Michael Möser Technische Akustik
Michael Möser
Technische Akustik Sechste, erweiterte und aktualisierte Auflage
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Prof. Dr.-Ing. Michael Möser Technische Universität Berlin Institut für Technische Akustik Einsteinufer 25 10587 Berlin
[email protected] Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über aufrufbar isbn 3-540-22510-2 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI,VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Springer-Verlag, Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin Einbandgestaltung: Struve & Partner, Heidelberg 68/3020 uw – Gedruckt auf säurefreiem Papier – 5 4 3 2 1 0
Dieses Buch widme ich meinen Eltern Christel und Anton M¨oser
Vorwort
Vorwort zur sechsten Auflage Auch die hier nun vorliegende sechste Auflage der Technischen Akustik“ ver” steht sich - wie die f¨ unfte - als Lehrbuch zum Selbststudium ebenso wie zur Vorlesungsbegleitung. Und auch die Absichten, die den Verfasser beim Herstellen der Neuauflage geleitet haben, sind im Prinzip ganz unver¨ andert geblieben (siehe unten). Die Darstellungen bauen neben der notwendigen ausf¨ uhrlichen Formeldarstellung auch auf Anschaulichkeit und auf die Vorstellungskraft der Leser. Nicht nur das ’Wie’, sondern auch das ’Warum’ steht bei der Schilderung der einzelnen Schritte im Vordergrund. So unterscheidet sich denn die Neuauflage vor allem durch ihren doch deutlich gewachsenen Umfang von ihrer Vorg¨angerin. Ein neues Kapitel ist dazugekommen. Es behandelt die Grundlagen der sogenannten ’aktiven’ L¨ armbek¨ampfung, ein oft diskutierter Stoff, der heute sicher zum akustischen Allgemeinwissen z¨ahlt. Zu diesem Thema sind die grundlegendsten Betrachtungen aufgenommen worden. Einige andere Kapitel haben Erweiterungen erfahren, z. B. werden bei der Wellenausbreitung nun auch das bewegte Medium und der Doppler-Effekt betrachtet. Kleinere Neuheiten betreffen z.B. den schr¨agen Schalleinfall bei den Absorbern und die Kanalverzweigungen bei den Schalld¨ampfern ebenso wie einige andere kleinere Nachtr¨ age aus der Praxis. Manche Ungereimtheit und mancher Fehler wurde beseitigt. Jedes Kapitel enth¨alt jetzt an seinem Schluß eine Zusammenfassung, die noch einmal auf das Wesentliche hinweist und in knapper Skizze das inhalt¨ liche Ger¨ ust errichtet. Sie dient der einpr¨agsamen Ubersicht u ¨ber das vorher ausf¨ uhrlich behandelte Thema. Ich w¨ unsche meinen Lesern ein interessantes und lehrreiches Studium meines Buches.
Berlin, im Sommer 2004,
Michael M¨ oser
VIII
Vorwort
Vorwort zur fu ¨ nften Auflage Die Vorlesungen u ¨ber Technische Akustik“ verstehen sich als Lehrbuch. Aus” dr¨ ucklich hat der Verfasser der vorliegenden f¨ unften Auflage beim Schreiben ein Buch beabsichtigt, das ebenso dem autodidaktischen Selbststudium wie der Vorlesungsbegleitung dienen soll. Das Buch richtet sich dabei an alle, die bereits eine gewisse Ein¨ ubung in die physikalisch-technische Denkweise und in den Ausdruck ihrer Inhalte durch mathematische Formeln mitbringen. Was man u ¨ber die gew¨ohnlichen Grundkenntnisse (wie z.B. Differenzieren und Integrieren) hinaus k¨onnen muss, kann im Anhang erlernt werden: der Umgang mit komplexen Zahlen z.B. wird hier nicht nur erl¨autert, er wird vor allem auch von seiner N¨ utzlichkeit her begr¨ undet. Es ist u ¨berhaupt ein wesentliches Anliegen des Verfassers, nicht nur das Wie, sondern vorrangig auch das Warum seines jeweiligen Vorgehens und Voranschreitens zu erkl¨ aren: meistens bestehen Verst¨andnisschwierig- keiten ja nicht im Nachvollziehen der Schritte, sondern in der oft unbeantwortet gebliebenen Frage, warum man es so und nicht anders macht. Der Verfasser hat sich hier stets redlich um Klarheit bem¨ uht. Auch beschr¨anken sich die Erl¨auterungen keineswegs auf die formelm¨ aßige Behandlung der Sachverhalte. Unbestreitbar bilden die Formeln zwar die eindeutigste Beschreibung der Inhalte und nur sie schildern auch der Gr¨ oße nach die Probleme und die Wirkungsweisen von sachgerechten Auslegungen ¨ der L¨osungen. Dennoch bleibt ein Ubriges zu tun. Nur die anschauliche, auf die Vorstellung bauende Erl¨auterung und Erkl¨arung l¨ asst Verstehen, Begreifen und Erkennen – kurz: inhaltliche Beherrschung – wirklich entstehen. Der ¨ Verfasser ist der Uberzeugung, dass Lernen – dem Lernenden ohnedies schon schwer genug – vom Lehrenden so leicht wie irgend m¨ oglich gemacht werden muss; der Leser entscheide dar¨ uber, ob sich diese Absicht hier auch in die Tat umgesetzt hat. In vieler Hinsicht ist diese Neuauflage dem großen Lothar Cremer verpflichtet. Nicht zuletzt verdankt der Autor sein eignes Wissen dem Studium der Cremer-originalen Erstauflage; auch sind wichtige Entdeckung Lothar Cremers nat¨ urlich Bestandteil der hier vorliegenden Auflage. Als Beispiele genannt seien nur die Cremer’sche Optimalimpedanz (im Kapitel u ¨ber Schalld¨ampfer) und die vielleicht wichtigste Entdeckung dieses Universalakustikers: gemeint ist der Koinzidenzeffekt, der erst eine befriedigenden Erkl¨ arung der Schalld¨ammung von W¨anden, Decken, Fenstern und anderen fl¨ achigen ahlt. Bauteilen ergeben hat und zum Kern des Grundlagenwissen z¨ Von der Cremer’schen (und der Cremer/Hubert’schen) Auflage unterscheidet sich diese neue Ausgabe durch eine deutlich ver¨anderte Themenauswahl. ¨ Cremer war dem universellen Uberblick verpflichtet: von der H¨ orpsychologie u ¨ber die Physik der Geige, den Tonaufzeichnungsverfahren und der Bau- und Raum-Akustik; alles, was mit Akustik zu tun hatte, war sein“ Gegenstand, ” alle akustischen Teilgebiete lagen ihm am Herzen. Die neue, f¨ unfte Auflage dagegen widmet sich mehr der Ingenieurausbildung. Der Versuch, sich auf das
Vorwort
IX
zu beschr¨anken, was dem heute in der Akustik praktisch t¨ atigen Ingenieur an R¨ ustzeug und Verst¨andnis not tut, hat zu der getroffenen Themenauswahl gef¨ uhrt. Aus diesem Anspruch heraus legen die Vorlesungen“ vor allem Wert auf ” die wichtigsten Maßnahmen zur Beruhigung der akustischen Umwelt. Alle Kapitel zwischen der elastischen Entkopplung (Kapitel 5) und der Beugung (Kapitel 11) haben direkt und indirekt die Frage zum Gegenstand, wie die Lautst¨arke in den praktisch wichtigsten akustischen Umgebungen – in Geb¨auden und im Freien n¨amlich – verringert werden kann. Nat¨ urlich l¨ asst sich u ¨ber dieses Ziel erst sprechen, wenn auch die inhaltlichen Voraussetzungen daf¨ ur schon geschaffen worden sind. Die Schalld¨ ammung von W¨ anden etwa kann nur begreifen, wer schon etwas u ¨ber K¨orperschall und insbesondere u ¨ber die Biegewellen auf Platten geh¨ort hat. Deshalb werden den genannten Maßnahmenkapiteln“ die Medienkapitel“ 2 bis 4 vorangestellt, um u ¨ber” ” haupt erst das erforderliche Grundlagenwissen u ¨ber die Natur von Schall und Schwingungen zu erarbeiten. Als Einleitung dienen einige Bemerkungen u ¨ber die Wahrnehmung von Schall. Den Schluss bilden die wichtigsten Mess- und Sende-Einrichtungen der Akustik: die Mikrofone, Lautsprecher und K¨ orperschallaufnehmer. Spezielle Messverfahren sind vorher schon in den betreffenden Kapiteln behandelt worden oder bilden sogar deren Ausgangspunkt; so beginnt z.B. das Kapitel u ¨ber Absorption mit der Frage, wie diese durch Messung charakterisiert werden kann. Der Verfasser dankt f¨ ur die Hilfe, die ihm bei der Erarbeitung dieses Buches zuteil wurde. Insbesondere sei B¨arbel T¨opfer-Imelmann f¨ ur die grafische Gestaltung und Tanja Lescau f¨ ur das geduldige Schreiben großer Teile von Herzen gedankt.
Berlin, im Juli 2002,
Michael M¨ oser
Inhaltsverzeichnis
1
Wahrnehmung von Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Terz- und Oktav-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die H¨orfl¨ache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die A-Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 7 10 10 12 13
2
Grundbegriffe der Wellenausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Thermodynamik von Schallfeldern in Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Eindimensionale Schallfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Dreidimensionale Schallfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Energie- und Leistungstransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Intensit¨ats-Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Zeitbereichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Frequenzbereichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Messfehler und Grenzen des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Wellenausbreitung im bewegten Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 16 23 31 33 37 38 39 40 45 51 53
3
Schallausbreitung und Schallabstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ungerichtete Schallabstrahlung von Punktquellen . . . . . . . . . . . . 3.2 Ungerichtete Schallabstrahlung von Linienquellen . . . . . . . . . . . . 3.3 Volumenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Das Schallfeld zweier Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Lautsprecherzeilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Eindimensionale Kolbemembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Die Formung von Haupt- und Nebenkeulen . . . . . . . . . . . 3.5.3 Elektronisches Schwenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Fernfeldbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Schallabstrahlung von Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 57 58 61 69 71 74 79 85 87
XII
Inhaltsverzeichnis
3.6.1 Schallfeld auf der Achse vor einer kreisf¨ ormigen Kolbenmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.8 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4
K¨ orperschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.2 Die Biegewellengleichung f¨ ur St¨abe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.3 Die Ausbreitung der Biegewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.4 Biegeschwingungen von Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.6 Literaturhinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
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Elastische Isolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.1 Wirkung elastischer Lagerung auf starrem Fundament . . . . . . . . 113 5.2 Dimensionierung elastischer Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.3.1 Fundament-Impedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.3.2 Die Wirkung der Fundament-Impedanz . . . . . . . . . . . . . . 123 ¨ 5.4 Ermittlung des Ubertragungspfades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5.5 Messung des Verlustfaktors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.6 Die dynamische Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.9 Literaturhinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
6
Schallabsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.1 Schallausbreitung im Kundtschen Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.2 Messungen im Kundtschen Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.3 Die Wandimpedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.4 Theorie des quasi-homogenen Absorbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1 Die unendlich dicke“ por¨ose Schicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 ” 6.5.2 Die por¨ose Schicht endlicher Dicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.5.3 Der por¨ose Vorhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.5.4 Resonanzabsorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.6 Der schr¨age Schalleinfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.8 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
7
Grundlagen der Raumakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 7.1 Das diffuse Schallfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.1.1 Nachhall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 7.1.2 Der station¨are Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.1.3 Messung des Absorptionsgrades im Hallraum . . . . . . . . . 196
Inhaltsverzeichnis
XIII
7.2 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 7.3 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8
Schalld¨ ammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 8.1 Messung der Luftschalld¨ammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 8.2 Luftschalld¨ammung einschaliger Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 8.3 Zweischalige Bauteile (biegeweiche Vorsatzschalen) . . . . . . . . . . 214 8.4 Trittschalld¨ammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 8.4.1 Messung des Trittschallpegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 8.4.2 Verbesserungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 8.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 8.6 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
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Schalld¨ ampfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 9.1 Querschnitts¨anderungen schallharter Rohrleitungen . . . . . . . . . . 230 9.1.1 Einfacher Querschnittssprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 9.1.2 Verzweigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 9.1.3 Kammerschalld¨ampfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 9.1.4 Kammer-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 9.2 Wandungsschalld¨ampfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9.2.1 Der schallhart berandete Kanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 9.2.2 Der schallweich berandete Kanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 9.2.3 Der Schalld¨ampfer mit beliebiger Wandungsimpedanz . . 253 9.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 9.4 Literaturhinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
10 Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.1 Beugung an der schallharten Schneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 10.2 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 10.3 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 10.4 Anhang: MATLAB-Programm f¨ ur die Fresnel-Integrale . . . . . . . 288 11 Elektroakustische Wandler f¨ ur Luftschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 11.1 Das Kondensatormikrophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 11.2 Richtungsempfindlichkeit von Mikrophonen . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 11.3 Das elektrodynamische Mikrophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 11.4 Der elektrodynamische Lautsprecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 11.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 11.6 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 12.1 Der Einfluss von Nachbildefehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 12.1.1 Gekreuzt laufende Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 12.2 Reflexion und Absorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen . . . . . . . . . . . 328
XIV
Inhaltsverzeichnis
12.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 12.5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 A
Rechnen mit Pegeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 A.1 Dekadischer Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 A.2 Pegel-Umkehrgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 A.3 Gesetz der Pegeladdition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
B
Komplexe Zeiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 B.1 Einf¨ uhrung in das Rechnen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . 343 B.2 Verwendung komplexer Zeiger zur Beschreibung akustischer Vorg¨ange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
1 Wahrnehmung von Schall
Unter Wahrnehmung versteht man (nach R. Guski) den ’Prozess der Aufnahme von Information mit dem Ergebnis der Wahrnehumg’. Dass ein Schallereignis wahrgenommen werden kann, setzt dabei eine einfache physikalische Wirkungskette voraus. Eine Schallquelle versetzt die sie umgebende Luft in kleine Schwingungen, diese werden in Folge von Kompressibilit¨ at und Masse der Luft u ¨bertragen und gelangen zum Ohr des H¨orers. Physikalisch finden dabei kleine Druckschwankungen p in der u ¨bertragenden Luft (bzw. dem Gas oder der Fl¨ ussigkeit) statt. Man bezeichnet diesen, dem atmosph¨arischen Ruhedruck p0 u ¨berlagerten Wechseldruck, als Schalldruck p. Er ist die wichtigste akustische Feldgr¨oße, die naturgem¨ aß ortsund zeitabh¨angig ist. Vom Sender abgestrahlt entsteht ein r¨ aumlich verteiltes Schallfeld, das zu jedem Zeitpunkt andere Momentandr¨ ucke besitzt. Das an einem Ort beobachtete Schallereignis besitzt im wesentlichen zwei Merkmale: Es zeichnet sich durch Klangfarbe und durch Lautst¨ arke aus. Das physikalische Maß f¨ ur die Schallst¨arke ist der Schalldruck; das Maß f¨ ur die Farbe ist die Frequenz f , die die Anzahl der Periodendauern pro Sekunde in der Einheit Hertz (Hz) angibt. Der technisch interessierende Frequenzbereich umfasst dabei nicht nur den H¨orbereich des menschlichen Ohres, der etwa von 16 Hz bis 16.000 Hz (kurz auch 16 kHz) reicht. Der unterhalb davon angesiedelte Infraschall spielt zwar auf dem Gebiet des Luftschalls selten eine Rolle, in ihm sind vor allem die Schwingungen von Festk¨ orpern relevant (z.B. Fragen des Ersch¨ utterungsschutzes). Im u orbereich liegenden Ul¨ber dem H¨ traschall reichen die Anwendungen von der akustischen Modelltechnik bis hin zur medizinischen Diagnosetechnik und zerst¨orungsfreien Materialpr¨ ufung. Die Grenzen des hier ausschließlich interessierenden H¨ orschalls sind nat¨ urlich nicht scharf angebbar. Abh¨angig von Faktoren wie etwa dem Lebensalter (aber auch z.B. der Dauerbelastung durch Arbeitsl¨ arm oder der gewohnheitsm¨aßigen Beschallung mit zu lauter Musik) ist die obere Grenze individuell verschieden. Der Wert von 16 kHz bezieht sich auf einen gesunden Menschen von etwa 20 Jahren, die obere Grenze nimmt danach um etwa 1 kHz pro Lebensdekade ab.
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1 Wahrnehmung von Schall
Die untere, ebenfalls nur ungef¨ahr bestimmbare Grenze, stellt eine Flimmergrenze dar. Bei sehr tiefen Frequenzen kann man die Elemente einer Ereignisfolge (z.B. einer Reihe von Schl¨agen) noch wohl voneinander unterscheiden. Steigt die Frequenz u ¨ber die Flimmerfrequenz von (etwa) 16 Hz an, so werden die Elemente nicht mehr einzeln wahrgenommen, sie scheinen dann vielmehr ¨ zu einem andauernden Ger¨ausch zu verschmelzen. Ein socher Ubergang findet zum Beispiel statt, wenn allm¨ahlich einsetzenden Regen wahrgenommen wird: Man h¨ort zun¨achst das Klopfen der Einzeltropfen gegen die Fensterscheiben, bis das Ger¨ausch bei entsprechender Regendichte in ein gleichm¨ aßiges Prasseln u ¨bergeht. Die Flimmergrenze des H¨orens liegt u ¨brigens bei der selben Frequenz, bei der die Bildfolge eines Filmes eine Kontinuit¨ at der Bewegungen vorzut¨auschen beginnt.
Abbildung 1.1. Violinen-Klangspektren (aus: Meyer,J.: Akustik und musikalische Auff¨ uhrungspraxis. Verlag Erwin Bochinsky, Frankfurt 1995)
In der Akustik ist der Begriff Frequenz meist an so genannte reine T¨ one gebunden, die in einem zeitlich sinusf¨ormigen Verlauf bestehen. Nur in ¨ außerst seltenen F¨allen wird ein solch exakt-mathematisch definierter Vorgang bei
1 Wahrnehmung von Schall
3
nat¨ urlichen Schallen auch wirklich beobachtet werden k¨ onnen. Selbst der Ton eines Musikinstrumentes enth¨alt mehrere Farben: Erst das Zusammenwirken von mehreren harmonischen (reinen) T¨onen bildet den Instrumentenklang (Beispiele siehe Bild 1.1). Allgemeiner kann man einen beliebigen Zeitverlauf durch seine entsprechende Frequenzzusammensetzung repr¨ asentieren, er ist ahnlich wie beim Licht - in sein Spektrum zerlegbar. Beliebige Signale lassen ¨ sich durch eine Summe von reinen T¨onen (mit unterschiedlichen Amplituden und Frequenzen) darstellen. Diese Vorstellung der aus vielen Frequenzkomponenten zusammengesetzten Signale f¨ uhrt direkt dazu, dass die akustische Wirkung von Schall¨ ubertragern (wie zum Beispiel von W¨ anden und Decken in Geb¨auden in Kapitel 8) vern¨ unftigerweise durch Frequenzg¨ ange beschrieben wird. Kennt man beispielweise den Schalld¨ammmaß-Frequenzgang einer ¨ Wand, so l¨asst sich leicht vorstellen, wie dieser auf die Ubertragung von gewissen Schallen bekannter Frequenzinhalte, zum Beispiel von Sprache, wirkt. Fast immer ist das D¨ammmaß tieffrequent schlecht und hochfrequent gut: Die Sprache wird also nicht nur insgesamt leiser, sondern dazu auch noch dumpf durch die Wand u ¨bertragen. Die mehr intuitive Vorstellung, dass sich allgemeine Signale als Zusammensetzungen von T¨onen auffassen lassen, gen¨ ugt f¨ ur das Verst¨andnis der in diesem Buch geschilderten Sachverhalte vollauf. Andererseits besitzt die angedeutete Reihenentwicklung eines gegebenen Signals in viele reine T¨one, die sogenannten Fourier-Summen und Fourier-Integrale, eine gesicherte mathematischen Grundlage; eine sehr sachverst¨ andige Beschreibung gibt z.B. A. Papoulis in seinem Buch ’The Fourier Integral and it’s Applications’ (McGraw-Hill, New York 1962). Die Tonh¨ohenempfindung des Menschen ist nun so beschaffen, dass man die H¨ohendifferenz zweier Tonpaare dann als gleich h¨ ort, wenn das Frequenzverh¨altnis (und nicht etwa die Frequenzdifferenz) bei beiden Paaren gleich ist. Die Unterschiede im Paar mit den Frequenzen fa1 und fa2 und im Paar aus fb1 und fb2 werden als gleich empfunden, wenn fa1 fb1 = fa2 fb2 ¨ gilt. Man wird also beispielsweise die Uberg¨ ange von 100 Hz auf 125 Hz und von 1000 Hz auf 1250 Hz als gleiche H¨ohen¨anderung empfinden. Dieser Gesetzm¨aßigkeit des relativen H¨oheneindrucks“ wird in der Musik Rechnung ” getragen, bei der Unterteilungen in Oktaven (= Verdopplungen einer Frequenz) und in andere Tonintervalle wie Sekunde, Terz, Quart, Quint, etc. schon lange benutzt werden, die sich alle auf die Verh¨ altnisse zweier Frequenzen und nicht auf den absoluten Zuwachs in Hz“ beziehen. ” Diese relative Gesetzm¨aßigkeit, die allgemeiner besagt, dass Reize R um einen gewissen Prozentsatz erh¨oht werden m¨ ussen, damit sich gleiche Empfindungs¨anderungen einstellen, ist nicht auf die Tonh¨ohenempfindung beschr¨ ankt sondern trifft auch f¨ ur andere Sinneswahrnehmungen zu. Zum Beispiel stellte Weber 1834 bei Versuchen mit Gewichtsbelastungen fest, dass die Unterschiede zwischen zwei auf der Hand von Versuchspersonen lastenden Massen dann
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1 Wahrnehmung von Schall
gerade erst merklich erschienen, wenn eine Masse von 14 g um 1 g und ein Ausgangsgewicht von 28 g um 2 g erh¨oht werden. Dieser Versuch und die oben genannte Tatsache der relativen Tonh¨ohenwahrnehmung l¨ asst annehmen, dass der Zuwachs der Empfindung ∆E f¨ ur diese ebenso wie f¨ ur andere physikalische Reize proportional dem Verh¨altnis aus absolutem Reizzuwachs ∆R und dem Ausgangsreiz R ist: ∆R ∆E = k . (1.1) R Dabei ist k eine Proportionalit¨atskonstante. F¨ ur die schon als Beispiele genannten Reize Tonh¨ohe“ bezeichnet R = f die Frequenz, f¨ ur die Gewichts” empfindung ist R = m die auf der Hand aufliegende Masse. Eine solche relative Gesetzm¨aßigkeit (1.1) trifft auch f¨ ur die Lautst¨ arkeempfindung zu. Wenn einer Versuchsperson durch wiederholtes Umschalten zun¨achst ein Schallereignispaar mit den Schalldr¨ ucken p und 2p und danach ein Paar mit (beispielsweise) 5p und 10p dargeboten wird, dann sollte der wahrgenommene Lautst¨arkeunterschied in beiden Paaren als gleich empfunden werden. Wenigsten in etwa folgen also sowohl Tonh¨ ohenempfindung als ¨ auch die Lautst¨arkewahrnehmung dem Gesetz der relativen Anderung (1.1). ¨ Wie gesagt handelt es sich bei (1.1) um ein relatives Gesetz, in dem die Anderungen R und E von Reiz und Empfindung im Vordergrund stehen. Nat¨ urlich m¨ochte man auch den Zusammenhang zwischen den Gr¨ oßen R und E selbst ermitteln. Auch wenn es problematisch (und vermutlich unm¨ oglich) ist, Empfindungen zu quantifizieren, soll doch wenigstens der Prinzipverlauf der E(R)Kurve diskutiert werden. Diese Empfindungskennlinie“ l¨ asst sich recht ein” ¨ fach aus dem Anderungsgesetz konstruieren, wenn man zun¨ achst zwei Punkte im Achsenkreuz aus Reiz R und Empfindung E wie in Bild 1.2 w¨ ahlt. Sinnvoller Weise nimmt man f¨ ur einen dieser Punkte den Schwellreiz R0 , bei dem die Empfindung E = 0 erst einsetzt: Reize R < R0 unterhalb der Schwelle kann man nicht wahrnehmen, man ben¨otigt quasi ein Mindestangebot an Reiz, um diesen auch zu empfinden. F¨ ur den zweiten, willk¨ urlich gew¨ ahlten Punkt wird hier der doppelte Schwellreiz R = 2R0 festgelegt und diesem eine (beliebige) Empfindung E0 zugeordnet. Das Prinzip des weiteren Kurvenverlaufes ergibt sich dann aus der Betrachtung von Empfindungen 2E0 , 3E0 , 4E0 . . . . F¨ ur die Empfindung 2E0 muss man den zu E0 geh¨orenden Reiz verdoppeln, zu 2E0 geh¨ort also R = 4R0 . Ebenso geh¨ort zu 3E0 der Reiz 8R0 , zu 4E0 der Reiz 16R0 . . . . Wie man sieht, l¨asst die Steigung der Kurve E = E(R) mit wachsendem Reiz sehr rasch nach. Je st¨arker die Empfindung schon ist, desto mehr Reizzuwachs muss draufgesattelt“ werden, um noch einen gewissen ” Empfindungszuwachs (z.B. E0 ) zu erzielen. Nat¨ urlich l¨asst sich der Zusammenhang E = E(R) auch formal aus dem ¨ Anderungsgesetz (1.1) bestimmen. Dazu geht man zu infinitesimal kleinen ¨ Anderungen dE und dR u ¨ber : dE = k
dR . R
1 Wahrnehmung von Schall
5
5
4
E/E0
3
2
1
0
0
1
2
3
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19
20
R/R0
Abbildung 1.2. Qualitativer Zusammenhang zwischen Reiz R und Empfindung E
Daraus erh¨alt man durch Integration E = 2.3k lg(R/R0 ) ,
(1.2)
worin lg den dekadischen Logarithmus bezeichnet (man bedenke, dass die Logarithmen verschiedener Basen zueinander proportional sind, z. B. ist ln x = 2,3 lg x, siehe auch Anhang A). Die Lautst¨arkeempfindung ist also proportional zum Logarithmus des physikalischen Reizes (hier der SchalldruckAmplitude). Dieser durch vielf¨altige Untersuchungen wenigstens grob als richtig nachgewiesene Zusammenhang ist als Weber-Fechner-Gesetz bekannt. Das Funktionieren der Sinneswahrnehmung nach einem logarithmischen Gesetz (Verlauf siehe nochmals Bild 1.2) ist eine h¨ochst sinnvolle Entwicklung, die sich vermutlich durch die Evolution f¨ ur Menschen (und wohl auch f¨ ur Tiere) herausgebildet hat. W¨ahrend das logarithmische Gesetz einerseits schwache Reize kurz oberhalb der Wahrnehmungsschwelle R = R0 stark hervorhebt und so gut empfindbar“ macht, werden sehr große Reize in ihrer Wahrneh” mung stark abgeschw¨acht; hier wirkt die Logarithmus-Kennlinie als eine Art ¨ von Uberlastschutz“. Insgesamt wird so ein sehr breiter physikalischer Wer” tebereich (schmerzfrei) erfahrbar, es k¨onnen mehrere Zehnerpotenzen in der physikalischen Gr¨oßenordnung u ¨berdeckt werden. Aus der Entwicklungsgeschichte der Spezies d¨ urfte wohl hervorgehen, dass das Weber-Fechner-Gesetz vor allem f¨ ur jene Sinneswahrnehmungen zutrifft, f¨ ur die es auf Grund der vor¨ gefundenen Umwelt einerseits und den (Uber-)Lebens-Notwendigkeiten andererseits eine weite Spanne sinnlich erfahrbar zu machen galt. Zum Beispiel wird die Temperaturempfindung wahrscheinlich nicht einem relativen Gesetz folgen, weil die Temperaturen, in denen h¨oher entwickeltes Leben u ¨berhaupt
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1 Wahrnehmung von Schall
vorkommt, nur einen stark beschr¨ankten Bereich besitzt und weil Schwankungen von Zehntel- oder Hundertstel-Grad f¨ ur die Individuen nicht interessieren. F¨ ur das Sehen mit ja lebenserhaltender Bedeutung bei geringstem Licht in der Nacht und in grellster Sonne bei Tage wird dagegen gewiss eine relative Gesetzm¨aßigkeit f¨ ur die Empfindung zu erwarten sein. Das gilt auch f¨ ur die Gewichtswahrnehmung bei der es darauf ankommt, geringste noch zu haltende Massen im 1 g Bereich und grosse Gewichte von einigen 10000 g sinnlich handhabbar zu machen. Auch die Lautst¨arkewahrnehmung folgt dem logarithmischen Weber-Fechner-Gesetz wohl deswegen, weil an das Ohr sowohl die Aufgabe der Wahrnehmung sehr leiser Schalle – wie vom Fall eines Blattes in ruhigster Umgebung – als auch sehr laute Ger¨ ausche – wie das Tosen von Wassermassen in naher Nachbarschaft – gestellt worden ist. Tats¨ achlich k¨onnen Menschen Schalldr¨ ucke wahrnehmen, die von ca. 20 · 10−6 N/m2 bis etwa 200N/m2 reichen, wobei der obere Wert grob die Schmerzgrenze bezeichnet. Es werden also etwa 7 Zehnerpotenzen vom Lautst¨ arkeh¨ oren u ¨berdeckt, das ist ein außerordentlich großes physikalisches Intervall. Wenn man es zur Veranschaulichung in Entfernungen u ¨bersetzt, so erh¨alt man z. B. das Intervall von 1 Millimeter gegen¨ uber 10 Kilometer. Das Wunderwerk Ohr macht einen solchen Wertebereich tats¨achlich erfahrbar. Man veranschauliche sich nur die Unm¨oglichkeit eines optischen Ger¨ates (einer Lupe etwa), das im MillimeterBereich ebenso operieren kann wie im Kilometerbereich, um diese F¨ ahigkeit zu ermessen. Es ist nun naheliegend, auch f¨ ur das technische Maß zur Bezifferung der Schalldruck-Gr¨oße nicht den physikalischen Schalldruck selbst, sondern eine logarithmierte Gr¨oße zu verwenden. International wird der Schalldruckpegel L 2 p p L = 20 lg = 10 lg (1.3) p0 p0 mit p0 = 20 10−6 N/m2 als gut handhabbares, aussagekr¨ aftiges Maß verwendet. Die Bezugsgr¨oße p0 entspricht dabei etwa der H¨ orschwelle (f¨ ur eine Frequenz von 1000 Hz, wie der n¨achste Abschnitt zeigt ist die H¨ orschwelle frequenzabh¨angig), sodass 0 dB den gerade noch“ bzw. gerade nicht mehr“ ” ” h¨orbaren Schall etwa bezeichnet. Wenn nicht anders vermerkt, ist unter p der Effektivwert des Zeitverlaufes zu verstehen (oft als RMS: Root Mean Square bezeichnet) . Die Angabe dB (Dezibel ) bedeutet keine Maßeinheit, sie soll auf die Verwendung des logarithmischen Bildungsgesetzes hinweisen. Der Vorfaktor 20 (bzw. 10) in Gl. (1.3) ist so gew¨ahlt worden, dass 1 dB etwa der Unterschiedsschwelle zwischen zwei Dr¨ ucken entspricht: Wenn sich zwei Schalle um 1 dB unterscheiden, so empfindet man sie gerade noch als unterschiedlich laut. Wie man auch der Tabelle 1.1 entnehmen kann, ist durch die Pegelzuordnung der 7 Zehnerpotenzen umfassende physikalische Schalldruck auf einer von etwa 0 bis 140 dB reichenden Skala abgebildet worden. In Tabelle 1.1 sind
1.1 Terz- und Oktav-Filter
7
auch einige Beispiele f¨ ur Pegel-Gr¨oßenordnungen allt¨ aglicher Ger¨ auschsituationen genannt. Tabelle 1.1. Zuordnung zwischen Schalldruck und Schalldruckpegel Schalldruck Schalldruckpegel Situation/ Beschreibung p (N/m2 , effektiv) L (dB) 2 10−5 2 10−4 2 10−3 2 10−2 2 10−1 2 100 2 101 2 102
0 20 40 60 80 100 120 140
H¨ orschwelle Wald bei wenig Wind Bibliothek B¨ uro dicht befahrene Stadtstraße Presslufthammer, Sirene Start von D¨ usenflugzeugen Schmerzgrenze
Bemerkenswert ist, dass selbst die mit den gr¨oßten Pegeln verkn¨ upften Schalldr¨ ucke sehr viel kleiner sind als der atmosph¨ arische Gleichdruck von circa 105 N/m2 . Der Schalldruck-Effektivwert bei 140 dB betr¨ agt dagegen 200N/m2 und damit nur 1/500 des atmosph¨arischen Drucks. Der große Vorteil bei der Verwendung von Schallpegeln besteht unbestreitbar darin, dass sie (etwa) ein Maß f¨ ur die empfundene Lautst¨arke bilden. Wie fast immer ziehen Vorteile auf der einen Seite Nachteile an anderer Stelle nach sich : Beim Rechnen mit Pegeln muss genauer nachgedacht und ein etwas h¨ oherer Aufwand in Kauf genommen werden. Wie groß ist zum Beispiel der Gesamtpegel von mehreren Einzelquellen mit bekannten Einzelpegeln? Die Herleitung des Pegeladditionsverfahrens“ (in dem die Pegel eben gerade NICHT addiert ” werden), das mit N Ltot = 10 lg (1.4) 10Li /10 i=1
f¨ ur inkoh¨arente Teilschalle Antwort auf die Frage gibt, ist in Anhang A ausf¨ uhrlich geschildert (N=Anzahl der inkoh¨arenten Teilschalle der Teilpegel Li ). Beispielsweise geben drei gleichlaute Kraftfahrzeuge den Gesamtpegel Ltot = 10 lg 3 10Li /10 = 10 lg 10Li /10 + 10 lg 3 = Li + 4.8 dB , der um 4,8 dB u ¨ber dem Einzelpegel liegt (und der nicht etwa 3 mal so groß wie der Einzelpegel ist).
1.1 Terz- und Oktav-Filter In manchen F¨allen ist ein hochaufl¨osendes Verfahren zur Bestimmung spektraler Inhalte von Signalen erw¨ unscht. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn
8
1 Wahrnehmung von Schall
es sich um Messungen an einem m¨oglicherweise schmalbandigen Resonator handelt, bei dem gerade die Bandbreite des Resonanzgipfels die eigentlich interessierende Messgr¨oße bildet (siehe Kapitel 5.5). Ein solches hochaufl¨ osendes Verfahren besteht z. B. in der sehr oft benutzten, so genannten FFT-Analyse (FFT: Fast Fourier Transform). Sie wird in diesem Buch nicht behandelt, es sei dazu vor allem auf das Werk von Oppenheim und Schafer: Digital Signal Processing (Prentice Hall, Englewood Cliffs New Jersey 1975) verwiesen. Oft ist auch eine hohe Aufl¨osung weder erw¨ unscht noch erforderlich. Wenn man z.B. einen Eindruck von der Frequenzzusammensetzung von Straßenverkehrsger¨ausch oder Schienenger¨ausch haben m¨ochte, dann ist es sinnvoll, den Frequenzbereich in nicht zu viele Intervalle zu unterteilen. Einzelheiten innerhalb der gr¨oberen Intervalle w¨aren sehr wenig aussagekr¨ aftig, sie w¨ aren recht zuf¨allig und w¨ urden von Messung zu Messung stark streuen. Innerhalb breiterer Frequenzb¨ander dagegen sind Messungen gut reproduzierbar (vorausgesetzt nat¨ urlich, dass sich z.B. die Verkehrsverh¨altnisse nicht ¨ andern). Auch werden zu messtechnischen Zwecken oft gezielt breitbandige Signale benutzt. Das ist z. B. bei raumakustischen und bauakustischen Messungen der Fall, die durchweg mit (meist weißem) Rauschen als Anregesignal durchgef¨ uhrt werden. Spektrale Einzelheiten interessieren hier nicht nur nicht mehr, sie w¨ urden gewiss dar¨ uber hinaus von der eigentlichen Aussagekraft des Messergebnisses eher ablenken. Die Messung der Frequenzzusammensetzung von Signalen in breiteren Teilb¨andern wird mit Hilfe von Filtern durchgef¨ uhrt. Darunter werden elektrische Netzwerke verstanden, die eine angelegte Spannung nur in einem ganz bestimmten Frequenzbereich durchlassen. Das Filter wird gekennzeichnet durch seine Bandbreite ∆f , durch die untere Durchlassgrenze fu und die obere Durchlassgrenze fo und durch die Mittenfrequenz fm (siehe Bild 1.3). Die Bandbreite ist gleich der Differenz aus fo und fu , fm = fo - fu . In der Akustik werden fast nur Filter mit konstanter relativer Bandbreite benutzt. Bei ihnen ist die Bandbreite proportional zur Mittenfrequenz des Filters, mit wachsender Mittenfrequenz w¨achst also auch die Bandbreite des Filters an. Die wichtigsten Vertreter von Filtern konstanter relativer Breite sind das Oktavfilter und das Terzfilter. F¨ ur alle Filter konstanter relativer Breite gilt fm = fu fo Damit liegen alle Filter-Kenn-Frequenzen fest, wenn man noch den Quotienten der Bandgrenzen fu und fo angibt: Oktavfilter: fo = 2fu , √ √ daraus folgt fm = 2fu und ∆f = fo − fu = fu = fm / 2.
Terzfilter:
fo = Damit ist
√ 3
2fu = 1, 26fu .
1.1 Terz- und Oktav-Filter
9
Filterverstärkung H = Uaus/Uein
2
1.5
fu
fo
1
Durchlaß− band
Sperrband
Sperrband
0.5
0
Frequenz
Abbildung 1.3. Prinzipverlauf des Frequenzganges von Filtern (Bandp¨ assen)
fm =
√ 6
2fu = 1, 12fu
und ∆f = 0, 26fu .
Man bezeichnet Terzen auch als Drittel-Oktaven, weil drei sich nicht u berschneidende Terzen, die nebeneinander liegen, eine Oktave ausmachen ¨√ √ √ ( 3 2 3 2 3 2 = 2). Die Bandgrenzen und die Mittenfrequenzen der Terzen und Oktaven sind in den Normbl¨attern DIN 45651 und 45652 festgelegt. Bei der Pegel-Messung wird immer angegeben, mit welchen Filtern die Messung durchgef¨ uhrt wurde. Da bei der Messung mit (den breiteren) Oktavfiltern mehr Frequenzanteile durchgelassen werden als bei (den schmaleren) Terzfiltern, liegen die OKTAVPEGEL stets h¨oher als die TERZPEGEL. Der Vorteil bei der Messung der Terzpegel besteht in der h¨ oheren Aufl¨ osung (mehr Messpunkte im gleichen Frequenzbereich) des Spektrums. Nat¨ urlich kann man aus den gemessenen Terzpegeln die zugeh¨origen Oktavpegel mit Hilfe des Gesetzes (1.4) berechnen. Ebenso lassen sich aus den Terz- oder Oktavpegeln die zu breiteren Frequenzintervallen geh¨orenden Pegel mit Hilfe der Pegeladdition (1.4) berechnen. Beispielweise wird h¨aufig der (unbewertete) Linearpegel angegeben. Er enth¨alt alle Frequenzanteile zwischen 16 Hz und 20 000 Hz. Er wird entweder direkt mit einem entsprechenden Filter gemessen, oder er kann aus den im Band liegenden Terz- oder Oktavpegeln bestimmt werden (im Fall der Umrechnung aus Oktavpegeln w¨are N=11, und die Mittenfrequenzen der Filter durchlaufen die Werte 16 Hz, 31,5 Hz, 63 Hz, 125 Hz, 250 Hz, 500 Hz, 1 kHz, 2 kHz, 4 kHz, 8 kHz, und 16 kHz). Der Linearpegel ist stets gr¨ oßer als alle Teilpegel, aus denen er berechnet wird.
10
1 Wahrnehmung von Schall
1.2 Die H¨ orfl¨ ache Sehr h¨aufig wird bei akustischen Messungen ein anderer Einzahl-Wert, der so genannte A-bewertete Schalldruckpegel“ angegeben. Da sich das zugeh¨ orige ” Messverfahren in etwa an der Empfindlichkeit des menschlichen Ohres orientiert, seien zun¨achst einige wenige Grundtatsachen u ¨ber den Frequenzgang der Ohrempfindlichkeit geschildert. Die Ohrempfindlichkeit h¨angt von der Tonh¨ohe ab. Im Bild 1.4 ist diese durch H¨orversuche gefundene Frequenzabh¨angigkeit dargestellt. Eingetragen in das Schalldruckpegel-Frequenzdiagramm sind die Kurven gleicher Lautst¨arke-Wahrnehmung. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die Kurven gleicher Lautst¨arke-Wahrnehmung folgendermaßen entstanden sind. Einer Versuchsperson wird abwechselnd eine Frequenz von 1 kHz mit einem bestimmten Pegel und eine zweite Frequenz dargeboten mit der Maßgabe, die empfundene Lautst¨arke der zweiten Frequenz so selbst am Regler einzustellen, dass beide Schalle als gleich laut empfunden werden. Durch Variation der zweiten Frequenz entsteht die Kurve gleicher Lautst¨ arke, die man einfacher¨ weise durch den Pegel des 1 kHz-Tones bezeichnet. Durch Anderung des 1 kHzPegels entsteht eine Kurvenschar, die H¨orfl¨ache genannt wird. Zum Beispiel sagt sie aus, dass man einen 50 Hz Ton von 80 dB tats¨ achlichem Schalldruckpegel und einen 1000 Hz Ton von 60 dB tats¨achlichem Schalldruckpegel als gleich laut empfindet, etc. Wie man sieht ist das Ohr im mittleren Frequenzbereich viel empfindlicher als bei den sehr hohen oder sehr tiefen Frequenzen. Seit einiger Zeit sind die Kurven gleicher Lautst¨arke-Wahrnehmung erneut in die Diskussion geraten weil sich herausgestellt hat, dass Meßmethoden und Meßbedingungen nicht ohne Einfluß auf das Ergebnis sind.
1.3 Die A-Bewertung Wie man schon an der H¨orfl¨ache erkennen kann, ist der Zusammenhang zwischen den objektiven Gr¨oßen Schalldruck bzw. Schalldruckpegel und der subjektiven Gr¨oße Lautst¨arke in Wirklichkeit sehr kompliziert. Zum Beispiel ist der Frequenzgang der Ohrempfindlichkeit stark vom Pegel abh¨ angig, die Kurven mit hohem Pegel haben einen deutlich flacheren Verlauf als die mit den kleineren Pegeln. Auch h¨angt die subjektive Wahrnehmung Lautst¨ arke“ nicht ” nur von der Frequenz, sondern auch von der Bandbreite des Schallereignisses ab. W¨ urde man versuchen, eine Messtechnik so zu entwickeln, dass alle Ohreigenschaften dabei ber¨ ucksichtigt w¨ urden, so w¨are das nur mit sehr großem Aufwand zu realisieren. National und international wird mit einem frequenzbewerteten Schallpegel gearbeitet, der auf die Grundtatsachen der Ohrempfindlichkeit wenigstens in etwa R¨ ucksicht nimmt, dabei aber noch mit vergleichsweise einfachem Aufwand bestimmt werden kann. Dieser so genannte A-bewertete Schallpegel“ ” enth¨alt alle Frequenzanteile des H¨orbereiches. Praktisch wird der dB(A)-Wert
1.3 Die A-Bewertung
11
120
Schalldruckpegel dB
100 80
90 80
60
70 60
40
50 40
20
30 20
0
10 0 Phon
−20 10
100
1000
10000
f/Hz
Abbildung 1.4. Linien gleicher Lautst¨ arke-Wahrnehmung
mit Hilfe des A-Filters gemessen, dessen Frequenzgang in Bild 1.5 mit wiedergegeben ist. Die A-Filterkurve stellt in etwa die Umkehrung der Kurve gleicher Lautst¨arke mit dem Pegelwert von 30 dB bei 1 kHz dar. Wie man erkennt haben die tiefen und die sehr hohen Frequenzen einen wesentlich geringeren Anteil am dB(A)-Wert als die mittleren Frequenzen. Nat¨ urlich kann
20 D dB 0 Dämpfung [dB]
C
A
−10
B+C
−20 D −30 B −40 −50
A B C D
A
−60 −70 101
2
5
102
2
5 103 2 Frequenz f [Hz]
5
104
Hz
Abbildung 1.5. A-, B-, C- und D-Filterkurven
5
12
1 Wahrnehmung von Schall
man den A-bewerteten Pegel auch aus den gemessenen Terzpegeln bestimmen. Zu den Terzpegeln werden die im Bild 1.5 angegebenen Pegelwerte addiert, und danach wird nach dem Gesetz der Pegeladdition (1.4) der Gesamtpegel – nun in dB(A) – berechnet. Die A-Bewertung ist in DIN 45 633 festgelegt. Bild 1.6 gibt ein praktisches Beispiel f¨ ur die genannten Pegel-Gr¨ oßen an Hand eines Signals, das in weißem Rauschen besteht. Die Terzpegel, der unbewertete Gesamtpegel (Lin) und der A-bewertete Gesamtpegel (A) sind bestimmt worden. Wie man sieht nimmt der Terzpegel bei weißem Rauschen mit wachsender Frequenz um 1 dB von Terz zu Terz zu. Der lineare (unbewertete) Gesamtpegel ist gr¨oßer als jeder Terzpegel, der A-bewertete Pegel liegt hier nur wenig unter dem unbewerteten Gesamtpegel. F¨ ur spezielle Ger¨ausche werden in Ausnahmenf¨ allen (insbesondere bei Fahrzeugen, beim Flugverkehr und beim Schießl¨arm) mittlerweile auch andere Bewertungen (B, C und D) benutzt (siehe auch Bild 1.5). Gesetzliche Regelungen dagegen stellen bis heute auf den dB(A)-Wert ab. Linear gebildeten Einzahlwerten – welches Filter zu ihrer Herstellung auch immer benutzt worden sein mag – haftet immer etwas Problematisches an, weil in ihnen teils erhebliche Wahrnehmungs-Unterschiede nicht zum Vorschein kommen. Zum Beispiel werden durch die A-Bewertung tieffrequente und laute Ger¨ausche viel st¨arker abgeschw¨acht als durch die tats¨ achliche Wahrnehmung (siehe Bild (1.4)). Die A-Kurve reduziert Ger¨ausche im oberen Pegelbereich der H¨orfl¨ache weit mehr als das Ohr, nur im unteren Pegelbereich stimmen A- und Ohr-Bewertung auch wirklich etwa u ¨berein. Keine einfache Frequenzbewertung kann die daraus m¨oglicherweise entstehenden Ungerechtigkeiten wirklich beheben. Auch sind einfach verst¨andliche und leicht anwendbare Bewertungsverfahren unverzichtbar.
1.4 Zusammenfassung ¨ Die Wahrnehmung von Schall gehorcht einem relativen Gesetz: Anderungen werden als gleich empfunden, wenn der Reiz um einen gewissen Prozentsatz vergr¨oßert wird. Das Weber-Fechner-Gesetz, nach dem die Empfindung proportional zum Logarithmus des Reizes ist, stellt eine Schlußfolgerung aus dieser Tatsache dar. Die physikalischen Schalldr¨ ucke werden deshalb nach Logarithmieren durch Pegel mit der ’Pseudoeinheit’ Dezibel (dB) ausgedr¨ uckt. Die etwa 7 Zehnerpotenzen umfassende, f¨ ur den Menschen relevante Schalldruck-Skala wird dadurch auf eine u ¨bersichtliche Pegelskala von etwa 0 dB (H¨orschwelle) bis etwa 140 dB (Schmerzgrenze) abgebildet. Um auch den Frequenzgang des H¨orens wenigstens grob zu ber¨ ucksichtigen, benutzt man die das Ohr nachbildende A-Bewertung. Nach A-Filterung bestimmte Pegel werden in der Pseudoeinheit dB(A) angegeben.
1.5 Literaturhinweise
13
Terzpegel dB
60
50
40
30
20
125
250
500
1000
f/Hz
2000
Lin
A
Abbildung 1.6. Terzpegel, unbewerteter und A-bewerteter Pegel von bandbegrenztem weißem Rauschen
1.5 Literaturhinweise Eine Einf¨ uhrung in die Sinneswahrnehmung bietet das Buch von Rainer Guski: Wahrnehmen – ein Lehrbuch (Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1996). Ein auch physiologisch orientiertes Werk (es enth¨alt u.a. auch die Darstellung der Geh¨oranatomie und der Reizleitung) ist Hearing – an Introduction to ” Psychological and Physiological Acoustics“ von Stanley A. Gelfand (Marcel Dekker, New York 1998).
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
Die wichtigsten qualitativen Aussagen u ¨ber die Ausbreitung von Schall kann man im Grunde der Alltagserfahrung entnehmen. Wenn man kurzzeitige, ¨ ofter wiederholte Vorg¨ange beobachtet (z.B. ein Kind, das mit einem Ball rhythmisch auf den Boden schl¨agt, Hammerschl¨age an einem Bau, u.v.m.), dann stellt man leicht fest, dass zwischen der optischen Wahrnehmung und der Ankunft des akustischen Signals eine Zeitverz¨ogerung liegt, die um so gr¨ oßer ist, je gr¨oßer der Abstand des Beobachters von der Quelle ist. Wenn man davon absieht, dass • sich der Schall nat¨ urlich mit wachsender Entfernung zur Quelle abschw¨ acht, • dass Schallquellen Richtwirkungen haben k¨onnen und • dass z.B. auch Echos durch große Reflektoren (H¨auserw¨ ande) gebildet werden, oder, allgemeiner, wenn man von der akustischen Umgebung“ (Erd” boden, B¨aume, Str¨aucher, etc.) abstrahiert, dann kann man feststellen, dass in der unterschiedlichen Zeitverz¨ ogerung f¨ ur verschiedene Beobachtungsabst¨ande auch schon der einzige Unterschied liegt: Insbesondere h¨oren sich die Schallsignale in jedem Beobachtungspunkt gleich an, sie haben die gleiche Frequenzzusammensetzung. Schallfelder (in Gasen) ver¨andern bei der Ausbreitung ihre Signalgestalt also im Prinzip nicht. Weil die Signalgestalt beim Wellentransport nicht auseinander l¨ auft“, nennt man ” die Ausbreitung auch nicht dispersiv“ (Dispersion = Auseinanderlaufen). ” Im Unterschied zum Schall in Gasen ist zum Beispiel die Biegewellenausbreitung auf St¨aben und Platten dispersiv (siehe Kapitel 4). Es ist also keineswegs selbstverst¨andlich, dass Schwingungsfelder ihren Zeitverlauf beim Transportvorgang nicht ver¨andern. Im Gegenteil ist die nicht-dispersive Luftschallausbreitung nicht nur vom physikalischen Standpunkt etwas Besonderes: Man stelle sich nur vor, man w¨ urde in unterschiedlichen Abst¨ anden von einer Quelle auch ganz unterschiedlich zusammengesetzte Schalle wahrnehmen, Sprachkommunikation w¨are dann gewiss fast unm¨oglich. Dieses Kapitel versucht, die genannten physikalischen Sachverhalte bei der Schallausbreitung in Gasen zu beschreiben und zu erkl¨ aren. Es ist gewiss
16
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
vern¨ unftig, zun¨achst einmal Klarheit zu schaffen u ¨ber die zur Schallfeldbeschreibug erforderlichen physikalischen Gr¨oßen und ihre grunds¨ atzlichen Zusammenh¨ange. Gleichzeitig lassen sich dabei die notwendigen Grundkenntnisse u ¨ber die Thermodynamik von Gasen auffrischen, wobei stillschweigend im folgenden ideale Gase vorausgesetzt werden. Die experimentelle Erfahrung begr¨ undet diese Annahme f¨ ur Luftschall im H¨orfrequenzbereich mit sehr hoher Genauigkeit.
2.1 Thermodynamik von Schallfeldern in Gasen Wenn man zun¨achst von einer festen, gegebenen Gasmasse M ausgeht, dann w¨ urde man ihren physikalischen Zustand beschreiben durch • das Volumen VG , das sie einnimmt, • ihre Dichte ρG , • den Druck pG in ihr und durch • ihre Temperatur TG . F¨ ur (Gedanken-)Experimente mit kleinen, festen Gasmassen, die man zum Beispiel in Beh¨altnisse mit innen ortsunabh¨angig konstantem Druck und ortsunabh¨angig konstanter Dichte einsperrt, ist vielleicht die Zustandsbeschreibung durch das Volumen, die Temperatur und den Druck am anschaulichsoße, die ten; die Dichte ρG = M/VG erscheint dann als eine redundante Gr¨ sich aus dem Volumen ergibt. Bei der Betrachtung von großen (sogar unendlich großen) Massen und Volumina, wie sie bei Schallfeldern interessieren, ist dagegen die Zustandsbeschreibung durch Druck, Dichte und Temperatur angemessen. Weil jedoch – wie erw¨ahnt – hier auch die Anfangsgr¨ unde der Thermodynamik in Gasen aufgefrischt werden sollen, basieren die folgenden ¨ Uberlegungen manchmal auf Gedankenexperimenten mit festen Gasmassen. Die dabei herausgearbeiteten Erkenntnisse werden dann in geeigneter Weise auf die bei Schallfeldern interessierenden Gr¨oßen u ¨bertragen. Nat¨ urlich stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang die genannten Zustandsgr¨oßen stehen. Die Erwartungen, die man vern¨ unftigerweise an eine feste Gasmasse (die beispielsweise in einem Gef¨ aß mit ver¨ anderlichem Volumen untergebracht ist) richten wird, lassen sich etwa so beschreiben: •
Aufheizen des Gases wird bei konstantem Volumen eine Druckerh¨ ohung pG ∼ TG nach sich ziehen und • der Druck im Gas ist umgekehrt proportional zu seinem Volumen, pG ∼ 1/VG .
Stellt man noch in Rechnung, dass eine vergr¨oßerte Masse (bei konstantem Druck und bei konstanter Temperatur) auch einen gr¨ oßeren Platzbedarf besitzt, so lassen sich diese Aussagen in der sogenannten Boyle-MariotteGleichung zusammenfassen. Sie lautet
2.1 Thermodynamik von Schallfeldern in Gasen
pG VG =
M RTG . Mmol
17
(2.1)
Dabei ist unter Mmol eine Materialkonstante, n¨amlich die sogenannte molare ” Masse“, zu verstehen. Mmol bezeichnet das Molekulargewicht in Gramm“ des ” betreffenden Stoffes. Zum Beispiel ist (siehe das Periodensystem der Elemente) Mmol (N2 ) = 28 g und Mmol (O2 ) = 32 g, daraus ergibt sich Mmol (Luft) = 28, 8 g (bekanntlich besteht die Luft zu etwa 20% aus Sauerstoff und zu etwa 80% aus Stickstoff). R = 8, 314 Nm/K (K=Kelvin=Maßeinheit der absoluten Temperatur, 0◦ C = 273 K) ist die allgemeine Gaskonstante. Wie schon gesagt benutzt man bei der Beschreibung von Schallfeldern die Dichte statt des Volumens, f¨ ur akustische Zwecke“ wird deshalb (2.1) in ” R pG = ρG T G (2.2) Mmol umgeformt. Eine grafische Darstellung von (2.2) kann leicht an Hand von Isothermen gegeben werden, Kurven TG = const. sind einfach Geraden in der pG ρG -Ebene. Sie lassen sich als Kennlinienschar auffassen. Zur Beschreibung des Pfades, den die drei Zustandsgr¨oßen in dieser Kennlinienschar tats¨ achlich durchlaufen, ben¨otigt man noch eine zweite Information. In der Tat dr¨ uckt die Boyle-Mariotte-Gleichung noch nicht vollst¨andig aus, wie sich eine (z.B. ¨ gezielt im Experiment vorgenommene) Anderung einer Gr¨ oße auf die anderen Gr¨oßen auswirkt. Verringert man zum Beispiel das Volumen eines Gases (durch Eindr¨ ucken eines Kolbens in ein Gef¨aß etwa), dann kann sich das ¨ ¨ ja sowohl in einer Anderung des Drucks ebenso wie in der Anderung der Temperatur auswirken. Dar¨ uber gibt die Boyle-Mariotte-Gleichung noch keine detaillierte Auskunft, sie besagt lediglich, dass der Quotient dieser beiden Gr¨oßen ver¨andert wird. Man muss also zus¨atzliche Beobachtungen anstellen, um Aufschluss zu erhalten. Die Erfahrung lehrt, dass die Geschwindigkeit, mit der Verdichtungsvorg¨ange vorgenommen werden, und die Umgebung, in der sie stattfinden, ausschlaggebende Bedeutung besitzen. Wird die genannte Verdichtung eines Gases in einem Kolben n¨amlich sehr rasch (oder in einer nicht w¨armeleitenden, isolierten Umgebung) durchgef¨ uhrt, dann kann man beobachten, dass die Temperatur im Gas steigt. Weil ja nun W¨ armeleitungsvorg¨ange sehr langsamer Natur sind und lange Zeit ben¨ otigen (und in der isolierten Umgebung ja sogar ausgeschlossen sind), kann die beobachtete Temperaturerh¨ohung nicht durch W¨armeenergieaufnahme von außen zustande gekommen sein. Die Temperatur¨anderung ist demnach ausschließlich das Resultat des Verdichtungsvorgangs selbst. Nur wenn man die Volumen¨ anderung des Gases so langsam und in einer gut W¨arme leitenden Umgebung vornimmt, dass es dabei zu einem Temperaturausgleich zwischen innen und außen kommen kann, l¨asst sich die Innentemperatur auch konstant halten. Mit anderen Worten: Gerade f¨ ur isotherme Verdichtungen ist der Prozess der W¨armeleitung eine entscheidende Voraussetzung.
18
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
Wie gesagt ist die W¨armeleitung ein sich nur langsam vollziehender Vorgang, isotherme Ausgleichsvorg¨ange ben¨otigen also lange Zeit. Schallfelder dagegen unterliegen (von den tiefsten Frequenzen abgesehen) sehr raschen zeitlichen Wechseln. Man kann deshalb nur annehmen, dass sich Schallvorg¨ ange ohne Beteiligung von W¨armeleitungsvorg¨angen im Gas abspielen. Anders ausgedr¨ uckt, aber inhaltsgleich: F¨ ur Schallfelder kann man (fast) immer von Gasen ohne W¨armeleitf¨ahigkeit ausgehen, W¨armetransportvorg¨ ange spielen keine Rolle. Solche Zustands¨anderungen in einem Gas, das keine W¨ armeleitf¨ ahigkeit besitzt, heißen adiabatisch“. Die Tatsache, dass Schallvorg¨ ange adiabati” scher Natur sind, bedeutet nat¨ urlich auch, dass sie nicht gleichzeitig isotherm ablaufen k¨onnen, denn dann w¨aren sie ja gerade an W¨ armeleitung gebunden. Notwendigerweise muss die Gastemperatur deshalb ebenso wie Druck und Dichte bei Schallereignissen zeitlichen (und ¨ortlichen) Wechseln unterliegen. Etwas sp¨ater wird noch gezeigt werden, dass alle drei Gr¨ oßen sogar stets gleichen Orts- und Zeitverlauf besitzen, von Skalierungskonstanten nat¨ urlich abgesehen. 2 1.8 T + dTp + dTρ 1.6 adiabatisch
1.4
dpG isochor
pG/p0
1.2 1
dρG
0.8
T + dTp
isobar T
0.6 0.4 0.2 0 0
0.5
1
ρG/ρ0
1.5
2
Abbildung 2.1. Isothermen mit Zusammensetzung der adiabatischen Verdichtung aus einem isobaren und einem isochoren Teilschritt (p0 und 0 sind beliebige Skalierungskonstante, z.B. Ruhedruck und Ruhedichte)
F¨ ur die adiabatischen Zustandsgleichung ließe sich hier gewiss auf die Literatur verweisen. Weil die Herleitung aber weder besonders schwierig noch sehr umfangreich ist, sei sie hier dennoch angegeben. Der Ausgangspunkt der Betrachtung besteht einfach darin, dass man sich den insgesamt ohne NettoW¨armeenergieaufnahme vollziehenden adiabatischen Prozess zusammenge-
2.1 Thermodynamik von Schallfeldern in Gasen
19
setzt vorstellt aus einem Schritt mit konstanter Dichte und einem Schritt ¨ mit konstantem Druck (siehe auch Bild 2.1). Von allen Anderungen sei angenommen, dass sie infinitesimal klein sind. Mit den Teilschritten gehen daur p=const.) und dT (f¨ ur bei zwangsl¨aufig die Temperatur¨anderungen dTp (f¨ =const.) einher. F¨ ur beide Teilschritte treten nat¨ urlich auch W¨ armefl¨ usse auf, denn nur das adiabatische Ganze kommt ohne Nettow¨ armefluss aus. Um die adiabatische Gesamt¨anderung zusammenzusetzen, m¨ ussen die Teilw¨ armeaufnahmen in ihrer Summe gerade Null ergeben: dEp = −dE .
(2.3)
Beim isobaren Teilschritt wird die W¨armemenge dEp = M cp dTp
(2.4)
aufgenommen (cp =spezifische W¨arme bei konstantem Druck). Beim isochoren Teilschritt (=const. und V =const. sind bei fester Masse aussagegleich) wird dE = M cV dT
(2.5)
ur den aufgenommen (cV =spezifische W¨arme bei konstantem Volumen). F¨ durch (2.3) definierten adiabatischen Vorgang ist also dT = −κ dTp mit κ=
cp . cV
(2.6)
(2.7)
Die infinitesimal kleinen Temperatur¨anderungen bei konstantem Druck und ¨ bei konstanter Dichte werden jetzt noch durch die entsprechenden Anderungen von Druck (beim isochoren Schritt) und Dichte (beim isobaren Schritt) ausgedr¨ uckt. Dazu wird (2.2) nach der Gastemperatur aufgel¨ ost: TG =
Mmol pG . R ρG
Daraus folgt dTp Mmol pG =− dρG R ρG 2
und
dT Mmol 1 = . dpG R ρG
Gleichung (2.6) ist also gleichbedeutend mit dpG
dT ρG dpG ρG = − pG dρ =− = −κ , G dTp pG dρG ρ 2 G
(2.8)
20
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
oder mit
dpG dρG =κ . pG ρG
Integriert man noch beide Seiten, so folgt zun¨achst κ pG ρG ρG ln = κ ln = ln , p0 0 0
und schließlich erh¨ alt man die adiabatische Zustandsgleichung κ pG ρG = . p0 0
(2.9)
Dabei sind die Integrationskonstanten schon so gew¨ ahlt worden, dass (2.9) auch f¨ ur die statischen Gr¨ oßen p0 und 0 erf¨ ullt ist. (2.9) beschreibt – wie gesagt – den Zusammenhang zwischen Druck und Dichte in einem Gas ohne ” W¨ armeleitung“. F¨ ur die in der Akustik fast ausschließlich interessierenden zweiatomigen Gase betr¨ agt κ = 1.4. Es bleibt nun nur noch u ¨brig, die in der Boyle-Mariottschen Gleichung (2.2) und in der adiabatischen Zustandsgleichung (2.9) genannten Gesetzm¨ aßigkeiten auf die Beschreibung von Schallfeldern u bersichtlicher zuzuschneiden. ¨ Bei den akustischen Gr¨ oßen handelt es sich ja um sehr kleine, den statischen ¨ Ruhegr¨ oßen u ortliche) Anderungen. Vern¨ unftigerwei¨berlagerte zeitliche (und ¨ se spaltet man deshalb die Gesamtgr¨ oßen (daher auch der Index G) in einen statischen Anteil und in einen Wechselanteil auf: p G = p0 + p ρG = 0 + TG = T0 + T .
(2.10a) (2.10b) (2.10c)
oßen ohne Schall“, p, und T stellen Hierin sind p0 , 0 und T0 die Ruhegr¨ ” ¨ die durch Beschallung hervorgerufenen Anderungen dar. Die den Ruhegr¨ oßen u oßen seien als Schalldruck, Schalldichte und Schalltempe¨berlagerten Schallgr¨ ratur bezeichnet. Diese Schallfeldgr¨ oßen sind verglichen mit den Ruhegr¨ oßen winzig klein. Wie in Kapitel 1 genannt, betr¨ agt der Schalldruck-Effektivwert bei einer Beschallung mit (gef¨ ahrlich lauten) 100 dB gerade 2 N/m2 . Der Luftdruck dagegen besitzt etwa den Wert von 100000 N/m 2 ! Nat¨ urlich m¨ ussen sowohl die Ruhegr¨ oßen als auch die Gesamtgr¨ oßen die Boyle-Mariotte-Gleichung (2.2) erf¨ ullen, nicht aber die Schallfeldgr¨ oßen alleine, weil sie ja nur Bestandteile des Ganzen bilden. Im Gegenteil, setzt man (2.10a,b,c) in Gleichung (2.2) ein, so erh¨ alt man p0 + p =
R R (0 + )(T0 + T ) ≈ (0 T0 + 0 T + T0 ) . Mmol Mmol
(2.11)
Im letzten Schritt ist das (quadratisch kleine) Produkt aus Schalltemperatur und Schalldichte T vernachl¨ assigt worden. Weil wie gesagt auch die statischen
2.1 Thermodynamik von Schallfeldern in Gasen
21
Ruhegr¨oßen selbst die Boyle-Mariotte-Gleichung (2.2) erf¨ ullen (es gilt also p0 = R0 T0 /Mmol ), folgt aus der letzten Gleichung f¨ ur die Schallfeldgr¨ oßen p=
R (0 T + T0 ) . Mmol
(2.12)
Etwas u ¨bersichtlicher wird diese Gleichung noch, wenn man durch den Ruhedruck p0 teilt, man erh¨alt dann n¨amlich p T = + . p0 0 T0
(2.13)
Wenn man die auftretenden Quotienten als relative Gr¨ oßen“ bezeichnet, dann ” besagt (2.13), dass der relative Schalldruck gleich der Summe aus relativer Schalldichte und relativer Schalltemperatur ist. Den zweiten Zusammenhang zwischen den Schallfeldgr¨ oßen liefert die adiabatische Zustandsgleichung (2.9), die im Folgenden noch auf die vergleichsweise sehr kleinen Schallfeldgr¨ oßen zugeschnitten wird. Zun¨ achst ist festzustellen, dass die adiabatische Zustandsgleichung (2.9) einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen Druck und Dichte im Gas kon¨ statiert. Andererseits interessieren nur kleinste Anderungen um den Arbeitspunkt p0 , 0 .; deshalb kann die gekr¨ ummte Kennlinie (2.9) durch ihre Tangente in diesem Arbeitspunkt ersetzt werden. Mit anderen Worten ausgedr¨ uckt: Die Kennlinie kann linearisiert werden, weil quadratische Anteile und alle h¨oheren Potenzen der Taylorentwicklung mit Fug und Recht vernachl¨ assigt werden k¨onnen. Die nach dem linearen Glied abgebrochene Potenzreihenentwicklung von y = xκ um x = 1 lautet y = 1 + κ(x − 1) . Angewandt auf die Adiabatengleichung (2.9) bedeutet y das Druckverh¨ altnis y=
pG p0 + p p = =1+ p0 p0 p0
altnis und x das Dichteverh¨ x=
ρG 0 + = =1+ . 0 0 0
Die linearisierte, auf die Zwecke der Akustik zugeschnittene adiabatische Zustandsgleichung lautet also p =κ . (2.14) p0 0
Weil der Schalldruck eine gut durch Mikrophone messbare Gr¨ oße bildet, die Schalldichte dagegen nur indirekt aus dem Druck bestimmt werden kann, werden Schallfelder fast immer durch Angabe ihrer Druckverteilung beschrieben. Deswegen werden auch alle nachfolgenden Betrachtungen – soweit m¨ oglich –
22
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
durch Dr¨ ucke formuliert. Dazu muss dann die m¨oglicherweise vorkommende Schalldichte noch durch den Druck ersetzt werden. Deshalb wird (2.14) nach der Dichte aufgel¨ost p = 2 (2.15) c mit p0 c2 = κ . (2.16) 0 Wie man erkennt sind Schalldruck und Schalldichte gleiche Zeit- und Ortsfunktionen. Eliminiert man mit Hilfe von (2.14) noch in (2.13) die relative Dichte, so erh¨alt man f¨ ur die relative Schalltemperatur T p 1 p = − = 1− . T0 p0 0 κ p0
Alle drei relativen Gr¨ oßen haben also die gleiche Signalgestalt, sie unterscheiden sich nur durch einen Zahlenfaktor. Die Betrachtungen im n¨ achsten Abschnitt werden zeigen, dass die in (2.16) eingef¨ uhrte Konstante c eine besondere physikalische Bedeutung besitzt: c bezeichnet die Schallausbreitungsgeschwindigkeit im Gas. Obwohl darin nat¨ urlich kein Beweis gesehen werden kann, spricht die Dimensionskontrolle wenigstens nicht gegen diese Behauptung: dim(p) N m3 kg m m m dim(c) = = = = . dim() m2 kg s2 kg s
Die Dimension von c, dim(c), ist also tats¨ achlich eine Geschwindigkeit. Setzt man noch die (auch f¨ ur die statischen Gr¨ oßen g¨ ultige) BoyleMariotte-Gleichung (2.2) in (2.16) ein, so erh¨ alt man f¨ ur die Schallgeschwindigkeit c
R c= κ T0 . (2.17) Mmol Sie h¨angt nur vom Material und von der absoluten Temperatur, nicht aber von Ruhedruck oder Ruhedichte ab. Als Kontrolle seien die Parameter von ur Luft Mmol = 28.8 10−3 kg bei T0 = 288 K (15◦ C) eingesetzt; man erh¨alt daf¨ den bekannten Wert von c = 341 m/s. F¨ ur praktische Anwendungen reicht es nahezu immer aus, Temperaturschwankungen von bis zu 10◦ C unter den Tisch fallen zu lassen und mit dem gerundeten Wert von 340 m/s zu rechnen. Erw¨ahnenswert ist vielleicht, dass die (im freien Gas nicht zutreffende) Annahme isothermer Verdichtung bei Schallvorg¨ angen auf die zu kleine Ausbreitungsgeschwindigkeit
RT0 cadia ciso = = √ ≈ 0.85cadia Mmol κ
f¨ uhren w¨ urde. Tats¨ achlich hat man erst aus der Diskrepanz zwischen ciso und Messwerten gelernt, dass Schall-Verdichtungsvorg¨ange eben nicht isotherm,
2.2 Eindimensionale Schallfelder
23
sondern adiabatisch ablaufen. Nat¨ urlich m¨ ussen gemessene Schallgeschwindigkeiten gleich cadia sein.
2.2 Eindimensionale Schallfelder Der vorige Abschnitt diente dazu, zun¨achst einmal Klarheit zu schaffen u ¨ber die bei Schallfeldern vorkommenden physikalischen Zustandsgr¨ oßen Schalldruck, Schalldichte und Schalltemperatur. Der folgende Abschnitt wendet sich nun der eigentliche Kernfrage von Akustik zu: Wie ist das Ph¨ anomen der (nicht-dispersiven) Wellenausbreitung von Schall in Gasen physikalisch zu erkl¨aren und zu beschreiben? Um zun¨achst auf grunds¨atzliche Aussagen zu kommen, seien die in der Einleitung genannten Einfl¨ usse – wie die Abschw¨achung mit der Entfernung und Reflexionen – anfangs ausgeschlossen. Es bleibt dann der allereinfachste Fall eines eindimensionalen Schallfeldes u ¨brig, das nur von einer einzigen Raumkoordinate abh¨angt. Ein solcher eindimensionaler Wellenleiter ließe sich zum Beispiel durch ein luftgef¨ ulltes Rohr mit starrer, unbeweglicher Wandung herstellen, in dem das Schallfeld quasi eingesperrt und so auf eine Ausbreitungsrichtung – die Rohrachse – gezwungen wird (dass auch damit nicht immer wirklich Schallfelder erzeugt werden, die u ¨ber dem Rohrquerschnitt konstant sind, das wird im Kapitel 6 u uhrlich behandelt). ¨ber Schallabsorption ausf¨ Bereits aus der grundlegenden Vorstellung, dass es sich bei Gasen um elastisch deformierbare und massebehaftete Medien handelt, folgen bereits die wichtigsten Eigenschaften der Schallfelder, die in ihnen vorkommen. Eine sehr einfache und einleuchtende Erkl¨arung f¨ ur die Wellentransportvorg¨ ange erh¨ alt man n¨amlich, wenn man sich die eindimensionale Lufts¨ aule in viele kleine Segmente zerlegt denkt (Bild 2.2) und den Segmenten abwechselnd jeweils nur Masseneigenschaft“ und Federeigenschaft“ gedanklich zuordnet. Auf diese ” ” Weise entsteht ein sogenannter Kettenleiter als Modell f¨ ur die Lufts¨ aule. Die
Abbildung 2.2. Zerlegung einer Lufts¨ aule in Teilvolumina, die abwechselnd nur in Massen und nur in Federelementen bestehen
Anregung der Lufts¨aule wird z.B. durch einen Lautsprecher erzeugt; u ¨bertragen auf den Kettenleiter gibt der Lautsprecher die Bewegung der ersten
24
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
Masse links in Bild 2.2 an. Wird sie zum Beispiel pl¨ otzlich nach rechts ausgelenkt, so wird dabei die erste (Luft-) Feder verdichtet, sie u ¨bt damit eine Kraft auf die n¨achste Masse aus. Zu Beginn des Vorganges bewegt sich diese Masse zun¨achst nicht. Weil Massen bekanntlich tr¨age“ sind, reagiert sie nicht ” sofort, sondern erst versp¨atet“ mit einer Auslenkung. Zur Erinnerung an die ” Bedeutung des Tr¨agheitsgesetzes gibt Bild 2.3 die Zeitverl¨ aufe von pl¨ otzlich eingeschalteter Kraft und Bewegung der ihr ausgesetzten freischwebenden“ ” Masse: Die Masse wird erst allm¨ahlich in Bewegung gesetzt. Beim Kettenleiter setzt deshalb die Bewegung der zweiten Masse verz¨ ogert gegen¨ uber der Federkraft ein. Die Masse spannt dabei die Feder rechts von ihr und wird ¨ dadurch gebremst. Es entsteht so eine Versp¨atung“ bei der Ubertragung der ” Auslenkung von Masse zu Masse“. Das Ganze wiederholt sich nat¨ urlich l¨ angs ” der Kette, es findet eine Wanderbewegung der urspr¨ unglich links eingepr¨ agten St¨orung des Ruhezustandes mit endlicher Geschwindigkeit statt.
Kraft Masse m F(t)
ξ(t)
Auslenkung ξ(t)
F(t)
t
Abbildung 2.3. Freie Masse und Beispiel f¨ ur einen Kraft-Zeitverlauf und den daraus folgenden Bewegungs-Zeitverlauf
Erkennbar m¨ ussen hier zwei verschiedene Geschwindigkeitsbegriffe klar voneinander unterschieden werden. Einmal breitet sich das St¨ orungsmuster mit einer gewissen Wandergeschwindigkeit“ entlang des Wellenleiters aus. ” Man nennt sie auch Ausbreitungsgeschwindigkeit oder Wellengeschwindigkeit, in diesem Buch wird sie stets mit dem Buchstaben c bezeichnet. Davon wohl zu trennen ist die Geschwindigkeit der lokalen Gasmassen, die sich um ihre Ruhelage bewegen, w¨ahrend die Welle u auft“. Zur besseren ¨ber sie hinwegl¨ ” Unterscheidung benennt man die Geschwindigkeit lokaler Gaselemente mit dem Wort Schnelle“. In diesem Buch wird die Schnelle stets mit dem Buch” staben v gekennzeichnet. Die genannten physikalischen Gedankeng¨ange sollen nun in Gleichungen gefasst werden. Dazu sind naturgem¨aß zwei Betrachtungen erforderlich: einmal muss diskutiert werden, auf welche Weise die Luftfederst¨ uckchen durch die Bewegungen ihrer Begrenzungen links und rechts von ihnen verdichtet werden, und dann muss noch formuliert werden, auf welche Weise die Luftmassenst¨ uckchen durch die auf sie wirkenden Federkr¨afte zu beschleunigten Bewegungen veranlasst werden. Zu beiden Betrachtungen werden kleine Luftvolumina mit der L¨ange ∆x herangezogen. Weil die Beschreibung der Sachverhalte durch Ableitungen und Funktionen am einfachsten ist, l¨asst man anschließend das
2.2 Eindimensionale Schallfelder
25
(der besseren Anschauung halber zun¨achst als endlich ausgedehnt betrachtete) L¨angenelement zur infinitesimalen L¨ange dx schrumpfen. Die Verdichtung innerhalb eines Gaselementes bei bewegten Enden l¨ asst sich einfach aus der Tatsache herleiten, dass die zwischen den beiden Enden vorhandene Masse dabei unver¨anderlich bleibt: Wird ein Luftelement ver¨ formt, dann wirkt sich das in einer Anderung der Dichte aus. In Ruhe – ohne Schall – betr¨agt die Masse des in Bild 2.4 eingezeichneten Gaselementes S∆x0 (S = Querschnittsfl¨ache). Wird es – mit Schall – einer elastischen Deformation durch Bewegung der linken Begrenzungsfl¨ ache um ξ(x) und durch Bewegung der rechten Begrenzungsfl¨ache um ξ(x + ∆x) ausgesetzt, so wird die Masse diesmal durch S [∆x + ξ(x + ∆x) − ξ(x)] ρG angegeben. Weil die beschallte“ Masse wie gesagt gleich der Ruhemasse ist, gilt mit ρG = 0 + ” S [∆x + ξ(x + ∆x) − ξ(x)] (0 + ) = S∆x0 , oder (unter Vernachl¨assigung der quadratisch kleinen Produkte aus Schalldichte und Teilchenauslenkungen) 0 [ξ(x + ∆x) − ξ(x)] + ∆x = 0 , bzw. nach der hier ja interessierenden Schalldichte aufgel¨ ost
ξ(x)
x
ξ(x+∆x)
x+∆x
Abbildung 2.4. Deformation eines Elementes aus der Gass¨ aule
= −0
ξ(x + ∆x) − ξ(x) . ∆x
Im Grenzfall infinitesimal kleiner Gaselemente ∆x → dx geht der rechts auftretende Differenzenquotient in den Differentialquotienten u ¨ber: ∂ξ(x) =− . 0 ∂x
(2.18)
Die Schalldichte ergibt sich also unmittelbar aus der Ortsableitung der Teilchenauslenkung. Letztere wird auch als Dehnung“ (oder auch als Dilatation) ” ¨ bezeichnet. Die hier herausgearbeitete und f¨ ur die weiteren Uberlegung sehr
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2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
wichtige Erkenntnis besteht also darin, dass die relative Schalldichte gleich der negativen Dehnung ist. Gl.(2.18) heißt auch ’Kontinuit¨ atsgleichung’. Mehr am Rande sei darauf hingewiesen, dass sie sich auch als FederGleichung deuten l¨asst. Setzt man n¨amlich f¨ ur die Schalldichte im vorletzten Schritt noch den Schalldruck = p/c2 ein und multipliziert mit der Seitenfl¨ache S, so erh¨alt man Sp = −S0 c2
ξ(x + ∆x) − ξ(x) . ∆x
Die linke Seite Sp gibt die in der Gasfeder mit der L¨ ange x durch elastische Deformation hergestellte Federkraft F an. F¨ ur Federn mit bewegten Enden gilt nach dem Hookeschen Gesetz Sp = −s(ξ(x + ∆x) − ξ(x)) , worin s die Federsteife bedeutet. F¨ ur Schichten aus elastischem Material (wie dem Gaselement) mit der Fl¨ache S und die Dicke x ist s=
ES . ∆x
(2.19)
Dabei ist E eine Materialkonstante, E bezeichnet den sogenannten Elastizit¨atsmodul des Materials (zur anschaulichen Begr¨ undung von (2.19) sei darauf hingewiesen, dass zur Herstellung einer gewissen Auslenkungsdifferenz der Enden um so mehr Kraft aufgewendet werden muss, je gr¨ oßer die Schichtfl¨ache ist und um so kleiner die Schichtdicke ist). Offensichtlich h¨ angt der
p(x)S
p(x+∆x)S
v
x
x+∆x
Abbildung 2.5. Beschleunigtes Element aus der Gass¨ aule
Elastizit¨atsmodul von Gasen durch die Gleichung E = 0 c2
(2.20)
mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit zusammen. Die zweite, noch nicht erledigte Betrachtung zum Ph¨ anomen der Schallausbreitung bestand in der Frage, auf welche Weise die Gasteilchen durch die
2.2 Eindimensionale Schallfelder
27
auf sie wirkenden Federkr¨afte zu beschleunigten Bewegungen veranlasst werden. Die Antwort gibt das Newtonsche Tr¨agheitsgesetz, das auf das in Bild 2.5 gezeigte (kleine) Volumenelement aus der Gass¨aule angewandt wird. Die Beschleunigung ∂ 2 ξ/∂t2 der in ihm enthaltenen Masse wird verursacht durch die links dr¨ uckende“ Kraft Sp(x), von der noch die rechts zur¨ uckdr¨ uckende“ ” ” Kraft Sp(x+∆x) abgezogen werden muss. Die von dieser Kraftdifferenz verursachte Beschleunigung ist um so kleiner, je gr¨oßer die Masse m des Elementes ist. Nach Newton ist damit ∂2ξ S = [p(x) − p(x + ∆x)] , 2 ∂t m oder, mit m = Volumen mal Dichte = ∆xS0 ∂2ξ 1 p(x + ∆x) − p(x) =− . 2 ∂t 0 ∆x
Schließlich l¨asst man das Segment schrumpfen und erh¨ alt mit lim =
∆x→0
p(x + ∆x) − p(x) ∂p = ∆x ∂x
das Tr¨ agheitsgesetz der Akustik“: ” ∂2ξ ∂p 0 2 = − . ∂t ∂x
(2.21)
(2.18) und (2.21) bilden die Grundgleichungen der Akustik, alle (eindimensionalen) Schallereignisse erf¨ ullen sie. Wie gesagt beschreibt (2.18) die Verdichtung des elastischen Kontinuums Gas“ auf Grund ortsabh¨ angiger Auslenkun” gen; (2.21) andererseits sagt umgekehrt aus, wie die Auslenkungen auf Grund der Verdichtungen zustande kommen. Beide Betrachtungen zusammengenommen liefern die Erkl¨ arung der Wellenausbreitung, wie das ja f¨ ur den Kettenleiter diskutiert worden ist. Zwei Betrachtungen zusammenf¨ ugen“ heißt in der ” Sprache von Formeln, zwei Gleichungen ineinander einsetzen. In (2.18) und (2.21) wird deshalb die Auslenkung eliminiert. Das geschieht durch zweifache Ableitung von (2.18) nach der Zeit 1 ∂2 ∂3ξ = − 0 ∂t2 ∂x∂t2
und durch Ableitung von (2.21) nach dem Ort: ∂3ξ 1 ∂2p =− . 2 ∂x∂t 0 ∂x2
Daraus folgt unmittelbar ∂2p ∂2 = 2 , 2 ∂x ∂t
28
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
oder, wenn man schließlich noch wie angek¨ undigt die Schalldichte mit ρ = p/c2 nach (2.15) durch den Schalldruck ersetzt ∂2p 1 ∂2p = . ∂x2 c2 ∂t2
(2.22)
Gleichung (2.22) heißt WELLENGLEICHUNG, alle Schallereignisse m¨ ussen (2.22) erf¨ ullen. Allgemein sind beliebige Funktionen, die nur vom Argument ” t − x/c“ oder nur vom Argument t + x/c“ abh¨angen, L¨ osungen von (2.22): ” p(x, t) = f (t ∓ x/c) (2.23) Darin ist c die im vorigen Abschnitt schon definierte Konstante; vorausgreifend war schon angedeutet worden, dass mit c die Schallausbreitungsgeschwindigkeit bezeichnet wird. Die folgenden Bemerkungen werden diese Tatsache rasch beweisen. Zun¨achst aber sei kurz erl¨autert, warum (2.22) als Wellengleichung bezeichnet wird. Der Name ergibt sich aus einer graphischen Darstellung von (2.23) (beispielsweise f¨ ur f(t-x/c), also f¨ ur das negative Vorzeichen im Argument) als Ortsfunktion, wie in Bild 2.6 f¨ ur feste, eingefrorene“ ” Zeiten. Die Darstellung besteht in einer Kurvenschar gleicher Ortsfunktionen, die durch Parallelverschiebung ineinander u ¨bergehen. Der Gaszustand Schalldruck“ wandert offensichtlich mit konstanter Geschwindigkeit entlang ” der x-Achse. Die Wanderbewegung der ¨ortlichen Zustandsbeschreibung wird als Welle“ bezeichnet. ” Die noch offene Frage der physikalischen Bedeutung der Konstanten c in der Wellengleichung ist leicht gekl¨art. Man muss sich dazu nur vorstellen, dass ein bestimmter Funktionswert f (in Bild 2.6 ist gerade das Maximum von f gew¨ahlt), der zur Zeit t an der Stelle x liegt, w¨ahrend ∆t um ∆x wandert: f (x, t) = f (x + ∆x, t + ∆t) . Das ist gerade dann der Fall, wenn (t-x/c) in beiden F¨ allen gleich ist, also f¨ ur t−
x x + ∆x = (t + ∆t) − c c
Daraus folgt ∆x =c. ∆t Weil der Quotient aus Wegstrecke und der daf¨ ur ben¨ otigten Zeit gleich der Geschwindigkeit ist, beschreibt c die Funktions-Transport-Geschwindigkeit“, ” die Ausbreitungs-Geschwindigkeit der Welle also. Wie man sieht ist sie von der Signalgestalt f unabh¨angig, insbesondere werden auch alle Frequenzen mit gleicher Geschwindigkeit transportiert. Die Tatsache, dass sich die Signalgestalt l¨angs der Ausbreitung nicht ¨andert, ist eine sehr wichtige Eigenschaft der Schallausbreitung in Gasen (man vergleiche mit den dispersiven Biegewellen auf St¨aben und Platten, siehe Kapitel 4), die gewiss zu den wichtigsten physikalischen Vorbedingungen akustischer Kommunikation (z. B. durch Sprache) z¨ahlt.
2.2 Eindimensionale Schallfelder
29
p(x,t) = f(t−x/c)
∆ x
t=0
t= ∆ t
x
Abbildung 2.6. Prinzipdarstellung von p = f (t − x/c) als Ortsverlauf f¨ ur zwei verschiedene Zeiten t = 0 und t = ∆t
Wenn nur eine in eine bestimmte Richtung laufende Welle auftritt spricht man von fortschreitenden Wellen, Kombinationen von gegenl¨ aufigen Wellen enthalten stehende Wellen (siehe auch Abschnitt 2.5). F¨ ur fortschreitende Wellen mit p(x,t)=f(t-x/c) liefert das Tr¨agheitsgesetz der Akustik, (2.21), ∂p ∂f (t − x/c) 1 ∂f (t − x/c) p 0 v = − dt = − dt = dt = , ∂x ∂x c ∂t c
dass Schalldruck und Schallschnelle in einem konstanten, orts- und zeitunabh¨ angigen Verh¨ altnis stehen, das auch als Wellenwiderstand oder Kennwiderstand des Mediums bezeichnet wird. p(x, t) = 0 c . v(x, t)
(2.24)
Weil sich wenigstens f¨ ur den einfachsten Fall fortschreitender Wellen ((2.24) gilt nicht f¨ ur stehende Wellen) einfache Verh¨ altnisse ergeben, ist es in der Akustik allgemein u ¨blich, nicht die Auslenkung, sondern die Schallschnelle zur Beschreibung der Schwingvorg¨ ange zu benutzen. Auch in diesem Buch wird in Zukunft nur noch die Schallschnelle benutzt. Aus diesem Grund werden hier die Grundgleichungen (2.18) und (2.21) nochmals, nun aber nur noch unter Verwendung von Druck und Schnelle, notiert. Das Kompressionsgesetz lautet damit ∂v 1 ∂p =− , (2.25) ∂x 0 c2 ∂t
und das Tr¨ agheitsgesetz besteht in
30
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
0
∂v ∂p =− . ∂t ∂x
(2.26)
Die folgenden Kapitel werden auf die Notation in (2.25) und (2.26) Bezug nehmen. Dabei wird außerhalb von diesem Kapitel 2 die Beistellung des Index 0 in 0 zur Kenntlichmachung des Gleichanteils der Dichte weggelassen, weil Verwechslungen nicht mehr vorkommen k¨onnen: Nur in diesem Kapitel 2 wird die Schalldichte betrachtet und benutzt. F¨ ur fortschreitende Wellen erlaubt (2.24) die Einsch¨ atzung von Schnellen und Auslenkungen der Gr¨oßenordnung nach. Ein doch schon recht großer Pegel von 100 dB entspricht bekanntlich einem Druck-Effektivwert von peff = 2 N/m2 . In einer ebenen fortschreitenden Welle ist veff = peff /c, mit = 1, 2 kg/m3 und c = 340 m/s ist veff = 5 · 10−3 m/s = 5 mm/s. Die lokale Teilchengeschwindigkeit Schnelle“ ist demnach praktisch immer sehr, sehr ” klein verglichen mit c = 340 m/s. Auch die Auslenkungen sind nicht eben groß. Sie lassen sich aus veff ξeff = (2.27) ω berechnen, reine T¨one und v = dξ/dt vorausgesetzt. F¨ ur 1000 Hz w¨ are ξeff ≈ 10−6 m = 1 µ m! Die Auslenkungen sind also oft nur einige Tausend Atomdurchmesser groß. Dagegen k¨onnen die in der Akustik auftretenden Beschleunigungen durchaus betr¨achtlich sein. Aus beff = ωveff (2.28) erh¨alt man wieder f¨ ur 100 dB Schalldruckpegel und f =1000 Hz etwa beff = 30 m/s2 , immerhin die dreifache Erdbeschleunigung. Aus guten Gr¨ unden betrachtet man oft Schall- und Schwingereignisse mit harmonischem (=cosinusf¨ormigem) Zeitverlauf. Allgemein muss der Schalldruck einer in x-Richtung fortschreitenden, harmonischen Welle die Gestalt p(x, t) = p0 cos ω(t − x/c)
(2.29)
besitzen. Meist schreibt man statt (2.29) mit k = ω/c kurz p(x, t) = p0 cos(ωt − kx) ,
(2.30)
das spart etwas Schreibarbeit. Die Gr¨oße k wird Wellenzahl genannt. Nun enth¨alt ω bekanntlich die zeitliche Periode, es ist ω = 2πf =
2π T
(2.31)
mit T = Periodendauer. Ebenso gut muss dann die Wellenzahl k die ¨ ortliche Periode enthalten:
2.3 Dreidimensionale Schallfelder
31
ω 2π = . (2.32) c λ Die ¨ortliche Periodenl¨ange wird allgemein als Wellenl¨ ange bezeichnet. Wie man sieht ist der Begriff an reine T¨one gebunden. F¨ ur die Wellenl¨ ange gilt nach (2.31) und (2.32) c λ= . (2.33) f Bei den nicht-dispersiven Luftschallwellen ist also die Wellenl¨ ange umgekehrt proportional zur Frequenz; u ¨berdeckt wird etwa ein Bereich von λ = 17 m (f=20 Hz) bis λ = 1,7 cm (f=20.000 Hz). Dieser Bereich ist außerordentlich groß. Es wird wohl nicht u oße von Gegenst¨ anden ¨berraschen, dass man die Gr¨ in der Akustik (ebenso wie in der Optik) immer an der Wellenl¨ ange zu messen hat. Die meisten Gegenst¨ande und Anordnungen sind im entsprechend tiefen Frequenzbereich, in dem ihre Abmessungen klein gegen¨ uber der Wellenl¨ ange sind, akustisch unsichtbar“. ” Bei den hohen Frequenzen sind sie dagegen akustisch wirksam, indem sie – je nach Fall – Schallabsorber oder mehr oder minder komplizierte Reflektoren bzw. Diffusoren darstellen. In diesem Buch werden die fortschreitenden Wellen bei reinen T¨ onen in Zukunft nur noch durch ihre komplexen Amplituden beschrieben. Nutzen, Zweck und Vorteil der Beschreibung reellwertiger Vorg¨ ange durch komplexe Zahlen werden im Anhang B2 auf¨ uhrlicher erl¨autert. Wie dort gezeigt wird beschreibt man eine cosinusf¨ormige Welle, die in x-Richtung wandert, durch die ortsabh¨angige komplexe Amplitude k=
p(x) = p0 e−jkx . Ebenso sind Wellen mit der Ausbreitung in negative x-Richtung durch p(x) = p0 ejkx bezeichnet. Wenn Reflexionen oder Wellen entgegengesetzter Laufrichtung aus anderen Gr¨ unden (z.B. bei zwei Quellen) vorkommen, k¨ onnen auch Summen der beiden Terme auftreten. Die R¨ uckabbildung der komplexen Amplituden, die nur ein Beschreibungswerkzeug darstellen, auf die stets reellen Zeit- und Ortsverl¨aufe ist durch die sogenannte Zeitkonvention
p(x, t) = Re p(x)ejωt definiert. Komplexe Amplituden werden auch kurz als ’Zeiger’ oder ’komplexe Zeiger’ bezeichnet.
2.3 Dreidimensionale Schallfelder ¨ Die Ubertragung der im vorigen Abschnitt erl¨auterten eindimensionalen Schallausbreitung auf den allgemeineren dreidimensionalen Fall gestaltet sich recht
32
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
einfach. Die dreidimensionale Erweiterung des Massenerhaltungsprinzips (2.18) muss nur ber¨ ucksichtigen, dass das die konstante Masse aufnehmende Volumenelement nun Dehnungen in allen drei Raumrichtungen erfahren kann. An Stelle von (2.18) tritt also einfach ∂ξx ∂ξy ∂ξz =− − − . 0 ∂x ∂y ∂z
(2.34)
Weil das Schallfeld in Zukunft – wie erw¨ ahnt – durch Druck und Schnelle beschrieben werden soll, wird (2.34) nach der Zeit abgeleitet und = p/c2 eingesetzt: 1 ∂p ∂vx ∂vy ∂vz =− − − . (2.35) 2 0 c ∂t ∂x ∂y ∂z
Noch einfacher gestaltet sich die dreidimensionale Erweiterung des akusti¨ schen Tr¨ agheitsgesetzes. Kr¨ afte betreffende Uberlegungen lassen sich auf die Richtungskomponenten getrennt anwenden. In (2.26) muss also nur noch der Vollst¨andigkeit halber angemerkt werden, dass hier die x-Komponente der Schnelle gemeint ist: und hinzu kommen die gleichlautenden Kr¨aftebilanzen in den beiden anderen Raumrichtungen: ∂vx ∂p =− ∂t ∂x ∂vy ∂p 0 =− ∂t ∂y ∂vz ∂p 0 =− . ∂t ∂z
0
(2.36a)
(2.36b)
(2.36c)
Zur Herleitung der dreidimensionalen Wellengleichung wird die Schnelle aus (2.35) und (2.36) eliminiert. Wenn man (2.36a) nach x, (2.36b) nach y und (2.36c) nach z ableitet und danach in die nach t differenzierte Gleichung (2.35) einsetzt so erh¨alt man die Wellengleichung ∂2p ∂2p ∂2p 1 ∂2p + 2+ 2 = 2 2 . 2 ∂x ∂y ∂z c ∂t
(2.37)
Die Gleichungen (2.35) bis (2.37) werden oft auch in der Schreibweise vektorieller Differentialoperatoren genannt. Gleichbedeutend mit (2.35) ist die Fassung (div = Divergenz von) divv = −
1 ∂p . 0 c2 ∂t
(2.38)
Gleichung (2.36a) bis (2.36c) entsprechen (grad = Gradient von) gradp = −0
∂v , ∂t
und die Wellengleichung lautet ( = Delta-Operator)
(2.39)
2.4 Energie- und Leistungstransport
∆p =
1 ∂2p . c2 ∂t2
33
(2.40)
Die Formulierungen (2.38) bis (2.40) lassen sich als unabh¨ angig von einem speziellen, benutzten Koordinatensystem ansehen, sie k¨ onnen also z. B. durch Verwendung eines mathematischen Nachschlagewerkes direkt in ein bestimmtes, erw¨ unschtes Koordinatensystem (etwa Zylinder- oder Kugel-Koordinaten) u ¨bersetzt“ werden. So gesehen erscheinen die Gleichungen (2.35), (2.36) und ” (2.37) nur als kartesische Ausgabe“ der allgemeineren Beziehungen (2.38) bis ” (2.40). In diesem Buch findet man die Beschreibungen durch vektorielle Differentialoperatoren sonst an keiner Stelle, sie sind hier mehr der Vollst¨ andigkeit halber genannt. In der Sprache der mathematischen Feldtheorie ausgedr¨ uckt bedeuten (2.38) bis (2.40), dass das Schallfeld vollst¨andig durch Angabe einer skalaren Ortsfunktion p beschrieben werden kann, deren Gradient das vektorielle Schnellefeld v angibt. Die akustische Feldtheorie, bei der die Wellengleichung unter Annahme gewisser Randbedingungen gel¨ost wird, ist nicht Gegenstand dieses Buches; der interessierte Leser sei hier vor allem auf das Werk von P.M. Morse und U. Ingard: Theoretical Acoustics (McGraw Hill, New York 1968) verwiesen. Erw¨ahnenswert ist jedoch gewiss noch, dass man aus den Grundgleichungen (2.38) bis (2.40) noch direkt (und etwas formal) zeigen kann, dass es sich bei allen Schallfeldern um wirbelfreie, auch als konservativ“ bezeichnete Fel” der handelt. Weil stets rot grad = 0 (rot = Rotation von) gilt, ist insbesondere rotv = 0 .
(2.41)
Die Eigenschaft der Wirbelfreiheit ist eine Besonderheit der Ausbreitung in Gasen, die zum Beispiel f¨ ur die Schwingungsausbreitung in festen K¨ orpern nicht zutrifft.
2.4 Energie- und Leistungstransport Wie die Betrachtungen in den Abschnitten 2.1 und 2.2 gezeigt haben besteht das Wesen der Schallwellenausbreitung in lokalen Verdichtungen des Mediums (die durch den Druck beschrieben werden), die mit gleichfalls lokalen Schwingungen der Gaselemente einhergehen; das ganze St¨ orungsmuster“ (bezogen ” auf den Ruhezustand) wandert dann - bei fortschreitenden Wellen - entlang einer ¨ortlichen Achse. Das bedeutet nat¨ urlich auch, dass das Medium lokal und momentan Energie speichert: Die Kompression von Gasen erfordert ebenso Energieaufwand wie die beschleunigte Bewegung von Gasmassen. Man kann das auch am oben schon einmal benutzten Ersatzmodell Kettenleiter“ ablesen, dessen Federn ” die Speicher potentieller Energie und dessen Massen die Speicher kinetischer Energie bilden.
34
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
F¨ ur die kinetische Energie einer Masse m, die mit der Geschwindigkeit v bewegt wird, gilt bekanntlich Ekin =
1 mv 2 . 2
(2.42)
F¨ ur eine Feder mit der Federsteife s, die mit einer Kraft F zusammengedr¨ uckt wird, ist 1 F2 Epot = . (2.43) 2 s Daraus kann man die in einem Gas-Volumenelement ∆V (das wieder klein“ ” sein soll und die Dicke ∆x und die Fl¨ache S besitze) momentan gespeicherte Energie EV bestimmen. F¨ ur die kinetische Energie gilt einfach Ekin =
1 0 v 2 ∆V . 2
F¨ ur die potentielle (Feder-)Energie gilt mit F = pS und mit s = ES/∆x = 0 c2 S/∆x nach (2.19) und (2.20) Epot =
1 p2 S 2 ∆x 1 p2 ∆V = . 2 0 c2 S 2 0 c2
Demnach ist f¨ ur die insgesamt im Volumenelement gespeicherte Energie 2 1 p 2 E∆V = (2.44) + 0 v ∆V . 2 0 c2
Weil jeder Gaspunkt einen Energiespeicher darstellt, bezeichnet man 2 1 p 2 E= (2.45) + v 0 2 0 c2
als ENERGIEDICHTE des Schallfeldes. Bei kleinen Volumina V ist die in ihnen gespeicherte Energie dann einfach EV = EV .
(2.46)
Der Energiezustand in einem Gas hat nat¨ urlich ebenso Wellencharakter wie die Feldgr¨oßen Druck und Schnelle. Wenn insbesondere eine fortschreitende ebene Welle vorhanden ist: p = f (t − x/c) und v = p/0 c (siehe (2.23) und (2.24)), dann ist E(x, t) =
p2 1 2 x = f t− 2 2 0 c 0 c c
(2.47)
2.4 Energie- und Leistungstransport
35
zwar in der Signalgestalt dem Druckquadrat gleich, aber auch damit ist ein Transportvorgang l¨angs der x-Achse beschrieben. Nat¨ urlich l¨ auft die gespeicherte Energie mit dem Schallfeld mit“ und ist wie dieses eine Welle. Die zu ” einem festen Zeitpunkt vorhandene Energieverteilung ist etwas sp¨ ater“ eben ” auch wo anders hin“ verlagert worden. Zusammenfassend kann man sich also ” bei ebenen fortschreitenden Wellen vorstellen, dass die Quelle Energie abgibt, und diese wandert mit Schallgeschwindigkeit durch das Gas. Die Energie ist dem Sender dabei unwiederbringlich verloren gegangen. Vor allem f¨ ur station¨ar (also dauernd“) betriebene Quellen beschreibt ” man den offensichtlich vorhandenen Energietransport leichter durch eine Leistungsgr¨oße. (Zur Erinnerung an den Unterschied zwischen den Begriffen Energie und Leistung darf vielleicht die heimische Gl¨ uhbirne erw¨ ahnt werden. Die Leistung – meist in Watt gemessen – gibt an, wie viel MOMENTANE Wirkung an Licht und W¨arme vorhanden ist. Was man an das Elektrizit¨ atswerk bezahlen muss, ist jedoch die Energie, die sich aus dem Produkt von Brenndauer und Leistung ergibt. Der Energieverbrauch w¨achst linear mit der Zeit, die Leistung ¨ ist deren zeitliche Anderung, also die Zeitableitung des Energie-Zeitverlaufs.) Weil es sich bei der Schallausbreitung um ¨ortlich verteilte Vorg¨ ange handelt muss notwendigerweise bei der Betrachtung des akustischen Leistungsflusses die Fl¨ache mitbetrachtet werden, durch welche diese Leistung hindurchtritt. Zum Beispiel w¨achst bei einer ebenen Welle die durch eine Fl¨ ache S hindurchfließende Leistung mit S an. Es ist deswegen sinnvoll, diese Leistung durch das Produkt P = IS (2.48) zu beschreiben. Die damit definierte Gr¨oße I heißt Intensit¨ at, wie diese akustische Schallleistungs-Fl¨achendichte genannt wird. Allgemein bildet die Intensit¨at einen Vektor, der in Richtung der Wellenausbreitung zeigt. F¨ ur (2.48) ist zun¨achst wieder von eindimensionalen Schallvorg¨ angen ausgegangen worden, I z¨ahlt also (in der in diesem Kapitel stets verwendeten Notation) in x-Richtung. Auch wurde angenommen, dass sich die Intensit¨ at entlang der Fl¨ache S nicht ¨andert. oNat¨ urlich sind Energiedichte und Leistungsdichte zusammenh¨ angende Gr¨ ßen. Ihre Beziehung untereinander ergibt sich aus dem Prinzip der Energieerhaltung, das hier wieder auf ein (kleines) Element der Gass¨ aule wie in Bild 2.4 angewendet wird. Die an der Stelle x + ∆x aus ihm w¨ ahrend der Zeit ∆t herausfließende Energie betr¨agt I(x + ∆x)S∆t, die in diesem Zeitintervall zufließende Leistung ist I(x)S∆t. Die Differenz aus Energie-Zu- und Abfluss muss sich auswirken im Unterschied V E(t + ∆t) − V E(t) der zu den Zeiten t + ∆t und t gespeicherten Energien: S∆x (E(t + ∆t) − E(t)) = S (I(x) − I(x + ∆x)) ∆t . Nachdem beide Seiten durch S∆x∆t geteilt worden sind und die Grenz¨ uberg¨ange ∆x → 0 und ∆t → 0 vollzogen worden sind, erh¨ alt man ∂I ∂E =− . ∂x ∂t
(2.49)
36
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
Insbesondere f¨ ur Leistungs- und Intensit¨atsmessungen stellt sich nat¨ urlich die Frage, wie sich die Intensit¨at aus den Feldgr¨oßen Druck und Schnelle bestimmen l¨asst. Zusammen mit der Energiedichte nach (2.45) enth¨ alt (2.49) bereits die Antwort: ∂I 1 1 ∂p2 ∂v 2 p ∂p ∂v =− + 0 =− + 0 v . ∂x 2 0 c2 ∂t ∂t 0 c2 ∂t ∂t
Hierin dr¨ uckt man noch nach (2.25) ∂p/∂x durch ∂v/∂x und nach (2.26) ∂v/∂t durch ∂p/∂x aus: ∂I ∂v ∂p ∂(pv) =p +v = . ∂x ∂x ∂x ∂x
Durch Integration erh¨ alt man also das u ¨bersichtliche Resultat I(t) = p(t)v(t) .
(2.50)
Die Intensit¨at ist also einfach gleich dem Produkt aus Schalldruck und Schallschnelle. Das gilt auch im allgemeinen, dreidimensionalen Fall, f¨ ur den (2.50) durch (2.51) I = pv ersetzt wird. Die durch eine Fl¨ ache S hindurchtretende Leistung errechnet sich allgemein zu P =
IdS ,
(2.52)
worin dS das vektorielle Fl¨ achenelement bedeutet (es steht u ¨berall senkrecht auf der Fl¨ache S). Bei station¨aren Quellen interessiert nur der zeitliche Mittelwert der Leistung, also T I¯ = I(t)dT (2.53) 0
und ¯ . P¯ = IS
(2.54)
F¨ ur ebene fortschreitende Wellen ist I(t) =
p2 (t) , 0 c
(2.55)
und f¨ ur reine T¨one p = p0 cos ωt 2 2 ¯ = p0 S = peff S P¯ = IS 20 c 0 c
(2.56)
ugt zur Intensit¨ atsmessung bei ebe(peff = Effektivwert). Wie man sieht gen¨ nen fortschreitenden Wellen die Messung des Schalldrucks alleine. Aus diesem
2.5 Intensit¨ ats-Messverfahren
37
Grunde werden Schallleistungsmessungen h¨aufig im Freifeld (z.B. im reflexionsarmen Raum) in großen Abst¨anden zur Quelle durchgef¨ uhrt. Unter diesen Messvoraussetzungen kann man davon ausgehen, dass lokal tats¨ achlich p = 0 cv gilt. Zur Schallleistungsmessung zerlegt man sich eine um die Quelle herumgelegte (gedachte) H¨ ullfl¨ache in N kleine“ Teilfl¨ achen Si ; auf je” der Teilfl¨ache wird der Schalldruck-Effektivwert bestimmt. Die abgestrahlte Schallleistung ergibt sich dann aus P¯ =
N peff,i 2 i=1
0 c
Si .
(2.57)
Schließlich sei noch erw¨ahnt, dass man auch Leistung und Intensit¨ at durch Pegel beschreibt. Dabei definiert man die erforderlichen Bezugsgr¨ oßen P0 und I0 in I¯ LI = 10 lg (2.58) I0 und in Lw = 10 lg
P¯ P0
(2.59)
so, dass sich gleiche Zahlenwerte f¨ ur Druckpegel L, f¨ ur Intensit¨ atspegel LI und f¨ ur Leistungspegel Lw f¨ ur den speziellen Fall einer ebenen fortschreitenden Welle ergeben und diese in Luft eine Fl¨ache von S = 1 m2 durchsetzt. Mit 2 peff 2 L = 10 log mit p0 = 2 10−5 N/m p0
ergibt sich also I0 = und
p0 2 2 = 10−12 W/m 0 c
P0 = I0 × 1 m2 = 10−12 W
(2.60)
(2.61)
(mit 0 c = 400kg/m2 s).
2.5 Intensit¨ ats-Messverfahren Wie soeben ausgef¨ uhrt l¨asst sich die Messung der Schallleistung im Freifeld und bei ausreichend großen Abst¨anden zur Quelle auf die Ermittlung des Schalldrucks auf einer Messfl¨ache zur¨ uckf¨ uhren. Das setzt die nicht immer tats¨achlich auch gegebene Verf¨ ugbarkeit eines besonderen, reflexionsarmen Messraumes voraus. Auch lassen sich manche technischen Schallquellen gar nicht in eine reflexionsarme Umgebung schaffen, das ist oft entweder unm¨oglich oder w¨are viel zu aufwendig. Es gibt also Grund genug f¨ ur ein Leistungsmessverfahren, dass auf spezielle Umgebungsbedingungen m¨ oglichst
38
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
nicht angewiesen sein soll. Notwendigerweise muss ein solches Verfahren die Bestimmung der Schallschnelle beinhalten. Der Grundgedanke beim Intensit¨ats-Messverfahren besteht deshalb darin, den zur Schnelle-Messung erforderlichen Druckgradienten durch die Druckdifferenz zwischen zwei Mikrophonorten abzusch¨atzen. Statt der wahren Schnelle mit 0
∂v ∂p =− ∂t ∂x
wird also die gemessene Schnelle 0
∂vM p(x) − p(x + ∆x) = ∂t ∆x
(2.62)
zur Bestimmung der Intensit¨ at benutzt. Dabei bezeichnen x und x + ∆x die Orte, in denen die beiden bei der Intensit¨ atsmesstechnik verwendeten Druckempf¨ anger angebracht sind. Die Richtung des Abstandes ∆x zwischen den beiden Messpositionen muss dabei keineswegs mit der tats¨ achlichen (oder vermeintlichen) Richtung der Schallausbreitung u bereinstimmen; mit den nachfolgend n¨ aher beschriebenen ¨ Verfahren wird stets diejenige vektorielle Intensit¨ atskomponente bestimmt, deren Richtung in die durch die beiden Messorte hindurchlaufende Achse z¨ ahlt. Nat¨ urlich bildet (2.62) eine Approximation f¨ ur die wahre“ Schallschnelle, ” die mit Hilfe von (2.62) hergestellte Sch¨ atzung f¨ ur die Intensit¨ at wird systematische Fehler enthalten, die hier genauer zu untersuchen sind. Vorab m¨ ussen jedoch die Messverfahren in den Details geschildert werden, die Fehlerbetrachtung – die dann auch die Grenzen des Verfahrens angibt – folgt anschließend. Wie schon erw¨ ahnt sind Leistungsmessungen vor allem f¨ ur station¨ ar betriebene ( dauernd laufende“) Quellen sinnvoll, davon wird im Folgenden ausge” gangen. F¨ ur solche Schalle kann das sich auf (2.62) st¨ utzende Intensit¨ atsmessverfahren entweder direkt auf den zeitlichen Mittelwert der lokalen Intensit¨ at abzielen (die dazu erforderlichen Signale k¨ onnen dabei auch z. B. A-gefiltert sein), oder es kann die spektrale Zusammensetzung aus Frequenzbestandteilen im Vordergrund des Interesses stehen. Im Folgenden wird sowohl auf die Ermittlung der Intensit¨ at im Zeitbereich auch im Frequenzbereich eingegangen. 2.5.1 Zeitbereichsverfahren Zur Bestimmung der Intensit¨ at muss die Druckdifferenz in (2.62) noch mit Hilfe eines analogen elektrischen Netzwerkes oder mit einem digitalen Prozessor zeitintegriert werden: 1 vM (t) = [p(x) − p(x + ∆x)] dt . (2.63) ∆x0
2.5 Intensit¨ ats-Messverfahren
39
Der Zeitverlauf der Intensit¨at ergibt sich als das Produkt von Druck und Schnelle. Da man nun u ur den Druck verf¨ ugt, die an ¨ber zwei Messsignale f¨ zwei nah benachbarten Orten gewonnen worden sind, verwendet man f¨ ur den Druck den Mittelwert der beiden Signale pM (t) =
1 [p(x) + p(x + ∆x)] , 2
damit ist 1 I(t) = pM (t)vM (t) = [p(x) + p(x + ∆x)] 20 ∆x
(2.64)
[p(x) − p(x + ∆x)] dt .
(2.65) Der zeitliche Mittelwert ergibt sich wieder mit Hilfe eines analogen oder digitalen Integrators zu 1 I¯ = 20 ∆xT
T
[p(x) + p(x + ∆x)]
[p(x) − p(x + ∆x)] dtdt ,
(2.66)
0
worin T die Mittelungszeit bedeutet. 2.5.2 Frequenzbereichsverfahren Bei der Bestimmung der Intensit¨at im Frequenzbereich“ m¨ ussen entweder die ” Amplituden der Schalldr¨ ucke in den beiden Mikrophonpositionen sowie ihre Phasenverschiebung gegeneinander bekannt sein, wenn es sich bei den Signalen um reine T¨one mit nur einer Frequenz handelt. Allgemeiner k¨ onnen aber auch die Amplitudenspektren der beiden Schalldrucksignale ermittelt werden, die im Folgenden mit p(x) und p(x + ∆x) bezeichnet seien. Im Fall beliebiger Zeitverl¨aufe stellen p(x) und p(x+∆x) komplexwertige spektrale Zahlenfolgen dar, die mit Hilfe der FFT-Analyse aus den Zeitsignalen gewonnen werden; f¨ ur den Fall reiner T¨one bezeichnen p(x) und p(x + ∆x) die komplexen Amplituden der Zeitverl¨aufe. Die im folgenden vorkommende Multiplikation bzw. Division mit der Kreisfrequenz meint stets, dass die komplexe Amplitude mit der zugeh¨origen Frequenz multipliziert bzw. durch sie dividiert werden soll. Im Frequenzbereich wird aus (2.62) vM =
j [p(x) − p(x + ∆x)] . ω0 ∆x
(2.67)
oßen beAuch diesmal wird der Druck pM aus dem Mittelwert der Messgr¨ stimmt: 1 pM = [p(x) + p(x + ∆x)] . (2.68) 2 Der zeitliche Mittelwert der Intensit¨ at (die Wirkintensit¨ at) wird demnach aus
40
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
1 1 Re {pM vM ∗ } = Re {−j [p(x) + p(x + ∆x)] [p∗ (x) − p∗ (x + ∆x)]} 2 4ω0 ∆x (2.69) gebildet (∗ = konjugiert komplex). Weil pp∗ eine reellwertige Gr¨ oße darstellt bleibt nach dem Ausmultiplizieren der Klammern nur IM =
IM =
1 Re {+j [p(x)p∗ (x + ∆x) − p∗ (x)p(x + ∆x)]} 4ω0 ∆x
u ¨brig. Mit Re[jz] = Re[j(x + jy)] = −y = −Im[z] gilt auch IM =
1 Im {p(x)p∗ (x + ∆x) − p∗ (x)p(x + ∆x)} , 4ω0 ∆x
oder, wegen Im[z − z∗] = 2Im[z], folgt schließlich IM =
1 Im {p(x)p∗ (x + ∆x)} . 2ω0 ∆x
(2.70)
Wie man sieht ben¨otigt man zur Berechnung von IM nur die beiden Amplituden p(x) und p(x + ∆x) und die Phasendifferenz zwischen ihnen. Das Argument p(x)p∗ (x + ∆x) wird auch als spektrale Kreuzleistung bezeichnet, die Intensit¨at ergibt sich aus ihrem Imagin¨ arteil. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass hier p(x) und p∗ (x+∆x) komplexe Amplituden oder Amplitudenspektren bezeichnen, ihr Produkt hat die Dimension [N/m2 ]2 und stellt nicht etwa eine Leistungsdichte-Funktion [Leistung/Hz] dar. Die in einem Frequenzband enthaltene Intensit¨at ergibt sich durch Summation der in ihr enthaltenen spektralen Anteile. 2.5.3 Messfehler und Grenzen des Verfahrens Hochfrequenter Fehler Das augenf¨alligste und sofort einleuchtende Problem bei der Intensit¨ atsmessung besteht darin, dass die Differenzenbildung an Stelle der Differentation nur bei großen Wellenl¨angen und entsprechend tiefen Frequenzen eine richtige Sch¨atzung abgeben kann. Eine einfachste Modellannahme zeigt die Gr¨ oße des auftretenden Fehlers. Es sei dazu eine sich in x-Richtung ausbreitende fortschreitende Welle p(x) = p0 e−jkx als Schallfeld angenommen. Die zu diesem Feld geh¨orende wahre Intensit¨ at I ist 1 1 p0 2 I = Re {pv ∗ } = 2 2 0 c
ur fortschreitende Wellen Gebrauch gemacht wurde. Die wobei von v = p/0 c f¨ nach (2.70) gemessene Intensit¨ at dagegen ist
2.5 Intensit¨ ats-Messverfahren
IM =
41
p0 2 p0 2 Im e−jkx ejk(x+∆x) = sin k∆x . 2ω0 ∆x 2ω0 ∆x
Demnach ist
IM 0 c sin k∆x = sin k∆x = . I ω0 ∆x k∆x
(2.71)
Nur f¨ ur tiefe Frequenzen k∆x 1 sind wegen sin k∆x/k∆x ≈ 1 gemessene und wahre Intensit¨ at identisch. Bereits f¨ ur k∆x = 2π∆x/λ = 0, 18 · 2π wird agt mit 10lgIM /I = −1 der Fehler 1 dB. Der sink∆x/k∆x = 0, 8; damit betr¨ Messfehler ist demnach nur dann kleiner als 1 dB, wenn etwa ∆x < λ/5 gilt. F¨ ur einen Abstand von nur x = 2,5 cm ließe sich also bis λ= 12,5 cm und damit bis zu f = c/λ = 2700 Hz messen, wenn der Fehler nicht gr¨ oßer als 1 dB sein soll. Tieffrequenter Fehler Ein zweiter, die untere Frequenzgrenze betreffender Fehler besteht kurz gesagt darin, dass die aus den zwei Mikrophonen bestehende Intensit¨ atsmesssonde auf Grund von kleinen Phasenfehlern eine Art von Phantom-Intensit¨ at“ vor” spiegelt, die es gar nicht gibt. Zur Erl¨ auterung dieses Effektes muss klargestellt werden, dass sowohl Schallfelder existieren, die mit einem Leistungstransport im zeitlichen Mittel verkn¨ upft sind als auch solche, die gerade ohne mittlere Leistungszufuhr auskommen. Es handelt sich dabei im ersten Fall um fortschreitende, im zweiten Fall um stehende Wellen, die im Folgenden n¨ aher betrachtet werden sollen. Fortschreitende Wellen Fortschreitende Wellen mit p(x) = p0 e−jkx und mit
p(x, t) = Re p(x)ejωt = p0 cos(ωt − kx)
bestehen ihrer Natur nach wie erl¨ autert in einem Ortsverlauf, der mit der Zeit wandert (siehe Bild 2.7). Zwischen den Schalldr¨ ucken an zwei sich um x unterscheidenden Mikrophonorten herrscht die Phasendifferenz ∆ϕ = k∆x = 2π∆x/λ. Die Wirkintensit¨at betr¨agt I = p0 2 /20 c.
Stehende Wellen Stehende Wellen bestehen aus zwei entgegengesetzt laufenden fortschreitenden Wellen gleicher Amplitude: p(x) = p0 e−jkx + p0 ejkx .
(2.72)
42
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
Schalldruck
Zeit t
−1
−0.75
−0.5
−0.25
0
x/λ
Abbildung 2.7. Ortsverlauf des Schalldrucks in einer fortschreitenden Welle f¨ ur ¨ konstante Zeiten. Uberdeckt wird eine halbe zeitliche Periodendauer
Der zweite, in negative x-Richtung eilende Anteil kann entweder durch einen Reflektor oder durch eine entsprechende zweite Schallquelle erzeugt worden sein. Statt (2.72) kann man auch p(x) = 2p0 cos kx . schreiben. Der Orts-Zeit-Verlauf ergibt sich wieder aus der Zeitkonvention, er ist
p(x, t) = Re p(x)ejωt = 2p0 cos kx cos ωt . (2.73) Gleichung (2.73) (und damit auch (2.72)) beschreibt eine stehende Welle, der Orts-Verlauf f¨ ur viele feste Zeiten ist in Bild 2.8 wiedergegeben. Man bezeichnet das Schallfeld als stehende Welle, weil die Ortsfunktion stehen bleibt und sich nicht zeitlich verschiebt; sie wird lediglich in der ¨ ortlichen Amplitude mit der Zeit auf- und abgeblendet“. Zwischen zwei Mikrophonorten herrscht im” mer entweder die Phasendifferenz ∆ϕ = 0◦ oder die von ∆ϕ = 180◦ . Im zeitlichen Mittel transportieren stehende Wellen keine Intensit¨ at und keine Leistung, wie man schon an den Druckknoten in Bild 2.8 ablesen kann. In den Knoten ist wegen p = 0 auch die Intensit¨at I(t) = p(t) v(t) = 0 f¨ ur alle Zeiten gleich Null, durch Fl¨achen mit p=0 dringt also niemals Leistung. Wegen des Prinzips der Energieerhaltung kann dann aber durch jede dazu parallele Fl¨ache im zeitlichen Mittel ebenfalls keine Leistung fließen. Das zeigt nat¨ urlich auch die Rechnung. Aus der komplexen Schnelle v(x) =
j ∂p −j2p0 = sin kx ω0 ∂x 0 c
43
Schalldruck
2.5 Intensit¨ ats-Messverfahren
Zeit t
−1
−0.75
−0.5
−0.25
0
x/λ
Abbildung 2.8. Ortsverlauf des Schalldrucks in einer stehenden Welle f¨ ur konstante ¨ Zeiten. Uberdeckt wird eine halbe zeitliche Periodendauer
folgt der Zeitverlauf
2p0 v(x, t) = Re v(x)ejωt = sin kx sin ωt , 0 c
(2.74)
und daher gilt f¨ ur die Intensit¨at I(x, t) =
2p0 2 p0 2 sin kx cos kx sin ωt cos ωt = sin 2kx sin 2ωt . 0 c 20 c
(2.75)
Im zeitlichen Mittel ist also die Intensit¨at an jedem Ort gleich Null. Die Tatsache, dass stehende Wellen ohne Energiezufuhr von außen auskommen, erkl¨ art sich aus den f¨ ur sie gemachten Ausnahmen. Zum Beispiel geht bei einer (angenommenen) Totalreflexion keine Energie verloren. Weil auch die Luft hier als verlustfrei aufgefasst worden ist, kann eine Schallwelle zwischen zwei Reflektoren beliebig oft hin- und herlaufen, ohne an Energie zu verlieren. In der Praxis ist die Annahme ganz fehlender Verluste nat¨ urlich immer mehr oder weniger stark verletzt. Man kann also zusammenfassend feststellen, dass Leistungstransport an Schallfelder gebunden ist, in denen an zwei Orten auch Dr¨ ucke unterschiedlicher Phase vorkommen. Sind dagegen die Signale an zwei (beliebig gew¨ ahlten) Orten vollst¨andig gleich- oder gegenphasig, dann liegt kein Leistungstransport im zeitlichen Mittel vor. Damit ist aber auch der zweite Problembereich der Intensit¨atsmesstechnik beschrieben. In einer halligen Umgebung mit wenig Absorption an den W¨anden bestehen die Schallfelder mehr oder weniger in stehenden Wellen. Wenn dann in der Messapparatur ein kleiner Phasenfehler
44
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
zwischen den beiden Mikrophonsignalen entsteht, dann wird dadurch eine gar nicht vorhandene Wirkintensit¨at vorgespiegelt. Auch die Intensit¨ atsmesstechnik ist also nicht wirklich von der Wahl des Messraumes unabh¨ angig; R¨ aume mit langen Nachhallzeiten sind f¨ ur sie nicht geeignet. F¨ ur eine rechnerische Einsch¨atzung des auf Grund von Phasenfehlern zustande kommenden Messfehlers muss zun¨achst ein Schallfeld angenommen werden, dass sowohl stehende als auch fortschreitende Wellen enth¨ alt: p = pp e−jkx + ps cos kx ,
(2.76)
worin pp die Amplitude der fortschreitenden und pS die der stehenden Welle bezeichnet, beide Gr¨oßen werden im Folgenden als reellwertig angesehen. Wenn man hinreichend tiefe Frequenzen bzw. ausreichend große Abst¨ ande mit k∆x 1 voraussetzt, dann liefert die Messvorschrift (2.70) einen sehr ur die wahre Intensit¨at, wenn kein Phasenfehler bei der genauen Sch¨atzwert f¨ Messung vorliegt. Wenn man der Einfachheit halber noch x = 0 als eine Messposition w¨ahlt, dann beschreibt also I = IM =
1 Im {p(0)p∗ (∆x)} 2ω0 ∆x
die Intensit¨at ohne Messfehler. Die mit dem Phasenfehler gemessene Intensit¨ at ist
1 IM = Im p(0)p∗ (∆x)ejϕ . 2ω0 ∆x Weil nur die Phasendifferenz zwischen den Messsignalen z¨ ahlt kann p(0) als reellwertig angesehen werden, es ist also IM Im{p∗ (∆x)ejϕ } Im{p(∆x)e−jϕ } = = . I Im{p∗ (∆x)} Im{p(∆x)}
Die Annahme, dass es sich bei dem Phasenfehler um eine kleine Gr¨ oße handelt, ist berechtigt; Mikrophon-Hersteller geben z. B. ϕ = 0.3◦ (!) als Phasentoleranz an. Mit e−jϕ = 1 − jϕ wird IM Im{jp(∆x)} Re{p(∆x} =1−j =1−ϕ , I Im{p(∆x)} Im{p(∆x}
(2.77)
wobei noch Im[jz] = Re[z] benutzt wurde. Nach (2.76) ist mit k∆x 1 p(∆x) = pp e−jk∆x + ps cos(k∆x) ≈ pp + ps − jpp k∆x , und folglich wird aus (2.77) IM pp + ps ϕ =1+ϕ =1+ I k∆xpp k∆x
1+
ps pp
.
(2.78)
Unter praktischen Verh¨ altnissen ist ϕ/k∆x selbst bei tiefen Frequenzen eine kleine Zahl (f¨ ur ϕ = 0, 3π/180, f = 100 Hz und x = 5 cm ist z.B. ϕ/k∆x ≈
2.6 Wellenausbreitung im bewegten Medium
45
1/20). Der Phasenfehler spielt also nur dann eine Rolle, wenn die Amplitude des stehenden Wellenfeldes pS viel gr¨oßer ist als die der fortschreitenden Welle, ps pp . Unter dieser Voraussetzung l¨asst sich das Verh¨ altnis aus gemessener Intensit¨at IM und wahrer Intensit¨at I zu IM ϕ ps =1+ I k∆x pp
(2.79)
absch¨atzen. Wenn man einen Messfehler von 1 dB noch akzeptiert, dann muss bei der Messung ϕ ps (2.80) < 0.2 k∆x pp
eingehalten werden. Weil die linke Seite von Gl.(2.80) mit fallender Frequenz w¨ achst bedeutet sie die Festlegung einer unteren Bandbegrenzung des Messbereiches: ϕ 5c ps f> . (2.81) 2π ∆x pp
Mit ϕ = 0, 3π/180 und ∆x = 0, 05 m wird daraus zum Beispiel f > 30
ps Hz . pp
Bei ps = 10pp ließe sich etwa ab f = 300 Hz mit der Toleranz von 1 dB messen. Wie Kapitel 6 zeigt m¨ ussten die W¨ ande des Messraumes dazu schon etwa einen Absorptionsgrad von α = 0, 3 besitzen. Gleichung (2.71) verlangt m¨ oglichst kleine Messabst¨ande ∆x, damit bei m¨oglichst hohen Frequenzen noch fehlerfrei gemessen werden kann. In (2.81) wird andererseits ein großes ∆x zur Ber¨ ucksichtigung tiefer Frequenzen verlangt. Bei breitbandigen Messungen wird deshalb der Frequenzbereich meist in zwei Intervalle aufgeteilt und mit zwei unterschiedlichen Mikrophonabst¨anden behandelt.
2.6 Wellenausbreitung im bewegten Medium Dieser Abschnitt versucht zu kl¨ aren, welche prinzipiellen Ph¨anomene und Effekte im sich bewegenden Medium aus Gas zu erwarten sind. Bekanntlich z¨ahlen Bewegungen immer relativ zu einem Punkt oder Koordinatensystem, das man sich dann als ruhend vorstellt. Die Frage nach dem fließenden Medium meint also - pr¨ aziser ausgedr¨ uckt - die Betrachtung von Medium, Schallquelle und Empfangseinrichtung (Ohr oder Mikrophon) relativ zueinander. Dabei interessieren vor allem die drei folgenden, oft auftretenden Situationen: 1. Herrscht Wind im Freien, dann bleiben Schallquelle und Schallempf¨anger ortsfest am Boden, w¨ ahrend das Medium als Ganzes u ¨ber sie hinwegl¨auft. Hier denkt man sich also Sender und Ohr oder Mikrophon unbeweglich fest, w¨ahrend das Gas davonstr¨ omt.
46
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
2. H¨aufig erlebt man im Alltag - selbst fast ruhend - Quellen, die mit der Fahrgeschwindigkeit U gegen¨ uber der Luft bewegt werden, z. B. die Sirene von Einsatzfahrzeugen der Polizei oder Feuerwehr. Hier denkt man sich also den ruhenden Empf¨anger fest im ruhenden Medium, w¨ahrend die Quelle relativ zu diesen beiden bewegt wird. 3. Und schließlich kann noch die Empfangseinrichtung (das Ohr des Fahrers in einem Fahrzeug z. B.) auf die im Medium ruhende Quelle zu- oder wegbewegt werden. Hier denkt man sich also die ruhende Quelle fest im ruhenden Medium, w¨ahrend der Empf¨anger relativ zu diesen beiden bewegt wird. Diese drei F¨alle bilden zwei Gruppen mit einem sehr erheblichen Unterschied. Im ersten Fall n¨amlich bleibt der Abstand zwischen Sender und Empf¨anger zu allen Zeiten gleich, auch die Laufzeit des Schalles zwischen den beiden ist konstant und zeitunabh¨angig. Aus diesem Grund wird das Schallsignal ohne Verzerrungen der Signalgestalt u auterung ver¨bertragen. Eine Erl¨ sucht Bild 2.9. Hier wird das zum Zeitpunkt t0 emittierte Signal mit der LaufSendesignal
Empfangssignal
Laufzeit T(t0) Laufzeit T(t0+∆T)
∆T t = t0
t = t 0 + ∆T
Zeit t
Abbildung 2.9. Prinzipskizze zur Erkl¨ arung des Dopplereffekts
zeit T (t0 ) u otige ¨bertragen, das zur Zeit t0 + ∆T gesendete Signal dagegen ben¨ die Laufzeit T (t0 + ∆T ) zum Empf¨anger. Nur wenn - wie bei zueinander in Ruhe verharrenden Quelle und Empf¨anger - die beiden Laufzeiten gleich sind, also wenn T (t0 ) = T (t0 +∆T ) gilt, dann ist das Empfangssignal ein unverzerrtes Abbild des Quellsignales. Bei reinen T¨onen als Quellsignal (Frequenz fQ ) entsteht dann am Empf¨anger die gleiche Frequenz, f¨ ur die Empfangsfrequenz ¨ fE gilt also fE = fQ . Ubrigens besteht darin eine wichtige Eigenschaft von
2.6 Wellenausbreitung im bewegten Medium
47
¨ allen zeitinvarianten (und linearen) Ubertrager: Bei ihnen sind die Frequenzen von Anregung (Quelle) und Wirkung (Empf¨anger) immer gleich groß. Bewegungen von Sender und Empf¨anger relativ zueinander bilden fast ¨ schon das Urbild von zeitver¨anderlichen (zeitvarianten) Ubertragern. Hier sind die beiden Laufzeiten T (t0 ) und T (t0 + ∆T ) unterschiedlich gross, weil sich w¨ahrend des Zeitintervalles ∆T der Abstand zwischen Quelle und Empfangspunkt ge¨andert hat. Deshalb erfahren sendeseitige reine T¨ one bei der ¨ Ubertragung eine Ver¨anderung der Frequenz, die Frequenzen von Sender und Empf¨anger fQ und fE sind unterschiedlich groß. Dieser Effekt wird (nach seinem Entdecker) Dopplereffekt genannt. Die aufgef¨ uhrten Anordnungen aus ruhenden oder bewegten Quellen und Empf¨anger relativ zueinander und/oder zu einem ruhenden oder bewegten Medium lassen sich anschaulich vergleichen mit einem str¨omenden Fluss oder einem ruhenden See, auf dessen Oberfl¨ ache Wellen entlanglaufen (siehe z. B. Bild 2.10); letztere symbolisieren die Luftschallwellen im Gas.
Welle mit Geschwindigkeit c gegenüber Fluss (Fluid) mit Fluss mitschwimmender Empfänger EF Geschwindigkeit U gegenüber Ufer
EF
c
U
Fluss (Fluid) mit Geschwindigkeit U gegenüber Üfer
Q ruhende Quelle
E
ruhendes Ufer
ruhender Empfänger
Abbildung 2.10. Prinzipskizze zur Erkl¨ arung des Dopplereffekts bei mit dem Fluid mitbewegtem Empf¨ anger
Zun¨achst sei der erstgenannte Fall mit am Ufer ruhender Quelle und einem ebenfalls dort stehenden Beobachter betrachtet (Bild 2.10). Die ruhende Quelle kann man sich beispielhaft vorstellen wie ein Schlagwerk, dass periodisch mit der Periode TQ auf die Wasserfl¨ache aufschl¨ agt, die Quellfrequenz betr¨agt dabei fQ = 1/TQ . Bei ruhendem Medium U = 0 laufen die so erzeugten St¨orungen mit der Geschwindigkeit c den Wellenleiter entlang, sie w¨ urden w¨ahrend einer zeitlichen Periode gerade das St¨ uck ∆x = cTQ zur¨ ucklegen. Bei str¨omendem Medium werden die St¨orungen vom Fluid nat¨ urlich einfach mit-
48
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
genommen, sie laufen also der Quelle mit der Geschwindigkeit c + U ’davon’, w¨ahrend einer zeitlichen Periode legen sie deshalb die Strecke ∆x = (c+U )TQ zur¨ uck. Der ¨ortliche Abstand zweier St¨orungen bezeichnet die ¨ ortliche Periode und damit die Wellenl¨ange λ. Sie ist gerade gleich der von den St¨ orungen w¨ahrend TQ zur¨ uckgelegten Strecke und betr¨agt deshalb λ=
c+U . fQ
(2.82)
Die Wellenl¨ange hat sich also gegen¨ uber dem ruhenden Medium vergr¨ oßert. Dabei ist es u ultig, ob das Wellengebirge vom Ufer aus ¨brigens v¨ollig gleichg¨ oder von einem mit dem Fluid mittreibenden Emf¨anger beobachtet (fotografiert) wird. Auch von einem mit der Str¨omung mitschwimmenden Schiff aus wird die gleiche Wellenl¨ange wie vom Ufer aus beobachtet. Wie eingangs erw¨ahnt sind hier die Frequenzen von Quelle und Empf¨ anger gleich. Das ergibt sich auch aus der anschaulichen Vorstellung des laufenden Wellengebirges. W¨ahrend der Zeit ∆T schiebt sich das St¨ uck (c + u)∆T am Empf¨anger vorbei. Die Anzahl NE der w¨ahrend ∆T vorbeiziehenden St¨ orungen betr¨agt deswegen ∆x (c + U )∆T = . λ λ Das Verh¨altnis NE /∆T bezeichnet die Empfangsfrequenz NE =
(2.83)
NE (2.84) . ∆T Aus Gl.(2.82) folgt dann erwartungsgem¨ aß fE = fQ . Eine sehr ¨ahnliche Betrachtung ergibt nun auch die Dopplerverschiebung an einem mit dem Fluid mitschwimmenden Empf¨anger. Da der Wellentransport mit der Laufgeschwindigkeit c an ihm vorbeizieht (siehe Bild 2.10) gilt f¨ ur die Anzahl NE der an ihm vorbeilaufenden Wellenl¨ angen diesmal fE =
NE =
c∆T . λ
(2.85)
Daraus folgt nach Einsetzen der Wellenl¨ ange nach Gl.(2.82) NE /∆T =
c c = fQ . λ c+U
(2.86)
Die linke Seite bezeichnet wieder die Empfangsfrequenz. In der rechten Seite k¨ urzt man noch das Geschwindigkeitsverh¨ altnis U/c durch die Machzahl M ab: U M= . (2.87) c F¨ ur die Dopplerverschiebung bei ruhender Quelle (Frequenz fQ ) und mit dem bewegten Medium mitlaufendem Empf¨ anger (Frequenz fE ) gilt also
2.6 Wellenausbreitung im bewegten Medium
49
fQ . (2.88) 1+M Wie eingangs erkl¨art z¨ahlen nur Relativbewegungen. Ob also - wie bisher angenommen - das Fluid sich mit einem in ihm eingebetteten Empf¨ anger bewegt und die Quelle (am Ufer) steht, oder ob man Fluid und Empf¨ anger als ruhend ansieht und die Quelle in entgegengesetzter Richtung davonlaufen l¨ asst, das muss sich v¨ollig gleich bleiben. Immer dann, wenn Fluid und Empf¨ anger zueinander in Ruhe bleiben und gemeinsam bewegt werden, beschreibt also Gl.(2.88) die Dopplerverschiebung. Es versteht sich wohl von selbst, dass M dabei eine vorzeichenbehaftete Gr¨osse ist; negative Werte von U (Quelle und Empf¨anger laufen dann aufeinander zu) bleiben hier und im folgenden zugelassen. fE =
Welle mit Geschwindigkeit c gegenüber See (Fluid)
auf See (im Fluid) ruhende Quelle
c
QF
stehender See (Fluid)
ruhendes Ufer U E mit U gegenüber See (Fluid) bewegter Empfänger
Abbildung 2.11. Teilchenbewegung Prinzipskizze zur Erkl¨ arung des Dopplereffekts bei im Fluid ruhender Quelle und bewegtem Empf¨ anger
Die Dopplerverschiebung ¨andert sich hingegen im eingangs aufgef¨ uhrten dritten Fall, bei welchem nun die Quelle mit dem Medium mitgef¨ uhrt wird. Die einfachste Vorstellung, die man sich davon machen kann, ist vielleicht die von Bild 2.11: In einem ruhenden See (Fluid) befindet sich eine gleichfalls ruhende Quelle, der Empf¨anger am Ufer dagegen bewege sich mit der Geschwindigkeit U in Bild 2.11 nach links. Nat¨ urlich interessiert sich das Wellenfeld auf dem See gar nicht f¨ ur die Bewegungen des Empf¨angers am Ufer, es ist also einfach c . (2.89) fQ Die Anzahl der Perioden NE des Wellengebirges, das w¨ ahrend ∆T am bewegten Empf¨anger vorbeieilt, ist λ=
50
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
NE =
∆x (c − U )∆T = . λ λ
(2.90)
Weil der Empf¨anger den Seewellen davon zu laufen versucht, ziehen die Wellen nur mit der Geschwindigkeit c-U an ihm vorbei. F¨ ur die Anzahl der Perioden anger vorbeieilt, NE des Wellengebirges, das w¨ahrend ∆T am bewegten Empf¨ gilt deswegen fE =
NE (c − U ) c−U = = fQ = (1 − M )fQ . ∆T λ c
(2.91)
Gl.(2.91) beschreibt die Dopplerverschiebung, wenn Medium und Schallquelle zueinander ruhen. Wie man sieht muss man also unterscheiden, ob sich der Sender oder der Empf¨ anger relativ zum Medium bewegt, in diesen beiden F¨ allen ergeben sich unterschiedliche Dopplerverschiebungen. Bei Bewegungen der Quelle relativ ¨ zum Medium kommt eine Anderung der Wellenl¨ ange hinzu. Die Unterschiede 2
fE/fQ
1.5
Quelle bewegt sich im Medium
1
Quelle ruht im Medium 0.5
0 −0.5
−0.25
0
0.25
0.5
Machzahl M
Abbildung 2.12. Dopplerverschiebungen f¨ ur Quellen die im Medium ruhen und f¨ ur Quellen die im Medium bewegt werden
in den Gesetzm¨aßigkeiten (2.88) und (2.91) sind allerdings f¨ ur kleinere Machzahlen sehr gering, wie auch Bild 2.12 lehrt. Man bedenke auch, dass eine Machzahl von nur 0,1 in Luft schon einer Geschwindigkeit von 34 m/s und damit mehr als 120 km/h entspricht; gr¨ oßere Geschwindigkeiten treten in der Akustik nur sehr selten auf. Die bisherigen Betrachtungen bedienten sich zur Kl¨ arung des Grunds¨ atzlichen eindimensionaler Wellenleiter. Bei r¨ aumlicher Schallausbreitung unter
2.7 Zusammenfassung
51
Wind mit auf der Erdoberfl¨ache ruhender Quelle und gleichfalls ruhendem Beobachtungssystem ergibt sich zwar keine Dopplerverschiebung, jedoch vollzieht sich die Schallausbreitung mit richtungsabh¨angiger Wellenl¨ ange, wie leicht nachzuvollziehen ist: Mit dem Wind ist die Wellenl¨ ange gr¨ oßer als gegen den Wind, und seitlich dazu ist sie von der Str¨ omungsgeschwindigkeit sogar noch unbeeinflusst. Allgemein l¨asst sich zeigen, dass man das Schallfeld pM (x, y, z) f¨ ur kleine Machzahlen M aus dem Schallfeld bei ruhendem Medium p(x, y, z) wie folgt n¨aherungsweise berechnen kann: pM (x, y, z) = ejkM x p(x, y, z) .
(2.92)
Dabei ist eine mit der Geschwindigkeit U in x-Richtung laufende Str¨ omung angenommen worden, k bedeutet die Wellenzahl im ruhenden Medium (k = ω/c = 2π/λ). Die schon genannten Effekte k¨onnen an der Darstellung der Teilchenbewegung in Bild 2.13 abgelesen werden. Der Deutlichkeit halber bl¨ ast hier der Wind mit einer schon recht großen Machzahl von M=0,33 (400 km/h etwa) von links nach rechts.
Abbildung 2.13. Teilchenbewegung bei Schallausbreitung im str¨ omenden Medium (M=0,33) bei ruhender Quelle u ¨ber dem ruhenden Koordinatensystem aufgetragen
2.7 Zusammenfassung ¨ Schall besteht in (sehr) kleinen Anderungen p des Druckes, der Dichte und T der Temperatur in Gasen, die sich wellenf¨ormig im Medium mit der Wellengeschwindigkeit c ausbreiten. Bei reinen T¨onen besitzen die Wellen die ¨ Wellenl¨ange λ = f /c. W¨armeleitung tritt bei den sehr schnellen Anderungen
52
2 Grundbegriffe der Wellenausbreitung
der Schallvorg¨ange nicht auf, die drei Zustandsgr¨oßen erf¨ ullen deshalb - neben der Boyle-Mariotte-Gleichung - die adiabatische Zustandsgleichung. Aus der Boyle-Mariotte-Gleichung folgt f¨ ur die akustischen Gr¨ oßen p T = + . p0 0 T0 Die adiabatischen Zustandsgleichung auf akustische Gr¨ oßen zugeschnitten lautet p = 2 . c Darin bedeutet c die Schallausbreitungsgeshwindigkeit, sie betr¨ agt
R c= κ T0 Mmol
und h¨angt damit nur vom Stoff (der Gasart) und von der Temperatur ab. Die mit den Dichte¨anderungen einhergehenden Bewegungen der lokalen Luft werden durch ihre Geschwindigkeit, die Schallschnelle v, bezeichnet. F¨ ur ebene fortschreitende Wellen (im reflexionsfreien Wellenleiter) ist das Verh¨ altnis aus Druck und Schnelle konstant: p = ρ0 c v .
Die Konstante ρ0 c wird als Wellenimpedanz oder als Kennwiderstand des Mediums bezeichnet. Mit der Schallausbreitung l¨ auft die momentan im Medium gespeicherte Schallenergie mit. Letztere setzt sich aus den zwei Anteilen ’Bewegungsenergie’ und ’Kompressionsenergie’ zusammen. Der SchallenergieTransport wird durch die Intensit¨ at I=P/S beschrieben, sie ist gleich dem Verh¨ altnis aus der die Fl¨ ache S durchsetzenden Leistung P und der Fl¨ ache S selbst. Wie man zeigen kann besteht allgemein die Intensit¨ at aus dem Produkt von Druck und Schnelle I = pv . Schallleistungsmessungen k¨ onnen deshalb wie beim Intensit¨ atsmessverfahren auf der Bestimmung von v z.B. durch durch Verwendung eines Mikrofonpaares fußen, oder die Messung wird unter Freifeldbedingungen im Fernfeld vorgenommen, weil sich die Intensit¨ at in diesem Fall alleine aus dem Schalldruck bestimmen l¨ asst. Bei Relativbewegungen zwischen Quelle und Empf¨ anger tritt der DopplerEffekt auf. Damit sind Frequenzverschiebungen gemeint, die sich aus der selbst zeitabh¨ angigen Verz¨ ogerungszeit zwischen Sender und Empf¨ anger erkl¨ art. Die Dopplerfrequenz h¨ angt geringf¨ ugig davon ab, ob die Quelle oder der Empf¨ anger gegen¨ uber dem Medium ruht.
2.8 Literaturhinweise
53
2.8 Literaturhinweise Eine exzellente und dabei leicht verst¨andliche Beschreibung der Natur von Wellen gibt das Buch Waves and Oscillations“ von K.U. Ingard (Cambridge ” University Press, Cambridge 1990). Es behandelt die akustischen Wellen in Gasen, Fluiden und Festk¨orpern und geht auch auf andere Wellenarten – wie elektromagnetische Wellen und Wellen an der Wasseroberfl¨ ache – ein. Zur Intensit¨atsmesstechnik sei das Buch von F. Fahy “Sound Intensity“ ( Elsevier, London und New York 1995) empfohlen.
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Wie die allt¨agliche Beobachtung lehrt (und wie einer der n¨ achsten Abschnitte noch zeigen wird), weisen Schallquellen oft eine Richtungsabh¨ angigkeit des von ihnen emittierten Schalls auf. Der vom Beobachter wahrgenommene Pegel h¨angt nicht nur vom Abstand zur Schallquelle ab; auch wenn die Quelle umkreist wird, ¨andert sich der Pegel mit dem Winkel. Andererseits ist von einer Reihe auch technisch interessierender Quellen bekannt, dass sie allseitig etwa gleichm¨aßig Schall aussenden. Nicht zu große Schallquellen, wie kleinere Maschinen, Austritts¨offnungen von L¨ uftungen mit niederfrequentem Schall, Arbeitsvorg¨ange wie Rammen, H¨ ammern und Schlagen und viele andere, vor allem breitbandige Vorg¨ ange, besitzen oft eine praktisch wenig relevante Richtungsabh¨angigkeit im hervorgerufenen Schallfeld. Allgemein kann man sogar zeigen, dass einseitig verdr¨ angende Schallquellen immer dann eine ungerichtete Schallabstrahlung besitzen, wenn ihre Abmessungen klein gegen¨ uber der Wellenl¨ange sind. Ihre Richtwirkung ist also stets bei hinreichend tiefen Frequenzen kugelf¨ormig. Und schließlich sind bei u ¨berschl¨agigen Vorausberechnungen der Wirkung von Schallquellen-Details der Richtungs-Abh¨angigkeit oft gar nicht bekannt, so dass man auf die (u. U. gar nicht zutreffende) Annahme allseitig gleichm¨aßiger Emission angewiesen ist. Es besteht also Grund genug, das Kapitel u ¨ber Ausbreitung und Abstrahlung mit der ungerichteten Schallabstrahlung im Freien zu beginnen, wobei sekund¨are Einfl¨ usse, wie z.B. Witterungsbedingungen, hier unbeachtet bleiben.
3.1 Ungerichtete Schallabstrahlung von Punktquellen Die Betrachtung ungerichteter Quellen ist besonders einfach, wenn sie an Hand eines Energieprinzips durchgef¨ uhrt wird. Bei allen Schallquellen (auch bei beliebiger Richtwirkung) muss durch jede beliebige, die Quelle ganz umschließende H¨ ullfl¨ache die gleiche akustische Leistung P hindurchtreten (Ausbreitungsverluste k¨onnen bei nicht zu großen Quellabst¨anden vernachl¨ assigt werden).
56
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Weil das auch f¨ ur eine H¨ ulle direkt auf der Quelloberfl¨ ache gilt, muss P dabei gleich der von der Quelle in das Medium eingespeisten Leistung sein. F¨ ur die ungerichtete Abstrahlung w¨ahlt man (gedachte) Kugelfl¨ achen S = 4πr2 mit dem Sender im Mittelpunkt (Bild 3.1). In gr¨ oßerer Entfernung verhalten sich die ausgesandten Kugelwellen immer mehr wie ebene Wellen, weil die Kr¨ ummung der Wellenfronten nachl¨asst. Nach den Leistungsbetrachtungen in Kapitel 2 gilt also im Fernfeld P =
1 2 1 peff S = p2eff 4πr2 , c c
(3.1)
wobei P wie gesagt die Leistung der Schallquelle darstellt. Kugelfläche 4πr 2
Abstand r
ungerichtete Schallquelle
Abbildung 3.1. H¨ ullfl¨ ache in Form einer Kugeloberfl¨ ache zur Bestimmung der von einer ungerichteten Punktschallquelle abgestrahlten Leistung
Der Schalldruck verringert sich demnach umgekehrt proportional zum Abstandquadrat. Nat¨ urlich ist die Umformung von (3.1) in ein Pegelgesetz sinnvoll. Dazu wird (3.1) durch die Bezugsleistung P0 = (p0 2 /c) ·1 m2 (siehe Kapitel 2.4) dividiert und anschließend der dekadische Logarithmus genommen. Man erh¨alt so Lp = Lw − 20 lg
r − 11 dB , m
(3.2)
worin Lp den Schalldruckpegel in Abstand r darstellt (hier wie im Folgenden bedeutet r/m den dimensionslosen Abstand, also r/m = r geteilt durch 1 Meter). Dem Abstandsgesetz (3.2) zu Folge sinkt der Pegel um 6 dB pro Entfernungsverdoppelung. Befindet sich die L¨armquelle auf einer nahezu vollst¨ andig reflektierenden Unterlage (Boden), so tritt die Leistung nur noch durch eine Halbkugel hindurch. In diesem Fall erh¨alt man statt (3.2) Lp = Lw − 20 lg
r − 8 dB . m
(3.3)
3.2 Ungerichtete Schallabstrahlung von Linienquellen
57
3.2 Ungerichtete Schallabstrahlung von Linienquellen In der Praxis kommen manchmal auch sehr lange Ger¨ auschquellen vor, die zum Beispiel aus einzelnen, ungerichtet strahlenden (und inkoh¨ arenten) Punktquellen bestehen k¨onnen. Beispiele daf¨ ur sind dicht befahrene Straßen und Eisenbahnz¨ uge. Bei der Leistungsbetrachtung bezieht man sich diesmal auf Zylinder-Oberfl¨achen (Bild 3.2) und findet (l=Strahlerl¨ ange) P =
p2eff 2πrl . c
(3.4)
F¨ ur die Pegel folgt daraus Zylindermantelfläche 2 πrl
Linienquelle
Abstand r
Länge l
Abbildung 3.2. H¨ ullfl¨ ache in Form einer Zylindermantelfl¨ ache zur Bestimmung der von einer ungerichteten Linienschallquelle abgestrahlten Leistung
l r − 10 lg − 8 dB , (3.5) m m oder, falls sich die Quelle wieder auf einer reflektierenden Unterlage befindet
Lp = Lw − 10 lg
Lp = Lw − 10 lg
l r − 10 lg − 5 dB . m m
(3.6)
Hier f¨allt der Schalldruck also nur mit 3 dB pro Entfernungsverdoppelung. Dies hat zur Folge, dass sehr lange Quellen wie dicht befahrene Autobahnen einen sehr großen Einwirkungsbereich haben. Beispielsweise betr¨ agt der in 1 km Abstand bestimmte Pegel nur 16 dB weniger als der Pegel in 25 m Abstand. F¨ ur den A-bewerteten Dauerschallpegel ist sicher ein Wert von Leq (25 m) = 76 dB(A) an einer Autobahn nicht zu hoch gegriffen, es blieben also noch 60 dB(A) nach einem Kilometer u ucklicherweise mildert ¨brig! Gl¨ der Einfluss von Boden, Bewuchs und Bebauung diese L¨ armbelastung etwas ab. F¨ ur k¨ urzere Linienschallquellen (z.B. Personenz¨ uge) muss man in gr¨ oßerer N¨ahe von (3.6), f¨ ur gr¨oßere Entfernungen dagegen von (3.3) ausgehen. In naher
58
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Nachbarschaft einer endlich langen Quelle wirkt diese wie eine lange Linienquelle; in großen Abst¨anden dagegen schrumpfen alle Quellen zu einem Punkt ¨ zusammen. Der Ubergangspunkt zwischen Linien- und Punktquelle liegt etwa bei Abstand rcr = l/2, wie man durch Gleichsetzen von (3.1) und (3.4) sieht. In Abst¨anden r < rcr wirkt die Quelle wie eine Linie mit 3 dB Pegelabfall pro Entfernungsverdoppelung; f¨ ur Abst¨ande r > rcr dagegen wirkt sie wie ein Punkt mit 6 dB Pegelabfall pro Entfernungsverdoppelung. In der Praxis misst man meist nah an der Quelle, schon um den Einfluss des Hintergrundl¨ arms gering zu halten. Man kann dann nach (3.6) auf die Leistung zur¨ uckrechnen und anschließend nach (3.3) auch f¨ ur Entfernungen r > l/2 eine Prognose abgeben.
3.3 Volumenquellen Wie gezeigt ist der Effektivwert des Schalldrucks im Fall der einfachsten Idealisierung allseitig gleichm¨aßiger Schallabstrahlung proportional zum reziproken Abstand. Nimmt man noch die Erwartung hinzu, dass das Feld in einer radial nach außen laufenden Kugelwelle besteht, so lautet der Ansatz f¨ ur den Schalldruck A p = e−jkr (3.7) r (k = Wellenzahl = ω/c = 2π/λ). Die mehr auf Grund von Plausibilit¨ aten formulierte Gl.(3.7) erf¨ ullt tats¨achlich auch die Wellengleichung (2.40) in Kugelkoordinaten, wie sich leicht zeigen l¨asst. Um ein so mathematisch ideales“ Feld mit perfekter Kugelsymmetrie zu ” erhalten, muss auch die Schall-sendende Anordnung sehr speziell beschaffen sein. Sie besteht aus einer atmenden Kugel“, also aus einer Kugeloberfl¨ ache ” r = a, die sich mit der ¨ortlich konstanten Schnelle va radial ausdehnt und zusammenzieht (siehe auch Bild 3.3). Man bezeichnet die atmende Kugel auch als Strahler nullter Ordnung“ oder Monopolquelle“, um auf das Nichtvor” ” handensein der Winkelabh¨angigkeiten hinzuweisen. Die in (3.7) zun¨ achst noch unbekannt gebliebene Amplitude A kann aus der Schnelle va auf der Kugeloberfl¨ache r = a berechnet werden. ¨ Ahnlich wie in (2.26) gilt
∂v ∂p =− ∂t ∂r
(siehe auch (2.39) in Kugelkoordinaten), oder f¨ ur komplexe Amplituden und den Ansatz (3.7) j ∂p A j A j e−jkr −jkr v= = k− = e 1− . (3.8) ω ∂r rω r c kr r
ur r = a folgt daraus Wegen v = va f¨
3.3 Volumenquellen
59
Abbildung 3.3. Schallfeld einer atmenden Kugel
A=
cva aejka . j 1 − ka
(3.9)
Wenn man sich hinfort auf kleine Quellen ka = 2a/λ 1 beschr¨ ankt, dann kann man die 1 im Nenner von (3.9) vernachl¨assigen und erh¨ alt A = jkcva a2 = jωva a2 .
(3.10)
Insgesamt ist damit der Schalldruck (3.7) p = jωva a2
e−jkr r
(3.11)
durch Quellgr¨oßen und durch die Tatsache beschrieben, dass es sich um radial nach außen laufende Wellen mit sich verd¨ unnender Energie handelt. Nun w¨are die Schallabstrahlung von einem so mathematisch exakt definierten Kugelstrahler nullter Ordnung nur von theoretischem Interesse, wenn die dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht auf alle Volumenquellen zu u ¨bertragen w¨aren, die klein zur Wellenl¨ange sind. Darunter sind Quellen zu verstehen, deren wesentliches Charakteristikum in ihrer zeitlichen Volumen¨ anderung oder im Ausstoß von Mediummasse besteht. Gemeint sind also expandierende K¨orper, zum Beispiel auch einseitig verdr¨angende Strahler wie der Lautsprecher in einem sonst geschlossenen Geh¨ause mit allseitig zur Wellenl¨ ange ¨ kleinen Abmessungen, aber auch Explosionen, die Auto-Auspuff-Offnung oder ¨ sich ¨offnende (oder schließende) Auslassventile (z. B. stellt auch das Offnen einer Sektflasche eine Volumenquelle dar). F¨ ur all diese kleinen Volumenquellen kann man ebenfalls (3.11) benutzen. Dabei besteht die quellbeschreibende Gr¨oße in ihrem Volumenfluss Q, der allgemein mit
60
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Q=
vdS
(3.12)
s
aus der Strahlerschnelle und der Strahlerfl¨ache S berechnet wird. Zum Beispiel ist beim Autoauspuff v(t) die Geschwindigkeit des auf der Fl¨ ache S ausstr¨omenden Gases. Der Volumenfluss Q muss nun noch auf die Oberfl¨ache der atmenden Kugel verteilt werden. Bei letzterer ist Q = 4πa2 va , also gilt allgemein f¨ ur Volumenquellen e−jkr p = jωQ . (3.13) 4πr Anders als bei den ebenen fortschreitenden Wellen mit p = cv wirkt die dreidimensionale Schallabstrahlung wie eine zeitliche Differentiation der Strahlerschnelle. Weil jω die Zeitableitung und e−jkr eine Verz¨ ogerung e−jωτ mit der Verz¨ogerungszeit τ = r/c bedeuten, l¨asst sich (3.13) im Zeitbereich als p=
dQ(t − r/c) 4πr dt
(3.14)
schreiben.
Volumenfluss Q(t)
leise
laut
Zeit t Abbildung 3.4. Laute“ und leise“ Volumenf¨ orderung bei gleicher Gesamtmenge ” ” Q(t)dt
Wenn eine geringe Schallerzeugung erw¨ unscht ist, dann muss die zeitliche ¨ Anderung des Volumenflusses m¨oglichst gering eingestellt werden. Zum Bei¨ spiel ist ein pl¨otzliches, ruckartiges Offnen von Ventilen ung¨ unstig im Sinne
3.4 Das Schallfeld zweier Quellen
61
des L¨armschutzes; leiser l¨asst sich der Vorgang durch allm¨ ahliches, langsa¨ mes Offnen gestalten. Bild 3.4 versucht eine Illustration. Der SchalldruckFrequenzgang p ∼ jωQ = bS ist zur Beschleunigung b proportional. F¨ ur den Frequenzgang von Lautsprechern ist diese Tatsache nat¨ urlich von ausschlaggebender Bedeutung. In Kapitel 11 werden denn auch die hier geschilderten Gesetzm¨aßigkeiten benutzt werden.
3.4 Das Schallfeld zweier Quellen Es gibt gleich eine ganze Reihe von Gr¨ unden, sich mit dem Schallfeld von zwei (kleinen) Volumenquellen zu besch¨aftigen. Anordnungen aus zwei ent-
kleine, als Ganzes bewegte Fläche
+
Ersatzquelle
Ersatzquelle
Ausgleichsbewegung der Luft
Abbildung 3.5. Eine als ganzes bewegte kleine Fl¨ ache wirkt wie ein Dipol
gegengesetzt gleich großen Quellen kommen praktisch recht oft vor. Jede als Ganzes bewegte kleine Fl¨ache, die nicht in ein Geh¨ause eingebaut ist, wie z. B. ein Lautsprecher ohne Box oder Schallwand, kann bei hinreichend tiefen Frequenzen als solch ein Dipol aufgefasst werden. Schiebt die Fl¨ ache die Luft auf der rechten Seite nach rechts (Bild 3.5), so saugt sie auf der linken Seite ebenso an. Die rechts komprimierte Luft fließt um die Kante herum auf die Fl¨achenr¨ uckseite und gleicht so die Dichteunterschiede (und damit auch die Druckunterschiede) aus, ein Effekt, den man anschaulich als Massen” kurzschluss“ bezeichnet. Die Tatsache, dass der Vorgang durch ein Paar gegenphasiger Quellen dargestellt werden kann, f¨ uhrt auf eine nicht-konstante Richtungsverteilung und bei tiefen T¨onen auf eine deutlich kleinere Schallabstrahlung als bei einer (vergleichbaren) Einzelquelle, wie die folgenden Betrachtungen zeigen. Bei der heute oft diskutierten aktiven L¨ armbek¨ ampfung“ ” wird (u.a.) versucht, einer nun einmal vorhandenen Quelle ihr phasenverkehrtes Abbild hinzuzuf¨ ugen. Auch hier besteht die einfachste Modellvorstellung also in zwei entgegengesetzt gleich großen Quellen.
62
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Schließlich interessiert z. B. in der Beschallungstechnik, wie sich das Schallfeld bei Hinzuf¨ ugen einer zweiten (gleichartigen und koh¨ arenten) Quelle andert. ¨ Auch bilden die Betrachtungen der Kombination aus zwei kleinen Quellen die einfachste Vorstufe f¨ ur den allgemeinen Fall, der aus beliebig vielen Teilen zusammengesetzten Quelle. Immerhin l¨auft die letztgenannte Fragestellung auf die Betrachtung von Lautsprecherzeilen hinaus. Dar¨ uber hinaus lassen sich auch allgemein schwingende Oberfl¨achen (z.B. Bleche, W¨ ande, Decken. . . ) als hochgradig zusammengesetzte Strahler auffassen. Es gibt also viele gute Gr¨ unde, sich zun¨achst mit Kombinationen aus zwei Quellen zu befassen; dabei wird auf die schon angeschnittenen Fragestellungen als praktische Anwendungen hingewiesen werden. Die im Folgenden untersuchte Modell-Anordnung wird in Bild 3.6 zusammen mit dem nun benutzten Kugel-Koordinatensystem geschildert. Vern¨ unftigerweise werden die Quellen an der z-Achse im Abstand h voneinander angeheftet; es ergibt sich so ein rotationssymmetrisches Schallfeld, dass vom ¨ Umfangswinkel ϕ nicht abh¨angt. Ublicherweise bezeichnet man den Winkel zwischen Strahl R vom Nullpunkt zum Aufpunkt und der z-Achse als Winkel ϑ; f¨ ur diese Winkelfestlegung sind deshalb auch alle weiteren Folgegr¨ oßen definiert. Zum Beispiel gilt f¨ ur das Fl¨achenelement der (im Folgenden vorkommenden) Fl¨achenintegration in Kugelkoordinaten dS = R2 sin ϑdϑdϕ .
(3.15)
Die Integrationsfl¨ache einer Kugel wird mit 0 < ϕ < 2π und 0 < ϑ < π abgedeckt. Andererseits ist es z. B. f¨ ur Messungen durchaus u ¨blich, den Messwinkel ϑN relativ zur Strahler-Normalen zu z¨ahlen. Beide Gr¨ oßen h¨ angen durch ϑ + ϑN = 90◦ (3.16) zusammen. Wenn es im Folgenden um die Vorhersage von Richtwirkungen geht, wird ϑN benutzt; sollen dagegen Intensit¨aten zu Leistungen integriert werden, ist es einfacher, ϑN nach Gl. (3.16) durch ϑ auszudr¨ ucken: Dann kann man sich getrost auf bekannte Formulierungen in Kugelkoordinaten verlassen. Allgemein gilt f¨ ur das Schallfeld der beiden Quellen nach (3.13) jω e−jkR e−jkr p= Q1 + Q2 . (3.17) 4π R r Wegen der Linearit¨at der Wellengleichung besteht das Schallfeld einfach aus der Summe der Teile. So richtig Gl. (3.17) ist, so wenig u ¨bersichtlich ist sie doch auch. Insbesondere in der n¨aheren Umgebung der beiden Quellen r < h wird das Schallfeld sehr stark von Aufpunkt zu Aufpunkt schwanken: Mal z¨ ahlt die eine Quelle auf Grund der Abstandsabh¨angigkeit mehr, mal die andere. Aus diesem Grunde versucht man, eine sogenannte Fernfeldn¨aherung“ f¨ ur Gl. (3.17) herzustellen. ”
3.4 Das Schallfeld zweier Quellen
63
Wie das Folgende schnell zeigt, lassen sich f¨ ur das Fernfeld tats¨ achlich recht einfache und u ¨bersichtliche Betrachtungen machen. ¨ Die erste Vereinfachung von (3.17) beruht auf der einfachen Uberlegung, dass f¨ ur r h die durch die Entfernung bewirkte Amplitudenabnahme etwa gleich ist. Man kann also 1/r ≈ 1/R annehmen. Damit ist im ersten Schritt pfern ≈
jω Q1 e−jkR + Q2 e−jkr . 4πR
Obwohl aus 1/r ≈ 1/R nat¨ urlich auch r ≈ R folgt, m¨ ussen die Phasenfunktionen e−jkr und e−jkR wesentlich genauer untersucht werden. Am einfachsten erkennt man das aus der Umformung jω −jkR pfern ≈ Q1 + Q2 e−jk(r−R) . (3.18) e 4πR
Die in der Klammer zuletzt auftretende Phasenfunktion h¨ angt von der auf z Aufpunkt
r
R Q2 h
ϑ Q1 ϕ
Abbildung 3.6. Lage der Quellen im Koordinatensystem und Benennung der Gr¨ oßen
die Wellenl¨ange bezogenen Differenz aus den beiden Entfernungen ab. Obgleich r und R in einem prozentualen Sinn fast gleich sein k¨ onnen (wie bei der Amplitudenabnahme vorausgesetzt), k¨onnen die Unterschiede in der Gr¨ oßenordnung einer Wellenl¨ange sein, und es ist gerade dieser kleine Unterschied, der u ¨ber den tats¨achlichen Wert der Phasenfunktion e−jk(r−R) entscheidet. ¨ Um dennoch zu einer besseren Ubersichtlichkeit zu gelangen wird zun¨ achst r mit Hilfe des Cosinus-Satzes durch R und ϑ ausgedr¨ uckt: r2 = R2 + h − 2Rh cos ϑ , oder r2 − R2 = (r − R)(r + R) = h2 − 2Rh cos ϑ ,
64
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
bzw., nach der ja eigentlich gesuchten Differenz aufgel¨ ost r−R=
h2 2Rh − cos ϑ . r+R r+R
Im Fernfeld R h erh¨alt man also in erster N¨aherung, in der Glieder mit (h/R)2 und h¨ohere Potenzen vernachl¨assigt werden, r − R ≈ −h cos ϑ.
(3.19)
Gleichung (3.18) wird also n¨aherungsweise zu pfern
jω −jkR Q2 jkh sin ϑN jkh cos ϑ ≈ Q1 + Q2 e = p1 1 + e e . 4πR Q1
(3.20)
In (3.20) bedeutet p1 den Schalldruck der Quelle 1 (Q2 = 0) alleine. Vern¨ unftigerweise beschreibt man Schallfelder durch eine globale“ Gr¨ oße ” und durch die Feld-Verteilung auf die Richtungen. Der Klammerausdruck in (3.20) gibt die Richtcharakteristik des Strahlerpaares an; weil dabei nur die Unterschiede von Richtung zu Richtung interessieren, kann noch beliebig skaliert werden. Als Maß f¨ ur die Strahlerst¨arke“ konzentriert man sich nicht ” auf einen speziellen Punkt oder eine Richtung, sinnvollerweise gibt man als globales Maß f¨ ur den Abstrahlvorgang die insgesamt abgestrahlte Leistung P an. Sie l¨asst sich (siehe auch (3.15)) aus 1 P = 2c
2ππ 2
|pfern | R2 sin ϑ dϑ dϕ 0
nach Einsetzen von (3.20) zu P = P1
(3.21)
0
1+
Q2 Q1
2
Q2 sin (kh) +2 Q1 kh
(3.22)
berechnen (P1 = abgestrahlte Leistung von Q1 alleine). F¨ ur (3.22) ist von einem reellwertigen Verh¨ altnis Q2 /Q1 ausgegangen worden. (Hinweis: Die einzige Schwierigkeit in der Berechnung von (3.22) k¨onnte in der L¨ osung des Integrales F (kh sin ϑ) mit π F (kh sin ϑ) =
cos(kh cos ϑ)sinϑdϑ 0
bestehen. Die Substitution u = cos ϑ, du = − sin ϑdϑ f¨ uhrt auf ein einfaches Integral). Die Diskussion des Strahlerverhaltens wird am einfachsten getrennt f¨ ur tiefe und hohe Frequenzen durchgef¨ uhrt
3.4 Das Schallfeld zweier Quellen
65
Tiefe Frequenzen h/λ 1 F¨ ur tiefe Frequenzen gilt nach (3.20) mit ejx ≈ 1 + jx f¨ ur |x| 1 Q2 pfern ≈ p1 1 + (1 + jkh sin ϑN ) . Q1
(3.23)
Solange nur der richtungsunabh¨angige Teil 1 + Q2 /Q1 nicht gerade gleich Null ist, solange also nicht ein Dipol mit Q2 = −Q1 betrachtet wird, kann man n¨aherungsweise einfach die Quellst¨arken addieren: Bei tiefen Frequenzen wirken die Quellen so, als w¨aren sie in ein- und demselben Ort“ angebracht: ” Q2 pfern ≈ p1 1 + . Q1 F¨ ur die Leistung ist dann nach (3.22) wegen sin(kh)/kh ≈ 1 2 Q2 P ≈ P1 1 + . Q1 F¨ ur den Fall gleicher Quellen Q2 = Q1 verdoppelt sich der Schalldruck gegen¨ uber einer einzelnen Quelle pfern ≈ 2p1 ,
(3.24)
und die Leistung besteht dementsprechend im Vierfachen der Einzelleistung P ≈ 4P1 .
(3.25)
F¨ ur den Dipolfall Q2 = −Q1 dagegen erh¨alt man aus (3.23) pfern (Dipol) ≈ −jkhp1 sin ϑN
(3.26)
sin (kh) (kh)2 P (Dipol) ≈ 2P1 1 − ≈ P1 kh 3
(3.27)
und aus (3.22)
ur |x| 1). Beim Dipol erh¨ alt man also tief(wegen sin(x)/x ≈ 1 − x2 /6 f¨ frequent eine Achter-Charakteristik, wie in Bild 3.7 gezeigt. Die dreidimensionale Erweiterung entsteht durch Rotation um die Achse, an der die Einzelquellen angeheftet sind; eigentlich w¨ are deshalb die Bezeichnung Doppel” Kugel-Charakteristik“ angemessener. Die vom Dipol tieffrequent abgestrahlte Leistung ist kleiner als die der Einzelquellen: Lw (Dipol) = Lw (Einzel) + 10 lg
(kh)2 . 3
(3.28)
66
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
In Zahlenwerten ausgedr¨ uckt ist der Leistungsunterschied jedenfalls dann nicht sehr groß, wenn unrealistisch kleine Abst¨ande oder allzu tiefe Frequenzen außer acht bleiben. F¨ ur h/λ = 1/8 betr¨agt 10 lg((kh)2 /3) = −6, 8 dB; die vom Dipol erzeugte Leistung ist also nur um etwa 7 dB kleiner als die der Einzelquellen. Wenn man annimmt, dass die Punktquellen hier als Stellvertreter f¨ ur endlich ausgedehnte, tieffrequente technische Quellen gemeint sind, dann d¨ urfen diese selbst bei den eigentlich f¨ ur eine Leistungsminderung ja g¨ unstigen tieffrequenten Anwendungen nur recht kleine geometrische Abmessungen besitzen. F¨ ur 170 Hz mit λ = 2 m ist λ/8 = 0, 25 m; der Abstand der beiden Quellen (und damit auch die Strahler- Abmessungen) darf also h¨ ochstens 25 cm betragen, um etwa 6 dB Leistungsminderung herzustellen. Gr¨ oßere Abst¨ande w¨ urden eine noch kleinere Leistungs-Pegel-Differenz (bei gleicher Frequenz) nach sich ziehen.
90° 0 135°
dB
−5
45°
−10 −15 −20 +/−180°
−25
0°
−20 −15 −10 −135°
−5
−45°
0 −90°
Abbildung 3.7. Richtcharakteristik (links) und Teilchenbewegungen (rechts) eines Dipols. F¨ ur das rechte Teilbild betr¨ agt der Quellabstand λ/2.
In dem geschilderten Sachverhalt liegt einer der Gr¨ unde daf¨ ur, dass man die Erwartungen an die aktive L¨armbek¨ampfung“, jedenfalls im Falle der Ab” strahlung ins Freie, eher mit Bescheidenheit einsch¨atzen sollte. Selbst wenn zu Demonstrationszwecken gegenphasige Lautsprecher bei tiefen Frequenzen benutzt werden, betragen deren Mittelpunktsabst¨ande oft mehr als eine ViertelWellenl¨ange mit einer dem H¨oreindruck nach nicht eben sensationellen L¨armminderung. Hinzu kommt, dass das tieffrequente Experiment den Experimentator leicht dazu verleitet, die Lautsprecher zu u ¨bersteuern; weil man tiefe T¨one ohnedies schlecht wahrnimmt, l¨asst man sich manchmal zu u ohten ¨berh¨ Steuerspannungen verf¨ uhren. Die Folge: Die Lautsprecher klirren im h¨ oherfrequenten Bereich, in dem die aktive Maßnahme sogar wirkungslos ist. Weil diese h¨oheren Frequenzen auch noch besser wahrgenommen werden, ist die aktive Maßnahme fast nicht mehr herauszuh¨oren.
3.4 Das Schallfeld zweier Quellen
67
Hohe Frequenzen h λ F¨ ur hohe Frequenzen erh¨alt man nach (3.20) Richtwirkungen, die sich u ¨ber ϑN rasch ¨andern und dabei zwischen den Druckmaxima 2 Q2 2 2 |pfern |max = |p1 | 1 + (3.29) Q1 und den Druckminima 2
|pfern |min = |p1 |
2
2 Q2 1 − Q1
(3.30)
gleichm¨aßig schwanken. Der Grund daf¨ ur besteht in der Interferenz der beiden Felder, deren Betr¨age sich in den B¨auchen (den Maxima) addieren, in den Knoten (den Minima) dagegen subtrahieren. F¨ ur die insgesamt abgestrahlte Leistung gilt nach (3.22) f¨ ur kh 1 2 Q2 P ≈ P1 1 + = P1 + P2 . (3.31) Q1 Bei hohen Frequenzen addieren sich also (anders als bei den tiefen Frequenzen) die Leistungen der Einzelquellen zur Gesamtleistung des Paares. Diese Tatsache steht im Einklang mit der bereits geschilderten Richtungsverteilung, in der Maxima und Minima abwechseln und gleich oft vorkommen. Demnach ist das mittlere Schalldruckquadrat 1 1 2 p¯2 = |pfern |max + |pfern |2min = 2 2
2 Q2 1 + . Q1
Auch daraus ergibt sich wieder (3.31), weil das mittlere Schalldruckquadrat und die abgestrahlte Leistung zueinander proportionale Gr¨ oßen sind. F¨ ur gleich große Quellen Q2 = Q1 ebenso wie f¨ ur entgegengesetzt gleich große Quellen Q2 = −Q1 findet also eine Leistungsverdopplung statt. Daraus folgt z.B., dass sich das als aktive L¨armbek¨ampfungsmaßnahme beabsichtigte Hinzuf¨ ugen der zweiten, phasenverkehrten Quelle nicht nur nicht lohnt, sondern sogar noch einen Nachteil herstellt: Im Sinne kleinster abgestrahlter Leistung l¨asst man die zweite, aktive“ Quelle am besten weg. Das wird auch ” deutlich, wenn man das Quellst¨arkenverh¨altnis V = Q2 /Q1 bestimmt, das zur minimalen abgestrahlten Leistung f¨ uhrt. Durch Differenzieren von (3.22) P sin(kh) = 1 + V 2 + 2V P1 kh
nach V findet man als optimales Verh¨ altnis mit minimaler Gesamtleistung“ ”
68
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Vopt =
Q2 sin(kj) . =− Q1 opt kh
(3.32)
Wie man sieht ist bei tiefen Frequenzen Q2 = −Q1 die beste Quellenansteuerung f¨ ur die zweite Quelle; je h¨oher die Frequenz wird, desto kleiner wird die optimale Ansteuerung Q2 , wobei sie sogar das gleiche Vorzeichen wie die Originalquelle“ besitzen kann. Bei hohen Frequenzen strebt Vopt gegen Null. ” Bild 3.8 versucht noch einmal eine Illustration der genannten Sachverhalte an Hand der nach (3.22) gerechneten abgestrahlten Leistung f¨ ur Q2 = Q1 , f¨ ur Q2 = −Q1 und f¨ ur den (im Sinne der aktiven L¨armbek¨ ampfung) Optimalfall, f¨ ur den nach (3.32) Q2 = −Q1 sin(kh)/kh ist. Tieffrequent addieren sich die Quellen, daher ein Zuwachs von 6 dB gegen¨ uber der Einzelquelle bei Q2 = Q1 und die Leistungsverringerung bei entgegengesetzt gleich großen Quellen Q2 = −Q1 . Bei hohen Frequenzen schließlich spielt die Phasenbeziehung der Quellen keine Rolle mehr: Hier ist die Gesamtleistung stets gleich der Summe der Einzelleistungen. 10 8 6
Q /Q = 1 2
1
10 lg P/P1
4 2
Q2/Q1= −1
0 Q /Q = −sin(kh)/kh 2 1
−2 −4 −6 −8
−10 0.125
0.25
0.5
1
2
4
h/λ
Abbildung 3.8. Frequenzg¨ ange der von zwei Schallquellen abgestrahlten Leistung
Die genannten Sachverhalten lassen sich auch auf eine gr¨ oßere Quellenanzahl u ¨bertragen. Bei N Quellen gilt: f¨ ur tiefe Frequenzen pges =
N i=1
Qi
jω −jkR e 4πR
(alle Abst¨ande der Quellen sind klein verglichen mit der Wellenl¨ ange)
(3.33)
3.5 Lautsprecherzeilen
69
und f¨ ur hohe Frequenzen Pges =
N
Pi
(3.34)
i=1
(alle Abst¨ande groß verglichen mit λ).
3.5 Lautsprecherzeilen Die im Schwierigkeitsgrad n¨achste Stufe von Abstrahlproblemen besteht in der Kombination von beliebig vielen ungerichteten koh¨ arenten Teilquellen, die entlang einer Achse aufgereiht sind. Praktische Realisierungen solcher eindimensionaler Strahler-Ketten d¨ urften wohl ausschließlich in Lautsprecherzeilen bestehen, wie sie in Bild 3.9 geschildert sind. Der Schnelleverlauf an der Strahleroberfl¨ache wird hier der Einfachheit halber durch die kontinuierliche Funktion v(z) beschrieben. Die Zeile besitzt die Breite b, die stets klein verglichen mit der Wellenl¨ange sein soll. Der Beitrag des in Bild 3.9 miteingezeichneten, infinitesimal kleinen Strahlerelementes zum Schalldruck im Aufpunkt betr¨agt dp =
jωbv(zQ ) −jkr dzQ , e 4πr
(3.35)
und deshalb gilt f¨ ur den Gesamtdruck jωb p= 4π
l/2 v(zQ )
e−jkr dzQ . r
(3.36)
−l/2
Darin sind l die Strahlerl¨ange und r der Abstand zwischen Quellpunkt und Aufpunkt (x, z) r = (z − zQ )2 + x2 .
Wie man sieht ist vorausgesetzt worden, dass die Teilstrahler tats¨ achlich auch Volumenquellen bilden. Die Lautsprecher m¨ ussen also in ein Geh¨ ause (eine Box) eingebaut sein, das den im vorigen Abschnitt geschilderten Massenkurzschluss verhindert. Das durch (3.36) beschriebene Schallfeld ist wieder rotationssymmetrisch hinsichtlich der ϕ-Richtung (Bild 3.9). Eine u ¨bersichtlichere Gestalt nimmt (3.36) in großen Entfernungen an. Zur Herleitung der aus (3.36) folgenden Fernfeldn¨ aherung geht man genauso wie im vorigen Abschnitt vor. An die Stelle von (3.19) tritt f¨ ur das in zQ liegende Strahlerelement (R = Mittelpunktabstand, Bild 3.9) r − R = −zQ cos ϑ = −zQ cos(90◦ − ϑN ) = −zQ sin ϑN ,
(3.37)
70
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
wobei Glieder mit zQ 2 (und h¨ohere Potenzen) bereits weggelassen worden sind. In welchem Frequenzbereich die letztgenannte Vernachl¨ assigung auch wirklich vern¨ unftig ist, das wird im Abschnitt 3.6.1 Fernfeld-Bedingungen“ ” ausf¨ uhrlich erl¨autert. Dar¨ uber hinaus werden nur solche Abst¨ ande R l betrachtet, bei denen die Amplituden-Entfernungs-Abnahme 1/r ≈ 1/R f¨ ur z Aufpunkt (x,z)
r
z-z Q
R dz Q zQ
ϑΝ x
0
Gehäuse Schnelle v(z Q ) ϕ
Abbildung 3.9. Lautsprecherzeile und verwendete geometrische Gr¨ oßen
alle Strahlerbezirke etwa gleich ist. Damit wird aus (3.36) im Fernfeld
pfern
jωb −jkR = e 4πR
l/2
v(zQ )ejkzQ sin ϑN dzQ .
(3.38)
−l/2
Der Ausdruck vor dem Integral zeigt Schallwellen an, deren Amplitude umgekehrt proportional zum Abstand f¨allt. Die Leistungsabgabe der ortsver¨ anderlichen Quelle und die Feldverteilung auf die Abstrahlrichtungen wird durch das Integral beschrieben. Nur am Rande sei hier erw¨ ahnt, dass das Integral die Fourier-Transformierte der Strahlerschnelle bildet. Welche prinzipiellen Richtcharakteristika bei zusammengesetzten Strahlern zu erwarten sind und durch welche Maßnahmen diese beeinflusst werden k¨onnen, dar¨ uber geben sicher Beispiele am besten Aufschluss. Es sei mit dem einfachsten Fall begonnen, bei dem mit v(zQ ) = v0 = const. alle Lautsprecher gleichphasig und mit gleichem Hub betrieben werden.
3.5 Lautsprecherzeilen
71
3.5.1 Eindimensionale Kolbemembran F¨ ur die mit v(zQ ) = v0 bezeichnete eindimensionale Kolbenmembran wird aus (3.38) mit dem Gesamtvolumenfluss Q = v0 bl
pfern
jωQ −jkR 1 = e 4πR l
l/2 [cos(kzQ sin ϑN ) + j(sin kzQ sin ϑN )] dzQ . −l/2
Aus Symmetriegr¨ unden entf¨allt der Imagin¨arteil des Integrals und man erh¨ alt sin k 2l sin ϑN sin π λl sin ϑN pfern = pQ = pQ , (3.39) k 2l sin ϑN π λl sin ϑN
worin pQ den Schalldruck der kompakten“ Quelle (mit gleichem Volumen” fluss) jωQ −jkR pQ = (3.40) e 4πR bedeutet. Am einfachsten gestaltet sich die Diskussion des Ergebnisses (3.38), wenn man sich zun¨ achst allgemein u ¨ber den Verlauf der rechts vorkommenden sogenannten Spaltfunktion“ sin(πu)/πu Klarheit verschafft. Die Richtcharak” teristik ergibt sich einfach durch u = l/λ sin ϑN als Ausschnitt |u| < l/λ aus der Spaltfunktion: Bei Variation von 90◦ ≤ ϑN ≤ 90◦ wird das Intervall −l/λ ≤ u ≤ l/λ durchlaufen, das deswegen die Charakteristik angibt. Die Abstrahlfunktion“ G(u) = sin(πu)/πu, aus der sich alle Richtcha” rakteristika durch Ausschnittsbildung direkt ablesen lassen, ist in den Bildern 3.10 und 3.11 gezeigt, wobei in 3.10 die Funktion selber (f¨ ur sp¨atere Zwecke) und in 3.11 die Darstellung durch Pegel gegeben wird. Ihre Haupteigenschaften seien durch die folgenden Stichworte bezeichnet:
• f¨ ur u = 0 betr¨ agt ihr Wert G(0) = 1 • G(u) besteht aus abwechselnd positiven und negativen Sinus-Halb- Wellen unter der Einh¨ ullenden 1/u; • die Pegeldarstellung besteht in einer Struktur aus Hauptkeulen (mit dem Zentrum u = 0) gefolgt von Nebenkeulen (mit dem Zentren u = ±(n + 0, 5), n = 1, 2, 3, . . .). Einige Beispiele der daraus folgende Richtcharakteristika werden in Bild 3.12 a, b und c f¨ ur unterschiedliche Verh¨ altnisse aus L¨ange und Wellenl¨ange gezeigt. F¨ ur tiefe T¨ one l λ (l/λ = 0, 5 in Bild 3.12a) entsteht eine fast ungerichtete Abstrahlung, deren Richtwirkung sich aus dem Ausschnitt |u| < 0, 5 andern ϑN ≈ 90◦ ist schon eine leichte in Bild 3.11 ergibt. Nur an den R¨ Einschn¨ urung von einigen wenigen dB zu erkennen. F¨ ur den Fall mittler” er“ Frequenzen l/λ = 2 (f¨ ur l = 2 m w¨ are λ = 1 m und die Frequenz mit f = 340 Hz eigentlich eher noch niedrig) ist der Ausschnitt |u| < 2 relevant;
72
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 1.2 1
sin(πu)/πu
0.8 0.6 0.4 0.2 0 −0.2 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.10. Spaltfunktion, lineare Darstellung 0 −5
10 lg (sin(πu)/πu)2
−10 −15 −20 −25 −30 −35 −40 −45 −50 0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.11. Spaltfunktion, Darstellung durch Pegel
die Charakteristik hat nun schon eine recht deutliche Vorzugsrichtung nach vorne, gefolgt von je einer Seitenkeule, die um etwa 13,5 dB unter der Hauptkeule liegt. Der Einbruch“ liegt bei l/λ sin ϑE = 1, also bei sin ϑE = 0, 5 oder ” bei ϑE = 30◦ . Bei hohen Frequenzen l/λ = 4 (f¨ ur l = 2 m w¨ are λ = 50 cm, die Frequenz also bei 680 Hz) schließlich verf¨ ugt die Richtcharakteristik schon
3.5 Lautsprecherzeilen
73
90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.12. (a) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile f¨ ur l/λ = 0, 5 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.12. (b) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile f¨ ur l/λ = 2
u undelung nach vorne mit schmaler Hauptkeule, der ¨ber eine recht scharfe B¨ beidseitig je 3 Nebenkeulen folgen. Bei Anwendungen interessiert vor allem der Schalldruck in der Hauptkeule, f¨ ur welchen p(ϑN = 0◦ ) = pQ gilt (siehe Gl. (3.39)). In diesem Fall steht die abgestrahlte Leistung eher im Hintergrund des Interesses, weshalb ihre Betrachtung hier auch unterbleibt.
74
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.12. (c) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile f¨ ur l/λ = 4
3.5.2 Die Formung von Haupt- und Nebenkeulen Manchmal ist die Struktur aus Haupt- und Nebenkeulen, wie sie bei der eindimensionalen Kolbenmembran auftritt, unerw¨ unscht. Zum Beispiel sollen zwar Zuh¨orerbereiche in einem Auditorium beschallt werden, gleichzeitig aber soll das im selben Raum vorhandene Mikrophon m¨oglichst nicht von abgestrahlten Schall getroffen werden, um R¨ uckkopplungen zu vermeiden. Auch m¨ ochte man bei manchen Anwendungen gewisse Fl¨achen mit Schall versorgen, andere dagegen dabei gar nicht st¨oren (z. B. bei Ansagen in Bahnh¨ ofen). Es gibt also Anwendungen, bei denen die Nebenkeulen st¨oren und unterdr¨ uckt werden sollen; im Folgenden wird eine spezielle Methode betrachtet, wie das geschehen kann. Die Grundidee, die der Unterdr¨ uckung der Seitenkeulen dabei zu Grunde liegt, l¨asst sich leicht aus einem einfachen Zusammenhang zwischen zeitlichen ¨ Signalen und ihrer Frequenzzusammensetzung herleiten. Ubersetzt man den Rechtecksprung“ an den Enden der Kolbenmembran in einen Zeitverlauf, ” so liegt ein Vorgang mit Einschaltknack und mit Ausschaltknack“ vor. Es ” sind diese beiden Signal-Unstetigkeiten, die f¨ ur die (recht) breitbandige Gestalt der Frequenzzusammensetzung des Rechtecksignals sorgen. In der Tat kann man die Spaltfunktion sin(πu)/πu als Frequenzspektrum des Zeitsignals deuten, wobei u = f T einzusetzen ist (T = Dauer des Signals). Es ist nun denkbar einfach, die hohen Frequenzen (sie entsprechen den Seitenkeulen) herabzud¨ampfen: Man muss nur daf¨ ur sorgen, dass aus dem schnellen ¨ Wechsel an den Signalr¨andern ein allm¨ahlicher, gleitender Ubergang gemacht wird. Ein Signalverlauf der Gestalt f (t) = cos2 (πt/T ) f¨ ur T /2 < t < T /2 ¨ ist gewiss wesentlich schmalbandiger als das Rechtecksignal. Ubertragen auf
3.5 Lautsprecherzeilen
75
den Ortsverlauf bei Lautsprecherzeilen w¨ urde man also erwarten, dass ein cos2 -f¨ormiger Schnelleverlauf eine Seitenkeulen-Unterdr¨ uckung herstellt. Aus diesem Grund befassen sich die folgenden Betrachtungen mit dem Schnelleverlauf zQ v(zQ ) = 2v0 cos2 π . (3.41) l Der Faktor 2 bewirkt, dass der insgesamt davon produzierte Volumenfluss l2
v(zQ )dzQ = v0 bl
Q=b −l/2
genauso groß ist wie bei der eindimensionale Kolbenmembran. Das abgestrahlte Schallfeld l¨asst sich in großen Entfernungen wieder nach (3.38) berechnen:
pfern
1 = pQ l
l/2
z Q 2 cos2 π ejkzQ sin ϑN dzQ . l
−l/2
Mit Hilfe von 2 cos2 α = 1 + cos 2α = 1 +
1 j2α + e−j2α e 2
wird daraus pfern
1 = pQ l
l/2 1 j (k sin ϑN + 2πl )zQ 1 j (k sin ϑN − 2πl )zQ jkzQ sin ϑN e + e + e dzQ . 2 2 −l/2
Wieder auf die Symmetrieeigenschaften gest¨ utzt lassen sich die drei Integrale leicht l¨osen, man erh¨ alt n¨ amlich sin π λl sin ϑ sin π λl sin ϑ − 1 1 sin π λl sin ϑ + 1 + + pfern = pQ 2 π λl sin ϑ π λl sin ϑ + 1 π λl sin ϑ − 1 (3.42) f¨ ur den Schalldruck im Fernfeld. Wie im vorigen Abschnitt ist es gewiss vern¨ unftig, zun¨achst die abstrahltypische Funktion
G(u) =
sin (πu) 1 sin (π(u + 1)) 1 sin (π(u − 1)) + + πu 2 π(u + 1) 2 π(u − 1)
(3.43)
zu diskutieren: Alle von Frequenz zu Frequenz unterschiedlichen Richtcharakteristika bestehen einfach in Ausschnitten l/λ sin ϑN aus dem Funktionsverlauf G(u). Die prinzipielle Gestalt von G(u) ist rasch gekl¨ art. Ihre drei Bestandteile, eine unverschobene Spaltfunktion und jeweils eine um 1 nach links und um 1
76
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 1.2 sin(πu)/πu 1 0.8 0.6
sin(π(u+1))/π(u+1)
sin(π(u−1))/π(u−1)
0.4 0.2 0 −0.2 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.13. Die drei Bestandteile der abstrahltypischen Funktion G(u) in Gl.(3.42) 1.2 1
G(u)
0.8 0.6 0.4 0.2 0 −0.2 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.14. G(u) in linearer Darstellung
nach rechts verschobene Spaltfunktion je mit dem Faktor von 1/2, sind in Bild 3.13 eingezeichnet. Man erkennt auf einen Blick“ die Ver¨ anderung der Summe ” gegen¨ uber dem zur eindimensionalen Kolbenmembran geh¨ orenden zentralen“ ” Spaltfunktion: •
die Hauptkeule wird durch die Summation in der Breite verdoppelt und
3.5 Lautsprecherzeilen
77
0 −5 −10
10 lg G(u)2
−15 −20 −25 −30 −35 −40 −45 −50 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.15. G(u), Darstellung als Pegel 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.16. (a) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile mit Nebenkeulenformung f¨ ur l/λ = 0, 5
•
je weiter weg sich der betrachtete Nebenkeulen-Bereich von der Hauptkeule befindet, desto eher erg¨ anzen sich die Bestandteile in der Summe zu Null: Die Summation wirkt wie eine betr¨ achtliche Nebenkeulen-Unterdr¨ uckung.
Diese Effekte sind noch einmal in den Darstellungen von G(u) in Bild 3.14 (linear) und in Bild 3.15 (als Pegel) zusammengefasst. Erkennbar sind die Nebenkeulenbereiche in Bild 3.14 gegen¨ uber der einzelnen“ Spaltfunktionen ”
78
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.16. (b) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile mit Nebenkeulenformung f¨ ur l/λ = 2
deutlich abgeschw¨acht. Bild 3.15 schildert die Konsequenzen, die sich daraus f¨ ur die Pegel ergeben. 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.16. (c) Richtcharakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) einer Lautsprecherzeile mit Nebenkeulenformung f¨ ur l/λ = 4
Eigentlich ist die Schilderung der Richtcharakteristika, die daraus folgt, u ussig: Sie bestehen in Ausschnitten an G(u), die im Polardiagramm ¨berfl¨ aufgetragen werden. Bild 3.16 a,b,c nennt dennoch Beispiele mit den gleichen Parametern wie bei der Kolbenmembran (Bild 3.12). Bei den mittleren
3.5 Lautsprecherzeilen
79
und hohen Frequenzen ist die Nebenkeulen-Unterdr¨ uckung bei gleichzeitiger Hauptkeulen-Verbreitung gut zu erkennen. Es sind eine ganze Reihe von anderen Orts-Signal-Verl¨ aufen bekannt, die eine Seitenkeulen-Unterdr¨ uckung herstellen. Allen ist jedoch gemeinsam, dass abgesenkte Nebenkeulen immer mit einer Verbreiterung der Hauptkeule untrennbar verkn¨ upft sind. F¨ ur das beamforming“ von Lautsprecherzeilen spie” len die Unterschiede zwischen den verschiedenen Signal-Verl¨ aufen nur eine untergeordnete Rolle, die vom Einfluss von immer vorhandenen Toleranzen und Ungenauigkeiten praktisch immer verdeckt werden. Ihre Betrachtung lohnt deshalb kaum die M¨ uhe. 3.5.3 Elektronisches Schwenken Vom praktischen Interesse ist jedoch die Frage, ob sich die Hauptkeule mit Hilfe von elektrischer Ansteuerung der einzelnen Elemente einer Lautsprecherzeile auf bestimmte, erw¨ unschte Richtungen ablenken l¨ asst. Diese M¨ oglichkeit des elektronischen Schwenks besteht, wie die folgenden Betrachtungen lehren. Tats¨achlich ist der praktische Aufbau, mit dem das geschehen kann, sogar recht leicht herstellbar: Die Lautsprecher-Speise-Spannungen m¨ ussen alle nur gegeneinander jeweils um eine Zeit ∆t verz¨ogert werden, wie in Bild 3.17 skizziert. Der (von unten gez¨ahlt) i-te Lautsprecher erh¨ alt also die Ansteuerung u(t − i∆t). Das gleiche gilt nat¨ urlich auch f¨ ur die Schnellesignale der Lautsprecher-Membrane: Die Schnelle einer weiter oben liegenden Quelle ist eine je nach Lage verz¨ogerte Version der Schnelle des ersten Elements. Insgesamt wirkt also die Lautsprecherzeile, deren Elemente u ¨ber eine Kette von gleichartigen Verz¨ogerungsleitungen angesteuert werden, selbst wie ein Wellenleiter: Wenn man idealisierend kleine Sendeelemente voraussetzt, dann l¨ asst sich die Schnelle der entlang der z-Achse angebrachten Quelle durch z + l/2 v(z, t) = f t − (3.44) cs beschreiben, worin f (t) den Schnellezeitverlauf am Zeilenanfang v(−l/2, t) = f (t)
(3.45)
bedeutet. In (3.44) wird eine Ortsfunktion genannt, die mit der Zeit wan” dert“, das damit bezeichnete Orts-Zeit-Verhalten besteht also in einer Welle. Die Konstante cs in (3.44) ist die Wellen-Ausbreitungsgeschwindigkeit, mit der sich das Schnellesignal entlang der Lautsprecherzeile fortpflanzt; es ist also cs = ∆z/∆t (3.46)
mit ∆z = Abstand zweier Elemente (Bild 3.17) und (wie gesagt) ∆t = deren Verz¨ogerungszeit. F¨ ur reine T¨one als Steuersignal
80
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung Kette von VerzögerungsLeitungen z l ∆t
LS
∆t
LS
∆t
LS
∆t
LS
∆t
LS
LautsprecherZeile
∆z
0
Eingangssignal
Abbildung 3.17. Lautsprecherzeile, deren Elemente u oge¨ber eine Kette von Verz¨ rungsleitungen angesteuert werden
f (t) = Re v1 ejωt findet man also mit
f (z, t) = Re v (z)ejωt
die bekannte Wellenbeschreibung v (z) = v1 e−j cs (z+l/2) = v0 e−j cs z ω
ω
(3.47)
f¨ ur die Welle der Zeilenschnelle. Wie bei jeder harmonischen Wellengestalt kann man das Verh¨altnis ω/cs noch durch eine Abk¨ urzung, die StrahlerWellenzahl ks ks = ω/cs (3.48) ausdr¨ ucken. Auch enth¨alt ks (und cs ) nat¨ urlich bereits die ¨ ortliche Periode“, ” die als Strahler-Wellenl¨ ange“ λs mit ” cs 2π λs = = (3.49) f ks
3.5 Lautsprecherzeilen
81
bezeichnet wird. Ausdr¨ ucklich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass bislang lediglich die Eigenschaften der zusammengesetzten Quelle selbst, nicht aber die Abstrahlung von ihr betrachtet worden sind: cs , ks und λs sind also QUELLEIGENSCHAFTEN, die von den MEDIUMEIGENSCHAFTEN c, k und λ (= Ausbreitungsgeschwindigkeit, Wellenzahl und Wellenl¨ ange in Luft) wohl unterschieden werden m¨ ussen. Die Schallabstrahlung von der oben definierten Schallquelle ist nach (3.38) rasch berechnet: l/2 ks l sin kl 1 j(k sin ϑN −ks )zQ 2 sin ϑN − 2 pfern = pQ e dzQ = pQ kl (3.50) ks l l 2 sin ϑN − 2 −l/2
(wie immer ist pQ = jωblv0 e−jkR /4πR der Druck der kompakten“ Quelle). ” 0
10 lg [sin(π(u−2))/(π(u−2))]
2
−5 −10 −15 −20 −25 −30 −35 −40 −45 −50 −5
−4
−3
−2
−1
0
1
2
3
4
5
u
Abbildung 3.18. G(u) nach Gl.(3.50) f¨ ur l/λs = 2
Zur Diskussion von (3.50) muss es wohl wie in den beiden vorigen Abschnitten am einfachsten sein, wieder die abstrahltypische“ Funktion ” sin (π(u − l/λs )) G(u) = (3.51) π(u − l/λs )
zu erl¨ autern: Das Abstrahlgeschehen wird durch den Ausschnitt |u| < l/λ beschrieben. (3.51) stellt einfacherweise eine um l/λs nach rechts verschobene Spaltfunktion dar. Bild 3.18 gibt ein Beispiel mit l/λs = 2. Die f¨ ur die Abstrahlung entscheidende Frage besteht nun einfach darin, ob der f¨ ur die Abstrahlung sichtbare“ Ausschnitt |u| < l/λ das nach u = l/λs verschobene ” Maximum der Spaltfunktion umfasst, oder nicht.
82
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Strahlerwellenl¨ ange λs < Luftschallwellenl¨ ange λ ange, dann Ist die Strahlerwellenl¨ ange λs kleiner als die Luftschallwellenl¨ liegt das Maximum der Spaltfunktion außerhalb des sichtbaren Ausschnitts |u| < l/λ. Die Abstrahlung wird hier also nur durch die Nebenkeulen beschrieben; ist λs sogar viel kleiner als λ, dann findet hier u.U. eine sehr schwache Schallabstrahlung statt, die sich je nach Strahlerl¨ange l/λ auf mehrere etwa gleichrangige Nebenkeulen verteilt. Die Tatsache, dass sich f¨ ur kurzwellige Strahler eine schwache Abstrahlung ergibt, l¨asst sich auch aus einem anschaulichen Prinzip begr¨ unden, das in Bild 3.19 skizziert ist. Im Sinne einer etwas einfacheren Vorstellung sind hier kurzwellige Strahlerschnellen in Form von stehenden Wellen abgebildet (stehende Wellen ergeben sich bekanntlich als Summe von zwei entgegengesetzt laufenden fortschreitenden Wellen; ebenso gut l¨asst sich eine fortschreitende Welle auch als Summe zweier stehender Wellen auffassen). Wenn die Abst¨ande der gegenphasig schwingenden Bezirke klein sind verglichen mit der Luftschallwellenl¨ange (wenn also λs λ), dann ergibt sich in den beiden gezeigten F¨ allen ein Muster aus Ersatzquellen mit schnell wechselndem Vorzeichen. Fast alle“ Schallquellen heben sich dabei gegeneinander ” in ihrer Wirkung auf: Je ein Paar mit entgegengesetztem Vorzeichen l¨asst sich n¨aherungsweise wie an einem Platz“ auffassen, der von ihm insgesamt pro” duzierte Volumenfluss ist also gleich Null. Das vom Paar hervorgerufene Bewegungsfeld in der umgebenden Luft besteht in bloßen Masseverschiebungen. Die mit dem sich hebenden Strahlerbezirk ebenfalls angehobene Luftmasse wird seitlich zu dem sich senkenden Strahlerbezirk geschoben. Welche Restschallabstrahlung“ bei solchen kurzwelligen Strahlern ent” steht, das h¨angt ganz offensichtlich vor allem davon ab, ob jede lokale Einzelquelle auch auf einen Nachbarn trifft, mit dem sie sich zu Null erg¨anzt. In der Strahlermitte ist das stets der Fall; an den Strahlerr¨andern dagegen k¨onnen Einzelquellen ohne Partner“ u ¨brigbleiben. Wie man in Bild 3.19 sieht, ist ” der Kurzschluss von Paaren bei Strahlerschwingungen mit B¨auchen an den ” R¨andern“ vollst¨andig, die Schallabstrahlung deshalb sehr, sehr gering. Im Fall mit Knoten an den R¨ andern“ dagegen bleiben außen liegende Strahlerbezirke ” u ¨brig, die wie Volumenquellen wirken. Verglichen mit langwelligen Strahlern (bei denen, wie dem n¨ achsten Abschnitt zu entnehmen ist, die ganze Strahlerfl¨ache am Abstrahlgeschehen beteiligt ist) ist hier die Abstrahlung zwar immer noch gering, weil die meisten“ Strahleranteile gar nicht zur Abstrah” lung beitragen; verglichen mit dem Fall mit B¨ auchen an den R¨andern“ ist ” das Schallfeld jedoch weit gr¨ oßer, weil diesmal ein Nettovolumenfluss u ¨brig bleibt. Die genannten Kurzschluss-Effekte geben immerhin einen Einblick in die Schallabstrahlung von schwingenden (schmalen) Plattenstreifen, eine Art von Vorbetrachtung f¨ ur den allgemeinen Fall von Fl¨ achenstrahlern, die senkrecht zu ihrer Oberfl¨ache Deformationen erleiden. F¨ ur die hier im Vordergrund stehende Anwendung bei elektronisch geschwenkten Lautsprecherzeilen kann
3.5 Lautsprecherzeilen
83
Abbildung 3.19. Abstrahlung von kurzwelligen Strahlern mit Schwingungsbauch oder Schwingungsknoten an den R¨ andern
man vor allem lernen, dass nur langwellige Zeilen λs > λ und damit cs > c f¨ ur die Praxis in Frage kommen. Strahlerwellenl¨ ange λs > Luftschallwellenl¨ ange λ F¨ ur langwellige Strahler λs > λ liegt die Hauptkeule der abstrahltypischen Funktion G(u), die nach u = l/λs verschoben worden ist, immer im f¨ ur die Richtcharakteristik sichtbaren Bereich. Der Hauptabstrahlwinkel ϑNH ergibt sich aus l l sin ϑNH = λ λs zu λ c sin ϑNH = = . (3.52) λs cs
Die eingangs definierte Lautsprecherzeile besitzt also f¨ ur alle Frequenzen die gleiche geschwenkte Vorzugsrichtung. Hauptkeulenbreite und Anzahl sichtbarer Nebenkeulen h¨ angen nur noch von der in Luftschallwellenl¨ angen ausgedr¨ uckten Strahlerl¨ ange ab. Ist l/λ 1, dann ist auch die geschwenkte Richtcharakteristik fast richtungsunabh¨ angig (Bild 3.20a); f¨ ur mittlere (Bild 3.20b) und hohe (Bild 3.20c) Frequenzen besteht die Richtcharakteristik in entsprechend gr¨ oßeren Ausschnitten aus G(u). Nat¨ urlich k¨ onnen Strahlformungen (beschrieben im vorangegangenen Abschnitt) und Strahlschwenk miteinander kombiniert werden.
84
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.20. (a) Geschwenkte Charakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) f¨ ur λs /λ = 2 und l/λ = 0, 5
90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.20. (b) Geschwenkte Charakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) f¨ ur λs /λ = 2 und l/λ = 2
3.5 Lautsprecherzeilen
85
90 0 60 −10 −20 30 −30 −40
−30
−60 −90
Abbildung 3.20. (c) Geschwenkte Charakteristik (links) und Teilchenauslenkungen (rechts) f¨ ur λs /λ = 2 and l/λ = 4
3.5.4 Fernfeldbedingungen Die in den vorigen Abschnitten geschilderten Betrachtungen sind stets f¨ ur das Fernfeld“ durchgef¨ uhrt worden. Um den Fortgang der Gedankenentwicklung ” und die Erl¨auterung der Prinzipien nicht aufzuhalten, ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Fernfeld u achst zur¨ uck¨berhaupt vorliegt, zun¨ gestellt worden. Dass ihre Beantwortung hier nachgeholt wird, dient nicht nur der gedanklichen Vollst¨andigkeit. Wie alle in diesem Buch geschilderten Erwartungen, muss auch das in den letzten Abschnitten erl¨ auterte physikalische Verhalten durch Messungen u ufbar sein: Welches sind die f¨ ur das ¨berpr¨ Fernfeld einzuhaltenden Messparameter? Erstens sei in Erinnerung gerufen, dass eine wesentliche Voraussetzung f¨ ur die Fernfeldn¨aherung (3.38) in der Annahme der f¨ ur alle Teilstrahler etwa gleichen Amplituden-Entfernungs-Abnahme bestand. Aus dieser Annahme folgt direkt, dass der Mittelpunktsabstand R zwischen Strahler und Aufpunkt groß verglichen mit der Strahlerl¨ange l sein muss. Die erste Fernfeldbedingung lautet also Rl. (3.53) Zweitens sei daran erinnert, dass der die Phase bestimmende Ausdruck k(r − R) (als Funktion der Lage zQ des aktuellen Strahlerelements) nur bis zum LINEAREN Anteil angen¨ahert worden ist. Will man ergr¨ unden, unter welchen Voraussetzungen dabei keine relevanten Fehler gemacht werden, muss bis zum QUADRATISCHEN Term n¨ahern und dessen Einfluss diskutieren. Nach Bild 3.9 gilt f¨ ur das Dreieck aus R, r und zQ 2 − 2Rz cos ϑ . r(zQ ) = R2 + zQ Q
86
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
2 Die Taylor-Reihe davon ist (nach dem Glied mit zQ abgebrochen) bekanntlich
r ≈ r(0) + zQ
2 zQ dr d2 r + . 2 dzQ zQ =0 2 dzQ zQ =0
Die Koeffizienten, die sich aus den Ableitungen errechnen, sind r(0) = R, dr zQ − R cos ϑ = , dzQ r
also
dr = − cos ϑ , dzQ zQ =0
und dr r − (zQ − R cos ϑ) dz d2 r Q , 2 = dzQ r2
also
d2 r R − R cos2 ϑ sin2 ϑ = = . 2 dzQ R2 R zQ =0
Demnach gilt 2 zQ sin2 ϑ . 2R In zweiter N¨aherung besteht also die Phasenfunktion in
r ≈ R − zQ cos ϑ +
e−jkr = e−jkR ejkzQ cos ϑ e−j
2 sin2 ϑ kzQ
2R
.
2 Will man erreichen, dass die Exponentialfunktion mit zQ im Argument durch 1 angen¨ahert werden kann (wie f¨ ur die Fernfeldn¨ aherung (3.38) vorausgesetzt worden ist), dann muss 2 kzQ sin2 ϑ π/4 2R f¨ ur alle auftretenden ϑ und zQ eingehalten werden. Weil zQ h¨ ochstens l/2 und sin(ϑ) h¨ochstens 1 werden kann, ist das stets erf¨ ullt, wenn
2π l2 1 π/4 λ 4 2R
gilt, oder, nur etwas u ur ¨bersichtlicher geschrieben, f¨ l R . λ l
(3.54)
Gleichung (3.53) bezeichnet die zweite Voraussetzung, die f¨ ur die Brauchbarkeit der Fernfeldn¨aherung (3.38) erf¨ ullt sein muss. Wird ein Phasenfehler von π/4 als tolerabel aufgefasst, dann kann man “ in (3.53) durch “ ersetzt wird. ” Nochmals zusammengefasst kann man also feststellen, dass sich ein Punkt R dann im Fernfeld befindet, wenn alle drei Bedingungen
und
Rl
(3.56)
R l l λ
(3.57)
Rλ
(3.58)
und zutreffen. In (3.57) und (3.58) nimmt man meist einen tolerablen Fehler in Kauf, wenn das Verlangen viel gr¨ oßer“ durch das weniger strenge gr¨ oßer“ ” ” ersetzt wird. Die Bedeutung von (3.56) bis (3.58) f¨ ur den zugelassenen Messbereich wird rasch klar, wenn man sich einen gegebenen Strahler und einen festen Messabstand R vorstellt. Letzteren w¨ ahlt man so, dass nach (3.56) R l gilt; z. B. sei R = 5 m und l = 1 m. Gleichung (3.57) besagt dann, dass die Fernfeldbedingungen mit wachsender Frequenz, ab einer gewissen FrequenzGrenze, verlassen werden. Im Beispiel R = 5 m und l = 1 m gilt (3.57) nur f¨ ur λ > 20 cm, also f¨ ur Frequenzen unterhalb von 1700 Hz. Gl. (3.58) R > λ dagegen besagt, dass die Wellenl¨ ange kleiner als 5 m sein soll; der Frequenzbereich f¨ ur das Fernfeld beginnt also oberhalb von f = 68 Hz. Allgemein definieren (3.57) und (3.58) demnach Bandgrenzen, innerhalb derer Fernfeldbedingungen vorliegen. (3.56) betrifft eine geometrische Voraussetzung. Die Fernfeldbedingungen (3.56) bis (3.58) k¨ onnen ohne weiteres auf die fl¨ achenf¨ ormigen Strahler des n¨ achsten Abschnitts u ¨bertragen werden. Dabei ist unter l die gr¨ oßere der beiden Strahlerabmessungen zu verstehen.
3.6 Schallabstrahlung von Ebenen Oft interessiert die Schallabstrahlung von großen schwingenden Fl¨ achen wie von W¨ anden und Decken in Geb¨ auden, von Fenstern, von Blechen, die z. B.
88
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Maschinengeh¨ause oder Teile von Kraftfahrzeugen, Flugzeugen, Eisenbahnen sein k¨onnen: Es gibt eine sehr große Anzahl von Beispielen f¨ ur Strahler, die aus einer gestreckten, ebenen Fl¨ache bestehen. Grund genug also, hier die zweidimensionale Erweiterung der Schallabstrahlung von eindimensionalen Quellen vorzunehmen. Die dabei verwendete Methode ist auch ganz die gleiche wie in Abschnitt 3.5. Die schwingende Ebene wird gedanklich in infinitesimal kleine Volumenquellen zerlegt, deren Dr¨ ucke im Aufpunkt durch Integration aufsummiert werden. Dabei ist freilich ein wichtiger Unterschied zum eindimensionalen, schmalen Sender zu beachten. Bei dem fl¨achigen Sender n¨ amlich wird das von einer kleinen Teilquelle hervorgerufene Schallfeld an der großen Quellfl¨ ache reflektiert. Man sieht das vielleicht am einfachsten ein, wenn man sich einen schwingenden Fl¨achenteil in einer ansonsten starren, unbewegten Ebene vorstellt, an der die Teilkugelwellen der infinitesimalen Sender vollst¨ andig zur¨ uckgeworfen werden. Bei der Lautsprecherzeile ist die Reflexion des Schallfeldes eines Elementes an allen anderen ohne Erw¨ahnung beiseite gelassen worden. Diese Vernachl¨assigung bestand ganz zurecht, weil die Zeilenbreite b stets als schmal verglichen mit der Wellenl¨ange und damit als nichtreflektierend angenommen worden ist. Bei der Abstrahlung von ausgedehnten Fl¨achen muss nun die Reflexion am Strahler selbst ber¨ ucksichtigt werden. Weil das reflektierte Feld f¨ ur endlich ausgedehnte Fl¨achen von ihrer Beschaffenheit und Gr¨ oße ebenso wie von der Lage der aktuell betrachteten kleinen Volumenquelle abh¨ angt, w¨ urde die Betrachtung des Feldes bei endlich großen strahlenden Fl¨ achen im Freien“ ” außerordentlich kompliziert werden. Geht man dagegen von unendlich großen schwingenden Fl¨achen aus, dann verschwinden diese Abh¨ angigkeiten: Unbeeinflusst von seiner Lage unterliegt jedes Strahlerelement der gleichen Totalreflexion an der unendlich ausgedehnten Ebene. Die folgenden Betrachtungen gehen deshalb davon aus, dass die z-gerichtete Schnelle vz (x, y) in der ganzen Ebene z = 0 (die diesmal als Strahlerfl¨ache gew¨ahlt wird) bekannt und gegeben ist. Das heißt andererseits nicht, dass nicht auch endlich ausgedehnte Schwinger betrachtet werden, nur sind diese dann als Teil einer sonst unbeweglich starren Schallwand mit vz = 0 aufzufassen. Die Gr¨oße des von einem Elementarstrahler in der Schallwand insgesamt hervorgerufenen Feldanteiles l¨asst sich mit Hilfe eines einfachen Gedankenganges bestimmen. Dazu stellt man sich die kleine Volumenquelle zun¨ achst in einem gewissen Abstand z vor dem Reflektor in z = 0 vor. Das reflektierte Feld kann man sich erzeugt denken durch eine Spiegelquelle im Punkt −z hinter der Schallwand, das Gesamtfeld wird also von den Quellen in z und −z aufgebaut. L¨asst man nun die Originalquelle zur¨ uck in die Schallwand wandern, so erkennt man, dass die Reflexion gerade wie eine Verdopplung der Quelle bzw. wie eine Druckverdopplung wirkt. Demnach gilt wie in (3.35) f¨ ur den Anteil dp der infinitesimal kleinen Volumenquelle mit dem Volumenfluss v(xQ , yQ )dxQ dyQ
3.6 Schallabstrahlung von Ebenen
dp =
jωv(xQ , yQ ) −jkr dxQ dyQ , e 2πr
worin r den Quellpunkt-Aufpunkt-Abstand r = (x − xQ )2 + (y − yQ )2 + z 2
89
(3.59)
(3.60)
beschreibt. Der Gesamtdruck aller Strahlerteile ist damit jω p(x, y, z) = 2π
∞ ∞ v(xQ , yQ ) −∞ −∞
e−jkr dxQ dyQ . r
(3.61)
Gleichung (3.61) ist unter dem Namen Rayleigh-Integral“ bekannt. Wie ” erl¨ autert bezieht es sich auf Schnellen, die in der ganzen Ebene z = 0 gegeben sind. Bei endlich großen schwingenden Fl¨ achen setzt das Rayleigh-Integral voraus, dass diese einen Teil einer starren, unbeweglichen Schallwand bilden. (3.61) kann deswegen nur unter Einschr¨ ankungen und Vorbehalten auch auf die Schallabstrahlung von schwingenden Fl¨ achen im Freien ohne Schallwand angewandt werden, wie z.B. auf Eisenbahnr¨ ader, auf vorne und hinten offene Lautsprecher, etc. Das Rayleigh-Integral wird in diesen F¨ allen auch dann eine brauchbare N¨ aherung f¨ ur das wahre Schallfeld ergeben, wenn die Abmessungen der strahlenden Fl¨ ache im hohen Frequenzbereich bereits groß verglichen mit der Wellenl¨ ange sind. F¨ ur tiefe Frequenzen dagegen spielt der Massenkurzschluss zwischen Vorder- und R¨ uckseite (z > 0 und z < 0) eine Hauptrolle beim Abstrahlgeschehen, und gerade dieser Kurzschluss ist durch die in (3.61) implizit enthaltene Schallwand ausgeschlossen worden. Tieffrequent wird das Rayleigh-Integral deshalb immer zu recht falschen Vorhersagen f¨ ur freie Strahler ohne Schallwand“ f¨ uhren. ” Das Rayleigh-Integral ist nur in seltenen Ausnahmef¨ allen analytisch beherrschbar (ein Beispiel mit einer geschlossenen L¨ osung von (3.61) wenigstens f¨ ur die Mittelpunktachse z = 0 wird weiter unten gegeben). Dagegen l¨ asst sich wieder eine einfache u aherung aus (3.61) herleiten. ¨bersichtliche Fernfeldn¨ F¨ ur die dabei zur Beschreibung des Aufpunktes benutzten Kugelkoordinaten gilt bekanntlich x = R sin ϑ cos ϕ y = R sin ϑ sin ϕ z = R cos ϑ (R: Abstand des Punktes (x, y, z) vom Ursprung, ϑ: Winkel zwischen z-Achse und Strahl zwischen Ursprung und Aufpunkt, ϕ: Winkel zwischen x-Achse und in Ebene z = 0 projeziertem Strahl) F¨ ur die Fernfeldn¨ aherung ist zun¨ achst die Annahme einer endlichen Strahlerfl¨ ache erforderlich, das sei hier mit endlichen Integrationsintervallen
90
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
jω p(x, y, z) = 2π
ly /2
lx /2
v(xQ , yQ )
e−jkr dxQ dyQ r
(3.62)
−ly /2 −lx /2
angedeutet. Wie in Abschnitt 3.5.4 erl¨autert werden als Fernfeldbedingungen R l,
Rλ
und R/l l/λ
vorausgesetzt (l = max(lx , ly )). Wieder darf im Fernfeld 1/r ≈ 1/R (R = Mittelpunktabstand) gesetzt und vor das Integral gezogen werden. F¨ ur r gilt 2 r2 = (x − xQ )2 + (y − yQ )2 + z 2 = x2 + y 2 + z 2 + x2Q + yQ − 2(xxQ + yyQ )
≈ R2 − 2(xxQ + yyQ ) , 2 weil x2Q und yQ unter Fernfeldbedingungen vernachl¨ assigt werden d¨ urfen. In Kugelkoordinaten ausgedr¨ uckt ist also
r2 − R2 = (r − R)(r + R) = −2R(xQ sin ϑ cos ϕ + yQ sin ϑ sin ϕ) , oder (mit r + R = 2R bis auf quadratisch kleine Terme) r − R = −(xQ sin ϑ cos ϕ + yQ sin ϑ) sin ϕ . Die Fernfeld-N¨aherung f¨ ur die Abstrahlung von Ebenen lautet also pfern (R, ϑ, ϕ) =
jω −jkR (3.63) e 2πR ly /2 lx /2 v(xQ , yQ )ejk(xQ sin ϑ cos ϕ+yQ sin ϑ sin ϕ) dxQ dyQ −ly /2 −lx /2
(das Doppelintegral rechts stellt die zweifache Fourier-Transformierte der Strahlerschnelle dar). F¨ ur die meisten interessierenden Modellannahmen f¨ ur Strahler kann (3.63) einfach gel¨ost und auf Produkte von Richtcharakteristika zur¨ uckgef¨ uhrt werden, die schon bei den Lautsprecherzeilen diskutiert worden sind. Zum Beispiel ist f¨ ur die rechteckf¨ormige Kolbenmembran mit v = v0 f¨ ur |x| ≤ lx /2, |y| ≤ ly /2 und v = 0 sonst (mit Q = v0 lx ly ) lx ly sin π sin ϑ cos ϕ λ jωQ −jkR sin π λ sin ϑ cos ϕ pfern = e . ly 4πR π lλx sin ϑ cos ϕ π sin ϑ cos ϕ λ
Auf ¨ahnliche Ausdr¨ ucke f¨ uhrt auch die Annahme wellenf¨ormiger Strahler. Insbesondere folgt aus (3.63) f¨ ur tiefe Frequenzen klx 1 und kly 1 noch
3.6 Schallabstrahlung von Ebenen
pfern
ly /2
jω −jkR
e 4πR
91
lx /2
v(xQ , yQ )dxQ dyQ .
(3.64)
−ly /2 −lx /2
In erster N¨aherung ist also das Schallfeld zum Netto-Volumenfluss des Strahlers proportional. Bei wellenf¨ormigen Strahlern entscheiden u.U. Kleinigkeiten u ¨ber die Gr¨oße des Netto-Volumenflusses und damit u ¨ber die Abstrahlung, wie schon erl¨autert. Schließlich sei noch daran erinnert, dass im Fernfeld definitionsgem¨ aß die Impedanz c vorliegt. Deshalb gilt f¨ ur die Intensit¨at I=
1 |pfern |2 . 2c
(3.65)
Die Schallleistung l¨asst sich damit durch Integration u ¨ber eine Halbkugel berechnen: π/22π 1 P = |pfern |2 R2 sin ϑdϕdϑ . (3.66) 2c 0
0
3.6.1 Schallfeld auf der Achse vor einer kreisf¨ ormigen Kolbenmembran Bei Fernfeldbetrachtungen ist in den vorigen Abschnitten stets großer Wert darauf gelegt worden, die Voraussetzungen daf¨ ur zu nennen. Eine gewiss recht interessante Frage besteht darin, welche Effekte wohl zu erwarten sind, wenn die Fernfeldbedingungen verletzt werden. Die folgenden Betrachtungen geben eine Antwort an Hand eines Beispiels. Dazu wird der Schalldruck auf der Mittel-Achse vor einer kreisf¨ormigen Kolbenmembran (Schnelle v0 = const. in r < b) aus dem Rayleigh-Integral (3.61) berechnet (siehe Bild 3.21). In Polarkoordinaten xQ = RQ cos ϕQ yQ = RQ sin ϕQ dxQ dyQ = dS = RQ dRQ dϕQ ausgedr¨ uckt wird aus (3.61) jωv0 p= 2π
2πb 0
e−jkr RQ dRQ dϕQ , r
(3.67)
0
2 + z 2 den Abstand zwischen Strahlerelement R worin r = RQ Q und dem Punkt auf der z-Achse bedeutet. Der Radius der Kolbenmembran wird mit b bezeichnet. (3.67) ist gleichbedeutend mit
92
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
b
p = jωv0 0
Mit Hilfe der Substitution u=
√ 2 2 e−jk RQ +z RQ dRQ . 2 + z2 RQ
(3.68)
2 + z2 RQ
RQ dRQ du = 2 + z2 RQ
RQ = 0 : u = z RQ = b : u = b 2 + z 2
l¨asst sich (3.68) leicht l¨ osen: √ b2 +z 2
√ 2 2 e−jku du = cv0 e−jkz − e−jk b +z ,
p = jωv0 z
√ 2 2 p = cv0 e−j2πz/λ 1 − e−j2π( b +z −z)/λ .
bzw.
(3.69)
Offensichtlich kann der Schalldruck auf der z-Achse Nullstellen besitzen. Die Lage der Nullstellen p(z0 ) = 0 ergibt sich aus (b/λ)2 + (z0 /λ)2 − z0 /λ = n .
2b z
r
y
RQ
ϕQ
d en ing an w r h sc mb as sme h i p on Kre
e
k x
Abbildung 3.21. Lage der kreisf¨ ormigen Kolbenmembran im Koordinatensystem mit Bezeichnung der geometrischen Gr¨ oßen
Daraus folgt
3.6 Schallabstrahlung von Ebenen
93
(n + z0 /λ)2 = n2 + (z0 /λ)2 + 2nz0 /λ = (b/λ)2 + (z0 /λ)2 , oder
(b/λ)2 − n2 . (3.70) 2n In (3.70) durchl¨auft n solange die Werte n = 1, 2, 3, . . . wie sich positive Werte ur b/λ = 1 die einzige Nullstelle z0 /λ ergeben. Zum Beispiel erh¨alt man f¨ z0 /λ = 0(n = 1) auf der Membranmitte selbst und f¨ ur b/λ = 4 die Nullstellen z0 /λ = 7, 5(n = 1); z0 /λ = 3(n = 2); z0 /λ = 1, 1667(n = 3) und z0 /λ = 0(n = 4) (einige Bespiele f¨ ur die axiale Pegelverteilung zeigen die Bilder 3.22, 3.23 und 3.24). Jeweils ergibt sich die am weitesten von der Quelle entfernte Nullstelle aus n = 1 zu etwa z0 /λ =
zmax /λ ≈
1 (b/λ)2 . 2
(3.71)
Im Bereich z < zmax liegen also axiale Druckknoten p = 0 vor, ihre Anzahl betr¨agt (etwa) b/λ. 10 5 0 −5
p/ρcv0 [dB]
−10 −15 −20 −25 −30 −35 −40 0.25
0.5
1
2
4
8
16
32
64
z/λ
Abbildung 3.22. Ortsverlauf des Schalldruckpegels entlang der Mittelachse z vor der Membran f¨ ur b/λ = 0, 5
Nun widerspricht aber gerade eine Schallfeldstruktur aus abwechselnden Druck-Knoten und B¨auchen in Abstandsrichtung (hier die z-Richtung) der Annahme des Fernfeldes: Wie (3.63) zeigt, ließe sich das Fernfeld als denjenigen Bereich von Strahlerabst¨anden auffassen, in dem als einzige R-Abh¨ angigkeit die Amplitudenabnahme mit 1/R (und damit den Pegelabfall von 6 dB Entfernungsverdopplung) vorkommt. Nach der das Fernfeld beschreibenden
94
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung 10 5 0
−10 −15
0
p/ρcv [dB]
−5
−20 −25 −30 −35 −40 0.25
0.5
1
2
4
8
16
32
64
z/λ
Abbildung 3.23. Ortsverlauf des Schalldruckpegels entlang der Mittelachse z vor der Membran f¨ ur b/λ = 2 10 5 0
−10 −15
0
p/ρcv [dB]
−5
−20 −25 −30 −35 −40 0.25
0.5
1
2
4
8
16
32
64
z/λ
Abbildung 3.24. Ortsverlauf des Schalldruckpegels entlang der Mittelachse z vor der Membran f¨ ur b/λ = 4
Gleichung (3.63) ist eine Struktur aus Minima und Maxima entlang der Abstandsachse im Fernfeld nicht m¨oglich. Demnach kann der Bereich z < zmax nicht zum Fernfeld geh¨ oren, nur f¨ ur
3.7 Zusammenfassung
z zmax =
95
1 b2 2λ
oder f¨ ur
b z (3.72) λ b k¨ onnen Fernfeldbedingungen“ vorliegen. (3.72) ist mit der fr¨ uher abgeleiteten ” Gleichung (3.57) identisch. Aus den genannten Betrachtungen zeigen sich umgekehrt die zu erwartenden Effekte, wenn ein zu kleiner Messabstand z gew¨ ahlt wird und (3.72) verletzt wird. Der gemessene Pegel-Umfangsverlauf kann Schalldruck-Minima aufweisen, die zwar f¨ ur den speziellen Messabstand so auch tats¨ achlich vorhanden sind, bei anderen, gr¨ oßeren Abst¨ anden aber gar nicht auftauchen. Die gemessene Richtcharakteristik ist also untypisch f¨ ur andere Abst¨ ande, und damit ziemlich bedeutungslos. Nur im Fernfeld misst man Richtwirkungen, die sich mit wachsendem Abstand nicht mehr ver¨ andern, und gerade darin kann man auch den Zweck der Fernfeld-Definition sehen. Abschließend sei noch die zu (3.69) geh¨ orende Fernfeldn¨ aherung abgeleitet. Wenn man z b voraussetzt, dann ist 1 b2 1 b2 2 2 2 z + b = z 1 + (b/z) ≈ z 1 + = z + , 2 z2 2 z
und also wird
b2 pfern ≈ cv0 e−j2πz/λ 1 − e−jπ λz .
Wenn nach (3.72) b2 λz ist, dann findet man mit e−jx ≈ 1 − jx den Fernfelddruck pfern =
jcv0 b2 π −j2πz/λ jωπb2 v0 −j2πz/λ = e . e λz 2πz
(3.73)
(3.73) ist mit dem Ergebnis von (3.63) f¨ ur ϑ = 0 (das bezeichnet die z-Achse) identisch.
3.7 Zusammenfassung Pro Abstandsverdopplung verringert sich der Schalldruckpegel bei Punktquellen um 6 dB, bei Linienquellen um 3 dB. Kleine Volumenquellen erzeugen ein Schallfeld, dessen Wellenfronten Kugelschalen bilden. Quellkombinationen rufen Interferenzerscheinungen hervor, die Richtcharakteristika bewirken. Letztere k¨ onnen sich auch mit dem Abstand zur Quelle ¨ andern, nur im durch die drei Bedingungen r >> l, r >> λ und r/l >> l/λ festgelegten Fernfeld wird die Umfangscharakteristik vom Abstand unabh¨angig. Beim Dipol besteht die Charakteristik in einer Doppel-Kugel. Großfl¨ achige, konphas schwingende Strahler (Lautsprecherzeilen z.B.) bilden je nach Gr¨ oße und Wellenl¨ ange
96
3 Schallausbreitung und Schallabstrahlung
Richtwirkungen in Form einer Hauptkeule, gefolgt von Nebenkeulen. Diese Struktur kann durch Gewichtung der Elemente gezielt ver¨ andert werden. Durch Zeitverz¨ogerungen der Lautsprecher-Steuersignale l¨ asst sich die Vorzugsrichtung der Abstrahlung elektronisch schwenken. Solche (und andere) wellenf¨ormigen Strahler erzeugen Schallfelder nur an ihren R¨ andern, wenn die Strahlerwellenl¨ange λs k¨ urzer ist als die des umgebenden Mediums λ; also f¨ ur λs < λ. Bei langwelligen Strahlern λs > λ ist die ganze Strahlerfl¨ ache an der Schallentstehung beteiligt. Die Abstrahlung in der Hauptkeule l¨ asst sich dann als schr¨ag laufender Schallstrahl deuten, dessen Richtung sich aus sinϑ = λ/λs ergibt.
3.8 Literaturhinweise Zur Vertiefung der in diesem Abschnitt behandelten Inhalte wird insbesondere vorgeschlagen das Kapitel 5 aus dem (auch sonst h¨ochst lesenswerten) Werk von E. Meyer und E.G. Neumann Physikalische und Technische Akustik“ ” (Vieweg Verlag, Braunschweig 1967) und das Kapitel 6 im Buch K¨ orper” schall“ von L. Cremer und M. Heckl (Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 1996). Eine besonders empfehlenswerte inhaltliche Erg¨ anzung stellt die Arbeit von M. Heckl : Abstrahlung von ebenen Schallquellen“ (ACUSTI” CA 37 (1977), S. 155 - 166) dar. Als fr¨ uhe, sehr detailreiche Arbeit zum Thema Abstrahlung sei Stenzel; Brosze, O.: Leitfaden zur Berechnung von ” Schallvorg¨angen“ (Springer-Verlag, Berlin/G¨ottingen/Heidelberg 1958) genannt. Und schließlich erlaubt sich der Verfasser den Hinweis auf ein eigenes Buch: M¨oser, M.: Analyse und Synthese akustischer Spektren“ (Springer” Verlag, Berlin und Heidelberg 1988)
4 K¨ orperschall
4.1 Einleitung Unter K¨orperschall versteht man Schwingungen und Wellen in Festk¨ orpern, also z. B. in Platten, St¨aben, W¨anden, Schiffen, Geb¨ auden etc. Begreiflicherweise ist der K¨orperschall im Hinblick auf Schallschutz-Aufgaben von sehr großer Bedeutung: Die Luftschallabstrahlung in (bzw. von) den oben genannten K¨orpern ist durch Bewegungen der K¨orper-Oberfl¨ achen hervorgerufen. Es ist also sehr oft der K¨orperschall, der f¨ ur den entstehenden Luftschall (oder den Fl¨ ussigkeitsschall) verantwortlich ist. Auch die Luftschall-D¨ ammung von W¨anden, Decken und Fenstern etc. stellt im Kern ein K¨ orperschall-Problem“ ” dar. Nun besteht zwischen Luftschallwellen und Wellen in festen K¨ orpern ein wesentlicher und fundamentaler Unterschied. Ein Gas (oder eine Fl¨ ussigkeit) ¨ reagiert n¨amlich auf eine Volumen¨anderung seiner Masse nur mit einer Ande¨ rung des Druckes; eine bloße Anderung der geometrischen Form der Gasmasse beeinflusst den Druck hingegen gar nicht (von Reibungsvorg¨ angen abgesehen). Grenzfl¨achen zwischen Gas-Volumenelementen u ¨bertragen deswegen nur Kr¨afte senkrecht zu den Fl¨achen. Wie man an dem einfachen Beispiel eines durchgebogenen d¨ unnen Stabes (z. B. ein Zeichenlineal) sofort sieht, setzen sich feste K¨orper dagegen nicht nur gegen eine Verdichtung des Raum¨ es, den sie einnehmen, zur Wehr, sondern auch gegen eine Anderung ihrer bloßen Form. An Grenzfl¨achen von Volumenelementen in festen K¨ orpern werden deshalb auch tangentiale Kr¨afte u ¨bertragen, die man als Schubspannungen bezeichnet. Am Beispiel des statisch auf Biegung beanspruchten Stabes erkennt man das Vorhandensein der im Stab senkrecht zu seiner Achse wirkenden Kr¨afte leicht: Es sind diese Schubkr¨afte, die den Stab in seiner verbogenen Form halten; anderenfalls w¨ urde er diese Form nicht aufrecht erhalten k¨ onnen. Statt der einzig bei Gasen vorkommenden Normalkomponente der Spannungen m¨ ussen daher bei der Betrachtung von Volumenelementen in festen K¨orpern an jeder Begrenzungsfl¨ache drei Kraftkomponenten ber¨ ucksichtigt ¨ werden (Bild 4.1). Ahnlich wie man beim Luftschall die auf die Fl¨ ache bezo-
98
4 K¨ orperschall
σz τyz
τxz τzx σx
z
τyx
τzy
τxy
y
x Abbildung 4.1. Normalspannungen und Schubspannungen am Volumenelement im Festk¨ orper
gene Kraft (den Druck) zur Beschreibung verwendet, benutzt man zur Formulierung der Kraftgesetze im K¨orperschall die Spannungen, die gleich dem Quotient aus Kraft und Fl¨ache sind. Man hat nun also Normalspannungen (senkrecht zur gedachten Begrenzungsfl¨ache) und Schubspannungen (tangential zur Begrenzungsfl¨ache) zu unterscheiden. Alle ¨außeren Spannungskomponenten f¨ uhren nun nat¨ urlich zu einer elastischen Deformation des K¨orpers, der mit einem zur¨ uckfedernden Einschwingen in seine Ruheform reagieren wird, wenn die ¨außeren Spannungen pl¨ otzlich entfernt werden. Wie beim Luftschall erkl¨art sich der beobachtete Schwingvorgang durch ein fortw¨ ahrendes Umwandeln von potentieller Energie, die in der Form- und Volumen¨anderung gespeichert ist, in Bewegungsenergie der
σ
4.1 Einleitung
99
beteiligten Massen, und umgekehrt. Dieses gegenseitige Umf¨ ullen“ der Ener” giespeicher findet nicht nur zeitlich, sondern auch ¨ ortlich verteilt statt, so dass Schwingungen in Wellenform auftreten. Der dreiachsige Spannungszustand f¨ uhrt zum Beispiel bei St¨aben dazu, dass zu jeder Bewegungsrichtung auch eine Wellenart geh¨ort. Auf St¨aben kommen vor • • •
die transversalen BIEGEWELLEN, bei denen die Auslenkungen senkrecht zur Stabachse und damit auch zur Wellen-Ausbreitungs-Richtung sind (Bild 4.2 oben), die ebenfalls transversalen TORSIONSWELLEN durch Verdrillung der Stabquerschnitte und die longitudinalen DEHNWELLEN, bei denen sich die Auslenkungen vor allem l¨angs der Stabachsen vollziehen (Bild 4.2 unten).
Noch zus¨atzlich verkompliziert werden die Verh¨altnisse dadurch, dass die Biegewellen mit Auslenkungen in beiden senkrecht zur Stabachse weisenden Richtungen vorkommen k¨onnen. Nur bei Kreisquerschnitten (oder quadratischem Querschnitt) werden sich die beiden Biegewellen auch gleich verhalten. Wie man an einem Stab mit flachem, gestrecktem Querschnitt (Lineal) leicht feststellen kann, ist die Biegesteife allgemein von der Belastungsrichtung abh¨angig. Dar¨ uber hinaus kommen f¨ ur St¨abe und Platten noch weit mehr Wellenarten in Betracht, wenn man die endlichen Querabmessungen mit einbezieht. Ebenso wie beim Luftschall bilden sich dann Querverteilungen (= Moden) aus, zu denen je eine Wellenart geh¨ort (ein Beispiel ist in Bild 4.3 aufgef¨ uhrt). Die oben genannten Wellen erscheinen nur als einfachste Sonderf¨ alle der Moden. Es ist klar, dass hier nicht auf die ganze Vielfalt von in St¨ aben und Platten vorkommenden K¨orperschall-Wellen eingegangen werden kann. Der tiefer interessierte Leser sei f¨ ur eine umfassende Schilderung der Wellenarten insbesondere auf das Werk von L. Cremer und M. Heckl: K¨ orperschall (Springer, Berlin 1996) verwiesen. Hier muss die Beschr¨ankung auf das f¨ ur die n¨ achsten Kapitel unbedingt Erforderliche gen¨ ugen.
Abbildung 4.2. Biegewellen (oben) und Dehnwellen (unten) auf St¨ aben
Haupts¨achlich interessiert in der Technischen Akustik die BIEGEWELLENAusbreitung, denn diese Wellenform, die nat¨ urlich auch auf seitlich ausgedehnten Platten vorkommt, ist aus einem einfachen Grund die Wichtigste: Hier stehen die Platten-Auslenkungen senkrecht auf der Platten- oder StabOberfl¨ache, sie werden also viel eher eine Luftschall-Abstrahlung bewirken
100
4 K¨ orperschall
Abbildung 4.3. Welle h¨ oherer Ordnung (Mode) bei dicken Platten
als Dehnwellen und Torsionswellen mit im Wesentlichen zur Oberfl¨ ache tangentialen Bewegungen. Hinzu kommt ein zweiter, aus der Anschauung leicht zu ermessender Grund f¨ ur die vorrangige Rolle der Biegewellen. Die Biegung setzt n¨amlich der anregenden ¨außeren Kraft (in praktisch relevanten F¨ allen) einen viel kleineren Widerstand entgegen als zum Beispiel bei der Beanspruchung auf Dehnung. Man kann daher annehmen, dass Biegewellen viel leichter anzuregen sind und demnach das Schwinggeschehen dominieren. Die Betrachtung der Biegewellen beginnt mit dem einfachsten Fall von St¨aben und wird danach auf die Verh¨altnisse bei den praktisch mehr interessierenden Platten u ¨bertragen.
4.2 Die Biegewellengleichung fu abe ¨ r St¨ Die statische Biegung von St¨aben und Balken ist begreiflicherweise ein sehr wichtiges Thema in der Statik von Tragwerken, das seit langem gekl¨ art ist. Man kann deshalb auf die Erkenntnisse der statischen Biegelehre zur¨ uckgreifen und sie hier benutzen. Neben den kinetischen Gr¨oßen der Stabauslenkung ξ(x) und des Biegewinkels β(x) (Bild 4.4), f¨ ur welche bei den hier ausschließlich interessierenden kleinen Biegewinkeln ∂ξ = tan β ≈ β ∂x
(4.1)
gilt, interessieren vor allem die Normalspannungen und Schubspannungen in den Stabquerschnitten. Wenn man wie in der statischen Biegelehre davon ausgeht, dass die L¨angsspannungen linear von einer (l¨ angsspannungsfreien) neutralen Stabfaser anwachsen (Bild 4.4a und 4.4b), dann lassen sich die L¨angsspannungen εx in einem auf die neutrale Faser wirkenden Moment εx ydS
M= S
zusammenfassen. F¨ ur dieses Biegemoment gilt, dass es um so gr¨ oßer ist, je st¨arker der Stab bei der Biegung gekr¨ ummt ist. Eine vern¨ unftige Annahme ist 1 M∼ , rk ummungskreises am betreffenden Punkt des Stabes worin rk den Radius des Kr¨ darstellt. Bekanntlich gilt f¨ ur kleine Auslenkungen
4.2 Die Biegewellengleichung f¨ ur St¨ abe
101
Biegewinkel β(x) Ruhelage Auslenkungξ(x) Stab neutrale Faser
x
y
Spannungsverteilung εx(y)
neutrale Faser
resultierendes Moment
Stab
x
Abbildung 4.4. oben: Auslenkung und Biegewinkel bei der elastischen Verbiegung von St¨ aben, unten: Spannungsverteilung und Moment bei der elastischen Verbiegung von St¨ aben
1 ∂2ξ = . rk ∂x2 Man erh¨alt also mit der Proportionalit¨atskonstanten B M = −B
∂2ξ , ∂x2
(4.2)
wobei das Vorzeichen von M nur deswegen so gew¨ahlt worden ist, damit M und ξ f¨ ur Wellen der Form ξ = ξ0 cos(kx−ωt) gleiches Vorzeichen besitzen. Die Proportionalit¨atskonstante B wird als Biegesteife bezeichnet. Sie beinhaltet nicht nur die spezifische Steifigkeit E des Materials, sondern h¨ angt auch noch von der Querschnittsgeometrie ab. Oben ist schon anschaulich begr¨ undet worden, dass letztere in die Biegesteife eingeht. Die Biegelehre zeigt, dass (Bild 4.5a) B = E y 2 dydz = EI (4.3) S
102
4 K¨ orperschall
ist. Die spezifische Steifigkeit E heißt Elastizit¨atsmodul. Er entspricht der spezifischen Steife s eines als Feder aufzufassenden Materialblocks der Querschnittsfl¨ache S und der Dicke h (Bild 4.5b), der nach dem Hookeschen Gesetz eine Zusammendr¨ uckung ∆x erf¨ahrt, wenn er mit einer Kraft F∆x belastet wird: s S ES F∆x = ∆x = . (4.4) h ∆x Der Elastizit¨atsmodul stellt also eine Federsteife pro Oberfl¨ ache und Dicke dar. Die die Querschnittsgeometrie beschreibende Gr¨ oße I heißt axiales
Stab
dS y neutrale Faser
Stabquerschnitt
anregende Kraft
starre Abdeckung elastische Schicht, Messobjekt
h
starres Fundament
Abbildung 4.5. (a) Zur Definition des Fl¨ achentr¨ agheitsmomentes (b) Messanordnung zur Bestimmung des Elastizit¨ atsmodules E
Fl¨achentr¨agheitsmoment. In diesem Buch interessieren ausschließlich Rechteckquerschnitte. F¨ ur diese gilt mit der Stabdicke h (sie wird in Richtung der anregenden Kraft gez¨ahlt) und der Breite b I=
bh3 . 12
4.2 Die Biegewellengleichung f¨ ur St¨ abe
103
Als zweites Beispiel sei nur der Vollkreis (Radius a) I=
π 4 a 4
genannt. Weitere Fl¨achentr¨agheitsmomente findet man z. B. in Dubbel: Taschenbuch f¨ ur den Maschinenbau (Springer, Berlin 2001), einem f¨ ur Akustiker auch sonst sehr n¨ utzlichem Werk. ¨ Ahnlich wie das Biegemoment die Normalspannungen zusammenfasst, kann auch den Schubspannungen τ in Auslenkungsrichtung eine Querkraft F = τxy dydz (4.5) S
zugeordnet werden. Wie die statische Biegelehre zeigt, ergibt sich die am Querschnitt tangential angreifende, nach unten weisende Querkraft aus dem Biegemoment zu ∂M F =− . (4.6) ∂x Auf ein aus dem Stab freigeschnittenes Element (Bild 4.6) der L¨ ange x wirkt nun wegen actio = reactio das transversale Kr¨aftepaar F (x + ∆x) und −F (x). Ber¨ ucksichtigt man noch eine ¨außere Kraft Fa = Fa ∆x in Auslenkungsrichtung (z. B. die Anregung des Balkens durch einen Schlag), die auf die L¨ ange x gleichm¨aßig verteilt ist, so verlangt das NEWTONsche Gesetz ∆xS ξ¨ = F (x) − F (x + ∆x) + ∆xFa , oder, nach Grenz¨ ubergang ∆x → 0, m ξ¨ +
∂F = Fa . ∂x
(4.7)
Darin bezeichnet m die Stabmasse und Fa die a¨ußere Kraft, jeweils bezogen auf die L¨angeneinheit. Setzt man hierin nacheinander (4.6), (4.2) und (4.1) ein: ∂F ∂2M ∂3β ∂4ξ =− =B 3 =B 4 , 2 ∂x ∂x ∂x ∂x so erh¨ alt man schließlich die Biegewellengleichung
m ξ¨ + B
∂4ξ = Fa . ∂x4
Sie stimmt nur insofern mit der Wellengleichung f¨ ur Gase u ¨berein, als auch hier die zweite Zeitableitung auftritt. Die wesentlichen Unterschiede zwischen Biegewellen und Luftschallwellen werden rasch klar, wenn man zu reinen T¨ onen
ξ(x, t) = Re ξ(x)ejωt
104
4 K¨ orperschall F(x+∆x) F(x) F a'
∆x F(x) F(x+∆x)
Abbildung 4.6. Freigeschnittenes Stabelement
u ur die komplexen Amplituden geht die Biegewellengleichung f¨ ur ¨bergeht. F¨ die Auslenkung in ∂4ξ m 2 Fa − ξ = ω , ∂x4 B B bzw. f¨ ur die Schnelle v = jωξ in ∂4v m ω 2 jωFa − = v ∂x4 B B
(4.8)
u ur die manchmal noch ben¨ otigte Winkelschnelle w = dβ/dt, das Bie¨ber. F¨ gemoment M und die Querkraft F gilt nach (4.1), (4.2) und (4.6): ∂v , ∂x B ∂2v M =− , jω ∂x2 B ∂3v F = . jω ∂x3 w=
(4.9)
(4.10)
(4.11)
Winkelschnelle, Moment und Querkraft k¨ onnen jeweils aus dem Schnelleverlauf berechnet werden.
4.3 Die Ausbreitung der Biegewellen Die wichtigsten prinzipiellen Merkmale der Biegewellen lassen sich mit einem Wellenansatz v = v0 e−jkB x f¨ ur die außerhalb von lokalen a aften g¨ ultige homogene Differential¨ußeren Kr¨ gleichung ∂4v m 2 − (4.12) ω v=0 4 ∂x B erkl¨ aren. Durch Einsetzen erh¨ alt man
4.4 Biegeschwingungen von Platten 4 kB =
Mit kB =
m 2 ω . B
105
(4.13)
2π ω = λB cB
gilt f¨ ur Biegewellenl¨ange
λB = 2π
4
B 1 √ m ω
und f¨ ur die Biegewellen-Ausbreitungs-Geschwindigkeit
4 B √ cB = ω. m
(4.14)
(4.15)
Man erh¨ alt also eine Biegewellenl¨ ange λB , die nur mit der Wurzel aus der anwachsenden Frequenz abnimmt und eine frequenzabh¨angige Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzt. Diese Tatsachen beinhalten einen fundamentalen Unterschied zwischen Luftschallwellen und Biegewellen. Wenn man n¨amlich von der Betrachtung reiner T¨ one zu Zeitverl¨ aufen u ¨bergeht, die aus mehreren spektralen Komponenten zusammengesetzt sind, so bewirkt die frequenzabh¨angige Ausbreitungsgeschwindigkeit, dass sich die spektralen Komponenten gegenseitig davonlaufen“, und zwar um so mehr, je weiter der von ihnen zur¨ uckgelegte ” Weg und je gr¨ oßer ihr Frequenzabstand ist. Das bedeutet, dass die spektrale Zusammensetzung an zwei Stellen eines Stabes unterschiedlich ist, und daraus folgt, dass in unterschiedlichen Stellen auch ganz unterschiedliche Zeitverl¨aufe der Stabschnelle vorgefunden werden. Der Zeitverlauf verzerrt sich l¨angs der Biegewellenausbreitung. Diesen Effekt nennt man Dispersion. Man kann ihn z. B. an der Impul” santwort“ (= Stabschnelle, wenn der Stab in x = 0 zur Zeit t = 0 durch einen kurzen Schlag angeregt wird) in Bild 4.7 (oben) erkennen. Die hochfrequenten Bestandteile der sehr breitbandigen Anregung treffen vor den tieferen ein, im Eintreffpunkt nimmt die Momentanfrequenz allm¨ahlich ab. Eine Entsprechung findet man im f¨ ur einen festen Zeitpunkt aufgetragenen Ortsverlauf: Die hohen Frequenzen haben einen gr¨ oßeren Weg zur¨ uckgelegt als die tiefen Anteile (Bild 4.7 unten).
4.4 Biegeschwingungen von Platten Wie man durch ¨ ahnliche Betrachtungen wie beim eindimensionalen Stab zeigen kann, lautet die Biegewellengleichung f¨ ur homogene Platten ∂4v ∂4v ∂ 4 v m jωp + 2 2 2 + 4 − ω2 v = . 4 ∂x ∂x ∂y ∂y B B
(4.16)
106
4 K¨ orperschall
1
Stabschnelle v/v0
0.5
0
−0.5
−1
Ort x 1
Stabschnelle v/v0
0.5
0
−0.5
−1
Zeit t
Abbildung 4.7. Schnelle-Impulsantwort von Biegest¨ aben. Oben: Ortsverlauf f¨ ur eingefrorene Zeit. Unten: Zeitverlauf an festem Ort.
Mit p ist eine ¨außere Fl¨achenkraft (z. B. ein Druck) auf die Platte bezeichnet. Diesmal stellt m die auf die Fl¨ache bezogene Plattenmasse dar: m = h
(4.17)
(Plattendichte = , h = Dicke), die ebenso wie die Platten-Biegesteife aus der Stab-Biegesteife (f¨ ur rechteckigen Querschnitt) je Breiteneinheit hervorgeht: B =
E h3 . 1 − µ2 12
(4.18)
4.4 Biegeschwingungen von Platten
107
Der die Querkontraktionszahl µ enthaltende Faktor ber¨ ucksichtigt die Tatsache, dass die Platten-Volumenelemente etwas steifer als die Stab-Elemente wirken. W¨ahrend das Material bei der Stab-Biegung auch ein wenig seitlich (senkrecht zu Stab und Auslenkungsrichtung) ausweichen kann, entf¨ allt diese M¨oglichkeit bei der Platte. F¨ ur µ gilt etwa je nach Material µ < 0, 5 (meist ist sogar µ = 0, 3), so dass man im Rahmen der Genauigkeit, in der Materialparameter bekannt sind, stets µ2 1 vernachl¨assigen kann. F¨ ur die eindimensionale Wellenausbreitung der Plattenbewegungen, die z. B. durch eine Linienkraft oder eine auftretende Schallwelle angeregt wird, geht die Biegewellengleichung u ¨ber in 1 d4 v jp 4 dx4 − v = m ω , kB
(4.19)
mit
m 2 ω (4.20) B (zu diesen Gleichungen h¨ atte man u onnen, indem ¨brigens auch leicht kommen k¨ man die Stabgleichung (4.8) durch die Stabbreite teilt). Man erh¨ alt also die gleichen Abh¨angigkeiten f¨ ur die freien Biegewellen 4 = kB
v = v0 e−jkB x ,
die weit genug von anregenden Kr¨ aften entfernt vorliegen, wie beim Stab:
2π 4 B √ , λB = (4.21) m ω
4 B √ cB = ω. (4.22) m
Auch bei der Platte ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Biegewellen fre¨ quenzabh¨angig, die Ubertragung von Auslenkungen erfolgt dispergierend. Die Wellenl¨ange ist ebenfalls umgekehrt proportional zur Wurzel der Frequenz. Ein von einer Punktkraft erzeugtes, radial-symmetrisches Feld besitzt die gleiche prinzipielle Wellengestalt wie die ebenen Plattenwellen. Aus Energiegr¨ unden muss die Amplitude dabei jedoch umgekehrt proportional zur Wurzel aus dem Abstand r zur Quelle abnehmen. F¨ ur nicht kleine Entfernungen ist also A v = √ e−jkB r . r W¨ ahrend bei der Betrachtung von Stab-Biegewellen mehr das physikalisch Grunds¨atzliche interessiert hat, soll diesmal das Augenmerk mehr auf die praktisch zu erwartenden Verh¨ altnisse und Gr¨ oßenordnungen gerichtet sein. Zun¨ achst ist festzustellen, dass die Verwendung der Biegesteife bei praktischen Rechnungen etwas unhandlich ist. Daher wird der Quotient m /B durch
108
4 K¨ orperschall
leichter u ¨berschaubare Materialangaben ersetzt, dabei wird gleichzeitig noch µ2 1 vernachl¨assigt: m h12 12 = = 2 2. 3 B Eh cL h
(4.23)
Darin ist cL =
E
(wie man zeigen kann) die Longitudinal-Wellen-Geschwindigkeit bei St¨ aben aus gleichem Material. Meistens verwendet man cL , Dicke h und Fl¨achenmasse m zur akustischen Beschreibung von Platten. Die Einfl¨ usse von Material (ausgedr¨ uckt in cL ), Dicke h und Frequenz f lassen sich in (4.21) und (4.22) nicht unmittelbar u ¨bersehen, weil die Parameter B und m sowohl ¨ vom Material als auch von der Dicke abh¨ angen. Ubersichtlich lassen sich die Abh¨angigkeiten erkennen, wenn man (4.23) in (4.21) und (4.22) einsetzt. Man erh¨alt so f¨ ur die Biegewellenl¨ ange die nun leicht handhabbare Gleichung hcL λB ≈ 1, 35 f
und f¨ ur die Ausbreitungsgeschwindigkeit cB ≈ 1, 35 hcL f . Die folgende Tabelle 4.1 nennt die Parameter f¨ ur die praktisch wichtigsten Materialien. Die Verlustfaktor-Angaben betreffen die reine innere D¨ ampfung, zu der noch Strahlungsverluste und bei vielen Konstruktionen die D¨ ampfung durch Reibung an F¨ ugestellen (z. B. an Schraubverbindungen) hinzukommen. Nutzen und Bedeutung der mit dem Verlustfaktor η bezeichneten Gr¨ oße sind in den Kapiteln 5 und 8 geschildert. Wie man der Tabelle 4.1 entnehmen kann, weichen die LongitudinalwellenGeschwindigkeiten der verschiedenen Materialien nicht allzu sehr von einander ab. Grob wird der Bereich von 2000 m/s bis 5000 m/s u ¨berdeckt. Dagegen ist der Bereich von in der Akustik interessierenden Dicken sehr viel breiter. Das Autoblech von 0,5 mm Dicke interessiert ebenso wie die 0,5 m starke Betonwand, immerhin ein Dickenfaktor von 1:1000. Entsprechend groß ist der Wellenl¨ angenbereich. Zum Beispiel erh¨ alt man f¨ ur 1000 Hz λ(0,5 mm Blech) = 7 cm , λ(25 cm Leichtbeton) = 90 cm , zum Vergleich λ(Luf t) = 34 cm . Wie man schon aus den Beispielen sieht, sind d¨ unne Platten kurzwelliger und dicke Platten langwelliger als Luft.
4.4 Biegeschwingungen von Platten
109
Tabelle 4.1. Materialdaten gebr¨ auchlicher Stoffe Dichte (kg/m3 )
cL (m/s)
η
Aluminium 2700 5200 ≈ 10−4 Stahl 7800 5000 ≈ 10−4 Gold 19300 2000 3 10−4 −3 Blei 11300 1250 10 − 10−1 Kupfer 8900 3700 2 10−3 Messing 8500 3200 10−3 Schwerbeton 2300 3400 5 10−3 Leichtbeton 600 1700 10−2 Ziegel (+M¨ ortel) 2000 2500–3000 10−2 Sperrholz 600 3000 10−2 Eiche 700–1000 1500–3500 10−2 Fichte 400–700 1200–2500 10−2 Gipskartonplatten 1200 2400 8 10−3 Hartfaserplatten 600–700 2700 10−2 Plexiglas 1150 2200 3 10−2 Sand, leicht 1500 100–200 10−1 Sand, verdichtet 1700 200–500 10−2 Glas 2500 4900 2 10−3
Die Unterschiede zwischen lang-“ und kurzwelligen“ Bauteilen sind f¨ ur ” ” die Luftschalld¨ammung der Platten von erheblicher Bedeutung, wie das entsprechende Kapitel dieses Buches ausf¨ uhrlich erkl¨art. Allgemeiner l¨ asst sich die Eigenschaft kurzwelliger als Luft“ (oder eben langwelliger als Luft“) ” ” einem Frequenzintervall zuordnen. Die beiden Wellenl¨ angen λ0 (Luft) und λB (Biegewellen) λ0 = c/f
und λB ≈ 1, 35
hcL f
werden bei einer bestimmten kritischen“ Frequenz fcr gleich groß. Wie man ” durch Quadrieren der Wellenl¨angen und anschließendes Gleichsetzen leicht zeigt gilt f¨ ur fcr c2 fcr = . 1, 82hcL Andere Namen f¨ ur die kritische Frequenz sind Grenzfrequenz“ oder Koin” ” ¨ zidenzgrenzfrequenz“ (Koinzidenz = Ubereinstimmung). F¨ ur Frequenzen ¨ • f < fcr unterhalb der kritischen Frequenz sind die Biegewellen KURZER als die Luftschallwellen, f¨ ur Frequenzen ¨ • f > fcr oberhalb der kritischen Frequenz sind die Biegewellen LANGER als die Luftschallwellen. Einige Zahlenbeispiele f¨ ur die kritische Frequenz sind
110
• • • •
4 K¨ orperschall
0,5 mm Blech: 25 kHz, 4 mm Glas: 3 kHz, 5 cm Gips: 530 Hz und 25 cm Beton: 75 Hz.
Wie man erkennt, haben dicke, massive W¨ ande und Decken Grenzfrequenzen am unteren Rand des interessierenden Frequenz-Bereiches, die kritischen Frequenzen von Fenstern oder Blechen liegen dagegen am oberen Rand. D¨ unnere W¨ande, die z. B. innerhalb von Wohnungen oder B¨ uros durchaus auch gebaut werden, verf¨ ugen u ¨ber Grenzfrequenzen mitten im interessierenden Band, mit entsprechenden Einbußen in ihrer Luftschalld¨ammung.
4.5 Zusammenfassung Die f¨ ur die Technische Akustik zweifellos wichtigsten K¨ orperschallwellen bestehen in den auf St¨aben und Platten auftretenden transversalen Biegewellen. Anders als bei der Wellenausbreitung in Gasen und Fl¨ ussigkeiten h¨ angt die Biegewellenl¨ange von der Frequenz ab, sie w¨achst proportional zur Quadratwurzel aus f. Bei K¨orperschallsignalen, die aus mehreren Frequenzen zusammengesetzt sind, werden die Bestandteile also mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten transportiert, das f¨ uhrt zum als ’Dispersion’ bezeichneten Auseinanderlaufen der Signalgestalt. Wegen der Dispersion ist die Biegewellenl¨ ange umgekehrt proportional zur Quadratwurzel aus der Frequenz. Daraus folgt, dass die Biegewellenl¨ange λB unterhalb einer gewissen Grenzfrequenz fcr kleiner ist als die Luftschallwellenl¨ange λ, f¨ ur f oberhalb von fcr gilt umgekehrt λB > λ. Diese Tatsache spielt f¨ ur die Abstrahlung von Biegewellen (Kapitel 3) und f¨ ur die Schalld¨ammung von platten¨ahnlichen Gebilden (W¨ ande, Decken, Fenster, etc., Kapitel 8) eine sehr erhebliche Rolle. Die Grenzfrequenz ist umgekehrt proportional zur Dicke des Bauteils fcr ∼ 1/h, sie liegt also f¨ ur d¨ unne Bauteile hoch und f¨ ur dicke Bauteile tief.
4.6 Literaturhinweis Fraglos bildet das Werk K¨orperschall“ von L. Cremer und M. Heckl (Springer” Verlag, Berlin und Heidelberg 1996) eine unverzichtbare Lekt¨ ure f¨ ur alle, die sich mit dem im Titel genannten Gebiet auseinandersetzen wollen.
5 Elastische Isolation
Das wohl wichtigste Mittel, den Schwingungseintrag in Geb¨ aude oder ins Erdreich zu verringern, bilden weichfedernde Zwischenelemente zwischen Maschinen, Motoren oder anderen Aggregaten und den sie tragenden Fundamenten. Anwendungsbeispiele f¨ ur diese Technik des elastischen Entkoppelns sind •
die Lagerung von Maschinen auf Einzelfedern zur Entkopplung von Geb¨ auden (Bild 5.1), • Unterschottermatten f¨ ur Eisenbahn- oder U-Bahn-Gleise in der N¨ ahe von H¨ausern zur Verringerung des Ersch¨ utterungseintrages (Bild 5.2) und • der heute wohl fast immer in Geb¨auden benutzte schwimmende Estrich (Bild 5.3, siehe auch das Kapitel u ¨ber Schalld¨ammung) Die genannten Beispiele spannen eine sehr große Bandbreite von Anwendungen und dabei verwendeten technischen L¨osungen auf.
Abbildung 5.1. Maschinenlagerung auf Einzelfedern
112
5 Elastische Isolation
Abbildung 5.2. Elastisches Entkoppeln des Gleises vom Fahrweg-Unterbau auf einer dicken Platte
elastische Dämmschicht, meist 30 bis 40 mm Zement-Estrich, meist 40 bis 60 mm
dünne Folie
Rohdecke, meist 120 bis 350 mm
Abbildung 5.3. Aufbau des schwimmenden Estrichs zur Verbesserung der Trittschalld¨ ammung
Zum Beispiel erweist es sich oft (an Stelle der punktweisen MaschinenFuß-Lagerung wie in Bild 5.1) als sinnvoll, ein Aggregat oder eine Maschine zun¨achst auf einer festen Platte (einige Zentimeter Beton) zu befestigen und diese dann durch eine vollfl¨achige weiche Zwischenlage vom Fundament zu entkoppeln. Oft bestehen technische Apparaturen (wie K¨ uhleinrichtungen) n¨amlich nicht in einem kompakten Aufbau“, sondern setzen sich aus vielen, ” durch Kabel und Schl¨auche miteinander verbundenen Einzelteilen zusammen. Nicht nur deshalb, sondern auch zur Erh¨ohung der Masse, ist die Vormontage auf einer schwereren Platte erst einmal sinnvoll. Die Vielfalt der Anwendungen deutet sich auch schon in den vielen Varianten von Federelementen und weich ¨ gestalteten Platten an, von denen Bild 5.4 einen kleinen Uberblick bietet. Die Betrachtungen in diesem Kapitel versuchen, die im Zusammenhang mit der elastischen Lagerung auftretenden Fragen sowohl vom Prinzipverst¨ andnis her als auch hinsichtlich der praktischen Anwendung zu beantworten. Der n¨achste Abschnitt gibt deswegen Auskunft u ¨ber das Kernprinzip durch Behandlung des einfachsten Modells. Danach wird untersucht, welchen Einfluss
5.1 Wirkung elastischer Lagerung auf starrem Fundament
113
die zun¨achst vernachl¨assigten physikalischen Effekte besitzen, um realistischere Vorstellungen in der zu erwartenden Gr¨oße von Pegelminderungen zu begr¨ unden. Schließlich wird noch auf die praktisch wichtigen Fragen eingegangen, wie elastische Lagerungen ausgelegt werden sollen und unter welchen Voraussetzungen sich diese Maßnahmen u ¨berhaupt als sinnvoll erweisen.
Abbildung 5.4. Beispiele von Federelementen
5.1 Wirkung elastischer Lagerung auf starrem Fundament Das einfachste Modell zur Beschreibung einer elastischen Entkopplung besteht in der Modellierung der Maschine (des Motors, des Aggregats, des Eisenbahnzuges,. . . ) als eine tr¨age Masse, die durch eine Wechselkraft F zu Schwingungen angeregt wird und mit einer Feder verbunden auf einem starren, unbeweglichen Fundament ruht (Bild 5.5). Die in Wahrheit erhebliche Bedeutung der endlichen Fundament-Nachgiebigkeit wird erst im Abschnitt 5.3 erl¨autert. Die immer vorhandene innere D¨ampfung in der Feder wird durch Annahme eines viskosen Reibd¨ampfers ber¨ ucksichtigt. Auf die Masse wirken die drei ¨außeren Kr¨afte
114
5 Elastische Isolation
• die anregende Kraft F , • die r¨ uckstellende Federkraft Fs mit entgegengesetzter Richtung wie F und • die ebenfalls r¨ uckstellende Reibkraft Fr .
Dem Newtonschen Gesetz zur Folge verursacht die Summe der genannten Kr¨afte die beschleunigte Bewegung der Masse: Kraft F
Fs
Fr
Feder s
Masse m
Dämpfer r
starres Fundament
Fs
Fr
Abbildung 5.5. Modellanordnung zur Berechnung des Einf¨ ugungsd¨ ammmaßes von elastischen Lagerungen mit starrem Fundament
m¨ x = F − Fs − Fr ,
(5.1)
worin x die in F -Richtung gez¨ ahlte Auslenkung der Masse (x: ˙ Deren Geschwindigkeit, x ¨: Deren Beschleunigung) bedeutet. Die r¨ uckstellenden Kr¨afte Fs und Fr ergeben sich dabei
•
nach dem Hookeschen Gesetz zu (s = Federsteife) Fs = sx
•
(5.2)
und unter Annahme einer geschwindigkeitsproportionalen Reibkraft zu (r = Reibkoeffizient) Fr = rx˙ . (5.3)
Die Schwingungsgleichung f¨ ur die Masse lautet demnach m¨ x + rx˙ + sx = F . F¨ ur reine T¨one
x(t) = Re xejωt
(5.4)
5.1 Wirkung elastischer Lagerung auf starrem Fundament
115
(das Unterstreichen des komplexen Zeigers x wird zur Schreibvereinfachung weggelassen) wird daraus −mω 2 x + jωrx + sx = F , oder nat¨ urlich
F . s − mω 2 + jωr
x=
(5.5)
(5.6)
Haupts¨achlich interessiert bei der Beurteilung des Nutzens der elastischen Lagerung die in das Fundament eingeleitete Kraft FF , die sich aus der Federkraft und der Reibkraft zusammensetzt FF = Fs + Fr ,
(5.7)
oder mit (5.2) und (5.3) und wieder f¨ ur reine T¨ one FF = (s + jωr)x ,
(5.8)
oder mit (5.6) FF =
s + jωr F . s − mω 2 + jωr
(5.9)
Als Maß f¨ ur den Erfolg der Maßnahme elastisch lagern“ gegen¨ uber der star” ” ren Befestigung“ am Fundament benutzt man die sogenannte Vergr¨ oßerung V, Fundamentkraft, starr FF (s → ∞) V = = , (5.10) Fundamentkraft, elastisch FF (s)
die hier nach (5.9) V =
s − mω 2 + jωr s + jωr
(5.11)
ergibt. Schließlich definiert man noch das Einf¨ ugungsd¨ammmaß (= Pegeldifferenz der Fundamentkraft ohne“ minus mit“ Maßnahme) zu ” ” RE = 10 lg |V |2 .
(5.12)
RE gibt den in Dezibel gemessenen Erfolg der elastischen Lagerung an. Erkennbar spielt bei der Interpretation der Vergr¨ oßerung V (und damit des Einf¨ ugungsd¨ammmaßes) die Resonanzfrequenz
s ω0 = (5.13) m
eine wichtige Rolle. Im d¨ ampfungsfreien Fall r = 0 k¨ onnte die Massenauslenkung x nach (5.6) in der Resonanz ω = ω0 unendliche Werte besitzen. Auch verh¨ alt sich die Vergr¨ oßerung V f¨ ur tiefe Frequenzen ω ω0 offensichtlich ganz anders als f¨ ur hohe Frequenzen ω ω0 .
116
5 Elastische Isolation
Um eine etwas u ¨bersichtlichere Gleichung an Stelle von (5.11) zu bekommen, teilt man Z¨ahler und Nenner noch durch s und erh¨ alt so eine Form, in der nur noch Frequenzverh¨altnisse auftreten: V =
1−
ω2 ω02
+ jη ωω0
1 + jη ωω0
.
(5.14)
Dabei ist der Reibkoeffizient r noch durch einen dimensionslosen, sogenannten Verlustfaktor η ausgedr¨ uckt worden, η=
rω0 . s
(5.15)
Wie in einem sp¨ateren Abschnitt erkl¨ art wird, kann der Verlustfaktor leicht aus einer Messung bestimmt werden. Es war sicher vern¨ unftig, die (etwas) schwer zug¨angliche Gr¨oße Reibkoeffizient r“ durch eine gut messbare Gr¨ oße ” zu ersetzen. Der Verlustfaktor η liegt (mit sehr wenigen Ausnahmen) f¨ ur handels¨ ubliche Federn oder elastische Schichten im Bereich von 0, 01 < η < 1. Allgemein ist bei der Erl¨auterung der Aussagekraft von Gleichung (5.14) auf vier Frequenzbereiche n¨aher einzugehen: 1. Tiefe Frequenzen ω ω0 . Hier ist die elastische Lagerung noch wirkungslos: Nach (5.14) ist V ≈ 1 und damit RE ≈ 0 dB. 2. Mittlere bis hohe Frequenzen (ω ω0 , aber auch ω ω0 /η). In diesem Frequenzbereich ist V ≈− und damit RE = 10 lg
ω2 , ω02
ω4 ω = 40 lg . 4 ω0 ω0
(5.16)
Das Schalld¨ ammmaß steigt mit der Frequenz steil mit 12 dB/Oktave an und kann dabei sehr erhebliche Werte annehmen (z. B. RE = 36 dB drei Oktaven oberhalb der Resonanzfrequenz). Bereits der D¨ ampfungseinfluss bremst diese große Steigung bei den 3. h¨ ochsten Frequenzen ω ω0 /η (und ω ω0 ,) ab. Hier ist nur noch V =j
ω 1 , ω0 η
und daher gilt f¨ ur das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß ω 1 ω RE = 20 lg = 20 lg − 20 lg η . ω0 η ω0
(5.17)
angt vom Verlustfaktor RE steigt hier nur noch mit 6 dB/Oktave und h¨ ab. Je gr¨oßer η, desto kleiner RE .
5.1 Wirkung elastischer Lagerung auf starrem Fundament
117
4. Resonanzbereich ω ∼ ω0 . In der direkten Umgebung der Resonanzfrequenz wirkt die elastische Lagerung sogar verschlechternd gegen¨ uber der starren Ankopplung ans Fundament. F¨ ur ω = ω0 ist jη V = , 1 + jη f¨ ur kleine Verlustfaktoren η 1 also RE ∼ = 20 lg η .
(5.18)
In der Resonanz ist das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß also negativ und die damit beschriebene Verschlechterung um so deutlicher, je kleiner der Verlustfaktor η ist.
80
Einfügungsdämmmaß R/dB
70 60 50
η
40 30 20 10 0 −10 −20 0.25
0.5
1
2
4
8
16
32
64
f/fres
Abbildung 5.6. Theoretisches Einf¨ ugungsd¨ ammmaß bei starrem Fundament, gerechnet f¨ ur η = 0, 01; 0,0316; 0,1 und 0,316
Eine Zusammenfassung der genannten Einzelheiten f¨ ur den Frequenzgang altnis ω/ω0 von RE findet man in Bild 5.6. Hier ist RE u ¨ber dem Frequenzverh¨ f¨ ur verschiedene Verlustfaktoren η aus Gleichung (5.14) (und (5.12)) berechnet und dargestellt worden. Zu erkennen sind die schon beschriebenen Tendenzen: • • •
keine Wirkung unterhalb der Resonanz, Verschlechterung in der Resonanz, abgemildert mit steigendem Verlustfaktor, in einem Frequenzband, das mit wachsendem η schm¨ aler wird, steiler Anstieg von RE mit 12 dB/Oktave, und schließlich
118
•
5 Elastische Isolation
Abknicken auf eine Gerade mit nur noch 6 dB/Oktave, wobei ein wachsender Verlustfaktor η d¨ ammungsverschlechternd wirkt.
Wie man sieht, mildert ein wachsender Verlustfaktor die Nachteile in der Resonanzumgebung ab, begrenzt dabei aber gleichzeitig die Vorteile bei den hohen Frequenzen. Die letztgenannte hochfrequente Verschlechterung durch den Feder-Verlustfaktor ist dabei allerdings praktisch kaum von Interesse: Tats¨achlich werden so große Einf¨ ugungsd¨ ammmaße, wie hier theoretisch berechnet, in der Praxis fast nie erreicht. Der Hauptgrund daf¨ ur besteht in der Tatsache, dass reale Fundamente nicht starr sind, sondern nat¨ urlich eine endliche Nachgiebigkeit besitzen, ein Effekt, dessen Auswirkungen im n¨achsten Abschnitt genauer untersucht werden. Wie gesagt ist die hier bei den hohen Frequenzen gefundene Begrenzung durch die D¨ampfung selten auch praktisch relevant. Meistens wird man bei Anwendungen deshalb auch dann einen eher gr¨ oßeren Verlustfaktor bevorzugen, wenn die Betriebsfrequenzen der Maschine (des Motors, des Aggregates etc.) weit oberhalb der Resonanzfrequenz liegen. Man muss n¨amlich beachten, dass beim Hochlaufen oder Anhalten der Maschine der Resonanzbereich durchlaufen wird. Die Auslenkungen, die sich in der Resonanz ergeben, sind nach (5.6) und mit (5.15) x(ω = ω0 ) =
F F = . jω0 r jηs
(5.19)
Sie m¨ ussen nat¨ urlich begrenzt werden, denn sonst kann das Aggregat tanzen“ ” und m¨oglicherweise die Anlage besch¨ adigen. Schließlich muss noch erw¨ ahnt werden, dass der Einfluss der D¨ampfung auf das Einf¨ ugungsd¨ammmaß nat¨ urlich vom angenommenen Effekt der viskosen Reibung und damit von Gleichung (5.3) bestimmt wird. Andere Annahmen u ¨ber die D¨ampfungsart (z. B. sogenannte Relaxationsd¨ampfung) sind denkbar. Oft wird auch versucht, die Reibung ohne genauere Kenntnis der Reibungsursache einfach durch eine komplexe Federsteife zu ber¨ ucksichtigen. An Stelle von Gleichung (5.5) tritt dann einfach −mω 2 x + s(1 + jη)x = F .
(5.20)
Wie man sieht, geht dabei die Frequenzabh¨angigkeit der Reibungskraft verloren. Das f¨ uhrt insbesondere bei den h¨ochsten Frequenzen zu einem anderen Einf¨ ugungsd¨ammmaß als in Bild 5.6 angegeben. Es d¨ urfte klar sein, dass theoretische Ergebnisse von den gemachten Voraussetzungen abh¨ angen. Wenn man an anderer Stelle (z.B. in Firmenprospekten) eine andere, vielleicht sogar noch optimistischere Einsch¨atzung des Einf¨ ugungsd¨ ammmaßes elastischer Lagerungen findet, dann ist diese m¨oglicherweise auf andere Annahmen, aber gewiss nicht auf physikalische Wunder gegr¨ undet.
5.2 Dimensionierung elastischer Lagerung
119
5.2 Dimensionierung elastischer Lagerung Aus der Sicht der Akustiker ist die praktische Auslegung von Federelementen eine h¨ochst einfache Sache: Je gr¨oßer das Verh¨altnis aus Betriebsfrequenz(-en) ω und Resonanzfrequenz ω0 ist, desto gr¨oßer ist auch der Erfolg der Maßnahme. Man muss also versuchen, die Resonanz so tief wie m¨ oglich abzustimmen, am liebsten auf 0 Hz. Dass dies nicht m¨oglich ist, ist offensichtlich: Die Maschine (oder um welche Schwingungsquelle es sich eben handelt) m¨ usste wegen s = 0 schon schweben, um das zu erreichen. Es sind offenbar nicht-akustische“ Bedingungen, die ” die praktische Dimensionierung der Federn oder Federnschichten bestimmen. Solche Bedingungen k¨onnen sein: a) Federnennlasten Nat¨ urlich m¨ ussen die Federn so ausgelegt sein, dass sie das auf ihnen gelagerte Gewicht auch statisch auffangen k¨onnen. F¨ ur hochwertige Federn oder elastische Schichten gibt der Hersteller meist die Belastungsbereiche der Produktpalette an. Einige Beispiele daf¨ ur sind in Tabelle 5.1 gezeigt. Produktbezeichnung 3
Dichte (kg/m ) Lastbereich bis (N/mm2 ) Verlustfaktor E-Modul (N/mm2 )
G
L
P
150 300 510 0,01 0,05 0,2 0,23 0,2 0,16 0,18 0,35 2,2 bis 0,36 bis 1,1 bis 3,6
Tabelle 5.1. Produktbeschreibung der Produktpalette SYLOMER, Dicken jeweils 12 mm oder 25 mm, jeweils Brandschutzklasse B2 (Herstellerangaben)
Das beschriebene Material ist zur fl¨achigen Lagerung (¨ ahnlich wie in Bild 5.7) gedacht. Die Fl¨achenpressung pstat in dieser Anordnung ergibt sich bekanntlich aus Mg pstat = (5.21) S
ur (M = Gesamtmasse, S = Lagerfl¨ache, g = Erdbeschleunigung ≈ 10 m/s2 ). F¨ das Beispiel M = 1000 kg und S = 1 m2 ist also pstat = 10.000 kg m/(s2 m2 ) = 104 N/m2 = 10−2 N/mm2 . Aus der Produktpalette in Tabelle 5.1 w¨ are also der Produkttyp G zu w¨ahlen. Ob die so definierte Lagerung nun auch akustisch noch Sinn macht, ergibt sich aus der Resonanzfrequenz. Dazu berechnet man aus dem Elastizit¨atsmodul E der elastischen Schicht mit der Dicke d zun¨ achst die Federsteife zu
120
5 Elastische Isolation Schwingerreger
Beschleunigungsaufnehmer
Kraftaufnehmer elektr. Signale Masse M
elastische Schicht, Meßobjekt
starres Fundament
Abbildung 5.7. Messaufbau zur Bestimmung von Elastizit¨ atsmodul E und Verlustfaktor η der elastischen Schicht mit der Oberfl¨ ache S
s=
ES , d
(5.22)
und daraus die Resonanzfrequenz
1 f0 = 2π
s 1 = M 2π
ES . Md
(5.23)
Im genannten Beispiel (M = 1000 kg, S = 1 m2 , Produkttyp G nach Tabelle 5.1 mit d=25 mm und E = 0, 2 N/mm2 ) w¨ are also etwa f0 = 14 Hz. Sinnvoll ist die so bestimmte Isolierung, wenn die Betriebsfrequenzen f wenigstens eine Oktave u ¨ber der Resonanzfrequenz liegen. Die tiefste Betriebsfrequenz l¨ asst sich oft z. B. aus der Drehzahl der Maschine bestimmen, oder die Frequenzbestandteile m¨ ussen gemessen werden. Erforderlichenfalls l¨ asst sich die Resonanzfrequenz noch durch mehrlagige weiche Schichten, also durch Dickenvergr¨ oßerung, nach unten verschieben. Dabei setzt die Stabilit¨ at des Gesamtaufbaus nat¨ urlich Grenzen: Die Schichtdicke kann h¨ ochstens einen kleinen Prozentsatz der kleinsten Kantenl¨ ange betragen. b) Betriebsbedingungen Manche Ger¨ ate erfordern, dass sie selbst nur sehr kleine Bewegungen ausf¨ uhren d¨ urfen. Das gilt z. B. f¨ ur den Laser des Mediziners oder f¨ ur KernspinTomographen, aber auch f¨ ur bestimmte Druckmaschinen und f¨ ur die Halbleiterfertigung. Hier muss nat¨ urlich auf die noch erlaubten Auslenkungen R¨ ucksicht genommen werden. Das Problem ist meistens nur zu l¨ osen, wenn das
5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit
121
Ger¨at auf einer recht schweren Zusatzmasse montiert wird und mit ihr zusammen weich gelagert wird. Auch bei Schienenfahrzeugen stellt nat¨ urlich die Fahrsicherheit das oberste Gebot dar. Fahrwege auf Unterschottermatten z. B. d¨ urfen sich beim Befahren nicht beliebig statisch“ einsenken. ” Gar nicht so selten steht man vor der Aufgabe, ein Material mit unbekannten Daten oder zur u ufen. ¨berschl¨agigen Absicherung auf Eignung zu pr¨ Der Elastizit¨atsmodul E l¨asst sich aus einem statischen Versuch bestimmen, bei dem eine Probenfl¨ache S (der Dicke d) mit einer Masse M gleichm¨ aßig belastet und die dabei bewirkte statische Einsenkung xstat gemessen wird. Bekanntlich gibt die Kr¨aftegleichung sxstat = M g ,
(5.24)
oder mit (5.22) M gd d = pstat , (5.25) xstat S xstat worin wieder pstat die statische Pressung (hier im Versuchsaufbau) bedeutet. Wenn keine Nennlast bekannt ist oder wenn man eine u agige Kon¨berschl¨ trolle von Herstellerangaben vornehmen will, dann kann man wie folgt verfahren. Die meisten Materialien erlauben eine Dicken¨ anderung von h¨ ochstens 5% bis 10% durch Belastung, aus Sicherheitsgr¨ unden geht man von h¨ ochstens 5% aus. Um diese Bedingung einzuhalten, ist der erforderliche E-Modul nach (5.25) Eerf = 20pstat (5.26) E=
(wobei pstat diesmal auf den ANWENDUNGSFALL, nicht auf einen Versuchsaufbau bezogen ist). Das Material muss mindestens diesen E-Modul Eerf besitzen, damit es auch auf Dauer haltbar bleibt. Wie die Beispiele in Tabelle 5.1 zeigen, gibt (5.26) einen recht realistischen Zusammenhang zwischen Nennlast pstat und dem Material E-Modul. Der Elastizit¨atsmodul der Materialien ist etwa 10 bis 20 mal so groß wie die Nennlast. Schließlich sei noch erw¨ahnt, dass der Elastizit¨atsmodul einer Probe auch durch Messung der Resonanzfrequenz in einem Aufbau wie in Bild 5.7 bestimmt werden kann: Nach (5.13) ist s=
ES = M ω02 . d
(5.27)
5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit Bevor der Einfluss der endlichen Fundament-Nachgiebigkeit auf das Einf¨ ugungsd¨ammmaß der elastischen Lagerung geschildert werden kann, muss diese Nach¨ giebigkeit selbst durch ein technisches Maß beschrieben werden. Ublicherweise
122
5 Elastische Isolation
wird daf¨ ur die Fundament-Impedanz benutzt, die hier zun¨ achst erl¨ autert werden soll. 5.3.1 Fundament-Impedanz Die Fundament-Impedanz zF ist definiert als das Verh¨ altnis aus einer das Fundament an einer festen Stelle anregenden Kraft FF und der sich daraufhin an dieser Stelle ergebenden Fundamentschnelle vF zF =
FF . vF
(5.28)
Die Impedanz zF ist umgekehrt proportional zur Beweglichkeit“ des Funda” mentes, wie man leicht sieht, wenn man (5.28) nach vF aufl¨ ost:
vF =
FF . zF
ur F¨ ur ein und dieselbe Kraftanregung FF erh¨alt man wenig Bewegung“ f¨ ” betragsm¨aßig große zF , kleine Impedanzen dagegen f¨ uhren zu großen Fundamentschnellen. Da in diesem Kapitel vorwiegend mit Auslenkungen statt mit Schnellen gerechnet wird, sei noch auf den Zusammenhang von Fundamentschnelle vF und Fundamentauslenkung (f¨ ur reine T¨one) hingewiesen: vF = jωxF ,
(5.29)
woraus der sp¨ater ben¨otigte Zusammenhang FF = jωzF xF
(5.30)
folgt. Allgemein kann die komplexe Impedanz einen komplizierten, gegebenenfalls durch Messung zu bestimmenden Frequenzgang haben. W¨ are z. B. das Fundament selbst ein einfacher Resonator (was ja z. B. f¨ ur Geb¨ audedecken durchaus der Fall sein kann), dann erg¨abe sich f¨ ur die Fundamentimpedanz aus der Bewegungsgleichung (¨ahnlich zu (5.5)) sF jmF ω + (5.31) + rF vF = FF jω die Fundamentimpedanz zF = jmF ω +
sF + rF . jω
(5.32)
Solche (oder noch kompliziertere) Frequenzg¨ange der Fundament-Impedanz im Hinblick auf darauf aufgebaute elastische Lagerungen zu diskutieren, mag f¨ ur manche praktische Situationen eine lohnenswerte Aufgabe sein. Um das Wesentliche herauszuarbeiten, wird es jedoch vern¨ unftiger sein, sich auf Im” pedanztypen“ zu beschr¨ anken. Es sollen deshalb im folgenden nur Impedanzen mit Massecharakter zF = jωmF und solche mit Federungscharakter zF = sF /jω betrachtet werden.
5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit
123
5.3.2 Die Wirkung der Fundament-Impedanz Zur Beschreibung der Auswirkung der endlichen Fundament-Impedanz ist zun¨achst wieder - wie in Abschnitt 5.1 - das Aufstellen der Bewegungsgleichung erforderlich, wobei diesmal eine Modellannahme mit beweglichem Fundament getroffen wird (Bild 5.8). Nach wie vor muss die Tr¨ agheitskraft durch die Summe aus anregender Kraft und der r¨ uckstellenden Feder- und Reibungskraft aufgewogen werden. Gleichung (5.1) lautet also f¨ ur die Massenauslenkung x unver¨andert m¨ x = F − Fs − Fr .
(5.33)
Diesmal jedoch ist Federkraft zur DIFFERENZ aus Massenauslenkung x und Fundament-Auslenkung xF proportional:
Fs = s(x − xF ) ,
(5.34)
und ebenso gilt f¨ ur die Reibungskraft Fr = r(x˙ − x˙F ) .
(5.35)
Die Bewegungsgleichung (5.1) lautet also m¨ x + r(x˙ − x˙F ) + s(x − xF ) = F .
(5.36)
Haupts¨achlich interessiert wieder die in das Fundament eingeleitete Kraft FF FF = Fs + Fr = s(x − xF ) + r(x˙ − x˙ F ) .
(5.37)
F¨ ur komplexe Amplituden ergeben (5.36) und (5.37) −mω 2 x + (s + jωr)(x − xF ) = F
(5.38)
FF = (s + jωr)(x − xF ) ,
(5.39)
und wobei noch zus¨atzlich die Fundament-Nachgiebigkeit nach (5.30) durch FF = jωzF xF
(5.40)
beschrieben wird. Mathematisch gesehen bilden (5.38) bis (5.40) ein Gleichungssystem in den drei Unbekannten x, xF und FF , das nach den u ost ¨blichen Verfahren gel¨ werden muss, wobei vor allem das Resultat f¨ ur FF interessiert. Ohne andere L¨osungswege verhindern zu wollen, h¨alt der Verfasser folgendes Vorgehen f¨ ur einfach und deshalb f¨ ur sinnvoll: 1. Addiere mω 2 xF zu beiden Seiten von (5.38), mit dem Resultat −mω 2 + s + jωr (x − xF ) = F + mω 2 xF , und dr¨ ucke darin
124
5 Elastische Isolation Kraft F
Fr
Fs
Feder s
Masse m
Dämpfer r
Fundament mit Impedanz z Fs
Fr
Abbildung 5.8. Modellanordnung zur Berechnung des Einf¨ ugungsd¨ ammmaßes von elastischen Lagerungen mit nachgiebigem Fundament
2. xF mit (5.40) durch FF aus: mω 2 jmω −mω 2 + s + jωr (x − xF ) = F + FF = F − FF . jωzF zF 3. Daraus folgt nach (5.39) s + jωr jmω FF = F− FF . s − mω 2 + jωr zF
Die Aufl¨ osung nach FF bringt schließlich FF =
s + jωr F . 2 (s + jωr) 1 + jmω − mω zF
(5.41)
Auch hier interessiert der durch die elastische Lagerung gewonnene Vorteil und deswegen die Vergr¨oßerung V mit V =
FF (s → ∞) FF (s)
und das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß RE = 10 lg |V |2 . Aus (5.41) folgt FF (s → ∞) =
F , 1 + jωm zF
5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit
125
die Vergr¨oßerung wird damit zu V =1−
mω 2 s+jωr 1 + jωm zF
,
(5.42)
¨ oder, wenn man zur besseren Ubersicht wieder die Resonanzfrequenz (bei starrem Fundament) ω0 und den Verlustfaktor η nach (5.13) und (5.15) benutzt ω02 = s/m und η =
so erh¨alt man V =1−
rω0 , s
ω2 1 1 2 ω0 1 + j ωm 1 + jη zF
ω ω0
.
(5.43)
Diese etwas langatmige Rechnerei (die u ¨brigens mit zF → ∞ wieder erfreulicherweise Gleichung (5.14) zur Kontrolle liefert) zeigt immerhin einige bemerkenswerte Ergebnisse: a) Fundamentimpedanz mit Massencharakter, zF = jωmF Hierf¨ ur ist V =1−
ω02
ω2 1+
m mF
1 . 1 + jη ωω0
(5.44)
Die endliche Fundamentimpedanz wirkt wie eine Verstimmung der Resonanzfrequenz nach oben, d.h., es ist wie beim starren Fundament V =1−
ω2 1 , 2 1 + jη ω ωres ω0
(5.45)
wobei jedoch die Resonanzfrequenz von Masse (= Ger¨at) und Fundament abh¨angt: 1 1 2 ωres = s + . (5.46) m mF Die in Abschnitt 5.1 gegebenen Interpretationen innerhalb der verschiedenen Frequenzbereiche bleiben dabei erhalten. b) Fundamentimpedanz mit Federungscharakter, zF = sF /jω
Hierf¨ ur ist V =1−
ω02
ω2
1−
ω2 m sF
1 . 1 + jη ωω0
(5.47)
Naturgem¨ aß tritt hier ein zweiter Resonanz-Effekt auf, denn Masse (= Ger¨ at) und Fundament bilden selbst schon einen Resonator mit der Masse-FundamentResonanzfrequenz
126
5 Elastische Isolation 2 ωmF =
Es ist damit V =1−
sF . m
ω2 1 . 2 1 + jη ωω0 ω02 1 − ωω2
(5.48)
(5.49)
mF
F¨ ur praktische Anwendungen darf man wohl annehmen, dass die elastische Lagerung sehr viel weicher ist als das Fundament, es ist also s sF , und deshalb gilt ωmF ω0 . Die interessanteste Schlussfolgerung aus (5.49) ist, dass die Vergr¨ oßerung V f¨ ur hohe Frequenzen ω ωmF (und kleine Federd¨ampfung η ≈ 0) frequenzunabh¨angig wird: ω2 sF sF V ∼ =1+ ≈ . (5.50) = 1 + mF ω02 s s
Das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß ist lediglich durch das Verh¨ altnis der Federstreifen sF und s gegeben: sF RE ≈ 20 lg . (5.51) s Eine elastische Lagerung mit einer Feder(-schicht) der Steife, die 10% der Fundamentsteife betr¨ agt, hat also ein Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von 20 dB. Theoretisch k¨ onnte das D¨ ammmaß nach (5.49) bei hinreichend großen η sogar noch mit der Frequenz abnehmen. Der tiefe Frequenzbereich ist leicht diskutiert. Bei den tiefsten Frequenzen ist wieder RE ≈ 0 dB , (5.52)
gefolgt vom Resonanzeinbruch mit negativem RE . Streng genommen ist die Resonanzfrequenz nun durch 2 ωA 2 2 ωA = ω0 1 − 2 ωmF
(5.53)
gegeben, f¨ ur sie gilt also 1 1 1 = 2+ 2 . 2 ωA ω0 ωmF
(5.54)
2 Meist ist ωmF ω02 , so dass mit ωA ≈ ω0 die Verstimmung keine Rolle spielt. In der Masse-Fundament-Resonanz“ ω ≈ ωmF hingegen nimmt RE dann ” unendlich große Werte an. Der Grund daf¨ ur ist einfach: Ohne elastische Lagerung sind Masse und Fundament in Resonanz; da keine D¨ ampfung in der Fundamentfeder ber¨ ucksichtigt worden ist, wird die ins Fundament eingeleitete Kraft F (s → ∞) unendlich groß. Die durch die elastische Lagerung nun
5.3 Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit
127
40
Einfügungsdämmmaß R/dB
35 32
30 25
16
20
8
15 4
sF/s =
10 5 0 −5 −10 0.5
1
2
4
8
16
32
64
128
f/f0
Abbildung 5.9. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß bei Fundament mit Federungscharakter, gerechnet f¨ ur η = 0, 01 und η(F undament) = 0, 5
endlich große Fundamentkraft FF (s) bewirkt dann scheinbar eine beliebig ” große Verbesserung“. Die Kurven in Bild 5.9 ber¨ ucksichtigen eine Fundament-D¨ ampfung durch nachtr¨agliche Annahme einer komplexen Federsteife sF sF → sF (1 + jηF )
(5.55)
und damit einer komplexen Resonanzfrequenz 2 2 ωmF → ωmF (1 + jηF )
(5.56)
in Gleichung (5.49) f¨ ur V , aus der dann RE = 10 lg |V |2 gerechnet worden ist. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Fundament-Impedanz einen ganz erheblichen Einfluss auf das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß besitzt. Genaue Aussagen u ¨ber die Wirkung einer elastischen Lagerung setzen deshalb die Kenntnis von zF voraus. Allgemein l¨asst sich nur feststellen, dass der tats¨achliche Verlauf bei h¨oheren Frequenzen etwa zwischen einer frequenzunabh¨angigen Geraden und einer Geraden mit der Steigung von 12 dB/Oktave liegt. Praktisch gemessene Werte - siehe Bilder 5.10 und 5.11 - verhalten sich entsprechend. Niemals wird der nur f¨ ur starre Fundamente geltende Anstieg mit 12 dB/Oktave wirklich erreicht. Das Beispiel in Bild 5.10 weist darauf hin, dass es sich um ein Fundament mit Federungscharakter gehandelt hat. Der Frequenzgang in Bild 5.11 ist schwer in den Einzelheiten auf einen entsprechenden Impedanz-Frequenzgang
128
5 Elastische Isolation
Einfügungsdämmaß [dB]
40 30 20 10 0 -10 -20 4
8
16 31,5 63 125 250 500 Frequenz [Hz]
Abbildung 5.10. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß der Unterschottermatte Sylodyn CN235. (aus : R.G. Wettschurek, W. Daiminger: Nachr¨ ustung von Unterschottermatten ” in einem S-Bahn-Tunnel im Zentrum von Berlin“ Proc. D-A-CH Tagung 2001, Innsbruck 2001) Messung: arithmetischer Mittelwert u ¨ber verschiedene Messpunkte und Zugtypen, Dreiecke: Fahrtrichtung S¨ ud; Kreise: Fahrtrichtung Nord. Rechnung: (Kurve ohne Symbole) gerechnet mit dynamischer Steifigkeit von s = 0, 022 N/mm3
zur¨ uckzuf¨ uhren; er zeigt aber immerhin, dass mit einem schwimmenden“ ” Estrich (eine Zementschicht, die auf einer elastischen D¨ ammschicht zwischen ihr und der Rohdecke ruht, siehe Bild 5.3) recht große Einf¨ ugungsd¨ ammungen erreicht werden k¨onnen. Als praktischer Rat bleibt vor allem, dass man entweder die Einzelheiten des speziellen Problemfalles genau studieren muss - oder dass man sich zumindest vor allzu optimistischen Erwartungen an die Wirkung sehr h¨ uten sollte.
¨ 5.4 Ermittlung des Ubertragungspfades
129
Trittschallpegel−Minderung ∆L/dB
50
40
30
20
10
0 125
250
500
1000
2000
4000
f/Hz
Abbildung 5.11. Gemessene Trittschallpegel-Minderung (=Einf¨ ugungsd¨ ammmaß) durch einen schwimmenden Estrich. Deckenaufbau : Rohdecke aus 120 mm Stahlbeton, darauf 35 mm Hartschaum-D¨ ammplatte, darauf 0,2 mm PE Folie, darauf 50 mm Zementestrich.
¨ 5.4 Ermittlung des Ubertragungspfades Selbst bei hinreichend schweren oder steifen Fundamenten ist die praktische Anwendung von elastischen Lagerungen nicht in jedem Fall sinnvoll. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das Schallfeld an einem interessierenden Ort nicht durch die Krafteinleitung in das Maschinen-Fundament erzeugt wird. Bild 5.12 skizziert eine typische Situation, die in Geb¨ auden oft vorkommt. In einem Stockwerk ist ein Ger¨at montiert, das in einem anderen Raum einen unerw¨ unscht hohen Schallpegel erzeugt. Kann sich hier eine nachtr¨ agliche elastische Entkoppelung des Ger¨ates von der tragenden Decke lohnen? Um das zu beantworten, muss man bedenken, dass die Schall¨ ubertragung (wie auch in Bild 5.12 skizziert) auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen kann: 1. Durch Krafteinleitung in die Decke wird diese zu Schwingungen angeregt, die sich nat¨ urlich in angrenzende Bauteile – W¨ ande und Decken – ausbreiten k¨onnen. An den Empfangsraum-W¨anden“ strahlen die Wand” bewegungen dann wieder Luftschall ab. Der Einfachheit halber soll dieser ¨ Ubertragungsweg kurz als K¨orperschallpfad“ bezeichnet werden. ” 2. Gleichzeitig strahlen die meisten Ger¨ate auch direkt Luftschall in den Senderaum“, in dem sie stehen. Auch dieser Luftschall wirkt auf die an” grenzenden W¨ande als anregende Kraft (nat¨ urlich eigentlich ein ¨ ortlich verteilter Druck). Dadurch werden ebenfalls Wand- und Deckenschwingungen erzeugt, die sich im Geb¨aude ausbreiten und in den Empfangs-
130
5 Elastische Isolation
¨ Abbildung 5.12. Die beiden, prinzipiell in Betracht kommenden Ubertragungswege
¨ raum hineinstrahlen. Dieser Ubertragungsweg soll kurz Luftschallpfad“ ” genannt werde. Es ist klar, dass eine elastische Lagerung nur dann eine Ger¨auschminderung im Empfangsraum herstellen kann, wenn das u ¨ber den K¨orperschallpfad u ¨bertragene Schallfeld deutlich gr¨ oßer ist als das, welches u ¨ber den Luftschallpfad zustande kommt. Man muss daher gegebenenfalls durch Messungen pr¨ ufen, welcher der Anteile in der konkreten Situation u ¨berwiegt. Am einfachsten ist es, wenn dazu im Senderaum bei abgeschalteter Maschine durch Lautsprecher ein k¨ unstliches Schallfeld hergestellt wird. Aus Messungen der Pegeldifferenzen ∆LM = Empfangsraumpegel – Senderaumpegel bei Maschinenbetrieb und ∆LL = Empfangsraumpegel – Senderaumpegel bei ¨ Lautsprecherbetrieb l¨asst sich auf den Ubertragungsweg schließen. Ist ∆LM deutlich gr¨oßer als ∆LL , dann muss die K¨ orperschall¨ ubertragung wichtiger sein als die Luftschall¨ ubertragung. In diesem Fall ist eine elastische Entkoppelung der Maschine vom Fundament sinnvoll. Die Pegelminderung, die etwa
5.5 Messung des Verlustfaktors
131
von dieser Maßnahme erwartet werden kann, betr¨ agt h¨ochstens ∆LM − ∆LL , weil danach der Luftschall¨ ubertragungsweg dominant zu werden beginnt. ¨ Ist dagegen ∆LM etwa gleich ∆LL , dann k¨ onnen entweder beide Ubertragungswege etwa gleiche Bedeutung besitzen, oder aber die Luftschall¨ ubertragung ist wichtiger. Um zwischen diesen beiden M¨ oglichkeiten zu entscheiden, ist eine Zusatzmessung erforderlich. Bei ihr werden k¨ unstliche Kr¨afte durch elektrische Schwingerreger oder durch geeignete H¨ ammer in das Maschinenfundament eingeleitet, als Quellcharakteristikum dient der Schnellepegel auf dem Fundament. Es werden die Pegeldifferenzen ∆LM = Empfangsraumpegel – Senderaumschnellepegel bei Maschinenbetrieb und ∆LS = Empfangsraumpegel – Senderaumschnellepegel bei Schwingerregerbetrieb gemessen. Ist ubertragung ∆LM deutlich gr¨oßer als ∆LS , dann muss diesmal die Luftschall¨ wichtiger sein als die K¨ orperschall¨ ubertragung. Eine elastische Isolation ist in diesem Fall schlechterdings nutzlos: Es ist die Luftschalld¨ammung zwischen den beiden R¨aumen, die nachgebessert werden muss (z.B. durch biegeweiche Vorsatzschalen, siehe Kapitel 8).
5.5 Messung des Verlustfaktors Zur Bestimmung des Verlustfaktors misst man bei einem Messaufbau wie in Bild 5.7 mit einem entsprechenden Aufnehmer den Frequenzgang des Verh¨altnisses aus Auslenkung x und eingeleiteter Kraft F , f¨ ur das nach Gleichung (5.6) 1 x s = (5.57) 2 ω ω F 1− ω 2 + jη ω 0 0
(mit ω0 nach 5.13 und η nach 5.15) erwartet wird. Bei der Messung nutzt man aus, dass bei hohen Verlustfaktoren auch große Breiten des Resonanzgipfels vorhanden sind. Als Maß f¨ ur die Gipfelbreite wird die sogenannte Halbwertsbreite ∆ω benutzt (siehe auch Bild 5.13): Links und rechts vom eigentlichen Betragsmaximum in ω = ω0 gibt es Frequenzstellen ω = ω0 + ∆ω/2 und ω = ω0 − ∆ω/2, bei denen das Betragsquadrat |x/F |2 gerade halb so groß ist wie im Maximum selbst (die Halbierung des Betragsquadrats entspricht bekanntlich einer Pegeldifferenz von 3 dB zum Maximum). Den Frequenzabstand zwischen den beiden Punkten nennt man Halbwertsbreite. Den Zusammenhang zwischen Halbwertsbreite und Verlustfaktor erh¨ alt man der genannten Definition nach also aus 1 2 2 1 − ω0 ±∆ω/2 + η ω0 ±∆ω/2 ω0 ω0
N¨aherungsweise darf man f¨ ur ∆ω ω0
2
=
1 1 . 2 η2
(5.58)
132
5 Elastische Isolation
20 lg x/F
3 dB
∆f
f
f −∆f/2 0
f0+∆f/2
0
Abbildung 5.13. Definition der Halbwertsbreite ∆f
η
ω0 ± ∆ω/2 ≈η ω0
setzen, denn dann macht man nur einen kleinen prozentualen Fehler in η. Damit erh¨alt man 2 2 ω0 ± ∆ω/2 1− + η 2 ≈ 2η 2 , ω0
oder
1−
Mit
ω0 ± ∆ω/2 ω0
ω0 ± ∆ω/2 ω0
2 =1±
2
∆ω 1 ω0 4
= ±η .
∆ω ω0
2 ≈1+
∆ω ω0
(wieder ist ∆ω/ω0 1 angenommen worden) folgt η=
∆ω ∆f = , ω0 f0
(5.59)
wobei noch das Vorzeichen physikalisch sinnvoll (η > 0) gew¨ahlt worden ist. Gleichung (5.59) gibt an, wie man den Verlustfaktor aus der gemessenen Halbwertsbreite ∆f berechnet. Bei der Messung mit digitalen Mitteln (FFT-Analysator) muss man darauf achten, dass
5.6 Die dynamische Masse
• •
133
mit einem Fenster mit m¨ oglichst schmaler Hauptkeulenbreite (meist also mit dem Rechteckfenster) gemessen wird, und dass mindestens 6, lieber aber mehr als 10 Spektrallinien innerhalb der Halbwertsbreite liegen. Gegebenenfalls kann mit Hilfe eines FFT-Zooms f¨ ur ausreichende Aufl¨osung gesorgt werden.
5.6 Die dynamische Masse Nicht immer lassen sich Maschinen, Ger¨ ate, Drehb¨ anke etc. wirklich wie in allen bisherigen Abschnitten als ’kompakte Masse’ auffassen. Sie k¨onnen im Gegenteil selbst elastischen Verformungen mit Resonanzerscheinungen ausgesetzt sein. Die bewegte“, dynamische Masse, die f¨ ur die Resonanzfrequenz ” der Lagerung quasi z¨ ahlt“, kann deshalb sehr viel kleiner als die statische ” Ruhemasse sein, wie das Folgende zeigt. Auslenkungen Masse m 1 x1 Feder s 1
Kraft F Masse m 2 x2 Feder s 2
starres Fundament
Abbildung 5.14. Modell f¨ ur die elastische Lagerung von aus federnd verbundenen Teilen zusammengesetzte Strukturen
Als Beispiel f¨ ur eine aus federnd verbundenen Teilen zusammengesetzte Struktur sei ein Eisenbahn- oder U-Bahn-Wagen genannt. Aus Komfortgr¨ unden f¨ ur die Fahrg¨ aste ruht die eigentliche Fahrgastkabine federnd entkoppelt auf den Rads¨atzen. Zur Verringerung des Schwingungseintrages in das Erdreich wird nun der Fahrweg nochmals zus¨ atzlich z. B. durch eine elastische Gleislagerung oder eine elastische Unterschottermatte isoliert. Die Gesamtanordnung besteht im Prinzip aus zwei Massen und zwei Federn, wie in Bild (5.14) skizziert. Die obere Masse m1 entspr¨ ache im Beispiel des EisenbahnWagens der Fahrgastkabine, die Feder s1 wird von den Stahlfedern zwischen
134
5 Elastische Isolation
ihr und den Rads¨atzen gebildet, die Masse m2 besteht aus den Rads¨atzen, der Schiene und dem Schotterbett, den Abschluss bildet dann die Unterschottermatte s2 , deren Untergrund hier als starr angesehen wird. Die Rollanregung findet im Rad-Schiene-Kontakt statt, deshalb wirkt die anregende Kraft auf m2 . Der Einfachheit halber sind Reibkr¨ afte vernachl¨assigt worden. Schon die Bewegungsgleichung f¨ ur die Masse 1 zeigt das Wesentliche auf. Sie lautet m1 x ¨1 = s1 (x1 − x2 ),
(5.60)
oder, f¨ ur reine T¨one der Frequenz ω und komplexe Amplituden m1 x ¨1 = s1 (x1 − x2 ), woraus x1 =
(5.61)
x2 1 − ω 2 /ω12
(5.62)
s1 m1
(5.63)
mit ω1 2 =
folgt. Die in Gl.(5.63) genannte Frequenz ω1 besteht in der Resonanzfrequenz, die das obere Teilsystem aus m1 und s1 auf starrem Fundament h¨ atte. Diese Resonanz ist aber in den meisten F¨ allen aus Komfortgr¨ unden sehr tief abgestimmt, man kann daher annehmen, dass wenigstens in einem großen f¨ ur die Schwingungs¨ ubertragung im Erdreich interessierenden Frequenzbereich ω >> ω1 gilt. Das bedeutet auch x1 fn oberhalb der modalen Grenzfrequenz fn findet f¨ ur die betreffende Querverteilung auch eine Wellenausbreitung mit der entsprechenden Wellenzahl kx statt. Diese Tatsache dr¨ uckt sich in einer reellen Wellenzahl kx aus. F¨ ur Frequenzen unterhalb der modalen Grenzfrequenz f < fn dagegen findet f¨ ur diese Mode keine Schallabstrahlung mehr statt, es liegt lediglich ein rasch abfallender Feldverlauf vor, der in gr¨ oßerer Entfernung vom Sender nicht mehr merklich ist. Diese Tatsache dr¨ uckt sich in einer rein imagin¨ aren Wellenzahl kx aus. Man bezeichnet die erst ab einer gewissen Frequenz u ¨berhaupt einsetzende modale Wellenfortleitung auch als cut-on“ Effekt mit der cut-on“-Frequenz ” ” fn . Der Effekt bewirkt, dass unterhalb der tiefsten Grenzfrequenz f1 = c/2h (bei der die Rohrbreite h gerade gleich der halben Wellenl¨ ange ist, λ1 /2 = h) nur ein Schallfeld in Form einer ebenen Welle n = 0 in nicht zu kleiner Entfernung vom Sender merklich sein kann. Benutzt man also das Rohr nur unterhalb dieser Grenzfrequenz, dann k¨ onnen fast unabh¨ angig von der Gestalt ortlichen Schnelleverteilung nur ebene Wellen des Lautsprechers und seiner ¨ vorkommen. Diese Tatsache wird f¨ ur die Messung an Absorber-Proben ausgenutzt. Obwohl die Bestimmung der im Ansatz (6.3) noch unbestimmt gebliebenen Druckkoeffizienten pn f¨ ur die weitere Betrachtungen eigentlich nicht unbedingt erforderlich ist, bleibt es doch unbefriedigend, die Berechnung des Schallfeldes
6.1 Schallausbreitung im Kundtschen Rohr
141
nicht zu Ende gebracht zu haben. Auch sind die erforderlichen Betrachtungen doch recht fundamental, und seien deshalb genannt. Der Schl¨ ussel zur Beantwortung der genannten Frage liegt einfach darin, dass die hier schon betrachtete ¨ ortliche Struktur des Schallfeldes immer von der Umgebung (hier: Den schallharten Platten), die sich in dieser Umgebung dann einstellende Gr¨oße des Schallfeldes aber immer von der Schallquelle bestimmt wird. So auch hier. Am einfachsten nimmt man in x = 0 eine flache, gestreckte Membran an, die die Schnelleverteilung v0 (y) besitzen m¨oge. Die aus dem Ansatz (6.3) berechnete, x-gerichtete Schallschnelle muss in x = 0 mit der vorgegebene Membranschnelle v0 (y) u ¨bereinstimmen. Daraus erh¨alt man ∞ nπy j ∂p 1 kx v0 (y) = = p cos . n ω ∂x x=0 c n=0 k h
Diese Bestimmungsgleichung f¨ ur pn l¨ asst sich leicht l¨ osen. Dazu w¨ ahlt man zun¨achst beliebig eine bestimmte, interessierende Druckamplitude mit dem Index m aus. Obige Gleichung kann nun ganz einfach wie folgt nach pm aufgel¨ ost werden. Zuerst multipliziert man beide Seiten mit cos(mπy/h) und integriert:
∞ nπy mπy mπy 1 kx 2 2 pn cos cos dy = v0 (y) cos dy . c n=0 k h h h h h h
h
0
0
Wegen 2 h
h cos
nπy h
cos
mπy
h
0
⎧ ⎪ ⎨0, n = m dy = 1, n = m = 0 ⎪ ⎩ 2, n = m = 0
bleibt von der Summe nur das Glied mit n = m u ¨brig. Damit hat man tats¨ achlich nach pm aufgel¨ ost, es gilt f¨ ur diese Druckamplitude pm
k 2 = c kx h
h v0 (y) cos
mπy h
dy ;
m = 0
(6.6)
0
p0 =
c h
h v0 (y)dy
(6.7)
0
(kx = k f¨ ur m = 0). Weil m beliebig gew¨ahlt worden ist, spielt die tats¨ achliche Wahl gar keine Rolle: Es ist ganz egal, WELCHES m benutzt wurde. Deshalb lassen sich ALLE pm aus der obigen Gleichung ausrechnen. Man bezeichnet die geschilderte Methode auch - etwas mathematischer - als Entwicklung der ” Lautsprecherschnelle nach den Rohr-Eigenfunktionen“. Ausdr¨ ucklich sei zum Schluss nochmals unterstrichen, dass die MODALE ZUSAMMENSETZUNG nat¨ urlich NICHT durch cut-on-Effekte bestimmt wird; sie ist einzig eine Frage der Quellstruktur. Die manchmal ge¨ außerte
142
6 Schallabsorption
Ansicht, die Moden k¨ amen unterhalb ihrer Grenzfrequenz gar nicht vor, ist ein Irrtum: Sie treten zwar als Nahfelder auf, aber das heißt nat¨ urlich nicht, dass es sie gar nicht gibt. Wie das Kapitel u ¨ber Schalld¨ampfer zeigt, ist der genannte Irrtum sogar ziemlich fundamental: Er w¨ urde einigen Schalld¨ampfern eine nicht vorhandene unendlich gute“ Wirkung bescheinigen. ” Es bleibt noch die Frage, wie sich die Verh¨ altnisse ¨andern, wenn ein realer Rechteckkanal mit vier Begrenzungsfl¨ achen betrachtet wird. Daf¨ ur ist nat¨ urlich einfach mit den Querabmessungen a und b p=
∞ ∞
pnm cos
n=0 m=0
nπy a
cos
mπy b
e−jkx x
(6.8)
zu setzen, um wieder an den R¨ andern y = 0, a und z = 0, b nur Druckb¨ auche zu erhalten. Die Moden sind Produkte von eindimensionalen Querverteilungen. Wie man wieder aus der Wellengleichung sieht, sind die cut-on-Frequenzen
c n2 m2 fnm = + , (6.9) 2 a2 b2 deren tiefste (f01 bzw. f10 ) durch die gr¨oßere Querabmessung gegeben ist. Es hat sich also am Prinzip nichts ge¨ andert: Zweidimensional wie dreidimensional l¨asst sich das Schallfeld im Rohr aus Moden zusammensetzen. Jede Mode verf¨ ugt dabei u ¨ber einen cut-on-Effekt. Die modalen Amplituden errechnen sich aus der Quelle. Und dieser Sachverhalt gilt schließlich auch f¨ ur das zylindrische Rohr mit Kreisquerschnitt, das f¨ ur Messungen fast immer benutzt wird. Auch daf¨ ur andert sich nichts am Prinzip des aus Querverteilungen zusammengesetzten ¨ Schallfeldes, von denen jede eine cut-on-Frequenz besitzt. Einige Moden (sie sind durch die sogenannten Besselfunktion bestimmt) sind in Bild 6.3 zusammengestellt. Zu den Moden geh¨ oren die cut-on-Frequenzen (a = Radius) fn = xn
c , 2πa
wobei f¨ ur xn ein Zahlenwert aus der folgenden, aufsteigend geordneten Tabelle eingesetzt wird: n 1 2 3 4 5 6 7 xn 1,841 3,054 3,832 4,201 5,331 6,706 7,016 Tabelle 6.1. Cut-on Frequenzen
Die tiefste cut-on-Frequenz f1 = 0, 59
c 2a
(6.10)
6.2 Messungen im Kundtschen Rohr
143
Abbildung 6.3. Beispiele f¨ ur Schalldruck-Quermoden im Kanal mit Kreisquerschnitt (a) xn =3,832 (links oben) (b) xn =4,201 (rechts oben) (c) xn =5,331 (links unten) (d) xn =7,016 (rechts unten)
ist etwa gleich groß wie bei einem quadratische Rechteck-Kanal (f1 = 0, 5c/b, √ b = Seitenl¨ange) mit gleicher Fl¨ ache (b = πa).
6.2 Messungen im Kundtschen Rohr Wie der letzte Abschnitt zeigt ist das Kundtsche Rohr ein Modenfilter; es kann deshalb unterhalb der tiefsten cut-on-Frequenz zur gezielten Erzeugung einer ebenen Welle genutzt werden. Damit verf¨ ugt man u ¨ber eine Messeinrichtung zur Charakterisierung von teilweise absorbierenden und teilweise reflektierenden Anordnungen bei senkrechtem Schalleinfall. Zu diesem Zweck wird das Rohr am Ende mit einer Probe des zu untersuchenden Aufbaues (z.B. einer Schicht aus Faserd¨ ammstoff auf starren Untergrund) abgeschlossen (Bild 6.4). Das sich im Rohr bei Anregung mit reinen T¨onen einstellende Schalldruckfeld besteht aus dem auf die Probe zueilenden und dem reflektierten Wellenanteil:
p = p0 e−jkx + rejkx . (6.11)
Dabei bedeutet r den Druckreflexionsfaktor der Probe, der gleich dem Verh¨ altnis p− /p+ aus den Schalldr¨ ucken von hinlaufender
144
6 Schallabsorption
Abbildung 6.4. Messaufbau zur Bestimmung von Absorptionsgrad und Impedanz im Rohr
p+ = p0 e−jkx
(6.12)
p− = p0 rejkx
(6.13)
und r¨ ucklaufender Welle an der Stelle der Probenoberfl¨ ache x = 0 ist. Weil die Reflexion allgemein eine Phasenverschiebung der Wellenteile beinhalten kann, ist der Reflexionsfaktor r = Rejϕ
(6.14)
(R= Betrag von r) als komplexe Zahl anzusehen. Zum Beispiel muss das in eine r¨ uckseitig schallhart begrenzte Absorberschicht eindringende Schallfeld zweimal die Schichtdicke passieren, bis es als reflektierte Welle die Schichtoberfl¨ache wieder verl¨asst. Die damit verbundene Laufzeit muss notwendigerweise durch einen komplexwertigen Reflexionsfaktor erfaßt werden. Wie gesagt dr¨ uckt (6.11) das Wellenfeld durch die Summe zweier gegenl¨aufiger Wellen aus, wobei der reflektierte Anteil p− wegen R ≤ 1 eine kleinere Amplitude besitzen kann; darin ist gerade der Fall unvollst¨andiger Refle¨ xion enthalten. Um sich einen Uberblick u ¨ber den Ortsverlauf des Schallfeldes zu verschaffen, denkt man sich die hinlaufende Welle p+ in einen vollst¨andig reflektierten Anteil und den verbleibenden Rest zerlegt: p+ = p0 re−jkx + p0 (1 − r)e−jkx . Das Gesamtfeld
6.2 Messungen im Kundtschen Rohr
145
p = p0 r e−jkx + ejkx + p0 (1 − r)e−jkx = 2p0 r cos(kx) + p0 (1 − r)e−jkx ist demnach aus der Summe einer stehenden Welle ps = 2p0 r cos(kx)
(6.15)
und einer in x- Richtung fortschreitenden Welle pf = p0 (1 − r)ejkx
(6.16)
zusammengesetzt (siehe auch Kapitel 2.5), p = ps + pf . Wie man sich leicht vorstellen kann, dr¨ uckt sich das Zusammenspiel von stehender und fortschreitender Welle in der Welligkeit des ¨ortlich gemessenen Effektivwertes aus. Bei Totalreflexion r = 1 wird das Schallfeld n¨amlich nur von der stehenden Welle mit dem Effektivwert p˜ r=1:
p˜2 = 2p20 cos2 (kx)
(siehe auch Bild 6.4) bestimmt, ein Ortsverlauf mit großer Welligkeit. Ohne Reflexion r = 0 dagegen w¨ are das Wellenfeld nur durch die fortschreitende Welle p2 r = 0 : p˜2 = 0 2 mit ¨ortlich konstantem Effektivwert gegeben. Zwischen diesen beiden Extremf¨allen stellt sich eine Welligkeit p˜min /˜ pmax des Ortsverlaufs ein, die sich durch das Zusammenwirken von stehender und fortschreitender Welle erkl¨art. Offensichtlich ist die Welligkeit p˜min /˜ pmax des Ortsverlaufs p˜(x) direkt ein Maß f¨ ur den Reflexionsfaktor, den man deshalb aus der Messung dieses Druckverh¨altnisses bestimmen kann. Die interessierende Messvorschrift l¨ asst sich leicht herleiten. Dazu wird zun¨achst der Ortsverlauf des quadrierten Effektivwertes aus (6.11) berechnet: 1 1 1 p˜2 = |p|2 = pp∗ = p20 e−jkx + Rej(kx+ϕ) ejkx + Re−j(kx+ϕ) 2 2 2 1 2 2 = p0 1 + R + 2R cos(2kx + ϕ) . (6.17) 2
Die Maximalwerte davon treten offensichtlich bei 2kx + ϕ = 0, ±2π, ±4π, . . . auf, f¨ ur sie gilt p˜2max =
1 1 2 p0 1 + R2 + 2R = p20 (1 + R)2 . 2 2
(6.18)
Die Minimalwerte treten bei 2kx + ϕ = ±π, ±3π, . . . auf, f¨ ur sie gilt p˜2min =
1 1 2 p0 1 + R2 − 2R = p20 (1 − R)2 . 2 2
(6.19)
146
6 Schallabsorption
Demnach gilt f¨ ur das Verh¨ altnis µ=
p˜min 1−R = , p˜max 1+R
(6.20)
1−µ . 1+µ
(6.21)
oder R=
(6.21) gibt unmittelbar die Messvorschrift zur Ermittlung des ReflexionsfaktorBetrages an. Durch Verschieben einer Messsonde auf der Rohr-Achse (Bild 6.4) k¨onnen Maximum und Minimum des Effektivwertes leicht ermittelt werden. Da nur das Verh¨altnis interessiert, ist eine Kalibration nicht erforderlich. Meist gibt man zur Charakterisierung von Proben nicht den Reflexionsfaktor R, sondern den Verlustgrad β an. Er ist definiert als das Verh¨ altnis aus der durch die Probenoberfl¨ache fließenden Leistung P β und der auf sie auftreffenden Leistung P + : Pβ β= . P+
Allgemein setzt sich dabei die dem Rohr entzogene Leistung P zusammen aus einem wirklichen Verlustanteil P α , der durch Umwandlung von Schallenergie in W¨arme zustande kommt und einem Anteil P τ , der den Transport von Schallenergie nach außen beinhalten kann (z.B. bei einem offenen oder fast ” offenen“ Rohr), Pβ = Pα + Pτ .
¨ Ahnlich wie beim Verlustgrad β definiert man: • den Absorptionsgrad α = P α /P + und • den Transmissionsgrad τ = P τ /P + .
Offensichtlich gilt β =α+τ . Nat¨ urlich kann man bei der beschriebenen Messung im Rohr nur die Gesamtverluste β, nicht aber ihre Ursachen α und τ aufschl¨ usseln. Bei fast allen Anwendungen ist die Interpretation jedoch einfach: • Bei absorbierenden Proben mit r¨ uckseitigem schallhartem Abschluss ist immer β = α; es sind fast immer solche Proben, die praktisch interessieren. • Bei d¨ unnen, leichten Abschl¨ ussen ohne absorbierende Schicht ist β = τ . Solche sehr leichten Abschl¨ usse kommen praktisch nur sehr selten vor; sie werden hier mehr der vollst¨ andigen Beschreibung wegen aufgef¨ uhrt. Der Zusammenhang zwischen Reflexionsfaktor R und Verlustgrad β ergibt sich aus dem Energieerhaltungssatz P+ = Pβ + P− ,
6.2 Messungen im Kundtschen Rohr
147
worin P − die reflektierte Leistung bezeichnet. Da es sich um ebene Wellen handelt ist P − = R2 P + ,
daraus folgt mit der Definition von β P + = βP + + R2 P + ,
oder β = 1 − R2 .
(6.22)
Durch Einsetzen von (6.21) erh¨alt man schließlich den Zusammenhang zwischen β und dem Welligkeitsparameter µ: β=
2 . 1 + 21 µ + µ1
(6.23)
Wie gezeigt l¨ asst sich der Verlustgrad (und der Betrag des Reflexionsfaktors) aus der Welligkeit des ¨ ortlichen Schalldruck-Effektivwert-Verlaufs berechnen. Zur Bestimmung der Phase ϕ des Reflexionsfaktors kann man dar¨ uber hinaus noch die Lage der relativen Extrema heranziehen. Da die Minima im allgemeinen praktisch genauer lokalisiert werden k¨onnen als die Maxima, benutzt man dazu die Lage xmin des ersten, vor der Probe vorgefundenen Minimums, f¨ ur das 2kxmin + ϕ = ±π
oder ϕ=π
|xmin | ±1 λ/4
(6.24)
ahlten Lage des Koordinatenurgilt (man beachte xmin < 0 wegen der gew¨ sprungs, es gilt also xmin = − | xmin |). Damit ist dann auch der komplexe Reflexionsfaktor r = Rej ϕ bekannt. Bei dem oben geschilderten Verfahren der Bestimmung des Absorptionsgrades aus der Welligkeit sollte darauf geachtet werden, dass zur Ermittlung von µ das zur Probe n¨achst-benachbarte Minimum verwendet wird. Der Grund daf¨ ur besteht in den unvermeidlichen Verlusten, welche eine D¨ ampfung der Schallwelle l¨ angst ihres Ausbreitungsweges bewirken. Als physikalische Ursachen daf¨ ur kommt die immer vorhandene, allerdings sehr geringe innere Luftd¨ ampfung, aber auch die Energieabgabe nach außen in Frage: Nat¨ urlich haben Rohrwandungen oft eine hohe, dabei aber gewiss endlich große Luftschalld¨ ammung, so dass immer auch ein wenig Schallenergie durch die Wandung nach außen dringt (bei selbstgebauten Rechteckkan¨ alen z. B. aus Holz tritt dieser Effekt oft recht deutlich zu Tage). Beide Ursachen scheinen eine Minderung des Reflexionsfaktors hervorzurufen und zwar umso mehr, je l¨ anger der Weg des vom Sender abgegebenen Schalles ist. Man beobachtet also immer einen h¨ oheren Absorptionsgrad als tats¨achlich
148
6 Schallabsorption
durch die Probe gegeben, und zwar um so mehr, je weiter sich der Messpunkt von der Probenfl¨ache entfernt. F¨ ur ein Rohr mit schallhartem Abschluss w¨ are also der beobachtete Reflexionsfaktor R = 1 − ∆R|x| an der Stelle x um die Rohrverluste ∆Rx scheinbar vermindert. Sehr kleine D¨ampfungen pro L¨ange ∆R sind im Normalfall sicher realistisch. F¨ ur sie ist dann nach (6.18) und (6.19) 1 2 2 p (1 + 1 − ∆R|x|) ≈ 2p20 2 0 1 1 2 = p20 (1 − (1 − ∆R|x|)) ≈ p20 ∆R2 x2 . 2 2
p˜2max = p˜2min
Die Rohrd¨ampfung ist praktisch nur in den Minima erkennbar, die minimalen Effektivwerte liegen auf der Geraden u ¨ber x √ pmin = p0 ∆Rx/ 2 .
Die Maxima dagegen bleiben von den Verlusten fast unber¨ uhrt. Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, dass der Absorptionsgrad auch mit einer aus zwei Mikrofonen bestehenden Sonde gemessen werden kann. Diese Methode ¨ahnelt der Intensit¨ atsmesstechnik (Abschnitt (2.5)), bei der ja - im Prinzip - ebenfalls die Schallschnelle aus zwei Mikrofonsignalen bestimmt werden. Wie der n¨achste Abschnitt (6.3) zeigt, kann man aus Druck und Schnelle die sogenannte Wandimpedanz und aus dieser den Absorptionsgrad leicht bestimmen. Etwas formaler gedacht l¨ asst sich der Wellenansatz −jkx
p = p0 e + rejkx . f¨ ur die Ausbreitung im eindimensionalen Kontinuum als Feldbeschreibung mit den beiden unbekannten Parametern p0 und r auffassen, die aus zwei gemessenen Schalldr¨ ucken bestimmt werden. Wenn die beiden Messmikrofone an den Stellen x = 0 und x = −∆x direkt auf dem Messobjekt und kurz davor plaziert werden, dann ist p(0) = p0 (1 + r) und
p(−∆x) = p0 (ejk∆x + re−jk∆x ).
Nach kurzer Rechnung ergibt sich daraus r=
p(−∆x) p(0) p(−∆x) −jk∆x e − p(0)
ejk∆x −
.
Das Schalldruckverh¨ altnis muss dabei nach Betrag und Phase ermittelt werden. Dass gerade in der Phase eine wesentliche Information enthalten ist erkennt man aus der Annahme eines reellwertigen Druckverh¨ altnisses (das stehenden Wellen entspricht). In diesem Fall ist n¨ amlich mit
6.3 Die Wandimpedanz
r=
cos(k∆x) − cos(k∆x) −
p(−∆x) p(0) p(−∆x) p(0)
149
+ jsin(k∆x)
− jsin(k∆x)
der Betrag des Reflexionsfaktors unabh¨angig vom Druckverh¨ altnis p(−∆x)/p(0) stets R = 1. Nur mit der richtigen Phaseninfomation also k¨ onnen nicht vollst¨andig reflektierende Anordnungen beschrieben werden. So ergbit sich zum Beispiel f¨ ur p(−∆x)/p(0) = ejk∆x ganz zutreffend r=0. Wegen der Verwandtschaft zum Intensit¨atsmessverfahren sind auch die Probleme und Fehlerquellen bei der Zwei-Mikrofon-Technik zur Messung der Schallabsorption ¨ahnlich. Die meisten Reflektoren absorbieren tieffrequente Schalle nur schlecht. Im Rohr entstehen deshalb vorwiegend stehende Wellen. Kleine Unterschiede im Phasengang der Mikrophone (die u ¨brigens auch durch nicht genau angegebene Messabst¨ande ∆x erzeugt werden k¨ onnen) spiegeln dann eine gar nicht vorhandene Intensit¨at in Rohr-Achsenrichtung vor. Zeigt diese auf den Rohrabschluß zu, dann ist der gemessene Wert des Absorptionsgrades gr¨oßer als der tats¨achliche Wert. Zeigt die Intensit¨ at vom Rohrabschluß weg und damit zur Quelle hin, dann scheint der Abschluß ’aktiv’ geworden zu sein; ein negativer Absorptionsgrad w¨are die Folge.
6.3 Die Wandimpedanz Die im letzten Abschnitt behandelten Gr¨oßen und das zugeh¨ orige Messverfahren beantworten die Frage, wie ein nun einmal vorhandener Wandaufbau“ ” akustisch wirkt. R¨ uckschl¨ usse, f¨ ur welche spezifischen Wandaufbauten denn nun welche Wirkungen erwartet werden k¨onnen, sind mit dem bisherigen Beschreibungsapparat nicht m¨oglich. Eine Gr¨oße, die den speziellen Aufbau einer reflektierenden Einrichtung beschreibt, ist die Wandimpedanz z. Unter ihr soll einfach das Verh¨ altnis aus Druck und Schallschnelle auf der Wandoberfl¨ache x = 0 verstanden werden: z=
p(0) . v(0)
(6.25)
In welcher Weise die Wandimpedanz den jeweiligen Wandaufbau beschreibt, diese Frage ist Gegenstand des Kapitels 6.5. Im vorliegenden Abschnitt wird zun¨achst nur nach dem Zusammenhang zwischen der neuen und ” den alten Gr¨oßen“ gefragt. Der Zusammenhang zwischen der Aufbau-beschreibende Gr¨ oße z und der Wirkungsgr¨oße β (bzw. α oder τ ) ist rasch gekl¨art. Mit der getroffenen Wahl des Koordinatensystems so, dass dessen Nullpunkt wieder auf der Wandoberfl¨ache liegt, ist p = p0 e−jkx + rejkx (6.26) und
150
6 Schallabsorption
v=
j ∂p p0 −jkx = − rejkx e ω ∂x c
(6.27)
im Bereich x < 0 vor der Wand. Die Wandimpedanz ist also durch z 1+r = c 1−r
(6.28)
mit dem Reflexionsfaktor verkn¨ upft. Wie schon erw¨ahnt benutzt man statt des Reflexionsfaktors fast immer den Absorptionsgrad. Deshalb wird jetzt noch der Zusammenhang zwischen β und z angegeben. Dazu l¨ost man (6.28) nach r auf, r=
z c z c
−1
+1
,
und rechnet daraus den Verlustgrad β aus: β = 1 − |r|2 =
4Re {z/c} 2
2
[Re {z/c} + 1] + [Im {z/c}]
.
(6.29)
Aus naheliegenden Gr¨ unden bezeichnet man (6.29) als Anpassungsgesetz“. ” Wie man sieht wird n¨ amlich ein großer Verlustgrad f¨ ur den Anpassungsfall z = c erreicht, dann ist β = 1. Dieser Fall kann hergestellt werden entweder durch eine vollst¨ andig schluckende Anordnung α = 1 (und τ = 0 ); oder theoretisch auch durch eine einfache (reflexionsfrei gedachte) Rohrfortf¨ uhrung mit τ = 1 (bei α = 0). Wie man sieht sind Imagin¨ arteile der Impedanz immer sch¨ adlich f¨ ur die Absorption“: β ist ein Maximum immer dann, wenn ” der Imagin¨ arteil von z gleich Null wird, Imz = 0. Bei der Behandlung und Betrachtung von Wandimpedanzen wird sp¨ ater ihr komplexwertiger Frequenzgang in der komplexen Wandimpedanz- Ebene graphisch eingetragen werden. F¨ ur jede fest gew¨ ahlte Frequenz gewinnt man einen bestimmten komplexen ¨ Zahlenwert - einen Punkt in der komplexen z/c-Ebene. Andert man die Frequenz, dann wandert der Punkt entlang einer Kurve, die ORTSKURVE genannt wird. Kennt man jetzt noch die Linien konstanten Verlustgrades in der komplexen Wandimpedanzebene, dann kann man aus der Kurvenschar β =const. und der Ortskurve auch den Frequenzgang von β ablesen. Die Linien β =const. in der Wandimpedanzebene erh¨alt man durch folgende einfache Betrachtungen. Nur um Schreibarbeit zu sparen setzt man f¨ ur Real- und Imagin¨ arteil von z/c in (6.29) kurz x und y, x = Re{z/c},
y = Im{z/c} ,
(6.30)
dann wird aus (6.29) (x + 1)2 −
4 x + y2 = 0 . β
Wie man aus dem Vergleich mit der allgemeinen Kreisgleichung
(6.31)
6.3 Die Wandimpedanz
(x − xc )2 + (y − yc )2 = a2
151
(6.32)
(xc , yc : Mittelpunktkoordinaten, a = Radius des Kreises) erkennt, beschreibt die umgeformte Gleichung (6.31)
x−
2 2 4 1 2 +y = −1 −1 β β β
(6.33)
Kreise. Linien β =const. sind demnach Kreise mit Mittelpunkten auf der reellen Achse und der Mittelpunkts-Koordinate xc =
und dem Radius a=
4 β
2 −1 β
(6.34)
1 −1 . β
(6.35)
Bild 6.5 zeigt einige Linien β =const. f¨ ur β = 0, 5; 0,55; 0,6. . . 0,9 und 0.95 (hier ist - wie im Folgenden stets - α = β angenommen worden). Wie man sieht umschlingen die Kreise einander; ihr Mittelpunkt wandert mit fallendem β immer weiter nach rechts, w¨ ahrend der Radius zunimmt. Man bezeichnet die Kurven β =const. auch als Apollonische Kreise“. Im Fall β = 1 entartet“ ” ” der Kreis zum Punkt z/c = 1. Zu β = 0 geh¨ ort die imagin¨ are Achse. 2.5
2
1.5
1
α=
Im(z/ρc)
0.5
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0
−0.5
−1
−1.5
−2
−2.5
0
1
2
3
4
5
6
Re(z/ρc)
Abbildung 6.5. Kreise konstanten Absorptionsgrades in der Wandimpedanz-Ebene
152
6 Schallabsorption
6.4 Theorie des quasi-homogenen Absorbers In den letzten Abschnitten sind die Begriffe zur Beschreibung von schallreflektierenden und schall-absorbierenden Anordnungen erkl¨art worden. Im Folgenden wird auf die physikalischen Anordnungen selbst und den durch sie bewirkten Absorptionsgrad eingegangen. Dabei spielt insbesondere das Absorbermaterial eine wichtige Rolle, das zum Zweck der gezielten Schallabsorption benutzt wird. Verwendet werden por¨ose, faserige Materialien, die aus vielen Fasern oder Zellen zusammengesetzt sind, z.B. Glas- bzw. Mineralwolle, Kokosfasern, Filze, Holzschliff oder offenzellige Sch¨aume. Die wesentliche Eigenschaft von aus solchen Materialien hergestellten Platten besteht darin, dass sie einer durch sie hindurchfließenden Luftstr¨omung einen Widerstand rs entgegensetzen. Dadurch stellt sich eine Druckdifferenz p1 − p2 = rs U = ΞdU (6.36) zwischen Vorder- und R¨ uckseite ein, die dem Widerstand rs und der Geschwindigkeit U der Gleichstr¨ omung proportional ist. Nat¨ urlich wird der Str¨omungswiderstand bei gleichem Material umso gr¨ oßer sein, je gr¨oßer die Dicke d der Platte ist. Um das Material durch eine von seinen Abmessungen unabh¨angige Konstante zu beschreiben, f¨ uhrt man den l¨ angenspezifischen Str¨omungswiderstand rs Ξ= d ein. Nach Gleichung (6.36) ist die physikalische Dimension von Ξ dim (Ξ) =
Ns Rayl = 10−3 , 4 m cm
(6.37)
die man h¨aufig nach der genannten Dimensionsumrechnung in Rayl/cm, den Str¨omungswiderstand dann in Rayl (1 Rayl =10 N s/m3 ) angibt. Der technisch interessierende Bereich des l¨angenspezifischen Str¨omungswiderstandes betr¨ agt etwa 5 Rayl/cm < Ξ < 100 Rayl/cm. Der Zahlenwert h¨ angt vor allem von der Packungsdichte“ der Fasern im Material, aber auch von anderen Parametern ” (wie z.B. von der Faserorientierung relativ zur Str¨omungsrichtung) ab. Der physikalische Grund f¨ ur den Druckabfall entlang der Dicke des Str¨ omungswiderstandes besteht in der Reibung, der die parallel am Absorberskelett entlangstreifenden Luftteilchen ausgesetzt sind. Diese Reibung entsteht durch die Viskosit¨at (= Z¨ahigkeit) der Luft in den sehr d¨ unnen Kan¨ alen, die bei gr¨oßeren Kanal-Durchmessern kaum eine Rolle spielen w¨ urde. Deshalb kann man die Gleichung (6.36) auch als Kr¨aftegleichung deuten, wobei die rechte Seite die der ¨außeren Kraft (pro Fl¨ache) entgegenwirkende Reibungskraft (pro Fl¨ache) darstellt. Nat¨ urlich ist es gerade die viskose Reibung in den Poren und Kan¨ alen, die por¨ose und faserige Materialien zum gezielten Einsatz der LuftschallAbsorption geeignet machen: Sie verwandelt die Bewegungsenergie des Schallfeldes in W¨arme und entzieht dem Schallfeld unwiederbringlich Leistung (nur
153
Ab W so ü r rb f e l er a m us at er ia l
6.4 Theorie des quasi-homogenen Absorbers
Sp(x+∆x)
Sp(x)
FR
x
x+∆x
Abbildung 6.6. Kr¨ aftegleichgewicht an einem gasgef¨ ullten W¨ urfel aus Absorbermaterial
bei den tiefsten Frequenzen spielt die W¨ armeabgabe des Schallfeldes an die Fasern zus¨atzlich eine Rolle). Man kann daher jetzt schon absehen, dass sich der Einsatz von por¨osen Absorbern vor allem dann lohnt, wenn diese auch tats¨achlich in einem Gebiet mit großen Schnelleamplituden liegen. Befinden sich andererseits Absorber in Raumgebieten mit kleinen Schnelleamplituden z. B. d¨ unne Absorberschichten vor schallharten W¨ anden - dann l¨asst sich nur eine sehr geringe Schallschluckwirkung erwarten. Es ist dieses einfache Prinzip, das die Wirkungsweise der meisten, sp¨ ater eingehender beschriebenen Absorber-Anordnungen und deren Konstruktionsregeln teilweise anschaulich erkl¨art. Zur Herleitung der Grundgleichungen f¨ ur die Schallausbreitung im por¨osen Medium betrachtet man wieder ein Volumenelement S∆x (Bild 6.6), das sich in einem Kontinuum des Mediums befindet. In der bereits in Kapitel 2 f¨ ur das faserfreie Gas aufgestellten Kr¨ aftegleichung muss im Fall des Absorbermaterials die Reibungskraft nun zus¨ atzlich ber¨ ucksichtigt werden. Wenn man annimmt, dass (6.36) auch auf Wechselbewegungen angewandt werden darf, dann betr¨agt die Reibungskraft Ξ∆xSv, sie wirkt der Bewegungsrichtung der Schnelle v entgegen. Es ist also ∆xS
∂v = S [p(x) − p(x + ∆x)] − Ξ∆xSv . ∂t
(6.38)
Nach dem Grenz¨ ubergang ∆x → 0 wird daraus
∂v ∂p =− − Ξv . ∂t ∂x
(6.39)
In der Herleitung von (6.39) ist allerdings noch eine Ungenauigkeit enthalten. Ausdr¨ ucklich bezog sich n¨amlich die Kr¨aftegleichung (6.36) f¨ ur die Reibungskraft auf eine Geschwindigkeit in der Luft vor (und hinter) einer d¨ unnen außere“ Schicht aus por¨osem Material. Der Reibungsterm Ξv meint also eine ¨ ”
154
6 Schallabsorption
Schnelle ve , die mit der inneren Schnelle vi im Fasermaterial nicht v¨ollig u ¨bereinstimmt. Weil die Luft zwischen den Fasern eingezw¨angt ist, muss vi wegen der Erhaltung des Durchflusses etwas gr¨ oßer als ve sein. Nat¨ urlich bezieht sich andererseits die Tr¨agheitskraft pro Volumen ∂v/∂t auf die tats¨achliche (mittlere) Bewegung der Luft zwischen den Fasern, also auf die innere“ Schnelle ” vi . Korrekt lautet (6.39) also
∂vi ∂p =− − Ξve . ∂t ∂x
(6.40)
Zur einheitlichen Beschreibung sollte man sich auf die Verwendung entweder urlich vor allem die Kopplung mit ¨ außeren von vi oder ve festlegen. Weil nat¨ Luftschallfeldern interessiert, wird die ¨außere Schnelle ve zur Beschreibung gew¨ahlt. Man erh¨alt damit den Vorteil, alles auf ¨außere“ Schnellen bezie” hen zu k¨onnen; bei den Randbedingungen an Trennstellen zwischen Luft und por¨osem Medium braucht man dann nur noch die Gleichheit der (¨ außeren) Schnellen vor und hinter der Trennstelle zu verlangen. Wenn man nun im sogenannten Rayleigh-Modell“ des Absorbermaterials ” zun¨achst annimmt, dass die Fasern des Skeletts gestreckt sind und parallel liegen, so sind innere“ und ¨außere“ Schnellen durch die Porosit¨ at σ (σ < 1) ” ” Volumen der Luft im Absorber σ= Gesamtvolumen des Absorbers miteinander verkn¨ upft. Unter dieser Annahme ist die Porosit¨ at gleich dem Verh¨altnis aus Summenfl¨ache der luftf¨ uhrenden Kan¨ ale an der Grenze zur freien Luft zur Gesamtoberfl¨ache des Absorbers. Wegen der Massenerhaltung gilt also ve = σvi . Ber¨ ucksichtigt man noch in einem Strukturfaktor κ (κ > 1), dass einige der Kan¨ale im Absorber blind“ sein k¨onnen und mitten im Material als Sackgasse ” enden, Umwege bilden etc (Bild 6.7 versucht, diese Vorstellung anschaulich zu machen), so ergibt sich im Verh¨altnis zur inneren Schnelle eine noch geringere außere Schnelle ¨ σ ve = vi . κ Gleichung (6.40) geht also u ¨ber in
κ ∂ve ∂p =− − Ξve . σ ∂t ∂x
(6.41)
Wenn nicht anders angegeben ist bei den hier diskutierten Beispielen stets σ = κ = 1 benutzt worden, um zun¨ achst nur auf das Wesentliche einzugehen. F¨ ur eine vollst¨ andige Beschreibung der Schallvorg¨ ange ben¨ otigt man noch eine Beschreibung der Kompressions-Vorg¨ ange im Absorbermaterial. Wenn das Faser-Skelett als starr angesehen wird, dann ist wie im Falle ohne Absorptionsmaterial ∂vi 1 ∂ve 1 ∂p = =− 2 . (6.42) ∂x σ ∂x c ∂t
6.4 Theorie des quasi-homogenen Absorbers
155
Abbildung 6.7. Struktur aus Taschen und Sackgassen im Absorbermaterial (Prinzipskizze)
Hier wurde noch ve = σvi benutzt, denn bei der Federeigenschaft kleiner Volumina kommt es nur auf die eingeschlossene Luftmenge, nicht aber auf die Art der Verteilung - die Struktur - an. F¨ ur reine T¨one und komplexe Amplituden gehen die Feldgleichungen (6.41) und (6.42) in 1 ∂p ve = − (6.43) jωκ/σ + Ξ ∂x und
∂ve jωσ =− 2p ∂x c
(6.44)
u osen ¨ber. Zusammen ergeben (6.41) und (6.42) die Wellengleichung im por¨ Medium ∂2p Ξσ 2 κ j + k − p=0. (6.45) ∂x2 ω Dabei ist wie immer k = ω/c die Wellenzahl in Luft. Die L¨ osungen der Wellengleichung f¨ ur das Absorbermaterial p = p0 e±jka x mit der komplexen Absorberwellenzahl √ Ξσ ka = k κ 1 − j ωκ
(6.46)
(6.47)
amlich nach Real- und Imastellen ged¨ ampfte Wellen dar. Zerlegt man ka n¨ gin¨arteil, ka = kr − jki (kr und ki positive reelle Zahlen) dann ist der Druck (6.46) p = p0 e±jkr x e±ki x
(6.48)
156
6 Schallabsorption
in beiden F¨allen in Ausbreitungsrichtung ged¨ ampft. Als Kenngr¨oßen f¨ ur die Wellen benutzt man die Schallgeschwindigkeit ca ca =
ω kr
und den Pegelverlauf l¨ angs der Ausbreitungs-Richtung (jetzt der positiven xRichtung): D(x) = −20 lg e−ki x = 8, 7ki x , (6.49) der Pegel f¨allt also linear entlang der Ausbreitung. Um eine Vorstellung zu bekommen kann man z.B. den Pegelabfall entlang einer gewissen Materialschicht der Dicke d D(d) = 8, 7ki d (6.50) als Kennwert angegeben. Die wichtigsten in der komplexen Wellenzahl ausgedr¨ uckten Sachverhalte erkennt man am einfachsten, wenn die Frequenzbereiche unter und oberhalb der Knickfrequenz Ξσ ωf = (6.51) κ getrennt betrachtet werden. Die Knickfrequenz liegt f¨ ur den normalen“ Be” reich von 5 Rayl/cm < Ξ < 50 Rayl/cm im Intervall von etwa 500 Hz < ff < 5000 Hz. F¨ ur ω ωf ist
√ ωf 1−j √ ωf ka ≈ k κ −j = √ k κ . ω ω 2
Hier gilt
2 ω ca = c . κ ωf
(6.52)
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist hier frequenzabh¨ angig, der Wellentransport also dispersiv. F¨ ur ω ωf ist √ √ 1 ωf σ Ξ ka ≈ k κ 1 − j =k κ−j √ . 2ω 2 κ c
Hier ist also die Wellenausbreitung nicht dispersiv:
c ca = √ . κ
(6.53)
F¨ ur die D¨ ampfung D(d) gilt f¨ ur ω ωf 4, 35σ Ξd D(d) = √ . κ c
(6.54)
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
157
Die D¨ampfung D(d) erreicht f¨ ur f > ff einen konstanten Wert. Sie kann dabei eine beachtliche Gr¨ oße besitzen. Wie man den folgenden Abschnitten entnehmen kann, kommen vor allem por¨ ose Schichten zur Anwendung, f¨ ur die der entscheidende D¨ ampfungsquotient Ξd/c grob das Intervall 0, 25 < Ξd/c < 8 u ampfung von bis zu etwa 35 dB ¨berdeckt. Das bedeutet eine D¨ entlang der Schichtdicke f¨ ur alle Frequenzen f > ff . Bei den im Folgenden betrachteten Wandaufbauten wird oft die Schnelle im Absorbermaterial nach Gl.(6.43) aus einem Druckansatz zu berechnen sein. Es ist daf¨ ur etwas bequemer, den Nennerausdruck in (6.43) durch die Wellenzahl ka nach (6.47) auszudr¨ ucken: ωκ ωκ σΞ ωκ ka2 j +Ξ =j 1−j =j . σ σ ωκ σ κk 2
Damit wird aus (6.43) ve =
jσk ∂p . cka2 ∂x
(6.55)
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen 6.5.1 Die unendlich dicke“ por¨ ose Schicht ” Wie soeben gezeigt lassen sich leicht hohe innere D¨ ampfungen im por¨ osen Material erreichen. Ein im Material l¨ angs der Ausbreitungsrichtung rasch abnehmender Pegel ist dabei jedoch gar kein Indikator f¨ ur eine große Schallschluckung. F¨ ur eine hohe Absorption muss das Schallfeld n¨ amlich erst einmal in den Absorber auch eindringen k¨ onnen. Wenn es wegen mangelhafter Anpassung schon an der Oberfl¨ ache reflektiert wird, dann nutzt auch der gr¨ oßte ¨ innere Pegelabfall nichts. Uber die Absorption entscheidet alleine die Anpassung der f¨ ur die auftreffende Schallwelle wirksamen Wandimpedanz. Eine praktisch nicht sehr wichtige, daf¨ ur aber recht leicht zu u ¨bersehende Anordnung ist der por¨ ose Halbraum. Auch kann man sich die unendlich ” dicke“ Schicht aus absorbierendem Material durch eine endlich dicke Schicht ersetzt denken, wenn Dicke und D¨ ampfung so groß sind, dass die Reflexion an der R¨ uckseite keine Rolle spielt. Der por¨ ose Halbraum l¨ asst sich deshalb als Grenzfall auffassen. Die Betrachtung des Halbraumes ist deswegen so einfach, weil im Absorber keine Reflexion auftritt und so nur eine einzige Welle in x-Richtung zu ber¨ ucksichtigen ist: p = p0 e−jka x . Mit Hilfe von (6.55) erh¨ alt man daraus f¨ ur die Kennimpedanz des por¨ osen Mediums p c ka za = = . ve σ k
158
6 Schallabsorption
Da an der Trennebene x = 0 zwischen Luft und Absorber die Gleichheit der Dr¨ ucke und der ( ¨ außeren“) Schnellen vorliegen muss ” pLuf t (0) p(0) = , vLuf t (0) ve (0)
ist die f¨ ur das Luftschallfeld wirksame Wandimpedanz z∞ gleich der Kennimpedanz za im absorbierenden Medium: √ √
κ Ξσ κ ωf z∞ = za = c 1−j = c 1−j . (6.56) σ ωκ σ ω
Wenn man von Porosit¨ at σ und Strukturfaktor κ absieht, dann wird die Wirkung des por¨ osen Halbraumes einzig durch das Verh¨altnis aus Frequenz und Knickfrequenz bestimmt. 2.5
2
1.5
1
α=
Im(z/ρc)
0.5
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0
−0.5
−1
−1.5
ω
−2
−2.5
0
1
2
3
4
5
6
Re(z/ρc)
Abbildung 6.8. (a) Impedanz-Ortskurve des por¨ osen Halbraumes
Die Ortskurve ist leicht gezeichnet: a) Fu ¨ r tiefe Frequenzen ω ωf ist z∞ ≈ c
√
κ ωf −jπ/4 . e σ ω
Die Ortskurve in der komplexen z-Ebene besteht in einer Geraden, die mit der reellen Achse einen Winkel von −45◦ einschließt (siehe auch Bild 6.8a).
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
159
1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
0.4
0.2
0 0.032
0.063
0.125
0.25
0.5
1
2
f/f
k
Abbildung 6.8. (b) Absorptionsgrad des por¨ osen Halbraumes
b) Fu ¨ r hohe Frequenzen ω ωf ist z∞
√ κ 1 ωf ≈ c 1−j . σ 2ω
Die Ortskurve dreht von der Geraden ab und strebt einem Punkt auf der reellen Achse und damit der maximalen Absorption zu. F¨ ur σ = κ = 1 ist die hochfrequente Impedanz fast angepasst, also nahezu gleich c. Tats¨ achlich ist aber die Absorption bereits in ω = ωf sehr hoch. F¨ ur ω = ωf folgt aus √ √ 4 1−j = 2e−jπ/4 = 2e−jπ/8 ≈ 1, 2e−jπ/8
√
f¨ ur
κ −jπ/8 , e σ das ist ein Punkt sehr nahe bei der reellen Achse (siehe Bild 6.8a) mit schon großer Absorption. Die genaue Rechnung mit dem Anpassungsgesetz (6.26) liefert den Absorptionsgrad von α(ω = ωf ) = 0, 93 (gerechnet f¨ ur σ = κ = 1). Selbst f¨ ur ω/ωf = 0, 1 ist der Absorptionsgrad noch gr¨oßer als 0,6 (siehe auch Bild 6.8b). Solche großen Absorptionsgrade lassen sich (so tieffrequent) mit endlich dicken Schichten nicht herstellen, wie das Folgende zeigt. z∞ (ω = ωf ) ≈ 1, 2c
6.5.2 Die por¨ ose Schicht endlicher Dicke Die einfachste Konstruktion, die man zur Absorption des auftreffenden Schalles benutzen kann, besteht in einer Schicht aus por¨ osem Material, die auf eine
160
6 Schallabsorption
schallharte Wand aufgebracht wird (Bild 6.9a). In etwa kann man den Frequenzgang des Absorptionsgrades α schon aus der Anschauung einsch¨atzen. Da die Reflexion an der schallharten Wand (Bild 6.9a) mit einem Schnelleknoten an der Wand erfolgt, entf¨ allt auf die Absorberschicht vor der Wand jedenfalls dann ein Bereich mit kleiner Schnelle, wenn die Schichtdicke klein verglichen mit der Wellenl¨ ange ist.
Schnelle
d
schallharter Abschluß
Absorberschicht
schallharter Abschluß Druck
−1
−0.75
−0.5
−0.25
0
x/λ
x 0
d
Abbildung 6.9. (a) links: Ortsverlauf von Schalldruck und Schallschnelle vor einem schallharten Reflektor; rechts: Absorberschicht vor schallharter Wand
1 0.9 0.8 0.7
th(x)
0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0
0.5
1 x
1.5
2
Abbildung 6.9. (b) Verlauf der Tangens-Hyperbolikus-Funktion th(x)
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
161
2.5
Ξ d/ρc = 0,5
2
1.5
1
1
α=
0.5
Im(z/ρc)
2
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0
−0.5
−1
−1.5
−2
−2.5
0
1
2
3
4
5
6
Re(z/ρc)
Abbildung 6.9. (c) Ortskurven der Impedanz por¨ oser Schichten vor schallharter Wand 2 1
4
8
Absorptionsgrad α
0.8
1
0.6
Ξ d/ρc = 0,5
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
d/λ
Abbildung 6.9. (d) Absorptionsgrad por¨ oser Schichten vor schallharter Wand
Weil Absorber Bewegungsenergie in W¨ arme verwandeln, ist α bei tiefen Frequenzen sehr gering. Erst wenn der erste Schnellebauch, der im Abstand einer Viertel-Wellenl¨ange vor der Wand liegt, mit wachsender Frequenz in den Absorber wandert, liegen Bezirke mit großen Schnelleamplituden im absorbierenden Material: Der Absorptionsgrad wird groß. Macht man die Wellenl¨ange
162
6 Schallabsorption
zun¨achst noch etwas k¨ urzer, so wird die por¨ ose Schicht ein wenig schlechter ausgenutzt, das Minimum liegt etwa bei d = λ/2. Danach steigt α wieder zu d = 3λ/4 an, und so fort. Insgesamt erh¨ alt man so nach dem ersten Maximum einen schwach schwankenden Verlauf, der allm¨ ahlich etwa gegen den Wert der unendlich dicken Schicht strebt. Zur Berechnung der Wandimpedanz und damit des Absorptionsgrades ben¨otigt man einen Ansatz, in dem das Schallfeld aus gegenl¨aufigen Wellen mit dem Reflexionsfaktor r = 1 an der r¨ uckseitigen schallharten Wand gebildet wird: p = p0 e−jka (x−d) + ejka (x−d) (6.57) kσ v= (6.58) p0 e−jka (x−d) − ejka (x−d) , cka
wobei die Schallschnelle nach (6.55) aus dem Druck bestimmt worden ist. Sie erf¨ ullt bereits die Randbedingung v(x = d) = 0. Die von außen f¨ ur das Luftschallfeld wirksame Impedanz ist (wieder wegen der Gleichheit von Dr¨ ucken und Schnellen vor und hinter der Trennfl¨ ache x = 0 zur Luft) z=
p(0) c ka = −j ctg(ka d) = −jz∞ ctg(ka d) . v(0) σ k
(6.59)
Die Diskussion des Verhaltens endlich dicker por¨oser Schichten soll zun¨ achst bei tiefen Frequenzen |ka d| 1 beginnen. F¨ ur diese ist in erster N¨ aherung wegen ctg(ka d) ≈ 1/ka d z ≈ −j
c 1 c2 1 = −j . σ kd σd ω
(6.60)
Durch (6.60) ist die reine Federimpedanz der im Skelett des Absorbers eingeschlossenen Luft mit der Federsteife c2 /σd beschrieben. Die erste N¨ aherung liefert mit α = 0 keine Absorption; erst eine N¨aherung zweiter Ordnung w¨ urde (winzig) kleine Absorptionsgrade α = 0 bestimmen k¨ onnen. F¨ ur tiefe Frequenzen beginnt die Ortskurve auf der negativen imagin¨ aren Achse, die in Richtung auf den Ursprung durchlaufen wird. F¨ ur h¨ ohere Frequenzen wandelt man am einfachsten den ctg(ka d) in Exponentialfunktionen um, ctg(ka d) =
cos(ka d) ejka d + e−jka d 1 + e−j2ka d = j jka d = j , −jk d sin(ka d) e −e a 1 − e−j2ka d
und erh¨alt aus (6.59)
1 + e−j2ka d . (6.61) 1 − e−j2ka d Eine Vorstellung der Ortskurve kann man gewinnen, wenn man noch den Frequenzbereich oberhalb der Knickfrequenz ω > ωf annimmt. Hier ist z = z∞
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
ka d = kd
ka 1 Ξ ≈ kd 1 − j k 2 ω
= kd − j
163
1 Ξd . 2 c
Damit wird aus (6.61) z = z∞
1 + e−j2kd e−Ξd/c . 1 − e−j2kd e−Ξd/c
(6.62)
Es ist nahliegend, Punkte zu betrachten, bei denen der Bruch auf der rechten Seite reell ist. Dabei unterscheidet man noch die F¨ alle e−j2kd = +1 und −j2kd e = −1: a) F¨ ur Frequenzen, bei denen d 1 n = + , n = 0, 1, 2, . . . λ 4 2 gilt, ist wegen 2kd = 4πd/λ = π + 2πn
1 − e−Ξd/c = z∞ th 1 + e−Ξd/c
z = z∞
1 Ξd 2 c
.
(6.63)
Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, kann man f¨ ur ω > ωf etwa z∞ ≈ c setzen. Damit bezeichnet (6.63) Punkte etwa auf der reellen Achse, deren Abstand zum Ursprung um den Faktor th(Ξd/2c) gegen¨ uber c verringert sind (zur Erinnerung enth¨ alt Bild 6.9b eine Darstellung des hyperbolischen Tangens, th(x)). b) F¨ ur Frequenzen, bei denen d n = , λ 2
n = 1, 2, 3, . . .
gilt, ist wegen 2kd = 4πd/λ = 2πn z = z∞
1 + e−Ξd/c z ∞ . = 1 − e−Ξd/c th 21 Ξd c
(6.64)
(6.64) bezeichnet Punkte etwa auf der reellen Achse, deren Abstand zum Ursprung um den Faktor 1/th(Ξd/2c) gegen¨ uber c vergr¨oßert sind.
164
6 Schallabsorption
Wie man auch in den Bild 6.9c sehen kann, werden nun die Punkte nach Fall a“ und Fall b“ bei steigender Frequenz abwechselnd durchlaufen, wo” ” bei (von kleinen oben nicht ber¨ ucksichtigten Unterschieden abgesehen) immer wieder eine kreis¨ahnliche Ortskurve u ¨berdeckt wird. Aus den oben geschilder¨ ten Uberlegungen und auch aus Bild 6.9c und d ergibt sich, dass •
kleinere Widerst¨ande Ξd/c zwar eine tiefe Knickfrequenz, aber einen u ¨ber der Frequenz schwankenden Absorptionsgrad und • gr¨oßere Widerst¨ande Ξd/c zwar oberhalb der Knickfrequenz einen glatten Absorptionsgrad α ≈ 1, daf¨ ur aber eine hohe Knickfrequenz besitzen.
Wie Bild 6.9d zeigt, besteht ein optimaler Kompromiss“ zwischen den ” gegens¨atzlichen Forderungen niedrigliegende Knickfrequenz“ bei glattem, ” ” hochfrequenten α ≈ 1“ offensichtlich etwa in Ξd/c = 2. Gut absorbierende Aufbauten sollten etwa diesen Wert aufweisen. Die akustische Wirkung betr¨ agt α > 0, 6 im Frequenzbereich oberhalb von etwa d/λ = 0, 1. Sollen 340 Hz bereits mit α = 0, 6 bed¨ ampft werden, dann kann das mit einer Schicht von 10 cm Dicke bewerkstelligt werden. Noch viel tiefer abgestimmte Absorber w¨ urden eine betr¨achtliche Schichtdicke ben¨otigen. Weil dabei das Produkt aus Str¨omungswiderstand und Schichtdicke in Ξd/c = 2 etwa konstant zu halten w¨are, w¨ urde eine wirklich tieffrequente Abstimmung sehr kleine Str¨ omungswiderst¨ande Ξ erforderlich machen. Das w¨are nur mit einem sehr lockeren, kaum noch gebundenen und daher instabilen Material u ¨berhaupt machbar. Aus diesem Grund und wegen des Platzbedarfes sind por¨ ose Schichten endlicher Dicke f¨ ur sehr tieffrequente Absorption ungeeignet. In diesem Abschnitt (und in allen anderen) sind bei den Auswertungen Strukturfaktor χ und Porosit¨ at σ zu χ = σ = 1 gesetzt worden, um zun¨achst das Grunds¨atzliche zu zeigen. Tats¨ achlich ergibt sich jedoch eine Abh¨angigkeit des Absorptionsgrades von diesen Parametern, wie Bild 6.9e am Beispiel ver¨anderlichen Strukturfaktors zeigt. Die Abbildung lehrt, dass ein welliger Frequenzgang oft ein Indiz f¨ ur einen grossen Strukturfaktor darstellt.
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
165
1
1,5 1
2
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
χ = 2,5
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
d/λ
Abbildung 6.9. (e) Einfluss des Strukturfaktors auf die Absorption. Gerechnet f¨ ur Ξd/c = 2 und σ = 1.
6.5.3 Der por¨ ose Vorhang Um bei den großen notwendigen Dicken por¨ oser Schichten f¨ ur die Absorption tiefer Frequenzen Material zu sparen und weil Materialien mit kleinen Str¨omungswiderst¨anden Ξ nur schwer handhabbar sind, kann man d¨ unne Schichten mit gr¨oßerem Ξ als Vorhang in einem gewissen Abstand vor der Wand anbringen (Bild 6.10a). Auch f¨ ur diese Anordnung kann man den Absorptionsgrad zun¨achst anschaulich einsch¨atzen. Er wird nur dann groß sein, wenn die por¨ose Schicht in etwa von einem Schnellebauch im Schallfeld vor der Wand getroffen wird. Die Maxima von α liegen also bei 1 n αmax : λ + =a. 4 2
Dazu geh¨oren die Frequenzen c f= a
1 n + 4 2
.
Die Minima mit α ≈ 0 liegen bei αmin : Dazu geh¨oren die Frequenzen
λ
n =a. 2
(6.65)
166
6 Schallabsorption
f=
cn . a2
(6.66)
Dabei werden die Gipfel umso breiter sein, je gr¨oßer die Vorhangdicke d ist. Zur Berechnung setzt man d¨ unne Absorberschichten voraus. Die Druckdifferenz p1 − p2 der Dr¨ ucke p1 und p2 vor und hinter dem Vorhang kann dann in Analogie zu (6.36) durch den Str¨omungswiderstand p1 − p2 = Ξdv
(6.67)
abgesch¨atzt werden. Dabei wurde angenommen, dass sich die Schicht nicht elastisch verformt: v bezeichnet die Schnelle sowohl vor als auch hinter dem Vorhang. Aus dem letzten Abschnitt ist die Impedanz z2 = p2 /v des Luftraumes bekannt (man braucht dazu nur σ = 1 und ka d = kd in (6.59) zu setzen): p2 = −jc ctg(ka) , v so dass man aus (6.67) die Impedanz z des Gesamtaufbaues z2 =
z=
p1 p2 = Ξd + = Ξd − jc ctg(ka) v v
(6.68)
(6.69)
erh¨alt. d LuftHohlraum p1
p2
v
v
starre Wand
a Absorberschicht
Abbildung 6.10. (a) Por¨ oser Vorhang vor schallharter Wand
Die Ortskurve (Bild 6.10b) ist hier eine Parallele zur imagin¨ aren Achse, die wegen der Periodizit¨at des Cotangens mehrfach u ¨berdeckt wird. Wie stets wird α ein Maximum immer dann, wenn die Ortskurve die reelle Achse kreuzt. Das ist der Fall f¨ ur ctg(ka) = 0 ;
also
ka =
π + nπ , 2
was nat¨ urlich mit (6.65) inhaltsgleich ist. Die Maxima betragen αmax =
4 Ξd c Ξd c
2 = +1
4 Ξd c
+
c Ξd
+2
.
(6.70)
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
167
2.5
2
1.5
1
α=
Im(z/ρc)
0.5
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0
−0.5
−1
ω
−1.5
−2
−2.5
0
1
2
3
4
5
6
Re(z/ρc)
Abbildung 6.10. (b) Ortskurve der Impedanz des por¨ osen Vorhanges 1 1 2
Absorptionsgrad α
0.8 4
0,5
0.6
0.4 Ξd/ρc = 0,25 0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
a/λ
Abbildung 6.10. (c) Absorptionsgrad des por¨ osen Vorhanges
Sie bleiben gleich, wenn man das Verh¨ altnis Ξd/c durch seinen Kehrwert ersetzt. Wie man leicht durch Verschieben der Ortskurve im Bild 6.10b einsieht, haben
168
6 Schallabsorption
•
kleine Widerst¨ande Ξd/c schmale Absorptionsgipfel: bei Frequenz¨anderung von ctg(ka d) = 0 weg werden rasch viele unterschiedliche Linien α =const. geschnitten; • große Widerst¨ande Ξd/c breite Absorptionsgipfel: bei Frequenz¨anderung von ctg(ka d) = 0 weg werden zun¨ achst nur wenig andere Linien α =const. geschnitten.
Zusammenfassend (siehe auch Bild 6.10c) kann man feststellen, dass zueinander im Kehrwert stehende Widerst¨ ande Ξd/c zwar gleiche Absorptionsmaxima, aber sehr unterschiedliche Gipfelbreiten haben. Im Zweifel wird man sich also immer eher f¨ ur zu große Widerst¨ ande entscheiden. Wegen des Platzbedarfes (er ist gleich groß wie bei der Schicht endlicher Dicke) sind auch por¨ose Vorh¨ange fast nur als H¨ ohenabsorber zu verwenden. 6.5.4 Resonanzabsorber Einen wirksameren Tiefenabsorber erh¨ alt man, wenn man den por¨osen Vorhang noch mit einer Masse beschwert: Wie das Folgende zeigt, bewirkt die dazugekommene Massenimpedanz bei einer tiefen Frequenz eine Kompensation der durch den Cotangens in (6.69) gegeben Federimpedanz. Damit gelingt bei gleichem Platzbedarf die Herstellung einer Wandimpedanz ohne ” Imagin¨arteil“ bei einer niedrigeren Frequenz als ohne Zusatzmasse, und darin liegt der Vorteil des Resonanzabsorbers. Die Wandimpedanz des in Bild 6.11 geschilderten Aufbaues l¨asst sich leicht aus dem Tr¨agheitsgesetz bestimmen. F¨ ur die Druckdifferenz p1 − p2 vor und hinter der Masse gilt p1 − p2 = jωm v (6.71) (m = Masse pro Fl¨ache), und also ist z=
p1 p2 = jωm + = jωm + z2 , v v
worin z2 die Impedanz des por¨osen Vorhangs (6.69) darstellt. F¨ ur den mit einer Masse beaufschlagten por¨osen Vorhang ist also z = jωm − jc ctg(ka) + Ξd .
(6.72)
Die bloße Gestalt der Ortskurve ist die gleiche wie beim por¨ osen Vorhang (Bild 6.10b), wobei allerdings diesmal ganz andere Frequenzzuordnungen vorliegen. Statt in den Frequenzen ctg(kd) = 0 beim por¨ osen Vorhang liegen die Frequenzpunkte mit maximaler Absorption beim Resonanzabsorber in ctg(ka) = ctg
ωa ωm = . c c
(6.73)
Die transzendente Gleichung (6.73) zur Bestimmung der Frequenzstellen mit α = αmax l¨asst sich graphisch leicht l¨osen: Es handelt sich dabei um die
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
169
Schnittstellen der Cotangens-Funktion und einer Geraden, deren Steigung proportional zu m ist. Wie auch das Bild 6.12 zeigt, liegen die Frequenzen mit maximalem α deshalb um so niedriger, je gr¨ oßer der Massenbelag m ist. Darin liegt wie gesagt der eigentliche Vorteil von Resonanzabsorbern gegen¨ uber d
p1
LuftHohlraum
p2
starre Wand
a Flächenmasse m" Absorberschicht
Abbildung 6.11. Aufbau des Resonanz-Absorbers
1 ctg k a 0 0.5 Gerade, Steigung~m" 0
−0.5
−1 0
0.25
0.5
0.75
1
a/λ
Abbildung 6.12. Graphische Bestimmung der Frequenzen mit maximaler Absorption
einfachen por¨osen Vorh¨ angen: Durch den zus¨ atzlichen Massenbelag kann bei unver¨anderter Konstruktionstiefe eine niedrigere Frequenz-Abstimmung vor allem des ersten Absorptionsgrad-Maximums erreicht werden. Ein typischer Frequenzgang des Absorptionsgrades von Resonanzabsorbern ist in Bild 6.13 gezeigt. Am Vergleich mit Bild 6.10c erkennt man die deutlichen Verschiebungen der Maxima, wobei deren H¨ ohe αmax selbst nat¨ urlich unver¨andert geblieben ist: Genauso wie beim por¨ osen Vorhang ist
170
6 Schallabsorption
αmax =
4 Ξd c
+
c Ξd
+2
durch Gl. (6.70) gegeben.
1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
a/λ
Abbildung 6.13. Absorptionsgrad eines Resonanzabsorbers (mit Ξd/c = 1 und m /a = 2 gerechnet)
Bei praktischen Anwendungen interessiert vor allem der tiefste Gipfel. Wenn man davon ausgeht, dass in dessen Frequenzbereich nur Wellenl¨ angen vorkommen, die groß gegen¨ uber der Hohlraumtiefe a sind, dann kann man den Cotangens wieder durch sein reziprokes Argument ersetzen. Im Frequenzbereich des tiefsten Gipfels ist damit n¨aherungsweise c2 z = Ξd + j ωm − . (6.74) ωa
Die Abstimmfrequenz des Absorptionsmaximums ist gleich der Resonanzfrequenz
c2 ωres = (6.75) am des aus Fl¨achenmasse m und Luftpolstersteife c2 /a gebildeten einfachen Masse- Feder-Schwingers. Nun wird eine erw¨ unschte Abstimmfrequenz nur durch das Produkt von Hohlraumtiefe a und Massenbelag m eingestellt. Man k¨ onnte also ebenso gut leichte Bel¨age mit gr¨oßerer Hohlraumtiefe wie schwere Bel¨ age mit geringerem Platzbedarf kombinieren. Dabei ist allerdings zu bedenken, welche Konsequenzen eine solche Wahl f¨ ur die Bandbreite der Absorption hat: Wie wirkt sich
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
171
eine von der Resonanzfrequenz abweichende Anregefrequenz auf den Absorptionsgrad aus? Am einfachsten l¨ asst sich diese Frage beantworten, wenn man nur kleine Frequenz¨anderungen gegen¨ uber der Resonanz zul¨asst. In diesem Fall kann man den Imagin¨ arteil der Impedanz in (6.74) durch das erste Glied der Taylor-Reihe ersetzen: c2 d(ωm − c2 /ωa) ωm − = (ω − ωres ) ωa dω ω=ωres 2 c = (ω − ωres ) m + 2 (6.76) = 2m (ω − ωres ) . ωres a
Es ist damit α=
Ξd c
2 +1 +
4 Ξd c
2m c (ω
− ωres )
2
.
(6.77)
¨ Ublicherweise dr¨ uckt man die Gipfelbreite durch den Frequenzabstand ∆ω derjenigen beiden Punkte rechts und links vom Maximum aus, bei denen der Absorptionsgrad auf die H¨ alfte seines Maximalwertes abgesunken ist: α(ω = ωres ± ∆ω/2) =
1 αmax . 2
Der Absorptionsgrad betr¨ agt nun gerade dann die H¨alfte seines Maximalwertes, wenn die beiden Nennerausdr¨ ucke in (6.77) gleich groß sind; also ist
2 2 2m Ξd (ωres ± ∆ω/2 − ωres ) = +1 , c c
oder
Ξd + c . (6.78) m Die Halbwertsbreite ist demnach umgekehrt proportional zum Massenbelag m . Aus diesem Grund verwendet man meist kleine Massen, wenn man an gr¨ oßerer Bandbreite interessiert ist, und muss daf¨ ur eine etwas gr¨ oßere Hohlraumtiefe f¨ ur die Tiefabstimmung in Kauf nehmen. Bild 6.14 fasst nochmals die Abh¨ angigkeit des (tiefsten) AbsorptionsgradGipfels von den ihn bestimmenden Parametern zusammen. Wie man sieht (und aus (6.78) abliest) sind: ∆ω =
• •
die Gipfel bei konstantem m f¨ ur große Str¨ omungswiderst¨ ande Ξd/c breiter, die Maxima selbst sind wieder f¨ ur zueinander reziproke Ξd/c gleich; die Gipfel bei konstantem Ξd/c umso schm¨ aler, je gr¨ oßer m ist.
Die Gr¨oßenordnung der praktisch verwendbaren Massenbel¨ age ist (verglichen mit Fenstern, Blechen oder gar W¨ anden) ziemlich klein. Das zeigt ein Beispiel, bei dem ein Resonanzabsorber auf 200 Hz abgestimmt werden soll. Der Akustiker w¨ urde nun nat¨ urlich gern eine m¨ oglichst große Hohlraumtiefe
172
6 Schallabsorption
Ξ d/ρc = 1
1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
2
0,5
4
0,25
0.4
0.2
0 0.125
0.25
0.5
1
2
4
8
f/fres
Abbildung 6.14. (a) Absorptionsgrade von Resonanzabsorbern (mit m ω0 /c = 2 gerechnet) m"ω /ρc = 0,5 0
1
1
Absorptionsgrad α
0.8 2
4
0.6
8
0.4
0.2
0 0.125
0.25
0.5
1
2
4
8
f/fres
Abbildung 6.14. (b) Absorptionsgrade von Resonanzabsorbern (mit Ξd/c = 1 gerechnet)
a benutzen, um eine kleine Masse und damit eine große Bandbreite herzustellen. Nat¨ urlich darf er - aus anderen Gr¨ unden - nicht viel umbautes Raumvolumen abzwacken“ (eine Ausnahme bildet bei hohen R¨aumen die Decke); es ” sei deshalb angenommen, dass der Aufwand an Tiefe auf 10 cm begrenzt ist
6.5 Spezielle absorbierende Anordnungen
173
(immerhin w¨aren beim por¨ osen Vorhang oder bei der endlich dicken Schicht λ/4 ≈ 40 cm erforderlich!). Daraus ergibt sich mit 2 m = c2 /ωres a
ein Zahlenwert von etwa m = 0, 850 kg/m2 . Die Halbwertsbreite (bei Ξd/c = 1) betr¨agt dann etwa ∆f = 150 Hz, der Absorber wirkt“ also etwa von 125 Hz ” bis 275 Hz. Man sieht daran, dass dem Akustiker eine Massenhalbierung (und damit eine Verdopplung der Bandbreite und leider auch der Tiefe a) entgegenk¨ame. Auch Resonanzabsorber haben offensichtlich oft einen erheblichen Platzbedarf, wenn sie tieffrequent und breitbandig wirken sollen. Wegen der erw¨ unschten kleinen Massenbel¨ age realisiert man diese oft durch Luftmengen, die in den Bohrungen von gelochten Platten bewegt werden. Wie in Bild 6.15 dargestellt wird, besteht die absorbierende Gesamtan¨ ordnung dann aus einer als unbeweglich starr anzusehenden Platte mit Offnungen, die in die Absorber-Hinterlegung m¨ unden; die Platte ist in einem gewissen Abstand vor einer schallharten Wand montiert. Es fragt sich nun lediglich, durch welche Gleichung die f¨ ur gleichm¨aßige Massenverteilung geltende Kr¨ aftegleichung p1 − p2 = jωm v ersetzt werden muss. Dazu wird die zu einem einzelnen Loch geh¨ orende Masse betrachtet. Sie erf¨ahrt links und rechts die Kr¨ afte p1 SL und p2 SL (SL =Lochfl¨ache). Das Tr¨agheitsgesetz verlangt also p1 − p2 =
M jωvM , SL
(6.79)
wobei M die im Loch bewegte Masse und vM ihre Schnelle bedeutet. Nun wird gewiss nicht nur die im Lochvolumen selbst vorhandene Luftmasse bewegt, sicherlich werden davor und dahinter liegende Luftmengen mitgenommen werden. F¨ ur Kreisl¨ ocher mit dem Radius b kann man annehmen, dass die dadurch begr¨ undete Loch-M¨ undungs-Korrektur“ jeweils vor und hinter dem ” Loch durch eine Halbkugel gegeben ist, deren Radius gleich dem Lochradius ist. Es ist also (W = Lochdicke “ = Wandungsdicke) ” 4π 3 M = πb2 W + , b 3
oder
M 4 = W+ b . SL 3
(6.80)
Jetzt muss man noch ber¨ ucksichtigen, dass die ¨außere“ Schnelle v im Schall” onnen: Die pro Sefeld und die Lochschnelle vM sehr unterschiedlich sein k¨ kunde auf die Lochplatte innerhalb einer Fl¨ache S auftreffende Masse muss
174
6 Schallabsorption
Lochabstand
gelochte Platte
e
d
LuftHohlraum
Kreislöcher Radius b
starre Wand
a
Absorberschicht
Abbildung 6.15. Aufbau des Resonanz-Absorbers mit Lochplatten
sich durch die in S enthaltenen Gesamtlochfl¨ ache SLtot hindurch zw¨angen“. ” Aus der Massenerhaltung folgt SLtot vM = Sv , oder vM =
S v v= , SLtot σL
(6.81)
wobei σL den Lochanteil an der Plattenfl¨ache darstellt: ache . σL = Fl¨ache der L¨ocher/Gesamtfl¨ Zusammengenommen ist also durch Einsetzen von (6.80) und (6.81) in (6.79) W + 34 b p1 − p2 = jω v. (6.82) σL ¨ Alle vorangegangenen Uberlegungen u ¨ber Resonanzabsorber bleiben erhalten, wenn nur bei den Lochplatten die wirksame Fl¨achenmasse“ aus den Loch” plattendaten zu (W + 4b/3) m = (6.83) σL
berechnet wird. Wie man sieht besteht die bewegte Masse m NICHT in der in den L¨ochern gespeicherten Masse, wie manchmal irrt¨ umlich behauptet wird. Weil der Lochplattenanteil σL immer deutlich kleiner als 1 ist (meist liegt σL zwischen 0,1 und 0,3), ist die zu ber¨ ucksichtigende Masse m viel gr¨ oßer als W . Es sei noch erw¨ahnt, dass die M¨ undungskorrektur anders als oben angegeben in Wahrheit das 1,25-fache einer Kugel“ insgesamt betr¨ agt. Eine bessere ” ¨ Ubereinstimmung mit praktischen Anordnungen erh¨ alt man deshalb, wenn (6.83) noch durch (W + 5b/3) m = (6.84) σL ersetzt wird.
6.6 Der schr¨ age Schalleinfall
175
Das Beispiel σL = 0, 1; W = b = 1 cm mit m = 350 g/m2 zeigt, dass die erforderlichen Massenbel¨ age leicht herstellbar sind. Die Bauformen von Resonanzabsorbern sind vielf¨ altig. Die oben angesprochene Variante der mit Absorbermaterial hinterlegten Lochplatten wird oft f¨ ur Akustikdecken benutzt, weil sich hier meistens genug Platz f¨ ur eine Niedrigabstimmung findet. Andere Aufbauten bestehen z. B. in offenzelligen Sch¨aumen mit verdickter Oberfl¨ache, welche die Zusatzmasse bildet. Bereits seit einiger Zeit werden auch Folienabsorber benutzt, die vom Luftschallfeld zu Membranund Biegeschwingungen angeregt werden und dem Feld dadurch Schallenergie entziehen. Sie k¨onnen auch bis zu den tiefsten Frequenzen hin abgestimmt werden.
6.6 Der schr¨ age Schalleinfall In der Anwendungspraxis trifft die Schallwelle fast nie wirklich senkrecht auf die Absorberfl¨ache, im Gegenteil ist in R¨ aumen der diffuse, allseitige Schalleinfall eine realistischere Annahme. Aus diesem Grund sei hier noch der Frage nachgegangen, wie sich die Schallabsorption bei schr¨ag auftreffenden Wellen ¨andert. Die Antwort ist leicht, wenn dabei lokal wirksame absorbierende y
Hohlraum-Segmente Absorberschicht Ξd
schräger Einfall starrer Abschluß
ϑ
x
schallharte Trennelemente
a
Abbildung 6.16. Die Anrodnung aus einer absorbierenden Schicht vor einer Wand mit segmentiertem Hohlraum dazwischen l¨ asst sich als lokal wirksam auffassen, weil Querkopplungen in y-Richtung unterd¨ uckt werden.
176
6 Schallabsorption
Anordnungen vorausgesetzt werden. Bei ihnen sollen definitionsgem¨aß Ausgleichsvorg¨ange in der zur Oberfl¨ ache parallelen y-Richtung nicht auftreten. Bei einem pros¨osen Vorhang in einem gewissen Abstand vor einer schallharten Wand z. B. (siehe Bild(6.16)) setzt das die Segmentierung des Lufthohlraumes durch gleichfalls schallharte Trennelemente voraus. Nur in diesem Fall unterbleibt eine Kopplung der so voneinander getrennten parallelen Lufthohlr¨aume. L¨asst man die Segmentierung weg, dann ergibt sich bei schr¨agem Einfall im Hohlraum ebenfalls ein schr¨ ag laufendes Feld aus stehenden Wellen; die Wirkung ist nicht mehr rein lokal. Anordnungen nach dem Schema in Bild(6.16) lassen sich also als lokal wirksam auffassen und deshalb wieder durch eine ortsunabh¨angige Impedanz beschreiben. Auch direkt auf schallharte W¨ande aufgebrachte absorbierende Schichten lassen sich als lokal reagierend auffassen, wenn ihre innere D¨ampfung bei ausreichend großem Str¨omungswiderstand hoch ist. F¨ ur eine schr¨ag unter dem Winkel ϑ auf die absorbierende Anordnung auftreffende Welle pein = p0 e−jkxcosϑ+jkysinϑ (6.85) setzt sich das aus Schalleinfall und reflektiertem Anteil bestehende Gesamtfeld aus p = p0 (e−jkxcosϑ+jkysinϑ + rejkxcosϑ+jkysinϑ ) (6.86) = p0 ejkysinϑ (e−jkxcosϑ + rejkxcosϑ ) zusammen. Die ortsunabh¨ angige Wandimpedanz z ergibt sich also aus z=
p j ∂p ω ∂x
und das bedeutet r=
=
ρc 1 + r , cosϑ 1 − r
z c cosϑ z c cosϑ
−1
+1
.
(6.87)
(6.88)
Alle vorangegangenen Betrachtungen f¨ ur den senkrechten Schalleinfall bleiben also erhalten, nur dass die Wandimpedanz mit cosϑ multipliziert werden muss. Nach Gl.(6.88) werden Impedanzen, die gegen¨ uber der Anpassung zu gross sind, durch den schr¨ agen Einfall in ihrer Wirkung abgemildert, wie man am Absorptionsgrad des por¨ osen Vorhanges in Bild(6.17) ablesen kann. Zu kleine Impedanzen hingegen werden noch weiter verringert, der Absorptionsgrad nimmt jetzt mit dem Einfallswinkel ab (Bild(6.18)). F¨ ur diffusen Schalleinfall stellt sich etwa der zu ϑ = 450 geh¨ orende Absorptionsgrad ein. Einmal mehr erkennt man, dass eher zu grosse Str¨ omungswiderst¨ ande gew¨ ahlt werden sollten, um eine gute Schallschluckung zu gew¨ ahrleisten. Eine ¨ ahnliche Tendenz wie beim por¨ osen Vorhang ergibt sich auch bei einer por¨ osen Schicht direkt auf schallhartem Untergrund. Hier sind die Einzelheiten etwas verwickelter, weil diesmal Real- und Imagin¨ arteil der Impedanz durch den Str¨ omungswiderstand beeinflusst sind. Wie die Bilder (6.19)
6.6 Der schr¨ age Schalleinfall
177
ϑ = 00, 150, 300, 450, 600 1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
a/λ
Abbildung 6.17. Absorptionsgrad des por¨ osen Vorhangs mit Ξd/ρc = 2 bei schr¨ agem Schalleinfall.
1
ϑ = 00, 150, 300, 450, 600
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
a/λ
Abbildung 6.18. Absorptionsgrad des por¨ osen Vorhangs mit Ξd/ρc = 0, 5 bei schr¨ agem Schalleinfall.
und (6.20) zeigen, nimmt bei großen Str¨ omungswiderst¨anden nur die tieffrequente Absorption mit dem Einfallswinkel zu, hochfrequent l¨asst die Schallschluckung etwas nach. Bei kleinen Str¨ omungswiderst¨anden sinkt das Absorptionsverm¨ogen dagegen mit dem Einfallswinkel.
178
6 Schallabsorption
1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6
ϑ = 00, 150, 300, 450, 600
0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
d/λ
Abbildung 6.19. Absorptionsgrad der por¨ osen Schicht mit Ξd/ρc = 5 bei schr¨ agem Schalleinfall.
1
Absorptionsgrad α
0.8
0.6 ϑ = 00, 150, 300, 450, 600 0.4
0.2
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
d/λ
Abbildung 6.20. Absorptionsgrad der por¨ osen Schicht mit Ξd/ρc = 1 bei schr¨ agem Schalleinfall.
6.7 Zusammenfassung Die Messung des Absoprtionsgrades von Wandaufbauten wird f¨ ur den senkrechten Schalleinfall im Kundtschen Rohr vorgenommen. Dabei wird der Frequenzbereich durch die tiefste cut-on-Frequenz der h¨oheren Quermoden be-
6.8 Literaturhinweise
179
grenzt. Das Messprinzip beruht darauf, dass das Schallfeld abh¨angig vom Reflexionsfaktor der Probe aus fortschreitenden und stehenden Wellen zusammengesetzt ist: Bei vollst¨ andiger Reflexion treten nur stehende, bei vollst¨andiger Absortpion nur fortschreitende Wellen auf. Bei teilweiser Reflexion entsteht daher ein ¨ortlicher Effektivwertverlauf des Schalldruckes mit Minima und Maxima. Das Verh¨ altnis aus Druck-Minimum zu Druck-Maximum ist unmittelbar ein Maß f¨ ur die Wandabsorption: Ist das Verh¨altnis nahe bei Null, dann ist auch die Absorption gering, umgekehrt weisen Druckverh¨altnisse nahe bei 1 auf großen Absorptionsgrad hin. Zur Beschreibung von Wandaufbauten wird die Wandimpedanz z eingef¨ uhrt, die gleich dem Verh¨ altnis aus Druck und Schnelle auf der Wandoberfl¨ache ist. Das ’Anpassungsgesetz’ regelt den Zusammenhang zwischen Absorptionsgrad α und Wandimpedanz z. Es besagt, dass Imagin¨arteile der Wandimpedanz immer sch¨ adlich f¨ ur die Absorption sind und dass sich α = 1 nur f¨ ur den Anpassungsfall z = ρc einstellt. Große innere D¨ampfungen im Absorbermaterial nutzen also nur dann etwas, wenn das ¨außere Schallfeld auch in das Material eindringen kann und nicht schon an der Oberfl¨ache reflektiert wird. Tieffrequente Schallabsorption ist mit por¨ osen Schichten nur unzureichend zu erzielen. Resonanzabsorber k¨ onnen hier in gewissem Umfang f¨ ur Verbesserungen sorgen.
6.8 Literaturhinweise Wie f¨ ur ein Lehrbuch ja gar nicht anders m¨ oglich ist hier gleich eine ganze Reihe von Fragen und Problemen unbehandelt geblieben. Um nur Beispiele zu nennen: • • •
Ist es immer zutreffend, von einem starren Absorberskelett auszugehen, oder m¨ ussen dessen elastischen Eigenschaften in Rechnung gestellt werden? Wie sind die heute zunehmend verwendeten sogenannten mikroperforierten Absorber zu verstehen? Wie sind die Konstruktionsregeln f¨ ur Membran- und Folien-Absorber?
Die Antworten auf diese (und andere) Fragen muss anderen B¨ uchern u ¨berlassen bleiben. Viele, vor allem auch theoretische Fragestellungen sind im Werk von F.P. Mechel: Schallabsorber“, B¨ ande 1 bis 4, (Hirzel Verlag, Stutt” gart ab 1995) beantwortet. Schließlich bildet auch das entsprechende Kapitel 9 Schallabsorption“ von H.V. Fuchs und M. M¨ oser im Taschenbuch der Tech” ” nischen Akustik“(Herausgeber G. M¨ uller und M. M¨ oser, Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 2003) einen reichen Wissensschatz u ¨ber Schallabsorption. Hier finden sich auch zahlreiche Literaturangaben, die man zur Vertiefung spezieller Gebiete nutzen kann. Hinweise f¨ ur die Gestaltung von Pr¨ ufr¨aumen
180
6 Schallabsorption
enth¨alt das im Springer-Verlag (Berlin, Heidelberg, New York 2003) erschienene Buch von H.V. Fuchs Schallabsorber und Schalld¨ampfer“. ”
7 Grundlagen der Raumakustik
Wenn man in einem geschlossenen Raum eine zuvor u ¨ber l¨angere Zeit betriebene Schallquelle pl¨ otzlich abschaltet, so h¨ ort man einen Nachhall. Seine Dauer h¨angt von der Raumgr¨ oße und von der Raum-Ausgestaltung ab; der Nachhall ist kurz bei kleinen R¨ aumen und bei solchen, die dem Schall eine große absorbierende Fl¨ ache bieten. Große Volumina mit wenig Absorption besitzen dagegen lange Nachhalldauern, die leicht einige Sekunden erreichen. In der Zeit von beispielsweise 2 s hat der Schall einen Weg von fast 700 m zur¨ uckgelegt, die Raumbegrenzungen also bereits mehrfach getroffen; die Schallwellen sind an den W¨anden mehrmals und unter den verschiedensten Winkeln reflektiert worden. Jede Reflexion an einer (schallharten) ebenen Fl¨ache l¨asst sich auch als von einer an der Wand gespiegelten Quelle herstammend auffassen. Um auch Mehrfach-Reflexionen durch Quellen darzustellen, m¨ ussen danach auch den Spiegelquellen wieder neue Spiegelquellen h¨oherer Ordnung zugeordnet werden. F¨ ur einen Rechteckraum erh¨ alt man so einen ganzen Sternenhimmel“ von ” Ersatzquellen, der in Bild 7.1 f¨ ur eine Ebene wiedergegeben ist. Die dreidimensionale Erweiterung hat man sich analog vorzustellen. Das Schallfeld im Raum kann man sich insgesamt ersetzt denken durch die Summe der gleichzeitig von der Originalquelle und allen Spiegelquellen ausgehenden Teilschalle, die Verz¨ogerungen zwischen den Anteilen werden dabei durch die Laufstrecken der von den Spiegelquellen ausgesandten Schalle zum Betrachtungspunkt ausgedr¨ uckt. Sendet die Originalquelle einen kurzen Impuls aus, so erh¨alt man also ein Echogramm wie in Bild 7.2. Nur f¨ ur die ersten R¨ uckw¨ urfe wird der Eintreffzeitpunkt der Impulse wesentlich von der gegenseitigen Lage von Sender und Empf¨anger und deren Positionen im Raum bestimmt. F¨ ur h¨ohere Reflexionen (entsprechend Spiegelquellen h¨ oherer Ordnung) verwischen sich die Unterschiede immer mehr, denn die Dimensionen des Raumes werden bald gegen¨ uber den Entfernungen zu den Spiegelquellen vernachl¨assigbar. Die Anzahl N der bis zur Zeit t eingetroffenen Impulse (t = 0 entspricht dem Sendezeitpunkt der Originalquelle) kann man daher absch¨ atzen durch die Anzahl der
182
7 Grundlagen der Raumakustik
Abbildung 7.1. Spiegelschallquellen eines Rechteckraumes
Abbildung 7.2. Zeitfolge der R¨ uckw¨ urfe in einem von ebenen W¨ anden begrenzten Raum
Quellen, die innerhalb einer Kugel mit dem Radius r = ct liegen. Die Anzahl der R¨ uckw¨ urfe ist etwa gleich dem Verh¨ altnis aus dem Kugelvolumen Vs und dem Volumen V des Originalraumes, N=
Vs 4π (ct)3 = . V 3 V
(7.1)
F¨ ur ein (nicht eben sehr großes) Volumen von V = 200 m3 ergibt das etwa 800.000 Reflexionen innerhalb der ersten Sekunde. Wie man an Gleichung (7.1) und an Bild 7.2 sieht, nimmt die Dichte der eintreffenden Impulse ∆N dN (ct)2 ≈ = 4πc (7.2) ∆t dt V
7 Grundlagen der Raumakustik
183
immer mehr zu, die Gr¨ oße der eintreffenden Energieimpulse wird dagegen mit wachsender Zeit wegen der immer entfernteren Spiegelquellen mit Ein ≈
1 (ct)2
kleiner. Im zeitlichen Mittel ergibt sich die in einem Raumpunkt merkliche Energie E als Produkt aus der Anzahl der pro Zeiteinheit eintreffenden Impulse und ihrer Gr¨oße ∆N E = Ein = const . ∆t Die Energiedichte im Raum nimmt also bald einen zeitlich konstanten Wert an. Das gleiche gilt auch f¨ ur die ¨ortliche Energieverteilung: Je mehr die Raumdimensionen gegen¨ uber den Entfernungen der Spiegelquellen verschwinden, desto geringer muss der Einfluss der Lage eines Beobachtungspunktes sein. Man erwartet also sowohl f¨ ur die ¨ortliche als auch f¨ ur die zeitliche Energieverteilung konstante Verl¨aufe, solange - wie bisher vorausgesetzt - keine D¨ampfung im Raum vorhanden ist. Nun lehrt die Erfahrung zwar durchaus, dass man in ausreichend halligen R¨aumen in nicht zu naher Nachbarschaft der Quelle tats¨ achlich in jedem Raumort etwa die gleiche Lautst¨arke vorfindet; zeitlich jedoch klingt der Nachhall stets allm¨ahlich ab. Der Grund daf¨ ur besteht nat¨ urlich in der Schw¨ achung, die die Schallwellen durch D¨ampfung l¨angs der Ausbreitungswege und durch Absorption an den W¨anden (und der Raumeinrichtung) erfahren. Man wird daher in die folgenden Betrachtungen u aumen ¨ber die Schallausbreitung in R¨ gerade die Verluste wesentlich mit einbeziehen m¨ ussen. Dadurch wird die Tatsache eines r¨aumlich gleichverteilten Schallfeldes nicht gleichzeitig beeinflusst. Ein solches Schallfeld – es wird anschaulich als diffus“ bezeichnet – wird in ” erster, statistischer“ N¨aherung jedenfalls f¨ ur kleine D¨ ampfungen vorliegen. ” Im Einklang mit der an Hand der Spiegelquellen gewonnenen Anschauung scheint der diffuse Schall in jedem Raumpunkt etwa aus allen Richtungen gleichermaßen einzutreffen. Es soll also unter einem diffusen Schallfeld ein Feld verstanden werden, das sowohl bez¨ uglich der Einfallsrichtungen als auch bez¨ uglich des ¨ortlichen Pegels gleichverteilt ist. Ein solches ideal-diffuses“ Schallfeld in R¨aumen kann nat¨ urlich wieder ” nur eine idealisierte Fiktion sein, reale R¨aume verf¨ ugen sicher u ¨ber gewisse anden Abweichungen davon. Je h¨oher die Absorption im Raum und an den W¨ ist, desto mehr werden die wahren Verh¨altnisse den Annahmen widersprechen. Auch f¨ ur ungleichm¨aßig angebrachte Absorber – z.B. hohe Absorption an den W¨anden, aber nicht an Decke und Boden – wird die Annahme der RichtungsAllseitigkeit nicht wirklich erf¨ ullt sein, es w¨ urde in diesem Beispiel zu einem sogenannten Flatterecho“ kommen k¨onnen. Andererseits wird man mit der An” nahme statistischer Gleichverteilung wenigstens grob eine Einsch¨ atzung u ¨ber Schallfelder in R¨aumen erhalten, die mit exakteren Mitteln nur mit riesigem Aufwand und in kaum u ¨berschaubarer Weise erreichbar ist. Beim Rechteckraum mit den noch relativ einfach definierten parallelen Begrenzungsfl¨ achen
184
7 Grundlagen der Raumakustik
kann man mit wellentheoretischen Methoden wenigstens noch f¨ ur den Fall der kompletten Reflexion an den W¨ anden einige grunds¨ atzliche Aussagen machen. Liegen dagegen teilweise Schallschluckungen vor und sind diese sogar r¨aumlich verteilt und durch gr¨oßere Gegenst¨ ande im Raum bestimmt, die zus¨atzlich Streu- und Beugungswirkung besitzen, dann k¨ onnen strenge“ Rechnungen ” mit Hilfe der Wellentheorie aufgrund ihrer Komplexit¨at nicht mehr durchgef¨ uhrt werden. Im folgenden werden deshalb nur stark vereinfachende Betrachtungen angestellt. Dabei muss man sich im Klaren dar¨ uber sein, dass die getroffenen Vereinfachungen in den Details – z.B. in der ¨ortlichen Verteilung – nur noch statistisch einen Sinn ergeben. Wenn von einem ¨ortlich konstanten Pegel im diffusen Feld gesprochen wird, dann ist in Wahrheit ein r¨aumlicher Mittelwert gemeint, den man durch eine Vielzahl von Messungen in mehreren Aufpunkten ermittelt hat. Bevor die Betrachtungen an Hand der angenommenen Gleichverteilung auf Ort und Richtung beginnen, soll noch die Komplexit¨ at der wellentheoretischen Betrachtungen selbst f¨ ur den einfachen, verlustfreien Rechteckraum illustriert werden. F¨ ur diesen – er habe die Kantenl¨ angen lx , ly und lz – verlangen die Randbedingungen einen Schalldruck der Form p(x, y, z) =
∞ ∞ ∞
pnx ny nz cos
nx =0 ny =0 nz =0
nx πx lx
cos
ny πy ly
cos
nz πz lz
,
da an allen Begrenzungsfl¨achen Druckb¨ auche vorliegen m¨ ussen. Jede der ¨ ortlichen, dreidimensionalen Moden geht nun mit einer Resonanzfrequenz einher, die sich aus der Wellengleichung zu 2 2 2 ω nx πx ny πy nz πz k= = + + c lx ly lz
ergibt. Die Resonanzstellen kann man graphisch im Frequenzraum“ durch ” ein dreidimensionales Gitter darstellen (Bild 7.3), wobei jeder aus dem Gitter herausgeschnittene W¨ urfel die Kantenl¨ angen c/2 lx , c/2 ly und c/2 lz besitzt. Die Anzahl M der bis zu einer Frequenz f vorgefundenen Resonanzfrequenzen ergibt sich n¨ aherungsweise aus dem Volumen einer Achtelkugel mit dem Radius f geteilt durch das Volumen eines W¨ urfels: M=
π 3 6f c3 8lx ly lz
4π = 3
3 f V . c
(7.3)
Bei einem (kleinen) Raumvolumen von V = 200 m3 werden bereits bis zur Frequenz von nur 340 Hz etwa 800 Resonanzen u ¨berdeckt! Die Eigenfrequenzdichte betr¨agt 2 ∆M dM 4π f ≈ = V . (7.4) ∆f df c c
7 Grundlagen der Raumakustik
185
Im Beispiel w¨are also M/f = 60/Hz f¨ ur f = 1000 Hz; auf ein Frequenzintervall von 1 Hz Bandbreite entfallen bei f = 1000 Hz etwa 60 Resonanzstellen. Diese Zahlen machen wohl deutlich, dass nur die Annahme statistischer Verteilungen ¨ eine noch bew¨altigbare Ubersicht u ¨ber die Schallvorg¨ange in geschlossenen R¨aumen bieten kann. Ein diffuses Schallfeld, das nach Definition einen (etwa) ortsunabh¨angigen Pegel und einen aus allen Richtungen gleichermaßen erfolgenden Schalleinfall beinhaltet, kann nat¨ urlich nur mit hinreichend breitbandigen Signalen hergestellt werden. Ein reiner Ton f¨ uhrt zwangsl¨ aufig in schwach ged¨ampften R¨aumen zu stehenden Wellen mit ausgepr¨ agten B¨ auchen und Knoten. Nur wenn viele stehende Wellen gleichzeitig angeregt werden, k¨onnen sich diese zu einem nahezu ortsunabh¨ angigen, diffusen Schallfeld zusammensetzen.
Fr
e
e qu
nz
f
c/
2l
z
c/2l y c/2l x
Abbildung 7.3. Graphische Darstellung der Resonanzfrequenzen durch das Resonanzgitter. Jeder Gitterknoten bezeichnet eine Resonanzfrequenz
¨ Ublicherweise verlangt man deshalb f¨ ur raumakustische Messungen ein Zusammenspiel von Signalbandbreite ∆f und Raumvolumen V so, dass bei terzbreiter oder oktavbreiter Rauschanregung ∆M/∆f ≈ 1/Hz eingehalten wird. Gleichung (7.4) gibt dann den zugelassenen Messfrequenzbereich an, f¨ ur den
186
7 Grundlagen der Raumakustik
f≥
1 c3 1800 Hz ≈ Hz 4πV V /m3
gilt. F¨ ur V = 200 m3 z.B. k¨ onnte man also erst ab etwa 125 Hz messen. Die praktische Bedeutung der Forderung ∆M/∆f > 1/ Hz ergibt sich z.B. aus der Bandbreite des bei raumakustischen Messungen oft verwendeten Terzbandrauschens, f¨ ur das bekanntlich ∆f = 0, 23fm (fm = Mittenfrequenz) gilt. Demnach besagt die genannte Forderung, dass in der Terz mit fm = 125 Hz mindestens etwa M = 30 (fm = 200 Hz: mindestens M = 50) Resonanzen enthalten sein sollen.
7.1 Das diffuse Schallfeld
Ventil
In etwa kann man sich das Schallgeschehen in einem Raum vorstellen wie das F¨ ullen eines undichten Gef¨aßes mit Wasser (Bild 7.4): Wie die Wasserzuleitung beim Gef¨aß f¨ ullt der Schallsender nach dem Einschalten den Raum allm¨ahlich mit Schallenergie, bis ein gewisser Gleichgewichtszustand erreicht ist. Der dann eingependelte Pegel (Fl¨ ussigkeits- oder eben Schallpegel) erkl¨ art sich durch den Ausgleich zwischen Zufluss und dem Abfluss durch die Undichtigkeiten, die dem Energieentzug durch Absorption entsprechen. Schaltet man die Quelle nach Erreichen des station¨aren, eingeschwungenen Zustandes wieder ab, so sinkt der Pegel wieder, die Fl¨ ussigkeit bzw. die Schallenergie fließt ab.
Leistungszufluss P
Behälter V
EnergieInhalt
Absorptions(Sicker-) Fläche A
Abfluss
Abbildung 7.4. Analogie zwischen dem Fl¨ ussigkeitspegel in einem undichten Gef¨ aß und dem akustischen Energieinhalt eines Raumes
7.1 Das diffuse Schallfeld
187
Man erwartet also einen Zeitverlauf des diffusen Schallfeldes nach dem Schema des Bildes 7.5, das die naheliegende Unterteilung in die Zeitbereiche Anhall“, station¨arer Zustand“ und Nachhall“ wiedergibt. Alle drei Ab” ” ” schnitte k¨onnen durch eine Energiebilanz beschrieben werden, die einer Massenbilanz bei der Gef¨aß-Analogie entspricht. Ebenso wie die w¨ahrend der Zeit ¨ ∆t zufließende Masse sich verteilen muss auf eine Anderung des Gef¨aßinhaltes und auf den w¨ahrend der gleichen Zeit stattfindenden Abfluss, muss die vom Sender w¨ahrend ∆t zugef¨ uhrte Leistung P sich zusammensetzen aus ei¨ ner Anderung der im Raum gespeicherten Energie E und der w¨ahrend ∆t abfließenden Verlustleistung PL : P ∆t = V ∆E + PL ∆t ,
(7.5)
Leistung
worin E die r¨aumliche Energiedichte und V das Raumvolumen bezeichnen.
Schalldruckquadrat
t
Anhall
stationärer Zustand
Nachhall
Schalldruckpegel
t
t
Abbildung 7.5. Prinzipverlauf des diffusen Schallfeldes u ¨ber der Zeit
Es ist nun sicher sinnvoll anzunehmen, dass die Verlustleistung PL proportional zur aktuell vorhandenen Energiemenge EV ist. Wie bei der Fl¨ ussig-
188
7 Grundlagen der Raumakustik
keit fließt umso mehr Schall (Fl¨ ussigkeit) ab, je h¨ oher der Pegelstand gerade ist, wie man mit einem Loch am Fuß eines Gef¨ asses leicht verifizieren kann. Nat¨ urlich ist die Annahme PL ∼ EV auch f¨ ur den mit Schallenergie gef¨ ullten Raum physikalisch sinnvoll, weil die Verlustleistung in einer absorbierenden Einrichtung stets mit der Gr¨ oße des Feldes (quadratisch) zunimmt. Es gilt also PL = γEV , (7.6) wobei γ eine Verlust-Raumkonstante“ ist, die mit der absorbierenden Fl¨ache ” zusammenh¨angt. Im Falle der Fl¨ ussigkeit w¨ urde γ die Art, Beschaffenheit und Lage der Auslass¨offnungen – kurz: Die Abflussfl¨ ache – beschreiben. F¨ ur die Raumakustik sind in γ alle im Raum vorhandenen absorbierenden Fl¨achen enthalten. Man erh¨alt aus (7.5) und (7.6) im Grenzfall ∆t → 0 die Energiebilanz dE P = − γE . dt V
(7.7)
Gleichung (7.7) dr¨ uckt lediglich die genannte Vorstellung eines Raumgef¨aßes“ ” durch eine Formel aus. Dabei ist die Energiedichte nur indirekt aus Schalldruckmessungen bestimmbar, man muss sich also noch u ¨ber den Zusammenhang zwischen Druck und Energiedichte Klarheit verschaffen. Wegen der Annahme allseitig gleichm¨ aßigen Schalleinfalles aus allen Richtungen zugleich kann man davon ausgehen, dass die Schallschnelle im kurzen zeitlichen und ¨ortlichen Mittel gleich Null ist; im wesentlichen speichert der Raum also nur potentielle Energie. Deshalb ist E=
p˜2 , c2
(7.8)
worin p˜ den Druck-Effektivwert im diffusen Feld bezeichnet. 7.1.1 Nachhall Wenn man den Leistungs-Zufluss f¨ ur das Gef¨aß Raum“ f¨ ur die Schallener” gie abschaltet, dann l¨auft der Raum allm¨ahlich leer. Wie lange dieser Prozess dauert, das h¨angt wie gesagt von der in der Verlustkonstanten ausgedr¨ uckten Abflussfl¨ache ab: Große Fl¨achen f¨ uhren zu einem raschen, kleine Fl¨ achen dagegen zu einem langsamen, lange dauernden Abflussvorgang. Es ist also naheliegend, die Verlusteigenschaften des Raumes durch die Messung seiner Nachklingdauer zu quantifizieren. F¨ ur den bei t = 0 abgeschalteten Sender liefert die Gleichung (7.7) mit P = 0 die einleuchtende Tatsache, dass die Schallenergie mit E = E0 e−γt
(7.9)
nach dem Abschaltzeitpunkt exponentiell f¨allt. Nach (7.8) gilt dann f¨ ur den Effektivwert des Schalldruckes
7.1 Das diffuse Schallfeld
189
p˜2 (t) = p˜2 (0)e−γt , und daher gilt f¨ ur den Schalldruckpegel L(t) = 10 lg
p˜2 = L(t = 0) − γt10 lg e . p20
(7.10)
Der Pegel f¨allt linear mit der Zeit. Wie man an einem Beispiel in Bild 7.6 sehen kann, findet man diesen Pegel-Zeitverlauf bei gen¨ ugend diffusen Feldern in der Tat auch etwa bei Messungen wieder.
Abbildung 7.6. Pegelschrieb eines Nachhall-Vorganges
Die noch nicht n¨aher bestimmte Verlustzahl γ kann jetzt einfach aus der Steigung der Pegel-Zeit-Geraden berechnet werden. Man verwendet dazu jedoch nicht die mathematische Steigung“ der Kurve – Messkurven sind selten ” so glatt, dass ihre Differentiation zu einem vern¨ unftigen Ergebnis f¨ uhren w¨ urde – sondern die sogenannte Nachhallzeit T , die als diejenige Zeit definiert ist, die nach dem Abschalten des Senders vergeht, bis die Schallenergie auf den millionsten Teil des Anfangswertes abgeklungen ist. Das entspricht also der Zeit, w¨ahrend der ein Pegelabfall um 60 dB stattfindet. Nach (7.10) gilt daher 60 = γT 10 lg e , oder
13.8 . (7.11) T Praktisch ist die Ermittlung der Nachhallzeit eine einfach zu bewerkstelligende Messaufgabe. Man braucht z. B. nur den Pegel-Zeit-Verlauf nach Abschalten der Quelle mit einem Pegelschreiber zu registrieren. Meist benutzt man nicht den ganzen Pegelabfall von 60 dB, sondern schließt aus der 30 dBDifferenz auf die halbe Nachhallzeit (etc.), man w¨ urde sonst einen zu hohen γ=
190
7 Grundlagen der Raumakustik
Abstand gegen¨ uber (elektrischen oder tats¨ achlichen) den auch in Bild 7.6 erkennbaren Fremdger¨auschen einhalten m¨ ussen. Wie schon ausgef¨ uhrt kann die Schallabsorption stark frequenzabh¨ angig sein, die Messung muss also f¨ ur mehrere Frequenzb¨ander - meist in Terz- oder Oktavschritten - durchgef¨ uhrt werden. Bild 7.7 gibt ein Beispiel des Frequenzganges der Nachhallzeit eines Hallraumes, u ¨ber dessen Verwendungszweck noch zu reden sein wird. 10
Nachhallzeit T/s
8
6
4
2
0 125
250
500
1000
2000
4000
8000
f/Hz
Abbildung 7.7. Frequenzgang der Nachhallzeit des Hallraumes im Institut f¨ ur Technische Akustik, TU-Berlin
7.1.2 Der station¨ are Zustand Die Nachhallphase diente der messtechnischen Charakterisierung der RaumVerlusteigenschaften. Den vorausplanenden Akustiker interessiert nun nat¨ urlich die Frage sehr, wie sich denn diese Verlusteigenschaften auf die im Raum vorhandene Lautst¨arke auswirkt und wie man letztere durch Maßnahmen gezielt beeinflussen kann. Am einfachsten findet man begreiflicherweise die Antwort auf diese Fragen, wenn man sich Quellen im Dauerbetrieb“ – den sogenann” ten station¨aren Zustand also – vorstellt. Nach einer hier nicht interessierenden Anhall-Phase im dann erreichten eingeschwungenen Zustand des diffusen Feldes a ¨ndert sich der Energieinhalt des Raumes nicht mehr, es ist dE =0. dt
7.1 Das diffuse Schallfeld
191
Die vom Sender zugef¨ uhrte Leistung dient jetzt nur noch zur Deckung der Verluste, es ist also nach (7.7), (7.8) und (7.11) P 13.8 13.8 p˜2 = γE = E= . V T T c2
(7.12)
Mit Hilfe von (7.12) kann man den Schalldruckpegel aus den Raumeigenschaften Volumen V und Nachhallzeit T und aus der Sendeleistung P vorausberechnen. Aus vielerlei Gr¨ unden ist man dar¨ uber hinaus daran interessiert, die Nachhallzeit eines Raumes gezielt einzustellen. Ein Ziel dabei kann es sein, den Raum durch Bed¨ampfen m¨oglichst leise zu machen, das ist vor allem der Fall f¨ ur Zweckr¨aume (wie B¨ uros oder Fabrikhallen). In anderen F¨ allen sollen bestimmte, erw¨ unschte Nachhallzeiten eingestellt werden von denen bekannt ist, dass sie f¨ ur gut h¨ orbare“ R¨aume je nach Nutzungsart erforderlich sind. ” So sollen Konzerts¨ale beispielsweise etwa 2 s Nachhallzeit, Vorlesungsr¨ aume dagegen ein T von etwa 0,5 s besitzen. Um die Einstellung der Nachhallzeit m¨oglich zu machen, muss ihr Zusammenhang zu den im Raum vorhandenen Absorbern betrachtet werden, denn letztere bilden nat¨ urlich die Mittel zur Beeinflussung der Nachhallzeit. Dazu denkt man sich zun¨ achst alle im Raum vorhanden absorbierenden Fl¨ achen in Teilfl¨achen zerlegt, die jeweils konstante Eigenschaften besitzen. Dann wird die auf eine Teilfl¨ache S im Raum einseitig auftreffende Leistung Pin betrachtet (wenn ein Gegenstand Vorder- und R¨ uckseite besitzt – wie ein Mensch z. B. – dann besteht er eben aus zwei oder mehreren getrennten Teilfl¨ achen). Kennt man die absorbierende Eigenschaft der Fl¨ache ausgedr¨ uckt in ihrem Absorptionsgrad , dann kann man die absorbierte Leistung Paus aus der auftreffenden Leistung berechnen: Paus = αPin . (7.13) H¨angt der Absorptionsgrad eines Aufbaues noch von der Einfallsrichtung ab, dann benutzt man f¨ ur α einen u ¨ber die Richtungen gemittelten Wert. Wie immer auch die betrachtete Fl¨ ache in den Sternenhimmel“ der Spie” gelquellen in Bild 7.1 gelegt wird, es tr¨ agt doch immer nur die H¨ alfte der Quellen zum einseitigen Leistungs-Auftreffen bei. Der Einfachheit halber sei der von dieser H¨alfte der Quellen hervorgerufenen Schalldruck mit p1/2 bezeichnet. W¨ urde der Schall nur unter einem Winkel zur Fl¨ achen-Normalen auftreffen (Bild 7.8), dann w¨ are der Leistungstransport auf die Fl¨ ache zu mit dem Gesamtdruck p1/2 der relevanten Quellen-H¨alfte durch Pϑ = S
p˜21/2 c
cos ϑ
(7.14)
verkn¨ upft. Da im vorausgesetzten diffusen Feld Schalleinfall aus allen Richtungen gleichermaßen auftritt, muss f¨ ur den Gesamtzusammenhang zwischen der auf die Fl¨ache auftreffenden Leistung und dem Druck noch u ¨ber alle Einfallsrichtungen gemittelt werden. Weil cos ϑ alle Wert zwischen Null und 1
192
7 Grundlagen der Raumakustik
gleichermaßen annimmt setzt man im Mittel cos ϑ = 1/2 und findet f¨ ur das diffuse Feld p˜21/2 Pin = (7.15) S. 2c
Abbildung 7.8. Einseitig auf die Fl¨ ache S aus allen Richtungen auftreffende Intensit¨ at
Es ist nicht eben schwer, den nur von der H¨ alfte der Quellen herstammenden Druck durch den Gesamtdruck im diffusen Feld auszudr¨ ucken. Wie fr¨ uher gezeigt (siehe Kapitel 3, Abschnitt 3.4) lassen sich auch koh¨arente Schallquellen dann als inkoh¨ arent auffassen, wenn ihr Abstand groß gegen¨ uber der Wellenl¨ange ist und wenn unter dem Schalldruckquadrat ein r¨aumlicher Mittelwert verstanden wird. Diese Voraussetzungen sind ohnehin schon als gegeben angenommen worden. Deshalb ist das Schalldruckquadrat der H¨alfte der Quellen gerade halb so groß wie das aller Quellen: p˜21/2 =
1 2 p˜ . 2
(7.16)
Die von einer Seite auf eine Fl¨ache S auftreffende Leistung Pin ist also durch den Schalldruck im diffusen Raum-Feld wie folgt gegeben: Pin =
p˜2 S . 4c
(7.17)
Die von der Fl¨ache aus dem Schallfeld herausgenommene Leistung betr¨ agt deshalb p˜2 Paus = αPin = αS . 4c
Zum Schluss zieht man noch alle im Raum in Frage kommenden Teil߬ achen Si in Betracht. Insgesamt folgt daraus Paus =
p˜2 A, 4c
(7.18)
7.1 Das diffuse Schallfeld
193
worin f¨ ur A schon die Summe aller absorbierenden Teilfl¨achen genommen worden ist: (7.19) αi Si . A= i
Die sich aus den Produkten von allen Fl¨achen und deren Absorptionsgraden ergebende Gr¨oße A wird ¨aquivalente Absorptionsfl¨ache“ genannt. Weil man ” sich die Absorptionswirkung auch durch eine entsprechend kleinere Fl¨ ache mit dem Absorptionsgrad α = 1 ersetzt denken kann, ist f¨ ur A auch der Begriff der offenen Fensterfl¨ache“ gebr¨auchlich. Ihr Zusammenhang mit der Nachhallzeit ” aren SchallzustanT geht aus der Betrachtung des eingeschwungenen, station¨ des im Raum hervor, in welchem die vom Sender zugef¨ uhrte Leistung P gleich der insgesamt absorbierten Leistung Paus ist. Vergleicht man (7.12) und (7.18), so findet man die nach ihrem Entdecker benannte Sabinesche Nachhall-Formel 13, 8V A = . cT 4
Meist benutzt man die dimensionslose“, f¨ ur Luft geltende Form ” V /m3 T /s = 0.163 . A/m2
(7.20)
Die in der Sabine Formel enthaltene Proportionalit¨at zwischen Nachhallzeit und Raumvolumen entspricht auch der anschaulichen Vorstellung. Es leuchtet unmittelbar ein, dass ein großes Volumen V mit einer viel l¨ angeren Nachhallschleppe reagiert als ein kleines Volumen, wenn beide mit der gleichen Absorptionsfl¨ache A ausgestattet werden. Schon das bereits verwendete Beispiel mit V = 200 m3 eines W¨ urfel” raumes“ (Kantenl¨ange a = 5, 85 m) zeigt auch, dass man aus der Sabine Formel etwa realistische Nachhallzeiten berechnet. Nimmt man alle W¨ urfelseitenfl¨achen 6a2 mit α = 0, 05 als schwach absorbierend an, so betr¨ agt die Nachhallzeit T = 3, 3 s. Beachtet werden muss noch, dass die gesamte, im Raum und an den Begrenzungsfl¨achen stattfindende Energieumwandlung von Schall in W¨arme in der ¨aquivalenten Absorptionsfl¨ache A vollst¨ andig zusammengefasst ist. Nat¨ urlich w¨ urde man auch in R¨aumen mit wirklich kompletter Reflexion an allen Seiten eine endlich lange Nachhalldauer ermitteln, daf¨ ur w¨ urden die (geringen, aber vorhandenen) Verluste l¨ angs der Schallausbreitungswege sorgen. Insgesamt setzt sich also A aus den Anteilen A = Aα + AL
(7.21)
zusammen, wobei Aα den gezielt durch Fl¨achen-Absorption einstellbaren Anteil und AL den Anteil durch die unvermeidlichen Verluste im Medium Luft repr¨asentiert. F¨ ur die praktisch relevanten F¨alle kann man den AusbreitungsAnteil AL meistens vernachl¨assigen. Es sei hier nur noch erw¨ ahnt, dass die unvermeidlichen Verluste nat¨ urlich um so h¨oher sind, je gr¨ oßer das beschallte Volumen ist
194
7 Grundlagen der Raumakustik
AL /m2 = ν V /m3 .
(7.23)
Dabei ist ν eine Materialkonstante“, die vor allem von der Frequenz und der ” Luftfeuchtigkeit abh¨angt. N¨aherungsweise gilt die Erfahrungsgleichung 80 ν= ϕ/%
f kHz
2
10−3 ,
(7.24)
worin ϕ die relative Luftfeuchtigkeit in Prozent angibt. Ohne sonstige Absorption im Raum erh¨alt man als gr¨oßtm¨ogliche Nachhallzeit also Tmax = 0, 163 V /AL = 0, 163/ν = 80/(f /kHz)2 , wenn man von einer (oft in Innenr¨aumen etwa vorhandenen) Luftfeuchtigkeit von ϕ = 40% ausgeht. Man sieht leicht ein, dass die damit gegebene nat¨ urliche Nachhall-Begrenzung erst bei den h¨ochsten Frequenzen eine Rolle spielen kann. Offen geblieben ist noch die anfangs gestellte Frage des quantitativen Zusammenhanges zwischen Schalldruckpegel im station¨ aren Zustand und Absorption im Raum. Die Tatsache, dass im station¨aren Zustand zugef¨ uhrte Leistung P und Verlustleistung Paus gleich groß sind, gibt die Antwort. Nach (7.18) ist n¨amlich Paus p˜2 A = 2 2 P0 4p0 m
(P0 =Bezugsleistung= p20 /c 1 m2 , p0 =Bezugsschalldruck) und damit gilt f¨ ur den Schalldruckpegel L und Leistungspegel der Quelle Lp L = Lp − 10 lg A/m2 + 6 dB .
(7.25)
Daraus l¨asst sich bei gegebener Schallleistung und bekannter Absorptionsfl¨ ache der Druckpegel (im ¨ortlichen Mittel) vorausberechnen. Wie man sieht kann man den Diffusfeldpegel in R¨aumen um 3 dB pro Verdopplung der Absorptionsfl¨ache verringern. Die Zusatzausstattung eines Raumes mit Absorption ist allerdings hinsichtlich der erwarteten Pegelsenkungen nur dann wirklich erfolgreich, wenn die urspr¨ unglichen Nachhallzeiten ziemlich lang waren. K¨ urzere Nachhallzeiten (etwa im Bereich von 1 s) bieten nur sehr selten noch Spielraum f¨ ur Pegelverringerungen. Gleichung (7.25) kann auch zur Bestimmung der von einer Quelle (z.B. einer Maschine) abgegebenen Leistung durch Messung des mittleren Raumpegels benutzt werden, wenn die Nachhallzeit des Messraumes bekannt ist. F¨ ur diese Leistungsmessung im Hallraum m¨ ussen R¨aume mit m¨ oglichst großer und gut reproduzierbarer Nachhallzeit verwendet werden, damit die Voraussetzungen des diffusen Feldes erf¨ ullt sind. Dabei darf die Messung der einzelnen, f¨ ur die r¨aumliche Mittelung erforderlichen Schalldruckpegel nat¨ urlich nicht zu nahe bei der Quelle erfolgen. In großer N¨ahe zur der Quelle u ¨berwiegt ihr Direktfeld gegen¨ uber dem (fast) nur aus Reflexionen gebildeten Hallfeld; u ¨ber
Schalldruckpegel L
7.1 Das diffuse Schallfeld
195
A = A1, T = T1
3 dB
Hallradien A = 2A1, T = T1/2
log(r)
Abbildung 7.9. Ortsverlauf des Schallfeldes in gleichgroßen R¨ aumen mit den Absorptionsfl¨ achen A1 und 2A1
dem Abstand von der Quelle ist ein ¨ ortlicher Pegelverlauf wie in Bild 7.9 zu ¨ erwarten. Dabei h¨angt der Ubergangspunkt zwischen den Grenzf¨allen von der H¨ohe des diffusen Feldes ab: F¨ ur kleine absorbierende Fl¨achen reicht ¨ es bis in gr¨oßere Quellen-Nachbarschaft. Eine Absch¨atzung des Ubergangspunktes kann man aus der im Freien g¨ ultigen Gleichung f¨ ur das Direktfeld P = 4πr2 p2direkt /c und Gleichung (7.18) P = Ap2diffus /4c herleiten. Wenn man den Hallradius rH so festlegt, dass er den Abstand von der Quelle bezeichnet, in dem die Schallanteile von direktem und diffusem Feld gleich groß 2 sind, so erh¨alt man 4πrH = A/4, oder rH =
1√ A. 7
(7.26)
F¨ ur Abst¨ande r > rH besteht also das Gesamtfeld fast nur aus diffusem Anteil, f¨ ur r < rH etwa nur aus dem Direktschall der Quelle. Entsprechend sind Messungen, die ausdr¨ ucklich das gleichm¨aßige Raum-Schallfeld zum Gegenstand haben, stets außerhalb des Hallradius durchzuf¨ uhren. Bei R¨aumen mit verteilter Kommunikation“ wie Caf´es und Restaurants ” ist es sehr wichtig darauf zu achten, dass normale Gespr¨ achspartner“ nicht ” vorwiegend vom diffusen Feld und damit vor allem von fremden Gespr¨ achen und Ger¨auschen mit Schall versorgt werden. In einer solchen schlechten Akustik bleibt den Individuen nur der dann ja auch meist intuitiv beschrittene Ausweg, die eigene Lautst¨arke zur besseren Verst¨andigung immer weiter zu steigern (solche R¨aume sind eigentlich nur zu ertragen, weil in ihnen oft trotzdem gute Laune herrscht; akustisch sind sie kleine Katastrophen). Als Maßzahl ließe sich hier vielleicht eine Art Individualit¨atsradius“ rI wie folgt vorschla”
196
7 Grundlagen der Raumakustik
gen. Angenommen, es befinden sich N gleichzeitig mit gleicher akustische Leistung sprechende Menschen im Raum. Dann bewirkt die Leistung N P dieser N inkoh¨arenten Quellen den Schalldruck p2diffus = 4cN P/A im Diffusfeld. Der Individualit¨ atsradius wird als derjenige Abstand definiert, bei dem das von einem einzelnen Sprecher erzeugte Direktfeld p2direkt = cP/4πr2 gleich dem Diffusfeld von N Personen ist
1 A rI = . 7 N
Erhebt man Anspruch auf ungest¨orte Unterhaltung“ im Abstand von 0,4 m, ” dann wird damit gleichzeitig eine Absorptionsfl¨ache von etwa 8 m2 pro Person (insgesamt also A = 8N m2 ) verlangt, eine ganz ordentliche Forderung. F¨ ur nicht zu dicht mit Tischen ausgestatte Restaurants kann sie meistens durch vollfl¨achige Belegung der Decke mit Absorption realisiert werden. Beliebte, mit dicht gedr¨angten Besuchern gef¨ ullte Stehkneipen lassen dem Akustiker meist keine Chance. Dass N Besucher auch etwa N m2 Absorptionsfl¨ ache bieten, andert daran leider nicht viel. Im Grenzfall vieler Menschen u ¨ ¨berwiegt deren Absorptionsfl¨ache A = N m2 die Raumausstattung. Dann ist rI = 14 cm, mit den entsprechenden Konsequenzen. 7.1.3 Messung des Absorptionsgrades im Hallraum F¨ ur den gezielten Einsatz von absorbierenden Auskleidungen f¨ ur raumakustische Zwecke ist es oft erforderlich, ihren Absorptionsgrad gerade unter den Bedingungen des Schalleinfalles aus vielen, verteilten Richtungen unter Laborbedingungen zu messen. Man kann diese Messung in einem Hallraum vornehmen, der in leerem Zustand die Nachhallzeit (T in s, V in m3 , A in m2 ) Tleer = 0, 163 V /Aleer
(7.27)
besitzen m¨oge. In Aleer sind alle Verlustursachen des Hallraums, also auch die der Ausbreitung, zusammengefasst. Bringt man anschließend eine absorbierende Fl¨ache ∆A (die bei normalen Hallr¨aume mit V = 200 m3 etwa 10 m2 betragen soll) in den Hallraum ein, so erh¨oht sich die absorbierende Fl¨ ache auf A = Aleer + ∆A, (7.28) wenn man zu recht davon ausgeht, dass die Abdeckung eines HallraumOberfl¨achen-Teiles nur eine sehr geringe Rolle spielt. Bei dem Beispiel V = 200 m3 , Raumbegrenzungen S = 200 m2 und einer Messfl¨ ache von 10 m2 f¨ ur
7.2 Zusammenfassung
197
den Absorber m¨ usste man streng genommen Aleer um 5% korrigieren. So genau sind die Nachhallzeiten allerdings gar nicht messbar, die Messtoleranz streut erheblich mehr. Man darf also den Abdeckungsfehler“ getrost außer ” acht lassen. Zur durch die Probe vergr¨ oßerten Absorptionsfl¨ache misst man die Nachhallzeit (7.29) T = 0, 163 V / (Aleer + ∆A) . Demnach l¨asst sich die Absorptionsfl¨ ache der Probe V 1 1 ∆A = 0, 163 − Aleer = 0, 163 V − T T Tleer
(7.30)
durch Messung der Nachhallzeiten T und Tleer mit und ohne Probe ermitteln. Hieraus kann man den Absorptionsgrad A α=
∆A S
errechnen (S = Probenfl¨ache). Es kann vorkommen, dass man dabei Absorptionsgrade von α > 1 ermittelt, die physikalisch eigentlich nicht vorkommen d¨ urften. Die Ursache daf¨ ur besteht darin, dass die Voraussetzung der ¨ortlichen Gleichverteilung nicht streng erf¨ ullt ist. So erh¨alt man an den Kanten des stets eine endliche Dicke aufweisenden Materials immer Beugungseffekte, die auch dann zu einem Druckstau in der N¨ahe der Kanten f¨ uhren, wenn die Kantenfl¨ achen schallreflektierend abgedeckt werden. Auf diese Weise errechnet man etwas gr¨ oßere Absorptionsgrade als in Wahrheit vorhanden.
7.2 Zusammenfassung In geschlossenen R¨aumen stellt sich bei ausreichender Signalbandbreite und nicht zu großer Absorption ein diffuses Schallfeld ein. F¨ ur Abst¨ ande zur Quelle, die gr¨oßer als der Hallradius sind, ist der dort vorherrschende Diffusfeldpegel etwa u ¨berall gleich, der Schalleinfall erfolgt aus allen Richtungen zugleich. Die ¨ortlich gleichverteilte Schallenergie verh¨ alt sich dann ¨ ahnlich wie die Fl¨ ussigkeit in einem undichten Gef¨ aß: Bei Leistungszufuhr w¨ achst der Energieinhalt und damit der Raumpegel zun¨achst an und erreicht dann ein station¨ares Gleichgewicht, in welchem der Schalldruckpegel noch von der ’akustischen Undichtigkeit’ des Raumes abh¨angt. Letztere wird durch die ’¨ aquivalente Absorptionsfl¨ache’ oder die ’scheinbare offene Fensterfl¨ ache’ quantifiziert, in der alle im Raum wirksamen Verlustmechanismen zusammengefaßt sind. Pro Verdopplung der ¨aquivalenten Absorptionsfl¨ ache reduziert sich der Raumschallpegel im eingeschwungenen Zustand um 3 dB. Nach Abschalten einer Quelle f¨ allt der Pegel im Raum linear mit der Zeit, die Steigung der Geraden w¨achst dem Betrage nach mit der Absorptionsfl¨ache an. Diese Tatsache nutzt man zur Messung der Raumverluste, die
198
7 Grundlagen der Raumakustik
durch die Nachhallzeit T ausgedr¨ uckt werden. Darunter wird diejenige Zeit verstanden, in welcher der Pegel um 60 dB abnimmt. Der Zusammenhang zwischen Nachhallzeit und Absorptionsfl¨ ache wird durch die Sabine-Gleichung ache A in m2 , Volumen V in m3 , T in s) ausA = 0, 163V /T (Absorptionsfl¨ gedr¨ uckt. Sie gibt an, wie sich die Nachhallzeit eines Raumes gezielt ver¨andern l¨asst, sie kann auch zur Bestimmung der in einem Raum vorhandenen Absorptionsfl¨ache aus gemessenen Nachhallzeiten benutzt werden.
7.3 Literaturhinweise Das Werk Room Acoustics“ von H. Kuttruff (Elsevier Science Publishers, ” London 1991) enth¨alt nicht nur einen h¨ ochst lehrreichen und interessanten Wissensschatz u uber hinaus sehr gut lesbar und ¨ber Raumakustik, es ist dar¨ verst¨andlich geschrieben. Eine sehr tiefgehende und detailreiche Schilderung findet man auch in L. Cremers und H.A. M¨ ullers mehrb¨andigem Werk Die ” wisenschaftliechen Grundlagen der Raumakustik“(Hirzel Verlag, Stuttgart 1978).
8 Schalld¨ ammung
In diesem Kapitel wird die Schall¨ ubertragung zwischen den R¨aumen eines Geb¨audes (bzw. von außen ins Geb¨ aude) behandelt. Das praktisch recht wichtige Thema betrifft also den Schutz von Innenr¨ aumen vor Straßen- und Nachbarschaftsl¨arm. Der von außen in einen Raum eindringende L¨arm kann eine der beiden folgenden Ursachen haben: 1. Direkt auf W¨ande oder Decken des Geb¨ audes wirken Kr¨afte ein, wie z.B. durch Begehen eines Fußbodens oder durch Betrieb einer im Geb¨aude stehenden Maschine. Die Krafteinleitung bewirkt Schwingungen der Geb¨audeteile, es entsteht K¨ orperschall, der auch in entferntere Stockwerke fortgeleitet wird. Die Schwingungen der Geb¨ audeteile regen die sie umgebende Luft zur Schallabstrahlung an. Insgesamt kann man diesen SchallEntstehungsweg kurz durch die Stichworte Kr¨afte → K¨orperschall → ” Luftschall“ zusammenfassen (Bild 8.1). 2. Auch das in einem Raum erzeugte Luftschallfeld, z.B. durch Sprechen, Betrieb von Unterhaltungselektronik oder von Maschinen emittiert, stellt bez¨ uglich der umgebenden W¨ ande und Decken eine Kraftanregung dar, die diesmal ¨ortlich verteilt ist und nicht mehr (wie eben) punktf¨ormig erfolgt. Auch hierdurch werden Schwingungen in den Bauteilen erzeugt, ¨ der Ubertragungsweg l¨ asst sich kurz durch Luftschall → K¨orperschall → ” Luftschall“ beschreiben (Bild 8.1). Beiden Anregeformen von Schall in Geb¨ aude-R¨ aumen ist gemeinsam, dass ¨ die Ubertragung nicht notwendigerweise auf einem direkten“ Weg stattfin” det (Bild 8.2). Die Schwingungsausbreitung kann viele Wege nehmen, weil angrenzende Bauteile untereinander Schwingenergie austauschen k¨onnen. Zum ¨ direkten Ubertragungsweg u ¨ber die Trennwand (bzw. Decke) zum angrenzenden Raum kommen noch viele andere, sogenannte Nebenwege hinzu. Im allgemeinen Fall kann man nicht einmal sicher ohne Messungen feststellen, welcher der Wege der wichtigste ist. Beispielsweise kann die direkte Trennwand durch geeigneten Aufbau eine so hohe Schalld¨ ammung besitzen, dass die
200
8 Schalld¨ ammung
¨ Abbildung 8.1. Ubertragung und Entstehung von Luftschall in Geb¨ auden
¨ Abbildung 8.2. Schall-Ubertragungswege. Ff: Weg Flanke-Flanke, Fd: FlankeDirekt-Weg; Dd: Direkt-Weg; Df: Direkt-Flanken-Weg
Flanken¨ ubertragung den Hauptpfad darstellt. Die noch weitergehende schalltechnische Verbesserung einer Trennwand muss also nicht immer ein Resultat in der Gesamtd¨ammung hervorbringen. An diesen Bemerkungen kann man ablesen, welche Komplexit¨at das Problem der Schall¨ ubertragung in Geb¨ auden in Wahrheit besitzt. Hier k¨onnen ¨ nat¨ urlich nur die Grundlagen betrachtet werden. Die folgenden Uberlegungen betreffen deshalb nur die Schall¨ ubertragung durch die direkte Trennwand. In vielen, aber eben nicht allen F¨ allen wird damit auch der Haupt¨ ubertragungsweg charakterisiert. Zum Beispiel sind sicher die Fenster der Schwachpunkt ¨ in der Schalld¨ammung nach außen, man darf dann die Ubertragung u ¨ber andere Bauteile oft vernachl¨ assigen. Auch f¨ ur schwere flankierende Bauteile (z.B. W¨ande mit einer Fl¨achenmasse von mehr als 300kg/m2 ) kann man außer bei extremen Anforderungen davon ausgehen, dass der direkte Weg auch der wichtigste ist. Einer guten Tradition folgend beginnt das Kapitel zun¨achst mit den Messmethoden zur Bestimmung der Schalld¨ ammung von Bauteilen.
8.1 Messung der Luftschalld¨ ammung Bei der Messung des Schalld¨ ammmaßes bildet das Messobjekt die Trennwand zwischen zwei R¨aumen (Bild 8.3), die im Folgenden als Sende- und Empfangs-
8.1 Messung der Luftschalld¨ ammung
201
Abbildung 8.3. Messanordnung zur Bestimmung des D¨ ammmaßes der Trennwand zwischen zwei R¨ aumen
raum bezeichnet werden. Wie im Kapitel u uhrlicher ge¨ber Raumakustik ausf¨ zeigt wird, h¨angt der in einem Raum vorhandene Schallpegel nicht nur von der eindringenden Leistung, sondern auch von der akustischen Raumausstattung ab. W¨ urde man als Maß f¨ ur die Schalld¨ ammung einer Wand gegen¨ uber Luftschall einfach die aus den Pegeln im Sende und Empfangsraum gebildete Differenz benutzen, so w¨ are diese Zahl nicht nur f¨ ur die Wand-Eigenschaften, sondern zugleich f¨ ur die R¨ aume charakteristisch. Grunds¨atzlich benutzt man daher als wandbeschreibendes Maß den Transmissionsgrad τ = PE /PS ,
(8.1)
der das Verh¨altnis aus empfangsseitig durchgelassener Leistung PE zur sendeseitig auftreffenden Leistung PS darstellt. Setzt man zu beiden Seiten des Trennelements diffuse Schallfelder voraus, so gilt nach Gl. (7.17) f¨ ur die auftreffende Leistung p˜S 2 S PS = , 4c worin p˜s den Effektivwert des Schalldruckes im Senderaum beschreibt, S ist die Fl¨ache des Bauelementes (Bezeichnungen siehe auch Bild 8.3). Im Empfangsraum ist im hier betrachteten eingeschwungenen, station¨aren Zustand die zugef¨ uhrte Leistung gleich der absorbierten Leistung (Gl. (7.18)) PE =
p˜E 2 AE , 4c
wobei AE die ¨aquivalente Absorptionsfl¨ache des Empfangsraumes ist. Den Transmissionsgrad p˜E 2 AE τ= 2 (8.2) p˜S S
dr¨ uckt man noch durch das Schalld¨ ammmaß R R = 10 lg 1/τ = LS − LE − 10 lg
AE S
(8.3)
202
8 Schalld¨ ammung
¨ aus, womit man sinnvollerweise große Zahlenwerte f¨ ur R bei kleinen Ubertragungen erh¨alt. Unter den Pegeln im Sende- und Empfangsraum LS und LE sind nat¨ urlich wieder r¨ aumliche Mittelwerte zu verstehen (damit sind die Pegel der Schalldruckquadrate jeweils im ¨ ortlichen Mittel gemeint). Aus den schon genannten Gr¨ unden ist noch eine Messung der Nachhallzeit im Empfangsraum erforderlich, aus der dann mit Hilfe der Sabine-Formel die ¨aquivalente Absorptionsfl¨ache berechnet wird. Wie auch die Beispiele in den Bildern 8.8, 8.9 und 8.10 zeigen, sind die Schalld¨ammmaße von Bauteilen frequenzabh¨ angig, sie steigen in der Tendenz mehr oder minder rasch mit der Frequenz an. Die Messung wird daher unter Variation der Frequenz, meist in Terz- oder Oktavschritten, vorgenommen. Als Pr¨ ufschall wird Rauschen entsprechender Bandbreite benutzt. Man erh¨alt so einen Frequenzgang von R, der im sogenannten bauakustischen“ Frequenz” bereich zwischen 100 Hz und 3,15 kHz ermittelt wird. H¨ohere Frequenzen interessieren nicht, weil die D¨ ammung hier fast immer groß ist. Bei tieferen Frequenzen l¨asst die Ohrempfindlichkeit rasch nach, auch ist die Messung nur schwer durchf¨ uhrbar und ungenau. Im Grunde ist damit das Schalld¨ ammmaß durch seinen Frequenzgang klar beschrieben, der sich in einer gewissen Anzahl von Zahlenwerten ausdr¨ uckt. Aus mancherlei Gr¨ unden ist man daran interessiert, diese Vielzahl“ von ” Werten in einen Einzahlwert“ umzurechnen, der das“ Schalld¨ammmaß ” ” durch einen einzigen Zahlenwert wenigstens grob fasst. Nat¨ urlich sind dadurch Vergleiche zwischen verschiedenen Trennelementen hinsichtlich ihrer Schalld¨ammung einfacher. Die Zusammenfassung des Frequenzganges zu einem Einzahlwert muss wegen der immer vorgefundenen Frequenzabh¨ angigkeit durch einen Vergleich mit einer genormten Bezugskurve“ (sie ist in Bild 8.4 enthalten) ermittelt wer” den. Die Bezugskurve und das im Folgenden n¨ aher erkl¨arte Auswerteverfahren sind in der DIN EN ISO 717 genormt (das Messverfahren selbst legt die DIN EN ISO 140 fest). Der Vergleich der Messkurve R mit der Bezugskurve B zur Bestimmung des Einzahlwertes geschieht wie folgt. Die Bezugskurve wird solange in 1dB-Schritten in Richtung auf die Messkurve verschoben, bis die Summe der ” Unterschreitungen“ S S= U nterschreitungen der Messkurve gegen¨ uber der Bezugskurve weniger als 32 dB betr¨agt (Bild 8.4). Bei der Verschiebung werden nur die Unterschreitungen gez¨ahlt (also die Stel¨ len, wo die verschobene Bezugskurve u ¨ber der Messkurve liegt), Uberschreitungen werden nicht ber¨ ucksichtigt. Der 500 Hz - Punkt der verschobenen Bezugskurve bezeichnet jetzt das sogenannte ’bewertete’ Schall¨ammmaß Rw . W¨are die Bezugskurve (bei einem entsprechenden Messergebnis) nicht zu verschieben, dann betr¨ uge Rw = 52dB (Bild 8.4). Die genannte Summe der Unterschreitungen entspricht bei 16 Terzb¨andern etwa einer mittleren Unterschreitung“ von 2 dB. Die praktische Berechnung ”
8.1 Messung der Luftschalld¨ ammung
203
von Rw wird nach ’trial and error’ durchgef¨ uhrt: Man probiert solange Verschiebungen in 1-dB-Schritten aus, bis man die Richtige gefunden hat. Am einfachsten geht das nat¨ urlich mit dem Computer. Ein Beispiel f¨ ur die geschilderte Auswerteprozedur ist in Bild 8.4 dargestellt.
Abbildung 8.4. Zur Definition des bewerteten Schalld¨ ammmaßes Rw . B = Bezugskurve, Bv = verschobene Bezugskurve, M = Messwerte, U = Unterschreitungen von osele: Schalld¨ ammmung in Geb¨ auden, Kapitel 8 in M gegen¨ uber Bv (aus : K. G¨ Taschenbuch der Technischen Akustik“, Springer, Berlin und Heidelberg 2003) ”
Grob gibt Rw das mittlere“ Schalld¨ ammmaß im mittleren“ Frequenzbe” ” ur normale“ Bedingungen reich an. Setzt man in (8.3) noch AE ∼ S (was f¨ ” in Wohnr¨aumen und f¨ ur W¨ande, nicht f¨ ur Fenster, ganz gut stimmt), so kann man etwa die Pegeldifferenz absch¨atzen:
LS − LE = Rw .
(8.4)
Diese allerdings nicht eben sehr genaue Absch¨atzung wird praktisch oft ben¨otigt. Die Frage nach der in einem Raum tats¨achlich vorhandenen L¨ armbelastung bei bekannter D¨ammung und bei bekanntem Außenpegel stellt sich h¨aufig. Die Absch¨atzung (8.4) kann vor allem dann ziemlich verkehrt sein, wenn der Frequenzgang R des Schalld¨ammmaßes ganz anderen Schwankungen als die Bezugskurve unterliegt und wenn die wichtigste“ Frequenz wesentlich ” unter 500 Hz liegt. Eine wirklich korrekte Vorausberechnung des Empfangspegels LE kann man nur nach Gl.(8.3) machen, wozu der Frequenzgang von urlich l¨asst LS , von R und im Prinzip auch von AE bekannt sein muss. Nat¨ sich der so errechnete Frequenzgang von LE dann auch wieder in Einzahlwerte (dB(A) etc.) umrechnen. In der Ingenieur-Alltags-Praxis sind die genannten
204
8 Schalld¨ ammung
Kenntnisse selten vorhanden (bzw. es ist viel zu teuer, sie zu beschaffen). Man erh¨alt dann mit (8.4) wenigstens einen Anhaltswert. Hinweise, wie das ermittelte Schalld¨ ammmaß eingesch¨atzt werden kann, gibt der Anforderungskatalog der DIN 4109 ’Schallschutz im Hochbau’. Sie nennt ’Mindestanforderungen’ f¨ ur die jeweiligen Anwendungsgebiete (z. B. Wohnr¨aume, R¨aume in Krankenh¨ ausern, etc.) ebenso wie Richtwerte f¨ ur den gehobenen Schallschutz.
8.2 Luftschalld¨ ammung einschaliger Bauteile Wie schon eingangs erw¨ ahnt folgt die Schall¨ ubertragung von einem Raum (hinfort Senderaum genannt) u ¨ber eine Wand oder Decke in einen angrenzenden Raum (hinfort Empfangsraum genannt) einer einfachen Wirkungskette: Die auftreffende Luftschallwelle verbiegt“ die Wand elastisch, die Wand” schwingungen wirken als Schallsender f¨ ur den Empfangsraum. Eine m¨oglichst einfache Modellvorstellung soll Aufschluss u ¨ber den Einfluss der Wand-Parameter (Masse, Dicke, Biegesteife . . . ) auf die Luftschalld¨ammung liefern. Wie in Bild 8.5 skizziert besteht das Modell aus drei Teilen: 1. Dem Senderaum“ 1, der hier als luftgef¨ ullter Halbraum angenommen ” wird. Das Schallfeld besteht aus der schr¨ ag einfallenden Welle pa = p0 e−jkx cos ϑ ejkz sin ϑ
(8.5)
und dem reflektierten Feld pr = rp0 ejkx cos ϑ ejkz sin ϑ .
Das Gesamtfeld im Teilraum 1 besteht aus beiden Teilen p1 = pa + pr = p0 ejkz sin θ e−jkx cos ϑ + rejkx cos ϑ .
(8.6)
(8.7)
2. Dem Empfangsraum“ 2, der ebenfalls als luftgef¨ ullter Halbraum auf” gefasst wird. Der Einfachheit halber wird angenommen, dass alle Ortsabh¨angigkeiten bez¨ uglich der z-Richtung vom einfallenden Schallfeld pa in Gleichung (8.5) aufgepr¨ agt werden. Der in den Empfangsraum abgestrahlte Schall wird demnach durch p2 = tp0 e−jkx cos ϑ ejkz sin ϑ
(8.8)
beschrieben, wobei t den Transmissionsfaktor bedeutet. 3. Die Wand schließlich wird durch die Druckdifferenz p1 (0, z) − p2 (0, z) zu Schwingungen vw angeregt, die L¨ osungen der Biegewellengleichung (siehe Kapitel 4.4) 1 d4 vW j 4 dz 4 − vW = m ω (p1 (x = 0, z) − p2 (x = 0, z)) kB
sind.
(8.9)
8.2 Luftschalld¨ ammung einschaliger Bauteile
205
Abbildung 8.5. Modellannahme zur Berechnung des Schalld¨ ammmaßes einer Einfachwand. pa = einfallendes Schallfeld, pr = reflektiertes Schallfeld, p1 = pa + π = Gesamtfeld vor der Wand, p2 = u ¨bertragenes Schallfeld
Wenn man auch f¨ ur die Wandschwingungen annimmt, dass sie bez¨ uglich der z- Richtung ebenso verlaufen wie das einfallende Schallfeld“ ” vW = v0 ejkz sin ϑ ,
(8.10)
dann folgt aus (8.9) mit (8.7) und (8.8) v0 =
(1 + r − t) jp0 sin4 ϑ − 1) m ω
4 ( kk4 B
(8.11)
f¨ ur die Amplitude v0 der Wandwelle vW . Die gesuchten, noch unbekannten Gr¨oßen sind der Reflexionsfaktor r und der Transmissionsfaktor t, denn sie beschreiben die Schallfelder vor und hinter der Wand. Sie ergeben sich einfach aus der Tatsache, dass die Schnellen in der Luft vor und hinter der Wand beide mit der Wandschnelle vW u ussen: ¨bereinstimmen m¨ j ∂p1 v1 (x = 0) = = vW (8.12) ω ∂x x=0
und v2 (x = 0) =
j ∂p2 = vW . ω ∂x x=0
(8.13)
(8.12) und (8.13) sind gleichbedeutend mit p0 cos ϑ(1 − r) = v0 c und
(8.14)
206
8 Schalld¨ ammung
t
p0 cos ϑ = v0 . c
(8.15)
r =1−t.
(8.16)
Es ist also t = 1 − r, oder
(8.11) und (8.15) ergeben schließlich t cos ϑ =
jc (1 + r − t) . m ω ( kk44 sin4 ϑ − 1)
(8.17)
B
Darin eliminiert man noch r nach (8.16) und erh¨alt den vor allem interessierenden Transmissionsfaktor t=
k4 4 kB
2jc mω
sin4 ϑ − 1 cos ϑ +
2jc m ω
,
(8.18)
aus dem man den Transmissionsgrad τ = |t|2
(8.19)
und das Luftschalld¨ ammmaß R = 10 lg 1/τ gewinnt. Bei der Deutung des Ergebnisses (8.18) spielt das Verh¨ altnis aus Biegewellenl¨ ange λB und Luftschallwellenl¨ ange λ eine besondere Rolle. Der Klammerausdruck im Nenner von Gleichung (8.18) ist n¨ amlich 4 4 2 k λB f 4 4 4 sin ϑ − 1 = sin ϑ − 1 . 4 sin ϑ − 1 = 2 kB λ4 fcr
F¨ ur λB λ) dagegen h¨ angt der Klammerausdruck sehr vom Einfallswinkel ϑ ab, insbesondere kann der Ausdruck auch Null werden. Deshalb ist eine Fallunterscheidung f fcr erforderlich. a) Frequenzbereich unterhalb der Grenzfrequenz f S1 negativ wird (das entspricht
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
233
im Prinzip einer schallweichen Reflexion), f¨ ur sich verj¨ ungende Rohre S2 < S1 dagegen positive Werte annimmt (das entspricht im Prinzip einer schallharten Reflexion). 9.1.2 Verzweigungen Ahnlich einfach wie beim einfachen Querschnitssprung gestaltet sich die Betrachtung der Abzweigung von einer Rohrleitung (Bild (9.3). Auch kommen y
SA Teilraum A
x S
Teilraum 1
S
Teilraum 2
Abbildung 9.3. Rohr mit Abzweigung
Abzweigungen in der Praxis h¨ aufig vor, und sie erlauben einen ersten Einblick in die sp¨ater eingehender geschilderten Wandungsschalld¨ampfer. Gr¨ unde zur Behandlung der Kanalverzweigung sind also genug vorhanden. Vereinfachend sei dabei angenommen, dass im gestreckten Kanal nicht auch noch ein Querschnittssprung auftritt; die Rohr¨ aste links und rechts vom Abzweig sollen also gleiche Querschnittsfl¨achen S besitzen. F¨ ur den Fall tiefer Frequenzen, bei denen in allen Kanal¨asten nur die Grundmoden auftreten, m¨ ussen die Ans¨atze f¨ ur die Teil¨aume 1 und 2 links und rechts von der Abzweigung ebenso wie im vorigen Abschnitt gemacht werden: p1 = p0 e−jkx + rejkx (9.13) mit der Schallschnelle v1 =
j ∂p1 p0 −jkx = − rejkx . e ω ∂x c
(9.14)
F¨ ur den rechten Kanalast wird wieder angenommen, dass er reflexionsfrei sei, es bildet sich demnach nur die u ¨bertragene Welle p2 = tp0 e−jkx mit
(9.15)
234
9 Schalld¨ ampfer
v2 = t
p0 −jkx e c
(9.16)
aus. Beim in y-Richtung abzweigenden Ast sollen sowohl Rohrst¨ ucke mit reflexionsfreiem Abschluss (in diesem Fall betr¨ agt die Eingangsimpedanz zA = pA (y = 0)/vA (y = 0) = ρc) als auch endlich lange, an ihrem Abschluß in y = lA schallhart abgeschlossene Rohrst¨ ucke behandelt werden. Deshalb werden im Teilraum A Wellen beider Laufrichtungen angesetzt : pA = tA p0 e−jky + rA ejky (9.17) mit der Schallschnelle vA =
j ∂p1 p0 −jky = tA − rA ejky . e ω ∂y c
(9.18)
Die Eingangsimpedanz zA des Abzweiges h¨ angt nat¨ urlich nur mit den Reflexionseigenschaften seines Abschlusses in y = lA ab. Der Zusammenhang zwischen zA und rA ergibt sich aus (9.17) und (9.18) zu zA pA (0) 1 + rA = = . ρc ρcvA (0) 1 − rA
(9.19)
¨ Die drei Unbekannten Reflexionsfaktor r am Einlaß, Ubertragungsfaktor t ¨ der Fortf¨ uhrung und Ubertragungsfaktor tA des Abzweiges folgen aus den ¨ Ubergangsbedingungen an der Stoßstelle x = 0 und y = 0. Alle drei Dr¨ ucke m¨ ussen gleich groß sein, das liefert 1+r =t
(9.20)
t = tA (1 + rA ).
(9.21)
und Der in die Stoßstelle hineinfließende Volumenfluß Sv1 (0) muss gleich der Summe der herausfließenden Volumenfl¨ usse SA vA (0) + Sv2 (0) sein : Sv1 (0) = SA vA (0) + Sv2 (0) ,
(9.22)
oder
SA (9.23) tA (1 − rA ). S Die Gleichungen (9.20), (9.21) und (9.23) sind nun leicht nach der vor allem interessierenden Gr¨ oße t aufgel¨ ost: (9.20) und (9.23) addiert ergibt 1−r =t+
2t +
SA tA (1 − rA ) = 2. S
(9.24)
oste Gl.(9.21) ein, so folgt Setzt man darin die nach tA aufgel¨ t(2 +
SA 1 − r A ) = 2. S 1 + rA
(9.25)
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
235
Den Quotienten in der Klammer ersetzt man noch durch die Eingangsimpedanz des Abzweiges nach (9.19) und erh¨ alt so schließlich t=
1 1+
1 SA 1 2 S zA /ρc
.
(9.26)
Im Folgenden werden die eingangs bereits genannten haupts¨ achlich interessierenden F¨alle eines selbst reflexionsfrei abgeschlossenen abzweigenden Astes und einer abbiegenden ’Sackgasse’ mit schallhartem Abschluss diskutiert. ¨ Verzweigung in reflexionsfrei abgeschlossene Aste Ist der Abzweig mit der Querschnittsfl¨ache SA selbst an seinem Ende reflexionsfrei abgeschlossen, dann ist rA = 0 und die Eingangsimpedanz zA des Astes betr¨agt zA = ρc. (9.27) Der Transmissionfaktor t h¨ angt damit nach (9.26) nur vom Fl¨ achenverh¨ altnis SA /S ab : 1 t= . (9.28) 1 + 21 SSA
Wenn alle drei Kanal¨ aste mit SA = S gleiche Querschnittsfl¨ achen besitzen, 10
Einfügungsdämmmaß R/dB
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0.125
0.25
0.5
1
2
4
8
SA/S
Abbildung 9.4. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß der Verzweigung
dann ist zun¨ achst nach Gl.(9.21) tA = t. Die Schallfelder in der gestreckten
236
9 Schalld¨ ampfer
Kanalfortf¨ uhrung und im Abzweig sind naturgem¨ aß gleich. Die Verzweigung des Schallfeldes ist lediglich das Resultat von Erhaltungsprinzipien, in denen die Winkel, die Abzweig und Fortf¨ uhrung mit der Zuleitung bilden, gar keine Rolle spielen. Aus diesem Grund m¨ ussen die beiden nach der Verzweigung jeweils weitergeleiteten Wellen identisch sein. F¨ ur SA = S ist tA = t = 2/3, das Enf¨ ugungsd¨ammmaß betr¨ agt also R = 10lg(1/t2 ) = 3, 5dB. Das f¨ ur andere Fl¨achenverh¨ altnisse sich ergebende Einf¨ ugungsd¨ammmaß ist in 9.4 gezeigt. Bei den gr¨ oßeren Fl¨ achenverh¨ altnissen SA /S bedenke man, dass die Voraussetzung nicht vorhandener h¨ oherer Moden schon bei tieferen Frequenzen nicht mehr erf¨ ullt zu sein braucht; die hier abgeleitete einfache Theorie gilt dann nicht mehr. Verzweigung in reflektierend abgeschlossene Rohrst¨ ucke F¨ ur den Fall der Verzweigung in ein nach der L¨ ange lA schallhart abgeschlossenes Rohrst¨ uck betr¨agt die Eingangsimpedanz dieser ’Sackgasse’ (siehe Kapitel 6.5) zA (9.29) = −j ctg(klA ). ρc Damit ist der Impedanzfrequenzgang des sogenannten ’λ/4 - Resonators’ beschrieben, der f¨ ur klA = π/2 + nπ (n=0,1,2,...), oder gleichbedeutend f¨ ur lA = λ/4 + nλ/2
(9.30)
Nullstellen aufweist, die Resonanzen anzeigen: Impedanzwerte z = 0 signalisieren immer, dass die damit bezeichnete Struktur ’beliebig leicht’ zu Schwingungen angeregt werden kann. Der Transmissionsfaktor der Kanalweiterf¨ uhrung 1 t= (9.31) 1 SA 1 1 − j 2 S ctg(kl A)
wird in den in (9.30) genannten Resonanzfrequenzen ebenfalls gleich Null. In den Resonanzen des Abzweiges sperrt letztere die Kanalweiterf¨ uhrung offensichtlich komplett! In den zwischen zwei Resonanzen liegenden ’Antiresonanzen’ dagegen wird die Impedanz zA unendlich groß, der Abzweig kann damit gedanklich durch eine schallharte Fl¨ache ersetzt werden, der Transmissionsfaktor wird t = 1. Die Bandbreite der Sperrwirkung um die Resonanzfrequenzen herum h¨angt vom Querschnittsverh¨ altnis SA /S ab, wie man auch dem Bild (9.5) entnehmen kann. Die vollst¨andige Kanalsperrung in den Resonanzfrequenzen des Abzweiges hat ihre Ursache in der einfachen Tatsache, dass hier Querabh¨angigkeiten (in x-Richtung) des Schalldruckes im abknickenden Ast von vornherein einfach nicht zuglassen worden sind. Im noch folgenden
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
237
10
Einfügungsdämmmaß R/dB
9 8 SA/S = 7 6
2
5
1
4
0.5
3 2 1 0 0
0.25
0.5
0.75
1
lA/λ
Abbildung 9.5. Wirkung des Abzweigs in Form eines λ/4 - Resonators
Abschnitt u ampfer, mit denen ebenfalls eine Wan¨ber die Wandungsschalld¨ dungsimpedanz von Null hergestellt werden kann, wird die hier vernachl¨assigte Ortsabh¨angigkeit des Schallfeldes dann ber¨ ucksichtigt; diese f¨ uhrt dann zu zwar hohen, aber endlich großen Einf¨ ugungsd¨ ammmaßen. Zum Abschluß dieses Abschnittes sei noch kurz auf die Kreuzung von zwei Kan¨ alen eingegangen (Bild 9.6), wobei der Einfachheit halber angenommen sei, dass alle Kanal¨aste reflexionsfrei abgeschlossen sind und alle Kanalquerschnittsfl¨achen gleich groß sind. In diesem Fall stellen sich in den 3 Abzweigen identische Wellenfelder mit gleichen Transmissionsfaktoren t ein. Wegen der Gleichheit aller Dr¨ ucke an der Kreuzungsstelle gilt 1 + r = t,
(9.32)
wobei r den Reflexionsfaktor in der Zuleitung bedeutet. Die Verzweigung des Volumenflusses verlangt 1 − r = 3t . (9.33) Daraus folgt t = 1/2. An der genannten Kanalkreuzung betr¨agt das Einf¨ ugungsd¨ammmaß also offensichtlich gerade 6 dB.
9 Schalld¨ ampfer
Transmissionsfaktor t
238
Reflexionsfaktor r
Transmissionsfaktor t Transmissionsfaktor t
Schall-Zuleitung
Abbildung 9.6. Kanalkreuzung
9.1.3 Kammerschalld¨ ampfer Einfache Querschnittspr¨ unge sind nicht sonderlich wirksam, wie man dem vorangegangenen Abschnitt 9.1.1 entnehmen kann. Durch eine Kombination von zwei Reflektoren zu einer Kammer der L¨ ange l (Bild 9.7) lassen sich ¨ erheblich gr¨oßere Wirkungen erzielen, wie die folgenden Uberlegungen zeigen.
S1
S2
S3
Schalleinfall Reflektor 1
Reflektor 2
Abbildung 9.7. Kammer-Schalld¨ ampfer
Auf dem Zuleitungsast setzt sich das Schallfeld wieder aus hinlaufender und aus reflektierter Welle zusammen: p1 = p0 e−jkx + rejkx . (9.34) F¨ ur die Schallschnelle folgt daraus mit v =
v1 =
j ∂p ω ∂x
und k = ω/c:
p0 −jkx − rejkx . e c
(9.35)
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
239
Nat¨ urlich k¨onnte man f¨ ur die Kammer einen ¨ ahnlichen Ansatz aus gegenl¨aufigen Wellen machen. Die nachfolgende Rechnung gestaltet sich jedoch etwas einfacher, wenn man diesmal f¨ ur die L¨ osungen der Wellengleichung die Linearkombination p2 = p0 (α sin kx + β cos kx) (9.36) mit v2 =
jp0 (α cos kx − β sin kx) c
(9.37)
verwendet. Der Teilraum 3 ist wieder reflexionsfrei abgeschlossen, hier gibt es also nur die durchgelassene Welle p3 = p0 te−jk(x−l) mit v3 =
p0 −jk(x−l) . te c
(9.38)
(9.39)
¨ Die Ubergangsbedingungen p1 = p2 und S1 v1 = S2 v2 am Reflektor x = 0 liefern 1+r =β (9.40) und S1 (1 − r) = jαS2 .
(9.41)
Aus p2 = p3 und S2 v2 = S3 v3 in x = l folgt α sin kl + β cos kl = t
(9.42)
S2 (α cos kl − β sin kl) = −jtS3 .
(9.43)
und Die Gleichungen (9.40) bis (9.43) stellen ein Gleichungssystem in den 4 Unbekannten α, β, t und r dar. Weil wieder vor allem die Transmission interessiert l¨ ost man (9.42) und (9.43) nach α und β auf: S3 α = t sin kl − j cos kl (9.44) S2 und
S3 β = t cos kl + j sin kl . S2
(9.45)
In (9.40) und (9.41) wird der Reflexionsfaktor r eliminiert: β + jα
S2 =2. S1
(9.46)
Einsetzen von (9.44) und (9.45) in (9.46) liefert schließlich f¨ ur den Transmissionsfaktor t
240
9 Schalld¨ ampfer
S3 S2 t cos kl + j sin kl + j S2 S1
bzw.
t=
cos kl 1 +
S3 S1
S3 sin kl − j cos kl S2
2
+ j sin kl
S3 S2
+
S2 S1
=2,
.
(9.47)
Der Transmissionsgrad τ besteht aus dem Verh¨ altnis von durchgelassener zu auftreffender Leistung, f¨ ur ihn gilt also τ=
S3 2 |t| = S1
cos2 kl 1 +
S3 S1
2
4 SS13
+ sin2 kl
S3 S2
+
S2 S1
2 .
(9.48)
F¨ ur eine einfache Interpretation ist es naheliegend, die Querschnittsfl¨ achen von Zufluss und Abfluss mit S3 = S1 gleichzusetzen. Daf¨ ur wird 4
τ=
4 cos2 kl + sin2 kl
S1 S2
+
S2 S1
2 .
Dieser Ausdruck l¨asst sich noch etwas vereinfachen: τ= 2
4 + sin kl
4 S1 S2
+
S2 S1
2
= −4
1+
1 4
1 S1 S2
−
S2 S1
2
.
(9.49)
sin2 kl
Das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß betr¨ agt demnach 2 1 S1 S2 2 R = 10 lg 1/τ = 10 lg 1 + − sin kl . 4 S2 S1
(9.50)
Die D¨ ammwirkung der Kammer ist also – anders als die des einfachen Querschnittssprunges – frequenzabh¨ angig (siehe auch Bilder 9.8 und 9.9 a,b,c). Sie hat dabei eine periodische Gestalt, in der abwechselnd Minima und Maxima R = Rmin = 0 dB f¨ ur kl = 0, π, 2π, . . . und R = Rmax
1 = 10 lg 1 + 4
S1 S2 − S2 S1
2 f¨ ur kl =
π 3π 5π , , , . . . (9.51) 2 2 2
vorkommen. Die Maxima nehmen dabei diesmal gr¨ oßere Werte an. Zum ur S2 /S1 = 4 (einfacher Querschnittssprung: Beispiel ist Rmax = 6, 5 dB f¨ R = 1, 9 dB) und Rmax = 18, 1 dB f¨ ur S2 /S1 = 16 (einfacher Querschnittssprung: R = 6, 5 dB). Die Frequenzen fn , bei denen die Maxima R = Rmax liegen, sind
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
fn =
1c 3c 5c , , ,... . 4l 4l 4l
241
(9.52)
F¨ ur die zugeh¨origen Wellenl¨ angen λ = c/fn gilt l=
1 3 5 λ, λ, λ, . . . . 4 4 4
(9.53)
Die Kammerl¨ ange betr¨ agt also in den Maxima ungerade Vielfache einer Viertel-Wellenl¨ ange. Dass die Frequenzen mit gr¨ oßter Wirkung“ gerade aus der Bedingung ” L¨ange = λ/4+nλ/2“ hervorgehen, das l¨ asst sich auch anschaulich begr¨ unden. ” Die gr¨oßte Wirkung wird man n¨ amlich gerade dann erwarten, wenn die am Kammerende und dann nochmals am Kammeranfang (damit also bereits doppelt) reflektierte Welle gerade gegenphasig zur am Kammeranfang aktuell auftreffenden Welle ist. Weil die Laufstrecke der doppelt reflektierten Welle 2l ist und weil Gegenphasigkeit eine Verschiebung um λ/2 + nλ bedeutet, folgt aus ¨ dieser Uberlegung ebenfalls l = λ/4 + nλ/2. 25
Einfügungsdämmmaß R/dB
S2/S1= 32 20 16
15 8 10 4 5 2 0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
l/λ
Abbildung 9.8. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von Kammer-Schalld¨ ampfern
Insgesamt bildet die Kammer also einen durch die Kammerl¨ange in der Frequenz und durch das Querschnittsverh¨ altnis in der Wirkungsh¨ohe einstellbaren Schalld¨ ampfer mit ganz guter“ Wirkung, die allerdings nur in bestimm” ten Frequenzintervallen vorliegt. In der Praxis interessiert meist vor allem das erste, tieffrequente Maximum n = 0. Seine Wirkungsbandbreite l¨asst sich beschreiben durch den Frequenzabstand ∆f = f1+ − f1− der beiden Frequenzen f1− und f1+ links und rechts vom Maximum, in denen R = Rmax − 3 dB ist.
242
9 Schalld¨ ampfer 10 Messung
Rechnung
Einfügungsdämmmaß / dB
8
6
4
2
0 0
500
1000
1500
2000
2500
f/Hz
Abbildung 9.9. (a) Gerechnete und gemessene Einf¨ ugungsd¨ ammung eines Kammer-Schalld¨ ampfers S2 /S1 = 4, l = 5 cm (Messung aus der Diplomarbeit von J.L. Barros)
Außerhalb der Minima R = 0 dB und f¨ ur Fl¨ achenverh¨altnisse S2 /S1 , die nicht 10 Messung
Einfügungsdämmmaß / dB
8 Rechnung 6
4
2
0 0
500
1000
1500
2000
2500
f/Hz
Abbildung 9.9. (b) Gerechnete und gemessene Einf¨ ugungsd¨ ammung eines Kammer-Schalld¨ ampfers S2 /S1 = 4, l = 10 cm (Messung aus der Diplomarbeit von J.L. Barros)
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
243
10
Einfügungsdämmmaß / dB
8
Messung
Rechnung
6
4
2
0 0
500
1000
1500
2000
2500
f/Hz
Abbildung 9.9. (c) Gerechnete und gemessene Einf¨ ugungsd¨ ammung eines Kammer-Schalld¨ ampfers S2 /S1 = 4, l = 15 cm (Messung aus der Diplomarbeit von J.L. Barros)
zu nahe beim Wert S2 /S1 = 1 liegen, kann das Schalld¨ammmaß durch 2 S1 S2 2 R ≈ 10 lg sin kl − −6 S2 S1
angen¨ahert werden. Deshalb gilt f¨ ur f1+ und f1− 2 π f1± l 1 2 sin = , c 2 oder nat¨ urlich
2 π f1+ l 3π = c 4
Es ist also ∆f = f1+ − f1−
2 π f1− l π = . c 4 3 1 c 1c = − = = f1 . 8 8 l 4l und
(9.54)
Die 3-dB Bandbreite ist also gerade genauso groß wie die Mittenfrequenz f1 (Frequenz des ersten Maximums). Die Bilder 9.9a,b,c zeigen, dass Theorie und Wirklichkeit recht gut u ¨bereinstimmen. Die leichten Frequenzverschiebungen zwischen praktischen und theoretischen Kurven lassen sich dadurch erkl¨ aren, dass die akustische L¨ ange“ ” von Kammern etwas kleiner ist als die geometrische L¨ ange (bei den d¨ unneren Zu- und Ableitungen w¨ aren verl¨ angernde und damit die Kammer verk¨ urzende M¨ undungskorrekturen erforderlich).
244
9 Schalld¨ ampfer
Dass man mit Auspufft¨ opfen ohne Absorption“ schon ganz gute akusti” sche Wirkungen erreichen kann, zeigt ein Beispiel. Immerhin kann man bei einem Rohrdurchmesser von 5 cm, einem Topfdurchmesser von (realistischen) 20 cm und einer Topfl¨ ange von 25 cm bei 340 Hz ein Einf¨ ugungsd¨ammmaß von 18 dB erreichen, das bei 170 Hz und 510 Hz auf 15 dB absinkt. Ein gleicher Wirkungsverlauf liegt dann auch im Intervall von 850 Hz bis 1190 Hz (Mittenfrequenz = 1020 Hz) vor. Es ist naheliegend, die L¨ ucke im Frequenzband um 680 Hz durch einen zweiten, zus¨atzlichen Topf zu schließen, wie in Bild 9.10 skizziert. Der n¨achste Abschnitt ist deshalb der Kombination von Kammern gewidmet.
S1
S2
l2
S3
l3
S4
S5
l4
Abbildung 9.10. Schalld¨ ampfer aus mehreren Kammern
9.1.4 Kammer-Kombinationen Es soll nun das Problem eines D¨ ampfers betrachtet werden, der aus N Rohrst¨ ucken mit unterschiedlichen Querschnittsfl¨ achen Si , i = 1, 2, . . . N und einer Zuleitung und einer Abflussleitung besteht. Die theoretische Betrachtung beinhaltet naturgem¨ aß zwei Schritte: ¨ 1. die Ubertragung an einem Querschnittssprung und ¨ 2. die Ubertragung l¨angs eines Rohrst¨ uckes mit konstantem Querschnitt. Dazu wird an jedem Rohrst¨ uck i eine Koordinate xi angeheftet, xi = 0 beschreibt den Schalleinlass, xi = li den Auslass (siehe Bild 9.11). Druck und Schnelle am Einlass sind also durch pi (0) und vi (0), am Auslass durch pi (li ) und vi (li ) bezeichnet. F¨ ur die Abflussleitung aus dem D¨ ampfer (das N + 1-te, halbunendliche Rohrst¨ uck) wird Reflexionsfreiheit angenommen, die Impedanz ist also
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
zN +1 (0) =
pN +1 (0) = c . vN +1 (0)
245
(9.55)
¨ Mit Hilfe der nun schon mehrfach verwendeten Ubergangsbedingungen an einem Querschnittssprung pi (li ) = pi+1 (0) und Si vi (li ) = Si+1 vi+1 (0) l¨asst sich die Impedanz am Ende des Rohrst¨ uckes mit niedrigerer Ordnung aus der Impedanz am Anfang des Rohrst¨ uckes mit h¨ oherer Ordnung bestimmen: zi (li ) =
pi (li ) Si pi+1 (0) Si = = zi+1 (0) . vi (li ) Si+1 vi+1 (0) Si+1
(9.56)
S i-1
0
Si Si
pi(li), vi(li)
pi(0), vi(0)
Wenn man, wie in (9.55) ausgedr¨ uckt, mit dem Gesamtauslass beginnt, dann kann man zun¨achst mit (9.56) auf die End-Impedanz zN (lN ) im letzten Rohrst¨ uck zur¨ uckrechnen. Der n¨achste Schritt besteht in der Berechnung des Feldgr¨oßenverh¨altnisses z = p/v am Rohrst¨ uckanfang, zN (0), aus dem Verh¨altnis zN (lN ) am Rohrst¨ uckende. Danach beginnt man wieder von ” vorne“ mit (9.56) und rechnet zN −1 (lN −1 ) aus zN (0), daraus wieder zN −1 (0), und das wird solange wiederholt, bis man am Rohreinlass angelangt ist.
S i+1
li
xi
¨ Abbildung 9.11. Definition der Gr¨ oßen zur Beschreibung der Ubertragung l¨ angs eines Rohrabschnittes
Was noch zu tun bleibt ist die Berechnung des Zusammenhanges zwischen zi (0) und zi (li ). Am einfachsten macht man den Ansatz pi (xi ) = αi cos k (xi − li ) + βi sin k (xi − li ) .
(9.57)
246
9 Schalld¨ ampfer
Wie man leicht durch Einsetzen von xi = li sieht, muss αi einfach gleich dem Druck an der Stelle li sein, αi = pi (li ), und wegen vi (xi ) =
j ∂pi j = − {αi sin k (xi − li ) − βi cos k (xi − li )} ω ∂xi c
(9.58)
ist βi zur Schnelle in xi = li proportional: jβi = vi (li ) . c
uck Druck und Mithin lassen sich an jeder beliebigen Stelle xi im i-ten Rohrst¨ Schnelle, pi (xi ) und vi (xi ), vollst¨andig durch die Feldgr¨ oßen am Rohrst¨ uckEnde xi = li ausdr¨ ucken: pi (xi ) = pi (li ) cos k (xi − li ) − jcvi (li ) sin k (xi − li ) und vi (xi ) = −
j pi (li ) sin k (xi − li ) + vi (li ) cos k (xi − li ) . c
Die Impedanz am Rohrst¨ uckanfang, zi (0) = pi (0)/vi (0) l¨ asst sich damit leicht aus der am Rohrende, zi (li ) = pi (li )/vi (li ), ausrechnen: zi (0) = c
zi (li ) c cos kli + j sin kli jzi (li ) c sin kli + cos kli
.
(9.59)
Wie schon erw¨ ahnt hangelt“ man sich in der Rechnung am D¨ampfer von ” ” hinten nach vorne“ entlang: Abwechselnd (9.56) und (9.59) anwendend landet man schließlich am Anfang des ersten Rohrst¨ uckes, z1 (0). Den Abschluss bildet nun der Ansatz f¨ ur den (halbunendlichen) Einlasskanal pE = p0 e−jkx1 + rE ejkx1 (9.60) p0 −jkx1 vE = − rE ejkx1 (9.61) e c (bei dem das selbe Koordinatensystem wie beim Rohrst¨ uck 1, x1 , verwendet wird: Wie gewohnt durchst¨ oßt die x1 -Achse das Einlass-Kanal-Ende an der Stelle x1 = 0). Es ist zE (0) 1 + rE So z1 (0) = = , c 1 − rE S1 c
(9.62)
So z1 (0) S1 c So z1 (0) S1 c
(9.63)
oder rE =
Der Energieerhaltungssatz verlangt
−1
+1
.
9.1 Querschnitts¨ anderungen schallharter Rohrleitungen
247
Einfügungsdämmmaß R/dB
25
20
l4/l2=l3/l2=1 l4/l2=l3/l2=0,5
15
10
5
0 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
l2/λ
Abbildung 9.12. Wirkung eines Schalld¨ ampfers aus drei Rohrst¨ ucken wie in Bild 9.10 mit S1 = S3 = S5 und S2 = S4 = 4S1
Abbildung 9.13. Rohr mit ver¨ anderlichem Querschnitt (oben) und Nachbildung der Fl¨ achenfunktion durch eine Treppenfunktion (unten) 2
τ = 1 − |rE | .
(9.64)
Das Einf¨ ugungsd¨ammmaß ist wieder R = −10 lg τ . Bild 9.12 zeigt durchgerechnete Beispiele, eines davon versucht Breitbandigkeit herzustellen. Mit der oben geschilderten Prozedur k¨ onnen auch Rohre mit beliebiger axialer Querschnitts¨anderung S = S(x) – wie in Bild 9.13 skizziert – berechnet werden. Dabei wird der kontinuierliche Verlauf S(x) in viele kleine Treppen” stufen“ zerlegt (siehe Bild 9.13). Sowohl die theoretische Rechnung von solchen periodisch verbeulten Rohren“ wie auch praktische Messungen ergeben vor ”
248
9 Schalld¨ ampfer
Einfügungsdämmmaß R/dB
20 18
obere Kurve : S(x)/S0 = 1 + 0,25 sign(sin(10πx))
16
untere Kurve : S(x)/S = 1 + 0,25 sin(10πx) 0
14 12 10 8 6 4 2 0 0
1
2
3
4
5
lgesamt/λ
Abbildung 9.14. (a) Gerechnetes Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von beulstrukturierten Rohren f¨ ur ε = 0, 25, Rohrgesamtl¨ ange: 5λw 30
Durchgangsdämpfung [dB]
25 20 15 10 5 0 -5 -10 1500
1700
1900
2100 2300 Frequenz [Hz]
2500
2700
2900
Abbildung 9.14. (b) Gemessenes Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von beulstrukturierten Rohren f¨ urε = 0, 25, Rohrgesamtl¨ ange: 5λw
allem, dass sich schmalbandig ziemlich gute Wirkungen bereits bei von 1 nicht sehr abweichenden Fl¨ achenverh¨ altnissen erzielen lassen. Bild 9.14b gibt das an einer Probe ermittelte Messergebnis wieder. Bild 9.14a zeigt die theoretischen Verl¨aufe f¨ ur die im Bild genannten Querschnittsfunktionen S(x). Nur in
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
249
seltenen Ausnahmef¨allen wird man das recht große, aber sehr schmalbandige Einf¨ ugungsd¨ammmaß in der Praxis auch nutzen k¨ onnen: Das lohnt sich nur bei einem reinen Ton, dessen Frequenz nicht auch noch (z.B. durch die Drehzahl des Motors) ver¨anderlich ist. Obendrein ergibt sich die Frequenz maximaler Wirkung aus λw = λ/2 (Wandungsperiode = Luftschallwellenl¨ange/2), so dass schon aus Aufwandsgr¨ unden nur hohe, allenfalls mittlere Frequenzen f¨ ur Anwendungen in Frage kommen k¨ onnten.
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer Im diesem Abschnitt werden Schalld¨ ampfer behandelt, die durch Auskleidung der Kanalwandung mit einer geeignet gew¨ ahlten Impedanz hergestellt werden. Praktisch muss man dazu sehr oft einen breiten Kanal in viele einzelne Durchf¨ uhrungen aufteilen, wie in Bild 9.15 skizziert ist. Oft m¨ ussen z.B. in Bel¨ uftungsanlagen große Mengen Frischluft gef¨ ordert werden. Weil andererseits nur Kan¨ale mit kleinen Abst¨ anden der sie seitlich begrenzenden Fl¨achen auch große D¨ampfungen besitzen k¨ onnen, sind Bauarten als Kulissend¨ampfer (Bild 9.15) oft erforderlich. Hier soll nur das Wirkprinzip solcher – und ¨ ahnlicher anderer – D¨ampferaufbauten erkl¨art werden. Als einfachst-m¨ ogliche Modell-Anordnung wird der zweidimensionale Kanal (∂/∂z = 0 in Bild 9.16) behandelt, dessen Wandung in einer schallharten Platte bei y=0 und in einer dazu parallelen Platte mit gegebener Luftschall-Impedanz bei y = h besteht.
Gehäuse
Abbildung 9.15. Aufbau von Kulissen-Schalld¨ ampfern
Vor Betrachtung dieser Modellanordnung ist es gewiss sinnvoll, zun¨achst an die bereits in Kapitel 6 gesammelten Erkenntnisse u ¨ber den vielleicht einfachsten Sonderfall – den schallhart berandeten Kanal – zu erinnern und in Hinblick auf die vorkommenden D¨ ampfungen zu erg¨anzen. Danach wird der einfachste neue“ Fall behandelt: Die Kanalauskleidung in y = h mit der ” schallweichen Impedanz von z = 0. Wie man sehen wird best¨ unde darin ein hochwirksamer Schalld¨ ampfer. Zwar st¨ oßt die Realisierung von z = 0 durchaus auf Schwierigkeiten; trotzdem lohnt die Betrachtung, denn sie tr¨agt einiges zur
250
9 Schalld¨ ampfer
Erkl¨arung von Funktionsprinzipien bei. Danach wird dann eine N¨aherungsbetrachtung f¨ ur den Fall mit allgemeiner Impedanz durchgef¨ uhrt, die schließlich zum Schluss noch der exakten Problembehandlung gegen¨ ubergestellt wird. 9.2.1 Der schallhart berandete Kanal Der Kanal mit beidseitig schallharter Berandung ist bereits in Kapitel 6 behandelt worden; es gen¨ ugt deshalb, die dort in den Gleichungen (6.3) und (6.4) (siehe S. 139) zusammengefassten Ergebnisse zu rekapitulieren. Der Schalldruck setzt sich aus cosinusf¨ ormigen Querverteilungen – den Moden – zusammen; jede Mode besitzt dabei eine gewisse Wellenzahl kx in Kanalachsrichtung, die ihr Ausbreitungsverhalten beschreibt. Es ist p=
∞ n=0
pn cos
nπy −jkx x . e h
(9.65)
Die modalen Amplituden pn m¨ ussten (wenn sie interessieren) aus der Schallquelle bestimmt werden; das setzt nat¨ urlich dann auch eine (meist gar nicht vorhandene) genaue Kenntnis der Quelle voraus. Jede Mode besitzt eine andere Wellenzahl kx in Ausbreitungsrichtung, die durch Einsetzen der Summanden von (9.65) in die Wellengleichung errechnet wird (siehe auch (6.4), S. 140). Zusammen mit der Tatsache, dass reflexionsfreie Schallfelder stets von der Quelle weg abnehmen m¨ ussen, erh¨ alt man f¨ ur die modalen Wellenzahlen ⎧ ⎨ + k 2 − nπ 2 ; |k| ≥ nπ h h kx = . (9.66) ⎩ −j nπ 2 nπ 2 −k ; |k| ≤ h h
Die Mode n = 0 zeichnet sich durch die rein reelle Wellenzahl kx = k0 aus; grunds¨ atzlich wird also im schallhart berandeten Kanal die Grundmode n = 0 – die ebene Welle – stets unged¨ ampft u ¨bertragen. Allgemein beschreibt ja der Imagin¨ arteil einer (wie auch immer gearteten) Wellenzahl die D¨ ampfung des damit bezeichneten Wellentyps. Mit der Zerlegung in Real- und Imagin¨ arteil kx = kr − jki
(9.67)
verh¨ alt sich also das Feld dieser Wellenart wie p ∼ e−jkx x = e−jkr x e−ki x .
(9.68)
Der zugeh¨ orige Pegelortsverlauf L = 10 lg |p| ∼ 10 lg e−2ki x = −ki x20 lg e = −8, 7 ki x 2
(9.69)
¨ f¨allt linear mit x. Ublicherweise gibt man zur D¨ ampfungsbeschreibung die Pegeldifferenz Dh entlang eines St¨ uckes der x-Achse an, dessen L¨ ange gerade
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
251
gleich dem Kanalquerschnitt gew¨ ahlt wird. Es gilt also allgemein f¨ ur die modale D¨ampfung Dh = 8, 7ki h . (9.71) Beim schallhart berandeten Kanal haben die Moden n > 0 (f¨ ur Frequenzen unterhalb ihrer cut-on-Frequenz, siehe Kapitel 6) die D¨ampfungen Dh = 8, 7 (nπ)2 − (kh)2 . (9.72) N¨aherungsweise gilt also f¨ ur tiefe Frequenzen kh nπ Dh ≈ 8, 7nπ = 27, 3n .
(9.73)
Damit sind sehr hohe modale D¨ ampfungen bezeichnet. Die Mode n = 1 nimmt um 27,3 dB (n = 2: 54,6 dB) pro Kanalbreite in L¨ angsrichtung des Kanals ab; 4 Kanalbreiten von der Quelle weg ist diese Mode also schon um mehr als 100 dB (n = 2: 200 dB) reduziert! Ein praktischer Nutzen l¨ asst sich daraus f¨ ur die im Abschnitt Kundt” sches Rohr“ geschilderte Messtechnik ziehen, bei der die h¨oheren Moden st¨oren, w¨ahrend die Grundmode n = 0 erw¨ unscht ist. F¨ ur den Einsatz als Schalld¨ampfer w¨are die schallharte Wandung hingegen nur zu gebrauchen, wenn die Quelle keine Grundmode n = 0 anregen w¨ urde. Das w¨ urde sehr spezielle Quellkonfigurationen voraussetzen, die in der praktischen Ger¨auschbek¨ampfung sicher kaum eine Rolle spielen d¨ urften. F¨ ur allgemeine Aussagen, die f¨ ur jede Quelle das prinzipiell Machbare“ angeben, l¨asst sich nur ” der schlechtest-m¨ogliche Fall“ angeben, der in der Mode mit der kleinsten ” D¨ampfung besteht. Hier wie in den folgenden Abschnitten wird deshalb stets nach der kleinsten modalen D¨ ampfung Dh der Moden gefragt. Beim Kanal mit schallharter Berandung ist die kleinste D¨ ampfung einfach Dh = 0; dieser Kanal ist nat¨ urlich als Schalld¨ ampfer unbrauchbar. 9.2.2 Der schallweich berandete Kanal Wie das Folgende zeigt, liefert bereits die einfache schallweiche Berandung mit der Randbedingung p(y = h) = 0 (9.74) einen hochwirksamen Schalld¨ ampfer. F¨ ur die Quermoden wird wegen der Randbedingung ∂p/∂y = 0 f¨ ur y = 0 wieder ein Cosinusverlauf angesetzt p ∼ cos qy .
(9.75)
Wegen der Randbedingung (9.74) an der Impedanzfl¨ ache in y = h erh¨alt man diesmal aber f¨ ur die Eigenwerte q qh = π/2 + nπ
f¨ ur n = 0, 1, 2, 3, . . . .
(9.76)
252
9 Schalld¨ ampfer
Das Schallfeld setzt sich diesmal also aus ∞ y p= pn cos((π/2 + nπ) )e−jkx x h n=0
(9.77)
zusammen. Aus der Wellengleichung folgen die modalen Wellenzahlen kx zu ⎧
2 ⎪ ⎪ ⎨ + k 2 − (n+1/2)π ; |k| ≥ (n+1/2)π h h
kx = . (9.78) 2 ⎪ (n+1/2)π (n+1/2)π ⎪ 2 ⎩ −j −k ; |k| ≤ h h
Beim schallweich berandeten Kanal verf¨ ugen also alle Moden u ¨ber eine von Null verschiedene cut-on-Frequenz, f¨ ur die n + 1/2 (9.79) 2h gilt. Immerhin betr¨ agt die tiefste cut-on-Frequenz 1700 Hz bei einer Kanalbreite von 5 cm. F¨ ur Frequenzen darunter ist keine Mode ausbreitungsf¨ ahig, alle Querverteilungen stellen in L¨ angsrichtung ged¨ ampfte Nahfelder dar; das gilt diesmal auch f¨ ur die Mode n = 0 mit der tiefsten cut-on-Frequenz. N¨ aherungsweise gilt f¨ ur tiefe Frequenzen kh λ/2 nach (9.71) und (9.78) fn =
Dh = 8, 7(n + 1/2)π = 13, 7 + 27, 3n .
(9.80)
Im schlechtesten Fall nimmt also das Gesamtschallfeld bei den tiefen Frequenzen um 13,7 dB pro Kanalbreite in L¨ angsrichtung ab. Das ist ein f¨ ur praktische Verh¨ altnisse außerordentlich hoher Wert, der sogar nur wenig unter dem maximal erreichbaren Wert von Dh,max = 19, 1 dB (siehe dazu den u achsten ¨bern¨ Abschnitt) liegt. Es w¨ are also f¨ ur praktische Anwendungen h¨ ochst w¨ unschenswert, schallweiche Oberfl¨ achen m¨ oglichst breitbandig herzustellen. Nun ist es aber gar nicht leicht, u ache mit der Impedanz z = 0 zu schaffen. Wie ¨berhaupt eine Fl¨ im Kapitel u autert, l¨ asst sich das nur durch einen ¨ber Resonanzabsorber erl¨ unged¨ ampften Aufbau in Form eines Resonators verwirklichen; dieser hat die Impedanz z = jωm − s /jω mit einem Nulldurchgang z = 0 in der Resonanzfrequenz ωres = s /m . F¨ ur Frequenzen unterhalb oder oberhalb der Resonanz stellen sich dagegen endliche Impedanzwerte mit Steifeverhalten (Im{z} < 0) oder Masseverhalten (Im{z} > 0) ein. Die Frage, welche zugeh¨ orige D¨ampfung Dh sich dann noch einstellt, ist gleichzeitig die praktisch sehr interessierende Frage nach der Breitbandigkeit der Wirkung von Kan¨ alen, deren Wandungen durch Resonatoren ausgekleidet sind. Bemerkenswert ist, dass bei der schallweichen Berandung mit hoher D¨ampfung keine Energieverluste entstehen. Durch die schallweiche Oberfl¨ache p(y = h) = 0 tritt nat¨ urlich keine Leistung hindurch. Auch ein Kanal mit schallweicher Wandung wirkt nur durch Reflexion am Einlass.
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
253
9.2.3 Der Schalld¨ ampfer mit beliebiger Wandungsimpedanz Dieser Abschnitt dient der Betrachtung des einfachsten zweidimensionalen D¨ampfermodells. Wie Bild 9.16 zeigt besteht es aus einer schallharten Platte in y = 0 und aus einer dazu parallelen Ebene in y = h mit der Impedanz z. F¨ ur die Feldgr¨oßen in y = h gilt also p (y = h) = zvy (y = h) .
(9.81)
¨ Den Anfang der Uberlegungen bildet eine N¨ aherung, die nicht nur die Tendenzen der Wirkungsweise aufzeigt, sondern oft auch in der Gr¨oßenordnung zu schon recht brauchbaren Ergebnissen f¨ uhrt. Wie alle N¨aherungen st¨oßt jedoch auch diese an ihre Grenzen; was jenseits von diesen liegt, versucht der anschließende Abschnitt wenigstens anzudeuten. N¨ aherungsbetrachtungen fu ¨ r die Grundmode Der Hauptunterschied zwischen einer schallharten und einer mit der endlichen Impedanz z ausger¨ usteten Wandung besteht einfach darin, dass im zweiten Fall Massenfluss durch die Impedanzfl¨ ache hindurchtritt; f¨ ur z → ∞ ist das ausgeschlossen. Es ist naheliegend, diesen Effekt zun¨achst n¨aherungsweise eben auch an Hand des akustischen“ Massenerhaltungssatzes (2.35) ” ∂vx ∂vy jω + = − 2p. (9.82) ∂x ∂y c
zu betrachten. Wenn man sich auf kleine Kanalbreiten h λ beschr¨ ankt und nur auf die Grundmode abzielt, dann kann man in (9.82) den Differentialquotienten ∂vy /∂y durch den Differenzenquotienten ersetzen: ∂vx vy (h) − vy (0) jω + = − 2p. ∂x h c
(9.83)
F¨ ur große Impedanzen z wird die Schalldruck-Querverteilung etwa konstant sein. Unter dieser Voraussetzung l¨asst sich die Schnelle durch Druck und Impedanz ausdr¨ ucken vy (h) = p/z . (9.84)
Mit vy (0) = 0 wird aus (9.83) ∂vx =− ∂x
jω 1 + 2 c zh
p.
(9.85)
Wie erw¨ ahnt stellt p/zh die durch die Impedanz hindurchtretende Masse (pro Zeiteinheit und Fl¨ ache) in Rechnung. Die Kr¨ aftegleichung j ∂p vx = (9.86) ω ∂x
254
9 Schalld¨ ampfer y
Oberflächenimpedanz z
h x schallharte Wandung
Abbildung 9.16. Modell-Anordnung zur Berechnung der Kanal-D¨ ampfung durch Wandungsbelegung mit der Impedanz z
bleibt von der Wandungsimpedanz nat¨ urlich unbeeinflusst. Man kann sie dazu benutzen, um die Schnelle in (9.85) durch den Schalldruck auszudr¨ ucken; man findet durch Ableiten von (9.86) nach x j ∂2p jω 1 − = + p, ω ∂x2 c2 zh
oder, vereinfacht, ∂ 2 p ω2 + 2 ∂x2 c
1 1−j z c kh
p = 0.
(9.87)
Gleichung (9.87) bildet eine eindimensionale Wellengleichung f¨ ur den Schalldruck. Sie bietet eine vereinfachte Darstellung der Grundmodenausbreitung f¨ ur große“ Impedanzen und kleine Kanalbreiten h λ. Was genau unter ” großen z“ zu verstehen ist, dar¨ uber kann erst die exaktere Rechnung im ” n¨ achsten Abschnitt Auskunft geben. Die in (9.87) enthaltenen Aussagen u ampfung lassen sich ¨ber die Kanald¨ aus der zugeh¨ origen Wellenzahl kx ablesen; sie betr¨agt j kx = k 1 − z . (9.88) c kh
Wie schon geschildert ist im Imagin¨ arteil der Wellenzahl kx = kr − jki die D¨ ampfung enthalten (siehe Gleichungen (9.68) und (9.69)), es gilt Dh = 8, 7ki h. F¨ ur praktische Ausf¨ uhrungen von Wandungsaufbauten kommt vor allem eine Schicht aus por¨osem Absorbermaterial auf schallhartem Untergrund und eine Belegung der Wandung mit Resonatoren in Frage. Zur Diskussion der durch diese beiden Anordnungen hergestellten Kanald¨ ampfung sind einige Vorbemerkungen zur Wirkung der drei prinzipiell m¨ oglichen Impedanztypen vorteilhaft. Im Fall des (nahezu) verlustfreien Resonators ist die Impedanz
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
255
stets imagin¨ar, und zwar mit negativem Imagin¨ arteil im Steifebereich unterhalb der Resonanzfrequenz, mit positivem Imagin¨arteil im Massebereich oberhalb der Resonanzfrequenz. F¨ ur por¨ ose Schichten mit nicht zu kleinem Str¨omungswiderstand strebt die Impedanz dagegen mit wachsender Frequenz einem (positiven) reellen Wert entgegen. Im Prinzip interessieren also praktisch vor allem entweder imagin¨are Impedanzen mit positivem oder negativem Imagin¨ arteil, oder reelle Impedanzen. a) Steifeimpedanz z = −j|z| F¨ ur Steifeimpedanzen ist die Wellenzahl kx = k
1
1+
|z| c kh
(9.89)
stets reell: Der Kanal ist unged¨ampft. Im Steifebereich der Impedanz ist die Wandungsbelegung v¨ ollig nutzlos. Von einem physikalischen Standpunkt aus ist noch bemerkenswert, dass sich uber der freien Ausbreitung verdie Schallgeschwindigkeit cx im Kanal gegen¨ ringert. Aus kx = ω/cx folgt
c cx =
1 + |z|1 c
.
(9.90)
kh
Eine Realisierung best¨ unde in einer (d¨ unnen) Schicht aus por¨ osem Material, das ja bei tiefen T¨ onen stets wie eine Feder wirkt (siehe Abschnitt 6.5.2, S. 159): z j =− c kd (d: Schichtdicke). F¨ ur diesen Fall wird also
c cx = 1+
.
(9.91)
d h
b) Masseimpedanz z = j|z| Impedanzen mit Masseverhalten f¨ uhren zur Kanal-Wellenzahl 1 kx = k 1 − |z| . c kh
(9.92)
Diese Wandungsbelegung zieht nur dann eine Kanald¨ ampfung nach sich, wenn das Argument unter der Quadratwurzel negativ ist, also wenn
256
9 Schalld¨ ampfer
|z| kh < 1 . c
(9.93)
Prinzipiell steigen Impedanzen mit Masseverhalten immer mit der Frequenz an. Gleichung (9.93) bezeichnet deshalb eine Bandgrenze, nur unterhalb von ihr ist die Kanald¨ampfung von Null verschieden. Bei imagin¨aren Wandungsimpedanzen tritt grunds¨atzlich im zeitlichen Mittel keine Leistung durch diese Fl¨ ache. Etwaige D¨ampfungen werden also nicht durch Leistungsabgabe an die Wandung hergestellt. Das Wirkprinzip besteht hier, wie beim Kanal mit schallweicher Berandung, in der Erzeugung einer nicht ausbreitungsf¨ ahigen Grundmode. c) Reelle Impedanz z = |z| Reellwertige Impedanzen auf der Kanalwandung f¨ uhren zu Kanal-Wellenzahlen 1 kx = k 1 − j |z| , (9.94) c kh
die immer eine D¨ampfung enthalten. Wann man statt großer Impedanz“ ” weitergehend noch |z| kh > 1 c fordert, dann l¨asst sich (9.94) noch durch 1 kx k 1 − j 2
1
|z| c kh
(9.95)
¨ ann¨ ahern. Richtig gibt (9.95) den Ubergang zur schallharten Wandung mit wachsendem |z| wieder; je gr¨ oßer |z|/c, desto schlechter die D¨ ampfung. Umgekehrt kann man jedoch nicht aus (9.95) darauf schließen, dass mit kleinen |z| auch beliebig hohe Dh erzielbar w¨ aren: F¨ ur die zu (9.95) f¨ uhrende Rechnung waren ausdr¨ ucklich große Impedanzen vorausgesetzt worden. Aus den erl¨ auterten Wirkprinzipien der drei Impedanztypen lassen sich die D¨ ampfungsfrequenzg¨ ange von Realisierungen einsch¨ atzen. Als tats¨ achlich benutzbare Wandungsaufbauten kommen wie gesagt entweder eine absorbierende Schicht mit r¨ uckseitigem schallhartem Abschluss oder eine Wandungsbelegung mit Resonatoren in Frage; beide werden im Folgenden diskutiert. ¨ Dabei ist der Ubergang fließend: Die zun¨ achst diskutierte por¨ ose Schicht geht bei kleinem Str¨ omungswiderstand in den Resonator u ¨ber. a) Wandungen aus absorbierenden Schichten Der Impedanzfrequenzgang von r¨ uckseitig schallhart abgeschlossenen por¨ osen Schichten der Dicke d
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
z ka = −j ctg(ka d) c k
257
(9.96)
mit der Wellenzahl ka = k
1−j
Ξ ω
im por¨ osen Material ist in Abschnitt 6.5.2 schon ausf¨ uhrlich diskutiert worden. Die dort geschilderten Sachverhalte werden hier noch einmal aufgegriffen und hinsichtlich der Kanald¨ ampfung benutzt (siehe auch Bild 6.9, S. 160). Die Bilder 9.17a,b,c enthalten durchgerechnete Beispiele nach (9.88), wobei Str¨ omungswiderstand Ξd/c und Schichtdicke d variiert werden. Sie dienen zur Illustration der im Folgenden genannten Prinzipien. Wie erw¨ ahnt wirkt die Wandungsimpedanz f¨ ur tiefe Frequenzen d λ wie eine Feder; wegen ctg(ka d) ≈ 1/ka d gilt z/c = −j/kd. Demnach erwartet man f¨ ur den Kanal mit einer por¨osen Schicht als Wandung bei den tiefen Frequenzen keine Kanald¨ ampfung, also Dh ≈ 0 dB (siehe auch Bild 9.17a,b,c). Erst wenn die Impedanz mit d ≈ λ/4 etwa die reelle Achse kreuzt, beginnt die d¨ampfende Wirkung. Wie man in Bild 6.9 erkennen kann, ist in diesem Frequenzpunkt die Impedanz f¨ ur kleine Str¨ omungswiderst¨ ande Ξd/c gering; demnach setzt die Kanald¨ampfung f¨ ur kleine Ξd/c pl¨ otzlich und mit hohen Werten ein. Im GrenzfallΞ = 0 w¨are auch z = 0, und damit Dh = 13, 5 dB. Mit wachsendem Str¨ omungswiderstand nimmt das D¨ ampfungsmaß – wie in (9.95) beschrieben – ab. Der weitere Frequenzverlauf von Dh ist leicht diskutiert. Eine Oktave u ¨ber der ersten λ/4- Dickenresonanz“, also f¨ ur d λ/2, nimmt die Impedanz ” um so gr¨ oßere Werte an, je kleiner der Str¨ omungswiderstand ist (vergleiche Bild 6.9), mithin ist hier das D¨ ampfungsmaß um so kleiner, je kleiner Ξd/c ist. Im Prinzip wiederholt sich danach der Frequenzgang von Dh : Die Impedanz durchl¨ auft im weiteren Verlauf ja etwa einen Kreis, so dass sich eine quasi-periodische“ Struktur ergibt, wie auch die Bilder 9.17a, b, c zeigen. ” Selbst wenn die großen, schmalbandigen Maximalwerte von Dh bei dem kleinsten Str¨ omungswiderstand nicht ganz stimmen sollten (sie treten f¨ ur kleine Impedanzen auf, f¨ ur die (9.88) ja eigentlich nicht mehr richtig ist), erkennt man doch das Prinzip: Entweder kann man in schmalen B¨ andern recht hohe D¨ ampfungen (von bis zu Dh ≈ 13, 5 dB in den Punkten z = 0) erreichen und muss sich dann mit kleinen Dh außerhalb dieser Maxima zufrieden geben; oder man stellt vergleichsweise kleine, daf¨ ur aber sehr breitbandige D¨ ampfungen Dh bei mittleren Str¨ omungswiderst¨ anden Ξd/c her. F¨ ur breitbandige Schalle sind Kammfilter“ nach Art der schwach ged¨ ampf” ten Resonatoren unbrauchbar: Es n¨ utzt nichts, einen kleinen Bandbereich aus dem Signal herauszunehmen und den großen Rest“ daf¨ ur ungehindert passie” ren zu lassen. Anwendungen von wenig ged¨ ampften Resonatoren liegen deshalb nur f¨ ur spezielle, tonale St¨ orschallfelder vor, die praktisch nur eine einzige Frequenzkomponente enthalten. Der n¨ achste Abschnitt wird auf diesen durchaus nicht ungew¨ ohnlichen Fall n¨ aher eingehen, bei dem es zum Beispiel
258
9 Schalld¨ ampfer 10 9 8
Kanaldämpfung Dh/dB
1 7 6 5
2
4 3 2 1 0 0
8
4 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
h/λ
Abbildung 9.17. (a) Kanald¨ ampfung Dh f¨ ur Auskleidung mit absorbierenden Schichten, d/h = 2. Die Zahlen an den Kurven geben den Wert von Ξd/c an 10 9
1
Kanaldämpfung Dh/dB
8 7 6
2
5 4 3 2 4
1 0 0
0.1
0.2
0.3
8
0.4
0.5
h/λ
Abbildung 9.17. (b) Kanald¨ ampfung Dh f¨ ur Auskleidung mit absorbierenden Schichten, d/h = 4. Die Zahlen an den Kurven geben den Wert von Ξd/c an
nur um den Grundton eines Ventilatorklangs (etwa bei der Entl¨ uftung von Tiefgaragen) geht. Andererseits m¨ ussen an viele Schalld¨ ampfer gerade breitbandige Forderungen gerichtet werden. Nat¨ urlich darf die Frischluftzufuhr eines Konzert-
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
259
10 1
9
Kanaldämpfung Dh/dB
8 7 6
2
5 4 3 2
0 0
8
4
1 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
h/λ
Abbildung 9.17. (c) Kanald¨ ampfung Dh f¨ ur Auskleidung mit absorbierenden Schichten, d/h = 8. Die Zahlen an den Kurven geben den Wert von Ξd/c an
saales nicht mit dem Außenl¨ arm verunreinigt sein; auch die Schalld¨ampfer f¨ ur Kraftfahrzeuge m¨ ussen – schon wegen der sich st¨ andig ¨andernden Drehzahl – breitbandig ausgelegt werden. In diesem Fall m¨ ussen nicht zu große und nicht ” zu kleine“, mittlere Str¨ omungswiderst¨ ande in der Wandungsbelegung mit Absorptionsmaterial vorgesehen werden, die etwa im Intervall 2 ≤ Ξd/c ≤ 4 liegen. Diese Dimensionierung kann sich noch etwas ¨andern, wenn es sich bei den Wandungen nicht um eine schallharte Ebene und eine mit der Impedanz ausger¨ ustete, parallele Ebene handelt. Einige Bemerkungen zu beliebigen Kanalquerschnittsfl¨achen findet man am Schluss dieses Abschnitts. b) Wandungen aus Resonatoren Eine Realisierung der Wandungsbelegung mit Resonatoren kann, wie in Bild 9.18 gezeigt, in einem Rohrb¨ undel bestehen. Die Rohrst¨ ucke sind alle gleich lang und an der an die Wandung angrenzenden Seite offen, auf der R¨ uckseite schallhart verschlossen. Die dadurch hergestellte Wandungsimpedanz betr¨agt wie in (9.96) z = −j ctg(kd) , c
(9.97)
nur dass diesmal k die Wellenzahl in Luft bedeutet. Der Prinzipverlauf der D¨ ampfung Dh geht als Grenzfall mit kleinem Str¨omungswiderstand aus dem vorigen Abschnitt hervor und ist dort schon
260
9 Schalld¨ ampfer
Abbildung 9.18. Aufbau eines Kanals mit Wandungsbelegung aus Resonatoren in Form von hinten abgeschlossenen Rohrst¨ ucken der Tiefe d
genannt: Es handelt sich um einen schmalbandigen Verlauf, der in der Resonanz kd = kR d = π/2 mit Dh = 13, 5 dB einsetzt. Das Bandende kE der Wirkung kann aus (9.88) und (9.97)
1 tg(kd) kx = k 1 + =k 1+ kh ctg(kd) kh
bestimmt werden. Das Bandende kE wird erreicht, wenn die Kanal-Wellenzahl reell wird, also f¨ ur h tg kE d = −kE h = − kE d . (9.98) d Die letzte Umformung in (9.98) ist gemacht worden, weil sich daraus eine einfache graphische L¨osung dieser transzendenten Gleichung gewinnen l¨ asst. Wie auch Bild 9.19 zeigt, ist kE d durch den Schnittpunkt der Tangens-Funktion tg kE d und der Geraden −h/d kE d gegeben. Je kleiner die Geradensteigung und also das Verh¨altnis h/d ist, desto weiter rechts liegt der Schnittpunkt und umso gr¨oßer ist die Bandbreite. Wie man sieht betr¨agt die maximal m¨ ogliche ochstens eine Oktave. Bandbreite wegen kE = 2kR h¨ Die in Bild 9.19 als Beispiel eingezeichnete Gerade gibt den Fall h/d = 1 wieder. Wie man leicht abliest liegt daf¨ ur der Schnittpunkt bei kE d ≈ 2, die relative Bandbreite betr¨ agt also mit ∆f kE d − kR d kE d = = −1 f kR d kR d 2 f¨ ur h = d etwa ∆f /f = π/2 − 1 = (4 − π)/π 0, 27. Die an dem in Bild 9.18 geschilderten Messaufbau ermittelten experimentellen D¨ ampfungsmaße Dh sind in Bild 9.20 wiedergegeben. Man kann erkennen, dass die Verbindungslinie in Form einer Geraden zwischen dem schall” weichen“ Punkt in der Resonanzfrequenz und dem 0 dB-Punkt am Bandende schon eine ganz brauchbare N¨ aherung ergibt. Bei der Dimensionierung legt man sich zun¨ achst auf die zu bek¨ampfende Frequenz und damit auf die Rohrl¨ ange d fest. Je nach aufzufangendem Fre-
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
261
5
4
3
tg(k d) E
2
1
tg(kEd)
0
−1
− kEd h/d
−2
−3
−4
−5
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
k d/π E
Abbildung 9.19. Grafische L¨ osung der transzendenten Gleichung (9.98)
quenzbereich (z. B. durch Drehzahlschwankungen) kann dann die Kanalbreite h bestimmt werden. 15
Kanaldämpfung Dh in dB
12 d/h=2 9
6 d/h=4 3
0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
f/fres
Abbildung 9.20. Mit dem Aufbau aus Bild 9.18 gemessene D¨ ampfungsFrequenzg¨ ange (Messungen von T. Kohrs)
262
9 Schalld¨ ampfer
Eine Einstellung der Resonanzfrequenz mit kleineren Rohrl¨angen als d = λ/4 l¨asst sich wieder durch Abdeckung der Rohrst¨ ucke mit einem Massebelag m erreichen (siehe auch Abschnitt 6.5.4, S. 168). In diesem Fall ist 2 2 z ωm c ω m d h ω h kh = j − kh = j −1 =j −1 . 2 2 c c ωd c d ωres d
Zur Absch¨ atzung der Bandbreite kann man wieder davon ausgehen, dass die Impedanz am Bandende hinreichend groß ist, und ) * 1 1 * kx = k 1 − j z = k+ 1 − 2 ω kh c −1 h 2 ωres
d
gilt. Das Bandende ωE wird dann durch 2 ω h −1 =1 2 ωres d oder durch ωE = ωres
d +1 h
(9.99)
markiert. Zum Abschluss der n¨ aherungsweisen Betrachtung von Kan¨alen mit durch die Wandungsbelegung hergestellter D¨ ampfung sei noch kurz auf andere Kanal- Querschnittsgeometrien eingegangen (Bild 9.21). Der Massenerhaltungssatz, auf ein schmales Kanalst¨ uck der L¨ ange ∆x angewandt, ergibt an Stelle von (9.83) die allgemeine Gleichung ∂vx U jω + vn = − 2 p . ∂x S c
(9.100)
Darin ist S die Kanalquerschnittsfl¨ache und U der mit der Impedanz belegte Umfang. Setzt man wieder vn = p/z ein, so findet man ∂vx jω 1 =− + p. (9.101) ∂x c2 zS/U
An die Stelle von zh tritt also zS/U , sonst bleibt alles gleich und alle schon ¨ genannten Uberlegungen k¨ onnen u ¨bernommen werden. Als Kontrolle diene der weiter oben geschilderte Fall einer schallharten und einer mit z ausgestatteten Fl¨ ache, bei dem sich mit S = hl und U = l (l = belegte Querl¨ ange) gerade S/U = h ergibt. F¨ ur zweifl¨ achige Belegung ist U = 2l und daher S/U = h/2. Das wirkt also wie eine Halbierung der Impedanz. In etwa verdoppeln sich dadurch die erreichbaren D¨ ampfungen, z. B. ist Dh,max ≈ 27 dB f¨ ur den zweiseitig schallweich ausgekleideten Kanal. F¨ ur Kreisquerschnitte (Radius b) und vollst¨ andige Belegung entlang des Umfangs gilt S = πb2 und U = 2πb, also S/U = b/2. Dass sich jedenfalls bei Wandungen aus por¨ osen Schichten wirklich bemerkenswerte Gesamt-D¨ ampfungen herstellen lassen, zeigt das in Bild 9.22 aufgef¨ uhrte Messbeispiel.
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
263
Impedanzbelegung
vn
Umfangsstück U
Querschnittsfläche S
schallharter Wandungsteil
Abbildung 9.21. Zur Definition der Gr¨ oßen in (9.101) 60
Durchgangsdämpfung [dB]
50
40
30
20
10
0 0
500
1000
1500 2000 Frequenz [Hz]
2500
3000
Abbildung 9.22. Gemessene Durchgangsd¨ ampfung (=Pegeldifferenz zwischen Einlass und Auslass bei reflexionsarmem Abschluss des Endrohres) eines Schalld¨ ampfers mit Kreisquerschnitt (Innendurchmesser 50 mm), absorbierende Schicht aus Mineralwolle mit der Dicke von 100 mm. Messung von J. Feldmann
Exakte Berechnung bei beliebiger Impedanz In fast allen praktischen Anwendungen sind die im vorigen Abschnitt geschilderten Absch¨atzungen und Prinzipien f¨ ur die Kanald¨ampfung genau genug: Entweder zielt man auf Breitbandigkeit und damit auf Wandungsabsorption mit ohnedies großer Impedanz ab; oder man wendet die schmalbandig hochwirksame Resonatorbelegung an, die in der Resonanzfrequenz mit der hohen
264
9 Schalld¨ ampfer
schallweichen“ D¨ampfung beginnt und dann sehr rasch zum Bandende hin ” abf¨allt. Weil es andererseits doch immer auch etwas unbefriedigend bleibt, sich nur auf N¨aherungen zu verlassen, und weil die folgende Berechnung auch nicht sehr schwierig ist, sei hier doch noch auf die Frage der exakten Berechnung des Schallfeldes zwischen den parallelen Ebenen y = 0 (mit v = 0) und y = h (mit der Impedanz z) eingegangen. Die Randbedingung ∂p/∂y = 0 f¨ ur y = 0 erfordert den Ansatz p = A cos(ky y)e−jkx x
(9.102)
f¨ ur die Moden der Querverteilung. Die Wellenzahlen ky folgen aus der Randbedingung in der Ebene z = h, p(h) = zv(h): cos(ky h) = −
jky z z/c sin ky h = −jky h sin ky h ω kh
oder −j(ky h) tg(ky h) =
kh . z/c
(9.103)
Gleichung (9.103) bildet die sogenannte Eigenwertgleichung f¨ ur die Schallausbreitung im Kanal. Die L¨osungen von (9.103) geben alle vorkommenden Querwellenzahlen ky an. Die daraus resultierenden axialen Wellenzahlen kx folgen wieder aus der Wellengleichung, die f¨ ur (9.102) kx h = (kh)2 − (ky h)2 (9.104)
verlangt. In kx sind die modalen Welleneigenschaften enthalten, insbesondere gilt auch hier nat¨ urlich Dh = −8, 7Im{kx h} . Alle schon behandelten Sonderf¨alle m¨ ussen in der Eigenwertgleichung wiedergefunden werden. In der Tat, f¨ ur z → ∞ geht (9.103) in sin ky h = 0 und also in ky h = nπ (n = 0, 1, 2, . . .) u ur z = 0 ergibt diese Kontrolle mit ¨ber. Auch f¨ cos ky h = 0 die Eigenwerte ky h = π/2 + nπ (n = 0, 1, 2, . . .), das ist das schon fr¨ uher hergeleitete Ergebnis. Diese Beispiele geben auch Auskunft u ¨ber das in (9.103) enthaltene Prinzip: Diese transzendente Gleichung hat nicht eine, sondern (unendlich) viele L¨osungen. Die Ausbreitung wird allgemein durch eine Vielzahl von Moden beschrieben, deren Wellenzahlen s¨ amtlich L¨osungen von (9.103) sind. Wenn die modalen Amplituden nicht bekannt sind, berechnet man die Kanald¨ ampfung stets aus der Mode mit der kleinsten D¨ ampfung Dh , die als Grundmode“ ” bezeichnet wird. Auch die im vorigen Abschnitt schon betrachtete N¨ aherung f¨ ur diese Grundmode bei großer Impedanz geht aus (9.103) wieder hervor. Setzt man |z/c| kh voraus, dann kann man f¨ ur die Grundmode in (9.103) tg ky h ≈ ky h ann¨ahern und findet
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer 2
(ky h) = j
265
kh , z/c
und daher kx h =
2
(kh) − j
kh z/c
wie in (9.88). Der einzige, hier noch nicht behandelte, in der Praxis wenigstens auch manchmal relevante Fall besteht in kleinen, imagin¨aren Impedanzen, der bei der Wandungsbelegung mit Resonatoren in der N¨ahe der Resonanzfrequenz vorkommt. F¨ ur |z/c| kh kann man im Bereich der Grundmode ky h =
π +∆ 2
(|∆| π/2) annehmen. Aus (9.103) wird dann n¨ aherungsweise π π π sin π + ∆ π 1 kh 2 2 +∆ 2 +∆ −j +∆ ≈j ≈j =j 1+ = . 2 sin ∆ ∆ 2∆ z/c cos π2 + ∆
Nach ∆ aufgel¨ost, ∆=−
π 2 kh 1 + j z/c
,
folgt daraus schließlich die Querwellenzahl ky zu
kh π π j z/c π 1 π z/c ky h = + ∆ ≈ = ≈ 1+j . kh 2 2 1 + j z/c 2 1 − j z/c 2 kh kh Im letzten Schritt ist noch 1/(1 − x) ≈ 1 + x f¨ ur |x| 1 benutzt worden. Die axiale Wellenzahl ist damit 2 π2 z/c 2 kx h = (kh) − 1+j (9.105) 4 kh
oder f¨ ur hinreichend tiefe Frequenzen kh λ/2 π z/c π z/c kx h ≈ −j 1+j = −j . 2 kh 2 kh
F¨ ur die Kanald¨ampfung gilt also
z/c Dh = −8, 7Im {kx h} = 13, 5 1 − Im . kh
(9.106)
F¨ ur die Herleitung von (9.106) ist eine N¨ aherung der Tangens-Funktion in der N¨ahe ihrer Polstelle gemacht worden, die – wie erw¨ ahnt – kleine Impedanzen
266
9 Schalld¨ ampfer
voraussetzt. Nun sind N¨ aherungen in der Polstelle“ immer sehr empfindlich ” gegen¨ uber kleinen Abweichungen, und deshalb verliert (9.106) mit wachsender Impedanz rasch an G¨ ultigkeit. Immerhin l¨ asst sich jedoch eine Einsch¨atzung u ¨ber die Wirkung der Impedanztypen bei kleinen Absolutwerten ablesen. Wie man sieht, nimmt n¨ amlich die Kanald¨ ampfung mit wachsender (kleiner) Massenimpedanz z = j|z| ab. Mit wachsender (kleiner) Federungsimpedanz dagegen nimmt Dh zu und kann offensichtlich auch gr¨oßer als Dh = 13, 5 dB (wie im Fall z = 0) werden. Andererseits ist f¨ ur gr¨ oßere Steifeimpedanz wie vorne erl¨autert u ¨berhaupt keine Kanald¨ampfung Dh = 0 zu erwarten. Dh muss also bei kleinen, dem Betrage nach wachsenden Steifeimpedanzen zun¨ achst bis zu einem Maximalwert hin zunehmen, und danach sehr rasch kleiner werden und gegen Null streben. Offensichtlich existiert eine Optimal-Impedanz im Steifebereich der Impedanz, f¨ ur die Dh den gr¨ oßtm¨ oglichen Wert Dh,opt annimmt. Die Frage der Optimalimpedanz l¨ asst sich am einfachsten an einer grafischen Darstellung der Eigenwertgleichung −jw tgw = β
(9.107)
beantworten, die hier zun¨ achst allgemein erl¨ autert sei. In (9.103) ist der K¨ urze wegen w = ky h und β = kh/(z/c) gesetzt worden. (9.107) beschreibt eine transzendente Gleichung, in der β gegeben und die L¨osungen w gesucht sind. Am einfachsten findet man diese L¨osungen an Hand einer Wertetabelle der komplexen Funktion F (w) = −jw tg(w), die man mit einem Computer leicht erstellen kann. Zum Beispiel k¨onnte man eine Matrix von komplexen Funktionswerten F berechnen, wobei in einer Zeile der Imagin¨arteil von w = wr + jwi konstant gehalten wird, w¨ahrend der Realteil wr mit der Spaltennummer systematisch variiert wird. Auf diese Weise gewinnt man eine Tabellenbeschreibung von F (w), die Zeilen geben die Funktionswerte f¨ ur wi = const., die Spalten f¨ ur wr = const. an. F¨ ur einen gegebenen Wert von β ließen sich so durch Auffinden von F (w) = β in der Tabelle die L¨osungen der Eigenwertgleichung ablesen. Es ist u ¨brigens empfehlenswert, bei Bedarf auch tats¨achlich in einem Numerik-Programm so zu verfahren. Die Aussagen der Matrix k¨ onnen aber auch grafisch dargestellt werden. Zum Beispiel k¨onnen die komplexen Werte von F (w), die sich f¨ ur wi = const. und ver¨anderlichem wr in einer Zeile der Matrix ergeben, in einer Grafik zu einer Linie miteinander verbunden werden. Man erh¨ alt so Linien wi = const. in der komplexen Zahlenebene, sie sind in Bild 9.23 dargestellt. Entlang einer Linie wi = const. ist noch wr variiert worden, und zwar wird in Pfeilrichtung wachsend 0 ≤ wr ≤ π u ¨berstrichen (das Kurvenende wr = π kann außerhalb des dargestellten Bereichs liegen). Die Kurven wi = const. k¨onnen sich selbst schneiden: Das bedeutet ja nur, dass die Eigenwertgleichung (9.107) eben auch mehrere L¨osungen hat. W¨ urde man ein gr¨ oßeres Intervall von wr als hier benutzt w¨ahlen, dann w¨ urde die komplexe Ebene auch mehrfach u ¨berdeckt. Aus dieser Darstellung von F (w) muss sich auch die L¨osung des Optimalproblems ablesen lassen. Dazu ist zun¨ achst festzustellen, dass wegen
9.2 Wandungsschalld¨ ampfer
267
2 kx h = (kh) − w2 ≈ −jw = wi − jwr (f¨ ur kh |w|) der Realteil wr der L¨ osung w die D¨ ampfung bestimmt; es ist ja Dh ≈ 8, 7wr . Wie gesagt schneiden die Kurven wi = const. sich selbst, der Schnittpunkt bezeichnet f¨ ur den damit definierten Wert von β zwei Moden mit w = w1 = wr1 + jwi und w = w2 = wr2 + jwi , die unterschiedliche D¨ampfungen wr1 und wr2 besitzen. Dabei ist w1 der Wert von w, bei dem die Kurve den Schnittpunkt in Pfeilrichtung das erste Mal passiert, w2 der Wert, bei dem die Kurve das zweite Mal den Schnittpunkt durchl¨ auft. Es gilt also wr1 < wr2 . Die Kanald¨ampfung Dh wird stets auf die Mode mit der schw¨achsten D¨ampfung gest¨ utzt, es ist also Dh ≈ 8, 7wr1 . 3
2.5
Im(−jwtg(w))
2
w=
1.5
i
1,1
1
0,9
0,8
0,7 0,6 0,5
1
0.5
0
−0.5
w
r
−1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
Re(−jwtg(w))
Abbildung 9.23. Linien wi = const.
Wenn man nun die Entwicklung der Kurvenschar wi = const. mit wachsendem wi verfolgt, so erkennt man, dass die Schleife“, die die Kurven bei der ” R¨ uckkehr in den Schnittpunkt mit sich selbst nehmen, immer enger werden. Mit zunehmendem wi wird also wr1 gr¨ oßer, w¨ ahrend wr2 gleichzeitig abnimmt. Schließlich kollabiert die Schleife zu einem Punkt. Letzterer heißt Windungspunkt; in ihm gilt w1 = w2 , die beiden w-Werte des Schnittpunktes fallen zusammen. Der Windungspunkt gibt die maximal m¨ogliche Kanald¨ampfung Dh,opt an: wr1 kann zwar weiter zunehmen; gleichzeitig muss dann aber wr2 unter den Optimalwert fallen, so dass die kleinstm¨ ogliche D¨ampfung geringer werden w¨ urde.
268
9 Schalld¨ ampfer
Offensichtlich bildet der Windungspunkt w1 = w2 eine zweifache Nullstelle von G(w) = β + jw tgw . (9.108) F¨ ur den Windungspunkt kann man aus Bild 9.23 etwa βopt ≈
kh = 2 + j 1, 6 zopt /c
(9.109)
ablesen. Daraus folgt f¨ ur die Optimalimpedanz zopt h
(1, 9 − j 1, 5) . c λ
(9.110)
Sie besteht also in einer kleinen Steifeimpedanz mit zus¨ atzlichem, etwa gleich großem Realteil. ampfung Dh,opt kann aus Die sich f¨ ur z = zopt einstellende maximale D¨ Bild 9.23 nicht ohne weiteres abgelesen werden; dazu m¨ ussten noch die wr Werte der Punkte auf der Linie wi = const. angegeben werden. Ebenso gut l¨ asst sich fragen, unter welchen Bedingungen (9.108) eine doppelte Nullstelle besitzt. Wie im Reellen ist das der Fall, wenn sowohl
G(w) = 0
(9.111)
als auch
dG (w) =0 dw erf¨ ullt sind. (9.112) f¨ uhrt nach elementarer Rechnung auf
sin 2w = 2w.
(9.112)
(9.113)
Die L¨ osung von (9.113) l¨ asst sich numerisch rasch und sicher bestimmen, sie betr¨ agt mit drei Stellen Genauigkeit wopt = 2, 19 + j1, 12 ,
(9.114)
woraus die Optimald¨ ampfung Dh,opt = 19, 1 dB folgt. Die Frage, worin das maximal M¨ ogliche besteht, ist von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen immer interessant. Praktisch ist die diskutierte Optimalimpedanz allerdings fast g¨ anzlich bedeutungslos. Sie w¨ are allenfalls nur sehr schmalbandig in der N¨ ahe der Resonanzfrequenz eines Resonators herstellbar.
9.3 Zusammenfassung Das Wirkprinzip von Kanalschalld¨ ampfern kann in Reflexion und in Absorption bestehen. Reine Reflexionsd¨ ampfer sind z. B. Querschnittsspr¨ unge,
9.4 Literaturhinweis
269
Verzweigungen und eingef¨ ugte Kammern (z.B. Auspufft¨opfe). Auch Wandungd¨ampfer stellen Reflektoren dar, wenn die Wandungsimpedanz imagin¨ar oder gleich Null ist. Im Falle von Impedanzen mit nicht verschwindendem Realteil wird Schallleistung in die Wandung abgegeben. Allgemein gilt, dass man mit wenig Aufwand schmalbandig recht hohe Einf¨ ugungsd¨ammaße erreichen kann, breitbandig muss man sich dann aber bei der gleichen Anordnung mit vergleichsweise kleiner Wirkung zufrieden geben. Beispiele daf¨ ur sind Rohre mit in L¨angsrichtung periodisch ver¨ anderlichem Querschnitt bei kleinem Hub der Verengungen und Erweiterungen, und die Wandungsauskleidung mit schwach ged¨ ampften Resonatoren ebenso wie die nur in einem Frequenzpunkt herstellbare Wandungs-Optimalimpedanz. Große und breitbandige Schalld¨ampfungen setzen eben immer auch einen daf¨ ur bereitgestellten technischen Aufwand, wie z. B. bei Kulissend¨ ampfern, voraus.
9.4 Literaturhinweis F.P. Mechel hat einen wichtigen Teil seines Werkes Schallabsorber“(B¨ande 1 ” bis 4, Hirzel Verlag, Stuttgart, ab 1995) dem Thema der schallschluckenden bzw. reaktiven Kanalauskleidung gewidmet.
10 Beugung
Ein jeder Mitmensch kennt aus eigener Anschauung den Versuch, l¨astigen L¨arm zu vermeiden, indem man ein Hindernis zwischen sich und den Erzeuger bringt. Dem Presslufthammer oder dem Rasenm¨ aher trachtet man hinter dem n¨achsten Haus zu entgehen; bei der Erholung in Waldesstille schl¨agt man rasch den Weg u ugel ein, wenn die Motors¨age der Forstarbeiter ¨ber den n¨achsten H¨ die Stille zerschneidet. Ebenso weiß auch ein jeder, wie fruchtbar - oder eben fruchtlos - solche Versuche sind. Der Blickkontakt zur Quelle ist l¨ angst durch große Hindernisse ausgeschlossen, der L¨arm dringt dennoch mit nur m¨ aßiger oder mittelm¨aßiger Abschw¨achung an das Ohr. Offensichtlich gelingt dem Schall, was unser Blick nicht kann: Er beugt sich um das Hindernis herum, weicht also von der geraden Ausbreitung ab. Der physikalische Effekt heißt deshalb Beugung“. ” In unserer l¨armreichen Welt hat die Frage große Bedeutung, wie bereits vorhandene oder neu zu bauende Schallschirme (Geb¨ aude, W¨ande, W¨alle . . . ) gezielt zum Schutz gegen Bel¨ astigung (und Krankheit) genutzt und welche Pegelminderungen damit erreicht werden k¨ onnen. Alleine in Deutschland d¨ urfte die L¨ange von L¨armschutzw¨ ande an Straßen und Schienenwegen sicherlich in Tausenden von Kilometern gez¨ ahlt werden. Wie groß ihre Wirkung ist, welche Pegelsenkung von ihnen bereitgestellt wird, das sind sicher Fragen, die zum Kerngebiet von Technische Akustik geh¨ oren, und die hier deshalb aufgegriffen werden. Andererseits lassen sich hier nicht alle Beugungsph¨anomene behandeln. Zum Beispiel h¨angt die Beugung gewiss von der K¨ orpergestalt des Hindernisses ab, ein hier nicht diskutierter Einfluss. Das Folgende muss sich auf das Prinzipielle und Grunds¨ atzliche mit Betrachtungen an Hand einer m¨oglichst einfachen Anordnung konzentrieren. Deshalb handelt der folgende Abschnitt von der Beugung an einer schallharten, halbunendlich ausgedehnten Schneide, die von einer schr¨ag einlaufenden Welle getroffen wird (Bild 10.1). Dieses Beugungsproblem ist u ¨brigens vor etwa 100 Jahren zuerst von Sommerfeld in ur Licht) behandelt worden. seinen Vorlesungen u ¨ber Theoretische Physik“ (f¨ ”
272
10 Beugung
Schalleinfall
ϕ ϕ0 schallharte Schneide
β r
Aufpunkt
Abbildung 10.1. Geometrische Gr¨ oßen am halbunendlichen Schirm. Beugungswinkel β = ϕ − π − ϕ0
10.1 Beugung an der schallharten Schneide Ausnahmsweise einmal sei die Beschreibung des Schallfeldes durch einen Formelapparat hier nicht von den Grundlagen aus hergeleitet, sondern lediglich aus der Literatur u ur eine detailgenaue Herleitung ¨bernommen. Der Leser sei f¨ z. B. auf den Artikel des Verfassers in der ACUSTICA 81 von 1995 (ab S. 565, siehe den Anhang des Artikels) verwiesen, der sich der gleichen Schreibweise und Symbolik bedient wie hier, und auf Skudrzyks Werk The Foundations ” of Acoustics“. Den genannten Literaturstellen zu Folge l¨ asst sich das Schallfeld vor der halbunendlichen schallharten Schneide durch die folgenden Gleichungen beschreiben (die Bedeutung der geometrischen Gr¨ oßen ist in Bild 10.1 geschildert). F¨ ur den Schalldruck im ganzen Raum gilt p (r, ϕ) = pQ (0)
1 + j jk0 r cos(ϕ−ϕ0 ) φ+ + ejk0 r cos(ϕ+ϕ0 ) φ− , e 2
¨ worin zur besseren Ubersicht 1−j ϕ − ϕ0 ϕ − ϕ0 φ+ = +C 2k0 r cos − jS 2k0 r cos 2 2 2
(10.1)
(10.2)
und
1−j ϕ + ϕ0 ϕ + ϕ0 φ− = +C 2k0 r cos − jS 2k0 r cos 2 2 2
benutzt worden ist. Die dabei durch
(10.3)
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
C (x) =
2 π
x
273
cos t2 dt
(10.4)
sin t2 dt
(10.5)
0
und durch
S (x) =
2 π
x 0
definierten Funktionen heißen Fresnel-Integrale. Sie sind in Bild 10.2 gezeigt (das verwendete MATLAB-Programm zur Berechnung von C und S ist im Anhang zu diesem Kapitel zur freien Benutzung f¨ ur jedermann abgedruckt). 1 0.9
Fresnel−Integrale
0.8 0.7
C(x)
0.6 0.5 0.4 0.3 S(x)
0.2 0.1 0 0
1
2
3
4 x
5
6
7
8
Abbildung 10.2. Fresnel-Integrale S(x) und C(x)
Wie man erkennt handelt es sich bei C und S um Funktionen, die bei wachsendem Argument mit abnehmender Amplitude um den Wert von 1/2 schwanken. N¨ aherungen f¨ ur die Fresnel-Integrale lauten deshalb f¨ ur x >> 1
1 1 +√ sin x2 2 2πx 1 1 S (x) − √ cos x2 . 2 2πx
C (x)
(10.6)
(10.7)
F¨ ur negative Argumente muss die aus den Definitionen (10.4) und (10.5) folgende Symmetrie C (−x) = −C (x) S (−x) = −S (x)
(10.8) (10.9)
274
10 Beugung
beachtet werden. Unter pQ (0) in Gl.(10.1) ist derjenige Schalldruck zu verstehen, den die einfallende ebene Welle ohne Abschirmwand (im Freien) im Koordinatenursprung r = 0 erzeugen w¨ urde (siehe auch Gl.(10.11)). Weil die Amplitude einer ebenen Welle ortsunabh¨ angig ist und u ur das ¨berall pQ (0) betr¨agt, gilt f¨ Einf¨ ugungsd¨ammmaß der halbunendlichen Wand p (r, ϕ) 2 . RE = −10 lg (10.10) pQ (0) Das Einf¨ ugungsd¨ammmaß kann nat¨ urlich von Ort zu Ort verschieden sein. Ausdr¨ ucklich sei noch darauf hingewiesen, dass der f¨ ur die Gleichungen (10.1) bis (10.5) zugelassene Wertebereich f¨ ur den Umfangswinkel 0 < ϕ < 2π betr¨agt. Winkel außerhalb dieses Intervalls - insbesondere negative Winkel sind nicht erlaubt, sie f¨ uhren zu falschen Ergebnissen bei der Auswertung. Auch f¨ ur die Einfallsrichtung ϕ0 sind positive Werte vorausgesetzt.
Abbildung 10.3. (a) Teilchenbewegungen im Schallfeld vor der halbunendlichen Schneide
Zum Beweis, dass der in Gl.(10.1) gegebene Schalldruck (mit den zugeh¨origen Abk¨ urzungen in Gl.(10.2) bis (10.5)) tats¨ achlich die L¨osung des Beugungsproblems bildet, m¨ ussten folgende Tatsachen nachgewiesen werden : • • •
p(r, ϕ) ist L¨osung der Wellengleichung, p(r, ϕ) erf¨ ullt die Randbedingungen dp/dϕ = 0 f¨ ur ϕ = 0 und ϕ = 360◦ , und in großen Entfernungen vom Schallschirm im Freien (im durch Licht“ ” bezeichneten Raumbezirk des Bildes 10.3) muss das Gesamtfeld p gegen den ungest¨orten freien Schalleinfall pein streben.
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
275
Schalleinfall Reflexionsgrenze
"Reflexion"
ϕ0 "Licht" schallharte Schneide
"Schatten"
Schattengrenze
Abbildung 10.3. (b) Bezeichnung der Raumbezirke
In der letzten Bedingung ist unter pein pein = pQ (0) ejk(x cos ϕ0 +y sin ϕ0 ) oder, mit x = rcosϕ und y = rsinϕ f¨ ur die Koordinatensysteme (x, y) und (r, ϕ), und wegen cosϕ cosϕ0 + sinϕ sinϕ0 = cos(ϕ − ϕ0 ), pein = pQ (0) ejkr cos(ϕ−ϕ0 )
(10.11)
das einfallende Schallfeld alleine zu verstehen. An Stelle des mathematischen, durch Nachrechnen hergestellten (doch recht umfangreichen) Beweises soll hier einfach durch graphische Darstellung der Ergebnisse wenigstens f¨ ur Plausibilit¨ at gesorgt werden. Dazu werden die Auslenkungen der Aufpunkte im elastischen Kontinuum aus Gas berechnet, ξx =
1 ∂p ; ω 2 ∂x
ξy =
1 ∂p ω 2 ∂y
(10.12)
und an Hand eines Punktrasters - siehe Bild 10.3a - dargestellt. Die Ableitungen kann man n¨ aherungsweise aus Differenzenquotienten gewinnen, also z. B. aus dp/dx ≈ (p(x + ∆x) − p(x))/∆x (f¨ ur Bild 10.3a ist ∆x = λ/100 benutzt worden, eine Wahl, die sich auch sonst gut bew¨ ahrt), wobei p jeweils aus (10.1) bestimmt wird. Das so entstandene Bewegungsmuster ist leicht ¨ zu lesen: Uberdichte“ der Punkte (gegen¨ uber dem gleichabst¨ andigen Muster ” ohne Schall“) zeigt Schalldichte und Schalldruck oberhalb der atmosph¨ ari” schen Gr¨ oßen an ( Unterdichte“: Unterhalb), der Abstand zweier Gebiete mit ” hoher (niedriger) Kompression zeigt die Wellenl¨ ange an. In Bild 10.3a gibt das Schallfeld eine bestimmte, feste (eingefrorene) Zeit wieder; mehrere solche Momentaufnahmen (z. B. f¨ ur t/T = 0; 1/50; 2/50; . . . , 49/50 mit T = Periodendauer) nacheinander w¨ urden einen Trickfilm ergeben, der die zeitliche Geschichte der Wellenausbreitung schildert.
276
10 Beugung
Die so hergestellte Momentaufnahme des Schallfeldes in Bild 10.3a zeigt vern¨ unftige Tendenzen. Neben der Tatsache, dass es sich offenbar wirklich u ¨berall um Wellen handelt, •
sind die Randbedingungen zu beiden Seiten der schallharten Schneide erf¨ ullt, • ist die Reflexion an der Schirmoberseite mit dem Resultat stehender Wellen im Bereich ϕ < π − ϕ0 zu erkennen, • besteht das Gesamtfeld im Lichtbereich“ π − ϕ0 < ϕ < π + ϕ0 nur in der ” ungest¨ort vorbeilaufenden einfallenden ebenen Welle, und schließlich • ist die erwartete Beugungswelle in das Schattengebiet erkennbar. F¨ ur den Schattenbereich ist anzumerken, dass die sichtbare Dynamik der Darstellungsweise in Bild 10.3a sch¨ atzungsweise etwa 10 dB betr¨agt, weswegen Einf¨ ugungsd¨ammmaße von RE > 10 dB optisch kaum darstellbar sind. Die Wiedergabedynamik l¨ asst sich betr¨ achtlich durch Darstellung des Intensit¨atsflusses (Bild 10.4) erh¨ ohen, wenn die Vektorl¨ ange in dB skaliert wird. 25
1.5
[dB]
λ
Abbildung 10.4. Intensit¨ atsverlauf am Schallschirm
N¨aherungsbetrachtungen f¨ ur den geschilderten Formelapparat belegen nochmals die genannten Tendenzen, sie lassen dar¨ uber hinaus auch eine quantitative Einsch¨atzung der schattenspendenden Wirkung des Schallschirmes zu. Weil die direkt Umgebung der Schirmkante r ≈ 0 praktisch nicht sehr interessant ist, wird im Folgenden k0 r >> 1 vorausgesetzt. ¨ Uber das prinzipielle Verhalten der Gr¨ oßen φ+ und φ− entscheidet das Vorzeichen des Argumentes in den zugeh¨ origen Fresnel-Integralen, denn diese schwanken um den Wert 1/2 f¨ ur positive Argumente und um −1/2 f¨ ur negative Argumente (siehe (10.8) und (10.9)).
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
277
Wenn √ man mit u jeweils das Argument der √ Fresnel-Integrale bezeichnet, also u = 2k0 r cos(ϕ − ϕ0 )/2 f¨ ur φ+ und u = 2k0 r cos(ϕ + ϕ0 )/2 f¨ ur φ− , dann folgt aus (10.6) bis (10.9)
φ ≈ 1−j
falls u > 0
und |u| 1
(10.13)
und 2
je−ju φ≈ √ 2π |u|
falls u < 0
und
|u| 1 .
(10.14)
Mit den in (10.13) und (10.14) genannten Vereinfachungen l¨ asst sich nun das prinzipielle Verhalten des Schallfeldes in den interessierenden Raumbezirken leicht diskutieren. a) Reflexionsbereich Der Bereich Reflexion“ ist durch ” ϕ < π − ϕ0 gekennzeichnet. In ihm ist ϕ − ϕ0 π < − ϕ0 2 2 und
ϕ + ϕ0 π < . 2 2
Demnach gilt cos
ϕ − ϕ0 >0 2
und
ϕ + ϕ0 >0. 2 Die beiden Argumente der auftretenden Fresnel-Integrale sind demnach posiur φ− an. Es ist tiv, damit gibt (10.13) die N¨ aherung sowohl f¨ ur φ+ als auch f¨ also im Reflexionsbereich nach (10.1) mit (1 − j)(1 + j) = 2 (10.15) p (r, ϕ) ≈ pQ (0) ejk0 r cos(ϕ−ϕ0 ) + ejk0 r cos(ϕ+ϕ0 ) . cos
Der erste Term beschreibt (siehe Gl. (10.11)) das einfallende, der zweite Term das in ϕ = 0 reflektierte Feld.
278
10 Beugung
b) Lichtbereich Der Bereich Licht“ bezeichnet den Raumteil, in dem die ungest¨orte, einfal” lende Welle als Resultat erwartet wird. Hier ist π − ϕ0 < ϕ < π + ϕ0 , und demnach gilt
und
π ϕ − ϕ0 π − ϕ0 < < 2 2 2
π ϕ + ϕ0 π < < + ϕ0 . 2 2 2
Aus diesem Grund ist cos
ϕ − ϕ0 >0 2
und
ϕ + ϕ0 > 1 Es ist also φ+ ≈ 1 − j, f¨ dagegen wird φ− nach (10.14) klein und kann deswegen gegen¨ uber φ+ vernachl¨ assigt werden. Demnach besteht das Gesamtfeld nach (10.1) cos
p (r, ϕ) = pQ (0) ejk0 r cos(ϕ−ϕ0 ) ganz richtig in der einfallenden Welle alleine. Die Betrachtungen im Reflexions-Bereich und im Licht-Bereich dienten mehr der nachtr¨ aglichen Kontrolle der Gleichungen; die folgenden Betrachtungen im Schattenbereich dagegen geben an, welcher Nutzen vom Schallschirm erwartet werden kann. c) Schattengrenze Auf der Schattengrenze ϕ = π + ϕ0 gilt
ϕ − ϕ0 π = 2 2
und
ϕ + ϕ0 π = + ϕ0 . 2 2 Das Argument der Fresnel-Integrale f¨ ur φ+ ist wegen cos(ϕ − ϕ0 )/2 = 0 ebenfalls gleich Null, und es ist mit S = C = 0
φ+ =
1−j 2
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
279
Das Argument der Fresnel-Integrale f¨ ur φ− ist wegen cos
ϕ + ϕ0 ϕ0 + π gilt
ϕ − ϕ0 π > 2 2
und
ϕ + ϕ0 π > + ϕ0 . 2 2 Diesmal sind die Argumente aller Fresnel-Integrale negativ, und es ist deshalb nach (10.14) 2 ϕ−ϕ0 je−j2k0 r cos 2 φ+ ≈ √ √ 0) 2π 2k0 r cos (ϕ−ϕ 2 2 ϕ+ϕ0
je−j2k0 r cos 2 . φ− ≈ √ √ 0) 2π 2k0 r cos (ϕ+ϕ 2
Demnach gilt f¨ ur den Druck −jk0 r
⎧ ⎨
⎫ ⎬
j−1 e 1 1 + p = pQ (0) √ √ (ϕ−ϕ ) (ϕ+ϕ ) ⎩ 0 2k r 2 2π 0 cos 2 cos 2 0 ⎭
(10.18)
(f¨ ur die Argumente der Exponentialfunktionen ist noch von cos(α)−2 cos2 (α/2) = cos(α) − (1 + cos(α)) = −1 Gebrauch gemacht worden).
280
10 Beugung
F¨ ur Betrachtungen im Schatten ist es recht naheliegend zu vermuten, dass es auf den Abstand eines Punktes zur Schattengrenze ϕ = ϕ0 + π ankommt. Aus diesem Grund sei hier der sogenannte Beugungswinkel β eingef¨ uhrt. Er z¨ahlt einfach relativ zur Schattengrenze, d.h. es gilt ϕ = π + ϕ0 + β . F¨ ur die beiden Winkelausdr¨ ucke in (10.18) ist also cos ϕ − ϕ0 = sin β 2 2
cos ϕ + ϕ0 = sin β + ϕ0 . 2 2
und
F¨ ur kleine Beugungswinkel gelten die hier f¨ ur das Schattengebiet abgeleiteten N¨aherungen ohnedies nicht (siehe die obigen Bemerkungen zur Schattengrenze), man muss also mittlere bis gr¨ oßere“ Beugungswinkel voraussetzen. ” F¨ ur (etwa) 30◦ < β < 120◦ und 0◦ < ϕ0 < 90◦ unterscheiden sich aber sin(β/2 + ϕ0 ) und sin(β/2) nicht sehr: Man darf deshalb in (10.18) den zweiten Term etwa durch den ersten absch¨ atzen:
(j − 1) e−jk0 r p ≈ pQ (0) √ , √ 2π 2k0 r sin β2
(10.19)
oder, f¨ ur das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß pQ (0) 2 2 β 2r RE = 10 lg ≈ 10 lg 4π sin . p λ 2
(10.20)
asst sich noch geometrisch deuDer darin enthaltene Ausdruck 2r sin2 (β/2) l¨ ten. Er ist n¨amlich gleich dem Unterschied U aus dem Weg, den ein Schallstrahl von der weit entfernten Quelle abknickend“ u ¨ber die Schirmkante zum ” Aufpunkt nimmt, und aus dem direkten“ Weg des Schallstrahles zum Auf” punkt bei weggelassener Wand (Bild 10.5). Diese Wegdifferenz heißt Umweg U , f¨ ur ihn gilt nach Bild 10.5 U = r − D = r − r cos β = r (1 − cos β) = 2r sin2 und folglich ist
RE ≈ 10 lg 2π
2U
λ
β , 2
.
(10.21)
Gleichung (10.21) heißt Umweggesetz“, weil es besagt, dass die von Schall” schutzw¨anden hervorgerufene Einf¨ ugungsd¨ ammung nur vom Verh¨altnis aus Umweg und Wellenl¨ange abh¨ angt.
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
281
Abbildung 10.5. Schallumweg U = Kantenweg r - Direktweg D
Praktisch alle Berechnungen der Wirkung von Schallschutzw¨anden (siehe z. B. VDI 2720: Schallschutz durch Abschirmung im Freien) werden auch heute noch nach (10.21) oder jedenfalls doch nach einer sehr ¨ahnlichen N¨aherung durchgef¨ uhrt. Dabei wird das Umweggesetz auch auf Quellen mit endlichem Wandabstand angewandt, auch die Reflexion am Boden wird vernachl¨assigt. Wie man sieht •
ist das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß frequenzabh¨ angig, f¨ ur tiefe Frequenzen ist die Wirkung schlechter als f¨ ur hohe Frequenzen, • sind m¨oglichst hohe Schallschutzw¨ ande f¨ ur m¨ oglichst große Umwege erforderlich, auch sind • tiefliegende Quellen direkt auf Straße oder Schiene f¨ ur die abschattende Wirkung g¨ unstiger als hochliegende Schallerzeuger. Das Reifenger¨ausch eines LKW wird also besser abgeschattet als das m¨oglicherweise hochliegende, offene Auspuffrohr. Bei Eisenbahnz¨ ugen ist die Wandwirkung f¨ ur die Lok schlechter als f¨ ur den angeh¨ angten Wagen, weil beim Wagen fast nur der Rad-Schiene-Kontakt, bei der Lok jedoch auch noch die hochliegenden Luftschlitze f¨ ur den Motor z¨ ahlen. Die Genauigkeit der vom Umweggesetz gemachten Aussage l¨asst sich nachtr¨aglich untersuchen, indem die N¨ aherung (10.21) mit dem Ergebnis aus der exakten Gleichung (10.1) verglichen wird. Dazu w¨ahlt man (bei festem Einfallswinkel ϕ0 ) am besten U/λ als unabh¨ angige Variable und zeichnet eine Kurvenschar f¨ ur das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß mit dem Beugungswinkel als Parameter. Die f¨ ur die numerische Auswertung mit Hilfe von (10.1) erforderlichen Gr¨oßen ergeben sich dann aus r U 1 = λ λ 2 sin2 β/2
und aus ϕ = ϕ0 + π + β. Die so berechnete Kurvenschar ist in Bild 10.6 wiedergegeben. Wie man sieht streben die Kurven mit wachsendem β der Umweggesetz-N¨aherung zu. Sie ist f¨ ur Beugungswinkel von mehr als (etwa) 45◦ sicher gut zu gebrauchen.
282
10 Beugung 30 β = 10°, 20°, 30°, ... ,80°
Einfügungsdämmmaß/dB
25 exakte Rechnung 20 Umweggesetz 15
10
5
0 1
2
4
8
16
Umweg/λ
Abbildung 10.6. Vergleich des Umweggesetzes Gl.(10.21) mit der exakten Rechnung nach Gl.(10.1) 25 β= 450
Einfügungsdämmmaß/dB
20
200 15
150 0
10 10
50 5
0 1
β= 00
2
4
8
16
r/λ
Abbildung 10.7. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß nach Gl.(10.1) f¨ ur kleinere Beugungswinkel
F¨ ur kleine Beugungswinkel andererseits wird die Vorhersage nach der N¨aherung (10.21) problematisch. In diesem Fall muss man deshalb entweder selbst Gl.(10.1) programmieren oder die in Bild 10.7 eingetragenen Kurven benutzen (sie sind nach (10.1) gerechnet).
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
283
Das Umweggesetz reduziert (in guter N¨ aherung) die Bestimmung der Einf¨ ugungsd¨ammung auf rein geometrische Betrachtungen, deren qualitative und quantitative Bedeutung f¨ ur die praktische Anwendung hier noch diskutiert werden sollen. Bild (10.8) zeigt eine typische Anordnung aus Quelle (Abstand aQ zur Wand), Schallschirm der H¨ ohe hS (¨ uber der Quelle) und Einwirkungsort E, der um hE u ¨ber der Quelle liege und den Abstand aE von der Wand besitze. Bei Straße oder Schiene liegen die Hauptquellen auf dem Fahrweg; die H¨ohen hS und hE z¨ ahlen dann relativ zu diesem. F¨ ur den KanSchallschutzwand E, Empfänger, Einwirkungsort
hS
hE
Q, Quelle aE
aQ
Boden
Abbildung 10.8. Anordnung aus Quelle Q, Schallschutzwand der H¨ ohe hS und Einwirkungsort E
tenweg K (=Strahlenweg von Q nach E u ¨ber die Schirmspitze) folgt aus der zweimaligen Anwendung des Satzes von Pythagoras K = h2S + a2Q + (hS − hE )2 + a2E ,
und f¨ ur den Direktweg gilt D=
(hS − hE )2 + (aE + aQ )2 .
Der Umweg U betr¨agt U = K − D. In der Praxis liegen die sch¨ utzenswerten Gebiete fast immer so weit entfernt, dass aE >> hS gilt. Typisch sind gewiss Entfernungen aE von mindestens 100 Meter oder sogar mehreren hundert Metern und Schirmh¨ohen von selten mehr als 5 Meter. Praktisch immer gilt also aE >> hS . Die Ausdr¨ ucke mit (hS − hE )2 sind also sehr viel klei2 ner als aE , solange hE nicht zu sehr u ohe hS hinausw¨ achst. ¨ber die Schirmh¨ Betr¨ uge beispielsweise aE = 20(hS − hE ), dann w¨are ja (hS − hE )2 = a2E /400 eine vergleichsweise außerordentlich kleine Zahl, die den Wert der betroffenen Wurzel fast nicht beeinflußt. Die quadratisch kleinen Terme in den Wurzeln k¨onnen also vernachl¨assigt werden. Daf¨ ur erh¨alt man K = h2S + a2Q + aE
und D = aE + aQ . F¨ ur grosse Abst¨ande aE h¨angt also der Umweg U mit U = K − D = h2S + a2Q − aQ
284
10 Beugung
fast nicht von Meßabstand aE und Meßpunkth¨ ohe hE ab. Das Einf¨ ugungsd¨ammmaß wird daher ausschließlich durch Quellabstand aQ und Schirmh¨ohe hS bestimmt, es ist fast unabh¨ angig von der Wahl des Empfangspunktes E. ¨ Aus dieser Uberlegung kann auch die realistische Gr¨oßenordnung des Einf¨ ugungsd¨ammmaßes abgesch¨ atzt werden. Als Beispiel sei eine (schon recht hohe) 5 m Wand an einer breiten Straße betrachtet. Am ung¨ unstigsten f¨ ur die Wirkung der Schallschutzwand ist immer die am weitesten entfernte Fahrbahn. Bei einer 6-streifigen Autobahn betr¨ agt der Abstand zwischen Schallschutzwand und der entferntesten Fahrbahn sicher etwa 20 m. Damit ergibt sich ein Umweg von 0,62 m. Die Schwerpunktfrequenz f¨ ur Verkehrsl¨arm liegt bei etwa 1000 Hz. Es ist also R = 10lg(2π 2 0, 62/0, 34) = 16 dB. Sicher wird dieser Wert bei genauerer Rechnung und Ber¨ ucksichtigung aller Fahrstreifen und Frequenzen noch etwas nach oben korrigiert. Trotzdem l¨asst sich feststellen, dass Schallschutzw¨ ande unter den u ¨blichen Bedingungen und Bauh¨ohen Einf¨ ugungsd¨ ammmaße von kaum mehr als 20 dB erreichen k¨onnen. Man bedenke dabei auch, dass im genannten Beispiel die Erh¨ohung der Wand auf 6 m nur einen Umweg von dann 0,88 m ergibt. Der Zuwachs an H¨ohe von 1 m bewirkt einen Zuwachs ∆R des Einf¨ ugungsd¨ammmaßes um ∆R = 10lg(0, 88/0, 62) = 1, 5 dB. In Anbetracht der dabei entstehenden Zusatzkosten ist dieser Erfolg sicher als fraglich einzustufen. Insgesamt kann man also feststellen, dass L¨ armschutzw¨ ande bei sachgerechter Auslegung bis zu etwa 20 dB Einf¨ ugungsd¨ ammung erzielen k¨ onnen, nur in Ausnahmef¨allen ließen sich auch noch h¨ ohere Erfolge erwarten. Schallschutzw¨ande bilden damit gewiß ein wichtiges Hilfsmittel zur L¨ armbek¨ ampfung; ebenso gewiß stellen sie allerdings auch kein Allheilmittel dar. Das einfache Modell eines Hindernisses in Form einer halbunendlichen Wand hat eine recht u ¨bersichtliche Beschreibung des Beugungs- und Reflexionsgeschehens ergeben. Daf¨ ur sind doch einige Fragen offen geblieben. Lassen sich z.B. die Berechnungsvorschriften ohne weiteres auch auf andere Geometrien wie zum Beispiel auf Schallschutzw¨ alle an Stelle von W¨anden u ¨bertraasst sich deren Wirkung theogen? Auch f¨ ur keilf¨ormige Schallschutzw¨ ande l¨ retisch berechnen. Die Wiedergabe des Formelapparates w¨ urde hier gewiss zu weit f¨ uhren, aber zwei numerische Auswertungen davon seien hier doch in den Bildern 10.9 ¨ und 10.10 wiedergegeben. Wie man in Bild 10.9 erkennt, spielt der Offnungswinkel unterhalb von 90◦ praktisch keine Rolle, man kann also f¨ ur γ < 90◦ ganz zu recht das Umweggesetz benutzen, oberhalb von 90◦ dagegen werden die Abweichungen vom Umweggesetz rasch signifikant, hier liegen schlechtere RE vor als sie sich f¨ ur die gestreckte halbunendliche Schneide ergeben w¨ urden. ¨ Offnungswinkel von mehr als 120◦ kommen durchaus bei Hausd¨achern und aufgesch¨ utteten Erdw¨ allen vor; wie man sieht muss man mit zum Teil nicht unerheblichen Einbußen bei der Schalld¨ ammung gegen¨ uber gleich hohen gestreckten W¨anden rechnen. Bei großen Ger¨auscherzeugern wie z. B. LKW’s oder Eisenbahnz¨ ugen liegen die eigentlichen Quellen zwar tief, sie bestehen n¨amlich wie gesagt
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
285
25
Einfügungsdämmmaß/dB
20
15
10
Keilöffnungswinkel in Grad = 0, 30, 60, 90, 120
5
0 0
5
1
2
4
r/λ
Abbildung 10.9. Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von keilf¨ ormigen Schallschutzw¨ allen gerechnet f¨ ur den Einfallswinkel ϕ0 = 600 und den Beugungswinkel β = 600
Abbildung 10.10. Reflexion und Beugung an keilf¨ ormigen Schallschutzw¨ allen
haupts¨achlich im Reifenger¨ ausch oder Rollger¨ ausch des Rad-Schiene-Kontaktes. Andererseits wird das Schallfeld auf einem Zick-Zack-Kurs wie in Bild 10.11 nach oben gef¨ uhrt und trifft dann schließlich unter einem f¨ ur die Abschirmwirkung recht ung¨ unstigen Winkel auf die Kante. Im Effekt bewirkt das quasi eine Verlagerung der Quelle von Schiene oder Straße zu einem viel h¨oher gelegenen Ort. Dadurch sinkt die d¨ ammende Wirkung ganz betr¨acht-
286
; ;
10 Beugung
Wand ohne Absorption
Straße
Wand mit Absorption
Straße
Abbildung 10.11. Prinzipweg des Schallstrahles von der Quelle zur Schirmkante bei Schallschutzw¨ anden mit oder ohne Absorption auf der Quellseite 1.2
Absorptionsgrad α
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
125
250
500
1000
2000
4000
f/Hz
Abbildung 10.12. Absorptionsgrad einer Schallschutzwand der Fa. Rieder (Mais¨ hofen, Osterreich), Messung im Kundtschen Rohr
lich. Vermieden werden kann dieser Effekt durch die Benutzung von quellseitig absorbierenden Schallschutzw¨ anden, nur diese werden heute fast nur noch f¨ ur den praktischen Einsatz benutzt. Eine robuste, wetterbest¨andige und feuer-
10.1 Beugung an der schallharten Schneide
287
feste Absorptionsschicht kann zum Beispiel aus einer Mischung von Beton, Holzfasern und Luft hergestellt werden. Ein Beispiel des im Rohr gemessenen Absorptionsgrades einer solchen, im Mittel 8 cm dicken Schicht auf einer Schallschutzwand, ist in 10.12 gegeben. Meßbeispiele f¨ ur die Wirkung der absorbierenden Belegung im Schattengebiet hinter der Wand gibt Bild 10.13. 20
Absorber Hohlkammer 15
Peheldifferenz/dB
Absorber Pilzform 10
5
Faseton Welle 0
−5
125
250
500
1000
2000
4000
Frequenz/Hz
Abbildung 10.13. Terzpegelminderung im ¨ ortlichen Mittel (30 Meßpositionen) durch absorbierende Belegung, gemessen hinter einer 3,5 m hohen Wand bei LKWVorbeifahrt (LKW-H¨ ohe ebenfalls 3,5 m) in 1 m Abstand von der Wand, f¨ ur drei un¨ terschiedliche absorbierende Belegungen. W¨ ande der Fa. Rieder, Maishofen, Osterreich.
Andere, angesichts der praktischen Bedeutung von Schallschirmen ja wichtige und deshalb viel diskutierte Fragen zur Beeinflussung ihrer Wirkung betreffen • die Bodenreflexion, • Wind und Wetter, • Ausbreitungsd¨ampfung u ¨ber große Entfernungen, • Bewuchs, • unkonventionelle, zum Beispiel u angende Geometrie, ¨berh¨ • und gewiss gibt es noch andere, hier nicht genannte Einfl¨ usse.
288
10 Beugung
10.2 Zusammenfassung Das Beugungsfeld im geometrischen Schatten hinter einer sehr langen, schallharten und d¨ unnen Wand gehorcht dem ’Umweggesetz’, nach dem sich das Einf¨ ugungsd¨ammmaß der Wand aus der Differenz von ’Schallweg u ¨ber die Kante des Schirmes’ und ’Direktweg ohne Wand’ - jeweils bezogen auf die Wellenl¨ange - ergibt. F¨ ur praktische Verh¨ altnisse ergeben sich D¨ammmaße, die nur von der Wandh¨ ohe und vom Wand-Quellabstand abh¨angen. Nur sehr selten betragen die dabei realisierbaren Einf¨ ugungsd¨ammmaße mehr als 20 ¨ dB. Je nach Offnungswinkel kann das Einf¨ ugungsd¨ ammmaß von W¨allen etwas schlechter sein wie das von gleich hohen gestreckten W¨anden. Zur Vermeidung von Vielfachreflexionen zwischen Quelle und Schallschutzwand, die die Abschirmwirkung beeintr¨ achtigen, wird f¨ ur Absorption auf der Wand-Quellseite gesorgt.
10.3 Literaturhinweise Zum Vertiefen des Stoffes sei vor allem das Werk von Skudrzyk, E.: The Foundations of Acoustics (Springer, Wien 1971) empfohlen. Die Frage der Beeinflussung des Beugungsfeldes durch Impedanzgebung wird in M¨oser, M.: Die Wirkung von zylindrischen Aufs¨ atzen an Schallschirmen. (ACUSTICA 81 (1995), S. 565-586) behandelt. Als Nachschlagwerk u ¨ber mathematische Funktionen ist das Buch von Abramowitz, M. (Hrsg.); Stegun, I. A.(Hrsg.): Handbook of Mathematical Functions. (9th Dover Printing, New York 1972) von großem Wert.
10.4 Anhang: MATLAB-Programm fu ¨ r die Fresnel-Integrale \centering function [cfrenl,sfrenl] = fresnel(xarg) x=abs(xarg)/sqrt(pi/2); arg=pi*(x^2)/2; s=sin(arg); c=cos(arg); if x>4.4 x4=x^4; x3=x^3; x1=0.3183099 - 0.0968/x4; x2=0.10132 - 0.154/x4; cfrenl=0.5 + x1*s/x - x2*c/x3; sfrenl=0.5 - x1*c/x - x2*s/x3; if xarg 0) aus p1 = p0 (e−jkx + rejkx )
(12.15)
324
und
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung
p2 = p0 (1 + r)e−jkx
(12.16)
zusammen. Der stromab liegenden Raumbezirk 2 ist gerade dann mit p2 = 0 vor Schall vollst¨andig gesch¨ utzt, wenn r = −1 eingestellt wird. Im stromauf liegenden Raumbezirk 1 stellt sich dann die stehende Welle p1 = −2jp0 sin(kx) ein. Die sekund¨are Quelle wirkt offensichtlich wie ein Reflektor. Die Gr¨oße r kann deshalb unmittelbar als aktiv bereitgestellter Reflexionsfaktor gedeutet werden. Die vollst¨ andige Ausl¨ oschung stromab mit r = −1 besteht in einer schallweichen“ Reflexion, bei welcher der Druck am Reflektorort mit ” p2 (0) = 0 zusammenbricht. Die sekund¨ are Quelle stellt das Gesamtfeld so ein, dass durch Rohrquerschnitte links und rechts von ihr insgesamt jeweils keine Leistung fließt. Der sekund¨ are Lautsprecher gibt dabei also gar keine Energie an den Kanal ab. F¨ ur andere Faktoren r jedoch ¨ andert sich der Leistungsfluss der sekund¨aren Quelle. Allgemein muss die vom Lautsprecher dem Kanal zugef¨ uhrte Leistung PL gleich der Differenz der rechts und links von ihm durch den Kanalquerschnitt in x-Richtung transportierten Leistungen sein: PL = P2 − P1 .
(12.17)
Wenn die von der sekund¨ aren Quelle aus nach rechts fließende Gesamtleistung P2 gr¨oßer ist als die links davon durch den Querschnitt zugef¨ uhrte Leistung P1 , P2 > P1 , dann gibt der Lautsprecher Leistung an den Kanal ab. Wenn andererseits P2 kleiner ist als P1 , P2 < P1 , dann nimmt der Lautsprecher Leistung aus dem Kanal auf und wirkt so als Senke. F¨ ur P1 gilt P1 =
Sp20 (1 − |r|2 ) 2c
(12.18)
(S=Kanalquerschnittsfl¨ ache), und f¨ ur P2 ist P2 =
Sp20 |1 + r|2 . 2c
(12.19)
Demnach besteht die von der sekund¨aren Quelle in den Kanal eingespeiste Leistung in Sp20 PL = (12.20) [|1 + r|2 − (1 − |r|2 )] . 2c Nat¨ urlich l¨asst sich die sekund¨are Welle durch entsprechende Lautsprecheransteuerung nach Betrag und Phase einstellen; das wird durch den komplexen Faktor r r = Rejφ (12.21) ausgedr¨ uckt. R bedeutet dabei den Betrag von r. Wegen |1 + r|2 = (1 + Rejφ )(1 + Re−jφ ) = 1 + R2 + 2R cos(φ)
(12.22)
12.2 Reflexion und Absorption
325
wird aus Gl.(12.20) PL = 2P0 (R2 + R cos(φ)) = 2P0 R(R + cos(φ)),
(12.23)
worin noch zur Abk¨ urzung die Leistung P0 der hinlaufenden Welle alleine P0 =
Sp20 2c
(12.24)
eingesetzt worden ist. Offensichtlich l¨ asst sich die Phase φ so einstellen, dass der Lautprecher entweder Leistung in den Kanal einspeist, f¨ ur negative cos φ kann er aber auch als Energiesenke benutzt werden. F¨ ur φ = 180◦ ist PL = −2P0 R(1 − R).
(12.25)
Wie man durch Differenzieren nach R leicht zeigt, stellt sich die maximale Energieangabe vom Kanal in den Lautsprecher hinein bei R = 1/2 ein. In diesem Fall ist PL,max = −P0 /2. (12.26) Wegen r=-1/2 w¨ urde diese, durch die sekund¨ are Quelle herbeigef¨ uhrte Absorption zur Halbierung des Schallfeldes im Raumteil 2 stromab vom Lautsprecher und damit zur Pegelminderung von 6 dB f¨ uhren. Lautsprecher k¨onnen also bei geeigneter Phasensteuerung relativ zum einfallenden Feld auch als Energiesenken benutzt werden. Das Energieerhaltungsprinzip wird dabei nicht verletzt, weil Lautsprecher reversible Wandler darstellen, die entweder elektrische Energie in akustische verwandeln, oder aber umgekehrt aus akustischer Energie elektrische gewinnen k¨ onnen. In welche Richtung die Leistung dabei fließt, das ist lediglich eine Frage des elektrischen und mechanischen Betriebszustandes. Bei letzterem z¨ ahlt das fremde, prim¨ are Schallfeld, gegen das der Lautsprecher arbeiten muss: Ist der Gesamtdruck vor der Membran um 180◦ gegen¨ uber der senkrecht auf der Membran stehenden Schnelle phasenverschoben, dann bildet der Lautsprecher zwangsl¨ aufig einen Schallschlucker. Im Prinzip ließen sich also Lautsprecher auch als Generatoren verwenden, die elektrische Leistungen ans Netz liefern. Die akustischen Leistungen sind allerdings außerordentlich klein und z¨ ahlen kaum verglichen mit der elektrischen Verlustleistung, die man stets bei Lautsprecherbetrieb wegen des elektrischen Innenwiderstandes dieser Quelle erst einmal aufbringen muss. Eine noch wirksamere Schallschluckung als im oben diskutierten Fall l¨asst sich herstellen, wenn die sekund¨ are Quelle mit einer Reflexion verkn¨ upft wird; unter dieser Voraussetzung kann die prim¨ are Welle sogar vollst¨andig geschluckt werden. Der Vorteil gegen¨ uber einem reinen Reflexionsd¨ampfer (r = −1 in den obigen Betrachtungen) liegt auf der Hand: Das stromab liegende Raumgebiet wird ebenfalls vollst¨ andig beruhigt, dabei entsteht aber stromauf keine stehende Welle, die ja unter Umst¨ anden auch noch Resonanzerscheinungen unterliegen kann. Letztere werden durch die vollst¨andige sekund¨are Absorption ausgeschlossen. Der Reflektor kann dabei sowohl passiv
326
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung -l
0 x
Schalleinfall 1
2
3
Lautsprecher
Kanal
Lautsprecher B A
Abbildung 12.8. Aktive Ger¨ auschminderung im Kanal mit zwei sekund¨ aren Quellen
- z.B. durch ein offenes Rohrende - wie aktiv durch eine zweite sekund¨are Quelle hergestellt werden. Es sei hier als Beispiel der Fall behandelt, bei dem auch der Reflektor durch einen zweiten sekund¨ aren Lautsprecher bereitgestellt wird, wie Bild(12.8) zeigt.
Abbildung 12.9. Schallabstrahlung ins Freie von Schallquellen, die durch zeitverz¨ ogerte Ansteuerung nach links zusammen das Schallfeld p = 0 erzeugen. Der Quellabstand betr¨ agt hier λ/4.
Zweckgem¨aß soll das sekund¨ are Lautsprecherpaar nach links in der Summe kein sekund¨ares Schallfeld erzeugen. Eine solche Quellkombination, die in eine Richtung keinen Schall abgibt, l¨ asst sich einfach mit einer Verz¨ogerungsleitung herstellen. Das sekund¨ are Feld im Teilraum 1 links von beiden Quellen besteht n¨amlich in p1,sek = Ap0 [ejkx + Bejk(x+l) ], (12.27)
12.2 Reflexion und Absorption
327
wobei A und B die in Bild(12.8) mit eingezeichneten komplexen Verst¨arkungen bedeuten. Der Ausdruck ejkl bei dem Wellenterm f¨ ur die linke Quelle besagt nur, dass der von dieser Quelle emittierte Schall dann an einem links davon liegenden Ort eben auch fr¨ uher eintrifft, wenn beide Quellen gleichzeitig ein Signal aussenden w¨ urden. Wird nun die linke Quelle mit B = −e−jkl
(12.28)
angesteuert, dann ergibt sich p1,sek = 0 im ganzen Teilraum 1. Die Verst¨arkung B entspricht dabei wie gesagt einfach einer Laufzeitverz¨ogerung: Wenn ein Signal von der rechten sekund¨ aren Quelle bis zur linken sekund¨aren Quelle gewandert ist, dann muss letztere gerade in diesem Moment das Feld der ersteren phasenverkehrt reproduzieren, damit insgesamt gar kein sekund¨ares Schallfeld nach links abgestrahlt wird. Auch im Freien w¨ urde ein solches Quellenpaar auf einer Halbachse kein Feld erzeugen, ein Beispiel zur Veranschaulichung ist in Bild (12.9) wiedergegeben. Es bleibt nur noch u ¨brig, die Gesamtansteuerung A so zu w¨ahlen, dass beide Quellen zusammen gerade das von links einfallende prim¨are Feld in Teilraum 3 kompensieren. Das sekund¨ are Feld betr¨ agt dort p3,sek = Ap0 [e−jkx + Be−jk(x+l) ] .
(12.29)
Nat¨ urlich braucht diesmal der Schall zu einem Empfangsort x von der linken Quelle l¨anger als von der rechten Quelle, woraus sich das Verz¨ogerungsglied im zweiten Ausdruck in der Klammer erkl¨ art. Da nun B = −e−jkl nochmal eine Zeitverz¨ogerung herstellt gilt insgesamt p3,sek = Ap0 [e−jkx − e−j2kl e−jkx ] = Ap0 e−jkx [1 − e−j2kl ].
(12.30)
Die zur Kompensation der (wieder zu pprim = p0 e−jkx angenommenen) prim¨aren Welle erforderliche komplexe Verst¨ arkung A betr¨agt also A=−
1 , 1 − e−j2kl
(12.31)
denn dann ist p3,sek = −pprim . Wie man sieht kann diese Verst¨arkung A nicht f¨ ur alle Frequenzen wirklich auch aufgebracht werden; die obige Gleichung verlangt n¨amlich unendlich große Verst¨ arkung f¨ ur 2kl = 2nπ oder, in Wellenl¨angen ausgedr¨ uckt, f¨ ur l = nλ/2 .
(12.32)
Dieser Sachverhalt leuchtet auch unmittelbar ein. Bei den genannten Frequenzen und Wellenl¨angen sind die beiden sekund¨ aren Quellen entweder gerade gegenphasig oder gerade gleichphasig. Deshalb m¨ ussen die Felder links und rechts von ihnen immer dem Betrage nach u ¨bereinstimmen. Wenn also die
328
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung
sekund¨aren Quellen zusammen aufgabengem¨ aß nach links kein Feld erzeugen, dann senden sie auch nach rechts kein Schallfeld aus. Letzteres dennoch zu Kompensationszwecken zu verlangen, setzt dann eben unendliche Verst¨arkungen voraus. Bei Anwendungen w¨ are dann nat¨ urlich wieder die Begrenzung des aktiv auch nutzbaren Frequenzbereiches erforderlich. Im nutzbaren Frequenzband aber liegt es auf der Hand, dass die beschriebene sekund¨are Quellstruktur tats¨ achlich einen aktiven Absorber bildet. Die von links auf die Lautsprecher zulaufende, einfallende Welle wird nicht reflektiert, weil das Quellenpaar in den Teilraum 1 gar nicht sendet. Die einfallende Schallleistung kommt aber auch in Teilraum 3 nicht an, weil hier vollst¨andige Beruhigung hergestellt worden ist. Demnach muss die einfallende Schallenergie - wie eingangs erw¨ ahnt - geschluckt worden sein. Dass dabei die rechte, stromab liegende Schallquelle die Rolle eines Reflektors u ¨bernimmt, w¨ahrend die linke den Absorber bildet, zeigen einfache Betrachtungen. Weil sich vor Reflektoren immer stehende Wellen ausbilden und weil umgekehrt stehende Wellen einen Indikator f¨ ur Reflektoren darstellen, muss die linke Quelle einen Absorber bilden. Die Rolle der rechten Quelle als Reflektor ergibt sich dann aus dem Gesamtwellenfeld im Teilraum 2 zwischen den Quellen. Hier ist p2 = p0 [e−jkx + Aejkx + ABe−jk(x+l) ] = p0 [e−jkx + A(ejkx − e−jk(x+2l) )]. (12.33) Nach einsetzen von A erh¨ alt man nach kurzer Rechnung p 2 = p0
e−jkx − ejkx . 1 − e−j2kl
(12.34)
Das Schallfeld zwischen den beiden sekund¨ aren Quellen besteht also aus einer stehenden Welle, die durch schallweiche Reflexion am rechten Lautsprecher mit dem Resultat p2 (x = 0) = 0 entstanden ist.
12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen Unter bestimmten Voraussetzungen l¨ asst sich auch mit elektroakustischen Quellen in den Schallentstehungs-Mechanismus selbst eingreifen [2]. Diese M¨oglichkeit besteht f¨ ur selbsterregte, angefachte Schwingungen. Sie k¨onnen nicht nur in der Gr¨oße verringert, sondern sogar ganz zum Erliegen gebracht werden. Sich selbst anfachende Schwingungen existieren in großer Zahl und Mannigfaltigkeit. Zu den selbsterregten, angefachten Quellen z¨ahlen alle geblasenen oder gestrichenen Musikinstrumente, wie Fl¨ ote, Klarinette, Saxophon und Fagott und Geige, Cello und Kontrabass. Auch viele str¨omungsindu¨ zierte Selbsterregungen wie z. B. das Uberblasen einer Flasche (HelmholtzResonator) oder umstr¨ omte Tragflachen oder Bauwerke wie Schornsteine, Br¨ ucken oder Leitungen z¨ ahlen zur Klasse der Anfachvorg¨ange.
12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen
329
Die wesentlichen Eigenschaften von selbsterregten Schwingungen lassen sich vielleicht am besten durch ein Beispiel aus dem Bereich der aerodynamisch erzeugten Selbsterregungen erkl¨ aren. Bei einem umstr¨omten Gegenstand umschließen - wie in den Bildern (12.10) und (12.11) angedeutet die Str¨omungslinien den K¨ orper. Bei einer symmetrischen Struktur sind die Str¨omungslinien oberhalb und unterhalb gleich dicht. Nach dem BernoulliPrinzip entsteht durch die verdichteten Stromlinien ein Unterdruck. Ist der K¨orper in Ruhe, so sind die Unterdr¨ ucke oben und unten gleich groß, die Gesamtkraft bleibt also gleich Null. Das ¨ andert sich, wenn der K¨orper - z.B. als
v=0
Abbildung 12.10. Anstr¨ omung eines ruhenden K¨ orpers (Prinzipbild)
v
Abbildung 12.11. Anstr¨ omung eines nach oben bewegten K¨ orpers (Prinzipbild)
Teil eines Schwingers - bereits selbst eine Geschwindigkeit besitzt. Zeigt diese wie in Bild (12.11) nach oben, dann verdichten sich die Stromlinien oben mehr als unten, der K¨orper wird dann nach oben gesogen. Zeigt die Geschwindigkeit nach unten, dann ist auch die Gesamtkraft nach unten gerichtet. Immer also zeigen die ¨außeren, durch die Aerodynamik hergestellten Kr¨afte in die gleiche Richtung wie die K¨orpergeschwindigkeit. Es sei nun angenommen, dass der umstr¨ omte K¨ orper noch federnd befestigt sei, zum Beispiel am Ende eines Stabes, wie Bild (12.12) das andeutet. Die mechanische Struktur wirkt im Kern wie ein einfacher Schwinger, der
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung Halterung; Wand
330
Schnelle v aerodynamische Kraft F(v)
Stab Messaufnehmer
Profil in Strömung sekundäre Kraft V, φ
komplexe Verstärkung
Schwingerreger
Abbildung 12.12. Resonator aus Stab (= federnde Lagerung) und Profil (= Masse) in der Str¨ omung. F¨ ur sp¨ atere Betrachtungen ist auch schon der sekund¨ are Kreis mit eingezeichnet worden.
K¨orper bildet die Masse m, der elastisch verformbare Stab stellt die Federsteife s dar. Angenommen, es sei eine kleine (z. B. durch Zuf¨alligkeiten erzeugte) Schwingung bereits vorhanden. Immer dann, wenn das Profil am Stabende die Ruhelage (mit dann maximaler Geschwindigkeit) passiert, erf¨ahrt es eine ¨außere Kraft in Richtung seiner Geschwindigkeit. Es ist, als ob man dem K¨orper im richtigen Augenblick einen Schlag versetzt, der die Schwingung immer wieder aufs Neue unterst¨ utzt. Dadurch wachsen die Amplituden ’wie von selbst’ an. Die daf¨ ur n¨ otige Energie wird aus dem Energiereservoir ’Str¨omung’ entnommen. Die Analogie zu einer Kinderschaukel, der man immer im rechten Augenblick einen Schubs versetzt, ist naheliegend. Die typische Zeitgeschichte des Anfachvorganges ist Bild (12.13) geschildert. Dass die Amplituden nach dem zun¨ achst einsetzenden Anfachvorgang dann zumeist nicht weiter anwachsen, l¨asst sich aus einer nichtlinearen Begrenzung erkl¨aren. Beim Beispiel des K¨orpers in der Str¨ omung w¨ achst ja auch der Widerstand, den er bei seiner Bewegung quer zur Str¨ omung erf¨ ahrt. Die hemmende Widerstandskraft w¨achst proportional zu einer h¨ oheren Potenz der Profilschnelle v an, sie kompensiert dann bei gr¨ oßeren Schnellen die aerodynamischen Kr¨afte. Die Schwingung erreicht so einen periodischen Grenzzyklus (der u ¨brigens wegen der Nichtlinearit¨at nicht mehr streng sinusf¨ ormig ist). Zusammenfassen lassen sich die genannten physikalischen Grund¨ uberlegungen in einer Kennlinie, welche die prinzipielle Abh¨angigkeit der aerodynamischen Kraft F (v) von der Profilschnelle angibt (Bild( 12.14)). Weil das Produkt aus Kraft und Schnelle gleich der dem Stab zugef¨ uhrten Schwingleistung ist, nimmt der Resonator Leistung auf, solange dieses Produkt gr¨oßer als Null ist. Bei kleinen Amplituden f¨ uhrt das zum Anwachsen der Schwingung. Ab einer gewissen (nichtlinearen) Grenze wird der ’Hahn’ der Energiezufuhr dann
Schnelle v
12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen
331
0
Zeit t
Aerodynamische Kraft F(v)
Abbildung 12.13. Zeitverlauf einer selbsterregten Anfachschwingung
0
0
Schnelle v
Abbildung 12.14. Abh¨ angigkeit der aerodynamischen Kraft von der ProfilSchnelle
schließlich zugedreht. Die Kennlinie verl¨ asst den linearen Bereich und nimmt negative Werte an. W¨ ahrend einer kompletten Schwingung wird dann in der Nettobilanz keine Leistung zugef¨ uhrt. Auch durch Gleichungen kann der Vorgang - jedenfalls in seinem linearen Teil - recht einfach beschrieben werden. Die Schwingungsgleichung f¨ ur den Resonator lautet allgemein
332
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung
m
d2 x dx +r + sx = F (v) + F0 . 2 dt dt
(12.35)
F0 stellt dabei die kleine, durch Zuf¨alligkeiten hergestellte Kraft dar (z. B. durch einen vorbeischwimmenden Wirbel erzeugt), die zum Start der Schwingung ben¨otigt wird. Wie u ¨blich bedeutet m die Masse, s die Steife des Schwingers und r die vorgefundene Reibkonstante, die f¨ ur die D¨ ampfung sorgt. Wenn man sich nur f¨ ur den Anfachvorgang selbst interessiert, dann kann man die Abh¨angigkeit der aerodynamischen Kraft F (v) durch das erste Glied der Taylorentwicklung ersetzen: F (v) raero v.
(12.36)
Im Bereich kleiner Schwingungen zeigen Kraft und Schnelle wie gesagt in die gleiche Richtung. Die Gr¨oße raero ist also eine reelle Zahl und gr¨ oßer als Null. Die Bewegungsgleichung lautet damit m
d2 x dx + (r − raero ) + sx = F0 . 2 dt dt
(12.37)
Wie man sieht wirkt die aerodynamische Kraft wie ein Reibterm mit negativer D¨ampfung. Das beschreibt nur nochmals das schon genannte Energieprinzip: Ein negativer Reibkoeffizient steht stellvertretend f¨ ur die Tatsache, dass dem Schwinger Energie von außen zugef¨ uhrt wird. Offensichtlich entsteht die Anfachschwingung, wenn der aerodynamische Koeffizient u ¨berwiegt: instabil: raero > r.
(12.38)
Weil die Selbsterregung von alleine w¨ achst bezeichnet man sie auch als ’instabilen’ Vorgang. Stabilit¨at ohne Schwingungen herrscht dagegen f¨ ur stabil: raero < r.
(12.39)
Die Anfachung setzt dann gar nicht erst ein, weil die Verluste gr¨ oßer sind als die zugef¨ uhrte Energie. Sehr viele Strukturen im allt¨aglichen Leben bilden potenzielle Kandidaten f¨ ur angefachte Schwingungen. Dazu z¨ ahlen Bauwerke wie Schornsteine und Br¨ ucken im Wind ebenso wie die Tragfl¨ achen von Flugzeugen. Dass sie (fast immer) stabil bleiben, wird nur der Tatsache ausreichend großer D¨ampfung gedankt. Die physikalischen Einzelheiten der aerodynamischen Kr¨afte k¨onnen gewiss ganz anderen und weit komplexeren Gesetzm¨ aßigkeiten unterliegen als in den obigen sehr einfachen (laminaren) Vorstellungen angenommen. Dennoch haben alle str¨omungsinduzierten Selbsterregungen gemeinsam, dass die Schwingenergie durch einen sich selbst regelnden Vorgang der Str¨omung entnommen wird, und das wirkt wie eine negative D¨ ampfung. Auch das Flattern von B¨andern oder T¨ uchern im Wind, wie u ¨brigens auch die Wind-induzierten Wasserwellen, sind selbsterregte Vorg¨ ange, bei denen nur Kr¨afte und Auslenkungen ¨ortlich verteilt sind.
12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen
333
Aus dem Bereich der Technischen Akustik stellt wohl der schon erw¨ahnte angeblasene Helmholtz-Resonator (wie bei der Flasche bestehend aus einem abgeschlossenen Luftvolumen, das die Steife bildet, und einer Luftmasse in Schlitz oder Flaschenhals, siehe auch Bild (12.15)) zu den wichtigsten Beispielen angefachter Schwinger. Die physikalischen Vorg¨ ange kann man sich ganz ¨ahnlich vorstellen wie beim Stab mit Profil: Die im Schlitz (oder Flaschenhals) befindliche Luftmasse erf¨ ahrt durch die Str¨ omung eine Kraft nach oben (oder nach unten), wenn ihre Geschwindigkeit ebenfalls nach oben (oder nach unten) zeigt, und diese Kraft ist umso gr¨ oßer, je gr¨ oßer die Geschwindigkeit der Luftmasse ist. Man kann also ohne weiteres wenigstens die Prinzipaussage der in Bild (12.14) genannten Kennlinie auch auf die Schallentstehung bei Helmholtz-Resonatoren anwenden. Die Schallabstrahlung nach außen ist dabei u ugt die¨brigens ein bloßes Nebenprodukt des Anfachvorganges und f¨ sem lediglich eine geringe D¨ ampfung zu. Im Inneren des Resonators ist der Pegel sehr viel gr¨oßer als in seiner ¨ außeren Umgebung. Die Idee, diesen oder andere Selbsterregungen mit Hilfe von elektroakustischen Quellen zu bed¨ ampfen und damit u. U. sogar vollst¨andig zu beruhigen, ist nun sehr naheliegend. Dass das m¨ oglich ist, belegen die in diesem ¨ Kapitel abgeleiteten Uberlegungen. Wandler k¨ onnen, wie gezeigt, auch als Schlucker mechanischer Energie benutzt werden, und das bewirkt eine elektrisch hergestellte D¨ampfung der selbsterregten Struktur. Praktisch ließe sich das beim angefachten Stab mit Profil durch einen Schwingerreger machen (Bild(12.12)). Damit auch immer wirklich die richtige Schwingfrequenz f¨ ur die sekund¨are Kraft getroffen wird, besteht die Ansteurung des Schwingerregers aus einem Messaufnehmer-Signal nach geeigneter Aufbereitung durch Verst¨arker und Phasenschieber. Beim Helmholtz-Resonator sorgt der vom Mikrofonsignal angesteuerte Lautsprecher f¨ ur die Entnahme von Schallenergie (Bild(12.15)). Dabei kann es auf Genauigkeit in der Entnahme der Schwingenergie durch den elektroakustischen Saugkreis gar nicht ankommen. Solange nur die sekund¨ar hergestellten Verluste gr¨ oßer sind als die von der Selbsterregung zugef¨ uhrte Energie, kommt die Schwingung vollst¨andig zum Erliegen, weil der Anfachprozess dann gar nicht erst einsetzt. Falls Lautsprecher oder Schwingerreger erst im Grenzzyklus eingeschaltet werden, dann klingt die Schwingung - wie jeder ged¨ ampfte Vorgang - aus, je nach insgesamt eingestellten Verlustgr¨oßen. Dass ’Nachbildgenauigkeiten’ hier fast keine Rolle spielen zeigen auch einfache Berechnungen an Hand des Resonatormodelles in Gl.(12.35). Diesmal wird lediglich noch die aktiv bereitgestellte Kraft auf der rechten Seite abgezogen (das negative Vorzeichen ist hier beliebig so gew¨ahlt worden, dass 0◦ Phasenverschiebung den besten Fall bedeuten) d2 x dx +r (12.40) + sx = F (v) − Fakt + F0 . dt2 dt Wie oben kann man beide Kr¨afte f¨ ur kleine Schwingamplituden durch ihre lineare N¨aherung ersetzen, f¨ ur F (v) durch Gl.(12.36) und f¨ ur Fakt durch m
Fakt rakt v.
(12.41)
334
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung Strömung U
Schlitz
Mikrofon
Lufthohlraum
Lautsprecher V
Verstärker
φ
Phasenschieber
Abbildung 12.15. Helmholtz-Resonator, gebildet aus Lufthohlraum (bildet die Steife) und Schlitz (enth¨ alt die schwingende Masse), zusammen mit dem elektroakustischen R¨ uckkopplungspfad aus Mikrofon, Verst¨ arker, Phasenschieber und Lautsprecher zur aktiven Stabilisierung
Im Bereich kleiner Amplituden wird dann also (jetzt schon f¨ ur reine T¨one der Kreisfrequenz ω notiert) (jωm +
s + r − raero + rakt )v = F0 . jω
(12.42)
Der Hauptunterschied zu Gl.(12.37) besteht darin, dass zwar r und raero reelle und positive Zahlen sind, die durch Verst¨ arker und Phasenschieber einstellbare Gr¨oße rakt dagegen ist komplex: rakt = Rakt ejΦ .
(12.43)
worin nat¨ urlich Rakt den Betrag von rakt darstellt. Gl.(12.42) - nach Realund Imagin¨arteil sortiert - besteht also in ([jωm +
s + jRakt sin(Φ)] + [r − raero + Rakt cos(Φ)])v = F0 . jω
(12.44)
Bekanntlich gibt die Nullstelle des Imagin¨arteiles der Impedanz (denn gerade diese Gr¨oße ist durch den Klammerausdruck gegeben) den Resonanzfall und damit auch die Resonanzfrequenz an. Letztere ergibt sich also aus ωm −
s + Rakt sin(Φ) = 0. ω
(12.45)
Offensichtlich besitzt die mit dem elektroakustischen R¨ uckkopplungskreis versehene Gesamstruktur je nach Phasenverschiebung und Verst¨ arkung eine andere Resonanzfrequenz als die rein mechanische passive Struktur. Durch das
12.3 Aktive Stabilisierung selbsterregter Schwingungen
335
Ankoppeln des aktiven Kreises hat man also sozusagen eine neue hybride mechanisch-elektrische Zwitterstruktur geschaffen, deren Eigenschaften eben auch von den mechanischen wie von den elektrischen Parametern abh¨angen. Die Stabilit¨atseigenschaften des hybriden Schwingers ergeben sich aus dem 10
stabil (Schwingung erlischt)
8
Grenzlinie für raero/r = 2 3 4 5 6 Rakt/r
6
4
2
instabil (Schwingung wird angefacht) 0 −90
−45
0
Phase Φ in Grad
45
90
Abbildung 12.16. Stabilit¨ atskarte der aktiv hergestellten Beruhigung
Vorzeichen des Impedanz-Realteiles. Wenn dieser gr¨oßer als Null ist, dann tritt Stabilit¨at ein. Das ist der Fall f¨ ur Rakt cos(Φ) > raero − r ,
(12.46)
oder, nur durch einen dimensionlosen Ausdruck ersetzt, f¨ ur Rakt /r >
raero /r − 1 . cos(Φ)
(12.47)
Ist Gl.(12.47) nicht erf¨ ullt, dann herrscht Instabilit¨ at mit dem selbstanwachsenden Vorgang. Die Grenze zwischen stabilem und instabilem Gebiet in der (Rakt /r, Φ)-Ebene gibt die Stabilit¨ atsgrenze an. Die Grenzlinie ist in Bild(12.16) f¨ ur einige Werte von raero /r angegeben. Wie erw¨ahnt kommt es hier auf Fehler nur an, wenn dabei die Stabilit¨ atsgrenze u ¨berschritten wird. Parameter¨anderungen so, dass diese im stabilen Bereich bleiben, sind unerheblich. Man hat also einen recht großen Bereich von Phasen und Verst¨arkungen zur Verf¨ ugung, um Ruhe herzustellen. Die genannten Effekte und Prinzipien lassen sich im Versuch an einem Helmholtz-Resonator auch nachweisen. Bild(12.17) zeigt zwei der typischen
336
12 Grundlagen der aktiven L¨ armbek¨ ampfung 150
140
Schalldruckpegel/dB
Lautsprecher an 130
120
Lautsprecher aus 110
100
90 0
100
200
300
400
500
Frequenz/ Hz
Abbildung 12.17. Amplitudenspektren am innenliegenden Mikrofon 100 90
Pegelminderung ∆L in dB
80
Phase Φ =
70
0
75
900 60 50
1050
40
450
30
300
20 10 0 −20
150 −15
−10
−5
0
5
Verstärkung der offenen Schleife, dB
Abbildung 12.18. Pegelminderung in der Resonanzfrequenz
Spektren, die man mit dem in Bild(12.15) skizzierten Aufbau erh¨alt. Wiedergegeben sind die Amplitudenspektren am Mikrophon im Inneren des Resonators. Der Pegel kann hier bis zu 140 dB betragen! Dass sich eine breiter Parameterraum f¨ ur die Verst¨ arkung des elektroakustischen Kreises ergibt, zeigt
12.5 Literaturhinweise
337
Bild(12.18). Dargestellt werden hier die erreichten Pegelminderungen f¨ ur die jeweilige Resonanzfrequenz gegen¨ uber dem ausgeschalteten Lautsprecher. Die Amplitudenspektren in Bild(12.17) zeigen die mit den eingestellten Parametern sehr erfolgreiche (und im Versuchsverlauf u ¨brigens auch als sehr angenehm empfundene) aktive D¨ ampfung. Gleichzeitig kann in einem anderen Frequenzbereich durchaus auch eine Anhebung des vorgefundenen, breitbandigen Rauschens auftreten. Parameter, die also f¨ ur die selbsterregte Schwingung ’g¨ unstig’ im Sinne der Stabilisierung sind, k¨ onnen also durchaus auf andere Schallanteile nachteilige Wirkungen haben. Insbesondere k¨onnen Probleme auftreten, wenn zwei verschiedene Schwingungsmoden mit unterschiedlichen Resonanzfrequenzen am Selbsterregungsprozess beteiligt sind. Unter Umst¨anden kann die erfolgreiche Kontrolle einer Mode zur gleichzeitigen Destabilisierung der anderen f¨ uhren. In den Spektren wird dann ein Gipfel vermindert, w¨ahrend ein zweiter aus dem Rauschen herausw¨achst.
12.4 Zusammenfassung Aktive Methoden, die das Prinzip der Interferenz gezielt nutzen, eignen sich zur L¨armbek¨ampfung vor allem dann, wenn die ¨ ortliche und/oder die zeitliche Gestalt des St¨orschallfelds eine einfache Struktur besitzt. Typische Anwendungsbeispiele sind daher Motorger¨ ausche in kleinen Schutzgebieten, z. B am Fahrerohr in einem Auto oder im Kopfh¨ orer des Flugzeugpiloten. Dabei kann die aktive Maßnahme sowohl die Reflexion als auch die Absorption des einfallenden Schallfeldes beinhalten. Zur Herstellung großer Pegelminderungen sind sehr hohe Nachbildegenauigkeiten f¨ ur das sekund¨ are Feld erforderlich. Wenn beispielsweise die Laufrichtungen nicht bekannt sind oder nicht nachgebildet werden k¨onnen, dann sind die hervorgebrachten Ger¨auschsenkungen je nach Frequenz o¨rtlich stark begrenzt. Weil sich elektroakustische Quellen auch als Schallenergie-Senke benutzen lassen, k¨onnen sie zur Verhinderung angefachter, selbsterregter Schall- oder Schwingprozesse verwendet werden. Die so herbeigef¨ uhrte Stabilisierung des sonst instabilen Vorganges bringt diesen ganz zum Erliegen. Fehler in den Parametern des sekund¨ aren Kreises spielen nur dann eine Rolle, wenn dabei die Grenze des breiten Stabilit¨ atsbereiches u ¨berschritten wird.
12.5 Literaturhinweise ¨ Als sehr informative Ubersichtsarbeit sei das Kapitel ’Aktive Beeinflussung von Schall und Schwingungen’ von J. Scheuren (Kapitel 13 in M¨ uller, G. und M¨oser, M.: Taschenbuch der Technischen Akustik. Springer -Verlag, Berlin 2003) empfohlen. Eine ausf¨ uhrliche Darstellung auch der Algorithmen und Regelungsstrategien bietet das Buch von Hansen and Snyder: Active Control of Noise and Vibration, E and FN SPON, London 1997.
A Rechnen mit Pegeln
A.1 Dekadischer Logarithmus Der dekadische Logarithmus ist als Umkehrung des Potenzrechnens mit der Basis 10 definiert. Gilt zwischen zwei Zahlen x und y der Zusammenhang x = 10y ,
(A.1)
dann bezeichnet man y auch als den dekadischen Logarithmus von x: y = lg x .
(A.2)
Der von (A.1) und (A.2) genannte Sachverhalt l¨ asst sich auch als folgende Aufgabe beschreiben: Gesucht ist zu einer gegebenen Zahl x eine zweite Zahl mit dem Namen Logarithmus von x“ so, dass 10 hoch diese zweite Zahl ” wieder x ergibt; x = 10lg(x) . Auch hier ist nat¨ urlich nichts weiter ausgesagt, als dass Logarithmieren und 10 hoch nehmen“ sich als Operationen gegenseitig ” aufheben. Einige Zahlenwerte, die direkt daraus folgen, wie lg(10) = 1 lg(100) = 2 lg(10n) = n zeigen nochmals, dass die Logarithmuskurve gerade die prinzipielle Gestalt der Empfindungskennlinie in Bild 1.2 besitzt. Aus der Definition folgen unmittelbar einfache Rechenregeln. Zum Beispiel gilt f¨ ur das Produkt ab = 10lg(ab) wegen a = 10lg(a) und b = 10lg(b) 10lg(a) 10lg(b) = 10(lg(a)+lg(b)) = 10lg(ab)
340
A Rechnen mit Pegeln
und deshalb ist die Produktregel lg(ab) = lg(a) + lg(b) .
(A.3)
lg(a/b) = lg(a) − lg(b) .
(A.4)
lg(ab ) = b lg(a) .
(A.5)
Ebenso gilt Auch ist ¨ Beim Ubergang zu einer anderen Basis wird die oben benutzte 10 durch eine beliebige andere Zahl ersetzt. Der Logarithmus von x zur Basis a ist also definiert durch x = aloga (x) . (A.6) Der Zusammenhang von Logarithmen verschiedener Basen l¨asst sich wie folgt herstellen. F¨ ur zwei Basen a und b gilt nach (A.6) aloga (x) = blogb (x) . Wendet man darauf die Operation loga an, so erh¨ alt man loga (aloga (x) ) = loga (x) = loga (blogb (x) ) = logb (x) loga (b) , also loga (x) = logb (x) loga (b) .
(A.7)
Alle Logarithmuskurven haben also unabh¨ angig von ihrer Basis (bis auf die Skalierung der Abszisse) gleiche Gestalt. Dem zuk¨ unftigen Akustiker sei noch der Wert lg 2 = 0, 3 ans Herz gelegt; er wird ihn oft brauchen.
A.2 Pegel-Umkehrgesetz Die Pegeldefinition L = 10 lg(p/p0 )2 (p0 = 2 10−5 N/m2 = Bezugsschalldruck) l¨ asst sich durch bilden von 10L/10 lg(x) wegen 10 = x nach dem Schalldruckquadrat aufl¨osen:
p p0
2 L
= 10 10 .
(A.8)
Nat¨ urlich kann man den physikalischen Schalldruck aus dem Pegel wiedergewinnen.
A.3 Gesetz der Pegeladdition
341
A.3 Gesetz der Pegeladdition H¨aufig steht man vor der Aufgabe, aus mehreren Pegeln einen zu machen. Einfaches Beispiel: Zwei PKW erzeugen (an der selben Stelle) einzeln die Pegel L1 und L2 . Wie groß ist der Gesamtpegel bei gleichzeitigem Betrieb beider PKW? ¨ Ahnliche Fragestellungen kommen sehr oft vor. Die PKW stehen dabei stellvertretend f¨ ur die Erzeugung sogenannter inkoh¨ arenter Signale. Damit sind Signale gemeint, die nicht die gleichen Frequenzen enthalten. Es w¨are schon ein sehr großer Zufall, wenn die Motoren der beiden PKW mit genau der gleichen Drehzahl liefen. Die Annahme inkoh¨ arenter Signale ist fast immer berechtigt. Sicherlich sind die Teilschalle von allen voneinander unabh¨angig betriebenen technischen Ger¨aten und Maschinen ebenso wie Sprachsignale untereinander inkoh¨arent . Das trifft nat¨ urlich nicht zu, wenn sich hinter den Schallerzeugern ein und die selbe Ursache verbirgt: Zum Beispiel sind elektrische Maschinen, die von einem einzigen Netz gespeist werden, nat¨ urlich koh¨arent und enthalten alle die gleichen Frequenzen. Das einfachste Modell f¨ ur ein Signal aus zwei inkoh¨arenten Bestandteilen besteht in dem aus zwei unterschiedlichen Frequenzen zusammengesetzten Summensignal: p = p1 cos ω1 t + p2 cos ω2 t . Der quadrierte Effektivwert, f¨ ur den allgemein p2eff
1 = T
T p2 (t)dt
(A.9)
0
gilt, wird demnach zu p2eff
1 = T
T p21 cos2 ω1 t + p22 cos2 ω2 t + p1 p2 cos ω1 t cos ω2 tdt . 0
Wenn, wie vorausgesetzt, die Frequenzen ω1 und ω2 ungleich sind, dann wird das letzte Integral wegen cos ω1 t cos ω2 t = (cos(ω1 − ω2 )t + cos(ω1 + ω2 )t)/2 sehr viel kleiner als die beiden ersten Anteile. Es bleibt damit p2eff =
1 2 p1 + p22 = p2eff,1 + p2eff,2 . 2
(A.10)
Der quadrierte Effektivwert des Gesamtsignales ist also gleich der Summe der einzelnen Effektivwertquadrate. Allgemeiner gilt f¨ ur ein aus N unterschiedlichen Frequenzen zusammengesetztes Signal N p2eff = p2eff,i . (A.11) i=1
342
A Rechnen mit Pegeln
Das Gesetz der Pegeladdition ergibt sich aus (A.11), indem noch alle Effektivwerte durch Pegel ausgedr¨ uckt werden (p0 = Bezugsschalldruck = 2 10−5 N/m2 ) Lges =
10 lg p2eff /p20
= 10 lg
N i=1
p2eff,i /p20
= 10 lg
N
10Li /10 .
(A.12)
i=1
Gleichung (A.12) heißt Gesetz der Pegeladdition“. Es besagt, dass die Pegel ” gerade NICHT addiert werden, sondern dass aus den Teilpegeln auf die Teileffektivwertquadrate zur¨ uckgerechnet werden muss, deren Summe dann das Quadrat der Gesamteffektivwertes ergibt.
B Komplexe Zeiger
Anhang B dient • •
einer kurzen Einf¨ uhrung in die Definition von komplexen Zahlen und ihrer Rechenregeln und zur Erl¨auterung, wie und warum komplexe Zahlen zur Beschreibung von akustischen Vorg¨angen benutzt werden.
B.1 Einfu ¨ hrung in das Rechnen mit komplexen Zahlen Komplexe Zahlen lassen sich als Punkte in einer Ebene auffassen, eine der beiden Achsen besteht dabei in der Zahlengeraden der reellen Zahlen (hier auch als x-Achse bezeichnet). Meistens stellt man eine komplexe Zahl graphisch (wie in Bild B.1) durch die Verbindungslinie zwischen Ursprung und Punkt dar; diese Linie nennt man Zeiger“. ”
Im{z}
Iz
I
z
y
ϕ x
Re{z}
Abbildung B.1. Darstellung der komplexen Zahl z in der komplexen Ebene
344
B Komplexe Zeiger
Wie bei jedem Zahlenkalk¨ ul besteht der Grund zur Definition in den Operationsm¨oglichkeiten, die daraus entstehen. Alle Rechenregeln und Operationen f¨ ur komplexe Zahlen lassen sich denn auch aus der Absicht herleiten, dass ein j“ genanntes Element einen beliebigen Zeiger um 90◦ im mathematisch ” positiven Sinn drehen soll. So entsteht die zur x-Achse senkrechte y-Achse, sie geht aus der reellen Zahlengeraden x durch Multiplikation mit j hervor. Eine komplexe Zahl l¨asst aus dem nicht gedrehten“ und dem durch Drehung ” ” entstandenen Anteil“ zusammensetzen: z = x + jy .
(B.1)
Dabei sind x und y reelle Zahlen. Bei der Addition komplexer Zahlen geht man vor wie in der Algebra ge¨ ¨ wohnt. In der Mathematik werden Apfel nur zu Apfeln und Birnen nur zu Birnen gez¨ahlt; ebenso werden nicht drehende“ und drehende“ Elemente ” ” getrennt summiert. Mit z1 = x1 + jy1 und z2 = x2 + jy2 ist z1 + z2 = (x1 + x2 ) + j(y1 + y2 ) .
(B.2)
Alle reellen Gr¨oßen d¨ urfen auch negative Werte besitzen, (B.2) enth¨alt also auch die Subtraktion. Aus der Definition Multiplikation mit j dreht um 90◦“ folgt, dass j mit ” j multipliziert die Zahl −1 ergibt: j j = j 2 = −1 .
(B.3)
Ebenso ist j 3 = −j, j 4 = 1, etc. Den Sachverhalt (B.3) schreibt man auch als j=
√
−1 .
(B.4)
Deshalb bezeichnet man j auch als imagin¨ are“ Einheit. Den Achsenabschnitt ” x der komplexen Zahl z nach (B.1) nennt man den REALTEIL von z, kurz x = Re{z} .
(B.5)
¨ Den Achsenabschnitt y nennt man den IMAGINARTEIL von z, kurz y = Im{z} ,
(B.6)
z = x + jy = Re{z} + jIm{z} .
(B.7)
also auch Man beachte, dass y eine reelle Zahl bezeichnet. Unter dem Betrag |z| einer komplexen Zahl versteht man die L¨ ange des Zeigers, nach Pythagoras ergibt sich aus Bild B.1 |z| = x2 + y 2 . (B.8)
Der Zeiger l¨asst sich auch beschreiben durch seinen Betrag und den Winkel, den er mit der reellen Achse einschließt. Wegen
B.2 Verwendung komplexer Zeiger zur Beschreibung akustischer Vorg¨ ange
345
x = |z| cos ϕ
(B.9)
y = |z| sin ϕ
(B.10)
z = |z|(cos ϕ + j sin ϕ) .
(B.11)
und ist Der Betrag des Zeigers cos ϕ + j sin ϕ ist gleich 1. An den Potenzreihenentwicklungen cos ϕ =
∞ n=0
(−1)n
ϕ2n (2n)!
und
sin ϕ =
∞ n=0
(−1)n
ϕ2n+1 (2n + 1)!
und ejϕ =
∞ ∞ ∞ ∞ j 2n ϕ2n j 2n+1 ϕ2n+1 ϕ2n (−1)n ϕ2n+1 + (−1)n = +j (2n)! (2n + 1)! (2n)! (2n + 1)! n=0 n=0 n=0 n=0
stellt man fest, dass cos ϕ + j sin ϕ = ejϕ
(B.12)
gilt. Gleichung (B.12) ist sehr n¨ utzlich, wenn Multiplikationen oder Divisionen ausgef¨ uhrt werden sollen. Seien z1 = |z1 |ejϕ1 und z2 = |z2 |ejϕ2 , dann gilt z1 z2 = |z1 ||z2 |ej(ϕ1 +ϕ2 )
(B.13)
|z1 | j(ϕ1 −ϕ2 ) . e |z2 |
(B.14)
und ebenso z1 /z2 =
Nach (B.13) bewirkt die komplexe Multiplikation von z1 mit z2 eine Drehung von z1 um ϕ2 und eine Verl¨ angerung“ von z1 um den Faktor |z2|. ” Die Wurzel aus einer komplexen Zahl z = |z|ejϕ ist √ z = ± |z|ejϕ/2 . (B.15)
B.2 Verwendung komplexer Zeiger zur Beschreibung akustischer Vorg¨ ange ¨ Alle in diesem Buch behandelten Ubertragungsvorg¨ ange haben zwei grunds¨atzliche Eigenschaften:
346
B Komplexe Zeiger
1. Sie sind (bei hinreichend kleinen Amplituden) linear; das Prinzip der un¨ gest¨orten Uberlagerung kann angewandt werden. 2. Die Strukturen selbst sind zeitunver¨ anderlich. Zum Beispiel kann man annehmen, dass sich bei der Schallabstrahlung ins Freie die Schallgeschwindigkeit nicht ¨ andert, auch besteht das Schallfeld in der Summe der Teilfelder, die von den Summanden in einer Lautsprecherspannung einzeln hervorgerufen worden sind. Auch bei W¨anden ist vern¨ unftigerweise davon auszugehen, dass Masse und Biegesteife sich zeitlich nicht ¨andern und dass sie nach dem Superpositionsprinzip auf Kr¨aftesummen rea¨ gieren. Ahnliche Bemerkungen kann man f¨ ur alle in diesem Buch behandelten ¨ akustischen Ubertrager anstellen. ¨ Allen linearen und zeitinvarianten Ubertragern ist gemeinsam, dass sie auf eine zeitlich sinusf¨ ormige Anregung stets auch mit einem Sinuston gleicher Frequenz antworten. Wird z.B. eine Wand mit einem Sinuston beschallt, dann ist empfangsseitig der gleiche Ton zu h¨ oren, der nat¨ urlich noch in der Amplitude abgeschw¨acht und phasenverschoben ist. Auch ein Mikrofon, dem Druck p0 sin ω0 t ausgesetzt, liefert eine Ausgangsspannung mit gleicher Signalform und Frequenz; und auch der Schalldruck in dem mit einem Sinuston beschallten Kanal - um noch ein drittes Beispiel zu nennen - hat stets ebenfalls die Signalgestalt dieses Sinustones - mit ortsabh¨angiger Amplitude und Phase. ¨ F¨ ur alle hier zur Debatte stehenden Ubertrager gilt also, dass ihr Aus” gang“ y(t) y(t) = |H(ω)|x0 cos(ωt + ϕH + ϕx ) (B.16) eine um ϕx phasenverschobene und um |H| in der Amplitude verst¨arkte“ ” Version des Einganges“ ” x(t) = x0 cos(ωt + ϕx ) (B.17) bildet. Dabei bezeichnet der Ausgang y die Schwingreaktion (die Membranauslenkung, die Ausgangsspannung, den Schalldruck im Kanal, . . . ) und der Eingang x die Anregung (die Lautsprecherspannung, die eingeleitete ¨ Kraft, . . . ). Die Tatsache, dass die Signalform bei der Ubertragung von reinen T¨onen nicht ge¨andert wird, ist eine ganz spezielle und keineswegs selbstverst¨andliche Eigenschaft von linearen, zeitinvarianten Strukturen und der Sinusform. Zum Beispiel werden andere Signalgestalten (etwa dreieckf¨ormige oder rechteckig periodisch) ganz und gar nicht unverformt u ¨bertragen; selbst die einfache Zeitableitung bei der Abstrahlung von Volumenquellen in Kapitel 3.3 nach Gl. (3.14) bewirkt eine Signalverformung, bei der z.B. aus dem Dreiecksverlauf eine Rechteckgestalt entsteht. Die Besonderheit, dass die Sinusform stets unge¨andert u ¨bertragen wird, ¨ f¨ uhrt zu einer sehr einfachen Beschreibung: Bei reinen T¨onen wird die Ubertragung vollst¨andig durch einen Verst¨ arkungsfaktor“ |H(ω)| (der nat¨ urlich ” auch kleiner als 1 oder gar dimensionsbehaftet sein kann) und durch die Phasenverschiebung ϕH beschrieben.
B.2 Verwendung komplexer Zeiger zur Beschreibung akustischer Vorg¨ ange
347
¨ Es ist naheliegend, diese Wirkungen des Ubertragers auf das Eingangssignal durch eine komplexe Multiplikation zu beschreiben. Damit das m¨oglich wird, m¨ ussen den reellen Zeitsignalen von Eingang und Ausgang zun¨achst komplexe Amplituden zugeordnet werden. Dies geschieht mit Hilfe der sogenannten Zeitkonvention f (t) = Re{f ejωt } . (B.18) Hierin ist f die komplexe Amplitude, die zur Beschreibung des reellwertigen Vorgangs f (t) benutzt wird. Mit
f = |f |ejϕf
(B.19)
bewirkt (B.18) die Abbildung von der komplexen Amplitude f auf die reelle und beobachtbare Wirklichkeit f (t) = |f | cos(ωt + ϕf ) .
(B.20)
Die Zeitkonvention (B.18) erlaubt die Beschreibung von Sinus-Signalen durch komplexe Amplituden, wobei - nach (B.19) - die Signalamplitude mit dem Betrag der komplexen Amplitude gleichgesetzt wird, der Winkel ϕf ist gleich der Phase des Signals. ¨ Damit ist die Beschreibung einer Ubertragung durch komplexe Multiplikation m¨oglich geworden. Die Operation y=Hx
(B.21)
¨ gibt die vollst¨ andige Ubertragungsbeschreibung, sie enth¨alt die reelle Amplitudenverst¨ arkung |H| ebenso wie die Phasenverschiebung ϕH . In der Tat zeigt die mit x = |x|ejϕx
y = |y|ejϕy H = |H|ejϕH
vorgenommene Probe f¨ ur die zeitlichen Signale y(t) = |x||H| cos(ωt + ϕx + ϕH ) , dass y(t) die um |H| verst¨ arkte und um ϕH phasenverschobene Version des Eingangs ist. Der große Vorteil der Verwendung komplexer Zahlen besteht in den viel u bersichtlicher und sehr viel leichter durchzuf¨ uhrenden Rechenoperationen. ¨ Zum Beispiel ist die Signalsumme x(t) = x1 cos(ωt + ϕ1 ) + x2 cos(ωt + ϕ2 )
(B.22)
selbst wieder eine Sinuston mit einer Gesamtamplitude xges und einer Gesamtphase ϕges
348
B Komplexe Zeiger
x(t) = xges cos(ωt + ϕges ) . Wie groß xges und ϕges sind, das ist ohne Verwendung von komplexen Zeigern gar nicht einfach auszurechnen; die Durchf¨ uhrung der Rechnung erfordert geh¨origes Geschick und Erfahrung mit Additionstheoremen. Mit Zeigern dagegen ist xges = x1 + x2 (B.23)
mit x1 = x1 ejϕ1
(B.24)
x2 = x2 ejϕ2
(B.25)
und ein Kinderspiel. Auch die Beschreibung von Wellen gestaltet sich mit Hilfe der genannten Definition komplexer Amplituden sehr einfach. Die in positive x-Richtung laufende Welle wird durch p = p0 e−jkx (B.26) beschrieben. Der einzig messbare, reellwertige Schalldruck-Orts-Zeit-Verlauf ist p(x, t) = Re{pejωt } = Re{p0 ej(ωt−kx) } = p0 cos(ωt − kx)
(B.27)
(k = ω/c: Wellenzahl). Allgemein lassen sich Schallfelder reiner T¨ one durch eine komplexwertige Ortsfunktion beschreiben.
Index
A-bewerteter Pegel, 10 A-Bewertung, 10 A-Filter, 11 Abschirmwand, 274 Absorber, 152 Absorberwellenzahl, 155 absorbierende Schallschutzwand, 286 Absorption, 323 Absorptionsd¨ ampfer, 229 Absorptionsfl¨ ache, 193 Absorptionsfl¨ ache, ¨ aquivalente, 193 Absorptionsgrad, 146 Absorptionsmaterial, 229 Abstandsgesetz, 56 Abstimmfrequenz, 170 Abzweig, 235 Achter-Charakteristik, 65 adiabatisch, 18 adiabatische Zustandsgleichung, 20, 21 aerodynamische Kraft, 330 aktive Ger¨ auschkompensation, 317 aktive L¨ armbek¨ ampfung, 61, 66, 315, 320 aktive Pegelminderung, 320 aktive Stabilisierung, 328 akustische Kommunikation, 28 allgemeine Gaskonstante, 17 Amplitudenfehler, 321 Anfachvorgang, 330 angeblasener Helmholtz-Resonator, 333 angeblasener Resonator, 320 Anhall, 190 Anpassung, 157
Anpassungsgesetz, 150 Anstr¨ omung, 329 Antischall, 315 apollonische Kreise, 151 atmende Kugel, 58 atmosph¨ arischer Gleichdruck, 7 Ausbreitung von Biegewellen, 104 Ausbreitungsgeschwindigkeit, 24 Auspufftopf, 244 Bandbreite, 8 Bandgrenzen, 87 Bandpasscharakter, 310 Bergersches Massegesetz, 207 Bernoulli-Prinzip, 329 Beschallungstechnik, 62 Besselfunktion, 142, 302 Betriebsfrequenz, 118 Beugung, 271 Beugungseffekt, 197 Beugungswelle, 276 Beugungswinkel, 271, 280, 281 bewegtes Medium, 45 bewertetes Schalld¨ ammmaß, 202 Bezugsgr¨ oße, 6 Bezugsgr¨ oßen, 37 Bezugskurve, 202, 222 Bezugsleistung, 56 Bezugsschalldruck, 340 Biegelehre, 100 Biegemoment, 100, 103 Biegesteife, 99, 101, 106 biegeweich, 207, 214 biegeweiche Vorsatzschale, 214, 225
350
Index
Biegewelle, 99 Biegewellen, 15 Biegewellen-Ausbreitung, 105 Biegewellengleichung, 100, 104, 204 Biegewellengleichung f¨ ur Platten, 105 Biegewellenl¨ ange, 105, 108, 206 Biegewellenzahl, 208 Biegewinkel, 100 Box, 61, 309 Boyle-Mariotte-Gleichung, 16, 20 Br¨ ucke, 328 Breitbandlautsprecher, 312
Dopplerverschiebung, 48 dreidimensionales Schallfeld, 31 Druck-Bauch, 139 Druck-Querverteilung, 139 Druckausgleich, 300 Druckknoten, 42 Druckkoeffizient, 140 Druckreflexionsfaktor, 143 Druckstau, 197, 302 Druckverdopplung, 88 Dynamikbereich, 298 dynamische Masse, 133
Cello, 328 cut-on-Effekt, 140, 142
Eigenfrequenzdichte, 184 Eigenfunktion, 139, 141 Eigenrauschen, 299 Eigenschwingung, 311 Eigenwert, 139 Eigenwertgleichung, 264 eindimensionales Schallfeld, 23 Einf¨ ugungsd¨ ammmaß, 114, 115, 124, 217, 230, 274 einfacher Querschnittssprung, 230 Einfachwand, 205, 211 Eingangsimpedanz, 234, 235 eingefrorene Ladung, 296 einschalige Bauteile, 204 Eisenbahnzug, 113 elastische Isolation, 111 elastische Lagerung, 113, 119 Elastizit¨ atsmodul, 26, 102, 121 Elektret-Mikrophon, 291 elektroakustische Wandler, 291, 315 elektrodynamischer Lautsprecher, 309, 310 elektrodynamisches Mikrophon, 291, 305, 307 elektromagnetisches Mikrophon, 291 elektronisches Schwenken, 79 Empfangsraum, 130 Empfindung, 4 Empfindungs¨ anderung, 4 Endrohr, 229 Energie, 33 Energiedichte, 34, 36 Energieerhaltung, 42 Energiereservoir, 330 Energiesenke, 325 Entkoppeln, 111
D¨ ammmaß, 200 D¨ ampfertyp, 230 D¨ ampfung, 157 D¨ ampfungseinfluss, 116 dauerpolarisiert, 296 dB, 6 dB(A), 11 Dehnung, 25 Dehnwelle, 99 dekadischer Logarithmus, 5, 339 Delta-Operator, 32 Dezibel, 6 Dickenresonanz, 257 Differentialquotient, 25 Differenzenquotient, 25 diffus, 183 diffuses Schallfeld, 186 Diffusfeldpegel, 194 Diffusor, 31 Dilatation, 25 Dimensionierung, 119 DIN 4109, 204 DIN EN ISO 140, 202, 222 DIN EN ISO 717, 202, 222 Dipol, 61, 65 Direktfeld, 195 Direktweg, 280 Dispersion, 15 dispersiv, 15, 156 div, 32 Divergenz, 32 Doppelfenster, 218, 317 Dopplereffekt, 46
Index ¨ Ermittlung Ubertragungspfad, 129 Ersatzquelle, 181 Ersch¨ utterung, 111 Estrich, 111 F¨ ugestellen, 108 Fagott, 328 Fahrzeug-Leichtbau, 317 Fassadenverkleidung, 221 Feder, 24 Federelemente, 112, 113 Federn, 112 Federnennlast, 119 Federungscharakter, 125, 127 Fernfeld, 64, 70, 75, 85–87, 91, 93 Fernfeldbedingung, 85, 87, 90, 91, 310 Fernfeldn¨ aherung, 85, 86, 89 FFT, 8 Filter konstanter relativer Breite, 8 Fl¨ achenmasse, 108 Fl¨ achentr¨ agheitsmoment, 102 Fl¨ ote, 328 Flachraum, 215 Flanken¨ ubertragung, 200, 225 Flaschenton, 320 Flatterecho, 183 Flatterschwingungen, 320 Flimmerfrequenz, 2 Flimmergrenze, 2 Flugzeugbau, 317 Folienabsorber, 175 fortschreitende Welle, 29, 34, 40, 41, 145 Frequenzbereich, 298 Frequenzgang, 296, 305, 306 Fresnel-Integral, 273, 277, 288 Fundament, 111, 122 Fundament-Impedanz, 122, 123 Fundamentkraft, 115 Fundamentnachgiebigkeit, 121 Gasbeton, 213 Gasf¨ ullung, 218 Gegenelektrode, 294 gegenphasig, 241 Gehbelag, 223 Geige, 328 Ger¨ auschkompensation, 317 Gesamtsteife, 299 geschwindigkeitsproportional, 114
351
Gleichspannungsquelle, 295 grad, 32 Gradient, 32 Grenzfrequenz, 109, 140, 206, 207 Grenzzyklus, 330 Grundgleichungen im por¨ osen Medium, 153 Grundmode, 233, 253 H¨ orbereich, 1 H¨ orfl¨ ache, 10 H¨ orschwelle, 6, 7 Halbwertsbreite, 131, 171 Halligkeit, 137 Hallradius, 195 Haupt¨ ubertragungsweg, 200 Hauptabstrahlwinkel, 83 Hauptkeule, 71, 74 Heizungsrohre, 225 Helmholtz-Resonator, 328 Hookesches Gesetz, 26, 102, 114 hybrid, 335 imagin¨ are Wellenzahl, 140 Impedanz, 122 Induktionsspannung, 306 induzierte Spannung, 292 Infraschall, 1 inkoh¨ arent, 341 innere Schnelle, 154 instabil, 332 Intensit¨ at, 35 Intensit¨ atmessung, 36 Intensit¨ ats-Messverfahren, 37 Intensit¨ atsmesstechnik, 38, 148, 307 isobar, 18, 19 isochor, 18, 19 isotherm, 18 K¨ orperschall, 97 K¨ orperschallbr¨ ucke, 218, 225 K¨ orperschallpfad, 130 Kammer-Kombination, 244 Kammerschalld¨ ampfer, 238 Kammfilter, 257 Kanalast, 233 Kanalerweiterung, 232 Kanalverengung, 232 Kanalverzweigung, 233 Kantenweg, 280
352
Index
Kapillare, 300 Kennfrequenz, 296 Kennwiderstand, 29 Kettenleiter, 23, 27 Kfz-Abgasanlage, 230 Kinderschaukel, 330 kinetische Energie, 34 Klangfarbe, 1 Klarinette, 328 Klimaanlage, 229 Knickfrequenz, 156, 296, 297, 306, 307, 310 Knoten, 42 Koinzidenz, 109 Koinzidenzeinbruch, 211 Koinzidenzgrenzfrequenz, 109, 206 Kolbenmembran, 71, 74, 91 Kolbenmembran, kreisf¨ ormige, 91 komplexe Amplitude, 31 komplexe Biegesteife, 208 komplexer Zeiger, 31 Kompressionsgesetz, 29 Kompressionsvorg¨ ange, 154 Kondensator, 294 Kondensatorladung, 296 Kondensatormikrophon, 291, 294, 297 konjugiert komplex, 40 konservatives Feld, 33 Kontinuum, 27 Kontrabass, 328 Kopfh¨ orer, 316 Kr¨ ummungskreis, 100 Kreismembran, 302 Kreisrohr, 232 Kreuzung, 237 kritische Frequenz, 109, 208 kritischer Einfallswinkel, 207 Kugelkoordinaten, 58 Kugelwellen, 56 Kulissend¨ ampfer, 249 Kundtsches Rohr, 137 Kurzschluss, 82 l¨ angenspezifischer Str¨ omungswiderstand, 152 L¨ armminderung, 315 L¨ armschutzwand, 271 L¨ uftungskanal, 230 Lagerungssteife, 299
Laufzeitverz¨ ogerung, 327 Lautsprecherpaar, 326 Lautsprecherzeile, 69, 71 Leistung, 33 Leistungsmessung, 36 Leistungsmessung im Hallraum, 194 Leitung, 328 Lichtbereich, 276, 278 Linienquelle, 57 Lochplatte, 173 lokal reagierend, 176 Longitudinal-Wellen-Geschwindigkeit, 108 Luftfeuchtigkeit, 194 Luftpolstersteife, 170 Lufts¨ aule, 23 Luftschalld¨ ammung, 110, 200 Luftschallwelle, 31 Luftschallwellenl¨ ange, 206 Luftspalt, 306 Luftsteife, 299 M¨ undungskorrektur, 174, 243 Machzahl, 48 magnetische Induktion, 306 Masenkurzschluss, 89 Masse, 24 Masse-Feder-Masse-Resonanz, 317 Masse-Fundament-Resonanzfrequenz, 125 Massegesetz, 207 Massenbelag, 169 Massencharakter, 125 Massenkurzschluss, 61, 69, 309 Masseverhalten, 252 Membranauslenkung, 296 Membranfl¨ ache, 296, 299 Membranmasse, 299 Membranschnelle, 141, 306, 309 Messfehler, 44 Messung der Luftschalld¨ ammung, 200 Messung des Absorptionsgrades, 196 Mikrophon, 21 Mineralwolle, 152 Mittenfrequenz, 8 modale D¨ ampfung, 251 modale Wellenzahl, 250, 252 modale Zusammensetzung, 141 Mode, 139
Index Modenfilter, 143 molare Masse, 17 Monopolquelle, 58 Motordrehklang, 316 Nachbildefehler, 319, 320 Nachbildegenauigkeit, 333 Nachhall, 181, 188 Nachhall-Begrenzung, 194 Nachhall-Formel, 193 Nachhallzeit, 44, 189 Nahfeld, 140, 252 NAWI, 312 Nebenkeule, 71, 74 Nebenweg, 199 negativer Reibkoeffizient, 332 Nennlast, 121 neutrale Faser, 100 Newton, 27, 103, 114 Newtonsches Tr¨ agheitsgesetz, 27 Nichtlinearit¨ at, 330 Norm-Trittschallpegel, 221 Normalspannung, 97, 100 offene Fensterfl¨ ache, 193 offenzelliger Schaum, 152 Ohrempfindlichkeit, 10 Oktav, 7 Oktavfilter, 8 Oktavpegel, 9 Optimald¨ ampfung, 268 Optimalimpedanz, 266, 268 Ortskurve, 158 Pegelabfall, 156 Pegeladdition, 7, 341, 342 Pegelschreiber, 189 Periodensystem, 17 Phasenfehler, 41, 44, 321 Phasengang, 307 Phasenschieber, 334 piezokeramische Schicht, 296 PKW-Innenger¨ ausch, 316 Platte, 99 Plattenkondensator, 294 Plattenstreifen, 82 por¨ ose Schicht, 159 por¨ oser Vorhang, 165 Poren, 213
Porosit¨ at, 154 potentielle Energie, 34, 188 Pr¨ ufschall, 202 prim¨ ar, 315 prim¨ are Quelle, 315 Propeller-Drehklang, 316 Punktquellen, 55 quasi-homogener Absorber, 152 Querkontraktion, 107 Querkontraktionszahl, 107 Querkopplung, 175 Quermoden, 251 Querschnitts¨ anderung, 230 Querschnittssprung, 230 Querschnittsverh¨ altnis, 232 R¨ uckkopplung, 333 Randd¨ ammstreifen, 225 Raumakustik, 201 Rayl, 152 Rayl/cm, 152 Rayleigh, 89 Rayleigh-Integral, 89, 91 Rayleigh-Modell, 154 Rechteckfenster, 133 Rechteckkanal, 142 Rechteckraum, 181 reelle Wellenzahl, 140 Reflektor, 31 Reflexion, 323 reflexionsarmer Raum, 37 Reflexionsbereich, 277 Reflexionsd¨ ampfer, 229 Reflexionsfaktor, 144 Reibd¨ ampfer, 113 Reibkoeffizient, 114 Reibkonstante, 332 Reibkraft, 114 Reiz, 4 relative Luftfeuchtigkeit, 194 relative Schalldichte, 21 relative Schalltemperatur, 21 relativer Schalldruck, 21 Relaxationsd¨ ampfung, 118 Resonanz, 294 Resonanzabsorber, 168 Resonanzeinbruch, 126
353
354
Index
Resonanzfrequenz, 115, 117, 121, 294, 299, 307 Resonator, 259 reversibler Wandler, 325 Richtcharakteristik, 64, 70, 71, 302, 310 Richtungsempfindlichkeit, 300, 302 RMS, 6 Rohr, 138 Rohr-Eigenfunktion, 141 Rohrleitung, 229 rot, 33 Rotation, 33 Ruhekapazit¨ at, 295 Sabinesche Nachhall-Fomel, 193 Sackgasse, 235 Saxophon, 328 Schall¨ ubertragung, 138 Schallabsorber, 31 Schallabsorption, 137 Schallabstrahlung, 55, 87 Schallabstrahlung von Ebenen, 87 Schallausbreitung, 55 Schallausbreitungsgeschwindigkeit, 22, 28 Schalld¨ ammmaß, 200 Schalld¨ ammung, 199 Schalld¨ ampfer, 229 Schalldichte, 20 Schalldruck, 1, 20 Schalldruck-Frequenzgang, 310 Schalldruckpegel, 6 Schallempf¨ anger, 292 Schallenergieumwandlung, 229 Schallentstehung, 333 Schallgeschwindigkeit, 22, 156 schallharte Reflexion, 233 schallharte Schneide, 272 Schalll¨ angsleitung, 229 Schallleistungs-Fl¨ achendichte, 35 Schallleistungsmessung, 37 Schallpegel, 7 Schallschirm, 271, 274 Schallschlucker, 325 Schallschluckung, 325 Schallschnelle, 29 Schallschutz im Hochbau, 204 Schallschutzwall, 284 Schalltemperatur, 20
Schallumweg, 280 Schallwand, 61, 88, 309 schallweich, 230, 251 schallweiche Reflexion, 233 Schattenbereich, 276 Schattengebiet, 279 Schattengrenze, 278 Schlucker, 333 Schnelle, 24 Schornstein, 328 schr¨ ager Schalleinfall, 175 Schubspannung, 97, 100 Schutzgitter, 302 Schwellreiz, 4 schwimmender Estrich, 112, 224 Schwingungsgleichung, 114, 331 Schwingungsmoden, 337 sekund¨ ar, 315 sekund¨ are Nachbildung, 320 sekund¨ are Quelle, 315 selbsterregt, 328 selbsterregte Anfachschwingung, 330 selbsterregte Schwingung, 320, 328 Selbsterregung, 320 Senderaum, 130 Sinneswahrnehmung, 5 Spaltfunktion, 71, 74, 81 Spiegelquelle, 88, 181 Spuranpassung, 208 Spuranpassungsgrenzfrequenz, 208 Spurwellenl¨ ange, 207 Stab, 99 Stabilit¨ at, 332 Stabilit¨ atsgrenze, 335 Stabilit¨ atskarte, 335 starres Fundament, 113 station¨ are Quelle, 35 statische Einsenkung, 121 stehende Welle, 29, 41, 145 Steife des Luftpolsters, 299 Steifeverhalten, 252 Steinstruktur, 212 Str¨ omungslinien, 329 Str¨ omungswiderstand, 152 Strahler nullter Ordnung, 58 Strahlerwellenl¨ ange, 80, 82 Strahlungsverluste, 108 streifender Einfall, 207 Stromlinien, 329
Index Strukturfaktor, 154, 165 Tauchspulenmikrophon, 305 Teilchenbewegung, 51 Telefonkapsel, 291 Terz, 7 Terzfilter, 8 Terzpegel, 9 Thermodynamik, 16 Tiefenabsorber, 168 Tonh¨ ohenempfindung, 4 Topfmagnet, 306 Torsionswelle, 99 Totaldurchgang, 207 Totalreflexion, 43, 145 Tr¨ agheitsgesetz, 24, 27 Tr¨ agheitsgesetz der Akustik, 29 Transmissionsfaktor, 239 Transmissionsgrad, 146, 201, 231, 240 transversal, 99, 110 transzendente Gleichung, 260 Trennwand, 200 Trittschall, 221 Trittschall-Hammerwerk, 221 Trittschalld¨ ammung, 112, 221 Trittschallpegel, 221 Trittschallschutz, 223 Trittschallverbesserung, 223 Ultraschall, 300 umstr¨ omte Tragfl¨ ache, 328 Umweg, 280 Umweggesetz, 280, 281 unbewerteter Gesamtpegel, 12 unendlich dicke por¨ ose Schicht, 157 ungerichtete Schallabstrahlung, 55 untergeh¨ angte Decke, 225 Unterschiedsschwelle, 6 Unterschottermatte, 111, 121 Unterschreitungen, 202 vektorielle Differentialoperatoren, 32 vektorielle Intensit¨ atskomponente, 38 Ventilatorbrummen, 230 Vergr¨ oßerung, 115 Verlust-Raumkonstante, 188 Verlustfaktor, 108, 116, 131, 294 Verlustgrad, 146 Verlustzahl, 189
355
Verst¨ andlichkeit, 137 Verz¨ ogerungsleitung, 79, 326 Verzweigung, 233 viskose Reibung, 152 Volumenfluss, 59, 91 Volumenquelle, 58, 88, 309 Vorsatzschale, 214 Vorspannung, 295 W¨ armeleitung, 18 W¨ armetransport, 18 Wandaufbau, 157 Wandergeschwindigkeit, 24 Wandimpedanz, 149, 157 Wandimpedanzebene, 150 Wandler, 291 Wandungsd¨ ampfer, 229 Wandungsimpedanz, 253 Wandungsschalld¨ ampfer, 249 Wandverlustfaktor, 208 Wasserwellen, 332 Weber-Fechner-Gesetz, 5 Wechselstrom-Generator, 305 weißes Rauschen, 12 weichfedernde Zwischenelemente, 111 Welle, 28 Wellenart, 99 Wellenausbreitung, 15, 27 Wellengeschwindigkeit, 24 Wellengleichung, 28, 32 Wellenl¨ ange, 31 Wellenleiter, 79 Wellenwiderstand, 29 Wellenzahl, 30, 138 Welligkeit, 145 Widerstandskraft, 330 Windungspunkt, 267 Winkelschnelle, 104 Wirbelfreiheit, 33 Wirkintensit¨ at, 39 wirksame Fl¨ achenmasse, 174 Wirkungsgrad, 312 Zeiger, 31 zeitinvariant, 47 Zeitkonvention, 31 zeitlicher Mittelwert der Leistung, 36 zeitvariant, 47 Zeitverz¨ ogerung, 15
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Index
Zick-Zack-Kurs, 138 Zustands¨ anderung, 18 zweidimensionales Rohrmodell, 138
zweischalige Bauteile, 214 zylindrisches Rohr, 142