht. Das eigentliche Ergebnis der Erschließung dieser mathematischen Texte sehe ich darin, daß sich gezeigt hat, daß neben der seit langem bekannten und eigentümlich primitiven ägyptischen Mathematik und neben der mit feinster logischer Analyse durchgearbeiteten griechischen Mathematik noch ein dritter T y p u s mathematischer Ideenbildung im Kreis der Mittelmeerkulturen existiert hat: der algebraische der b a b y lonischen Mathematik. So sehr auch dieser Bereich heute als in sich geschlossen v o r uns zu stehen scheint, so werden wir trotzdem sehen, daß auch v o n dieser babylonischen Algebra enge geschichtliche Ver bindungen hinführen zu jenen Entwicklungsphasen, die den Aufbau der Tabellentexte bedingt haben. So werden wir zeigen, daß auch 1*
§ 1. R e z i p r o k e n t a b e l l e n .
a) V o r b e m e r k u n g e n ,
5
Dieses Positionssystem hat aber die charakteristische Eigenschaft, daß es keine a b s o l u t e Position kennt, daß vielmehr jedes Zahlzeichen prinzipiell mit irgendeiner positiven oder negativen Potenz v o n 60 als Faktor versehen werden kann, ohne daß sich dies i m schriftlichen Ausdruck der Zahlen äußert. - < ^ ^ „30" ist also sowohl als 30 wie 30 1 30 1 als 30 • 60 = 1800 usw. zu lesen, aber auch als = — oder = —
I. Kapitel.
Babylonische Rechentechnik. § 1. Reziprokentabellen.
/
a) Vorbemerkungen, Äußeres. W e n n wir im folgenden v o n „babylonischen" mathematischen Texten sprechen, so sind damit Tontafeln gemeint, die mit Keilschrift beschrieben sind und mit Mathematischem zu tun haben. W i r kennen solche Texte, die etwa bis —2000 zurückgehen, während die jüngsten tief in griechische Zeit hineinreichen (ca. —200). Rein äußerlich zer fallen sie in zwei große Gruppen, die „Tahellentexte" und die „eigentlich mathematischen Texte". Die erste Gruppe enthält Listen gesetzmäßig geordneter Zahlen, wie wir ihnen sogleich unten als Reziproken-, als Multiphkationstabellen usw. begegnen werden. Die zweite Gruppe be trifft bestimmte mathematische Aufgaben; über Olfen sie werden wir erst i m letzten Kapitel ausführ licher reden. oder Das babylonische Ziffemsystem baut sich W aus zwei Grundelementen auf, d e m einfachen spät auch: S
oder 8
50 Fig. 1.
usw. Entsprechend ist ^ nicht nur 1, sondern 6o=^*. Zwei Zahlen a und 5, die sich nur u m eine (positive oder negative) Potenz v o n 60 als Faktor unterscheiden, wollen wir „kongruent nach dem Faktor 60" nennen und schreiben a = b (fact 60). Solche „kongruente Zahlen" unter scheiden sich also nicht in ihrer keilschriftlichen Schreibweise. Erst der sachliche Zusammenhang einer Rechnung läßt entscheiden, welchen Positionswert man den einzelnen Zahlzeichen zuzuschreiben hat. Ich werde in Hinkunft dies dadurch ausdrücken, daß ich ganze Zahlen v o n Sexagesimalbrüchen durch ein Semikolon trenne, also z. B . 0;30 schreibe, wenn
^ ^^^^^^^t, oder 1,0 für 60. Mit anderen
W o r t e n : ich brauche das Semikolon genau in der Weise wie unsere Dezimalkomma. Das K o m m a verwende ich nur zur äußeren Trennung der einzelnen Sexagesimalstellen. Ein Nullzeichen am Anfang oder Ende v o n Zahlausdrücken kennt die babylonische Mathematik nicht, so daß ein Semikolon oder eine Stelle mit NuU a m Anfang oder Ende eines Zahlausdrucks immer eine moderne Interpretation in sich schließt. Wenigstens in späterer Zeit existiert aber ein Zeichen für ausfallende i n n e r e Sexagesimalstellen,
Es ist dies das Trennungszeichen
^ , so
„ K e i l " Y mit dem Zahlwert \ und d e m „ W i n
daß man für 1,0,4 ^i:"^
schreibt. Dadurch ist aber nicht festgelegt, o b
kelhaken" S 3,20
Fig. 8.
als die Hälfte v o n ihnen mehr als einstellig. Unser Material ist umfangreich genug, u m dies nicht als Zufall erscheinen zu lassen. In der Übersicht v o n . F i g . 8 ist durch die kleinen Kreise jeweils ein Tabellentext bezeichnet. Also beispielsweise: Ich kenne zwei Einzeltabellen für 45, für 44,26,40, für 36, für 30, je fünf für 25, für 24 bzw. 18 usw., zwei für 1,30, Eine weitere Bestätigung der Vollständigkeit dieser A n ordnung bieten die T e x t e mit Anschlußzeile. So4st unsere obige Tabelle für 16,40 mit der Anschlußzeile für 16 in Fig. 8 repräsentiert durch den kleinen Kreis mit dem nach 16 weisenden Pfeil, Und in der Tat sind uns auch zwei Einzeltabellen für 16 erhalten. Analog in den anderen Fällen, z. B, bei 12,30 oder 9, W i r haben vier Tabellen für 9 und davon eine mit dem Hinweis auf 8,20. Dies berechtigt uns also, obwohl zufällig kein T e x t für 8,20 erhalten ist, doch die Existenz einer solchen Tabelle anzunehmen. So ist also bereits im Rahmen der Einzeltabellen eine ganze Anzahl v o n Texten serienmäßig aneinandergeschlossen, und zwar wie man sieht immer im Sinne v o n „abnehmender" erster Stelle, W i r wenden uns nun zur Betrachtung der kombinierten Tabellen (rechte Seite v o n Fig, 8), In diesem Teil der Figur sehen wir links
r
§ 2. T a b e l l e n t e x t e und Rechentechnik, b ) Multiplikation u n d Division,
23
wieder genau dieselben Zahlenfolgen wie bei den Einzeltabellen — hinzugefügt ist nur an oberster Stelle das W o r t „ R e z i p r o k e " , was so viel bedeutet, als daß die Tafel nicht nur Multiplikationstabellen trägt, sondern daß auch noch eine Reziprokentabelle (und zwar an e r s t e r Stelle) hinzukommt. Entsprechend unten das W o r t „ Q u a d r a t e " als Hinweis auf eine Quadratzahltabelle (s, u, S. 32), Die einzelnen vertikalen Punktfolgen bedeuten jeweils e i n e n kombinierten Text, der diejenigen Tabellen trägt, die durch Kreise oder Punkte markiert sind (die Punkte bedeuten, daß die betreffenden Tabellen nicht mehr auf den oft arg beschädigten Texten erhalten sind, aber sicherlich dagestanden haben — wie man zu dieser Ergänzung kommt, wird unten [ c 2 , S. 30] auseinandergesetzt werden). A l s o : die erste Punktreihe bedeutet, daß wir einen umfangreichen T e x t haben, der mit einer Reziprokentabelle beginnt, dann eine Multiplikationstabelle für 50 trägt, dann eine für 45 usw,, bis hinunter zu 1,20 und 1,15, und daß er mit einer Quadratzahltabelle schließt. Abgesehen v o n den Lücken 48 und 2,15 enthält dieser T e x t also überhaupt a l l e Multiplikationstabellen, die wir schon auf der linken Seite aus den Einzeltabellen kennen. Die anderen angeführten Multiplikationstabellen bestätigen dieses Bild vollständig. W i e man sieht, sind sie ausnahmslos Teilmengen dieses Gesamtschemas, und die Reihenfolge der einzelnen Tabellen ist immer genau die schon bekannte, abgesehen höchstens v o n der gelegentlichen Auslassung v o n 48 am Anfang und 2,24 bzw. 2,15 am Schluß 1, Wir haben also folgendes Ergebnis erhalten: Die babylonischen Multiplikationstabellen stellen nicht das Idealschema v o n Tabellen für Produkte a - b dar, wohl aber bilden sie ein anderes eigentümhches und ganz festes Schema, das nach fallend geordneten Kopfzahlen fortschreitet. W i r stehen also v o r der Aufgabe, zu erklären, woher diese absolute Diskrepanz zwischen „Ideal"schema und tatsächhchem historischem Sachverhalt kommt. W i e man zur Lösung dieser Aufgabe vorzugehen hat, ist klar. Man muß versuchen, das gemeinsame Gesetz aufzudecken, daß die gegebene Folge v o n Kopfzahlen beherrscht und auszeichnet gegenüber der erwarteten Folge aller ganzen Zahlen v o n 2 bis 59- U m eine solche Eigenschaft zu finden, wird man natürlich in erster Reihe die zwei- und mehrsteUigen Zahlen beachten müssen, also vor allem eine so auffallende Zahl wie 44,26,40, Aber gerade diese Zahl gibt uns den Schlüssel zur Lösung des Problems unmittelbar in die Hand. W i r brauchen nur an die Reziprokentabellen zurückzudenken und dort die ,,Normaltabelle" anzusehen (S. 1 0 ) : diese schließt mit der Angabe, 1 In
Fig. 8 sind
nicht
tabellen
eingetragen,
ebenso nicht
alle
mir
bekannten kombinierten
alle
Ergänzungen.
Das
Multiplikations-
hier
Weggelassene
widerspricht aber an keiner Stelle unserer Darstellung, w o h l aber enthält es kleine Unregelmäßigkeiten, wie hier
nebensächlich sind.
L ü c k e n oder W i e d e r h o l u n g e n
(sog.
„Schultexte"),
Für die vollständige Liste s. M K T {1,1)
die
K a p . I § 3c.
24
K a p . I. Babylonische Rechentechnik.
daß 1,21 und 44,26,40 reziproke Zahlen sind. 44,26,40 ist also nichts anderes als eine aus unseren Reziprokentabellen entnommene Zahl, und man überzeugt sich jetzt sofort, daß auch alle anderen Zahlen (mit einer einzigen gleich zu besprechenden Ausnahme) r e g u l ä r e Zahlen sind. Oder mit anderen W o r t e n : die Kopfzahlen unserer Multi plikationstabellen können als Sexagesimalbrüche, d. h. als Reziproke von regulären Zahlen angesehen werden. W i r haben damit eine grundlegende Einsicht in die Struktur des gesamten bisher besprochenen Tabellensystems erreicht. D a ß die Kopf zahlen der Multiphkationstabellen als Sexagesimalbruchentwicklungen gewisser einfacher Stammbrüche \:a angesehen werden können, be deutet offenbar folgendes: Das System der Multiphkationstabellen gibt nicht a l l e beliebigen Produkte b- a, s o n d e m es gibt die Sexagesimaldarstellungen v o n i • ä, d. h. die Multipla der regulären Stammbrüche (als „ S t a m m b r u c h " bezeichnen wir immer die Brüche des Zählers 1). Oder schheßlich: das Ausgangsproblem, das zur Anlegung der Multipli kationstabellen geführt hat, ist nicht das rein formale Problem der Er leichterung der gewöhnlichen Multiplikation, sondem unser Tabellen system ist zugeschnitten auf die Erledigung eines speziellen Problems der Bruchrechnung, nämUch auf die Darstellung der Multipla v o n Stamm brüchen. In der babylonischen Mathematik bedeutet dies natürlich die Darstellung v o n b- — = b'a
in F o r m v o n endlichen Sexagesimalaus-
drücken. Wir werden aber sehen, daß das vollkommen analoge Problem^ nämhch die Darstellung der Vielfachen v o n Stammbrüchen, in ganz ent sprechender Weise auch in der ägyptischen Mathematik eine funda mentale Rolle spielt, und v o n da erstreckt sich diese Fragestellung über die griechische und römische Rechentechnik hin bis weit in unser Mittelalter hinauf, d. h. 'in Wirklichkeit genau bis zu d e m Zeitpunkt, in dem wieder eine systematische positioneile Zahlendarstellung, näm hch unsere dezimale, eingeführt wird. A b e r ideengeschichthch gesehen verbindet alle diese Prozesse die e i n e grundlegende Frage nach der Umformung der Multipla v o n Stammbrüchen im Rahmen eines b e stimmten Zahlensystems. Es ist also ein wirkhch zentrales Problem der ganzen antiken Rechentechnik, auf das wir durch unsere Betrach tungen geführt worden sind. Mit diesen Bemerkungen ist aber die geschichtHche Bedeutung unseres Tabellensystems noch keineswegs vollständig beschrieben. Wir können in doppelter Richtung weitergehen. W i r wollen einerseits geschichtlich tie fer gehen und noch deuthcher die ursprünglichen Wurzeln des Systems der babylonischen Reziproken- und Multiplikationstabellen und ihres Zusammenhangs aufklären. Andererseits müssen wir uns aber auch Rechenschaft geben über den Zusammenhang unseres Tabellensystems mit der anfangs gestellten und naheliegendsten Frage, nämlich seiner
§ 2. T a b e l l e n t e x t e u n d Rechentechnik, b ) Multiplikation u n d Division.
25
Verwendung für die gewöhnhche Multiphkation an sich, denn es ist ja auf G m n d des positioneilen Charakters aller babylonischen Zahl zeichen evident, daß man v o n der ursprünghchen Bruchbedeutung der Kopfzahlen unserer Tabellen gar nicht Kenntnis zu nehmen braucht, sondern sie unmittelbar als Liste v o n Multipla ganzer Zahlen fassen kann. W i r wollen sogleich mit dem zweiten Punkt beginnen, schon deshalb, u m eine wichtige Ergänzung unserer bisherigen Darstellung des Systems der Multiphkationstabellen zu geben. Es ist nämhch nicht richtig, daß a l l e Kopfzahlen in unserem System reguläre Zahlen seien, s o n d e m es gibt darin e i n e Ausnahme, nämlich die Kopfzahl 7, die ja gewiß nicht als Sexagesimaldarstellung eines Stammbruches 1: a aufgefaßt werden kann. Auf diesen einen Fall ist also unsere Darstellung der ursprünghchen Funk tion der Tabellentexte nicht anwendbar. Durch die vorangehende Dis kussion sollte aber auch gar nicht behauptet werden, daß die Multipli kation v o n Stammbrüchen mit ganzen Zahlen die einzige Aufgabe unseres Tabellensystems gewesen wäre. Das, worauf allein Gewicht zu legen ist, ist vielmehr, daß man aus seiner Struktur noch erkennen kann, welches Problem den A u s g a n g s p u n k t zu seiner Anlegung gebildet hat. In dem kanonischen Zustand, der uns in Fig. 8 repräsentiert ist, ist aber das Stadium, daß die Bruchrechnung eine irgendwie problemati sche Angelegenheit sei, längst überwunden. Aus den eigenthch mathe matischen Texten folgt ja zur Genüge, daß man den Vorteil der Un bestimmtheit der Position der Sexagesimalzahlen voll auszunutzen ver^ standen hat und längst nicht mehr daran interessiert war, den einzelnen Zahlen eines Tabellentextes eine feste Position zuzuschreiben, indem man die Kopfzahl als Sexägesimalbruch und nicht ebensogut als irgend eine Zahl unbestimmter Position ansah. Der Grad v o n Überlegenheit, mit der man diesen Dingen gegenüberstand, zeigt sich gerade hier in besonders deuthcher Weise. Man hat nämlich verstanden, aus dem historisch gewordenen System v o n Bruchrechnungstabellen durch eine einzige Modifikation ein geschlossenes System v o n reinen Multiplikations tabellen zu schaffen. Die regulären Zahlen hegen ja zunächst sehr dicht; 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9 und 10 sind regulär, ebenso 20, 30, 40, 50. Zwischen 1 und 10 ist also nur die einzige Zahl 7 nicht v o n selbst bereits unter den regulären Zahlen enthalten. Ergänzt man also das Tabellensystem noch durch eine Multiphkationstabelle für 7, und begnügt man sich für die Zahlen zwischen 10 und 60 damit, daß man unter Umständen noch e i n e Addition ausführen muß (die analoge Abkürzung war ja schon für die Zahlen zwischen 20 und 60 für die einzelnen Multiphkanden jeder Multiphkationstabelle eingeführt worden), so hat man durch diese einzige Ergänzung doch wieder ein handliches Schema v o n Produkten ab v o r sich, das also der Sache nach vollständig auf das hinauskommt, was wir zu Anfang dieses Paragraphen uns als einfachstes Schema v o n Hilfstabellen zur Multiplikation gedacht hatten. Nachfolgendes Schema
26
K a p . I . Babylonische
1 2
2 4 6
3
10 20
9
3 6
18
9
30
27
20
II
40
40
1 1,20
50
1,40
30
40
50 1,40
1,30
1,20 2
1
1
38
30 1
40
1
1
19 20
I
57
2,51
1,30 2 2,30
3 4,30 6 7,30
1
§ 2 . Tabellentexte u n d Rechentechnik, b ) Multiplikation u n d Division.
Rechentechnik.
340 6,20 3,20 6,40 10 5 6,40 13,20 8,20 16,40
1
stand unseres Tabellensystems beschäftigen wollen. W i r beginnen wieder mit dem Hinweis'auf die Existenz der Kopfzahl 44,26,40, die ja die Reziproke v o n 1,21 ist. Ferner wollen wir uns daran erinnern, daß die ReziprokentabeUen, die wir in § 1 besprochen haben, in ihren ersten beiden Zeilen darauf hinweisen, daß auch bei diesem Tabellentypus zunächst an Zahlen mit absoluter Position gedacht war. Die beiden ersten Zeilen bezeichneten ja ausdrückhch in besonderer Weise „ 4 0 " bzw. „30" als „Zweidrittel" b z w . „ H ä l f t e " (s. oben S. 8). Dies deutet darauf hin, daß wir in einer älteren Phase den Zahlen einer Rezi prokentabelle eigentlich nach folgendem Schema absolute Positions werte zuzuordnen hätten:
2,30 1
1 1 9,30 12,40 15,50 10 13,20 16,40 20 15 25 20 26,40 33,20 33,20 41,40 25
ist ja nichts als eine nochmalige unwesentliche Verkürzung des zwei ten Schemas v o n S. 20. Daß das aus der Bruchrechnung entwickelte Tabellensystem v o n sich aus noch einiges mehr enthält als vorstehendes Schema (nämlich z. B . noch eine Reihe v o n einstelhgen Kopfzahlen zwi schen 20 und 60, wie z. B . 25 und 45, und noch einige mehrstellige), ist ja nur ein Vorteil und wurde daher ohne weiteres beibehalten, um so mehr, als die alte Aufgabe der Sexagesimalentwicklung v o n Brüchen y
nach
wie vor seine praktische Wichtigkeit behielt. So stellt unser Tabellensystem insgesamt ein äußerst praktisches Hilfsmittel sowohl zur Multiphkation wie zur Division dar^. Dieses System v o n etwa 40 Tabellen leistet also trotz seines relativ sehr geringen Umfanges alles, was man bei nicht allzu umfangreichen Rechnungen benötigt. Erst die späteste Periode der babylonischen Geschichte hat, wohl im Zusammenhang mit der Entwicklung der rechnenden Astronomie, mindestens für das Divisions problem ^ noch weitergehende Tabellen anlegen müssen, wie es uns schon aus den vielstelligen Reziprokentabellen in § 1 c (S. 11) bekannt ge worden ist. W i r wollen uns jetzt wieder dem anderen Teil unserer Fragestellung zuwenden und die Beziehungen unserer „Multiplikationstabellen" zum Divisiönsproblem weiter verfolgen, d. h. versuchen, möglichst viel über die älteste Gestalt und Betrachtungsweise unserer Tabellentexte zu er fahren. Die eine „ e c h t e " Multiphkationstabelle für 7 bleibt natürhch jetzt wieder aus dem Spiel, w o wir uns mit dem ursprünghchsten Zu1 A u c h äußerlich g e n o m m e n darf m a n sich diese Multiplikationstabellen wegs als unhandlich vorstellen.
keines
Z . B . ist die g r o ß e kombinierte Tabelle, die der
zweiten Punktreihe in Fig. 8 rechts entspricht, nur 21 m a l 2 8 c m groß, obwohl sie als vollständige S a m m l u n g aller Einzeltabellen fast 1 2 0 0 Zeilen enthält. V g l . auch S. 1 9 2 . 2 Die Betonung stehen.
des Divisionsproblems
in der A s t r o n o m i e ist leicht zu
Ein wesentliches Problem ist j a dort die genaue B e s t i m m u n g
ver
einer Peri
odenlänge auf Grund der bekannten A n z a h l v o n solchen Perioden zwischen zwei gleichartigen Erscheinungen. die
kleinen
F ü r solche umfangreichere
Reziprokentabellen
nicht aus,
Divisionen reichen
während die
i m m e r anwendbar bleiben und höchstens mehr Additionen
aber
Multiplikationstabellen verlangen.
27
f
0;40
i
o;30 o;20
(L:)3 (L:)4
0;L$
usw. Dann muß man aber sinngemäß den Schluß dieser TabeUe, nämlich 54 1 1, 4 1,21 interpretieren
1,6,40 1 56,15 44,26,40
als (L:)54
0;1,6,40
(L:)L,0
0;1
(1 :)1,4
0:0,56,15 0;0,44,26,40
(1 :)1,21
Nun haben wir aber gesehen, daß die Kopfzahlen der Multiphkations tabellen (50, 48, 45, 44,26,40 usw. bis 1,15) Reziprokentabellen ent nommen sind. Sie haben also ursprünghch sicher denselben Absolut wert gehabt, der ihnen v o n den Reziprokentabellen her zukommt. Es ist also 50 als 142 = 0;0,50 zu fassen, 48 als T T T = 0;0,48, 45 als
r;20 = 0;0,45,
44,26,40 als 1,21 = 0;0,44,26,40 usw. bis 1,15 als
48^0 = 0:0,1,15. Dies bedeutet also, daß wir die Kopfzahlen der Multi phkationstabellen ursprünglich als die Sexagesimaldarstellungen v o n
T 7 2 = ^ , 1 7 1 5 = ^ , 1:20
= g ^ , T ; 2 T = g V usw. bis 4 8 : 0 = ^ an zusehen haben. Andererseits liegt es nahe, die Faktoren der Multiph kationstabellen zunächst als ganze Zahlen anzusehen. Die in unserem Tabellensystem gegebenen Produkte wären dann die Produkte v o n ganzen Zahlen des Intervalles 1 bis 60 mit Stammbrüchen, deren Nenner sämtlich größer als 60 (und übrigens kleiner als 3600) sind.
28
§ 2 . T a b e l l e n t e x t e und Rechentechnik, c 1) A u s w a h l p r i n z i p der K o p f z a h l e n .
K a p . I. Babylonische Rechentechnik.
Die Tatsache, daß diese Brachrechnungstabellen
so eingerichtet
waren, daß sie nicht beliebige gemischte Brüche — in Sexagesimalbrüche verwandeln sollten, sondern nur echte Brüche, bei denen also der Nenner immer größer als der Zähler sein mußte, ist geschichtlich v o n großer Bedeutung.
Es wird nämlich dadurch auch für den babylonischen
Kulturkreis erwiesen, daß der Begriff des Braches ursprünglich der des
29
lutem Stellenwert und die freie Benutzung dieser Elastizität für alle Aufgaben des MultipHzierens wie Dividierens. W i r werden später sehen, daß dieser Prozeß seine volle Parallele findet in der Entwicklungs geschichte der Zahlzeichen als solcher. Auch dort werden wir zeigen, daß die volle Unbestimmtheit der Position keineswegs v o n Anfang an existiert hat, solidem auch nur als Endghed einer gewissen Entwick lungslinie des babylonischen Ziffemsystems z u verstehen ist (Kap. I I I § 2).
wirklichen B r u c h t e i l e s kleiner als 1 ist. W i r werden insbesondere in K a p . I V noch ausführlich zu besprechen haben, daß auch die Struktur der ägyptischen Mathematik wesenthch dadurch bedingt ist, daß ihre Brachrechnung diesen ursprünghchen anschauhchen Brachbegriff be sonders betont und ihn niemals zugunsten eines allgemeinen Zahl begriffs, wie etwa den unserer Rationalzahl
verlassen hat. Es könnte
scheinen, daß die babylonische Mathematik diesen Schritt eben durch die Anlegung des Tabellensystems für b-a getan hat. Aber gerade unsere letzten Betrachtungen erweisen die Unrichtigkeit dieses ersten Eindrackes. U r s p r ü n g l i c h waren es eben auch nur Vielfache v o n Stammbrüchen, die betrachtet wurden, und nur solche, die die Einheit nicht erreichten. Hier liegt also nur ein Vervielfachen kleiner Einheiten bis zu einer ganz bestimmten Schranke vor, d. h. nur ein Mehrfach nehmen wie bei anderen zählbaren Objekten auch. Mit einer Verallgemeinerang des Bruch- oder Zahlbegriffes hat dies nichts zu tun. Ein wesenthch neues Moment k o m m t aber dadurch hinzu, daß das Ziffem system, in dem sich diese Operationen abspielen, p o s i t i o n e i l e n Cha^ rakter trägt. Dadurch erscheinen die ursprünglich absolut gemeinten Brüche in einer Form, die es erlaubt, v o n ihrer Absolutbedeutung ganz abzusehen. So kann man die Stammbrüche ä auch einfach als irgend welche Sexagesimalzahlen c ansehen und unsere Tabellen ohne weiteres als behebige Multiphkationstabellen b • c auffassen. Daß man sich be wußt zu dieser Freiheit der Betrachtungsweise erhoben hat, zeigt nicht nur die Hinzufügung der Multiplikationstabelle für c = 7, s o n d e m auf Schritt und Tritt die volle Souveränität in der Behandlung des sexa gesimalen Positionssystems, die wir in den eigenthch mathematischen Texten beobachten können. So ist es also in letzter Linie nur die zufälhge Straktur des Ziffemsystems, das durch seinen ganz einheithchen Formalismus der babylonischen Mathematik eine besondere „ B r u c h rechnung" erspart hat und damit den W e g zu einer v o n rechentech nischen Umwegen freien Entwicklung eröffnet hat. So ist also in unseren Multiphkationstabellen ein großes Stück Ge schichte mathematischer Ideenbildung verkapselt. Ursprünghch ein gerichtet sind sie, genau so wie die Reziprokentabellen, für Stamm brüche für die sukzessiven ganzen Zahlen als Nenner und für deren Multipla, sofem sie echte Brüche bleiben. A m anderen Ende der Ent wicklung steht der volle und bewußte Verzicht auf jede Art v o n abso-
c) Einzelbemerkungen zum System der Multiplikationstabellen. 1. Auswahlprinzip der Kopfzahlen. W i r haben erkannt, daß (immer abgesehen v o n 7) die Kopfzahlen unserer Multiphkationstabellen ursprünghch als Sexagesimaldarstellun gen v o n Stammbrüchen aufzufassen sind, und wir haben femer b e 1 1 merkt, daß diese Stammbrüche alle zwischen ^ und hegen. Es erhebt sich natürhch die Frage, w e l c h e Stammbrüche aus diesem IntervaU als Kopf zahlen ausgewählt sind. U m eine derartige Frage nach der Gesetzmäßigkeit einer Gruppe regulärer Zahlen zu beantworten, wird man sich natürlich wieder des Dia grammverfahrens (vgl, oben S. 12 ff,) bedie nen. W i r übertragen uns also die 39 regu lären Kopfzahlen v o n Fig, 8 in imser Drei ecksnetz (vgl, Fig, 9). Die so erhaltene Punktmenge hat die Eigenschaft, daß sie Fig. 9. alle Gitterpunkte eines regulären Sechsecks mit dem NuUpunkt als Mittelpunkt enthält^; nur auf der Peripherie liegt ein Punkt (a = 3, ß = 2, y = 0 oder, wie w k kurz schreiben wollen, (3,2,0), d, h. 1,12), für den keine Multi phkationstabelle belegt ist 2. Die drei Tabellen, die auch manchmal in unserem Schema über gangen sind (vgl. Fig. 8), nämlich 48, 2,24 und 2,15, sind die beiden Randpunkte des Sechsecks (4,1,0) und (4,2,0) bzw. der außerhalb hegende Punkt (0,3,1). Außerhalb des Sechsecks hegen folgende Punkte: zunächst ( 0 , - 4 , 0 ) , d. h, 44,26,40 — sein Auftreten wird uns nach der ganzen Struktur der Reziprokentabellen nicht weiter verwun dern (vgl, Fig. 4 S. 1 4 ) ; femer der Punkt (2,0,3), d.h. 8,20 und sein Spiegel1 D e r N u l l p u n k t selbst ist natürlich n i c h t mitzuzählen, d e n n i h m würde j a eine Multiplikationstabelle m i t der K o p f z a h l
1 entsprechen.
* 1,12 wäre die letzte T a b e l l e unseres S y s t e m s .
30
Kap. I.
Babylonisthe.Rechentechnik.
punkt 7,12, sowie der Punkt (3,0,3), aber nicht der Spiegelpunkt des letzteren. Die Punkte (2,0,3) und (3,0,3) sind vielleicht als Dezimal zahlen ausgezeichnet, da sie j a b z w . 500 und 1000 entsprechen. Die vier weiteren Punkte, die außerhalb des Sechsecks hegen, zeigen keine mir ersichthche Gesetzmäßigkeit. Für ahe Punkte aber, die innerhalb und auf dem R a n d des Sechsecks liegen, liegt insofern ein gemeinsames Gesetz vor, als die Zugehörigkeit zu einem achsenparaUelen Sechseck u m den NuUpunkt ja nichts anderes besagt, als daß voUkommene Symmetrie bezüghch des NuUpunktes herrscht und dies damit äquivalent ist, daß zu jedem Punkt der Menge auch sein reziproker gehört. Diese letzte Eigenschaft ist aber für die praktische Verwendbarkeit unseres Systems natürlich sehr vorteilhaft, so daß man dies vielleicht als einen wesenthchen Grund für die Auswahl der entsprechenden Zahlen an sehen kann. 2. Ergänzung von Tabellentexten. Die
Tontafeln, die wir heute
schlechten Erhaltungszustand.
besitzen, sind oft in einem recht
Häufig sind es nur kleine Bruchstücke
einst großer Tafeln, die uns zur Verfügung stehen, und es ist daher v o n Wichtigkeit, daß man unsere Einsicht in das Anordnungsgesetz v o n Multiphkationstabellen, wie es durch Fig. 8 gegeben ist, dazu ausnut zen kann, auch kleine Fragmente wieder zu voUständigen Texten zu ergänzen oder jetzt getrennte Bruchstücke wieder richtig zusammen zusetzen und so unser Textmaterial zu ergänzen. Ein solches Ergän zungsverfahren wollen wir nun auseinandersetzen. Hat man ein Fragment eines kombinierten TabeUentextes, der in mehreren Spalten beschrieben war, v o n dem aber nur noch ein Teil erhalten ist, so kann man ihn meist voUständig ergänzen dadurch,
r
§2.
Tabellentexte u n d Rechentechnik.
c2)
Ergänzung.
USW. (immer v o n oben nach unten zu durchlaufen) 1.
31
Hat man also
die Vorderseite eines Tabellentextes rekonstruiert und wendet man ihn in der angegebenen Weise über seine Schmalseite u m und setzt die Ergänzung auf die Rückseite fort, so müssen die auf der Rückseite stehenden erhaltenen Teile zwangläufig in diese Ergänzung hineinpassen. Dieses Verfahren funktioniert
bei einigermaßen regelmäßig beschrie
benen Texten ausgezeichnet (vgl. Fig. 14) und bildet eine schöne B e stätigung unserer Erfahrungen
über die kombinierten Multiplikations
tabellen. In dieser Weise kann man z. B . ein kleines Bruchstück einer großen Tabelle, das eine Reziprokentabelle trägt, sofort zu einer kombinierten Multiplikationstabelle, 50
beginnt,
ausbauen.
die So
mit
W
Vs.I
M
M
mir beispielsweise ein derartiges
1 f2,30\
Stück bekannt, das auf der V o r derseite
eine
I fis.
r - -
ist
9
Reziprokentabelle
trägt, und auf der Rückseite ge rade n o c h den Schluß der Tabelle
\l2
für 1,15 und dann eine QuadratzahltabeUe. Daraus folgt, daß es zu einem ganz großen T e x t gehö
leer 8,20
9 Fig.
11.
ren muß, der sämthche TabeUen unseres Schemas enthält. So kam dieses in Berlin liegende Bruchstück bei der Ordnung meines Materials notwendig neben den großen T e x t aus Istanbul zu stehen, der durch die zweite Punktreihe in Fig. 8 repräsentiert ist. Bei näherem Betrachten der Photographien zeigte
daß man j a weiß, welche TabeHen zwischen zwei noch erhaltenen einzuschalten sind. D a man außerdem die Länge
sich, daß die Ergänzung des Berhner Stückes auf Grund unserer Theorie vollständig korrekt war, denn die Bruchränder des kleinen Stückes in Berhn imd des großen Textes in Istanbul paßten genau ineinander,
der einzelnen Tabellen, d. h. den Platz, den sie beanspru chen, kennt, so läßt sich bei nicht zu ungünstigen Bruch stücken die ursprünghche Tafelgröße mit großer Sicher
so daß also auf diese Weise zwei Teile derselben Tafel (die übrigens in Assur gefunden war) wieder zusammengesetzt werden konnten, o b w o h l natürlich die Zusammengehörigkeit der beiden Stücke vorher nicht b e
heit rekonstruieren. A m günstigsten sind die Fähe, w o ir*dBF^*^jJfs. auch n o c h die Rückseite der Tafel beschrieben war. Ein mehrspaltig beschriebener Keilschrifttext ist nach d e m
kannt war. Ähnhche Zusammenfügungen auf Grund derselben Methode waren auch noch bei einer Reihe anderer Bruchstücke möglich.
Schema v o n Fig. 10 zu lesen, d. h. man hat auf der V o r derseite links in Kolonne I zu beginnen und v o n oben nach
Fig.
10.
unten zu lesen. Dann k o m m t Kolonne H v o n oben nach unten usw. bis zur letzten Kolonne. Ist man in ihr an der rechten unteren Ecke der Vorderseite angekommen, so hat
man die Tafel um die U n t e r k a n t e derVorderseite zu drehen und in der di rekten Fortsetzung der letzten Kolonne der Vorderseite, d. h. also an der rechten oberen Ecke der Rückseite weiterzulesen. Auf der Rückseite ist also Kolonne I die r e c h t e s t e Kolonne, Kolonne I I die links anschließende
In Fig. 8 entsprechen die Punkte derartigen mit voller Sicherheit zu ergänzenden TabeUen. In Wirklichkeit könnte man noch sehr viel mehr durch Ergänzung gewinnen, aber in unserer Fig. 8 sind nur die absolut sicheren Ergänzungen der Bruchstücke angegeben. (Die Unsicherheit bei manchen Ergänzungen k o m m t v o r aUem daher, daß bei nur einseitig beschriebenen oder erhaltenen Texten die Lage des seitlichen Randes nicht mehr zwangläufig festzulegen ist und dann zusätzliche Überlegungen über Tafelformat u. dgl. hinzukommen müssen, die ich hier natürlich übergehen muß.) 1 V g l . dazu auch später S. 52.
J2
K a p . I . B a b y l o n i s c h e Rechentechnik.
d) Andere Tabellentexte.
§ 2 . T a b e l l e n t e x t e und Rechentechnik, e) Irrationale Quadratwurzeln,
also um irgendeinen beliebigen Ausschnitt zu nennen:
A u ß e r den bisher besprochenen Reziproken- und Multiphkations tabellen gibt es z. B . auch noch Listen der Quadrate der sukzessiven ganzen Zahlen etwa zwischen 1 und 60, z. B . in der F o r m n
a-rä
5, 4,12-e 5,40,12-e 6,18,56-e
26 27 28
ba-si ba-si ba-si .
n
oder einfach
wobei n die ganzen Zahlen n = 1, 2, 3 usw. durchläuft bis 1,0 oder auch nur bis 30. W i e schon oben bemerkt, sind diese Quadratzahl tabellen dem Schema der Reziproken- und MultiplikationstabeUen am Schluß angegliedert (vgl. die Übersicht v o n Fig. 8 rechts). D e m ent spricht auch, daß mehrmals bei kombinierten Multiplikationstabellen a m Schluß der einzelnen Tabellen sowohl das Reziproke der Kopfzahl wie ihr Quadrat angegeben ist. Die Umkehrung der QuadratzahltabeUen sind Tabellen für Quadrat wurzeln. Während eine Quadratzahltabelle etwa lautet 1 2 3
33
a-rä 1 a-rä 2 a-rä 3 usw..
lauten die Tabellen für die Quadratwurzeln etwa s o : 1-e 4-e 9-e
1 ib-sig 2 ib-sig 3 ib-sig usw.
58,1-e
59 ib-sig
bis
oder ähnlich. Dabei ist -e ein Nominativpartikel und ib-sig ein ter minus technicus, der hier ersichtlich die Bedeutung v o n Quadratwurzel haben muß, über den wir aber im einzelnen noch zu diskutieren haben werden (vgl. S.199ff.). I m übrigen ist klar, daß die Quadratwurzeltabelle nur eine formale Umkehrung der Quadratzahltabellen durch Spaltenvertauschung darstellt. Listen v o n Kubikzahlen fehlen einstweilen, wohl aber gibt es Kubik wurzeltabellen der F o r m n^-e n ba-si in voller Analogie zu den Quadratwurzeltabellen. Schheßlich gibt es n o c h ganz andere Tabellentypen. Zunächst eine Tabelle folgender Bauart: {n^ + n^)-e n b a - s i ,
Man bestätigt leicht, daß die hnken Zahlen bzw. 26^ + 2 6 ^ 27^ + 2 7 ^ 28^ + 28^ gleich sind. Auch hier durchläuft n alle ganzen Zahlen zwischen 1 und 1,0. Schließlich kennen wir eine ganze Anzahl von Tabellen, die die sukzessiven Potenzen gewisser ganzer Zahlen aufzählen, z. B. Tabellen für alle Potenzen 9" oder 1,40** oder 3,45** für w = 2, 3, . . ., 10. Auf die Funktion aller dieser weiteren Tabellentypen werden wir noch zurückkom men, wenn wir uns mit den eigentlich mathematischen Keilschrift-Texten beschäftigen werden (Kap.V). I m gegenwärtigen Zusammenhang legen sie nur ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie ungeheuer weit entwickelt das Sy stem der babylonischen Rechentechnik gewesen sein muß, wenn derartige Funktionen tabuliert worden sind. Nur ein Problem soll jetzt schon etwas näher besprochen werden, weil es ganz unmittelbar zur Rechen technik gehört, nämlich die Frage, wie man sich benimmt, wenn sich im Lauf v o n Rechnungen Quadratwurzeln einstellen, deren Radikand keine Quadratzahl ist. W i e wir gesehen haben, geben für diesen Fall die ,, Quadrat Wurzeltabellen" keine Auskunft über den Wert der Wurzel, d a sie ja nur formal von reinen Quadratzahllisten unterschieden sind. Das Problem, das sich also erhebt, ist das Interpolationsproblem. Es sei schon jetzt bemerkt, daß die Berechnung irrationaler Quadrat wurzeln nur ein erster Fall dieses allgemeinen Problems ist, daß wir aber jetzt noch nicht imstande sind, es in anderen Fällen auch nur einigermaßen ausreichend zu beantworten. Auch im Falle der B e rechnung irrationaler Quadratwurzeln sind es nur erste Schritte zu einer vollen Beantwortung dieser Frage, die wir an Hand des heute bekannten Materials tun können.
e) Berechnung irrationaler Quadratwurzeln. In den eigentlich mathematischen Texten treten bisher nur an sehr wenigen Stellen Quadratwurzeln aus Nichtquadratzahlen auf — das hat natürlich seinen Grund darin, daß die meisten Beispiele sicherlich von ihrem Resultat aus hergerichtet sind. So ist es eigenthch eine einzige T y p e von Beispielen, die ich im folgenden kurz skizzieren kann. Ein heute in Berhn befindliches Bruchstück eines großen Textes (vgl. Fig. 12) enthält auf der Rückseite die Aufgabe, die Diagonale eines Rechtecks zu berechnen. Die Einkleidung der Aufgabe ist eine solche, daß dieses Rechteck als Bild eines „ T o r e s " bezeichnet wird, dessen Höhe A = 0;40 G A R und dessen Weite w ^ 0;\0 G A R ist Neugebauer,
Antike math. Wissenschaften
I.
§ 2 . T a b e l l e n t e x t e und Rechentechnik, e) Irrationale Quadratwurzeln.
K a p . I . B a b y l o n i s c h e Rechentechnik.
34
(wobei G A R ein gewisses Längenmaß v o n etwa 6 m Länge ist^). A n den Figuren fällt auf, daß sie ein „ T o r ' liegend zeichnen statt auf recht stehend. A b e r auch sonst in mathematischen Texten läßt sich be merken, daß die in den Figuren l i n k s liegenden Teile als die ,,oberen" bezeichnet werden. W i r werden im nächsten Kapitel auf diese Er
35
Die Aufgabe wird in doppelter Weise gelöst (in Fig. 12 steht das erste Beispiel rechts unten, das zweite links o b e n i ) . ganz freier Wiedergabe verfährt der Text das erstemal folgendermaßen: Es soU 0;10, die Weite, quadriert werden. Das gibt 0;1,40. Dann soll das Reziproke v o n 0;40 mit 0;1,40 multipliziert werden, das gibt 0;2,30 und 0;1,15 als Hälfte davon. Dieses 0;1,15 ist zu 0;40, der Höhe, zu addieren, das gibt 0;41,15 als Wert der Diagonale. In Formeln hieße dies, daß die Diagonale d berechnet wird aus d=^h
(1)
+
2h '
Die zweite Lösung der Aufgabe besteht darin, daß in entsprechender Weise d berechnet wird aus d = h +
(2)
2w^h.
Es ergibt sich daraus d = 0;42,13,20. Irgendeine Erklärung dieser Formeln gibt der Text natürhch nicht, mir scheint aber, daß man sie in folgendem Verfahren finden kann. Auf Grund des Pythagoreischen Lehrsatzes, dessen Kenntnis aus ver schiedenen Stellen der mathematischen Keilschrift-Texte einwandfrei für die babylonische Mathematik gesichert ist, folgt, daß d zu berechnen ist durch ^ ^ ^ Nehmen wir nun an, es sei irgendein Näherungswert cc^ einer irrationalen Quadratwurzel ]/a bekannt Quadratzahl, offenbar
(etwa die Wurzel aus der nächsthegenden
die man ja aus einem Tabellentext kennt).
Dann ist
die Zahl ßi — ~- wieder eine Approximation v o n
und
zwar so, daß ß^ kleiner als ist, wenn größer als war und um gekehrt. Aus den beiden Näherungswerten und jÖi erhält man also einen neuen und außerdem günstigeren Näherungswert dadurch, daß man das arithmetische Mittel
scheinung in viel allgemeinerem Rahmen zurückkommen, nämlich sehen, daß die Keilschriftzeichen der Schrift ursprünglich auch Bildzeichen waren und als solche nicht in Horizontal-, sondern in Vertikalzeilen zu lesen waren, so daß also die mathematischen Figuren die nach trägliche Umlegung der Schriftrichtung u m 9 0 ° ignorieren 2. 1 Das Tor hat
d e m n a c h die H ö h e
von
etwa
4 m
und
aus den beiden ersten Näherungen bildet. Z u diesem (Xg gehört wieder ein auf der anderen Seite v o n ]/« liegender günstigerer
Näherungswert
Setzt man in ß^ den Wert v o n oc^ ein, so ergibt sich, daß ß^ nichts anderes ist als das sog. „harmonische" Mittel
die Breite v o n e t w a
1 m, ist also eine s c h m a l e hohe Pforte. 2 M a n könnte meinen, d a ß auch n o c h die späteren Keilschriftzeichen in ver tikalen Zeilen zu lesen seien, i n d e m m a n eben die T e x t e anders hält. nicht richtig ist,
beweist aber der W e c h s e l
horizontal auf Bauinschriften und
der Schriftrichtung v o n
Denkmälern.
D a ß dies vertikal
in
zwischen den ersten Näherungen oc^ und ß^^. 1 V g l . das auf S. 3 0 über die K o l u m n e n f o l g e
einer T e x t r ü c k s e i t e 3*
Gesagte.
K a p . I. Babylonische
36
Rechentechnik.
Dieses Verfahren läßt sich natürlich fortführen und liefert sehr bald sehr gute Approximationen v o n y « . Es ist aus d e m klassischen Alter tum bekannt, und ich glaube, daß es auch den obigen Rechnungen zugrunde hegt. Soll nämhch , berechnet werden und ist, wie in unserem Beispiel, h> w, so ist offen bar oci = h ein naheliegender erster Näherungswert. Dazu gehört als 7 1 ^ Als arithmetisches Mittel zwischen diesen beiden Näherungswerten er gibt sich dann sofort ^2 d. h. Formel (1) unseres Textes. Formel (2) des Textes ist nicht so unmittelbar zu erklären, denn offenbar kann sie nicht k o r r e k t sein, da ja w^h ein Ausdruck dritter statt erster Dimension ist. Wenn wir es aber trotzdem mit unserer Hypothese v o n arithmetischem und harmonischem Mittel versuchen woUen, so ergibt sich zu oc^ = h, ß^ = h-\-^ der Ausdruck ^
_
2h^ + 2w^h
_
als harmonisches Mittel
Da h> w, ist 2h^ sehr viel größer als w^, so daß sich also 2h^ + von 2h^ nicht sehr wesentlich unterscheidet (vgl. auch schon = Ä). Ersetzen wir also im Nenner des ersten Summanden von ß^das 2h^ -\durch 2h^, so erhalten wir für ß^ den Ausdruck o 2h^ , 2w^h , , 2w^h
+
2h^^2h^
+ w^
^2h^
+
2w^h--^^.
Nun ist eine rein rechentechnische Angelegenheit zu bedenken: 55 ist •1
keine reguläre Zahl, also nehmbar.
Aber andererseits
Gelegenthch der Berechnung der Quadratdiagonale sind uns noch die
Approximationen v o n ]/2 und V2«^l;25
nicht aus einer Reziprokentabelle ent ist 0;55 fast gleich 1. Führt man also
diese rein rechentechnische Approximation ein, so ergibt sich für ß^ schließlich ^ 7 , ^ 27 /?2 i=» Ä -f- 2w^h , d. h. also genau die Formel (2) des Textes.
erhalten, nämhch
und
0; 42,30.
Beide Approximationen erhält man leicht als Näherungswerte
unseres
obigen Verfahrens, wenn man bei y 2 v o n « 1 = 2 ^ z w . bei ^
von
« 1 = ^ ausgeht: y2 = y ö ; 4 0 2 - 0 ; 1 5 ^ ^ ^30 -
+ w^'
D a m i t ist wenigstens s o v i e l erreicht, daß wir einen Ausdruck gewonnen haben, der der Formel des Textes insofern entspricht, als der Wurzel wert erscheint als h plus einem gewissen Korrekturghed. W i r müssen nun noch die speziellen Zahlwerte unseres Textes berücksichtigen. Dann ergibt sich nämlich auf Grund unserer Formeln ß^^h
Gewiß ist diese zweite Approximation nicht so günstig, wie sie es bei korrekter Rechnung sein müßte 1, aber man muß bedenken, daß einerseits die Absicht derartiger Texte nicht die ist, einen bestimmten konkreten FaU auszurechnen, sondern vielmehr die, die allgemeine M e t h o d e zu schildern, obwohl dies mangels einer allgemeinen Buch stabensymbolik natürhch immer nur an Hand konkreter Zahlen ge schehen kann. Andererseits ist durch die Formel (1) der W e g im all gemeinen schon deutlich genug vorgezeichnet, so daß, wenn man die spezielle Bauart der Formel (2) erklären wih, nicht gut ein anderer Weg übrigbleibt als der v o n uns eingeschlagene. Man m u ß sich eben klarmachen, daß immer noch als besonderes Problem das rein numeri sche hinzukommt, da ja die Tabehentexte doch nur eine bestimmte Gruppe von Rechnungen direkt auszuführen erlauben. Dieses Ineinandergreifen zweier Fragen erschwert uns auch sonst manchmal das Verständnis der Texte, die gewiß in Wirklichkeit nur als Stützen zu einer münd lichen Überheferung der dahinterstehenden allgemeinen Methoden g e dient haben.
2w^h
2h^
•^Z
§ 2 . T a b e l l e n t e x t e und Rechentechnik, e) Irrationale Q u a d r a t w u r z e l n .
-
1 ;25
bzw. -1: = yo;402 + 0;3,20 ^ 0 ; 4 0 + P^^-
2 • 0;40
= 0;42,30.
Die zu diesen Rechnungen nötigen Werte 1;302 = 2;15 und 0:40^ = 0; 26,40 sind unmittelbar aus den üblichen Quadratzahltabellen zu entnehmen. nicht
Z u beachten ist aber, daß die Approximation v o n y=
als Reziproke v o n 1 ; 2 5 ? « y 2 gewonnen werden kann,
denn
1,25 ist keine reguläre Zahl. Damit ist eigentlich alles erschöpft, was unser gegenwärtig bekanntes Textmaterial über die Approximation irrationaler Quadratwurzeln zu erkennen erlaubt. N o c h ein FaU ist mir bekannt, w o die Wurzel aus 1 Bei
genauer
Rechnung
würde
sich
ergeben
des T e x t e s ist j a korrekt) und schließlich d fisi
=
0 ; 4 1 , 1 2 , 4 1 , • . • (das
0;41,13,51, • • •
38
Kap.
I . Babylonische
Literaturverzeichnis
Rechentechnik.
einer Nicht quadratzahl gezogen werden soll. Der T e x t hilft sich dort aber in ganz anderer Weise dadurch, daß er die Daten des Problems nachträglich so modifiziert, daß der Radikand zu einer Quadratzahl wird. Daß man in diesem Fall das Approximationsproblem als solches völlig umging, liegt, glaube ich, daran, daß in diesem zweiten T e x t die eigentliche Aufgabe gar nicht auf das Bestimmen einer irrationalen Quadratwurzel gerichtet war, sondern ausschließlich auf gewisse Volum berechnungen. In diesem Zusammenhang wird also das rein numerische Problem etwas modifiziert, u m nicht auf das dort nicht zur Sache gehörige Approximationsproblem eingehen zu müssen. In den oben besprochenen Fällen war es dagegen gerade umgekehrt. D a waren die Aufgaben ausdrücklich dazu bestimmt, eine gewisse Quadratwurzel auszuwerten, während das rechentechnische Problem der Division durch eine irreguläre Zahl einfach beiseitegeschoben werden konnte durch Ersetzung von 0 ; 5 5 durch 1. Erst eine sehr genaue Kenntnis eines sehr umfangreichen Textmaterials ist also ausreichend, uns wirklich sichere Auskünfte über die mathematischen Methoden der Keilschrift texte zu geben. Ein Einzelfall wird immer eine große Menge v o n Un sicherheit der Interpretation bestehen lassen. Trotzdem glaube ich, daß die oben gegebene Darstellung im wesentlichen das Richtige trifft.
zu K a p i t e l I.
39
scheidend beeinflußt und dessen Existenz somit die wesentliche Voraus setzung für eine weiterreichende Mathematik bildet. W i r werden später sehen, wie stark algebraisch diese Mathematik orientiert ist, und wir werden andererseits in der ägyptischen Mathematik einen völlig ab weichenden Typus mathematischer Entwicklungsmöglichkeiten kennen lernen. Will man v o n all diesen Dingen nicht nur die alleräußerlichsten Tatsachen kennen, so muß man sehr tief in die geschichtlichen Vor bedingungen eindringen, die allen diesen Erscheinungsformen zugrunde liegen. So müssen wir im folgenden Kapitel weit ausgreifen und eine große Anzahl völlig unmathematischer Fragen erörtern, die aber trotz dem absolut wesentlich sind für eine wirkliche Einsicht in die Kräfte, die wirksam waren, um ein so mannigfaltiges Bild, wie es uns schließlich die antike Mathematik darbietet, hervorzubringen. E s scheint mir ge rade ein besonderer Reiz der Geschichte des antiken mathematischen Denkens zu sein, daß es sich hier noch nicht bloß um die Geschichte einer Einzeldisziplin handelt, sondern daß in ihr noch der Zusammen hang mit anderen Prozessen v o n entscheidender Bedeutung ist.
Literaturverzeichnis z u Kapitel I. Dieses, wie sämtliche Literaturverzeichnisse
an den E n d e n der K a p i t e l , soll
keineswegs ein vollständiges Verzeichnis aller einschlägigen Arbeiten geben,
f) Schlußbemerkung. Wir haben in diesem Kapitel, ohne zunächst auf irgendwelche Einzel züge in der Entwicklungsgeschichte der babylonischen Rechentechnik einzugehen, doch schon eine Fülle der verschiedenartigsten Erscheinun gen kennengelernt, deren Ineinandergreifen nur historisch zu verstehen ist. W i r haben gesehen, wie das wunderbar schmiegsame positioneUe Rechnen zurückweist auf eine Periode, in der eine bewußte Ausnutzung des Positionscharakters der Zahlzeichen noch nicht existiert hat. A n dererseits hat uns das voll entwickelte System der Tabellentexte ge zeigt, wie weit man schließlich in der mathematischen Beherrschung dieser Methode gelangt ist. Trotzdem bleibt eine Reihe v o n Fragen offen. Das Interpolationsproblem haben wir nur in sehr beschränkter Weise im Fall der Quadratwurzelapproximation erörtern können. Die Frage nach der Division durch irreguläre Zahlen ist gegenwärtig noch fast ganz ungeklärt. Schließhch haben wir eine ganze Klasse v o n Tabellentexten kennengelernt, wie z. B. Tabellen für - f n^, deren Funktion im Rahmen der babylonischen Mathematik wir erst im letzten Kapitel an Hand einer eingehenderen Diskussion der eigentlich mathe matischen Texte werden verstehen können. Bevor wir uns diesen rein mathematischen Texten zuwenden können, müssen wir aber erst er örtern, woher die babylonische Mathematik zu ihrem positionellen Zahlensystem gekommen ist, das j a die ganze Rechentechnik ent
aber habe ich alle Arbeiten angeführt,
die mir für die betreffenden
wesentlich erscheinen oder die z u m weiteren Auffinden
Wohl
Abschnitte
der Literatur
geeignet
sind. D i e den Arbeiten vorangestellten Ziffern sind durch das ganze B u c h durch gezählt.
Stehen solche Ziffern in runden K l a m m e r n hinter A b k ü r z u n g e n , so b e
d e u t e t dies, d a ß die betreffende A b k ü r z u n g in d e m Literaturverzeichnis K a p i t e l erklärt ist, d e m die römischen
Ziffern
zu d e m
entsprechen.
a) Z u Kapitel I als Ganzem. (I, 1) M K T (V, 4) K a p . I .
D o r t sind sämtliche mir b e k a n n t e n
in sachlicher A n o r d n u n g in allen Einzelheiten publiziert und
Tabellentexte
besprochen.
b) Z u § 1. Zu
c (1,2): NEUGEBAUER:
nung I V . Zu
QSB2
(V, i ) ,
Sexagesimalsystem
D ( I ,