Barbara McMahon
Vertrau auf die Kraft der Liebe
Ellie Winslow muss stark bleiben! Diese Liebe hat keine Chance! Denn N...
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Barbara McMahon
Vertrau auf die Kraft der Liebe
Ellie Winslow muss stark bleiben! Diese Liebe hat keine Chance! Denn Nick Tanner wird in drei Monaten ihre Ranch wieder verlassen. Doch so sehr Ellie sich auch bemüht, dem faszinierend erotischen Mann aus dem Weg zu gehen, immer wieder zieht es sie fast magisch in seine Nähe. Eines Nachts vergisst Ellie alle Bedenken und verführt Nick zärtlich. Hat sie auch das Herz ihres Traummannes erobert? Die Antwort glaubt sie nur wenige Tage später zu bekommen, als Nick erklärt, dass er eine Heirat für ausgeschlossen hält…
1999 by Barbara McMahon Originaltitel: „Yours For Ninety Days“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. Amsterdam Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA Band 1471 (12/2) 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Louisa Christian
1. KAPITEL Ellie Winslow war ernsthaft besorgt und blickte erneut durch das Vorderfenster auf die leere Einfahrt ihrer Ranch. Immer noch nichts zu sehen vom Sheriff und ihrem neuen Schützling. Dabei war es schon nach vier. Sie hatte die beiden gegen Mittag erwartet. Weshalb verspäteten sie sich derart? Seufzend machte sie sich wieder an ihre Buchführung. Viel lieber wäre sie draußen bei den anderen gewesen und hätte geholfen, die kleine Rinderherde von der unteren Winterweide auf die höheren Sommerwiesen zu treiben. Auf einem Pferd gesessen und sich das Gesicht von der Sonne bescheinen lassen. Über die scherzhaften Bemerkungen der jungen Männer gelacht, denen diese Arbeit gefiel. Ihr neuer Schützling hätte dabei sein sollen. Sie hatte das Wochenende extra so geplant, damit ihm das Eingewöhnen leichter fiel und er die anderen in einer zwangloseren Umgebung kennen lernen konnte. Nun, daraus wurde jetzt nichts mehr. Eine leichte Nervosität mischte sich in Ellies Besorgnis. Das war jedes Mal so, wenn sie einen neuen Schützling erwartete. Sie betrachtete es als eine Art Lampenfieber. Nach vierzehn Schützlingen wusste sie schließlich, was auf sie zukam. Menschen zu helfen, die Hilfe brauchten: Das war die Aufgabe des Resozialisierungsprogramms, dem sie sich angeschlossen hatte. Jugendlichen Ersttätern eine zweite Chance zu geben. Jene Chance, die ihr Bruder nie gehabt hatte. Bobby war nach einer Straftat bei einem Schusswechsel ums Leben gekommen. Einen Moment kehrte Ellies alter Zorn zurück. Doch sie verdrängte ihn rasch. Sie war damals viel zu jung gewesen, um etwas zu verändern. Jetzt tat sie ihr Bestes, um Alternativen anzubieten und so zu helfen, wie Bobby hätte geholfen werden müssen. Was wäre aus Pete und Manuel geworden, wenn sie sich nicht für die beiden eingesetzt hätte? Oder aus Carrie? Oder Trisha und Consuela? Oder all den anderen? Ellie hob den Kopf und horchte. War das ein Wagen? Sie eilte ins Wohnzimmer und blickte hinaus. Ja. Das Emblem des Sheriffs leuchtete an der Seite des weißen Dienstfahrzeugs. Endlich. Sie holte tief Luft und eilte zur Tür. „Miss Winslow? Mein Name ist Deputy Carmichael. Ich glaube, Sie erwarten uns.“ Der Sheriff betrat die Veranda und streckte ihr einen Stapel Papiere hin. Ellie nickte. „Ja, ich bin Ellie Winslow.“ Sie blätterte die Unterlagen durch, bestätigte mit ihrer Unterschrift die Überstellung ihres Schützlings und reichte das Formular zurück. Neugierig blickte sie zu dem Gefängnis wagen. Die Scheiben waren getönt, deshalb konnte sie ihren neuen Gast nicht sehen. „Sie kommen sehr spät, Sheriff. Hatten Sie eine Panne?“ fragte sie ungeduldig, während der Deputy das obere Blatt abriss und es ihr übergab. „Ja, einen platten Reifen“, bestätigte er. Ellie überflog die Unterlagen erneut. Nicholas Tanner. Verurteilt wegen Beihilfe zur Unterschlagung. Aha, ein Schreibtischtäter, überlegte sie. Würde er zu den anderen passen? Während der Deputy zum Wagen zurückkehrte, las sie den kurzen beiliegenden Bericht. Drei Monate sollte ihr neuer Schützling bei ihr wohnen. Am Ende dieser Zeit würde seine Gefängnisstrafe abgeleistet sein, und er konnte wieder gehen, wohin er wollte. Bis dahin stand er unter einer Art Hausarrest bei ihr. Es war ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft reibungslos gelang. Dass er die größtmögliche Chance dafür erhielt.
Sobald sie von diesem Programm erfuhr, hatte sie gewusst, dass dies die richtige Aufgabe für sie wäre. Sie hatte sich bei der Kirche beworben, dem Hauptsponsor des Programms, und war sofort angenommen worden. Seitdem war sie glücklich. Nur manchmal haderte sie mit dem Schicksal, dass die Lösung für ihren Bruder zu spät gekommen war. Nick Tanner saß steif auf dem Rücksitz des heißen Gefängniswagens. Seit sie wegen der Reifenpanne hatten anhalten müssen, war die Klimaanlage ausgefallen, und die Sonne brannte unbarmherzig auf das Dach. Doch er riss sich eisern zusammen, als könnte die Selbstkontrolle die Erinnerung an die höllischen letzten drei Jahre aussperren. Äußerlich wirkte er ruhig und beherrscht. Dieses Verhalten hatte er im Laufe der Jahre perfektioniert. Während der gesamten Fahrt hatte er regungslos dagesessen, aus dem Fenster geblickt und allen Versuchen des Sheriffs widerstanden, eine Unterhaltung mit ihm zu beginnen. Endlich bin ich draußen, war sein einziger Gedanke gewesen. Keine Gitter und Betonböden mehr, keine willkürlichen Regeln und Vorschriften. Er würde alles tun, um nie wieder dorthin zurückzukehren. Es waren entsetzliche, schockierende, endlos lange drei Jahre gewesen. Finsterer Zorn stieg in ihm auf, und er verdrängte ihn sofort. Besser nicht daran denken. Das war vorbei. Nick hatte keine Ahnung, was ihn bei diesem Resozialisierungsprogramm erwartete. So weit hatte er bisher nicht gedacht. In seinen alten Beruf konnte er nicht zurück. Dafür hatte er mit seiner Dummheit gesorgt. Und die Frau, von der er geglaubt hatte, dass er sie liebte, war nicht diejenige gewesen, die sie zu sein vorgab. Nichts war mehr wie früher. Er würde nie wieder einem Menschen trauen. Das hatte er auf die harte Tour erst von Sheila und anschließend im Gefängnis gelernt. Der Einzige, den er wirklich kannte, war er selber. Der Deputy kehrte zurück und forderte ihn auf, aus dem Wagen zu steigen. Nick tat es so würdevoll und stolz, wie er irgend konnte. Der spöttische Blick des Mannes gefiel ihm nicht. Doch er hatte jahrelang geübt, seine Gefühle zu verbergen. In drei Monaten würde er ein freier Mann sein. Er konnte genügend Geduld aufbringen, um auch den Rest seiner Strafe durchzustehen. Nick sah die Frau an, die in den nächsten drei Monaten seine Gefängniswärterin sein würde. Bisher hatte er sich keine Gedanken über sie oder die anderen Bewohner der Ranch gemacht. Er war verblüfft, wie klein, ja beinahe zierlich sie war. Mit ihren hellblauen Augen hinter einer blau gerahmten Brille blickte sie ihm beinahe ängstlich entgegen. Ihr honigblondes Haar war zu einer Art Pferdeschwanz gebunden und fiel schwer auf ihren schmalen Rücken. Sie trug nicht besonders moderne ausgeblichene Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt, das aussah, als gehörte es ihrem älteren Bruder oder ihrem Vater. Nick ließ den Blick über ihren Körper gleiten. Sie war die erste Frau, die er seit beinahe drei Jahren zu Gesicht bekam. Sie schien Ende zwanzig zu sein – und zu Tode verängstigt. Er bemerkte die Unsicherheit in ihren Augen und den flehendlichen Blick, den sie dem Deputy zuwarf. Vielleicht war sie die Tochter des Hauses, und die Ranch wurde von ihren Eltern geführt. Ja, das machte Sinn. Plötzlich zog sich sein Inneres schmerzlich zusammen. Fürchtete die Frau sich etwa vor ihm? Er wollte nicht, dass jemand Angst vor ihm hatte. Er dachte, er hätte seine Strafe verbüßt, und damit wäre dann alles vorbei. Vielleicht hatte er sich geirrt. Ellie sah zu, wie der Deputy die hintere Tür öffnete und den Mann aufforderte, den Wagen zu verlassen. Ihr neuer Schützling griff nach hinten und zog einen Seesack heraus. Er richtete sich wieder auf, runzelte die Stirn über eine
Bemerkung des Deputys, sagte aber nichts, sondern nickte nur. Ellie betrachtete ihren neuen Gast verblüfft. Er stand beinahe arrogant neben dem Deputy und überragte den älteren Mann um etliche Zentimeter. Er hatte die Füße fest auf den Boden gestemmt und hielt den Seesack mühelos in einer Hand. Mit ausdrucksloser Miene sah er sie an und kniff seine stahlgrauen Augen leicht zusammen. Das kann nur ein Irrtum sein, überlegte Ellie und konnte den Blick nicht von dem Mann wenden. Dies war kein großspuriger Jugendlicher von achtzehn oder neunzehn Jahren, der eine helfende Hand und Unterstützung beim Weg vom Gefängnis ins Alltagsleben benötigte. Eine Chance, etwas Neues zu erlernen und sein Leben zu verändern, bevor er wieder allein zurechtkommen musste. Vor ihr stand ein großer unnahbarer Mann von Anfang dreißig, der aussah, als wüsste er alles über die Welt. Wahrscheinlich konnte er ihr mehr beibringen als sie ihm. Ellie versuchte zu lächeln und hoffte inständig, dass man ihr die Bestürzung nicht anmerkte. Sie hatte einen jungen Mann erwartet, einen Teenager, nicht diesen – diesen äußerst männlichen Erwachsenen. Ihr Herz begann zu pochen, während er sie mit seinen irritierenden grauen Augen weiterhin anstarrte. Nie zuvor war sie sich eines Mitglieds des anderen Geschlechts derart körperlich bewusst gewesen. Sie atmete schwer, und eine winzige Flamme der Erregung bildete sich langsam tief in ihrem Innern. Entsetzt über ihre Reaktion, riss sie sich vom Anblick ihres neuen Schützlings los und überflog beinahe in Panik erneut den ersten Abschnitt der Papiere in ihrer Hand. Die Zeile mit dem Lebensalter war nicht ausgefüllt! Der Deputy gab Nick ein Zeichen, auf die Veranda zu steigen. Ellie schluckte trocken. Unzählige Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie war nicht auf diese Situation vorbereitet. „Mir scheint, hier liegt ein Irrtum vor, Deputy“, sagte sie zögernd. „Ein Irrtum, Madam? Das glaube ich nicht“, antwortete Carmichael. „Sie haben die Unterlagen gelesen. Falls es ein Problem gibt, müssen Sie sich an Ihre Kontaktstelle wenden. Ich hatte nur die Aufgabe, den Mann bei Ihnen abzuliefern.“ Er nickte ihr kurz zu und kehrte zu seinem Wagen zurück. Bevor sie etwas erwidern konnte, stieg er ein und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Ellie schob ihr Kinn vor und versuchte, gefasst und selbstsicher zu wirken. Was auch schief gelaufen war, heute ließ es sich nicht mehr ändern. Deshalb holte sie tief Luft und lächelte den Mann vor sich zögernd an. „Mein Name ist Ellie Winslow. Willkommen auf der Lazy K. Ranch, Mr. Tanner.“ Sie streckte ihrem neuen Schützling die Hand hin. Er zögerte eine Sekunde, bevor er sie ergriff. Langsam ließ er den Blick zu ihren vereinten Händen gleiten und anschließend hinauf zu ihrem Gesicht. Ellie riss ihre Finger beinahe erschrocken fort. Seine Hand war fest und schwielig. Ihr ganzer Arm kribbelte von seiner Berührung. Rasch wandte sie sich ab, straffte die Schultern und hoffte, dass der Mann ihre Reaktion nicht bemerkt hatte. Was in aller Welt war mit ihr los? „Was für ein Irrtum?“ fragte Nick. Seine Stimme klang tief und finster. „Unser Resozialisierungsprogramm ist für jugendliche Ersttäter bestimmt, Mr. Tanner. Mir scheint, Sie liegen über dieser Altersgrenze“, antwortete Ellie und ging in Richtung Tür. Was sollte sie jetzt tun? Der Deputy war keine Hilfe gewesen, und das Büro war sonnabends geschlossen. Sie musste bis Montag warten, um die Angelegenheit zu klären. „Welche Altersgrenze? Davon war nicht die Rede, als ich mich bewarb“, erklärte
Nick hart. Einen Moment war Ellie ein wenig eingeschüchtert. Hatte er das etwa beabsichtigt? Oh nein, nicht mit ihr. Sie richtete sich so hoch wie möglich auf. „Lassen Sie mich von vornherein eines klarstellen, Mr. Tanner. Ich leite diese Ranch, und ich stelle die Regeln auf.“ „Wie es Ihnen gefällt?“ „Nein. Wie sie niedergelegt sind.“ Ellie merkte, dass sie immer mehr Boden unter den Füßen verlor. Gab es überhaupt eine obere Altersgrenze? „Ich bin dazu da, mich mit Teenagern zu beschäftigen, nicht mit älteren Männern.“ „So alt ist zweiunddreißig nun auch wieder nicht. Und ich bin ein Ersttäter. Mein Bewährungshelfer hatte keinerlei Altersbegrenzung erwähnt.“ „Sie sind Jahre älter als die anderen hier.“ „Die anderen?“ „Ich habe vier weitere Ersttäter auf der Ranch, zwei junge Männer und zwei junge Mädchen. Alle sind ungefähr neunzehn. Sie sind also über ein Dutzend Jahre älter.“ Ellie versuchte, ihre Gefühle und die Situation unter Kontrolle zu halten. Nick Tanner war anders als ihre übrigen Gäste. Mit seiner kräftigen Gestalt füllte er ihren Blick völlig aus. Während sie für ihre sonstigen Schützlinge manchmal Zuneigung empfand, spürte sie bei diesem Mann eindeutig eine heftige körperliche Reaktion. Verzweifelt holte sie tief Luft und roch den würzigen Duft seiner Haut. Überwältigt von dieser unübersehbaren Männlichkeit, trat sie einen Schritt zurück. Nick Tanner strahlte eine rätselhafte, gezügelte Kraft aus. Sie hatte keine Angst vor diesem Mann, aber sie fürchtete ihre eigene Reaktion. Was war heute mit ihr los? „Unser Programm ist für junge gefährdete Menschen bestimmt“, sagte sie. „Ein Teil unserer Tätigkeit besteht darin, ihnen zu einem Beruf zu verhelfen, indem wir ihnen neue Kenntnisse vermitteln. Einige unserer Schützlinge haben nicht einmal einen High-School-Abschluss. Sie sind dagegen alt genug, um sich im Leben auszukennen. Weshalb haben Sie sich überhaupt für das Programm beworben?“ „Um rauszukommen.“ „Aha.“ Jedenfalls war er ehrlich. Sie runzelte die Stirn. Nein, doch nicht ganz. Sonst wäre er gar nicht erst im Gefängnis gelandet. Energisch ignorierte sie ihre Reaktion auf seine muskulösen Beine in den engen Jeans, auf seine breiten Schultern und seinen kräftigen Arm, mit dem er seinen schweren Seesack hielt. Eine leichte Brise zerzauste sein Haar, und Ellie fragte sich instinktiv, wie es sich unter ihren Fingerspitzen anfühlen würde. Erschrocken riss sie sich zusammen. Das ist nur die übliche Nervosität am ersten Tag, redete sie sich ein. Damit war sie jedes Mal fertig geworden. Wenn sie Nick bleiben ließ, würde es nicht anders sein. Obwohl sie sich fragte, wie sie das Programm durchziehen sollte, wenn ihre Gedanken ständig um andere Dinge kreisten. Nick blickte über die offenen Felder. Was ging in ihm vor? Das dunkle Laub der vereinzelten Immergrünen Eichen war die einzige Abwechselung innerhalb der goldbraunen hügeligen Landschaft. Es war Spätfrühling in Kalifornien. Bis zum Herbst würde es nicht mehr regnen. Das Wintergras war längst getrocknet und golden geworden. Ein ausgezeichnetes Futter für das Vieh. Und auf seine Weise wunderschön. Empfand Nick dieselbe Faszination wie sie, als sie zum ersten Mal hier gewesen war? Sie hatte die Ranch von ihrem Vater geerbt und vorher nicht einmal von
deren Existenz gewusst. Das Anwesen war der Auslöser gewesen, weshalb sie sich dem Programm angeschlossen hatte. Pete Concannon und Manuel Lopez waren ihre ersten Schützlinge gewesen. Beide hatten ihr ziemlich viel Arbeit gemacht. Ohne die Hilfe ihres Vorarbeiters Gus und dessen Frau Alberta, die Köchin war, hätte sie es wahrscheinlich nicht geschafft. Aber jetzt nach vier Jahren fiel ihr die Aufgabe bei jedem Neuankömmling leichter, stellte sie stolz fest. Pete arbeitete inzwischen auf einer Ranch nahe Redding. Er ging sonntags zur Kirche, war mit einem netten jungen Mädchen befreundet und kam von Zeit zu Zeit immer noch vorbei. Manuel Lopez war schwieriger und eine echte Herausforderung gewesen. Ein charmanter Latino, bei dem sie sich gefragt hatte, ob er nach Verbüßung seiner Strafe freiwillig wieder gehen würde. Inzwischen arbeitete er als Helfer bei einem Tierarzt und wollte im Herbst sein Studium an der Universität beginnen, um selber Tierarzt zu werden. Ein erheblicher Unterschied zu seinen früheren Einbrüchen in Spirituosengeschäfte. Schon bevor die beiden ersten die Ranch verließen, hatte Ellie weitere Schützlinge aufgenommen. Fünf war die höchste Anzahl, mit der sie gleichzeitig fertig werden könnte. Das war ihr klar. Nick würde im Moment der fünfte sein. Sein Zimmer war hergerichtet. Sie hatte bereits mit Leuten in der Stadt gesprochen, die ihm je nach Interesse kleine Jobs anbieten würden. Und die anderen wussten von seiner geplanten Ankunft. Nur hatte sie keinen erwachsenen Mann erwartet. Nick überlegte, wie lange es noch dauern würde, bis die Frau zu einer Entscheidung gekommen war. Der würzige Duft von trockenem Gras stieg ihm in die Nase und war entschieden angenehmer als die Gefängnisluft. Der offene Raum und die Weite begannen bereits, seine innere Spannung zu lösen. Wenn die Frau ernsthaft glaubte, dass er nur wegen eines Irrtums hier war, musste er sie irgendwie dazu bringen, dass sie ihn bleiben ließ. Sie studierte immer noch seine Unterlagen, als hoffte sie, darin eine Antwort zu finden. Endlich sah sie wieder auf. „Kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Nick atmete erleichtert auf, ließ sich aber nichts anmerken. Das war die einzige Möglichkeit gewesen, die letzten drei Jahre heil zu überstehen. Mit einem gewissen Abstand folgte er ihr hinein. Das Haus musste dringend renoviert werden. Das hatte er schon von außen gesehen. Allerdings schien es solide gebaut zu sein. Es war riesig und enthielt ein Dutzend Räume oder mehr. Nick folgte Ellie zum hinteren Gebäude. Eine breite Holztreppe führte in den ersten Stock. Türen öffneten sich von der Diele zu großen Zimmern. Ihre Schritte hallten auf dem Holzboden. Teppiche oder Läufer würden das Geräusch dämpfen. Doch er entdeckte keine. Die Küche wirkte hell und luftig. Große Fenster gingen über dem Spülbecken in den rückwärtigen Garten. Ein runder zerkratzter Eichentisch mit vier Stühlen stand in der Mitte. Das Becken und die Armaturen schienen neu zu sein. Dem unebenen Boden war das Alter dagegen anzumerken. Ein leuchtend roter Stall war hinter dem Haus zu sehen. Offensichtlich neu. Weshalb steckte Ellie Geld in einen Stall, wenn das Haus dringend Reparaturen benötigte? Ein großer deutscher Schäferhund kratzte an der Hintertür. Ellie zögerte einen Moment und fragte: „Das ist Tarn. Haben Sie Angst vor Hunden?“ Nick schüttelte den Kopf.
Sie öffnete die Tür, und der große Hund sprang herein. Er tanzte um Ellie herum, die ihn lachend abwehrte, und schoss anschließend quer durch den Raum zu Nick. Schwanzwedelnd begrüßte er den Fremden. „Er ist wirklich sehr nett. Aber erzählen Sie das bitte keinem Einbrecher“, sagte Ellie. Im selben Moment erkannte sie, wie Nick ihre unbekümmerten Worte auslegen könnte, und errötete heftig. „Oh, Entschuldigung“, murmelte sie dann zerknirscht. Ein winziges Lächeln leuchtete in Nicks Augen auf, während er den Hund betrachtete. „Ich werde es keiner Menschenseele verraten.“ Er streckte seine Hand aus, ließ Tarn daran schnüffeln und kraulte ihn vorsichtig hinter dem Ohr. „Ihr Zimmer ist hier“, sagte Ellie und öffnete die Tür zu einem großen Raum mit angrenzendem eigenen Bad. „Es gehört Ihnen ganz allein. Ich werde es nicht betreten. Sie müssen es selber sauber halten. Auf diese Weise können Sie sicher sein, dass sich niemand in Ihre Privatangelegenheiten mischt. Wenn Sie möchten, können Sie in vierzehn Tagen ins Arbeiterhaus überwechseln, wo die jungen Männer wohnen. Die beiden ersten Wochen bleiben meine männlichen Gäste im Haupthaus. Die jungen Mädchen haben ihre Zimmer oben bei mir. Der erste Stock ist für alle Männer tabu.“ Nick ging an Ellie vorüber und blieb an der Tür stehen. Das Zimmer hatte eine hohe Decke und zwei große doppelflügelige Fenster an der Rückwand. Ein französisches Bett mit geschnitztem Kopfteil dominierte den Raum. An der rechten Wand befanden sich ein Frisiertisch aus Eiche, ein Stuhl und ein Nachtschrank. Ein bunter geflochtener Teppich bedeckte den Hartholzboden, und mehrere Aquarelle schmückten die Wände. Durch eine offene Tür entdeckte er das Badezimmer. Die Einrichtung in Blau und Braun gefiel ihm sehr. Ellie deutete zur Vorderseite des Hauses. „Wir sind am Esszimmer vorbeigekommen, in dem wir normalerweise unsere Mahlzeiten einnehmen. Außerdem haben wir einen Salon und einen Fernsehraum. Benutzen Sie beide, wann immer Sie möchten. Falls Sie etwas brauchen, zum Beispiel Handtücher oder Seife, lassen Sie es mich wissen. Dies wird die nächsten drei Monate Ihr Heim sein.“ Nick stellte seinen Seesack ab und nickte. Er griff zur Tür und betrachtete den Knauf. „Kein Schloss?“ fragte er und zog eine Braue in die Höhe. „Sie sind hier absolut sicher, Mr. Tanner. Ich habe bereits gesagt, dass ich Ihr Zimmer nicht betreten werde. Das gilt ebenfalls für die anderen Hausbewohner. Wir respektieren gegenseitig unsere Privatsphäre“, antwortete Ellie steif und schob ihr Kinn ein wenig vor. Nick hob erstaunt den Kopf. „Ich meinte, damit ich mich nachts selber einschließen kann – nicht um jemanden auszusperren.“ „Wir brauchen uns hier nicht einzuschließen, Mr. Tanner. Unsere Schützlinge werden so ausgewählt, dass keine gewalttätigen Strafgefangenen darunter sind. Sie können jederzeit wieder weggehen. Aber ich hoffe, Sie werden es nicht tun.“ Nick sah sie nachdenklich an, dann nickte er. „Können wir bitte auf Mister und Mistress verzichten und zu unseren Vornamen übergehen? Ich heiße Nick“, sagte er. „Ja, natürlich. Und ich bin Ellie.“ Sie hätte es selber vorschlagen müssen. Schließlich sollte sie den Mann führen. Alle auf der Ranch redeten sich mit dem Vornamen an. Wie hatte sie es vergessen können? Hatte sie instinktiv versucht, mit der förmlicheren Anrede etwas mehr Abstand zu ihm zu wahren? Es wurde spät. Sie musste die Tiere füttern und für das Abendessen sorgen. „In ungefähr einer halben Stunde werde ich Zitronenlimonade auf die vordere Veranda bringen, falls Sie welche möchten“, sagte sie und verließ die Küche.
2. KAPITEL Ellie hatte ihr Glas schon halb ausgetrunken, als Nick auf der Schwelle zur Veranda erschien. Sie deutete auf die Karaffe und ein zweites Glas. „Bedienen Sie sich.“ „Danke, sehr gern.“ Es war lange her, dass er frische Zitronenlimonade getrunken hatte. Er schenkte sich ein Glas ein und blickte sich nach einer Sitzgelegenheit um. Es gab nur die Schaukel und das Geländer. Zögernd setzte er sich neben Ellie und ließ absichtlich viel Platz zwischen ihnen. Sie schaukelten eine Weile schweigend hin und her, tranken das kühle Getränk und blickte zu den fernen Hügeln. „Wie groß ist die Ranch?“ fragte Nick, um mehr über das Anwesen und seine Gastgeberin zu erfahren. Man hatte ihm gesagt, was er die nächsten drei Monate zu erwarten hätte, aber nichts über die Menschen, mit denen er zusammenleben würde. Wer war diese Ellie Winslow? Weshalb hatte sie sich dem Programm angeschlossen? War sie geschieden? Verwitwet? Er blickte auf ihre Hand. Kein Ring. „Ungefähr tausend Morgen. Außerdem habe ich noch Weideland von der Regierung gepachtet.“ „War die Ranch immer in Ihrer Familie?“ Das Haus sah aus, als wäre es seit Jahrzehnten nicht gestrichen worden. „Ich habe sie vor einigen Jahren geerbt. Vorher wusste ich nicht einmal von ihrer Existenz. Sie ist wunderbar, nicht wahr?“ fragte sie leise. Nick überlegte, weshalb Ellie solch eine Freude über ein Anwesen empfand, das derart renovierungsbedürftig war und so weit von der nächsten Stadt, den Geschäften und den Theatern entfernt lag. Ihre blauen Augen leuchteten, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie war beinahe hübsch, wenn sie lächelte. Nicks Inneres zog sich zusammen, und er wandte sich ab. Er wollte nichts fühlen, sondern die nächsten drei Monate mit Anstand überstehen, sämtliche Regeln einhalten und anschließend seiner Wege gehen. „Natürlich sind noch Unmengen zu tun“, fuhr Ellie fort. „Ich nehme mir eine Sache nach der anderen vor. Als Erstes haben wir den Stall erneuert, damit ich hier Tiere unterbringen kann. Anschließend haben wir das Arbeiterhaus renoviert. Dann kamen die Schlafzimmer und die Küche an die Reihe. Ich hoffe, dass ich Ende des Jahres mit dem Haus fertig bin. Dann können wir uns auf den Aufbau der Rinderherde konzentrieren.“ „Weshalb unterstützen Sie das Resozialisierungsprogramm?“ Er musste unbedingt ihre Beweggründe erfahren. Ellie ließ sich schwer einschätzen. Sie war anders als die Frauen, die er kannte. Anders als Sheila. Oder gelang es ihr, das wahre Ich zu verbergen? Sheila war eine Meisterin darin gewesen. Ellie blickte auf das Glas in ihrer Hand und beobachtete, wie die Eiswürfel im Kreis wirbelten. Sollte sie Nick von ihrem Bruder erzählen? Oder von dem, was sie erlebt hatte, bevor sie auf diese Ranch gekommen war? Sie begriff nicht, weshalb sie plötzlich das starke Bedürfnis hatte, darüber zu reden. „Lassen wir es für heute dabei, dass ich sehr gute Gründe dafür habe und glücklicherweise in der Lage bin, helfen zu können.“ „Das klingt, als würden Sie seit Jahrzehnten nichts anderes tun. Sie sind noch ziemlich jung.“ Er überlegte, wie alt Ellie sein könnte. Ihre Brille und ihre Frisur waren eher bieder. Trotzdem zeigten sich Spuren von echter Schönheit. Vor allem in ihren Augen. Sie blickten ziemlich ausdrucksvoll hinter den Brillengläsern. Er fragte sich, wie sie ohne Brille aussehen mochte. „Ich werde in einigen Monaten zweiunddreißig. Sie sind mein fünfzehnter
Schützling.“ „Also noch nicht ganz reif fürs Seniorenheim“, murmelte er. Ellie und er waren ungefähr im selben Alter. Dadurch verband sie etwas, woran er lieber nicht denken wollte. Er, Nick, war zu einem Einzelgänger geworden. Er suchte nach einem neuen Arbeitsgebiet für sich und war entschlossen, sämtliche Probleme zu vermeiden, die sich aus einer Beziehung ergeben konnten. Nervös trank er sein Glas aus und stand auf. „Ich mache einen kleinen Spaziergang“, verkündete er. Es war keine Frage. Trotzdem zögerte er, als wartete er auf die Erlaubnis. „Schön“, sagte Ellie leise und sah auf ihre Uhr. „Dinner ist um sechs Uhr dreißig. Falls Sie bis dahin nicht zurück sind, stelle ich Ihnen das Essen warm.“ Schweigend sah sie zu, wie Nick die Einfahrt zur ruhigen Landstraße hinablief. Tarn stand auf und beobachtete ihn. Ellie berührte seine Schulter. „Geh mit, Tarn. Lauf.“ Der Hund brauchte keine zweite Aufforderung. Er eilte Nick nach, holte ihn ein, schnüffelte im Gras auf dem Seitenstreifen und schoss hin und her. Staubwolken wirbelten mit jedem Schritt auf. Nick merkte, dass seine Schuhe restlos damit bedeckt sein würden, wenn er die Straße erreichte. Doch es war ihm egal. Zum ersten Mal seit drei Jahren war er frei. Der große Hund schloss zu ihm auf, und Nick lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. Er konnte tun und lassen, was er wollte, solange er die nächsten drei Monate hier durchhielt. Im Moment genügte ihm dieser Spaziergang. Er blickte zurück, doch Ellie war nicht zu sehen. Er war tatsächlich allein, und es war wunderbar. Nick bog auf die Landstraße und beschleunigte seinen Schritt. Er brauchte diese körperliche Anstrengung und wollte seine Freiheit richtig genießen. Fasziniert betrachtete er den dunkelblauen Himmel über sich und die goldenen Hügel, die sich ringsum erhoben. Die Berggipfel in der Ferne waren noch mit Schnee bedeckt. Weitere Häuser waren nicht zu sehen, auch keine Fahrzeuge. Was für ein Unterschied zum Gefängnis oder seinem Haus in San Francisco. Genau das hatte er gewollt. Er konnte nicht zu seinem alten Leben zurückkehren. Also würde er alles verändern und nur noch in die Zukunft blicken. Er streckte seine Beine weiter aus, atmete die heiße, trockene Luft tief ein und begann zu laufen. Einige Zeit später klopfte es kurz an der Küchentür, und Nick trat ein. Tarn schoss an ihm vorüber in den Raum. „Na, habt ihr beide einen schönen Spaziergang gemacht?“ fragte Ellie lächelnd. Sie kraulte den Hals des Hundes und sah ihren neuen Schützling an. Er schien ihr direkt in die Seele zu blicken. Weshalb hatte sie ständig das Gefühl, von ihm beurteilt zu werden? „Nick, dies ist für eine bestimmte Zeit Ihr Zuhause. Sie brauchen nicht anzuklopfen. Wir schließen nur nachts ab. Tagsüber ist es nicht nötig. Es gibt hier keine Kriminalität. Und mit Tarn…“ Oh nein, das Wort war ihr schon wieder entschlüpft. Weshalb passierte ihr das ausgerechnet bei Nick? Normalerweise vermied sie die ersten Tage bewusst jede Anspielung auf ein Verbrechen. Verlegen wandte sie sich ab. Nick lehnte sich an die Anrichte und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah Ellie an, als wäre sie ein seltsames Rätsel, das er lösen konnte, wenn er sie lange genug beobachtete. Sein Blick machte sie nervös. „Kann ich irgendwie helfen?“ fragte er, als sie den Kühlschrank öffnete. „Das Abendessen könnte ein kleines Problem werden“, erklärte Ellie. „Ich hatte angenommen, wir würden gemeinsam mit den anderen im Freien essen. Deshalb habe ich nichts vorbereitet. Alberta ist eine bessere Köchin als ich. Sie hat einen
ausgeprägten Mutterinstinkt.“ Nick legte den Kopf schräg. „Ist das der Grund, weshalb Sie Ihr Haar zurückbinden, kein Make-up auflegen und sich so bieder kleiden? Um älter zu wirken?“ fragte er. „Etwas Mütterliches zu haben?“ „Ehrlich gesagt, so kleide ich mich immer.“ Ellie drehte sich zum Kühlschrank zurück, damit er nicht merkte, wie sehr seine Worte sie schmerzten. Sah sie wirklich so schrecklich aus? Sie wusste, dass sie nicht hübsch war. Doch so deutlich hatte es ihr noch niemand gesagt. Und es tat besonders weh, weil diese Worte von einem ausgesprochen gut aussehenden männlichen Wesen stammten, das in ihrer Küche stand. Blicklos starrte sie in den Kühlschrank. „Ich habe alle Zutaten für Hamburger, Pommes und Milchshakes da. Oder möchten Sie lieber Schinken oder Roastbeef? Ich kann rasch etwas aufwärmen“, sagte sie und war stolz, dass ihre Stimme nicht bebte. Sie war nicht hier, um einen Mann zu beeindrucken. Es spielte keine Rolle, was er von ihrem Aussehen hielt. Nick löste sich von der Anrichte und trat näher. Behutsam legte er die Hände auf ihre Schultern, drehte Ellie zu sich und hob ihren Kopf mit einem Finger an. „Ich wollte Ihre Gefühle nicht verletzen, Ellie Winslow. Ich bin froh, dass ich hier sein kann, und ich werde alles tun, damit es klappt. Darauf haben Sie mein Wort. Und ich würde mich über Hamburger mit Pommes freuen.“ Seine Stimme klang leise und tief. Ellie nickte. Wie am späten Nachmittag durchrieselte es sie glühend heiß, wo seine Finger sie berührten. Mit pochendem Herzen trat sie beiseite und blickte erneut in den Kühlschrank. „Oh, ich habe noch eine kleine Flasche Apfelwein. Damit können wir auf den Start in Ihr neues Leben anstoßen. Einverstanden?“ Ihre Stimme klang ein bisschen atemlos. Normalerweise bot sie keinen Alkohol an. Aber der erste Tag eines neuen Schützlings war eine Ausnahme. „Ja, das wäre schön.“ Ellie hörte die Aufrichtigkeit in seiner Stimme und füllte zwei Gläser, bevor sie zu kochen begann. „Auf Ihre künftigen Erfolge, Nick“, sagte sie. „Mögen alle ehrenhaft sein“, antwortete er viel sagend. Ellie verschluckte sich beinahe. „Das klingt ja schrecklich!“ sagte sie lachend und entspannte sich allmählich. Vielleicht würde es doch nicht so schlimm werden. Sie war auch bei Pete und Manuel zuerst unsicher gewesen. Aber anders als bei Nick. Diese seltsame Sehnsucht… Hör auf! ermahnte sie sich energisch. Nick war nur ein weiterer Schützling. Mehr nicht. Lügnerin, flüsterte eine winzige Stimme hinten in ihrem Kopf. Nick lachte leise über ihre Bemerkung, hielt kurz inne und sah sie erstaunt an. „Das war mein erstes Lachen seit sehr langer Zeit“, sagte er leise. „Jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, habe ich furchtbare Angst, dass ich Sie verletzen könnte“, gab Ellie zu, um festzustellen, ob Nick sich ihr wirklich langsam öffnete. „Das hätten Sie längst getan, wenn ich ein Einbrecher wäre“, zog er sie auf. Sie schluckte trocken. Der Blick in seinen grauen Augen war weich geworden, und sein Lächeln geriet ein bisschen schief. Sie merkte, wie ihr Inneres zu schmelzen begann. Der Mann sah ohnehin fantastisch aus. Aber mit diesem Lächeln war er einfach umwerfend. „Ich möchte nichts sagen, was Sie verletzen könnte. Falls ich es tue, machen Sie mich bitte darauf aufmerksam.“ Entschlossen drehte sie sich zum Kühlschrank und nahm das Fleisch heraus.
Nach dem Abendessen war Ellie sicher, dass Nicks Aufenthalt bei ihr ebenso erfolgreich verlaufen würde wie der ihrer anderen Schützlinge. Er aß alles, was sie ihm vorsetzte, stellte Fragen über die Ranch, hörte aufmerksam zu, während sie ihm die Regeln für das Programm erklärte, und half ihr sogar beim Abwasch. Anschließend setzten sie sich mit einer Tasse Kaffee auf die Veranda. Es wurde schon dunkel, und die Luft war angenehm kühl nach der Hitze des Tages. Sie schwiegen eine ganze Weile. Endlich fragte Ellie: „Woher stammen Sie, Nick?“ „Von der Ostküste, aus Maryland“, antwortete er. „Ich habe in Stanford studiert und anschließend einen Job in San Francisco gefunden.“ Und dann sind Sie im Gefängnis gelandet, schloss Ellie stumm. Was war passiert? Wie war er in diesem Programm gelandet? Mit einem College-Abschluss – einem akademischen Grad – brauchte er keine Eingliederungshilfe. Trotzdem hatte er sich um einen Platz bei ihr beworben. Weshalb? Nur um aus dem Gefängnis zu kommen? Oder wollte er wirklich einen totalen Neuanfang? „Morgen müssen wir eine Strategie für Ihre Zeit auf der Ranch festlegen“, verkündete Ellie. „Inwiefern?“ fragte Nick misstrauisch. „Welchen Beruf Sie gern hätten, wie man sich um eine Stelle bewirbt, sich passende Kleidung besorgt und so weiter.“ „Bitte noch nicht“, murmelte er. „Was soll das heißen?“ Sie versuchte, seine Miene im Dämmerlicht zu erkennen. Doch es war zu dunkel geworden. „Ich hätte gern zunächst ein bisschen Zeit, um mich an die neue Freiheit zu gewöhnen.“ Das klang vernünftig, gab Ellie zu. Ein paar Tage würden nicht schaden, obwohl das Programm einen sofortigen Beginn vorsah. Nick konnte mit kleinen Pflichten auf der Ranch anfangen, um die anderen besser kennen zu lernen. „Wir werden sehen.“ Schließlich war sie es, die hier die Entscheidungen treffen sollte. Weshalb hatte sie plötzlich das Gefühl, dass Nick ihr die Fäden aus der Hand nahm? Vielleicht war sie nicht energisch genug für solch eine Arbeit. Oder für Männer wie ihn? Bei ihren übrigen Schützlingen hatte sie solche Schwierigkeiten nicht gehabt. Aber die waren jünger als er und freuten sich auf einen Neuanfang. Nick spielte in einer völlig anderen Liga. „Haben Sie immer als Rancherin gearbeitet?“ fragte er. „Weshalb unterstützen Sie dieses Programm?“ Irgendein Motiv musste sie doch haben. Finanzielle Gründe konnten es nicht sein. „Ich bin erst seit fünf Jahren auf der Ranch. Mein Haupteinkommen stammt aus dem Illustrieren von Kinderbüchern. Meine Freundin Margot und ich arbeiten zusammen. Sie schreibt die Texte, und ich male die Bilder. Wir haben über zwei Dutzend Bücher veröffentlicht. Meine Werke hängen überall im Haus.“ „Die Aquarelle in meinem Schlafzimmer sind von Ihnen?“ „Ja. Es sind freie Arbeiten, die Sie in keinem Buch finden.“ „Sie gefallen mir sehr. Sie sind beruhigend – angenehm für das Auge.“ Die Bilder waren in unterschiedlichen Blautönen gehalten und völlig anders als die Aquarelle, die er sonst kannte. Kühner, dramatischer. Ungewöhnlich wie seine Gastgeberin. „Aber weshalb haben Sie mit diesem Programm zu tun?“ forschte er weiter. „Das habe ich doch gesagt: Um etwas zu bewirken.“ „Die meisten Menschen haben einen persönlichen Grund, wenn sie etwas tun“, erwiderte er. „Glauben Sie das wirklich?“
„Ich weiß es.“ „Mag sein. Aber in diesem Fall möchte ich ganz einfach nur helfen.“ Nick blickte hinaus in die Landschaft, die langsam dunkel wurde. Außer Gras und einigen wenigen Bäumen war nichts zu sehen. Er verstand nicht, weshalb Ellie so weit entfernt von jeder Ortschaft lebte. Fehlten ihr die Vorzüge der Stadt nicht? „Fühlen Sie sich hier niemals einsam?“ fragte er neugierig. „Wie könnte ich? Normalerweise summt es hier vor Leben. Ich habe einen Vorarbeiter und zwei Cowboys, eine Köchin und meine Schützlinge. Margot kommt mehrmals die Woche hierher, um gemeinsam mit mir an den Büchern zu arbeiten. Hier ist viel zu viel los, um sich einsam zu fühlen.“ Ellie sah Nick an. „Bis zu seinem Tod vor fünf Jahren habe ich bei meinem Vater gewohnt. Er hatte eine furchtbare Arthritis und Alzheimer und brauchte rund um die Uhr Betreuung. Meine Mutter ist schon sehr früh gestorben. Damals hatte ich kaum die Möglichkeit, etwas für mich zu tun.“ Sie erwähnte nicht, wie dominierend der Mann gewesen war, wie anspruchsvoll. Das war vorbei. Jetzt war sie frei. „Nach seinem Tod erbte ich diese Ranch“, fuhr sie fort. „Sie erfordert eine Menge Arbeit. Deshalb habe ich gar keine Zeit, etwas zu vermissen.“ Nick wartete, dass sie weitersprach. Ellie hatte keine Einzelheiten erzählt. War sie jemals verheiratet gewesen? Hatte sie Kinder oder wünschte sie sich welche? Er dachte an seine Schwestern. Beide hatten jung geheiratet, und ihre Kinder gingen schon zur Schule. Ihm fehlten drei Jahre ihres Lebens, und bald würden es noch viel mehr sein. Er hatte nicht die Absicht, nach Maryland zurückzukehren. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie entsetzt seine Familie wäre, wenn sie erführe, wo er die letzten drei Jahre verbracht hatte. Bisher hatte er es mit Hilfe guter Freunde geschickt verbergen können. Ellie stand auf und wünschte Nick eine gute Nacht. Nick blieb noch eine Weile auf der Schaukel sitzen und genoss seine Freiheit. Was würde passieren, wenn er jetzt zur Straße hinablief und ging? Würde Ellie den Sheriff rufen, oder könnte er einfach auf Nimmerwiedersehen verschwinden? Nachdem Nick in sein Zimmer gegangen war, schlüpfte Ellie die Treppe wieder hinab und verriegelte die Tür. Anschließend holte sie sich ein Buch. Nach den Ereignissen des Tages brauchte sie unbedingt etwas, um sich zu entspannen und nicht mehr an ihren neuen Schützling zu denken. War er sofort eingeschlafen, oder lag er in der Dunkelheit da und genoss den Unterschied zum Gefängnis? War er froh, auf die Ranch gekommen zu sein? Oder wünschte er, er hätte direkt nach San Francisco zurückkehren können? Ohne das Licht zu löschen, schlief sie mit dem Buch in der Hand endlich ein. Leises Klopfen schreckte Ellie einige Zeit später auf, und sie war auf der Stelle hellwach. Nick öffnete die Tür auf und stand groß und aufrecht auf der Schwelle. Er war vollständig bekleidet, und seine Augen funkelten im Licht. Einen Moment erfasste sie Panik, und sie hob abwehrend einen Arm. Was wollte er hier? Weshalb war er in ihrem Zimmer? Sie hatte ihm ausdrücklich gesagt, dass der erste Stock für alle Männer tabu wäre. Ihr nächster Nachbar wohnte meilenweit entfernt, und ihre Mitarbeiter und übrigen Schützlinge übernachteten irgendwo in den Bergen. Zum ersten Mal wurde ihr die einsame Lage der Ranch bewusst. Mit einem raschen Blick auf ihren Wecker stellte sie fest, dass es drei Uhr nachts war. „Was ist los, Nick?“ fragte Ellie und widerstand dem Bedürfnis, die Decke bis zum Kinn hinaufzuziehen. Ihr Herz raste wie wild. Unsinn, ermahnte sie sich. Die Teilnehmer an ihrem Programm waren nicht gewalttätig. Sie hatte nichts zu befürchten. Außerdem würde Tarn sie beschützen.
Wahrscheinlich, verbesserte sie sich. Ihr Hund war von seinem Lager neben ihrem Bett aufgesprungen und begrüßte seinen neuen Freund schwanzwedelnd. „Entschuldigung. Ich sah Licht unter Ihrer Tür und dachte, Sie wären noch wach. Schlafen Sie immer bei Licht?“ Ohne Ellie in ihrem großen Bett aus den Augen zu lassen, betrachtete er das Zimmer. Es war absolut weiblich mit seinen weißen Vorhängen vor den Fenstern und den zierlichen französischen Möbeln. Er fühlte sich hier ebenso fehl am Platz wie vorher in seiner Zelle. Ellies Wangen waren vom Schlaf gerötet, und ihre Augen waren noch blauer als sonst. Das Haar fiel in einer dichten Mähne auf ihre Schultern und war beinahe zu schwer für ihre zarte Gestalt. Es sah seidenweich aus und war äußerst verlockend. Nicks Körper reagierte sofort. Es war lange her, dass er eine Frau begehrt hatte. Und Ellie war äußerst reizvoll in ihrem rosa Nachthemd, das ihre Arme nackt ließ. Ihre Haut glänzte wie Elfenbein im Lampenschein. Ellie blickte unsicher drein. Dann entdeckte sie das Buch auf ihren Beinen. „Ich muss beim Lesen eingeschlafen sein.“ „Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu wecken. Ich weiß, dass Sie keine Männer auf diesem Stockwerk wünschen. Aber die anderen jungen Mädchen sind nicht hier, und ich hörte ein Geräusch im Garten. Wäre es möglich, dass ein Fuchs in Ihren Hühnerstall eingedrungen ist?“ „Du liebe Zeit!“ Ellie sprang aus dem Bett und zog ihren Morgenrock über. „Wahrscheinlich ist es ein Kojote. Der ärgert uns immer wieder.“ „Die Hühner machen einen furchtbaren Lärm. Ich konnte nichts sehen. Gibt es draußen ein Licht?“ Sie nickte und sah ihn erstaunt an. „Sie sind ja vollständig bekleidet.“ „Ich war noch nicht im Bett“, erklärte er. „Es ist mitten in der Nacht!“ Ellie eilte die Treppe hinab, durchquerte die Küche und schaltete das Außenlicht ein. Entschlossen riss sie die Hintertür auf und lief hinaus. Ein gelbes Fellbündel schoss an ihr vorüber und eilte dem Kojoten bellend nach. „Verdammt!“ Ellie blickte hinter ihrem verschwindenden Hund her. „Ich hoffe, er holt ihn nicht ein. Ich möchte nicht, dass er sich auf einen Kampf mit dem Kojoten einlässt.“ Nick stand neben ihr. „Soll ich nach den Hühnern sehen? Ich habe Schuhe an.“ Ellie betrachtete ihre nackten Füße und war froh, dass sie wenigstens an den Morgenrock gedacht hatte. „Ja, das wäre sehr nett. Hoffentlich sind keine Tiere getötet oder verletzt worden.“ Kurz darauf war Nick wieder da und berichtete, dass alles in Ordnung wäre. Tarn trottete ebenfalls zurück und wedelte mit dem Schwanz. „Braver Hund. Du hast ihn vertrieben.“ Ellie tätschelte Tarn und untersuchte ihn nach Verletzungen. Dann richtete sie sich wieder auf und sah Nick an. „Danke, dass Sie Alarm geschlagen haben. Einige Minuten später, und wir hätten wahrscheinlich einige Hühner verloren.“ Er nickte und blickte hinauf zum Himmel. Eine Weile schwiegen sie beide. Ellie begann zu frieren. „Ich gehe wieder hinein“, verkündete sie. „Könnte ich noch ein bisschen hier bleiben?“ fragte Nick. „Es ist drei Jahre her, dass ich das letzte Mal nachts draußen war.“ „Natürlich, wenn Sie möchten…“ Sie wusste, wie einem zu Mute war, wenn man niemals tun konnte, was man wollte. Nick hatte drei Jahre im Staatsgefängnis verbracht. Sie hatte über vierzehn Jahre ein anderes bei ihrem Vater ertragen. Wenn es nach ihr ging, konnte er die ganze Nacht draußen bleiben, solange er nicht verschwand.
3. KAPITEL Ellie wachte am nächsten Morgen wie üblich früh auf und zog sich rasch an. Sie band ihr Haar zurück und erinnerte sich plötzlich, was Nick gestern Abend über ihr Äußeres gesagt hatte. Er hatte Recht. Ihr fehlte wirklich jeder Schick. Sie hob ihre schwere Mähne an und neigte den Kopf zur Seite. Vielleicht sollte sie ihr Haar schneiden lassen und etwas Make-up auflegen, einige gut sitzende Kleidungsstücke kaufen und nicht nur darauf achten, dass sie bequem waren. Unsinn, schalt sie sich und setzte ihre Brille auf. Sie hatte keine Veranlassung, irgendetwas wegen der Bemerkung eines Mannes zu verändern, den sie erst gestern kennen gelernt hatte. Außerdem würde ein bisschen Make-up sie nicht gleich in eine blendende Schönheit verwandeln. Nicks Zimmertür war geschlossen, als sie die Küche durchquerte. War er irgendwann nachts ins Haus zurückgekehrt und hatte Tarn mitgebracht? Oder waren die beiden noch draußen? Ellie eilte zum Stall, den sie im vorletzten Sommer gebaut hatten. Sie öffnete eine der großen Türen und trat ein, um das Futter für die Hühner, die Enten und ihr Schwein Penelope zu holen. Anschließend würden der Esel und die Pferde im Korral an die Reihe kommen. Ein paar Bündel Heu reichten für den ganzen Tag. Da die meisten Tiere beim Viehtrieb waren, hatte sie heute Morgen wenig zu tun. Tarn kam seitlich um das Haus geschossen und bellte freudig bei ihrem Anblick. „Guten Morgen, Kumpel. Na, wie geht es dir? Warst du die ganze Nacht draußen?“ Ellie zerzauste das Fell hinter seinen Ohren und tätschelte den Kopf ihres Hundes. In diesem Moment bog Nick um die Ecke. Sie richtete sich erleichtert auf, und ihr wurde richtig warm. Oh nein, sie durfte nicht jedes Mal so reagieren. Nick sah müde aus. Schwarze Ringe lagen unter seinen Augen, und ein dunkler Tagesbart bedeckte seine Wangen. Er wirkte heute noch gefährlicher in seinen Jeans und seinem schwarzen Pullover. Gefährlich und sexy. Sobald er sie bemerkte, blieb er stehen und ließ den Blick erst über sie und dann über den Stall gleiten. „Tarn schoss wie der Blitz davon, als Sie den Hof überquerten“, sagte er. „Es ist Zeit, die Tiere zu füttern. Übernehmen Sie die Hühner und die Enten?“ Ellie zeigte auf eine Büchse mit einem schwarzen Symbol und nickte zu einer Tonne mit Körnern. „Anschließend werden wir Penelope zu fressen geben.“ „Penelope?“ Nick nahm die Büchse und betrachtete sie, als hätte er so etwas noch nie gesehen. „Mein Schwein.“ Er sah sie erschrocken an und verzog die Lippen zu einem winzigen Lächeln. Ellie beobachtete ihn fasziniert, und ihr Inneres begann zu schmelzen. Ihr war, als würden sämtliche Nervenenden zu kribbeln beginnen, sobald Nick in ihre Nähe kam. Der Mann konnte ihr richtig gefährlich werden. „Ich kann es gar nicht erwarten, Penelope kennen zu lernen“, erklärte er. „Füttern Sie die Enten und die Hühner, und kommen Sie anschließend wieder zurück.“ Ellie ging zur Rückseite des Stalls. Die Pferdeboxen waren leer. Eine schmale Tür führte zu einem Pferch nach draußen. Ein großes schwarz-weißes Hampshireschwein lief unruhig auf und ab. Ellie rief es, und Penelope kam sofort herbei. Sie stellte sich auf ihre kurzen Hinterbeine, stemmte die Vorderbeine fest auf das Geländer und quiekte in den höchsten Tönen. „Ist es immer so laut?“ fragte Nick verblüfft und trat neben Ellie. „Jedes Mal, wenn Futterzeit ist. Schrecklich, nicht wahr?“ Sie öffnete eine Tonne,
nahm einen Eimer voll Hafer- und Weizenkörner heraus und schüttete das Futter in den Trog. Penelope ließ sich grunzend fallen und begann schmatzend zu fressen. „Sie frisst wirklich wie ein Schwein“, sagte Ellie herzlich. Nick beobachtete das Tier einen Moment und drehte sich kopfschüttelnd zu Ellie. „So etwas hätte ich mir im Traum nicht vorgestellt. Ich war noch nie auf einer Ranch.“ Ellie trat beiseite und hoffte, seiner magischen Anziehungskraft auf diese Weise zu entgehen. „Ein ziemlicher Unterschied zur Stadt, nicht wahr? Keine Sorge, Sie werden sich bald daran gewöhnen. Wie ich bereits sagte, teilen wir uns sämtliche Aufgaben. Sie können Penelope später übernehmen. Wie wäre es jetzt mit einem Frühstück?“ „Ja, gern. Ich verspreche auch, dass ich leiser essen werde als sie.“ Er deutete mit dem Kopf zu dem Schwein. Fröhlich stellte Ellie den Eimer zurück. Sie setzten sich an den Tisch und aßen schweigend. Ellie beobachtete Nick verstohlen: sein markantes Kinn, die dunklen Bartstoppeln auf seinen Wagen und die Bewegung seiner Muskeln, während er kaute. Nick bemerkte ihren Blick, und sie wandte sich rasch ab. Hoffentlich beeilten sich die anderen und kehrten zurück, bevor sie sich restlos zum Narren machte. „Dürfte ich nachher einmal telefonieren?“ fragte Nick, nachdem sie fertig waren. „Ich würde gern meinen Anwalt anrufen und mich erkundigen, wie es um meine Finanzen steht. Er hat sie die letzten drei Jahre geregelt.“ „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass dies zurzeit Ihr Zuhause ist, Nick. Rufen Sie an, wen Sie möchten. Laden Sie Freunde ein, plündern Sie den Kühlschrank, beteiligen Sie sich an den täglichen Pflichten. Sie müssen sich wieder an die Freiheit gewöhnen. Dies ist kein Gefängnis.“ „Es ist eine Außenstelle, und Sie sind meine Wärterin“, erklärte er verbittert. Ellie zuckte bei seinem Ton zusammen und empfand einen schmerzlichen Stich in der Brust. Hatte sie insgeheim mehr erwartet? „Nein, es ist kein Gefängnis“, antwortete sie leise. „Sie können kommen und gehen, wie Sie möchten. Sie müssen es mir nur sagen.“ Sie hatte sich nie als Gefängniswärterin betrachtet. Nick kniff die Augen ein wenig zusammen. „Der Staat zahlt für meine Unterbringung, nicht wahr?“ Ellie nickte. Allerdings deckte die Summe kaum die Kosten für das Essen. Alle anderen Ausgaben bestritt sie mit ihrer Malerei. Aber das brauchte Nick nicht zu wissen. „Betrachten Sie sich also als Pensionsgast und die Ranch als Ihr Heim.“ Nick blickte sich in der Küche um und bemerkte die glänzenden Armaturen, die warmen Holzschränke und die hellblauen Vorhänge, die sich in der leichten Morgenluft bauschten. Ellie hatte ein anheimelndes Haus geschaffen, völlig anders als seine sterile Wohnung mit dem modernen Mobiliar und dem eleganten Design. Zu seinem Erstaunen gefiel es ihm hier. „Danke.“ Plötzlich wurde er verlegen. Ellie war sehr nett zu ihm. Er wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte. „Sobald ich mit dem Geschirr fertig bin, lasse ich Sie allein. Ein anderes Telefon als dieses in der Küche habe ich nicht. Würden Sie inzwischen die Eier aufspüren?“ „Aufspüren?“ „Die Hennen legen sie überall hin: unter die Pflanzen, in den Stall. Es ist jeden Tag ein bisschen wie Ostern. Wollen Sie es versuchen? Im Stall finden Sie ein Körbchen.“
„Selbstverständlich“, antwortete Nick. „Das wird ein völlig neues Erlebnis werden.“ Genau das brauchte er. Die alten Erlebnisse würde er gewiss nicht wiederholen. Er stieß die Tür auf und verließ die Küche. Gerade hatte Ellie das Geschirr gespült, da läutete das Telefon. „Hallo, cherie“, begrüßte ihre Freundin und Mitautorin Margot sie fröhlich. „Benimmt dein neuer junger Krimineller sich anständig? Möchte er auch schon Cowboy werden?“ Ellie hatte sich längst an Margots Französisch gewöhnt. Nach acht Jahren in den Vereinigten Staaten sprach die Freundin immer noch mit einem starken Akzent. „Ja, er benimmt sich anständig.“ Sie dachte einen Moment an die letzte Nacht, als Nick auf ihrer Türschwelle erschienen war. Er hatte ihr nur von dem Kojoten berichten wollen. Doch die Fantasie hatte ihr sofort andere Bilder vorgegaukelt. „Der Neue ist älter als die anderen, Margot. Und er scheint sehr gut beieinander zu sein, wenn du verstehst, was ich meine.“ „Nein, cherie, ich verstehe es nicht. Was soll das heißen?“ „Nun, er scheint keine Angst vor der Zukunft zu haben. Ein Anwalt kümmert sich um seine Finanzen. Weshalb braucht er unser Programm, wenn er solche Mittel hat? Außerdem besitzt er diese gewisse Ausstrahlung.“ Sie hielt inne und überlegte, wie sie es Margot erklären könnte. „Er ist außerordentlich männlich. Ich bin ziemlich verunsichert. Schließlich hatte ich einen Teenager erwartet. Aber ich weiß nicht, wie ich ihn zurückweisen soll.“ Margot lachte fröhlich. „Die meisten Männer sind ziemlich männlich, cherie. Dein Problem besteht darin, dass du bisher nicht viel Kontakt mit Männern hattest. Weshalb willst du ihn wieder wegschicken? Lass ihn bleiben und erforsche seine Männlichkeit ein bisschen näher. Es ist höchste Zeit, dass du selber von diesem Programm profitierst.“ „Oh ja. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was dabei herauskommen würde. Der Staat entzieht mir die Teilnahme an dem Programm, und alle meine Schützlinge verlassen mich wegen meines ungehörigen Benehmens. Abgesehen davon, bin ich hier ständig von Männern umgeben“, wandte Ellie ein, obwohl sie genau wusste, was die Freundin meinte. „Die Cowboys arbeiten für dich. Und Gus könnte dein Großvater sein. Das ist nicht dasselbe, cherie. Du gibst den Männern keine Chance.“ „Ich habe zu viel zu tun, um mich mit einem von ihnen einzulassen“, erklärte Ellie steif. Selbst wenn sie bereit wäre, ihr Herz für die Liebe zu riskieren: Ihre Unabhängigkeit würde sie niemals aufgeben. Sie hatte zu lange daraufgewartet, und der Preis dafür war zu hoch gewesen, um freiwillig darauf zu verzichten. „Leb ein bisschen. Wie alt ist er?“ „So alt wie ich und damit viel zu alt für das Programm.“ „Trotzdem hast du ihn bleiben lassen?“ „Gestern hatte ich keine andere Wahl. Und ich fürchte, je länger er hier ist, desto schwerer wird mir die Zurückweisung werden.“ War ihre Entscheidung unbewusst schon gefallen? Oder würde sie Alan Peters, den Koordinator des Resozialisierungsprogramms, heute Morgen tatsächlich anrufen? „Wie dem auch sei: Philip und ich würden heute gern bei dir vorbeikommen. Vor allem, wenn Alberta uns wieder etwas Köstliches kocht. Es geht um den kleinen Teich, den du anlegen willst. Mein Mann möchte sich die Stelle dafür selber ansehen.“ „Alberta wird entzückt sein. Bei euren Komplimenten fühlt sie sich immer wie eine Chefköchin.“ „Das soll sie auch. Sagen wir um sechs? Au revoir, cherie.“ „Bis dann.“
„Ich habe acht Eier gefunden. Kann das stimmen?“ Ellie fuhr erschrocken herum. Nick lehnte an der Anrichte und beobachtete sie aufmerksam. „Ich habe einen Teil Ihres Gesprächs gehört“, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. Ellie wurde es glühend heiß, und sie schluckte trocken. Wie viel hatte er mitbekommen? Sie wagte nicht einmal daran zu denken, dass er ihre Bemerkungen über seine Männlichkeit gehört hatte. Um sich wieder zu fassen, blickte sie in das Körbchen. „Es ist schwer zu sagen, ob das alle Eier waren. Einige Hennen legen täglich, andere nur alle paar Tage.“ Sie war immer noch verlegen. Zum Glück ahnte Nick wenigstens nicht, was Margot ihr empfohlen hatte. Sie griff nach dem Körbchen und streifte mit den Fingern seinen Arm. Es war, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. Beinahe hätte sie die Hand zurückgerissen. Der Schock ging ihr bis ins Mark. Argwöhnisch sah sie Nick ein. Empfand er ebenfalls etwas? Seine ausdruckslose Miene verriet nicht das Geringste. „Das war meine Partnerin. Sie wird mit ihrem Mann zum Abendessen kommen und freut sich schon, Sie kennen zu lernen. Die übrige Mannschaft kehrt am Nachmittag zurück. Heute Abend wird es entschieden hektischer zugehen als gestern.“ Nicks Miene wurde hart. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. Rasch wandte er sich ab und blickte aus der Hintertür auf die hügelige Landschaft. Er war sich Ellie in einer Weise bewusst wie keiner Frau zuvor. Sie sah ausgesprochen sexy aus in ihren Jeans und der lockeren Baumwollbluse, unter der sich ihre hohen festen Brüste abzeichneten. Ihr Haar glänzte in der Sonne, die durch das Fenster schien. Mit ihren blauen Augen hinter den Brillengläsern sah sie ihn verblüfft an. „Nick?“ Vorsichtig legte sie die Hand auf seinen Unterarm, und ihm war, als träfe ihn ein elektrischer Schlag. Langsam drehte er sich um und betrachtete ihre schlanken Finger. Ihre Hand war schmal und warm, zierlich wie die ganze Frau mit dem viel zu dichten Haar. Er sah sie eindringlich an und erinnerte sich an die letzte Nacht, als Ellie keine Brille getragen hatte und das dichte Haar locker um ihre Schultern gefallen war. Energisch holte er tief Luft. Er durfte an so etwas nicht einmal denken! „Ich möchte Ihre Freunde nicht kennen lernen“, sagte er beinahe wütend. „Weshalb nicht?“ Verärgert schob er die Finger durch sein Haar. „Einer der Gründe, weshalb ich an diesem Programm teilnehme, besteht darin, dass ich ein neues Leben beginnen möchte, ohne dass alle auf meiner Vergangenheit herumhacken. Auf der Ranch weiß man natürlich Bescheid. Aber Ihre Freunde würden ebenfalls davon erfahren.“ „Natürlich. Früher oder später wird jeder von Ihrer Strafe erfahren, der eine wichtige Rolle in Ihrem Leben spielt. Sie müssen Ihre Vergangenheit akzeptieren, sich selber vergeben und daraus lernen.“ „Soll dies eine Standpauke sein?“ fragte er und kniff die Augen ein wenig zusammen. „Nein, nur ein Vorschlag.“ Nick sah Ellie ausdruckslos an. Sie hatte Recht. Er war ein Narr, wenn er glaubte, dass er die Vergangenheit einfach abstreifen konnte, indem er den Wohnort wechselte. Sie würde ihn immer verfolgen. Vielleicht konnte er eines Tages vergessen, was gewesen war. Aber vergeben? Nein, das sicher nicht. Nicht sich selber und erst recht nicht Sheila.
„Also gut, ich werde da sein, wenn Ihre Freunde kommen“, erklärte er endlich. Ellie verbrachte den Vormittag im ersten Stock, wo sie eines der Zimmer in ein Atelier verwandelt hatte. Margot und sie arbeiteten an einem neuen Buch, und sie musste die Termine einhalten. Sie war so in ihre Malerei vertieft, dass sie gar nicht merkte, wie rasch die Zeit verging. Erst gegen ein Uhr wurde ihr Hunger so stark, dass sie an den Lunch dachte. Ob Nick sich inzwischen selber etwas bereitet hatte? Seine Zimmertür war geschlossen, als sie die Küche betrat. Ellie wusch ihre Hände und begann mit den Vorbereitungen für ein paar Sandwichs. „Kann ich helfen?“ schreckte eine tiefe Stimme sie auf. Nick stand direkt neben ihr. Unwillkürlich wich sie zurück, und ihr Puls raste wie wild. Ihre jungen Leute lärmten ständig herum. Dieser Mann bewegte sich dagegen lautlos wie ein Raubtier auf Beutesuche. Auch daran musste sie sich erst gewöhnen. Doch nicht seine Lautlosigkeit war der Grund, weshalb ihr Herz einen Schlag aussetzte. Nick war viel zu nahe, und er strahlte eine Kraft und Entschlossenheit aus, die sie unwahrscheinlich anzog. Sie war solch eine Männlichkeit nicht gewöhnt und wusste nicht, wie sie auf die Gefühle reagieren sollte, die er in ihr weckte. Er würde sie für schwachsinnig halten, wenn er es jemals bemerkte. „Ich habe mit meinem Anwalt telefoniert. Matt wird morgen vorbeikommen, falls es Ihnen recht ist“, sagte Nick. „Donnerwetter. Ihr Anwalt ist nicht nur sonntags erreichbar, sondern unternimmt Ihretwegen sogar eine weite Reise.“ Ellie stellte die Sandwichs auf den Tisch und nahm einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank. „Wann wird er hier eintreffen?“ „Am frühen Nachmittag. Er ist nicht immer so entgegenkommend. Matt und ich waren früher gute Freunde.“ „Ich werde dafür sorgen, dass Sie ungestört sind. Möchten Sie, dass er zum Dinner bleibt?“ „Nein“, antwortete Nick und fingerte an dem Sandwich. Ellie beobachtete ihn, und ihr Herz wurde schwer. Nick schien entschlossen zu sein, allein zurechtzukommen. Das machte ihn noch einsamer. Hoffentlich würde der Aufenthalt auf der Ranch ihm helfen. „Stimmt etwas nicht?“ fragte sie freundlich. „Ich freue mich nicht gerade auf Matts Besuch“, antwortete er nach einer ganzen Weile. „Er wird mir erneut sagen, was für ein verdammter Narr ich war. Und dass ich nach San Francisco zurückkehren soll. Aber ich bin noch nicht so weit. Ehrlich gesagt, ich weiß selber nicht, was ich will.“ Ellie wurde langsam neugierig. Diese Verletzlichkeit war das Letzte, was sie erwartet hatte. Ihr Herz begann erneut zu pochen, und sie wünschte, sie könnte Nick helfen. Aber er musste sein Leben und seine Zukunft selber in die Hand nehmen. „Für die nächsten drei Monate wäre das sowieso eine rein theoretische Entscheidung“, sagte sie freundlich, um ihn zu beruhigen. Er nickte mit verschlossener Miene. Noch war er nicht völlig frei. Erst in drei Monaten konnte er tun und lassen, was er wollte. Und was dann? Kaum waren sie mit dem Lunch fertig, da hallten laute Rufe und donnernde Hufschläge durch den stillen Nachmittag. Ellie stellte das Geschirr rasch ins Spülbecken und eilte nach draußen. Strahlend sah sie zu, wie ihre Mannschaft auf die Ranch zurückkehrte. Jed führte die anderen auf seinem großen braunen Wallach an, als wäre er im Sattel geboren. Zwar bestand er immer noch darauf, seine weite Cargohose, verschlissene Tennisschuhe und eine Baseballkappe zu tragen. Trotzdem hatte er
in den letzten fünf Monaten mehr über Pferde gelernt als jeder andere hier. Alice kam als Nächste herein. Sie ritt wie eine Wilde und war entschlossen, Jed im letzten Moment zu überholen. Ellie sah atemlos zu und hoffte inständig, dass es keinen Sturz geben würde. Kurz darauf bog die restliche Gruppe in den Hof. Jed und Brad sprangen von ihren Pferden, eilten zu Ellie und erzählten beide gleichzeitig von dem Viehtrieb und den Mahlzeiten, die Alberta auf dem offenen Feuer bereitet hatte. Ihre unverstellte Freude wärmte Ellies Herz. Dies war der Sinn des Resozialisierungsprogramms. Es hatte den beiden einen völlig neuen Lebensweg aufgezeigt, und sie hatten ihn mit der ganzen Begeisterung ihres jugendlichen Herzens eingeschlagen. „Wartet erst einmal, bis es regnet“, sagte Rusty gutmütig, während Brad stolz berichtete, wie gut er gelernt hatte, das Vieh zu treiben, und wie er ein paar zerstreute Tiere zur Herde zurückgeführt hatte. „Ich hoffe, wir müssen so was nicht jedes Wochenende tun“, sagte Kat mit verdrießlicher Stimme. Sie stieg von ihrem Pferd und zog die Nase kraus. „Es war heiß, und überall waren Fliegen. Wenn ich auf einem harten Boden schlafen möchte, tue ich es lieber in der Stadt, wo es keine herumstreifenden Bären gibt.“ Jed und Brad klopften sich gegenseitig auf die Schulter. „Gus hat uns von den Bären letzte Nacht erzählt.“ „Ich hatte keine Angst“, erklärte Alice und warf den Kopf zurück. Die fünf Ringe an ihrem rechten Ohr blitzten in der Sonne, und ihr rotbraunes Haar glänzte. „Ich glaube, Gus wollte uns nur erschrecken.“ Nick betrat die Veranda, und das Gespräch verstummte. „Wer ist das?“ fragte Kat neugierig. Sie richtete sich höher auf und trat einen Schritt näher. „Unser neuer Gast, Nick Tanner“, sagte Ellie zögernd, als fürchtete sie, dass es Ärger geben könnte. Sie war zu sehr mit sich selber beschäftigt gewesen und hatte nicht überlegt, welche Wirkung Nick auf die anderen haben würde. Alberta stellte sich neben Ellie und betrachtete Nick misstrauisch. „Er ist ein bisschen alt, oder?“ fragte sie ruhig. „Älter als die anderen, aber jung genug, um einen neuen Anfang zu machen, wie er mir versichert hat. Außerdem ist er ein Ersttäter“, verteidigte Ellie sich. „Nick, ich möchte Ihnen unsere Crew vorstellen. Sie werden Gelegenheit bekommen, alle beim Dinner besser kennen zu lernen“, fuhr sie laut fort. „Dies ist Alberta, unsere Köchin.“ Die ältere Frau nickte und machte keinen Hehl aus ihrem Misstrauen. „Und das ist Gus, ihr Ehemann und mein Vorarbeiter“, fuhr Ellie fort und zeigte auf einen spindeldürren Mann, der immer noch ruhig im Sattel saß. Er tippte an seinen Hut, sagte aber nichts. „Rusty und Tomas sind meine beiden Cowboys, und Jed, Brad, Alice und Kat leben zurzeit als Gäste bei uns.“ Nick betrachtete jeden einzeln und nickte langsam. Nachdem alle vorgestellt worden waren, ritten die Cowboys zum Stall. Jed zog sein Pferd hinter sich her, und Alice und Brad folgten ihm. Nur Kat blieb zurück. „Wie lange werden Sie bei uns bleiben, Nick?“ fragte sie neugierig. „Drei Monate“, antwortete er ruhig. Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Ich bin noch vier Monate hier. Vielleicht können wir einmal gemeinsam etwas unternehmen.“ „Nachdem du dein Pferd versorgt hast“, sagte Ellie bestimmt und sah das junge Mädchen fest an. Erst als Kat das Gesicht verzog und in Richtung Stall ging, entspannte sie sich.
„Das gibt Ärger, würde ich sagen“, murmelte Alberta und sah Nick scharf an. „Nicht, wenn es nach mir geht. Meinen Sie nicht, dass Kat noch ziemlich jung ist?“ fragte er und zog eine Braue in die Höhe. „Natürlich. Sie ist gerade neunzehn geworden. Aber sie möchte unbedingt selbstständig sein, und sie hält sich für sehr erwachsen.“ „Selbst wenn sie es wäre: Sie ist nichts für mich. Ich habe nicht die Absicht, mich noch einmal mit einer Frau einzulassen.“ Entschlossen kehrte Nick ins Haus zurück und schlug die Tür hinter sich zu.
4. KAPITEL „Cherie, er ist formidable!“ Ellie und Margot saßen auf der Veranda und blickten Nick und Philip nach. Die beiden Männer wollten sich die Stelle ansehen, die Ellie für ihren Ententeich auswählt hatte. „Er sieht gut aus, nicht wahr?“ antwortete Ellie und konnte den Blick nicht von Nick wenden. Was wäre passiert, wenn sie sich unter anderen Umständen begegnet wären? Oder nachdem seine drei Monate vorüber waren? Hätten sie eine Beziehung begonnen, oder war das Resozialisierungsprogramm ihr einziges Band? „Du hattest mir nicht erzählt, dass er so toll ist. Wie kannst du die Finger von ihm lassen?“ fragte Margot. Sie trank einen Schluck Limonade und beobachtete Nick über den Rand ihres Glases. „Rede nicht solch einen Unsinn, Margot!“ Ellie seufzte leise. Wenn die Freundin wüsste… „Probier es aus, cherie.“ „Das ist unmöglich! Nick wohnt wegen des Programms hier. Sobald seine Strafzeit vorüber ist, verschwindet er wieder.“ Weshalb tat dieser Gedanke so weh? „Wir sind seit acht Jahren beste Freundinnen, nicht wahr?“ Ellie nickte. Sie war ihrem Kunstlehrer unendlich dankbar, dass er sie mit Margot zusammengebracht hatte. Nur der Kunstunterricht hatte sie während der letzten schwierigen Jahre mit ihrem kranken Vater aufrechterhalten. „Du musst deinem Leben mehr Schwung geben“, sagte Margot ernst. „Wie bitte?“ Ellie sah die Freundin verblüfft an. „Du hast mich genau verstanden. Du brauchst einen neuen Look, eine neue Lebenseinstellung. Lass dein Haar schneiden. Lerne neue Leute kennen. Kauf dir ein eng anliegendes Oberteil und verändere dein Image.“ Margot ließ den Blick über Ellies Körper gleiten. „Du hast eine großartige Figur, aber du zeigst sie nicht. Mach dich ein bisschen zurecht. Kat kann dir dabei helfen. Sie hat ein tolles Gespür für schicke Sachen.“ Ellie starrte die Freundin fassungslos an. „Bist du verrückt geworden, Margot? Ich bin beinahe zweiunddreißig und versuche, gestrandete Kids wieder auf den rechten Weg zu bringen. Ich bezirze keine Männer.“ „Das weiß ich, Ellie. Andererseits hast du während der langen Jahre mit deinem kranken Vater auf alles verzichten müssen, was für uns andere selbstverständlich war: Dates, Partys… Du bist immer noch jung und siehst jung aus. Hol dir ein bisschen Spaß, bevor es zu spät ist.“ „Es geht mir gut, Margot. Wirklich. Mir gefällt mein Leben, wie es ist. Ich kann mich Nick doch nicht einfach an den Hals werfen, falls du das meinst.“ Energisch verdrängte sie das Bild, das sich plötzlich vor ihr inneres Auge schob - Nick, der sie küsste, sie liebkoste und ihr viel versprechende Liebensworte ins Ohr flüsterte. So etwas konnte sie sich nicht einmal in ihren Träumen leisten. „Ich wollte nicht sagen, dass du dich dem Erstbesten an den Hals werfen sollst. Aber wer weiß, wen du bei deiner Arbeit kennen lernst: Anwälte, nette Polizeibeamte…“ Sie zuckte viel sagend mit den Schultern. „Die Möglichkeiten sind da, cherie. Du musst nur für sie bereit sein.“ Margot könnte Recht haben, dachte Ellie. Sie hatte schon mehrere Menschen kennen gelernt, denen sie ohne das Resozialisierungsprogramm nie begegnet wäre: zum Beispiel Alan Peters, der das Programm eingeführt hatte und koordinierte; einige Deputys, die ihr die Schützlinge brachten; oder David, den
netten Tierarzt. „Ich werde darüber nachdenken.“ „Denk nicht nach, tu etwas!“ drängte Margot sie, während die Männer wieder zurückkehrten. „Nick hat eine großartige Idee“, sagte Philip zu Ellie. „Sie wird dir gefallen.“ „Und welche?“ „Wie wäre es mit einem Wasserfall in den Teich? Einige Meter weiter links von der Stelle, die Sie ausgesucht haben, wird der Hang steiler. Dort könnten wir den Teich ausheben, ein paar Felsbrocken heranholen und einen Wasserfall anlegen. Die Pumpe zur Wiederaufbereitung des Wassers würde von den Steinen verborgen werden und keine Gefahr für die Enten darstellen.“ „Das ist wirklich eine großartige Idee! Könnten wir es so machen?“ fragte Ellie begeistert. „Ich wüsste nicht, was dagegen spräche“, antwortete Philip. „Nick hat angeboten, uns dabei zu helfen. Ich werde die Pläne zeichnen, und er wird die Kosten dafür ausrechnen. Wenn die Anlage nicht zu teuer für dich wird, könnten wir in wenigen Tagen anfangen.“ Er sah seine Frau lächelnd an. „Mir scheint, Nick ist genauso verrückt wie Ellie. Anstatt ihr den Plan mit dem Teich auszureden, macht er die Sache noch komplizierter.“ „Es ist eine tolle Idee“, verteidigte Ellie sich hartnäckig. „Und ich werde euch beweisen, dass ich nicht verrückt bin. Ich male nur die Bilder. Deine überdrehte Frau denkt sich die Geschichten aus.“ „Stimmt. Aber lass uns jetzt nicht darüber streiten, wer von uns beiden die Verrücktere ist. Kann man den Teich wirklich anlegen?“ fragte Margot. Sie warf Nick einen interessierten Blick zu, der dem Wortwechsel stumm gefolgt war. Die Unterhaltung ging noch beim Abendessen lebhaft weiter. Alice und Jed waren hell begeistert und wollten beim Bau helfen. „Können wir anschließend selber hinein?“ fragte Alice. „Wenn du unbedingt durch Entengrütze waten willst…“, zog Kat sie auf. „Ich finde den Plan eher ätzend.“ „Überleg einmal, wie hübsch es aussehen wird, wenn die Enten darin schwimmen. Mir gefällt die Vorstellung, den Wasserfall von der Veranda zu hören“, warf Ellie ein, um einen Streit zu vermeiden. Ihre Schützlinge wurden manchmal ein bisschen hitzig. Dann brauchte sie ihr ganzes Fingerspitzengefühl, um einen kleinen Aufstand zu verhindern. „Das ist also das neue Projekt“, sagte Ellie. „Wer möchte mitmachen?“ Jed und Alice meldeten sich sofort. „Ich hätte auch nichts dagegen“, sagte Nick. „Ich könnte zumindest die Erde ausheben. Während meiner Collegezeit habe ich in den Sommerferien auf dem Bau gearbeitet.“ „Dann mache ich auch mit“, erklärte Kat rasch und lächelte Nick an. Margot sah von Kat und Nick zu Ellie und zog fragend eine Braue in die Höhe. Das Telefon läutete, und Ellie eilte in die Küche. Es war ein Anruf für Nick. „Ein alter Freund“, sagte er kurz darauf. „Wäre es Ihnen recht, wenn er am Sonnabendnachmittag zu Besuch kommt?“ „Natürlich“, antwortete Ellie, die in der Küche geblieben war. „Laden Sie ihn zum Abendessen ein. Wir werden ein Barbecue veranstalten.“ Nick zögerte einen Moment, dann nickte er. „Wie wäre es mit vier Uhr, Steve? Dann können wir uns unterhalten und anschließend gemeinsam zu Abend essen. Eine Grillparty oder so. Hier geht es zwar wie in einem Taubenschlag zu. Aber wir werden schon ein ruhiges Plätzchen finden. Warte mal einen Moment.“
Er drehte sich zu Ellie und hielt ihr den Hörer hin. „Würden Sie ihm bitte erklären, wie er am besten hierher findet?“ Ellie gab dem Freund eine kurze, präzise Wegbeschreibung. Steve bedankte sich höflich. „Richten Sie Nick bitte aus, dass Sally mitkommen wird. Ich möchte, dass die beiden sich kennen lernen“, bat er. „Ja gern. Ich werde es ihm sagen. Bis Sonnabend.“ „Was sollen Sie mir sagen?“ fragte Nick, nachdem sie eingehängt hatte. „Dass Sally mitkommt. Wer war der Anrufer?“ „Steve Davis, mein engster und vielleicht letzter Freund, der mir geblieben ist“, erklärte Nick tonlos. „Ich kenne ihn seit Jahren. Er war der Einzige, der mich im Gefängnis besucht hat. Sally ist seit einigen Monaten seine Frau. Ich kenne sie noch nicht.“ Ellie erschrak über seinen Tonfall. Am liebsten hätte sie die Hand auf seinen Arm gelegt und ihn getröstet. Andererseits war es wichtig, dass ihre Schützlinge ihre Vergangenheit selber aufarbeiteten und sich in der Gegenwart zurechtfanden. „Ich wäre gern Ihre Freundin, wenn Sie mich lassen, Nick“, sagte sie leise. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Mit harter Miene sah er sie an und schüttelte langsam den Kopf. „Das würde nicht klappen. Ich möchte und brauche keine Freundschaft mit einer Frau.“ Ellie wunderte sich über seinen verbitterten Ton. Sie schluckte ihre Enttäuschung hinunter und kehrte ins Esszimmer zurück. Sie musste sich um ihre Gäste kümmern und die Einzelheiten ihres geplanten Teiches besprechen. Vor allem durfte sie nicht daran denken, weshalb Nick Frauen gegenüber so verbittert geworden war. Ellie kniete am nächsten Nachmittag an einem Blumenbeet im Vorgarten, als ein metallicgoldener BMW vorsichtig in die Kieseinfahrt bog und langsam zu ihrem Haus hinauffuhr. Das musste Nicks Anwalt sein. Kat und Alice waren bei der Arbeit in der Stadt. Brad war mit Tomas ausgeritten, um ein Stück des meilenlangen Zauns auf Schäden zu überprüfen. Nick war vermutlich noch bei Gus. Er hatte erzählt, dass er reiten könne, wenn auch nicht besonders gut. Ihr Vorarbeiter wollte sein Können überprüfen und ihm eventuell einige Ratschläge geben. Ein großer Mann in einem dreiteiligen dunkelgrauen Anzug stieg aus dem Wagen und rückte seine Piloten-Sonnenbrille zurecht. Er beugte sich zur Rückbank und holte eine schmale lederne Aktentasche heraus. Mit seiner makellosen Kleidung und seinem schmalen dunklen Schnurrbart glich er dem Urbild eines erfolgreichen Anwalts. Ob Nick früher auch so gekleidet gewesen war? „Guten Tag. Ist Nick Tanner da?“ fragte er. Sogar seine Stimme klang gepflegt. Ellie nickte und war froh, dass sie kein bisschen auf ihn reagierte. Seit Nicks Ankunft hatte sie sich mehrmals gefragt, ob sie sich neuerdings zu jedem Mann ihres Alters hingezogen fühlen würde, der ihr begegnete. Doch ihre Reaktion schien auf Nick beschränkt zu sein. „Ja, kommen Sie bitte herein. Ich werde Nick holen.“ Einige Zeit später kehrte Ellie langsam von ihrem Briefkasten unten an der Einfahrt zurück und ging ihre Post durch. Nachdem sie alles Unkraut entfernt hatte, konnte sie ihre Schreibtischarbeit nicht länger hinausschieben. Sie hörte Stimmen und sah, dass Nick und Matt Helmsley das Haus verließen und gemeinsam zu dem tollen Wagen gingen. Die beiden Männer waren immer noch stark in ein Gespräch vertieft. Was konnte so wichtig sein, dass es sich nicht am Telefon hatte erledigen lassen? Aber das ging sie nichts an. Wenn Nick wollte, dass sie es erfuhr, würde er es ihr erzählen. Nick sah zu, wie der Anwalt seinen teuren Wagen vorsichtig die Einfahrt wieder
hinabsteuerte und davonfuhr. „War es ein erfreulicher Besuch?“ fragte Ellie, die ihn inzwischen erreicht hatte. Bedauerte Nick, dass er auf die Ranch gekommen war? Alle ihre Schützlinge stammten aus der Stadt. Doch Nick hatte früher einen völlig anderen Lebensstil gepflegt als Jed oder Brad. „Ich konnte einige geschäftliche Dinge erledigen.“ „Ihr Freund sieht sehr erfolgreich aus.“ „Wirtschaftlich ist er es bestimmt. Ich frage mich allerdings, ob das reicht.“ Nachdenklich blickte er die Einfahrt hinunter, als suchte er nach einer Antwort. „Nun, jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Ich bin lieber hier als in San Francisco. Wenigstens für die nächsten drei Monate.“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging in Richtung Stall davon.
5. KAPITEL Beim Frühstück am nächsten Morgen erwähnte Alberta, dass jemand einkaufen fahren müsste. „Ich brauche frische Lebensmittel. Diese jungen Leute essen, als stünde die nächste Hungersnot bevor“, erklärte sie und häufte drei weitere Pfannkuchen auf Brads Teller. Selbst Kat aß, als wüsste sie nicht, wann sie die nächste Mahlzeit bekäme. „Ich bin nicht dran“, verkündete Alice rasch. „Wenn ich es richtig sehe, ist Nick an der Reihe. Er hat noch keine Einkäufe gemacht“, sagte Jed. Er legte seine Gabel auf den Teller und lehnte sich zurück. „Das war sehr lecker, Alberta!“ Ellie trank lächelnd einen Schluck Kaffee. Gute Manieren gehörten ebenfalls zu den Dingen, die sie den jungen Leuten beizubringen versuchte. Bei ihrer Ankunft wäre keiner ihrer Schützlinge auf den Gedanken gekommen, Alberta für ihre Kochkünste zu danken. Befriedigt sah sie zu Nick hinüber. „Womit bin ich an der Reihe?“ fragte er und sah Jed an. „Mit Einkaufen“, antwortete Brad. „Ellie findet, dass ein Mann lernen muss, für sich selber einzukaufen. Deshalb tun wir es abwechselnd. Allerdings sehe ich nicht ein, wieso einen Einkäufe für die Ranch auf das eigene Leben vorbereiten sollten. Es sei denn, man hat vor, einen Haushalt mit zehn Personen zu gründen.“ Er warf Ellie einen Seitenblick zu. „So lautet die Theorie“, antwortete Ellie bestimmt. Brad brachte immer denselben Einwand vor. Er hasste das Einkaufen von ganzem Herzen. Seit kurzem wollte er nur noch tun, was sich vom Pferderücken aus erledigen ließ. Nick aß seinen restlichen Pfannkuchen und griff nach dem Kaffee. „Einkaufen?“ fragte er und sah Ellie eindringlich an. Sie schluckte trocken. Wenn Nick sie so einsah, bekam sie keinen Ton heraus. Ihr Puls beschleunigte sich. Ihre Hände wurden feucht, und sie wurde verlegen wie ein junges Mädchen. Glühende Hitze durchrieselte sie, und das Blut rauschte in ihren Adern. Inständig hoffte sie, dass die anderen ihre Reaktion auf diesen Mann nicht bemerkten. Nick musste mit den ersten Schritten des Resozialisierungsprogramms beginnen. Nur weil er älter war als die übrigen, durfte er nicht einzelne Stufen überspringen. Die anderen wechselten sich beim Einkaufen ab. Also musste Nick sich ebenfalls daran beteiligen. „Wir werden heute Vormittag nach Jackson fahren“, erklärte Ellie. „Dort gibt es einige hübsche Bekleidungsgeschäfte, falls Sie etwas benötigen. Anschließend werden wir die Lebensmittel für diese Woche besorgen.“ „Ich könnte tatsächlich ein paar Sachen gebrauchen. Zum Beispiel weitere Jeans. Und ein Paar Stiefel“, sagte Nick und sah Brad fest an. „Gus sagte, ich sollte mir welche zum Reiten besorgen.“ „Vielleicht auch einen Anzug?“ schlug Ellie vor. „Für Bewerbungsgespräche? Oder haben Sie einen in San Francisco, den Sie sich schicken lassen könnten?“ Nick warf ihr einen scharfen Blick zu, antwortete aber nicht. Jed lachte laut auf. „Einen Anzug? Ich habe hier noch nie jemanden im Anzug rumlaufen sehen. Worum soll Nick sich denn bewerben – um die Stelle des Bürgermeisters?“ Ellie errötete heftig. Jed hatte Recht. Die meisten Geschäftsmänner in Jackson trugen zwanglose Kleidung. Andererseits glaubte sie nicht, dass Nick sich auf Dauer in dieser Gegend beruflich niederlassen würde. Wenn seine Zeit um war, würde er gewiss nach San Francisco oder in eine andere Großstadt zurückkehren.
„Ich werde mich nirgendwo bewerben, sondern wie Jed und Brad auf der Ranch meine Erfahrungen machen“, erklärte Nick. Alle am Tisch verstummten plötzlich und sahen erst ihn und dann Ellie an. „Wir werden später darüber reden“, sagte sie. Nick hatte gleich am ersten Tag um Aufschub gebeten. Wehrte er sich bewusst gegen das Programm? Kat beugte sich einladend näher. „Kommen Sie in meinen Laden vorbei, Nick. Und sehen Sie sich an, wo ich arbeite.“ „Als ob er Frauenkleider kaufen würde. Wo ich arbeite, können Sie einen Hamburger mit Pommes bekommen“, sagte Alice und warf Kat einen spöttischen Blick zu. „Ich gebe Ihnen eine Extragarnitur dazu.“ „Wir werden nicht bis zum Lunch in der Stadt bleiben, Alice. Und ich bezweifle, dass Nick Frauensachen braucht, Kat. Aber ich komme vielleicht vorbei“, erklärte Ellie. „Meinetwegen“, sagte Kat gleichgültig. Ellies Besuch schien sie nicht sonderlich zu interessieren. Ellie bot Nick an, den Wagen zu fahren. Doch er lehnte ab. „Mein Führerschein ist abgelaufen. Ich muss ihn erst verlängern lassen.“ „Das sollten wir so schnell wie möglich erledigen. Es wäre gut, wenn Sie bald selber fahren könnten. Man braucht hier ein Fahrzeug, um zur Arbeit zu kommen.“ „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen“, antwortete Nick zögernd. „Einen Vorschlag?“ Ellie wurde nun misstrauisch. „Worum geht es?“ „Ich habe vorher als Controller in einem Büro gearbeitet. In diesen Beruf kann ich nicht zurück. Also muss ich mir etwas anderes einfallen lassen.“ Ellie merkte, dass Nick sie aufmerksam beobachtete. Welche Reaktion erwartete er von ihr? Er erwähnte seine Vergangenheit heute zum ersten Mal. „Bevor ich mir einen neuen Job suche, muss ich erst einmal Kenntnisse auf dem entsprechenden Gebiet erwerben. Nicht wahr?“ Sie nickte. „Aus meiner Collegezeit weiß ich einiges über die Arbeit auf dem Bau. Es sind ziemlich alte Kenntnisse, die ich unbedingt auffrischen muss. Das kann ich hier tun. Ich kann reparieren, was Sie möchten, den Teich anlegen, das Haus streichen, ein Zimmer renovieren. Sie brauchen es nur zu sagen. Außerdem habe ich die letzten Tage mit Gus zusammengearbeitet. Er ist eine wahre Goldgrube an Erfahrung über die Arbeit auf einer Ranch. Das wäre eine weitere Möglichkeit. Hier im Westen gibt es zahlreiche Ranchs. Ich erhielte ein gutes Training, falls ich diese Richtung einschlagen möchte.“ „Was wäre Ihnen lieber: eine Bautätigkeit oder die Rancharbeit?“ fragte Ellie. „Die Bautätigkeit, würde ich sagen. Aber was ich bisher auf der Ranch gelernt habe, gefällt mir ebenfalls. Es wäre eine völlig neue Erfahrung für mich. Brad und ich könnten uns gemeinsam anheuern lassen.“ Ellie lachte leise und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht recht. Mir scheint, das wäre eine gewaltige Veränderung für Sie. Würde Ihnen San Francisco nicht fehlen?“ „Nein“, erklärte Nick und blickte beiseite. „Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Als Erstes müssen Sie wissen, was Sie wollen.“ Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht stimmte. Ein Mann mit höherem Abschluss in Buchhaltung oder Betriebswirtschaft wollte plötzlich seinen Beruf wechseln und auf einer Ranch arbeiten? Nun, es war Nicks Entscheidung. Wenn es ihm ernst war, würde sie dafür sorgen, dass er alles darüber lernen konnte, was er wollte. „Dann brauche ich also nur Jeans und Arbeitshemden“, stellte er befriedigt fest.
„Ich werde es Mr. Peters erklären“, schloss sie das Gespräch ab und hoffte, dass der Organisator des Projekts einverstanden war. Nick schwieg beinahe auf der ganzen Fahrt. Ellie merkte, dass er sie verstohlen beobachtete. Das schien er häufig zu tun. Oder bildete sie es sich nur ein? Sie bogen in die Hauptstraße, und Nick betrachtete die Gebäude der alten Stadt. Das war besser, als ständig zu Ellie hinüberzusehen. Die Frau war ihm ein Rätsel. Seine frühere Verlobte hatte schöne Kleider, Schmuck und flotte Autos geliebt. Ellie trug verwaschene Jeans und staubige Stiefel. Ihre Kleidung war stets sauber. Doch sie unterstrich weder ihre Figur noch betonte sie ihr Aussehen. Außer ein bisschen Mascara verzichtete Ellie auf jedes Make-up. Auch der straffe Pferdeschwanz trug nichts zu ihrem besseren Aussehen bei. Trotzdem schien sie völlig zufrieden zu sein. Keine Spur von der Ruhelosigkeit, die Sheila immer zur Schau gestellt hatte. Befriedigt stellte er fest, dass ihre Wangen sich bei seinem kühnen Blick röteten und ihre Brüste sich heftig hoben und senkten. Wenigstens etwas drang zu ihr durch. „Hören Sie auf, mich derart anzustarren“, sagte Ellie verlegen. „Ich sehe Sie gern an“, antwortete Nick dreist, ohne den Blick von ihr zu wenden. „Es macht mich nervös.“ Sie sah ihn kurz an und runzelte die Stirn über das Leuchten in seinen Augen. Die beiden Fenster des Transporters waren offen, und die Luft peitschte durch die Fahrerkabine. Eine Strähne löste sich aus Ellies Pferdeschwanz. Nick schob sie zurück und hinterließ eine brennende Spur auf ihrer Wange. Ellie klammerte die Finger um das Lenkrad, und ihr Herz begann zu hämmern. Sie bekam kaum noch Luft. Hoffentlich baute sie keinen Unfall, bevor sie den Wagen abgestellt hatte. Sie fand einen Parkplatz hinter dem National Hotel. Jackson war eine ehemalige Goldgräberstadt, und die alten Gebäude verliehen ihr einen besonderen Charme, der neueren Städten fehlte. „Wie Sie sehen, ist Jackson nicht sehr groß“, sagte Ellie. „Man braucht nur ein paar Minuten von einem Ende zum anderen. Es gibt ein paar Textilgeschäfte, in denen Sie bestimmt finden, was Sie brauchen. Wir treffen uns hier in zwei Stunden wieder. Einverstanden?“ Sie wusste, dass er Geld von Matt Helmsley bekommen hatte. In dieser Hinsicht gab es also keine Probleme. „Okay, in zwei Stunden.“ Nick kletterte aus der Kabine. Er folgte Ellie über eine kleine Brücke zur Hauptstraße und lief den Gehsteig entlang. Ellie sah ihm nach und wünschte, er hätte sie gebeten, ihn zu begleiten. Dieser Schützling stand ihr näher, als ihr lieb war. Die drei Monate würden sehr langsam vergehen, wenn sie jedes Mal wie ein verliebter Teenager reagierte, sobald er in der Nähe war. Seufzend ging sie die Straße weiter hinab. Sie wollte sich heute persönlich davon überzeugen, wie Kat mit ihrer Arbeit zurechtkam. Das Mädchen hatte eine Stelle als Verkäuferin in einer Modeboutique gefunden. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte Kat freundlich. „He, das klingt ja sehr professionell“, sagte Ellie. Sie war richtig stolz auf Kat. „Ich wollte nur ein bisschen schauen. Wie läuft es so?“ „Ich arbeite gern hier. Yvonne sagt, ich wäre ein echtes Naturtalent. Sie hat mir eine Festanstellung angeboten, wenn meine Strafe abgelaufen ist. Meinen Sie, ich sollte annehmen?“ „Weshalb nicht? Die Arbeit gefällt dir, und du bist gut.“ „Ich dachte, ich würde anschließend nach Oakland zurückkehren.“ „Nur wenn du willst. Du musst tun, was du selber möchtest.“ Kat schwieg eine ganze Weile. „Zeig mir, was mir deiner Meinung nach stehen würde“, schlug Ellie vor.
„Ich finde, Sie sollten Pastellfarben tragen. Modische Sachen. Sie haben eine tolle Figur. Wie wäre es mit diesem Top? Lavendelblau passt sehr gut zu Ihrer Haut.“ Die nächste halbe Stunde holte Kat mehrere Kleidungsstücke hervor und erklärte bei jedem, weshalb es Ellie perfekt stehen würden. Ellie war aufrichtig versucht, ein paar Sachen zu kaufen. Margots Bemerkung ging ihr nicht aus dem Kopf. Doch sie wagte nicht, sich ausgerechnet jetzt neu einzukleiden. Die anderen könnten glauben, es wäre wegen Nick. „Ich werde darüber nachdenken“, sagte sie endlich. „Ich möchte nichts übereilen.“ Eine Stunde später kehrte sie zu ihrem Wagen zurück und stellte erstaunt fest, dass Nick schon da war. Er saß auf der breiten Treppe des alten Hotels. Mehrere Tragetaschen standen an seiner Seite. „Warten Sie schon lange?“ fragte Ellie, während er seine Sachen aufnahm und zu ihr kam. Er wirkte wesentlich entspannter als vorher. „Nur ein paar Minuten. Ich beobachte gern die Leute.“ „Haben Sie alles bekommen, was Sie brauchen?“ „Natürlich. Es war nicht so schlimm“, antwortete er und lächelte so reizend, dass Ellies Herz einen Schlag aussetzte. „Dann auf zum Supermarkt. Alberta hat uns eine lange Liste mitgegeben.“ Am Sonnabend teilte Ellie Alice für die Hausarbeit ein, bis alles glänzte. Kat arbeitete sonnabends und war daher weitgehend von solchen Pflichten befreit. Alberta hatte ein Barbecue für den Abend vorbereitet, zu dem Nicks Besucher aus der Stadt erwartet wurden. Um das Ereignis ein bisschen festlicher zu gestalten, hatte sie einen jungen Mann hinausgeschickt, um Hufeisenpfosten und zwei Picknicktische aufzustellen. Gus beschäftigte sich inzwischen mit dem riesigen Barbecue-Kessel. Er stapelte die Holzkohle auf und fächelte daran, bis sie rot glühte. Ellie war neugierig auf Nicks Freunde. Würde ihr Schützling sich anschließend nach seinem alten Leben zurücksehnen? Nicht jeder eignete sich für ein Leben auf der Ranch. Fehlte ihm das Treiben in der Stadt? Sie hörte, wie ein Wagen in die Einfahrt bog, und trat auf die Veranda. Nick folgte ihr und überholte sie mit langen Schritten. „Steve!“ Die beiden Männer fassten sich an den Händen. Steve war größer als Nick und schmaler. Er trug eine braune Freizeithose und ein cremefarbenes Hemd. Sein Haar war rotbraun, und er hatte ein freundliches offenes Gesicht. Nick trug seine neuen Jeans und ein dunkles Hemd. Wegen der Bräune, die er die letzten Tage bekommen hatte, wirkte er vitaler als sein Freund. Oder bildete sie es sich nur ein? Eine große, elegante Blondine stieg auf der Beifahrerseite aus. Sie schloss die Tür und trat neben Steve. Sie trug eine lange weiße Hose und eine leuchtend blaue Seidenbluse. „Das ist also Nick“, sagte sie lächelnd. „Nick, dies ist meine Frau Sally“, stellte Steve seine Begleiterin stolz vor. Nick begrüßte die junge Frau freundlich und deutete auf Ellie. „Ellie Winslow, meine – äh – Gastgeberin. Steve und Sally Davis.“ Ellie begrüßte das junge Paar ebenfalls und kam sich plötzlich ziemlich schäbig vor in ihren Jeans und dem gelben Baumwolltop. Sie hätte auf Margot und Kat hören und sich ein paar neue Sachen kaufen sollen. Sallys frecher Kurzhaarschnitt machte ihr noch stärker bewusst, wie bieder ihr dicker langer Zopf war. Ob Nick das auch so empfand? Sie hatte lange genug in der Stadt gelebt und wusste, wie die Frauen sich dort kleideten. Es war ihr nie wichtig gewesen. Bis heute.
„Wir haben ein Barbecue hinter dem Haus vorbereitet. Lassen Sie sich ein bisschen von Nick herumführen und kommen Sie anschließend dazu“, schlug Ellie vor. Nick zeigte Steve und Sally den Stall und den Korral und erklärte seinen Freunden, was es mit dem Resozialisierungsprogramm auf sich hatte. Dann kehrten sie zum Haus zurück. Alberta hatte Krüge mit Zitronenlimonade und Eistee auf die Picknicktische gestellt. Getränkedosen lagen in einem riesigen Eimer mit Eis am Ende des Tisches. Die übrigen Bewohner der Ranch hatten es sich schon bequem gemacht. „Was darf ich Ihnen geben?“ fragte Alberta, nachdem ihr die Gäste vorgestellt worden waren. „Bitte Zitronenlimonade“, antwortete Sally. „Die habe ich seit meinen Kindertagen nicht mehr getrunken. Ich erinnere mich, wie erfrischend sie im Sommer immer war.“ „Setzen Sie sich lieber in den Schatten“, riet Alberta ihr, nachdem sie die Getränke ausgeteilt hatte. „Es wird zwar schon kühler. Aber die Sonne brennt immer noch stark.“ Nick sah Ellie an. „Setzen Sie sich zu uns?“ „Möchten Sie nicht lieber mit Ihren Freunden allein sein?“ „Nein.“ „In Ordnung. Dann komme ich gerne dazu.“ Ellie zog einen Liegestuhl in den Schatten und fühlte sich ein bisschen fehl am Platz. Wie sollte sie sich mit diesen Leuten unterhalten? Sie kannte deren Interessen nicht. Nick war ihr einziges Bindeglied. Und der saß schweigend da. Endlich verzog Steve das Gesicht und hob sein Eisteeglas. „Auf die Freiheit, Nick. Bewahre sie dir, so lange du kannst.“
6. KAPITEL Nick lächelte grimmig und prostete dem Freund zu. „Keine verdammten Dummheiten mehr.“ „So hat Steve es auch immer genannt“, sagte Sally zu Ellie. Sie trank einen Schluck Limonade und sah Nick unsicher an. „Diesen Fehler werde ich bestimmt nicht wiederholen.“ Nick blickte finster in sein Glas. „Wovon reden Sie alle?“ fragte Ellie verwirrt. „Davon, weshalb Nick im Gefängnis gelandet ist“, antwortete Steve. „Aha.“ Sie wartete einen Moment und fuhr atemlos fort: „Und was war das?“ Drei Augenpaare blickten verblüfft in ihre Richtung. Nick sprach als Erster. „Hat man es Ihnen nicht mitgeteilt?“ „In den Akten steht Unterschlagung.“ „Ich habe keinen einzigen Penny unterschlagen“, erwiderte Nick barsch. „Sie wissen nicht genau, weshalb Nick im Gefängnis war?“ fragte Steve. „Sie haben nie von der bezaubernden Sheila gehört?“ „Von wem?“ „Steve…“, warnte Nick den Freund. „Sie brauchen es mir nicht zu erzählen“, versicherte Ellie rasch, obwohl sie es vor Neugier kaum aushielt. Wer zum Teufel war diese bezaubernde Sheila? „Fragen Sie ruhig, wenn Sie etwas wissen möchten.“ Nick sah sie fest an. Ellie betrachtete ihn eine ganze Weile. „Also gut“, sagte sie endlich. „Was haben Sie angestellt?“ „Ich habe mich wegen einer Frau restlos zum Narren gemacht.“ Er hielt einen Moment inne, als blickte er weit zurück. „Ich dachte, Sheila und ich liebten uns. Deshalb bat ich sie, meine Frau zu werden, und sie willigte ein. Später stellte sich heraus, dass sie mich nur als Deckung für ihre kriminellen Unterschlagungen benutzt hatte. Unmittelbar, nachdem ich es herausgefunden hatte, wurde ich verhaftet und wegen Beihilfe verurteilt.“ Seine Stimme klang bitter, und sein Gesicht war verschlossen. „Wir arbeiteten bei einem Börsenmakler“, fuhr Nick fort, als niemand etwas sagte. „Sheila war die Hauptbuchhalterin und ich der stellvertretende Controller. Kurz vor der jährlichen Buchprüfung entdeckte ich eine Unstimmigkeit und stellte fest, dass Sheila dafür verantwortlich war.“ Er machte eine Pause und trank einen Schluck. „Haben Sie die Polizei eingeschaltet?“ fragte Ellie leise. „Nein. Das war mein erster Fehler. Besser gesagt, mein zweiter. Mein erster Fehler bestand darin, dass ich überhaupt etwas mit Sheila angefangen hatte. Als wir zu Hause waren, stellte ich sie zur Rede, und sie weinte und zog eine gewaltige Show ab. Sie hätte meiner würdig sein wollen. Ich hätte mich wegen ihrer einfachen Herkunft nicht schämen sollen. Sie hätte das Geld nur unterschlagen, um sich Kleider zu kaufen und sich mit mir sehen lassen zu können. Ich kam mir so schäbig vor. Als ob solche Dinge mir wichtig gewesen wären.“ Ellie beugte sich vor. „Und dann?“ „Sheila überredete mich, ihr ein bisschen Zeit zu lassen. Sie würde sich das Geld irgendwie besorgen, von ihrer Familie oder irgendwo leihen, und alles vor der Buchprüfung zurückzahlen. Sie schwor, dass sie so etwas nie wieder tun würde. Sie hätte es nur für mich getan. Nachdem sie mich jetzt besser kennen würde, wüsste sie ja, dass mir ihre Kleidung nicht so wichtig wäre. Alles verdammte Lügen.“
„Aber das wusstest du damals nicht“, sagte Steve. „Ich hätte es wissen müssen. Sheila dachte nur an sich. Ich ließ ihr die Zeit, um die sie mich bat. Zehn Tage später wurden wir wegen Unterschlagung verhaftet. Sie hatte die ganze Zeit weitergemacht und gehofft, das Land rechtzeitig verlassen zu können. Ein paar Tage mehr, und sie hätte es geschafft.“ Ellie versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau einen Mann betrog, der sie liebte. „Und was passierte mit Sheila?“ „Sie ist eine entzückende rothaarige Hexe mit grünen Augen“, antwortete Steve für Nick. „Bezaubernd anzusehen, aber mit einem boshaften Herz. Selbstsüchtig und geldgierig. Das wollte Nick allerdings nicht wahrhaben. Er musste es auf die harte Tour begreifen. Sie wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.“ „Es war eine sehr harte Lektion“, sagte Nick verbittert. „Aber ich habe sie gut gelernt. Sehr gut sogar. Ich werde nie wieder einer Frau trauen.“ Am Montagmorgen ging Ellie gleich nach dem Frühstück hinauf in ihr Atelier. Sie musste unbedingt an ihrem Buch weiterarbeiten. Steves und Sallys Besuch war ausgesprochen harmonisch verlaufen. Steve hatte beim Dinner von Nicks und seiner gemeinsamen Zeit in San Francisco erzählt, wo die beiden Junggesellen die Straßen unsicher gemacht hatten. Sally hatte von ihrer Arbeit als stellvertretende Produktionsleiterin eines lokalen Fernsehsenders berichtet. Und sie, Ellie, hatte den Mut gefasst und von ihrem eigenen Leben mit ihrem dominierenden Vater in San Francisco erzählt, von ihren geliebten Spaziergängen in einem nahen Park und von ihrer Freude am Kunststudium. Und von der Aufregung, als das erste gemeinsame Buch von Margot und ihr erschien. Während das Gespräch hin und her ging, hatte Ellie eine ganz heue Seite an Nick entdeckt. Seine Bemerkungen waren von lustigen Anekdoten und sachkundigen Einblicken in die laufenden Ereignisse begleitet, aber stets von einem Hauch Zynismus überschattet. War er immer so gewesen? Oder war dieser Zynismus die Folge seiner jüngsten Erfahrungen? Ellie griff zu ihren Farben und versuchte zu arbeiten. Doch sie war zu nervös. Immer wieder blickte sie aus dem Fenster, um nachzusehen, wo die anderen waren. Die anderen oder nur Nick? Verzweifelt warf sie den Pinsel hin. Es war einfach lächerlich. Vielleicht sollte sie Margot anrufen und mit ihr über das Buch reden, um wieder Lust zum Malen zu bekommen, anstatt die Zeit lieber mit Nick Tanner verbringen zu wollen. „Hallo, cherie“, meldete sich die Freundin fröhlich. „Was gibt’s?“ „Ich wollte dich nur fragen, ob du die erste Testfassung schon fertig hast. Ich würde sie gern lesen. Vielleicht bekomme ich dann ein paar Ideen.“ „Wir haben die Stellen für die Illustrationen doch schon ausgesucht. Möchtest du etwas ändern?“ „Nein“, antwortete Ellie seufzend. „Ich habe eine Malblockade.“ Margot lachte leise. „Ich dachte, es gäbe nur eine Schreibblockade.“ „Ich habe heute einfach keine Lust zum Malen.“ „Dann lass es bleiben und kümmere dich um deine Rinder.“ „Dafür habe ich meine Leute.“ „Da du sie gerade erwähnst – wie kommst du mit Nick zurecht?“ „Inwiefern?“ „In freundschaftlicher Hinsicht, ma chere. Was sonst?“ Ellie merkte, dass ihre Wangen sich röteten. Freundschaft war nicht gerade, wonach sie sich mit Nick sehnte. Aber das durfte niemand erfahren. „Gut. Ich komme gut mit Nick zurecht – wie mit den anderen. Sonnabend waren
ein paar Freunde von ihm zu Besuch. Sehr nette Leute.“ Und modischer und interessanter, als sie jemals sein konnte. „Hast du dein Haar schon abschneiden lassen?“ fragte Margot plötzlich. „Ich glaube nicht…“ „Ellie, ich verstehe etwas von Mode. Du tätest gut daran, meinem Rat zu folgen.“ „Das hat Kat auch gesagt.“ „Wann?“ „Ich war letzte Woche bei ihr im Laden. Sie meinte, ich sollte mir einige neue Sachen kaufen.“ „Dann tu es.“ „Aber… Es wäre so offensichtlich!“ wandte Ellie ein. „Was ist dagegen einzuwenden, wenn man für jemanden so gut aussehen möchte wie möglich? Vor allem, wenn dieser Jemand ein ausgesprochen männliches Wesen ist?“ „Nick ist einer meiner Schützlinge, Margot. Ich darf nichts mit ihm anfangen, selbst wenn er es wollte, was nicht der Fall ist.“ Er wollte es weder mit ihr noch mit einer anderen Frau. „Du willst ihn ja nicht heiraten, sondern nur ein bisschen Spaß haben. Wirklich, Ellie, gib ein bisschen Geld für dich aus.“ Sie spielte mit der Telefonschnur. „Ich weiß nicht recht.“ Lust hatte sie schon. „Ich werde darüber nachdenken.“ Ellie legte auf und ging in die Diele. Vor dem großen Spiegel blieb sie stehen, hob ihr Haar im Nacken an und überlegte, wie ihr ein kurzer Schnitt stehen würde. So lange sie denken konnte, hatte sie das Haar lang getragen. Der Zopf war so praktisch. Würde Nick überhaupt bemerken, wenn sie ihr Haar schneiden ließ? Würde es ihm gefallen? Da sie sowieso nicht malen konnte, stieg sie in ihren Wagen und fuhr in die Stadt. Nick striegelte sein Pferd ein letztes Mal und ließ es los. Sekunden später rollte sich das dumme Tier auf dem Boden und bedeckte sich mit einer neuen Staubschicht. „He, ich habe dich gerade gestriegelt!“ rief Nick ihm nach. Gus stützte die Arme auf das Geländer des Korrals und lachte leise. „Pferde sind richtige Teufel, nicht wahr?“ „Weshalb striegelt man sie, wenn sie sich gleich wieder im Staub wälzen?“ fragte Nick verärgert. „Es kühlt sie ab. Ein Mann sorgt immer gut für sein Pferd. Sein Leben könnte davon abhängen.“ „Ja, damals im Wilden Westen“, antwortete Nick und sah Gus misstrauisch an. „Das kann auch heute noch zutreffen. Vieles hat sich seit hundert Jahren beim Ranchbetrieb nicht verändert. Anderes schon. Es gibt wesentlich mehr Papierkram. Die arme Ellie kommt kaum noch nach. Das Kaufmännische ist nicht ihre Stärke. Sie ist im Herzen eine Künstlerin.“ „Trotzdem scheint sie gut zurechtzukommen.“ „Die Zeit wird es erweisen. Im Moment schießt Ellie noch die Honorare von ihren Büchern zu.“ Gus nahm seinen Hut ab, schlug ihn auf den Schenkel, um den Staub zu entfernen, und setzte ihn sorgfältig wieder auf. „Es gibt bald Abendessen. Ich muss mich duschen.“ Nick sah dem alten Mann nach. Gus musste mindestens siebzig sein. Er war gertenschlank und voller Energie. Er, Nick, war abends immer todmüde. Dabei erledigte er längst nicht so viel wie der Vorarbeiter. Allerdings arbeitete er erst seit knapp zwei Wochen körperlich.
Er hörte, wie der Transporter in die Einfahrt bog, und ging in Richtung Haus. Die Tür öffnete sich, und ein wohlgeformter weiblicher Hintern kam zum Vorschein. Eine Frau beugte sich in den Wagen und richtete sich mit zahlreichen Päckchen auf den Armen wieder auf. Nick betrachtete sie verblüfft. Beinahe hätte er Ellie nicht erkannt. Die kurzen fedrigen Locken passten gut zu ihrer zierlichen Gestalt. Die Frisur machte sie um Jahre jünger. Ihre Wangen waren stark gerötet. Das Verlangen kam rasch und heftig. Einen Moment hatte er das Gefühl, das staubige Pferd hätte ihn getreten. Dann setzte sein Verstand wieder ein. Ellie Winslow zu begehren wäre eine Riesendummheit, ganz gleich, wie hübsch die Frau plötzlich war. Sie war tatsächlich eine kleine Schönheit. Erstaunlich, was ein neuer Haarschnitt ausrichten konnte. Oder lag es an dem rosa Oberteil und den neuen Jeans? Ellie sah ihn beinahe panisch an und eilte ins Haus. Nick folgte ihr langsamer, um seine tobenden Hormone wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er wünschte, er könnte mit den Fingern durch die kurzen seidigen Locken streichen, den weichen Haarschopf spüren und sehen, wie sich die Strähnen um seine Finger wickelten. Energisch rief er sich zur Ordnung. Es gefiel ihm nicht, in welche Richtung seine Gedanken neuerdings ständig gingen. Ellie floh in ihr Schlafzimmer und warf die Päckchen auf das Bett. Sie eilte zu ihrem Spiegel, blickte hinein und kam sich wie eine Fremde vor. War sie wirklich diese Frau mit der schmalen Taille und den langen Beinen? Das rosa Top saß hauteng und betonte ihre wohlgeformten Brüste. Lächelnd nahm sie ihre Brille ab. Die Veränderung gefiel ihr sehr. Sie packte ihre neuen Sachen in den Schrank und ging ins Bad, um das neue Make-up auszuprobieren, das sie im Anschluss an ihre Einkäufe bei Kat besorgt hatte. Behutsam betonte sie ihre Augen. Ohne die Brille wirkten sie geheimnisvoll und interessant. Vielleicht sollte sie überlegen, ob Kontaktlinsen nicht doch günstiger für sie wären. Alberta machte ein riesiges Aufhebens, als Ellie herunterkam und ihr beim Tischdecken half. Alice wollte sofort ebenfalls Locken haben, und Jed und Brad flirteten mit ihr, als wäre sie ein junges Mädchen. Der Einzige, der keine Bemerkung über ihr neues Aussehen machte, war Nick. Doch Ellie erwischte ihn zweimal, wie er zu ihr hinüberblickte. Erst gegen Ende des Dinners ergriff er das Wort. „Gus braucht mich die nächsten Tage nicht. Soll ich schon mit dem Teich anfangen?“ Ellie verdrängte ihre leichte Enttäuschung darüber, dass er nichts Persönlicheres gesagt hatte, und nickte. Wenn es die Arbeit auf der Ranch erlaubte, wollte sie den Teich bis zum Sommer fertig haben. „Falls niemand andere Pläne hat, können wir nach dem Essen darüber reden“, verkündete sie. „Was gibt es da zu bereden?“ fragte Brad. „Heben wir nicht einfach ein Loch aus und füllen es mit Wasser?“ Nick schüttelte den Kopf. „Es gehört schon ein bisschen mehr dazu. Wenn wir vorher alles gut planen, sparen wir eine Menge Zeit und Geld. Außerdem müssen wir herausfinden, wo wir das preiswerteste Material bekommen, damit die Anlage nicht teurer wird als nötig. Nichts anderes tut Ellie, wenn sie die Sachen für die Ranch einkauft.“ Brad sah Ellie zweifelnd an. „Tun Sie das wirklich?“ „Natürlich tut sie das“, sagte Nick. Ellie schüttelte langsam den Kopf. „Ich plane nichts im Voraus. Ich kaufe die Sachen, wenn wir sie brauchen, und bezahle anschließend die Rechnungen.“
„Wie wollen Sie dann sicher sein, ob Sie die besten Preise bekommen? Oder dass Sie die Sonderverkäufe und die Mengenrabatte nutzen?“ Sie antwortete nicht. Nick sah in die Runde. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Langsam sah er Ellie wieder an. Es fiel ihm schwer, sich auf geschäftliche Dinge zu konzentrieren. Energisch verdrängte er seine vertraute Reaktion. Die nächsten Minuten waren wichtig – mindestens für sie. „Gus hat mir erzählt, dass Sie die Buchführung für die Ranch selber erledigen. Ich bin davon ausgegangen, dass dies auch die Planung einschließt. Woher wollen Sie wissen, ob Sie genügend Geld für die Renovierungen, die Vergrößerung der Rinderherde und die laufenden Ausgaben haben?“ „Mit diesem Teil der Rancharbeit kenne ich mich noch nicht gut aus“, gab Ellie zu. „Ich bin eigentlich Malerin -Künstlerin. Die Büroarbeit ist mir ein ziemliches Rätsel.“ Sie sah erst Jed und Brad und dann Gus an. „Vielleicht könnten wir ein bisschen Hilfe dabei gebrauchen.“ Nick wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. Er wollte sich nicht mehr in Ellies Leben hineinziehen lassen als unbedingt erforderlich, um die nächsten drei Monate zu überstehen. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand seine Rechnungen bezahlte, ohne vorher einen Haushaltsplan aufgestellt zu haben. „Sie sind Controller, Nick. Buchhalter“, sagte Ellie. „Vielleicht könnten Sie uns ein paar Ratschläge geben.“ Nicks Miene wurde hart. „Nicht bei meiner Vergangenheit.“ Ellie machte eine abwehrende Handbewegung. „Unsinn. Ich würde es als einen persönlichen Gefallen betrachten, wenn Sie uns zeigten, wo wir etwas verbessern können.“ Zu seinem Erstaunen merkte Nick plötzlich, dass er gern ein bisschen Ordnung in Ellies Chaos bringen würde. Ihm gefiel die Beschäftigung mit Prognosen, Analysen und der Bereitstellung von Geldern. „Außerdem sagt Ellie immer, dass wir so etwas wie eine Familie sind. Und in einer Familie hilft man sich gegenseitig, nicht wahr?“ sagte Alice, und Ellie strahlte über das ganze Gesicht. Nick empfand absolut nichts Verbindendes mit diesen Teenagern. Sie stammten aus zerbrochenen Familien und hatten auf der falschen Seite der Stadt gelebt. Gerissene Straßenkinder, die erwischt worden waren. Ellie versuchte, ihnen ein anderes Leben aufzuzeigen. Er konnte sich vorstellen, dass die Kids es schafften. Vielleicht nicht alle. Aber für jene, die durchhielten, würde die Zeit auf der Ranch eine gute Grundlage bilden. Wegen Ellie und ihrer liebevollen Fürsorge. Er selber war eher an einer anderen Liebe interessiert. Vor seinem inneren Auge sah er, wie er Ellie in seine Arme zog und… „Nick?“
7. KAPITEL Nick brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. „Was ist?“ „Werden Sie uns helfen?“ Er nickte. „Aber nicht allein. Jeder muss sein Scherflein beitragen.“ „Ich bin doch keine Buchhalterin!“ wehrte Alice ab. „Nein. Aber du kannst herumtelefonieren und dich nach den Zementpreisen erkundigen. Kat kann die Rohre und die Pumpe für den Wasserfall übernehmen. Außerdem könnt ihr bei der Stadt nachfragen, welche Genehmigungen für den Teich erforderlich sind. Brad und Jed können mir beim Abstecken des Teiches helfen. Rusty und Tomas können die Felsbrocken heranschaffen, die wir für den Wasserfall brauchen. Und alle können mithelfen, wenn es um das Ausheben des Lochs und das Eingießen des Zements geht.“ Wenn die Kids schon Familiensolidarität einforderten, dann aber für alle. „Und was ist mit Ellie? Was hat sie zu tun?“ fragte Kat verdrießlich. „Ellie und ich werden die Konten für die Ranch durchsehen, eine Liste der geplanten Renovierungen anlegen, den Zeitplan für die Durchführung der einzelnen Projekte aufstellen und darin das benötigte Material und dessen voraussichtliche Kosten aufnehmen. Auch dabei könnt ihr uns helfen.“ „Haben Sie so etwas schon einmal für eine Ranch gemacht?“ fragte Ellie. Nick klang unwahrscheinlich professionell. „Nicht für eine Ranch. Aber dies ist reines Projektmanagement und gilt für alle Geschäftszweige. Wir bekommen die voraussichtlichen Kosten aus den Einzelaufstellungen und legen die Zeitpläne einschließlich der Endtermine fest. Anschließend können wir anfangen. Wir wissen, wie lange es dauert und was es uns kosten wird. Böse Überraschungen sind nicht möglich.“ Ellie war fasziniert. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft wirkte Nick nicht verschlossen, sondern selbstsicher und entspannt. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er früher gearbeitet hatte. Wahrscheinlich hatte er zu den besten seines Fachs gehört. Und er hatte alles wegen seiner Liebe zu einer Frau verloren. Aufmerksam blickte sie in die Runde. Die anderen am Tisch unterhielten sich lebhaft mit Nick und stellten ihm unzählige Fragen. Ihre Augen glühten vor Erregung. Nick antwortete ruhig und sachlich und gab keinem das Gefühl, ein Dummkopf zu sein. Er würde einen großartigen Lehrer abgeben. Dieses Projekt konnte ein Geschenk des Himmels für sie werden. Hoffentlich half es auch Nick ein wenig. Vier Tage später verkündete Nick beim Lunch, dass sie mit dem Anlegen des Teiches beginnen könnten. Jed und er steckten die Fläche für das Loch ab und markierten die Stellen, wo die Wasserrohre und die elektrischen Leitungen verlaufen sollten. Der Boden war steinhart von der Spätfrühlingssonne. Nachdem alles bereit war, ging er zu Ellie und bat um eine Spitzhacke und ein paar Schaufeln. „Nicht heute“, sagte Ellie. „Weshalb nicht?“ „Dies ist ein wichtiger Augenblick. Genauso wie damals, als wir den Grundstein für den Stall gelegt haben. Der muss gefeiert werden.“ Ihre Schützlinge hatten so wenig zu feiern gehabt in ihrem jungen Leben. Deshalb hob sie besondere Ereignisse immer hervor. „Bevor Kat und Alice morgen zur Arbeit fahren und die Cowboys hinausreiten, werden wir alle zusammen den ersten Spatenstich tun.“ „Es ist nur ein Teich, Ellie. Keine neue Brücke oder ein neues Shopping-Center“,
sagte Nick verärgert. „Trotzdem ist es ein neues Projekt für uns, und das möchte ich feiern.“ Nick sah sie eine ganze Weile an. „Na gut, Sie sind der Boss. Wenn wir für heute fertig sind, gehe ich in mein Zimmer.“ Ohne ein weiteres Wort lief er davon. Die Hitzewelle blieb auch am nächsten Tag. Ellie zog Baumwollshorts an und ein kühles Top. Sie trug die Oberteile, die Kat für sie ausgesucht hatte, schon seit einigen Tagen, und sie gefielen ihr sehr gut. Heute ging sie zum ersten Mal in Shorts. Wenn sie Erde schaufelte, würde ihr sehr heiß werden. Dann brauchte sie etwas Luftiges. Unmittelbar nach dem Frühstück begannen sie mit der Arbeit. Ellie hatte eine Kamera dabei und machte Fotos von allen Anwesenden. Alberta bestand darauf, auch ein Gruppenbild mit Ellie als Mittelpunkt aufzunehmen. Anschließend überreichte Ellie Nick feierlich die Spitzhacke und Jed und Brad jedem eine Schaufel. „Hiermit erkläre ich den Bau des neuen Teiches offiziell für begonnen.“ „Wollen Sie nicht den ersten Schlag tun?“ fragte Nick spöttisch. Ellie hoffte, dass ihre Erregung auf den festlichen Augenblick zurückging. „Nein danke“, antwortete sie lächelnd. „Diese Ehre gebührt Ihnen.“ Nick hob die Spitzhacke hoch über den Kopf und schlug sie in den Boden. Ein kleiner trockener Erdklumpen brach ab, und alle jubelten. Das Projekt war offiziell gestartet. Innerhalb weniger Minuten waren die anderen verschwunden, und Ellie, Nick und Jed waren allein. „Sieht so aus, als wären wir heute mit der Arbeit dran“, sagte Ellie. „Jeder kommt irgendwann an die Reihe“, antwortete Nick. „Die anderen sind für die Abende oder die Wochenenden eingeteilt.“ Ellie betrachtete fasziniert den gleichmäßigen Rhythmus, in dem Nick die Spitzhacke über den Kopf hob, sie in den harten Boden schlug und die Erde auflockerte. Die Muskeln spannten sich unter seiner glatten Haut. Sobald genügend Erdklumpen vorhanden waren, trat Jed mit seiner Schaufel in Aktion. Er füllte eine Schubkarre und brachte die Erde zum Korral, wo sie verteilt werden sollte. Gegen zehn Uhr ging Ellie ins Haus, um kalte Getränke zu holen. Sobald sie außer Sichtweite war, stützte Nick sich auf seine Spitzhacke. Er hatte den ganzen Morgen versucht, Ellies Anwesenheit zu ignorieren. Doch die letzten Minuten war es ihm nicht mehr gelungen. Er reckte sich und versuchte, seine Muskeln zu lockern. Er spürte die Anstrengung jetzt schon und würde morgen einen furchtbaren Muskelkater haben. Wie letzte Woche vom Reiten. Trotzdem tat ihm die körperliche Arbeit gut. Sie half ihm, seinen Zorn abzureagieren und die Vergangenheit zu vergessen. Ellies Anwesenheit ließ ihn manchmal aus einem völlig anderen Grund alles vergessen. Und das war gefährlich. Die Sonne schien heiß vom Himmel, und Ellies knappes Top und ihre Shorts trugen nicht gerade zu seiner Abkühlung bei. Nick zog sein Hemd über den Kopf und rieb seine Stirn trocken. Dann griff er erneut zur Spitzhacke und arbeitete weiter. Kurz darauf reichte Ellie ihm ein großes Glas eiskalte Limonade. „Wie kommen Sie zurecht?“ fragte sie und ließ den Blick über seine Schultern und seine Brust gleiten. Nick straffte sich unwillkürlich. Ellie sah ihn an, als würde sie ihn am liebsten mit Haut und Haaren verschlingen. Ihm schwindelte beinahe, als er ihr das Glas abnahm. Wie würde es sein, wenn sie ihn berührte? Wenn sie mit den Fingern über seine Haut strich, ihn neckte und liebkoste?
Rasch trank er einen Schluck und wandte sich ab. Die Frau machte ihn noch verrückt. „Der Boden ist härter, als ich angenommen hatte“, antwortete Nick und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wollen Sie es einmal versuchen?“ Ellie zog die Nase kraus. „Nein, lieber nicht.“ „Kluge Frau.“ Er reichte ihr das Glas zurück. Ihre Finger streiften sich leicht, und ihre Haut begann zu prickeln, wo er sie berührte. Ellie trat beiseite und beobachtete Nick bei der Arbeit. Er unterhielt sich leise mit Jed und erklärte ihm, wie er sich den Teich vorstellte. Seine Muskeln spannten sich, während er die Arme hob und senkte. Gern hätte sie seine Schultern und seine Brust gestreichelt, um das Spiel unter ihren Fingerspitzen zu spüren. Sie strich mit der Zunge über ihre Lippen, die plötzlich trocken geworden waren, und überlegte, wie es sein würde, wenn Nick seine Lippen zu einem Kuss auf ihren Mund presste und sie an seinen heißen Körper zog. Sie sehnte sich danach, seine Rückenmuskeln unter ihren Händen zu fühlen. Ihre Brüste prickelten vor Sehnsucht und Verlangen. Nick hatte über drei Jahre keine Frau gehabt. Wenn er auch nur das geringste Interesse an ihr verspürte, hätte er es längst durchblicken lassen. Jed brachte die nächste Fuhre zum Korral, und Nicks Blick glitt erneut über Ellies geschmeidigen Körper. Weshalb hing die Frau noch hier herum? Ahnte sie wirklich nicht, was sie ihm damit antat? „Ich möchte bei dieser Hitze zwar nicht graben. Aber kann ich sonst etwas tun?“ fragte Ellie. „Sie lenken uns mit Ihren scharfen Shorts höchstens von der Arbeit ab“, antwortete er trocken. „Es ist furchtbar heiß“, verteidigte sie sich und betrachtete fasziniert Nicks Gesicht. Ließ ihn ihre Kleidung doch nicht kühl? Sie lachte leise. „Dann gucken Sie einfach nicht hin.“ Nick ging nicht auf ihre Bemerkung ein, sondern arbeitete entschlossen weiter. Vielleicht konnte er sich so verausgaben, dass er nicht mehr an Ellie und ihren kleinen wohlgeformten Körper dachte. Die Frau spielte mit dem Feuer. Wenn sie sich nicht in Acht nahm, würde er sie auf den heißen Boden werfen und ihr zeigen, was sie einem Mann mit ihrer aufreizend knappen Kleidung antat. Entweder war sie das unschuldigste weibliche Wesen, das ihm jemals begegnet war, oder sie trieb ein ausgesprochen gefährliches Spiel. „Ellie, wo bleibt Jed?“ rief Alberta. „Er ist mit dem Einkaufen an der Reihe, und ich bin gleich so weit.“ Jed kehrte langsam mit seiner Schubkarre zurück. „Ich muss wohl mit, oder?“ fragte er. „Natürlich, mein Junge“, antwortete Ellie freundlich. „Beeil dich, damit du schnell wieder zurück bist.“ „Im Supermarkt ist wenigstens eine Klimaanlage“, murmelte er und eilte davon. „Wie wäre es, wenn ich die Erde in die Schubkarre schippen würde?“ fragte Ellie. „Wenn es nicht zu schwer für Sie ist…“ Hauptsache, die Frau hing nicht länger tatenlos hier herum. Weshalb war sie nicht mit Alberta zum Einkaufen gefahren und hatte Jed bei ihm gelassen? Sie zog die Schubkarre heran und schob die Schaufel in den Erdhaufen. Nick trat weiter zurück. Ellie war viel zu nahe. Er roch den Duft ihrer Haut und konnte die Wärme ihres Körpers beinahe spüren. Ellie hob die erste Erde auf und warf sie in die Schubkarre. Nick beobachtete, wie ihre Arme sich unter dem Gewicht spannten. Ihr runder Hintern drängte sich an ihre Shorts, als sie sich wieder hinabbeugte. Instinktiv fasste er die Spitzhacke
fester. Er würde garantiert durchdrehen, wenn sie ihren sexy Körper noch länger derart zur Schau stellte. Verzweifelt wischte er sich den Schweiß von der Stirn und wollte sich abwenden. In diesem Moment stöhnte Ellie leise. Sie versuchte, die Schubkarre zu bewegen. Doch es war zu schwer. „Überlassen Sie das mir.“ Ohne sie zu berühren, nahm er ihr die Karre ab und schob sie den leichten Hang hinauf. „So viel schaffen Sie nie. Das nächste Mal machen Sie die Karre bitte nicht so voll“, wies er sie an. „In Ordnung“, antwortete sie und sah ihm nach. Es wurde immer wärmer, und Ellies Eifer legte sich bald. Sie machte eine Pause, und Nick übernahm ihre Arbeit. Den Lunch aus Sandwichs und Eistee aßen sie in der kühlen Küche. Alberta und Jed waren noch nicht zurück, und die anderen waren irgendwo im Gelände. „Es ist zu heiß für so eine schwere Arbeit“, erklärte Ellie anschließend. „Wir müssen eine Pause einlegen.“ „Einverstanden“, antwortete Nick. „Ich habe sowieso noch etwas zu tun. Um vier Uhr geht es weiter.“ Entschlossen stand er auf, ging in sein Zimmer und schloss die Tür fest hinter sich. Ellie füllte ihr Glas erneut mit Eistee und setzte sich auf die schattige Veranda. Sie fühlte sich zu Nick Tanner hingezogen. Das ließ sich nicht leugnen. Sie wünschte, sie wüsste mehr über ihn. Die drei Monate würden rasch vorübergehen. Er hatte noch fast sein ganzes Leben vor sich und würde sich halb totlachen, wenn er wüsste, dass sie sich eine Rolle darin vorstellen konnte. Sie musste ihn wie alle anderen behandeln und würde ihm zum Abschied mit lächelndem Gesicht nachwinken. Ihr Herz schnürte sich zusammen bei diesem Gedanken. Sie wollte nicht, dass er ging. Er sollte bleiben! Plötzlich erschrak sie heftig. Sie durfte sich auf keinen Fall in Nick Tanner verlieben! Ihr Teeglas war längst leer, als sie endlich aufstand. Um sich von ihren sinnlosen Gedanken abzulenken, schlenderte sie zum Korral, nahm eine Harke und begann, die Erde zu verteilen. Ein kastanienbraunes Pferd kam heran und wollte gestreichelt werden. Sie tat ihm den Gefallen und wünschte, Nick würde ihr ebenfalls ein bisschen Aufmerksamkeit schenken. Wieder überlegte sie, wie es sein mochte, wenn ein Mann eine Frau so stark liebte, dass er für sie log, ein Verbrechen für sie deckte und ihr eine zweite Chance gab, obwohl sie keine verdient hatte. Sie war eifersüchtig auf Sheila. Eifersüchtig und wütend. Wie konnte eine Frau das alles wegwerfen? Nach dem Abendessen entschuldigte Ellie sich und nahm ein heißes Bad. Sie war restlos erschöpft und sehnte sich nach ihrem Bett. Durch das offene Fenster hörte sie, dass die anderen noch am Teich arbeiteten. Es war ein gutes Projekt. Ihre kleine Gruppe hatte ein gemeinsames Ziel und konnte es nur gemeinsam erreichen. Diese Teamarbeit würde allen gut tun. Ellie kletterte ins Bett und war sogar zu müde, um noch zu lesen. Nicht zum ersten Mal überlegte sie, was Nick in seinem Zimmer tun könnte. Er hielt sich oft darin auf. Doch sie hörte nie ein Radio. Las er? Oder dachte er nach? Einige Zeit später wachte sie mit steifem Hals und brennendem Durst wieder auf. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihr, dass es halb zwei in der Nacht war. Seufzend schob sie ihre Decke zurück, zog ihren Morgenrock über und stieg lautlos die Treppe hinab. Im Haus war alles still. Das Mondlicht fiel durch das Küchenfenster. Es war so hell, dass sie mühelos ein Glas holen und es mit Wasser füllen konnte. Gierig trank sie es aus und löschte ihren ersten Durst.
Plötzlich hörte sie draußen leichtes Kratzen. Bevor sie nach dem Grund forschen konnte, öffnete sich die Hintertür. Nick schaltete das Deckenlicht ein und starrte Ellie verblüfft an, die in einem schenkelkurzen hellrosa Morgenrock mitten in der Küche stand. Die zerzausten Locken umrahmten ihr schmales Gesicht. „Meine Güte, Sie haben mich halb zu Tode erschreckt“, sagte sie und legte die Hand auf ihr klopfendes Herz. „Ich dachte, Sie wären im Bett. Weshalb sind Sie noch auf?“ „Ich habe einen Spaziergang gemacht.“ Nick schloss die Tür und ließ den Blick langsam über ihre schlanke Gestalt gleiten. Der Morgenrock verbarg ihre Kurven. Doch er erinnerte sich an ihre knappe Bekleidung am Nachmittag. Der kurze Saum gab ihre hübschen Beine frei. Ellie sah so weich aus, so warm und schläfrig. Und so sexy, dass sie die halbe Bevölkerung von Kalifornien hätte verzaubern können. Nicks Blick kehrte zu ihrem Gesicht zurück. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und ihre Augen wirkten noch blauer als sonst. „Ich habe etwas getrunken“, sagte Ellie, um das Schweigen zu brechen, und deutete auf das Glas im Becken. Zum Glück konnte er ihren hämmernden Puls nicht hören. Sonst wüsste er auf der Stelle, welch ein Chaos er mit seinem Blick in ihrem Inneren anrichtete. Nick war sehr groß. Sie musste den Kopf zurücklegen, als er näher kam. Sein Blick wurde weich, und er lächelte ein wenig. Weshalb sagte er nichts? Er trat einen weiteren Schritt heran und strich behutsam mit dem Finger von ihrer Wange über ihr Kinn zu ihrem Hals und hinab zum Ausschnitt ihres Morgenrocks. Ihre Haut brannte, wo er sie berührte, und Ellie rang mit geöffneten Lippen nach Luft. Wie magisch angezogen, schwankte sie in seine Richtung und vergaß, weshalb er auf der Ranch war und dass er keiner Frau mehr traute. Ihr Körper verlangte nach seiner Berührung. Ihr Mund sehnte sich nach seinem Geschmack und jener Leidenschaft, die schlafendes Begehren wecken würde. Nick fing sie auf und senkte langsam den Kopf. Bevor Ellie sich versah, hatte er die Arme um sie gelegt, zog sie zu sich hinauf und presste seinen heißen Mund auf ihren. Fordernd bewegte er die Lippen, bis sie den Mund öffnete, schob die Zungenspitze tastend hinein, tiefer in die feuchte Wärme. Er schmiegte seinen festen Körper an die sanften Rundungen unter ihrem zarten Morgenrock, drängte seine Hüften an ihre und presste ihre Brüste an seinen muskulösen Oberkörper. Ihre Haut brannte wie Feuer, wo Nick sie berührte, und sie hielt es vor Verlangen kaum noch aus. Ellie vergaß, wo sie war und was sie tat. Sie konnte nur noch fühlen: Nicks Mund auf ihren Lippen, seine Hände auf ihrem Rücken, seinen ganzen kraftvollen männlichen Körper. Sie schob die Finger durch sein dichtes Haar und strich mit den Händen seinen kräftigen Nacken hinab zu seinen breiten Schultern. Nick hielt sie so fest, dass sie kaum Luft bekam. Die Hitze seines Körpers drang durch ihren Morgenrock und ihr Nachthemd und vereinte sich mit ihrer eigenen Wärme. Er presste seine stahlharten Muskeln auf ihre heiße Haut, als wollte er deren Bild für immer darauf einbrennen. Ellie legte die Arme fester um ihn und forschte unablässig mit den Fingern weiter, um noch mehr von Nick zu entdecken. Sie spürte seine leichten Bartstoppeln, sein dichtes Haar, das ein bisschen zu lang war, seinen starken Puls seitlich am Hals, die Form seiner Schultermuskeln und seiner Bizepse. Die Welt drehte sich um sie herum, und tausend bunte Sterne zerbarsten vor
ihrem inneren Auge. Nicks Geruch erfüllte ihre Nase, als sie nach Luft rang. Wenn dieser Augenblick doch niemals enden würde. Nach einer wunderbaren, endlos langen Weile erstarrte Nick plötzlich. Er trat zurück und löste Ellies Arme vorsichtig von seinem Hals. Sie öffnete die Augen und sah ihn aufmerksam an. Seine Miene war völlig ausdruckslos. Sie zitterte ein wenig in der kühlen Nachtluft. „Entschuldigung, Ellie. Das hätte nicht passieren dürfen. Schreiben Sie es der Tatsache zu, dass ich seit Jahren keine Frau mehr gehabt habe. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Der herrliche Augenblick des Glücks und der vergänglichen Träume war vorbei. Nick Tanner war der attraktivste, begehrenswerteste Mann, den sie kannte. Einen kurzen Moment hatte er ihr das Gefühl gegeben, etwas ganz Besonderes zu sein. Mit einer ungeheuren Anstrengung verzog Ellie die Lippen zu einem falschen Lächeln. „Gute Nacht“, murmelte sie, drehte sich um und stieg mit vor Tränen blinden Augen zitternd die Treppe hinauf. Nick lag in seinem Bett und verwünschte sich selber. Ellie war absolut entzückend in ihrer erfrischenden Art, die er in der Stadt nie erlebt hatte. Sie war völlig ungekünstelt und trieb keine dummen Spielchen mit ihm, um etwas vorzugaukeln, das nicht vorhanden war. Mit ihrem zerzausten Haar und ihren schläfrigen Augen war sie schön wie die Morgendämmerung. Er sehnte sich danach, ihr weiches Haar auf seinem Kissen zu sehen, während ihre Augen sich mit Verlangen nur nach ihm füllten. Verdammt, er sollte eine kalte Dusche nehmen oder einen weiteren Spaziergang machen. Nick ballte die Fäuste. Er hatte einer Frau nichts zu bieten. Die nächsten drei Monate war er nicht einmal ein freier Mann. Außerdem hatte er seine Lektion gut gelernt. Das änderte allerdings nichts daran, dass er Ellie begehrte. Er wollte das zarte Spitzennachthemd von ihrem Körper streifen und sie erwartungsvoll nackt auf seinem Bett liegen sehen. Sie sollte ihn ebenso begehren wie er sie, nach ihm greifen und… Schluss jetzt, schalt er sich. Sonst wurde er garantiert verrückt. Er konnte keine weiteren Komplikationen gebrauchen. Sein Kurs war abgesteckt, und er würde sich daran halten. Allein.
8. KAPITEL Am nächsten Tag gab Ellie sich große Mühe, sich so normal wie möglich zu verhalten. Sie war froh über die Anwesenheit der anderen und achtete darauf, dass sie nie mit Nick allein war. Langsam verblasste der Zauber seines Kusses, und sie entspannte sich allmählich. Nichts hatte sich geändert. Nach dem Abendessen fühlte sie sich stark genug, um zur Baustelle zu gehen. Kat flirtete mit Nick, Alice und Jed stritten wie üblich, und Brad arbeitete am härtesten. Wieder staunte sie über Nicks Geduld. Er beachtete Kats Flirten nicht und zeigte dem jungen Mädchen immer wieder, wie es die Schaufel ansetzen musste, um so viel Erde wie möglich in die Schubkarre zu werfen. Die Jungen und er hatten eine nette Kameradschaft entwickelt. Eigentlich sollte sie sich darüber freuen. Weshalb fühlte sie sich derart ausgeschlossen? Einen Tag später wachte Ellie früher auf als sonst und beschloss, nicht auf Alberta zu warten, sondern selber das Frühstück zu bereiten. Sie stellte gerade die Schüssel ins Spülbecken, in der sie den Brötchenteig angerührt hatte, als Nick vom Stall zurückkehrte. Dabei war es noch nicht einmal sechs. „Ellie!“ rief er erstaunt und betrat die Küche. „Ich dachte, Alberta wäre heute früher gekommen.“ „Wie lange sind Sie schon auf?“ fragte Ellie. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, und sie spürte, wie er eine Mauer um sich errichtete. „Schon eine ganze Weile.“ Er zögerte einen Moment und stellte das Eierkörbchen auf die Anrichte. „Ich konnte nicht schlafen. Deshalb dachte ich, ich könnte ebenso gut schon die Eier einsammeln. Wollen Sie mal sehen, was eines Ihrer dummen Hühner angestellt hat?“ „Was ist denn passiert?“ „Kommen Sie mit, und schauen Sie es sich an.“ Nick trat beiseite und hielt ihr die Tür auf. Ellie lief neben ihm her, trocknete ihre Hände mit einem Handtuch und überlegte, ob er ihren Kuss erwähnen würde. Doch er schwieg, bis sie im Stall waren. Dann blieb er stehen und deutete nach oben. Auf einem schmalen Lattenkreuz unter den Deckenbalken lag ein großes braunes Ei. „Wie ist das Huhn denn dort hinaufgekommen?“ fragte Ellie verblüfft. „Und wieso ist das Ei nicht runtergefallen?“ „Keine Ahnung.“ Nick schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, ich hätte es gesehen“, sagte Ellie und stellte sich vor, wie die Henne auf dem schmalen Holzsteg balanciert war. Das musste sie unbedingt Margot erzählen. Es würde eine hübsche Szene für ein Buch ergeben. „Können Sie es herunterholen?“ So groß Nick war, an den Balken reichte er nicht heran. Nick blickte sich um und entdeckte einen Eimer. Er stellte ihn umgekehrt auf den Boden und stieg hinauf. Gerade als er das Ei mit den Fingern erreicht hatte, begann sich der Eimer zur Seite zu neigen. „Vorsicht!“ rief Ellie entsetzt. Aufgeschreckt von ihrem Schrei, verlor Nick das Gleichgewicht und stieß das Ei mit den Fingerspitzen vom Balken. Langsam begann es zu fallen und landete genau über der linken Braue auf seinem Kopf. Ellie lachte laut auf, und er sah sie wütend an. „Alles in Ordnung?“ fragte sie zwischen zwei Lachanfällen. „Warten Sie, ich habe ein Handtuch.“ Sie richtete sich hoch auf und wischte das tropfende Eiweiß von seinem Gesicht. Anschließend sammelte sie die großen Eierschalen von seinem
Kopf und schüttelte sie von den Fingern auf den Boden. „Eishampoo soll sehr gut für das Haar sein“, erklärte sie strahlend und rieb sein Haar mit der klebrigen Masse ein. „Das macht Spaß!“ „Danke. Die nächste Portion ist für Sie.“ Lachend schmierte Nick etwas Eiweiß auf ihren Kopf. „Pfui Teufel!“ Ellie wich zurück und warf ihm das Tuch hin. Er fing es mit einer Hand auf und wischte mit der anderen weiteres Ei von seinem Gesicht. „Ich teile gern mit Ihnen.“ Er hielt seine Hand in die Höhe. Das Eigelb tropfte von seinen Fingern, während er ihr drohend aus dem Stall folgte. „Darauf kann ich verzichten!“ Ellie rannte in Richtung Küche, Nick dicht auf den Fersen. „Nein! Ich will nicht noch mehr von dem Zeug“, kreischte sie. Sie erreichte die Hintertür und wollte sie öffnen. Doch Nick griff um sie herum und hielt Ellie zwischen sich und der Tür gefangen. Sie sah ihn wütend an. „Wagen Sie es ja nicht.“ „Oh doch, das tue ich.“ Langsam strich er mit den Fingern über ihr Gesicht, rieb es mit dem schmierigen Eiweiß ein und lachte über ihren Fluchtversuch. „Sie haben Recht. Es macht wirklich Spaß“, sagte er mit unschuldiger Miene und stemmte die linke Hand fest an die Tür. „Ich warne Sie“, drohte Ellie und wich ihm aus. „Ich weiß zwar noch nicht, wie. Aber das werde ich Ihnen heimzahlen. Igitt, ist das ein widerliches Zeug.“ „Es sind Ihre Hennen und Ihre Eier. Da ist es nur gerecht, wenn wir uns das Ei teilen.“ „Hätten Sie sich nicht so ungeschickt angestellt, wäre es nicht heruntergefallen.“ „Na, das gefällt mir. Es war Ihr Eimer, der umgekippt ist.“ „Weil Sie zu schwer dafür waren.“ „Aha, ich bin also zu fett.“ Nick kam wieder näher. „Nein, Nick. Nicht mehr!“ Lachend versuchte Ellie, ihn abzuwehren. Doch sie konnte ihm nicht entkommen. Er hielt sie zwischen seinen Armen gefangen, drängte sie mit seinem Körper an die Tür und drohte ihr erneut mit der klebrigen Masse. „Ich bin nicht fett, sondern stark“, erklärte er. „Ja, das sind Sie wirklich.“ Ihr Lachen erstarb, und ihr Körper reagierte immer heftiger. Sie hatte nicht gewusst, wie empfindsam ihre Haut auch unter ihrer Kleidung war. Sie war sich jedes Zentimeters des Mannes bewusst, angefangen von seinen warmen, stahlharten Armen bis zu seiner kräftigen Brust und seinen langen Beinen. Alle ihre Nervenenden sehnten sich nach seiner Berührung. Sie war gefangen, wollte aber seltsamerweise gar nicht freigelassen werden. Langsam hob sie den Kopf und lächelte verführerisch. Es geschah ganz von allein. Ihr Herz begann zu rasen, und nicht unbedingt jugendfreie Bilder schossen ihr durch den Kopf. „Ich finde, Sie sind sogar sehr stark, Nick. Sonst könnten Sie nicht stundenlang das Loch für den Teich ausheben.“ Mutig berührte sie seine harten Bizepse. Nicks Lächeln verlosch, und er blickte in ihre schönen großen Augen. Gern hätte er sich in deren unschuldiger blauer Tiefe verloren. Wann hatte Ellie ihre Brille abgesetzt? Glühende Hitze durchströmte ihn. Er erinnerte sich an jede Sekunde ihres Kusses. Es war, als hätte sich jeder Zentimeter ihres Körpers seinem Gedächtnis eingeprägt. Würde er jene Nacht jemals vergessen können? Ellie sagte kein Wort. Das Schweigen zog sich endlos hin. Nick senkte langsam den Kopf. Wenn sie dies nicht wollte, sollte sie es ihm sagen. Ihn zurückstoßen. Doch sie rührte sich nicht. Nur der rasche Puls unten an ihrem Hals ließ ihn hoffen. Entschlossen zog er Ellie fest an sich und presste die Lippen zu einem verzehrenden Kuss auf ihren Mund.
Ellie war keines klaren Gedankens mehr fähig. Es gab nur noch Nick, seinen Körper und seinen Duft. Das klebrige Ei, das auf ihrem Gesicht trocknete, war vergessen. Die Zeit stand still und spielte keine Rolle. Ellie schloss die Augen, sperrte die Welt aus und überließ sich ganz dem Zauber des Augenblicks und der köstlichen Erregung. Nur Nick und sein Mund hielten sie noch auf Erden. Er bewegte seine heißen Lippen erotisch auf ihren und vertiefte seinen Kuss mit seiner forschenden Zunge. Mit beiden Armen hielt er Ellie umschlungen und drückte ihre weichen Rundungen fest an seinen kräftigen Körper. Dabei spreizte er die Beine, damit sie beide sicheren Stand hatten, während die Hitze sie beinahe verzehrte. Und sie schob die Finger durch sein dichtes Haar und genoss die Empfindungen, die sie wellenartig durchströmten. Unendlich viel später lehnte er sich langsam zurück und sah sie verblüfft an. Ellie wagte nicht zu sprechen. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, ohne den wunderbaren Augenblick zu zerstören. Sie strich mit der Zunge über ihre Lippen, die nach Nick schmeckten, holte tief Luft und roch seinen würzigen männlichen Duft. Zögernd betrachtete sie seine Miene und überlegte, wie es weitergehen sollte. Was erwartete Nick von ihr? Viel wichtiger: Was erwartete sie selber? Sie schluckte trocken und lächelte unsicher. Ihr Herz raste, als wäre sie gerannt. Ihr ganzer Körper prickelte von seinen Berührungen. „Sie sind eine wunderschöne Frau, Ellie. Kein Mann kann solch einer Verlockung widerstehen“, sagte Nick und strich einen trockenen Eifleck von ihrer Wange. Dann trat er einen Schritt zurück. Ellie wurde es abwechselnd heiß und kalt. Niemand hatte ihr bisher gesagt, dass sie schön wäre. Das Kompliment rauschte wie Champagner durch ihre Adern und erfüllte sie mit unendlicher Freude. „Wie wäre es mit einem Frühstück?“ fragte Alberta hinter ihnen. Ellie blickte um Nick herum zur Küche. „Ja gern. Wir haben gerade die Eier eingesammelt.“ „Mit dem Gesicht?“ fragte Alberta und sah argwöhnisch von einem zum anderen. „Eines ist heruntergefallen. Die anderen stehen auf der Anrichte“, erklärte Ellie und lächelte vergeblich. „Großartig. Und wie möchten Sie die Eier heute Morgen?“ „Nicht auf meinen Gesicht“, scherzte Nick, und alle lachten befreit auf. Abends fuhr Ellie zu Margot und Philip. Die Freundin hatte auch Nick zum Dinner eingeladen. Doch er hatte nach kurzem Zögern den Kopf geschüttelt. „Wir werden nichts gemeinsam unternehmen“, hatte er erklärt. „Ein Kuss hat nichts zu bedeuten. Bilden Sie sich ja nichts ein.“ Nach dem Abendessen sprachen Margot und sie über das Buch. Margot hatte die endgültige Fassung fertig, und Ellie fehlten nur noch zwei Illustrationen. Dann konnten sie das Werk zu ihrem Literaturagenten schicken. Es war schon spät, als sie wieder in ihre Einfahrt bog. Tarn eilte ihr von der Veranda entgegen und begrüßte sie schwanzwedelnd. Im Haus war alles dunkel. Nur in der Diele brannte noch Licht. „Hallo, alter Knabe. Wie geht es dir?“ Ellie tätschelte den Kopf ihres Hundes. Tarn hieß sie immer willkommen. Er würde sie niemals freiwillig verlassen. Leises Knacken von Holz war auf der Veranda zu hören. Ellie stieg die Stufen hinauf und sah, dass Nick auf der Schaukel saß und langsam vor und zurück schwang. „Hi“, sagte er durch die sternenklare Nacht. „Setzen Sie sich einen Moment.“ „Okay.“ Ellie setzte sich behutsam an das Ende der Schaukel, und Nick stieß
wieder ab. Unzählige Sterne funkelten am samtschwarzen Himmel. Die Luft war kühl, aber ruhig. Durch die Stille hörten sie das leise Glucken der rastenden Hühner und das Stampfen eines Pferdehufs auf der Koppel. „Alles erledigt?“ fragte Nick. „Beinahe. Wir werden uns übermorgen noch einmal treffen. Das Dinner war übrigens köstlich. Margot ist eine ebenso gute Köchin wie Alberta. Philip und sie hoffen, dass Sie ein andermal mitkommen werden.“ „Ich war ein Dummkopf, dass ich es nicht schon heute getan habe“, sagte Nick unerwartet. „Und weshalb haben Sie es nicht getan?“ Ellies Herz klopfte schneller. Sie wünschte, sie könnte Nicks Gesicht sehen. Aber dafür war es zu dunkel. „Blöde Gründe“, antwortete er ohne eine weitere Erklärung. „Die beiden möchten Ihre Freunde sein. Ich möchte Ihre Freundin sein.“ Nick streckte die Hand aus, strich über ihre Wange und ließ die Finger seitlich an ihrem Hals liegen. „Manchmal möchte ich, dass Sie mehr als meine Freundin sind.“ Ellie bekam keinen Ton heraus. Sie konnte kaum noch atmen. Ihr ganzer Körper begann zu prickeln. Sie sehnte sich danach, Nicks Lippen auf ihren Mund zu spüren. Doch sie wagte nicht, sich zu rühren. Nick fasste ihre Arme und zog Ellie behutsam über die Schaukel an seinen festen Schenkel. Er ließ ihr viel Zeit, um sich loszumachen, falls sie es wollte. Ellie versuchte verzweifelt, seine Miene im schwachen Sternenlicht zu lesen. Was dachte, fühlte, wollte er? Empfand er dasselbe Verlangen wie sie? Sehnte er sich danach, mit ihr zusammen zu sein, sie zu berühren und sie zu halten? Ihrer leisen Stimme in der Dunkelheit zu lauschen? Sie selber wollte viel mehr als eine flüchtige Nacht. Stöhnend zog Nick sie auf seinen Schoß und presste die Lippen auf ihren Mund. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, schlang Ellie die Arme um seinen Hals, hob erwartungsvoll den Kopf und seufzte leise. Er muss dasselbe wünschen wie ich, war ihr letzter klarer Gedanke. Diesmal war es kein zarter Kuss. Die Umarmung hatte absolut nichts Zärtliches. Nick presste sie mit seinen stahlharten Armen so fest an sich, dass sich ein Hemdknopf in ihre linke Brust drückte. Sein Mund war heiß und feucht. Fordernd öffnete er mit der Zungenspitze ihre Lippen und erforschte jeden Winkel ihres Mundes. Er zog die empfindsame Innenseite ihrer Unterlippe nach, stieß gegen ihre Zähne und lud ihre Zunge zu einem uralten Liebestanz ein. Ellie verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum. Ekstatisch drängte sie sich an Nick und vertiefte den Kuss. Die Leidenschaft vertrieb alle übrigen Gedanken. Sie fühlte nur noch Nicks Körper und sehnte sich nach seinen Berührungen und der höchsten Erfüllung. Nick streichelte ihren Rücken, drückte sie kurz an sich und glitt mit den Händen nach vorn. Vorsichtig schob er ihren Oberkörper so weit zurück, dass er ihre Brüste liebkosen konnte, die bei seiner Berührung sofort fest wurden. Er schob seine Hand unter ihr weiches Baumwolltop und strich mit einem Finger über die feste Spitze unter ihrem sittsamen Baumwoll-BH. Geschickt öffnete er den Verschluss, hielt die volle Rundung in seiner rauen Hand und reizte sie so lange, bis Ellie vor Verlangen beinahe den Verstand verlor. Sie setzte sich um, damit Nick sie besser liebkosen konnte, und genoss die herrlichen Gefühle, die er mit seinen Fingern in ihr weckte. „Du fühlst dich so gut an. Und du bist so weich und seidig, so süß.“ Nick bog ihren Kopf zurück und zog mit feurigen Küssen hinab zu ihrem pochenden Puls unten am Hals.
Ellie schwebte auf einer Wolke des Glücks und der Sinnlichkeit. Nick erforschte mit seinen heißen Händen jede Kurve ihres Körpers. Er zog mit den Lippen ihr Schlüsselbein entlang, und sie ahnte, wohin der Weg ihn führen würde. Sie fühlte die glatte Haut auf seinen Schultern unter ihren Fingerspitzen und die viel rauere auf seiner Brust. „Es ist so lange her, seit ich eine Frau in den Armen hatte“, flüsterte Nick und strich mit den Lippen über die sanfte Rundung ihrer Brüste. Ellie hatte das Gefühl, eine kalte Dusche zu bekommen, und wehrte sich heftig. Die Schaukel schwang wild hin und her und konnte sie jeden Moment abwerfen. „Was…“, stieß Nick hervor und versuchte verzweifelt, das wilde Schwingen zu stoppen. „Du willst nicht mich.“ Ellie schob ihn zurück und ballte die Hände zu Fäusten. „Du würdest jede Frau nehmen, die dir zufällig über den Weg läuft. Lass mich los.“ Sie stieß erneut gegen seine Brust. Plötzlich gab er sie frei, und sie stürzte zu Boden. „Ellie…“ „Halt den Mund!“ Sie stand wieder auf und zog ihr Top zurecht. Ihr BH war immer noch offen, und ihre Brüste pochten. Wütend wandte sie sich ab und eilte ins Haus. Wie hatte sie sich derart in Nicks Bann ziehen lassen können? Männer waren Egoisten. Hatte das Zusammenleben mit ihrem Vater es ihr nicht genügend bewiesen? Weshalb sollte Nick anders sein? Sie rannte die Treppe hinauf, als wäre der Teufel hinter ihr her, lief in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu – die Tür zu ihren Träumen, ihren Hoffnungen und ihren Sehnsüchten. Wurde das langsam zur Gewohnheit? Sie knirschte mit den Zähnen. Nein, sie würde jetzt nicht weinen. „Verdammt!“ Nick starrte in die Dunkelheit. Er hatte alles verdorben. Ellie glaubte, er hätte irgendeine Frau gebraucht. Und er hatte nichts getan, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Er hätte ihr sagen sollen, dass er die Vergangenheit eine Weile vergessen konnte, wenn sie bei ihm war. Dass er sie gerne ansah und ihr zuhörte, wenn sie sprach. Ihre Augen leuchteten, wenn sie von ihren Bildern erzählte oder von der Ranch. Er liebte es, wenn sie lachte, weil sie glücklich war. Nachdenklich rieb er sein Kinn. Er hätte nie gedacht, dass er eine Frau erneut begehren könnte – außer zur körperlichen Entspannung. Sein Verlangen hatte sich noch längst nicht gelegt. Bevor sein Körper sich nicht beruhigte, konnte er unmöglich vergessen, wie begehrenswert Ellie war, wie weich ihre Haut sich anfühlte und wie seidig ihre Locken waren, wenn sie sich um seine Finger wickelten. Schon bei dem Gedanken daran rauschte das Blut erneut in seinen Adern. Wie hatte er so gefühllos sein können? Andererseits hatte er Ellie genügend Zeit gegeben, um sich loszumachen, falls sie es wollte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass dies alles völlig neu für sie war. Sie gab so verwirrende Signale. Sie war alt genug, um die Spielregeln zu kennen. Trotzdem kam sie ihm manchmal wie ein naives junges Mädchen vor. Er wollte ihre Stimme hören, nachdem er sie geliebt hatte und sie verschwitzt vor Lust befriedigt auf seinem Kissen lag. Auf dem Gipfel der Ekstase sollte sie seinen Namen rufen und ihm sagen, wie sehr ihr die Gefühle gefielen, die er allein in ihr wecken konnte. Verflixt, noch mal, er war immer noch erregt, und es wurde nicht besser.
9. KAPITEL Am Freitag war es kühler, aber immer noch warm. Höhe Wolken zogen über den Himmel, und eine leichte Brise rauschte in den Blättern und durch das Gras. Alle Bewohner der Ranch erschienen früh zum Frühstück, denn jeder wurde zum Zementgießen gebraucht. Auch Philip hatte seine Hilfe angeboten. Nick war sehr froh, einen erfahrenen Mann an seiner Seite zu haben. Ellie wusste immer noch nicht, wie sie sich gegenüber Nick verhalten sollte. „Ich habe gestern Abend nicht irgendeine Frau gewollt“, hatte er mit rauer Stimme am nächsten Morgen erklärt. „Ich habe deinem aufreizenden Körper einfach nicht widerstehen können. Du bist eine schöne, begehrenswerte Frau, Ellie. Du weißt es, und ich weiß es auch. Halt von meinen Küssen, was du willst. Aber komm ja nicht auf den Gedanken, dass ich eine x-beliebige Frau gewollt hätte. Dann könnte ich mir jemand in Jackson suchen. Oder einfach Kats unübersehbare Einladung annehmen, um Entspannung zu finden.“ Nick hatte gesagt, dass sie schön wäre… Diesen Augenblick und die Aufrichtigkeit in seiner Stimme würde sie nie vergessen. „Interessant, n’est-ce pas?“ riss Margot Ellie aus ihren Gedanken. Sie standen am Rand des riesigen Erdlochs, das sie für den Teich ausgehoben hatten. Nick gab seine Anweisungen, und Philip und Gus stellten zwei Teams für unterschiedliche Aufgaben zusammen. „Was?“ „Dein Nick verhält sich wie ein General, der seine Truppe um sich versammelt. Alle deine Schützlinge stehen bereit, um sich in den Kampf zu stürzen.“ „Dabei würde Brad viel lieber reiten, und Kat hat Angst um ihre Fingernägel. Hoffentlich klappt das mit so unterschiedlichen Leuten“, sagte Ellie, ohne auf Margots Bemerkung über Nick einzugehen. „Keine Sorge, dein Nick wird schon alles managen, cherie.“ „Er ist nicht mein Nick!“ wehrte Ellie ab. Nick und Philip begannen mit den Vorbereitungen. Sie schütteten den Zement aus den Säcken in zwei Schubkarren und mischten ihn mit Wasser. Die anderen sahen dabei zu. Ellie stand in Nicks Nähe und staunte, wie mühelos er die breiige Masse rührte. Nick blickte zu ihr hinüber. „Halt den Schlauch, und gib Wasser hinzu, sobald ich es sage“, forderte er sie auf. Ellie nahm den Schlauch und wartete auf sein Kommando. Als er nickte, drückte sie den Griff nieder und sprühte das Wasser in die Mischung. „Das reicht.“ Er rührte langsam weiter und sah sie mit rätselhafter Miene an. „Willst du nicht lieber etwas anderes anziehen?“ fragte er so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. „Weshalb sollte ich?“ „Du trägst schon wieder diese unpassenden Shorts. Philip ist ein verheirateter Mann. Er könnte auf dumme Gedanken kommen.“ „Pst!“ Ellie blickte sich erschrocken um. Zum Glück waren die anderen beschäftigt. Nick rührte unablässig weiter. Die Belustigung war seinen Augen deutlich anzusehen. „Guck mich nicht so an. Dies ist ein lausiger Zeitpunkt. Der Zement wird in den Schubkarren hart, wenn wir nicht rechtzeitig mit dem Guss beginnen. Anschließend müssen wir uns einmal in aller Ruhe unterhalten.“ Ellie sah ihn mit großen Augen an. Ein sanftes Lächeln glitt über ihr Gesicht, und ihr Herz begann zu pochen. „Meinst du?“ „Ja, ganz entschieden.“ Er beugte sich zu ihr und küsste sie hart auf den Mund.
Dann richtete er sich wieder auf und rührte weiter, als wäre nichts geschehen. Ellie hatte das Gefühl zu schweben. Die Welt drehte sich um sie herum, und die Sonne schien plötzlich viel heller. Sie starrte auf Nicks dunklen Kopf und beobachtete das Spiel seiner Muskeln, seine starken Schultern, seine kräftigen Arme und Hände, während er den Zement rührte. Kein Wort kam über seine Lippen. Argwöhnisch blickte sie sich um. Kat sah sie wütend an. Sonst hatte niemand den Kuss gesehen. Es war zu schnell gegangen. Viel zu schnell. „Fertig zum Guss!“ rief Philip. Jeder griff sofort zu, und am späten Nachmittag war alles fertig. Eine dicke Zementschicht bedeckte den Boden und überzog die Helfer und das umliegende Gras mit großen Spritzern. „Es sieht gut aus“, stellte Ellie stolz fest. Die Sonne stand tief am Himmel, und alle waren verschmutzt und müde. Aber der Teich war fertig. Nur der Wasserfall fehlte noch. „Wann können wir das Wasser einlassen?“ „Der Zement muss erst fest werden“, antwortete Philip und säuberte seine Hände mit einem Lappen. „Das dauert ein paar Tage. Geh lieber kein Risiko ein. Schließlich soll der Teich viele Jahre halten.“ „Außerdem müssen wir den Wasserfall und die Felssteine vorher anlegen“, fügte Nick hinzu und spülte den restlichen Zement aus seiner Schubkarre. „Ich kann es kaum erwarten. Meint ihr, es wird den Enten hier gefallen?“ „Wenn nicht, werden wir sie abends als Grillfleisch verspeisen“, erklärte Philip lachend und sammelte die Schaufeln ein. Alice und Margot legten die leeren Zementsäcke zusammen. Kat trat zu Nick und half ihm beim restlichen Säubern der Schubkarren. „Ich bin halb verhungert“, erklärte Jed und legte sich auf den Boden. Brad und Tomas setzten sich erschöpft neben ihn. „Was gib es zum Dinner?“ Alberta, die inzwischen ebenfalls gekommen war, wollte antworten. „Warten Sie einen Moment“, hielt Nick sie auf. „Wir sind noch nicht ganz fertig.“ Alle sahen ihn misstrauisch an. „Erst müssen wir unsere Namen in den Außenrand schreiben, damit man für alle Zeit weiß, wer beim Bau von Ellies Teich geholfen hat. Alice, du fängst an. Anschließend Brad und so in alphabetischer Reihenfolge weiter.“ Er suchte nach einem Stock und reichte ihn dem jungen Mädchen. Dann blickte er zu Ellie und bemerkte ihre erfreute Miene. Es genügte so wenig, um ihr Gesicht wie das eines Kindes unter dem Weihnachtsbaum zum Leuchten zu bringen. „Und anschließend fahren wir gemeinsam zum Pizza-Essen“, verkündete sie. Das Essen verlief in entspannter Atmosphäre. Sie saßen an einem riesigen runden Tisch, und alle aßen mit gesundem Appetit. Nick erzählte ein wenig von seinem Leben in San Francisco. Um nicht zurückzustehen, prahlte Jed mit einigen Heldentaten, und bald versuchte jeder, den anderen mit haarsträubenden Geschichten zu überbieten. Nachdem er den Ball ins Rollen gebracht hatte, lehnte Nick sich zufrieden zurück. Er fing einen Blick von Ellie auf und wünschte plötzlich, sie wären bei einem Dinner zu zweit. Was hatte die Frau an sich, dass er unbedingt mehr über sie erfahren wollte? Was sie glücklich machte und was sie nicht leiden konnte? Ellie hatte einen süßen aufreizenden Körper. Er war daran interessiert, das ließ sich nicht leugnen. Aber mehr durfte es nicht sein. Nach seiner schlimmen Erfahrung mit Sheila wollte er keine neue Beziehung. Wenn die Zeit gekommen war, würde er weiterziehen. Margot und Philip verabschiedeten sich bald, und die anderen verließen kurz
danach das Restaurant. Die jungen Leute waren todmüde. Trotzdem strahlten sie über das ganze Gesicht und waren stolz auf die Arbeit, die sie heute geleistet hatten. Ellie wurde es richtig warm ums Herz. Sie erreichten die Ranch, und die Jungen gingen zu ihrer Unterkunft. Alberta und Gus verabschiedeten sich ebenfalls und liefen Hand in Hand zu ihrem Häuschen. Ellie blickte den beiden mit einem Anflug von Eifersucht nach und folgte den Mädchen langsam zum Haus. Nick war irgendwo in der Dunkelheit verschwunden. Am Montagmorgen erhielt Ellie einen Anruf von Alan Peters, dem Koordinator des Resozialisierungsprogramms. Sie war verpflichtet, ihm einmal im Monat über ihre Schützlinge Bericht zu erstatten. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, und Ellie legte mit schlechtem Gewissen auf. Sie war so mit den Alltagsproblemen und den eigenen Gefühlen beschäftigt gewesen, dass sie beinahe vergessen hatte, weshalb Nick hier war. Was sollte werden, wenn Alan dahinter kam, dass ihr der Mann nicht gleichgültig war? Würde er ihn einer anderen Gruppe zuweisen? Ellie verständigte ihre Schützlinge beim Dinner von ihrem Termin bei dem Koordinator. Nick nahm die Nachricht ungerührt zur Kenntnis und sagte kein Wort. Den anderen war der Besuch ziemlich gleichgültig. Sie hörten nicht zum ersten Mal davon. Alberta hatte Schokoladenpudding zum Nachtisch gemacht. Der war dann doch wesentlich interessanter als Ellies Termin. Unmittelbar nach dem Dinner stand Nick schweigend auf und verschwand in seinem Zimmer. Später lag Ellie bis tief in der Nacht wach im Bett. Sie hätte mit jedem Schützling einzeln sprechen sollen. Dann hätte sie Nick ausführlich erklären können, worum es bei diesem Termin ging. Sie wünschte, er wäre jemand, der besser über seine Probleme reden konnte. Ruhelos warf sie sich hin und her. Sie wollte morgen früh nicht unausgeschlafen in Alan Peters’ Büro erscheinen. Entschlossen schlug sie das Laken zurück und zog ihren Morgenmantel über. Vielleicht half ihr ein Glas Milch, endlich einzuschlafen. Barfuß stieg sie die Treppe hinab und betrat die Küche. Nicks Tür stand einen Spalt offen, und in seinem Zimmer brannte Licht. Konnte er ebenfalls nicht einschlafen? Ellie schenkte sich ein Glas Milch ein. Aus Nicks Zimmer war nichts zu hören. Leise ging sie hinüber und schob die Tür mit einem Finger weiter auf. Nick hatte seine Schuhe ausgezogen und lag voll bekleidet auf dem Bett. Er schlief fest. Ein Stift und ein Stapel Papier lagen auf seiner Brust. Neugierig schlüpfte sie ins Zimmer. Auch neben der Lampe auf seinem Nachttisch lag ein Stapel Papier, sauber beschriebene Blätter. Ohne Nick aus den Augen zu lassen, trat Ellie näher. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Lange dunkle Wimpern lagen auf seinen Wangen. Er sah jünger aus, wenn er schlief. Beinahe verletzlich. Ihr Herz tat einen kleinen Sprung. Gern hätte sie sein Haar zurückgestrichen und beobachtet, wie er wach wurde und sie träge anlächelte. Ich hänge zu viel mit Margot herum, schalt sie sich selber. Neugierig betrachtete sie die Papiere. Was hatte Nick geschrieben? Sie beugte sich näher und versuchte, das obere Blatt zu lesen. Einige Tropfen kalte Milch fielen auf Nicks Hand. Im nächsten Moment war er hellwach und packte ihr Handgelenk. Das halbe Glas Milch floss auf das Bett. „Pass doch auf!“
„Was machst du hier?“ Nick betrachtete den dünnen Morgenmantel, den sie über ihr Nachthemd gezogen hatte. Ihre festen Spitzen zeichneten sich deutlich darunter ab. Ellie schluckte und wollte ihre Hand wegziehen. Doch er ließ sie nicht los. „Ich wollte mir ein Glas Milch holen und bemerkte Licht in deinem Zimmer. Die Tür war nur angelehnt, deshalb blickte ich hinein. Da du fest schliefst, wollte ich die Lampe ausschalten.“ Nick setzte sich auf. Er betrachtete das verstreute Papier auf seinem Bett und die kleine Milchlake. Vorsichtig nahm er Ellie das Glas ab und stellte es auf den Nachttisch. „Ich hole ein Handtuch!“ Rasch wandte sie sich ab und eilte in Richtung Küche. „Ich dachte, dieses Zimmer wäre für dich tabu“, rief Nick barsch hinter ihr her und roch den zarten Frühlings^uft ihrer Haut. Plötzlich erfasste ihn heißes Verlangen, und er verdrängte es sofort. Er durfte keiner Frau trauen. Ellie hatte es ihm gerade wieder bewiesen. Von wegen Achtung der Privatsphäre. „Ich wollte nicht herumschnüffeln, sondern nur das Licht ausschalten“, verteidigte Ellie sich kurz darauf und betupfte die feuchte Stelle auf der Decke. Nick lehnte sich seufzend auf die Kissen zurück und schloss die Augen. Er begehrte Ellie. Sein Körper verlangte nach ihr. Alle seine Sinne waren von ihr erfüllt. Ihre Haut fühlte sich warm und seidig an. Ihr Duft erinnerte ihn an Sonnenschein und Blumen, Frühling und Lachen. Verflixt, er musste vernünftig bleiben. Sonst war es um ihn geschehen. Entschlossen öffnete er die Augen wieder. „Dann weißt du jetzt also Bescheid. Deine Neugier ist befriedigt.“ „Was weiß ich? Dass du bei Licht schläfst?“ „Das hier.“ Er deutete auf den Stapel Papier. „Du schreibst? Ich habe nie eine Schreibmaschine gehört.“ „Ich schreibe mit der Hand und lasse es von jemand anders abtippen. Anschließend gehe ich den Text noch einmal durch und schicke ihn ab.“ Ellie sah ihn verblüfft an. „Du schreibst ein Buch? Weshalb hast du es mir nicht erzählt? Ich hatte mich schon gefragt, weshalb du stundenlang in deinem Zimmer sitzt. Was ist das für ein Buch?“ „Ein Kriminalroman. Und ich habe es dir nicht erzählt, weil es dich absolut nichts angeht.“ Nick begann, die Seiten wieder einzusammeln. „Verarbeitest du deine eigenen Erfahrungen darin?“ fragte Ellie und wurde sich plötzlich ihrer spärlichen Kleidung bewusst. Instinktiv wich sie ein Stück vom Bett zurück. „Bei meinem ersten Roman habe ich es in gewisser Weise getan. Allerdings ging es um Mord.“ „Bei deinem ersten Roman?“ Ihre Neugierde wuchs. Nick warf ihr einen finsteren Blick zu. „Ich war beinahe sechs Monate in Untersuchungshaft und wartete auf meinen Prozess, der zwei weitere Wochen dauerte. Anschließend kam das Gefängnis. Zu Beginn wäre ich beinahe durchgedreht. Steve schlug vor, ich sollte irgendetwas tun, das mich von meiner Haft ablenkte.“ Er stand auf und legte die Seiten auf den Tisch. „Wenn sonst nichts mehr ist, würde ich gern ins Bett gehen.“ Ellie schüttelte den Kopf und ging in Richtung Tür. „Nein, nichts. Aber dein Buch interessiert mich. Hast du schon einen Verlag dafür gefunden?“ Er nickte schweigend. „Und?“ „Und was, Ellie? Es ist spät.“
„Wenn ich ein Buch geschrieben habe, verkündige ich es von allen Dächern. Ist es schon erschienen? Kann man es bereits kaufen?“ Nick lehnte sich mit einer Schulter an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hatte Glück. Ein Verleger kaufte es und überarbeitete es kräftig. Es wird bald herauskommen.“ „Wie hast du es genannt?“ fragte Ellie fasziniert. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass Nick auch Schriftsteller sein könnte. „Traue niemandem – sehr passend, nicht wahr?“ „Weshalb hast du behauptet, dass du mehr über die Rancharbeit lernen möchtest oder mehr Erfahrung auf dem Bau benötigst? Du brauchst das Resozialisierungsprogramm nicht. Wenn ich es recht verstanden habe, besitzt du eine Wohnung, hast einiges Geld angelegt und eine Zukunft als Schriftsteller. Du hast keinen Grund, ein weiteres Verbrechen zu begehen. Du bist nicht gerade ein Hochrisikofall.“ „Erstens bin ich auf diese Weise drei Monate früher aus dem Gefängnis gekommen. Das wäre mir alles wert gewesen. Zweitens werde ich nicht nach San Francisco zurückkehren. Ich habe Matt gebeten, meine Eigentumswohnung zu verkaufen. Bisher bin ich keineswegs abgesichert. Warten wir erst einmal ab, ob sich mein Buch verkauft. Von einem einzigen Buch kann man sowieso nicht leben. Verkauft es sich nicht, muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Dazu habe ich hier Gelegenheit.“ Er sprach nicht weiter. „Wenn du es geheim halten möchtest, werde ich keinem davon erzählen“, sagte sie leise. „Ich soll einer Frau trauen? Lieber nicht.“ Ellie presste die Lippen zusammen. Sie war eine vertrauenswürdige Frau. Wenn Nick es nicht glauben wollte, war es sein Problem. „Also dann gute Nacht“, antwortete sie steif und zitterte ein wenig in der kühlen Nachtluft. „Ich werde das Buch nicht erwähnen, wenn du es nicht möchtest. Aber ich bin sicher, dass die anderen absolut hingerissen wären, wenn sie davon erführen. Es würde ihnen zeigen, dass man völlig unterschiedliche Dinge im Leben erreichen kann.“ Nick streckte die Arme aus und fasste ihre Oberarme. Am liebsten hätte er Ellie an sich gezogen, hielt sich aber zurück. „Ich bin kein Heiliger, und ich kann kein Vorbild für deine Kids sein. Ich sitze im selben Boot wie sie. Ich möchte nicht, dass sie zu mir aufsehen.“ „Du könntest ein tolles Vorbild sein.“ „Ja, vielleicht im Veruntreuen von Geldern.“ „Du hast kein Geld veruntreut, sondern jemandem geholfen, der dir versicherte, dass er sein Verhalten bedauere. Dass der Schuss nach hinten losging, ändert nichts an deiner guten Absicht. Sie war nur – unangebracht.“ „Unangebracht? Erklär das Harold Roberts.“ „Wem?“ „Meinem Boss.“ Sein Griff wurde fester. „Vielleicht solltest du das selber tun.“ „Das würde ich sehr gern. Aber erstens würde er mich nicht einmal in sein Haus lassen. Und zweitens gibt es keine Entschuldigung für mein Verhalten.“ „Vielleicht keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.“ Nick sah sie ausdruckslos an. „Du verstehst das nicht, Ellie. Harold gab mir eine Chance und beförderte mich viel früher, als ich erwartet hatte. Ich erhielt eine Vertrauensposition, die ich missbraucht habe. Manchmal denke ich, das war das Allerschlimmste. Ich habe ihn enttäuscht.“ „Sag es ihm. Vielleicht fühlt er sich besser, wenn er es weiß.“
„Beim Prozess kam alles zutage.“ „Aber bestimmt nicht, wie du dich fühlst. Wie sehr du es bedauerst, sein Vertrauen verloren zu haben. Du hast einen Fehler begangen, Nick. Das ist schade, aber keine Katastrophe. Vergib dir selber, dass du menschlich reagiert und versucht hast, das Richtige für eine Frau zu tun, die du liebtest. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Blick nach vorn!“ „Ich komme schon zurecht.“ Nick weigerte sich, sie anzusehen. „Du brauchst mich nicht zu belehren. Ich bin keines deiner Kids.“ Nein, das war er nicht. Ellie war sich des Unterschieds durchaus bewusst. „Ich würde gern mehr über dein neues Buch erfahren. Darf ich es lesen?“ „Mach dir doch nichts vor.“ „Ist das ein Ja oder ein Nein?“ fragte sie und lächelte schüchtern. So faszinierend diese Unterhaltung war, sie konnte die Empfindungen nicht leugnen, die sie durchströmten, während Nick ihre Hand hielt. Sie spürte die Hitze seines Körpers in der kühlen Nachtluft. Sein Haar war vom Schlaf zerzaust, und feine Bartstoppeln zeigten sich an seinem Kinn. Plötzlich veränderte sich sein Blick, und Nick betrachtete verlangend ihren Mund. Er griff zur Nachttischlampe, und im nächsten Moment waren sie in Dunkelheit gehüllt. „Bleib bei mir, Ellie. Dann lasse ich dich mein Manuskript lesen“, sagte Nick leise. Sie lachte nervös. „Soll das eine Bestechung sein?“ „Weshalb nicht? Du spürst doch auch, dass etwas zwischen uns ist.“ „Du bist als Gast auf meiner Ranch. Ich kann unmöglich…“ „Bleib“, unterbrach er sie. „Ich lasse dich mein Manuskript auf jeden Fall lesen, wenn du es möchtest. Aber bleib.“ „Ich kann nicht“, flüsterte sie. Ihre Brüste prickelten, und sie sehnte sich nach Nicks Liebkosungen, Instinktiv lehnte sie sich an ihn und genoss es, wie sein fester Oberkörper sich an ihren weichen Rundungen presste. Sein warmer Atem wehte über ihre Wange, während er langsam ausatmete. „Bleib“, wiederholte er und senkte den Kopf. Federleicht strich er mit den Lippen über ihren Mund und verstärkte den Druck. Er stieß mit der Zunge an ihren Mundwinkel, und sie öffnete einladend die Lippen. Sie reckte sich ihm entgegen und empfand wieder dieselbe Sinnenlust wie vor ein paar Tagen. Nick küsste Ellies Kinn, die empfindsame Haut darunter und glitt auf einer heißen Spur hinab zu ihrem rasenden Puls unten an ihrem Hals. Plötzlich ließ er ihren rechten Oberarm los, umschloss eine ihrer Brüste und liebkoste sie behutsam. Ellie hatte das Gefühl, jeden Moment vor Erregung zu zerspringen, und wollte unbedingt mehr – viel mehr, als er ihr gab. Nick strich mit den Lippen die weiche Rundung hinab, nahm die pochende Spitze durch den zarten Stoff in den Mund und sog daran, bis Ellie es kaum noch aushielt. Ekstatisch schob sie die Finger in sein dichtes Haar und hielt seinen Kopf fest, damit er nie wieder aufhörte. Unzählige Empfindungen durchströmten sie, und glühende Hitze breitete sich in ihrem Körper aus. Es war ein völlig neues, erregendes Gefühl. Wie hatte sie so lange ohne die Liebkosungen dieses Mannes leben können? Ohne die Leidenschaft, die er in ihr weckte? Verflogen waren ihre Hemmungen. Auch ihre lebenslange Zurückhaltung. Bereitwillig überließ sie sich den Wellen der Ekstase, die sich immer wieder aufbauten, und gab sich Nicks Liebkosungen restlos hin. Nick strich mit der Hand von ihrer Hüfte zu ihrer schmalen Taille und spreizte die Finger auf ihrem flachen Bauch. Seine Hand war ebenso heiß wie die Hitze, die sich in ihr sammelte. Ellie bekam kaum noch Luft angesichts der Flammen, die immer höher loderten. Jeder Zentimeter ihrer Haut prickelte vor Lust und sehnte
sich nach seiner Berührung. Ohne die Lippen von ihren Brüsten zu lösen, legte Nick die Hand auf ihren Po und zog Ellie enger an sich. Sie klammerte sich mit einer Hand an ihn und strich mit der anderen über seine starke Schulter und seinen kräftigen Bizeps. Sie wollte seine glatte Haut unter ihren Fingern spüren und nicht den Stoff seines Hemdes. Wollte seine Geheimnisse erfahren und das wachsende Verlangen befriedigen, das sie zu überwältigen drohte. Nick schob die Hand unter ihr Nachthemd, und sie hielt instinktiv die Luft an. Er hob den Kopf, und sein Atem ging ebenso rau wie ihrer. Hätte er bloß das Licht angelassen. Sie wollte Nick sehen. Sehen, wie seine Brustmuskeln sich unter ihren Fingerspitzen zusammenzogen. Wie seine Augen vor Verlangen silbern wurden und was in ihm vorging, wenn er sie küsste. „Du bist so weich, so unglaublich weich“, flüsterte er und strich mit den Fingern über die sanften Rundungen ihrer Hüften. „Und du fühlst dich an wie glühender Stahl“, antwortete sie an seinem Hals und küsste zögernd die Stelle. Nick glitt unter ihrem Nachthemd höher, umschloss eine ihrer Brüste und reizte mit dem Daumen die feste Spitze. Leidenschaftlich nahm er ihren Mund erneut in Besitz und küsste sie immer wieder. Ellie tastete nach seinen Hemdknöpfen und zerrte sie aus ihren Löchern. Sie schob die Hand unter sein Hemd, streichelte mit den Fingerspitzen seine festen Brustwarzen und stellte erfreut fest, dass seine Reaktion ihrer in nichts nachstand. „Ich bin auch nur ein Mensch, Ellie. Du machst mich völlig verrückt“, murmelte er an ihrem Hals und zuckte erneut zusammen. „Du hast viel zu viel an“, flüsterte sie und streifte das Hemd von seinen Schultern. Im nächsten Moment hatte Nick auch seine Jeans ausgezogen. Wieder wünschte Ellie, er hätte das Licht nicht ausgeschaltet. Ihr entging so viel. „Jetzt bist du es, die zu viel anhat“, sagte er leise, und ihr Morgenmantel glitt zu Boden. Entschlossen fasste er den Saum ihres Nachthemds, zog den Stoff über ihren Kopf und warf ihn beiseite. Leidenschaftlich riss er Ellie in seine Arme und schmiegte ihren fiebrigen Körper an sich. Ellie hätte beinahe lustvoll aufgeschrien. Nie zuvor war sie einem Mann so nahe gewesen. Es war einfach fabelhaft. Ein Wunder. Nick legte sie auf das Bett, und sie berührten und küssten sich ekstatisch. Nach und nach erfuhr jeder, was dem anderen die größte Lust bereitete. Ellie keuchte leise, als Nick ihre Beine spreizte. „Warte“, stieß sie hervor und wurde sich plötzlich bewusst, was sie beide taten. Einen kurzen Moment schwand ihr Verlangen, und sie bekam Angst. Sie dürfte jetzt nicht hier sein und diesen Mann küssen und liebkosen. „Worauf?“ Nick stützte sich auf die Arme und sah sie an. Im Licht, das in der Küche brannte, konnte sie seine Silhouette erkennen. „Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?“ fragte sie leise. „Absolut nicht. Bereust du es schon? Hast du es dir anders überlegt?“ Ellie holte tief Luft. Sie konnte sich keinen Fehler leisten. Aber dies war kein Fehler. Sie war gern mit Nick zusammen. Sie sehnte sich nach seinen Liebkosungen und wollte unbedingt mehr. „Nein, ich habe es mir nicht anders überlegt“, erklärte sie entschlossen. Morgen war ein anderer Tag. Heute wollte sie nur an sich selber denken. Nick beugte sich langsam über sie und überschüttete sie so lange mit heißen Küssen, bis ihr vor Lust schwindelte und sie keines klaren Gedankens mehr fähig
war. Dann legte er sich auf sie und drang zügig in sie ein. Ellie zuckte heftig zusammen bei dem unerwarteten Schmerz. Nick hielt erschrocken inne. Er brach seinen Kuss ab und stemmte sich auf einen Ellbogen. „Meine Güte, Ellie. Weshalb hast du es mir nicht gesagt?“ fragte er und fasste mit einer Hand ihr Kinn. Sie räusperte sich verlegen. Der Schmerz war schon vorüber, und eine wunderbare, köstliche Mattigkeit erfasste sie. Es gefiel ihr, derart mit Nick verbunden zu sein. „Ich bin gar nicht dazu gekommen. Es ging alles ziemlich schnell, findest du nicht?“ fragte sie und zeichnete ein Muster auf seinen Rücken. „Sind wir schon fertig?“ Nick schüttelte den Kopf und bewegte sich vorsichtig in ihr. Er streichelte sie, drückte die Lippen erneut auf ihren Mund und küsste sie verzehrend. Sekunden später hatte Ellie die Unterbrechung vergessen. Sie wurde immer erregter und stieg mit jedem Stoß höher auf den Gipfel der Ekstase. Das schwindelnde Gefühl kehrte zurück, stärker denn je. Sie krallte sich an Nicks Schultern, erwiderte jeden Kuss, stieß rhythmisch gegen seine Hüften und genoss seine Berührungen, seinen Körper und seine Liebkosungen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sie müsste zerspringen. Eine Welle der Lust riss sie mit sich fort, und tausend Sterne zerbarsten vor ihrem inneren Auge. Sie hatte sich schon früher gefragt, ob sie sich in Nick zu verlieben begann. Nach dieser Verzauberung war sie sich völlig sicher. Sie liebte diesen Mann und würde ihn immer lieben. Sie spürte, wie er tief in ihr pulsierte, und fühlte sich wie im siebten Himmel. Wenn das Leben nur diesen einen Augenblick der Ekstase für sie bereithielt, sollte es ihr recht sein. Im Moment genügte es ihr. Ellie erwachte kurz nach Anbruch der Dämmerung. Eine Sekunde lang wusste sie nicht, wo sie war. Dann kehrten die Erinnerungen zurück. Sie lag eng an Nick geschmiegt. Sie war die ganze Nacht bei ihm geblieben, und sie hatten miteinander geschlafen. Eine Weile sperrte die Verwunderung darüber alle anderen Gedanken aus. Sie musste sich unbedingt jede Einzelheit genau einprägen. Ihr Arm lag quer über Nicks Brust, und sie hatte ein Bein zwischen seine warmen Schenkel geschoben. Sie hörte den Schlag seines Herzens unter ihrem Ohr und atmete den Duft seiner Haut tief ein. Es war etwas ganz Besonderes gewesen. Absolut perfekt. Es hatte sich gelohnt, ein Leben lang auf Nick zu warten. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, schlüpfte sie aus dem Bett und hob ihr Nachthemd und ihren Morgenmantel auf. Nach einem letzten Blick auf den Mann eilte sie aus dem Raum. Sie bedauerte nichts, und sie hatte kein schlechtes Gewissen. Aber die anderen durften auf keinen Fall erfahren, wo sie die Nacht verbracht hatte.
10. KAPITEL Am Donnerstag fuhren Ellie und Nick mit dem Wagen nach San Francisco. Matt hatte angerufen. Es ging um den Verkauf von Nicks Eigentumswohnung. Sie schwiegen beinahe während der ganzen Fahrt. Ellie hatte lange überlegt, ob sie mitkommen sollte. Bisher hatte Nick ihre gemeinsame Nacht mit keinem Wort erwähnt. Am Dienstag hatte er ihr ein Exemplar seines Manuskripts gegeben. Sie hatte es am Mittwoch gelesen, anstatt zu Margot zu fahren, und es gefiel ihr sehr. Der Krimi war spannend, richtig mitreißend, aber auch zynisch. Doch das machte nichts. Es gab dem Buch ein gewisses Etwas, das es bis an die Spitze der Bestsellerlisten katapultieren würde. Ahnte Nick, wie überzeugend seine Gestalten waren? Der Glaube an sich selber bewahrte sie davor, sich aufzugeben, und führte sie auf den rechten Weg zurück. „Dein Manuskript gefällt mir sehr“, begann Ellie. Sie hätte es ihm schon gestern Abend sagen sollen oder spätestens heute Morgen. Aber sie waren nie allein gewesen. Nick warf ihr einen Seitenblick zu. „Danke.“ „Ich würde auch gern dein erstes Buch lesen. Ich wette, dein Lektor wird bei diesem sofort zugreifen.“ „Das wird sich zeigen.“ Sein kühler Ton beendete die Unterhaltung. Sie erreichten Matts Kanzlei, und Nick erledigte die Formalitäten. Anschließend fuhren sie zu Steve und Sally. Nicks Freunde begrüßten Ellie wie eine alte Bekannte, und die beiden Frauen ließen die Männer eine Weile allein. Anschließend war Nick seltsam gereizt. „Denk an unser Gespräch“, sagte Steve zum Abschied, als sie wieder im Wagen saßen, und streckte den Kopf zum Fenster hinein. „Mach keinen weiteren Fehler.“ „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten“, knurrte Nick und fuhr los. Zweimal versuchte Ellie, eine Unterhaltung mit ihm zu beginnen. Dann gab sie es auf. Sobald sie die Ranch erreicht hatten, stieg er aus und eilte die Einfahrt hinab zu einem seiner üblichen Spaziergänge. Ellie sah zu, wie er sich mit langen Schritten entfernte. Bereute er den überstürzten Verkauf seiner Wohnung schon? Hatte die Stadt ihn wieder an Sheila erinnert? Liebte er die Frau immer noch? Fehlte sie ihm? Sie betrat das Haus und merkte, dass sie eifersüchtig war. Nick hatte Sheila so sehr geliebt, dass er sogar ein Verbrechen für sie gedeckt hatte. So wunderbar ihre gemeinsame Nacht gewesen sein: Von Liebe war zwischen Nick und ihr nie die Rede gewesen. Ellie bereitete sich eine Tasse Tee und setzte sich auf die Schaukel. Sie war nach der langen Fahrt zu wach, um sofort ins Bett zu gehen, obwohl es weit nach Mitternacht war. Natürlich wartete sie nicht auf Nick, redete sie sich ein. Nick kehrte erst viel später zurück. Er entdeckte Ellie auf der Veranda, lehnte sich an das Geländer und verschränkte die Arme vor der Brust. „Möchtest du etwas trinken?“ fragte sie freundlich. „Nein“, grollte er. Offensichtlich hatte seine Laune sich nicht gebessert. Ellie suchte nach einem Gesprächsthema und erinnerte sich an ihren Termin bei dem Koordinator des Resozialisierungsprogramms. „Ich habe Alan Peters’ letzten Dienstag nichts von deinem Manuskript erzählt. Ich glaube, das war falsch.“ „Weshalb?“ Nicks Stimme klang kalt. „Er braucht einen Erfolgsbericht über jeden Gast auf dieser Ranch. Das ist für den Fortbestand des Programms wichtig.“
„Gehört dieser ganzer Zauber hier auch zum Programm?“ fragte er barsch. „Ein spätes Mädchen, das derart versessen darauf ist, es allen recht zu machen, dass es sich von einem Exsträfling betatschen lässt, wann immer er es möchte? Dass es sich nach seinen Launen und Stimmungen richtet und sogar mit ihm schläft? Was gibt dir das, Ellie? Das befriedigende Gefühl, etwas Gutes zu tun und denen zu helfen, die weniger glücklich sind als du?“ Ellie war entsetzt über seine Worte und den Zorn, den er an ihr ausließ. „Was hast du davon, Ellie?“ fuhr er ungerührt fort. „Zuerst dachte ich, es ginge dir um Geld. Aber ich habe deine Konten gesehen. Was der Staat dir zahlt, langt nicht einmal für die Mahlzeiten, und es macht dich erst recht nicht reich. Betrachtest du diese Kids als Ersatz für eigene Kinder? Oder steckt noch mehr dahinter? Bin ich dein neuestes Schoßhündchen?“ Jedes Wort von Nick traf Ellie wie ein Pfeil. Weshalb sagte er solche hässlichen Dinge? „Nein“, antwortete sie mit vor Schmerz bebender Stimme. „Nick, das ist abscheulich. Was soll das?“ Er antwortete nicht. Doch sie spürte die Spannung, die von ihm ausging. „Ich möchte nur helfen. Und unsere gemeinsame Nacht neulich war etwas ganz Besonderes.“ Wenigstens für mich, fügte sie stumm hinzu und beobachtete ihn aufmerksam. Sie liebte diesen Mann. Aber das konnte sie ihm unmöglich gestehen. Sie durfte es nicht einmal laut aussprechen. „Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe. Ich brauche das Resozialisierungsprogramm nicht. Ich wollte nur so früh wie möglich aus dem Gefängnis hinaus. Und ich brauche erst recht nicht Steve und Sally, damit sie dich und mich verkuppeln. Mir versichern, wie vertrauenswürdig du bist. Ich weiß alles über die Frauen. Ich habe es auf die harte Tour von Sheila gelernt. Noch einmal falle ich nicht darauf herein.“ „Nick…“ Verkuppeln? Was hatten Steve und Sally vor? Irgendwas stimmte hier nicht. „Sorg dafür, dass sie nicht wieder aus deinem Leben verschwindet, haben sie heute Abend gesagt. Verdammt, ich möchte mit dir schlafen. Aber ich will dich garantiert nicht heiraten! Weder dich noch jemanden anders. Ich werde keiner Frau wieder trauen“, schnarrte er. Ellie stand benommen auf. Sie war tief verletzt und völlig verwirrt. Tränen trat ihr in die Augen und konnten jeden Moment überfließen. Ihr Hals schnürte sich zusammen. „Gute Nacht“, stieß sie hervor und ging mit steifen Schritten ins Haus. Nick blickte ihr nach und stieß einen stummen Fluch aus. Ellie hatte ihm nichts getan. Er hätte seinen Zorn an Steve und Sally auslassen sollen. Die beiden hatten ihn missverstanden und glaubten, dass er an Ellie interessiert wäre. Er begehrte die Frau. Aber es konnte keine gemeinsame Zukunft für sie geben. Er musste sich von ihr fern halten. Von ihren großen Augen und ihrer seidenweichen Haut. Ihrem ansteckenden Lachen und ihrem Mitgefühl. Verdammt, er war betrunken. Er hätte diese hässlichen Dinge nicht zu Ellie sagen dürfen. Morgen würde es sich bei ihr entschuldigen. Darum kam er nicht herum. Ellie verbrachte den nächsten Tag allein. Erst am späten Nachmittag ritt sie in den Stall zurück. Sie hatte gemalt, einen langen Spaziergang mit ihrem Hund am Bach entlang gemacht und eine Menge nachgedacht. Das Land und die sanften Hügel hatten sie getröstet, und die frische Luft hatte sie beruhigt. Sie war glücklich gewesen, bevor Nick in ihr Leben trat, und sie würde ihren Schmerz überwinden.
Sie fürchtete sich vor der Heimkehr. Aber dies war ihr Zuhause. Niemand konnte sie von hier vertreiben. Am liebsten hätte sie Alan Peters angerufen und um Nicks Versetzung gebeten. Doch sie war noch nie vor einer schwierigen Aufgabe davongelaufen. In acht Wochen würde Nick wieder gehen. Ein Mensch konnte alles ertragen, wenn das Ende abzusehen war. Jed und Brad waren im Stall. Sie scherzten herum und warfen frisches Stroh in die Boxen. Ellie begrüßte die Jungen und sattelte ihr Pferd ab. Von Nick war nichts zu sehen. Sie durfte auf keinen Fall erneut mit ihm allein sein. Wenn sie diesen Vorsatz durchhielt, würde sie es schaffen. „Soll ich Ihnen mit den Malsachen helfen?“ fragte Jed. „Und ich kümmere mich um Ihr Pferd, Ellie“, sagte Brad und griff nach den Zügeln. „Danke, ihr beiden.“ Ellie lächelte den Jungen zu. Sie überließ Jed die Staffelei und den Malkasten, nahm ihre Leinwand und schloss sich ihm an. Gerade hatten sie die große Doppeltür durchquert, da trat Nick zu ihnen. „Ich muss mit dir reden, Ellie.“ „Und ich muss mich zum Abendessen frisch machen“, erklärte sie und lief neben Jed weiter. Ihr war klar, dass sie den Jungen als Schutzschild benutzte. Aber sie brauchte ihn jetzt. Nick fasste verärgert Ellies Arm. „Bring die Sachen schon ins Haus, Jed. Es dauert nur eine Minute.“ Der Junge nickte und ging fort. Ellie schüttelte Nicks Hand wütend ab. „Ich möchte mich für gestern Abend entschuldigen“, sagte er. „Ich war betrunken und habe meinen Zorn an dir ausgelassen. Du warst immer nett zu mir, und ich habe es dir gedankt, indem ich mich wie ein Schuft benahm. Es tut mir wirklich Leid.“ „Entschuldigung angenommen“, erklärte Ellie kühl und eilte in Richtung Haus. Nick hatte ihr die ganze hässliche Szene wieder in Erinnerung gerufen, und sie hielt es kaum noch aus. Verzweifelt presste sie die Faust auf ihr schmerzendes Herz. Seine Entschuldigung konnte sie annehmen. Aber es würde lange dauern, bevor sie seine Worte wieder vergaß. Ellie ging Nick die nächste Woche so weit wie möglich aus dem Weg. Sie verbrachte die meiste Zeit in ihrem Atelier, kam erst zum Essen herunter, wenn die anderen schon da waren, und schaute nach dem Dinner mit ihren jüngeren Gästen fern oder spielte ein Brettspiel mit ihnen. Nick zog sich meistens in sein Zimmer zurück oder bat Gus um Aufgaben, die ihn weit vom Haupthaus wegführten. Eines Morgens war Ellie allein im Haus. Alberta war mit Alice zum Einkaufen gefahren. Kat war bei der Arbeit, und Tomas und Brad säuberten das Wasserloch im Süden und wollten dort nach dem Vieh sehen. Gus und seine Männer prüften inzwischen den Zaun im Norden. Alle hatten ihren Lunch dabei. Mittags stieg Ellie die Treppe hinab, um sich ein Sandwich zu machen. Zu ihrem Schreck war Nick in der Küche. „Was machst du denn hier?“ fragte sie, ohne zu überlegen. „Ich wohne hier. Zumindest vorübergehend“, antwortete er. Er lehnte mit einer Hüfte an der Anrichte und sah sie trotzig an. „Ich dachte, du wärst außer Haus.“ Ellie blieb zögernd auf der Schwelle stehen. Sie wollte auf keinen Fall mit dem Mann allein sein. Andererseits konnte sie unmöglich kehrtmachen und flüchten. Diese Befriedigung würde sie ihm nicht geben.
„Mein Pferd hat ein Hufeisen verloren. Rusty sagte, ich müsste es zurückbringen. Er wird es heute Abend neu beschlagen. Ist Alberta nicht da?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie ist einkaufen.“ „Dann essen wir allein?“ Ellie betrat langsam die Küche. „Alberta sagte, ihr hättet ein Lunchpaket mitgenommen.“ „Gus hat die Sachen. Ich bin schon früher zurückgeritten.“ „Also gut, dann bereite ich dir ein Sandwich. Ich wollte mir auch gerade eines machen.“ Nick rührte sich nicht von der Stelle, während Ellie das Fleisch und den Käse aus dem Kühlschrank nahm. Sie hatte seine Entschuldigung akzeptiert. Doch sie hatte ihm weder vergeben noch seine Worte vergessen. Das merkte er genau. Was sollte er tun? Er würde es verkraften, wenn sie nie wieder nachts zu ihm kam. Aber sie sollte wieder lächeln. Er wollte ihre Augen leuchten sehen, ihr Lachen hören und sich über ihren weichen südstaatlichen Tonfall freuen, wenn sie sprach. Sein Körper wurde fest bei der Erinnerung, wie Ellie in jener Nacht in sein Zimmer gekommen war. Wie sexy und wie unschuldig. Er schloss einen Moment die Augen. Er hatte ihr die Unschuld genommen und sie anschließend mit grausamen Worten zurückgewiesen. Wie sollte er das bloß wieder gutmachen und die warmherzige, großzügige Frau in sein Leben zurückholen? Ellie stellte zwei Teller auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Sie hatte keinen Appetit mehr. Aber das durfte Nick auf keinen Fall merken. Schweigend aß sie ihr Sandwich und stand sofort wieder auf. „Ellie…“ „Ich muss gehen.“ Ellie floh nach draußen, überquerte den leeren Hof und dachte an die hässlichen Worte, die er ihr nach dem Essen in der Stadt an den Kopf geworfen hatte. Er hatte getrunken und war immer noch stark verärgert gewesen. Es musste mit seinen Freunden zu tun haben, deren Leben die letzten drei Jahre ohne ihn weitergegangen war, weil er Sheila hatte schützen wollen. Er war ihr nichts schuldig, weder Liebe noch Loyalität oder auch nur Freundlichkeit. Diese Nacht mit ihm war etwas ganz Besonderes für sie gewesen. Sie hatte gewollt, dass Nick sie liebkoste und mit ihr schlief. Sie hätte es verhindern können, wie sie jede künftige Beziehung verhindern würde. Langsam wurde sie ruhiger. Das Leben war niemals perfekt. Sie hatte die Erinnerung an eine perfekte Nacht. Das musste ihr genügen. Ellie erreichte die Baustelle und betrachtete ihren Teich. Er war beinahe fertig. Nick hatte die Wasserrohre und die Elektroleitungen verlegt und gemeinsam mit den Jungen die Felssteine aufgeschichtet. Nicht mehr lange, und sie konnten das Wasser einlassen. „Ellie?“ Nick trat an das Geländer der Veranda. „Ja?“ „Was kommt als Nächstes?“ Sie drehte sich zu ihm. Meinte Nick das nächste Projekt oder was als Nächstes mit ihnen beiden geschehen würde? „Was meinst du?“ Ihre Stimme klang heiser. „Wenn der Teich fertig ist. Soll ich anschließend das Haus streichen? Ich finde, es hätte einen Anstrich nötig.“ „Ja, das wäre gut.“ Von wegen, sie beide… Ellie kam sich wie eine Närrin vor. Verlegen wandte sie sich ab und eilte hinter das Haus. Allmählich ging das Leben auf der Ranch wieder seinen gewohnten Gang. Nachdem der letzte Stein für den Wasserfall an seinem Platz war, begann Nick
mit dem Hausanstrich. Es würde noch mehrere Tage dauern, bis sie das Wasser einlassen konnten. Erst musste der Mörtel völlig getrocknet sein. Ellie suchte einen Optiker auf und begann, Kontaktlinsen statt der Brille zu tragen. Margot und sie besprachen die nächste Geschichte, und sie malte ein weiteres Aquarell von ihrem Lieblingsmotiv. Sie versuchte, Nick nicht zu beachten. Doch es fiel ihr immer schwerer. Seine Schultern wurden zunehmend muskulöser. Jedes Mal, wenn er wegen der Hitze sein Hemd auszog, starrte sie ihn lange an, bevor sie merkte, was sie tat. Sie erinnerte sich an ihre gemeinsame Nacht, und ihr Körper begann zu prickeln. Sie sehnte sich danach, seine heiße Haut zu berühren, und nach einem weiteren tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Am Sonnabend war es endlich so weit. Ellie war praktisch allein. Die Cowboys hatten ihren freien Tag. Gus und Alberta besuchten Freunde. Kat und Alice waren bei der Arbeit in der Stadt, und Jed und Brad waren zu einem langen Ausritt aufgebrochen. Sie saß auf der Veranda und schloss die Augen. Plötzlich hörte sie Schritte und sah auf. Nick kam hinter dem Haus hervor und ging in Richtung Teich. Er hockte sich vor die aufgeschichteten Felsbrocken und strich mit den Händen über die Steine. Dann richtete er sich wieder auf und blickte zu ihr hinüber. „Ich glaube, wir können das Wasser jetzt einlassen“, rief er. „Wirklich?“ Ellies Herz setzte einen Schlag aus. „Dann nichts wie ran!“ Sie verbanden sämtliche Schläuche miteinander, die sie besaßen, und zogen das Ende mit der Düse zum Teich. Eine Pumpe würde das Wasser später wieder aufbereiten. Auf ihr Zeichen drehte Nick den Hahn auf, und Sekunden später begann das Wasser ins Becken zu rauschen. Nick hockte sich auf die andere Seite des Teiches und beobachtete, wie Ellie das Wasser einließ. Der feine Dunst fing das Sonnenlicht ein und funkelte in allen Farben des Regenbogens. Ellie war so glücklich. Sie hatte die letzten Tage selten gelächelt. Das Becken füllte sich nur langsam, und Ellie wurde die lange Zeit leid. Sie warf den Schlauch hin und spritzte Nick dabei nass. „He!“ Er stand auf und strich das Wasser von seinen Jeans und seinem Hemd. „Es ist eiskalt!“ „Armer Junge. Es ist doch nur Wasser“, zog sie ihn auf. „Nur Wasser?“ Nick griff in den Teich und spritzte eine Handvoll Wasser in ihre Richtung. Ihre Shorts und ihre nackten gebräunten Beine wurden nass. „Du gemeiner Kerl!“ „Es ist doch nur Wasser.“ Ellie stieg verärgert in den Teich und schleuderte eine Wasserladung in seine Richtung. Doch Nick sprang blitzschnell zurück und lächelte überheblich. Sie nahm den Fehdehandschuh auf, tauchte diesmal beide Hände ins Wasser und durchnässte ihn vom Kopf bis zu den Füßen. Damit war der Kampf eröffnet. Sie spritzen und besprühten sich gegenseitig, bis sie beide völlig durchnässt waren und so lachten, dass sie sich kaum noch auf dem schlüpfrigen Rand des Teiches halten konnten. Mit einer letzten Anstrengung, um doch noch zu gewinnen, hob Ellie den Schlauch wieder auf und hielt ihn direkt auf Nick. „He, das ist nicht fair!“ Er sprang vom Teich zurück, umschlang Ellie von hinten und entwand den Schlauch ihren Händen. Sein leises Lachen drang durch die Nachmittagsluft, während er die Spitze gnadenlos auf ihren Körper richtete. Ellie kreischte laut auf und versuchte vergeblich, die Spitze beiseite zu schieben und dem eiskalten Wasserstrahl zu entgehen. Nick hielt ihren Oberarm unerbittlich mit der freien Hand fest. „Hör auf, du gemeiner Kerl! Das Wasser ist
eisig!“ Lachend gab er nach und warf den Schlauch in den Teich. „Ich habe gewonnen“, erklärte er selbstgefällig. „Ich bin klatschnass.“ Ellie blickte an sich hinab. Ihre Kleidung klebte wie eine zweite Haut an ihrem Körper, und ihre rosigen Spitzen waren von der Kälte fest geworden. Sie drängten sich an ihre feuchte Bluse und zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Nick sah sie hingerissen an. Sein Lächeln erstarb, und sein Körper reagierte heftig. Trotz seiner wütenden Worte und ihrer Kälte während der letzten Tage begehrte er Ellie auf die urälteste Weise der Welt. Ahnte sie, was sie ihm antat, wenn sie einfach dastand und wie der Traum eines jeden Mannes aussah? Stöhnend zog er sie in seine Arme.
11. KAPITEL Im nächsten Moment war Ellie kein bisschen mehr kalt. Nick wärmte sie mit seinem Körper. Er hielt sie fest umschlungen und presste seine Lippen auf ihren Mund. Ellie bekam kaum noch Luft. Glühende Hitze durchrieselte ihre Adern und erfasste alle ihre Glieder. Sie begehrte Nick ebenso stark wie er sie. Ihr Körper sehnte sich nach seinen Liebkosungen, nach der höchsten Erfüllung – nach Liebe. Zeit und Raum traten zurück. Sie lag sicher in Nicks Armen, und er küsste sie verzehrend, bis sie keines klaren Gedankens mehr fähig war. Mit seinen Liebkosungen rief er Gefühle in ihr hervor, von deren Existenz sie bisher nicht einmal gewusst hatte. Hätte er sie nicht gehalten, wäre sie mit weichen Knien zu Boden gesunken. Nick öffnete mit geschickten Fingern die Knöpfe ihrer Bluse. Er schob die beiden Seiten auseinander und betrachtete fasziniert ihre feuchten Brüste im heißen Sonnenlicht. Federleicht, beinahe ehrfürchtig strich er in immer engeren Kreisen erst um die eine, dann um die andere volle Rundung, bis er die pochende Spitze erreicht hatte. Ellie war wie gebannt von seinen Liebkosungen. Sie begann zu zittern und sehnte sich nach mehr – nach viel mehr. Nicks Augen glühten vor Leidenschaft und Begehren, und er war längst voll erregt. Langsam senkte er den Kopf und nahm eine Spitze in den Mund. Immer wieder strich er mit seiner Zunge darüber und sog vorsichtig daran. Ellie stöhnte lustvoll. Sie hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest und überließ sich ganz den wunderbaren Gefühlen, die Nick mit seinem Mund in ihr weckte. Er strich mit der freien Hand von ihrer Taille zu ihrem Po, streichelte sie und erforschte sie unablässig weiter. Plötzlich trat er zurück, zerrte sein Hemd über den Kopf und warf es ins Gras. Er zog Ellie so fest an sich, dass ihre nackten Brüste sich an seinen Oberkörper pressten und sie den Beweis seiner Männlichkeit deutlich spürte. Mit unzähligen heißen Küssen strich er von ihrem Mund über ihre Wange zu ihrem Ohrläppchen und knabberte vorsichtig daran. „Ich begehre dich, Ellie. Du machst mich völlig verrückt. Sei mir nicht länger böse. Vergib mir.“ Er schob die Hand unter den dünnen Stoff ihrer Shorts und streichelte die glatte Haut ihres runden Pos. Ellie hielt die Luft an und bebte vor Verlangen. „Nick, warte! Wir sind von der Straße zu sehen. Jeden Moment kann jemand kommen“, keuchte sie. Sie schlang die Arme fester um seinen Hals und presste die Lippen erneut auf seinen Mund. Sie mussten unbedingt aufhören. Aber sie brachte es nicht fertig. Nick hob Ellie auf die Arme und eilte mit ihr zum Haus, direkt in sein Schlafzimmer. Er legte sie auf sein Bett und schob die Manuskriptblätter, an denen er gearbeitet hatte, ungeduldig beiseite. Rasch zog er seine Jeans aus und streifte die feuchte Bluse von ihren Schultern. Ellie betrachtete ihn hingerissen. Nick sah fantastisch aus. Dunkel, wo die Sonne ihn gebräunt hatte, und erstaunlich hell, wo die Jeans seinen Körper normalerweise bedeckten. Der Beweis seiner Erregung war unübersehbar. Ihr stockte der Atem angesichts von so viel männlicher Schönheit. Plötzlich schreckte Ellie auf. Was tat sie hier? Wieso ließ sie sich von Nick Tanner ausziehen? Hatte sie nach dem letzten Mal nicht schon genug gelitten? Sie richtete sich auf und wollte gehen. Doch Nick beugte sich über sie und küsste sie zärtlich. Es war der süßeste Kuss, die sie jemals erhalten hatte, und ihr
Widerstand schmolz wie Eis in der Sonne. Nick strich langsam mit der Hand ihre Seite und ihr Bein hinab und ebenso langsam wieder nach oben. Jeder Zentimeter ihrer Haut begann zu prickeln. Er wiederholte die Liebkosung und streichelte diesmal die empfindsame Haut an ihrer Kniekehle und die zarte Innenseite ihrer Schenkel. Ellie begann zu beben, als er das Dreieck zwischen ihren Schenkeln erreichte. Sie bekam kaum noch Luft. Ihr Herz pochte, und das Blut rauschte durch ihre Adern. Diesmal wusste sie, was sie erwartete. Ihr ganzer Körper war aufs höchste erregt. Sie konnte nicht genug von Nicks Liebkosungen bekommen. Sein aufreizendes Liebesspiel brachte sie immer wieder an den Rand der Ekstase. Ohne Nick aus den Augen zu lassen, begann sie, sich in dem uralten Rhythmus gemeinsam mit ihm zu bewegen, während unzählige Empfindungen ihren Körper durchströmten. Nick beobachtete sie aufmerksam. Er tastete mit seinen Fingern nach dem Zentrum ihrer Lust, streichelte sie dort leicht und glitt weiter über ihren Bauch zu den vollen Rundungen ihrer Brüste, die ebenfalls liebkost werden wollten. Ellie hätte beinahe laut geschrien, als er eine Hand auf ihre Brust legte. Sie hielt es vor Verlangen kaum noch aus und sehnte sich schmerzlich nach der höchsten Erfüllung. „Nick!“ stieß sie leidenschaftlich hervor und klammerte sich an ihn. Vergessen waren seine hässlichen Worte. Sie erinnerte sich nur an den überwältigenden Augenblick des ersten Mals und die Freude und die Lust, die sie gemeinsam erlebt hatten. Nick lächelte träge und folgte mit den Lippen der Spur seiner Hände. Er nahm eine rosige Spitze in seinen Mund und reizte und quälte sie mit seiner Zunge. Ellie warf sich ekstatisch unter ihm hin und her. Sie schlang die Beine um seine Taille und zog ihn heran, damit er das brennende Verlangen in ihrem Innern endlich stillte. „Langsam, Liebling. Dies ist so gut. Wir wollen nichts übereilen.“ „Doch“, keuchte sie, schloss die Finger um den Beweis seiner Männlichkeit und streichelte und liebkoste ihn dort. Nick holte tief Luft bei ihrer Berührung. „Vielleicht hast du Recht.“ Er küsste Ellie hart auf den Mund und hatte es plötzlich ebenso eilig wie sie. Ellie kam ihm entgegen. Sie nahm ihn in sich auf und staunte erneut, wie er in ihr wuchs und sie ganz ausfüllte. Kurz darauf hatte Nick sie auf den Gipfel der Lust und der Ekstase geführt. Die Welt zersprang vor ihrem inneren Auge. Im nächsten Moment erreichte sie den Höhepunkt und sank langsam auf die Erde zurück. Die Welt war noch da. Doch sie hatte sich für immer verändert. Nick küsste Ellies Hals und ihre Wange, und sie drehte sich zu ihm. Diesmal küsste er sie hart und hitzig auf den Mund. Zärtlich strich er ihre Seite hinab, von ihrer weichen Brust bis zu ihrem Schenkel, und wieder hinauf. „Bitte, Ellie, vergib mir“, sagte er leise. „Ich habe kein einziges Wort wirklich so gemeint.“ Ellie öffnete zögernd die Augen und sah ihn unsicher an. „Du hast dich schon entschuldigt.“ „Vergebung ist etwas anderes. Bitte, Ellie.“ Endlich holte sie tief Luft und nickte. Nick schloss die Augen und legte seinen Kopf neben ihren. Ihm war, als wäre eine riesige Last von seinen Schultern gefallen. Es war später Nachmittag, als Ellie wieder erwachte. Die Sonne stand tief am Himmel, und kein Lüftchen regte sich. Sie reckte sich träge und drehte den Kopf. Sie war allein. Wo war Nick?
Erst am frühen Abend kehrte er mit Tarn an seiner Seite von einem langen Spaziergang zurück. Ellie saß auf der Veranda und blickte ihm entgegen. „Bekommst du nicht genügend Bewegung?“ zog sie ihn auf, während er die Einfahrt heraufkam. „Ich kann Gus gern bitten, dir weitere Arbeit zuzuteilen.“ Nick lachte leise und wirkte jünger als sonst und beinahe glücklich. Er stieg zu ihr hinauf, setzte sich neben sie auf die Schaukel und verflocht seine Finger mit ihren. „Es ist hübsch hier.“ „Ja. So still und friedlich. Der Wasserfall hört sich genauso an, wie ich es mir vorstellt hatte. Für mich ist dies der schönste Fleck auf Erden. Ich mag die Städte nicht.“ „Kein bisschen?“ „Nun, vielleicht zu einem gelegentlichen Besuch. Die Ranch ist mein Heim.“ „Ich wollte immer in die Großstadt und dort meine Spuren hinterlassen.“ Nick hielt einen Moment inne. „Ich schätze, das ist mir gelungen.“ „Das ist Vergangenheit, Nick“, sagte Ellie leise. „Vergib dir endlich. Wir machen alle Fehler. Wenn wir aus ihnen lernen und sie nicht wiederholen, können wir sie vergessen und getrost in die Zukunft blicken.“ „Ich werde nie wieder einer Frau vertrauen“, sagte er leise. Dabei begann er gerade, Ellie zu vertrauen. Sie rührte sich nicht. Das Gespräch schlug eine völlig andere Richtung ein, als sie beabsichtigt hatte. Sie schluckte trocken: „Du wirst Sheila wohl kaum noch einmal vertrauen müssen.“ „Oder einer anderen Frau. Wenn eine Frau die Liebe eines Mannes verrät, weshalb sollten es die anderen dann nicht ebenfalls tun?“ Ellie lachte leise. „Das ist nicht dein Ernst, Nick. Es trifft ebenso wenig zu wie die Unterstellung, dass wenn ein Mann das Vertrauen eines anderen Menschen missbraucht, es sämtliche Männer tun müssen. Ich vertraue dir.“ „Selbst wenn ich dir nicht vertraue?“ fragte er. „Das wäre ja: Wie du mir, so ich dir. Ich vertraue dir auf jeden Fall, und du kannst mir ebenfalls vertrauen. Hoffentlich erkennst du es noch, bevor du wieder gehst.“ „Wieso sollte ich gehen?“ „Deine Zeit ist in wenigen Wochen um. Behaupte ja nicht, dass du die Tage nicht angestrichen hast.“ „Vielleicht werde ich bleiben.“ Diese Reaktion hatte sie nicht erwartet. „Das kannst du nicht. Du musst vorankommen. Dies ist nur eine Durchgangsstation. Du musst in die Welt hinaus und auf eigenen Füßen stehen.“ Sie merkte, dass ihre Worte furchtbar pädagogisch klangen. Aber sie glaubte an das Resozialisierungsprogramm. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich nicht zu bemuttern brauchst.“ Seine Stimme klang hart, und er fasste ihre Hand fester. „Nick, dies ist keine normale Situation. Du hattest seit über drei Jahren keine Frau. Ich war zufällig da, und du fühltest dich zu mir hingezogen. Das war unvermeidlich.“ „Solch ein Unsinn. Es war nicht einfach nur Sex mit dir, Ellie. Ich… Ich mag dich.“ Falls sie jemals davon geträumt hatte, dass ein Wunder alles wieder in Ordnung bringen würde, erstickten seine Worte alle Hoffnungen. Nick mochte sie. Mochtet Sie mochte ihre Enten, verflixt noch mal. „Ich möchte nicht weiter darüber reden. Es wäre sinnlos. Du wirst die Ranch verlassen, wenn deine Zeit um ist. Und ein paar Tage später wird ein neuer Schützling zu uns stoßen. Für Jed, Kat und die anderen gilt dasselbe. So läuft das
Programm nun einmal.“ Der Abschied fiel ihr immer schwer. Diesmal würde es nicht anders sein. Doch der Erfolg bei den Kids war den Schmerz wert. Nick sah sie verärgert an. „Ich begreife dich nicht. Ich dachte, nach dem heutigen Nachmittag wäre dir die Vorstellung, dass ich länger bleiben könnte, nicht gerade unangenehm.“ „Was wir erlebt haben, war etwas ganz Besonderes.“ Wie besonders für sie, brauchte er nicht zu wissen. „Aber mit jemandem zu schlafen bedeutet schließlich keine lebenslängliche Verpflichtung. Es sei denn, ich hätte etwas falsch verstanden.“ Ellie konnte nicht glauben, dass sie so etwas sagte. In gewisser Weise fühlte sie sich durchaus für den Rest ihres Lebens mit Nick Tanner verbunden. Für einen kurzen Augenblick hatte sie ihr Heim und ihre Gedanken mit diesem Mann geteilt. Es war wunderbar gewesen. So etwas könnte sie mit keinem anderen Mann tun. Nicht in diesem Leben. „Ich finde, wir sollten es trotzdem versuchen“, sagte Nick. „Es spricht so viel dagegen“, antwortete Ellie und richtete sich höher auf. „Du hast über drei Jahre keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt. Du musst neue Leute kennen lernen, deine Bücher schreiben und jemanden finden, mit dem du dein ganzes Leben verbringen möchtest. Du darfst nicht an einer Frau hängen bleiben, die so viel Wert auf ihre Unabhängigkeit legt wie ich. Du bist jung. Du musst dein eigenes Leben führen und darfst dich nicht hier davor verstecken.“ „Und du?“ fuhr er sie an. „Was ist mit dir? Du bist im selben Alter wie ich. Was hast du aus deinem Leben gemacht? Erst warst du an einen alten Mann gefesselt, während andere junge Frauen sich verliebten, Kinder bekamen und sich die Welt ansahen. Und nachdem du endlich frei warst, hast du dich hierher verkrochen und kümmerst dich seitdem um unterprivilegierte Kids, die du umsorgst und anschließend wieder gehen lässt. Ich glaube, du hast Angst. Angst vor jeder Art von Bindung.“ „Ich tue genau, was ich möchte. Es ist keine vorübergehende Marotte. Ich beteilige mich seit fünf Jahren an dem Programm. Bitte, Nick, mach das, was uns verbindet, nicht kaputt. Es ist mir sehr wichtig.“ „Und das soll alles sein? Noch ein paar gemeinsame Wochen und dann bye-bye!“ Ellie nickte und wandte sich ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sehen konnte. „Ein paar Wochen“, wiederholte er. Das musste reichen, um Ellie umzustimmen. Er würde die Zeit nutzen und sich unabkömmlich machen. Ihr gemeinsam mit den anderen helfen, mehr über die Rancharbeit lernen und sich als außerordentlich wertvolle Hilfe erweisen. Am Ende würde sie ihn gar nicht mehr gehen lassen wollen. Entschlossen stand er auf und hob Ellie auf die Arme. „Die Zeit geht schnell vorüber. Wir müssen das Beste daraus machen.“ Er küsste sie auf den Mund und eilte mit ihr in sein Zimmer. Die Woche verging wie im Flug. Eines Nachmittags ging Ellie hinaus und brachte den Männern kalte Getränke. Nick und Rusty ersetzten gerade einige Latten im Zaun um den Korral. Das Wetter war heiß und trocken. „Eistee?“ Sie hielt zwei beschlagene Gläser in die Höhe. „Ja, sehr gern“, sagte Rusty. Er stopfte seine Handschuhe in die Seitentasche und griff dankbar nach dem Glas. Nick schloss sich ihm an. Seine Finger streiften federleicht Ellies Hand, als er ihr das zweite Glas abnahm. „Wer war der Mann, der vorhin hier war?“ fragte er. Er lehnte sich an das Geländer und betrachtete Ellie aufmerksam. Er mochte ihre neue Frisur. Es gefiel
ihm, wie die kurzen Locken sich um seine Finger wickelten, wenn sie allein waren und er Ellie berühren konnte, wie er wollte. „Alan Peters, der Koordinator des Resozialisierungsprogramms. Er kommt von Zeit zu Zeit unangemeldet vorbei.“ Nick erinnerte sich ungern an den Grund für seinen Aufenthalt auf der Ranch. Einen Moment flammte sein alter Zorn gegen Sheila, seine eigene Lage und sogar gegen Ellie wieder auf. „Alan erzählte, wie gut Kat und Alice mit ihrer Arbeit in der Stadt zurechtkommen. Er hat mit ihren Chefs gesprochen. Außerdem wollte er die Zimmer aller Schützlinge sehen. Wir sind nicht hineingegangen, sondern haben nur durch die Tür geschaut. Alan behauptet, wenn jemand sein Zimmer ordentlich hält, sorgt er auch in seinem übrigen Leben für Ordnung. Deines war am besten aufgeräumt.“ Nick kniff die Lippen zusammen, sagte aber nichts. Eine weitere Erinnerung daran, dass er kein freier Mann war. „Er wollte auch wissen, wie du mit der Rancharbeit zurechtkommst. Er hat einige eventuelle Arbeitgeber für dich“, fuhr sie so sachlich wie möglich fort und blickte zu Rusty hinüber. Ihr Ranchgehilfe hatte sich in den Schatten des Stalls zurückgezogen und konnte sie nicht hören. „Weshalb hast du ihm nicht einfach gesagt, dass ich schon etwas vorhabe? Wenn sich mein zweites Buch gut verkauft, kann ich vielleicht als Schriftsteller weitermachen.“ „Erstens ist es nicht meine Aufgabe, ihm von deinen Absichten zu erzählen. Das musst du schon selber tun. Zweitens stammte der Vorschlag von dir, künftig auf einer Ranch zu arbeiten. Das Büro versucht, dir dabei zu helfen. Alan macht seine Arbeit, so gut er kann.“ „Im Gegensatz zu mir in der Vergangenheit, ja?“ Wut und Scham mischten sich in Nicks Miene. „Das habe ich nicht gesagt. Weshalb suchst du immer nach Fallstricken, die es gar nicht gibt? Das Ziel unseres Programms besteht ausschließlich darin, den Menschen zu helfen.“ „Ihnen zu helfen oder sie zu kontrollieren? Im Grunde bin ich immer noch im Gefängnis. Wenn ich mir deinen Wagen schnappen und einfach wegfahren würde, müsstest du die Polizei verständigen, nicht wahr?“ „Du hast dich freiwillig zur Teilnahme an unserem Programm entschlossen. Wenn du nicht bleiben willst, dann geh doch.“ Sie hatte sich solche Mühe gegeben, und es hatte nichts genützt. Ellies Knie wurden weich, und sie bekam kaum noch Luft. Obwohl sie sich geküsst und geliebt hatten, betrachtete Nick sie immer noch als Gefängniswärterin. „Um spätestens abends wieder im Gefängnis zu sein.“ „Oh nein, Nick. Du kannst nicht in etwas zurückkehren, was du niemals verlassen hast.“ „Wovon redest du?“ „Du trägst das Gefängnis mit dir herum. Du hast die Mauern hinter dir gelassen, aber nicht die Gitter. Du hast einen Fehler begangen, und du hast dafür bezahlt. Drei Jahre deines Lebens schienen dem Gericht als Strafe genug. Und die sind beinahe herum. Blick also wieder nach vorn!“ „Ach, lass mich in Ruhe.“ Nick drückte ihr sein leeres Glas in die Hand. „Können wir weitermachen, Rusty?“
12. KAPITEL Abends blieb ein Stuhl beim Dinner leer. Nick hatte nach einem Brunnen sehen wollen, nachdem der Korralzaun fertig war, und hätte längst zurück sein müssen. Auch als es Schlafenszeit wurde, war er noch nicht wieder da, und alle machten sich ernsthaft Sorgen. „Ob er sich verirrt hat?“ fragte Jed. „Oder verletzt ist?“ fügte Alice hinzu. Ellie hoffte es beinahe. Ein Unfall wäre tausendmal besser als eine Flucht. Sie überlegte, ob sie Alan Peters anrufen sollte. Nein, noch nicht. Erst wenn wirklich feststand, dass Nick geflohen war, würde sie die Behörden verständigen. „Was ist das?“ rief Jed plötzlich und lief zur Hintertür. Er schaltete das Außenlicht ein und eilte nach draußen. Die anderen im Raum folgten ihm. Langsames Hufschlagen hallte durch die stille Nacht. „Alles in Ordnung, Nick?“ fragte Brad und rannte zu dem Pferd, das in den Hof einbogen war. Nick saß zusammengesunken im Sattel. Sobald er die anderen bemerkte, richtete er sich mühsam auf und lächelte Ellie erschöpft zu. „Einer deiner verdammten jungen Ochsen hat mich umgeworfen. Ich glaube, mein Handgelenk ist gebrochen“, sagte er und drückte seinen linken Arm an die Brust. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Kannst du absteigen? Wir werden dich sofort ins Krankenhaus bringen, damit man sich deinen Arm ansieht. Brad, nimm du das Pferd. Jed, du erzählst Gus und Alberta, was passiert ist. Und Alice, du siehst bitte im Erste-Hilfe-Kasten in der Küche nach, ob sich dort etwas findet, das wir als Schlinge verwenden können.“ „Nicht nötig. Ich habe einen Schal. Der geht bestimmt“, rief Kat und eilte ins Haus. Alice blieb bei Ellie, während Nick vorsichtig vom Pferd stieg. Sein linker Arm und seine linke Hand waren geschwollen. Tiefe Linien hatten sich strahlenförmig an seinen Mund- und Augenwinkeln gebildet. Doch sein Blick war fest, als er Ellie ansah. „Tut mir Leid, dass du dir Sorgen gemacht hast.“ „Alle haben sich Sorgen gemacht“, verbesserte Ellie ihn und wagte nicht, ihn zu berühren. Sie fürchtete, ihre Gefühle, die sie beinahe erstickten, könnten sie überwältigen. Nick war wieder da. Er war nicht geflohen. Kurz darauf hatte sie einen leuchtend bunten Schal gemeinsam mit Alberta um Nicks Hals gebunden und seinen Arm vorsichtig in die provisorische Schlinge gelegt. „Tolle Mode“, stellte Jed fest. „Das genügt. Jemand von euch muss mit zum Krankenhaus fahren für den Fall, dass Nick ohnmächtig wird. Jed?“ „Weshalb er? Mädchen sind bessere Krankenschwestern“, protestierte Alice. „Ich brauche einen Mann. Nick ist doch kein Leichtgewicht.“ „Ich werde bestimmt nicht ohnmächtig werden. Lass dem Jungen seinen Schlaf. Ich weiß eure Hilfe sehr zu schätzen. Aber mir geht es gut. Das Krankenhaus hat bis morgen früh Zeit“, erklärte Nick. „Kommt nicht infrage. Ich hole schnell meine Handtasche. Wenn du sicher bist, dass du es allein schaffst, nehmen wir keinen dritten mit.“ Zwei Stunden später bog Ellie mit dem Transporter wieder in die Einfahrt zur Ranch. Nicks Handgelenk war an zwei Stellen gebrochen. Nachdem der Arm eingegipst war, hatte der Arzt ihn mit einem Schmerzmittel und dem Rat, sich einige Tage zu schonen, wieder entlassen.
Ellie war beinahe euphorisch vor Erleichterung. Nick würde wieder gesund werden. Und er hatte nicht versucht zu flüchten. Im Haus war alles dunkel. Nur auf der hinteren Veranda und in der Küche brannte noch Licht. Alle Bewohner waren längst zu Bett gegangen. „Tut mir Leid, dass es so spät geworden ist“, sagte Nick. „Und mir tut es Leid, dass du verletzt worden bist“, antwortete Ellie. Sie schlang die Arme um seinen Hals und legte den Kopf auf seine Schulter. Dieses bisschen Trost hatte sie dringend nötig. „Müde?“ fragte Nick. „Du etwa nicht?“ „Doch. Es war ein langer Tag.“ Leise betraten sie das Haus, um niemanden zu wecken. „Brauchst du noch etwas?“ Nick hatte ein Schmerzmittel bekommen und sollte vor morgen früh keine weiteren Tabletten zu sich nehmen. „Nur dich.“ „Wie bitte?“ „Bleib heute Nacht bei mir, Ellie. Bitte.“ Er sah sie mit seinen rauchgrauen Augen verlangend an. Ellie zögerte einen Moment. Sie wollte gern bleiben. Nick würde nur noch wenige Wochen hier sein. Und er war verletzt. Vielleicht brauchte er nachts Hilfe. Entschlossen schob sie alle Vorsicht beiseite. Es würde niemandem schaden und bedeutete ihr so viel. „Einverstanden. Aber ich muss so früh wieder aufstehen, dass niemand es merkt.“ „Die anderen dürfen es nicht wissen, nein?“ fragte er verbittert und ging in sein Zimmer. Ellie verriegelte die Haustür, löschte das Licht und folgte ihm. War es richtig, was sie tat? Das sanfte Licht der Nachttischlampe erhellte das Zimmer. Ellie setzte sich auf einen Stuhl und zog ihre Stiefel aus. „Brauchst du Hilfe bei deinen Stiefeln?“ fragte sie, damit die Nervosität sie nicht übermannte. Nick wollte, dass sie blieb, und sie wollte bleiben. „Weshalb bist du mitgekommen?“ „Weil ich es wollte.“ Ellie stand auf und ging zu ihm. Sie sah ihm fest in die Augen, hob langsam die Arme und schlang die Hände um seinen Hals. Vorsichtig zog sie seinen Kopf herunter, bis sie Nick küssen konnte. Als er die Arme um sie legte, war sie sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Kurz darauf schob sie Nick behutsam zur Bettkante. Sie zog ihm die Stiefel aus, setzte sich neben ihn und öffnete seine Hemdknöpfe. „Du hast zu viel an“, stellte sie fest und strich mit den Lippen über seine muskulöse Brust. „Dasselbe könnte ich von dir sagen, Liebling.“ Mit seiner unverletzten Hand zog er ihr das T-Shirt über den Kopf, griff um sie herum und öffnete ihren BH. Zärtlich strich er mit den Fingern auf ihren Brüsten entlang und umkreiste federleicht die rosigen Spitzen. Er ließ sich viel Zeit und übereilte nichts. Ellie konnte kaum noch an sich halten. Sie glühte innerlich vor Verlangen und wünschte nichts mehr, als sich an Nicks feste Brust zu schmiegen, seine kräftigen Muskeln zu fühlen und seinen Körper überall zu spüren. Sich endlich ganz ihren Empfindungen hinzugeben, die immer stärker wurden und sie siedend heiß durchrieselten. Nick hob die Hand und schob die Finger durch ihr Haar. Er zog Ellie an sich und nahm ihre Lippen in Besitz. Sekunden später spielten Zeit und Raum keine Rolle mehr. Es gab nur noch die Hitze und das leidenschaftliche Verlangen, das hervorbrach, sobald sie sich berührten, und jene Lust und Glückseligkeit, die nur
sie beide einander bereiten konnten. Ellie warf sich unter Nicks Liebkosungen ekstatisch hin und her. Alle ihre Sinne waren aufs höchste geschärft von seinen Fingern, seinem Mund und seinem Körper. Jedes Mal, wenn sie glaubte, es keine Sekunde länger aushalten zu können, führte Nick sie auf neue Höhen der Lust. Gemeinsam erreichten sie den Gipfel der Ekstase. Anschließend blieb Ellie lange still liegen und strich federleicht mit den Händen Nicks Rücken hinauf und hinab. Sie spürte, wie sein erhitzter Körper langsam abkühlte, und hörte, wie sein Atem sich allmählich beruhigte. Wenn sie die Zeit anhalten könnte, würde sie es in diesem Augenblick tun. Die nächsten drei Wochen änderte sich wenig. Ellie versuchte, sich damit abzufinden, dass Nicks und ihre gemeinsame Zeit begrenzt war, und beschloss, das Beste daraus zu machen. Eigentlich durfte sie ihr Verhältnis mit diesem Mann nicht fortsetzen. Doch wie sollte sie aufhören, wenn sie sich derart danach sehnte, ihn zu berühren und zu liebkosen, sobald sie allein waren? Mit ihm zu schlafen, wenn die Gelegenheit sich bot. Gus und die anderen hatten das Haus inzwischen gestrichen, und der Teich war ein voller Erfolg. Nick kümmerte sich um die Büroarbeiten und merkte immer stärker, dass er die Ranch nicht mehr verlassen wollte. Er konnte bei so vielen Dingen helfen. Schon die Buchführung würde sein Bleiben rechtfertigen. Doch Ellie blieb hartnäckig. Sie bestand darauf, dass er gehen müsste, sobald seine Zeit vorüber war. Es war zum Verzweifeln. Ein Leben ohne Ellie konnte er sich fast nicht mehr vorstellen. Alice beschloss, sich für den kommenden Herbst um einen Platz auf dem College zu bewerben, mit Psychologie als Hauptfach. Sie wollte Ellie nacheifern und Menschen helfen, die Hilfe bedurften. Kat sprach schon davon, sich eine kleine Wohnung in Jackson zu suchen und weiter in der Modeboutique zu arbeiten. Eines Tages vielleicht sogar einen eigenen Laden zu besitzen. Ellie stand allen bei. Nur bei Nick blieb sie unerbittlich. Sie wusste, dass sie ihn mit ihrem Verhalten halb verrückt machte. Morgen war sein letzter Tag. In dieser Nacht liebten sie sich besonders zärtlich. Doch nachdem Nick tief eingeschlafen war, stand Ellie auf und schlüpfte in ihr eigenes Zimmer. Die letzten drei Wochen hatte sie alle Vorsicht fallen gelassen und fast jede Nacht in seinen Armen verbracht. Von nun an würde sie wieder allein schlafen müssen und gewöhnte sich am besten gleich daran. Am nächsten Morgen ging sie in den Stall, um ihre Tiere zu füttern, und überlegte, wie sie ihr restliches Leben ohne Nick überstehen sollte. Plötzlich tauchte eine große schattige Gestalt aus dem Dunkeln vor ihr auf. „Nick! Hast du mich erschreckt!“ Ellie stockte der Atem bei seinem Anblick. „Ich muss mit dir reden. Weshalb hast du mich letzte Nacht verlassen? Ich wäre dir beinahe nach oben gefolgt. Diesen Punkt haben wir noch nicht geklärt.“ „Er ist geklärt, Nick. Ab heute bist du ein freier Mann. Du kannst tun und lassen, was du willst, solange es nicht ungesetzlich ist. Deine Papiere liegen bereit. Ich gebe sie dir nach dem Frühstück. Anschließend wird Gus dich nach Stockton fahren. Von dort kannst du den Bus nach San Francisco nehmen oder wohin du sonst möchtest.“ „Und wenn ich hier bleiben möchte?“ Ellie holte tief Luft und hoffte, dass man ihr den Schmerz nicht anmerkte. „Das steht nicht zur Wahl.“ Sie wandte sich ab, um Penelope zu füttern. Das Schwein lief quiekend in seinem Pferch hin und her und erinnerte sie daran, wie verblüfft Nick bei seinem ersten Anblick gewesen war.
Er fasste ihren Arm und drehte sie heftig zu sich. „Ich werde nicht gehen. Wir werden heiraten, wenn du es möchtest.“ Ellie sah ihn erstaunt an, und ihr Herz hämmerte wie wild. Wenn du es möchtest… Entschlossen hob sie den Kopf. Nick würde nie erfahren, was sie tatsächlich wollte. „Nick, du hast hier in einer Art Schutzzone gelebt. Ich war die erste Frau, der du nach Sheila begegnet bist. Du kannst gar nicht wissen, was du willst. Du hattest noch keine Gelegenheit, andere Frauen kennen zu lernen. Dich in jemanden zu verlieben, mit dem du dein Leben teilen möchtest.“ „Meine Gefühle für dich lassen sich nicht mit denen für Sheila vergleichen.“ „Herrje, Nick. Du hast die Frau so geliebt, dass du ihretwegen straffällig geworden bist. Willst du mir weismachen, dass du sie völlig vergessen hast und mich jetzt heiraten willst?“ Weil er sie mochte? Ellie hielt es vor Zorn kaum noch aus. Sie wollte jene Liebe, die Sheila achtlos weggeworfen hatte. Sie wollte begehrt und geliebt werden. Mit weniger würde sie sich niemals zufrieden geben. „Sheila hat mich benutzt. Ich empfinde längst nichts mehr für sie. Außer Verbitterung vielleicht“, erklärte er. „Du musst erst einmal auf eigenen Füßen stehen“, wiederholte Ellie eigensinnig. Sie trat zurück, und er ließ sie widerstrebend los. „Such dir einen neuen Platz zum Leben. Lern andere Leute kennen. Wenn du dein Einkommen künftig mit Schreiben verdienen willst, brauchst du dafür ein Zimmer und musst dich an regelmäßige Arbeitsstunden gewöhnen.“ „Mir gefällt die Arbeit auf der Ranch. Die Buchführung kenne ich sowieso, und alles andere kann ich lernen oder habe es bereits getan.“ „Wenn dir diese Arbeit wirklich gefällt, such dir einen Job auf einer anderen Ranch. Es gibt Dutzende davon im Westen.“ „Mir gefällt diese Ranch.“ „Alan Peters sagt…“ „Muss ich mich jetzt auch noch gegen Mr. Peters durchsetzen?“ „Er sagt, dass unsere Schützlinge es hier bequem haben. Du hast den Übergang vom Gefängnis hierher geschafft. Jetzt brauchst du Herausforderungen. Du musst in den Alltag zurück.“ „Zum Teufel, Ellie. Dies ist eine Herausforderung für mich. Ich muss noch unendlich viel lernen. Vielleicht werde ich nie so viel wissen wie die Leute, die in dieses Leben hineingeboren worden sind. Aber ich kann den Versuch machen. Lass mich bleiben.“ „Nein! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Du kannst nicht bleiben. Finde deinen Platz in der Welt. Werde Schriftsteller, oder probier etwas anderes aus. Such dir eine Ranch. Fahr nach Hause, und besuch deine Familie. Mach etwas aus deinem Leben. Du hast das Beste verdient, Nick. Gib dich nicht mit weniger zufrieden.“ Ellie versuchte verzweifelt, ihre Tränen zu unterdrücken. Es war so schwer. Weshalb stritt Nick immer noch mit ihr? Weshalb ging er nicht einfach? „Und wenn ich nicht gehe?“ Er begriff einfach nicht. So konnte es nicht weitergehen. Sie musste zum letzten Mittel greifen. „Ich will dich nicht heiraten. Und ich will dich nicht auf meiner Ranch. Deine Zeit ist vorüber. Geh weg, Nick. Geh einfach weg.“ Mit einem leisen Fluch auf den Lippen machte Nick kehrt und verließ den Pferdestall. Ellie blickte ihm nach und versuchte vergeblich, ihre Tränen zurückzuhalten. Nick war ihr Schützling gewesen. Er hatte sich verändert, während er auf ihrer Ranch war. Jetzt war es Zeit für ihn zu gehen. Das Programm war ein weiteres Mal
erfolgreich gewesen. Nur konnte sie sich diesmal nicht darüber freuen.
13. KAPITEL Drei Wochen, nachdem Nick gegangen war, fand Ellie eine Ansichtskarte mit einer altmodischen Strandszene in ihrer Post. Sie drehte die Karte um und entdeckte Nicks kühne Handschrift. 7 M Hause angekommen. Alles gut gegangen. Beginne auszugehen, wie Du vorgeschlagen hast. Unterschrieben waren die Zeilen einfach mit Nick. Ellie starrte lange auf die Karte. Und dieser Mann hatte darauf bestanden, bei ihr zu bleiben und eine gemeinsame Zukunft mit ihr aufzubauen. Dabei ging er längst mit anderen Frauen aus. Sie schloss die Augen gegen den schmerzlichen Stich, der sie bei dieser Vorstellung durchzuckte. Nick, der eine andere Frau anlächelte… der ihre Hand hielt… vielleicht sogar mit ihr tanzte. Nick und sie waren nie ausgegangen. Sie hatten weder zusammen getanzt noch allein zu Abend gegessen oder auch nur einen Spaziergang gemacht. Und jetzt tat er all das mit anderen Frauen. Frauen, die ihn wahrscheinlich nie so lieben würden wie sie ihn. „Verdammter Kerl“, sagte sie zu Tarn, der neben ihr die Einfahrt hinauftrottete. „Das hätte er mir nicht zu erzählen brauchen. Er ist für immer gegangen. Weshalb schreibt er mir überhaupt?“ Sie riss die Karte mitten durch und steckte sie in ihre Jeanstasche. Es hatte keinen Sinn, sie aufzubewahren. Sie konnte sie niemandem zeigen. Sie hatte Recht gehabt – ihre Beziehung war nicht für die Dauer gewesen. Es war gut, dass sie Nick fortgeschickt hatte. Und weshalb ging es ihr nicht besser, nachdem sie wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte? Am nächsten Abend war Ellie bei Margot und Philip zu Besuch. Während sie beim Dinner saßen, erwähnte sie die Karte. „Was hat Nick geschrieben? Wo ist er jetzt?“ fragte Margot. Ellie zitierte seine Worte. „Keine Ahnung, weshalb er mir geschrieben hat“, fügte sie verdrießlich hinzu. „Wahrscheinlich wollte er dich beruhigen und dich wissen lassen, dass es ihm gut geht“, antwortete Philip und zwinkerte seiner Frau zu. „Ich bin davon ausgegangen, dass es ihm gut geht“, erklärte Ellie scharf. „Du freust dich bestimmt, dass er sich wieder mit anderen Frauen trifft. Du wolltest nicht, dass er unter seiner gescheiterten Beziehung leidet. Jetzt weißt du, dass er sich nicht vor Sehnsucht nach dir verzehrt, cherie.“ Ellie ärgerte sich über Margots sachliche Feststellung. „Oh ja. Ich bin ganz aus dem Häuschen vor Freude.“ Margot lachte leise. „Es beweist, dass seine Gefühle für mich nicht lange angehalten haben.“ Ellie spielte mit ihrem Wasserglas. „Oder dass er seine Niederlage akzeptiert hat.“ Nachts im Bett stellte Ellie ihre Entscheidung zum ersten Mal infrage. „Ja, ich habe richtig gehandelt“, wiederholte sie immer wieder. Eine Woche später kam eine zweite Ansichtskarte. Diesmal zeigte das Foto einen typischen Strand im Osten der Vereinigten Staaten mit breitem, sauberem Sand und leichtem Wellengang. Beinahe ängstlich drehte Ellie die Karte um. Mein Manuskript wurde angenommen. Habe viel Spaß. Die Strände sind toll. Grüß die ganze Bande. Nick. Ellie jubelte innerlich bei der Nachricht, dass Nicks zweites Buch ebenfalls veröffentlich werden würde. Sie wusste, dass es ihm eine Menge bedeutete, und sie wünschte ihm alles Gute dafür.
Beim Dinner las sie die Karte vor. Die anderen freuten sich unwahrscheinlich, von Nick und seinem neuen Buch zu hören, und überschütteten sie mit Fragen. „Hast du seine Adresse?“ fragte Alice. „Wir könnten ihm schreiben, und er würde uns antworten. Ich habe noch nie Post bekommen.“ Ellie zögerte einen Moment. „Es ist kein Absender auf der Karte. Aber ich werde sehen, ob ich seine Anschrift herausfinden kann.“ „Er möchte bestimmt wissen, wie es mit der Rinderherde steht“, sagte Brad. „Und wie gut ich mit der Buchführung nachkomme.“ Nick hatte ihn die letzten Wochen angelernt. „Vielleicht kann Alberta ihm ein paar Schokoladenkekse backen und ihm schicken. Erinnert ihr euch, wie diese Kekse immer verschwanden, wenn Nick in der Nähe war?“ sagte Kat. „Ja. Wenigstens sind erheblich mehr für uns da, seit er weg ist“, seufzte Jed. Plötzlich war Ellie froh, dass Nick geschrieben hatte. Sie wünschte, sie könnte ihm einiges über die Ranch erzählen. Sehnsüchtig strich sie mit den Fingern über die kühne Schrift. Am nächsten Wochenende halfen alle Kat beim Umzug. Ihre Zeit war um, und sie war frei. Sie hatte eine feste Anstellung in der Modeboutique bekommen und mit Ellies Hilfe ein preiswertes Apartment in einem hübschen Wohnblock gefunden. Am folgenden Montag rief Margot an. „Ich bin so weit. Das Manuskript ist fertig! Wir brauchen nur noch deine Bilder einzufügen und festzustellen, ob irgendwo was fehlt.“ „Das ist ja toll!“ antwortete Ellie. „Ich habe Skizzen von allen Bildern, über die wir gesprochen haben, und auch schon einiges gemalt. Komm gleich her, wenn du magst, und bleib zum Lunch. Alberta ist für einige Tage mit Gus weggefahren. Ich werde uns ein paar Sandwichs machen.“ Margot kam kurz vor elf. Ellie hatte ihre Freundin gerade begrüßt, da bog ein leuchtend rosa Lieferwagen mit dem dunkelroten Schriftzug eines Floristen in ihre Einfahrt. „Erwartest du Blumen?“ fragte Margot verblüfft. „Nein. Wahrscheinlich möchte sich der Fahrer nur nach dem Weg erkundigen. Ich gehe mal hin.“ „Miss Ellie Winslow?“ fragte der Mann und stieg mit einem Klemmbrett in der Hand aus. „Ja“, antwortete sie erstaunt. „Ich habe eine Lieferung für Sie. Wenn Sie hier bitte unterschreiben würden…“, sagte er und deutete auf eine Linie. Ellie bestätigte den Erhalt und spürte eine leichte Erregung. Wer in aller Welt schickte ihr Blumen? Sie war nicht krank, und sie hatte auch nicht Geburtstag. Der Mann ging zur Rückseite des Lieferwagens und kehrte mit einer großen Bougainvillea zurück. Die leuchtend roten Blüten quollen über den Terracottatopf. „Danke“, sagte Ellie verblüfft. „Ist die Blume für dich?“ fragte Margot und folgte der Freundin in die Küche. „Von wem stammt sie?“ Ellie stellte den Blumentopf auf den Tisch und strahlte vor Freude. Neugierig nahm sie den Umschlag, der an der Seite befestigt war, und öffnete ihn. Ein einziges Wort stand auf einem kleinen Zettel. Will. Margot blickte ihr über die Schulter. „Wer ist Will?“ „Keine Ahnung. Ich kenne keine Wills“, antwortete Ellie. Kopfschüttelnd betrachtete sie den Umschlag: Ihr Name, sonst nichts. „Wahrscheinlich hast du einen heimlichen Verehrer, der sich bald melden wird.“ „Ich wüsste nicht, wer das sein könnte. Aber sind die Blüten nicht hübsch? Ich
liebe Bougainvilleen. Vielleicht kann mir jemand von der Blumenhandlung sagen, von wem sie ist.“ Doch die Frau am Telefon hatte den Auftrag nicht selber angenommen, und ihre Kollegin war nicht da. „Mach dir nichts draus“, sagte Margot. „Richtig aufregend, nicht wahr? Ein heimlicher Verehrer!“ „Ich weiß nicht recht.“ Ellie berührte die zarten Blütenblätter. „Ich finde es ziemlich seltsam. Mir wäre es lieber, ich wüsste, bei wem ich mich bedanken könnte.“ Margot machte eine abwehrende Handbewegung. „Freu dich einfach darüber. Komm, lass uns mit dem Buch anfangen.“ Die nächsten beiden Tage überlegte Ellie immer wieder, wer dieser Will sein könnte. Die Frau in der Blumenhandlung hatte zurückgerufen, ihr aber nicht helfen können. Der Kunde hatte bar bezahlt. Einige Tage später steckte eine große Konfektschachtel in ihrem Briefkasten. Sie war mit dunkler Schokolade, Karamellbonbons und überzogenen Nüssen gefüllt. Eine Karte lag nicht dabei. Nur das Wort Ellie stand auf einem Zettel. Ellie liebte Süßigkeiten und überlegte, wer sie ihr geschickt haben könnte. Natürlich – Margot! Die Freundin wüsste, dass sie gern dunkle Schokolade aß. Doch Margot versicherte ihr, dass das Konfekt nicht von ihr stammte. „Erst die Blumen, jetzt die Schleckereien. Hm. Das wird langsam interessant“, meinte sie. „Vielleicht sind sie ebenfalls von diesem geheimnisvollen Will.“ „Wenn ja, weshalb hat er dann nichts dazu geschrieben?“ antwortete Ellie stirnrunzelnd. Außerdem kannte sie keinen Will oder William. „Äußerst seltsam. Ich werde Philip einmal fragen, was er davon hält. Lass mich wissen, wenn du noch etwas bekommst. Wie romantisch.“ Ellie legte auf und überlegte, ob sie dies wirklich romantisch fand. Ja, wenn sie wüsste, von wem die Blumen und die Süßigkeiten stammten… Aber so war es eher ärgerlich. Am nächsten Nachmittag lag erneut eine Postkarte von Nick in ihrem Briefkasten. Diesmal zeigte sie das Regierungsgebäude in Annapolis. Rasch drehte Ellie die Karte um. Wohnung verkauft. San Francisco für mich vorbei. Gehe immer noch aus. Habe einen Entschluss gefasst. Nick. Ellies Welt verfinsterte sich ein wenig. Nick wollte wahrscheinlich heiraten. Sie hatte gewusst, dass es dazu kommen würde. Hoffentlich war er wenigstens glücklich. Das hatte sie ihm immer gewünscht. Nur hatte sie nicht geahnt, wie einsam und verlassen sie sich dabei fühlen würde. Bestimmt würde sie Nick nie wiedersehen. Entschlossen blinzelte sie ihre Tränen fort und rief die Auskunft in Salisburg an, wo Nicks Familie lebte. Sechs Tanner waren dort verzeichnet. Beim vierten Anruf meldete sich seine Mutter. „Tut mir Leid“, sagte die ältere Frau. „Nick ist nicht da. Er ist auf dem Weg zu seiner Freundin. Kann ich ihm etwas ausrichten?“ „Nein danke“, antwortete Ellie und legte mutlos auf. Die Wirklichkeit war schlimmer als jede Spekulation. Freitagnachmittag war Ellie im Pferdekorral und säuberte Penelope. Das Hampshireschwein quiekte und schnaubte unter dem kühlen Wasserstrahl, der den Boden sofort in Matsch verwandelte. Ellie lachte über Penelopes Eskapaden und vergaß für eine Weile ihren Schmerz. Das Knirschen von Kies und Tams lautes Bellen kündete die erneute Ankunft des rosa Lieferwagens an.
„Das wird ja langsam unheimlich“, murmelte Ellie. Sie spülte den Schlamm von ihren Beinen, kletterte über den Zaun und eilte zu dem Wagen. „Hallo, ich bin’s schon wieder“, sagte der Zusteller und hielt ihr das Klemmbrett hin. Ellie unterschrieb und sah den Mann neugierig an. „Was haben Sie heute für mich?“ „Das Beste vom Besten“, antwortete er und holte eine lange weiße Schachtel mit breitem Goldband aus dem Wagen. Ellies Herz setzte einen Schlag aus. Es mussten Rosen sein. Niemand hatte ihr bisher Rosen geschickt. Doch sie kannte die Schachtel aus der Fernsehwerbung. Strahlend dankte sie dem Mann und eilte in ihre Küche. Atemlos öffnete sie die Schachtel. Sie enthielt ein Dutzend – nein, achtzehn – herrliche dunkelrote Rosen, eingebunden in Grün. Sie hatte keine Ahnung, wer ihr dieses Geschenk gemacht hatte. Aber es war wunderbar. Die Rosen waren zu elegant für die Küche. Ihr schwerer Duft erfüllte den ganzen Raum, und ihre satte Farbe schien von innen zu leuchten. Sie würde den Strauß heute Abend mit hinauf in ihr Schlafzimmer nehmen. Aber vorher sollten die anderen ihn auch sehen. Ellie durchsuchte die Schachtel. Wo war die Karte? Wenn Margot es nicht war, wer könnte ihr dann die Blumen geschickt haben? Endlich entdeckte sie einen weiteren Zettel. Ein einziges Wort stand darauf. Ellie las es, und ihr Herz begann zu pochen. Einen Moment schwindelte ihr richtig. Die wildesten Träume schossen ihr durch den Kopf, Bilder, Erinnerungen und unsinnige Wünsche. Das war nicht möglich. Es konnte nicht sein. Der Zettel musste beim Einpacken versehentlich in die Schachtel geraten sein. Obwohl jede Logik dagegen sprach, ging Ellie zur Anrichte und öffnete eine Schublade. Sie nahm die beiden vorigen Zettel heraus und legte sie in der Reihenfolge ihres Eingangs nebeneinander. Will – Ellie – Heiraten. Nick stand draußen vor der Fliegengittertür und beobachtete Ellie. Sein Herz hämmerte wie wild, während er darauf wartete, dass sie ihn entdeckte. Er hatte keine Ahnung, ob sein Plan aufgehen würde. Aber irgendetwas musste geschehen. So wie die letzten Wochen konnte es nicht weitergehen. Ellie sah unwahrscheinlich sexy aus mit ihren superkurzen Shorts und den Schmutzstreifen an den Beinen. Er hatte sie von der Straße aus gesehen, als er dem Lieferwagen gefolgt war. Ihre Brüste zeichneten sich unter dem winzigen Top ab, wo der Stoff vom Wasser durchnässt war. Sie trug keinen BH, und er spürte erneut, wie sein Körper fest wurde. Sie war so schön. Und sie hatte ihm so gefehlt. Nick öffnete lautlos die Tür und betrat die Küche. Sein Herz schnürte sich zusammen, und er hielt es kaum noch aus. Atemlos beobachtete er, wie Ellie die drei Worte las. Was sollte er tun, wenn sie ihn erneut zurückwies? „Will Ellie Nick heiraten?“ fragte er ruhig. Ellie fuhr erschrocken herum. „Nick? Was machst du denn hier?“ „Mich vergewissern, dass die letzte Lieferung sicher angekommen ist.“ Sie blickte auf die Zettel, die Rosen und den Mann. „Du hast mir dies alles geschickt?“ „Ziemlich altmodisch, findest du nicht?“ „Altmodisch?“ „Einer Frau den Hof zu machen. Ihr Blumen zu schicken… Konfekt.“ Hoffentlich verdarb er jetzt nicht alles. Weshalb sagte Ellie nichts? Freute sie sich wenigstens
ein bisschen, ihn zu sehen? Plötzlich flog sie ohne jede Vorwarnung durch den Raum und fiel ihm um den Hals. Nick zog sie leidenschaftlich an sich. Sie war da, wohin sie gehörte. Bei ihm. Ekstatisch presste er die Lippen auf ihren Mund. Sie schmeckte wie Ambrosia. Ihm war, als träfen Himmel und Erde, Ostern und Weihnachten zusammen. Er konnte nicht genug von dieser Frau bekommen. Sein Kuss wurde fordernder, und Ellie reagierte sofort. Sie hielt sich nicht zurück, sondern erwiderte jede Liebkosung von ihm. Als er die Zungenspitze zwischen ihre Zähne schob, öffnete sie einladend den Mund und begann einen Liebestanz mit seiner Zunge. Sie schmiegte sich an ihn, um ihn mit dem ganzen Körper zu spüren, strich mit den Händen über seine Schultern zu seinem starken Nacken und schob die Finger in sein dichtes weiches Haar. Hatte sie ihn ebenso vermisst wie er sie? Ellie konnte es immer noch nicht fassen. Nick war hier. Dabei hatte seine Mutter am Telefon gesagt, er wäre zu seiner Freundin gefahren. Was tat er in Kalifornien? Er vertiefte den Kuss, und Ellie war keines klaren Gedankens mehr fähig. Sie wünschte nur, dieser Augenblick würde niemals enden. Sie drängte ihren zarten Körper an Nick, als wollte sie eins mit ihm werden, und konnte ihm nicht nahe genug sein. Er hatte ihr so gefehlt. Sie schlang die Arme fester um ihn, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. „Du hast mir so gefehlt.“ Nick küsste ihren Nacken und ihren Hals. Er strich mit den Lippen über ihre Wangen und nahm ihren Mund immer wieder in Besitz. Seine Arme waren hart wie Stahl, und er hielt sie so fest umschlungen, dass sie kaum Luft bekam. Trotzdem war es noch nicht eng genug. „Wieso bist du hier?“ fragte sie und küsste sein Kinn. „Ich habe deine Ansichtskarten bekommen.“ Sie knabberte an seinem Hals, atmete tief ein und roch den Duft seiner Haut. Ekstatisch schob sie die Finger in sein dichtes Haar und spürte die Hitze, die er ausstrahlte. „Oh Nick, du hast mir so gefehlt.“ Sie lehnte sich ein wenig zurück. „Wieso bist du hier?“ fragte sie erneut. „Ich musste einfach kommen. Erzähl mir nach dieser überschwänglichen Begrüßung ja nicht, dass du mich nicht liebst. Dass du wirklich möchtest, dass ich gehe und nie mehr zurückkehre.“ Er sah sie eindringlich an. „Ich…“ Ellie versuchte, sich loszumachen, doch er ließ sie nicht gehen. Sie spürte die Kraft in seinen Muskeln. Ihre Brüste pressten sich an seinen Oberkörper, und der Beweis seiner Erregung drückte sich in ihren Unterleib. „Ich kann dich nicht heiraten“, sagte sie verzweifelt, während die Wirklichkeit sie wieder einholte. „Diese Antwort hatte ich nach unseren Küssen eigentlich nicht erwartet. Küsst du alle deine zufälligen Bekanntschaften so?“ „Natürlich nicht! Lass mich los. Ich kriege keine Luft mehr“, rief Ellie, und Nick gehorchte zu ihrem Erstaunen sofort. Er schlenderte durch die Küche, betrachtete die Kräuter auf der Fensterbank, blickte in die Gebäckdose und stibitzte einen frischen Keks. Dann lehnte er sich an die Anrichte und ließ den Blick von Ellies lockigem Haar zu ihren verschmutzten Beinen gleiten. „Immer noch diese unanständigen Shorts“, zog er sie auf. Ellie schob die Hände durch ihr Haar. „Ich weiß, ich sehe furchtbar aus. Ich hatte gerade Penelope gewaschen“, antwortete sie und blickte an ihren Beinen hinab. „Du siehst kein bisschen furchtbar aus, Liebling.“ Nick wollte erneut nach ihr greifen. Doch sie floh quer durch den Raum, trat hinter einen Stuhl und stützte sich auf die Lehne.
„Wo sind die anderen?“ fragte er. „Alberta hat sich hingelegt. Sie wird bald herunterkommen, um das Abendessen vorzubereiten. Die Männer sind draußen bei der Arbeit. Alice ist in der Stadt, und Kats Strafe ist vorüber. Sie hat inzwischen ein Apartment in Jackson.“ „Dann sind wir beide also ganz allein.“ Ellie sah ihn argwöhnisch an und nickte. „Ja.“ Weshalb begann ihr Herz plötzlich zu rasen? „Mit dem Teich ist alles in Ordnung?“ „Absolut.“ Nick betrachtete sie von Kopf bis Fuß. An ihren Brüsten hielt er einen Moment inne. Er beobachtete, wie die festen Knospen sich an den feuchten Stoff ihres Tops drängten, und ließ den Blick über die zarten Rundungen ihrer Hüften hinab zu ihren gebräunten Beinen unter ihren superkurzen Shorts gleiten und ebenso langsam wieder hinauf. Anschließend sah er ihr in die Augen und konnte sein Verlangen nicht mehr verbergen. Ellie kam es vor, als hätte er jeden Zentimeter ihrer Haut gestreichelt. Ihr Herz hämmerte wie wild, und das Atmen fiel ihr schwer. „Wie wäre es, wenn du uns frische Limonade machst und wir uns ein bisschen auf die Veranda setzen und reden?“ schlug er vor. „Kümmere du dich um die Limonade. Ich mache mich inzwischen frisch“, antwortete sie atemlos. „Aber zieh ja wieder Shorts an“, forderte er sie auf. Ellie duschte rasch und zog frische Kleidung an. Sie konnte kaum glauben, dass Nick hier war. Aber sie hatte ihn gesehen, ihn gefühlt und geschmeckt. Ihr Herz floss beinahe über vor Freude und Glück. Sie hatte gedacht, sie würde ihn nie wiedersehen. Sie bürstete ihr Haar und erkannte sich kaum im Spiegel. Ihre Augen strahlten vor Glück. Ihre Wangen waren stark gerötet, und sie lächelte seltsam. Ihr Puls beschleunigte sich, während sie die Treppe wieder hinabstieg. Will Ellie Nick heiraten? wiederholte sie stumm. Plötzlich legte sich ihre Erregung ein wenig. Eigentlich hatte sich nichts geändert. Alle Gründe, weshalb sie Nick zurückgewiesen hatte, waren noch gültig. Sie hatte sich nur einen kurzen Moment von ihrer Freude über das Wiedersehen überwältigen lassen. Ihre Lage war noch dieselbe wie zuvor. Vor allem: Was war mit all den Frauen, mit denen er geprahlt hatte? Ellie seufzte tief und kämpfte gegen die Tränen, die ihr in die Augen zu steigen drohten. Sie straffte die Schultern und öffnete die Gittertür. Sie würde sehen, was Nick hier wollte, seinen Besuch genießen und sich anschließend von ihm verabschieden. Hoffentlich schaffte sie es ein zweites Mal. Nick saß auf der Schaukel wie so viele Male zuvor und tätschelte Tarn. Der große Hund hatte seinen Kopf vertrauensvoll auf Nicks Knie gelegt und genoss die Aufmerksamkeit. Nick blickte Ellie lächelnd entgegen. Sie betrat die Veranda, setzte sich zu ihm und ließ mindestens einen Meter Abstand zwischen sich und ihm. Nick sagte nichts dazu, sondern presste die Lippen nur kurz zusammen. „Limonade?“ fragte er endlich und griff nach dem Krug. „Ja, danke.“ Ellie nahm das Glas, das er ihr reichte, und war froh, dass sie etwas zu tun hatte. Das sinnliche Prickeln, das bei seiner Berührung ihren Arm hinauflief, erschreckte sie. Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Glas an die Lippen setzte. „Ich hätte dich nicht duschen lassen sollen“, begann Nick mit grimmiger Stimme. Ellie sah ihn ziemlich erschrocken an. Das hatte sie nun nicht erwartet.
„Ich habe Shorts angezogen“, sagte sie. „Aber es hat deine Freude über unser Wiedersehen weggespült.“ „Natürlich freue ich mich, dich zu sehen. Wie ist es dir ergangen? Du scheinst wieder voller Schwung zu sein.“ Nick stellte seine Limonade hart auf das Tablett und nahm Ellie das Glas ebenfalls aus der Hand. „Ich bin keine dreitausend Meilen gereist, um höflich Konversation zu machen“, erklärte er und fasste ihre Schultern. „Wir sollten endlich anfangen.“ Bevor Ellie sich versah, zog er sie an sich und nahm ihren Mund in Besitz. Ihre weichen Brüste pressten sich an seinen starken Oberkörper, und unzählige Wellen des Verlangens durchrieselten ihre Adern. Sie kam nicht einmal auf den Gedanken, sich zu wehren. Sie liebte Nick Tanner. Sie würde sich nicht freiwillig aus seiner Umarmung lösen. Hier gehörte sie hin; hierher hatte sie sich in so vielen einsamen Nächten gesehnt. Als Nick sich endlich aufrichtete und sie nachdenklich ansah, hatte sie das Gefühl, eines wichtigen Teils von sich beraubt zu sein. Sie schwankte in seine Richtung, und er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie ganz heran. Sein warmer Schenkel drückte sich an ihren. „Ich bin gekommen, um mit dir zu reden. Bist du bereit, dir anzuhören, was ich zu sagen habe?“ fragte Nick freundlich. Er verflocht seine Finger mit ihren und legte ihre vereinten Hände auf seinen Schenkel. Ellie nickte. „Ich möchte dich heiraten“, begann er. Sie drehte sich zu ihm. „Das hatten wir schon einmal.“ „Nein, lass mich ausreden. Ich bin beinahe sechs Wochen von der Ranch fort. All die Zeit habe ich keine einzige Minute nicht an dich gedacht. An uns. Ich gebe zu, dass ich das letzte Mal ungeschickt vorgegangen bin. Deshalb möchte ich es diesmal richtig machen.“ „Aber…“ „Pst. Hör mir einfach zu.“ Er räusperte sich leise und blickte hinüber zum Teich. „Sheila und ich sind viel ausgegangen, zum Essen, ins Theater, auf Partys. So etwas haben wir beide nie getan. Ich hätte mich viel mehr um dich bemühen sollen. Das möchte ich jetzt nachholen. Die Blumen und der Konfekt sind nur der Anfang.“ „Beides hat mir sehr gefallen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, von wem die Geschenke stammten. Ich dachte, Margot wollte mich vielleicht aufheitern.“ „Weshalb musstest du aufgeheitert werden?“ griff Nick ihre Worte auf. „Ich…Äh…“ Er lächelte über ihre sichtbare Verlegenheit. Über das, was ihre Erklärung bedeutete. „Wie gesagt, die Blumen und der Konfekt sind nur der Anfang. Darauf können wir aufbauen, gemeinsam essen gehen, tanzen. Vielleicht ein Wochenende in San Francisco verbringen, nur wir beide. Wir können auch nach Reno hinüberfahren und uns eine Show ansehen.“ „Nick, ich brauche so etwas nicht“, wandte Ellie leise ein. „Ich kann dir die ganze Welt zu Füßen legen, Ellie. Ich möchte, dass du diese Zeit meines Werbens als die glücklichste deines Lebens in Erinnerung behältst. Weil sie nämlich zu einer glücklichen Ehe führen soll.“ Sie schüttelte den Kopf, doch er ließ sich nicht beirren. „Ich habe die letzten Wochen alles getan, wozu du mir geraten hast. Ich war bei meinem früheren Chef und habe ihm erzählt, was passiert war und weshalb. Und ich habe ihn um Entschuldigung gebeten.“ Nick schwieg einen Moment. Ellie wusste, dass es ihm nicht leicht gefallen sein konnte. „Und?“
„Jetzt geht es mir besser. Mr. Roberts sagte, er würde mein Verhalten verstehen, auch wenn er es nicht billigen könnte. Ich bin froh, dass ich zu ihm gegangen bin, Ellie.“ „Und anschließend bist du zu deinen Eltern nach Salisbury gefahren. Hast du ihnen alles erzählt?“ „Ja, und es war verflixt schwer. Natürlich waren sie schockiert. Vor allem waren sie furchtbar gekränkt, dass ich mich ihnen nicht sofort anvertraut hatte. Wir haben lange Gespräche geführt. Jetzt kennen wir uns gegenseitig besser. Ich habe ihnen auch von den beiden Büchern erzählt. Sie sind sehr stolz darauf.“ „Das freut mich für dich.“ „Außerdem habe ich meine Finanzen geordnet“, fuhr Nick fort. „Ich habe meine Wohnung verkauft und einen Vertrag für mein zweites Buch unterschrieben. Jetzt habe ich Geld auf der Bank und kann gehen, wohin ich will, und tun, was ich möchte.“ Er hielt einen Moment inne. Ellie wartete schweigend. „In Salisbury waren alle ganz aus dem Häuschen, dass mein zweites Manuskript ebenfalls angenommen worden war. Aber ich wollte es vor allem dir erzählen. Ich wusste, dass du dich riesig für mich freuen würdest. Ich musste diese Nachricht mit dir teilen, damit ich sie richtig begriff.“ Ellie lächelte kläglich. „Ich habe mich wirklich wahnsinnig gefreut, als ich deine Karte erhielt. Gleichzeitig war ich furchtbar enttäuscht, weil ich keine Adresse von dir hatte. Ich wollte dir so viel sagen.“ Langsam schöpfte sie neue Hoffnung. Mit Nick gab es immer so viel zu reden. „Genau das meine ich. Wir gehören zusammen. Wir ergänzen uns gegenseitig.“ „Aber…“, begann sie. „Noch etwas hattest du gesagt“, fuhr er fort, ohne ihren Einwand zu beachten. „Ich wäre über drei Jahre aus dem Verkehr gezogen gewesen. Das hat sich erledigt. Ich bin mit zehn unterschiedlichen Frauen ausgegangen, vielleicht sogar mit zwölf. Sie waren hübsch, nett, interessiert und lustig. Ein paar von ihnen waren richtig sexy. Aber ich fand keine Einzige, die dich hätte ersetzen können. Ich habe es versucht, Ellie. Ich habe es wirklich versucht, und sei es, um dir einen Gefallen zu tun. Aber da war nichts. Ich will dich!“ Ellies Eifersucht verwandelte sich langsam in Freude. Nick küsste sie auf den Mundwinkel und hob einen Finger in die Höhe, als sie etwas sagen wollte. „Ich weiß, dass du eine unabhängige Frau bleiben möchtest. Damit kann ich leben. Eine Heirat bedeutet nicht das Ende der Unabhängigkeit. Du bist, wie du bist. Daran wird sich nichts ändern. Wenn du mich nimmst, verspreche ich dir, dass wir eine gleichberechtigte Partnerschaft führen werden. Ich bin gern auf der Ranch. Ich kann hier helfen, obwohl ich nie so viel wissen werde wie Gus oder Rusty. Und ich kann mich um die Buchhaltung kümmern.“ „Es geht um mehr als die Buchhaltung“, seufzte Ellie. Wie sollte sie bloß standhaft bleiben? Sie wollte so gern Ja sagen – wollte, dass Nick für immer blieb. „Ich weiß, mein Strafregister“, antwortete er grimmig. „Nein, das stört mich nicht.“ „Sag nicht länger Nein, Ellie. Ich liebe dich so sehr.“ Nick zog sie wieder an sich und legte sein Gesicht auf ihre weichen Locken. „Du hast mir so gefehlt. Ich werde jeden Einwand entkräften, den du vorbringst, und dafür sorgen, dass alles in Ordnung kommt. Dir die Sterne vom Himmel holen, wenn du möchtest. Nur sag nicht mehr Nein!“ Ellie ging seine Worte in Gedanken noch einmal durch. „Du liebst mich?“ fragte
sie atemlos. Ihr Herz begann zu rasen. Sie wollte es so gern glauben, und sie musste daran denken, wie einsam und leer ihr Leben ohne Nick die letzten Wochen gewesen war. „Ja, ich liebe dich. Ich liebe dich mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich möchte dich heiraten, mit dir schlafen, dich lieben. Morgens gemeinsam mit dir aufwachen und den Tag gemeinsam mit dir planen, unsere gemeinsame Zukunft. Du sollst die Mutter meiner Kinder sein und meine Gefährtin im Alter. Ich werde mehr über die Rancharbeit lernen und die nächsten Jahre vielleicht ein oder zwei weitere Bücher schreiben. Aber nicht ohne dich an meiner Seite. Was hältst du davon, Ellie?“ „Ich dachte, du magst mich nur.“ Diese Worte taten immer noch weh. „Das hätte ich niemals sagen dürfen. Ich wollte mich nicht noch einmal verlieben. Was ich für dich empfinde, hat nichts mit meinen damaligen Gefühlen für Sheila zu tun. Meine Liebe zu dir ist tief und wird es immer bleiben. Sie gründet sich auf schöne Dinge, nicht auf falsche Erwartungen.“ „Du hast dir nie etwas anmerken lassen. Ich dachte, du trautest mir nicht.“ „Das war der Mann, der gegen seine Gefühle kämpfte und Angst hatte, jemandem zu vertrauen. Ich fühle mich seit dem ersten Tag unserer Begegnung zu dir hingezogen. Deine Bemühungen, mir das Eingewöhnen hier zu erleichtern, waren beinahe zu schön, um wahr zu sein. Ich liebe deinen breiten Südstaatenakzent, die Freundlichkeit, die du allen gegenüber zeigst, und deinen verrückten Plan, einen Teich für die Enten zu bauen. Deine Geduld gegenüber den Kids und deine echte Freude über die Ranch. Restlos verliebt habe ich mich in dich an dem Tag, als das Hühnerei auf meinen Kopf fiel. Später hast du so viel über mein Leben erfahren und mich nie verurteilt, sondern mir immer Mut gemacht. Ich habe mich dagegen gewehrt, dir zu vertrauen und dich zu lieben.“ „Aber jetzt bist du sicher?“ „Absolut sicher. Sag Ja, Ellie.“ Ellie begann zu lächeln. Ihr Herz hämmerte vor Erwartung und floss beinahe über vor Glück. „Das Leben ist ein Spiel, Liebling. Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir haben. Lass uns keine Minute davon verschwenden. Ich hoffe, wir werden sechzig Jahre oder mehr miteinander teilen und sofort damit anfangen.“ Endlich wagte Ellie den Sprung ins kalte Wasser. „Ja, Nick. Ich würde dich sehr gern heiraten.“ Nick jubelte laut auf. Bevor sie reagieren konnte, sprang er auf, hob sie auf die Arme und schwenkte sie immer wieder im Kreis. Tarn bellte verwirrt im Hintergrund. Die Küchentür flog zu, und eilige Schritte näherten sich der Veranda. „Was ist denn hier los?“ fragte Alberta und blieb wie angewurzelt stehen. „Ellie will mich heiraten“, rief Nick. „Das wird aber auch langsam Zeit“, antwortete die Köchin lächelnd.
EPILOG Die Party war in vollem Gang, und der Nachmittag näherte sich allmählich dem Abend. Es war Ellies dreiunddreißigster Geburtstag. Nick hatte eine große Überraschungsparty für sie ausgerichtet. Alberta und Jenny, einer ihrer neuen Schützlinge,’ hatten zwei Tage lang unablässig Kuchen gebacken, und Margot und Kat hatten das Erdgeschoss geschmückt, bis jeder Raum festlich aussah. Gus hatte die Gäste von der Stadt herangeschafft und Nicks Eltern, einige Nachbarn und Nicks Freunde aus San Francisco ins Haus geschmuggelt, während Nick mit Ellie zu einer Shopping-Tour in Jackson war. Ellie war total verblüfft, als sie das Haus nach ihrer Rückkehr betraten. Verblüfft, erfreut und geschmeichelt. Sie blickte in das liebevolle Gesicht ihres Ehemanns, und ihre Augen füllten sich mit Tränen des Glücks. Seit ihrer Hochzeit hatte Nick alles Mögliche getan, um ihr immer wieder zu beweisen, wie sehr er sie liebte. „Ich hatte noch nie eine Party“, flüsterte sie, richtete sich auf und gab ihm einen raschen Kuss. „Ich erinnere mich, dass du es einmal gesagt hattest“, antwortete er lächelnd. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Liebling.“ Ellie begrüßte ihre Freunde und Nachbarn, Matt, Steve sowie Sally aus San Francisco und Pete und Consuela, die früher an dem Resozialisierungsprogramm teilgenommen hatten. Auch Jed, Alice und Brad waren zurückgekehrt, um ihr an diesem ganz besonderen Tag alles Gute zu wünschen. Hoch erfreut über die Party, ging Ellie von Gruppe zu Gruppe, redete mit ihren Freunden und sprach über Gott und die Welt. Vor allem ließ sie sich über den letzten Stand „ihrer Kids“ unterrichten. Das Essen war ausgezeichnet, und die Wärme ihrer Freunde sorgte für eine ganz besondere Feier. Ellie war überrascht, dass auch ihre Schwiegereltern gekommen waren, und umarmte sie herzlich. Sie hatte die beiden auf ihrer Hochzeitsreise kennen gelernt, und sie hatten sie sofort liebevoll in ihre Familie aufgenommen. Seitdem tauschten Peggy Tanner und sie jede Woche ausführliche Briefe. „Es ist wirklich ein schöner Abend, nicht wahr, ebene?“ fragte Margot am BowlenTisch. „Ich bin so glücklich. Ist das Leben nicht wunderbar?“ Ellie blickte zu ihrem Ehemann auf der anderen Seite des Raums. „Darf ich dich darauf hinweisen, dass ich das schon immer gesagt habe?“ antwortete Margot verschmitzt. Ellie lachte leise. „Ich weiß, du hast mir doch ständig damit in den Ohren gelegen. Weshalb sollte es heute anders sein?“ „Ellie?“ Nicks Stimme drang durch die Partygeräusche an ihr Ohr. Sie blickte in die Runde und entdeckte ihren Mann auf der Treppe. Rasch lief sie zu ihm. „Kannst du bitte nach Bobby sehen? Er quengelt vor sich hin.“ Lächelnd eilte Ellie die Stufen hinauf und betrat das Kinderzimmer. Ihr kleiner Sohn war ihr Ein und Alles. „Weshalb kannst du nicht…“, begann sie und hielt inne. „Oh, verstehe.“ Annie weinte ebenfalls. „Ich kann nicht alles gleichzeitig tun“, sagte Nick. Zärtlich wiegte er seine kleine Tochter, während Ellie den quengelnden Zwillingsbruder aufnahm. Sie liebkoste seine zarte Wange und trat neben ihren Ehemann. Ihr Herz floss über vor Liebe und Glück, während sie ihre kleine Familie betrachtete. „Woher bist du so klug?“ fragte sie und sah zu, wie Nick geschickt die Windel seiner Tochter wechselte. „Was meinst du damit?“
„Unsere Ehe ist wunderbar. Ich war noch nie im Leben so glücklich. Du hast gesagt, wir würden es schaffen. Woher hast du das gewusst?“ Er beugte sich zu ihr und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Lippen. „Manche Dinge sollen einfach so sein. Ich bin ebenfalls glücklich – wahrscheinlich mehr, als ich es verdient habe“, murmelte er und zog die gerüschte Gummihose seiner Tochter in die Höhe. Margot tauchte mit Nicks Mutter hinter sich auf der Türschwelle auf. „Wir kümmern uns um die Kleinen. Ihr geht wieder nach unten und genießt die Party“, erklärte Margot und beugte sich zu Annie, während die Großmutter Bobby übernahm. „Wir werden die beiden wieder zur Ruhe bringen und anschließend zu euch zurückkehren.“ Nick zog Ellie auf den Flur und blieb einen Moment stehen, bevor sie die Treppe wieder hinuntergingen. „Danke für alles, Liebling“, sagte Ellie und strahlte ihren Ehemann an. „Ich bin derjenige, der zu danken hat, meine liebe Ellie. Du hast so viel Glück in mein Leben gebracht.“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie verzehrend. „Vielleicht war die Party doch keine so gute Idee“, flüsterte er an ihrem Hals. „Wie kommst du denn auf den Gedanken? Ich freue mich riesig darüber. Es ist wunderbar!“ „Wenn diese Leute nicht hier wären, könnten wir jetzt in unser Schlafzimmer schlüpfen und uns die ganze Nacht leidenschaftlich lieben.“ Ellie strahlte nun über das ganze Gesicht. „Das können wir doch tun, sobald alle wieder fort sind. Ich liebe dich, Nick Tanner.“ „Und ich liebe dich, Ellie Tanner, und ich werde dich ewig lieben.“ - ENDE -