Mit offenen Karten von
Agatha
Christie
Ein Hercule PoirotKrimi.
Keiner weiß, wer Mr. Shaitana wirklich ist, dieser L...
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Mit offenen Karten von
Agatha
Christie
Ein Hercule PoirotKrimi.
Keiner weiß, wer Mr. Shaitana wirklich ist, dieser Lebemann mit dem schwarzen Humor und einer grenzenlosen Sammelleidenschaft. "Ich sammle von allem nur das Beste Verbrecher, die nie gefasst, Mörder, die nie entdeckt wurden. Ein amüsantes Hobby», sagt er zu Hercule Poirot. Der ist da ganz anderer Meinung. Denn so ein Hobby kann auch tödlich sein... ISBN: 3-502-51353-8
Scherz Verlag , München
1997
Scanned by Cara
1 »Mein lieber Monsieur Poirot!« Es war eine sanfte, gurrende Stimme - eine Stimme, die sehr bewußt eingesetzt wurde -, sie hatte nichts Impulsives oder Unüberlegtes. Hercule Poirot drehte sich rasch um. Er verbeugte sich. Ein förmlicher Händedruck. Es war etwas Ungewohntes in seinem Blick, man hätte sagen können, daß diese zufällige Begegnung eine seltsame Empfindung in ihm auslöste. »Mein lieber Mr. Shaitana«, sagte er. Sie machten beide eine Pause. Sie waren wie zwei Duellanten en garde. Um sie herum schob sich langsam ein elegantes, blasiertes Londoner Publikum hin und her. Man hörte flüsternde oder schleppende Stimmen. »Darling - bezaubernd!« »Einfach himmlisch, nicht wahr, meine Liebe?« Es war die Ausstellung antiker Dosen im Wessex House zugunsten der Londoner Spitäler. Eintritt eine Guinee. »Mein Lieber«, sagte Mr. Shaitana, »wie schön, Sie zu treffen! Mir scheint, es wird augenblicklich weder gehängt noch guillotiniert? Tote Saison in der Verbrecherwelt? Oder soll heute nachmittag hier ein Raub stattfinden - das wäre zu köstlich.« »Leider«, sagte Poirot, »bin ich lediglich als Privatmann hier, Monsieur.« Mr. Shaitana wurde einen Augenblick durch ein reizendes, junges Geschöpf mit dichten Pudellöckchen hoch oben an der einen Seite ihres Kopfes und drei Füllhörnern an der anderen Seite abgelenkt. 2
»Meine Liebe - warum sind Sie nicht zu meiner Gesellschaft gekommen? Es war wirklich bezaubernd ... « Während die beiden Artigkeiten austauschten, vertiefte Monsieur Poirot sich in das eingehende Studium des Bartschmucks auf Mr. Shaitanas Oberlippe. Ein schöner Schnurrbart - ein sehr schöner Schnurrbart - vielleicht der einzige in London, der sich mit dem von Monsieur Hercule Poirot messen konnte. Aber er ist nicht so üppig, beruhigte er sich. Nein, er ist in jeder Hinsicht dem meinen unterlegen. Taut de mime zieht er die Blicke auf sich. Die ganze Erscheinung Mr. Shaitanas zog die Blicke auf sich - und das war beabsichtigt. Er wollte mephistophelisch wirken. Er war groß und hager, hatte ein langes, melancholisches Gesicht, stark ausgeprägte, tintenschwarze Brauen, trug einen Schnurrbart mit steif gewichsten Enden und einen kleinen Knebelbart. Seine Anzüge waren Kunstwerke - von erlesenem Schnitt, aber eine Spur bizarr. Jeder normale Engländer empfand den dringenden Wunsch, ihm einen Fußtritt zu versetzen! Sie sagten mit charakteristischem Mangel an Originalität: »Da kommt der verfluchte Talmikavalier Shaitana!« Ihre Frauen, Töchter, Schwestern, Tanten, Mütter und sogar Großmütter drückten sich, in je nach Generation variierenden Idiomen ungefähr folgendermaßen aus: »Ich weiß, meine Liebe, natürlich ist er zu schrecklich. Aber so reich! Und gibt so wundervolle Gesellschaften! Und er weiß immer etwas Boshaftes über seine lieben Mitmenschen zu sagen.« Niemand wußte, ob Mr. Shaitana Argentinier, Portugiese oder Grieche war oder 3
irgendeiner anderen Nationalität angehörte, die von Briten normalerweise verachtet wird. Aber drei Dinge standen fest: Er lebte in einer Luxuswohnung in Park Lane. Er gab wundervolle Gesellschaften - große Gesellschaften, kleine Gesellschaften, makabre Gesellschaften und ausgesprochen »merkwürdige« Gesellschaften. Er war jemand, vor dem sich fast alle ein wenig fürchteten. Warum letzteres so war, läßt sich nicht leicht sagen. Man spürte vielleicht, daß er ein wenig zu viel von jedem wußte. Und man fühlte auch, daß sein Sinn für Humor etwas eigentümlich war. Auf jeden Fall waren sich alle einig, es sei besser, Mr. Shaitana nicht vor den Kopf zu stoßen. An diesem Nachmittag war er in der Laune, diesen komischen kleinen Mann namens Hercule Poirot zu necken. »Also, sogar ein Kriminalist braucht Erholung?« bemerkte er. »Sie studieren noch in Ihren Jahren die schönsten Künste, Monsieur Poirot.« Poirot lächelte gutmütig. »Ich sehe, daß Sie selbst der Ausstellung drei Dosen zur Verfügung gestellt haben.« Mr. Shaitana machte eine geringschätzige Handbewegung. »Man ergattert eine Kleinigkeit hier und dort. Sie müssen einmal zu mir kommen. Ich habe einige interessante Stücke. Ich beschränke mich weder auf eine besondere Periode noch auf ein besonderes Genre.« »Sie haben einen allumfassenden Geschmack«, meinte Poirot lächelnd. »Sie sagen es.«
4
Plötzlich begannen Mr. Shaitanas Augen zu tanzen, seine Mundwinkel hoben sich, seine Augenbrauen beschrieben einen phantastischen Bogen. »Ich könnte Ihnen sogar Dinge aus Ihrem eigenen Fach zeigen, Monsieur Poirot.« »Haben Sie denn ein privates >Gruselkabinett