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Seewölfe 445 1
Fred McMason
Ohne Gnade
Don Pascual de Alcedo, seines Zeichens Generalkapitän Seiner Allerkatholischsten Majestät, hält die Indianer auf der Isla de Puna im Golf von Guayaquil für Ungeziefer und meint, zwei Kriegskaravellen sowie eine Kriegsgaleone samt einer zusätzlichen Bemannung von Seesoldaten müßten genügen, das Ungeziefer auszurotten. Daß ihm ein englischer Korsar mit seinen Männern einen Strich durch die Rechnung machen könnte, ahnt er nicht – auch nicht, daß es nur zehn „Piraten“ wagen, ihm eine Kriegskaravelle wegzuschnappen, die andere in die Luft zu jagen und die Kriegsgaleone anzugreifen und zu versenken. Da ist es vorbei mit dem Ausrotten, und Don Pascual muß selbst auf „Piratenjagd“ gehen. Nur wird er da sein Wunder erleben... Die Hauptpersonen des Romans: Don Pascual de Alcedo – der Generalkapitän hat lange keine Seegefechte geführt, jetzt empfängt er die Quittung. Augusto Samola – hat als Capitan eines Landetrupps versagt und wird degradiert. Edwin Carberry – der Profos vertilgt gerne Spiegeleier mit Speck, aber sein „Sir Jöhnchen“ hat etwas gegen Hühner an Bord. Philip Hasard Killigrew – verteidigt die La-Plata-Insel und hat ein paar Trümpfe in der Hand. Jean Ribault – geht auf Erkundung und hat plötzlich einen Hammerhai am Hals.
1. 30. Oktober 1594. Es war schon weit nach Mitternacht, als für die hart bedrängten Chimu-Indianer ganz unverhofft die Wende eintrat. Rätselhafte Dinge geschehen plötzlich im Umfeld der Insel Puna im Golf von Guayaquil. Anfangs hatten sich die Indianer von dem Trupp Seewölfe bedroht gefühlt, der in ihre Kultstätte eingedrungen war. Dann waren Schüsse gefallen, die von einer spanischen Patrouille gehört wurden. Alles Weitere beruhte mehr auf einem Mißverständnis, denn die Chimus nahmen an, daß die Weißen Verstärkung erhielten. Als dann spanische Landekommandos an der Insel abgesetzt wurden, empfing die verblüfften Dons ein Pfeilhagel. Von da an eskalierte die Situation, denn die Dons feuerten aus Musketen und Pistolen zurück. Jetzt, eine halbe Stunde nach Mitternacht, gab es für die verblüfften Indianer die nächste Überraschung.
Die Unbekannten hatten eine spanische Kriegskaravelle geentert und eine andere auf der Nordseite der Insel versenkt. Kurz darauf war eine Kriegsgaleone auf der Südseite ebenfalls in die Tiefe geschickt worden. Alle drei Schiffe hatten Seesoldaten an Land gesetzt, mit dem Ziel, einen harten Vergeltungsschlag gegen die Chimus zu führen, weil sie es gewagt hatten, einen spanischen Landetrupp anzugreifen. Das war für die Dons eine Ungeheuerlichkeit, die unbedingt gerächt werden mußte. Darum waren die drei Kriegsschiffe, besetzt mit Landetruppen, nach dem Sturm aus Guayaquil ausgelaufen. Ihr Auftrag lautete, die Indianer zu züchtigen, jeden Widerstand zu brechen und die Überlebenden zu versklaven oder kurzerhand aufzuhängen. Davor war das anders gewesen. Da hatten die Spanier in Guayaquil mit den indianischen Einwohnern von Puna eine Art Burgfrieden geschlossen, und man lebte fast einträchtig nebeneinander.
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Die Nachfahren der Chimus belieferten die Dons mit Fischen und Früchten und erhielten im Gegenzug dafür wertlosen Plunder wie Glasperlen und Bronzespiegel oder bestenfalls ein paar Messer oder Äxte. Handgreiflichkeiten hatte es bisher nicht gegeben, außerdem wußten die Dons nicht einmal, daß es auf der Insel eine Art Kultstätte gab, und so ließ man sich gegenseitig in Ruhe. In der Nacht waren die Indianer bereits mit den Seesoldaten aneinandergeraten, und es hatte nicht gut für sie gestanden. Jetzt aber sah das alles ganz anders aus. Das Blatt hatte sich zugunsten der Indianer gewendet, denn den gelandeten Dons war der Rückzug von der Insel abgeschnitten. Entsetzt hatten die Seesoldaten mit ansehen müssen, wie die eine Kriegskaravelle nach einer gewaltigen Explosion sank. Keine drei Stunden später hatte die zweite Karavelle, die „Estrella de Malaga“ auch die Kriegsgaleone überraschend angegriffen und ebenfalls versenkt. Bei den Spaniern herrschten jetzt Entsetzen, nackte Angst und Panik, denn niemals hatten sie damit gerechnet, ihre drei Schiffe zu verlieren. Die Indianer, die sich auf der Insel besser auskannten als sie, lauerten in der Dunkelheit und schossen mit unglaublicher Präzision ihre tödlichen Pfeile ab. Das Verhältnis hatte sich umgekehrt - aus den Jägern waren Gejagte geworden, die ihr Heil in der Flucht suchten und verzweifelt bemüht waren, die Insel so schnell wie möglich zu verlassen. Doch das war nicht so einfach, die Chimus lauerten überall, tauchten ganz überraschend auf, schossen ihre Pfeile ab und verschwanden augenblicklich wieder geräuschlos in der Dunkelheit. Capitan Augusto Samola war mit seinen Nerven am Ende. Sechzehn oder achtzehn Männer waren ihm noch geblieben, der Rest war im Pfeilhagel der Indianer gefallen. Der spanische Capitan lauschte in die Finsternis, doch von den Indianern war nichts zu sehen. Es schien, als hätte der
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Erdboden sie verschluckt. Der Teniente neben ihm zitterte wie Espenlaub und brachte nur mit Mühe und Not einen Ton heraus. „Sie werden wieder angreifen“, flüsterte er, „sie sind wie Geister, diese verdammten Indianer. Sie tauchen auf, feuern und verschwinden wieder. Wir hätten diese Brut schon längst ausräuchern sollen. Jetzt sitzen wir in der Tinte.“ „Halten Sie den Mund!“ zischte der Capitan. „Schweigen Sie endlich, durch Ihr Gewisper locken Sie die Kerle nur herbei.“ Ein leises Zischen war zu hören. Danach ein dumpfer Ton. „Sie sollen schweigen!“ sagte Samola wütend. Dann fuhr er fassungslos herum. Der Teniente hatte nichts gesagt, seit er angeranzt worden war. Der hockte neben ihm und zitterte noch stärker. Aber ein anderer Seesoldat war lautlos umgekippt. Er lag auf dem Rücken. Die Hände hatte er um einen gefiederten Pfeil gekrallt, der ihm aus dem Hals ragte. Im schwachen Licht der Sterne war klar zu erkennen, daß der Mann tot war. Ohne einen Laut war er gestorben. Gesehen hatten sie absolut nichts, nur das leise Zischen hatten sie gehört. Dem Capitan kroch die Angst in der Kehle hoch, als er einen Blick auf den Toten warf. Es schüttelte ihn in namenlosem Grauen, und er sah sich gehetzt nach allen Seiten um. „Feuer!“ brüllte er dann mit überkippender Stimme. „Feuer!“ Musketen und Pistolen wurden blindlings und aufs Geratewohl abgefeuert. Blitze zuckten durch die Nacht, der Donner der Schüsse rollte wie ein Echo über die Insel. Die Reaktion blieb aus. Nachdem das Geknatter verklungen war, herrschte tiefe Stille. Da gab es keinen Schrei, kein Anzeichen, daß auch nur einer der Schüsse getroffen hatte. Sie waren wirklich wie Geister, diese Indianer. Sie tauchten unsichtbar auf und verschwanden ebenso geheimnisvoll wieder, nachdem sie ihre Pfeile abgeschossen hatten. Zu sehen waren sie nicht, geschweige denn zu fassen.
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Das zerrte an den Nerven und ließ die Spanier vor Angst fast wahnsinnig werden. Sie richteten ihr Augenmerk flehentlich auf den Capitan, doch er konnte ihnen nicht helfen, dem zitterten selbst alle Knochen, und er konnte nur mit wackligen Fingern seine Waffe nachladen. Teufel! Das Landeunternehmen war gescheitert. Jetzt saßen sie hoffnungslos in der Falle. Ersatztruppen gab es nicht, weil keine Schiffe mehr da waren. Niemand konnte ihnen helfen. Sie saßen fest und mußten damit rechnen, einer nach dem anderen massakriert zu werden. Trotz der Überlegenheit ihrer Waffen konnten sie sich nicht wehren, denn ihr Feind war und blieb unsichtbar. Er konnte neben ihnen, hinter ihnen oder vor ihnen lauern. Sie wußten es nicht. Sie vernahmen nur hin und wieder ein leises Sirren, und jedes Sirren bedeutete, daß es einen Mann weniger gab. Vom Südufer der Insel her erklang ein lauter gellender Schrei. Ein Krachen folgte, dann war wieder Ruhe. Der Teniente zuckte heftig zusammen. „Da müssen noch Leute von uns sein“, flüsterte er heiser. „Das höre ich selbst“, erwiderte der Capitan gepreßt, „aber wir können ihnen nicht helfen. Wir stecken selbst im Dreck.“ Das Krachen konnten sie sich nicht erklären, aber es klang so, als sei da etwas zertrümmert worden. Fast eine Viertelstunde lang geschah nichts. Es schwirrte auch kein Pfeil heran. Vielleicht haben sich die Indianer zurückgezogen. dachte der Capitan, vielleicht geben sie jetzt auf. Oder sie befürchten, daß noch mehr Kriegsschiffe die Insel anlaufen, um alles kurz und klein zu schlagen. Er hatte noch eine Hoffnung, die Insel verlassen zu können. Das waren die Jollen, die am Nord- und Südufer lagen, mit denen sie übergesetzt waren. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg, denn augenblicklich steckten sie in einem dornigen Verhau. Das Warten, bis der Feind wieder angriff, zerrte an ihren Nerven. Bei jedem noch so
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leisen Geräusch zuckten sie entsetzt zusammen. Von der anderen Seite, irgendwo aus der Dunkelheit, war wieder ein Schrei zu vernehmen. Er klang heiser, brach auch gleich darauf ab. Samola versuchte etwas zu erkennen, doch die Dunkelheit und der Verhau ließen das nicht zu. Dem Geräusch nach zu urteilen, schien es jedoch wieder einen Mann des Landekommandos erwischt zu haben Verdammt, sie waren direkt in der Hölle gelandet, und sie wünschten sich sehnlichst den Tag herbei, um wenigstens etwas erkennen zu können. Nach einer weiteren Viertelstunde hielt es der Capitan nicht mehr aus. Er war nur noch ein Nervenbündel. „Sie nehmen jetzt ein paar Leute, Teniente“, sagte er, „und versuchen, sich zum Ostufer der Insel durchzuschlagen. Mit dem Rest der Männer versuche ich es im Süden. Dort liegen die Jollen. Wenn Sie die erreicht haben, sehen Sie zu, daß Sie so schnell wie möglich nach Guayaquil gelangen, um dem Generalkapitän zu berichten, was hier passiert ist. Ein paar von uns müssen es schaffen. Lassen Sie auch durchblicken, daß sich die Indianer auf der Insel behaupten und wir mit ein paar Mann kaum eine Chance gegen sie haben.“ Der Teniente nickte beklommen. Bei dem Gedanken, sich zum Ostufer der Insel durchzuschlagen, wurde ihm speiübel. Ungeschoren würden sie nie dahin gelangen. Aber diese Ansicht behielt er für sich. „Ich werde es versuchen“, hauchte er, „obwohl das ein reines Selbstmordunternehmen wird. Wäre es nicht besser, wir würden den Sonnenaufgang abwarten?“ „Das dauert noch mindestens fünf Stunden, und gewonnen haben wir damit auch nicht viel. In der Zeit werden diese Bastarde einen nach dem anderen umbringen.“ Das sah der Teniente zwar ein, aber wohler war ihm keineswegs. „Ich werde stürmen, Capitan“, sagte er. „Wenn wir uns kriechend durch den Verhau bewegen,
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sehen uns die Indianer. Oder sie hören uns. Wenn wir aber mit Musketen vorwärts stürmen und auf alles feuern, was sich bewegt, sind unsere Aussichten besser. Was halten Sie davon?“ „Handeln Sie nach eigenem Gutdünken, Teniente. Wenn Sie stürmen, brechen wir zur anderen Seite durch.“ Der genervte Capitan rechnete sich noch eine Chance aus. So übel war die Idee seines Untergebenen gar nicht. Wenn der losstürmte, würde sich der Angriff der Chimus auf ihn konzentrieren, und dann konnte er, der Capitan, mit dem Rest seiner Männer vielleicht ungeschoren durchbrechen. Das ging zwar auf Kosten des Teniente, aber sein eigenes Hemd war ihm nun mal näher als die Jacke. Jeder mußte sehen, wie er am besten selbst zurechtkam. Die anderen Soldaten hatten gespannt zugehört. Sie wollten nur noch fort von dieser unheimlichen Insel, ihnen war jetzt alles egal, und so hatte der Teniente auch gleich einen kleinen Trupp um sich geschart. Musketen und Pistolen waren geladen. Auf einen Wink des Capitans setzte sich der Trupp in Bewegung. Urplötzlich war die Hölle los. Die unheimliche Ruhe wurde durch das helle Peitschen von Pistolenschüssen durchbrochen. Eine Horde Männer stürmte unter lautem Gebrüll durch den Verhau und schoß um sich, was das Zeug hielt. Das hörte sich an, als würde eine Horde wilder Stiere lostrampeln und alles niederwalzen. Durch die Nacht stachen lange Blitze. Dumpfes Knallen war zu hören, dann wieder das helle Peitschen der Pistolen. Wieder schrie irgendwo in der Finsternis ein Mann gellend auf. Unartikulierte Worte in einer fremden Sprache waren zu hören. „Das war ein Indianer“, sagte Samola, „den hat's wohl mehr durch Zufall erwischt.“ Er sah den anderen nach, die ihre Position nur durch die Blitze aus ihren Musketen und Pistolen verrieten. Offenbar schien der Teniente damit Erfolg zu haben.
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Samola hielt den Augenblick für günstig, sich jetzt abzusetzen und zum Südufer durchzuschlagen. Dort lagen zwei Jollen, wenn er sich richtig entsann. Hatten sie die erst einmal erreicht, dann befanden sie sich so gut wie in Sicherheit, denn die Chimus würden ihnen ganz bestimmt nicht folgen. „Leise zum Südufer pirschen“, befahl er seinen Männern. „Kein Schuß wird abgegeben. Bewegt euch so geräuschlos, wie es nur geht.“ Die genervten Dons setzten sich in Bewegung, froh darüber, daß der Teniente die Aufmerksamkeit der Indianer auf sich und seinen Trupp lenkte. Durch die Dunkelheit schlichen sie davon, kriechend, robbend oder auf allen vieren, angeführt von dem Capitan, der sich immer wieder nervös nach allen Seiten umsah und bei jedem noch so leisen Geräusch heftig zusammenzuckte. Etwas später hatten sie das Südufer der Insel erreicht. Von der anderen Seite der Insel waren vereinzelt Schüsse zu hören. Hin und wieder sahen sie es auch aufblitzen. Im schwachen Licht der Sterne versuchten sie, sich zu orientieren. „Dort drüben sind wir an Land gegangen“, raunte Samola. „Da müssen auch die Jollen liegen.“ Sie brauchten eine Ewigkeit, bis sie auf eine der versteckten Jollen stießen. Aber die bestand nur noch aus Trümmern. Das waren die hallenden Geräusche gewesen, die sie vorhin gehört hatten. Die Indianer hatten die Jolle zerstört, um den Spaniern auch die letzte Möglichkeit zum Rückzug abzuschneiden. Der Capitan wechselte die Farbe, als er die zerstörte Jolle sah. Es gab kaum mehr Hilfe für sie, sie hatten eine Möglichkeit zur Flucht verloren. Aber eine Jolle mußte noch hier ganz in der Nähe liegen. Sie fanden sie jedoch erst nach längerer Suche, und dabei erlebten sie ein Fiasko. Die Jolle war intakt, aber die Chimus hatten sie sozusagen als Köder benutzt, weil sie wußten, daß diese Jolle für die Spanier die letzte Chance bedeutete
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und sie sich auf das Boot konzentrieren würden. Erleichtert nahm Samola zur Kenntnis, daß die Jolle heil war. Er dachte jedoch nicht im Traum daran, den anderen Männern am Ostufer zu Hilfe zu eilen. Er wollte nur noch weg von hier. Vor sich selbst entschuldigte er sein Handeln damit, daß ja schließlich einer nach Guayaquil durchkommen mußte, um Bericht zu erstatten. Der Teniente hätte sicherlich auch keine Zeit verloren. „Schiebt das Boot ins Wasser!“ befahl er. Als die Spanier zupackten. tauchten aus den Mangroven plötzlich Schatten auf. Zischende Worte erklangen. Samola feuerte blindlings drauflos. Er traf auch einen Indianer, aber neben ihm brach einer seiner Leute zusammen und fiel mit dem Kreuz auf das Dollbord. Von dort aus rutschte er in den Schlick_ Die anderen erfaßte erneut wilde Panik. Sie hieben und stießen um sich, feuerten mit den Pistolen und sprangen ins Boot. Ein weiterer Schatten brach in einem Feuerblitz zusammen. Sie konnten zwischen ihren eigenen Leuten und den Indianern nicht mehr unterscheiden. „Weg hier!“ schrie der Capitan. „Pullt, ihr Bastarde!“ Wieder feuerte er zwei Pistolen ab. Ein weiterer Mann brach schreiend neben ihm zusammen. Sie warfen sich in das Boot, sprangen es an oder krallten sich daran fest. Ein paar von ihnen griffen zu den Riemen und hieben sie wie verrückt ins Wasser. Nur fort von dieser Teufelsinsel, weg von hier, sonst fielen sie doch noch den heimtückischen Indianern zum Opfer. Samola lag langgestreckt zwischen den Duchten und feuerte seine Männer mit wüstem Gebrüll zum Pullen an. Im schwachen Licht sah er voller Entsetzen, daß einer der Ruderer lautlos auf der Ducht zusammensackte. Ein gefiederter Pfeil hatte sich in seinen Hals gebohrt. Ein anderer Pfeil zerbrach splitternd, als er auf den Brustpanzer eines Seesoldaten prallte. Die Schatten am Ufer waren verschwunden. Den Dons saß das nackte
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Grauen im Genick, als sie sich endlich außerhalb der Schußweite von Pfeil und Bogen befanden. Ächzend richtete sich Samola auf und zählte seine Leute. Da gab es nicht mehr viel zu zählen. Im Boot hockten noch ganze sechs Mann, der Tote nicht mitgerechnet. Das Blitzen und Krachen am anderen Inselufer hatte aufgehört. Samola versuchte etwas zu erkennen, doch das war zwecklos. Die Dunkelheit hing immer noch wie ein schwarzes Tuch über ihnen, und mehr als vage Umrisse waren nicht zu erkennen. Unaufhörlich trieb er die Männer an, die aus Leibeskräften pullten. „Seht nach, ob er tot ist“, sagte er dann, auf den zusammengesunkenen Mann deutend. „Er ist tot, Capitan.“ „Dann werft ihn über Bord.“ Ein leises Klatschen, ein Körper tauchte in der Dunkelheit ins Wasser und verschwand dann. Die Dons pullten weiter. Niemand fragte nach dem Teniente. sie wollten nur ihre eigene Haut retten. Der Teniente würde schon durchkommen, trösteten sie sich. Sie selbst hatten es ja schließlich auch geschafft. Außerdem würden sie ihn in der Dunkelheit ja auch gar nicht finden. Als es dämmerte, liefen sie ausgelaugt, verdreckt, entnervt und total fertig in Guayaquil ein. Capitan Augusto Samola begab sich unverzüglich zum Generalkapitän Don Pascual de Alcedo, um die ungeheuerliche Nachricht zu überbringen. 2. Das Gebäude war ein Steinbau in der Nähe des Altstadtviertels Las Pefias, wo sich auch die Kirche Santa Domingo befand. Der Generalkapitän saß mit zwei weiteren Senores beim Frühstück. Zu der frühen Stunde pflegten die Senores bereits ausgiebig zu speisen. Es gab Cebique de Corvina, das war marinierter Fisch in Zitronensoße, den Don Pascual zu allen Tageszeiten besonders schätzte. Den Fisch hatten noch die Chimu-Indianer geliefert.
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Die beiden anderen Senores aßen Llapingachos, überbackenen Kartoffelbrei mit Käse. Das Essen wurde mit süffigem Rotwein hinuntergespült. Eine Ordonnanz trat ein und meldete einen „gewissen Capitan Augusto Samola“, der den Generalkapitän dringend zu sprechen wünsche. „Aber doch nicht jetzt“, sagte de Alcedo ungehalten. „Der Kerl soll gefälligst warten.“ „Es sei sehr dringend, Senor Generalkapitän.“ Im kantigen Gesicht des Generalkapitäns stand ein böser Ausdruck. „Ich habe gesagt, daß dieser Kerl warten soll. Oder hören Sie etwa schlecht! So dringend kann es auch wieder nicht sein, denn dieser Samola will mir nur melden, daß er die Indianer erledigt hat. Aber das ist keine umwerfende Neuigkeit, denn schließlich habe ich den Landungsplan und die Eliminierung dieses Packs selbst angeordnet. Und jetzt verschwinden Sie! Schicken Sie mir den Kerl in einer halben Stunde herein.“ „Jawohl, Senor Generalkapitän“, sagte der Mann betreten. Nach einer hastigen Kehrtwendung verschwand er. De Alcedo hatte heute offenbar schlechte Laune, aber die hatte er oft. Die Senores wandten sich wieder ihrem Frühstück zu. Dem Generalkapitän gegenüber saßen der Stadtkommandant von Santiago de Guayaquil, Don Alfredo, und der Kapitän der Kriegsgaleone „Neptuno“, Bernado dos Santos. „Wenn diese Chimu-Affen erledigt sind“, sagte Don Alfredo süffisant, „wer wird uns dann mit Fisch und Früchten, Flecht- und Knüpfarbeiten beliefern, Don Pascual?“ „Das weiß ich nicht, es ist mir auch egal. Notfalls verzichte ich auf Cebique de Corvina. Aber es wird sicher ein paar Überlebende gegeben haben. Die werden froh sein, uns beliefern zu können. Es geht jedenfalls nicht an, daß eine Horde nackter Wilder eine spanische Patrouille angreift. Wenn ich das duldsam hinnehme, büße ich mein Ansehen ein. Es ist besser, solchem
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Gesindel unnachgiebig und hart zu demonstrieren, daß sie zu gehorchen und uns als die eigentlichen Herren anzuerkennen haben.“ „Sehr richtig, Don Pascual“, sagte Bernado dos Santos blasiert. Er gab dem Generalkapitän immer recht, denn der hatte hier das große Sagen und wer ihm widersprach, der wurde von den vielen Vorteilen und Annehmlichkeiten ausgeschlossen. Ganz zu schweigen von den kleinen Vergünstigungen, die Don Pascual mitunter verteilte. So geschah es also, daß Capitan Augusto Samola etwas länger als eine halbe Stunde warten mußte, bis die Senores Frühstück und Unterhaltung beendet hatten und gnädig geruhten, ihn zu empfangen. Samola hatte sich im Atrium des großen Hauses am Brunnen ein wenig erfrischt und seine Kleidung in Ordnung gebracht. Das änderte jedoch nicht viel an seinem schmutzigen Aussehen, seinen zerschundenen Händen, dem zerkratzten Gesicht und den stark in Mitleidenschaft gezogenen Kleidern. Zudem hatte ihn diese halbe Stunde total genervt, denn Don Pascual erwartete Erfolgsmeldungen, aber keine Niederlagen. Dem Capitan stand ein harter Strauß bevor, denn Don Pascual war ein durch nichts zu belehrender, starrsinniger Feuerfresser. Dazu hatte er noch das Gemüt eines Schlachterhundes, der auch dann nicht aufgab, wenn ein Spiel längst verloren war. Als Samola eintrat, sahen ihm die drei Senores erwartungsvoll entgegen, doch dann verzogen sich ihre Gesichter in ungläubigem Staunen. Der Generalkapitän blickte ihn verwirrt an, dann stand er auf, und auf seiner Stirn erschien eine tiefe Falte des Unmuts. „Wie sehen Sie denn aus, Sie Ferkel?“ schnauzte er den Capitan an. „Sind Sie verrückt geworden, in diesem Aufzug hier zu erscheinen? Sie beleidigen in diesem Lumpenzeug das Ansehen der spanischen Kriegsflotte. Hinaus mit Ihnen! Bringen Sie Ihre Kleidung in Ordnung, und melden Sie sich vorschriftsmäßig, wenn sich alles in geordnetem Zustand befindet.“
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„Unerhört ist das“, sagte der Stadtkommandant pikiert. „Wirklich unerhört. Da bleibt einem ja das Frühstück im Halse stecken. Haben Sie nicht gehört, was Don Pascual befohlen hat!“ Gedemütigt und blamiert stand Samola vor den elegant herausgeputzten Senores, die ihn verächtlich anblickten. „Ich - ich möchte Bericht erstatten, Don Pascual“, stammelte Samola. Don Pascual wollte gerade losbrüllen, da sah er sich den Capitan noch einmal genauer an. Ihm schwante nichts Gutes. Die Augen des Capitans flackerten unruhig. Angst lag in seinen Blicken, und seine Hände bewegten sich fahrig hin und her. Er sah aus, als hätte er eine Schlacht verloren. Bernado dos Santos, immer dem Generalkapitän gefällig und stets zu Diensten, stand auf und wollte Samola zur Tür hinausschieben, weil der immer noch wie angenagelt dastand. Aber eine Handbewegung Don Pascuals hielt ihn davon ab. „Was ist passiert? Reden Sie, Mann, da ist doch etwas nicht in Ordnung. Los, los, berichten Sie endlich!“ Samola nahm allen Mut zusammen und salutierte. „Lassen Sie den Quatsch, erzählen Sie!“ wurde er angefahren. „Wir sind von Fremden überfallen worden, Don Pascual. Vermutlich waren es Engländer.“ „Engländer?“ schnappte der Generalkapitän. „Engländer vor Guayaquil - vor der eigenen Haustür? Sie sind verrückt, Senor!“ „Ich wünschte, ich wäre es, Don Pascual“, jammerte Samola. „Die Engländer haben uns plötzlich aus dem Dunkel der Nacht überfallen. Es gelang ihnen, sich der ,Estrella de Malaga' zu bemächtigen. Mit Hilfe der Karavelle haben sie die Kriegsgaleone überraschend angegriffen und versenkt, während die Landekommandos auf der Insel waren, wie Sie befohlen haben. Die andere Karavelle explodierte und sank ebenfalls.“
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Diese Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Fassungslos starrten die Senores den Capitan an. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz“, sagte Don Pascual. In seinen Augen begann es ebenfalls zu flackern. Stadtkommandant und Kapitän der „Neptuno“ starrten sich an, als hätte Samola etwas von Mondkälbern erzählt, die die Erde angegriffen hätten. „Totalverluste?“ brüllte Don Pascual mit hochrotem Schädel. „Die Kriegsschiffe können wir abschreiben - wollen Sie das etwa sagen?“ Samola hatte unter dem mörderischen Blick fast die Hosen voll. Kleinlaut nickte er. „Jawohl, Don Pascual“, sagte er kläglich, „Totalverluste - bis auf die ,Estrella de Malaga'. Mit der Karavelle sind die Halunken in der Nacht verschwunden und davongesegelt.“ „Warum erfahre ich das erst jetzt?“ brüllte Don Pascual. „Weshalb hat man Sie nicht sofort vorgelassen?“ „Sie haben es so befohlen, Don Pascual.“ „Gar nichts habe ich befohlen!“ schrie der Generalkapitän wider besseres Wissen. „Eine Schweinerei ist das! Wie viele Engländer waren es, die den Überfall verübt haben?“ Don Pascual war außer sich. Die beiden anderen Senores schnappten hörbar nach Luft. „Die Überlebenden haben von etwa zehn Männern gesprochen. Ein knappes Dutzend hat die Karavelle geentert. Man nimmt an, daß sie sich mit einer Jolle herangepirscht haben, Don Pascual.“ „Mit einer Jolle? Das ist ja unglaublich. Piratengesindel war das, englisches. Wieso mit einer Jolle - hatten die denn kein Schiff?“ „Es war keins zu sehen, Don Pascual. Wir sind aber sicher, daß es sich um Piraten gehandelt hat.“ Der Generalkapitän sank ächzend in seinen Sessel zurück. Sein hartes Gesicht war jetzt von fahler Blässe überzogen. Mit der Faust hieb er wütend auf den Tisch.
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„Los, los, Senores!“ schrie er. „Die Stadt wird ab sofort in Alarmzustand versetzt. Sie, dos Santos, halten sich zu meiner Verfügung, ich werde gleich geeignete Maßnahmen treffen. Englische Schnapphähne“, setzte er fassungslos hinzu, „es ist nicht zu glauben. Ungeheuerlich, daß sich eine ganze Mannschaft von zehn verdammten Kerlen überrumpeln läßt. Ich werde die verantwortlichen Männer zur Rechenschaft ziehen lassen.“ „Darf ich dazu bemerken, Don Pascual, daß sich der größte Teil der Mannschaft auf der Insel befand, um die Indianer zu eliminieren? Es waren nicht mehr viele Leute an Bord der ,Estrella de Malaga`.“ „Gar nichts dürfen Sie bemerken, überhaupt nichts. Ich verbitte mir Ihre dummen Bemerkungen! Von zehn zerlumpten Kerlen läßt man sich nicht überrumpeln, dafür gibt es keine Entschuldigung. Warum sehen Sie überhaupt wie ein Ferkel aus? Waren Sie etwa an Bord des Schiffes, als es überfallen wurde?“. „Nein, Senor Generalkapitän. Ich leitete den Trupp an Land, zusammen mit dem Teniente. Wir waren plötzlich abgeschnitten und konnten die Insel nicht mehr verlassen. „Sie konnten die Insel nicht verlassen? Warum nicht? Sie hatten doch die Jollen.“ „Die Indianer attackierten uns so heftig, daß viele Männer im Kampf fielen. Sie schlugen heimtückisch aus der Dunkelheit zu. Eine der Jollen wurde von ihnen zerstört. Es haben sich nicht mehr viele Leute retten können. Die Überlebenden sind bereits im Hafen eingetroffen. „Das heißt im Klartext, Sie haben es nicht geschafft, diese Handvoll Affen zu bestrafen?“ „Nein, Don Pascual, sie konnten sich auf der Insel behaupten.“ Don Pascual lachte stoßartig auf. Es hörte sich an, als würde er vor Wut und Zorn gleich losheulen. „Sie lassen sich von ein paar Affen abschlachten und von einer Handvoll Piratenpack überrumpeln! Haben Sie
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überhaupt einen Erfolg vorzuweisen, Sie totaler Versager?“ Mit einem Erfolg konnte Samola leider nicht dienen, und so schluckte er nur hart und ließ sich zur Sau machen. Don Pascual sparte in seinem Zorn auch nicht mit verächtlichen und beleidigenden Ausdrücken. „Sie sind Capitan, nicht wahr?“ fragte Don Pascual hinterhältig und mit boshafter Stimme. „Jawohl, Senor Generalkapitän.“ „Gewesen, verehrter Senor, gewesen! Versager wie Sie kann ich nicht gebrauchen, auch Witzfiguren wie den Teniente nicht. Doch, ich kann Sie noch brauchen”, korrigierte er sich, „nämlich in den Silberminen von Potosi. Betrachten Sie sich als unter Arrest gestellt. Mit dem nächsten Transport verschwinden Sie und der Teniente und ein paar andere ebenfalls. Es wird Ihren Verstand ungemein schärfen, wenn Sie in den Silberminen arbeiten. Sie haben dann auch Zeit und Muße, über Ihre Feigheit und Ihr jämmerliches Versagen gründlich nachzudenken. Ja, Sie werden bis an Ihr Lebensende nachdenken können. Ich kann Sie aber auch vor ein Peloton stellen lassen, Verehrtester. Weil Sie gleich zweimal versagt haben, dürfen Sie auch zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Und jetzt sprechen wir noch einmal Klartext, bevor Sie verschwinden: Sind noch mehr Piraten zu erwarten?“ Samolas Augen wurden glasig. Er hörte die Worte Don Pascuals nur noch wie aus weiter Ferne. Sie drangen kaum bis zu ihm vor. Er sah sich im Geist bereits in den Silberminen schuften, er, der Teniente und noch ein paar andere. Wer da erst einmal gelandet war, der konnte mit seinem Leben abschließen, denn aus Potosi gab es keine Rückkehr. „Mehr als zehn Mann wurden nicht gesichtet“, flüsterte er mit grauem Gesicht. „Und wohin genau sind sie mit dem Schiff verschwunden?“ „Sie haben sich in der Dunkelheit zur See hin abgesetzt. Mehr war leider nicht zu erkennen.“
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„Bei Ihnen habe ich das auch nicht anders erwartet“, höhnte Don Pascual. „Zur See hin also. Aber diese verdammten Schnapphähne sind natürlich nach Norden gesegelt. Panama ist ein begehrtes Ziel aller Piratenbanden.“ „Vermutlich ja, Don Pascual.“ „Was heißt hier, vermutlich ja! Natürlich ist es das! Fallen Sie mir nicht dauernd ins Wort. Fazit des Unternehmens? Fassen wir also noch einmal zusammen: Die Landekommandos haben sich gegen ein paar indianische Affen nicht behaupten können. Man hat sie abgemurkst, und nur ein paar Helden konnten fliehen. Die Aktion ist total geplatzt. Das war der erste Fehlschlag, der noch zu verkraften wäre. Eine Kriegsgaleone und eine Karavelle wurden vernichtet, und zwar von einem knappen Dutzend englischer Schnapphähne. Das dritte Kriegsschiff wurde geentert und entführt, obwohl wir zur Zeit mehr als knapp an Kriegsschiffen sind. Wir haben also drei Schiffe verloren und durch die Indianer eine harte Niederlage einstecken müssen. Und das alles wegen ein paar englischer Piraten! Das ist doch wohl nicht zu fassen. Die Halunken lachen sich halb tot über uns. Weitaus mehr als hundert Mann sind nicht in der Lage, ihre Schiffe gegen ein knappes Dutzend Schnapphähne zu verteidigen. Was, glauben Sie, wird man wohl in der Admiralität dazu sagen, wenn man das erfährt?“ „Man wird enttäuscht sein, Don Pascual“, sagte Samola zitternd. „Enttäuscht - meinen Sie?“ fragte der Generalkapitän höhnisch. „Man wird vermutlich anordnen, daß sich die verantwortlichen Kapitäne und Tenientes einmal die Garotte näher ansehen. Vielleicht lernen Sie die Würgeschraube auch noch kennen, Verehrtester. Es soll kein schöner Tod sein, habe ich mir von Zuschauern sagen lassen. Rufen Sie jetzt die Ordonnanz herein.“ Zitternd tat Samoa, wie ihm befohlen wurde. Als die Ordonnanz eintrat, wies Don Pascual auf den degradierten Capitan.
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„Festnehmen und einkerkern!“ befahl er. „Seine Uniform hat er abzulegen. Allerschärfste Bewachung.“ Zwei Soldaten erschienen, die Samola in die Mitte nahmen. Sie stießen ihn vor sich her und verschwanden. In dem Raum befanden sich jetzt nur noch der Generalkapitän und Bernado dos Santos. Don Alfredo war bereits zur Stadtkommandantur geeilt, um Guayaquil in Alarmzustand zu versetzen. Trompetenstöße waren bereits durch das offene Fenster zu hören. „Es wird Zeit“, sagte Don Pascual, „daß wieder mal ein eiserner Besen durch diesen Saustall fegt und ihn gründlich von feigen Elementen säubert, die nicht einmal in der Lage sind, ihre Schiffe zu verteidigen.“ „Ganz meine Meinung, Don Pascual. Es wird allerhöchste Zeit. Aber bei Ihnen ist das in allerbesten Händen. Sie werden dieses feige Gesindel schon zur Räson bringen.“ „Darauf können Sie sich verlassen, dos Santos. Was geschehen ist, ist leider nicht mehr zu ändern. Die Indianer sind zur Zeit zweitrangig. Es geht darum, eine Scharte auszuwetzen. Wir haben noch Ihre Kriegsgaleone, die ich nachher unter mein Kommando stellen werde, sowie vier gut armierte Zweimastschalupen. Damit laufen wir unverzüglich aus. Wir werden die ,Estrella de Malaga` finden und stellen. Wenn es nur zehn Mann waren, sollte es kein Problem sein, sie zu überwältigen. Ich werde die Aktion gegen die Piraten persönlich leiten und durchführen. Ich sagte bereits, daß sich das Lumpenpack vermutlich in Richtung Panama abgesetzt hat, um dort Beute zu schlagen. Wenn Sie gleich an Bord gehen, dann unterrichten Sie die anderen Kapitäne sofort über die Aktion. Sie erhalten den Auftrag, die ,Estrella`, so das möglich ist, unbeschadet zurückzuerobern. Wir haben kaum noch Kriegsschiffe, und ich möchte, daß die Karavelle nach Möglichkeit nicht zerschossen wird. Fünf Kriegsschiffe werden ja wohl in der Lage sein, ein paar englische Piraten zu überwältigen. Gehen
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Sie jetzt an Bord, ich werde in einer halben Stunde folgen.“ „Jawohl, Senor Generalkapitän. Natürlich werden wir die Karavelle zurückerobern. Und mit dem Piratengesindel werden wir die Rahen unserer Schiffe verzieren“, sagte dos Santos überheblich, als sei das ganze Unternehmen nur ein Klacks. Kurz darauf wurden die anderen Kapitäne informiert. Als Don Pascual dann erschien und auf der Galeone „Neptuno“ an Bord ging, lief das Geschwader unverzüglich aus, um die „Piraten“ zu stellen, die sich vermutlich nach Norden gewandt hatten. 3. „Da haben wir ja wieder mal ein feines Schiffchen geangelt”, sagte der Profos am frühen Morgen zu Ferris. „Es juckt mich schon mächtig, diesen Kasten zu inspizieren. Wer weiß, vielleicht entdecken wir wieder etwas Feines.“ „Dann fangen wir doch gleich damit an”, schlug Ferris vor. „Hasard nimmt auch gerade die Kapitänskammer in Augenschein.“ Ferris und der Profos unternahmen ihren Inspektionsgang und sahen sich genau um. Die „Estrella“ lag jetzt auf Nordkurs mit dem Ziel La-Plata-Insel. Der Wind wehte handig aus Südwesten. Dazu schob die Strömung noch kräftig mit. Hasard hatte in den Nachtstunden nur zur Täuschung der Dons seewärts steuern lassen. Erst als sie außer Sicht waren, war die „Estrella“ auf nördlichen Kurs gegangen. „Der Kahn ist wesentlich stabiler als die ,Esperanza`, und stärker armiert ist er auch“, sagte Ferris. „Neun Culverinen an jeder Seite und jede Menge Drehbassen. Damit kann man schon ein Tänzchen veranstalten.“ Der Profos grinste nur, während er sich umsah. Tipptopp war das Schiffchen. Das Rigg war in Ordnung, aber das hatte bereits Roger Brighton festgestellt, der sich ganz besonders dafür interessiert hatte. Schließlich hatte er den Beruf des Takelmeisters von klein auf gelernt.
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Im Rumpf fanden sie keine Mängel, er war stabil und einwandfrei in Ordnung. Etwas später inspizierten sie die Pulverund Waffenkammer. Ferris Tucker nickte wiederum anerkennend. „Da haben die Dons an nichts gespart. Alles voll, jede Menge Pulver und Waffen. Es dürfte ihnen wohl nicht so recht behagen, daß wir ihnen das Schiffchen abgeluchst haben.“ „Sie haben ja noch mehr“, sagte der Profos. „Seiner Allerkatholischste Majestät kann ja wieder einen Kahn bauen lassen, von dem Gold, das die Dons in der Neuen Welt klauen.“ Als sie wieder an Deck waren, blieb Carberry stehen, sah sich um und kratzte sich hinter dem rechten Ohr. „Ob es hier auch Ratten gibt?“ fragte er unbehaglich. „Ich habe noch keine gesehen.“ „Das hat damit nichts zu tun“, brummte Ed. „Die Ratten erscheinen ja auch nicht an Deck und stellen sich vor. Wir sollten mal in der Proviantlast nachsehen. Hoffentlich sind keine von diesen Mistviechern an Bord. Ich denke nur mit Grausen an die Sauerei auf der ,Esperanza`, wo sie in Scharen herumliefen.“ „Hör bloß auf damit, mir ist das auch noch recht übel in Erinnerung. Aber ich glaube, hier sind keine.“ „Das kannst du nicht behaupten. Ich habe schon einmal gesagt, daß sich Ratten nicht vorzustellen pflegen.“ „Echte spanische Ratten tun das aber, nachdem sie ausgewandert sind. Die haben die Höflichkeitsformen bei Hofe gelernt.“ „Du spinnst ja, Mister Tucker.“ „Von wegen! Old Donegal hat mir mal erzählt, daß er auf einem spanischen Schiff war, wo die Ratten sich vorgestellt haben. Sie erschienen mit ihren Kindern und Enkelchen an Deck, sahen sich die Mannschaft neugierig an und verschwanden wieder in der Bilge.“ „Dann haben sie sich aber nicht vorgestellt.“ „Doch, sie murmelten ihre Namen auf spanisch. Aber Old Donegal verstand zu
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der Zeit nur Englisch, und so hat er das auch nicht richtig kapiert.“ „Was Old Donegal schon so sagt! Der spinnt doch!“ Sie gingen zur Kombüse. Dicht daneben führte ein Schott in die Proviantlast. In dem engen Kombüsenraum stand Piet Straaten, der strohblonde Holländer mit den grünlichen Augen. „Ah, unser neuer Kesselkommandant“, sagte Carberry strahlend. „Wie sieht es denn so aus? Haben die Dons genug Proviant gestaut?“ Piet Straaten kniff mißtrauisch die Augen zusammen. Der Profos hatte immer eine so merkwürdige Art, alles zu inspizieren. Der sah auf den ersten Blick jeden Fettspritzer, und ihm entging auch nicht der kleinste Dreck. „Fängst du bei mir auch so an wie beim Kutscher oder bei Mac?“ fragte Piet. „Dann laß dir sagen, daß ich noch keine Zeit zum Aufklaren hatte. Schließlich haben wir das Schiffchen ja erst seit ein paar Stunden. Aber wenn du hier gleich rummeckerst, dann kann ein anderer den Kombüsenhengst spielen. Ist sowieso keine angenehme Arbeit bei der Bullenhitze.“ „Quatsch, wir wollen nur nachsehen, ob es hier Ratten gibt. Laß dir nur Zeit beim Aufklaren.“ „Ratten hab' ich keine gesehen“, sagte Piet. „Aber ein paar triefäugige Kakerlaken flitzen hier herum.“ „An die gewöhnt man sich. Sind ja auch nicht so verfressen wie Ratten -und nicht so groß.“ „Nee, nicht ganz. Die Proviantlast steht offen. Ihr könnt ja mal hineinschauen.“ Seit dem Malheur auf der „Esperanza“ hatte der Profos den „Rattentick“. Vor den Viechern hatte er einen regelrechten Horror. In der Proviantlast war alles sauber, ordentlich aufgeräumt und offenbar mit Essigwasser ausgewaschen worden, denn es hing noch ein etwas herber Geruch in der Luft. Grinsend sahen Carberry und Tucker sich um. Feine Sachen baumelten da von den Decksbalken. Riesige Schinken, ganze
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Speckseiten, Hartwürste und Girlanden von Knoblauch. Die Fässer mit Bohnen, Mais und anderem Zeug waren sauber gestaut. Carberry ging zu einem Mehlsack und sah ihn sich von allen Seiten gründlich an, ob auch kein Müller drin hockte. Schließlich hebelte er zwei Dielen hoch und lugte darunter. Der Raum dort war trocken, es gab keine Anzeichen von Ratten, auch keine Verunreinigungen. „Das gefällt mir gar nicht“, sagte er brummelnd. „Ein Schiff ohne Ratten ist kein richtiges Schiff. Ein paar gehören immer an Bord, sonst steht dem Kahn Unheil bevor.“ „Himmel, Arsch und Rattenknödel“, sagte Ferris, „dir ist auch gar nichts recht. Sind Ratten an Bord, dann kriegst du dich nicht mehr ein. Sind mal keine da, dann paßt es dir auch nicht. Was willst du denn überhaupt?“ „Ein ausgewogenes Mittelmaß“, knurrte Ed, „nicht zu viel und nicht zu wenig.“ „Wie viele dürfen es denn sein?“ „So Stücker sechs oder sieben. Aber keine Ratten an Bord ist auch nicht der wahre Jakob.“ Schließlich inspizierten sie noch die Bilge mittschiffs, und da wurde der Profos endlich fündig. Eine Ratte flitzte pfeifend und voller Empörung davon, weil sie sich gestört fühlte. „Na fein“, sagte der Profos, „dann hat ja alles seine Ordnung. Wir haben also doch ein paar Ratten an Bord.“ Dann wandte er sich an Piet, der gerade eine Pfanne auswusch. „Ich dulde keine Ratten an Bord“, sagte er zur Verblüffung der beiden Männer. „Du wirst nachher in der Bilge eine Falle aufstellen und die Mistviecher fangen, mit Räucherspeck, versteht sich.“ „Jetzt freß ich doch glatt die Eisenpfanne“, sagte Piet. „Da hört sich doch alles auf. Sind Ratten an Bord, meckerst du, sind keine da, dann meckerst du. Jetzt sind ein paar da, und ich soll sie fangen. Wenn die weg sind, haben wir keine mehr an Bord
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und dein Gemotze geht von neuem los. Was ist denn nun richtig?“ „Richtig ist immer das, was ich sage. Wir haben Ratten an Bord, folglich ist das ein Segen für das Schiff. Wenn wir sie wegfangen und keine mehr haben, ist auch alles in Ordnung. Der Witz ist nur der, daß überhaupt welche da waren. Kapierst du das?“ „Nee, das kapier ich ganz bestimmt nicht“, sagte Piet. „Ah, das ist eine rein logische Überlegung. Wenn welche an Bord sind, kann man sie ruhig abmurksen, weil sie ja schon da waren.“ „Das kapiere ich immer noch nicht“, sagte Piet verdattert. „Dann laß dir das gelegentlich mal vom Kutscher erklären, der kann logisch denken - fast so wie ich.“ Der Profos deutete auf einen Sack, der ganz hinten neben dem Kombüsenschapp stand. „Was ist denn da drin?“ „Weiß ich doch nicht. Ich habe noch längst nicht alles nachgesehen. Immer eins nach dem anderen.“ Carberry öffnete den Sack und starrte auf taubeneigroße verschrumpelte Dinger. Er nahm eins davon in die Hand und betrachtete es mit äußerstem Mißtrauen. „Sollen das etwa getrocknete Äpfel sein?“ fragte er. Auch Ferris nahm eins der unglaublich harten verschrumpelten Dinger in die Hand und betrachtete es von allen Seiten. „Das sind Kastanien“, erklärte er schließlich. „Stinknormale Kastanien?“ fragte Ed entsetzt. „Und das Zeug fressen die Dons?“ „Klar, daher der Name Kastanienfresser. Aber das hier sind keine stinkgewöhnlichen, sondern Edelkastanien.“ „Mir Wurscht“, sagte der Profos, „jedenfalls will ich das Zeug nicht auf der Back sehen. Wenn du davon welche in die Pfanne haust, dann dreh ich dir den Hals um.“ „Die werden gekocht oder gedämpft, glaube ich“, erklärte Piet. „In der Pfanne
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schmecken sie nicht. Der Kutscher hat aber mal gesagt, sie sollen sehr gut sein.“ Carberry schmiß die geschälte Kastanie angewidert in den Sack zurück und rümpfte die Nase. „Jedenfalls wird das nicht gedämpft oder gekocht“, entschied er. „Ich lasse mich nicht als Kastanienfresser titulieren.“ Piet Straaten war froh, als der Profos endlich wieder draußen war. Hm, überlegte er, Edelkastanien sollten ja wirklich sehr gut sein. Man mußte sie nur richtig zubereiten. Wollen doch mal sehen, ob der Profos nicht darauf hereinfällt. Er grinste sich eins und rieb sich vergnügt die Hände. „He! Wir haben ja auch Hühner an Bord“, sagte Ed, als sie wieder an Deck waren. „Das Gegacker habe ich heute nacht schon einmal gehört.. Nichts wie hin, unter der Back steht der Verschlag.“ Carberry geriet in helles Entzücken, als er das Federvieh sah, das sich in einem Holzverschlag im Schatten unter der Back tummelte. Es waren an die acht Hühner, die aufgeregt gackerten. Daneben stand ein großer Sack, prall gefüllt mit Mais und Körnern. Carberry klatschte begeistert in die Hände. Er hockte sich hin und starrte die Hühner an, als hätte er noch nie im Leben welche gesehen. Dann klopfte er mit dem Zeigefinger gegen den Verschlag und sagte zu Ferris' grenzenloser Verblüffung: „Tocktocktock! Gagack! Tocktock!“ „Ihr unterhaltet euch ja prächtig“, sagte Ferris ironisch. „Ich glaube, die verstehen dich sogar.“ „Es geht nichts über Hühner“, sagte Ed andächtig. „Man muß sie auch liebevoll behandeln, damit sie kräftig legen. Sieh doch nur mal die vielen schönen Eierchen! Die haben sie bestimmt vor Schreck gelegt, als die Culverinen krachten. Da sind ja fast zwei Dutzend Eier drin. Dann muß jedes Huhn drei Stück gelegt haben. Sehr erstaunlich. Vielleicht ist das 'ne spanische Sonderzüchtung.“ „Seit zwei oder drei Tagen wird keiner mehr die Eier herausgenommen haben“, meinte Ferris. „Ich habe jedenfalls noch
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nie gehört, daß ein Huhn pro Tag drei Eier legt.“ „Wenn das 'ne Sonderzüchtung ist, dann können die das ohne weiteres“, versicherte der Profos. „Na, dann wollen wir die lieben Tierchen erst einmal füttern und ihnen dann die Eier klauen.“ Carberry hockte sich wieder hin, immer noch hell entzückt über die Hühner, warf ihnen Körner zu und nervte die anderen Männer wieder mit seinem „Tocktocktock“. Fast gierig blickte er auf die Eier und schluckte. Vorsichtig nahm er dann ein Ei nach dem anderen heraus und brachte sie zusammen mit Ferris in die Kombüse. „Das gibt's heute zum Frühstück“, sagte er. „Eier mit viel Speck und Schinken.“ Dabei lief ihm schon das Wasser im Mund zusammen. „Und daß mir keins kaputt geht“, schärfte er Piet noch ein. „Du trägst die Verantwortung.“ „Mein Gott“, murmelte Piet erschlagen. „Jetzt weiß ich auch, warum sich der Kutscher mit dem Profos dauernd in der Wolle hat. Der Kerl ist manchmal nicht zum Aushalten.“ „Und sauf ja kein Ei aus“, drohte der Profos noch vom Deck. „Ich habe sie alle gezählt, es sind genau vierundzwanzig.“ „Ganz wie Euer Ehren wünschen, tocktock“, sagte Piet Straaten. „Was - tocktock? Spinnst du etwa?“ „Ich ganz bestimmt nicht“, erwiderte Piet, „das ist mal sicher.“ Der Profos strich weiter an Deck 'herum, schnüffelte hier, sah dort nach und fand alles ganz in Ordnung. Ferris begleitete ihn auf der Inspektion, um alles zu überprüfen. Die „Estrella de Malaga“, der Stern von Malaga, war wirklich ein hervorragendes und seetüchtiges Schiff. Da hatten sie einen guten Griff getan. Aus der offenen Kapitänskammer winkte Hasard ihnen zu. Karl von Hutten war bei ihm, und beide schienen sich mächtig über etwas zu freuen. „Hier“, sagte Hasard, „seht euch das mal an!“ Kartenmaterial lag auf dem Boden, ausgebreitet und beschwert. Wieder einmal
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waren ihnen wertvolle und ziemlich genaue Karten in die Hände gefallen, ähnlich wie schon auf der „Esperanza“. „Wunderschöne Karten“, lobte der Seewolf. „Die Dons haben, und das kann man ohne Übertreibung sagen, weitaus bessere und vor allem genauere Karten als wir.“ „Und ein Geschenk haben sie uns ebenfalls hinterlassen“, sagte Karl von Hutten und wies auf einen truhenähnlichen Gegenstand, der neben dem Schreibpult stand. Hasard öffnete ihn lächelnd und zeigte hinein. „Offensichtlich die Kriegskasse, es sieht jedenfalls so aus.“ Der Holzkasten war angefüllt mit Goldund Silbermünzen. Es klimperte hell, als Ferris einmal mit der Hand darin fischte. „Das wird die Dons ebenfalls sehr schmerzen“, sagte der Seewolf. „Erst entern wir ihr Schiff, und dann fällt uns noch ihre Kriegskasse in die Hände. Da sind wir wirklich reich belohnt worden.“ „Zum Frühstück gibt es Eier mit Speck und Schinken“, sagte der Profos, der nur einen flüchtigen Blick auf die vielen Münzen warf. Die konnte man schließlich nicht in die Pfanne hauen, da waren ihm die Eier zehnmal lieber. „Fein“, sagte Hasard. „Hatten wir schon lange nicht mehr. Aber das hier ist auch nicht zu verachten.“ Sie hatten sich eindeutig verbessert, das stand außer Frage. Doch den Profos juckte das Geld überhaupt nicht, der war nur auf die Eier scharf. „Wir haben auch noch ein paar Fässer spanischen Rotwein entdeckt“, berichtete er. „Damit könnte man ja ausnahmsweise mal das Frühstück runterspülen, Sir.“ „Gibt's denn kein Trinkwasser an Bord, Ed?“ „Schon, schon, Sir, aber dem Trinkwasser traue ich nicht. Vielleicht haben die Dons das vergiftet.“ „Weil sie schon seit Tagen wußten, daß wir die Karavelle entern würden, was?“ „Denen traue ich alles zu“, erwiderte Ed mit verblüffender Logik. „Wenn wir uns
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am Wein schadlos halten, kann jedenfalls nichts passieren.“ Carberrys Argumente und Ausreden stanken wie immer zum Himmel, aber solche Argumente zog der Profos gern aus dem Hut. Hasard nickte schließlich zustimmend. „Dagegen ist nichts einzuwenden“, sagte er, „vorausgesetzt, die Dons haben den Wein nicht vergiftet.“ „Das tun die nie, Sir, die vergiften nur das Wasser“, behauptete Ed. Dann hob er den Kopf und schnupperte gierig. „Mann, das riecht! Ah, Eier mit Schinken! Ich glaube, wir können gleich anfangen, Sir. Redlich verdient haben wir uns das ja.“ Auch dagegen war nichts einzuwenden. Hasard packte das Kartenmaterial weg und stellte die Kriegskasse mit den blanken Münzen wieder ins Schapp. Etwas später gab es Frühstück, und da geriet der Profos fast aus dem Häuschen. Allerdings starrte er verblüfft auf seine Kumme, in der sich zwar jede Menge Speck und Schinken, aber nur zwei Eier befanden. „Nur zwei?“ maulte er, „das waren vierundzwanzig Eier, Piet. Wo ist der Rest geblieben?“ „Wenn wir zehn Mann sind, springt nicht mehr dabei heraus. Für jeden also nur zwei, wobei ich sogar auf eins verzichtet habe. Aber vielleicht redest du nachher noch mal mit den Eierlieferanten. Wenn sie gute Laune haben, legen sie sicher noch etwas für dich.“ „Ich hatte so an zehn Stück gedacht“, murmelte Ed enttäuscht. „Dafür wird dich das Mittagessen entschädigen“, versprach Piet mit einem hinterhältigen Grinsen. „Und was gibt es da?“ „Geheimsache, etwas, was du noch nicht kennst.“ „Na, da laß ich mich wirklich überraschen.“ Carberry mampfte, schob sich Eier, Schinken und Speck in den Hals und spülte mit herbem spanischen Landwein genüßlich nach.
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„Wir haben da vorn einen Sack Kastanien entdeckt“, sagte er zu Hasard. „Die Dinger sind hart wie Stein und auch nicht sehr groß. Man könnte sie vielleicht als Grobschrot für die Drehbassen oder Kanonen verwenden. Die Dons würden sicher sehr überrascht sein, wenn ihnen plötzlich knallharte Kastanien um die Ohren fliegen, falls sie uns mal über den Kurs laufen. Ich meine das im Ernst, Sir. Nur für den Fall, daß uns mal die Munition ausgeht.“ Wenn der wüßte, dachte Piet. Hoffentlich verfiel der Profos nicht auf die Idee, den Sack Kastanien noch einmal zu kontrollieren, denn der war jetzt nur noch halb voll. Der Rest war längst eingeweicht und kochte schon vor. „Aber nur im Notfall“, sagte Hasard. „Wir können den Dons doch nicht pfundweise Proviant an Deck schießen.“ „Ja, das ist auch wieder wahr. War nur ein Vorschlag, weil das Zeug ja nutzlos herumsteht. Soll ich mal ein paar holen, Sir?“ Zum Glück verzichtete Hasard darauf, sich die Edelkastanien anzusehen, denn vorerst hatten sie noch genügend Munition, und außerdem war ihnen noch kein Don über den Weg gelaufen. Kaum war das Frühstück beendet, da unternahmen Ed und Ferris wieder ihren Inspektionsgang. Piet Straaten zischte ab in die Kombüse und war emsig beschäftigt. Die Kastanien kochten in einem großen Kessel. Er hatte da eine Menge feiner Sachen gefunden, die sich .vorzüglich für ein prächtiges Essen eigneten. Da gab es ein paar Säcke groben braunen Zucker, und da gab es ein paar Fäßchen mit Schmalz. Piet tat Schmalz und Zucker in einen anderen Topf und dünstete das Zeug, bis ein lieblicher, verlockender Duft an Deck zog. Als er einmal schnell aus der Kombüse linste, sah er den Profos ganz vorn auf der Back. Carberry schnüffelte wie ein erfahrener Jagdhund. Witternd hob er die Nase hoch und schnupperte. Da roch es so verführerisch nach Karamel. Dann sah Piet
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ihn fröhlich grinsen und sich die Hände reiben. Er grinste auch, pellte die Kastanien ab, die jetzt fast weich waren, und schwenkte sie in dem Zucker-Schmalz-Gemisch. Dann gab er Brühe dazu und ließ das Zeug länger als eine Stunde dünsten. Der Geruch wurde immer intensiver - und der Profos ganz fuchtig. Einmal lungerte er am Schott herum und versuchte grinsend zu erraten, was Piet da wohl zusammenbraue. „Kastanien natürlich!“ schrie Piet, als der Profos ihn zu nerven begann. Carberry lachte schallend und schob wieder ab. Über die Schulter sagte er: „Grobschrot kann man doch nicht kochen.“ „Kann man schon“, brummte Piet leise. „Man muß nur wissen, wie das geht.“ Der Wind wehte immer noch handig aus Südwest. Dazu schob sie der Strom weiter. „Wenn der Wind nicht umspringt“, sagte Hasard zu von Hutten, „dann können wir die La-Plata-Insel heute abend erreichen. Ich bin auf die Gesichter der anderen gespannt.“ „Ja, die werden sicher erstaunt sein, daß wir so schnell zurückkehren. Damit haben wir selbst nicht gerechnet.“ „Und ein prachtvolles Schiff bringen wir mit“, sagte Dan O'Flynn. „Dann können wir die ,Esperanza` ausschlachten und unsere Reise nach Potosi fortsetzen.“ Das Meer dünte langgezogen, der Himmel war seltsam hellblau, und an Bord herrschte fröhliche Stimmung, zumal so ein verlockender Duft aus der Kombüse an Deck stieg. Dann war endlich das Mittagessen fertig, und der Profos konnte sich für die zwei Eier jetzt richtig schadlos halten. Piet schleppte zusammen mit Batuti den Eisentopf an Deck und verteilte die Kummen. Als er den Deckel abhob, blickte der Profos im ersten Augenblick sprachlos auf eine glasierte dunkle Masse, der ein unbeschreiblicher Duft entströmte. Aber auch die anderen waren von dem Duft total hingerissen. „Diese Andeutung von Karamel“, lobte Carberry, „dieser zarte Duft einer Fleischbrühe, das leise Ahnen von
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exotischen Gewürzen und dieser Hauch von lieblicher Süße - Mann, wenn das so schmeckt, wie es riecht, dann stehst du dem Kutscher in nichts nach, Piet.“ „Versuch's doch erst mal.“ Der Profos versuchte und haute sich gleich die Kumme so voll, daß die glasierten Knöllchen fast über den Rand quollen. Die anderen langten ebenfalls kräftig zu. Als der Profos die ersten zwei Löffel intus hatte, verdrehte er die Augen und schnalzte mit der Zunge. Bevor er jedoch einen Kommentar abgab, langte er noch einmal kräftig zu und schielte nervös auf den Eisentopf, ob auch noch etwas übrigblieb. Piet sah grinsend, daß die anderen ebenfalls mit Genuß aßen. Auch Hasard schloß sich nicht aus, denn es schmeckte vorzüglich. Carberry war ganz hingerissen, hatte den Löffel im Mund stecken und hieb Piet vor Begeisterung so hart auf die Schulter, daß der sich fast verschluckte. „Toll“, sagte er. bewundernd. „So was habe ich noch nie in meinem Leben gegessen. Wie nennt an das überhaupt, was ist das?“ „Ein altes holländisches Rezept“, sagte Piet. „Ich hab's noch von meiner Urahne.“ „Und wie heißt das?“ „Früher nannte man das Neerlandse Coekjes“, log Piet. „Aber dann haben die Dons das Rezept geklaut, und jetzt nennen sie es Perdigones Brutalidad.“ „Daß die Dons immer alles verhunzen müssen“, sagte Ed kopfschüttelnd und mampfend. Dann stutzte er. „Perdi ... was?“ fragte er. „Äh - Perdigones Brutalidad“, wiederholte Piet ernst. „Komische Bezeichnung, ein bißchen verdreht, was, wie? Das heißt ja soviel wie Grobschrot, wenn man es großzügig übersetzt.“ Hasard drehte sich etwas zur Seite, um nicht laut loszulachen. So verzog er nur das Gesicht, während sich der Profos darüber aufregte, daß die Dons holländische Kuchen zu Grobschrot vermasselten.
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Dan O'Flynn, von Hutten und Roger Brighton hatten den Braten ebenfalls gerochen und grinsten vor sich hin. Kastanien hin - Kastanien her, dachte der Seewolf, das Gericht ist hervorragend, und so aß er in aller Ruhe weiter. Vorurteile gab es bei ihm nicht, probieren konnte man immer - und es schmeckte vorzüglich. Da konnte man Piet nur ein ganz dickes Lob aussprechen, was er auch tat. Carberry packte sich die dritte Kumme voll. Er platzte fast, aber er aß gierig weiter. „Schmeckt es?“ fragte Hasard lächelnd; „Und wie! So was Gutes habe ich lange nicht mehr gegessen. Das muß Piet Koch öfter kochen. Vor allem muß er das Rezept sofort an den Kutscher weitergeben.“ „Ich fürchte nur, die Kastanien sind fast alle“, sagte Piet Straaten mit einem hinterhältigen Grinsen. Carberry holte tief Luft. Er hatte den Löffel noch im Hals und kniff die Augen zusammen. Dann stierte er Piet an. „Was hat das mit den verfluchten Kastanien zu tun?“ „Na, das sind gedünstete und gedämpfte in Schmalz und Zuckergegarte Kastanien“, sagte Piet trocken. „Hab' ich aus dem Sack in der Kombüse genommen, über den du dich so aufgeregt hast.“ Carberry ließ fassungslos den Löffel sinken. Er schluckte hart und verzog angewidert das Gesicht. „Verflucht noch mal!“ brüllte er. „Das ist doch wohl ein Witz, was, wie, Mijnheer Straaten? Wenn das wahr ist, dann Wickel ich dich achtmal ums Bratspill.“ „Du kannst mich auch zehnmal drumwickeln“, erklärte Piet ungerührt. „Es wird nicht das geringste daran ändern, daß es Kastanien sind. Und du wirst dir wohl oder übel nachsagen lassen müssen, daß du Kastanien gefressen hast“ „Der Teufel soll mich holen, igitt, und dich auch!“ brüllte Ed. „Aber das wirst du mir büßen, du Kastanienlümmel!“ Als der Profos aufsprang, griff eine eisenharte Faust nach seinem Handgelenk, die ihn ruckartig auf die Gräting zurückzog.
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„Hat es dir nicht geschmeckt, Mister Carberry?“ fragte Hasard sanft. „Doch, das schon, aber es waren Kastanien!“ rief Ed. „Jetzt wird mir gleich kotzübel, und nachher kriege ich Krämpfe.“ „Höchstens in deiner Einbildung. Das Essen war vorzüglich, oder willst du das bestreiten? Schließlich hast du dreimal hintereinander kräftig zugelangt und gefressen wie ein hungriger Wolf. Du sollst endlich mal deine verdammten Vorurteile abbauen, Mister Carberry, und nicht über ein Essen meckern, das Piet geduldig und meisterhaft hingezaubert hat. Er hat sich wirklich alle Mühe gegeben, und niemand hat sich darüber beschwert, im Gegenteil: jeder war begeistert. Das soll dir in Zukunft eine Lehre sein, verdammt noch mal.“ Der Profos zuckte zusammen, als Hasard in diesem Ton mit ihm sprach. Schließlich gab er klein bei, musterte aber immer noch sehr mißtrauisch die Kumme. „Na ja, Sir, es ist nur so, weil die Dons doch auch Kastanien und so -und weil man sie Kastanienfresser nennt.“ „Es hat dir also nicht geschmeckt?“ fragte Hasard etwas lauter. „Doch, aber ...“ „Dann halt gefälligst dein Maul, Mister Carberry, und drohe denen keine Prügel an, die sich redlich Mühe beim Kochen geben. Du hast eben noch selbst gesagt, daß du schon lange nicht mehr so etwas Gutes gegessen hättest und Piet es noch öfter kochen müsse. Und das Rezept soll er auch noch an den Kutscher weitergeben. Stellst du jetzt deine eigenen Worte in Frage?“ „Nein, Sir“, murmelte Ed kleinlaut. „Na also! Und du willst so ein feines Essen als Grobschrot zu den Dons hinüberschießen. Die hätten sich ein feines Essen daraus zubereitet, so wie Piet es getan hat.“ „Aye, aye, Sir. Ich bitte um Verzeihung.“ „Deine Kumme ist noch halb voll“, mahnte Hasard. „Oh ja, Sir, sehe ich gerade.“
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Er haute wieder rein, etwas langsamer, und wie es schien, auch mit längeren Zähnen. Aber es schmeckte ihm trotzdem, und die Kastanien sättigten ungemein. Danach gab es noch einmal den herben spanischen Rotwein mit dem etwas säuerlichen Geschmack. Da war der Profos endlich zufrieden. In den späten Nachmittagsstunden nahmen sie Kurs auf die Insel La Plata. Sie hatten es geschafft, genau wie der Seewolf es berechnet hatte. 4. Das Wrack der „Esperanza“ bot einen traurigen Anblick. Es war in einer wahren Höllenfahrt bei dem wilden Sturm vorbei an hohen Felsen auf den Strand gerast und hatte damit sein Dasein beendet. Beim Auflaufen waren alle drei Masten weggebrochen. Groß- und Fockmast waren auf die Back gestürzt und hatten sie teilweise durchschlagen. Jetzt lag die Karavelle immer noch unverändert auf dem Strand und war nach Backbord geneigt. Damit war die Reise beendet, denn sie hatten sehr schnell festgestellt, daß das Wrack nicht mehr zu reparieren war. Totalverlust! Es taugte bestenfalls noch zum Verfeuern. Ein Großteil der Planken war eingedrückt oder beim Auslaufen geborsten. Mit Bordmitteln war der Schaden jedenfalls nicht mehr zu beheben gewesen. Jetzt warteten Ben Brighton und die anderen schiffbrüchigen Leute auf die Rückkehr Hasards und seiner neun Männer, die mit dem Vorhaben losgesegelt waren, ein Schiff zu „besorgen“. Ben hatte oben auf den Felsen Pete Ballte und Sam Roskill als Ausgucksposten stationiert. Auch auf dem Wrack hatte er Vorsorge getroffen, falls sich zufällig ein spanisches Schiff nähern sollte. Dort waren die Drehbassen so angebracht worden, daß man über das Heck achteraus zur Seeseite hin feuern konnte. Pete und Sam hockten oben auf dem Felsvorsprung, unterhielten sich und
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suchten mit den Kiekern immer wieder die See ab. Sie war wie leer gefegt, kein Schiff war weit und breit zu sehen. „Am siebenundzwanzigsten sind wir hier gestrandet“, sagte Pete Ballie, der Gefechtsrudergänger der „Isabella“, „heute ist der dreißigste. Da können wir nicht erwarten, daß unsere Leute bereits ein Schiffchen besorgt haben und wieder da sind. Ich denke, die Männer werden noch einige Tage auf sich warten lassen. Du brauchst also nicht alle zehn Minuten die See abzusuchen.“ „Noch ein paar Tage?“ fragte Sam feixend, der gerade wieder das Spektiv abgesetzt hatte. „Da irrst du dich aber gewaltig. Ich tippe eher auf zwei, drei Stunden, bis wir Besuch kriegen.“ Weil Sam so niederträchtig grinste, blickte auch Pete wieder durch den Kieker und peilte jene Richtung an, die Sam gerade abgesucht hatte. „Verdammt, da ist ein ganz feiner Strich an der Kimm zu sehen“, sagte er verwundert „Ja, aber ich habe das Maul noch nicht aufgerissen, weil ich nicht genau weiß, ob es eine winzige Wolke ist. Warten wir noch ein paar Augenblicke, ehe wir uns melden. Vorher sollte man die Hühner nicht aufscheuchen.“ Zehn Minuten später erkannten sie tatsächlich ein Schiff. Es gab keinen Zweifel mehr. Es war nur noch nicht festzustellen, um was für ein Schiff es sich handelte. Pete Ballie stieß einen lauten Pfiff aus. Ben, der mit einigen anderen auf dem Wrack stand, blickte sofort nach oben. „Ein Schiff hält Kurs auf die Insel, Ben!“ schrie Pete. Ben Brighton zeigte verstanden, indem er die rechte Hand hob. „Laufend Meldungen!“ rief er nach oben. „Welcher Kurs?“ „Nordkurs, hält von Süd auf uns zu.“ „Logisch bei Nordkurs“, murmelte Ben. Dann wandte er sich an Big Old Shane, der nach oben in die Felsen blickte. „Könnte ein Don sein, der hier vorbeisegelt“, sagte Ben. „aber noch weiß ich nichts Genaues. Laß auf alle Fälle
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Gefechtsbereitschaft herstellen, Shane. Man kann nie vorsichtig genug sein. Könnte ja sein, daß mal einer einen Blick in die Felsenbucht riskiert, und dann sind wir wenigstens gewappnet“ „Ganz meine Meinung“, brummte Shane. Ein paar Mann wurden gleich darauf an den Drehbassen postiert. Glimmende Lunten ließ der vorsichtige Ben für alle Fälle schon bereitlegen. Immer wieder blickte er nach oben in die Felsen, wo Pete und Sam durch die Kieker starrten. „Eine Karavelle“, sagte Pete nach einer Weile. „Kein Zweifel. Sie hat den Kurs nicht geändert und hält stur auf die Insel zu.“ Sam Roskill meldete die Beobachtung nach unten und teilte auch gleich mit, daß die Karavelle keine Flagge führe. Die Männer warteten. Sie lagen hier nicht gerade günstig, und auf dem schräg nach Backbord geneigten Deck ließen sich die Drehbassen nur schwer bedienen, wenn es wirklich hart auf hart ging. Doch das mußte in Kauf genommen werden, es ging nicht anders, obwohl sie sich ein bißchen wie auf dem Präsentierteller fühlten. Nochmals verging fast. eine halbe Stunde. Da riß Pete Ballie ganz plötzlich die Arme hoch. „Ich werd' verrückt!“ brüllte er: „Sie sind es. Sie haben es tatsächlich geschafft. Sieh nur, wie sie winken!“ Sam hatte schon vom vielen Starren ein knallrotes Auge. Aber jetzt erkannte er auch deutlich ein paar Gestalten, die am Schanzkleid standen und heftig winkten. Da riß auch er die Arme hoch und brüllte. „Es sind unsere Männer!“ schrie er nach unten. „Und ein verdammt feines Schiffchen haben sie mitgebracht!“ Jetzt gerieten am Strand alle aus dem Häuschen. Sie verließen das Wrack und hüpften am Strand herum. Der Papagei Sir John wurde unruhig, als die Karavelle sichtbar wurde. Er duckte sich, hob die Flügel etwas an und begann mit gellender Stimme zu kreischen und zu krakeelen. Dann drehte er nervös flatternd eine Runde um das Wrack und überflog die
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Köpfe der Männer so dicht, daß sie jedesmal das Genick einziehen mußten. Mit bloßem Auge waren jetzt die zurückkehrenden Arwenacks zu erkennen. Ferris Tuckers rote Haare leuchteten wie blankes Kupfer in der Nachmittagssonne. Neben ihm stand winkend und über das ganze Gesicht grinsend der Profos. Im Want hing Batuti und winkte ebenfalls. Da hielt den Papagei nichts mehr. Sir John strich mit einem gotteslästerlichen Fluch ab und flog schnurstracks zu der heransegelnden Karavelle hinüber. Er konnte offenbar nicht mehr erwarten, seinen Herrn und Meister zu begrüßen, der ihm all die zärtlichen Sprüche beigebracht hatte. Am Strand waren jetzt alle zusammengelaufen und bestaunten das ranke und schlanke Schiffchen unter Hurragebrüll, das nicht weit vom Strand entfernt vor Anker ging und eine Jolle abfierte. Hasard, Carberry, von Hutten und Batuti pullten an Land. „So, da wären wir wieder“, sagte der Seewolf mit blitzenden Zähnen und einem verwegenen Lachen. „Hat gar nicht mal so lange gedauert. Aber dafür haben wir etwas Feines mitgebracht. Die Spanier waren auch noch so gnädig, uns ihre Kriegskasse anzuvertrauen. Sie befand sich neben einer Menge Karten in der achteren Kammer.“ Jetzt mußten sie erst einmal erzählen, wie sie es geschafft hatten, das feine Schiffchen zu „besorgen“. Gespannt hörten sie alle zu und lachten, daß die Dons wieder einmal kräftig gerupft worden waren. „Dann kann das Unternehmen Potosi ja weiterlaufen“, sagte Ben. „Und unserer baldigen Abreise steht nichts mehr im Wega. Einfach toll, daß ihr das in so kurzer Zeit geschafft habt.“ „Die Karavelle ist bestens versorgt“, sagte Hasard, „da fehlt es an nichts. Proviant und Wasser ist reichlich vorhanden, Munition und Pulver ebenfalls.“ „Sogar Kastanien sind an Bord“, sagte Ed etwas säuerlich, „für den Fall, daß jemand
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Appetit darauf hat. Au, du Mistvieh!“ sagte der Profos im selben Atemzug. „Mußt du mir unbedingt das Ohr ausreißen, du verlauster Krummschnabel!“ Das galt Sir John, der dem Profos auf der linken Schulter hockte und sein linkes Ohr malträtierte. Vor Freude ließ er dem Profos auch noch einen großen Klacks auf den Rücken fallen, aber das merkte Carberry erst, als sein Hemd am Rücken feucht zu werden begann. Hasard sah sich um und deutete auf die schußbereiten Drehbassen. „Ist etwas passiert, als wir weg waren?“ „Nein“, erwiderte Ben grinsend. „Wir tippten auf einen Spanier, der hier herumschnüffelt. Deshalb haben wir vorsichtshalber alles in Gefechtsbereitschaft versetzt.“ „Na ja, ein Spanier ist es ja auch“, sagte Hasard. „Er hat nur die Mannschaft gewechselt.“ Dann wurde er jedoch unvermittelt ernst. „Wir müssen damit rechnen, daß die Dons auftauchen. Das wird heute allerdings kaum noch der Fall sein. Aber sie werden nach der verschwundenen Karavelle suchen, das ist ganz sicher. Offenbar sind sie sehr knapp dran mit Kriegsschiffen. Wir lassen also auch weiterhin ein oder zwei Männer oben im Felsen Ausguck halten.“ Kurz danach pullten die Arwenacks hinüber zur „Estrella de Malaga“, um das Schiff in Augenschein zu nehmen. Jeder wollte es einmal sehen, bestaunen oder begutachten. Auch die Mannen Jean Ribaults sahen sich das Schiff an. So ging das hin und her. Als der Waffen- und Stückmeister Al Conroy einmal an Land war, sah er sich die Drehbassen auf der schräggeneigten „Esperanza“ an. „Seid froh, daß es kein Don war“, sagte er, „gegen die ,Estrella de Malaga' hättet ihr keine Chance gehabt. Der uralte Traum aller Artilleristen, um die Ecke schießen zu können, wäre allerdings fast in Erfüllung gegangen.“ „Versteh' ich nicht“, sagte Ben. Der stämmige Stückmeister lächelte.
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„Ganz einfach, aber genial. Man muß die Kurve der Geschoßbahn ausnutzen, indem man das Geschütz einfach auf die Seite legt. So ähnlich sieht es hier nämlich aus. Ihr hättet zwar fast um die Ecke schießen können, aber zur wirksamen Verteidigung hätte das nicht gelangt.“ „Ich weiß, wir waren ziemlich schutzlos. Ein Wrack ist eben kein Schiff mehr.“ Hasard erschien wieder und musterte das zerschmetterte Deck. „Wie geht es unseren Verletzten?“ fragte er. „Araua und der Kutscher pflegen sie. Smoky ist wieder in Ordnung. Er ist gerade zu der Karavelle hinübergepullt. Jean ist noch nicht einsatzfähig, bei ihm wird es noch einige Tage dauern. Fred Finley geht es ähnlich wie Jean, und Mel Ferrow hat Schmerzen. Seine Rippen sind stark angeknackt, wie der Kutscher sagte.“ Ribault war am schlimmsten dran, denn ihn hatten am Hügelgrab der Indianer gleich drei Pfeile getroffen. Einer hatte den Oberschenkel durchbohrt, ein zweiter Pfeil hatte ihm, ähnlich wie Smoky, einen blutigen Scheitel gezogen und der dritte seinen linken Arm gestreift. Fred Finley war ebenfalls von einem indianischen Pfeil getroffen worden, und Mel Ferrow hatte eine im Sturm nachgeschleppte Trosse die Rippen angeschlagen, als sie brach. „Wenn wir morgen das Wrack ausschlachten“, sagte Hasard, „werden wir die Verletzten in eine der Felsenhöhlen bringen, damit sie nicht ständig dem Krach und Getrappel ausgesetzt sind. In der Höhle haben sie Ruhe. Das gilt auch gleichzeitig für den Fall, daß hier Spanier aufkreuzen.“ Unterdessen gab es an Bord der „Estrella“ einen Zwischenfall. Diesmal war eindeutig der Papagei dran schuld. Sir John hockte immer noch auf Carberrys Schulter. Ed zeigte dem Kutscher, Smoky und ein paar anderen gerade das Schiff. Als sie zur Kombüse gingen, kriegte Sir John plötzlich einen langen Hals, während sein Gefieder sich heftig sträubte.
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„Was ist denn los?“ fragte Ed. „Spinnst du, Sir John?“ „Er hat die Hühner entdeckt“, sagte der Kutscher. „Jetzt geht gleich das Theater los.“ „Sir John hat nichts gegen Hühner.“ Von wegen! Sir John hatte eine ganze Menge gegen Hühner. Er flatterte dem Profos von der Schulter, landete dicht vor dem Verschlag unter der Back und begann aufgeregt zu zetern. Das Hühnervolk wurde angesichts des bunten aufgeregten Gockels ebenfalls wild und rannte in dem Verschlag wild durcheinander. Sir John watschelte Obeinig näher und versuchte, einer der Hennen einen kräftigen Schnabelhieb zu verpassen. Zum Glück. gelangte er jedoch nicht in den Verschlag, sonst wären die Fetzen geflogen. Die Hühner waren jedoch nicht faul und hieben kräftig zurück. Von allen Seiten setzte es Schnabelhiebe gegen Sir John. Der sah jetzt aus wie ein Igel. Seine bunten Federn standen nach allen Richtungen ab, er hieb zu, flatterte zur anderen Seite des Verschlages und hieb erneut zu. Die Hennen revanchierten sich. Sie gackerten, plusterten sich auf und versuchten, den fremden Eindringling zu attackieren. Die Arwenacks sahen anfangs belustigt zu, doch dann regte sich Sir John immer mehr auf. Er begann wild zu kreischen und mit den Flügeln zu schlagen. Schließlich hüpfte er einbeinig herum, wobei er den rechten Flügel nachschleifte. Dazu kreischte er grell und erbärmlich, daß es den Männern durch Mark und Bein ging. Mit gespreiztem Gefieder rannte er immer wieder wie ein Kampfhahn gegen den Verschlag an und hackte drauflos. Die Hühner fühlten sich in ihrem Verschlag sicher und wurden immer frecher, je wilder Sir John gegen den Verschlag flatterte. „So hat er sich noch nie aufgeregt“, sagte Carberry fassungslos. „Der ist ja ganz verrückt.“ Er mußte laut brüllen, um verstanden zu werden, denn unter der Back gackerte und
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kreischte es wie wahnsinnig. Auch ein paar Federn flogen durch die Gegend. Zur Belustigung der Männer kreischte der Papagei in seiner Wut alles das, was der Profos ihm beigebracht hatte. Und da waren saftige Worte darunter. „Himmel“, sagte Ed, „wo hat er bloß diese mistigen Ausdrücke gelernt? Man muß sich ja schämen.“ „Dann schäm dich' mal“, sagte Smoky grinsend. „Das hast du ihm doch alles beigebracht.“ Inzwischen war auch Hasard wieder mit ein paar Männern an Bord erschienen. Diesmal waren auch Mannen aus Ribaults Crew dabei. Le Testu trug ebenfalls einen Kopfverband, denn auch ihn hatte die gebrochene Trosse am Schädel gestreift und eine blutige Schramme hinterlassen. Jetzt fühlte er sich allerdings wieder besser. Grinsend sahen alle zu, wie Sir John kreischend herumhüpfte. Er wurde noch wilder und fuchtiger. Ständig hieb sein Schnabel gegen den Hühnerverschlag. Es gab jedesmal ein krachendes Geräusch. Dann stob die Hühnerschar hoch, ein paar Federn flogen, und die Hennen hackten erbost zurück. „Verdammt, jetzt reicht es aber“, sagte der Profos. Er wollte Sir John packen, doch der Papagei dachte gar nicht daran, sich fangen zu lassen. Als Ed die Hand ausstreckte, traf ihn ein saftiger Schnabelhieb seines Lieblings. „Heiliges Kanonenrohr“, brummte Ed, „jetzt geht das Vieh auch noch auf mich los.“ Der Kutscher sah besorgt auf den flatternden kreischenden und Hiebe austeilenden Vogel, dann blickte er Ed an. „Nimm den Piepmatz bloß weg“, riet er, „der regt sich so auf, daß er noch einen Herzschlag kriegt.“ „Ist das dein Ernst?“ fragte Ed entgeistert. „Mein voller Ernst, der kann ja kaum noch. Der hat fast einen Koller vor Raserei.“ Carberry schluckte hart. Das war ja eine feine Situation, daß dieses Federvieh sich nicht vertrug. Einerseits war er scharf auf weitere Spiegeleier mit Schinken und
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Speck, andererseits sorgte er sich ernsthaft um Sir John, denn was der Kutscher sagte, gab ihm doch sehr zu denken. Er schnappte erneut nach dem Papagei. Sir John hackte seinem Lehrmeister zu dessen grenzenloser Verblüffung wieder in den Finger. Dann rannte er flügelschlagend und kreischend gegen den Verschlag an. „Dann müssen die Hühner eben geschlachtet werden, wenn sie sich mit Sir John nicht vertragen“, sagte Carberry schweren Herzens. Damit waren aber die anderen nicht einverstanden, und so gab ein Wort das andere. Alle waren dafür, daß die Hühner als Eierleger am Leben blieben. „Man könnte ja auch Sir John schlachten“, schlug Smoky vor. „Der produziert ja bekanntlich nur krumme Eier. Es fragt sich eben, wer wichtiger ist: die Hühner oder der Papagei.“ „Wichtiger?“ schnaubte Carberry. „Du hast ja einen Knacks weg, seit dich der Pfeil getroffen hat. Was ist denn wichtiger - die Sonne oder der Mond, was, wie?“ „Der Mond natürlich“, sagte Smoky, „ist doch wohl klar.“ „Du Affenarsch, warum ist der Mond wichtiger?“ „Die Sonne scheint ja auch, wenn es sowieso hell ist“, erklärte Smoky ungerührt. „Aber der Mond scheint, wenn es dunkel ist.“ „Ist das wieder eine durchschlagende Logik“, sagte der Kutscher. „Das zieht einem ja die Stiefel aus. Aber wir müssen eine Lösung finden, sonst kriegt der Piepmatz tatsächlich einen Herzschlag.“ „Und außerdem ist der Krach nicht zumutbar“, sagte Smoky. „Die Hühner benehmen sich wie irre und krakeelen und geben Kontra. Sei nur froh, daß sie nicht frei herumrennen, sonst hätten sie deinem Liebling schon das lose Maul gestopft.“ Carberry saß in der Klemme, und das ärgerte ihn maßlos. Er mußte sich wegen Sir John eine ganze Menge sagen lassen, wußte aber immer noch nicht, wie er wieder für Frieden sorgen konnte. Hasard befreite ihn schließlich aus seinem Dilemma, indem er lächelnd vorschlug:
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„Ich halte es für besser, wenn wir Sir John vorläufig in eine Kammer an Bord einsperren, zumindest bis sich das Federvieh wieder beruhigt hat. Vielleicht gewöhnen sie sich später doch noch aneinander. Wenn wir die Hühner schlachten, gibt es keine Eier mehr, und deshalb sollen sie auch nicht gleich in den Topf wandern.“ Der Profos nickte etwas zaghaft, aber er fand den Vorschlag gut. So gab es wenigstens keinen Ärger mehr, und das Federvieh konnte sich wirklich beruhigen. „Einverstanden, Sir. Das ist die beste Lösung. Hm, wie fange ich Sir Jöhnchen nur? Der ist ja immer noch ganz wild.“ Schließlich brachte Bill einen Sack, den er dem Profos gab. „Wirf ihn einfach drüber, dann wird er schon Ruhe geben.“ Der Profos warf den leeren Jutesack zielsicher über Sir John. .Der blieb erst einmal verschreckt hocken, dann aber bewegte sich der Sack hüpfend über Deck. Sir John kreischte halb erstickt vor Wut, bis der Profos ihn endlich im Griff hatte und nach unten trug. Kurze Zeit später herrschte Ruhe auf dem Schiff. Auch die Hühner wurden wieder still und friedlich. Langsam brach die Dämmerung über die Insel herein. Für Augenblicke herrschte ein seltsames Zwielicht in der Bucht. Gleich darauf wurde es dunkel. Hasard hatte angeordnet, daß morgen das Wrack der „Esperanza“ ausgeschlachtet werden sollte. 5. Schon am frühen Morgen brannte die Sonne heiß auf die Insel La Plata herab. Mit dem Morgengrauen war bereits alles auf den Beinen. „Bevor wir anfangen“, sagte Hasard zu Ben, „treffen wir zuerst ein paar Sicherheitsvorkehrungen. Ich bin sicher, daß die Spanier nach uns suchen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie einfach eine Kriegskaravelle aufgeben, zumal sie an Kriegsschiffen sehr knapp sind. Sie werden folglich irgendwann hier
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auftauchen, und daher treffen wir Vorsorge.“ „Ich hatte auch schon daran gedacht. Wir könnten die Karavelle über die Jolle mit dem Heck herumholen und mit Achterleinen, die zum Strand verfahren werden, so vertäuen, daß sie mit ihrer Backbordbreitseite die Einfahrt zur Bucht unter Feuer nehmen kann.“ „Sehr richtig, Ben. Die Insel ist zur Verteidigung ideal geeignet. Sie ragt relativ steil aus der See hoch, und als einziger Zugang bietet sich nur die Südbucht an. Verholen wir die Karavelle also so, daß sie breitseits die Bucht abriegelt.“ Hasard deutete nach oben in die Felsen, wo ein Mann Ausguck hatte. „Dort oben Werden wir zu beiden Seiten der Bucht Männer mit Flaschenbomben, Musketen und Blunderbüchsen postieren. Wir werden zusätzlich noch ein paar der transportablen Drehbassen der ,Esperanza` dort hinaufbringen. Auf den Felsen rund um die Insel verfahren wir in gleicher Weise. Sollten die Dons dann aufkreuzen, übernimmst du das Kommando da oben, während ich mit etwa zwanzig Männern auf der ,Estralla` bleibe.“ Ben Brighton hörte ruhig zu und nickte. „Sehr gut. Es wäre unsinnig, sich den Dons auf See zu stellen, denn wir wissen nicht; mit Wie vielen Schiffen sie aufkreuzen. Sollten sie aber auftauchen und an irgendeiner anderen Stelle an Land setzen, dann sind. wir immer noch im Vorteil. Die Dons müßten in den Felsen hochklettern, das sind etwa hundertsechzig Fuß Höhe, ein selbstmörderisches Unternehmen, Weil Steine Von Oben ausreichen würden, um sie abstürzen zu lassen. So gesehen, haben wir wirklich eine ideale Position. Soll ich zuerst die Verletzten von Bord bringen lassen? Drüben gibt es ein paar Höhlen; die dafür geeignet sind.“ „Ja, das tun wir zuerst. Dann beginnen wir mit den Vorbereitungen, und zwischendurch können ein paar Männer bereits mit dem Ausschlachten des Wracks beginnen.“
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Das Ausschlachten begann gleich darauf. Ferris Tucker übernahm das mit ein paar Männern. „Wir bergen alles ab, was wir noch brauchen können“, sagte er. „Da sind noch Proviant, Trinkwasser, Weinfässer, Werkzeuge, Tauwerk, Spieren, Segeltuch, Pulverfässer und Munition, nicht zu vergessen - die Culverinen. Wir werden ein paar Male pullen müssen, bis wir das Zeug drüben haben. Also fangt an.“ Unter Bens Kommando begann ein anderer Trupp damit, die transportablen Drehbassen nach oben zu bringen. Ebenso wurde Munition, Pulver und Waffen nach oben gemannt. Bei der glühenden Hitze würde das eine schweißtreibende Arbeit. Fast gleichzeitig wurde die „Estrella de Malaga“ so verholt, daß sie die Bucht abriegelte. „Alle Kanonen laden und feuerbereit halten“, sagte der Seewolf. „Die Stückpforten bleiben noch geschlossen. Wenn es wirklich hart auf hart gehen sollte, sind wir in ein paar Augenblicken klar.“ Das Kommando übernahm Al Conroy, der nach erstaunlich kurzer Zeit alles klar meldete. Le Testu und Smoky schleppten unterdessen ihre Leidensgenossen von Bord und stützten sie. Jean Ribault war mächtig sauer, als sie ihn abholten. „Wir bringen dich, Mel und Fred in die Höhle da drüben“, sagte Le Testu. „Dort seid ihr nicht dem Krach ausgesetzt und außerdem in Sicherheit, falls hier spanische Kriegsschiffe aufkreuzen.“ „Wer, zum Teufel, hat das angeordnet?“ schimpfte Ribault. „Ich bin doch kein Wickelkind. Was soll ich in der Höhle?“ „Du hast einen Pfeil durch den Oberschenkel gekriegt, einen weiteren in den linken Arm, und weil du dann immer noch nicht genug hattest, verpaßten sie dir auch noch einen Streifschuß am Schädel. Das dürfte wohl reichen“, erwiderte Le Testu trocken. „Du bist am schlimmsten von allen verletzt. Im übrigen hat der
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Seewolf das angeordnet, und zwar ausdrücklich.“ „Verdammt noch mal“, fluchte Ribault. „Man muß auch nicht immer seinen Schädel vorzeigen“, sagte Smoky, „dann kriegt man auch nichts drauf.“ „Du hast es gerade nötig. Du hast ja selbst deinen Schädel an die frische Luft gehalten.“ „Aber mir geht es wieder gut.“ Sie brachten den schimpfenden Franzosen zu einer größeren Höhle und legten ihn dort auf ein paar Decken. Dann holten sie Fred Finley, der vorgab, längst wieder einsatzfähig zu sein. „Faule Ausreden“, sagte Smoky. „Das hilft dir alles nichts. Hinein in die Höhle zum Winterschlaf.“ Mel Ferrow war der einzige, der nicht maulte. Er ging sehr vorsichtig und blieb immer wieder stehen, weil ihn jeder Atemzug schmerzte. Dort, wo ihn der verdammte Tampen getroffen hatte, brannte und schmerzte es höllisch, sobald er Luft holte. Der Kutscher hatte ihm einen festen Verband um die Brust angelegt. Mehr konnte er für die angeknacksten Rippen nicht tun. Sie mußten von selbst wieder zusammenheilen. Als sie alle drei Mann in die Höhle gebracht hatten, kehrten sie mit Proviant, Wasser und Wein noch einmal zurück. „Da kann man direkt neidisch Werden“, sagte Smoky, als er die Tonkruken auf den Boden stellte. „Hängen hier rum, die Kerle, können sich nach Herzenslust besaufen und brauchen nichts tun. Mann, wäre ich doch auch nur noch ein bißchen verwundet. Aber mit meiner Kopfverletzung kann ich nicht mehr groß angeben.“ „Du brauchst nur noch Stuß zu reden“, sagte Ribault aufgebracht, „dann kannst du mit ganz anderen Verletzungen angeben. Glaubst du etwa, es gefällt mir, hier herumzuliegen, zu faulenzen und Rotwein zu saufen?“ „Mir würde es jedenfalls gefallen“, sagte Smoky. „Fehlen nur noch ein paar nette Weiberchen.“
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„Das werde ich später deiner Gunhild sagen“, drohte Ribault. Da hatte Smoky es plötzlich sehr eilig, zu verschwinden, weil der Franzose das offenbar im Ernst meinte. Auf dem Wrack herrschte jetzt ein unglaubliches Gewimmel. Alles noch Brauchbare wurde abgeborgen, in die Jolle verfrachtet und zur „Estrella de Malaga“ gebracht. Dort wurde es in den Laderäumen sorgfältig verstaut. Der Trümmerhaufen am Strand nahm merklich ab, als Segeltuch und Spieren geborgen wurden. Das ging bis gegen Mittag so. Die Hitze hatte noch zugenommen, aber der größte Teil der Arbeiten war geschafft. Was sich jetzt noch auf dem Wrack befand, konnte innerhalb kürzester Zeit abgeborgen werden, nämlich dann, wenn die schlimmste Hitze vorbei war. Da ertönte vom Felsen eine alarmierende Meldung. Hasards Söhne brüllten aufgeregt nach unten. „Eine Galeone und vier Zweimaster laufen auf Nordkurs entlang der. Küste!“ „Also doch“, murmelte Hasard. „Genau, wie ich vermutet habe. Könnt ihr nähere Einzelheiten erkennen?“ „Nein, noch nicht, sie sind noch weit entfernt.“ Scharf blickten sie oben durch den Kieker. Das war der Zeitpunkt, an dem Ben Brighton mit ein paar Männern in die Felsen aufstieg. Big Old Shane und Batuti begleiteten ihn. Der riesenhafte Schwarze trug seinen Bogen über der Schulter. Ein Köcher mit Brand- und Pulverpfeilen hing über der anderen Schulter. Nach weiteren zehn Minuten meldeten die Zwillinge, daß es sich einwandfrei um Kriegsfahrzeuge handele. Eine spanische Kriegsgaleone wurde von vier zweimastigen Schaluppen begleitet, die immer noch auf Nordkurs an der Küste entlang segelten. „Fünf Schiffe“, murmelte Ben, der sie jetzt deutlich sah. „Wenn wir Glück haben, lassen sie die Insel außer acht und suchen sie nicht ab, weil sie hier kein Schiff
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vermuten. Es scheint, daß sie weiterhin die Küste absuchen.“ „Vorerst noch ja“, sagte Shane einschränkend, „nur glaube ich noch nicht daran. Die Dons werden ganz sicher nichts auslassen. Es muß ihnen doch mächtig gegen den Strich gehen, daß man sie so hart geplättet hat.“ Ben kontrollierte, ob für den Fall der Fälle alles feuerbereit war. Er fand nichts auszusetzen. Jeder Mann hatte seinen Posten bezogen. Le Testu und Smoky gehörten ebenfalls zu Bens Kommando. Auch Araua befand sich hier oben. Die fünf Schiffe wurden gespannt beobachtet, doch noch segelten sie ihren Nordkurs an der Küste entlang. „Sie scheinen tatsächlich die Insel auszulassen“, sagte Shane erstaunt. „Ziemlich nachlässig, die Burschen.“ Auch Hasard wunderte sich an Bord der „Estrella“, daß die fünf Kriegsschiffe sich nicht um die Insel kümmerten. Er konnte sie aus seiner Position allerdings nicht sehen, wußte aber durch Zurufe der anderen genau Bescheid. Als die Schiffe querab zur Insel standen und schon ein kleines Stück darüber hinaus waren, atmete Ben Brighton auf. „Die sind wir los“, sagte er erleichtert, doch im selben Augenblick änderte sich die Lage und wurde kritisch. Eine der Schaluppen aus dem Verband ging unvermittelt auf Westkurs und steuerte die Insel an. „Da haben wir uns leider zu früh gefreut“, sagte Smoky. „Die Schaluppe wird jetzt herumschnüffeln.“ Der Verband zog weiter, bis auf die eine Schaluppe, die jetzt die Insel umsegelte. Ben meldete das dem Seewolf, der sofort Verstanden zeigte. Hasard griff zum Spektiv und sah hindurch. Kurze Zeit darauf tauchte der Zweimaster im Okular auf. „Niemand zeigt sich“, sagte Hasard, „alle in Deckung. Die Dons werden uns sicher gleich bemerken. Sie sollen denken, was sie wollen, sie werden jedenfalls keinen von uns zu Gesicht kriegen.“
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Er legte sich auf die Planken, um nicht gesehen zu werden und beobachtete durch das Speigatt weiter mit dem Kieker. Seesoldaten waren jetzt deutlich an Deck des Zweimasters zu sehen. Ein paar Dons deuteten aufgeregt zu der „Estrella“, wie Hasard deutlich erkennen konnte. „Jetzt haben sie uns entdeckt“, sagte er zu Al Conroy. „Sie zeigen alle ziemlich aufgeregt herüber.“ „Aber verdammt vorsichtig sind die Kerle“, sagte Al, „die segeln außerhalb der Kanonenschußweite, weil sie genau wissen, was ihnen blüht, wenn sie näher aufkreuzen.“ Gespannt warteten sie, was der Spanier tat. Hasard richtete das Spektiv aufs Achterdeck und nahm den Schaluppenkommandanten näher ins Visier. Der Don blickte starr herüber, aber er sah niemanden. Er schien auch deutlich zu zögern, ob er nicht doch näher heransegeln solle. Hasard sah, daß er unentschlossen und ratlos wirkte, denn ein paarmal änderte er leicht den Kurs. Dann griff auch er zu einem Spektiv und starrte herüber. „Jetzt möchtest du gern wissen, was los ist“, murmelte der Seewolf. „Kleines Problemchen, wie?“ Der Don löste sein „kleines Problemchen“ jedoch auf andere Art und Weise, weil ihm das alles nicht geheuer schien. Er fiel ab und ging auf Nordostkurs, um dem Verband nachzusegeln. Der Seewolf grinste hart. „Schade, daß er jetzt aus unserem Blickfeld verschwindet. Aber wir werden ja gleich erfahren, wie sich die anderen verhalten.“ Das erfuhren, sie allerdings sehr schnell, denn als die Schaluppe außer Sichtweite war, ging im Vortopp eine blutrote Flagge hoch. Ben meldete das sofort nach unten. Offenbar war die rote Flagge für die anderen Schiffe das Signal, daß die „Estrella“ entdeckt und gefunden worden sei. „Galeone und die drei anderen Schaluppen gehen auf Südwestkurs“, meldete Ben.
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„Dann auf in den Kampf, Matadores“, sagte Hasard. „Laßt die Stückpforten fallen und rennt die Culverinen aus. Die Dons wollen es jetzt genau wissen. Also zeigen wir ihnen die Zähne.“ „Und zwar die eigenen“, setzte Al Conroy hinzu. „Die Dons werden ihre eigenen Stücke zu spüren kriegen. Das muß sie doch sehr vergrämen. Ich jedenfalls würde mich halb totärgern.“ Die Stücke wurden ausgerannt. Alles war bereit. Der Kampf konnte beginnen. Auf den Felsen lauerten die Männer, die ebenfalls schußbereit waren. Sie würden den Dons einen wahrhaft heißen Empfang bereiten. * Jean Ribault war selten so mißgelaunt wie an diesem Tag. Zu sehen gab es nicht viel. Was auf der Insel geschah, blieb ihren Blicken verborgen. Hin und wieder war Hämmern oder Schlagen zu hören. Dann wieder plätscherte ferne Unterhaltung heran, und schließlich schliefen die Geräusche allmählich ein. Auf der Insel La Plata wurde es ruhiger. Man hatte ihnen Essen gebracht, aber Appetit verspürten alle drei nicht. Ribault nippte lustlos an dem Rotwein, doch selbst der schmeckte ihm heute nicht. Anfangs war es in der Höhe noch kühl und erträglich gewesen, doch gegen Mittag breitete sich auch hier drückende Schwüle aus. „Ich fühle mich wie abgeschoben“, murrte der Franzose. „Nichts, absolut nichts kann man unternehmen. Das paßt mir nicht, das entspricht nicht meiner Wesensart. Ich brauche einfach Bewegung.“ „Mir geht es genauso“, sagte Fred Finley. „Aber Hasard hat nun einmal angeordnet, daß wir die Höhle nicht verlassen dürfen. Ich würde auch gern wissen, was jetzt da draußen vorgeht.“ Mel Ferrow lag auf seiner Decke und rang immer noch nach Luft. Heftige Bewegungen lösten augenblicklich starke Schmerzen bei ihm aus. Ihm war nicht danach zumute, herumzuwandern.
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Er drehte sich halb zur Seite, und da sahen die beiden anderen wieder die fürchterliche Wunde auf seinem Rücken. Dort hatte einstmals ein riesiger Hai die Abdrücke seiner Zähne hinterlassen. Die Bißwunde zog sich bis zur Schulter hoch. Ein kleiner Teil der Bißwunde war allerdings jetzt von dem Verband bedeckt, den der Kutscher ihm angelegt hatte. „Nun gut“, meinte Ribault ein Weilchen später. „Hasard wird seine Gründe haben, wenn er das anordnete. Wir sollen die. Höhle also nicht verlassen. Er hat aber nichts davon gesagt, daß wir uns in der Höhle nicht umsehen sollen. Ich registriere schon seit einer Ewigkeit ein leises Rauschen, das weit aus dem Hintergrund ganz schwach zu vernehmen ist. Mich würde interessieren, was das wohl ist.“ „Meeresrauschen natürlich“, sagte Finley, „irgendwo gurgeln die Wellen an die Felsen, und falls ein kleiner Gang aus der Höhle hinausführt, hört man es als fernes Gemurmel.“ „Nein, das ist etwas anderes“, widersprach Ribault. „Das scheint direkt aus dem Felsen zu dringen. Wenn ihr ganz still seid, könnt ihr es auch hören.“ Daraufhin schwiegen sie ein paar Minuten und lauschten angestrengt in das Halbdämmer der Höhle. Tatsächlich war da ein ganz fernes Rauschen zu hören, wie unendlich ferner Wellenschlag. „Vielleicht hängt das mit den Gezeiten zusammen“, sagte Mel Ferrow. „Wenn das Wasser steigt, dringt es in eine Art Kaverne ein, ähnlich wie auf der Schlangen-Insel.“ Ribault ließ das ferne Rauschen keine Ruhe mehr. Er war neugierig geworden und hatte auch keine Lust mehr, hier auf der faulen Haut zu liegen. „Gehst du mit, Fred?“ fragte er. „Mel kann ja nicht, der soll sich nicht bewegen.“ „Aber gern. Wir sind gleich zurück, Mel.“ Der Mann mit der furchtbaren Haifischnarbe nickte. Ribault schob seinen Degen zur Seite, der ihm nur hinderlich war, und stand auf.
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„Ruh dich aus“, empfahl Ribault. „Wenn jemand nach uns fragt, sagst du, daß wir die Höhle ein wenig erkunden wollen. Es wird auch nicht lange dauern.“ Die beiden Männer gingen los. Finley hatte den linken Oberarm bandagiert und konnte ihn nur mühsam bewegen. Ribault war noch schlechter dran, aber der Franzose war hart im Nehmen und störte sich an seiner Verletzung nicht weiter. Die Höhle war groß und geräumig, wurde nach knapp dreißig Yards jedoch zu einer Art Schlauch, den sie fast kriechend durchqueren mußten. Dem Schlauch folgte wieder eine nach rechts abknickende größere Grotte. Danach ging es ein paar Schritte etwas bergab wie auf einer schiefen Ebene. Es herrschte immer noch Dämmerlicht. Weit vor ihnen wurde es milchig-hell. Das Rauschen war jetzt deutlicher zu hören. Ribault deutete mit der Hand voraus. „Da scheint ein See zu sein.“ Es war tatsächlich ein kleiner See, den sie gleich darauf entdeckten. Er lag mit dem Meeresspiegel auf gleicher Höhe. Von See her strömte langsam Wasser herein. Dämmeriges Licht fiel aus Felsrissen und kleinen Spalten. Vom See her gab es einen Zulauf durch die Felsen, durch den ein Mann gerade hindurch schwimmen konnte. Erreichte die Flut ihren höchsten Punkt, war der Durchlaß nicht mehr zu sehen. „Ende der Exkursion“, sagte Jean. „Aber hier ist es wenigstens herrlich kühl und erfrischend.“ Finley starrte verlangend in das dunkel schimmernde Wasser. „Am liebsten würde ich jetzt ein kühles Bad nehmen. Aber ich kann den linken Arm so schlecht bewegen. Hm, ich könnte es trotzdem versuchen und mich auf dem Felsen ausruhen, der mitten aus dem See ragt. Was soll da schon passieren?“ „Klar, ich bin durch mein Bein behindert, aber der kleine Felsen ist gerade richtig, um sich auszuruhen.“ Ribault hielt nichts mehr von einem erfrischenden Bad ab. Er ließ sich vorsichtig ins Wasser gleiten und
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schwamm ein paar Züge. Finley wurde fast neidisch und zögerte auch nicht länger. Sie schwammen ein paar Runden, Ribault voraus, Finley im Kielwasser des Franzosen. „Ein himmlisches Gefühl!“ rief Jean. Grinsend schwamm er auf den Felsen zu. Dann erhielt er übergangslos einen heftigen Stoß .in die Seite und drehte sich empört herum. „Was soll der Blödsinn, Mann?“' fauchte er. „Bist du verrückt geworden?“ Erstaunt sah er, daß Finley so weit hinter ihm schwamm, daß er ihn gar nicht berühren konnte. Es war einfach unmöglich. „Verdammt noch mal!“ rief Jean. „Da sind Felsen unter uns! Paß auf, daß du dich nicht verletzt!“ Statt einer Antwort schrie Finley leise auf. „Zur Hölle, da hat mich etwas Weiches gestreift!“ rief er. „Hier muß irgendetwas unter uns sein.“ Sie schwammen hastiger auf den Felsen zu, von der Furcht getrieben, dieses unsichtbare Etwas würde sie wieder berühren. Ribault versuchte, auf den Grund des Sees zu blicken, doch der war so tief, daß er nichts erkennen konnte. Kurz bevor sie den Felsen in der Seemitte erreichten, erfolgte die nächste Berührung. Ribault erhielt einen unglaublich harten Stoß, dann rieb etwas an seinen Beinen, als wolle es ihm die Haut abschmirgeln. Er geriet fast in Panik, versuchte sich aber noch zu beherrschen, trat wild zu und erreichte die Felsen. Fluchend zog er sich hinauf. „Paß auf, Fred“, warnte er, „schwimm etwas schneller.“ „Erst mal können. Verdammt, was ist das nur?“ Als er den Felsen erreichte, griff Ribault nach seinen Händen und zog ihn blitzartig nach oben. Der Felsen ragte wie ein Sattel aus dem Wasser und war oben schräg geneigt. Finley war gerade oben, als sie im Dämmerlicht den Schatten sahen, der sie in Panik versetzt hatte. Der Schatten pfeilte elegant bis dicht unter die Oberfläche.
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Voller Entsetzen sahen sie, daß es ein riesiger Hammerhai war, der dicht vor dem Felsen verharrte. Dann begann er den Felsen zu umkreisen und schoß immer wieder wie wild hervor. „O Gott“, sagte Finley, „das hat uns noch gefehlt. Ein Mordsbiest ist das, und verdammt hungrig scheint er auch zu sein. Da sitzen wir ja fein in der Patsche.“ Ribault war blaß geworden. Er blickte auf sein Bein, von dem in dünnen Fäden das Blut troff. Diese winzigen Blutspritzer, die ins Wasser liefen, ließen den hungrigen Hammerhai fast tobsüchtig werden. Einmal schnellte er mit einem riesigen Satz aus dem Wasser und attackierte wütend den Felsen. Er war schätzungsweise vier Yards lang, wie sie erkannten. „Wir haben unwahrscheinliches Glück gehabt, Fred“, sagte Ribault verstört. „Der hat mich zweimal gestreift, beim drittenmal hätte er zugeschnappt, und dann wäre mindestens ein Bein weggewesen. Der scheint sich hier mit der Flut verirrt zu haben, oder er schwimmt schon länger hier herum. Deshalb ist er auch aggressiv und verfressen.“ Vor ihnen kochte das Wasser. Dort, wo sich ein paar Blutstropfen mit dem Seewasser vermischten, tobte der Hammerhai und biß wild um sich. „Was jetzt?“ fragte Finley, „jetzt ist der Ofen aus für uns.“ „Zurückschwimmen können wir nicht mehr, ohne unser Leben zu riskieren. Wir können hier auch brüllen und schreien, so laut wir wollen. Das hört doch niemand. Mel kann keine Hilfe bringen, der kann sich selbst kaum rühren. Also bleiben wir hier bis zum Sankt Nimmerleinstag auf dem Felsen hocken - oder bis man uns vermißt. Aber das kann lange dauern, denn wenn die Dons aufkreuzen, haben die anderen genug zu tun, um sich zu wehren. Ein Scheiß ist das.“ „Nicht mal ein lausiges Messerchen haben wir dabei.“ Finley zuckte zurück, als der Hai wieder die Felsen attackierte. Jetzt sahen sie ganz deutlich den mächtigen ausladenden
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Schädel, an dessen verlängerten Seiten sich die Augen befanden. Der Kopf sah wie ein riesiger Hammer aus, die außen stehenden Augen glotzten nach allen Seiten. Durch die Anordnung dieser Augen hatte der Hai ein weites Blickfeld und konnte seine Beute in großem Umkreis wahrnehmen. Die Lage war aussichtslos. Das hungrige Vieh hatte Blut gewittert und würde sich jetzt auf alles stürzen, was sich nur etwas bewegte. Immer wieder starrten sie auf den lauernden Hammerhai, sahen jede seiner Bewegungen und konnten nichts tun. Der Hai dachte auch nicht daran, den Höhlensee zu verlassen. Vielleicht hielt er sich schon einige Tage lang hier auf, ohne den Ausgang gefunden zu haben. Ribault wußte, daß sie sich jetzt etwas eingebrockt hatten, das Hasard nicht gerade wohlwollend zur Kenntnis nehmen würde. Etwas später, als der Hai immer noch beharrlich seine unerreichbare Beute lauernd umkreiste, stieß Ribault einen grellen Pfiff aus, dann noch einen. Vielleicht hörte Mel das und konnte die anderen alarmieren. Ein feines Theater gibt das, dachte Ribault, denn der Hai mußte abgeschossen werden. Anders gelangten sie hier nicht mehr heraus. Sie würden sich eine ganze Menge anhören müssen. Mel Ferrow lag dösend auf dem Rücken und rang nach Luft, als er einen kaum wahrnehmbaren Pfiff hörte. Ein zweiter Pfiff ertönte kurz darauf, und er kam eindeutig aus dem fernen Hintergrund der Höhle. Er lauschte, doch das Pfeifen wiederholte sich nicht. Da muß etwas passiert sein, überlegte Mel. Ribault oder Finley pfiffen ganz sicherlich nicht zum Spaß. Mel erhob sich ächzend, verfluchte seine angebrochenen Rippen, nahm den Degen von Ribault und bewegte sich langsam durch die Höhle. Als er an die schlauchartige Verengung gelangte, mußte er sich unter vielen Qualen mühsam hindurchzwängen. Dann stand er da und schnappte gierig nach Luft. Aber
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jeder Atemzug war wie ein Stich mit dem Messer. Er konnte auch nicht richtig durchatmen. Als er kurz darauf die beiden Freunde auf dem Felsen mitten im Wasser hocken sah, schüttelte er den Kopf. Sie waren etwa dreißig Yards von ihm entfernt. „Was ist los?“ rief er hinüber. Sie sahen Mel nur als gesichtslosen Schatten, der sich mühsam bewegte. „In dem See ist ein Hammerhai!“ rief Ribault. „Wir können nicht mehr zurück. Das Biest hat Blut gewittert und ist ganz wild.“ Mel stand ganz still da und blickte zu dem Felsen, wo immer wieder das Wasser brodelte. Einmal sah er den gewaltigen Schatten, und da trat ein fast fanatisches Funkeln in seine Augen. Sein unbändiger Haß auf Haie brach wieder in ihm durch und ließ ihn alles vergessen. Reglos starrte er ins Wasser, unbeweglich, wie erstarrt. „Kannst du die anderen alarmieren, Mel?“ fragte Finley. Mel entgegnete nichts, gab keine Antwort. Da war der Augenblick wieder, als der Hai angegriffen und sich in seine Schulter verbissen hatte. Wie ein gespenstischer Alptraum tauchte die Szene wieder vor seinem geistigen Auge auf. Die rasiermesserscharfen gewaltigen Zähne in Doppelreihe, das aufgerissene Maul, der Biß, das viele Blut und dann der unbändige Schmerz, als es ihn fast zerriß. Mel Ferrow vergaß, daß er kaum Luft kriegte und sich nur schwerfällig bewegen konnte. Er sah nur diese gigantische tobende Masse am Felsen und dachte daran, daß einer seiner Kameraden dem Biest jetzt als Nahrung gedient hätte. Jean vielleicht - oder auch Fred. „Bist du wahnsinnig?“ hörte er Ribaults gellende Stimme. „Der Hammerhai rast vor Wut. Du kannst nicht ins Wasser! Zurück, Mel!“ Mel tat alles wie unter einem inneren Zwang. Er tastete sich den Felsen nach unten, sah mit starren Blicken auf den Strudel am Felsen und ließ sich ins Wasser gleiten. Ganz ruhig schwamm er dem Hai
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entgegen, den Degen Ribaults hielt er dabei in der rechten Hand. Die gellenden Schreie seiner Kameraden ignorierte er. Nichts und niemand hätte ihn jetzt von seinem Vorhaben abbringen können. Da vorn lauerte sein Todfeind auf menschliche Beute, gierig, mit kalt und ausdruckslos glotzenden Augen. Eine gigantische Freßmaschine, die kein Erbarmen kannte, die nur blutiges Fleisch zerfetzen und fressen wollte. Unbehelligt gelangte er bis dicht vor den Felsen. Er schwamm ruhig und überlegt, dann tauchte er tief hinunter und war nur noch als Schemen zu sehen. Ribault und Finley kriegten sich nicht mehr ein. „Der ist wahnsinnig“, sagte Jean ächzend, „der bringt sich selbst um.“ In diesem Augenblick fuhr der Hammerhai wild herum. In einer eleganten Kurve umschwamm er Mel Ferrow. Seine Schwanzflosse hieb durch das Wasser. Jetzt hielt auch die beiden Männer auf dem Felsen nichts mehr, obwohl sie wußten, daß es Wahnsinn war, was sie taten. Alle beide sprangen ins Wasser, unbewaffnet, als wollten sie den Hai mit bloßen Händen angreifen. Der Hammerhai witterte neue Beute, konnte sich für den Augenblick aber nicht entscheiden, wen er zuerst angriff, die beiden schwimmenden Männer oder den einzelnen, der fast im Wasser stand. Dann entschied er sich für Mel und raste auf ihn zu. Mel wurde langsam die Luftknapp. Er war fast erleichtert, daß der Hai jetzt angriff. In seiner Brust hämmerte ein riesiger Gong, sein Herz schlug wie rasend, und die angehaltene Luft schien alle seine Rippen zu zerreißen. Eiskalt und ruhig hielt er den Degen in der Faust. Der Hammerhai raste mitten hinein in die blinkende scharfe Spitze. Der Anprall war so gewaltig, daß er Mel mitriß und unter Wasser auf den Kopf stellte. Eine riesige dunkle Wolke schien im Wasser zu explodieren, als die Klinge dem Hai den Leib aufschlitzte. Der Fisch tobte wie wahnsinnig durch das Wasser und zog
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die gewaltige dunkle Blutwolke hinter sich her. In seinem Sog wirbelten Fred Finley und Jean Ribault yardweit davon. Das rasende Biest hatte den Todesstoß erhalten. Es dachte nicht mehr ans Fressen, aber es schlug um sich, raste in die Tiefe, fuhr wieder hoch und schnellte aus dem Wasser. Mel Ferrow sah in der dunklen Wolke kaum noch etwas. Er tauchte auf und schnappte total erschöpft nach Luft. Ribault griff nach ihm, legte ihm den Arm um den Hals und schwamm langsam auf das Ufer zu, während der Hammerhai immer noch wie ein Irrer durch den See raste. Jedesmal zog er eine lange blutige Fahne hinter sich her. Dann verlor er offenbar - durch den Blutverlust geschwächt - die Orientierung. Mit wild peitschendem Schwanz raste er blitzschnell auf die Felsen zu. Im Wasser gab es eine harte Stoßwelle, als der Hai die Felsen rammte und wie von einer Riesenfaust gestoppt wurde. Sein mächtiger Leib drehte sich halb zur Seite. Dann zuckten nur noch die Flossen und der gewaltige Schwanz hieb noch ein paarmal durch das Wasser. Schließlich erlahmten die Bewegungen, und der Gigant der See hauchte sein Leben aus. Wie ein monströses Wrack trieb er kieloben an den Felsen entlang. „Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll“, murmelte Jean, als sie die Felsen erklommen hatten und keuchend in den See blickten, „ich weiß es nicht. Ich kann dir nur danken, Mel, und Fred auch. Aber das hättest du nicht auf dich nehmen sollen. Ich sah dich schon zerfetzt und zerrissen im Rachen des Hais verschwinden.“ Mel Ferrow lächelte schwach. Er blieb stehen und pumpte sehr vorsichtig Luft in seine Lungen. „Das ist mir nur einmal passiert, Jean. Seitdem hat kein Hai mehr einen Kampf gegen mich gewonnen. Dein Degen ist übrigens allererste Qualität. Mit dem Messer wäre es schwieriger geworden. Ich schlage vor, wir vergessen den Vorfall. Später können wir ja irgendwann mal
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erwähnen, falls jemand fragt, daß wir uns die Langeweile mit einem Hai vertrieben haben.“ Das war typisch für Mel, als er jetzt auch noch grinste und mit wasserhellen Augen auf den weißlichgrauen Kadaver blickte. Finley blickte ebenfalls schaudernd auf den Hai. Sein Bauch war unterhalb des Maules bis zur Schwanzflosse aufgeschnitten, als wäre er mit höllischem Tempo über eine scharfe Korallenbank gerast. Sie wollten Mel tragen, doch der wehrte energisch ab. „Ein bißchen Bewegung tut mir ganz gut“, sagte er trocken. „Da bleiben die Knochen elastisch.“ Sie kehrten zur Höhle zurück, als sei nichts gewesen. Aber der grausige Vorfall beschäftigte sie doch noch lange. 6. Die Kriegsgaleone „Neptuno“ segelte mit schwacher Fahrt an der Bucht vorbei. Auf dem Achterdeck standen Don Pascual de Alcedo und der Kapitän der Kriegsgaleone Bernado dos Santos. Seit die rote Flagge im Vortopp hochgegangen war, wußten sie Bescheid, daß hier etwas faul war und hielten sich vorsichtshalber außerhalb der Kanonenschußweite. Don Pascual wollte zunächst nur einmal genau beobachten, was in der Bucht vor sich ging. Er hatte das Spektiv am Auge und sah in die Bucht. „Aha!“ sagte er höhnisch. „Da haben wir sie ja endlich. Nun, dann dürfte wohl auch bald ihr letztes Stündlein geschlagen haben.“ Aufmerksam blickte er weiter hindurch. „Sieh an, sieh an“, murmelte er vor sich hin. „Das ist ja interessant, dos Santos. Dort liegt ein entmastetes Schiff auf dem Strand, offenbar eine Karavelle, jetzt nur noch ein armseliges Wrack. Die Kerle haben beim letzten Sturm anscheinend hier Schiffbruch erlitten.“ Dos Santos, der mit dem linken Auge ebenfalls am Spektiv klebte, nickte bestätigend.
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„Sehr richtig, Don Pascual, sehr richtig. Daher brauchten die Halunken ein Schiff und klauten es der spanischen Krone. Sehen Sie mal, da scheinen nur zwei Kerle an Bord zu sein, ein schwarzhaariger, großer muskulöser Kerl und ein etwas kleinerer von heller Haarfarbe. Beide beobachten uns ebenfalls durch Spektive.“ „Ja, das sehe ich selbst“, sagte Don Pascual unwirsch. „Aber wo sind die anderen Piraten? Schließlich haben ja nicht die beiden Kerle allein das Schiff geentert.“ „Sie werden sich verborgen haben. Wir sind übrigens feuerbereit, Don Pascual, für den Fall, daß Sie anordnen, dem Gesindel einen heißen Gruß hinüberzuschicken.“ „Ich werde das ganz sicher nicht anordnen“, entgegnete Don Pascual etwas von oben herab: „Ich habe schon einmal erwähnt, daß wir auf jedes Schiff angewiesen sind und uns nicht damit gedient ist, diesem Piratengesindel eins überzubraten. In Guayaquil sind Kriegsschiffe Mangelware, mein Lieber. Wie Sie sich erinnern, haben wir nur noch eine Galeone, eine Karavelle sowie zwei Schaluppen stationiert. Das ist alles. Eingedenk dieser Tatsache werden wir ganz anders vorgehen.“ „Keinen Angriff, Don Pascual?“ „Nein, keinen Angriff. Wir sind in der Übermacht, uns kann ohnehin nichts passieren, und so werden wir die Piraten auffordern, die ,Estrella de Malaga` wieder herauszugeben. Dafür werde ich den Halunken freien Abzug zusichern.“ „Aber Don Pascual, ich verstehe nicht. Das Gesindel hat doch noch andere Schiffe versenkt, und da ist es doch ...“ Der Generalkapitän lächelte hinterhältig. „Mein lieber dos Santos“, sagte er belehrend, „natürlich denke ich nicht im Traum daran, dieses Lumpenpack ziehen zu lassen. Das ist doch nur ein Vorwand, um sie in Sicherheit zu wiegen. Die Kerle sind von mir längst zum Tode verurteilt. Sobald wir das Schiff haben, werden wir sie zur Feier des Tages einen nach dem anderen an unseren Rahen hochziehen und sie mit des Seilers Töchterlein verheiraten.“
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„Einfach genial, Don Pascual. So wird das Schiff nicht beschädigt.“ „Sehr richtig“, sagte Don Pascual gönnerhaft. „Nur die Hälse der Kerle werden ein bißchen beschädigt.“ Er lachte amüsiert zu seinen Worten. „Beschädigte Hälse sind aber immer noch besser als ein beschädigtes Schiff.“ Don Pascual beobachtete weiter durch den Kieker und ärgerte sich maßlos, als er die beiden „Piraten“ auf dem Achterdeck der „Estrella“ näher in Augenschein nahm. Er kniff die Lippen zusammen und sagte erbost: „Diese Bastarde lassen jeglichen Respekt vermissen. Außerdem zeigen sie nicht die geringsten Anzeichen von Nervosität. Ja, sie wagen es, und grinsen auch noch dreckig. Aber dieses Grinsen wird ihnen noch vergehen, so wahr ich der Generalkapitän bin. Es wird ihnen spätestens dann vergehen, wenn ich sie am Halse langziehen lasse.“ Es wurmte ihn unglaublich, daß die beiden Kerle so gelassen reagierten. Sie schienen sich über den Aufmarsch der Kriegsschiffe noch zu belustigen. Keine Spur von Unruhe oder Aufregung war ihnen anzumerken. Sie standen da und grinsten herausfordernd, was Don Pascual fast zur Raserei trieb. Mühsam beherrscht drehte er sich um und musterte dos Santos aus schmalen Augen. „Lassen Sie die Galeone in den Wind gehen“, sagte er ungehalten. „Oder kreuzen Sie meinetwegen hier vor der Bucht. Und dann lassen Sie augenblicklich eine Jolle aussetzen und eine weiße Parlamentärsflagge holen.“ „Sofort, Don Pascual.“ „Das hätte Ihnen auch selbst einfallen können“, schnarrte Don Pascual. „Wir haben das ja besprochen.“ Dos Santos schluckte. Hoffentlich geht das gut, dachte er, denn die Gelassenheit der beiden Kerle da drüben behagte ihm ganz und gar nicht. Die waren viel zu selbstsicher, als hätten sie noch einen großen Trumpf in den Händen. Die „Neptuno“ luvte an und ging in den Wind, bis die letzte Fahrt aus dem Schiff war. Dann wurde die Jolle abgefiert. Ein
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Teniente eilte mit einer weißen Flagge über Deck und enterte in die Jolle ab. „Sie haben gar keine Waffen dabei“, sagte dos Santos erstaunt. „Wollen Sie wirklich unbewaffnet zu den Piraten hinübersegeln, Don Pascual? Sie werden in Schwierigkeiten geraten.“ Dos Santos erhielt wieder mal eine hochnäsige Belehrung, die er anstandslos schluckte. „Ein Parlamentär erscheint in friedlichen Absichten, oder ist Ihnen das nicht bekannt? Wenn wir Waffen in der Jolle mitnehmen, wird das den Halunken nicht entgehen. Ich will sie aber in Sicherheit wiegen, um meine friedlichen Absichten zu demonstrieren.“ „Wollen Sie denn auf das Schiff?“ fragte dos Santos entgeistert. „Selbstverständlich - was dachten Sie denn? Natürlich will ich auf das Schiff und werde dort zum Schein verhandeln. Ich will auch in die Bucht, um dort zu erkunden, mit wie vielen Galgenvögeln wir es zu tun haben, und was das vor allem für Kerle sind. Sie sehen, mein Lieber, wenn ich etwas tue, dann tue ich es gründlich und denke vorher genau darüber nach.“ Don Pascual sah sich um, als hätte er den Sieg bereits in der Tasche. Dos Santos traf ein überheblicher Blick, dann nickte der Generalkapitän noch einmal gönnerhaft. So muß man vorgehen, mein Lieber, sollte das heißen. In heroischer Pose enterte er ab, als sei das alles nur ein Pappenstiel. Don Pascual tat nicht nur so, er glaubte auch selbst daran. Diese Halunken würden heilfroh sein, wenn sie vermeintlich mit heiler Haut davonkamen. Sie waren wohl doch eine Nummer zu klein für dieses Unternehmen und hatten sich etwas aufgebürdet, dem sie letztlich nicht gewachsen waren. Die „Neptuno“ lag immer noch außerhalb der Schußweite vor der Bucht. Beide Schiffe lagen sich fast gegenüber. Don Pascual enterte in die Jolle und gab das Kommando zum Pullen. „Sie stellen sich vorn in den Bug und schwenken die weiße Flagge!“ herrschte er den Teniente an. „Immer hin und her
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schwenken, damit man unsere friedlichen Absichten nicht mißdeutet.“ Der Teniente tat, wie ihm befohlen war. Er stellte sich vorn in den Bug und begann die weiße Flagge zu schwenken. Das mußten die Kerle auf der „Estrella“ klar und deutlich erkennen können. Es kam jedoch alles ganz anders, als der Generalkapitän sich das vorgestellt hatte. Er hockte achtern im Boot und starrte mit verbissenem Gesicht auf das „Piratenschiff“, auf dem immer noch der schwarzhaarige Riese und der etwas kleinere Kerl standen. Alle beide sahen grinsend zu der sich nähernden Jolle. Verärgert registrierte Don Pascual, daß auf der „Estrella“ alle neun Culverinen ausgerannt waren. Auch die Drehbassen waren feuerbereit. Das wurmte ihn unglaublich, daß dieses Gesindel ihn mit den eigenen Kanonen bedrohte, mit Stücken, die der spanischen Krone gehörten und von den Kerlen mit der größten Selbstverständlichkeit in Besitz genommen worden waren. Das ist der Gipfel der Unverschämtheit, dachte er empört. Er bemühte sich jedoch um einen gelassenen Gesichtsausdruck, auch wenn alles in ihm kochte und brodelte. Er war sich seiner Sache sicher, daß die Kerle aufgaben, sobald er ihnen großzügigerweise freien Abzug gewährte. Lauernd sah er sich um, ob noch weitere Kerle in der Nähe waren, aber vorerst konnte er niemanden entdecken. Es verwirrte ihn immer mehr, daß die beiden auf dem Achterdeck so gelassen blieben. „Weiterpullen!“ befahl er. „Direkt auf die Karavelle zu. Dann an der Bordwand längsseits gehen.“ Den Rudergasten war unbehaglich zumute, auch dem Teniente, der immer noch die weiße Flagge schwenkte. Aber sie gehorchten und pullten näher heran. Da ertönte über das Wasser eine metallische Stimme. Sie klang hart, befehlend und unnachgiebig, und sie gehörte dem breitschultrigen Riesen. „Halt! Nicht weiter! Ich fordere Sie auf, vor der Insel zu bleiben und nicht weiter
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heranzupullen. Stellen Sie das Pullen ein, sonst sehe ich mich leider gezwungen, die Jolle zu versenken.“ Don Pascual lief rot an und verschluckte sich fast vor Wut. Was bildete sich dieser überhebliche Kerl eigentlich ein? Er gehorchte nicht gern, ihm war lieber, wenn andere gehorchten, aber er mußte zähneknirschend einsehen, daß dieser Kerl es offenbar ernst meinte und keinen Zweifel an seinen Worten aufkommen ließ. Einen Augenblick zögerte er noch, dann hatte er sich entschieden, der Aufforderung Folge zu leisten. „Halt Wasser!“ sagte er heiser zu den Rudergasten. Die Riemen wurden auf sein Kommando querschiffs mit aufrechtem Blatt ins Wasser gehalten. Die Jolle lief keine Fahrt mehr und dümpelte nur noch leicht in der Dünung. „Sehen Sie die weiße Flagge nicht?“ schrie Don Pascual. „Ich will mit Ihnen verhandeln!“ Er zitterte jetzt vor Wut, weil ihn dieser Kerl so herumkommandierte und ihm Befehle erteilte. Sein Blick richtete sich wieder auf die Karavelle mit den ausgerannten Stücken. „Verhandeln?“ fragte der Schwarzhaarige mit kühler Stimme. „Über was möchten Sie denn verhandeln?“ Don Pascuals Wut wurde noch größer. Der Ärger fraß ihn fast auf. Die Stimme des Riesen klang zwar sehr kühl, aber doch irgendwie belustigt, als nehme er die Situation nicht ernst. Don Pascual fühlte, wie sich in seinem Magen etwas verkrampfte. Heiß stieg es in ihm auf. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte mit vorgerecktem Hals auf das Schiff. „Ja, ich möchte verhandeln!“ brüllte er. „Aber das ist Auge in Auge besser als auf diese Distanz. Ich bin nicht gewillt, mir die Kehle heiser zu schreien, dazu ist die Entfernung zu groß. Wenn Sie nichts dagegen haben, komme ich jetzt an Bord.“ „Das lehne ich ab“, sagte Hasard kühl und reserviert.
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„Wie soll ich dann verhandeln?“ rief Don Pascual. Er schäumte jetzt vor Wut, denn der Kerl wurde immer unverschämter. „Piratengesindel, Lumpenpack!“ fluchte er so leise, daß nur die Rudergasten in der Jolle es hören konnten. „Ihr werdet es noch bereuen, einen Generalkapitän der spanischen Krone wie den letzten Dreck zu behandeln.“ „Ich werde Sie vor der Zufahrt zur Bucht empfangen, Senor“, sagte Hasard. „Das halte ich in jedem Fall für besser. Warten Sie bitte so lange.“ Don Pascual hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch da sah er, daß es auf der „Estrella“ plötzlich lebendig wurde. Überall an Bord tauchten Gestalten auf. Im ersten Impuls wollte er umkehren, und die Karavelle unter Feuer nehmen lassen. Doch dann überlegte er, daß sie das Schiff unversehrt brauchten. Außerdem war bei der Bewaffnung ein gewisses Patt entstanden, denn die „Estrella“ war stark armiert und lag auf günstiger Position. Die Reichweite aller Stücke entsprach auch der Reichweite der eigenen Culverinen. „Ich werde warten“, knirschte er. Sein Schädel war knallrot, und über der Nasenwurzel stand eine Falte wie mit der Axt gehauen. 7. Dan O'Flynn hatte die Jolle nicht aus den Augen gelassen. Das Spektiv brauchte er schon lange nicht mehr, seit die Jolle näher herangepullt worden war. „Ich kann bei den Dons keine Waffen in der Jolle entdecken“, sagte er. „Sie scheinen nicht einmal Pistolen mitzuführen. Aber es könnte vielleicht doch eine Falle sein, ich traue den Burschen nicht.“ „Ich habe ihnen noch nie getraut“, sagte Hasard lächelnd. „Und wenn ich mir diesen Kerl ansehe, kann ich meine Meinung schon gar nicht ändern. Das ist ein sturer Büffel, ein Nußknacker, der mit dem Schädel durch die Wand rennt. Einer, der absolut nicht begreift, wann er aufzustecken hat.“
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Hasard musterte noch einmal den Generalkapitän. Nein, der sah nicht ehrlich aus, der meinte nicht das, was er sagte, der hatte etwas ganz anderes vor, das sah er schon an seinen lauernden Blicken und der Überheblichkeit, mit der er sich aufspielte. „Daß die Dons verhandeln wollen“, sagte er, „ist mal ganz neu, zudem nicht zu erwarten ist, daß bei Verhandlungen dieser Art ein vernünftiges Ergebnis zustande kommt. Dieser Kerl ist auf einen Kuhhandel aus, mehr steckt nicht dahinter.“ „Dann lassen wir ihn doch sausen“, schlug Dan vor. „Mit dem vergeuden wir nur unsere Zeit.“ „Nein, ich möchte genau wissen, was er will, obwohl ich mir das schon so ungefähr denken kann. Wir können nicht mißtrauisch genug sein, und wenn ich mich jetzt hinüberpullen lasse, dann werden wir auch keinesfalls auf Waffen verzichten, und wenn die Dons zehnmal keine in der Jolle haben. Wir haben einschlägige Erfahrungen zur Genüge gesammelt. Du übernimmst solange das Kommando, Dan.“ „Aye, aye, Sir. Laß den Kerl kaltschnäuzig abfahren, Sir.“ „Du solltest mich eigentlich kennen.“ „Allerdings, Sir“, sagte Dan mit einem versteckten Grinsen. Die Jolle lag noch längsseits. Hasard ließ vier Männer bewaffnen und enterte ab. Er selbst nahm seinen Radschloßdrehling mit, ob den Dons das paßte oder nicht. Vorn im Boot stand immer noch der Teniente und hielt die weiße Flagge hoch, als solle sie allen Schaden von ihm abwenden. „Pullt bis auf zwei Bootslängen heran“, sagte Hasard, „und dann halt Wasser. Bin gespannt, was uns der ehrenwerte Senor zu verklaren hat.“ Etwas später lagen sich die beiden Jollen dümpelnd in der Dünung gegenüber. Die Distanz betrug zwei Bootslängen. Schon während sie heranpullten, musterte Hasard den Generalkapitän unauffällig, aber sehr genau. Nein, der Kerl gefiel ihm nicht, aus der Nähe noch weniger als aus der Ferne. Den
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konnte man nicht mal als Schlitzohr bezeichnen, als liebenswertes schon gar nicht. Er sah zwei kalte berechnende Augen, die mit lauernden Blicken alles maßen und abschätzten. Er sah weiter ein hartes Gesicht mit etwas grausam herabgezogenen Lippen und eine Geiernase, die das alles krönte. Mitunter war der Blick der Augen stechend, dann wieder lauernd. Über der Nase stand eine steile Falte des Zorns oder des Ärgers. Er sah auch, daß der Don sich nur sehr mühsam beherrschte und nicht gewohnt war, Befehle von anderen entgegenzunehmen. Das alles registrierte Hasard in Augenblicken, dann hatte er den Mann fast auf Anhieb charakterisiert. Er bemerkte aber ebenfalls noch, daß sich der Don zu einem gequälten Lächeln durchrang, damit man seine Maske nicht durchschaute. Nein, Freundchen, dachte er, du nicht! Dich habe ich längst durchschaut. Was immer du anzubieten oder zu verhandeln hast: Es ist kein ehrliches Geschäft, es ist eine hinterhältige Falle. „Also, was wünschen Sie von mir?“ fragte Hasard. Sein Tonfall hatte sich nicht geändert, seine Stimme klang immer noch kühl. „Mein Name ist Don Pascual de Alcedo, Generalkapitän von Guayaquil“, stellte er sich vor, in der Erwartung, auch Hasard würde jetzt seinen Namen nennen. Doch darin sah sich der ehrenwerte Generalkapitän getäuscht, denn der Seewolf dachte gar nicht daran. „Zur Kenntnis genommen“, erwiderte er stattdessen. Don Pascual wartete, aber er wartete vergeblich, und das irritierte ihn. „Ich erwarte, daß Sie sich ebenfalls vorstellen“, schnarrte er. „Das erwarten Sie vergebens“, sagte Hasard trocken, „ich sehe dazu keine Veranlassung.“ „Das ist eine Verletzung der Anstandsregeln!“ rief Don Pascual. „Das muß mir gerade ein Spanier sagen.“ Don Pascual sah mit flammenden Blicken herüber.
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„Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe, Senor”, sagte er mit scharfer Stimme. „Erklären Sie mir endlich, was Sie wollen, Senor, sonst hätten Sie sich den Weg sparen können. Es geht hier nicht um irgendwelche Anstandsregeln, sondern um Ihre Absichten. Also bitte!“ Don Pascual fand das anmaßend, frech und unglaublich. Er fühlte sich gedemütigt, verzichtete jetzt aber seinerseits ebenfalls auf alle weiteren Höflichkeiten, die bei diesem Kerl sowieso nicht auf fruchtbaren Boden fielen. „Sie haben die „Estrella de Malaga` gekapert und entführt“, sagte er zitternd vor Wut. „Es ist ein spanisches Kriegsschiff.“ „Ach ja?“ sagte Hasard nur. Don Pascual schluckte. Er konnte seinen Ärger nicht mehr zurückhalten. „Im Namen der spanischen Krone und in meiner Eigenschaft als Generalkapitän fordere ich Sie hiermit auf, mir das Schiff zu übergeben, und zwar sofort. Wenn das geschehen ist, sichere ich Ihnen und Ihren Hal ...“ er verbesserte sich rasch, „äh Ihren Männern freien Abzug zu.“ „Wie großzügig“, sagte der Seewolf ironisch. „Aber Sie übersehen wohl, verehrter Don Pascual, daß wir uns hier auf einer Insel befinden, von der ein sogenannter freier Abzug kaum möglich ist. Ich habe zudem nicht die Absicht, bis zu meinem fernen Lebensabend auf dieser Insel zu bleiben. Das werden Sie wohl kaum verlangen können.“ Der Schädel des Dons war jetzt knallrot angelaufen. Er musterte Hasard von oben bis unten und sagte schließlich zähneknirschend: „Ich stelle Ihnen dafür eine meiner Schaluppen zur Verfügung. Damit können Sie verschwinden, wohin immer Sie wollen.“ Hasard verkniff sich nur mühsam das Grinsen. Seine Kerle im Boot grinsten ebenfalls versteckt. „Das ist ein sehr mieser Tausch“, sagte Hasard gelassen. „Eine Kriegskaravelle gegen eine kleine Schaluppe. Nein, nein, Senor, auf der ,Estrella' gefällt es meinen Männern und mir ausnehmend gut. Ich
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denke gar nicht daran, auf so einen Kuhhandel einzugehen. Wo bleiben da die kaufmännischen Prinzipien? Zudem bin ich nicht so dumm, auf die angebliche Garantie eines freien Abzugs hereinzufallen. Das werden Sie sicher verstehen.“ Don Pascual verlor die Beherrschung. Er reckte den Hals noch weiter vor und kniff die Lippen noch mehr zusammen. „Ich bin ein spanischer Ehrenmann!“ schrie er über das Wasser. „Und ein spanischer Ehrenmann hält sein Versprechen. Ich weise die Unterstellung, unredliche Absichten zu haben, in aller Schärfe zurück. Das ist eine Beleidigung! Wenn ich Ihnen freien Abzug garantiere, dann halte ich mein Versprechen unter allen Umständen.“ „Aber Senor“, sagte Hasard nachsichtig, „das ist doch geradezu dümmlich, was Sie da erzählen. Sie gewähren doch niemandem freien Abzug, der Ihnen eine Kriegskaravelle entführt und eine weitere Karavelle sowie eine Kriegsgaleone versenkt hat. Nein, das würden Sie nie tun, mit Sicherheit nicht, Senor. Wenn Sie hier von freiem Abzug sprechen, dann ist das nichts weiter als Heuchelei. Sie brennen darauf, uns so schnell wie möglich an den Galgen zu bringen.“ „Piratenpack!“ keuchte Don Pascual. „Rotzfreches überhebliches Piratengesindel! Bringt sich unrechtmäßig in den Besitz spanischer Schiffe und verzichtet auf freien Abzug, der großzügig gewährt wird! Verhöhnt mich auch noch!“ schrie er, außer sich vor Wut. „Aber Sie werden mich von einer anderen Seite kennenlernen. Ich lasse euch alle hängen, einen nach dem anderen -ausnahmslos! Doch bevor es soweit ist, lasse ich die ,Estrella` zusammenschießen. Und dann gibt es keinen Pardon mehr.“ „Den hätte es auch vorher nicht gegeben“, entgegnete Hasard. „Aber versuchen Sie es nur, verehrter Senor. Es wird Sie einige Zähne kosten.“ „Piratenpack!“ schrie Don Pascual noch einmal schäumend vor Wut. Jetzt gingen ihm die Nerven durch. Er konnte die
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Gelassenheit dieses Kerls nicht mehr ertragen. „An der Rah werdet ihr enden, alle, alle!“ „Das erwähnten Sie bereits, Senor.“ „Ich auch?“ fragte Stenmark grinsend. Der Generalkapitän fiel fast aus dem Boot, so sehr regte er sich auf. „Du auch!“ brüllte er. „Aber zuerst hängt dieser schwarzhaarige Bastard an der Großrah!“ „Gut, dann nehme ich die Fockrah“, sagte Stenmark. „Ich will ja nicht unbescheiden sein.“ Daß sie ihn auch noch verhöhnten, überwand der Generalkapitän nicht. Er stand dicht vor einem Schlaganfall, wechselte die Gesichtsfarbe und wurde kreideweiß. Dann griff er nach seinem Gürtel, zerrte daran und mußte feststellen, daß er die Pistole an Bord gelassen hatte. Er hätte jetzt auf die Kerle im Boot geschossen, ohne Zweifel, aber so blieb der Griff nach der Waffe nur eine hilflose Geste. Hasard kniff die Augen zusammen, als er das sah. Dieser Kerl war unberechenbar und handelte ebenso. Einen Augenblick war er versucht, die Dons, vor allem den Generalkapitän, als Geiseln zu nehmen, damit sie vor diesem unberechenbaren Kerl endlich Ruhe hatten. Aber er verwarf den Gedanken ebenso schnell, wie er auftauchte. Nein, es galt, gewisse Regeln zu wahren. Da war die weiße Parlamentärflagge, die er respektierte. Außerdem waren die Dons tatsächlich nicht bewaffnet. Zumindest in diesem letzteren Fall hatten sie sich wenigstens einmal an die allgemein gültigen Gepflogenheiten gehalten. Das Angebot des freien Abzugs war natürlich ein schlechter Witz, denn Hasard vermutete ganz richtig, daß der Don jeden einzelnen Mann gehängt hätte. Außerdem waren die Dons daran interessiert, ihre Karavelle heil und unbeschädigt zurückzuerhalten, was wiederum darauf schließen ließ, daß sie an Schiffen sehr knapp waren. Auch diese Vermutung war durchaus richtig.
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„Haben Sie mir noch etwas zu sagen?“ schrie Don Pascual mit hervorquellenden Augen. „Überlegen Sie sich das Angebot?“ „Nicht, daß ich wüßte“, sagte Hasard. „Ihnen traue ich nicht einmal von der Ducht bis ans Dollbord.“ „Sie werden noch von mir hören, Sie verdammter Ignorant!“ brüllte Don Pascual mit überkippender Stimme. „Und das, was Sie hören werden, das wird Kanonendonner sein.“ „Mal was ganz Neues“, sagte Hasard gleichmütig. „ Falls Sie auch welchen hören, sollten Sie schleunigst in Deckung gehen, Senor.“ Ohnmächtig vor Zorn und hilfloser Wut ließ Don Pascual die Jolle wieder zurückpullen. Er regte sich mächtig darüber auf, daß ihn dieser „PiratenBastard“ wie einen dummen Jungen hatte abfahren lassen. Aber es kam ihm nicht in den Sinn, daß sein Angebot töricht und dumm gewesen war, denn dazu mangelte es Don Pascual an der nötigen Einsicht. Auch Hasard ließ wieder zurückpullen. Die Unterredung hätte er sich wirklich sparen können, denn sie war im Sande verlaufen, und es gab nichts Konkretes, wie er schon anfangs vermutet hatte. „Jetzt spuckt er Gift und Galle“, sagte Hasard, während die Jolle zur „Estrella“ zurückgepullt wurde. „Aber der ehrenwerte Senor weiß anscheinend noch nicht, daß wir einen gewissen Vorteil haben, falls er wirklich angreift. Wir liegen auf ebenem Kiel, wenn wir feuern, die Galeone hingegen nicht. Deren Schußweite ist wesentlich begrenzter als unsere. Hoffentlich denkt der Senor daran, sonst liegen seine Kugeln mit Sicherheit zu kurz, und er wird sich wieder einmal die Haare vor Verzweiflung raufen.“ Hasard hatte diesen Vorteil längst erkannt, und es war ein unschätzbarer Vorteil, wie sich bald herausstellen sollte. Jetzt blieb erst einmal abzuwarten, was der Generalkapitän in seinem wilden Zorn unternehmen würde. Ganz sicher würde er nicht die Hände untätig in den Schoß legen und abwarten.
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Als Don Pascual wieder auf enterte, war sein Gesicht vor Zorn und Wut so entstellt, daß Kapitän dos Santos verstört zurückwich. Er hatte zwar den größten Teil der Unterhaltung mitgekriegt und sich ebenfalls mächtig aufgeregt, aber der Senor Generalkapitän war wesentlich übler dran als er. Sein Gesicht war gelblich verfärbt, ein Zeichen, daß ihm die Galle übergelaufen war. In seinen Mundwinkeln stand feiner Schaum, und seine Stimme war ein heiseres, sich überschlagendes Krächzen. Er wollte dem Generalkapitän ein paar gute Worte sagen, aber der sah überhaupt nicht danach aus, als könnten gute Worte ihn aufrichten. „Wenn es so nicht geht“, tobte er, „dann geht es eben auf die andere Art, mit der Brechstange! Dieses Lumpenpack hat mich beleidigt und verhöhnt, mich, einen Generalkapitän der spanischen Krone, einen Ehrenmann! Diese erbärmlichen Halunken wagten es, an meinen Worten zu zweifeln!“ Dos Santos stand schluckend neben Don Pascual und ließ den Wutausbruch hilflos über sich ergehen, als sei er selbst daran schuld. Er wagte auch nicht zu fragen, was der ehrenwerte Don Pascual denn nun zu unternehmen gedenke, der würde ihm das schon alles rechtzeitig genug verklaren. „Jetzt ist es aus mit den fairen Angeboten“, schnappte er, „jetzt greifen wir diese Bastarde an und räuchern sie aus! Das schaffen wir mit der Galeone allein, dazu brauche ich nicht mal die Schaluppen!“ Er stieß den Zeigefinger vor und piekste ihn, dos Santos, hart auf die Uniformjacke. „Wir haben vierzehn Culverinen auf jeder Seite, die ,Estrella` hat nur neun. Folglich haben wir bei einer Breitseite fünf Stücke mehr, die wir zum Einsatz bringen.“ Dos Santos wollte einwenden, daß die Kaliber beider Schiffe gleich seien, so daß sie keine überlegene Schußentfernung hätten, aber er sah an Don Pascuals Gesicht, daß es besser war, zu schweigen
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und zu allem ja und amen zu sagen, sonst explodierte Don Pascual noch. Aufgeladen war er ohnehin bis zum Bersten, und er wollte auch alles allein tun, weil er sich für unübertrefflich hielt. Es gab auch noch ein anderes Problem, das dos Santos und der Erste Offizier längst erkannt hatten. Wenn sie die Breitseiten einsetzen wollten, konnten sie nur auf Ostoder Westkurs an der Bucht vorbeisegeln. Bei dem immer noch herrschenden Südwestwind war das jedoch ein Handikap, denn die „Neptuno“ würde nach Lee krängen oder überliegen, und das über Backbordbug bei Ostkurs ebenso wie bei Westkurs über Steuerbordbug. Das bedeutete, daß die Feuerseite in Lee niedriger lag und dadurch die Schußweite begrenzt war. Das alles wollte dos Santos einwenden, doch den Generalkapitän hatte eine Aufregung gepackt, die ihn alle Vorsicht vergessen ließ. Er wollte nur noch dieses „Gesindel“ zur Strecke bringen, und davon hielt ihn nichts mehr ab. „Die vier Schaluppen gehen auf Warteposition“, befahl Don Pascual. „Die brauchen wir bei dem Angriff nicht, sie würden uns nur unnötig behindern.“ „Jawohl, Don Pascual, aber ...“ „Dann laufen wir nach Westen ab“, sagte Don Pascual, den Einwand einfach ignorierend. „Wir halsen und gehen auf Gegenkurs, segeln also über Backbordbug heran. Wenn wir die Zufahrt passieren, wird unser Abstand zu ihr etwas weniger als eine Kabellänge betragen. Dos Santos nickte ergeben. Die Rechnung stimmte ungefähr. „Sehr richtig, Don Pascual“, sagte er. „Darf ich dazu bemerken, daß den Richtkanonieren allerdings nur sehr wenig Zeit zum Visieren zur Verfügung stehen wird?“ „Natürlich dürfen Sie das einwenden, mein Lieber. Wir wollen ja schließlich einen Sieg über das Lumpenpack erringen. Sie haben das ganz richtig erkannt. Den Kanonieren bleibt nicht viel Zeit, deshalb müssen sie sich beeilen, ganz klar.“
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Dos Santos rang sich ein gequältes Lächeln ab. Er sah sehr viel anders als der Generalkapitän und hatte noch einen Einwand. Vielleicht reagierte Don Pascual in diesem Fall und überlegte sich den Angriff noch einmal genauer. „Es ist natürlich ein Unterschied“, sagte er, „ob man von einem in Fahrt befindlichen Schiff aus auf ein festes Ziel feuert oder umgekehrt von der vertäut liegenden ,Estrella` aus auf unsere vorbeisegelnde Galeone. Das wollte ich nur erwähnen.“ „Selbstverständlich ist das ein Unterschied. Auch das haben Sie sehr richtig erkannt, dos Santos. Deshalb werden sich die Piraten auch sehr wundern, wenn wir aufsegeln und aus allen Rohren feuern.“ Dos Santos warf seinem Ersten einen hilflosen Blick zu. Aber der zuckte nur mit den Schultern und traute sich nicht, ebenfalls etwas einzuwenden oder gar den Generalkapitän zu belehren, zum Beispiel darüber, daß sie sich selbst in einer äußerst ungünstigen Position befänden. Don Pascual ging überhaupt nicht darauf ein, oder er begriff tatsächlich nicht, auf was sie ihn immer wieder hinweisen wollten. „Auf Westkurs!“ brüllte er plötzlich. „Dann klar zur Halse und auf Gegenkurs.“ Seine Laune war auf dem Nullpunkt, er wurde wieder ungnädig und befahl, „dem Schiffspack endlich Beine zu machen“. Düster starrte er dann zur Bucht hinüber und nahm das Bild noch einmal in sich auf. Die Bucht öffnete sich nach innen und wurde beidseitig von hohen Felswänden begrenzt, deren Abstand voneinander etwa vierzig Yards betragen mochte. Dazwischen lag die Karavelle, fast greifbar nahe und doch augenblicklich unendlich fern. Wenn sie für die spanische Krone verloren war, wollte Don Pascual sie wenigstens zusammenschießen lassen, um die Schnapphähne darauf auszurotten, die ihm so übel mitgespielt hatten. Und ein paar von ihnen würde er sicher noch lebend erwischen. Zu seiner Genugtuung sollten sie später die Rahen der „Neptun“ zieren.
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Im Geist sah er sich bereits mit den Piraten an den Rahen in Guayaquil einlaufen. Zur Abschreckung und gleichzeitigen Volksbelustigung sollten sie dann noch ein paar Tage hängen bleiben, bis man sie ins Meer warf. Das waren seine Gedankengänge, als die Bucht aus seinem Blickfeld verschwand. Die vier Schaluppen, die vorerst nicht in das Kampfgeschehen eingreifen sollten, bezogen ihre Wartepositionen. * Als die Galeone auf Westkurs ging, nickte Hasard. „Es geht los. Sie werden halsen und dann auf Gegenkurs an der Bucht vorbeilaufen. Wir brauchen unsere Culverinen nur auf die Breite der Zufahrt auszurichten. Sobald die Galeone an der Einfahrt vorbeisegelt, können wir die Stücke zünden.“ Er sah zu Ben Brighton hinauf, der vom Felsen aus aufmerksam den Kurs der Galeone verfolgte. Sie selbst konnten die „Neptuno“ jetzt nicht mehr sehen. Kurze Zeit später rief Ben vom Felsen nach unten: „Abstand von der Einfahrt etwa einhundertsechzig Yards. Auf diesem Kurs segelt sie heran.“ Hasard zeigte verstanden und wandte sich an Al Conroy. „Hundertsechzig Yards, Al. Du kannst die entsprechende Höheneinstellung der Culverinen vornehmen. Ben hat die Entfernung geschätzt, sie dürfte also stimmen.“ „Aye, aye, Sir, sofort.“ Die Culverinen wurden unterkeilt. Die Höheneinstellung stimmte, wie der Waffen- und Stückmeister anschließend meldete. Jetzt brauchten sie nu r noch zu warten, bis die „Neptuno“ vorbeistrich. Ein paar Minuten vergingen, dann tauchte die Galeone auf und segelte von der anderen Seite heran. Auf dem Achterdeck an der Querbalustrade stand der Generalkapitän. Er starrte angestrengt herüber, das Gesicht grimmig verzogen. Er konnte es kaum erwarten, daß die Stücke feuerten.
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Hasards Mannen blieben kühl und gelassen, obwohl sie damit rechnen mußten, gleich von einem Eisenhagel aus vierzehn Rohren eingedeckt zu werden. Die Situation war keinesfalls neu, auch wenn sie immer wieder gefährlich war. Don Pascuals Feuerbefehl war einwandfrei bis zur „Estrella“ zu hören, so laut brüllte er. Dann nahm er den Kieker, um die Einschläge der Kugeln zu registrieren. Vierzehn Rohre brüllten gleichzeitig mit urweltlichem Getöse los. Aus der Bordwand zuckten blutrote Feuerstrahlen, rasende Blitze, die wie glühende Lanzen zur „Estrella“ hinüberstachen. Eine Wolke von Pulverqualm hüllte die spanische Galeone ein. Auf der Karavelle hatten die Arwenacks verkniffene Gesichter, die sich erst entspannten, als der gewaltige Donner und mit ihm ein wildes Rauschen erklang. Punkt neben Punkt, wie eine gestanzte Linie hämmerten Kugeln etwa zwanzig Yards vor der „Estrella“ mit wildem Heulen in die See. Ein Vorhang von aufgischtenden Fontänen entstand, eine Wasserwand stieg hoch, die sekundenlang jede Sicht auf den Gegner versperrte. Als der gewaltige Schleier rauschend in sich zusammenfiel, hatte Don Pascual seine erste Breitseite wirkungslos verpulvert. Die „Estrella“ hatte keinen einzigen Treffer erhalten. Der Don hatte sich verschätzt und überschätzt, wie dos Santos das schon geahnt oder vorausgesehen hatte. Hasard brüllte nicht, als er fast gleichzeitig den Feuerbefehl gab. Ein wüstes Krachen auf der „Estrella“ überlagerte jedes andere Geräusch. Selbst das rauschende Tosen der zusammenstürzenden Wassermassen war nicht mehr zu hören. Blitze stachen aus der Bordwand, Culverinen rumpelten hart rollend vom Rückstoß auf den Lafetten zurück. Auch hier stieg eine Wolke hoch, rußig und dunkel. Al Conroy hatte wieder einmal Maßarbeit geleistet, aber er selbst bezeichnete das keineswegs als Kunststück. Es war nichts
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weiter als eine einfache Berechnung gewesen, und zudem lag die Karavelle fast bewegungslos im Wasser. Drüben schlug es hallend, splitternd und krachend ein. Eine unsichtbare Faust schüttelte die spanische Galeone, ein gewaltiger Hammerschlag traf sie mit wilder Wucht. Der Fockmast zersplitterte dicht über Deck, sackte ein Stück auf die Planken, neigte sich nach vorn und zerschlug unter lautem Getöse den Bugspriet. Das alles ging über Bord, von Stagen, Tampen und Tauen noch gehalten. Weil der mitgeschleppte Fockmast wie ein Hebelarm wirkte, lief die Galeone prompt aus dem Kurs. Aber das war nur der Anfang von einer unglaublichen Wuhling, die sofort nach den Treffern auf der „Neptuno“ herrschte. Zwei Löcher klafften an der Wasserlinie. Holz flog zersplitternd nach innen, Wasser rauschte herein. Vier weitere Kugeln stanzten gewaltige Löcher dicht über der Wasserlinie in den Rumpf, und zwei Treffer zerschmetterten das Backbordschanzkleid der Kuhl. Das hatte zur Folge, daß zwei Culverinen von ihren Lafetten gerissen wurden und zur Seite kippten. Eine rollte polternd und krachend über Deck. Die Arwenacks rissen die Arme hoch. „Treffer!“ brüllte Stenmark. „Alle neun Schuß haben gesessen.“ Auch die anderen brüllten und schrien sich die Kehlen heiser. Dem Generalkapitän mußte es wie Hohn in den Ohren klingen * Dem so siegessicheren Don Pascual verging augenblicklich sein überlegenes Grinsen, als er sah, daß alle P vierzehn Kugeln der Breitseite wirkungslos ins Wasser rauschten. Vor Wut und Zorn brüllte er auf und schleuderte den Kieker auf die Planken. Dann verkrampften sich seine Hände um die Querbalustrade, bis die Knöchel weiß hervortraten.
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Er wollte noch etwas brüllen, doch das Eisengewitter, begleitet von yardlangen Flammenzungen und infernalischem Krachen, brachte ihn augenblicklich zum Verstummen. Er war unvermittelt in ein Inferno geraten und sah fassungslos, wie der Fockmast zersplitterte, den Bugspriet zerschlug und über Bord ging. Dann schüttelten gewaltige Hammerschläge die „Neptuno“, die unter dem Einschlag der eisernen Kugel überkrängte. Das krachte und heulte, barst und splitterte. Ein Rauschen war zu vernehmen, als sich Seewasser zischend und gurgelnd in das Innere der Galeone ergoß. Don Pascual zuckte verstört zusammen, als von allen Seiten Splitter über das Schiff flogen, das immer noch von Riesenfäusten gebeutelt und durchgeschüttelt wurde. Mit bleichem Gesicht stand der Generalkapitän da, unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Er war so fassungslos und entsetzt wie noch nie in seinem Leben, denn er hatte nie mit der Möglichkeit gerechnet, zusammengeschossen zu werden, ohne beim Gegner auch nur einen einzigen Treffer anzubringen. Das lähmte ihn so, daß er zur Säule erstarrte und mit hervorquellenden Augen auf das plötzliche und unerwartete Chaos sah. Das Rauschen wurde lauter. Don Pascual wußte, daß jetzt Unmengen Wasser ins Schiff strömten, daß allerhöchste Gefahr bestand, nur - er konnte sich einfach nicht bewegen, er stand wie unter einem harten Schock. Er hatte schon lange nicht mehr persönlich an Seegefechten teilgenommen. Wozu auch! Er saß an Land bequem auf dem Trocknen und hatte das große Sagen. Verständnislos starrte er auf drei Männer, die neben umgestürzten Culverinen blutverschmiert an Deck lagen und sich nicht mehr rührten. Zwei andere rannten schreiend wie in wilder Panik über das Deck, die Hände vor die Gesichter geschlagen. Er hörte laut gebrüllte Befehle und fühlte sich nicht in der Lage, ebenfalls
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Befehle zu geben. Im Augenblick wußte er auch gar nicht, was er befehlen sollte. Theoretisch hat das einwandfrei geklappt, redete er sich ein, daran bestand kein Zweifel. Aber jetzt das hier? Die Kriegsgaleone war zerschossen und qualmte an mehreren Stellen. Er sah auch, daß sie leicht nach Backbord krängte. Aber wieso qualmte es? Männer hasteten brüllend und schreiend über Deck, Verletzte wälzten sich auf den Planken. Ganz dicht an seinem Schädel pfiff ein heller Feuerstrahl vorbei, Hitze streifte ihn für Augenblicke. Er sah sich vorsichtig um. In der Bucht lag unbeschädigt die Karavelle. Ihr bloßer Anblick beschleunigte wieder seinen Herzschlag. Wenn er die Kerle an Bord sah, wurde ihm übel, und er fühlte eine ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. So nach und nach konnte er wieder klar denken und registrierte auch, was in seinem Umfeld vorging. Noch einmal hörte er ein helles Singen. Aus dem Nichts flog ein langer glühender Strich an Deck. Der Strich blieb in den Planken stecken und explodierte. Das riß Don Pascual endgültig aus seiner Erstarrung. Hoch oben in den Felsen sah er zwei Männer. Einer war grauhaarig und von riesiger Gestalt. Der Kerl neben ihm war genauso groß und sehr muskulös. Er war von rabenschwarzer Hautfarbe, hielt einen riesigen Bogen in den Fäusten und schoß einen Pfeil nach dem anderen auf die „Neptuno“ ab. Der grauhaarige Riese daneben feuerte ebenfalls ununterbrochen auf das Schiff. „Feuer!“ schrie Don Pascual. „Lassen Sie Löschkommandos bilden, dos Santos! Wir haben auch ein Leck im Schiff!“ Dos Santos sah verzweifelt und müde aus. Über seinem linken Auge klaffte eine fingerlange Wunde. „Das geschieht bereits“, sagte er tonlos. „Die Männer arbeiten pausenlos, die Lecks werden abgedichtet, es wird gelenzt, und die aufflackernden Brände werden
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ebenfalls bekämpft. Wir haben neun Treffer erhalten.“ „Neun Treffer“, sagte Don Pascual ernüchtert. Jetzt war er wieder voll da, und maßloser Ärger wallte in ihm auf. „Wir werden mit Brandpfeilen beschossen, oder was das für ein Zeug ist!“ schrie er. „Rufen Sie zwei Schaluppen herbei, damit die Kerle beim Löschen und Lenzen helfen, sonst gehen wir baden.“ Die „Neptuno“ war unterdessen aus dem Ruder gelaufen. An Backbord wurde immer noch der zersplitterte Fockmast mitgeschleppt. Aber jetzt waren Seesoldaten und Decksleute dabei, mit Äxten, Beilen und Schiffshauern das Hindernis zu kappen. Andere rannten wie Ameisen an Deck herum, pützten Wasser und rissen brennende Pfeile aus den Planken. Die „Neptuno“ war in eine graue Rauchwolke gehüllt und hatte Schlagseite nach Backbord. Im Bauch des Schiffes standen fluchende Männer an den Pumpen und schufteten verbissen bis zum Umfallen, um das Wasser zu lenzen. Ein paar der Lecks waren notdürftig abgedichtet worden, doch es suppte immer noch kräftig herein. Die vier Schaluppen näherten sich jetzt der brennenden und qualmenden Galeone, die ostwärts schwer angeschlagen durch die See schlich. Aber sie wurden immer noch von den Bogenschützen attackiert, die auf eine Entfernung von etwa vierhundert Yards mit tödlicher Präzision ihr Ziel trafen. Der Generalkapitän war heilfroh, als er endlich aus dem Schußbereich heraus war. Zwei Schaluppen ließ er bei der Galeone längsseits gehen, deren Mannschaften bei der Beseitigung der schweren Schäden zu helfen hatten. Eine dritte Schaluppe schickte er zurück, damit sie die Südbucht im Auge behielt, und die vierte segelte hinter der angeschlagenen Galeone her, bereit zum Eingreifen, wenn die anderen es nicht schaffen sollten. Don Pascual hatte sich wieder gefangen. Er hatte noch nicht die Absicht, jetzt aufzugeben. Aber vorerst mußten die Schäden beseitigt werden, das war
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vorrangig. Dann wollte er die Scharte auswetzen, denn der Ärger erstickte ihn fast. Auf der „Neptuno“ wurde geschuftet, gelenzt, Feuer erstickt und repariert. Es dauerte sehr lange, bis die Lecks endlich abgedichtet waren. 9. Auf der „Estrella“ waren alle Stücke wieder nachgeladen worden. Hasard und seine Männer sahen der davonschleichenden Kriegsgaleone nach, die aus der Ferne einem Trümmerhaufen glich. Einen Mast hatte sie verloren, das beeinträchtigte ihre Bewegungen, und so quälte sie sich nur mühsam ostwärts durch die See. „Der Nußknacker wird nicht aufgeben“, sagte Hasard. „Das ist einer von jenen Typen, die durch nichts zu belehren sind, auch wenn sie gerade eine Schlappe eingesteckt haben.“ „Wir könnten ihr nachsetzen, um ihr den Rest zu geben“, schlug Dan vor, „dann hat der Nußknacker ausgeknackt.“ „Ich habe auch schon daran gedacht, Dan, aber den Gedanken wieder verworfen. Ich wollte den Kerlen nachsetzen, aber da sind noch die vier Schaluppen, wendig, schnell und flink, die wir nicht unterschätzen dürfen. Sie haben zwar nur kleine Kanönchen und Drehbassen, aber wenn sie das Spiel richtig spielen, können sie uns sehr gefährlich werden. Nein, wir setzen nicht nach, wir haben eine derart günstige Verteidigungsposition, daß es sträflicher Leichtsinn wäre, sie zu verlassen. Ich riskiere nur unnötig das Leben unserer Männer, wenn wir der angeschlagenen Galeone folgen.“ Batuti meldete aus den Felsen, daß eine Schaluppe den Kurs geändert habe und wieder auf die Bucht zulaufe. Der schwarze Gigant stand grinsend auf dem Felsen und hielt seinen Bogen hoch, mit dem er die Galeone attackiert hatte. „Die soll uns belauern“, sagte Dan. „Im übrigen hast du ganz recht, Sir, wir befinden uns in einer hervorragenden
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Lage. Die Dons präsentieren sich uns wie auf dem Schießstand, wenn sie angreifen.“ Ben Brighton beobachtete oben mit seinen Männern weiter. Außerhalb der Schußweite krebste die eine Schaluppe herum und belauerte sie. Inzwischen wimmelte es auf der Galeone nur so von Männern. Stundenlang ging das so, bis zum Nachmittag, dann hatten die Dons ihr Schiff wieder unter Kontrolle gebracht. Allerdings fehlte der Galeone immer noch der Fockmast samt Bugspriet. Die „Neptuno“ setzte sich langsam in Bewegung und bezog schließlich eine Position nördlich der Insel. Gespannt beobachtete Ben, wie drei Schaluppen bei der Galeone längsseits gingen. Brustpanzer leuchteten in der Sonne, Helme aus Kupfer blinkten auf. „Die übernehmen Seesoldaten von der Galeone“, sagte Shane. „Offenbar haben sie eine Landung auf der Insel vor.“ „Und zwar gleich an mehreren Stellen“, knurrte Ben. „Der Kerl gibt nicht auf, er versucht es jetzt mit dem letzten Einsatz.“ Immer mehr Seesoldaten strömten auf die Schaluppen und verteilten sich dort. Don Pascual hatte Großes vor, er wollte jetzt die Nuß knacken, an der er sich selbst vergeblich die Zähne ausgebissen hatte. Als sich die drei Schaluppen von der „Neptuno“ lösten, ging die eine auf einen Kurs, der sie von Norden an die Insel führte. Eine andere näherte sich von Westen, die dritte von Osten. Ben ließ pausenlos nach unten Bericht geben, damit die Männer informiert waren. Dann begann er seine Männer in den Felsen entsprechend zu verteilen und wies ihnen ihre Positionen zu. „Batuti, du übernimmst die Ost-Schaluppe und deckst sie mit Pfeilen ein. Shane übernimmt die Schaluppe, die im Osten aufkreuzt. Um den dritten Kahn, der im Norden landen will, wird sich Karl kümmern. Da haben wir zwei Drehbassen stehen und können die Dons begrüßen, wenn sie unbedingt mit dem Schädel Felsen einrennen wollen.“
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„Die müssen total wahnsinnig sein“, sagte Shane, „da kann es einen ja schaudern, wenn man sieht, wie diese idiotischen Offiziere ihre Soldaten verheizen.“ „Die idiotischen Offiziere sehen nichts mehr“, erwiderte Ben. „Die geben nur noch stur ihre Befehle, ohne die Folgen für die eigenen Leute zu bedenken. Aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Wer ...“ „... gegen den Wind pißt, kriegt nasse Hosen“, sagte Old Shane, „ein altes Sprichwort von mir. Dann blasen wir mal zur großen Jagd.“ Die Schaluppen näherten sich, ziemlich rasch von drei Seiten der Insel, während die vierte immer noch vor der Bucht kreuzte. An Deck standen Seesoldaten, Muskete bei Fuß und warteten darauf, an den Felsen abgesetzt zu werden. So manch einem mochte jetzt ein kalter Schauer über den Rücken laufen, wenn er die fast unersteigbaren Felsen und die Männer sah, die da oben lauerten. Als sie bis auf knapp vierhundert Yards heran waren, spannte der riesige Batuti bedächtig seinen Bogen und nahm Maß. Als er die Sehne zurückzog, wölbten sich seine mächtigen Muskeln wie Trossen. Batuti visierte sehr ruhig an, dann ließ er den Pfeil von der Sehne schnellen und sah der glimmenden Spur nach, die er zog. Inzwischen legte er schon den nächsten Pfeil auf. Abwechselnd verschoß er Brand- oder Pulverpfeile. Schon der erste fuhr der Schaluppe ins Rigg und entflammte dort. In die Soldaten geriet Bewegung. Sie wurden nervös und suchten Deckung, aber da gab es nicht viel Deckung. „Sie springen wie die Affen“, sagte Batuti, als auf der Schaluppe ein heilloses Durcheinander entstand. In der Angst, getroffen zu werden, rempelten sich die Soldaten gegenseitig an oder stießen um sich. Ein paar bemühten sich verzweifelt, die brennenden langen Pfeile aus dem Holz zu reißen.
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Inzwischen deckte auch Old Shane die aus Westen aufkreuzende Schaluppe mit einem wüsten Pfeilhagel ein. Die Dons konnten nicht zurückfeuern, die Distanz war viel zu groß für die Drehbassen und Kanonen. Außerdem konnten sie die Stücke nicht so hoch unterkeilen. So begnügten sich etliche Seesoldaten damit, ihre Musketen abzufeuern. Aber die Kugeln prallten ausnahmslos an den Felsen ab. Karl von Hutten wartete an der Drehbasse. Er brauchte sich nicht sonderlich anzustrengen, denn tief unter ihm bot sich die Schaluppe wie auf dem Präsentierteller an. Den ersten Erfolg hatte jedoch Batuti zu verzeichnen. Einer seiner Pulverpfeile explodierte in einem Haufen Kartuschen und setzte sie schlagartig in Brand. Männer brüllten und wichen vor dem ausbrechenden Feuer zurück. Mit den Stiefeln traten sie es nach allen Seiten. So geriet auch brennendes Schießpulver in die unteren Räume. Batuti wollte gerade einen Pfeil abfeuern, als er erstaunt sah, wie eine brüllende Feuerwolke aus der Schaluppe stieg. Den donnernden Krach hörte er erst Augenblicke später. Das Heck der Schaluppe flog in einer Explosion auseinander und versank im Meer. Die Segel flogen wie bei einer wilden Bö einfach davon. Hals über Kopf sprangen die Seesoldaten und Decksleute über Bord. Panikartiger Zustand herrschte, denn alles drängelte, stieß sich und rannte durcheinander. Jetzt sackte auch der Rest weg und nahm Tote und Verwundete mit sich in die Tiefe. Schreiend sprangen die Kerle blindlings über Bord, um von dem Sog nicht mitgerissen zu werden. Batuti steckte den Pfeil wieder in den Köcher zurück. „Ende der Seefahrt“, murmelte er. „Jetzt kann ich mich ausruhen.“ Er ruhte sich aber nicht aus, sondern lief zu Shane hinüber, der unentwegt auf die Schaluppe feuerte. Dort brannten bereits die Segel, und auf der Back flackerte Feuer auf, das sich rasch ausbreitete.
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Auch dort herrschte jetzt Wuhling. Als Batuti ebenfalls noch einen Pfeil auf die Schaluppe abschoß, flammte es achtern auf. Die genervten Dons änderten den Kurs und drehten ab, vollauf damit beschäftigt, das Feuer an Bord zu löschen. Sie hatten genug und nahmen Kurs auf die offene See. Die dritte Schaluppe näherte sich inzwischen den Felsen. Die Seesoldaten hoben ihre Musketen und feuerten nach oben. Karl von Hutten hörte die Bleibrocken pfeifen oder jaulen, wenn sie an den Felswänden plattgedrückt wurden. Mit der Drehbasse feuerte er. Ein greller Blitz, ein Aufheulen. Unter ihm warfen sich die Dons auf die Planken, als das Grobschrot in die Schaluppe hackte. Ein paar Kerle feuerten noch, doch als die Drehbasse zum zweitenmal krachte, sprangen etliche Dons entnervt über Bord, weil sie einsahen, daß sie hier nichts mehr ausrichten konnten. Der vierte Schuß verwandelte die Schaluppe in einen Trümmerhaufen. Da verlor auch der Kapitän die Nerven und änderte den Kurs. Mit zerschossenem Rigg und durchlöchertem Rumpf trat er den Rückzug an und ging auf Nordkurs, wo die Kriegsgaleone schwerfällig in der See dümpelte. Sie hatte die Galeone noch nicht ganz erreicht, da stellte sie sich auf das Heck und begann zu sinken. Die Dons rutschten, flogen oder sprangen über Bord. Sie hatten genug und wollten nur noch ihre Haut retten. Sie schwammen auf die Galeone zu und brüllten um Hilfe. Noch bevor sie die „Neptuno“ erreicht hatten, soff die Schaluppe in einem großen Wirbel ab. „Noch mal Ende der Seefahrt“, sagte Batuti. „Jetzt hat der liebe Don Pascual nur noch eine gute, eine schlechte Schaluppe und eine Galeone mit zwei Masten. Wäre besser, wenn er jetzt aufhört, weiter Krieg zu führen.“ „Der hat ganz sicher immer noch nichts gelernt“, sagte von Hutten. „Der Idiot opfert auch noch den letzten Mann und hat nicht einmal Hemmungen dabei.“
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Die Galeone blieb für eine Weile dümpelnd in der See liegen und nahm die über Bord gesprungenen Soldaten auf, die heilfroh waren, dem Inferno entkommen zu sein. Entnervt wurden sie an Bord genommen. „Er scheint doch aufzugeben“, meinte Ben, als er sah, daß auch die angekokelte und qualmende Schaluppe Kurs auf die Galeone nahm. Etwas später folgte die vor der Südbucht kreuzende noch intakte Schaluppe ebenfalls der „Neptuno“ und ging längsseits. Offenbar beriet man jetzt, was zu tun sei. * Don Pascual zog auch aus dieser zweiten Niederlage keine Lehre. Er verfügte jetzt tatsächlich nur noch über seine angeschlagene, jetzt zweimastige Galeone, auf der ständig Leckpumpen in Betrieb gehalten werden mußten, ferner über eine gleichfalls ausgebrannte Schaluppe, auf der teilweise das Rigg erneuert und Ersatzsegel angeschlagen werden mußten, sowie über eine intakte Schaluppe, die keinerlei Schäden erlitten hatte. Alles in allem war das wenig berauschend, abgesehen von den vielen Toten und Verletzten, die seine Halsstarrigkeit gekostet hatte. Die Seesoldaten waren ebenfalls lädiert und nicht mehr in der Stimmung, sinnlose Kämpfe zu führen oder gegen eine Bastion anzurennen, die im Sturm nicht zu nehmen war. Die anderen saßen am längeren Hebel und hatten die bessere Position, doch das erkannte der Generalkapitän nicht an, oder er sah es nicht ein. Er hatte eine Schlacht verloren, doch das wollte er nicht begreifen. Nach seiner Ansicht waren das Bastarde, die aus dem Hinterhalt angriffen und nicht ehrlich kämpften, sonst hätte er ja schließlich keine Schlappe einstecken müssen. Theoretisch ... Bis zum späten Abend tummelten sich die Dons immer noch an derselben Stelle, riggten auf, arbeiteten wie besessen und
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lenzten. Auf der Schaluppe wurden neue Segel angeschlagen. Hasard war einmal in die Felsen aufgeentert, um sich einen Überblick zu verschaffen. „Ich nehme an“, sagte er zu Ben, „dieser unbelehrbare Büffel wird heute, irgendwann in der Nacht, den Landeversuch erneut wiederholen. Vermutlich rechnet er sich bei Dunkelheit größere Chancen aus.“ „Soviel Dummheit traue ich ihm zu. Er wird sich noch einmal eine blutige Nase holen.“ „Wenn sich die Schaluppen nähern, Ben, dann nehmt sie augenblicklich wieder unter Feuer oder schleudert Fackeln hinunter auf die Schiffe. Wenn ihr die Dons beschäftigt, werde ich auslaufen, um mir die Galeone vorzuknöpfen. Entkommen kann sie nicht, dazu ist sie viel zu langsam. Wir werden jedenfalls auf der Lauer liegen.“ Ben verteilte weiterhin die Männer oben auf ihre Positionen, während Hasard wieder abenterte und an Bord der „Estrella“ ging. Alles deutete darauf hin, daß Don Pascual noch einmal zuschlagen wollte. Das tat er auch, knapp eine Stunde nach Mitternacht. Von Osten und Westen glitten die beiden Schaluppen heran und näherten sich den Felsen. Dann ging es los. Batuti und Shane griffen zu ihren Langbögen und schickten den Dons die ersten Brand- und Pulverpfeile hinüber. Karl von Hutten deckte die eine Schaluppe mit einem Bleihagel ein. Noch zwei weitere Drehbassen hackten los und spien lange Flammenzungen in die Nacht. Über die See rollte lauter Donner. Nicht lange, und auf der ostwärts stehenden Schaluppe flammte es plötzlich auf. Am Heck begann es zu flackern, dann griff das Feuer in die Segel und entzündete sie. Über das Wasser war das angstvolle Schreien der Dons zu hören. Dazwischen brüllten laute Stimmen Befehle, die kein
Fred McMason
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Mensch mehr befolgte. Man war hastig darum bemüht, das Feuer zu löschen. Es wiederholte sich das, was sich schon in den Nachmittagsstunden abgespielt hatte. Der Brand wurde größer. Die Soldaten drängten sich zusammen, fierten Jollen ab und ließen sie während der Fahrt zu Wasser. Eine Jolle ging kopfüber auf Tiefe und verschwand, die zweite schlug um. Auf der zweiten Schaluppe war ebenfalls der Teufel los, als immer wieder kleine Feuer aufflackerten. Dort hatten sie alle Hände voll zu tun. Hin und wieder war das wilde Krachen der Drehbassen zu hören. Die Todesschreie Verwundeter klangen grausig durch die Dunkelheit. Don Pascuals Galeone, über die er das Kommando hatte, schob sich von Backbord an die Bucht heran, um dort ebenfalls in Jollen Seesoldaten abzusetzen. Das war für Hasard der entscheidende Augenblick. „Leinen los“, sagte er. „Jetzt schnappen wir uns die Galeone.“ Alle Stücke waren ausgerannt und feuerbereit, als auf der „Estrella“ die Segel gesetzt wurden. Etwas schwerfällig glitt sie bei schwachem Wind aus der Bucht. Sie nahm erst dann rauschende Fahrt auf, als der Wind sie packte und die See sie aufnahm. . Auf der Ostseite war lautes Geschrei zu hören. Der Himmel verfärbte sich an einer Stelle von dem Feuer rötlich, das auf der Schaluppe ausgebrochen war. Soweit der Seewolf das erkennen konnte, schien die Schaluppe in hellen Flammen zu stehen. „Dort vorn krebst sie herum!“ rief Matt Davies. „Sie versuchen gerade, Soldaten an Land zu setzen.“ In der Dunkelheit, auf der Südseite der Insel, war die „Neptuno“ als schwarzer Umriß zu erkennen. Dadurch, daß ihr der Fockmast fehlte, sah sie wie ein amputiertes Ungeheuer aus. Zwei Jollen mit behelmten Dons waren unterwegs und hielten auf das felsige Ufer zu. Die „Estrella“ lief auf die Galeone zu und passierte sie in einem Abstand von einer
Ohne Gnade
guten Kabellänge. Dort hatten sie jetzt gemerkt, daß sich das „Piratengesindel“ näherte. Dicht hintereinander stachen zwei Feuerlanzen grell durch die Nacht und zerrissen die Dunkelheit. Rollender Donner orgelte über das Wasser. Von den Felsen wurde der Donner als Echo zurückgeworfen und rollte anhallend über die See. „Feuer frei!“ befahl Hasard. Drei Stücke donnerten los und spien glühende Nadeln aus. Drei weitere Culverinen entluden sich mit donnerndem Getöse. Die Dons hatten wieder vorbeigeschossen, diesmal allerdings haarscharf am Bug der Karavelle vorbei. Matt Davies hörte die beiden Brocken grell durch die Finsternis heulen und duckte sich unwillkürlich. Dann krachte es drüben überlaut, zweimal hintereinander, Holz splitterte. Eine der drei ersten Eisenkugeln fuhr schmetternd in die Felsen. Die drei anderen saßen als Treffer voll im Ziel. Der Großmast der Galeone wankte, als könne er sich nicht entschließen, auf welche Seite er fallen solle. Er schwankte noch stärker und stürzte dann unter lautem Knirschen und Krachen über den Steuerbordbug. Damit war das Schicksal der Kriegsgaleone besiegelt. Es war nicht zu erkennen, aber sie schien Treffer in der Wasserlinie erhalten zu haben und neigte sich hart zur Seite. In diesem Augenblick ließ Don Pascual noch einmal feuern, aber er traf bei der starken Krängung des Schiffes nur das Wasser in einer Entfernung von zwanzig Yards und wühlte es auf, was von Matt Davies mit der Bemerkung quittiert wurde, jetzt habe der Idiot auch noch den Meeresspiegel zerschossen. Hasard ließ der Galeone noch zwei Kugeln in den Rumpf setzen und sah, wie die Männer über Bord sprangen, wie eine Jolle donnernd aufs Wasser schlug und die Dons sich darum balgten, an Bord zu gelangen, um nicht hilflos zu ersaufen.
Fred McMason
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Dann kümmerte er sich um die beiden Schaluppen, aber da gab es nichts mehr zu tun. Eine der Schaluppen schwamm träge im Wasser. In der See trieben Kerle zwischen Fässern, Segelfetzen, Tauwerk und Spieren, die sich die Kehlen heiser brüllten. „Die säuft ab“, sagte Smoky, „und die andere steht in hellen Flammen. Da ist auch nichts mehr zu holen. Sollen wir uns nicht mal den lieben Don Pascual holen, um ihn ein wenig durchzuklopfen für seine Dummheit?“ „Die Dons mag der Teufel holen“, sagte Hasard, „die haben ja noch ihre Jollen und werden zum Festland türmen. Für uns gibt es hier nichts mehr zu tun. Wir drehen wieder ab und segeln zurück in die Bucht.“ Die „Estrella“ ging auf Gegenkurs. Der Himmel am östlichen Felsen war jetzt blutrot, und über das Wasser hallten immer noch die Schreie entsetzter Dons, die sich an jeden Gegenstand klammerten, den sie im Wasser erwischen konnten. Die Landeversuche waren gescheitert. Don Pascual, ob er es überlebt hatte, wußte niemand, hatte eine weitere Niederlage erlebt. Die „Estrella“ lief in die Bucht ein und vertäute. Es war jetzt fast drei Uhr morgens.
Ohne Gnade
Als die Dämmerung begann und die Sonne sich zaghaft über die Kimm schob, bot sich den Männern ein trübes Bild. Überall in der Nähe der Felsen schwammen Holztrümmer und Segelfetzen im Wasser. Von den Dons war keine Spur zu sehen. Die Überlebenden mußten sich in den verbliebenen Jollen zum Festland abgesetzt haben. Die „Neptuno“ existierte ebenfalls nicht mehr. Die See hatte sie geschluckt und ebenso die beiden letzten Schaluppen. Die Seewölfe hatten wieder einmal zugeschlagen - ohne Gnade. Das einzig Merkwürdige, was die Männer entdeckten, war ein im Wasser treibender, toter und aufgeschlitzter Hammerhai, aber dafür erhielten sie erst später eine Erklärung, als sie gegen Mittag die drei Verletzten aus der Höhle holten. Danach wurden beschleunigt die Umladungen vorgenommen und aus den Felsen alles das abgeborgen, was man in mühsamer, aber lohnender Arbeit hinaufgeschleppt hatte. Noch am Nachmittag des ersten November war alles erledigt und abgeborgen. Die „Estrella de Malaga“ verließ die Bucht der La-Plata-Insel und ging mit geblähten Segeln auf südlichen Kurs, ihrem Ziel, Arica entgegen ...
ENDE