Baris Ricken / David Seidl Unsichtbare Netzwerke
Boris Ricken / David Seidl
Unsichtbare Netzwerke Wie sich die sozia...
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Baris Ricken / David Seidl Unsichtbare Netzwerke
Boris Ricken / David Seidl
Unsichtbare Netzwerke Wie sich die soziale Netzwerkanalyse für Unternehmen nutzen lässt
•
GABLER
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dr. Boris Ricken ist Projektleiter und Assistent der Geschäftsleitung bei PPCmetrics AG, Zürich, Schweiz, sowie externer Dozent an der Edinburgh Napier University, Großbritannien. Professor Dr. David Seidl ist Inhaber des Lehrstuhls für Organisation und Management an der Universität Zürich sowie Research Associate am Centre for Business Research, Cambridge University, Großbritannien.
Mitglieder der SGO (Schweizerische Gesellschaft für Organisation und Management) erhalten auf diesen Titel einen Nachlass in Höhe von 10% auf den Ladenpreis.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ulrike Lörcher I Renate Schilling Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2233-5
Geleitwort
Geleitwort Netzwerke sind hochinteressante und relevante Erscheinungen. In der modemen Wirtschaft und Gesellschaft spielen sie eine erfolgskritische Rolle. Kommunikation und Informationsaustausch waren in Unternehmen, zwischen Institutionen und Personen schon immer wichtig und haben eine effektive Leistungserstellung erst möglich gemacht. Doch über die Jahre nahm die technische Interaktion auf allen Ebenen dramatisch zu, was enorme Chancen eröffnete, aber auch Risiken mit sich brachte, die auch noch heute weitgehend unterschätzt werden. Neben signifikanten Effizienzsteigerungen, raschen internationalen Abstimmungen, einfacher Orientierung und Ansprache sind der Zwang zur Verfügbarkeit rund um die Uhr, die Übersättigung mit Informationen und der Verlust an menschlichen Kontakten zu beobachten. Vor diesem Hintergrund ist der Forschungsbeitrag von Ricken/Seidl zu "Unsichtbaren Netzwerken" zu würdigen. Die Arbeit basiert auf Fragestellungen und Bearbeitungsmethoden der Netzwerkforschung, die sich insbesondere in den letzten Jahren maßgeblich weiterentwickelt hat. Speziell hervorzuheben sind die Aussagen der Autoren darüber, wie sich formale Strukturen - Informationsaustausch auf der Grundlage definierter Prozesse und Kompetenzordnungen - und informelle Netzwerke ergänzen, überlagern oder gegenseitig stören. Die zahlreichen Praxisbeispiele machen die Forschungsergebnisse nicht nur besser verständlich, sondern zeigen konkrete Ideen und Ansätze für den Einsatz der Netzwerkanalyse in der Unternehmenspraxis auf. Das vorliegende Werk schließt eine Lücke in der Organisations- und Managementliteratur. Die SGO Stiftung hat die Forschungsarbeit unterstützt und ergänzt mit der Buchpublikation die "uniscope" Schriftenreihe.
5
Geleitwort
Im Namen der SGO Stiftung gratuliere ich den Autoren zur geleiste-
ten Arbeit und den erzielten Ergebnissen. Das Werk richtet sich nicht nur an Organisationsspezialisten, sondern ebenso sehr an Persönlichkeiten in der Führung. Für die wissenschaftliche Forschung zeigt der Beitrag zahlreiche Felder für weitere Arbeiten auf. Ich wünsche diesem interessanten und wichtigen Werk die verdiente breite Leserschaft.
Zürich, im Juni 2010
6
Dr. Markus Sulzberger, Präsident der Stiftung der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation und Management
Vorwort
Vorwort Die Relevanz von Interaktion, Kommunikation und unsichtbaren sozialen Netzwerken für Unternehmen ist seit langer Zeit bekannt und wird nach Ansicht von Managern und Führungskräften in Zukunft weiter steigen) Allerdings schreiben sich zahlreiche Firmen nur eine geringe Kompetenz im Umgang mit solchen "weichen" Faktoren zu. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass quantitative Methoden und Verfahren zur Erfassung und Analyse von Beziehungsnetzwerken in der Unternehmenspraxis bisher nur eine geringe Verbreitung gefunden haben. Dabei verfügt die Wissenschaft mit der sozialen Netzwerkanalyse seit geraumer Zeit über eine weit entwickelte Methode zur Analyse solcher Phänomene. Zwar erfreut sich diese in jüngster Zeit vor allem in der amerikanischen Managementpraxis zunehmender Beliebtheit. Im deutschen Sprachraum genießt sie in Unternehmen aber bisher einen Pionierstatus. Aus diesem Grund möchte das vorliegende Buch Praktikern, Wissenschaftlern und Studierenden Möglichkeiten zur Nutzung der sozialen Netzwerkanalyse in der Unternehmenspraxis aufzeigen. Dazu führen wir zum einen in die begrifflichen, theoretischen und methodischen Grundlagen unsichtbarer sozialer Netzwerke in Unternehmen ein. Zum anderen stellen wir ein praktisches Verfahren vor, anhand dessen die Netzwerkanalyse gezielt zur Problemlösung eingesetzt werden kann. Den Einsatz des Verfahrens illustrieren wir an zahlreichen Fallbeispielen. Dieses Buch ist das Ergebnis eines langjährigen Forschungsprojektes und einer kontinuierlichen Interaktion zwischen Praxis und Wissenschaft. An seiner Entstehung war eine Vielzahl von Führungskräften aus unterschiedlichen Unternehmen beteiligt.
1 So eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group (BCG), der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation und Management (SGO) und weiterer Organisationen; vgl. BCG et al. (2009); Roghe et al. (2009, 2010).
Vorwort
Von akademischer Seite gilt unser Dank zunächst Frau Prof. Margit Osterloh und Herrn Prof. Andreas Scherer vom Institut für Organisation und Untemehmenstheorien der Universität Zürich, die unsere Forschung in diesem Gebiet begleitet haben. Zu besonderem Dank sind wir der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation und Management (SGO) verpflichtet, die die Realisierung dieses Buches unterstützt hat. Insbesondere wollen wir uns bei ihrem Präsidenten, Dr. Markus Sulzberger bedanken, der dieses Buch inhaltlich äußerst konstruktiv begleitet hat. Im Rahmen der Praxis gilt unser Dank einer Vielzahl von Unter-
nehmen und Führungskräften, die dieses Buch durch die Realisierung der gemeinsamen Projekte überhaupt erst ermöglicht haben. Sie haben durch ihr konstruktives Feedback wesentlich zur Weiterentwicklung des hier dargestellten Verfahrens beigetragen. Wir bedanken uns zunächst bei Herrn Karsten Renz, Geschäftsführer von Optimal Systems, der uns bereits vor geraumer Zeit den Einsatz der Netzwerkanalyse in seinem Unternehmen ermöglicht hat. Herr Prof. Dr. George Malcotsis, ehemaliger Geschäftsführer der Swiss Organisation for Facilitating Investments (SOFI), hat den Einsatz und die Weiterentwicklung des Verfahrens in seiner Organisation maßgeblich vorangetrieben und wertvollen Input geliefert. Bedanken möchten wir uns auch bei den Führungskräften von Geberit, insbesondere bei Martin Ziegler und Herrn Egon RenfordtSasse, für die Unterstützung und die ausgezeichnete Zusammenarbeit in einem sehr spannenden Projekt. In der EnergiedienstGruppe gilt unser Dank Herrn Martin Steiger und Herrn Thomas Zwigart, die das Projekt unterstützt und begleitet haben. Bei Holcim bedanken wir uns beim Management der Abteilung "Corporate Strategy & Risk Management" für die kontinuierliche Unterstützung. Ganz besonders gilt unser Dank den Führungskräften des Bereiches "Marketing & Innovation" von Hokim Indonesien. insbesondere Herr Patrick Walser, Frau Johanna Daunen und Herr Alex Büchi haben zu einem erfolgreichen Projekt beigetragen und gleichzeitig für eine Menge Spaß gesorgt. Schließlich möchten wir uns noch bei all jenen Unternehmen bedanken, deren Fälle in diesem Buch anonymisiert wurden und die in gleicher Form zur Entwicklung des hier dargestellten Verfahrens beigetragen haben.
8
Vorwort
Bei der Realisierung des Manuskriptes haben uns schließlich Ivana Leiseder, Alice Holzherr, Nicoline Scheidegger und Rebekka Ricken tatkräftig unterstützt. Auch bei ihnen wollen wir uns herzlich bedanken. Abschließend sei Philipp Käser für seine IT-Unterstützung in allen durchgeführten Projekten gedankt.
Zürich, im Juni 2010
Boris Ricken und David Seidl
9
Inhaltsverzeichn;s
Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort Kapitell Die Bedeutung sozialer Netzwerke 1.1 1.2 1.3 1.4
Einführung Ziele des Buches Praktisches Anwendungspotential Aufbau des Buches
5 7
17 19 24 24 26
I Teil A: Theoretische Grundlagen Kapitel 2 Der Forschungsstand zu informalen Strukturen 2.1 2.2 2.3
Von der Verneinung zur "Entdeckung" informaler Strukturen Die Analyse durch den Organisationskulturansatz Die Analyse durch die soziale Netzwerkforschung
Kapitel 3 Konzeptioneller Bezugsrahmen 3.1 Der Manager im Mittelpunkt... 3.2 Informale Strukturen 3.2.1 Soziale Netzwerke 3.2.2 Kultur 3.3 Formale Strukturen und Prozesse 3.4 Das Verhältnis zwischen Strukturen und dem handelnden Manager 3.5 Das Verhältnis sozialer Netzwerke zur formalen Struktur 3.6 Das Verhältnis sozialer Netzwerke zur Kultur 3.7 Implikationen für die Analyse sozialer Netzwerke
31 33 36 .42 47 .49 50 50 52 53 54 56 57 57
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 4 Erfassung sozialer Netzwerke 4.1 Welche sozialen Netzwerke sollen erfasst werden? Typ der Beziehung 4.1.1 Skalierung und Richtung der Beziehung 4.1.2 4.2 Wie können soziale Netzwerke erfasst werden? 4.3 Wie stellt man soziale Netzwerke dar? 4.4 Wie analysiert man soziale Netzwerke? 4.4.1 Zentralität von Akteuren 4.4.1.1 Gradzentralität 4.4.1.2 Nähezentralität Zwischenzentralität 4.4.1.3 4.4.2 Zentralisierung von Netzwerken 4.4.3 Dichte von Netzwerken und Netzwerkteilen Analyse von Gruppen 4.4.4
Kapitel 5 Bewertung sozialer Netzwerke 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Drei Basisfunktionen der Organisation Die Koordinationsfunktion Die Wissensfunktion Die Motivationsfunktion Kritische Nebenbedingungen: Kosten und Vertraulichkeit
Kapitel 6 Steuerung sozialer Netzwerke 6.1 Steuerungsgrundlagen 6.2 Steuerungsdimensionen 6.2.1 Führungsverhalten Formale Organisationsstruktur 6.2.2 Human-Ressourcen-Praktiken 6.2.3 6.2.4 Kontaktfördernde Maßnahmen Arbeitsplatzanordnung 6.2.5 6.2.6 Kommunikationstechnologien
12
61 63 63 66 68 69 71 72 72 76 81 83 85 89
93 95 97 101 104 106
109 111 113 113 114 115 116 117 118
Inhaltsverzeichn;s
I Teil B: Praktisches Verfahren Kapitel 7 Übersicht über Projektphasen 7.1 7.2
Verfahrenscharakteristika Projektablauf
121 123 125
KapitelS Phase 1: Problemidentifikation und Projektplanung
127
8.1 Problemidentifikation 8.2 Projektplanung 8.2.1 Projektvision und Projektname 8.2.2 Projektorganisation und -teilnehmer 8.2.3 Aktivitäten- und Ressourcenplanung 8.2.4 Kommunikationsplanung
129 131 131 132 133 135
Kapitel 9 Phase 2: Auswahl zu erhebender Netzwerke 9.1 9.2 9.3 9.4
Übersicht Dokumentenanalyse Einzelinterviews Workshop
Kapitel 10 Phase 3: Datenerfassung 10.1 Pretest 10.2 Online-Befragung 10.3 Datenaufbereitung und -analyse
Kapitel 11 Phase 4: Identifikation von Stärken und Schwächen 11.1 Identifikation 11.2 Priorisierung
Kapitel 12 Phase 5: Entwicklung von Maßnahmen 12.1 Entwicklung potentieller Maßnahmen 12.2 Auswahl Maßnahmen 12.3 Konkretisierung Maßnahmen
139 141 143 143 144
155 157 157 160
169 171 172
175 177 178 179
13
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 13 Phase 6: Implementierung von Maßnahmen 13.1 Ansätze zur Implementierung 13.2 Proje1
\
.w:'1~OLPM
~
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..,
•••"
,. 'I Services
o
"
Konstruktion/Elektr.
Beschaffung Q = Qualilatsmanagement
LPM = LAnderprocluktmanagement FP = FertIgungsplaner AT = Anwendungstechniker
PMI = Produktmanagement Intemaöonal ZM = zentrales Marketing PL-Pool = Projektleiter Pool
Zur Vorbereftung auf den Workshop verteilten wir eine 65-settlge Präsentation mit den Ergebnissen der Online-Befragung an das Projektteam. Anschließend identifizierte die Workshopgruppe die Stärken und Schwächen der sozialen Netzwerke und Kulturnormen. Das Vorgehen der Manager lässt sich am Beispiel des Netzwerkes ..Feedback vom Markt.. illustrierten, fLir das die Manager zwei verschiedene Netzwerkvlsualisierungen analysiert haben: •
Abbildung 47 stellt die Kommunikationsdichte zwischen den Abteilungen dar. Je dicker eine Linie, desto mehr BezIehungen bestehen zwischen zwei AbteIlungen (Im Verhältnis zum Maximum). Die Zahlen ge. ben die jeweiligen DIchtewerte in Prozent an.
•
Abbildung 48 visualisiert die Nähezentralität der einzelnen Mitarbeiter. Je weiter sich ein Mitarbeiter im Zentrum des Kreises befindet, desto
181
12
Phase 5: Entwicklung von Maßnahmen
höher ist seine Nähezentralität. So verfügte Q-14, ein Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement, über die höchste Nähezentralität des gesamten Netzwerkes. Er haUe den besten strukturellen Zugriff auf Feedback vom Markt.
Abbildung 48: Nähezentralität im Netzwerk "Feedback vom Markt"
lP"-O() .AT = Anwandungal8chnlk
0
KonslnJktlon
o LPM =I..Inderproduktmeneger
.Beschaflung
•
FP • Ferligu~splaner
•
PL-Pool • Projeldleiler Pool
•
Q = Oualitltsmanagement.
0
Servlcea ZM =Zen1ralea M8Jkaling OPMI - Produktmenagemenllntemalional
Mithilfe dieses Datenbildes identifizierten die Führungskräfte von Geberit jeweils Stärken und Schwächen für das Netzwerk "Feedback vom Markt". Das Management sah es als Stärke an, dass das Qualitätsmanagement (Q) eine zentrale Rolle hinsichtlich "Feedback vom Markt" einnahm. Anhaltspunkt dafür war einerseits die hohe Kommunikationsdichte, die das Qualitätsmanagement zu allen anderen Abteilungen unterhielt (siehe Abbildung 47). Andererseits verfügten die Mitarbeiter des Qualitätsmanagements (Q) über eine verhältnismäßig hohe Nähezentralität. So ist in Abbildung 48
182
Konkretisierung Maßnahmen
12.3
ersichtlich, dass sich die meisten Qualitätsmanager im Zentrum des Kreises befinden, also einen guten Zugriff auf die im Netz fließenden Informationen haben. Als Schwäche identifizierten die Manager die Tatsache, dass die Projektleiter zu wenig ins Feedback vom Mark eingebunden waren. Dies ließ sich aus der relativ niedrigen Nähezentralität der Mitarbeiter dieses Bereiches (PLPool) und deren Randstellung in Abbildung 48 ableiten. Ebenso verfügten die Projektleiter nur über eine sehr geringe Kommunikationsdichte zu den meisten anderen Abteilungen (siehe PL-Pool in Abbildung 47). Das Management sah eine mögliche Ursache dieser Schwäche darin, dass sich die Projektleiter vornehmlich auf technische Fragestellungen fokussierten. Auch wurden die Projektleiter zu schnell in neue Projekte involviert und hatten nicht genug Gelegenheit, sich gezielt mit dem Feedback vom Markt zu befassen. In ähnlicher Art und Weise identifizierte die Arbeitsgruppen des Projektteams Stärken und Schwächen für die anderen vier Netzwerke. Das Management hatte sich zudem für die Erfassung verschiedener Kommunikationsnormen im IPE entschieden (vgl. Abbildung 49). Diese standen in einem direkten Zusammenhang mit den erhobenen Kommunikationsnetzwerken und erlaubten die Entwicklung eines vollständigen Problembildes. Die Kommunikationsnormen wurden ebenfalls einer detaillierten Analyse unterzogen. Beispielsweise stimmten 58% der Befragten der Aussage "Im Rahmen von IPE-Projekten wird in der Regel offen und ehrlich miteinander kommuniziert" zu (d.h. 58% der Befragten wählten entweder "Trifft voll und ganz zu" (7) oder "Trifft zu" (6)). Die gedrehte Aussage "Im Rahmen von IPE-Projekten sind Gerüchte in der Regel die beste Informationsquelle" wurde hingegen von 66% der Befragten abgelehnt (d.h. 66% der Befragten wählten entweder "Trifft überhaupt nicht zu" (1) oder "Trifft nicht zu" (2)). Aufgrund dieser Daten kam das Projektteam zu der Schlussfolgerung, dass im IPE eine offene Kommunikationskultur vorherrsche und bewertete dies als Stärke. Die Workshopteilnehmer stellten nun sämtliche Stärken und Schwächen im Plenum vor, diskutierten diese und modifizierten sie, sofern es weitere Anregungen aus der Gruppe gab. Für die Entwicklung von Maßnahmen wählten sie diejenigen Schwächen aus, die sowohl relevant als auch durch eine gezielte Steuerung beeinflussbar waren. Für die so ausgewählten Stärken und SChwächen skizzierten die Manager zunächst potentielle Maßnahmen. Als Orientierungshilfen dienten die in Kapitel 6 dargestellten Steuerungsdimensionen, welche die zu bearbeitenden Pinnwände vorstrukturierten.
183
12
Phase 5: Entwkklung von Maßnahmen
Abbildung 49: Kommunikationsnonnen im IPE Anteil der Befragten in % für •''Triffl nicht zu" Im Rahmen von IPE-Projekten wird in der Regel offen und ehrlich miteinander kommuniziert
1%
''Triffl zu"
I
Im Rahmen von IPE-Projekten sind Gerüchte in der Regel die beste Informationsquelle Im Rahmen von IPE-Projekten kommt es häufig vor, dass Fehler verschwiegen werden
58%
3%
50%
Im Rahmen von IPE-Projekten äussert jeder seine Meinung frei -100%
7%
3%
53%
1-50%
0%
50%
100%
Im Anschluss priorisierte man die so entwickelten potentiellen Maßnahmen und überführte sie in einen definitiven Maßnahmenkatalog unter Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Fristen. Zwei zentrale Maßnahmen sollen an dieser Stelle exemplarisch dargestellt werden:
184
•
Schulung und Abprüfung der Projektleiter: Das Management beschloss, die Schulung der Projektleiter in den FftE-Projekten des IPE zu vertiefen. Um die Projektleiter besser in das Marktfeedback zu integrieren (beispielsweise hinsichtlich Kundenzufriedenheit, Umsatzzahlen, Reklamationen, Produktqualität, Vertriebserfahrungen etc.), entschied sich das Projektteam gleichzeitig dafür, die Rolle der Projektleiter in der letzen Prozessphase ("Vermarktung") zu stärken. Insbesondere sollte den Projektleitern mehr Zeit zum Abschluss von Projekten eingeräumt werden.
•
Pilotprojekt mit Projektteam in gemeinsamem Raum definieren: Da die Arbeitsplatzanordnung einen starken Einfluss auf die sozialen Netzwerke ausübt (vgl. Abschnitt 6.2.5), entschied sich das Projektteam diesbezüglich ein Pilotprojekt zu initiieren. Dabei sollten die Mitarbeiter eines IPE-Projektes für die Dauer des Projekts versuchsweise im seIben Raum angesiedelt werden. Ziel war es die Kommunikation zwischen den Beteiligten weiter zu vertiefen und zu intensivieren.
Konkretisierung Maßnahmen
12.3
Fallbeispiel Identifikation Stärken/Schwächen 8: Maßnahmenentwicklung bei der EnergiedienstGruppe Wir haben in Abschnitt 9.4 bereits in den Fall der Energiedienst-Gruppe eingeführt und diesbezüglich die Phase 2 des Projektes dargestellt. In diesem Unternehmen wurden nun alle Mitarbeiter des Administrationsund Personalbereiches hinsichtlich ihrer Kommunikation zu anderen Bereichen befragt. Die Ergebnisse der Befragung wurden mit den in Abschnitt 4.4 und 10.3 dargestellten Datenanalyse- und Visualisierungsverfahren aufbereitet. Auf der Basis dieser VisuaLisierungen identifizierte das Projektteam in einem Diskussionsworkshop unterschiedliche Schwächen.
Abbildung 50: Kommunikationsnetzwerk Unternehmensziele GNdl;l,/'l"kUIUIO'o~~~~rtC'kl(111 V"'''~uf~''':'''''U,,~.-li''I'\rie~!,n.(V\
'0-
----
SChwiche 3: Fehlende .Vemelzung" Bereich Nelze
zu übrigen Bereichen
•
" •••• n............lsk."",o
IP~
So visualisiert Abbildung 50 das Netzwerk "Kommunikation über Unternehmensziele" (beispielsweise Ziele im Hinblick auf Kunden, Aktionäre, Umwelt; Strategieinhalte; Unternehmensvision oder -zweck etc.) zwischen den Abteilungen des Administrationsbereiches und allen anderen Abteilungen. Für dieses Netzwerk identifizierte das Management die folgenden Schwächen bzw. Verbesserungspotentiale:
185
12
Phase 5: Entwkklung von Maßnahmen
•
Schwäche 1: Insgesamt war die Kommunikation über Unternehmensziele zwischen den einzelnen Bereichen relativ schwach ausgeprägt. So liegt die Kommunikationsdichte zwischen den meisten Abteilungen unter 1%, d.h. es wurden nur 1% aller maximal möglichen Kommunikationskontakte zu diesem Thema genutzt. In Abbildung 50 ist dies aus den dünn gestrichelten oder nicht existierenden Kommunikationslinien ersichtlich. Ziele im Hinblick auf Kunden, Aktionäre, Umwelt sowie Strategieinhalte, Unternehmensvision oder -zweck wurden vornehmlich auf Ebene der Führungskräfte diskutiert, auf Arbeitsebene war dies noch kein Thema zwischen den Bereichen.
•
Schwäche 2: Zusätzlich mangelte es insbesondere dem Controlling an Kommunikationskontakten zum Thema "Unternehmensziele". So zeigt die Abbildung 50 eine nur sehr geringe Kommunikationsdichte zwischen dem Controlling und allen anderen Bereichen (visualisiert durch die dünn gestrichelten Linien). Daraus schloss das Projektteam, dass der formale Controlling-Prozess noch nicht in ausreichendem Umfang durch die Mitarbeiter gelebt wurde.
•
Schwäche 3: Schließlich stellte das Management fest, dass die Abteilungen des Bereiches "Netze" relativ schwach mit den entsprechenden Abteilungen des Administrations- und Personalbereiches verbunden waren. Beispielsweise zeigt Abbildung 50 fast keine Verbindungslinien zwischen dem Bereich "Netze" und dem Bereich "Finanzen".
Um diese Schwächen gezielt anzugehen, entwickelte das Projektteam mittels der Steuerungsdimensionen aus Kapitel 6 zunächst eine Reihe von potentiellen Maßnahmen. Die Steuerungsdimensionen strukturierten dabei die Pinnwand und erlaubten den Managern so eine erste Orientierung sowie eine Initialisierung des Diskussionsprozesses. Für die obigen drei Schwächen sind die potentiellen Maßnahmen in Tabelle 10 dargestellt. U.a. entwickelte man folgende potentielle Maßnahmen:
186
•
Schwäche 1: Um die Kommunikation über Unternehmensziele auf Arbeitsebene zu intensivieren, schlug man u.a. vor, einen Zielbaum ins Intranet zu stellen, einen Newsletter zu initiieren (Kommunikationstechnologien), die Balanced Scorecard einzuführen (Formale Strukturen & Prozesse) sowie hinsichtlich der Unternehmensziele fokussierte Orientierungsgespräche mit den Mitarbeitern durchzuführen (Führungsverhalten).
•
Schwäche 2: Um den Controlling-Prozess stärker zu leben, diskutierte man u.a. SAP Business Warehouse zu implementieren (Kommunikationstechnologie) und Abeilungsbesuche durch das Controlling durchzuführen (Kontaktfördernde Maßnahmen).
•
Schwäche 3: Zur besseren Vernetzung des Netzbereiches schlug das Projektteam u.a. vor, Organisationshilfsmittel einzusetzen, einen Code of Conduct zu etablieren (Formale Strukturen & Prozesse), bereichsübergreifende Kamingespräche durchzuführen und ein Teambuilding
Konkretisierung Maßnahmen
12.3
auf Bereichsleiter- und erster Führungsebene zu initiieren (Kontaktfördernde Maßnahmen).
Tabelle 10:
Entwicklung potentieller Maßnahmen
~e
SChwiche1: Relativ schwache Kommunikation über Unlernehmenszlel..
SChwiche2: Controlling Prozess lebt
SChwiche3: SChwache Vemetzung des Bereiches Netze
Einfluss" ..eh "lcht dimensionen • Riumllche Anordnung deI( [Nlmlnlstratlon unter einem Dach, Meeting Point (Kaffeemaschine) Arbeltsplilze Kommunlkstlons- UnternehmensvIsionen Implementlertechnologien u. Zielbaum inkl. ung u. -Intranet Bereichsziele Im Intranet Durchdringung -Expertendatenbanken mitSAP - E-Mail-Unternehmens-Soflwaregestützle Business Gruppenunterstützungssysteme News-Letter Warehouse -E-MailAnwendungen - Systematische int. Kommunikation Human-RessourcenMaßnahmen -Pen;onalauswahl -Gezlelte Elnfjjhrung neuer Mttglleder
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