International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)
Nomenklatur der Anorganischen Chemie Deutsche Ausgabe der Em...
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International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)
Nomenklatur der Anorganischen Chemie Deutsche Ausgabe der Empfehlungen 1990 herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft Deutscher Chemiker in Zusammenarbeit mit der Neuen Schweizerischen Chemischen Gesellschaft und der Gesellschaft Osterreichischer Chemiker von W. Liebscher unter Mitarbeit von J. Neels
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Weinheim
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International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)
Nomenklatur der Anorganischen Chemie
Deutsche Ausgabe der Empfehlungen 1990
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VCH
0VCH Verlagsgesellschaft mbH. D-69451 Weinheim (Bundesrepublik Deutschland), 1995 Vertrieb: VCH, Postfach 101 161, D-6945 1 Weinheim (Bundesrepublik Deutschland) Schweiz: VCH, Postfach, CH-4020 Basel (Schweiz) United Kingdom und Irland: VCH (UK) Ltd., 8 Wellington Court, Cambridge CB1 1HZ (England) USA und Canada: VCH, 220 East 23rd Street, New York, NY 10010-4606 (USA) Japan: VCH, Eikow Building, 10-9 Hongo 1-chome, Bunkyo-ku, Tokyo 113 (Japan) ISBN 3-527-29340-X
International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)
Nomenklatur der Anorganischen Chemie Deutsche Ausgabe der Empfehlungen 1990 herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft Deutscher Chemiker in Zusammenarbeit mit der Neuen Schweizerischen Chemischen Gesellschaft und der Gesellschaft Osterreichischer Chemiker von W. Liebscher unter Mitarbeit von J. Neels
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Nomenclature of Inorganic Chemistry, Recommendations 1990, Revised 1992, Reprinted with Corrections 1994. Authorized translation from English language edition published by Blackwell Scientific Publications. All Rights reserved. 0 1990, 1992, 1994 International Union of Pure and Applied Chemistry
Das vorliegende Werk wurde sorgfiiltig erarbeitet. Dennoch iibernehmen Herausgeber, Ubersetzer und Verlag fur die Richtigkeit von Angdben, Hinweisen und Rdtschligen sowie fur eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Lektorat: Dr. Hans F. Ebel, Dr. Thomas Kellersohn Herstellerische Betreuung: Dipl.-Ing. ( F H ) Hans Jorg Maier Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Nomenklatur der anorganischen Chemie : deutsche Ausgabe der Empfehlungen 1990 / International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC). Hrsg. im Auftr. der Gesellschaft Deutscher Chemiker in Zusammenarbeit mit der Neuen Schweizerischen Chemischen Gesellschaft und der Gesellschaft Osterreichischer Chemiker von W. Liebscher unter Mitarb. von J. Neels. - Weinheim ; New York ; Basel ; Cambridge ;Tokyo : VCH, 1995 Einheitssacht.: Nomenclature of inorganic chemistry *dt.> ISBN 3-527-29340-X NE: Liebscher, Wolfgang [Hrsg.]; International Union of Pure and Applied Chemistry; EST
0VCH Verlagsgesellschaft mbH. D-69451 Weinheim (Federal Republic of Germany), 1995 Gedruckt auf siurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Alle Rechte. insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen. vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie. Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache ubertragen oder iibersetzt werden. (Die Aufnahme des folgenden Warenzeichenvermerkes ist vom Lektorat zu prufen.) Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, da8 diese von jedermann frei benutzt werden durfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschiitzte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not to be considered unprotected by law. Satz: Krebs-Gehlen-Druckerei. D-69502 Hemsbach. Druck: betz-druck gmbh, D-64291 Darmstadt. Bindung: J. Schaffer GmbH & Co. KG, D-67269 Griinstadt. Printed in the Federal Republic of Germany.
Inhaltsverzeichnis Geleitwort (H. Noth) . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort zur deutschen Ausgabe (W. Liebscher) . . . . . . .
. .
IX XI
IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie XV Hauptautoren dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . XVIII Vorwort zur Ausgabe von 1990 (Y Jeannin) . . . . . . . . . XIX Einfuhrung in die Ausgabe von 1990 . . . . . . . . . . . XXI Vorwort zur deutschen Fassung der zweiten Ausgabe (W. Klemm) . XXIV Vorwort zur zweiten Ausgabe (K. A. Jensen) . . . . . . . . . XXVIII Einfuhrung in die zweite Ausgabe . . . . . . . . . . . . XXIX Vorwort zur ersten Ausgabe (A. Silverman) . . . . . . . . xxx Einfuhrung in die erste Ausgabe 1-1
1-1.1
1-1.2 1-1.3 1-1.4 1-1.5
1-2
1-2.1 1-2.2 1-2.3 1-2.4 1-2.5 1-2.6 1-2.7 1-2.8 1-2.9 1-2.10 1-2.11 1-2.12 1-2.13 1-2.14
. . . . . . . . . . . . .
XXXI
Allgemeine Ziele, Funktionen und Methoden der chemischen Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte und Ziele der chemischen Nomenklatur . . . Funktionen der chemischen Nomenklatur . . . . . . Methoden der anorganisch-chemischen Nomenklatur . . Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der anorganisch-chemischen Nomenklatur . . . . . . . . . . Nomenklaturempfehlungen fur andere Gebiete der Chemie Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . Klammern . . . . . . . . . . . . . . . Bindestriche, Plus- und Minus-Zeichen, lange Striche andere Angaben zur Bindung . . . . . . . . Schragstriche . . . . . . . . . . . . . . Punkte, Doppelpunkte, Kommas und Semikolons . . Leerraume. . . . . . . . . . . . . . . Auslassungen . . . . . . . . . . . . . . Zahlenangaben . . . . . . . . . . . . . Kursivschreibung . . . . . . . . . . . . Griechische Buchstaben . . . . . . . . . . Sternchen . . . . . . . . . . . . . . . Strichindices . . . . . . . . . . . . . . Multiplikative Prafixe . . . . . . . . . . . Lokanten . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . und
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
1 1 3
4 9 11 12 13 15 20 22 23 25 26 26 29 29 30 31 31 32
VI
Inhaltsverxichnis
.
1-2.15 1-2.16 1-2.17
Prioritaten (Rangfolgen) . . . . . . . . . . . . Affixe (Prafixe. SufXxe und Infixe) . . . . . . . . . AbschlieBende Bemerkungen . . . . . . . . . . .
34 39 39
1-3
Elemente. Atome und Atomgruppen . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . Namen und Symbole der Atome . . . . . . . . . Angabe von Masse. Ladung und Ordnungszahl durch Indices und Exponenten (tief- und hochgestellte Zahlen) . . . Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . Allotrope Modifikationen . . . . . . . . . . . . Elementgruppen . . . . . . . . . . . . . . .
40 41 41 42
Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen von Formeltypen . . . . . . . . . Angabe der Mengenverhaltnisse der Bestandteile . . . Angabe von Oxidationsstufe und Ladung der Bestandteile Weitere Modifikatoren von Formeln . . . . . . . Reihenfolge der Symbole . . . . . . . . . . . Isotop modifizierte Verbindungen . . . . . . . . AbschlieBende Bemerkungen . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
53 54 54 56 57 59 61 66 68
1-5.1 1-5.2 1-5.3 1-5.4 1-5.5 1-5.6 1-5.7 1-5.8
Auf der Stochiometrie basierende Namen . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . Klassen der Bestandteile und deren Reihenfolge . . Namen der Bestandteile . . . . . . . . . . Reihenfolge der Bestandteile innerhalb der Klassen . Bezeichnung der Mengenverhaltnisse der Bestandteile Addi tionsverbindungen . . . . . . . . . . Borhydride . . . . . . . . . . . . . . . Abschlieaende Bemerkungen . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
69 69 70 70 76 76 80 81 81
1-6
Festkorper . . . . . . . . . . . . . . . . .
1-6.1 1-6.2 1-6.3 1-6.4 1-6.5 1-6.6 1-6.7
Einfuhrung . . . . . . Namen fester Phasen . . . Chemische Zusammensetzung Bezeichnung von Punktdefekten Phasen-Nomenklatur . . . Nichtstochiometrische Phasen Polymorphie . . . . . .
83 83 84 85 87 91 92 96
1-3.1 1-3.2 1-3.3 1-3.4 1-3.5 1-3.6 1-3.7 1-3.8 1-4
1-4.1 1-4.2 1-4.3 1-4.4 1-4.5 1-4.6 1-4.7 1-4.8 1-5
. . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nach Kroger-Vink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
45 45 46 47 50
Inhaltsverzeichnis
VII
1-6.8 1-6.9
Amorphe Systeme und Glaser . . . . . . . . . . AbschlieDende Bemerkungen . . . . . . . . . . .
97 98
1-7 1-7.1 1-7.2 1-7.3 1-7.4
Neutralmolekiile . . . . . . . . . . . . . . .
99 99 101 119 123
1-8
1-8.1 1-8.2 1-8.3 1-8.4 1-8.5 1-8.6 1-9 1-9.1 1-9.2 1-9.3 1-9.4 1-9.5 1-9.6 1-9.7 1-9.8 1-9.9 1-9.10
1-9.11 1-10 1-10.1 1-10.2 1-10.3
I- 10.4 1-10.5 1-10.6 1-10.7 1-10.8 1-10.9
Einfuhrung . . . . . . Substitutionsnomenklatur . . Koordinationsnomenklatur . AbschlieBende Bemerkungen .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
Namen fiir Ionen. Radikale und Salze Einfuhrung . . . . . . . . Kationen . . . . . . . . . Anionen . . . . . . . . . Substituenten oder Radikale . . . Salze . . . . . . . . . . . AbschlieDende Bemerkungen . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oxosauren und davon abgeleitete Anionen . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Begriffs Oxosaure . . . . . . . . . Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . Traditionelle Namen . . . . . . . . . . . . . Hydrogennomenklatur . . . . . . . . . . . . . Saurenomenklatur . . . . . . . . . . . . . . Mehrkernige Sauren . . . . . . . . . . . . . Von Oxosauren abgeleitete Ionen . . . . . . . . . Der Spezialfall einkerniger Phosphor- und Arsenoxosauren . Namen von phosphor- und arsenhaltigen Oxosauren und ihren Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . AbschlieBende Bemerkungen . . . . . . . . . . .
Koordinationsverbindungen . . . . . . . . . . . Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . Konzepte und Definitionen . . . . . . . . . . . Formeln fur einkernige Koordinationsverbindungen mit einzahnigen Liganden . . . . . . . . . . . . . . Namen fur einkernige Koordinationsverbindungen mit einzahnigen Liganden . . . . . . . . . . . . . . S tereodeskriptoren . . . . . . . . . . . . . . Formeln und Namen fur Chelatkomplexe . . . . . . Chiralitatssymbole . . . . . . . . . . . . . . Mehrkernige Komplexe . . . . . . . . . . . . Organornetall-Spezies . . . . . . . . . . . . .
125 126 127 133 138 145 149 150 151 152 152 153 154 162 163 166 168 170 176 177 179 179 185 187 201 213 223 232 243
VIII
Inhultsverzeichnis
1-10.10
AbschlieDende Bemerkungen . . . . . . . . . . .
251
1-11
Borhydride und verwandte Verbindungen . . . . . . .
1-11.1 1-11.2 1-11.3 1-11.4 1-11.5 1-11.6 1-11.7
Einleitung . . . . . . . . . . . . Borhydrid-Nomenklatur . . . . . . . Polyedrische Polyborhydrid-Cluster . . . Substitution und Austausch in Bor-Clustern Namen fur Ionen . . . . . . . . . Namen fur Substituenten . . . . . . . AbschlieDende Bemerkungen . . . . . .
. . . . . . .
252 252 253 258 272 280 282 285
Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
I
Namen. Symbole und Ordnungszahlen der Atome [Elemente] . . . . . . . . . . . . . . . . . I1 Namen von Atomen (Elementen) mit Ordnungszahlen uber 100 . . . . . . . . . . . . . . . . I11 Multiplikative Prafixe . . . . . . . . . . . . IV Elementfolge . . . . . . . . . . . . . . . V In der anorganischen Nomenklatur verwendete strukturelle Prafixe . . . . . . . . . . . . . . . VI Prioritatsfolge der Elemente und der in der Ersatznomenklatur verwendeten ..a".Terme. in abnehmender Reihenfolge der Prioritat . . . . . . . . . . . . VII Element-Substituentengruppen-Namen . . . . . . VIII Namen von Ionen und Gruppen . . . . . . . . IX Eine Auswahl von in der anorganischen und der organischen Nomenklatur verwendeten Afixen . . . . . X Wiedergabe von Ligandennamen durch Abkurzungen . Anhang
286 288 289 290 291 292 293 294 320 323
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodensystem
. . . . . . . . . . . . . . .
331 342
Geleitwort
In Weiterfuhrung langjahriger Tradition hat die Gesellschaft Deutscher Chemiker die Fachorgane der Lander des deutschen Sprachraumes eingeladen, in einer gemeinsamen Kommission bei der Adaption der IUPAC-Empfehlungen zur Nomenklatur und Terminologie an die deutsche Sprache zusammenzuarbeiten. Diese Kommission fur IUPAC-Nomenklatur in deutscher Sprache wurde 1990 konstituiert. Ihr gehoren Vertreter der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Gesellschaft Osterreichischer Chemiker und der Neuen Schweizerischen Chemischen Gesellschaft an. Ihre Aufgabe war es, die Ubertragung der IUPAC-Nomenclature of Inorganic Chemistry, Recommendations 1990, in die deutsche Sprache vorzunehmen. Damit wird nach dem Erscheinen der deutschsprachigen Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt C, die Reihe der Internationalen Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie fortgesetzt. Diese Ausgaben bieten dem deutschsprachigen Chemiker und allen, die mit Chemie befafit sind, die Moglichkeit, die Empfehlungen der IUPAC einheitlich anzuwenden. Regeln sollen universe11 sein, aber sie durfen nicht gegen die Praxis anderer Nomenklaturen verstoDen. Universe11 heifit auch, daD die Regeln vorausschauen mussen und nicht an den derzeitigen Erkenntnisstand gebunden sein konnen. Die IUPAC-Commission on Nomenclature of Inorganic Chemistry (CNIC) hatte entschieden, in ihrer neuen Fassung die Nomenclature of Inorganic Chemistry in einer lehrbuchahnlichen Form herauszugeben. Der Vorteil, die Regeln zu einer Substanzklasse unter Berucksichtigung der inneren Zusammenhange zusammenfassend zu behandeln, wurde jedoch mit dem Nachteil einiger Redundanzen erkauft. Die Bearbeiter der deutschen Ausgabe waren um Verbesserung der Konsistenz und um die Beseitigung von Fehlern bemuht, durften daruber hinaus den Inhalt aber nicht verandern. Viele zusatzliche Anmerkungen der deutschen Kommission erleichtern jedoch die Benutzung und kommentieren und interpretieren die Regeln an solchen Stellen, wo es aus Sicht der deutschen Sprache notwendig erscheint. Die deutsche Kommission bittet um Kritik und Hinweise zur Verbesserung der vorliegenden Nomenklatur, denn nur durch ein breites Interesse an der Nomenklatur im deutschsprachigen Raum kann dieser auch international zur Geltung verholfen werden. Wichtig ist auch, daD nicht nur der Chemiker, sondern auch die Offentlichkeit diese Regeln verwenden. Ganz besonders gilt dies
X
Geleitwort
fur Mitarbeiter wissenschaftlicher Verlage, Autoren von Fachartikeln und Lehrbuchern sowie in Unterricht, Lehre und der Information einschlieI3lich der Publizistik Tatige. Nicht zuletzt sol1 der Gesetzgeber ermuntert werden, sich an diese Regeln zu halten. Frankfurt am Main, den 5. Juli 1993
Proj Dr. H. Noth Prasident der GDCh
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Die deutsche Fassung der zweiten Ausgabe der Nomenklatur der Anorganischen Chemie (1970) ist 1975 erschienen. Mit der Nomenclature of Inorganic Chemistry, Recommendations 1990, versuchte die Commission on Nomenclature of Inorganic Chemistry (CNIC) der IUPAC die Entwicklung seit 1970 zu erfassen, dem Benutzer ein aktualisiertes Material zur Verfugung zu stellen, die brauchbaren Methoden fur die Benennung anorganisch-chemischer Verbindungen zu kodifizieren und damit das Verstandnis fur die Notwendigkeit einer systematischen Nomenklatur, aber auch fur deren Grenzen, zu fordern. Die Kommission fur IUPAC-Nomenklatur in deutscher Sprache, der Dr. Hans F. Ebel, Weinheim (1991- 1992) Prof. Ekkehard Fluck, Frankfurt a. M. Dr. Gerd Giesler, Berlin (bis 1991) Dr. Peter Golitz, Weinheim (seit 1991) Prof. Edwin Hengge, Graz Dr. M. Volkan Kisakurek, Base1 Dr. Wolfgang Kieslich, Berlin Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin Dr. Jochen Neels, Berlin Dr. Oskar WeiDbach, Frankfurt a. M. angehoren, hat sich entschlossen, eine Ubertragung der Recommendations 1990(')anzufertigen, um dem Chemiker die der deutschen Sprache angepaDten aktuellen Regeln zur Verfugung zu stellen. Dabei sollte nur in Ausnahmefallen vom Original abgewichen werden. Die Ergebnisse der mundlichen und schriftlichen Beratungen der Kommission werden hier als ,,deutsche Fassung" vorgelegt. Die Bearbeiter haben darauf verzichtet, alle Uneinheitlichkeiten zu bereinigen. Wie in der 1975 publizierten deutschen Fassung der Nomenclature of Inorganic Chemistry, Second Edition, sind Bemerkungen der Kommission sowie Vorschlage, die uber die Anpassung des Originaltextes an die deutsche Sprache hinausgehen, in Form von ,,Anmerkungen zur deutschen Ausgabe" gebracht worden. Diese sind im Text an den runden Klammern zu erkennen. Nachdem die CNIC sich entschlossen hat, den Terminus radical nur noch im Sinne von freiem Radikal zu verwenden, galt die Aufmerksamkeit der Bearbeiter dem einheitlichen Gebrauch in den verschiedenen Abschnitten der Regeln. Der englische Begriff substituent group wurde mit Substituent ubersetzt, der wiederum ein Rest oder eine Charakteristische Gruppe sein kann. Keine Stel(I)
Zweiter, berichtigter Nachdruck, 1992.
XI1
Vorwort zur deutschen Ausgabe
lung hat die Kommission zur weiteren Verwendung der functional class nomenclature bezogen. Offensichtliche Fehler wurden kommentarlos berichtigt, ebenso falsche Zuordnungen in Tabellen. Die Schreibung der Formeln in der Originalausgabe ist uneinheitlich. In einer Reihe von Beispielen ist der Name informativer als die Formel; in diesen Fallen wurden Formel und Name aufeinander abgestimmt. Nachdem in der Ubertragung von 1975 eine weitgehende Angleichung der Anfangsbuchstaben der Namen an die von der IUPAC gebrauchten Schreibweise vorgeschlagen worden ist, wurde in den Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt C, die Verwendung der systematischen Endungen -en und -01 fur die Bezeichnung aromatischer Kohlenwasserstoffe bzw. fur Hydroxyverbindungen neben den im Deutschen gebrauchlichen Schreibweisen empfohlen. Es finden daher in den Beispielen dieser Ubertragung beide Namensvarianten Verwendung. Die Kommission konnte sich nicht entschlieOen, die Verwendung der Endung -ium in Namen metallischer Elemente vorzuschlagen, die in der englischen IUPAC-Schreibweise diese Endung tragen, und die in einem Teil des deutschen Sprachgebiets bereits eingefuhrt war; es handelt sich um die Namen fur Ce, Cr, Nd, Nb, Pr, Ti und U. Uber die Schreibweise der Namen wichtiger Elemente wie Na, K und W ist in der CNIC keine Einigung erzielt worden, und so werden die Namen Natrium, Kalium und Wolfram neben Sodium, Potassium und Tungsten genannt. Ohne Hinweis wird abweichend von der Ausgabe von 1970 in der aktuellen Fassung wieder Nickelate geschrieben. Die Orthographie von Trivialnamen entspricht der von den Entdeckern gewahlten und von den IUPAC-Nomenklaturkommissionengebilligten Form, etymologische und andere Uberlegungen spielen dabei keine Rolle. Die Namen von Verbindungen werden als ein Wort aufgefal3t und mit grol3en Anfangsbuchstaben geschrieben. Auch fur die wenigen im Deutschen noch verwendeten Zwei-Worte-Namen wird die Zusammenschreibung vorgeschlagen (Schwefligsaure anstatt Schweflige Saure). Strukturbezeichnende Abkurzungen werden in der IUPAC-Schreibweise verwendet. Lokanten werden in den Verbindungsnamen unmittelbar vor den Namensteil gesetzt, auf den sie sich beziehen. Dies entspricht der kunftig gultigen Praxis(2). Fur die Verwendung des Bindestrichs insbesondere in der Binar- und der Substitutionsnomenklatur hat die Kommission noch keine Regelung gefunden. Sie hat sich darauf verstandigt, den Bindestrich auljer an vorgeschriebenen Stellen dort zu setzen, wo er zu einer Strukturierung oder einer besseren Lesbarkeit des Namens fuhrt. 1st ein Name am Zeilenende an einer Stelle zu trennen, an der kein Bindestrich zu setzen ist, wird in der Ubertragung ein Doppelstrich (=) verwendet. Fur die Angabe des dissoziierbaren Wasserstoffs in sauren Salzen wird das Infix Hydrogen verwendet. Die Benennung des Wasserstoffs als Kation oder Siehe ,,Nomenclature for Cyclic Organic Compounds with Contiguous Formal Double Bonds (the &Convention) (Recommendations 1988)" und anderswo.
Vorwort zur deutschen Ausaabe
XI11
als Teil des Anions kann durch die Verwendung des Bindestrichs unterschieden werden. Als Teil des Anions ist dieser Wasserstoff aber ein Hydroxo-Ligand, und damit ist die Verwendung eines korrekten Koordinationsnamens, z. B. Dikalium-hydroxotrioxophosphatfur K2HP04, vorzuziehen. Die traditionellen Bezeichnungen mit Ortho-, Pyro- und Meta- wurden im allgemeinen durch exaktere Namen, z. B. Disulfat oder Polyarsenat, ersetzt. Nur bei unbekannter Struktur oder bei Gemischen wurde z. B. die Bezeichnung Metaphosphat beibehalten. Die Ausgabe von 1990 zeigt, daB auch in der Nomenklatur die Grenzen zwischen den Teilgebieten flieBend geworden sind. Besonders deutlich wird dies am Kapitel7 - Neutralmolekiile -, in dem die Anwendung der Substitutionsnomenklatur auf anorganische Hydride ausgedehnt wird. Die verstarkte Anwendung der Hydridnamen in der anorganisch-chemischen Nomenklatur veranlaI3te die Kommission, diese auch zu verwenden, wenn sie in der Originalfassung nicht vorkommt. So wurde entsprechend den systematischen Regeln durchweg Phosphan geschrieben, auch dort, wo Phosphin noch gestattet ist. Trotz einiger Bedenken hat die Kommission beschlossen, das 18-Gruppen-Periodensystem zu favorisieren. Die Gruppenbezeichnungen wurden ebenfalls ubernommen, wobei die Ausdriicke Lanthanoide und Actinoide bevorzugt werden. Verzichtet wurde darauf, wie in Abschnitt C der Regeln der Nomenklatur der Organischen Chemie praktiziert, auf im Deutschen abweichende IUPACoder in den Chemical Abstracts benutzte Namen hinzuweisen. Die Verweise auf an anderer Stelle erschienene IUPAC Recommendations wurden aus dem Original ubernommen. Fur den deutschsprachigen Benutzer werden die vorliegenden Ubertragungen ins Deutsche in der FuI3n0te'~)zitiert. (3)
Regeln fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie 1970, Internationale Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 2, Gruppe 1,1976. Empfehlungen zur Benennung der Elemente mit Ordnungszahlen uber 105 (Vorlaufige Empfehlungen), Mitteilungsbl. Chem. Ges. DDR 1977,24,69. Regelvorschlage,Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt D: Organische Verbindungen, die nicht ausschliel3lich aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Halogen, Schwefel, Selen und Tellur bestehen; Arbeitsubersetzung im Auftrage des Nationalkomitees der DDR, 1974. Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt A: Kohlenwasserstoffe, Internationale Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 1, Gruppe 1,1975. Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt B: Heterocyclische Systeme, Internationale Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 1, Gruppe 2,1975. Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt F: Naturstoffe und verwandte Verbindungen (1976), Internationale Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 1, Gruppe 6, 1978. Regeln fur die Nomenklatur der Organischen Chemie, Abschnitt C: Charakteristische Gruppen, die Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Halogen, Schwefel, Selen undloder Tellur enthalten. Internationale Regeln fur die chemische Nomenklatur und Terminologie, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 1, Gruppe 4,1990.
XIV
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Die Kommission halt es fur wichtig, da13 die der Offentlichkeit hiermit vorgelegten Regeln in der Literatur und im Unterricht weitgehend verwendet werden. Hier tragen Autoren und Verlage besondere Verantwortung. Die Kommission bittet, Kritik oder Hinweise zur Verbesserung an die Kommission zu richten, die dann fur die Bearbeitung der deutschen Fassung und gegebenenfalls fur eine Vorlage in der CNIC Sorge tragen wird. Ein ganz herzlicher Dank gilt den Ubersetzern und Gutachtern, insbesondere Frau Gerlinde Kruse, Heidelberg. Berlin, Mai 1993 Wolfgang Liebscher
(Fortsetzung Fujnore 3 ) Regeln fur die Nomenklatur der Polymere. Nomenklatur regelmal3iger einstringiger Polymere. (Verbindliche Regeln 1975), im Auftrage des Nationalkomitees der DDR, Mitteilungsbl. Chem. Ges. DDR, Beiheft Nr. 23, 1977. Liste von Standardabkurzungen (Symbole) fur synthetische Polymere und polymere Materialien und Grundlagendefinitionen zur Terminologie von Polymeren, im Auftrage des Nationalkomitees der DDR, Mitteilungsbl. Cliem. Ges DDR,Beiheft Nr. 70, 1977. Sammlung standardisierter Abkurzungen (Symbole) fur synthetische Polymere und polymere Werkstoffe (l974), Definitionen von Begriffen auf dem Gebiet der Polymere, Nomenklatur der regelmiiljigen einstrangigen Polymere (1 975), herausgegeben im Auftrage des Deutschen Zentralausschusses fur Chemie, Band 2 , Gruppe 3, 1978. In Vorbereitung sind u. a. die Ubertragungen von: Nomenclature of Hydrides of Nitrogen and Derived Cations, Anions, and Ligands (Recommendations 1981). Revision of the Extended Hantzsch-Widman System of Nomenclature for Heterocycles, Recommendations 1982. Nomenclature of Organic Chemistry. Treatment of Variable Valence in Organic Nomenclature (Lambda Convention) (Recommendations 1983). Nomenclature of Regular Single-strand and Quasi Single-strand Inorganic and Coordination Polymers (Recommendations 1984). Nomenclature of Organic Chemistry. Extension of Rules A-1.1 and A-2.5 Concerning Numerical Terms Used in Organic Chemical Nomenclature (Recommendations 1986). Nomenclature of Polyanions (Recommendations 1987). Names for Hydrogen Atoms, Ions, and Groups, and for Reactions Involving Them (Recommendations 1988).
IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie
In der Zeit von 1971- 1987, in der die englische Fassung der vorliegenden Ausgabe erarbeitet wurde, setzte sich die Kommission wie folgt zusammen:
Vorsitzende W. C. Fernelius (USA) J. Chatt (GroBbritannien) Y Jeannin (Frankreich) D. H. Busch (USA)
1971-1975 1975-1981 1981- 1985 1985-
Stellvertretende Vorsitzende K. A. Jensen (Danemark) Y Jeannin (Frankreich) D. H. Busch (USA) E. Fluck (BRD)
1949- 1973 1975- 1981 1981- 1985 1985- 1987
Sekretare J. E. Prue (GroBbritannien) D. M. P.Mingos (GroBbritannien) T. D. Coyle (USA) E. Fluck (BRD) E. Samuel (Frankreich)
1963- 1972 1973- 1978 1979- 1982 1983-1985 1985-
Ordentliche Mitglieder R. M. Adams (USA) L. F. Bertello (Argentinien) D. H. Busch (USA) C. K. Buschbeck (BRD) J. Chatt (GroBbritannien) E. Fluck (BRD) P. Fodor-Csanyi (Ungarn) Y Jeannin (Frankreich) R. S. Laitinen (Finnland) G. J. Leigh (GroBbritannien) B. F. Myasoedov (UdSSR) J. F. Nixon (GroBbritannien)
1967- 1975 1971- 1979 1979- 1981 1971-1979 1959- 1973 1979- 1985 1979- 1987 1971-1975 19851973- 1985 1971- 1979 1985-
XVI
IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Anoraunischen Chemie
W. H. Powell (USA) J. Reedijk (Niederlande) E. Samuel (Frankreich) T. Sloan (USA)
1975- 1979 1979- 1987 1981- 1985 I985 -
Assoziierte Mitglieder R. M. Adams (USA) G. B. Bokij (UdSSR) M. W. G. de Bolster (Niederlande) D. H. Busch (USA) C. K. Buschbeck (BRD) J. Chatt (GroBbritannien) J. A. Connor (GroBbritannien) T. D. Coyle (USA) T. Erdey-Gruz (Ungarn) W. C. Fernelius (USA) E. Fluck (BRD) E. W. Godly (GroBbritannien) A. K. Holliday (GroBbritannien) K. A. Jensen (Danemark) J. Klikorka (Tschechoslowakei) R. Laitinen (Finnland) G. J. Leigh (GroBbritannien) R. C. Mehrotra (Indien) R. Metselaar (Niederlande) J. F. Nixon (GroBbritannien) R. Poilblanc (Frankreich) W. H. Powell (USA) J. Reedijk (Niederlande) J. Riess (Frankreich) A. Romao-Dias (Portugal) E. Samuel (Frankreich) K. Samuelsson (Schweden) A. M. Sargeson (Australien) C. Schaffer (Danemark) T. Sloan (USA) A. Vlcek (Tschechoslowakei) E. Weiss (BRD) K. Wieghardt (BRD) K. Yamasaki (Japan)
1975-1981 1979-1983 1983-1987 1977-1979 1979- 1985 1973-1975 1981- 1985 1977- 1979 1969- 1977 1975- 1979 1977- 1979 1979- 1987 1971- 1973 1973- 1981 1974- 1981 1981- 1985 1971- 1973 1981I985 1981-1985 I985 1969- 1975 1977- 1979 1973- 1977 1979-1983 1977-1981 198119851971- 1981 1979- 1985 1969- 1977 1969- 1973 19851969- 1977
Nutionale Vertreter M. 0. Albers (Sudafrika) P. J. Aymonio (Argentinien)
1984- 1987 1985- 1987
IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Anoraanischen Chemie
L. F. Bertello (Argentinien) T. D. Coyle (USA) H. H. Emons (DDR) S. Fallab (Schweiz) E. Fluck (BRD) l? Fodor-Csanyi (Ungarn) E. W. Godly (GroBbritannien) L. Y. Goh (Malaysia) B. Holmstrom (Schweden) J. Klikorka (Tschechoslowakei) A. C. Massabni (Brasilien) A. Nakamura (Japan) D. Purdela (Rumanien) A. Romao-Dias (Portugal) K. Saito (Japan) K. Samuelsson (Schweden) A. M. Sargeson (Australien) V. Simeon (Jugoslawien) K. Yamasaki (Japan) M. Zikmund (Tschechoslowakei)
1979- 1985 1974-1977 1978-1983 1984-1987 1975- 1977 1977- 1979 1978- 1979 1983- 1987 1979- 1980 1974- 1977 1983- 1985 1985- 1987 1978- 1987 1978- 1979 1975- 1979 1980- 1981 1981- 1985 1981- 1987 1979- 1985 1978- 1987
XVII
Hauptautoren dieser Ausgabe
D. H. Busch University of Kansas, Lawrence, U S A J. Chatt University of Sussex, Brighton, UK
T. D. Coyle National Bureau of Standards, Washington, DC, W. C. Fernelius Kent State University, Kent, Ohio, USA P. Fodor-Csanyi Eotvos Lorand University, Budapest, Hungary E. W. Godly Laboratory of the Government Chemist, London, UK
Y. Jeannin Universitd Pierre et Marie Curie, Paris, France J. B. Leach Oxford Polytechnic, Oxford, UK
G. J. Leigh AFRC IPSR, Brighton, UK R. Metselaar Technische Hogeschool, Eindhoven, Netherlands
J. Reedijk Leiden University, Leiden, Netherlands E. Samuel Ecole Nationale SupCrieure de Chimie, Paris, France
T. Sloan Chemical Abstracts Service, Columbus, Ohio, U S A
Vorwort zur Ausgabe von 1990
Chemische Nomenklatur gibt es schon seit alters her. Die Griechen benannten Erze oder Minerale und die aus diesen gewonnenen Produkte, und auch die Alchemisten gaben ihren Verbindungen Namen und Symbole. Spater schlug Lavoisier die erste systematische Nomenklatur fur Oxosauren vor. Da die Chemie sich standig entwickelt und verandert, ist die Nomenklatur ein immer aktuelles Thema. Die IUPAC ist dafur zustandig, Nomenklaturregeln fur die Chemiker zu entwickeln. Die Regeln fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie wurden erstmalig vor dem Zweiten Weltkrieg formuliert, in den funfziger Jahren uberarbeitet und diskutiert und 1959 publiziert. Eine zweite Durchsicht fand in den sechziger Jahren statt, die zweite Ausgabe wurde 1970 veroffentlicht. Seitdem sind viele neue Verbindungen dargestellt worden, von denen einige schwierig mit den Regeln von 1970 zu benennen sind; dies ist durch das Auftreten neuer Bindungs- und Strukturtypen bedingt. Die Anzahl von Trivialnamen und lokalen Nomenklatursystemen nahm zu, was die Schaffung einer systematischen, umfassend anwendbaren Nomenklatur notwendig machte. Dies betrifft besonders die Koordinations- und die Borchemie. Im Jahre 1978 beschloI3 die IUPAC Commission on Nomenclature of Inorganic Chemistry (CNIC), die Ausgabe der Nomenclature of Inorganic Chemistry (das ,,Red Book") von 1970 durch eine neue zu ersetzen. Da viele der neuen Gebiete der Chemie hochspezialisiert sind und komplizierte Namenstypen erfordern, wird das neue Rote Buch in mehreren Teilen erscheinen. Teil I befaI3t sich im wesentlichen mit den Kerngebieten der Anorganischen Chemie. Die folgenden Teile werden Spezialgebiete behandeln; typische Beispiele sind quasi-einstrangige anorganische Polymere und Polyoxoanionen. Das vorliegende Buch ist der Teil I. In ihm finden sich Regeln fur die Benennung von einfachsten Verbindungen bis zu Oxosauren und deren Derivaten sowie Koordinationsverbindungen und einfachen Borverbindungen. Fur die Fertigstellung von Teil I benotigte die CNIC zehn Jahre. Die einzelnen Kapitel wurden von anerkannten Fachleuten - unterstutzt von Arbeitsgruppen verfaI3t und nach mehrfacher Uberarbeitung von der CNIC herausgegeben. Es bedurfte einer erheblichen Anstrengung, Einheitlichkeit zwischen den Kapiteln, die derart unterschiedliche Teile der Chemie behandeln, zu gewahrleisten. Das Anliegen der Kommission war es, eingefuhrte, traditionelle Praktiken und Systeme der Nomenklatur so zu vereinen, dalj sie allgemein angewendet werden konnen. Mitunter, z. B. in den Kapiteln 6 und 11, war die Kommission auf den Rat AuBenstehender angewiesen; wir erwahnen besonders die Hilfe der Commission on High Temperature and Solid State Chemistry bei ~
xx
Vorwort zur Ausaabe von I990
der Bearbeitung des Kapitels 1-6. Wenn ein Kapitel fertiggestellt war, wurde es Gutachtern vorgelegt, die aufgrund ihrer Erfahrungen auf dem jeweiligen Gebiet ausgewahlt wurden. Zur abschlieoenden Diskussion und Kritik wurden die einzelnen Kapitel nach der ublichen Verfahrensweise der IUPAC allen Interessenten zuganglich gemacht. Dieses Verfahren sollte fur ein gutes Produkt sorgen, das allgemeine Zustimmung findet. Wir hoffen, daI3 dieser Neuausgabe Erfolg, d. h. breite Anwendung beschieden sein moge. Die nachste Ausgabe wird einige Jahre auf sich warten lassen, ihre Erarbeitung wird dadurch erschwert, daI3 sich die Anorganische Chemie weiter entwickeln wird und viele der neuentdeckten Strukturen sich nicht nach den derzeitigen Regeln benennen lassen werden. Wir haben deshalb versucht, Teil I so anzulegen, dalj seine allgemeinen Prinzipien unantastbar sind und er viele Jahre gultig sein kann. Der wesentlich speziellere Teil I1 wird in naher Zukunft erscheinen und vermutlich haufiger uberarbeitet werden mussen. Die vollstandige Liste der Autoren aller elf Kapitel ist auf Seite XVIII aufgefuhrt. Die Namen der Autoren sind alphabetisch ohne Hinweis auf das von ihnen bearbeitete Kapitel geordnet. Die Mitglieder der CNIC wahrend der Zeit von I97 1- I987 haben auf vielfaltige Weise zum Gelingen beigetragen, auch diejenigen, die nicht speziell als Autoren genannt sind. Den vielen Gutachtern etwa funfzehn je Kapitel gebuhrt ebenfalls Dank. Schlieljlich mochten wir auch all denen danken, die uns wahrend der offentlichen Diskussion ihre Kommentare schickten. Falls wir versaumten, einzelnen Personen ofiziell zu danken, so hoffen wir, dies hier durch unseren globalen Dank fur alle Beitrage zur Entstehung und Herstellung des Buches gutzumachen. ~~
23. Februar 1988
~
I: Jeannin Vorsitzender CNIC 1981-1985
Einfuhrung in die Ausgabe von 1990 Dieser Band ist keine Revision der zweiten Ausgabe (1970), sondern eine vollig neue Fassung, die wesentlich benutzerfreundlicher gestaltet wurde. Dieser Teil erlautert die Grundprinzipien der anorganisch-chemischen Nomenklatur und ist eine generelle Erweiterung der Ausgabe von 1970. Teil I1 und folgende Bande werden Spezialgebiete der Nomenklatur behandeln; einige der vorgesehenen Kapitel sind bereits in Pure and Applied Chemistry erschienen. Kapitel 1 und 2 sind neu. Kapitel 1 enthalt fur allgemein Interessierte eine kurze Geschichte der anorganisch-chemischen Nomenklatur. Kapitel 2 ist eine Zusammenfassung der sprachlichen Regelungen der anorganisch-chemischen Nomenklatur. Die Kommission hofft, daB dieses Kapitel von allgemeinem NutZen ist. ZweckmaBgerweise sollten es die Leser aber nur zusammen mit dem jeweils zutreffenden Kapitel benutzen. Es wurde entschieden, diese Ausgabe mehr in Form einer Anleitung als in Form einer Regelsammlung abzufassen. ErfahrungsgemaB arbeiten die Nutzer von Nomenklaturbuchern meist so, daB sie Beispiele suchen, die ihrer Fragestellung moglichst nahe kommen. Aus diesem Grund haben wir zahlreiche Beispiele aufgenommen und versucht, den laufenden Text einheitlicher und allgemeinverstandlicher zu gestalten, als er bei bloBer Aufzahlung der Regeln sein wurde. Im Text haben wir die Gruppennumerierung 1- 18 des Periodensystems der Elemente venvendet, das jetzt von der CNIC und der IUPAC bevorzugt wird. Die damit zusammenhangende Kontroverse und die Absichten der IUPAC werden im Anhang zu diesem Band diskutiert. Stets waren wir um Konsistenz bemuht, sowohl innerhalb dieses Bandes als auch mit anderen IUPAC-Empfehlungen, insbesondere der Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979. Wir wissen, daB es einige Unterschiede in der Praxis gibt; gewohnlich wird im Text drauf hingewiesen. Im Streben urn Konsistenz haben wir vermieden, das Wort Radikal in einem anderen Sinne als dem von freiem Radikal zu gebrauchen. Dies schrankt in der anorganischchemischen Nomenklatur ubliche Methoden der Benennung ein, die nicht nur Substituenten, sondern auch in anorganischen Strukturen vorkommende Gruppen (Uranyl-, Phosphoryl- usw.) und Termini wie ,,Saureradikal" betreffen. Gelegentlich muaten Umschreibungen benutzt werden, um die eigentliche Bedeutung zu vermitteln; das Wort Radikal sol1 nur im Sinne von freiem Radikal verstanden und Substituenten sollen als davon verschiedene Einheiten zu erkennen sein, auch wenn sie den gleichen Namen tragen wie das entsprechende freie Radikal. Kapitel 3 bis 5 sowie 7 bis 9 fassen das in der Ausgabe von 1970 Enthaltene zusammen und erweitern es. Im Einklang mit den groBen Fortschritten der
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Einfuhrung in die Ausgabe von 1990
Festkorperchemie geht Kapitel 6 weit uber das entsprechende Kapitel in der Ausgabe von 1970 hinaus. Dennoch umfaDt es nicht alle Aspekte; fur viele sind noch Regeln zu erarbeiten. Homo- und Heteropolyanionen werden in Teil I1 behandelt, obwohl der Inhalt dieses Kapitels schon in Pure Applied Chemistry veroffentlicht worden ist. Kapitel 10 ist gegenuber dem entsprechenden Kapitel im Roten Buch von 1970 betrachtlich erweitert worden. Es enthalt eine definitive Darstellung der Koordinationsnomenklatur. Ursprunglich als anorganischchemische Nomenklatur gedacht, haben wir versucht, sie breiter anwendbar zu gestalten, z. B. fur die Nomenklatur von Oxosauren. Das Kapitel enthalt auch Neueres, derzeit nicht allgemein Gebrauchliches, das die Kommission auch fur relativ einfache Zwecke als notwendig erachtet. Ein Beispiel ist die Diskussion der Stereoisomerie und die Stereodeskriptoren. Kapitel 1 1 ist ebenfalls gegenuber der Ausgabe von 1970 betrachtlich erweitert worden. Das Gebiet der BorNomenklatur ist umstritten und, wie angedeutet, ein Spezialgebiet und ware daher auch in Teil I1 unterzubringen. Wir haben hier einen Uberblick uber die Nomenklatur einfacherer Borsysteme vorgestellt, weil Borane auch auf ziemlich elementarem Niveau diskutiert werden und weil wir die Grundprinzipien, die uns gesichert erscheinen, kodifizieren mochten. Die Leser werden feststellen, daD in der Schreibung von organisch-chemischen Formeln in dieser Ausgabe keine Einheitlichkeit besteht. Dies ist beabsichtigt. Abkurzungen wie Me, Et und Ph sind, ohne daD sie definiert werden mussen, erlaubt, und sie stehen in diesem Text gelegentlich anstelle von CH3-, C2Hs- bzw. C6Hs-. AuDerdem werden Lokanten bisweilen als Prafixe und bisweilen als Infixe aufgefuhrt. Die Ausgabe der Nomenclature of Organic Chemistry von 1979 bezieht hier keinen eindeutigen Standpunkt. Obwohl letztlich entschieden werden konnte, daD Lokanten als Prafixe zu behandeln sind, haben wir beschlossen, in dieser Frage nicht vollig streng zu verfahren.' ' ) Daher gibt der Text bis zu einem gewissen Grad die Vorliebe der jeweiligen Autoren wider. In der zweiten Ausgabe verwendete die Kommission im gesamten Text die Termini ,,Stock-Zahl" und ,,Ewens-Bassett-Zahl". Es ist jetzt entschieden worden, die unmittelbar verstindlichen Termini ,,Oxidationszahl" bzw. ,,Ladungs zahl" zu bevorzugen. Hinweise auf Stock- und Ewens-Bassett-Zahlen werden nur als Einschub oder gelegentlich zur Klarstellung verwendet. Es wird erwartet, daD diese Termini durchgangig durch Oxidations- und Ladungszahl ersetzt werden. Die Leser sollten beachten, daD Kapitel, deren Bezeichnung mit der romischen I (z. B. Kapitel 1-3) beginnt, zu diesem Band, Teil I, gehoren. Mit der Bezeichnung I1 beginnende Kapitel werden in Teil I1 erscheinen. Tabellen, die den gesamten Band I betreffen, sind fortlaufend mit romischen Ziffern numeriert. Diese Tabellen sind am Ende des Bandes zusammengefaflt. Diejenigen 'I'
Anmerkung zur dcutschen Ausgabe: Die Nomenclature of Organic Chemistry, Section R (in Vorbereitung) empfiehlt, Lokanten ausschlierjlich vor den Ted des Namens zu schreiben. auf den sie sich beziehen; demnach mu0 es z. B. Hex-3-en und nicht 3-Hexen heil3en. In dieser Ubertragung wird nach Section R verfahren.
Einfuhrung in die Ausgabe von 1990
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Tabellen sowie Abbildungen, die sich auf spezielle Kapitel beziehen, sind derart numeriert, daD zuerst das Kapitel angegeben wird, zu dem sie gehoren (z. B. Tabelle 1-6.2 ist die zweite Tabelle von Kapitel 6). SchlieDlich ist bei Namen, die sich uber mehr als eine Zeile erstrecken, besondere Sorgfalt notig. Solche Namen brauchen einen Bindestrich (Divis) als normales Symbol fur die Zusammengehorigkeit der getrennten Teile von Wortern. Da der (Bindungs)Strich in der Nomenklatur eine besondere Bedeutung hat, kann es MiDverstandnisse geben. Obwohl versucht wurde, solche Probleme zu vermeiden, sollten die Leser darauf achten, welcher Strich Teil des Namens ist und welcher entfallt, wenn ein getrennter Name wieder auf einer Zeile zu stehen kommt(*).
(2)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zum Bindestrichproblemsiehe Anmerkungczb).
Vorwort zur deutschen Fassung der zweiten Ausgabe Um eine deutsche Fassung der anorganischen Nomenklaturregeln von 1970 zu erarbeiten, hat der Prasident der Gesellschaft Deutscher Chemiker die Fachorganisationen der Lander des deutschen Sprachgebiets, der Deutschen Demokratischen Republik, Osterreichs und der Schweiz eingeladen, zusammen mit Sachverstandigen der Bundesrepublik an der Ubertragung der von der IUPAC in englischer Sprache veroffentlichten ,,Nomenclature of Inorganic Chemistry 1970" ins Deutsche mitzuwirken. Die ,,Schweizerische Chemische Gesellschaft" und der ,,Verein Osterreichischer Chemiker" haben dem entsprochen. Die ,,Chemische Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik" hat geantwortet, sie sei der Auffassung, ,,daB das durch die namhaften Mitglieder der GDCh vorbereitete Material dem Anliegen entspricht". Dementsprechend haben an der vorliegenden deutschen Fassung mitgearbeitet: K. Brodersen Erlangen K. -Ch. Buschbeck Frankfurt S. Fallab Basel W. Fischer Freiburg i. Br. H. Grunewald Weinheim E. Hayek Innsbruck E. Hengge Graz W. Klemm Munster H. Noth Munchen B. Prijs Basel P. W. Schindler Bern E. Weiss Hamburg Dieser Kreis, der in folgenden als ,,die deutsche Kommission" bezeichnet wird, hat schriftlich und mundlich beraten; die Ergebnisse dieser Diskussionen werden hier als ,,deutsche Fassung" vorgelegt. Die Bemerkungen der deutschen Kommission und die Vorschlage, die iiber eine bloBe Ubersetzung hinausgehen, erscheinen zumeist in der Form von F u h o t e n und sind in jedem Fall durch Kursivdruck hervorgehoben. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: Ein besonderes Problem bei der Ubertragung der englischen Namen ins Deutsche liegt darin, daB den Regeln zufolge die Reihenfolge der Bestandteile von Verbindungen in den Namen mehr als bisher durch das Alphabet bestimmt sein soll, so auch die Reihenfolge der Liganden in Namen von Komplexverbindungen. Das wurde in vielen Fallen bedeuten, daB die Reihenfolge im Engli-
Vorwort zur deutschen Fassung der zweiten Ausgabe
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schen und Franzosischen anders ist als im Deutschen, was insbesondere bei Komplexverbindungen zu storenden Unterschieden im Namen fuhren wurde. Auch fur die Herstellung von international benutzbaren Registern ist diese Frage von Bedeutung. Die deutsche Kommission war daher der Meinung, daD eine Angleichung erforderlich ist. Dazu sind MaDnahmen im deutschen Sprachbereich, aber auch in anderen Sprachen erforderlich. Um von deutscher Seite aus Schritte fur eine solche Angleichung zu tun, hat die Kommission nicht nur fur die Radikale Methyl, Athyl, Phenyl usw. die im Englischen ublichen Abkurzungen Me, Et und Ph ubernommen, sondern auch die Schreibweise Ethyl anstelle von Athyl (und entsprechend Ethan, Ethylen usw.) empfohlen. Dies kann naturlich nur ein Versuch sein, aber die Kommission ist uberzeugt, daD er von den Fachkollegen angenommen werden wird und daD man auch in der organischen Chemie in absehbarer Zeit vom A zum E ubergehen wird. Bei den Elementnamen wurde Jod, Symbol J, durch Iod, Symbol I, ersetzt. Fur Bi wird der Name Bismut, fur Co die Schreibweise Cobalt vorgeschlagen. Der Kommission sind diese Entscheidungen nicht leichtgefallen, da die zuletztgenannten Anderungen den Herleitungen von ,,Kobold,, bzw. ,,auf den Wiesen gemutet" widersprechen. Zirkon wurde in Zirconium, Vanadin in Vanadium geandert . Besondere Beachtung verdienen die Namen der Nichtmetalle H, C, N und 0. Die deutschen Bezeichungen Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff haben keinen Zusammenhang mit den Elementsymbolen, was immer dann storend wirkt, wenn nach dem Alphabet geordnet wird. Die lateinischen (griechischen) Bezeichnungen Hydrogen, Carbon, Nitrogen und Oxygen entsprechen den Symbolen und sind zudem in zahlreichen Sprachen ublich. Die Kommission ist daher der Meinung, daD diese Namen als gleichwertig mit den deutschen Bezeichnungen zugelassen sein sollten, und sie mochte sogar dazu ermutigen, sie in der wissenschaftlichen Literatur zu benutzen. Gleiches gilt fur die Bezeichnung Sulfur neben Schwefel. Vorteilhaft ware die Verwendung der lateinisch-griechischen Namen vor allem bei Verbindungen, in denen die genannten Elemente als Kationen auftreten oder als elektropositive Bestandteile zu betrachten sind. Fur elektropositives H hat sich die Bezeichnung Hydrogen schon weitgehend eingefuhrt. Die deutsche Kommission befurwortet ferner den Vorschlag der IUPACKommission, zur internationalen Vereinheitlichung neben Namen wie Eisen(I1)chlorid Bezeichnungen wie Ferrum(I1)-chlorid zu benutzen (vgl. FuDnote [ 15a] zu Regel 2.21 sowie Regel 2.252). Nachdem sich die Bezeichnung ,,Oxide" statt ,,Oxyde" uberraschend schnell eingefuhrt hat, schlagt die deutsche Kommission vor, nunmehr auch ,,Oxidation" und ,,oxidieren" zu schreiben, um eine Einheitlichkeit des Schriftbildes zu erreichenr'l. ['I Eine ausfiihrliche Erorterung dieser Frage findet sich in Nachrichten aus Chemie und Technik
17, 153 (1969).
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Vorwort zur deutschen Fassung der zweiten Ausgabe
Was schlieDlich die Verwendung von c und k betrifft, so ist die deutsche Kommission von dem Gebrauch von k in Namen, die aus dem Griechischen stammen, abgegangen und hat uberall das im Englischen und Franzosischen ubliche c benutzt (z. B. deca statt deka). Nur in Oktaeder und Dodekaeder wurde das k beibehalten, da diese Schreibweise in der Kristallographie im Deutschen ublich ist. Dagegen wurden die strukturkennzeichnenden Abkurzungen: ,,octahedra" und ,,tetrahedra" fur ,,oktaedrisch" bzw. ,,tetraedrisch" aus dem Englischen ubernommen. Die Kommission hat somit, vom Standpunkt des bisherigen deutschen Sprachgebrauchs gesehen, erhebliche Opfer gebracht, um internationale Einheitlichkeit zu erzielen. Sie hofft, damit ein Beispiel gegeben zu haben, das dazu fuhrt, daD man sich im Bereich anderer Sprachen ebenfalls um eine solche Angleichung bemuht. Das wurde nicht nur bedeuten, daD man im Englischen auf den Gebrauch von Tungsten fur W verzichtet, daD man Lanthanum durch Lanthanium ersetzt und den von der IUPAC vorgeschlagenen Namen Alumi = nium (anstelle von Aluminum) tatsachlich benutzt. Es ware vor allem wunschenswert, daD man fur Elemente wie Ag, Au, Fe, Hg, K, Na, Hg, Pb, Sb und Sn zum mindesten fur den Gebrauch in der wissenschaftlichen Literatur Namen festlegt, die den Elementsymbolen entsprechen. Die Kommission mochte abschliel3end auf einige mehr auDerliche Anderungen gegeniiber der deutschen Fassung der ,,I957 Rules" hinweisen. Damals wurde in der deutschen Fassung der Ausdruck ,,Richtsatze" benutzt; es erschien der Kommission richtiger, das Wort ,,rules" durch die Bezeichnung ,,Regeln" wiederzugeben. Auch die in den ,,Richtsatzen 1957" benutzte Ubersetzung ,,rationelle Namen" fur den englischen Ausdruck ,,systematic names" hielt die Kommission fur weniger zweckmaDig als die jetzt verwendete Ubersetzung ,,systematische Namen". SchlieDlich wurde die Bezeichnung ,,die Molekel" der alten Fassung durch ,,das Molekul" ersetzt; die Molekel ist sicher eine sprachlich bessere Ubersetzung von ,,molecula" oder ,,la molecule", aber die Erfahrung hat gezeigt, daD die Bezeichnung ,,das Molekul" im deutschen Sprachraum weiter verbreitet ist und insbesondere in Zusammensetzungen, z. B. ,,Molekulspektroskopie", uberwiegend benutzt wird. Bei der Abfassung der Regeln durch die IUPAC-Kommission sind einige Probleme nach Ansicht der deutschen Kommission noch nicht befriedigend gelost worden. So sollte die Benennung intermetallischer Phasen mit Fachleuten dieses Gebiets neu diskutiert werden. Gleiches gilt fur die Charakterisierung der Strukturen fester Stoffe und fur die Nomenklatur nicht stochiometrisch zusammengesetzter Verbindungen, an deren Entwicklung auch Physiker mitwirken sollten. Eine erneute Diskussion scheint auch zu den Problemen erforderlich, die mit dem Periodensystem der Elemente zusammenhangen (Regel 1.21). Zu dem auf S. 138 gemachten Vorschlag, der offenbar erst nach AbschluD der Regeln angefugt worden ist, mochte die Kommission erst Stellung nehmen, wenn zu dieser Frage AuDerungen aus dem deutschen Sprachgebiet vorliegen.
Vorwort zur deutschen Fassung der zweiten Ausgabe
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Die Kommission halt es fur wichtig, daB die der deutschsprachigen Offentlichkeit hiermit vorgelegten Regeln in der Literatur und im Unterricht weitgehend verwendet werden. Sie bittet insbesondere die Herausgeber der Fachzeitschriften und die Verfasser und Verleger von Lehrbuchern urn ihre Unterstutzung. Sicher sind manche der hier formulierten Nomenklatur-Regeln verbesserungsfahig; auch werden immer wieder neue Verbindungstypen entdeckt, die spezielle Vereinbarungen erfordern. Die Kommission bittet, Kritik an den hier vorgelegten Regeln sowie Erweiterungsvorschlage den Mitgliedern der Kommission oder dem Direktor fur Chemische Literatur der Gesellschaft Deutscher Chemiker, Boschstr. 12, D-6940 Weinheim, mitzuteilen, der dann fur eine Bearbeitung innerhalb der Kommission und gegebenenfalls fur eine Weiterleitung an die IUPAC-Kommission Sorge tragen wird. Je intensiver eine solche Mitarbeit aus dem Benutzerkreis ist, desto groBer ist auch die Aussicht, daB die Bedurfnisse aus dem deutschsprachigen Raum international berucksichtigt werden. Munster, August 1975
W Klemm
Vorwort zur zweiten Ausgabe
In ihrer ersten Sitzung nach der Veroffentlichung der Regeln von 1957, die 1959 in Munchen abgehalten wurde, beschlol3 die IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie, ihre Arbeit mit der Nomenklatur von Borhydriden und Hydriden der Elemente der Gruppen IV bis VI sowie von Polysauren und metallorganischen Verbindungen fortzusetzen. Der Teil dieser Arbeit, der metallorganische Verbindungen, bororganische, siliciumorganische und phosphororganische Verbindungen betrifft, wurde in Zusammenarbeit mit der IUPAC-Kommission fur die Nomenklatur der Organischen Chemie durchgefuhrt. Vorlaufige Regeln fur diese Gebiete werden demnachst veroffentlicht. Inzwischen wurde an einer Revision der Regeln von 1957 gearbeitet. Vorlaufige Vorschlage fur Anderungen oder Erganzungen der Regeln von 1957 sind in den Comptes Rendus der Konferenzen von London (1963) und Paris (1 965) sowie in den IUPAC Information Bulletins veroffentlicht worden. Jedoch wurden aufgrund der erhaltenen Stellungnahmen einige von diesen vorlaufigen Vorschlagen (2.B. der Ersatz von chloro durch chlorido) nicht in die endgultige Fassung ubernommen. In Anbetracht der Bedeutung der Koordinationsverbindungen fur die moderne anorganische Chemie wurde dieses Gebiet stark erweitert. Uber Borhydride und ihre Derivate wurde ein kurzer Abschnitt in die vorliegende Ausgabe aufgenommen; eine ausfuhrliche Behandlung auf vorlaufiger Basis wurde gesondert im IUPAC Information Bulletin, Appendices on Tentative Nomenclature, Symbols, Units and Standards, No. 8 (Sept. 1970) veroffentlicht. Ein aus Prof. R. M. Adams, Prof. J. Chatt, Prof. W. C. Fernelius, Prof. F. Gallais, Dr. W. H. Powell und Dr. J. E. Prue bestehender Herausgeber-AusschuIj hat in der letzten Januarwoche 1970 in Columbus, Ohio, die endgultige Fassung des Manuskripts erarbeitet. Die Kommission dankt dem Vorsitzenden der Kommission fur die Nomenklatur der Makromolekularen Chemie, Herrn Dr. Kurt Loening, fur seine Mitarbeit. Die Arbeit der Kommission wurde durch eine finanzielle Zuwendung aus den Vereinigten Staaten (Grant No. 89065 from the Air Force Ofice of Scientific Research, administered by the U.S.A. National Academy of Sciences - National Research Council) wesentlich erleichtert . Kopenhagen, den 9. September 1970
K. A . Jensen Vorsitzender der Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie
Einfuhrung in die zweite Ausgabe
Der Abschnitt 7 wurde grundlich uberarbeitet und erweitert. Bei der Angabe von Liganden in Koordinationsverbindungen wurde das Prinzip der alphabetischen Reihenfolge eingefuhrt. Ferner wurden in Einzelheiten gehende Regeln ausgearbeitet fur die Benennung von Komplexen mit ungesattigten Molekulen oder Gruppen, fur die Bezeichnung der Stellung von Liganden in der Koordinations-Sphare, fur die Nomenklatur von mehrkernigen Verbindungen sowie von Komplexen mit Metall-Metall-Bindungen und schliealich fur die Nomenklatur der absoluten Konfiguration von sechsfach koordinierten oktaedrischen Komplexen. Der fruhere Abschnitt 4,in dem kristalline Phasen mit veranderlicher Zusammensetzung behandelt wurden, ist ebenfalls uberarbeitet und erweitert worden; er ist jetzt Abschnitt 9. An seiner Stelle ist als Abschnitt 4 eine ausfuhrliche Besprechung von Polyanionen eingefugt worden; dieses Gebiet war fruher nur kurz im Rahmen des Abschnitts 7 behandelt worden. Regeln fur die Nomenklatur von anorganischen Borverbindungen finden sich in kurzer Form im Abschnitt 11. Ausfuhrliche vorlaufige Regeln stehen im IUPAC Information Bulletin, Appendices on Tentative Nomenclature, Symbols, Units and Standards, No. 8 (September 1970). Das im Zusammenhang mit Abschnitt 7 bereits erwahnte alphabetische Prinzip wird jetzt auch in den Abschnitten 2 und 6 weitgehend venvendet. Die Einfuhrung einer Praambel wird hoffentlich dazu dienen, die Bedeutung von Ausdrucken wie Oxidationszahl und Koordinationszahl genauer, als es im Rahmen der speziellen Regeln moglich ist, darzulegen und die Konventionen bezuglich des Gebrauchs von multiplikativen Angaben, von Klammern, Zahlen und Buchstaben zu beschreiben. Die wichtigsten Tabellen sind am Ende der Regeln zusammengestellt; auaerdem wurde ein Inhaltsverzeichnis angefugt.
Vorwort zur ersten Ausgabe
An dem vorliegenden Werk haben aulJer den Mitgliedern der Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie, die in der FuBnote[*]verzeichnet sind, zahlreiche Personlichkeiten mitgearbeitet, die sich seit dem Erscheinen der Regeln von 1940 als Mitglieder der Kommission zur Verfugung gestellt haben. Ihre Namen sind in den seit 1940 erschienenen Comptes-Rendus-Banden der IUPAC verzeichnet. Dank fur ihre Mitarbeit ist ferner den delegierten und beratenden Mitgliedern der Kommission, den Mitgliedern der Nomenklatur-Kommissionen einiger Lander und Dr. E. J. Crane, dem Herausgeber von Chemical Abstracts, auszusprechen. Die endgultige Fassung des Berichtes von 1957 ist das Werk einer Arbeitsgruppe aus den Professoren K. A. Jensen (Vorsitzender), J. Benard, A. Olander und H. Remy. 1. November 1958
Alexander Silverman Vorsitzender
['I Vorsitzende: (1947- 1953) H. Bassett, (1953- 1957) A. Silverman; Stellvertretender Vorsitzen-
der: K. A. Jensen; Sekretar: G. H,,Cheesman; Mitglieder: J. Benard, N. Bjerrum, E. H. Buchner, W. Feitknecht, L. Malatesta, A. Olander und H. Remy.
Einfiihrung in die erste Ausgabe
Die Kommission fur die Nomenklatur der Anorganischen Chemie der Internationalen Union fur Reine und Angewandte Chemie (IUPAC) wurde 1921 gebildet. Es fanden zahlreiche Sitzungen statt, die 1938 zu dem Entwurf einer umfassenden Zusammenstellung von Regeln fuhrten. Wegen des Krieges wurden diese 1940 publiziert, ohne daD eine Diskussion in einer breiteren Offentlichkeit erfolgt war. Bei der Tagung der Internationalen Union fur Chemie im Jahre 1947 wurde beschlossen, diese ,,Regeln von 1940" von Grund auf neu zu bearbeiten. Nach vielen Diskussionen wurden sie vollig neu geschrieben und nach der Tagung in Stockholm 1953 in Englisch und Franzosisch, den offiziellen Sprachen der Union, als ,,Vorlaufige Regeln fur die anorganisch-chemische Nomenklatur" herausgegeben. Diese wurden von den verschiedenen Nationalen Organisationen studiert; auf Grund der Kommentare und der Kritik von Seiten vieler Korperschaften und Personlichkeiten erfolgten erneute Beratungen in Zurich (1955), Reading (1956) und Paris (1957). Die hier vorgelegten Regeln stellen nach Meinung der Kommission[*]das beste umfassende Nomenklatur-System dar, obwohl einige der Namen und Regeln, die hier als Grundlage fur eine einheitliche Benennung gegeben sind, sich wahrscheinlich in manchen Sprachen als unhandlich oder unannehmbar erweisen werden. In solchen Fallen wird sich eine Anpassung oder sogar Anderung als notwendig erweisen; wir hoffen jedoch, daD es moglich sein wird, diese Anderungen gering zu halten und den Geist der IUPAC-Regeln zu bewahren. Die englische und die franzosische Fassung - die etwas verschieden sind sind als internationale Modelle zu betrachten, die als Grundlage fur Ubersetzungen in andere Sprachen dienen konnen. Die franzosische Fassung ist vermutlich das bessere Model1 fur die romanischen Sprachen, die englische fur die germanischen. Allerdings mu13 berucksichtigt werden, daD diese beiden Sprachen hier als die offiziellen Sprachen der Union benutzt worden sind und daD einige Nationen sich dieser Sprachen mit gewissen Abweichungen bedienen. Daher mag selbst in englisch oder franzosisch sprechenden Landern ein ahnliches Bedurfnis nach Anpassung oder Anderung bestehen; aber wir hoffen, daB man sich auch in diesen Fallen sorgfaltig bemuhen wird, die Abweichungen so gering wie moglich zu halten und den Geist unseres internationalen Modells zu bewahren. Das Bestreben der Kommission ist es stets gewesen, Regeln aufzustellen, die fur moglichst viele anorganische Verbindungen zu klaren und annehmbaren Namen fuhren. Es wurde jedoch bald deutlich, daD die Namen einer Verbin1'1
siehe S. XXX.
XXXII
Einfiihrung in die erste Ausgabe
dung unterschiedlichen Zwecken dienen; es war daher notwendig, Kompromisse zu schlieBen, um Regeln mit moglichst allgemeiner Anwendbarkeit aufzustellen. Die Hauptaufgabe ist es, dem Chemiker ein Wort oder mehrere Worter als Namen zur Verfugung zu stellen, die fur die betreffende Verbindung eindeutig sind und die zum mindesten die empirische Formel und wenn moglich auch die wesentlichen strukturellen Merkmale zum Ausdruck bringen. Der Name sollte aussprechbar sein und mit moglichst wenigen zusatzlichen Symbolen oder Schriftarten (z. B. Indices oder verschiedene Drucktypen) geschrieben oder gedruckt werden konnen. Viele anorganische Substanzen existieren nur im festen Zustand und zersetZen sich beim Schmelzen, beim Auflosen oder bei der Verdampfung. Einige Chemiker haben mit Nachdruck die Meinung vertreten, daB die Namen solcher Verbindungen sowohl uber die Struktur des Festkorpers als auch uber seine Zusammensetzung Auskunft geben sollen. Will man alle diese Informationen einschlieBen, so werden die Namen auBerst unhandlich; da zudem viele Strukturen unsicher oder umstritten bleiben, haben dann auch die Namen keinen dauernden Bestand. Fur allgemeine Zwecke ist daher eine erhebliche Beschrankung notwendig. Aus diesem Grund hat sich die Kommission bemiiht, ein System zu entwickeln, das sich auf die Zusammensetzung und die besonders kennzeichnenden Eigenschaften der Substanzen beschrankt und das die dem Wechsel unterworfenen theoretischen Aspekte so weit wie moglich unberucksichtigt 1aBt.
14
Allgemeine Ziele, Funktionen und Methoden der chemischen Nomenklatur Inhalt
1-1.1 1-1.2 1-1.3 1-1.3.1 1-1.3.2 1-1.3.3 I- 1.3.3.1 1-1.3.3.2 1-1.3.3.3 1-1.3.3.4 1-1.3.3.5 1-1.3.4 1-1.4 1-1.5
1-1.1
Geschichte und Ziele der chemischen Nomenklatur Funktionen der chemischen Nomenklatur Methoden der anorganisch-chemischen Nomenklatur Formulierung von Regeln Konstruktion von Namen Nomenklatursysteme Allgemeines Binarnomenklatur Koordinationsnomenklatur Substitutionsnomenklatur Weitere Systeme Nomenklatur fur Register Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der anorganischchemischen Nomenklatur Nomenklaturempfehlungen fur andere Gebiete der Chemie
Geschichte und Ziele der chemischen Nomenklatur
Vor Begrundung der Chemie als Wissenschaft schufen Alchemie und Technik ein reichhaltiges Vokabular fur die Benennung chemischer Substanzen; die Namen fur einzelne Spezies gaben jedoch kaum Hinweise auf deren Zusammensetzung. Im Jahre 1782, etwa zu Beginn der Etablierung der Chemie als Wissenschaft, entwickelte Guyton de Morveau[la1ein System der chemischen Nomenklatur. Guytons Feststellung, da13 eine unveranderliche Benennungsmethode, die das Verstandnis fordert und das Gedachtnis entlastet, notwendig ist, definiert klar das Anliegen der chemischen Nomenklatur. Sein System wurde in einer gemeinsamen Publikation[lb] mit Lavoisier, Berthollet und Fourcroy erIra] [lb]
L. B. Guyton de Morveau, 1 Phys. 1782,19, 310; Ann. Chim. Phys. 1798, I , 24. L. B. Guyton de Morveau, A. L. Lavoisier, C. L. Berthollet, A. F. de Fourcroy, Methode de Nomenclature Chimique, Paris, 1181.
2
A llrremeine Ziele. Funktionen und Methoden der chemischen Nomenklatur
weitert und von Lavoisier der Offentlichkeit vorgestellt[lCI.Spater setzte sich Berzelius fur Lavoisiers Ideen ein und adaptierte die Nomenklatur an die germanischen Sprachen[ld1.Er baute das System weiter aus und erganzte es durch viele neue Termini. Dieses System, formuliert vor der Aufstellung der Atomtheorie durch Dalton, basierte auf dem Konzept, daI3 Elemente mit Sauerstoff Verbindungen bilden; die Oxide wiederum reagieren miteinander unter Salzbildung. Die Zwei-Wort-Namen (engl. ,,two word names") gleichen in gewisser Hinsicht dem System von Linnaeus (Carl von Linne) zur Benennung von PflanZen und Tieren. Als die Atomtheorie soweit entwickelt war, daI3 man Formeln fur Oxide und fur andere binare Verbindungen schreiben konnte, wurden Namen gebrauchlich, die die Zusammensetzung mehr oder weniger genau wiedergaben. Namen, die die Zusammensetzung von Oxosalzen bezeichnen, wurden jedoch nicht eingefuhrt. Obwohl im Laufe des 19. Jahrhunderts die Anzahl anorganischer Verbindungen betrachtlich zunahm, wurde bis fast zum Ende des 19. Jahrhunderts am Grundschema der Nomenklatur wenig verandert. Wenn erforderlich, wurde ein Name vorgeschlagen; die Nomenklatur wuchs eher durch Ansammlung als durch Systematisierung. Als Arrhenius Ionen und Molekule unterschied, muI3ten neben den neutralen Spezies auch geladene Partikel benannt werden. Eine neue Nomenklatur fur Salze zu entwickeln, hielt man jedoch nicht fur notwendig. Kationen wurden durch die Namen der entsprechenden Metalle bezeichnet, Anionen durch einen modifizierten Namen des nichtmetallischen Bestandteils. Zusammen mit seiner Theorie der Koordinationsverbindungen schlug Werner"'] auch ein Nomenklatursystem vor, das nicht nur die Zusammensetzung der Verbindungen angab, sondern fur viele auch deren Struktur. Werners System fur Koordinationsverbindungen war insoweit additiv, als die Namen der Liganden vor dem Namen des Zentralatoms genannt werden, der, falls der Komplex ein Anion ist, durch das Suffix -at modifiziert wird. Werner verwendete schon Strukturdeskriptoren und Lokanten. Das System der Koordinationsnomenklatur war erweiterungsfahig und geeignet, auf neue Verbindungen und sogar auf andere Gebiete der Chemie angewendet zu werden. Die Genfer Konferenz von 1892 legte den Grundstein fur ein international akzeptiertes System der organisch-chemischen Nomenklatur; in der Geschichte der anorganisch-chemischen Nomenklatur gab es jedoch nichts Vergleichbares. Wahrscheinlich aus diesem Grund sind fur Spezialfalle viele ad hoc-Systeme entwickelt worden, die aber nicht fur den allgemeinen Gebrauch gedacht waren. Oft entstanden zwei oder mehr Methoden fur die Benennung einer Verbindung. Jeder Name mag fur eine spezielle Situation von Wert sein, oder er mag [Ic]
[Id] [Ie]
A. L. Lavoisier, Traitk Elkmenfaire de Chimie, 3. Aufl.. Deterville, Paris, 1801, Vol. I, S. 70-81, und Vol. 11. J. J. Berzelius, J Phys 1811, 73, 248. A. Werner, Neuere Anschuuungen uuf den Gebieten der Anorganischen Chemie, 3. Aufl., Vieweg, Braunschweig. 1913, S. 92-95.
Funktionen der chemischen Nomenklatur
3
von dem einen oder anderen Nutzer bevorzugt werden. Leider kann dies zur Venvirrung fuhren. Das Hauptziel der chemischen Nomenklatur ist es, Methoden fur die Zuordnung von Deskriptoren (Namen und Formeln) zu chemischen Substanzen bereitzustellen und dadurch die Kommunikation zu erleichtern. Ein zusatzliches Ziel ist die Standardisierung. Dies heiDt zwar nicht, unbedingt nur einen Namen fur eine Substanz zu fordern, doch sollte die Anzahl der annehmbaren Namen uberschaubar bleiben. Das offentliche Interesse an der Nomenklatur und deren Gebrauch darf nicht vergessen werden. In einigen Fallen ist die Identifizierung einer Substanz das alleinige Anliegen; dies war bis zur Entwicklung der Nomenklatur-,,Systeme" im ausgehenden 18. Jahrhundert die Hauptforderung an die chemische Nomenklatur. Noch heute werden von kleinen Expertengruppen eigene Trivialnamed' fl, Abkurzungen, Codes und dergleichen benutzt. Innerhalb solcher Gruppen mag dies genugen, solange deren Angehorige die zur Identifizierung notigen Konventionen kennen. Jedoch ist dies nicht Nomenklatur im oben definierten Sinn, denn solche Namen informieren nicht notwendigerweise durch eine erkennbare, eindeutige und allgemeingultige Methode uber Struktur und Zusammensetzung. Um allgemein anwendbar zu sein, mu13 die Nomenklatur diese Bedingungen erfullen; von einer unnotigen Verwendung umgangssprachlicher Namen oder Trivialnamen, Codes und Abkurzungen in der Wissenschaftssprache wird abgeraten.
1-1.2
Funktionen der chemischen Nomenklatur
Zur ersten Nomenklaturebene gehoren neben reinen Trivialnamen solche Namen, die in gewisser Weise systematisch uber eine Substanz informieren, jedoch keine Ruckschlusse auf die Zusammensetzung erlauben. Die meisten der gebrauchlichen Namen fur Oxosauren (z. B. Schwefelsaure, Perchlorsaure) und deren Salze gehoren zu diesem Typ. Solche Namen sind allenfalls halbsystematisch. Solange sie fur gebrauchliche Verbindungen venvendet und von Chemikern verstanden werden, kann man sie tolerieren, obwohl sie fur chemisch weniger Bewanderte nicht ausreichen, um die Zusammensetzung abzuleiten. Wenn ein nach den allgemeinen Regeln gebildeter Name Ruckschlusse auf die stochiometrische Formel einer Verbindung gestattet, wird er wirklich systematisch. Nur ein Name dieser zweiten Nomenklaturebene ist ohne Einschrankung fur Recherchen geeignet. [If]
Das Adjektiv ,,trivial" wird in der Nomenklatur im Sinne von ,,nichtsystematisch" venvendet und ist in keiner Weise abwertend gemeint. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Gemeint sind hier Trivialnamen im Sinne von Laborjargon usw., nicht aber die von der IUPAC weiter erlaubten Trivialnamen.
4
AlkemeineZiele. Funktionen und Methoden der chemischenNomenklatur
Heute miissen sich Chemiker oft mit der dreidimensionalen Struktur der Substanzen befassen. Der Wunsch, daruber zu informieren, hat schnell zugenommen. Hierzu mul3te die Systematisierung der Nomenklatur um eine dritte Spezifizierungsebene erweitert werden. Obwohl Chemiker bei der Beschreibung einer Verbindung nicht immer eine solche Genauigkeit anstreben, mochten sie auf diese Moglichkeit nicht verzichten. Eine vierte Nomenklaturebene kann fur diejenigen erforderlich sein, die umfangreiche Register chemischer Substanzen zusammenstellen oder benutzen mussen. Bei Mehrfacheintragungen einer gegebenen Verbindung steigen die Kosten fur Bearbeiter und Benutzer. Deshalb ist es fur diese Zwecke notwendig, systematische hierarchische Regeln aufzustellen, die zu einem einzigen Namen fur eine gegebene Substanz fuhren. Eine Verbindung wird somit, je nachdem, welche Details man betonen will, mehrere Namen haben.
1-1.3
Methoden der anorganisch-chemischen Nomenklatur
1-1.3.1
Formulierung von Regeln
Die Commission on the Nomenclature of Inorganic Chemistry (CNIC) beschaftigt sich mit allen Aspekten der Nomenklatur anorganischer Substanzen, gibt Empfehlungen fur das zweckmaljigste Vorgehen, systematisiert triviale Methoden und unterbreitet Vorschlage fur praktikable Losungen spezifischer Probleme. Diese Empfehlungen und Vorschlage betreffen die Schreibung von Formeln und die Generierung von Namen fur anorganische Substanzen. Nach Meinung der Kommission sollten Nomenklaturregeln so prazise formuliert werden, dalj sie eine systematische Basis fur die Bildung von Namen und Formeln innerhalb des definierten Anwendungsbereichs der Regeln bieten. Dabei muB die Anwendungsmoglichkeit der Regeln beim gegenwartigen und die Anwendungsmoglichkeit auf den kunftigen Stand der Chemie berucksichtigt werden. Neue Regeln mussen mit der bisher empfohlenen anorganischchemischen Nomenklatur und mit der Nomenklatur anderer Teilgebiete der Chemie vereinbar sein. Die Empfehlungen umfassen auch allgemeine Gepflogenheiten, sofern sie systematisch und unzweideutig sind. Regeln, die isoliert von der experimentellen Chemie entwickelt wurden, werden als Belastung empfunden und sind fur die Wissenschaft irrelevant. Die Entwicklung neuer Regeln kann zugleich eine rigorosere Uberarbeitung existierender Regeln notig machen, um Uneinheitlichkeiten oder MiBverstandnissen vorzubeugen und um eine Vermehrung von Namen zu vermeiden. Die Aktualisierung der Nomenklatur ist ein kontinuierlicher ProzeB; neue Entdeckungen stellen neue Anforderungen an die Nomenklatursysteme.
Methoden der anorganisch-chemischen Nomenklatur
1-1.3.2
5
Konstruktion von Namen
Die systematische Benennung einer anorganischen Substanz umfaBt die Konstruktion des Namens aus Namensteilen, die nach definierten Verfahren manipuliert werden, um uber Zusammensetzung und Struktur zu informieren. Die Elementnamen (oder von diesen oder von ihren lateinischen Aquivalenten abgeleitete Wortstamme) werden mit entsprechenden Affixen kombiniert, um systematische Namen nach einer Vielzahl von Verfahren, Nomenklatursysteme genannt, zu konstruieren. Es gibt mehrere akzeptierte Systeme fur die Namenskonstruktion, die in Abschnitt 1-1.3.3 diskutiert werden. Das vielleicht einfachste System ist das fur die Benennung binarer Verbindungen. Der Satz von Regeln fuhrt zu Namen wie Eisendichlorid fur FeC12; dieser Name entsteht durch das Nebeneinanderstellen der Elementnamen (Eisen, Chlor), ihre Anordnung in spezifischer Weise (elektropositiv vor elektronegativ), die Modifizierung des einen Elementnamens zur Angabe der Ladung (Endung -id bezeichnet ein Anion) und die Verwendung eines multiplikativen Prafixes (hier di-), um die Zusammensetzung anzugeben. Diese und andere Systeme werden gewohnlich in der systematischen anorganisch-chemischen Nomenklatur verwendet. Unabhangig vom Nomenklatursystem werden Namen immer aus Namensteilen konstruiert, die in folgende Klassen fallen: Namensstamme der Elemente Multiplikative Prafixe Lokanten Prafixe zur Angabe von Atomen oder Gruppen (Substituenten oder Liganden) Sufixe zur Angabe von Ladungen Suffixe zur Angabe von charakteristischen Gruppen Infixe Additive Prafixe Subtraktive Sufixe und Prafixe Deskriptoren (z. B. zur Beschreibung der Struktur, Geometrie, Stereoisomerie usw.) Interpunktion Die Anwendung dieser Namensteile ist in Kapitel 1-2 zu finden. Die Methoden, sie zum Namen zusammenzustellen, sind unterschiedlich; die Beherrschung der chemischen Nomenklatur erfordert daher die Kenntnis dieser Methoden.
6
A llgemeineZiele, Funktionen und Methoden der chemischenNomenklatur
1-1.3.3
Nomenklatursysteme
1-1.3.3.1
Allgemeines
Im Laufe der Entwicklung der systematischen Nomenklatur haben sich einige Systeme fur die Konstruktion von chemischen Namen bewahrt. Jedes System hat cine eigene Logik und einen eigenen Satz von Regeln (,,Grammatik"). Einige Systeme sind allgemein anwendbar, andere weniger. In manchen Gebieten der Chemie haben sich Spezialsysteme bewahrt. Die Existenz mehrerer eigenstandiger Nomenklatursysteme fuhrt in jedem System zu mehreren, unter sich logisch konsistenten Namen fur eine gegebene Substanz. Diese Flexibilitat ist manchmal sehr zweckmaflig, jedoch kann eine ubertriebene Vermehrung von akzeptablen Alternativen die Kommunikation hemmen, Probleme bei der Literaturrecherche verursachen sowie Handel und Gesetzgebung erschweren. Aus diesem Grunde bemuht sich die Kommission, Vorzugsregeln vorzuschlagen. Daruber hinaus kann es zu Verwechslungen kommen, wenn die ,,Grammatik" des einen Nomenklatursystems falschlich in einem anderen System verwendet wird. Dies fuhrt zu einer Fulle scheinbar systematischer Namen, die in Wirklichkeit keinem gegebenen System entsprechen. Drei Nomenklatursysteme sind fur Anorganiker von grundlegender Bedeutung. 1-1.3.3.2
Binarnomenklatur
In diesem System wird die Zusammensetzung einer Substanz durch Nebeneinanderstellen der Namen fur Elemente oder Elementgruppen, modifiziert oder unmodifiziert, angegeben, notigenfalls zusammen mit multiplikativen Prafixen. Das System wird wegen seiner Struktur Binarnomenklatur genannt, jedoch ist seine Anwendung nicht auf die Benennung von binaren Verbindungen beschrankt.
Beispiele: 1. Natriumchlorid 2. Siliciumdisulfid 3. Magnesium-chlorid-hydroxid Eine Grammatik ist notig, um die Anordnung der Bestandteile, die Verwendung multiplikativer Prafixe und die Modifizierung einiger Elementnamen (z. B. -silicid, -chlorid) zu regeln. Das stochiometrische System und seine Erweiterungen sind eine Basis fur die systematische Angabe der Zusammensetzung anorganischer Verbindungen, wenn deren Struktur unbekannt ist oder wenn Informationen uber die Struktur nicht erforderlich sind. Es kann leicht auf die Benennung von Verbindungen mit strukturell definierten Untereinheiten ausgedehnt werden (siehe Beispiel 8).
Methoden der anorganisch-chemischen Nomenklatur
7
Beispiele:
4. Natriumcyanid 5. Ammoniumchlorid 6. Uranyldifluorid 7. Natriumacetat 8. Dikalium-tetraoxosulfat 1-1.3.3.3
Koordinationsnomenklatur
Diese Nomenklatur ist ein additives System fur anorganische Koordinationsverbindungen (Komplexe). Sie behandelt eine Verbindung als Kombination aus einem Zentralatoms und seinen assoziierten Liganden (siehe Kapitel I- 10). Beispiele: 1. Triammintrinitrocobalt, [ C O ( N O ~ ) ~ ( N H ~ ) ~ ] 2. Natrium-pentacyanonitrosylferrat(2-), Na2[Fe(CN)5NO] Sie ist auch auf viele andere Gebiete anwendbar. Wegen der Vielfalt von Verbindungen, die zu dieser Klasse gehoren, sind umfangreiche Grammatikregeln ausgearbeitet worden. Diese gelten fur Ligandennamen, die Anordnung der Ligandennamen vor dem Namen des Zentralatoms, die Reihenfolge von Zentralatom und Liganden in Namen und Formeln, die Bezeichnung von Ladung und Oxidationszahl, die Bezeichnung der Stereoisomerie, die Bezeichnung der Verknupfung von komplizierten Liganden usw. Mit der Erweiterung dieses Systems auf Mehrkern- und Clusterverbindungen beschaftigt man sich gegenwartig intensiv. 1-1.3.3.4
Substitutionsnomenklatur
Dieses System, das umfassend zur Benennung organischer Verbindungen verwendet wird, ist auch zur Benennung vieler anorganischer Verbindungen geeignet. Es basiert dem Konzept eines Stammhydrids, das durch Austausch von Wasserstoffatomen durch Substituenten modifiziert ist (siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979). Das System wird fur die Benennung von Verbindungen verwendet, die sich formal von Hydriden bestimmter Elemente aus den Gruppen 14 bis 17 des Periodensystems ableiten lassen (siehe Kapitel 1-3). Diese Elemente bilden, ebenso wie Kohlenstoff, komplizierte Ketten und Ringe, von denen es viele Derivate geben kann; die Wasserstoffatome des Stammhydrids werden in diesem System nicht ausdrucklich genannt. Der Austausch von Wasserstoffatomen gegen charakteristische Gruppen ist Grundlage der Benennung einer Vielzahl von Verbindungen. Beispiele: 1. Brombutan
AllrremeineZiele. Funktionen und Methoden der chemischenNomenklatur
8
2. Difluorsilan 3. Trichlorphosphan
Umfangreiche Regeln sind erforderlich, um Stammverbindungen und Substituenten zu benennen, um die Reihenfolge der Substituentennamen festzulegen und um die Positionen der Substituenten anzugeben. Es ist klar, daI3 die Regeln eines jeden dieser Basissysteme eindeutige Namen fur eine gegebene Verbindung liefern konnen. Beispiel:
4. Siliciumtetrachlorid Tetrachlorosilicium Tetrachlorsilan
(Binarnomenklatur) (Koordinationsnomenklatur)' '"I (Substitutionsnomenk1atur)(la)
Die Koordinationsnomenklatur ist in der Anorganischen Chemie vielleicht am allgemeinsten anwendbar, die Substitutionsnomenklatur darf jedoch uberall dort angewendet werden, wo es zweckmaI3ig ist. Die Binarnomenklatur genugt, um die Zusammensetzung einfacher Verbindungen zu spezifizieren. 1-1.3.3.5
Weitere Systeme
Neben den genannten Basissystemen werden einige andere Systeme verwendet, um Namen fur spezielle Falle zu bilden. Die wichtigsten sind nachstehend erwahnt. 1. Die Nomenklatur fur Oxosauren und Oxoanionen ist fur Anorganiker von besonderer Bedeutung. Oxosauren und Oxoanionen lassen sich zwar nach der Koordinationsnomenklatur benennen, doch werden derzeit vorwiegend halbsystematische Namen benutzt, die noch immer auf den von Lavoisier und anderen gepragten Namen basieren. Fur jedes Element, das eine Oxosaure bildet, gibt es einen Saurenamen, der aus dem Elementnamen und dem Sufix -saure besteht. Namen fur davon abgeleitete Salze haben das Suffix -at. Obwohl die Namen weiterer Oxosauren des gleichen Elements einem allgemeinen Schema folgen konnen, sind Namen, die die Stochiometrie angeben, nie allgemein verwendet worden. Die Empfehlungen zur Nomenklatur dieser Verbindungen finden sich in Kapitel 1-9. Auch geben die konventionellen Namen fur kondensierte Sauren und ihre Salze selten Auskunft uber die Stochiometrie und sollten besser durch systematische Namen ersetzt werden. Beispiel: 1. Dichromsaure, H2Cr207 2. Natrium-cyclo-triphosphat, Na3P309 3. Phosphododecamolybdansaure, H3PMo12040 (';')
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Deutschen haben Halogene (oder Pseudohalogene) trdditionsgemal3 als Liganden (z. B. Chloro-, Cyano-) und als Substituenten (z. B. Chlor-, Cyan-) unterschiedliche Namen.
Internationale Zusammenarbeit in der Nomenklatur
9
2. Die Austauschnomenklatur, auch die ,,a"-Nomenklatur der Organischen Chemie, wird ebenfalls in der Anorganischen Chemie verwendet (siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Abschnitt C-0.6, Seite 123). Beispiele: 4. 1,4,7-Triazacyclononan, (NHCH2CH2)3(NH ersetzt CH2) 5. Dicarba-closo-pentaboran(5), B3C2H5(CH ersetzt BH) 6. Trinatrium-tetrathioarsenat, Na3AsS4 (S ersetzt 0) 3. Die Nomenklatur funktioneller Klassen ist ein System, das in der Organischen Chemie entwickelt worden ist, aber manchmal auch fur rein anorganische Verbindungen verwendet wird. Beispiele: 7. Phosphorsaureanhydrid, P4Ol0 8. Schwefelsaurediamid, S02(NH2)2 4. Die Additionsnomenklatur ist in der Anorganischen Chemie nicht auf die Koordinationsnomenklatur beschrankt und kann mit der Nomenklatur funktioneller Klassen kombiniert werden. Beispiele: 9. Ammoniak-Bortrifluorid (l/l), NH3.BF3 10. Triphenylphosphanoxid, (C6H5)3P0 5. Die Subtraktionsnomenklatur wird in der Organischen Chemie haufig verwendet. Sie ist jetzt in der Anorganischen Chemie, insbesondere fur Borverbindungen, eingefuhrt worden. Beispiele: 11. Des-N-methylmorphin (Verlust von CH2) 12. 6-Desoxy-a-~-glucopyranose (Verlust von 0) 13. 4,5-Dicarba-9-desbor-closo-nonaborat(2 -), [B6C2H8I2-(Verlust von BH)
1-1.3.4
Nomenklatur fur Register
Ein efizientes Register erfordert, dalj jede chemische Substanz durch nur einen eindeutigen Namen bezeichnet wird. Die von der CNIC empfohlenen Namen sind nicht notwendigerweise eineindeutig. Fur Register ausgewahlte Namen sollten aber mit den IUPAC-Empfehlungen konsistent und fur den Benutzer verstandlich sein.
1-1.4
Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der anorganisch-chemischen Nomenklatur
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Benennungspraxis unter englischsprechenden Chemikern wurde schon 1886 erkannt und fuhrte zu Vereinbarungen
10
Allrremeine Ziele. Funktionen und Methoden der chemischenNomenklatur
der britischen und der amerikanischen Chemischen Gesellschaft. Im Jahre 1913 wahlte der Council of the International Association of Chemical Societies eine Kommission fur Anorganische und Organische Nomenklatur, jedoch beendete der Erste Weltkrieg abrupt diese Aktivitaten. Die Arbeit wurde 1921 wieder aufgenommen, als die International Union of Pure and Applied Chemistry auf ihrer zweiten Konferenz Kommissionen fur die Nomenklatur der Anorganischen, Organischen und Biologischen Chemie berief. Der erste umfassende Bericht der anorganischen Kommission erschien 1940[lgl.Dieser hatte grol3en Einflu0 auf die Systematisierung der anorganisch-chemischen Nomenklatur und machte vielen Chemikern die Notwendigkeit klar, eine vollig systematische Nomenklatur zu entwickeln. Zu den wichtigen Aussagen in diesem Bericht gehort die Annahme des Stock-Systems zur Angabe der Oxidationsstufe['h], die Festlegung von Prioritatsfolgen fur die Nennung der Bestandteile von binaren Verbindungen in Formeln und Namen, der BeschluB, Ausdrucke wie Bicarbonat usw. in den Namen saurer Salze nicht mehr zu verwenden und die Entwicklung einheitlicher Praktiken fur die Benennung von Additionsverbindungen. Diese IUPAC-Regeln wurden aktualisiert und 1959["1 als Broschure veroffentlicht. Sie enthielt unter anderem Kapitel uber kristalline Phasen variabler Zusammensetzung, nichtstochiometrische Verbindungen und Polymorphie. Koordinationsverbindungen wurden ebenfalls behandelt. Der Bericht spezifizierte die Plazierung von Massenzahl und Ordnungszahl am Elementsymbol und die Nomenklatur isotop modifizierter Verbindungen. Eine zweite Revision erschien I97 l[lJl. Diese enthielt eine erhebliche Erweiterung der Koordinationsnomenklatur, eine kurze Behandlung von Borhydriden, eine umfangreichere Tabelle von Namen fur Ionen, Radikale, Liganden und Substituenten, eine Tabelle der Prafixe und eine Tabelle der Namen fur Elemente als Substituenten. Das Ewens-Bassett-System[' k] zur Angabe der Ionenladung an einem Ion wurde aufgenommen. Die Ordnungsprinzipien fur die Nennung von Namen und Symbolen wurde auf zwei beschrankt: eine alphabetische Folge und eine Elementfolge, die auf einer durchgehenden Linie basiert, die durch die 18Gruppen-Form des Periodensystems der Elemente gezogen ist(Ib). Seit 1971 hat die Kommission Nomenklatur-Dokumente uber Borhydride und verwandte Verbindungen["], Stickstofllydride und davon abgeleitete Ionen
[Id W. P. Jorisson, H. Bassett, A. Damens, A,, F. Fichter, H. Remy, Ber. Dtsch. Chem. Ges. A 1940, 73, 53; J Chem. Soc. 1940, 1404; J Am. Chem. SOC. 1941, 63, 889. [Ih] A. Stock, Angerv. Chem. 1919, 32, 273; 1920, 33, 78. [I1] Nomencluture qf Inorganic Chemistry, 1957 Report of CNIC, IUPAC, Butterworths, London, 1959; J Am. Chem. Soc. 1960, 82, 5523. ['J] Nomencluture qf Inorgunic Chemistry, 2. Aufl., Butterworths, London, 1971. [Ik] R. V. G. Ewens, H. Bassett, Chem. Ind. (London) 1949, 131. (Ih)
['I]
Anrnerkung zur deutschen Ausgabe: Die Rangfolge von Nichtmetallen in binaren Verbindungen aus Nichtmetallen weicht in einigen Fallen hiervon ab. Nomenclature of Inorganic Boron Compounds, Pure Appl. Chem. 1972,30, 683.
Nomenklaturempfhlungen fur andere Gebiete der Chemie
11
und Ligandeni'"], systematische Namen fur schwere Elernente['"], isotop modifizierte Verbindungen['"] und regulare einstrangige und quasi-einstrangige anorganische Koordinationspolymere[lPlveroffentlicht. Die Kommission hat ein Supplement zu den Regeln von 1970 mit dem Titel ,,How to Name an Inorganic Substance"['ql herausgegeben, das eine stark erweiterte Tabelle von Namen fur Ionen, Radikale, Liganden und Substituenten enthalt. Zusammen mit der Commission on the Nomenclature of Organic Chemistry hat die Kommission auch eine vorlaufige Fassung der Nomenklatur fur Organoelementverbindungen[lrlveroffentlicht, die Ketten und Ringe mit regelmaDigen Folgen von Heteroatomen sowie Verbindungen mit Phosphor, Arsen, Antimon und Bismut, Organosiliciumverbindungen und Organoborverbindungen einschlieI3t.
1-1.5
Nomenklaturempfehlungen fur andere Gebiete der Chemie
Die anorganisch-chemische Nomenklatur entwickelt sich unter Beachtung der Empfehlungen fur andere Gebiete der Chemie. Auf interdisziplinaren Gebieten wie der Organometallchemie sind Kenntnisse der Nomenklaturpraktiken in der Organischen, Biologischen und Makromolekularen Chemie notwendig. Als Anleitung fur Anorganiker, die auf solchen Gebieten arbeiten, sind diesem Kapitel zusatzliche Hinweise['s]['tl[lUIauf Nomenklaturbereiche, die die Anorganische Chemie beruhren, beigefugt.
Nomenclature of Hydrides of Nitrogen and Derived Cations, Anions, and Ligands, Pure Appl. Chem. 1982, 54, 2545. Naming of Elements of Atomic Numbers Greater than 100, Pure Appl. Chem. 1979,51, 381. Isotopically Modified Compounds, Pure Appl. Chem. 1981, 53, 1887. Nomenclature of Regular Single-strand and Quasi Single-strand Inorganic and Coordination Polymers, Pure Appl. Chem. 1985, 57, 149. How to Name an Inorganic Substance. A Guide to the Use of ,,Nomenclature of' Inorganic Chemistry", Pergamon Press, Oxford, 1977. Nomenclature of Organic Chemistry, Pergamon Press, Oxford, 1979, Section D. Compendium of Analytical Nomenclature, Definitive Rules, 1987, 2. Aufl., Blackwell Scientific Publications, Oxford, 1987. Compendium of' Chemical Terminology. IUPAC Recommendations, Blackwell Scientific Publications, Oxford, 1987. Quantities, Units and Symbols in Physical Chemistry, Blackwell Scientific Publications, Oxford, 1988.
1-2
Grammatik INHALT
Einleitung 1-2.1 Klammern 1-2.2 Allgemeines 1-2.2.1 Eckige Klammern 1-2.2.2 1-2.2.2.1 Verwendung in Formeln 1-2.2.2.2 Verwendung in Namen Runde Klammern 1-2.2.3 1-2.2.3.1 Verwendung in Formeln 1-2.2.3.2 Verwendung in Namen Geschweifte Klammern 1-2.2.4 Bindestriche, Plus- und Minus-Zeichen, lange Striche 1-2.3 und andere Angaben zur Bindung Bindestriche 1-2.3.1 Plus- und Minus-Zeichen 1-2.3.2 Lange Striche 1-2.3.3 Spezielle Bindungsangaben in linearisierten Formeln 1-2.3.4 Schragstriche 1-2.4 Punkte, Doppelpunkte, Kommas und Semikolons 1-2.5 Punkte 1-2.5.1 Doppelpunkte 1-2.5.2 Kommas 1-2.5.3 Semikolons 1-2.5.4 Leerraume 1-2.6 Auslassungen 1-2.7 Zahlenangaben 1-2.8 Arabische Ziffern 1-2.8.1 Romische Ziffern 1-2.8.2 Kursivschreibung 1-2.9 Griechische Buchstaben 1-2.10 Sternchen 1-2.1 1 Strichindices 1-2.12 Multiplikative Prafixe 1-2.13 Lo kan ten 1-2.14 1-2.14.1 Einleitung 1-2.14.2 Arabische Ziffern 1-2.14.3 Kleinbuchstaben
Einleitung ~
13
~~
1-2.17
Prioritaten (Rangfolgen) Einleitung Elektronegativitatskriterium Alphabetische Ordnung Prioritatsfolge der Elemente Andere Prioritatsfolgen Organisch-chemische Prioritatsfolgen Prioritat von Ligandentypen Prioritaten in Namen und Formeln fur Salze Isotope Markierung und Modifizierung Stereochemische Prioritaten Prioritatsfolgen fur Interpunktionszeichen Affixe (Prafixe, Suffixe und Infixe) AbschlieBende Bemerkungen
1-2.1
Einleitung
1-2.15 1-2.15.1 1-2.15.2 1-2.15.3 1-2.15.4 1-2.15.5 1-2.15.5.1 1-2.15.5.2 1-2.15.5.3 1-2.15.5.4 1-2.15.5.5 1-2.15.5.6 1-2.16
Die chemische Nomenklatur ist mit einer Sprache vergleichbar. Als solche ist sie aus Wortern aufgebaut, und es ist eine Syntax zu beachten. In der Sprache der chemischen Nomenklatur sind die Namen der Atome die Worter. Wie man Worter zu Satzen zusammenstellt, so werden aus den Namen der Atome die Namen fur chemische Verbindungen gebildet. Die Syntax ist ein Satz von Grammatikregeln fur den Aufbau von Satzen aus Wortern. In der Nomenklatur schlieBt diese Syntax die Verwendung von Symbolen wie Punkte, Kommas und Bindestriche, die Verwendung von Ziffern an vorgegebenen PlatZen fur bestimmte Zwecke sowie die Reihenfolge ein, in der die Worter, Silben und Symbole genannt werden. Nomenklatursysteme verwenden stets einen Stamm, auf dem der Name aufgebaut wird. Dieser Stamm kann vom Namen einer Stammverbindung abgeleitet werden, wie sil (von Silan) in der Substitutionsnomenklatur (vorwiegend fur organische Verbindungen verwendet), oder vom Namen eines Zentralatoms wie cobalt in der Additionsnomenklatur (vorwiegend in der Koordinationschemie verwendet). Namen werden durch Kombinieren anderer Einheiten mit diesen Stammen konstruiert. Zu den wichtigsten Einheiten gehoren Affixe. Das sind Silben oder Ziffern, die Wortern oder Stammen zugeordnet werden; die Affixe konnen als Suffixe, Prafixe oder Infixe fungieren, je nachdem, ob sie nach, vor oder in einem Wort oder Stamm plaziert sind. Reprasentative Beispiele sind in Tabelle IX zusammen mit ihren Bedeutungen aufgelistet. Suffixe (Endungen) gibt es in mehreren Arten, von denen jede eine spezifische Information vermittelt. Die folgenden Beispiele veranschaulichen beson-
14
Grammutik
dere Anwendungen. Sie konnen den Sattigungsgrad einer Stammverbindung in der Substitutionsnomenklatur spezifizieren: Hexan, Hexen, Hexin und Phosphan, Diphosphen, Diphosphin(2”).Andere Endungen geben die Art der Ladung der Gesamtverbindung an; -cobaltat bezeichnet ein Anion. Weitere Suffixe konnen anzeigen, da13 der Name fur einen Substituenten steht wie in Hexyloder Cobaltio-. Ahnliches gilt fur Radikale. Prafixe bezeichnen z. B. Substituenten in der Substitutionsnomenklatur, wie im Namen Chlortrisilan, und Liganden in der Additionsnomenklatur, wie im Namen Aquacobalt. Als Prafixe werden auch Zahlen verwendet, um spezifische Informationen wie etwa uber einen Verknupfungspunkt zu geben, z. B. 2-Chlor= trisilan; oder es konnen multiplikative Prafixe (Tabelle 111) sein, die die Anzahl gleichartiger Bestandteile oder Liganden, z. B. Hexuaquacobalt, ausdrucken. Prafixe, die Informationen zur Struktur der Spezies geben, sind in Tabelle V zusammengestellt. Andere Angaben werden verwendet, um die Beschreibung einer Verbindung zu vervollstandigen. Dazu gehoren die Ladungszahl (EwensBassett-Zahl) zur Angabe der Ionenladung, z. B. Hexaaquacobalt(2 +), und, als Alternative, die Oxidationszahl (Stock-Zahl) zur Angabe der Oxidationsstufe des Zentralatoms, z. B. Hexaaquacobalt(I1). Die in einkernigen Komplexen einfache Bezeichnung von Zentralatom und Liganden ist in mehrkernigen Verbindungen schwieriger, wenn mehrere Zentralatome zu benennen sind. Dann mu13 eine Prioritatsfolge, eine Rangfolge der Nennung, eine Vorzugsregel oder Hierarchie festgelegt werden. Dieses Problem tritt bei vielkernigen Koordinationsverbindungen, Polyoxoanionen sowie Ketten- und Ringverbindungen auf. Eine in der organisch-chemischen Nomenklatur verwendete Hierarchie ist die von charakteristischen Gruppen. Tabelle IV zeigt ein Beispiel fur Prioritatsfolgen, die in der anorganisch-chemischen Nomenklatur verwendet werden. Alle diese in Namen (oder Formeln) verwendeten Bezeichnungsweisen werden zusammen mit ihrer Bedeutung und den Anwendungsgebieten im folgenden nacheinander beschrieben. Ziel dieses Kapitels ist es, eine Anleitung fur die Bildung des Namens oder der Formel einer anorganischen Verbindung zu geben und eine Moglichkeit der Prufung anzubieten, damit der abgeleitete Name oder die Formel den akzeptierten Grundsatzen entsprechen. (Zit)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Siittigungsgrad bezeichnet das Vorkommen von Einfach-. Doppel- bzw. Dreifachbindungen in Ketten- oder Ringsystemen; daher wurden die im Original verwendeten Namen phosphene, phosphyne durch Diphosphen, Diphosphin ersetzt (die Kursivbuchstaben dienen hier der Hervorhebung). Die Ubersetzung der englischen Endung -yne mit -in bringt im Deutschen solange Probleme mit sich. wie die Verwendung von Namen wie Phosphin, Arsin, Stibin fur PH3. AsH3, SbH3 und deren Derivate noch erlaubt ist. Im Interesse der systematischen Nomenklatur sollte fur PH3 und seine Derivate kiinftig nur noch die Bezeichnung Phosphan verwendet werden. Dann kann beispielsweise dem Namen Diphosphin eindeutig die Spezies PEP zugeordnet werden. In dieser Ubertragung wird PH? durchgehend Phosphan und -PH2 durchgehend Phos= phanyl- genannt.
Klammern
1-2.2
Klammern
1-2.2.1
Allgerneines
15
Die chemische Nomenklatur verwendet drei Typen von Klammern: geschweifte Klammern { }, eckige Klammern [ ] und runde Klammern ( ). Die letzten beiden Arten werden haufig gebraucht. Wo in der FORMEL einer anorganischen Verbindung die Venvendung mehrerer Satze von Klammern notig ist, werden eckige, runde und geschweifte Klammern folgendermaI3en angeordnet : [( )], [{( )}I, [{[( )I}], [ { {[( )]}}I usw. Wenn im NAMEN einer anorganischen Verbindung die Verwendung mehrerer Satze von Klammern notig ist, andert sich die Reihenfolge: { { {[( )I}}} usw.
1-2.2.2
Eckige Klamrnern
1-2.2.2.1
Verwendung in Formeln
Eckige Klammern werden in
FORMELN
in folgender Weise verwendet:
(a) Um die gesamte Formel einer neutralen Koordinationsverbindung einzuschliel3en. Beispiele: 1. [Fe(CsHs)d 2. [PtC12(C,Hd(NH3)1
Nach einer eckigen Klammer sollte in diesem Fall kein multiplikativer Index kommen. Beispielsweise sollte fur das Ethylenderivat von PtCl, innerhalb der eckigen Klammer angezeigt werden, daD die Molekulformel das Doppelte der empirischen Formel ist. Beisp iel: 3. [ {PtC12(C2H4)}2]ist informativer als [Pt2C14(C2H4)2].Die Schreibung [PtCl2(C2H4)I2ist falsch.
(b) Um ein Komplex-Ion einzuschlieI3en. Hier steht der Exponent fur die Ladungsangabe aul3erhalb der eckigen Klammer, ebenso wie ein Index fur die Anzahl der Komplex-Ionen im Salz. Beispiele: 4. [Al(OH)(H20),]2' 5. Ca[AgF412
Grammatik
16
(c) Um Homopolyanionen und Heteropolyanionen einzuschlieflen.
Beispiele: 6. [S2O5I27. [pw1204013(d) Um Strukturformeln einzuschlieDen. Beispiele: 8. [02HPOPH02: r
9.
~
t
p _-
(e) Um ein Komplex-Ion in der Formel eines Salzes einzuschlieDen.
Beispiele: 10. K[PtCl,(C,H,)] 1 1. [Co(NH3)61[Cr(CN)61 12. [CO(SC(NHM~)~}~](SO,) 13. [CO(N3)(NH3)5ISO, 14. [CoCl,(en)],(NO,) (en = Ethan-l,2-diamin)
(0 In der Festkorperchemie bezeichnen eckige Klammern ein Atom oder eine Gruppe von Atomen in einer oktaedrischen Lage. Beispiel: 15. (Mg)[Cr,lO, (g) In spezifisch markierten Verbindungen. Beispiel: 16. H2[”N]NH2 Man beachte, daD die markierte Verbindung dadurch von der isotop substituierten Verbindung, H215NNH2,unterschieden wird. (h) In selektiv markierten Verbindungen.
Beispiel: 17. [‘80,32P]H3P04 , 1-2.2.2.2 Verwendung in Namen Eckige Klammern werden in
NAMEN
in folgender Weise verwendet :
(a) In Namen von spezifisch und selektiv markierten Verbindungen wird das Nuklidsymbol in eckigen Klammern vor dem Namen des Teils der Verbindung
Klammern
17
plaziert, der isotop modifiziert ist. Isotop substituierte Verbindungen jedoch siehe Abschnitt 1-2.2.3.2(h). Beispiele: 1. [15N]H2[2H] 2. [13C][Fe(CO)5]
[2H1,15N]Ammoniak [13C]Pentacarbonyleisen
Wegen weiterer Einzelheiten siehe Abschnitt 1-4.7.2 und Nomenclature of Inorganic Chemistry, Isotopically Modified Compounds, Pure Appl. Chem. 1981, 53, 1887. (b) Organische Liganden und andere organische Teile von Koordinationsverbindungen werden nach der organisch-chemischen Nomenklatur benannt. Fur die Venvendung eckiger Klammern gelten hier die in Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, festgelegten Prinzipien.
1-2.2.3
Runde Klammern
1-2.2.3.1
Verwendung in Formeln
Runde Klammern werden in
FORMELN
wie folgt verwendet :
(a) Um Satze gleicher Gruppen von Atomen einzuschlieben (die Einheit kann ein Ion, Substituent oder Molekul sein). Gewohnlich folgt der abschliebenden runden Klammer ein multiplikativer Index. Bei einfachen Oxoionen ist die Verwendung von runden Klammern nicht obligatorisch. Beispiele: 1. ca3(po4)2 2. B3H3(NCH3)3 3. “i(C0)41 4. (HB02)n 5. (NO3)- oder NO36. [FeH(H2)(Ph2PCH2CH2PPh2)2] +
(b) Um die Formel eines neutralen oder geladenen Liganden in einer Koordinationsverbindung einzuschlieben. Die Liganden sollen dadurch voneinander oder vom restlichen Teil des Molekuls getrennt werden, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden. Runde Klammern konnen auch dann venvendet werden, wenn kein multiplikativer Index notig ist. Beispiel: 7. [Co(ONO)(NH3)5]SO, (c) Um in Formeln, die auf der Zusammensetzung basieren, die Abkurzung fur einen Ligandennnamen einzuschlieben. Erlaubte Abkurzungen fur Ligandennamen sind in Tabelle 1-10.5 und Tabelle X enthalten.
18
Grarnmatik
Beispiel: 8. [Co(en),13' (d) In der Festkorperchemie in Formeln, um Symbole von Atomen einzuschlieDen, die die gleiche Gitterlage in einer Zufallsverteilung einnehmen. Die Symbole selbst werden durch ein Komma ohne Leerraum getrennt. Beispiel: 9. K(Br,Cl) (e) In der Festkorperchemie, um ein Atom oder eine Gruppe von Atomen in tetraedrischer Umgebung zu bezeichnen. Beispiel: 10. (Mg"r2104 (f) Um die Zusammensetzung einer nichtstochiometrischen Verbindung anzu-
geben. Beispiele: 1 1. Fe3sLi4-ITi2(I-r)06 12. LaNi5H,
(x = 0,35) (0 < x < 6,7)
(g) In der Kroger-Vink-Notation (siehe Kapitel I-6), um einen Defekt-Cluster anzugeben. Beispiel: 13. (CrMg I/,gCrMg)" (h) Um bei kristallinen Substanzen den Kristalltyp anzugeben.
Beispiele: 14. ZnS(c) 15. AuCd( CSCI-Typ)
(c) steht fur kubisch
(i) Um bei optisch aktiven Verbindungen die Zeichen der Drehrichtung oder die Symbole fur die absolute Konfiguration einzuschliel3en. Beispiel: l6. (+)589[Co(en)31C13 1-2.2.3.2
Verwendung in Namen
Runde Klammern werden in
NAMEN
wie folgt verwendet:
(a) Nach multiplikativen Prafixen wie bis und tris, sofern nicht eine Rangfolge fur ineinandergesetzte Klammern zu beachten ist (siehe Abschnitt 1-2.2.1). Beispiel: 1. [ C U C ~ ~ ( C H ~ N H ~Dichlorobis(methylamin)kupfer(II) )~]
Klammern
19
(b) Um Oxidations-(Stock)- und Ladungs-(Ewens-Bassett)-Zahlen einzuschlieBen. Beispiel: 2. Na[B(N03)41
Natrium-tetranitratoborat(Ir1) oder Natrium-tetranitratoborat( 1-)
(c) Um in Namen fur Additionsverbindungen und Clathrate die Angabe der stochiometrischen Verhaltnisse einzuschlieBen. Beispiel: 3. 8H2S. 46H20
Hydrogensulfid-Wasser (8/46)
(d) Um die kursiv geschriebenen Elementsymbole einzuschlieBen, die Bindungen zwischen zwei (oder mehr) Metallatomen in Koordinationsverbindungen bezeichnen. Be ispiel: 4. [oS3(Co)i 21
cyclo-Tris(tetracarbonylosmium)(3 0s-0s)
(e) Um Stereodeskriptoren einzuschlieDen (siehe Kapitel I- 10). Beispiel: 5 - [Co(N02)3(NH3)31
(OC-6-22)-Triammintrinitrocobalt(1rr)
(0 Um Namen anorganischer Liganden mit multiplikativen Prafixen wie (Tri = phosphato), einzuschlieBen, sowie zur Vermeidung von Mehrdeutigkeiten fur Thio-, Seleno- und Telluro-Analoga von Oxoanionen mit verschiedenen Atomen, wie (Thiosulfato). (Thio)(sulfato) bedeutet zwei Liganden. (g) Um alle Namen organischer Liganden, ob neutral oder nicht, ob substituiert oder nicht, z. B. (Benzaldehyd), (Benzoato), falls notig, einzuschlieBen und damit Mehrdeutigkeiten zu vermeiden. Wo die Ligandennamen selbst runde Klammern enthalten, mu13 man Klammern hoherer Ordnung benutzen. Beispiel: 6 . [PtCl,(CzH4)]-
Trichloro(ethylen)platinat( Ir)-Ion
Diese Formulierung vermeidet eine Verwechslung mit Trichlorethylen als Ligand am Platin. (h) In isotop substituierten Verbindungen, um die entsprechenden NuklidSymbole vor dem Namen fur den Verbindungsteil zu kennzeichnen, der isotop substituiert ist (siehe Pure Appl. Chern. 1981, 53, 1887). Man vergleiche auch Abschnit t 1-2.2.2.2(a) uber den Gebrauch eckiger Klammern. Beispiel: 7. H~HO
(i) Um die Zahlenangabe fur die Anzahl von Wasserstoffatomen in Borhydriden einzuschlieBen.
20
Grammat ik
Hexaboran( 10)
1-2.2.4
Geschweifte Klammern
Diese werden in NAMEN und FORMELN in der im Abschnitt 1-2.2.1 genannten hierarchischen Rangfolge verwendet.
1-2.3
Bindestriche, Plus- und Minuszeichen, lange Striche und andere Angaben zur Bindung
1-2.3.1
Bindestriche[2a],(2b)
Bindestriche werden in NAMEN und in FORMELN verwendet. Es darf an keinem Ende des Bindestrichs ein Leerraum sein. (a) Um Symbole wie p (my), q (eta) und des Namens zu trennen.
K
(kappa) vom Rest der Formel oder
(b) Um Strukturmodifikatoren wie cyclo, catena, triangulo, guadro, tetrahedro, octahedro, closo, nido, arachno, cis und trans sowie (OC-6-42), A und 3L vom Rest der Formel oder des Namens zu trennen. In den Bezeichnungen von Aggregaten oder Clustern werden Lokanten in gleicher Weise getrennt. Beispiel:
1.
p,-Iodmethylidin-cyclo-tris( tricarbonyl= cobalt)(3 Co-Co)
Oft wird in Texten zwischen Minus-Zeichen und Bindestrich nicht unterschieden. In diesem Band ist das Minus-Zeichen Ianger als der Bindestrich. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: In den Abschnitten 1-2.3.l(a) bis (e) und dem fur die deutsche Sprache formulierten Zusatzabschnitt 1-2.3. I(f) wird die Verwendung von Bindestrichen geregelt. Daneben konnen Bindestriche im Deutschen zur Verbesserung der Lesbarkeit eingefugt werden. Zur Unterscheidung von Alternativen sind sie aber unbrauchbar, d a sie sich im normalen Buchdruck von Bindestrichen am Zeilenende nicht unterscheiden lassen; hier kann die Verwendung von Klammern zur Klarheit beitragen [z. B. sind die Namen fur die Liganden (C,H,)(CH,) nicht Cyclopentadienyl-methyl- oder gar Cyclopentadienylmethyl-, sondern Cyclopentadienyl(methyl)-1, es sei denn, in abgetrennten Namen fur chemische Verbindungen wird als Zeichen der Silbentrennung ein anderes Symbol (wie in dieser Ubertragung das ,,= ‘7 venvendet.
Bindestriche. Plus- und Minuszeichen. lanae Striche
21
(c) Um Lokanten vom Rest des Namen zu trennen. Beispiel: 2. Si3H5C13
1,2,3-Trichlortrisilan
(d) Um das Symbol des markierenden Nuklids von seinem Lokanten in der Formel einer selektiv markierten Verbindung zu trennen. Beispiel: 3. [ 1-2H1;2]SiH30SiH20SiH3 (e) Um den Namen eines Briickenliganden vom Rest des Namens, auch wenn dieser in Klammern steht, zu trennen. Beispiel: 4- [Fe2(C0)91
Tri-p-carbonyl-bis(tricarbony1eisen)
(0 Zusatzlich konnen im Deutschen Bindestriche verwendet werden, um in Namen fur binare Verbindungen den elektropositiven Teil des Namens vom elektronegativen zu unterscheiden. Enthalt der Name eine (in Klammern eingeschlossene) Oxidations- oder Ladungszahl, so wird die Verwendung eines Bindestrichs nach der Klammer dringend empfohlen(2b),(2c). Beispiele: 5. NaTl(N03)2 6. FeC13
1-2.3.2
Natrium-thallium-dinitrat Eisen(m)-chlorid
Plus- und Minus-Zeichen
Die Zeichen + und - werden in Formeln und Namen verwendet, um die Ladung eines Ions anzugeben. Beispiele: 1. c12. Fe3+ 3. so424. Tetracarbonylcobaltat( 1-) Sie konnen auch die Richtung der optischen Drehung in Formel oder Namen einer optisch aktiven Verbindung angeben. Beispiel: 5. (+)ss9[Co(en)3I3'
( +)589-Tris(ethan-l,2-diamin)cobalt(3+)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Punkt (f) ist nicht Bestandteil des englischen Regeltextes.
22
Grammat ik
1-2.3.3
Lange Striche
(a) Lange Striche werden in der anorganisch-chemischen Nomenklatur in FORMELN nur verwendet, wenn diese strukturiert sind. In NAMEN werden ahnliche Striche verwendet, wenn man eine Metall-Metall-Bindung in vielkernigen Verbindungen angeben will. Sie trennen die kursiv geschriebenen Symbole der Bindungspartner, die in runden Klammern am Ende des Namens stehen. Beispiel: 1. [Mn2(C0)101
Bis(pentacarbonylmangan)( Mn-Mn) (b) Sie werden in Namen von Additionsverbindungen verwendet, um die molekularen Bestandteile zu trennen. Beispiele: 2. 3CdS04 * 8H20 3. 2CHC13.4H2S.9 H 2 0
1-2.3.4
Cadmiumsulfat-Wasser
(3/8)
Chloroform-Hydrogensulfid-Wasser
(2/4/9)
Spezielle Bindungsangaben in linearisierten Formeln
Die Symbole 1- und 1- (eine nach unten bzw. oben offene lange eckige Klammer)(2d)konnen in linearisierten Formeln verwendet werden, um Bindungen zwischen nicht benachbarten Atomen zu kennzeichnen. Beispiele: m
[(q5-C5H,)NiS=P(CH3)2](2c)
1-2.4
Schragstriche
Der Schragstrich ( / ) wird in Namen fur Additionsverbindungen verwendet, um die Zahlen zu trennen, die die Proportionen der Bestandteile der Verbindung angeben. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Nach den Konventionen zur Darstellung von Strukturformeln bedeutet eine Ecke eine CH2-Gruppe. Fur die Darstellung linearisierter Strukturformeln stehen Festlegungen noch aus. (”)
-
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Original steht die Formel [NiS= P(CH3)2(q5-CSHS)]. Der besseren Verstindlichkeit halber wurde sie im Stil von Beispiel 2 umgestellt.
Punkte. Douueluunkte. Kornrnas und Sernikolons Beispiele: 1. BF3.2H20 2. BiC13.3PCl5
23
Bortrifluorid-Wasser (1/2) Bismuttrichlorid-Phosphorpentachlorid (1/3)
1-2.5
Punkte, Doppelpunkte, Kommas und Semikolons
1-2.5.1
Punkte
Punkte werden in
FORMELN
in mehreren Positionen verwendet :
(a) Als Exponenten zeigen sie ungepaarte Elektronen in Radikalen an (siehe Abschnitt 1-4.4.3). Bei Ubergangsmetallkomplexen wird eine solche Angabe oft als unnotig erachtet. Beispiel: 1. [V(CO)~I-
(b) Als Exponenten in der Kroger-Vink-Notation der Festkorperchemie zeigen sie die Anzahl der positiven Effektivladungen an (ein Punkt steht fur eine Ladungseinheit). Beispiel: 2. LiXLi,l-~xMgLi,sVti,.xCl&
(c) Zentrale Punkte in FORMEL 'on Hydrat n, Additionsverbindungen, Doppelsalzen und Doppeloxiden trennen die Bestandteile. Der Punkt wird in die Mitte der Zeile geschrieben, um ihn vom Punkt am Satzende zu unterscheiden. Beispiele: 3. ZrC120. 8H20 4. NH3.BF3 5 . CuC12 * 3Cu(OH)2 6. Ta205.4wo3
1-2.5.2
Doppelpunkte
(a) Doppelpunkte werden in NAMEN von Koordinationsverbindungen verwendet, um die koordinierenden Atome eines Liganden, der Zentralatome verbruckt, zu trennen. Beispiel: 1 [{Co(NH3)3}2(pN02)(pOH)2]Br3 D~-yhydroxo-(~-n~tr~to-~N:KO)b~s(tr~amm~ncobalt)(3 +)-tribromid
24
Gramma t ik
(b) In Namen von Borverbindungen werden Doppelpunkte verwendet, um die Satze der Lokanten fur die Boratome zu trennen, die durch Wasserstoffatome verbruckt sind (siehe Kapitel 1-11). Beispiel: 2. B9H I5
(3,4:3,9:5,6:6,7:7,8-Penta-CLH)-(3-endo--nonaboran(
15)
(c) Um die kursiv geschriebenen Elementsymbole der konstitutionellen Repetiereinheit eines anorganischen Polymers anzuzeigen. Siehe Nomenklatur fur regulare einstrangige und quasi-einstrangige anorganische und Koordinationspolymere, Pure Appl. Chem. 1985, 57, 149.
1-2.5.3
Kommad2q
Kommas werden in
NAMEN
auf funf Arten verwendet:
(a) Um Lokanten zu trennen: siehe Beispiel 1 in Abschnitt 1-2.5.4. (b) Um die Symbole der koordinierenden Atome eines vielzahnigen ChelatLiganden zu trennen. Beispiel: 1. cis-Bis(g1ycinato-N0)platin
(c) Um in der Festkorperchemie die Symbole einander ersetzender Atome zu trennen. Beispiel: 2. (MO,W),03,-1
(d) Um Oxidationszahlen in einer Verbindung zu trennen, die Elemente in mehreren Wertigkeitsstufen ent halt. Beispiel: 3. [(NH3)5R~(C4H4N2)R~(NH3)5]5+ (p-Pyrazin)-bis(pentaammin= ruthenium)(II,III)(2g)
(e) Um in selektiv markierten Verbindungen die Symbole der markierten Atome zu trennen. Beispiel: 4. ['80,32P]H3P04 (20
['80,32P]Phosphorsaure
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Unter dieser Uberschrift wird auch die Verwendung von Kommas in Formeln behandelt. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Der Briickenligand pPyrazin wurde zur Vermeidung von Miherstandnissen in Klammern gesetzt.
Leerraume
1-2.5.4
25
Semikolons
Semikolons werden auf mindestens drei Arten verwendet: (a) In Namen fur Koordinationsverbindungen, um durch Kommas getrennte Lokanten zu ordnen, z. B. in der Kappa-Konvention (siehe Abschnitte 1-7.3.3.2 und 1-10.6.2.2). Beispiel: (2)
(1)
1* [ C u ( 2 , 2 ’ - b P Y ) ( H 2 0 ) ( ~ - ~ ~ ~ 2 ~ u ( 2 , 2 ’ - b P Y ) ( ~ ~ ~ ~ l Aqua- 1~0-”~(2,2’-bipyridin)-l~~N’,N’’; 2~~N’,N’’-di-p-hydroxo = [sulfato(2-)-2~O]dikupfer(11)
(b) Um die Indices zu trennen, die mogliche Positionen in selektiv markierten Verbindungen angeben. Beispiel: 2. [ 1-2H1;2]SiH30SiH20SiH3
(c) In der Bor-Nomenklatur, um Satze der Lokanten fur Wasserstoff als Brukkenliganden zu trennen (siehe Beispiel 2, Abschnitt I-2.5.2)(2h).
1-2.6
Leerraume
Leerraume werden in Namen nur nach definierten Regeln venvendet; die Praxis mag sich in anderen Sprachen, wie in dieser Ubertragung, vom Englischen unterscheided2’). In NAMEN werden sie wie folgt verwendet: (a) Um die arabischen Ziffern von den kursiv geschriebenen Symbolen der Zentralatome zwischen runden Klammern am Ende des Namen einer mehrkernigen Verbindung zu trennen. Beispiel: cyclo-Tris(tetracarbonylosmium)(3 0s-0s) 1. [oS3(Co)I 21 (b) Um die Angabe der Mengenverhaltnisse in Additionsverbindungen vom Rest des Namens zu trennen. (2h)
(*I)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Falsch! Es werden Doppelpunkte venvendet; siehe Abschnitte 1-2.5.2 (b) und 1-11.3.2.4. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Deutschen entfallen die Abschnitte 1-2.6(a) und I-2.6(b) des Originals; Leerraume in Namen chemischer Verbindungen (,,two word names“) sind nicht iiblich (Ausnahmen sind Trivialnamen wie Schweflige Saure. Es wird vorgeschlagen, auch hier kiinftig Einwortnamen zu venvenden: Schwefligsaure). Die Bezeichnungen der Abschnitte wurden daher gegeniiber denen im Original geandert.
Grurnrnutik
26
Beispiel: 2. 3CdS04.8 H 2 0
1-2.7
Cadmiumsulfat-Wasser
(3/8)
Auslassungen
Im allgemeinen werden in der anorganisch-chemischen Nomenklatur die Endvokale multiplikativer Prafixe nicht weggelassen, es sei denn, daI3 dies aus sprachlichen Grunden erforderlich
Beispiel: 1. Tetraaqua und nicht Tetraqua.
1-2.8
Zahlenangaben
1-2.8.1
Arabische Ziffern
Arabische Ziffern sind Hauptbestandteile der Nomenklatur. Ihre Position in einer Formel oder in einem Namen hat daher eine sehr spezielle Bedeutung. Sie werden in FORMELN in vielfaltiger Weise verwendet: (a) Als um die Anzahl von individuellen Bestandteilen (Atome oder Atomgruppen) anzugeben. Normalerweise wird die Zahl Eins weggelassen.
Beispiele: 1. CaC12 2. [CO(NHJ)fjIClJ (b) Als Exponent, um die Anzahl der Elementarladungen anzugeben. Beispiel: 3. c u 2 + 4. [A1(H2O)$+ (c) Um die Zusammensetzung von Additions- oder nichtstochiometrischen Verbindungen anzugeben. Die Zahl wird auf der Zeile vor der Molekulformel eines jeden Bestandteils geschrieben, mit Ausnahme der Zahl Eins, die weggelassen wird. [Ib]
('J)
Die Ausnahme ist Monoxid; es wird dem Namen Monooxid vorgezogen. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zu Auslassungen in zusammengesetzten multiplikativen Prafixen sowie in systematischen Namen fur Elemente mit Ordnungszahlen > 100 siehe Abschnitte 1-2.13 bzw. 1-3.3.5. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Bezeichnungen fur Indices und Exponenten werden in der Ubertragung wie folgt verwendet; A": x = Exponent; "A: x = linker Exponent; A,: x = Index; .A: x = linker Index.
Zahlenanaaben
27
Beispiele: 5 . Na2C03.10H20 6. 8W03.9Nb205 (d) Um die Massenzahl und/oder Ordnungszahl des durch sein Symbol reprasentierten Nuklids anzugeben. Die Massenzahl wird als linker Exponent, die Ordnungszahl als linker Index geschrieben. Beispiele: 7. 'io 8. :H (e) Um die Haptizitat (,,Zahnigkeit") eines Liganden anzugeben (Anzahl von Atomen in einem Liganden, die in einer Koordinationsverbindung direkt an ein Zentralatom gebunden sind). Sie wird als Exponent an die Symbole q (eta, hapto) und K (kappa) geschrieben (siehe Kapitel 1-10). Beispiel: 9. [Fe(q5-C5Hh1 Arabische Ziffern werden auch in NAMEN in vielfaltiger Weise verwendet : (a) Um die Anzahl der Metall-Metall-Bindungen in mehrkernigen Koordinationsverbindungen anzugeben. Beispiel: 10. [{Ni(q5-C5H5)}3(C0)21 Di-~3-carbonyl-cyclo-tris(cyclopentadienylnickel)(3 Ni-Ni) (b) Um die Anzahl der Elementarladungen anzugeben. Beispiel: 1 1. [ C O C ~ ( N H ~ ) ~Pentaamminchlorocobalt(2 ]~+ +)-Ion (c) Um die Anzahl der durch Briicken verbundenen Zentralatome anzugeben. Beispiel: 12. [ { PtI( CH3)3}4] Tetra-p3-iodo-tetrakis(trimethylp1atin) (d) Arabische Ziffern werden in der Nomenklatur der Bor-Verbindungen verwendet (siehe Kapitel 1-1l), um die Anzahl von Wasserstoffatomen im StammBoran anzugeben. Die Zahl steht unmittelbar nach dem Namen in runden Klammern. Beispiele: 13. B2H6 14. B10H14
Diboran(6) Decaboran( 14)
(e) Als Exponent am kursiv geschriebenen Atomsymbol in einem mehrzahnigen Liganden; eine arabische Ziffer dient als Lokant fur spezifische Donoratome. Diese Regel wird oft in einer ad hoc-Form angewendet, besonders dann,
28
Gramma t ik
wenn die Regeln der Organischen Chemie keine spezifische Numerierung fur die interessierenden Atome vorsehen.
Beispiel: 15. O-C-o
I
>M
Tartrato(3-)-01, O2
HIO
o=c-oHIOH
(0 In Additionsverbindungen
geben die Ziffern die Anzahl der Molekule der
Bestandteile an.
Beispiel: 16. 8H2S. 46H20
Hydrogensulfid-Wasser (8/46)
(g) In mehrkernigen Strukturen sind arabische Ziffern Teil des CEP-Deskriptors der zentralen Struktureinheiten (siehe Abschnitt 1-10.8.3.3). (h) Als Exponent, um die Nichtstandard-Bindungszahl in der h(Lambda)Konvention anzugeben (siehe Kapitel 1-7).
Beispiel: 17. IHS
1-2.8.2
h5-Iodan
Romische Ziffern
Romische Ziffern werden in tionszahl verwendet.
FORMELN
als Exponent zur Angabe der Oxida-
Beispiele: 1. [Co"Co"'W 1 204217 2. [MnV"04]3. (Fe11Fe11'2)04 In NAMEN zeigen sie die Oxidationszahl eines Atoms an und stehen in runden Klammern unmittelbar nach dem Namen des betreffenden Atoms.
Beispiel: 4. [Fe(H20)6]2+
Hexaaquaeisen( II)-Ion
Griechische Buchstaben
1-2.9
29
Kursivschreibung
Kursivschreibung[2c1wird in
NAMEN
folgendermaBen verwendet:
(a) Fur strukturelle Affixe wie cis, cyclo, catena, triangulo und nido (siehe Tabelle V). (b) Um die Symbole der Metallatome hervorzuheben, die in mehrkernigen Koordinationsverbindungen an andere Metallatome gebunden sind. Beispiel: 1. [OS,(CO) I21
Dodecacarbonyltriosmium(3 0s-0s)
(c) In Doppeloxiden und -hydroxiden, wenn der Strukturtyp angegeben werden muB. Beispiel: 2. MgTi0, Magnesium-titan-trioxid (Ilmenit-Typ) (d) In Koordinationsverbindungen fur metallgebundene Atome eines Liganden (gewohnlich mehrzahnig), unabhangig davon, ob die Kappa-Konvention angewendet wird oder nicht. Beispiel: PI
cis-Bis(g1ycinato-4 0)platin
(e) In der Festkorperchemie in Pearson- und Kristallsystem-Symbolen (siehe Abschnitt 1-6.5). f ) Fur versa1 geschriebene Polyedersymbole in Namen fur Koordinationsverbindungen (siehe Abschnitt I- 10.5.2). Beispiel: 4. [Co(NO2h(NHd,I
(OC-6-22)-Triammintrinitrocobalt(111) Kursivschreibung wird in der anorganisch-chemischen Nomenklatur insbesondere in FORMELN verwendet, um Zahlen zu kennzeichnen, die nicht definiert sind, z. B. Fen+, (HB02), usw.
1-2.10 Griechische Buchstaben Griechische Buchstaben werden haufig in der anorganisch-chemischen Nomenklatur verwendet. Im folgenden sind einige Anwendungen zusammengestellt. [2c]
In maschinengeschriebenen Manuskripten ist es ublich, kursiv zu schreibende Worter oder Buchstaben einfach zu unterstreichen.
30
Gramma t ik
A
wird fur die Angabe der absoluten Konfiguration verwendet. Es wird als Strukturdeskriptor fur Deltaeder benutzt. wird fur die Angabe der absoluten Konfiguration von Chelatringen und 6 in der Festkorper-Nomenklatur verwendet, um geringfugige Abweichungen in der Zusammensetzung anzugeben. wird als Symbol fur die Haptizitat eines Liganden verwendet (siehe Kapiq tel 1-10). K wird als Bezeichnung fur koordinierende Atome in der Kappa-Konvention (siehe Kapitel 1-10) verwendet. wird fur die Angabe der absoluten Konfiguration verwendet. A ist ein Symbol, das normalerweise mit einer arabischen Ziffer als Expoh nent verwendet wird, um die Nichtstandard-Bindungszahlin der LambdaKonvention (siehe Pure Appl. Chem. 1984, 56, 769) anzugeben. Es zeigt auch den Helixcharakter der Konformation von Chelatringen an. wird als Symbol fur Bruckenliganden verwendet. p Man beachte, daI3 die Verwendung von (r und n zur Angabe des Bindungstyps, die in fruheren Ausgaben der Nomenclature of Inorganic Chemistry vorgeschlagen worden ist, nicht langer empfohlen wird.
1-2.11 Sternchen Das Sternchen (*) wird in wie folgt verwendet:
FORMELN
als Exponent an einem Elementsymbol
(a) Es kann ein chirales Zentrum spezifizieren.
Beispiel: CH2=C-H
1.
HALCH,
I
CH(CH,),
Diese Anwendung ist erweitert worden, um einen chiralen Liganden oder ein Chiralitatszentrum in der Koordinationschemie zu markieren.
Beispiele: 2. L* = (+)-diop oder (4S,SS)-diop (zu ,,diop" siehe Tabelle X)
(b) Es kann angeregte Molekul- oder Kernzustande bezeichnen.
Multiulikative Prafixe
31
1-2.12 Strichindices (a) Einfachstriche (Apostrophe, '), Doppelstriche ("), Dreifachstriche ("') usw. werden in Namen fur Koordinationsverbindungen verwendet, wenn in einem organischen Liganden von mehreren Atomen eines bestimmten Elements einige oder alle an das Metal1 gebunden sind. Die gebundenen Atome werden durch Strichindices in aufsteigender Folge gekennzeichnet, um sie von nichtkoordinierenden Atomen des gleichen Elements zu unterscheiden (siehe aber auch Abschnitt 1-10.6.2.1). Beispiel: 1- [Rh3(C0)3C1(CL-C1)[CL3-{(C6H5)2PCH2P(C6H5)CH2P(C6H5)2}l1C1 Tricarbonyl-~~~,2~~,3~~-~-chloro-~:2~~Cl-chloro-3~Cl-b~~{ p3-bis[(di= phenylphosphany1)-~ K P :3~P"-methyl]phenylphosphan-2~P} ' = trirhodium( 1 + ) - ~ h l o r i d ( ~ ~ ) (b) Einfach-, Doppel-, Dreifachstriche usw. werden auch als Exponenten in der Kroger-Vink-Notation (siehe Abschnitt 1-6.4) verwendet, in der sie eine Stelle anzeigen, die eine, zwei oder drei Einheiten der negativen Effektivladung tragt. Beispiel: 2. LixLi,l-2xMgii,x Vti,xClh
1-2.13 Multiplikative Prafixe Die Anzahl von gleichartigen chemischen Einheiten wird in einem Namen durch ein multiplikatives Prafix ausgedruckt. Fur einfache Einheiten wie einatomige Liganden werden die multiplikativen Prafixe Di-, Tri-, Tetra-, Penta- . . . verwendet. Fur komplexe Einheiten wie organische Liganden (besonders, wenn diese substituiert sind) werden die multiplikativen Prafixe Bis-, Tris-, Tetrakis-, Pentakis- . . . verwendet, d. h. -kis wird, bei Tetra beginnend, angehangt. Die modifizierte Einheit wird zur Vermeidung von MiBverstandnissen haufig in Klammern gesetzt. Beispiele: 1. [PtC1,]2Tetrachloroplatinat(2 -)-Ion 2. [Fe(CGCC6H5)2(C0)4] Tetracarbonylbis(phenylethiny1)eisen Zusammengesetzte multiplikative Prafixe werden aufgebaut, indem zuerst die Einer, dann die Zehner, danach die Hunderter usw. genannt werden. (2k)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Art der Klammern wurde nach Abschnitt 1-2.2.1 korrigiert. Die Formel wurde dem Namen angepaDt. Strukturformel siehe Abschnitt 1-10.8.3.5, Beispiel 3.
32
Grammatik
Beispiel: 3. 35 wird Pentatriaconta (oder gegebenenfalls Pentatriacontakis) geschrieben. Der Buchstabe J' im Falle von Icosa(*') wird bei Docosa und Tricosa weggelassen. Multiplakative Prafixe sind in Tabelle I11 zusammengestellt. Fur Details siehe die Kapitel 1-5, 1-7 und 1-10 (siehe auch die Erweiterung der Regeln A-1.1 und A-2.5, die die in der organisch-chemischen Nomenklatur verwendeten multiplikativen Termini betreffen, Pure Appl. Chem. 1986, 58, 1693-96).
1-2.14
Lokanten
1-2.14.1 Einleitung In der Anorganischen Chemie kann das Molekiil eine Grundstruktur haben, die einfach wie ein Quadrat oder komplex wie ein groljes Polyeder ist. In einigen Fallen sind einfache Einheiten uber gemeinsame Strukturelemente wie Ekken, Kanten und Flachen verbunden. Wegen der Vielfalt von Verbindungen, die durch Assoziation entstehen, werden Lokanten verwendet, um die topologische Lage des Zentralatoms in der Anordnung zu bezeichnen. Dies konnen arabische Ziffern oder Kleinbuchstaben sein.
1-2.14.2 Arabische Ziffern Diese werden verwendet, wenn keine metallischen Elemente vorhanden sind, wie in Bor- oder Siliciumverbindungen sowie in Ketten- und Ringverbindungen. Die Numerierung der Atome des Molekiils oder Ions in jeder Verbindungsklasse lehnt sich an die Methoden der organisch-chemischen Nomenklatur an. Dies erlaubt die Spezifizierung der Position der an das Gerust gebundenen Gruppen. Hier kann nicht ausfuhrlich auf alle die Falle eingegangen werden, in denen solche Lokanten vorkommen. Sie sind in Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, beschrieben. Dennoch sol1 das folgende Beispiel deren Verwendung illustrieren(2m).
(2m)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Fruher wurde fur die Zahl Zwanzig das Zahlwort Eicosa verwendet. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Dieses Ikosaeder 1st nicht gemal3 der organisch-chemischen Nomenklatur numeriert. sondern nach Abschnitt 1-10.8.3.3.
Lokanten
33
Beisp iel: 1. [B12H12I2-
12
Dodecahydro-closo-dodecaborat(2-)
(An den numerierten Positionen sind Boratome plaziert; jedes Boratom tragt ein Wasserstoffatom). Arabische Ziffern werden auch als Lokanten in mehrkernigen Koordinationsverbindungen und in Clustern (siehe Kapitel I- 10) verwendet. Be ispiel: 2. [Co(CO),Re(CO),]
Nonacarbonyl- 1~~C,2~~C-cobaltrhenium( Co-Re)
1-2.14.3 Kleinbuchstaben Diese werden in der Polyoxoanion-Nomenklatur verwendet. Die Zentralatome der Polyeder (ublicherweise Oktaeder oder Tetraeder) werden in der gleichen Weise wie Borverbindungen numeriert, jedoch mussen auch die Ecken des Koordinationspolyeders bezeichnet werden. Diese werden durch einen Kleinbuchstaben am Lokanten des Zentralatoms bezeichnet, auf das sich eine bestimmte Ecke bezieht. Ein Oktaeder braucht sechs Buchstaben a, b, c, d, e, f fur seine sechs Ecken, ein Tetraeder vier Buchstaben a, b, c, d fur seine vier Ecken usw. Die resultierende Lokanten-Bezeichnung ist auf der nachstehenden Seite fur den Fall von [Mo6Ol9I2-angegeben. Details finden sich in Nomenclature of Polyoxoanions, Pure Appl. Chem. 1987, 59, 1529.
34
Grammatik
Lokantenbezeichnungen im [Mo6OI9]*--Ion
1-2.15 Prioritaten (Rangfolgen) 1-2.15.1 Einleitung In der Nomenklatur bezeichnen die englischen Termini ,,priority", ,,seniority" und ,,precedence" die Rangfolge unter einer Anzahl von Moglichkeiten; sie sind von grundlegender Bedeutung. Die chemische Nomenklatur behandelt
Prioritaten (Ranafolgen)
35
Elemente und deren Kombination als Individuen oder als Gruppen (Element mit Element; Gruppe mit Gruppe). Atomgruppen konnen Ionen sein, Liganden in Koordinationsverbindungen oder Substituenten in Hydriden. Wahrend das Schreiben von Symbol oder Namen eines Elements einfach ist, muD entschieden werden, welches Element in einer FORMEL und in einem NAMEN zuerst genannt werden mul3, sobald ein anderes Element mit diesem Element verbunden ist, beispielsweise zu einer binaren Verbindung. Diese Reihenfolge basiert auf bewahrten Auswahlmethoden, die nachstehend aufgefuhrt sind (siehe Kapitel 1-4).
1-2.15.2 Elektronegativitatskriterium In Formeln und Namen binarer Verbindungen aus Nichtmetallen wird der Bestandteil zuerst genannt, der in der unten gezeigten Folge an fruherer Stelle steht. Man beachte, dal3 es sich naherungsweise um eine Elektronegativitatsfolge handelt, die allerdings in Einzelfallen von der allgemein akzeptierten Folge abweicht, z. B. in der relativen Position von 0 und H. Rn, Xe, Kr, Ar, Ne, He, B, Si, C, Sb, As, P, N, H, Te, Se, S , At, I, Br, C1, 0, F Beispiel: 1. s2c12
1-2.15.3 Alphabetische Ordnung Die alphabetische Ordnung wird in NAMEN wie folgt verwendet: (a) In Namen fur Koordinationsverbindungen, um die Reihenfolge der Liganden zu definieren. Dazu werden die Namen der Liganden nach dem Alphabet sortiert. Die Reihenfolge ist unabhangig von der Anzahl jedes Liganden und unabhangig davon, ob die Verbindungen ein- oder mehrkernig sind. Be ispiel: 1. K[AuS(S2)]
Kalium-(disulfido)thioaurat(1-)(2n)
Der Terminus Koordinationsverbindung wurde hier erweitert, um Verbindungen mit zwei oder mehr an ein Zentralatom gebundenen unterschiedlichen Atomen oder Gruppen zu erfassen, unabhangig davon, ob dieses Zentralatom ein Metal1 ist oder nicht (siehe Kapitel 1-4). (b) In Namen fur Salze werden die Namen fur Kationen und Anionen jeweils alphabetisch geordnet. Abweichungen sind jedoch erlaubt, wenn strukturelle (2n)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Kursivschreibung der Buchstaben d und t dient hier nur der Hervorhebung der Anfangsbuchstaben.
36
Grammat ik
Beziehungen zwischen mehreren Verbindungen betont werden sollen. In sauren Salzen wird Wasserstoff nicht als ein Kation angesehen, es sei denn, er ist eindeutig nicht Teil des Anions (siehe Kapitel I-8)(20). Beispiele: 2. KMgF3 3. ZnI(0H) 4. NaNb03 5 . LiH2P04
Kalium-magnesium-fluorid Zink-hydroxid-iodid Natrium-niob-trioxid (Perowskit-Typ) Lithium-dihydrogenphosphat
(c) In Namen hetero-mehrkerniger Koordinationsverbindungen fur die Nennung der Zentralatome. Beispiele: 6. [CoCu2sn(C5H5)(CH3){~-(CH,C00)),1 Bis(~-acetato)cyclopentadienyl(methyl)cobaltdikupferzinn Die alphabetische Ordnung wird in
FORMELN
wie folgt verwendet :
(a) In Formeln fur Koordinationsverbindungen, um die Reihenfolge innerhalb des Satzes von ionischen Liganden und des von neutralen Liganden festzulegen (ionische haben Vorrang vor neutralen). Die Liganden werden in jedem Satz alphabetisch nach dem ersten Symbol ihrer Formel angeordnet (siehe Abschnitte 1-4.6.7 und 1-10.3.1). Dennoch sind Abweichungen erlaubt, wenn Strukturbeziehungen betont werden sollen. Beispiel: 7. [CrC12(H20)2(NH3)21 (b) In Formeln fur mehrkernige Koordinationsverbindungen oder Polyanionen, um die Zentralatome zu ordnen. Beispiel: 8. [Fe2Mo2S4(C6H5S4)I2(c) In Formeln fur Salze und Doppelsalze, um die Reihenfolge innerhalb der Kationen und der Anionen zu regeln (siehe Kapitel 1-4). Beispiele: 9. BiClO 10. KNa4Cl(S04)2 (zO)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im englischsprachigen Original werden ,,hydrogen phosphate" und ,,hydrogenphosphate" unterschieden. Im Deutschen unterscheiden sich die dafur vorgeschlagenen Benennungen dadurch, daB Hydrogen im ersten Fall durch einen Bindestrich vom Namen des elektronegativen Bestandteils getrennt und im zweiten, der in der anorganisch-chemischen Nomenklatur vonviegend verwendeten Form, als Teil des elektronegativen Bestandteils aufgefaDt wird. Die Kommission empfiehlt, Hydrogen stets als elektropositiven Bestandteil zu behandeln und durch einen Bindestrich vom Namen des elektronegativen Bestandteils zu trennen.
Prioritaten (Randolgen)
31
1-2.15.4 Prioritatsfolge der Elemente Dies ist eine Folge, die auf dem Periodensystem der Elemente basiert; sie wird in Tabelle IV gezeigt. Die Gruppen (1 bis 18) sind miteinander durch Pfeile verknupft, die von den ,,weniger metallischen" Elementen in Richtung der ,,mehr metallischen" Elemente gehen. Diese Anordnung hat ihren Ursprung in Elektronegativitats-Betrachtungen.Sie wird in nachstehend zitierten Fallen angewendet: (a) Fur die Numerierung der Zentralatome in mehrkernigen Koordinationsverbindungen. Das in Pfeilrichtung zuletzt auftretende Zentralatom erhalt die niedrigste Nummer, die anderen Atome werden in der Reihenfolge numeriert, in der sie bei umgekehrter Richtung des Pfeils vorkommen. Beispiel: (2)
(1)
1. [CO(CO)~R~(CO),] Nonacarbonyl- 1K~ C,2~~C-cobaltrhenium (Co-Re)
(b) In der Substitutionsnomenklatur, in der sich die Namen der Verbindungen von einem Stammhydrid ableiten. Wenn mehrere Elemente in einer Verbindung vorkommen, wie in H3GeSiH3,ist die Festlegung des Stamms notig. Die Wahl fallt auf das Element, das spater oder zuletzt in Tabelle IV vorkommt (siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979)(2P).
1-2.15.5 Andere Prioritatsfolgen 1-2.15.5.1 Organisch-chemische Prioritatsfolgen
In der organisch-chemischen Nomenklatur gibt es eine Prioritatsfolge fur die Wahl der Hauptgruppe (siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel C-10.1, Tabelle 11). Wenn eine organische Gruppe in einer anorganischen Verbindung vorkommt, wird der organische Teil nach der organischchemischen Nomenklatur benannt. 1-2.15.5.2 Prioritat von Ligandentypen
In Formeln fur Koordinationsverbindungen werden, wenn mehrere Typen von Liganden wie ionische und neutrale vorkommen, anionische Liganden vor neutralen zitiert. Sowohl CO als auch NO werden bei der Namensbildung als neutral angesehen. Bruckenliganden werden bei den jeweiligen Liganden als letzte genannt und in steigender Ordnung der Bindigkeit der Brucken angegeben. (*P)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Fur die Benennung substituierter einkerniger Hydride (siehe Abschnitt 1-7.2.3.2) gelten aber andere Prioritatsfolgen.
38
Grammat ik
In Namen fur Koordinationsverbindungen stehen die Namen der Liganden vor dem des Metalls. Bruckenliganden (in alphabetischer Ordnung mit anderen Liganden genannt) werden vor den entsprechenden Nicht-Bruckenliganden angegeben, z. B. Di-p-chloro-tetrachloro-; mehrfache Verbruckung wird in abnehmender Bindigkeit berucksichtigt, z. B. p3-Oxo-di-p-trioxo- . . . . Jedoch werden in anorganischen und Koordinationspolymeren verbruckende Gruppen ubereinstimmend mit den in der Polymerchemie ublichen Praktiken am Ende des Namens zitiert (siehe Pure Appl. Chem. 1985, 57, 149).
1-2.15.5.3 Prioritaten in Namen und Formeln fiir Salze
In Namen und Formeln fur Salze, Doppelsalze und Koordinationsverbindungen stehen Kationen vor Anionen. In NAMEN saurer Salze wird Wasserstoff haufig nicht als Kation, sondern als Teil des Anionnamens genannt (siehe Abschnitte 1-4.6, 1-5.3.2, 1-8.5.2 und 1-8.5.3).
1-2.15.5.4 Isotope Markierung und Modifizierung
In isotop modifizierten Verbindungen bestimmt ein Prioritatsprinzip die Reihenfolge der Nuklidsymbole (siehe Pure Appl. Chem. 1981, 53, 1887).
1-2.15.5.5 Stereochemische Prioritaten
In der stereochemischen Nomenklatur fur Koordinationsverbindungen basiert die Zuordnung der Prioritatszahlen der koordinierenden Atome eines einkernigen Koordinationssystems auf den Standard-Sequenzregeln, die fur chirale Kohlenstoffverbindungen entwickelt worden sind (Cahn-Ingold-Prelog-Regeln); Details siehe Kapitel 1-10.
1-2.15.5.6 Prioritatsfolgen fur Interpunktionszeichen
In Namen fur Koordinationsverbindungen und fur Borverbindungen werden Interpunktionszeichen verwendet, um die Atomsymbole von den numerischen Lokanten, den Lokanten fur die verbruckenden Atome und anderen vorkommenden Satzen von Lokanten zu trennen. Fur sie gilt nachstehende Hierarchic: Semikolon vor Doppelpunkt vor Komma.
Abschliejende Bemerkungen
39
Da der Doppelpunkt nur(2q)fur Bruckenliganden verwendet wird, lautet die vereinfachte Hierarchic: Semikolon vor Komma. Wenn Bruckenliganden spezifiziert werden mussen, lautet die Folge: Doppelpunkt vor Komma (siehe Abschnitt 1-2.5.2, Beispiel 2 und Kapitel 1-11).
1-2.16 Affixe (Prafixe, Suffixe und Infixe) Jeder Name, der komplexer als ein einfacher Elementname ist, besteht aus einem Stamm mit Prafix oder Suffix. Das Suffix ist ein endstandiger Vokal oder eine Kombination von Buchstaben. Diese Endungen vermitteln Informationen, sind fur die Verkurzung der Namen sehr zweckmal3ig und haben einige spezielle Bedeutungen. Haufig gebrauchte Affixe sind in Tabelle IX, einige Prafixe in Tabelle V zusammengestellt. Tabelle IX ist nicht erschopfend. Einige Endungen, die entweder in der Organischen Chemie oder in der Biochemie, jedoch selten in der Anorganischen Chemie verwendet werden, sind nicht aufgenommen worden. Der erste Teil der Tabelle enthalt einfache Suffixe, d. h. diejenigen, die eine einzige Information geben. Der zweite Teil befal3t sich mit kombinierten Affixen, d. h. Kombinationen von Suffixen, die mehr als eine Information vermitteln, wenn man sie am Ende eines Namens zusammen verwendet.
1-2.17 AbschlieBende Bemerkungen Dieses Kapitel ist als eine Anleitung fur Anwender der anorganisch-chemischen Nomenklatur gedacht. Die Zusammenfassung der unterschiedlichen Praktiken in Namen und Formeln unter gemeinsamen Uberschriften ermoglicht es dem Leser, auf einem Blick zu entscheiden, ob der konstruierte Name bzw. die Forme1 mit den vereinbarten Praktiken ubereinstimmt. Es ist aber nicht moglich, in diesem Kapitel alle Regeln zu erklaren, die notig sind, um einen Namen oder eine Formel zu konstruieren. Der Leser sei darauf hingewiesen, daI3 fur die detailierte Behandlung die entsprechenden Kapitel zu Rate gezogen werden mussen.
(*q)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Einschrankung der Verwendung des Doppelpunktes auf Bruckenliganden ist nicht richtig. Doppelpunkte werden u. a. in Namen fur Ringsequenzen verwendet.
1-3
Elemente, Atome und Atomgruppen INHALT
1-3.1 1-3.2 1-3.2.1 1-3.2.2 1-3.2.3 1-3.2.4 1-3.2.5 1-3.2.6 1-3.2.7 1-3.2.8 1-3.2.9 1-3.3 1-3.3.1 1-3.3.2 1-3.3.3 1-3.3.4 1-3.3.5 1-3.4 1-3.5 1-3.5.1 1-3.5.2 1-3.6 1-3.6.1 1-3.6.2 1-3.7 1-3.7.1 1-3.7.2 1-3.7.3 1-3.7.4 1-3.8 1-3.8.1 1-3.8.2
Einleitung Definitionen Element Atom Ordnungszahl Massenzahl Nuklid Isotope Allotrope Atomsymbol Elementgruppen Namen und Symbole der Atome Einleitung Atome rnit Ordnungszahlen unter 101 und ihre Namen Atome rnit Ordnungszahlen unter 101 und ihre Symbole Atome rnit Ordnungszahlen uber 100 Systematische Namen und Symbole der Atome rnit Ordnungszahlen uber 100 Angabe von Masse, Ladung und Ordnungszahl durch Indices und Exponenten (tief- und hochgestellte Zahlen) Isotope Isotope eines Elements Wasserstofisotope Elemente Name eines Elements oder einer elementaren Substanz rnit unbegrenzter und unbestimmter Molekulformel oder Struktur Name eines Elements oder einer elementaren Substanz rnit definierter Molekulformel Allotrope Modifikationen Allotrope Allotrope Modifikationen aus diskreten Molekulen Kristalline allotrope Modifikationen eines Elements Feste amorphe Modifikationen und allgemein bekannte Allotrope rnit unbestimmter Struktur Elementgruppen Elementgruppen im Periodensystem und ihre Untergruppen Sammelnamen fur Gruppen ahnlicher Atome
Definitionen
1-3.1
41
Einleitung
Dieses Kapitel befaI3t sich mit einer der formalen Grundlagen der Chemie, der Bezeichnung der Elemente durch Symbole. Im allgemeinen wird kein Unterschied zwischen einem Element und einer elementaren Substanz g e m a ~ h t ( ~ ~ ) . Trotzdem halten einige ein Element fur eine Abstraktion, wahrend eine elementare Substanz zweifellos eine Form der Materie ist. Oft ist in der Praxis nicht klar ausgedruckt, ob ein Symbol fur ein Atom oder ein Element steht. Betrachtliche Schwierigkeiten bereitet die Formulierung von Definitionen, die allen Anforderungen genugen. Die hier vorgestellten Definitionen sollen zweckmaI3ig und moglichst allgemein anwendbar sein, auch wenn sie manchma1 aus philosophischer Sicht kritisiert werden konnen.
1-3.2
Definitionen
1-3.2.1
Element
Ein ELEMENT (oder eine elementare Substanz) ist Materie, deren Atome alle die gleiche positive Kernladung haben (siehe Abschnitte 1-3.3 und 1-3.6).
1-3.2.2
Atom
Ein ATOM ist die kleinste Mengeneinheit eines Elements, das isoliert oder in chemischen Kombinationen mit anderen Atomen desselben Elements oder anderer Elemente existieren kann (siehe Abschnitt 1-3.3 und Tabellen I und 11).
1-3.2.3
Ordnungszahl
Die ORDNUNGSZAHL eines Atoms ist die Anzahl von Einheiten positiver Ladungen, die der Kern dieses Atom tragt (siehe Tabellen I und 11).
1-3.2.4
Massenzahl
Die MASSENZAHL eines Atomkerns ist die Gesamtzahl der Protonen und Neutronen im Kern (siehe Abschnitt 1-3.4). (3a)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Gilt nicht nur, wie im Originaltext, fur englischsprachige Lander.
42
Elemente, A tome und A tomgruppen
1-3.2.5
Nuklid
Ein NUKLID ist eine Atomart. definiert durch die Werte der Ordnungszahl und der Massenzahl.
1-3.2.6
Isotope
ISOTOPE sind zwei oder meLLrereverschiedene Nu lide mit der gleichen Ordnungszahl (siehe Abschnitt 1-3.5).
1-3.2.7
Allotrope
ALLOTROPE eines Elements sind strukturell unterschiedliche Modifikationen dieses Elements (siehe Abschnitt 1-3.7).
1-3.2.8
Atomsymbol
Das ATOMSYMBOL besteht aus einem, zwei oder drei Buchstaben, die verwendet werden, um das Atom in chemischen Formeln zu bezeichnen (siehe Abschnitte 1-3.3.3, 1-3.3.4 und 1-3.3.5).
1-3.2.9
Elementgruppen
Elemente, die aufgrund ihrer Ahnlichkeit zusammengefal3t worden sind, bilden ELEMENTGRUPPEN. Einige Gruppen haben Sammelnamen, z. B. Alkalimetalle, Halogene usw. (siehe Abschnitt 1-3.8).
1-3.3
Namen und Symbole der Atome
1-3.3.1
Einleitung
Die Ursprunge der Namen fur einige Elemente, wie z. B. Antimon, liegen in der Antike. In den vergangenen drei Jahrhunderten gefundene (oder entdeckte) Elemente wurden aufgrund willkurlicher Assoziationen zum Ursprung, zu physikalischen oder zu chemischen Eigenschaften usw. benannt, und in letzter Zeit,
Namen und Svmbole der Atome
43
um an beruhmte Wissenschaftler zu erinnern. Im Jahre 1979 beschloB die IUPAC eine systematische Nomenklatur fur Elemente rnit Ordnungszahlen uber 100 (siehe Abschnitt 1-3.3.5 und Tabelle 11). Im Laufe der Zeit wurden die Namen der elementaren Substanzen auf die entsprechenden Atome ubertragen, und diese Namen sind Grundlage fur die von der IUPAC anerkannte anorganisch-chemische Nomenklatur.
1-3.3.2
Atome rnit Ordnungszahlen unter 101 und ihre Namen
Die Namen fur Atome rnit Ordnungszahlen von 1 bis 100 und von 101 bis 109 sind in alphabetischer Reihenfolge in Tabelle I zusammengestellt. Tabelle I enthalt auch die von der IUPAC fur die Verwendung in der englischen Sprache empfohlenen Namen. Auf Wunsch der IUPAC sollen sich die Namen in allen Sprachen so wenig wie moglich unterscheiden. Die von der IUPAC anerkannten Namen sind nach ihrer ZweckmaBigkeit und Verbreitung ausgewahlt. Es wird betont, daB bei der Auswahl durch die IUPAC die Prioritat der Entdekkung keine Rolle spielt. Andere, im Englischen ungebrauchliche, jedoch auf dem Atomsymbol basierende Namen oder Namen, die in die chemische Nomenklatur Eingang gefunden haben, sowie die von der IUPAC zugelassenen Alternativen sind in Tabelle I in Klammern oder als FuBnoten angefugt.
1-3.3.3
Atome rnit Ordnungszahlen unter 101 und ihre Symbole
Fur die Verwendung in chemischen Formeln wird jedes Atom durch ein eindeutiges Symbol in geraden Typen reprasentiert, wie in Tabelle I gezeigt. Zusatzlich sind die Symbole D und T fur Wasserstofisotope der Massenzahlen zwei bzw. drei (siehe Abschnitt 1-3.5.2) erlaubt. Die Symbole Id und Va durfen fur die Elemente Iod bzw. Vanadium verwendet werden, aber nur, wenn die Einzelbuchstaben als Symbole unbequem oder ungeeignet sind, z. B. wenn sie rnit romischen Ziffern verwechselt werden konnen.
1-3.3.4
Atome rnit Ordnungszahlen uber 100
Elemente rnit Ordnungszahlen uber 103 werden in der wissenschaftlichen Literatur oft genannt, erhalten aber erst dann Namen, wenn sie ,,entdeckt" worden sind. Namen fur diese Elemente sind jedoch notig, bevor ihre Existenz gesichert
Elemente, Atome und Atorngruppen
44
ist; daher hat die IUPAC eine systematische Nomenklatur sowie Symbole aus drei Buchstaben fur die Atome solcher Elemente festgelegt (siehe Abschnitt 1-3.3.5 und Tabelle 11). Die Existenz dieser systematischen Nomenklatur nimmt den Entdeckern neuer Elemente nicht das Recht, der IUPAC andere Namen vorzuschlagen, nachdem ihr Anspruch zweifelsfrei gesichert ist. Fur die Elemente 101 bis 103 sind die systematischen Namen weniger erwiinschte Alternativen zu den von der IUPAC bereits festgelegten anderen Namen. Der Status dieser Trivialnamen und Symbole wird in keiner Weise durch die Empfehlung systematischer Namen fur Elemente rnit Ordnungszahlen uber 100 beeinflufit. Fur Elemente rnit Ordnungszahlen uber 103 sind solange nur die systematischen Namen und Symbole genehmigt, bis die Commission on Nomenclature of Inorganic Chemistry (siehe Abschnitt 1-3.3.2) andere Namen erlaubt.
1-3.3.5
Systematische Namen und Symbole der Atome rnit Ordnungszahlen uber 100
Der Name wird direkt von der Ordnungszahl des Elements unter Verwendung folgender Zahlwortstamme abgeleitet:
0 1 2
=
= =
nil UnbI bi
3 4 5
= = =
tri quad pent
6 = hex 7 = sept 8 = oct
9
=
enn
Die Stamme werden in der gleichen Reihenfolge wie die Ziffern der Ordnungszahl zusammengestellt; abschliefiend wird ,,-ium" angehangt, urn den Namen aussprechen zu kOnne11[~~1. Das endstandige ,,n" von ,,enn" vor ,,nil" sowie das endstandige ,,i" von ,,bi" und ,,tri" vor ,,ium" werden weggelassen. Das Symbol eines Elements mit einer Ordnungszahl uber 103 ist aus den Anfangsbuchstaben der Zahlwortstamme, die den Namen bilden, zusammengesetzt. Einige so gebildete Namen und die von der IUPAC gebilligten Namen der Elemente 101 bis 103 sind in der Reihenfolge ihrer Ordnungszahlen in Tabelle I1 zusammen mit ihren von der IUPAC festgelegten Symbolen aufgefuhrt. Die Namen der Elemente rnit den Ordnungszahlen 101 bis 109 sind in Tabelle I aufgelistet. [3d] [3b]
Der Wortstamm ,,un" wird rnit langem ,,u" gesprochen (wie in ,,nun"). In den Elementnamen wird jeder Stamm getrennt ausgesprochen.
Isotope
1-3.4
45
Angabe von Masse, Ladung und Ordnungszahl durch Indices und Exponenten (tief- und hochgestellte Zahlen)
Masse, Ionenladung und Ordnungszahl eines Nuklids werden durch drei Indices angegeben, die wie folgt um das Symbol herum angeordnet werden: Index links oben (linker Exponent) Massenzahl Index links unten (linker Index) Ordnungszahl Index rechts oben (Exponent) Ionenladung Die Ionenladung eines Atoms mit dem Symbol A wird durch A"+ oder A"gekennzeichnet und nicht durch A+" oder A-". Beispiele: 32 2 + 16s
bedeutet ein doppelt positiv geladenes Schwefelatom mit der Ordnungszahl 16 und der Massenzahl 32.
Die Kernreaktion zwischen :;Mg und $He-Kernen unter Bildung von 7ZAl und 'H-Kernen wird wie folgt geschrieben: 26Mg(a,p)29A1[3c] Zur Nomenklatur isotop modifizierter Verbindungen und der Verwendung von Atomsymbolen fur die Angabe einer isotopen Modifizierung in chemischen Formeln siehe Kapitel I-4[3d). [Die Position rechts unten an einem Atomsymbol ist fur einen Index zur Kennzeichnung der Anzahl dieser Atome in einer Formel reserviert, z. B. ist s8 die Formel fur ein Molekul aus acht Schwefelatomen (siehe Abschnitt 1-3.6). Zum genauen Formalismus bei zusatzlicher Angabe von Ladungen oder Oxidationszustanden siehe die Abschnitte 1-4.4.1 und 1-4.4.2.1
1-3.5
Isotope
1-3.5.1
Isotope eines Elements
Diese Spezies tragen alle den gleichen Namen (siehe aber Abschnitt 1-3.5.2). Die einzelnen Isotope werden durch ihre Massenzahlen gekennzeichnet (siehe die Abschnitte 1-3.2.4 und 1-3.4). Zum Beispiel heiBt das Atom mit der Ordnungszahl 8 und der Massenzahl 18 Sauerstoff-18; es hat das Symbol l8O. t3'] [3d1
Siehe Quantities, Units and Symbols in Physical Chemistry, Blackwell Scientific Publications, Oxford, 1987, Section 2.10, General Chemistry, other Symbols and Conventions in Chemistry. Eine ausfuhrlichere Behandlung ist in Isotopically Modified Compounds zu finden, Pure Appl. Chem. 1981,53, 1887.
46
Elemente, Atome und Atomgruppen
1-3.5.2
Wasserstoffisotope
Wasserstoff ist eine Ausnahme der Regel im Abschnitt 1-3.5.1. Die drei Isotope 'H, 'H und 3H tragen die Namen Protium, Deuterium bzw. Tritium. Fur die beiden letzten konnen auch die Symbole D bzw. T verwendet werden; *H und 3H sind jedoch zu bevorzugen, da D und T die alphabetische Ordnung in Formeln storen (siehe Kapitel 1-4). Diese Elementnamen fuhren fur die Kationen 'H+, 2H+ bzw. 3H+ zu den Namen Proton, Deuteron und Triton. Da der Name Proton oft in widerspruchlicher Bedeutung fur das Reinisotop 'H+ einerseits und das naturlich vorkommende undifferenzierte Isotopengemisch andererseits verwendet wird, empfiehlt die Kommission, das zuletzt genannte Gemisch mit dem von Hydrogen abgeleiteten Namen Hydron zu b e ~ e i c h n e n ( ~ ~ ) .
1-3.6
Elemente
1-3.6.1
Name eines Elements oder einer elementaren Substanz mit unbegrenzter oder unbestimmter Molekiilformel oder Struktur
Ein Element dieser Art ist z. B. ein Gemisch von Allotropen (siehe Abschnitt 1-3.7) und tragt den gleichen Namen wie das Atom. Beispielet 1. Cu(fest), Kupfer 2. Na(fest), Natrium 3. S6 + S8 + S,, Schwefel 4. Sen, Selen
1-3.6.2
Name eines Elements oder einer elementaren Substanz mit definierter Molekiilformel
Diese Spezies werden durch Auffuhren des zutreffenden multiplikativen Prafixes (Tabelle 111) (Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa-, Hepta-, Octa-, Nona-, Deca-, Undeca- und Dodeca-) vor dem Namen des Atoms benannt, um die Anzahl der Atome im Molekul zu kennzeichnen. Das Prafix Mono- wird nicht Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Diese Frage ist inzwischen durch Names for Hydrogen Atoms, Ions, and Groups, and for Reactions involving them (Recommendations 1988), Pure Appl. Cliem. 1988, 60, 11 15, geregelt.
Allotroue Modifikationen
47
gebraucht, es sei denn, daI3 das Element normalerweise nicht in einem einatomigen Zustand existiert. Beispiele: 1. H, Monowasserstoff oder Monohydrogen 2. N, Monostickstoff oder Mononitrogen 3. N2, Distickstoff oder Dinitrogen 4. Ar, Argon 5 . 03,Trisauerstoff oder Trioxygen 6. P4, Tetraphosphor 7. S8, Octaschwefel oder Octasulfur
1-3.7
Allotrope Modifikationen
1-3.7.1
Allotrope
Allotrope Modifikationen eines Elements tragen den Namen des Atoms, von dem sie sich ableiten, zusammen mit einem Deskriptor zur Spezifizierung der Modifikation. Ubliche Deskriptoren sind griechische Buchstaben a, p, y usw., Farb- und, wo es angebracht ist, Mineralnamen, wie z. B. Graphit und Diamant fur die allgemein bekannten Formen von Kohlenstoff. Solche Namen sollen als vorlaufige Trivialnamen behandelt werden, die solange zu verwenden sind, bis die Strukturen gesichert sind und ein rationales System empfohlen ist, das auf der Molekulformel (siehe Abschnitt 1-3.7.2) oder Kristallstruktur (siehe Abschnitt 1-3.7.3) basiert. Die gebrauchlichen Namen oder Deskriptoren sind z.Z. als Alternativen fur allgemein bekannte, strukturdefinierte Allotrope von Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel, Zinn und Eisen erlaubt (Beispiele in Kapitel 1-6 und Abschnitt I-3.7.3), ausgenommen, wenn sie nach Abschnitt 1-3.7.2 behandelt werden konnen. Trivialnamen werden auch kunftig fur amorphe Modifikationen eines Elements oder fur diejenigen Elemente verwendet, bei denen es sich in ihren gewohnlich vorkommenden Formen um Gemische eng verwandter Strukturen (wie Graphit) oder um eine schlecht definierte fehlgeordnete Struktur (wie roter Phosphor) handelt (siehe Abschnitt 1-3.7.4).
1-3.7.2
Allotrope Modifikationen aus diskreten Molekiilen
Systematische Namen basieren auf der Anzahl von Atomen im Molekul, die durch ein multiplikatives Prafix (siehe Abschnitt 1-3.6.2) angegeben werden. Wenn die Anzahl groI3 und unbekannt ist, wie in langen Ketten oder groI3en Ringen, kann das Prafix Poly- verwendet werden. Wo es notwendig ist, konnen geeignete Prafixe aus Tabelle V zur Kennzeichnung der Struktur gebraucht
Elemente, Atome und Atomgruppen
48
werden. Die Methode aus Abschnitt 1-3.7.3 erlaubt, eine besondere polymorphe Form eines molekularen Elements einer definierten Struktur (wie s g in i-oder P-Schwefel) zu kennzeichnen.
Beispiele:
1. 2. 3. 4.
Symbol Trivialname
Systematischer Name
H O2 O3 P4
Monowasserstoff oder Monohydrogen Disauerstoff oder Dioxygen Trisauerstoff oder Trioxygen Tetraphosphor
5. S6 6. s g 7. s,
1-3.7.3
atomarer Wasserstoff Sauerstoff Ozon weiBer Phosphor (gelber Phosphor) a-Schwefel, P-Schwefel p-Schwefel (plastischer Schwefel)
Hexaschwefel oder Hexasulfur Octaschwefel oder Octasulfur Polyschwefel oder Polysulfur
Kristalline allotrope Modifikationen eines Elements
Dies sind Polymorphe des Elements. Jedes Allotrop kann durch Anfugen eines Pearson-Symb~ls[~"], das die Struktur in Termini eines Bravais-Gitters (Kristallklasse und Einheit der Elementarzelle) und die Anzahl der Atome in dieser Elementarzelle angibt (Tabelle 1-3.1 und Kapitel I-6), in runden Klammern hinter dem Namen des Atoms (Elements) benannt werden. Danach bedeutet Eisen(cF4) die allotrope Modifikation von Eisen (y-Eisen) mit einem kubischen (c), flachenzentrierten (F) Gitter mit vier Eisenatomen in der Elementarzelle. Die umfangreiche Trivialnomenklatur fur Allotrope wird nicht empfohlen. In einigen Fallen reicht das Pearson-Symbol nicht aus, um zwischen zwei kristallinen Allotropen des Elements zu unterscheiden. In solchen Fallen wird die Raumgruppe in runden Klammern hin~ugefugt[~fl. Als Alternative kann eine Bezeichnung zweckmal3ig sein, die den Verbindungstyp einbezieht (siehe Kapitel 1-6).
[3e]
r3fJ
W. B. Pearson, Lattice Spacings and Structures of Metals, Vol.2, Pergamon Press, Oxford, 1967, S. I , 2. Gitterparameter und Daten uber Metalle und Halbmetalle sind auf S. 79-91 tabelliert. Zum Beispiel werden die beiden Formen von Se, a-Selen und p-Selen, beide Se,, durch die Symbole ( ~ P 3 2 , P 2 ~ /bzw. n ) (mP32,P21/a) unterschieden.
A llotroDe Modifikationen
Tabelle 1-3.1
Fur die vierzehn Bravais-Gitter verwendete Pearson-Symbole
System
Gittersymbol la]
triklin monoklin
P P
s rc1
mP mS
orthorhombisch
P
OP
tetragonal hexagonal (und trigonal P ) rhomboederisch kubisch
La]
49
Pearson-Symbol aP rb1
S F I P I P
0s
R P F
hR CP CF
I
cz
OF oz tP tI
hP
P,S, I;; Z und R sind primitive, basisflachenzentrierte,allseitig flachenzentrierte,raumzentrierte
bzw. rhomboedrischeGitter. Der Buchstabe C wurde bisher anstelle von S benutzt (siehe auch Abschnitt 1-6.5). @I Der Buchstabe a wird verwendet, um das trikline Gitter zu bezeichnen, da t dem tetragonal vorbehalten ist. a ist abgeleitet von dem iiberholten Synonym anorthisch fur triklin. Zweite Ausrichtung, ausgezeichnete y-Achse.
Beispiele: Symbol
1 . P, 2. c, 3. c, 4. c,
5 . Fen 6 . Fen 7. Sn, 8. Sn, 9. Mn, 10. Mn, 1 1 . Mn, 12. Mn, 13. S6 14. S20
Trivialname
Systematischer Name
schwarzer Phosphor Diamant Graphit (haufigste Form) Graphit (weniger haufige Form) a-Eisen y-Eisen a- oder graues Zinn P- oder weiDes Zinn a-Mangan P-Mangan y-Mangan 6-Mangan
Phosphor (oC8) Kohlenstoff (cF8) Kohlenstoff (hP4) Kohlenstoff (hR6) Eisen (c12) Eisen (cF4) Zinn (cF8) Zinn (t14) Mangan ( ~ 1 5 8 ) Mangan (cP20) Mangan (cF4) Mangan (c12) Schwefel (hR18) Schwefel (oP80)
50
Elemente, Atome und Atomgruppen
1-3.7.4
Feste amorphe Modifikationen und allgemein bekannte Allotrope mit unbestimmter Struktur
Diese werden durch ubliche Deskriptoren, z. B. einen griechischen Buchstaben, durch Namen, die auf physikalischen Eigenschaften basieren, oder durch einen Mineralnamen unterschieden (siehe auch Beispiele in Abschnitt 1-3.7.3). Beispiele 1. c, 2. c,
4. As,
glasiger Kohlenstoff Graphit-Kohlenstoff [Kohlenstoff in Form von Graphit, ungeachtet struk tureller Defekte] roter Phosphor [eine fehlgeordnete Struktur mit Anteilen von Phosphor (oC8) und Anteilen von Tetraphosphor] amorphes Arsen
1-3.8
Elementgruppen
1-3.8.1
Elementgruppen im Periodensystem und ihre Untergruppen
3. P,
Die Numerierung der Gruppen im Periodensystem von Gruppe I bis Gruppe VIII ist international eingefuhrt, jedoch wird die Unterteilung dieser Gruppen in Typische Elemente und die Untergruppen A und B in vielen Teilen der Welt unterschiedlich interpretiert und verwendet. Daher sollte diese Unterteilung vermieden werden. Die in Tabelle 1-3.2 und im Vorsatzblatt dieses Bandes empfohlene Form ist nach ausfuhrlicher Diskussion in der Kommission die klarste und einfachsteE3gl. Sie unterscheidet sich von der Empfehlung in der zweiten Auflage (1970) der Nomenclature of Inorganic Chemistry. Die Elemente (ausgenommen Wasserstoff) der Gruppen 1, 2 und 13 bis 18 werden als Hauptgruppen-Elemente bezeichnet; die ersten beiden Elemente jeder Hauptgruppe, auDer Gruppe 18, werden Typische Elemente genannt. Die Elemente in Gruppen 3 bis 12 sind Ubergangselemente. Es konnen auch die Buchstaben s, p, d und f verwendet werden, um diese Blocke von Elementen zu unterscheiden. Fur speziellere Zwecke ist es auch moglich, die Gruppen nach dem jeweils ersten Element zu bezeichnen, das in Tabelle 1-3.2 unterstrichen ist, z. B. Elemente der Bor-Gruppe [B, Al, Ga, In, Tl], Elemente der Titan-Gruppe [Ti, Zr, Hf, (Unq)] U S W . ( ~ ~ ) . Andere Formen und Notationen des Periodensystems sind im Anhang zu diesem Band diskutiert. oC) Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die in Nomenchture of Inorganic Chemistry, Ausgabe von 1970, empfohlenen Gruppennamen Trile, Tetrele bzw. Pentele fur die Elemente der dritten, vierten bzw. funften Gruppe sind nicht gebrauchlich. L38]
lLa] [HIP’ Li Na K Rb Cs Fr
Mg Ca Sr Ba Ra
&
2 4
5
Ti 1 Y Zr Nb La-LurC1 Hf Ta Ac-Lrrdl Unq[elUnp
&
3
Mn
?%-
7
&
8
9 10
11
Q Ni Q Ru Rh pd Ag W Re 0s Ir Pt Au Unh Uns Uno Une Uun
Mo
Cr
6
Cd Hg
12 Si Ge Sn Pb
C
B -
A1 Ga In T1
14
13
P As Sb Bi
15
S Se Te Po
0
16
C1 Br I At
F
17
18 Ne Ar Kr Xe Rn
He -
La]
Numerierungssystem, das als Ersatz der international uneinheitlichen Venvendung von A und B zur Bezeichnung der Untergruppen vorgeschlagen worden ist (siehe Abschnitt 1-3.8.1 und Anhang). Lb] H ist anormal und kann auch als Element der Gruppe 17 behandelt werden. LC] Die Lanthanoide (siehe Abschnitt 1-3.8.2). Ld] Die Actinoide (siehe Abschnitt 1-3.8.2). Es wird angenommen, daO diese Elemente mit Ordnungszahlen iiber 103 in die hier gezeigte Gruppe fallen.
Gruppen
Tabelle 1-3.2 Bezeichnung von Gruppen im Periodensystem
52
Elemente, A tome und A tomgruppen
1-3.8.2
Sammelnamen fur Gruppen ahnlicher Atome
Die folgenden Sammelnamen fur Gruppen ahnlicher Atome werden von der IUPAC empfohlen: Actinoide oder Actinide (Ac, Th, Pa, U, Np, Pu, Am, Cm, Bk, Cf, Es, Fm, Md, No, Lr), Lanthanoide oder Lanthanide (La, Ce, Pr, Nd, Pm, Sm, Eu, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, L u ) [ ~ ~Erdalkalimetalle ], (Ca, Sr, Ba, Ra)(3d),Chalkogene (0,S, Se, Te, Po), Halogene (F, C1, Br, I, At)C3'1, Edelgase (He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn), Alkalimetalle (Li, Na, K, Rb, Cs, Fr) und Seltenerd-Metalle (Sc, Y und die Lanthanoide). Fur die Gruppe der Atome N, P, As, Sb und Bi ist der Sammelname Pnicogene vorgeschlagen worden; er wird aber von der IUPAC nicht empfohlen. Ein Ubergangselement ist ein Element, dessen Atom eine unvollstandige dUnterschale hat oder das ein Kation oder Kationen mit einer unvollstandigen d-Unterschale bildet. Die erste Reihe der Ubergangselemente ist Sc, Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu. Die zweite und dritte Reihe der Ubergangselemente ist ahnlich gebildet : diese schliel3en Lanthanoide bzw. Actinoide ein. Die letzteren werden als Innere (oder f-) Ubergangselemente ihrer Periode im Periodensystem bezeichnet. Da die Bezeichnung Metalloid in verschiedenen Sprachen verschieden benutzt wird, sollte dieser Name aufgegeben werden. Elemente sollten als Metalle, Halbmetalle und Nichtmetalle klassifiziert werden.
[3h1
(3d)
[3']
Obwohl der Ausdruck Actinoide ,,ahnlich wie Actinium" bedeutet und dementsprechend Actinium nicht mit einschlieDt, wird im allgemeinen Gebrauch Actinium mit erfaDt. Ahnlich liegen die Verhaltnisse beim Ausdruck Lanthanoide. Die Endung -id (engl. -ide) zeigt normalerweise eine negative Ladung an, weshalb Lanthanoid und Actinoid gegenuber Lanthanid und Actinid zu bevorzugen sind. Wegen des weitverbreiteten Gebrauchs sind die Ausdrucke Lanthanid und Actinid aber noch erlaubt. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zu den Erdalkalimetallen werden haufig auch noch Be und Mg gerechnet. Die allgemeinen Termini Chalkogenide und Halogenide [zum Terminus Halide siehe Anmerkung ('' 1 werden zur Benennung von Verbindungen der entsprechenden Elemente benutzt.
1-4
Formeln INHALT
1-4.1 1-4.2 1-4.2.1 1-4.2.2 1-4.2.3 1-4.2.4 1-4.3 1-4.3.1 1-4.3.2 1-4.4 1-4.4.1 1-4.4.2 1-4.4.3 1-4.5 1-4.5.1 1-4.5.2 1-4.5.3 1-4.6 1-4.6.1 1-4.6.1.1 1-4.6.1.2 1-4.6.1.3 1-4.6.2 1-4.6.3 1-4.6.4 1-4.6.5 1-4.6.6 1-4.6.7 1-4.6.7.1 1-4.6.7.2 1-4.6.8 1-4.7 1-4.7.1 1-4.7.2 1-4.7.3 1-4.7.3.1 1-4.7.3.2 1-4.7.3.3 1-4.8
Einleitung Definitionen von Formeltypen Empirische Formel Molekiilformel Strukturformel Festkorper-Strukturhformationen Angabe der Mengenverhaltnisse der Bestandteile Anzahl der Atome oder Gruppen Festkorperphasen Angabe von Oxidationsstufe und Ladung der Bestandteile Oxidationsstufen Ionenladung Freie Radikale Weitere Modifikatoren von Formeln Optisch aktive Verbindungen Angeregte Zustande Strukturmodifikatoren Reihenfolge der Symbole Prioritaten Allgemeines Elektronegativitat Alphabetische Ordnung Binare Verbindungen zwischen Nichtmetallen Kettenverbindungen Mehratomige Ionen Mehratomige Verbindungen oder Gruppen Intermetallische Verbindungen Koordinationsverbindungen Zusammenfassung der verwendeten Formalismen Abkurzungen Additionsverbindungen Isotop modifizierte Verbindungen Allgemeine Formalismen Isotop substituierte Verbindungen Isotop markierte Verbindungen Markierungstypen Spezifisch markierte Verbindungen Selektiv markierte Verbindungen AbschlieDende Bemerkungen
54
Formeln
1-4.1
Einleitung
Formeln (empirische Formeln sowie Molekul- und Strukturformeln) dienen der einfachen und klaren Bezeichnung einer Verbindung. Sie haben groIje Bedeutung in chemischen Gleichungen und fur die Beschreibung von chemischen Verfahren. Zur Vermeidung von Irrtumern und fur viele andere Zwecke, z. B. fur die Verwendung in maschinellen Dokumentationssystemen, ist eine Standardisierung z~eckmaDig[~~l.
1-4.2
Definitionen von Formeltypen
1-4.2.1
Empirische Formel
Die empirische Formel wird in der Weise gebildet, daI3 man durch Nebeneinanderstellen der Atomsymbole und ihrer entsprechenden Indices (Abschnitt 1-3.4) die einfachst mogliche Formel schreibt, die der Zusammensetzung entspricht. Zur Reihenfolge der Symbole siehe Abschnitt 1-4.6; fehlen aber irgendwelche anderen Ordnungskriterien, sollte die alphabetische Anordnung der Symbole in einer Formel verwendet werden. Enthalten Verbindungen organische Gruppen, werden C und H gewohnlich an erster bzw. zweiter Stelle genannt. Molekul- oder Ionenmassen konnen aus einer empirischen Formel nicht berechnet werden. Beisp iele: 1. ClK 2. Ca04S 3. 04Rb2S 4. Cl&,MO 5. ClHg
1-4.2.2
6. NS 7. C&e&N6 8. CloHloCIFe 9. C16HgN2W 10. BrC1H3N2Na02Pt
Molekulformel
Die Molekulformel fur Verbindungen aus diskreten Molekulen ist eine Formel, die mit der relativen Molekiilmasse (oder der Struktur) in Einklang ist. Zur Reihenfolge der Symbole siehe Abschnitt 1-4.6. [4a1
Die allgemeine Verwendung von Formeln in Texten wird nicht empfohlen, doch mag ausnahmsweise eine Formel einem unhandlichen und umstandlichen Namen vorzuziehen sein, nicht aber am Anfang eines Satzes.
Definitionen von Formeltypen Beispiele: 1. s2c12 2. H4P206 3. Hg2C12
55
(nicht SCl) (nicht H2PO3) (nicht HgC1)
Wenn sich die relative Molekulmasse in Abhangigkeit von der Temperatur oder anderen Bedingungen andert, wird die empirische Formel bevorzugt, falls nicht die molekulare Komplexitat ausgedruckt werden soll. Beispiele:
4. s
6. NO2 (und nicht S8, P4,N204)
5. P
Zu den Ordnungskriterien siehe Abschnitt 1-4.6. Fur Ionen, Radikale usw. bevorzugen einige Autoren, eher als fur molekulare Spezies, den allgemeinen Terminus ,,Gruppenformel".
1-4.2.3
Strukturformel
Eine Strukturformel (wie eine Stere~formel[~~]) informiert uber die Verknupfung der Atome in einem Molekul und deren Anordnung im Raum. Eine lineare Formel kann Strukturinformationen enthalten, eine zweidimensionale (wie in Beispiel 2, unten) zumeist mehr. Sie kann, falls erforderlich, Strukturmodifikatoren als Prafixe einschlieoen (siehe Tabelle V und Abschnitt 1-4.5.3). Die Empfehlungen zur Wiedergabe von Molekulformeln gelten nicht mehr, wenn eine Strukturinformation enthalten ist. Beispiele: r 0 1. OP-0-
L
0
15-
0 P-00
PO 0 O 1 J
-
2. L
-I
3.
4.
1-4.2.4
Festkorper-Strukturinformationen
Uber die Struktur kann auch durch die Angabe des Strukturtyps als Spezifizierung einer Molekulformel (siehe Abschnitt 1-6.7.2) informiert werden. Zum [4b1
Siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, S. 484-486.
56
Formeln
Beispiel konnen Polymorphe durch einen abgekurzten Ausdruck fur das Kristallsystem (in Klammern direkt nachgestellt) unterschieden werden. Strukturen konnen auch durch Anhangen des Namens einer typischen Verbindung (kursiv geschrieben, in Klammern) gekennzeichnet werden, jedoch darf dies nicht zu MiBverstandnissen fuhren; man kennt wenigstens zehn Formen von ZnS(h). Wo es mehrere Polymorphe gibt, die im selben Kristallsystem kristallisieren, konnen diese durch das Pearson-Symbol (siehe auch Abschnitt 1-3.7.3) unterschieden werden. Griechische Buchstaben werden haufig gebraucht, um Polymorphe zu bezeichnen, jedoch ist deren Verwendung oft konfus und widerspruchlich. Folglich kann keine der hier beschriebenen Methoden generell empfohlen werden. Beispiele: 1. Ti02(t) Rutil-Typ 2. Ti02(t) Anatas-Typ 3. TiO,(r) Brookit-Typ 4. AuCd(c) oder AuCd(CsC1-Typ)
1-4.3
Angabe der Mengenverhaltnisse der Bestandteile
1-4.3.1
Anzahl der Atome oder Gruppen
Die Anzahl gleicher Atome oder Atomgruppen wird in einer Formel mit arabischen Ziffern als Index am Symbol oder an den Symbolen, die sie bezeichnen, angegeben (Abschnitt 1-3.4). Das Symbol kann in runden Klammern ( ), eckigen Klammern [ 1, geschweiften Klammern { } oder allein stehen. Klammern dienen dazu, Symbole zu trennen, wenn andernfalls Mehrdeutigkeiten entstehen konnen. Beispiele: 1. CaC12 2. [Co(NH3)612(S04)3 3. ca3(p04)2
4- [{Fe(C0)3}3(cO)2l25. K[Os(N)O,]
Solvatmolekule und ahnlich gebundene Molekule in Additionsverbindungen (wie sie in Lewis-Saure-Base-Addukten und in Charge-Transfer-Molekulkomplexen vorkommen konnen) werden nicht als Koordinationsverbindungen angesehen, es sei denn, sie konnen zweifelsfrei als solche bezeichnet werden. Die Mengenverhaltnisse der Bestandteile werden mit arabischen Ziffern vor den jeweiligen Formeln angegeben. Die Formeln der Einzelverbindungen werden durch einen Punkt in Zeilenmitte getrennt. Fur besondere Verbindungsklassen kann es spezifische Ordnungsregeln fur Formeln geben (siehe z. B. Abschnitt 1-4.6.8).
Angabe der Oxidationsstufe und der Ladung der Bestandteile
57
Beispiele: 6. Na2C03.10H20 7. 8H2S. 46H20 8. NH3 * B(CH&
1-4.3.2
Festkorperphasen
Formeln von festen Losungen und nichtstochiometrischen Phasen siehe Kapitel 1-6.
1-4.4
Angabe der Oxidationsstufe und der Ladung der Bestandteile
1-4.4.1
Oxidationsstufen
Die Oxidationsstufe eines Elements kann in einer Formel durch eine Zahl, geschrieben mit romischen Ziffern als Exponent, angegeben ~ e r d e n " ~ )Zusatz. lich kann die Oxidationsstufe Null durch die Ziffer 0 bezeichnet werden. Wenn ein Element in einer Verbindung in mehr als einer Oxidationsstufe vorkommt, wird das Elementsymbol wiederholt, und jedem Symbol wird seine Oxidationszahl zugeordnet. Die Symbole werden dann nach steigender GroiBe der Zahlen und von negativ zu positiv geordnet. Beispiele: 1. [PV2MO18062]62. K[OsV"'(N)03] 3. [M0~2M0~'4018]~-
4. Pb112PbIV04 5. [OsO(CO),] 6. Na20-12
Wo die Angabe einer Oxidationsstufe fur jedes Einzelglied einer Gruppe (oder eines Clusters) nicht moglich oder sinnvoll ist, wird empfohlen, den Gesamtoxidationsgrad der Gruppe durch eine formale Ionenladung, wie in Abschnitt 1-4.4.2 beschrieben, zu definieren. Dadurch erubrigt sich die Venvendung gebrochener Oxidationsst~fen[~~]. (4a)
Lkl
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Angabe der Oxidationsstufe bezieht sich auf das einzelne Atom und steht daher direkt an dessen Symbol. Die Ionenladung dagegen bezieht sich auf die gesamte Einheit (siehe Abschnitt 1-4.4.2). Oxidationsstufe ist ein formaler Ausdruck fur die Zuordnung von Elektronen an bestimmte Atome oder Atomgruppen in einem Molekul und fur das Verstandnis von Redox-Reaktionen. Die Originalregeln zur Ermittlung der Oxidationsstufe erlauben keine gebrochenen Werte. Weil es selten moglich ist, Elektronen bestimmten Atomen von Gruppen zuzuordnen, wenn gebrochene Oxidationsstufen postuliert werden konnten, scheint es besser, von der Angabe gebrochener Oxidationsstufen abzusehen zugunsten des hier vorgeschlagenen Formalismus der Ladungsangabe.
58
Formeln
Beispiele: 7. 0 2 -
1-4.4.2
8. Fe4S43+
Ionenladung
Die Ionenladung wird durch einen Exponenten als A"+ oder A"- (nicht A+" oder A-") angezeigt (siehe Abschnitt 1-3.4). Bei Komplex-Ionen und ausgedehnten Strukturen wird n+ oder n- als Exponent nach der entsprechenden eckigen oder runden Klammer benutzt. Man beachte die allgemeine Darstellung, wenn keine eckigen Klammern verwendet werden: X.vY,,"+usw. und nicht x,y;+. Beisp iele: 1. c u + 2. c u 2 + 3. NO+ 4. [A1(H2o)6I3' 5. H2N03+ 6. [PC14]+ 7. H8. As3-
1-4.4.3
9. HF210. CN11. s 2 0 7 2 12. [Fe(CN)6I413. (o3poso3)3 14. [PW12040]315. [(CUC~~),]"-
Freie Radikale
Die IUPAC empfiehlt, die Verwendung des Wortes Radikal auf Spezies zu beschranken, die herkommlich als freie Radikale bezeichnet werden. Im vorliegenden Text wird ein Radikal als ein Atom oder eine Gruppe von Atomen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen angesehen (siehe Abschnitt 1-8.4.1). Ein Radikal kann auch positiv oder negativ geladen sein. Bei Ubergangsmetallverbindungen ist es oft nicht notig, das Vorkommen von ungepaarten Elektronen anzuzeigen; sie werden normalerweise nicht angegeben. Auch in Nicht-Ubergangsmetall-Radikalenwerden die ungepaarten Elektronen selten ausdrucklich angezeigt. Eine Ladung an einem Radikal mu0 jedoch angegeben werden. Ein Radikal wird auf Wunsch durch einen Punkt als Exponent am Symbol des Elements oder der Gruppe gekenn~eichnetc~~]. Die Formeln mehratomiger Radikale werden in runde Klammern gesetzt mit dem Punkt als Exponent an [4d1
Eine derartige Anwendung unterscheidet sich im Detail von der in Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel C-81, und in der Festkorperchemie (Kapitel I-6) empfohlenen Praxis. Wenn die Position der ungepaarten Elektronen in Strukturformeln spezifiziert werden mul3, sollte nach Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel C-81, verfahren werden.
Weitere Modifikatoren von Formeln
59
den Klammern. In Radikalen, die als Koordinationsverbindungen behandelt werden (siehe Kapitel 1-10), ist der Punkt ein Exponent an den eckigen Klammern. Der hochgestellte Punkt zeigt nur das Vorhandensein eines ungepaarten Elektrons an und nicht dessen Position. Das gilt auch im Falle mehrerer ungepaarter Elektronen. In Radikalionen steht der Punkt vor der LadungsangaBeispiele: 1. H' 2. Br' 3. 7Li* 4. 23Na' 5. (NO2)' 6. (OH)' 7. (PO)'
8. (CN)' 9. [Mn(CO)5]' 10. (HgCN)' 11. (SnC13)' 12. [v(co)~I* 13. (Ag2)*+ 14. (NH3)'+
15. ( 0 2 ) * 16. (NO)'17. (C12).18. (S02)'19. (BH3)'20. (c02)'21. [Cr(CioH7)21' + 22. [Cr(C10H7)2] * 3-
Zwei ungepaarte Elektronen konnen als zwei Punkte oder 2 angezeigt werden. Mehr als zwei sollten immer durch Exponenten n* (mit n 2 3) angegeben werden. Beispiele: 23. ( 0 2 ) ' oder (02)2. 24. (N2)*'2oder (N2)2'225. (N20)"2f oder (N20)2'2+ 26. [FeC14]4'2In Strukturformeln kann es zweckmaBig sein, den Punkt zur Lokalisierung der ungepaarten Elektronen zu verwenden.
1-4.5
Weitere Modifikatoren von Formeln
1-4.5.1
Optisch aktive Verbindungen
Das Zeichen fur die optische Drehung wird in runde Klammern gesetzt, die Wellenlange (in nm) wird als Index angegeben. Das ganze Symbol steht direkt vor der Formel und bezieht sich, wenn nicht anders angegeben, auf die D-Linie des Natriumsr4fl.
L4fl
Diese Empfehlungen stimmen mit denen in Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel C-83.3 und C-84.4, und im Compendium of Chemical Terminology iiberein, jedoch nicht mit den Empfehlungen fur die Massenspektrometrie, Pure Appl. Chem. 1978, 50, 56. Wenn zu envarten ist, daD Formulierungen wie M2.2- zu Verwirrungen fiihren konnten, ist die Verwendung von runden Klammern angezeigt : M(2')(2-). Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Auch z. B. in der Elektrochemie. Das Verfahren ist in Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, S. 480, Regel E-4.4, ausfiihrlicher beschrieben.
60
Formeln
1-4.5.2
Angeregte Zustande
Angeregte elektronische Zustande konnen durch ein Sternchen als Exponent angezeigt werden. Diese Praxis unterscheidet nicht zwischen verschiedenen angeregten Zustanden. Beispiele: 1. He* 2. NO*
1-4.5.3
Strukturmodifikatoren
Modifikatoren wie cis-, trans- usw. sind in Tabelle V zusammengestellt. Ublicherweise werden solche Modifikatoren als kursiv geschriebene Prafixe venvendet und mit der Formel durch einen Bindestrich verkniipft. Beispiele: 1. c i ~ - [ P t C l ~ ( N H ~ ) ~ l 2. tran~-[PtCl,(NH,)~] 3. tran~-[MoCl,(thf)~] * tran~-[ReCl(N~)(PMe~Ph)~] Tabelle I- 10.5 enthalt eine Liste gebrauchlicher Abkurzungen fur Liganden; siehe aber auch Abschnitt 1-4.6.7.2. Dem Modifikator p zur Bezeichnung eines die Koordinationszentren verknupfenden Atoms oder einer derartigen Gruppe begegnet man oft; er kann auch als Infix verwendet werden. Die verbruckende Gruppe wird normalerweise in runden Klammern am Ende der Formel plaziert, modifiziert durch das Prafix p, aber in jedem Fall vorzugsweise nach dem oder den Zentralatomen in der Formel. Wenn der Bruckenligand mehr als zwei Atome verknupft, wird p selbst zu p3, p4 . . . , p, modifiziert. Wenn es mehr als einen Bruckenliganden gibt, sollten die Briicken nach steigender Bindigkeit geordnet werden. Wenn zwei oder mehr Bruckenliganden die gleiche Bindigkeit haben, gilt die alphabetische Reihenfolge der Atomsymbole der Brucken. Zur ausfuhrlichen Diskussion der Koordinationsverbindungen und der Verwendung von Strukturmodifikatoren siehe Kapitel 1-2 und insbesondere 1-10. Beispiele: 4. [{Cr(NH3)5}2(y-OH)IC15 5. [Cr3(p-CH3C00)6(p3-O)]Cl 6. [{Co(CN)5){F~(CN)S)(P-CN)I
Reihenfolae der Svmbole
1-4.6
Reihenfolge der Symbole
1-4.6.1
Prioritaten
1-4.6.1.1
Allgemeines
61
Die Reihenfolge der Symbole in einer Formel ist immer willkurlich und sollte in jedem einzelnen Fall dem Zweck der Veroffentlichung oder Mitteilung entsprechen. Beispielsweise mu13 die Reihenfolge in einem Register dessen speziellen Anliegen genugen. Wenn es keine ubergeordneten Forderungen gibt, sollten die folgenden Hinweise befolgt werden; sie sind in Tabelle 1-4.1 zusammengefaBt. Tabelle 1-4.1
1. 2. 3.
4. 5. 6.
Bildung von Formeln fur Verbindungen
Den Bestandteilen Symbole zuordnen (Kapitel 1-3). Mengenverhaltnisse der Bestandteile angeben (1-4.3). Bestandteile in elektropositive und elektronegative aufteilen (1-4.6.1.2). Die Entscheidung ist vom Verbindungstyp abhangig. Es gibt Spezialregeln fur Sauren (I-4.6.1.2), mehratomige Gruppen (I-4.6.5), binare Verbindungen zwischen Nichtmetallen (I-4.6.2), Kettenverbindungen (I-4.6.3), intermetallische Verbindungen (I-4.6.6), Koordinationsverbindungen (1-4.6.7) und Additionsverbindungen (1-4.6.8). Formel zusammenstellen (1-4.6). Modifikatoren (geometrische usw.) einfugen, sofern erforderlich (1-4.2.3, 1-4.2.4, 1-4.5, 1-4.7). Oxidationszustande, Ladungen usw. angeben, sofern erforderlich.
1-4.6.1.2
Elektronegativitat
In einer Formel basiert die Reihenfolge der Symbole auf der relativen Elektronegativitat; die elektropositiveren Bestandteile werden zuerst zitiert. Bei Fehlen einer universellen Elektronegativitatsskala sollte Tabelle IV fur diesen Zweck zur Festlegung der relativen Elektronegativitaten verwendet werden. Im allgemeinen sollten die Elemente vor A1 in der Folge der Tabelle IV als elektronegativ betrachtet werden, die nach B als elektropositiv. Dies ist aber nicht verbindlich. In binaren Verbindungen zwischen Nichtmetallen (Abschnitt I-4.6.2), in mehratomigen Gruppen (Abschnitt 1-4.6.5) und in intermetallischen Verbindungen (Abschnitt 1-4.6.6)wird der zuerst genannte Bestandteil als elektropositiv behandelt, auch wenn allgemeine Kriterien darauf hindeuten, daD das nicht stimmt. Jedenfalls kann es bei spezifischen Beispielen wie den Halogenoxiden notig sein, diese Empfehlungen zu modifizieren. In den Formeln fur BrernstedSauren (siehe Kapitel I-5.3.2) wird der saure Wasserstoff als ein elektropositiver
62
Formeln
Bestandteil angesehen und steht unmittelbar vor den anionischen Bestandteilen. Falls die Verbindung mehr als einen elektropositiven oder elektronegativen Bestandteil enthalt, werden die Symbole in jeder Klasse alphabetisch geordnet. Beispiele: 1. KCl 2. CaS04 3. HBr 4. H2SO4 5. [Cr(H20)6]C13
1-4.6.1.3
6. 7. 8. 9. 10.
H[AuC14] Na2B407 NaHS04 IBrC12 02ClF3
Alphabetische Ordnung
Ein Einbuchstabensymbol, z. B. C, rangiert immer vor einem Zweibuchstabensymbol mit gleichem Anfangsbuchstaben, z. B. Ce. Nicht austauschbarer Wasserstoff in einem Anion ist ein Ligand, der seine normale alphabetische Position einnimmt. Austauschbarer (saurer) Wasserstoff wird behandelt, wie in Abschnitt 1-4.6.1.2 beschrieben. NH4 wird wie ein einzelnes Symbol behandelt und folgt auf Ne. Wenn die ersten Symbole ubereinstimmen, rangiert ein einatomiger Bestandteil vor einem mehratomigen oder komplexen, z. B. steht 0 vor OH. Sind die in einer Formel anzuordnenden Einheiten mehratomig, entscheidet ein fur die Einheit charakteristisches Atomsymbol uber die Reihenfolge. Wie in den Abschnitten 1-4.6.2 bis 1-4.6.7 beschrieben, bestimmt das erste Symbol in der Formel eines Komplexes oder einer mehratomigen Gruppe die alphabetische Reihenfolge. Beispielsweise werden SCN, U02, NO3, OH und [Zn(H20)6]2' unter S, U, N, 0 bzw. Zn eingeordnet. Siehe auch Kapitel 1-2. Falls die erstgenannten Symbole ubereinstimmen, wird das Symbol mit dem kleineren Index zuerst zitiert, z. B. NO2 vor N202.Wenn dies noch nicht ausreicht, entscheiden die Folgesymbole alphabetisch und numerisch; z. B. rangiert NO2 vor NO3, NH2 vor NO2. Die Reihenfolge einiger Anionen des Stickstoffs ist: N3-, NH2-, NO2-, NO3-, N2022-, N3-. Die Empfehlungen in den Abschnitten 1-4.6.1.2 und 1-4.6.1.3 werden durch folgende Beispiele illustriert. Beispiele: 1. KMgF3 2. NaTI(N03)2 3. CaTi03 4. TiZn03 5. NaNH4HP04.4H20 6. LiH2P04 7. KHS 8. NaHPH03 9. K2Mg2V,0028.16H20
Reihenfolae der Svmbole
63
Abweichungen von der alphabetischen Ordnung sind erlaubt, wenn Ahnlichkeiten zwischen Verbindungen betont werden sollen. Beispiel: 19. CaTi03 und ZnTi03
1-4.6.2
Binare Verbindungen zwischen Nichtmetallen
Entsprechend dem ublichen Gebrauch wird in binaren Verbindungen zwischen Nichtmetallen derjenige Bestandteil zuerst plaziert, der in der folgenden Liste fruher ~orkomrnt[~gl. Rn, Xe, Kr, Ar, Ne, He, B, Si, C, Sb, As, P, N, H, Te, Se, S, At, I, Br, C1, 0, F. Beispiele: 1. NH3 2. H2S 3 . c120
1-4.6.3
4. OF2
5. B2Hs 6 . PH3
Kettenverbindungen
In Formeln kettenformiger Verbindungen aus drei oder mehr Elementen sollte stets die Reihenfolge angegeben werden, in der die Atome im Molekul oder Ion tatsachlich gebunden sind. Beispiele: 1. -SCN (nicht -CNS) 2. HOCN (Cyansaure) 3. HONC (Is~knallsaure(~~)) 4. [03Pos03]3-
1-4.6.4
Mehratomige Ionen
Mehratomige Ionen, ob komplex oder nicht, werden in ahnlicher Weise behandelt. Die Zentralatome (z. B. I in [IC14]-, U in U022+, Si und W in [SiW12040]4-)oder die charakteristischen Atome (wie C1 in C10-, 0 in OH-) werden zuerst genannt; dann folgen die Untergruppen in alphabetischer Reihenfolge der Symbole in jeder Klasse. [4g]
(4b)
Antimon ist hier als Nichtmetall klassifiziert, jedoch liegen seine Eigenschaften zwischen Metallen und Nichtmetallen. In anderem Zusammenhang kann es als Metal1 angesehen werden. Die hier genannte Reihenfolge ist eine modifizierte Elektronegativitatsfolge. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Siehe G. Maier, J. H. Teles, B. Andes Hess., Jr., L. J. Schaad, Angew. Chem. 1988, 100, 1014.
64
Formeln
Beispiele: 1. S0422. u022+ 3. N02-
4. c10-
1-4.6.5
5. 6. 7. 8.
OH-[~~I P2074[p2wdk216[MO&8]2-
9. [Cr07S]2-(4c) 10. [SiW12040]411. [BHJ 12. [IC14]-
Mehratomige Verbindungen oder Gruppen
Das Zentralatom der Verbindung oder Gruppe wird zuerst genannt. Falls zwei oder mehr verschiedene Atome oder Gruppen an ein einzelnes Zentralatom gebunden sind, folgen dem Symbol des Zentralatoms die Symbole der ubrigen Atome oder Gruppen in alphabetischer Ordnung. Die einzigen Ausnahmen sind Sauren, in deren Formeln Wasserstoff zuerst aufgefuhrt ~ i r d " ~ Wenn ). ein Molekul eine Gruppe wie =P=O enthalt, die oft in verschiedenartigen Verbindungen vorkommt, kann sie als positiver Teil der Verbindung behandelt werden. Beispiele: 1. PBrC12 2. SbC12F 3. POC13 oder PCl30
1-4.6.6
4. PSC13 oder PC13S 5. H3P04
Intermetallische Verbindungen
Die Bestandteile (einschliefllich Sb) werden in alphabetischer Reihenfolge ihrer Symbole plaziert. Abweichungen von dieser Ordnung sind erlaubt, z. B. um den ionischen Charakter zu betonen oder wenn Verbindungen mit analogen Strukturen verglichen werden sollen; jedoch ist die alphabetische Reihenfolge zu beachten, solange es keine ubergeordneten Grunde gibt. Beispiele: 1. Au2Bi 2. NiSn 3. Mg2Pb [4h1
4. Cu5Zn8 5. CuSCdg 6. Na3Bi5
(analoge Strukturen) (ionischer Charakter)
Das Hydroxid-Ion wird durch das Symbol OH- wiedergegeben, obwohl die Empfehlungen fur die Formeln von Sauren (siehe Abschnitt 1-4.6.1.2 und Kapitel 1-9) HO- nahelegen. Beispiel 5 entspricht der iiblichen Praxis. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Formel ist wenig aussagekraftig, evtl. [Cr03(S04)12-. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Sauren konnen als binare Verbindungen aufgefaBt werden und miissen nicht von vornherein als Ausnahme angesehen werden.
Reihenfolge der Symbole
1-4.6.7
Koordinationsverbindungen
1-4.6.7.1
Zusammenfassung der verwendeten Formalismen
65
Kapitel I- 10 befaDt sich mit der Nomenklatur fur Koordinationsverbindungen. Als Formeln werden sie wie andere mehratomige Gruppen behandelt. Das Symbol des Zentralatoms oder der Zentralatome steht in der Formel einer Koordinationseinheit an erster Stelle, gefolgt von den Symbolen der ionischen und dann der neutralen Liganden. Die Elementsymbole der Zentralatome werden alphabetisch geordnet. Liganden werden innerhalb jeder Klasse alphabetisch nach dem ersten Symbol aufgefuhrt (Abschnitt 1-4.6.1 bis 1-4.6.5). Somit werden H20, NH3, SiH3-, NO3-, S042- und OH- bei H, N, Si, N, S bzw. 0 genannt; Liganden, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen, werden unter C eingeordnet. In der Formel fur organische Liganden mit Heteroatomen (andere Atome als Kohlenstoff und WasserstoQ stehen entsprechend dem organischen System Kohlenstoff und Wasserstoff vor den anderen alphabetisch geordneten Atomen. Die Position einer solchen Formel in der Formel des gesamten Komplexes wird durch die Stellung der Heteroatome im Alphabet festgelegt. Von zwei Liganden mit demselben bestimmenden Atom rangiert derjenige mit der kleineren Zahl solcher Atome vor dem mit der groDeren Anzahl. Wenn die Anzahl der bestimmenden Atome gleich ist, entscheiden diefolgenden Symbole uber die Sequenz. Zum Beispiel werden P(C2H5)3und C5H5Nunter P bzw. N aufgefuhrt, C5H5Nsteht vor NH3, und C2H8N2steht vor CIOH8N2. Eckige Klammern werden verwendet, um die gesamte Koordinationseinheit, geladen oder nicht, einzuschlieDen. Dies ist bei einfachen Spezies wie den gewohnlichen Oxoanionen (NO3-, NO2-, S042-, OH- usw.) nicht notig. Die verschiedenen Arten von Klammern sollen in folgender Weise angeordnet werden: [( )I, [{( >>I,[I[( )Ill, [{N )I>>]USW. (Abschnitt 1-2.2.1). Die Strukturformel eines Liganden beansprucht die gleiche Position in einer Sequenz wie seine Molekulformel. Die an ein Metallatom gebundenen Molekule NO und CO werden in der Nomenklatur als neutrale Liganden behandelt.
Beispiele: K3[Fe(CN)61 2. K~[OSCI~NI 3. [Co(N3)(NH3)dSO4 4. [Al(OH)(H20)5]2' 5. K2[WCN)202(02)NH31 1-4.6.7.2
6. [Ru(NH3)dN2)ICb 7. &-[PtC12{ P(C2H5)3}2] 8. Na[PtBrC1(N02)NH3] 9. [PtCl2(CSHSN)NH3] 10. [Co(C2H8N2)2(C1OH8N2)I3 +
Abkiirzungen
Diese konnen in Formeln zur Angabe von Liganden verwendet werden; sie werden am gleichen Platz eingefugt, an dem sie als Formel stehen wurden. Die
66
Formeln
Abkurzungen sollen in kleinen Buchstaben geschrieben werden und in runden Klammern stehen. Einige allgemein gebrauchliche Abkurzungen sind in den Tabellen 1-10.5 und X zu finden. Beispiele: 1. [WPY)4I[PtC141 2. [Fe(en)31[Fe(CO)41 3. [Co(en)dbpy)l3+ oder [Co(C2H8N2)2(CloH8N2)13t Die ublicherweise verwendeten Abkurzungen fur organische Gruppen wie Me, Ph, Bu usw. werden in anorganischen Formeln akzeptiert. Man beachte, daB zwischen einem Anion und seiner Stammsaure unterschieden werden muB. Demnach ist acac eine Abkurzung fur Acetylacetonat. Acetylaceton (Pentan2,4-dion) wird dann zum Hacac (siehe die Tabellen 1-10.5 und X). Die Nichtbeachtung dieser Konvention fuhrt zu Inkonsistenzen und der Notwendigkeit, das Fehlen von Atomen durch negative Exponenten anzuzeigen. Solche Praktiken werden nicht empfohlen.
1-4.6.8
Additionsverbindungen
In der Formel fur Additionsverbindungen werden die Einzelmolekule nach steigender Anzahl aufgefuhrt; falls sie in gleicher Anzahl vorkommen, entscheidet die Stellung des ersten Symbols im Alphabet. Additionsverbindungen, die Borverbindungen oder Wasser enthalten, sind Ausnahmen, denn Wasser oder die Borverbindung werden zuletzt genannt. Wenn beide vorkommen, steht die Borverbindung vor Wasser. Dies ist fur Hydrate Tradition. Beispiele: 1. 3CdS04.8 H 2 0 2. Na2C03.10H20 3. Al2(S04)3* K2SO4.24H20 4. AIC13.4ClH-jOH
5. 6. 7. 8.
8H2S. 46H20 C6H6.NH3.Ni(CN)2 2CH30H. BF3 BF3.2H20
1-4.7
Isotop modifizierte Verbind~ngen[~'I
1-4.7.1
Allgemeine Formalismen
Die Massenzahl fur jedes Nuklid kann in ublicher Weise durch einen linken Exponenten vor dem jeweiligen Atomsymbol angegeben werden (Abschnitt 1-3.4). [4i1
Weitergehende Informationen finden sich in Isotopically Modified Compounds, Pure Appl. Chern. 1981. 53, 1887.
Isotop modifizierte Verbindungen
67
Wenn es notig ist, verschiedene Nuklide an gleicher Stelle in einer Formel zu nennen, werden die Nuklidsymbole in alphabetischer Reihenfolge geschrieben, und, wenn ihre Atomsymbole gleich sind, nach steigender Massenzahl geordnet. Isotop modifizierte Verbindungen konnen als isotop substituierte Verbindungen und isotop markierte Verbindungen klassifiziert werden.
1-4.7.2
Isotop substituierte Verbindungen
Eine isotop substituierte Verbindung enthalt in allen ihren Molekulen an jeder bezeichneten Position ausschliefllich die angezeigten Nuklide. Die substituierenden Nuklide werden durch Einschub der Massenzahlen als linke Exponenten vor dem entsprechenden Atomsymbol in der normalen Formel angegeben. Beispiele: 1. H ~ H O 2. ~ 3 6 ~ 1 3. 2 3 5 ~
4. 42KNa'4C03 ~
~
7. K342K[Fe(14CN)6]
5. 32PC13 6. K[32PF6]
1-4.7.3
Isotop markierte Verbindungen
1-4.7.3.1
Markierungstypen
Eine isotop markierte Verbindung kann formal als Gemisch einer isotop unmodifizierten Verbindung und einer oder mehreren analog isotop substituierten Verbindungen betrachtet werden. Sie konnen in mehrere Gruppen unterteilt werden. Hier werden spezifisch markierte Verbindungen und selektiv markierte Verbindungen behandelt. 1-4.7.3.2
Spezifisch markierte Verbindungen
Eine isotop markierte Verbindung wird spezijisch markierte Verbindung genannt, wenn formal eine einzige iosotop substituierte Verbindung der analogen isotop unmodifizierten Verbindung zugesetzt ist. Spezifisch markierte Verbindungen werden durch EinschluB der entsprechenden Nuklidsymbole einschlieDlich eventuell vorhandener multiplikativer Indices in eckigen Klammern gekennzeichnet . Beispiele: 1. H[36C1] 2. [=PIC13 3. ['5N]H2[2H]
4. "3C]O['70] 5. [32P]O['8F3] 6. Ge[2H2]F2
68
Formeln
1-4.7.3.3
Selektiv markierte Verbindungen
Eine selektiv markierte Verbindung kann als ein Gemisch aus spezifisch markierten Verbindungen angesehen werden. Sie wird durch Nennung der Nuklidsymbole in eckigen Klammern vor der Formel bezeichnet, denen alle notigen Lokanten (aber ohne multiplikative Indices) vorangestellt werden. Beispiele: 1. [36Cl]SOC12 2. ['H]PH3 3. ['oB]B2H5Cl Die Anzahl der moglichen Markierungen einer gegebenen Position kann durch Indices, getrennt durch Semikolons, angegeben werden, die den Nuklidsymbolen im Isotopendeskriptor folgen. Beisp iel: 4. [1-2H1;2]SiH30SiH20SiH3
1-4.8
AbschlieBende Bemerkungen
Die vorstehenden Empfehlungen sind als Anleitung gedacht und als Erlauterung der Prinzipien, nach denen Formeln konstruiert werden sollen. Tabelle 1-4.1 gibt Hinweise fur die Nutzung dieses Kapitels zur Konstruktion von Formeln. Es ist jedoch oft nicht moglich, die Regeln fur Formeln von den Regeln fur Namen zu trennen. Folglich sollten die Benutzer zur weiteren Information die speziellen Kapitel oder Dokumente befragen, die spezifische Verbindungstypen betreffen, z. B. Kapitel 1-10 fur Koordinationsverbindungen oder die in F~Bnote[~'] zitierte Empfehlung fur isotop modifizierte Verbindungen. Die hier erlauterten Prinzipien sind fur eine allgemeine Anwendung gedacht.
1-5
Auf der Stochiometrie beruhende Namen INHALT
1-5.1 1-5.2 1-5.3 1-5.3.1 1-5.3.2 1-5.3.3 1-5.3.4 1-5.3.5 1-5.4 1-5.5 1-5.5.1 1-5.5.2 1-5.5.2.1 1-5.5.2.2 1-5.5.2.3 1-5.6 1-5.7 1-5.8 1-5.8.1 1-5.8.2
Einleitung Klassen der Bestandteile und deren Reihenfolge Namen der Bestandteile Elektropositive Bestandteile Reihenfolge der elektropositiven Bestandteile Einatomige elektronegative Bestandteile Homopolyatomige elektronegative Bestandteile Heteropolyatomige elektronegative Bestandteile Reihenfolge der Bestandteile innerhalb der Klassen Bezeichnung der Mengenverhaltnisse der Bestandteile Verwendung multiplikativer Prafixe Verwendung von Oxidations- und Ladungszahlen Definitionen Oxidationszahl Ladungszahl Additionsverbindungen Borhydride AbschlieDende Bemerkungen Wahl des geeigneten Namens SchluDfolgerungen
1-5.1
Einleitung
Dieses Kapitel behandelt Namen fur Verbindungen, uber die nur geringe oder keine Informationen zur Struktur vorliegen oder fur die nur ein Minimum an Strukturinformationen angegeben werden soll. In solchen Fallen konnte man den Namen auf eine nichtstrukturelle empirische Formel beziehen (Abschnitt 1-4.2.1). Meistens gibt es jedoch einige zusatzliche chemische Informationen oder Annahmen. Viele anorganische Verbindungen kann man als aus elektropositiven (moglicherweise kationischen) und elektronegativen (moglicherweise anionischen) Bestandteilen zusammengesetzt betrachten. Somit lassen sich die Prinzipien, nach denen in Formeln jeweils die Symbole elektropositiver und elektronegativer Bestandteile zusammengestellt werden, auch auf die Bildung von Namen anwenden (siehe Abschnitt 1-4.6).
70
Auf der Stochiometrie beruhende Namen
1-5.2
Klassen der Bestandteile und deren Reihenfolge
Im einfachsten Fall, wenn die Verbindung aus einem elektropositiven und einem elektronegativen Bestandteil besteht, wird der Name durch Kombinieren der Namen des elektropositiven und des elektronegativen Bestandteils gebildet(5")und gegebenenfalls durch multiplikative Prafixe genauer bezeichnet. Der elektropositive Bestandteil wird zuerst aufgefuhrt. Die beiden Namensteile werden im Deutschen direkt (oder durch einen Bindestrich) miteinander verbunden[5"]. Der Name fur einen einatomigen elektropositiven Bestandteil ist der Elementname, wahrend die Namen fur elektronegative Bestandteile gewohnlich Anionnamen sind (Abschnitt 1-8.3). Solange es keine Probleme wegen unterschiedlicher Oxidationsstufen gibt, werden multiplikative Prafixe nicht unbedingt benotigt, selbst wenn eine exaktere Formulierung des Namens diese notwendig erscheinen la&. Beispiele: 1. NaCl 2. Ca3P2 3. Fe304 4. Fe203 5. S i c
Natriumchlorid Calciumphosphid Trieisen-tetraoxid Dieisen-trioxid Siliciumcarbid
1-5.3
Namen der Bestandteile
1-5.3.1
Elektropositive Bestandteile
Der Name eines einatomigen elektropositiven -2standteils ist der unveranderte Elementname (siehe Tabelle I). Fur einen mehratomigen Bestandteil wird der ubliche Kationname verwendet (siehe Abschnitt 1-8.2.3 und Kapitel 1-10), jedoch sind eingefuhrte Namen fur spezielle Gruppen (insbesondere fur sauerstomaltige Spezies wie Nitrosyl- und Phosphoryl-, siehe Abschnitt 1-8.4.2.2) in bestimmten Fallen weiterhin erlaubt. (5a)
Lsa]
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zur Einteilung in elektropositive bzw. elektronegative Bestandteile siehe Abschnitt 1-2.15.2. Einzelheiten der Anordnung sowie Gepflogenheiten der Worttrennung konnen sich von Sprache zu Sprache unterscheiden. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Deutschen wird ein Bindestrich immer dann verwendet. wenn es die Ubersichtlichkeit erfordert; vgl. Anmerkung'2b).
Namen der Bestandteile Beispiele: 1. NH4Cl 2. u02c12 3. POC13 4. NOHS04 5. NOCl 6* [C0(NH3)61Br3 7. OF2 8. O2F2 9. 02[PtF6]
1-5.3.2
71
Ammoniumchlorid Uranyl-dichlorid Phosphoryl-trichlorid Nitrosyl-hydr~gensulfat(~~) Nitrosylchlorid Hexaammincobalt-tribromid Sauerstoffdifluorid oder Oxygendifluorid Disauerstoff-difluorid oder Dioxygen-difluorid Disauerstoff-hexafluoroplatinatoder Dioxygenhexafluoroplatinat
Reihenfolge der elektropositiven Bestandteile
Enthalt die Verbindung verschiedenartige elektropositive Bestandteile, so werden die Namen in alphabetischer Reihenfolge ihrer Anfangsbuchstaben aufgefuhrt, oder, wenn diese gleich sind, des zweiten Buchstabens usw. So steht Magnesium vor Mangan und Kalium vor Kupfer. Hydrogen wird stets als letzter der elektropositiven Bestandteile genannt und kann von den folgenden Anionnamen durch einen Bindestrich getrennt werden. Mochte man betonen, da13 das Wasserstoffatom Bestandteil des Anions ist, kann Hydrogenphosphat vom strukturell anders aufgebauten Hydrogen-phosphat unterschieden werden (siehe Abschnitt I-8.5.2)(5c). Die Reihenfolge der Bestandteile im Namen variiert mit der verwendeten Sprache und weicht haufig von deren Reihenfolge in der Formel ab (Kapitel 1-4). Multiplikative Prafixe, die nicht Bestandteil des Kationnamens sind, werden bei der Bestimmung der alphabetischen Reihenfolge nicht berucksichtigt (siehe Abschnitt 1-5.5). Beispiele: 1. KMgC13 Kalium-magnesium-chlorid 2. NaNH4HP04 Ammonium-natrium-hydrogen-phosphat 3. Na(U02)3[Zn(H20)6](OCOCH3)9 Hexaaquazink-natrium-triuranylnonaacetat (5b)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die vorliegenden Empfehlungen erlauben zwei Schreibungen der Namen saurer Salze. Das Wasserstoffatom kann als elektropositiver Bestandteil oder als am elektronegativen Bestandteil gebunden angesehen und direkt vor den Namen des Anions geschrieben werden. Letzteres wird in der anorganisch-chemischen Nomenklatur meist praktiziert (Natrium-hydrogencarbonat), wahrend in der organisch-chemischen Nomenklatur z. B. Natrium-dihydrogen-citrat geschrieben wird. Vgl. Anmerkung(20)und FuDnote[S'l. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Original werden ,,hydrogen phosphate" und ,,hydrogenphosphate" unterschieden.
Auf der Stochiornetrie beruhende Narnen
72
4. C S ~ F ~ ( C ~ O ~ ) ~ 5. AlK(S04)2'12H20
6. Ca3H3C1F(P04)(S04)2
1-5.3.3
Tricaesium-eisen-tris(0xalat)[~~1 Aluminium- kalium- bis(su1fat)Wasser (1/12) oder AluminiumsulfatKaliumsulfat-Wasser ( 1/1/24)r5"1 Tricalcium-trihydrogen-chlorid-fluoridphosphat-bis(su1fat)
Einatomige elektronegative Bestandteile
Der Name eines einatomigen elektronegativen Bestandteils wird vom Elementnamen (Tabelle I) abgeleitet, indem die Endung (gewohnlich 4um) durch die Anionendung -id ersetzt ~ i r d ( ' ~ ) . Beispiele: 1. Aluminid von Aluminium 2. Kalid von Kalium 3. Natrid von Natrium 4. Silicid von Silicium Es gibt Ausnahmen von dieser Regel. In einigen Fallen werden gekurzte Namen bevorzugt. Manche Elementnamen, wie die der Edelgase, und Elementnamen, die nicht auf -ium enden, konnen leicht in Anionnamen umgewandelt werden, indem die anionische Endung -id an den Elementnamen oder an dessen Stamm angefugt wird. Beispiele: 5. Arsenid von Arsen 6. Chlorid von Chlor 7. Selenid von Selen 8. Wolframid von Wolfram[5d] 9. Neonid von 10. Argonid von Argon[5e] Der Name Caesium-tris(oxalato)ferrat(III) sagt mehr iiber die Struktur der Verbindung aus als der hier angefiihrte einfache Name. Bei Verwendung des zweiten Namens mu8 die Formel verdoppelt werden. Die Verwendung des langen Strichs im Namen von Additionsverbindungen wird in Abschnitt 1-5.6 erlautert. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: In den Abschnitten 0.33 und 6.323 der Ausgabe von 1970 finden sich noch die Namen Aluminium-kalium-sulfat - 12-Wasser oder Aluminiumkalium-bis(su1fat)- 12-Wasser. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Originalbeispiele in Abschnitt 1-5.3.3 verlieren beim Ubersetzen ihre Aussagekraft. Deshalb wurden neue Beispiele gewahlt, die die Regeln illustrieren. In den Sprachen, in denen die Bezeichnung Tungsten fur W dem Namen Wolfram vorgezogen wird, sollte der Anionname Tungstid verwendet werden. Namen fur Edelgas-Anionen werden fur theoretische Diskussionen benotigt und sind bereits in der chemischen Literatur verwendet worden. Die Endung -on wird beibehalten, da Radon sonst denselben Stamm haben wiirde wie Radium. Auch ist der Stamm Ne- von Neon nicht eindeutig, und ein Stamm Krypt- wurde zu Kryptat fiihren, das mit Cryptat verwechselt werden kann.
Namen der Bestandteile
1 1. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
73
Kryptonid von Krypton[5e] Radonid von Radon[5e] Germid von Germaniurn[’q Phosphid von Phosphor Bismutid von Bismut Cobaltid von Cobalt Nickelid von Nickel
SchlieDlich gibt es einatomige Anionen, deren Namen nach obigen Prinzipien gebildet werden, aber vom Stamm des lateinischen Elementnamens ausgehen. In diesen Fallen wird die Endung -um des Elementnamens durch -id ersetzt.
Beispiele: 18. Argentid - argentum - Silber 19. Aurid - aurum - Gold 20. Cuprid - cuprum - Kupfer 21. Ferrid - ferrum - Eisen 22. Plumbid - plumbum - Blei 23. Stannid - stannum - Zinn Zu dieser Gruppe von Namen gehoren auch Carbid (von Carbon), Hydrid (von Hydrogen), Nitrid (von Nitrogen), Oxid (von Oxygen) und Sulfid (von Sulfur). Wenn die Verbindung mehrere elektronegative Bestandteile enthalt, werden diese, wie bei den elektropositiven Bestandteilen, auf der Grundlage der Anfangsbuchstaben der Namen (oder nachfolgender Buchstaben, wenn die ersten sich nicht unterscheiden) ohne Beriicksichtigung etwaiger multiplikativer Prafixe alphabetisch geordnet (vgl. Abschnitt 1-5.3.2). Auch hier konnen die Namensteile durch Bindestriche getrennt werden.
Beispiele: 24. BBrF2 25. PC130 26. Na6ClF(S04)2 27. Na2FHC03
1-5.3.4
Bor-bromid-difluorid Phosphor-trichlorid-oxid Hexanatrium-chlorid-fluorid-bis(su1fat) (siehe Abschnitt 1-5.5.1) Natrium-fluorid-hydrogencarbonat LsC1
Homopolyatomige elektronegative Bestandteile
Diese Bestandteile tragen den Namen des einatomigen Stammanions, jedoch unter Zusatz des entsprechenden multiplikativen Prafixes (siehe Abschnitt 1-5.5.1). Sollen feine Strukturunterschiede betont werden, kann man runde Klammern verwenden. 15fl
Der systematische Name Germanid bezeichnet ein anionisches Derivat von German, GeH4.
A u f der Stochiometrie beruhende Namen
74
Beispiele: 1. Na4(Sn9) 2. TIC13 3. Tl(I3) 4. Na2(S2)
Tetranatri~m-(nonastannid)(~~) Thalliurntrichl~rid[~g] Thallium-(triiodid)r5gl Natrium-(di~ulfid)(~")
Einige homopolyatomige Anionen haben Trivialnamen, die noch erlaubt sind. Beispiele: 5. 0 2 6. Oz27. 038. N39. c 2 2 -
1-5.3.5
Hypero~id(~0 Peroxid Ozonid Azid Acetylid
Heteropolyatomige elektronegative Bestandteile
Die Namen dieser Anionen enden gewohnlich auf -at, wobei einige Ausnahmen erlaubt sind (siehe Beispiele 8 bis 19). Betrachtet man das Anion als Koordinationseinheit, so wird der Name nach den Prinzipien der Koordinationsnomenklatur gebildet (Kapitel 1-10). Der Name des Anions besteht danach aus den Namen der Liganden und dem Namen des Zentral- oder charakteristischen Atoms, das durch die Endung -at modifiziert wird (Tab. 1-9.2 enthalt eine Aufstellung derart modifizierter Namen). In vielen Fallen ist zur Vermeidung von Mehrdeutigkeiten die Angabe der Ladung oder der Oxidationszahl notwendig(5g). Beispiele: I . [Cr(NCS)4(NH3)2]- Diammintetraisothiocyanatochromat(1 -)(5h) Tetracarbonylferrat(2-) oder Tetracarbonylferrat( - 11) 2. [Fe(C0),l23. [PFJ Hexafluorophosphat( 1 -) Die Endung -at ist auch eine charakteristische Endung der Namen von 0x0saure-Anionen und deren Derivaten (Kapitel 1-9). Die Namen Sulfat, Phos(5e)
(5g)
(5h)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die im Original aufgefiihrten Formeln geben nicht wieder, daD, wie der Name impliziert, Zinn bzw. Schwefel nicht als einfache einatomige stochiometrische Bestandteile vorliegen. Hier ware die Angabe der Oxidationszahl sinnvoll (siehe Abschnitt 1-5.5.2.2). Anrnerkung zur deutschen Ausgabe: Die im Englischen noch ubliche Bezeichnung ,,super= oxide" wird fur die Verwendung im Deutschen nicht empfohlen; vgl. FuBnote[*'l. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: In der englischsprachigen Ausgabe ist nur die Angabe der Ladung erwahnt. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Besser ist der Name Diammintetrakis(thiocyana= to-N)chromat( 1 -).
Namen der Bestandteile
75
phat, Nitrat usw. sind allgemein gebrauchliche Namen fur schwefel-, phosphorund stickstoffhaltige Oxoanionen, in denen Schwefel, Phosphor bzw. Stickstoff von Liganden - einschlieBlich Sauerstoff - umgeben sind, unabhangig von deren Anzahl und Art. Urspriinglich waren die Namen Sulfat, Phosphat und Nitrat den Oxosaure-Anionen S042-, P043- bzw. NO3- vorbehalten. Das ist kunftig nicht mehr der Fall. Eine ausfuhrliche Diskussion folgt in Kapitel 1-9. Beispiele: 4. S0325 . S0426. NO27. NO3-
Trioxosulfat oder Sulfit Tetraoxosulfat oder Sulfat Dioxonitrat oder Nitrit Trioxonitrat oder Nitrat
Viele Namen mit der Endung -at sind noch erlaubt, obwohl sie mit den oben genannten Empfehlungen nicht vollig ubereinstimmen. Einige davon sind Cyanat, Dichromat, Diphosphat, Disulfat, Dithionat, Fulminat, Hypo = phosphat, Metaborat, Metaphosphat, Metasilicat, Ortho~ilicat(~'), Perchlorat, Periodat, Permanganat, Phosphinat und Phosphonat. Eine ausfuhrliche Diskussion folgt in Kapitel 1-9. Die Ausnahmen, in denen die Namen auf -id oder -it anstelle von -at enden, sind nachstehend aufgefuhrt (siehe Abschnitt 1-8.3.3.8 und Kapitel 1-9). Beispiele: 8. CN9. NHNH210. NHOH11. NH212. NH213. OH14. As03315. C10216. C1017. N0218. S03219. S2042-
Cyanid H ydrazid Hydroxyamidrsh] Amid Imid Hydroxid Arsenit Chlorit H ypochlorit Nitrit Sulfit Dithionit
ui) Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die noch erlaubten Prafixe Ortho-, Pyro- und Metasollten besser durch die systematischen Bezeichnungen Mono-, Di- und Cyclo- bzw. Polyersetzt werden. Ph] Dieser Name stammt aus der Substitutionsnomenklatur. Der Trivialname fur dieses Anion lautet Hydroxylamid, der Name als Ligand Hydroxylamido. Zur Vermeidung von Miherstandnissen ist Sorgfalt geboten (vgl.Tabellen 1-10.3 und VIII sowie Abschnitt 1-8.3.3.3, Beispiel 7). Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Der systematisch gebildete Ligandennname lautet Hydroxylaminato-KN.
76
Auf der Stochiometrie beruhende Namen
1-5.4
Reihenfolge der Bestandteile innerhalb der Klassen
Die Reihenfolge innerhalb der Klasse der elektropositiven und der der elektronegativen Bestandteile (vgl. Abschnitt 1-4.6) basiert auf der Stellung der Namen im Alphabet. Dies wurde vorstehend diskutiert (siehe die Abschnitte 1-5.3.1 und 1-5.3.2 fur elektropositive und die Abschnitte 1-5.3.3 bis 1-5.3.5 fur elektronegative Bestandteile). Daraus folgt, daI3 die Reihenfolge im Namen nicht mit der Reihenfolge der Symbole in der zugehorigen Formel ubereinstimmen mu13, und daI3 die Reihenfolge im Namen sich von Sprache zu Sprache andern kann.
1-5.5
Bezeichnung der Mengenverhaltnisse der Bestandteile
1-5.5.1
Verwendung multiplikativer Prafixe
Die Mengenverhaltnisse der Bestandteile, seien sie ein- oder mehratomig, konnen durch multiplikative Prafixe (Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta- usw., siehe Tabelle 111) angegeben werden, so wie es oben kurz erlautert wurde (Abschnitte 1-5.2 und 1-5.3). Sie werden dem betreffenden Namen ohne Bindestrich direkt vorangestellt. Die abschlieljenden Vokale der multiplikativen Prafixe werden nicht weggelassen, es sei denn, es liegen zwingende sprachliche Grunde vor. Monoxid ist eine derartige Ausnahme. Wenn die Verbindung Elemente enthalt, bei denen es nicht notwendig ist, die Mengenverhaltnisse zu betonen, z. B., wenn die Oxidationsstufen im Normalfall unveranderlich sind, mussen diese nicht angegeben werden. Beispiele: 1. Na2S04 2. CaClz
Natriumsulfat, bevorzugt gegenuber Dinatriumsulfat Calciumchlorid, bevorzugt gegenuber Calciumdichlorid
Das Prafix Mono- wird stets weggelassen, es sei denn, daI3 es zur Vermeidung von MiDverstandnissen notwendig ist. Beispiele: 3. N20 4. NO2 5. N2O4 6. S2C12 7. Fe304 8. U308
Distickstoffoxid oder Dinitrogenoxid Stickstoffdioxid oder Nitrogendioxid Distickstofftetraoxid oder Dinitrogentetraoxid Dischwefeldichlorid oder Disulfurdichlorid Trieisen-tetraoxid Triuran-octaoxid
Bezeichnung der Mengenverhaltnisse der Bestandteile 9. Mn02 10. co 11. FeCI2 12. FeCI3 13. Na2C03 14. POC13 15. TI13 16. Cr23C6 17. K,[Fe(CN),] 18. Na2HP04
77
Mangandioxid Kohlenstoffmonoxid oder Carbonmon~xid(~J) Eisendichlorid Eisentrichlorid Natriumcarbonat oder Dinatrium-trioxocarbonat Phosphoryl-trichlorid Thalliumtriiodid Tricosachrom-hexacarbid Tetrakalium-hexacyanoferrat Dinatrium-hydrogenphosphat oder Dinatrium-hydrogen-tetraoxophosphat
Die Verwendung dieser multiplikativen Prafixe beeinfluDt nicht die Reihenfolge der Nennung, die von den Anfangsbuchstaben der Namen der Bestandteile bestimmt wird. Wenn jedoch der Name des Bestandteils selbst mit einem multiplikativen Prafix beginnt (wie in Disulfat, Dichromat, Triphosphat und Tetraborat), sind zwei aufeinanderfolgende multiplikative Prafixe notwendig. In diesem Fall, und wenn es zur Vermeidung von Irrtumern notwendig ist, werden die alternativen multiplikativen Prafixe Bis-, Tris-, Tetrakis-, Pentakis- usw. venvendet (siehe Tabelle 111), und der auf dieses Prafix folgende Name der Gruppe wird in runde Klammern gesetzt.
Beispiele: 19. Ca(N03)2 20. (U02)2S04 21. Ba[BrF412 22. TI(I3)3 23. U(s207)2 24. Ca3(P04)2 25. Ca(HC03)2
Calciumnitrat oder Calcium-bis(trioxonitrat) Diuranylsulfat oder Bis(dioxouran)-tetraoxosulfat Barium-bis(tetrafluorobromat) Thallium-tris(triiodid) Uran-bis(disu1fat) Trical~ium-bis(phosphat)[~'] Calcium-bis(hydrogencarbonat)
Es gilt jedoch die allgemeine Regel, daD im Normalfall der erste Satz multiplikativer Prafixe (Mono-, Di-, Tri-, Tetra- . . . , Poly-) zu verwenden ist, es sei denn, es besteht die Gefahr einer Venvechslung oder eines MiDverstandnisses. Eine Reihe von Beispielen ist nachstehend aufgefuhrt.
Beispiele: 26. PCl5 27. [Cr(CO),] (5J)
Lsi1 (5k)
Phosphorpentachlorid HexacarbonyIchr~m(~~)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die umgangssprachlich gebrauchlichen Bezeichnungen Kohlenmonoxyd oder Kohlenoxyd sind falsch. Vergleiche Ca3(P0& mit Ca2P207,Calciumdiphosphat. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Namen fur die Beispiele [Cr(CO),], Hexacarbonylchrom, bzw. [Fe(CO)5],Pentacarbonyleisen, geben auch nur die Mengenverhaltnisse der Bestandteile wieder, sie gehoren aber zur Klasse der Koordinationsnamen.
78
A u f der Stochiometrie beruhende Namen
28. A12(C03)3 29. Na4P206 30. CaNa(NO& 31. Ca(BO& 32. Na2Mn04 33. Zn(Mn04)2 34. Mg(C102)2 35. Fe2(Cr207)’
Dialuminiumtricarbonat Tetranatrium-hexaoxodiphosphat(P-P) Calcium-natrium-trinitrit Calciumdimetaborat Dinatriummanganat Zinkdipermanganat Magnesiumdichlorit Dieisen-tris(dichromat)
1-5.5.2
Verwendung von Oxidations- und Ladungszahlen
1-5.5.2.1
Definitionen
In einigen Verbindungen, insbesondere solchen, in denen fur ein oder mehrere beteiligte Atome die Oxidationsstufe nicht klar ersichtlich ist, konnen genauere Angaben notig sein, damit sich die richtigen Mengenverhaltnisse ableiten lassen. Fur diese Angaben gibt es zwei Moglichkeiten: die Oxidations-(Stock-)Zahl, die die Oxidationsstufe bezeichnet, und die Ladungs-(Ewens-Bassett-)Zahl, die die Ionenladung angibt. Die Oxidationszahl eines Elements in einer chemischen Einheit ist die Anzahl der Ladungen, die sich ergibt, wenn die Elektronenpaare jeder Bindung dem jeweils elektronegativeren Element zugeordnet werden. Neutrale Liganden mit abgeschlossenen Elektronenschalen werden formal nicht berucksichtigt. 1-5.5.2.2
Oxidationszahl
Im Stock-System wird die Oxidationszahl (siehe Kapitel I- 10.2.7) eines Elements mit romischen Ziffern (Kapitalchen) in Klammern direkt nach dem Namen des Elements (der gegebenenfalls durch eine entsprechende Endung modifiziert ist) angegeben, auf das sie sich bezieht. Die Oxidationszahl kann positiv, negativ oder Null sein. Null, wofur es keine romische Ziffer gibt, wird durch die ubliche Ziffer 0 dargestellt. Das Pluszeichen fur positive Oxidationszahlen wird weggelassen. Eine Oxidationszahl ist stets positiv, solange nicht ausdrucklich das Minuszeichen verwendet wird. Gebrochene Zahlen werden nicht verwendet. Sie mogen zweckmaBig sein, wenn die Ladung uber mehrere Atome verschmiert ist; eine derartige Verwendung wird jedoch nicht empfohlen (siehe Abschnitt 1-4.4.1). Beispiele: 1. uo,2+ 2. PC15 3 . PO4’4. Na 5. [Fe(C0)5]
Uranyl(v1) Phosphor(v)-chlorid Phosphat(v) Natrid( - I) Penta~arbonyleisen(O)(~~)
Bezeichnung der Mengenverhaltnisse der Bestandteile
79
Fur die Ableitung von Oxidationszahlen gibt es mehrere Festlegungen, die besonders haufig in Namen von Ubergangselementverbindungen gebraucht werden. Wasserstoff gilt in Kombination mit nichtmetallischen Elementen als positiv (Oxidationszahl I), und in Kombination mit metallischen Elementen als negativ (Oxidationszahl -I). Organische Gruppen, die an Metallatome gebunden sind, werden als Anionen behandelt (z. B. wird ein Methyl-Ligand als ein Methanid-Ion, CH3-, angesehen), wahrend die Nitrosylgruppe (NO) immer als neutral betrachtet wird. Bindungen zwischen gleichen Atomen liefern keinen Beitrag zur Oxidationszahl. Beispiele: 6. N20 7. NO;? 8. Fe304 9. Mn02 10. co 11. FeS04 12. Fe2(S04)3 13. SF6 14. Hg2C12 15. NaTI(N03)2 16. (U02)2S04 17. U02S04 18. K,[Fe(CN),] 19. K,[Ni(CN),] 20. Na2[Fe(CO),] 21. [CO(NH3)6]CI(SO,) 22. Fe,[Fe(CN),],
1-5.5.2.3
Stickstoff(1)-oxid oder Nitrogen(1)-oxid Stickstoff(1v)-oxid oder Nitrogen(1v)-oxid Eisen(II)-dieisen(III)-oxid Mangan(1v)-oxid Kohlenstoff(I1)-oxid oder Carbon(I1)-oxid Eisen(II)-sulfat Eisen(m)-sulfat Schwefel(v1)-fluorid oder Sulfur(v1)-fluorid Diquecksilber(1)-chlorid Natrium-thallium(1)-nitrat Uranyl(v)-sulfat oder Dioxouran(v)-sulfat Uranyl(v1)-sulfat oder Dioxouran(v1)-sulfat Kalium-hexacyanoferrat(11) Kalium-tetracyanonickelat(0) Natrium-tetracarbonylferrat(- 11) Hexaammincobalt(II1)-chlorid-sulfat Eisen(m)-hexacyanoferrat(II)
Ladungszahl
Die Ladungszahl ist eine in Klammern eingeschlossene Zahl, die ohne Bindestrich direkt nach dem Namen eines Ions steht und deren GroDe die Ionenladung angibt. Somit kann sich diese Zahl auf Kationen oder Anionen beziehen, aber niemals auf neutrale Einheiten. Die Ladung wird mit arabischen Ziffern geschrieben, denen das Zeichen der Ladung folgt. Dieses System sollte nur zur Bezeichnung von Ionenladungen verwendet werden. Die Angabe der Ionenladung ermoglicht zwar oft eine eindeutige Aussage uber die Stochiometrie, doch konnen, falls es notwendig oder wunschenswert ist, auch multiplikative Prafixe verwendet werden. Dieses System wird zumeist auf Verbindungen solcher Elemente angewendet, die in mehreren Oxidationsstufen auftreten konnen. Anders als bei hochgestellten Ladungszeichen wird hier die Zahl Eins (1) stets angegeben.
A u j der Stochiometrie beruhende Namen
80
Beispiele: 23. FeS0, 24. Fe2(S04)3 25. NaTI(N03)2 26. (U02)2S04 27. U02S04 28. 29. 30. 3 1.
K,[Fe(CN),] K,[Ni(CN),] Na,[Fe(CO),] [CO(NH3)6]Cl(SO,)
32. Fe,[Fe(CN)&
1-5.6
Eisen(2+)-sulfat (vgl. Beispiel 11) Eisen(3 +)-sulfat (vgl. Beispiel 12) Natrium-thallium( 1 +)-nitrat (vgl. Beispiel 15) Uranyl( 1+ )-sulfat oder Dioxouran( 1 + )-sulfat (vgl. Beispiel 16) Uranyl(2+)-sulfat oder Dioxouran(2+)-sulfat (vgl. Beispiel 17) Kalium-hexacyanoferrat( 4) (vgl. Beispiel 18) Kalium-tetracyanonickelat(4 -) (vgl. Beispiel 19) Natrium-tetracarbonylferrat(2-) (vgl. Beispiel 20) Hexaammincobalt(3 +)-chlorid-sulfat (vgl. Beispiel 21) Eisen(3 +)-hexacyanoferrat(4-) (vgl. Beispiel 22)
Additionsverbindungen
Der Begriff Additionsverbindungen umfal3t Donor-Akzeptor-Komplexe und eine Vielzahl von Kristallverbindungen. Die hier beschriebenen Methoden sind vorwiegend fur Verbindungen mit unsicherer Struktur gedacht, die nicht nach den Methoden in Kapitel 1-10 benannt werden konnen. In den Namen derartiger Addukte, speziell Solvaten, wurde haufig die Endung -at verwendet. Da diese Endung jedoch den Namen von Anionen vorbehalten ist, wird von deren Verwendung bei der Benennung von Additionsverbindungen abgeraten. Der Name fur eine Additionsverbindung wird durch Aneinanderreihen der Namen der Einzelverbindungen unter Verwendung von langen Strichen gebildet. Die Mengenverhaltnisse der Bestandteile werden durch arabische Ziffern - jeweils durch einen Schragstrich voneinander getrennt - angegeben und nach einem Leerraum in runden Klammern dem Gesamtnamen nachgestellt. Die Reihenfolge der Namen der einzelnen Bestandteile entspricht der Reihenfolge in der Formel (siehe Abschnitt 1-4.6.8 und nachstehende Beispiele). Der Name fur H 2 0 in Additionsverbindungen ist Wasser. Der Begriff Hydrat hat eine spezifische Bedeutung; er kennzeichnet unbestimmt gebundenes Kristallwasser in einer Verbindung. Beispiele: 1. 3CdS0,. 8 H 2 0 2. Na2C03.1OH20
Cadmiumsulfat-Wasser (3/8) Natriumcarbonat-Wasser (l/lO) oder Natrium-carbonat-decahydrat 3. A12(S04)3.K2S04.24H20 Aluminiumsulfat-Kaliumsulfat- Wasser (1/1/24) 4. CaClz.8NH3 Calciumchlorid-Ammoniak ( 1/8) 5. AlC13 '4C2HSOH Aluminiumchlorid-Ethanol ( 1/4)
AbschlieJende Bemerkungen 6. 2CH30H * BF3 7. BiC13* 3PC15 8. BF3.2H20 9. 8H2S. 46H20 10. 8Kr. 46H20 1 1. 6Br2.46H20 12. CHC13.2H2S. 17H20 13. C02O3. nH20
1-5.7
81
Methanol-Bortrifluorid (211)
Bismut(n1)-chlorid-Phosphor(v)-chlorid Bortrifluorid-Wasser (1/2) Hydrogensulfid-Wasser (8146) Krypton-Wasser (8/46) Dibrom-Wasser (6/46) Chloroform-Hydrogensulfid-Wasser Cobalt(II1)-oxid-Wasser (l/n)
( 113)
(1/2/17)
Borhydride
Die Bor-Nomenklatur venvendet gesonderte Regeln; eine vorlaufige Behandlung folgt in Kapitel 1-11. Die Anzahl der Boratome in einem Borhydrid-Molekul geht aus einem multiplikativen Prafix hervor, wahrend die Anzahl der Wasserstoffatome mit arabischen Ziffern in runden Klammern direkt nach dem Namen angegeben wird (siehe Kapitel 1-11). Beispiele: 1. B2H6 2- B20H16
Diboran(6) Icosaboran( 16)
1-5.8
AbschlieSende Bemerkungen
1-5.8.1
Wahl des geeigneten Namens
Einfache Verbindungen konnen prinzipiell nach jeder der in diesem Kapitel behandelten Methoden benannt werden. NaTI(N03)2 kann z. B. als Natriumthallium-dinitrat, als Natrium-thallium(1)-nitrat oder als Natrium-thallium( 1 +)-nitrat bezeichnet werden. Jedoch sollte der fur den jeweiligen Zweck am besten geeignete Name gewahlt werden. Pb304 kann als Tribleitetraoxid bezeichnet werden, der Name Diblei(I1)-blei(1v)-oxid (Pb"2Pb1v04)jedoch ist informativer. Antimondioxid beschreibt die Verbindung mit der empirischen Formel Sb02 zwar eindeutig, aber die vermutete Ubereinstimmung mit Antimon(1v)-oxid ist falsch, da in Sb02 sowohl Sb"' als auch SbVvorliegen. Manche Doppelsalze werden am besten unter Verwendung multiplikativer Prafixe benannt (Abschnitt 1-5.5.1). So gestattet z. B. der Name Calcium(u)-natri= um(1)-sulfat keine Unterscheidung zwischen Calcium-dinatrium-bis(su1fat) (CaS04.Na2S04) und Calcium-tetranatrium-tris(su1fat) (CaS04 * 2Na,S04). Namen fur Komplex-Anionen konnen praziser sein, sollten aber beim Fehlen
82
A u f der Stochiometrie beruhende Namen
sicherer Angaben mit Vorsicht verwendet werden. So ist z. B. die Bezeichnung Kalium-hexafluoroantimonat fur K[SbF6] genauer als Antimon(v)-kaliumfluorid oder Antimon-kalium-hexafluorid, aber dieser Name ist irrefuhrend, solange die Anwesenheit von [SbFJ nicht gesichert ist. Analoges gilt fur TiZnO,; Titan-zink-trioxid ist der Bezeichnung Titanzincat vorzuziehen. Im Zweifelsfall sind einfachere Namen ohne weitergehende strukturelle Informationen zu bevorzugen, z. B. Doppelsalz- oder Doppeloxid-Namen.
1-5.8.2
SchluBfolgerungen
In diesem Kapitel ist versucht worden, Namen vorzustellen, die kaum mehr als die reine Stochiometrie angeben. Fur spezielle Anwendungen sind kompliziertere Regeln aufgestellt worden; einige werden im Detail in anderen Kapiteln behandelt (z. B. Kapitel I- 10, Koordinationsverbindungen; Kapitel I- 1 1, Borhydride). Regeln fur andere komplizierte Systeme kann man in Pure and Applied Chemistry finden (fur Polyanionen 1987,59, 1529; fur Stickstoflkydride 1985, 54, 2545; und fur Koordinationspolymere 1985, 57, 149) oder sie werden anderswo veroffentlicht (z. B. Regeln fur Organometallverbindungen).
1-6
Festkorper INHALT
1-6.1 1-6.1.1 1-6.1.2 1-6.2 1-6.2.1 1-6.2.2 1-6.3 1-6.3.1 1-6.3.2 1-6.4 1-6.4.1 1-6.4.2 1-6.4.3 1-6.4.4 1-6.4.5 1-6.5 1-6.5.1 1-6.5.2 1-6.6 1-6.6.1 1-6.6.2 1-6.6.3 1-6.6.4 1-6.6.5 1-6.6.6 1-6.7 1-6.7.1 1-6.7.2 1-6.8 1-6.9
Einleitung Allgemeines Stochiometrische und nichtstochiometrische Phasen Namen fester Phasen Allgemeines Mineralnamen Chemische Zusammensetzung Naherungsformeln Phasen mit variabler Zusammensetzung Bezeichnung von Punktdefekten nach Kroger-Vink Allgemeines Angabe der Punktlagen-Besetzung Angabe der kristallographischen Punktlagen Angabe der Ladungen Defekt-Cluster und Gebrauch quasi-chemischer Gleichungen Phasen-Nomenklatur Einleitung Empfohlene Bezeichnung Nichtstochiometrische Phasen Einleitung Modulierte Strukturen Kristallographische Shear-Strukturen Elementarzellen-Verzwillingungoder chemische Verzwillingung Unbegrenzt adaptive Strukturen Intercalate Polymorphie Einleitung Gebrauch der Kristallsysteme Amorphe Systeme und Glaser AbschlieBende Bemerkungen
1-6.1
Einleitung
1-6.1.1
Allgemeines
Dieses Kapitel behandelt die Nomenklatur der Festkorper. Namen, die Festkorper vollstandig beschreiben, sind oft sehr schwierig zu bilden, und so wird
84
Festkoruer
nur die Formel angegeben, insbesondere dann, wenn die Struktur wiedergegeben werden soll. In bestimmten Fallen, wie bei Mineralnamen, bei Bezeichnungen von Punktdefekten und bei metallischen Phasen, sei der Leser auf die dazu veroffentlichte Literatur verwiesen[6al.
1-6.1.2
Stochiometrische und nichtstochiometrische Phasen
In binaren und Mehrkomponenten-Systemen konnen intermediar kristalline Phasen (stabile oder metastabile) auftreten. Thermodynamisch ist die Zusammensetzung einer jeden solchen Phase variabel. In einigen Fallen ist die mogliche Variation in der Zusammensetzung sehr klein, z. B. im Falle von Natrium= chlorid. Solche Phasen werden stochiometrisch genannt. Dagegen konnen in anderen Phasen merkliche Variationen in der Zusammensetzung auftreten, z. B. im Wustit. Diese werden nichtstochiometrische Phasen genannt[6b]. Im allgemeinen ist es moglich, eine ideale Zusammensetzung zu definieren, auf die sich die Variationen beziehen. Diese Zusammensetzung stochiometrische Zusammensetzung genannt - ist ublichenveise diejenige, bei der das Verhaltnis der Anzahl der verschiedenen Atome dem Verhaltnis der Zahligkeiten der verschiedenen Typen kristallographischer Punktlagen im idealen (geordneten) Kristall entspricht. Dieses Konzept kann auch dann angewendet werden, wenn die stochiometrische Zusammensetzung nicht im Homogenitatsbereich der Phase liegt. Die Bezeichnung ,,nichtstochiometrisch" bezieht sich nicht auf Phasen mit komplizierter Formel, sondern auf jene mit veranderlicher Zusammensetzung. ~
1-6.2
Namen fester Phasen
1-6.2.1
Allgemeines
Namen stochiometrischer Phasen, wie NaCI, werden nach Kapitel 1-5 gebildet, wahrend die Formeln nach Kapitel 1-4 abgeleitet werden. Obwohl NaCl in festem Zustand aus einem unendlichen Netzwerk von Einheiten besteht, (NaCl),, wird die Verbindung Natriumchlorid genannt und durch NaCl symbolisiert.
lhb]
Seit der 1970er Ausgabe des Roten Buches hat sich der internationale Gebrauch und die Praxis in der Festkorper-Nomenklatur deutlich gewandelt. Daher weicht die Nomenklatur, die hier vorgestellt wird, in vielen Punkten von der ab, die in fruheren Ausgaben dieser Regeln angegeben wurde. In der alteren Literatur werden nichtstochiometrische Phasen oft als Berthollide bezeichnet. Dies wird nicht mehr empfohlen.
Chemische Zusammensetzung
85
Fur nichtstochiometrische Phasen und feste Losungen sind jedoch Formeln den Namen vorzuziehen, da streng logische Namen unbequem und schwerfallig werden. Sie sollten nur verwendet werden, wenn es sich nicht vermeiden laDt (z. B. fur Register) und sollten folgendermaDen gebildet werden. Beispiele: 1. Eisen(I1)-sulfid (Eisen-UnterschuD) 2. Molybdandicarbid (Kohlenstoff-UberschuD)
1-6.2.2
Mineralnamen
Mineralnamen sollten nur zur Bezeichnung tatsachlicher Minerale benutzt werden und nicht zur Kennzeichnung chemischer Zusammensetzungen; so bezieht sich der Name Calcit auf ein bestimmtes Mineral (im Gegensatz zu anderen Mineralen ahnlicher Zusammensetzung) und ist kein Terminus fur die chemische Verbindung, deren Zusammensetzung durch den Namen Calciumcarbonat ausgedruckt wird. Ein Mineralname kann jedoch benutzt werden, um einen Struktur-Typ anzugeben. Wo es moglich ist, sollte ein Name, der sich auf eine allgemeine Gruppe von Mineralen bezieht, einen spezifischeren Namen ersetzen. Zum Beispiel hat eine groDe Anzahl von Mineralen, die samtlich Spinelle sind, aber aus auDerst unterschiedlichen Elementen bestehen, eigene Namen erhalten. In diesem Falle ist der Gattungsname Spinell-Typ den spezifischeren Namen Chromit, Magnetit usw. vorzuziehen. Der Mineralname, kursiv gedruckt, sollte durch eine ohne Leerraum vorangestellte typische chemische Formel erganzt werden. Dies ist ganz besonders wichtig fur die Zeolith-Typen[6C]. Beispiele: 1. NiFe204(Spinell-Typ) 2. BaTi03(Perowskit-Typ)
1-6.3
Chemische Zusammensetzung
1-6.3.1
Naherungsformeln
Welche Formel zu venvenden ist, hangt in jedem Fall davon ab, wie viele Informationen vermittelt werden mussen. Eine allgemeine Schreibung, die sich auch dann eignet, wenn die Art der Variation in der Zusammensetzung nicht bekannt ist, ist das Zeichen (gelesen als circa oder ungefahr) vor der Formel.
-
Siehe Chemical Nomenclature and Formulation of Composition of Synthetic and Natural Zeolithes, Pure Appl. Chem. 1979, 54, 1091.
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FestkorDer
Beispiele: 1. -FeS 2. -CuZn Wenn mehr Informationen notig sind, kann eine der nachstehenden Schreibungen benutzt werden.
1-6.3.2
Phasen mit variabler Zusammensetzung
Fur eine Phase, bei der die Variation der Zusammensetzung allein oder teilweise durch Austausch verursacht ist, werden Symbole der Atome oder Gruppen, die einander ersetzen, durch Kommas getrennt und gemeinsam in runde Klammern eingeschlossen. Wenn moglich, wird die Formel so geschrieben, dalj die Grenzen des Homogenitatsbereiches fur die beiden einander ersetzenden Atome oder Gruppen angegeben sind. Die Atomarten oder Gruppen sollten in alphabetischer Reihenfolge genannt werderPd1. Beispiele: 1. (Cu,Ni) bezeichnet den gesamten Zusammensetzungsbereich vom reinen Cu bis zum reinen Ni. 2. K(Br,Cl) umfaljt den Bereich vom reinen KBr bis zu reinem KCl. Phasen, bei denen der Austausch auch zu Leerstellen fuhrt, werden in gleicher Weise gekennzeichnet. Beispiele: 3. (Li2,Mg)C12 bezeichnet die feste Losung, deren Zusammensetzung zwischen LiCl und MgC12 liegt. 4. (Al2,Mg3)Al6OI2stellt eine feste Losung dar mit einer Zusammensetzung zwischen MgA1204 (= Mg3A16012)und A1203(Spinell-Typ) (= Al2Al6Ol2). In komplizierteren Fallen sollte eine Schreibung mit Variablen angewendet werden, die die Zusammensetzung genau angibt. Die Bereiche der Variablen konnen ebenfalls angezeigt werden. So wird eine Phase, die den Austausch von Atom A durch Atom B einschlieljt, A,,+,B,-,C,, (0 5 x 5 n ) geschrieben. Die Kommas und Klammern, die oben gefordert wurden, sind dann nicht notig. Beispiele: 5. Cu,NiI -.\. (0 Ix I1) ist zwar gleichwertig mit (Cu,Ni), doch ist die erstgenannte Darstellung informativer. 6. KBr.,.Cll-.\. (0 5 x 5 1) ist gleichwertig mit K(Br,Cl). [6dl
Wenn es gewiinscht wird, strukturelle Informationen hervorzuheben, sind Abweichungen von der alphabetischen Nennung der Kationen erlaubt (Abschnitt 1-4.6.1.3).
Bezeichnung von Punktdefekten nach Kroger- Vink
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7. Li2-2xMgxC12(0 Ix I 1) ist gleichwertig mit (Li2,Mg)C12, zeigt aber deutlich, daI3 bei jedem Ersatz von 2Li+ durch Mg2+ eine Kation-Leerstelle auftritt. 8. Col-,O deutet an, daB es Kation-Leerstellen gibt; fur x = 0 entspricht die Formel der stochiometrischen Zusammensetzung COO. 9. Ca,Zrl-,02-, zeigt an, daB Zr teilweise durch Ca ersetzt ist, wobei AnionLeerstellen verbleiben; fur x = 0 entspricht die Formel der stochiometrischen Zusammensetzung Zr02. Will man angeben, daB die Variable x auf kleine Werte beschrankt ist, kann dies durch Venvendung von 6 oder E anstelle von x geschehen. Eine spezifische Zusammensetzung oder ein Zusammensetzungsbereich kann durch Angabe des aktuellen Wertes der Variablen x (oder 6 oder E ) angezeigt werden. Dieser Wert kann in runden Klammern nach der allgemeinen Formel geschrieben werden, kann aber auch in die Formel selbst eingefugt werden. Diese Schreibung eignet sich sowohl fur feste Losungen, die auf Austausch beruhen, als auch fur solche, die von einer Besetzung von Zwischengitterplatzen herruhrerPe1. Beispiel: 10. Fe3xLi4-,Ti2(1-,,06(x = 0.35) oder Fe1,05Li3.65Til.3006(6a) 11. LaNi5H, (0 c x c 6.7) 12. A14ThgH15.4 13. Nil-&O
1-6.4
Bezeichnung von Punktdefekten nach KrogerVink
1-6.4.1
Allgemeines
Zusatzliche Symbole ermoglichen es, auDer uber die chemische Zusammensetzung auch uber Punktdefekte sowie uber Symmetrie und Besetzung der kristallographischen Punktlagen zu informieren. Diese Symbole konnen auch benutzt werden, um quasi-chemische Gleichgewichte zwischen Punktdefekten zu beschreiben[6el.
1-6.4.2
Angabe der Punktlagen-Besetzung
In einer Formel zeigen die Hauptsymbole die Spezies an, die eine bestimmte Lage besetzen. Dies werden im allgemeinen Symbole von Elementen sein. Wenn (6a)
Siehe auch F. A. Kroger und H. J. Vink, Solid S i d e Phys. 1956, 3, 307. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Obwohl im Deutschen die Dezimalstellen durch ein Komma getrennt werden, wird hier bei Indices zur Unterscheidung vom Aufzahlkomma der im Englischen ubliche Punkt verwendet.
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FestkorDer
eine Lage nicht besetzt ist, wird dies mit dem kursiv geschriebenen Symbol V bezeichnetr6fl. Die Lage und ihre Besetzung in einer Struktur mit idealer Zusammensetzung werden durch Indices bezeichnet. Der erste Index gibt den Typ der Lage an und der zweite Index, vom ersten durch ein Komma getrennt, die Anzahl der Atome auf dieser Lage. So wird ein Atom A auf einer Lage, die normalerweise durch A besetzt wird, in der idealen Struktur durch AA ausgedruckt; ein Atom A auf einer Lage, die normalerweise durch B besetzt ist, wird durch As ausgedruckt, und fur eine ungeordnete (fehlgeordnete) Legierung steht MM,1-xNM,xMN,xNN,l -x; in der idealen Zusammensetzung, MMNN, befinden sich alle Atome der Art M auf kristallographischen Punktlagen des einen Typs und alle Atome der Art N auf kristallographischen Punktlagen eines zweiten Typs. Eine alternative Beschreibung ist (M, -xNx)M(MxN1-JN. Eine Spezies, die einen Zwischengitterplatz besetzt (d. h. eine Lage, die in der Idealstruktur unbesetzt ist), wird durch einen Index i angezeigt. Be isp iele : 1. MgMg,2-rSnMg,xMgSn,xSnSn,l -I zeigt, daB einige Mg-Atome in Mg2Sn SnLagen besetzen und umgekehrt. 2. (Bi2-,Te.~)Bi(Bi,Te3_x)T, 3. AlAI,IPdAl,xPdpd,l-x~pd,2xgibt an, daB (1-x) Pd-Lagen in AlPd durch Pd besetzt sind, 2x Pd-Lagen unbesetzt sind, x Pd-Atome sich auf Al-Lagen und alle A1 auf Al-Lagen befinden. 4. Caca,lFF,2-.rVF,xFi,x gibt an, daB x F-Lagen in CaF2 leer sind, wahrend x F-Ionen Zwischengitterplatze besetzen. 5* (Ca0.15Zr0.85)Zr(Ol.85V0.15)0 Oder CaZr,0.15Z~Z~,0.85~0,1.85V0,0.15zeigt, daB 0,85 der Zr-Lagen in Z r 0 2 durch Zr und 0,15 durch Ca besetzt sind und daB von den 2 Sauerstoff-Lagen 1,85 durch Sauerstoff-Ionen besetzt und 0,15 leer sind. 6. cC.0.8 Vc,o,2Vv,Izeigt, daB 0,2 C-Lagen in einem Vanadiumcarbid unbesetzt sind.
Die Defekt-Symbole konnen zur Beschreibung quasi-chemischer Reaktionen benutzt werden. Beispiele: 7. NaNa+ V N ,+ Na(g) deutet die Verdampfung eines Na-Atoms an, das eine Leerstelle im Gitter hinterlafit. 8. 1/2C12(g)+ Vcl -+ Clcl deutet den Einbau eines C1-Atoms auf eine leere C1Lage im Gitter an. ‘ 16fl
In bestimmten Zusammenhangen werden andere Symbole fur Leerstellen verwendet, so z. B. ein quadratischer Kasten 0; der Gebrauch von V aber wird bevorzugt. Das Element Vana= dium wird mit einem aufrechten Symbol V geschrieben. Jedoch darf, um eine Verwechslung zu vermeiden, das Element Vanadium mit dem Symbol Va (siehe Abschnitt 1-3.3.3) oder die Fehlstelle mit 0 gekennzeichnet werden.
Bezeichnung von Punktdefekten nach Kroger- Vink
1-6.4.3
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Angabe von kristallographischen Punktlagen
Kristallographische Punktlagen konnen durch Indices, z. B. tet, oct und dod unterschieden werden, die tetraedrisch, oktaedrisch bzw. dodekaedrisch koordinierte Lagen bezeichnen. Der Gebrauch von Indices wie a, b, . . . , die sich nicht selbst erklaren, ist nicht gestattet. In einigen Fallen, wie Oxiden und Sulfiden, 1aBt sich die Anzahl der Indices durch Definition spezifischer Symbole reduzieren, die die Symmetrie der Lagen angeben, z. B. ( ) fur tetraedrische, [ ] fur oktaedrische und { } fur dodekaedrische Lagen. Um MiBverstandnisse zu vermeiden, sollten solche EinschlieBungszeichen nur dann benutzt werden, wenn sie nicht auch zur Angabe des mehrfachen Auftretens erforderlich sind.
Beispiele: 1. Mgt,tA1,ct,204 oder (Mg)[A12]04bezeichnet einen normalen Spinell. 2. FetetFeoctNioct04oder (Fe)[FeNi]O, bezeichnet NiFe204(inverser SpinellT~p)[~~l.
1-6.4.4
Angabe von Ladungen
Ladungen werden als Exponent angegeben. Fur die Angaben formaler Ladungen gelten die iiblichen Konventionen: eine Einheit an positiver Ladung wird durch ein hochgestelltes + angezeigt, n Einheiten an positiver Ladung durch ein hochgestelltes n+ , eine Einheit an negativer Ladung durch ein hochgestelltes -, n Einheiten an negativer Ladung durch ein hochgestelltes n - . Somit bedeutet An+ n Einheiten an formaler positiver Ladung an einem Atom mit dem Symbol A (Abschnitt 1-3.4.1). In der Defektchemie werden Ladungen bevorzugt auf den ungestorten Kristall bezogen. In diesem Fall werden sie als Effektivladungen bezeichnet. Eine Einheit an positiver Effektivladung wird durch einen hochgestellten Punkt angezeigt (nicht zu verwechseln mit dem Radikal-Punkt, beschrieben in Abschnitt 1-4.4.3)und eine Einheit an negativer Effektivladung durch einen Apostroph ’ ;n Einheiten an Effektivladung werden durch ein hochgestelltes no oder n’ angezeigt. Der Gebrauch von zwei Punkten oder einen Doppelstrich ” ist ebenfalls erlaubt. Somit zeigen A2’ oder A” an, daB ein Atom mit dem Symbol A zwei Einheiten an positiver Effektivladung tragt. Lagen, die keine Effektivladung relativ zum ungestorten Gitter haben, konnen explizit durch ein hochgestelltes Kreuz x gekennzeichnet werden.
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Festkoruer
Tabelle 1-6.1 Beispielera]fur die Bezeichnung von Defekten in M2+(X-),, das ein Fremd-Ion Q enthalt Zwischengitter-M2+-Ion Zwischengitter-X--Ion M2+-Ionen-Leerstelle X--1onen-Leerstelle Zwischengitter-M-Atom Zwischengitter-X-Atom Zwischengitter-M+-Ion Zwischengitter-X--Ion M +-Ionen-Leerstelle
M;'
X;
vi vi Mf Xf M; X;
vil
M-Atom-Leerstelle X-Atom-Leerstelle normales M2+-Ion normales X--Ion Q3+-Ionauf M2+-Lage Q2+-Ionauf M2+-Lage Q+-Ion auf M2+-Lage freies Elektron freies Loch
VM
VX
Mb
xx, Qi4
Qb Qil e' h'
Man betrachte eine Ionenverbindung M2f(X-)2. Die formale Ladung an M ist 2 + , die formale Ladung an X ist -. Wenn ein X-Atom entfernt wird, verbleibt eine Einheit an negativer Ladung auf der X-Lagen-Leerstelle. Die Leerstelle ist neutral in bezug auf das ideale MX,-Gitter und wird demzufolge durch Vx oder PXangezeigt. Wenn auch das Elektron aus dieser Lage entfernt wird, ist die resultierende Leerstelle effektiv positiv, d. h. V;(.In ahnlicher Weise kennzeichnet VM das Entfernen eines M-Atoms, V b das eines M+-Ions und V b das eines M2+-Ions.Wenn eine Verunreinigung mit einer formalen Ladung von drei positiven Einheiten, Q 3 + ,eine M2+Lage einnimmt, betragt seine Effektivladung eine positive Einheit. Demzufolge wird es durch QL angezeigt.
Beispiele: 1. LiLi,,-2,MgLi,, VLi,.yClcl und LiLi,l-2.xMgLi,.xVLi,.JY& sind gleichwertige Ausdrucke fur eine auf Austausch beruhende feste Losung von MgC12 in LiCI. 2. Yy,I-2.rZr;,2.r0\1,.r03und Y+,l-2xZr$,2.y0!:,,x0;sind gleichwertige Ausdrucke fur eine auf der Besetzung von Zwischengitterplatzen beruhende feste Losung von ZrOz in Y203. 3. AgAg,l-.y V&Ag{,Clcl deutet an, daD ein Anteil x der Ag+-Ionen sich von ihren eigentlichen Lagen wegbewegt und Zwischengitterplatze einnimmt; dabei hinterbleiben Leerstellen auf den Ag-Lagen. Die Angabe formaler Ladungen kann in solchen Fallen vorteilhaft sein, in denen der ungestorte Kristall ein Element in mehr als einer Oxidationsstufe enthalt.
Beispiele: 4. L a ~ ~ . I - ~ , L a ~ ~ , 2 + 2 , V L a(0 , r Sc~x- c 1/31
5. C U ~ , . ~ - . \ - F ~ ~ , , T ~ ~ ~(0S c~ x= c , ~1/2) + ~gibt ~ ~ an, S ~ da13 ~ ~ Cu+ , ~ - in ~ ~ Cu2+Tl+Se2-Se- teilweise durch Fe3+ ersetzt ist. Freie Elektronen werden mit e', freie Locher mit h' angezeigt. Da Kristalle makroskopisch neutrale Korper sind, muB die Summe aus den formalen Ladungen und aus den Effektivladungen Null sein.
Bezeichnung von Punktdefekten nach Kroger- Vink
1-6.4.5
91
Defekt-Cluster und Gebrauch quasi-chemischer Gleichungen
In einem Festkorper konnen Defekt-Paare oder kompliziertere Cluster von Defekten vorhanden sein. Solch ein Defekt-Cluster wird angezeigt, indem man ihn in runde Klammern setzt. Die Effektivladung des Clusters wird durch einen Exponent angegeben. Beispiele: 1. (CakV# bezeichnet ein neutrales Defektpaar in einer festen Losung von CaC12 und KCl. 2. (V{bV&)r oder (VpbVcl)r zeigt ein geladenes Leerstellenpaar in PbC12 an. Fur die Bildung dieser Defekt-Cluster konnen quasi-chemische Gleichungen geschrieben werden. Beispiele: 3. Crh, + Vk, + (crMgVMg)r beschreibt die Assoziationsreaktion einer Cr3+-Verunreinigungin MgO mit Mg-Leerstellen. 4. 2Crhg + Vhg+ (CrMgVMgCrMg)X gibt eine andere Assoziationsreaktion im System aus Beispiel 3 an. 5. Gdka + Ff + (GdcaFi)" beschreibt die Bildung eines Dipols aus einer Gd3+-Verunreinigungund einem Zwischengitter-Fluorid-Ion in CaF2.
1-6.5
Phasen-Nomenklatur
1-6.5.1
Einleitung
Fur die Bezeichnung der Strukturen von Metallen und festen Losungen in binaren und komplexeren Systemen wird die Pearson-Schreibweise (siehe auch Abschnitt 1-3.7.3) empfohlen. Die Verwendung von griechischen Buchstaben, die nicht die notwendige Information vermitteln, und von Strukturbericht-Bezeichnungen, die nicht selbsterklarend sind, ist nicht erlaubt.
1-6.5.2
Empfohlene Bezeichnung
Das Pearson-Symbol besteht aus drei Teilen: Erstens einem kursiv geschriebenen Kleinbuchstaben (a, m, 0, t, h, c), der das Kristallsystem kennzeichnet, zweitens einem kursiv geschriebenen GroDbuchstaben (P, S, 6 I, R), der den Zentrierungstyp des Gitters angibt, und schlieDlich einer Zahl, die die Anzahl
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Festkoruer
der Atome in der konventionellen Elementarzelle angibd6gl. Tabelle 1-3.1 faI3t das System zusammen. Beispiele: 1. Cu(cF4) bezeichnet kubisch-flachenzentriertes Cu mit 4 Atomen pro Elementarzelle. 2. NaCl(cF8) bezeichnet kubisch-flachenzentriertes NaCl mit 8 Atomen pro Elementarzelle. 3. CuS(hPl2) bezeichnet hexagonal-primitives CuS mit 12 Atomen pro Elementarzelle. Wenn erforderlich, konnen nach dem Pearson-Symbol die Raumgruppe und der Prototyp der Struktur angefugt werden. Beispiel: 4. Ag, ,5CaMgo.5(hP12,P6,1mmc)(MgZn2-Typ)
1-6.6
Nichtstochiometrische Phasen
1-6.6.1
Einleitung
Die Nomenklatur nichtstochiometrischer Phasen weist spezielle Probleme auf, die aus der Verbesserung der Genauigkeit resultieren, mit der die Strukturen dieser Materialien bestimmt wurden. So gibt es jetzt Hinweise auf homologe Reihen, inkommensurate und semikommensurate Strukturen, Vernier-Strukturen, kristallographische Shear-Phasen, Wadsley-Defekte, chemisch verzwillingte Phasen, unbegrenzt adaptive Phasen und modulierte Strukturen. Bei vielen Phasen, die in diese Klassen fallen, lassen sich keine Zusammensetzungsbereiche beobachten, obwohl sie komplizierte Strukturen und Formeln haben; ein Beispiel ist Mo 17047. Diese Phasen sind trotz ihrer komplizierten Formel im Grunde genommen stochiometrisch; eine komplizierte Formel darf nicht als Hinweis auf eine nichtstochiometrische Verbindung angesehen werden (vgl. Abschnitt 1-6.1.2).
1-6.6.2
Modulierte Strukturen
Modulierte Strukturen besitzen zwei oder mehr Periodizitaten in derselben Raumrichtung. Wenn das Verhaltnis dieser Periodizitaten eine rationale Zahl L6gl
Den Empfehlungen der lUCr folgend, wurde der Buchstabe C , der friiher in monoklinen und orthorhombischen Bravais-Gitter-Symbolen venvendet wurde, durch den Buchstaben S (seitenflachen-zentriert) ersetzt; Acta Crysf. 1985, A41, 278.
Nichtstochiometrische Phasen
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ist, nennt man die Strukturen kommensurat, wenn das Verhaltnis irrational ist, werden die Strukturen inkomrnensurat genannt. Kommensurat modulierte Strukturen existieren in vielen stochiometrischen und nichtstochiometrischen Verbindungen; sie konnen als Uberstrukturen aufgefaDt und nach den ublichen Regeln beschrieben werden. Von inkommensurat modulierten Strukturen ist bekannt, daD sie in mehreren stochiometrischen Verbindungen (und einigen Elementen) auftreten, uberlicherweise in einem begrenzten Temperaturbereich; einige Beispiele sind: U, SO2, TaS2, NbSe3, NaN02, Na2C03und Rb2ZnBr4. Viele modulierte Strukturen konnen als aus zwei oder mehr Unterstrukturen zusammengesetzt aufgefaDt werden. Die Unterstruktur mit der kurzesten Periode reprasentiert haufig eine einfache Grundstruktur, wahrend die anderen Periodizitaten durch Modulationen der Grundstruktur verursacht werden. Die Grundstruktur bleibt haufig uber einen gewissen Zusammensetzungsbereich unverandert, wahrend die anderen Unterstruktureinheiten die Anderung in der Stochiometrie aufnehmen. Wenn die Anderung kontinuierlich erfolgt, resultiert eine nicht-stochiometrische Phase rnit einer inkommensuraten Struktur. Wenn die Anderung diskontinuierlich erfolgt, kann eine (im Grunde genommen stochiometrische) Reihe homologer Verbindungen mit kommensuraten Strukturen (Uberstrukturen der Grundstruktur) resultieren oder - im Ubergangsfall - eine Reihe von Verbindungen mit semikommensuraten oder VernierStrukturen. Beispiele: 1. Mn,Si2,-,. Die Struktur ist vom TiSi2-Typ, der fur Ti und Si jeweils e k e Unterstruktur aufweist. Die Mn-Anordnung entspricht der von Ti und die Si2-Anordnung der von Si2 in TiSi2. Eine Verringerung des Si-Gehalts fiihrt zur Zusammensetzung Mn,Sizn-,, in der die Mn-Anordnung vollstandig erhalten bleibt. Die Si-Atome bilden Reihen, in denen die Si-Atome auseinanderrucken, wenn der Si-Gehalt abnimmt. In diesem Falle gibt es eine Vernier-Beziehung zwischen den Si-Atomreihen und den statischen Mn-Lagen, die sich mit der Zusammensetzung andert und AnlaI3 zur Bildung inkommensurater Strukturen gibt. 2. YF2+,0. Die Struktur ist vom Fluorit-Typ rnit gesonderten Atomschichten, die in die YX2-Mutterstruktur eingeschoben sind. Bei geordneten Atomschichten resultiert eine Reihe homologer Phasen. Bei fehlgeordneten (ungeordneten) Atomschichten haben wir eine inkommensurate, nichtstochiometrische Phase, wahrend partielle Ordnung einen Vernier- oder semikommensuraten Effekt hat. Andere Schichtstrukturen konnen in gleicher Weise behandelt werden. Misfit-Strukturen bestehen aus zwei oder mehr verschiedenen, haufig wechselseitig inkommensuraten Einheiten, die durch elektrostatische oder andere Krafte zusammengehalten werden; es kann keine Grundstruktur definiert werden. Die Zusammensetzung von Verbindungen rnit Misfit-Struktur wird durch
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Festkorper
das Verhaltnis der Periodizitaten ihrer Struktureinheiten und die Bedingung der Elektroneutralitat bestimmt. Beispiele: 3. Srl-pCr2S4-p rnit p = 0.29, wo Ketten der Zusammensetzung Sr3CrS3und Sr3-..$ in Tunnel eines Netzwerks der Zusammensetzung Cr21S36 liegen; die drei Einheiten sind wechselseitig inkommensurat. 4. LaCrS3, das aus inkommensuraten Schichten von (LaS)+ und (CrS2)- aufgebaut ist.
1-6.6.3
Kristallographische Shear-Strukturen
Kristallographische Shear-Ebenen (CS-Ebenen) sind planare Baufehler in einem Kristall, die zwei gegeneinander verschobene Teile des Kristalls trennen. Der Vektor, der die Verschiebung beschreibt, wird kristallographischer ShearVektor (CS-Vektor) genannt. Jede CS-Ebene sorgt dafur, daI3 sich die Zusammensetzung des Kristalls um einen kleinen Betrag andert, weil die Aufeinanderfolge der Kristallebenen, die die Kristallmatrix aufbauen, durch die CS-Ebene verandert wird. (Daraus folgt, daI3 der CS-Vektor mit der CS-Ebene einen Winkel bilden muI3. Waren beide parallel, wurde die Aufeinanderfolge der Kristallebenen nicht verandert, und es wurde keine Anderung der Zusammensetzung resultieren. Eine ebene Grenzflache, bei der der Verschiebungsvektor parallel zur Ebene liegt, wird besser als Antiphasengrenze bezeichnet.) Weil jede CS-Ebene die Zusammensetzung des Kristalls leicht verandert, wird die Zusammensetzung eines Kristalls, der eine Reihe von CS-Ebenen enthalt, von der Anzahl der vorhandenen Ebenen und ihrer Orientierung abhangen. Wenn die CS-Ebenen verstreut sind, wird der Kristall nichtstochiometrisch sein, wobei die Variation der Stochiometrie auf den CS-Ebenen-,,Defekt" zuruckzufuhren ist. Wenn die CS-Ebenen parallel angeordnet sind, resultiert eine stochiometrische Phase mit einer komplizierten Formel. In diesem geordneten Verband erzeugt eine Anderung des Abstandes der CS-Ebenen eine neue Phase rnit einer neuen Zusammensetzung. Die Reihe der Phasen, die durch Anderung des Abstandes zwischen den CS-Ebenen gebildet wird, nennt man eine homologe Reihe. Die Formel der Reihen hangt vom Typ der CS-Ebenen in der betreffenden Anordnung und dem Abstand zwischen diesen Ebenen ab. Eine Anderung der CS-Ebene kann die Formel der homologen Reihe andern. Beispiele: 1. Ti,02,Die Mutterstruktur ist Ti02(Rutil-Typ). Die CS-Ebenen sind die ( 121)-Ebenen. Es konnen regelmaI3ige Anordnungen von CS-Ebenen existieren, die eine homologe Reihe von Oxiden rnit den Formeln Ti407,Ti509, T i d o l l , Ti7OI3,TisO15 und Ti9017erzeugen. Die Formel der Reihe ist Ti,02,-I rnit n zwischen 4 und 9.
Nichtstochiometrische Phasen
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2. (MO,W),O~,-~.Die Mutterstruktur ist W03. Die CS-Ebenen sind die (102)Ebenen. Es konnen sich regelmaI3ige Anordnungen von CS-Ebenen bilden, die zu Oxiden mit den Formeln M o ~ O ~M~o, ~ O ~( M ~ ,O , W ) ~ ~ O ~ ~ , (Mo,W)11032, (M0,W)12035, (Mo,W)13038 und (Mo,W)14041 fuhren. Die Formel der Reihe ist (MO,W),O~,-~mit n zwischen 8 und 14. 3. Wn03n-2. Die Mutterstruktur ist W03. Die CS-Ebenen sind die (lO3)-Ebenen. Es konnen sich regelmaDige Anordnungen von CS-Ebenen bilden, die zu Oxiden mit den Formeln Wn03,-2 mit n zwischen etwa 16 und 25 fuhren.
1-6.6.4
Elementarzellen-Verzwillingung oder chemische Verzwillingung
Dies ist eine strukturbildende Komponente, in der zwei Bestandteile der Struktur uber eine gemeinsame Grenzflache in Zwillingsbeziehung zueinander stehen. Die Zwillingsebene andert die Zusammensetzung des Wirtskristalls um einen bestimmten Betrag (der Null sein kann). RegelmaDige Anordnungen aus dicht beieinander liegenden Zwillingsebenen fuhren zu homologen Reihen von Phasen. Ungeordnete Zwillingsebenen fuhren zu nichtstochiometrischen Phasen, in denen die Zwillingsebenen Defekte darstellen. Chemische Verzwillingung und kristallographisches Shearing sind weitgehend parallel. Beispiel: 1. (Bi,Pb),SnP4. Die Mutterstruktur ist PbS, das eine cn-Struktur (NaCl-Typ) hat. Die Zwillingsebenen sind (3 11) bezuglich der PbS-Elementarzelle. Zwei Glieder der homologen Reihe sind bekannt, Bi8Pb24S36und Bi8Pb12S24; weitere Glieder wurden im quaternaren Ag-Bi-Pb-S-System gefunden. Der Unterschied zwischen den Verbindungen liegt im Abstand der Zwillingsebenen; jede Struktur ist aus verschieden dicken PbS-Schichten aufgebaut. Aufeinanderfolgende Schichten sind uber (3 1I), bezuglich der Mutterstruktur, verzwillingt.
1-6.6.5
Unbegrenzt adaptive Strukturen
In einigen Systemen hat es den Anschein, als ob jede hergestellte Zusammensetzung uber einen bestimmten Temperatur- und Zusammensetzungsbereich eine vollig geordnete Kristallstruktur liefert. Andert sich die Zusammensetzung, so andert sich die Struktur, um sich dieser Gegebenheit anzupassen. Der Terminus unbegrenzt adaptive Strukturen wurde auf derartige Substanzen angewendet und wird empfohlen[6hl. [6h]
Siehe J. S.Anderson, J Chem. SOC.,Dalton Trans. 1973, 1107.
96
Festkorper
Beispiele: 1. Verbindungen im System Cr203-Ti02 im Zusammensetzungsbereich ( C T , T ~ ) Obis ~ .(~C~T , T ~ ) O ~ . ~ ~ . 2. Verbindungen im System Nb2O5 -W 0 3 mit Block-Typ-Struktur zwischen den Grenz-Zusammensetzungen Nb2O5 und 8W03 9Nb2O5 (NbI8W8O69).
1-6.6.6
Intercalate
Es gibt eine Anzahl von Materialien, bei denen in einer Wirtsmatrix GastSpezies eingelagert sind. Der ProzeD wird Intercalation genannt und das Produkt Zntercalationsverbindung. Der Begriff Intercalat bezieht sich im allgemeinen auf die Gast-Spezies. Allgemein bekannte Beispiele intercalierter Materialien findet man unter den Tonmineralen, den Dichalkogeniden mit Schichtstruktur und bei Graphit. Intercalierte Materialien konnen durch eine herkommliche chemische Formel bezeichnet werden, wie Li,TaS2 (0 < x < l), oder durch Wirt-Gast-Bezeichnungen, wie TaS2:xLi (0 < x < 1). Wenn die Stochiometrie genau bekannt ist, konnen gewohnliche Verbindungsbezeichnungen verwendet werden, z. B. TaS2(N2H4)4,3,TiSe2(C5H5N)1/2 und KCS['~]. Bei Ubergangsmetallchalkogeniden ist es manchmal notig, zwischen der Einlagerung eines Gast-Elements zwischen den Schichten und dem Ersatz eines Metallatoms durch ein anderes in der Wirtsstruktur zu unterscheiden. Solche Fdle werden durch Fe,TiSe2 bzw. durch Fe,Ti -.3e2 reprasentiert.
1-6.7
Polymorphie
1-6.7.1
Einleitung
Eine Anzahl chemischer Verbindungen und Elemente andert ihre Kristallstruktur in Abhangigkeit von den aul3eren Bedingungen, z. B. Druck und Temperatur. Diese verschiedenen Strukturen werden als polymorphe Formen der betreffenden Verbindungen bezeichnet; sie wurden fruher durch eine Reihe von Bezeichnungssystemen unterschieden, eingeschlossen griechische Buchstaben und romische Ziffern. Da sich kein konsequentes System herausgebildet hat, sind diese trivialen Bezeichnungen abzulehnen. Es sollte, wo immer moglich, ein rationales, auf der Kristallstruktur beruhendes System verwendet werden (siehe Abschnitte 1-3.7.3 und 1-4.2.4). Polytypie kann als eine spezielle Form der Polymorphie aufgefaDt werden und wird hier nicht behandelt. [6i]
In diesem speziellen Fall ist die Verwendung gebrochener Indices erlaubt.
Amomhe Svsteme und Glaser
1-6.7.2
97
Gebrauch der Kristallsysteme
Polymorphe Formen werden gekennzeichnet, indem man dem Namen oder der Formel ein kursiv geschriebenes Symbol hinzufugt, das das Kristallsystem bezeichnet. Die zu venvendenden Symbole sind in Tabelle 1-3.1 angegeben. Zum Beispiel bedeutet Zinksulfid (c) oder ZnS(c) ein ZnS rnit Zinkblende- oder Sphalerit-Struktur und ZnS(h) ein solches mit Wurtzit-Struktur. Leicht verzerrte Gitter lassen sich durch Gebrauch des circa-Zeichens (-) anzeigen. So wurde ein leicht verzerrtes kubisches Gitter durch ( - c ) ausgedruckt werden. Um mehr Informationen zu geben, sollte man einfache, gut bekannte Strukturen, wo immer es moglich ist, durch Angabe des Strukturtyps in Klammern kennzeichnen. Beispielsweise sollte AuCd oberhalb 343 K besser als AuCd( CsCl-Typ) denn als AuCd(c) bezeichnet werden. Wenn Eigenschaften diskutiert werden, die stark vom Gitter abhangen, kann es erforderlich sein, zusatzlich zum Kristallsystem die Raumgruppe anzugeben.
1-6.8
Amorphe Systeme und Glaser
Der Begriff amorph schlieI3t Unterbegriffe ein wie glasartig, glasig, nichtkristallin und unterkiihlte Flussigkeit. Die Hauptforderung ist das Fehlen einer translatorischen Fernordnung. Der klarste Weg, die amorphe Natur einer Substanz anzuzeigen, ist die Angabe der Bezeichnung (am) nach der chemischen Formel, so z. B. Si02(am) fur amorphes Siliciumdioxid.Die Begriffe glusartig und glasig umfassen Nahordnung (im allgemeinen nur mit nahen Nachbarn), Verknupfung (die nachgeordneten Einheiten sind in ungeordneter Weise rnit anderen, ahnlichen Einheiten verknupft) und eine relativ hohe Dichte, ahnlich wie bei einer geordneten Struktur. Beim Erhitzen auf bestimmte Temperaturen zeigen Glaser eine Transformation zweiter Ordnung, ,,den Glasubergang". Ein glasiges Material kann angezeigt werden durch die Bezeichnung (vit), z. B. Si02(vit) fur Kieselglasr6Jl. Es ist bisher noch kein System akzeptiert worden, rnit dem in einer Formel ausgedruckt wird, da13 ein amorphes Material mit einer ,,Verunreinigung" dotiert ist. Um rnit den vorhergehenden Abschnitten konsistent zu bleiben, kann ein Symbolismus wie Si(am)H, benutzt werden, um anzuzeigen, da13 amorphes Silicium rnit Wasserstoff dotiert ist. Wenn die Menge des dotierenden Materials bekannt ist, kann sie in der Formel spezifiziert werden, z. B. Si(am)Ho,oos. [6Jl Diese
Abkurzungen sind Bestandteil der ausfuhrlicheren Bezeichnungen fur Zustande, veroffentlicht in Pure Appl. Chem. 1982, 54, 1239.
98
Festkoruer
1-6.9
AbschlieBende Bemerkungen
Die Nomenklatur im vorliegenden Kapitel ist dem internationalen Gebrauch in der Festkorperchemie angeglichen worden. In Fallen wie den polymorphen Formen wird die Nomenklatur von der Fachwelt noch diskutiert, und es konnen daher noch keine bindenden Empfehlungen gegeben werden. Fur komplizierte Gebiete, wie die der Graphit-Intercalate und der Polytypen, mu13 eine detaillierte Nomenklatur noch ausgearbeitet werden.
1-7
Neutralmolekiile Inhalt
1-7.4
Einleitung Substitutionsnomenklatur Einleitung Hydridnamen Namen einkerniger Hydride Namen mehrkerniger Hydride, die nur Elemente mit StandardBindungszahl enthalten Namen mehrkerniger Hydride, die auch oder nur Elemente mit Nichtstandard-Bindungszahlenenthalten Namen von Substitutionsprodukten der Hydride Die Verwendung von Prafixen Substituierte einkernige Hydride Unverzweigte gesattigte homogene Ketten Verzweigte gesattigte homogene Ketten Ketten aus Repetiereinheiten Ungesattigte Ketten Inhomogene Ketten Monocyclische Verbindungen Bi- und polycyclische Verbindungen Koordinationsnomenklatur Einleitung Einkernige Koordinationsverbindungen Zweikernige Koordinationsverbindungen Symmetrische zweikernige Koordinationsverbindungen Unsymmetrische zweikernige Koordinationsverbindungen Andere mehrkernige Koordinationsverbindungen Einleitung Koordinationsverbindungen mit Ketten von Zentralatomen Koordinationsverbindungen mit Ringen und Clustern von Zentralatomen AbschlieBende Bemerkungen
1-7.1
Einleitung
1-7.1 1-7.2 1-7.2.1 1-7.2.2 1-7.2.2.1 1-7.2.2.2 1-7.2.2.3 1-7.2.3 1-7.2.3.1 1-7.2.3.2 1-7.2.3.3 1-7.2.3.4 1-7.2.3.5 1-7.2.3.6 1-7.2.3.7 1-7.2.3.8 1-7.2.3.9 1-7.3 1-7.3.1 1-7.3.2 1-7.3.3 1-7.3.3.1 1-7.3.3.2 1-7.3.4 1-7.3.4.1 1-7.3.4.2 1-7.3.4.3
Dieses Kapitel beschrankt sich auf die Behandlung von Neutralmolekulen mit kovalenten Zweizentren-Bindungen. Sauren und ihre Derivate werden in Kapitel1-9 ausfiihrlicher behandelt; detaillierte Angaben uber Koordinationsverbin-
100
Neutralmolekiile
dungen finden sich in Kapitel 1-10, das sich auch mit einigen Organometallverbindungen beschaftigt. Neutrale Bor-Cluster werden in Kapitel I- 1 1 diskutiert. Unter den Methoden fur die Benennung von Molekulverbindungen mu13 eine den Gegebenheiten entsprechende Auswahl getroffen werden. Fur einfache Molekule genugt in den meisten Fallen ein stochiometrischer Name (siehe Kapitel 1-5). So sind Octacarbonyldicobalt und Tetraphosphordecaoxid eindeutige Beschreibungen; sie geben jedoch keine Auskunft uber die Struktur. Fur diesen Zweck werden zwei andere Nomenklatursysteme empfohlen. 1. Substitutionsnomenklatur - ein normalerweise fur organische Verbindungen verwendetes System, in dem die Namen auf dem Namen eines Stammhydrids basieren, das eine fur die Klasse charakteristische Endung hat. Fur organischen Hydride kann dies die Endung -an, -en oder -in(7a)sein. Fur Hydride anderer Elemente als Kohlenstoff gilt jedoch stets die Endung -an (die auf -in endenden Beispiele in FuDnote [a] zu Tabelle 1-7.2, Abschnitt 1-7.2.2.1, werden fur die Benennung von Substitutionsprodukten nicht e m p f ~ h l e n ) ( ~Bei ~ ) Fehlen . anderer Kennzeichnungen, z. B. des LSymbols, impliziert die Endung -an, daD die Zentralatome mit ihrer Standard-Bindungszahl vorliegen (z. B. 3 fur P; 4 fur Si) und daD alle vom Skelett ausgehenden Valenzen durch eine entsprechende, aber nicht genannte Anzahl neutraler Wasserstoffatome abgesattigt sind (siehe Abschnitt 1-7.2). 2. Koordinationsnomenklatur ein ursprunglich nur fur Komplexe vom Werner-Typ eingefuhrtes additives System, das keine der Annahmen der Substitutionsnomenklatur verwendet, sondern im Gegensatz - auf dem Konzept der Bindigkeit beruht. Diese Koordinationsnamen beschreiben die Bindungssituation fur jedes Zentral- und Ligandenatom im betrachteten Molekul einschlieI3lich eventuell vorhandener Wasserstoffatome. Die Unterschiede der beiden Nomenklatursysteme werden durch die folgenden Beispiele veranschaulicht. ~
~
Beispiele: Substitutionsnarne Koordinationsname 1. Te(OCOCH& Diacetoxytellan Bis(acetato)tellur 2. SiC13(0CH2CH2CH3) Trichlor(propoxy)silan Trichloro(propan- 1-olato) = silicium
(7b)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Im Original ist neben den Endungen -ane, -ene und -yne noch die Endung -ine (wegen der traditionellen Namen phosphine, arsine usw.) aufgefuhrt. Zur Vermeidung von Mehrdeutigkeiten ist dies ein weiterer Grund dafur, kunftig auf die traditionellen Namen Phosphin, Arsin usw. zu verzichten. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Siehe aber Abschnitte 1-7.2.3.6 und 1-7.2.3.8, in denen fur ungesattigte Ketten und Ringe die Namen fur die entsprechende gesattigte Verbindung durch die Endungen -en, -adien usw. modifiziert werden.
Substitutionsnomenklatur
3. Si(OCH2CH3)4 4. P(CF3)(PHCF3)2
Substitutionsname Tetraethoxysilan 1,2,3-Tris(trifluor= methy1)triphosphan
5. SbCl(C6H,)2 6. IF5
Chlordiphenylstiban Pentafluor-h5-iodan
1-7.2
Substitutionsnomenklatur
1-7.2.1
Einleitung
101
Koordinationsname Tetrakis(ethano1ato)silicium Trifluormethylbis= (trifluormethylphos= phanido)pho~phor(~") Chlorodiphenylantimon Pentafluoroiod
Hierbei handelt es sich um eine gewohnlich fur organische Verbindungen verwendete Benennungsmethode, in der die Namen auf dem Namen eines Stammhydrids basieren, der normalerweise auf -an, -en oder -in endet. Dieser Hydridname schlieot eine genau feststehende Anzahl von direkt an das Skelett gebundenen Wasserstoffatomen ein. Beispiele: 1. Pentan H3CCH2CH2CH2CH3 2. Benzen oder Benzol C6H6 3. Disilan Si2H6
Namen fur Derivate werden aus den fur die substituierenden Atome oder Atomgruppen geltenden Prafixen (mit vorangestellten Lokanten, falls erforderlich) und dem ohne Bindestrich folgenden Namen des unsubstituierten Stammhydrids gebildet. Bei Kohlenstoff- und bei Siliciumverbindungen konnen charakteristische Gruppen statt dessen durch entsprechende Suffixe bezeichnet werden. Beispiele: 4. f-Brompentan 5. Nitrobenzen oder Nitrobenzol 6. 1,l -Dichlorcyclohexan 7. H ydroxystannan 8. Silanol 9. Cyclobutan- 1,3-dithiol
Diese Namen implizieren, da13 die Anzahl der Wasserstoffatome in den Stammhydriden, z. B. in Pentan, Stannan, Silan oder Cyclobutan, durch Substitution entsprechend verringert worden ist. Die einwertige N02-Gruppe er(")
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Auch der nach Abschnitt 1-7.3.4.2gebildete Name 1,3Dihydro-l,2,3-tris(trifluormethyl)triphosphor(2P-P) ist korrekt.
102
Neutralmolekiile
setzt in Nitrobenzen, C6H5N02, ein Wasserstoffatom von Benzen. Entsprechend verhalt es sich mit der Benzenpentacarbonsaure, C6H(COOH)5. Wird diese Methode auf andere Elemente als Kohlenstoff angewendet, so mu13 die Bindungszahl der Skelettatome entweder durch Definition festgelegt sein (z. B. 4 fur Si und Sn), oder, falls sie variabel ist, durch ein geeignetes Symbol angegeben werden (siehe Abschnitt 1-7.2.2.3). Von diesen Besonderheiten abgesehen, entspricht diese Methode dem in der organisch-chemischen Nomenklatur verwendeten Verfahren und folgt den dort festgelegten Praktiken und K~nventionen[’~]. So haben z. B. Silan und Trisilan die Formeln SiH4 bzw. H3SiSiH2SiH3.Die Namen fur derartige Hydride, in denen einige oder alle Wasserstoffatome durch andere Atome oder Gruppen ersetzt sein konnen, werden als erste behandelt.
1-7.2.2
Hydridnamen
1-7.2.2.1
Namen einkerniger Hydride
Die Substitutionsnomenklatur ist gewohnlich auf Hydride folgender Zentralatome begrenzt: B, C, Si, Ge, Sn, Pb, N, P, As, Sb, Bi, 0, S, Se, Te, Po, wie es das eingerahmte Feld im Ausschnitt des Periodensystems in Tabelle 1-7.1 zeigt. Diese Elementfolge kann aber auch auf bestimmte Halogenderivate, insbesondere auf Iodderivate ausgedehnt werden. Die Namen der in diesem Nomenklatursystem verwendeten einkernigen Hydride sind in Tabelle 1-7.2 zusammengestellt. Bei Fehlen eines Symbols gibt die Endung -an an, daB das Skelettatom in seiner Standard-Bindungszahl vorliegt, namlich 3 fur 4 fur die Elemente der Gruppe 14,3 fur die Elemente der Gruppe 15 und 2 fur die Elemente der Gruppe 16(7d).In Fallen, in denen die Bindungszahlen von den vorstehend genannten abweichen, mussen diese im Hydridnamen als Exponent am griechischen Buchstaben angezeigt werden; diese Symbole werden vom Namen nach Tabelle 1-7.2 durch einen Bindestrich getrennt. Beispiele: 1. PH5 2. SH6 [7aI [7b1
1’4
h5-Phosphan h6-Sulfan
Siehe Nomencluture of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979 , Sektionen A, B, C usw. Dieses Konzept eignet sich nicht fur die Benennung von Hydriden von Polybor-Clustern (siehe Kapitel 1-1 I), obwohl die Endung -an dort in ahnlicher Weise verwendet wird. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Fur Elemente der Gruppe 17 gilt die Standard-Bindungszahl 1. Dieses Prinzip wird in The Treatment of Variable Valency in Organic Compounds (Lambda Convention), Recommendations 1983, Pure Appl. Chem. 1984,56, 769, ausfiihrlich beschrieben (siehe auch Abschnitt 1-7.2.2.3).
Substitutionsnomenklatur
103
Die Venvendung von h ist auf die ,,Hydridnamen" in Tabelle 1-7.2 beschrankt. Sie ist fur Synonyme dieser Namen nicht erlaubt. Tabelle 1-7.1 Gruppe 13
Stammhydrid-Elemente Gruppe 14
Gruppe 15
Gruppe 16
Gruppe 17
Gruppe 18 Ne
Ga In
Ge Sn Pb
Tabelle 1-7.2
Se Te Po
Br I At
Ar Kr Xe Rn
Einkernige Stammhydride ~~
BH3 SiH4 GeH4 SnH4 PbH4
Boran Silan GermanIb1 Stannan Plumban
NH3 PH3 AsH3 SbH3 BiH3
Azada1 Phosphan["] ArsanUa] Stibanr"] Bismutadb1
OH2 SH2 SeH2 TeH2 PoH2
Oxidan[a,b] Sulfad"] SelanUbl Telladbl Polan
Die Namen Phosphin, Arsin und Stibin konnen fur die unsubstituierten einkernigen Hydride beibehalten werden, ebenso fur die Bezeichnung davon abgeleiteter Liganden und bestimmter Substituenten. Sie werden aber fur die Benennung von Substitutionsprodukten nicht empfohlen. Die systematischen Namen fur Ammoniak, NH3, und Wasser, H20, sind in der Substitutionsnomenklatur Azan bzw. Oxidan. Sie werden normalenveise nicht venvendet, stehen aber zur Verfugung, falls sie benotigt werden. Unsubstituiertes Sulfan wird gewohnlich Hydrogensulfid genannt. Die ubliche Elementfolge in den Formeln H20, H2S, H2Se, H2Te und HzPo wurde in Tabelle 1-7.2 der Vergleichbarkeit halber umgedreht. Lb] Namen, die auf Formen wie Oxan, Germanan, Selenan, T e h r a n und Bisman basieren, konnen nicht verwendet werden, da sie nach dem Hantzsch-Widman-System als Namen fur gesattigte sechsgliedrige heteromonocyclische Ringe venvendet werden (Pure Appl. Chew. 1983, 55, 409).
La]
Fur einkernige Stammhydride aus Elementen mit einer anderen als der Standard-Bindungszahl wurden auch andere Stammnamen, Endungen und Endungen zusammen mit Prafixen verwendet, z. B. Phosphoran, Arsoran, Sulfuran und Persulfuran. Obwohl diese Moglichkeit gewisse Bequemlichkeiten bietet, ist sie nicht allgemein anwendbar. Sie erlaubt keine Erweiterung, fuhrt zu mehrdeutigen Namen und wird aus diesem Grunde oicht empfohlen('"). Deshalb ist die Lambda-Konvention fur die Benennung von ,,Nichtstandard"-Stammhydriden bevorzugt. Der Hauptvorteil der ,,-an-Namen" nach Tabelle 1-7.2 liegt darin, daD sie sich zur Benennung von Substitutionsprodukten und Substituenten eignen und daB diese Nomenklatur sich leicht zur Benennung von Ketten und Ringen erweitern lafit. Nach der organisch-chemischen Nomenklatur werden organische (7e)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Siehe aber FuBnote[*ql.
104
Neutralmolekule
Derivate von H2S und H2Se gewohnlich als Sulfide oder Thiole bzw. Selenide oder Selenole be~eichneti~~l, wahrend organische Derivate von NH3 gewohnlich Amine, Amide, Nitrile usw. genannt ~ e r d e n [ ~ ~ ] . Beispiele: 3. C6H5SC6H5 4. CH3CH2SeH 5. (BrCH2)3N 1-7.2.2.2
Diphenylsulfid oder Diphenylsulfan E t h a n s e l e n ~ l oder ( ~ ~ Ethylselan Tris(brommethy1)amin oder Tris(brommethy1)azan
Namen mehrkerniger Hydride, die nur Elemente mit StandardBindungszahl enthalten
Die Namen werden durch Nennen des entsprechenden multiplikativen Prafixes (Di-, Tri-, Tetra- usw.), das der Anzahl der in der Kette miteinander verbundenen Atome entspricht, vor dem Namen des entsprechenden einkernigen Hydrids aus Tabelle 1-7.2 gebildet. Beispiele: 1. H2PPH2 2. H3SnSnH3 3. HSeSeSeH 4. H3SiSiH2SiH2SiH3
Diphosphan Distannan Triselan Tetrasilan
Die Namen Azan (fur NH3, bekannt als Ammoniak, nach einer der traditionellen Methoden zur Benennung seiner organischen Substitutionsprodukte zu Amin modifiziert), Diazan (fur N2H4,allgemein als Hydrazin bekannt), Diazen (fur HN =NH)L7fl,Triazan (fur H2NNHNH2) usw. entsprechen diesen Regeln, wenn auch Triazan und Tetraazan in freiem Zustand nicht bekannt ~ i n d ( ~ gEs) . gibt davon aber Substitutionsprodukte (siehe Beispiel 5 in Abschnitt 1-7.2.3.3). Namen von Verbindungen, die die >N-N C1 > PPh3, PPh3 > NMe3 > CO Prioritatszahl-Sequenz: 1 > 2 > 3,3 > 4> 5 3
2.
1
P"
H3N\
Pt
H3N3 / -
C ,,-" r,;\3
WH
Sequenz-Unterregel (1): Hohere Ordnungszahl vor niedrigerer, Untersuchung der Ligandenstruktur durch Fortschreiten entlang der Verzweigungen .
H
In Beispiel 3 (siehe folgende Seite) sind alle koordinierenden Atome Stickstoffatome. Die Aufschlusselung gibt an, wie die Prioritaten durch Fortschreiten entlang der Verzweigungen der Ligandenbestandteile bestimmt werden. Die Zahlen in den Spalten 1, 2 und 3 rechts sind die Ordnungszahlen der Atome in den Strukturen. Die bei Resonanzstrukturen (die letzten beiden Liganden in der Liste) ublicherweise verwendeten Verfahren sind in der zu Beginn des Abschnitts zitierten Literatur beschrieben.
208 Beisp iel: 3.
Koordina tions verbindungen
Prioritatsfolge
Schritte 1
M
2
3
@:N-cH,
I
H
1-10.5.3.2 Unterscheidung von koordinierenden Atomen mit gleichen Prioritatszahlen Bei Anwendung der in Abschnitt 1-10.5.3.1 genannten Sequenzregel werden die Prioritatszahlen den koordinierenden Atomen auf der Grundlage von Unterschieden der chemischen Konstitution zugeordnet. Daraus resultiert, da13 in einer einkernigen Koordinationseinheit haufig mehrere koordinierende Atome dieselbe Prioritatszahl bekommen. Urn ein derartiges Koordinationssystem mit diesen Prioritatszahlen exakt zu beschreiben, kann ein Prinzip angewendet werden, das ,,trans-Maximaldifferenz der Prioritatszahlen" genannt wird.
Stereodeskriutoren
209
1-10.5.3.3 trans-Maximaldifferenzder Prioritatszahlen (fur die Koordinationszahlen4 , 5 und 6) Wenn es notwendig ist, zwischen koordinierenden Atomen gleicher Prioritatszahl zu unterscheiden, so ist dasjenige koordinierende Atom vorzuziehen, das sich trans oder gegenuber (auf einer strukturellen Achse) dem koordinierenden Atom hochster Prioritat befindet. Dieses sowie die Strichkonvention fur Chelatliganden, eine zusatzliche, in Abschnitt I- 10.6.3.2 behandelte Regel, fuhrt zu einzigartigen Konfigurationsindices, die fur die Koordinationszahlen 4, 5 und 6 aus nicht mehr als drei Ziffern bestehen.
1-10.5.4 Konfigurationsindices fur ausgewahlte Geometrien 1-10.5.4.1 Quadratisch-planares Koordinationssystem (SP-4) Der Konfigurationsindex ist eine einzelne Ziffer, die die Prioritatszahl fur dasjenige koordinierende Atom angibt, das trans zum koordinierenden Atom der Prioritatszahl 1, d.h. dem bevorzugt koordinierenden Atom, angeordnet istI'Of].
Beispiele: Prioritatsfolge: a > b > c > d Prioritatszahlen-Folge: 1 < 2 < 3 < 4
['Of]
Die cis-trans-Terminologie alleine ist nicht zur Unterscheidung der drei Isomere einer quadratisch-planaren Koordinationseinheit [Mabcd] geeignet.
Koordina t ionsverbindungen
210
,CH,
0 CI
\
@& /N
2. @, " @ ,
[SP-4-1]-(Acetonitril)dichloro(pyridin)platin(11)~'~~~
CI
I- 10.5.4.2 Oktaedrisches Koordinationssystem (OC-6)
Der Konfigurationsindex besteht aus zwei Ziffern. Die erste Ziffer ist die Prioritatszahl des koordinierenden Atoms, das sich trans zum koordinierenden Atom der Prioritatszahl 1 befindet, d. h. des bevorzugten koordinierenden Atoms. Die beiden Atome definieren die Bezugsachse des Oktaeders. Die zweite Ziffer des Konfigurationsindexes ist die Prioritatszahl des koordinierenden Atoms in der Ebene senkrecht zur Bezugsachse, das trans zum koordinierenden Atom mit der niedrigsten Prioritatszahl (das bevorzugte Atom) angeordnet ist (transMaximalprinzip, Abschnitt I- 10.5.3.3).
q /-kJ/-A-@
Beisniele:
b
a
1.
b
OC-6-12
I
0
OC-6-22
b
b
(Iod)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Fur dieses Beispiel geniigte die cis-trans-Terminologie.
Stereodeskrivtoren
21 1
0 (OC-6-22)-Triammintrinitrocobalt(111),
2a.
fruher fac-Isomer['Ogl
@H3N
(OC-6-21)-Triammintrinitrocobalt(III), fruher rner-Isomer['Ogl NH,
0 t
3.
(OC-6-43)-Bis(acetonitril)dicarbonylnitrosyl(triphenylarsan)chrom( 1 +) 1-10.5.4.3 Quadratisch-pyramidalesKoordinationssystem (SPY-5) Der Konfigurationsindex besteht aus zwei Ziffern. Die erste Ziffer ist die Prioritatszahl des koordinierenden Atoms der C4-Symmetrieachse der idealisierten Pyramide. Die zweite Ziffer ist die Prioritatszahl des koordinierenden Atoms trans zum koordinierenden Atom mit der niedrigsten Prioritatszahl in der Ebene senkrecht zur C4-Symmetrieachse. Beispiele:
Q ( S P Y-5-43)
['Ogl
Die Isomerbezeichnung fuc und mer konnen zwar fur allgemeine Diskussionen verwendet werden, sie sind aber fur Nomenklaturzwecke nicht mehr erlaubt.
Koordina t ionsverb indunpen
212
0 0
R2p7-pd7PPhR2
2.
"T'
(SP Y-5- 12)-Dibromotris[di(tert-butyl) = phenylphosphan]palladium
1-10.5.4.4 Bipyramidale Koordinationssysteme (TBPY-5, PBPY-7, HBPY-8 und HBPY-9) Der Konfigurationsindex fur bipyramidale Koordinationssysteme besteht aus zwei durch einen Bindestrich getrennten Teilen. Der erste Teil hat zwei Ziffern, und zwar die Prioritatszahlen der koordinierenden Atome der hochstmoglichen Rotationsymmetrieachse, der Bezugsachse. Die niedrigere Zahl wird zuerst genannt. Der zweite Teil besteht aus den Prioritatszahlen der koordinierenden Atome in der Ebene senkrecht zur Bezugsachse. (Fur die trigonale Bipyramide ist dieser Teil des Konfigurationsindexes nicht notwendig und wird deshalb weggelassen.) Die erste Ziffer ist die Prioritatszahl fur das bevorzugte koordinierende Atom, d. h. das mit der niedrigsten Prioritatszahl in der Ebene. Die restlichen Prioritatszahlen der Atome in dieser Ebene werden nacheinander (im Uhrzeigersinn oder umgekehrt) angegeben, so daI3 die niedrigste Ziffernfolge resultiert. Die niedrigste Ziffernfolge ist diejenige, die am Punkt der ersten Ungleichheit die kleinere Ziffer enthalt, wenn man Ziffer fur Ziffer von einem Ende zum andern vergleicht.
Beispiele:
q
1. Trigonale Bipyramide (TBP Y-5)
TBP Y-5-25
0 PPh, 0 0
I
,co
..I'
Oc-ie\% PPh,
0 (TBP Y-5-11)-Tricarbonylbis(tripheny1phosphan)eisen
Formeln und Namen fur Chelatkomplexe
&$
213
2. Pentagonale Bipyramide (PBPY-7)
PBPY-7-34-12342['OhI
4
4
Weitere Strukturen und die Entwicklung zusatzlicher Regeln werden in Abschnitt I- 10.6 uber die Stereochemie von Metall-Chelatkomplexen beschrieben.
1-10.6 Formeln und Namen fur Chelatkomplexe 1-10.6.1 Allgemeines Die Chelatliganden werden in Einklang mit den Regeln fur einzahnige Liganden behandelt, jedoch unter Beriicksichtigung zusatzlicher Gesichtspunkte. In Formeln der Koordinationsverbindungenwerden die ubliche Sequenz der Symbole und die ublichen Konventionen in bezug auf die Verwendung von Klammern, Ionenladungen und Oxidationszahlen angewendet. Man mu13 jedoch bei der Verwendung von Klammern in Formeln und Namen organischer Liganden darauf achten, da13 dort eine andere Sequenz fur ineinandergesetzte Klammern gilt. Bei Chelatliganden ergeben sich zusatzliche Fragen, die die Ligandenatome, die am Zentralatom koordinieren, und weitere stereochemische Beziehungen betreffen.
1-10.6.2 Bezeichnung der koordinierenden Atome eines mehrzahnigen Liganden 1-10.6.2.1 Donoratomsymbol als Kennzeichnung Ein mehrzahniger Ligand hat mehr als eine Donorstelle, von denen einige oder alle an der Koordination beteiligt sein konnen. In der bisherigen Praxis wurden die Donoren des Liganden durch Anfugen der kursiv geschriebenen Symbole fur die Atome, die am Metall angreifen, gekennzeichnet. So ist es denkbar, daB das Dithiooxalat-Anion sich uber 0 oder S an das Metall heften kann, und diese Koordinationsarten werden durch die Bezeichnungen Dithiooxalato-S,S ['Oh]
Die Serie 12242 ist lexikographisch niedriger als 12432.
214
Koordinationsverbindunaen
bzw. Dithiooxalato-0, 0 unterschieden. Das nachstehend genannte System fur die Kennzeichnung der koordinierenden Atome wird fur einfache Falle vorgeschlagen. Bei Liganden, deren koordinierende Atome linear entlang einer Kette angeordnet sind, sollten die Symbole nacheinander genannt werden, an einem Ende beginnend. Die Wahl des Endes basiert auf der alphabetischen Reihenfolge, sofern die koordinierenden Atome unterschiedlich sind, z. B. Cysteinaton!S und Cysteinato-N 0. Wenn eine so einfache Unterscheidung nicht getroffen werden kann, dann hat das koordinierende Atom an der Position mit den niedrigsten Lokanten (in Einklang mit der organischen Praxis) den Vorzug. Beispiele: 1. (CF3COCHCOCH3)-
1,1,1-Trifluorpentan-2,4-dionato7 CF3C0 ist gegenuber CH3C0 bevorzugt 2. H2NCH(CH3)CH2NH2 Propan- 1,2-diamin, NH2CH2 ist gegenuber NH2CH(CH3) bevorzugt Wenn das gleiche Element an mehreren Positionen auftritt, wird der Platz in Kette oder Ring, an dem das Zentralatom angreift, durch einen Exponenten angegeben. Es kann notwendig sein, Exponenten zu bilden, die in der normalen organischen Substitutionsnomenklatur nicht verfugbar sind. Beispiele: 3. (CH3COCHCOCH3)-
Pentan-2,4-dionato-C3
o=c-0
o=c-0-
I
HCO
o=c-0
I
--o o . Tartrato(3-)-01, O2
Tartrato(4-)-02, O3
O=C-O
Tartrato(2 -)-01, 0 ' '
1-10.6.2.2 Die Kappa-Konvention Da die Ligandennamen immer komplizierter werden, ist ein allgemeines System fur die Angabe von Koordinationsstellen notwendig. In der Nomenklatur vielzahniger Chelatkomplexe werden die koordinierenden Atome eines polyatomigen Liganden, die sich an ein Koordinationszentrum anheften, durch die kursiv geschriebenen Elementsymbole angegeben, denen der griechische Buchstabe kappa, K, vorangestellt wird. Einzahnige ambidente Liganden liefern einfache Beispiele, wobei fur diese Falle die Kappa-Konvention nicht unbedingt vorteilhafter zu verwenden ist als die ,,Donor-Atomsymbol-Konvention" (Abschnitt I- 10.6.2.1). Stickstoffgebundenes NCS ist Thiocyanato-KN, und schwefelgebundenes NCS ist Thio =
Formeln und Namen f i r Chelatkomplexe
215
cyanato-KS. StickstoffgebundenesNitrit wird Nitrito-KN, sauerstoffgebundenes Nitrit Nitrito-KO genannt; z. B. [O=N-O-CO(NH,)~]~*ist ein Pentaammin= nitrito-KO-cobalt(III)-Ion. Bei zwei oder mehreren derartigen koordinierenden Gruppen erhalt K einen Exponenten. Beispiel: 1. [NiBr2{(CH3)2PCH2CH2P(CH3)2}21 Dibromobis[ethan- 1,2-diylbis(dimethylphosphan)-~~P]nickel(11) Bei komplizierteren Ligandennamen wird der Lokant des Liganden nach dem Namensteil angegeben, der die Funktion, den Ring, die Kette oder den Substituenten bezeichnet, in dem sich das koordinierende Atom befindet. Koordinierende Atome, die in funktionellen Gruppen, Ketten, Ringen und Substituenten vorkommen, in denen es weitere Donoratome gibt, werden eindeutig durch hochgestellte Zahlen, Buchstaben oder hochgestellte Striche am Elementsymbol angegeben. Diese Zeichen geben die Position des koordinierenden Atoms in der funktionellen Gruppe, der Kette, dem Ring oder dem Substituenten an. Das folgende Beispiel zeigt das Ergebnis der Insertion von Nickel in eine C- H-Bindung. Der rechte Exponent am kursiv geschriebenen Donoratomsymbol bezeichnet den Lokanten des Kohlenstoffatoms. Beispiel:
2.
[2-(Diphenylphosphanyl-~P)phenyl~C']hydrido(triphenylphosphanKP)nickel(II)
Bei vielzahnigen Liganden wird dem Symbol K ein rechter Exponent angefugt, um die Zahl der gleichartig gebundenen Ligandenatome im flexidentaLiganden anzugeben. Auch multiplikative Prafixe wie Bis konnen ten[lOil('Ob) zusammen mit dem K-Lokanten-Index gebraucht werden. So wird im folgenden Beispiel 3 der Partialname ,,. . . bis(2-amino-~N-ethyl). . ." und NICHT ,,. . . bis(2-arnino-~~N-ethyl) . . ." venvendet. In den Beispielen 3 und 4 dient die Chelatbildung mit dem linearen Tetraamin-Liganden flW-Bis(2-aminoethyl) = ethan- 1,2-diamin zur Veranschaulichung dieser Regeln; der Ligand ist dreizahnig gebunden. ['Oil
Ein Chelatligand, der in der Lage ist, mit mehr als einem Satz von Donoratomen zu koordinieren, wird als flexidentat beschrieben; vgl. W. J. Stratton, D. H. Busch, J Am. Chem. SOC. 1958, 80, 3191.
216
Koordinationsverbindunaen
Beispiele:
[N N'-Bis(2-amino-~N-ethyl)ethan1,2diamin-KN]chloroplatin(II)
[N-(2-Amino-~N-ethyl)-N'-(24.
aminoethy1)ethan-1,Zdiamin-
\CHICHZNH2
K ~N']chloroplatin(~~) N
In Beispiel 3 wird die Koordination uber die beiden terminalen primaren Aminogruppen des Liganden durch die Anordnung des K-Lokanten-Indexes nach dem Namen des Substituenten und dessen Verdopplung durch das Prafix Bis- vor dem Teilnamen (2-amino-1cN-ethyl)angezeigt. Der einfache Index KN nach Ethan-1,Zdiamin gibt eindeutig die Bindung von nur einer der beiden aquivalenten sekundaren Aminogruppen an. In Beispiel 4 ist nur eine der primaren Aminogruppen koordiniert, und dieses wird durch Nichtverwenden des Prafixes Bis- sowie die Wiederholung von (Zaminoethyl), aber Einfugen des K-Indexes nur in die erste Gruppe (2-amino-~N-ethyl)ausgedruckt. Die Einbeziehung beider sekundarer Aminogruppen in die Chelatbildung wird durch den Index K ~ N Nangegeben. ' Die unzweideutige dreizahnige Chelatbildung durch den tetrafunktionellen Makrocyclus in Beispiel 5 wird durch den Index, der dem Namen folgt, deutlich angezeigt. Hier sind Lokanten fur die Donoratome notwendig.
Beispiel:
['OJl
Der vollstandige Ausdruck wurde K~S',S~,S~ lauten, aber es kann die gekurzte Form K ~ S ~ , ~ , ~ verwendet werden.
Formeln und Namen fur Chelatkomplexe
217
Gut bekannte Arten der Chelatbildung des (Ethan- 1,2-diyldinitrilo)tetraacetato-Liganden werden in den Beispielen 6 bis 9 gezeigt. Der Ligand wirkt dabei zweizahnig, dreizahnig und funfzahnig. Man beachte, daD es sich nur um die Namen komplexer Anionen handelt und daD ein vollstandiger Verbindungsname die Nennung eines Kations erfordern wurde. Beispiele: Dichloro[(ethan-l,2diyldinitrilo-K2NN')= tetraacetatolplatinat(4 -)
Dichloro[(ethan-1,2diyldinitrilo-KmtetraacetatoK O]platinat(~~)(l Oe)
[(Ethan- 1,2-diyldinitriloK 2 4 N')tetraacetato-
~~o,O"]latinat(2-) L
-I
l-
9.
(Ioe)
Aqua[(ethan- 1,2-diyldinitriloK ~N)(tetraacetatoN K ~ OOr, , O"")]cobaltat(1-)
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Dieser Name ist nur eindeutig, wenn man von einem fiinfgliedrigen Ring ausgeht.
218
Koordinationsverbindungen
Das unbekannte flexidentate Isomer (oben nicht gezeigt), in dem eine Aminogruppe nicht koordiniert ist, wahrend alle vier Acetatgruppen an ein einzelnes Metall-Ion gebunden sind, wurde den Namen (Ethan- 1,2-diyldinitrilo~ W t e t r a a c e t a t o - ~O”, ~ O0, , 0 ” ” ” fuhren (innerhalb des Namens eines Komplexes). Der gemischte cyclische Schwefel-Sauerstoff-Polyether 1,7,13-Trioxa-4,10,16trithiacyclooctadecan vermag Alkalimetalle nur uber seine Sauerstoffatome und Ubergangsmetalle der zweiten Reihe nur uber seine Schwefelatome zu binden. Die entsprechenden K-Indices lauten K ~ O ~ , O ’ ,bzw. O~~ (abgekurzt K 3 0 1 7 7 , 1 3 bzw. K 3 9 , 1 0 , 1 61. Die nachstehend aufgefuhrten Beispiele 10, 11 und 12 erlautern drei Arten der Chelatbildung des Liganden N-[N-(2-Aminoethyl)-N’,S-diphenylsulfonodi= imidoyl]benzamidin. Die Haufigkeit von Heteroatomen in dieser Struktur macht die Notwendigkeit eines speziellen Indexes besonders deutlich.
Beispiele: { N-[N-(2-Amino-~N-ethyl)-N’, Sdiphenylsulfonodiimidoyl-KN= benzamidin-KN’} chloro = kupfer(I1)-Ion
1 11.
L
-
{ N-[N-(2-Amino-~N-ethyl)-N’,S-
diphenylsulfonodiimidoylK~N,N’} benzamidin}chloro = kupfer( n)-Ion
1
Ph
/CHz-CH
3(P3-cI)1 Nonacarbonyl-(p3-iodmethylidin)-tri~ngulo-tricobalt(3 Co - Co) 2. Cs3[Re3Cl12] Caesium-dodecachloro-triangulo-trirhenat( 3 Re -Re)(3 -) 3- [Cu414{P(C2H5)3}4] Tetra-p3-iodo-tetrakis(triethylphosphan)-tetrahedro-tetrakupfer oder Tetra-p3-iodo-tetrakis(triethylphosphan)[T,( 13)-A4-closoltetrakupfer Penta-p-carbonyl-1 : ~ K ~1:k2C;= C; 2:3K2c;2 :4K2c;3:4K2C-hep = taCarbOnyl-1K3C,2KC,3K2C, = KC-tetrahedro-tetraco = balt(4 Co-Co) oder Penta-p-carbonyl- 1: ~ K ~=C ; 1:4K2c2:3K2c;2:4K2c;3:4K2cheptacarbonyl- ~ K ~ C , ~ K C , = 3K2c,4Kc-[TJ(13)-A4-closo]= tetracobalt(4 Co- Co) 5. [M06s,l2-
Octa-p3-thio-octahedro-hexamolybdat(2-)oder Octa-p3-thio-[Oh-( 141)-A*-closo]hexamolybdat(2-)
II I
6.
Me,R /
//
---
---I
/
1K3c,2K3c,3K3c,4K3ctetrahedro-tetraplatin(1v) oder
Tetra-p3-iodo-dodecamethyl-
238
Koordinutionsverbindunpen
8. [{ Hg(CH3))4(CL4-S)I2+ p4-Thio-tetrakis(methylquecksilber)(2+)-Ion oder Tetramethyl1~C,2~C,3~C,4~C-~~-thio-tetruhedro-tetraquecksilber(2 +)-Ion oder Tetramethyl- I KC,2KC,3KC,4KC-CL4-thiO-[TJ( 13)-A4-~k0~o]= tetraquecksilber(2 +)-Ion
is( = Octacarbonyl- I K~ C , 2 ~ ~ C - btriphenyl phosphan-3~P)-triungulo-dieisen = platin (Fe--Fe)(2 Fe-Pt)
1-10.8.3.5 Unsymmetrische zentrale Struktureinheiten Zentrale Struktureinheiten in Ketten, verzweigten Ketten und cyclischen mehrkernigen Strukturen werden fortlaufend von einem Ende numeriert, so daB die groBte Zahl von Zentralatomen beruhrt wird. Die Numerierung beginnt an dem Zentralatom hochster Prioritat (siehe Abschnitt 1-10.8.3.2); fuhrt das zu keiner Entscheidung, dann erhalt das Zentralatom die Prioritat, durch das der niedrigste Satz von Lokanten fur Liganden erhalten wird; entscheidend ist dabei die erste Abweichung; genugt das nicht, dann bestimmt die alphabetische Reihenfolge der Liganden die Prioritat. Das bevorzugte endstandige Zentralatom wird mit 1 numeriert. Wenn es notwendig ist, steht im Namen der Lokant in der Aufstellung der Zentralatome vor dem Atomnamen (siehe Beispiel 4). Das Symbol Kappa, K, wird, soweit notig, zusammen mit Zentralatomlokant und kursiv geschriebenem Donoratomsymbol zur Angabe der Position der koordinierenden Atome verwendet. Beispieke (5)
(4)
(3)
(?)
(.I)
1. SiH3- Si(CH3)2-SiC12-SiHz-SiCIH2 Trichloro- 1~C1,3~~Ck-heptahydr~dodimethyl-4~~C-pentasilicium~'~'~ 2. [os3(sic13)2(co)121 Dodecacarbonyl- 1K~ C , ~CK, ~~C-bis( K ~ trichlorsily1)-1 K S ~ , ~ K S ~ triosmium(2 0s-0s) [""I
1.3,3,4,4 ist ein niedrigerer Lokantensatz als 2.2,3,3,5 (erste Abweichung: 1 ist niedriger als 2).
Mehrkernige Komplexe
239
Tricarbonyl-1K C , ~c, K3~cp-chloro-1:2~~Cl-chloro3~CI-bis{ p3-bis[(diphe= nylphosphany1)-1KP':= 3~P"-methyl]phenylphos = phan-2~f')trirhodium= (1 +)-chlorid
1 3 +
Hexaammin-2~~ N,3~~Naqua-1KO-[p3-(ethan-1,2diyldinitrilo-1~~"')tetraacetato-I~~O~,O~,O~: 2~04:3~04'1-di-p-hydroxo2:3k40-1-chrom-2,3dicobalt(3 +)-triperchlorat
u Bis(p3-pentan-2,4-dionato-12 ~ ~2:3~~@)bis(p-pentan-2,40 ~ ; dionato)-1KO2,1:2~*04;3~@,2:3~~0~-bis(pentan-2,4-dionato)1~ ~ 0 ~ ,3 0~ 4* ;004-trinickel ~, Zentralatome in verbruckten cyclischen Strukturen werden wie folgt numeriert: unter Verwendung von Tabelle IV wird die hochste Prioritat dem Zentralatom zugeordnet, das als letztes in der Sequenz auftritt; reicht das nicht aus, erhalt das Zentralatom die hochste Prioritat, durch das der niedrigste Satz von Lokanten fur Liganden erhalten wird; entscheidend ist dabei die erste Abweichung; genugt das nicht, dann bestimmt die alphabetische Reihenfolge der Liganden die Rangfolge. Das Zentralatom mit der groI3ten Anzahl alphabetisch bevorzugter Liganden erhalt die hochste Prioritat. Das Prafix cyclo- kann fur monocyclische Verbindungen verwendet werden. Das Prafix cyclo- wird kursiv geschrieben und vor allen Liganden genannt.
240
Koordinationsverbindunpen
Beispiele: cyclo-Tri-p-hydroxo-tris(diamminplatin)(3+) oder 6. [Pt3(NH&( P - O H ) ~ ] ~ + Hexaammintri-p-hydroxo-triangulo-triplatin( 3 +) H3N
7.
\ Pd/ N H J M e
I
ti 0
H,N
cyclo-Pentaammin-1K ~ N , ~ K ~ N , ~ K N tri-p-hydroxo-1:2~~0; 1: 3 ~ ~ 0 ; 2 : 3 ~ ~ 0 (methylamin-3~N)palladium= diplatin(3 +)
\OH 1,NH.l
'Pt
H,N
/
\O/p\
NH,
I
H 0
0
8.
1
-1 1
c 0-C-Rh
Rh-CEO
/ /
\
Me
cyclo-Tetrakis(p-2-methyl= N
Me
\
/
I
tetrakis(dicarbony1rhodium)
0
9.
111
c
PMe,
/'"NyN'!,
OEC-Rh
e:+ N
N
O=C-Rh \ 2
,I, PIN 'M / e,
Rh-CEO
Me
Me-(N]
,fLCS0
Me
cyclo-Hexacarbonyl-1K ~ C , 2KC,3K2C,4KC-tetrakis-(p-2methylimidazo1ato)1 : ~ K ~ N ' : 1N: ~ ;K ~ N ' : N ~ ; ~ :N3; :~K~N' 3 : ~ K ~:N3-bis(trimethyphosphan)N' 2~e4~P-tetrarhodium
N
L J h 0
Wenn das Prafix cyclo- in Namen von Metall-Metall-gebundenen Einheiten verwendet wird, sind Elementsymbole erforderlich, die das Vorliegen der Metall-Metall-Bindungen angeben (Beispiel 10).
Mehrkerniae Komulexe Beispiel: 10. [oSdc0)121
24 1
cyclo-Dodecacarbonyl-1K ~ C , ~ K ~ C , ~ K ium ~= C-~~~OS~’ (3 0s-0s)
1-10.8.4 Einstrangige Koordinationspolymere Wenn Verbruckungen zu einer unbegrenzten Ausdehnung der Struktur fuhren, werden die Verbindungen auf der Basis der Repetiereinheiten benannt. So sollte die Verbindung, deren Zusammensetzung durch die Formel ZnC12*NH3wiedergegeben wird und die die nachstehende Struktur hat, als Polymeres benannt werden.
TH3
NH I
NH,
I
I
THJ
I
I -----Zn-CI-Zn-CI-zn-CI-Zn--CI I
I
CI
CI
CI
_____
CI
Eine doppelt verbruckte Polymerstruktur wurde fur PdC12 gefunden. Beides sind einstrangige Polymere. C‘I
’
P‘d’
C ‘’I
\Pd’
C ‘’l
\Pd’
’ a ‘
‘
CI
CI
CI
P‘d’
’ a ‘
Regulare einstrangige Polymere werden durch eine konstitutionelle Repetiereinheit (,,constitutional repeating unit“, CRU) charakterisiert, die an beiden Enden uber Einzelatome gebunden ist -(A-B)n-. In ZnCl2*NH3entsprechen A und B Zn bzw. C1. Die Benennungspraktiken fur diese Spezies sind in den 1985 erschienenen IUPAC-Empfehlungen der Commission on Macromolecular Nomenclature und der Commission on Nomenclature of Inorganic Chemistry dokumentiert[lOml.Quasi-einstrangige Polymere werden ahnlich charakterisiert, doch ist nur eine Seite uber ein einzelnes Atom mit der nachsten CRU verknupft. In PdC12 entsprechen A und B Pd bzw. C1. Die Nomenklaturregeln, die die CRU definieren und die das Polymer in Form der CRU definieren, sind mit den oben gegebenen Regeln fur mehrkernige Komplexe nicht vollig konsistent. Hier wird nur eine Grundkonzeption gegeben.
[lorn]
Pure Appl. Chem. 1985, 57, 149.
242
Koordinationsverbindunaen
Das oben zuerst genannte Polymer, ZnC12.NH3, wird catena-Poly[(ammin= ch1orozink)-p-chloro]genannt. Ahnlich lautet der Name fur das Palladium(I1)Die Reihenfolge in diechlorid-Polymer catena-Poly[palladium(i~)-p-dichloro]. sen Namen entspricht nicht der in der Koordinationsnomenklatur ublichen. Wichtige Teile der Nomenklatur einstrangiger polymerer Koordinationsverbindungen umfassen die Auswahl der CRU; sie wird so orientiert, daB das Zentralatom hochster Prioritat (Tabelle IV) zuerst aufgefuhrt wird. Es folgt die Benennung des Teils der CRU, der keine Bruckenliganden enthalt, entsprechend den Praktiken der Koordinationsnomenklatur, und schlieBlich die Benennung der Bruckenliganden, getrennt durch den Bruckenindikator Beispiele: catena-Poly{ [(thioharnstoff-S)silber]p-chloro}
catena-Poly [silber-p-(cyano-N: C)]['O01
catena-Poly[(diammindibromoplatin)p-bromo]
catena-Poly{ nickel-p-[dithio= 4.
OXamidat0(2-)-KN7KS:KN',KS']}
catena-Poly{ zink-pL-[2,5-dihydroxyp-benzochinonato(2-)-OI, 02: @,05])
[lo"]
[loo]
Die Position des Bruckendeskriptors p im Namen von Koordinationspolymeren und seine Plazierung auDerhalb der Klammern um die Liganden ist anders als bei mehrkernigen Komplexen (siehe Abschnitt 1-10.8.2). Diese Verbindung wird nicht catena-Poly[silber-p-(cyano-C:N)] genannt. Wegen Einzelheiten siehe FuOnote['""'l.
Oraanornetall-SDezies
243
1-10.9 organornet all-Spezies 1-10.9.1 Allgemeines Als Organometall-Einheiten werden normalerweise alle chemischen Spezies betrachtet, die eine Kohlenstoff-Metall-Bindung enthalten. Die einfachsten Einheiten sind solche mit Alkylliganden, z. B. Diethylzink. Im allgemeinen erhalten solche Liganden, die durch ein einfach gebundenes Kohlenstoffatom mit Metallen verknupft sind, die ublichen Substituenten-Namen, obgleich diese Liganden zur Berechnung der Oxidationszahlen als Anionen behandelt werden mussen. In einigen Fallen ist die Bezeichnung willkurlich. Liganden, die ublicherweise so behandelt werden, als enthielten sie Metall-Donor-Doppelbindungen (Alkylidene) und -Dreifachbindungen (Alkylidine), erhalten ebenfalls Substituenten-Namen. Beispiele: 1* [Hg(CH3)21 Dimethylquecksilber 2. MgBr[CH(CH3),] Bromo(isopropy1)magnesium 3. [T1(CN)(C6H5)21 Cyanodiphenylthallium 4. [Fe(CH3CO)I(CO)2{P(CH3)3121 Acetyldicarbonyliodobis(trimethy1phosphan)eisen 5. [W{C(C6H5)(CH30))(C0)4(NCCH3)1 (Acetonitril)tetracarbonyl(a-methoxybenzyliden)wolfram 6* [w(sec6H5>(co)4[c {N(c2H5)2}ll (Benzenselenolato)tetracarbonyl[(diethylamino)methylidin]wolfram 7. [pt {c(o)cH(c6H5)~H(c6H5)}{p(C6H5)3}2] (1 -0x0-2~3-diphenylpropan1,3-diyl)-~ C' ,~C~-bis(triphenyl= phosphan)platin 8. [Co{Si(CH3)3}{p(c2H5)3>(co)31 Tricarbonyl(triethylphosphan)(trimethylsilyl)cobalt Tabelle I- 10.9 enthalt eine Aufstellung von organischen Restnamen fur die Verwendung bei der Benennung von Koordinationsverbindungen. Tabelle 1-10.9 In der Koordinationsnomenklatur venvendete Namen organischer Substituenten Formel des Substituenten
Systematischer Name
CH3CH3CH2CH3CH2CH2HTC, ,CHH3C
Methyl Ethyl Propyl
41 Tetrakis(cyclopentadienyl)tetrakis[(dimethyl= amino)cyclopentadienyl]tetraeisentetrakupfer Die besondere Natur der Bindung von Kohlenwasserstoffen und anderen 7c-Elektronensystemen an Metalle und die komplizierte Struktur dieser Einheiten kann durch die herkommliche Nomenklatur nicht wiedergegeben werden. Zur Anpassung an die Probleme, die sich aus den Bindungsweisen und Strukturen ergeben, wurde das hapto-Nomenklatursymbol eingefuhrt (F. A. Cotton, J Am. Chem. SOC. 1968, 90, 6230). Das hapto-Symbol q (griechisches Eta) mit dem numerischen Exponenten liefert eine topologische Beschreibung durch Angabe der Bindigkeit, die der Ligand gegenuber dem Zentralatom betatigt. Das Symbol q wird dem Ligandennamen oder dem Teil des Ligandennamens vorangestellt, dessen Bindigkeit angegeben werden soll, wie in (q2-Ethenyl= cyclopentadien) und (Ethenyl-q5-cylopentadienyl).Der Exponent gibt die Zahl der koordinierenden Atome im Liganden an, die an das Metal1 gebunden sind (Beispiele 4 bis 10). In Einheiten, in denen der Exponent zur Spezifizierung einer eindeutigen Struktur nicht ausreicht, werden die Lokanten der koordinierenden Atome vor q angeordnet. Verwendet man die numerischen Lokanten der koordinierenden Atome, werden die Lokanten und q in runde Klammern gesetzt, z. B. (1,2,3-q)- (Beispiele 10, 11 und 13). Wenn Lokanten verwendet werden, fallt der Exponent an q weg, da er uberflussig ist. In mehrkernigen Einheiten wird der numerische Lokant des Zentralatoms vor q angegeben, und q wird stets in runde Klammern eingeschlossen, wie in l(q5)- und 2(1,2,3-q)-. Diese Grundsatze werden in den Beispielen 13 bis 17 weiter verdeutlicht.
Beispiele: 4.[Fe(CO)3(C4H6SO)] 5. [Cr(C3H5)3] 6. [Cr(CO)4(C4H6)1 7. [PtC12(C2H4)(NH3)] 8. [Fe(cO)3(c,H8)1 9. [U(C8Hd21
10.
OEC-MO
I
C
111 0
Tricarbonyl(q2-2,5-dihydrothiophen-1-oxidK0)eisen Tris(q3-allyl)chrom Tetracarbonyl(q4-2-methylen-propan1,3diy1)chrom Ammindichloro(q2-ethen)platin (q4-Bicyclo[2.2.l]hepta-2,5-dien)tricarbonyleisen Bis($-cycloocta- 1,3,5,7-tetraen)uran
Dicarbonyl(q 5-cyclopenta= dieny1)-[( 1,2,3-q)cyclohepta-2,4,6-trienyl]= molybdan
248
Koordinationsverbindungen
Dicarbonyl(q5-cyclopenta= dieny1)[(4,5-q , ~ c ' ) - c = y clohepta-2,4,6-trienyl] = molybdan['OP1
11. 0
C-MO
I
C
Q 111
0
'.
/
1
12.
Tricarbonyl(q7-cycloheptatrienylium) = molybdan( 1 +)
Mo
0
In Beispiel 13 wird der Doppelpunkt wie in anderen verbruckten Strukturen verwendet (siehe Abschnitt 1-10.8.3.2). 0NC
13.
! 0
\A$-,g I
5'
14.
4 O
,
Fe
[p-(1,2,3,4-q:5,6,7,8-q)Cycloocta173,5,7-tetraen]bis(tricarbony leisen)
C'pC
4 Ill No O 0
[p-1 ~C:2(q~)-Cyclopentadienyliden]= [p-2~C: 1(q5)-cyclopentadienyliden]= bis[(q5-cyclopentadieny1)hydrido = w~lfram]['~q]
Manche Autoren verwenden in Beispielen wie diesem ql, wahrend es hier KC heiBt. Fur Kohlenstoff-Metall-Einfachbindungen ist die Verwendung von K Cbesser geeignet. [''a Diese unubliche Anordnung des Symbols K ermoglicht es, die vereinfachte Bezeichnung der Brucke beizubehalten. [lop]
Organornetall-Spezies
249
15.
Di-p-carbonyl-carbonyl-2~C1,l,2-tris(q5-cyclopenta= dieny1)rhenium= wolfram(Re- W)
16.
[p-(1,2,3,3a,8a-q,2~:4,5,6-~,1~)Azulenlpentacarbonyl = dieisen(Fe-Fe)
p
(:;aNi (2)
17.
\
co
Ph
PPh3
1,2-Bis(q5-cyclopentadienyl) = [p-2,3,4-triphenylcyclo= butadienyl-2~C’:1(q4)](triphe = nylphosphan-2~P)cobaltnickel
Ph
1-10.9.3 Metallocene [Bis(qs-cyclopentadieny1)-Einheiten] Die traditionellen Namen Ferrocen, Manganocen, Ruthenocen, Nickelocen usw. wurden den entsprechenden Bis(q5-cyclopentadienyl)metall-Komplexen gegeben. Solche Namen sollten auf Bis(q5-cyclopentadieny1)-Verbindungenbeschrankt bleiben und nicht auf q6-Benzen- oder $-Cyclooctatetraen-Derivate oder analoge Verbindungen ausgedehnt werden. Metallocen-Derivate konnen entweder mittels Suffixen oder mittels Prafixen benannt werden. Zur Diskussion der Funktionsklassennamen siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel C-22, S. 112. Die niedrigsten numerischen Lokanten werden den Substituenten der gleichwertigen Cyclopentadienylringeder Metallocen-Einheiten in ublicher Weise gegeben. Der erste Ring wird von l bis 5 und der zweite von l’ bis 5’ numeriert.
250
Koordinationsverbindungen
In Einheiten, die eine groflere Anzahl von Cyclopentadienyl-Gruppen enthalten, werden die Ringe analog mit 1" bis 5", 1"' bis 5"' usw. numeriert. Metall= ocene als Substituenten bekommen Namen, die auf -ocenyl, -ocendiyl, -ocen = triyl usw. enden. Beispiele: 1. [Fe(q5-CsH5)21 Ferrocen 2. [oS(r15-csH5)21 Osmocen 3. [Ni(CH3-q5-C5H4)2] 1 , l '-Dimethylnickelocen 4. 0s(q5-C5H5)(HOCHzCH2-q5-C5H4)] 2-Osmocenylethanol oder (2-Hydroxyethy1)osmocen 5. [ O S ( ~ ~ - C ~ H ~ ) ( C H ~ C O - ~ ~ - C ~ H ~ ) ] Methyl-osmocenyl-keton oder Acetylosmocen 6. [Fe(15-C5H4CH2CH2CH2-q 5-C5H4)] 1,3-(Ferrocen-l,1'-diy1)propan oder 1,1 '-Trimethylenferrocen 7. [Fe2(p-q5-C5H4CH2CH2-q 5-C5H4)( q 5-C5H5)2] 1,l '-(Ethan- 1,2-diyl)diferro~en('~') 8. [Fe(715-C5H5)(15-C5H4As(c~H~)2)1 Ferrocenyldiphenylarsan oder (Diphenylarsany1)ferrocen 9. [ F ~ ( I ~ ~ - C ~ H ~ ) ~ ]Ferrocenium-tetrafluoroborat( [BF~] 1-)[lor] 10. [Fe{(CH3)5-q5-C5}2]C12 Decamethylferrocenium(2+)-chlorid("')
[ 1.1]Ferro~enophan['~~1
(I"')
[lor]
['"'I
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Aus diesen Namen IaBt sich die Formel nicht ableiten. Vorschlage: p-Ethan-1 ,2-diyl-1 ~C'.2~C'-diferrocen oder Bis(cyclopentadieny1-1K'C,~K'C)= [ethan- 1.2-diylbis(cyclopentadienyl-1 ~'C,2~'0]dieisen. Ferrocenium ist der traditionelle Name fur Kationen, die sich durch Abspaltung von einem oder zwei Elektronen von Ferrocen ableiten. Die Endung -ium hat hier nicht die iibliche Bedeutung, die sie in der Substitutionsnomenklatur hat, d. h., die Addition eines Hydrons an eine neutrale Stammverbindung. Die Namen Bis(qs-cyclopentadienyl)eisen( 1 + ) und Bis(q5cyclopentadienyl)eisen(2+ ) vermeiden diese anomale Nomenklatur. Die Phan-Namen grunden sich auf einen Vorschlag von F. Vogtle und P. Neumann, Tetrahedron 1970. 26, 5847.
Abschliebende Bemerkunaen
25 1
1-10.10 AbschlieDende Bemerkungen Obwohl hier groI3e Teile der Nomenklatur fur Koordinationsverbindungen detailliert behandelt und die Grundlagen angemessen berucksichtigt wurden, ist eine Vielfalt von einschlagigen Fragen offengeblieben. Die gesamte Organometall-Nomenklatur ist Gegenstand fortgesetzter Bemuhungen. Das umfangreiche Gebiet der Stereochemie urnfafit aktive Bereiche wie die Feststellung der Anzahl von Diastereoisomeren, mathematische Modelle der Diastereoisomerie fur alle Polyederstrukturen (einkernige und mehrkernige) und eine Verallgemeinerung der Systeme fur die Chiralitatsbezeichnungen.Die Adaption der Ligandennomenklatur fur Namen von Koordinationsverbindungen wird um so schwieriger, je komplizierter die Liganden werden; die Entwicklungen in diesem Bereich gehen weiter.
1-1 1
Borhydride und verwandte Verbindungen Inhalt
1-11.1 1-11.2 1-11.2.1 1-1 1.2.2 1-11.3 1-11.3.1 1-11.3.1.1 1-11.3.1.2 1-11.3.2 1-11.3.2.1 I- 11.3.2.2 1-11.3.2.3 1-11.3.2.4 1-11.3.2.5 1-11.3.2.6 1-11.3.2.7 1-11.4 1-11.4.1 I- 1 1.4.2 I- 11.4.3 1-11.4.3.1 1-1 1.4.3.2 1-1 1.4.3.3 1-11.4.3.4 1-11.5 1-11.5.1 1-1 1.5.2 1-1 1s . 3 1-11.6 1-11.7
Einleitung Borhydrid-Nomenklatur Besondere Aspekte von Borhydrid-Strukturen Grundlagen der Borhydrid-Nomenklatur Polyedrische Polyborhydrid-Cluster Klassifikation und Namen der Verbindungsklassen Strukturbeziehungen zwischen einfacheren Polyborhydrid-Clustern Kompliziertere Strukturen Benennung von individuellen Borhydriden Stochiometrische Namen Namen mit Strukturdeskriptoren (Allgemeines) Systematische Numerierung von polyedrischen Clustern Systematische Benennung, die die Verteilung der Wasserstoffatome angibt Die Stereodeskriptoren endo- und exoStrukturisomere Die ,,Desbor"-Methode fur die Benennung offener PolyborhydridCluster Substitution und Austausch in Bor-Clustern Wasserstoff-Substitution Adduktbildung Austausch von Skelettatomen (Subrogation) Allgemeines Carbaborane Metallaborane und Metallacarbaborane Organoborverbindungen Namen fur Ionen Anionen Kationen Strukturen mit sowohl kationischen als auch anionischen Zentren (Zwitterionen) Namen fur Substituenten AbschlieDende Bemerkungen
1-11.1 Einleitung Die Borverbindungen, die manchmal als ,,Elektronenmangelverbindungen" bezeichnet werden, lassen sich nicht ohne weiteres durch eines der klassischen
Borhvdrid-Nomenklatur
253
Konzepte und durch Methoden der organisch- und anorganisch-chemischen Nomenklatur beschreiben, die auf der Annahme von lokalisierten Bindungselektronen basieren. Der Begriff ,,Elektronenmangel" bedeutet, daB es andere, ,,elektronengenaue" Borverbindungen gibt, deren Bindungssituation mit dem gelaufigen Wertigkeitsbegriff besser ubereinstimmt. Da jedoch beide Verbindungsklassen bindende Molekulorbitale haben, die in allen Fallen korrekt gefullt sind, wird empfohlen, diesen Begriff durch ,,Clusterverbindungen des Bors" oder gegebenenfalls ,,Polyborhydride" zu ersetzen. Die Nomenklatur fur polyedrische Borhydride (Borane) und venvandte Verbindungen bereitet wegen der Vielfalt der Bindungssituation, der Substitution und der Bindigkeit viele Probleme. Das Verstandnis dieser Cluster hat vie1 dazu beigetragen, die Chemie vieler kurzlich beschriebener anorganischer, Organometall- und Ubergangsmetall-Cluster verstandlich zu machen, obwohl bis jetzt noch keine allgemeingultige Nomenklatur akzeptiert ist, die alle diese Gebiete umfaI3t. Die hier vorgestellte Nomenklatur beschrankt sich auf einfache Systeme mit relativ hoher Symmetrie; die Behandlung komplizierterer Systeme ist einer spateren Veroffentlichung vorbehalten. Oxosauren des Bors, Metallboride und Koordinationsverbindungen des Bors werden in den Kapiteln 1-9, 1-5 bzw. 1-10 behandelt.
1-11.2 Borhydrid-Nomenklatur 1-11.2.1 Besondere Aspekte von Borhydrid-Strukturen Die nachstehend zusammengestellten Merkmale von Polyborhydrid-Strukturen verdeutlichen die Kompliziertheit des Nomenklaturproblems. (i) Bindigkeit: bei vielen nichtmetallischen Elementen konnen die Bindungen zu den nachsten Nachbarn als Elektronenpaarbindungen aufgefaI3t werden; bei Polyborhydrid-Clustern jedoch kann jedes Boratom maximal 3 Elektronen mit seinen nachsten Nachbarn teilen, von denen es bis zu 5, 6 oder gelegentlich 7 gibt. Die Bindungen konnen daher nicht als einfache Elektronenpaarbindungen angesehen werden, und die Strukturen vieler Borverbindungen konnen nicht durch Venvendung von Strichen fur Elektronenpaare zwischen Atomen beschrieben werden, auch wenn die betreffende Bindung streng gerichtet ist. (ii) Zu Dreiecken verknupfte Boratome: bei vielen Boranstrukturen verlauft die Clusterbildung uber Dreiecke zu Polyedern, die durch miteinander verbundene Dreiecksflachen charakterisiert sind. Ein regulares Ikosaeder der Korper mit der in der Praxis beobachteten hochsten Symmetrie - hat 20 gleichseitige Dreiecksflachen, 12 Ecken sowie 30 Kanten, die die Atome an den Ecken verbinden. Fast alle Strukturen haben Bor-Skelette, die als Fragmente eines Ikosaeders oder eines anderen vollstandig aus Dreiecksflachen aufgebauten (geschlossenen) Polyeders angesehen werden konnen. ~
254
Borhydride und verwandte Verbindungen
(iii) Wasserstoflbrucken: Fragmente grol3erer Polyeder enthalten oft Paare von Boratomen, die durch einzelne Wasserstoffatome uber Dreizentren-Zweielektronen-Bindungen verbruckt sind. (iv) Dreizentrenbindungen mit Boratomen: die Bindung in polyedrischen Strukturen mit gleichseitigen Dreiecksflachen kann oft durch eine Darstellung von Dreizentren-Zweielektronen-Bindungenzwischen einigen der Boratome veranschaulicht werden. Darstellungsformen, die gewohnlich fur die in (iii) und (iv) diskutierten Gruppierungen verwendet werden, sind nachstehend aufgefuhrt.
B
A
B
B
gibt eine Wasserstoflbrucke wieder
A
gibt eine Dreizentrenbindung zwischen Boratomen wieder
Fur alle Polyborhydride, ausgenommen die einfachsten, konnen mehrere kanonische Formeln gezeichnet werden, die eine Bindungsdelokalisierung anzeigen (vgl. Benzen). Zum Beispiel kann die Bindung fur die geometrische Struktur von B5H9 (siehe Abschnitt 1-11.3.2.2, Beispiel 9) in der ebenen Projektion durch die vier nachstehend aufgefuhrten kanonischen Formeln wiedergegeben werden. H
H
Borhvdrid-Nomenklatur
255
(v) Verknupfung von polyedrischen Einheiten: sie kann durch eine Bindung zwischen Boratomen oder durch Teilhabe an einer gemeinsamen Polyederecke, -kante, -flache oder einem Flachensystem zustandekommen. PolyborhydridCluster mit solchen Merkmalen sind als conjuncto-Borane (S. K. Boocock, N. N. Greenwood, J. D. Kennedy, W. S. McDonald, J. Staves, . I Chem. Soc., Dalton Trans. 1980, 790) beschrieben worden. (vi) Skelett-Austausch (Subrogation): Boratome in polyedrischen Gerusten (einschlieBlich der an sie gebundenen Wasserstoffatome) konnen gegen viele andere Elemente ausgetauscht werden, auch durch Metallatome, mit oder ohne Liganden.
1-11.2.2 Grundlagen der Borhydrid-Nomenklatur Die Hydride des Bors sind zahlreicher als die anderer Elemente, vom Kohlenstoff abgesehen. Bei ihrer Nomenklatur kann von mehreren Standpunkten ausgegangen werden, von denen einige im Folgenden vorgestellt werden: (i) Eine stochiometrische Nomenklatur, die auf der fur Kohlenwasserstoffeund fur Koordinationsverbindungen geltenden basiert. Der grundsatzliche Unterschied zwischen diesem System und der Kohlenwasserstoff-Nomenklatur besteht darin, daI3 die Anzahl der Wasserstoffatome definiert werden muI3; diese kann nicht aus einfachen Bindungsbetrachtungen abgeleitet werden. (ii) Eine auf Strukturdeskriptoren basierende Nomenklatur, die unterteilt werden kann in (a) eine halbsystematische Methode, die durch charakteristische strukturelle Prafixe (closo-, arachno- usw.) Klarheit zu erreichen sucht; und (b) eine subtraktive Methode, die auf dem formalen Entfernen von Skelettatomen aus einem vollig aus Dreiecken aufgebauten polyedrischen Cluster von Boratomen basiert, und deren Namen, falls es sich um Neutralverbindungen handelt, als Stamme verwendet werden, die denen der organischen Nomenklatur analog sind; fur ionische Formen greift man auf die Koordinationsnomenklatur zuruck. Diese Methoden werden in Abschnitt 1-1 1.3.2 diskutiert, der sich jedoch nur mit einfachen Beispielen befaat. Ebenso wie in Kapitel 1-7 die Silane und Phosphane als Substitutionsprodukte von Stammhydriden beschriebenen werden, kann hier eine Reihe von Hydriden des Bors, die sowohl neutral als auch ionisch oder auch nur hypotetisch sein konnen, als Basis fur die Benennung einer Gruppe von Substitutionsprodukten dienen. Die Borchemie erstreckt sich jedoch auch auf molekulare Anordnungen von noch groI3erer Komplexitat. Derartige kompliziertere Falle werden in einer spateren Veroffentlichung[' la] behandelt werden. [I1a]
Ein Vorschlag der Nomenklatur anorganischer Bor-Cluster auf der deltaedrischen Beschreibung eines sogenannten closo-Polyeders aufzubauen (R. M. Adarns, Paper 29, vorgestellt auf der IMEBORON IV, Salt Lake City, Utah, USA, Juli 1979), hat keine allgerneine Zustimmung gefunden; weitere Vorschlage auf diesem Gebiet der Nomenklatur stammen von J. B. Casey, W. J. Evans und W. H. Powell, Inorg. Chem. 1981,20, 1333; 1981,20. 3556; 1983,22, 2228, 1983,22, 2236; 1984,23,4132; R. W. Rudolph, Acc. Chem. Res. 1974, 9,446.
256
Borhydride und verwandte Verbindungen
Tabelle 1-11.1 Ubersicht uber Polyederstruktur-Typen von Polyborhydriden und ihre Beziehungen zu Stochiometrie und Elektronenverteilung. Pfeile geben die Rotationshauptachsen ada] Zahl der Ecken n
closo (geschlossen) (BnHJ2-
nido (nestahnlich) BnHn+4 (BnHn+3)-
arachno (spinnwebahnlich) BnHn+6 (BnHn+5)-
1 4
5
6
7
8
pal
Dieses Material beruht auf der urspriinglichen Arbeit von R. E. Williams, Inorg. Chem. 1971, IO, 210 und,der Tabelle von R. W. Rudolph und W. R. Pretzer, Inorg. Chem. 1972, If, 1974. Alle Wasserstoffatome wurden der Ubersichtlichkeit halber weggelassen. Die diagonalen Striche zwischen den Spalten verbinden Serien von venvandten closo-, nido- und uruchno-Strukturen. Im allgemeinen fiihrt die Entnahme der Ecke hiichster Bindigkeit aus einem doso-Netzwerk zum venvandten nido-Netmerk. Das entsprechende uruchno-Netzwerk wird durch Entfernen der Ecke hochster Bindigkeit (oder, wenn es mehrere gibt, einer von diesen) aus der offenen Seite des verwandten nido-Netzwerkes gebildet. Die meisten der gezeigten Strukturen wurden nachgewiesen. Einige sind jedoch noch nicht erhalten worden, andere wurden idealisiert. Zum Beispiel folgt die isolierte Struktur BsHI2nicht dem rloso-nido-aruchno-Tranformationsprinzip, sondern sie ist offener (arachnoid). B9HIStntt in nvei isomeren Formen auf, von denen nur eine diesem Prinzip entspricht. Man kennt noch andere Abweichungen, z. B. bei Metallaboranen, deren Struktur durch Entfernen von BH-Ecken erhalten wurden, die nicht die hochste Bindigkeit hatten. Das alles sol1 in einer spateren Publikation behandelt werden.
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
257
/ 9
/
J 10
11
12
t Anzahl der Skelettelektronenpaare
n+ 1
n+2
n+3
Zahl der Ecken des closo-Polyeders, von dem die Struktur abgeleitet ist
n
n+ 1
n+2
Vergleichbare Stochiometrien
CmBnHn+2
CmBnHn+4
CmBnHn +6
Die angegebene Numerierung ist traditionell und nicht systematisch. 14 Die gezeigte Struktur fur nido-B8H12weicht von der offeneren Struktur ab, die tatsachlich vorliegt (Abschnitt 1-11.3.2.2 und FuDnote[llel),und wird traditionell nach dem uruchno-System numeriert. Die ubliche, hier wiedergegebene Numerierung von BIOHI4 basiert auf einem uruchno-System (Abschnitt 1-1 1.3.2.3 und FuDnoteI' Ih]).
258
Borhvdride und verwundte Verbindungen
1-11.3 Polyedrische Polyborhydrid-Cluster 1-11.3.1 Klassifikation und Namen der Verbindungsklassen 1-11.3.1.1 Strukturbeziehungen zwischen einfacheren Polyborhydrid-Clustern
Viele der unter dieser Uberschrift beschriebenen Spezies sind thermodynamisch stabile Verbindungen. Einige kennt man nur in Losung, andere sind bis jetzt hypothetisch oder nur als Substitutionsprodukte bekannt. Dennoch mussen alle benannt werden konnen; die Behandlung einer Molekulstruktur in diesem Kapitel bedeutet nicht unbedingt, daI3 sie charakterisiert worden ist. Es ist statthaft und ublich, die Nomenklatur einfacher polyedrischer Polyborhydrid-Cluster auf der Betrachtung geschlossener Polyeder aus Dreiecksflachen (Deltaeder) aufzubauen, in denen Boratome alle Ecken besetzen. An jedem Boratom ist ein Wasserstoffatom gebunden; fur eine Reihe von geschlossenen (B,H,)2--Polyedern sind die Strukturen in der ersten Spalte von Tabelle 1-1 1.1 aufgefuhrt. Diese sind als closo-Strukturen bekannt, eine Entstellung von ,,clove", abgeleitet von ,,clevis" (lat clovis, Kafig; griech K L ~ P o s ) . Eine Reihe neutraler Borhydride kann als strukturell verwandt mit diesen closo-Dianionen (BnHn)2- angesehen werden. Die Reihe neutraler Polyborhydride der allgemeinen Formel B,H,+4 entsteht formal aus den Dianionen durch Entfernen einer BH-Ecke hochster Bindigkeit (siehe Abschnitt 1-11.2.1) und Hinzufugen von zwei Hydronen (siehe Abschnitt 1-3.5.2) und zwei Wasserstoffatomen. Im Endprodukt sind einige Wasserstoffatome zusatzlich an einzelne Boratome gebunden und/oder besetzen Bruckenpositionen zwischen zwei benachbarten Boratomen. Die Glieder dieser Reihe sind als nido-Borane bekannt (lat nidus, Nest; siehe Abschnitt 1-1 1.3.2.2, Beispiel 9)['lb].Die neutralen nidoBorane konnen unter Abspaltung eines Hydrons die ebenfalls in Tabelle I- 1 1.1 aufgefuhrten Monoanionen bilden. Der Ersatz eines Skelett-Boratoms durch Kohlenstoff unter Ausgleich der Zahl der Wasserstoffatome ergibt eine Reihe von Carbaboranen mit den weiter unten gezeigten allgemeinen Formeln (siehe Abschnitt 1-11.4.3.2, Beispiel 3). Eine weitere Reihe neutraler Borhydride ist ebenfalls mit den closo-Anionen verwandt, indem formal die BH-Ecke hochster Bindigkeit (das wurde zu nidoStrukturen fuhren) und eine der benachbarten BH-Ecken entfernt werden. Das Zufugen von zwei Hydronen und vier Wasserstoffatomen fuhrt zu einer Reihe neutraler Borhydride der allgemeinen Formel B,H, + 6 . Die Glieder dieser Serie sind als uruchno-Borane bekannt (griech &piqvtov, Spinnwebe) (Tabelle I- 1 1.1; siehe Abschnitt 1-11.3.2.2, Beispiel 10). Die Erweiterung dieser subtraktiven Methode ergibt die hypho-Borane (griech bcpaivstv, vernetzen) der allgemeinen Formel B,H,+s, in denen die [ ' Ib]
nido- wurde bisher zur Beschreibung auch anderer offen strukturierter Polyborhydride verwendet; das ist nicht rnehr erlaubt.
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
259
Boratome die n Ecken eines n+ 3-eckigen closo-Polyeders besetzen, und die in klado-Borane (griech ~ h 6 1 6 0Verzweigung) ~, der allgemeinen Formel B,H,+ denen n Ecken eines n +Ceckigen closo-Polyeders besetzt sind. Glieder der hyphound der klado-Reihe wurden bislang nur als Derivate identifiziert. Die Strukturbeziehungen aller oben vorgestellten Klassen sind in Tabelle I- 11.2 zusammengefaDt. Die allgemeinen Formeln aller dieser Klassen unterliegen der folgenden einschrankenden Bedingung: Anzahl der Wasserstoffatome/Anzahl der Boratome < 3 Tabelle 1-11.2 Ubersicht uber Polyederstruktur-Typen von Polyborhydriden unter Berucksichtigung von Stochiometrie und Elektronenverteilung[al closo-
nidoarachno-
hypho-
klado-
Geschlossene Polyederstruktur, nur mit Dreiecksflachen; bekannt nur als Anion mit der Molekulformel (B,H,)2-; (n+ 1) Skelett-Elektronenpaare fur ein n-atomiges Polyeder. Nestahnliche, nichtgeschlossene Polyederstruktur; Molekulformel B,H,+4; ( n + 2 ) Skelett-Elektronenpaare; n Ecken des (n+2)-atomigen closo-Stammpolyeders sind besetzt. Spinnwebahnliche, nichtgeschlossene Poyederstruktur; Molekiilformel B,H,+6; (n+ 3) Skelett-Elektronenpaare; n Ecken des (n+2)-atomigen closo-Stammpolyeders sind besetzt. Netzahnliche, nichtgeschlossene Polyederstruktur; Molekulformel B,H,+*; (n+4) Skelett-Elektronenpaare; n Ecken des (n+ 3)-atomigen closo-Stammpolyeders sind besetzt. Offene verzweigte Polyederstruktur; Molekiilformel B,H,+ lo; (n+ 5 ) Skelett-Elektronenpaare; n Ecken des (n+4)-atomigen closo-Stammpolyeders sind besetzt. ~
[a]
Einige geschlossene Polyederstrukturen lassen sich durch Uberdachung der offenen Flache einer nido- oder arachno-Struktur ableiten. Diese Polyeder genugen nicht den allgemein akzeptierten Prinzipien der Elektronenverteilung und der Struktur (K. Wade, J Chem. Soc., Chem. Commun. 1972, 791; K. Wade, Adv. Inorg. Chem. Radiochem. 1976, 18, 1; R. E. Williams, Inorg. Chem. 1971, 10, 210; R. E. Williams, Adv. Inorg. Chem. Radiochem. 1976, 18, 67; D. M. I? Mingos, Acc. Chem. Res. 1984, 17, 31 1) und spiegeln vermutlich die Zahl der Orbitale und Eiektronen wider, die das uberdachende Atom einbringt. Fur diese Falle wurden die Bezeichnungen isocloso-, pre-closo- und hyper-closo- vorgeschlagen. AuBerdem zeigen einige Cluster Strukturen, die nicht mit den Prinzipien des schrittweisen Entfernens von BH-Ecken hochster Bindigkeit konsistent sind. Auf solche Falle wurden die Bezeichnungen iso-nido-, iso-arachno- usw. angewendet (R. T. Baker, Inorg. Chem 1986, 25, 109; J. D. Kennedy, Inorg. Chem. 1986, 25, l l l ; R. L. Johnston, D. M. P. Mingos, Inorg. Chem. 1986, 25, 3321).
1-11.3.1.2 Kompliziertere Strukturen Neben den oben beschriebenen Polyborhydrid-Strukturensind weitere moglich. Zum Beispiel kann jede der Dreiecksflachen eines polyedrischen Polyborhydrid-Clusters uberdacht werden. Dies bedeutet, daD ein zusatzliches Skelettatom direkt mit allen drei Atomen dieser AuDenflache verbunden ist und damit eine eigene Ecke bildet. Dieses kommt haufig bei Metallaborhydrid-Clustern
260
Borhvdride und verwandte Verbindunaen
vor. Die Beispiele 1 und 2 verdeutlichen den Aufbau dieser Verbindungsklasse. Ihre Nomenklatur wird in diesem Kapitel jedoch nicht behandelt. Beispiele: 1 . B4H4[Co(C5H5)13 2. B5H5[CO(C5H5)13
0 c* Die Verknupfung zwischen polyedrischen Borhydrid-Clustern wird mit dem allgemeinen Begriff conjuncto-Borane beschrieben. Die Typen der hier betrachteten Verknupfungen werden in mehrere allgemeine Klassen unterteilt. (a) Verknupfung durch eine direkte Zweizentren-Bor-Bor-Bindung zwischen verschiedenen Clustern (vom closo-Typ oder anderen) bei entsprechender Eliminierung von jeweils einem Wasserstoffatom; dies wird an den Beispielen 3, 4 und 5 dargestellt, die die drei moglichen Isomere zeigen, die durch Verknupfung von zwei (BloHlo)2--Ionenzu (B2,,H18)4- entstehen konnen. Beispiele: 3. 1,2’-Verknupfung 4. 1,l ’-Verknupfung 5. 2,2’-Verknupfung 1-
-4--
- -
1-
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
26 1
(b) Verknupfung uber eine gemeinsame Ecke, genannt die comrno-Ecke, wie in Beispiel 6, in der sich ein B7- und ein B9-Cluster ein Boratom (schattiert) teilen. Beispiel:
Ocommo B
b
(c) Verknupfung uber eine Polyederkante, bestehend aus zwei miteinander verbundenen Ecken. In Beispiel 7 sind zwei Blo-Cluster uber eine gemeinsame Kante verbunden, gekennzeichnet durch schattierte Atome, unter Bildung des neutralen zentrosymmetrischen Hydrids anti-B18H22[11C]. Beispiel: 7. O n
Zur Definition von anti- und syn- siehe Y. M. Cheek, N. N. Greenwood, J. D. Kennedy, W. S. McDonald, .l Chem. SOC.,Chem. Commun. 1982, 80.
262
Borhvdride und verwandte Verbindunaen
(d) Verknupfung uber eine gemeinsame Dreiecksflache. Beispiel 8 zeigt einen BI und einen BI2-Cluster,die durch Teilhabe an den drei schattierten Boratomen einen B20Hl,-Cluster bilden. Davon sind nur Derivate bekannt. Alle Wasserstoffatome wurden weggelassen. Beispiel:
B20H 18
In den bekannten Derivaten bindet jede der angegebenen freien Valenzen einen neutralen organischen Liganden. (e) Verknupfung durch noch weitergehende gemeinsame Besetzung von Positionen in Clustern. Das Boran in Beispiel 9 kann durchaus als vollstandige Dreiecks-Polyederstrukturbenannt werden, es lafit sich aber auch als Produkt der Verknupfung von zwei B12-Clustern uber vier gemeinsame Boratome (schattiert) ansehen. Die Wasserstoffatome an den nicht schattierten Boratomen sind der Ubersichtlichkeit halber weggelassen worden. Beispiel: 9.
Polyedrische Polyborhydrid-Cluster
263
1-11.3.2 Benennung von individuellen Borhydriden 1-11.3.2.1 Stochiometrische Namen Neutrale Polyborhydride werden Borane genannt; die einfachste Stammstruktur, BH3, erhalt den Namen Boran['Id]. Bei hoheren Boranen wird die Anzahl der Boratome dadurch angegeben, daI3 das entsprechende multiplikative Prafix Di-, Tri-, Tetra-, Penta- usw. dem Stamm Boran direkt vorangestellt wird. Das lateinische Nona- und Undecawird dem griechischen Ennea- bzw. Hendeca- wegen der Ubereinstimmung mit der Nomenklatur der Kohlenwasserstoffe (siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, S. 5) vorgezogen. Die Anzahl der Wasserstoffatome im Molekul wird mit arabischen Ziffern in runden Klammern direkt nach dem Namen angegeben. So wird B2H6 Hexaboran(l0) und B10H14 Decaboran(l4) genannt. Diboran(6), Solche Namen drucken aus, daI3 ein Cluster aus x Boratomen und y Wasserstoffatomen aufgebaut ist; sie geben aber keine weiteren Informationen uber die Struktur.
1-11.3.2.2. Namen mit Strukturdeskriptoren (Allgemeines) Nachstehend werden die gebrauchlichen Namen fur die einfachsten neutralen Borhydride mit Hinweisen auf die Abbildung ihrer Strukturformeln aufgefuhrt.
(a) (b) (c) (d) (e)
B4H10 B5H9 B5H1 BI0Hl4
arachno-Tetraboran( 10) nido-Pentaboran(9) arachno-Pentaboran( 11) nido-Hexaboran(l0) nido-Decaboran(l4)
Nummer des Beispiels in Abschnitt I-11.3.2.2 8 9 10 11 12
Der Name nido-Hexaboran(l0) genugt fur die Angabe des in Beispiel 11 dargestellten Borskeletts, weil es definitionsgemaI3 durch Entfernen einer der beiden BH-Ecken hochster Bindigkeit aus dem cl~so-(B~H~)~--Anion (siehe Tabelle 1-11.1) erhalten wird. Man sollte die Prafixe nido-, arachno- usw. aber nicht fur die einfachsten Borane (wie in den Beispielen 1 und 7) verwenden, da deren formale Ableitung aus closo-Stammstrukturen durch schrittweises Entfernen von Polyederecken - wie oben beschrieben - doch weit hergeholt scheint. Beispiel: I. Tetraboran(6) oder catena-Tetraboran(6) [lLdl
HZB-BH-BH-BH2
Die altere, ,,Borin" verwendende Nomenklatur wurde aufgegeben.
264
Borhvdride und verwandte Verbindunaen
Die Nomenklatur organischer Kohlenwasserstoffe kann auf einfache BorStammhydride, sowohl Ketten als auch Ringe, ubertragen werden, z. B. dadurch, daB Namen fur verzweigte Ketten auf dem Namen der unverzweigten Hauptkette von Boratomen aufbauen, zusammen mit der in Klammern gesetzten Anzahl der Wasserstoffatome sowie gegebenenfalls der Endung -en zur Kennzeichnung einer Doppelbindung. Fur Ringverbindungen kann das Prafix cyclo- oder das erweiterte Hantzsch-Widman-Nomenklatursystemverwendet werden. Beispiele: 2. H2B-BH-BH2 3. HB=B-BH2 4. H
5.
H,B\
Triboran(5) oder catena-Triboran(5) Triboren(3) oder catena-Triboren(3) cyclo-Tetraboran(4) oder Tetraboretan (Hantzsch-Widman-Name)
2-Boryltriboran(5)
H , B /B-BH2
Der Name in Beispiel 5 wird nach dem Prinzip der Alkan-Nomenklatur gebildet, nach dem sich der Name einer verzweigten acyclischen Verbindung auf den Namen der langsten unverzweigten Kette grundet. Die in Klammern gesetzte Zahl gibt die Anzahl der Wasserstoffatome in der unsubstituierten Stammkette an. Die in Beispiel 6 gezeigte bekannte Verbindung wird somit als Triboran(5)-Derivat benannt. Beispiele:
2-(Difluorboryl)-l,1,3,3tetrafluortriboran( 5)
Diboran(6), B2H6
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
265
8.
arachno-Tetraboran(lo), B4HI0
9.
nido-Pentaboran(9),B5H9
10.
arachno-Pentaboran(1 l), BsHl
266
Borhvdride und verwandte Verbindunaen
11.
nido-Hexaboran( lo), B6H10
Die hier gezeigte traditionelle Numerierung ordnet den verbruckenden Wasserstoffatomen nicht den niedrigsten Satz von Lokanten zu. Beispiel: 12.
nido-Decaboran( 14), BI0Hl4
Wegen der unsystematischen Numerierung der Boratome in diesem Molekul (Beispiel 12) vgl. Ful3note[lIhI,Abschnitt 1-11.3.2.3. 13.
nido-Octaboran( 12), B8HI2['le1
[ I le]
Dieser Cluster mit nido-Stochiometrie basiert auf einer alternativen offenen nido-Struktur, die man aber auch als aruchno-Struktur ansehen kann (Tabelle 1-11.1).
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
267
14.
arachno-Nonaboran( 15), B9HI
c
Die stochiometrischen Namen von polyedrischen Boranen und deren Derivaten werden, wie in Abschnitt 1-1 1.3.11 diskutiert, oft durch die beschreibenden Prafixe closo-, nido- usw. modifiziert, je nachdem, ob der polyedrische Polyborhydrid-Cluster ein vollstandig aus Dreiecksflachen aufgebautes (geschlossenes) Polyeder ist, das eine oder mehrere nicht besetzte Ecken hat. Besonders berucksichtigt werden systematische Beziehungen zwischen (a) den offenen Strukturtypen, gekennzeichnet durch die Prafixe nido-, aruchno-, usw., (b) der Reihe der closo-Polyeder, und (c) den Regeln der Elektronenbilanzr' fl. Trotzdem gibt es von diesen Regeln schon bei einfachen Polyboranen Ausnahmen (z. B. B8H12 im obigen Beispiel 13) und naturlich bei komplizierteren Strukturen mit uberdachten Polyederflachen. Aus diesem Grund sollen diese Prafixe nur dort verwendet werden, wo sie (i) Strukturen bezeichnen, die auf einem Polyeder basieren, das sich auf die Reihe der geschlossenen Polyeder zuruckfuhren 1a13t, (ii) Molekulformeln benennen, die in Tabelle I- 12.2 zusammengefa13t sind, und (iii) spezielle Elektronenkonfigurationen bezeichnen, zu denen man bei Anwendung der Regeln der Elektronenbilanz gelangt. Aus der Symmetrie der closo-Strukturen mit 6 und 12 Ecken in Tabelle 1-1 1.1 ergibt sich, daB ihre Ecken alle gleichartig sind, und daD daraus dieselben offenen nido- wie aruchno-Strukturen erhalten werden, unabhangig davon, welche Ecke bzw. welches Paar von Ecken entfernt wird. Bei den anderen Strukturen ist jedoch zu erkennen, daD die Prafixe nido- und arachno- erst dann die Struktur genau wiedergeben, wenn das Prafix nido- anzeigt, daD aus der geschlossenen Struktur eine Ecke maximaler Bindigkeit entfernt wurde, und arachno- bedeutet, daD eine weitere derartige Ecke von der offenen Seite einer wie oben definierten nido-Struktur entfernt wurde. Urn aber die abgebildeten B7- und B8-arachno-Strukturen zu erzeugen, mu13 eine von mehreren Ecken hochster Bindigkeit in den entsprechenden nido-Strukturen gewahlt werden. Die Auswahl der zu entfernenden Ecke wird durch die groBere Stabilitat der resultierenden Strukturen begrundet, die die kleinere Anzahl von Ecken mit zweifach koordinierten Skelett-Atomen enthalt. Die zu entfernenden Ecken werden in den Originalpublikationen als BH3-Abgangsgruppen bezeichnet (R. E. Williams, Znorg. Chem. 1971, 10, 210; R. E. Williams, Adv. Znorg. Chem. Radiochem. 1976, 18, 67).
'
[''q
Siehe Zitate in FuBnote
['la]
und in Tabelle 1-11.2.
268
Borhydride und verwandte Verbindungen
1-11.3.2.3 Systematische Numerierung von polyedrischen Clustern
Es ist notwendig, das Borskelett fur jeden Cluster systematisch zu numerieren, damit sich Substitutionsprodukte unzweideutig benennen lassen. Dazu werden die Boratome von closo-Strukturen so betrachtet, als besetzten sie aufeinanderfolgende Ebenen senkrecht zur Achse der hochsten Symmetrie (wenn es zwei gibt, ist die ,,langere" Achse zu wahlen, d. h. die mit der grol3eren Zahl senkrecht kreuzender Ebenen). Die Numerierung beginnt mit dem Boratom, das dem Betrachter am nachsten liegt, wenn man entlang dieser Achse des Clusters schaut. Sie verlauft entweder im oder entgegen dem Uhrzeigersinn["gl. Sie wird im gleichen Sinn mit dem Skelettatom der nachstfolgenden Ebene fortgefiihrt, das dem niedrigstnumerierten Boratom der vorangegangenen Ebene ,,in Fahrtrichtung" am nachsten liegt, und geht weiter, bis das gegeniiberliegende Boratom oder die gegenuberliegende Kante erreicht ist. Als Beispiel diene die (BloHlo)2--Strukturin Tabelle 1-1 1 . 1 mit eingetragenen Lokanten'""). Aus Grunden der Symmetrie ist es manchmal nicht moglich, eine und nur eine Ecke festzulegen, an der die Numerierung beginnt. So ist in den B6- und B12-Clusternvon Tabelle 1-11.1, Spalte 1, jede Position fur die Wahl als Nummer 1 gleichwertig. Ahnlich kann im B,-closo-Polyeder sowohl die oberste als auch die unterste Position als Nummer 1 gewahlt werden. AnschlieBend wird - wie oben beschrieben - weiter numeriert. Die Numerierung eines nido-Clusters wird von der der entsprechenden closoStruktur abgeleitet. Es ist zu beachten, daI3 das Boratom, das zur Erzeugung der nido-Struktur formal aus der closo-Struktur entfernt wurde, die hochstmogliche Bindigkeit und den hochstmoglichen Lokanten hatte. Es mu13 aber nicht in jedem Fall der hochste Lokant in der closo-Struktur sein (siehe z. B. B7Hll und B9H13in Tabelle I-l1.l)['Ih1. Im Falle der arachno- und der weiter geoffneten Cluster zeigt die offene Seite zum Betrachter, und die Boratome sind so zu betrachten, als seien sie auf die Ebene an der Ruckseite projiziert. Sie werden dann nacheinander in Zonen numeriert, beginnend beim zentralen Boratom hochster Bindigkeit. Von dort geht man zur 12-Uhr-Position und schreitet im oder entgegen dem Uhrzeigersinn fort, bis die innerste Zone numeriert ist. Ausgehend von der 12-Uhr-Position in der nachsten Zone wird die Numerierung im gleichen Sinne bis zur auI3ersten Zone fortgesetzt" l i l . Wenn eine Wahl moglich ist, wird das Molekul Wenn diese beiden Richtungen eine unterschiedliche Lokantenfolge fur ausgetauschte Atome und fur Substituenten ergeben, dann wird die niedrigere Lokantenfolge am ersten Punkt einer Abweichung gewahlt. Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Es gilt die Lokantenfolge der ausgetauschten Boratome; erst wenn hier keine Entscheidung iiber die Richtung moglich ist, gilt die Lokantenfolge der Substituenten. ( ' l a ) Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zur Basis der Numerierung vgl. Abschnitt 1-10.8.3.3. ['Ih]Eine Ausnahme ist nicio-BloH14,dessen festgelegte Numerierung auf der Zahlung des uruchnoSystems basiert. 1' ''I Diese Regelung bedeutet, dal3 die Numerierung einer tho-Stammverbindung in die der entsprechenden uruchno-Stammverbindung iiberfiihrt werden kann. 1' 'gl
Polvedrische Polvborhvdrid-Cluster
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so orientiert, daI3 die 12-Uhr-Position an einer Stelle liegt, die sich durch die aufeinanderfolgende Anwendung nachstehender Kriterien ergibt: (a) Die 12-Uhr-Position liegt in einer Symmetrieebene, die so wenig Boratome wie moglich enthalt. (b) Die 12-Uhr-Position liegt in dem Abschnitt der Symmetrieebene, die die meisten Skelettatome enthalt (B5HI1, Abschnitt 1-11.3.2.2, Beispiel 10). (c) Die 12-Uhr-Position liegt gegenuber der groI3eren Anzahl von Bruckenatomen (B9HI5,Abschnitt 1-11.3.2.2, Beispiel 14). Die Kriterien (a) bis (c) konnen unter Umstanden fur eine Entscheidung nicht genugen, und wenn eine Spiegelebene fehlt, sind sie nicht anwendbar. In solchen Fallen wird die traditionelle Numerierung venvendet (siehe nachfolgendes Beispiel 1). Beispiel:
arachno-Hexaboran(12), B6HI2
T r
exo
Wenn zwei Cluster miteinander verknupft sind, folgt die Numerierung fur die einzelnen Bestandteile denselben Prinzipien mit der Ausnahme, daI3 die Lokanten des kleineren Clusters durch Striche gekennzeichnet werden; die Verknupfungspunkte erhalten die niedrigsten numerischen Lokanten, die mit der feststehenden Numerierung der Polyeder vereinbar sind. Bei commo-Verbindungenwird jeder Cluster getrennt numeriert. Der kleinere Cluster wird bei der Numerierung durch Striche gekennzeichnet. Daraus folgt, daI3 die commo-Atome zwei Lokanten erhalten, jeweils einen fur den groI3en und den kleinen Cluster. Wenn zwei gleiche Cluster verknupft sind, hangt die Zuordnung zum Vorzugscluster von der Art des Austausches (Subrogation) ab, und dann, wenn hierbei keine Entscheidung moglich ist, von der der Substitution. Wenn in den Beispielen 3, 4 und 5 in Abschnitt 1-11.3.1.2 in den oberen Clustern jeweils die oberste Ecke durch ein Kohlenstoffatom ersetzt ware, erhielten diese Cluster die Prioritat. Eine substituierte Halfte erhalt, wenn alles andere ubereinstimmt, den Vorzug gegenuber der unsubstituierten. Diese Art der Zuordnung wird im einzelnen in einer spateren Veroffentlichung behandelt.
Borhvdride und verwandte Verbindunpen
270
1-11.3.2.4 Systematische Namen, die die Verteilung der Wasserstoffatome angeben Sobald die Skelett-Numerierung feststeht, ist es moglich, Namen zu bilden, die die Verteilung der Wasserstoffatome genau angeben. Bei den offenen Boranen kann man annehmen, daI3 an jedem Boratom - wie in den closo-Stammverbindungen mindestens ein Wasserstoffatom gebunden ist. Es ist aber auch notwendig, die Position der Bruckenwasserstoffatome anzugeben. Dieses kann dadurch erfolgen, daI3 man das Prinzip des indizierten Wasserstoffs[' 'Jl ubernimmt und das Symbol p verwendet (siehe Kapitel 1-10),und zwar zusammen mit den Lokanten der so verbruckten Skelettpositionen in aufsteigender numerischer Ordnung. Man beachte, daI3 fur ein Wasserstoffatom der Designator H verwendet wird und nicht der Name Hydro, denn dies wurde bedeuten, daI3 mehr Wasserstoffatome vorliegen, als mit der normalen Methode angegeben werden. Die Interpunktion sollte der in Kapitel 1-10gleichen. ~
Beispiel: 1. B9H15
3,4:3,9:5,6:6,7:7,8-Penta-pH-arachno-nonaboran( 15)
Dieser Name gibt die Position des zusatzlichen Wasserstoffatoms am Boratom 3 von B9HI5nicht an (Struktur siehe Beispiel 14, Abschnitt 1-11.3.2.2). Wenn die Verteilung der Bruckenwasserstoffatome unzweideutig ist (fur manche nido- und arachno-Borane ist theoretisch nur eine Struktur vorhersagbar), konnen die Bruckendeskriptoren und Lokanten weggelassen werden. Ein alternativer Koordinationsname, der die vollstandige Wasserstoffverteilung angibt, ist im nachstehenden Beispiel 3 wiedergegeben['IkI. Beispiel:
2. B9H
15
3,4:3,9:5,6:6,7:7,8-Penta-p-hydro-l,2,3,3,4,5,6,7,8,9decahydro-arachno-nonabor
1-11.3.2.5 Die Stereodeskriptoren endo- und exoBoratome in offenen Clustern (arachno- usw.) konnen zwei terminale Wasserstoffatome tragen, eines mit nach auDen gerichteter B-H-Bindung, wie im closoPolyeder, und ein weiteres, tangential zur offenen konkaven Seite des Clusters gerichtet. Wenn es notwendig ist, kann das erstgenannte H-Atom durch die Angabe exo-, das letztgenannte durch die Angabe endo- gekennzeichnet werden. Die endo-Wasserstoffatome in Beispiel 1, Abschnitt 1-1 1.4.2,sind gesondert gekennzeichnet, wihrend die anderen Wasserstoffatome an den Boratomen 3 und 4 deutlich als exo-Wasserstoffatome zu erkennen sind; siehe auch Ab[IlJl
['Ik]
Siehe Nomenclurure of' Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regel A-21.6, Seite 21 5 . In der Nornenklatur der Borverbindungen ist ,,Hydro" fur den Wasserstomiganden gegeniiber dern allgernein ublichen ,,Hydrido" ausnahrnsweise bevorzugt.
Polyedrische Polyborhydrid-Cluster
27 1
schnitt 1-11.3.2.2, Beispiel 10, und 1-11.3.2.3, Beispiel 1. Man kennt Verbindungen, die anstelle von Wasserstoff andere Gruppen in der endo-Position enthalten. 1-11.3.2.6 Strukturisomere
Es gibt keine einfache allgemeingultige Methode zur Unterscheidung von strukturisomeren Borhydriden, aber die vorstehend erlauterten Prinzipien sollten es ermoglichen, jedem Isomer einen eigenen Namen zu geben. Die Prafixe iso- und neo- wurden zur Unterscheidung von Strukturisomeren verwendet, doch sollte deren Verwendung auf solche Falle beschrankt werden, deren Struktur nicht bestimmt wurde. Sie haben keine spezifische strukturelle Bedeutung. Es wurde jedoch eine Methode vorgeschlagen, mit der es moglich ist, alle bisher bekannten isomeren Polyedersysteme zu beschreiben (siehe Zitate in[' la]). 1-1 1.3.2.7 Die ,,Desbor"-Methode fur die Benennung offener PolyborhydridCluster
Eine andere Methode zur Benennung derartiger Strukturen besteht in der Systematisierung der Bezeichnungen nido- und uruchno-; dabei wird durch numerische Lokanten angegeben, welche Positionen aus den closo-Stammverbindungen entfernt wurden. Dieses subtraktive Verfahren wurde in der sogenannten ,,Desbor"-Methode verallgemeinert. In diesen Namen wird jede BH-Ecke, die aus der closo-Struktur entfernt wurde, unter Verwendung des Prafix Desborzusammen mit dem numerischen Lokanten (siehe unten) fur die abgespaltene Ecke gekennzeichnet. Desbor- ist ein Analogon von Nor- in der subtraktiven organisch-chemischen Nomenklatur, das das Entfernen einer CH2-Gruppe aus einer benannten Struktur bezeichnet" Ill. Die Abspaltung von mehr als einer Ecke wird im Namen durch Didesbor-, Tridesbor- usw. ausgedruckt (vgl. entsprechend Dinor-, Trinor-). Es folgt dann der Name der closo-Stammverbindung. Der Lokant fur Desbor- sollte der hochstmogliche Lokant sein, der mit der feststehenden Numerierung des geschlossenen Stammpolyeders vereinbar ist. Die Anzahl der Wasserstoffatome im offenen Hydrid wird mit arabischen Ziffern in runden Klammern am Ende des Namens angezeigt. Beispiel: 1. nido-Hexaboran(lo), B6HI0, kann 7-Desbor-closo-heptaboran(10) genannt werden. Die Anordnung der Bruckenatome wird durch derartige Namen nicht automatisch wiedergegeben. In Zweifelsfallen kann sie - wie in Abschnitt ["']
Siehe Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Regeln C-42 und C-43, Seite 116, und Abschnitt F-4.
272
Borhydride und verwandte Verbindungen
1-1 1.3.2.3 durch Verwendung von ,,pH' mit entsprechenden Lokanten angezeigt werden. ~
Beispiel: 2. nido-Hexaboran( 10) kann auch als 2,3:2,6:3,4:5,6-Tetra-pH-7-desbor-closoheptaboran( 10) bezeichnet werden. Unabhangig von der verwendeten Methode gibt die in runde Klammern gesetzte Zahl am Ende des Namens die Anzahl der Wasserstoffatome im benannten Hydrid und nicht in der closo-Stammstruktur wieder. Jede der vorstehend dargelegten Methoden hat je nach den Gegebenheiten ihre Vorziige; die Verwendung dieser oder jener Methode sollte durch die Bedurfnisse des Nutzers bestimmt werden.
1-11.4 Substitution und Austausch in Bor-Clustern 1-11.4.1 Wasserstoff-Substitution('lb) Verbindungen, die ein einziges Boratom enthalten, werden als Derivate von Boran, BH3, benannt. Die Benennung von Substitutionsprodukten neutraler Borverbindungen erfolgt nach Methoden der organisch-chemischen Substitutionsnomenklatur (siehe Abschnitt 1-7.2.3). Die Anzahl der Wasserstoffatome des Stammhydrids geht aus dem auf -an endenden Hydridnamen zusammen mit entsprechenden Wasserstoff-Designatoren hervor. Die Substitution wird dann durch Nennung der Namen der Substituenten in alphabetischer Reihenfolge, gegebenenfalls mit multiplikativen Prafixen (Di-, Tri- usw.), naher bestimmt, und jedem Substituent wird sein Lokant zugeordnet. Zahlen in runden Klammern am Ende eines Namens geben die Anzahl der Wasserstoffatome vor der Substitution an. Beispiele: 1. HBCl;? 2. BBr2F 3. B(OH)3
4. BCI(OCH3)Z (\Ib)Anmerkung
Dichlorboran Dibromfluorboran Trihydroxyboran [auch Borsaure genannt (siehe Tabelle 1-9.l)] Chlordimethoxyboran
zur deutschen Ausgabe: Streng genommen ist jede Substitution ein formaler Austausch von Wasserstoffatomen.
Substitution und Austausch in Bor- Clustern
5* B(OC2H5)3 6. B(CH3)(SCH2CH3)2 7. BCl(OCHC12)2 8. B"HN(CH,),I, 9- B(OCH3)(CH3)2 10.BCH3(0H)2 1 1 . Br,BBBr2
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Triethoxyboran [auch Triethylborat genannt (siehe Kapitel I-9)] Bis(ethylthio)(methyl)boran['lm1 Chlorbis(dichlormethoxy)boran[' lm1 Tris(2,2-dimethylhydrazino)boran Methoxydimethylboran['lm1 Dihydroxy(methyl)boran['lm1 Tetrabromdiboran(4)
12.
2-Fluor- 1,3-dimethylpentaboran(9)
13.
1 -Silyl-2,3:2,5:3,4:4,5-tetra-pHpentaboran(9)
Substituenten fur verbruckende Gruppen werden im Namen durch das Prafix p bezeichnet, das vor den Namen des Substituenten gesetzt wird. Gibt es fur den Lokanten die Moglichkeit der Wahl, wird der niedrigste gewahlt.
Diese Verbindungen wurden auch als Derivate von Borinsaure, RIBOH, und Boronsaure, RB(OH)*, benannt; die IUPAC laDt derartige Namen nicht mehr zu.
274
Borhydride und verwandte Verbindungen
Beispiel:
p-Amino-diboran( 6)
15.
1,2-p-Phosphano-arachnotetraboran( 10)
16.
Y
1-11.4.2 Adduktbildung Ein Vergleich einer Struktur der mittleren Spalte in Tabelle 1-11.1 mit der jeweils rechts unmittelbar danebenstehenden zeigt einen Ubergang zu einer offeneren Struktur, verbunden mit der Addition von zwei zusatzlichen Wasserstoffatomen und folglich zwei zusatzlichen Elektronen. Die Adduktbildung mit einem neutralen Liganden wie Triphenylphosphan hat generell den analogen Effekt der Einfuhrung von Elektronen in den Cluster und bewirkt somit eine Umorientierung zu einem offeneren Derivat mit derselben Anzahl von Wasserstoffatomen. So entsteht bei der Adduktbildung von nido-Pentaboran(9) mit
Substitution und Austausch in Bor-Clustern
275
Triphenylphosphan der hypho-Cluster, Beispiel 1. Diese Verbindung wird gemeinhin als eine quasi-Additionsverbindung bezeichnet.
In diesem Beispiel liegen die endo-Wasserstoffatome an der Vorderseite der Struktur und zeigen nach unten und in Richtung des Betrachters.
1-11.4.3 Austausch von Skelettatomen (Subrogation) 1-11.4.3.1 Allgemeines
Bei den vorstehend beschriebenen Bor-Clustern ist es moglich, die wesentlichen Skelettstrukturen auch in Derivaten beizubehalten, in denen ein oder mehrere Boratome durch andere Atome ersetzt sind (BH2, BH- und CH z. B. sind isoelektronisch). Die Namen derartiger Spezies werden durch Anpassung der organisch-chemischen Austauschnomenklatur gebildet; dies fuhrt zu Carbaboranen, Azaboranen, Phosphaboranen, Thiaboranen usw. Bei den Heteroboranen variiert die Anzahl der nachsten Nachbarn zum Heteroatom und kann 5 , 6, 7 usw. betragen. Daher wird bei der angepal3ten organisch-chemischen Austauschnomenklatur auch die Anzahl der Wasserstoffatome in der entstandenen Polyederstruktur kenntlich gemacht. Die Prafixe closo-, nido-, arachno- usw. werden in der vorstehend beschriebenen Weise verwendet. Die Positionen der zugefugten Heteroatome im Polyeder-Netzwerk werden durch Lokanten angegeben, und zwar erhalten die Heteroatome als Satz die niedrigst moglichen Lokanten, die mit der Numerierung der StammPolyborane konsistent sind. Wenn fur die Lokanten-Zuordnung innerhalb eines gegebenen Satzes eine Wahlmoglichkeit besteht, hat dasjenige Element Prioritat fur niedrige Lokanten, das in Tabelle IV als erstes steht, wenn man dem Pfeil folgt.
276
Borhvdride und verwandte Verbindunpen
1-11.4.3.2 Carbaboranef'In] Die allgemeine Formel dieser wichtigen Verbindungsklasse ist [(CH),(BH),HJ', wobei c positiv, null oder negativ sein kann. Die CH-Gruppen besetzen Polyederecken, die anderen Wasserstoffatome (Hb) entweder Brucken- (pH) oder terminale endo-Positionen. Carbaborannamen basieren auf dem entsprechenden Polyborskelett des Stammhydrids; die Prafixe closo-, nido-, arachno- usw. behalten ihre Bedeutung bei. Die Kohlenstoffatome erhalten die niedrigsten Lokanten, die mit der feststehenden Polyedernumerierung konsistent sind. Die Anzahl der Wasserstoffatome im Carbaboran (und nicht in der Stammstruktur rnit reinen Borskelett) wird mit arabischen Ziffern in runden Klammern am Ende des Namens angefugt. Diese Zahl gilt auch fur Derivate, die durch Ersatz von Wasserstoffatomen gebildet werden. In allen folgenden Zeichnungen werden Kohlenstoffatome durch schwarz gefullte und Boratome durch leere Kreise dargestellt. Beispiel: 1. C2B10H12, (CH),(BH)lO,
Dicarba-closo-dodecaboran(12)
Diese Verbindung ist isoelektronisch mit Dodecahydro-closo-dodecaborat(2-). Es gibt davon drei Isomere: 1,2-, 1,7- und 1,12- (die Verwendung von ortho-, meta- bzw. para- fur diese Isomeren ist nicht erlaubt). Ebenso ist 176-Dicarbacloso-hexaboran(6) mit Hexahydro-closo-hexaborat(2 -) isoelektronisch. Beispiele: 2.
b C2B3H5,(CH),(BH),, 175-Dicarba-closo-pentaboran(5) ['I"]
Auch die Kontraktion ,,Carborane" ist als allgemeiner Name fur diese Verbindungsklasse gut eingefuhrt.
Substitution und Austausch in Bor-Clustern
277
3.
C2B4H8,(CH)2(BH)4H2,4,5:5,6-Di-pH-2,3-dicarba-nido-hexaboran(8) Es sei betont, daB Lokanten fur einen Skelett-Ersatz gegenuber denen fur Wasserstofirucken bevorzugt sind. Die Anzahl der Briickenwasserstoffatome unterscheidet sich bei Heteroboranen gewohnlich von der der Stamm-Polyborane; fur Numerierungszwecke gilt iur die Symmetrie des ursprunglichen Bor-Skeletts. Beispiele:
4.
x A
C2B5H7,(CH)2(BH)5,2,4-Dicarba-closo-heptaboran(7)
)'1I(
Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Zur Numerierung siehe Tabelle 1-1 1.1, c l o ~ o - ( B ~ H ~ ) ~ - .
278
Borhydride und verwundte Verbindungen
6.
C2B8H10, (CH)2(BH)8, 1,l O-Dicarba-closo-decaboran(10)
7.
C2B8H142 (CH)2(BH)8H4, 6,9-Dicarba-uruchnodecaboran( 14)
8.
C6H 8B4C12Si2.[C{ Si(CH3)2C1}]2(BH)4H2, 2,3-Bis(chlordimethylsilyl)4,5:5,6-di-pH-2,3-dicarba-nido-hexaboran(S)
Substitution und Austausch in Bor-Clustern
279
1-11.4.3.3 Metallaborane und Metallacarbaborane
Diese Verbindungen werden in einer spateren Publikation detaillierter behandelt, aber einige Beispiele sollen hier zeigen, wie die Morphologie der wichtigsten polyedrischen Polyborhydrid-Cluster beibehalten werden kann, wenn ein oder mehrere Boratome durch ein Metal1 ersetzt sind. Metallaboran-Cluster konnen neutral oder ionisch sein. Die Austauschnomenklatur wird auf die Benennung derartiger Spezies unter Verwendung der entsprechenden Prafixe aus Tabelle VI ubertragen (siehe auch Tabelle I der Nomenclature of Organic Chemistry, Ausgabe von 1979, Seite 459). Die Heteroatome erhalten die niedrigsten Lokanten, die mit der feststehenden Polyedernumerierung konsistent sind. Wenn es moglich ist zu wahlen, werden die niedrigsten Lokanten fur die Elemente in der Reihenfolge vergeben, in der sie in Tabelle IV in Pfeilrichtung auftreten (siehe auch Abschnitt 1-11.4.3.1). Beispiele: 1.
LBSH
0CO 12{CO[CS(CH3)51)21
6,9-Bis(q5-pentamethylcyclopentadienyl)5,6:6,7:8,9:9,1O-tetra-pH-6,9-dicobalta-nidodecaboran( 12)" lo]
2,2,2-Tricarbonyl-1,6-dicarba-2-ferra-closohexaboran( 5 ) (nicht -2,4-dicarba-1-ferra-) [I10]
Der Ubersichtlichkeit halber wurde ein gebundenes Wasserstoffatom pro Boratom weggelassen. Eine Diskussion uber die Benennung von Liganden, die an ein Metallatom gebunden sind, findet sich in Kapitel 1-10, Fur die Bestimmung der in Klammern zu setzenden Zahl der Wasserstoffatome wird angenommen, daD die Metallatome in derartigen Verbindungen normalerweise keine Wasserstoffatome im unsubstituierten Stamm enthalten. Deshalb mussen derartige Wasserstoffatome extra angegeben werden.
280
3.
Borhydride und verwandte Verbindungen
+z0 0Fe [(CH)2(BH)&(C0)31
co
3,3,3-Tricarbonyl-172-dicarba-3-ferra-closohexaboran( 5 ) (nicht -173-dicarba-2-ferra-)
1-11.4.3.4 Organoborverbindungen
Im allgemeinen werden die Namen fur kovalent gebundene Zweizentren-Verbindungen, die neben Bor und Wasserstoff weitere Nichtmetalle enthalten, auf der Basis der Bor-Einheit gebildet (Ion-, Hydrid- oder Cluster-Name). Organoborverbindungen konnen aber auch nach den Regeln der organisch-chemischen Nomenklatur benannt werden. Beispiele: 1. B(OCOMe)3
Triacetoxyboran (Substitutionsnomenklatur, ausgehend vom BH,) oder Tris(acetato)bor (Koordinationsnomenklatur)
(4-Carboxypheny1)dichlorboran oder 4-(Dichlorboryl)benzoesaure
1-11.5 Namen fur Ionen 1-11.5.1 Anionen In allen oben beschriebenen Strukturklassen treten Anionen auf. Ihre Namen werden unter Verwendung derselben multiplikativen und strukturellen Prafixe gebildet, die fur neutrale Hydride gelten, doch enden die Namen auf borat und nicht auf boran. Die Zahl der Wasserstoffatome wird durch ein multiplikatives Prafix angegeben, verbunden mit der Bezeichnung ,,Hydro"; die Ionenladung wird am Ende in Klammern angezeigt. So werden die Strukturen in Tabelle I- 11.1 mit all ihren Wasserstoffatomen als Pentahydro-closo-pentaborat(2-), Hexahydro-closo-hexaborat(2-), Heptahydro-closo-heptaborat(2-) usw. bezeichnet, und die Beispiele 3, 4 und 5 in Abschnitt 1-11.3.1.2 heiBen Octadeca= hydro- 1,1'-bi-closo-decaborat(4-) (oder 1,2' bzw. 2,2'). Fur offene Strukturen konnen bei dieser Nomenklatur ausfuhrlichere Angaben notig sein, wie in den
Namen fur Ionen
28 1
Abschnitten 1-11.3.2.3 und 1-11.3.2.4 beschrieben ist, d. h., den Wasserstoffatomen sind Lokanten zuzuordnen. Beispiele: 1. [BHJ 2. [H3BHBH3]-
3. [B3Hsl-
Tetrahydroborat( 1-) Heptahydrodiborat( 1 -) oder p-Hydro-hexahydrodiborat(1-) Octahydro-cyclo-triborat(1 -) oder 1,2:1,3-Di-p-hydro-hexahydrocyclo-triborat(1-)
Nonahydrohexaborat( 1-) oder 2,3:2,6:4,5-Tri-p-hydro-hexahydronido-hexaborat( 1-)
Bei Salzen von Metallen mit unzweideutigem Oxidationszustand kann die Ladungsangabe im Namen entfallen. Beispiele: 5 . Na[BF4] 6. NH4[B(C6H5)41 7. Na2[H3BC(0)O]
Natrium-tetrafluoroborat Ammonium-tetraphenylborat Natrium-carboxylatotrihydroborat(2-) oder Dinatrium-carboxylatotrihydroborat
1-11.5.2 Kationen Die Namen von Kationen enden auf -bor ohne weiteres Unterscheidungsmerkmal. Alle gebundenen Atome und Gruppen werden mit Ligandennamen bezeichnet .
282
Borhvdride und verwandte Verbindungen
Beispiele: 1. [BH2"H3)21CI 2. [BH,(PY)21+ 3. [BI oH7(NH3)31+ 4. [BH2(NH3)2I[B3Hd
Diammindihydrobor( 1 +)-chlorid Dihydrobis(pyridin)bor( 1 +) Triamminheptahydro-closo-decabor( 1 + ) Diammindihydrobor-octahydro-cyclo-triborat
1-11.5.3 Strukturen mit sowohl kationischen als auch anionischen
Zentren (Zwitterionen) Diese Verbindungen werden als Anionen benannt, und unter den alphabetisch geordneten Prafixen wird auch das entsprechende substitutive Kation-Prafix aufgefuhrt. Beispiele: 1. Me3P+-CH2B-H3 2.
Trihydro(trimethylphosphoniomethy1)borat Trichlor[4-(trichlorphosphonio)= phenyllborat
Wenn die Ladungszentren aneinander grenzen, konnen die Strukturen auch als Additionsverbindungen benannt werden (siehe Kapitel 1-5).
1-11.6 Namen fur Substituenten Die Gruppe H2B- heiI3t Boryl; ihre Derivate werden substitutiv benannt. Beispiele: 1. C12B2. (H0)2B3.O = B 4. S=B-
DichlorborylDihydroxyborylOxoborylThioxoboryl-
Mehrwertige Formen sind HB