KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
R. O. I R M E R
DIE »VERBUNDNETZE...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
R. O. I R M E R
DIE »VERBUNDNETZE« FERNSTROM
UND
FÜR
FERNGAS
VERLAG S E B A S T I A N LUX MIJRNAU • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • Ö L T E N
D
u drehst in deiner Wohnung den Sehalter an der Wand: Licht, dessen Energiequelle vielleicht Hunderte von Kilometern entfernt liegt, strahlt dir entgegen. Du bewegst einen kleinen Gashahn und hältst ein Zündholz an den Brenner: Bläulich flammt es auf, und du merkst die wohlige Wärme, die dir über eine Gasfernleitung vielleicht aus weitester Entfernung zugeführt worden ist. Zwei Naturkräfte hast du entfesselt: Gas in der bläulichen Flamme, Elektrizität im Glaskolben der Glühlampe. Gas und Elektrizität nennen wir heute Edelenergien. Ungezählte Häuser, Wohnungen und Betriebe in Stadt und Land sind für viele Zwecke damit versehen. Sie leuchten, wärmen und führen Arbeitskraft heran. Gas strömt uns in Stahlrohren zu, Elektrizität durch den Metalldraht. Doch beide müssen oft erst von weither über Berg und Tal zu uns geleitet werden. Hoch in der Luft schwingen sielt an riesigen Masten die Drähte des Fernstromes, in der Erde suchen die Rohre des Ferngases ihren Weg. Als „Straßen der Kraft" überziehen sie das Land wie Netze, deren Maschen mit jedem Jahre enger gezogen werden.
Acht Brüder schreiben sieh Briefe In Goslar am Harz, der tausendjährigen, unzerstörten Kaiserstadt, erhebt sich an einer Ecke der winkligen, alten Straßen ein behäbiges Bürgerhaus der Barockzeit. Ein reich verziertes Portal lädt zum Eintritt, eine umfangreiche Diele umfängt den Besucher. Über die kunstvoll geschnitzte Wendeltreppe wird er zu den oberen Stockwerken geleitet. Weitläufig erstrecken sich helle Zimmerfluchten, ein Blick zum geräumigen Hof zeigt die Wesenszüge des alten kaufmännischen Patrizierhauses. Unter dem Gesichtspunkt „Denkmalspflege und moderne Technik" erfuhr das Haus eine gründliche Erneuerung, bei der das Alte blieb und das Neueste fast unsichtbar eingebaut wurde: elektrische Transformatoren, eine elektrische Warmluftheizung mit einer elektrischen Kommandozentrale wie in einem mittleren Industriewerk, Ionisations-Feuermelder, die der städtischen Feuerwehr jeden entstehenden Brand automatisch fernmelden. Im Jahre 1693 begründete ein Vorfahre, Hans Siemens, dieses 2
Goslarer Haus. 1916, am 100. Geburtstage Werner von Siemens', kaufte die Siemenssdie Familienstiftung das Anwesen zurück. Alle fünf Jahre kommen hier die Angehörigen der Sippe Siemens zusammen, und so heißt es das „Siemenshaus". Von Goslar aus hatte sidi einst die Sippe über den gesamten nördlichen Harzrand als Pächter von Gütern ausgebreitet. Ein Zweig ging aus innerpolitischen Gründen — Goslar und der Harzrand wurden damals hannoversch und damit englisch — nach Mecklenburg. Aus diesem Zweige stammt Werner von Siemens, dessen Bild, von der Meisterhand Franz Lenbadis gemalt, im großen Saale des „Siemenshauses" hängt. Die Siemens, in Goslar erst Ackerbürger und Handwerker, danach Ärzte, Bürgermeister und Gelehrte, sind durch Werner von Siemens und seine Brüder in die Reihe der Erfinder, Ingenieure und Großindusteriellen aufgerückt. Nicht weit von Goslar liegt Bad Harzburg. Als der Berühmteste der Familie, Werner von Siemens, am Ende seines Lebens seine heute besonders lesenswerten „Lebenserinnerungen" aufzeichnete, zog er sich jedes Jahr auf einige Monate von Berlin nach seinem Haus in Bad Harzburg zurück und schrieb hier weiter. In Harzburg entstanden in den Jahren 1889 bis 1892 die Schilderungen, die zu den erregendsten Darstellungen der Zeitströmungen seit 1800 gehören. Acht Tage, nachdem ihm das erste gedruckte Exemplar seiner Lebenserinnerungen übergeben wurde, starb Werner von Siemens am 9. Dezember 1892. Seine Selbstbiographie sehließt mit den schlichten Worten: „Mein Leben war schön, weil es wesentlich erfolgreiche Mühe und nützliche Arbeit war, und wenn ich schließlich der Trauer darüber Ausdruck gebe, daß es seinem Ende entgegengeht, so bewegt mich dazu der Schmerz, daß ich von meinen Lieben scheiden muß und daß es mir nicht vergönnt ist, an der vollen Entwicklung des naturwissenschaftlichen Zeitalters erfolgreich weiterzuarbeiten." Acht Brüder Siemens wirkten in der Welt von London über Petersburg bis nach Tiflis. Berlin blieb ihnen allen durch Werner die geistige und wirtschaftlidie Zentrale. Und diese acht Brüder schrieben sich Briefe — 7000 Stück sind im Archiv der Familie erhalten. Die Korrespondenz reicht bis zum Tode des jeweiligen Bruders. In ihr spiegelt sich jene stürmisch vorandrängende Zeit, der auf dem Gebiet der Energietechnik vor allem Werner und Friedrich von Siemens ihren Stempel aufgeprägt haben. 3
Diese Zeit der mächtig aufsteigenden Industrie — man nennt sie das Zeitalter der Industrialisierung — verlangte nach neuen Kraftquellen, um die tausendfältig entwickelten Maschinen der emporwachsenden Großunternehmungen und die der bedrohten kleinen Handwerksbetriebe in Bewegung zu halten. Wichtigste Energielieferanten waren bis dahin neben der Muskelkraft die Dampfmaschine und der Wind, oder, wo es vorha*nden war, auch das Wassergefälle eines Gebirgswassers oder eines Stromlaufs. Audi die Elektrizität spielte schon eine gewisse Rolle; aber sie verrichtete gleichsam nur Feinarbeit, da sie vor allem aus galvanischen Elementen erzeugt wurde, deren Energieleistung beschränkt blieb und auch zu teuer erkauft werden mußte. Für schwere Arbeiten reichte die Energie der vorhandenen elektrischen Maschinen nicht aus. Elektrische Energie ließ sich damals auch nur über ganz geringe Entfernungen übertragen. Ganz unmöglich war es, etwa die gewaltige Naturkraft eines Gebirgs-Wasserfalles anders als an Ort und Stelle auszunützen; denn noch war es nicht gelungen, dieses Wassergefälle in einem Kraftwerk in elektrischen Strom zu verwandeln, den Strom weit über Land zu schicken und damit am Ankunftsort Motoren zu speisen, die dann Arbeit verrichteten. Der diese Kraftübertragung möglich gemacht hat, ist Werner von Siemens gewesen, und das Instrument, mit dem das gelungen ist, war der von ihm erfundene und entwickelte verbesserte Stromerzeuger, die Dynamomaschine — kurz „Dynamo" genannt.
Siemens' geniale Idee Man weiß, daß in einem Wasserkraftwerk das herabstürzende Wasser — in einem Wärmekraftwerk besorgt das gleiche der gewaltige Dampfdruck — in einer Turbine rasende Umdrehungen erzeugt. Der elektrische Strom entsteht aber nicht in der Turbine, sondern in dem mit ihr zusammengekuppelten Stromerzeuger, der Dynamomaschine (Generator). Die Turbine hat nur die Aufgabe, ihre Bewegungsenergie auf den beweglichen Teil des Dynamos zu übertragen. Was hat diese Bewegung im Dynamo zu bedeuten und wie kommt dadurch Strom zustande? Wenn man einen stabförmigen Dauermagneten, wie ihn jeder
Die Zeichnung stellt den Vorgang der Stromerzeugung durch Induktion dar. Der Magnet (1) mit den Polen N und S wird in die Spule 2 eingeführt oder aus ihr herausgezogen. Dabei werden die Kraftlinien, die sich zwischen N und S ausbreiten, geschnitten. Im Spulendraht entstehen, solange der Magnet bewegt und seine Kraftlinien von den Drahtwindungen geschnitten werden, elektrische Stromstöße, deren Stärke auf der Skala (3) abgelesen werden kann. Arbeitskraft (die Bewegung der Magneten) wird also hier auf einfachste Weise in elektrischen Strom umgewandelt. Das gleiche ist der Fall, wenn der Magnet feststellt und die Spule auf ihn zu oder von ihm weg bewegt wird. kennt, in eine Drahtspule einführt oder ihn aus der Spule herauszieht, so entsteht in den Drahtwindungen der Spule ein elektrischer Strom, obwohl die Spule gar keine Berührung mit dem bewegten Magneten hat. Wichtig ist nur, daß die Drahtwindungen die Kraftlinien des Magnetfeldes schneiden. Dabei tritt jener merkwürdige Vorgang einer Fernwirkung auf, den man „Induktion" nennt. Induktionsstrom entsteht auch dann, wenn nicht der Magnet, sondern die Spule im Magnetfeld bewegt wird; er hört sofort auf zu fließen, wenn der Magnet bzw. die Spule zur Ruhe kommt. Damit ein ständiger Strom erzeugt wird, muß also für ein ununterbrochenes, möglichst schnelles Aneinandervorbeiführen von Magnet und Spule gesorgt werden. Beim Dynamo in einem Kraftwerk, der nach diesem Prinzip der Induktion Strom erzeugt, wird diese schnelle Bewegung durch die wasser- oder dampfbetriebene Turbine vermittelt. Man hat die mechanische Bewegung noch dadurch beschleunigt, daß nicht ein einziger Magnet und eine einzige Spule, sondern zahlreiche Magnete und zahlreiche Spulen zugleich aneinander vorbeigeführt werden, und zwar nicht mehr in einem Hin und Her oder Auf und Ab, sondern im ständigen Kreislauf. Die Dynamomaschine von heute geht auf Werner von Siemens zurück, aber wir müssen, um Siemens' Tat richtig zu würdigen, noch etwas genauer werden. Daß durch Induktion Strom erzeugt werden kann, wußten andere schon vor Werner von Siemens und nutzten diese Erkenntnis auch praktisch aus; es gab schon vor seiner Zeit stro'merzeugende Maschinen, die mit Magneten und Spulen arbeiteten. Aber um eine nennenswerte Strommenge zu erzielen, mußten die eingebautenDauermagncten so ungeheuer groß sein, daß die ganze 5
Maschine ungefüge wurde; Dauermagneten aus Stahl waren zudem sehr teuer und ließen im Betrieb mit der Zeit nach. Strommengen, wie sie heute benötigt werden, hätten diese älteren Stromerzeuger trotz riesiger Abmessungen niemals liefern können. Werner von Siemens' Verdienst ist es, durch Ausnutzung des von ihm entdeckten „dynamoelektrischen Prinzips" die früheren Mängel beseitigt und dadurch die Erzeugung solcher Mengen Strom ermöglicht zu haben, daß man künftig elektrische Energie über ganze Länder hinweg „befördern" konnte. Wir wissen bereits, wie in einer Dynamomaschine Magnet und Spule sich gegeneinander verhalten müssen, damit im Spulendraht Strom zustande kommt. Im Laufe seiner Versuche kam Siemens zu der Erkenntnis, daß man beim Stromerzeuger auf die teueren, schweren und unzulänglichen Dauermagneten herkömmlicher Art verzichten konnte. Er nahm stattdessen einen weichen Eisenkern, da er festgestellt hatte, daß auch im gewöhnlichen Eisen immer ein bißchen Magnetismus wirksam ist, der genügt, um in Spulen ein wenn auch äußerst geringes Maß an Strom zu „induzieren". Und nun kam der geniale Einfall: Dieses Strombißchen nützte Siemens aus, um es in Drahtwindungen um das in Magnetform gebaute Weicheisen herumzuführen. Nach einem physikalischen Gesetz verstärken sich dadurch die magnetischen Eigenschaften im Eisen. Durch die Erhöhung des Magnetismus des Eisens aber erhöhte sich auch — wieder durch Induktion — der Strom in den Spulen; dieser verstärkte Strom in den Spulen diente wieder zur Erhöhung des Magnetismus im Eisen und so fort, bis das Eisen mit Magnetkraft gleichsam gesättigt war. Das war das in die Praxis umgesetzte „dynamoelektrische Prinzip", das Werner von Siemens entdeckt hatte; er selbst nannte seine Stromerzeugungsmaschine Dynamo-elektrische Maschine und schrieb darüber an seinen Bruder Wilhelm: „Man kann mithin allein mit Hilfe von Drahtwindungen und weichem Eisen Kraft in Strom umwandeln, wenn nur der Impuls gegeben wird." Der „Impuls" aber war die schnell bewegende Kraft des Dampfes oder des strömenden Wassers. Am 17. Januar 1867 erhält die Geschichte der Technik ein hochbedeutendes Dokument: Siemens übergibt der Akademie der Wissenschaften zu Berlin seine Denkschrift „Über die Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne Anwendung permanenter 6
Magnete" (Dauermagnete). Es war die Geburtsurkunde der Starkstromtechnik. In buntem Wechsel zeugen die Briefe der acht Brüder im ersten Lebensjahr der Dynamomaschine von den ständigen Verbesserungen, die sie für die Erfindung ihres Bruders vorschlugen oder in denen Werner sie mit»Einzelheiten und Zukunftsaussichten seines Dynamos vertraut machte. „Elektrizität wird hierdurch billiger werden, und es können nun Licht, Galvanometallurgie usw., selbst kleine elektromagnetische Maschinen, die ihre Kraft von großen erhalten, möglich und nützlich werden!" So las es Wilhelm Siemens in London mit staunendem Blick in dem Briefe, mit dem ihm Werner aus Berlin die Erfindung der Dynamomaschine näher beschrieb. Eine Unsumme von erfinderischer Arbeit gehörte zwar noch dazu, doch allenthalben erstanden Werner von Siemens Helfer. Er hatte mit seiner Dynamomaschine ein weltweites Tor aufgestoßen. Durch Umkehrung der Vorgänge im Dynamo kam man zum Elektromotor. Schickte man nämlich von außen einen elektrischen Strom durch die Drahtwindungen, dann drehte sich der Magnet und leistete Arbeit, die man ihm an der Riemenscheibe seiner Achse wieder abnehmen konnte, um damit Maschinen zu treiben. So erwies sich Siemens' Dynamo einmal als elektrizitätserzeugende Maschine, das andere Mal als elektrizitätsverbrauchender Motor oder Elektromotor, wie man heute sagt. Es lag der Gedanke nahe, immer größere elektrische Zentralen zu errichten, von denen der im Dynamo erzeugte Strom ausging, um an vielen Orten Elektromotoren zu treiben. Dabei tauchten viele Probleme auf, die von den Technikern erst im Laufe der Zeit gelöst werden konnten. Oberstes Ziel blieb dabei, unterwegs mögliehst geringe Energieverluste zu haben oder den auf den Weg geschickten Strom in so hoher Spannung zu versenden, daß trotz der Unterwegsverluste noch genügend Stromenergie am Zielort eintraf.
200 PS reisen durch die Luft Man schrieb das Jahr 1891. Werner von Siemens stand im 75. Lebensjahr. Das hohe Alter hielt ihn nicht davon ab, eine Reise von Berlin nachLauffen amNeckar zu machen, um dort und inFrankfurt am Main als Ehrenmitglied der Elektrotechnischen Frankfurter Aus7
Stellung Zeuge eines denkwürdigen Versuches zu sein. Der Versuch sollte sein Wort aus einem Brief an Wilhelm Siemens aus dem Jahre 1880 bestätigen: „Kraftübertragung wird bald viel wichtiger werden als Licht." Dem elektrischen Fortschritt, dem Siemens den entscheidenden Anstoß gegeben hatte, hatten sich inzwischen auch andere deutsche Werke verschrieben, so die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft (AEG), die von Emil Rathenau in Berlin begründet worden war. Zusammen mit der Maschinenfabrik Oerlikon unternahm die AEG den berühmt gewordenen Lauffener Versuch, den der Elektrotechniker Oskar von Miller angeregt hatte und auch in Szene setzte. Es sollten in Lauffen am Neckar von einem mit Wasserkraft betriebenen Dynamo 200 Pferdekräfte erzeugt und als elektrischer Strom nach Frankfurt geschickt werden. Wieviel Pferdekräfte würden in Frankfurt ankommen? Da damals wie heute eine drahtlose Kraftübertragung für Starkstrom noch nicht bestand, errichtete man zwischen Lauffen und Frankfurt zur Stromübertragung etwa 3000 Holzstangen und hängte die Leitungsdrähte daran auf. Die Berechnungen der Techniker verlangten wegen der unterwegs auftretenden Verluste eine damals unerhört hohe Ausgangsspannung von 15 000 Volt. Folgendes geschah: In Lauffen ließ man eine Wasserturbine an, die einen Dynamo in Bewegung setzte. Der Dynamo erzeugte Strom in Stärke von 200 Pferdekräften. Durch ein kurzes Kupferkabel von 27 Millimeter Durchmesser gelangte der Strom zu einem Transformator, der ihn in die erforderliche Reisespannung von 15 000 Volt verwandelte. Also umgewandelt floß der Strom durch blanke Kupferdrähte von nur je vier Millimeter Durchmesser nach Frankfurt am Main. In Frankfurt wurde der Strom wieder in den Transformator geschickt, um auf etwa 100 Volt Spannung und die entsprechende Stärke gebracht zu werden. Danach gelangte er zu seinem „Arbeitsplatz". Hier brachte er 1000 Glühlampen zum Erstrahlen und setzte mehrere Motoren in Bewegung. Einer der Motoren bediente eine Pumpe, die einen Springbrunnenfall von 10 Meter Höhe speiste. Heute kann man diesen Versuch historisch nennen; wir werden späterhin von ganz anderen Größen der Kraftübertragung hören. Eines hatten die reisenden Pferdestärken bewiesen: Rund 150 PS kamen in Frankfurt an, um hier nutzbar verwendet zu werden; 8
demnach betrug der Leitungsverlust — wie der Techniker sagt — nur 25 Prozent. Siemens war in der Folge bemüht, diesen Leitungsverlust noch weiter zu vermindern. Der Versuch ergab weiter, was für die Kraftübertragung bis heute Richtschnur geblieben ist: Man überträgt große Mengen elektrischer Energie auf große Entfernungen mit höchstem Nutzeffekt, wenn man den Strom unter hoher Spannung und mit geringer Stromstärke auf den Weg schickt. Nach seiner „Ankunft" wird er dann wieder auf das normale Maß heruntergespannt. So rundet sich das Bild. Eine Kraftmaschine, etwa eine Turbine, die entweder von Dampf, Gas, Wind oder Wasser getrieben wird, gibt ihre Kraft, ihre Bewegung, an eine Dynamomaschine weiter, die ihre Bewegungskraft in elektrischen Strom umwandelt. Der Strom wird sehr hochgespannt und kann so durch Drähte überall hingeleitet werden. Wo man seine Kraft benötigt, spannt man ihn durch den Transformator wieder herunter und kann ihn nun zur Beleuchtung, in der Elektrochemie oder zur Rückwandlung in technisch verwertbare Kraft verwenden. Diese Rückwandlung geschieht im Elektromotor, der den elektrischen Strom aufnimmt und Kraft zum Antrieb von Maschinen liefert. Damit bewies Werner von Siemens, daß nicht das galvanische Element, auch nicht die alten schwerfälligen Induktionsmaschinen die Technik weiterbringen konnten, sondern ausschließlich das von ihm entdeckte dynamoelektrische Prinzip in seiner Anwendung beim Dynamo. 1808 hatte der englische Chemiker Sir Humphry Davy, dem die Chemie die Elektrolyse und der Bergmann die Sicherheitslampe verdanken, in einem berühmt gewordenen Laboratoriumsversuch die Welt mit einem blendend weißen Licht überrascht, das beim Übergang des elektrischen Stromes zwischen zwei Kohlenenden entstand. Davy benötigte jedoch 2000 gekoppelte galvanische Elemente, um dieses neuartige Licht zu erzeugen. Seither suchte man nach billigeren Wegen, um zum elektrischen Licht zu gelangen; Zink, das für die galvanischen Elemente gebraucht wurde, erwies sich als viel zu teuer. Ein Kilogramm Zink ergibt bei vollständiger Ausnützung im galvanischen Element 550 Kalorien, die annähernd vollständig zu elektrischer Energie werden. Ein Kilogramm Steinkohle erzeugt bei ihrer Verbrennung in der Dampfmaschine 8000 Kalorien. Davon 9
' werden 860 Kalorien Arbeitsleistung in elektrische Kraft umgewandelt. Hält man den Preis für ein Kilo Zink gegen den Preis für ein Kilo der Steinkohle, dann ergibt sich, daß die Kohleverbrennung zur Erzeugung von elektrischem Strom nur den etwa 24. Teil von j dem kostet, was die „Zinkverbrennung" im galvanischen Element erfordert. Es wundert uns nicht, wenn die Männer, die an der Erzeugung des elektrischen Stromes interessiert waren, recht bald nach der Kohle ausschauten; denn schon 1878, knapp ein Jahrzehnt nach der Erfindung der Dynamomaschine, hatten sich die Siemens-Werke, die die Dynamomaschinen bauten, mit ihrer Fabrikation auf wöchentlich 25 Stück eingerichtet. Zu den Männern, die die Steinkohle und später die Braunkohle als Kraftspender für Turbinen und Generatoren im größten Stile heranzogen, gehörten vor allem Hugo Stinnes und sein leitender Ingenieur Bernhard Goldenberg, nach dem das größte, von ihm erbaute Wärmekraftwerk Europas, das Goldenberg-Werk im rheinischen Braunkohlengebiet bei Köln, benannt worden ist. Das Unternehmen, in dem sie wirkten, war das 1898 gegründete „RheinischWestfälische Elektrizitätswerk" in Essen, heute kurz RWE genannt, das seither zum größten Erzeuger und Verteiler elektrischer Energie für das öffentliche Netz Deutschlands wurde. Das RWE begann auch erstmals oft weit entlegene Kraftwerke zu einem Netz zusammenzufassen, gleichgültig ob es Kohle- oder Wasserkraftwerke waren. Diese Zusammenfassung, die heute Verbundwirtschaft genannt und immer weiter ausgedehnt wird, ermöglichte es, größtmöglichste Strommengen zu denkbar billigsten Preisen zur Verfügung zu stellen.
An den Quellen der elektrischen Kraft Wer von Köln nach Westen fährt, kommt im Erftgebiet in den Bannkreis nicht nur der Braunkohlenförderung, sondern auch der Kohleveredlung in den Werken zur Brikettherstellung und in den Braunkohlenkraftwerken, wo elektrischer Strom erzeugt wird. Die Braunkohlenindustrie hat die ganze Landschaft des „Vorgebirges" zwischen Köln und Bonn umgestaltet. Überall öffnen sich tiefe, terrassenförmig in die Erde führende Gruben, riesige ausgeschürfte 10
„Talgründe", in denen gigantische Förderbagger die Braunkohle auf bereitstehende Wagen kippen. Am Horizont zeigen sich weitläufige Fabrikanlagen, in denen die Brikettpressen stehen, und Schornsteinkolonnen mit Kühltürmen, die zu den Kraftwerken gehören. Im rheinischen Braunkohlenrevier wird in wenigen Jahren die „obere" Kohle verbraucht sein. Der Braunkohlenbergbau wird deshalb weiter hinabsteigen müssen, um an der Kohle zu bleiben. Das geschieht nicht, indem man Kohlenschächte und Stollen anlegt wie bei der Steinkohle im Ruhrgebiet, sondern durch weiteres Ausbaggern der offenen Gruben bis zu 250 Meter Tiefe. Das wird eine der wagemutigsten Unternehmungen der Technik sein, zumal vorher das Grundwasser bis zu 300 Meter Tiefe abgesenkt werden muß. Und all das geschieht vor allem, um der Elektrizitätswirtschaft die erforderlichen Energien zu liefern. Wie große vorsintflutliche Ungeheuer recken sich in dieser Landschaft der Braunkohle stählerne Masten empor, an denen freischwingende dicke Drähte hängen. Oft sind gleich sechs „Straßen der Kraft" nebeneinander erbaut Wir folgen einer solchen Straße zurück zum Ausgangspunkt, dem Braunkohlenkraftwerk, einer Ansammlung von ausgedehnten Fabrikanlagen. Alle zusammen tragen den Namen „Goldenberg-Werk". Hier sehen wir am deutlichsten, was aus Werner von Siemens' Erfindung der Dynamomaschine und aus der Arbeit von Bernhard Goldenberg und Hugo Stinnes geworden ist. Ein Eindruck prägt sich jedem Besucher des Kraftwerkes vor allem auf: wie äußerst sauber dieser Betrieb gehalten ist, der innen und außen nicht mehr verrät, daß schmutzige Kohle die Grundlage seiner Existenz ist. Was die Braunkohlenwälder im erdgeschichtlichen Zeitalter des Tertiär hier in der Landschaft abgelagert haben, das wird in modernste Nutzung gebracht. Der Mensch verarbeitet die Naturschätze, die seit vielen Millionen Jahren in ungeheuren Mengen hier im Schöße der Erde liegen, denn die Braunkohlen aus den nahen Gruben dienen als Brennmaterial in den Kesselhäusern des GoldenbergKraftwerks, um hier zu bewegendem Dampf zu werden. In der Praxis ist es nicht einfach so, daß man etwa nur große Feuerungen zu erbauen braucht, über denen Dampfkessel stehen, in denen das Wasser kocht und zu Dampf wird und Dampfmaschinen antreibt, die nun wieder stromerzeugende Dynamomaschinen drehen. 11
Von der ersten Dampflokomobile im Schuppen des RWE in Essen vor 55 Jahren bis zu einem modernen Dampfkessel, der in der Höhe einem 15stöckigen Hause entspricht, führt ein langer technischer Entwicklungsweg, an dessen vorläufigem Ende wir hier im Goldenberg-Werk stehen. Ein Ingenieur begleitet uns zu diesem Wunderwerk rationellster Wärmeausnutzung. Unsere Reise „durch den „Kessel" beginnt vor dem Feuerraum. Könnten wir hineingehen, dann blickten wir in das Innere eines riesigen turmartigen Hauses, das eine Grundfläche von nur 9,5 mal 12 Meter besitzt, doch über fünfzig Meter hoch aufragt. Seine Wände sind mit rund 400 Rohren verkleidet, die senkrecht aufsteigen. Im Feuerraum wird die in den benachbarten Gruben geförderte und vorbereitete Rohbraunkohle mit einer Temperatur von etwa 1400 Grad verbrannt. Da sie zur Hälfte aus Wasser besteht und ihre Heizkraft dadurch zu gering wäre, muß die Rohkohle erst aufbereitet werden. In mehreren Kohlenmühlen geschieht die Zerkleinerung zu Kohlenstaub. Bei der Zerstäubung und Trocknung wirken heiße Rauchgase aus dem Feuerraum und der eigene Wasserdampf der Braunkohle mit. Ohne diese Vorbehandlung käme die Rohkohle weder zur Zündung noch zur Verbrennung. Der aufbereitete Kohlenstaub wird unter Zuführung von Luft in die Brenner des Feuerraumes geblasen, ähnlich wie das CM in einem modernen Kessel für die häusliche Ölheizung. In den Rohren, die die Wände des Feuerraumes auskleiden, befindet sich das in Dampf zu verwandelnde Wasser. Es muß einen langen Weg durchmachen und sich manche Bearbeitungen gefallen lassen, ehe es für würdig befunden wird, in den Dampfturbinen seine Kraft in Bewegung umzusetzen. Wir verweilen noch einen Augenblick bei den Rückständen der Kohle, die nicht verbrannt werden können; sie würden normalerweise durch den Schornstein als Rauch und Ruß in die Luft entweichen. Bei dem ungeheuren täglichen Verbrauch von Kohlenstaub in modernen Kraftwerken käme es zu einer nicht tragbaren Raudibelästigung der Umgebung. Im Goldenberg-Werk hat man daher eine moderne Einrichtung eingebaut, die das verhütet: Ehe der Rauch in die Luft entlassen wird, nimmt man ihm durch hohe elektrische Spannungen die mitgeführten Rußteilchen ab; das geschieht in besonderen Reinigungskammern. So kommt es, daß die Rauchfahnen 12
54 Meter hoher Braunkohlenkessel der Rheinisch-Westfälischen ElektrizitätsWerk A.-G. mit acht Kolilenstaubmühlen (der Kessel ist zum Teil freigelegt)
der modernen Kraftwerke fast weiß erscheinen und keinen Ruß niederschlagen. Die Vorstellung vom guten alten Dampfkessel aus Urgroßvaters Zeiten ist angesichts dieser Riesenbauten weit und längst überholt. Ein einziger Kessel der Goldenberger Hochdruck-Verdampfungsanlage enthält sieben Kilometer eingebaute Rohre, in denen das ständig nachströmende Wasser wie in einer Lokomotive bis zur Verdampfung erhitzt wird. Die Kommandobrücke für dieses Hochhaus von 50 Meter Höhe bildet der Kesselleitstand, ein großer, lichtvoller Raum mit einer Fülle von ferngesteuerten Meßinstrumenten. Die Zeit ist vorbei, in der der Heizer mit der Schippe in der Hand die Kohlen einschippte, schweißgebadet und schwarz wie ein Neger. Hier hat es der „Heizer" leichter als sein Kollege auf der D-ZugLokomotive. Die elektrischenFernübertragungseinrichtungen machen ihn zu einem „Laborgehilfen", der auf Grund bester Fachkenntnisse „seinen" Kessel überwacht und jede Maßnahme durch einen Hebeldruck oder eine Schalterumdrehung auslöst. Besitzt das Goldenberg-Werk die größten „Kessel" Europas, ja in der Welt, so kann das benachbarte Kraftwerk Weisweiler mit dem zur Zeit größten Turbinensatz der Welt aufwarten. Werner von Siemens konnte seinen ersten Dynamo, den ihm ein Mitarbeiter gebaut hatte, in die Hand nehmen — zur Aufnahme der Riesen des Weisweiler Kraftwerkes aber waren gewaltige Fundamente erforderlich, hatte der Turbinensatz doch ein Gewicht von nicht weniger als 280 Tonnen. An seiner Stirnseite sehen wir einen kleinen Schaltstand. Hinter ihm bauen sich halbkreisförmige Eisentrommeln auf. Aus Rohrleitungen wird der Heißdampf aus dem Kesselhaus herbeigeführt, damit er seine Wärmeenergie in Geschwindigkeit umsetzt. Der Turbinenrotor enthält ein ganzes System von Schaufeln, gegen die der Heißdampf prallt. Wie bei allen modernen Maschinen zur Erzeugung des elektrischen Stromes ist der Dampfturbinenrotor mit dem Stromerzeuger, demDynamo, gekuppelt. Man trennt also nicht mehr Dampfmaschine und Dynamo, sondern läßt im Zuge der Kraftersparnis Tvirbine und Generator auf der gleichen Welle arbeiten. Der aufprallende Heißdampf weist eine Gewalt von 135 Atmosphären-Überdruck (atü) auf, die Dampftemperatur beträgt 535 Grad. Die Welle dreht sich in der Minute 3000mal; der Turbinensatz erzeugt eine Leistung von 150 000 Kilowatt. 14
Nachdem wir das Wunderwerk umkreist haben, besuchen wir auch hier das „Gehirn", die Wärme- und Elektrowarte, an deren vollautomatischen, ferngesteuerten Meßinstrumenten die Kontrolle der ganzen Anlage erfolgt. Auch dieser Kommandostand ist ein lichtdurchfluteter Raum mit vielen Instrumenten an der Wand und auf den langen Schalttischen. Was wir im rheinischen Braunkohlengebiet bei der Umwandlung von Wärme in Elektrizität erleben, geht gleichermaßen im Ruhrgebiet vor sich, wenn an Stelle der Braunkohle die Steinkohle als Wärmespender verwendet wird. Beide Typen von Kraftwerken sind also Dampf- oder Wärmekraftwerke, und ihr Erzeugnis heißt entweder „Braunkohlenstrom" oder „Steinkohlenstrom", Bezeichnungen, die nichts mit der „Qualität" des Stromes zu tun haben, sondern lediglich seine technische Herkunft angeben. Elektrischer Strom, wie er hier oder wie er in den Wasserkraftwerken erzeugt wird, ist keine Ware im üblichen Sinne. Man kann ihn nicht im Großen auf Vorrat legen, wie es wünschenswert wäre, da bei der unterschiedlichen Anforderung durch die Stromverbraucher einmal viel, einmal wenig Strom gebraucht wird. Dabei spielen die Jahreszeiten, der Wochenablauf mit dem arbeitsfreien Sonntag, die Nachtzeit und viele andere Umstände mit. Man spricht von der Stromspitze am Abend und dem in viel geringeren Mengen benötigten Nachtstrom. Als Bernhard Goldenberg starb, fanden die Männer der Elektrizitätswirtschaft in Arthur Koepchen einen weitblickenden Nachfolger. Koepchen ließ der Gedanke an die Speicherung des elektrischen Stromes oder der Energien, die elektrischen Strom erzeugen könnten, keine Ruhe, und er hatte eine Idee, die man in der ersten Überraschung als einen „Schildbürgerstreich" bezeichnete. Koepchen schlug nämlich nicht mehr und nicht weniger vor, als das in den Kraftwerken durch die Turbinen abgeflossene Wasser wieder auf einen Berg zu pumpen, damit es, wennNot am Mann war, von neuem herunterströme und erneut die Turbinen treibe. Schon im Jahre 1930 konnte Arthur Koepchen mit Genugtuung feststellen, daß seine Idee nicht nur gut war, sondern richtungweisend werden konnte für eine notwendige Ergänzung der bisherigen Elektrizitätswirtschaft. In Herdecke in Westfalen baute Koepchen das erste Pumpspeicher15
kraftwerk. Betrachtet man es aus der Vogelsdiau, dann sieht man zwei Wasserbecken, die durch Wasserrohre verbunden sind, übereinander liegen (s. Abb. S. 19). Am unteren Becken befindet sich das Elektrizitätswerk, in dessen Inneren es indes anders aussieht als in anderen Kraftwerken. Da es ein Wasserkraftwerk ist, fehlt hier der Dampfkessel; was dort der Dampf bewirkt — die rasende Drehung der Dampfturbinen —, besorgt hier das durch die Druckrohre herabstürzende Wasser. Zu den Wasserturbinen und Generatoren sind Wasserpumpen hinzugekommen. Die Generatoren können wahlweise mit den Turbinen oder mit denPumpen zusammengekuppeltwerden. Der uns begleitende Ingenieur erklärt uns denVorgang: Im oberen Wasserbecken sind 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser gespeichert. Fließt Wasser durch die Druckrohre herab, dann setzt es unten im Kraftwerk die Wasserturbinen in Bewewegung und zugleich die mit ihnen gekuppelten Generatoren: das Werk erzeugt elektrischen Strom. Ein kurzes Umschalten genügt, um die Wasserturbinen abzuschalten und die Pumpen einzuschalten. Jetzt wirkt der Generator nicht mehr als Dynamomaschine, sondern als Elektromotor, der die Wasserpumpe in Tätigkeit setzt. Der Strom für den „Elektromotor" entnimmt das Werk jetzt aus dem Fernnetz. Wasser wird aus dem unteren Staubecken auf das obere wieder emporgehoben. Man nützt für dieses Hochpumpen die wenig stromhungrigen Nachtstunden aus, in denen elektrischer Strom überreichlich zur Verfügung steht. Im Alltag des Kraftwerkes sieht das so aus: Im Schaltraum flammt ein Licht auf; das Signal kommt von der Hauptschaltleitung Brauweiler im rheinischen Braunkohlenbecken, die wir noch besuchen werden. Es wird dringend Spitzenstrom gebraucht, da alle angeschlossenen, bereits auf Hochtouren arbeitenden Elektrizitätswerke den Strombedarf nicht mehr befriedigen können. Auf diesen Alarmruf hin stürzen aus dem oberen Becken die hochgepumpten Wassermassen durch die Druckrohre wieder in die Turbinen hinab. Das Werk Herdecke, in dem wir stehen, dient also als Schnellreserve. In der Regel wird diese Reserve in den Abendstunden, vor allem im Winter, benötigt. Es können aber auch nicht vorgesehene Zwischenfälle im weitverzweigten Netz eintreten. Sinkt die Stromanforderung wieder ab, so gibt Brauweiler das Stoppzeichen. In der Nacht schaltet Herdecke dann seine Pumpensätze wieder ein, schaltet sie All das Fernnetz an und pumpt sein oberes Bedien wieder voll. 16
Das Energie-Jahr 1954 der Bundesrepublik 1. E l e k t r i z i t ä t Stromerzeugung: Steinkohlenkraftwerke Braunkohlen-Torfkraftwerke Laufwasserkraftwerke Einspeisung durch Industriekraftwerke ins öffentliche Netz Pumpspeicherkraftwerke Speicherwasserkraftwerke Einfuhrüberschuß aus dem Ausland
19,19 Milliarden kWh = 46,3% 13,14 Milliarden kWh = 31,7% 7,60 Milliarden kWh = 18,3% 5,84 0,77 0,74 1,16
Milliarden Milliarden Milliarden Milliarden
kWh = 12,9% kWh = 1,8% kWh = 1,8% kWh
Stromverbrauch
der Endverbraucher aus dem öffentlichen Netz: Industrie 63,3% Haushalt 12,8% Handel und Gewerbe (Handwerk) 10,1% Verkehr (Bundesbahn) 4,2% Landwirtschaft 2,8% Die Systemlänge der Hochspannungsleitungen beträgt 15 834 km = Ober ein Drittel des Erdumfangs.
2. Gas Gaserzeugung:
Kokereien Generatoren Gaswerke
"15,5 Milliarden cbm — 67% 5 Milliarden cbm — 22% 2,5 Milliarden cbm = 11%
Gesamtgaserzeugung: 23 Milliarden cbm (auf Normgas umgerechnet). Die Länge des Ferngasnetzes im Bundesgebiet beträgt 7000 km, etwa ein Sechstel des Erdumfangs. Flüssiggas:
Verbrauch Verbrauch Verbrauch Verbrauch
als Treibgas durch Haushalte durch Industrie für sonstige Zwecke
85 43 37 45
000 000 000 000
t. t. t. t.
D i e s e I d e e A r t h u r K o e p c h e n s — nach i h m w i r d d a s W e r k H e r decke „ K o e p c h e n w e r k " g e n a n n t — h a t eingeschlagen, s o d a ß m a n heute immer m e h r P u m p s p e i c h e r k r a f t w e r k e baut, um aus G r ü n d e n der Wirtschaftlichkeit die Dampfkraftwerke ununterbrochen laufen z u l a s s e n , o h n e d a ß f ü r d e n w e i t e r e n S t r o m b e d a r f m e h r Dampfk r a f t w e r k e a n g e l e g t w e r d e n m ü s s e n , als m a n i m D u r c h s c h n i t t b r a u c h t . Die S t r o m s p i t z e n des V e r b r a u c h s z u gewissen T a g e s - o d e r J a h r e s z e i t e n l i e f e r n d a n n d i e P u m p s p e i c h e r w e r k e . Sie s t e l l e n e i n e gewisse
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Abrundung der normalen Kraftwerke dar und dürfen nicht verwechselt werden mit den Speicherwasserkraftwerken an unseren Talsperren und Gebirgsseen, auch nicht mit den Laufwasserkraftwerken an den Staustufen unserer Flüsse. Es ist dem Stromerzeuger, dem Generator, gleich, ob er die Drehung zur Erzeugung des elektrischen Stroms von Dampfturbinen bekommt oder von Wasserturbinen. Nicht gleich ist es dagegen dem Lande, das elektrischen Strom erzeugen will, da es auf die Möglichkeiten und Vorräte Rücksicht nehmen muß, aus denen es elektrische Kraft gewinnen kann. In Deutschland werden für die Edelenergie Elektrizität vorläufig die Stein- und Braunkohlenvorräte bei sparsamer Wirtschaft maßgeblich bleiben. In Österreich und der Schweiz, die beide keine Kohlenlager in der benötigten Menge besitzen, liegen die Dinge anders. Beide Länder müssen das Wasser als Hauptlieferanten der mechanischen Kraft betrachten, vor allem aus den Wasserkraftwerken der Alpen. Rund 73 Prozent des elektrischen Stroms, den die Bundesrepublik erzeugt, kommen aus Kohlen als Wärmespender und nur 22 Prozent aus den Wasserkräften als Turbinenantrieb. Trotzdem sind die Wasserkraftwerke an den Flüssen und den Talsperren hochwillkommene und unentbehrliche Zubringer für den Wärmekraftstrom.
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Von Bludenz in Österreich, einem freundlichen Städtchen in Vorarlberg auf dem Wege zum Arlbergpaß, zweigt die neue Silvrettastraße ab. Sie entstand als Materialtransportweg, als man begann, hoch oben in den Alpen Stauseen für Wasserkraftstromerzeugung anzulegen. 30 Kehren sind wir hinaufgekurvt. Nun stehen wir an der Hauptmauer der großen Silvrettasperre, 2030 Meter hoch über dem Meere, 920 Meter über der Talsohle. Einsame Alpenschönheit umgibt uns Wir befinden uns in der Region des ewigen Eises. Vom Einzugsgebiet, aus dem das Wasser dem künstlichen Stausee zufließt, sind 13 Quadratkilometer vergletschert. Stufenweise wird das Wasser in Druckrohrleitungen hinabgeleitet vom Obervermuntwerk zum Vermuntwerk. Das Rodundwerk und das im Bau befindliche Lünerseewerk, das den 1970 Meter hoch liegenden natürlichen Lünersee des Rhätikongebirges als Wasserspeicher benutzt, bilden eine Einheit, um eine Milliarde Kilowattstunden i m j a h r zu erzeugen. Ein 18
Das Pumpspeicherkraftwerk (Koepchenwerk) hei Herdecke in Westfalen. Hier wird „Elektrizität" in Form von hochgepumptem W'asser für besondere Bedarfsfälle („Stromspitzen" oder Betriebsausfälle in anderen Werken) aufgespeichert gigantisches Werk der Technik geht hier seiner Vollendung entgegen, gebaut unter maßgeblicher Beteiligung des RWE, der Energieversorgung Schwaben und des Landes Baden-Württemberg. Und was das Erstaunlichste ist: Der hier gewonnene elektrische Strom fließt in das große Netz, das über Westdeutschland gespannt worden ist. „Mit dieser Zusammenarbeit von Vorarlberg, Süddeutschland, Rhein- und Ruhrgebiet wurde der Zusammenschluß von Braun- und Steinkohlenkraftwerken mit Flußkraftwerken und Speicher-Spitzenanlagen der Alpen hergestellt." Das Lünerseewerk ist zum Ausgleich der Stromspitzen auch für Pumpenspeicherung eingerichtet, wie wir es im Koepchenwerk in Herdecke kennenlernten. Wie wenige ahnen, daß sie auch Alpenwasserstrom verwenden, wenn sie 19
im Ruhrgebiet den Schalter drehen! Diese Verbindung in einem riesigen Stromnetz ist die Tat des gleichen Mannes, der auch den Bau der Speicherkraftwerke in die Tat umgesetzt hat.
Fließender Fernstrom Der große Vortragssaal im Haus der Technik in Essen konnte am 3. März 1930 kaum die Menge der Besucher fassen, die gekommen waren, um einen Vortrag zu hören, der vom damaligen Leiter des RWE, Professor Dr. h. c. Arthur Koepchen, angekündigt war. Ein Jahr vorher war die erste 200 000-Volt-Leitung der Welt in Betrieb genommen worden. Sie verband über Hunderte von Kilometern Köln mit Bludenz in Österreich und ließ südlichen AlpenwasserKraftstrom zum Braunkohlenstrom im Nordwesten fließen. Bei der Essener Tagung handelte es sich darum, die leitenden Gedanken dieses Unternehmens den Fachleuten aus halb Europa darzulegen. Schwerwiegend klangen die Worte des Mannes, der hier zum ersten Male den Ausdruck „Verbundwirtschaft" prägte und gleichzeitig an Hand reichen statistischen Materials nachwies, wie notwendig diese Verbundwirtschaft im gegenwärtigen Zeitalter sei. So formte er seine Sätze von der „einheitlichen Versorgung ganzer Elektrizitätsprovinzen", von „Fernkraftwerken, die mit minderwertigem Brennstoff wertvollste elektrische Kraft erzeugen", von der „Verbindung zwischen dem Warmekraftstrom des Nordens mit dem Wasserkraftstrom des Südens", von der „Bewältigung der kurzzeitigen Stromspitzen durch Pumpspeicherkraftwerke". Von 1929 an, als zum erstenmal durch die Fernstromverbindung Köln-Bludenz das Zusammenwirken des Wärmekraftstroms von Rhein und Ruhr und des Alpenwasserkraftstroms zustande gekommen war, hatte Professor Koepchen bis zu seinem Tode im Jahre 1954 sein Lebenswerk der Verbundwirtschaft ausgebaut. In der Schaltstation Brauweiler bei Köln, einer weiteren bedeutenden Schöpfung der Elektrizitätswirtschaft, gab Koepchen dem neu entstandenen Verbundnetz seine Zentrale. Brauweiler ist der Kommandostand zur Lenkung des fließenden elektrischen Fernstromes von den Alpen bis nahe an die Nordsee. Brauweiler liegt inmitten der rheinischen Braunkohle, nicht weit vom Goldenberg-Werk und nahe beim Kraftwerk Weisweiler. Wir 20
stehen vor den Schalttafeln in Brauweiler, und es kommt uns vor, als ob sämtliche Schaltwände, die wir beim Besuch in den einzelnen Kraftwerken gesehen haben, hier auf einer zweigeschossigen Wand vereinigt worden wären. Die Fläche weist eine kaum zu zählende Menge von Einrichtungen zur Schaltung und zur Kontrolle und eine lange Reihe von Beschriftungen auf. Alle zusammen sind sie das „Gehirn", mit dem in Westdeutschland Wärmekraftstrom und Wasserkraftstrom aufeinander abgestimmt werden. Brauweiler ist dadurch zur größten Schaltanlage der Bundesrepublik geworden. Fernstrom kennt keine politischen Grenzen mehr. Heute arbeitet die deutsche Verbundwirtschaft mit der Schweiz, Österreich, Holland, Belgien, Frankreich, Italien und Spanien zusammen. Und das ist das Besondere am elektrischen Strom, daß er keine örtlichen Qualitätsunterschiede kennt, er ist überall gleich, „spanischer" Strom unterscheidet sich in nichts von dem Strom, der aus den Kraftwerken Italiens oder der Bundesrepublik kommt. Was würde Werner von Siemens sagen, wenn er heute durch die großen Kraftwerke ginge, wenn er das vorzügliche Funktionieren der Verbundwirtschaft beobachtete, wenn er das tausendfältige Gewirr der Hochspannungsleitungen in der Landschaft sähe, die, auf eine Landkarte gezeichnet, ebenso dicht sich darbieten wie die Fäden eines enggewebten Spinnennetzes! Werner von Siemens mag den künftigen Fortschritt geahnt haben, als er in seinen Lebenserinnerungen schrieb, daß er es bedauere, an der vollen Entwicklung des naturwissenschaftlichen Zeitalters nicht mehr erfolgreich weiterarbeiten zu können. Selten hat eine Entdeckung in der Entwicklung der Technik wie der menschlichen Kultur solche Umwälzungen hervorgerufen wie die Erkenntnis des dynamoelektrischen Prinzips und die daraus hervorgegangene Erfindung der Dynamomaschine, des Ausgangspunktes alles dessen, was mit der heutigen elektrischen Kraftversorgung zusammenhängt. Es gibt in den hochentwickelten mitteleuropäischen Ländern kaum noch ein Dorf, das nicht an das elektrische Versorgungsnetz angeschlossen ist. Und wieviel bedeutet es für einsame Dörfer und Gehöfte, mit einer Schalterdrehung sich eine nahezu unerschöpfliche Kraftquelle zu ersehließen oder gutes Licht zu schaffen! Was bedeutet es für die Menschen entlegener Landstriche, durch das mit elektrischem Strom betriebene Rundfunk- oder Fernsehgerät teil21
zunehmen am Geschehen in der weiten Welt, teilzunehmen an der neuesten Nachricht, an der entspannenden Sendung zum Feierabend, am belehrenden Wort, an der Musik und der gesprochenen Dichtung! Sie dringen so weit, wie die feinsten Verästelungen der „Straßen der Kraft" sich erstrecken. Und dennoch ist das Netz der Elektrizität nur ein Teil im System der Übertragung der großen Energien über weiteste Entfernungen. Noch nicht ganz soweit ist es mit dem Netz für den andern Teil gekommen, das Gas, obwohl seine Anwendung viel älter ist als die der Elektrizität. Viele Länder haben das Glück, Naturgas in der Erde zu finden, das sie mit technischen Kniffen aufspüren und in Gasrohrnetzen dem Verbraucher zuführen. Deutschland kennt bis heute jedoch nur wenig natürliche Gasquellen; dafür verfügt es um so mehr über „eingewecktes" Gas in Gestalt seiner Kohle, die unter Anwendung anderer technischer Kniffe veranlaßt wird, den darin eingeschlossenen Naturstoff Gas zur Ausnutzung freizugeben — zur Ausnutzung in Industrie, im Handwerk und im Heim: im Gasherd, im Badeofen, für Kühlung, Heizung, Wäschepflege, zur Feuerung.
Beleuchtungskrieg vor siebzig Jahren Einer von Werner von Siemens' Brüdern war Friedrich Siemens. Ihm sind neben Werner die meisten technischen Patente in Deutschland und dem Ausland zugefallen. Doch nicht der Elektrizität galt seine Forschungsarbeit, sondern ihrer Konkurrenz, dem Gas. Im Hause von Werner von Siemens in Berlin-Charlottenburg fand 1878 ein glanzvoller Hausball statt. Was Berlin an Titeln und Namen zu bieten hatte, war aufgeboten. Die Sensation des Abend6 bildeten nicht die erlesenen Speisen mit ihren Genüssen, sondern das neue Licht. Der Hausherr hatte erstmals seine Räume mit gleißendem elektrischem Bogenlicht ausgestattet. Die Gäste staunten, und Werner Siemens berichtete am Tage darauf schmunzelnd einem Bekannten, daß die Temperatur den ganzen Abend über erträglich geblieben sei, man habe nicht alle halbe Stunde die Fenster zur Lüftung aufsperren müssen wie beim Gaslicht. Und er schloß: „Die Damen sahen prächtig aus in ihren Toiletten und Brillanten, und Damenaugen glänzten auch wider Erwarten im vollen Glänze." 22
Friedrich Siemens, der „Gasmann", der dem Gespräch zugehört hatte, war über das hohe Lob, das der Bruder der Elektrizität zollte, keineswegs verärgert. Da beide Brüder sich verstanden, gab es zwischen ihnen um Gas oder Elektrizität keinen Streit. Außerhalb der Siemens-Familie aber lieferten sich in jener Zeit die Vertreter der Gasbeleuchtung und die Verfechter der elektrischen Beleuchtung erbitterte Redeschlachten und Papierkriege. Während sich die Gemüter erhitzten, sahen die beiden Siemens die Entwicklung mit den Augen von großzügigen Fachleuten an. Sie meinten, daß von dem Wettbewerb heilsame Anregungen für jede der beiden Beleuchtungsarten ausgehen könnten, es wäre deshalb vorteilhaft, beide Arten zu studieren. Man werde ja sehen, ob das Gas oder die Elektrizität letztlich das Rennen mache . ..
* Heute, nachdem wir die Zeit des Haushalt-Gasglühlichtes fast überwunden haben und uns über das bequeme elektrische Licht in unserer Häuslichkeit freuen, erscheint uns der Streit der Widersacher, in dem die Siemens einen vermittelnden Standpunkt einnahmen, fast kurios. Er war der zeitbedingte Ausdruck für das leidenschaftliche Bemühen um neue Wege im technischen Zeitalter, das sich damals zu entfalten begann. Für uns ist der Streit entschieden. Der elektrische Strom in allen seinen Anwendungen und das Gas in all seiner Nutzbarkeit bekämpfen sich nicht mehr, sondern ergänzen sich als echte Energiequellen für verschiedene Zwecke; im Zusammenspiel ergibt sich der Fortschritt auf beiden Seiten. Als Friedrich Siemens seine großen Erfolge errang, war fast ein Jahrhundert vergangen, seit der Würzburger Professor Pickel erstmals sein Labor mit Gas beleuchtet hatte, das er aus Knochen gewann. Wie die Irrlichter, die geheimnisvoll nachts über die sumpfigen Moore geistern, loderte das bläuliche Flämmchen auf, das Pickel mit seinem Gas entzündet hatte. Der Professor bedeckte sein Gesicht, so sehr übermannte ihn die Rührung darüber, daß er etwas entdeckt hatte, was vordem noch nicht dagewesen war: Licht ohne Docht, künstliches Licht. Zwar konnte er bei seinem Gasflämmchen kaum einen Buchstaben lesen, aber die Tatsache, daß da etwas leuchtete, das ein ganz anderes Feuer darstellte als der Kienspan, die Fackel, das öllicht, auch etwas anderes als der Leuehtfunken der Elektrizität, das war ihm sofort klar, und das überwältigte ihn. 23
Pickel behielt seine Entdeckung nicht für sich. Sechs Jahre später nahm der Schotte Murdock statt Knochen Steinkohle zur Gaserzeugung. Zuerst erkannten die Franzosen die Bedeutung dieser Entdeckung; sie legten sich schon bald regelrechte kleine Gaswerke in ihren Häusern an. Nach den Franzosen wurden die Berliner „helle". Der erste, der in Berlin die Gasbeleuchtung einführte, war der Kommissionsrat Blochmann. Die königlichen Hoheiten im Berliner Schloß hörten davon und wünschten sich das neue Gaslicht für ihre Gemächer. Also richtete Blochmann zunächst einmal ein Zimmer des Stadtschlosses für Gasbeleuchtung ein. Sollte die Gasbeleuchtung in Betrieb genommen werden, so wurde Blochmann benachrichtigt, und er ließ dann jedesmal seine „Gasanstalt", die aus kupfernen Kesseln bestand, ins Schloß fahren. Das war der bescheidene Beginn der Gasindustrie in Deutschland, und Blochmann wird als ihr Begründer angesehen. Bald gab es eine Berliner Gasgesellschaft, die im Jahre 1829, zehn Jahre nach Blochmanns „königlicher Beleuchtung", aus einem Rohrnetz bereits 1800 Gasflammen in den Berliner Straßen speiste. Blochmanns Sohn erbaute dann vierzig Gaswerke. Wie später bei den ersten elektrischen Zentralen wollte schon bald jede Stadt ihre „Gaszentrale" besitzen, die man Gasanstalt nannte. Das Gas trat etwa gleichzeitig mit der Dampfmaschine seinen Siegeszug durch Europa an. Die Dampfmaschine war berufen, die Arbeit ungezählter Menschenhände zu verrichten, das Gaslicht, die „ägyptische Finsternis" in den Straßen zu verdrängen und die Wohnstätten zu erleuchten. Der sogenannte Schmetterlingsbrenner, der hinter einer Milchglasglocke leuchtete und seinen Namen von der merkwürdigen Form der Gasflamme erhalten hatte, brachte immerhin ein angenehmes Licht von 30 Normalkerzen Stärke zustande. Der Rundbrenuer steigerte später die Helligkeit auf 50 Kerzen. Dreißig Jahre lang beherrschte er das Feld. Dann trat ein gewisser Stillstand ein; denn von 1860 an war im Beleuchtungswesen ein neuer, billigerer Konkurrent auf den Plan getreten: die trauliche Petroleumlampe, die auch heute noch nicht überall erloschen ist. Erst 1880 gab es wieder einen Auftrieb für das Gaslicht; in diesem Jahre gelang Friedrich Siemens der große Wurf mit seinem Regenerativ-Gasbrenner, der die Helligkeit des Gaslichtes mit einem Schlage versechsfachte, also auf 300 Kerzen brachte. Aber fast gleichzeitig 24
änderte sich erneut die Szene: Der Amerikaner Edison brachte 1879 das elektrische Glühlicht auf den Markt, schon Anfang der achtziger Jahre wurden die Edison-Glühlampen-Patente von der AEG in Berlin übernommen. Jetzt schien es, als habe das elektrische Licht doch endgültig über das Gaslicht gesiegt. Aber der technische Fortschritt ging weiter. Auer von Welsbach erfand 1891 den Gasglühstrumpf, bei dem das Gas nicht mehr in offenerFlamme brannte, sondern den „Strumpf" zum Glühen brachte. Der Gasstrumpf bestand aus zartem Gewebe, das mit Thorium und Cer getränkt war und vorher verascht wurde. Das Auerlicht verbrauchte nur noch den vierten Teil Gas gegenüber den früheren strumpflosen Brennern; Gas war dadurch billiger geworden als elektrisches oder als Petroleumlicht. Es blieb nicht aus, daß Techniker und Geldgeber glaubten, nun sei der Höchststand erreicht, man müsse nur genug Gasanstalten bauen; auch die Gasmotoren kamen erheblich voran, bis ihnen der Otto-Benzinmotor und dann der Dieselmotor das Feld streitig machten. Wer in den zeitgenössischen Berichten aus diesen Jahrzehnten nachliest, gewinnt eine interessante Einsicht: Ebenso rasch wie heute neue Erfindungen einander jagen, so war es schon damals; die Zeit der Hast begann, das geruhsame Zeitalter des Biedermeier war endgültig vorüber. Die stürmische technische Entwicklung begann auf alle Lebensgebiete überzugreifen. Der „Krieg" um die Beleuchtung aber endete mit einem Vergleich. Gas und Elektrizität fanden jede ihr Arbeitsfeld, für das sie am meisten geeignet waren, und was sich bewährt hatte, blieb erhalten. Heute leben die Gasbrenner in unseren Gaskochern fort, der Auerstrumpf findet sich noch immer in Gasbeleuchtungen, die auch heute noch über die Hälfte aller beleuchteten Straßenlängen in Deutschland verkehrssicher erhellen. Gas als Edelenergie dient außerdem zur Heizung in vielerlei Form. Elektrizität als Edelenergie mit dem Dynamo und der Glühlampe ist nach wie vor Kraft-, Wärme- und Lichtspender.
Steinkohle — Rohstoff der Gasfachleute Bei einem Gang durch eine moderne Gasbereitungsanlage ist nicht viel zu sehen. Die Kohleentgasung geht fast unsichtbar vor sich. Nur wenn der entgaste rotglühende Kokskuchen ausgestoßen wird, kommen Leben und Farben in das Bild. 25
Auf der Zeche steigt die Steinkohle aus erheblichen Tiefen ans Tageslicht. Mit modernen Transportmitteln gelangt sie zur Gasbereitungsanlage, die bei der Zeche, bei einer Hütte oder im Gaswerk irgendeiner Stadt liegen kann. Über die Mahl- und Mischanlage verschwindet die Kohle in den Entgasungsöfen des Ofenhauses. Heute haben die Gasingenieure die Kammern der Entgasungsöfen zu Koksbatterien vereinigt, die mit Gasfeuerung erhitzt werden. Zwölfhundert Grad herrschen in einem solchen Ofen. Ist die Kohle in Koks und Rohgas getrennt, dann fährt die Stoßmaschine an den Kammern entlang und drückt bei der Öffnung der Kammertür den von der Kohle übriggebliebenen „Kokskuchen" aus dem Ofen heraus, damit neu aufgefüllt werden kann. Abseits erfolgt die Löschung des glühenden Kokses mit Wasser. Das Rohgas muß noch gründlich gereinigt werden, ehe es gut brennbar ist. Es gelangt über den Vorkühler zuniTeerscheider, von dort zumNaphtalinwäsdier und weiter über den Nachkühler zum Ammoniakwäscher. Nach der anschließenden Schwefelreinigung und der Benzolwäsche ist das Gas versandbereit. Auch der gelöschte Koks kann heute noch zur weiteren Gasgewinnung ausgenutzt werden. Ein Teil geht zum Zentralgenerator und liefert noch das „Generatorgas" zur Beheizung der Kammeröfen. Der andere Teil wandert zur Wassergasanlage, wo „Wassergas" entsteht; mit dem hochwertigen Steinkohlengas, das in der Kokerei direkt aus der Kohle gewonnen worden ist, ergibt sich ein „Normgas" mit einem Heizwert von 4200 Kalorien je Kubikmeter. Das ist der Wert des Stadtgases, also des Gases, das in die Gasrohre des Gasnetzes strömt. Die Gastechniker rechnen uns folgendes vor: Wir erhalten aus 100 Kilogramm Steinkohle 68 Kilogramm Koks, 18 Kilogramm gereinigtes Gas und 14 Kilogramm gas- und dampfförmige Nebenstoffe, die für uns sehr wertvoll sind: Teer, Benzol, Cyan, Ammoniak, Toluol, Solventnaphta, Yylol und vieles andere, und weiter entstehen schließlich Farben, Harze, Lacke, Kunststoffe, medizinische Präparate, Graphit, Firnis, Riechstoffe. Die Vergasung lohnt sich also nicht nur durch den Gasanfall. Bei der Umwandlung von Kohle in Energie erreicht die moderne Vergasung einen „Wirkungsgrad" — ein Maß der Ausnutzung —, das anderwärts auch nicht annähernd vorkommt. Die Kohle wird 26
bis zu 85 Prozent ihrer Energie ausgenutzt, sie ist also heute kein gewöhnlicher Brennstoff mehr, sondern ein Rohstoff für viele Erzeugnisse, den man sparsam einzusetzen gelernt hat und am liebsten restlos ausnutzen möchte. Wenn in der Bundesrepublik zum Beispiel jährlich 65 Millionen Tonnen Steinkohle vergast werden und dabei über 20 Milliarden Kubikmeter Gas entstehen, dann leuchtet ein, daß der gewichts- und wertmaßige Anteil der Nebenprodukte eine beträchtliche Summe ausmachen muß. Um die „restlose Vergasung" der Kohle bemühen sich heute zahl reiche Gastechniker. Es stört sie, daß immer noch so viel Koks anfällt; es paßt ihnen auch nicht, daß die Hütten in den Hochöfen zum Verhütten der Eisenerze das eine Mal viel Koks verbrauchen, das andere Mal wenig; denn die Konjunktur in der Stahlerzeugung schwankt. Wird viel Roheisen erzeugt, so fällt bei der Verkokung viel Gas an, wird wenig produziert, so ist die Gasausbeute gering. Der Fachmann nennt diese Wechselbeziehung, dieses mehr oder weniger große Auseinanderklaffen, die „Koksschere". Um sich vom Koksanfall unabhängig zu machen, sind im mitteldeutschen Braunkohlengebiet um Leipzig die Gasleute im Jahre 1930 auf den Einfall gekommen, mit Hilfe von Sauerstoff unter hohem Druck auch die Braunkohle zu vergasen. Es ergab sich, daß kein Koks zurückblieb. Auf Grund dieses Ergebnisses arbeitet in Bohlen bei Leipzig seit fast 20 Jahren das erste Braunkohlengaswerk, das ein Starkgas wie aus der Steinkohle herstellt, ohne daß Koks dabei anfällt. Auch bei Steinkohlen ist es inzwischen gelungen, Gas ohne Koksrückstände zu gewinnen. Nachdem die Ruhrgas AG als größte Gasherstellerin der Bundesrepublik fünf Jahre lang mit vielen Kohlensorten entsprechende Versuche angestellt hatte, gelang ihr die Steinkohlenvergasung mit Sauerstoff unter hohem Druck, ohne daß Koks übrig blieb. In Dorsten erbaut die Ruhrgas AG ein solches Gaswerk; anderswo erreicht man heute dasselbe Ergebnis durch das sogenannte Wirbelkammerverfahren. Wieder einen andern Weg, Gas ohne Koks zu erhalten, haben die Hamburger Gaswerke beschritten. In ihrem Raum liegen große Erdölraffinerien, die bei ihrer Arbeit Raffineriegas als Abfall bekommen. Hier wird das erste große deutsche Erdölgaswerk entstehen, das aus einem Kilogramm Raffineriegas etwa 2,4 Kubikmeter Stadtgas gewinnen will. 27
Auch damit ist die lange Reihe der Gasherstellungsmöglichkeiten von heute noch nicht beendet. Es gibt Orte, wo weder ein eigenes Gaswerk noch ein Anschluß an eine Fernleitung vorhanden ist: Ihnen hilft das Flüssiggas, das man früher Propan nannte. Flüssiggas entsteht bei der Benzinherstellung aus leichtflüchtigen ölbestandteilen. Unter hohem Druck in Stahlflaschen gefüllt, kann Flüssiggas überallhin verschickt und bei der Öffnung in jedes Gasgerät gegeben werden, das sich für Stadtgas eignet.
Das große „B" des Ferngases Heute sind wir aus Hannover acht Kilometer weit nach Norden hinausgefahren. Der uns begleitende Geologe sagt, wir ständen über dem Engelbosteler Sattel. Aber wir sehen nichts von einem Sattel; völlig eben dehnt sich ringsum das Ackerland. Erst als eine Untergrundkarte vor uns ausgebreitet wird, erkennen wir den Sattel in 200 bis 300 Meter Tiefe. Er gehört zu einem Sandsteingebirge, das da unten liegt. Über der Erde zeigt sich nur ein Haus inmitten der Äcker; aber es „gehört" zu jenem Gebirge. Wer es nicht weiß, würde dem Hause nicht anmerken, daß es gleichsam am Anfang eines neuen Gaszeitalters in Europa steht. Es birgt eine Kompressorstation: Auf der einen Seite tritt die Ferngasleitung aus dem Ruhrgebiet unterirdisch in das Haus ein, auf der anderen Seite verläßt die Druckleitung das Gebäude. Unter dem Hause führen Rohre senkrecht bis zu dem Sandsteingebirge hinab. Durch diese Rohre wird das von der Ruhr herangeführte Gas in die Erde gedrückt. Und dieses Gas kann unbeschränkt lange unverändert dort unten liegen bleiben, es kann bei Bedarf wieder abgezapft und durch die Druckleitung zu den Verbrauchern geführt werden. Vor zehn Jahren begann die Ruhrgas AG in Essen mit dem Studium dieser Probleme; im Sommer 1954 begann die Füllung des ersten unterirdischen Gasspeichers, über dem wir jetzt stehen. Lange haben die Ruhrleute und das Amt für Bodenforschung gesucht, bis sie eine geeignete Stelle im deutschen Boden fanden. Mit der Anlage solcher unterirdischer Gasspeicher sind die USA vorangegangen; dort füllte man einfach leergewordene unterirdische Höhlen, aus denen Erdgas entnommen war, mit dem Steinkohlengas an. Heute besitzen die USA 142 Untergrundspeicher, die 26 Milliarden Kubikmeter 28
Der „B"-Plan — das B-förmig geplante deutsche Netz von Ferngasleitungen (nach Seieken)
Gas — etwas mehr als die Jahresproduktion der Bundesrepublik beträgt — aufnehmen können. Die Hälfte dieser Speicher sind bereits mit Gas „belegt". Was in den USA leicht möglich war, ist in Europa hier bei Hannover unter viel schwierigeren Bedingungen begonnen worden. Wie beim Wasser und bei der Elektrizität schwanken auch beim Gas die Verbrauchermengen je nach der Jahreszeit, dem Tageslauf und dem Wochentag. Wasser füllt man auf Vorrat in Wassertürme. Um den Spitzenausgleich in der Elektrizität zu erreichen, verbindet man die einzelnen Kraftwerke im Verbundnetz und baut Pumpspeicherwerke, wie wir sie bereits kennenlernten. Beim Gas aber ist die Vorratshaltung besonders schwierig. Die Gasbehälter unserer Städte kommen zu keinem nennenswerten Vorrat, da sie alle zusammen kaum mehr als die Hälfte des täglichen Verbrauchs aufnehmen können. Man müßte entweder neue Großgasspeicher bauen, die aber kaum ausreichen könnten, oder — man speichert das Gas in der Erde. Der Hannoversche Untergrundspeicher kann 200 Millionen Kubikmeter Gas aufnehmen, das ist mehr als das Zwanzigfache aller oberirdischen Gasbehälter der Bundesrepublik zusammengenommen. Der zweite unterirdische Gasspeicher, der in Betrieb genommen werden soll, liegt im Neuengammer Gassand im Hamburger Raum. Neuengamme wurde vor Jahrzehnten bekannt als Lagerstätte von Erdgas. Längst sind seine Erdgasschäize erschöpft. Übrig geblieben ist ein Schwamm mit einem Fassungsvermögen von 150 Millionen Kubikmeter. Auch er liegt über 200 Meter tief und ist von jener 50 Meter starken Tonschicht abgedeckt, unter der jahrtausendelang das Erdgas gebannt war. Man rechnet damit, von 1957 an Gas, das als Raffineriegas in den in der Nähe liegenden Erdölraffinerien gewonnen und im ersten deutschen Erdölgaswerk zu Stadtgas wird, hier unterirdisch lagern zu können. Wenn man es wieder emporsteigen läßt, kann der Bedarf an Ferngas im Hamburger Raum bis nach Schleswig-Holstein hinauf für Haushalts- und Heizgas, sowie für Handwerk und Industrie jederzeit gedeckt werden. Die hohen Spitzenanforderungen lassen sich dann ausgleichen, es kann beliebig viel Gas für den steigenden Bedarf geliefert werden. Und schon sucht man nach weiteren Möglichkeiten für die anderen westdeutschen Großräume.
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Wir stehen vor einer großen Landkarte. „Karte der Gasversorgung in der Bundesrepublik Deutschland" steht darauf zu lesen. Die Beschriftung besagt, wo es in der Bundesrepublik Zechen- und HüttenKokereien mit Gasabgabe ins öffentliche Netz gibt, wo Ferngasoder örtlich begrenzte Unternehmen bestehen und daß es mehr als 400 städtische Gaswerke gibt. Die gasversorgten Orte sind aufgezeichnet. Man kann aus der Karte ersehen, wer von den Orten Eigenerzeuger ist und wer Fremdbezug in Anspruch nimmt oder wo Eigenerzeugurig und Fremdbezug gemischt sind. Aus der Größe der Eigenerzeugung erkennt man die nutzbare Gasabgabe nach Mengen bis zu 100 Millionen Kubikmetern. Schließlieh wird die Karte von dünnen und dicken schwarzen Linien durchzogen; je dicker die Linien, um so größer ist die Ferngasabgabe des Versorgungsgebietes. Klar hebt sich aus der Karte das Energieerzeugungszentrum Ruhrgebiet heraus. Von hier aus liefern die großen Ferngaserzeugungsstätten, die ihr Ferngas bis nach Hannover und den Rhein hinauf bis Mannheim schicken. Weitere Zentren für Ferngas sind Salzgitter bei Braunschweig, Kiel, Hamburg, Bremen, Lübeck für den nordwestdeutschen Raum; Köln, Frankfurt für Westdeutschland und Stuttgart und Nürnberg für Süddeutschland. Eine vollkommene Verbindung aller bestehenden Erzeugungszentren gibt es noch nicht. Mit „Gas unterwegs" bezeichnen die Gasleute das Ferngas, das, auf 4600 Kilogrammkalorien je Kubikmeter genormt, heute schon aus einem gemeinsamen Rohrnetz zahlreichen Industriebetrieben und etwa 180 Städten zufließt. In der Erde der Bundesrepublik liegen bereits 7000 Kilometer Überland-Gasrohre, die in Stücken von bis zu 20 Meter Länge und einem halben Meter Durchmesser zu einer Einheit zusammengeschweißt sind. Auch für Gas besteht also wie bei der Elektrizität bereits eine Verbundwirtschaft, bei der Hütten und Gaskokereien eine Einheit bilden. Die Kokereien brauchen das überschüssige Gas nicht mehr „abzufackeln" — zu verbrennen — und damit nicht mehr nutzlos den Himmel zu röten, sondern können es in die Ferngasleitung geben. Durch das Ferngasnetz werden die wirtschaftlichen Großräume immer mehr verbunden. Wie ein großes „B" sieht auf der Landkarte (s. Seite 29) der Plan für das künftige Gasfernnetz aus, das vom Ruhrgebiet als dem „Kernrevier" ausgehend über Hannover und Braunschweig schwingt, einen Seitenarm nach Berlin sendet, 31
über Leipzig nach Nürnberg und München zieht und über Stuttgart — mit einem Seitenarm den Rhein hinauf bis Freiburg im Breisgau —, und über Frankfurt, Mannheim, den Rhein hinab nach Köln und Bonn ins Ruhrgebiet zurückkehrt. Die Sicherung der Ferngasversorgung geschieht in Überwachungszentralen, die alles kontrollieren und ausgleichen, ähnlich wie wir es bei der Hauptschaltstation Brauweiler für den Fernstrom kennengelernt haben. Jede Ferngasleitung ist in Strecken von fünf bis fünfundzwanzig Kilometer eingeteilt, mit Streckenwärtern, Reglern, Meßanlagen, Telefonleitungen, die neben der Ferngasleitung in der Erde liegen. Diese Organisation kann man am ehesten noch mit dem Bundesbahnnetz vergleichen, mit dem das Ferngasnetz viel Organisatorisches gemeinsam hat. 1926 begann das riesige Werk der Ferngasversorgung, an der heute als Lieferanten die Kokereien des Bergbaus, die Großgaswerke der Städte und eigene Großanlagen der führenden Gasgesellschaften beteiligt sind. Zehn Milliarden Kubikmeter kommen bereits als Ferngas zum Verbraucher. Großbetriebe, zum Beispiel der Glas- und Porzellanindustrie, sind dem Ferngas nachgezogen, da sie es wirtschaftlicher finden, Gas als Heizung zu benutzen, statt Kohle von den Zechen anfahren zu lassen. An dem großen „B" der Ferngasversorgung wird Zug um Zug weitergearbeitet. Vielleicht wird sich dieses „ B " dann eines Tages in ein riesiges „E" verwandeln, wenn der Gedanke des Gas-Verbundnetzes Europas, das viele erstreben, Wirklichkeit werden sollte.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Das Bild auf Umschlagseite 2 zeigt das Rohr einer Ferngasleitung, das einen Fluß überquert Hinweis: Durch ein Versehen ist bei dem Lesebogen „Die kleinen Vier" der Name des Verfassers nicht genannt worden. Den Lesebogen schrieb Dipl.-Ing. Götz Weihmann. L u x - L e s e b o g e n 214 (Technik) — H e f t p r e i s 25 Pfg. Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vlerteljährl. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, München, Innsbruck, Ölten — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth
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