Butler Parker Neu Nr. 173
Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von
Günter Dönges
Parker hebt den...
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Butler Parker Neu Nr. 173
Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von
Günter Dönges
Parker hebt den
»Maulwurf« aus
»Ich versichere Sie selbstverständlich meiner vollsten Diskretion, Mr. Preston«, sagte Butler Parker und deutete eine steife und knappe Verbeugung an. »Sie können frei und offen reden.« »Ich möchte nämlich keinen Ärger bekommen«, begann William Preston, der einen äußerst nervösen Eindruck machte. »Die Drohungen am Telefon waren eindeutig genug.«
»Womit wir bereits beim Thema wären, Mr. Preston.« Josuah Parker sah seinen Kollegen erwartungsvoll an. William Preston war ein Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren und trug zur gestreiften Hose eine weißgelb gestreifte Weste. Er war der Butler des Lord of Lanters und hatte sich vor knapp anderthalb Stunden hilfesuchend an Parker gewandt. »Man will mich umbringen«, sagte Preston und holte tief Luft. »Ein verabscheuungswürdiges Unterfangen«, räumte Josuah Parker ein. »Es gibt bestimmte Gründe für diese erklärte Absicht, Mr. Preston?« »Das kann man wohl sagen, Mr. Parker.« William Preston bemühte sich um Haltung. »Die Krone gab mir die Ehre, mich als Geschworenen in einem Strafprozeß zu berufen.« »Um welchen Prozeß handelt es sich?« Parker war ein Mann undefinierbaren Alters, etwas über mittelgroß und fast schlank. Er hatte das glatte und undurchdringliche Gesicht eines Pokerspielers und verfügte über eine Ausdrucksweise, die man nur als barock bezeichnen konnte. Er war der Butler einer gewissen Lady Agatha Simpson und betätigte sich schon fast hauptberuflich als Amateurkriminalist. »Es handelt sich um die Strafsache George Hunt«, beantwortete Preston Parkers Frage. »Sie wissen vielleicht, er steht unter der Anklage, einen Garagenbesitzer erschossen zu haben.« »Dieser Strafprozeß ist mir bekannt.« Parker nickte knapp. »Nach Lage der Dinge möchte ich unterstellen, daß man Sie für den Fall bedroht hat, daß Sie den Angeklagten für schuldig
erklären, nicht wahr?« »Das genau ist es, Mr. Parker«, antwortete William Preston. »Und nun weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich bin kein Held, verstehen Sie? Und ich spüre, daß diese Drohung ernst gemeint war, sehr ernst sogar.« »Dem möchte ich durchaus beipflichten, Mr. Preston«, sagte Parker. »Mr. George Hunt ist ein in Unterweltkreisen recht bekannter Mann, der über großen Einfluß verfügt.« »Was soll ich also tun, Mr. Parker? An die Polizei kann ich mich unmöglich wenden. Man hat mir gedroht, mich dann einfach niederzuschießen wie einen tollen Hund.« »Dies wäre ein Umstand, den man als sehr peinlich bezeichnen müßte«, antwortete der Butler gemessen. »Wann werden die Geschworenen über den Schuldspruch entscheiden?« »Schon morgen, Mr. Parker, das ist es ja gerade. Ich habe überhaupt keine Zeit, irgend etwas zu unternehmen. Ach richtig, da wäre noch etwas.« »Ich erlaube es mir bereits zu ahnen.« »Man hat mich auch davor gewarnt, etwa krank zu werden oder eine Reise anzutreten. Man besteht darauf, daß ich morgen im Gerichtsgebäude bin, und hat mir gesagt, daß man mich nicht aus den Augen ließe.« »Eine Situation, die ich als äußerst heikel bezeichnen möchte.« »Sie sind meine einzige Hoffnung, Mr. Parker. Ich weiß doch, daß Sie sich manchmal mit Kriminalfällen befassen.« »Ich habe die Ehre, Lady Simpson in solchen Fällen ein wenig assistieren zu dürfen.« »Was soll ich tun, Mr. Parker?« »Sie werden umgehend so etwas wie eine überstürzte Flucht antreten«, erwiderte Butler Parker. »Dann wird man mich umbringen. Ich weiß das genau!« »Wenn Sie gestatten, Mr. Preston, werde ich Ihre Flucht
arrangieren.« »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.« »Ich werde mir die Freiheit nehmen, mein Äußeres ein wenig zu verändern«, antwortete Josuah Parker. »Dies dürfte nicht besonders schwer sein, wie ich Ihnen versichern kann, zumal Sie und meine bescheidene Wenigkeit den Beruf eines Butlers ausüben.« »Und wozu soll das gut sein? Morgen muß ich auf der Geschworenenbank sitzen, Mr. Parker. Flucht hat überhaupt keinen Sinn, begreifen Sie doch endlich! Man überwacht mich. Vielleicht lauern vor dem Haus bereits einige Mörder.« »Das wäre ausgezeichnet, Mr. Preston. Wenn ich vorschlagen darf, sollte jetzt eine Art Personentausch stattfinden. Ich werde mir gestatten, diese Beobachter ein wenig in die Irre zu führen.« »Aha, so meinen Sie das!« William Preston hatte endlich verstanden. »Sie wollen diese Gangster vom Haus weglocken, damit ich mich in Sicherheit bringen kann, nicht wahr?« »Sie befinden sich auf einer Fährte, die ich als fast richtig bezeichnen möchte«, lautete Parkers Antwort. »Über die weitere Entwicklung der Dinge sollten Sie sich vorerst keine Sorgen machen. Ich muß allerdings darauf bestehen, daß Sie während der nächsten beiden Stunden das Haus auf keinen Fall verlassen.« »Das schwöre ich Ihnen, Mr. Parker.« »Sehr aufmerksam.« Josuah Parker nickte zufrieden. »So, und nun möchte ich das machen, was man in Theaterkreisen gemeinhin Maske nennt. Die Täuschung der Bewacher sollte möglichst umfassend sein.«
Josuah Parker hatte in weiser Voraussicht das Haus durch einen Hintereingang betreten. Nun verließ er es durch den
Haupteingang und war selbst für einen aufmerksamen Beobachter nicht mehr wiederzuerkennen. Er hatte die leicht gebeugte Haltung seines Berufskollegen Preston angenommen und zog das linke Bein kaum merkbar nach. Er trug einen dunklen Paletot und selbstverständlich auch eine Melone. Dieser angebliche Mr. William Preston sah sich scheu nach allen Seiten um, zog förmlich den Kopf ein und ging dann zur nächsten Straßenecke. Zwischendurch schaute er sich immer wieder um. Es war ganz offensichtlich, daß dieser Mann Angst hatte, verfolgt zu werden. Daß dies aber bereits der Fall war, hatte Josuah Parker schon längst herausgefunden. Ein kleiner grauer Morris folgte ihm im Abstand von etwa dreißig Metern. Vorn im Wagen saßen zwei stämmig aussehende Männer, die sich ganz eindeutig für ihn interessierten. Wahrscheinlich warteten sie nur auf eine passende Gelegenheit, um sich mit ihm zu befassen. Und Butler Parker sorgte dafür, daß sie diese Gelegenheit auch möglichst schnell erhielten. Er hatte die Seitenstraße hinter sich gelassen und hielt auf einen kleinen Park zu, dessen Ränder zur Straße hin mit dicken und dichten Sträuchern bewachsen waren. Sie ließen nicht lange auf sich warten. Parker hörte schnelle Schritte hinter sich und wurde dann von den beiden Männern überholt, die sich zuerst mal überhaupt nicht um ihn kümmerten. Dann aber machten sie plötzlich kehrt und bauten sich vor ihm auf. Sie hielten sehr häßlich aussehende Schlaginstrumente in den Händen: Kabelenden, die mit Isolierband oberflächlich umwickelt waren. Die beiden Männer drängten den scheinbar verwirrten Butler in dichtes Buschwerk und kamen schnell zur Sache. »Wer will denn hier abhauen?« fragte der erste Schläger und lächelte tückisch. »Wer will denn hier die Kurve kratzen?« erkundigte sich der
zweite und schüttelte fast vorwurfsvoll den Kopf. »Ich ... Ich habe nicht die Absicht, meine Herren«, schickte Parker voraus, doch die energische Handbewegung des ersten Schlägers ließ ihn schweigen. »'ne kleine Abreibung kann niemals schaden«, sagte der Mann dann und holte mit dem Kabelende aus. »So was prägt sich nämlich ein«, behauptete der zweite Schläger. »Wir wollen ja morgen nicht vergessen, daß Mr. Hunt völlig unschuldig ist, nicht wahr?« »Keine Angst, Mann, dein Gesicht bleibt heil«, tröstete der erste Rowdy freundlich. »Nur die Rippen werden leicht stechen«, sagte der zweite und wollte seinen ersten Schlag anbringen. Er holte blitzartig aus und ... erlebte eine mehr als peinliche Überraschung. Butler Parker in der Maske seines Berufskollegen Preston hatte keine Lust, sich von diesen beiden Schlägern mißhandeln zu lassen. Er hielt plötzlich seine schwarze Melone in der rechten Hand und setzte die Wölbung auf die Nase des Sadisten. Der Mann heulte auf wie ein getretener Hund. Seine Nase legte sich quer, und auch das Nasenbein wurde deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Der Mann vergaß den geplanten Schlag, hatte Tränen in den Augen und war in den nächsten Sekunden nicht mehr in der inneren Verfassung, sich weiter um den Butler zu kümmern. Der erste Schläger war perplex. Mit solcher Reaktion und Gegenwehr hatte er nicht gerechnet. Er war einen Moment ratlos. Als er dann einen Entschluß faßte, war es dazu bereits zu spät. Butler Parker hatte seine schwarze Melone wieder hochgerissen und traf mit der Wölbung das Kinn des Mannes. Da dieser Teil der Melone mit solidem Stahlblech ausgefüttert war, entsprach der Zusammenprall einem Niederschlag. Der Schläger verdrehte die Augen, stieß einen tiefen Seufzer aus, wurde weich in den
Knien und nahm Platz. »Ich bedaure diesen Zwischenfall außerordentlich«, sagte Parker und setzte die Melone wieder korrekt auf. »Sie werden aber zugeben müssen, daß Sie mich zu dieser unzivilisierten Handlung geradezu gezwungen haben.« Die beiden Schläger nahmen dazu keine Stellung und gaben sich ihrem Schmerz hin.
Lady Agatha Simpson, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine mehr als stattliche Dame, die an die Walküre aus einer Wagneroper erinnerte. Sie war immens reich und konnte sich im Grund jeden Luxus leisten. Darauf aber legte sie überhaupt keinen Wert. Ihr Steckenpferd war das Kriminalfach. Sie fühlte sich als Amateurkriminalistin wohl und hatte das Glück, Gangster und Kriminalfälle anzuziehen wie das Licht die Motten. Darüber hinaus begann sie seit vielen Monaten mit der Niederschrift eines Kriminalbestsellers. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha Christie weit in den Schatten zu stellen. Es störte die Lady sehr wenig, daß sie bisher noch nicht eine einzige Zeile zu Papier gebracht hatte. Ihr Alter gab Agatha Simpson ebenfalls seit Jahren mit »etwa sechzig« an, was man ihr durchaus abnahm. Sie hatte in ihrer Jugend ausgiebig Sport getrieben, spielte jetzt noch Golf und schwang den Sportbogen mit größter Treffsicherheit. Lady Simpson besaß ein weiches Herz, doch das tarnte sie recht geschickt. Nach außen hin gab sie sich immer leicht gereizt und barsch. Die Detektivin hielt sich an diesem Mittag in ihrem Stadthaus in London auf, genauer gesagt im Stadtteil Shepherd's Market. Sie musterte sehr interessiert und fast
wohlwollend einen kleinen, untersetzten Mann, der an einen gereizten Bullterrier erinnerte. Es handelte sich um den ChiefSuperintendent McWarden, der in Scotland Yard eine Sonderabteilung leitete. »Streichen Sie nicht wie eine Katze um den heißen Brei herum, McWarden«, meinte sie. »Rücken Sie schon endlich mit der Sprache heraus! Sie sind doch niemals zufällig vorbeigekommen, oder?« »Allerdings nicht, Mylady«, gestand McWarden widerwillig. »Sie melden also wieder mal Konkurs an, wie?« Agatha Simpsons Lächeln wurde jetzt katzenfreundlich. Sie genoß die Qualen ihres Gegenübers. »So hart würde ich es nicht ausdrücken«, verteidigte McWarden sich. Er war ein Mann von gut und gern fünfzig Jahren, der sich in Myladys Gegenwart automatisch wie ein junger, hilfloser Mann vorkam. »Also, wo drückt der Schuh?« Die Hausherrin rückte sich zufrieden in ihrem Ledersessel zurecht. »Sie brauchen meine Hilfe! Warum geben Sie das eigentlich nicht zu?« »Mr. Parker befindet sich nicht zufällig im Haus, Mylady?« »Mr. Parker besucht einen Bekannten«, antwortete die ältere Dame und wurde sofort ungnädig. »Ich bin Ihnen wohl nicht gut genug, wie, junger Mann! Sie müssen das ehrlich und offen sagen, ich werde daraus dann meine Konsequenten ziehen, verlassen Sie sich darauf!« »Aber nein, Mylady, wirklich nicht.« McWarden hob abwehrend die Arme. »Ich weiß doch nur zu gut, über welche Erfahrungen Sie verfügen.« Dies war eine glatte Lüge, und auch Agatha Simpson wußte es. Ohne Butler Parker war sie selbstverständlich hilflos und nicht in der Lage, einen Kriminalfall zu lösen. Doch das hörte sie natürlich nicht gern.
»Es handelt sich um seltsame Vorfälle«, begann McWarden. »Seit einiger Zeit platzen Strafprozesse. Das heißt, selbst in eindeutigen Fällen lehnen die Geschworenen die eigentlich fälligen Schuldsprüche ab. Darüber hinaus ändern Zeugen plötzlich ihre Aussagen zugunsten der Angeklagten. Wir wissen natürlich, daß hier Erpressung und Angst im Spiel sind, Mylady, doch wir können nichts beweisen.« »Natürlich nicht.« Agatha Simpson nickte überzeugt. »Und jetzt soll ich Ihnen wieder mal die Kastanien aus dem Feuer holen, nicht wahr?« »Eine gewisse Hilfestellung, Mylady, wäre schon sehr wünschenswert, das gebe ich ohne weiteres zu.« »Na also, warum nicht gleich so, junger Mann. Ihnen kann geholfen werden.« »Stellen Sie sich das nicht so leicht vor, Mylady«, warnte Chef-Superintendent McWarden. »Natürlich haben wir die betreffenden Leute verhört, aber sie rücken einfach nicht mit der Sprache heraus. Sie streiten rundweg ab, je erpreßt worden zu sein.« »Das wird sich bald ändern, McWarden.« Agatha Simpsons Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Sie haben ein paar Unterlagen mitgebracht, hoffe ich?« »Selbstverständlich, Mylady.« McWarden langte in die Innentasche seines Sakkos und legte eine Liste vor. »Hier finden Sie alle Prozesse, die in letzter Zeit geplatzt sind. Hier finden Sie auch Namen und Adressen der Geschworenen. Es handelt sich selbstverständlich um vertrauliche Angaben.« »Gibt es im Augenblick einen Fall, der besonders akut ist?« »Der Fall George Hunt, Mylady«, erläuterte McWarden. »Dieser Hunt ist ein an sich kleiner Gangsterboß, der einen Garagenbesitzer niedergeschossen hat. Die Tatsachen und Beweise reichen vollkommen für den Schuldspruch aus, doch ich vermute, daß die Geschworenen zu keiner Einigung
kommen werden.« »Wann wird das Urteil verkündet, junger Mann?« »Nennen Sie mich nicht immer junger Mann, Mylady«, reagierte McWarden verärgert. »Morgen ist es soweit.« »Ich könnte Ihre Mutter sein.« »Du lieber Himmel, Mylady«, seufzte der ChiefSuperintendent. «Das hätte mir gerade noch gefehlt, ich meine, äh, also...« »Schon gut, junger Mann, ich weiß, daß Sie mich nicht ausstehen können«, antwortete Agatha Simpson genußvoll. »Aber damit werden Sie leben müssen, McWarden! Gut, ich werde morgen im Strafgericht sein und mir die Dinge aus nächster Nähe ansehen. Wenn mich nicht alles täuscht, scheine ich hier genau das Thema zu finden, das ich für meinen Bestseller schon lange suche.«
Leicht angeschlagen humpelten die beiden Schläger zurück zu ihrem kleinen Morris. Als sie im Wagen saßen, zündeten sie sich erst mal Zigaretten an und versuchten, ihr Nervenkostüm wieder in Ordnung zu bringen. Ihr Selbstbewußtsein war erheblich strapaziert worden. Das, was man mit ihnen im kleinen Park angestellt hatte, war neu für sie. Bisher waren sie es immer gewesen, die Schläge austeilten. »Ich versteh' das nicht«, sagte Joe Humbel und fingerte vorsichtig an seiner schmerzenden Nase herum. »Ich glaub', ich hab mir das Nasenbein gebrochen.« »Und mein Unterkiefer hat 'nen Knacks abbekommen«, vermutete Bill Slide wehleidig. Er redete nur mühsam. »Wie konnt' das passieren?« »Weil das 'n feiger und hinterlistiger Überfall gewesen ist.«
Joe Humbel war ehrlich entrüstet. »So was tut man nicht.« »Man kann sich auf nix mehr verlassen«, bestätigte Bill Slide. »Der Typ hat doch eigentlich harmlos ausgesehen.« »Coltex werd' ich was erzählen«, meinte Joe Humbel wütend. »Der hätt' uns ja wenigstens warnen können.« »Fahren wir zu ihm?« »Klar doch.« Humbel nickte. »Wir kassieren und steigen aus. In Zukunft halt' ich mich an solide Sachen.« Er saß am Steuer und ließ den kleinen Morris anrollen. Die beiden Schläger zeigten keine Lust, sich noch mal mit dem Butler des Lord zu befassen, dem sie in den kleinen Park gefolgt waren. Natürlich hatten sie keine Ahnung, daß man sie nachhaltig getäuscht hatte. Während der Fahrt durch London kamen sie überhaupt nicht auf die Idee, daß man sie eventuell verfolgte. So etwas konnten die beiden recht simplen Ganoven sich nicht vorstellen. Sie hatten die City bereits hinter sich gelassen und fuhren in Richtung Soho. Hier ließen sie ihren Morris irgendwo auf einem Parkplatz stehen und gingen zu Fuß weiter. Auch jetzt schauten sie sich nicht ein einziges Mal um. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie betraten ein kleines Uhrwarengeschäft, dessen Auslage einen mehr als nur leicht verstaubten Eindruck machte. Sie warteten erst gar nicht ab, bis der Uhrmacher vorn im Ladenlokal erschien. Sie marschierten zielsicher auf einen Vorhang zu und schlugen ihn zur Seite. Vor einem Arbeitstisch saß ein kleiner, magerer Mann von vielleicht fünfundfünfzig Jahren. Er trug einen grauen Kittel und hatte eine Uhrmacherlupe ins linke Auge geklemmt. Dieser Mann wandte sich um und sah seine beiden Besucher abwartend an. »Was ist passiert?« fragte er dann mit sanfter Stimme. »Das siehst du doch, Lern«, erwiderte Joe Humbel gereizt. »Reingelegt worden sind wir«, fügte Bill Slide hinzu. »Der
Butler war 'ne ganz schöne Bombe!« »Was ist passiert?« fragte Lern Coltex nochmal und nahm die Lupe aus dem Auge. Er gab sich ruhig und gelassen. »Der Kerl hat uns fast zusammengeschlagen«, beschwerte sich Joe Humbel. »Als wir's ihm dann geben wollten, kamen leider Leute. Wir mußten abhauen.« »Ich möchte Einzelheiten erfahren.« Lern Coltex war aufgestanden und sah im Gegensatz zu den beiden Schlägern schmächtig und geradezu erbarmungswürdig aus. Erstaunlicherweise aber ging von ihm eine deutlich spürbare Autorität aus. Bill Slide, der zweite Schläger, lieferte die gewünschten Einzelheiten, milderte sie allerdings ein wenig ab. Und das angebliche Auftauchen von Passanten übertrieb er ungemein. »Seid ihr verfolgt worden?« erkundigte sich Coltex. »Nee, wer sollte das denn getan haben?« erwiderte Joe Humbel. »Schon gut. Ihr werdet euch in den nächsten Zug setzen und London verlassen«, sagte Lern Coltex. »Macht irgendwo an der Südküste Urlaub. Meldet euc h, ich werde euch dann schon wieder zurückrufen.« »Und wie isses mit unserem Geld?« fragte Slide. »Werdet ihr bekommen.« Lern Coltex schob Humbel zur Seite und ging auf einen altersschwach, aussehenden Tresor zu. Er wandte den beiden Schlägern ungeniert den Rücken zu und schien keine Sorge zu haben, von ihnen überfallen zu werden. Joe Humbel und Bill Slide juckte es in allen Fingern, sich selbst zu bedienen. Sie tauschten entsprechende Blicke, doch sie trauten sich nicht. Über Coltex' Schulter hinweg konnten sie in eines der Tresorfächer sehen. Und sie sahen recht hübsche Banknotenbündel, die ein kleines Vermögen darstellten, aber wie gesagt, sie rührten sich nicht von der Stelle. Sie schienen vor diesem kleinen Uhrmacher einen Riesenrespekt zu haben. Lern Coltex drehte sich um und reichte den beiden tumben
Schlägern ihr Geld. »Wie war's denn mit 'nem zusätzlichen Schein?« fragte Humbel. »Als 'ne Art Gefahrenzulage«, meinte Slide. »Sie hatten uns diesen Butler ganz anders beschrieben, Coltex.« »Einverstanden.« Coltex lächelte. »Wenn ihr nachzählt, werdet ihr herausfinden, daß ich an die Gefahrenzulage bereits gedacht habe. So, und jetzt verschwindet, Jungens! Meldet euch, sobald ihr eine passende Bleibe gefunden habt!« Humbel und Slide blätterten ihr Handgeld durch und nickten dann zufrieden. Sie verließen den kleinen Uhrmacherladen und ließen einen nachdenklichen Lern Coltex zurück, der nach einigen Minuten zum Telefon griff, eine Nummer wählte und dann einen gewissen Steve Widcorne anrief. »Gib's weiter an den >MaulwurfAchtung, Mord!