Bjørn von Rimscha Risikomanagement in der Entwicklung und Produktion von Spielfilmen
The Business of Entertainment. M...
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Bjørn von Rimscha Risikomanagement in der Entwicklung und Produktion von Spielfilmen
The Business of Entertainment. Medien, Märkte, Management Herausgegeben von Klaus-Dieter Altmeppen Katja Lantzsch Andreas Will
Die Unterhaltungsindustrie wird ökonomisch und kulturell immer bedeutender. Dies belegen steigende Umsätze im Unterhaltungssektor und die wachsende Zahl entsprechender Angebote, wie zum Beispiel der hohe Anteil unterhaltender Programme im Fernsehen. Die Erforschung der Unterhaltungsindustrie avanciert somit zu einem bedeutsamen und anspruchsvollen, wissenschaftlich bislang jedoch wenig beachteten Aufgabenfeld der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Ausgeblendet blieben bisher vor allem die relevanten Akteure, ihre Strategien und die Strukturen eines milliardenschweren Marktes, dessen Marktergebnisse darüber entscheiden, welche Medienangebote die Gesellschaft rezipiert. In der Reihe „The Business of Entertainment. Medien, Märkte, Management“ werden Beiträge publiziert, die dieses Forschungsdesiderat beheben und die verschiedenen Perspektiven des Unterhaltungsgeschäfts beleuchten. Mit der Reihe werden sowohl die Rolle der Medienunternehmen als auch die Merkmale von Märkten und die Aufgaben des Medienmanagements thematisiert. Behandelt werden Fragen der Organisation des Unterhaltungsgeschäfts und die strategischen Antworten des Managements auf Marktveränderungen ebenso wie die Bedingungen der Unterhaltungsindustrie oder die Folgen von weltweiten Verflechtungen für die Medienvielfalt.
Bjørn von Rimscha
Risikomanagement in der Entwicklung und Produktion von Spielfilmen Wie Produzenten vor Drehbeginn Projektrisiken steuern
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahrssemester 2009 auf Antrag von Frau Prof. Dr. Gabriele Siegert und Herrn Prof Dr. Andreas Will als Dissertation angenommen.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Katrin Emmerich / Jens Ossadnik VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Rosch-Buch, Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16920-0
Danksagung
Mein größter Dank gilt meiner Frau Sonja, ohne die diese Arbeit nicht entstanden wäre. Sie hat mir Zeit gewährt, mich motiviert, meine Launen ausgehalten und mit kritischen Fragen und durch Korrekturarbeiten maßgeblich unterstützt. Daneben gilt mein Dank Gabriele Siegert und Andreas Will für die hilfreiche Betreuung und schnelle Begutachtung der Arbeit. Ohne die Bereitschaft, der für Studie und Pretest interviewten Produzenten und Produzentinnen, mir ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung zu stellen, gäbe es die Arbeit nicht. Ihnen gebührt ein großer Dank. Für wertvolle Tipps und Anregungen möchte ich mich bei den Teilnehmern an den Doktorierendenworkshops der Association of Cultural Economics International, der European Media Management Education Association und von MedienökonomieJR sowie den Kollegen im Doktorierendenkolloquium der Abteilung Media Economics and Management am IPMZ, bedanken. Schließlich gilt mein Dank auch Yannick, Vroni, Eli, Nicolas, Maria und meiner Familie für die Unterstützung beim Transkribieren und die vielen kleinen Hilfen bei der Literaturbeschaffung und die Übernachtungsgelegenheiten bei den Interviews. Zürich 2009 Bjørn von Rimscha
Inhaltsverzeichnis
1
1.1 1.2
Problemstellung, Relevanz und Motivation ........................................ 11 Relevanz und Problemstellung der Arbeit .......................................... 12 Zum Aufbau der Arbeit ....................................................................... 15
2
Begriffsklärungen und Abgrenzungen ................................................ 19 2.1 Begriffsklärung – Produzent ............................................................... 19 2.2 Filmpackage ........................................................................................ 25 2.3 Begriffsklärung – Risiko und Risikomanagement .............................. 27 2.3.1 Begriffsdefinition Risiko .............................................................. 27 2.3.2 Risikomanagement ........................................................................ 33 2.4 Ressourcen in der Filmproduktion ...................................................... 44 2.4.1 Elemente des Filmpackage als Projektressourcen ......................... 50 2.4.2 Spielfilmentwicklung aus Ressourcenperspektive ........................ 51 2.5 Definitionen für die vorliegende Arbeit .............................................. 53
3
Gutcharakteristik des Films ................................................................. 55 3.1 Film als Medienprodukt ...................................................................... 56 3.1.1 Immaterialität und öffentliches Gut .............................................. 57 3.1.2 Erfahrungsgut................................................................................ 60 3.2 Innovation und Zeitaspekte ................................................................. 61 3.2.1 Steter Innovationszwang und Aktualität ....................................... 61 3.2.2 Kurzer Produktlebenszyklus ......................................................... 62 3.2.3 Synchronisation von Produktion, Distribution und Konsum ........ 64 3.2.4 Medien als duale Produkte ............................................................ 65 3.2.5 Versunkene Kosten ....................................................................... 67 3.3 Film als Kulturgut ............................................................................... 68 3.3.1 Nachfrageunsicherheit .................................................................. 69 3.3.2 Horizontal differenzierter Output.................................................. 70 3.3.3 Produktion unter Zeitdruck ........................................................... 71 3.3.4 Langlebigkeit ................................................................................ 72 3.3.5 Internationale Verwertbarkeit ....................................................... 73 3.4 Zusammenfassung Gutseigenschaften ................................................ 73
8
Inhaltsverzeichnis
4
Marktcharakteristika in der Filmbranche .......................................... 75 4.1 Rezipientenmarkt ................................................................................ 76 4.1.1 Marktgröße und Teilmärkte .......................................................... 76 4.1.2 Sekundärmärkte ............................................................................ 78 4.1.3 Markteintrittsbarrieren .................................................................. 79 4.1.4 Konkurrenz und Substituierbarkeit ............................................... 81 4.1.5 Nachfrageentwicklung .................................................................. 84 4.2 Beschaffungsmärkte............................................................................ 85 4.2.1 Inhaltsmarkt – Filmstoffe .............................................................. 87 4.2.2 Fremddienstleistungsmarkt – technische Dienstleister ................. 89 4.2.3 Arbeitsmarkt – Personal ................................................................ 90 4.2.4 Kapitalmarkt – Finanzierungsoptionen ....................................... 101 4.3 Reputation als entscheidender Marktmechanismus .......................... 118 4.4 Zusammenfassung Marktcharakteristik ............................................ 123
5
Risiken im Filmprojekt und Steuerungsoptionen ............................. 125 5.1 Entwicklungsrisiken.......................................................................... 126 5.1.1 Bestimmung der Entwicklungsrisiken ........................................ 126 5.1.2 Steuerungsmöglichkeiten für Entwicklungsrisiken ..................... 128 5.2 Konsumtionsrisiken .......................................................................... 129 5.2.1 Bestimmung der Konsumtionsrisiken ......................................... 129 5.2.2 Steuerungsmöglichkeiten für Konsumtionsrisiken ..................... 131 5.3 Produktionsrisiken ............................................................................ 153 5.3.1 Bestimmung der Produktionsrisiken ........................................... 153 5.3.2 Steuerungsmöglichkeiten für Produktionsrisiken ....................... 154 5.4 Reputationsrisiken ............................................................................ 160 5.4.1 Bestimmung der Reputationsrisiken ........................................... 160 5.4.2 Steuerungsmöglichkeiten für Reputationsrisiken........................ 163 5.5 Zusammenfassung der Steuerungsoptionen auf Projektebene .......... 166 5.6 Steuerungsmöglichkeiten auf Unternehmensebene .......................... 168 5.6.1 Investitionsrisiko und Höhe des Filmbudgets ............................. 168 5.6.2 Portfolio ...................................................................................... 170
6
7
6.1 6.2
Risikosteuerung in der Spielfilmentwicklung ................................... 173 Modell des Risikomanagementprozesses.......................................... 173 Fragestellung..................................................................................... 177
7.1 7.2 7.3
Methodisches Vorgehen ...................................................................... 179 Angemessenheit der Methode und Expertenbild .............................. 180 Rekrutierung und Sample ................................................................. 183 Pretest und Interviewsituation........................................................... 187
Inhaltsverzeichnis 7.4 7.5 7.6 8
9
Leitfaden und Transkription ............................................................. 189 Güte der Untersuchung ..................................................................... 190 Auswertungsstrategie ........................................................................ 191
Risikosteuerung aus Produzentenperspektive .................................. 193 8.1 Risikoidentifikation .......................................................................... 193 8.2 Risikobewertung ............................................................................... 194 8.3 Risikovermeidung ............................................................................. 195 8.3.1 Risikovermeidung in der Stoffakquisition .................................. 195 8.3.2 Risikovermeidung in der Personalakquisition............................. 205 8.3.3 Risikovermeidung durch Marktforschung .................................. 210 8.4 Risikobegrenzung ............................................................................. 214 8.4.1 Risikobegrenzung durch Diversifikation auf Firmenebene......... 215 8.4.2 Risikobegrenzung durch vertikale Integration ............................ 217 8.4.3 Risikobegrenzung durch Slate Financing.................................... 218 8.4.4 Risikobegrenzung durch Diversifikation im Output ................... 220 8.4.5 Risikobegrenzung durch Kostenkontrolle ................................... 220 8.5 Risikoüberwälzung ........................................................................... 221 8.5.1 Risikoüberwälzung auf Versicherungen ..................................... 222 8.5.2 Risikoüberwälzung auf Finanzinvestoren ................................... 223 8.5.3 Risikoüberwälzung auf Distributoren ......................................... 223 8.5.4 Risikoüberwälzung durch Risikoteilung – Koproduktion ........... 228 8.5.5 Risikoüberwälzung auf das Personal .......................................... 232 8.5.6 Risikoüberwälzung auf Filmförderungsinstitutionen .................. 236 8.5.7 Risikoüberwälzung auf Werbekunden ........................................ 240 8.5.8 Sicherheiten für die Risikoüberwälzung ..................................... 242 8.6 Risikoverminderung.......................................................................... 248 8.6.1 Risikoverminderung im Drehbuch .............................................. 248 8.6.2 Risikoverminderung durch das richtige Personal........................ 249 8.6.3 Risikoverminderung durch Koordination ................................... 250 8.6.4 Risikoverminderung durch Marktforschung ............................... 251 8.7 Umgang mit Reputationsrisiken........................................................ 252 8.7.1 Reputation bei Kritikern und Jurys ............................................. 252 8.7.2 Reputation bei Investoren ........................................................... 254 8.7.3 Reputation als Arbeitgeber ......................................................... 255 8.8 Zusammenfassung der genutzten Risikosteuerungsoptionen ............ 257 8.8.1 Risikosteuerungsoptionen und Produzenteneigenschaften ......... 258 8.8.2 Risikosteuerung nach Integration und Budgethöhe .................... 261
10
Inhaltsverzeichnis
9
Strategieoptionen in der Risikosteuerung von Produzenten............ 267 9.1 Strategien zur Steuerung des kommerziellen Risikos ....................... 267 9.1.1 Reduktion der Schadenswahrscheinlichkeit ................................ 268 9.1.2 Vermeidung und Überwälzung ................................................... 269 9.1.3 Reduktion der Schadenshöhe ...................................................... 270 9.2 Strategien zur Steuerung des kreativen und reputationalen Risikos .............................................................................................. 272
10
Risikosteuerungsstrategien im Ressourcen- und Strukturkontext ................................................................................... 275 10.1 Projektressourcen und Produzentenressourcen ................................. 279 10.2 Nützlichkeit der theoretischen Basiskonzepte .................................. 285
11
Fazit und Ausblick ............................................................................... 287
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 291
1 Problemstellung, Relevanz und Motivation
Die Filmbranche ist eine projektorientierte Branche. Sie steht prototypisch für andere Medienbranchen, in denen die Produktion häufig ebenfalls in Projekten organisiert ist. Im Unterschied zu anderen Mediengattungen sind beim Film die Standardisierungsmöglichkeiten jedoch geringer. Es kann nicht, wie bei einer Tageszeitung oder den Fernsehnachrichten, jeden Tag dieselbe Designvorlage verwendet werden. Unterschiedliche Anforderungen innerhalb der einzelnen Filmprojekte führen dazu, dass kaum mit festangestelltem Personal gearbeitet wird. In der Filmproduktion treten die Probleme der Unikatproduktion somit noch deutlicher zutage als bei anderen Mediengattungen. Die Unsicherheit über die Nachfrage ist größer, da anders als z.B. bei einer Folge einer TV-Serie nicht von der Zuschauerzahl der bisher ausgestrahlten Folgen ausgegangen werden kann. Sowohl Produktion als auch Konsumtion sind weniger standardisiert, weniger berechenbar und zeigen größere Schwankungen. Je weniger jedoch die Produktion und Konsumtion standardisiert werden kann, desto wichtiger ist es, vorab mögliche Probleme zu antizipieren, zu vermeiden oder aber dafür Sorge zu tragen, dass mögliche negative Ergebnisse bewältigt werden können. Die Produktion von Medieninhalten ist als Risiko zu verstehen. Die strategische Steuerung der Risiken durch umsichtige Planung bei der Entwicklung von Medieninhalten kann als Risikomanagement verstanden werden. In diesem Sinne analysiert die vorliegende Arbeit, welche Maßnahmen in der ersten Phase der Spielfilmproduktion – der Projektentwicklung – getroffen werden können, um das Risiko in einem Projekt so weit zu kontrollieren, dass mit der physischen Umsetzung begonnen werden kann. Litman (vgl. 1998: 37) stellt in diesem Kontext fest, dass der Produktionssektor der Filmbranche schwer zu analysieren ist: Im Gegensatz zur Filmauswertung liegen wenige Daten vor und die Verknüpfungen mit dem Distributionssektor sind eng und unübersichtlich. Der Produktionssektor besteht aus Hunderten von Unternehmen, häufig mit nur sehr wenigen Mitarbeitenden. Die Unternehmen werden häufig um einen bestimmten Star oder ein bestimmtes Filmprojekt herum gegründet. Die Produktion erfolgt projektorientiert mit angemietetem Personal und angemieteter Produktionsinfrastruktur. Die Markteintrittsbarrieren sind entsprechend niedrig, Marktein- und -austritte häufig und die Konkurrenz ist groß. In dieser Marktumgebung kann sich die Forschung nicht
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1 Problemstellung, Relevanz und Motivation
auf verfügbare filmstatistische Daten verlassen, sondern muss sich direkt an den Produzenten als individuell handelnden Akteuren orientieren. Entsprechend versucht die vorliegende Arbeit, das Risikomanagement in der Spielfilmentwicklung und -produktion nicht auf der Ebene von Medienkonzernen zu analysieren, sondern fokussiert auf einzelne Produzenten und ihre Projekte.
1.1 Relevanz und Problemstellung der Arbeit Die Kommunikations- und Medienwissenschaft behandelt den Film meist stiefmütterlich. Vertretern der politischen Kommunikation ist er politisch zu wenig relevant, für Rezeptionsforscher wie Medienökonomen sind die Nutzungszahlen im Vergleich mit anderen Mediengattungen zu gering, als dass sich eine eingehende Beschäftigung lohnen würde und die Kommunikatorforschung erkennt in Filmproduzenten und Regisseuren1 keine Medienschaffenden. Traditionell findet Film deshalb meist in anderen Wissenschaftsdisziplinen statt: Auf der einen Seite bemühen sich Filmwissenschaftler, dem Film als „siebte Kunst“ Anerkennung zu verschaffen (vgl. z.B. Tudor 1974: 8-10; Jowett & Linton 1980: 15-17; Bordwell 1997: 12-45), auf der anderen Seite versuchen Marketingforscher, die Vermarktung von Unterhaltung zu optimieren (vgl. z.B. Eliashberg, Swami, Weinberg & Wierenga 2001; Hennig-Thurau, Houston & Sridhar 2006).2 Daneben beschäftigt sich auch das strategische Management immer wieder mit der Filmbranche als Beispiel für Managementstrategien in Projektorganisationen (vgl. z.B. Robins 1993; Starkey & Barnatt 1997; DeFillippi & Arthur 1998; Miller & Shamsie 2001). Die vorliegende Arbeit versucht, die Perspektiven zu integrieren und ist dadurch nicht unmittelbar im Mainstream der Kommunikations- und Medienwissenschaft angesiedelt: Untersuchungsobjekte sind Produzenten von Unterhaltung, nicht Journalisten, die Informationen vermitteln und einordnen. Die Rezipienten spielen mit ihrer aggregierten Nachfrage nur am Rande eine Rolle. Es werden Konzepte aus dem strategischen Management in der Betriebswirtschaft verwendet, und das empirische Vorgehen stützt sich auf eine qualitative Befragung. Dennoch – oder gerade deshalb – kann diese Arbeit einen Beitrag zur 1 Wann immer ohne stilistische Abstriche möglich, wird in der vorliegenden Arbeit der Plural oder die Tätigkeitsform verwendet. In den übrigen Fällen wird die im allgemeinen Sprachgebrauch übliche Form verwendet. Wenn dies in der Mehrzahl der Fälle die maskuline Form ist, so ist damit keinerlei Wertung oder Setzung verbunden. Die sich darin spiegelnden gesellschaftlichen Strukturen können und sollen hier nicht diskutiert werden. Gemeint sind immer beide Geschlechter. 2 Im Englischen findet sich diese Unterscheidung auch in der Bezeichnung des Gegenstands wieder: film art, aber movie business. „To call film movies is […] to view it as an entertainment rather than as an art“ (Simon 1971 zitiert nach: Haberski 2001: 188).
1.1 Relevanz und Problemstellung der Arbeit
13
kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschung leisten. Wenn es eine Aufgabe des Fachs ist, die Formen und Inhalte von öffentlicher Kommunikation mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu analysieren (vgl. Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) 2008; Schweizerische Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM) 2008), dann darf das Forschungsprogramm des Fachs weder vor der Unterhaltung haltmachen noch die Bedingungen der Produktion vernachlässigen. Rezipienten verwenden Medien mehr zur Unterhaltung als zur Information, deshalb sollten die Entstehungsbedingungen für Medienunterhaltung mindestens ebenso erforscht werden wie die der Information (vgl. von Rimscha & Siegert 2008). Zwar nimmt die Arbeit primär eine ökonomische Perspektive auf die Filmproduktion ein, doch lassen sich so auch Rückschlüsse auf die Auswirkungen auf die Gesellschaft ziehen. Wenn sich herausstellt, dass Filmproduzenten ihre Arbeit rein unter kommerziellen Gesichtspunkten betreiben und ihr einziges Ziel die Optimierung der Rendite ist, kann so immerhin darauf geschlossen werden, dass gesellschaftliche Auswirkungen des Filmschaffens von den Produzenten nicht intendiert sind. Es darf jedoch erwartet werden, dass kommerzieller Erfolg in einer kreativen Branche nicht die einzige Zielfunktion darstellt. Gegenstand der Arbeit ist das Handeln von Filmproduzenten im Bestreben, kommerziell und kreativ erfolgreiche Filme zu projektieren. In der medienökonomischen Literatur wird die Filmproduktion – mehr als die Produktion in anderen Mediengattungen – als kommerziell riskant dargestellt (z.B. Kiefer 2001: 171). „Risk-taking and filmmaking are synonymous terms“ (Litman 1998: 38). Die Produktion von erfolgreichen Filmen kann als gelungene Steuerung von Risiken verstanden werden. Häufig wird das Missverhältnis zwischen der Zahl der veröffentlichten Filme und jener, die einen Gewinn abwerfen, angeführt, um zu zeigen, wie riskant das Geschäft ist. Von zehn veröffentlichten Filmen sind im Durchschnitt sechs bis sieben unprofitabel und nur einer erwirtschaftet einen Gewinn (vgl. Vogel 2004: 65). In der Öffentlichkeit und zum Teil auch in der Forschung werden Erfolge meist den großen Distributoren zugeschrieben. Zwar wird der Erfolg eines Films wesentlich durch die Vermarktung mitbestimmt, die Basis für Erfolg oder Misserfolg wird jedoch schon in der Projektentwicklung gelegt, wenn Inhalt, Personal und Finanzierung zu einem Filmpackage kombiniert werden. Früher in der Produktion aktive Filmdistributoren, wie die Major Studios in Hollywood, haben die Produktion teilweise ausgelagert und so ihr Risiko reduziert sowie ihr Geschäft flexibilisiert. In der Regel wird das Filmpackage von individuellen Produzenten zusammengestellt, die Entscheidung, ob das Projekt umgesetzt werden soll – das so genannte Green Light – erfolgt jedoch auf Unternehmensebene oder durch die Distributoren. Die Steuerung des
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1 Problemstellung, Relevanz und Motivation
Risikos in der Filmbranche wird somit von den Distributoren an die Produzenten delegiert und letztlich von individuellen Produzenten in der Entwicklung geleistet. In diesem Bereich der Branche ist das Verhältnis zwischen der Anzahl der Projekte und der Anzahl der Erfolge noch drastischer als bei den veröffentlichten Filmen: Von 15.000 Drehbüchern, die jährlich beim Autorenverband in den USA registriert werden, werden nur 700 (