Das Buch Die Legende des Mothman basiert auf tatsächlichen Geschehnissen. Schon seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts ...
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Das Buch Die Legende des Mothman basiert auf tatsächlichen Geschehnissen. Schon seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts erschreckte die »Gestalt eines Mannes mit Fledermausflügeln« wiederholt zahlreiche Bewohner in verschiedenen amerikanischen Staaten, doch erst in den Jahren 1966/67 sorgt die Erscheinung der vogelartigen Kreatur landesweit für Schlagzeilen. In Point Pleasant, einer kleinen Gemeinde in West Virginia geschehen über eine Zeitspanne von 13 Monaten seltsame Dinge, die im Dezember 1967 schließlich mit dem Einsturz der Silver Bridge mit 46 Todesopfern ihren Höhepunkt finden. Bei vielen dieser Geschehnisse sprachen Augenzeugen davon, kurz vorher einen »großen schwarzen Vogel in Menschengestalt« gesehen zu haben. Der bekannte Ufologe und Journalist John A. Keel reiste seinerzeit nach Point Pleasant, um der Sache auf den Grund zu gehen und wurde selbst Zeuge merkwürdiger Erscheinungen. Dieses Buch ist sein Bericht, der den Leser glaubhaft in die Welt der Parapsychologie eintauchen lässt. Die Legende des Mothman erhitzt noch heute die Gemüter. Zahlreiche Bücher und Dokumentationen sind hierzu erschienen. Im Internet sind die Websites www.themothmanlives.com und www.mothmanlives.com zu weltweit genutzten Foren geworden. Regisseur Mark Pellington verfilmte die Geschehnisse in Point Pleasant mit Richard Gere, Laura Linney, Will Patton und Debra Messing in den Hauptrollen. Der Autor John A. Keel, geboren 1930 in Honrell, NY, beschäftigt sich bereits seit dem zwölften Lebensjahr mit der Parapsychologie. Mit 16 veröffentlichte er sein erstes Sci-fi Fanzine, schrieb später Drehbücher fürs Fernsehen und für Hollywood, verfasste Artikel für zahlreiche Magazine, schrieb Short-Stories und Bücher, arbeitete als Radiomoderator, reiste als Ufologe durch den Mittleren Osten und arbeitete als Regierungsberater im Bereich Gesundheit und Bildung. Heute lebt John A. Keel in New York City.
John A. Keel
The Mothman Prophecies Tödliche Visionen Das Buch zum Film Aus dem Amerikanischen von Kristiana Ruhl
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE ALLGEMEINE REIHE Nr. 01/20.103
Titel der Originalausgabe THE MOTHMAN PROPHECIES
Scan by Tigerliebe Korrektur und Layout by Tigger
Redaktion: Verlagsbüro Oliver Neumann Copyright © 1975, 1991, 2002 by John A. Keel Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2002 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 2002 Umschlag- und Innenillustrationen: motion picture photography © 2001 Lakeshore Entertainment Corp.; motion picture artwork © 2001 Screen Gems, Inc. All rights reserved. Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling Druck und Bindung: Elsnerdruck, Berlin ISBN: 3-453-21511-7 http://www.heyne.de
Mary Hyre und den Bewohnern von Westvirginia gewidmet
Es gab keinen Zweifel. Die ledrigen Flügel, die kleinen Hörner, der stachelige Schwanz – alles war da. Die schrecklichste aller Legenden war aus den Tiefen der Vergangenheit gekommen und hatte lebendige Gestalt angenommen. Und jetzt stand er da, lächelnd in seiner düsteren Herrlichkeit. Die Sonne glitzerte auf seinem gewaltigen Körper, und auf beiden Armen hielt er ein menschliches Kind, das sich vertrauensvoll an ihn schmiegte. Arthur C. Clarke, Die letzte Generation
Inhalt
Beelzebub besucht Westvirginia ..............................................8 Der Mann, der aus der Kälte kam...........................................20 Schwarze Flügel .....................................................................39 Dann lieber Zug fahren...........................................................54 Die Kälte, die der Regen brachte............................................67 Der Mottenmann ....................................................................76 Die Nacht des blutenden Ohrs................................................93 Prozession der Verdammten.................................................109 »Aufwachen, ihr da unten!« .................................................129 Rotlicht und Aprilscherze.....................................................151 Wenn heute Mittwoch ist, muss er von der Venus sein .......173 Nichtmenschliche Spielchen ................................................185 Phantomfotografen ...............................................................210 Seitwärts in der Zeit .............................................................223 Die Misere auf dem Mount Misery ......................................241 Paranoiker werden gemacht, nicht geboren.........................262 »Sogar die Beduinen hassen ihre Telefongesellschaft« ......282 »Etwas Schreckliches wird passieren …«...........................296 »Wo sich die großen Vögel sammeln …« .............................311 Nachwort ..............................................................................324
Beelzebub besucht Westvirginia I Ein heftiger Wolkenbruch ergoss sich über der surrealen Landschaft und Blitze zuckten über den schwarzen Himmel. Es war gegen drei Uhr morgens in einer nasskalten Nacht Ende November. Die kleinen Häuschen entlang der unbefestigten Straße, die sich durch die Hügellandschaft von Westvirginia schlängelte, lagen im Dunkeln. Manche sahen aus, als wären sie unbewohnt, andere wirkten wie Ruinen. Wieder andere waren nicht gestrichen, verlassen, aufgegeben. Der ganze Schauplatz sah aus wie die Anfangsszenerie eines B-Horrorfilms aus den Dreißigerjahren. Ein Fremder kam die Straße entlang. Ein Fremder in einem Land, in dem Fremde selten und stets verdächtig waren. Er ging zur Tür eines der verwahrlosten Farmhäuser und klopfte. Nach einer ganzen Weile sprang irgendwo im Haus ein Licht an, und eine junge Frau in einem billigen Morgenmantel aus dem Versandhaus erschien. Sie öffnete die Tür einen Spalt weit. Ihr vom Schlaf verquollenes Gesicht erstarrte vor Schreck, als sie die Gestalt draußen sah. Der Mann war über einsachtzig groß und von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet: schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, schwarzer Hut und schwarzer Mantel, dazu unpraktische schwarze Schuhe, die voller Schlamm waren. Sein Gesicht, das im Dunkel kaum sichtbar war, zierten ein sauber getrimmter Schnurr- sowie ein Kinnbart. Die Blitze, die hinter ihm zuckten, verliehen ihm etwas Unheimliches. »Kann ich bitte mal telefonieren?«, fragte er mit tiefer Baritonstim8
me. Er hatte nicht den vertrauten Akzent der Gegend. Die Frau schluckte stumm und trat einen Schritt zurück. »Mein Mann …«, stammelte sie, »reden Sie mit meinem Mann.« Eilig schloss sie die Tür und verschwand im Dunkel des Hauses. Mehrere Minuten verstrichen. Dann kam sie in Begleitung eines vierschrötigen jungen Mannes zurück, der hastig seine Hose hochzog. Auch er wurde blass, als er den Fremden sah. »Wir haben kein Telefon«, brummte er durch den Spalt in der Tür, die er dann sogleich zuschlug. Miteinander wispernd, zog sich das Paar ins Haus zurück. Der Fremde verschwand in der Nacht. Bärte gab es 1967 in Westvirginia in diesen abgelegenen Bergen des Ohio Valley selten zu sehen und Männer in Anzug und Krawatte noch seltener. Bärtige, schwarz gekleidete Fremde, die im Regen zu Fuß unterwegs waren, hatte man hier überhaupt noch nie gesehen. In den folgenden Tagen sprach das junge Paar mit Freunden über die Begegnung. Der Mann musste, so ihre Schlussfolgerung, ein böses Omen sein. Vielleicht sogar der Teufel selbst … Drei Wochen später waren die beiden jungen Leute tot. Sie wurden Opfer der schlimmsten Tragödie, die diese Gegend jemals heimgesucht hatte. Die Brücke über den Ohio, die Silver Bridge, war unerwartet eingestürzt und hatte sie mit sich in den Tod gerissen. Ihre Freunde erinnerten sich an die Geschichte von dem bärtigen Fremden in jener Nacht. Er war in der Tat ein böses Omen gewesen. Und das bestärkte sie in ihrem Glauben und in ihrem Aberglauben. Eine Legende war geboren. Vor der schrecklichen Katastrophe hatte Beelzebub Westvirginia besucht.
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II Es war in diesen Tagen nicht leicht, ein überzeugter Nonkonformist zu sein. Den Bart ließ ich mir 1966 wachsen, während ich eine Woche auf der Farm eines Freundes, des Zoologen Ivan T. Sanderson, verbrachte. Ich behielt ihn bis 1968, als Haare plötzlich in Mode kamen und die Hälfte aller jungen Männer Amerikas ihre Identität hinter einem Wust von Gesichtshaaren versteckte. In jenen unschuldigen Zeiten aber ließ man nur bärtige Künstler, Schriftsteller und Universitätsprofessoren unbehelligt. Von uns schienen die Leute zu erwarten, dass wir einen Bart hatten. Ähnliches galt für lange Haare; sie waren damals das Erkennungszeichen der Superintellektuellen und nur Konzertgeigern und Mathematikern à la Einstein erlaubt, also echten Spießern. Vielleicht werde ich mir wieder einen Bart wachsen lassen, wenn Bürstenschnitte und glatte Gesichter in sind. Heute allerdings wäre er bereits grau gesprenkelt. Zu grau wahrscheinlich. Ich möchte lieber glauben, dass ich mit meinem Bart nicht wie der Teufel aussah. Es lag ganz sicher nicht in meiner Absicht, neue Legenden zu begründen, als damals im November mein Auto in Westvirginia von der Straße abkam und ich von Haus zu Haus ging, um einen Abschleppdienst anzurufen. Ich kam aus Atlanta in Georgia, wo ich vor einem UFO-Klub einen Vortrag gehalten hatte. Westvirginia war zu dieser Zeit für mich so etwas wie eine zweite Heimat. Fünfmal war ich schon in diesem Staat gewesen und hatte eine Reihe sehr seltsamer Phänomene untersucht. Inzwischen hatte ich viele Freunde hier. Mary Hyre, Chefredakteurin des Messenger aus Athens, Ohio, gehörte ebenfalls dazu. Sie war in dieser Nacht bei mir. Wir waren unterwegs, um mit 10
UFO-Zeugen zu reden. Am selben Abend hatten wir ein sonderbares Licht gesehen. Da der Himmel voller schwerer, tiefer Wolken hing, konnte es kein Stern gewesen sein. Es schwebte über die Hügel und erschien uns beiden sehr vertraut, denn wir hatten in diesem Jahr schon viele solche Lichter im Ohio Valley gesehen. Mary Hyre wartete im Auto, während ich durch Schlamm und Regen stapfte. Wir hatten auf eine Anhöhe fahren wollen – von der Stelle aus hatten wir in der Vergangenheit bereits viele ungewöhnliche Dinge beobachtet –, doch die Straße war zu glatt gewesen. In den am nächsten gelegenen Häusern waren die Telefone defekt, offenbar vom Sturm lahm gelegt. Also musste ich weitermarschieren, bis ich endlich einen funktionierenden Apparat fand. Der Hausbesitzer weigerte sich zu öffnen, und so brüllten wir uns durch die geschlossene Tür gegenseitig an. Ich gab ihm die Nummer eines Anschlusses, den er anrufen sollte. Er entsprach meiner Bitte und ging danach wieder ins Bett. Ich habe nie erfahren, wie der Mann aussah. Worauf ich hinauswill: Natürlich war es nicht Beelzebub, der in dieser Nacht durch die abgelegenen Straßen von Westvirginia geisterte. Es war nur ein müder John Keel, der im Begriff war, sich eine saubere Erkältung einzufangen. Doch aus der Sicht der Leute, die in dieser Straße wohnten, war etwas sehr Ungewöhnliches passiert. Noch nie zuvor waren sie mitten in der Nacht von einem großen, bärtigen Fremden ganz in Schwarz geweckt worden. Sie wussten nichts über mich oder warum ich hier war, also mussten sie sich mit Spekulationen zufrieden geben. Und selbst das war nicht so einfach. Sie konnten mich nur in das einzige Raster einpassen, das sie kannten, nämlich das religiöse. Bärtige Männer in Anzügen tauchten nicht einfach mitten in der Nacht in gottverlas11
senen Gegenden auf. Genau genommen tauchten sie nicht einmal mitten am Tag auf der Hauptstraße durch das Ohio Valley auf. So wurde ein vollkommen normales Ereignis (das es für mich war) durch die Zeugen in einen ganz anderen Zusammenhang gebracht. Der endgültige »Beweis« für meine übernatürliche Herkunft folgte drei Wochen später, als zwei der Leute, die ich aus dem Bett geholt hatte, bei der Brückenkatastrophe ums Leben kamen. Irgendwann einmal wird ein Erforscher des Paranormalen diese Gegend besuchen, um die Leute zu interviewen, und anschließend dieser folkloristischen Episode ein ganzes Kapitel eines gelehrten Buches über Dämonologie widmen. Andere Gelehrte werden bei ihm abschreiben und die Geschichte in ihren eigenen Bücher und Artikeln verwenden. Und am Ende wird der Besuch des Teufels in Westvirginia im November 1967 zu einer historischen Tatsache, die sich auf die Aussage mehrerer vermeintlicher Augenzeugen stützt. Diejenigen unter uns, die insgeheim ihre Zeit damit verbringen, Dinosaurier, Seeungeheuer und kleine grüne Männchen in Raumanzügen zu jagen, wissen, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie zu sein scheinen. Die aufrichtigsten Augenzeugen können – und das geschieht allzu oft – gehörig missinterpretieren, was sie sehen. Für viele außergewöhnliche Ereignisse gibt es enttäuschend profane Erklärungen. Auf jeden Bericht, den ich in Büchern und Artikeln veröffentlicht habe, kamen vielleicht fünfzig, die ich einstampfen musste, weil es eine mögliche Erklärung für sie gab oder weil ich problematische Details in den Aussagen der Zeugen fand, die Zweifel an der Stichhaltigkeit einer paranormalen Erklärung weckten. Andererseits kenne ich jede Menge Ereignisse, die in einem bestimmten Zusammenhang vollkommen normal erschienen, verglichen mit ähnlichen 12
Begebenheiten aber höchst ungewöhnlich waren. Vermeintliche Zufälle erscheinen zum Beispiel keineswegs mehr zufällig, wenn man feststellt, dass sich Ähnliches überall auf der Welt immer wieder abgespielt hat. Nimmt man alle diese Zufälle, ergibt sich ein ganzes Mosaik des Paranormalen. Im Verlauf der Lektüre dieses Buches werden Sie sehen, dass sich so mancher scheinbar eindeutige Bericht von Monsterbeobachtungen oder UFO-Landungen durch komplizierte medizinische und psychologische Theorien erklären lässt. In einigen Fällen sind die Theorien noch unglaublicher als das ursprüngliche Ereignis. Bedenken Sie stets, dass meine Aufzeichnungen auf ausgiebigen Studien und langjähriger Erfahrung beruhen. Mich interessiert inzwischen weniger das Auftreten eines Phänomens als vielmehr seine Ursache. Um sie zu finden, habe ich mich von allen gängigen Lesarten befreit. Mich interessieren keine Anschauungen, sondern der kosmische Mechanismus, der diese Anschauungen erzeugt hat und am Leben erhält.
III Im New Yorker Stadtteil Greenwich Village steht in einer von Bäumen gesäumten Straße ein Haus, in dem ein seltsamer Geist wohnt. Hans Holzer und andere Geisterjäger haben dieses Haus in ihren Katalog der verwunschenen Orte aufgenommen. In den letzten Jahren wurde das Phantom von mehreren Personen gesichtet. Es trägt einen langen schwarzen Umhang und einen breitkrempigen Schlapphut, den es sich tief über die Augen zieht, wenn es durch die Zimmer schleicht. Selbst er13
nannte Parapsychologen haben allerhand fantastische Geschichten um diese Erscheinung gewoben. Angeblich wurde ein Spion aus dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg in dem alten Haus gefangen gehalten und getötet. Andererseits … Vielleicht gehört dieser Geist ja gar nicht ins Reich der Toten. Bis vor zwanzig Jahren, solange ein Schriftsteller namens Walter Gibson das Haus bewohnte, gab es keinerlei Berichte über Spuk. Gibson war ein außerordentlich produktiver Autor. Viele Jahre lang brachte er jeden Monat einen Roman heraus, und die meisten davon entstanden in diesem Haus im Greenwich Village. Alle drehen sich um eine erstaunlich erfolgreiche Figur, die Gibson in den Dreißigerjahren geschaffen hatte: den Rächer des Bösen, genannt »The Shadow«, »der Schatten«. Wenn Sie je einen dieser Romane gelesen haben, wissen Sie, dass sich der Held mit Vorliebe in dunklen Gassen herumtreibt, bekleidet mit Umhang und breitkrempigem Schlapphut. Warum sollte eine Erscheinung wie The Shadow plötzlich in einem alten Haus auftauchen? Vielleicht ein Rudiment von Walter Gibsons kraftvollem Geist? Wir wissen, dass manche Menschen mithilfe ihrer Gedanken Gegenstände bewegen, ja sogar verbiegen können, etwa Löffel oder Schlüssel. Mentale Telepathie ist heute ein nachgewiesenes und getestetes Phänomen. Über zehn Prozent der Bevölkerung haben die Fähigkeit, über das enge Spektrum des sichtbaren Lichts hinauszublicken. Sie sehen Strahlen und sogar Dinge, die für uns andere unsichtbar sind. Ein Großteil des Wissens über UFOs stammt von solchen Menschen. Was ihnen normal erscheint, wirkt auf uns andere abnorm, ja lächerlich. Menschen, die Geister sehen oder den herumwandernden Shadow, haben solche Fähigkeiten. Sie blicken aufmerk14
sam auf Formen, die immer da sind, immer um uns sind wie Funkwellen; wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, können sie sie tatsächlich sehen. Die Tibeter glauben, dass besonders geschulte Menschen diese unsichtbaren Kräfte in sichtbare Formen verwandeln können, in so genannte tulpas oder Gedankenprojektionen. Hat Walter Gibson versehentlich eine tulpa geschaffen, weil er sich so intensiv auf Shadow konzentrierte? Leser okkulter Literatur wissen, dass es zahllose Fälle gibt, in denen Geister Jahr für Jahr, oft jahrhundertelang, einen bestimmten Ort heimsuchen und irgendwelche sinnlosen Dinge tun. Steht an so einem Ort ein Haus, wird es immer wieder vorkommen, dass ein Geist verschlossene Türen offen stehen lässt, nachdem er hindurchgegangen ist, um das zu tun, worauf er programmiert ist. Sind solche Geister in Wirklichkeit tulpas, rätselhafte Spuren intensiver Schöpferkraft wie das Phantom mit dem Schlapphut? Bedenken Sie auch Folgendes: UFO-Beobachtungen konzentrieren sich immer wieder auf dieselben Gegenden. Im Ohio Valley zum Beispiel zeigen sie eine Vorliebe für die Mounds, jene alten Erdhügel der Indianer, die dort überall herumstehen. Könnten manche UFOs tulpas sein, geschaffen von einem längst vergessenen Volk, verdammt zu sinnlosem Herumirren am nächtlichen Himmel? Es gibt archäologische Stätten im Mississippi Valley, die achttausend Jahre alt sein sollen, also lange vor der mutmaßlichen Ankunft der Indianer auf dem Kontinent entstanden sind. Einige Mounds (von denen Hunderte über ganz Nordamerika verstreut liegen) wurden mit der gleichen mathematischen Präzision errichtet wie die ägyptischen Pyramiden. Im Süden legten die Indianer noch zu einer Zeit Hügel an, als die Europäer die Neue 15
Welt entdeckten, doch einige scheinen erheblich älter zu sein. Manche haben die Form von Elefanten. Nach welchem Modell arbeiteten die Erbauer? Andere sehen aus wie Seeungeheuer. Die Gestalt lässt sich nur aus der Luft erkennen. Um solche Erdhügel zu planen und zu errichten, waren Techniken notwendig, die mit den einfachen, hölzernen Nomadenwerkzeugen der Indianer nicht durchführbar waren. Zurzeit erlebt eine wissenschaftliche Theorie ein Revival, die sich in den Zwanzigerjahren großer Beliebtheit erfreute. Sie geht davon aus, dass die erstaunlichen Artefakte und vorgeschichtlichen Bauwerke, die in aller Welt gefunden wurden, samt und sonders auf eine einzige weltumspannende Zivilisation zurückgehen. Die Atlantis-Gläubigen gehörten zu den eifrigsten Verfechtern dieser Idee, was zur Folge hatte, dass sich die seriösen Wissenschaftler natürlich sofort davon abwandten. Sie stützen eine andere, wenig nachvollziehbare Theorie, nach der viele Erfindungen und Ideen gleichzeitig in voneinander unabhängigen Kulturen entstanden sein sollen. Die Wesen aus den fliegenden Untertassen haben angeblich in fast jedem Land Kontakt zu Menschen aufgenommen und Ansprüche auf alles erhoben, angefangen vom Bau der Pyramiden bis zum Untergang von Atlantis. Erich von Däniken vertritt die These, dass Mitglieder einer extraterrestrischen Zivilisation Verbindung zu frühen Erdlingen aufnahmen. Er stützt seine Theorien allerdings auf massive Fehldeutungen – zum Teil bewusste Irreführungen – archäologischer Kuriositäten. Offenbar hat er keine Ahnung von den Arbeiten europäischer Gelehrter wie Brinsley Trench, Paul Misraki und W. Raymond Drake, die sich in den letzten zehn Jahren mit denselben Phänomenen sorgfältig auseinander gesetzt 16
und komplexe philosophische Ansätze über Eindringen und Einfluss von außerirdischen Wesen seit Anbeginn der Menschheit entwickelt haben. Ihre Thesen sind weitaus umfassender und bedeutungsvoller als von Dänikens allzu simple Ausführungen. Dass unbekannte Flugobjekte seit Urzeiten über der Menschheit herumgeistern, ist eine unleugbare Tatsache. Sie werden nicht nur wiederholt in der Bibel beschrieben, sondern auch schon Jahrtausende vor Entstehung der Bibel in Höhlenmalereien verewigt. Es ist eine sonderbare Prozession von Gebilden und Furcht einflößenden Kreaturen, die uns seither begleiten. Wenn man sich diese alten Zeugnisse ansieht, kommt man nicht umhin einzuräumen, dass die Präsenz dieser Dinge und Wesen etwas vollkommen Normales für diesen Planeten ist. Diese Dinge, diese anderen Intelligenzen oder OINTs (vom englischen other intelligencies), wie Ivan Sanderson sie nennt, leben entweder hier – vor uns verborgen –, oder sie existieren überhaupt nicht, sondern sind in Wirklichkeit besondere Verirrungen des menschlichen Geistes, tulpas, Halluzinationen, psychologische Konstrukte, kurzfristige Verstofflichungen von Energie aus einer Dimension, die unsere Sinne und die Reichweite unserer wissenschaftlichen Instrumente überfordert. Sie stammen nicht aus dem Weltall. Dort braucht sie niemand. Sie haben immer hier existiert. Vielleicht gab es sie schon, bevor wir anfingen, uns gegenseitig mit Keulen auf den Schädel zu hauen. Wenn das so ist, werden sie zweifellos auch dann noch da sein, wenn wir längst unwiderruflich unsere Städte in Schutt und Asche gelegt, alle Gewässer verseucht und die Luft verpestet haben. Natürlich wird ihr Leben – sofern sie im herkömmlichen Sinn eines haben – langweiliger sein, wenn wir weg sind. Aber wenn sie nur lange genug warten, 17
wird eine andere Form von so genanntem intelligentem Leben unter einem Stein hervorkriechen, und sie können ihre Spielchen erneut beginnen.
IV In den Zwanzigerjahren kam Charles Fort, der erste Autor, der sich mit unerklärlichen Ereignissen beschäftigte, zu der Erkenntnis, dass man einen Kreis von jedem Punkt aus messen kann. Paranormale Phänomene sind weit verbreitet und treten sporadisch auf, sind aber andererseits äußerst hartnäckig. Ein Element herauszutrennen und es separat zu untersuchen wäre nicht nur Zeitverschwendung, sondern würde auch zur Bildung eines Glaubens führen. Und sobald sich ein Glaube manifestiert hat, passt sich das Phänomen sozusagen an und sorgt dafür, dass er bestätigt und sogar gestärkt wird. Wenn man an den Teufel glaubt, wird er einem eines Nachts bei Regen auf der Straße entgegenkommen und fragen, ob er mal telefonieren darf. Wenn man daran glaubt, dass in fliegenden Untertassen Astronauten von einem anderen Planeten sitzen, werden tatsächlich welche im eigenen Vorgarten landen und Steine aufsammeln. Viele – die meisten – Beobachtungen, die mit dem UFOPhänomen einhergehen, passten einfach nicht in das Bild, das sich Enthusiasten von der überlegenen Intelligenz aus einer anderen Galaxie machten. Und so ignorierten, ja verdrängten die UFO-Klubs sie viele Jahre lang. Ein schwarz gekleideter Mann in einem Cadillac konnte unmöglich zu einem reizenden Volk von Aliens gehören. Folglich musste er ein mieser, schmieriger Regierungs18
beamter sein. Für die orthodoxen UFO-Gläubigen war es unvorstellbar, dass die fliegenden Untertassen ein integraler Bestandteil unserer Umwelt sein könnten und dass diese Männer in Schwarz, die »Men in Black«, Bewohner dieses unseres Planeten waren. Aber das ist eine Tatsache, die »Wahrheit«, nach der die UFO-Fans so lange gesucht haben. Wie Daniel Webster es formuliert: »Es gibt nichts, das so stark wäre oder so seltsam wie die Wahrheit.« Man findet die Wahrheit nicht heraus, indem man UFOs kreuz und quer durch den Raum verfolgt. Die Luftstreitkräfte mehrerer Länder haben das jahrelang versucht. Es hat keinen Sinn, Astronomen zu engagieren. Sie beherrschen nicht die Disziplinen, die man braucht, um solche Phänomene zu erforschen oder auch nur Interviews mit Zeugen zu führen. Interviews sind eine besondere Kunst und das Revier von Journalisten und Psychologen. Man engagiert nicht einen Fallschirmspringer, um Höhlen zu erforschen, oder einen Ballonfahrer, um nach Schätzen zu tauchen. Wenn man einen Hirnchirurgen braucht, nimmt man keinen Gärtner, der sein Leben lang Hecken getrimmt hat. Interessanterweise ist genau das die Vorgehensweise, die unsere Regierung im Hinblick auf das UFO-Phänomen gewählt hat. Mir war klar, dass es töricht wäre, den Kreis von einem außerhalb gelegenen Standpunkt aus messen zu wollen. Also wählte ich mir einen Mikrokosmos am Rand des Kreises, einen Ort, an dem mehrere seltsame Erscheinungen gleichzeitig stattfanden. Und ich traf sofort ins Schwarze. Es war wie der Anfang eines alten MaxSchulman-Romans: »Peng! Peng! Peng! Peng! Vier Kugeln trafen mich in die Weichteile, und ich war mitten im größten Abenteuer meines Lebens.«
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Der Mann, der aus der Kälte kam I Der 22. Dezember 1967, ein Freitag, war ein bitterkalter Tag. Die ramponierte Weihnachtsdekoration über der Hauptstraße der kleinen Stadt Point Pleasant in Westvirginia hing traurig und schlaff herunter, als wollte sie sich den grimmigen, grauen Gesichtern der Passanten anpassen, die müde ihren Geschäften nachgingen. Sorgfältig vermieden sie den Blick auf die Lücke, die dort klaffte, wo noch eine Woche zuvor die Silver Bridge gestanden hatte. Das über zweihundert Meter lange Band aus Stein und Stahl über den Ohio existierte nicht mehr. In Grüppchen standen Arbeiter, Polizisten und Beamte am Flussufer zusammen und sahen schweigend zu, wie Taucher immer wieder in dem schwarzen Wasser verschwanden. Hin und wieder zuckten die Seile, und ein aufgeblähter weißer Leichnam wurde an Land gezogen. Weihnachten in Point Pleasant würde dieses Jahr alles andere als fröhlich werden. Ein paar Meter entfernt von der Stelle, wo die Brücke gestanden hatte, saß Mary Hyre, eine kräftige Frau Anfang fünfzig, in ihrer Redaktion und sah eine Liste der Vermissten und bereits identifizierten Toten durch. Ihr normalerweise fröhliches, waches Gesicht war von Müdigkeit überschattet. In den letzten sieben Tagen war sie fast nicht zum Schlafen gekommen. Nach zwanzig Jahren als Redakteurin des Messenger, in denen sie Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in der kleinen Stadt vermeldet hatte, fand sie sich plötzlich im Mittelpunkt des Universums wieder. Kamerateams von überall her, 20
sogar aus New York, drängten sich vor ihrer Tür. Die Reporter, die in Schwärmen nach Point Pleasant gekommen waren, um von der Tragödie zu berichten, hatten schnell herausbekommen, was im Ohio Valley jeder wusste. Wenn man etwas über die Gegend und ihre Bewohner in Erfahrung bringen wollte, musste man Mary Hyre fragen. Sieben Tage lang war ihr Büro voller fremder Menschen gewesen, darunter Angehörige der Vermissten und müde Rettungskräfte. Und so blickte sie kaum auf, als an diesem Nachmittag zwei Männer eintraten. Fast wie Zwillinge sahen sie aus, erinnerte sie sich später. Beide waren klein und trugen schwarze Mäntel. Ihre Züge waren dunkel, irgendwie orientalisch, fand sie. »Wir haben gehört, hier soll es Aktivitäten von fliegenden Untertassen gegeben haben«, sagte einer der beiden. Mary war überrascht. Die Brückentragödie hatte in der vergangenen Woche alles andere überlagert. Fliegende Untertassen waren das Letzte, woran sie in diesem Moment gedacht hätte. »Wir haben ein paar gesichtet«, erwiderte sie und drehte sich in ihrem Stuhl, um einen Aktenschrank zu öffnen. Sie zog einen prall gefüllten Ordner voller UFO-Berichte heraus und reichte ihn einem der Männer. Er schlug ihn auf, warf einen flüchtigen Blick auf die Berichte und gab ihn zurück. »Hat Ihnen irgendjemand einmal verboten, diese Berichte zu veröffentlichen?« Sie schüttelte den Kopf, während sie den Ordner wieder in den Schrank stellte. »Was würden Sie tun, wenn Ihnen jemand befehlen würde, nicht mehr über die fliegenden Untertassen zu schreiben?« »Ich würde ihn zum Teufel schicken«, entgegnete sie mit 21
einem leichten Lächeln. Die beiden Männer sahen sich an. Mary wandte sich wieder ihrer Liste zu. Als sie das nächste Mal aufblickte, waren sie verschwunden.
II Etwas später am gleichen Tag kam erneut ein Fremder in Mary Hyres Büro. Er war schmächtig, rund einen Meter fünfundsiebzig groß, hatte schwarze, stechende Augen und widerspenstiges schwarzes Haar, das aussah, als wäre es gerade einem Bürstenschnitt entwachsen. Sein Teint war noch dunkler als der der beiden vorherigen Besucher. Er sah aus wie ein Koreaner oder ein Orientale. Seine Hände waren besonders ungewöhnlich, fand sie, mit übermäßig langen, spitzen Fingern. Er trug einen billigen, schlecht sitzenden schwarzen Anzug, der etwas aus der Mode war. Seine Krawatte war auf seltsam altmodische Weise gebunden. Erstaunlicherweise trug er keinen Mantel, obwohl es draußen bitterkalt war. »Mein Name ist Jack Brown«, stellte er sich zögerlich vor. »Ich bin UFO-Forscher.« »Oh«, machte Mary, schob den Papierstapel auf ihrem Schreibtisch zur Seite und musterte ihn. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und sie wollte nur noch nach Hause, um endlich ein wenig zu schlafen. Nach der kurzen, zusammenhanglosen Ankündigung, er wolle über UFOs reden, stammelte Brown: »Was … würden … würden Sie tun … wenn Ihnen jemand befehlen würde … nicht mehr darüber zu schreiben? Keine Geschichten über UFOs mehr zu drucken?« »Sagen Sie, haben Sie was mit den zwei Männern zu tun, 22
die vorhin hier waren?«, fragte sie, überrascht, dieselbe verrückte Frage an einem Tag gleich zweimal zu hören. »Nein. Nein … ich bin allein. Ich bin ein Freund von Gray … Gray Barker.« Gray Barker aus Clarksburg war der bekannteste UFOForscher von Westvirginia. Er hatte eine Reihe Bücher zum Thema veröffentlicht und kam häufig nach Point Pleasant. »Kennen Sie John Keel?« Seine Mine verhärtete sich. »I-i-ich … ich hielt immer … immer eine Menge von K-K-Keel. Aber vor ein paar Minuten habe ich ei-ei-eine Zeitschrift gekauft. Es ist ein Artikel von ihm drin. Er sagt, er hätte selbst UFOs gesehen. Er … ist ein Lügner.« »Ich weiß, dass er etwas gesehen hat«, ereiferte sich Mary. »Ich war bei ihm, als er sie gesehen hat.« Brown lächelte schwach angesichts dieses gelungenen Schachzugs. »K-k-könnten Sie mich dorthin bringen, wo Sie und K-K-Keel etwas gesehen haben?« »Ich gehe heute nur noch heim in mein Bett«, erklärte Mary kategorisch. »Ist K-K-Keel in Point Pleasant?« »Nein. Er lebt in New York.« »I-i-ich glaube, er erfindet all d-d-diese Geschichten.« »Schauen Sie, ich kann Ihnen die Namen von ein paar Leuten von hier geben, die etwas gesehen haben«, sagte Mary müde. »Sie können mit ihnen reden und sich dann selbst ein Urteil bilden. Aber ich kann Sie nicht herumführen.« »Ich bin ein Freund von G-G-Gray Barker«, wiederholte er lahm. Vor dem Büro knarrte und rumpelte ein riesiger Kran, der im Begriff war, einen riesigen, verdrehten Stahlbrokken aus dem Fluss zu ziehen. 23
III Am 22. April 1897 fiel eine rechteckige Maschine mit Flügeln und Scheinwerfern, die »heller leuchteten als elektrisches Licht«, vom Himmel und landete bei Rockland, Texas, auf der Farm von John M. Barkley. Barkley griff nach seinem Gewehr und marschierte darauf zu. Ein ganz normal aussehender Mann kam ihm entgegen, reichte ihm einen Zehn-Dollar-Schein und bat ihn um ein wenig Öl und Werkzeuge für sein Flugzeug. »Wer sind Sie?«, wollte Barkley wissen. »Mein Name spielt keine Rolle. Nennen Sie mich Smith«, erwiderte der Mann. Die UFO-Lehre kennt viele Geschichten von rätselhaften Besuchern mit übertrieben gewöhnlichen Namen wie Smith, Jones, Kelly, Allen oder Brown. 1897 behaupteten sie oft, aus bekannten Dörfern und Städten zu kommen, und konnten sogar prominente Bürger dieser Orte nennen. Doch wenn Reporter nachrecherchierten, fanden sie keinen Hinweis auf die Besucher, und die genannten Bürger stritten jede Bekanntschaft mit den Fremden ab. Eine der Zeitungsenten von 1897 (es gab damals jede Menge davon, zumeist das Werk boshafter Zeitungsreporter) betraf einen Gegenstand, der angeblich in die Windmühle von Jugde Proctor in Aurora, Texas, gestürzt sein sollte. Überreste eines winzigen Piloten sollen im Wrack gefunden und von den Stadtbewohnern auf dem örtlichen Friedhof begraben worden sein. Die Geschichte stand in der Dallas Evening News. Hin und wieder kamen selbst ernannte Forscher nach Aurora, die die Erde auf Proctors alter Farm durchsiebten und über den Friedhof wanderten, um Grabsteine zu studieren, ohne je etwas zu finden. Die Geschichte wurde 1972 wieder aufgewärmt, und 24
1973 erschien ein Mann in Aurora, der sich als Frank N. Kelley von Corpus Christi vorstellte. Er sagte, er sei Schatzsucher und verfüge über große Erfahrung. Mit Metalldetektoren und Werkzeugen machte er sich bei der Windmühle an die Arbeit und förderte mehrere Metallfragmente zutage, die er als Teile eines modernen Flugzeugs identifizierte. Einige Stücke behielt er, den Rest übergab er einem Reporter namens Bill Case. Eine Analyse ergab, dass die Stücke zu 98 Prozent aus Aluminium bestanden. Kelleys angebliche Entdeckung löste einen regelrechten Ansturm auf Aurora aus. Sogar aus dem fernen Illinois kamen UFO-Forscher und baten um die Erlaubnis, auf dem Friedhof Gräber öffnen zu dürfen. Im Sommer 1973 wurde die Geschichte landesweit in der Presse verbreitet. Als man versuchte, Frank Kelley bei Corpus Christi ausfindig zu machen, stellte man fest, dass er eine falsche Adresse und Telefonnummer angegeben hatte und dass ihn in Schatzsucherkreisen niemand kannte. Kelley war offenbar auch nur einer dieser ebenso eindrucksvollen wie unfassbaren Schwindler, die sich auf dem UFOSektor herumtreiben. Der Gag war sinnlos, teuer – und leider sehr wirkungsvoll.
IV Als ich 1966 Mary Hyres Nichte, Connie Carpenter, kennen lernte, wusste ich sofort, dass sie die Wahrheit sagte. Ihre Augen waren gerötet, tränenfeucht und fast zugeschwollen. Diese Symptome hatte ich viele Male gesehen, wenn ich durch die Lande zog, um UFOBerichte zu überprüfen. Menschen, die das Pech hatten, 25
mit einem unbekannten Flugobjekt in Kontakt zu kommen – das meist mit einem blendenden atmosphärischen Leuchten verbunden ist –, sind radioaktiven und ultravioletten Strahlen ausgesetzt, die »Augenbrennen« verursachen können; die Medizin nennt das Konjunktivitis, Bindehautentzündung. Es sind die gleichen Strahlen, die auch zur Bräunung der Haut führen. Wenn Sie sich in die pralle Sonne legen, ohne Ihre Augen zu schützen, können Sie ebenfalls Konjunktivitis bekommen. Was auch immer UFOs sein mögen, sie senden intensive aktinische Strahlen aus. Es gibt tausende Fälle, in denen die Zeugen an Augenbrennen und oder vorübergehenden Sehschäden bis hin zur Blindheit litten, nachdem sie ein seltsames blendendes Licht am Nachthimmel gesehen hatten. Einer der extremsten Fälle von UFO-Blindheit trat am Abend des 3. Oktober 1973, eines Mittwochs, im Südosten von Missouri auf. Eddie Webb, 45 Jahre alt, aus Greenville, entdeckte ein leuchtendes Objekt in seinem Rückspiegel. Er streckte den Kopf aus dem Fenster seines Trucks und blickte zurück – direkt in einen blendend weißen Blitz. Webb bedeckte sein Gesicht mit den Händen und rief: »O mein Gott! Ich bin verbrannt! Ich kann nicht mehr sehen!« Ein Glas war ihm aus der Brille gefallen, deren Rahmen geschmolzen war. Seine Frau setzte sich ans Steuer und fuhr ihn zum nächsten Krankenhaus. Zum Glück war die »Verletzung« nur vorübergehend. Erstaunlich an Connies Fall fand ich, dass sie keine leuchtende fliegende Untertasse gesehen hatte, sondern einen riesigen »geflügelten Mann«, und das am helllichten Tag. Connie, eine schüchterne, empfindsame Achtzehnjährige, erzählte Folgendes: Am Sonntag, den 27. November 1966, fuhr sie um halb elf von der Kirche nach Hause, als 26
sie außerhalb von New Haven, Westvirginia, auf dem verlassenen Grün des örtlichen Golfplatzes plötzlich eine riesige graue Figur sah. Sie hatte die Gestalt eines Mannes, sagte Connie, war aber viel größer – mindestens zwei Meter zwanzig und sehr breit. Doch was sie am meisten faszinierte, war nicht die Größe, sondern die Augen. Das Ding hatte große, runde, intensiv glühende rote Augen, die sie hypnotisch anstarrten. »Es ist ein Wunder, dass ich nicht von der Straße abkam und einen Unfall baute«, meinte sie später. Den Fuß vom Gas nehmend, starrte sie auf die Erscheinung; da breiteten sich hinter deren Rücken zwei Flügel aus. Es war definitiv kein normaler Vogel, sondern ein Ding in Menschengestalt, das jetzt langsam und lautlos vom Boden abhob. Die Flügel schlugen nicht beim Fliegen. Es kam direkt auf Connies Auto zu, die schrecklichen Augen auf sie gerichtet, dann stieß es auf sie herab bis direkt über ihrem Kopf. In äußerster Panik trat sie das Gaspedal durch. Über hundert Menschen sahen die bizarre Kreatur in diesem Winter. Connies Bindehautentzündung, die offensichtlich von den roten Augen verursacht worden war, dauerte zwei Wochen. Als ich 1966 zum ersten Mal nach Point Pleasant kam, brachte ich den geflügelten Freak noch nicht mit fliegenden Untertassen in Verbindung. Spätere Ereignisse zeigten nicht nur, dass es einen Zusammenhang gab, sondern dass das Herstellen von Zusammenhängen ein wichtiger Schlüssel zu dem ganzen Rätsel ist.
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V Das »Max’s Kansas City« ist eine berühmte Kneipe, beliebt vor allem beim trendbewussten New Yorker Jungvolk. Im Sommer 1967 kam in diesen Laden, der für sein schräges Publikum bekannt ist, ein schräger Typ – also nichts Ungewöhnliches. Der Kerl war groß und unbeholfen und trug einen schlecht sitzenden schwarzen Anzug, der ein wenig aus der Mode gekommen war. Sein Kinn lief spitz zu, und seine Augen standen vor wie bei einem Schilddrüsenkranken. Er saß an einem Tisch und winkte mit seinen langen, dünnen Fingern die Bedienung zu sich. »Was zu essen«, sagte er. Die Bedienung reichte ihm eine Karte. Er starrte verständnislos darauf, weil er sie offenbar nicht lesen konnte. »Essen«, sagte er beinahe flehentlich. »Wie wär’s mit einem Steak?«, schlug sie vor. »Okay.« Also brachte sie ihm ein Steak mit allem Drum und Dran. Er glotzte eine ganze Weile darauf, nahm dann Messer und Gabel und blickte zu den umsitzenden Gästen. Es war klar, dass er nicht wusste, wie er das Besteck benutzen sollte. Die Bedienung sah zu, wie er hilflos herumstocherte. Am Ende zeigte sie ihm, wie man ein Steak schneidet und die Stücke mit der Gabel aufspießt. Er sägte Bissen für Bissen ab. Zweifellos hatte er Hunger. »Woher kommst du?«, fragte die Bedienung. »Nicht von hier.« »Und von wo?« »Aus einer anderen Welt.« Mann, schon wieder so ein Pseudokünstler, dachte sie. Die anderen Bedienungen standen in einer Ecke zusammen und beobachteten ihn dabei, wie er mit dem Essen kämpfte, ein Fremder in einem fremden Land. 28
VI Ein großes weißes Auto mit defektem Auspuff schnaufte und ratterte durch die Seitenstraße in New Haven, Westvirginia, wo Connie Carpenter wohnte. Jack Brown klopfte an ihrer Tür. »Ich bin ein … ein Freund von Mary Hyre.« Sein seltsames Benehmen und die zusammenhanglosen Fragen ängstigten sie und machten ihren Mann Keith und ihren Bruder Larry misstrauisch. Es war schnell klar, dass er sich nicht wirklich dafür interessierte, dass Connie im Jahr zuvor den Vogelmann gesehen hatte. Viel mehr interessierte ihn Mary Hyre und mein Verhältnis zu ihr (wir waren befreundete Kollegen, das ist alles). »Was meinen Sie, was … was würde Mary Hyre tun … wenn ihr jemand verbieten würde, über UFOs zu schreiben?«, fragte er. »Wahrscheinlich würde sie denjenigen als unverschämt bezeichnen«, erwiderte Connie. Die meisten seiner Fragen waren dumm. Nach einer ziemlich absurden Konversation fuhr er mit seinem lärmenden Auto wieder in die Nacht. Von dem Besuch aufgewühlt und in Panik versetzt, rief Connie sofort ihre Tante an. Er war seltsam, erzählte sie, und er sagte nichts, solange man ihm nicht direkt in die dunklen, hypnotischen Augen sah. Connie, Keith und Larry hatte nicht nur seine langfingrigen Hände bemerkt. Auch mit seinen Ohren stimmte etwas nicht. Was genau, konnten sie nicht sagen. Aber da war etwas …
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VII »Haben Sie jemals gehört, dass jemand versucht hat, Götterspeise zu trinken? Und dieser Jemand war nicht irgendwer, sondern ein Offizier der Air Force!« Mrs. Butler aus Owatonna, Minnesota, war noch immer fassungslos. »Na, genau das tat er. Er benahm sich, als hätte er so was noch nie zuvor im Leben gesehen. Er nahm die Schüssel und versuchte, sie auszutrinken. Ich musste ihm zeigen, wie man mit dem Löffel isst.« Mrs. Butler beschrieb den Mann, der sie im Mai 1967 besucht hatte, nachdem in Owatonna einige UFOs gesichtet worden waren. Er sagte, er sei Major Richard French von der U.S. Air Force; dabei trug er Zivilkleidung und fuhr einen weißen Mustang. Sein eleganter grauer Anzug und alles andere an ihm schien brandneu zu sein. Sogar die Sohlen seiner Schuhe waren ohne Spuren, als würde er sie zum ersten Mal tragen. Er war knapp einen Meter achtzig groß, hatte olivfarbene Haut und ein spitzes Gesicht. Sein Haar war dunkel und sehr lang, viel zu lang für einen Offizier, dachte Mrs. Butler. Anders als Jack Brown war Major French ein eloquenter Gesprächspartner und schien vollkommen normal, bis er sich über das Grollen in seinem Bauch beklagte. Als Mrs. Butler ihm die Götterspeise hinstellte, kam ihr erstmals der Verdacht, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Richard French war ein Betrüger, einer von vielen in diesen Zeiten in den Vereinigten Staaten. Jahrelang hatten diese Typen unter den Untertassen-Fans akute Paranoia ausgelöst, indem sie sie glaubten machten, die Air Force würde gegen sie ermitteln, Zeugen zum Schweigen bringen und vor nichts zurückschrecken, auch nicht vor Mord. Als ich anfing, solche Berichte zu sammeln, war ich natürlich zunächst einmal misstrauisch 30
gegenüber den Leuten, die sie verfassten. Es sah alles aus wie eine gigantische Inszenierung. Doch nach und nach stellte sich heraus, dass exakt die gleichen Details auch bei Fällen zu beobachten waren, die sich an ganz anderen, weit entfernten Orten zugetragen hatten – und die niemals veröffentlicht worden waren, nicht einmal in fotokopierten Rundbriefen der UFO-Fetischisten. Irgendetwas war also da draußen. Es gab einige, die wie Richard French auftraten, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch irgendeinen Fehler machten sie immer. Da war immer etwas an ihnen, das nicht stimmte, an ihrer Kleidung oder ihrem Verhalten. Den Zeugen fiel es nicht auf, doch bei mir schrillten sofort die Alarmglokken. Oft kamen sie in Oldtimern, die so blitzblank und gut in Schuss waren wie ein Neuwagen. Manchmal patzten sie bei der Kleidung, trugen Sachen, die längst außer Mode waren oder, noch schlimmer, solche, die erst in einigen Jahren in Mode kommen würden. Die angeblichen Militäroffiziere hatten offenbar keine Ahnung davon, wie es beim Militär zuging oder welcher Jargon dort gepflegt wurde. Die Brieftasche oder das Notizbuch, die sie bei sich trugen, waren stets brandneu. Normalerweise sehen Brieftaschen bei Männern immer ziemlich schnell gebraucht und verbeult aus. Und schließlich nahmen sie – übrigens genau wie die Feen in den alten Zeiten – häufig Souvenirs von den Zeugen mit. Beglückt zogen sie mit einer alten Zeitung oder anderem wertlosem Tand von dannen. Am meisten aber beschäftigte mich die Tatsache, dass auf diese mysteriösen Männer und Frauen häufig die Beschreibungen von Menschen passten, die angeblich die Landung eines UFOs beobachtet und seine Piloten gesehen oder sogar mit ihnen gesprochen hatten. Wesen mit entweder spitzen Gesichtern oder orientalischen Zügen, dunkler Haut und ungewöhnlich langen Fingern. 31
VIII Am 23. Dezember 1967 kam Linda Scarberry mit ihrer neugeborenen Tochter Daniella Lia vom Krankenhaus heim. Sie lebte mit ihrem Mann Roger im Erdgeschoss des Hauses ihrer Eltern, Mr. und Mrs. Parke McDaniel. Es war eine bescheidene, aber gemütliche Wohnung. Seit Linda und Roger sowie ein anderes Paar im Jahr zuvor den »Vogel« – den grotesken, geflügelten Mann von Point Pleasant – gesehen hatten, war sie wie Mary Hyres Redaktion Treffpunkt für Fremde jeglicher Couleur. In diesen Tagen riss der Strom von Freunden und Nachbarn gar nicht mehr ab, denn alle wollte das Baby sehen; es war ein Lichtblick in diesem kalten Dezember. Als Jack Brown mit seinem lärmenden weißen Wagen auftauchte, wurde er ebenso willkommen geheißen wie all die anderen Reporter, Geisterjäger und UFO-Forscher, die vor ihm gekommen waren. Er stellte sich als Freund von Mary Hyre, Gray Barker und John Keel vor. Mitgebracht hatte er ein großes Tonband, das er auf dem Küchentisch abstellte. Es war schnell klar, dass er mit dem Gerät nicht vertraut war und keine Ahnung hatte, wie man ein Band einlegte und welche Knöpfe man drücken musste. Die McDaniels waren an Reporter und deren Aufnahmegeräte gewöhnt, ebenso an die ewig gleichen, ermüdenden Fragen. Doch Browns Fragen waren alles andere als ermüdend. Sie waren vage, interesselos und dumm. Offensichtlich hatte er keine Ahnung von dem komplexen Thema fliegende Untertassen und interessierte sich auch überhaupt nicht für den legendären »Vogel«. Seine ganze Neugier galt vielmehr mir, meinem derzeitigen Aufenthaltsort und der Art meiner Beziehung zu Mary Hyre. 32
Natürlich fragte er die McDaniels auch, wie Mary Hyre ihrer Ansicht nach reagieren würde, wenn ihr jemand verbieten würde, über fliegende Untertassen zu schreiben. Den ganzen Abend über schauten Freunde und Nachbarn herein, um das Neugeborene zu bewundern. Doch obwohl das Kind im Mittelpunkt des Interesses stand, ignorierte Brown es vollkommen, zeigte noch nicht einmal höfliches Interesse. Als ihm Tom C. aus dem Nachbarhaus vorgestellt wurde, streckte er für einen Handschlag den Daumen und zwei Finger aus. Er sagte, er sei aus Cambridge, Ohio, einer Kleinstadt unweit von Columbus. Später kam ein Reporter des dortigen Lokalblattes – Dispatch – vorbei, und im Verlauf der Unterhaltung stellte sich heraus, dass Brown noch nie etwas vom Dispatch gehört hatte und nicht wusste, wo Cambridge lag. Sein Verhalten löste bei allen Unbehagen aus. Mit seinem hypnotischen Blick und seiner merkwürdigen Kommunikationsschwäche irritierte er alle. Obwohl man ihn zunehmend mied, blieb er fünf Stunden und ging erst gegen elf Uhr. Zu Beginn des Abends hatte er behauptet, mich nicht persönlich zu kennen. Später sagte er, wir seien gute Freunde. Es schien ihn zu überraschen, dass ich nach der Brückentragödie nicht sofort nach Point Pleasant zurückgeeilt war. Vielleicht erwartete er, mich dort zu finden. Er erzählte unter anderem, Gray Barker habe ihm gesagt, dass kurz vor dem Einsturz ein UFO über der Silver Bridge gesehen worden sei. Als ich später mit Barker darüber sprach, verneinte er ausdrücklich, Brown oder jemanden, auf den diese Beschreibung passte, zu kennen. Gray hatte mich in der Nacht der Katastrophe angerufen und erzählt, dass im Radio von einem Lichtblitz vor dem 33
Einsturz der Brücke die Rede gewesen sei. Später stellte sich heraus, dass das Blitzen auf reißende Stromkabel zurückzuführen war. Jack Brown wurde nie wieder gesehen. Auch nicht an anderen UFO-Schauplätzen. Er stieg in sein weißes Auto und knatterte in die Nacht davon, um sich zu all den anderen Smiths, Jones, Kelleys und Frenchs zu gesellen, die keine andere Aufgabe zu haben schienen, als die Paranoia unter den UFO-Fans zu schüren und Mythen am Leben zu erhalten.
IX In Zimmer 4C922 des Pentagons stand 1966 ein Lförmiges Gebilde von rund fünf Quadratmetern Größe. Ein grauhaariger, grimmig dreinblickender Lieutenant Colonel namens Maston M. Jacks saß hinter einem überquellenden Schreibtisch und ständig klingelnden Telefonen. Es war in diesen Tagen seine Aufgabe, Reporter abzuwimmeln, die ihn mit Fragen über die UFO-Situation bombardierten. Schon sein erster Satz war als Barrikade gedacht. »Da ist nichts dran, Mr. Keel. Alles nur leeres Gerede.« Auf einem anderen Tisch lag ein großer roter Ordner, auf dem in großen Lettern Top Secret stand. Während unseres Gesprächs kam eine Sekretärin herein und legte einen Zeitungsausschnitt hinein. Mein erstes Gespräch mit Lieutenant Colonel Jacks artete schnell in einen Streit aus. Er betete die übliche UFOVerschleierungsleier der Air Force herunter, woraufhin ich freundlich erklärte, dass ich selbst schon solche Dinger gesehen hätte. Da richtete er sich auf und blickte 34
mir tief in die Augen. »Wollen Sie einen Offizier der U.S. Air Force einen Lügner nennen?« Später klingelte das Telefon, und nach seinem Tonfall zu urteilen, sprach er mit einem Vorgesetzten. Ich schlenderte taktvoll zum anderen Ende des Raumes und blickte aus dem winzigen Fenster, das an eine Gefängniszelle denken ließ. Er brummelte etwas über einen Kinofilm und fügte dann leise hinzu: »Ich rufe später zurück. Es ist jemand in meinem Büro, den ich stoppen muss.« Nachdem er aufgelegt hatte, setzten wir unseren Streit fort. Zweifellos hatte er so etwas schon des Öfteren durchexerziert. Es war alles Theater. Seine Laune wechselte abrupt von Wut zu höflicher Freundlichkeit. Am Ende begleitete er mich über den Flur bis zur Bibliothek, wo er mich stehen ließ. Jacks hatte mir gegenüber mehrmals behauptet, die Air Force besitze keine Bilddokumente von UFOs. Ein Jahr später allerdings bekam ein wissenschaftlicher Autor namens Lloyd Mallan über hundert Fotos aus der angeblich nicht existierenden Akte. Jacks hatte mir außerdem gesagt, im Pentagon würden keine Berichte über UFOs gelagert. Sie befänden sich alle in der Wright-Patterson Air Force Base in Ohio. Ich selbst fuhr nicht dorthin, aber Mort Young vom inzwischen nicht mehr existierenden New Yorker Blatt Journal-American, den ich bat, seine Erfahrungen für dieses Buch aufzuschreiben. »Aufnahmen von Berichten über UFOs«, so wurde mir im Pentagon gesagt, »werden auf der Wright-Patterson Air Force Base in Dayton, Ohio, aufbewahrt.« Hier nun, was Mort zu diesem Thema herausfand. Ich fuhr also nach Dayton. Dort sagte man mir, dass die UFO-Berichte im Pentagon seien, ich hätte sie mir in Washington ansehen können. Später erfuhr ich, dass die 35
UFO-Berichte nicht nur im Pentagon lagen sowie in Dayton im Hauptquartier des so genannten Project Blue Book, sondern auch an mindestens zwei weitere Adressen weitergeleitet worden waren, wo sie vermutlich ebenfalls bei den Akten lagen. Man kann nur hoffen, dass die Dossiers dort in besserem Zustand sind als bei Blue Book, wo manche Berichte über Erscheinungen unvollständig sind. Dossiers, nach denen ich fragte, wurden mir entweder unvollständig ausgehändigt, oder die ganze Mappe fehlte, weil die Air Force angeblich »keine Information« über die betreffende Beobachtung hatte. Manche Dossiers waren in üblem Zustand, Ordner, in die einfach unsortiert Papiere gestopft waren. Man müsste die Informationen erst einmal sortieren, bevor sich jemand ernsthaft damit befassen und schlau daraus werden kann. Ich könnte wahrscheinlich eher ein UFO erklären, als Sinn in einen UFO-Bericht der Air Force bringen. Einige Behauptungen der UFO-Gläubigen waren durchaus nützlich. Die Air Force setzte alles daran, die Angelegenheit zu verschleiern. Es wurde gelogen, und das gelegentlich, vor allem Reportern gegenüber, auf geradezu himmelschreiende Weise. Fotos, von wohlmeinenden Bürgern abgeschickt, verschwanden oft für immer in den Eingeweiden von Wright-Patterson. Leider erlaubten mir meine eigenen Ermittlungen nicht, sie offen zu beschuldigen, eine Abteilung orientalisch aussehender Mitarbeiter zu haben, deren Aufgabe darin bestand, Zeugen zum Schweigen zu bringen. Andere Autoren wie etwa Lloyd Mallan kamen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. 1967 wurde Lieutenant Colonel Jacks pensioniert und durch Lieutenant Colonel George P. Freeman ersetzt. Freeman war freundlicher und diplomatischer und befasste sich ernsthaft mit unseren Berichten. 36
Am 15. Februar 1967 ging ein vertrauliches Schreiben vom Pentagon an alle Kommandos. Dem Hauptquartier der USAF liegen Informationen vor, nach denen Personen, die sich als Vertreter der Air Force oder anderer Verteidigungsinstitutionen ausgeben, Kontakt zu Bürgern aufgenommen haben, die unbekannte Flugobjekte gesichtet haben. In einem Fall verlangte und erhielt ein Individuum, das sich als Mitglied des NORAD* vorstellte, Fotos, die einem Privatmann gehörten. In einem anderen suchte eine Person in Air-Force-Uniform Polizisten und Zivilisten auf, die ein UFO gesehen hatten, rief sie im Klassenzimmer einer Schule zusammen und sagte, sie hätten nicht gesehen, was sie glaubten, gesehen zu haben, und sollten mit niemandem darüber reden. Jedes Mitglied sowohl des militärischen als auch des zivilen Personals sowie insbesondere die Ermittlungsbeamten und UFO-Ermittler sind aufgerufen, jeden Bericht dieser Art sofort ihrer örtlichen OSI** zu melden. (Unterzeichnet) Hewitt T. Wheless, Lt. Gen. USAF Stellvertretender Generalstabschef Das Project Blue Book wurde im Dezember 1969 offiziell eingestellt. Doch die Men in Black wurden nicht in Rente geschickt. Nach der UFO-Welle im Oktober 1973 traten sie erneut in Erscheinung. Im Januar 1974 tauchten sie sogar in Schweden auf und gingen nach denselben Methoden vor, die sich in den Staaten als erfolgreich erwiesen hatten. Nicht einmal die Benzinkrise konnte die *
North American Air Defense Command (Luftverteidigungskommando Nordamerika) ** Office of Special Investigations (Sonderermittlungsabteilung) 37
schwarzen Cadillacs von ihren mysteriösen Streifzügen abhalten.
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Schwarze Flügel I Eine andere Sorte Man in Black suchte zwischen 1877 und 1880 Brooklyn heim. Er hatte Flügel und vollführte über den Köpfen der Sonnenanbeter auf Coney Island akrobatische Übungen. Ein Mr. W. H. Smith berichtete am 18. September 1877 in einem Brief an die New York Sun erstmals über diese seltsamen Flüge. Die Kreatur war kein Vogel, sondern »eine geflügelte menschliche Gestalt«. Der fliegende Mann wurde zur lokalen Sensation. Der New York Times vom 12. September 1880 zufolge beobachteten ihn »viele ehrenwerte Personen« dabei, wie er »auf New Jersey zuflog«. Er hielt sich in einer Höhe von rund dreihundert Metern und machte schwimmartige Bewegungen. Zeugen wollen sein Gesicht deutlich gesehen haben. Es zeigte einen brutalen und entschlossenen Ausdruck«. Das Wesen war von Kopf bis Fuß schwarz und hob sich scharf gegen den klaren blauen Himmel ab. Da es kein Reklameschild hinter sich herzog und die primitiven Gleiter der Luftpioniere jener Zeit selten weit kamen – wenn überhaupt, dann vor allem bergab –, gab es für den Zwischenfall keine Erklärung. Im 15. Jahrhundert studierte Leonardo da Vinci den Flug der Vögel und versuchte erfolglos, einen mit Menschenkraft betriebenen »Ornithopter« zu bauen. Tausende andere Erfinder haben sich daran versucht und konstruierten etwa Flügel aus Leinwand, die von den optimistischen Piloten per Muskelkraft bewegt wurden. Die meisten dieser seltsam aussehenden Maschinen gingen 39
schon beim ersten Flugversuch zu Bruch. Einige allzu sehr von sich überzeugte Konstrukteure stürzten sich mit ihren selbst gebauten Vögeln von Steilklippen und hohen Gebäuden in den Tod. Erst am 2. Mai 1962 gelang es tatsächlich einem Menschen, aus eigener Kraft zu fliegen. Im englischen Hatfield, Hertforshire, flog Mr. John C. Wimpenny in einem Vehikel mit unbeweglichen Flügeln und einem pedalbetriebenen Propeller auf einer Höhe von ein Meter fünfzig genau 908 Meter weit. Das Prinzip des Ornithopters – Antrieb durch vogelartige Flügelbewegungen – war jahrhundertelang bekannt, doch niemand konnte es in die Praxis umsetzen. Zumindest kein menschliches Wesen. Bei UFO-Wellen wurden häufig Maschinen gesichtet, die sich mit schlagenden Flügeln durch die Luft bewegten. Doch die UFO-Fans neigen dazu, alle Berichte zu ignorieren, die sich nicht mit Scheiben oder zigarrenförmigen Objekten befassen. 1905 flatterte ein »titanischer weißer Vogel« über Kalifornien. Ein Zeuge, J. A. Jackson, »ein bekannter Bürger von Silshee«, ging um halb zwei Uhr nachts auf seine Toilette im Hof, als er ein grelles Licht am Himmel sah. Es schien von einem zwanzig Meter langen »Luftschiff« mit Flügeln auszugehen. »Die rätselhafte Maschine schien allein von den Flügeln angetrieben zu werden und stieg und fiel, während die Flügel wie bei einem gigantischen Vogel schlugen«, berichtete die Lokalzeitung von Brawley, Kalifornien, am 4. August 1905. Weitere Personen in der Gegend wollen dasselbe Ding gesehen haben. Geflügelte Wesen gehören in jeder Kultur zur Tradition. Schon im alten Babylon und zu Pharaos Zeiten versahen Bildhauer Löwen, aber auch nicht identifizierbare Tiere mit Flügeln. Obwohl die Engel des alten Testaments nie mit Flügeln beschrieben wurden, haben ihnen Maler und 40
Bildhauer stets fedrige Anhängsel verpasst. (In Wirklichkeit sahen die Engel der damaligen Zeit wie ganz normale Menschen aus. Sie aßen sogar mit Lot zusammen zu Abend.) Als in den dunklen Zeiten des Mittelalters Dämonen über den Planeten herfielen, wurden sie ebenfalls als monströse Wesen mit Fledermausflügeln beschrieben. In abgeschiedenen Gegenden der Welt sollen noch immer Harpyien und geflügelte Menschen leben. Am 11. Juli 1908 war der berühmte russische Reisende W. K. Arsenjew entlang dem Gobilli-Fluss unterwegs, als er folgende Begegnung hatte: … Ich sah eine Spur auf dem Pfad, die der eines Menschen sehr ähnlich war. Mein Hund Alpha wurde unruhig, knurrte, und dann trampelte etwas durch das Gebüsch rasch an uns vorbei. Es entfernte sich jedoch nicht, sondern blieb ganz in der Nähe stocksteif stehen. So verharrten wir ein paar Minuten … bückte ich mich, hob einen Stein auf und warf ihn auf das unbekannte Tier. Daraufhin geschah etwas Unerwartetes: Ich hörte das Schlagen von Flügeln. Etwas Großes und Schwarzes stieg durch den Dunst auf und flog über den Fluss. Einen Augenblick später verschwand es im dichten Nebel. Mein Hund war sehr verängstigt und presste sich an meine Beine. Nach dem Abendessen berichtete ich den UdeheMännern von der Begebenheit, woraufhin sie mir die Geschichte von einem Mann erzählten, der durch die Luft fliegen konnte. Jäger sahen häufig seine Spuren. Sie verschwanden ebenso abrupt, wie sie erschienen, was nur möglich war, wenn der »Mann« auf dem Boden landen und wieder abheben konnte.
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In Mexiko gibt es Geschichten vom den ikals, kleinen schwarzen Wesen, die fliegen können, in Höhlen leben und Menschen entführen. In Indien ist der riesige Vogel Garuda ein wichtiger Bestandteil der Mythologie. Die Götter Vishnu und Krishna flogen auf dem Rücken eines Garudas über den Himmel. Die nordamerikanischen Indianer erzählen Legenden über den Donnervogel, einen riesigen Vogel, der Kinder und alte Menschen davontragen soll. Sein Erscheinen war stets begleitet von lautem Getöse, Summen, Brummen und Grollen in Infra- und Ultraschallbereich. Das bei den Dakota-Indianern als Piasa bekannte Wesen soll grässliche rote Augen und einen langen Schwanz gehabt haben. Wir haben es bei diesen Fällen mit drei verschiedenen Phänomenen zu tun. Als Erstes mit dem geflügelten Menschen, als Zweites mit einem riesigen Vogel, der viel zu groß ist, um eine natürliche Erscheinung zu sein, und als Drittes mit einem monströsen Dämon mit roten Augen, Fledermausflügeln und einem menschenähnlichen Körper. Alle drei stehen wahrscheinlich in einem Zusammenhang. Die wissenschaftliche Recherche ist noch nicht sehr weit, aber es gibt genügend Hinweise aus den Medien, dass sich der geflügelte Mann von 1880 nicht auf Coney Island beschränkte. Seine Aktivitäten dort waren nur so etwas wie Werbung in eigener Sache, um die Aufmerksamkeit der seriösen New York Times zu erregen. Auf diese Weise wollte er sich einen gewissen Bekanntheitsgrad verschaffen, damit ihn die Menschen andernorts einordnen konnten, wenn sie ihn sahen. Dem Courier-Journal, der Lokalzeitung von Louisville, Kentucky, vom 29. Juli 1880 zufolge war der Flügelmann auch in dieser Gegend aktiv. Zwei Männer, C. A. Youngman und Bob Flexner, berichteten, einen »Mann« 42
gesehen zu haben, der »von Maschinen umgeben war, die er von Hand bediente«. Er hatte Flügel oder Wedel auf seinem Rücken, mit denen er ziemlich verzweifelt schlug, um sich in der Höhe zu halten. Die verblüfften Männer beobachteten, wie er unsicher von dannen schwebte. Aber er würde wiederkommen.
II Ein Jahr, bevor im Staate Washington 1947 die erste Untertassen-Hysterie ausbrach, beobachtete in San Diego, Kalifornien, eine Gruppe von 16 Menschen ein merkwürdiges Phänomen. Es war am Abend des 9. Oktober 1946. Sie befanden sich auf einem Hausdach, um sich einen Meteoritenschauer anzuschauen, als ein bläulich-weißes, geflügeltes Objekt am Himmel auftauchte. Es sah aus wie ein extrem langes Flugzeug mit zwei rötlichen Lichtern und hinterließ einen leuchtenden Schweif. »Das seltsame Objekt war mit Sicherheit kein Flugzeug«, so ein Zeuge zu Harold T. Wilkins.* »Die beweglichen Flügel waren zu groß für einen Vogel. Genau genommen glichen sie eher den Flügeln eines Schmetterlings. Und das ganze Objekt strahlte einen rötlichen Glanz aus.« Besonders auffällig war das Objekt, als es vor dem Mond vorbeiflog. Manche Zeugen fanden, es habe wie eine riesige Fledermaus ausgesehen. Auch Astronomen haben von ähnlichen Objekten berichtet. Dr. F. B. Harris schrieb 1912 in Populär Astronomy: *
Harold T. Willens: Flying Saucers on the Attack, New York, Citadel Press 1954, Kapitel III. 43
»Am Abend des 27. Januar 1912 sah ich ein tiefschwarzes Objekt, vergleichbar einer Krähe, das vor dem Mond schwebte. Nach meiner Schätzung war es rund vierhundert Meter lang und achtzig Meter breit. Ich kann nicht umhin festzustellen, dass sich hier ein äußerst interessantes Phänomen gezeigt haben muss.« Im selben verrückten Jahr 1880, am 30. November um acht Uhr morgens, beobachtete im Observatorium in Palermo ein italienischer Astronom namens Ricco die Sonne, als er sah, wie »geflügelte Körper in zwei parallelen Reihen langsam vor der Sonnenscheibe vorbeischwebten. Sie sahen aus wie große Vögel, vielleicht Kraniche«. Kraniche auf der Sonne? Vierhundert Meter lange Krähen auf dem Mond? Schwarz gekleidete Männer, die über Coney Island über den Himmel schwimmen? Ornithopter über Kentucky und San Diego? Am 30. Dezember 1946 sah Ella Young, eine amerikanische Schriftstellerin, in der Morgendämmerung in der Nähe von Morrow Bay, Kalifornien, eine unserer Fledermäuse. »Am goldenen Himmel sah das Wesen sehr schwarz aus«, berichtete sie. »Es kam direkt auf mich zu, mit seiner fledermausartigen Gestalt, die vor allem durch die geschwungene Form seiner Flügel geprägt war. Ich bin nicht sicher, ob sich die Spitzen der Flügel bewegten. Die seltsame Maschine schien ein paar Minuten still zu stehen. Ihre Form war wirklich auffällig. Plötzlich senkte sie sich zum Horizont, oder der Wolkendunst stieg auf – vielleicht überlagerten sich beide Bewegungen –, denn die Maschine verschwand hinter den Wolken und tauchte nicht mehr auf. Sofort danach ergoss sich eine Flut von Farben über das Meer.« Von Mai bis August 1947 fand in den USA die erste moderne UFO-Welle statt. Seltsame Lichter, glitzernde, 44
scheibenartige Maschinen und rötliche, fliegende Zigarren beschäftigten die Fantasie der Amerikaner. Tiffany Thayer, exzentrische Romanautorin und Gründerin der Fortean Society, die nach Charles Fort benannt ist, spottete in Doubt, der Zeitung der Gesellschaft, über die Erklärungen der Air Force. Offenbar war die Regierung entschlossen, die neuen Fakten zu verschleiern. Mystiker und Spinner tauchten alsbald auf, die das Phänomen zum Werk von Außerirdischen erklärten. Die Presse nahm sich der Sensation zwei Wochen lang an, bevor sie sich wieder dem Kalten Krieg zuwandte. Niemand, nicht einmal die Mitglieder der Fortean Society mit ihren Argusaugen, schenkte den riesigen Vögeln und Maschinen mit den flatternden Flügeln große Aufmerksamkeit. 1948 kehrten sie zurück. Anfang Januar 1948 berichtete Mrs. Bernard Zaikowski von einem »zischenden und fauchenden« Mann mit silbrigen Flügeln, der in Chehalis, Washington, sechzig Meter über ihrem Stall geschwebt sei. Die Air Force hatte nur Spott für sie übrig. Vier Monate später behaupteten zwei Wäschereiangestellte aus Longview, Washington, rund sechzig Kilometer von Chehalis entfernt, drei »Vogelmänner« gesehen zu haben, die in einer Höhe von siebzig bis achtzig Metern über der Stadt gekreist hätten. »Am Anfang dachte ich, es wären Möwen, doch als sie näher kamen, konnte ich sehen, dass es keine Möwen waren, dann wusste ich, dass es Menschen waren«, erzählte Mrs. Viola Johnson gegenüber Reportern. »Ich konnte genau sehen, dass es Menschen waren …. Sie trugen triste, dunkle Fluganzüge. Ihre Arme konnte ich nicht sehen, aber ihre Beine hingen herunter, und sie bewegten ständig die Köpfe, als ob sie sich umsehen würden. Ob sie Brillen aufhatten, konnte ich nicht erkennen, aber ihre Köpfe sahen aus, als hätten sie Helme auf. 45
Ihre Gesichter konnte ich nicht sehen.« Das passierte am 9. April 1948. Am selben Tag berichtete ein Paar in Caledonia, Illinois, von einem »Monstervogel, größer als ein Flugzeug«. Die Forscher Jerome Clark und Loren Coleman durchwühlten daraufhin örtliche Zeitungen und stellten fest, dass es 1948 in diesem Staat eine erstaunliche Häufung von schrägen Vögeln gegeben hat.* Im Januar 1948 rief der zwölfjährige James Trares aufgeregt seiner Mutter zu: »Da draußen ist ein Vogel, der ist so groß wie eine B 29!« Sie lebten in Glendale, Illinois. Im April wurde in Alton, Caledonia, Overland, Richmond Heights und Freeport wiederum von einem riesigen Vogel berichtet; alle Orte liegen in Illinois. Walter Siegmund, ein pensionierter Colonel, sah ihn am 4. April. »Ich dachte, ich habe was an den Augen«, berichtete er, »aber es war definitiv ein Vogel und kein Segelflieger oder Flugzeug …. Den Bewegungen und der Größe des Objekts nach zu urteilen, muss es ein enorm großer Vogel gewesen sein.« In Overland, Illinois, sahen am 10. April drei Leute das Wesen. Zuerst hielten sie es für ein Flugzeug, doch dann begann es mit den Flügeln zu schlagen. Ende April suchte der Garuda St. Louis heim. Dr. Kristine Dolezal sah ihn am 26. Am nächsten Tag beobachtete eine Gruppe von Ausbildern der Mississippi School of Aeronautics einen »erschreckend großen Vogel« in einer Höhe von 350 Metern. Ein Verkäufer namens Harry Bradford beklagte sich: »Ich habe ihn in den letzten vier Tagen dreimal gesehen – das ist einfach zu viel für einen Fünfzigjährigen.« »Ich dachte, es wären nur Fanatiker, die das Ding sehen *
Jerome Clark und Loren Coleman: »Winged Weirdies« (dt. etwa »Geflügelte Freaks«), in: Pate, März 1972. 46
können, bis ich gestern Nacht in den Himmel schaute«, erklärte Charles Dünn, Kontrolleur beim Stahlhersteller U.S. Steel, am 30. April. »Es schlug mit den Flügeln und bewegte sich ziemlich schnell in einer Höhe von rund tausend Metern. Es schien von einem matten Licht erhellt und war etwa so groß wie eine Piper Cub, aber es war kein Motorengeräusch zu hören. Es war kein Flugzeug. Ich traute meinen Augen kaum.« Obwohl dieser flugzeugartige Vogel in den folgenden zehn Jahren immer wieder einmal gesichtet wurde, stahlen ihm die fliegenden Untertassen die Show. Air Force und Hobbyermittler konzentrierten sich lieber auf die aufregenderen Marsianer und Venusianer. Und doch: Am 18. Juni 1953 erschreckte die Gestalt eines Mannes mit »Fledermausflügeln«, der enge schwarze Kleidung trug und von einem schaurigen Leuchten umgeben war, drei Einwohner von Houston. »Ich konnte ihn klar und deutlich sehen. Er hatte große Flügel auf dem Rücken«, erzählte Mrs. Hilda Walker. Er war knapp zwei Meter groß und hockte auf dem Ast eines Pekannussbaumes. Dann erlosch langsam seine leuchtende Aura, und er verschwand. »Gleich darauf«, so Mrs. Warker weiter, »hörten wir ein lautes Rauschen, das von den Hausdächern auf der gegenüberliegenden Straßenseite kam. Wir sahen ein torpedoförmiges Objekt, das in einem weißen Blitz verschwand.« »Vielleicht ist es verrückt, aber ich habe es gesehen, was immer es auch gewesen sein mag«, erklärte Howard Phillips, ein weiterer Augenzeuge. Das nächste große Jahr für unsere Phantomflieger war 1961. Anwohner des Tamiami Trail in Florida sahen etwas, das eine Frau als »großen Geier« beschrieb, »mit einer Flügelweite von rund siebzehn Metern«. »Ist das nicht irgendwie ungewöhnlich?« Im Mai 1961 erschrak 47
ein New Yorker Pilot vor einem »verdammt großen Vogel, der größer war als ein Adler«. »Einen Augenblick lang zweifelte ich an meinem Verstand, weil das Ding mehr aussah wie ein prähistorischer Pterodaktylus.« Das »Ding« war auf sein Flugzeug herabgestürzt, als er am Hudson River entlangflog. Weit entfernt, im Tal des Ohio, hatte ein Pärchen ein Erlebnis, das noch ein Stück atemberaubender war. Eine durch ihre Gemeindetätigkeit bekannte Frau aus Point Pleasant, Westvirginia, fuhr mit ihrem Vater die Route 2 am Ohio entlang. Als sie am Rande eines Nationalparks vorbeikamen, den so genannten Chief Cornstalk Hunting Grounds, erschien plötzlich eine große, menschenähnliche Figur vor ihnen auf der Straße. »Ich ging vom Gas«, erzählte sie mir Jahre später, »und als wir näher kamen, sahen wir, dass das Wesen viel größer war als ein Mensch. Eine große graue Gestalt. Sie stand mitten auf der Straße. Dann öffneten sich hinter ihrem Rücken zwei Flügel, die sich praktisch über die ganze Breite der Straße erstreckten. Sie sah fast aus wie ein kleines Flugzeug. Dann hob sie ab … und verschwand innerhalb weniger Sekunden. Wir waren beide starr vor Schreck. Ich trat aufs Gas, um so schnell wie möglich wegzukommen. Anschließend redeten wir darüber und kamen zu dem Schluss, dass wir niemandem etwas erzählen würden. Wer würde uns schon glauben?« Dr. Jacques Vallee, ein französischer Statistiker und Computerspezialist, bekam Zugang zu den UFO-Akten der Air Force und stieß auf einen eigenartigen Bericht eines AirForce-Colonels, der eines Nachts (es war kein Datum angegeben) allein auf einer Straße in Illinois fuhr, als er bemerkte, dass etwas über seinem Wagen schwebte. Es war, wie er sagte, ein riesiger Vogel von der Größe eines 48
kleinen Flugzeuges. Dann schlug der Vogel mit den Flügeln und rauschte davon. Es gibt haufenweise Storys über solche Vögel. Ein Geschäftsmann aus Arlington, Virginia, schrieb mir kürzlich von einem Erlebnis, das er und drei Freunde im Winter 1968/69 hatten. Sie befanden sich auf einer Farm in der Nähe von Haymarket, als sie bei einem kleinen See ein seltsames Rauschen hörten. Fasziniert zogen sie mit Taschenlampen und ein paar Hunden los, um herauszufinden, woher es kam. Plötzlich begannen die Hunde zu heulen, machten kehrt und rannten davon. Neben einem Baum erhob sich ein riesiger dunkler Schatten, der zwischen zwei Meter fünfzig und drei Meter groß war. Die vier Männer eilten zurück zu ihrem Auto, schalteten die Scheinwerfer ein und richteten sie auf den Schatten. »Alles, was wir sahen«, so schrieb er, »war das riesige Ding mit seinen großen orangeroten Augen und flügelartigen Armen. Wir konnten gar nicht schnell genug abhauen.« Es gibt sogar eine nackte Frau mit Flügeln in unserer Sammlung. Der Fall wurde von Don Worley, einem erfahrenen Forscher des Unbekannten, untersucht. Er hat den Zeugen intensiv befragt. »Er ist ein verlässlicher Beobachter«, schrieb Worley, »und er schwört, dass dieses Ereignis seine Vorstellungskraft bei weitem übersteigt.« Earl Morrisson, so hieß der Zeuge, diente im Sommer 1969 als einfacher Soldat im Marinecorps in Vietnam. An einem warmen Sommerabend saß er mit zwei Kameraden auf einem Bunker in der Nähe von Da Nang. »Plötzlich – ich weiß nicht, warum – blickten wir alle drei in den Himmel hinauf und sahen eine Gestalt auf uns zukommen«, erzählte er Mr. Worley. »Sie war von einem Lichtschein umgeben. Zuerst konnten wir nicht sehen, 49
was das war. Es kam auf uns zu, ganz langsam. Auf einmal sahen wir so etwas wie Flügel, wie die von einer Fledermaus, nur dass sie gigantisch groß waren. Als es nah genug war, dass wir es genau sehen konnten, stellten wir fest, dass es wie eine Frau aussah. Eine nackte Frau. Sie war schwarz. Ihre Haut war schwarz, ihr Körper und die Flügel waren schwarz, alles an ihr war schwarz. Aber sie leuchtete. Sie leuchtete in der Nacht, irgendwie mit einem grünlichen Schimmer. Der Schimmer lag auf ihr und umgab sie. Alles leuchtete. Es sah aus, als leuchtete sie und würde Strahlen abgeben. Wir sahen ihre Arme an den Flügeln, sie sahen aus wie ganz normale Arme, mit Hand, Fingern und allem, nur dass sie von der Haut der Flügel überzogen waren. Als sie mit den Flügeln schlug, war zunächst kein Geräusch zu hören. Es sah aus, als wären keine Knochen in ihren Armen, sie waren biegsam wie bei einer Fledermaus. Sie schwebte über uns, aber wir konnten immer noch nichts hören. Wir saßen regungslos da und sahen zu, was geschah, ohne unseren Augen wirklich zu trauen. Sie schwebte also über uns, ohne ein Geräusch zu machen. Einmal verdeckte sie den Mond – so nah war sie uns … Dann entfernte sie sich etwa drei Meter von uns, da hörten wir die Flügel schlagen. Es klang wie ganz normales Flügelschlagen. Sie flog davon, und wir sahen ihr noch eine ganze Weile nach. Nachdem wir sie entdeckt hatten, vergingen bis zu dem Moment, wo wir sie aus den Augen verloren, etwa drei oder vier Minuten.«* Vietnam erlebte 1968/69 eine große UFO-Welle mit einer ganzen Flut von geisterhaften Helikoptern. Mehrmals feuerten die Militärs beider Seiten auf die Objekte, ohne jemals eine Wirkung zu erzielen. *
FSR Case Histones, No. 10, Juni 1972. 50
Morrisons Bericht gehört zu den besten Beschreibungen eines Flügelwesens.
III Am Abend des 16. November 1963 erschien im englischen Kent über den Bäumen des Sandling Park ein leuchtender »Stern«. Es war die Geburtsstunde eines der großen Klassiker der Ufologie. Vier Teenager, die in der Nähe des Parks auf einer Landstraße auf dem Heimweg von einer Party waren, fielen die Bewegungen des »Himmelskörpers« auf. Er stürzte vom Himmel direkt in ihre Richtung, um schließlich hinter einem in der Nähe stehenden Baum zu landen. John Flaxton, 17, berichtete, dass ihm plötzlich furchtbar kalt war und die ganze Gruppe von übermächtiger Angst erfasst wurde. Sie rannten los. Das Licht, das sich inzwischen zu einem goldenen, ovalen Objekt materialisiert hatte, tauchte wieder auf und folgte ihnen in einer Entfernung von rund sechzig Metern. Wenn sie stehen blieben, hielt das Licht ebenfalls an. Dann verschwand es hinter den Bäumen. Die vier Jugendlichen liefen langsamer, um Atem zu schöpfen. Plötzlich trat eine große, dunkle Gestalt aus dem Wald und watschelte auf sie zu. Sie war vollkommen schwarz und hatte einen auffälligen Kopf. Mervyn Hutchinson, 18, beschrieb das Wesen als Fledermaus in Menschengröße, mit großen Fledermausflügeln auf dem Rücken. Die vier rannten davon, so schnell ihre Beine sie trugen. In den folgenden Tagen wurden noch mehr seltsame Lichter in Sandling Woods gesehen. Ermittler fanden drei riesige Fußabdrücke, die zwei bis drei Zentimeter 51
tief, sechzig Zentimeter lang und über 22 Zentimeter breit waren. Drei Wochen später besuchte eine Gruppe von Leuten, darunter zwei Zeitungsreporter, den Schauplatz und fand den ganzen Wald von einem seltsam pulsierenden Licht erhellt. Weil sie sich nicht näher herantrauten, beobachteten sie das Ganze eine halbe Stunde lang aus einiger Entfernung.* Diese großen Garudas und Flügelwesen stehen in engem Zusammenhang mit Lichtphänomenen. Sie tauchen gern dort auf, wo sich auch UFOs zeigen, und bleiben auch wie diese Tage oder gar Wochen am selben Ort. Der große Lichtvogel in der Region um Illinois und St. Louis 1948 besuchte eine Gegend im Mississippi Valley, die anschließend häufiger von UFOs und haarigen Monstern heimgesucht wurde. In vielen Fällen konnten die Zeugen klar und deutlich sehen, wie sich die Objekte materialisierten und dematerialisierten. Zuerst sieht man ein Leuchten, gewöhnlich einen rötlichen Schimmer, der das Überwechseln des Objekts vom unsichtbaren Band des Spektrums in den Infrarotbereich und schließlich in den sichtbaren Bereich markiert. Wenn das Objekt vom sichtbaren Bereich in die höheren Frequenzen wechselt, ist es zyanblau (bläulichgrün), bevor es blau wird (was nachts schlecht zu sehen ist) und am Ende in ultraviolett übergeht. Die Kälte, die John Flaxton und seine Freunde empfanden, war wahrscheinlich von Mikrowellen oberhalb des Infrarotbereiches verursacht (der Hitze hervorruft), ebenso wie die Kälte, die von Geistern ausgeht, ein Strahlungseffekt ist. Dass bei diesen Vogel- und Batman-Fällen nichts von überwältigendem Geruch berichtet wird, etwa von schwerem, süßlichem wie von Veilchen oder Rosen oder *
Charles Brown, Hrsg.: The Humanoids, London, Neville Spearman, 1969. 52
betäubendem wie von Schwefelwasserstoff, überrascht mich allerdings. Das könnte darauf hindeuten, dass es gewisse feine Unterschiede in der Grundstruktur dieser Wesen gibt, etwa bei den Energiekomponenten oder in der Molekularstruktur. Und die Menschen sahen weiterhin fliegende Freaks. Am 21. Mai 1973 berichtete eine Gruppe von Männern, in der Nähe von Kristianstad in Schweden einen unglaublich großen schwarzen Vogel gesehen zu haben, der rund dreißig Meter über ihnen schwebte. Ein Zeuge hatte eine Kamera mit einem Teleobjektiv dabei, doch als er versuchte, ein Bild zu machen, klemmte der Filmtransport. Streikende Kameras sind bemerkenswert häufig bei verhinderten UFO-Fotografen, ebenso wie bei den Jägern des Ungeheuers von Loch Ness. Es scheint fast, als würde irgendeine rätselhafte Macht die Apparate verhexen, wenn Monster und UFOs in der Nähe sind.
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Dann lieber Zug fahren I »Von Bad Axe bis Bethesda tönt die frohe Kunde«, formulierte ein anonymer Leserbriefeschreiber am 9. April 1966 in The New Yorker. »Fliegende Untertassen! … Mit größtem Vergnügen lesen wir die offiziellen Erklärungen und wundern uns über ihre unfassbare Inkompetenz. Sumpfgas, soso! … Unsere Theorie ist, dass fliegende Untertassen nicht von dieser Welt sind. Die Wesen, die sie steuern, versuchen auf die freundlichste Art und Weise, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen …« Dr. Isaac Asimow, Doyen der Science-Fiction-Literatur, bemerkte: »Mir wurde allerdings gesagt, dass so viele Menschen Objekte beobachtet haben, die aussahen wie Raumschiffe, dass etwas dran sein muss …. Vielleicht ist tatsächlich was dran, man sollte aber bedenken, dass in der Geschichte immer wieder Menschen in aller Welt Geister, Phantome und Engel gesehen haben. Nicht das, was man sieht, ist verdächtig, sondern wie man es interpretiert.« Bei einem wissenschaftlichen Kongress 1966 in Baltimore sagte Dr. Edward C. Walsh, Leiter des National Aeronautics and Space Council: »Piloten berichten so oft von ihnen, dass ich inzwischen lieber den Zug nehme.« Wo immer Sie im Jahre 1966 waren, Sie haben bestimmt von der Ankunft der fliegenden Untertassen gehört. Die Medien bauschten die Geschichte unglaublich auf. Die Kioske waren voll von aus dem Boden gestampften UFO-Magazinen und Taschenbuchschnellschüssen, in 54
denen man entsprechende Berichte aus den zurückliegenden Jahren nachlesen konnte. Überall versammelten sich Trauben von Menschen auf Anhöhen, in Sümpfen und auf Friedhöfen oder harrten bei Kiesgruben und Baggerseen aus, die Augen zum Himmel gerichtet. Das Untertassenjagen wurde zum amerikanischen Nationalsport. Schlachtruf: »Da ist eine!« In jenem Jahr stand auch ich auf Anhöhen und an Stranden und beobachtete zusammen mit all den anderen Menschen seltsame Lichter in der Nacht. Doch irgendwie erfasste mich ein Unbehagen, der düstere Verdacht, dass Asimows ironische Bemerkung vielleicht mehr Wahrheit enthielt, als er selbst gedacht hätte. Das Jahr des Garuda stand unmittelbar bevor. Eine dunkle Macht näherte sich einer kleinen Stadt, von der ich bislang noch nie etwas gehört hatte: Point Pleasant, Westvirginia. Binnen weniger Monate würde ich dort wie ein schwarz gewandeter Exorzist auftauchen, meine ramponierte Aktentasche in der Hand, das Goldkreuz der Wissenschaft vor mir schwenkend. Mein Leben würde sich mit den Menschen des Ohio Valley verknüpfen. Im März 1966 wartete nahe der Schule von Point Pleasant eine Hausfrau – ich will sie Mrs. Kelly nennen, weil sie anonym bleiben möchte – in ihrem Auto auf ihr Kind, als sie eine unglaubliche Erscheinung sah, die tief am Himmel vor ihr stand. Es sah aus wie eine glitzernde Metallscheibe und schwebte direkt über dem Schulhof. Eine Art Tür am Rand war offen. Ein Mann stand davor. Nicht in der Tür, sondern davor, mitten in der Luft! Er trug einen engen silbrigen Anzug und hatte sehr langes silbernes Haar. Aufmerksam blickte er auf den Schulhof hinunter. Sie beobachtete ihn eine Weile, bis ihr Kind auf das Auto zugerannt kam. Als sie wieder hinsah, waren Mann und Objekt verschwunden. Sie beschloss, 55
niemandem etwas von dieser merkwürdigen Vision zu erzählen, der sie eine religiöse Bedeutung zuschrieb. Im Sommer desselben Jahres fuhr Mary Hyre am Ohio entlang, als plötzlich ein Aufblitzen am Himmel ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte. »Zuerst dachte ich, es wäre ein Flugzeug«, erinnerte sie sich. »Dann sah ich genauer hin. Es war kreisrund. Ich konnte nicht sehen, was es war, aber ich habe damals auch nicht weiter darüber nachgedacht.« Ein weiteres rundes Objekt kam in diesem Sommer über Tiny’s Restaurant kurz vor Point Pleasant vorbei, wo es von zahlreichen Gästen, darunter der Frau eines Polizisten, gesehen wurde. Das Restaurant lag an der Ecke der Straße, in der die McDaniels wohnen. Und auf die sollten sich später viele absonderliche Erscheinungen konzentrieren. Niemand machte sich die Mühe, Justiz oder Presse von den UFO-Beobachtungen in Kenntnis zu setzen, obwohl es in diesem Sommer einige davon gab. Im fernen Salt Lake City waren die Menschen weniger zimperlich. Als am 18. Juli 1966 ein Vogel, »groß wie eine Piper Cup«, über der Mormonengemeinde kreiste, brachten sich einige Leute in Sicherheit, während andere sofort zum Telefon eilten. Am 1. September um kurz nach zwei Uhr griff Mrs. James Ikart aus Scott, Mississippi, zum Telefon, um bei der Delta Democrat Times, der Zeitung von Greenville, anzurufen. Sie und ihre Nachbarn beobachteten ein fliegendes Objekt in Menschengestalt. »Es kam ziemlich tief herunter und stieg dann wieder auf«, erzählte sie. »Ich habe so etwas noch nie gesehen.« John Hursh, ein ansässiger Meteorologe, packte die Standarderläuterung Nr. 425 aus: »Offensichtlich ist jemandem der Versuchsballon davongeflogen.« 56
Was auch immer es war, es trieb sich fast den ganzen Nachmittag in Scott herum.
II Vor dreitausend Jahren untersuchte eine Gruppe brillanter Menschen das Rätsel unbekannter Flugobjekte und löste es. Seither haben sich viele andere aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln mit dem Mysterium beschäftigt und es immer wieder aufs Neue entschlüsselt. Leider wurden ihre verblüffenden Erkenntnisse durch intellektuelle Folgerungen und die umständliche Terminologie von Philosophie und Theologie verschleiert. Die wenigsten modernen UFO-Fans haben die nötige Bildung, um diese Art Literatur zu verstehen. Stattdessen nähern sie sich dem Phänomen von einer materialistischen Warte aus und glauben fest daran, dass die Präsenz von Objekten und Dingen in unserer Atmosphäre Zeichen für eine außerirdische Zivilisation sein muss. Xenophanes, einer der ersten großen Philosophen (6. Jahrhundert v. Chr.), fiel auf, dass die Äthiopier ihre Götter als ebenso schwarz und stupsnasig darstellten wie sich selbst. Heute glauben die meisten von uns nicht mehr an eine so konkrete Erscheinungsform unseres Gottes, also haben wir eine neue Mythologie geschaffen, die auf dem Glauben an Außerirdische fußt. Wir stellen sie uns nun nach unserem Abbild vor. Wenn unsere Urahnen riesige, schlurfende Zweifüßer sahen, die fellbedeckt waren und deren Augen wie heiße Kohlen glühten, meinten sie, Dämonen gegenüberzustehen. Frühe Forscher kamen zu dem Schluss, dass diese Dämonen nicht wirklich existierten, obwohl sie häufig 57
Fußabdrücke hinterließen und materiellen Schaden anrichteten. Sie prägten das Wort khimaira (Schimäre), um sie zu beschreiben. Andere beobachteten, dass die schaurigen Lichter am Himmel ihre Farbe innerhalb des sichtbaren Spektrums wechselten, und so entstand das englische Wort für Gespenst: spectre. Nach wie vor werden mehrmals im Jahr überall in den USA und überall auf der Welt große, haarige Kreaturen mit roten Augen gesehen. Wie bei vielen Formen von Schimären sind sie meist vom Gestank von faulen Eiern begleitet, Schwefelwasserstoff, »Feuer und Schwefel« der Antike. Derselbe Gestank umgibt oft die berühmten fliegenden Untertassen und ihre Piloten in Raumanzügen. Einen Außerirdischen aus einer fliegenden Untertasse steigen zu sehen ist nicht bemerkenswerter, als einen Engel aus einer erleuchteten Wolke herabsteigen zu sehen (von Engelerscheinungen wird immer noch jedes Jahr mehrere hundertmal berichtet). Der Bericht von einem zwei Meter achtzig großen Humanoiden, der am 19. August 1973 über die Hauptstraße von Buffalo Mills schlenderte, ist ebenso wenig sonderbar wie der über den Dinosaurier, der hin und wieder auftaucht, um Passanten zu erschrecken und Polizisten in Erstaunen zu versetzen. 1969 wurde in Texas einer gesehen. 1970 durchkämmte die Polizei in Italien eine ganze Bergkette, nachdem mehrere Zeugen behauptet hatten, einen Saurier gesehen zu haben. Zum großen Bedauern der echten Gläubigen waren die meisten Augenzeugen von Schimärenerscheinungen allein, als sich das Ereignis zutrug. Während sich Hobbyermittler meist auf die sehr subjektiven Schilderungen der Beobachter konzentrieren, grabe ich tiefer und nehme mir die Zeugen selbst vor. Viele, so stellte ich fest, wiesen gewisse Krankheitssymptome auf, wie temporäre 58
Amnesie, schwere Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe, extremen Durst und Ähnliches. Es sind Symptome, wie sie in der Geschichte bei religiösen Wundern (religiösen Erscheinungen), in der Dämonologie, bei okkulten Phänomenen und Kontakt mit Feen immer wieder auftraten. All diese Erscheinungen haben eine gemeinsame Quelle oder Ursache. Schimären können alle Größen und Formen annehmen, von sechs Meter großen Giganten bis hin zu wandernden Blechdosen, die nur ein paar Zentimeter hoch sind. Eine der faszinierendsten Erscheinungen wurde bis jetzt in fast jedem Land der Erde beobachtet. Zu anderen Zeiten wurde sie als Inkarnation des Teufels betrachtet. Das Wesen war schwarz gekleidet und ritt auf einem Rappen. Später erschien es in schwarzen Pferdekutschen, ja sogar in Leichenwagen. Heute kommt es auf abgelegenen Feldern aus fliegenden Untertassen gestiegen. Es ist gebaut wie wir, zwischen ein Meter siebzig und ein Meter achtzig groß und sieht insgesamt sehr menschlich aus. Wenn überhaupt etwas ungewöhnlich an ihm ist, so sind es seine hohen Wangenknochen, die extrem langen Finger und seine orientalischen Gesichtszüge. Die Haut ist olivfarben oder rötlich. Es spricht alle Sprachen, manchmal mechanisch, als würde es eine gespeicherte Information abrufen, manchmal aber auch fließend. Es hat Schwierigkeiten beim Atmen und muss zwischen den Worten oft nach Luft schnappen oder keuchen. Wie unsere Dinosaurier und haarigen Zweifüßer hinterlässt es häufig Fußspuren, die plötzlich enden, als ob es sich in Luft aufgelöst hätte. Ich habe diese Viecher 25 Jahre lang gejagt und bin von Tibet, dem Land des schrecklichen Schneemenschen, bis nach Westvirginia, der Heimat des seltsamen »Vogels«, gereist. Im Verlauf all dieser Abenteuer und Aktivitäten 59
bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die gängige Hypothese über die Außerirdischen nichts taugt. Meine langen und kostspieligen Exkursionen in die Grenzregionen, wo Wirklichkeit und Irreales verschwimmen, haben keinerlei Beweise dafür ergeben, dass wir schüchternen Fremden aus anderen Galaxien als Pausenclowns dienen. Stattdessen ist mir klar geworden, dass wir es hier mit komplexen Kräften zu tun haben, die von jeher ein essenzieller Bestandteil unserer unmittelbaren Umgebung waren. Statt in Begriffen wie »außerirdisch« zu denken, bevorzuge ich die Vorstellung von »ultraterrestrisch«. Damit meine ich Wesen und Kräfte, die mit uns koexistieren, aber aus einem anderen Zeitstrang stammen. Sie operieren außerhalb unseres RaumZeit-Kontinuums, haben aber die Fähigkeit, in unsere Realität überzuwechseln. Diese andere Welt ist kein anderer Ort wie Mars oder Andromeda, sondern ein anderer Energiezustand. Das UFO-Phänomen selbst ist nur ein triviales Fragment eines viel größeren Phänomens, das gewissermaßen aus zwei Teilen besteht. Der erste und wichtigste sind die mysteriösen Luftlichter, die offenbar eine eigenständige Intelligenz zu sein scheinen. Häufig senden sie suchlichtartige Strahlen zum Boden. Viele Menschen, die von diesen Strahlen getroffen werden, machen bemerkenswerte Veränderungen ihrer Persönlichkeit durch. Ihr Intelligenzquotient steigt plötzlich rapide, sie wechseln den Job, lassen sich von ihrer Frau scheiden, und in einer ganzen Reihe von gut dokumentierten Fällen lassen sie ihr mittelmäßiges Leben hinter sich und werden herausragende Staatsmänner, Wissenschaftler, Dichter und Schriftsteller oder auch Soldaten. Aus religiöser Sicht verursacht ein solcher Strahl eine »mystische Erleuchtung«. Als Saulus, der jüdische Tuchmacher, auf der 60
Straße nach Damaskus von einem Strahl getroffen wurde, war er drei Tage geblendet, trat anschließend sofort zum Christentum über und verwandelte sich in den heiligen Paulus. Der zweite Teil des Phänomens besteht in der Verschleierung des ersten, also der »wandernden nächtlichen Lichter«, wie die Air Force sie bezeichnet. Wenn diese Lichter seit Jahrhunderten regelmäßig auftauchen würden, ohne dass es eine erhellende Erscheinung gäbe, würden sie viel mehr Angst und Sorge verursachen. Doch es gab tatsächlich immer erhellende Erscheinungen, die jeweils aus der Psychologie und dem Glauben der jeweiligen Zeit erklärt wurden. Fliegende Untertassen respektive außerirdische Besucher sind nicht real in dem Sinne, wie eine Boeing 747 real ist. Sie sind wundersame Verwandlungen von Energie, die unter der Kontrolle einer unbekannten, extradimensionalen Intelligenz stattfinden. Diese Intelligenz kontrolliert wichtige Ereignisse, indem bestimmte Menschen per »mystischer Erleuchtung« manipuliert werden. Unsere Religionen basieren auf unserem uralten Wissen um diese Intelligenz und unseren Versuchen, sie auf Begriffe zu reduzieren, die für Menschen verständlich sind. Die alten Äthiopier sahen ihre Götter, wie erwähnt, als schwarze, stupsnasige Wesen an. Griechen und Römer bevölkerten ihre Berggipfel mit langhaarigen, gut aussehenden Göttern und Göttinnen. Die Indianer Südamerikas beteten ebenso wie die alten Ägypter bärtige Götter an, die in erleuchteten Scheiben über den Nachthimmel flogen. Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert änderten sich jedoch die religiösen Gepflogenheiten. Die Lichter gab es noch immer, aber man brauchte ein neues Bezugssystem, um sie zu erklären. Irgendwo gibt es jemanden, der nicht will, dass wir die 61
wahre Natur dieses Phänomens und seines Zwecks herausfinden. Jahrelang glaubten UFO-Fans, dass die U. S. Air Force der Missetäter ist und dass Beamte der US-Regierung die Telefone von Teenagern und kleinen alten Damen anzapfen, deren Post lesen und ihnen in schwarzen Cadillacs hinterherfahren. Ich wünschte, die Lösung wäre so einfach. Wir werden von diesem Phänomen nicht erst seit 1947 umgetrieben, sondern schon immer! Es ist die Basis all unserer religiösen und okkulten Anschauungen, unserer Philosophien und Kulturen. Die alten Chinesen markierten die Route der Lichter am Himmel (der so genannten »LITS«, lights in the sky) und nannten sie »Drachenspuren«, weil offenbar Furcht erregende Drachen zusammen mit diesen rätselhaften Lichtern auftauchten. In späteren Zeiten wurden sie als Feenlichter erklärt und so mit jenem Volk in Verbindung gebracht, das nicht nur in Europa ganze Generationen von Menschen plagte, sondern auch in Amerika, denn die Indianer erzählten Feengeschichten schon lange, bevor die Europäer an Land gingen. Während der Zeit der Hexenhysterie glaubten die Menschen wirklich, Hexen durch die Luft fliegen zu sehen, mit Laternen an der Spitze ihres Besens. Die Vampirlegenden Osteuropas gleichen der modernen Ufologie sehr. Bis ins 19. Jahrhundert existierte der Teufel für viele Menschen als tatsächliche, physische Gestalt. Wenn Sie im Jahre 1475 ein seltsames Licht am Himmel gesehen hätten, dann hätten Sie gewusst, dass es eine Hexe auf einem Besen sein muss, weil Sie von anderen Menschen gehört haben, die ebenfalls Hexen auf Besen über Baumwipfel haben streifen sehen. 1975 hätten Sie es wahrscheinlich für ein Raumschiff von einem anderen Planeten gehalten. Zu diesem Ergebnis sind Sie natürlich 62
nicht von allein gekommen. Es ist das Ergebnis jahrelanger Propaganda und Gehirnwäsche. Wenn Sie unter dreißig sind, sind Sie mit einer Kost aus Comics, Kino und Fernsehen aufgewachsen, die Sie darauf konditioniert haben, an die Hypothese von den Außerirdischen zu glauben. Ein kleiner Haufen Spinner hat Ihnen per Radio und TV jahrelang eingeredet, dass die Wahrheit über fliegende Untertassen vor der Öffentlichkeit verborgen wird. Die Wahrheit sei, dass UFOs Produkte einer übergeordneten Intelligenz mit überlegener Technologie sind und dass die fliegenden Untertassen kämen, um uns vor uns selbst zu retten. Die Götter der alten Griechen sind wieder unter uns, in neuer Verkleidung, aber immer noch mit der alten Ideologie. Glaube. Der Glaube ist der wahre Feind. Die Menschen des Mittelalters glaubten ebenso an die Existenz des kleinen Feenvolkes und seiner unterirdischen Paläste wie Sie vielleicht an eine außerirdische Zivilisation mit schillernden Städten aus Glas auf irgendeinem entfernten Planeten. In hundert Jahren treibt das Phänomen womöglich wieder ein neues Spiel mit uns. Dann ist der ganze interplanetarische Kram vielleicht längst vergessen. Doch diese Lichter – und die schauerliche Prozession von komischen Viechern und drei Meter großen Humanoiden – wird immer noch da sein. Menschen, die allein auf abgelegenen Straßen unterwegs sind, werden weiterhin von Energiestrahlen aus dem Himmel getroffen, ihre Familie sitzen lassen, ihren Job aufgeben und entweder prominent werden, dem Wahnsinn verfallen oder Bankrott gehen.
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III »Als wir auf New Cumberland zufuhren, sahen wir ein Licht, das über einem Hang schwebte«, sagte John Vujnovic, Anwalt aus Weirton, Westvirginia, über sein Erlebnis am Abend des 7. Oktober 1966. »Das Licht begann sich auf das Auto zuzubewegen. Ich glaube, mein Sohn hatte ziemliche Angst, deshalb fuhr ich langsamer, um den Abstand zu dem Objekt zu halten. Das Objekt war von einem Lichtkreis umgeben. Es war kein Laut zu hören. Ich hielt an, um das Ding besser sehen zu können. Dann kam es den Highway entlang auf uns zu. Ich schätze, es war etwa hundertzwanzig Meter über uns in der Luft.« Mr. Vujnovic war auf der Route 66 unterwegs von Chester nach Weirton an der äußersten Nordspitze des Bundesstaates. Seine Beobachtung ist die erste bedeutende in Westvirginia in jenem Oktober, in dem sich überall an der Ostküste noch weitere sensationelle Ereignisse zutragen sollten. »Einmal sah es so aus, als wären Fenster in dem Schiff. Als es an uns vorbeiglitt, sahen wir ein Licht, das sich drehte. Der äußere Schein des Lichtes flackerte, während das Objekt in der Luft stand.« Es verschwand schließlich, als Mr. Vujnovic seinen Weg fortsetzte. In den folgenden Wochen wurden überall im Staat Lichter und Furcht erregend große Objekte gesichtet. In Sisterville, einer Stadt, die in den »Luftschiff«Berichten von 1897 erwähnt wird, organisierten UFOFans ein Warnsystem und riefen sich gegenseitig an, um kurz durchzugeben: »UFO – nordöstlich« oder Ähnliches. Die Lokalzeitung brachte nicht mal einen Artikel darüber. Jeden Abend gegen acht Uhr überquerte eines dieser 64
blendenden Lichter majestätisch den Ohio und überflog Point Pleasant von Norden nach Süden. Wer es überhaupt zur Kenntnis nahm, hielt es für ein Flugzeug. Mrs. Kelly, die Dame, die sieben Monate zuvor den langhaarigen Mann am Himmel hatte stehen sehen, lebte in einem Haus am Ufer eines Kanals. Sie und ihre Kinder sahen nachts gleißende Lichtkugeln, die am Grund dieses Kanals entlangschwebten. Ihr Telefon spielte verrückt, klingelte, obwohl niemand am anderen Ende war, oder gab Töne von sich, die an Morsezeichen erinnerten. Anfang November kam ein älterer Mann in Mary Hyres Redaktion. »Ich muss mit jemandem reden«, begann er nervös. Seine Geschichte erschien Mary vollkommen unwahrscheinlich, weil sie damals noch rein gar nichts von UFOs wusste. Doch sie kannte den Mann und war beeindruckt von seiner Aufrichtigkeit. Am 2. November 1966, so sein Bericht, fuhr er zusammen mit einem anderen Arbeiter auf der Interstate 77 von der Arbeit in Marietta, Ohio, heim nach Point Pleasant. Als sie auf Parkersburg in Westvirginia zufuhren, erschien ein längliches Objekt tief am Himmel und ging direkt vor ihnen nieder. Sie hielten an. Ein Mann entstieg dem Objekt und ging auf sie zu. Er sah wie ein ganz normaler Mensch aus und grinste breit. Bekleidet mit einem schwarzen Mantel, hielt er die Arme verschränkt, sodass seine Hände nicht zu sehen waren. Der Zeuge kurbelte sein Fenster herunter, und es folgte ein kurzes Gespräch. Der Fremde fragte die beiden, wer sie seien, woher sie kämen, wohin sie führen und wie spät es sei. Anschließend ging er zu seinem schwarzen Zylinder zurück, der sich schnell in den kalten Nieselregen erhob. Die beiden Männer reagierten ziemlich aufgewühlt auf diese unerklärliche Begegnung. Sie überlegten, ob sie irgendjemandem davon erzählen sollten, und entschieden 65
sich dann dagegen. Doch der Mann aus Point Pleasant litt in der Folge an hartnäckiger Schlaflosigkeit. Fiel er schließlich doch irgendwann in Schlaf, bekam er schreckliche Albträume. Irgendwann griff er zur Flasche; etwas für ihn vollkommen Ungewöhnliches. Mary Hyre hörte sich seine Geschichte verblüfft an und machte sich ein paar Notizen. Am nächsten Tag rief der Sohn des Mannes sie an und bat sie, die Geschichte nicht zu veröffentlichen. Mehrere Wochen später erzählte sie mir von der Sache, und wir riefen den Mann von ihrem Büro aus an. Er bestätigte die Details, sagte dann aber: »Bitte, nennen Sie meinen Namen nicht. Ich möchte mit der Sache nichts zu tun haben. Dieser Wissenschaftler hat mir gesagt …« »Welcher Wissenschaftler?«, fragte ich. »Ein paar Wochen, nachdem die Sache passiert ist, kam ein Wissenschaftler aus Ohio zu uns. Er meinte, es wäre besser, wenn wir das alles vergessen.« »Wie hat er davon erfahren? Wie hat er Sie gefunden?« »Keine Ahnung.« »Hat er sich vorgestellt?« »Klar … aber ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Jedenfalls schien er zu wissen, wovon er spricht.« Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen. Ich hätte die ganze Angelegenheit vergessen, hätte sie nicht noch einmal Wellen geschlagen. Das Gleiche war nämlich auf derselben Straße in derselben Nacht einem anderen Mann aus Westvirginia passiert. Anders als die beiden Männer aus Point Pleasant war er mit seiner Geschichte zur Polizei gegangen. Eine Pressekonferenz wurde einberufen, und so geriet er ins Niemandsland der Ufologen.
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Die Kälte, die der Regen brachte I Woodrow Derenberger ist ein großer, bärenstarker Kerl mit kurz geschnittenem strohblondem Haar, blaugrauen Augen, die gern zwinkern, und einem offenen und ehrlichen Gesicht. 1966 war er Anfang fünfzig, sah aber erheblich jünger aus. Sein Leben war bis dahin normal, ja sogar ziemlich langweilig verlaufen. Es war eine lange Abfolge von bescheidenen Jobs gewesen, schlechten Zeiten, ständigen Umzügen von einem gemieteten Haus ins nächste, ohne besonderes Ziel. Nur Überleben. Seine hübsche junge Frau und die zwei Kinder ernähren. Schließlich arbeitete er als Vertreter für eine Gerätefirma und lebte in einem einfachen zweistöckigen Farmhaus in Mineral Wells, Westvirginia. Es war eine der besseren Phasen in seinem Leben. Am 2. November 1966 um sieben Uhr abends fuhr er in seinem Transporter nach einem langen, harten Tag auf der Straße nach Hause. Das Wetter war trübe, eiskalt und regnerisch. Er war vor Parkersburg auf der Interstate 77 unterwegs, als es auf seiner Ladefläche plötzlich heftig schepperte. Er schaltete sofort die Innenbeleuchtung ein und sah sich um. Eine Nähmaschine war auf eine Stereoanlage gefallen, aber es schien kein größerer Schaden entstanden zu sein. Hinter ihm tauchte ein Wagen auf, der ihn überholte. Ein weiterer Wagen schien ihm zu folgen. Derenberger nahm den Fuß vom Gas. Er war etwas zu schnell gefahren und fürchtete, es könnte die Polizei sein. Das Auto, ein schwarzer Fleck im Dunkeln, fuhr neben ihn, schnitt ihn dann und wurde langsamer. 67
Woody Derenberger glotzte verblüfft auf das »Auto«. Es war kein PKW, sondern ein Ding wie »eine altmodische Kerosinlampe, an beiden Enden trichterförmig weiter werdend, in der Mitte mit einer großen Kugel.« Es war kohlengrau. Er trat auf die Bremsen, als das Objekt vor ihm die Straße blockierte, und kam zwei bis drei Meter hinter ihm zum Stehen. Eine Tür öffnete sich an der Seite des Vehikels, und ein Mann stieg aus. »Ich habe nichts gehört«, sagte Woody später. »Ich hatte nur so ein Gefühl … als ob ich wüsste, was der Mann denkt. Er wollte, dass ich mein Fenster herunterkurbele.« Der Fremde war rund einen Meter fünfzig groß und hatte langes, dunkles Haar, das streng zurückgekämmt war. Seine Haut war dunkel. Mit breitem Grinsen, die Arme verschränkt und die Hände unter die Achseln geschoben, kam er auf den Transporter zu. Er trug einen dunklen Mantel. Woody konnte sehen, dass er darunter etwas hatte, das aus glitzerndem grünem, fast metallisch wirkendem Material war. Hab keine Angst. Der grinsende Mann sprach nicht laut. Woody konnte die Worte spüren. Wir wollen euch nichts Böses tun. Ich komme aus einem Land, das viel schwächer ist als eures. Er fragte Woody nach seinem Namen, und Woody antwortete. Mein Name ist Cold. Ich schlafe, atme und blute wie ihr. Mr. Cold nickte in Richtung des beleuchteten Parkersburg in der Ferne und fragte, was das für eine Art Ort sei. Woody versuchte zu erklären, dass dort Menschen zusammenlebten und ihren Geschäften nachgingen, eine Stadt eben. In seiner Welt, so erklärte Cold, hießen solche Orte »Ansammlungen «. Während dieser telepathischen Konversation stieg das lampenartige Gefährt in die Luft auf und schwebte zehn 68
bis fünfzehn Meter über dem Boden. Weitere Wagen kamen die Straße entlang und fuhren an ihnen vorbei. Cold trug Woody auf, den Behörden von dieser Begegnung zu berichten, und versprach, später wiederzukommen, um die Sache zu bestätigen. Nach ein paar Minuten Austausch von Gemeinplätzen kündigte Cold an, dass er Woody bald wieder treffen würde. Das Objekt landete, die Tür öffnete sich und Cold stieg ein. Dann stieg es wieder auf und verschwand lautlos in der Nacht. Als Woody nach Hause kam, war er in einem extrem aufgewühlten Zustand. Seine Frau drängte ihn, die Polizei anzurufen. Sie schien die Geschichte zu glauben und fragte nur, ob sie einen Arzt holen solle. Am nächsten Tag wurde er von der örtlichen Polizei, aber auch von der Staatspolizei ausgiebig verhört. Die Geschichte erschien in der Lokalpresse sowie in Funk und Fernsehen. Leute, die am Vorabend die gleiche Strecke gefahren waren, bestätigten, dass sie gesehen hätten, wie ein Mann mit dem Fahrer eines Transporters gesprochen habe. Mrs. Frank Huggins und ihre beiden Kinder wollen sogar angehalten und gesehen haben, dass das Objekt tief über dem Highway schwebte, Minuten nachdem Woody es hatte wegfliegen sehen. Ein junger Mann sagte, das Objekt habe ihm fürchterliche Angst eingejagt, als es über seinem Wagen schwebte und ihn mit gleißendem Licht blendete. Woodrow Derenberger wurde berühmt. Massen von Menschen kamen jeden Abend zu seiner Farm, in der Hoffnung, ein Raumschiff zu sehen. Tag und Nacht klingelte sein Telefon. Er legte sich eine Geheimnummer zu, doch schon bald begannen die Anrufe erneut. Ein Spinner rief an und drohte ihm, falls er nicht »das Maul halte«. Manchmal war nichts zu hören außer schaurigen atmosphärischen Geräuschen und codeartigem Piepsen. 69
Mr. Cold hielt sein Versprechen. Er kehrte zurück.
II Die Indianer müssen irgendetwas über Westvirginia gewusst haben. Sie mieden es. Bevor die Europäer mit Glasperlen, Feuerwasser und Schießpulver kamen, hatten sich die indianischen Nationen über den ganzen nordamerikanischen Kontinent verbreitet. Anhand der Sprachen haben Anthropologen Karten der indianischen Besiedelung des Amerika vor Columbus erstellt.* Die Shawnee und Cherokee siedelten im Süden und Südwesten. Die Monacan im Osten und die Erie und Conestoga beanspruchten den Norden Westvirginias. Selbst die unwirtliche Wüste im äußersten Westen der USA teilten sie unter sich auf. Es gibt nur einen Fleck, der mit »unbewohnt« bezeichnet ist: Westvirginia. Warum? Westvirginia ist fruchtbar, dicht bewaldet, voller Wild. Warum haben es die Indianer gemieden? War es seinerzeit voll mit haarigen Monstern und Furcht einflößenden Erscheinungen? Jenseits des Ohio errichteten fleißige Indianer – oder wer auch immer – die großen Mounds und hinterließen uns ein reiches Erbe an indianischer Kultur und Tradition. Das Fehlen jeglicher indianischer Geschichte in Westvirginia ist für die Forschung irritierend. Es schafft so etwas wie ein störendes Vakuum. In diesem Staat gibt es merkwürdige alte Ruinen, runde Steinmonumente, die beweisen, dass die Region einst besiedelt war. Da die *
American Indian Linguistic Famtlies and Trtbes (dt. etwa: »Sprachfamilien und Stämme der amerikanischen Indianer«), Karte, hrsg. Von C. S. Hammond & Co., New York, o.J. 70
Indianer solche Monumente nicht bauten und da wir sonst keine Kenntnisse darüber haben, stehen wir vor einem Rätsel. Häuptling Cornstalk und seine Shawnee fochten hier in den Sechzigerjahren des 18. Jahrhunderts eine Schlacht. Es heißt, Cornstalk soll die Gegend mit einem Fluch belegt haben, bevor er fiel. Aber was passierte davor? Hat jemand anders hier gelebt? In New Views of the Origins of the Tribes and Nations of America (1798, dt. etwa: »Neue Betrachtungen über die Herkunft der Stämme und Nationen Amerikas«) schreibt Benjamin Smith Barton von einer Überlieferung der Cherokee. Als sie nach Tennessee übersiedelten, fanden sie die Region bewohnt vor. Es war eine merkwürdige weiße Rasse, die in Häusern lebte und offenbar zivilisiert war. Diese Leute hatten ein Problem: Ihre Augen waren sehr groß und lichtempfindlich. Sie konnten nur in der Nacht sehen. Die ungestümen Indianer verjagten die »Mondäugigen«. Gingen sie nach Westvirginia, um ihren Peinigern zu entkommen? Es kreisen immer noch Gerüchte um eine sonderbare Gruppe von Albinos in den abgelegenen Berggegenden von Kentucky und Tennessee. Doch es gibt auch Mythen und Sagen über mysteriöse Wesen, die in den Bergen von New Jersey, sechzig Kilometer von Manhattan entfernt, leben sollen.
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III Am Tag vor Woodrew Derenbergers unerwarteter Begegnung mit Mr. Cold im Regen stand am Ortsrand von Point Pleasant ein Wachtposten vor dem Waffenlager der Nationalgarde. Plötzlich entdeckte er hinter dem hohen Zaun eine Gestalt auf einem Baum kauern. Zunächst hielt er sie für einen Mann in einem braunen Anzug. Sie war in etwa so groß wie ein Mensch, doch nachdem der Soldat sie eine Zeit lang beobachtete hatte, kam er zu dem Schluss, dass es eine Art Vogel sein musste. Der größte Vogel, den er je gesehen hatte. Er ging los, um ein paar Freunde zu holen, doch als sie zurückkamen, war der Vogel weg.
IV Am 4. November fuhr Derenberger mit einem Kollegen auf der Route 7 außerhalb von Parkersburg, als es ihn plötzlich auf der Stirn kribbelte. Gleich darauf waren Gedanken von Mr. Cold in seinem Kopf. Cold erklärte, er komme von einem Planeten namens Lanulos, der in der »Ganymed-Galaxie« liege. Lanulos sei der Erde in Bezug auf Flora, Fauna und Jahreszeiten sehr ähnlich. Er sei verheiratet mit einer Dame namens Kimi und habe zwei Söhne. Die Leute auf Lanulos hätten eine Lebenserwartung von 125 bis 175 Erdjahren. Natürlich gebe es dort weder Krieg, Hunger oder Elend. Als die Übertragung abgeschlossen war, forderte Cold Woody auf, sich innerlich auf die Trennung vorzubereiten, die schmerzvoll sein könne. Woody spürte einen heftigen Stich in der Schläfe und verlor beinahe das 72
Bewusstsein. Zwei Wochen später – Woody wusste davon nichts – waren zwei Bauchladenhändler in Mineral Wells unterwegs, die ganz offensichtlich nichts verkaufen wollten. An einer Tür boten sie Bibeln an, an einer anderen Haushaltswaren. Beim dritten Haus gaben sie sich als Mormonenmissionare aus Salem, Oregon, aus (dort fand derzeit gerade eine UFO-Welle statt). Einer der Männer war groß, blond und sah aus wie ein Skandinavier. Sein Partner war klein und schmächtig und hatte ein spitzes Gesicht mit dunkler, olivfarbener Haut. Sie stellten Fragen über Woody und interessierten sich vor allem dafür, wie seine angebliche Begegnung der besonderen Art aufgenommen wurde. »Bandit ist weg«, sagte der sechsjährige Junge traurig. »Mister, glauben Sie, Sie können ihn zurückbringen?« Gray Barker rückte unbehaglich seine Brille zurecht. Newell Partridge, so hieß der Vater des Jungen, schickte den Kleinen zu Bett. »Es ist alles so sonderbar«, klagte er. »Ich werde einfach nicht schlau daraus.« Barker lächelte verständnisvoll. Seit er 1952 dem Monster von Flatwoods nachjagte, hatte er sich zahllose sonderbare Geschichten angehört. Als Vorreiter der Ufologie hatte Gray einige herausragende Beiträge zu dieser Disziplin geliefert. Außerdem hatte er es geschafft, auf einem Gebiet voller Kontroversen und Originalen selbst zu einer ziemlich polarisierenden Figur zu werden. Die eingefleischten Fanatiker, die in den ersten Jahren das Untertassen-Feld dominierten, waren ein humorloser Haufen. Gray mit seinem bösen Witz war ihnen (manchmal auch mir) suspekt und machte sie wütend. Dieser Bär von einem Mann war wirklich schwer zu durchschauen. Aber seine Ermittlungen waren stets gründlich und 73
kompromisslos. Nun saß er in der Nähe von Salem, Westvirginia, bei Newell Partridge zu Hause und redete über einen verrückt spielenden Fernseher und einen verschwundenen alten Hund. Am Abend des 14. November 1966 war Bandit, ein großer, kräftiger Deutscher Schäferhund in die Dunkelheit gerannt und nicht wiedergekommen. »Es war etwa halb elf am Abend, als plötzlich der Fernseher verrückt spielte«, erzählte Partridge. »Ein hübsches Fischgrätmuster erschien auf dem Bildschirm, und gleichzeitig gab er ein lautes Heulen von sich, das sich in die höchsten Höhen steigerte, abbrach und erneut begann … Als wenn man Tonleitern übt, so hoch man kann, und dann wieder von vorn anfängt. Es klang wie ein Generator, erinnerte mich an einen Feldgenerator, wie man ihn im Notfall verwendet, um einen Funkspruch abzusetzen.« In dem Moment, so Partridge, begann Bandit auf der Veranda zu jaulen. Er nahm eine Taschenlampe und ging nach draußen, um nachzusehen. »Der Hund saß am Rand der Veranda und heulte in Richtung Heuschober«, fuhr er fort. »Ich hielt die Taschenlampe in die Richtung und sah zwei rote Punkte oder Augen, die wie Fahrradreflektoren aussahen. Irgendetwas an diesen Augen war sonderbar. Als Kind habe ich oft nachts gejagt, und ich weiß genau, wie Tieraugen im Dunkel aussehen – Waschbären, Hunde oder Katzen … Aber diese waren erst mal viel zu groß. Bis zum Heuschober sind es bestimmt hundertfünfzig Meter, und diese Augen waren trotzdem riesig, trotz der Entfernung.« Als die »Augen« im Lichtkegel der Taschenlampe erschienen, knurrte Bandit und rannte darauf zu. Den Mann überlief ein »Kälteschauer« und er wurde von Angst erfasst, sodass er dem Hund nicht folgte. 74
In dieser Nacht schlief er mit einem geladenen Gewehr am Bett. Am nächsten Tag suchte er den Hund. »Ich ging zum Schuppen und suchte nach Spuren. Bandits Pfoten waren leicht auszumachen, schließlich war er ein großer Hund und der Boden ziemlich matschig.« Etwa dort, wo die »Augen« gewesen waren, fand er eine besondere Anhäufung von Hundespuren. »Die Spuren waren kreisförmig, als ob der Hund seinem Schwanz hinterhergejagt wäre«, erklärte Partridge, »nur dass er das nie tat. Dazu kam Folgendes: Die Spuren führten nicht wieder weg von der Stelle. Da waren nur die Spuren, die von der Veranda zu der Stelle liefen, wo er im Kreis gerannt war. Ich wusste irgendwie, dass da etwas nicht stimmte, aber ich konnte nicht sagen, was.« Plötzliche Panik. Schaurige Gefühle. Irgendetwas Unnatürliches suchte die Berge Westvirginias in jenem November heim. Die Angst sollte ansteckend wirken. Die Furcht erregenden roten Augen tauchten in Point Pleasant wieder auf, als Mr. Cold und sein Gefolge aus kosmischen Komikern in Mineral Wells ihre Propaganda verbreiteten und ihre fliegende Laterne gegen einen schwarzen VW Käfer eintauschten.
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Der Mottenmann I Während des Zweiten Weltkriegs wurde in Point Pleasant Sprengstoff hergestellt. Zehn Kilometer außerhalb der Stadt, auf dem Gelände der McClintic Wildlife Station, einem zweitausendfünfhundert Morgen umfassenden Naturschutzgebiet, wurde die Erde aufgerissen. Kilometerweit wurden Tunnels gegraben, die getarnte Gebäude und Fabriken miteinander verbanden. Über die Felder und Wälder waren rund hundert »Iglus« verstreut, riesige Betonkuppeln mit schweren Stahltüren, wo der Sprengstoff sicher gelagert werden konnte. Erde und Gras bedeckten die Kuppeln, sodass das Gebiet aus der Luft ein völlig harmloses, idyllisches Bild abgab. Zu sehen waren nur ein paar verstreute Häuser, verbunden durch Feldwege, die nicht den geringsten Hinweis auf die unterirdischen Aktivitäten boten. Es sah genauso aus wie das, was es vorgeben sollte: ein Refugium für Vögel und Tiere im Tal des Ohio. Nach dem Krieg wurde der Sprengstoff größtenteils abtransportiert, die Fabriken wurden eingerissen und Einund Ausgänge der Tunnel mit dicken Betonplatten versiegelt. Einige Iglus wurden dem County Mason als Lagerhallen übergeben. Sie stehen heute noch leer. Andere wurden an den Sprengstoffhersteller Trojan-U. S. Powder Co. und den Chemiekonzern LFC Chemical Co. verkauft, einige an American Cyanamid vermietet. Im Lauf der Jahre wusch sich die Tarnfarbe ab, und so prangen die Iglus heute gut sichtbar mitten in der Landschaft. Zahlreiche weiße Kuppeln, zwischen denen Rehe 76
und Hasen herumlaufen. Die alten Fabrikgebäude sind verfallen. Das große Kraftwerk am Eingangsbereich der Anlage steht noch. Die Kessel rosten vor sich hin, die Fenster sind eingeschlagen, Wasser rinnt über den Boden. Der Wind rüttelt an den hohen Stahlgitterstegen, und Tauben flattern in den Sparren herum. Teenager kommen hierher, um auf den Feldwegen Rennen zu fahren. Tiefer im Wald suchen im Sommer Liebespaare Schutz vor neugierigen Blicken. Das TNTGelände erlebte im Verlauf des Jahres zahlreiche natürliche Ereignisse, ist aber nicht als verwunschener Ort bekannt. Die örtliche Polizei fährt allabendlich einmal durch und leuchtet hin und wieder mit ihren Scheinwerfern in ein dunkles Auto. Jeder, der in der Gegend aufgewachsen ist, kennt den Ort in- und auswendig. Sportvereine haben hier einen Bogenschießstand und einen Picknickplatz errichtet. Am Abend des 15. November 1966 fuhren gegen halb zwölf zwei junge Paare aus Point Pleasant, Mr. und Mrs. Scarberry sowie Mr. und Mrs. Mallette, im 1957er Chevrolet der Scarberrys über das TNT-Gelände. Sie waren auf der Suche nach Freunden, aber an diesem Abend schien niemand hier draußen zu sein. Alle gewundenen Seitenstraßen lagen verlassen da. Die wenigen Wohnhäuser zwischen den Iglus lagen im Dunkeln. Roger Scarberry, damals 18, saß am Steuer. Sie kreuzten ziellos um die Iglus herum, um schließlich zu dem alten Kraftwerk nahe dem unverschlossenen Tor zurückzukehren. Als sie an der Anlage vorbeifuhren, schrak Linda Scarberry zusammen. Alle blickten ins Dunkel hinaus, in dem sich zwei leuchtend rote Punkte abzeichneten. Sie hatten einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern und waren etwa zehn bis 15 Zentimeter voneinander entfernt. Roger trat auf die Bremse. 77
»Was ist das?«, rief Mary, die attraktive brünette Frau von Steve Mallette, vom Rücksitz aus. Die Lichter bewegten sich vom Gebäude weg, und die erschrockenen Beobachter sahen, dass sie zu einem großen Tier gehörten. »Es war eine menschliche Gestalt, nur viel größer«, erzählte Roger später. »Vielleicht zwei bis zwei Meter zwanzig groß. Und es hatte Flügel auf dem Rücken.« »Aber die Augen haben uns am meisten gepackt«, setzte Linda hinzu. »Es hatte zwei große Augen wie Autoscheinwerfer. « »Sie waren hypnotisch«, fuhr Roger fort. »Eine Minute lang konnten wir den Blick nicht davon abwenden. Wir konnten nur darauf starren.« Die Gestalt war grau und ging auf stämmigen, menschlichen Beinen. Sie wandte sich langsam um und schlurfte auf die Tür des Kraftwerks zu, die nur angelehnt war und in den Angeln hing. »Lasst uns verschwinden!«, rief Steve. Roger trat aufs Gaspedal, und sie schossen durch das Tor auf die nächste Ausfahrtstraße, um schnellstmöglich die Route 62 zu erreichen. Plötzlich sahen sie die Gestalt oder eine andere auf einer kleinen Anhöhe neben der Straße. Als sie daran vorbeifuhren, breitete sie ihre fledermausartigen Flügel aus und hob ab. »Mein Gott! Es verfolgt uns!«, schrie das Paar im Fond. Roger bog auf zwei Rädern in die Route 62 ein. »Wir fuhren bestimmt hundertsechzig Stundenkilometer«, sagte Roger, »und dieser Vogel blieb uns auf den Fersen. Er schlug nicht einmal mit den Flügeln.« »Ich hörte ihn ein Geräusch machen«, fügte Mrs. Mallette hinzu. »Er quiekte wie eine große Maus.« »Er folgte uns bis an die Stadtgrenze«, berichtete Roger weiter. »Komisch, uns war ein großer, toter Hund am Straßenrand aufgefallen. Aber als wir ein paar Minuten 78
später wieder vorbeifuhren, war er weg.« Voller Panik, den rot glühenden Blick vor Augen, fuhren sie direkt zur Polizeistation von Mason County und erzählten Deputy Millard Halstead ihre Geschichte. »Ich kenne diese Kids schon seit ihrer Kindheit«, sagte Halstead später zu mir. »Sie hatten nie irgendwelche Schwierigkeiten, und in dieser Nacht waren sie tatsächlich in Panik. Ich habe sie beim Wort genommen.« Er stieg in einen Polizeiwagen und folgte Roger zum TNT-Gelände. Am Stadtrand suchten sie nach dem toten Hund. Er war verschwunden. Beim Kraftwerk war nichts mehr zu sehen von dem rotäugigen Gespenst. Halstead stellte den Polizeifunk ein. Ein sehr lautes Signal drang aus dem Lautsprecher, das die Stimme des Kollegen in der Polizeistation in Point Pleasant übertönte. Es war ein lautes Durcheinander, wie eine Tonaufnahme, die zu schnell abgespielt wird. Deputy Halstead war ein erfahrener Polizist. Er sah überrascht aus, sagte aber nichts. Stattdessen stellte er das Funkgerät schnell wieder ab und blickte unsicher in die Dunkelheit. Es behagte ihm gar nicht, das alte Gebäude jetzt zu durchsuchen. Aber er war überzeugt davon, dass die Jugendlichen nicht gelogen hatten. Am nächsten Morgen berief Sheriff George Johnson eine Pressekonferenz ein. Reporter der Lokalpresse interviewten die vier Augenzeugen. Mary Hyre gab die Meldung an die Nachrichtenagentur AP weiter, und am Abend war der »Vogel« das Thema an allen Esstischen überall im Ohio Valley. Irgendein anonymer Schreiber gab ihm sogar einen Namen. In Anlehnung an Batman, die Comicfigur mit den Fledermausflügeln, die sich damals in der gleichnamigen Fernsehserie großer Beliebtheit erfreute, nannte er ihn Mothman, »Mottenmann«. 79
II 16. November 1966. Drei Jahre waren vergangen seit dem Tag, an dem John Flaxton und seine Freunde im englischen Kent das geflügelte Monster gesehen hatten. Lange Autoschlangen wanden sich um das TNTGelände. Männer mit Gewehren durchstreiften jedes Gebüsch um das alte Kraftwerk herum. In Point Pleasant, einer Kleinstadt mit sechstausend Einwohnern, 22 Kirchen und keiner einzigen Kneipe war nie viel los, und so bot Mothman eine willkommene Abwechslung. Direkt über dem TNT-Gelände kreiste in dieser Nacht ein großes rotes Licht am Himmel, aber keiner der Monsterjäger schenkte ihm viel Beachtung.* Nur Mr. und Mrs. Wamsley sowie Mrs. Marcella Bennett und ihre kleine Tochter Teena beobachteten es verblüfft aus dem Auto heraus. »Es war kein Flugzeug. Wir hatten keine Ahnung, was es sein könnte«, sagte Mrs. Bennett. Sie und die Wamsleys waren vermutlich die Einzigen in der Menge, die nicht nach der rotäugigen Kreatur Ausschau hielten. Sie waren auf dem Weg zu den Thomas’, die in einem hübschen Bungalow mitten zwischen den Iglus wohnten. Ralph Thomas überwachte die Aktivitäten der Trojan-U. S. vor Ort. Seine Frau Virginia war eine schlanke, sanfte Frau, die mit der Gabe des zweiten Gesichts gesegnet – oder geschlagen – war. Sie hatte in den letzten Jahren zahlreiche Unfälle und Ereignisse *
In einem meiner Notizbücher aus dieser Zeit habe ich folgende Anmerkung gefunden: »16. Nov., UPI [United Press International, US-Nachrichtenagentur, Anm. d. Übers.J. Mann aus Charieston sah tief fliegendes Objekt über dem TNT-Gelände – machte summendes Geräusch, strahlte rotes Licht ab. Ein paar Mädchen waren bei ihm. Beobachteten zusammen ein paar Minuten das Objekt.« 80
präzise vorhergesagt. Nur ihre Freunde wussten von ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten, weil sie damit lieber hinter dem Berg hielt. Die tief religiöse Frau ging fast allabendlich zur Kirche; just an diesem Abend waren sowohl sie als auch ihr Mann nicht zu Hause. Die Wamseys und Mrs. Bennett fanden nur drei ihrer Kinder vor, Rickie, Connie und Vickie. Nachdem sie ein paar Worte mit ihnen gewechselt hatten, kehrten sie zum Auto zurück. In der Ferne hörten sie ein paar schießwütige Helden um das Kraftwerk herum ballern. Plötzlich bewegte sich im Dunkel hinter dem geparkten Wagen etwas. »Es sah aus, als hätte es auf dem Boden gelegen«, erzählte mir Mrs. Bennett. »Es stand langsam auf. Ein großes graues Ding. Überlebensgroß, mit schrecklich glühenden roten Augen.« Mrs. Bennett stieß einen leisen Schrei aus. Vor lauter Entsetzen ließ sie das Baby fallen. Das Kind begann zu weinen, mehr aus Empörung denn aus Schmerz, aber die Mutter war unfähig, sich zu bücken und es aufzuheben. Sie stand da wie angewurzelt, hypnotisiert von den roten Punkten am oberen Ende der riesigen, kopflosen Kreatur, hinter deren Rücken sich langsam große Flügel entfalteten. Raymond Wamsley packte die paralysierte Frau samt Kind, und alle rannten ins Haus zurück, das sie sofort verrammelten. Dann ertönte ein Geräusch auf der Veranda, und die roten Augen blickten durch ein Fenster. Mutter und Kind wurden hysterisch, während Wamsley in Panik die Polizei anrief. Es war neun Uhr abends. Hunderte Menschen, viele davon bis an die Zähne bewaffnet, befanden sich kaum einen Kilometer entfernt. Und doch sollten sie von diesem Zwischenfall erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren. Bis die Polizei das Haus erreicht hatte, war die Gestalt 81
längst verschwunden. Für Mrs. Bennett war dies allerdings nur der Beginn einer ganzen Serie von beängstigenden Abenteuern.
III Woodrow Derenberger lebte im Chaos. Täglich riefen UFOFans aus der Gegend an; es waren Mitglieder des in Washington beheimateten so genannten National Investigations Committee on Aerial Phenomena (NICAP), einer Vereinigung, die hauptsächlich damit beschäftigt war, beim Kongress Genehmigungen für UFO-Ermittlungen durchzusetzen. Was ihn aber endgültig auf die Palme brachte, war die Tatsache, dass sie ihn immer wieder aufforderten, mit niemandem sonst über seine Erlebnisse zu reden. Seine Farm sah inzwischen aus wie das TNT-Gelände. Jeden Abend überfluteten Massen von Autos seinen Grund, überall saßen Leute schweigend im Dunkeln und wachten, warteten. Manche brachten Waffen mit und wanderten in die nahe gelegenen Berge, um sich hinter Bäumen zu verstecken. Gerüchten zufolge sollten die UFOs wiederkommen und auf der Farm landen. Manche von Woodys Besuchern waren entschlossen, höchstselbst einen Außerirdischen zu erbeuten. Mitten im Chaos fuhr ein schwarzer VW Käfer vor und parkte. Ein dunkelhäutiger Mann in einem schicken schwarzen Anzug stieg aus. Er und Woody schlenderten gemütlich zum Geländer der Veranda und unterhielten sich. Nach ein paar Minuten setzte sich der Mann wieder in seinen Käfer und fuhr davon. Die großen Jäger saßen 82
weiterhin in der bitteren Kälte hinter ihren Bäumen, die Augen ängstlich zum Himmel gerichtet. Woody hatte nach eigener Aussage eine Zeit lang an Magenbeschwerden gelitten. Mr. Cold habe ihm ein Fläschchen mit Medizin gegeben, das sein Problem sofort behob. Von diesem Moment an hatte Cold auch einen Vornamen: Indrid.
IV Jenseits des Ohio, fast direkt gegenüber dem TNTGelände, wurde Mrs. Grose am Morgen des 17. November 1966 um Viertel vor fünf vom Bellen ihres Hundes aus dem Schlaf gerissen. Das Tier bellte normalerweise nicht mitten in der Nacht, und so stand sie auf, um nachzusehen, was es aus der Ruhe gebracht haben könnte. Der Mond, so erinnerte sie sich, war voll und leuchtete hell. Als sie aus dem Küchenfenster blickte, sah sie auf der anderen Seite der Route 7 auf einem Feld ein riesiges Objekt knapp über Baumhöhe schweben. Es war rund, etwa so groß wie ein kleines Haus und strahlend hell erleuchtet. Es schien in einzelne Sektionen unterteilt zu sein, die rot und grün beleuchtet waren. »Ich war vollkommen baff«, erzählte sie. Bevor sie ihren Mann wecken konnte, beschrieb das Objekt ein paar Zickzacklinien und verschwand schließlich. Außer ihrer Familie erzählte sie zunächst niemandem von diesem Erlebnis. Am Nachmittag desselben Tages fuhr ein 17-jähriger auf der Route 7. Unweit von Mrs. Groses Haus in Cheshire stürzte plötzlich ein riesiger Vogel auf sein Auto herab 83
und verfolgte ihn etwa einen Kilometer weit. Am nächsten Tag fanden sich zwei Feuerwehrleute aus Point Pleasant, Paul Yoder und Benjamin Enochs, auf dem TNT-Gelände einem gigantischen Vogel mit großen roten Augen gegenüber. »Es war definitiv ein Vogel«, sagten sie, ohne zu zögern. »Aber er war riesig. Wir haben so was noch nie gesehen.« Auf einmal sah jeder Mothman oder den »Vogel«, jedenfalls schien es so. In den Countys Mason, Lincoln, Logan, Kanawha und Nicholas wurde ebenfalls von Erscheinungen berichtet. Die Leute fuhren hunderte Kilometer, um dann die ganze Nacht auf dem TNTGelände in der Kälte zu sitzen, nur weil sie die Kreatur sehen wollten. Wer das Pech hatte, sie tatsächlich zu sichten, schwor, ihr nie wieder begegnen zu wollen. Sie löste unaussprechliches Entsetzen aus. Wie fliegende Untertassen machte sie sich einen Spaß daraus, Autos zu verfolgen … eine für Vögel durchaus ungewöhnliche Beschäftigung. Außerdem hatte sie eine Vorliebe dafür, Frauen zu erschrecken, die gerade die Regel hatten, eine weitere Besonderheit von UFOs und haarigen Monstern. In der Nacht des 20. November erlebten fünf Teenager, die am Campbells Creek unterwegs waren, den Schock ihres Lebens. Bei einem Steinbruch tauchte im Licht ihrer Scheinwerfer plötzlich eine mannshohe Vogelgestalt auf. Sie drehte sich um und eilte in den Wald davon. »Niemand glaubt uns, weil wir bloß Jugendliche sind«, klagte Brenda Jones aus Point Lick. »Aber es war wirklich schaurig.« Ein älterer Geschäftsmann aus Point Pleasant fand Mothman in seinem Vorgarten vor. Er war hinausgegangen, um zu sehen, warum sein Hund bellte, da fand er sich einer zwei bis zwei Meter zwanzig großen grauen Erscheinung mit flammenden Augen gegenüber. Einige 84
Minuten lang stand er wie gelähmt da. Plötzlich flog die Kreatur davon, und er stolperte zurück ins Haus. Er war so blass und zittrig, dass seine Frau glaubte, er hätte einen Herzinfarkt gehabt.
V Während die Leute in Westvirginia von Garudas überschwemmt wurden, machten sich über den Rest des Landes flügellose fliegende Objekte her. Eine große Welle begann an Halloween und dauerte den ganzen November an. Am 22. November übertrat eine Familie, die an der Spitze des dünn besiedelten Cape May wohnte, den schmalen Grat, der unsere Wirklichkeit von einer anderen Welt trennt. Um Viertel vor acht abends fuhr die siebenköpfige Familie Christiansen auf dem Garden State Parkway nördlich von Mayville, als ein rot, grün und weiß leuchtendes Objekt vom Himmel stürzte und direkt vor ihnen wieder verschwand. Sie dachten, ein Flugzeug sei abgestürzt, bis sie auf der Höhe von Burleigh, New Jersey, waren. Jetzt sahen sie vor sich direkt über den Baumspitzen einen hellen Lichtschein. Da sie es für das Feuer von einem abgestürzten Flugzeug hielten, fuhren sie an den Straßenrand und hielten (was verboten ist). Alle stiegen aus, um sich das Spektakel anzusehen. Es herrschte nicht viel Verkehr, dennoch zischten ein paar Wagen an ihnen vorbei. Als sich der Lichtschein bewegte, wurde ihnen klar, dass es kein Feuer, sondern eine Art fliegende Kugel war. Sie machte eine scharfe Wendung und kam dann geradewegs auf die Zeugen zu, um direkt über ihre Köpfe hinwegzufliegen. Es herrschte vollkom85
mene Stille. Als sie näher kam, wurden an seiner Vorderseite drei starke »Scheinwerfer« sichtbar. Die Lichter sahen länglich aus und schienen von der Oberseite des Objekts bis zu seiner Unterseite zu reichen. Das Objekt verschwand in nördlicher Richtung, woraufhin die Zeugen eine starke emotionale Reaktion erlebten. Mrs. Arline Christiansen und ihre Schwester Gwendoline Martino wurden hysterisch und steckten ihre Kinder damit an. Zwei der Kinder begannen zu weinen. Schließlich stiegen alle wieder ins Auto und fuhren heim nach Wildwood Crest. Edward Christiansen, vierzig, ein abgebrühter Geschäftsmann, glaubte nicht an fliegende Untertassen und versuchte, die Frauen damit zu beruhigen, dass es eine natürliche Erklärung für das Phänomen geben müsse. Seine Schwägerin Gwendoline beschloss, die örtliche Basis der Air Force in Palmero anzurufen. Sie sprach mit einem Offizier, der sich recht interessiert an ihrer Geschichte zeigte und einige Fragen stellte. Eine Stunde später erhielt die Familie ein Ferngespräch von einer anderer Basis der Air Force (als ich sie interviewte, konnte sich keiner mehr an den Namen der Basis oder der Offiziere erinnern). Alle Familienmitglieder wurden von »drei oder vier Offizieren« ausführlich befragt. Man sagte ihnen, dass das Gespräch aufgezeichnet werde. Die Fragen folgten einem Muster, was darauf schließen ließ, dass die Offiziere am anderen Ende der Leitung nach einem System vorgingen. Am Ende waren sie alle enttäuscht, weil ihnen die Air Force auf ihre eigenen Fragen keinerlei Antworten gegeben hatte. Irgendetwas Außergewöhnliches muss in dieser Nacht geschehen sein. Statt einfach einen normalen Bericht zu schreiben, muss der Offizier auf der Palmero-Basis sofort Wright-Patterson in Ohio angerufen haben. 86
Offiziere aus dem Blue-Book-Projekt riefen dann die Christiansens an, um mehr zu erfahren. Überraschend ist gleichwohl, dass immer gleich »drei oder vier Offiziere« an der Befragung beteiligt waren. Die Zeugen liegen übrigens in puncto Einkommen und Intelligenz über dem Durchschnitt, es gibt also keinen Grund, ihre Glaubwürdigkeit anzuzweifeln. Als Mrs. Martino am selben Abend ms Bett gehen wollte – sie übernachtete bei den Christiansens –, hörte sie ein lautes Geräusch wie aus einem Funkgerät, eine Reihe von kurzen und längeren Tönen. Sie wusste, dass ihr Schwager CB-Funker war, und vermutete, er hätte das Gerät versehentlich angelassen. Er und seine Frau waren bereits im Bett und schliefen. Da sie sich mit dem Apparat nicht auskannte, wollte sie ihn nicht anfassen. Als die Geräusche nicht aufhörten, ging sie schließlich doch ins Schlafzimmer, um sie zu wecken. Doch sie konnten die Signale nicht hören … und das Funkgerät lag ausgeschaltet in seinem Kasten. Irgendwann hörten die Geräusche auf, und Mrs. Martino ging verstört zu Bett. Die schöne, schlanke geschiedene Frau hatte noch nie zuvor ungewöhnliche übersinnliche Erfahrungen gemacht.
VI Zu der Zeit, als sie den Mothman sahen, lebten Roger und Linda Scarberry in einem Wohnwagen. In der Woche nach ihrer Beobachtung hörten sie nachts plötzlich seltsame Geräusche – Piepsen und lautes Knacksen wie von einem zu schnell laufenden Plattenspieler. Sie konnten nicht ausmachen, ob die Geräusche von drinnen 87
oder draußen kamen. Besorgt und voller Angst zogen sie schließlich in die Erdgeschosswohnung des Hauses von Lindas Eltern, Parke und Mabel McDamel.
VII Am 24. November fuhren vier Personen, zwei Erwachsene und zwei Kinder, am TNT-Gelände vorbei, als sie plötzlich eine riesige, fliegende Kreatur mit roten Augen sahen. Ihr Bericht verschärfte das Chaos, das ohnehin bereits herrschte. Tausende Menschen strömten des Nachts in das ehemalige Munitionslager, manche kamen dazu hunderte Kilometer angereist. Fernsehteams und Reporter aus anderen Staaten schlichen um das alte Kraftwerk, stets hoffend, das Monster zu sehen. Manche Besucher teilten ihre Zeit zwischen dem TNT-Gelände und Woodrow Derenbergers Farm in Mineral Wells auf. Aber Mothman ließ sich nicht austricksen. Er inszenierte seine Auftritte mit viel Sinn für Showeffekte und tauchte immer wieder an unerwarteten Orten auf, bevorzugt vor Zeugen, die bis dahin skeptisch gewesen waren. Am 25. November um Viertel nach sieben morgens war ein junger Schuhverkäufer namens Thomas Ury auf der Route 62 nördlich vom TNT-Gelände unterwegs. Plötzlich fiel ihm eine große graue Gestalt in Menschenform auf, die auf einem Feld am Straßenrand stand. »Auf einmal breitete sie Flügel aus«, erzählte er, »und hob ab wie ein Helikopter. Dann schwenkte sie über meinem Cabrio und schraubte sich drei Telefonmasten hoch.« Als die Kreatur auf sein Auto herunterstieß, trat er aufs Gas. »Es flog direkt über meinem Wagen, obwohl ich mindestens hundertzwanzig fuhr.« 88
Ury beeilte sich, nach Point Pleasant zu kommen, und ging von Panik erfüllt direkt ins Büro des Sheriffs. »Ich habe so etwas noch nie gesehen«, gestand er Mary Hyre später. »Ich hatte so viel Angst, dass ich an diesem Tag nicht zur Arbeit gehen konnte. Dieses Ding hatte eine Flügelspanne von knapp drei Metern. Es mag ein Vogel sein, jedenfalls habe ich so einen noch nie im Leben gesehen. Ich hatte Angst, dass es sich direkt auf mich stürzt.« Das altbekannte Symptom, haltloses Entsetzen, überfiel ihn. »So ein Gefühl hatte ich noch nie. Es war eine seltsame Form von Angst«, sagte er. »Sie packte mich und hielt mich fest. Am besten könnte man die Sache vielleicht so beschreiben: Irgendwas an diesem Ding stimmte nicht. Ich weiß, das ergibt keinen Sinn, aber anders kann ich es nicht ausdrücken.« In der gleichen Woche tauchten auch in Ohio und Pennsylvania, weit nördlich von Point Pleasant, bizarre Vögel auf. George Wolf Junior, 23, aus Beaver Falls, Pennsylvania, war auf der Jagd, als er in einem Maisfeld plötzlich einem »zwei Meter zwanzig großen Vogel, der irgendwie aussah wie ein Strauß«, gegenüberstand. »Ich sah, wie er zwischen den Bäumen hindurchflitzte«, erzählte er. »Er übersprang das Gebüsch nicht, wie ein Hirsch es tun würde, sondern rannte seltsam seitwärts in Zickzacklinien zwischen den Bäumen durch. Ich war so verblüfft, dass ich nicht schoss. Er hatte einen langen Hals und einen runden Körper mit einem gefiederten Schwanz, der ihn weit überragte. Er war grau und rund zwei Meter zwanzig groß. Fünfzehn Meter vor mir war er plötzlich aufgesprungen und weggerannt. Mein Hund Ringo sprang ihm nach, aber als er ihn eingeholt hatte, fing er an zu heulen. Mit eingezogenem Schwanz kam er winselnd zu mir zurück.« 89
Rund einhundert Kilometer von Point Pleasant entfernt – in Lowell, Ohio – beobachteten Marvin Shock und seine Familie am 26. November rund zwei Stunden lang eine Gruppe riesiger Vögel. »Wie sie sich da zwischen den Bäumen bewegten, hatten sie etwa Menschengröße«, berichtete Shock. »Als wir auf sie zugingen, um sie uns näher anzusehen – wir waren rund einhundert Meter von ihnen entfernt –, hoben sie ab und flogen über die Berge davon.« Shock, seine beiden Kinder und Ewing Tilton, ein Nachbar, beobachteten die Kreaturen aus der Ferne. Sie waren zwischen einem Meter zwanzig und einem Meter fünfzig groß und hatten eine Flügelspanne von mindestens drei Metern. Um ihre Köpfe war ein »rötlicher Schimmer«, aber rote Augen sahen die Zeugen nicht. »Sie hatten dunkelbraune Rücken mit ein paar hellen Flecken«, erinnerte sich Ewing Tilton. »Ihre Brust war grau, und ihre Schnäbel waren zwischen zehn und zwölf Zentimeter lang. Sie waren gerade und nicht gebogen wie etwa die von Adlern oder Geiern.« Diese Berichte weisen darauf hin, dass sich zu der Zeit, als Mothman sich zeigte, einige sehr ungewöhnliche Vögel in der Region aufhielten. So ungewöhnliche, dass selbst eine systematische Recherche in der ornithologischen Literatur nichts über sie zu Tage förderte. Ein Universitätsprofessor aus Ohio versteifte sich darauf, es handele sich um ein Exemplar des seltenen KanadaKranichs (Grus canadensis), also nahm ich eine Abbildung dieses Tieres zu den Interviews mit. Keiner der Zeugen stellte eine Ähnlichkeit zwischen dem Vogel und der Kreatur fest, die er gesehen hatte. In den Jahren 1966/67 sahen insgesamt über einhundert Erwachsene diese geflügelte Unglaublichkeit. Diejenigen, die das Viech aus der Nähe gesehen hatten, stimm90
ten in den wichtigsten Punkten überein. Es war grau, offenbar ohne Federn, so groß wie ein großer Mann – oder größer –, hatte eine Flügelspanne von rund drei Metern, hob aus dem Stand ab wie ein Hubschrauber und schlug nicht mit den Flügeln. Sein Gesicht blieb allerdings rätselhaft, keiner konnte es beschreiben. Nur die beiden Augen fielen allen auf. (Bei den meisten Berichten über Engel, Dämonen und Außerirdische aus fliegenden Untertassen sind die Gesichter auch entweder irgendwie verdeckt oder nichtexistent.) Der »Strauß« in Pennsylvania und die großen Vögel in Ohio scheinen nicht recht in das Raster zu passen. Wenn sie richtige Vögel waren, wo sind sie dann jetzt? Warum wurden sie nie wieder gesehen? Am Abend des 26. November entdeckte Mrs. Ruth Foster, eine Hausfrau aus St. Albans, einem Vorort von Charleston, Mothman in ihrem Vorgarten. Sie gehört zu den wenigen Zeugen, die das Gesicht des Wesens angeblich gesehen haben. »Es stand auf dem Rasen neben der Veranda«, erzählte sie. »Es war groß und hatte rote Augen, die aus seinem Gesicht leuchteten. Mein Mann ist ein Meter sechsundachtzig, dieser Vogel sah genauso groß oder vielleicht etwas kleiner aus. Er hatte ein seltsames, kleines Gesicht. Ich konnte keinen Schnabel erkennen. Am meisten fielen mir diese riesigen roten Augen auf. Ich schrie und rannte zurück ins Haus. Als mein Schwager herauskam, war er verschwunden.« Am nächsten Morgen verfolgte das geflügelte Phantom Connie Carpenter in der Nähe des Golfplatzes von Mason, Westvirginia (siehe 2. Kapitel). Am Abend gab es dann in St. Albans eine Zusatzvorstellung. Sheila Cain, 13, und ihre jüngere Schwester gingen vom Einkaufen nach Hause, als sie ein enormes »Etwas« vor der 91
örtlichen Müllhalde entdeckten.* »Es war grau und weiß und hatte große rote Augen«, berichtete Sheila, »und es muss mindestens zwei Meter zwanzig groß gewesen sein, größer als ein Mensch. Ich schrie, und wir rannten nach Hause. Es hob ab und folgte uns ein Stück weit.« Aus aerodynamischer Sicht war Mothman zum Fliegen nicht geeignet. Eine Kreatur, die größer ist als ein großer Mann und deshalb mindestens einhundert Kilo wiegen muss, brauchte mehr als drei Meter Flügelspanne, um abheben zu können. Große Vögel heben ab, indem sie auf dem Boden anlaufen und wild mit den Flügeln schlagen. Mein Lieblingsvogel, der im Pazifik beheimatete Albatros, rennt verzweifelt hin und her, um Startgeschwindigkeit zu bekommen, aber oftmals landet er nach missglücktem Versuch platt auf dem Bauch. Mothman mit seinen Helikopterstarts war schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Ich war in jenem November in Washington, D.C., und nervte die Air Force in meinem schwarzen Anzug, als Gray Barker anrief. Bei aller Aufregung um die Angelegenheit in Westvirginia hatte ich bislang von den »Vögeln« weder gelesen noch gehört. Als Gray darauf zu sprechen kam, dachte ich, er mache einen Witz. Ein rotäugiger Vogel mit drei Metern Flügelspanne, der mit Vorliebe Autos jagt, schien mir über alle Maßen lächerlich. Doch Gray überzeugte mich, dass es kein Witz war. Ich sah auf der Landkarte nach, wo Point Pleasant liegt – rund zwölfhundert Kilometer von New York entfernt –, ölte meine vier Meter große Monsterfalle, sprang ins Auto und brach auf Richtung Ohio Valley.
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Die Nacht des blutenden Ohrs I Anfang Dezember 1966 war Gwendoline Martine wieder in ihrer Wohnung in Cherry Hill, New Jersey, und packte Koffer für eine Europareise. Das Telefon – mit Geheimnummer – läutete. Eine weibliche Stimme mit leichtem ausländischem Akzent meldete sich. »Hallo, Gwen?« »Ja, hier ist Gwen …« »Gwen Stevens?« »Nein, Gwen Martino.« »Sie sind nicht Gwen Stewens?« »Nein … Sie haben die falsche Gwen erwischt.« An den folgenden beiden Abenden rief die Frau wieder an. Das Gespräch verlief immer gleich. Mrs. Martino war leicht irritiert, dass die Frau sie dreimal hintereinander anrief, aber sie dachte sich nichts dabei, bis ich sie ein paar Monate später interviewte und die üblichen Fragen über ungewöhnliche Telefonanrufe stellte. In Anbetracht des Akzentes der Frau konnte es auch sein, dass sie jemanden namens »Jen Stevens« sprechen wollte. Mrs. Martino kannte niemanden, der Gwen oder Jen Stevens hieß. Allerdings gab es zur damaligen Zeit in Albany-Schenectady im Staat New York eine Frau namens Jennifer (»Jen«) Stevens, die sich intensiv mit UFO-Forschung beschäftigte. Sie hatte erhebliche Probleme mit ihrem Telefonanschluss, trotz Geheimnummer, und erlebte schließlich eine persönliche Tragödie, die mit ihren UFO-Ermittlungen in Zusammenhang stehen dürfte. 93
Im Februar 1968 berichtete Mrs. Stevens: Als mein Mann Peter und ich eines Abends nach Hause kamen, fanden wir Jenny, unsere 15-jährige Tochter, in einem Zustand höchster nervlicher Anspannung vor. Sie sagte, das Telefon habe den ganzen Abend lang ständig geklingelt. Wenn sie abhob, hörte sie am anderen Ende immer nur schweres Atmen. Als ihr Freund anrief, wurden sie mehrmals durch hohe Piepstöne gestört, und zweimal wurde die Verbindung sogar unterbrochen. Am nächsten Tag gingen die Anrufe weiter. Manchmal waren mechanische Geräusche zu hören, manchmal hochfrequentes Heulen oder Piepsen, das in den Ohren schmerzte. Unsere Nummer ist geheim, das heißt, niemand kann sie von der Auskunft oder aus dem Telefonbuch haben. Wir hatten uns schon vor langem eine neue Nummer zugelegt, um Ruhe vor Spinnern zu haben. Ich rief die Telefongesellschaft an, und sie prüfte unseren Anschluss, ohne irgendwas zu finden. Der Techniker hielt es für möglich, dass die Leitung »verwanzt« sei. Einige Tage, nachdem unsere Probleme mit dem Telefon begonnen hatten, war mein Mann, der Bauunternehmer ist, in einem großen Laden in Schenectady, um Umbauarbeiten abzunehmen. Anschließend ging er in die Snackbar, um einen Kaffee zu trinken. Kaum hatte er sich gesetzt, kam ein großer, dunkelhäutiger, düster dreinblickender Typ, den mein Mann nie zuvor gesehen hatte, zu ihm an den Tisch und fing ein Gespräch an. »Jede Nacht sind Leute unten am Fluss in Scotia, die den Himmel beobachten.« Da Peter auch zu ihnen gehörte, war er leicht schockiert, blieb aber ruhig und sagte nur: »Wie bitte?« Der Mann redete weiter über UFOs. Peter versuchte, ihn auszufragen, seinen Namen und so weiter herauszubekommen. Doch alle seine Fragen wurden entweder 94
abgewehrt oder umgangen. Mein Mann begann sich ein wenig unwohl zu fühlen, als der Fremde sich mit den Worten verabschiedete: »Leute, die nach UFOs Ausschau halten, sollten sehr, sehr vorsichtig sein.« Auf meine Bitte machte Peter Stevens zwei Skizzen von dem Mann. Er schickte mir eine davon und behielt die andere. Ein paar Wochen später wurde in sein Haus eingebrochen und alles durchwühlt. Nichts wurde gestohlen … bis auf die Skizze.* Zwei Monate später starb Peter Stevens, ein junger Mann Mitte dreißig, völlig unerwartet. In ihrem Schmerz gab Jen die UFO-Forschung auf. Ich habe nie erfahren, wie ihr Mann starb. Sie wollte mir nur sagen, dass sein Tod irgendwie mit dem UFO-Business »in Zusammenhang stand«. Ich habe Peter Stevens’ Zeichnung im Laufe der Jahre zahlreichen Zeugen vorgelegt, und die übliche Antwort lautete: »Der sieht dem, den ich gesehen habe, ähnlich wie ein Bruder.« Heutzutage werden viele Telefonbesitzer von »Schnaufern« gepeinigt. Im Allgemeinen gelten diese Typen als Triebtäter. Als ich 1967/68 selbst solche Anrufe erhielt, nahm ich einige auf, um sie zu analysieren. Der Klang ist mehr mechanisch oder elektronisch als menschlich und wird vermutlich dadurch hervorgerufen, dass die Telefonleitungen mit anders moduliertem Strom beschickt werden. Das Phänomen ist übrigens nicht auf Großstädte beschränkt. Menschen in abgelegenen Ortschaften mit gerade einmal 25 Einwohnern bekommen ebenfalls solche Anrufe. Das schwere Atmen des Triebtäters, der (vermutlich) masturbiert, während er einer weiblichen *
Mein Exemplar der Skizze hat niemand versucht zu stehlen. Sie wurde im Juni 1969 in einer Sonderausgabe der Flying Saucer Review veröffentlicht. 95
Stimme am anderen Ende der Leitung zuhört, enthält bestimmte Merkmale, die bei den Aufnahmen, die ich gemacht habe, gänzlich fehlen. Bei verlangsamtem Abspielen erwies sich das aufgenommene »Atmen« als eine gleichmäßige Serie von Impulsen, die an das knakkende Geräusch eines Plattenspielers erinnerten, wenn die Nadel das Ende der Platte erreicht hat und nicht abgehoben wird. Schweres Atmen wäre nicht so gleichmäßig.
II Kevin Dee und seine NICAP-Abteilung drängten Woodrow Derenberger, sich einer psychiatrischen und medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Anfang Dezember ging Woody also freiwillig ins St. Joseph’sKrankenhaus in Parkersburg und ließ stundenlange Tests über sich ergehen. Durchgeführt wurden diese Test von Dr. Morgan (ich habe seinen Namen aus Gründen geändert, die später klar werden), einem vor Ort führenden Psychiater, und Peter Volardi, einem EEG-Spezialisten. In seinem Abschlussbericht schreibt Morgan: Es gab keinerlei Hinweise auf Abnormitäten. Folglich wurden Bericht und Deutung aus Baltimore angefordert. Auch der Bericht aus Baltimore wies keine Abnormitäten und ein unauffälliges Elektroenzephalogramm aus. Es gab keinen Hinweis auf einen organischen Hirnschaden oder Neigung zu Anfallsleiden. Wir haben speziell auf Epilepsie getestet, auch dafür keinerlei Hinweise. Der Test ergab ein normales Ergebnis ohne jegliche Indikation auf eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Es gab keine Hinweise auf psychische Störungen. Ich habe 96
der Pittsburgher Abteilung des NICAP den Bericht über die psychiatrische Untersuchung von Mr. Derenberger vorgelegt, in dem ich erkläre, dass ich keinerlei Hinweis auf eine mentale Störung erkennen konnte. Es gab auch keine Indikation für irgendeine latente Erkrankung. Meiner Einschätzung nach ist Mr. Derenberger vollkommen normal. Die Ermittler des NICAP schickten die medizinischen Daten an das Washingtoner Büro der Organisation, zusammen mit detaillierten Berichten über Woodys Begegnung und seinen persönlichen Background. Typisch: In einem Rundschreiben der NICAP wird später der Derenberger-Fall mit ein paar Sätzen erwähnt. Man verunglimpft die Geschichte als Zeitungsente; Woodys Name ist falsch geschrieben, und Cold wird durchgängig »Kuld« genannt. Woody hatte den Namen von Anfang an als C-O-L-D buchstabiert, und diese Schreibweise wird auch in allen Dokumenten des Komitees beibehalten. Wie das NICAP auf Kuld kommt, ist ein Rätsel für sich.
III »Schaut euch mal an, was da für eine komische Figur angeflogen kommt«, meinte Eddie Adkins. Mit vier weiteren Männern stand er auf dem Rollfeld des Flughafens von Gallipolis direkt gegenüber von Point Pleasant auf der anderen Seite des Flusses. Es war Sonntag, der 4. Dezember 1966. Um drei Uhr nachmittags kam eine große geflügelte Gestalt majestätisch über den Ohio geflogen, direkt hinter dem Flughafen. Die Piloten schätzten später, sie sei rund einhundert Meter hoch in der Luft und etwa 97
hundertzehn Stundenkilometer schnell gewesen. Als das Ding näher kam, stellten sie fest, dass es kein Flugzeug, sondern eine Art riesiger Vogel mit ungewöhnlich langem Hals war. Es bewegte den Kopf hin und her, als ob es sich das Panorama ansehen würde. Die Flügel schlugen nicht. »Mein Gott! Es ist etwas Prähistorisches!«, rief einer der Männer. Everett Wedge packte seine Kamera und sprintete zu seinem kleinen Flugzeug. Doch bis er in der Luft war, war die riesige Kreatur längst flussabwärts verschwunden. Drei Tage später, am 7. Dezember, kam ich zum ersten Mal nach Point Pleasant. Ich fand eine Kleinstadt vor, sauber, ordentlich regiert, wohlhabend. Das Ohio Valley ist ein prosperierender Industriestandort und der Fluss von Chemiefabriken und boomenden Unternehmen gesäumt. Kein Vergleich mit den trostlosen Bergwerksstädten von Appalachia weiter im Osten. Die sauberen, neuen Häuser im Tal protzen mit Farbfernsehern und modernen Autos vor der Tür. Die Menschen hier sind keine Hinterwäldler, sondern überwiegend hoch qualifizierte Techniker, die in den zahlreichen Fabriken arbeiten, gut ausgebildete, gut bezahlte Amerikaner, die ein beschauliches Durchschnittsleben führen. Obwohl es ein Hotel in Point Pleasant gab, beschloss ich, die Silver Bridge zu überqueren und ein Zimmer in einem der vielen modernen Motels auf der Ohio-Seite des Flusses zu nehmen. Meine erste Etappe war die Verwaltung von Mason County, wo ich mich mit Deputy Halstead unterhielt, einem ernsthaften Mann mit leiser Stimme, einer höher werdenden Stirn und dem Anflug eines Schmerbauchs, dem Fluch aller Kleinstadtpolizisten. 98
»Es ist was dran«, versicherte er mir. »Die Leute, die diesen Vogel gesehen haben, waren alle mächtig verängstigt. Sie haben etwas gesehen. Ich habe keine Ahnung, was. Manche sagen, es war nur ein Kranich.« Ich fragte ihn, ob es in der Gegend schon Berichte über fliegende Untertassen gegeben habe. »Nein, die hatten wir noch nicht. Nur den ›Vogel‹. Und ich finde, das reicht auch!« Er erklärte mir, wie ich zu den McDaniels kam, und ich tat wieder einmal das, was ich am meisten hasse: Bei wildfremden Menschen an der Tür klingeln, mich als Journalist aus New York vorstellen und in die Privatsphäre von Leuten eindringen, die ohnehin von all der Publicity, den Reportern und selbst ernannten Forschern die Nase voll haben. Mabel McDonald öffnete mir. Sie war eine attraktive Frau, ganz anders als der zerbrechliche, spatzenhafte Typ, dem ich schon oft in den Bergen von Appalachia begegnet war. Es war früh am Abend. Innerhalb einer Stunde hatte Mabel per Telefon jede Menge Leute zusammengetrommelt, die sich nach und nach in dem kleinen Haus versammelten. Roger und Linda, Steve und Mary Mallette, Connie Carpenter und ihr Verlobter Keith sowie Mary Hyre – alle kamen. Mein erster Eindruck von Mary Hyre war ziemlich negativ. In jeder Stadt gibt es einen Geschaftlhuber, und für das hielt ich sie, zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte. Connies Augen waren rot und geschwollen, wie ich schon erwähnt habe, aber sie war die Einzige, die dieses aufschlussreiche Symptom zeigte. Sie schien ein sachliches, wenn auch emotional labiles Mädchen zu sein. Roger und Steve, die alte Freunde waren, redeten voller Enthusiasmus über ihr großes Abenteuer. Allerdings weiß man natürlich, dass junge Männer ihre Erlebnisse gern in den buntesten Farben ausmalen. Diese hier jedoch 99
waren keine falschen Helden. Sie hatten wirklich Angst und schämten sich nicht, das zuzugeben. Später sagte Mary Hyre zu mir, sie habe sie diese Geschichte Dutzende Male erzählen hören, vor zahllosen Reportern und Ermittlern. »Keiner von beiden hat jemals etwas verändert oder hinzugefügt.« Da sie die Kreatur nur kurz und außerdem im Dunkeln gesehen hatten, fehlten in ihren Schilderungen natürlich entscheidende Details. Selbst Connie, die dem Wesen am helllichten Tag begegnet war, konnte nur sagen, dass es grau und riesig war und fliegen konnte. Sein Gesicht sei »wie aus einem Science-fiction« gewesen. Die glühenden roten Augen hatten sie und die anderen am meisten beeindruckt. Hauptreaktion bei allen war diese übermächtige Angst gewesen. Die Erscheinungen waren nicht von Gerüchen begleitet gewesen. Es gab weder Fußabdrücke, noch Kot, noch irgendwelche anderen greifbaren Hinweise. Nachdem wir die einzelnen Aussagen aufgenommen hatten, beschlossen wir, zum TNT-Gelände zu fahren, sodass ich mich dort umsehen konnte. Gegen neun Uhr abends fuhren wir zu dem alten Munitionsdepot. Die Polizei hatte inzwischen das alte Tor zum Kraftwerk abgesperrt, doch wir fanden leicht einen Weg durch den Zaun. Die Nacht war finster und bewölkt, und das baufällige Gebäude ragte wie ein riesiger schwarzer Monolith auf. Wir versammelten uns vor dem Haupteingang. Die Menschenmassen, die noch Wochen lang hier aufgelaufen waren, hatten aufgegeben. Wir waren also allein. Zehn Personen. Ich hatte meine starke Taschenlampe dabei. Für mich war es lediglich wieder einmal ein verfallenes, verlassenes Gebäude an einem abgelegenen Ort. Ich war es gewöhnt, allein im Dunkeln solche Orte zu durchstreifen, dennoch ging die Angst, die unseren 100
kleinen Expeditionstrupp ergriffen hatte, auch auf mich über. Die Nervosität der anderen war deutlich spürbar. Nur Connie und Keith gingen freiwillig in das Gebäude mit mir. Die anderen blieben zusammen draußen. Wir drei drangen also in die Ruine vor. Connie war gut gelaunt und machte Witze, Keith war sachlich und ruhig. Das Gebäude war voller Schutt. Es herrschte Ruhe, bis auf das Geräusch von tropfendem Wasser. Riesige rostige Kessel standen auf dem Boden. Ich leuchtete sie mit meiner Taschenlampe an. Mothman versteckte sich nicht hier. Ich kletterte die Stahlleiter hinauf und ging über die Stege. Sogar die Tauben schienen diesen Ort zu meiden. Erleichtert darüber, dass wir das Gebäude leer vorgefunden hatten, strebten wir zum Ausgang zurück. Ich ging mit der Taschenlampe vor. Als Connie den kleinen Raum betrat, der zur Ausgangstür führte, blickte sie sich kurz um und stieß einen entsetzten Schrei aus. »Die Augen!«, schrie sie. »Es ist da!« Sie erlitt einen hysterischen Anfall und hörte nicht mehr auf zu weinen. Das tapfere, fröhliche Mädchen von eben war zu einem jammernden Wrack geworden. Keith und ich schoben sie nach draußen. »Ich habe die Augen gesehen – zwei große rote Augen –, an der hinteren Wand«, brachte sie heraus. Während sich alle um sie scharten und versuchten, sie zu beruhigen, ging ich in das Gebäude zurück. Die Rückwand der Kesselhalle war leer. Da war nichts, was das Licht meiner Lampe hätte reflektieren können. Erneut durchsuchte ich das Gebäude vom Boden bis zum Dach, ohne etwas zu finden. Als ich wieder draußen war, sah ich, dass sich inzwischen ein Polizist, Deputy Alva Sullivan, zu unserer Gruppe gesellt hatte. Wie die anderen war er nicht bereit 101
gewesen, mit mir hineinzugehen und weiter zu suchen. Alle blickten durch einen Zaun jenseits des Kraftwerks, hinter dem sich ein Acker erstreckte. »Wir dachten, wir hätten da hinten etwas gesehen«, erklärte Mary Hyre. »Eine große Gestalt, die davonrannte. Waren Sie das?« »Nein … Ich habe das Gebäude nicht verlassen.« »Was war das für ein Lärm, als Sie drin waren?«, wollte Mabel McDonald wissen. »Was für ein Lärm?« »Es klang metallisch und hohl. Ein lautes Geräusch. Wie wenn ein Stück Metall aus großer Höhe auf den Boden fällt oder so.« Alle hatten das Geräusch gehört, nur ich nicht. Und ich hatte nichts getan, was solch einen Lärm hätte auslösen können. Keith führte Connie, die immer noch weinte, zu ihrem Auto. »Bitte, lass uns abhauen«, flehte sie. »Ich blute«, rief Mary Mallette plötzlich aus und hielt sich die Hand ans Ohr. Ich leuchtete ihr in die Ohrmuschel. Ein kleines rotes Rinnsal war zu sehen. »Haben Sie irgendwas gehört?«, fragte ich. Alle schüttelten die Köpfe. »Nein, aber irgendetwas stimmt hier nicht, oder?«, meinte Mary Hyre. »Die Atmosphäre ist so drückend … irgendwie belastend.« Ich musste ihr zustimmen. Irgendetwas schien falsch. Steve Mallette führte seine Frau weg. Jetzt mussten wir uns um zwei hysterische Frauen kümmern! »Haben Sie da hinten wirklich jemanden gesehen?«, fragte ich Sullivan ruhig. »Schwer zu sagen. Kann auch ein Tier gewesen sein. Vielleicht ein Hirsch oder so.« 102
Die ganze Gruppe war inzwischen am Rande einer Panik. Ich konnte sehen, dass ihre Gefühle echt waren. Es war nicht nur Show, um mich zu beeindrucken. Ich bin kein Held, aber ich spürte nicht die gleiche Angst wie sie. Mrs. Mallettes blutendes Ohr war ein Hinweis auf eine Gehirnerschütterung, das heißt, der Luftdruck hatte rapide gewechselt. Connie hatte offensichtlich Halluzinationen von diesen Angst einflößenden Augen. Das metallische Geräusch kann nicht aus dem Gebäude gekommen sein, sonst hätte ich es auch gehört. Vielleicht hatte es etwas mit der starken Luftdruckveränderung zu tun. Ich überflog den nachtschwarzen Himmel mit dem Blick. Nirgends ein Stern oder ein Licht. Wir gingen zurück zu den Autos und fuhren wieder zu den McDonalds nach Hause. Mary Mallettes Ohr hörte auf zu bluten. Keith fuhr die immer noch zitternde Connie Carpenter nach Hause. Weil ich ein unverbesserlicher Idiot bin, kehrte ich allein zum TNT-Gelände zurück. Es war weit nach Mitternacht, als ich ziellos zwischen den Iglus herumkurvte. Zwar kam Mothman nicht aus dem Gebüsch gesprungen und schrie »Buh!«, dennoch hatte ich ein eigenartiges Erlebnis. Als ich auf einer dieser gottverlassenen Straßen an einem bestimmten Punkt vorbeifuhr, packte mich plötzlich die Angst. Ich trat aufs Gas, und nach ein paar Metern war meine Panik ebenso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Ich fuhr weiter und kehrte schließlich an den gleichen Punkt zurück. Wieder überkam mich eine Welle unsäglicher Angst. Schnell fuhr ich weiter und hielt dann verblüfft an. Wie kam es, dass mir ein Abschnitt dieser Straße derart die Haare zu Berge stehen ließ? Ich wendete und fuhr zurück, wobei ich auf Bäume, Zaunpfosten und andere Landmarken achtete. Und wieder: Als ich an diesem bestimmten Punkt ankam, 103
stellten sich mir die Nackenhaare hoch, und ich bekam echte Angst. Als ich auf der anderen Seite dieser Zone herausgefahren war, hielt ich und stieg aus dem Wagen. Es herrschte absolute Stille. Kein Laut war zu hören, nicht einmal ein Vogelschrei. Ich fühlte mich an die Stille erinnert, die sich früh am Morgen über den Dschungel senkt, wenn plötzlich gegen zwei Uhr sämtliche Tiere, Vögel, ja selbst die Insekten für rund zwei Stunden in völliges Schweigen verfallen. Wenn man nicht an den Dschungel und seine Gesetze gewöhnt ist, kann einen diese Stille aus dem Tiefschlaf reißen. Langsam ging ich zurück zur »Zone der Angst«, wobei ich auf eventuelles Rascheln im Gebüsch achtete, aber auch auf meinen eigenen Atem und meine Empfindungen. Ich war absolut ruhig, bis ich einen Schritt zu weit ging und mitten in der Zone stand. Um ein Haar wäre ich in Panik ausgebrochen und davongerannt, doch ich zwang mich, mich umzusehen und langsam weiterzugehen. Mir war jetzt klar, dass ich wahrscheinlich durch einen Bereich von Ultraschallstrahlen gegangen war und überhaupt nichts zu befürchten hatte. Nach rund fünf Metern verließ ich die Zone, und alles war wieder normal. Nur musste ich jetzt noch einmal durch diesen verdammten Bereich, um zu meinem Auto zurückzukommen! Es war stockfinster, und ich kannte mich hier noch nicht gut genug aus, um mir einen Weg außen herum zu suchen. Obwohl ich wusste, dass es harmlos war, fürchtete ich mich davor, wieder hindurchzugehen. Einen Augenblick dachte ich ernsthaft daran, bis Tagesanbruch auf dieser Seite zu bleiben. Dann nahm ich allen Mut zusammen und ging erneut durch die unsichtbaren Strahlen, voller Todesangst, aber insgeheim froh über meine Entdeckung. Bei Tage kehrte ich an den Ort zurück. Die Zone der 104
Angst war verschwunden. Ich suchte nach Stromleitungen, Funkschüsseln oder irgendetwas in der Umgebung, das Energie ausstrahlen könnte. Da war nichts. Und eine Durchsuchung des Kraftwerks bei Tageslicht brachte auch nichts zutage, was als Ursache für die roten Augen hätte herhalten können. Mrs. Mallettes blutendes Ohr und meine Entdeckung der Zone der Angst überzeugten mich schließlich, dass es auf dem TNT-Gelände UFO-Aktivitäten gab, auch wenn Polizei und Presse noch keine entsprechenden Berichte erhalten hatten. Ich bat Mary Hyre und die McDaniels, auf Gerüchte zu achten. Innerhalb von ein paar Tagen befragte ich Dutzende von UFO-Zeugen im ganzen Ohio Valley. In der Nacht, als ich zum ersten Mal das TNTGelände durchstreifte, ging um zwei Uhr morgens ein junger Mann, der weiter oben im Ohio Valley lebte, auf die Toilette. Als er aus dem Fenster sah, entdeckte er direkt über dem Fluss ein hell erleuchtetes Objekt. Es war rund und schien Fenster zu haben, die mit einer Art zerknitterter Alufolie verhängt waren. Zwei Stunden später sahen Mr. und Mrs. Hern aus Cheshire, Ohio, etwas ganz Ähnliches. Ihr Haus stand direkt gegenüber dem TNT-Gelände auf der anderen Seite des Flusses. Mr. Hern führte seinen Hund spazieren, als er am gegenüberliegenden Ufer ein rotes Licht bemerkte. Zunächst dachte er, es wäre vielleicht ein Fallensteller, der seine Bisamrattenfallen überprüfte. Dann erkannte er, dass das Licht vom Ufer kam, nicht vom Wasser. Im Lichtschein konnte er Gestalten sehen, die sich bewegten. Er rief seine Frau, und einige Minuten lang sahen sie zu und versuchten herauszufinden, was das sein könnte. Die Gestalten schienen sehr klein zu sein. Aufgewühlt und verwirrt weckten die Herns ihre Nachbarn, Mr. und Mrs. Tayler, die ebenfalls herauskamen. 105
Rote und orangefarbene Lichter blinkten, wobei eines ständig auf das Wasser gerichtet zu sein schien. Am Ende erloschen die Lichter, und ein hellgrünes ging an. Dann stieg das Objekt gerade in den Himmel auf und verschwand. »Ich lebe an diesem Flussufer, seit ich zwölf bin«, sagte Mr. Hern zu mir und Mary Hyre, »und ich kenne sämtliche Schiffssignale, aber so etwas habe ich definitiv noch nie gesehen.« »Es ist schon seltsam«, fügte Mrs. Hern hinzu. »Wir waren so fassungslos, dass wir danach nicht einmal mehr darüber gesprochen haben. Wir saßen nur schweigend am Küchentisch. Wir vergaßen sogar unser Dankgebet am Morgen.« Als Mary Hyre die ersten UFO-Berichte im Messenger veröffentlichte, kamen Dutzende von Leuten mit eigenen Geschichten an. Sie konnte nur einen Bruchteil der Berichte drucken, die sie bekam.
IV Dr. Morgan, der bereits erwähnte Psychiater aus Parkersburg, sah sich in jenem Dezember zu Hause in einem Vorort der Stadt ein Football-Spiel an, als ihn ein eigenartiges Gefühl überkam. Eine Stimme begann zu ihm zu sprechen, die behauptete, aus einem Raumschiff zu kommen, das irgendwo am Himmel stehe. Er wurde ein Medium! (Ein Jahr danach war Woodrow Derenberger in New York in Long John Nebels Radiosendung zu Gast, zu der 106
ich ebenfalls als Diskussionsteilnehmer eingeladen war. Long John rief Dr. Morgan live an, und er beschrieb seine Erlebnisse am Telefon.) Während sich Dr. Morgan auf die Existenz eines Supergeistes einstellte, empfing Woody weitere interessante Besucher in Mineral Wells. Ein Mann, der sich als Captain Bruce Parsons von der Sicherheitsbehörde der NASA in Cocoa Beach, Florida, vorstellte, lud ihn nach Cape Kennedy, dem Standort der amerikanischen Weltraumforschung, ein. Kurz nach Weihnachten flogen Woody, seine Frau und ihre Kinder nach Cape Kennedy, um eine Woche bei Captain Parsons zu verbringen. Tagsüber besichtigten sie die riesigen Raketenabschussrampen. Doch jeden Abend wurde Woody in ein Zimmer irgendwo auf dem Cape gebracht, wo er stundenlang verhört wurde und jedes Detail seiner Begegnung mit Indrid Cold preisgeben musste. Einer der Fragesteller war ein Mann, der sich als Kopf der NASA vorstellte und einfach »Charlie« genannt wurde.* Woody zufolge zeigten ihm seine Befrager am Ende der Woche eine Sternenkarte, deuteten auf einen Punkt und erklärten: »Das ist der Ort, von dem sie kommen.« Sie sagten, sie hätten noch andere Medien befragt, die alle ähnliche Geschichten erlebt hätten. Als er fragte, warum sie ihre Kenntnisse über UFOs nicht der Öffentlichkeit zugänglich machten, erwiderten sie angeblich, das würde nur Panik auslösen. Frauen würden Selbstmord begehen, Babys aus dem Fenster werfen. Diese Art der Panik könnte die ganze Welt erfassen, meinten sie. Derenberger brachte einen Haufen Souvenirs von dieser Reise mit: Fotos und sogar einen Fetzen des Materials, aus dem die Raumanzüge unserer Astronauten bestehen. *
Der Leiter der NASA zu dieser Zeit war Dr. Thomas O.Paine. 107
Es ist, sagt Woody, das gleiche glänzende Material, das an jenem regnerischen Novembertag unter Indrid Colds Mantel hervorgelugt hatte.
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Prozession der Verdammten I Während Mothman und Indrid Cold die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich lenkten und alle Welt die Augen zum nachtschwarzen Himmel richtete, fielen die seltsamsten Gestalten über Westvirginia her. Sie strömten aus den Bergen herunter, über die verschlammten Feldwege, wie eine Armee von Kobolden auf der Suche nach armen Schustern. Die Jagdsaison auf den Menschen war eröffnet, und so marschierte die uralte Prozession der Verdammten erneut. Ein Arzt und seine Frau, die im Schneesturm auf einer Landstraße unterwegs waren, sahen eine riesige männliche Gestalt in einem Umhang, die sich durch das Unwetter kämpfte. Sie hielten an, um ihn mitzunehmen. Da verschwand er. Und dort, wo er gestanden hatte, war nichts als Nacht und Schneeflocken. Schwarze Limousinen hielten vor den Häusern in den Bergen, und dunkelhäutige »Volksbefrager« wollten wissen, wie viele Kinder die Familie habe. Immer die Kinder. In mehreren Fällen baten die Insassen der großen schwarzen Wagen nur um ein Glas Wasser. Ein altbewährter Trick aus dem Mittelalter, aus der Mottenkiste geholt. Eine blonde Frau in den Dreißigern, gepflegt, mit weichem, südlichem Akzent, besuchte Leute in Ohio und Westvirginia, die ich interviewt hatte. Sie stellte sich als »John Keels Sekretärin« vor, was ihr sofort alle Türen öffnete. Die Mappe, die sie bei sich trug, enthielt ein kompliziertes Formular mit persönlichen Fragen über den Zeugen: Gesundheit, Einkommen, Wagentyp, allgemeiner Familienhintergrund und ein paar ziemlich kompli109
zierte Fragen über die UFO-Beobachtung. Jedenfalls nicht die Art Fragen, die ein gewöhnlicher UFOFan stellen würde. Ich habe keine Sekretärin. Von dieser Frau erfuhr ich erst einige Monate später aus dem Brief eines meiner Freunde in Ohio, in dem er beiläufig erwähnte: »Wie ich deiner Sekretärin sagte, als sie hier war …« Als ich der Sache nachging, stellte ich fest, dass sie viele Leute aufgesucht hatte, deren Namen ich in keiner Veröffentlichung erwähnt hatte. Woher wusste sie von ihnen? Da waren aber auch noch andere Typen unterwegs. Anfang Dezember versuchte einer von ihnen, Mrs. Marcella Bennett, eine der Damen, die am 16. November die beängstigende Begegnung mit Mothman auf dem TNT-Gelände gehabt hatten, zu überfallen. Sie war mit ihrer kleinen Tochter Teena auf einer verlassenen Straße außerhalb von Point Pleasant unterwegs, als sie bemerkte, dass ihr ein roter Ford Galaxy folgte. Am Steuer saß ein großer Mann, ein Fremder, wie sie sagte, der eine strubbelige Perücke trug. Sie ging vom Gas, weil sie dachte, er wolle überholen. Stattdessen versuchte er, sie von der Straße zu drängen. Sie beschleunigte wieder, der Wagen schoss an ihr vorbei und verschwand hinter der nächsten Biegung. Als sie ebenfalls um diese Kurve fuhr, stellte sie entsetzt fest, dass der Ford quer auf der engen Straße stand. In panischer Angst befahl sie ihrer Tochter, sich gut festzuhalten, und trat das Gaspedal durch. Als der Fahrer sah, dass sie nicht beabsichtigte zu halten, fuhr er schnell zur Seite und ließ sie passieren. Sie hatte den Mann nie zuvor gesehen. Und sie würde ihn auch nie wieder sehen. Vor Mothmans Auftauchen waren Ereignisse dieser Art in Point Pleasant praktisch unbekannt. Anfang Januar 1967 empfing Mary Hyre den Ersten von einer langen Reihe seltsamer Besucher. Eines späten 110
Nachmittags, als sie noch im Büro war, ging die Tür auf, und ein kleiner Mann trat ein. Er war höchstens ein Meter vierzig groß, sagte sie mir in einem Telefonat kurz darauf. Obwohl es draußen Minusgrade hatte, trug er nur ein kurzärmeliges blaues Hemd und eine blaue Hose aus dünnem Stoff. Seine dunklen Augen lagen tief in den Höhlen und waren hinter dicken Brillengläsern verborgen. Er hatte merkwürdige Schuhe mit sehr dicken Sohlen an, die ihn wahrscheinlich ein paar Zentimeter größer machen sollten. Mit tiefer, schleppender Stimme fragte er nach dem Weg nach Welch in Westvirginia, einer Stadt an der Südostspitze des Staates. Zuerst dachte sie, er hätte Sprechprobleme. Sein schwarzes Haar war lang, wie unter dem Kochtopf geschnitten, und seine Augen blickten sie unverwandt und intensiv an. »Er kam immer näher«, berichtete sie. »Seine komischen Augen starrten mich fast hypnotisch an.« Er erzählte ihr eine langatmige, unzusammenhängende Geschichte über seinen Truck, der in Detroit liegen geblieben war. Er sei den ganzen Weg hierher per Anhalter gefahren. Beim Reden näherte er sich ihr immer mehr, und sie bekam Angst, weil sie dachte, sie hätte es mit einem Geisteskranken zu tun. Sie sprang von ihrem Schreibtisch auf und rannte ins Nachbarzimmer, wo der Vertriebsmanager der Zeitung an einer Telefonkampagne arbeitete. Er begleitete sie, und sie redeten gemeinsam mit dem kleinen Mann. »Er schien mehr über Westvirginia zu wissen als wir«, sagte sie später. Einmal klingelte das Telefon, und während sie das Gespräch führte, nahm der kleine Mann einen Kugelschreiber von ihrem Schreibtisch und untersuchte ihn staunend, »als ob er noch nie einen Kugelschreiber 111
gesehen hätte.« »Sie können ihn haben, wenn Sie wollen«, bot sie an. Er reagierte mit einem lauten, auffälligen Lachen, das einem Gackern ähnelte. Dann rannte er in die Nacht hinaus und verschwand hinter einer Ecke. Am nächsten Tag fragte Mary Hyre bei der Polizei nach, ob irgendwelche Personen mit psychischen Schäden vermisst würden. Die Antwort war negativ.
II Am Nachmittag des 9. Januar 1967 kehrten Edward Christiansen und seine Familie von einer Reise nach Florida in ihr neues Haus in Wildwood, New Jersey, zurück. Sie waren gerade erst eingezogen. Das Haus lag unweit des Ortes, wo sie noch im November gelebt hatten, als sie das UFO gesehen hatten. Adresse und Telefonnummer waren geheim. Sie betraten das Haus durch die Hintertür. Die Vordertür war immer noch verriegelt, so wie sie sie zurückgelassen hatten, als sie nach Florida fuhren. Um halb sechs Uhr abends klopfte es an der Fronttür. Arline Christiansen war in der Küche und richtete das Abendessen her. »Geh und schau, wer da ist«, sagte sie zu ihrer 17jährigen Tochter Connie. »Wenn es ein Vertreter ist, mach nicht auf.« Connie ging nachschauen und berichtete dann: »Da steht der seltsamste Typ, den ich je gesehen habe.« Mrs. Christiansen ging zur Tür, entriegelte sie und öffnete. Es wurde dunkel und war bitterkalt. Es war kein Auto in Sicht, was besonders merkwürdig ist, wenn man 112
bedenkt, dass das Haus der Christiansens ziemlich abgelegen war. Ein großer Mann stand vor der Tür. »Lebt Edward Christiansen hier?«, fragte er. Arline bejahte. »Ich bin vom Büro für vermisste Erben«, fuhr der Mann fort. »Mr. Christiansen hat womöglich viel Geld geerbt. Darf ich hereinkommen?« Das Angebot war zu verlockend. Sie trat zur Seite und bat ihn herein, während sie nach ihrem Mann rief. Edward Christiansen ist einen Meter neunzig groß und ziemlich breit gebaut, aber der Fremde überragte ihn noch; er muss mindestens zwei Meter groß gewesen sein. Auch er war sehr kräftig und dürfte mindestens hundertdreißig Kilo gewogen haben. Er trug eine Fellmütze, wie die Russen sie haben, mit einem schwarzen Schirm und einen sehr langen schwarzen Mantel, der viel zu dünn für das kalte Wetter schien. »Es wird nur vierzig Minuten dauern«, sagte er, während er die Mütze abnahm. Darunter wurde ein ungewöhnlicher Kopf sichtbar, der länglich und rund war, im Gegensatz zu seinem Gesicht, das eckig und spitz war. Er hatte schwarzes Haar, das so kurz war, dass es aussah, als wäre es rasiert gewesen und gerade wieder ein wenig nachgewachsen. Auf dem Hinterkopf war ein kreisrunder Fleck, der frisch rasiert aussah. Nase und Mund schienen relativ normal, doch seine Augen waren riesig und glubschig wie bei einem Schilddrüsenkranken und standen weit auseinander. Ein Auge schimmerte seltsam, wie ein Glasauge, und bewegte sich nicht synchron zum anderen. Edward Christiansen sagte gleich zu Beginn, dass es sich um ein Versehen handeln müsse. Er könne nicht glauben, dass irgendjemand ihm Geld vererben wolle. Der Mann beteuerte, dass das sehr wohl der Fall sei, dass er, Edward Christiansen, derjenige sei, den er suche. Um jeden 113
Zweifel auszuräumen, wolle er nur noch ein paar Fragen klären. Er zog den Mantel aus. Auf seinem Hemd war kurz ein Anstecker sichtbar, den er aber schnell mit der Hand verdeckte, entfernte und in seine Manteltasche steckte. »Es sah aus wie Gold oder Messing«, sagte mir Connie später. »Aber es war kein normaler Sheriffstern oder so etwas. Wir haben es nur ganz kurz gesehen … Ein großes ›K‹ und ein kleines ›x‹ waren darauf abgebildet und ein paar Zahlen oder Buchstaben am Rand. Es war ganz offensichtlich, dass er nicht wollte, dass wir es sehen.« Der Mann trug kein Jackett. Unter seinem dünnen Mantel hatte er ein kurzärmeliges Hemd aus einem polyesterartigen Stoff an. Seine Hose war aus dunklem Stoff, grau oder schwarz, und ein wenig zu kurz. Als er sich setzte, rutschte sie ihm die Waden hoch. Er trug dunkle Socken und dunkle Schuhe mit ungewöhnlich dicken Gummisohlen. Arline und Connie aber faszinierte etwas anderes an einem seiner Beine. Als er sich setzte, sahen sie einen langen, dicken grünen Draht, der an der Innenseite der Wade befestigt war. Er kam aus der Socke und verschwand unter der Hose. An einer Stelle schien er in sein Bein einzuschneiden, dort war ein großer brauner Fleck. Connie schien ihn am genauesten beobachtet zu haben und konnte die beste Beschreibung abgeben. In vielerlei Hinsicht ähnelte dieser seltsame Typ dem kleinwüchsigen Mann, der Mary Hyre ein paar Tage zuvor besucht hatte. Mary hatte erzählt, dass der kleine Mann ungewöhnlich blasse Haut gehabt habe, sie habe fast kränklich weiß ausgesehen. Die Christiansens sagten ebenfalls, ihr Besucher habe eine unnatürliche Gesichtsfarbe gehabt. Sie nahmen an, er wäre krank. Auch seine 114
Sprache war merkwürdig. Er hatte eine hohe, »blecherne« Stimme, die bei einem so großen Mann besonders komisch klang. Er sprach monoton und emotionslos, in abgehackten Wörtern und Sätzen, »wie ein Computer«. Connie sagte, er klang, als ob er alles aus dem Gedächtnis zitiere. Mary Hyre hatte mir erzählt, dass ihr kleiner Besucher in einem schwer verständlichen Singsang gesprochen habe, der geklungen habe »wie eine Bandaufnahme«. Beide Männer trugen Schuhe mit ungewöhnlich dicken Sohlen. Beide waren für das Wetter nicht passend angezogen, und beide hatten einen außergewöhnlichen Haarschnitt. Nachdem der Mann sich vorgestellt hatte (keines der Familienmitglieder konnte sich an seinen Namen erinnern; alle meinten, es sei so etwas wie Brown oder Smith gewesen. Sie wussten nur noch, dass er gesagt hatte, seine Freunde würden ihn »Tiny«* nennen), knurrte der Hund der Familie, Gigi, und bellte ihn an. Beruhigend redete der Mann auf ihn ein. Als Tiny sich gesetzt hatte, sagte Mrs. Christiansen, dass sie gerade essen wollten, und lud ihn ein. Er erwiderte, dass er auf Diät sei, aber in zehn Minuten gern ein Glas Wasser trinke. Sein Atem pfiff, wie alle bemerkten, als hätte er Asthma, und er hatte offenbar Probleme beim Luftholen. Tiny holte ein kleines Notizbuch und einen Stift heraus und versicherte der Familie, dass dies wirklich kein Trickbetrug sei. Er suche nach einem gewissen Edward Christiansen, der eine große Summe Geld geerbt habe, und brauche Informationen über Eds Vergangenheit, um definitiv zu bestimmen, dass er der Mann sei. Dann folgte eine lange Reihe von Fragen. Hatte Ed Narben *
Engl. tiny heißt »winzig« (Anm. d. Übers.). 115
oder Muttermale? Ed sagte, er habe eine Narbe am Rücken von einer Operation, außerdem eine Blinddarmnarbe. Tiny wollte jedes Detail wissen – Länge, Breite und exakte Position dieser Narben. Außerdem wollte er eine vollständige Liste aller Schulen, die Ed je besucht hatte, und die Kennzeichen und Typen aller Autos, die der Familie gehörten. Einmal fragte er das Paar, ob sie bereit seien, an jeden Ort der USA zu fliegen, um ihr Erbe abzuholen. Er erläuterte, sie müssten anwesend sein, wenn das Testament verlesen werde. Ed und Arline erklärten sich dazu bereit. Connie zufolge wurde Tinys Gesicht beim Sprechen immer roter. Nach ein paar Minuten wandte er sich zu ihr und fragte: »Kann ich jetzt das Glas Wasser haben?« Sie ging das Wasser holen, und er zog eine große gelbe Kapsel hervor, die er damit schluckte. Danach sprach er wieder ganz normal. Tiny erwähnte drei Namen und fragte Ed, ob er sie kenne. Der verneinte. Später konnte er sich nur noch an einen der Namen erinnern – Roy Stevens. Connie sagte, sie meine, der zweite Name sei Taylor gewesen, aber sie war sich nicht sicher. Zu diesem Zeitpunkt wusste Ed noch nichts über Gwendoline Martinos anonyme »GwenStevens-Anrufe« im Dezember. Gwen erfuhr von Tiny und den drei Namen erst, als ich die Familie Ende Februar 1967 interviewte. Bei dem Interview begannen wir mit ihrer UFOBeobachtung im November, dann ging ich zu meinen üblichen Routinefragen über. Als ich fragte, ob sie nach der Erscheinung ungewöhnlichen Besuch bekommen hätten, blickten sie sich gegenseitig mit einem Ausdruck des plötzlichen Verstehens an. Daraufhin befragte ich alle Familienmitglieder getrennt voneinander. Ihre Aussagen deckten sich perfekt. Da fünf Zeugen beteiligt 116
waren, Mr. und Mrs. Christiansen sowie ihre drei Kinder, alle überdurchschnittlich intelligent und mit scharfer Beobachtungsgabe ausgestattet, betrachtete ich dies als einen besonders verlässlichen MIB-(Men in Black)Bericht. Ich veröffentlichte ihn erst zwei Jahre später, wobei ich die Details verschwieg, um Spekulationen vorzubeugen. Tiny schloss sein Interview knapp eine Stunde nach seiner Ankunft. Wahrscheinlich hatte es exakt vierzig Minuten gedauert, wie er versprochen hatte. Er nahm Mütze und Mantel und sagte zu Ed, er werde binnen zehn Tagen per Post informiert. Arline war in der Küche, als er ging. Sie beschloss, ihn zu beobachten, um zu sehen, wohin er verschwand. Sie trat aus der Küchentür und sah im Dunkeln zu, wie der Mann Richtung Straße ging. »Seine Schuhe quietschten laut beim Gehen«, erinnerte sie sich. Als er die Straße erreicht hatte, machte er ein Zeichen, und ein schwarzer 1963er Cadillac kam aus dem Wald gefahren. Trotz Dunkelheit waren die Scheinwerfer nicht an, sodass sie den Fahrer nicht sehen konnte. Tiny stieg ein, und der Wagen fuhr davon, immer noch ohne Licht. Am nächsten Morgen war Ed allein im Haus, als das Telefon klingelte. Eine weibliche Stimme erklärte, sie rufe wegen der Erbschaft an. »Wir haben unseren Edward Christiansen in Kalifornien gefunden«, meinte sie. Ed sagte, er sei sicher gewesen, dass er es nicht sein konnte, bedankte sich und hängte ein. Nachdem er seiner Familie von dem Anruf erzählt hatte, vergaßen alle den Zwischenfall. Bis zum Interview mit mir. Der Draht an Tinys Bein ist ein Merkmal, das ich bei keinem anderen MIB-Fall bislang hatte. Trug er elektrische Socken? Oder war er ein Android, der verkabelt und ferngesteuert war? 117
Was seinen Anstecker betrifft: Ich vermute, dass das »K« in Wirklichkeit der griechische Buchstabe Sigma (S) war, der auch in anderen UFO-Fällen eine Rolle spielte. Sigma wird in der Wissenschaft häufig als Platzhalter für das Absonderliche oder Unbekannte eingesetzt.
III Zwei Tage, nachdem Tiny, der glubschäugige Nachlassverwalter, nach Cape May gekommen war, besuchte Mothman, der glubschäugige Pterodaktylus, Tiny’s Restaurant in Point Pleasant. Am 11. Januar 1967 um fünf Uhr nachmittags war Mrs. Mabel McDaniel in der Nähe des Drive-inRestaurants zu Fuß unterwegs, als sie sah, wie ein Objekt über die Route 62 sauste. »Ich hielt es zunächst für ein Flugzeug, dann sah ich, dass es viel zu tief flog«, sagte sie. Sie hatte mit Mothman-Zeugen zusammengelebt, aber nie erwartet, das Viech selbst einmal zu sehen. Und sie war auch nicht scharf darauf. In dem Wissen, dass sie psychologisch auf eine Begegnung vorbereitet gewesen war und möglicherweise sogar eine Erscheinung halluziniert haben konnte, interviewte ich sie sehr behutsam. Doch ihre Geschichte hielt stand. Es war eine echte Erscheinung gewesen. Sie traute ihren Augen kaum und blieb wie angewurzelt stehen. »Ich meine, zwei Beine gesehen zu haben … wie Menschenbeine … Sie hingen herunter. Es kreiste tief über dem Tiny’s und flog dann weg.« Sie konnte weder Kopf noch Hals erkennen, die Flügel bewegten sich nicht, und es klang fast wie ein Drachenflieger. Aller118
dings gehörte Drachenfliegen im Jahre 1967 noch nicht zu den Trendsportarten.* Mrs. McDaniel war danach nervös und erregt, zeigte aber keine Krankheitssymptome.
IV Im Januar kehrten Gwendoline Martino und ihre Tochter aus Europa zurück und besuchten für ein paar Tage die Christiansens. Das war, nachdem Tiny in seinem verdunkelten Cadillac davongefahren war. Am 13. Januar 1967 um drei Uhr morgens wurden Gwen und Connie, die in einem Zimmer schliefen, von einem lauten Geräusch geweckt, das direkt von oben zu kommen schien. Zuerst war es weiter entfernt, als ob jemand mit einem Gummihammer auf Metall hämmerte oder über eine metallene Oberfläche ginge. Die Geräusche wurden zunehmend lauter, bis sie schließlich ohrenbetäubend waren. »Das ganze Haus schien zu wackeln«, sagte Gwen. Als sie auf die Suche nach der Ursache gingen, hörten die Geräusche sofort auf. Doch sobald sie im Bett waren, ging es wieder los. Die beiden Frauen überlegten, ob sie Ed Christiansen wecken sollten, der für seinen tiefen Schlaf bekannt war. Als Gwen erneut aus dem Bett sprang, hörten die Geräusche wieder auf. Schließlich verklangen sie ganz. Zwei Tage später kamen Mr. und Mrs. Christiansen abends nach Hause und fanden ihre Kinder in völlig aufgelöstem Zustand vor. Sie hatten das seltsame Häm*
Flugdrachen werden außerdem üblicherweise an steilen Hängen oder Steilwänden gestartet. Die Route 62 führt am Ohio River entlang, und die Gegend ist vollkommen flach. 119
mern wieder gehört. Diesmal waren ihm schwere Schritte gefolgt, die draußen durch den tiefen Schnee knirschten. Als Connies 19-jähriger Freund aus dem Fenster sah, konnte er gerade noch erkennen, wie eine große Gestalt vom Haus wegrannte. Sie trug einen langen weißen Umhang. Den ein Meter fünfzig hohen Zaun übersprang sie mit Leichtigkeit und verschwand dann auf der anderen Seite. Am nächsten Morgen suchte Ed Christiansen die Umgebung nach Fußspuren ab. Und tatsächlich fand er tief in den Schnee geprägte menschliche Fußabdrücke, die zum Zaun führten und auf der anderen Seite weitergingen. Sie führten zu einem anderen Gebäude, das in einiger Entfernung stand, und stoppten abrupt vor dessen Frontwand. Es gab keine anderen Spuren um das Gebäude – es war ein alter, verlassener Schuppen –, und die Zeugen überlegten irritiert, wohin die Person verschwunden sein mochte. Wie unsere haarigen Monster, die grünen Marsmännchen und Mothman war der Eindringling mit Umhang ins Nichts verschwunden.
V Tad Jones war schon aufgrund seines gewöhnlichen Namens eine Seltenheit unter den UFO-Zeugen. Der sanfte, gut aussehende Mann zwischen dreißig und vierzig war ein tief religiöser Mensch, der weder rauchte noch trank. 1967 lebte er in Dunbar, einem Vorort von Charleston, Westvirginia, und war als Leiter eines Gerätehandels in einem Ort namens Cross Lanes tätig. Der weltmännische und intelligente Mann war einer der eindrucksvollsten UFO-Zeugen, die ich auf meinen 120
Reisen traf. Am 19. Januar 1967 um neun Uhr morgens war Tad auf dem neuen, mehrspurigen Highway, der Route 64, auf dem Weg ins Geschäft. Rund 15 Kilometer vor Charleston blockierte ein großes Objekt die Straße vor ihm. Zunächst nahm er an, es handelte sich um ein Baustellenfahrzeug. Doch als er näher kam, sah er, dass es in der Luft schwebte, etwa einen Meter zwanzig über dem Boden. »Es war eine große Kugel aus Metall«, erinnerte er sich. »Da es helllichter Tag war, konnte ich es genau sehen. Es hatte rund sechs Meter Durchmesser und die Farbe von mattem Aluminium.« Er ging vom Gas und betrachtete das Ding zwei Minuten lang. »Es hatte vier Beine mit rollenartigen Rädern am Ende. Und es gab ein kleines Fenster, rund zwanzig Zentimeter im Durchmesser, das in meine Richtung zeigte. Ich konnte aber nicht hineinsehen. An der Unterseite war so etwas wie ein Propeller. Er stand, als ich angefahren kam. Doch dann begann er sich zu drehen, und das ganze Ding stieg auf. Es verschwand am Himmel, und ich fuhr in meinen Laden.« Vor Entsetzen zitternd, beschloss er, die Polizei anzurufen und die Begegnung zu melden. Die Geschichte wurde von der Lokalpresse begeistert aufgenommen. Am nächsten Morgen fand er eine unmissverständliche Botschaft vor seiner Tür. In Blockbuchstaben auf einen einfachen Notizzettel gekritzelt, stand da: »Wir wissen, was du gesehen hast, und wir wissen, dass du geredet hast. Du hältst besser den Mund.« Er hielt es für das Werk irgendeines Witzboldes. Im nahe gelegenen St. Albans war Ralph Jarrett, ein Chemieingenieur und die örtliche UFO-Kapazität, beim 121
Rasieren, als das Telefon klingelte. Er legte den Rasierer beiseite und ging ins Schlafzimmer, um den Nebenapparat abzunehmen. »Ich hörte ein klares Piepsen«, erzählte Jarrett. »Es dauerte vielleicht zwei bis drei Minuten. Dann war die Leitung tot, bis das Freizeichen wieder ertönte. Ich habe schon alle möglichen Kurzwellenübertragungscodes gehört, aber so etwas noch nie.« Er ging nach unten zum Frühstücken, schlug die Zeitung auf, The Charleston Gazette, und las über Tad Jones’ Erscheinung – die erste, von der er hörte. Jarrett, ein aggressiver, redseliger Mann mittleren Alters, war ein hoch qualifizierter Ermittler. Er nahm Kontakt zu Jones auf und führte eine umfassende Untersuchung des Falls durch. Dabei entdeckte er, dass das Objekt direkt über einer größeren Gasleitung geschwebt war, die unter der Straße hindurchführte. (Dasselbe war auch bei anderen UFO-Beobachtungen zu beobachten gewesen.) Ein paar Tage später fand Jones zu Hause in Dunbar erneut eine Mitteilung vor seiner Tür. Diesmal war sie auf ein Stück Pappe geschrieben, deren Ränder angebrannt waren. Es stand dasselbe darauf wie auf dem ersten Notizblatt, außerdem: »… Es will [!] keine weitere Warnung geben.« Ich erschien mehrere Wochen später auf der Bildfläche. Bei meinem Interview erinnerte er sich an einen anderen Zwischenfall, der ihm damals unbedeutend erschienen war. Rund eine Woche nach der Erscheinung fuhr er zur gleichen Zeit morgens auf demselben Highway. Ungefähr an der Stelle, wo die Kugel geschwebt hatte, stand ein Mann am Straßenrand. Da er ihn für einen Anhalter hielt, der an dieser abgelegenen Stelle gestrandet war, ging Jones vom Gas und rief ihm zu: »Wollen Sie mitfahren?« Der Mann erwiderte nichts, sondern winkte ihn 122
nur weiter. Am nächsten Morgen stand der Typ wieder an der Stelle, doch diesmal fuhr Tad nicht langsamer. »Er war sehr dunkelhäutig«, erinnerte sich Jones, »oder sein Gesicht war rot angelaufen. Er sah ganz normal aus und trug einen blauen Mantel und eine blaue Schirmmütze … So was wie eine Uniform, nehme ich an. Mir fiel auf, dass er einen Kasten in der Hand hielt. Eine Art Gerät. Sie hatte ein Zifferblatt wie eine Uhr, und ein Kabel führte davon weg zu seiner anderen Hand.« Später überprüften wir die örtlichen Gasgesellschaften, um herauszufinden, ob vielleicht ein Mann die Leitungen in der Gegend abgelaufen habe. Die Antwort war negativ. Ich fragte außerdem nach Geräten wie dem von Tad beschriebenen. Es wurden keine solchen Kästen benutzt. Als Mary Hyre und ich die Stelle an der Route 64 besichtigten, fanden wir eine Reihe sehr merkwürdiger Fußabdrücke im Schlamm neben der Straße. Einige davon waren identisch mit denen, die ich im vorigen Dezember hinter dem Kraftwerk auf dem TNT-Gelände gesehen hatte. Sie sahen aus wie die Spuren von großen Hundepfoten und waren so tief, dass das Tier mindestens hundert Kilo gewogen haben muss. Ich hatte sie Mothman nicht zuordnen können, außerdem gab es viele Hunde in der Gegend, deshalb machte ich mir damals keine weiteren Gedanken darüber. Tad nahm Gipsabdrücke der Fußspuren, die kein Kenner der örtlichen Fauna identifizieren konnte. Es waren keine Hundespuren. Auch der Zoologe Ivan Sanderson wies später die Hundetheorie zurück und erzählte mir, dass ähnliche Spuren häufig dort auftauchten, wo paranormale Ereignisse stattgefunden hatten. In der Tat habe ich sie selbst an verschiedenen Orten überall im Land gesehen. Neben den »Hundespuren« fanden wir einen einzelnen Fußabdruck, der von einem großen, nackten Menschen123
fuß zu stammen schien. Er befand sich isoliert mitten in einem schlammigen Bereich. Direkt in der Nähe jedoch traf ich auf alte Bekannte … eine Art von Fußabdrücken, die an vielen UFO-Stätten überall im Land zu finden war. Sie sehen aus wie die Abdrücke von geriffelten Sohlen, doch ihre Ausrichtung ist immer seltsam. Sie fangen nirgends an und hören nirgends auf. Schuhe mit geriffelten Sohlen waren Anfang der Sechziger jähre in Mode, verschwanden dann aber wieder. Ich hatte selbst einmal ein Paar. Doch diese Phantomspuren wiesen einen erhöhten Rand auf. Jahre später sah ich auf Bildern von der Mondlandung, dass die Abdrücke der Moonwalkers identisch mit denen waren, die ich auf meinen Reisen gesehen hatte. Offenbar kaufen Marsianer und Venusianer ihr Equipment bei dem Ausrüster, der auch unsere Raumfahrer versorgt.
VI Connie Carpenters Begegnung mit Mothman im November 1966 zog eine ganze Reihe verrückter Situationen nach sich. Mehrmals hörte sie lautes Piepsen vor ihrem Schlafzimmerfenster. Im Februar 1967 versuchte jemand, sie zu entführen. Anfang des Monats hatten sie und Keith Gordon geheiratet. Anschließend waren sie in ein Haus in Middleport, Ohio, auf der anderen Seite des Flusses gezogen. Sie hatten kein Telefon, und nur die Familie und enge Freunde kannten ihre neue Adresse. Middleport ist ein Städtchen mit rund dreitausend Einwohnern. Connie ging noch zur Schule. Sie war ein extrem schlankes Mädchen, das sicher keinen Raquel-Welch-Ähnlichkeitswettbewerb 124
gewinnen würde. Am 22. Februar 1967 brach sie um Viertel nach acht zur Schule auf. Keith war bereits in der Arbeit. Als sie die ruhige, von Bäumen gesäumte Straße entlangging, tauchte ein großer schwarzer Wagen neben ihr auf. Die meisten jungen Leute haben einen guten Blick für Autos, so auch sie. Sie war sicher, dass es ein 1949er Buick war. Der Fahrer öffnete die Tür und rief nach ihr. Er fragte nach dem Weg, also trat sie näher. Es war ein ordentlicher junger Mann von etwa 25, erinnerte sie sich später, und trotz des kalten Wetters trug er nur ein buntes Hemd, kein Jackett. Sein dickes schwarzes Haar war gekämmt, und er war sonnengebräunt. Einen hörbaren Akzent hatte er nicht. Obwohl das Modell fast zwanzig Jahre alt war, sah der Wagen aus wie gerade vom Band gerollt, so gut gepflegt war er. Selbst das Innere wirkte wie neu. Als sie den Wagen erreichte, sprang der Mann plötzlich heraus, packte sie am Arm und befahl ihr, einzusteigen. Nach kurzem Gerangel gelang es ihr, sich zu befreien. In Panik rannte sie zum Haus zurück und schloss sich ein. Bis ihr Mann von der Arbeit zurückkam, rührte sie sich nicht vom Fleck. Auch am nächsten Tag blieb sie zu Hause. Um drei Uhr nachmittags hörte sie jemanden auf der Veranda, und dann klopfte es laut an der Tür. Es war niemand draußen, auch kein Auto in Sicht, doch jemand hatte einen Zettel unter der Tür durchgeschoben. Mit Bleistift in Blockbuchstaben geschrieben, stand auf einem normalen Notizzettel: »Pass auf, Mädchen. Ich kriege dich.« Am Abend gingen Connie und Keith zur Polizei. Der Zettel wurde an Officer Raymond Manly weitergeleitet. Im März 1967 suchte ich dieselbe Polizeistation auf, in der Hoffnung, den Zettel einsehen zu können, um die Handschrift mit anderen Botschaften vergleichen zu 125
können, die ich gesammelt hatte. Aber offensichtlich hatte Manly ihn verschlampt. Als ich die Akte zu dem Fall sehen wollte, zeigte man mir ein Formular mit Connies Namen und Adresse sowie den Angaben: »Dunkler Buick, junger Mann.« Der Polizeichef versicherte mir, dass es in ganz Middleport kein solches Auto gebe und dass es sich hier offenbar um einen Verrückten gehandelt habe, der ein junges Mädchen habe entführen wollen. Officer Manly sagte, dass er das Haus unter ständiger Beobachtung halte. Ich musste die beiden allerdings erst darüber aufklären, dass die Gordons nach dem Vorfall wieder nach Westvirginia auf die andere Seite des Flusses gezogen waren. Obwohl ich jede Menge Referenzen und Presseausweise bei mir hatte, waren die Männer äußerst misstrauisch mir gegenüber und fragten mich mehrmals, ob ich nicht »von der Regierung« sei. Die Furcht vor Regierungsbeamten gab es bereits 1967, lange bevor in den Siebzigern das Vertrauen in die Administration endgültig verloren ging. Die UFO-Fans hatten ihre Sache gut gemacht. Ihre zwanzigjährige Kampagne gegen die Air Force hatte dazu geführt, dass die Regierung von vielen UFO-Reporten überhaupt keine Kenntnis bekam. Auf meinen Reisen durch den Orient Mitte der Fünfzigerjahre hatte ich eine ähnliche Paranoia erlebt. Die CIA hatte sich im Ausland bereits einen ziemlich schlechten Ruf zugelegt. Ihre trotteligen Agenten traten oft als freie Journalisten auf, insbesondere im Himalaja, wo sie versuchten, revolutionäre Aktivitäten gegen die Chinesen zu schüren, die sich Tibet einverleibt hatten. Mehr als einmal wurde ich offen beschuldigt, ein geheimer amerikanischer agent provocateur zu sein. Beamte »verlegten« tagelang meinen Pass, während sie mich nach allen Regeln der Kunst überprüften. In Bagdad, dann in Singa126
pur wurde ich von den Behörden auseinander genommen. Man war offenbar überzeugt davon, dass ich die Regierung stürzen oder Staatsgeheimnisse rauben wollte. Da ich damals ziemlich wenig über die CIA wusste, irritierte mich diese ganze Aufmerksamkeit sehr. Schließlich erfuhr ich, dass die CIA gern junge Leute zwischen 17 und 25 anheuerte und sie in bizarre Geschichten verwickelte. Es gibt übrigens handfeste Beweise dafür, dass auch Lee Harvey Oswald, der KennedyAttentäter, eine Marionette der CIA gewesen war. Inzwischen hat die CIA ein jährliches Budget von elf Milliarden Dollar und muss weder vor dem Präsidenten noch vor dem Kongress Rechenschaft ablegen. Ein Großteil des Geldes geht wahrscheinlich für bürokratischen Unsinn drauf, ein anderer großer Teil für Aktivitäten, die man nur als böswilligen Unfug bezeichnen kann. Offiziell hat die CIA keinerlei Macht innerhalb der USA. Und doch findet man in jedem Telefonbuch jeder mittelgroßen amerikanischen Stadt ein örtliches CIA-Büro. Die Agency unterhält auch überall im Land tausende »Fronten«, getarnte Büros. Im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal enthüllten Reporter, dass einige Beteiligte langjährige CIAAgenten waren, die zu allem Überfluss 1961 bei der gescheiterten Schweinebucht-Invasion auf Kuba dabei gewesen waren. Manche von ihnen waren auch auf der Dealey Plaza in Dallas gewesen, als Präsident Kennedy ermordet wurde. Bemerkenswert ist, dass Reporter, Verleger und Bürger, die sich für die Ermittlungen um Kennedys Tod engagierten, Belästigungen und Telefonterror der Art zu ertragen hatten, wie sie auch die UFOForscher kannten. Einige dieser Praktiken werden später noch näher in Augenschein genommen. Natürlich kann ich nicht die CIA für die absonderlichen 127
Ereignisse verantwortlich machen, die ich hier dargestellt habe. Das Phänomen ist vielmehr Imitation. Dieses Nachäffen des Paranormalen ist für viele sicherlich schwer nachvollziehbar, deshalb hier noch einige Beispiele. Anfang Januar 1973 beobachtete eine zuverlässige Zeugin in Ohio einen ungewöhnlich aussehenden Helikopter, den sie detailgetreu beschreiben konnte. Als sie für einen UFO-Fan eine Zeichnung davon machte, war er völlig verblüfft. Als Luftfahrtingenieur, Spezialgebiet Hubschrauber, wusste er, dass dieser Helikopter existierte – allerdings bislang nur auf dem Reißbrett! Ein paar Tage, nachdem Tad Jones auf der Route 64 seine Begegnung hatte, kam die Zeitschrift True mit einem meiner Artikel über fliegende Untertassen heraus. Illustriert war er mit zahlreichen Zeichnungen von seltsamen Objekten aller Art, die zum Großteil reine Fantasieprodukte waren. Darunter war auch eine exakte Skizze von Jones’ Kugel, komplett mit Beinen, Rädern und Propeller. Ein solches Objekt war bis dahin nirgends in der UFO-Literatur beschrieben worden – und seither nie wieder. Irgendwie hatte das Phänomen dem Zeichner Jones’ Bild von dem Objekt untergejubelt.
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»Aufwachen, ihr da unten!« I Die Szene: ein verlassener Feldweg in den abgelegenen Bergen östlich von Ravenswood, Westvirginia. Ein verliebtes junges Paar, schmusend auf dem Rücksitz einer alten Klapperkiste von Auto. Eine sternenklare, mondlose Nacht im Frühling 1967, gerade warm genug, dass sich das Paar nackt ausziehen konnte, ohne zu frieren. Auf der quietschenden Rückbank lief bis etwa halb elf alles ziemlich erfreulich. Dann schien plötzlich ein blendendes bläuliches Licht durch die Fenster in den geparkten Wagen. »Zuerst dachte ich, es wäre die Polizei«, erzählte mir der junge Mann später. »Dann spürten wir beide ein seltsames Kitzeln, das uns Todesangst einjagte. Ich sprang auf und starrte in das Licht. Es war keine Taschenlampe und auch kein Scheinwerfer. Es war mehr wie ein großer Ball aus bläulichem Feuer, der ein paar Meter über dem Boden schwebte, direkt neben dem Auto. Da war außerdem ein merkwürdiges Geräusch, wie ein tiefes Summen.« Seine Freundin schrie, wie er berichtete, und das Licht wich leicht zur Seite, während das Summen lauter wurde. »Das Nächste, was wir bemerkten, war, dass es verschwunden war. Einfach so. Wir schlüpften in unsere Kleider und machten, dass wir wegkommen. Noch etwas Eigenartiges … Als wir in die Stadt zurückkamen, war es schon halb eins. Wir konnten uns das überhaupt nicht erklären. Uns war das mit dem Licht nur wie ein paar Sekunden vorgekommen. Aber es muss irgendwie mehr 129
als zwei Stunden gedauert haben.« Ihr erster Impuls war, sofort zur Polizei zu gehen. Doch dann entschieden sie sich dagegen, weil sie nicht wollten, dass herauskam, was sie da im Dunkeln getrieben hatten. (»Ihr Vater hätte mich erwürgt!«) Sie fuhren ein paar Minuten lang ziellos herum, bis sich ihre Hysterie legte, dann setzte er sie zu Hause ab. Am nächsten Morgen wachten beide mit einem Sonnenbrand am ganzen Körper auf. Die Augen des Jungen waren fast zwei Wochen lang vollkommen zugeschwollen. Es war nicht einfach zu erklären, wie sie mitten in der Nacht im Frühjahr dazu gekommen waren. Kurz darauf hörte der junge Mann, dass ich in der Gegend war, und suchte mich auf, um mir die Geschichte zu erzählen. Seine Haut war immer noch leicht gerötet und die Augen noch nicht gänzlich abgeschwollen, als wir uns trafen. Die aktinischen Strahlen bewiesen, dass seine Geschichte echt war. Außerdem wusste ich, dass UFOs häufig über Pärchen in geparkten Autos herfallen. Viele – die meisten – Monsterstorys in meinem Archiv fanden auf solchen abgelegenen Straßen statt. Dabei ist junge Liebe auch ohne die Angst vor haarigen Freaks, die an die Windschutzscheibe klopfen, schon aufregend genug. Beunruhigend fand ich die zweistündige Gedächtnislükke, die hier offensichtlich aufgetreten war. Was konnte in dieser Zeit mit dem Paar geschehen sein? Das Phänomen hat ein ziemlich indiskretes Interesse an menschlichen Paarungspraktiken. Eines seiner Lieblingsspiele ist die Manipulation von Liebesbeziehungen. Frühe Erforscher der Feengeschichten, wie der Schriftsteller Sir Walter Scott, stellten fest, dass sich Feen einen Spaß daraus machen, Menschen zusammenzubringen und die Liebe zu fördern, aber auch gern Liebende entzweien. 130
Die »Bell-Hexe« von Tennessee soll das Liebesleben einer Tochter aus dem Hause Bell auf tragische Weise manipuliert haben. Brad Steiger, einer der bekanntesten Erforscher des Paranormalen in den USA und Autor von Das Philadelphia-Experiment, war in mehrere Fälle verwickelt, bei denen boshafte Poltergeister versuchten, Ehen und Romanzen zu zerstören.* Nichts schwächt die Manneskraft eines frisch gebackenen Gatten so sehr wie eine unsichtbare Kraft, die ihn aus dem Ehebett schleudert und mit Aschenbechern bewirft. Es scheint unglaublich, dennoch passieren solche Dinge. Leute, die Kontakt zu fliegenden Untertassen hatten, haben oft Probleme mit ihrer Ehe, oft geht die Beziehung sogar ganz in die Brüche, nachdem sie mit den Außerirdischen in Verbindung standen. Und es gibt viele Fälle von UFO-Fans, die durch ihr gemeinsames Interesse zueinander gefunden haben, regelrecht aufeinander geschleudert wurden. Könnte es sein, dass manche Menschen durch diese geheimnisvolle Kraft programmiert werden zu lieben?
II Auf einer meiner Reisen nach Westvirginia 1967 wurde ich von Donald Estrella, einem PR-Beamten der Vereinten Nationen, begleitet. Zur damaligen Zeit interessierte sich die UN brennend für das UFO-Rätsel. U Thant, damals UNO-Generalsekretär, traf sich privat mit den Autoren John Füller und Dr. J. Allen Hynek, führenden UFO-Spezialisten. Drew Pearson sorgte für eine Sensation, als er an die Öffentlichkeit brachte, dass Thant *
Brad Steiger: Haunted Lovers, New York, Dell 1971. 131
fliegende Untertassen für fast ebenso wichtig hielt wie den Vietnamkrieg. (Thant dementierte das allerdings später.) Als Don Estrella all die bizarren Dinge sah, die ich untersuchte, Dinge, die – zu seiner Überraschung – wenig zu tun hatten mit wunderbaren Raumschiffen von fremden Planeten, erzählte er mir von drei voneinander unabhängigen Ereignissen, die er im Laufe der Jahre erlebt hatte. »Vor sieben oder acht Jahren«, begann er, »fuhr ich mit vier Freunden urlaubshalber durch die New-EnglandStaaten. Wir waren mit einem ziemlich schnellen Wagen auf einer einsamen Landstraße unterwegs, irgendwo in New Hampshire, glaube ich, und fuhren recht schnell. Plötzlich knallten wir gegen etwas. Es war am helllichten Tag, und uns kam es vor, als wären wir gegen eine unsichtbare Wand gefahren. Die komplette Front des Wagens war eingedrückt. Zum Glück war von uns niemand verletzt, aber wir waren doch ein wenig verblüfft. Wir stiegen aus und sahen uns um. Da war absolut nichts auf der Straße. Wir fanden nie heraus, was passiert war.« Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass paranormale Ereignisse oft mit erstaunlichen, aber scheinbar normalen Dingen wie seltsamen Telefonanrufen einhergehen. Hatte er solche Anrufe bekommen? »Da war mal was«, sagte er bedächtig. »Vor etwa fünf Jahren fuhr ich mit dem Zug nach Long Island, um einen Freund zu besuchen. Als ich dort ankam, schimpfte er, ich hätte ihm einen Streich gespielt. Rund eine halbe Stunde, bevor ich ankam, hatte er einen Anruf bekommen. Eine Stimme, die sehr entfernt klang, hatte ›Hallo, Don‹ gesagt. Mein Freund sagte, dass ich noch nicht da sei. Dann fing die Stimme an, eine Serie sinnloser Zahlen 132
aufzusagen. Mein Freund hielt es für einen Scherz und hängte ein.« Schließlich fragte ich ihn, ob er jemals sonderbare Begegnungen mit Fremden gehabt habe. Er sah mich erstaunt und verwirrt an. »Es gibt eine Situation, die mir immer Kopfzerbrechen bereitet hat. Das war um die Zeit mit dem Telefonanruf herum. Ich war abends auf dem Heimweg, als ich bemerkte, dass mir jemand folgte. Als ich mich nach ihm umsah, blieb er stehen und grinste mich an … Aber irgendwas an ihm war fies. Ich kann nicht sagen, was es war.« »War es vielleicht eine Art Triebtäter?«, schlug ich vor. »Nein … ich denke nicht. Er war klein und schmächtig und trug einen schwarzen Mantel und eine schwarze Hose. Sein Gesicht war dunkelhäutig und sah fremdländisch aus. Ich weiß nicht, wieso, aber dieses fiese Grinsen hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt.« Don erzählte, er sei in seine Wohnung gerannt und habe den Mann nie wieder gesehen. Eine rein zufällige Begegnung auf einer geschäftigen New Yorker Straße. Vielleicht. Der blöde grinsende Mann ist ein Bild, das auf dem Gebiet des Übernatürlichen immer wieder vorkommt. Als Mann im schwarzen Anzug mit dunkler Haut und zerfurchtem, fremdländisch wirkendem Gesicht, so wurde er mir an vielen Orten von vielen Menschen beschrieben. Was die seltsamen Anrufe betrifft – davon habe ich so viele untersucht, dass ich inzwischen selbst ein halber Telekommunikationsingenieur geworden bin. Sie sind schwer zu packen, weil es heutzutage so viele Spinner, Scherzkekse und »Telefonfreaks« gibt. Doch die Anrufe, die mich interessieren, lassen sich nicht auf »natürliche« Weise erklären. 133
In Prospect, Oregon, einem Ort mit rund dreihundert Einwohnern, unterhielten sich am 24. März 1961 um acht Uhr morgens zwei Frauen am Telefon, als sich plötzlich eine seltsame Männerstimme einschaltete und sagte: »Aufwachen, ihr da unten!« Eine der Damen fasste das als Beleidigung auf und fing an, den Störenfried zu beschimpfen. Obwohl die Leitung tot schien, hörten sie, wie die Stimme weiterplapperte, in einer Sprache, die so schnell war, dass es wie ein Schnellfeuergewehr klang (vielleicht Spanisch). Die beiden Frauen konnten sich gegenseitig nicht hören. Nachdem der Mann aufgehört hatte, funktionierte die Leitung wieder normal. Am nächsten Tag zur gleichen Zeit, als die Frauen wieder miteinander telefonierten, kam die Stimme wieder: »Aufwachen, ihr da unten!« Diesmal lauschten die Frauen schweigend, als die Stimme in der fremden Sprache weiterredete. Anschließend sagte sie immer wieder »vierzig« und »fünfundzwanzig«. Niemand in Prospect sprach Spanisch, sodass die Sache nie aufgeklärt werden konnte. Stimmen, die sinnlos Zahlen herunterbeten, unterbrechen oft auch das Fernsehen in Gegenden, die häufiger von UFOs heimgesucht werden. Gewöhnlich denken Leute, die so etwas mitbekommen, es handelte sich um Polizeifunk oder einen Amateurfunker. Dabei bedenken sie nicht, dass Fernsehen auf UKW-Kanälen gesendet wurde, die allein diesem Zweck vorbehalten waren; es gab praktisch keine Möglichkeit, dass eine Kurzwellenoder CB-Funkübertragung interferieren konnte. Doch das Phänomen beschränkt sich nicht auf elektrische Apparate. Nachdem ich einige Beiträge zum Thema veröffentlicht hatte, bekam ich aus dem ganzen Land Briefe von Menschen, die mir von eigenen Erlebnissen erzählen wollten. Zu meiner Überraschung hatten diese 134
Menschen die Stimmen meist spätabends gehört, meist wurden sie durch ein scharfes Kommando geweckt. Ein Mann aus dem Südwesten zum Beispiel behauptete, dass ihn mehrmals eine tiefe Männerstimme nachts geweckt habe mit den Worten: »Wach auf, Nummer 491!« Eine Frau in Ohio hörte die Stimme beim Autofahren: »873 … Du bist 873.« Eine Frau aus Kansas schrieb: »Bitte sagen Sie mir, wer diese Leute sind, die permanent Zahlen neben mir aufsagen. Es klingt, als stünden sie direkt neben mir, dabei ist da niemand.« Haben wir alle eine Nummer ins Gehirn gebrannt? Wohl kaum. Es gibt sechs Milliarden Menschen auf der Welt, somit müsste irgendjemand zum Beispiel die Nummer 2 834 689 357 haben. Doch die Zahlen, die mir bislang zu Ohren gekommen sind, haben samt und sonders nur zwei oder drei Stellen. Ein weiterer Ausdruck des Phänomens sind die Morseartigen Zeichen, die aus Autoradios, Telefonen und Fernsehern tönen, wenn UFOs in der Nähe sind. Am 31. Januar 1968 rief mich eine Frau aus Kalifornien an, um mir von einer Serie ungewöhnlicher Ereignisse zu berichten, die um ihr Haus herum passiert seien. Ihr Telefon habe verrückt gespielt, die Lampen im Haus gingen regelmäßig an und aus, und die Elektriker fänden nicht heraus, woran es liege, außerdem passiere sonst noch alles Mögliche. Ich gab ihr einen Rat, der jedem verrückt erschienen wäre, der unser Gespräch mitgehört hätte. Sie sollte genau um neun Uhr abends mit einer Taschenlampe nach draußen gehen und in den Himmel leuchten, wenn sie dort etwas entdeckte. Am nächsten Tag rief sie mich aufgeregt an. Entzückt verkündete sie, ihr Mann, dem die ganze UFO-Sache suspekt gewesen war, sei jetzt auch überzeugt. Sie sei meinen Anweisungen gefolgt, und tatsächlich sei genau 135
um neun Uhr eine große orangefarbene Kugel direkt über ihrem Haus aufgetaucht. Sie leuchtete sie dreimal mit der Taschenlampe an, erhielt aber keine Reaktion. Nach ein paar Augenblicken huschte die Kugel davon. Ihr Mann und sie kehrten ins Haus zurück, wo der Fernseher lief. Als sie ins Wohnzimmer kamen, tönten drei sehr laute Piepser aus dem Gerät. Ihr Mann war vollkommen verblüfft. Denselben verrückten Rat habe ich auch anderen UFOBeobachtern gegeben, immer mit ähnlichen Resultaten. Manchmal klingelt nach der Erscheinung das Telefon, und niemand ist dran. Oder die Türglocke fängt von allein an zu läuten. Offenbar sind dies Dinge, die sich innerhalb des elektromagnetischen Spektrums abspielen, während die Stimmen aus einem geheimnisvollen Superspektrum zu stammen scheinen. Bei der Hypnose gibt es eine einfache Technik, die posthypnotische Suggestion genannt wird. Der Hypnotiseur erzählt seinem Patienten, dass er eine Viertelstunde, nachdem er aus der Trance erwacht ist, den Impuls verspüren wird, auf einen Stuhl zu klettern und wie ein Hahn zu krähen. Wenn der Patient aufwacht, verhält er sich 15 Minuten lang normal, dann klettert er plötzlich auf einen Stuhl und kräht. Warum er das tut, kann er nicht erklären. Es erscheint ihm in diesem Moment wie eine vollkommen rationale Handlung. Bei vielen übernatürlichen Vorfällen oder UFOBeobachtungen ist posthypnotische Suggestion im Spiel. Der Zeuge fährt nachts allein auf einer Straße. Er hört ein piepsendes Geräusch und fällt in Trance – als wäre er darauf konditioniert, auf Piepstöne hin das Bewusstsein zu verlieren. Später wacht er durch ein anderes Piepsen wieder auf. Jetzt stellt er fest, dass er sich in einiger 136
Entfernung von seinem Ausgangspunkt befindet, und hat keine Ahnung, was in den dazwischen liegenden Minuten – oder Stunden – passiert ist. Es gibt mehrere Versionen dieser Hypnosetaktik. Manche Zeugen sehen ein Objekt mit großen Zahlen darauf, das auf sie zufliegt. Beim Entziffern der Zahlen fallen sie dann in Trance. In manchen Fällen stehen antike Schriftzeichen – aus dem Griechischen oder Chinesischen – auf den Objekten. Die Wirkung ist die gleiche. Noch nach Monaten oder Jahren fällt die Person wieder in tiefe Trance, wenn sie diese Zahlen oder Schriftzeichen auf einem Objekt – oder gar auf einem Autokennzeichen oder Schild – sieht.
III Die UFO-Forscher machten U.S. Air Force und CIA für die Welle seltsamer Telefonanrufe verantwortlich, die ihre kleine Gemeinde in den Sechzigerjahren überrollte. Sie waren davon überzeugt, dass die Regierung hinter ihnen her war. Doch diese Dinge passierten schon in den Anfangstagen des modernen UFO-Zeitalters, als im Juni 1947 der Pilot Kenneth Arnold die Erscheinungen von Maury Island in Tacoma überprüfte. Damals waren weder CIA noch Air Force in irgendeiner Weise involviert. Arnold führte seine Ermittlungen mit einem Kollegen von einem Hotel aus durch. Irgendjemand rief ständig die Lokalpresse an und erzählte dort, was sich in diesem Hotelzimmer abspiele. Arnold nahm die ganze Einrichtung auseinander auf der Suche nach Wanzen, fand jedoch keine. 1952 hörte sich ein offizieller Air-Force-Bericht über die 137
Erscheinung eines Pfadfinderführers aus Florida namens Sonny Desvergers so an: »Captain Corney [ein Nachrichtenoffizier der Air Force] wurde über die angeblich anonymen Drohanrufe befragt, die dieser Mr. Desvergers erhalten hatte. Er berichtete, dass Desvergers ihn vor rund zwei Wochen angerufen und gemeldet habe, dass er anonyme Drohanrufe an seinem Arbeitsplatz erhalten habe. Zentrales Element dieser Anrufe war die Drohung, Desvergers solle mit seiner Geschichte aufhören, sonst würde es ihm Leid tun, und Ähnliches.« Zeugen von Landungen und Tiefflügen werden oft ausgesondert, auch wenn sie nicht von ihren Erscheinungen berichten. Und Zeugen, die wie Woodrow Derenberger an die Öffentlichkeit gehen, kommen in den zweifelhaften Genuss des vollen Programms. Wie viele seriöse Zeugen beschloss Woody, ein Buch über seine Erlebnisse zu schreiben.* Und wie die meisten zahlte er die Druckkosten am Ende selbst. Bücher von Menschen, die mit UFOs in Kontakt kamen – es gibt Unzählige – hatten damals eine begrenzte Zielgruppe von vielleicht zwei- bis dreitausend Menschen; deshalb waren sie für die großen Verlage nicht interessant. Woody schreibt in seinem Buch: Während der Arbeit an diesem Buch bekomme ich immer wieder Anrufe, die mich zum Aufhören auffordern. Sogar meine Frau wurde an ihrem Arbeitsplatz angerufen; sie solle mich stoppen, oder »sie« selbst würden es tun. Auch meine Freunde bekamen solche Anrufe. Ich habe keine Ahnung, wer diese Leute sind, aber es sind sicher keine Freaks, so oft, wie sie anrufen. Mehrmals schon sind Kapitel verschwunden, die ich bereits *
Woodrow W. Derenberger mit Harold W. Hubbard: Visitors from Lanulos, New York, Vantage Press 1971. 138
fertig hatte. Immer, wenn ich weggehe, verriegele ich Fenster und Türen. Dennoch fanden wir das Haus schon mehrmals durchsucht vor, Schubladen herausgerissen, Papier überall auf dem Boden zerstreut, es fehlten wertvolle Bandaufnahmen, und mein Kassettenrekorder war zerstört … Briefe, die ich höchstpersönlich in den Briefkasten geworfen hatte, erreichten niemals ihr Ziel. Nachdem Woodys Kontakt bekannt geworden war, kamen zwei Herren in den Geräteladen, in dem er arbeitete, und gingen direkt auf ihn zu. »Wir denken, Sie wissen, wer wir sind, Mr. Derenberger«, sagten sie ohne Umschweife. »Wir raten Ihnen zu vergessen, was Sie gesehen haben.« Daraufhin verschwanden sie ebenso abrupt, wie sie aufgetaucht waren. Woody beschrieb sie als klein, stämmig und mit olivfarbener Haut. Sie trugen schwarze Anzüge. Aus irgendeinem Grund meinte er, diese Men in Black seien in Wirklichkeit von der Mafia. Wohin er auch zog – und er zog 1967 mehrmals um –, die Telefonterroristen und schwarzen Cadillacs fanden ihn. In der Zwischenzeit trafen auch seine hübsche junge Frau und ihre beiden Kinder Indrid Cold und seine Kollegen vom Planeten Lanulos. Mrs. Derenberger hatte Angst vor ihnen und das Gefühl, sie führten etwas Böses im Schilde. Sie seien genau wie wir Irdischen, erzählte sie mir, führen gewöhnliche Autos und seien womöglich schon längst im Begriff, die Menschheit massiv zu durchsetzen. Die Geschichte von Woodrow Derenberger beunruhigte mich von Anfang an, und zwar aus mehreren Gründen. Sie passt nicht in das übliche Raster von Geschichten über UFO-Kontakte. Während der telepathische Aspekt sich durchaus mit anderen Erzählungen deckte, schienen 139
mir seine Erlebnisse ansonsten zu körperlich, zu real. Sie entzogen sich einer einfachen Kategorisierung und passten in keine meiner Schubladen. Entweder er war der überzeugendste Lügner der Welt und hatte Familie und Freunde so trainiert, dass sie sein Spiel mitspielten, oder aber er hatte wirklich Erlebnisse gehabt, die den normalen Rahmen der Ufologie sprengen. Im März 1967 hatten die Massen der Wartenden schließlich aufgegeben, und Mr. Cold konnte sein Raumschiff sicher auf Woodys Farm landen. Woody ging an Bord und flog einmal nach Brasilien und zurück. Das Innere des Schiffs war seinem Bericht zufolge enttäuschend normal, Kojen und Ausrüstung stammten offenbar aus irdischer Produktion. Noch im selben Jahr sollte Derenberger nach Lanulos fliegen, einem netten, kleinen Planeten, auf dem die Leute so gut wie nackt herumliefen. Die meisten Menschen, die behaupten, andere Planeten besucht zu haben, berichten von futuristischen Welten. Woodys Schilderungen dieser Nudistenkolonie im Weltraum waren dagegen irgendwie banal. Zu banal. Später traf Woody die Raumschiffe im Allgemeinen an abgelegenen Orten, häufig nahe bei einem im Bau befindlichen Highway; ein scheinbar triviales Detail, das gleichwohl höchste Bedeutung hat. Cold oder einer seiner Kollegen holte Woody in einem VW Käfer ab und brachte ihn zum Treffpunkt. Seine Welt war inzwischen voll von Außerirdischen namens Kemi, Clinnel, Demo, Ardo, Kletaw und so weiter. Sie präsentierten sich als reale Personen und wirkten vollkommen wirklich auf ihn. Da ich wusste, dass bei den meisten UFO-Kontakten die Wesen ihre Namen aus der griechischen Antike und Mythologie entlehnen, war ich überrascht über diese Fantasienamen. Woodys Erlebnisse hatten überhaupt oft einen märchen140
haften Anklang. Zwei seiner Freunde hatten eine klassisch fantastische Begegnung. Jim Hacket, ein junger Mann, und seine Cousine Barla Sartor waren eines Nachts an einen Ort namens Bogle Ridge gefahren, um den Himmel zu beobachten, als sie eine Ansammlung von roten, grünen und weißen Lichtern aus dem Himmel in einen Kanal direkt in ihrer Nähe plumpsen sahen. Einen Augenblick später war alles in blendendes Licht getaucht, und Jim fühlte, daß sein Gesicht wie durch einen leichten elektrischen Schlag kribbelte. Dann hörte er vor dem Wagen Stimmen – die Darla nicht hörte. Plötzlich klopfte es heftig am Fenster, sodass das Paar vor Schreck zusammenzuckte. Ein Mann mit einer Art rotem Licht in der Hand stand neben dem Wagen. Hacket empfing telepathisch die Aufforderung zum Aussteigen. »Ist das Ihre Frau?«, fragte der Mann. »Nein, meine Cousine.« Der Mann forderte ihn auf, Darla zu sagen, dass sie im Auto bleiben solle. Dann nahm er Hacket in die Dunkelheit mit. Als der junge Mann zurückkam, hatte er keine Schuhe und Strümpfe mehr an, außerdem fehlte seine Uhr. Er sagte, der Mann habe alles mitgenommen. Es habe geregnet, und der Boden sei schlammig gewesen, sodass seine Schuhe voller Erde und Wasser gewesen seien. Am nächsten Tag besuchten Jim und Darla Woody, und am Abend begleitete er sie zu der Stelle an der Bogle Ridge. Indrid Cold, Karl Ado und Demo Hassan warteten bereits auf sie. Woody erläuterte ihnen, was passiert war, und die Außerirdischen erwiderten, Hacket sei »Humanoiden« begegnet, verbrecherischen Schurken. Er könne von Glück reden, dass er nur Schuhe, Socken und Uhr verloren habe. Doch sie würden, so versprachen sie, die Spitzbuben verfolgen und die Sachen zurückholen. 141
Als Jim am nächsten Morgen aus der Tür trat, um die Morgenzeitung hereinzuholen, fand er zu seiner Überraschung seine Schuhe auf der Treppe – frisch geputzt samt gewaschenen Socken und der Uhr. Die Literatur über UFO-Kontakte ist voll mit solchen albernen Episoden. Die Wesen treten abwechselnd als »die Guten« und »die Bösen« auf. Phantomstraßenräuber materialisieren sich plötzlich aus dem Dunkel und überfallen Zeugen mit Baseballschlägern, nur um von den »Guten« aufgehalten zu werden, die sie zusammenschlagen und sie sowie sämtliche Beweisstücke mitnehmen – Baseballschläger und Ähnliches. Viele unser »Schweiger« im schwarzen Anzug spielen solche Spielchen.
IV Jim Hacket hatte wirklich Glück: Er verlor nur seine Schuhe. Anderswo im Ohio Valley starben Hunde, Kühe und Pferde einen rätselhaften Tod, meist als Folge einer durchgeschnittenen Kehle. Das Verschwinden und Sterben von Tieren geht Hand in Hand mit dem UFOPhänomen. Das Erstaunlichste an diesen Todesfällen ist, dass dabei nie Blut zu sehen ist. Häufig sieht es so aus, als wären die Leichen vollkommen blutleer. Die Wunden bluten nicht. Und die Fundstelle weist keinerlei Blutspuren auf Gras oder Erde auf. Zu meinen unangenehmeren Erinnerungen an die Jahre 1966/67 gehören sicherlich die Besuche auf Äckern und Feldern, wo ich Tiere, insbesondere Hunde, untersuchte, die erstaunlich sauberen und präzisen Schnitten zum Opfer gefallen waren. Diese Todesfälle waren nicht örtlich begrenzt, sondern traten parallel zu den UFO142
Wellen im ganzen Land auf. Das Muster hat sich seither oft wiederholt. Schon vor der UFO-Welle im Oktober 1973 gab es ein seuchenartiges Tiersterben überall im mittleren Westen, von Minnesota bis Mississippi, das in der lokalen Presse für Wirbel sorgte. »Zwei Dinge irritieren die Ermittler: das Fehlen von Blut und Fußspuren«, schrieb die Kansas City Times am 22. Dezember 1973. »Selbst an warmen Tagen verloren die frisch getöteten Tiere kein Blut. Manche glauben, dem Vieh wurde das Blut ausgesaugt. Nicht einmal im frischen Schnee wurden Fußabdrücke neben den Schauplätzen der Massaker gefunden.« Im Dezember 1973 und Januar 1974 verschwanden von Connecticut bis Kalifornien Haushunde. Kleine Städte wie Voluntown und Connecticut verloren in wenigen Tagen einen großen Teil ihrer Hundepopulation. In der gleichen Zeit verschwanden aus Woodstock in den Catskill Mountains 15 Hunde. Wie bei früheren Tierverstümmelungen und -entführungen machten die Behörden Satansanbeter, Viehdiebe und Hundejäger, die Hunde stehlen und als Versuchstiere an Labors verkaufen, dafür verantwortlich. Da jedoch nicht der geringste Beweis gefunden werden konnte, war man mit konventionellen Erklärungsversuchen bald am Ende. Europa wird seit vielen Generationen von geisterhaften Tierkillern heimgesucht. 1972 gab es in Schweden eine Plage dieser Art. Die zahlreichen Vampirlegenden Osteuropas gehen zweifellos auf solche Vorfälle zurück. Vampire waren Wesen in Umhängen, häufig begleitet von seltsamen Himmelslichtern, die Menschen und Tiere paralysierten, die ihren Weg kreuzten. Noch Mitte der Fünfzigerjahre gab es eine Serie von »Vampir«-Morden in Jugoslawien. Einem Bericht zufolge waren damals auf einem Acker vier blutleere menschliche Leichname mit 143
durchgeschnittenen Kehlen gefunden worden. Wie bereits erwähnt, haben UFOs, haarige Monster und Mothmen die Fähigkeit, Frauen zu erkennen, wenn sie ihre Regel haben. Ich habe mich schon ernsthaft gefragt, ob Blut und Fleisch nicht essenzielle Bestandteile des rätselhaften Verwandlungsprozesses sind. Brauchen Energien aus dem Superspektrum irdische biologische Materie, um sich vorübergehend in reale Wesen zu verwandeln? Es scheint so, als wären viele UFO- und Monsterauftritte als Show inszeniert, die Massen von Menschen an Orte wie das TNT-Gelände locken, während die Tierverstümmelungen und -morde fast unbemerkt stattfinden. Nachdem Mothman im November 1966 erstmals aufgetaucht war, fand die Polizei den Kadaver eines Hundes auf dem TNT-Gelände. Er war vollständig verkohlt, obwohl die Umgebung keinerlei Brandspuren aufwies. Ich fragte mich, ob das Tier nicht Opfer eines geheimen magischen Rituals wurde, ausgeführt von irgendeinem unbekannten Zauberer und mit dem Zweck, Mothman zum Leben zu erwecken … Im Fahrwasser der UFO-Wellen in den Sechzigerjahren erfuhren Okkultismus, Hexerei und Zauberpraktiken massiven Aufschwung. Ein interessanter Nebeneffekt des Fliegenden-Untertassen-Phänomens ist, dass viele, die dieses Thema fasziniert – meist Menschen mit sehr materialistischen und pseudowissenschaftlichen Ansichten –, sich mit der Zeit immer mehr mit dem übersinnlichen Phänomen auseinander setzen und die Theorie über die Außerirdischen außer Acht lassen. Retrospektiv gesehen, waren die fliegenden Untertassen zum Teil verantwortlich für den Boom des Okkultismus. Besonders verwirrend an dem Phänomen ist, dass es allegorische Situationen und komplizierte Manöver 144
einsetzt, um von anderen Aktivitäten abzulenken. Wenn sie haarige Monster mit toten Hunden auf dem Arm sehen, denken die Leute, andere vermisste Hunde seien ebenfalls im Magen des stinkenden Viechs gelandet. In Wirklichkeit aber haben die Hunde vielleicht einem ganz anderen Zweck gedient … einem Zweck, der uns augenblicklich ergrauen ließe, wenn wir die Einzelheiten kennen würden. In Botschaften an den italienischen UFO-Zeugen Eugenio Siragusa haben die boshaften Wesen versucht, ihre »volumetrische Logik« in kosmischen Zweideutigkeiten zu erklären. Dr. Jacques Vallee nannte es »Metallogik«: Die Wesen haben eine andere Logik als wir. Wenn sie versuchen, das für uns zu übersetzen, kommen völlig absurde Statements heraus. Dabei denkt er jedoch nicht daran, dass sie ganz offensichtlich einen »Hang zum Betrügen« haben, einen uns zu manipulieren, indem sie uns mit Anschauungen infiltrieren, die uns nachsichtig stimmen. Nachdem Woodrow Derenberger Indrid Cold und die Existenz von Lanulos einmal akzeptiert hatte, konnte seine Sicht von der Wirklichkeit leicht manipuliert werden. Im März 1967 fand in Westvirginia eine wahrhaft erstaunliche UFO-»Attacke« statt, die scheinbar die vampirischen Theorien bestätigte, denen ich seinerzeit anhing. Während andere UFO-Erforscher endlose Schilderungen über Himmelserscheinungen sammelten, war ich auf abgelegenen Feldern unterwegs, um tote Tiere zu untersuchen und herauszufinden, was wirklich hinter den blutleeren Kadavern steckte. Am Abend des 5. März fuhr ein Blutspendewagen des Roten Kreuzes auf der Route 2, die parallel zum Ohio verläuft. Beau Shertzer, 21, und eine junge Krankenschwester waren den ganzen Tag unterwegs gewesen, um 145
Blut abzunehmen, und jetzt waren sie auf dem Heimweg nach Huntington, Westvirginia. Die Straße war dunkel und kalt, und es herrschte kaum Verkehr. Als sie durch einen besonders verlassenen Abschnitt kamen, leuchtete auf einem nahe gelegenen Hügel im Wald ein Blitz auf, und ein großes weißes Licht erschien. Es erhob sich langsam in die Luft und flog direkt auf den Wagen zu. »Mein Gott? Was ist das?«, schrie die Krankenschwester. »Ich werde nicht hier bleiben, um das herauszufinden«, erwiderte Shertzer und trat aufs Gas. Das Objekt glitt mühelos über den Wagen und blieb dort. Shertzer rollte das Fenster herunter und blickte nach oben. Entsetzt sah er eine Art Arm oder Verlängerung, die sich aus dem erleuchteten Ding herabsenkte, das nur ein paar Meter über dem Auto schwebte. »Es versucht, uns zu packen!«, schrie die Krankenschwester, als sie einen zweiten Arm bemerkte, der sich auf ihrer Seite heruntersenkte. Es sah aus, als ob das Flugobjekt versuchte, so etwas wie eine Zange um den Wagen zu legen. Sherzter gab ihm die Sporen, doch das Objekt blieb problemlos auf ihrer Höhe. Gerettet wurden sie vermutlich durch das unerwartete Auftauchen von Scheinwerfern entgegenkommenden Verkehrs. Als sich die anderen Autos näherten, zog das Objekt die Arme zurück und entschwand. Völlig hysterisch fuhren die beiden jungen Leute sofort zur Polizei. Der Vorfall wurde kurz im Radio gemeldet, von den Zeitungen aber nicht aufgegriffen. In Fällen wie diesen müssen wir fragen: Hatte das UFO wirklich vor, den Ambulanzwagen mitzunehmen? Oder war es nur ein Täuschungsmanöver, um das Interesse von UFOs für Blut zu untermauern? Später versuchte ich herauszufinden, ob tatsächlich irgendwo solche Blutspendeambulanzen verschwunden waren. Das Rote 146
Kreuz hielt mich für einen Spinner. Aber ich habe mich oft gefragt, ob wir vielleicht immer nur von den Menschen hören, die verschwinden, nicht von Gegenständen …
V Ein paar Tage nach dem bemerkenswerten Blutspendevorfall fuhr Polizist Harold Harmon aus Point Pleasant wie üblich Streife durch das düstere, unbeleuchtete TNTGelände, als sein Blick auf ein dunkles Objekt fiel, das ein paar Meter über einem kleinen Teich schwebte. »Es war definitiv so etwas wie eine Maschine«, erzählte er mir später. »Ich konnte sogar so etwas wie Fenster sehen. Es schaukelte ungleichmäßig wie ein Boot bei Seegang, dann schwebte es lautlos über die Bäume davon.« In diesem März gab es eine weitere landesweite UFOWelle, die jedoch von den inzwischen abgebrühten Medien ignoriert wurde. Wissenschaftler von der Colorado University, die an einem neuen UFOForschungsprojekt arbeiteten, grasten das ganze Land ab, um neue Berichte zu bekommen, und der Projektleiter, Dr. Edward U. Condon, klagte, es sei wie ständiger falscher Alarm bei der Feuerwehr. In diesem Frühjahr verbrachten einige Wissenschaftler ein paar Wochen in der Gegend von Harnsburg, Pennsylvania, um »wandernde nächtliche Lichter« zu beobachten. Ergebnis: Ihnen schien der Himmel über Pennsylvania »sehr auffällig«. Schiffe auf dem Atlantik berichteten von riesigen, beleuchteten »Zigarren«, die kleine Lichtbälle absetzten, 147
welche auf New York und Long Island zusteuerten. Über Long Island und dem benachbarten Connecticut drehten diese Bälle dann nächtens ihre Runden. Während meiner zahlreichen Besuche auf Long Island sah ich selbst mehrmals solche Objekte und hörte einige Augenzeugenberichte, die meine ohnehin wirren Gedanken zusätzlich durcheinander brachten. Eine siebenköpfige Familie schwor, sie hätte ein rundes Objekt in einer bewaldeten Gegend in Long Island niedergehen sehen. Sie stoppten ihren Wagen und sahen überrascht zu, wie zwei menschengroße Gestalten aus dem Objekt stiegen, während in der Nähe ein großer schwarzer Wagen hielt. Die beiden Figuren stiegen in das Auto und fuhren davon. Das Objekt hob schnell wieder ab und verschwand am nächtlichen Himmel. Ähnliche Vorfälle wurden in Südamerika, Frankreich und England gemeldet, doch dieser war der erste in den USA. Die Familienmitglieder waren in Panik. Sie wussten, dass sie die Sache jemandem melden mussten, schwiegen aber, bis sie mich ein paar Tage später im Radio hörten. In der Zwischenzeit leuchteten diese Dinger jede Nacht im Ohio Valley – von Cairo, Illinois, wo der Ohio mit dem Mississippi zusammenfließt, bis zur äußersten Nordspitze des Flusses in Pennsylvania. Am 12. März 1967 um halb zwölf Uhr mittags waren in Letart Falls, Ohio, eine Frau und ihre Tochter auf dem Heimweg von der Kirche, als sie in einem Waldstück hinter einer Biegung ein riesiges weißes Ding direkt vor sich auftauchen sahen. Sie berichteten, es habe gebogene Flügel mit einer Spanne von rund drei Metern gehabt, einen Kopf und offenbar sehr langes Haar. Einige Sekunden lang schwebte es über ihren Scheinwerfern, um dann aufzusteigen und davonzufliegen. Die Zeuginnen waren sehr religiös und dachten sie hätten einen Engel gesehen 148
oder vielleicht sogar Jesus Christus selbst. Nach ihrer Erscheinung spielte ihr Telefon verrückt, und ihr Fernseher hatte plötzlich schwere Störungen. Ich fand heraus, dass in der Gegend um Letart Falls eine ganze Reihe UFOs gesehen worden waren, insbesondere in der Nähe einer großen Kiesgrube. Zu der Zeit war ich gerade mit Erscheinungen im Nordosten beschäftigt. Dennoch sprach ich häufig mit Mary Hyre. Sie erhielt mehr UFO-Berichte, als sie drucken konnte, und es passierten einige andere seltsame Dinge in Point Pleasant. Drei sehr große, dunkelhäutige (aber nicht negroide) Männer verursachten der örtlichen Polizei Kopfzerbrechen. Spätabends klopften sie an Türen, angeblich um Zeitschriften zu verkaufen. Allerdings fanden wir niemanden, der ein Abonnement bestellt hätte. Sie sprachen fließendes, akzentfreies Englisch und wurden als »gut aussehend« und »braun gebrannt« beschrieben. Am meisten beeindruckte die Zeugen ihre eindrucksvolle Statur. Obwohl die Männer noch etwa einen Monat lang in der Gegend unterwegs waren, fanden Mary Hyre und die Polizei nicht heraus, wo sie wohnten. Sie waren immer zu Fuß unterwegs. Offenbar hatten sie kein Auto. Mabel McDaniel arbeitete auf dem Arbeitsamt von Point Pleasant in der Main Street. In der zweiten Märzwoche platzte ein seltsamer Mann in ihr Büro. Er trug einen schwarzen Mantel und eine schwarze Mütze und benahm sich äußerst sonderbar. »Er sah nicht aus wie ein Farbiger, aber er war sehr dunkel«, erinnerte sich Mrs. McDaniel, »und sein Englisch war so schlecht, dass ich nicht richtig begriff, was er eigentlich wollte. Seine Augen sahen komisch aus, irgendwie starr und glasig. Soweit ich verstand, interessierte er sich für eine Versicherung, ständig sagte er, er 149
wolle eine ›Reiseversicherung‹.« Er erzählte ihr, er sei auch schon in der Redaktion des Messenger gewesen (was laut Mary nicht stimmte). Und er redete in diesem radebrechenden Singsang, der für viele unserer Freaks typisch ist, und bewegte sich unsicher, fast wie ein Betrunkener. Mir schien es, als würde sich irgendetwas Phänomenales über der Gegend um Point Pleasant zusammenbrauen, also beschloss ich, meine anderen Projekte auf Eis zu legen und ins Ohio Valley zurückzukehren. Diesmal begleitete mich Daniel Drasin, ein junger Filmproduzent, der für den Bildungskanal von Public Broadcasting Laboratorys (PBL) eine Dokumentation über UFOs machen wollte. Don Estrella wollte ebenfalls mitkommen. Die beiden wussten wenig über die UFO-Situation, und gewohnheitsgemäß klärte ich sie nicht auf. Ich wollte, dass sie das Ausmaß und die unglaubliche Komplexität der Sache selbst erkannten. Ende März stiegen wir in unsere Mietwagen und begaben uns auf eine zwölfhundert Kilometer weite Fahrt in die Twilightzone.
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Rotlicht und Aprilscherze I »Meine Telefone spielen verrückt«, sagte Mary Hyre, »sogar die mit Geheimnummern. Tag und Nacht rufen mich Fremde an. Manchmal höre ich komische Piepstöne. Haben Sie jemals von so etwas gehört?« Ich musste zugeben, dass ich tatsächlich von so etwas schon gehört hatte. Allerdings hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, wenig mit den Leuten über diese Dinge zu sprechen, selbst mit engen Freunden. Nachdem Mary und ich unser Interview mit Charles Hern und seiner Frau in Ohio beendet hatten, hatte uns Mr. Hern zur Tür begleitet und gesagt: »Wissen Sie, wir haben Ihnen alles erzählt, was wir gesehen haben, aber von Ihnen haben wir nichts erfahren!« Ich war so verschwiegen, dass mich die UFO-Fans mit einer Aura des Mysteriösen umgaben (wie sie das mit allem tun). James Moseley, der inzwischen verstorbene Herausgeber der Saucer News, sagte einmal zu Gray Barker über mich: »Er vermittelt immer den Eindruck, als wüsste er nicht mehr als wir über fliegende Untertassen. Dabei weiß er jede Menge darüber, nur sagt er es nicht.« Die Wahrheit war indessen viel profaner. Ich behielt vieles für mich, um Witzbolde davon abzuhalten, ihre Scherze zu treiben (viele meiner Erkenntnisse sind in diesem Buch erstmals veröffentlicht). Außerdem übte ich Zurückhaltung, um in den Gegenden, wo ich auftauchte, Gerüchten und möglicher Panik vorzubeugen. Ich vermied Publicity, anders als die meisten selbst ernannten 151
UFO-Forscher, die ihre Zeit hauptsächlich auf Pressekonferenzen und mit dem Zusammenstellen von Sammelalben verbringen. Nicht zuletzt schienen manche der Dinge, die ich untersuchte, oberflächlich so absurd – vor allem aus der Sicht der fundamentalistischen UFOAnhängerkreise –, dass ihre Veröffentlichung nur noch mehr Gerüchte, Kontroversen und unsinnige Theorien ausgelöst hätte. Auf der Reise durch das Flusstal zeigten Dan Drasin und Don Estrella zunehmend Erstaunen – und Angst –, wenn sie meine seltsamen Fragen und die noch seltsameren Antworten der Zeugen hörten. Eine junge Frau in Point Pleasant hatte Probleme mit ihrem Telefon. Jeden Nachmittag, wenn sie gegen fünf Uhr von der Arbeit heimkam, klingelte es, und ein Mann redete in einer rasanten Sprache auf sie ein, die sie nicht verstand. »Es klingt wie Spanisch … dennoch glaube ich nicht, dass es Spanisch ist«, klagte sie. Sie beschwerte sich bei der Telefongesellschaft, doch die beteuerten, sie könnten keine Störung ihrer Leitung feststellen. Wir besuchten sie zu Hause, und ich untersuchte routinemäßig ihr Telefon, indem ich es zerlegte. Drasin und Estrella sahen mir schweigend zu. Auf ihren Gesichtern stand förmlich geschrieben: »Jetzt ist er total durchgeknallt.« Was haben Telefone mit fliegenden Untertassen zu tun? In Telefonhörern findet man häufig ein kleines Stück Baumwolle, das als Dämpfung zwischen Magnet und Membran dient. Etwas anderes sollte man nicht finden. Doch als ich das Telefon dieser Frau aufschraubte, entdeckte ich einen winzigen Holzsplitter. Sie sagte, bislang habe niemand, nicht einmal der Techniker der Telefongesellschaft, ihren Apparat aufgemacht. Das Holzstück sah aus wie ein Stück von einem Streichholz, 152
das an einem Ende angespitzt und mit einer Substanz überzogen war, die wie Grafit aussah. Später zeigte ich das Ding Telekommunikationsingenieuren, und sie sagten, so was hätten sie noch nie gesehen. Ich legte es in eine Plastikbox und packte es weg. Jahre später entdeckte ich in einem Zauberladen in New York (Taschenspielerei ist eines meiner Hobbys) bei den Scherzartikeln eine Zellophanpackung mit ähnlichen Stäbchen. Zigarettenladungen! Irgendwie war so eine explosive Ladung in ein Telefon in Point Pleasant geraten! Wann, wie, durch wen und warum sie dort hineingelangt ist, bleibt ein Rätsel. Bald nach meiner Untersuchung hörten die seltsamen Anrufe bei der Frau auf. Vielleicht habe ich den Apparat exorziert, indem ich das Stäbchen herausnahm. Auch am südlichen Ende des TNT-Geländes, an der Camp Conley Road lebte eine Familie, die Probleme mit dem Telefon und anderen Geräten hatte. Die Frau in Point Pleasant, die von einem rätselhaften Anrufer mit metallischer Stimme in einer fremden Sprache bombardiert worden war, war übrigens ihre Schwiegertochter. »Wir brauchten nicht lange, um zu kapieren, dass immer dann, wenn unser Fernseher verrückt spielte, wieder so ein Licht über uns war«, erzählte uns James Lilly, ein bodenständiger Schiffskapitän. »Ich habe mich nicht viel mit dem Gerede über fliegende Untertassen beschäftigt, bis ich selbst welche sah. Man traut seinen Augen nicht.« Zunächst behielten die Lillys ihre Beobachtungen für sich. Doch dann kamen zunehmend Gerüchte auf, und Busladungen von Menschen pilgerten jeden Abend zur Camp Conley Road, um die Außerirdischen zu sehen. »Wir haben alles Mögliche gesehen«, berichtete Mrs. Lilly. »Blaue, grüne, rote Lichter und Objekte, die die Farbe wechselten. Manche davon flogen so tief, dass wir die Fenster sehen konnten, die wie Diamanten geformt 153
waren. Keines der Objekte machte jemals ein Geräusch.« In der Nähe ihres Hauses blieben auf einmal Autos aus unerfindlichen Gründen liegen. Und kurz nachdem die Lichter ihre Nachtflüge aufgenommen hatten, fing es in dem kleinen Ranchhaus der Lillys an zu spuken. Mitten in der Nacht schlugen die Türen von Küchenschränken zu. Einmal stand die Außentür zum Wohnzimmer, die sie stets mit Kette und Vorhängeschloss absperrten, angelehnt, als sie am Morgen aufstanden. Sie hörten laute metallische Klänge, »wie wenn eine Pfanne zu Boden fällt«, und Mrs. Lilly vernahm »Babyschreien«. »Es klang so klar, dass ich mich im Haus umsah, obwohl ich genau wusste, dass da kein Baby war. Es schien aus dem Wohnzimmer zu kommen, nur ein paar Meter von mir entfernt.« Eine meiner besonders blöde klingenden Fragen ist folgende: »Haben Sie je geträumt, es wäre mitten in der Nacht ein Fremder im Haus?« Als ich den Lillys diese Frage stellte, forderte Jackie Lilly ihre 16-jährige Tochter auf, von dem »Albtraum« zu erzählen, den sie im März gehabt hatte. Sie zierte sich ein wenig, aber mit etwas Unterstützung aus der Familie erzählte sie schließlich, dass sie eines Nachts aufgewacht war und eine riesige Gestalt vor ihrem Bett hatte stehen sehen. »Es war ein Mann«, sagte sie. »Ein großer Mann. Ziemlich breit auch. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich sah, dass er mich angrinste.« »Jim hatte Dienst auf dem Fluss in dieser Nacht«, ergänzte Mrs. Lilly. »Linda weckte mich mit einem fürchterlichen Schrei. Sie schrie, ein Mann sei in ihrem Zimmer. Ich sagte ihr, sie habe nur geträumt. Aber dann schrie sie wieder.« »Er ging um das Bett herum und stand dann direkt über mir«, fuhr Linda fort. »Ich schrie wieder und zog mir die 154
Decke über den Kopf. Als ich wieder aufsah, war er weg.« »Sie kam ins Schlafzimmer gerannt«, erzählte Mrs. Lilly. »Und sie schrie: ›Da ist ein Mann in meinem Zimmer! Wirklich!‹ Seither weigert sie sich, allein zu schlafen.« Als ich Linda um eine Beschreibung des Fremden bat, sagte sie, er habe, soweit sie sich erinnere, ein »kariertes Hemd« getragen. Schlafzimmergeister in karierten Hemden sind ein alter Hut für Erforscher von übernatürlichen Phänomenen. Ich bin immer wieder darauf gestoßen. So oft sogar, dass ich lange Artikel darüber geschrieben habe. In manchen Fällen sind diese »Kilt-Geister« von Schwefelwasserstoffgestank begleitet oder lösen plötzliche Kälte oder Hitze aus, während andere Episoden wahrscheinlich hypnopompische Halluzinationen sind. Das heißt, es sind Überreste von Träumen, die in den Wachzustand hineinreichen; ein Phänomen, das in Psychiatrie und Parapsychologie hinreichend bekannt ist. Ich hatte selbst einmal hypnopompische Halluzinationen. Im Winter 1960/61 erkrankte ich an Lungenentzündung, legte mich aber erst ins Bett, als ich zusammenbrach. Eines frühen Morgens, ich war immer noch ziemlich krank und mein Körper voll mit Antibiotika, wachte ich auf und sah eine große schwarze Form, die über dem Fußende meines Bettes schwebte. Es war kein Mann im karierten Hemd, sondern eher so etwas wie die vagen Umrisse einer Cola-Flasche. »Was sagt man dazu? Ich habe eine Halluzination«, sagte ich mir, während ich den Kopf hob und die Erscheinung musterte. Der Klecks verschwand langsam, wurde immer kleiner, bis er ganz weg war. Ich habe so etwas nie wieder erlebt.
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II Dan Drasin und Estrella kehrten Ende März nach New York zurück, ich dagegen beschloss in Point Pleasant zu bleiben. Dan war überzeugt, dass sich im Ohio Valley irgendetwas Außergewöhnliches abspielen würde, und wollte mit einem Kamerateam zurückkommen. Wir hatten einige merkwürdige nächtliche Luftlichter gesehen, doch das Seltsamste davon war so verwirrend, dass ich mir noch nicht einmal Notizen machte. Eines Abends standen wir auf einer Anhöhe außerhalb von Point Pleasant, als Mary Hyre unsere Aufmerksamkeit auf ein rotes Licht lenkte, das langsam auf uns zukam. Es hatte das schimmernde, prismenförmige Äußere von klassischem UFO-Licht. Dan, der gerade den Flugschein machte, bestätigte, dass es sich nicht um ein Flugzeug handelte. Flügel oder Schlusslichter waren nicht zu sehen. Der Himmel war kristallklar, nur eine kleine Wolke schwebte über uns. Das Licht bewegte sich sehr langsam und schien sehr tief zu fliegen. Kein Laut drang zu uns herüber. Wir sahen zu, wie das Licht langsam auf die Wolke zuflog und in ihr oder über ihr verschwand. Dann warteten wir darauf, dass es wieder auftauchte. Sekunden wurden zu Minuten. Das Licht erschien nicht wieder. »Vielleicht ist es direkt nach oben aufgestiegen«, mutmaßte Mary. Plötzlich hörten wir das charakteristische Dröhnen eines Flugzeugmotors. Dann erschien die Silhouette eines kleinen Fliegers hinter der Wolke mitsamt Flügeln und Schlusslicht. Er flog in einer Höhe von eintausend bis zwölfhundert Metern. Einen Augenblick lang waren wir überzeugt, dass unser UFO doch ein Flugzeug gewesen war, und lachten uns selbst aus. 156
Je mehr ich indessen über den Vorfall nachdachte, desto unglaublicher erschien er mir. Wir hätten das Flugzeug schon sehen müssen, bevor es hinter der Wolke verschwand, und es hätte nicht so lange brauchen dürfen, um hinter der kleinen Wolke vorbeizufliegen. Irgendetwas stimmte hier definitiv nicht. Später fing ich an, mich mit mysteriösen Flugzeugen und geisterhaften Hubschraubern überall auf der Welt zu befassen. Dabei geriet ich an mehrere Berichte von UFOs, die sich scheinbar in normale Flugzeuge verwandelt hatten. In Kanada zum Beispiel beobachtete im Oktober 1973 eine Gruppe Wanderer auf dem Cowichan River in British Columbia ein fliegendes Objekt dieser Art.* »Es war etwas, wie wir es noch nie zuvor gesehen hatten. Und es gab keinen Laut von sich«, berichtete einer der Zeugen. »Drei rote Lichter rotierten um den oberen Teil, am Mittelteil blinkten rote Lichter in die entgegengesetzte Richtung. Ganz oben war ein weiteres Licht, ein blinkendes rotes. Dann leuchtete von seiner Unterseite aus ein weißes Licht nach unten, wie ein Scheinwerfer. Sein Strahl wanderte über den Fluss, als ob es etwas suchen würde. Inzwischen waren wir alle ziemlich verängstigt. Wir dachten, sicherlich haben die anderen aus dem Camp es ebenfalls gesehen, aber nachher sagten sie, sie hätten gar nichts gesehen. Da war eine Flussbiegung zwischen ihnen und uns, deshalb kann das durchaus möglich sein.« Die Zeugen versicherten, dass sie sich das Ding gut angesehen hätten. Es sei rund gewesen, etwa 25 Meter im Durchmesser, sei sechzig Meter hoch in der Luft geschwebt und 15 Minuten lang zu sehen gewesen. *
John Magor, Hrsg.: Canadian UFO Report, Nr. 16, Box 758, Duncan, B.C., Kanada. 157
Wie verschwand es wieder? »Nun, wenn wir das anderen Leuten erzählten, dachten sie immer, wir spinnen«, meinte der Zeuge. »Aber plötzlich sah es aus, als hätte es sich in ein Flugzeug verwandelt. Es machte Geräusche wie ein Flugzeug, sah aus wie ein Flugzeug, nur dass alle Lichter aus waren bis auf ein kleines rotes. Es flog direkt über uns hinweg und verschwand über den Bäumen.« In ganz Westvirginia hörte ich Geschichten von großen grauen Flugzeugen ohne Aufschrift, die im Tiefflug durch die tückischen Berge flogen. Ich wusste, dass die Air National Guard auf dem Flughafen von Charleston ein paar Frachtflieger hatte und dass zum Training auch Tiefflug gehörte, mit dem der Radar unterlaufen werden sollte. Doch keiner der Flüge, von denen mir berichtet wurde, hatte etwas mit der Nationalgarde zu tun. Drasin und Estrella waren kaum nach New York aufgebrochen, als die Hölle losbrach. Am späten Nachmittag des 31. März entdeckte ein Arbeiter von der Mülldeponie in Point Pleasant ein leuchtendes Objekt, das über dem Haus von Doris Deweese schwebte. Kurz darauf sah Mrs. Deweese ein erleuchtetes Objekt, das über den Himmel zischte und in eine kleine Hütte auf dem gegenüberliegenden Hang krachte. Die Hütte, in der sich der Sender für Sheriff Johnsons Polizeifunk befand, fing sofort an zu brennen. Polizei und Feuerwehr kämpften sich zu der schneebedeckten Anhöhe durch und blieben auf der matschigen, unbefestigten Straße beinahe hängen. Es gab viel hektisches Hin und Her und wildes Fluchen, während die Männer versuchten, das Feuer zu löschen. Der ganze Hang war verbrannt. Der Sender in der Hütte war zwar vom Feuer verschont geblieben, aber völlig ausgebrannt, als wäre er vom Blitz getroffen worden. So musste der 158
Sheriff ausgerechnet in den schwierigen Tagen, die folgten, ohne seinen wichtigsten Sender auskommen. Ich war vom TNT-Gelände inzwischen ziemlich genervt aufgrund der Menschenmassen, die jede Nacht hierher kamen, um die neueste Sensation zu bestaunen: fliegende Untertassen. Und so war ich auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen, von wo aus ich meine Beobachtungen machen konnte. Don, Dan, Mary und ich hatten eine Reihe von Leuten in Gallipolis Ferry, einer kleinen Gemeinde wenige Kilometer südlich von Point Pleasant, interviewt, und ich war beeindruckt von ihren Berichten. Hauslichter erschienen hier ziemlich häufig, außerdem spielten abends oft die Fernseher verrückt. Über den bewaldeten Hügeln des spärlich besiedelten Tierschutzgebietes Chief Cornstalk Hunting Grounds waren große Lichtflecken gesehen worden. Ein Bewohner hatte Probleme mit einem Poltergeist … Lichter, die sich durchs Haus bewegten, Klopfen an Türen und Fenstern, Babyschreien und »Frauengeschrei«, kaputte Telefone – die ganze Palette. Rolfe Lee, der in der Gegend viel Land besaß, erklärte uns, er habe so viele UFOs über seinem Grund gesehen, dass er sie gar nicht mehr zur Kenntnis nehme. Officer Harold Harmon und ich stahlen uns am Abend des 31. März nach Gallipolis davon, während alle anderen zum TNT-Gelände fuhren. Ziemlich bald sahen wir einige helle, sternenartige Objekte, die in schnellen Zickzacklinien über den Himmel huschten. Zwei Teenager saßen auf einer nahen Anhöhe neben einem Feuer, mit dem sie die UFOs herunterlocken wollten. Ich sprach sie an und forderte sie auf, das Feuer auszumachen, weil ich wusste, dass helles Licht die Objekte eher abschreckt als anzieht. Harmon fummelte vergeblich an seinem Polizeifunk 159
herum. Außer atmosphärischen Störungen bekam er nichts herein. Später erfuhr ich, dass in dieser Woche alle Polizeistationen viele Kilometer flussauf- und -abwärts permanent Probleme mit dem Funk hatten. Schwere magnetische Interferenzen unterbanden die Kommunikation zwischen den Beamten, während die UFOs ihre mysteriösen Missionen durchführten. Die Zerstörung von Sheriff Johnsons Sender war nur ein kleiner Teil des Szenarios. Auch Telefone spielten in dieser Woche verrückt. Es schien, als wäre die Hälfte aller Apparate im Tal entweder kaputt oder durch seltsames Piepsen und Summen blockiert. Zusammen mit den beiden Teenagern verließ ich Harmon. In der Dunkelheit fuhren wir in die nahen Berge. Als sich meine Augen an die Schwärze der Nacht gewöhnt hatten, sah ich ein paar vage violette Schatten, die über einem Wald auf Rolfe Lees Land schwebten. Zuerst dachte ich, es wären tiefe Sterne am Himmel, die durch den Dunst schimmerten. Doch als ich meine Taschenlampe auf einen der Flecke hielt, zischte er plötzlich zur Seite, als wollte er meinem Lichtstrahl entkommen. Fasziniert wiederholte ich das Experiment mehrmals. Dann machte ich die Gegenprobe, indem ich richtige Sterne anleuchtete, um zu sehen, ob mich nicht vielleicht meine Sinne trogen. Die Sterne bewegten sich natürlich nicht. Wir saßen auf dem Hügel und beobachteten ein paar Minuten lang die Flecke, als auf einmal der ganze Wald im Tal anfing zu leuchten und in helles, schauriges violettes Licht getaucht wurde. Dort unten gab es weder Straßen noch Häuser. Es wäre eine anstrengende Wanderung geworden, und die beiden Jungs hatte keine Lust mitzukommen. Also blieben wir sitzen und blickten auf den leuchtenden Wald, bis das Licht nachließ. 160
III Am nächsten Tag, dem 1. April, fuhren Mary Hyre und ich abends auf der Five Mile Creek Road unterhalb von Gallipolis Ferry zu einer Anhöhe. Von hier aus hatte man einen Panoramablick auf die Hügel und Täler, die ich in der vorigen Nacht besucht hatte. Auf dem Hügel stand ein einziges Farmhaus. Die Leute, die dort wohnten, pflegten jeden Abend um halb zehn ins Bett zu gehen, weil sie früh aufstehen mussten. Die Gegend war friedlich und verlassen, und es war kein Licht zu sehen. Ein paar Minuten nach unserer Ankunft deutete Mary auf ein kleines rötliches Licht tief an einem bewaldeten Hang südlich von unserem Standort. Es schien zu blinken und bewegte sich auf und ab, ganz anders als die anderen Sterne am Horizont. Während wir atem- und sprachlos zusahen, schwebte es langsam über die Felder und Wälder in der Ferne und kam immer näher auf uns zu. Das Farmhaus lag rund 25 Meter vor uns. Im ersten Moment schien das Objekt vier- oder rechteckig zu sein. Es war unmöglich mit einem Stern zu verwechseln. Einen Augenblick lang verschwand es hinter ein paar Bäumen nördlich vom Farmhaus. Als es wieder auftauchte, war es viel näher. Jetzt konnten wir eine dunkle Form ausmachen. Das rote Leuchten schien aus einer Art Fenster zu kommen. Das Ding schwebte rund 15 Meter über dem Boden. Ich meinte, eine schemenhafte menschliche Gestalt hinter dem »Fenster« zu sehen, doch Mary hielt es für eine Längsstrebe. Das war der einzige Punkt, in dem wir uns nicht einig waren. Wie gelähmt saßen wir einige Minuten lang da und rechneten fest damit, dass das Objekt direkt vor unserer Nase landen würde und seine Insassen uns auffordern würden, sie zu unserem Anführer zu bringen. Irgendwann 161
stieg ich aus dem Wagen und hielt meine Taschenlampe direkt auf das Objekt. Es reagierte prompt und schoss geradewegs in den Himmel, wobei das rote Licht ausging. »Schätze, ich hab’s verjagt«, brummte ich. Aber es würde andere Nächte und weitere seltsame Lichter geben. In der folgenden Nacht kehrten wir an dieselbe Stelle zurück. Der Himmel funkelte vor lauter Sternen – und Dingen, die auf meiner Sternenkarte nicht verzeichnet waren. Wir konnten die UFOs leicht erkennen, weil sie heller und bunter leuchteten als normale Sterne. Manche blinkten rot, andere waren wie kalte violette Flecken, manche mehrfarbig. Mary Hyre sah ebenfalls, dass sie aus dem Lichtkreis meiner Taschenlampe flohen. Ich griff mir ein besonders großes Objekt heraus und gab Lichtzeichen: -././ …/-.-/./-./-. (»komm herunter«). Mary schnappte nach Luft, als es tatsächlich an Höhe verlor. »Es sieht aus, als würde es eine Treppe hinabsteigen«, stellte sie fest. Wir beobachteten die berühmte Bewegung des »fallenden Blattes«, die von UFO-Zeugen oft beschrieben wird. Gegen halb eins beschloss Mary Hyre, dass es für sie nun Zeit sei zu gehen, und ließ mich allein zurück. Wie ein Idiot saß ich in meinem Wagen und wartete darauf, dass etwas passierte. Und es passierte tatsächlich etwas. Eine Stunde später, um 1.35 Uhr, am 3. April 1967, hatte ich die beste Sichtung meines Lebens. Ein klar umrissenes, rundes Objekt zischte plötzlich aus dem Himmel und blieb auf der Höhe meines Wagens stehen. Es war knallbunt, die Farben werde ich nie vergessen. Auf der grünlichen Oberseite leuchtete ein rotes Licht. Um den Rand herum waren rötliche »Bullaugen« oder runde Lichter. Die Farben waren so strahlend, dass sie direkt 162
überirdisch aussahen. Das Ding verschwand linkerhand hinter ein paar Bäumen, vielleicht nur ein paar Dutzend Meter von meinem Wagen entfernt. Obwohl ich es mehrere Sekunden lang voll im Blick hatte, kam ich nicht auf die Idee, meine Videokamera zu nehmen, die neben mir auf dem Beifahrersitz lag. Ich hatte drei interessante Reaktionen während dieser Beobachtung. Erstens stand ich Todesängste aus, obwohl ich es durchaus gewöhnt war, allein mitten in der Nacht auf Friedhöfen oder etwa dem TNT-Gelände herumzustöbern. Mein erster Gedanke war, das Auto zu starten und so schnell wie möglich zu verschwinden. Doch es gelang mir, mich zusammenzureißen. Immerhin verschloss ich die Wagentüren. Zweitens hörte ich ein zischendes oder fauchendes Geräusch, während ich auf das Objekt blickte. Später konnte ich nicht mehr sagen, ob das Geräusch tatsächlich real gewesen war. Drittens waren meine Augen am nächsten Morgen wund und gerötet und fühlten sich an, als wären sie voller Sand. Ich hatte eine leichte Konjunktivitis, die mehrere Tage anhielt. In mein Notizbuch schrieb ich: »Zwei Uhr morgens, fuhr zur Wendestelle [eine Zufahrt neben einem Schuppen die Straße hinunter], drehte um und kehrte zur ursprünglichen Parkposition zurück … in der Schlucht war nichts mehr zu erkennen … keine Lichter oder Zeichen für Aktivität … habe immer noch Angst … aber nicht genug, um im Wagen zu bleiben …« Eine andere Eintragung lautet: »Kein Hinweis auf den Mond, der um 1.59 Uhr aufgehen sollte.« Das bezog sich auf etwas, das zuvor geschehen war. Nachdem das Objekt mit den rötlichen »Fenstern« verschwunden war, saßen Mary und ich lange Zeit im Dunkeln, als plötzlich ein großes, leuchtendes Objekt hinter einem Baum auf 163
einem entfernten Hang auftauchte. Wir dachten ernsthaft, dort wäre etwas gelandet. Nach ein paar Minuten stieg das Objekt kaum merklich auf, und gleichermaßen verlegen stellten wir beide fest, dass es der Mond war. Ich hatte so einen Mondaufgang noch nie gesehen, deshalb beschloss ich, mir dasselbe am nächsten Abend wieder anzusehen. Aus der Zeitung wusste ich, wann der Aufgang stattfinden sollte, zu dem es nie kam. Diese Nacht war, wie gesagt, wolkenlos und sternenklar, doch der Mond tauchte nicht auf. Ich blieb bis halb vier, und der Mond war immer noch nicht da. In der folgenden Nacht ging er pünktlich auf. Sheriff Johnson, sein Stellvertreter Deputy Halstead, Mary Hyre und ich fuhren am nächsten Nachmittag zur Five Mile Creek Road, um nach meiner Untertasse zu suchen. Deputy Halstead hatte einen Geigerzähler dabei. Johnson, der hinter mir fuhr, stellte auf einmal zu seiner größten Verblüffung fest, dass sein Autoradio anging und Polizeirufe aus dem Umkreis sendete. Erstaunlich daran war, dass es die ganze Zeit über ausgeschaltet gewesen war! Es musste mit einem Schlüssel eingeschaltet werden, und dieser Schlüssel steckte nicht einmal! Wir suchten nach Brandspuren, geborstenen Ästen, Radioaktivität, kurz nach allem, was als Beweis für meine Beobachtung dienen konnte. Doch während Halstead und ich die Schlucht durchkämmten, musste ich betrübt feststellen, dass meine Schätzung ziemlich abwegig gewesen war. Das Objekt muss viel weiter von mir weg gewesen sein, als ich gedacht hatte; folglich muss es auch wesentlich größer gewesen sein (meinem Eindruck nach hatte es einen Durchmesser von gerade mal fünf bis sechs Metern). Für mich sprach jedoch die Tatsache, dass es in den Nächten um den 2./3. April herum mehrere UFO164
Sichtungen gegeben hatte. Südlich von Charleston in Westvirginia beobachtete eine große Gruppe von Menschen, darunter mehrere Staatspolizisten, ein Formation von 15 Lichtern, die über einem Wald schwebte und herunterkam. Jeden Abend fuhr ich nun zu dem Hügel an der Five Mile Creek Road, manchmal allein, manchmal in Begleitung. Und jede Nacht sah ich mehrere seltsame Objekte in der Luft. Nur zwei Verkehrsflugzeuge kamen regelmäßig, um elf Uhr und um zwei Uhr. Jede Nacht zwischen drei und acht Uhr morgens tauchten nicht identifizierbare »Sterne« auf. Sie standen zu Beginn immer an derselben Stelle, sodass ein zufälliger Beobachter sie zweifelsfrei für Sterne gehalten hätte. An bewölkten Tagen aber waren diese rätselhaften Dinger die einzigen »Sterne« am Himmel, weil sie nämlich unterhalb der Wolken standen. Während der übrige Nachthimmel langsam rotierte, blieben diese merkwürdigen »Sterne« manchmal stundenlang an der gleichen Stelle, bis sie sich bewegten. Dann wanderten sie in alle möglichen Richtungen, nach oben, nach unten oder im Kreis herum. Außerdem fielen sie durch einige sonderbare Merkmale auf. Wenn ein Flugzeug vorbeikam, wurde ihr Licht plötzlich schwächer oder erlosch ganz. Sobald der Flieger vorbei war, strahlten sie wieder auf. Es war immer noch unmöglich, ihre Größe, Höhe oder Entfernung abzuschätzen. Manchmal dachte ich, sie wären relativ nah, bis ich feststellte, dass sie in Wirklichkeit kilometerweit entfernt waren und sich jenseits des Flusses befanden. Auch die Bootsleute auf dem Fluss beobachteten sie offensichtlich, denn hin und wieder hob sich ein Suchscheinwerfer in den Himmel, genau auf eines der Objekte gerichtet, das ich gerade beobachtete und das dann sofort zur Seite auswich. 165
Ich bezweifelte, dass diese seltsamen Lichter Raumschiffe von Andromeda waren, und bemühte mich sehr, rationale Erklärungen dafür zu finden. Dr. Donald Menzel, Astronom an der Harvard University, vertritt eine Inversionstheorie, nach der diese Lichter ganz normale Lichter sind, die sich an warmen oder kalten Luftschichten reflektieren und so einen Luftspiegelungseffekt hervorrufen. Diese Theorie war jedoch an der Five Mile Creek Road nicht anwendbar, weil es einfach nicht genügend Lichtquellen gab. Eine große Funkantenne einige Kilometer flussabwärts rief eine interessante Wirkung hervor. Bei Nebel boten die roten Lichter ein schauriges Bild, das jeden faszinierte, der zum ersten Mal auf meinen Aussichtsposten kam. Drei oder vier Tage nach meiner sensationellen UFOBeobachtung saß ich bei Mary in der Redaktion. Sie war ziemlich nachdenklich. »Da ist etwas, das ich Ihnen erzählen wollte«, begann sie zögernd. »Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie kommt es mir immer wieder in den Sinn. In der Nacht, als ich früher nach Hause ging … als Sie die bunte Scheibe sahen …, sah ich einen großen Lichtball direkt über dem Fluss, als ich Richtung Point Pleasant auf die Route 2 einbog. Das Komische daran ist, dass ich es total vergessen habe. Erst am nächsten Tag dachte ich plötzlich wieder daran. Dann vergaß ich es wieder. Ich verstehe das nicht. Ich hatte immer ein gutes Gedächtnis.« Gedächtnislücken – der Verlust von Erinnerungen an bestimmte Ereignisse oder Momente – gehen oft einher mit dem Phänomen. Im Dezember 1967 hatte Faye Carpenter, Connies Mutter, einen viel rätselhafteren Anfall von Amnesie. Es war in der Nacht, in der »Jack Brown« Connie besuchte (siehe 2. Kapitel). Mrs. Carpenter hatte ihm die Tür geöffnet. Obwohl es eiskalt draußen 166
war, hatte er weder Mantel noch Jackett an. Sie wollte ihn eigentlich nicht hereinlassen – und doch tat sie es. Danach konnte sie sich nicht mehr an seinen Besuch erinnern, obwohl sie dabei gewesen war, als er mit Connie, Keith und Larry sprach. In den Tagen nach Mr. Browns Besuch nistete sich ein Poltergeist bei den Carpenters ein. Bilder fielen von der Wand, kleine Objekte verschwanden von Regalen und tauchten an ungewöhnlichen Orten wieder auf. Der Spuk dauerte rund zwei Wochen.
IV Auf einer ihrer Recherchetouren wurde Mary Hyre in Gallipolis, Ohio, einer Stadt direkt auf der anderen Seite des Flusses gegenüber von Gallipolis, Westvirginia, von einer Farmerin angesprochen. Sie sagte, sie habe gehört, dass ich in der Gegend sei, und wolle mit mir sprechen. Mein Motel, das Blue Fountain, lag im Außenbezirk von Gallipolis, also verabredete ich mich in der Stadt mit ihr. Sie hatte einen verantwortungsvollen Posten und legte Wert auf Anonymität, wie übrigens viele meiner Zeugen; also nenne ich sie hier Mrs. Bryant. Wir trafen uns im leeren Büro einer größeren Firma in Gallipolis. Mrs. Bryant war eine zurückhaltende, eloquente Frau mittleren Alters, die leicht überarbeitet aussah. Sie war zunächst ziemlich misstrauisch und verschlossen, doch als ich ihr meinen Packen Referenzen gezeigt hatte, entspannte sie sich. Es war offensichtlich, dass sie etwas Außergewöhnliches erlebt hatte und sich sorgte, dass ich ihr vielleicht nicht glaubte. Sie sei zu den örtlichen Behörden gegangen, aber die hätten sie nur 167
ausgelacht. Ich versicherte ihr, dass ich nicht lachen würde, da ich es gewöhnt sei, unglaubliche Geschichten aus dem Mund von glaubwürdigen Personen zu hören. »Letzten November, ich denke, es war der 2. oder 3.«, begann sie, »verließ ich dieses Gebäude, um nach Hause zu gehen. Es war sieben oder acht Uhr abends. Plötzlich blitzte etwas auf, wie ein Kamerablitz, direkt über mir … und dann sah ich etwas … etwas wie eine fliegende Maschine. Ich konnte mich nicht rühren. Ich denke, ich war vor Angst wie gelähmt. Das Ding landete kaum sechs Meter von mir entfernt auf dem Parkplatz. Es sah aus wie ein großer Zylinder. Aber es machte nicht das geringste Geräusch. Es ging nur nieder und verharrte dann. Wie gesagt, ich konnte mich nicht rühren. Ich glaube, ich fing an zu beten. Dann stiegen zwei Männer aus und kamen auf mich zu.« Sie musterte mich ängstlich, als erwartete sie, dass ich zu lachen anfing. »Wie sahen die aus?«, fragte ich. »Sie waren normal große, normal aussehende Männer, nur ihre Haut hatte eine merkwürdige Farbe … dunkel, als ob sie sehr sonnengebräunt wären. Das Licht war schlecht, ich konnte sie also nicht besonders gut sehen.« »Waren es Farbige?« »Nein. Nein, sie hatten keine negroiden Züge. Ihre Gesichter waren irgendwie spitz. Wissen Sie, spitze Nase, spitzes Kinn, hohe Wangenknochen. Sie sahen irgendwie böse aus. Ich fürchtete, sie würden mich überfallen und ausrauben.« »Wie waren sie angezogen?« Ich lehnte mich zurück und zündete meine Pfeife an. »Soweit ich es sehen konnte, trugen sie eine Art Overall, so etwas wie eine Uniform. Dann begannen sie, mit mir zu reden.« 168
Den Blick nach wie vor auf mich gerichtet, zögerte sie. »Was hatten sie denn zu sagen?«, half ich weiter, in dem Bemühen, keine Suggestivfragen zu stellen. »Na ja, es war alles ziemlich doof. Sie wollten meinen Namen wissen, woher ich komme, wie ich mein Geld verdiene, solche Dinge. Manchmal waren sie schwer zu verstehen. Ihre Stimmen waren ziemlich hoch, und sie sprachen in einer Art Singsang. Es hörte sich an wie ein Plattenspieler, der zu schnell eingestellt ist. Sie hörten nicht auf mit der Fragerei. Zum Beispiel fragten sie zweioder dreimal: ›Wie spät ist es?‹ Schließlich gingen sie zu dem Ding zurück und flogen weg. Erst dann konnte ich mich wieder bewegen. Ich hatte Todesangst, aber ich beschloss, niemandem etwas zu erzählen. Ein paar Tage später hörte ich, dass einem Mann in der Nähe von Parkersburg etwas Ähnliches passiert ist.« »Sein Name ist Woodrow Derenberger«, warf ich ein. »Haben Sie ihn kennen gelernt?« »Nein. Ich habe nur im Radio von ihm gehört.« Sie hielt inne und befeuchtete ihre dünnen Lippen. »Ich frage mich … ob er diese Männer wohl noch mal gesehen hat?« »Er sagt ja.« Das schien sie zu erleichtern. »Nun, ich sah sie auch wieder. Und zwar am helllichten Tag. Auf der Hauptstraße in Gallipolis! Diesmal trugen sie ganz normale Kleidung. Sahen aus wie wir. Als sie an mir vorbeikamen, nickten sie mir zu. Mich packte wieder die Angst. Erst dann ging ich zur Polizei und berichtete, was ich gesehen hatte. Sie lachten mich aus und sagten, ich würde mir das nur einbilden.« Wieder hielt sie inne und schüttelte traurig den Kopf. »Sehen Sie, ich war zuvor schon einmal bei der Polizei gewesen, wegen der Viehdiebe. Wahrscheinlich halten sie mich dort für 169
verrückt. Ich war auch beim FBI. Sie sahen sich bei mir um, sagten aber, dass sie nichts finden könnten. Anschließend war mein Telefon verwanzt. Vielleicht war es das FBI.« Ich kritzelte in mein Notizbuch. Noch ein oder zwei Jahre zuvor hätte ich Mrs. Bryant als paranoid und schizophren bezeichnet. Aber sie wirkte keineswegs wie eine ganz normale Irre. Sie und ihre beiden halbwüchsigen Kinder lebten auf einer Farm außerhalb von Gallipolis, wo sie Kühe hatte. 1963/64 hatte sie auf einmal Probleme mit Viehdieben, die das Vieh direkt auf dem Feld abschlachteten. »Wer immer sie waren«, fuhr sie fort, »sie waren nicht gerade wählerisch. Sie nahmen nur Hirn, Augen, Euter und Organe mit, alles, was wir normalerweise wegschmeißen.« Hatte sie jemals jemanden auf frischer Tat ertappt? »Mehrfach«, bestätigte sie. »Ich sah sie auf dem Feld und setzte ihnen mit dem Gewehr nach. Aber sie entwischten jedes Mal. Es waren große Männer in weißen Overalls … Was ziemlich ungeschickt war, weil sie so in der Dunkelheit weithin zu sehen waren. Sie konnten enorm schnell rennen und hoch springen. Ich habe gesehen, wie sie aus dem Stand über hohe Zäune sprangen.« Während dieser Zeit brannte ihr Haus bis auf die Grundmauern nieder, und sie errichtete an der gleichen Stelle ein neues, einstöckiges Ranchhaus. Als sie eines Nachts allein in dem neuen Haus war, wachte sie auf und war wie gelähmt. Sie fühlte, so erzählte sie, eine Welle fast unermesslicher Hitze, als sie plötzlich hörte, wie sich die Außentür zur Küche öffnete. Dabei hatte sie sie zweifach verschlossen, bevor sie ins Bett gegangen war. Während sie hilflos dalag, sah sie eine große Gestalt durch die Küche gehen und durch eine weitere verschlossene Tür 170
verschwinden. Erst als sie weg war, konnte sie sich wieder bewegen. In der folgenden Zeit waren oft seltsame Geräusche im Haus zu hören gewesen. Sie und ihre Kinder hörten immer wieder schwere Schritte auf dem Dach und lautes metallisches Klirren. Nachdem ich sie interviewt hatte, fuhr ich allein zu ihrem Haus, um mit ihren Kindern zu reden. Die Farm der Bryants lag ziemlich abgelegen an einer Bergstraße. Das Haus stand auf einer Anhöhe mit Blick über die angrenzenden Felder. Ihr Sohn war ein vernünftiger Junge, der als einziger verbliebener Mann der Familie früh gelernt hatte, Verantwortung zu übernehmen. Er bestätigte, was seine Mutter über die Viehdiebe erzählt hatte, und fügte noch ein paar interessante Details hinzu. Zum Beispiel erwähnte er ein paar Bäume in der Nähe. Eines Nachts hätten er und seine Mutter direkt darüber ein großes, leuchtendes Objekt gesehen, als sie allein auf der Straße unterwegs waren. »Sie hatte richtig Angst«, meinte er. Ihr Telefon war häufig aus unerfindlichen Gründen tot. Dann wieder erhielten sie Anrufe, die nur aus seltsamen Piepstönen und »elektronischer Musik« bestanden. Außerdem erzählte er von großen grauen »fliegenden Güterwagons«, die häufig knapp über Baumhöhe über sie hinwegfegten. »Es ist ein Wunder, dass sie nicht abstürzen«, sagte er. »Wenn sie nur ein wenig tiefer fliegen würden, müssten sie ihre Räder ausfahren.« Bei der Untersuchung der Küche entdeckte ich, dass die verschlossene Tür, durch die das nächtliche Phantom offenbar verschwunden war, ins Nichts führte. Draußen waren keine Stufen, sondern nur ein steiler Abhang von rund drei Metern Höhe. Später überprüfte ich bei der örtlichen Polizei Gerüchte über verschwundene Hunde und Rinder in der Gegend. 171
Ich erwähnte Mrs. Bryants Namen. »Die arme Frau«, hörte ich. »Sie sieht immer irgendwas. Erst vor ein paar Monaten kam sie mit einer Geschichte über Außerirdische an, die in Gallipolis herumspazieren. Davor waren es Viehdiebe.« Und so sitzt Mrs. Bryant immer noch auf ihrer Farm und beobachtet seltsame Lichter auf ihren Feldern. Wenn das Telefon klingelt, wartet sie lange, bis sie abhebt.
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Wenn heute Mittwoch ist, muss er von der Venus sein I Umringt von Reportern aus Charleston und Huntington, Sheriff George Johnson und dessen Frau und vielen anderen Leuten, stand James Lilly auf dem Rasen vor seinem Haus. Hunderte Autos parkten entlang der Camp Conley Road, unbeleuchtet bis auf das Glimmen von Zigaretten. Weitere Wagen kamen über die zerfurchte Straße auf dem TNT-Gelände Richtung Norden gekrochen. »Jetzt ist es gleich so weit«, verkündete Jim Lilly mit einem Blick auf die Uhr. Es war exakt 20.30 Uhr. »Sie kommen jeden Abend um diese Zeit.« Plötzlich fing es laut an zu hupen, und aufgeregte Schreie hallten durch die Bäume. »Pünktlich auf die Minute«, sagte Lilly lachend. »Du kannst die Uhr nach ihnen stellen.« »Mein Gott! Was ist das?«, schrie ein Reporter, ein Neuling unter den UFO-Beobachtern, als langsam ein blendendes weißes Licht auftauchte. Es beschrieb einen anmutigen Bogen rund dreißig Meter oberhalb der Baumspitzen. Autotüren schlugen überall an der Straße zu, als Familien aus ihren Wagen sprangen. Die Reporter plagten sich mit ihren teuren Kameras herum. »Was zum Teufel ist los? Der Auslöser geht nicht!« Das Licht wanderte langsam auf Point Pleasant zu, den Boden unter sich erhellend. »Wo ist Keel?«, fragte jemand. »Wahrscheinlich sitzt er da oben drin und steuert das 173
Ding«, erwiderte jemand anderer. Auf einmal kreiste ein hell erleuchtetes Flugzeug über dem TNT-Gelände. »Da kommt wieder mal Doc Shaw«, sagte Jim Lilly lachend. »Was glaubt er eigentlich, wen er damit an der Nase herumführt?« Doch dann ließen sich Stimmen aus dem Dunkel vernehmen: »Da kommt noch ein Flugzeug!« Der Flieger schaltete den Motor aus und ging in den Gleitflug über. George Johnson wandte sich an seine Frau: »Du wolltest doch unbedingt mal ein UFO sehen!« »Es war, als hätte ich einen Geist gesehen«, erwiderte sie schaudernd. Die Luft war erfüllt vom Leiern der Automotoren und den Flüchen der Fahrer, die schimpften, weil die Wagen nicht ansprangen. Das Licht bewegte sich auf die Schlucht zu, die hinter der North Park Road begann, sank hinab und wanderte am Fuß des Steilhangs weiter, Betty, die 13-jährige Tochter der Kellys, sah aus dem Küchenfenster und schrie auf. »Ma … es ist wieder da!« Das leuchtende Ding erschien jeden Abend hinter dem Haus der Kellys. Hin und wieder landete es angeblich in ihrem Garten. Wenn das Leuchten etwas nachließ, konnten sie ein Objekt erkennen. Sie glaubten sogar, eine dreieckige Tür darin zu sehen und so etwas wie vereiste Fensterscheiben. Auch ihre Nachbarn hatten sich das Ding angesehen, jedoch klugerweise jede Publicity vermieden. Sie wollten nicht, dass es in ihrer Straße so zuging wie auf der Camp Conley Road oder dem TNTGelände. Als Betty schrie, wurde Bill Kelly, ihr Vater, im Wohnzimmer sauer. Er war Elektroingenieur und hatte gerade 174
die Rückwand des brandneuen Fernsehers abgeschraubt. Als das Objekt ihnen am Abend zuvor einen Besuch abgestattet hatte, war der Apparat explodiert. »Jemand sollte was unternehmen«, schimpfte er. Das Objekt leuchtete etwas stärker auf und verschwand dann. »Wo ist es hin?«, fragte Mrs. Kelly ihre Tochter. »Ich weiß nicht … es … es ist einfach verschwunden.« Sie fing an zu weinen. Das Mädchen war so nervös und aufgeregt, dass es am nächsten Tag nicht zur Schule gehen konnte. Plötzlich klingelte das Telefon. Bill Kelly starrte es an, als wäre es eine Giftschlange. Langsam hob er den Hörer ab; er lauschte, verzog das Gesicht und legte wieder auf. Seine Frau sah ihn erwartungsvoll an. »Wieder einer dieser Anrufe … Piep, piep, piep«, sagte er. Auf einer Anhöhe östlich von Point Pleasant standen Mary Hyre und ich bei unseren Autos und blickten ins Tal hinunter. »Wo ist es hin, John?« Ich äugte angestrengt durch ein billiges Teleskop. »Ich denke, es ist an der North Park Road in die Schlucht abgetaucht. Aber ich kann es nicht mehr sehen.« »Zumindest war es pünktlich.« Auf einmal flackerten rote und grüne Lichter auf. »Ein Flugzeug«, stellte ich fest. »Wahrscheinlich Doc Shaw. Er hat mir erzählt, dass er den Leuten auf dem TNT-Gelände einen Schrecken einjagen will.« »Man kann kaum ein Flugzeug mit einem dieser UFOLichter verwechseln.« »Sehen Sie!«, rief sie aus. »Etwas folgt dem Flugzeug.« Ein paar hundert Meter unterhalb des Flugzeugs sah ich 175
ein großes schwarzes Objekt, fast so groß wie das Flugzeug selbst, aber vollkommen unbeleuchtet. »Mothman! Ist das Mothman?« Ich fummelte an meinem Teleskop herum. Es ist ziemlich schwierig, mit einem tragbaren Teleskop ein Objekt am Nachthimmel anzupeilen. Ich bekam nicht einmal das Flugzeug vor die Linse. Die Maschine überflog den Fluss und steuerte auf den Flugplatz von Gallipolis zu. Das Ding hinter ihm war rasch am dunklen Himmel verschwunden. Wir kehrten in Marys Redaktion zurück, wo sämtliche Telefone klingelten. Überall im Tal sahen die Leute fliegende Objekte. Manche hatten wahrscheinlich nur den nächtlichen Einsatz des Doktors beobachtet, doch andere beschrieben tatsächlich UFO-Phänomene. Das war am 5. April 1967, einem Mittwoch. Nachdem ich rund siebenhundert UFO-Berichte von 1966 gesammelt und analysiert hatte, war mir aufgefallen, dass ein großer Teil der Erscheinungen, etwa zwanzig Prozent, an einem Mittwoch stattfanden. Ich nannte es das »Mittwochsphänomen«. Die Ereignisse von 1967 passten in das Muster ebenso wie die in den folgenden Jahren. Die wichtigsten Begebenheiten im Oktober 1973 fanden auch an einem Mittwoch statt, die meisten am 17. Oktober. Hier gab es einen weiteren eigenartigen Widerspruch. Die Wesen bekundeten, unsere Zeitmessung nicht zu kennen, und doch hielten sie sich mit ihren Flügen an exakte Zeitpläne, die mit unseren Uhren und Kalendern messbar waren. Als ich in Sistersville, Westvirginia, den Rechtsanwalt Robert Wright interviewte, erzählte er mir, die Dinger seien jeden Mittwoch im Sommer 1966 aufgetaucht, »pünktlich wie ein Uhrwerk«. Niemand außer der U.S. Air Force hatte bislang versucht, 176
eine statistische Analyse von UFO-Beobachtungen zu machen. Meine Erkenntnisse wurden also von den Experten auf diesem Gebiet mit höchster Verachtung zur Kenntnis genommen. Dr. David Saunders von der Colorado University fütterte seinen Computer mit den Daten von mehreren tausend Erscheinungen und musste feststellen, dass das Mittwochsphänomen kein Hirngespinst war. An diesem Tag gab es die meisten Erscheinungen; die Werte sprengten alle Wahrscheinlichkeiten und Durchschnittswerte. Im März 1967 überredete mich Ralph Jarrett, mein Prinzip der Zurückhaltung aufzugeben, und so trat ich zusammen mit ihm in der Jackie-Oberlinger-Show von WCHS-TV in Charleston auf. Im Verlauf der Diskussion erwähnte ich, dass die beste Zeit, ein UFO zu sehen, zehn Uhr abends an einem Mittwoch sei. Mrs. Oberlinger, eine lebhafte Blondine und lokale Berühmtheit, nahm mich beim Wort. Am Mittwoch, den 29. März, traf sie sich mit ein paar Freunden in ihrem Garten in Charleston. Und tatsächlich – um exakt zehn Uhr schwebten drei leuchtende weiße Lichtkugeln direkt über ihnen in einer VFormation vorbei. Das Mittwochsphänomen existiert. Warum, kann ich nicht sagen, obwohl ich es jahrelang untersucht habe. Forscher in anderen Teilen der Welt sind meinem Beispiel gefolgt und fanden ähnliche Muster bei den Erscheinungen in ihrem Land. Die Tabelle unten ist eine Auflistung von Erscheinungen des Jahres 1950, die von Saunders in den USA, Ballester-Orlando in Spanien und Bonabot in Belgien zusammengestellt wurden.
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VERTEILUNG VON UFO-SICHTUNGEN IM JAHR 1950 Tag
USA Spanien Belgien Gesamt Durchschnitt (%) Sonntag 40 6 23 69 9,8 Montag 53 8 42 103 14,7 Dienstag 44 15 43 102 14,6 Mittwoch 57 19 56 132 18,8 Donnerstag 51 10 55 116 16,5 Freitag 40 12 12 38 12,8 Samstag 32 13 44 89 12,7 Gesamt 317 83 301 701 99,9 (Veröffentlicht im Bulletin du Gesag, Belgien, Juni 1972.)
II Kurz nachdem ich in Point Pleasant angekommen war und mir einen Überblick über die Situation verschafft hatte, rief ich die Lockburn Air Force Base in Ohio an und erläuterte Lieutenant Hoffman, dem UFO-Offizier der Basis, was sich hier abspielte. Er war ebenso höflich wie desinteressiert, und es wurde schnell klar, dass die Air Force keine Ermittlungen einleiten würde. Vielleicht waren auch bereits welche im Gange. Als ich Anfang April über die Main Street spazierte, fiel mir eine erstaunliche Menge an Fremden auf, die irgendwie nicht recht ins Bild passen wollten. Sie hatten die unverwechselbare Aura von Staatsbeamten … konservative Krawatten, spießige Kleidung und frisch gestutztes Haar. Es 178
müssen 15 bis zwanzig gewesen sein. Ich sah sie in den Restaurants und Drogerien, praktisch überall. »Findet in der Stadt gerade ein Kongress statt?«, fragte ich Mary Hyre. »Sie haben sie also auch gesehen?« Sie lächelte. »Alle fragen mich nach ihnen. Aber ich habe bislang noch nichts herausgefunden.« Ich beschloss, einen von ihnen in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie verschwanden stets, bevor ich zum »Angriff« übergehen konnte. Eines Abends war ich mit Roger Scarberry und Steve Mallette auf dem TNT-Gelände unterwegs, als wir einen großen schwarzen Cadillac entdeckten, der im Verborgenen geparkt war. Ich trat auf die Bremse, stieg aus und ging auf den Wagen zu. Hinter dem Steuer saß ein gut gekleideter, distinguiert aussehender Mann mit einem Mikrofon in der Hand. Ich versuchte, ein Gespräch anzufangen, doch er brummelte nur als Antwort. Offenbar wollte er allein sein. Ich sah ihn nie wieder. Ich verbrachte viel Zeit damit, Zeugen zu befragen. Am frühen Abend fuhr ich immer auf das TNT-Gelände, anschließend zur Five Mile Creek Road, um bis etwa drei oder vier Uhr morgens den Himmel zu beobachten. Am Ende fuhr ich nach Point Pleasant und über die baufällige alte Silver Bridge zurück nach Ohio, um mir im Blue Fountain ein paar Stunden Schlaf zu gönnen. Fünf bis sieben Kilometer südlich von meiner geheimen Anhöhe war ein dicht bewaldeter Bergkamm. Das Objekt mit dem rötlichen »Fenster«, das Mary und ich in der ersten Nacht gesehen hatten, war von dort gekommen. Jeden Abend genau um zehn Uhr flammte ein rotes Licht auf diesem Kamm auf, als hätte jemand ein starkes Licht eingeschaltet. In der Vermutung, dass dort vielleicht ein Haus stand oder eine Straße verlief (wir sahen Autorück179
lichter), kehrte ich bei Tage zurück, stellte jedoch fest, dass es ein ziemlich langer Fußmarsch bis dorthin sein würde. Es waren keine Gebäude zu sehen. Ich fuhr die Chief Cornstalk Hunting Grounds ab, auf der Suche nach einer Straße zu diesem Kamm, doch offenbar war er nicht befahrbar. Am Donnerstag, den 6. April, begleitete mich Mary Hyre zur Five Mile Creek Road, und wir sahen zu, wie das Licht pünktlich anging. Plötzlich entdeckten wir ein ebensolches Licht nördlich von unserem Standort, genau an der Stelle, wo ich die leuchtende Scheibe hatte niedergehen sehen. Ich wusste, dass dort weder Häuser noch Straßen waren. Wir verteilten unsere Aufmerksamkeit auf beide Lichter. Sie schienen sich langsam zwischen den Bäumen hindurch zu bewegen. Ich stieg mit der Taschenlampe aus dem Wagen aus und leuchtete dreimal in die Richtung des Kamms im Süden. Mary überschlug sich fast vor Aufregung. »Sie antworten Ihnen!«, rief sie. Das rote Licht stieg auf, bis es rund dreißig Meter oberhalb der Bäume schwebte. Dann ging es aus, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Das Licht im Norden sank zwischen die Bäume und verschwand. Eidesstattliche Versicherung Ich, Mary Hyre, wohnhaft 219, Sixth Street, Point Pleasant, Westvirginia, Reporterin des Messenger in Athens (Ohio), erkläre hiermit an Eidesstatt, dass ich bei folgendem Ereignis zugegen war und es höchstselbst so erlebt habe, wie im Folgenden beschrieben. Am Abend des 6. April 1967 begleitete ich Mr. John A. Keel aus New York City zu einem abgelegenen Hügel an der Five Mile Creek Road südlich von Gallipolis Ferry, Westvirginia. Kurz nach 23 Uhr beobachtete ich ein blassrotes Objekt von unbestimmter Größe, das etwas 180
oberhalb der Baumwipfel über einem Hügel rund fünfhundert Meter von uns entfernt schwebte. Es gibt dort weder Häuser noch Straßen. Das Objekt schien sich vorsichtig und langsam durch die Luft auf das entfernte Ende des Hanges zuzubewegen, wobei das Licht unregelmäßig an und ausging. Als das Objekt näher kam, stieg Mr. Keel aus dem Wagen und richtete dreimal eine starke Taschenlampe direkt darauf. Das Objekt erwiderte das Signal sofort, indem es dreimal ein blendend weißes Licht aufblinken ließ. Dann stieg es auf, und das blassrote Licht ging aus. Staat Westvirginia Zeugen: Unterschrift: County of Mason Mary Hyre Mary Hyre Heute persönlich in meiner Kanzlei vor mir (County und Bundesstaat) erschienen ist Mary Hyre, mir persönlich bekannt. Sie bestätigte die Richtigkeit der obigen Aussage, die sie in meiner Anwesenheit persönlich unterzeichnete. Meiner Obhut übergeben heute, 21. Juni 1967. Meine Vollmacht endet am 12. Juni 1977 Howard Schultz, Notar Mrs. Mabel McDaniel und zwei weitere Frauen begleiteten mich in der folgenden Nacht zu der Anhöhe. Gegen 22.15 Uhr erschien das bekannte rötliche Licht über dem Hügel im Süden. Dann tauchte unweit davon ein weiteres auf. Ich hielt meine Taschenlampe darauf, aber nichts passierte. Daraufhin kletterte ich über die Umzäunung eines Feldes, um mir das Ganze näher anzusehen. Die beiden Objekte schwebten langsam aufeinander zu. Beim Überqueren des Feldes fiel mir plötzlich etwas Neues auf … ein blassblauer Lichtball, der hoch in den Bäumen eines Obstgartens hinter dem nahe gelegenen Farmhaus 181
schwebte. Das Licht bewegte sich zwischen den Bäumen, als würde es mir folgen. Ich hielt meine Taschenlampe darauf; es gleißte kurz auf, wurde dann schwächer, um schließlich ganz zu erlöschen. Gleichzeitig flackerten die Lichter auf dem Hügel im Süden kurz auf und gingen dann ebenfalls aus. Langsam kehrte ich im Dunkeln über das Feld zurück, kletterte wieder über den Zaun und ging zu Mrs. McDaniels Wagen. Überrascht stellte ich fest, dass die drei Frauen große Angst hatten. »Ich denke, wir fahren besser«, sagte Mrs. McDaniel nervös. Kurz darauf waren sie auf dem Heimweg. Fünf Minuten später, ich saß allein im Auto, leuchtete das rote Licht über dem Kamm wieder auf. Zum ersten Mal wechselte es nun die Farbe, von Rot zu einem gleißenden Weiß. Dann wippte es auf und ab wie ein Jojo und entfernte sich in Richtung des Flusses im Westen. Offenbar sahen es die Bootsleute auf dem Fluss auch, denn plötzlich zielte ein heller Suchscheinwerfer direkt auf das leuchtende Ding. Als der Lichtstrahl auftauchte, hielt das Objekt inne, sank ab und erlosch. Der Scheinwerfer wanderte weiter suchend über den Himmel. Am nächsten Tag sprach ich mit Mrs. McDaniel und erzählte ihr, was ich gesehen hatte. »Schade, dass Sie nicht geblieben sind.« »Wir hatten ziemlich Angst«, begann sie. »Wir … ach, Sie denken wahrscheinlich, wir waren dumm.« »Hat Sie das blaue Licht geängstigt?« »Es war nicht das Licht«, sagte sie zögernd. »Wir haben es gesehen. Und dann sahen wir einen großen Mann auf dem Feld. Wir alle sahen, wie er über den Zaun stieg und hinter unserem Wagen vorbeiging. Erst dachten wir, Sie kämen zurück. Doch dann leuchtete Ihre Taschenlampe weit draußen auf dem Feld auf, und wir wussten, Sie konnten es nicht sein. Wir kurbelten die Fenster hoch, 182
verschlossen die Türen und warteten auf Sie.« Ich hatte niemanden auf dem Feld gesehen. Hatten ihre Augen sie getrogen? Oder gab es auf diesem Hügel Geister? Am Wochenende fuhr ich nach Ohio, um ein paar der vielen seltsamen Dinge zu untersuchen, die sich dort abspielten. Eines von meinen Lieblingsereignissen fand in dem kleinen Dorf Duncan Falls statt. Hier der Eintrag in mein Notizbuch: Irgendwann Ende Oktober (Zeuge erinnert sich nicht an das genaue Datum) machte Mr. Leonard »Shy« Elmore, 72, aus Duncan Falls, Ohio, um etwa vier Uhr morgens einen Spaziergang. Da entdeckte er ein seltsames »Gebäude«, das ihm große Angst einjagte. Wie viele ältere Menschen schläft Mr. Elmore schlecht und geht nachts oft lange spazieren. An diesem Morgen war er allein auf einer Straße zwei Blocks von seinem Haus entfernt unterwegs, als er mitten auf einem großen Feld ein merkwürdiges, »L-förmiges Gebäude, das aussah wie ein verzinkter Eisenschild«, bemerkte. Da er diese »Hütte« nie zuvor gesehen hatte, beschloss er, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Etwas daran machte ihm Angst … später konnte er nicht erklären, was … und so machte er kehrt und eilte davon. Obwohl es dunkel war und er weder Fenster noch Türen in der »Hütte« erkennen konnte, behauptet er, dass er klar und deutlich eine männliche Stimme gehört habe. »Nicht wegrennen … nicht wegrennen …«, rief die Stimme. »Ich bin nicht direkt gerannt«, sagte mir Mr. Elmore, »aber ziemlich schnell gegangen.« Er eilte nach Hause, holte sein Gewehr und kehrte an den Ort zurück. Zu seiner Überraschung war die »Hütte« weg. Der Vorfall regte ihn furchtbar auf, und laut seiner Frau war er mehrere Tage lang nur noch ein nervöses Wrack. Er beschloss, den 183
Sheriff anzurufen und zu melden, was er gesehen hatte. Der Sheriff versprach, sich die Sache selbst anzusehen … kam aber nie. Mr. Elmore erzählte mir seine Geschichte ohne Ausschmückungen oder spekulative Einwürfe. Mr. Elmore wurde anschließend nicht mehr von Men in Black belästigt. Ich war der erste Reporter, der mit ihm sprach. Als er mir das Feld zeigte, stellte ich bestürzt fest, dass es direkt an die Grundschule des Ortes anschloss. Viele Erscheinungen und forteanische Ereignisse* schienen sich um Schulen zu konzentrieren. Die größte Gruppe von UFO-Zeugen sind Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 18. Eine weitere Merkwürdigkeit der Statistik ist, dass die Mehrheit der Erwachsenen, die sich im Auto von UFOs oder Monstern verfolgt fühlten, Lehrer waren, insbesondere von Spezialschulen, entweder für lernbehinderte oder besonders begabte Kinder. Deshalb interessierte ich mich so für die »Volkszähler« in Westvirginia, die sich hauptsächlich mit Anzahl und Alter der Kinder im Ohio Valley beschäftigten.
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Ein forteanisches Ereignis ist ein Ereignis, für das es keine rationale Erklärung gibt. Das Wort geht auf Charles Fort zurück. Es gibt sogar eine International Fortean Organization (INFO), Box 367, Arlington,Virginia, USA.
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Nichtmenschliche Spielchen I »Woodrow Derenberger ist schwanger!« Das Gerücht verbreitete sich überall im Ohio Valley, und viele Leute nahmen es tatsächlich für bare Münze. Die Außerirdischen hätten Woody für ein einzigartiges Experiment ausgewählt, so die Geschichte, und nun verstecke er sich, um seinen rasch anschwellenden Bauch zu pflegen. Sehr bald schon werde er ein ganz besonderes Baby zur Welt bringen, das teils menschlich, teils außerirdisch sei. Das Kind sei dazu berufen, ein großer Führer zu werden. Die Ereignisse von 1966/67 waren eine harte Probe für jedermanns gesunden Menschenverstand gewesen. Fast alles schien jetzt möglich. Ein schwangerer Mann war nicht absurder als das geflügelte Riesenviech oder die gigantischen, leuchtenden Formen, die nächtens durch das Ohio Valley irrlichterten. Eine fantastische neue Welt begann Gestalt anzunehmen, bevölkert von Außerirdischen in Cadillacs und VW-Käfern, Psychiatern, die nachts körperlose Stimmen hörten, und Wesen, die Hunde und Rinder fraßen, während alle Welt in die falsche Richtung blickte. Wie alle anderen ließ auch ich mich von diesen Phänomenen gefangen nehmen und sah nur noch Rätselhaftes um mich herum. Irgendwo gab es jemanden, der jeden meiner Schritte kannte, zumindest schien es so. Ich wurde ziemlich verschlossen und erzählte nicht einmal mehr meinen engsten Freunden, wohin ich ging und wo ich gewesen war. Dennoch schien mir irgendwas auf den 185
Fersen zu sein. Wenn ich unangekündigt auf einer abgelegenen Farm aufgetaucht und mich kaum mit den Leuten zum Interview hingesetzt hatte, klingelte auf einmal das Telefon. Entweder war niemand dran, oder es waren nichts als laute Pieptöne zu hören. Die Farmer reagierten dann immer überrascht. »Wir hatten noch nie solche Anrufe!« Bis ich wieder ging, läutete das Telefon noch mehrmals. Dasselbe passierte mehrere Male an verschiedenen Orten. Ich arbeitete nach einem System, das man »Ortsprüfung« nennen könnte. Ich besuchte Häuser in UFO-Gegenden und redete mit Leuten, die noch nie einen Bericht abgegeben hatten. Manchmal begleitete mich Mary Hyre zu diesen Ortsprüfungen, Sie war überrascht, wie viel sich da tat. Ihr Name und ihr Gesicht waren überall bekannt, und sie genoss einen Ruf als faire, objektive Reporterin. Wenn die Leute sie sahen, entspannten sie sich automatisch und begannen, frei von der Leber weg zu erzählen. In den Bergen um Point Pleasant herum hörten wir viele Geschichten über Schritte auf dem Dach, seltsames metallisches Klirren (zumeist das Scheppern einer zufallenden Autotür, obwohl weit und breit kein Wagen in Sicht war). Eine Familie zeigte uns die Luke zum Speicher, deren Klappe auf mysteriöse Weise verschwunden war. Es war eine Öffnung an der Schlafzimmerdecke, die nur über eine lange Leiter erreicht werden konnte. Andere klagten über »Zigeuner«, die spät abends über ihr Grundstück zogen – Männer in heller, reflektierender Kleidung und Frauen in knöchellangen Kleidern, alle mit langem Haar und dunklen, orientalischen Gesichtszügen. (Das war noch vor der Hippie-Welle Ende der Sechzigerjahre.) Eines Nachmittags hielt ich nördlich von Gallipolis, Ohio, spontan an einem abgelegenen Farmhaus. Als ich 186
an der Tür klopfte, öffnete ein grimmig dreinblickender Mann mit einem Gewehr in der Hand. Ich zeigte meine Referenzen und erklärte, wer ich war, doch er schnitt mir das Wort ab. »Ich weiß, wer Sie sind«, brummte er. »Wir wollen hier nichts mit Ihnen zu tun haben. Verschwinden Sie.« Verblüfft fuhr ich zu Mary, um ihr das zu erzählen. Ich schlug vor, dass sie die Farm besuchte, um herauszufinden, warum sich der Mann so seltsam benommen hatte. Am nächsten Tag fuhren wir zusammen hin. Ich blieb im Auto sitzen, während sie ein paar Minuten mit dem Mann sprach. Schließlich kamen beide lachend auf den Wagen zu. »Sie werden es nicht glauben«, begann der Farmer entschuldigend, »aber zehn Minuten, bevor Sie gestern kamen, hatte ich einen Anruf. Die Stimme klang wie die von meinem Nachbarn. Er warnte mich vor einem Verrückten … einem wirklich gefährlichen Typen … mit Bart … der gerade bei ihm gewesen sei. Sagte, ich sollte mich nicht mit ihm einlassen. Zehn Minuten später sind Sie aufgetaucht. Als Sie wieder weg waren, rief ich ihn an. Er war auf dem Feld, schon den ganzen Tag. Seine Frau musste ihn holen. Er sagte, er hätte nie angerufen.« Streng sah ich Mary an. »Ist das irgendeine Art von Scherz oder so was?« »Absolut nicht«, erwiderte sie und wandte sich an den Farmer. »Erzählen Sie ihm den Rest.« »Na ja, es ist etwa eine Woche her, da hat irgendwas meinen Kühen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Wissen Sie, Mrs. Hyre, wir haben niemandem davon erzählt. Sie werden’s doch nicht in der Zeitung bringen, oder?« »Nicht, wenn Sie es nicht wollen.« »Kommen Sie. Ich möchte Ihnen was zeigen.« 187
Er führte uns auf das Feld hinter seinem Stall. Auf dem Hang war ein Kreis aus verbrannter Erde, rund zehn Meter im Durchmesser. Von diesen »Feenkreisen« hatte ich schon mehrere gesehen. »In dieser Nacht spielten die Kühe regelrecht verrückt«, fuhr er fort. »Sie waren so voller Panik, dass sie wie wild losstürmten und mitten durch den Zaun dort brachen.« Er zeigte auf einen Drahtzaun, der offenbar frisch repariert war. »Es ist ein elektrischer Zaun. Da muss schon viel passieren, bis Kühe durch einen elektrischen Zaun gehen. Jedenfalls, als ich den Rabatz hörte, rannte ich hinaus und sah, wie meine Kühe auf der Straße herumliefen. Mitten auf dem Feld saß ein großes, leuchtendes rotweißes Ding. Ich rannte ins Haus zurück, um mein Gewehr zu holen. Dazu habe ich höchstens eine Minute gebraucht. Doch als ich zurückkam, war das Ding weg. Der Kreis war alles, was noch zu sehen war. Den Rest der Nacht habe ich damit verbracht, meine Kühe zusammenzutreiben.« »Haben welche gefehlt?«, fragte ich. »Nein.« Er hielt inne. »Aber Herk – also Herkules –, mein großer, alter Collie, ist in dieser Nacht weggelaufen, und wir haben ihn seither nicht mehr gesehen.« Mary war bei mir gewesen, als wir andere Fälle von vermissten Hunden aufgenommen hatten. Sie warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu, den er auffing. »Sie meinen doch nicht, das Ding hat den alten Herk mitgenommen, oder?« »Nein. Es war wahrscheinlich nur irgendein elektrisches Phänomen«, entgegnete ich vorsichtig. »Herk wird sicher wiederkommen.« »Hoffentlich. Wir lieben den Hund.« Er nickte nachdenklich. »Elektrisch, aha. Kommen Sie, ich zeige Ihnen noch was.« 188
Er führte uns in den Stall und zeigte uns einen nagelneuen Sicherungskasten. »Den musste ich am nächsten Tag anbringen, damit ich meine Melkmaschine einschalten konnte. Der alte Kasten war total ausgebrannt. Geschmolzen wäre vielleicht besser ausgedrückt … als ob jemand mit einem Schweißbrenner draufgehalten hätte.« »Das muss wirklich ein Elektrikproblem gewesen sein«, sagte ich lahm. Ich wusste, dass Ivan Sanderson nur ein paar Wochen zuvor in New Jersey einen ganz ähnlichen Fall untersucht hatte. Dort jedoch waren die Kühe im Stall gewesen und allesamt tot aufgefunden worden. »War jemand hier, der mit Ihnen darüber sprechen wollte?« »Nein … ich habe niemandem was erzählt. Nur ein paar Typen von der Stromgesellschaft sind am nächsten Tag aufgetaucht. Sie fuhrwerkten am Transformator am Strommast unten an der Straße herum. Ich habe versucht, mit ihnen zu reden, aber sie sagten nicht viel.« »Kannten Sie sie?« »Hab’ sie nie vorher gesehen. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sie gar keinen richtigen Firmenlaster hatten. Nur so einen mit offener Pritsche.« »Würden Sie sie wieder erkennen, wenn Sie sie sähen?« »Sicher. Es waren Ausländer. Japaner oder so was. Wie gesagt, sie waren nicht besonders freundlich.« »Wie waren sie angezogen?« »Ach, wissen Sie … ganz normale Overalls. Nur die Schuhe sind mir aufgefallen. Die hatten dicke Gummisohlen. Schätze, man braucht eine besondere Isolierung, wenn man mit Strom arbeitet.« Mary schauderte deutlich sichtbar. »Kennen Sie diese Typen?«, fragte er. 189
»Ich habe schon einmal einen Mann gesehen, der Schuhe mit dicken Gummisohlen trug …«, begann Mary. Ich unterbrach sie, indem ich dem Mann dankte, versprach, dass er nicht in die Zeitung käme, und Mary daran erinnerte, dass wir noch einen Termin hätten. Wieder im Auto, konnte Mary ihre angeborene Neugier nicht mehr zügeln. »Was halten Sie von alledem, John?« »Je mehr ich erfahre, desto verwirrender wird es.« »Mir geht es genauso. Dieser Anruf … klingt so, als ob jemand verhindern wollte, dass Sie mit ihm reden.« »Vielleicht sollte er aber auch gerade provozieren, dass ich mit ihm rede. Ich habe hier nur ganz zufällig gehalten. Wenn er mich einfach mit einem Lächeln abgewiesen hätte, wäre ich nie wieder gekommen. Aber da er mit dem Gewehr an die Tür kam …« »Aber wie haben die erfahren, dass Sie hier halten würden? Wie konnte jemand davon wissen?« »Das ist die entscheidende Frage. Wie konnte jemand davon wissen?«
II Ein paar Tage bevor ich New York verließ, rief ich Gray Barker in Clarksburg an. Er erklärte sich bereit, mich am nächsten Dienstag nach Point Pleasant zu begleiten. Nachdem ich eingehängt hatte, wählte ich sofort Woodrow Derenbergers Geheimnummer. Seine Frau hob ab. »Wann kommen Sie wieder zu uns?«, wollte sie wissen. »So wie es aussieht nächste Woche«, erwiderte ich. »Ich weiß. Ich habe gehört, Sie treffen sich am Dienstag heimlich mit Gray Barker.« Ich war überrascht. »Richtig«, gestand ich, »aber heim190
lich ist daran nichts. Ich wusste das allerdings selbst bis vor ein paar Minuten nicht, also woher in alles in der Welt wissen Sie davon?« Es folgte eine Pause. »Charlie Cutler drüben in Ohio hat es uns vor ein paar Tagen erzählt«, sagte sie schließlich. »Und woher weiß er es?« »Ich … ich habe keine Ahnung. Ich vermute, er hat es irgendwo aufgeschnappt.« Wenn man sich in die unwirkliche Welt von UFOs, Voraussagungen und Prophezeiungen begibt, muss man damit rechnen, dass das eigene Privatleben auf rätselhafte Weise ausgekundschaftet wird. Menschen, die UFOs begegnet sind, scheinen erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit, außersinnliche Wahrnehmung (ASW) und Präkognition zu entwickeln. Die Veränderungen kommen fast über Nacht. Bei ihren Begegnungen mit den Wesen werden ihnen jede Menge Gerüchte, Propaganda und Nonsens aufgetischt, die sie akzeptieren und als Tatsachen wiedergeben. Viele der erlesensten Neuigkeiten in der UFO-Szene beruhen gar nicht auf echten Ereignissen, sondern wurden von UFO-Opfern in Umlauf gebracht, die den Kontaktaufnehmern volles Vertrauen entgegenbrachten. Die Wesen erdichteten wilde Märchen über abgestürzte Untertassen, die von der U.S. Air Force konfisziert wurden, Farmer, die auf Außerirdische schössen und sie verwundeten, und so weiter. Die Leute wiederholten die Geschichten gegenüber fanatischen UFOFans, und so verbreiteten sie sich immer weiter, bis sie schließlich in Artikeln und Büchern erschienen. Derenberger behauptete nie, er habe übersinnliche Kräfte. Er sagte, er erhalte telepathische Botschaften von Indrid Cold, durch die er ihm besondere Informationen 191
übermittle. Andere, wie Ted Owens oder Uri Geller, versicherten ebenfalls, dass ihre übersinnlichen Fähigkeiten von außerirdischen Intelligenzen stammten. Mr. Owens hat einen beeindruckenden Rekord bei der Voraussage von Football-Ergebnissen aufgestellt. Uri Geller, ein Übersinnlicher aus Israel, wurde weltberühmt nach seinem angeblichen Kontakt mit einer fliegenden Untertasse in einer Wüste im Nahen Osten. Beide Männer wurde von Armeen von Wissenschaftlern und Parapsychologen getestet und untersucht. Ich habe wahrscheinlich mehr UFO-Kontakter als jeder andere kennen gelernt und untersucht. Im Allgemeinen folgen ihre Erlebnisse bestimmten Mustern, die ihnen jedoch nicht bewusst sind. Vor dem ersten offenen Kontakt kommt es zu einer langen Reihe von scheinbar nicht zusammenhängenden Ereignissen. Diese Ereignisse können schon in der Kindheit beginnen und erstrecken sich über viele Jahre. Die meisten Kontakter haben auch vor dem Kontakt bereits latente oder aktive übersinnliche Fähigkeiten. Leute, die Geister sehen oder religiöse Visionen haben, weisen die gleichen Muster auf wie UFO-Kontakter. Und in der Tat haben die Erscheinungen, die in der Religion »Wunder« genannt werden, die gleichen äußeren Merkmale wie unsere UFO-Wesen, das heißt lange Finger, dunkle Haut und spitze Gesichter. Die Untertassen-Lehre der Nachkriegszeit stützt sich auf drei Hauptpfeiler: erstens die Sichtungsberichte, die von Fans und Gläubigen meist nicht richtig überprüft wurden oder nur auf bruchstückhaften und häufig ungenauen Zeitungsartikeln beruhen; zweitens die Aussagen der Kontakter; drittens Botschaften, die durch Medien und ASW übermittelt wurden. In den Siebzigerjahren haben die wenigen Wissenschaftler in diesem Bereich ein neues Element in die Kontroverse eingebracht, indem sie die 192
Wahrscheinlichkeitsrechnung bemühten, um zu erklären, dass es Myriaden andere Planeten gebe und deshalb auch unzählige bewohnte Orte im Universum existieren müssten. In den frühen Sechzigerjahren wurde die Exobiologie zum letzten Schrei in der Wissenschaft. Verschiedene Stiftungen und die NASA pumpten Millionen Dollar in die Studien über außerirdisches Leben. Da es keine Objekte zum Untersuchen und außerdem nicht den geringsten Hinweis darauf gab, dass auch nur ein einziger Planet in einem anderen Sternensystem existierte, war die Exobiologie kein einfacher Bereich. Die Forscher müssten ihre enormen Ausgaben in Fluten von spekulativen Artikeln rechtfertigen. Wir hatten nach 15 Jahren Studien nicht einmal genügend Fakten beisammen, um eine reelle Basis für die begehrten Wahrscheinlichkeiten zu bilden. Wenn ein Buchmacher gebeten würde, die Existenz von außerirdischem Leben zu bewerten, würde er die wissenschaftlichen Argumente so mager finden, dass der Kurs etwa bei einer Trillion zu eins liegen würde. Von den neun Planeten unseres Sonnensystems sind nur drei – Merkur, Erde und Mars – massiv, und nur einer hat das zweifelhafte Privileg, von Lebewesen bewohnt zu sein. Damit Leben entstehen kann, müssen unzählige umweltmäßige und chemische Voraussetzungen gegeben sein. Damit alle diese Voraussetzungen gleichzeitig auf einem Planeten geschaffen werden können, braucht es wiederum eine ganze Reihe von höchst unwahrscheinlichen Zufällen. Die Menschen haben von jeher den Nachthimmel beobachtet und von fremden Welten geträumt. Vor viertausend Jahren besuchte Enoch als erster Raumfahrer der Weltgeschichte sieben Welten oder Planeten, nachdem er von engelsgleichen Außerirdischen aus dem Schlaf 193
geweckt worden war. Im 18. Jahrhundert ging Swedenborg, der große schwedische Mathematiker, im Kosmos spazieren, und in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts genoss ein aufrichtiger Bürger aus Boston namens William Denton eine geführte Besichtigungstour über die Venus. In den Fünfzigerjahren besuchten George Adamski, Howard Menger und einige andere den Mond – rund zehn Jahre vor Neu Armstrongs Landung. Menger, ein Schildmaler aus New Jersey, brachte ein paar »Mondkartoffeln« mit, die wie Steine aussahen, und sie haben den Steuerzahler keinen Cent gekostet. Adamski, ein Exzentriker aus Kalifornien, stellte fest, dass die Rückseite des Mondes reich an Wasser und Vegetation ist. Andere entdeckten dort geschickt verborgene »unterirdische« Städte. Wieder andere sind zu unzähligen unbekannten Planeten in fernen Galaxien gereist, Planeten mit exotisch klingenden Namen, die aus dem Altgriechischen entlehnt sind, als hätten die Wesen, die einsame Autofahrer auf verlassenen Straßen anhalten, ein Faible für antike irdische Mythologie. Am 26. Juli 1967 zum Beispiel fuhren Mrs. Maris De Long und Michael Kisner durch einen Park unweit des kalifornischen Big Tujunga Canyon. Plötzlich hörten sie eine Stimme, die sie aufforderte, nach etwas Ungewöhnlichem zu suchen. Dann blitzte es, und eine leuchtende Scheibe mit sechs Meter Durchmesser erschien. Alsbald unterhielten sie sich mit »Kronin«, dem Anführer der Kronianer. Er war sehr groß, hatte weder Knochen noch Augen und behauptete, er sei ein »Raumroboter in einer Zeitkapsel«. Als Mrs. De Long nach dieser Begegnung zu Hause ankam, klingelte sofort das Telefon, und Kronin war dran. Später schnitt sie mehrere Gespräche mit ihm mit, 194
in denen er die Probleme des Universums erklärte. Von Kronos, dem römischen Gott der Zeit, hatte sie noch nie etwas gehört. Seit Jahrhunderten in okkulten Kreisen beliebt ist auch Ashtoreth, die phönizische Göttin der Liebe. Eine Figur namens Ashtar hat jahrelang mit UFO-Fans kommuniziert und erschien auf der ganzen Welt bei Seancen, herbeigerufen durch Ouija-Bretter oder Telepathie. Ashtar ist in der Intergalaktischen Föderation ein hohes Tier. Kontakter haben Dutzende Bücher mit seinen Botschaften veröffentlicht. Im Mai 1967 hatte eine Frau auf Long Island eine Begegnung mit einem olivhäutigen Mann im grünen Anzug, dessen Name mir einige Probleme bereitete. Er nannte sich Aphloes. Schließlich fand ich heraus, dass sich der Name von einem griechischen Wort ableitet, das so viel bedeutet wie »Lampe, die ohne Feuer scheint«. Woodrow Derenbergers Mr. Cold passte nicht in dieses Muster. Der Name machte mich misstrauisch. Wenn ich nicht mit anderen gesprochen hätte, die am gleichen Abend ähnliche Erlebnisse hatten, dann hätte ich Derenberger womöglich deswegen nicht geglaubt. In früheren Zeiten benutzten Feen, Dämonen und sogar menschliche Hexen für ihre Erscheinungen Kiesgruben, Müllhalden, Friedhöfe und Kreuzungen, wenn sie ihre schwarzen Riten ausführten. Die modernen haarigen Monster und UFOs wählen die gleichen Orte, und nicht wenige Begegnungen fanden an Kreuzungen oder an im Bau befindlichen Highways statt, und zwar an Stellen, wo sich früher schon alte Straßen gekreuzt hatten. Derenberger traf Cold erstmals auf einem neu gebauten Highway, nur ein paar Meter entfernt von einer alten Kreuzung. Jenseits des Flusses stehen die riesigen »indianischen« 195
Hügel von Ohio als stumme Zeugen einer frühen Kultur, die nahezu identisch mit der Kultur gewesen sein muss, welche die großen Hügel in England errichtet hat. Diese waren durch gerade Pfade oder »Ley-Linien« miteinander verbunden, die ein komplexes Gitterwerk bildeten. Ich fragte mich, ob nicht in Westvirginia auch einst solch ein Gitterwerk existiert haben könnte, und suchte Luftaufnahmen und alte Karten danach ab. Hier und da sind vage Spuren zu erkennen, doch Farmer und Bauunternehmer haben die meisten alten Artefakte zerstört, ebenso wie viele der großen Hügel, Steintürme und so weiter, die schon auf diesem Kontinent standen, lange bevor die Europäer kamen. War Woody auf dem Knotenpunkt eines alten Gitterwerks angehalten worden? Der einzige Hinweis ist Mr. Colds ungewöhnliche Namenswahl. John Mitchell schreibt in The View Over Atlantis, seiner Studie über die britischen Ley-Linien: Ein besonderes Merkmal der alten Spuren ist, dass entlang ihres Verlaufs bemerkenswert oft bestimmte Namen auftauchen. Besonders häufig sind Namen, in denen Red, White oder Black vorkommt; ebenso Cold oder Cole, Dod, Merry und Ley. Es würde der verqueren Logik der Wesen entsprechen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf ein Gittersystem in Westvirginia zu lenken, indem sie ihre Landungen auf bestimmte Punkte in diesem Netz beschränken und sich Namen wie Cold geben. Offenbar haben sie 1966/67 genau das getan. Soweit ich weiß, stellten sich Cold und seine boshaften Gefährten niemals anderen Kontaktern vor … oder sie hatten ihre Namen geändert. Auch das ist ein Bruch der Traditionen. Ashtar, Orthon und einige andere, deren Namen wie Synthetikstoffe klangen, kontaktierten in den 196
Sechzigerund Siebzigerjahren Menschen überall auf der Welt. Im September 1973, kurz vor der großen UFO-Welle im Oktober, tauchten in ganz Atlanta, Georgia, Plakate auf, die die Ankunft der Außerirdischen angekündigten. Ein Hellseher aus Georgia stand in geistigem Kontakt zu Zandark, der sich selbst als »Mitglied des Vereinigten Kosmischen Rates« bezeichnete und als »Commander, verantwortlich für technische Transmissionen via mentale Telepathie bzw. Kombination mediumistischer Telepathie unter der Leitung der Konföderation kosmischer Wesen«. Zandark brachte die übliche »Wir kommen in Frieden«-Message, beanspruchte die Errichtung der Sphinx, der Pyramiden und »anderer baulicher Phänomene« für sich und beschwerte sich, dass die Kontakter nicht genügend ernst genommen würden, sondern als »Spinner, Fanatiker und Publicity-süchtig gebrandmarkt« würden. Wir wurden aufgefordert, uns weiterzuentwikkeln. Zandarks Transmissionen begannen grundsätzlich mit dem Gruß: »Adonai Vassu.« Als die Teilnehmer der Seancen in Atlanta um eine Übersetzung baten, bekamen sie folgende Antwort: »Friede und ewige Liebe sei mit euch.« Die Gruppe in Georgia wusste nicht, dass Eugenio Siragusa, ein italienischer Kontakter, schon seit Jahren mit den Außerirdischen in Verbindung stand; sein Kontaktwesen beendete den Dialog stets mit: »Möge das Licht des universalen Friedens immer mit dir sein … [unterzeichnet] Adoniesis.« Adoniesis ist ein Kunstwort, eine Art romanisierte Form von Adonai, einem alten hebräischen Wort für Gott. Vassu kommt vom lateinischen vassus, das »Diener« bedeutet. Adonai Vassu heißt also so viel wie »Diener 197
Gottes«. Der alte Zandark ist nichts anderes als ein Engel inkognito! Adoniesis und Adonai sind nicht sehr weit voneinander entfernt. Interessanterweise tauchten die gleichen Namen bei Seancen dies- und jenseits des Atlantiks auf. Noch interessanter ist die Tatsache, dass die Botschaften, die überall auf der Welt von Hellsehern aufgefangen werden, im Inhalt und sogar in den Formulierungen bemerkenswerte Ähnlichkeiten aufweisen. Ich habe zwei- bis dreihundert Jahre alte obskure Bücher, die ziemlich sicher von Kontaktern verfasst wurden, durchsucht und herausgefunden, dass schon damals identische Botschaften und Formulierungen verwendet wurden. Da ein Großteil dieser Literatur kaum auffindbar und schwer zugänglich ist und außerdem viele unserer Hellseher und Kontakter wenig belesen sind, ist es unwahrscheinlich, dass die Ähnlichkeit durch Abschreiben zustande kam. Vielmehr scheint es, als gäbe es eine Art Plattenspieler am Himmel, der seit Generationen immer wieder dieselbe Platte spielt. Der Autor Brad Steiger hat für seine Studie über dieses Phänomen – Titel Revelation: The Divine Fire (dt. etwa: »Offenbarung: Das göttliche Feuer«) – unzählige Hellseher, Propheten und Kontakter interviewt. Er fand heraus, dass Menschen, die behaupten, mit Gott, Engeln, Geistern von Toten und Außerirdischen von anderen Planeten in Kontakt zu stehen, im Wesentlichen die gleiche Information bekommen. Alle sprechen von einem drohenden Desaster, auch Zandark warnte: »Die Zeit ist für euren Planeten entscheidend.« Allerdings war die gleiche Predigt schon Propheten und Sehern im vorletzten Jahrhundert gehalten worden. William Miller (1782-1849) gründete 1843 die Gemeinschaft der Adventisten vom Siebenten Tag in dem Glau198
ben, dass der Untergang der Welt unmittelbar bevorstehe. Interessanterweise wählten Propheten überall auf der Welt ebenso wie die Hopi- und Navajo-Indianer im Südwesten der USA dasselbe Jahr. Offensichtlich waren alle auf die gleiche Wellenlänge »getunt«. Die Zeugen Jehovas wurden 1872 mit einer ähnlichen Prämisse ins Leben gerufen. Die Botschaften, die 1917 Kindern im portugiesischen Fátima offenbart wurden, betrafen ebenfalls das bevorstehende Weltende, wenn auch in obskuren theologischen Begriffen verklausuliert. Immer wieder haben sich Hellseher und Kontakter mitsamt ihren Familien und Freunden auf Hügeln versammelt und auf das vorausgesagte Ende der Welt gewartet. Seit Kriegsende hat sich diese Scharade viele Male wiederholt: UFO-Kontakter bereiten sich auf wundervolle Außerirdische vor, die in ihren fliegenden Untertassen zur Erde kommen und ein paar Auserwählte von dem Planeten retten, der dem Untergang geweiht ist. Am 24. Dezember 1967 sollte die Erde wieder einmal untergehen. Okkulte und UFO-gläubige Gruppen überall auf der Welt erhielten die Ankündigung in allen Sprachen. Eine dänische Sekte errichtete tatsächlich einen Bleibunker, in dem sie über die Weihnachtsfeiertage hockten und auf den großen Knall warteten. 1973 verkündete ein UFO-Kontakter in Wisconsin sachlich, dass der Komet Kahotek an Weihnachten die Erde treffen werde. Er sammelte Leute um sich, die mit ihm zusammen von seinen außerirdischen Freunden evakuiert werden sollten. Zandark, Orthon, Ashtar, Xeno, Cold und ihre Kumpels haben Jahrhunderte lang viele Menschen an der Nase herumgeführt. Zuerst überzeugten sie uns von ihrer Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit, der Genauigkeit ihrer 199
Vorhersagen und ihrer guten Absichten. Dann ließen sie uns auf den Hügeln sitzen und auf den Weltuntergang warten. Als die Welt noch dünner besiedelt war und die Signale aus dem Superspektrum noch nicht von Wellensalat aus dem unteren Spektralbereich übertönt wurden, lernten die Menschen, diesen Wesen und ihren Prophezeiungen zu vertrauen. Priester, Gelehrte und Magier gelangten durch Astrologie, Alchimie und Zauberei zu einem wunderbaren Verständnis des Kosmos und der kosmischen Kräfte. Doch als der Mensch dem Diktat der Engel folgte, »sich zu vermehren und die Erde fruchtbar zu machen«, begann unser Planet unter einer Art Verschmutzung an Übersinnlichem zu leiden. Die Scheibe auf dem großen Plattenspieler im Himmel blieb hängen und spielt nun immer wieder dasselbe … dasselbe … dasselbe .
III Das Kontaktersyndrom ist Ausdruck eines grundsätzlichen Prozesses der Umprogrammierung. Welches Bezugssystem auch benutzt wird, das Erlebnis beginnt gewöhnlich entweder mit einem Lichtblitz oder einem Geräusch – einem Summen, Brummen oder Piepsen. Die Aufmerksamkeit der Person wird auf ein pulsierendes, flackerndes, blendendes Licht gelenkt. Sie ist wie paralysiert und kann sich nicht mehr vom Fleck rühren. Als Nächstes durchläuft das flackernde Licht ein paar Farbveränderungen, und ein scheinbar massives Objekt beginnt Gestalt anzunehmen. Dann wird das Licht schwächer und offenbart ein Schiff (wenn das Ereignis 200
auf einem See oder Fluss stattfindet), eine ungewöhnliche Flugmaschine oder irgendeine Art von Wesen. Und was passiert in Wirklichkeit? Zunächst wird die Person von dem Flackerlicht eingelullt. Von dem Augenblick an, in dem sie sich wie gelähmt fühlt, verliert sie den Bezug zur Realität und beginnt zu halluzinieren. Das Licht bleibt ein Licht, doch der Geist der betroffenen Person konstruiert etwas anderes daraus. Dieser Vorgang kann durchaus mit normaler Hypnose verglichen werden. (Ich selbst war viele Jahre lang Hobby-Hypnotiseur.) Ein hypnotisiertes Subjekt glaubt häufig, bei vollem Bewusstsein zu sein. Es denkt, die Hypnose funktioniere nicht und es sei einfach nur so mit dem Hypnotiseur zusammen. Doch wenn es versucht, sich zu bewegen oder einen Befehl zu missachten, stellt es überrascht fest, dass es das nicht kann. Die Lähmung, die in vielen UFO-Fällen erwähnt wird, ist in Wirklichkeit eine Form von Hypnose. In den Vierzigerjahren entdeckten medizinische Forscher das Flackerphänomen: Manche Menschen reagieren besonders sensibel auf flackerndes Licht; es kann sogar einen Epilepsie-artigen Trancezustand hervorrufen, der von lebhaften Halluzinationen begleitet ist. In Kampf um die Seele: Eine Physiologie der Konversionen* verdeutlicht William Walters Sargant: Elektrische Messungen zeigen – und das sollte wesentlich besser bekannt sein –, dass das menschliche Gehirn besonders sensibel auf rhythmische Stimulation unter anderem durch Klopfen oder helles Licht reagiert. Bestimmte Rhythmusfrequenzen können signifikante Abnormitäten der Gehirnfunktionen hervorrufen sowie *
Kampf um die Seele: Eine Physiologie der Konversionen. Piper Verlag,1958.
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explosive Spannungszustände, die bei Personen mit einschlägigen Dispositionen sogar Krämpfe auslösen können. Manche Menschen können so lange zu solchen Rhythmen tanzen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrechen. Darüber hinaus ist es nicht schwierig, die normale Funktion des Gehirns durcheinander zu bringen, indem man es starken Rhythmen in verschiedenen Tempi aussetzt. Das führt zu einer Schutzhemmung, entweder rasch in schwacher Form als gehemmtes Verhalten oder aber nach einer längeren Periode der Erregung in Form von starken Erregungszuständen. Wenn das Flackern – oder das rhythmische Geräusch – mit dem Alpha-Rhythmus eines bestimmten Gehirns synchronisiert wird, kommt es in diesem Gehirn zu einer Art Kurzschluss. Es gibt Fälle, in denen das Flackern eines Filmes in Menschen den Drang auslöste, ihren Sitznachbarn zu erwürgen. Dr. Grey Walter vom Bürden Neurological Institut in Bristol, England, hatte einen Patienten, der mitten im Fahrradfahren auf einer Allee ohnmächtig wurde. Das Licht-Schatten-Spiel in den Baumkronen hatte das Flackerphänomen verursacht. »Ein paar Subjekte zeigten epileptische Muster«, schreibt Dr. Walter in seinem Buch Das lebende Gehirn**. »Auditive Erfahrungen gab es wenige; doch es könnte so etwas geben wie organisierte Halluzinationen, das heißt komplette Szenen, wie in Träumen, die mehrere Sinne ansprechen. Alle Arten von Emotionen werden hier erlebt; Müdigkeit, Verwirrung, Angst, Abscheu, Ärger, Freude. Manchmal geht der Sinn für die Zeit verloren oder wird gestört. Ein Subjekt sagte, dass es ›in der Zeit seitwärts gestoßen‹ worden sei – gestern war auf der einen Seite, statt vorbei, und morgen backbord.« **
Das lebende Gehirn. Entwicklung und Funktion, Kiepenheuer & Witsch, 1961. (Übersetzung der Passage von Kristiana Ruhl.) 202
Kurz gesagt, ein flackerndes Licht in der richtigen Frequenz kann den Zeugen in einen hypnoseartigen Zustand versetzen. Er empfindet dies als Lähmung, weil er für die Dauer der Trance die Kontrolle über seine Gliedmaßen verliert, während ein Teil seines Geistes bei Bewusstsein bleibt. Er empfindet die Halluzinationen der Trance als Fortsetzung der Wirklichkeit, die er im Moment davor erlebte. Wie bei ganz normaler Hypnose verliert er sein Gespür für die Zeit. Zeit kann komprimiert oder ausgedehnt werden, wie im Traum. Ereignisse, die mehrere Stunden zu dauern scheinen, werden in Wirklichkeit innerhalb von Minuten oder gar Sekunden halluziniert, oder umgekehrt. Wenn er aus seiner Trance aufwacht und auf die Uhr sieht, entdeckt er, dass Stunden vergangen sind, obwohl er das Licht seiner Ansicht nach nur ein paar Sekunden lang beobachtet hat. Bei religiösen Wundern wie dem, das in den Sechzigerjahren im spanischen Garabandal stattfand, wurden Menschenmassen Zeugen, wie kleine Kinder in Trance fielen und mit Wesen kommunizierten, die nur sie sehen konnten. Die Kinder blieben manchmal stundenlang regungslos, doch wenn sie aus der Trance erwachten, meinten sie, es wären nur Minuten vergangen. Die psychedelischen Lichter und flackernden Stroboskope, die in der Jugendkultur der Sechziger so beliebt waren, dienten dazu, Trancen auszulösen und pseudoreligiöse Erlebnisse zu schaffen, insbesondere in Verbindung mit dem betäubenden Beat des Hardrock und bewusstseinserweiternden Drogen. Die Euphorie der großen Rockfestivals war ein direktes Produkt dieses Phänomens. Junge Leute unterwarfen sich nicht nur freiwillig, sondern sogar voller Begeisterung einer Gehirnwäsche. Sie programmierten sich neu oder ließen sich von einer äußeren Kraft neu programmieren, die, wie es die Ag203
gressivität und die gesellschaftlichen Erschütterungen der damaligen Zeit beweisen, nicht immer gütig war. Wenn der Hypnotisierte aus der Trance aufwacht, leidet er danach oft tagelang unter schweren Kopfschmerzen und Muskelkater. Ein anderes verbreitetes Symptom ist extreme Lethargie, wenn der Betroffene erschöpft in langen, tiefen Schlaf fällt. Diese Krankheitsanzeichen sind vergleichbar mit denen von Epileptikern, wenn sie Muskelkrämpfe hatten. Extremer Durst, ein weiteres Symptom, wird wahrscheinlich durch etwas anderes hervorgerufen, nämlich durch Dehydrierung aufgrund der intensiven niederfrequenten, elektromagnetischen Strahlung. Diese Strahlen durchdringen alles und trocknen alles aus. Die Lichtblitze – der Mechanismus – können subjektiv sein, also nur vom Betroffenen wahrgenommen werden, oder objektiv, sodass auch andere sie sehen und sie sogar fotografieren können. Die subjektiven Blitze müssen durch Strahlung hervorgerufen werden, die Augen und Sehnerven umgeht und direkt ins Hirn geleitet wird. Objektive Blitze sind Anhäufungen von Energie, die sich durch das sichtbare Spektrum bewegt. Zeugen, deren Gehirne nicht auf die spezielle Frequenz des flackernden Objektes eingestellt wurden, sind nicht betroffen, außer von der aktinischen Strahlung, die auftreten kann. Wenn ich verschiedene UFO-Beobachtungen untersuche, halte ich mich nicht damit auf, Zeugen objektiver Lichter zu suchen. Ich versuche vielmehr, die Personen zu finden, die direkt von dem Licht betroffen waren. Sie berichten selten von ihrer Beobachtung, entweder weil die einhergehende Halluzination zu bizarr oder grauenvoll war, oder weil sie sich einfach aufgrund von Gedächtnislücken nicht daran erinnern. Wenn es mir gelingt, solche Menschen ausfindig zu machen, lasse ich 204
mir ihre ganze Lebensgeschichte erzählen und bleibe auch lange nach dem Interview noch mit ihnen in Kontakt, um zu sehen, ob es zu Veränderungen von Persönlichkeit oder Lebensauffassung kommt. In manchen Fällen ist eine rasche Verschlechterung zu beobachten. Der Betroffene hat zahlreiche sekundäre Halluzinationen, wie jemand, der nach der Einnahme von LSD Wochen später unerwartet auf einen weiteren Trip geht. Er wird mental unausgeglichen, verlässt Familie und Arbeit, entwickelt sich zu einem Fanatiker. In manchen besonders unerfreulichen Fällen endet er mit einem Nervenzusammenbruch oder begeht Selbstmord. Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille: Manche Betroffene erleben eine tief greifende Bewusstseinserweiterung, einen stark erhöhten IQ und eine vollständige Veränderung des Lebensstils zum Besseren hin. Da dies ein historischer Prozess ist, der immer weitergeht, ist es durchaus denkbar, dass die meisten großen Führer irgendwann in ihrem Leben eine Kontakterfahrung hatten. Der kanadische Psychiater Dr. Richard Bücke führte die erste Studie zu diesem Phänomen durch und veröffentlichte im Jahre 1900 das Buch dazu, Die Erfahrung des Kosmischen Bewusstseins*. In religiösen Kreisen wird das Phänomen »Erleuchtung« genannt. In ihrer reinsten Form ist die Erleuchtung kein religiöses Erlebnis. Für ein paar kurze Moment begreift der Betroffene, wie das Universum wirklich funktioniert. Er nimmt alles wahr – Geschichte, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er spürt, dass er Teil des Superspektrums ist und eins mit dem Kosmos. Leider kann er sich, wenn das Erlebnis einmal vorbei ist, an das meiste nicht erinnern, weil es in *
Die Erfahrung des Kosmischen Bewusstseins. Aurum Verlag, 1988. 205
sein Unbewusstes übergegangen ist. Er kann nur noch das artikulieren, was ihm im Gedächtnis geblieben ist. Doch er wurde neu programmiert, auf eine neue Rolle im Leben vorbereitet. Für manche ist dieses Erlebnis der berühmte »Ruf«, der sie in die Arme der Kirche treibt. Es scheint Usus zu sein, dass jede kosmische Kraft auch ihre Nachahmer hat. Opfer von UFO-Kontakten leiden oft auch unter falschen Erleuchtungen. Entweder haben ihre Gehirne das Erlebnis fehlinterpretiert, oder eine niedere Kraft hat sie mithilfe desselben Mechanismus umprogrammiert. In gewisser Weise wurden sie »Besessene«. Sie leiden an Halluzinose, chronischen Halluzinationen. Ihr Leben ist auf katastrophale Weise verändert. Sobald jemand einmal eine falsche Erleuchtung hatte, neigt er zu Rückfällen, so wie jemand, der einmal hypnotisiert wurde, leicht wieder in Trance versetzt werden kann. Das Phänomen funktioniert nur, wenn man daran glaubt. Da nun immer mehr Menschen an fliegende Untertassen von anderen Planeten glauben, kann diese niedere Kraft auch immer mehr Menschen durch falsche Erleuchtung manipulieren. Ich habe die weltweite Verbreitung des UFO-Glaubens und die damit verbundenen Störungen mit größter Bestürzung beobachtet. Wenn das ungeprüft bleibt, kann es passieren, dass die allgemeine Akzeptanz der eingebildeten Außerirdischen zu einem modernen Glauben an Außerirdische führt, der es ihnen ermöglicht, sich ungeniert in unsere Angelegenheiten einzumischen, wie einstmals die antiken Götter von ihren Bergmassiven aus große Teile des Orients, Griechenlands, Roms, Afrikas und Südamerikas beherrschten. Wie immer CIA und Air Force auch zu der Entscheidung kamen, die sie 1953 fällten – nämlich fliegende Untertassen zu entlarven, herunterzuspielen und lächerlich zu 206
machen –, im Rückblick war es der vernünftigste und verantwortungsvollste Kurs, den die Regierung einschlagen konnte. Allerdings unterschätzte sie die Ausmaße des Phänomens und seine Fähigkeit, Menschen zu manipulieren und Gerüchte zu provozieren.
IV Am 20. Mai 1967 sah Steve Michalak in der Nähe von Falcon Lake, Manitoba, in Kanada bei Beobachtungen, wie ein großes rundes Objekt landete. Es schien aus glitzerndem Metall zu sein, das aussah »wie rostfreier Stahl«. Er ging näher und glaubte, Stimmen im Inneren zu hören. Auf seine Rufe antwortete jedoch niemand. Stattdessen spuckte das Objekt eine Art Gas oder Flamme aus. Er wurde mitten auf der Brust getroffen und rückwärts geschleudert, während das Objekt wieder abhob. Sowohl sein Hemd als auch die Haut darunter waren verbrannt und wiesen ein seltsames schachbrettartiges Muster auf. Mr. Michalak wurde schwer krank, litt eine Woche lang an Black-outs, Schwindel und Kopfschmerzen und verlor elf Kilo Gewicht. Es dauerte Wochen, bis er sich erholt hatte. Am 21. September 1967, 124 Tage nach dem Vorfall, kehrten die Brandwunden auf seiner Brust zurück, und sein ganzer Körper begann anzuschwellen. Er kam ins Krankenhaus und erholte sich. Doch das Übel kehrte von nun an alle 109 bis 124 Tage wieder. Im August 1968, nach einem Jahr voller Rückfälle, besuchte er auf eigene Kosten die Mayo-Klinik in Minnesota. Die Ärzte dort erzählten ihm, sie hätten ein anderes UFOOpfer aus Kalifornien behandelt, das an den gleichen 207
Symptomen litt. Sein Problem werde durch eine »fremde Substanz« in seinem Blut ausgelöst, sagte man. Als Wissenschaftler des von der Air Force finanzierten UFO-Forschungsprojekts der Colorado University Michalak besuchten, wollten sie den Ort sehen, wo die Untertasse gelandet war. Er gab zu, dass er die Stelle zu seiner größten Verblüffung selbst vergeblich gesucht habe. Trotz seiner unerklärlichen Krankheit nahmen die Wissenschaftler dies als Beweis dafür, dass seine Geschichte erfunden war. In ihrem Abschlussbericht unterstellten sie ihm, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Dabei gibt es jede Menge Fälle, bei denen die Zeugen nicht in der Lage waren, die Stelle zu lokalisieren, an der sie die Begegnung hatten. Gebäude und Landmarken, die zur betreffenden Zeit klar und deutlich zu sehen waren, scheinen verschwunden zu sein. Dieses verwirrende Phänomen ist auch in der Parapsychologie bekannt, wahrscheinlich weil viele übersinnliche Erfahrungen halluzinatorisch sind. Es gibt zahlreiche Geschichten über Restaurants, die verschwanden, nachdem die Zeugen dort eingekehrt waren. Ein müder Reisender übernachtet wie in einem Kinofilm in einem alten, verlassenen Haus und erfährt später, dass dieses Haus nie existiert hat oder vor Jahren abgebrannt ist. Während ich diese Episode niederschrieb, erhielt ich einen Brief von dem britischen Forscher F. W. Holiday, in dem er schreibt: Eine Familie aus dem Süden Englands verbringt immer noch ihre Wochenenden damit, in Wäldern herumzufahren und nach einem mysteriösen See zu suchen, den sie vor 15 Jahren einmal besucht hat. Damals hatten sie in seiner Mitte einen riesigen Felsen gesehen, in dem ein Schwert steckte. Später gingen sie wieder dorthin, um Nachforschungen anzustellen, doch da war keine Spur 208
mehr von einem See. Niemand hatte je davon gehört, und er ist auf keiner Karte verzeichnet. Man könnte ganze Bücher mit solchen Vorfällen füllen, und einige Autoren haben das tatsächlich getan. Früher habe ich solche Episoden als Verzerrung der Realität betrachtet. Immer wieder in der Geschichte sind Menschen durch Alice’ Tür zum Wunderland getreten und haben Dinge gesehen, die nicht existieren, Orte besucht, die plötzlich halluzinatorische Dimensionen annehmen. Vor 15 Jahren gab es in England einen See mit einem Felsen. Darin steckte ein Schwert, das auf einen König wartete, der es mit dem Ruf »Excalibur!« herausziehen sollte. Das ist nicht lächerlicher, als in den Bergen von New England über eine geheime Basis von fliegenden Untertassen zu stolpern, die voller geschäftiger Aktivität ist. Kontakter haben solche Dinge tatsächlich schon behauptet. Ein Ingenieur namens Rex Balls schwört, dass er 1940 in Georgia eine rätselhafte unterirdische Anlage entdeckt hat, die von kleinen, orientalisch aussehenden Männern in Overalls und ein paar amerikanischen Offizieren geführt wurde. Als er in einem der Gänge erwischt wurde, sprach einer der Offiziere einen kurzen Befehl: »Er soll für einen Spinner gehalten werden!« Daraufhin erwachte er auf einem Acker, ohne recht zu wissen, ob das, was er da erlebt hatte, nun real war oder nicht. Dies scheint der Kampfschrei des Phänomens zu sein – »Er soll für einen Spinner gehalten werden!«
209
Phantomfotografen I »Wie viel hat Keel Ihnen bezahlt, damit Sie so was erzählen?« Immer und immer wieder stellte der Mann mittleren Alters mit der kultivierten Stimme diese Frage. Systematisch rief er Zeugen an, die in meinen Artikeln erwähnt waren. Die Ferngespräche müssen ihn ein Vermögen gekostet haben. Alles, was er damit erreichte, war der Zorn der Menschen, die ohnehin schon von einer endlosen Serie von lästigen Besuchern, Telefonterror und verrückten Briefen heimgesucht worden waren. Manche von ihnen ließen ihre Post an mich weiterleiten, weil sie nicht wussten, was oder wie sie reagieren sollten. Unsere UFO-Fans sind zwanghafte Briefeschreiber. Ein großer Teil der Post an UFO-Zeugen besteht aus Schmierzetteln, auf die mit Bleistift Aufforderungen gekritzelt sind wie: »Schicken Sie mir alles, was Sie wissen.« Andere wiederum sind sauber getippt und umfassen vierzig oder fünfzig Seiten. Auch Drohbriefe sind nicht ungewöhnlich; manche sind aufwändig zusammengeklebt aus Wörtern und Buchstaben, die aus Zeitungen ausgeschnitten wurden. »Reden Sie nicht über fliegende Untertassen.« Wieder andere sind mit roter Tinte in Blockbuchstaben geschrieben. Beinahe unleserliche Kopien werden oft von den vielen halbwüchsigen UFO-Ermittlern versandt, die nach jeder UFO-Welle in Scharen auftreten und wissenschaftlich so unglaublich relevante Fragen stellen wie: »Von welchem Planeten kamen sie?« Leider gibt es keine Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen, 210
wenn man sich einem der zahlreichen UFOKorrespondenzklubs anschließen will. Jeder, der in der Lage ist, ein paar Dollar zusammenzukratzen, kann eine eindrucksvoll aussehende Mitgliedskarte erwerben, mit der er dann Polizei und Zeugen belästigen darf. Mitglieder der »Kleine alte Damen in Tennisschuhen«-Brigade entdeckten diese Klubs sofort für sich. Sie schwärmten über ihren Staat aus und hielten Predigten über die Ankunft der »Brüder«, traten in Funk und Fernsehen als örtliche »Experten« auf und sorgten damit vor allem dafür, dass eine ohnehin schon lächerliche Situation noch lächerlicher wurde. Obwohl sie im Wesentlichen harmlos sind, gibt es in der Urologie doch einige Figuren auf dem Egotrip, die sich nicht zu schade sind, Fantasiegeschichten in die Welt zu setzen, Scherzanrufe zu machen und vor allem die idiotischsten Gerüchte zu verbreiten. Ivan Sanderson nannte sie »Neurots« (für »Neurotiker«). Dr. Edward Condon von der Colorado University bezeichnete sie als »Obstruktionisten«. Mehrmals musste ich feststellen, dass diese mit Mitgliedskarten bewaffneten Ufologen Zeugen aufgefordert hatten, nur ihnen und sonst niemandem Bericht zu erstatten. Mitglieder konkurrierender Korrespondenzklubs liefern sich häufig offene Kämpfe, indem sie versuchen, Zeugen als Erste zu erreichen, und sich gegenseitig alle möglichen Missetaten vorwerfen. Donald E. Keyhoe, Leiter des in Washington sitzenden NICAP, verbrachte Jahre damit, seine Fehde mit der Air Force öffentlichkeitswirksam aufzubauen. Einziges messbares Ergebnis seiner Kampagne: Es interessierten sich für seine Ideen und die Ufologie plötzlich viel mehr Paranoide, Schizophrene und Zwanghafte als je zuvor. Viele dieser Gruppen zerfielen nach kurzer Zeit aufgrund konkurrierender Egos und extremer Paranoia (Mitglieder 211
betrachteten andere Mitglieder oft als »Agenten der Air Force«) wieder. Sogar das NICAP, 1956 von einem Physiker gegründet, der dem Geheimnis des Antriebs von fliegenden Untertassen auf der Spur war, löste sich Ende der Sechzigerjahre um ein Haar auf. Die wenigen qualifizierten Mitglieder gingen voller Rachegedanken auseinander und nahmen wichtige Daten und Postlisten mit. Stuart Nixon, Bürogehilfe während Keyhoes Präsidentschaft, wurde schließlich Direktor der Organisation. Air Force und CIA mussten gar nichts tun, um die UFOBewegung zu zersetzen. Als loses Netz aus desorientierten Personen schaffte sie das von allein. Im Frühjahr 1967, nachdem Mothman und die UFOs durch die Medien überall bekannt geworden waren, wurde Point Pleasant von Horden von Fremden überschwemmt. Autos voller Studenten von benachbarten Universitäten tauchten oft spät abends unangemeldet bei Zeugen auf, deren Namen sie aus Zeitungsartikeln hatten, und erwarteten auch noch, freundlich aufgenommen zu werden. Mary Hyre und alle anderen wurden sinnentleerten Interviews unterzogen, die nur bewiesen, dass die Leute keine Ahnung von Ermittlungs- oder Recherchearbeit hatten. Einige Ermittler waren taktlos und unhöflich, ja ungehörig, wie nur Teenager es sein können. Einer nach dem anderen hüllten sich die Zeugen in Schweigen und wollten nicht mehr mit Fremden reden. Neuankömmlinge deuteten dies gleich wieder als neues Rätsel: Offenbar hatte jemand dem Ohio Valley befohlen zu schweigen. Während Reporter aus allen Nachbarstädten nach Point Pleasant strömten und ausführlich über UFOs und Monster schrieben, ignorierte die kleine Lokalzeitung, der Point Pleasant Register, die ganze Sache vollständig. Als eine junge Frau aus der Redaktion eines Abends von 212
einem UFO verfolgt wurde, brachte Mary Hyre die Geschichte im Messenger. Der junge Verleger des Register blieb während der gesamten Chaoszeit ein standhafter UFO-Gegner. Von dieser Zeit an folgte ich dem Grundsatz, Namen nur noch dann zu veröffentlichen, wenn die Zeugen ausdrücklich damit einverstanden waren. Doch als ich mitbekam, was einigen dieser Leute im Laufe der Zeit passierte, wurde mir klar, dass sie beschützt werden mussten, und zwar nicht vor Men in Black oder düsteren Regierungsagenten, sondern vor den UFO-Gläubigen. Dieses lästige Problem besteht bis zum heutigen Tage, deshalb habe ich in diesem Buch Pseudonyme verwendet oder in manchen Fällen die Namen von Zeugen oder ihrem Wohnort geändert. In der medizinischen und generell in der wissenschaftlichen Literatur ist dies eine übliche Vorgehensweise. Nichtsdestotrotz finde ich es traurig, dass es bei dieser Art Studien notwendig wurde.
II An einem Sonntagnachmittag im Frühjahr 1967 spazierte ich zusammen mit einer Freundin in New York über Fortysecond Street und Third Avenue. Wenige Menschen waren auf der Straße. Plötzlich bog ein großer, dünner Mann um eine Ecke. Sein Gesicht war hager und spitz. Als er uns sah, hob er seine Kamera und fotografierte uns, um anschließend davonzurennen. Meine Freundin wusste nichts über Men in Black, und schließlich ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Touristen in New York Fotos machen. Ich enthielt mich jedes Kommentars. 213
»Das war aber merkwürdig«, sagte sie. »Er sah so bösartig aus. Warum hat er uns fotografiert?« Ich konnte nur die Achseln zucken. Der Mann trug zufällig kein Schwarz, sondern Sportjacke und Jogginghose, und die Kleidung hing an ihm herunter wie an einem Kleiderständer. Ein paar Tage später rief mich Dan Drasin an. Er wollte mit einem Kamerateam nach Westvirginia zurück. »Wissen Sie, wahrscheinlich bedeutet das gar nichts«, sagte er bedächtig, »aber kürzlich war ich in Manhattan unterwegs, und ein Indianer fotografierte mich. Er hatte sogar einen schwarzen Anzug an.« Dan wusste von meinem Interesse für die MIB, aber er selbst war in UFO-Kreisen nicht bekannt. (Ich hatte mir eingeredet, dass der Fotograf von der Third Avenue ein UFOVerrückter gewesen sein musste). »Wahrscheinlich ein Tourist«, sagte ich. »Ja, wahrscheinlich.« In Westvirginia hatte Mary Hyre weiterhin Probleme am Hals. Ein leuchtendes Objekt erschien über ihrem Haus und sandte einen starken Lichtstrahl in ihren Garten. Sie war zu der Zeit nicht zu Hause, doch ihr Mann und mehrere Nachbarn sahen es. Eines Abends dann tauchte der »verwirrte, kleine Mann« wieder in den Straßen von Point Pleasant auf. Sie war sich sicher, dass es der Mann war, der sie im Januar in der Redaktion aufgesucht hatte. Diesmal trug er eine kakifarbene Uniform, hatte aber dieselben Schuhe mit den dicken Sohlen an. Als er Mary auf sich zukommen sah, erschrak er, rannte davon und sprang in ein großes schwarzes Auto, an dessen Steuer ein kräftiger Mann saß. »Bis ich mich in den Verkehr eingefädelt hatte«, sagte Mary, »war er längst über die Brücke in Ohio. Das 214
Autokennzeichen konnte ich nicht sehen, aber die Plakette war orangefarben.« Drei Tage später, am 8. Mai, kam Mary Hyre gegen halb zwölf abends von einem Bürgertreffen nach Hause. Als sie die Haustür öffnete, hielt direkt vor ihrem Haus ein großer schwarzer Wagen mit quietschenden Reifen. Sie blieb auf der Veranda stehen und sah zu, wie ein Mann ausstieg, eine Kamera vors Gesicht hob und sie fotografierte. »Der Blitz war sehr grell«, berichtete sie. »Ich war einen Augenblick lang geblendet. Während ich noch dastand und mir die Augen rieb, saß er schon wieder im Auto und fuhr davon. Ich konnte nicht sehen, ob noch jemand anderes im Wagen war.« Sie hielt inne. »Was meinen Sie, warum wohl jemand ein Interesse daran hat, mich zu fotografieren?« Ja, warum? Unsere Men in Black hatten offenbar ein neues Spiel angefangen. Oder vielleicht lief dieses Spiel schon seit Jahren, nur hatte es bislang noch niemand bemerkt. Als hätte ich so noch nicht genug Schwierigkeiten gehabt, jagte ich jetzt auch noch Phantomfotografen. In einer regnerischen Aprilnacht war ein Mann aus Ohio unterwegs auf der Route 2 in der Nähe der Chief Cornstalk Hunting Grounds. Plötzlich stieg eine große schwarze Form aus dem Wald auf und flog über seinen Wagen. »Das Ding war mindestens drei Meter breit«, versicherte er. »Ich trat aufs Gaspedal, aber es blieb auf meiner Höhe. Wir waren über 110 Stundenkilometer schnell. Ich hatte eine Heidenangst. Dann sah ich, wie es über mich hinwegflog und auf den Fluss zusteuerte.« Monate später, Ende Oktober, fand er in seiner Wohnung eine verdächtige Person vor, als er von der Arbeit heimkehrte. »Als ich die Tür öffnete, sah ich den Mann im Wohn215
zimmer stehen. Er war, wenn ich mich recht erinnere, ganz schwarz gekleidet. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen; er muss etwa einen Meter achtzig groß gewesen sein. Ich suchte nach dem Lichtschalter, als er mich fotografierte. Der Blitz war so grell, dass ich für einen Moment nichts mehr sah. Während ich mir noch die Augen rieb, lief der Einbrecher an mir vorbei durch die offene Tür. Schätze, ich kam gerade noch rechtzeitig, denn es fehlte nichts.« Einbrecher mit Blitzlichtgeräten! Neunzig Kilometer nördlich von Point Pleasant, in Belpre, Ohio, erlebte eine junge Familie das gesamte Spektrum dessen, was die UFOs an Merkwürdigkeiten zu bieten hatten. Der Vater – nennen wir ihn Ben – hatte ein UFO gesehen, das in der Nähe einer Chemiefabrik über dem Fluss schwebte. Er hatte gehört, dass man den Objekten Signale zusenden konnte, und blinkte es mit seinen Autoscheinwerfern an, die daraufhin ausgingen. Später stellte er fest, dass die gesamte Elektrik in seinem Wagen zusammengeschmolzen war. Seine Beobachtung war der Auftakt zu allen möglichen seltsamen Begebenheiten. Zuerst spielte sein Telefon verrückt. Wie viele andere hatte er niemandem etwas von dem Erlebnis erzählt. Dennoch erhielt er Piepsanrufe, und »metallische Stimmen« forderten ihn per Telefon auf, zu nicht näher erläuterten Treffen zu kommen (zu denen er nie ging). Ein Poltergeist zog in Bens Haus ein. Schubladen gingen von allein auf, Gegenstände verschwanden. Ein schwerer Schrank wurde von einer seltsamen Kraft verschoben. (Später versuchte ich, das Ding selbst zu verrücken, aber es war viel zu schwer.) Bens Frau sah auf einmal ungewöhnliche Leute in der Gegend. Im August erlitt Ben einen gelinden Schrecken, als er auf der Main Street in Parkersburg zwei schwarz 216
gekleidete, orientalisch aussehende Männer entdeckte, die ihn breit angrinsten, als würden sie ihn kennen. Sie schienen verwirrt oder betrunken zu sein und hatten Probleme mit dem Gehen. Ben wusste nichts von den MIß, doch die Männer machten ihn so nervös, dass er die Straßenseite wechselte. Es folgten weitere UFO-Beobachtungen – und weitere seltsame Anrufe. Am Ende erzählte er Parke McDaniel, einem Arbeitskollegen, und Mary Hyre von seinem Elend. Ich fuhr mit ihr nach Belpre. Zwei Wochen vor unserem Besuch habe, sagte Bens Frau, ein schwarzer Wagen vor ihrem Haus gehalten. Ein Mann in einem schwarzen Anzug habe mit einer großen Kamera Fotos gemacht. Zwei Nachbarn hatten das auch gesehen und bestätigten ihre Geschichte. Die anderen Häuser in der Straße beachtete der Fotograf nicht im Geringsten. In diesem Sommer waren Men in Black und Phantomfotografen auch auf Long Island, gerade einmal fünfzig Kilometer von New York entfernt, sehr aktiv. Irgendwann erreichte mich sogar ein entsprechender Bericht aus dem entfernten Seattle. Ein Luftfahrtingenieur aus dem Nordwesten der Staaten berichtete: »Drei Tage lang fotografierte jemand unser Haus. Wir dachten, es wären vielleicht Immobilienmakler oder Filmleute. Dann war unser Telefon gestört, und die Post wurde entweder fehlgeleitet oder kam gar nicht mehr an.« Der Ingenieur, ein gebildeter Mann mit einer verantwortungsvollen Position bei einer größeren Flugzeugbaufirma, betrieb die UFO-Forschung als Hobby. Zunächst nahm er an, die Fotografen und Telefonterroristen wären allesamt Agenten der Regierung. Doch dann geschah etwas reichlich Unheimliches. »Zweimal kam eine starke geisterhafte Macht ins Haus, die eine unglaubliche Furcht auslöste«, schrieb er. »Ich 217
bin sicher, dass jeder, der von diesen Dingen nichts versteht, innerhalb kürzester Zeit in der Psychiatrie gelandet wäre. Das Nächste waren Interferenzen mit der Gleichmäßigkeit eines Herzschlags. Ich wachte mit einem Puls von über zweihundert auf! Ich schlafe zwar mit Ohrstöpseln, aber jedes dreißigste bis fünfunddreißigste Mal weckte mich das Geräusch.« Ich hatte von diesem Herzschlagphänomen in Massachussetts und einigen anderen Orten gehört und betrachtete es eher als psychologisches denn als physiologisches Problem. Auch Mary Hyre hatte über laut pulsierende Herzschlagtöne mitten in der Nacht geklagt, aber ich wusste, dass sie einen schweren Herzinfarkt gehabt hatte, und nahm an, dass sie in Wirklichkeit nur ihr eigenes Herz hörte. Doch dann berichteten Linda Scarberry und die McDaniels vom selben Geräusch. Roger Scarberry wurde auch noch von etwas anderem verfolgt, nämlich von einem Traum, in dem ein großes Auge über Marys Haus schwebte. Point Pleasant war voll von Omen und bösen Vorzeichen. Ein Mann und eine Frau mit Kameras besuchten Steve und Mary Mallette und wollten sie fotografieren. Mrs. Mallette hatte sich die Nummer ihres VWs aufschreiben können. Mary ließ sie von der Polizei überprüfen, und es stellte sich heraus, dass sie nicht existierte. Dieses Spiel mit Autokennzeichen wiederholte sich ständig. Zeugen notierten sorgfältig die Autonummern der schwarzen Cadillacs und rätselhaften Pritschenwagen, doch die polizeiliche Überprüfung ergab jedes Mal dasselbe negative Ergebnis. Wenn man bedenkt, wie viele Millionen Autokennzeichen in den USA ausgegeben werden, stehen die Chancen denkbar schlecht, zufällig eine Nummer zu erfinden, die nicht existiert. Und doch schaffen es unsere MIB immer wieder, eine bislang unbenutzte zu erwischen. 218
(Während der UFO-Welle im Oktober 1973 gab es weitere solche Vorfälle.) In England waren Berichte von Phantomfotografen ziemlich selten. 1973 jedoch erfuhren zwei führende britische Ufologen, Brinsley Le Poer Trench und J. B. Delair, von einem Vorfall, von dem die nahe Maresfield, Sussex, wohnende Familie Bogart berichtet hatte. Das abgelegene Haus der Bogarts war von Erscheinungen, seltsamen Geräuschen und Poltergeistaktivitäten heimgesucht worden. Außerdem waren in der Nähe wiederholt eine Reihe tief fliegender, leuchtender Objekte gesichtet worden. »Mehr als einmal behauptete Mrs. Bogart, dass ihr ein gelber VW Käfer (mit Rauchglasscheiben) in einiger Entfernung folgte«, berichtete Delair*. »Einmal folgte ihr der Wagen über einen Waldweg nach Piltdow Lake und hielt in einiger Entfernung. Dann tauchten zwei mittelgroße Individuen auf und machten rasch ein paar Bilder von ihr. Schließlich fuhren sie in der entgegengesetzten Richtung davon. Ein anderes Mal, in Maresfield, schien dasselbe Auto (oder ein gleich aussehendes) wenige Meter hinter ihr her zu schleichen. Mrs. Bogart hat keine Ahnung, wem der VW Käfer gehört oder warum er ihr folgt, auch nicht, warum sie auf so mysteriöse Weise fotografiert wurde.«
*
Awareness, Herbst 1973 (J. B. Delair, Hrsg., 19 Cumnor Road, Wootton, Boar’s Hill, Oxford, Berkshire, England). 219
III Sieht man die vielen tausend UFO-Kontakt-Berichte durch, stellt man fest, dass viele mit dem Erscheinen eines Wesens beginnen, das mit einer Art »Blitzlicht« direkt auf den Zeugen zielt. Menschen, die an Bord einer fliegenden Untertasse genommen wurden, berichteten später, dass sie ein Licht aufblitzen sahen. Anschließend habe man ihnen erzählt, sie seien fotografiert worden. In anderen Fällen – wie sie bereits beschrieben wurden – nähern sich die Wesen dem Zeugen, dann blitzt plötzlich ein Licht auf, und die Person kann sich nicht mehr bewegen. Woodrow Derenberger gehört zu den wenigen UFOKontaktern, die keinen solchen Blitz beschrieben haben. Bei dem Versuch, die Ereignisse in eine chronologische Folge zu bringen, fand ich heraus, dass die Zeugen immer zuerst den Blitz sehen und dann das Wesen, das ihnen mit einer Art Blitzlichtgerät entgegenkommt. Ein zweiter Blitz paralysierte sie oder raubte ihnen das Bewusstsein. Das Phänomen benutzt aber auch noch andere Tricks: Wenn der Zeuge aus seiner Tür tritt oder aus dem Auto steigt, flammt plötzlich ein Licht auf, »wie wenn ein Blitzlichtgerät losgeht«. Fotograf oder Kamera sind dabei nicht zu sehen. Es gibt keine Lähmungserscheinung oder Krankheitsanzeichen. Der Zeuge schüttelt nur verwirrt den Kopf und geht weiter seiner Beschäftigung nach. Wer solche Blitze sieht, hat allerdings meist zuvor schon übersinnliche Erlebnisse gehabt, hat etwa ein UFO, ein Monster, einen Geist gesehen oder verfügt über ASW oder Hellsicht. 1967 lebte ich in Manhattan in einem dieser typischen Glasbauten, der zu einem großen Apartmentkomplex 220
gehörte. Meine Wohnung lag ziemlich weit oben, ich hatte einen Blick auf ein identisches Gebäude jenseits eines kleinen Parks, aber auch eine fantastische Aussicht über Süd-Manhattan. Während ich abends hinter meinem Panoramafenster meine Schreibmaschine traktierte, sah ich plötzlich zwischen den zwei Gebäuden blaue Blitzlichter. Dann entdeckte ich die gleichen Blitze hoch in der Luft, etwas weiter die Straße hinunter. Ich konnte sie Abend für Abend beobachten. Wenn Freunde bei mir waren, ließen sie sich nicht blicken. Ich nannte sie im Geiste »Übersinn-Blitze«, weil häufig auch mein Telefon klingelte, kurz nachdem ich sie gesehen hatte. Später zog ich in eine andere Wohnung auf der anderen Seite der Stadt, wo ich keinen freien Ausblick mehr auf den Himmel hatte. Mein Arbeitszimmer ging auf einen kleinen Garten hinaus, dem Terrain raufender Katzen und einiger mickriger Bäume, die verzweifelt ums Überleben kämpften. Die Übersinn-Blitze blieben aus – bis zum Sommer 1971. Kurz danach erfuhr mein Leben eine größere Veränderung. Plötzlich waren blendende Blitze vor meinem Fenster, obwohl da keine Fotografen oder sonstige Leute waren, weder im Garten noch auf der Straße. Ein paarmal ging ich in den Garten, um die Ursache der Blitze zu ergründen, fand aber nichts. Einen Monat später wurde ich nach Washington, D.C., berufen, um dem Ministerium für Gesundheit, Erziehung und Wohlfahrt als Berater zur Verfügung zu stehen. Für ein Jahr war ich in der Hauptstadt tätig und leitete ein Sonderprojekt unter Elliot Richardson, dem damaligen Leiter des Ministeriums. Seither habe ich keine Blitze mehr gesehen. Waren sie Teil eines subtilen Programmierungsprozesses? Mein Leben hat immer wieder abrupte Veränderungen erfahren, und jedes Mal ging irgendein unerklärli221
ches Phänomen voraus. Dasselbe habe ich auch bei der Beobachtung anderer Zeugen festgestellt. Sind diese Dinge vielleicht Hinweise auf eine übersinnliche Macht, die uns alle kontrolliert?
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Seitwärts in der Zeit I Stellen Sie sich vor, Sie fahren spät abends auf einer einsamen Landstraße. Plötzlich sehen Sie über sich einen Blitz am Himmel. Das Licht nähert sich, und ein eigenartiges Gefühl überkommt Sie, eine Art Kribbeln. Das ausgeschaltete Autoradio beginnt, ein lautes Piepsen von sich zu geben, das wie ein Morse-Code klingt. Ihre Scheinwerfer werden schwächer, dann beginnt der Motor zu spucken und geht schließlich aus. Von schierem Entsetzen erfasst, bleiben Sie am Straßenrand stehen. Auf einmal ist es Morgen. Sie wachen in Ihrem Bett auf, können sich aber nicht daran erinnern, nach Hause gefahren zu sein, sich ausgezogen und hingelegt zu haben. Wenn Sie versuchen, sich an die letzte Nacht zu erinnern, scheint alles verschwommen und irreal. Vielleicht war es ja nur ein Traum, sagen Sie sich dann. Aber Sie fühlen sich erschöpft, als wären Sie auf einer Zechtour gewesen. Ihre Augen sind wund. Innerhalb von ein paar Tagen haben Sie den Zwischenfall vollkommen vergessen – sofern es überhaupt ein Zwischenfall war –, doch hin und wieder wachen Sie nachts schweißgebadet aus einem Albtraum auf. Sie träumen, Sie wären in einer Art Operationssaal mit seltsamen Gestalten, die sich um Ihren daliegenden Körper scharen. Tausende Menschen haben diese Erfahrung in den letzten Jahren gemacht. Vielleicht ist es auch Ihrem Nachbarn oder Ihrer Nachbarin passiert, obwohl er oder sie nie davon erzählt hat. Solche Menschen sind »stille Kontakter«. Andere fahren am selben Abend auf der gleichen 223
Straße, haben das gleiche Licht gesehen und es der Polizei gemeldet oder der Lokalpresse. Dennoch bleiben die stillen Kontakter unsicher, ob das alles real war, und schweigen weiter. Auf jeden öffentlich bekannten Kontakter wie Woodrow Derenberger kommen Tausende, die im Verborgenen bleiben. Manche können später bruchstückhaft Erinnerungen an das Geschehene rekonstruieren, doch ihr Gehirn spielt ihnen dabei Streiche und mischt die echten Erinnerungen mit falschen Einzelheiten. Das Entsetzen, das sie verspürten, wird mit schrecklichen Monstern und Erscheinungen in Zusammenhang gebracht. Der Operationssaal verwandelt sich in einen Raum auf einem Raumschiff. Wie alles andere, was ich hier vorstelle, ist das kein neues Phänomen. Schwarze Magier, Medizinmänner und Schamanen haben zu allen Zeiten Erklärungen gefunden, die mindestens so fantasievoll waren wie die der modernen UFOFans. Sie glaubten, Geister kidnappten die Menschen, zerlegten ihre Körper, um sie anschließend wieder zusammenzusetzen, oder schufen sogar auf irgendeine Art und Weise eine Kopie davon. Das Bild vom Wechselbalg in Religionen und Kulten ist ebenfalls eine Abart davon: Kleinkinder werden entführt und durch Körper ersetzt, die aussehen wie sie, aber ganz anders programmiert sind. Jemand, der mit dem Teufel verkehrte, muss als Souvenir an diese Begegnung irgendwo an seinem Körper ein Mal aufweisen. Auch moderne UFO-Opfer entwickeln solche »Teufelsmale«, manchmal in Form einer Warze oder eines Furunkels, manchmal sind es aber auch Flecken und Punkte, die aussehen wie Muttermale. Im Okkultismus ist bei Berichten von UFO-Kontakten immer von 224
Schmerzen im Bauchbereich oder um den Solarplexus die Rede; Mrs. Hill etwa glaubte, die Außerirdischen hätten ihren Magen mit einer langen Nadel untersucht. Blut wird aus Kinn, Hals oder Fingerspitzen entnommen; die betreffenden Stellen fühlen sich anschließend tagelang wund an. Viele Opfer haben eine rötliche Stelle seitlich am Hals, direkt unterhalb des Ohres. Sie erinnern sich an ein Wesen, das sie dort berührte, woraufhin sie das Bewusstsein verloren. Manche erzählen, die Wesen hätten einfach mit irgendeinem Instrument die Haut an ihrem Arm abgeschürft, um zu »Studienzwecken« Zellen zu entnehmen. Bekannterweise ist der ganze Körper voller Stammzellen, die sämtliche genetischen Informationen enthalten. Wenn jemand eine Kopie, einen Klon, von Ihnen herstellen wollte, müsste er – vorausgesetzt, er hat die entsprechende Technologie – nur ein paar Körperzellen von Ihnen nehmen. Eine Blutprobe würde es auch tun. Natürlich kann man aus diesen mageren Hinweisen nicht schließen, was tatsächlich passiert ist. Das Gedächtnis der Opfer ist nicht zuverlässig; das Phänomen legt absichtlich falsche Spuren und schafft Erinnerungen, die zu falschen Annahmen und Bezugssystemen führen. Ein paar Leute bekommen Blut abgezapft. Wenn sie davon berichten, liefern sie eine wunderbare Erklärung für all die toten Tiere, denen während der großen UFO-Wellen das Blut ausgesaugt wurde. Wir beschuldigen den Teufel, Vampire oder – Außerirdische. In der paranormalen Welt ist nichts so, wie es scheint. Ich möchte drei verschiedene Berichte von UFOKontakten vorstellen, die jeweils zu einer anderen Kategorie gehören, aber wahrscheinlich alle vom selben kosmischen Mechanismus ausgelöst wurden. Der erste ist die Geschichte von Eugenio Siragusa, dem 225
italienischen UFO-Kontakter, um den sich ein wachsender Kult gebildet hat.* Ich habe ihn eher willkürlich gewählt, weil wir am gleichen Tag Geburtstag haben. Er wurde am 25. März 1919 geboren, ich am 25. März 1930. Hier eine Zusammenfassung seiner Geschichte in seinen eigenen Worten: Ich war 33 Jahre alt ( …). Aus beruflichen Gründen war ich an diesem Morgen sehr früh auf. An der Place de Trois Martyrs wartete ich wie gewöhnlich auf den Bus. Plötzlich sah ich am Himmel eine Art leuchtendes Objekt in changierendem Weiß, das ziemlich schnell hin und her zuckte. Seine Leuchtkraft wurde immer stärker; als es näher kam, erkannte ich eine Art Kreisel, der direkt über mir innehielt. Ich gebe zu, dass ich starr vor Angst war. Was mochte das wohl sein? Ein Sturm von Gedanken fegte durch mein Hirn, als auf einmal ein leuchtender Strahl aus dem Objekt fiel und mich berührte. Er durchdrang mich vollständig, woraufhin mich eine Welle unbeschreiblicher Gelassenheit überkam. Meine Angst war gänzlich verflogen. Einen Augenblick später wurde der Strahl dünner und verschwand, als wäre er von der Maschine wieder aufgesaugt worden, wie der Punkt auf einem Fernsehbildschirm nach dem Ausschalten. Anschließend stieg das Objekt, das ich hinterher als eine dieser »fliegenden Untertassen« identifizierte, in den Himmel auf und verschwand. Als ich mich wieder gefasst hatte, wurde mir schnell klar, dass etwas Außergewöhnliches mit mir geschehen war: Eine Art Redimensionierung meiner Persönlichkeit, sogar meine Stimme bekam ein sanfteres Timbre. Von dieser Zeit an lehrte mich eine innere Stimme über *
C.E.F.C; 12, rue des Bossons; 1213 ONEX; Genf, Schweiz. 226
Geologie und Kosmologie; sie öffnete meinen Geist für die Mysterien der Schöpfung und meine früheren Leben. Diese Redimensionierung meiner Existenz wurde möglich aufgrund von ASW-Kontakten zwischen mir und bestimmten Außerirdischen. Die außersinnliche Wahrnehmung entwickelte sich in mir immer weiter. Es dauerte elf Jahre, bis ich tatsächlich in echten Kontakt mit meinen außerirdischen Lehrern treten konnte. Eines Tages hatten wir dann endlich unser erstes Treffen. Und so spielte sich alles ab: Eines Abends im Jahre 1962 verspürte ich plötzlich den Drang, den Ätna zu besteigen. Ich stieg in meinen Wagen und fuhr los. Beim Fahren hatte ich das deutliche Gefühl, dass nicht ich den Wagen lenkte, sondern eine höhere Macht. Auf einer Höhe von 1370 Metern war ich am Monte Manfre angelangt. Nachdem ich den Wagen am Straßenrand geparkt hatte, ging ich zu Fuß in Richtung eines erloschenen Kraters weiter. Auf halbem Weg sah ich plötzlich auf dem Gipfel zwei Silhouetten in silbrigen Raumanzügen im Mondlicht stehen. Sie waren groß, gut gebaut und hatten blondes Haar, das ihnen bis auf die Schultern fiel. Sie trugen goldglitzernde Armreife um Handgelenke und Fesseln, außerdem einen leuchtenden Gürtel um die Mitte und eine seltsame metallische Platte auf der Brust. Mir gefror das Blut in den Adern, als ich sie sah, und kalter Schweiß brach mir aus. Elf Jahre hatte ich auf diesen Moment gehofft, doch der Ort war einsam, die Nacht finster, und unerwartete Begegnungen machten mir nicht unbedingt Mut. Einer der Außerirdischen richtete ein grünes Licht auf mich. Es wurde von einem Ding ausgestrahlt, das er in der Hand hielt. Sofort überkam mich ein seltsames Gefühl und unbeschreibliche Gelassenheit; mein Herz, das zu Beginn wie wild in meiner Brust schlug, beruhigte sich. Wenn ich jetzt ihre 227
beiden vom Mond erhellten Gesichter ansah, konnte ich ihre sanften Züge und ihren ebenso strengen wie ruhigen Ausdruck bewundern. Plötzlich sprach mich einer von ihnen auf Italienisch an: »Wir haben auf dich gewartet. Merke dir gut, was wir dir zu sagen haben.« Sie trugen mir eine Botschaft auf, die ich an alle Regierenden und Verantwortlichen auf der Welt weitergeben sollte. Darin enthalten war die »mahnende« Warnung, die Atomexplosionen zu stoppen und endlich der Menschheit die Vorzüge echten Fortschritts zuteil werden zu lassen, allerdings nur in Verbindung mit Gerechtigkeit, Freiheit, Liebe und Brüderlichkeit. Im Anschluss an diese Begegnung fanden weitere Treffen statt. Sie erzählten mir, dass sie Mitglieder einer Intergalaktischen Konföderation seien, zu der die Bewohner vieler Planeten gehörten. Sie seien die Tutoren der menschlichen Rasse, also auch unseres Planeten. Wir sollten sie als große Brüder betrachten, die sich über unsere negative Entwicklung Sorgen machten, die dazu führen könnte, dass wir die Atombombe tatsächlich nutzten. Sie seien den weiten Weg hierher gekommen, um uns rechtzeitig vor der Gefahr zu warnen, auf die wir zusteuerten. Der Kosmische Rat verurteile das Erdenvolk für sein unmenschliches Verhalten: Die Menschen, denen die Wahrheit vorenthalten wird, werden von Lügen geleitet; beschämende Verbrechen werden als heroischer Akt betrachtet; Gewalt wird zur Notwendigkeit; Rassenhass scheint in unserer Zivilisation etwas ganz Normales zu sein; Religion wurde entstellt und ist in Fanatismus ausgeartet … Dann sagten sie mir eines Tages in strengem, traurigem Tonfall: »Eine hoch entwickelte Zivilisation sendet euch über Lichtjahre Entfernung Astronauten und Missionare, die euch über die Natur eurer Existenz aufklären sollen. Aber statt ihnen für ihre Mühen dankbar zu sein, igno228
riert ihr sie und macht euch über ihre Lehren lustig. Ihr sollt wissen, dass eine gescheiterte Evolution eine planetarische Katastrophe ist, und das wird die unausweichliche Folge eures Handelns sein.« Sie fügten hinzu: »In einem früheren Leben hat jeder von euch für den Stand der Zivilisation gearbeitet, wie er heute herrscht; ihr alle habt Anteil an der Entwicklung der Menschheit. Begreift, dass ihr die Wegbereiter eurer eigenen Zukunft seid! Als eure Tutoren können wir nichts anderes tun, als eure Taten zu verurteilen. Ihr sollt Folgendes wissen: Ihr werdet streng von einer überlegenen Rasse beobachtet, die niemals zulassen wird, dass ihr einen ›nuklearen Krieg‹ auslöst.« Mr. Siragusa wurde auf die klassische Weise zum Fanatiker umprogrammiert und benutzt, um Propaganda zu verbreiten, die in für uns verständlichen Begriffen formuliert war. In den Botschaften fanden sich Hinweise auf Reinkarnation, Politik und Religion, aber nicht innerhalb eines hehren, intellektuellen Rahmens irgendeiner außerirdischen, »überlegenen Zivilisation«. Statt uns Dinge zu erzählen, die wir nicht wissen, sagten sie uns Dinge, die wir hören und glauben wollten. Unsere Angst vor nuklearer Vernichtung war gerade in den Fünfziger- und Sechzigerjahren besonders groß. Viele UFO-Botschaften dieser Zeit waren strenge Warnungen vor dem Missbrauch der Atomenergie. Als unsere Paranoia nachließ, hörten auch die Drohungen aus dem Weltraum auf.
II Im Oktober 1973 gab es eine UFO-Begegnung, die zwar kaum Bedeutung hatte, aber von der Presse ziemlich 229
ausgeschlachtet wurde. Zwei Angler aus Pascagoula, Mississippi, litten an einer eher gewöhnlichen Halluzination, die sie ins landesweite Fernsehen katapultierte und die Aufmerksamkeit von Ufophilen, Spinnern und Astronomen auf sich zog. Der Fall wurde so eingehend diskutiert, dass ich ihn hier wenigstens in aller Kürze vorstellen möchte. »Meiner Ansicht nach hat er die Wahrheit gesagt, als er behauptete, ein Raumschiff entdeckt zu haben, auf dasselbe geholt worden zu sein und drei Kreaturen gesehen zu haben«, erklärte Scott Glasgow, ein Experte für Lügendetektoren aus New Orleans, nachdem er im Oktober 1973 Charles Hickson untersucht hatte. Auch Dr. J. Allen Hynek, ein Astronom, interviewte Hickson und seinen Freund Calvin Parker. »Es besteht meiner Meinung nach kein Zweifel, dass diese Männer ein beängstigendes Erlebnis hatten«, konstatierte Hynek. »Sie dürfen unter keinen Umständen ins Lächerliche gezogen werden. Wir müssen diese Männer schützen.« Hickson, 42, und Parker, 18, würden in der Tat allen Schutz brauchen, den sie bekommen konnten. Am 11. Oktober 1973 saßen die beiden Männer an einer Mole am Pascagoula River und angelten. Plötzlich hörten sie ein lautes, pulsierendes Summen. Dann sahen sie ein blendendes, flackerndes blaues Licht, das sich über das Wasser auf sie zu bewegte. Beide waren wie gelähmt. »Ich konnte mich nicht mehr rühren«, sagte Hickson später. »Aber ich spürte, dass ich Todesangst bekam.« Als das Licht näher kam, wurde sichtbar, dass es eiförmige Konturen hatte. Parker verlor das Bewusstsein, sodass das ursprüngliche Zwei-Zeugen-Ereignis zu einem Ein-Zeugen-Ereignis wurde. Laut Hickson entstiegen 230
dem Objekt zwei rund ein Meter fünfzig große Gestalten. Sie waren gräulich und hatten eine runzlige Haut, keine Hälse, spitze Ohren und krebsartige Klauen. Sie nahmen die zwei Männer (»Es war, als ob wir schwebten«) und trugen sie zu dem Objekt, wo ein »großes Auge« – dessen Größe zwischen einem großen Softball und einem Basketball lag – über ihre Körper wanderte und sie offenbar untersuchte. Anschließend wurden sie wieder auf die Mole gelegt, genau an die Stelle, von der man sie weggeholt hatte. Als das Licht verschwunden war, kamen die Männer zu sich und rannten voller Panik zum Büro des örtlichen Sheriffs. Nach diesem Erlebnis hatten Hickson und Parker heftige Kopfschmerzen. »Vor allem die Träume waren schrecklich«, erzählte Charlie Hickson dem NBC-Nachrichtenreporter Ralph Blum, »und das Kopfweh war so furchtbar, als ob mein Schädel in einem Schraubstock stecken würde.« Am Tag nach dem Ereignis öffnete sich eine kleine Wunde auf Hicksons Arm, die stundenlang heftig blutete. Dann schloss sie sich auf ebenso rätselhafte Weise wieder, wie sie aufgegangen war. Die Mole, an der die beiden Männer geangelt hatten, wurde durch Kameras ständig beobachtet. Ebenso im Blickfeld lagen eine nahe Drehbrücke und die Gebührenhäuschen eines Highways. Die Männer, die die Kameras überwachten, hatten an dem betreffenden Abend nichts Ungewöhnliches gesehen, auch keine Lichter. Ein zusätzlicher Beweis dafür, dass es sich um eine halluzinatorische Episode gehandelt haben muss. Als Ralph Blum Hickson fragte, warum er keine Uhr trage, erfuhr er ein weiteres interessantes Detail. »Konnte ich noch nie. Die Leute meinen, ich sei elektrisch«, erklärte Hickson. »Um ein Beispiel zu nennen: Bevor ich diese Stelle annahm, habe ich zwei oder drei Armband231
uhren ausprobiert. Aber sie haben nie die richtige Zeit angezeigt, entweder sie gingen vor oder nach. Oder sie blieben einfach stehen … Ich habe nie eine gefunden, die mir die korrekte Zeit angezeigt hätte. Sogar Elgins habe ich ausprobiert, Sie wissen schon, die Taschenuhren von der Bahn. Selbst die gingen falsch. Deshalb trage ich keine Uhr.« Offenbar geht von Mr. Hicksons Konstitution eine seltsame, aber nicht unbekannte Kraft aus, die mit Uhren interferiert. Vielleicht wurde er von dem besonderen Energiefeld, dieser Aura, die UFO-artige Phänomene anzieht, eingehüllt. Calvin Parker hatte einfach das Pech, in der Nähe zu sein, als das Phänomen sich auf seinen Kollegen einschoss. Da das Licht nicht auf seiner AlphaWellenlänge sendete, wurde Parker nicht in Trance versetzt, sondern fiel in Ohnmacht. Hickson dagegen wurde hypnotisiert und halluzinierte. Abgesehen davon, dass nun die Medien, Telefonterror und diverse sonstige Probleme über Calvin Parker hereinbrachen, erlitt er auch noch einen Nervenzusammenbruch. Trotz des Tumults in Pacagoula wurden die Männer nie von qualifizierten Leuten befragt – außer von der Air Force. Ein Hydraulikingenieur aus Berkeley besuchte sie und hypnotisierte sie. Als sie kurz davor waren, ihre schreckliche Angst noch einmal zu durchleben, brach er die Sitzung ab. Anschließend informierte er die Reporter knapp, er sei sicher, die Männer seien von »Robotern aus dem All« untersucht worden. Die Ermittlungen der Air Force waren wieder eine andere Geschichte. Deputy Tom Huntley begleitete die Männer zu der Keesler Air Force Base. »Als wir dort ankamen, geschah etwas Erstaunliches«, erzählte Huntley hinterher Ralph Blum. »Wir saßen in einem Wagen ohne Aufschrift, doch die Wachposten erwarteten uns und winkten 232
uns sofort durch, als ich uns anmeldete. Als ich in den Rückspiegel sah, entdeckte ich, dass uns zwei Autos mit Militärpolizisten folgten. Entlang der Straße war ebenfalls an jeder Kreuzung MP postiert. Wir hielten auf dem Betonplatz hinter einem Gebäude. Die Polizei hatte den gesamten Verkehr angehalten. Ärzte warteten auf uns, außerdem Leute ganz in Weiß, die mit ihren Masken und Handschuhen selbst aussahen wie Außerirdische. Sie untersuchten Charlie und Calvin von Kopf bis Fuß und führten einen Radioaktivitätstest durch. Sie nahmen Abstriche von den Fingern des Jungen, von den Schuhen oben wie unten. Dann gaben sie die Abstriche in kleine Flaschen, die sie beschrifteten.« Es war klar, dass die Ärzte der Air Force wussten, was sie da taten, und dass sie das offenbar schon recht häufig getan hatten. Nach der Untersuchung wurden Huntley, Hickson und Parker in ein anderes Gebäude gebracht. »Das war was«, erinnerte sich Huntley. »Bewaffnete MP an jeder Tür und das auf dem gesamten Weg! Vier MPs im Konferenzraum! Außerdem muss die ganze Oberliga – Colonels und Majors – da gewesen sein, die ganze Basis. Und jede Menge Ärzte.« Die Männer wurden einige Minuten lang intensiv verhört. Manche Fragen waren identisch mit denen, die ich in meinen Interviews stelle. Fragen über Kost (manche Kontakter bevorzugen eine strenge Diät), Male oder Einstiche am Körper, Familiengeschichte und so weiter. Das Verwirrende an diesem Fall sind die übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen. Es hörte sich an, als wäre die ganze Basis für diese Gelegenheit in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die beiden Kontakter wurden während ihres Aufenthaltes so streng bewacht, als hätte die Air Force sie in Verdacht, alles in die Luft sprengen zu wollen. Mir erscheinen die Ermittlungen der Keesler Air 233
Force Base viel interessanter als der UFO-Kontakt selbst. Vielleicht hatte jemand von der Air Force die Artikel gelesen, die ich 1967/68 in der Flying Saucer Review veröffentlicht hatte. Darin hatte ich Ermittlern geraten herauszufinden, was die Kontakter gefrühstückt hatten.
III Woodrow Derenberger betrachtete die Ufonauten als »Zeitreisende«. Bei seinen Ausflügen in die entfernte GanymedGalaxie bemerkte er interessante Zeitverzerrungen (in Wirklichkeit ist Ganymed übrigens der Name eines JupiterMondes). Wenn er mit Indrid Cold unterwegs war – scheinbar für mehrere Tage –, so stellte er zu Hause immer wieder fest, dass auf der Erde nur ein paar Stunden vergangen waren. Da er die Möglichkeit verwarf, dass er sich seine interstellaren Trips nur eingebildet hatte, waren Zeitreisen die einzig mögliche Erklärung für ihn. In vielen der hier vorgestellten Fälle habe ich beschrieben, wie versessen die Wesen auf die Zeit sind. Ihr Verhalten, so wie es die Zeugen beschreiben, weist außerdem darauf hin, dass sie Probleme haben, sich an unseren Zeitrahmen anzupassen. So könnte etwa ihr unverständliches, weil viel zu schnelles Geplapper am Telefon, was sich für die Zeugen überall auf der Welt anhörte wie »ein zu schnell eingestellter Plattenspieler«, darauf zurückzuführen sein, dass sie sich nicht an unseren Zeitzyklus anpassen, wenn sie in unser Raum-ZeitKontinuum kommen. Sie reden schneller, weil sich ihre 234
Zeit von unserer unterscheidet. Um sich anzupassen, müssen sie sich dazu zwingen, langsamer zu sprechen, ihre Worte sorgfältig zu artikulieren, was einen besonderen Singsang ergibt. Für schnelle Funkübertragungen werden Signale in normaler Geschwindigkeit aufgenommen und dann bei hoher Geschwindigkeit gesendet; der Empfänger nimmt sie in diesem Tempo auf und verlangsamt sie dann beim Abspielen. Unsere Wesen sind wie diese Funkempfänger: Sie spielen ihre Botschaft immer wieder langsam ab, bis sie ein Tempo finden, das wir verstehen. Die Wesen patzen auch bei anderen Gelegenheiten. Sie wählen zum Beispiel Kleidung aus, die entweder total aus der Mode ist oder erst noch in Mode kommen wird. Das Gleiche gilt für ihre Autos. Bei Slangausdrücken vergreifen sie sich hin und wieder furchtbar. Die armen Kerle begreifen nicht nur nicht, wer oder was sie sind, sondern auch nicht, wo oder wann sie sind. Manche ihrer Fehler scheinen durchaus beabsichtigt oder haben einen allegorischen Hintersinn. Andere hingegen sind offensichtlich nichts anderes als Versehen. Das erinnert mich an eine der erstaunlichsten Kontaktgeschichten, die ich je gehört habe. Am Sonntag, den 10. Dezember 1967, war ein junger Collegestudent aus Adelphi, Maryland, morgens allein außerhalb von Washington, D.C., unterwegs. Auf der damals noch nicht ganz fertig gestellten Teilstrecke der Interstate 70 zwischen Route 40 und Route 29 b sah er ein großes Objekt direkt vor sich auf der Straße. Zuerst dachte er, es wäre ein Sattelzug samt Anhänger, der quer stand. Dann erkannte er ein weißes, spiegelndes Objekt, das wie ein Ei geformt war und auf vier Beinen stand. Er hielt ein paar Meter von dem Objekt entfernt. Dann sah er zwei Gestalten, die neben dem Ding standen. Ihre 235
Erscheinung jagte ihm entsetzliche Angst ein. Einer der Männer kam mit breitem Grinsen auf sein Auto zu. Er war etwa einen Meter fünfundfünfzig groß, trug einen hellblauen Overall, Schuhe oder Stiefel mit dicken Sohlen und hatte ein rötliches oder sonnengebräuntes Gesicht mit großen »Glupschaugen«. Das Grinsen blieb während der ganzen Episode in sein Gesicht gemeißelt. »Hab keine Angst vor mir«, bat er mehrmals deutlich. Sein Name, so sagte er, sei Vadig. Er sprach einige Minuten mit Tom – so hieß der Zeuge –, fragte ihn banale Dinge, etwa woher er komme, wohin er fahre, was er tue und so weiter. Schließlich sagte er bedeutungsvoll: »Wir sehen uns dann rechtzeitig«, und ging zu dem Objekt zurück. Eine kleine Tür öffnete sich, und eine Metallleiter klappte herunter. Eine Hand kam heraus und half Vadig an Bord. Dann stieg das Ding lautlos auf und verschwand. Tom berichtete seinen drei Zimmergenossen von der Begegnung, aber sie schienen ihn nicht ernst zu nehmen, und so erzählte er sonst niemandem mehr davon. Tom verdiente sich neben dem Studium ein wenig Geld als Kellner bei einer Restaurantkette in der Region um Washington. Das hatte er Vadig nicht erzählt. Doch eines Sonntagabends Anfang Februar 1968 kam Vadig in das Restaurant, in dem Tom arbeitete, und setzte sich an einen seiner Tische. Diesmal trug er einen konventionellen Anzug und einen schwarzen Mantel. »Erinnerst du dich an mich?«, fragte er Tom. »Klar«, erwiderte der überrascht. Sie wechselten ein paar Worte, und Tom brachte ihm eine Tasse Kaffee. »Mein Besuch hier wird sich negativ auf den Familienbetrieb auswirken«, bemerkte Vadig mit einem Grinsen. Er fragte Tom, ob er ihn am folgenden Sonntag treffen wolle. Tom war einverstanden, und Vadig verließ das 236
Restaurant. »Wir sehen uns rechtzeitig«, versprach er vorher noch. Am nächsten Sonntag fuhr eine Bedienung Tom nach der Arbeit nach Hause. Als sie weg war, glitt ein großer schwarzer Wagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern aus dem Dunkel und hielt an der Einbiegung. Vadig rief Tom. Ein weiterer Mann saß im Auto. Tom erinnerte sich später, dass er einen grauen Mantel trug, schwarzes Haar hatte und kein Wort sagte. Er stieg in den Wagen. »Es war ein alter Buick«, erinnerte er sich. »Aber sehr gut erhalten. Sah aus wie frisch vom Band gelaufen. Er roch sogar fabrikneu.« Sie fuhren rund dreißig Minuten zu einem abgelegenen Ort an einer wenig befahrenen Straße in Maryland. Als Tom ausstieg, bemerkte er überrascht das eiförmige Objekt. Er wurde in einen runden Raum gebracht, der nichts enthielt außer ein paar Schalensitzen und einem grauen Fernsehschirm. Vadig und sein Gefährte verschwanden in einen anderen Teil des Schiffes. Nach ein paar Minuten erwachte der Bildschirm zum Leben, das Objekt wackelte, und Tom sah ein Bild der Erde, die zu einem winzigen Fleck zusammenschrumpfte. Drei oder vier Stunden vergingen. Er trug immer noch seine Kellneruniform und hatte keine Uhr dabei. Doch es schien ihm, als wären Stunden vergangen, bis ein Planet auf dem Schirm erschien und immer größer wurde. Dann landete das Schiff mit einem Ruck. Der junge Kellner fand sich an einem Ort wieder, der der Erde nicht unähnlich war. Er und Vadig bestiegen ein radloses Fahrzeug, das auf einer Art Schienen fuhr. »Das ist Lanulos«, verkündete Vadig mit Stolz in der Stimme. Er wiederholte den Namen mehrmals, damit er Tom gut im Gedächtnis blieb. 237
Das Fahrzeug fuhr durch eine große Stadt mit niedrigen Flachbauten. Auf Schildern waren orientalisch aussehende Lettern gemalt. Die Leute, Männer wie Frauen, waren alle nackt. »Da waren ein paar echte Schönheiten dabei«, meinte Tom. Nach der Besichtigungstour kehrten sie zu dem eiförmigen Ding zurück und hoben wieder ab. Tom saß wieder allein in dem runden Raum und blickte stundenlang auf den Bildschirm. Schließlich erreichten sie die Erde und landeten genau an der Stelle, von der sie gestartet waren. Tom, Vadig und der Schweiger gingen zu dem alten Buick zurück und fuhren wieder etwa eine halbe Stunde bis zu Toms Haus. »Wir sehen uns rechtzeitig«, verabschiedete sich Vadig, dann fuhr der Wagen davon. Tom rannte in seine Wohnung, entschlossen, seine Freunde aufzuwecken, um ihnen von seinem Abenteuer zu erzählen. Sie waren noch wach und warteten auf ihn. Was ihn aber am meisten überraschte, war die Uhrzeit. Die Bedienung hatte ihn gegen Mitternacht abgesetzt. Jetzt war es 1.30 Uhr. Der ganze Trip, einschließlich der zweimal dreißig Minuten Fahrt zum UFO und zurück, hatte keine zwei Stunden gedauert! Seine Erregung und Verwirrung waren echt, und diesmal nahmen ihn auch seine WG-Genossen ernst. Einen Monat später kam Woodrow Derenberger nach Washington und trat in einigen Talkshows auf. Tom schlief, als einer seiner Freunde hereinplatzte und rief: »Tom, da ist ein Typ im Radio, der erzählt von Lanulos!« Alle vier waren vollkommen fassungslos, als sie hörten, wie Woody Erlebnisse beschrieb, die denen von Tom ganz ähnlich waren. Sie riefen bei der Radiostation an und sprachen nach der Sendung mit Woody. Rein zufällig war ich zu der Zeit ebenfalls in Washing238
ton. Ich erklärte mich bereit, Woody zum Gespräch mit dem jungen Mann zu begleiten. Aber ich warnte Derenberger und seine Frau davor, nur ja keine Suggestivfragen zu stellen. Natürlich hatte ich den Verdacht, dass die ganze Geschichte eingefädelt sein könnte. Entweder war Tom oder Woody mit dem Teufel im Bunde oder Tom, der in einem höheren Semester Psychologie studierte, musste eine Hausarbeit über gutgläubige UFO-Fans schreiben. Es wurde schnell deutlich, dass Tom und seine WGGenossen aufrichtig waren. Sie waren viel zu vertieft in ihr Studium, um nebenbei UFO-Literatur zu lesen. Außerdem gab es in Toms Geschichte einige Details, die noch nirgendwo festgehalten waren. Am Ende musste ich eingestehen, dass Tom wohl die Wahrheit sagte. Er war nicht auf Publicity aus, und so beschloss ich, seine Geschichte nicht zu veröffentlichen. Allerdings erzählte Woody (der wahrscheinlich selbst überrascht darüber war, wie sehr sich Toms Geschichte mit der seinen deckte) anderen von ihm, und einige UFOFans aus Washington überredeten ihn schließlich dazu, sein Abenteuer der Welt zugänglich zu machen. Zwei Jahre später hielt er Vorträge in einem UFO-Klub und trat in Long John’s Radiosendung in New York auf. Da er selbst beschlossen hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen, widmete ich ihm schließlich einen Abschnitt in einem meiner Bücher. Nachdem das Buch veröffentlicht war, erhielt ich einen wutentbrannten Brief von Tom. Seit diesen Erscheinungen … wurde ich belagert und geplagt von einer Horde von Spinnern. Sie schreiben, rufen an, kommen vorbei und so weiter. Sie haben mich den letzten Nerv gekostet. Einige meiner engsten Freunde warnten mich davor, dass diese Typen langsam meinem Ruf schaden könnten. Ich erklärte also ein für 239
alle Mal, dass ich keinen öffentlichen Kontakt mehr wolle …. Auch wenn die Erlebnisse, die ich hatte, absolut wahr sind, wünschte ich manchmal, ich hätte nie mit jemandem darüber gesprochen. Der einzige Grund, warum ich geredet habe, war der: Ich dachte, ich könnte einige der Rätsel aufdecken und prüfen, die sich um das UFO-Phänomen ranken … Ich hätte meinen Mund halten sollen, so wie ich es vorhatte, als Sie mich zum ersten Mal interviewt haben. Tom heiratete eine hübsche junge Frau. Sie erfuhr von seinen seltsamen Begegnungen mit Vadig erst einige Monate nach der Hochzeit. Wie so viele andere vor ihm – auch ich –, erlebte er, dass es etwas gibt, das viel bizarrer ist als das Phänomen selbst: die ungebärdige Horde von echten UFO-Gläubigen, Freaks und verantwortungslosen, selbst ernannten Ermittlern; sie umschwirren einen wie Motten das Licht. Sie bombardierten Charles Hickson und Calvin Parker 1973 und überfluteten Point Pleasant 1967.
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Die Misere auf dem Mount Misery I Daniel Drasin war etwa 18 gewesen, als er eine Randale auf dem New Yorker Washington Square filmte, Sunday benannte und ein paar Filmpreise dafür gewann. Inzwischen war er Mitte zwanzig, gut aussehend, intelligent, zurückhaltend und scharfsinnig und steuerte eine viel versprechende Laufbahn in der Filmindustrie an. Die UFO-Dokumentation in Westvirginia war für ihn eine entscheidende Chance, und er stürzte sich mit Eifer und Begeisterung in das Projekt. Während ich auf dem Weg nach Washington, D.C., war, fuhr er mit seinem bewährten Team in die entgegengesetzte Richtung, in der Hoffnung, ein paar authentische Bilder von diesen seltsamen Lichtern am Himmel zu ergattern. In Washington angekommen, parkte ich in der Connecticut Avenue, einer der Hauptverkehrsadern der Stadt. Es war helllichter Tag, und ich wollte nur ein paar Minuten weg. Ein paar meiner Klamotten und Kamerazubehör lagen auf dem Rücksitz, also schloss ich die Türen sorgfältig ab. Während ich weg war, schlug jemand ein Seitenfenster ein und raubte meinen Wagen aus. Meine Kleidung und einige meiner Kameras waren noch da. Sie hatten jedoch meine Aktentasche, meinen Kassettenrekorder, alle meine Notizbücher, belichtete Filme, aufgezeichnete Interviews mit Zeugen, ein billiges Teleskop und andere Dinge mitgenommen, die nur für mich von Bedeutung waren. Seltsamerweise hatten sie mein unersetzbares Adressbuch aus einem der Koffer geholt und auf dem Sitz liegen lassen. Ich rief die Polizei. Die 241
Beamten zeigten sich nicht unbedingt von der freundlichsten Seite. Ihrer Meinung nach war jeder, der um zwei Uhr nachmittags auf einer Hauptdurchgangsstraße in Washington irgendetwas offen im Fahrzeug herumliegen ließ, ein Volltrottel. Meine Probleme waren aber noch nichts im Vergleich zu dem, was Dan passierte. Er sah jede Menge Luftlichter, doch seine batteriebetriebenen Kameras funktionierten nicht, als er sie aufnehmen wollte. Am Ende glaubte er, doch ein paar Treffer gelandet zu haben. Aber dann wurde das kostbare Material in einem Entwicklungslabor in New York ruiniert – aus Versehen … Mitglieder seines Teams hatten plötzlich Probleme mit ihren Telefonen, und eine Produktionsassistentin wachte nachts in ihrer Wohnung in Brooklyn von einem lauten Piepsen auf. Sie stand auf, sah aus dem Fenster und sah eine große, leuchtende Kugel direkt vor ihrem Haus schweben. Bei seinem zweiten Besuch in Point Pleasant entdeckte Dan ein paar Mothman-Zeugen, die mir entgangen waren. Außerdem fand er noch ein paar erstaunliche Berichte über Men in Black. Leute in den Bergen hatten mysteriöse Lieferwagen ohne Aufschrift gesehen, die manchmal stundenlang an einer abgelegenen Stelle parkten. Offenbar gab es mehrere solche Laster in der Gegend. Es ging das Gerücht um, dass sie der Air Force gehörten. Männer in blitzsauberen Overalls wurden dabei beobachtet, wie sie mit Telefon- und Stromleitungen hantierten, doch niemand sprach sie an. Eine Frau, die allein auf einer einsamen Insel vor Vancouver in Kanada lebte, hatte zwei denkwürdige Begegnungen mit ebensolchen Wesen. Im Oktober 1967 war sie in eine kleine Hütte auf Keats Island gezogen. Alsbald hatte sie nachts UFO-Lichter gesehen. Am 29. 242
Januar 1968 beobachtete sie aus nächster Nähe »einen langen, dunklen Körper mit schwach roten und gelben Lichtern an beiden Enden«, anschließend wurde sie von zwei Besuchern überrascht. Beide trugen »saubere, dunkle Overalls« und behaupteten, vom Wasserkraftwerk zu sein. Sie boten ihr an, ein Ofenrohr für sie aufzustellen. Der jüngere der beiden kletterte auf das Dach ihrer Hütte, der andere reichte ihm die Rohrteile hoch. »Ich hörte, wie der Mann am Boden dem anderen auf dem Dach Anweisungen gab; der oben antwortete immer: ›Ja, Meister.‹« Nachdem das Ofenrohr fertig war, kamen sie noch auf einen Tee herein. Sie wirkten »ein wenig steif«. Als sie weg waren, überlegte sie, wie sie überhaupt von ihr erfahren hatten, denn: »Die Hütte war von der Straße aus nicht zu sehen, und der Ofen war aus, als sie kamen, sie hatten also auch keinen Rauch gesehen.« Am 2. Mai begegnete sie wieder zwei Männern. »Einer war der Boss der beiden Wassermänner, wieder in seinem sauberen Overall«, berichtete sie.* »Der Zweite war ein anderer junger Mann, etwa 19 bis 20 Jahre alt. Als ich auf den Weg einbog, wies der Boss den jungen Mann an, hinter ihn zu treten. Sie gingen beide einen Schritt zur Seite und warteten auf mich, der junge Mann etwas hinter seinem Chef. Der Typ starrte mich an, als wäre ich eine Missgeburt.« Diesmal lud sie sie nicht zum Tee ein. Etwas Merkwürdiges war ihr bei beiden Begegnungen an den Männern aufgefallen: Sie bewegten sich sehr langsam und vorsichtig, sahen dabei auf die Füße und setzten unsicher einen Fuß vor den anderen. Am nächsten Tag kam ein Jeep mit vier Männern, die *
Canadian UFO Report, Nr. 13, 1972/73. 243
Leitungen überprüfen wollten. »Nachlässig gekleidete, ganz normale Männer, nicht in Overalls. Der Chef war nicht so ohne Weiteres zu erkennen. Sie zeigten überhaupt keine Überraschung, mich hier zu sehen, keine Besorgnis oder besonderes Interesse. Ich erzählte ihnen, dass zwei ihrer Leute bereits tags zuvor da gewesen seien und die Leitungen überprüft hätten. Sie versicherten mir, dass die nicht vom Wasserwerk gewesen sein konnten, dass mich da jemand an der Nase herumgeführt haben musste.« Irgendjemand führte auch im kosmopolitischen Long Island eine Menge Leute an der Nase herum. In Westvirginia hatte ich ein paar Geschichten über drei Männer gehört, die »wie Indianer« aussahen und von einem vierten Mann begleitet wurden, der gewöhnlicher anmutete und im Vergleich zu ihnen eher schäbig gekleidet war. Ich war also nicht überrascht, ähnliche Schilderungen auf Long Island zu hören. Eine ältere Dame, die allein in einem Haus nahe dem Gipfel des Mount Misery lebte, dem höchsten Punkt von Long Island, hatte direkt nach einem heftigen Regen Anfang April 1967 einen Besuch von diesem Quartett. »Sie hatten hohe Wangenknochen und ziemlich rote Gesichter wie von einem schlimmen Sonnenbrand«, erzählte sie mir. »Sie waren sehr höflich, sagten aber, mein Land gehöre ihrem Stamm, und sie würden es zurückverlangen. Am meisten irritierten mich ihre Füße. Sie hatten kein Auto und müssen den ganzen verschlammten Berg zu Fuß heraufgekommen sein … doch ihre Schuhe waren makellos sauber. Da war keine Spur von Schlamm oder Wasser, als sie mein Haus betraten.« In der gleichen Woche kam noch ein anderer Besucher auf den Mount Misery. Diesmal war es eine Frau mit auffällig weißem Haar, die behauptete, von einer lokalen 244
Zeitung zu kommen. Sie hatte ein Buch dabei – »etwas wie ein Leitfaden« – und stellte der Zeugin eine Reihe persönlicher Fragen über ihren familiären Hintergrund. Eine spätere Überprüfung bei der besagten Zeitung ergab, dass dort niemand arbeitete, auf den die Beschreibung zutraf. Speziell für Mount Misery zuständig war Miss Jaye P. Paro, eine Radioreporterin, die damals für den Sender WBAB in Babylon, New York, arbeitete. Miss Paro war eine brünette, dunkeläugige junge Dame mit einer sanften, sehnsuchtsvollen Stimme. Zur damaligen Zeit hatte sie eine Interviewsendung, die sich mit Geschichte und übersinnlichen Vorgängen in der Region befasste. Kurz nachdem sie von UFO-Sichtungen um den Mount Misery herum berichtet hatte, bekam sie seltsame Anrufe, sowohl im Sender als auch auf ihrem Geheimanschluss zu Hause. Metallische Stimmen befahlen ihr, sie »auf dem Berg« zu treffen (sie ging nicht hin). Durch Miss Paro lernte ich mehrere UFO-Zeugen und Kontakter kennen. Long Island war, wie ich feststellte, voller Kontakter aller Altersgruppen und beiderlei Geschlechts. Eine davon war eine reizende junge Blondine – ich will sie Jane nennen –, die mit ihrer Familie unweit des Mount Misery wohnte. Jane war nicht gerade Analphabetin, las aber selten etwas anderes als Comics. Sie wusste nichts über UFOs, und das Thema interessierte sie auch nicht. Sie war eine »gefallene Katholikin«, das heißt sie praktizierte ihre Religion nicht mehr, seit sie erwachsen war. Außerdem war sie eine sehr empfindsame Frau, mehr in ätherischer als in sinnlicher Hinsicht. Ihre anmutige Erscheinung hatte etwas Mystisches an sich. Der Mount Misery ist dicht bewaldet. Nur ein paar enge Feldwege führen zu einigen großen Häusern, die zwi245
schen den Bäumen liegen. Henry Stimson, USKriegsminister während des Zweiten Weltkriegs, hatte hier auf dem Gipfel ein riesiges Grundstück. Jahrzehntelang war der Berg als verwünschter Ort verschrien gewesen, wo Menschen auf mysteriöse Weise verschwanden oder ums Leben kamen. Im Frühling 1967 sahen junge Pärchen, die auf den abgelegenen Straßen heimlich knutschten, tief fliegende UFOs, insbesondere auf einem Gelände, das als Schrottplatz diente. Andere wollen ein riesiges, haariges Monster mit glühenden roten Augen gesehen haben. Seit Miss Paro Berichte über die Geschehnisse auf dem Mount sendete, fielen sehr zum Missfallen der snobistischen Anwohner die üblichen Menschenmassen nachts über die Gegend her. Eines Abends im Mai reihten sich Jane und ihr Freund Richard in die Schlange der Autos ein und fanden sich schließlich allein auf einer einsamen Straße unweit von High Hold, Stimsons Besitz, wieder. Richard, der am Steuer saß, klagte plötzlich über Unwohlsein. Er hielt und brach einen Augenblick später bewusstlos über dem Lenkrad zusammen. Jane geriet in Panik. Doch sie konnte sich nicht um Richard kümmern, denn im selben Moment leuchtete ein greller Lichtstrahl aus dem Wald, »wie ein Blitzlicht«. Geblendet fiel sie in ihren Sitz zurück und konnte sich nicht mehr rühren. Im nächsten Moment fuhren sie wieder auf der Old Country Road am Fuß des Mount Misery. »Wie sind wir hierher gekommen?«, fragte Richard sie entgeistert. »Was ist passiert?« »Komm, wir fahren nach Hause«, brachte Jane mühsam heraus. Sie sprachen nicht mehr über den Vorfall, bis ich die Szene betrat. Ein paar Tage später, am 17. Mai, ging Jane ans Telefon (sie hatte einen eigenen Apparat im Zimmer) und hörte 246
eine metallische Stimme. »Pass gut auf«, sagte die Stimme. »Ich kann dich nicht hören.« Sie bekam den Auftrag, zu einer kleinen öffentlichen Bücherei zu gehen und ein bestimmtes Buch über die Geschichte der Indianer zu suchen. Sie tat, wie ihr geheißen. Am 18. Mai ging sie um halb elf Uhr vormittags in die Bücherei. Es war niemand dort außer der Bibliothekarin, die Jane ziemlich ungewöhnlich vorkam. Die Frau »trug ein altmodisches Kostüm wie aus den Vierzigern, mit langem Rock und breiten Schultern, und flache, alt aussehende Schuhe«. (Das war 1967, also lange bevor die Vierziger wieder in Mode kamen.) Sie hatte dunkle Haut, einen zarten Knochenbau und sehr dunkle Augen und Haare. Sie machte den Eindruck, als hätte sie Jane bereits erwartet, und holte das Buch direkt unter ihrem Tisch hervor. Jane setzte sich an einen Tisch und begann, das Buch durchzublättern. Auf Seite 42 machte sie Halt, denn der Anrufer hatte ihr aufgetragen, diese Seite zu lesen. »Sie werden es nicht glauben«, sagte sie zu mir, »aber die Schrift wurde erst immer kleiner, dann immer größer. Sie verwandelte sich in eine Botschaft, an die ich mich wortwörtlich erinnern kann. ›Guten Morgen, Freundin‹, begann sie. ›Du wurdest aus vielerlei Gründen ausgewählt. Auf diese Weise werden wir Kontakt halten. Ich habe Botschaften, welche die Erde und ihr Volk betreffen. Die Zeit ist reif. Hab keine Angst … ich bin ein Freund. Aus Gründen, die uns wohl bekannt sind, musst du eine vertrauenswürdige Person über diesen Kontakt informieren. Wenn du dieses Gesetz brichst, endet der Kontakt. Beweise müssen erbracht werden. Notizen müssen gemacht werden über die Suggestionslage. Frieden mit dir. [unterzeichnet! A Pal [engl. für »ein 247
Kumpel«].‹ Dann wurde die Schrift wieder sehr klein, und am Ende erschien der normale Text wieder.« Kaum hatte Jane die Bücherei verlassen, wurde ihr schlecht, und sie übergab sich mehrmals, auch in den folgenden beiden Tagen. Sie wandte sich mit ihrer Geschichte an Miss Paro, die ihr riet, mit mir in Verbindung zu treten. Ihr Erlebnis auf dem Mount, der Telefonanruf und die Bemerkung über »Suggestion« weckten mein Interesse. Damals wussten die UFO-Fans noch nichts über diese Faktoren, somit war eine Lügenstory ziemlich unwahrscheinlich. Außerdem stand ich, was Miss Paro und Jane nicht wussten, mit einem entfernten Kontakter in Verbindung, der mit »Apholes« kommunizierte. Die Unterschrift »A Pal« schien mir ähnlich genug, um einen Zusammenhang vermuten zu lassen. Ich nahm an, dass Jane darauf programmiert worden war, in der nächsten Zeit eine ganze Reihe von seltsamen Erlebnissen zu haben, deshalb hielt ich in den folgenden Monaten ständig Kontakt mit ihr und zeichnete alles auf, was sie erlebte. Anfang Juni begann Jane, überall die »Bibliothekarin« zu sehen. Am 6. Juni tauchte die Frau in einem Kaufhaus hinter einem Kleiderständer auf. Sie trug dieselben altmodischen Sachen und sprach Jane »in gebrochenem Englisch« an. Aber irgendetwas an ihrer Sprache und ihren Bewegungen war faul. »Es war, als ob sie tot wäre«, versuchte Jane zu erklären. »Als ich sie fragte, ob sie in Babylon lebe, lachte sie irgendwie hysterisch, wie jemand, der emotional gestört ist.« (Dieses verrückte Lachen wurde von vielen Kontaktern beschrieben.) »Gibt es hier irgendwo A-U?«, fragte die Frau. Jane wusste nicht, was sie meinte. Zufällig war ich gerade in dieser Woche darauf gestoßen, welche Bedeutung dem Gold nicht nur in der Religion, sondern auch in der 248
Ufologie beigemessen wird. Gold ist das 79. Element im Periodensystem, sein chemisches Symbol AU. Jane bot der Frau an, sie im Auto mitzunehmen, doch sie lehnte ab und ging davon. Nach einer schlaflosen Nacht stand Jane im Morgengrauen auf und machte, einem inneren Drang folgend, einen Spaziergang. Aus einer Gasse trat plötzlich die dunkelhäutige Frau heraus und ging schüchtern auf sie zu. »Peter wird kommen«, verkündete sie. Diese Bemerkung erschütterte Jane, da sie sich erinnerte, dass im katholischen Glauben Petrus als der letzte Papst gilt. »Warum interessierst du dich für unseren Berg?«, fuhr die Frau fort und wiederholte: »Peter wird kommen.« Dann fuhr ein großer schwarzer Cadillac vor und hielt neben ihnen. Er war, wie Jane sich erinnerte, »brandneu und auf Hochglanz poliert«. Am Steuer saß ein Mann mit olivfarbener Haut, eine Sonnenbrille auf der Nase. Er trug einen sauberen grauen Anzug, der offenbar aus dem gleichen Stoff war wie das Kostüm der Frau. Die hintere Tür öffnete sich, und ein Mann mit einem breiten Grinsen stieg aus. Er war rund einen Meter fünfundsiebzig groß und hatte dunkle Haut und orientalische Augen. Jane fand, er sah aus wie ein Hawaiianer. Er wirkte ungemein wichtig und trug einen gut geschnittenen, teuer aussehenden Anzug aus demselben grauen Stoff, der wie Seide glänzte, aber keine war. Feierlich schüttelte er dem Mädchen die Hand – »seine Hand war eiskalt« – und starrte sie grinsend die ganze Zeit aus seinen pechschwarzen Augen an. »Weißt du, wer ich bin?«, fragte er. »Ich bin Apol [ausgesprochen wie engl. Apple].« Der Cadillac fuhr weiter, und sie blieben zu dritt auf der Straße stehen. Apol holte ein zusammengefaltetes Stück 249
Papier heraus und reichte es Jane. »Trag das immer bei dir«, forderte er sie auf. »Dann wissen sie, wer du bist.« »Wer ist das: ›sie‹?« »Sie sind sehr gute Leute«, erwiderte er. In dem Papier, einem Stück uraltem Pergament, war eine kleine Metallscheibe, etwa so groß wie eine Vierteldollarmünze. Während sie sich unterhielten, gingen sie langsam auf das Stadtzentrum zu, bis sie vor der Post angekommen waren. Jane verkündete spontan, sie werde die Scheibe jemandem schicken. Sie betrat das Postamt, nahm einen Umschlag und schickte Scheibe und Pergament als Eilzustellung an meine Adresse. Die beiden Fremden tauschten ein mildes Lächeln. Als sie aus dem Postamt kam, erzählte ihr Apol ein paar Dinge über ihre Kindheit, die niemand wissen konnte, und empfahl ihr, Jod zu vermeiden. (Sie hatte leichte gesundheitliche Probleme, die sich mit jodarmer Ernährung in den Griff bekommen ließen.) Der Wagen tauchte wieder auf, die beiden stiegen ein und fuhren davon. »Es war sehr seltsam, als ich mit ihnen sprach«, erinnerte sie sich. »Ich war wie benebelt … irgendwie benommen.« Ich hätte die ganze Episode als Halluzination abgetan, wäre da nicht die Metallscheibe gewesen. Am nächsten Tag erhielt ich die Eilsendung, war jedoch sehr enttäuscht über den Inhalt. Die Scheibe sah aus wie ein Firmenschild, wie man es von Herrenhemden kennt. Das Pergament schien der Überrest eines sehr alten Umschlags zu sein. Nach einer eingehenden Untersuchung packte ich die Scheibe wieder in das Papier, so wie ich sie erhalten hatte, dann steckte ich das Ganze in einen kleinen Umschlag, den ich mit Klebeband verschloss. Diesen legte ich schließlich in einen größeren braunen 250
Umschlag, den ich per Eilzustellung an Jane zurückschickte. Am nächsten Tag rief sie an. »Warum haben Sie die Scheibe verbogen und das Papier zerrissen?« Sie hatte gerade die Sendung erhalten und festgestellt, dass das Pergament in dem verschlossenen Umschlag in drei Stücke zerrissen war. Die Metallscheibe war verbogen, als wäre sie zweimal gefaltet und wieder aufgebogen worden. Außerdem war sie kohlschwarz und stank nach »faulen Eiern«. Was das bedeutete, war klar. Jemand hatte die Fähigkeit, Post abzufangen und sich an verschlossenen Umschlägen zu schaffen zu machen!
II Während sich Jane heimlich mit Mr. Apol und seiner mysteriösen Freundin traf, bekam Jaye P. Paro Besuch von der Ehrfurcht gebietenden Prinzessin Moon Owl (»Mondeule«), einer Figur, die Ende 1967 auf Long Island zu einer Legende geworden war. Am 11. Juni 1967 um 15.30 Uhr betrat Jaye das Studio von WBAB und fand dort eine ziemlich merkwürdige Frau vor, die auf sie wartete. Sie war mindestens zwei Meter groß und hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen. Jaye dachte zuerst, sie erleide gerade einen Herzanfall. »Ich bin Prinzessin Moon Owl«, erklärte sie zwischen zwei Schnaufern. »Ich komme von einem anderen Planeten. Ich bin mit einer fliegenden Untertasse hergekommen.« Jaye schnappte sich einen Kassettenrekorder und schlug vor, ein Interview für die Sendung zu machen. Die 251
Prinzessin war entzückt, holte tief Luft und lieferte einen dreißigminütigen, unglaublichen Monolog über das Leben auf dem Planeten Ceres im Asteroidengürtel. Sie schien alle UFO-Fans und Exzentriker in New York und Long Island zu kennen; manche bezeichnete sie als Blender, andere lobte sie in den höchsten Tönen. Im Verlauf des Interviews begann sich Jaye zunehmend unwohl zu fühlen. Die Cerianer hatten offenbar ein Problem mit Körpergeruch. »Sie stank wie faule Eier«, sagte Jaye anschließend. Anfangs war der Geruch nicht so stark, doch mit der Zeit wurde er unerträglich. Die Prinzessin erzählte, dass sie »sieben Ooongots« oder etwa 350 Erdenjahre alt sei. Während dieses Interview stattfand, saß ich in meinem New Yorker Apartment. Mein Telefon spielte verrückt. Es klingelte mehrmals, ohne dass jemand am anderen Ende war. (Damals hatte ich noch ziemlich wenig Probleme mit meinem Privatanschluss.) Später am Nachmittag erhielt ich einen Anruf von einer Frau mittleren Alters, die behauptete, Prinzessin Moon Owl zu sein. Ich könne sie über »Kontakterin Paro« erreichen. Die Stimme ähnelte in keiner Weise der auf Jayes Kassettenaufnahme, die ich mir später anhörte. Die aufgenommene Mondeule klang ein bisschen so, als hätte ein Synchronsprecher versucht, die Stimme einer älteren Frau zu imitieren. Allerdings ein sehr schlechter Synchronsprecher. Ich erklärte Jaye, dass sie einer Lüge aufgesessen sei, und riet ihr, das Interview nicht zu senden. Wenn es keine Lüge war, war Moon Owl von einem Dämon besessen (so wie Jaye ihr Verhalten beschrieben hatte, lag das im Bereich des Möglichen). Jaye sendete das Interview trotzdem, woraufhin Long Islands Mondsüchtigenszene schier außer sich geriet vor Entzücken. Wenigstens ein echter Außerirdischer in ihren 252
Reihen! Nachdem sie sich durch WBAB Glaubwürdigkeit verschafft hatte, rief Moon Owl systematisch alle bekannten UFO-Fans auf Long Island an. Die akzeptierten sie anstandslos als echt. Mich irritierte an der ganzen Sache vor allem, dass sie an eine Reihe von Geheimnummern gekommen war und offenbar viel über die Anwohner wusste. Am meisten verdächtig aber waren ihre durchsichtigen Anspielungen auf einen größeren UFOKongress, der am 24. Juni im Hotel Commodore in New York stattfinden sollte. James Moseley, Herausgeber der Saucer News, hatte nicht nur den Tagungsraum des Hotels, sondern praktisch eine ganze Etage für die Veranstaltung gemietet, und machte mit Pressekonferenzen und TV-Spots Werbung dafür. Prinzessin Mondeule passte mir ein wenig zu gut in die Publicity-Kampagne. In der Zwischenzeit bekam Jane weiter täglich Besuch von ihren geisterhaften Freunden, die ihr erstaunliche Informationen über meine »geheimen« Ermittlungen gaben. Mein Interview mit den Christiansens aus Cape May und die Details über ihren pillenverschlingenden Besucher Tiny war damals nur ein paar wenigen vertrauenswürdigen Leuten wie Ivan Sanderson bekannt. Am 12. Juni jedoch besuchten Mr. Apol und seine Freunde Jane, als sie allem zu Hause war, und baten um Wasser, um ein paar Pillen nehmen zu können. Dann gaben sie ihr drei Pillen und forderten sie auf, eine gleich zu nehmen, die zweite am übernächsten Tag. Die dritte Pille, sagten sie, sei für sie, damit sie überprüfen lassen könne, dass sie harmlos sei. Zweifellos wussten sie, dass sie das Corpus Delicti sofort mir zukommen lassen würde. Zwei Stunden, nachdem sie die erste Pille genommen hatte, bekam sie heftige Kopfschmerzen, ihre Augen waren blutunterlaufen, und ihre Sehkraft auf der rechten 253
Seite war stark eingeschränkt. Als ihre Eltern nach Hause kamen und sie so sahen, waren sie voller Sorge, weil ihre Augen ganz glasig waren und das rechte seltsam schimmerte. Die Probepille erwies sich als Sulfonamidpräparat, das üblicherweise bei Harnwegserkrankungen eingesetzt wird. Zwei Tage später nahm sie, wie gefordert, die zweite Pille. Kurz darauf klingelte ihr Telefon. Ein Mann mit »starkem Brooklyner Akzent« sagte, er sei Colonel John Dalton von der Air Force und wolle mit ihr über »Mitchell Field« reden. Sie erwiderte aufrichtig, dass sie nichts über einen Mitchell Field wisse. Er bestand darauf, trotzdem mit ihr zu reden. Ob sie in sein Büro kommen wolle. Als sie fragte, wo das sei, zögerte er einen Moment und schlug dann vor, sie bei ihr zu Hause aufzusuchen. Er fragte nicht nach ihrer Adresse, und da sie bislang der Air Force nichts gemeldet hatte, wunderte sie sich, wie er überhaupt an ihre Telefonnummer gekommen war. Um Viertel vor acht am nächsten Abend gingen Janes Eltern für ein paar Stunden aus dem Haus. Sobald sie gegangen waren, läuteten Colonel Dalton und sein Partner, ein junger Lieutenant, an der Tür. Beide Männer wirkten normal und waren höflich und redegewandt. Der Colonel trug Zivilkleidung, natürlich einen schwarzen Anzug. Er war rund einen Meter 75 groß, hatte braunes Haar, braune Augen und eine »sehr spitze Nase«. Der Lieutenant war ein paar Zentimeter kleiner und trug die Uniform der Air Force. Sein »weißblondes Haar sah gefärbt aus« und war sehr kurz geschnitten, »wie ein Bürstenschnitt, der langsam herauswächst«. Sie zeigten kurz ihre Ausweise mit Fotos. Der Colonel fragte sie, ob sie etwas über eine UFOLandung in der Gegend wisse. Jane lachte und sagte, dass 254
sie nicht an fliegende Untertassen glaube. »Wir wissen über alles Bescheid, was in diesem Haus vor sich geht«, erklärte Dalton knapp. »Es sind in letzter Zeit eine Menge komische Leute ein- und ausgegangen.« »Na ja, ein paar von meinen Verwandten sind vielleicht ein wenig bizarr«, sagte Jane lächelnd. Daraufhin öffnete Dalton seine Aktentasche und zog einen Stapel Formblätter heraus. Er gab ihr ein besonders umfangreiches und forderte sie auf, es auszufüllen. Sie nahm es, las es durch und gab es dann zurück. »Wenn Sie es nicht ausfüllen wollen«, sagte er und hielt ihr einen Stift hin, »brauchen Sie es nur zu unterschreiben.« »Das wäre doch ziemlich dumm, oder?«, entgegnete Jane. Später erinnerte sie sich, dass in dem Formblatt keine Fragen zum Thema UFO vorgekommen waren. Es betraf ausschließlich persönlichen Hintergrund, Ausbildung, Gesundheitszustand und Familiengeschichte. »Es wurde sogar gefragt, wo meine Großmutter starb und woran«, wunderte sich Jane mir gegenüber. Schließlich gaben die beiden Männer ihre Einschüchterungsversuche auf und gingen. Sie sah ihnen nach, wie sie in einem blauen Kombi davonfuhren. Etwa zur gleichen Zeit besuchten zwei junge Männer Mary Hyre in deren Haus in Point Pleasant. Beide trugen schwarze Kleidung und hatten kurzes weißes Haar. »Es sah so unnatürlich aus«, sagte sie. »Ich habe mich gefragt, wie junge Männer dazu kommen, sich die Haare in so einer komischen Farbe zu färben.« Zuerst hielt sie die beiden einfach für zwei weitere Spinner in der langen Reihe von UFO-Fans, doch sie wussten sehr wenig über fliegende Untertassen. Sie stellten vor allem Fragen über mich, denen Mary mög255
lichst ausweichend antwortete. »Haben sie irgendwelche ungewöhnlichen Wörter oder Ausdrücke benutzt?«, wollte ich am Telefon von ihr wissen. »Eigentlich nicht. Nur einmal. Als sie schon am Gehen waren, drehte sich der eine um und sagte etwas wie: ›Wir sehen uns dann rechtzeitig‹ oder so. Es klang seltsam, wie er das sagte, als ob es irgendeinen tieferen Sinn hätte.« Toms Begegnung mit Vadig würde erst in sechs Monaten stattfinden, und so konnte ich mit diesem Satz noch nichts anfangen.
III Am 19. Juni übergab Mr. Apol Jane eine Nachricht, die sie an mich weiterleiten sollte. Es war eine Prophezeiung: »Die Situation im Nahen Osten wird sich zuspitzen. Der Papst wird bald dorthin auf eine Friedensmission gehen. Und er wird dort auf schreckliche Weise misshandelt und blutig niedergestochen werden. Dann wird der Antichrist aus Israel erstehen.« Ich war schockiert. Aber da war eine Aussage, die sich überprüfen ließ. Apol sagte auch, dass der Vatikan plane, Nahrungsmittel und Versorgungsgüter an die arabischen Flüchtlinge zu schicken. In der Presse war davon noch nichts gemeldet worden. Zwei Tage später hatte Miss Paro ein unangenehmes Erlebnis. Ein schwarzer Cadillac fuhr neben ihr her, als sie abends um acht einen Spaziergang machte. Ein gut gekleideter Mann im Fond forderte sie auf einzusteigen. Er nannte den Namen eines Freundes von ihr, und dum256
merweise gehorchte sie ihm. Sie fuhren Richtung Mount Misery. »Im Innern herrschte ein merkwürdiger Geruch«, berichtete Jane. »Irgendwie antiseptisch … wie im Krankenhaus. Und das Armaturenbrett war voller Blinklichter. Ich konnte die Augen nicht davon abwenden. Es war, als würden sie mich hypnotisieren.« Der Wagen fuhr über abgelegene Straßen bis zu einer Kreuzung, an der bereits ein anderes Auto wartete. Daneben stand ein Mann, der eine Art Arzttasche in der Hand hatte. Er stieg in den Cadillac und schwenkte ein kleines Ding vor Janes Nase, etwas wie eine Flasche Riechsalz. Sie spürte, wie ihre Willenskraft dahinschwand, und saß hilflos da, während die Männer ihr Fragen stellten, die sie als ziemlich sinnentleert empfand. Am Ende brachten sie sie zu der Stelle zurück, wo sie sie abgeholt hatten. Die ganze Episode hatte ihr furchtbare Angst eingejagt, und sie rief mich danach sofort an. War Janes Erlebnis nur eine neuere Version der Geschichte vom Gasmonster von Mattoon und dem alten Springheeled Jack?* Als ich einige Monate später Tom in Washington interviewte, fiel mir dieser scheinbar bedeutungslose Zwischenfall wieder ein. War Tom auch mit Gas betäubt oder hypnotisiert worden, als er in Vadigs alten Buick stieg? *
Springheeled Jack war ein großes Phantom mit Umhang und einemhellen Licht auf der Brust, das in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts in England umging. Er konnte große Entfernungen im Sprung überwinden und spuckte den überraschten Zeugen ein betäubendes Gas ins Gesicht. Obwohl er intensiv verfolgt wurde, konnte man ihn nie fangen oder identifizieren. In den Vierziger]ahren des 20. Jahrhunderts suchte ein schwarz gekleidetes Phantom Mattoon, Illinois, heim. Es sprühte giftiges Gas in Schlafzimmerfenster.
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Am 23. Oktober 1971 veröffentlichte die Washington Post eine seltsame »Gasgeschichte« über eine Bedienstete von US-Präsident Nixon. Sie enthält einige der Elemente, über die wir hier sprechen. NIXONS DIENSTMÄDCHEN STIEHLT ANGEBLICH IN TRANCE
Miami, 22. Oktober (AP). Eine Teilzeit-Haushaltshilfe in Präsident Nixons Feriendomizil in Key Biscayne hat ausgesagt, von einem Fremden unter Hypnose zum Diebstahl von vier Kleidern angestiftet worden zu sein. Shirley Cromartie, 32, Mutter dreier Kinder, wies am Donnerstag alle Vorwürfe zurück. Nachdem Vertreter des Gesetzes sowie ein Psychiater bezeugt hatten, dass sie ihrer Version Glauben schenkten, wurde eine Bewährungsstrafe verhängt. Mrs. Cromartie hat nach eigener Aussage eine Sonderarbeitserlaubnis für das Haus des Präsidenten in Florida. Sie sagte, eine Frau habe sie auf dem Parkplatz nach der Uhrzeit gefragt und ihr dann befohlen, die Sachen zu holen und ihr zu bringen. Mrs. Cromartie sagte aus, sie sei in einen Zustand der Benommenheit gefallen, als aus der Hand der jungen Frau ein jasminartiger Duft aufstieg. »Ich verlor jegliche Willenskraft. Es war eine schreckliche Erfahrung.« Laut FBI-Agent Leo McClairen war sie vor rund einem Jahr eingestellt worden. Er versicherte, ihr Leumund sei einwandfrei gewesen. Der Psychiater Dr. Albert Jaslow sagte aus, er habe sie untersucht und festgestellt, dass sie sich »schnell und einfach« hypnotisieren lasse. Er glaubt, dass sie die Wahrheit sagt. »Aber es war nicht dasselbe, als er mich hypnotisierte«, 258
sagte Mrs. Cromartie. »Ich konnte mich anschließend an nichts erinnern. Was auch immer diese junge Frau mit mir gemacht hat, es war, als ob ich schlafwandeln würde, nur dass ich dabei wach war.« Dieser sonderbare Vorfall wurde nicht weiter beachtet. Damals fragte ich mich, ob das nicht vielleicht eine kleine Demonstration für Präsident Nixon sein sollte, ähnlich den Stromausfällen, die Präsident Johnson im Jahr 1967 zu verfolgen schienen. (Überall wo er sich aufhielt, ging das Licht aus – von Washington über Johnson City, Texas, bis Hawaii.)
IV Woodrow Derenberger entdeckte mit Cold, Klinnel, Ardo und Konsorten eine neue Welt. Jane bewegte sich mitten unter zwielichtigen Gestalten wie Mr. Apol, Lia (seiner Begleiterin) und einigen anderen, die aus reiner Bosheit Namen aus meinen unbekannten Romanen gewählt hatten. Sie wiederholten ihre unheilvolle Prophezeiung über Papst Paul VI. Er würde auf einem Flughafen in der Menge attackiert werden, sagten sie, und zwar von einem Mann im schwarzen Anzug mit einem schwarzen Messer. Nach seiner Ermordung würde drei Tage lang Dunkelheit herrschen und weltweit der Strom ausfallen. Am 28. Juni kündigte der Vatikan an, dass ein persönlicher Gesandter des Papstes, Monsignore Abramo Frescht, nach Kairo geschickt werde, um über »die Unterstützung des Vatikans für Kriegsopfer und Flüchtlinge« zu reden. Am 30. Juni wurde angekündigt, dass 259
der Holzthron, den der Heilige Petrus benutzt haben soll, aus dem vatikanischen Keller geholt und zum ersten Mal seit 1867 öffentlich ausgestellt werden würde. Ich fuhr zum Mount Misery und setzte Jane unter Hypnose. Sie war ein gutes Medium, und nachdem ich hinreichend überprüft hatte, dass sie wirklich in Trance war, fing ich an, ihr subtile Fragen über Apol und seine Kumpane zu stellen. Zu meiner größten Verblüffung trat das Unmögliche ein. Ich verlor die Kontrolle über die Sitzung.* Statt die Sache zu dirigieren, sprach ich durch Jane plötzlich direkt mit Apol. Er wollte über Marylin Monroe und Robert Kennedy plaudern. Ich erklärte, dass ich keine Lust auf Smalltalk hätte, sondern lieber ein paar Fakten bekäme. Apol blieb hartnäckig und warnte mich, dass Kennedy in ernsthafter Gefahr sei. Von wo sprach er? Er sagte, er sitze nebenan in seinem Cadillac. Dann machte er ein paar präzise Vorhersagen zu bevorstehenden Flugzeugabstürzen, um schließlich auf Kennedy und Marylin zurückzukommen. Während wir dieses aberwitzige Gespräch führten, klingelte die ganze Zeit wie wild Janes Telefon. Aber jedes Mal, wenn ich abhob, war niemand dran. Irgendwann ließ ich es einfach läuten. Die Sitzung endete abrupt, als Jane von allein aufwachte. Schon wieder etwas, das eigentlich unmöglich war. Sie hätte eine Aufforderung von mir gebraucht. Die vorhergesagten Flugzeugabstürze fanden pünktlich statt. Langsam ließ ich mich davon überzeugen, dass die *
Als ich mich einmal mit Brad Steiger, einem Autor und zugleich Erforscher des Übersinnlichen, austauschte, erzählte er mir, dass er mit Hypnose ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Eine andere Intelligenz habe ihm die Kontrolle entzogen. 260
Wesen irgendwie eine Antenne für die Zukunft hatten. Auch andere Ufologen erhielten Prophezeiungen von Kontaktern. Als Gray Barker nach New York kam, um an dem Kongress im Hotel Commodore teilzunehmen, erzählte er mir, dass man ihm prophezeit habe, ein »berühmter Reporter aus dem Mittleren Westen« werde bald das Zeitliche segnen. Zwei Tage später, am Abend des 23. Juni, starb Frank Edwards unerwartet in Indiana infolge eines Herzinfarkts. Edwards war Nachrichtensprecher und Autor von Fliegende Untertassen – eine Realität, das 1966 in den USA ein Bestseller war.* Das Jahr des Garuda – 1966/67 – war erst halb vorbei, und ich hatte durch Kontakter bereits mit einem halben Dutzend Wesen überall im Nordosten gesprochen. Jede Menge neue Spielchen wurden gespielt, allesamt darauf angelegt, mir – und nicht den Kontaktern – irgendetwas zu beweisen. Letztere fanden nie wirklich heraus, was mit ihnen geschah oder was das alles zu bedeuten hatte. Wie die UFO-Fans wurden die Kontakter manipuliert, als Roboter eingesetzt, um falsche Anschauungen und falsche Bezugssysteme zu propagieren. Hinterher wurden sie fallen gelassen, saßen im Dunkeln und wunderten sich, warum die Welt nicht so war, wie sie sich das gedacht hatten, und warum diese wundervollen Außerirdischen sie im Stich gelassen hatten. Auf Long Island sitzen immer noch ein Dutzend Exzentriker neben dem Telefon und warten darauf, dass Prinzessin Moon Owl anruft, um ihren schwindenden Glauben zu stärken.
*
Fliegende Untertassen – eine Realität. Ventla Verlag, 1967. Erschienen zum UFO-Kongress 1967 in Mainz. 261
Paranoiker werden gemacht, nicht geboren l »Die US-Regierung wird von Außerirdischen übernommen!« 1967 verbreitete sich überall im Land dieses Gerücht, eine neuere Version der alten Teufelstheorie. Genau genommen kam es 1949 auf, als James V. Forrestal, der brillante Verteidigungsminister der TrumanAdministration, wie ein Wahnsinniger durch die Flure des Pentagons rannte und schrie: »Sie kommen, und wir können uns nicht wehren!« Er war überzeugt davon, dass seine Telefone abgehört wurden und irgendeine grandiose Verschwörung im Gange war. Kurz nachdem er ins Krankenhaus eingeliefert worden war, stürzte er sich aus dem Fenster in den Tod. Während die Presse seine Paranoia den Anspannungen des Kalten Krieges zuschrieb, wussten es die UFO-Fans besser. Der Geheimdienst der Air Force hatte nach seinen UFO-Ermittlungen in den Jahren 1947/48 einen Geheimbericht verfasst mit dem Titel Top Secret Estimate of the Situation (dt. etwa: »Streng geheime Einschätzung der Situation«). Laut Capitain Edward Ruppelt war man zu dem Schluss gekommen, dass die fliegenden Untertassen außerirdischer Herkunft waren. Forrestal, so heißt es, sei einer der wenigen gewesen, die diesen Bericht gelesen hatten, bevor Stabschef Hoyt Vandenberg die vollständige Vernichtung aller Kopien anordnete, und es habe ihn den Verstand gekostet. Auch zwei andere führende Militärs, General George C. Marshall und General Douglas MacArthur, waren vom 262
Phänomen fliegende Untertassen besessen. MacArthur erklärte mehrmals öffentlich, der nächste Krieg werde gegen »böse Wesen aus dem Weltraum« geführt werden. Ein berühmter Beraterstab, die Rand Corporation, wurde angewiesen, UFO-Daten in einen Computer einzugeben und einen Krieg mit diesen »bösen Wesen« zu simulieren. Da wir weder wussten, woher sie kamen, noch, wie der Stand ihrer Technik war oder wie wir ihre Stützpunkte angreifen sollten, empfahl der Rechner uns zu kapitulieren. Kontakter, die sich in die Welt der Halluzinationen verirrt hatten, waren überzeugt davon, dass sich die Außerirdischen unbemerkt mitten unter uns aufhalten. Allein in Los Angeles würden mindestens zehntausend von ihnen wohnen. Im Grunde war dies nichts anderes als eine moderne Version des alten Glaubens, dass Engel und Teufel in menschliche Gestalt schlüpften. Zu Beginn des Zeitalters der fliegenden Untertassen (1947-69) wurden Air Force und CIA zweifellos mit MIB-Fällen konfrontiert, die den hier beschriebenen gleichen, und da auch CIA-Agenten nur Menschen sind, gelangten sie sicherlich bisweilen ebenfalls zu UFO-kultischen Schlussfolgerungen. Die Paranoia verbreitete sich bis in die höheren Regierungsränge. Millionen Steuergelder wurden in die UFO-Forschung gepumpt. (1952 sagte Captain Ruppelt, die Air Force gebe eine Million Dollar für den Bereich aus. General Nathan Twining erklärte, die »besten Köpfe« in Wissenschaft und Militär versuchten, das Rätsel zu lösen.) Der Kalte Krieg verschärfte die Atmosphäre von Angst und Hass zusätzlich. In einem CIA-Dokument von 1953, das über zwanzig Jahre unter Verschluss gehalten wurde, hieß es, die Aerial Phenomena Research Organization (APRO) solle als potenzielle propagandistische Bedrohung »unter Beobachtung 263
gestellt« werden. Die APRO war im Jahr zuvor von einer Hausfrau aus Wisconsin gegründet worden und brachte einen fotokopierten UFO-Newsletter heraus, den ein paar Dutzend versprengte Fans erhielten. Offenbar gingen im Lauf der Jahre mehrere tausend Steuerdollars in die »Beobachtung« der APRO-Gründerin Coral Lorenzen, zumindest schrieb sie das in mehreren Taschenbüchern in den Sechzigerjahren. Die einzige Propaganda, die man ihr vorwerfen könnte, richtete sich gegen die Air Force; natürlich hat sie niemals irgendwelche Geheimnisse über fliegende Untertassen an die Sowjetunion verkauft. Die Militärs – ebenso wie UFO-Fans – hatten weder Ahnung von übersinnlichen Phänomenen noch interessierten sie sich dafür. Ihre materialistische, pseudowissenschaftliche Haltung gegenüber den Beobachtungen und Erscheinungen sorgte nur dafür, dass der Anekdotenschatz bereichert und das Rätsel noch mysteriöser wurde. Die Jahrhunderte alte Vorstellung vom Wechselbalg muss die Offiziellen viele graue Haare gekostet haben, als sie mit den UFOs in Zusammenhang gebracht wurde. Waren die Außerirdischen in Wirklichkeit Menschen, die sich verwandeln konnten? Viele Kontakter und ihre staunenden Anhänger glaubten das. Wurden Menschen an Bord von Raumschiffen geholt und wie Versuchstiere examiniert? Die Geschichten der Kontakter und Entführten ließen dies vermuten. Sie gaben der weit verbreiteten Teufelstheorie neuen Schwung, nach der Regierungsmitglieder gekidnappt und durch clevere Androiden ersetzt wurden, die dem Diktat finsterer Führer irgendeines fernen Planeten folgten. In den folgenden dreißig Jahren überbot eine hanebüchene Geschichte die nächste. Die Paranoia, die sich zu Anfang auf eine kleine, mondsüchtige Randgruppe beschränkt hatte, breitete sich immer mehr aus, bis sie einen großen Teil der Weltbevölkerung 264
erfasst hatte. Die zwar verfälschten, aber aufrichtig gemeinten Erinnerungen der Kontakter machten mir keine Sorgen, dafür etwas ganz anderes. Was, so fragte ich mich, passierte mit den Körpern dieser Leute, während ihr Geist auf Reisen ging, die zum Teil Stunden oder Tage dauerten? 1967 plagte einen jungen Collegeprofessor aus dem Staat New York die gleiche Frage. Nachdem er einen mit UFOs in Zusammenhang stehenden Poltergeistfall untersucht hatte, litt er an Besessenheitszuständen. So war er fest davon überzeugt, in Trance einen waghalsigen Juwelenraub begangen zu haben. Er gab die Ufologie auf und erlitt beinahe einen Nervenzusammenbruch. Wurden unsere Kontakter von anderen Intelligenzen dazu missbraucht, Verbrechen oder gar Morde zu begehen? Die Antwort ist ein verstörendes Ja. Wenn man die Geschichte der politischen Morde durchgeht, stellt man fest, dass viele von angeblichen religiösen Fanatikern verübt wurden, die »Gottes Stimme« gehorchten oder offenbar besessen waren, als sie ihr Verbrechen begingen. Selbst die zehn Komplizen bei dem Mord an Abraham Lincoln gehören in diese Kategorie. Auch der Soldat, der entgegen den Befehlen seiner Vorgesetzten den Lincoln-Mörder John Wilkes Booth erschoss, behauptete, er habe abgedrückt, weil es ihm eine Stimme befohlen habe. Der Wahnsinn, der Menschenmassen erfasst und gewalttätige Aufstände auslöst, die zum Teil den Lauf der Geschichte veränderten, unterscheidet sich offenbar kaum von dem, der im Mittelalter tausende Menschen auf die Straße zwang, wo sie tanzten, bis sie vor Erschöpfung tot umfielen. Der Wahn erstreckte sich von Italien bis in die Türkei. Überlebende berichten, sie hatten das Gefühl, knietief in Blut zu stehen, aus dem sie sich zu befreien 265
versuchten. Das war eine kollektive oder Massenhalluzination. Selbst heute kommt es noch gelegentlich vor, dass ganze Städte, meist in abgelegenen Gegenden von Südamerika oder Asien, von Halluzinationen erfasst werden. Traditionell werden solche Ereignisse mit dem Verzehr von verdorbenem Brot erklärt, was allerdings offen lässt, warum auch die Menschen erfasst werden, die kein Brot gegessen haben. Im Jargon der Kontakter werden Personen, die unfreiwillig Dinge tun, »benutzt«. Offensichtlich hat ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung Auren oder sendet biologische Strahlen aus, die Elemente aus dem Superspektrum anziehen. Solche Leute werden leicht Opfer von kontrollierten Halluzinationen und Besessenheitszuständen. Da die Wesen wahrscheinlich außerhalb unseres Raum-ZeitKontinuums als Energieform existieren, können sie nur durch diese besonderen Menschen sehen und gesehen werden. (In zahllosen UFO-Berichten konnten die Ufonauten die Zeugen offenbar nicht sehen.) Derenbergers Cold stellte sich selbst als »Suchenden« vor. Und wonach suchte er? Zweifellos nach biologischen Sonderlingen wie Woody. Es kommt vor, dass ein Kontakter plötzlich spontan den Drang verspürt, spätabends spazieren zu gehen oder zu fahren. Während dieses Ausflugs trifft er, wie er glaubt, die Außerirdischen und macht eine nette Reise mit ihnen. In Wirklichkeit strebt sein Körper weiter Richtung, sagen wir, Punkt A, wo er von einem anderen Kontakter einen Brief oder einen Gegenstand bekommt, den er zu Punkt B bringt. Später erinnert er sich nicht mehr im Geringsten an diese Vorgänge. In der Zwischenzeit bekommt irgendein armes Schwein mit der falschen Aura – so wie ich – einen Telefonanruf, mit dem ihm mitgeteilt wird, dass er sich zu Punkt B begeben soll, wo er etwas vorfin266
den wird, das von den Außerirdischen hinterlegt wurde. Kurz gesagt, sämtliche greifbaren Beweise und Aktionen gehen auf menschliches Handeln zurück. Sie bohren Löcher in Äcker, durchwühlen Briefkästen und treiben wer weiß was noch. Solche Spielchen gibt es von jeher. Seit dem Jahr 1967 habe ich tausende Briefe von Kontaktern bekommen. Viele davon waren voll des Lobes für die Wesen, die Kontakt aufgenommen hatten, andere herzergreifend oder erfüllt von Angst. Einen der ersten Briefe bekam ich im Sommer 1967 von einem älteren Herrn aus New England. »Ihr Name stand auf einem Stück Papier, das ein ›indianerartiger‹ Freund auf meinem Küchentisch zurückgelassen hat«, schrieb er. »Wenn dieser Brief nicht an mich zurückgeht, weiß ich, dass Sie ihn erhalten haben. Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, wie mir mein Leben entglitten ist & in welchem Zustand unser Land & unsere Regierung sich befinden. Wenn man diese ›Misere‹ hinter sich hat, weiß man, dass man nicht allein ist. Ich bin nicht verrückt. Ich meine es ehrlich. Ich mache mir Sorgen um Sie … PS: Ich wurde ›benutzt‹!« Dieser und andere ähnliche Briefe, die übrigens immer voller Rechtschreibfehler waren, überzeugten mich, dass meine Ermittlungen manipuliert sein könnten. Es war schon auffällig, dass ich immer auf Leute und Fälle stieß, die genau die Theorie stützten, die ich gerade verfolgte. Ich ging diesem Verdacht nach, indem ich ein paar ziemlich abwegige Thesen aufstellte. Binnen weniger Tage erhielt ich Anrufe, Berichte und Briefe, die genau darauf Bezug nahmen; ein so genannter Feed-back- oder Spiegelungseffekt. Andere Ermittler, die sich zum Beispiel mit dem Antrieb von fliegenden Untertassen 267
beschäftigten, trafen Zeugen, die angeblich das Innere der Objekte und bestimmte Dinge gesehen hatten, die die Annahmen der Ermittler bestätigten. Wenn das Phänomen mittels Halluzination jeden Effekt hervorrufen kann, kann es auch jedwede Theorie stützen. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, dass viele MIB-Berichte nur Feed-backs waren. Es ist sogar möglich, dass Vorfälle wie etwa Tinys Besuch bei den Christiansens nur für mich inszeniert wurden, selbst wenn ich zu der damaligen Zeit noch gar nichts davon wusste. Ich stieß bei Recherchen weit entfernt von Cape May auf die Christiansens. Sie fielen mir praktisch in den Schoss, so wie der Brief von dem Mann in Massachussetts genau in dem Moment kam, als ich mich mit Fällen befasste, in denen »indianerartige« Wesen auf dem Mount Misery auftauchten. (»Misere« hatte der Schreiber übrigens in Anführungszeichen gesetzt.) Aufgrund meiner Gründlichkeit stieß ich auf Zufälle, die mir damals signifikant erschienen. Zwei meiner stillen Kontakterinnen hatten dasselbe Geburtsdatum, den 6. September. Sobald mir das aufgefallen war, lernte ich mehrere neue Kontakter kennen, alles Frauen, die am 6. September geboren waren! Bei einem ihrer fast täglichen Gespräche mit Apol und Lia erfuhr Jane, dass eine Reihe Frauen für eine künstliche Befruchtung ausgesucht worden seien. Sie sollten ganz besondere Kinder für die Außerirdischen zur Welt bringen. Das verwickelte mich in ein gänzlich neues Spiel, bei dem ich mich plötzlich mit lauter Schwangeren konfrontiert sah. Am Ende fand ich allerdings heraus, dass sie alle Opfer von Scheinschwangerschaften waren. Das war wahrscheinlich ein Feed-back auf meine Besorgnis über Derenbergers Bemerkung, dass Frauen überall auf der Welt in Panik geraten, ihre Babys aus dem 268
Fenster werfen und Selbstmord begehen würden, falls die Wahrheit bekannt würde. Mitte Juli stand ich auf drei verschiedene Arten mit den Wesen in Verbindung. Einmal leiteten Kontakter meine Fragen an sie weiter und überbrachten mir wiederum ihre Antworten. Ich war immer noch extrem skeptisch, und so waren viele meiner Fragen äußerst vielschichtig, sodass die Kontakter sie nicht selbst beantworten konnten, auch wenn sie stundenlang in Bibliotheken recherchierten. Außerdem konnte ich ganz einfach per Post mit ihnen korrespondieren, indem ich Briefe an Adressen schickte, die sich im Nachhinein als falsch herausstellten. Per Post erhielt ich dann auch Antworten, häufig schon am nächsten Tag, in Blockbuchstaben geschrieben. Und drittens konnte ich manchmal sogar mit den Wesen telefonieren! Ein Kontakter rief mich an und informierte mich, dass ein Wesen in seinem Haus sei und mit mir reden wolle. Manchmal stellte ich einfach Fragen, und der vermeintliche Alien flüsterte dem Kontakter die Antwort zu, der sie an mich weitergab. Manchmal erklang auch eine merkwürdige Stimme in der Leitung, die mir direkt antwortete. In manchen, nicht in allen Fällen, sank der Kontakter in einen Trancezustand, und die Stimme ertönte aus seiner Kehle, so wie bei Seancen »Geister« durch ein Medium sprechen. Als ich dieses Stadium der Kommunikation erreicht hatte, verschärften sich meine Probleme mit Post und Telefon. Wichtige Briefe aus der Nicht-UFO-Welt gingen verloren oder kamen um Tage verzögert an, nachdem sie eindeutig geöffnet worden waren. Mein Telefon klingelte zu jeder Tages- und Nachtzeit, und alles, was ich hörte, waren Piepser oder schaurige elektronische Geräusche. Und was das Interessanteste war: Ich bekam Anrufe von Leuten – allesamt hervorragende 269
Schauspieler –, die mir UFO-Episoden erzählten, in denen genau die geheimen Details vorkamen, mit denen ich mich gerade im Zusammenhang mit anderen Fällen beschäftigte. Wenn ich versuchte, diese Leute zu überprüfen, stellte ich jedes Mal fest, dass die Adressen, die sie mir gegeben hatten, nicht existierten und ihre Telefonnummern falsch waren. Irgendwo gab es jemanden, der mir zu beweisen versuchte, dass »sie« über jeden meiner Schritte Bescheid wussten, alle meine Telefonate überwachten und sogar meine Post kontrollierten. Und sie hatten Erfolg damit.
II Am 20. Juli 1967 kündigte der Vatikan an, dass der Papst eine Reise in die Türkei plane. Er werde nach Istanbul fliegen, wo er von einer großen Menschenmenge am Flughafen begrüßt werde. Mehrere meiner Kontakter machten sich große Sorgen wegen der Prophezeiung über den bevorstehenden Tod des Papstes und die drei Tage Finsternis, die folgen sollten. Nachdem frühere Vorhersagen eingetroffen waren, nahm ich diese durchaus ernst. Sehr ernst sogar. Der Mord sollte am 26. Juli stattfinden. Ein heftiges Erdbeben sollte vorausgehen. Am 22. Juli wurden bei einem Erdbeben in Adapazari, Türkei, rund 150 Kilometer südöstlich von Istanbul, über tausend Menschen getötet. Die Meldung jagte mir einen heftigen Schrecken ein. Das prophezeite Szenario spielte sich ab wie beschrieben. In der Nacht vor dem Beben gab es überall im Nordosten der USA eine Flut von Telefonanrufen. Meistens waren 270
es zwei Leute, die ziemlich undeutlich sprachen, nur bestimmte Namen waren gut verständlich. Um Mitternacht erhielt Ivan Sanderson in den Bergen von New Jersey einen solchen Anruf unter seiner Geheimnummer. Bei mir klingelte es um 23.40 Uhr. Ein UFO-Fan auf Long Island wurde um ein Uhr nachts angerufen. Er hörte eine Stimme: »Leg auf, John … und ich mache den Rekorder aus.« Bei meinem Anruf war immer von »Jim« die Rede gewesen. Die Anrufe waren Teil einer landesweiten Aktion, die viele UFO-Gruppen gespalten oder zerstört hatte. Die Angerufenen hörten den Namen eines Fankollegen und betrachteten das als Beweis dafür, dass er für alle Pseudoanrufe verantwortlich war, die sie erhielten. Derselbe Trick wurde bei den Zivilisten angewandt, die im Fall des Kennedy-Attentats ermittelten. Penn Jones, ein Zeitungsverleger aus Texas, der jahrelang im JFK-Fall recherchiert hatte, erhielt ähnliche Anrufe; unter anderem wurden ihm Aufnahmen von Telefonaten mit anderen Ermittlern vorgespielt … ein Beweis dafür, dass sein Telefon abgehört wurde und diejenigen, die es abhörten, wollten, dass er es erfuhr. Dasselbe passierte mir auch. Ziel solcher Spielchen ist es zweifellos, Paranoia auszulösen. Da viele UFO-Fans sehr labil sind, ist das eine äußerst wirkungsvolle Methode. Inzwischen erhielt ich zahlreiche Botschaften, die mit biblischen Begriffen gespickt waren. Einige kamen von älteren Damen, die mich spätabends anriefen und behaupteten, von Western Union zu sein. Dann lasen sie mir lange Bibelzitate vor, die angeblich Telegramme sein sollten. Western Union allerdings hatte keine Ahnung von diesen Mitteilungen. Um die Anrufe dokumentieren zu können, hatte ich einen Kassettenrekorder an mein Telefon angeschlossen. 271
»Am Tag der Finsternis«, besagte etwa die Botschaft vom 23. Juli, »werden Stimmen erklingen und Donner, Erdbeben und Unruhen die Welt erschüttern. Dann werden alle Nationen gegeneinander kämpfen. Und Furcht wird auf die Erde niederfallen, und der Himmel wird sich verdunkeln bis auf die leuchtenden, runden Lichter, welche die einzigen Lichtquellen sein werden. Und am Ende wird ein gewaltiger Regen einsetzen. John, mach dir keine Gedanken über so triviale Dinge wie seltsame Anrufe. Wir befinden uns in einer Gefahr, die viel größer ist, als du dir vorstellen kannst. Nicht nur deine Welt ist in Gefahr, sondern auch viele andere.« Ich bin Hobby-Herpetologe und hatte einmal giftige Kobras in meiner New Yorker Wohnung (bis meine besorgten Nachbarn das Gesundheitsamt anriefen). Manche Beschreibungen von Wesen beeindruckten mich besonders, weil sie eher an Reptilien erinnerten als an Menschen oder Säugetiere. Über diesen Aspekt hatte ich allerdings mit niemandem geredet. Am 24. Juli besuchte Lia Jane und hörte nicht auf, über Eier zu reden. Sie nahm sogar ein paar aus dem Kühlschrank und saugte sie aus wie ein Reptil! Jane war irritiert von dieser Vorführung und rief mich sofort danach an. Am selben Abend erhielt ich einen Anruf von Harold Salkin, einem UFO-Forscher aus Washington, D.C. Er berichtete, dass überall in Washington Leute in dieser Woche seltsame Anrufe bekommen hätten. Wir hatten eine perfekte Verbindung, bis ich ihn fragte, ob er irgendwelche Gerüchte über Papst Paul gehört habe. Sofort wurden wir von starken atmosphärischen Störungen unterbrochen. Als ich das Thema wechselte, waren sie wieder vorbei. Später unternahm ich noch einmal einen Versuch. In dem Moment, in dem der Name Paul fiel, gingen die Störungen wieder los. Als ich das Thema 272
erneut wechselte, war die Leitung wieder einwandfrei. Jetzt kontrollierten sie schon meine Telefonate! Überzeugt davon, dass Papst Paul auf dem Flughafen von Istanbul erstochen werden würde, mietete ich ein Auto, packte Taschenlampen, Kerzen, Lebensmittel und Wasser hinein und fuhr zum Mount Misery, um auf die Verdunkelung zu warten. Auf dem Weg hielt ich, um einen meiner UFO-Kontakter zu treffen. Er sagte mir, es sei gerade ein Außerirdischer mit einer ziemlich unsinnigen Nachricht bei ihm gewesen. »Sag John, wir treffen ihn später und helfen ihm, das ganze Wasser zu trinken.« Der Kontakter hatte natürlich keine Ahnung, dass ich jede Menge Wasser im Kofferraum hatte. Unweit vom Mount Misery nahm ich mir ein Zimmer in einem Motel (wahllos, wie ich glaubte). Die Rezeptionistin wollte meinen Ausweis sehen (was sehr ungewöhnlich ist). »Wir haben eine Nachricht für Sie, Mr. Keel«, sagte sie und holte einen ganzen Stapel Zettel heraus. Ich wehrte ab, weil ich doch vor ein paar Minuten selbst noch nicht gewusst hatte, dass ich in diesem Haus absteigen würde. Die Mitteilungen waren alle vollkommen sinnlos. Sie sollten nur wieder einmal beweisen, dass jeder meiner Schritte vorausgesehen wurde. Der Papst landete sicher in Istanbul. Es gab keine drei Tage Finsternis. Die ganze Geschichte sollte mir einzig und allein demonstrieren, wie es kam, dass so viele Kontakter und Propheten auf Anhöhen sitzen und auf das Ende der Welt warten. Drei Jahre später, am 27. November 1970, landete Papst Paul auf dem Manila International Airport auf den Philippinen. Und nun wurde die Szenerie, die mir 1967 beschrieben worden war, Wirklichkeit. Ein Mann im 273
schwarzen Priestergewand trat aus der Menge und stürzte sich mit einem langen schwarzen Messer auf den Papst. Zum Glück konnten ihn Sicherheitskräfte zu Boden zwingen, und der Pontifex blieb unverletzt. Der Attentäter war ein bolivianischer Maler namens Benjamin Mendoza, der angeblich schwarze Magie und Hexerei praktizierte. Zeugen sagten, er hatte während der Attacke glasige Augen und schien sich in einem Zustand der Trance zu befinden. Die Wesen hatten die allgemeinen Umstände des Mordversuchs korrekt beschrieben, nur das Datum war falsch, außerdem fand der Anschlag im Fernen und nicht im Nahen Osten statt. (Im Januar 1968 erhielt ich einen Anruf, bei dem ich darüber informiert wurde, dass Martin Luther King am 4. Februar ermordet werden würde. Auf einem Balkon in Memphis stehend, würde er durch einen Schuss in den Hals getötet. Ich nahm die Prophezeiung ernst und versuchte mehrere Stunden lang wie ein Wahnsinniger, King zu erreichen, um ihn zu warnen, aber ich kam nicht durch. Ermordet wurde er schließlich am 4. April, nicht am 4. Februar, aber exakt so, wie es mir vier Monate zuvor geschildert worden war.)
III 3. August 1967. Jaye P. Paro wachte um drei Uhr morgens vom Schreien eines Babys auf. Nur gab es in ihrem Haus kein Baby. Sie erhob sich und suchte vergeblich nach der Quelle des Geräuschs. Berichte über seltsame Telefonanrufe, Piepsen und elektronische Geräusche, Kassetten, die abgespielt 274
wurden, und so weiter erreichten mich sogar aus dem entfernten Seattle. Fliegende-Untertassen-Fans im ganzen Land hatten plötzlich ähnliche Probleme. Offensichtlich war dies nicht das Werk irgendwelcher dilettantischer Witzbolde. Es war vielmehr eine gut organisierte und finanzierte Kampagne. Am Abend des 21. Juli zwischen 22 Uhr und ein Uhr morgens gab es in Florida, Illinois, Michigan, Ohio, Massachussetts, Kalifornien, New Jersey, Pennsylvania, Washington und wahrscheinlich noch an vielen anderen Orten Anrufe, von denen ich nie etwas erfuhr. Geheimnummern boten keinen Schutz. Waren diese Anrufe der CIA zuzuschreiben, wie viele UFO-Fans glaubten? Sie schienen viel zu sinnlos und zu teuer, um das Werk der Regierung zu sein. Nach dem UFO-Kongress im Juni verschwand Prinzessin Moon Owl, genau wie ich vermutet hatte. Abgesehen von dem Interview auf WBAB hatte sie sich nicht mehr in der Öffentlichkeit gemeldet. Erst Ende August rief sie wieder UFO-Fans an und überschüttete sie mit Prophezeiungen – die alle ziemlich idiotisch waren. Doch dann musste man sie mit einem Mal ernst nehmen. Sie fuhr auf Long Island herum und gab Not leidenden Familien Geld, immer maximal 25 Dollar auf einmal. Der Kulturredakteur des Lokalblattes Newsday, Bob Nickland, erzählte mir, dass er im September »über 25 Anrufe« erhalten habe, bei denen die Leute von den guten Taten der Prinzessin geschwärmt hätten. Long John Nebel rief mich an, um zu erfahren, ob ich nicht einen Kontakt zu ihr herstellen könnte, weil er ein Interview für seinen Radiosender mit ihr machen wollte. Beiden erwiderte ich, dass ich den Braten rieche … nämlich den offensichtlichen Versuch der Mondeule, Publicity zu erreichen. Die noble Prinzessin war die geringste meiner Sorgen. Ich kam mir vor wie ein General, weil ich ein Dutzend 275
zutiefst verstörter Kontakter instruierte und versuchte, sie aus den Fallen zu befreien, in die sie geraten waren. Eine Frau in Brooklyn suchte nach einem mysteriösen Kruzifix, das für die Wesen eine besondere Bedeutung zu haben schien. Es war wie die Suche nach dem heiligen Gral. Ein Mann auf Long Island bereitete sich auf die große Evakuierung vor. Er fuhr sogar in einem schwarzen Cadillac mit bunten Blinklichtern am Armaturenbrett zu einer geheimen unterirdischen Basis von fliegenden Untertassen, um dort eine »Trockenübung« zu machen. Andere Menschen seien auch dort gewesen, erzählte er anschließend. Sie hätten verschiedene Kommunikationsmittel bedient, mit denen sie Kontakt zu den Rettungsraumschiffen irgendwo am Himmel aufnehmen konnten. »Komisch war das schon, John«, sagte er sinnierend, »die gesamte Ausrüstung war von Western Electric, Hallicrafters und anderen US-Firmen hergestellt worden.« Eine Frau erzählte mir, sie sei zu einem anderen Planeten geflogen worden, wo sie in ein riesiges, gläsernes Krankenhaus gebracht und von einer großen augenartigen Maschine untersucht worden sei. Ihre Gastgeber erklärten dazu, dass sie ihre Innereien »kopierten«. Aufgrund der Erfahrung aus meinen ausführlichen Interviews wusste ich, dass diese Leute keine gewöhnlichen Spinner oder Schizophrene waren. Außerdem beeindruckte mich, dass viele ihrer Erlebnisse miteinander in Zusammenhang standen, obwohl sie weit voneinander entfernt lebten und sich gegenseitig gar nicht kannten. Die Wesen arbeiteten mit einem Codesystem: Jeder Kontakter wurde mit einem biblischen Namen versehen. Ich war der Einzige, der wusste, welcher Name zu welchem Kontakter gehörte. Sie trugen einfach Kontakter A in New Jersey auf, mir eine Mitteilung oder Nachricht über Kontakter B in Connecticut zu überbrin276
gen. Kontakter A hatte natürlich nicht die leiseste Ahnung, wovon sie sprachen. Ein anderer Trick waren bestimmte Schlüsselsätze. Wenn mir ein Kontakter zuflüsterte: »Wussten Sie, dass Krebs ansteckend ist?«, war mir klar, dass er oder sie mit bestimmten Wesen in Verbindung gestanden hatte. Dann waren da die synchronen Ereignisse. Die Kontakter redeten nicht mehr über das Schicksal des Papstes. Sie machten sich Sorgen über einen »EMEffekt«, der irgendwann im Dezember auftreten sollte. Alle sagten, es werde Mitte des Monats passieren und einen großen Teil der USA betreffen: ein flächendeckender Stromausfall. Am 24. September erhielt Jaye P. Paro einen Anruf von einem Mann, der sich als Lokalredakteur des Newsday ausgab. Er sagte ihr, dass die Prinzessin Moon Owl WBAB am selben Nachmittag aufsuchen werde. Er werde einen Fotografen schicken, um sie zusammen abzulichten. Miss Paro ging in den Sender und wartete den ganzen Nachmittag, doch weder Prinzessin noch Fotograf ließen sich blicken. Interessanterweise tauchte dafür in Point Pleasant ein Fotograf auf, bei Linda Scarberry zu Hause. Er war sehr groß, trug einen schwarzen Anzug, hatte einen heftigen »Sonnenbrand« und wollte Lindas »Familie« aufnehmen. Sie und Roger hatten noch keine Kinder zu der Zeit, aber sie war bereits hochschwanger. Linda lehnte ab und rief in Panik ihre Mutter an, als er gegangen war. Irgendwas an ihm war ihr faul vorgekommen … Am nächsten Morgen stellte sie fest, dass eines ihrer Augen zugeschwollen war. Der ganze Wahnsinn dieser Zeit offenbart sich in einem einzigen Fall; die junge Frau, um die es ging – ich möchte sie hier Shirley nennen –, lebte in Seaford, Long 277
Island. Einige Jahre zuvor war die Stadt durch einen Poltergeistfall zu vorübergehender Berühmtheit gelangt. Shirley lebte von ihrem Mann getrennt mit ihrem kleinen Kind zusammen. Am Nachmittag des 26. September um drei Uhr hörte sie ein lautes Brummen vor ihrem Haus, das in einer abgelegenen Waldgegend lag. Sie blickte aus dem Fenster und sah ein silbriges, scheibenartiges Objekt, das rund dreißig Meter hoch in der Luft schwebte. Es wirkte ganz glatt und hatte offenbar weder Fenster noch Türen. Während sie noch hinaussah, läutete es an der Tür. Als sie öffnete, sah sie eine »Indianerin« vor sich. Die Frau war etwa einen Meter achtzig groß, hatte sehr dunkle, aber »nicht negroide« Züge und trug einen langen grauen Mantel, der ihr bis zu den Füßen reichte und aus schimmerndem Stoff war. »Hallo, Pat«, sagte sie. »Sie müssen sich in der Tür geirrt haben, ich heiße nicht Pat«, erwiderte Shirley. Sie wusste nicht, dass Pat ein Name auf der langen Liste meiner stillen Kontakter war. »Tut mir Leid … ich meinte Shirley«, korrigierte sich die Frau mit einem beruhigenden Lächeln auf ihrem dunklen, spitzen Gesicht. »Könnte ich ein bisschen Salz haben? Ich muss eine Tablette nehmen.« Shirley fand das sehr merkwürdig. Sie hatte keine Ahnung, dass noch ein weiterer Kontakter an dieser Geschichte beteiligt war. Sie sollte später große Mengen Salz zum Mount Misery bringen und dort an eine Stelle, wo es die Außerirdischen abholen konnten. Dabei sollte sie glauben, dass Salz ein wichtiger Bestandteil ihrer Ernährung darstellte. Sie holte ein Päckchen Salz und reichte es der Frau. Diese nahm eine große Hand voll heraus und schluckte es. Dann bedankte sie sich bei Shirley und verschwand 278
zwischen den Büschen. Ein lautes Brummen ertönte wieder, lauter als zuvor, dann sah Shirley, wie die Silberscheibe aufstieg und in den Himmel davonflog. Rund eine Stunde später hatte Shirley einen Anfall von Übelkeit. Als ich sie interviewte, lernte ich sie als süße, warmherzige junge Dame kennen, nicht gerade hochintelligent und sicherlich nicht fantasievoll genug, um sich die folgenden Dinge auszudenken. Ihr Geburtstag war übrigens der 6. September. Nach dem ersten Besuch hörte Shirley immer wieder ein Baby schreien, während ihr eigenes Kind friedlich schlief. Die Frau kam am 30. September noch einmal, um nach Salz zu fragen. Sie stellte sich als Chloe vor (eine Figur aus einem meiner wenig bekannten Romane) und forderte Shirley auf, Türen und Fenster in der folgenden Nacht gut zu verschließen. Diesmal war kein UFO zu sehen. Später am Abend rief mich Jaye P. Paro an, um mir zu sagen, dass sie gerade noch einmal davongekommen sei. Während sie auf einer Straße unweit des Mount Misery zu Fuß unterwegs war, raste ein schwarzer Cadillac aus der Dunkelheit und hätte sie um Haaresbreite überrollt. Er fuhr ohne Lichter und verschwand rasch wieder im Dunkel. Sie war sehr erregt. Kurz nachdem Jaye aufgelegt hatte, rief Shirley an, die ebenfalls sehr nervös war. Ein großes schwarzes Auto parke vor ihrem Haus, und zwei Männer, die ganz in Schwarz gekleidet seien, breitkrempige schwarze Hüte und Pullover mit Stehbund trügen, würden eine Kamera aufbauen. Zuerst dachte sie, es wären Priester. »Sie fotografieren mein Haus!«, rief sie aus. »Warum tun die das? Noch dazu mitten in der Nacht!« An der Kamera war ein großes rotes Licht angebracht. 279
»Schauen Sie nicht in das Licht«, wies ich sie streng an. »Denken Sie, ich sollte die Polizei rufen?« »Na ja, leider ist Fotografieren kein Verbrechen. Wahrscheinlich würde man Sie auslachen.« »Jetzt gehen sie zum Auto zurück. Die Scheinwerfer sind aus, ich weiß gar nicht, wie die sehen können. Jetzt fahren sie weg.« Während ich mit Shirley telefonierte, versuchte mich Mary Hyre aus Westvirginia zu erreichen. Am Ende rief sie Dan Drasin an und bat ihn, sich mit mir in Verbindung zu setzen, sobald meine Leitung wieder frei war. Ich rief sie zurück, und sie erzählte mir, dass sie gerade eine beängstigende Begegnung mit einem schwarzen Cadillac gehabt habe. Sie war auf der verwaisten Main Street unterwegs (in Point Pleasant werden um 19 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt), da fuhr ein Wagen – am Steuer saß ein »sehr großer Mann« – an und folgte ihr im Schritttempo. Sie ging zu ihrem Auto, und der Cadillac verschwand langsam hinter einer Ecke. Sie setzte sich ans Steuer und machte sich auf die Suche nach dem Fremden. »Ich war unterwegs zur Route 62, als ich ihn wieder sah«, erzählte sie. »Er kam direkt auf mich zu. Ich riss den Wagen zur Seite, aber er hätte mich dennoch fast gerammt. Es war dasselbe Auto … aber jetzt saßen drei Männer darin. Ich konnte sehen, dass einer von ihnen eine Brille trug … so eine Panoramasonnenbrille. Ich habe so etwas in Point Pleasant zuvor noch nie gesehen. Was meinen Sie, was die beweisen wollen?« »Ich denke, sie versuchen, mir etwas zu beweisen«, erwiderte ich bedächtig. »Ich bin sicher, sie wollten Ihnen keinen Schaden zufügen.« Als ich den Hörer auflegte, dachte ich: Die schaffen es noch, dich alten Knaben in einen Paranoiker zu verwandeln. 280
Das Telefon läutete erneut. Müde hob ich ab. Piep, piep, piep, piep.
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»Sogar die Beduinen hassen ihre Telefongesellschaft«* I Jeder Anruf von Ivan Sanderson aus New Jersey war ein abenteuerliches Konzert atmosphärischer Störungen. Schrille Pfiffe, elektronisches Piepsen und laute Klickgeräusche, wie wenn ein Nebenanschluss aufgelegt wird, waren ständig in seiner Leitung. Häufig wurden wir mitten im Gespräch unterbrochen. Dabei war Sandersons Engagement für UFOs nichts weiter als ein Hobby. Er war Biologe und Zoologe und verdiente einen Gutteil seines Lebensunterhalts mit dem Verfassen von Tierenzyklopädien. Der große, schlanke, gut aussehende Brite war Mitte fünfzig und steckte voller Energie. Früher war er amerikanischen Fernsehzuschauern als Tierexperte der Garry-Moore-Show bekannt gewesen und hatte sogar ein paar Jahre lang eine eigene Sendung auf NBC gehabt. Im Jahr 1967 stand Ivan unter großer Anspannung. Alma, seine Frau, mit der er seit dreißig Jahren verheiratet war, war todkrank. Wie alle Autoren steckte er permanent in finanziellen Schwierigkeiten. In jenem Sommer fühlte er sich zu allem Überfluss auch noch selbst krank. Einmal legte er sich ins Bett und schwitzte 48 Stunden lang heftig. Außerdem vertraute er mir an, dass er sich zwei Tage mit dem kosmischen Tripper* herumgeschlagen *
»Jeder hasst die Telefongesellschaft. Selbst die Beduinen hassen ihre Telefongesellschaft.« Satz aus dem US-Film President Präsident’s Analyst (dt. Titel: ... jagt Dr. Sheefer) von 1967.
*
Männliche UFO-Zeugen werden manchmal vorübergehend von 282
habe, dessen Symptome ebenso schnell und mysteriös wieder verschwunden seien, wie sie aufgetreten waren. Eines Tages rief mich Jane an. Sie hatte eine Nachricht für »den Mann mit den dünnen Armen, der Kleider trägt«. Nur wenige Menschen wussten, dass Ivan auf seiner Farm immer kleidartige Gewänder trug, wie man sie in Indonesien kennt. Die Nachricht enthielt den Hinweis, er solle ein Vitaminpräparat einnehmen. Ich leitete sie an ihn weiter, und schon ein paar Tage später rief er mich an und erzählte mir, dass es ihm »hundert Prozent« besser gehe, seit er die Vitamine nehme. In jenem Herbst wollte eine Frau aus Washington, D.C., die mit der Air Force und dem UFO-Projekt der Colorado University zu tun hatte, zu ihm kommen, um alle seine UFO-Akten durchzusehen, die bis in die Vierziger jähre zurückreichten. Als sie auf seiner abgelegenen Farm ankam, war sie erregt und nervös. Auf dem New Jersey Turnpike hatte sie bemerkt, dass ihr ein Transporter folgte. Nachdem sie vom Turnpike auf die Landstraße abgebogen war, folgte ihr der Wagen. An einer Tankstelle fuhr er ebenfalls hinter ihr raus. Der Fahrer stieg aus und kam auf sie zu. Er wirkte ganz normal, nur sein Overall sei ein wenig zu ordentlich gebügelt und die Schuhe allzu glänzend geputzt gewesen. »Mir sind Ihre Reifen aufgefallen«, sagte der Mann. »Ich glaube, da hängt ein großer Klumpen an einem der hinteren.« Sie sah nach, konnte aber nichts entdecken. Als der Tankwart herauskam, ging der Fremde zu seinem Transporter zurück und fuhr weg. Die Dame setzte ihre Fahrt fort, Ivans komplizierter Anfahrtsskizze folgend – seine Farm war nicht gerade einfach zu finden –, bis sie ein Symptomen befallen, die auf Gonorrhöe hinweisen. 283
kleines Restaurant sah und beschloss, kurz Rast zu machen. In dem Moment, als sie aus dem Auto ausstieg, tauchte der Mann im Overall wieder auf. »Ich sollte wirklich besser mal nach dem Reifen sehen«, meinte er. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, lag er schon unter dem Wagen. Nachdem er zwei oder drei Minuten herumgefummelt hatte, kroch er wieder hervor. »Dürfte jetzt okay sein«, verkündete er. »Wohin fahren Sie?« »Nicht mehr weit«, erwiderte sie. Entnervt beschloss sie, die Rast sein zu lassen, setzte sich wieder ans Steuer und fuhr weiter. Als Ivan die Geschichte hörte, rief er mich sofort an. Ich schaltete meinen Kassettenrekorder ein und schlug vor, dass er unter dem Auto der Frau nachsah, während ich mit ihr über den Vorfall redete. Sie erzählte mir alles, dann kam Ivan aufgeregt zurück. »Hören Sie, Keel«, begann er atemlos. »Da ist irgendwas am Unterboden ihres Benzintanks. Drei große Flecken, angeordnet in einem sauberen Dreieck, alle gleich weit voneinander entfernt.« Als er mir die »Flecken« beschrieb, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Es hörte sich an wie ein Material, mit dem ich bei der Grundausbildung zu tun gehabt hatte, als die Armee vergeblich versucht hatte, einen Killer aus mir zu machen. »Klingt wie Plastiksprengstoff, Ivan«, sagte ich. »Vielleicht sollten Sie die Polizei holen.« Und das tat er. Die Polizei kam und nahm die Substanz mit. Sie erwies sich schließlich als gewöhnliche, harmlose, kittartige Masse. Die Frau, die ein phänomenales Gedächtnis hatte, konnte sich an die Aufschrift an der Seite des Transporters erinnern. Es war der Name einer Gerätefirma aus einer nahe gelegenen Stadt. Allerdings 284
fand die Polizei weit und breit keine Firma dieses Namens in der Stadt. Das Seltsamste an dieser Geschichte war meine Kassettenaufnahme von unserem Telefonat am Nachmittag. Wir hatten eine wunderbare Verbindung ohne jegliche Störungen gehabt. Ivans Stimme klang auf dem Band laut und klar. Doch jedes Mal, wenn die Frau sprach, kamen – und das nur auf dem Band – heftige atmosphärische Störungen, die ihre Stimme übertönten! Später mutmaßte Ivan, dass der Kitt vielleicht dazu dienen sollte, eine improvisierte Antenne zu einem kleinen elektronischen Zielsuchgerät zu fixieren. Der Mann im Transporter hatte sich das mit dem Reifen ausgedacht, um das Gerät entfernen zu können. Nach diesem Vorfall hatte ich mehr Probleme mit dem Aufnehmen von Telefonaten. Immer wenn ein Kontakter oder eine mysteriöse Stimme anrief, enthielt das Band hinterher nur statisches Knacksen. Ich kaufte mir einen besseren Rekorder, aber das Problem blieb. Selbst Gesprächsfetzen mit Mary Hyre gingen in atmosphärischem Rauschen unter, sobald sie über rätselhafte Vorgänge in Point Pleasant sprach. Es gab jemanden, der nicht nur mein Telefon, sondern auch meinen Kassettenrekorder manipulieren konnte.*
*
Dr. Berthold Schwarz, stellvertretender Sheriff in Pennsylvania, sowie einige andere ernsthafte Ermittler hatten ähnliche Probleme mit ihren Kassettenrekordern. Sogar dem ehemaligen USPräsidenten Nixon erging es mit seinem Apparat nicht besser.
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II Nach vielen seltsamen Telefonaten und Briefwechseln mit nicht existierenden Adressaten hatte ich ein definitives Datum für den großen »EM-Effekt«. Es sollte der 15. Dezember sein. Inzwischen war Mr. Apol für mich ebenso real wie Mr. Cold für Derenberger, obwohl ich ihn niemals persönlich treffen sollte. Ich studierte seine Psyche, seinen wachen Verstand, seinen eigenwilligen Humor. Ich stritt mich am Telefon mit ihm, manchmal zwei bis drei Stunden lang. Dabei tat er mir im Grunde Leid. Es war ganz offensichtlich, dass er wirklich nicht wusste, wer oder was er war. Er war ein Gefangener unseres Zeitrahmens. Häufig verwechselte er Vergangenheit und Zukunft. Ich schloss daraus, dass er und seine Kollegen unfreiwillig in der Zeit hin und her geschickt wurden. Sie spielten ihre Spielchen, weil sie darauf programmiert waren, so lange zu leben, zu existieren, wie sie sich mit Energie und Geist von Medien und Kontaktern versorgen konnten. Ich konnte ihm jede noch so obskure Frage stellen und erhielt im nächsten Moment die Antwort darauf, wahrscheinlich weil mein Hirn ebenso abgehört wurde wie mein Telefon. Wo war der Vater meiner Mutter geboren? In Cameron Mills, New York, natürlich. Wo hatte ich meine Stoppuhr verlegt? Schau in die Schuhschachtel oben rechts im Schlafzimmerschrank (sie war tatsächlich dort). Am Wochenende des 7./8. Oktober 1967 schwieg mein Telefon, meine Kontakter und ihre Freunde riefen nicht an. Die plötzliche Stille war beunruhigend. Doch am Montag, den 9. Oktober, meldeten sich alle wieder – und erzählten mir dieselbe Geschichte. Sie erinnerten sich an nichts außer vage an eine Art Krankenhaus. Shirley 286
sagte, sie sei am Donnerstagabend ins Bett gegangen und erst am Montagmorgen wieder aufgewacht. Ihr Kind lag in seinem Bettchen, gut versorgt und zufrieden. Nichts in ihrem Haus war durcheinander. Sie erinnerte sich, dass ihre Füße wund waren und ihre Beine schmerzten, als wäre sie viel gegangen. Alles, woran sie sich erinnern konnte, war ein großes Gebäude aus rotem Glas. Auch Jane erinnerte sich an ein rotes Glashaus voller seltsamer Gestalten in weißen Kitteln. Sie untersuchten Erdmenschen, die in Schlangen anstanden und offensichtlich unter Drogen gesetzt waren, denn sie bewegten sich wie Roboter. Hinter all dem halluzinatorischen Nonsens erkannte ich die Wurzeln vieler UFO-Legenden. Eine erstaunlich hohe Zahl von Kontaktern waren Waisen; sie wurden benutzt, um das »Hybrid-Konzept« zu verbreiten. Man erzählte ihnen, dass sie eine Kreuzung von irdischen und außerirdischen Eltern seien, dass immer mehr Erdenfrauen von Außerirdischen geschwängert würden und irgendwann der ganze Planet von einer hybriden Rasse bevölkert sei. Eines der Spielchen, in die ich verwickelt war, hatte ganz offensichtlich das Ziel, mich von der Existenz dieses Kreuzungsexperiments zu überzeugen. Allerdings war mir von Anfang an klar, dass der ganze Spuk nur eine moderne Version des biblischen Zeugungsthemas war, bei dem »Gottes Söhne die Töchter der Menschen erkannten«. Sobald sich meine Einstellung zu einem Spiel änderte, wechselten die Wesen sofort zu einem neuen über. Meine schwangeren Kontakterinnen waren auf einmal nicht mehr schwanger. Größere Sorgen aber machte mir etwas anderes, nämlich die Vorhersagen meiner mysteriösen Freunde. Der Dollar, so erzählten sie mir, werde bald abgewertet. (Das 287
war erst Jahre später der Fall.) Die Volksrepublik China würde in die Vereinten Nationen aufgenommen (korrekt, allerdings schien das 1967 noch ziemlich unwahrscheinlich). Robert Kennedy sollte »sich von Hotels fern halten« (?). Die Menschen sollten nicht versuchen, zum Mond zu fliegen (unser Raumfahrtprogramm verursachte ihnen schwerste Kopfschmerzen). Ich würde bald umziehen, und zwar in eine Erdgeschosswohnung in einem Gebäude nördlich der Vereinten Nationen. (Auch das schien 1967 noch sehr unwahrscheinlich, allerdings fand ich tatsächlich ein Jahr später eine Erdgeschosswohnung in Upper Manhattan und zog um.) Die Wesen warnten mich jetzt nicht nur ständig vor dem bevorstehenden Stromausfall im Dezember, sondern sagten auch noch ein schreckliches Desaster am Ohio voraus. Eine der Fabriken am Flussufer würde in die Luft fliegen, und viele Menschen würden dabei ihr Leben verlieren, sagten sie. Am 3. November 1967 schrieb ich an Mary Hyre: »Ich habe Grund zu der Annahme, dass es in der Region um Point Pleasant bald eine Katastrophe geben wird, die nichts mit dem UFO-Rätsel zu tun hat. Eine Fabrik am Fluss soll explodieren oder niederbrennen. Wahrscheinlich wird die Navy-Basis in Point Pleasant im Zentrum der Katastrophe liegen. Viele Menschen werden verletzt werden … Erwähnen Sie das aber niemandem gegenüber.« (Die Militärbasis der Navy war ein eingezäuntes Gelände in Point Pleasant, das am Fluss lag und streng bewacht wurde. Die Männer, die dort arbeiteten, hatten sich zur Geheimhaltung verpflichtet, allerdings brauchte ich nur ein paar Tage, um herauszufinden, was sich dort abspielte. Ich werde hier keine Staatsgeheimnisse ausplaudern, aber mein persönlicher Eindruck war, dass da irgendein Admiral im Pentagon eine saubere Abreibung verdient 288
hätte wegen der Verschwendung von Steuergeldern … und weil die Anlage mitten in bewohntem Gebiet lag.) Inzwischen hatten die Public Broadcasting Laboratorys ihre Meinung über Dan Drasins UFO-Special geändert. Nach fast einem Jahr Arbeit und mehreren Reisen in UFO-Gegenden zogen sie den Auftrag für die Sendung zurück. Die Geschichte wiederholte sich 1973, als Fred Freed, ein mit Preisen überhäufter Produzent, an einer Dokumentation für NBC News arbeitete. Ralph Blum und ein Technikerteam waren in Mississippi, um Hickson und Parker zu interviewen, als sie völlig unerwartet die Nachricht erhielten, dass die Sendung gestrichen sei. Begründung: NBC brauche Geld und Personal für den arabisch-israelischen Krieg. Ich hatte zu der Zeit ganz andere Probleme, weil ich gerade eine Pleitephase durchlebte und die für mich Schwindel erregend hohe Summe von vierhundert Dollar an Steuern nachzahlen musste. Die Steuerbehörde schickte jede Woche einen Abgesandten zu mir. Einmal tauchten sogar zwei innerhalb einer Woche bei mir auf. (Es waren keine MIB, sondern definitiv Steuereintreiber.) Eine dieser miesen kleinen Figuren war so widerlich und beleidigend, dass ich sie am Kragen packte und aus der Wohnung warf. Ein anderer ließ eine Bemerkung fallen über einen Film, an dem ich gerade arbeitete (und der am Ende nicht realisiert wurde), von dem wirklich kaum jemand etwas wusste. Die einzige Möglichkeit, wie er davon erfahren haben konnte: Mein Telefon wurde abgehört. Hatte die Steuerbehörde wegen lausiger vierhundert Dollar mein Telefon angezapft? Stand ich auf irgendeiner schwarzen Liste? Ich beschwerte mich bei meiner Telefongesellschaft über den Telefonterror und die vielen Störungen. Sie sollten 289
eine Überprüfung machen und nachsehen, ob die Leitung tatsächlich abgehört wurde. Ein paar Tage später rief mich meine freundliche Telefonbetreuerin zurück. »Sie hatten Recht, Mr. Keel«, sagte sie. »Jemand hört Ihr Telefon tatsächlich ab.« Ich schaltete meinen Kassettenrekorder an und bat sie, das zu wiederholen. Als ich sie aufforderte, es mir schriftlich zu geben, blockte sie ab. »Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte?«, fragte ich. »Das können wir nicht feststellen. Wir wissen nur, dass in Ihrer Leitung ein Spannungsabfall auftritt, der darauf hindeutet, dass sich jemand eingeschaltet hat.« Sie versprach, die Angelegenheit einem »Special Agent« zur Überprüfung zu übergeben. Dabei kam allerdings nichts heraus. Als ich am Morgen des 3. Juli 1967 aufwachte, war die Leitung tot. Ich ging ins Erdgeschoss des Hauses, um die Telefongesellschaft von einem öffentlichen Apparat aus anzurufen. Als ich auf einen Flur einbog, sah ich, dass die Tür zum Telefonraum, die normalerweise verschlossen war, weit offen stand. Ein Mann im Overall war mit einem Gewirr aus Telefonkabeln beschäftigt. Als ich ihm sagte, dass meine Leitung tot sei, zuckte er nur die Achseln. »Da müssen Sie die Zentrale anrufen«, war sein nicht gerade hilfreicher Rat. Weitere 24 Stunden später funktionierte der Anschluss wieder. Obwohl die Kontakter immer bei mir anriefen und nicht umgekehrt, schoss meine Telefonrechnung in diesem Sommer explosionsartig in die Höhe. Selbst wenn ich zwei oder drei Wochen weg gewesen war, fand ich eine Telefonrechnung über hundertfünfzig bis zweihundert Dollar vor, wenn ich nach Hause kam. Und das war erst der Anfang. 290
III Am 17. Februar 1967 bekam ein Reporter des Daily American in West Frankfort, Illinois, einen Anruf. Eine seltsame, hallende Stimme forderte ihn auf, am folgenden Sonntag um Viertel nach drei Uhr morgens an einen bestimmten Teich zu kommen. Der Reporter machte seinen Kollegen ein Zeichen, und sie nahmen ihre Telefone auf, um mitzuhören. Sofort sagte die Stimme: »Sie sollen ihre Hörer auflegen.« Im Hintergrund waren elektronische Geräusche und Pfeifen zu hören. »Kommen Sie allein.« Der Journalist beschloss, das Ganze für einen Scherz zu halten, fand aber, dass es eine »erstklassige Performance war … Es muss jemand mit großem Talent gewesen sein, der sich außerdem mit elektronischen Geräten auskannte.« Bei meinen Reisen stellte ich fest, dass Zeitungsredaktionen überall im Land solche Anrufe erhalten hatten. Es waren im Allgemeinen hallende Stimmen, die klangen »wie vom Grund eines Brunnens aus«; im Hintergrund waren elektronische Musik oder Fernschreibergeräusche zu hören. Diese Hintergrundgeräusche hatten einen einfachen Grund: Sie machen eine Aufnahme der Stimmen unmöglich. Ich habe es versucht und erkannte, dass der Hintergrund die Stimme auf dem Band völlig untergehen lässt. Ich führte sorgfältig Buch über die Anrufe und katalogisierte am Ende die verschiedenen Taktiken der mysteriösen Spaßvögel. Manche dieser Taktiken waren so ausgefeilt, dass sie unmöglich das Werk eines einzigen Spinners sein konnten, der in seiner Freizeit UFO-Fans schikanierte. Es schien vielmehr paranormale Kräfte zu geben oder aber eine große und gut finanzierte Organisa291
tion mit Motiven, die mir rätselhaft blieben. Aus meinen Jahren im Showbusiness weiß ich, dass talentierte Imitatoren rar und manche Stimmen nicht imitierbar sind. Nichtsdestotrotz kann unsere hypothetische Organisation fast jeden nachahmen, darunter auch mich. Und ich habe eine ziemlich eintönige, farblose Stimme, ähnlich wie der ehemalige Vizepräsident Spiro Agnew. Professionellen Imitatoren wie Rich Little und David Frye ist es nie gelungen, Agnews Stimme überzeugend zu kopieren. Am Freitag, den 14. Juli 1967, erhielt ich um ein Uhr nachts einen Anruf von einem Mann, der sich als Gray Barker aus Westvirginia ausgab. Die Stimme klang wie die von Barker einschmeichelnd und hatte einen leichten Akzent, nur redete er mich die ganze Zeit über an, als wäre ich ein völlig Fremder, und sagte immer »Mr. Keel«. Zunächst fragte ich mich, ob er vielleicht einen über den Durst getrunken hatte. In seiner ruhigen, gedehnten Sprechweise erklärte er mir, er wisse, dass ich für Zeitungen schriebe; er habe von einem Fall gehört, den ich mir einmal ansehen sollte. Es sei etwas Ähnliches wie der Derenstein-Fall. Gray und ich hatten Woodrow Derenberger gemeinsam besucht, deshalb war ich mir sicher, dass er sich im Namen gewiss nicht geirrt hätte. Zur gleichen Zeit hatte ich ein paar Berichte von Leuten in New York erhalten, die lästige Anrufe von einer Frau bekamen, die sich als »Mrs. Gray Barker« vorstellte. Ich wusste, dass Gray gar nicht verheiratet war. Als ich jedoch diesem »Gray Barker« gegenüber die Anrufe erwähnte, zögerte er einen Moment und sagte dann: »Nein, Mrs. Barker hat dort oben niemanden angerufen.« Dann kam er auf die Schilderung einer völlig unbedeutenden UFO-Beobachtung in der Nähe von West Mifflin, Pennsylvania, zurück. Es war keineswegs ein Fall, der 292
ein Ferngespräch erforderlich gemacht hätte. Bei späteren Recherchen stellte ich fest, dass alle Informationen, die er mir gegeben hatte, falsch waren. Wir unterhielten uns rund zehn Minuten. Die ganze Zeit über klang »Gray« wie jemand, der unter Druck steht, als hätte ihm jemand eine Waffe an die Schläfe gehalten. Mehrmals führte ich ihn mit bedeutungslosen Anspielungen in die Irre. Nachdem ich aufgelegt hatte, war ich sicher, dass dieser Mann nicht der echte Gray Baker gewesen war. Eine Stunde später klingelte es wieder. Ein junger Mann sagte: »Gray Baker hat versucht, Sie zu erreichen … Er hat uns gebeten, Ihnen diese Nummer zu geben, und lässt Sie um Rückruf bitten.« Er gab mir eine Nummer, die bis auf die letzte Ziffer mit meiner identisch war. In dieser Nacht riefen noch mehr Fremde an, und Gray Baker übermittelte weitere sinnentleerte Botschaften. Am nächsten Tag rief ich Gray an. Wie erwartet sagte er, er habe mich nicht angerufen. Kurz darauf fand ich heraus, dass ein »John Keel« überall im Land Leute angerufen hatte, meine Stimme und Sprechweise exakt imitierend. Auch Mary Hyre erhielt einen solchen Anruf. Ein paar Tage später rief ich sie an. »Freut mich, dass es Ihnen besser geht«, sagte sie. »Sie klangen neulich abends irgendwie krank – oder betrunken.« »Wann neulich abends?« »Als Sie mich zuletzt angerufen haben. Wissen Sie nicht mehr? Wir sprachen über Ihren Brief und das, was Ihrer Meinung nach am Fluss passiert.« Ich hatte sie weder angerufen noch mit ihr über den Brief geredet. Schon gar nicht hatte ich mit ihr über die Katastrophenvorhersage gesprochen, außer mit den Kontak293
tern, die ebenfalls informiert waren. Eines Morgens rief eine entnervte Jaye P. Paro an. »Hören Sie, ich bin doch nicht verrückt. Ich kann doch nicht um Mitternacht allein auf den Mount Misery fahren.« »Wovon sprechen Sie?«, fragte ich. »Gestern Abend. Sie riefen an und baten mich, Sie auf dem Mount Misery zu treffen.« »Ich habe Sie gestern Abend nicht angerufen, Jaye, und ganz sicher würde ich so etwas nie von Ihnen verlangen.« »Sie nehmen mich auf den Arm, oder? Es klang exakt wie Sie.« Den März 1968 verbrachte ich zum größten Teil in Washington, D.C. Während meiner Abwesenheit wohnte ein alter Kamerad aus der Armee, ein ernster, ruhiger Mann, der in der Werbung arbeitete, in meiner Wohnung. Er war hundertprozentig zuverlässig und alles andere als ein Witzbold. Als ich zurückkam, fand ich einen Stapel Mitteilungen über Telefonanrufe, die er entgegengenommen hatte. Einer war von George Clark, einem UFOFan aus New Jersey. Er hatte am 23. März angerufen und mich um Rückruf gebeten. Als er ein paar Tage später erneut anrief, entschuldigte ich mich dafür, dass ich mich noch nicht gemeldet hatte. Es folgte überraschte Stille am anderen Ende der Leitung, dann eröffnete er mir langsam, dass ich ihn bereits zurückgerufen hätte, und zwar am 27. März gegen 22 Uhr. Eine Stimme, die genau wie meine klang, habe lange mit ihm gesprochen; der Anrufer habe sogar meine Lieblingswendungen und für mich typische unverbindliche Kommentare benutzt wie: »Warten wir’s ab, dann werden wir schon sehen.« Zwei Tage später habe er gegen zwanzig Uhr wieder meine Nummer gewählt. Ein »Hippie« sei am Apparat gewesen. »Nein, Mann, Mr. Keel ist gerade nicht da … 294
aber er dürfte bald zurück sein. Kann ich ihm was ausrichten, Mann?« George hatte eine Nachricht hinterlassen. An jenem Abend war ich längst wieder in New York und saß neben dem Telefon. Drei Monate zuvor, am 18. Januar 1968, war meine Leitung wieder einmal tot gewesen. Die Störungsstelle konnte nichts finden, also kam ein Techniker zu mir in die Wohnung. Er prüfte den Apparat, doch der schien in Ordnung zu sein. Ich begleitete ihn hinunter, wo er die Tür zum Telefonraum aufschloss und das Kabelgewirr untersuchte. Die zahllosen Verbindungen waren auf so komplizierte Weise kodiert, dass nur ein echter Experte einen bestimmten Anschluss fand. »Hier ist Ihr Anschluss«, erklärte er. »Sehen Sie …« Er hielt inne und starrte auf die Kabel. »Schauen Sie sich das an. Das Kabel ist durchgeschnitten.« Er schwenkte ein sauber durchtrenntes Kabel. Jemand hatte in diesem Chaos meinen Anschluss gefunden und mit einer Zange abgezwickt! Als die Leitung repariert war und mein Telefon wieder funktionierte, rief ich sofort meine freundliche Telefonbetreuerin an. »Das will ich jetzt aber schriftlich haben«, fauchte ich. Ein paar Tage später erhielt ich einen Brief von ihr, in dem es hieß, mein Anschluss sei am 18. Januar nicht erreichbar gewesen, weil sich in der Zentrale eine Lötstelle gelöst hatte. Ich wusste, dass meine Leitung nur eine einzige Lötstelle hatte, und zwar in der Telefonzentrale, und die hatte ich noch im Monat zuvor überprüfen lassen. Zwischen Steuerbehörde, Telefongesellschaft, Apol und Konsorten sowie fliegenden Untertassen war ich auf dem besten Wege, mich für die Klapsmühle zu qualifizieren. 295
»Etwas Schreckliches wird passieren …« I Mrs. Virginia Thomas wohnte mitten auf dem TNTGelände. Sie stand in ihrer Küche, als sie auf einmal ein lautes Quietschen hörte. In all den Jahren, die sie hier lebte, hatte sie etwas Derartiges noch nie gehört. »Am besten lässt es sich so beschreiben«, sagte sie Mary Hyre und mir gegenüber. »Es klang wie ein ausgeleierter Ventilator … nur viel lauter. Ich ging nach draußen. Es schien aus einem der Iglus zu kommen. Dann sah ich einen riesigen Schatten über den Rasen wandern. Es war kurz nach zwölf Uhr, es konnte also gar keinen so langen Schatten geben. Dann tauchte eine Gestalt auf. Sie ging aufrecht wie ein Mensch, war aber von oben bis unten grau und viel größer als ein Mensch. Sie bewegte sich schnell über das Feld und verschwand zwischen den Bäumen. Man kann nicht sagen, sie ging … Eher glitt sie dahin, und zwar schneller, als ein Mensch je rennen könnte. Es war Jagdsaison, aber ich wusste, dass es kein Jäger sein konnte. Kein vernünftiger Jäger würde sich grau anziehen. Hier tragen normalerweise alle rote Mäntel und rote Kappen. Ein Bär oder so was war es auch nicht. Es machte mir richtig Angst.« Seit dieser Beobachtung am 2. November 1967 wurde Mrs. Thomas von Albträumen geplagt. »Ich sehe viele seltsame Gestalten am Fluss«, erzählte sie. »Es ist wie eine Art Invasion oder so was. Sie kommen mit Lastern über die Brücke und fallen auf das TNT296
Gelände ein. Wir packen die Kinder und rennen los. Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll.« Nach einer Reise nach Atlanta und einem Kurztrip durch North und South Carolina aufgrund von UFOErmittlungen war ich nach Westvirginia geflogen. Mary Hyre hatte mich in Charleston am Flughafen abgeholt. Auf dem Weg nach Point Pleasant erzählte sie mir von ihren eigenen Träumen. »Kurz bevor ich Ihren Brief bekam«, sagte sie, »hatte ich einen schrecklichen Albtraum. Viele Menschen ertranken im Fluss, und überall schwammen Weihnachtspäckchen herum.« »Vielleicht haben Sie im Traum verarbeitet, was ich Ihnen erzählt habe«, mutmaßte ich. »Vielleicht. Aber ich habe schon über jede Menge Fälle von Ertrunkenen in diesem Fluss berichtet; so wie in diesem Traum war das nie. Es waren so viele … Seitdem fühle ich mich unwohl. Und alle anderen fühlen sich auch so. Man kann es nicht richtig benennen … aber es ist, als ob irgendetwas Schreckliches passieren wird.« Vielleicht war es nur Suggestion und ein emotionaler Kater nach all dem, was ich durchgemacht hatte, aber als wir in Point Pleasant ankamen, spürte ich, wie schwer die Prophezeiung auf der Stadt lastete. Wie eine dunkle Wolke hing sie über mir, während ich durch die Straßen wanderte. Einer nach dem anderen vertrauten sich mir alte Freunde an. »Wissen Sie, Keel, irgendwas stimmt hier nicht. Ich weiß nicht was. Seit dieser Geschichte mit den fliegenden Untertassen letztes Frühjahr ist irgendwas faul.« »Wir bekommen nicht mehr viele UFO-Berichte rein«, erzählte mir Mary. »Abgesehen von dem, was Mrs. Thomas gesehen hat, hält sich Mothman bedeckt. Alles ist ruhig. Zu ruhig.« Am 19. November gegen Mitter297
nacht starteten Mary und ich eine Erkundungstour über das TNT-Gelände. Der Himmel war bedeckt. Es hatte geregnet, und kein Stern war zu sehen. Die Wolkendecke war höchstens eineinhalb Kilometer hoch. »Schauen Sie nicht gleich hin, Mary«, sagte ich leise. »Da drüben ist einer von unseren Freunden.« Im Osten hüpfte über einer Hügelkette ein grelles Licht durch den dunklen Himmel. Mary hielt den Wagen, und schweigend blickten wir rund zehn Minuten hin. Das Licht fiel herunter, um dann wieder hinaufzuschießen. Es sprang von einer Seite auf die andere und kehrte wieder an seine Ausgangsposition zurück. Am Ende ließ Mary das Auto wieder an und fuhr langsam auf dem Feldweg weiter, in der Hoffnung, einen besseren Aussichtspunkt zu finden. Wir kamen durch ein Waldstück. Als wir wieder freie Sicht hatten, war das Objekt verschwunden. »Nun, was denken Sie?«, fragte Mary lakonisch. »Es war definitiv weder ein Stern noch ein Flugzeug«, sagte ich. »Es war so tief, dass auch andere es gesehen haben müssen. Warten wir ab, ob wir Berichte bekommen.« Es dauerte nicht lange. Um Viertel vor eins in derselben Nacht war Mr. Albert Brown, Schichtarbeiter in einer der Minen nahe Elmwood, Westvirginia, auf dem Heimweg. Plötzlich bemerkte er ebenfalls ein ungewöhnliches Licht am Himmel. Er hielt und sah sich die Sache an. »Es schien die Farbe zu wechseln«, erzählte er uns später. »Zuerst war es weiß, dann blau, dann orange. Es sah aus, als landete es auf dem Gipfel eines Hügels.« Mr. Brown befand sich nordöstlich des TNT-Geländes auf der Route 35, ungefähr dreißig Kilometer Luftlinie von unserem Beobachtungsposten entfernt. Nachdem er das Objekt ein paar Minuten beobachtet hatte, versuchte er, eine Straße zu finden, die ihn zu den Hügeln führen 298
würde, wo das Licht »herumgeisterte«. Als er keine fand, blieb er einfach stehen und sah wie gebannt zu. Schließlich fuhr er nach Hause und rief den Zivilschutz in Charleston an. Dort sagte man ihm, er solle die Staatspolizei einschalten. Ein Polizeiwagen wurde an die Stelle geschickt, doch das Ding war längst weg, als die Beamten dort ankamen. Was war das auf dem abgelegenen Hügel gewesen? War es ein kleines Flugobjekt gewesen, in schauriges Licht getaucht? Hatte irgendein Wesen einsam dort oben gesessen und wie gelähmt in die Nacht gestarrt?
II Von Westvirginia aus fuhr ich nach Washington, D.C. Al Johnson, ein alter Freund aus der Armee, arbeitete für Voice of America und hatte eine Sendereihe über fliegende Untertassen gemacht, die alle Aspekte beleuchtete. (VOA ist das offizielle Propagandaorgan der USA, und Johnsons UFO-freundliche Sendungen wurden weltweit gehört.) In den Studios von VOA nahmen wir ein einstündiges Gespräch über das Thema auf, in dem wir von violetten Flecken bis hin zu Kontaktern alles besprachen. Anfang Dezember kehrte ich erschöpft und mit einer schweren Erkältung – einem Souvenir aus dem eiskalten, verregneten Westvirginia – in meine New Yorker Wohnung zurück. Als ich ankam, war es zwei Uhr morgens. Ich hatte kaum meinen Mantel ausgezogen, da klingelte bereits das Telefon. Dan Drasin war am Apparat. Ich hatte ihn noch nie in so einem Zustand erlebt. Seine normalerweise ruhige Stimme zitterte vor Entsetzen. 299
»Wie kann ich all das beenden, Keel?«, schrie er in den Hörer. »Was?« »Alles, was passiert … Ich will nicht mehr. Ich will aufhören!« »Hören Sie, ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Was ist denn los? Was ist überhaupt passiert?« »Zu viel ist passiert. Ich halte das nicht mehr aus.« Ich wusste, dass Dan weder trank noch Drogen nahm, und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass er jemals die Fassung verlor. »Es gibt nur eine Lösung, Dan. Dieses verdammte Ding wird zu einer Obsession, einer fixen Idee. Die einzige Chance, all das zu beenden, ist, nicht mehr über UFOs nachzudenken. Trennen Sie sich von Ihren Unterlagen. Fangen Sie an, Briefmarken zu sammeln oder Frauen aufzureißen. Das UFO-Business ist emotionaler Treibsand. Je mehr man strampelt, desto tiefer versinkt man.« Irgendwann ließ er sich beruhigen. Ein paar Tage später brachte er mir einen Teil seiner Unterlagen. Den Rest vernichtete er. Ein Jahr später gab ich ihm die Akten zurück. Mehrmals fragte ich ihn, was ihn zu dem panischen Telefonanruf getrieben hatte, aber er wollte nicht darüber reden. Am Tag nach meiner Rückkehr rief mich Al Johnson an. Die Aufnahme unseres Gesprächs sei irrtümlich gelöscht worden. Er wollte, dass ich nach Washington kam, um das Interview zu wiederholen, was ich mehrere Monate später auch tat. Ein Toningenieur hatte das erste Band versehentlich auf den Stapel mit den zu löschenden Aufnahmen gelegt. Solche Irrtümer waren inzwischen Routine für mich. Einmal kam ein deutscher Reporter mitsamt Kamerateam zu mir in die Wohnung, um mich für das deutsche Fernsehen zu interviewen. Ursprünglich 300
wollte er rund 15 Minuten aufnehmen, aber ich war so unglaublich brillant, charmant und informativ, dass am Ende eine halbe Stunde daraus wurde. Ein paar Tage später rief er mich an. »Es ist mir ein Rätsel, Mr. Keel«, begann er bestürzt. »Aber die Aufnahmen, die wir in Ihrer Wohnung gemacht haben, sind vollkommen unbrauchbar. Ein Teil davon ist überbelichtet, und ein Stück von der Tonspur ist voller atmosphärischer Störungen.« Derselbe Reporter war zufällig auch bei Derenberger in Westvirginia gewesen, als er ankündigte, dass Cold nun »über dem Haus« sei. Sie gingen hinaus und sahen tatsächlich einen großen, leuchtenden Fleck gemächlich vorbeisegeln. Seltsame Dinge passierten selbst mit dem geschriebenen Wort. Eines Nachmittags war ich bei Ivan auf dessen Farm, als ein Redakteur aus New York anrief, um zu erfahren, was aus der UFO-Story geworden sei, die Ivan ihm versprochen habe. »Die habe ich vor Wochen abgeschickt«, erwiderte Ivan. Als wir in die Stadt fuhren, um die Post zu holen, war ein großer brauner Umschlag mit einer Briefmarke aus Florida für Ivan da. Er öffnete ihn und feuerte dann empört den Inhalt zu Boden. Es war die UFOGeschichte, die er in der vorigen Woche nach New York geschickt hatte! Irgendwie war sie nach Florida gelangt, und jemand hatte sie an ihn zurückgesandt. Meine eigenen Probleme waren sogar noch bizarrer. Der Redakteur eines kurzlebigen Okkultismus-Magazins bat mich, einen Artikel für das Blatt zu schreiben. »Es kann alles sein … auch irgendwas Altes aus Ihrer Schublade.« Ich fand einen kurzen, bislang unveröffentlichten Text, den ich ihm schickte. Es folgte bleierne Stille. Ein paar Wochen später traf ich mich mit ihm zum Essen. Er holte 301
einen Stapel Blätter heraus. »Tut mir Leid, John, aber das können wir nicht verwenden«, sagte er und reichte mir ein eselohriges Manuskript, mit einzeiligem Abstand in Elite-Schrift geschrieben. Ich habe immer 12-Punkt-Schrift verwendet und zweizeiligen Abstand. Mein Name und meine Adresse standen oben auf diesem Meisterwerk. Es war in einem meiner Umschläge in der Redaktion angekommen. Beim Lesen wurde mir schnell klar, dass der Text wahrhaft bodenlos schlecht war. Bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, was mit meinem Manuskript passiert und wie diese Fälschung in den Umschlag gekommen ist. Als ich im Dezember nach New York zurückkehrte, fand ich alle meine Kontakter in tiefer Trauer über mein Hinscheiden. Apol, Lia, Cloe und ihre Blenderbande hatten sie davon überzeugt, dass ich bei einem Mineneinsturz ein frühzeitiges Ende gefunden hätte. Das war der Beginn einer neuen Phase. Jetzt präsentierten sich die Wesen nicht mehr als nette Saubermänner, sondern fingen an, böse Gerüchte zu streuen und die Kontakter zu schikanieren. Jane wachte eines Nachts von Gasgeruch auf, weil sämtliche Ventile ihres Gasherdes offen standen. Dasselbe passierte Shirley, sogar in derselben Nacht. Fred Miller, ein älterer Farmer von Long Island, der in seiner Küche einmal Typen in glitzernden Raumanzügen vorgefunden hatte, wurde von rätselhaften Bränden heimgesucht. Selbst die alte Geschichte vom Teufel und Daniel Webster wurde aus der Mottenkiste geholt. Kontakter wurden aufgefordert, ein eindrucksvolles Stück Papier zu unterzeichnen, angeblich ein Pakt um ihre Seelen. Ich wurde ebenfalls in dieses Spiel verwickelt, musste die Rolle des Daniel übernehmen und kämpfte mit Dämonen um die armen Seelen der Kontakter. Sie ließen mich natürlich 302
gewinnen, Hauptsache, sie hatten’s mir mal wieder gezeigt. Gut und Böse waren in ihrer Welt synonym. Als Linda Scarberry in diesem Monat ein kleines Mädchen zur Welt brachte, beschloss sie, es Daniella Lia zu nennen. Niemand außer einer Hand voll Kontakter kannte das Indianerwesen namens Lia. Linda hatte den Namen einfach gewählt, weil sie ihn schön fand. Später erzählte mir Dan Drasin, dass seine Mutter Lia hieß … was ich nicht gewusst hatte. Ebenso wenig wie Linda. Synchronizität überall! Als ich eines Nachmittags auf dem Weg zu einem Redakteur des Trae-Magazins war, hielt der Aufzug im Fawcett Building plötzlich zwischen zwei Etagen. Für ein paar Sekunden ging das Licht aus. Am Abend rief mich eine Kontakterin an, um mir zu sagen, dass sie Mr. Apol getroffen habe. Er habe sich darüber amüsiert, dass ich »im Aufzug stecken geblieben« sei. Inzwischen hatte der große »EM-Effekt«, der für den 15. Dezember angekündigt war, Konturen angenommen. Die Außerirdischen hätten den Termin so angesetzt, wurde mir gesagt, dass er mit der jährlichen Weihnachtsbaumzeremonie auf dem Rasen vor dem Weißen Haus zusammenfalle. Genau in dem Augenblick, in dem Präsident Lyndon Johnson die Lichter des Baumes einschaltete, sollte überall im Land der Strom ausfallen. Weil ich den schrägen Humor der Wesen kannte und immer wieder von der Exaktheit früherer Vorhersagen beeindruckt gewesen war, nahm ich die Information für bare Münze. Meine größte Sorge indessen war mein Telefon. Die Rechnungen waren inzwischen astronomisch hoch. Ständig wurde ich mitten im Gespräch unterbrochen oder seltsame Geräusche funkten dazwischen. Jemand malträtierte eine einsaitige Gitarre oder blies in eine Trillerpfei303
fe, während ich redete. Häufig hörte ich auch wie Ivan das charakteristische Geräusch eines Nebenapparats, an dem abgehoben oder aufgelegt wird. Elektronisches Piepsen, schaurige Musik, hohle, metallische Stimmen – alles kam zusammen in meinem verdammten Telefonhörer. Meine höfliche Beschwerde bei der Telefongesellschaft wuchs sich zu handfestem Protest aus. Ich verlangte, dass meine Leitung von einem Ende bis zum anderen überprüft werden solle. Und die Telefongesellschaft war sogar einverstanden. Am 13. Dezember suchte ich die Zentrale auf, die nur ein paar Blocks von meinem Haus entfernt lag. Ein Techniker und ein junger »Special Agent« begrüßten mich an der Tür und begleiteten mich durch das ganze Gebäude. Die Sicherheitsmaßnahmen waren beeindruckend. Jeder Korridor war durch mehrere verschlossene Türen gesichert. Meine Eskorte fummelte ständig mit Schlüsseln herum. Meine Leitung führte durch die Wände meines Hauses in den Telefonraum. Die Kabel waren beim Bau des Hauses in die Mauern eingelassen worden, sodass sie unmöglich innerhalb des Gebäudes angezapft werden konnten. Der Telefonraum war immer abgeschlossen. Darin war meine Leitung mit einem Kabel verbunden, das in einem Schacht unter den Straßen hindurch zur Fernmeldezentrale führte. Auch hier war es unmöglich, etwas anzuzapfen. Wenn tatsächlich eine Wanze existierte, musste sie entweder im Telefonraum oder in der Zentrale sitzen. In der Fernmeldezentrale kam das Kabel in einem verschlossenen Raum an. Hier verlief meine Leitung getrennt von den anderen; sie war an einen Satz Anschlüsse gelötet, die über Kabeln mit dem Wählmechanismus verbunden waren. Ich hatte alles über das Telefonsystem gelesen und wusste haargenau, wie die ganze Sache 304
funktionierte. Was mich vor allem faszinierte, war das Alter der Gerätschaften. Die meisten stammten aus den Zwanzigerjahren. Es wäre ein Kompliment, sie Schrott zu nennen. Im Grunde war das alles museumsreif. In manchen Räumen standen Apparate, die aussahen, als stammten sie aus Thomas Edisons Labor. Leitungen, Zähler, Schalter und Rheostaten, die schon überholt gewesen waren, als Marconi die ersten Signale über den Atlantik schickte. Nichtsdestotrotz schien der ganze schrottreife Kram bestens zu funktionieren. In einem weiteren verschlossenen Raum arbeitete eine Gruppe von Leuten mit einem Gerät, das »Nummernschreiber« genannt wurde. Es war ein Apparat, der in jede Leitung eingeklemmt werden konnte, um die Nummern zu speichern, die von dem Anschluss aus gewählt wurden. Ein beweglicher Schreiber malte die Nummern auf einen Papierstreifen. Auf diese Weise hatte die Telefongesellschaft von jedem Ortsgespräch eine Aufzeichnung (Ferngespräche wurden an anderer Stelle von einem komplizierteren Gerät registriert). Wenn irgendjemand meine Leitung abhörte, dann musste das von einem der Anschlüsse am Ausgang des Schachtes aus passieren. Oder aber jemand hatte an der Stelle eine Nebenleitung angebracht, die in einen anderen Raum führte. Aufgrund der verschlossenen Türen und strengen Sicherheitsmaßnahmen konnten nur autorisierte Schnüffler so etwas durchführen. Wie ich später erfuhr, war die New-Yorker Telefongesellschaft ziemlich unkooperativ; selbst dem FBI wurde der Zutritt verweigert. Wenn die Polizei Abhöraktionen starten wollte, musste sie meist selbst sehen, wie sie das bewerkstelligte. Ich war zugegebenermaßen von der Besichtigung sehr beeindruckt. Es schien völlig unmöglich zu sein, dass 305
irgendjemand mein Telefon anzapfte. Drei Monate später jedoch fand ich selbst rein zufällig die Ursache all meiner Probleme. Eine Freundin wollte meine Nummer wählen und rutschte mit dem Finger ab. Statt wie beabsichtigt vier-acht als die letzten beiden Ziffern zu wählen, erwischte sie vier-null. Weil sie den Fehler sofort bemerkte, wollte sie schon wieder einhängen, als ich mich meldete! Sie erzählte mir, was sie getan hatte, und ich schlug vor, sie solle es noch einmal mit vier-null versuchen. Wieder klingelte mein Telefon. Ich hatte also zwei Telefonnummern und wusste gar nichts davon! Manchmal klingelte der Apparat, dann ging ich dran. Manchmal blieb er still, doch an meiner Stelle meldete sich jemand anders und bot an, »Mr. Keel etwas auszurichten«. Ich rief die vier-null von einem öffentlichen Apparat aus an. Jemand hob ab. »Hallo, hier ist John Keel«, sagte ich fröhlich. »Irgendwelche Nachrichten für mich?« Am anderen Ende schnappte jemand erschrocken nach Luft und legte dann hastig auf. Offenbar bekam ich die Rechnung der vier-null. Ich bat meine freundliche Telefonbetreuerin, den Inhaber des anderen Apparats aufzuspüren. Selbstverständlich konnte sie »diese Information nicht herausgeben«. Also ging ich zum FBI, um offiziell Klage einzureichen. Beim New-Yorker FBI wird man in eine von vielen kleinen Kabinen geleitet, wo einem ein höflicher, junger Mann voller Sympathie ein Ohr gewährt. Sie können sich vorstellen, wie viele Verrückte und Spinner jeden Tag das FBI heimsuchen. Doch nachdem er sich eine Zusammenfassung meiner Geschichte angehört hatte, führte mich der Mann in einen weiteren Raum, wo ich von einer Gruppe älterer Agenten interviewt wurde, die offenbar höchst interessiert schienen. Sie zeigten sich überrascht, 306
dass ich die Fernmeldezentrale hatte besichtigen dürfen. Das hatten sie noch nie gehört. FBI und CIA hassen sich gegenseitig, und beide hassen die Telefongesellschaft. Diese wiederum scheint alles und jeden zu hassen. Im April 1968 ließ ich meine astronomisch hohe Telefonrechnung unbezahlt, sodass mir alsbald der Anschluss gesperrt wurde. Ich sagte einfach jedem, er solle die viernull am Schluss wählen. Obwohl die Leitung in der Zentrale gesperrt war, bekam ich weiterhin Anrufe. Dabei hätte der Apparat tot sein sollen … dennoch kam von irgendwoher Strom. Technisch hätte das vollkommen unmöglich sein müssen, es sei denn, die NewYorker Telefongesellschaft höchst selbst hörte mich ab. Auf dem Land ist es viel einfacher, Telefone abzuhören. Die Leitungen sind leichter zugänglich. Es ist sogar möglich, sie direkt am Haus anzuzapfen. Die moderne Technik ist so ausgereift, dass es gar nicht nötig ist, etwas anzubringen; es genügt schon, wenn ein Laster neben der Leitung parkt und alle Gespräche über Funk auffängt. In den Sechzigerjahren standen in UFO-Gegenden auffallend viele mysteriöse Laster herum, und manchmal schenkten die Insassen Telefonen und Telefonleitungen auffällig große Aufmerksamkeit. Eine ihrer Methoden nannte ich den »Silberbandtrick«. Dabei wickelten sie meterweise silbernes Band ziemlich wild um die Telefonmasten in der Nähe eines potenziellen Opfers. Ich habe das mehrmals beobachtet und auch Proben des Bandes mitgenommen. Es war kein Tonband, wie es vielleicht Telefontechniker verwenden, sondern ganz gewöhnliches wetterfestes Isolierband, wie man es in jedem Eisenwarenladen bekommt. »Es gab Hinweise darauf, dass sich jemand am Telefon [der Zeugin] zu schaffen gemacht hatte«, berichtete 307
Jennifer Stevens aus Albany 1968. »Sie beobachtete zwei ›leicht negroide Typen‹ mit völlig ausdruckslosen Gesichtern, die ›Silberband‹ um die Drähte nahe ihrem Haus wickelten. Da sie nicht mit einem offiziellen Wagen der Telefongesellschaft gekommen waren, rief sie die Polizei. Die Männer waren allerdings schon wieder weg, als die Beamten eintrafen. Einziger Kommentar der Polizei: ›Oh, schon wieder das Silberband.‹« Im März 1968 streifte ein großes, viermotoriges Flugzeug ohne sichtbare Aufschrift die Baumspitzen über Henderson, Westvirginia, direkt südlich von Point Pleasant und ließ eine Ladung Silberband fallen. Sheriff George Johnson sammelte etwas davon auf und übergab mir ein paar Proben. Ebensolche hatte ich aus Ohio, Florida und einigen anderen Orten. Das Band war identisch mit dem, das unsere mysteriösen Männer benutzten. Da es extrem gut haftete, fragt man sich, wie ein Flugzeug es in vollem Flug abwerfen kann, und vor allem, was der Zweck dieser Übung sein soll.
III Die U.S. Air Force hatte mich belogen. Die Telefongesellschaft belog mich. Die UFO-Wesen belogen mich. Meine eigenen Sinne hatten mich auch schon gelegentlich getrogen. Deshalb sagte ich nichts von einem drohenden Stromausfall, obwohl der 15. Dezember immer näher rückte. Schließlich war Papst Paul VI. in der Türkei einem Anschlag entgangen. Keine der chemischen Fabriken am Ohio war bislang explodiert. Vielleicht war auch dies nur eine bösartige Irreführung oder die Schilde308
rung eines Ereignisses, das irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hatte oder weit in der Zukunft stattfinden würde. Am Nachmittag des 15. Dezember kam zufällig ein alter Freund, Joe Woodvine, bei mir zu Hause vorbei. Joe war Sicherheitsoffizier bei der Transportbehörde. Ich hatte ihn lange nicht gesehen, und er hatte keine Ahnung von UFOs und deren Kapriolen. Von dem Stromausfall sagte ich nichts, bis Dan Drasin auftauchte. Joe hörte mit offenem Mund staunend zu, wie ich Dan erklärte, dass ich mit einem landesweiten Stromausfall rechnete in dem Moment, in dem der Präsident die Lichter des Weihnachtsbaumes einschaltete. Dan war ebenso von Sinnen wie ich. Wenn es einen Stromausfall geben würde, so entschied er, wäre er lieber in seiner eigenen Wohnung. Joe wurde ganz still, wahrscheinlich fragte er sich, ob wir irgendwie gefährlich waren. Dan ging gegen fünf Uhr. Ich schaltete den Fernseher ein. Um Viertel vor sechs begann die Zeremonie vor dem Weißen Haus. Joe beobachtete mich voller Sorge. Präsident Johnson hielt die übliche kleine Rede auf dem Rasen vor dem Weißen Haus. Dann berührte er den Schalter, und der Baum erstrahlte. Die Menschen riefen »Oh!« und »Ah!«, als hätten sie noch nie einen Christbaum gesehen. Meine Lichter gingen nicht aus. Joe musterte mich schweigend. Plötzlich meldete sich ein Sprecher. »Wir unterbrechen diese Übertragung für eine kurze Meldung«, verkündete er ohne Umschweife. »Bei Gallipolis, Ohio, ist vor wenigen Minuten eine Brücke im Feierabendverkehr eingestürzt. Sobald weitere Einzelheiten bekannt sind, werden wir Sie informieren.« Ich ließ mich in meinen Sessel zurücksinken. Es gab in Gallipolis keine Brücke. Die einzige Brücke in diesem 309
Abschnitt des Flusses war die zweihundert Meter lange Silver Bridge bei Point Pleasant. Die Brücke, über die ich tausende Male gefahren war. »Sie haben es wieder getan«, flüsterte ich schließlich. »Diese schäbigen Bastarde haben es wieder getan. Sie wussten genau, dass das passieren würde … und wann. Und mir erzählten sie Märchen über einen Stromausfall. Sie wussten es. Sie wollten nur, dass ich niemanden warnen kann.« »Sie … wer ist ›sie‹, John?«, fragte Joe leise. Das Telefon klingelte. Dan war dran. »Haben Sie es gehört?« »Ja. Ich denke, das war’s, Dan. Darum ging’s.«
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»Wo sich die großen Vögel sammeln …«* I Nach auf den Tag genau 13 Monaten (15. November 1966 bis 15. Dezember 1967) ging das Jahr des Garuda zu Ende. Wie ein böser Todesgeist hatten Mothman und die UFOs die Aufmerksamkeit der ganzen Nation auf das kleine beschauliche Point Pleasant gelenkt und Massen von Reportern und Ermittlern wie mich ins Ohio River Valley gelockt. Als die Silver Bridge vor Altersschwäche zusammenbrach, kamen einige derselben Reporter wieder, um alte Freunde zu besuchen und ihren Schmerz an diesem tragischen Weihnachten zu teilen. Im Fernsehen und auf sämtlichen Titelseiten des Landes waren nur noch die schrecklichen Bilder aus Point Pleasant zu sehen. Die Silver Bridge wurde 1928 errichtet und galt seinerzeit als architektonische Meisterleistung. Sie wurde zu einer Hauptarterie zwischen Westvirginia und Ohio, doch für das massive Verkehrsaufkommen der Sechzigerjahre war sie nicht ausgelegt. Schwere Lastwagen donnerten permanent darüber. Jeden Tag überquerten Massen von Leuten den Fluss, um einzukaufen, zu arbeiten oder Freunde zu besuchen. Die nächste Brücke war fast achtzig Kilometer flussaufwärts. *
Am 16. Juni 1967 erhielt Mrs. Gladys Fusaro aus Huntington, New York, einen Anruf von einer Frau, die sich als Prinzessin Moon Owl ausgab. Die Prinzessin trug ihr auf, mir Folgendes auszurichten: »Die Kiesel am Strand werden unter der Brücke gewaschen, dort wo sich die großen Vögel sammeln und wo Lichtstrahlen durchscheinen.« 311
Auf der Ohio-Seite des Flusses lag ein kleiner Ort namens Kanauga, eine winzige Ansiedlung mit Geschäften und Wohnhäusern. An diesem Nachmittag funktionierte hier die Ampel an der Auffahrt zur Brücke nicht richtig. Sie zeigte ständig grün, und der Feierabendverkehr auf der Route 7 schob sich unablässig weiter. Sehr bald herrschte in beiden Richtungen Stau. Um 17 Uhr wand sich eine einzige kriechende Autoschlange stockend über die Brücke. Auch die Ampel auf der Point Pleasant-Seite machte Probleme. Ihre Rotphasen waren generell so lang, dass viele ortskundige Pendler sie inzwischen ignorierten. Rote Ampeln überfahren war an dieser Stelle allgemein üblich. Frank Wamsley, ein 28-jähriger Lastwagenfahrer, war auf dem Heimweg nach Point Pleasant. Zusammen mit einem Freund saß er in einem Kieslaster. Auf der OhioSeite reihten sie sich in den Stau vor der Brücke ein. Es sollte ein schwarzer Tag werden für die WamsleyFamilie. Auf der Westvirginia-Seite waren Franks Cousine Barbara und ihr Mann Paul Hayman im Begriff, in ihrem 1955er Pontiac über die Brücke zu fahren. Auch sein Onkel, Marvin Wamsley, war zusammen mit zwei Freunden auf der Brücke, in einem 1956er Ford Cabrio. Bill Needham, 27, aus Ashboro, North Carolina, fluchte leise, weil er in den Feierabendverkehr geraten war. Meter für Meter schob er seinen Sattelzug in der Schlange voran. Sein Kollege R. E. Towe saß schweigend neben ihm. »Die alte Brücke bricht heute sicher noch zusammen«, bemerkte Howard Boggs, 24, zu seiner Frau Marjorie, 19. Sie hatte ihre 18 Monate alte Tochter Christie auf dem Arm. Es waren einige kleine Kinder auf der Brücke, die mit ihren Müttern Weihnachtseinkäufe erledigt 312
hatten. »Die Brücke schwankte, doch das tat sie immer«, sagte William Edmondson, 38, aus King, North Carolina, später. Sein Partner Harold Cundiff schlief tief und fest. Der Verkehr wurde immer schlimmer. Die Blechschlange kam vollends zum Stillstand. Die alte Brücke ächzte und wand sich unter dem Gewicht. Frank Wamsley entdeckte seine Cousine Barbara und ihren Mann und winkte ihnen zu. Direkt vor sich sah er Marvin und seine beiden Freunde. Plötzlich krümmte sich die ganze Brücke. Es war 17.04 Uhr. Stahl ächzte. Die über zweihundert Meter lange Hängebrücke verdrehte sich, riss die Fahrbahn aus ihren Verankerungen. Elektrokabel, die über die Brücke gespannt waren, zerrissen in einem Feuerwerk aus sprühenden Funken. Fünfzig Fahrzeuge stürzten in das schwarze Wasser des Ohio, Tonnen Stahl donnerten auf sie hinab. »Es klang, als ob jemand Möbel rückt, dann gingen alle Lichter aus«, berichtete R. E. O’Dell. Der Bundespolizist befand sich in einem Versicherungsbüro einen Häuserblock von der Brücke entfernt. »Als die Lichter ausgingen – sie flackerten rund eine Minute lang –, wusste ich, dass was passiert war. Ich rannte hinaus, weil ich dachte, es wäre ein Schiffsunglück.« Mary Hyre war in einem Drugstore auf der Main Street in Point Pleasant. Sie wollte abwarten, bis der Verkehr nachließ, um dann ins Krankenhaus von Gallipolis hinüberzufahren und die täglichen Meldungen von dort aufzunehmen. »Da war ein Geräusch wie von einem Düsenflugzeug, oder wenn ein Flugzeug die Schallmauer durchbricht«, erzählte sie später. »Ein donnerndes Dröhnen, das in den Ohren wehtat. Dann flackerten die Lichter. Mein erster 313
Gedanke war: Irgendwas ist in die Luft geflogen. Ich dachte: ›Mein Gott, John hatte Recht! Etwas ist explodiert! Ich rannte hinaus, jemand schrie: ›Die Brücke ist eingestürzt!‹« Ein Christbaumverkäufer in Kanauga, H. L. Whobrey, ließ den Baum fallen, den er gerade in der Hand hielt. »Die Brücke stürzte einfach um, und zwar von der OhioSeite aus, dann ging es wie bei einem Kartenhaus weiter bis zur Westvirginia-Seite. Es war unglaublich. Als die Brücke endgültig versank, gab es einen heftigen Blitz, und eine Rauchwolke stieg auf. Wahrscheinlich riss die Stromleitung. Drei oder vier Leute schwammen schreiend im Wasser herum. Ich konnte nichts tun. Ich stand einfach nur da und starrte hin. Dann sah ich, wie ein Rettungsboot kam und sie an Bord holte.« Frank Wamsley beobachtete, wie die Brücke vor ihm scharf abkippte; auf einmal war nur noch Wasser überall um ihn herum. »Ich sank im Laster bis zum Boden. Eine Minute lang glaubte ich nicht, mich aus der Kabine befreien zu können. Am Ende schaffte ich es doch, kam an die Wasseroberfläche und krallte mich an irgendwas fest. Ziemlich bald wurde ich dann aus dem Wasser gefischt.« Als das Boot neben ihm hielt, stellte er fest, dass er seine Beine nicht bewegen konnte. Er musste an Bord gehievt werden. Später stellte sich heraus, dass sein Rückgrat gebrochen war. Auch Howard Boggs fand sich am Grund des Flusses wieder, außerhalb seines Wagens. »Ich habe keine Ahnung, wie ich aus dem Auto gekommen bin oder wie ich wieder an die Oberfläche gelangte. Plötzlich war ich einfach oben und hielt mich an etwas fest, das sich anfühlte wie ein großer Baumwollballen.« Seine Frau und sein Kind schafften es nicht. Bill Needhams Laster sank ebenfalls bis zum Grund 314
hinab, aber irgendwie gelang es ihm, durch ein Fenster zu entkommen und die Oberfläche zu erreichen. »Man sah und hörte überall Menschen um Hilfe schreien«, beschrieb Mary Hyre die Szenerie. »Ich sah einen Sattelschlepper, der kurz schwamm, bevor er sank, und ein Auto und Ladung auf dem Wasser schwimmen. Die Leute auf der Westvirginia-Seite waren so außer sich, dass sie kaum wahrnahmen, was vor sich ging. Man hörte Leute sagen: ›Das darf doch nicht wahr sein … So was liest man vielleicht mal in der Zeitung, aber hier kann es doch nicht passieren …‹« Wie Howard Boggs fand sich auch William Edmundson plötzlich an der Wasseroberfläche wieder, an einen Lastersitz geklammert. Er hatte keine Ahnung, wie er sich aus seinem Auto befreit hatte. Sein Partner tauchte nicht auf. »Als ich hinkam, sah ich einen Laster an der Oberfläche schwimmen«, berichtete O’Dell, der Polizist. »Ein Mann hing an der Seite heraus. Dann sank der Laster. Ich weiß nicht, ob er es noch geschafft hat, sich zu befreien.« Schweigend und mit aschfahlen Gesichtern kamen die Leute aus allen Richtungen herbeigerannt. Sie wussten, dass ihre Freunde und Verwandten dort in dem eisigen Wasser sein konnten, dass sie vielleicht schon längst unter Trümmern und aufgeweichten, bunt eingepackten Weihnachtsgeschenken begraben waren. Boote aller Arten kreuzten über den Fluss und sammelten Überlebende ein. Auf beiden Seiten des Flusses weinten Menschen, die in der Schlange darauf gewartet hatten, die Brücke zu überqueren. Manche standen unter Schock und mussten behandelt werden. Bald war es stockdunkle Nacht. Boote mit Scheinwerfern suchten das Wasser ab. Drückende Stille senkte sich über 315
Point Pleasant. Am Flussufer zeichnete sich Sheriff Johnsons große, schlanke Gestalt ab. »Rufen Sie alle Rettungseinheiten an«, sagte er leise zu einem Deputy. »Alle sollen hierher kommen. Blockieren Sie die Straßen. Lassen Sie nur noch Rettungsfahrzeuge in die Stadt.« Mary Hyre schlang ihren Mantel enger um ihren rundlichen Körper. Tränen rannen ihr über das Gesicht, als sie in die Redaktion zurückging. Ihre jahrelange berufliche Erfahrung half ihr, sich nicht von den Gefühlen überwältigen zu lassen. Sie stieß die Tür auf und ging zu ihren Telefonen. Keines funktionierte. Sie stellte den Fernschreiber an und tippte mit zwei Fingern die Meldung ein. »Um 17.04 Uhr heute Nachmittag …« Draußen heulten Sirenen, immer mehr Menschen kamen zusammen. Vor der Redaktion schrie hysterisch ein Mädchen: »Ich bin fast umgekommen … Ich hätte auch da draußen sein können … All die Leute sind tot … Ich hätte auch sterben können!«
II Drei Kilometer nördlich der Brücke stand Mrs. Jackie Lilly in einem Lebensmittelladen und wartete auf ihre erwachsenen Kinder. Sie wollten am Abend zusammen auf der anderen Flussseite zum Bowling gehen. Ihr Mann Jim war noch bei der Arbeit auf seinem Boot. Um zwanzig nach fünf stürmten Gary und Johnny Lilly atemlos in den Laden. »Die Brücke ist in den Fluss gefallen«, rief Johnny. »Das ist nicht lustig«, wies ihn seine Mutter zurecht. 316
»Aber es stimmt! Die alte Brücke ist gerade eingestürzt«, bekräftigte Gary. »Und sie war voller Autos.« Johnny fuhr sie heim zu ihrem Haus an der Camp Conley Road. Mrs. Lilly ging sofort zum Telefon. Die Leitung war tot. Als Johnny sich wieder auf den Weg gemacht hatte, heim nach Point Pleasant zu seiner Frau, schaltete der 18-jährige Gary den Fernseher ein und suchte eine Nachrichtensendung. Ein paar Minuten später blickte er aus dem Wohnzimmerfenster und schnappte nach Luft. »Da draußen ist etwas!«, rief er. Mrs. Lilly schaute ebenfalls hinaus und sah noch, wie ein blinkendes rotes Licht über den Bäumen verschwand. »Meinst du, diese Dinger sind zurückgekehrt?«, fragte Gary. »Das war wahrscheinlich nur ein Flugzeug«, antwortete sie. Trotzdem schaltete sie das Licht aus, damit sie besser in die Nacht hinaussehen konnten. Ein paar Minuten später erschien ein zweites Licht, das sich in dieselbe Richtung bewegte wie das erste. Es war eines dieser blendend hellen Prismalichter, das die Anwohner der Camp Conley Road nur allzu gut kannten. Sie gingen nach draußen, um es sich anzusehen. »Es war kein Flugzeug«, versicherte mir Mrs. Lilly später. »Sondern eins dieser Dinger, die immer auf und ab hüpfen. Es war nicht das leiseste Geräusch zu hören.« In der folgenden Stunde achteten Mrs. Lilly, Gary und Tochter Linda abwechselnd auf den Fernseher und die schaurigen Vorgänge in der Luft draußen. »Wir haben zwölf von den Dingern gezählt«, berichtete Mrs. Lilly. »Die meisten davon schwebten direkt oberhalb der Bäume. Sie schienen aus der Richtung des TNTGeländes zu kommen und bewegten sich nach Süden auf die Stadt zu.« 317
Auf den Straßen von Point Pleasant hatten sich hunderte Menschen versammelt, doch sie sahen an diesem Abend nichts. Vielleicht waren die Objekte ihrer alten Route gefolgt und hinter dem North Park in die Schlucht abgetaucht, um dann in östlicher Richtung auf die Hügel zuzusteuern. »Ich bekam Angst«, erinnerte sich Mrs. Lilly. »Wir hatten in einer Nacht noch nie so viele gesehen. Ich versuchte immer wieder zu telefonieren, um jemanden zu bitten, uns abzuholen.« Gegen 21 Uhr bekam sie schließlich ein Freizeichen und konnte einen Nachbarn anrufen. Er holte sie ab und fuhr sie zu Mrs. Lillys Mutter in Point Pleasant. Ein paar Monate später zog James Lilly mit seiner Familie von der Camp Conley Road fort.
III Gegen zwei Uhr morgens kam ich schließlich telefonisch nach Point Pleasant durch. Als Mary Hyre abhob, war ich erleichtert. Sie sprach langsam, offenbar war sie sehr erschöpft. »Es war das Schlimmste, was ich je gesehen habe«, erzählte sie. »Aber ich war irgendwie darauf vorbereitet. Wissen Sie, diese Träume, die ich hatte … na ja, es war genau so wie in diesen Träumen. Die Päckchen, die im Wasser herumschwammen. Menschen, die um Hilfe rufen. Die Träume sind Wirklichkeit geworden.« »Geht’s allen gut?«, fragte ich besorgt. »Den McDaniels, Connie und den anderen?« »Ich glaube schon. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir genau wissen, wer alles auf der Brücke war. Es 318
könnten an die hundert Menschen gewesen sein. Einige konnten gerettet werden. Aber die meisten sind unter dem Stahl begraben worden.« Nach einem Monat konnten Taucher und Rettungsteams unter schwierigsten Umständen 38 Leichen bergen. Einige Menschen aus Ohio und Westvirginia wurden vermisst, sodass man davon ausging, dass auch sie sich auf der Brücke befunden hatten. Auch einige UFO-Zeugen waren unter den Toten. »Ich habe mit einer Frau gesprochen, die in der Nähe der Brücke wohnt«, fuhr Mary fort. »Sie sagte, sie habe vor zwei Tagen zwei Männer über die Brücke klettern sehen.« »Klettern?« »Ja. Sie überquerten die Brücke nicht, sondern kletterten an der Seite entlang.« »Konnte sie die Männer beschreiben?« »Sie trugen karierte Mäntel und schwarze Hosen. Die Gesichter konnte sie nicht gut sehen, weil sie so weit weg waren. Aber die Schuhe sind ihr aufgefallen. Sie trugen keine Stiefel, sondern ganz normale Halbschuhe. Die Frau fand das seltsam angesichts des Wetters.« »Sie sollten dafür sorgen, dass sie mit der Polizei spricht, Mary«, sagte ich. »Das werde ich. Es gibt so viel zu tun. Von überallher kommen Leute. Und sobald mein Telefon wieder ging, bekam ich Anrufe von Zeitungen und Radiosendern aus allen Ecken des Landes.« »Sie brauchen unbedingt ein bisschen Schlaf.« »Ich weiß, aber ich kann jetzt hier nicht weg. Krankenwagen und Rettungsfahrzeuge sind immer noch unterwegs. Sie werden die ganze Nacht im Einsatz sein. Ich muss auch hin.« Später wurde die Brücke Stück für Stück aus dem Wasser 319
gehievt und auf einem Acker in der Nähe von Henderson rekonstruiert. Ingenieure kamen zu dem Schluss, dass der Einsturz auf Materialermüdung und bauliche Mängel zurückzuführen sei. »John«, begann Mary zögernd, »glauben Sie, das hat irgendwas mit UFOs und dem ›Vogel‹ zu tun?« »Darauf gibt es keine Antwort, Mary. Vielleicht waren Menschen auf der Brücke, die uns etwas hätten mitteilen können. Ich kannte den Zustand der Brücke. Und ich habe Warnungen bekommen, dass etwas Schreckliches passieren würde. Wenn ich schneller zwei und zwei zusammengezählt hätte, hätten wir vielleicht all diese Leben retten können.« »Es ist nicht Ihr Fehler. Manche Dinge sollen einfach passieren. Sie haben keinen Einfluss auf die Zukunft … selbst wenn Sie wissen, was passieren wird.« Ich hörte, dass bei ihr im Hintergrund eine Frau weinte. »Gerade ist eine Frau hereingekommen«, flüsterte Mary, »ihr Mann wird vermisst.« Nachdem wir aufgelegt hatten, saß ich lange vor meinem großen Fenster und blickte auf das Lichtermeer von Manhattan. Ein ganzes Jahr lang war mein Leben mit den Bewohnern von Point Pleasant eng verknüpft gewesen. Ich war in Beziehungen und Ereignisse verstrickt worden, die einem bestimmten Muster zu gehorchen schienen, das ich weder beeinflussen noch begreifen konnte. Ich hatte auf diesen fernen Hügeln gestanden und zugesehen, wie sich die schrecklichen, hüpfenden Lichter über mich lustig machten. In den folgenden Monaten sollte sich vieles ändern im Leben derjenigen, die mit dem Garuda in Berührung gekommen waren. Roger und Linda Scarberry ließen sich scheiden, ebenso Woodrow Derenberger, der wieder heiratete – inzwischen fast schon Tradition unter Kontaktern –, diesmal eine schöne, 320
junge Frau, die ebenfalls Kontakterin war. Sie zogen in einen anderen Bundesstaat, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Andere erlitten Nervenzusammenbrüche und verbrachten lange Zeit im Krankenhaus. Ein paar begingen Selbstmord. Die Ereignisse des Jahres 1967 forderten unter den Beteiligten zu viele Opfer. Mary Hyre starb 1970, Ivan T. Sanderson 1973. Dr. Edward U. Condon, Fred Freed und viele andere starben ebenfalls lange vor dem zehnten Jahrestag der Erscheinung des Flügeldings vor dem alten Kraftwerk. Einige der Leute, die große, haarige, rotäugige Monster gesehen hatten, starben innerhalb von sechs Monaten. Sogar Mr. Apol nahm einen sonderbaren Abgang, indem er sich mit den Men in Black eine Scharade lieferte, die seinen Lebensmut brach. Er vegetierte dahin wie ein Mensch nach einem Schlaganfall, bis von ihm nichts mehr übrig war als sein breites Grinsen. Noch immer verkehren nächtens rätselhafte Lichtkugeln auf ihren alten Routen in den Tälern von Mississippi und Ohio. Eine neue Generation steht nun auf den Anhöhen und beobachtet erwartungsvoll den Himmel. Ihre Eltern, durch dreißig Jahre Zeichen und Wunder abgestumpft, haben aufgehört zu spotten. Heutzutage können Leute, die an außerirdische Besucher und Retter aus dem Weltraum glauben, in den angesehensten Fernsehsendungen ihre Propaganda über die imaginäre Welt verbreiten, über deren überlegene Technologie und unglaublich hirnlosen Vertreter, die die Namen antiker Götter annehmen und sich darüber beschweren, Gefangene einer fremden Zeit zu sein. Viele Menschen fragen mich immer noch, ob ich weiß, was die Zukunft bringt. Wie bei meinen Interviews hülle ich mich dann in Ironie und sage mit Sokrates: Je mehr ich lerne, desto weniger weiß ich. Meine Blicke in die 321
Zukunft waren alle aus zweiter Hand und häufig absichtlich oder versehentlich verzerrt. So viele Generationen vor uns wurden von falschen Propheten, Wundertätern und Himmelszeichen heimgesucht. In gewisser Weise ist, aus ihrem eigenen mikroskopischen Blickwinkel betrachtet, jede Generation die letzte. Unsere moderne Kommunikationstechnologie aber bietet den heutigen Propheten Möglichkeiten, die den alten fehlten. Ideen können sich in Windeseile über die ganze Welt verbreiten, ganz egal wie absurd sie sind. Und es gibt immer Menschen, die irgendwelchen Ideologien hinterherrennen, seien sie auch noch so grotesk. In den letzten Jahren haben wir erlebt, wie das Interesse an übersinnlichen und übernatürlichen Phänomenen überall auf der Welt wieder aufgeflammt ist. Nüchterne, seriöse Wissenschaftler beschäftigen sich auf einmal mit Loch Ness und seinem Ungeheuer, andere diskutieren mit Fischern am Mississippi ernsthaft über Roboter aus dem Weltraum. Nach und nach aber entdecken all diese Menschen die Ontologie, die Philosophie des Seins, denn die Frage, die hinter dem oberflächlichen »Wie können diese Dinge passieren?«, steht, lautet: »Warum gibt es diese Dinge?« Wie Mr. Apol und seine fröhliche Mannschaft von Bösewichtern wissen wir nicht, wer wir sind und was wir hier tun. Doch wir lernen langsam dazu. Wenn wir erst einmal hinter das Offensichtliche blicken, werden wir die Wahrheit erkennen. Der Glaube war immer der Feind der Wahrheit; wenn aber andererseits unser Geist beweglich genug bleibt, kann uns der Glaube die Tür öffnen. Mein Leben lang war ich in ägyptischen Gräbern, indischen Tempelruinen und Lamaklöstern im Himalaja unterwegs und habe endlose Nächte auf Friedhöfen, in Kiesgruben und auf Anhöhen verbracht. Ich habe viel 322
gesehen, und mein kindlicher Sinn für Wunder blieb stets unerschütterlich. Dennoch verfolgt mich immer noch die Frage von Charles Fort: »Angenommen, es gibt so etwas wie einen universellen Geist – wer sagt, dass der gesund sein muss?«
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Nachwort
Das 20. Jahrhundert begann mit unzähligen Mythen über uns selbst und das Universum. Die Welt schien ein freundlicher und wundervoller Ort zu sein. Berühmte Astronomen versicherten uns, dass auch der Mars voller Leben und hoch entwickelter Technik sei. Automobile und Flugmaschinen wurden immer weiter verbessert. Das Jahrhundert ließ sich herrlich an. An seinem Ende jedoch waren wir zu verbitterten Zynikern geworden, von Kriegen erschöpft und misstrauisch gegenüber Mysterien und denen, die sie in die Welt setzen. Das Jahrhundert geriet zu einem gigantischen Blutbad. Hundert Jahre lang kannte jeder, wo auch immer er lebte auf diesem Planeten mit seiner Hülle aus Sauerstoff, Stickstoff und kosmischer Spucke, innerhalb von dreihundert Kilometern jemanden, der selbst schon einmal ein stinkendes Monster mit großen roten Augen gesehen hatte. Sie waren überall, und in ihrem Schlepptau kamen wahnsinnige Diktatoren, Publicity-hungrige Generäle und Kriegsherrn und nicht zuletzt verrückte Wissenschaftler, die in einem fort unverständliche Formeln vor sich hin murmelten, mit denen sie Dinge manipulieren wollten, die wir nicht sehen konnten. Die ganze Welt war diesem Wahn verfallen. Es gab nur noch wenige, die sich die Mühe machten und durch Wälder, Sümpfe und Wüsten stapften, wild entschlossen zu beweisen, dass die Vernunft am Ende triumphieren würde. Wir haben versagt. Die Technologie übernahm die Macht, und die von uns geschaffenen Maschinen sind nun verrückter, als wir es je waren. Unsere Millionäre, die sich wie 324
Kakerlaken vermehrten, steckten ihr Geld in Fernsehsender, Schnapsfabriken, Computerentwicklung und ausgesuchte militärische Projekte, bei denen im Kongo Dinosaurier gejagt und in den irischen und schottischen Lochs riesige Seeschlangen gefangen werden sollten. Im Nordwesten des Pazifik, China und Russland jagte man große, haarige Humanoiden, im Mittleren Westen der USA Kängurus und geisterhafte Dämonen, die Kühe misshandelten und Blut tranken, wo immer sie welches finden konnten. Ergebnis: Millionen vergeudete Dollar und jede Menge schlechte Filme und noch schlechtere Fernsehsendungen, außerdem stapelweise schlechte Bücher. Zum Glück bin ich ein bisschen anders. Sollen doch die anderen grüne Männchen jagen. Bei mir hat nie ein Millionär angeklopft und nachgefragt, ob er mir vielleicht die Suche nach den Riesenwürmern von Australien finanzieren soll. Immerhin, das muss ich zugeben, war ich in Norwegen und Schweden, als nicht identifizierbare Unterseeboote für Aufsehen sorgten. Es stellte sich heraus, dass Amerikaner und Sowjets unter Wasser Kalter Krieg spielten. Die letzte große UFO-Welle gab es in den Achtzigerjahren in Russland, und auch die stellte sich als Kalter-Kriegs-Schwindel heraus. Zeitungsenten, Betrug und unverhohlene Tricks waren stets ein wichtiges Element dessen, was man durchaus als Zirkusnummer bezeichnen kann. Jahrelang reiste ein »Künstler« mit einer Attraktion, die aus einem ausgestopften Bigfoot in einem Eisbehälter bestand, kreuz und quer durch die USA. Vielleicht zahlen die Leute immer noch Eintritt für diese Hollywood-Schöpfung. Die Wright-Patterson Air Force Base besitzt ein öffentliches Museum, in dem alles ausgestellt ist, was angeblich aus UFOs stammt, darunter auch ein paar alte Pfannkuchen. Jeden Sommer lockt Nessie tausende Touristen nach 325
Loch Ness. Häufig wird sie unmittelbar vor Beginn der Saison gesichtet. UFOs neigen dazu, an obskuren Orten und immer um die Zeit der Sonnenwenden aufzutauchen. Mothman – oder »der Vogel« – ist seit den Sechzigerjahren fast durchgehend immer wieder erschienen. Angeblich flog er im Juli 2001 in South Dakota herum. Nach den zahllosen Briefen und Zeitungsausschnitten zu urteilen, die sich bei mir in dreißig Jahren angesammelt haben, scheint er festen Routen in bestimmten Gebieten der USA zu folgen. Auch rotäugige Drachen umfliegen den Planeten regelmäßig. In den Fünfzigerjahren schienen wir von ihnen regelrecht umzingelt zu sein, bis wir schließlich erfuhren, dass der berühmte U-2Spionageflieger ein schwer wiegendes Manko hatte: Er leuchtete hellrot, wenn er mit hoher Geschwindigkeit durch die Stratosphäre flog. Als ich in den Sechzigern zum ersten Mal in Point Pleasant war und mit den vielen Zeugen sprach, war ich davon überzeugt, einem ungewöhnlich großen Vogel auf der Spur zu sein. Ich habe keine Ahnung, was ich getan hätte, wenn ich wirklich einen gefangen hätte … oder er mich. Bei späteren Missgeschicken machte ich Erfahrungen mit zahlreichen teuflischen Kräften, und in meiner Senilität bin ich heute davon überzeugt, dass es auf dieser Welt viele Dinge gibt, die wir nur zufällig, wenn überhaupt, zu Gesicht bekommen. Sie scheinen unsere Gedanken durcheinander zu wirbeln und sogar unsere schwachen kleinen Gehirne zu kontrollieren. Ufomanie unterscheidet sich nicht wesentlich von Teufelswahn. Religiöser und politischer Fanatismus haben viel mit diesen Manien, aber auch mit Paranoia und Schizophrenie zu tun. Und es ist durchaus gewollt, dass wir so verrückt sind. Es ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Seins. Sonst würde es keine Kriege 326
geben, keine Hitlers und Napoleons, keine Leute wie Woodrow Derenberger (oder seinen unseligen Psychologen). Wir sind diejenigen, die diesen Planeten heimsuchen. Die anderen Bewohner kämpfen bloß gegen die Langeweile, indem sie Himmel und Wasser mit Ungeheuern bevölkern. Ich sollte in diese kleine Stadt in Westvirginia kommen und Dinge erfahren, die in den letzten Jahrhunderten viele Menschen wussten, aber nie hinterfragt haben. Ich warnte Sheriff Johnson und Mary Hyre vor der Legendenbildung. Gray Barker versuchte, ein himmlisches Märchen daraus zu machen, indem er mich dazu überredete, dieses Buch zu verfassen und alles so aufzuschreiben, wie es sich in Wirklichkeit zugetragen hatte. Es hat drei Jahrzehnte gedauert, bis die Geschichte veröffentlicht werden konnte, und das ist nicht zuletzt vielen, vielen treuen Freunden zu verdanken, wie Knox Burger, dem Maxwell Perkins unserer Gegend; Ivan T. Sanderson, dem Zoologen, der mich in diesen beängstigenden Zeiten begleitet hat; Martin Singer; David Blakiston; Ronald Bonds; Richard Hatem; Coral Lorenzen und einer ganzen unsichtbaren Armee von Beratern, Experten, Redakteuren, Journalisten und natürlich meinen Freundinnen, die oft Todesängste leiden mussten. Massen von Plagiatoren, Comiczeichnern, intellektuellen Trittbrettfahrern und hirnlosen AlteDamen-Betrügern haben es schon versucht. Jetzt ist Hollywood an der Reihe. Dort hat man es geschafft, die grundlegenden Wahrheiten auf Zelluloid zu bannen. Keine leichte Aufgabe. Doch die Wahrheit zu sagen ist immer schwer. John Keel New York City August 2001
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