Norbert Hammer
Mediendesign für Studium und Beruf Grundlagenwissen und Entwurfssystematik in Layout, Typografie und Farbgestaltung
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Prof. Dr. Norbert Hammer Essen
[email protected] ISBN 978-3-540-73217-4
e-ISBN 978-3-540-73218-1
DOI 10.1007/978-3-540-73218-1 ISSN 1439-3107 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: KünkelLopka, Heidelberg Printed on acid-free paper 987654321 springer.com
Vorwort Vorwort Die Idee zu diesem Buch entstand, nachdem mich meine Studentinnen und Studenten wiederholt darum baten, die Vorgehensweise beim Erstellen von Designentwürfen systematisch darzustellen. Wenngleich es das eine richtige Rezept für das Gestalten nicht gibt und Designer ihre Verwirklichung eher in der uneingeschränkten kreativen Entfaltung sehen, lassen sich dennoch einige Gesetzmäßigkeiten und bewährte Vorgehensweisen im Designprozess aufzeigen. Deren Kenntnis bietet ein sicheres Geländer für die Praxis. Jede Entwurfstätigkeit im Mediendesign stellt eine Auseinandersetzung mit Layout, Typografie und Farbe dar. Auch Webdesign oder die Gestaltung von Softwarebenutzerschnittstellen ist ohne gute Kenntnisse auf diesem Gebiet nicht vorstellbar. Diese Themen stehen deshalb auch im Mittelpunkt dieses Buches. Die Ausgangsbasis bildete ein Online-Lernmodul, das ich in seiner ersten Fassung mit meiner Mitarbeiterin Judita Ruske für die virtuelle Fachhochschule erstellt hatte. Für dieses Buch musste jedoch ein Neuanfang gemacht werden. Vieles wurde ergänzt und detaillierter dargestellt und mit vorbildhaften Beispielen aus Studienaufgaben und Praxisprojekten veranschaulicht. Diese Arbeit verlangte sehr großen Einsatz und kostete viele Freizeitstunden. Ich danke deshalb meiner Familie, die oft meine Abwesenheit ertragen musste, für ihre Geduld und Unterstützung. Ich danke all denjenigen, die durch ihre aktive vergütete und unvergütete Mitarbeit zum Gelingen des Werkes beigetragen haben. Mein Dank gilt den Studierenden, die Grafiken und Bilder aufbereitet haben (den Teams des alten und neuen Lernmoduls, besonders Jens Schenck, Nicole Wieschhörster und Karen Bensmann), und ebenso all denjenigen, die Bildmaterial und Beispiele zur Verfügung stellten (u. a. Judita Ruske, Caroline Herold und Iris Kasch, Fa. IAL). Ganz besonders danke ich Frau Marianne Puck für ihr akribisches Vorlektorat im Hinblick auf eine allgemein verständliche Formulierung. Ebenso gilt mein besonderer Dank Frau Karen Bensmann, für ihre unermüdliche Unterstützung beim Satz. Möge dieses Buch allen zukünftigen Gestalterinnen und Gestaltern ein Stück weit helfen, sich in ihrem kreativen Schaffen zu entwickeln, und sie motivieren, unser aller tägliches Leben durch gute Gestaltung noch angenehmer und erfreulicher zu machen. Norbert Hammer im Mai 2008
5
Inhalt Inhalt 0.
Vorbemerkung. ......................................................17
1.
Was ist Design?......................................................21
0.0 0.1 0.2 0.3
Lernziele..................................................................................17 Lerninhalte..............................................................................18 Didaktikkonzept.....................................................................19 Voraussetzungen. ...................................................................20
1.0 1.0.1 1.0.2 1.0.3 1.0.4 1.0.5 1.0.6 1.0.7 1.0.8 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.4 1.4.1 1.4.2
Einleitung................................................................................21 Lernziele.............................................................................................21 Design, ein Modewort?......................................................................22 Design ist Gestaltung.........................................................................22 Definition Design...............................................................................23 Design ist Kommunikation.................................................................24 Der Designablauf...............................................................................25 Designbereiche. .................................................................................26 Mediendesign....................................................................................26 Paradigmen im Design...........................................................28 Form follows function........................................................................28 Form follows emotion........................................................................28 Form follows form..............................................................................29 Die Profession Design............................................................30 Ratio und Emotio im Design..............................................................30 Digitalität im Design..........................................................................31 Informationsdesign............................................................................32 Designmanagement: Bedingung für Designerfolg.............................33 Die Verantwortung der Designer........................................................35 Was bewirkt Design?..............................................................35 Design optimiert den Produktgebrauch.............................................35 Design macht Produktqualität sichtbar. ............................................36 Design ist ein Differenzierungsfaktor.................................................36 Design schafft Zielgruppenbezug. .....................................................37 Design vermittelt Unternehmensidentität..........................................38 Nutzen von Design.............................................................................39 Resümee..................................................................................40 Was Sie gelernt haben.......................................................................40 Der besondere Tipp: Wissensvorrat erweitern....................................40
2.
Einführung Layout.................................................41
2.0 2.0.1 2.0.2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2
Einleitung................................................................................41 Lernziele.............................................................................................41 Gestaltung ist Komposition................................................................41 Gestaltungsmittel Layout......................................................42 Ideen visualisieren.............................................................................42 Ordnung schaffen..............................................................................43 Gestaltung beurteilen............................................................44 Gestaltung sehen...............................................................................44 Gestaltung argumentieren.................................................................45
3.
Wahrnehmung........................................................47
3.0 3.0.1
Einleitung................................................................................47 Lernziele.............................................................................................47
7
Inhalt 3.0.2 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 3.7
Physikalische und phänomenale Welt................................................48 Gestaltgesetze........................................................................48 Figur und Grund.................................................................................48 Gesetz der Nähe. ...............................................................................49 Gesetz der Gleichartigkeit..................................................................50 Gesetz der Geschlossenheit...............................................................51 Gesetz der guten Fortsetzung............................................................51 Virtuelle Figuren.................................................................................52 Optische Täuschungen. ..........................................................53 Merkmale optischer Täuschungen.....................................................53 Streckentäuschungen.........................................................................54 Verformungen....................................................................................55 Vergleichstäuschungen......................................................................55 Perspektivtäuschungen......................................................................56 Horizontal-vertikal-Täuschungen.......................................................56 Raumtäuschungen.............................................................................57 Überlastungseffekte...........................................................................57 Unmögliche Figuren...........................................................................58 Raumwahrnehmung...............................................................59 Physiologische Raumindikatoren.......................................................59 Größenkonstanz.................................................................................59 Überlagerung.....................................................................................60 Horizontlinie. .....................................................................................60 Perspektivlinien..................................................................................61 Luftperspektive..................................................................................61 Gradienten.........................................................................................61 Konstanzgesetze.....................................................................62 Formkonstanz. ...................................................................................62 Größenkonstanz.................................................................................63 Helligkeits- und Farbkonstanz............................................................64 Ortskonstanz......................................................................................64 Resümee..................................................................................64 Was Sie gelernt haben.......................................................................64 Der besondere Tipp: Optische Quadrate. ...........................................65 Quiz zu „Wahrnehmung“.......................................................66 Übungen. .................................................................................67
4.
Elementares Gestalten..........................................71
4.0 4.0.1 4.0.2 4.0.3 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2
8
Einleitung................................................................................71 Lernziele.............................................................................................71 Gestaltungskomponenten..................................................................72 Form und Format. ..............................................................................72 Die Form..................................................................................73 Der Punkt...........................................................................................73 Die Linie.............................................................................................74 Flächenformen...................................................................................76 Bild und Text......................................................................................78 Das Format..............................................................................79 Seitenformate. ...................................................................................79 Proportionen......................................................................................81
Inhalt
Inhalt 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.6 4.7 4.8
Goldener Schnitt................................................................................83 Komposition............................................................................85 Größe.................................................................................................85 Position..............................................................................................85 Ordnung.............................................................................................87 Harmonie...........................................................................................89 Kontrast. ............................................................................................90 Dynamik.............................................................................................91 Resümee..................................................................................92 Was Sie gelernt haben.......................................................................92 Der besondere Tipp: Kreativ durch Vielfalt.........................................93 Quiz zu „Elementares Gestalten“.........................................94 Übungen. .................................................................................95 Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“. ....................................97 Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“..........................101
5.
Layoutsystematik................................................105
5.0 5.0.1 5.0.2 5.0.3 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.5 5.6 5.7
Einleitung..............................................................................105 Lernziele...........................................................................................105 Von der Idee zur Umsetzung............................................................105 Layoutpräsentation..........................................................................106 Layoutphasen. ......................................................................107 Scribble............................................................................................107 PC-Layout. .......................................................................................109 Layout als Präsentationsmittel.........................................................109 Reinlayout/Umsetzung.....................................................................111 Layoutstrukturierung...........................................................112 Die Layoutelemente.........................................................................112 Formatauswahl................................................................................113 Seitenorganisation...........................................................................113 Sonderseiten....................................................................................114 Das kompositorische Layout...............................................115 Anordnung der Layoutelemente......................................................115 Führungslinien.................................................................................117 Resümee................................................................................117 Was Sie gelernt haben.....................................................................117 Der besondere Tipp: Starten mit Scribbles........................................118 Quiz zu „Layoutsystematik“................................................119 Übungen. ...............................................................................120 Entwurfsaufgabe „Postkarten Layout“.............................120
6.
Rasterlayout.........................................................129
6.0 6.0.1 6.0.2 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4
Einleitung..............................................................................129 Lernziele...........................................................................................129 Sinn des Rasters...............................................................................130 Rasterkonstruktion..............................................................131 Strukturierung und Scribble.............................................................131 Satzspiegel.......................................................................................131 Satzspiegelkonstruktion...................................................................132 Spaltenlayout...................................................................................134
9
Inhalt 6.1.5 6.1.6 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.6 6.7
Spaltenbreite und -abstände............................................................136 Spaltenraster erstellen.....................................................................137 Bilder im Layout. ..................................................................139 Bildraster. ........................................................................................139 Abstände im Bildraster. ...................................................................141 Offene und geschlossene Raster......................................................142 Normraster............................................................................143 Normbriefbogen. .............................................................................144 Systemprodukte, Cover....................................................................145 Praxisbeispiele Rasterlayout...............................................145 Einfaches Einseitenlayout................................................................145 Flyer.................................................................................................146 Produktfolder...................................................................................147 Hefter...............................................................................................148 Resümee................................................................................149 Was Sie gelernt haben.....................................................................149 Der besondere Tipp: Weblayout parallel zum Printlayout.................149 Quiz zu „Rasterlayout“........................................................150 Übungen. ...............................................................................151
7.
Farbgestaltung.....................................................153
7.0 7.0.1 7.0.2 7.0.3 7.0.4 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.2.9 7.2.10 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6
10
Einleitung..............................................................................153 Lernziele...........................................................................................153 Was ist Farbe?..................................................................................154 Farbenlehre......................................................................................154 Farbbezeichnungen..........................................................................155 Farbwahrnehmung...............................................................156 Physikalische Aspekte......................................................................156 Sinneswahrnehmung der Farbe. ......................................................157 Sukzessivkontrast. ...........................................................................158 Beleuchtungslicht. ...........................................................................158 Farbkonstanz....................................................................................159 Farbmodelle und Farbordnung. ..........................................160 Geschichte.......................................................................................160 Die Farblehre Küppers......................................................................162 Die Farblehre Ittens..........................................................................165 Das RGB-Farbmodell........................................................................166 Das CMYK-Farbmodell.....................................................................166 Das CIE-Lab-System.........................................................................167 Druckfarbenpaletten........................................................................167 RAL-Farbpalette...............................................................................168 Web-Farbpalette..............................................................................168 HSB-Modell......................................................................................169 Farbmischung........................................................................170 Additive Mischung...........................................................................170 Subtraktive Mischung......................................................................170 Integrierte Farbmischung.................................................................171 Weitere Farbmischungen. ................................................................171 Optische Mischung..........................................................................172 Speed-Mischung..............................................................................172
Inhalt
Inhalt 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.4.6 7.4.7 7.4.8 7.4.9 7.4.10 7.4.11 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5 7.6.6 7.6.7 7.6.8 7.6.9 7.6.10 7.6.11 7.6.12 7.6.13 7.6.14 7.7 7.7.1 7.7.2 7.8 7.9
Farbharmonien. ....................................................................173 Kontexteinfluss. ...............................................................................173 Bunt- und Unbuntkontrast...............................................................173 Hell-Dunkel-Kontrast........................................................................174 Warm-kalt-Kontrast. ........................................................................175 Komplementärkontrast. ...................................................................175 Simultankontrast..............................................................................176 Qualitätskontrast.............................................................................177 Quantitätskontrast...........................................................................178 Farbharmonienlehre.........................................................................179 Statische und dynamische Farbharmonien. .....................................180 Color-Coding....................................................................................181 Farbwirkung..........................................................................183 Physiologische und psychologische Wirkung...................................183 Fern- und Nahwirkung.....................................................................184 Funktionsfarben...............................................................................184 Raumwirkung. .................................................................................186 Synästhesie......................................................................................186 Farbsymbolik.........................................................................188 Kulturelle und psychologische Einflüsse. .........................................188 Blau. ................................................................................................189 Rot...................................................................................................190 Grün.................................................................................................191 Schwarz. ..........................................................................................192 Rosa.................................................................................................193 Gelb.................................................................................................194 Weiß. ...............................................................................................195 Gold.................................................................................................195 Gold und Silber................................................................................196 Orange.............................................................................................196 Violett..............................................................................................197 Grau.................................................................................................197 Braun...............................................................................................198 Resümee Kapitel 7................................................................198 Was Sie gelernt haben.....................................................................198 Der besondere Tipp: Farbwähler im Internet....................................199 Quiz „Farbgestaltung“.........................................................200 Übungen . ..............................................................................202
8.
Einführung Typografie. .......................................207
8.0 8.0.1 8.0.2 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3
Einleitung..............................................................................207 Lernziele...........................................................................................207 Aufgabe und Funktion von Typografie.............................................207 Typografie in der Mediengestaltung . ...............................208 Schrift als Kommunikationsmedium. ...............................................208 Schrift als Ausdrucksform. ...............................................................208 Schrift im Zielgruppenbezug...........................................................209
9.
Schrifthistorie......................................................211
9.0 9.0.1
Einleitung..............................................................................211 Lernziele...........................................................................................211
11
Inhalt 9.0.2 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.3 9.3.1 9.3.2 9.4
Schrift und Kultur.............................................................................212 Entwicklung der Schrift.......................................................212 Chronologischer Überblick...............................................................212 Frühe Bilderschriften........................................................................212 Anfänge phonetischer Schriften.......................................................213 Römische Schriften. .........................................................................214 Klösterliche Schreibschriften............................................................214 Druckschriften bis zur Neuzeit.........................................................216 Schriften im 20. Jahrhundert............................................................218 Das Medienzeitalter.............................................................219 Explosion der Schriftentwicklung.....................................................219 Computerlesbare Schriften. .............................................................220 Bildschirmschriften. .........................................................................221 „Neue“ Typografie...........................................................................222 Aktuelle Schriftentwicklung.............................................................223 Resümee Kapitel 9................................................................223 Was Sie gelernt haben.....................................................................223 Der besondere Tipp: Schriften schreiben..........................................224 Quiz zu „Schrifthistorie“......................................................225
10.
Typologie..............................................................227
10.0 10.0.1 10.0.2 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5 10.1.6 10.1.7 10.1.8 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6 10.2.7 10.2.8 10.2.9 10.2.10 10.2.11 10.2.12 10.2.13 10.3 10.3.1 10.3.2
12
Einleitung..............................................................................227 Lernziele...........................................................................................227 Unterscheiden lernen.......................................................................227 Schriftenvielfalt....................................................................228 Unterscheidungsmerkmale..............................................................228 Antiqua und Grotesk. ......................................................................229 Schriftvariationen.............................................................................231 Proportionale und monospaced Schrift............................................231 Schriftdefinition. ..............................................................................232 Schriftschnitte..................................................................................233 Schriftart und Wirkung.....................................................................234 Schrifttechnologien..........................................................................235 Zeichenumfang.....................................................................236 Vollständige Fonts. ..........................................................................236 Expertzeichen. .................................................................................236 Kapitälchen......................................................................................237 Et-Zeichen (&)..................................................................................237 @-Zeichen........................................................................................238 Währungszeichen. ...........................................................................238 Mediävalziffern................................................................................239 Ligaturen..........................................................................................239 Bruchzahlen.....................................................................................240 Fremdsprachenzeichen. ...................................................................240 Zeichen der anspruchsvollen Typografie..........................................240 Sonderzeichensätze. ........................................................................241 Mathematische und Wirtschaftszeichen..........................................241 Maßsysteme..........................................................................242 Ursprünge im Bleisatz......................................................................242 Schriftmaße......................................................................................243
Inhalt
Inhalt 10.3.3 10.3.4 10.4 10.4.1 10.4.2 10.5
Schriftlinien......................................................................................243 Wirkung der x-Höhe.........................................................................245 Resümee Kapitel 10..............................................................245 Was Sie gelernt haben.....................................................................245 Der besondere Tipp: Maße beim Webdesign....................................246 Quiz zu „ Typologie“.............................................................247
11.
Typoklassifikation................................................249
11.0 11.0.1 11.0.2 11.0.3 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.2.6 11.2.7 11.3 11.3.1 11.3.2 11.4
Einleitung..............................................................................249 Lernziele...........................................................................................249 Schriften erkennen...........................................................................249 Schriften definieren..........................................................................250 Schriftarten...........................................................................250 Elemente der Schriftzeichen.............................................................250 Einteilung DIN 16518. .....................................................................252 Neue Klassifikationen......................................................................257 Schriftfamilien......................................................................258 Nutzen von Schriftfamilien. .............................................................258 Die Futura........................................................................................258 Die Helvetica....................................................................................259 Die Univers. .....................................................................................259 Die Times. ........................................................................................260 Die Thesis.........................................................................................260 Herstellermerkmale..........................................................................260 Resümee................................................................................261 Was Sie gelernt haben.....................................................................261 Der besondere Tipp: Schriften beifügen. ..........................................262 Quiz zu „Typoklassifikation“...............................................263
12.
Typosemantik.......................................................265
12.0 12.0.1 12.0.2 12.1 12.1.1 12.1.2 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.5 12.5.1 12.5.2
Einleitung..............................................................................265 Lernziele...........................................................................................265 Form und Inhalt. ..............................................................................266 Begriff Typosemantik...........................................................266 Begriffe der Semiotik.......................................................................266 Produktfunktionen...........................................................................267 Schriftcharaktere..................................................................268 Schrift als Ausdrucksmittel...............................................................268 Charakteristika von Standardschriften.............................................268 Charakteristika von Headlineschriften.............................................269 Bildsprachliche Typografie. .................................................271 Bildzeichen als Buchstabenersatz....................................................271 Bildzeichen als Wortersatz...............................................................271 Bildkontext im Wort.........................................................................271 Anzeichen- und Symbolfunktionen. ...................................272 Machartbezug..................................................................................272 Kontextbezug...................................................................................273 Semantische Aufladung.......................................................275 Gestaltende Typoveränderung.........................................................275 Schrifteffekte. ..................................................................................276
13
Inhalt 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.6.5 12.7 12.7.1 12.7.2 12.8 12.9
Praxisbeispiele Logoentwicklung.......................................278 Anforderungen an die Logoentwicklung. ........................................278 Wortmarken.....................................................................................278 Wortkürzel.......................................................................................279 Wort/Bild-Marken. ...........................................................................280 Logoanwendungen..........................................................................282 Resümee................................................................................283 Was Sie gelernt haben.....................................................................283 Der besondere Tipp: Richtiger semantischer Kontext.......................283 Quiz zu „Typosemantik“......................................................284 Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“.....................285
13.
Typo-Ergonomie...................................................293
13.0 13.0.1 13.0.2 13.1 13.1.1 13.1.2 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.4 13.4.1 13.4.2 13.5 13.5.1 13.5.2 13.5.3 13.6 13.6.1 13.6.2 13.7
Einleitung..............................................................................293 Lernziele...........................................................................................293 Leseoptimierung..............................................................................294 Wahrnehmung von Schrift...................................................294 Der Lesevorgang..............................................................................294 Lesefreundliche Textgestaltung........................................................295 Zeichenabstand. ...................................................................296 Zeichenbreiten.................................................................................296 Laufweite.........................................................................................296 Laufweitenanpassung......................................................................297 Unterschneiden................................................................................299 Schriftzurichtung..............................................................................300 Wortabstand. ........................................................................300 Der optimale Wortabstand...............................................................300 Individuelle Wortabstandskorrekturen.............................................301 Wortabstand und Spaltenbreite.......................................................302 Zeilenabstand. ......................................................................303 Numerischer und optischer Zeilenabstand.......................................303 Der optimale Zeilenabstand.............................................................304 Schriftgestalt und Schriftgröße..........................................306 Schrifttyp..........................................................................................306 Buchstabenform...............................................................................308 Schriftgrößen. ..................................................................................308 Resümee................................................................................310 Was Sie gelernt haben.....................................................................310 Der besondere Tipp: Schriftgrößenentscheidung im Ausdruck.........310 Quiz zu „Typo-Ergonomie“..................................................311
14.
Satzgestaltung.....................................................313
14.0 14.0.1 14.0.2 14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4
14
Einleitung..............................................................................313 Lernziele...........................................................................................313 Systematik und Freiheit....................................................................313 Satzarten...............................................................................314 Ausrichtung. ....................................................................................314 Blocksatz..........................................................................................315 Flattersatz........................................................................................316 Rausatz............................................................................................316
Inhalt
Inhalt 14.1.5 14.1.6 14.1.7 14.1.8 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.5 14.5.1 14.5.2 14.6
Mittelzentrierter Satz.......................................................................317 Formsatz. .........................................................................................317 Programmeinstellungen...................................................................319 Satzkombinationen..........................................................................319 Satzgliederung......................................................................320 Umbrucharten..................................................................................320 Umbruchprobleme...........................................................................320 Absatztrennungen. ..........................................................................321 Initialen............................................................................................322 Blickfangpunkte...............................................................................322 Gestalten mit Schrift............................................................323 Schrift und Inhalt.............................................................................323 Schriften aussuchen.........................................................................325 Satz neuer Schriften.........................................................................327 Headlinegestaltung..........................................................................327 Schriftkombinationen.......................................................................329 Schrift als Form................................................................................330 Schrift und Farbe..............................................................................331 Satzregeln. ............................................................................332 Satz nach DIN..................................................................................332 Zahlensatz. ......................................................................................333 Zahlen und Maße.............................................................................334 Zeichen guter Typografie. ................................................................335 Resümee................................................................................336 Was Sie gelernt haben.....................................................................336 Der besondere Tipp: Zeichen guter Typografie.................................336 Quiz zu „Satzgestaltung“. ...................................................338
15.
Rastertypografie. ................................................339
15.0 15.0.1 15.0.2 15.0.3 15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4 15.1.5 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.2.4 15.2.5 15.2.6 15.3 15.3.1 15.3.2 15.3.3
Einleitung..............................................................................339 Lernziele...........................................................................................339 Systematik durch Raster. .................................................................339 Ordnung und Konsistenz..................................................................340 Typografisches Gliedern......................................................341 Typografische Informationspakete...................................................341 Titel..................................................................................................343 Haupttext und seine Gliederung......................................................344 Nebentexte......................................................................................346 Pagina..............................................................................................348 Typografische Raster............................................................348 Grundlinienraster.............................................................................348 Bilder im Grundlinienraster..............................................................349 Absätze und Zwischentitel im Grundlinienraster.............................350 Nebentexte im Raster......................................................................351 Rahmen und Hintergrundflächen.....................................................352 Tabellen. ..........................................................................................353 Praxisbeispiel Katalogentwicklung....................................354 Briefing............................................................................................354 Layoutidee.......................................................................................354 Layoutoptimierung...........................................................................356
15
Inhalt 15.3.4 15.3.5 15.3.6 15.4 15.4.1 15.4.2 15.5 15.6
Rasterentwicklung...........................................................................357 Reinlayout........................................................................................358 Crossmedia-Layout..........................................................................359 Resümee................................................................................361 Was Sie gelernt haben.....................................................................361 Der besondere Tipp: .............................................................................. Registerhaltigkeit ohne Grundlinienrasterfunktion ......................... 361 Quiz zu „Rastertypografie“.................................................362 Entwurfsaufgabe „Folder“..................................................363
16.
Layout und Typo on screen.................................371
16.0 16.0.1 16.0.2 16.0.3 16.1 16.1.1 16.1.2 16.1.3 16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.2.4 16.2.5 16.2.6 16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3 16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.5 16.5.1 16.5.2 16.6
Einleitung..............................................................................371 Lernziele...........................................................................................371 Wandel der Medien. ........................................................................372 Die neuen Medien............................................................................372 Layouten für elektronische Medien...................................373 Entwicklungsprozess beim Webdesign. ...........................................373 Layoutelemente im Webdesign........................................................375 Navigationsdesign...........................................................................376 Bildschirmtypografie. ..........................................................378 Textlesen am Bildschirm. .................................................................378 Antialiasing......................................................................................379 Hinting.............................................................................................379 Pixelschriften. ..................................................................................380 Schriften im Web..............................................................................380 Gute Typografie im Web...................................................................381 Farben am Bildschirm...........................................................382 Farbdefinitionen...............................................................................382 Kontrast und Überstrahlung.............................................................383 Zugängliche Farben. ........................................................................384 Praxisbeispiele Screendesign..............................................385 Systematik im Webdesign................................................................385 Multimediadesign............................................................................388 Interfacedesign................................................................................389 Resümee................................................................................391 Was Sie gelernt haben.....................................................................391 Der besondere Tipp: Unterstreichungen per „border-bottom“. .......391 Quiz zu „Typo und Layout on screen“................................392
Abbildungsverzeichnis.......................................................................395 Linkverzeichnis...................................................................................407 Literaturverzeichnis...........................................................................409 Index....................................................................................................411 Quizlösungen......................................................................................417 Online-Material..................................................................................421 Der Autor.............................................................................................422
16
Vorbemerkung Vorbemerkung
0
Raimond Loewy
1
Abb. 0a: Zitat Raimond Loewy (Grafik: Hammer)
Vorbemerkung
Das Anliegen dieses Buches könnte kaum besser beschrieben werden als mit dem obigen berühmten Zitat des amerikanischen Designpioniers Raimond Loewy (1883 – 1986). Frei übersetzt meint es, sich in der Gestaltung nicht mit dem normalen Standard zufriedenzugeben, sondern nach eigenständigen, herausragenden Kreativleistungen zu streben. Genau darum geht es hier.
Literaturtipp: Loewy, R.: Hässlichkeit verkauft sich schlecht, 1953
0.0 Lernziele Das zentrale Ziel dieses Buches ist es, Wissen und Anregungen zu vermitteln, um Ihre persönlichen gestalterischen Fähigkeiten im Mediendesign zu entwickeln. Außerdem sollen Ihnen die Denk- und Arbeitsweisen von Designern nahegebracht werden, um Sie auf die Zusammenarbeit mit Designern im Projektteam vorzubereiten. Im Einzelnen sollen Sie folgende Lernziele erreichen: • Entwicklung gestalterischer Sensibilität • Erlangen kompositorischer Sicherheit • Erlangen grundlegender Gestaltungskompetenz • Erlernen einer Entwurfssystematik • Erwerb theoretischen Hintergrundwissens zu Layout, Farbe und Typografie • Erlernen grundlegender Satzregeln • Erlangen der Fähigkeit, Mediengestaltung sachgerecht zu beurteilen bzw. eigene Gestaltung zu argumentieren Nach Durcharbeiten des Buches und paralleler Bearbeitung von Entwurfsaufgaben sollen Sie für einfache bis mittelkomplexe Aufgaben ein einwandfreies typografisches Layout erarbeiten können.
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Lerninhalte
0.1 Lerninhalte Dieses Buch vermittelt Basiswissen zu den Themenbereichen Design, Layout, Farbgestaltung und Typografie. Die Einführung ins Thema Mediendesign in Kapitel 1 erklärt den Begriff Design und legt unterschiedliche Aspekte der Designertätigkeit dar. Der Lernteil „Layout“ vermittelt grundlegendes Wissen zum kompositorischen Gestalten. Nach dem Einführungskapitel 2 „Einführung Layout“, das den Sinn von Layoutarbeit darlegt, werden im Kapitel 3 „Wahrnehmung“ grundlegende Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung und -psychologie aufgezeigt, die bei der optischen Erfassung und Informationsverarbeitung von Bedeutung sind. Im Kapitel 4 „Elementares Gestalten“ werden die Basics der Komposition vermittelt. Gestalter sollten die hier geltenden Gesetzmäßigkeiten verinnerlichen, um sie in die Argumentation ihrer Gestaltungsentwürfe einzubringen. Kapitel 5 „Layoutsystematik“ erläutert anhand von Praxisbeispielen in chronologischer Folge den Prozess einer Layoutentwicklung. Die speziellen Vorteile eines Gestaltungsrasters und die Vorgehensweisen zu dessen Erstellung werden im Kapitel 6 „Rasterlayout“ vorgestellt. Der Lernteil „Farbgestaltung“ in Kapitel 7 stellt unterschiedliche Farbsysteme und die Wirkungen unterschiedlicher Farben zueinander vor. Vor allem werden hier die physiologischen und psychologischen Wirkungen von Farben thematisiert. Im Lernteil „Typografie“ werden Grundlagen im gestalterischen Umgang mit Typografie vermittelt. Nach dem Einführungskapitel 8 „Einführung Typografie“ wird in Kapitel 9 „Schrifthistorie“ ein chronologischer Überblick zur Schriftentwicklung gegeben, der Ihnen Hilfestellung bietet zur epochalen Einordnung der wichtigsten Schriftarten. Das Kapitel 10 „Typologie“ zeigt die wichtigsten Bestimmungsmerkmale typografischer Zeichen auf. Anhand dieser Merkmale können unterschiedliche Schriften differenziert werden, wie dies im Kapitel 11 “Klassifikation“ expliziert wird. Im Kapitel 12 „Typosemantik“ werden Ihnen die kreativen Möglichkeiten einer im Zielgruppenbezug semantisch aufgeladenen Typografie nahegebracht.
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Didaktikkonzept
Vorbemerkung
0
Unter ergonomischem Fokus werden im Kapitel 13 „Typo-Ergonomie“ die Einflussfaktoren zur leseoptimierten Schriftgestaltung erörtert. Im Kapitel 14 „Satzgestaltung“ erlernen Sie die klassischen Regeln des Schriftsatzes und Standardvorgehensweisen im typografischen Gestalten sowie den Aufbau von Satzspiegeln. Das Kapitel 15 „Rastertypografie“ zeigt die Vorteile typografischer Raster als Voraussetzung für konsistentes Gestalten auf und vermittelt das Arbeiten mit typografischen Rastern. Das abschließende Kapitel 16 „Layout und Typo on Screen“ stellt die Besonderheiten des Gestaltens für die elektronischen Medien vor und gibt einen Ausblick auf das Gestaltungsgebiet „Webdesign“.
0.2 Didaktikkonzept Die Inhalte werden zu Anfang mit linearem Schwerpunkt aufgebaut, um die Grundlagen systematisch zu vermitteln. Dennoch kann zunehmend parallel in andere Themen geschaut werden. Die Lernstoffvermittlung erfolgt vorrangig durch „Designpräzedenzfälle“, d. h. vorbildhafte Beispiele, anhand derer exemplarische Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. In manchen Kapiteln werden ausführliche Praxisbeispiele mit ihren Entwurfsprozessen vorgestellt. Um den Lernstoff übersichtlich zu halten und leichter erfassbar zu machen, ist er in mehrere Kapitel gegliedert, in denen die Inhalte in kleinen, kompakten Abschnitten und Unterabschnitten präsentiert werden. Strukturell erstreckt sich der Inhalt über eine Tiefe von maximal drei Ebenen. Zu einigen Kapiteln werden Übungen angeboten, die die wesentlichen Gestaltungsphänomene aus dem jeweiligen Kapitel individuell nachvollziehbar machen und der individuellen Schulung der kompositorischen Fähigkeiten dienen. Zum Abschluss jedes Kapitels gibt es die Möglichkeit, den Lernerfolg durch Selbsttests in Form kleiner Multiple-Choice-Quiz zu überprüfen. Nach der Beantwortung aller Fragen eines Quizteils erhalten Sie in der Auswertung Hinweise, die Themen, die unzureichend beantwortet wurden, noch einmal aufzugreifen. Mit Hilfe von vier begleitend angebotenen Entwurfsaufgaben mit zunehmender Komplexität werden Ihre individuellen gestalterischen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt. Es wird jeweils eine Kreativtechnik vorgestellt. Danach werden systematisch alle Schritte des Entwurfsprozesses durchlaufen. Abschließend führen Sie eine Selbstevaluation Ihres Arbeitsergebnisses mittels einer Checklist durch.
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Voraussetzungen
Die Begleitwebsite zu diesem Buch: www.mediendesign-online.net/xmediapress
Die in der linken und rechten Marginalienspalte angebotenen Literatur- und Linktipps sowie Informationen über die verwendeten Quellen sollten Sie nutzen, um zusätzliche nützliche Informationen bzw. die Originalinformationen zu den behandelten Themen zu erreichen. Parallel zu diesem Buch ist eine Website eingerichtet, auf der nützliches Material für die Entwurfsaufgaben zum Download bereit steht. Außerdem bietet diese Website eine elektronische Version aller Multiple Choice Quizfragen mit direkter OnlineAuswertung.
0.3 Voraussetzungen Zum Verständnis dieses Buches werden keine besonderen gestalterischen Vorkenntnisse vorausgesetzt. Um eigene Entwürfe zu erstellen bzw. um die Übungs- und Entwurfsaufgaben zu bearbeiten, sollte jedoch ein Computer mit geeigneter Software zur Verfügung stehen. Sie sollten mindestens ein vektororientiertes Grafik- und Layoutprogramm wie FreeHand oder Adobe Illustrator besitzen, vorzugsweise ein Satzprogramm wie QuarkXPress oder Adobe InDesign sowie ein Bildbearbeitungsprogramm. Für die Umsetzung der Aufgaben reichen mittlere Programmkenntnisse aus, die Sie sich mit Hilfe von Programmtutorials oder geeigneter Literatur selbst aneignen können. Für die Aufgabenbearbeitung ist ein ausreichender Fundus typografisch hochwertiger Schriften wünschenswert. Der Vorrat der standardmäßigen Systemschriften reicht nicht aus. Außerdem wird ein Drucker benötigt, denn zur Beurteilung der Ergebnisse sollten die Entwürfe ausgedruckt werden. Viel Freude und viel Erfolg beim Durcharbeiten dieses Buches!
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Was istDesign? Design? Was ist
1
Abb. 1a: Zitat Stefan Lengyel (Grafik: Hammer) 1
Was ist Design?
1.0 Einleitung 1.0.1 Lernziele In dieser Einführung gewinnen Sie einen Überblick darüber, was der Begriff Design umfasst. Sie erkennen, dass Design mehr ist als Gestaltung, dass Design Einfluss nimmt auf Kultur und Gesellschaft. • Sie lernen zunächst einige grundlegende Definitionsansätze kennen und konzentrieren sich hier auf das Fachgebiet Mediendesign. • Sie lernen im Überblick unterschiedliche Paradigmen im Design kennen und deren Auswirkungen auf das Designgeschehen. • Sie erkennen, dass Design sowohl rational wie emotional ausgerichtet sein kann. • Ihnen wird der Einfluss von Mikroelektronik und Digitalität auf das Design bewusst und in deren Folge sehen Sie die neue Aufgabe „Informationsdesign“. • Ihnen wird die Bedeutung von Designmanagement nahegebracht und welche ethische Verantwortung in Ihrem Schaffen als Designer liegt. • Anhand der Antworten auf die Frage „Was bewirkt Design?“ werden Ihnen die unterschiedlichen Nutzendimensionen von Design offensichtlich: Design als Gebrauchsfaktor, als Qualitätsfaktor, als Marketingfaktor, als Differenzierungsfaktor, als Kommunikationsfaktor. Dieses erweiterte Grundverständnis von Design sollten Sie in Erinnerung halten beim weiteren Durcharbeiten dieses Lernmoduls.
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Einleitung 1.0.2 Design, ein Modewort? Design, was ist das überhaupt? In welchen Zusammenhängen ist Ihnen der Begriff bisher begegnet? Was wissen Sie über Design? Was verstehen Sie unter Design? Versuchen Sie bitte einmal, den Begriff in zwei bis drei Sätzen schriftlich zu definieren.
Abb. 1.0.2a: Unsinniger Gebrauch des Designbegriffs (Foto: Hammer) Ob im „Designer-Outlet“ wohl die Designer zu bekommen sind?
Abb. 1.0.2b: Begriffsinflation Design (Foto: Hammer)
Wenn Sie mit offenen Augen durch eine deutsche Großstadt gehen, begegnet Ihnen der Begriff Design überall. Der Bäcker bietet jetzt „Brotdesign“, der Gastronom preist sein „Fooddesign“, der Frisör ist ein „Hairdesigner“, der Hundesalon ist mit „Petdesign“ überschrieben und das Kosmetikstudio wirbt mit „Fingernaildesign“. Im Kaufhaus gibt es „Designermode“, „Designerschuhe“, „Designermöbel“ und „Designerleuchten“. Und wem so viel Design nicht ausreicht, der greift zu „Designerdrogen“ und bekommt dann vielleicht „Designerbabies“. Eine wahre Inflation im Gebrauch des Wortes Design! (Abb. 1.0.2a) Allen Wortschöpfungen – und seien sie noch so skurril – ist gemeinsam, dass sie das Besondere bezeichnen. Sie werden eingesetzt, um sich vom Normalen abzuheben. Design wird als Mehrwert erkannt; meistens, um damit höhere Preise und somit bessere Margen durchzusetzen. In den aufgeführten Beispielen ist das allerdings oft nur Augenwischerei. Hier wird oft nur der Begriff Design als Aushängeschild bemüht, ohne dass der Kunde durch das Angebot wirklichen Mehrwert in Form einer Designerleistung erhält. Dadurch besteht die Gefahr der Schieflage des Designbegriffs, da vorwiegend exotische und nicht immer seriöse Angebote so bezeichnet werden. Design ist dann nur noch das Schrille, das Schräge und das etwas Teurere. Allzu leicht wird so wie im Bildbeispiel aus amerikanischen „Designer Düften“ (Designer Mists) deutsch gelesen nur „Designer Mist“! (Abb. 1.0.2b) Noch ein wenig verwirrender wird es, wenn man die inzwischen teilweise auch ins Deutsche übernommene Wortbedeutung von Design aus dem angloamerikanischen Sprachraum hinzunimmt. Hier wird jegliche Art von Entwurf und konstruktiver Entwicklung mit Design bezeichnet. Daraus übernommen finden wir auch bei uns z. B. Platinendesign, Verkehrsdesign oder Steuerungsdesign. Man spricht vom Design einer Versuchsreihe und vom Design einer Veröffentlichung oder eines Vertrages. Diese allgemeine Wortbedeutung von Design ist jedoch im Folgenden ausgenommen, da sie nicht Gegenstand der Profession Design ist. 1.0.3 Design ist Gestaltung Alle vorgenannten Wortkonstruktionen mit den Begriffen Design und Designer beschreiben eine besondere, sich vom Durchschnittlichen abhebende Ausführungsform eines Produktes bzw. die damit verbundene Gestalt gebende Dienstleistung.
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Einleitung
Was ist Design?
1
Mit Produkt ist hier der Gestaltungsgegenstand gemeint. Dabei kann es sich um eine gekonnte Fooddesign-Kreation, ein elegantes Kleidungsstück, einen raffinierten Haarschnitt, ein stylisches Handy oder einen ergonomisch funktional durchgestalteten Bürostuhl handeln. Es kann ein dreidimensionaler Gebrauchsgegenstand wie ein Staubsauger sein, ein zweidimensionaler Infofolder oder das Screendesign für ein Computerspiel. Alles ist gestaltbar, von der Praline über Kleidung, Haushaltsgeräte, Computer etc. bis zum Auto und zur Raumfähre. Alles ist Design. Dennoch wird hier und in der Profession Design in Abgrenzung zum Kunsthandwerk eine weitere Einschränkung vorgenommen, nämlich auf solche Produkte, die in serieller und industrieller Fertigung hergestellt werden. Das schließt andererseits nicht aus, dass kundenindividuell ausgerichtete Einzelstücke konfektioniert oder auch speziell gefertigt werden (customer tailored design), was heute dank computergestützter Fertigungstechnologie (z. B. Stereolithografie, CNC-Fräsen) nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch machbar ist. Bei der Zuordnung eines Produktes zu einem Designprodukt ist das Vorliegen einer gestalterisch kreativen Leistung, die industriell/ serielle Fertigung oder Verbreitung und die Ausrichtung auf einen zielgruppenspezifischen funktionalen Zweck entscheidend. 1.0.4 Definition Design Designer formulieren für sich den hohen Anspruch, „Produkte zu schaffen, die dem Menschen dienen, die ihm das Leben erleichtern und lebenswert machen und die mehr Lebensqualität durch die Gestaltung der materiellen und immateriellen Umwelt ermöglichen“. Das betrifft Produkte der Privatsphäre ebenso wie Produkte des Berufslebens und solche des öffentlichen Gebrauchs. Produkte sind dabei nicht nur im Sinne von Gebrauchsgegenständen und Maschinen zu verstehen, auch Informationsprodukte (z. B. Drucksachen und Internetauftritte) gehören ebenso dazu wie die Gestaltung von Textilien, Mode, Schmuck und Raumsituationen. Design erstreckt sich auf die Gestaltung aller Lebensbereiche. Unter Design versteht man die Gestaltung zwei- und dreidimensionaler Produkte unter besonderer Berücksichtigung der nutzerorientierten, d.h. der ergonomischen, kommunikativen und ästhetischen Belange einerseits und der technisch-konstruktiven, fertigungsbezogenen und betriebswirtschaftlichen Belange andererseits. Design bewegt sich somit seit jeher im Spannungsfeld der Ausrichtung auf die Interessen der Nutzer versus Ausrichtung auf die Interessen der Produzenten und Auftraggeber. In der Fachliteratur findet man zahlreiche Definitionen zum Begriff Design. Eine grundlegende Definition ist die des Designtheoretikers Bernd Löbach aus den 70er Jahren: „Design ist der Prozess der Anpassung gegenständlicher Umwelt an die physischen und psychischen Bedürfnisse der Menschen, der Gesellschaft.“ (Löbach 1976, Abb. 1.0.4a).
Literaturtipp zu Produktdesign: Bürdek, B. E.: Design: Geschichte, Theorie und Praxis, 1991 Hauffe, T.: Schnellkurs Design, 1992
Abb. 1.0.4a: Zitat Bernd Löbach (Quelle: Löbach 1976)
23
Einleitung Einerseits ist es Aufgabe des Designs, Produkte so zu gestalten, dass sie den gewünschten funktionalen Zweck für ihre Nutzer erfüllen und sich ihren physiologischen Gegebenheiten anpassen (dass ein Stuhl z. B. zum Sitzen geeignet ist), andererseits richtet Design seine (Form-)Botschaften an die Psyche und lässt Produkte emotional erlebbar werden (dass es z. B. wünschenswert ist, einen speziellen Stuhl zu besitzen). In zunehmendem Maße bleibt Design nicht allein auf die Gestaltung der materiellen Umwelt beschränkt, sondern schließt die der immateriellen Umwelt ein, seien es die virtuellen Medien, seien es Organisations- und Ablaufprozesse oder Verhaltensweisen. Denn auch diese manifestieren sich in wahrnehmbaren und damit gestaltbaren Erscheinungsformen. Design richtet sich an die Rationalität, indem es Funktionsweisen, Abläufe, Fertigungsprozesse, Handhabungseigenschaften, Umweltverträglichkeit etc. optimiert. Design richtet sich aber auch an die Emotionalität, indem es ästhetisches Wohlbefinden, soziale Zugehörigkeit oder Abgrenzung und kulturelle Fortentwicklung ermöglicht. Design ist nicht Produktgestaltung allein, wie es der Essener Designprofessor Stefan Lengyel brillant ausgedrückt hat: „Design beeinflusst das Produkt, Produkte beeinflussen die Formen des Gebrauchs, die Formen des Gebrauchs beeinflussen die zwischenmenschlichen Beziehungen. Design ist deshalb kein künstlerisches oder technisches, sondern ein soziokulturelles Phänomen“ (Lengyel 1972). 1.0.5 Design ist Kommunikation Gemeinhin wird Design als Kommunikationsprozess zwischen Designer und Nutzer gesehen. Als wichtige dritte Komponente ist der Auftraggeber aufzuführen. In diesem Spannungsfeld Auftraggeber – Designer – Nutzer kann es durchaus zu Interessenkonflikten kommen. Einerseits verstehen sich
AUFTRAGGEBER Ziele
Gestaltung Wiss. Hintergrund Management
DESIGNER
HANDLUNGSERGEBNIS
TEAM
Verhalten Kreative Umsetzung
Interaktion
ERSCHEINUNGSFORM
NUTZER
PRODUKT
Abb. 1.0.5a: Interaktion Auftraggeber – Designer – Nutzer (Grafik: Hammer)
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Verstehen
Infobedarf Intentionalität Involvement Vorwissen
Einleitung
Was ist Design?
1
Designer oft als „Anwalt des Verbrauchers“ und sind bemüht, eine für den Nutzer optimale Gestaltung zu erreichen. Andererseits sind sie ihren Auftraggebern und Geldgebern verpflichtet, deren Ziele vor allem auf Erwirtschaftung von Profiten ausgerichtet sind. Designentwicklungen laufen in diesem Spannungsfeld stets nach einem sehr ähnlichen Muster ab und werden durch mehrere Interaktionsprozesse bestimmt (Abb. 1.0.5 a): Ein Auftraggeber hat zunächst in seinen Zielen eine vage Vorstellung von einem Neuprodukt und formuliert seine Idee in einem ersten Briefing. Er engagiert geeignete Personen, u. a. Designer, zur weiteren Entwicklung dieser Idee. Diese bringen eigene Wissensbestandteile und ihren persönlichen kulturellen Hintergrund ein und arbeiten auf dieser erweiterten Basis die Idee zu einem Produkt aus. Dabei berücksichtigen sie die Kommunikationsprozesse zum Nutzer, wie sie in der Kauf- und späteren Nutzungssituation von Bedeutung sind. Diese bestimmen die Wahl einer für Nutzer geeigneten Formensprache. Entscheidend ist, ob die Kommunikation zwischen Käufer/Nutzer und dem Produkt funktioniert. Dies zeigt sich spätestens in der Kaufsituation durch Akzeptanz oder Ablehnung des Produktes. Im Handlungsergebnis des Kaufs ist das ursprüngliche Ziel des Auftraggebers erfüllt, was aus dessen Sicht ein Indiz für den Erfolg des Designs darstellt. 1.0.6 Der Designablauf Innerhalb der gesamten Aktivitäten für die Entwicklung eines neuen Produktes stellt sich der Designprozess als einer von zahlreichen Bestandteilen dar. Der Designprozess allein ist aber bereits so komplex, dass es sinnvoll ist, ihn in mehrere Arbeitsphasen zu untergliedern, weil diese im zeitlichen Projektablauf zu unterschiedlichen Terminen stattfinden und in ihren Teilaktivitäten zu planen sind. Man unterscheidet üblicherweise 4 Arbeitsphasen. Am Anfang steht zunächst eine Informations- und Analysephase, aus der eine überarbeitete Projektformulierung resultiert. Dem schließt sich eine Phase der Ideenfindung und Konzeptentwicklung an, gefolgt von der weiteren Konkretisierung im Vorentwurf. Eine endgültige gestalterische Definition erfolgt im eigentlichen Entwurf und wird als Designmuster oder Designprototyp präsentiert (Abb. 1.0.6a). Unter der Begrifflichkeit der „Realisierung“ ist hier die Umsetzung des Designs in den weiteren Bearbeitungsschritten einer Produktentwicklung in Fertigungsvorbereitung, Logistik und Serienfertigung zu verstehen. Dieser schließt sich eine weitergehende Phase der Designberatung an, weil hier mögliche Bearbeitungen erfolgen, die Rückwirkungen auf das Design haben oder gar Designänderungen erfordern. Designer sollten nach Fertigstellung des eigentlichen Designentwurfs nicht dem „throw over the wall“Prinzip folgen, sondern den weiteren Produktentstehungsprozess bis zur Markteinführung beratend begleiten, sonst erkennt man vielfach den verabschiedeten Designentwurf im Serienprodukt nicht mehr wieder.
25
Einleitung
Abb. 1.0.6a: Designablaufprozess (Grafik: Hammer)
Bearbeiten
Entscheidung vorbereiten
Entscheiden
Projektthema ProjektBriefing
Projektauftrag
-
Projektplanung
Präs. vorbereitung, Projektformulierung
Freigabe z. Vorentwurf
Präs.vorbereitung, Vorauswahl
Freigabe z. Ausarbeitung
Präs.vorbereitung, Vorauswahl
Freigabe des Designs
Präs.vorbereitung, Schutzrecht Anmeld.
Entscheidungsebene
Entscheidungsvorbereitungsebene
Bearbeitungsebene Informationen und Analysen
Konzeptentwicklung
Vorentwurf
Entwurfausarbeitung
Realisierung Designberatung
Der hier gezeigte Ablaufplan lehnt sich an das Modell der „AWProduktplanung“ an (Geyer 1987). Der Designprozess wird dabei auf drei Ebenen betrachtet: Mit seinen Entscheidungsschritten auf der Entscheidungsebene, mit den eigentlichen Bearbeitungsschritten auf der Bearbeitungsebene und, dazwischen geschaltet, mit Aktivitäten auf der Entscheidungsvorbereitungsebene. Ein Designprojekt durchläuft stets alle drei Ebenen. Die Entscheidungsschritte stellen Meilensteinentscheidungen dar und können bei Negativentscheid zum Abbruch des Projektes führen oder zu einer Neubearbeitung der vorausgegangenen Arbeitsschritte. 1.0.7 Designbereiche In der Ausbildung und in der Berufspraxis von Designern differenziert man Design herkömmlich nach den Betätigungsfeldern. Neben den Hauptgruppen Industrial Design (Produktdesign) und Kommunikationsdesign (Grafikdesign) existieren Textil- und Modedesign, Film- und Fotodesign, Schmuckdesign und Interiordesign. Bei der weiteren Feinunterteilung zeigt sich eine große Kreativität in den Begriffsschöpfungen mit Eventdesign, Systemdesign, Servicedesign, Keramikdesign, Automotivedesign, Transportdesign, Objektdesign, Editorialdesign etc. Im Bereich der digitalen Medien sind das Webdesign, Interfacedesign, Interaktionsdesign, Screendesign, Multimediadesign, CBT-Design etc. hinzugekommen. Viele der Begriffe lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen, oft existieren Übergangsbereiche, oder es bilden sich neue Schwerpunkte aus alten Disziplinen. Interfacedesign beispielsweise erfordert die analytische systemische Denkweise des Industrial Design ebenso wie die grafische Fähigkeit des Kommunikationsdesigns, in der Fläche zu gestalten. Design ist deshalb keine statische Disziplin, sondern verändert sich mit den Aufgaben, die sich aus dem technischen und soziokulturellen Fortschritt ergeben. 1.0.8 Mediendesign Eine gravierende Veränderung und Erweiterung im Aufgabengebiet des Designs hat sich durch die Mikroelektronik und die Digitalität
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Was ist Design?
Einleitung
1
vollzogen. Daraus entstanden ist das Fachgebiet Mediendesign. Es hat ein Paradigmenwechsel im Design stattgefunden. Die Gestaltung von Informationen, die Gestaltung von Beziehungen zwischen Mensch und Maschine hat Vorrang erhalten vor der Gestaltung von Hardwareprodukten. Mediendesign ist dabei ein enorm komplexes Aufgabengebiet und reicht von der Gestaltung von Hardwareinterfaces über Desktop Publishing, Webdesign und E-Learning bis zur Schaffung virtueller Welten. Vorrangig bezieht es sich auf die Informationsgestaltung in und für die elektronischen Medien (Abb. 1.0.8a).
Printgestaltung DTP
Websites
User Interfaces
E-Commerce
Hardware, POI, POS
OnlineDokumentation
MEDIEN DESIGN Software Tools, Application
Multimedia Video, Animation, Sound
E-Learning WBT, CBT
Abb. 1.0.8a: Tätigkeitsfelder im Mediendesign (Grafik: Hammer)
Folgende Definition von Mediendesign wird hier zugrunde gelegt: Mediendesign ist die computergestützte Gestaltung von Informationen in Digital- und Printmedien mit der Zielsetzung, das Informationsverständnis zu optimieren. Bei digitalen Medien betrifft dies die Gestaltung der kognitiv und emotional wahrnehmbaren medialen Schnittstellen in der Mensch-Computer-Kommunikation und der computergestützten Mensch-Mensch-Kommunikation. Worum geht es im Mediendesign? Es geht – wie auch im Kommunikations- und Produktdesign – darum, einen Kommunikationsprozess in Gang zu setzen, diesen bis zur Vermittlung der relevanten Information aufrechtzuerhalten und durch die Informationen eine gewünschte Handlung beim Adressaten der Information auszulösen. Dieser Prozess läuft in der Regel in mehreren Teilschritten ab: • Aufmerksamkeit wecken und halten (Farbe, Animation, Innovationsgrad etc.) • Atmosphäre schaffen, ins Thema einstimmen, Geschichten erzählen (Komposition, Bilder, Metaphern etc.) • Interessierende Information verfügbar machen (Ordnung, Strukturierung, Navigation etc.) • Verständlichkeit sicherstellen (natürliche Mappings, Kon-
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Paradigmen im Design vention, Konsistenz etc.) • Memorierbarkeit gewährleisten (Doppelcodierung, Redundanz etc.) • Aktionen auslösen (Suchergebnis, eKauf etc.) •
1.1 Paradigmen im Design
Abb. 1.1.1a: FS-Bürostuhl (Foto: Wilkhahn) Das Design von Objektmöbeln ist auch heute noch in besonderem Maße von Funktionalität und Ergonomie bestimmt.
1.1.1 Form follows function Dieser bekannte Leitsatz, den man Louis Sullivan aus der „Arts & Crafts“-Bewegung um 1886 zuschreibt, prägte das Design über viele Jahrzehnte. Er leitet den ersten Paradigmenwechsel im Design ein und ist als Auflehnung gegenüber der bis dahin vorherrschenden Ornamentik des Historismus zu verstehen. Jener Stil des frühen Industriezeitalters, der vom ornamentalen Gestalten des Handwerks und der Manufakturen geprägt war. Form follows function propagiert die Einheit von Form und Funktion und schafft Formen, die technisch, funktional und fertigungsbedingt begründet sind. Nicht gemeint, jedoch leider dahingehend oft fehlinterpretiert, ist damit ein zeitliches Hintereinander von Konstruktion (Funktion) und Design (Form). Unter der Bezeichnung „Funktionalismus“ erlebt diese Designauffassung ihre Höhepunkte in der Zeit des Bauhauses und in der Ära der Ulmer Hochschule für Gestaltung und der frühen Braun-Ära der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. In den 60er und 70er Jahren erfährt das Design zudem eine Verwissenschaftlichung; Planungswissenschaften, Semiotik und Ergonomie werden zu festen Größen im Designprozess und zu Messgrößen in der Beurteilung guten Designs. „Die gute Industrieform“, verstanden als optimale Ausrichtung eines Produktes auf Funktionalität, Ergonomie und fertigungsgerechte und später ökologisch orientierte Gestaltung, wird zur Messlatte des Designs. Die Designlandschaft wird dominiert von „Bestformen“ hinsichtlich ihrer Nutzerorientierung und ihrer Machbarkeitseigenschaften. Zugleich zeichnet sich eine Tendenz zu sachlicher Nüchternheit ab. Gutes Design hat etwas Bekehrendes und bleibt nicht unwidersprochen. 1.1.2 Form follows emotion Mit dem Aufkommen der Postmoderne und der Designrichtung Memphis in den 70er Jahren nehmen die Protesthaltungen gegen den Puritanismus der „guten Form“ Gestalt an. Es entsteht eine Gegenbewegung, die den Spaßeffekt und die Emotionalität vor oder zumindest neben den Funktionalismus stellt. Es findet ein zweiter Paradigmenwechsel im Design statt. Das Design wird bunter, schriller, provozierender, aber auch individueller und subtiler. Bewusst werden die Regeln der „guten Form“ gebrochen. Die so genannte „Neue Typografie“ der 90er Jahre setzt sich über jahrhundertealte Gesetzmäßigkeiten der typografischen Gestaltung hinweg und lässt Schriften kollidieren, erodieren und
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Paradigmen im Design
Was ist Design?
1
Abb. 1.1.2a: Designstudie Gelände-Funmobil (Design und Foto: Alex Dummler)
verfremdet sie bis zur Unkenntlichkeit. Sie bricht mit dem Sakrileg der guten Lesbarkeit und schafft gerade dadurch Aufmerksamkeit. Im Produktdesign entstehen Produkte ohne praktische Funktion, z. B. Stühle jenseits aller ergonomischen Erkenntnisse, die einzig und allein demonstrative Funktion haben. Stühle, auf denen man nicht sitzen kann, die man aber als Eigentum besitzen möchte und sei es nur, um dies Dritten gegenüber zu zeigen. Hier beginnt das Zeitalter der Mikroelektronik, in der die analoge Beziehung von Form und Funktion, die Evidenz von Ursache und Wirkung verloren geht. „Gestaltet werden“, wie der Designtheoretiker Norbert Bolz es ausdrückt, „nicht mehr Gebrauchsgegenstände, sondern Beziehungswelten. ... Emotional Design besorgt den Transfer der ‚zwischenmenschlichen’ Werte in die Digitalität. ... Die Form folgt dem Gefühl des Konsumenten, nicht der Funktion der Sache.“ (Bolz, 2006) 1.1.3 Form follows form Wie Bolz in seinem Buch „bang – Design-Manifest des 21. Jahrhunderts“ formuliert, stehen wir nach „form follows function“ und „form follows emotion“ vor einem erneuten Paradigmenwechsel im Design, hin zu einem evolutionsorientierten Design. Die automatische Selbstorganisation der Natur wird dabei zum Modell für Design; „form follows form“. Sein Akronym „bang-design“ steht für die Welt der Bits, Atome, Neuronen und Gene. Das Design der Zukunft betrifft demnach das Design der Nano-Interfaces, die Interfunktion mit Biosensoren im Körper, das Design von „Neuroprothesen“ als Schnittstellen zur humanen Kognitionsebene. Das bedeutet eine enorme Erweiterung des Designbegriffs und schließt das Tun vieler anderer Disziplinen ein. Aber auch die Designer im engeren Sinne sind gefordert, insbesondere als Wissensdesigner: „Ihre spezifische Dienstleistung ist das Info-Mapping, – sie wissen, wo das Wissen ist. ... Um Informationen intelligent zu
Literaturtipp: Bolz, N.: Bang design, 2006
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Die Profession Design
Literaturtipp: Romero-Tejedor, F.: Der denkende Designer, 2007
machen, braucht man eben Wissensdesigner.“ So fordert auch die Mediendesignerin Felicidad Romero-Tejedor für die neuen Aufgaben einen neuen, kognitiv orientierten Designertyp. „Die postindustrielle Gesellschaft erfordert einen neuen Designertyp: einen Designer, der nicht mehr nur in Formen für die Sinne denkt, sondern in komplexen Kontexten der Kognition – den «denkenden Designer». Dieser Paradigmenwechsel stellt in das Zentrum des Designs die Kognition statt der Ästhetik.“ Alles dies liegt nicht nur in der Zukunft; wir sind bereits auf dem Weg. Von „wearable computing“, „augmented reality“, Transponder-Technologie und RFID-Chips ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Design von unmittelbaren „human cognition interfaces“.
1.2 Die Profession Design 1.2.1 Ratio und Emotio im Design Das Ergebnis der heutigen Designertätigkeit zeigt sich vorrangig in den sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungsformen der Produkte. Beim Erfassen unserer Umwelt steht die visuelle Wahrnehmung unbestritten an erster Stelle. Deshalb hat die Form als sinnlich wahrnehmbare Produktinformation eine vorprägende Bedeutung, sie beeinflusst sowohl die emotionale Einstellung gegenüber einem Produkt als auch dessen praktische Nutzbarkeit. Design findet immer statt im Spannungsfeld zwischen rational orientierter und emotional orientierter Gestaltung. Je nach Produktgattung wird die eine oder andere Ausrichtung vorherrschen. Porzellan, Leuchten oder Möbel lassen der freien (künstlerischen) Gestaltung und somit dem Spielerischen und Emotionalen deutlich mehr Freiraum als das Design einer Schaltwarte, eines Flugzeugcockpits oder eines Werkzeuges (Abb. 1.2.1a). Emotional Design bei einem Feuerlöscher oder dem Interface für eine Raketenabschussrampe ist fehl am Platz. Selbst innerhalb einer einzigen Produktgattung spannt sich die Bandbreite von Ratio und Emotio in der Gestaltung (Abb. 1.2.1b). Softwaregestaltung für Spiele, für Malprogramme oder Webseiten für Filmdownloads wird bestimmt durch die Spaßkomponente und Werkzeuge
Livesaver
rationales Design
Steuerpulte
Autos
Software
Schmuck
Leuchten
emotionales Design Gefahrenprodukte
Abb. 1.2.1a: Ratio und Emotio in verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Designs (Grafik: Hammer)
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kollektive Nutzung
Investitionsgüter
Sitzmöbel
HaushaltsHi-Fi- Kasten- Porzellan geräte Produkte möbel Keramik
individuelle Nutzung
Was ist Design?
Die Profession Design
Programmierung
rationales Design
Labor
Steuerung
HomeUse Büro
CBT
POI/POS
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Spiele
Internet
emotionales Design
Abb. 1.2.1b: Ratio und Emotio innerhalb eines Tätigkeitsfeldes (Grafik: Hammer)
durch experimentelle Möglichkeiten. Software für Maschinensteuerungen, Überwachungssysteme, komplexe Internetwissensportale oder Lernsoftware bestechen dagegen durch ein Höchstmaß an gestalterischer Ordnung und Usabilty. Aber auch eine extatisch gestaltete Spieleoberfläche kommt nicht ohne die rationale Komponente eines übersichtlichen und selbsterklärenden Benutzerinterface aus. Umgekehrt braucht auch ein wissenschaftliches Internetportal ein emotional ansprechendes Design, um die Aufmerksamkeit der Nutzer zu wecken und zu halten. Die Kunst des Designs besteht darin, aufgabenspezifisch die richtige Mischung zwischen emotionaler und rationaler Gestaltung zu finden, die den Zugang zum Produkt und den Umgang mit dem Produkt positiv erlebbar macht. 1.2.2 Digitalität im Design Mikroelektronik und Digitalität haben zu einem Umdenken im Design geführt. Lange schon ist uns klar, dass der Mikroprozessor nicht mehr zur Formel „Form follows function“ passt. Die Anschaulichkeit analoger Prozesse, die direkte Beziehung von Form und Funktion ist heute abgelöst durch Blackboxes mit digitalen Readouts. Produktfunktionen und Bedienoperationen sind nicht mehr plausibel. Wo sich früher ein Wiegebalken bewegte oder beim Drehen des Senderknopfes ein Markierungsstrich verschob, erscheinen heute auf Knopfdruck nunmehr digitale Zahlenangaben auf einem LCD-Display. Der Designtheoretiker Horst Oehlke (HKD Halle) hat dies trefflich mit dem „Wegfall der vertrauten Formen“ beschrieben, der Designwissenschaftler Herrmann Sturm (Uni Essen) beklagt den „Verlust der Geländer der Ergonomie und Technik“. Das hat die Designer vor neue Aufgaben gestellt. Über die Produktsemantik neuer Prägung – wie sie seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in den USA ihren Ausgangspunkt fand – versuchen sie die anonyme Form der Mikroelektronik in bedeutungshaltige Formen zu kleiden. An den Platz der klassischen, Anthropometrie-bezogenen Ergonomie ist die kognitive Ergonomie getreten, das Design von Knöpfen und Schaltern ist dem Design von Electronic Interfaces und Screen-
Literaturtipp: Oehlke, H.: Produkterscheinung, Produktbild, Produktleitbild, 1986
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Die Profession Design design gewichen, die Trennung zwischen den Designdisziplinen Produkt- und Grafikdesign ist zu Gunsten des Informationsdesigns aufgehoben. Es geht nicht mehr vorrangig darum, Produkte zu gestalten, es geht um die Selbstoffenbarung der Produkte und Systeme, es geht um das intuitive Erfahren von Informationen. Das trifft besonders auf die schier unermessliche Informationsflut zu, wie sie über die neuen Kommunikationstechnologien auf uns einstürzt. Diese muss handhabbar gemacht werden. Hier geht es – wie es der Medientheoretiker Norbert Bolz bezeichnet – um das Wissensdesign. In seinem Buch „Das Ende der Gutenberg Galaxis“ macht er deutlich, dass die linearen Denkstrukturen abgelöst werden durch Hypertext und Hypermedia, durch multidimensionale Verknüpfungen. Designer werden „Wissensdesigner, Datennavigatoren, Trailblazer der Informationsgestaltung“.
Abb. 1.2.3a und b: Interfacedesign Hardware- und Webinterface zur Bedienung eines Leimauftragssystems (Design: hammer.runge, Foto: hhs baumer group)
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1.2.3 Informationsdesign Viele der uns umgebenden technischen Produkte und Produktsysteme sind heute komplexer und komplizierter geworden. Ihre Funktions- und Wirkpotenziale sind um ein Vielfaches gewachsen, so dass eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedien- und Gebrauchsprozessen immer aufwändiger, aber unerlässlich wird. Der amerikanische Psychologe D. A. Norman, einer der Pioniere der kognitiven Psychologie, bemerkt, dass eine Verdoppelung der Leistungsmerkmale eines Produktes zu einer Vervierfachung der Komplexität führt, d.h., dass die Anzahl der Leistungsmerkmale zur Komplexität im Quadratverhältnis steht (Norman, 1989). Der Anteil der bedienintensiven Produkte, die uns vor immer neue Verständnisprobleme stellen, nimmt ständig zu: Dies beginnt im Bereich „Homeautomation“ mit Schaltuhren, Zeitsteuerungen, Computern, Alarmsystemen und Warnmeldern, Fernbedienungen und Codiersystemen und erstreckt sich auf den professionellen und semiprofessionellen Bereich mit Point-of-Sales- und Point-of-
Die Profession Design
Was ist Design?
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Information-Systemen (Bankautomaten, Fahrkartenautomaten etc.), auf Bürokommunikation (Kopierer, Faxgeräte, Handys, PDAs etc.), auf Mess- und Regeltechnik (Maschinensteuerungen, medizinischtechnische Geräte) und viele weitere Bereiche. Viele Produkte weisen heute eine Bedienkomplexität auf, die kaum mehr beherrschbar ist. Wer ist nicht schon an der Programmierung von Videorecordern oder Telefonen verzweifelt? Man spricht vielfach von menschlichem Versagen, wenn man mit komplizierten Produkten und Systemen nicht zurechtkommt. Oft liegt die Ursache in der mangelhaften Bedienung eines Gerätes. Nach einer These von Norman sind mangelhafte Designerleistungen die Ursache für Bedienungsfehler. Die Designer sind nicht in der Lage gewesen, die komplex-komplizierten Bedien- und Gebrauchsprozesse dem Nutzer verständlich und damit zugänglich zu machen. Fast immer ist bei den genannten Produkten ein Einsatz elektronischer Bauteile und diesbezüglicher Bedien- und Ablesekomponenten gegeben. Die Benutzung der Produkte erfolgt zunehmend über Displays; Interfacedesign hat das Design von Stellteilen abgelöst. Noch offensichtlicher wird die Problematik bei der Nutzung der elektronischen Medien. Nur Produkte mit einem optimalen UsabilityKonzept haben langfristig eine Chance auf Akzeptanz, alles andere produziert Negativreaktionen der Nutzer (Abb. 1.2.3a). Designer als Mittler zwischen Produkt und Nutzer erheben den Anspruch, durch eine menschengerechte Gestaltung der Produktumwelt das Leben einfacher und angenehmer zu machen. Hier nimmt das Informationsdesign eine zentrale Rolle ein. Zwar sind Designer seit jeher mit dieser Aufgabe betraut, jedoch hat dies eine neue Dimension angenommen: Design ist ein Marktfaktor, ein Mittel zur Marken- und Produktpositionierung. Eben das realisiert sich heute in zunehmendem Maße über nutzerorientiertes, gebrauchsgerechtes Gestalten. Die Käufer sind diesbezüglich problembewusster; sie lassen sich kaum mehr allein durch eine ansprechende äußere Gestaltung zum Kauf verführen, sondern erwarten auch Bedien- und Gebrauchsqualität. 1.2.4 Designmanagement: Bedingung für Designerfolg Design ist heute ein selbstverständlicher Qualitäts- und Wettbewerbsfaktor von marktstrategischer und imagebildender Bedeutung. Design ist ein unverzichtbarer Wettbewerbsfaktor, um sich aus dem Einerlei der gleichartigen „Me-too“-Produkte abzuheben. Das trifft inzwischen auch für kleinere und mittelständische Unternehmen zu, vor allem für solche, die bisher nicht oder nur wenig mit Designern zusammengearbeitet haben. Daher ist Design für Unternehmen überlebensnotwendig. Design umfasst dabei nicht nur die Gestaltung, sondern auch die Planung, Organisation und Kontrolle der Gestaltungsprozesse insbesondere im Unternehmensbezug. Design wird deshalb unter dem Begriff „Designmanagement“ in zunehmendem Maße als feste Größe im Unternehmensmanage-
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Die Profession Design
Designmanagement als Führungsprinzip Führungsebene Innovationsmanagement
Corporate- KommunikationsDesignmanagement Management Strategische Ebene
DesignProjektmanagement
Abb. 1.2.4a: Die Ebenen des Designmanagements (Quelle: Hammer, 1992)
Literatur: Hammer, N.(Hg): Die stillen Designer, 1994
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DesignBüromanagement Operationale Ebene
ment verankert und zur „Chefsache“ deklariert bzw. in größeren Unternehmen oft in der Organisationsform eines „CorporateDesign-Direktors“ etabliert. Designmanagement wirkt auf unterschiedlichen Ebenen. Auf der operationalen Ebene betrifft es das Designprojektmanagement und Designbüromanagement, auf der strategischen Ebene das Innovations-, Corporate-Design- und Kommunikationsmanagement und auf der Führungsebene wirkt es normativ und ist Teil des Führungsstils (Abb. 1.2.4a). Im Designmanagement geht es darum, alle Designressourcen in einem Unternehmen synergetisch zu nutzen und Designaktivitäten in ihren ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Vernetzungen zu überblicken, zu steuern und zu überwachen. Nicht allein die Gestaltung einzelner Produkte oder Produktsysteme steht im Vordergrund des Interesses, sondern die Kommunikation der Marke(n) und der gesamten Unternehmensidentität. Designmanagement nimmt daher vermehrt Einfluss auf die Unternehmenskommunikation und die Unternehmenskultur. Im Zuge der europäischen Zertifizierungs- und Qualitätssicherungsbestrebungen muss das Designmanagement auch als eine obligatorische Funktion im Qualitätsmanagement gesehen werden. In zunehmendem Maße werden sich Unternehmen dieser imagebildenden, marktstrategischen und qualitätssichernden Wirkung von Designaktivitäten bewusst. Soll Design zum Erfolgsfaktor werden, setzt das den konsequenten, planvollen und strategisch orientierten Einsatz von Designressourcen voraus, ein Management des Designs. Längst ist Design nicht mehr die freie künstlerische Tätigkeit. Stattdessen ist es fest verzahnt mit anderen am Entwicklungsprozess beteiligten Disziplinen und ordnet sich diesbezüglich ins Produktmanagement ein. Designer haben sich vom freischaffenden Künstler zum Teamplayer gewandelt. Das erfordert geeignete Strukturen im Unternehmen, die das Design sinnvoll mit anderen Aktivitäten
Was bewirkt Design?
Was ist Design?
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vernetzen und ihm einen angemessenen Stellenwert einräumen. Das setzt jedoch immer voraus, dass im Topmanagement eine Sensibilisierung für das Design gegeben ist. Nicht zufällig lässt sich bei denjenigen Firmen, die herausragende Erfolge durch ihre Designaktivitäten erzielt haben, in der Person des Firmeneigners oder Geschäftsführers eine besonders ausgeprägte, ja oft leidenschaftliche Affinität zum Design feststellen. 1.2.5 Die Verantwortung der Designer Design hat – heute in zunehmendem Maße – vorausschauende Verantwortung. Design ist der Blick in die Zukunft. Designer sind die „Visionäre, die Philosophen des Unternehmens“, wie es der Renault-Designdirektor Patrick le Quément ausgedrückt hat (Le Quément, 1994). Designer verstehen sich selbst als Problemlöser und Vorausdenker. Sie entwickeln gestalterische Vorschläge für unsere heutige, aber auch unsere zukünftige Lebensform und Lebensumgebung. In ihrem Tun übernehmen Designer große ethische Verantwortung der Gesellschaft und der Umwelt gegenüber, sind sie doch, wenngleich nicht Entscheider, so doch Mitbeeinflusser, wenn es darum geht, ob unsinnige oder überflüssige Produkte entwickelt werden oder solche, die Aggression und Gewalt Vorschub leisten oder ökologisch bedenklich sind. Und gerade in den elektronischen Medien ist das Design nicht selten Mitverursacher für die Verherrlichung von Gewalt und die Erzeugung von Aggressivität. Auch das Thema Ökologie ist ein unabdingbarer Bestandteil der Designertätigkeit. Auch für technische Güter stellen sich die Fragen der Umweltverträglichkeit, des Recyclings und der Retroproduktion, die in der Gestaltung der Produkte umgesetzt werden und neue Verkaufsargumente liefern können. Warum noch Programmupdates per CD, wenn diese auch per Download verfügbar zu machen sind? Nicht zuletzt zeichnen die Designer verantwortlich, wenn die Nutzer durch die Komplexität der Produkte überfordert werden, oder wenn sie vor der Reizüberflutung der Medien kapitulieren. Die Rückbesinnung auf leisere Formsprachen, die Abkehr von der marktschreierischen Billigästhetik sind daher Anliegen des ethischen Selbstverständnisses des Designerberufs.
1.3 Was bewirkt Design? 1.3.1 Design optimiert den Produktgebrauch Designern obliegt es, Produkte so zu gestalten, dass sie das physische und psychische Wohlbefinden des Menschen befriedigen. Hiermit erfüllen sie eine Schnittstellenfunktion, sie sind Mittler zwischen Mensch und Maschine, stehen zwischen dem Produkt und dessen Käufer und Nutzer. Besonders im Bereich komplexerer Produkte mit immer komplizierter werdenden Bedienfunktionen fällt den Designern heute die
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Was bewirkt Design? Aufgabe als Mittler zwischen Produkt und Nutzer zu. Sie müssen die Funktionen der Geräte begreifbar machen, d. h. sie müssen Bediensachverhalte und funktionale Zusammenhänge durch die Gestaltung sichtbar machen. Das wird umso schwieriger, als durch den Einsatz der Mikroelektronik heute viele der vertrauten Bedien- und Funktionselemente, bei denen die Wirkweise noch durch leicht erfassbare mechanische Zusammenhänge ersichtlich war, völlig verschwinden und durch elektronische Schaltkreise und Sensoren ersetzt werden. Hier sind die Designer gefordert, sinnfällig zu gestalten und gebrauchsfunktionale Sachverhalte durch eine geeignete Formensprache (Produktsemantik) verständlich zu machen. Komplex-komplizierte Sachverhalte begreifbar und somit nutzbar zu machen, ist heute ein Hauptanliegen der Designertätigkeit in seiner Mittlerrolle zum Konsumenten. Diese Auseinandersetzung mit der Gebrauchstauglichkeit und Bedienbarkeit der Produkte und der Vermittlung von Informationen z. B. auf Webseiten, das „human-“ oder „user-interface-design“, erfordert ein „intelligent design“. 1.3.2 Design macht Produktqualität sichtbar Der Designerberuf steht seit jeher in einem Interessenkonflikt. Einerseits wird der Designer als „Anwalt des Verbrauchers“ gesehen, andererseits als „Hure der Wirtschaft“. Unbestreitbar ist es ein wesentliches Merkmal professioneller Designertätigkeit, im Auftrag und zum Nutzen der Industrie zu arbeiten. So sind Designer denn auch gefordert, Produkte begehrenswert und verkaufbar zu machen und ihre Wertigkeit zu vermitteln. Produkte müssen ihre inhärenten Werte in den Erscheinungsformen sichtbar werden lassen. Das Design muss bereits vor dem Gebrauch am Point of Sales (POS) eine qualitative Aussage über das Produkt vermitteln. Neben der oben erwähnten Verdeutlichung der funktionalen und bedienbezogenen Aspekte geht es u. a. um den Ausdruck der Fertigungsqualität, der Materialqualität und der Servicefreundlichkeit. Üblicherweise arbeiten Designer (seien sie im Angestelltenverhältnis oder als Freiberufler tätig) in enger Kooperation mit den innerbetrieblichen Fachexperten aus Marketing, Konstruktion und Fertigung. Dabei wird ihnen selbstverständlich auch abverlangt, konstruktions-, fertigungs- und materialgerecht unter wertanalytischen Gesichtspunkten zu arbeiten. Gutes Design hilft somit, Kosten zu sparen und Preis-Leistungs-gerechte Produkte zu entwickeln. 1.3.3 Design ist ein Differenzierungsfaktor Einen besonderen Stellenwert nimmt Design im Sinne eines Differenzierungsfaktors ein. Vor allem im Produktbereich der technischen Konsumgüter finden wir heute ein fast unüberschaubares Angebot annähernd gleichwertiger Produkte. Alle erfüllen ein ausreichendes technisches Qualitätsniveau und weisen ähnliche technische Ausstattungen auf; es herrscht eine relative Uniformität
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Was bewirkt Design? des Angebotes. Vielfach sind Produkte unterschiedlicher Hersteller als „OEM-Produkte“ (Original Equipment Manufacturing) in den technischen Basiskomponenten sogar identisch. Differenzierungen über technisch-funktionale Merkmale sind immer seltener gegeben. Es kommt hinzu, dass bei einem Großteil der technischen Konsumgüter heute die einwandfreie technische Funktion als selbstverständlich vorausgesetzt wird und somit Technik für den Käufer ohne weiteres Interesse bleibt, vor allem bei „Low-Interest-Produkten“, den niedrigpreisigen Mitnahmeprodukten. Technik ist hier kein ausschlaggebendes Kaufkriterium mehr, stattdessen richtet sich die Aufmerksamkeit auf andere Parameter wie Form und Preis. Aber auch die Differenzierung über den Preis greift kaum mehr, denn aufgrund der o. a. Tatsache der technisch vergleichbaren Ausstattung und dem Faktum, dass viele Produkte von den Unternehmen unter gleichen Produktionsbedingungen hergestellt oder als Handelsware zu ähnlichen preislichen Bedingungen eingekauft werden, entfällt auch eine deutliche und argumentierbare Unterscheidung über den Preis. Bleibt also die Differenzierung über das Design, etwa in dem oben genannten Sinne einer bedienungsbezogenen Optimierung oder im Sinne einer zielgruppenspezifischen Anmutungsgestaltung. Diese Unterscheidungen, die ja über das Äußere des Produktes, über dessen sinnlich wahrnehmbare Erscheinungsform vermittelt werden, sind direkt und ohne Erklärung wirksam. Gut gestaltete Produkte erfordern daher einen geringeren Beratungsaufwand am POS; sie fallen auf und erregen Aufmerksamkeit und offenbaren ihre Werte selbsterklärend. Gleiches gilt für Unternehmensdarstellungen in den elektronischen Medien. Meist sind die Inhalte von Unternehmenswebsites weitgehend vergleichbar mit denen der Wettbewerber, bleibt als Differenzierungsfaktor also nur die Überzeugungskraft des Webdesigns. Hier ein glaubwürdiges Positivimage zu vermitteln ist die Aufgabe von Mediendesignern. Optimierte Zugänglichkeit durch Benutzerfreundlichkeit ist dabei ebenso gefragt wie die Fesselung der Aufmerksamkeit durch Animationen oder andere Zusatzangebote. Fast immer manifestiert sich gute Gestaltung in Designauszeichnungen deutscher und internationaler Designinstitute, wie z. B. vom International Forum Design Hannover oder vom Design Zentrum Nordrhein Westfalen. Auch dies stellt für den Handel eine Chance dar, sich dieser Auszeichnungen zu bedienen, um das eigene Angebot zu qualifizieren.
Was ist Design?
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Abb. 1.3.3a: Begehrte Designauszeichnungen Bundespreis Gute Form, Red Dot (Design Zentrum NRW), Design Award Design Center Stuttgart, IF (International Forum Design Hannover)
1.3.4 Design schafft Zielgruppenbezug Die Zeiten der Designpioniere, in denen es darum ging, technische, nackte Ingenieurprodukte menschengerecht, ergonomisch und angenehm zu gestalten, sind lange vorbei. Fast alle Produkte des Konsumgüterbereichs und alle werblichen Kommunikationsmittel sind heute durchweg ordentlich gestaltet; in der Regel haben Desi-
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Was bewirkt Design?
Literatur: Kroeber-Riel, W.: Konsumentenverhalten, 1984
gner mitgewirkt. Es hat ein Reifeprozess stattgefunden hinsichtlich der ergonomischen und fertigungsökonomischen Faktoren, der zu Bestformen geführt hat, denen sich konsequenterweise alle Anbieter annähern. Vermehrt rücken daher zur Differenzierungsabsicht die über das eigentliche Produkt hinausweisenden Werte in den Mittelpunkt des Designinteresses, z. B. die psychologischen Faktoren. Bereits 1984 prägte der Wirtschaftswissenschaftler Kroeber-Riel den Begriff der „emotionalen Produktdifferenzierung“ (Kroeber-Riel, 1984). Heute ist die psychologische Komponente des Designs als Mittel zur zielgruppenspezifischen Differenzierung selbstverständlich. Gestaltung muss ausgerichtet sein auf die angesteuerten Marktsegmente bzw. die anvisierten Zielgruppen. Wer würde bezweifeln, dass ein Rentnerehepaar über ein anderes Design anzusprechen ist als ein 25-jähriger Yuppie? Zunehmend werden Produkte nach persönlichem Gefallen oder Nicht-Gefallen gekauft, nachdem die technisch qualitativen Merkmale bzw. die sachlichen Inhalte zweitrangig – da ohnehin im Wettbewerbsvergleich identisch – geworden sind. Und eben dies erfordert die individuelle Identifikationsmöglichkeit mit dem Produkt; es muss dem persönlichen Stil und Lifestyle entsprechen. Produkte sollen sportlich, jugendlich, kosmetisch, dynamisch, extravagant, ökologisch oder alternativ aussehen. Hier ist anzumerken, dass viele Produkte als Kommunikationsobjekte in intersubjektiven Beziehungen wirken. Sie dienen der Selbstdarstellung des Besitzers und demonstrieren dessen tatsächliche oder angestrebte Werthaltung, Typ und Stil. Für Unternehmen ist von Interesse, Designprodukte in zielgruppenspezifischer Differenzierung anzubieten, sinnvollerweise in einer zielgruppengerecht gestalteten Verkaufsumgebung. Auch die narrative Funktion des Designs, nämlich über das Produkt und seine Nutzer Geschichten zu erzählen, wird zunehmend eingesetzt, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen. 1.3.5 Design vermittelt Unternehmensidentität Zu den psychologischen Faktoren zählt auch die Vermittlung von Unternehmens- und Markenidentität. Bekanntlich reicht es nicht aus, das Firmen- oder Markenlogo auf das Produkt aufzudrucken, stattdessen ist der stimmige Gesamtauftritt ausschlaggebend. Dieser sollte alle Formen der Unternehmenskommunikation umschließen, angefangen vom Auftritt in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit über alle Verkaufsförderungsmaßnahmen bis hin zum eigentlichen Produkt, das meist zum Prüfstein der zuvor aufgestellten Ansprüche wird. Erweitern wir also den engeren Bereich der zwei- und dreidimensionalen Produktgestaltung und sehen wir Design als ganzheitliche Disziplin des „Corporate-Designs“. Gerade angesichts der beschriebenen Produktuniformität gewinnt die Firmen- und Markenkommunikation an Bedeutung, kommt ihr doch die Aufgabe zu, dort, wo die Differenzierung über das Produkt zu schwach ist, Abgrenzungen im Wettbewerb vorzuneh-
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Was bewirkt Design?
Was ist Design?
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men. Nicht allein das Produktdesign des einzelnen Produktes ist gefragt, sondern das Gesamterscheinungsbild des Unternehmens, um Ansprüche wie Kompetenz, Sicherheit, technische Qualität, Designavantgarde, Ökologieorientiertheit oder Kulturengagement zu vertreten und damit die Produkte zu positionieren. Hier kommt heute mehr denn je das Design in den elektronischen Medien als Imagebuilder zum Zuge. 1.3.6 Nutzen von Design In vielen Industriebereichen liegen die angebotenen Produkte technisch-funktional sowie preislich auf ähnlichem Niveau. Die einzige Differenzierung aus dem Einerlei der „Me-Too“- und der „OEM“-Produkte führt über das Design. Designer geben dem Produkt Ausstrahlung und Charakter. Sie gewährleisten die Markenkommunikation und prägen das Image eines Unternehmens in der Öffentlichkeit. Designer setzen Ideen in reale Produkte um, lassen mentale Sachverhalte wie Leistungsstärke, Solidität, Hochwertigkeit und Modernität schon in der Kaufsituation sichtbar werden. Designer schaffen den Zielgruppenbezug, indem Produkte als jugendlich, Hightech-bezogen, natürlich oder elitär gestaltet werden. Über das Produktdesign hinaus kommt heute der Kommunikation der Produkt- und Unternehmensqualität besondere Bedeutung zu. Durch ein stimmiges Corporate-Design im Einklang mit einem umfassenden Verständnis von Corporate Identity manifestiert sich ein kundenorientiertes Verhalten und schafft Anerkennung und Vertrauen beim Kunden. Auch hier helfen Designer, beispielsweise den Auftritt eines Unternehmens im World Wide Web professionell in Szene zu setzen. Design ist also ein Wirtschaftsfaktor, Design nutzt dem Unternehmer. Designer helfen aber auch, Produkte in der Gebrauchsqualität hervorzuheben, etwa durch eine leicht verständliche Bedienerführung. Gut gestaltete Produkte lassen ihre Vorzüge bereits in der Gestaltung sichtbar werden. Funktional und ergonomisch gut gestaltete Produkte schaffen Zufriedenheit beim Nutzer. Design ist demnach ein Gebrauchsfaktor, Design nutzt dem Verbraucher. Designer setzen sich mit den ökologischen Fragestellungen unserer Zeit auseinander und sind sensibilisiert für den Einsatz umweltverträglicher Materialien und für die Retroproduktion. Designer übernehmen ethische Verantwortung für ihr Tun und stellen die Sinnfrage bei den Produkten, die sie entwerfen. Durch ihre Arbeit sind sie direkt beteiligt bei den Entscheidungen über Rohstoffverbrauch, Arbeitsbedingungen, Recycling etc. und bestimmen die physischen und psychischen Auswirkungen ihrer Produkte auf die Gesellschaft. Design ist demnach ein Umweltfaktor, Design nutzt der Gesellschaft. Die ureigene Designerleistung liegt jedoch in der Fähigkeit des Visionären, im Vorausdenken der Produktwirkungen, der produktions- und distributionsbezogenen Faktoren bis hin zu den soziokulturellen Dimensionen des Gebrauchs und den ökologischen
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Resümee Auswirkungen im und nach dem Gebrauch. Dies bereits in der Entwicklungsphase im Netzwerk der Zusammenhänge zu erkennen und gestalterisch umzusetzen ist eine evolutionäre Aufgabe. Designer bilden somit die Brücke zwischen Produktion und Konsumtion, sie sind unverzichtbare Mittler der Kommunikation zwischen Produzent und Konsument. Sie machen Produkte menschlicher, benutzerfreundlicher, begehrlicher und umweltverträglicher und dadurch unsere Welt ein Stück weit lebenswerter.
1.4 Resümee 1.4.1 Was Sie gelernt haben Das Kapitel 1 „Was ist Design?“ hat Ihnen ein erweitertes Verständnis des Designbegriffs vermittelt. Sie haben grundlegende Definitionen zu Design und die unterschiedlichen Arbeitsfelder der Designertätigkeit kennen gelernt. Sie kennen die drei Paradigmensprünge in der Designgeschichte und wissen, dass Digitalität und Informationsgestaltung zu neuen inhaltlichen Ausrichtungen im Design geführt haben. Ihnen ist bewusst, dass Design immer bestimmt wird von Ratio und Emotio. Sie können begründen, warum für den unternehmerischen Designerfolg ein ganzheitlicher Einsatz von Design und ein konsequentes Designmanagement erforderlich sind. Sie kennen die wesentlichen Wirkungen von Design als Gebrauchswertfaktor, Differenzierungsfaktor und Imagefaktor und haben erfahren, dass Designer sowohl im Interesse der Nutzer als auch der Produzenten und im weiteren Sinne in der Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt arbeiten. Dieses Verständnis von Design wird Sie für die eigene Gestaltungstätigkeit sensibilisieren. Es soll Sie anregen, Ihr eigenes gestalterisches Schaffen stets kritisch zu hinterfragen. 1.4.2 Der besondere Tipp: Wissensvorrat erweitern Designideen entstehen nicht aus dem Nichts. Man ist umso kreativer, je größer der eigene Wissensvorrat ist. Gehen Sie deshalb aufmerksam durch die Welt. So gewinnen Sie Seherfahrungen, auf die Sie bei zukünftigen Konzepten zurückgreifen können. Denn visuelle Kreativität ist im Wesentlichen eine Neuorganisation vorhandenen Wissens und vorhandener Seherfahrungen. Registrieren Sie interessante Gestaltung bewusst. Halten Sie das fotografisch fest und stellen Sie eine Sammlung guter Gestaltungsbeispiele für Ihren Tätigkeitsbereich zusammen. Aktualisieren Sie Ihr Wissen durch das Lesen von Fachzeitschriften und –büchern, besuchen Sie Messen und nutzen Sie Internetforen und -tutorials. Sich von guten anderen Gestaltungsvorbildern anregen zu lassen, ist kein „Ideenklau“, sondern erweitert den Geist. Es versteht sich von selbst und entspricht Ihrem Berufsethos, dass Sie andere Ideen nicht unverändert übernehmen.
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Einführung Layout Einführung Layout
Marie von Ebner-Eschenbach 2
2
Abb. 2a: Zitat Marie von Ebner-Eschenbach (Grafik: Hammer)
Einführung Layout
2.0 Einleitung 2.0.1 Lernziele Das Kapitel „Einführung Layout“ zeigt auf, dass gestalterische Komposition ein Streben nach Harmonie und Spannung ist und macht am Beispiel einer Websitegestaltung deutlich, dass Design nicht willkürlich ist. • Erkennen Sie in dieser Einführung den hohen Stellenwert, den die Layoutphase innerhalb des Gestaltungsprozesses einnimmt. • Sehen Sie Layout als Kommunikationsmittel, um Ihre Ideen zu verkaufen. • Erkennen Sie die Wichtigkeit, wahrnehmungstheoretisches und kompositorisches Grundlagenwissen zu erwerben, um Gestaltung richtig sehen und anderen gegenüber argumentieren zu können. 2.0.2 Gestaltung ist Komposition Gestaltung im Mediendesign ist das Komponieren einer Erscheinungsform. Ziel ist es, die jeweiligen Gestaltungselemente in eine bestimmte wirkungsvolle Anordnung zu bringen. Durch sinnvolles Ordnen und Positionieren bilden sich Zentren, die den Blick auf sich ziehen, es entstehen Wahrnehmungseindrücke wie Ordnung, Spannung oder Harmonie (Abb. 2.0.2a). In der Regel geht es darum, mit dieser Erscheinungsform eine Botschaft zu transportieren. Entsprechend müssen die dafür am besten geeigneten formalen Interpretationen gefunden werden.
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Gestaltungsmittel Layout
Abb. 2.0.2a: Kompositionsvarianten (Grafik: Hammer) Aus einer gegebenen Anzahl von kleinen Quadraten, die in einem quadratischen Format angeordnet werden, entstehen durch verschiedenartige Anordnungen unterschiedliche Gestaltungsergebnisse und damit unterschiedliche Wirkungen.
Am Anfang jeder Gestaltung im Mediendesign steht daher das kompositorische Layout. Wichtige Grundlagen des dazu erforderlichen kompositorischen Gestaltens resultieren aus den Gesetzmäßigkeiten des Wahrnehmungsprozesses und aus grundlegenden kompositorischen Erkenntnissen.
2.1 Gestaltungsmittel Layout Link: Praxisbeispiel www.hammer.infomatik.fh-gelsenkirchen.de
Abb. 2.1.1a: Scribble für Website (Grafik: Hammer)
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2.1.1 Ideen visualisieren Wenn Designer eine Idee für die Umsetzung einer gestalterischen Aufgabenstellung entwickeln, so existiert diese zunächst als individuelle geistige Vorstellung, als mentales Modell. Um dieses Modell anderen, insbesondere den Auftraggebern, mitzuteilen, ist der am besten geeignete Weg, die Gestaltung zu visualisieren. Eine solche Vorwegnahme des späteren Erscheinungsbildes einer umgesetzten Idee für ein Plakat, einen Katalog, eine Website etc. bezeichnet man als Layout. In der Ausführungsform lassen sich dabei unterschiedliche Konkretisierungsgrade und unterschiedliche Techniken differenzieren, die von schnellen einfachen Skizzen (Scribble, Rough) bis hin zur realistischen Simulation des Produktionsergebnisses (Rendering, CAD-Simulation) reichen.
Gestaltungsmittel Layout
Einführung Layout
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Abb. 2.1.1b: Umgesetzte Website (www.hammer.infomatik.fh-gelsenkirchen.de)
Das Beispiel (Abb. 2.1.1a) zeigt die grobe Entwurfskizze und die umgesetzte Website (Abb. 2.1.1b) des Labors für Mediendesign 2.1.2 Ordnung schaffen Das Layout dient dem Designer dazu, die jeweiligen Gestaltungselemente eines Entwurfes in eine gestalterische Ordnung zu bringen. Zu diesem Zweck wird in der Regel ein so genanntes Layoutraster entwickelt, in welches Bilder, Headlines, Lauftexte etc. eingepasst werden (Abb. 2.1.2a). Layoutraster sind bei umfassenderen, mehrseitigen Produktionen ein Muss, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erreichen, welches den Nutzern die Orientierung auf den Seiten erleichtert und die Zusammengehörigkeit der einzelnen Seiten deutlich macht. Es hat zudem die Aufgabe, Corporate-Design-Elemente, d. h. Gestaltungselemente, die den Unternehmensbezug visualisieren, in konsistenter, wiedererkennbarer Weise zu platzieren.
Abb. 2.1.2a: Layoutraster (Grafik: Hammer)
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Gestaltung beurteilen Gute Raster zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Gestaltung nicht korsettartig einzwängen, sondern kreative Spielräume für Variationen lassen und trotzdem eine verbindende optische Klammer bilden.
2.2 Gestaltung beurteilen 2.2.1 Gestaltung sehen Im Layout wird die elementare gestalterische Komposition angelegt, die die Verteilung von Form und Freifläche und damit die grundlegende Kräfteverteilung der Gestaltungselemente bestimmt. Dies ist entscheidend dafür, ob eine Komposition z. B. als harmonisch, dynamisch oder als langweilig empfunden wird. Sobald man erste Formen auf einen Skizzenblock zeichnet, bemerkt man, dass nicht allein die Formen gestaltet werden, sondern dass auch das Umfeld um die Formen in den Gestaltungsprozess einbezogen wird. Das wird beeinflusst vom gewählten Format, also der Umgrenzung der zur Verfügung stehenden Gestaltungsfläche, die in ihrer Größe, ihren Seitenproportionen und ihrer Ausrichtung differieren kann. Im Beispiel der Website wäre diese bei einer Vergrößerung des Browserfensters variabel und würde zu einem veränderten Layout führen. Aus diesem Grunde wird die eigentliche weiße Gestaltungs-
Abb. 2.2.1a: Gestaltung als Gesamtkomposition Varianten in der Definition der Gestaltungsfläche (Entwürfe: Hammer)
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Gestaltung beurteilen
Einführung Layout
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fläche hier seitlich eingegrenzt. Bei Skalierungen vergrößert sich alles proportional (Abb. 2.2.1a). 2.2.2 Gestaltung argumentieren Das Layout dient im Gestaltungsprozess der Entscheidungsfindung zwischen unterschiedlichen Ideen. Der Layoutprozess ist deshalb von hohem Stellenwert, weil hier in hohem Maße gestalterische Sensibilität entwickelt wird. Hierbei geht es nicht um eine Entscheidung zwischen Gefallen und Nichtgefallen, vielmehr lässt sich Gestaltung an den essenziellen Merkmalen messen, nämlich anhand objektivierbarer Gestaltungsqualitäten. Diese orientieren sich u. a. an den Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung und solchen des elementaren Gestaltens. Zur Begründung von Gestaltung werden deshalb neben den ureigenen gestalterischen Beurteilungskriterien wie Harmonie, Ordnung, Dynamik etc. auch die Wissensgebiete der Gestaltpsychologie, der Kognitionspsychologie, der Farbpsychologie, der Ergonomie und der Semiotik herangezogen. Beispielsweise ist stets die Farbauswahl zu begründen (Abb. 2.2.2a). Hier geht es nicht um persönliche Vorlieben, sondern um sachlich fundierte Entscheidungen. Im Beispiel der Website fiel die Entscheidung zu Gunsten von Anthrazitgrau und wenig Orange zur Akzentuierung, weil die auf der Seite abgebildeten Gestaltungsbeispiele selbst unterschiedlichste Farben aufweisen können und deshalb eher ein neutrales Umfeld benötigen.
Abb. 2.2.2a: Farbvarianten (Entwürfe: Hammer)
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Wahrnehmung Wahrnehmung
3
Paul Klee 3
Bild 3a: Zitat Paul Klee (Grafik: Hammer)
Wahrnehmung
3.0 Einleitung 3.0.1 Lernziele Das Ziel des Kapitels „Wahrnehmung“ besteht darin, wesentliche Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung, vor allem der Gestaltpsychologie, zu vermitteln, da diese Kenntnisse nützlich sind, um bestimmte Wahrnehmungswirkungen im Gestaltungsprozess gezielt zu beeinflussen und die auftretenden Effekte zu begründen. Sie lernen in diesem Kapitel: • Polarität und Bedingtheit von Figur und Grund • Gestaltgesetze im Anwendungsbezug • Bedeutung der Prägnanztendenz • Anwendungsmöglichkeiten für virtuelle Figuren • Gestaltungsbeeinflussung durch optische Täuschungen • Indikatoren der Raumwahrnehmung • Gestalterische Mittel zur Erzeugung räumlicher Eindrücke • Konstanzgesetze Überprüfen Sie Ihr Wissen nach Durcharbeiten dieses Kapitels mittels des selbst evaluierbaren Quiz. Anhand einfacher Übungen mit den grundlegenden Gestaltungselementen können Sie die in diesem Kapitel dargelegten Wahrnehmungswirkungen gestalterischer Kompositionsvarianten erproben und auf diese Weise Ihren gestalterischen Blick schulen.
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Gestaltgesetze 3.0.2 Physikalische und phänomenale Welt Im Dasein des Menschen spielen Orientierung und Kommunikation eine wesentliche Rolle. Bei beiden nimmt der Gesichtssinn, die visuelle Wahrnehmung, einen hohen Stellenwert ein. So ist es nicht verwunderlich, dass seit Jahrhunderten in der Wahrnehmungsforschung die visuelle Wahrnehmung ein zentraler Untersuchungsgegenstand ist. Die Wahrnehmungsforschung untersucht dabei einerseits Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf die Wahrnehmung der realen, dreidimensionalen Umwelt, andererseits auch in Bezug auf die Wahrnehmung zweidimensionaler Wahrnehmungsobjekte. In letzteren wird oft durch geeignete gestalterische Maßnahmen die Illusionen von Räumlichkeit vermittelt. Bekanntlich ist die uns umgebende physikalische Welt nicht im 1:1-Verhältnis identisch mit einer aus der Reizaufnahme und der weiteren Informationsverarbeitung resultierenden phänomenalen Welt. Letztere stellt unsere personenindividuelle Welt dar, an deren Entstehen Einflüsse des visuellen Kontextes, der Reizkonstellationen, der personenindividuellen Vorbildung, Stimmungen, Intentionalität etc. beteiligt sind. Die neurophysiologischen Bedingungen der Informationsaufnahme sowie die vielfältigen kognitionspsychologischen Theorien zur weiteren Informationsverarbeitung werden hier nicht erörtert, da sie den Rahmen eines Gestaltungskurses weit überschreiten würden.
3.1 Gestaltgesetze 3.1.1
Figur und Grund
Die Frage nach Form oder Fläche ist in der Gestalt- und Ganzheitspsychologie ein elementares Untersuchungsthema unter der Begrifflichkeit der Figur-Grund-Beziehung (Abb.3.1.1a). Stets treten die dargestellte Form und die Freifläche des Formates in eine gestalterische Beziehung. Je nach Ausführungsform kann es dabei zu uneindeutigen Zuordnungen von Form und Fläche oder sogar zur Umkehrung des Wahrnehmungseindrucks kommen.
Abb. 3.1.1a: Figur und Grund (Grafik: Hammer) Hier ist ein Format zur Hälfte mit einem weißen, zur anderen Hälfte mit einem schwarzen Rechteck gefüllt. Welches Rechteck ist die Form (Figur), welches ist die Fläche (Grund)?
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Wahrnehmung
Gestaltgesetze
3
Der dänische Psychologe Edgar John Rubin (1886-1951) formulierte 1921 drei Erkenntnisse zur Figur-Grund-Unterscheidung: • Die Figur ist begrenzt und erscheint dabei geformt, der Grund ist unbegrenzt und erscheint daher ungeformt. • Die Figur erscheint fest und hat Gegenstandscharakter, der Grund erscheint locker und unbestimmt. • Die Figur ist hervortretend und auffallend, der Grund eher zurückweichend und unscheinbar. Figuren besitzen deshalb „Gestalt“. Bekanntestes Beispiel dieser Auseinandersetzung ist der Rubin’ sche Becher, bei dem je nach Konzentration auf die weiße oder die schwarze Form eine Vase (Becher) oder zwei Gesichter erkannt werden (Abb. 3.1.1b).
Abb. 3.1.1b: Rubin’ scher Becher (Grafik: Hammer nach Rubin) Der Hintergrund sollte neutral grau sein,, da bei weißem oder schwarzen Hintergrund die überwiegende Farbe bevorzugt als Grundfläche wahrgenommen wird.
Dieses Phänomen der Indifferenz zwischen Form und Fläche ist besonders stark bei gleichwertiger Verteilung von Schwarz und Weiß, wie z. B. beim so genannten Malteser Kreuz (Abb. 3.1.1c). Das Auge kann nicht eindeutig die Form vor der Fläche identifizieren, sondern springt zwischen Fläche und Form. Bevorzugt werden jedoch diejenigen Elemente als Form wahrgenommen, die sich in horizontaler und vertikaler Ausrichtung befinden. Man spricht bezeichnenderweise deshalb auch von Kippfiguren oder Vexierbildern. Eine Gleichverteilung von Form und Fläche ist jedoch nicht zwingend erforderlich, um solche Kippeffekte auszulösen.
Abb. 3.1.1c: Malteser Kreuz (Grafik: Hammer)
3.1.2 Gesetz der Nähe Eines der wichtigsten Gestaltgesetze, das in der Gestaltungspraxis von Bedeutung ist, ist das Gesetz der Nähe. Es besagt: Kommen in einer Szene mehrere gleichartige Formen vor, so werden diejenigen, die näher zueinander gelegen sind, als Einheit wahrgenommen, die weiter entfernt gelegenen jedoch nicht. Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag
A
Samstag Sonntag
Die lateinischen Lettern stehen entsprechend der Leserichtung horizontal näher als vertikal.
Abb. 3.1.2a: Gruppenbildung durch Nähe (Grafik: Hammer) Nahe beieinander stehende grafische Elemente werden als Gruppe gesehen. Das Gesetz der Nähe gilt aber auch in der Typografie: So stehen die Buchstaben innerhalb von Wörtern näher zueinander als zum nächsten Wort, und zusammengehörige Zeilen eines Absatzes werden durch Zwischenräume vom nächsten Absatz getrennt.
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Gestaltgesetze In der Gestaltungspraxis findet dieses Gesetz oft Anwendung, wenn es z. B. darum geht, Gruppen zusammengehöriger Elemente zu bilden (Abb. 3.1.2a). 3.1.3 Gesetz der Gleichartigkeit Ein weiteres wichtiges Gestaltgesetz ist das Gesetz der Gleichartigkeit. Es lautet: Unabhängig von ihrer Entfernungszuordnung werden gleichartige Elemente in Abgrenzung von andersartigen als zusammengehörig gesehen.
Abb. 3.1.3a: Zusammengehörig durch Gleichartigkeit (Grafik: Hammer) Gleichartige Elemente werden unabhängig von ihrer räumlichen Nähe als zusammengehörig gesehen. Das betrifft grafische Elemente ebenso wie Schriften und Bilder.
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Das kann sich auf die Gleichartigkeit von Form, Größe, Ausrichtung, Farbe, Helligkeit, Bewegung etc. beziehen. In der Gestaltungspraxis sollten diejenigen Elemente, die eine gleiche Kalibrierung aufweisen, z. B. alle Überschriften, alle Subheadlines in gleicher Weise gestaltet sein, um ihre Gleichwertigkeit deutlich zu machen (Abb. 3.1.3a). Das gilt vor allem für die Gestaltungselemente in einem umfangreicheren Werk (Katalog, Website etc.), die durch ihre Konsistenz in der Gestaltung die Orientierung erleichtern. Eine weitere Anwendung des Gesetzes der Gleichartigkeit findet sich in Navigationskaskaden auf Webseiten (Abb.3.1.3b). Hier kommt es darauf an, einerseits eine Differenzierung zwischen den Elementen der Haupt- und Subnavigation zu erreichen, andererseits die gleichen Elemente einer Navigationsstufe als zusammengehörig erscheinen zu lassen.
Abb. 3.1.3b: Gruppenbildung durch Gleichartigkeit im Navigationsdesign (Studienentwürfe) Dies kann z. B. dadurch erreicht werden, dass die Texte der Hauptnavigation größer, die der Subnavigation kleiner gesetzt sind oder dass sie durch unterschiedliche grafische Zusatzelemente gekennzeichnet sind.
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Gestaltgesetze
Wahrnehmung
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3.1.4 Gesetz der Geschlossenheit Mächtig und tückisch zugleich sind die Wirkungen, die auf dem Gesetz der Geschlossenheit beruhen. Es besagt: Nach der Prägnanztendenz werden bevorzugt geschlossene, sinnhaltige Formen wahrgenommen, insbesondere geometrische Grundformen.
Abb. 3.1.4a und b: Figurbildung durch Prägnanz (Grafiken: Hammer)
Die Prägnanztendenz drückt aus, dass in der Ökonomie der Wahrnehmung die prägnante, d. h. die einfachste geometrische Form als „beste Gestalt“ bevorzugt wahrgenommen wird. Dieser Tendenz folgend werden unterbrochene Konturlinien zu einer geschlossenen Form ergänzt. Selbst nicht zusammenhängende gleichartige Formen werden zu geschlossenen Gebilden (meist geometrischen Grundformen) ergänzt. Erstaunlicherweise werden dabei auch weit auseinander liegende Formen zusammengezogen. Bei geometrischen Grundformen reichen wenige Formfragmente zur Figurbildung aus (Abb.3.1.4a, b). Auch komplexe Ansammlungen von Formfragmenten werden als zusammenhängende Form erkannt und als sinnhaltige Gestalt interpretiert, wenn es sich um bekannte Gestalten handelt. Als Beispiel sind hier die so genannten „Street“-Figuren (Street, 1931) anzuführen (Abb.3.1.4c). Ein Anwendungsbeispiel virtueller Figuren in der Praxis sind die Olympia-Piktogramme (Tokio 1962) des Gestalters Yoshiro Yamashita (Abb.3.1.4d). Dieses Gestaltungsphänomen verblüfft den Betrachter, da sich virtuelle Flächenformen auch ohne umlaufende Umrandungen oder Füllungen erzeugen lassen, indem nur Andeutungen gesetzt werden (vgl. auch Kap. 3.1.6 Virtuelle Figuren).
Abb. 3.1.4c: „Street“-Figur (Grafik: Hammer nach Street in Banyard 1995)
Abb. 3.1.4d: Piktogramm (Grafik: Hammer nach Yamashita)
3.1.5 Gesetz der guten Fortsetzung Das Gesetz der guten Fortsetzung bzw. des durchgängigen Linienverlaufs bezieht sich auf die Wahrnehmungspräferenz. Werden abknickende Linien aus nicht allzu unterschiedlichen Elementen gebildet, greift nicht das Gesetz der Gleichartigkeit, sondern das Gesetz der guten Fortsetzung (Abb.3.1.5a). Es heißt:
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Gestaltgesetze
Abb. 3.1.5a: Wahrnehmung durchgehender Linien (Grafik: Hammer)
Gerade durchlaufende Linien werden bevorzugt wahrgenommen gegenüber solchen mit Veränderung des Formverlaufs. Bei der Anwesenheit von überlagernden geometrischen Objekten werden stets die durchgehenden Konturlinien vor anderen darin enthaltenen abgeknickten Linienformen gesehen.
Abb. 3.1.5b: Die Form in der Form (Grafik: Hammer) Das dargestellte sinnhaltige, aber komplexere Element, nämlich die Zahl 4, wird nicht spontan erkannt, obwohl sie zweifach enthalten ist.
Abb. 3.1.6a: Kanisza-Dreieck (Grafik: Hammer nach Kanisza)
Abb. 3.1.6b, c: Konturbildung aus Flächen und Linienfragmenten (Grafik: Hammer nach Kanisza) Eine interessante Variante virtueller Figuren sind solche, bei denen nur Formausschnitte sichtbar werden, die von einer gemeinsamen nicht vorhandenen überlagernden Form resultieren. Am Computer lässt sich das sehr leicht durch überlagernde konturlose Formen in der Hintergrundfarbe nachstellen.
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3.1.6 Virtuelle Figuren Dem Gesetz der Geschlossenheit folgend, werden Teilformen einer prägnanten Gestalt in der Wahrnehmung zu geschlossenen sinnhaltigen Formen ergänzt; es entstehen die so genannten virtuellen Figuren (auch Scheinbilder oder amodale Figuren). Dabei spielen die Prägnanztendenz eine Rolle und der Bekanntheitsgrad der erkannten Form. Hierzu sind insbesondere die Arbeiten von Gaetano Kanisza (1926,1929) bekannt (Abb 3.1.6a).
Optische Täuschungen
Wahrnehmung
3
Abb. 3.1.6d, e: Figurbildung durch Schatten (Grafik: Hammer)
Es werden auch Formen ergänzt, wenn von der Form selbst gar keine Elemente vorhanden sind, dann nämlich, wenn Teile der Außenkontur durch scheinbar hinter der nicht vorhandenen Figur liegende Elemente gebildet werden. Die entstehenden virtuellen Umrisslinien werden auch kognitive Konturen genannt (Abb. 3.1.6b, c). Des Weiteren zählen zu den virtuellen Figuren solche Formen, die man nur aufgrund ihrer Schattenform wahrnimmt. Bei geometrischen Figuren und bekannten Gegenstandsformen reicht der Schattenwurf zur Figurbildung. In der typografischen Gestaltung finden sich einige Schriften, die ausschließlich aus virtuellen Buchstaben zusammengesetzt sind. Als Standard ist dabei eine Lichtführung von links oben mit Schattenwurf nach rechts unten anzutreffen (Abb. 3.1.6d, e).
Abb. 3.1.6f: Entstehung einer virtuellen Figur (Grafik: Hammer)
Das langsame Entstehen einer real nicht existierenden Form zeigt Abb. 3.1.6f.
3.2 Optische Täuschungen 3.2.1 Merkmale optischer Täuschungen Durch die Anordnung gestalterischer Elemente zueinander bzw. zu den umgebenden Elementen, also aus der syntaktischen Beziehung der Formen, resultiert eine Reihe von Störeinflüssen in der Wahrnehmung. Dies wurde vor allem in der Gestaltpsychologie unter der Begrifflichkeit der optischen Täuschungen untersucht (Abb. 3.2.1a).
Linktipp zu optischen Täuschungen: Institut für Augenoptik Aalen, www.leinroden.de
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Optische Täuschungen
Abb. 3.2.1a: Innenecke oder Außenecke? (Grafik: Hammer) Der Ball macht es eindeutig: Von oben auf die Innenecke, von unten gegen die Außenecke des Würfels.
Literaturtipp: zu optischen Täuschungen Kebeck 1994 Murch und Woodworth 1978)
Ent täu
sch
bar
Ent täu ?
sch
bar
?
Optische Täuschungen weisen meist zwei Komponenten auf: eine, die die Täuschung auslöst, und eine andere, über die man sich täuscht. Bei optischen Täuschungen ist nicht das Denken betroffen, sondern das Wahrnehmen. Selbst wenn man weiß, dass der Eindruck falsch ist, verschwindet die Täuschung nicht. Seit Jahrhunderten versucht man, die Ursache für optische Täuschungen zu ergründen. Dabei konnte unter anderem festgestellt werden, dass optische Täuschungen nicht auf der Netzhaut entstehen, sondern erst nach der Verschaltung der Wahrnehmungsreize beider Augen. Sie sind auch wahrnehmbar, wenn jeweils ein Auge nur eine Komponente sieht. Auch Augenbewegungen sind meist nicht beteiligt, wie man durch kurzzeitige Darbietungen und Blockierung der Augen nachweisen konnte. 3.2.2 Streckentäuschungen Eine der bekanntesten optischen Täuschungen ist die Müller-Lyer’ sche Täuschung, bei der gleich lange Strecken als unterschiedlich lang wahrgenommen werden. Die Täuschung hervorrufenden Komponenten sind dabei die nach innen oder außen weisenden Winkel an den Streckenenden (Abb. 3.2.2a).
Abb. 3.2.2a: Müller-Lyer’ sche Täuschung (Grafik: Hammer nach Müller-Lyer) Die Täuschung tritt sowohl bei aneinander gereihten als auch bei untereinander angeordneten Strecken auf. Auch die Form der nach außen bzw. innen gerichteten Streckenenden kann unterschiedlich sein.
Abb. 3.2.2b: Oppel’ sche Streckentäuschung (Grafik: Hammer nach Oppel)
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Die Müller-Lyer’ sche Täuschung (Franz Müller-Lyer 1889) wird mit perspektivischen Gesetzmäßigkeiten als Außen- oder Innenecken einer räumlichen Situation erklärt. Sie funktioniert in der Horizontalen wie in der Vertikalen, bei aneinandergereihten oder bei Einzelstrecken und bei andersartigen Täuschungskomponenten. Ein ähnlicher Wahrnehmungseindruck unterschiedlich langer Strecken entsteht auch bei der Oppel’ schen Streckentäuschung (Abb. 3.2.2b).
Wahrnehmung
Optische Täuschungen 3.2.3
3
Verformungen
Die Zöllner-Täuschung lässt Parallelen als nicht parallel erscheinen. Man erklärt die Beeinflussung bei dieser Art von Täuschungen u. a. dadurch, dass spitze Winkel größer als tatsächlich gegeben wahrgenommen werden und dadurch die überlagernden Linien verzerren (Abb. 3.2.3a). Ähnliche Effekte sind bei Abwandlungen der Zöllner-Täuschung mit Strahlenbündeln oder mit Geraden an konzentrischen Kreisen zu beobachten. Bei der Poggendorff-Täuschung (Johann Christian Poggendorff 1860) erscheinen die Teilstücke der Diagonalen gegeneinander versetzt, obwohl es sich tatsächlich um die Unterbrechung einer durchgehenden Linie handelt (Abb. 3.2.3b). Abb. 3.2.3a: Zöllner-Täuschung (Grafik: Hammer nach Zöllner)
B 3.2.4 Vergleichstäuschungen Bei Vergleichstäuschungen wie der Ebbinghaus-Täuschung wird die Wahrnehmung der relevanten Form durch die umgebenden Elemente beeinflusst. Bei der Ebbinghaus’ schen Kreistäuschung (auch Titchener-Täuschung 1898) erscheinen die tatsächlich gleichgroßen mittleren Kreise bei großen Umgebungskreisen als kleiner bzw. bei kleineren Umgebungskreisen als größer (Abb.3.2.4a). Selbst Formzwischenräume erscheinen in Abhängigkeit von den Umgebungsformen schmaler oder breiter, wie eine weitere Ebbinghaus-Täuschung zeigt. Baut man z. B. eine Reihe aus unterschiedlich breiten Rechtecken auf, sind die Zwischenräume optisch auszugleichen (Abb.3.2.4b).
Abb. 3.2.3b: Poggendorff-Täuschung (Grafik: Hammer, z. T. nach Kebeck 1994) Diese Täuschung ist in verschiedenen Abwandlungen bekannt und funktioniert selbst mit virtuellen Figuren zur Diagonalenunterbrechung.
Abb. 3.2.4a: Ebbinghaus/Titchener-Kreistäuschung (Grafik: Hammer nach Titschener)
Abb. 3.2.4b: Ebbinghaus-Zwischenraum-Täuschung (Grafik: Hammer nach Ebbinghaus) Die Größe der umgebenden Rechtecke beeinflusst die Wahrnehmung des Zwischenraumes.
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Optische Täuschungen
Abb. 3.2.5a: Ponzo-Täuschung (Grafik: Hammer nach Ponzo) Die obere Linie erscheint im perspektivischen Raum größer. Hebt man die perspektivische Wirkung der Linien, z. B. durch Schließung zum Dreieck, auf, verschwindet die Größentäuschung.
3.2.5 Perspektivtäuschungen Bedingt durch die Gewohnheiten des perspektivischen Wahrnehmens und die Gesetze der Formkonstanz setzen wir voraus, dass bei gleichen Formen gleicher Größe diejenige Form, die im perspektivischen Raum weiter hinten steht, das heißt in der Nähe der zusammenlaufenden Perspektivlinien, kleiner erscheint. Die Ponzo-Täuschung (Ponzo 1913) zeigt, dass im Umkehrschluss bei der Wahrnehmung von zwei gleich großen Linien (oder Objekten) im perspektivischen Raum die scheinbar hinten liegende als größer empfunden wird (Abb. 3.2.5a).
Abb. 3.2.6a: Horizontal-vertikal-Täuschung (Grafik: Hammer nach Oppel) Vertikale erscheinen länger als Horizontale.
Abb. 3.2.6b: Quadrattäuschung (Grafik: Hammer) Nur das Rechteck (rechts) sieht aus wie ein Quadrat.
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3.2.6 Horizontal-vertikal-Täuschungen Die Horizontal-vertikal-Täuschung bereitet im praktischen Gestalten oft Probleme dadurch, dass tatsächlich gleich lange vertikale und horizontale Linien nicht als solche erscheinen, sondern stets die Vertikale länger aussieht (Abb. 3.2.6 a). Dem liegt, bedingt durch Sehgewohnheiten, eine Überschätzung vertikaler Strecken zugrunde, weil beim Abscannen einer Vorlage von links nach rechts der Blick durch die Vertikale quasi blockiert wird, während er bei der Horizontalen ungehindert weitergeleitet wird. Auch bei komplexeren Formen treten diese Täuschungen auf, z. B. als Quadrattäuschung. Soll ein Quadrat als solches erscheinen, muss es tatsächlich als horizontales Rechteck gezeichnet werden (Abb 3.2.6b).
Optische Täuschungen
Wahrnehmung
3
3.2.7 Raumtäuschungen Die Parallelperspektive allein gibt keine eindeutige Vorn-hintenOrientierung. Diese entsteht erst durch zusätzliche Raummerkmale wie Überlagerungen, Helligkeit etc. (Abb. 3.2.7a).
Abb. 3.2.7a: Eindeutige und uneindeutige Räumlichkeit (Grafik: Hammer) Erst durch Überlagerungen entsteht eindeutige Räumlichkeit.
Fehlen diese Raummerkmale, bleibt die Orientierung bistabil, also uneindeutig, wie es bei durchsichtigen „Drahtgitter“-Modellen (Wireframes) der Fall ist. Das bekannteste Beispiel für bistabile Wahrnehmung ist der Neckerwürfel. Dabei springt der Wahrnehmungseindruck zwischen einer Aufsicht von oben/seitlich-rechts und einer Untersicht von unten/seitlich-links (Abb. 3.2.7b). Interessante Beispiele räumlicher Täuschungen, unter anderem mit Auf- und Untersichten von Treppen, finden Sie in den Werken des niederländischen Grafikers Maurits Cornelis Escher. 3.2.8 Überlastungseffekte Einige Wahrnehmungsbeeinflussungen werden hervorgerufen durch Überlastung bei der retinalen Reizaufnahme. Beim Hermann-Gitter (Hermann 1870) (auch Hering-Gitter nach E. Hering) treten Überstrahlungseffekte auf. Bei allen Kreuzungen der weißen Zwischenstreifen erscheinen graue Flächen, außer an derjenigen, die man gerade fixiert. Erklärt wird dieses Phänomen mit der neuro-physiologischen Funktion der so genannten lateralen Hemmung, das heißt, bei stärkerer Aktivität eines Rezeptors der Netzhaut wird die Ansprechbarkeit benachbarter Rezeptoren herabgesetzt (Abb 3.2.8a). Für den Gestaltungsprozess lässt sich daraus ableiten, dass zur Vermeidung der unerwünschten Kreuzungsschatten (z. B. in Bildrastern) größere Abstände oder Eckenabrundungen vorzusehen sind. Auch eng aneinandergereihte parallele Linien rufen schnell eine Überlastung in der Wahrnehmung hervor und führen zu Flimmereffekten (Abb 3.2.8b).
Abb. 3.2.7b: Necker-Würfel (Grafik: Hammer)
Abb. 3.2.8a: Hermann/Hering-Gitter (Grafik: Hammer nach Hering)
Abb. 3.2.8b: Linienraster (Grafik: Hammer)
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Optische Täuschungen
Abb. 3.2.8c: Liniengrafik (Grafik: Hammer nach Neal) Abb. 3.2.8d: Strahlenfigur (Grafik: Hammer nach MacKay)
Andere Arten der optischen Überlastung entstehen bei Rasterstrukturen, in denen sich in der Wahrnehmung die einzelnen Rasterelemente zu immer neuen Formen zusammenschließen, je nachdem, wohin man blickt (Abb 3.2.8c). Das Auge findet keinen Ruhepunkt. Das gleiche gilt bei konzentrischen Strahlenfiguren (Abb 3.2.8d), bei denen zusätzlich ein Moiréeffekt auftritt. Die Strahlen erzeugen ein „Flimmern vor den Augen“. 3.2.9 Unmögliche Figuren Die so genannten unmöglichen Figuren basieren darauf, dass unerlaubte Wechsel in der Perspektive eingebaut werden. Nach diesem Prinzip sind viele interessante, künstlerisch aufbereitete unmögliche Figuren des niederländischen Grafikers Maurits Cornelis Escher, wie der unendliche Wasserkreislauf mit dem aufwärts fließenden Bach, aufgebaut (Abb. 3.2.9a). Liegen in einer komplexeren Komposition die Anfangs- und Endpunkte einer Figur ausreichend weit auseinander, so dass Blicksprünge erforderlich sind, übersieht man den Wechsel der Perspektive. Abb. 3.2.9a: Der aufwärts fließende Bach (Grafik: Hammer nach Escher)
Abb. 3.2.9b: Täuschung durch falsche Perspektiven (Grafik: Hammer) Penrose-Dreieck, Teufelsgabel, unmögliche Treppe
Eine sehr bekannte unmögliche Figur ist das Penrose-Dreieck, an dem sich die Perspektivwechsel sehr gut nachvollziehen lassen. Es wurde erstmals vom schwedischen Künstler Oscar Reutersvärd geschaffen und 1954 vom Mathematiker Roger Penrose nacherfunden. Nach dem gleichen Prinzip ist auch die so genannte Teufelsgabel und die "unmögliche Treppe" aufgebaut (Abb. 3.2.9a).
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Raumwahrnehmung
Wahrnehmung
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3.3 Raumwahrnehmung 3.3.1 Physiologische Raumindikatoren Die physikalische Welt ist eine räumliche, demnach ist es für den Menschen lebenswichtig, die Räumlichkeit mit seinen Wahrnehmungsmöglichkeiten zu erfassen. Als Indikatoren für die Raumwahrnehmung sind solche anzuführen, die sich aus den medizinisch-physikalischen Gegebenheiten der menschlichen Augen, genauer aus deren Binokularität ergeben. Diese Prozesse sind relevante Indikatoren bei der Raumwahrnehmung der realen Umwelt. Hierzu zählen die Akkomodation, die binokulare Disparität und die Konvergenz (Abb 3.3.1a).
Literaturtipp zur Raumwahrnehmung: Kebeck, 1994
Fern
Nah
Abb. 3.3.1a: Akkomodation, Binokulare Disparität und Konvergenz (Grafik: Hammer) (nach Schiff, 1980 in Kebeck, 1994, S. 61)
Die Akkommodation des Auges (Anpassung durch Veränderung der Linsenkrümmung) dient der Fixierung im Nah- oder Fernbereich. Die so genannte binokulare Disparität liefert bei abwechselnder Betrachtung mit jeweils einem Auge zwei versetzte Netzhautbilder mit unterschiedlichen Perspektiven. Die gleichsinnige Bewegung der Augen nach innen, die so genannte Konvergenz, sorgt dafür, dass beide Augen den gleichen Wahrnehmungspunkt fixieren. Die Konvergenzwinkel variieren dabei je nach Objektentfernung. Weitere Indikatoren betreffen die Reizkonstellationen. Sie gelten gleichermaßen für die Wahrnehmung der realen Umwelt wie für die Vermittlung der Illusionen von Räumlichkeit in zweidimensionalen Vorlagen. Dazu zählen die Indikatoren Größenkonstanz, Überlagerung, Horizontlinie, Perspektivlinien, Luftperspektive und Wahrnehmungsgradienten, die im Folgenden näher erläutert sind. 3.3.2 Größenkonstanz Werden gleiche Formen bei versetzter Anordnung in unterschiedlicher Größe gezeigt, wird bevorzugt eine perspektivische Situation wahrgenommen, das heißt, die große Form wird als Objekt im Vordergrund wahrgenommen, die kleine als perspektivisch verkleinertes Objekt im Hintergrund. Die perspektivische Größenwahrnehmung erfolgt auch ohne Anwesenheit von Perspektivlinien, jedoch vorzugsweise, wenn unten links die größere und oben rechts die kleinere Form steht. Diesem Wahrnehmungseindruck liegen die Gesetzmäßigkeiten der Größenkonstanz zugrunde (vgl. Kap. 3.4 Konstanzgesetze).
Abb. 3.3.2a: Größenkonstanz (Grafik: Hammer) Perspektivischer Wahrnehmungseindruck bei versetzter Anordnung gleicher Formen
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Raumwahrnehmung
Abb. 3.3.3a: Überlagerung (Grafik: Hammer)
Abb. 3.3.3b: Durchdringung von Kettengliedern (Grafik: Hammer)
3.3.3 Überlagerung Überlagern sich zwei oder mehrere Formen, wird stets die überlagernde als vorn stehende erkannt. Das setzt voraus, dass sich überlagernde und überlagerte Form unterscheiden, z. B. durch Helligkeit, Farbe oder Struktur. Im Beispiel überdeckt die überlagernde Fläche durch ihre Füllung. Fehlt die Füllung, bleibt der Wahrnehmungseindruck uneindeutig; es entstehen Kippfiguren (Abb. 3.3.3a). Auch die Kettenglieder wirken nur dadurch verbunden, dass jeweils ein Teilbereich den anderen überlagert. So wird die Vorne-hintenSituation eindeutig (Abb. 3.3.3b). 3.3.4 Horizontlinie Verblüffend ist die Wirkung einer einfachen Trennlinie innerhalb des Formates. In Kombination mit einer beliebigen Form wird sie als Horizontlinie wahrgenommen. Die Lage der Form relativ zur Linie lässt die Form stehen (unterhalb oder bei Überschneidungen mit der Linie) oder „fliegen“ (oberhalb der Linie) (Abb. 3.3.4a).
Abb. 3.3.4a: Horizontlinie und Standpunkt (Grafik: Hammer) Die Höhe der Horizontlinie im Format bestimmt den vermeintlichen Standpunkt.
Sonderpositionen, mittig auf der Linie oder auf der Linie liegend, sowie nicht durchlaufende Trennlinien stören die räumliche Wahrnehmung, sie werden eher flächig gesehen (Abb. 3.3.4b).
Abb. 3.3.4b: Horizontlinie mit Sonderpositionen (Grafik: Hammer) Sonderpositionen wirken eher als flächige grafische Kompositionen.
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Raumwahrnehmung 3.3.5 Perspektivlinien Einen starken Raumeindruck vermitteln Linien in Fluchtpunktperspektive. Selbst flächige Formen werden sofort in einer räumlichen Situation gesehen (Abb. 3.3.5a). Besonders deutlich wird der Raumeindruck durch Perspektivlinien und Schattenwurf bei Raumkörpern. Das funktioniert sowohl bei Zentral- als auch bei Parallelperspektiven (Abb. 3.3.5b).
Wahrnehmung
3
Abb. 3.3.5a: Perspektivlinien (Grafik: Hammer)
Abb. 3.3.5b: Perspektiven und Schatten bei Raumkörpern (Grafik: Hammer)
3.3.6 Luftperspektive Beim Blick über eine Berglandschaft erscheinen durch die so genannte Luftperspektive näher gelegene Berge dunkler, weiter entfernte heller. In der grafischen Umsetzung bedeutet das, die Formen im Vordergrund sind dunkler darzustellen als die Formen im Hintergrund (Abb. 3.3.6a, b).
Abb. 3.3.6a, b: Luftperspektive in der Natur und in der Grafik (Foto u. Grafik: Hammer)
Reduziert man dieses Prinzip auf Hell-dunkel-Verläufe, vermitteln die dunklen Bereiche eines Verlaufes räumliche Nähe, die hellen Ferne. Eine Variante der Luftperspektive liegt in der Differenzierung in Scharf-unscharf-Darstellungen. Nahe Gelegenes wird scharf gesehen, Entferntes eher unscharf (Abb. 3.3.6c).
Abb. 3.3.6c: Scharf-unscharf in Relation zum Nah-fern-Eindruck (Grafik: Hammer)
3.3.7 Gradienten Wesentliche Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung gehen auf den Psychologen Gibson zurück. Hier sind vor allem seine Theorien zur Gradientenwahrnehmung zu nennen. Danach entstehen Raumeindrücke dadurch, dass Formstrukturen im Vordergrund anders aussehen als im Hintergrund. Strukturmuster verdichten sich im Hintergrund.
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Konstanzgesetze
Abb. 3.3.7a und b: Linienförmige Gradienten (Foto und Grafik: Hammer) Sowohl in der Grafik (nach Gibson) als auch in der Natur (Sandstrukturen im Watt) lassen sich die unterschiedlichen Gradientenmuster im Vorder- und Hintergrund erkennen.
Abb. 3.3.7c und d: Punktförmige Gradienten (Foto und Grafik: Hammer) Auch die Verdichtung punktförmiger Gradienten aus der Grafik (nach Gibson) findet sich gleichermaßen in der Natur (Auswürfe von Wattwürmern).
Abb. 3.3.7e: Tunnel /Pyramide nach Gibson (Grafik: Hammer nach Gibson in Kebeck 1994)
Allerdings treten diese Theorien bei grafischen Darstellungen in Widerspruch zum Ansatz der Luftperspektive, da durch die zeichnerische Gradienten-Häufung dunkle Bereiche im Hintergrund entstehen. In der Wahrnehmung natürlicher Situationen wird dies jedoch durch die Luftperspektive ausgeglichen. Sehr deutlich wird Gibsons Theorie an seinem Beispiel konzentrischer Quadrate (Gibson, 1950), die bei einer Konzentration im Randbereich bzw. um den Mittelpunkt den Wahrnehmungseindruck einer Pyramide bzw. eines Tunnels ergeben.
3.4 Konstanzgesetze Literaturtipp: zur Erklärung der Konstanz-Phänomene Kebeck, 1994, S. 123 ff.
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3.4.1 Formkonstanz Das, was wir wahrnehmen, entspricht nicht notwendigerweise einer realen physikalischen Welt, sondern unterliegt verschiedenen Einflussfaktoren in der Wahrnehmung. Die meisten Faktoren vereinfachen den Wahrnehmungsprozess und erleichtern somit die Informationsaufnahme. In der Gestaltpsychologie hat man sich unter anderem mit den so genannten Konstanz-Phänomenen auseinandergesetzt und daraus entsprechende Gesetzmäßigkeiten formuliert. Diese beschreiben Wahrnehmungsvereinfachungen durch gleich bleibende Wahrnehmungseindrücke bei tatsächlich objektiv veränderten Reizkonstellationen.
Konstanzgesetze
Wahrnehmung
3
Abb. 3.4.1a: Türwahrnehmung (Grafik: Hammer nach Banyard 1995) Eine geschlossene Tür führt beispielsweise zu einer rechteckigen retinalen Abbildung und wird ohne Probleme als Tür erkannt. Wird die Tür geöffnet, verändert sich die retinale Abbildung in eine Trapezform, dennoch erkennt man eine Tür mit rechteckiger Grundform.
Abb. 3.4.1b: Tischwahrnehmung (Grafik: Hammer) Ebenso verhält es sich bei den unterschiedlich perspektivischen Darstellungen eines Tisches. Der Tisch bleibt ein Tisch, obwohl die wahrnehmbaren Flächen je nach dem Standpunkt des Betrachters sehr unterschiedlich sind.
Das Gesetz zur Formkonstanz drückt aus, dass eine sinnhaltige Form als solche erkannt wird, unabhängig von Sehbedingungen und vom Blickwinkel (Abb. 3.4.1a, b). 3.4.2 Größenkonstanz In einer räumlich-perspektivischen Situation werden gleichartige .................................................................... ........................................................... ............................................. Gegenstände (oder Personen) gleicher Ausgangsgröße unterschied- ....................................... lich groß abgebildet, je nachdem, ob sie sich im Vordergrund oder .................................. im Hintergrund befinden. Trotz der unterschiedlich großen reti........................... nalen Abbildung werden sie in der Wahrnehmung aufgrund von Erfahrungswerten als gleich groß interpretiert (Abb. 3.4.2a,b). Nach Gibson wird das Phänomen der Größenkonstanz dann gestört, wenn unterschiedlich große Objekte vor eine gemeinsame gleich bleibende Textur positioniert werden. Seiner Gradiententheorie folgend müssen bei perspektivischen Darstellungen auch die Strukturen der kleineren Objekte minimiert werden, z. B. müssen sie feinere Konturlinien aufweisen, damit sie als kleiner zugeordnet Abb. 3.4.2c: Perspektivische Verkleinerung der werden können (Abb. 3.4.2c).
....................
...............
........... Strukturen (Grafik: Hammer)
Abb. 3.4.2a, b: Größenkonstanz und -täuschung (Grafik: Hammer) Perspektivische Verkleinerung gleich großer Objekte. Behält man in der perspektivischen Kulisse die gleiche Größe der Formen bei, entsteht eine Größentäuschung.
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Resümee 3.4.3 Helligkeits- und Farbkonstanz Bei wechselnden Licht- und Beleuchtungsverhältnissen verändern sich die wiedergegebenen Farben auf Körpern. Dennoch nehmen wir meistens Helligkeit und Farbe unverändert wahr, auch wenn sich objektiv die Farbwiedergabe eines Objektes z. B. im Licht des Sonnenuntergangs verändert hat.
Abb. 3.4.3a: Farbkonstanz (Fotos: Schenck) In beiden Bildern werden die Farben als annähernd gleich wahrgenommen, obwohl die tatsächlichen Farbwerte deutlich voneinander abweichen.
Bei einer fotografischen Aufnahme wird dagegen die tatsächlich wiedergegebene Farbe erfasst; dies führt bei farbigen Beleuchtungsverhältnissen meistens zu unerwünschten Farbstichen. Je nach Materialträger (z. B. bei einigen Kleidungsstoffen) verändern sich jedoch bei unterschiedlicher Beleuchtung auch die Helligkeits- und Farbwahrnehmungen. 3.4.4 Ortskonstanz Das Gesetz zur Ortskonstanz besagt, dass wir trotz Augen- und Eigenbewegung feststehende Objekte als ortkonstant wahrnehmen. Umgekehrt nehmen wir Objekte, die sich relativ zum Wahrnehmungshintergrund bewegen, als mobil wahr.
3.5 Resümee 3.5.1 Was Sie gelernt haben Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, wissen Sie, dass es Unterschiede gibt zwischen der physikalischen realen Welt und dem, was Sie davon wahrnehmen. Sie haben gelernt, dass Ihr Wahrnehmungseindruck oft Täuschungen unterliegt, dass Sie aber auch durch bewusstes gestalterisches Eingreifen solche Täuschungen vermeiden können. Sie kennen jetzt die Abhängigkeit von Form und Fläche bzw. von Figur und Grund. Sie beherrschen die Gestaltgesetze der Nähe, der Gleichartigkeit, der Geschlossenheit und der guten Fortsetzung und wissen, wo Ihnen diese in der Gestaltung begegnen. Sie haben reizvolle Gestaltungsanwendungen von virtuellen Figuren kennen gelernt.
64
Resümee
Wahrnehmung
3
Sie kennen die wichtigsten optischen Täuschungen und wissen, warum unmögliche Figuren unmöglich sind. Sie haben gelernt, durch welche Mittel in der Gestaltung Räumlichkeit vermittelt werden kann. Und Sie kennen die Gesetze zur Form-, Größen-, Farb- und Orts konstanz. Überprüfen Sie anschließend Ihr Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz. Vertiefen Sie das Gelernte mit Hilfe einiger Übungen, in denen Sie die dargestellten Phänomene selbst nachvollziehen. 3.5.2 Der besondere Tipp: Optische Quadrate Wie Sie gelernt haben, erscheinen aufgrund der Horizontal-vertikalTäuschung die Vertikalen länger als gleich lange Horizontale. Ein geometrisches Quadrat sieht deshalb nicht aus wie Quadrat. Wenn Sie also in der Gestaltung wirklich gut aussehende Quadrate zeigen wollen, sollten Sie sich an dieses Phänomen erinnern und statt geometrischer Quadrate ganz leicht horizontal gestreckte Rechtecke verwenden. Das gilt z. B. auch für quadratische Fotos auf einer Website und für quadratische Seitenformate.
65
Quiz zu „Wahrnehmung“
3.6 Quiz zu „Wahrnehmung“ Lösungen (siehe Seite 417) Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten.
Lösung (A) Lösung (B)
3.6.1 (A) (B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 3.6.1
Quizfrage 3.6.2
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
3.6.2
Was besagt das Gesetz der Gleichartigkeit? Gleiche Gestaltungselemente sind prägnanter Gleichartige Gestaltungselemente werden als zusammengehörig erkannt Gleiche Gestaltungselemente unterscheiden sich von ungleichen Welche Grafik veranschaulicht das Gesetz der Geschlossenheit?
B
A
Quizfrage 3.6.3
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 3.6.4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 3.6.5
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 3.6.6
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C)
66
A
3.6.3 (A) (B) (C)
B
C
Wie bezeichnet man die Gruppe der dargestellten Grafiken in der Gestaltpsychologie? Schattenfiguren Gestaltkreis Virtuelle Figuren
3.6.4 (A) (B) (C)
Wie heißt die dargestellte optische Täuschung? Ponzo-Täuschung Müller-Lyer’ sche Täuschung Poggendorff-Täuschung
3.6.5
Welchen Effekt hat die Horizontal-vertikalTäuschung? Die Vertikale wirkt größer Die Horizontale wirkt größer Man verwechselt Horizontale und Vertikale
(A) (B) (C) 3.6.6 (A) (B) (C)
Worauf basieren die so genannten „unmöglichen“ Figuren? Unmögliche Kombination verschiedener geometrischer Körper Willkürlicher Wechsel von Vorder- und Hintergrund Unerlaubter Wechsel der Perspektive
Übungen
Wahrnehmung
3.6.7
Quizfrage 3.6.7
(A) (B) (C) 3.6.8 (A) (B) (C)
3.6.9 (A) (B) (C)
Welche Bildbereiche werden durch die Luftperspektive heller dargestellt? Die vorderen Bildbereiche Die mittleren Bildbereiche Die hinteren Bildbereiche Was besagt das Gesetz zur Formkonstanz? Eine bedeutungshaltige Figur wird als solche erkannt, unabhängig von Sehbedingungen und Blickwinkel Ein Rechteck wird als Rechteck interpretiert, auch wenn man die Ecken rundet Gleiche Formen werden in einer perspektivischen Abbildung als gleich groß empfunden unabhängig davon, wie groß die tatsächliche perspektivisch verkleinerte Darstellung ist Welche Wirkung hat eine Horizontlinie, die sich mit etwas Abstand unterhalb einer Form befindet? Sie verleiht der Form den Eindruck von Standfestigkeit Sie lässt die Form fliegen Sie gibt der Grafik eine flächige Wirkung
3
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 3.6.8
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 3.6.7
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C)
3.7 Übungen Die folgenden Übungen dienen vorrangig dazu, dass Sie die hier dargestellten Sachverhalte in der praktischen Gestaltung nochmals selbst nachempfinden, um auf diese Weise Ihr „gestalterisches Auge“ zu schulen. Mit den folgenden Übungsaufgaben können Sie einige der im vorliegenden Kapitel vorgestellten Sachverhalte nachvollziehen. Setzen Sie diese Aufgaben mit einem vektororientierten Zeichenprogramm (Illustrator, FreeHand etc.) um. Drucken Sie das Ergebnis aus und beurteilen Sie es auf dem Papierausdruck. 3.7.1 Ü: Figur und Grund (zu Kap. 3.1.1) Zeichnen Sie auf einem DIN-A4 Querformat ein 8 x 8 cm großes Quadrat mit einer 0,5 pt Umrisslinie. Zeichnen Sie in das Quadrat eine unregelmäßige Form mit geraden Linien, die ungefähr die Hälfte der Quadratfläche einnimmt. Tipp: Zeichnen Sie die Form mit einem geschlossenen Pfad und fügen Sie ihn über die Maskierungsfunktion in das Quadrat ein. Sie können die Figur dann später mit dem Direktauswahl-Werkzeug noch beliebig verschieben und verändern. Erzeugen Sie 3 Exemplare dieses Quadrates mit der eingesetzten Form und richten Sie sie mit ein wenig Abstand nebeneinander aus.
Abb. 3.7.1a: Übung zu Figur und Grund (Grafik: Wieschhörster)
67
Übungen Füllen Sie in einem der Quadrate die eingesetzte Form mit Schwarz und die Restfläche mit Weiß. Füllen Sie in einem der Quadrate die eingesetzte Form mit Weiß und die Restfläche mit Schwarz. Welche Form empfinden Sie als Gestalt, welche als Grund? Duplizieren Sie dann die Seite. Legen Sie hinter alle Quadrate eine Fläche in Formatgröße. Füllen Sie diese Hintergrundfläche einmal mit Schwarz. Welche Form empfinden Sie nun als Gestalt? Füllen Sie dann die Hintergrundfläche mit einem mittleren Grau. Wie empfinden Sie Figur und Grund jetzt? Designgrundlagen Typografie Layout Farbgestaltung Bildgestaltung Webdesign Interfacedesign
Designgrundlagen - Typografie - Layout - Farbgestaltung
Bildgestaltung Webdesign Interfacedesign
Designgrundlagen Typografie Layout Farbgestaltung
Bildgestaltung Webdesign Interfacedesign
Abb. 3.7.2a: Übung zu „Gleichheit“ und „Nähe“ (Grafik: Hammer)
Abb. 3.7.3a: Übung zur „durchgehenden Linie“ (Grafik: Wieschhörster)
Abb. 3.7.4a: Übung zur Horizontal-vertikalTäuschung (Grafik: Wieschhörster)
3.7.2 Ü: Gesetz der Gleichartigkeit (zu Kap. 3.1.3) Wenden Sie die Gesetze der Gleichartigkeit und der Nähe auf die Gestaltung einer kleinen Navigationskaskade an. Verwenden Sie die im Beispiel dargestellten Begriffe und entwerfen Sie drei neue Lösungen. Wählen Sie zwei rein typografische Lösungen und eine mit zusätzlichen grafischen Elementen. Beurteilen Sie Ihre Entwürfe selbst: Erkennt man die Zusammengehörigkeit der Begriffe der 1. Navigationsebene und derjenigen der 2. Ebene? Grenzen sie sich gegeneinander ausreichend ab? Ist die Differenzierung ausgewogen oder macht sie den Entwurf unruhig? Bleibt dennoch eine ausreichende Gestaltungsverwandtschaft zwischen den Ebenen, denn alle sind Navigationselemente? 3.7.3 Ü: Gesetz der guten Fortsetzung (zu Kap. 3.1.5) Legen Sie auf einem DIN-A4 Querformat 6 Quadrate in der Größe von 6 cm Seitenlänge an. Zeichnen Sie in diese Quadrate aus verwandten Elementen zwei rechtwinklig abknickende Linien wie in der Abbildung. Probieren Sie andere als die gezeigten Formelemente aus. Prüfen Sie dann, wie stark die Differenzierung der Linienelemente, Form oder Farbe sein muss, damit das Phänomen der „durchgehenden Linie“ aufgehoben wird. 3.7.4 Ü: Horizontal-vertikal Täuschung (zu Kap. 3.2.6) Zeichnen Sie am Computer auf einem DIN-A4 Querformat eine Reihe von 5 Rechtecken, jeweils mit einer Grundseite von 40 mm und unterschiedlichen Höhen (40x38, 40x39, 40x40, 40x41, 40x42 mm). Welches Rechteck empfinden Sie optisch als Quadrat? Tipp: Wählen Sie eine dünne Strichlinie von 0,5 pt. Geben Sie die Maße numerisch ein. Benutzen Sie die „Ausrichten“-Funktion, um alle Rechtecke an einer Grundlinie anzuordnen. 3.7.5 Ü: Horizontlinie (zu Kap. 3.3.4) Zeichnen Sie in einem vektororientierten Layoutprogramm auf DIN-A4 Querformat ein 4 x 4 cm großes Quadrat mit dünner
68
Übungen Umrisslinie. Zeichnen Sie in das Quadrat einen kleinen schwarz gefüllten Kreis. Zeichnen Sie in Quadratbreite eine 1 pt dicke waagerechte Linie. Erstellen Sie durch Kopieren drei Exemplare nebeneinander. Verschieben Sie nun die Linie so, dass sie einmal unterhalb des Kreises, einmal oberhalb und einmal auf Höhe des Kreises liegt. Erstellen Sie dann durch Kopieren zwei weitere Reihen dieser Quadrate. Ersetzen Sie in der zweiten Quadratreihe den Kreis durch eine Rechteckform, in der dritten durch eine plastisch dargestellte Kugel und beurteilen Sie den Wahrnehmungseindruck. Wo entsteht ein perspektivischer Eindruck? Was passiert, wenn der Kreis an geometrisch besonderen Positionen liegt, z. B. auf einer imaginären Mittelsenkrechten oder auf Randpositionen?
Wahrnehmung
3
Abb. 3.7.5a: Übung zur Horizontlinie (Grafik: Hammer)
69
Elementares Gestalten Elementares Gestalten
Christian von Ehrenfels 4
4
Bild 4a: Zitat Christian von Ehrenfels (Grafik: Hammer)
Elementares Gestalten
4.0 Einleitung 4.0.1 Lernziele Im Kapitel „Elementares Gestalten“ werden die grundlegenden Komponenten der Gestaltung, die Form und das Format, und ihre gestaltbaren Merkmale bewusst gemacht. In diesem Kapitel lernen Sie: • Die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Gestaltung • Das Zusammenspiel von Form und Format • Gestaltungskomponenten von Punkt, Linie und Fläche • Gestaltungsmöglichkeiten des Formates • Die Konstruktion des Goldenen Schnittes • Die kompositorischen Prinzipien Ordnung, Harmonie, Kontrast und Dynamik Überprüfen Sie Ihr Wissen nach Durcharbeiten dieses Kapitels mittels des selbst evaluierbaren Quiz. Vollziehen Sie in Übungsaufgaben die unterschiedlichen Wirkungen nach, die sich aus verschiedenen Anordnungen und Zuordnungen der Gestaltungselemente im Format ergeben. In den begleitenden Entwurfsaufgaben erstellen Sie unter Zuhilfenahme einer Entwurfssystematik eigene Kompositionen mit Flächen. Sie unterteilen ein Format in eine Positiv- und eine Negativfläche nach semantischer Vorgabe. Außerdem erstellen Sie Kompositionen aus Buchstabenformen.
71
Einleitung 4.0.2 Gestaltungskomponenten Ein Kernsatz der Gestalt- und Ganzheitspsychologie ist die berühmte Aussage von Christian von Ehrenfels (1859-1932) in Abb. 4a. Auch gestalterische Kompositionen vereinen mehrere einzelne Gestaltungselemente zu einer Gesamtheit, die mehr aussagt als die Summe der Einzelelemente. Durch die Beziehungen der Gestaltungselemente zueinander und durch ihre Beziehung zum umgrenzenden Format lassen sich gezielt Wirkungen erzeugen. So kann man durch bestimmte Anordnungen von Formen im selben Format den Eindruck von Ruhe oder Spannung, Nähe oder Ferne, Dynamik oder Statik hervorrufen. Die wesentlichen gestaltbaren Elemente sind dabei Format, Form und Farbe in ihren jeweiligen verschiedenen Ausprägungen und ihren Relationen zueinander, ferner das Trägermaterial. Das Gestaltungselement Farbe wird später erörtert. Hier geht es zunächst um Form und Format.
Abb. 4.0.3a: Das Kräftespiel im Layout Grafik: Hammer)
4.0.3 Form und Format Beim Zeichnen eines Kreises beispielsweise wird immer auch das Umfeld, auf dem der Kreis erscheint, mitgestaltet. Gestaltungsobjekte, wie Kreise, Punkte, Linien etc., existieren in der Gestaltungspraxis nicht im unendlichen Raum, sondern werden in der Regel für die Betrachter auf einer umgrenzten Fläche sichtbar. Somit treten sie stets in gestalterische Beziehung zu dieser Fläche. Die Ausdehnung und Ausrichtung der Fläche wird jeweils durch das Format bestimmt. Die Proportionen des Formates haben bereits entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung der Fläche als ruhig, statisch, dynamisch etc. Die auf der Fläche zu gestaltende Form kann vielfältige Ausprägungen besitzen. Die einfachste Form ist der Punkt, hier verstanden als kleiner Kreis (nicht im mathematischen Sinne). Die Linie ist eine Aneinanderreihung von Punkten. Sie hat bereits eine Ausrichtung. Mit ihr kann man offene oder geschlossene Formen bilden. Geschlossene Formen wiederum werden durch Füllungen zu einer Fläche, die als Binnenfläche auf der Formatfläche wirkt und z. B. zur Layoutgliederung genutzt werden kann (Abb. 4.0.3a).
IXIOIXIO IXOIOXIOIX
72
IXIOIXIO IXOIOXIOIX
Die Form
Elementares Gestalten
4
Weitere nicht zu vergessende Gestaltungsobjekte auf der Formatfläche sind Texte und Bilder. Text besteht dabei wiederum aus Linien und Flächen. Formelemente können als abstrakte Form wirken oder Bedeutungsträger sein. Einfache geometrische Formen sind Kreis, Rechteck, Quadrat etc. Mit weiteren zusätzlichen Attributen werden sie z. B. zu Schildern, Tassen, Blumen oder Gesichtern. Dennoch bleiben sie auch als Bedeutungsträger Formen in der Fläche, die in Beziehung zu ihrem Formatumfeld zu gestalten sind. Die gestaltbaren Merkmale der Form sind vielfältig. Sie umfassen Größe, Anzahl, Anordnung, Richtung, Kontrast, Farbe etc.
4.1 Die Form 4.1.1 Der Punkt Der gestalterische Punkt ist nicht identisch mit der mathematischen Definition des Punktes, sondern beschreibt eine kleine Kreisform, die in kleinerer Ausführung nicht als geometrische Form, sondern als punktförmiges Element wahrgenommen wird. Man kann darüber hinaus auch andere geometrische (z. B. quadratische) und freie Formen als gestalterischen Punkt definieren, wenn sie im Gesamtformat so klein wie ein Punkt wirken (Abb. 4.1.1a). In der Formatfläche wirkt der Punkt als Blickfang. Dabei ist seine eigentliche Form von untergeordneter Bedeutung. Wird der Punkt
Abb. 4.1.1a: Der Punkt als beliebige Form (Grafik: Hammer) Auch Rechtecke oder Freiformen wirken in kleiner Größe als Punkt. Der kreisförmige Punkt ist jedoch hervorzuheben, da er richtungslos und somit einfacher als andere geometrische Formen ist.
73
Die Form größer, überschreitet er in Abhängigkeit vom Hintergrundformat eine Schwelle, ab der er nicht länger als Punkt, sondern als Fläche mit eindeutiger geometrischer oder freier Form wirkt. In der Kombination mit dem neutralsten Format, dem Quadrat, lassen sich grundlegende Gestaltungsgesetzmäßigkeiten veranschaulichen. Ein Punkt in der Mitte eines Quadrates strahlt Ruhe aus, da die Randabstände symmetrisch sind. Bei Auflösung der Symmetrie, das heißt bei unterschiedlichen Abständen zu den Formaträndern, entsteht Spannung. Je nach Position oben, unten, rechts oder links werden bedingt durch die Betrachtungsweise des Formates und durch die europäische Leserichtung von links nach rechts imaginäre Bewegungspositionen erkannt. Bei einer Oben-unten-Betrachtung der Fläche wird eine Punktposition nahe des unteren Randes als ruhig empfunden, da die potenzielle imaginäre Bewegung des Punktes bis zu einem „Fall“ auf die Grundlinie gering ist. Ein Punkt im oberen Bereich der Fläche kann weiter fallen, die Spannung ist größer. Zugleich wirkt er leichter.
Abb. 4.1.1b: Punktpositionen (Grafik: Hammer)
Abb. 4.1.1c: Gleichgewichtige Punkteinheiten (Grafik: Hammer)
oder eine Textlinie. oder eine Textlinie
Abb. 4.1.2a: Linien aus Einzelformen (Grafik: Hammer)
74
In der Links-rechts-Betrachtung beeinflusst unsere eingewöhnte Leserichtung von links nach rechts das Wahrnehmungsempfinden: Ein Punkt nahe des rechten Randes ist fast „angekommen“ und wirkt stabiler als ein Punkt nahe des linken Randes (Abb. 4.1.1b). Mehrere gleichartige Punkte bilden optisch größere Einheiten nach dem Gesetz der Zusammengehörigkeit. Eine Einheit aus vielen kleinen Punkten kann dabei optisch das gleiche Gewicht bilden wie eine Einheit aus wenigen großen Punkten. Bei leicht zusammengekniffenen Augen kann man die sich ergebenden Grauwerte der Einheiten gut erkennen (Abb. 4.1.1c). 4.1.2 Die Linie Aus der Reihung von Punkten entsteht optisch eine Linie. Gestalterisch kann unter Linie auch eine enge Reihung von anderen Einzelformen verstanden werden, die als linienförmige Einheit wahrgenommen wird Viele gereihte Formen erscheinen im Layout als Linie, unter anderem auch Texte (Abb. 4.1.2a). Zwischen einzelnen Formelementen bestehen auch imaginäre Bezugslinien, die für die Komposition von Bedeutung sind. Hier wird jedoch zunächst die Linie als Form im Sinne einer zusammenhängenden materiellen Einheit betrachtet. Im Gegensatz zum Punkt weist die Linie eine Richtung auf. Bedingt durch die Betrachtungsweise des Formates und die Leserichtung entstehen beim Betrachten von Linien Bewegungsabläufe. Die
Die Form
4
Elementares Gestalten
Abb. 4.1.2b: Richtungen von Linien (Grafik: Hammer)
horizontale Linie läuft von links nach rechts, die vertikale von oben nach unten. Bei Diagonalen unterscheidet man die Version von links oben nach rechts unten als fallende gegenüber der Version von links unten nach rechts oben Version als steigende Linie. Der Betrachter identifiziert sich selbst mit dem Ausgangspunkt der Linie und beurteilt die Linie z. B. als fallend, als ob er selbst daran entlang gleiten würde. Die horizontale Linie lässt den Blick ungehindert gleiten, sie ist passiv; die vertikale Linie steht der Leserrichtung entgegen, sie ist aktiv (Abb. 4.1.2b). Die gerade Linie ist streng genommen ein längliches Rechteck und tritt in vergrößerter Form als solches in Erscheinung, wenn geeignete Proportionen und Größenunterschiede zum Format gegeben sind (Abb. 4.1.2c). Zu unterscheiden sind gerade und gebogene Linien sowie ihre Mischformen. Gerade Linien bilden Winkel, Zickzackformen, regelmäßige und unregelmäßige Vielecke etc. Aus gebogenen Linien entstehen Wellenformen, Spiralen, Kreise, Ellipsen, frei geschwungene, offene oder geschlossene Formen. Linien können harte oder aufgelöste Ränder aufweisen, an- oder abschwellen, durchgängig sein oder aus Teilstücken oder Teilformen bestehen. Gestaltungsvariablen der Linie sind deren Form, Richtung, Stärke, Länge, Anzahl, Abstand, Farbe. Werden Anfang und Ende einer Linie zusammengefügt, verliert die Linie ihren Liniencharakter; es entsteht eine Flächenform (Abb. 4.1.2d). Insbesondere durch die Gestaltung der Linienabstände mehrerer gleichartiger Linien lassen sich Spannung und Rhythmus erzeugen.
Abb. 4.1.2c: Von der Linie zum Rechteck (Grafik: Hammer)
Abb. 4.1.2d: Linienformen (Grafik: Hammer) Annähernd oder vollständig geschlossene Linien wirken nicht länger als Linie, sondern als Flächenform.
75
Die Form
Abb. 4.1.2e: Linienreihung (Grafik: Hammer) Bei gereihten Linien folgt der Blick der Richtung der Reihung.
Eine Reihung abstandsgleicher paralleler Linien führt dazu, dass der Blick nicht mehr der Linienrichtung folgt, sondern der Richtung der Reihung (Abb. 4.1.2e).
Abb. 4.1.2f: Richtungspfeile (Grafik: Hammer) Besonders kraftvoll sind Pfeile entgegen der Leserichtung.
Werden Linien mit Pfeilspitzen versehen, wird dadurch eine eindeutige Bewegungsrichtung vorgegeben. Gestalterisch interessant sind Pfeillinien, die in Gegenrichtung zur Leserichtung zeigen. Sie fallen stärker auf und führen den Blick zurück und bewirken dadurch meist eine längere Betrachtungsdauer (Abb. 4.1.2f). 4.1.3 Flächenformen Bereits Punkt und Linie erweitern sich bei zunehmender Größe zum Kreis beziehungsweise zum Rechteck und somit zur Fläche. Darüber hinaus existieren vielfältige weitere regelmäßige und unregelmäßige Flächenformen. Sie bilden gegenüber der Formatfläche (Hintergrund) eigenständige geschlossene Flächenformen. Ihre Flächenwirkung erhalten sie insbesondere dann, wenn sie nicht nur aus einer umschließenden Konturlinie bei hintergrundgleicher Füllung bestehen, sondern mit einer zum Hintergrund kontrastierenden Füllung (hier grau) versehen sind. Nicht geschlossene Linienkonturen werden vom Betrachter ebenfalls zu Flächenformen ergänzt (Gesetz der Geschlossenheit). Gleiches gilt für Flächenformen, die aus nicht geschlossenen linienartigen (Schraffuren) oder freien Strukturen (Texturen) gebildet werden. Sie wirken im Layout nicht als einzelne Elemente, sondern als Flächenform (Abb. 4.1.3a).
Abb. 4.1.3a: Geschlossene und offene Flächenformen (Grafik: Hammer)
76
Die Form
Elementares Gestalten
4
Abb. 4.1.3b: Geometrische und freie Flächenformen (Grafik: Hammer) Formbildung aus geometrischen Grundformen, durch Addition und Subtraktion geometrischer Formen, durch Freiformen und einfache sinnhaltige Formen.
Man unterscheidet bei Flächenformen solche aus geometrischen Figuren erster und zweiter Ordnung, aus der additiven oder subtraktiven Kombination geometrischer Formen, solche aus freien, intuitiv entwickelten Formen sowie aus Mischformen (Abb. 4.1.3b). Im Gegensatz zum Kreis weisen alle anderen Formen Richtungsbeziehungen auf, die durch die dominierende geometrische oder optische Achse bestimmt werden. Der Ausrichtung der Flächenform kommt deshalb gestalterisch große Bedeutung zu (Abb. 4.1.3c).
Abb. 4.1.3c: Richtungsbeziehung der Fläche (Grafik: Hammer)
77
Die Form
Abb. 4.1.3d: Flächen in der Figur-Grund-Beziehung (Grafik: Hammer) Große und angeschnittene Flächen führen oft zur Figur-Grund-Umkehrung, vor allem, wenn die Freifläche als sinnhaltige Form, z. B. als Buchstabenform, gedeutet werden kann.
Gestaltbare Merkmale der Flächenformen sind deren Form, Größe, Proportion, Füllung und Farbe. Die Proportionen von Flächenformen können bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen z. B. dem Goldenen Schnitt. Im Gegensatz zu Punkt und Linie werden Flächenformen häufig als formatdominierend empfunden und führen zu Problemen in der Figur-Grund-Unterscheidung. Anordnungen und Richtungsänderungen von Flächenformen beeinflussen somit die verbleibende Formatfläche. Das gilt vor allem dann, wenn Flächenformen angeschnittenen sind (Abb. 4.1.3d). 4.1.4 Bild und Text Bilder und Texte auf einer Formatfläche stellen im Grunde nur Sonderformen von Flächenformen dar, die zusätzlich bedeutungshaltig sind.
Abb. 4.1.4a: Geschlossene Bildflächen (Grafik: Hammer) Abb. 4.1.4b: Freigestellte Bilder (Foto: Ammann)
Abb. 4.1.4c: Textflächen (Grafik: Hammer) Abb. 4.1.4d: Typo als Flächenform (Grafik: Ruske)
78
Das Format
Elementares Gestalten
4
Rechteckige Bilder wirken im Layout als regelmäßige Flächenformen mit einer Binnenstruktur. Wegen ihrer Größe und ihrer meist hohen Farb- und Kontrastintensität im Gegensatz zur Formatfläche stellen sie in Layouts gestalterisch starke Elemente dar, die einen gewichtigen Gegenpart zur verbleibenden Formatfläche bilden (Abb. 4.1.4a). Freigestellte Bilder mit unregelmäßiger Außenkontur bilden auch unregelmäßige und damit interessantere Freiflächen. Texte werden einerseits als sinnhaltige Zeichenkombinationen gelesen (und sind für diesen Zweck optimal zu gestalten), andererseits werden sie in der Formatfläche als zusammenhängende Graufläche wahrgenommen und stellen somit im Layout gestaltbare Flächenformen dar. Diese sind standardmäßig rechteckig, können aber im Formsatz auch freie Formen annehmen (Abb. 4.1.4c). Bei großer Typografie (z. B. Headlines) weisen die einzelnen Buchstaben hohe Eigenständigkeit auf und wirken durch ihre meist prägnanten Strich- und Flächenformen als eigenständige Form oder Fläche (Abb. 4.1.4d).
4.2 Das Format 4.2.1 Seitenformate Gestaltung findet auf einer endlichen, räumlich umgrenzten Fläche, dem Format, statt. Die Größe dieses Trägers der Gestaltung kann sehr unterschiedlich sein: Plakate, Fotos, Briefe, Briefumschläge, Flyer, Taschenbücher, Monitore etc. Viele Produkte weisen typische Formate oder Formatproportionen auf, durch die sie charakterisiert werden. Manche Formate ergeben sich aus technischen Standards z. B. Papierformate, Hüllenformate oder Labelformate für CD, MC, Videokassetten, HDTV-Formate, Kameraformate, Monitorformate etc. (Abb. 4.2.1a).
Abb. 4.2.1a: Unterschiedliche Formate (Foto: Hammer)
79
Das Format
Abb. 4.2.1b: Die Form im Format (Grafik: Hammer) Die Wirkung der Form steht in Beziehung zum jeweiligen Format.
Die Formatränder umgrenzen den jeweils gestaltbaren Raum, in den die Formelemente gesetzt werden können. Formen wirken deshalb immer in Beziehung zum Format. Gleiche Formelemente auf unterschiedlichen Formaten rufen unterschiedliche Wahrnehmungswirkungen hervor, weil die verbleibenden Freiflächen anders sind (Abb. 4.2.1b). Bedingt durch industrielle Fertigungs- und Verarbeitungsprozesse haben sich standardisierte Formate durchgesetzt, weil dadurch gleich bleibende „Rahmenbedingungen“ zur Nutzung des gleichen Mediums auf unterschiedlichen Geräten (z. B. Papier im Druckereibetrieb, auf Druckern oder Fax) geschaffen werden und somit ökonomische Vorteile erreichbar sind. Die meisten Formate sind rechteckig, seltener findet man Sonderformate wie z. B. das kreisförmige, elliptische oder dreieckige Format. Das in Deutschland bekannteste normierte Format ist das DINFormat für Papiere, insbesondere die DIN-A-Reihe, welches durch die deutsche Industrienorm bzw. die heute übliche europäische ISO-Norm festgelegt wird (Abb. 4.2.1c). Ausgangsbasis für das DIN-A1 Format ist eine Flächengröße von einem Quadratmeter. Das DIN-A1-Format ist aus einer 1 Quadratmeter großen Fläche entwickelt. Die Diagonale wird zur längeren Seite eines größeren Rechteckes und definiert damit ein Seitenverhältnis von 1 : Wurzel aus 2 (1 : 1,414). Durch proportionale Verkleinerung der entstandenen größeren Fläche auf den ursprünglichen Flächeninhalt von einem Quadratmeter entsteht das DIN-A1-Format mit den Seitenlängen von 841 x 1189 mm (Abb. 4.2.1d). Hüllenformate z. B. DIN-C, DIN-B und Lang-DIN beschreiben Abmessungen der Briefhüllen für DIN-A-Formate in ungefalzter, 1/2 oder 1/3 gefalzter Ausführung. Im klassischen Fotobereich sind Normierungen der Aufnahme- und Abzugsformate bekannt. Dem verbreiteten Kleinbildformat von 24 x 36 mm Seitenlänge liegt ein Seitenverhältnis von 2 : 3 zugrunde.
DIN A2
420 x 594 mm
DIN A3
297 x 420 mm
DIN A4
210 x 297 mm
DIN A5
148 x 210 mm
DIN A6 Abb. 4.2.1c: Seitengrößen nach DIN (Grafik: Hammer)
80
105 x 148 mm DIN A7 74 x 105 mm
Elementares Gestalten
Das Format
4
1 m² 1 m²
Abb. 4.2.1d: Konstruktion des DIN-A1-Formates (Grafik: Hammer)
Außerdem sind die quadratischen Aufnahmeformate 4 x 4 und 6 x 6 bekannt sowie im APS-System das am Kleinbildverhältnis orientierte Classic-Format (23 x 17 mm), das am 16 : 9 HDTV orientierte H-Format (30 x 17 mm) und ein 3 : 1-Panoramaformat (30 x 10 mm). In Korrespondenz dazu sind in angenäherter proportionaler Vergrößerung die Fotoabzugsformate abgestuft. Die digitale Fotografie orientiert sich dagegen vorrangig an Computer-Monitorformaten. Diese bestimmen die Gestaltung in den elektronischen Medien. Die fast ausschließlich querformatigen Monitore weisen ein Seitenverhältnis von 4 : 3 auf, das üblicherweise in Pixel angegeben wird. Bei der Websitegestaltung sollte man allerdings bedenken, dass Monitorformate keine Websiteformate sind, denn Webseiten werden in Browsern angezeigt. Deshalb sind einige Pixel für den umlaufenden Rand und für die zum Teil nutzerindividuell zuschaltbaren oberen Browserfunktionsleisten abzurechnen (Abb. 4.2.1e).
Gebräuchliche Bildformate: Kleinbildformat 2: 3 (in mm) 24 × 36 Fotoformate ca. 2 : 3 (in cm) 7 × 10, 9 × 13, 10 × 15, 13 × 18, 18 × 24, 24 × 30 APS-Formate (in mm) 23 × 17 (2 : 3 Classic Format) 30 × 17 (16 : 9 H-Format) 30 × 10 (3 : 1 Panorama-Format) Monitorformate 4 : 3 (in Pixel) 320 × 240 (VGA) 640 × 480 (SVGA) 800 × 600 (XGA) 1024 × 768 (SXGA) 1280 × 1024 1600 × 1200
Abb. 4.2.1e: Monitor- und Websiteformate (Grafik: Ruske) Webseiten weisen ein deutlich ausgeprägteres Querformat aus als Monitorformate, da der obere Browserrand abzurechnen ist.
4.2.2 Proportionen Das geometrisch einfachste Format ist das quadratische, einmal abgesehen von der Sonderform des Kreises. Das Quadratformat wird bestimmt durch das Seitenverhältnis 1 : 1 und zwei gleiche Symmetrieachsen. Es ist in der Gestaltung ein beliebtes Format. Die meisten anderen Formate sind rechteckige Formate und können demnach sowohl hochformatig als auch querformatig
81
Das Format
2/3
1/3
A4
1/3
2/3
Abb. 4.2.2a: DIN-A4 und Teilformate (Grafik: Hammer) Abb. 4.2.2b: Formatseitenverhältnisse (Grafik: Hammer)
Abb. 4.2.2c: Teilung des Planobogens (Grafik: Hammer) Aus dem in der Druckindustrie verwendeten Planobogen werden durch Teilung die Formate Folio, Quart und Oktav.
82
3:4
2:3
1 : 2 = DIN A4
1:
5:8
1/2 3
1: 5
genutzt werden. Hochformate „streben nach oben“, sie gelten als aktiv; Querformate liegen und wirken eher passiv. In ihren Gestaltungsmöglichkeiten unterscheiden sich beide gravierend. Im Printbereich dominiert bekanntlich das Hochformat, in den elektronischen Medien das Querformat. Das im westeuropäischen Raum am weitesten verbreitete Format ist das DIN-A4 Format mit dem Seitenverhältnis von 1 : Wurzel 2, was ungefähr dem Verhältnis von 5 : 7 entspricht. Durch horizontale und vertikale Aufteilung ergeben sich daraus weitere Teilformate. Durch 1/3-Aufteilung der Vertikalen ergeben sich aus dem DIN-A4-Format das Lang-DIN-Format (1/3 DIN-A4) und das annähernd quadratische 2/3-Format. Weitere, eher selten verwendete Teilformate ergeben sich aus Drittelungen der Horizontalen (Abb. 4.2.2a). Über Jahrhunderte hat man sich in der Gestaltung mit den Propor-
Planobogen
Folio
Quart
Oktav
elementares gestalten
Das Format
4
tionen von Seitenformaten auseinandergesetzt. Man hat dabei u. a. Seitenverhältnisse mit rationalen Zahlen (1 : 2, 2 : 3, 3 : 4 etc.) als auch solche mit irrationalen Zahlen ( 1: Wurzel 2 , 1 : Wurzel 3, 1 : Wurzel 5 etc.) erprobt. Eine herausragende Sonderstellung nimmt die 5 : 8 Proportion des Goldenen Schnittes ein, die im Formatseitenverhältnis als besonders harmonisch empfunden wird. Sie dominierte früher in der Buchgestaltung (Abb. 4.2.2b). In der Druckindustrie war der Planobogen formatbestimmend, der in Folio, Quart und Oktav unterteilt wurde. Heute setzen sich auch dort zunehmend DIN-Formate durch (Abb. 4.2.2c). 4.2.3 Goldener Schnitt An exponierter Stelle unter den Proportionen steht die „Proportia Divina“, die Proportion des Goldenen Schnittes. Sie steht für Harmonie par excellence. Im Mittelalter sah man in ihren Harmoniebeziehungen die Vollendung gestalterischen Schaffens, da ihre Verhältnisse sich in den Vorbildern der Natur (Blüten, Verzweigungen, menschliche und tierische Proportionen) widerspiegeln und somit als „gottgegeben“ eingestuft wurden. Vor allem in der bildenden Kunst und in der klassischen Architektur hat man den Goldenen Schnitt zum Prinzip des Bild- bzw. Gebäudeaufbaus erhoben. Die Proportionen des Goldenen Schnittes finden sich auch in der geometrischen Figur des Pentagramms (Abb. 4.2.3a).
1
1,6
Abb. 4.2.3a: Harmonische Proportionen (Fotos und Grafiken: Ruske, Bensmann, Menschliche Proportionen von Leonardo da Vinci, Hammer)
83
Das Format 5
8
Minor
Major
5
8
5
Linea aurea
Linea aurea
8
Abb. 4.2.3b: Teilung im Goldenen Schnitt (Grafik: Hammer) Harmonische Teilung eines Quadrates mit „goldenen Linien“
Mathematisch betrachtet beschreibt der Goldene Schnitt das Verhältnis von 1 : 1,618. Das entspricht ungefähr den Ganzzahlverhältnissen von 2 : 3 : 5 : 8 : 13 etc. Dabei ergibt sich durch Addition der zwei vorstehenden Zahlen die nächsthöhere (Lamé’ sche bzw. Fibonacci-Zahlenreihe). Das Verhältnis von 5 : 8 kommt dem Teilungswert 0, 618 am nächsten. Allgemein gilt der Satz: Eine Strecke ist im Goldenen Schnitt geteilt, wenn sich die Gesamtstrecke zur größeren Teilstrecke so verhält wie die größere zur kleineren Teilstrecke. Die kleinere Strecke wird als „Minor“, die größere als „Major“ bezeichnet. Durch weitere Kreisschläge um die Streckenendpunkte entsteht das Seitenformat und eine Seitenunterteilung im Goldenen Schnitt. Eine Spiegelung dieser Linien ergibt die „goldenen Linien“ (linea aurea) und „goldenen Schnittpunkte“ innerhalb des Formates des Goldenen Schnittes. Eine Strecke lässt sich natürlich auch konstruktiv im Verhältnis des Goldenen Schnittes unterteilen. Die dazu notwendigen Konstruktionsschritte sind im Beispiel dargestellt (Abb. 4.2.3c): • Teilung der Strecke AB und Errichtung einer Senkrechten mit der Höhe AB/2 in B und Verbindungen zum Dreieck ABC. • Ein Kreisschlag um C mit dem Abstand BC schneidet die Hypotenuse in D. • Ein weiterer Kreisschlag um A mit dem Abstand AD teilt nun die Strecke AB im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Als „Divina Proportio Typografica“ bestimmte der Goldene Schnitt über Jahrhunderte auch die Typografie. Das ideale Seitenformat der klassischen Buchgestaltung war im Seitenverhältnis des Goldenen Schnitts aufgebaut, ebenso war der Satzspiegel nach diesen Regeln unterteilt.
C 1.
D 2. 3.
Abb. 4.2.3c: Konstruktion des Goldenen Schnittes (Grafik: Hammer)
84
A
1/ 2
AB
E
B
Komposition
Elementares Gestalten
4
Abb. 4.3.1a: Größe im Format(Grafik: Hammer)
4.3 Komposition 4.3.1 Größe Die Größe der Formen in der Formatfläche bestimmt die Wahrnehmung der verbleibenden Freifläche. Je größer die Form, desto dominierender wird sie; häufig wird die verbleibende Freifläche zur Form. Liegt die Form nicht vollständig im Format, sondern ist nur teilweise sichtbar – man spricht von angeschnittenen Formen -, verschwindet häufig die Eindeutigkeit von Form- und Formatunterscheidung. Bei angeschnittenen Vierecken oder Dreiecken wird die Umkehrung der Freifläche zur Form besonders deutlich, da der Abschnitt der ursprünglichen Form nicht mehr zur geschlossenen geometrischen Figur ergänzt wird (Abb. 4.3.1a). Werden unterschiedliche Größen der gleichen Form dargestellt, verstärken sie gegenseitig ihren Größeneindruck. Die große Form wirkt größer, die kleine kleiner. Stehen beide Formen auf einer tatsächlichen oder imaginären gemeinsamen Grundlinie, verstärkt sich der Größenunterschied (Abb. 4.3.1b). Meist tritt gleichzeitig eine räumliche Wirkung auf: Die kleine Form erscheint unabhängig von ihrer Position im Format als entfernt, die große Form als nah. Verstärkt wird dieser Eindruck durch große angeschnittene Formen (Abb. 4.3.1c).
Abb. 4.3.1b: Unterschiedliche Größen einer Form (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.1c: Nähe und Ferne (Grafik: Hammer)
4.3.2 Position Großen Einfluss auf die Wahrnehmungsempfindungen der Form nimmt deren Position innerhalb der Formatfläche. Wie bereits beim Gestaltungselement Punkt beschrieben, spielt hierbei unsere
85
Komposition
Abb. 4.3.2a: Optische Achsen (Grafik: Hammer)
Leserichtung von links nach rechts und von oben nach unten eine vorbestimmende Rolle. Zum anderen bestimmen die optischen Achsen der Form in ihrem Verhältnis zu den Formaträndern den Wahrnehmungseindruck (Abb. 4.3.2a). Eine Form (vor allem ein richtungsloser Kreispunkt) in der Formatmitte wird als besonders ruhig empfunden. Andere Positionen wirken dagegen dynamischer (Abb. 4.3.2b).
Abb. 4.3.2b: Positionen im Format (Grafik: Hammer)
Gleiches gilt für die Anordnung mehrerer (gleicher) Formen auf den Symmetrieachsen des Formates. Anordnungen gleicher Formen auf den Symmetrieachsen wirken statisch. Das gilt besonders bei mehrfach symmetrischer Anordnung und gleichzeitiger RandEckposition. (Abb. 4.3.2c).
Abb. 4.3.2c: Ausdruck von Statik (Grafik: Hammer)
Interessanterweise wird die Positionierung einer Form in der geometrischen Mitte des Formates nicht wirklich als mittig empfunden. Die empfundene optische Mitte liegt dagegen ein wenig oberhalb der geometrischen Mitte (Abb. 4.3.2d).
86
Komposition
4
Elementares Gestalten
Abb. 4.3.2d: Optische Mitte (Grafik: Hammer) Die numerische Mitte (erstes Bild) sieht falsch aus. Erst eine etwas nach oben verschobene Position wirkt mittig.
Abb. 4.3.2e: Positionen außerhalb der Symmetrieachsen (Grafik: Hammer)
Positionen unweit der Mitte empfindet man meist als unangenehm, da uneindeutig. Sie sehen aus, als seien sie „aus der Mitte gerutscht“. Spannungsreich dagegen sind Positionen in Randnähe und solche deutlich außerhalb der Symmetrieachsen des Formates (Abb. 4.3.2e). Eine Besonderheit ist die Positionierung der Form auf einer horizontalen oder vertikalen Formatunterteilung im Goldenen Schnitt, vor allem im Kreuzungspunkt beider Linien. Positionen im Goldenen Schnitt gelten als besonders harmonisch (Abb. 4.3.2f).
Abb. 4.3.2f: Position im Goldenen Schnitt (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.2g: Positionen in Randlage (Grafik: Hammer)
Positionen in Randlage lassen die Form „am Rand kleben“. Hier kommt meist die Oben-unten-Betrachtung des Formates zum Tragen und lässt die Formen instabil hängend, fallend oder auf der Grundlinie stabil liegend erscheinen (Abb. 4.3.2g). 4.3.3 Ordnung Besteht zwischen gleichartigen oder gemischten Formen im Format keine wahrnehmbare Beziehung zueinander, herrscht Unordnung. Der Blick findet nirgendwo einen Ruhepunkt, sondern wandert ziellos von einer Form zur anderen (Abb. 4.3.3a). Ein Anliegen des Gestaltens ist es, durch Ordnung, das heißt durch definierte Beziehungen der einzelnen Formen zueinander, deren Wahrnehmungsweisen gezielt zu steuern. Zu den wichtigsten
Abb. 4.3.3a: Beziehungslosigkeit (Grafik: Hammer)
87
Komposition
Abb. 4.3.3b: Ordnungsprinzipien (Grafik: Hammer) Reihung (A) geordnete Gruppierung (B) freie Gruppierung (C) virtuelle Form (D) Staffelung (E) Einrahmung (F)
A
B
C
D
E
F
Ordnungsprinzipien zählen die Reihung, die geordnete und freie Gruppierung, die Bildung übergeordneter Formen (virtuelle Formen), die Staffelung und die Einrahmung durch Flächen oder Linien (Abb. 4.3.3b). Das Chaos ungeordneter Formen lässt sich durch Sortieren und Ausrichten ordnen und zu geordneten Gesamtkompositionen neu zusammenfügen (Abb. 4.3.3c).
Abb. 4.3.3c: Sortieren, Ausrichten, Neukomposition (Grafik: Hammer)
88
4
elementares gestalten
Komposition Kleinbürgerträume, dachte er angeödet, bis sein Blick jäh auf die Motorhaube des schwarz glänzenden Bugatti prallte. Nervös vor Freude suchte er in seiner Tasche den Nagel.
Was stimmt hier nicht? Hawaii Funghi Tonno Spinaci
Wurst
Vollständige Ordnung ist jedoch meist langweilig und wenig spannungsreich. Deshalb versucht man in der Gestaltung häufig nach der Ordnung wieder Störungen einzubauen, das heißt die Ordnung partiell zu durchbrechen, um Spannungen zu erzeugen. Einzelne aus dem Ordnungsgefüge ausbrechende Formen treten vorrangig in Erscheinung und wirken als aufmerksamkeitsstarke Blickfangpunkte. Dieses Prinzip wendet man z. B. auch in der Textgestaltung zur Auszeichnung und Hervorhebung an. Auch Rollovers in der Navigation von Websites stören die Ordnung der Navigationspunkte und fallen deshalb auf (Abb. 4.3.3d). Fast immer werden zwischen den Formen imaginäre Beziehungslinien wahrgenommen. So entstehen Richtungen und Bewegungsabläufe, die den Blick führen. Im Layout sind solche Beziehungslinien die Basis der gestalterischen Ordnung. Sie avancieren zu Gestaltungsrastern und dienen zur Ausrichtung der unterschiedlichen Gestaltungselemente. Auf diese Weise entsteht auch in einem Layout mit unterschiedlichen Gestaltungselementen wie Texten, Bildern, Linien etc. eine wohltuende Ordnung (Abb. 4.3.3e).
Abb. 4.3.3d: Spannung durch Störungen (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.3e: Führungslinien im Layout (Grafik: Hammer, Entwurf: Gasch)
Abb. 4.3.3f: Wahrnehmung als Einheit (Grafik: Hammer)
Diejenigen Formen, die gleichartig sind, werden bevorzugt als Einheit wahrgenommen und in Beziehung gesetzt (Gestaltgesetz der Gleichartigkeit). Im Layout ist es wichtig, ständig das gewünschte Beziehungsgefüge zu kontrollieren, um keine unerwünschten Beziehungslinien zu erhalten. (Abb. 4.3.3f). 4.3.4 Harmonie Zwei oder mehrere Formen im Format treten in einen Kräftevergleich, gleichzeitig wirken sie gemeinsam gegenüber der Formatfläche (Abb. 4.3.4a). Formen mit eindeutiger Gerichtetheit weisen zudem eine Richtungskraft auf (Rechteck, Dreieck).
Abb. 4.3.4b: Kräfte zweier Formen (Grafik: Hammer)
89
Komposition
Abb. 4.3.4b: Kräfteverteilung Form/Fläche (Grafik: Hammer)
In der grundlegenden Bedingtheit von Form und Format liegt die wesentliche Gestaltungskraft. Formen und die verbleibende Freifläche treten in ein Kräftespiel (Abb. 4.3.4b).
Abb. 4.3.4c: Gleich- und Ungleichgewicht (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.4d: Optische Achsen (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.5a: Helligkeitskontraste (Grafik: Hammer)
90
Im Kräftespiel unterschiedlicher Formen oder in deren Beziehung zum Format ergänzen oder bekämpfen sich die Einzelkräfte. Die einzelnen Formen bilden im Format optische Schwerpunkte; sie haben ein optisches Gewicht. Dieses kann mit Hilfe der geometrischen Achsen des Formates nach Symmetrie- oder Asymmetrieanordnungen beurteilt werden (Abb. 4.3.4 c). Man kann die Verteilung im Kräftespiel der optischen Gewichte aber auch anhand der so genannten optischen Achsen beurteilen, d. h. anhand von virtuellen Symmetrieachsen und Bezugslinien, die auf der Basis der optischen Gewichte im Format entstehen (Abb. 4.3.4d). Geometrische und optische Gleichgewichte werden als harmonisch empfunden. Als ganz besonders harmonisch gelten auch hier Kräfteverteilungen nach dem Prinzip des Goldenen Schnittes. 4.3.5 Kontrast Aus einigen Wahrnehmungsgesetzmäßigkeiten haben wir gelernt, dass Gleichartiges als zusammengehörig und homogen gesehen wird. Ungleiches grenzt sich dagegen voneinander ab. Zur Differenzierung der Formen zueinander und zum Format tragen vor allem die Helligkeits- und Farbkontraste bei. Vor einer weißen Formatfläche heben sich helle Formen nur wenig ab, schwarze Formen dagegen bilden einen deutlich auffallenden Gegensatz zur Formatfläche und treten hervor (Abb. 4.3.5a). Ebenso verhält es sich mit der Beziehung der Formen zueinander. Helligkeits- oder farbähnliche Formen wirken eher als Einheit, Helligkeits- und Farbkontraste schaffen dagegen Spannungen und erregen Aufmerksamkeit (Abb. 4.3.5b).
Komposition So wie in einem Thriller Spannung erzeugt wird durch laute, plötzliche Geräusche in der Stille, werden auch in der grafischen Gestaltung Wahrnehmungseindrücke durch die Polarität der Elemente verstärkt: Das Kleine wird klein neben dem Großen, das Helle wird hell neben dem Dunklen etc. Eine Seite, die nur homogene Farb- und Helligkeitswerte aufweist, sieht oft langweilig und fade aus; gezielte Helligkeits- oder Farbkontraste erwecken sie dagegen zum Leben. Andererseits ist es oft gestalterisch sehr sinnvoll, die zusammengehörigen Elemente durch Helligkeitsangleichungen oder Farbharmonien zu verbinden, da z. B. Helligkeitsabstufungen durch ihren Treppeneffekt sehr gut zur gezielten Blickführung nutzbar sind und meist als wohltuend harmonisch wahrgenommen werden (Abb. 4.3.5c). Besonders die Farbe eignet sich hervorragend zur Kontrastierung. Hier gilt, dass reine, gesättigte Farben Vorrang in der Wahrnehmung haben vor geringgesättigten oder gemischten Farben. Warme Farben (als nahe Farben) treten vor kalte (als ferne) Farben, helle, z. B. Gelb, vor dunkle Farben, z. B. Violett. Zu weiteren Ausführungen zum Thema Farbe vgl. Kap. 7 Farb gestaltung. 4.3.6 Dynamik Bewegungen, die in sich eine Progression aufweisen, werden üblicherweise als dynamisch empfunden. In der Gestaltung gelten z. B. solche Formen als besonders dynamisch, die „beschleunigte“ Kurven enthalten. Dynamik entsteht bei Kurvenlinien, wenn sie ihre Krümmung progressiv zur Geraden hin verändern (Abb. 4.3.6a). Selbst in Beziehung stehende gerade Linien wirken dynamisch, wenn sie nicht parallel verlaufen oder die zweite Linie länger ist als die erste (z. B. bei Zickzacklinien). Ausladende Kurvenschwünge, sich konzentrierend in umlenkenden kleinen Radien und über Eckpunkte ansetzende Gegenkurven schaffen dynamische Formen, die auch die verbleibende Freifläche interessant gestalten (Abb. 4.3.6b). Kurvenlineale, wie sie für Designzeichnungen verwendet werden, sind nach diesem Prinzip aufgebaut.
Elementares Gestalten
4
Abb. 4.3.5b: Aufmerksamkeit durch Kontrast (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.5c: Farbkontraste (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.6a: Dynamische Linien (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.6b: Dynamische Formen (Grafik: Hammer)
91
Resümee
Abb. 4.3.6c: Progressive Abstufung (Grafik: Hammer)
Abb. 4.3.6d: Statische und dynamische Flächenformen (Grafik: Hammer)
Mehrere gleiche Flächenformen drücken z. B. dann eine dynamische Bewegung aus, wenn sie progressiv abgestuft werden durch Veränderung einer oder mehrerer Formparameter. Im Beispiel der Dreiecke sind gleichzeitig die Größe, die Neigung und der Abstand progressiv verändert (Abb. 4.3.6c). Die Ausrichtung von Flächen und Linien von links unten nach rechts oben wirkt dynamischer als umgekehrt. Geschlossene Linien, die eine Form ergeben, strahlen dagegen Ruhe aus, da sie keine weitere Entwicklungsmöglichkeit mehr haben. Sie können allerdings Flächen beschreiben, die dann wiederum dynamisch wirken, wenn sie spitze Winkel und dadurch deutliche Richtungsbeziehungen aufweisen (z. B. spitzwinklige Dreiecke) (Abb. 4.3.6d). Angeschnittene Flächenformen wirken dann dynamischer, wenn sie keine geometrischen Grundformen, keine regelmäßigen geometrischen Ausschnitte wie Viertelkreise, Halbquadrate etc. zeigen und keine geometrisch regelmäßigen Positionen im Format einnehmen, sondern als asymmetrische Anschnitte der Form in unregelmäßiger Position zum Format angeordnet sind (Abb. 4.3.6e).
Abb. 4.3.6e: Flächenausschnitte (Grafik: Hammer)
4.4 Resümee 4.4.1 Was Sie gelernt haben Im Kapitel 4 „Elementares Gestalten“ haben Sie Ihr Wissen über die gegenseitige Abhängigkeit von Form und Format weiter vertieft. Sie haben vieles zu den grundlegenden Gestaltungskomponenten Punkt, Linie und Flächenform erfahren; Sie wissen, wann eine Linie aktiv oder passiv ist und dass Bilder auch als Flächenformen wirken. Sie haben erkannt, wie sehr die Gestaltung durch das gewählte Format beeinflusst wird, Sie kennen DIN-Formate, Fotoformate, Monitorformate. Sie sind in der Lage, eine Seite konstruktiv im Verhältnis des Goldenen Schnittes zu unterteilen und beherrschen den Goldenen Schnitt als harmonisches Gestaltungsprinzip. Sie haben gelernt, welche Auswirkung die unterschiedlichen Größen und Positionen einer Form in der Komposition haben und dass die optische Mitte ungleich der geometrischen Mitte ist.
92
Resümee
Elementares Gestalten
4
Ihnen sind die kompositorischen Prinzipien der Ordnung und Harmonie bekannt; Sie wissen, was man mit Kontrasten erreichen kann und wodurch der Eindruck von Dynamik entsteht. Prüfen Sie Ihr erworbenes Wissen in dem selbstevaluierbaren Quiz. In den Übungen können Sie selbst ausprobieren, wie Sie ein Objekt in der geometrischen Mitte positionieren, wie Sie den Goldenen Schnitt konstruieren, welchen Einfluss das Format auf die Gestaltung hat und wie Sie optische Gleichgewichte erzeugen. Und beweisen Sie in den begleitenden Entwurfsaufgaben zu Kompositionen in der Fläche Ihre kompositorischen Fähigkeiten. 4.4.2 Der besondere Tipp: Kreativ durch Vielfalt Wenn Sie gestalten, kommt es auf kreative Ideen und Fleiß an. Gemeint ist damit, dass Sie sich nicht mit der ersten Idee zufriedengeben, sondern mehrere Alternativen durchspielen. Entwerfen Sie mindestens 5 (besser 10) verschiedene Möglichkeiten einer Komposition, bevor Sie sich für einen Ansatz entscheiden. Arbeiten Sie nicht sofort auf dem Computer, sondern erzeugen Sie grobe Scribbles auf Papier. Das geht schneller und Sie sind eher bereit, sich von einer Idee wieder zu trennen. Wenn Sie einen interessanten Ansatz gefunden haben, arbeiten Sie ihn auf dem Computer aus. Erzeugen Sie dann wiederum mindestens 5 Varianten der ausgewählten Idee.
93
Quiz zu „Elementares Gestalten“
4.5 Quiz zu „Elementares Gestalten“ Lösungen (siehe Seite 417) Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. Quizfrage 4.5.1
4.5.1
Lösung (A) Lösung (B)
(A) (B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 4.5.2
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 4.5.3
4.5.2 (A) (B) (C) 4.5.3
Lösung (A)
(A)
Lösung (B) Lösung (C)
(B) (C)
Worauf sollten Sie achten, wenn Sie mit großen Flächenformen gestalten? Dass aus der verbleibenden Freifläche keine unerwünschte sinnhaltige oder prägnante Form entsteht Dass die Fläche eine feine Umrandungslinie aufweist Dass die Fläche nicht bis an die Formatränder reicht
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
4.5.4 (A) (B) (C)
Wie groß ist ein DIN-A3 Format? 210 x 297 mm 300 x 400 mm 297 x 420 mm
Quizfrage 4.5.5
4.5.5
Welches Seitenverhältnis liegt bei Standard-Computermonitoren vor? 3:2 4:3 16 : 9
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
(A) (B) (C) 4.5.6 (A) (B) (C)
Lösung (A) Lösung (B)
4.5.7 (A) (B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 4.5.7
94
In welche Richtung wird bei einer Reihung von parallelen Linien der Blick gelenkt? In Richtung der Aneinanderreihung In Richtung der einzelnen Linien In Diagonalrichtung
Quizfrage 4.5.4
Quizfrage 4.5.6
Warum wird in einem Format eine von links unten nach rechts oben verlaufende Linie als steigend empfunden? Weil sie von unten nach oben gezeichnet wird Weil durch die Leserichtung die Linie zuerst unten links erfasst wird und der Blick dann der Linie folgt Weil man Bilder immer von unten nach oben liest
Welches Seitenverhältnis weist der Goldene Schnitt auf? 1 : Wurzel 2 5:8 4:3 Was sind „goldene Linien“? Linien, die ein Format im Goldenen Schnitt teilen Linien, die mit einem goldfarbenen Lackstift gezeichnet werden Die optischen Achsen einer Komposition
Übungen
Elementares Gestalten
4.5.8
Quizfrage 4.5.8
(A) (B) (C) 4.5.9
(A) (B) (C)
In welcher geometrischen Figur kommen explizit die Verhältnisse des Goldenen Schnittes vor? Im Kreis Im Fünfeck Im Siebeneck Welcher Wahrnehmungseindruck entsteht, wenn in einem Format zwei gleichartige Formen gegeneinander versetzt in unterschiedlicher Größe gezeigt werden? Man vermutet einen Darstellungsfehler, da man gleich große Formen erwartet Es entsteht ein perspektivischer Eindruck Die kleine Form wirkt größer
4.5.10 Wann empfindet man eine gebogene Linie als dynamisch? (A) Wenn sich ihre Krümmung progressiv zur Geraden verändert (B) Wenn sie sich zum Kreis schließt (C) Wenn sie in gleichmäßiger Wellenform verläuft
4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 4.5.9
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 4.5.10
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C)
4.6 Übungen Die folgenden Übungen dienen vorrangig dazu, dass Sie die hier dargestellten Sachverhalte in der praktischen Gestaltung selbst nachempfinden, um auf diese Weise Ihr „gestalterisches Auge“ zu schulen. Drucken Sie Ergebnisse dieser Interimsübungen aus und beurteilen Sie die Papierausdrucke. 4.6.1 Ü: Punktpositionen (zu Kap. 4.1.1) Legen Sie mehrere quadratische Blätter eines Zettelblocks (oder quadratische PostIt-Zettel) nebeneinander und ordnen Sie darauf mit jeweils einem 5-Cent-Stück eine Punktform unterschiedlich an. Legen Sie das Geldstück zunächst genau in die Mitte. Verschieben Sie es dann geringfügig aus der Mitte. Bereits bei geringen Verschiebungen bemerken Sie sofort eine „verunglückte“ Position. Positionieren Sie das Geldstück nacheinander nahe der linken und rechten Seite und nahe der oberen und unteren Seite. Welche Position empfinden Sie als „vorn“ und „hinten“, welche als „instabil“ oder „stabil“? Probieren Sie weitere Anordnungen aus: In welcher Anordnung wirkt die Komposition besonders statisch? In welcher besonders dynamisch? Wann ist sie ausgewogen? Wann wirkt sie langweilig? 4.6.2 Ü: Seitenformate (zu Kap. 4.2.1) Legen Sie mit einem vektororientierten Zeichenprogramm auf einem DIN-A4-Hochformat jeweils eine Reihe aus drei Quadraten
95
Übungen
Abb. 4.6.2a: Übung zu Formaten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.6.3a: Übung: Konstruktion Goldener Schnitt (Grafik: Wieschhörster)
Abb. 4.6.4a: Übung zur optischen Mitte (Grafik: Wieschhörster)
Abb. 4.6.5a: Übung zum optischen Gleichgewicht (Grafik: Wieschhörster)
96
an (Seitenlänge 4 cm, dünne Umrisslinie), eine Reihe aus hochformatigen Rechtecken (Seitenlänge 4 x 6 cm) und eine Reihe von querformatigen Rechtecken (Seitenlänge 6 x 4 cm). Entwerfen Sie zunächst in den Quadraten Kompositionen aus jeweils 5 parallelen Linien, die von einem Rand aus in das Format ragen, ähnlich wie im Beispiel in Abb. 4.6.2a (Länge, Lage und Strichstärke der Linien sind frei wählbar). Kopieren Sie dann diese Kompositionen in die anderen Formate. Beobachten Sie, wie sich in anderen Formaten trotz gleicher Komposition die Spannung zwischen Form und Fläche verändert. 4.6.3 Ü: Goldener Schnitt (zu Kap. 4.2.3) Zeichnen Sie mittig auf ein DIN-A4-Hochformat eine 8 cm lange Linie. Teilen Sie die Strecke mittels eines Zirkels konstruktiv im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Entwickeln Sie daraus konstruktiv ein Rechteck mit dem Seitenverhältnis des Goldenen Schnittes und zeichnen Sie darin die „goldenen Linien“ ein. Alternativ können Sie diese Übung am PC mit einem vektororientierten Zeichenprogramm durchführen. Wenn Sie in einem Layoutprogramm die Streckenteilung und das Rechteck im Verhältnis des Goldenen Schnittes konstruiert haben, sollte die Zeichnung so aussehen wie in Abb. 4.6.3a. 4.6.4 Ü: Optische Mitte (zu Kap. 4.3.2) Zeichnen Sie in einem Layoutprogramm auf einem DIN-A4-Querformat nebeneinander zwei ca. 12 cm große Quadrate mit feiner Umrisslinie. Positionieren Sie zunächst in der geometrischen Mitte des einen Quadrates ein schwarzes, quer liegendes Rechteck der Größe 1,5 x 5 cm. Wiederholen Sie dieses für das zweite Quadrat und verschieben Sie dann das Rechteck ein wenig nach oben, bis es Ihrem Empfinden nach mittig steht (Abb. 4.5.4a). 4.6.5 Ü: Optisches Gleichgewicht (zu Kap. 4.3.4) Zeichnen Sie in einem vektororientierten Zeichenprogramm auf einem DIN-A4-Format sechs ca. 6 x 6 cm große Quadrate mit feiner Umrisslinie als Formatrahmen. In die oberen drei Quadratformate zeichnen Sie (weiß gefüllte) angeschnittene Quadrate, von denen nur eine Ecke sichtbar ist und deren Seiten nicht parallel und nicht in Symmetriepositionen zu dem „Formatquadrat“ stehen. Färben Sie die verbleibenden Freiflächen schwarz. Suchen Sie eine Position, bei der die optischen Gewichte der positiven und negativen Fläche im Gleichgewicht stehen. Markieren Sie Ihre bevorzugte Komposition. Führen Sie in den unteren drei Quadratformaten die gleiche Aufgabe mit angeschnittenen Kreisformen aus (Abb. 4.6.5a).
Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“
4
Elementares Gestalten
4.7 Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“ 4.7.1 Aufgabenstellung Entwerfen Sie als Schwarz-Weiß-Komposition Flächenteilungen eines Quadratformates in einem Vektororientierten Layoutprogramm (z. B. Illustrator). Legen Sie dazu auf einem DIN-A4-Querformat 3 Quadrate mit dünner Umrisslinie an. Die 3 Quadrate sollten mittig auf der Seite angeordnet sein mit einem Abstand von 10 mm. Unterteilen Sie jedes Quadrat mit je einer unregelmäßig geschwungenen Linie in einen positiven und negativen, d. h. schwarzen und weißen Bereich. Kurven- u. Eckpunkte sind erlaubt, jedoch keine geraden Linien. Achten Sie darauf, dass nur eine Zweiteilung der Fläche entsteht ohne weitere schwarze oder weiße Teilbereiche (Abb. 4.7.1a). Wählen Sie Aufteilungen, die folgende Eindrücke vermitteln: (1) Schwarz erdrückt Weiß (2) Schwarz liebt Weiß (3) Schwarz greift Weiß an
Abb. 4.7.1a: Ausgabeform der Aufgabe (Grafik: Hammer)
Tipp zur Umsetzung: Erstellen Sie die schwarze Fläche als geschlossenen Pfad und fügen Sie ihn mit der Maskierungsfunktion in die Quadratformen ein. Modifizieren Sie dann den Pfad. 4.7.2 Entwurfssystematik Erstellen Sie zunächst erste Ideenskizzen auf Papier. Zu (1): Schwarz erdrückt Weiß Überlegen Sie, wie Sie „Erdrücken“ darstellen können. Welche Formen eignen sich am besten, eher spitze oder eher stumpfe Wölbungen? Ist eine konkave oder konvexe Wölbung besser? Wird das Erdrücken auch durch eine umgebende Form deutlich oder ist das eher ein „Einschließen“? (Abb. 4.7.2a) Wird von oben, von unten, von recht oder von links erdrückt? Probieren Sie verschiedene Richtungsvarianten aus (Abb. 4.7.2b). Welche Flächenverteilung von Schwarz und Weiß ist ideal? Welcher Flächenanteil muss größer sein? (Abb. 4.7.2c)
Abb. 4.7.2a: „Erdrücken“: Formvarianten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2b: „Erdrücken“: Richtungsvarianten (Grafik: Hammer)
97
Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“
Abb. 4.7.2c: „Erdrücken“: Flächenverteilungen Schwarz/Weiß (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2d: „Erdrücken“: Feintuning (Grafik: Hammer)
Führen Sie ein abschließendes „Feintuning“ durch und verschieben Sie die Flächenanteile im Millimeterbereich, optimieren Sie den Kurvenverlauf etc. (Abb. 4.7.2.d). Zu (2): Schwarz liebt Weiß (Harmonie) Harmonie bedeutet ein Gleichgewicht der Kräfte, bedeutet aber auch weiche Linienführungen. Versuchen Sie, die Weiß- und Schwarzanteile ins optische Gleichgewicht zu bringen. Entwickeln Sie zunächst unterschiedliche Formvarianten. Vermeiden Sie möglichst geometrische Formataufteilungen und gleich schwingende Kurven. Die nahe liegende Parallele zum Jing-undJang-Zeichen sollte nicht 1:1 umgesetzt werden (Abb. 4.7.2e). Wählen Sie eine bevorzugte Form aus und variieren Sie ihre Winkelstellung im Format (Abb. 4.7.2f).
Abb. 4.7.2e: „Lieben“: Formvarianten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2f: „Lieben“: Richtungsvarianten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2g: „Lieben“: Feintuning (Grafik: Hammer)
98
Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“
4
Elementares Gestalten
Führen Sie ein abschließendes „Feintuning“ durch, indem Sie die Form weiter vereinfachen, den Kurvenverlauf optimieren, die Schwarz/Weiß-Flächenaufteilung harmonisieren etc. (Abb. 4.7.2g). Zu (3): Schwarz greift Weiß an Bei diesem Aufgabenteil geht es um das Thema Aggressivität.
Abb. 4.7.2h: „Angreifen“: Formvarianten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2i: „Angreifen“: Richtungs- und Anteilsvarianten (Grafik: Hammer)
Abb. 4.7.2j: „Angreifen“: Feintuning (Grafik: Hammer)
Entwerfen Sie zunächst aggressiv wirkende Formen aus Kurvenlinien. Wie kann eine „Angriffsform“ aussehen? Hat Sie Pfeilspitzen, ist sie keilförmig oder einschließend? Beachten Sie bitte, dass keine geraden Linien verwendet werden sollen (Abb. 4.7.2h). Aus welcher Richtung kommt der Angriff? Was sieht nach angreifen, was nach abwehren aus? Wie sollte die Flächenverteilung zwischen Weiß und Schwarz sein? (Abb. 4.7.2i) Führen Sie ein abschließendes „Feintuning“ durch, indem Sie den „Angriffswinkel“ variieren, den Kurvenverlauf optimieren, die Schwarz/Weiß-Flächenaufteilung im Feinbereich verschieben etc. (Abb. 4.7.2j). Invertierung Duplizieren Sie Ihren Entwurf und invertieren Sie ihn. Vergleichen Sie Original und Invertierung. 4.7.3 Selbstevaluation Drucken Sie dann beide Entwürfe zur Beurteilung aus (Abb. 4.7.3a).
99
Entwurfsaufgabe „Flächenteilung“
Abb. 4.7.3a: Original und Invertierung (Grafik: Hammer)
Check Aufgabenkonformität: Beurteilen Sie zunächst die Aufgabenkonformität: Haben Sie die vorgegebenen Quadratgrößen eingehalten? Sind diese mit einer feinen Umrisslinie angelegt? Sind die Quadrate mittig mit dem vorgegebenen Abstand zueinander positioniert? Haben Sie geschwungene Linien ohne Geraden verwendet? Ist die Quadratfläche in nur zwei Teilbereich (schwarz und weiß) unterteilt ohne weitere kleinere Teilbereiche? Check Ausführungsqualität: (Abb. 4.7.3 b) Sind Ihre Kurven sauber geschwungen ohne Zacken? (Oft führen zu viele Kurvenpunkte zu unsauberen Kurvenlinien) Sind die Formen sauber innen eingefügt ohne Randüberstände oder Randblitzer? Versuchen Sie für sich oder durch ein Meinungsbild anderer Personen, folgende Fragen zu beantworten: Wodurch wird das „Erdrücken“ deutlich gemacht? Wie ist der Eindruck bei der invertierten Version? Wodurch wird Harmonie in Ihrem Entwurf ausgedrückt? Greift in Ihrem Entwurf Schwarz Weiß an oder könnte es auch umgekehrt sein? Ändert sich das nach der Invertierung? Wodurch wird das „Angreifen“ eigentlich ausgedrückt?
Abb. 4.7.3b: Mögliche Fehler in der Umsetzung (Grafik: Hammer) Zackelige Kurven, Randblitzer, Geraden statt Kurven.
100
G NE
I AT
E VB
IS
PIE
L G NE
I AT
E VB
IS
PIE
L G NE
I AT
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PIE
L
4
Elementares Gestalten
Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“
4.8 Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“ 4.8.1 Aufgabenstellung Entwerfen Sie in einem Vektororientierten Layoutprogramm eine Schwarz-Weiß-Komposition aus Buchstabenformen. Legen Sie dazu auf einem DIN-A4-Querformat 4 Quadrate in der Größe 8 x 8 cm mit dünner Umrisslinie an. Die 4 Quadrate sollten mittig auf der Seite angeordnet sein mit einem Abstand von 10 mm (Abb. 4.8.1a). Wählen Sie einen interessanten Buchstaben einer bekannten Schriftart, z. B. aus einer Serifenschrift. Verwenden Sie keine ungewöhnlichen Schriftarten, keine gebrochenen Schriften, keine Schreibschriften, keine Outline oder Schattenschriften. Entwickeln Sie aus Details des ausgewählten Buchstabens interessante Kompositionen innerhalb der Quadratformate.
Abb. 4.8.1a: Ausgabeform des Entwurfs (Grafik: Hammer)
Tipp zur Umsetzung: Fügen Sie den Buchstaben mit der Maskierungsfunktion in die Quadratformen ein (in FreeHand: „Inhalt einfügen“). Der Buchstabe ist im eingefügten Zustand über das partielle Auswahlwerkzeug (offener Pfeil) anwählbar und weiter modifizierbar (drehen, skalieren, verschieben etc.) 4.8.2 Entwurfssystematik Schriftauswahl Wählen Sie zunächst eine Schrift aus. Gut geeignet sind Serifenschriften und/oder solche, bei denen die Buchstaben keine gleich bleibenden Strichstärken aufweisen. Wählen Sie keine skurrilen Schriften, keine Outlines, keine Schreibschriften, keine gebrochenen Schriften, keine Schriften mit Schatten oder Füllungen (Abb. 4.8.2a).
Arial
Bodoni
Georgia
Goudy Old Style
Rotis Sans Serif
Stone Semi Serif
Times New Roman
Garamond
NE
TIV GA
BE
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PIE
L
NE
TIV GA
BE
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PIE
L
NE
TIV GA
BE
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PIE
L
NE
TIV GA
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IS
PIE
L
Abb. 4.8.2a: Schriftauswahl (Grafik: Hammer)
101
Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“
Abb. 4.8.2b: Buchstaben- und Detailauswahl (Grafik: Hammer)
Buchstabenauswahl Suchen Sie dann innerhalb der ausgewählten Schrift einen detailreichen Buchstaben aus. Ziffern oder Sonderzeichen sollen nicht verwendet werden. Gut geeignet sind Buchstaben mit Rundungen, eher weniger geeignet sind Buchstaben, die nur aus geraden Linien gebildet werden (Abb. 4.8.2b). Detailvorauswahl Identifizieren Sie interessante Bereiche innerhalb des gewählten Buchstabens. Probieren Sie gegebenenfalls unterschiedliche Buchstaben aus. Besonders ergiebig sind Bereiche, in denen die Strichstärke sich verändert, in denen Geraden in Rundungen übergehen, und die Serifenansätze. Einzoomen Zoomen Sie die Form heran, wählen Sie kleine Ausschnitte. Der Buchstabe sollte nicht mehr sofort erkennbar sein. Fügen Sie die Form ins Quadratformat ein und spielen Sie mit Positionen und Größen. Tipp zur Umsetzung: Wandeln Sie den Buchstaben in Pfade um und gruppieren Sie alles. Achten Sie unbedingt auf proportionales Skalieren (zusätzlich Shifttaste drücken), damit der Buchstabe nicht verzerrt wird (Abb. 4.8.2c).
Abb. 4.8.2c: Einzoomen (Grafik: Hammer)
Rotieren Wenn Sie einen geeigneten Ausschnitt herausgearbeitet haben, probieren Sie, Ihre Komposition durch Rotieren der Form weiter zu optimieren. Suchen Sie ein spannendes Kräftespiel zwischen Form und Fläche (Abb. 4.8.2d).
102
Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“
4
Elementares Gestalten
Abb. 4.8.2d: Rotieren (Grafik: Hammer)
Invertieren Erstellen Sie abschließend eine invertierte Version Ihres Entwurfes (Abb. 4.8.2e).
Abb. 4.8.2e: Invertieren (Grafik: Hammer)
4.8.3 Selbstevaluation Drucken Sie Ihre Entwürfe in der Original- und Invertiertversion aus und beurteilen Sie das Ergebnis (Abb 4.8.3a). Check der Aufgabenkonformität: Beurteilen Sie Ihre Ergebnisse zunächst hinsichtlich der Aufgabenkonformität: Haben Sie die vorgegebenen Quadratgrößen eingehalten? Sind diese mit einer feinen Umrisslinie angelegt? Sind die Quadrate mittig mit dem vorgegebenen Abstand zueinander positioniert? Haben Sie keine skurrilen Schriften, keine Outlines, keine Schreibschriften, keine gebrochenen Schriften, keine Schriften mit Schatten oder Füllungen verwendet?
Abb. 4.8.3a: Original und Invertierung (Grafik: Hammer)
103
Entwurfsaufgabe „Formenkomposition“
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B TIV GA
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B TIV GA
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PIE
L
NE
B TIV GA
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L
NE
B TIV GA
EIS
PIE
L
Abb. 4.8.3b: Mögliche Fehler (Grafik: Hammer)
Haben Sie für Ihre Komposition einen einzigen Buchstaben ausgewählt und keine Ziffern oder Sonderzeichen verwendet? Check Ausführungsqualität: Haben Sie die folgenden Fehler in der Komposition vermieden? (Abb. 4.8.3b) • Darstellungen, auf den der Buchstabe fast ganz sichtbar ist. • Negativform (Freifläche), die eine sinnhaltige figurale Form ergibt. • Isolierte Buchstabenreste, die irgendwo unmotiviert in die Fläche ragen. • Freibleiben von kleinen Ecken • Uneindeutige Positionen, bei denen z. B. zwischen Buchstabe und Formatrand nur ein minimaler Freiraum verbleibt. Versuchen Sie, sich folgende Fragen zu beantworten: Welche Ihrer Kompositionen sieht besonders dynamisch aus? Welche sieht besonders harmonisch aus? Woran liegt das? (Schrägposition? An- oder abschwellende Formen? Verteilung Form/Freifläche?) Welche Ihrer Kompositionen sieht eher uninteressant und langweilig aus? Woran liegt das? (Symmetrie?, Gleichverteilung Form/Freifläche? Linienverlauf fast parallel zu Formatseiten? Form des Buchstabendetails?) Vergleichen Sie Ihren Originalentwurf mit der invertierten Version. Was fällt Ihnen bei der invertierten Version auf?
104
Layoutsystematik Layoutsystematik 5
5
Layoutsystematik
Wolfgang Beinert
Abb. 5a: Zitat Wolfgang Beinert (Grafik: Hammer)
5.0 Einleitung 5.0.1 Lernziele Dieses Kapitel zeigt Ihnen unterschiedliche Möglichkeiten, ein Layout zu erstellen, sowie unterschiedliche Möglichkeiten der Layoutpräsentation. Sie lernen im Einzelnen: • Die unterschiedlichen Phasen des Layoutprozesses • Unterschiedliche Präsentationsarten des Layouts • Die Schritte zur Strukturierung eines Layouts • Die Vorgehensweise zur Erstellung eines einfachen kompositorischen Layouts In einer einfachen Übung erproben Sie das Layouten in unterschiedlichen Formaten. Prüfen Sie Ihr erworbenes Wissen anhand des selbstevaluierbaren Quiz. In der begleitenden Entwurfsaufgabe entwickeln Sie ein eigenes kompositorisches Layout für eine Glückwunschkarte, in der Sie Text- und Bildgestaltung zusammenbringen. In der dargestellten Entwurfssystematik wird Ihnen zugleich das Kreativverfahren der systematischen Abwandlung nahegebracht. 5.0.2 Von der Idee zur Umsetzung Im kommerziellen Bereich entsteht Gestaltung meist zweckbestimmt nach von einem Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen. Üb-
105
Einleitung licherweise werden diese Anforderungen in Form eines Briefings zusammengestellt. Sie enthalten u. a. Aussagen zu Zielgruppe, Inhalten, Corporate-Design, Ausführungsform, vorhandenen Materialien und Budget und legen somit die Rahmenbedingungen für die Gestaltung fest. Ein Gestalter wird sodann mentale Ideen zur gestalterischen Umsetzung des verbal formulierten Briefings entwickeln. Diese Ideen wiederum müssen durch Visualisierung dem Auftraggeber kommunizierbar gemacht werden; das ist die wesentliche Aufgabe des Layoutprozesses. Anfangs wird dabei kreative Vielfalt erzeugt, die im Prozessverlauf mit zunehmendem Konkretisierungsgrad auf einen abgestimmten, umzusetzenden Entwurf eingegrenzt wird. Für Gestalter stellt diese Layoutphase die interessanteste, aber auch anspruchsvollste Entwurfstätigkeit dar, da hier die gesamte Bandbreite des kreativen und gestalterischen Potenzials gefordert wird. 5.0.3 Layoutpräsentation Der Layoutprozess dient der Ideenkommunikation. Immer wieder kann man in Magazinen lesen, dass große Gestalter ihre ersten Ideen auf Bierdeckeln oder Servietten entwickelt haben. Das mag im Einzelfall sogar zutreffen, die persönliche Ideenfindung sollte aber nicht mit einer Kundenpräsentation (Abb. 5.0.3a,b) verwechselt werden.
Abb. 5.0.3a: Einfache Entwurfskizze (Studienentwurf: Hayenga)
Abb. 5.0.3b: Umgesetztes Layout Studienentwurf: Hayenga)
106
Layoutphasen Je nach der Komplexität der Aufgabe, dem visuellen Vorstellungsvermögen und der nicht zuletzt vom Budget abhängigen Erwartungshaltung der Auftraggeber ist eine entsprechend professionelle Ausführungsform des Layouts erforderlich. Wichtig zu bedenken ist, dass man sich nicht auf das Vorstellungsvermögen des Gegenübers verlassen kann. Bierdeckelskizzen dienen allenfalls als gestalterpersönliche, private Merkskizzen und sind im Normalfall kein Präsentationsmittel einem Kunden gegenüber. Selbst bekannte Gestalter, die sehr professionell scribbeln, würden bei einer offiziellen Präsentation nicht allein Ihre schnellen Zeichnungen auf den Tisch legen. Andererseits bedeutet das nicht, dass keine gekonnten (!) Freihandskizzen bei eingeführten Kundenkontakten zur frühen Ideendiskussion Verwendung finden können. Ein nicht unerheblicher Aspekt ist die situationsbedingte Ausführung der Entwürfe. Auf Karton aufgezogene Ausdrucke (TableauPräsentation) können in kleinem Kreis an die Wand gebracht, weitergereicht oder zusammen betrachtet werden. Hat man ein größeres Gremium vor sich, dann bleibt oft nur die Präsentation per Beamer, damit alle gleichzeitig folgen können. Die Ausdrucke der Layouts sollten stets perfekt ausgearbeitet sein und kaum mehr einen Unterschied zur späteren Umsetzungsform erkennen lassen (Abb. 5.0.3c). Welche Ausführung im Einzelfall geeignet ist, hängt vom späteren Ausgabemedium ab. Briefpapiere, Buchdesign etc. sollten auch auf Papier gezeigt werden. Webseiten etc. natürlich am Bildschirm. Ein Präsentationskarton mit Screenshots kann später dem Kunden zusätzlich noch als vereinfachende Entscheidungshilfe dienen. Der Kunde erwartet zu Recht eine professionelle und klare Präsentation Ihrer Gestaltungsideen. Er muss sich damit identifizieren und abschätzen können, ob die jeweilige Gestaltung seine Marketingziele erfüllt.
Layout systematik
5
Abb. 5.0.3c: Professionelle Präsentation Printmedien (Foto: Ruske)
5.1 Layoutphasen 5.1.1 Scribble Die schnellste Art, Ideen grafisch zu visualisieren, ist das Scribble (auch Groblayout oder Rough genannt). Noch ohne exakte Berücksichtigung von Format, Typografie und Farbe werden dabei in einer lockeren Freihandskizze die wesentlichen Elemente des Entwurfs in der Fläche angeordnet. Es entsteht ein erster Eindruck des kompositorischen Aufbaus. Zugleich wird sichtbar, wie die wichtigsten Layoutelemente (Text, Bild, Headline etc.) in welcher Größe und Anordnungsbeziehung verwendet werden sollen (Abb. 5.1.1a). Scribbles werden nur im Ausnahmefall zur Kundenpräsentation verwendet, sie dienen eher der internen Ideenfindung und müssen deshalb für diesen Zweck nicht weiter ausgearbeitet werden. Die Ausführungsform von Scribbles kann vielfältig sein und hängt
Literaturtipp: zu Scribble- und Zeichentechniken Krisztian, G: Layoutschule, 1986
107
Layoutphasen Freiform
Headline
Blocksatz
Mittelsatz
IXOIX IOIXIOIX
Abb. 5.1.1a: Scribbletechnik (Grafik: Hammer) Bilder
Link: Praxisbeispiel www.moderne-helden.de
Mengentext
Einzüge
Flattersatz links
Flattersatz rechts
entscheidend von den individuellen zeichnerischen Fähigkeiten ab. Ob dabei mit Bleistift, Fineliner, Marker oder Kreidestift gearbeitet wird, ist unerheblich und hängt von der Vorliebe und den zeichnerischen Fähigkeiten der Gestalter ab. Typisch dagegen ist ein lockerer Strich und der Verzicht auf Detailgestaltung. Im Scribble lassen sich alle Layoutelemente in gut erkennbarer Form darstellen, selbst unterschiedliche Satzarten lassen sich andeuten. Der eigentliche Inhaltstext (Mengentext oder Lauftext genannt) wird üblicherweise nur mit Linien skizziert, Headlines mit „XIOXI“Platzhaltern, Rechteckbilder mit durchkreuzten Rechtecken, dominante Freiformen mit anskizzierten Konturlinien (Abb. 5.1.1a). Die beschriebenen Layoutphasen sind hier am Beispiel der Entwicklung der Kampagne „Moderne Helden“ dargestellt (Design: Judita Ruske) (Abb. 5.1.1b). TIPP: Wenn Sie einen exakt ausgedruckten feinen Linienrahmen als Formatbegrenzung erstellen, in den Sie dann Freihand scribblen, sieht das gleich viel professioneller aus, als mit einem schiefen
Abb. 5.1.1b: Erste einfache Scribbles für Logo und Folder „Moderne Helden“ (Scribbles: Ruske)
108
Layoutphasen
layout systematIk
5
Freihandrahmen. Handschriftliche Texte und dilettantische Bilddarstellungen gehören ebenso wenig ins Scribble wie liniertes oder kariertes Papier! 5.1.2 PC-Layout Früher wurden Layouts in den Werbeagenturen in aufwändiger Klebetechnik mit Blindtext und Dummybildern auf Layoutpappen erstellt, heute ist an diese Stelle das PC-Layout getreten. Mit geeigneten Programmen wie InDesign, Photoshop, Illustrator, FreeHand etc. kann hier mit vertretbarem Aufwand ein exaktes Layout aufgebaut werden, das einen sehr realistischen Eindruck der späteren Umsetzung vorwegnimmt (Abb. 5.1.2a). Im Gegensatz zum Scribble erfordert das PC-Layout die exakte Definition von Format, Raster, Bildgröße, Typografie und Farbe. Je nach Konkretisierungsgrad wird anstelle des realen Textes ein Blindtext in der gewünschten typografischen Ausführungsform eingesetzt. Der Umfang des Blindtextes sollte sich an der später zu erwartenden Textmenge orientieren, sonst kann die endgültige Ausführungsform deutlich vom Layout abweichen. Ist das Bildmaterial noch nicht verfügbar, können leere Platzhalter oder unter Umständen auch ein ähnliche Motive eingefügt werden. Da Bilder jedoch den Gesamteindruck wesentlich bestimmen, sollte möglichst mit dem endgültigen Material gearbeitet werden. Außerdem werden andere Layoutelemente wie Firmenlogo, Farbflächen etc. in das Layout eingebracht. TIPP: Benutzen Sie im professionellen Layout nicht irgendeinen Text als Platzhalter, sondern den lateinischen „Lorem ipsum“-Text. Setzen Sie auf keinen Fall beliebig erzeugte Buchstabenkombinationen oder vielfach kopierte Sätze ein, weil das nicht dem Eindruck eines Realtextes entspricht. Das PC-Layout mit Real- oder Blindtexten in der konkreten Schriftart und mit Realbildern oder Bildplatzhaltern vermittelt bereits einen sehr realistischen Eindruck des späteren Ergebnisses. Der Vorteil des PC-Layouts liegt in der Exaktheit des Entwurfs und in der hohen Qualität des Präsentationsausdrucks. Bei Layouts für den Printbereich wird selbstverständlich eine perfekt ausgedruckte Version (normalerweise in Originalgröße) präsentiert, während Layouts für digitale Medien auch auf solchen präsentiert werden. Mit zunehmender Konkretisierung entsteht aus dem PC-Layout mit Einsatz der realen Elemente das zu verabschiedende Reinlayout, das in der Regel übergangslos zur Druckvorlage bzw. HTML-Site ausgebaut wird.
Abb. 5.1.2a: Layout am Computer (Screenshot: Ruske) Folderlayout “Moderne Helden” mit Realtext und Realbildern (Design: Ruske)
5.1.3 Layout als Präsentationsmittel Layouts dienen dazu, Ideen einem Auftraggeber gegenüber zu visualisieren, sie sind demnach ein Präsentationsmittel. Deshalb hier einige Anmerkungen zur Layoutpräsentation:
109
Layoutphasen
Abb. 5.1.3a: Layoutpräsentation Drucksachen (Foto: Hammer) Briefbogen, Visitenkarte, Anstecker, Postkarte und Folder „Moderne Helden“ (Design: Ruske)
Abb. 5.1.3b: Dummy (Foto: Hammer) Folder „Moderne Helden“ (Design: Ruske)
Layouts sind Visitenkarten der Gestalter, sie sollten deshalb stets sauber und mit angemessener Sorgfalt ausgeführt sein. Schmierstriche im Scribble, Knicke oder Eselsohren im Papier, schief geklebte Texte, Rechtschreibfehler in Realtext-Headlines oder farbverfälschte Ausdrucke eines PC-Layouts können das Aus für die weitere Beauftragung bedeuten. Welche Ausführungsform und welche Layoutkonkretisierung geeignet ist, sollte in Abhängigkeit von der Situation entschieden werden. Papierlayouts sollten auf feste Kartons aufgezogen werden. Sie verbleiben beim Auftraggeber und müssen eindeutig identifizierbar sein mit Titel und Urheber in einer Fußzeile oder auf der Rückseite (Abb. 5.1.3a). Zudem sollten die Layoutdateien dem Auftraggeber zur weiteren internen Entscheidungsfindung auch in elektronischer Form zugänglich gemacht werden. Es ist darauf zu achten, ein Dateiformat zu verwenden, das der Auftraggeber problemlos elektronisch lesen kann z. B. HTML oder PDF. Formate der Erstellungsprogramme sollten nicht verwendet werden, Bilder und Schriften sollten eingebettet und Schriften in Pfade umgewandelt werden. Sonst sieht der Auftraggeber etwas, was nicht Ihrem Entwurf entspricht. Parallel zur Präsentation flächiger Ausdrucke ist oft das zusätzliche Herstellen eines „Dummys“ unumgänglich. So muss zwangsläufig gebastelt und montiert werden, damit der Kunde einen möglichst genauen Eindruck von Aussehen, Wirkung und Handhabung seines Endproduktes bekommt (Abb. 5.1.3b). Layouts für elektronische Medien, z. B. Websiteentwürfe, sollten auch auf diesen Medien präsentiert werden. Zusätzlich ausgedruckte Unterlagen für die Auftraggeber zur schnellen Ansicht ohne PC sollten farbtreu sein, sonst ist ein Schwarzweiß-Handout vorzuziehen. TIPP: Präsentationen sollten sorgfältig vorbereitet werden. Treffen Sie eine Vorauswahl. Zeigen Sie nicht mehr als maximal 5 zuvor
110
Layoutphasen
Layout systematik
5
ausgewählte Alternativen. Zeigen Sie keine Alternative, von der Sie nicht selbst überzeugt sind. Genau diese könnte sonst ausgewählt werden und Sie werden sich später stets über Ihre schlechte Arbeit ärgern. Bedenken Sie dabei, es geht nicht um Ihren Geschmack, sondern um zielgruppengerechte und budgetkonforme Ausführung. Beweisen Sie mit Ihrer Layoutpräsentation Ihre umfassende nutzenorientierte gestalterische Kompetenz. 5.1.4 Reinlayout/Umsetzung Ist die Präsentation erfolgreich verlaufen und das Layout zur Umsetzung freigegeben, beginnt die Realisationsphase, das so genannte Reinlayout. Das verabschiedete Layout wird am PC für alle Seiten des zu erstellenden Werkes aufgebaut. Idealerweise sollte dabei schon die drucktechnische Verarbeitung berücksichtigt werden, d. h. die im Druck erforderliche Anordnung der Einzelseiten auf dem Gesamtbogen (Ausschießschema). Anderenfalls wird dies aber auch von den Druckereibetrieben später entsprechend aufgebaut. Nunmehr gilt es, sämtliche Inhalte in das Layout einzupflegen. Oft stellt sich dabei heraus, dass auf einzelnen Seiten Texte zu lang sind, zu viele oder gar keine Bilder vorhanden sind oder andere Besonderheiten aus dem Normallayout herausfallen. Zunächst sollte man hier versuchen, in Absprache mit dem Auftraggeber im Sinne einer Autorenkorrektur entsprechende Änderungen (z. B. Textkürzungen) des Materials vorzunehmen.
Abb. 5.1.4a: Umgesetzte Drucksachen (Grafik: Hammer) Kampagne „Moderne Helden“ (Design: Ruske)
111
Layoutstrukturierung Ansonsten gibt es die Möglichkeit, auf einzelnen Seiten geringfügig aus dem Normallayout auszubrechen und beispielsweise 1 bis 2 Zeilen zusätzlich anzuhängen oder zusätzliche Bilder außerhalb des allgemeinen Bildrasters anzuordnen. Solche singulären geringfügigen Layoutabweichungen fallen meistens nicht auf. In der Regel wird in der Realisationsphase auch einige Arbeit zur Bildaufbereitung erforderlich sein, d. h. Beschnitt, Retusche, Farbkorrekturen, Austausch von Hintergründen oder Freistellen. Außerdem werden in dieser Arbeitsphase die gewünschten Illustrationsgrafiken erstellt. Am Ende des Reinlayouts steht die sorgfältige Textkorrekturlesung und Zuordnungskontrolle aller Bilder und Grafiken sowie die Standkontrolle aller Layoutelemente. Auf eine endgültige Freigabe durch den Auftraggeber sollte an dieser Stelle nicht verzichtet werden. Ist diese erfolgt, kann die eigentliche Produktion (Druck, buchbinderische Verarbeitung etc.) beginnen; es entsteht das endgültige Produkt (Abb. 5.1.4a).
5.2 Layoutstrukturierung 5.2.1 Die Layoutelemente Bereits im Briefing legt man üblicherweise fest, welche Inhalte im Layout umzusetzen sind. Diese können je nach zu bearbeitendem Thema, je nach Zielgruppe und je nach Typ des Layouts sehr unterschiedlich sein. Entsprechend verschieden sind die zu verwendenden Layoutelemente. Bei einem Layout für einen Roman sind das naturgemäß andere Layoutelemente als bei einem Verkaufsprospekt, bei einem Briefbogenlayout andere als bei einer Glückwunschkarte. Abb. 5.2.1a zeigt die wichtigsten Layoutelemente. Standardmäßig hat man z. B. bei der Gestaltung einer Informationsbroschüre eine Headline, eventuell mit Subheadline.
Kopfzeile/Logo
XIIX Headline
IXOX IOIIXOX
Mengentext Bilder
Legenden
Marginalien
Fußnoten
Abb. 5.2.1a: Typische Layoutelemente (Grafik: Hammer)
112
XX
Pagina
Layoutstrukturierung
Layout systematik
5
Die eigentlichen Hauptinformationen stehen im Haupttext (auch Mengentext oder Lauftext). Dieser ist möglicherweise durch Zwischenüberschriften (Kapitelüberschriften) untergliedert. Meistens gehören auch Bilder oder Grafiken ins Layout, eventuell mit den zugehörigen Bildunterschriften (Legenden) (Abb. 5.2.1a). Bei mehrseitigen Publikationen hat man zusätzlich Seitenzahlen (Pagina) und eventuell Seitenüberschriften. Insbesondere bei Loseblattsammlungen und Webseiten gehört auch ein Firmenzeichen (Logo) auf jede Seite. Außerdem können Inhaltsverzeichnisse, Kontaktdaten, Anfahrtskizzen etc. vorkommen, die jedoch auf besonderen Seiten platziert werden. 5.2.2 Formatauswahl Am Anfang eines gestalterischen Entwurfes steht in der Regel die Formatentscheidung. Sofern dies nicht im Briefing oder durch externe Standards (z. B. Versandformate, Hüllenformate, Bildschirmauflösungen) festgelegt ist, muss ein für den Aufgabenzweck geeignetes Format gefunden werden. Für den Postversand sind die Standardpostformate zutreffend. Passend zu den Bogenformaten der DIN-A-Reihe existieren die Mappen- und Hüllenformate der DIN-C-Reihe. Der C4-Umschlag misst 229 x 324 mm, der C5-Umschlag 229 x 162 mm. Für auf 1/3 gefalzte A4-Bögen dient als Briefhülle das Lang-DINFormat mit den Außenmaßen 220 x 110 mm (Abb. 5.2.2a). Noch großzügigere Breiten bieten die Mappen- und Hüllenformate der DIN-B-Reihe. Der B4-Umschlag misst 250 x 353 mm, der B5-Umschlag 250 x 176 mm. Da das Format entscheidenden Einfluss auf die kompositorische Gestaltung hat (vgl. Kap. 4.2.1 Seitenformate), ist eine frühe Formatentscheidung wichtig. Ein einmal für ein bestimmtes Format entwickeltes Layout kann man nicht ohne weiteres auf eine andere Formatgröße übertragen. In den meisten Fällen wird man im Printbereich aus ökonomischen Gründen ein DIN-Format wählen. Für die Gestaltung ist dabei weniger das drucktechnische Verarbeitungsformat als vielmehr das Endformat nach Beschnitt und buchbinderischer Verarbeitung interessant, nämlich so, wie es sich letztlich dem Kunden präsentiert.
C5
Lang-DIN C4
Abb. 5.2.2a: Standardpostformate (Grafik: Hammer)
TIPP: Bei Standardinformationen, die postalisch verbreitet werden, wählt man oft ein gefalztes Endformat im Lang-DIN-Format, weil dieses als Standardpostformat kostengünstig zu versenden ist. Prüfen Sie deshalb, welches Format für Ihre Zielsetzung am besten geeignet ist, und überschlagen Sie anhand des Ihnen vorliegenden Text- und Bildmaterials den erforderlichen Seitenumfang. 5.2.3 Seitenorganisation Die Entscheidung, ob ein Layout für eine Einzelseite oder für ein mehrseitiges Werk erstellt werden soll, ist bereits in der Aufga-
113
Layoutstrukturierung
Abb. 5.2.3a: Falzungsarten (Grafik: Hammer) Die Beispiele zeigen die wichtigsten Falzungsarten Leporello, Wickel- und Altarfalz für einfache Folder, z. B. 6-seitige Folder im Ausgangsformat DIN-A4 sowie 8-seitige Folder.
T
T
Leporello
Wickelfalz
T T T Leporello
Wickelfalz
Altarfalz
benstellung begründet. Typische Einzelseitenlayouts erstellt man für Plakate, Briefbögen, Einladungskarten, Postkarten, Zertifikate, Cover etc. Umfangreichere Informationsinhalte erfordern meistens mehrseitige Layouts. Diese können in Form von Loseblattsammlungen oder in zusammengefasster Form umgesetzt werden. Man spricht hier vom Werksatz. Im Printbereich stehen bei umfangreichen Werken Zusammenfassungen durch buchbinderische Verarbeitungen wie Klebebindung, Rückenheftung, Spiralbindung etc. zur Auswahl. Bei geringerem Umfang faltet man den Druckbogen auf das gewünschte Format (Folder) z. B. durch Falzungen in Leporello, Wickel- oder Altarform (Abb. 5.2.3a). Da die Organisationsform größerer Informationsinhalte Einfluss auf die Gestaltung hat, sollte sie ebenfalls zu Beginn der Arbeit entschieden werden. Der Unterschied zwischen dem Layout einer Einzelseite und einem Mehrseitenlayout besteht im Wesentlichen darin, dass das erste ein Unikat darstellt, während im Mehrseitenlayout der gleiche Gestaltungsansatz auf jeder Seite erkennbar sein muss. Immer dann, wenn Informationen über mehrere Seiten dargeboten werden, ist es sinnvoll, der Gestaltung ein durchgängiges ordnendes Raster zugrunde zu legen. Das ist die Domäne des Rasterlayouts (Siehe Kap. 6 Rasterlayout). 5.2.4 Sonderseiten Mehrseitige Werke weisen in der Regel eigenständig gestaltete Umschlagseiten (Titelseiten) auf sowie weitere Seiten, die nicht im Layout der üblichen Inhaltsseiten gestaltet sind. Vor allem die äußeren Umschlagseiten (Titel und Rückseite) sollten mit besonderem Bedacht auf die Zielgruppe des Werkes gestaltet werden, da sie den ersten Kontakt zum Nutzer darstellen. Mit größeren Schriften und aufmerksamkeitsstarken Formen und Farben kommt diesen Seiten zugleich eine gewisse Fernwirkung zu. Idealerweise sollte eine formale Verwandtschaft zwischen Titelund Inhaltsgestaltung gewahrt bleiben, z. B. durch Verwendung der gleichen Schriftart, gleichartiger grafischer Elemente und gemeinsamer Bezugslinien.
114
Layout systematik
Das kompositorische Layout
XIXIOX
IXIOIXX
IXIOIXIOI XIOIXI
XIXIOIXIX XIOIXI
A IXIOIO
x
B
C
IXIXOIXO
..... ...
D
5
x
E1
E2
x
Abb. 5.2.4a: Sonderseiten im Layout (Grafik: Hammer) Auch Sonderseiten wie Titel (A), Rückseiten (B), Innentitel (C), Inhaltsverzeichnisse (D) etc. lassen durch Verwendung gleicher Führungslinien und gleicher formaler Elemente wie auf den Inhaltsseiten (E1 und E2) die Zugehörigkeit im Layout erkennen.
Rückseiten von Katalogen oder Foldern beinhalten oft sachliche Informationen wie Herausgeber, Anschriften, Anfahrtskizze, Inhaltsabstracts etc. Meist empfiehlt es sich, diese Informationen gestalterisch zu ordnen und eher zurückhaltend zu präsentieren. Titel- und Rückseite dürfen ruhig auch größere Freiflächen aufweisen (Abb. 5.2.4a). Andere Sonderseiten sind Innentitel in der Buchgestaltung (auch so genannter Schmutztitel) Glossare, Anhänge etc., deren Gestaltung sich aus den jeweiligen inhaltlichen Anforderungen ergibt. Diese Seiten sind in der Regel am allgemeinen Satzspiegel orientiert und weisen nur in ihrer Binnenstruktur Besonderheiten auf.
5.3 Das kompositorische Layout 5.3.1 Anordnung der Layoutelemente Zu Beginn der Layoutarbeit ist stets zu klären, welche Informationen vom Auftraggeber her vorgegeben sind bzw. welche man hervorheben möchte. Was soll zum Seitenaufmacher werden: die Headline, ein Bild oder ein grafisches Element? In ersten Scribbles werden deshalb unterschiedliche Verteilungen der Layoutelemente durchgespielt (Abb. 5.3.1a). Fast immer wird man eine Headline haben und einen oder mehrere Lauftexte. Bei wenigen Gestaltungselementen kommt der Positionierung und Gestaltung der Headline besonderes Gewicht zu.
115
Das kompositorische Layout
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
Abb. 5.3.1a: Layoutvarianten (Grafik: Hammer)
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
XIO IXOXIXI
IXOIXI
XIO IXOXIX IXOIXI
Sie darf ruhig groß und seitenbestimmend sein. Sie kann mit dem Lauftext fließen oder bewusst andere Positionen einnehmen. Oft wird man zusätzlich Bilder einsetzen. Diese können dem Lauftext untergeordnet sein oder als selbstständiges Layoutelement neben Text und Headline treten. Bei entsprechender Größe und Anordnung können auch sie zum seitenbestimmenden Element werden. Ihre Positionierungsmöglichkeiten sind vielfältig. Neben Bildern bieten auch größere grafische Elemente eine Ausgangsbasis für einen Seitenaufmacher. Das kann ein Teil eines großen Buchstabens sein, besser sind jedoch grafische Elemente, die einen Bezug zum Inhalt aufweisen wie z. B. ein Notenschlüssel bei der Einladungskarte zu einem Konzert. Ebenfalls gut geeignet sind freigestellte Bilder mit interessantem Formverlauf, die ausdrucksstark positioniert werden. Bilder und grafische Elemente werden immer bevorzugt und zeitlich vorrangig wahrgenommen. Sie sollten den Inhaltstext aber nicht „erschlagen“. Bei mehrseitigen Werken (außer bei Falzprodukten) ist als zusätzliches Layoutelement die Seitenzahl (Pagina) vorzusehen. Diese kann zurückgenommen eingesetzt werden, lässt sich aber, wenn keine Grafik oder Bilder vorhanden sind, auch gestalterisch ausbauen. Bei mehrseitigen Werken – im Internet üblicherweise auf jeder Seite – ist zudem eine Herkunftsinformation auf der ersten Seite (Titelseite) in Form eines Logos und/oder Firmennamens üblich.
116
Resümee
5
Layout systematik
TIPP: Überlegen Sie beim Layouten zunächst, wie Sie die Layoutelemente im Format verteilen, so dass ein spannungsreiches Verhältnis zur verbleibenden Freifläche entsteht. Schauen Sie die Beispiele (Abb. 5.3.1a) für unterschiedliche Anordnungen der Layoutelemente an. Wo liegen die optischen Achsen? Wo sind die optischen Gewichte zwischen Texten und Bildern ausgeglichen? Welche sind brav und konservativ, welche eher frisch und frech? 5.3.2 Führungslinien Ein zentrales Anliegen des Layoutens besteht darin, kompositorische Ordnung zu schaffen. Es kommt darauf an, Bezüge zwischen den unterschiedlichen Layoutelementen herzustellen. Das erreicht man durch gedachte Linien, an denen die Elemente gemeinsam ausgerichtet sind, insbesondere bei gleichartigen Elementen. Mehrere Bilder können z. B. an einer gemeinsamen Oberkante, Unterkante oder seitlichen Kante ausgerichtet sein. Ebenso können Textelemente mit Bildern gemeinsame Ausrichtungslinien aufweisen. Das kann z. B. der Bezug einer Bildkante zu einer Textgrundlinie sein oder der Bezug einer Bildoberkante zur Oberkante (Versalhöhe) eines Textes (Abb. 5.3.2a). In Layout- und Satzprogrammen nutzt man hierzu die Hilfslinien (idealerweise mit zugeschalteter „magnetischer“ Funktion), um die verschiedenen Layoutelemente daran exakt auszurichten.
IXOXIX IXOIXI
X
Abb. 5.3.2a: Führungslinien im Layout (Grafik: Hammer)
TIPP: Wichtig ist es in jedem Fall, Elemente zu ordnen. Zu viel Ordnung kann aber langweilig wirken. Man kann deshalb bei einzelnen Elementen ganz bewusst aus den Ordnungslinien ausbrechen und z. B. eine Headline nicht linksbündig mit dem Lauftext setzen, sondern sie nach links herausschieben. Vermeiden Sie jedoch unbedingt Positionen, die gerade soeben außerhalb der Bezugslinien stehen; dass sieht immer verunglückt aus.
5.4 Resümee 5.4.1 Was Sie gelernt haben Im Kapitel 5 „Layoutsystematik“ haben Sie die grundsätzlichen Arbeitsschritte eines Layoutprozesses kennen gelernt. Sie haben gelernt, wie man erste Ideen in Scribbleform skizziert und wie man sie im PC-Layout konkretisiert. Sie wissen, warum man Dummys erstellt und wann welche Art der Layoutpräsentation geeignet ist. Sie können die grundlegende Strukturierung eines Layouts vornehmen hinsichtlich der Festlegung der Layoutelemente, der Formatentscheidung und der Seitenorganisation. Ihnen ist bewusst, dass es in der Layoutphase auf Kreativität ankommt und Sie zunächst möglichst unterschiedliche Ansätze ausprobieren sollten. In den folgenden Übungen erproben Sie das Spiel mit den Basis layoutelementen.
117
Resümee Prüfen Sie dann Ihr erworbenes theoretisches Wissen anhand des selbst evaluierbaren Quiz. In der folgenden Entwurfsaufgabe geht es um die Entwicklung eines einfachen kompositorischen Layouts einer Glückwunschkarte. Hier sehen Sie, wie Sie den kreativen Entwurfsprozess durch systematische Abwandlung Ihrer Ideen methodisch unterstützen können. 5.4.2 Der besondere Tipp: Starten mit Scribbles Erstellen Sie erste Ideenskizzen zunächst in Form von Scribbles. Starten Sie nicht sofort mit dem PC-Layout, weil Sie dann viel eher bereit sind, Ideen auch wieder zu verwerfen und völlig neue Wege zu gehen. Beim (aufwändigeren) PC-Layout versucht man meistens, die vorhandene Arbeit zu retten, und wandelt stattdessen den bestehenden Entwurf ab. So gelangen Sie aber nicht zu wirklich alternativen Ansätzen.
118
5
Layout systematik
Quiz zu „Layoutsystematik“
5.5 Quiz zu „Layoutsystematik“ Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Lösungen (siehe Seite 417) Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. 5.5.1
(A) (B)
(C)
Ein Unternehmen hat bei Ihnen die Gestaltung einer umfangreichen Website bestellt. Sie haben erste Skizzen gescribbelt. Wie präsentieren Sie Ihre ersten Vorschläge beim Kunden? Sie bringen die entstandenen Skizzen mit und, da Sie recht wortgewandt sind, erklären Sie dem Kunden Ihre konkreten Vorstellungen. Die entstandenen Skizzen sind wertvoll für Sie als Ideenmerkzettel. Sie versuchen, die Ideen möglichst konkret in PC-Layouts umzusetzen und präsentieren diese dem Kunden auf dem Laptop. Um Ihre Vielseitigkeit zu unterstreichen, bringen Sie die entstandenen Skizzen mit und außerdem ausgedruckte Screenshots von anderen Websites, die Sie gut finden.
5.5.2 (A) (B) (C)
Wie stellen Sie im Scribble den Mengentext dar? Der Originaltext wird eingeklebt Text wird als Linien skizziert Es wird ein Blindtext eingesetzt
5.5.3 (A) (B)
Wie stellen Sie im Scribble Headlines dar? Headlines werden im Klartext ausgeschrieben Headlines werden am PC gesetzt und ins Scribble eingeklebt Headlines werden mit XIOXI-Symbolen skizziert
(C) 5.5.4 (A) (B) (C) 5.5.5 (A) (B) (C)
Warum wird für Infodrucksachen häufig ein DIN-A4 Format verwendet? Weil es gefaltet in kostengünstigen Standardpostformaten zu versenden ist Weil das DIN-A4-Format die Proportionen des Goldenen Schnittes aufweist Weil es für DIN-A4 viele Standardlayouts gibt Wie schaffen Sie kompositorische Ordnung im Layout? Durch Ausrichten der verschiedenen Layoutelemente an gemeinsamen Führungslinien Durch gleiche Randabstände oben und unten Durch Verwendung gleicher Schriften für Headline und Haupttext
Quizfrage 5.5.1
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 5.5.2
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 5.5.3
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 5.5.4
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 5.5.5
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C)
119
Übungen
5.6 Übungen IXIOIXIOIX Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Duis autem vel eum iriure dolor in hendrerit in vulputate velit esse molestie consequat, vel illum dolore eu feugiat nulla facilisis at vero eros et accumsan et iusto odio dignissim qui blandit praesent luptatum zzril delenit augue duis dolore te feugait nulla facilisi. Lorem ipsum dolor sit amet,
Abb. 5.6.1a: Layoutbeispiel DIN-A4-Hochformat (Grafik: Hammer)
IXIOIXIOIX
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IXI OIXIOIX
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Abb. 5.6.2a: Layoutbeispiel DIN-A4-Querformat und Quadrat (Grafik: Hammer)
5.6.1 Ü: Einfaches DIN-A4-Layout (zu Kap. 5.3.1) Legen Sie zunächst zeichnerisch auf einem DIN-A4-Hochformat ein Layout an mit den drei Gestaltungselementen Headline, 1-spaltiger Haupttext und zwei querformatigen Bildern. Probieren Sie zunächst unterschiedliche Größen und Positionierungen der Elemente im Scribble aus. Bauen Sie dann eine ausgewählte Seite in einem Layoutprogramm auf. Verwenden Sie hier keine Zeit auf die Typoauswahl, sondern benutzen Sie für die Headline und den Haupttext eine Systemschrift. Setzen Sie als Lesetext „Lorem ipsum“-Blindtext ein. Generieren Sie diesen mit 200 Wörtern im Lorem-ipsum-Schriftgenerator (www. Loremipsum.de). Benutzen Sie zwei rechteckige querformatige Bilder im Standardfotoformat 2:3. Achten Sie darauf, für den Haupttext eine Lesegröße zwischen 10 und 12 pt zu verwenden. 5.6.2 Ü: Formatänderungen (zu Kap. 5.3.1) Benutzen Sie die Layoutdaten aus der vorausgegangenen Auf gabe. Entwickeln Sie mit den gleichen Layoutelementen (Headline, Haupttext, zwei querformatige Bilder) in gleicher Ausführungsform (gleiche Schriften, gleiche Textmenge, Haupttext 1-spaltig, gleiche Bilder) jeweils ein Layout im DIN-A4-Querformat und in einem Quadratformat von 25 cm Seitenlänge. Bildgrößen, Größe der Headlines und Positionen sind frei wählbar.
5.7 Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“ 5.7.1 Aufgabenstellung „Postkarte“ Gestalten Sie eine farbige Postkarte zum Valentinstag mit eingeschränkten Layoutvorgaben für Format, Text, Grafik und Farbe. Formatvorgabe: Kartenformat 105 x 150 mm, Ausrichtung hoch/quer frei wählbar, Karte mit Rand oder randlos frei wählbar Typovorgabe: Beschriftung nur mit „Ich liebe Dich“. Verwenden Sie ausschließlich eine Schrift aus folgender Auswahl: Arial, Verdana, Trebuchet, Garamond, Mistral, KünstlerScript, Comic, Courier, Times, Impact. Verwenden Sie die Schriften im Originalschnitt; nicht sperren, nicht kursiv setzen, keine Kapitälchen, keine Outline. Satzausrichtung und Größe sind frei wählbar.
120
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“
5
Layout systematik
Die Worte können einzeilig oder mehrzeilig gesetzt werden; auch mehrfache Wiederholungen sind möglich. Die Typofarben sind eingeschränkt auf Schwarz, Weiß oder einen beliebigen Grauton Vorgabe des Grafikmotivs Das Grafikmotiv muss eine eigene Vektorzeichnung sein. Keine Fotos! Keine Pixelgrafik!, Keine ClipArt! Als Motiv soll ein Herz verwendet werden. Das Motiv kann in beliebiger Anzahl, Größe, Ausrichtung und Ausführungsart eingesetzt werden. Zusätzliche Flächen (z. B. als Hintergrund/Untergrund) sind in beliebiger Form und Größe, jedoch mit max. 2 Flächenfarben oder Strukturfüllungen erlaubt. Als Motivfarben können beliebige Farben genutzt werden. Achten Sie auf Farbklänge, setzen Sie eher wenige Farben ein („Weniger ist mehr!“). 5.7.2 Ideenfindung Ein Designentwurf wird durch Ihre individuelle Kreativität bestimmt. Es gibt keine richtige oder falsche Vorgehensweise, ein Entwurf ist nicht richtig oder falsch, sondern gut oder schlecht. Auch wenn Gestaltung meist intuitiv entsteht – man wird „von der Muse geküsst“ – kann dennoch die Anwendung einer systematischen Vorgehensweise im Entwurf nützlich sein, um möglichst viele Anregungen für die Variantenbildung zu erhalten. In der Kreativforschung bezeichnet man diese Vorgehensweise als Prinzip der systematischen Abwandlung, das man durch geeignete Kreativitätstechniken methodisch unterstützen kann. Eine diesbezügliche Basistechnik sind die so genannten „Osborn’ schen Checklisten“, mit denen man durch systematisches Abfragen alternativer Möglichkeiten neue Anregungen für Variationen erhält. Am Beispiel dieses Kartenentwurfs wird Ihnen deshalb eine Entwurfssystematik nahegelegt, die Sie einmal für sich ausprobieren sollten. Mit fortgeschrittener Gestaltungskompetenz werden Sie die hier angeregten Variationen automatisch – und vielleicht auch nur mental – durchspielen und weniger gute Varianten erst gar nicht in Skizzenform ausprobieren. Vergegenwärtigen Sie sich zunächst noch einmal die Aufgabenstellung: Was ist zu tun? Welche Formate, Schriften, Farben, Motive sind erlaubt? Was soll nicht gemacht werden? Stellen Sie zunächst einige Vorüberlegungen an: Für wen wollen Sie die Karte gestalten? Z. B. für jüngere oder ältere Personen? Welchen Gestaltungsausdruck soll die Karte vermitteln? Z. B. eher klassisch/konservativ oder eher avantgardistisch/frech? Was ist für Sie wichtiger, die Text- oder die Bildbotschaft? Soll eines von beiden zum bestimmenden Gestaltungselement werden?
Literaturtipp zu Kreativitätstechniken: Linneweh, K.: Kreatives Denken, 1973
121
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“ Osborn’ sche Checklisten Prinzip: Anregung durch systematische Abwandlung
Abb. 5.7.2a: Osborn’ sche Checklisten (Grafik: Hammer)
Anders verwenden
Wie kann man es anders verwenden? (Andere Einsatzgebiete?)
Anpassen
Was ist so ähnlich? (Welche Parallelen, in der Vergangenheit?)
Modifizieren
Kann man Bedeutung, Farbe, Bewegung, Klang, Form, Material etc. abwandeln?
Vergrößern
Was kann man hinzufügen? Zusatznutzen? Verdoppeln? Höher? Größer? etc.
Verkleinern
Was kann man weglassen? Aufspalten? Kleiner? Kürzer? etc.
Substituieren
Was kann man durch anderes ersetzen? Anderes Prinzip? Produktionsverfahren? Material? etc.
Umstellen
Was lässt sich anders anordnen? Andere Reihenfolge? Andere Bauart? etc.
Umkehren
Lässt sich Positiv und Negativ vertauschen? Vorwärts/rückwärts? Front/Rückseite? Oben/unten?
Kombinieren
Was kann man kombinieren? Ideen kombinieren? Funktion? Bauteile?
5.7.3 Scribble Erstellen Sie zunächst grobe Scribbles auf Papier. Gehen Sie dabei möglichst bald über das Stadium des „Bierdeckelentwurfs“ hinaus und scribbeln Sie im 1:1-Format. Tipp: Drucken Sie sich Layoutpapier mit feinen Linienrahmen in Originalgröße der Karte und zeichnen Sie in diese Vorlagen. Anordnungen im Format Spielen Sie verschiedene Anordnungen des Grafikmotivs und des Textes durch. Es reichen zunächst einfache Skizzen des Herzmotivs und XIOXIIOI-Platzhalter für den Text. Variieren Sie die Größen von Text und Grafik und probieren Sie Anschnitte der Grafik aus (Abb. 5.7.3a). XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
122
XIO IXIXO XOIX
Abb. 5.7.3a: Anordnungen im Format (Grafik: Hammer)
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX
Layout systematik
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“
5
Formatvariationen Erstellen Sie auch Entwürfe für eine hochformatige Ausrichtung. Probieren Sie Ihre querformatigen Entwürfe im Hochformat aus (Abb. 5.7.3b). Hochformate sind im Weiteren nicht mehr berücksichtigt.
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO
XOIX Abb. 5.7.3b: Formatvariationen (Grafik: Hammer)
Gestaltungsausdruck Soll Ihre Komposition eher statisch/harmonisch oder dynamisch wirken? Wählen Sie entsprechend eher ruhige, mittelzentrierte Positionen oder Positionen im Goldenen Schnitt oder entscheiden Sie sich andererseits für dynamische, schräge oder randnahe Positionen (Abb. 5.7.3c).
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
Abb. 5.7.3c: Gestaltungsausdruck (Grafik: Hammer)
Orientierungen Probieren Sie horizontale, vertikale und Schrägstellungen des Textes aus. Probieren Sie leichte Rotationen des Motivs (Abb.5.7.3d). XIO IXIXO XOIX
IXIXO XIO
XOIX
XIO IXIXO XOIX Abb. 5.7.3d: Orientierungen (Grafik: Hammer)
Textanordnungen Probieren Sie einzeilige und mehrzeilige Textanordnungen. Spielen Sie mit Überlagerungen von Text und Grafik (Abb. 5.7.3e).
XIO
XIO IXIXO XOIX
IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX Abb. 5.7.3e: Textanordnungen (Grafik: Hammer)
123
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“ Vervielfältigen Probieren Sie Vervielfältigungen von Motiv und Schrift (Abb. 5.7.3f).
XOIX
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO
O XOIX XIO IXIX O XOIX XIO IXIX O XOIX XIO IXIX O XOIX XIO IXIX O XOIX XIO IXIX
XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XOIX XIO IXIXO XIO IXIXO XOIX
•
IXIXO XIO
Abb. 5.7.3f: Vervielfältigungen (Grafik: Hammer)
XOIX
•
•
•
Anschnitte Experimentieren Sie mit angeschnittenen Motiven und angeschnittenen Texten (Abb.5.7.3g).
XIO IXIXO XOIX
Abb. 5.7.3g: Anschnitte (Grafik: Hammer)
XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO XOIX XIO IXIXO
5.7.4 Computerlayout Ungefähr in diesem Entwurfsstadium sind Ihre Ideen so weit fortgeschritten, dass sie einer konkreten Ausführungsform bedürfen. Legen Sie deshalb die favorisierte(n) Idee(n) nun in einem Layoutprogramm (z. B. Illustrator) an. Erst hier können Sie sinnvolle weitere Optimierungen der Grafik und der Typografie vornehmen. Schriftauswahl Wählen Sie die zu Ihrem Entwurf und Ihrem gewünschten Gestaltungsausdruck passende Schrift. Wollen Sie eine klassisch konser-
Ich liebe Dich
ICH LIEBE DICH
Abb. 5.7.4a: Schriftauswahl (Grafik: Hammer)
124
Layout systematik
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“
5
vative Serifenschrift, eine elegante oder lockere Schreibschrift, eine klare, sachliche serifenlose Schrift? (Abb.5.7.4a)
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
XIO IXIXO XOIX
Abb. 5.7.4b: Grafikoptimierung (Grafik: Hammer)
Optimierung der Grafik Optimieren Sie das Grafikmotiv. Spielen Sie mit alternativen Formen, Asymmetrie, Strichformen, Randgestaltungen, Füllungen, Plastizität etc. (Abb.5.7.4b). Farbdefinition Wählen Sie Farben für Motiv, Text und Hintergrund (Vorgaben der Aufgabe beachten). Spielen Sie mit den Farben; probieren Sie harmonische Farbklänge, aber auch Farbkontraste (Abb.5.7.4c).
Ich liebe Dich
Ich liebe Dich
Ich liebe Dich
Abb. 5.7.4c: Farbdefinition (Grafik: Hammer)
Hintergrundgestaltung Variieren Sie den Hintergrund durch Verläufe, Musterfüllungen etc. Experimentieren Sie mit Rahmen (Abb. 5.7.4d).
Ich liebe Dich
Ich liebe Dich
Ich liebe Dich
Abb. 5.7.4d: Hintergrundgestaltung (Grafik: Hammer)
125
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“ Feinschliff Führen Sie eine abschließende Feinoptimierung der Schriftgröße, der Motivgröße und der Positionierung (im Millimeterbereich) durch (Abb. 5.7.4e).
Abb. 5.7.4e: Feinschliff (Grafik: Hammer)
Ich liebe Dich
5.7.5 Selbstevaluation „Postkartenentwurf“ Legen Sie zur Beurteilung die farbig ausgedruckten Karten in ihren verschiedenen Varianten nebeneinander und beurteilen Sie die Unterschiede. Checken der Aufgabenkonformität: Wie groß ist meine Karte? Was steht auf meiner Karte geschrieben? Welche Typo habe ich verwendet? Welcher Schriftgrad(e)? Welche Laufweite? Welche Farbe hat meine Typografie (CMYK-Werte)? Welche Farbe habe ich im Hintergrund verwendet? Komposition checken: Welchen Ausdruck vermittelt meine Gestaltung? Ist sie eher dynamisch oder eher ruhig/statisch? Ist sie eher klassisch/konservativ oder frech/provokativ oder verspielt/ romantisch? Wie habe ich mein Grafikmotiv angeordnet im Format? Symmetrisch? Asymmetrisch? Habe ich die gewählte kompositorische Anordnung des Grafikmotivs konsequent für die Typografie fortgesetzt? (Z. B. mittelzentriertes Motiv und mittelzentrierter Satz) Habe ich kräftige Volltonfarben verwendet oder Pastelltöne? Passt meine Typografie zum gewünschten Ausdruck? (Z. B. Schreibschriften bei Anmutung verspielt/romantisch) Passt meine Komposition zum gewünschten Ausdruck? (Z. B. ruhige/ statische Anmutung durch mittelzentrierte Komposition) Habe ich die Karte mit einem Rahmen versehen? Falls ja, warum? Probieren Sie es im Vergleich ohne Rahmen aus. 5.7.6 Beispiele Postkartenentwurf Die folgende kleine Auswahl von Arbeitsergebnissen einer Studienaufgabe zum Thema „Gestaltung einer Postkarte zum Valentinstag“ mit der gleichen Aufgabenbeschreibung wie zuvor beschrieben zeigt, welche Gestaltungsvielfalt trotz der Aufgabeneinschränkungen erreichbar ist (Abb. 5.7.6a).
126
Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“
5
layout systematIk
Abb. 5.7.6a: Postkarten zum Valentinstag Entwurfbeispiele einer Studienaufgabe aus der Mediendesign-Grundlagenveranstaltung (Entwürfe v. l. n. r.: Blömer, Breuker, Barchnicki, Darko, Berg, Mecking, Dignas, Schmidt, Segbert, Mecking, Hertlein, Ackermann, Stadler, Tomin, Schimmack, Funke)
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Entwurfsaufgabe „Postkarten-Layout“ 5.7.7 Aufgabenalternativen „Postkarte“ Unter Zuhilfenahme der gleichen Entwurfssystematik sind vielfältige Abwandlungen des gleichen Aufgabentyps vorstellbar. Einige Vorschläge sind hier aufgelistet: Umzugskarte Typo: „Ich bin umgezogen“, Grafikmotiv „Schlüssel“ oder „Brief umschlag“ Neujahrskarte Typo: „Ein gutes neues Jahr XXXX“, Grafikmotiv „Raketen“ oder „Konfetti“ Osterkarte Typo: „Ein frohes Osterfest“, Grafikmotiv „Osterei“, Typofarbe beliebig Weihnachtskarte Typo: „Frohe Weihnachten“, Grafikmotiv „Weihnachtsbaum“ oder „Sterne“ Hochzeitskarte Typo: „Herzlichen Glückwunsch zur Vermählung“, Grafikmotiv „Ringe“
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Rasterlayout Rasterlayout
6
Karl Duschek 6
Abb. 6a: Zitat Karl Duschek (Grafik: Hammer)
Rasterlayout
6.0 Einleitung 6.0.1 Lernziele Im Kapitel „Rasterlayout“ erkennen Sie, warum es sinnvoll ist, einem Layout ein Gestaltungsraster zugrunde zu legen. Sie lernen im Einzelnen: • Nach welchen Kriterien Sie ein Layout konzipieren • Welche Bedeutung Satzspiegel und Randstege haben • Wie Sie unterschiedliche Konstruktionen für Satzspiegel erstellen • Verschiedene Aufbaumöglichkeiten eines Spaltenlayouts • Wie Sie Spaltenbreiten und Spaltenabstände festlegen • Welche Standardaufteilungen für DIN-A4-Spaltenraster sinnvoll sind • Wie Sie Bildraster erstellen • Verschiedene Möglichkeiten der Text-Bild-Zuordnung • Den Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Rastern • Den Einsatz von Normrastern z. B. für Briefbögen und CD-Hüllen Im anschließenden Praxisbeispiel wird Ihnen anhand der Entwicklung von Infoblättern ein vollständiger Layoutprozess vorgestellt. In Übungen können Sie die in diesem Kapitel beschriebenen Arbeitstechniken nachvollziehen und im abschließenden Quiz Ihren Kenntnisstand prüfen.
129
Einleitung
Abb. 6.0.2a: Raster für Print und Web (Entwurf: hammer.runge) ABES-Produktfolder und Website (frühere Version)
XIOIXOXIOO X X X X
XIOIXOX
130
6.0.2 Sinn des Rasters Immer dann, wenn ein Gestaltungswerk mehr als eine Seite umfasst, legt man dem Layout ein Gestaltungsraster zugrunde und selbst für eine einzelne Seite kann es nützlich sein (Abb. 6.0.2a). Was bringt ein Raster? Ein Raster ist ein Orientierungs- und Strukturierungssystem zur wiederholbaren konsistenten Anordnung der verschiedenen Elemente eines Layouts und dient somit als „hilfreiches Geländer“ im Gestaltungsprozess. Es erbringt für die Nutzer den Vorteil, dass diese auf unterschiedlichen Seiten die gleich bleibenden Elemente (z. B. Headlines) erwartungskonform an den gleichen Stellen vorfinden und damit die Informationen schneller aufnehmen können. Ein Raster mit seinen konsistenten Elementen bildet die Konstante in der Gestaltung, während die Inhaltselemente und deren Gestaltung variieren können. Bei einer Anzeigenkampagne muss durch die Konstante der Absender stets wiedererkennbar sein, während die konkreten Inhalte und damit auch untergeordnete Gestaltungselemente durchaus variieren können. Dem Gestalter bietet das Raster gleichermaßen ein Anordnungshilfsmittel für gleiche oder ähnliche Layoutelemente und bewahrt es ihn davor, jede einzelne Seite von Grund auf neu zu gestalten. Das muss dennoch nicht langweilig wirken, denn durch Gestaltungsvariationen auf einzelnen Seiten in Anlehnung an das Raster lassen sich interessante und spannende Seiten bei gleichzeitigem Erhalt der Wiedererkennbarkeit erzeugen. Für jedes Layoutelement lassen sich Gestaltungsparameter festlegen (Größe, Farbe, Abstand etc.), die in Form eines Gestaltungshandbuches (Design Manual) kommunizierbar sind. Für alle Kommunikationsmittel eines Unternehmens, auch in den elektronischen Medien, kann auf diese Weise die Wiedererkennbarkeit des gemeinsamen gestalterischen Konzeptes garantiert werden. Diese optische Iden-
Rasterkonstruktion
6
Rasterlayout
tität ist in der werblichen Unternehmenskommunikation unter Corporate-Identity-Aspekten marktnotwendig. Raster sollten aber stets ein kreatives, kompositorisches Hilfsmittel bleiben und nicht zum gestalterisch einzwängenden Korsett werden. Kreative Spielräume im Umgang mit Rastern sind deshalb notwendig, da sonst nur langweilige Einheitsgestaltung entsteht.
6.1 Rasterkonstruktion 6.1.1 Strukturierung und Scribble Auch bei Layouts, denen man ein Raster zugrunde legt, beginnt man zunächst in Scribbleform mit einem kompositorischen Layout, in dem unterschiedliche Anordnungsvarianten der gewünschten Layoutelemente ausprobiert werden. Am Anfang steht auch hier die Entscheidung des Formates, der Seitenorganisation und der Farbigkeit. Alle vorkommenden Seitentypen (auch Sonderseiten) sollten gescribbelt werden, weil auf diese Weise gegenseitige Anregungen fürs Layout erfolgen bzw. die notwendigen Einschränkungen sichtbar werden. Wie sehen Nur-Text-Seiten aus? Wie sehen Text-Bild-Seiten aus? Gibt es reine Bildseiten? Ebenfalls in Scribbletechnik werden über dem kompositorischen Layout mögliche Rastereinteilungen entwickelt, und zwar sowohl in der Vertikalen (Spalten) als auch in der Horizontalen (Bildraster). In der Scribblephase entscheidet sich, ob man ein eher strenges, regelmäßiges Raster oder ein freies, offenes Raster bevorzugt, ob man auf Textgrundlinien aufbaut oder lediglich gemeinsame obere oder untere Ausrichtungslinien nutzt (Abb. 6.1.1a). Ist im Scribble eine interessante Lösung entstanden, wird man daraufhin die Feinarbeit und den eigentlichen Rasteraufbau im PC-Layout fortsetzen. 6.1.2 Satzspiegel Der ältere Begriff „Satzspiegel“ entstammt der klassischen Buchgestaltung aus der Zeit des Bleisatzes, als auf der Seite meistens lediglich ein einspaltiger Textbereich angeordnet war. Der Satzspiegel bezeichnet den auf der Seite bedruckten Bereich in Abgrenzung zum nicht bedruckten Freiraum oder Weißraum (Abb. 6.1.2a). In der klassischen Buchgestaltung, aber auch heute noch bei Prospekten, Zeitschriften etc. ist der Satzspiegel durch Randbereiche, die so genannten Stege, gegen die Ränder der Seite abgegrenzt. Bei der Festlegung der Größenverhältnisse zwischen Satzspiegel und Randabständen war man in der klassischen Buchgestaltung über Jahrhunderte hinweg bemüht, ideale, ausgewogene Proportionen zu finden. In neuerer Zeit und in der auf optimale Seitenausnutzung orientierten Zeitschriftengestaltung hat man sich über diesen Ansatz hinweggesetzt und andere freie Satzspiegelgestaltungen gewählt.
Abb. 6.1.1a: Grobentwurf eines Rasters (Scribble: Ruske)
Abb. 6.1.2a: Doppelseitenlayout (Grafik: Hammer) Satzspiegel mit breiter Mengentext- und schmaler Marginalienspalte
131
Rasterkonstruktion Üblicherweise wird in der Printgestaltung die aufgeschlagene Doppelseite betrachtet. Somit spielt auch die Zuordnung der Gestaltungselemente auf den gegenüberliegenden Seiten eine Rolle. Auch gefaltete Drucksachen (Folder, Flyer) müssen sowohl seitenweise als auch im insgesamt aufgeklappten Zustand funktionieren und sollten deshalb beim Layouten sowohl in der Einzelseite als auch aufgeklappt entworfen werden. Heute ist die klassische Satzspiegelkonstruktion nur noch in der Buchgestaltung von Bedeutung. In der Zeitschriftengestaltung, aber auch in der Kataloggestaltung werden heute Layoutelemente bewusst außerhalb des eigentlichen Satzspiegels positioniert. Insbesondere Grafiken, Bilder und Headlinetexte reichen oft bis an die Seitenränder. Man spricht von randabfallenden Elementen. Auch die Bezeichnung angeschnittene Elemente ist gebräuchlich, da diese beim Zuschnitt angeschnitten werden. Sie werden im Layout so positioniert, dass sie ca. 3 bis 5 mm über das Format hinausragen. In Satzprogrammen sind dazu entsprechende Einstellungen vorzunehmen. Heute verwendet man üblicherweise den Begriff Layoutraster anstelle von Satzspiegel, weil meistens feinteiligere Aufteilungen als ein Einspaltenlayout erforderlich sind. Komplexere Satzspiegel entsprechen auch eher einem Raster, da sie im Gegensatz zu einer einfachen Buchseite meistens nicht nur eine, sondern mehrere Textspalten aufweisen und z. B. durch Bilder zusätzliche horizontale Unterteilungen erkennen lassen. 6.1.3 Satzspiegelkonstruktion In der klassischen Buchgestaltung lassen sich die Randabstände eines als ideal proportioniert geltenden Satzspiegels durch eine einfache Diagonalenkonstruktion ermitteln. Diese Methode zeigt
A Abb. 6.1.3a: Konstruktion des Satzspiegels (Grafik: Hammer) Bei der klassischen Konstruktion des Satzspiegels nach der Villard’ schen Methode zieht man zwei Diagonalen von den oberen Ecken der Doppelseite zu den entsprechenden unteren Eckpunkten und von der oberen Seitenmitte aus zwei Diagonalen zu den unteren Eckpunkten jeder Einzelseite. Auf der Gesamtdiagonalen a wählt man in einem gewünschten Randabstand einen Punkt A und legt durch eine Waagerechte den oberen Rand fest. Die Punkte B und C müssen auf der Seitendiagonalen b liegen und ergeben die fehlenden Senkrechten. Alle so entstehenden Satzspiegelgrößen weisen die gleichen Proportionen auf wie das Seitenformat, in diesem Fall DIN-A4. Diese Konstruktion lässt sich auch bei anderen Ausgangsformaten anwenden.
132
B a
b
6
Rasterlayout
Rasterkonstruktion E G
F
D
dann mehrere Variationen, einen Satzspiegel harmonisch darzustellen (Abb. 6.1.3a). Eine leicht abgewandelte Vorgehensweise ermöglicht eine feste Satzspiegelkonstruktion, bei der das Verhältnis zwischen Satzfläche und Freifläche harmonisch ausgeglichen ist. Diese klassische Satzspiegelkonstruktion ist heute von untergeordneter Bedeutung, da sie mit den Freiflächen überaus großzügig umgeht (Abb. 6.1.3b). Aus diesen Konstruktionen ergeben sich verschiedene Randbereiche, die so genannten Stege, deren genaue Differenzierung im Beispiel ersichtlich wird (Abb. 6.1.3c). Bei dieser Konstruktion haben die Stege ungefähr die Verhältnisse 2 (Bund) : 3 (Kopf) : 5 (Außen) : 6 (Fuß). Der Begriff Steg leitet sich aus dem Bleisatz ab, weil man dort die nicht druckenden Ränder durch Eisenstege gebildet hat (Abb. 6.1.3c). Eine bekannte und schnelle Alternative zu den vorstehenden Konstruktionen besteht darin, die Randstege auf der Basis von Verhältniszahlen (Bund- : Kopf- : Außen- : Fußsteg) festzulegen. Bewährt haben sich hier die Verhältnisse 2:3:4:5 und 2:3:4:6. Die Verhältnisse beim Goldenen Schnitt 2:3:5:8 ergeben sehr harmonisch wirkende Randabstände, benötigen allerdings sehr viel Freifläche. Alte Bücher aus der Zeit Gutenbergs weisen bei Seitenformaten von 2:3 Stegverhältnisse von 2:3:4:6 auf (Abb. 6.1.3d). Bei der Festlegung der Bundstege (auch Innenstege genannt) ist zu bedenken, dass ein gewisses Maß Papier zugerechnet werden muss, da das Material für das Binden oder Kleben gebraucht wird und sich deshalb der übrige Bundabstand des fertigen Druckerzeugnisses verkleinert. Dies würde bei Nichtbeachtung die Layoutproportionen sichtbar beeinflussen und kann den Entwurf sehr verschlechtern. Bei Spiralbindungen ist dagegen zu beachten, dass die Seiten durch den zusätzlichen Platz der Spirale weiter auseinander liegen und sich dadurch ein optisch größerer Bundsteg ergibt.
Kopfsteg
SATZSPIEGEL
SATZSPIEGEL
Außensteg
a
Abb. 6.1.3b: Fester Satzspiegel (Grafik: Hammer) Anstelle der willkürlichen Festlegung des Ausgangspunktes zur Festlegung des Satzspiegelrechtecks wird durch den Kreuzungspunkt (D) der Diagonalen von Doppelseite und Einzelseite eine Senkrechte gezogen. Der Punkt (E), wo diese den oberen Seitenrand schneidet, und der Diagonalenschnittpunkt der anderen Formatseite (F) werden mit einer Linie verbunden. Diese schneidet die Seitendiagonale der ersten Seite im Punkt (G), dem Ausgangspunkt des neuen Satzspiegelrechtecks. Dieser Satzspiegel gilt als besonders harmonisch.
Innensteg
b
Fußsteg
Abb. 6.1.3c: Stege eines Satzspiegels (Grafik: Hammer) 3
2
4
5
Abb. 6.1.3d: Satzspiegel durch Randverhältnisse (Grafik: Hammer)
133
Rasterkonstruktion
Abb. 6.1.3e: Satzspiegel durch Neunerteilung (Grafik: Hammer) Zur Konstruktion der so genannten Neunerteilung wird das Format in der Horizontalen wie in der Vertikalen in ein Neunerraster unterteilt. Für die Ränder werden im Bund- und Kopfsteg ein Rasterfeld, im Außen- und Fußsteg zwei Rasterfelder vorgesehen.
Eine weitere bekannte Alternative zur Erstellung eines Satzspiegels stellt die so genannte Neunerteilung dar (Abb. 6.1.3e). Die Randverhältnisse betragen entsprechend 1:1:2:2. Erstellt man einen Satzspiegel für Einzelseiten, sollten der rechte und linke Randabstand gleich groß sein, der untere jedoch stets größer als der obere. Man kann hier auch eine der vorgenannten Konstruktionen zugrunde legen und dann den rechten und linken Randabstand gleichmäßig verteilen. Allerdings sollte man auf funktionale Maße des linken Randabstandes achten. Da dieser häufig zum Lochrand wird, sollte er mindestens 20 mm breit sein. 6.1.4 Spaltenlayout Bei einfachen Buchseiten (z. B. Romanliteratur) ist der Satzspiegel, abgesehen von einer zusätzlichen Positionierungsmarke für die Seitenzahl (Pagina), identisch mit dem Layoutraster. Er besteht in der Regel aus einer einzigen Textspalte. Darüber steht der Seitentitel, darunter eventuell eine Fußzeile. Bei vielen Druckwerken wird abhängig von der Größe der Darstellungsfläche und der gegebenen Textanteile der Mengentext vielfach nicht einfach in einem einzigen Textbereich gesetzt, sondern – auch der besseren Lesbarkeit wegen – in schmalere Textspalten aufgeteilt, die nebeneinander angeordnet werden. Der Satzspiegel wird so durch Spalten und Zeilen in Zellen untergliedert, es entsteht das eigentliche Gestaltungsraster. Bilder innerhalb des Satzspiegels orientieren sich an den Spaltenbreiten oder an zusätzlichen Zwischenspalten. Zwischen den Spalten und horizontalen Unterteilungen sind Zwischenräume vorzusehen, um angrenzende Spalten oder Bilder voneinander abzutrennen. Auch die Positionen von Headlines, Subheadlines, Bildlegenden etc. werden an Spalten oder Zwischenspalten in der Vertikalen und einer für die Bilder geeigneten horizontalen
134
Rasterkonstruktion
Rasterlayout
6
Abb. 6.1.4a: Spaltenunterteilung und Bildausrichtung (Grafik: Hammer)
Rasterunterteilung orientiert. Für das Satzlayout in Spaltenrastern bieten sich unterschiedliche Aufbaumöglichkeiten an. Verbreitet ist das spaltenweise überlaufende Layout, bei dem alle Spalten nacheinander von oben bis unten gefüllt werden (Abb. 6.1.4b). Hier ist der Lesefluss völlig eindeutig. Bei dem so genannten „Wäscheleinen-Prinzip“ werden die Spalten im Satzspiegel von oben beginnend unterschiedlich lang gefüllt; sie hängen wie auf der Leine. Beim so genannten „Stapelaufbau“ stehen unterschiedlich lange Textblöcke auf einer gemeinsamen Unterkante. In beiden Fällen sind jeweils sinnhaltige Umbrüche von Hand erforderlich. Diese Prinzipien lassen sich hervorragend kombinieren mit jeweils einem Bild pro Spalte, dem sich der Text anschließt. Beim so genannten „Regalbrett-Prinzip“ wird das Spaltenraster zusätzlich horizontal unterteilt und bietet somit neue Anfänge für einzelne Absätze, die an der Unterteilung aufgestapelt oder angehängt werden. Dieses Prinzip eignet sich weniger für fortlaufende Texte (Abb. 6.1.4c).
Abb. 6.1.4b: Vollspalten-Layout (Grafik: Ruske)
Abb. 6.1.4c: Varianten des Spaltenaufbaus (Grafik: Ruske)
135
Rasterkonstruktion Bei großen freien Formelementen können einzelne Spalten durch Formsatz aufgebrochen werden. Meist sind dazu breitere Spalten erforderlich, damit genügend Raum für die eingezogenen Zeilen verbleibt. Ein zu großer Spaltenabstand lässt isolierte „Spaltensäulen“ entstehen, ein zu geringer Spaltenabstand klebt die Spalten zusammen und erschwert die Lesbarkeit. Eine Sonderform des Rasters ist das Grundlinienraster, welches eine feinteiligere Untergliederung anhand der Textgrundlinien bietet (vgl. Kap. 15 Rastertypografie). Layoutprogramme und auch Website-Editoren bieten gute Einstellmöglichkeiten für Layoutraster, die mit magnetischen Funktionen das exakte Positionieren der Layoutelemente sehr erleichtern. 6.1.5 Spaltenbreite und -abstände Welche Binneneinteilung des Satzspiegels geeignet ist, hängt vom Format, vom Medium und vom Bildmaterial ab. Mengentext sollte der optimalen Lesbarkeit halber zwischen 45-65 Zeichen nicht überschreiten. Im Printbereich wird deshalb eine Spaltenbreite von höchstens 65 Buchstaben empfohlen. Je nach gewählter Schriftart und -größe sind dadurch z. B. in einem DIN-A4-Hochformat zwei bis vier Spalten möglich. Mehr zum Thema finden Sie im Kapitel 13 Typo-Ergonomie. Es gibt viele Möglichkeiten, den Satzspiegel in Spalten aufzugliedern, z. B. mit 2 oder 3 gleich breiten Spalten oder mit unterschiedlich breiten Spalten. (Abb. 6.1.5a).
Abb. 6.1.5a: Spalteneinteilungen (Grafik: Hammer)
Ein wichtiges Gestaltungsmittel ist der Spaltenzwischenraum, auch Zwischenschlag genannt. Auch der Abstand der Spalten steht unter dem Aspekt der Leseoptimierung wieder in Abhängigkeit von Textgröße und Zeilendurchschuss. Er richtet sich nach der gewählten Schriftgröße und Satzbreite. Allgemein empfohlen wird ein Zwischenraum in der Größe des optischen Zeilenabstandes oder in der Breite der Buchstaben „mi“ (Abb. 6.1.5b). TIPP: Der Abstand der Spalten sollte nicht kleiner sein als die Breite der beiden Buchstaben „mi“ der im Fließtext verwendeten Schriftart und -größe. Beim Einsatz zusätzlicher Spaltentrennlinien sollte der
136
6
Rasterlayout
Rasterkonstruktion
mi
mi
Die Headline überschreitet das Raster Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum. Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam.
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Abb. 6.1.5b: Spaltenabstand (Grafik: Hammer)
Spaltenabstand der Breite der Buchstaben „mii“ entsprechen. Die Stärke von Spaltentrennlinien sollte eher zart sein (Haarlinie oder 0,5pt Linie) oder sich an der Stärke der Schriftlinien orientieren. Bei Einsatz von Flattersatz entsteht am Zeilenende allerdings ein optischer Weißraum, der einen geringeren Spaltenabstand rechtfertigen kann. 6.1.6 Spaltenraster erstellen Sinnvoll ist es, zunächst in Scribbleform ein Seitenlayout zu erstellen mit der Verteilung der Textspalten und Bilder. Im Layout geht es vorrangig um die Unterscheidung, welche Seitenbereiche Text/Bildinhalte aufweisen sollen und welche als Freifläche (oder Hintergrundbild) wirken sollen.
Abb. 6.1.6a: Ganzzahlige Spaltenmaße (Grafik: Hammer)
32,5
IXX IXOIXXOI XIOIOXIXI
60
60
60
60
4,5
4,5
4,5
16,5 16,5
4,5
4,5
4,5
64,5
60
60
189
11
44
44
44
44 3,25
3,25
3,25
137
Rasterkonstruktion
Abb. 6.1.6b: Spalteneinteilungen für DIN-A4 (Grafik: Hammer)
Spaltenzahl
Spaltenbreite
Spaltenabstand
Satzspiegel
Ränder (gesamt)
3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
56 mm 56 mm 55 mm 55 mm 54 mm 54 mm 53 mm 53 mm 52 mm 52 mm 51 mm 51 mm 50 mm 50 mm
5 mm 4 mm 5 mm 4 mm 5 mm 4 mm 5 mm 4 mm 5 mm 4 mm 5 mm 4 mm 5 mm 4 mm
178 mm 176 mm 175 mm 173 mm 172 mm 170 mm 169 mm 167 mm 166 mm 164 mm 163 mm 161 mm 160 mm 158 mm
32 mm 34 mm 35 mm 37 mm 38 mm 40 mm 41 mm 43 mm 44 mm 46 mm 47 mm 49 mm 50 mm 52 mm
4 4 4 4 4 4
42 mm 42 mm 41 mm 41 mm 40 mm 40 mm
4 mm 3 mm 4 mm 3 mm 4 mm 3 mm
180 mm 177 mm 176 mm 173 mm 172 mm 169 mm
30 mm 33 mm 34 mm 37 mm 38 mm 41 mm
Mit dem Layoutraster werden Randbereiche (Freiflächen) und Inhaltsbereich (Druckfläche) festgelegt. Der Satzspiegel kann dann in ein geeignetes Spaltenraster aufgeteilt werden. Dies wird von der gewählten Satzart (Block- oder Flattersatz) und von der Entscheidung, ob Spaltentrennlinien eingesetzt werden, beeinflusst. Es ist sinnvoll, für die Spaltenabmessungen mit ganzen Zahlen zu operieren, während der Randabstand getrost nicht ganzzahlige Werte aufweisen darf, damit Bilder im Raster nicht mit komplizierten Maßen definiert werden müssen (Abb. 6.1.6a). In der Praxis relativiert sich allerdings die Gestaltungsfreiheit für das Aufteilen des Satzspiegels in gleichmäßige Spaltenbreiten:
Abb. 6.1.6c: Halbspalten (Grafik: Hammer)
138
6
Rasterlayout
Bilder im Layout Für Spaltenraster auf DIN-A4-Formaten sind praktisch nur wenige ganzzahlige Unterteilungen brauchbar, die hier tabellarisch zusammengestellt sind (Abb. 6.1.6b). Neben gleichmäßigen Spaltenaufteilungen sind auch ungleiche Aufteilungen oder der Einsatz so genannter Halbspalten interessant (Abb. 6.1.6c). Ihr Maß beträgt genau die Hälfte der festgelegten Spaltenbreite. Sie bringen „Luft“ ins Layout und können auch mal auf anderen Seiten die Position wechseln. Außerdem sind sie interessant beim Einsatz von kleineren Bildern.
6.2 Bilder im Layout 6.2.1 Bildraster Die Definition eines Spaltenrasters reicht meist noch nicht zu einer geordneten Positionierung von Bildern aus. In Kohärenz oder bewusster Abgrenzung zu den Maßen des Spaltenrasters entwickelt man deshalb eine horizontale Rasterung. Diese sollte auf die gewünschten und verfügbaren Bildformate abgestimmt sein. Meist empfiehlt es sich, die horizontalen Rasterzwischenräume gleich groß wie die vertikalen zu definieren (Abb. 6.2.1a). Das schafft bei Bildkonzentrationen gleiche Bildabstände in der Horizontalen wie in der Vertikalen und wirkt ruhiger. Bildraster werden entscheidend bestimmt durch die Formate des zur Verfügung stehenden Bildmaterials. Werden Gemälde oder ähnlich formatdefinierte Objekte abgebildet, sind deren Bildproportionen vorgegeben, bei anderen Motiven sind je nach Bildmaterial aber Freiräume zur Proportionsveränderung durch Beschnitt des Bildes möglich.
Abb. 6.2.1a: Bildraster (Grafik: Hammer)
4,5 60
60
60
60
60
4,5
4,5
4,5
16,5 16,5
60
IXX IXOIXXOI XIOIOXIXI 4,5
4,5
4,5
32,5
60
4,5 60 4,5 60 11
139
Bilder im Layout
Abb. 6.2.1b: Bildformate im Raster (Grafik: Hammer)
Eine anfängliche Entscheidung ist die, ob Bilder sich völlig in das Textraster integrieren (geschlossene Text/Bild-Raster), ob sie das Textraster nach innen oder außen aufbrechen oder völlig frei vom Textraster positioniert werden. Sodann wird man entscheiden, ob unterschiedliche Bildformate im Rastersystem abgestuft werden oder (z. B. bei vorgegebenen Proportionen) nur eine Orientierung an der Spaltenbreite erfolgt, während die Höhe sich proportional aus dem Ausgangsformat ergibt (Abb. 6.2.1b). TIPP: Bedenken Sie, dass im Printlayout meist keine Einzelseiten, sondern Doppelseiten vorkommen. Beim Erstellen eines Bildlayouts muss deshalb die Bildwirkung auf der Doppelseite berücksichtigt werden. In der klassischen Buch- und Kataloggestaltung wird oft eine Seite als Text-, die andere als Bildseite genutzt. Sind Bilder auf beiden Seiten platziert, geht es darum, eine interessante Anordnung durch unterschiedliche Größen und Positionen im Bildraster zu erzielen. Beachten Sie dabei die dominanten Grauwerte, die sich durch die Bilder gegenüber Text und Freifläche ergeben (Abb. 6.2.1c). Ihre kompositorischen Qualitäten sind gefragt!
Abb. 6.2.1c: Variables Bildraster (Beispiel ABES-Folder, Design: hammer.runge) Anwendungsbeispiel Produktkatalog ABES (frühere Version)
140
Rasterlayout
Bilder im Layout
6
In Zeitschriften werden bekanntlich Bilder, insbesondere Anzeigen, vorrangig auf rechten Seiten angeordnet, da diese beim Durchblättern zuerst auffallen. Bilder auf Doppelseiten können über den Bund laufen. Allerdings muss man unter Umständen mit Passerproblemen rechnen, da das Druckwerk im Bund nicht immer exakt zusammengefügt werden kann. Bei Motiven mit durchgehend geraden Linien und bei Gesichtern sollten Sie deshalb eher auf bundüberlaufende Positionen verzichten. Problemlos ist dies dagegen bei durchlaufenden Mittelseiten oder gefalzten Seiten möglich. 6.2.2 Abstände im Bildraster Der Einfachheit halber werden Bilder oft in den Textfluss eingefügt. Sie drücken die Textzeilen unkontrolliert auseinander und führen zu einem chaotisch wirkenden Layout. In verschiedenen Spalten angeordnete Bilder stehen dann zusammenhanglos nebeneinander. Um diesen Eindruck zu verhindern, ist es erforderlich, ordnende Bezüge zwischen Text und Bildelementen herzustellen. Bilder und Texte sollten an gemeinsamen Bezugslinien ausgerichtet werden. Bildraster bieten in Korrespondenz zum Textraster solche Bezugslinien, an denen sich selbst Bilder unterschiedlicher Größe geordnet ausrichten lassen. Die Abstände zwischen Bild und Text bzw. zwischen Bildern untereinander können unterschiedlich definiert werden (Abb. 6.2.2a). Üblicherweise werden in Bildrastern die horizontalen Abstände entsprechend den Spaltenabstandsmaßen definiert. Es liegt nahe, dieses Maß auch für die vertikalen Abstände zu übernehmen. Werden die Bilder in den Textfluss eingefügt, schließt der Text unter dem Bild nach dem Rasterzwischenraum wieder an. Über dem Bild bleibt der Rasterzwischenraum zwischen Text und Bild ebenfalls frei (Beispiel A). Gut sieht es aus, wenn die untere Bildkante und der Text in der Nebenspalte auf gleicher Höhe sind. Um das zu erreichen muss das Bildraster auf Vielfache des Zeilenabstandes abgestimmt werden. Effizient lässt sich das mit einem typografischen Grundlinienraster realisieren (vgl. Kap. 15 Rastertypografie). Weisen die Bilder oben, unten und seitlich größere Abstande auf, erzeugt das einen Passepartouteffekt (Beispiel B).
A
B
C
Abb. 6.2.2a: Abstände im Bildraster (Grafik: Hammer) Bildabstand im Spaltenabstand (A), Passepartouteffekt (B), Bilder ohne Abstände (C)
141
Bilder im Layout Werden mehrere Bilder zu einer Bildleiste zusammengefasst, können sie auch randlos aneinanderstoßen. Irgendwo, z. B. in der Gesamtbreite, sollte jedoch wieder ein Bezug zum Spaltenraster hergestellt werden (Beispiel C). 6.2.3 Offene und geschlossene Raster Die einfachste, oft allerdings auch langweilige Bildanordnung ist die innerhalb des Satzspiegels und innerhalb des Spaltenrasters und dabei jeweils die Spalten zu füllen. Solche Layouts sind sehr dicht und sind wenig spannungsreich. Geschlossene Text/Bild-Raster mit Blockspalten wirken meist sehr streng und statisch. Auflockerung erreichen Sie durch Flattersatz und geöffnete Bildraster (Abb. 6.2.3a). Darunter versteht man Bildraster, bei denen Bilder über den Satzspiegel hinaus in die Freibereiche ragen. Sie können nach rechts oder links, nach oben oder unten überstehen. Sie werden jedoch nicht völlig frei positioniert, sondern als Bezugslinien dienen weiterhin Spaltenlinien oder horizontale Bildrasterlinien. Interessant sind Seiten mit nicht völlig gefüllten Spalten. Dabei können Bildleisten am oberen Satzspiegelrand als Aufhänger für die nachfolgenden Texte dienen. Das wirkt am besten mit gleich großen Bildern. Oder die Bilder können an unterschiedlich lange Textspalten angehängt werden. Umgekehrt können Bilder am unteren Satzspiegelrand angeordnet und Texte darüber gestapelt werden. Bilder, die aus dem Textraster (in einem geeigneten Bildrastersystem) herausragen, und freigestellte Bilder mit unregelmäßigen Formkonturen lassen selbst strenge Blocksatzseiten frischer aussehen. Abb. 6.2.3b zeigt, wie unterschiedlich zwei Seiten, die auf dem gleichen Raster basieren, durch andersartige Bildanordnungen aussehen können.
Abb. 6.2.3a: Offene und geschlossene Raster (Grafik: Hammer)
142
Rasterlayout
Normraster
XIOIX IOI XIXI
6
XIOIX IOI XIXI
Abb. 6.2.3b: Gestaltungsvarianten im gleichen Raster (Grafik: Hammer)
TIPP: Achten Sie bei Bildern darauf, dass sie nicht partiell gegen die Hintergrundfarbe des Formates auslaufen, sie sehen sonst „ausgefranst“ aus. Konstruieren Sie gegebenenfalls einen Rahmen um das Bild, indem Sie es auf eine andersfarbige Hintergrundfläche stellen oder mit einer dünnen Linie umgrenzen. Eine besonders interessante Bildeinbindung ins Layout ist die Verwendung eines formatfüllenden Hintergrundbildes. Dieses sollte ein Bildzentrum aufweisen, während die anderen Bildbereiche monoton und unaufdringlich gehalten sind. Letztere können dann durch Texte und andere Bilder innerhalb eines Text/Bildrasters überlagert werden.
6.3 Normraster
Raster machen auch dort einen Sinn, wo gestaltungsexterne Abhängigkeiten bestehen, wie z. B. im Brief- und Formularwesen, und dort, wo maschinelle Verarbeitungen (Lesen, Schreiben) von Bedeutung sind. Normierung beginnt bereits bei der Festlegung
143
Normraster standardisierter Trägerformate (z. B. Papierformate, Fotoformate, Bildschirmformate) und setzt sich fort in Normierungen der Anordnung der Informationen.
5
45
Abb. 6.3.1a: Normbriefbogen nach DIN 676 (Grafik: Hammer) und Briefbogenbeispiel (Design: Blömer)
45
Absender
20 105 105 1. Falzmarke
148,5 Lochmarke
210 2. Falzmarke
144
6.3.1 Normbriefbogen Ein bekanntes Anwendungsbeispiel stellt der Normbriefbogen nach DIN 676 in seiner Abhängigkeit von Fensterbriefumschlägen und Falzmaschinen dar (Abb. 6.3.1a). Durch ein Maßraster werden hier die funktionalen Inhaltsbereiche, insbesondere das Anschriftenfeld und der Stand von Falz- und Lochmarken, festgelegt. So steht also die praktische Benutzung im Vordergrund. Das Beispiel zeigt das zugrunde liegende Maßsystem, aber auch, dass sich die Beschriftung ebenfalls in die festgelegten Bereiche einordnen muss. Allein diese formalen Zwänge sind wichtig zu verstehen, weshalb klar wird, dass die Platzierung eines Logos und seine Größe von der Kenntnis dieser Maße abhängig sind. Für den Entwurf einer interessanten Briefbogengestaltung muss man also nicht von einem leeren DIN-A4-Blatt ausgehen, sondern von dem beschriebenen Normraster. Das Logo in der richtigen Größe muss im Layout Spannung und Interesse erzeugen. Beim Briefbogenlayout muss man dafür vor allem Weißräume schaffen, auf denen das Logo und der Absender als Informations- und Gestaltungseinheiten überzeugen.
CD-Inlay
138
CD-Cover
6,5
120
118
6,5
6
Rasterlayout
Praxisbeispiele Rasterlayout
121
Abb. 6.3.2a: Standardmaße CD-Cover (Grafik: Hammer)
6.3.2 Systemprodukte, Cover Ebenfalls streng durch festgelegte Standardformate und konventionalisierte Standpositionen bestimmt ist die Gestaltung von Systemprodukten wie Hüllen und Labels für CDs, DVDs, Videos, MCs etc. (Abb. 6.3.2a). Normierungen findet man insbesondere bei Produkten des öffentlichen Bereichs und bei sicherheitsrelevanten Produkten, denn der Sinn von Gestaltungsnormierung ist das Erreichen höherer Informationssicherheit durch Allgemeingültigkeit, schnelle Wiedererkennbarkeit und Eindeutigkeit. Beispielsweise werden Beschriftungen im Straßenverkehr durch die Bundesanstalt für Straßenwesen festgelegt. Unter dem ergonomischen Aspekt der guten Erkennbarkeit sind dabei Formatgrößen, Schriftart, Schriftgrößen und Farben vorgeschrieben.
6.4 Praxisbeispiele Rasterlayout 6.4.1 Einfaches Einseitenlayout Im Beispiel der Gebrauchsanleitung für das Unternehmen Jean Wirtz (heute: Wirtz-Bühler) wurde für Kleinserienprodukte ein einfaches Layout zur Anwendung in Textverarbeitungssystemen entwickelt. Es basiert auf einseitig bedruckten DIN-A4-Seiten, die mit einer Spiralbindung versehen werden (Abb. 6.4.1a). Auf jeder Seite ist links oben das Unternehmenslogo platziert und rechts oben die Produktbezeichnung. Ein kräftiger schwarzer Balken bildet die Trennung zum Inhaltsbereich der Seite. Er nimmt zugleich in invers und großem Schriftgrad gesetzter Schrift die Seitenüberschrift auf. Der Beschreibungstext ist einspaltig auf 2/3 der Satzspiegelbreite darunter angeordnet. Zum Einsatz kommt eine Helvetica in 12 pt mit einfachem Zeilenabstand im Blocksatz. Die einzelnen Absätze sind mit Leerzeilen abgesetzt und weisen eine fett ausgezeichnete Überschrift auf. Neben der Textspalte befindet sich eine Bildspalte, die rechteckige querformatige Bilder aufnimmt, die in der Höhe so platziert werden, dass sie mit dem bezogenen Textabsatz beginnen. Unter dem Bild steht jeweils rechtsbündig eine Bildnummer.
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Praxisbeispiele Rasterlayout OPERATING INSTRUCTIONS PHOENIX 1000 PHOENIX 2000 PHOENIX 3000
OPERATING INSTRUCTIONS PHOENIX 1000 PHOENIX 2000 PHOENIX 3000
Cleaning
Cleaning
Abb. 6.4.1a: Gebrauchsanleitung Schleif und Poliermaschinen (Design: hammer.runge für Fa. Wirtz) Einfaches Layout für Textverarbeitungssysteme
In order to ensure a perfect operation and a long service life of the appliance we recommend a regular cleaning after daily use, at least, however, once per week.
In order to ensure a perfect operation and a long service life of the appliance we recommend a regular cleaning after daily use, at least, however, once per week.
INPLUG THE APPLIANCE BEFORE CLEANING.
INPLUG THE APPLIANCE BEFORE CLEANING.
Removal of working and carrier disk (fig. 10) Pivot the water feed tube to the side. Remove the working disk by lifting it vertically upwards. Rinse the working disk and keep it in a suitable place.
Removal of working and carrier disk (fig. 10) Pivot the water feed tube to the side. Remove the working disk by lifting it vertically upwards. Rinse the working disk and keep it in a suitable place.
PHOENIX 2000 and PHOENIX 3000 ONLY: Pull off the aluminium carrier disk by lifting it vertically upwards. Stuck carrier disks may be pressed off by screwing a threaded screw M8 (approx. length 50 mm) into the central bore of the carrier disk. Thoroughly wash the carrier disk.
PHOENIX 2000 and PHOENIX 3000 ONLY: Pull off the aluminium carrier disk by lifting it vertically upwards. Stuck carrier disks may be pressed off by screwing a threaded screw M8 (approx. length 50 mm) into the central bore of the carrier disk. Thoroughly wash the carrier disk.
Fig. 10 Removal of working disk
Cleaning of basin All abrasive residues have to be removed from the basin using an abundant amount of water, and then the basin has to be thoroughly wiped clean. Do not use any scratching means and no caustic cleansing agents.
Cleaning of basin All abrasive residues have to be removed from the basin using an abundant amount of water, and then the basin has to be thoroughly wiped clean. Do not use any scratching means and no caustic cleansing agents.
Cleaning of the waste pipe In order to prevent the waste pipe from clogging ot should regularly be flushed with water. If, however, an induration of the abrasion residues has already occured in the discharge tube, take out the outlet screen, detach the drain hose and remove the deposits.
Cleaning of the waste pipe In order to prevent the waste pipe from clogging ot should regularly be flushed with water. If, however, an induration of the abrasion residues has already occured in the discharge tube, take out the outlet screen, detach the drain hose and remove the deposits.
Cleaning of casing The casing has to be wiped using a moist cloth only. In case of need, a mild cleansing agent may be used but in no case any causic, abrasive or corrosive means. Stubborn stains may be removed using a bit of alcohol.
Cleaning of casing The casing has to be wiped using a moist cloth only. In case of need, a mild cleansing agent may be used but in no case any causic, abrasive or corrosive means. Stubborn stains may be removed using a bit of alcohol.
11
Fig. 10 Removal of working disk
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Unten rechts auf der Seite befindet sich auf einer Linie in der Unterkante der Bildspalte die Seitenzahl. Die Titelgestaltung ist losgelöst vom Inhaltsraster und greift lediglich das Maß des Trennbalkens auf. 6.4.2 Flyer Das Beispiel des Flyers für das Städtische Museum Gelsenkirchen ist als klassischer 6-seitiger Folder im Wickelfalz aufgebaut (Abb. 6.4.2a). Es werden in Kurzform die Ausstellungsbereiche des Museums vorgestellt, außerdem gibt es Anfahrtsinformationen und allgemeine Besucherinformationen sowie einen Text über die Geschichte des Museums.
Abb. 6.4.2a: Flyer für das Städtische Museum Gelsenkirchen (Studienprojekt, Entwurf: Martina Plawer)
146
6
Rasterlayout
Praxisbeispiele Rasterlayout Im Inhaltsbereich ist eine obere Bildleiste abgegrenzt. Ein Einzelbild bricht aus dem Raster aus und löst die strenge Ordnung auf. Die Inhaltstexte sind jeweils im Flattersatz in 42 mm breiten Spalten gesetzt, so dass jeweils zwei Spalten auf eine Seite passen. Bei besonderen Texten ist diese Spalte auch einzeln auf der Seite positioniert. Die Bereichsbezeichnungen sind mit 90° gedrehter Schrift vor den Inhaltstexten platziert. Alle Informationen sind im Stapelaufbau angeordnet. Auf der anderen Folderseite spiegelt sich in der Aufteilung der grauen Hintergrundfläche das Raster wider. Allerdings gibt es hier für die Anfahrtskizze und das Titelbild eigenständige Bildformate. 6.4.3 Produktfolder Das Beispiel des Produktfolders für das Unternehmen Stewing umfasst 8 Seiten DIN-A4, die im Altarfalz auf DIN-A4-Endformat gefalzt sind. Der Folder zeigt chronologisch, wie mit dem dargestellten „Kugel-Rohr-System“ vielseitig Objektmöbel zusammengebaut werden (Abb. 6.4.3a). Das Layout ist je Seite dreispaltig aufgebaut mit großzügigem Freiraum im Kopf- und Fußbereich. Jede Seite wird durch einen oben platzierten Balken in Unternehmensfarbe gehalten.
Abb. 6.4.3a: Produktfolder “Kugel-Rohr-System” (Design: hammer.runge für Fa. Stewing)
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147
Abb. 6.7.4a: Layoutvarianten
Praxisbeispiele Rasterlayout Das Höhenraster ist mit dem Maß der halben Spaltenbreite in der Vertikalen abgestuft. Es ergibt sich eine sehr gut erkennbare Rastereinteilung. Alle Bilder bestehen aus Schwarz-Weiß-Zeichnungen vor einem isometrischen Raster mit blau-weißem Verlauf. Die Bilder sind als Quadrate, Hochformate aus Doppelquadraten und großen 4fachen Quadraten eingesetzt und orientieren sich an den horizontalen Rastereinteilungen. Im Innenteil wird die allgemeine Anfangshöhe des Textrasters durch einige Bilder, die in den oberen Freiraum hineinragen, durchbrochen, um ein wenig Abwechslung zu erzeugen. Die Titelseite zeigt ein großes Bild der zentralen Produktkomponente, bei dem die Zeichnung ebenfalls das Bildformat überschreitet. Im unteren Seitenbereich ist das Unternehmenslogo so eingesetzt, dass es beim Aufschlagen von jeweils zwei Seiten einmal sichtbar ist. 6.4.4 Hefter Die Montageanleitung eines Gewächshauses für das Unternehmen Krieger wurde in Form eines 44-seitigen Hefters realisiert. Sie ist ein Gestaltungsbeispiel für ein offenes Rasterlayout, das vielseitige Variationsmöglichkeiten zulässt (Abb. 6.4.4a). Der Inhalt ist in eigenständige Haupt- und Unterkapitel für die einzelnen Montagephasen untergliedert. Aufgrund der möglichen großen Unterschiede der jeweiligen Textmenge und Bildgröße wurde ein Raster entwickelt, das zahlreiche unterschiedliche Bildgrößen und Anordnungen erlaubt. Jedes neue Kapitel zeigt einen schwarzen Kasten im Rastermaß mit Angabe des Haupt- und Unterkapitels und der Kapitelzahl. Darunter ist jeweils eine Illustration mit den aktuell benötigten Montageteilen angeordnet, daneben eine Übersichtszeichnung
Eckpfosten für die äußeren Querseiten unterscheiden sich von den "Eckpfosten auf Verbindung" für die Verlängerungsseite. Bei Gewächshäusern mit mehreren Abteilungen werden an der Verbindungsseite die Eckpfosten auf Verbindung) angesetzt.
45
7m
1.2 / 3
GRUNDKONSTRUKTION
1.2
Krieger
Eckpfosten aufstellen
m
Eckverstrebung an Sockelleiste montieren. In die Bohrung der Sockelleisten mit Abstand 457 mm von der Ecke (in der Regel, aber nicht immer, die erste Bohrung) je eine Sechskantschraube M6x15 einsetzen (Schraubenkopf zur Außenseite) und mit Mutter fest anziehen. Je eine Eckverstrebung (125) zur Längs- und Stirnseite ansetzen und mit einer weiteren Mutter handfest fixieren.
Erforderliche Teile Farbcode: weiß Eckpfosten (121,122) Eckpfosten auf Verbindung (123, 124)* Eckverstrebung (125)
1.2 / 4
Ankerwinkel (126)
Eckverstrebung an Eckpfosten montieren. In die Nuten des Eckpfostens von oben je eine Sechskantschraube M6x15 einführen. Schraube soweit herunterschieben, bis das Ende der Eckverstrebung angesetzt werden kann. Mit Mutter fixieren. Eckpfosten auf lotrechte und paßgenaue Position zu den Sockelleisten prüfen. Hinweis: Verbindungspfosten erhalten nur bei Trennwänden Eckverstrebungen.
Sechskantschrauben mit Muttern M6x10 Sechskantschrauben mit Muttern M6x15 Nur bei Gewächshäusern mit mehreren Abteilungen
Innenraum
*
1.2 / 5 1.2 / 2 1.2 / 1
Abb. 6.4.4a: Geheftete Montageanleitung für Gewächshäuser (Design: hammer.runge für Fa. Krieger)
148
Position der Eckpfosten. Bei den Eckpfosten (121 bis 124) muß jeweils (von der Querseite aus gesehen) die Seite mit den Bohrungen zum Innenraum zeigen.
6 KRIEGER-Gewächshaus
Eckpfosten ansetzen. Das untere Ende des Eckpfostens über die Schraubenköpfe in der Sockelleiste schieben. Dazu die Schraubenköpfe parallel zur Nut drehen oder am Eckpfosten "ruckeln", damit sich beide Schraubenköpfe in die Nut des Eckpfostens einführen. Muttern fest anziehen. Vorsicht, der Pfosten steht noch nicht absolut sicher. Bis zum Einsetzen der Eckverstrebung gegen Umfallen sichern.
Ankerwinkel befestigen. An den längeren M6x15 Schrauben in den längsseitigen Sockelleisten Ankerwinkel (126) aufstecken und mit einer weiteren Mutter festschrauben. Sinngemäß in gleicher Weise alle Eckpfosten aufstellen und festschrauben.
7 KRIEGER-Gewächshaus
Resümee
Rasterlayout
6
des Gewächshauses, in der die aktuell bezogenen Teile kenntlich gemacht sind. Von dort gehen feine Verbindungslinien bis zum jeweiligen Detailbild. Hinter Textbereichen sind diese Linien unterbrochen. Texte und Bilder sind in chronologischer Aufbaufolge angeordnet, jeweils mit direktem Text/Bild-Bezug. Auf diese Weise entstehen zwischen Bildern und Texten Freiräume, die die Seiten trotz der Informationsdichte angenehm leicht erscheinen lassen. Jeweils unten rechts und links auf der Seite steht auf einer Kurzlinie die Seitenzahl, darunter der Unternehmensname und Produktname. In der Titelgestaltung (hier nicht gezeigt) wiederholt sich lediglich der Headlinekasten.
6.5 Resümee 6.5.1 Was Sie gelernt haben Sie kennen die klassischen Satzspiegelkonstruktionen und Aufbauprinzipien des Spaltenlayouts. Sie haben unterschiedliche Möglichkeiten der Bildpositionierung innerhalb und außerhalb des Satzspiegels kennen gelernt. Sie wissen, was beim Layouten von randabfallenden Bildern zu beachten ist. Ihnen sind Möglichkeiten bewusst, ein strenges Layoutraster aufzubrechen, bzw. scheinbar frei zu gestalten. Sie haben erfahren, dass Gestaltung auch durch Normen und Standards eingeschränkt sein kann wie im Beispiel des Normbriefbogens. Sie haben den gesamten Ablauf eines Layoutprozesses in einem Praxisbeispiel verfolgt und wissen, worauf es beim CrossmediaLayout ankommt. Prüfen Sie Ihr erworbenes theoretisches Wissen anhand des selbst evaluierbaren Quiz. In den folgenden Übungen erproben Sie einige der Standardkonstruktion für Satzspiegel und Layoutraster. Eine begleitende Entwurfsaufgabe zum Thema Rasterlayout ist kombiniert mit rastertypografischen Anforderungen und dem Kapitel 15 „Rastertypografie“ zugeordnet. 6.5.2
Der besondere Tipp: Weblayout parallel zum Printlayout Wenn Sie einen Auftrag für ein Printlayout, z. B. für einen Katalog, erhalten, sollten Sie klären, ob irgendwann eine Übertragung in ein Layout für elektronische Medien (Website) gewünscht ist. Falls ja, sollten Sie parallel zum Printlayout einige Skizzen für ein Weblayout erstellen. Das gibt Ihnen möglicherweise zusätzliche Anregungen. Vor allem bewahrt es Sie vor Festlegungen im Printlayout, die sich später nicht für eine Website eignen, wie z. B. sehr schmale Textspalten und Blocksatz.
149
Quiz zu „Rasterlayout“
6.6 Quiz zu „Rasterlayout“ Lösungen (siehe Seite 417) Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten.
Lösung (A)
6.6.1 (A)
Lösung (B)
(B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 6.6.1
Lösung (A)
6.6.2 (A)
Lösung (B)
(B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 6.6.2
Quizfrage 6.6.3
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 6.6.4
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
6.6.3 (A) (B) (C) 6.6.4
Welche Vorteile bietet ein Layoutraster? Lauftexte werden durch den definierten Zeilenabstand besser lesbar Konsistente Anordnung der Informationselemente verbessert die Informationsaufnahme Durch ein Text/Bild-Raster sind Texte immer genauso groß wie Bilder Was beachten Sie bei randabfallenden Bildern? Randabfallende Bilder werden am Rand mit einer schwarzen Fläche unterlegt Randabfallende Bilder sollten im Layout das Format um ca. 3 mm überragen Randabfallende Bilder reichen im Layout genau bis an den Formatrand und werden dort beschnitten Wie lautet die Standardempfehlung zur Größe der Randabstände eines Satzspiegels? Unterer Randabstand immer am größten Oberer Randabstand immer am größten Bundabstand immer am größten Welche Grafik stellt das „Wäscheleinenprinzip“ dar?
A Quizfrage 6.6.5
6.6.5
Lösung (A)
(A)
Lösung (B) Lösung (C)
(B) (C)
150
B
C
Wie lautet die Standardempfehlung für das Maß von Spaltenabständen? Der Spaltenabstand sollte die Breite der Buchstaben mi der Grundschrift aufweisen Der Spaltenabstand beträgt immer 5 mm Der Spaltenabstand entspricht immer 1/10 der Spaltenbreite
Übungen
Rasterlayout
6.6.6
Quizfrage 6.5.6
(A) (B) (C)
Welche Probleme können sich bei Bildern ergeben, die über den Bund eines Printdokuments laufen? Es kann Passerprobleme geben Farbverfälschungen, da das Bild auf unterschiedlichen Seiten gedruckt wird Optische Täuschungen durch Überlastungseffekte
6.6.7 (A) (B) (C) (D)
Was kann ein strenges Raster auflockern? Blocksatz und abgegrenzte Bilder Hinterlegen der Textspalten mit Farbflächen Flattersatz und freigestellte Bilder Einsatz von Halbspalten
6.6.8
Welches vertikale Maß hat das Anschriftenfeld im Normbriefbogen? 20 mm 40 mm 105 mm
(A) (B) (C)
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
6
Quizfrage 6.5.7
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Lösung (D)
Quizfrage 6.5.8
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
6.7 Übungen 6.7.1 Ü: Klassischer Satzspiegel (zu Kap. 6.1.3) Konstruieren Sie in einem Layoutprogramm einen Satzspiegel nach der „klassischen“ Konstruktionsmethode für ein doppelseitiges DIN-A4-Hochformat. 6.7.2
Ü: Satzspiegel nach Stegverhältnissen (zu Kap. 6.1.3) Konstruieren Sie in einem Layoutprogramm für eine DIN-A4Doppelseite einen Satzspiegel mit den Stegverhältnissen 2:3:4:5. 6.7.3 Ü: 3-Spaltenlayout (zu Kap. 6.1.6) Legen Sie auf einem DIN-A4-Hochformat ein dreispaltiges Layout an. Achten Sie auf ganzzahlige Spaltenbreiten und ausgewogene Spaltenabstände. Füllen Sie die Spalten mit Blindtext im Blocksatz mit 10 pt Schriftgröße und beurteilen Sie das Ergebnis. Sind die Spaltenabstände ausreichend, aber auch nicht zu groß? Wie steht der Satzspiegel auf der Seite? Wie ist das Verhältnis der Randabstände? 6.7.4 Ü: Bildraster (zu Kap. 6.2.1) Überlagern Sie Ihr Spaltenlayout aus der vorangegangenen Übung mit einem Bildraster. Orientieren Sie sich dabei zunächst an der Spaltenbreite. Entwickeln Sie dann eine freiere Variante mit Bildpositionen auch außerhalb des Spaltenrasters. Fügen Sie Dummybilder ein und beurteilen Sie das Ergebnis.
151
farbgestaltung farbgestaltung
7
Farben sind Kinder des Lichts,
Johannes Itten
7
Abb. 7a: Zitat Johannes Itten (Grafik: Hammer)
Farbgestaltung
7.0 Einleitung 7.0.1 Lernziele Sie erwerben in diesem Kapitel umfassendes Wissen zum Thema Farbe. Sie lernen dabei sowohl die physikalischen, die physiologischen wie auch die psychologischen Aspekte kennen und erwerben Kenntnisse für die konkrete Anwendung in der Gestaltungspraxis. Sie lernen im Einzelnen: • Wie Farben wahrgenommen werden • Die wichtigsten Farbtheorien im historischen Überblick • Die aktuelle Farbenlehre nach Küppers • Die früher verbreitete Farbenlehre nach Itten • Welche Farbmischgesetze es gibt • Weitere aktuelle Farbordnungssysteme (RGB, CMYK, CIELab etc.)
Bitte beachten Sie, dass die hier drucktechnisch wiedergegebenen Farben nicht den tatsächlichen Farbwerten der in den jeweiligen Farbmodellen vorkommenden Farben entsprechen.
Literaturtipp zu Farbe im Mediendesign: Bühler, P.: MediaFarbe - analog und digital, 2004 Simon, K.: Farbe im Digitalen Publizieren, 2008
Sie erfahren, wie die Umgebungsfarbe die Farbwahrnehmung in verschiedenen Kontrastkonstellationen beeinflusst und lernen, wie Sie Farbharmonien erreichen. Sie lernen die physiologischen Wirkungen der Farbe kennen und welche kulturellen, traditionellen und farbpsychologischen Wirkungen mit den einzelnen Farben verbunden sind. Prüfen Sie Ihr erworbenes Wissen abschließend anhand des selbst evaluierbaren Quiz. Vollziehen Sie das Gelernte in eigenen Übungsaufgaben selbst nach.
153
Einleitung
Abb. 7.0.2a: Alte Wollfärberei (La Granja, Mallorca, Foto: Hammer)
Abb. 7.0.2b: Beschreibung von Farbe (Grafik: Ruske)
7.0.2 Was ist Farbe? Farben haben den Menschen seit jeher begleitet. Sie begegnen uns in allen Lebensbereichen und nehmen Einfluss auf unser Handeln und unser Befinden. Da Farben einen so hohen Wirkungsgrad auf unser Wohlbefinden und Lebensgefühl haben, sind sie für alle Bereiche der Gestaltung von großer Bedeutung. Mit den Farben, mit denen wir uns z. B. in Kleidung und im Wohnbereich umgeben, drücken wir Stimmungen aus oder ordnen uns sozialen Gruppen zu. So verwundert es nicht, dass das Färben von Stoffen eine lange Tradition aufweist (Abb. 7.0.2a). Eine allgemeine Definition für den Begriff Farbe ist nicht möglich, da die Bedeutung mit dem jeweiligen Betrachtungsaspekt zusammenhängt. Für den Physiker sind Farben elektromagnetische Schwingungen, der Maler sieht Farbstoffe als Arbeitsmaterial und für den Designer sind sie Gestaltungsmittel. Farbe ist immer abhängig von der menschlichen Wahrnehmung. Das Bewusstmachen von Farbe ist ein komplexer neuronaler Prozess; der Eindruck von Farbe entsteht erst durch das Zusammenwirken von Auge und Gehirn. Die Komplexität von Farbe wird deutlich, wenn man beispielsweise den Farbton Rot beschreiben soll. Eine Form, zum Beispiel ein Dreieck, kann man erheblich einfacher beschreiben (Abb. 7.0.2b). Das Thema Farbe kann an dieser Stelle sicherlich nicht allumfassend erörtert werden, dennoch werden in den nachfolgenden Texten einige Geheimnisse des Themas Farbe gelüftet, vor allem solche, die für die Gestaltungspraxis nützlich sind. 7.0.3 Farbenlehre Bekanntlich lässt sich die Energiestrahlung des Tageslichtes über ein Prisma als lineares Farbenspektrum darstellen. Diese wissenschaftlich physikalische Auseinandersetzung mit Farbe ist jedoch für die Gestaltung wenig nützlich (Abb. 7.0.3a). Blau (-violett)
Abb. 7.0.3a: Spektrum des sichtbaren Lichtes (Grafik: Hammer)
400 nm
450
Cyan
Grün
500
550
Gelb
600
Orange -Rot
650
700
750
800
Wie im nachfolgenden historischen Überblick deutlich wird, hat man in zahlreichen Varianten versucht, Farben und die Gesetze ihrer Mischbarkeit in logischen Beziehungssystemen anzuordnen. Über viele Jahre wurde die aktuelle Farbenlehre durch die Farbtheorie Ittens bestimmt, die auch heute noch teilweise verbreitet
154
Einleitung ist. Itten unterscheidet die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau sowie die Mischfarben Orange, Grün und Violett (Abb. 7.0.3b). Heute liegt der aktuellen Farbenlehre meist die Farbtheorie von Harald Küppers zugrunde. Küppers geht von den drei Urfarben der Farbwahrnehmung aus: • Urfarbe Violettblau (V) • Urfarbe Grün (G) • Urfarbe Orangerot (O) Darauf baut er Farbmodelle für unterschiedliche Bereiche auf. Küppers Basisfarbmodell umfasst die sechs bunten Grundfarben Gelb (Yellow = Y), Grün (G), Cyan (C), Violettblau (V), Magentarot (M), Orangerot (O) sowie die unbunten Farben Schwarz (S) und Weiß (W). Es wird aufgrund der Ausgangsfarben auch als VGOModell bezeichnet. Seine Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass sich damit in einem Rhomboeder-Modell alle Farbmischgesetze logisch darstellen lassen. Sein vereinfachtes Basisschema ist das Farbsechseck und die Unbuntgerade. Die Farbtheorie von Harald Küppers wird auch hier zugrunde gelegt. Sie ist inzwischen in vielen Bundesländern in die Rahmenrichtlinien für Schullehrpläne übernommen worden. Auch in Standardmalkästen nach DIN sind heute die Farben Magenta und Cyan vorhanden (Abb. 7.0.3c). 7.0.4 Farbbezeichnungen Die mögliche Vielfalt der Farbnuancen ist immens groß. Man geht davon aus, dass das menschliche Auge ca. 100.000 Farbnuancen unterscheiden kann. In der sprachlichen Kommunikation über Farben ist unser Bezeichnungsvorrat aber weitaus spärlicher. Die Standardfarbbezeichnungen der Umgangssprache umfassen lediglich die zwölf Farben Rot, Blau, Grün, Gelb, Schwarz, Weiß, Orange, Braun, Rosa, Violett, Gold und Silber. Sie sind daher sehr unpräzise, denn es gibt z. B. nicht nur ein einziges Rot, sondern viele Nuancierungen davon. Oft werden Farben nach ihrem Vorkommen in der Natur benannt (Sonnengelb, Zitronengelb, Smaragdgrün, Tannengrün etc.) oder in Bezug zu Regionen und Gegenständen (Saharabeige, Bordeauxrot, Marineblau, Natooliv etc.). Besonders die Modebranche prägt nach diesem Prinzip viele wohlklingende Farbbezeichnungen. Manche Farbnamen leiten sich auch aus ihrer Materialität oder ihrem Herstellungsprozess ab (Purpurrot, Krapprot, Indigoblau, Ultramarinblau etc.). Wirklich brauchbar, da eindeutig definierbar und somit eindeutig kommunizierbar, sind aber nur Farbbezeichnungen aus Farbordnungssystemen. Hierbei werden Farben in ihrer Zusammensetzung definiert, so dass sie jederzeit exakt nachmischbar sind. Zu unterscheiden sind dabei solche Farbordnungssysteme, die auf konventionellen Farbfestlegungen beruhen, wie das RALSystem, und solche, die aufgrund einer logischen Systematik die Einordnung jeder beliebigen Farbe gestatten, wie z. B. das CIELab-System oder das Rhomboeder-Modell nach Küppers. Solche
7
farbgestaltung Y G
O
B
R V
Abb. 7.0.3b: 6-teiliger Farbkreis nach Itten (Grafik: Hammer)
Y O
G
M
C V
W
S
Abb. 7.0.3c: Basisschema nach Küppers (Grafik: Hammer)
155
Farbwahrnehmung Violettblau V Blue B Grün G Green G Orangerot O Red R Cyanblau C Cyan C Magentarot M Magenta M
Farbordnungssysteme werden insbesondere gebraucht, um im Umgang mit Farben in geräteübergreifenden Prozessen exakte Farbdefinitionen vornehmen zu können, z. B. bei der Festlegung einer Farbe im PC-Entwurf und ihrer späteren Nutzung im Druckprozess oder als Materialfarbe. Im Folgenden wird der besseren Verständlichkeit halber der volle Farbenname verwendet, z. B. wird Rot genauer als Orangerot (O) bezeichnet. In den Grafiken ist die Farbe Gelb zur Abgrenzung gegen Grün (G) mit dem englischen Begriff Yellow (Y) abgekürzt. Oft findet man in der Fachliteratur, wie auch in neueren Publikationen von Küppers, die internationalen Farbabkürzungen. Schwarz (Black) ist dabei zur Unterscheidung gegenüber Blau (Blue) mit Key (K) als Schlüsselfarbe bezeichnet (Abb. 7.0.4a).
Gelb G
White W Schwarz S Key K Abb. 7.0.4a: Deutsche und internationale Farbbezeichnungen (Grafik: Hammer)
7.1 Farbwahrnehmung 7.1.1 Physikalische Aspekte Für die menschliche Farbwahrnehmung ist Licht der entscheidende Faktor. Das uns bekannte „unsichtbare“ Tageslicht ist Energiestrahlung, die sich aus elektromagnetischen Schwingungen zusammensetzt. Diese Strahlung umfasst unterschiedliche Wellenlängen, von denen für den Menschen nur ein kleiner Bereich sichtbar ist. Nicht einmal alle Wellenlängen der Lichtwellen können wahrgenommen werden, sondern nur etwa die Wellenlängen von 380 bis 780 Nanometern (abgekürzt „nm“, 1 nm = 0,000000001 m). So bleiben Infrarot und Ultraviolett für das menschliche Auge unsichtbar. Weitere Energiestrahlen sind unter anderem Gammastrahlen, Röntgenstrahlen, Wärmestrahlen und Funk mit Wellenlängen zwischen Nanometern und Kilometern (Abb. 7.1.1a). ultraviolett
Radar Mikrowellen
1 (mu)m
Rundfunk
1 mm
infrarot
1A 1 nm
Gammastrahlen
1 pm
Röntgenstrahlen
1 km
Weiß W
1m
Yellow Y
156
800 nm
700 nm
600 nm
500 nm
Abb. 7.1.1a: Strahlen (Grafik: Hammer)
400 nm
sichtbares Licht
Farbwahrnehmung Das farblose Tageslicht wird für uns erst sichtbar, wenn es einen Körper durchdringt (Transmission) oder von einem Körper reflektiert bzw. absorbiert wird. So brechen beispielsweise die Wassertropfen einer Regenfront das Licht und die einzelnen Farben werden als Regenbogen sichtbar (Abb. 7.1.1b). Diesem Phänomen entspricht auch Newtons physikalische Versuchsanordnung. Bei dieser trifft das gebündelte weiße Tageslicht als Lichtstrahl auf ein Prisma und wird in seine Spektralfarben zerlegt (Abb. 7.1.1c). Diese Zerlegung kommt zustande, da die Lichtbestandteile an dem dreieckigen Körper aufgrund der unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen werden. Die kurzwelligen Strahlen lassen sich stärker ablenken als die langwelligen. Daraus folgt, dass die Farben des Regenbogens in der Reihenfolge ihrer Wellenlängen angeordnet sind, nämlich beginnend mit der langwelligen Strahlung Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett. Rot und Orange ergeben zusammengefasst die Lichtfarbe Orangerot, Gelb und Grün die Lichtfarbe Grün und Blau und Violett die Lichtfarbe Violettblau. 7.1.2 Sinneswahrnehmung der Farbe Der Eindruck von Farbe entsteht erst durch die Wahrnehmungsmöglichkeiten des menschlichen Auges. Bekanntlich existieren im Sinnesorgan des menschlichen Auges unterschiedliche Rezeptoren, einerseits diejenigen zur Helligkeitswahrnehmung, die Stäbchen, andererseits solche zur Farbwahrnehmung, die Zapfen. Bei den Zapfen unterscheidet man drei unterschiedliche funktionale Typen: Der S-Zapfen (short wavelength receptor) registriert den Blaubereich, der M-Zapfen (medium wavelength receptor) deckt den Grünbereich ab und der L-Zapfen (long wavelength receptor) reagiert am stärksten bei Gelbgrün. Da er die Hauptleistung bei der Rotwahrnehmung übernimmt, wird er auch als Rotrezeptor eingestuft. Dies sind die Urfarben der menschlichen Farbempfindung. Werden bei entsprechenden Wellenlängen des Lichtes zwei oder drei Zapfentypen gleichzeitig erregt, ergeben sich Mischfarben. Zwischen Violettblau und Grün liegt im Spektrum das Cyanblau, zwischen Grün und Orangerot erscheint Gelb. Bei gleichzeitiger Erregung durch die Urfarben Violettblau und Orangerot ergibt sich in unserer Wahrnehmung Magentarot. Bei gleichzeitiger Aktivierung aller drei Zapfentypen sehen wir Weiß, bei fehlender Aktivierung Schwarz. Nach der Farbtheorie Küppers können durch unterschiedliche Aktivierung der drei Urfarbenpotenziale 8 Grundfarben gebildet werden: nämlich Weiß (W), Gelb (Y), Magenta (M), Cyan (C), Violettblau (V), Grün (G), Orangerot (O) und Schwarz (S) (Abb. 7.1.2a). Wir nehmen Farben einerseits als Lichtfarben wahr, z. B. als aufgefächerte Spektralfarben nach dem Newton’ schen Versuchsaufbau oder beispielsweise als ausgefilterte Lichtfarben, wie dies in der Bühnenbeleuchtung von Strahlern mit vorgesetzten farbigen Filtern bekannt ist. Andererseits nehmen wir Farben auf Gegen-
7
farbgestaltung
Abb. 7.1.1b: Spektrum im Regenbogen (Foto: Hammer)
Abb. 7.1.1c: Newtons Versuchsaufbau (Grafik: Hammer)
O 0
Urf G V 0 0
Grf
Farbe
S
1
0
0
O
0
1
0
G
0
0
1
V
1
1
0
Y
1
0
1
M
0
1
1
C
1
1
1
W
Abb. 7.1.2a: Urfarben und Grundfarben (Grafik: Hammer nach Küppers) Der Tabelle nach Küppers ist zu entnehmen, wie durch die unterschiedliche Aktivierung der Zapfen für die Farbempfindung der Urfarben Violettblau (V), Grün (G) und Orangerot (O) die 8 Grundfarben entstehen.
157
Farbwahrnehmung ständen wahr, weshalb man auch von Material- bzw. Körperfarben spricht. Im Materialbereich werden Anteile der Lichtwellen des Tageslichtes (oder auch von Kunstlicht) absorbiert und reflektiert. Das Licht dringt entweder in die Materialien ein, wird absorbiert und z. B. in Wärme umgewandelt oder es wird in den äußeren molekularen Bereichen des Materials reflektiert. Denjenigen Anteil des Lichtes, der nicht absorbiert wird, nimmt man als Farbe wahr (Abb. 7.1.2b). Abb. 7.1.2b: Wahrnehmung von Körperfarben (Grafik: Hammer) Werden alle Wellenbereiche des Lichtspektrums (hier als Urfarbenpotenziale dargestellt) komplett reflektiert, erscheint ein Körper weiß. Werden alle absorbiert, erscheint der Körper schwarz. Eine rote Tomate beispielsweise erscheint deshalb rot, weil sie die kurz- und langwelligen Anteile absorbiert und nur bestimmte langwellige Strahlen im Rotbereich reflektiert.
7.1.3 Sukzessivkontrast Einige Prozesse der Farbwahrnehmung lassen sich durch physiologische Voraussetzungen des menschlichen Sehapparates erklären. Zu diesen Wirkungen gehören der Sukzessivkontrast und der Simultankontrast. Beim Sukzessivkontrast entsteht ein Nachbild in der Komplementärfarbe. Diese Wirkung tritt auf, wenn man zum Beispiel ca. 5 Sekunden eine rote Fläche fixiert und danach auf eine weiße Wand schaut. Dort erscheint dann die Fläche in einem hellen Grün (Abb. 7.1.3a). Grün ist hier zwar die Komplementärfarbe, erscheint jedoch mit erheblich geringerer Sättigung als das Rot. Die Farbe klingt sozusagen nur nach.
Abb. 7.1.3a: Sukzessivkontrast (Grafik: Hammer) Betrachten Sie 5 Sekunden lang den roten Kreis. Blicken Sie dann auf das kleine Kreuz in der weißen Fläche daneben. Sie sehen einen grünen Kreis.
Ein praktisches Anwendungsbeispiel für den Sukzessivkontrast ist die grüne OP-Kleidung bzw. die grüne Farbe der Abdecktücher. Nachdem Chirurgen lange auf die blutrote Wunde geschaut haben, ergäbe sich auf weißen Abdecktüchern ein grünes Nachbild; auf den grünen Tüchern wird es dagegen nicht störend wahrgenommen. Der Simultankontrast beschreibt die Änderung des Farbeindrucks, beeinflusst durch die unmittelbare Nachbarfarbe (vgl. Kap. 7.4.6). 7.1.4 Beleuchtungslicht Wenn ein Gegenstand, z. B. ein weißer Zaun, in hellem Sonnenlicht fotografiert wird, erscheint er auf dem Bild deutlich anders als der gleiche Gegenstand, wenn er im Licht der untergehenden Sonne oder an einem grauen Regentag aufgenommen wird (Abb. 7.1.4a).
158
Farbwahrnehmung
farbgestaltung
7
Abb. 7.1.4a: Unterschiedliche Beleuchtung (Fotos: Hammer) Wir sehen die gleiche Szene im warmen Sonnenlicht und bei Regenwetter und sprechen normalerweise in beiden Fällen vom „blauen“ Tor und „grünen“ Pflanzen. Dennoch unterscheiden sich die tatsächlichen Farbwerte sehr deutlich.
Je nach Beleuchtung mit Tages- oder Kunstlicht kann ein Gegenstand in seiner Farbe anders erscheinen. Man kennt das z. B. beim Einkauf von Kleidungsstücken. Bei manchen Farben ist der unterschiedliche Farbeindruck je nach dem Umgebungslicht ausdrücklich erwünscht wie in der Mode oder bei einigen Autolacken. Es handelt sich dabei um so genannte „metamere“ Farben. Ein Gegenstand kann nur diejenigen Anteile des Lichtes reflektieren, die darin enthalten sind. Deshalb ist es für die richtige Farbbeurteilung, z. B. beim Abmustern einer Drucksache, unumgänglich, dies bei genormten, dem Tageslicht ähnlichen Lichtverhältnissen durchzuführen. Man verwendet deshalb bei der professionellen Farbbeurteilung spezielle Abmusterungslampen der Lichtart D65 (mittleres Tageslicht) oder D50 (direktes Sonnenlicht). 7.1.5 Farbkonstanz Selbst wenn sich Lichtbedingungen objektiv ändern, bleibt die subjektive Wahrnehmung einer Farbe dennoch weitgehend erhalten. Bekannte Gegenstände sehen wir so, wie wir sie kennen, ohne die genaueren Farbverschiebungen durch geänderte Beleuchtungsverhältnisse zu differenzieren. Ob man nun eine rote Jacke im Sonnenlicht oder in einem schlecht beleuchteten Raum sieht; sie wirkt so oder so rot (Abb. 7.1.5a). Dies erklärt sich durch die Adaption des menschlichen Auges. Dabei passen sich die Lichtrezeptoren den Helligkeitsbedingungen an. Somit also auch die Zapfen, die für das Farbensehen zuständig sind. Dieses Phänomen ist in der Wahrnehmungstheorie in den Konstanzgesetzen beschrieben (Siehe Kap. 3.4 Konstanzgesetze). Unterschreiten die Lichtbedingungen allerdings eine bestimmte Helligkeitsstufe, stellen die Zapfen ihre Funktion ein und man sieht nur noch schwarz-weiß; es kommt zum Verlust des Farbsehens (Abb. 7.1.5b).
Abb. 7.1.5a: Farbkonstanz (Fotos: Ruske, Schenck) Wir sehen den roten Locher als gleiches Objekt, obwohl die Farben durch die unterschiedliche Beleuchtung objektiv anders sind. Abb. 7.1.5b: Verlust des Farbsehens (Foto: Ruske, Schenck)
159
Farbmodelle und Farbordnung
7.2 Farbmodelle und Farbordnung Literaturtipp zur Farbhistorie Küppers, H. 2005, S. 12-67
Linktipp zur Farbhistorie: www.colorsystem.com Linktipp zu Farbmetrik/CIE-System: www.farbmetric.gall.de
7.2.1 Geschichte Viele Künstler und Wissenschaftler haben sich in der Vergangenheit bereits mit dem Thema Farbe auseinandergesetzt. Alle hatten sie das Ziel, die Gesamtheit aller Farben in einen geordneten Zusammenhang zu bringen. Ein Exkurs in die Entwicklungsgeschichte des Menschen zeigt, dass die Vorfahren der Menschenaffen gerade einmal hell und dunkel sowie Gelb und Blau unterscheiden konnten und dadurch deutliche Nachteile hatten. So war es für die Entwicklung der Menschen von entscheidender Bedeutung, dass sie vor etwa 70 Millionen Jahren die Wahrnehmung von Grün und Rot entwickelten. Damit waren unsere Vorfahren z. B. in der Lage, reifes Obst und Gemüse von unreifem oder verdorbenem zu unterscheiden, was ihre Lebensumstände erheblich verbesserte. Auch die Orientierung in der (grünen) Natur wurde damit entscheidend einfacher (Abb. 7.2.1a).
Abb. 7.2.1a: Vorteil der Farbwahrnehmung (Foto: Hammer) Die Möglichkeit der Farbwahrnehmung erleichtert die Orientierung und die Nahrungssuche.
Abb. 7.2.1b: Farbeinteilung nach Aristoteles (Foto Aristoteles Büste)
160
Schon sehr früh nutzten die Menschen die schmückende Wirkung der Farben z. B. in Form von Körperbemalungen, zum Färben von Kleidung und zum Verzieren von Gebäuden und Gegenständen. Die enorme Wirkung von Farbe war bereits den Griechen in der Antike bewusst und so haben sich Philosophen wie Pythagoras und Plato mit der Wahrnehmung von Farben beschäftigt und gingen dabei von vier Grundfarben aus, nämlich Weiß, Schwarz, Gelb und Rot. Aristoteles war 300 v. Chr. mit einem Sieben-Farben-Modell einer der Ersten, die sich zum Ziel setzten, Farben ausführlich zu beschreiben. Das Modell basiert auf den Gegensätzen Weiß und Schwarz, so wie Tag und Nacht, zwischen denen sich die reinen Grundfarben Blau, Grün und Rot eingliedern; Gelb galt als abgeschwächtes Rot. Er bemerkte, dass übereinandergelegte farbige Glasscherben Mischfarben ergaben (Abb. 7.2.1b). Leonardo Da Vinci (1452-1519) unterschied sechs ‚einfache’ Farben (Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot, Schwarz) und acht ‚natürliche’ Farben (Weiß, Blau, Gelb, Grün, Löwenfarben, Brombeerfarben, Rot und Schwarz). Man vermutet, dass er mit Löwenfarben das
Farbmodelle und Farbordnung heutige Rotorange und mit Brombeerfarben das heutige Blauviolett meinte und somit die heutigen acht Grundfarben vorwegnahm. Da Vinci setzte sich außerdem mit der hervorhebenden Wirkung des Simultankontrastes auseinander. Erste Versuche zur Schaffung einer Farbordnung gehen auf Aguilonius (1546-1617) zurück, der eine lineare Anordnung der Farben Weiß, Gelb, Rot, Blau und Schwarz vornahm und Grün als Mischung von Gelb und Blau sowie die Mischfarbe Gold aus Rot und Gelb und die Mischfarbe Purpur aus Rot und Blau definierte. Fludd (1574-1637) versuchte eine erste kreisförmige Anordnung der Farben Weiß, Gelb, Orange, Rot, Grün, Blau und Schwarz. In der Renaissance wurde die Farbenlehre erstmals durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, insbesondere durch Isaac Newton (1643-1727), dem es 1666 gelang, das weiße Tageslicht in seine Spektralfarben zu spalten, womit er den physikalischen Hintergrund für die Farbforschung schuf (Abb. 7.2.1c). In Ignoranz der Newton’ schen Erkenntnisse veröffentlichte Goethe 1810 seine „Farbenlehre” , die davon ausging, dass Farben aus der Polarität von Licht und Finsternis entstehen. Ihn interessierte eher die Sinnesphysiologie, die ‚sinnlich-sittliche Wirkung’ der Farben als die Physik. Hierzu stellte er verschiedene Versuche an, unter anderem zum Komplementär- und Sukzessivkontrast. Er war der Meinung, dass diese Erscheinungen auf das Harmoniebedürfnis des menschlichen Auges zurückzuführen seien. Außerdem untersuchte er die Wirkung von Zusammenhängen zwischen Farbe und Philosophie, Mathematik, Naturgeschichte oder Tonlehre und beschäftigte sich mit dem Phänomen der farbigen Schatten (Abb. 7.2.1d). Goethe hat auch das weitaus realistischere Farbmodell des ihm bekannten Malers Runge weitgehend ignoriert. Phillip Otto Runge (1777-1810) entwickelte zeitgleich ein kugelförmiges Farbordnungssystem. Er ging von den Elementarfarben Gelb, Rot, Blau, Weiß und Schwarz aus mit den Mischfarben Grün, Orange, Violettblau. Er ordnete die Buntfarben auf dem Kugeläquator an und Weiß und Schwarz an den Kugelpolen (Abb. 7.2.1e). Runges Farbmodell und Goethe Untersuchungen hatten lange Bestand und wirkten bis in die Zeit des Bauhauses. Der Maler und spätere Bauhauslehrer Johannes Itten (1888-1967) griff die Theorien von Goethe auf und konstruierte für die Lehre am Bauhaus einen Vorkurs, der unter anderem die Grundlagen der Farbenlehre vermittelte (vgl. Kap. 7.2.3). Auch der Chemiker Wilhelm Ostwald (1853-1932), der 1909 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, beschäftigte sich mit Farbordnung. Er unterschied bunte und unbunte Farben. Seine Motivation war dabei, die Grundlage von Farbharmonien zu finden. 1916/17 entwickelte er eine Farbenfibel und schuf über einen Doppelkegel seine Farbordnung. Dabei sind alle Abwandlungen einer Farbe in einem ‚farbtongleichen’ Dreieck erfasst. Werden diese Dreiecke an der Unbuntseite zusammengefügt, ergibt sich der Doppelkegel.
farbgestaltung
7
Abb. 7.2.1c: Isaac Newtons Prismenversuch (Grafik: Hammer)
Abb. 7.2.1d: Farblehre nach Goethe (Originalzeichnung Goethe 1809)
Abb. 7.2.1e: Runges Farbkugel (Originalzeichnung Runge 1810)
161
Farbmodelle und Farbordnung
Abb. 7.2.1f: Farbkörper des CIENormalfarbvalenzsystems (Foto: CIE)
Als eine der ersten internationalen Normen für Farbmesssysteme wurde 1931 von der CIE (Commission Internationale d´Eclairage) das Normfarbvalenzsystem eingeführt (auch CIE-Farbraum genannt). Es ist ein geräteunabhängiges Farbsystem, das dem Sehempfinden von mehr als 90 % aller Menschen entspricht. Farbvalenz ist die Bewertung eines Farbreizes durch die drei Empfindlichkeitsfunktionen (Zapfen jeweils für Orangerot, Grün und Violettblau) des menschlichen Auges. Die so genannten Farbmaßzahlen X, Y und Z dienen zur eindeutigen Kennzeichnung einer Farbvalenz. Der CIE-Farbraum zeigt alle sichtbaren Farben in einer schuhsohlenförmigen Ebene. Die Spektralfarben (gesättigten Farben) liegen auf der gekrümmten Außenlinie (Spektrallinienzug). Auf der unteren Geraden, die die Fläche schließt, liegen die Purpurfarben (Purpurlinie). Im so genannten Unbuntpunkt (E) steht senkrecht die Unbuntachse (Grauachse), die den Helligkeitswert einer Farbe von Y = 0 (Schwarz) bis Y = 100 (Weiß) festlegt. Alle additiven Mischfarben liegen immer auf der Geraden zwischen den beiden Ausgangsfarbwerten. Um den Farbort einer Farbe zu bestimmen, benötigt man drei Kenngrößen: Den Farbton, der sich über die Lage auf der Außenlinie definiert, die Sättigung, die über die Entfernung von der Außenlinie bestimmt wird, und die Helligkeit, wofür die Ebene im Farbkörper entscheidend ist (Abb. 7.2.1f). 1952 veröffentlichte Alfred Hickethier eine systematische Ordnung von 1000 Farbnuancen in einem Würfel-Farbenraum. Der Würfel weist die zuvor von Becke eingebrachte Anordnung der Farben an den Würfelecken auf, nämlich Rot, Grün, Blau gegenüber von Cyan, Magenta und Gelb sowie Schwarz und Weiß. 7.2.2 Die Farblehre Küppers Harald Küppers (geb. 1928) (Abb. 7.2.2a) geht in seiner Farbtheorie von der Farbwahrnehmung im menschlichen Auge aus. Hier sind bekanntlich drei Zapfentypen für die Farbwahrnehmung zu differenzieren, nämlich für die Farbempfindung von Violettblau (V), Grün (G) und Orangerot (O). Diese bezeichnet Küppers als „Urfarben“. Je nach Wellenlänge des wahrgenommenen Lichtes werden unterschiedliche bzw. zwei oder drei Zapfentypen erregt; daraus entstehen in der Farbempfindung Mischfarben.
Abb. 7.2.2a: Harald Küppers (Foto: Küppers)
Grundfarben
Farbname Schwarz
Abb. 7.2.2b: Urfarben und Grundfarben (Grafik: Hammer nach Küppers) Mischfarben in der Farbempfindung basieren auf unterschiedlicher Aktivierung der Urfarbpotenziale der 3 Zapfentypen. Die maximale Farbempfindung wird mit 1, die minimale mit 0 bezeichnet. Anders als in der Farblehre Ittens ergeben sich hier zwei Rotarten (Orangerot und Magentarot) und 2 Blauarten (Violettblau und Cyanblau). Wie daraus die Grundfarbeneinteilung entsteht, zeigt das Schema.
162
R
Urfarben G
B
S
0
0
0
Abk.
(Orange-) Rot
O
1
0
0
Grün
G
0
1
0
(Violett-) Blau
V
0
0
1
Gelb
Y
1
1
0
Magenta
M
1
0
1
Cyan
C
0
1
1
Weiß
W
1
1
1
Bei gleichzeitiger maximaler Aktivierung aller drei Zapfentypen sehen wir Weiß, bei fehlender Aktivierung Schwarz. Auf diese Weise können nach Küppers durch unterschiedliche Aktivierung der drei Urfarbenpotenziale die 8 Grundfarben gebildet werden, nämlich Weiß, Gelb, Magenta, Cyan, Violettblau, Grün, Orangerot und Schwarz (Abb. 7.2.2b). Sie werden deshalb als Grundfarben oder Primärfarben bezeichnet, da sich keine dieser Farben aus deckenden Farbmaterialien nachmischen lässt. Jede beliebige Farbnuance lässt sich durch ihre Aktivierungsanteile der Urfarbenpotenziale exakt definieren. Zugleich lassen sich die Teilmengen der Grundfarben, aus denen die jeweilige Farbnuance aufgebaut ist, daraus bestimmen. In Küppers Modell weisen die drei Urfarbenpotenziale jeweils 100% aus. Beispielsweise ergibt sich bei einer Aktivierung von Violettblau 25%, Grün 75% und Orangerot 50% für die ebenfalls auf 100% gesetzten Grundfarbenteilmengen Folgendes: 100%
S15
100%
V
G
O
50%
Y25 25%
W25 0%
V
G
O
Grf-Teilmenge
Urf-Potentiale
Abb. 7.2.2c: Aufbau einer Farbnuance (Grafik: Hammer nach Küppers)
S40
50%
60%
60%
60%
Y70
M35 W20
G25
70% 50%
0%
S25 75%
O30
O30
20%
100%
100%
100%
85%
55%
7
Farbgestaltung
Farbmodelle und Farbordnung
0%
W60 0%
V
G
O
Da bei gemeinsamer Aktivierung aller drei Grundfarben die Farbempfindung Weiß entsteht, liegt hier für Weiß eine gemeinsame Teilmenge von 25% vor. Grün und Orangerot weisen darüber hinaus eine gemeinsame Teilmenge von 25% aus, was mit 25% die Grundfarbe Gelb ergibt. Es verbleibt bei Grün ein weiterer 25%-Anteil. Überhaupt nicht aktiviert ist ein Anteil von 25%, der somit die Grundfarbe Schwarz ergibt. Gleiche Aktivierungsanteile aller drei Urfarbenpotenziale führen zu einem Grauton. In Küppers Farbschema kann eine Farbnuance maximal aus vier Teilmengen bestehen, nämlich zwei Buntfarbenanteilen und einem Schwarz- und Weißanteil. Das Beispiel zeigt eine Buntart aus Orangerot und Magenta mit Weiß gemischt, die reine Buntart Orange aus Gelb und Rot gemischt und eine Unbuntmischung aus Weiß und Schwarz. Kommen Buntart, Schwarz und Weiß zusammen, ergibt sich eine gebrochene, vergraute Farbe (Abb. 7.2.2c und d). Aus dem grafischen Mengenmodell leitet Küppers ein Urfarbenkennzahlen-System ab, bei dem jedem Urfarbenpotenzial ein Wert zwischen 00 und 99 zugeordnet wird (Abb.7.2.2e).
V
G
O
Abb. 7.2.2d: Varianten von Farbnuancen (Grafik: Hammer nach Küppers)
Grundfarben
Farbname
Ab
Schwarz
S
(Orange-) Rot
O
Grün
G
(Violett-) Blau
V
Gelb
Y
Magenta
M
Cyan
C
Weiß
W
Abb. 7.2.2e: Urfarbenkennzahlen-System (Grafik: Hammer nach Küppers)
163
Farbmodelle und Farbordnung Abb. 7.2.2f: Farbenkennzahl (Grafik: Hammer nach Küppers) Im Beispiel wird die Farbenkennzahl 92 14 43 dargestellt. Dabei liegt folgende Aufteilung der Urfarbenaktivierungspotenziale vor: 92 für Violettblau, 14 für Grün und 43 für Orangerot. Es ergeben sich in der rechten Spalte die daraus resultierenden Grundfarbenteilmengen. 14 Anteile gemeinsame Aktivierung aller drei Urfarben ergibt Weiß (W14). 29 Anteile der Urfarben Violettblau und Orangerot ergeben Magenta (M29). 49 Anteile der Urfarbe Violettblau ergibt Violettblau (V49). Es verbleiben 7 gemeinsame Anteile ohne jegliche Aktivierung, ergibt also Schwarz (S07)
99
S07
92
V49 50 43
M29 0
14
92 V
14 G
43 O
W14
00
00
00
= S 07
49
00
00
= V 49
29
00
29
= M 29
14
14
14
= W 14
92
14
43
=
99
Die Übertragung der grafischen Darstellung der prozentualen Teilmengen in das numerische System ist plausibel. Daraus ergibt sich die Farbenkennzahl. Die Farbenkennzahl stellt die Auflistung der Urfarbenpotenziale dar. In der rechten Spalte stehen die Grundfarbenteilmengen, die sich daraus ermitteln lassen und z. B. bei der integrierten Mischung benötigt werden. Diese ergeben zusammen wieder 99 (Abb. 7.2.2f). Die einfachste Darstellung von Küppers Farbordnung stellt das Farbsechseck der sechs bunten Grundfarben und die Weiß-SchwarzGerade der Unbuntfarben dar. Jede Farbnuance wird definiert durch zwei Punkte; einen Punkt auf dem Buntartensechseck und einen Punkt auf der Unbuntgeraden (Abb. 7.2.2g).
Abb. 7.2.2g: Küppers’ Basisschema Farbsechseck (Grafik: Küppers)
Abb. 7.2.2h: Buntartengleiches Dreieck (Grafik: Küppers)
164
Jede Buntfarbe lässt sich systematisch mit Unbuntfarben zwischen Weiß und Schwarz ausmischen, dadurch entstehen buntartgleiche Dreiecke (Abb. 7.2.2h). Ebenso lässt sich eine einzige Unbuntfarbe, z. B. Weiß, mit allen Buntfarben ausmischen. Es entstehen unbuntartengleiche Sechsecke mit der Unbuntfarbe im Mittelpunkt und den sechs bunten Grundfarben an den Ecken. Will man die Gesamtheit aller Farbnuancen darstellen, ist dies nach Küppers nur in einem dreidimensionalen Modell möglich. Dazu wird ein liegendes Farbensechseck in der Mitte mit einer senkrechten Unbuntachse ergänzt. Dies lässt sich konsequent zu
Farbmodelle und Farbordnung
Farbgestaltung
7
einer Sechskant-Doppelpyramide erweitern. Diese wiederum lässt sich in 6 Teiltetraeder aufteilen mit jeweils Weiß und Schwarz und den zwei benachbarten bunten Grundfarben an den Ecken. Als idealen Farbraum sieht Küppers jedoch sein Rhomboeder-System. Es erläutert innerhalb des gleichen Modells die additive, subtraktive, integrierte, die Weiß-, Bunt-, Schwarz- und Graumischung. Das Rhomboeder-Modell ist vektorbasiert mit den drei Urfarben als Vektoren vom unteren Schwarzpunkt in 60° Winkeln abgehend, nämlich r von K nach R, g von K nach G und b von K nach B. Die gemeinsamen Kräfte, die Resultierenden aus 2 Vektoren, verlaufen als y von K nach Y, als c von K nach C und als m von K nach M. Als Resultierende aller drei Vektoren rgb verläuft w von K zum Weißpunkt W (Abb. 7.2.2i). Durch zwei horizontale Schnitte lässt sich das Rhomboeder in drei Subsysteme untergliedern: das obere ‚Weiß-Tetraeder’, das mittlere ‚Bunt-Oktaeder’ und das untere ‚Schwarz-Tetraeder’ (Abb. 7.2.2j). Abb. 7.2.2i: Küppers’ Rhomboeder-Modell (Grafik: Küppers)
Abb. 7.2.2j: Anordnung der Farbnuancen im Rhomboeder-Modell (Grafik: Küppers)
Küppers Bedeutung liegt darin, dass es ihm gelungen ist, eine Farbsystematik zu entwickeln, mit der jede Farbnuance innerhalb eines logisch aufgebauten Systems erfasst und jedes Mischprinzip dargestellt werden kann. In der Gestaltungspraxis begegnet man sowohl verwandten Modelle (z. B. RGB-Modell), als auch davon unabhängigen (z. B. CIE-Lab, HSB).
Linktipp zur Farbtheorie Küppers: www.ipsi.fraunhofer.de/kueppersfarbe/de Literaturtipp zur Farbtheorie Küppers Küppers, H.: Schule der Farben, 2001 Küppers, H.: Schnellkurs Farbenlehre, 2005
7.2.3 Die Farblehre Ittens Die Farblehre des Bauhauslehrers Johannes Itten (1888-1967) ist z. T. bis heute verbreitet, obwohl sie im Wesentlichen auf dem Farbkugelmodell des Malers Phillip Otto Runge aus dem Jahre 1810 beruht. Ittens Farbtheorie geht von den bunten Grundfarben Gelb, Rot und Blau aus mit den Mischfarben Orange, Grün und Violett. Rot ist hier nicht das heutige Orangerot des RGB- oder des VGO-Modells nach Küppers, sondern ein Karminrot. Nach Ittens Theorie lassen sich aus den drei Grundfarben alle anderen Farben mischen. Schwarz und Weiß sieht Itten als ‚Nichtfarben’. Nach neueren Erkenntnissen ist die Farbtheorie Ittens nicht haltbar, denn seine Grundfarben sind bereits Mischungen und die Farben
165
Farbmodelle und Farbordnung
Abb. 7.2.3a: Das Farbmodell Ittens (Grafik: Hammer nach Itten)
Abb. 7.2.4a: RGB-Farbmischer (Screenshot aus Adobe inDesign)
Abb. 7.2.5b: CMYK-Farbmischer (Screenshot aus Adobe inDesign)
166
Magenta und Cyan fehlen als Grundfarben. Aus seinen im Farbkreis gegenüberliegenden Komplementärfarben lassen sich nicht wirklich neutrale Grautöne mischen, wie er behauptet. Ittens Modell unterscheidet Farben 1. Ordnung (Primärfarben), Gelb, Rot und Blau, sowie durch deren Mischung gebildete Farben 2. Ordnung (Sekundärfarben), Orange, Violett und Grün. Aus der weiteren Mischung dieser beiden Kategorien ergeben sich die Farben 3. Ordnung (Tertiärfarben): Gelborange, Orangerot, Rotviolett, Blauviolett, Blaugrün, Gelbgrün. Zusammen ergibt sich daraus der zwölfteilige Farbkreis der Volltonfarben (Abb. 7.2.3a). Mischungen mit Schwarz und Weiß werden in Form einer Farbkugel mit den Polen S und W dargestellt. Itten weist weiterhin in seiner Lehre sieben Farbkontraste aus. In seiner „Farbakkordik“ beschreibt er die Harmoniebeziehungen der Farben im Farbkreis. Als 1922 Ittens Tätigkeit beim Bauhaus endete, übernahm Josef Albers seinen Vorkurs und entwickelte seine Theorien weiter. Nach Ittens Farbenlehre waren bis 1990 die Farben in den Schulmalkästen zusammengestellt. 7.2.4 Das RGB-Farbmodell Dem RGB-Modell liegt die additive Farbmischung mit den Grundfarben Rot (Orangerot), Grün und Blau (Violettblau) zugrunde. Es ist mit dem Küppers’ schen VGO-Modell identisch und dient zur Beschreibung von Farben auf lichtabhängigen Geräten. Dazu zählt Beleuchtung an sich, aber natürlich auch das Fernsehen und der Computerbildschirm. Jede RGB-Farbkomponente kann einen Wert zwischen 0 (Schwarz = dunkel) und 255 (Weiß = hell) annehmen. Die drei Farbkomponenten mit ihrem jeweiligen Wert ergeben dann den gewünschten Farbton (Abb. 7.2.4a). Der Farbton wird somit über drei Farbangaben beschrieben. Setzt man alle drei Werte auf 0, ergibt sich ein reines Schwarz. Wenn alle Komponenten 255 als Wert aufweisen, resultiert daraus ein reines Weiß. 7.2.5 Das CMYK-Farbmodell Aus der subtraktiven Mischung mit ihren Grundfarben Cyan, Magenta und Gelb (Y) ergibt sich zusammen mit der Schlüsselfarbe Schwarz (english: Key) das CMYK-Modell. Es dient zur Beschreibung ‚materialabhängiger’ Farben. Hauptsächlich findet es somit Anwendung im Printbereich und gilt als Standard in der Druckindustrie für den Vierfarbprozess. Hierfür wird das Bild in der Druckvorstufe in seine 4 Farbbestandteile zerlegt, und diese werden in unterschiedlichem Winkel zueinander gedruckt (Abb. 7.2.5a). Das führt zu einer optischen Mischung, die den Eindruck von Buntheit erzeugt. Im CMYK-Farbmischer wird den einzelnen Farben jeweils ein Wert zwischen 0 % und 100 % zugewiesen (Abb. 7.2.5b). Niedrige Farbprozentwerte liegen hierbei näher an Weiß; höhere Prozentwerte näher an Schwarz.
Farbmodelle und Farbordnung
Farbgestaltung
7
TIPP: Man kann auch am Bildschirm im CMYK-Modus arbeiten, allerdings werden dort diese Farben nur simuliert. Soll das zu bearbeitende Dokument jedoch später gedruckt werden, empfiehlt es sich, auch am Bildschirm im CMYK-Modus zu arbeiten, da die RGB- und CMYK-Farbräume nicht völlig übereinstimmen. Nicht jede Farbe des einen Farbraumes ist 1:1 im anderen darstellbar. Manche Programme machen beim Wechsel des Farbmodus mit einer Warnmeldung darauf aufmerksam. 7.2.6 Das CIE-Lab-System Nachdem das CIE-System nicht den gewünschten Durchbruch erreichte, wurde 1976 vom CIE-Kommitee das CIE-Lab-System eingeführt. Es basiert auf der Vierfarbentheorie Herings und bildet einen würfelförmigen Farbraum mit den Dimensionen L (=Helligkeit) in der Vertikalachse, a (=Rot-Grün-Achse) und b (=Gelb-Blau-Achse) in der Waagerechten. Jede Farbnuance erhält ihren Platz gemäß ihrem Helligkeitswert L und ihrem Wert auf der a- und b-Achse (Abb. 7.2.6a). Das CIE-Lab-System ist heute in der Physik und in der Computerindustrie verbreitet und wird im geräteübergreifenden Colormanagement als Referenzfarbsystem verwendet. 7.2.7 Druckfarbenpaletten Für die Definition von druckbaren Farben existieren verschiedene Auswahlsysteme. Zum einen sind dies Auswahlpaletten von Farbmischungen im Vierfarbdruck nach dem CMYK-Modell, zum anderen Zusammenstellungen ausgewählter Volltonfarben.
Abb. 7.2.6a: CIE-Lab-Farbraum (Grafik CIE-Lab) www.cielab.de
Euroskala Die wichtigste Druckfarbpalette ist die Euroskala, die in Europa allgemeine Gültigkeit hat. Sie dient als Norm für die Definition, Herstellung und Anwendung von Druckfarben für den Vierfarbdruck. In ihr werden also die Mischungen der Prozessfarben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz genau festgelegt (Abb. 7.2.7a). Abb. 7.2.7a: Euroskala (Foto: Ruske)
HKS/Pantone-Farbpaletten Die Farbfächer von HKS- und Pantone-Sonderfarben umfassen festgelegte Vollfarbtöne, die im Druck als weitere Farbe der Maschine zugefügt werden (Abb. 7.2.7b). Aus dem Vierfarbdruck würde mit einer weiteren Sonderfarbe somit ein Fünffarbdruck. Für einige Farben gibt es zusätzlich eine Farbanpassung, die vom Trägermaterial (Papiere, Kartons, Stoffe) für den Druck abhängig gemacht wird. Beispielsweise können HKS- oder Pantone-Vollton-Farben verwendet werden, um für ein Logo eine Farbechtheit zu garantieren. Sie sind auch für Stellen im Dokument ratsam, die sehr klein bedruckt werden sollen, so wie kleiner farbiger Text in 7 Punkt oder dünne Haarlinien. Diese aus drei oder vier Farben herzustellen, erfordert sehr gute Passgenauigkeit, die nicht immer erreicht wird.
Abb. 7.2.7b: HKS Farbfächer HKS (Foto: Ruske)
167
Farbmodelle und Farbordnung Für den Vierfarbendruck werden die Farben auch nach dem CMYK-Modell konvertiert. Das Pantone-System hat in Japan und den USA etwa die gleiche Bedeutung wie die Euroskala in Europa (Abb. 7.2.7b).
Abb. 7.2.7c:Pantone Farbfächer (Foto: Ruske)
Abb. 7.2.8a: RAL-Farbfächer (Foto: Hammer)
Abb. 7.2.9a: Websichere Farbpalette (Auszug, Anordnung nach Farben) (Grafik: Hammer)
168
7.2.8 RAL-Farbpalette RAL-Farben sind Standardfarben gemäß einer Reihe von Farbsammlungen für die Industrie, die vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, Sankt Augustin herausgegeben werden. Insgesamt gibt es über 2000 RAL-Farben. Es sind die meistgebrauchten Farbtöne, die aus einer Vielzahl der theoretisch möglichen Farbabstufungen ausgewählt, festgelegt und registriert wurden. Ein Farbton wird jeweils über eine vierstellige RAL-Nummer genau definiert (Abb. 7.2.8a). Die RAL-Palette hat sich als Standardfarbkennzeichnung für Kunst stoffteile und deckende Lackierungen durchgesetzt. Aber auch die Farben im Baumarkt werden oft nach dieser Einteilung bezeichnet. Falls man seine Wände also in 5 Jahren wieder in der gleichen Farbe streichen will, sollte man sich die vierstellige Nummer auf dem Farbeimer merken. 7.2.9 Web-Farbpalette Aktuelle Grafikkarten verfügen über mindestens 24 Bit Farbtiefe und können in diesem Modus 16,7 Millionen Farben darstellen, die so genannten Echtfarben. Systeme mit 8-Bit-Farbtiefe können das nicht: dort gibt es eine indizierte Palette mit 28 (= 256) Farben. Von Bildern, die mehr Farbinformation enthalten, werden nur die in der 8-Bit-Palette enthaltenen Farben korrekt dargestellt – alle abweichenden Farbwerte werden entweder auf den ähnlichsten Wert der Palette reduziert oder durch Dithering (optische Mischung durch Pixelraster) zu simulieren versucht. Das führt manchmal zu Farbverfälschungen und unerwünschten Dither-Mustern. Für manche Internetanwendungen kann deshalb die Web-Farbpalette von Bedeutung sein, die 216 vom Browser unabhängige Farben (websafe colors) umfasst. Diese Schnittmenge aus Systempalettenfarben kann auf allen Systemen mit 24 und 8 Bit Farbtiefe gleich
#660000
#660033
#660066
#660099
#6600CC
#6600FF
#663300
#663333
#663366
#663399
#6633CC
#6633FF
#666600
#666633
#666666
#666699
#6666CC
#6666FF
#669900
#669933
#669966
#669999
#6699CC
#6699FF
#66CC00
#66CC33
#66CC66
#66CC99
#66CCCC
#66CCFF
#66FF00
#66FF33
#66FF66
#66FF99
#66FFCC
#66FFFF
#990000
#990033
#990066
#990099
#9900CC
#9900FF
#993300
#993333
#993366
#993399
#9933CC
#9933FF
#996600
#996633
#996666
#996699
#9966CC
#9966FF
#999900
#999933
#999966
#999999
#9999CC
#9999FF
#99CC00
#99CC33
#99CC66
#99CC99
#99CCCC
#99CCFF
#99FF00
#99FF33
#99FF66
#99FF99
#99FFCC
#99FFFF
Farbmodelle und Farbordnung dargestellt werden, unabhängig davon, welches Betriebssystem installiert ist (Abb. 7.2.9a). Die Web-Farbpalette ist nach mathematischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Sie ist auf einen Farbwürfel zurückzuführen, auf dessen diagonal gegenüberliegende Eckpunkte sich die Grundfarben Rot, Grün und Blau verteilen. Jede dieser Farben besitzt 6 mögliche Werte. Also sind 63 (= 216) Farben darstellbar, die in Hexadezimalschreibweise (16er- Zahlen- und Buchstabensystem) angegeben werden. Die Farben werden als RGB-Werte im Bereich von 0-255 in 20%-Schritten angegeben, so dass dies zu gleichmäßigen Abstufungen führt: 0,51,102,153,204, 255; ihre Übersetzung in die hexadezimale Schreibweise ist kürzer und lautet: 00, 33, 66, 99, CC, FF. Der hexadezimale Wert „CC FF 33“ bedeutet beispielsweise Rot = 80%, Grün = 100% und Blau = 20%. In einem RGB-Farbwähler würde man dementsprechend folgende Werte eingeben: Rot = 204, Grün = 255, Blau = 51. Zum Einsatz kommen Web-Farben meist für Hintergrundfarben, Texte und Textlinks. Sinnvoll sind sie auch für Grafiken mit einfarbigen Farbbereichen (GIF), Logos und Corporate-Design-Elemente, die immer das gleiche Erscheinungsbild haben müssen. Für fotografische Bereiche machen sie jedoch keinen Sinn, da diese meist einen höheren Farbumfang als die Webfarben-Palette besitzen. In der praktischen Arbeit von Webdesignern ist die Verwendung von browserunabhängigen Farben heute von untergeordneter Bedeutung, da die meisten heute verwendeten Computer aufgrund der hohen Farbtiefe ihrer Grafikkarten eine Echtfarbendarstellung bieten. Die bekannte Webdesignpionierin Lynda Weinman erläutert auf ihrer Website genauer den Umgang mit websafe colors, bestätigt jedoch ebenfalls deren heutigen Verlust an Bedeutung. 7.2.10 HSB-Modell Jede Farbempfindung setzt sich aus drei Eigenschaften zusammen. Das HSB-Modell beinhaltet diese Eigenschaften. HSB ist die Abkürzung für die englischen Begriffe Hue, Saturation und Brightness, zu deutsch: Farbton, Sättigung und Helligkeit. Sie entsprechen in etwa den Küppers’ schen Begriffen Buntart, Buntgrad und Helligkeit. Für diese Angaben gibt es einen speziellen HSB-Farbmischer. Dieser wird u. a. in den Programmen Photoshop und InDesign verwendet (Abb. 7.2.10a). Der Farbton besteht aus den reinen Spektralfarben und Magenta. Auf dem Farbkreis wird er über die Winkelangabe definiert: 0° Rot, 60° Gelb, 120° Grün, 180° Cyan, 240° Blauviolett und 300° Magenta. Über die Stärke eines Farbreizes definiert sich die Sättigung der Farbe. Sie bestimmt auch die Reinheit einer Farbe. Die Angaben zur Sättigung erfolgen in Prozent (100 % entspricht dabei voller Sättigung) und gehen vom Unbuntpunkt in der Mitte des Farbkreises radial nach außen. Eine kräftige Farbe hat eine hohe Sät-
Farbgestaltung
7
Linktipp zu websafe colors www.lynda.com/hex.asp#
Abb. 7.2.10a: HSB-Farbmischer (Screenshot aus Adobe inDesign)
169
Farbmischung tigung, Pastellfarben eine geringere und Grautöne sind gänzlich ungesättigt. Die Helligkeit zeigt den Schwarz- oder Weißanteil einer Farbe an und wird auf einer Senkrechtachse durch den Mittelpunkt des Farbkreises angetragen. Sie variiert zwischen 0% Schwarz, 50% normal leuchtendem Farbton und 100% Weiß. Zusätzlich hat jeder Farbton eine „Eigenhelligkeit“. So ist beispielsweise Gelb heller als Blauviolett. Im identischen HSL-Modell wird anstelle des Begriffs ‚Brightness’ der Begriff ‚Lightness’ verwendet. Ebenfalls sehr ähnlich aufgebaut ist das HSV-Modell (Hue = Farbton, Saturation = Sättigung, Value = Helligkeit). Dieses Modell ist nicht als Doppelkegel aufgebaut, sondern hat den Weißpunkt in der Mitte des Farbkreises mit einer nach unten gerichteten Kegelspitze als Schwarzpunkt. Es wird im Systemfarbmischer von Apple verwendet.
7.3 Farbmischung 7.3.1 Additive Mischung Das Farbmischgesetz der additiven Mischung geht von den drei Urfarben Orangerot, Grün und Violettblau aus. Als Farblichter addieren sich diese zu Weiß, als Basisfarbe zur Auffüllung der Differenzwerte muss Schwarz vorhanden sein (Abb. 7.3.1a). Man hat hier den Bezug zum Tageslicht mit seinen Bestandteilen. Aus diesem Grund werden sie auch Lichtfarben genannt. Aus der Addition jeweils zweier Lichtfarben resultieren insgesamt drei weitere Farben. So ergeben (Abb. 7.3.1b):
Abb. 7.3.1a: Farbiges Licht (Grafik: Schenck)
Orangerot (O)
O M
Y
V
G C
V
G
O
M
C
Y
O
V
G
Abb. 7.3.1b: Mischungen im additiven System (Grafik: Hammer)
170
OrangeRot (O) + Grün (G) Orangerot (O) + Violettblau (V) Violettblau (V) + Grün (G)
= Gelb (Y) = Magentarot (M) = Cyan (C)
+ Grün (G) + Violettblau (V) = Weiß (W)
Aus dem Fehlen aller Farben ergibt sich Schwarz, d.h., es ist kein Licht vorhanden. Zusammen ergeben Schwarz, Weiß und die sechs genannten Farben das additive Farbsystem, was somit wieder den 8 Grundfarben des Küppers-Modells entspricht. Das Fernsehen arbeitet nach diesem „trichromatischen“ Prozess. Schwarz entsteht hier durch die Dunkelheit des Monitors. Bei der Darstellung auf Monitoren spricht man auch vom RGB-Modus (Red, Green, Blue). 7.3.2 Subtraktive Mischung Das Prinzip der subtraktiven Mischung liegt insbesondere der klassischen Farbfotografie, dem Drei- bzw. dem Vierfarbendruck und dem Arbeiten mit Aquarellfarben zugrunde. Am einfachsten kann man sich dieses Prinzip als ein Übereinanderlegen von transparenten Farbfolien vorstellen. Die Primärfarben
Y
sind in diesem Falle Cyanblau (C), Magentarot (M) und Gelb (Y). In den Überdeckungsbereichen ergeben sich die Mischfarben. Die Überdeckung aller drei Farben ergibt Schwarz. Farbnuancen entstehen dadurch, dass die Farbintensität der Primärfarben variieren kann. Aus der Mischung der Basismaterialfarben ergeben sich wiederum weitere Farben (Abb. 7.3.2a): Cyan (C) Cyan (C) Magenta (M) Cyan (C)
7
farbgestaltung
Farbmischung
+ Magenta (M) + Gelb (Y) + Gelb (Y) + Magenta (M) + Gelb (Y)
= Violettblau (V) = Grün (G) = Orangerot (O) = Schwarz (S)
Beachten Sie, dass die subtraktive Mischung im Itten-Farbmodell mit anderen Farben, nämlich Gelb, Blau und Karminrot, aufgebaut ist. Um ein tiefes Schwarz zu erhalten, nimmt man im Printbereich die Volltonfarbe Schwarz hinzu. Zusammen mit Schwarz ergibt sich hier das CMYK-Farbmodell, das hauptsächlich im Vierfarbendruck seine Anwendung findet. Schwarz wird hier durch K (Key) abgekürzt. 7.3.3 Integrierte Farbmischung Für deckende Farben gilt nach der Farbtheorie Küppers die integrierte Mischung. Hier existiert keine Basis- oder Trägerfarbe, sondern nur eine einzige deckende Farbschicht. Alle acht Grundfarben werden zu Primärfarben. In diesem System können nur jeweils zwei benachbarte bunte Grundfarben und Schwarz oder Weiß gemischt werden (Abb. 7.3.3a). Es liegt dann eine Unbuntausmischung vor. Die im Farbsechseck gegenüberliegenden Buntfarben mischen sich zu einem neutralen Grau. Das Schwarz darf dabei nicht auf Rußbasis hergestellt sein, sondern muss eine Pigmentfarbe sein, sonst würden die Mischungen schmutzig. Eine Mischung anderer Farben ist in diesem System nicht vorgesehen. Denn mischt man dennoch z. B. Gelb und Blau, erhält man zwar eine grünliche Farbe, nicht aber die Primärfarbe Grün. Solche Mischungen sind nur im System der subtraktiven Mischung mit Lasurfarben möglich. 7.3.4 Weitere Farbmischungen Deckende Farben kann man auch nach dem Prinzip der Buntmischung erzeugen, indem nur die 6 Buntfarben verwendet werden. Gelb (Y), Magenta (M) und Cyan (C) ergeben dabei z. B. die hellste neutrale Graumischung. Alle hellen Farbnuancen lassen sich aus den Grundfarben Gelb (Y), Magenta (M) und Cyan (C) unter Zugabe von Weiß mischen; man spricht dann von Weißmischung. Alle dunklen Farbnuancen entstehen durch Mischung der Grund-
G
O
C
M B
C
Y
M
B
G
O
M
C
Y
Abb. 7.3.2a: Subtraktive Mischung (Grafik: Hammer)
Literaturempfehlung: Küppers Farbmischkurs, Küppers
W
W
W
W
W
W
Y
C
C
M
M
Y
G
G
V
V
O
O
S
S
S
S
S
S
Abb. 7.3.3a: Integrierte Farbmischung (Grafik: Hammer nach Küppers) Es ergeben sich 6 mögliche Mischkonstellationen aus je zwei benachbarten bunten Grundfarben sowie Schwarz und Weiß.
W
W
W
S
S
S
Y
M
C
O
G
V
Weißmischung
Schwarzmischung
Abb. 7.3.4a: Weißmischung und Schwarzmischung (Grafik: Hammer nach Küppers)
171
Farbmischung D
D
D
D
D
D
M
M
M
M
M
M
H
H
H
H
H
H
Y
G
C
V
M
O
Abb. 7.3.4b: Graumischung (Grafik: Hammer nach Küppers)
Abb. 7.3.5a: Pointillismus in der Kunst (Bildausschnitt Signac)
farben Orangerot (O), Grün (G) und Violettblau (V) mit Schwarz (S) und werden als Schwarzmischung bezeichnet (Abb. 7.3.4a). Als Graumischung bezeichnet man schließlich die Mischung der 8 Grundfarben und drei weiterer Hilfsfarben Hellgrau (H), Mittelgrau (M) und Dunkelgrau (D) (Abb. 7.3.4b). 7.3.5 Optische Mischung Die optische Mischung ist keine tatsächliche Mischung, so wie sie bei den Lichtfarben oder Materialfarben vorkommt. Die eigentliche Mischung und der daraus resultierende Farbton ist eher eine optische Täuschung und die Wirkung wird nur durch die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit möglich. Ein Beispiel für optische Mischung ist der Pointillismus, der in der Kunstrichtung des Impressionismus bekannt wurde (Abb. 7.3.5a). Bei dieser Maltechnik werden die Farben nicht direkt gemischt, sondern zwei oder mehr Farben nebeneinander punkt- oder strichförmig aufgetragen. Mit ausreichendem Betrachtungsabstand vermischen sich diese Punkte im Wahrnehmungsprozess zu einer neuen Farbe. Auch der Vierfarbdruck basiert auf diesem Prinzip, was man in der Vergrößerung eines Zeitungsfotos gut erkennen kann (Abb. 7.3.5b).
Abb. 7.3.5b: Raster im Vierfarbdruck (Foto: Hammer)
7.3.6 Speed-Mischung Ein kurzzeitiger Wechsel zwischen Farbreizen (mindestens 18 Bilder pro Sekunde) führt zur so genannten Speed-Mischung. Ein Beispiel dafür ist eine Drehscheibe, die radial zweifarbig gestreift ist (z. B. Schwarz und Weiß), und deren Drehung eine einzige weitere Farbe ergibt, nämlich in diesem Falle ein grünliches Grau. Die Bewegung muss aber nicht zirkulär sein. Auch eine lineare Bewegung oder kurz aufeinander folgende Farbblitze (Stroboskopeffekt) erzeugen diesen Eindruck. Statisch ist dies nicht darstellbar.
172
Farbharmonien
7
Farbgestaltung
7.4 Farbharmonien 7.4.1 Kontexteinfluss Bereits im Kapitel 3 „Wahrnehmung“ zeigte sich, dass nicht allein der eigentliche Wahrnehmungsgegenstand erfasst wird, sondern auch die Wahrnehmungsumgebung starken Einfluss nimmt. Viele optische Täuschungen beruhen darauf. Auch bei der Farbwahrnehmung ist dies von entscheidender Bedeutung. Farben kommen normalerweise nicht isoliert vor, sondern treten meist in Beziehung zu weiteren Farben, die sich im Kontext darstellen. Je nach Konstellation der Farben entstehen dadurch unterschiedlich starke Kontraste zwischen den nebeneinander angeordneten Farben, die die Farbwahrnehmung erheblich beeinflussen. Das Wissen um die Wirkungen von Farbkonstellationen ist deshalb für die Farbgestaltung immens wichtig, um ungewollte Beeinflussungen zu vermeiden bzw. um bestimmte verstärkende Beeinflussungen gezielt zur Informationsvermittlung zu nutzen. In der Farbgestaltung gilt das Bestreben vor allem der Schaffung von Farbharmonien, d. h. eine als möglichst ausgewogene und angenehm empfundene Zusammenstellung der Farben in einer Komposition zu erreichen. Bereits Da Vinci hat die Beeinflussung durch die Gegenfarbe untersucht. Goethe hat sich ausführlich mit den Harmoniebeziehungen der Farben auseinandergesetzt. Itten formulierte schließlich 7 Farbkontraste und in der Farbenlehre nach Küppers werden vier grundlegende Harmoniebeziehungen der Farben definiert. Viele der grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten von Farbkonstellationen sind in der Farbenlehre Ittens vorweggenommen, haben aber auch in der Übertragung auf die Farbenlehre Küppers Bestand. Auch die Ansätze seiner „Farbakkordik“ lassen sich übertragen, da sie letztlich nur bestimmte Ordnungsbeziehungen beschreiben. 7.4.2 Bunt- und Unbuntkontrast Ein klassischer und oft eingesetzter Farbkontrast ist der Bunt- (Abb. 7.4.2a) und der Unbuntkontrast (Abb. 7.4.2b). Nach Itten wird der Buntkontrast auch als „Farbe-an-sich-Kontrast“ bezeichnet.
Abb. 7.4.2a: Buntkontrast Gelb/Grün/Blau/Rot (Foto: Wieschhörster) Abb. 7.4.2b: Unbuntkontrast Rot/Grau (Foto: Hammer)
173
Farbharmonien Beim Buntkontrast kommt es durch das Zusammentreffen dreier oder mehrerer reiner Farben zu einer lebendigen Wirkung. Gelb/ Grün/Blau ist z. B. ein starker Buntkontrast (Abb. 7.4.2c). Der Unbuntkontrast ist eine Erweiterung des Buntkontrastes um Schwarz und Weiß bzw. Grau. Seine extrem hohe Auffälligkeit wird beispielsweise bei Warnschildern und Flaggen genutzt. Die starke Wirkung wird durch eine abwechselnde Reizung von Zapfen (Buntempfänger) und Stäbchen (S/W-Empfänger) auf der Netzhaut des menschlichen Auges bewirkt. Abb. 7.4.2c: Bunt- und Unbuntkontrast (Grafik: Hammer)
7.4.3 Hell-Dunkel-Kontrast Der Hell-Dunkel-Kontrast, auch Helligkeitskontrast genannt, ist ein optischer Primärkontrast. Durch ihn werden Formen moduliert; es entsteht der Eindruck von Tiefe (Abb. 7.4.3a, b).
Abb. 7.4.3a: Hell-Dunkel-Kontrast in der Natur (Foto: Hammer) Abb. 7.4.3b: Modulation durch Hell-DunkelKontrast (Foto: Hammer)
Abb. 7.4.3c: Raumwirkung durch Hell-DunkelVerlauf (Grafik: Hammer)
Abb. 7.4.3d: Farbverlust bei starkem HellDunkel-Kontrast (Grafik: Hammer)
174
So erhält ein Raum durch ihn erst Dreidimensionalität, da die räumliche Wirkung meist über Schatten und Verläufe erzeugt wird (Abb. 7.4.3c). Hierfür ist im Umgang mit Farben das Beimischen von Schwarz oder Weiß nötig. Der Helligkeitskontrast eignet sich zwar gut zur Abgrenzung von Farbbereichen und damit zur Modulation von Formen, beeinflusst jedoch auch mit zunehmender Stärke die Farbigkeit der betroffenen Farbe. Bei starken Kontrasten, hier z. B. vor Weiß, ist vor allem bei dünnen Linien (z. B. in Buchstaben) die Originalfarbe kaum mehr zu erkennen (Abb. 7.4.3d). Farben an sich besitzen aber auch eine Eigenhelligkeit. Gelb und Blauviolett bilden beispielsweise den größten „natürlichen“ HellDunkel-Kontrast.
Farbharmonien
Farbgestaltung
7
Abb. 7.4.4a: Warm-kalt-Kontrast (Foto: Hammer)
7.4.4 Warm-kalt-Kontrast Die Bezeichnung warm-kalt (nach Itten: Kalt-warm-Kontrast) ist bei diesem Farbkontrast auf die subjektive Temperaturempfindung bei Farben zurückzuführen (Abb. 7.4.4a). Man kann ihn aber auch als Nah-fern-Kontrast bezeichnen, was mit räumlich-geometrischen Vorstellungen zusammenhängt. Allgemein als warm und gleichzeitig nah werden die Farben zwischen Gelb und Magenta empfunden. Als kalte und ferne Farben werden dagegen Blauviolett über Cyan bis Grün eingestuft (Abb. 7.4.4b). Nach Küppers handelt es sich beim Itten’ schen Kalt-warm-Kontrast lediglich um eine Konstellation des Merkmals Buntart. Farbpsychologisch ist die Unterscheidung in warme und kalte Farben jedoch bedeutungsvoll.
Abb. 7.4.4b: Warm-kalt-Kontrast im Farbkreis (Grafik: Hammer)
7.4.5 Komplementärkontrast Ein farbkomplementäres Paar besteht immer aus den beiden Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen (Abb. 7.4.5a). Solche Farbkombinationen steigern sich gegenseitig in ihrer Farbintensität. Besonders deutlich wird das bei Kontrasten der ungetrübten Grundfarben (Abb. 7.4.5b). Dabei haben Magenta und
Abb. 7.4.5b: Steigerung der Farbwirkung durch Komplementärfarbe (Grafik: Hammer)
175
Farbharmonien
Abb. 7.4.5a: Komplementärkontrast im Farbkreis (Grafik: Hammer) Direkte und Nachbarkomplementäre
Grün die stärkste Kontrastwirkung, da sie annähernd die gleiche Farbhelligkeit besitzen. Die meisten natürlich vorkommenden Komplementärkontraste sind jedoch abgemilderte Kontraste, bei denen keine reinen Grundfarben gegenüberstehen. Als besonders harmonisch wird der Kontrast einer Farbe mit ihren beiden Nachbarkomplementären empfunden. Nachbarkomplementäre sind zwei Farben, die im Farbkreis gleich weit rechts und links von der Komplementärfarbe entfernt liegen und so mit der Ausgangsfarbe einen Farbdreiklang bilden.
Abb. 7.4.5c: Szene mit Komplementärkontrast (Foto: Hammer)
7.4.6 Simultankontrast Beim Simultankontrast wird besonders deutlich, wie sehr die Wahrnehmung einer Farbe von deren unmittelbaren Umfeld beeinflusst wird. Der Simultankontrast ist ein physiologischer Effekt und beruht darauf, dass in der Farbempfindung jede Farbe simultan ihre Gegenfarbe erzeugt. Diese Erscheinung tritt sowohl bei Grauwerten als auch bei Buntfarben auf. Schon Aristoteles und Da Vinci kannten dieses Phänomen. Der Simultankontrast tritt sowohl bei Farben als auch bei Grauwerten auf (Abb. 7.4.6a).
176
Farbharmonien
farbgestaltung
7
Abb. 7.4.6a: Simultankontrast mit Grau und Farbwerten (Grafik: Hammer) Die mittleren Farbtöne sind gleich, wirken aber je nach Umgebungsfarbe unterschiedlich. Verdeckt man den Zwischenraum (z. B. mit einem Bleistift), wird die durchgehende gleiche Farbe deutlich.
Eine gleiche Farbe kann im Kontrast mit unterschiedlichem Farbumfeld unterschiedliche Farbwirkungen hervorrufen. so erscheint das gleiche grüne A in Abb. 7.4.6b unterschiedlich, in Abhängigkeit davon, ob es vor einem dunkelgrünen, mittelgrünen oder weißgrünen Hintergrund steht. Abb. 7.4.6b: Simultankontrast: Schriftbeispiel (Grafik: Hammer) Der gleiche Grünton des Buchstabens wirkt unterschiedlich je nach Umgebungsfarbe.
Nicht nur die Farbkombination, sondern auch die Mengenverhältnisse der in Kontrast stehenden Farben beeinflussen diese Wirkung. Zugleich kann es dabei zu Größentäuschungen kommen (Abb. 7.4.6d). 7.4.7 Qualitätskontrast Der Qualitäts- oder auch Intensitätskontrast nach Itten bezeichnet den Gegensatz von gesättigten, reinen und leuchtenden Farben gegenüber ungesättigten und trüben Farben. Die Farben unterscheiden sich hier also in ihrem Buntgrad. Wird eine reine Farbe in Kontrast mit weniger gesättigten Farben gesetzt, verstärkt sich die Wirkung der einzelnen Farbe. Sie
Abb. 7.4.6c: Größentäuschung im Simultankontrast (Grafik: Hammer)
177
Farbharmonien
Abb. 7.4.7a: Qualitätskontrast (Foto: Hammer) Abb. 7.4.7b: Starker Qualitätskontrast (Foto: Hammer)
„strahlt” aus der Farbzusammenstellung heraus und tritt in den Vordergrund (Abb. 7.4.7a). Das gilt sowohl für Farben der gleichen Farbrichtung als auch für andere beliebige Farbzusammenstellungen. Bei Letzteren kommen dann oft gleichzeitig andere Kontrastphänomene (Buntkontrast, Komplementärkontrast, Qualitätskontrast) zum Tragen (Abb. 7.4.7b). TIPP: Diesen Kontrast können Sie gut als Akzentuierungsmittel nutzen. Am PC erreichen Sie das am einfachsten durch Reduzierung der Farbsättigung. Verändert man stattdessen die Helligkeit, kommt zugleich der Helligkeitskontrast zur Wirkung. Bei deckenden Farben sollten Sie deshalb das Mischen mit Grau einem Brechen mit Weiß oder dem Trüben mit Schwarz vorziehen. 7.4.8 Quantitätskontrast Dem Quantitätskontrast liegt die Erkenntnis zugrunde, dass verschieden Farben aufgrund ihrer unterschiedlichen Leuchtkraft bei gleichen Flächengrößen unterschiedlich stark wirken. Stellt man
Abb. 7.4.8a: Quantitätskontrast (Foto: Müller)
178
Farbharmonien
7
Farbgestaltung
Abb. 7.4.8b: Quantitätskontrast mit Farbflächen (Grafik: Hammer)
zwei gleich große Farbflächen zusammen, treten dabei manche Farben in den Vordergrund, wie beispielsweise Gelb, andere treten dabei zurück, wie z. B. Blauviolett (Abb. 7.4.8a). Gelb hat in dieser Kombination die größere Leuchtkraft und wirkt somit auf den Betrachter stärker. Bringt man die beiden Farben jedoch in ein anderes Größenverhältnis, kann ihre Wirkung gleichwertig werden (Abb. 7.4.8b). Goethe hat sich in seiner Farbenlehre ausführlich mit dem Phänomen des Quantitätskontrastes auseinandergesetzt und diesbezügliche „Farbgewichte“ aufgestellt. Für den Größenvergleich dieser „Farbgewichte” orientiert man sich noch heute an den von Goethe entwickelten Maßzahlen. Danach muss das dreimal stärkere Gelb eine dreimal kleinere Fläche einnehmen als die Komplementärfarbe Blauviolett, um als gleichwertig empfunden zu werden. Gleichwertige harmonisch wirkende Farbgewichte erhält man beispielsweise bei folgenden Anteilsaufteilungen. Addiert man die Werte der komplementären Farbpaare, so erhält man jeweils den Wert 12 (Abb. 7.4.8c): Gelb + Blau(violett) = 3 + 9 = 12 Rot + Cyan = 4 + 8 = 12 Magenta + Grün = 6 + 6 = 12
Abb. 7.4.8c: Farbgewichte nach Goethe (Grafik: Hammer)
7.4.9 Farbharmonienlehre Farbharmonie ist dann vorhanden, wenn Farben in einem ausbalancierten Verhältnis zueinander stehen. Solche auf uns harmonisch wirkenden Farbkompositionen kann man meist auf bestimmte Ordnungssysteme zurückführen. Farbkreis, Farbwürfel und Farbrhomboeder sind solche Systeme, die einen mathematischen Hintergrund für die harmonische Farbkombination liefern. Küppers formuliert dazu eine einfache Begründung: „Harmonie ist Ordnung”. Itten beschreibt mit seiner „Farbakkordik“ ebenfalls bestimmte geometrische Zuordnungen der Farben im Farbkreis. Zwei im Farbkreis gegenüberliegende Farben (Komplementärfarben) ergeben danach einen harmonischen Zweiklang. Gleichseitige oder gleichschenklige Dreiecke bilden im Farbkreis einen harmonischen Dreiklang. Quadrate oder Rechtecke bilden den harmonischen Vierklang (Abb. 7.4.9a).
179
Farbharmonien Y Y
Y G
O
G G
O O
G
O
B
R
B B
R R
B
R
V V
V
Abb. 7.4.9a: Zwei-, Drei- und Vierklang der Farben (Grafik: Hammer)
W O
Buntart
Y Unbuntart
Y
S Buntgrad bzw. Unbuntgrad Abb. 7.4.9b: Buntart, Unbuntart sowie Buntgrad bzw. Unbuntgrad (Grafik: Hammer nach Küppers)
V
Küppers definiert vier ästhetische Unterscheidungsmerkmale der Farben (Abb.7.4.9b). • Durch das Mengenverhältnis zwischen Schwarz und Weiß wird die ‚Unbuntart’ einer Farbe bestimmt. • Durch das Mengenverhältnis der beiden bunten Grundfarben wird die ‚Buntart’ festgelegt. • Das Mengenverhältnis zwischen diesen beiden Vereinigungsmengen der Buntart und der Unbuntart bestimmt den ‚Buntgrad’ bzw. den reziproken ‚Unbuntgrad’ einer Farbe. • Als viertes ästhetisches Unterscheidungsmerkmal gilt die Helligkeit, die sich aus der Eigenhelligkeit der Farbe und der Größe ihrer Teilmenge ergibt. Damit verlässt Küppers die herkömmliche – auf Helmholtz zurückgehende – Unterscheidung nach Farbton, Sättigung und Helligkeit. 7.4.10 Statische und dynamische Farbharmonien Ein anderer Ansatz, Farbharmonien zu gestalten, ist eine intuitive Beurteilung. Welche Wirkung erzeugt eine bestimmte Farbzusammenstellung beim Betrachter? Je nach der Zusammenstellung der Farben unterscheidet man statische und dynamische Farbharmonien: Einerseits bewirkt beispielsweise eine Farbkombination aus verschiedenen Sättigungen/
Abb. 7.4.10a: Statische Harmonie (Foto: Hammer) Abb. 7.4.10b: Dynamische Harmonie (Foto: Bensmann)
180
Farbharmonien
7
farbgestaltung
Helligkeitswerten eines Farbtons einen eher statischen Eindruck (Abb. 7.4.10a). Die Farbsprünge sind von einem Ton zum anderen sehr gering, wodurch auch keine Bewegung zustande kommt. Andererseits bewirken Kombinationen aus verschiedenen Farbfamilien große Farbsprünge und damit eine starke Dynamik (Abb. 7.4.10b). Trotzdem können die gewählten Farben miteinander harmonieren. Letztendlich kann man aber für Ungeübte kaum konkrete Regeln aufstellen, wie man mit Hilfe von Farbsystemen statische und dynamische Farbharmonien erzeugt. Farben kombinieren setzt ein sensibles Farbgefühl und vor allem Erfahrung voraus, zumal die Wirkung ohnehin von mehr als nur der Farbkombination alleine abhängig ist. Erschwerend kommt hinzu, dass es Millionen von Farbnuancen gibt, die man in Abermillionen von Konstellationen einander zuordnen kann. Dennoch werden im großen Feld der Kunst, des Designs und der Werbung tagtäglich immer neue Farbkombinationen gekonnt eingesetzt und das beruht nicht auf Zufall, sondern auf Kenntnis der Wahrnehmung, gestalterischem Talent und Erfahrung. TIPP: Als grobe Grundregeln gelten: Spannung oder Dynamik erzeugen Sie durch Verwendung von gegensätzlichen Farben (Komplementäre und Nachbarkomplementäre) und durch Kontraste oder ungewöhnliche, nicht erwartungskonforme Farben. Statik erreichen Sie durch gleichartige Töne, dem Fehlen von Gegensätzen und durch weiche Übergänge. 7.4.11 Color-Coding Manchmal kommt es in der Farbgestaltung nicht nur darauf an, zwei oder drei zueinander passende Farben zu kombinieren, sondern größere Farbreihen. Am besten bedient man sich dazu systematisch arbeitender Farbwähler, die gut aufeinander abgestimmte Farbreihen und Farbharmonien zusammenstellen können. Gleichartige, harmonisch aufeinander abgestimmte Farben benötigt man z. B. beim Color-Coding. Dies bezeichnet das Identifizieren von Sachverhalten oder Funktionen über Farben. So können beispielsweise auf einer Internetsite oder in einem Produktkatalog
Linktipp zu Farbwählern: http://kuler.adobe.com www.metacolor.de
Abb. 7.4.11a: Harmonische Farbreihen (Studienarbeit: Dupré)
181
Farbharmonien Link Praxisbeispiele zu Color-Coding: http://ndm.si.edu/dfl/start.htm www.museum-kunst-palast.de/opener.htm www.abes-online.de www.ldi.nrw.de
Abb. 7.4.11b: Color Coding auf Websites (LDI Website, Entwicklungsprojekt Prof. Hammer) LDI-Website: Es erfolgt eine Umfärbung des Logounterstrichs, der Markierungspunkte und der Bilder je nach Codierungsfarbe des ausgewählten Bereichs.
Abb. 7.4.11c: Color Coding auf Websites (ABES Website, Design: hammer.runge, D. Olischläger, www.abes-online.de) Farbkodierung der Produktkategorien
182
unterschiedliche Inhaltsbereiche mit entsprechenden Farben gekennzeichnet werden (Abb. 7.4.11a, b). Diese Farben müssen aber trotz ihrer differenzierenden Aufgabe miteinander harmonieren, um eine schlüssige Gesamterscheinung zu garantieren. Weitere bekannte Beispiele für Color-Coding sind auch U-BahnPläne, bei denen jeder Linie eine entsprechende Farbe zugewiesen ist, die deutlich von der benachbarten zu unterscheiden ist. Trotzdem ergibt sich aber ein harmonierendes und geordnetes Gesamtbild.
Farbwirkung
Farbgestaltung
7
7.5 Farbwirkung 7.5.1 Physiologische und psychologische Wirkung Man unterscheidet im Wesentlichen physiologische und psychologische Wirkungen der Farbe, genauer der Farbwahrnehmung. Bekannte und bereits vorgestellte physiologische Wirkungen sind der Sukzessivkontrast und der Simultankontrast. Als Farbwirkung bezeichnen wir eine weitgehend neutrale, messbare Reaktion des Organismus auf die Wahrnehmung von Farbe: Z. B. wird jeder Mensch die Farbe Blau mit Himmel, Meer und Weite in Verbindung bringen und es werden sich dementsprechende körperliche Anzeichen für Entspannung messen lassen. Ähnlich ist es mit den Farben Gelb und Rot; sie werden mit der Sonne oder dem Feuer assoziiert und haben eine wärmende und aktivierende Wirkung. Zugleich hat die Farbwahrnehmung auch Auswirkung auf das psychische Befinden des Menschen. Farben können Wohlbehagen oder Unbehagen auslösen, können fröhlich oder traurig stimmen, können den Betrachter beruhigen oder ihn nervös werden lassen. Besonders in der Arbeitswelt hat man sich deshalb unter ergonomischem Gesichtspunkt sehr intensiv mit den Farbwirkungen auseinandergesetzt. Neben den objektivierbaren Farbwirkungen existieren die persönlichen Farbempfindungen, die vor allem durch die individuellen Vorerfahrungen des Individuums geprägt werden. Ob Blau meine Lieblingsfarbe ist, hängt von meinen persönlichen Vorlieben ab und davon, was ich mit dieser Farbe noch in Verbindung bringe. Zudem ist Blau nicht gleich Blau, es gibt tausende Zwischentöne. Wenn ich eine Farbe gar nicht leiden kann, hat das meistens eine persönliche Vorgeschichte. Außerdem ist wichtig, ob es sich beim Wahrnehmenden um einen visuell, auditiv oder haptisch geprägten Menschen handelt. Visuelle Typen kann man sicherlich am meisten mit einer Farbe erfreuen oder auch quälen. Farbe ist ein Spiegel der Gefühle und Assoziationen, sozusagen die „Musik“ für den visuell geprägten Menschen. Empfindung und Wirkung von Farbe gehen also miteinander einher und bedingen sich gegenseitig. Ohne Farbempfindung gibt es auch keine Farbwirkung und umgekehrt. In unserem Wortgebrauch haben sich einige dieser Empfindungen stark verankert, wodurch Farben mit ganz bestimmten Zuständen in Verbindung gebracht werden, ohne dass es uns seltsam erscheint. Man sieht die Welt durch eine rosarote Brille, sieht schwarz, ärgert sich grün und blau oder wird rot vor Scham. In unserem westlichen Kulturkreis gilt also: Rot wird u. a. mit Aggressivität in Verbindung gebracht und es steigert den Blutdruck. Ersteres ist eine erlernte Farbempfindung durch kulturelle Symbole, Letzteres eine körperliche Farbwirkung.
183
Farbwirkung
Abb. 7.5.2a: Fernwirkung durch Unbunt- und Helligkeitskontrast (Grafik: Ruske)
7.5.2 Fern- und Nahwirkung Soll eine Farbkombination aus zwei Farben eine möglichst gute Fernwirkung erzielen, sollten die beiden Farben im ausgeprägten Hell-Dunkelkontrast zueinander stehen. Auch durch eine Kombination von bunten mit unbunten Farben (Unbuntkontrast) kommt gute Fernwirkung zustande (Abb. 7.5.2a). Eine bunte Farbkombination sollte im Kontrast zur Umgebung stehen, z. B. zur grünen Natur. Vor allem bei Schrift ist es von Vorteil, die hellere Farbe als Untergrund zu verwenden (Abb. 7.5.2b). Jede Farbe hat eine Einzelwirkung. So scheinen einem warme Farben entgegenzukommen. Man sieht sie eher aus der Ferne. Nicht zufällig weisen deshalb im Verkehrswesen die Verbots- und Gebotsschilder rote Farbe auf. Hier ist für die Fernwirkung natürlich nicht nur die Farbe, sondern auch die einprägsame Form ein entscheidender Faktor. Sie unterstreicht in ihrer reduzierten Formaussage die Signalwirkung der Farbe. Was auf Distanz gut erkennbar ist, kann z. B. beim Lesen aus der Nähe anstrengend sein. Bei Mengentext schränkt Farbe fast immer die Lesegeschwindigkeit ein, weil dann auf weißem Papier der Kontrast zum Untergrund bei farbiger Schrift geringer ist als bei schwarzer Schrift (Abb. 7.5.2b).
Achten Sie beim Einsetzen der Tintenpatronen darauf, dass sich die oberen Kanten der Tintenpatronen oberhalb der aus dem unteren Bereich der geöffneten Arretierbügel herausragenden Haken befinden, wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Andernfalls werden möglicherweise die Arretierbügel beschädigt. Abb. 7.5.2b: Farbe bei Mengentext (Grafik: Hammer)
7.5.3 Funktionsfarben Funktionale und formale Wirkung haben vor allem die so genannten „Funktions- oder Signalfarben”. Einige dieser Farben erreichen eine hohe Aufmerksamkeitswirkung durch ihren hohen Buntgrad bzw. hoch reflektierende oder fluoreszierende Eigenschaften. Bei anderen nutzt man in der Zusammenstellung die Hervorhebungseffekte des Unbuntkontrastes und/oder des Hell-Dunkelkontrastes (Abb. 7.5.3a). Es handelt sich bei den signalisierenden Funktionsfarben um eine konventionelle Festlegung von Farben zur Kennzeichnung bestimmter Sachverhalte, z. T. mit direktiver Auswirkung. Sie kommen als Sicherheits- und Ordnungsfarben nach DIN 1818 im Straßenverkehr (Abb. 7.5.3a), in Produktionsstätten und gewerblichen Bereichen und in öffentlichen Gebäuden zum Einsatz. Abb. 7.5.3a: Verbots- und Gebotszeichen
184
farbgestaltung
Farbwirkung
7
Farbe Allgem. Bedeutung Anwendung Gelb Achtung Orange Achtung, Gefahr Rot Halt, Gefahr
Vorfahrtstraße Ampel, Gefahrgutzeichen Ampel, Stoppschild, Notschalter Verbotsschilder
Grün Sicherheit, in Ordnung
Fluchtwege, Erste Hilfe Ampel, Kontrollleuchten
Blau Hinweis, Gebot
Richtgeschwindigkeit, Gebotsschilder
Weiß Führung
Leitstreifen, Richtungspfeil, Bodenmarkierung
Abb. 7.5.3b: Funktionsfarben (Tabelle: Hammer)
Solche Funktionsfarben sind bekannt als Signalfarben für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, als Sicherheitsfarben zur Kennzeichnung von Fluchtwegen (grün) oder Verbotszonen (rot-weißes oder schwarz-gelbes Absperrband) oder für die Sicherheitskleidung von Straßendiensten und Müllwerkern (orange).
Abb. 7.5.3c: Rettungszeichen
Abb. 7.5.3d: Warnzeichen und Gefahrensymbole
Rot ist die typische Korrekturfarbe, die man aus der Schule kennt. Sie wird aber ebenso als Abdeckfarbe in der klassischen Dunkelkammertechnik und heute noch in der Defaulteinstellung als Maskierungsfarbe in Bildbearbeitungsprogrammen eingesetzt. Letztere gehört zu den so genannten technischen Funktionsfarben. Von technischen Funktionsfarben spricht man, wenn Farben aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften bestimmte Wirkungen hervorbringen. Weiß und Silber sind wegen ihrer geringen Absorbtion und hohen Reflexion des Lichtes als typische Kühlungsfarben bekannt. Braun und Dunkelgrün werden wegen ihrer starken Filterwirkung als Lichtschutzfarbe für Flaschen mit
185
Farbwirkung lichtempfindlichem Inhalt (Medikamente) und andere Behältnisse eingesetzt.
Abb. 7.5.4a: Fernwirkung (Foto: Hammer)
Abb. 7.5.4b: Raumwirkung (Grafik: Hammer)
7.5.4 Raumwirkung Bei der Gestaltung von Räumen ist Farbe ein entscheidendes Mittel. Naturgemäß haben verschiedene Farben auf uns eindeutige Wirkungen. So wird Rot immer als nah und warm oder sogar heiß empfunden. Blau hingegen bringt man beispielsweise mit dem Himmel oder dem Meer in Verbindung, was Ferne signalisiert (Abb. 7.5.4a). Diese Wirkungen gelten auch bei Farbanwendungen in Räumen. Eine Wand in warmen Rot-Orange-Gelb-Tönen zu streichen, heißt, sie näher zu bringen. Helle kühle Blau-Grau-Grün-Töne dagegen lassen den Raum größer erscheinen (Abb. 7.5.4b). Solch ein Farbeindruck hat Wirkung auf alle unsere Sinnesempfindungen. So empfindet man beispielsweise einen rot gestrichenen Raum wärmer als einen blauen, auch dann, wenn in ihnen die gleiche Temperatur herrscht. Besonders wichtig ist die Farbwirkung im Raum für den Bereich der Innenarchitektur von Funktionsräumen. Am Arbeitsplatz, in öffentlichen Räumen, Krankenhäusern etc. werden deswegen die Raumfarben für die Innenraumgestaltung sehr sorgfältig nach ergonomischen Kriterien der Arbeitsplatzgestaltung festgelegt, um störende Einflüsse auszuschalten. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sollten Jahr für Jahr an einem schwarzen Schreibtisch arbeiten oder wären im Büro von grellbunt gemusterten Tapeten umgeben. 7.5.5 Synästhesie Synästhesie ist der Begriff für die Kombination von Farbe mit Sinneseindrücken. Der Begriff beschreibt den Zusammenhang der Farbwahrnehmung mit Empfindungen des Geruchs-, Geschmacks-, Tast-, Hör- oder des Muskelsinnes. Visuell wahrgenommene Farben können Empfindungen auslösen, die direkt eines der Sinnesorgane ansprechen (Abb. 7.5.5a). Farbe Geschmack Geruch Gelb sauer Rot süß
Gehör
Muskelsinn
säuerlich
glatt
schrill,hoch
leicht
kräftig
fest
laut
mittelschwer
Grün fruchtig
frisch
glatt
plätschernd
mittel - leicht
Blau wässrig
geruchlos
glatt
fern
relativ leicht
markotisch
samtig
traurig,tief
schwer
geruchlos
trocken
still
sehr leicht
muffig
hart
tief
sehr schwer
Violett bitter Abb. 7.5.5a: Synästhetische Wirkungen von Farben (Grafik: Hammer)
Tastsinn
Weiß salzig Schwarz tintig
Viele Industriezweige machen sich die synästhetische Wirkung zu Nutze. So zum Beispiel passt die Parfümindustrie die Verpa-
186
Farbwirkung
Farbgestaltung
7
Abb. 7.5.5b: Farbe und Geschmack (Fotos: Müller)
ckungsfarbe dem jeweiligen Duft an. Ein Parfüm, das Aktivität und Frische verspricht, ist wohl eher grün, türkis oder blau verpackt als dunkelrot. Und auch Form und Farbe des Flakons werden ebenso in enger Wechselwirkung mit dem Duft entworfen. Auch die Lebensmitteltechnologie setzt Farbstoffe in ihrer synästhetisch geschmacksverstärkenden Wirkung ein. Man kennt das von Gummibärchen, die in einer Packung mit rot am meisten vertreten sind, da diese Farbe am ansprechendsten wirkt. Im Interieurdesign wird die Farbgebung der Oberflächenbeschaffenheit angepasst. So werden für kühle und glatte Oberflächen wohl eher Blau oder Grau bevorzugt, für sandige Oberflächen dagegen eher Beige, Gelb oder Ocker. Die Farben einer Licht- und Lasershow in der Diskothek oder auf dem Rockkonzert dienen zur Unterstützung des Klangerlebnisses. Und selbst im Verpackungsdesign für den normalen Transport und die Lagerhaltung spielt Farbe eine Rolle. Trotz gleichem Inhalt wird nämlich ein dunkelfarbiger Karton als schwerer empfunden als ein heller. Das führt zum subjektiven Erlebnis, dass Packer sich eher erschöpft fühlen, wenn sie dunkle Kartons verladen haben. Beim Einsatz von weißen Kartons kann der Durchsatz bis um ein Viertel gesteigert werden. Somit ist Farbe ihrem Ursprung nach von existenzieller Bedeutung. Man kann sich gegen einen Farbeindruck nicht wehren und so wird eine blaue oder violette Erdbeere in jedem von uns Unbehagen hervorrufen (Abb. 7.5.5b).
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Farbsymbolik
7.6 Farbsymbolik Linktipp zu Farbpsychologie: www.mariaclaudiacortes.com
Abb. 7.6.1a: Persönliche Farbassoziationen (Fotos: Müller) Rot wie die Liebe, Rot wie das Blut
Abb. 7.6.1b: Lieblingsfarben der Deutschen Auszug nach Heller (Grafik: Hammer) Literaturtipp: Heller, E. Wie Farben wirken, 2001
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7.6.1 Kulturelle und psychologische Einflüsse Die individuelle Farbempfindung wird wesentlich geprägt durch die kulturellen und traditionellen Einflüsse, unter denen man aufgewachsen ist. Der Symbolcharakter einer Farbe ändert sich mit dem entsprechenden Kulturkreis und seinen Bräuchen (z. B. Schwarz als Trauerfarbe). Somit ist eine objektive, sachliche Farbwahrnehmung meist nicht möglich; Farbe wird emotional und subjektiv wahrgenommen, wird also stark von persönlichen Vorlieben und Abneigungen bestimmt. Dazu kommen psychologische und traditionelle Wirkungen, die viel ausschlaggebender für das Farbempfinden sind, als man meint. Jeder Farbreiz löst in uns Empfindungen aus, die vom Unterbewusstsein gesteuert werden. Die Verwertung von Farbreizen hat auch immer mit individuellen Erfahrungen zu tun. Man stellt eine Verbindung zwischen der Farbwahrnehmung und bestimmten Vorstellungen und Erlebnissen her, die in jedem Fall subjektiv sind. So hat jeder seine ganz persönliche Farbwahrnehmung und -bewertung, die er sich im Laufe seines Lebens aufgebaut hat und die sich in gewissen Bereichen auch ändern kann. Das heißt, dass sich persönliche Lebenserfahrungen auf die Farbwahrnehmung auswirken. Und so ist Rot für den einen die Farbe der Liebe, wohingegen ein anderer dabei vielleicht eher an Blut oder Verletzungen denken muss (Abb. 7.6.1a). Die Soziologin und Psychologin Eva Heller (1948 – 2008) führte dazu eine Befragung durch und ermittelte die Lieblingsfarben der Deutschen (Abb. 7.6.1b). Lieblingsfarben
Unbeliebteste Farben
38% Blau
27 % Braun
20 % Rot
11 % Orange
12% Grün
11 % Violett
8 % Schwarz
9 % Rosa
5 % Rosa
9 % Grün
5 % Gelb
9 % Grau
3 % Weiß
8 % Schwarz
Außerdem ließ sie die Beteiligten zu Begriffen wie „das Laute“, „die Ruhe“, „die Energie“, „das Gute“, „das Böse“, „das Moderne“, „das Edle“, „die Aufdringlichkeit“, „das Sachliche“ und anderen Begriffen Farben zuordnen. Die Ergebnisse sind höchst interessant, da sie die Farbempfindung unserer westlichen Kultur dokumentieren. Kritisch ist hier allerdings anzumerken, dass in der Befragung Hellers nur allgemeine Farbbezeichnungen wie Blau, Rot etc. verwendet
Farbsymbolik wurden, ohne mögliche Farbnuancierungen zu berücksichtigen. Farbe ist aber nicht gleich Farbe; es gibt u. a. das gesunde Naturgrün, aber auch das Giftgrün, das krosse Kaffeebraun und das tote Grau-Braun. Je nachdem, an welche Nuancierung man denkt, hat man aber völlig unterschiedliche Farbempfindungen. Im Folgenden werden (z. T. unter Bezug auf Heller, 2000) 12 Farbtöne vorgestellt und kurz gefasst ihre traditionellen, symbolischen und psychologischen Bedeutungen erörtert. Daraus wird deutlich, wie vielfältig Farben wirken und wie sich einige Farbempfindungen erklären lassen. Seit Menschengedenken haben die Farben, die uns in der Natur umgeben, unser Farberleben nachhaltig geprägt. Nach einem grauen Winter weckt das Grün des Frühlings Hoffnung und ist damit die Symbolfarbe für das Leben schlechthin. Diese frühzeitliche Symbolbildung der Menschheit spiegelt sich in Kultur, Religion und Gesellschaft wider. Noch im Mittelalter war Farbsymbolik stark genormt. Doch heutzutage verschwimmen immer mehr die Grenzen und die Symbolik wird uneindeutiger. Dies führt auch dazu, dass der Symbolcharakter von Farben mehr an nationaler Abhängigkeit verliert und dieser verkleinerte Symbolschatz international verständlicher wird. Trotz allem bleiben die jeweiligen kulturellen Gegebenheiten ein entscheidender Faktor für Farbsymbolik.
farbgestaltung
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Linktipp zur Farbsymbolik: www.mariaclaudiacortes.com/ www.metacolor.de
7.6.2 Blau Blau ist die Lieblingsfarbe von 40 % der Männer und 36 % der Frauen; die Zahl derer, die Blau als Farbe gar nicht mögen, liegt unter 2 %. Sie ist die Farbe mit der die meisten Personen Positives verbinden (vgl. Heller, 2000). Blau ist die Farbe des Himmels, den (fast) alle Menschen über sich sehen, und wird demnach mit Attributen wie Ferne, Weite, Unendlichkeit und Perspektive in Verbindung gebracht; eine Farbe der großen Dimensionen. Blau steht ebenso für Wasser, Luft, Kühle und Kälte. Dies wird rund um die Welt so empfunden, mit Ausnahme von einigen Stämmen am Amazonas, die selten den Himmel sehen, da der heimische Regenwald sehr hoch und dicht ist. Dieses Blätterdach wird dort als Himmel empfunden, auch so benannt und ist grün. Die Verbindung von Himmel und Unendlichkeit macht Blau zur Farbe der Sehnsucht, der Träume und der Phantasie, ebenso der Wahrheit an sich, der Stille und der geistigen Erkenntnis. Blau ist die Farbe
Abb. 7.6.2a: Blau (Fotos: Hammer) Glockenblume, Kornblume, Enzian
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Farbsymbolik des Geistigen im Gegensatz zu Rot als die des Körperlichen. Die Verbindung zu Klarheit, Wahrheit und Vertrauen macht Blau zur idealen Farbe der Sachlichkeit und somit der Wissenschaft. Begriffe wie Konzentration und Leistung geben Blau auch eine Nähe zu Sportlichkeit und Erfolg. Die Assoziation von Aufrichtigkeit und Dauer machte Blau in der traditionellen Bedeutung zur Farbe der Treue und Freundschaft und so wurde sie mit bestimmten Blumen in Verbindung gebracht, z. B. dem Vergissmeinnicht. Blau war schon immer eine beliebte Kleiderfarbe, denn es war einfach zu färben (mit Waid, später mit Indigo). Daher resultieren auch die Begriffe „blau sein“ und „blau machen“: Zum Färben blauer Stoffe mit Waid benötigte man früher Urin, der die besten Färbeergebnisse lieferte, wenn die Männer Alkohol getrunken hatten. Die Färbebrühe wurde also mit diesem Urin versetzt und musste längere Zeit wirken, am besten in Verbindung mit Sonnenlicht. In dieser Zeit hatten die Färber nichts zu tun, „sie machten blau“. Die schönsten Farbtöne wurden auf hochwertigen und feinen Stoffen, wie Seide etc., eingesetzt, die sich nur die Adligen leisten konnten. Je höher der Stand, desto schöner und teurer mussten die gefärbten Stoffe sein. Blau war eine Modefarbe des französischen Hofes und die Farbe der Krönungsmäntel. Daher resultiert wahrscheinlich auch der Begriff „blaues Blut“. Die „blaue Stunde“ wurde in höheren Kreisen als Zeit der Entspannung am Nachmittag gepflegt. Auf preiswerten Stoffen kamen die Farben ungleich schlechter zur Geltung. Blau wurde mit Aufkommen der Industrialisierung zur Farbe für Arbeitskleidung; jeder kennt den „Blaumann“. Eine lange Geschichte hat auch die Blue Jeans, die Levi Strauss vor über hundert Jahren als Arbeitskleidung auf den Markt brachte. Bis heute erfreut sie sich unveränderter Beliebtheit. Blau: Himmel, kühl, fern, entspannt, sachlich, Vertrauen 7.6.3 Rot Durch die Assoziation zum Blut als Lebenssaft und somit Lebenskraft bekommt Rot eine existenzielle Bedeutung, die tief im Bewusstsein verankert ist und dem Körperlichen zuzuordnen ist. Dementsprechend steht Rot für vieles, was das Blut in Wallung bringt; es ist die Farbe aller Leidenschaften, allen voran der Liebe und Erotik und auch des Sichschämens, Rotwerdens. Aktivität und Aggressivität werden ebenso damit in Verbindung
Abb. 7.6.3a: Rot (Fotos: Hammer) Erdbeeren, Tomaten, Paprika
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Farbsymbolik
Farbgestaltung
7
gebracht: „rotsehen“, Wut, die Kontrolle verlieren, Hass, Krieg. In der Vergangenheit glaubten die Völker, dass die rote Kriegsbemalung Kraft gibt und bedrohlich wirkt, den Gegner einschüchtert. Rot ist deswegen auch die Farbe der Rache. Rot hat Nähe zum Feuer und wird deshalb ebenso zum Symbol für Wärme oder Hitze und impliziert Dynamik. Rot steht auch für das moralisch Verbotene: Denken wir nur an das Rotlichtviertel, Teufel und Hölle oder die provokanten hennaroten Haare einer Frau. Das gesetzlich Verbotene zeigt sich auch in der Konvention von Rot als Warn- oder Verbotsfarbe im Verkehr und in der Arbeitswelt: die rote Ampel, Stoppschild, Notfallalarm, Gefahrenschilder und nicht zuletzt als Korrektur- und Kontrollfarbe in der Dokumentennorm. In der Natur ist Rot eine verbreitete Blütenfarbe und signalisiert bei vielen Früchten den Reifezustand. Oft steht es als Signalfarbe, aber auch für Giftigkeit (Fliegenpilz, Feuerfisch etc.) Rot war seit jeher eine Farbe der Mächtigen und Adligen: Rote Kleidung war früher schwer zu färben, sie war teuer und bedeutete ein Höchstmaß an Stärke und Macht. Die schönste Kleiderfarbe war der Purpur, er kleidete die Höchsten des Adels und des Klerus. Es gab im Laufe der Zeit verschiedenste Verfahren, Purpur zu färben: den Schleim der Purpurschnecke, den Saft von Schildläusen, dann die Krappstaude. Heute gilt Rot in politischer Hinsicht als Farbe des Sozialismus und der Arbeiterbewegung. Rot ist politisch links. Rot: Blut, Liebe, warm, nah, leidenschaftlich, Gefahr 7.6.4 Grün Grün verändert seine Ausstrahlung stark unter Einfluss von Kunstlicht im Gegensatz zum natürlichen Sonnenlicht. Deshalb sind die Eindrücke vielschichtig, es gibt wohltuendes Grün und aggressives Grün. In erster Linie aber steht Grün für das Leben, das Natürliche und natürliche Wirkstoffe, somit für Gesundheit. Deshalb wird es in der Packungsgestaltung bevorzugt für Bioprodukte und Frischeprodukte eingesetzt. Man assoziiert das Leben an sich mit dieser Farbe, mit Freiheit von Schadstoffen und somit Umweltfreundlichkeit, mit Gesundheit. Grün passt zum Frühling und zum Wachstum und nicht umsonst ist Grün die Farbe der Hoffnung. Man denkt an Frische, das Gesunde, an Gemüse, Salate, Kräuter.
Abb. 7.6.4a: Grün (Fotos: Hammer) Moos, Tannenwald, Salat
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Farbsymbolik Grün ist in der Symbolik aber auch die heilige Farbe des Islam. Es war die Lieblingsfarbe Mohammeds, des Propheten und Begründers des Islam. Hier steht das Grün im Zusammenhang mit dem Paradies, mit dem die Muslime nach dem Tod für ein gläubiges Leben belohnt werden. Eine Verbindung der Farbe Grün mit etwas Bösem ist im Islam nicht denkbar. Im christlichen Glauben ist Grün die Farbe des heiligen Geistes, also des Wandels, der Eingebung und der Erneuerung. Blau wirkt fern, Rot wirkt nah, Grün liegt in der Mitte und wird als neutrale Farbe wahrgenommen. So steht sie auch für Sympathie, Toleranz, Ruhe, Erholung, Sicherheit, Hilfsbereitschaft. Zur Jahrhundertwende gehörte in jeden gutbürgerlichen Haushalt ein Spieltisch, an dem mit Karten und Würfeln gespielt wurde. Dieser Tisch war, wie heute noch die Roulette- und Billardtische, mit grünem Filz bespannt, weil Grün angenehm für die Augen ist. Diese Farbe hielt Einzug in den bürgerlichen Haushalt: grünes Leder, grünes Linoleum; ebenso wurden Kanzleien und Amtsstuben eingerichtet. Wird etwas „am grünen Tisch geplant“, ist das ein Synonym für realitätsferne Bürokratie. Grün ist aber auch die Farbe des Unreifen, Giftigen, Dämonischen: Das Unreife kennen wir von Früchten und übertragen es auch auf die Jugend (Grünschnabel, Greenhorn, grün hinter den Ohren). Die Verbindung von Grün und Gift kommt daher, dass für die Herstellung grüner Malfarbe früher giftige Stoffe wie Arsen oder Grünspan verarbeitet wurden und diese Stoffe oft auch nach der Verarbeitung noch ihre tödliche Wirkung zeigten. Drachen und Dämone sind für Europäer immer grün, das Dämonische hat zumindest grüne Augen. Grün: Natur, beruhigend, erneuernd, positiv, Gesundheit 7.6.5 Schwarz Schwarz ist für Europäer in erster Linie die Farbe des Todes und der Trauer, das muss an dieser Stelle nicht mehr erklärt werden. Schwarz steht für Dunkelheit, also die Abwesenheit von Licht, Negation, Freudlosigkeit. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass die Trauerfarbe in asiatischen Ländern Weiß ist. Weiß wird dort ebenfalls als Mangel an Farbe gedeutet. Wenn eine Farbe mit Schwarz kombiniert wird, verkehrt sich ihre Bedeutung ins Gegenteil: Rot ist die Liebe, Rot mit Schwarz ist der Hass; Blau ist die Entspannung, Blau mit Schwarz ist die Härte etc. Jede Farbe leuchtet stärker, wenn sie mit Schwarz kombiniert
Abb. 7.6.5a: Schwarz (Fotos: Hammer, Bensmann) Kohle, Schallplatte, Nacht
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Farbgestaltung
wird, weshalb Bilder oft mit einem schwarzen Passepartout versehen werden. Wer nur „schwarzsieht“, hat negative Gefühle: Schwarz ist die Farbe von Unheil, Einsamkeit, Schuld, Niedertracht, Bedrängnis bis zum Hass und Satanismus. Wer andere „anschwärzt“, redet schlecht über sie, am „schwarzen Freitag“ stürzten die Aktien ins Bodenlose, nur der Schornsteinfeger bringt kein Unglück. Die extremste negative Steigerung erfährt Schwarz in seiner Bedeutung von Bedrohung, Angst und Brutalität. Um das Jahr 972 wurden für die Kirchenmänner und Orden Farben festgelegt: Es waren Grau, Braun und Schwarz; einfache Farben, die die christliche Demut ausdrücken sollten. Die Farbe der Geistlichkeit wurde zur Farbe des Konservativen: Wer schwarz wählt, wählt konservativ. Im späten Mittelalter schien die Welt von Gott verdammt: Pestwellen rollten über Europa und die Ängste multiplizierten sich. Der Adel, der bis dahin die prächtigsten Farben getragen hatte, ging langsam dazu über, der Todsünde der Eitelkeit abzuschwören und Buße zu tun: Man trug Schwarz. Doch es blieb nicht bei einfacher Kleidung: Als Spanien Weltmacht wurde und die Inquisition aufkam, war Schwarz die passende Farbe düsterer, fanatischer Frömmigkeit und blieb es über ein Jahrhundert lang. Nur allmählich kamen die Farben wieder in die Mode zurück. Das „kleine Schwarze“ oder der schwarze Anzug stehen hingegen für gesellschaftsgenormte schlichte und klassische Eleganz. Schwarz steht heute eher für Individualität und Abgrenzung. Es verleiht Würde und Unnahbarkeit und konzentriert die Wirkung eines Menschen auf sein Gesicht. Es ist die Farbe von Gruppen, die jenseits der Anpassung stehen wollen: früher Existenzialisten, Philosophen, heute Fotografen, Designer, Punker, Grufties, Rocker etc. Schwarz: Tod, elegant, negativ, Abgrenzung, Macht 7.6.6 Rosa Rosa ist das schwache Rot, die Gefühle in abgeschwächter Form, das schwache Geschlecht. Rosa stuft man in unserem Kulturkreis als typisch weiblich ein; weiblichen Babys wird Rosa zugeordnet, männlichen Hellblau. Bis 1900 war dies allerdings umgekehrt: Hellblau war die Marienfarbe und deswegen den Mädchen vorbehalten. Rosa war in vorhergehenden Jahrhunderten eine Farbe, die eher den Männern zugeordnet wurde: Rot galt als männliches Prinzip, für Jungen wurde demnach rosa verwendet. Auf alten Gemälden
Abb. 7.6.6a: Rosa (Fotos: Hammer) Kirschblüten, Flamingos, Süssigkeiten
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Farbsymbolik trägt das Jesuskind rosa Gewänder und im Rokoko war Rosa für Herrenkleidung sehr beliebt. Heute ist Rosa die Farbe des Harmlosen, Weichen, Sanften und Zarten. Entsprechend sensibel sind die Zuordnungen: Höflichkeit, Charme und Harmonie werden mit Rosa assoziiert und auch das Leichte, Bescheidene und Unsichere. In Liebesdingen steht es für Träumerei, Schwärmerei und Romantik bis hin zur Naivität und zum Kitsch. „Rosa“ ist zugleich ein weit verbreiteter internationaler Frauenname. Die Farbe des Weiblichen wird heute selbstbewusster eingesetzt: ein kräftiges Pink als Farbe für Mädchenspielzeug und im Trend liegende Accessoires weiblicher Teenager und Girlgroups. Rosa ist die Farbe für Süßigkeiten überhaupt. Die europäische Vorliebe für Himbeergeschmack spielt dabei sicherlich eine Rolle. Rosa impliziert „süß und mild“ und eignet sich für Bonbons und Süßspeisen aller Art. Im übertragenen Sinne ist es auch die Farbe der Homosexualität. Rosa: Weiblich, süß, zart, romantisch, schwach, naiv 7.6.7 Gelb Gelb ist die zwiespältigste Farbe, ebenso beliebt wie unbeliebt. Einerseits ist sie überaus positiv besetzt durch die Nähe zu Sonne, Wärme, Licht und Gold. Wir verbinden mit Gelb Sommer, Reife, Freundlichkeit und Optimismus. Auch Zitrusfrüchte, die in warmen Ländern wachsen, sind gelb: Das Saure wird dem Gelben zugeordnet und sauer macht lustig. Das Lustige, das Vergnügen und die Lebensfreude sind gelb, ebenso die Aktivität, Hitze und Energie. Andererseits symbolisiert Gelb wie keine andere Farbe egoistische Eigenschaften wie Geiz, Neid, Eifersucht, Verlogenheit, Untreue, Feigheit und Falschheit und wird so zum Ausdruck von Missbehagen und Abscheu. Bei Missbehagen verfärbt sich die Hautfarbe häufig ins Gelbe: Ärger schlägt sich schnell auf die Galle nieder und führt zu den früher so genannten „gelben Krankheiten“. Gelb an sich ist, noch mehr als jede andere Farbe, durch geringste Spuren anderer Töne zu verunreinigen und wird schnell unschön. Selbst Weiß verträgt Beimischungen noch eher. In Asien, wo man sich über die Hautfarbe mit dem Gelb stark identifiziert, hat Gelb eine durchweg positive Bedeutung: Es ist das Symbol für Glückseligkeit, Ruhm, Harmonie und höchste Kultur. Gelb als Warnfarbe ist schon zuvor erwähnt worden. Die gelbe
Abb. 7.6.7a: Gelb (Fotos: Hammer) Bananen, Sonnenblumen, Zitronen
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Farbsymbolik
Farbgestaltung
7
Abb. 7.6.8a: Weiß (Fotos: Hammer) Wassergischt, Birke, Schnee
Karte im Fußball oder die Blindenbinde sind jedem bekannt. Eine Steigerung erfährt Gelb als die Farbe der Geächteten und Ausgestoßenen; Prostituierte mussten früher gelbe Kopftücher oder Bänder tragen, Ketzern wurden die Türen gelb angestrichen und Leute mit Schulden mussten gelbe Scheiben an ihre Kleidungsstücke nähen. Gelb an der Kleidung ließ sich kaum verbergen, selbst im Dunkeln war es noch zu sehen. Noch vor kaum mehr als einem halben Jahrhundert wurden im Nationalsozialismus Juden durch den gelben Davidstern diskriminiert. Gelb: Sonne, warm, freundlich, optimistisch, zwiespältig 7.6.8 Weiß Weiß ist für uns Europäer die vollkommenste aller Farben. Sie steht bei uns für das Göttliche, für Anfang und Auferstehung, Ewigkeit, Licht. Im christlichen Glauben ist es die Farbe der höchsten Festtage und der Kleidung des Papstes. Wir verbinden mit ihr das Vollkommene, Ideale, Gute. Auch die Wahrheit ist weiß. Weiß ist die Reinheit und Unschuld (Opfertiere sind immer jung und weiß); ist Sauberkeit bis hin zu Sterilität oder die Fahne der Kapitulation. Als Farbe der Substanzlosigkeit ist sie ideal für Geister und Ge spenster. Weiß: Geist, rein, leicht, wahr, elegant, unschuldig 7.6.9 Gold Gold als Farbe ist immer symbolischer Ersatz des Edelmetalls und deutet auf Reichtum, Macht, Ruhm, Pracht und Prunk. Herrscher aller Zeiten zeigen die Farbe des Reichtums in ihrer Kleidung, so ist Gold auch die Farbe der Festlichkeit und des Luxus. In vielen Kulturen ist Gold der Sonne zugeordnet und deshalb eine heilige Farbe. In der christlichen Kultur gibt es den goldenen Heiligenschein.
Abb. 7.6.9a: Gold (Fotos: Hammer, Rendering: Markus Hammer) Altarverzierung, Goldtaler, Goldbarren
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Farbsymbolik
Abb. 7.6.10a: Silber (Fotos: Hammer, Bensmann) ,Riffelblech, Tafelsilber, „Katzensilber“
Gold ist die Farbe des höchsten Wertes: Für besondere Verdienste erhält man goldene Medaillen, früher wurde man mit Gold überschüttet. Mit dem materiellen Reichtum geht oft auch die (Macht-)Gier einher: Gold steht auch für Verblendung, Überfluss und Dekadenz. Zugleich erscheint das Goldene in vermindertem Glanz auch in der Metallfarbe von Messing. Gold: Luxus, Reichtum, wertvoll, ideal, beständig, Glück 7.6.10 Gold und Silber Die Farbe Silber wird durch den ewigen Vergleich mit Gold als zweitrangig empfunden; es hat allerdings viele Vorteile als praktisches Metall (Silbergeld). Silber bleibt auf der sachlichen Ebene, fällt nie auf und ist kühl und distanziert. Im Gegensatz zum Gold verbindet man mit Silber eher zurückhaltende Eigenschaften: Klugheit, intellektuelle Zurückhaltung, Höflichkeit, Genauigkeit, Sicherheit, Funktionalität, Moderne. Silber ist die Farbe, die man mit Schnelligkeit in Verbindung bringt: Raumfahrzeuge, Schnellzüge, Flugzeuge und andere technische Innovationen sind metallisch silbern, bedingt durch die natürliche Materialfarbe hochwertiger Metalle. Silber: rasant, praktisch, neutral, elegant, kühl, modern Natürliches Vorkommen: Erze, Silberdistel 7.6.11 Orange Orange ist, ähnlich dem Gelben, fruchtig, sonnig und lustig. So kennen wir das Orange der Südfrucht und als solches ist es auf der ganzen Welt verbreitet und beliebt. Als Farbe war Orange durch seine Leuchtkraft lange Zeit in der Werbung sehr beliebt, wurde von den Verbrauchern aber auch als aufdringlich empfunden. In der Arbeitswelt dient es mit diesen Eigenschaften als Sicherheitsfarbe.
Abb. 7.6.11a: Orange (Fotos: Hammer) Eschenfrucht, Orangen, Kresse
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Farbsymbolik
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Farbgestaltung
Abb. 7.6.12a: Violett (Fotos: Hammer) Lavendel, Enzian, Heidekraut
Orangefarbene Fahrzeuge, Schilder, Schutzwesten und Kleidung sieht man sogar bei schlechtem Wetter gut. Im Alltäglichen wird Orange eher sparsam kombiniert und steht für Modisches und Neues. Begriffe wie das Vergnügen, das Lustige, die Geselligkeit machen Orange tauglich für die Farbwelten junger Leute in TV-Sendungen, Videos und Werbespots. Als Farbe für Energie, Aktivität, Aufregung und Wärme passt es gut zur jugendlichen Mentalität. Orange ist nie teuer. Weltweit verbindet man mit Orange auch die buddhistische Kultur und Denkweise. Orange: Südfrucht, lustig, modern, aufdringlich, billig 7.6.12 Violett Violett als Farbe der gemischten Gefühle wird von mehr Menschen abgelehnt als geliebt. Das antike Purpur wurde aus Schnecken gewonnen und ergab ja nach Art eine Farbe zwischen dunkelrot und dunkelviolett. Wegen der Lichtechtheit des Purpurs wurde Violett zur Farbe der Ewigkeit. Herrscher und Bischöfe hatten das Monopol auf die Herstellung und so symbolisiert Violett Macht, aber auch Glaube und Frömmigkeit. Heute bringt man mit Violett eher das Extravagante und Originelle in Verbindung: als Farbe der Magie und Phantasie. Negativ haftet Violett eine Nähe zur Eitelkeit an. Es wird als unnatürlich und aufdringlich empfunden, strahlt eine künstliche Verruchtheit aus und steht für Täuschung, Zweideutigkeit, Unmoral und Untreue. Violett: Macht, Spiritualität, schwül, schwer, unsachlich 7.6.13 Grau Grau ist die Farbe ohne Charakter, der trüben Gefühle: die Langeweile, die Sorge, die Einsamkeit, die Unfreundlichkeit, das Abweisende, die Mittelmäßigkeit. Grau ist das Alter und Grau ist vor allem trist. Es ist die Farbe der Schatten: unscheinbar, heimlich,
Abb. 7.6.13a: Grau (Fotos: Hammer) Elefant, Pflaster, Schiefer
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Resümee Kapitel 7
Abb. 7.6.14a: Braun (Fotos: Hammer) Laub, Waldboden, Kuhfladen
verschlossen, gleichgültig und introvertiert. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in Europa der graue Herrenanzug zum Kleidungsstück des Mannes und ist es bis heute geblieben. Grau symbolisiert dort Pünktlichkeit, Nüchternheit, Neutralität, Unauffälligkeit und Angepasstheit. Mittlerweile ist die Palette in der Herrenmode aber um einige gedeckte Töne erweitert worden. Grau: Alter, mittelmäßig, theoretisch, gefühlsarm 7.6.14 Braun Braun ist laut Hellers Befragung (Heller, 2000) die bei weitem unbeliebteste Farbe in Deutschland. Andererseits ist Braun in allen Varianten äußerst beliebt im Wohnbereich, wo es um Geborgenheit, Natürlichkeit (Holztöne) und Gemütlichkeit geht. Dunkles Braun nimmt benachbarten Farben aber auch den Charakter; deshalb kann es auch das Biedere, Spießige, Angepasste und Mittelmäßige ausdrücken. Braun ist auch die Farbe des Rustikalen, Krossen und Aromatischen: Gehaltvoll veredelte Nahrungsmittel, wie gebratenes Fleisch, frisches Brot, Kaffee und Schokolade, sind braun. Die Kehrseite ist die psychologische Bedeutung von Dreck und Exkrementen; und so erinnert uns Braun an Völlerei, Schuld, Faulheit und Dummheit. Seit dem Mittelalter ist Braun die Farbe der Armen, denn braune Kleidung bedeutet ungefärbte Kleidung und höchste Armut, also sichtbare Schwäche. Die Mönche trugen es aus Überzeugung. Und schließlich ist Braun auf politischer Ebene der Inbegriff von rechtsradikalem Gedankengut. Braun: Erde, bodenständig, konservativ, sicher
7.7 Resümee Kapitel 7 7.7.1 Was Sie gelernt haben Das Kapitel 7 „Farbgestaltung“ hat Ihnen unterschiedliche Aspekte zum Thema Farbe nahegebracht. Sie haben die aktuelle Farbtheorie nach Küppers und die früher verbreitete nach Itten kennen gelernt. Sie wissen, dass die Farbwahrnehmung im menschlichen Auge auf den „Urfarben“ Violettblau, Grün und Orangerot beruht, und kennen den Unterschied zwischen Licht- und Körperfarben.
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Resümee Kapitel 7
Farbgestaltung
7
Sie wissen, dass der Farbeindruck bei Körperfarben wesentlich von den Lichtverhältnissen und von den umgebenden Farben beeinflusst wird. Sie haben einen geschichtlichen Überblick über verschiedene Farbmodelle erhalten und haben aktuelle Farbmodelle und Farbordnungssysteme kennen gelernt. Sie können unterschiedliche Möglichkeiten der Farbmischung differenzieren. Sie kennen die Merkmale der verschiedenen Farbkontraste, wissen, wie man Farbwirkungen steigern kann und wie man Farbharmonien, z. B. durch Zwei-, Drei- oder Vierklänge, erzeugt. Ihnen sind die Wirkungen bewusst, die man mit Farben erreichen kann z. B. im Einsatz der Funktionsfarben und bei der Raumgestaltung. Sie kennen synästhetische Wirkungen der Farben. In den wichtigsten Farbrichtungen haben Sie Wissenswertes über kulturelle, geschichtliche und symbolische Aspekte erfahren und können nun manche Farbempfindungen erklären. Alles dies verhilft Ihnen, Farben bewusster einzusetzen, um damit die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Prüfen Sie Ihr erworbenes Wissen in dem selbst evaluierbaren Quiz. Entwickeln Sie in den begleitenden Entwurfsaufgaben zu Kompositionen in der Fläche Ihre kompositorischen Fähigkeiten. 7.7.2 Der besondere Tipp: Farbwähler im Internet Im Gestaltungsprozess ist die Auswahl geeigneter Farben eine anspruchsvolle und schwierige Aufgabe. Vor allem die Zusammenstellung harmonierender Farben oder der Aufbau von Farbreihen fürs Color-Coding fällt nicht leicht. Einfacher, als selbst Farben im Systemmischer anzulegen, ist es, diese aus Farbpaletten herauszusuchen. Sehr empfehlenswert ist die Verwendung von Hilfswerkzeugen im Internet zur Zusammenstellung von Farbkombinationen wie z. B. „Adobe Kuler“. Hiermit lassen sich von einer Ausgangsfarbe aus Zwei-, Drei- und Vierklänge kreieren. Die Farben lassen sich in ihrer Helligkeit und in ihrem Buntgrad variieren. Achten Sie darauf, an einem farbkalibrierten Monitor zu arbeiten, und prüfen Sie Ihre gewählten Farben für Printanwendungen anhand einer Probeausbelichtung (Proof). Experimentieren Sie einmal mit den Farbwählern der angegebenen Links.
Linktipp zu Farbwählern http://beta.dailycolorscheme.com/ http://kuler.adobe.com/ http://www.colourlovers.com/ http://wellstyled.com/tools/colorscheme2/ index-en.html http://pourpre.com/colordb/?l=eng http://colorblender.com/
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Quiz „Farbgestaltung“
7.8 Quiz „Farbgestaltung“ Lösungen (siehe Seite 417) Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. Quizfrage 7.8.1
7.8.1
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 7.8.2
(A) (B) (C) 7.8.2
Lösung (A) Lösung (B)
(A) (B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 7.8.3
7.8.3
Lösung (A)
(A)
Lösung (B)
(B)
Lösung (C)
(C)
Quizfrage 7.8.4
7.8.4
Welcher Farbtheorie ordnen Sie das VGO-Modell zu? Farbtheorie nach Itten Farbtheorie nach Küppers Farbtheorie nach Goethe Welcher Teil des Auges ist für das Farbsehen zuständig und welche drei Farben kann er wahrnehmen? Die Zapfen. Farben: Cyan, Magenta und Gelb Die Zapfen. Farben: Orangerot, Grün und Violett blau Die Stäbchen. Farben: Magenta, Schwarz und Weiß Newton machte mit einem Prisma die Spektralfarben im weißen Licht sichtbar. Wie lässt sich das erklären? Das Prisma erzeugt, ähnlich dem Regenbogen, eine optische Täuschung Das Prisma sendet an der breiten Seite ultraviolette Strahlung aus, die die Farben sichtbar macht Die Lichtbestandteile werden an dem dreieckigen Körper wegen der unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen Welches ist das Basisfarbschema nach Küppers? Y
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
G
O
C
M B
Quizfrage 7.8.1
200
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
7.8.5 (A) (B) (C)
Modell A
Modell B
C B
Y
M
G
O
Modell C
Wie heißen die Sekundärfarben M nach Itten? C Orange, Violett, Grün Cyan, Magenta, Gelb Gelborange, Orangerot
Y
Farbgestaltung
Quiz „Farbgestaltung“ 7.8.6 (A) (B) (C) 7.8.7
Wie nennt man festgelegte Vollfarbtöne, die im Druck als weitere Farbe der Maschine zugefügt werden? Küppers-Farben, z. B. Cyan, Magenta und Gelb Additivfarben, z. B. Rot, Blau und Gelb Sonderfarben, z. B. HKS und Pantone
Quizfrage 7.8.6
Wie viele Farben umfasst in der Webpalette die Schnittmenge der systemgleichen Farben („browsersafe colors“)? 256 51 216
7.8.8 (A) (B) (C)
Für welche Begriffe steht die Abkürzung HSB? Hue, Saturation, Brightness Half synchron Bits High-order surface bumps
7.8.9
Welche Begriffskombination gehört zur additiven Farbmischung? Material- bzw. Körperfarben/Urfarben: Cyan, Magenta und Gelb Lichtfarben/Urfarben: Orangerot, Grün und Violettblau Lichtfarben/Urfarben: Cyan, Magenta und Gelb
(A) (B) (C)
(A) (B) (C)
7.8.10 Welche Farbe ergibt sich aus der integrierten Farbmischung nach Küppers, wenn man die Grundfarben (Violett)Blau und Gelb mischt? (A) Ein mittleres Grün (B) Die Grundfarbe Grün (C) Die Mischfarbe Grau 7.8.11 (A) (B) (C)
Kontrast 2
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 7.8.7
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 7.8.8
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 7.8.9
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 7.8.10
Bezeichnen Sie die dargestellten Farbkontraste Hell-Dunkel-Kontrast Unbuntkontrast Komplementärkontrast
Kontrast 1
7
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 7.8.11
A ð
___
B
ð
___
C
ð
___
Kontrast 3
7.8.12 Welcher Kontrast bezeichnet auch Nah- und FernEindrücke von Farben? (A) Der Bunt-Unbuntkontrast (B) Der Kalt-warm-Kontrast (C) Der Simultankontrast
Quizfrage 7.8.12
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
201
Übungen Quizfrage 7.8.13
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 7.8.14
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 7.8.15
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 7.8.16
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 7.8.17
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
7.8.13 Wodurch erzeugt man Spannung oder Dynamik mit Farben? (A) Ähnliche Farben oder modische, erwartungskonforme Farben einsetzen (B) Gegensätzliche Farben oder ungewöhnliche, nicht erwartungskonforme Farben einsetzen (C) Nur schwarze oder blaue Farbtöne einsetzen 7.8.14 Welche Farben sollte man kombinieren, um eine gute Fernwirkung zu erzielen? (A) Eine bunte mit einer bunten Farbe kombinieren (B) Eine unbunte mit einer weiteren unbunten Farbe kombinieren (C) Eine bunte mit einer unbunten Farbe kombinieren 7.8.15 Was versteht man in der Farblehre unter dem Begriff „Synästhesie“? (A) Die Kombination von Farbwahrnehmung mit Sinnes eindrücken (B) Eine sehr häufig bei Männern auftretende Farbseh schwäche (C) Die individuelle Abneigung gegenüber bestimmten Farben 7.8.16 Welche Farbe charakterisiert man durch diese Eigenschaften: „Alter, mittelmäßig, theoretisch, gefühlsarm“? (A) Silber (B) Grau (x) (C) Schwarz 7.8.17 Welche Eigenschaften ordnet man der Farbe Gelb zu? (A) Lustig, modern, aufdringlich, billig (B) Liebe, warm, nah, leidenschaftlich, Gefahr (C) Warm, freundlich, optimistisch, zwiespältig
7.9 Übungen
Wenden Sie in den folgenden Übungen Ihr erworbenes Wissen praktisch an und entwickeln Sie ein Gefühl dafür, wie Sie unterschiedliche Farben miteinander kombinieren können. Drucken Sie Ergebnisse dieser Übungen auf einem Farbdrucker aus und beurteilen Sie die Papierausdrucke. Arbeiten Sie deshalb im CMYK Modus. 7.9.1 Ü: Ausgangsraster Der Einfachheit halber können alle Übungsaufgaben auf der Basis zweier Ausgangsraster erstellt werden.
202
Übungen Legen Sie diese in einem vektororientierten Zeichenprogramm auf einem DIN-A4 Querformat an. Erstellen Sie ein 9 x 9 cm großes Raster aus 6 x 6 Quadraten mit 1,5cm Seitenlänge. Ordnen Sie je nach Aufgabe 2, 3 oder 4 Raster mit jeweils 2 cm Abstand auf dem Blatt an. Erstellen Sie außerdem ein großes 15 cm großes Rasterfeld aus 10 x 10 Quadraten je 1,5 cm Seitenlänge. TIPP: Da die einzelnen Rasterfelder mit Farben gefüllt werden sollen, müssen Sie aus einzelnen geschlossenen Quadraten bestehen. Legen Sie deshalb ein 1,5 cm großes Quadrat mit einer Farbe gefüllt, jedoch ohne Umrisslinie an. Duplizieren Sie es und fügen Sie es jeweils 1,5 cm versetzt in der gewünschten Anzahl ein. Duplizieren Sie dann die erstellte Reihe und fügen Sie sie 1,5 cm versetzt in der benötigten Anzahl ein. Wenn Sie nicht numerisch sondern von Hand positionieren, schalten Sie unbedingt die „magnetische“ Positionierungshilfe ein. Für das weitere Vorgehen ist es nützlich, alle Quadrate mit einer dünnen Umrisslinie anzuzeigen, um sie besser zu erkennen. Nach dem Füllen mit den aufgabenspezifischen Farben müssen diese Umrisslinien wieder ausgeschaltet werden.
Farbgestaltung
Ausgangsraster 1
7
Ausgangsraster 2
Abb. 7.9.1a: Ausgangsraster (Grafik: Hammer)
7.9.2 Ü: Farbkontraste (zu 7.4) Erstellen Sie auf einem DIN-A4 Blatt in Rasterfeldern aus 6 x 6 Quadratrastern drei Farbkompositionen indem Sie die Rasterfelder mit geeigneten Farben füllen. Achten Sie darauf, dass möglichst keine übergeordneten „Superformen“ entstehen. Verwenden Sie keine voll gesättigten reinen Farben. • Komposition zum Unbuntkontrast aus drei Farben • Komposition zum Warm-Kalt Kontrast aus je zwei warmen und zwei kalten Farben • Komposition zum Hell-Dunkel Kontrast mit Helligkeitsabstufungen einer einzigen Farbe
Abb. 7.9.2a: Farbkontraste (Grafik: Studienentwürfe)
7.9.3 Ü: Farbharmonien (zu 7.4) Erstellen Sie auf einem DIN-A4 Blatt in Rasterfeldern aus 6 x 6 Quadratrastern zwei Farbkompositionen aus harmonischen Farbzusammenstellungen. • Komponieren Sie einen Farbdreiklang eigener Wahl (Farbe und 2 Nachbarkomplementäre). • Komponieren Sie einen Farbvierklang eigener Wahl. (Vergleiche Farbharmonien Itten)
203
Übungen
Abb. 7.9.3a: Farbharmonien (Grafik: Studienentwürfe)
Verwenden Sie keine voll gesättigten Farben. Wählen Sie Pastelltöne oder getrübte Farben. Verwenden Sie Farben gleicher Helligkeits- und Intensitätsstufe, so dass weder Helligkeits- noch Qualitätskontrast zum Tragen kommen.
Abb. 7.9.4a: Farbreihen (Grafik: Hammer)
7.9.4 Ü: Farbreihen (zu 7.4) Erstellen Sie auf einem DIN-A4 Blatt jeweils zwei Farbreihen aus 5 Farben und aus 7 Farben, die harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Stellen Sie diese in 1,5 cm großen Quadraten mit 1,5 cm Abstand dar. Wählen Sie einmal Farben aus dem gesamten Farbkreis, einmal nur Farben aus dem Bereich von Rotorange bis Cyan. Versuchen Sie zunächst, die Farben individuell zu mischen. Verwenden Sie dann Hilfswerkzeuge wie die Farbwähler von metacolor oder Adobe Kuler. 7.9.5 Ü: Farbkomposition aus Bildvorlage Erstellen Sie auf einem DIN-A4 Blatt in Rasterfeldern aus 6 x 6 Quadratrastern zwei Farbkompositionen aus Farben, die Sie aus einer Bildvorlage aufnehmen. Verwenden Sie dazu als Ausgangsmaterial ein Foto Ihrer Wahl (vorzugsweise Landschaft). Laden Sie dieses in Ihr Zeichenprogramm und greifen Sie hier mit der Pipette geeignete Farben ab. Verwenden Sie für Ihre Komposition nicht mehr als 6 verschiedene Farben. Positionieren Sie auch das Ausgangsbild auf Ihrem DIN-A4 Blatt.
Abb. 7.9.5a: Farbkomposition nach Bildvorlage (Grafik: Studienentwurf Ackermann)
204
Übungen
Farbgestaltung
7
7.9.6 Ü: Regionsbezogene Farbkomposition Komponieren Sie in einem 15 x 15 cm großen Rasterfeld aus 10 x 10 Quadraten mit je 1,5 cm Seitenlänge typische Farben zu einer geografischen Region. Versuchen Sie typische Farben dieser Region zusammenzustellen. Denken Sie dabei auch an „Farbtupfer“ durch Komplementärfarben (z. B. Grün in der Wüste). Wählen Sie eine Region, z. B. Australien, Himalaja, Mittelmeer, Sahara, Tropenwald, Arktis etc. Fragen Sie anschließend andere Personen, welche geografische Region in Ihrer Komposition zu erkennen ist. Sie werden bemerken, dass Kompositionen aus den Farben einer Bildvorlage erstaunlich ausgewogen sind. 7.9.7 Ü: Zeit- und Anlassbezogene Farbkomposition Eine beinahe klassische Kompositionsaufgabe ist die Darstellung der vier Jahreszeiten. Erstellen Sie auf einem DIN-A4 Blatt in Rasterfeldern aus 6 x 6 Quadratrastern vier Farbkompositionen aus den jeweils typischen Farben der Jahreszeiten „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“. Testen Sie anschleißend, ob dies erkannt wird. Erstellen Sie alternativ Farbkompositionen zu den Themen: Weihnachten, Halloween, Allerheiligen, Ostern, Fasching.
Abb. 7.9.6a: Regionsbezogene Farbkomposition (Grafik: Studienentwurf Breuker)
Abb. 7.9.7a: Farbkomposition 4 Jahreszeiten (Grafik: Studienentwurf A. Elbers)
205
Einführung Typografie Einführung Typografie 8
8
Einführung Typografie
Jan Tschichold
Abb. 8a: Zitat Jan Tschichold (Grafik: Hammer)
8.0 Einleitung 8.0.1 Lernziele Erfahren Sie in diesem Einführungskapitel, welche Aufgaben Typografie in der Gestaltung hat. Sie lernen im Einzelnen: • Dass unsere Kultur wesentlich durch Typografie bestimmt wird • Dass durch Typografie eine emotionale Ansprache möglich ist und Typografie deshalb ein mächtiges Marketinginstrument darstellt • Dass durch typografische Gliederung die Informationsaufnahme erleichtert wird • Dass im historischen Ablauf der Typografie gewaltige Veränderungsprozesse stattgefunden haben • Dass Typografie im Printbereich sich in vielen Aspekten von der Typografie für digitale Medien unterscheidet 8.0.2 Aufgabe und Funktion von Typografie Vorrangiges Ziel der Typografie ist es, Informationen zu vermitteln. Typografie kann darüber hinaus auch Aufmerksamkeit erwecken, kann den emotionalen Bezug zum Thema und zur Zielgruppe herstellen, kann durch Leseoptimierung das schnelle Erfassen erleichtern und nicht zuletzt ästhetisches Wohlbefinden bei der Aufnahme einer Textbotschaft erzeugen. Typografie ist deshalb ein ausdrucksstarkes Mittel innerhalb des Gestaltungsprozesses. Das Erwerben grundlegender typografischer Kenntnisse und diesbezüglicher gestalterischer Fähigkeiten ist daher ein Muss für Mediendesigner. Dazu zählt einerseits das theoretische Wissen
Literaturtipp zu Typografie: Bollwage, M.: Typografie kompakt, 2005 Gulbins, Jürgen et al.: Mut zur Typografie, 2000
207
Typografie in der Mediengestaltung zu wichtigen typografischen Begrifflichkeiten und die Kenntnis grundlegender Satzregeln, um typografische Gestaltung beurteilen und argumentieren zu können. Andererseits ist es erforderlich, im praktischen Gestalten Sicherheit zu erwerben im Umgang mit unterschiedlichen Schriften. Insbesondere kommt es darauf an, ein Gespür zu entwickeln für die semantische Aussagekraft unterschiedlicher Typografie und unterschiedlicher Satzgestaltung, um diese zielgerichtet zur optimierten Vermittlung einer Botschaft nutzen zu können.
8.1 Typografie in der Mediengestaltung 8.1.1 Schrift als Kommunikationsmedium Die Wahrnehmung einer Gesellschaft begründet sich aus allem Bekannten, was diese gemeinsam hat, und ob sie es emotional als positiv, negativ oder neutral informativ empfindet. Alles ist Information und Kommunikation; „man kann nicht nicht kommunizieren“ (Wazlawick). Neben der Wort- und Körpersprache ist die Zeichen- und Schriftsprache eine der ältesten Formen zwischenmenschlicher Kommunikation. Die Informationsvermittlung als vorrangige Aufgabe der Typografie sieht auch Stanley Morison, Entwerfer der Times New Roman, 1889-1967: „Typografie kann umschrieben werden als die Kunst, das Satzmaterial in Übereinstimmung mit einem bestimmten Zweck richtig zu gliedern, also die Typen anzuordnen und die Zwischenräume so zu bestimmen, dass dem Leser das Verständnis des Textes im Höchstmaß erleichtert wird. Die Typografie hat im Wesentlichen ein praktisches und nur beiläufig ein ästhetisches Ziel; denn nur selten will sich der Leser vornehmlich an einem gefälligen Druckbild erfreuen. Daher ist jede Satzgestaltung falsch, die sich, gleichviel aus welcher Absicht, zwischen Autor und Leser stellt.“ Morison hätte sich zu seiner Zeit kaum vorstellen können, welche Funktionen Schrift in der heutigen Zeit erfüllen muss. Computer und Internet haben unser Kommunikationsverhalten grundlegend verändert und fordern Gestalter heraus, mit Schrift die unbegrenzte Informationsflut des Internets zu gliedern und die Orientierung darin zu ermöglichen. Der uns lange bekannte Vorgang des Lesens weicht in diesem Medium mehr und mehr der schnellen Selektion wichtiger Informationen (Keywords). 8.1.2 Schrift als Ausdrucksform Neben der Informationsvermittlung spiegelt diese auf Nachhaltigkeit angelegte Verständigungsform in der gestalterischen Eigenart ihrer Zeichen zugleich den Zeitgeist oder wichtige Veränderungen in der jeweiligen Entstehungsepoche. Schrift ist deshalb zugleich gestalterische Ausdrucksform der Zeit, des Informationsinhaltes und der Zielgruppe. Nicht allein die ergonomischen Aspekte optimaler Lesbarkeit, sondern mehr denn je die ästhetischen
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Typografie in der Mediengestaltung
Einführung Typografie
8
Aspekte des Auffallens und Gefallens stehen heute im Fokus des typografischen Gestaltens. Die große Verbreitung von Werbung in der westlichen Konsumgesellschaft, die hauptsächlich auf das Erzeugen von Bedürfnissen und das Verführen zum Kauf ausgerichtet ist, hat zusätzlich einen großen Bedarf an ästhetischer Typografie ausgelöst. Wenn z. B. für ein cremiges Milchprodukt eine Schrift eingesetzt werden kann, die genau diese sinnlichen Eigenschaften visualisiert, hat die Werbebotschaft optimale Aussicht auf Erfolg. Die Gliederungsfunktion der Typografie tritt hier in den Hintergrund. 8.1.3 Schrift im Zielgruppenbezug Vor allem in der kommerziellen Mediengestaltung geht es darum, Botschaften an bestimmte Zielgruppen zu übermitteln. Ein Gestalter hat deshalb die Aufgabe, eine Gestaltung zu wählen, die der anvisierten Zielgruppe gerecht wird. Ein Prospekt eines Discounters muss deshalb deutlich anders aussehen als der eines Exklusiv-Juweliers, ein Jugendmagazin anders als ein Steuerfachjournal. Das Ziel besteht darin, eine Nachricht erfolgreich dem Empfänger nahezubringen, dessen Wahrnehmung gezielt zu lenken und einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Das setzt ein Gespür für die Wahrnehmungsgewohnheiten und die ästhetischen Vorlieben der Zielgruppe voraus und erfordert ein geschultes Auge.
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Schrifthistorie Schrifthistorie
9
Abb. 9a: Zitat, Herkunft unbekannt (Grafik: Hammer)
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Schrifthistorie
9.0 Einleitung 9.0.1 Lernziele Erwerben Sie in diesem Kapitel Wissen über die chronologische Entwicklung der Schrift. Schwerpunktmäßig wird hier der abendländische Raum betrachtet. Sie lernen im Einzelnen: • Wie unsere Schrift entstanden ist • Welche Schriften im frühen Mittelalter existierten • Wie die Erfindung des Buchdrucks zur Expansion der Schriftentwicklung führte • Wie sich serifenbetonte und serifenlose Linear-Antiquas entwickelten • Welche Schriften zur Schweizer Typografie zählen • Wie die Schriftentwicklung im Medienzeitalter enorm expandierte • Welche Eigenarten die Schriften der „Neuen Typografie“ aufweisen Suchen Sie Bezüge zu zeitgleichen kulturellen Entwicklungen in der Baukunst. Lernen Sie, die Schriftarchetypen den unterschiedlichen Zeitepochen zuzuordnen. Prüfen Sie abschließend Ihren Kenntnisstand anhand des selbst evaluierbaren Quiz.
211
Entwicklung der Schrift
Literaturtipp zur Schrifthistorie: Runk,Claudia: Grundkurs Typografie und Layout, Bonn 2007
9.0.2 Schrift und Kultur Das Eingangszitat kann einen ersten Eindruck vermitteln, wie Zeichen und später die Schrift und die jeweilige Kultur zusammenhängen. Zu jeder Zeit bis zurück zur Höhlenmalerei hat der Mensch versucht, über Zeichen zu kommunizieren und damit gleichzeitig die Mittel seiner Kommunikation und somit die jeweilige Kultur dokumentiert. Für den Höhlenmenschen waren es seine Felszeichnungen, für die Ägypter die Hieroglyphen und für uns in der Gegenwart in westlichen Kulturen ist es die enorme Vielfalt der Schriftarten für unser lateinisches Alphabet. So lassen sich in der Geschichte der Schriftentwicklung wichtige Meilensteine erkennen: die Erfindung des Buchdrucks 1450 und die Wende zum Medienzeitalter gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Auslöser der letzten Wende ist die Etablierung von Personal Computern in der Gesellschaft und deren weltweite Vernetzung durch das Internet. Schrift ist zugleich Information und Kommunikation von Mensch zu Mensch. Durch die Entwicklung vom Trägermedium Papier zum digitalen Signal verändert sich im nie da gewesenen Maße der Austausch und die Aufnahme von Kommunikation. Das betrifft sowohl die private wie kommerzielle Nutzung.
9.1 Entwicklung der Schrift 9.1.1 Chronologischer Überblick Die jeweils unten auf der Seite stehende Grafik vermittelt einen Überblick über die unterschiedlichen Stadien der Schriftentwicklung von der Steinzeit bis heute. Sie zeigt, dass viele Schriftentwicklungen aufeinander aufbauen, dass aber ebenso unabhängige Parallelentwicklungen stattfinden. Zugleich wird deutlich, wie rasant die Menge der entstehenden Schriften in der Neuzeit zunimmt. Das ist vorrangig auf den Einsatz des Computers zurückzuführen, der das Entwerfen neuer Schriften erheblich vereinfacht hat und durch das Internet zu ihrer Verbreitung beiträgt.
Abb. 9.1.2a: Frühe Felsgravur (Foto: Hammer)
9.1.2 Frühe Bilderschriften Man nimmt an, dass die ersten Zeichnungen und Malereien von Menschenhand, wie wir sie z. B. aus Höhlenmalereien und Felsgra-
Alphabet der Phönizier Bildzeichen, Symbole Bilder
Steinzeit Steinmeißel
212
1300 v. Chr.
9
Schrifthistorie
Entwicklung der Schrift
Abb. 9.1.2b: Hieroglyphen (Foto: Sauer)
vuren kennen, etwa 20.000 v. Chr. entstanden sind. Sie erzählen eine Geschichte, die auch noch von nachkommenden Generationen „gelesen“ werden kann (Abb. 9.1.2.a). Aus diesen frühen Malereien entwickeln sich mit der Zeit vereinfachte Bild-Schrift-Zeichen, wie sie ca. 4000 v. Chr. in den ägyptischen Hieroglyphenschriften zu finden sind oder in den phönizischen Bilderschriften. Eine weitere Abstraktionsstufe stellen die vorderasiatischen Keilschriften der Babylonier und Assyrer dar (Abb. 9.1.2b). 9.1.3 Anfänge phonetischer Schriften Die Phönizier entwickeln ca. im 13. Jh. v. Chr. als erstes Volk ein phonetisches Alphabet, welches alle 22 Konsonanten ihrer Sprache durch Schriftzeichen wiedergeben kann. Es stellt gewissermaßen die Vorstufe unseres heutigen Alphabets dar. Es wird von rechts nach links geschrieben. Im Laufe der Zeit werden die ursprünglichen Bildzeichen immer weiter abstrahiert und ähneln z. T. schon der heutigen Buchstabenform wie z. B. das Zeichen Aleph, das für den phönizischen Ochsen steht (Abb. 9.1.3a).
Abb. 9.1.3a: Phönizisches Zeichen für Rind (Grafik: Hammer)
Die Griechen übernehmen ca. im 5. Jh. v. Chr. große Teile des phönizischen Alphabets, und aus Aleph wird z. B. Alpha. Sie erweitern die 22 Konsonantenzeichen durch Zeichen für Vokale. Die Zeichen sind aus Quadraten, Dreiecken und Kreisen aufgebaut. Aufgrund der Unterschiedlichkeit kann man auch die einzelnen Buchstaben gut unterscheiden. Die Leserichtung wird in eine Linksrechts-Richtung umgekehrt.
Capitalis Monumentalis Capitalis Rustica Griechisches Alphabet
900 v. Chr.
400 v. Chr.
200 v. Chr.
213
Entwicklung der Schrift
Abb. 9.1.4a: Die Römische Capitalis Monumentalis (Foto: Hammer)
9.1.4 Römische Schriften Auf der Basis des griechischen Alphabets bauen die Römer ihr lateinisches Alphabet auf. Mit Beginn des römischen Weltimperiums entwickelt sich im 4. bis 2. Jh. v. Chr. die Capitalis Monumentalis zur klassischen römischen Steinschrift, eine nur aus Großbuchstaben bestehende Schrift, die vorrangig in der Baukunst Anwendung findet. Ihre charakteristische Form ergibt sich aus der Meißeltechnik, mit der die Buchstaben aus dem Stein geschlagen werden. Vermutlich sind so auch die Serifen, die feinen Striche am Ende der Buchstaben, entstanden (Abb. 9.1.4a). Parallel zur Capitalis Monumentalis entwickelt sich mit der Capitalis Rustica eine Gebrauchsschrift, die schneller und flüssiger zu schreiben ist. Da als Schreibgerät abgeschrägte Federkiele benutzt werden, ergeben sich hier automatisch variierende Schriftbreiten der Waagerechten und Senkrechten bzw. der ansteigenden und abfallenden Linien sowie die An- und Abstriche an den Buchstaben, die so genannten Serifen. Ca. im 1. Jh. n. Chr. entsteht als Schönschriftalternative zur Capitalis Monumentalis die Capitalis Quadrata. Sie baut auf der Form des Quadrates auf, welches nach den Gesetzen des Goldenen Schnittes untergliedert ist und als Gestaltungsraster für alle Buchstaben des Alphabets dient. Aufgrund des hohen Zeitaufwandes, den man beim Schreiben braucht, wird sie nur in der Architektur und bei wichtigen, feierlichen Schriftstücken verwendet. Wiederum im Gegenzug entsteht im 1. bis 3. Jh. n. Chr. die Römische Kursiv als schnell zu schreibende Gebrauchsschrift.
Abb. 9.1.5a: Unzialschrift (Grafik: Hammer) Die „Neue Hammer Unziale 2“, eine nachempfundene Unzialschrift aus neuerer Zeit (Original von Arnold Hammer, 1923, Gießerei Klingspor), zeigt die typischen Rundformen dieser Schriftart.
9.1.5 Klösterliche Schreibschriften Mit der Ausbreitung des Christentums findet ein Stilwechsel in allen kulturellen Gebieten statt. Die römische Monumentalarchitektur wird zunehmend durch Vorläufer des romanischen Stils mit Kuppelbauten und Rundbögen ersetzt. Auch die Schrift verändert sich nach diesem Prinzip und nimmt rundlichere und offenere Formen an. Es entstehen ca. im 4. Jh. n. Chr. die Unzialschriften. Meistens handelt es sich dabei um handgeschriebene Schriften, die vorwiegend an den Königshöfen und in den klösterlichen Schreibstuben Anwendung finden (Abb. 9.1.5a).
… Monumentalis … Rustica
Halbunziale Unzialschriften Römische Kursiv Capitalis Quadrata
… Bilder
0 Breitfeder
214
300 n. Chr.
500
Schrifthistorie
Entwicklung der Schrift
9
Abb. 9.1.5b: Karolinger Minuskel
In der Weiterentwicklung der Unzialen zur Halbunzialen vereinfachen sich ca. im 6. Jhd n. Chr. die Formen und lassen sich dadurch schneller schreiben. Die Halbunziale enthält bereits echte Kleinbuchstaben mit Unter- und Oberlängen. Viele ähneln schon unseren heutigen Kleinbuchstaben. Außerdem stehen die Buchstaben nicht mehr einzeln, sondern beginnen sich einander anzunähern. Ca. im 9. Jh. n. Chr. entsteht in den Schreibklöstern Karls des Großen die Karolinger Minuskel, eine Rundbogenschrift. Durch den ausgewogenen Schriftduktus und den Abstand zwischen den einzelnen Wortbildern wird die Lesbarkeit noch einmal deutlich verbessert. Sie enthält fast alle Kleinbuchstaben unseres heutigen Alphabets und hat als einheitliche Schrift im gesamten Kaiserreich im 9. bis 12. Jh. n. Chr. Bestand. In der Gotik im 12. bis 16. Jh. n. Chr., ändert sich das Stilempfinden der Menschen. In den gotischen Schriften richten sich die Buchstaben steil auf, rücken enger zusammen und sind an ihren Enden eckig gebrochen. Das Schriftbild verdunkelt sich und bildet ein einheitliches graues Gewebe: Man spricht von einer Textur. Die gleichnamige Schrift Textura (Abb. 9.1.5b) entwickelt sich im deutschen Sprachraum weiter zur Schwabacher und später (16. Jh.) zur Fraktur. Während die Schwabacher durch ihre breiten Rundungen auffällt, zeigt die Fraktur wieder schlankere Formen mit übermäßig langen geschwungenen Einläufen der Großbuchstaben.
Abb. 9.1.5c: Texturschrift (Grafik: Hammer) Schlanke Formen und dichtes Schriftbild bei der Nachempfindung der Textura (Linotype Textur)
Karolinger Minuskel
Gotische Minuskel
800
1100
1200
215
Entwicklung der Schrift 9.1.6 Druckschriften bis zur Neuzeit Die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg im Jahr 1450 revolutioniert die Typografie. Es entstehen viele neue Schriften und typografische Regelwerke. Gutenberg setzt seine Bibel in der Textura, die Lutherbibel verwendet später die Fraktur. Fortan werden an vielen Orten von verschiedenen Schriftsetzereien neue Schriften geschnitten bzw. später in Blei gegossen.
Abb. 9.1.6a: Die Fraktur in der Lutherbibel (Foto: Hammer) Evangelisches Diözesanmuseum Fresach
In Italien findet im Zeitraum des 14. bis 16. Jahrhunderts eine geistige Neuorientierung statt. Die Antike und mit ihr die Römische Capitalis, ebenso auch die Karolinger Minuskel werden wiederentdeckt. Aus diesen beiden formt man nun die italienische Renaissance-Schrift. Diese beruht auf zwei Alphabeten, der römischen Capitalis als Großbuchstabenalphabet und der Minuskel als eigenständigem Kleinbuchstabenalphabet. Die Buchstaben der Minuskel haben dabei noch zusätzliche Serifen bekommen, die die Lesbarkeit noch weiter verbessern. Serifen sind mit leichten Rundungen angesetzt, die Achsen nach links geneigt. Durch die Verwendung in der Lutherbibel erfährt die Fraktur große Verbreitung (Abb. 9.1.6a), während katholische Werke meist in der Rotunda gesetzt werden. Im 16. Jahrhundert entstehen die französischen RenaissanceAntiquas, insbesondere geprägt durch den Typografen Claude Garamond. Beispiele: Palatino, Garamond, Sabon, Goudy Old Style. Im 17. Jahrhundert entstehen die Barock Antiqua Schriften. Ihre fließenden Formen der Barock-Antiqua führt man zurück auf die Breitfeder. Dennoch spiegelt die Barock-Antiqua nicht den durch Überschwänglichkeit geprägten Zeitgeist des Barock und Rokoko wider, wie er aus der Architektur und Bildhauerei bekannt ist. Einige Schriften enthalten dennoch – insbesondere bei den Großbuchstaben – verspielte Elemente wie die Caslon Old Face, Baskerville und Fleischmann. Im 14. Jahrhundert entwickeln sich bereits kursive, also schräg geschriebene Schriften. Sie sind die Vorläufer der Kanzleischriften Renaissance-Antiqua Fraktur Schwabacher
Textura Rotunda
Kanzlei-
Gotische Kursiv … Bilder
1400
1500 Buchdruck (Holzlettern) Bleisatz
216
1600
Schrifthistorie
Entwicklung der Schrift
9
des 16. und 17. Jahrhunderts, die den damaligen handschriftlichen Schreibstil aus den Kanzleien und Kontoren aufgreifen. Sie sind fast immer rechtskursiv geschrieben. Der Überschwänglichkeit von Barock und Rokoko folgt mit dem Klassizismus und Biedermeier im 18. und 19. Jahrhundert wieder eine Rückbesinnung auf Sachlichkeit und Ratio, so auch in der Schriftgestaltung. Die klassizistische Antiqua ist eine sehr präzise, elegante Schrift mit den Stilelementen des Klassizismus, bei der sich die Strichstärken zwischen fetten Senkrechten und feinen Querstrichen bzw. fetten aufsteigenden Schrägen und feinen abfallenden Schrägen unterscheiden. Beispiele: Walbaum, Bodoni, Didot. Im 19. Jahrhundert wird Schrift zunehmend zu Plakatierungszwecken genutzt; es werden kräftige, fette Schriften benötigt. Es entsteht die serifenbetonte Linear-Antiqua mit außerordentlich stark ausgeprägten Serifen. Sie wird ursprünglich als Egyptienne bezeichnet, was aus der Ägypten-Begeisterung jener Zeit resultiert. Diese Schriften werden feiner untergliedert nach ihrer Abstammung von der Renaissance-Antiqua oder der Klassizistischen Antiqua. Beispiele: Egyptienne, Rockwell, Clarendon. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts prägen Jugendstil und Art déco das Zeitgeschehen. Ihre ornamentale, an organische Pflanzenstrukturen erinnernde Formensprache spiegelt sich auch in einigen
Arnold Böcklin LT
Eckmann Regular
Hobo Medium
schriften
Abb. 9.1.6b: Bekannte Jugendstilschriften (Grafik: Hammer)
Klassizistische Antiqua Barock-Antiqua Serifenbetonte Linear-Antiqua
1700
1800
217
Entwicklung der Schrift typischen Jugendstilschriften dieser Zeit wie der Arnold Böcklin (auch Arnold Boecklin) und der Eckmann wider. Viele Schriften mit der Anmutung des Jugendstils wurden jedoch erst im Computerzeitalter entwickelt (Abb. 9.1.6b).
Abb. 9.1.7a: Zeitgenössisches Anwendungsbeispiel der Futura (Foto: Hammer) Verpackung Kaloderma Rasiercreme, Fa. Wolf § Sohn, Ende 50er Jahre
9.1.7 Schriften im 20. Jahrhundert Schriften ohne jegliche Serifen, wegen ihrer in der damaligen Zeit ungewöhnlichen Erscheinung auch Groteskschriften (auch: Serifenlose Linear-Antiqua) genannt, dominieren im 20. Jahrhundert und werden auch als Leseschrift eingesetzt. Die ersten Groteskschriften entstehen aber bereits im 19. Jahrhundert. Man unterscheidet Schriften, die die Stilelemente der klassizistischen oder der Renaissance-Antiqua erkennen lassen, und die konstruierten Formen, die vom Einfluss des konstruktivistischen Gedankengutes des Bauhauses geprägt sind. 1928 entstand die bekannte Groteskschrift Futura von Paul Renner (Abb. 9.1.7a). Im 20. Jahrhundert schreitet die Schriftentwicklung erst in der zweiten Hälfte rasant voran.
Helvetica Frutiger Folio Helvetica Regular
Frutiger 45 Light
Folio Medium
Abb. 9.1.7b: Schweizer Typografie (Grafik: Hammer)
Univers
Univers 55 normal
Nachdem in der Zeit des Nationalsozialismus die Schriftentwicklung zu Gunsten eines Rückfalls auf die gebrochenen Schriften brach gelegen hat, finden in der Mitte des 20. Jahrhunderts neue Aktivitäten durch die so genannte Schweizer Typografie statt. Es entstehen sehr sachlich klare Gebrauchsschriften wie die Helvetica
Jugendstilschriften Groteskschriften
Schweizer Typo
… Serifenbetonte Linear-Antiqua … Bilder
1900
218
1920
1950
Schrifthistorie
Das Medienzeitalter
9
(1957) von Max Miedinger, die Univers (1957) von Adrian Frutiger, die Folio von Konrad Bauer und Walter Baum oder die Frutiger (1968) von Adrian Frutiger (Abb. 9.1.7b). Technisch veränderte sich einiges mit der Einführung des Fotosatzes in den 70er Jahren und dem Siegeszug des Desktop-Publishing seit den 80er Jahren. Das ist der Beginn des Medienzeitalters.
9.2 Das Medienzeitalter 9.2.1 Explosion der Schriftentwicklung Jahrhunderte lang gab es nur eine Möglichkeit, Informationen und Mitteilungen aufzuzeichnen, zu speichern und weiterzureichen, indem unwiederholbare Zeichen auf Papier, Tierhaut, Holz, Ton, Stein oder anderes Trägermaterial gebannt wurden. Durch die Erfindung des Buchdrucks 1450 durch Gutenberg gibt es die Möglichkeit, ein und dieselbe Information schnell und zahlreich zu vervielfältigen, mit einer Mitteilung also gleichzeitig Tausende von Adressaten zu erreichen. Heute bewegen wir uns in einer Medien-Galaxie, denn wir können seit der Erfindung von Phono- und Fotografie Ton- und Lichtschwingungen aufzeichnen und übertragen. Mit den massenhaft verbreiteten audiovisuellen Medien wie Radio, Fernsehen sowie Internet, UMTS etc. werden bekannte Lesegewohnheiten erweitert. Durch andere Wahrnehmungsformen (visuell, auditiv, haptisch) und deren Kombinationen sowie durch den schnelleren Informationsfluss ändert sich die Art, miteinander zu kommunizieren. Wie die Auflistung der wichtigsten Meilensteine der Mediengeschichte zeigt (Abb. 9.2.1a), überschlagen sich die medialen Neuentwicklungen in den letzten zwanzig Jahren im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrhunderten. Mit den neuen Technologien im Umgang mit Schrift nimmt die Anzahl der entstehenden Schriften rasant zu. Durch die Nutzung des Computers wird die grafische Produktion schneller, kreativer und es können in kürzerer Zeit mehr Entwürfe umgesetzt werden. Dementsprechend werden für verschiedenste Ansprüche unterschiedliche Schriften entworfen. Gleichzeitig ist das Entwickeln von Schriften durch den Computer erheblich vereinfacht worden. Neue Typo Computerschriften, OCR, Screentypografie Auszeichnungsschriften Gebrauchsschriften (Grotesk) Gebrauchsschriften (Antiqua)
1960 Fernsehen, Fotosatz
1980
1990
2000
219
Das Medienzeitalter Fotografie Telegramm Telefon Plattenspieler Film Funk Radio Fernsehen Tonbandgerät Farbfernsehen Fotosatz 1971 Satellitenfernsehen 1978 Videosysteme 1980 Btx 1981 Personalcomputer 1982 CD-Player 1984 Kabelfernsehen 1987 Digital Audio Tape 1991 CD-Rom 1992 GSM-Standard für digitalen Mobilfunk 1995 Kommerzialisierung Internet 1996 Digitales TV 2000 Breitband-Informationsnetze 2000 DVD 1839 1843 1876 1877 1895 1896 1921 1939 1950 1954 1968
Abb. 9.2.1a: Das Medienzeitalter (Grafik: Ruske)
Dabei entstehen auch eine Menge minderwertiger Fonts, da der sorgfältigen Ausarbeitung der Schrift nicht genug Gewicht beigemessen wird. Im Folgenden werden Schriften betrachtet, die aus dem Umgang mit den neuen Medien hervorgegangen sind. 9.2.2 Computerlesbare Schriften Mit der Verbreitung der Computertechnik hielten auch die so genannten „Computerschriften“ Einzug in die Welt der Typografie. Diese Schriften wurden extra für den Computer entwickelt, zur so genannten „informellen Kommunikation“. Die OCR (Optical Character Recognition)-Schriften, entworfen 1968 von Adrian Frutiger, verdanken ihre eigentümliche Form der Tatsache, dass sie für die fehlerfreie Informationsübermittlung durch Computer entwickelt wurden (Abb. 9.2.2a). Versalien und Gemeinen liegt die gleiche Buchstabenbreite zugrunde (monospaced). Mit der „OCR B“ können Daten auf Schecks oder auch Ausweisen automatisch eingelesen werden. Auf den unteren zwei Zeilen auf jedem Personalausweis werden Sie die OCR A wiedererkennen. Obwohl zum funktionellen Zweck entworfen, wird die OCR auch als Bedeutungsträger eingesetzt. Eine Zeitlang war sie Ausdruck des Computerzeitalters, z. B. auch bei der Covergestaltung für elektronische Musik.
220
9
Schrifthistorie
Das Medienzeitalter
Abb. 9.2.2a: OCR von Adrian Frutiger (Grafik: Hammer)
Ebenfalls unter den funktionsbezogenen Aspekten der auf Entfernung guten Lesbarkeit und Unverwechselbarkeit der Buchstaben wurde die FE-Schrift (FE = Fälschungserschwerend) von Karl-Georg Hoefer entwickelt, die auf bundesdeutschen Kfz-Kennzeichen verwendet wird. Auch bei dieser Schrift liegt der Fokus auf der eindeutigen automatischen Auswertung durch Bilderkennungssoftware (Abb. 9.2.2b, c).
OCR A
Abb. 9.2.2c: Anwendungsbeispiel FE-Schrift (Foto: Hammer)
OCR B
Abb. 9.2.2b: FE-Schrift von Karl Georg Hofer (Grafik: Hammer)
9.2.3 Bildschirmschriften Als Bildschirmschriften (auch: Computerschriften) werden einerseits solche Schriften bezeichnet, die auf die Anforderungen der maschinellen Lesbarkeit ausgelegt sind, andererseits sind aber auch alle diejenigen Schriften gemeint, die für die Verwendung in den elektronischen Medien wie Internet, TV, Handy etc. vorgesehen sind und auf die vom Druckmedium Papier abweichenden Spezifika der Darstellung im Pixelraster des Bildschirms ausgelegt sind. Gerade hier entstehen aktuell ständig neue Schriften bzw. werden bestehende Schriftschnitte für diesen Einsatzzweck optimiert. Bei vielen auf dem Computer verwendeten Schriften, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts Verbreitung finden, handelt es sich um serifenlose Linear-Antiquas, da diese Schriften am Bildschirm besser lesbar sind. Kursive und Schriften mit feinen Serifen wirken im kleinen Schriftgrad einer Lesegröße im Pixelraster des Bildschirms meist unschön mit sichtbaren Treppeneffekten oder sind durch die Glättungsfunktion unscharf. Inzwischen sind viele klassische Schriften für die Bildschirmausgabe überarbeitet worden, so dass es auch möglich ist, Serifenschriften in der Bildschirmausgabe zu nutzen. Bei größerem Schriftgrad ist dies ohnehin unproblematisch.
221
Das Medienzeitalter Mit in diese Gruppe gehören diejenigen Schriften, die erst durch die Technologie des Computers möglich wurden und z. B. skurrile Zeichenformen, Weichzeichnungen, Schatteneffekte etc. aufweisen. Diese Schriften sind nicht als Leseschriften konzipiert, sie finden ihren Platz in der freieren grafischen Gestaltung, z. B. in der Werbe- und Verpackungsgestaltung. 9.2.4 „Neue“ Typografie Mit völlig anderem Ziel entwickeln sich gleichzeitig seit der Revolte der so genannten „Neuen Typografie“ gegen Ende des 20. Jahrhunderts Schriften, die mit allen Regeln der Schriftgestaltung bewusst brechen und mit ihrer provokativen Andersartigkeit bestechen. Sie spiegeln sicherlich am deutlichsten Lifestyle und Zeitgeist der Jetztzeit wider. Diese neuen Schriften sind nicht dazu geeignet, mit ihnen einen Roman zu setzen, wohl aber dazu, als Überschrift einen interessanten Blickfang zu bieten. Sie widersprechen dem ergonomischen Anspruch der guten Lesbarkeit. In der heutigen Zeit der Informationsüberflutung ist es wichtig, durch ein interessantes Layout und eventuell auch durch eine ungewöhnliche Schrift den Blick des Lesers zu lenken und seine Neugier zu wecken.
Arcadia
Abb. 9.2.4a: Schriften von Neville Brody (Grafik: Hammer)
Blur
Neville Brody Einige Beispiele für neue Schriften verdanken wir Neville Brody, der in den 80er Jahren viele neue Schriften für die Zeitschrift „Face“ entworfen hat. Bekannt wurden unter anderem „Arcadia“, „Blur“ Canyou und „Industria“ (Abb. 9.2.4a). Das Projekt Fuse Industria Neville Brody und andere Designer gründeten Anfang der 90er Jahre das Projekt „Fuse“ mit dem Ziel, dass „die Grenzen des gedruckten Wortes verschoben werden sollen“ (John Wozenkroft). Diese Gruppe entwickelte experimentelle Schriften zu selbst gestellState ten Themen (z. B. Cyber, Religion oder Crash). Die entstandenen Abb. 9.2.4b: Schriften aus dem Projekt „Fuse“ Fonts wurden durch keine urheberrechtlichen Beschränkungen (Grafik: Hammer) begrenzt. Die Benutzer wurden sogar ermutigt, diese Schriften
222
Schrifthistorie
Resümee Kapitel 9
9
Remedy
Template Gothic
Abb. 9.2.4c: Emigre-Schriften Remedy und Template Gothic (Grafik: Hammer)
weiterzuentwickeln und zu verändern. Zu diesen Schriften zählen z. B. die „State“ und die „Canyou“ (Abb. 9.2.4b). Die Zeitschrift Emigre Die Avantgardezeitschrift „Emigre“, die sich mit Themen wie neuem Design und moderner Typografie beschäftigt, wurde 1984 von Rudy VanderLans und seiner Frau Zuzana Licko gegründet. Der große Erfolg dieser Zeitschrift ist sicherlich auf die interessanten Layouts und Schriften zurückzuführen. Viele für diese Zeitschrift generierte Schriften sind bereits moderne Klassiker. Dazu gehören z. B. die „Remedy“ von Frank Heine oder die „Template Gothic“ von Barry Deck (Abb. 9.2.4c). 9.2.5 Aktuelle Schriftentwicklung Um einem naheliegenden Missverständnis vorzubeugen, sei darauf aufmerksam gemacht, dass sich neuere Schriftentwicklungen keineswegs vorrangig auf die Entwicklung eigenwilliger Auszeichnungsschriften konzentrieren, sondern dass nach wie vor gute seriöse Gebrauchsschriften von hoher gestalterischer Qualität entstehen. Hier sind beispielsweise Entwicklungen des Unternehmens „fontshop“ um Erik Spiekermann zu nennen, sowie viele CorporateSchriften, d.h. Schriften, die speziell für einzelne Unternehmen entworfen werden.
9.3 Resümee Kapitel 9 9.3.1 Was Sie gelernt haben Im Kapitel 9 „Schrifthistorie“ haben Sie einen Überblick über die historische Entwicklung der Schrift gewonnen. Sie haben erfahren, durch welche wesentlichen Meilensteine die Entwicklung bestimmt wird, nämlich die Einführung phonetischer Schriftzeichen, die Erfindung der Halbunzialen, die Erfindung des Buchdrucks, die Entstehung der Groteskschriften und der Anbruch des Computer- und Medienzeitalters.
223
Resümee Kapitel 9 Sie kennen computerlesbare Schriften und die Besonderheiten von Bildschirmschriften. Und Sie haben eine Vorstellung davon, wodurch sich Schriften der „Neuen Typografie“ auszeichnen. Überprüfen Sie Ihr erworbenes Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz. 9.3.2 Der besondere Tipp: Schriften schreiben Über viele Jahrhunderte wurden Bücher nur handschriftlich geschrieben. Dabei wurden die Schriften in kaligrafischer Schreibweise mit hohem Exaktheitsgrad in der Ausführung der einzelnen Buchstaben erzeugt. Oft wurden noch besonders aufwändig verzierte Anfangsbuchstaben eingefügt. Es ist eine interessante Erfahrung, selbst einmal mit der Schrägfeder eine mittelalterliche Schreibschrift zu Papier zu bringen. Versuchen Sie einmal, einige Worte in einer Frakturschrift mit der Schrägfeder zu schreiben.
224
Schrifthistorie
Quiz zu „Schrifthistorie“
9
9.4 Quiz zu „Schrifthistorie“ Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten.
Lösungen (siehe Seite 418)
9.4.1
Quizfrage 9.4.1
(A) (B) (C) 9.4.2 (A) (B) (C) (D) (E) 9.4.3
In welche Zeitepoche ordnen Sie die Capitalis Quadrata ein? 4. Jahrhundert ca. 1. Jahrhundert nach Christi Geburt Neuzeit Ordnen Sie folgende Schriften den richtigen Epochen zu: Serifenlose Linear-Antiqua (1) (15. -16. Jh.) Renaissance-Antiqua (2) (19. Jh.) Schwabacher (3) (Mitte 19. Jh.) Unziale (4) (16. Jh.) Klassizistische Antiqua (5) (4. Jh.)
9.4.4 (A) (B) (C)
Wann wurde der Buchdruck erfunden? Um 1450 Um 1850 400 vor Christi Geburt in China
9.4.5
Aus welcher Zeitepoche entlehnt die Textura ihre Stilelemente? Gotik Renaissance Antike
9.4.6 (A) (B) (C)
In welcher Zeit entstanden die Groteskschriften? Zur Zeit der Erfindung des Buchdrucks Zu Beginn des 20. Jahrhunderts Im Computerzeitalter
9.4.7
Auf welchen Zeitpunkt datieren Sie die Entwicklung der Helvetica? zur Zeit der Schweizer Unabhängigkeit Ca. 1865 Ca. 1957
(A) (B) (C)
(A) (B) (C)
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 9.4.2
Auf welche Weise wurde die Capitalis Monumentalis umgesetzt? Mit dem Federkiel Mit dem Steinmeißel Mit dem Pinsel
(A) (B) (C)
A B C D E
ð ð ð ð ð
___ ___ ___ ___ ___
Quizfrage 9.4.3
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 9.4.4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 9.4.5
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 9.4.6
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 9.4.7
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
225
Quiz zu „Schrifthistorie“
Lösung (A)
9.4.8 (A)
Lösung (B) Lösung (C)
(B) (C)
Quizfrage 9.4.8
Quizfrage 9.4.9
226
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
9.4.9 (A) (B) (C)
Was versteht man unter einer Kanzleischrift? Eine Schreibschrift, die in den Kontoren des 18. Jahrhunderts genutzt wurde Eine gestelzte Schnörkelschrift der Neuzeit Eine Schrift ohne Rechtschreibfehler Was zeichnet die OCR Schrift aus? Sie wurde als computerlesbare Schrift entworfen Sie hat besonders stark ausgeprägte Serifen Sie ist eine Schrift der „Neuen Typografie“
Typologie Typologie
10
„Die
Schriftart; die meisten kennen nureine“ Erik Spiekermann
10
Abb. 10a: Zitat Erik Spiekermann (Grafik: Hammer)
Typologie
10.0 Einleitung 10.0.1 Lernziele Machen Sie sich in diesem Kapitel mit der Begrifflichkeit und den Maßsystemen der Typografie vertraut. Sie lernen im Einzelnen: • Die Unterschiede zwischen Antiqua- und Groteskschriften • Die Unterschiede zwischen monospaced und proportionalen Schriften • Die Unterscheidung nach Schriftstärke, Schriftbreite und Schriftlage • Die Anmutungswirkung der Schrift • Den Unterschied zwischen unvollständigen und vollständigen Fonts • Die wichtigsten Expert- und Sonderzeichen • Wichtige Begriffe zur maßlichen Schriftdefinition • Typografische Maßeinheiten • Die Bezeichnung der Schriftlinien • Die Wirkung der x-Höhe Im abschließenden Quiz kontrollieren Sie, ob Sie die wichtigsten Begriffe der Typografie richtig erklären und voneinander unterscheiden können. 10.0.2 Unterscheiden lernen Mit Typologie bezeichnet man die Lehre der Definition einer Schrift aufgrund der Gesamtheit aller Merkmale, die ihren Typ bestimmen.
227
Schriftenvielfalt Die Welt der typografischen Zeichen zeigt eine verwirrende Vielfalt unterschiedlicher Formen, die jedoch meist ganz spezifische Funktionen erfüllen. Um in dieser Vielfalt nicht orientierungslos umherzuirren und in unkontrollierter Beliebigkeit zu gestalten, sind fundierte Kenntnisse bezüglich typografischer Kategorisierungsmerkmale, Schriftmaße, Zeichenarten, Ausrichtungsformen etc. erforderlich. Diese Kenntnisse sind unumgänglich, um in der typografischen Praxis im Umgang mit Mediengestaltern, Belichtungsstudios oder Druckereien die für den jeweiligen Anwendungsfall spezifischen typografischen Parameter zu definieren und kommunizierbar zu machen.
10.1 Schriftenvielfalt 10.1.1 Unterscheidungsmerkmale Wie bereits im Kapitel 9 „Schrifthistorie“ dargestellt, entwickelten sich die verschiedenen Schrifttypen aufgrund kultureller und technischer Einflüsse. Mit der Erfindung des Buchdrucks (Gutenberg 1450) wurden Schriften zum Produktionsmittel. Für viele verschiedene Anlässe wurden fortan zahlreiche neue Schriften entworfen. Die quantitativ größte Entwicklung und Verbreitung verschiedener Schriften entsteht in der Gegenwart durch Einsatz des Computers, so dass heute eine schier unglaubliche Fülle an Schriften den Markt überschwemmt.
Abb. 10.1.1.a: Typenvielfalt (Grafik: Hammer)
228
Typologie
Schriftenvielfalt Um dennoch einen Überblick über diese Schriftenvielfalt zu erlangen, werden Schriften in unterschiedliche Kategorien untergliedert, je nach ihren die Form bestimmenden Merkmalen. Vergleicht man gleiche Zeichen unterschiedlicher Schriften, so fällt auf, dass diese sich z. T. sehr deutlich voneinander unterscheiden in ihrer Höhenausdehnung, ihrer Schriftstärke, vor allem aber in ihrer Zeichenform. Für eine Unterscheidung sind manche Buchstaben besonders gut geeignet, wie g, f und a, da hier auffälligere Differenzierungsmerkmale sichtbar werden als bei Buchstaben wie t, l, und i. Gute Schriften weisen spezielle Stilmerkmale auf, die mehr oder weniger deutlich in jedem einzelnen Zeichen enthalten sind. Das Beispiel zeigt die Gestaltungsvielfalt am Buchstaben g (Abb. 10.1.1.a)
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. z.B. Garamond
Aab
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext.
z.B. Century Gothic
Abb. 10.1.2a: Antiqua- und Groteskschriften (Grafik: Hammer)
Didot
Caslon Classico Rockwell
Aab
Garamond
Bookman Old Style Goudy Old Style
Palatino
Bodoni
10.1.2 Antiqua und Grotesk Man teilt Schriften generell in zwei Gruppen ein: Schriften mit Serifen (Antiqua) und Schriften ohne Serifen (Grotesk). Im Beispiel sehen Sie den unterschiedlichen Schriftcharakter (Abb. 10.1.2a). Serifen nennt man die „Ausläufe“ von Antiqua- und Egyptienneschriften. Entstanden sind sie wahrscheinlich durch die Meißelwerkzeuge, mit denen früher die Buchstaben aus dem Stein geschlagen wurden, bzw. durch das Schreiben mit dem angeschrägten Federkiel. Auch wenn ihre Entstehung vielleicht nur aus der handwerklichen Notwendigkeit zu erklären ist, brachten die Serifen in Bezug auf die Lesbarkeit gedruckter Texte einige Fortschritte. Durch die Ausbildung der Serifen stehen die Buchstaben fest in der vorgegebenen Zeilenordnung. Sie bilden eine gerade Linie, durch die das Auge beim Lesen geführt wird. Dieser Eigenschaft der Antiquaschriften verdanken wir bei gedruckten Texten ein ermüdungsfreies Lesen, selbst bei längeren Textpassagen. Auch heute würde niemand auf die Idee kommen, einen Roman in einer reinen Grotesk zu setzen.
10
Abb. 10.1.2b: Serifenformen (Grafik: Hammer)
229
Schriftenvielfalt
Stone Serif Medium
Stone Informal Medium
Abb. 10.1.2c: Serif, Sans und Zwischenschnitte der Stone (Grafik: Hammer)
Stone Sans Medium
Je nach Schrift sehen Serifen sehr unterschiedlich aus: Sie können rund oder kantig angesetzt sein, gerade oder schräg auslaufen, aus fetten oder Haarstrichen gebildet sein. Deshalb stellen sie ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal unterschiedlicher Schriftklassen dar (Abb. 10.1.2 b). Manche Schriften existieren sowohl in Antiqua- als auch in Groteskschnitten. Bei einigen Schriften gibt es Zwischenformen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Serifen, die man je nach ihrer Ausprägungsform als semiserif oder semisans bezeichnet (Abb. 10.1.2 c).
Abb. 10.1.3a: Schriftenvielfalt (Grafik: Ruske, Schenck)
230
Typologie
Schriftenvielfalt
10
10.1.3 Schriftvariationen Innerhalb der Hauptgruppen Antiqua und Grotesk gibt es eine enorme Vielfalt, gerade in der Gegenwart. Früher versuchten viele Schriftenentwerfer, ihr persönliches Ideal einer Schrift zu gestalten. Heute gibt der Markt mit seinen hohen und nicht enden wollenden Anforderungen an Werbung und Informationsmaterial für Konsumgüter den Ton an. Typografie ist Kommunikation: Für immer neue Produkte wird mit gezieltem Einsatz von Schrift, Bild und Farbe ein Bedarf geweckt. So entstanden und entstehen weiterhin unterschiedliche Schriftarten für jeden Bedarf. Eine kleine Auswahl ist hier am Beispiel des Wortes „Design“ dargestellt (Abb. 10.1.3a). Welche Schrift passt Ihrer Meinung nach am besten zum Thema Design? Jede Schriftart kann wiederum durch unterschiedliche Schriftschnitte (leicht, normal, fett, extrafett, etc.) modifiziert werden. Auf diese Weise entstehen ganze Schriftfamilien (vgl. Kap. 11.2), z. B. die Helvetica, Univers oder Thesis. Anders als früher, als Schriften nur einigen wenigen Spezialisten, wie Druckern und Schriftsetzern, zur Verfügung standen, kann heute jeder am Computer mit Schriften experimentieren. Die Einführung der digitalen Technik brachte nicht nur Typografie für jedermann, sondern auch eine fast unüberschaubare Flut an Schrifttypen. Man kann diese vorhandenen Schriften noch beliebig verändern – einfach mit einem Mausklick (Abb. 10.1.3b).
Schrift Schrift Schrift Schrift
Abb. 10.1.3b: Schrift verzerren (Grafik: Hammer) Das Beispiel zeigt, wie eine Schrift durch Stauchen und Strecken in der x- und y-Achse oder durch Scherung ihren Charakter verändert.
TIPP: Probieren Sie einmal aus, Schriften durch Stauchen oder Verzerren zu verändern. Doch was Sie hier als kleine Spielerei ausführen, sollten Sie in der gestalterischen Praxis nur im Ausnahmefall und mit Bedacht tun, denn die Originalschnitte einer Schrift garantieren meist das beste Ergebnis bezüglich ästhetischer Wirkung und guter Lesbarkeit. 10.1.4 Proportionale und monospaced Schrift Eine weitere grundsätzliche Zuordnungsmöglichkeit von Schriften bezieht sich auf den Abstand der Buchstaben zueinander. Beim Schreiben mit der klassischen Schreibmaschine nimmt jeder einzelne
231
Schriftenvielfalt unterschiedliche Zeichenbreiten
Univers 55
Lucidia Console
Abb. 10.1.4a: Monospaced und proportionale Schrift (Grafik: Hammer)
einheitliche Zeichenbreiten
Buchstabe den gleichen Raum auf dem Papier ein. Entsprechend sind bei der Aufeinanderfolge schmaler Buchstaben (z. B. l, i) große Lücken vorhanden. Diese Schriften heißen monospaced oder nonproportionale Schriften. Typische Vertreter dieser Gruppe sind Courier, OCR, Letter Gothic, Lucida Console etc. Im Gegensatz dazu wird bei den so genannten Proportionalschriften der Platz nach der tatsächlichen Breite der Buchstaben zugeteilt. Entsprechend sieht diese Art der Typografie ausgeglichen aus und ist dadurch auch besser lesbar, zudem benötigt sie insgesamt weniger Breite (Abb. 10.1.4a). 10.1.5 Schriftdefinition Für den Umgang mit Typografie ist es wichtig, die diesbezüglichen Fachbegriffe zu kennen, um grafische Arbeiten im Produktionsprozess richtig kennzeichnen zu können (Abb. 10.1.5a).
Schriftart
(Serifen, Serifenlose, ...) Antiquaschrift (Times, Garamond, ...)
Groteskschrift (Futura, Helvetica, ...)
Schriftklassifikation
Schriftschnitt Strichstärke (mager, ..., fett, ...)
Schriftlage (normal, kursiv)
Schriftbreite (schmal, ..., breit, ...)
Schriftfamilie Abb. 10.1.5a: Definitionsbaum (Grafik: Hammer)
232
Schrifttype (Schriftzeichen a, b, c, ...)
Schriftgrad (9 Punkt, 10 Punkt, ...)
Typologie
Schriftenvielfalt
10
Es kommt vor, dass man Bezeichnungen nicht richtig anwendet und es infolgedessen zu Missverständnissen kommt. Unglücklicherweise sind in den verschiedenen Schriften die Bezeichnungen für Schriftstärken, -breiten und -lagen nicht einheitlich; es werden deutsche, englische und französische Begriffe benutzt. Im Folgenden wird die Kenntnis dieser Begriffe vorausgesetzt. 10.1.6 Schriftschnitte Auch innerhalb derselben Schrift sind zahlreiche unterschiedliche Ausführungsformen möglich, die man differenzieren muss. Solche unterschiedlichen Ausprägungsformen derselben Schrift bezeichnet man als Schriftschnitte. Das Wort „Schriftschnitte“ stammt noch aus der Zeit des Letternsatzes, als die einzelnen Schrift-Typen aus dem Block geschnitten wurden. Gemeint sind damit Variationen einer Schriftart, die sich, und das ist wichtig, auf die einzelnen Buchstaben beziehen. Die Bezeichnungen der Schriftschnitte sind leider nicht einheitlich geregelt. Die gebräuchlichsten Bezeichnungen sind in der Grafik zusammengestellt (Abb. 10.1.6a). Die verwendete Schrift ist die „Neue Helvetica“. Schriftstärke extraleicht extralight
leicht, mager light
buch, normal
roman, book, regular
halbfett
semibold, medium
fett
bold, heavy
extrafett
extrabold, heavy, black
ultrafett black
schmal
condensed, compressed, narrow
Schriftbreite
normal normal, regular
breit
expanded, extended
kursiv
italic, oblique, slanted
Schriftlage
Abb. 10.1.6a: Schriftschnitte (Grafik: Hammer)
233
Schriftenvielfalt Die Schriftstärke bezieht sich auf die Ausführung von Grundlinie, Querstrich und Diagonale, beschreibt als ob das Zeichen leichte, normale, halbfette, fette oder sehr fette Linien aufweist. Schriftbreite meint die Zeichenweite. Die Buchstaben einer Schrift können schmale, mittlere oder breite Ausmaße haben, also gedrungen, normal oder ausladend sein, unabhängig von ihrem Eindruck durch die Laufweite, die sich im Gegensatz dazu auf die Abstände zwischen den Buchstaben bezieht. Die Schriftlage bezeichnet den Winkel der Grundlinien, also ob der Buchstabe gerade oder schräg (kursiv) steht. Echte Kursive sind eigens entworfene Schriftschnitte. Durch manuelles Schrägstellen mit einem DTP-Programm werden so genannte „Unechte Kursive“ erzeugt, die aber im Gegensatz zu eigens entworfenen echten Kursiven unschöne Verformungen der Rundungen aufweisen. Den Gebrauch dieser Funktion sollte man deshalb eher vermeiden. Trotz oder gerade wegen dieser großen Auswahl steht fest, dass eine Schrift in ihrer „normalen“ Stärke am besten lesbar ist. Dies gilt zumindest für Fließtexte in Lesegröße, denn genau dafür ist der normale Schnitt entworfen worden. Alle anderen Schriftschnitte sollten nur für Hervorhebungen (Auszeichnungen, Überschriften etc.) eingesetzt werden. Gleiches gilt auch für die Bildschirmdarstellung. Normale und halbfette Schriften sind am angenehmsten lesbar, leichte verlieren in der Regel durch die geringe Auflösung ihre eindeutige Linie. Meist werden nur wenige verschiedene Abwandlungen entworfen. In der Regel sind das: leicht, normal und fett. Bei Qualitätsschriften, die für das Gliedern von umfangreichen Textwerken benutzt werden, sind weitere Zwischenstufen erforderlich. Dieses Thema führt uns zum Begriff der Schriftfamilien. 10.1.7 Schriftart und Wirkung Jede Schrift weist eine spezifische Erscheinungsform auf, einen ihr eigenen Schriftcharakter, der sie z. B. steif, schwer und ruhig oder leicht, elegant und beschwingt wirken lässt.
Abb. 10.1.7a: Funsport Logo (Grafik: Ruske) Schriftcharakter: Dynamik, Aktivität Abb. 10.1.7b: Himbeer-Soufflé (Grafik: Hammer) Schriftcharakter: Eleganz, Leichtigkeit
234
Book Antiqua
Arial Black
Myriad Tilt
Letter Gothic
TektoMM
Poetica Chanceryl
Tahoma
Snell Roundhand Script
Schriftenvielfalt
Typologie
10
Beispielsweise soll ein Logo für das Sportartikelunternehmen „Funsport“ entworfen werden. Eine Leseschrift wie die Book Antiqua wäre hier völlig ungeeignet. Auch eine sachliche Myriad Tilt überzeugt nicht. Eine passende Wahl wäre dagegen die lockere, leicht verspielte Tekton oder eine kursive Tahoma (Abb. 10.1.7a). In einem anderen Beispiel soll in einem Restaurant auf einem Tischaufsteller für ein Himbeer-Soufflé geworben werden. Schreibt man das in einer fetten schwarzen Arial Black oder einer nüchternen Letter Gothic, wird wohl kaum ein Gast zugreifen. Besser wird es schon mit der fließenden Poetica Chancery. Die Version in einer eleganten, leichten Snell Roundhand Script in ansprechender Farbwahl lässt einem dagegen schon das Wasser im Munde zusammenlaufen (Abb. 10.1.7b). Bei der Schriftwahl für ein konkretes Thema ist deshalb darauf zu achten, dass der Schriftcharakter zur inhaltlichen Ausrichtung des Themas passt. Dies ist Gegenstand der Typosemantik. 10.1.8 Schrifttechnologien Nicht allein im Aussehen der Schrift gibt es Unterschiede, sondern auch in der Art ihrer technologischen Definition. Schriften, die heute am Computer eingesetzt werden, basieren auf mathematischen Beschreibungen ihres Aussehens. Die Unterschiede zeigen sich für den Benutzer meist nur im Erscheinungsbild ihrer Dateiicons. Bei Postscriptschriften sind die Zeichen als Bézierkurven abgelegt und werden für die Ausgabe über das von Adobe entwickelte Postscript beschrieben. Dabei wird im Druck eine optimale Auflösung erreicht. Für die Bildschirmdarstellung wird eine zweite Datei im Truetype-Format benötigt. Parallel zu Postscriptschriften entstanden ebenfalls von Adobe die Type-1- und später die Type-3-TrueType-Schriften, die sich auch auf nicht postscriptfähigen Ausgabegeräten drucken lassen. Es handelt sich dabei um skalierbare Schriften. Bei der MultipleMaster-Technologie beinhalten die Schriften zwei oder mehr Outlines, die die wesentlichen Designachsen definieren. Beispielsweise kann eine Schrift Master für fette und schmale sowie für fette und breite Schrift aufweisen. Durch Interpolation können Zwischenschnitte erreicht werden. OpenType ist ein plattformübergreifendes Format, bei dem die Schrift durch Truetype- oder Postscript-Outlines beschrieben wird. Sie können gleichermaßen unter Windows wie auf dem Macintosh verwendet werden. OpenType-Schriften zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie viele zusätzliche Zeichen (Fremdsprachensatz, Ligaturen, Akzentzeichen etc.) enthalten können, insgesamt bis über 65.000. Jedes Zeichen wird dabei durch eine Nummer im Unicode-System eindeutig beschrieben und ist nur über ein Unicode-fähiges Programm erreichbar. Je nach Programm werden sie über die Funktion „Symbol einfügen“ (Word) oder die so genannte Glyphenpalette (InDesign) eingefügt.
Abb. 10.1.8a: Dateiicons unterschiedlicher Schrifttechnologien
235
Zeichenumfang
10.2 Zeichenumfang Gemeine
Versalien
Kapitälchen Akzentzeichen Akut Gravis Cedille Apostroph Zirkumflex Haken Ring Trema Ziffern Normalziffern Mediävalziffern Bruchziffern
Interpunktionen Ligaturen Sonderzeichen Typosignale
Abb. 10.2.1a: Zeichenumfang im vollständigen Font (Grafik: Hammer)
Abb. 10.2.2a: Expertzeichen im „Glyphen“Fenster (Screenshot Adobe InDesign)
236
10.2.1 Vollständige Fonts Schriften bestehen aus Zeichensätzen (engl. font), also aus einem Vorrat einzelner Schriftzeichen (Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen etc.), mit denen größere Einheiten (Wörter, Texte, Formeln etc.) gebildet werden können. Eine gleiche Schrift kann dabei mehrere Schriftschnitte umfassen, d.h. Zeichensätze, die sich in Schriftstärke, Schriftlage oder Ausführungsform unterscheiden. Die grafische Repräsentation eines Zeichens wird als Glyphe bezeichnet. Ein gleicher Buchstabe kann also u. U. in unterschiedlichen Glyphen im Schriftfont vorhanden sein. Mit Zeichenumfang bezeichnet man die Menge aller Zeichen, die in einem Schriftsatz verfügbar ist. Dies variiert je nach Schriftschnitt und Schriftqualität. Einfache und meist preiswertere Standardschriften weisen einen reduzierten Zeichenumfang (z. B. ohne Expert- und Sonderzeichen) auf im Gegensatz zu den vollständigen und Expertzeichensätzen, wie sie in der professionellen Typografie notwendig sind. Vollständige Fonts umfassen dagegen neben Kleinbuchstaben (Gemeine, Minuskel), Großbuchstaben (Versalien, Majuskel), Satzzeichen und Zahlen auch Kapitälchen, Ligaturen und einen erweiterten Vorrat an Interpunktions-, Akzent-, Sonder- und Währungszeichen (Abb. 10.2.1a). In älteren Fonts fehlt oft das €-Zeichen. 10.2.2 Expertzeichen Um typografisch anspruchsvolle Texte zu setzen, reicht der Zeichenvorrat von Standardschriften meist nicht aus. Man braucht mindestens vollständige oder professionelle Zeichensätze, so genannte Expertzeichensätze. In diesen Zeichensätzen sind zusätzliche – in der Regel allerdings selten benötigte – Sonderzeichen enthalten, die einerseits die typografische Qualität eines Textes erhöhen (Mediävalziffern, Bruchzahlen, Ligaturen, echte Ellipse etc.) und andererseits Anforderungen aus dem Fremdsprachensatz abdecken (Akzentzeichen, Sonderbuchstaben etc.) oder fachspezifischen Satz ermöglichen (Währungszeichen, Copyrightzeichen etc.) (Abb. 10.2.2a). Expertzeichensätze enthalten meist eine erweiterte Auswahl an Ligaturen und Bruchzahlen, besonders auffallend gestaltete Initialbuchstaben und viele Typosignale. Bei neueren Schriften im OpenType-Format können technologisch bis zu 65.000 Zeichen in einer Schrift enthalten sein. TIPP: Um an die wichtigsten Expert- und Sonderzeichen zu kommen, gehen Sie folgendermaßen vor: Mit der Computer-Standardtastatur (QWERTZ) können im Normalmodus 47 und zusammen mit Shift- und Leertaste (space) Kombinationen von insgesamt 95 Zeichen und Sonderzeichen aufgerufen werden. Wie Sie die weiteren Schriftzeichen erreichen,
Typologie
Zeichenumfang
10
ist abhängig von der verwendeten Schrifttechnologie. Bei Truetype- und Postscriptschriften können Sie einige Sonderzeichen über die ALT-Codierung per Tastatur setzen. Ein allgemeinerer Zugang erfolgt je nach Programm über Funktionen wie „Symbol einfügen“ (Word) oder „Glyphen“ (InDesign). Damit wird eine Übersicht der im aktuellen Schriftsatz verfügbaren Zeichen zugänglich, aus der dann die gewünschten angeklickt werden. 10.2.3 Kapitälchen Kapitälchen (engl. small caps) sind Großbuchstaben, die etwa die Höhe der Mittellängen von Kleinbuchstaben aufweisen. Sie gleichen sich in ihrer Strichbreite und im Grauwert den Großbuchstaben an. Man verwendet sie gerne für Auszeichnungen, also Hervorhebungen innerhalb des normalen Textes.
Minion
Minion Expert
Abb. 10.2.3a: Kapitälchen (Grafik: Hammer)
Man unterscheidet zwischen „echten“ und „unechten“ Kapitälchen (Abb. 10.2.3a). Bei den „unechten“ Kapitälchen errechnet der Computer einfach Versalbuchstaben in einem etwas kleineren Schriftgrad. Man erkennt das daran, dass die Versalien dann fetter sind als die Kapitälchen. Bei den „echten“ Kapitälchen aus Expertzeichensätzen handelt es sich dagegen um einen gesonderten Schriftschnitt. Hier hat jeder Buchstabe die gleiche Strichstärke und auch die Grundstriche sind in der Stärke angepasst. 10.2.4 Et-Zeichen (&) Das ehemals kaufmännische „Und“-Zeichen ist in den meisten Fonts enthalten und über die Standardtastatur abrufbar. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Ligatur, eine Zusammenziehung von Buchstaben, nämlich der Buchstaben e und t. In einigen Schriften ist es auch noch als et erkennbar. Es differiert je nach Zeichensatz sehr stark im Aussehen (Abb. 10.2.4a). Eingesetzt wird das &-Zeichen oft in Logos. In diesem Fall ist die geeignete Schrift in Bezug auf die Ausführungsart des &-Zeichens sehr wichtig. Ein einzelnes, sehr großes &-Zeichen ist ein beliebtes Gestaltungselement für die Hintergrundgestaltung.
237
Zeichenumfang
Rotis Sans
Book Antiqua
Antique Olive Myriad Roman
Haettenschweiler
Cooper Black
Stone Sans Monotype Corsiva
Courier Trebuchet Matisse
Goudy Old Style Edwardian Script
Bauhaus 93
Abb. 10.2.4a: Et-Zeichen in unterschiedlichen Schriften (Grafik: Hammer)
Verdana
Rotis Sans
Antique Olive
Trebuchet Edwardian Script Comic Sans
Abb. 10.2.5a: @-Zeichen (Grafik: Hammer)
Abb. 10.2.6a: Währungszeichen (Grafik: Hammer)
238
10.2.5 @-Zeichen Standardmäßig ist das E-Mail-Zeichen @ (der Klammeraffe) heute in fast allen Zeichensätzen enthalten. Auch dieses variiert im Aussehen je nach der gewählten Schrift, allerdings nicht so variantenreich wie das kaufmännische Et-Zeichen (Abb. 10.2.5a). 10.2.6 Währungszeichen Neuere Tastaturen weisen standardmäßig auch das Euro- und das Dollar-Zeichen auf. Diese variieren je nach Schrift im Aussehen.
Trebuchet
Verdana
Antique Olive
Courier
Haettenschweiler
Trebuchet
Verdana
Antique Olive
Courier
Haettenschweiler
Trebuchet
Verdana
Antique Olive
Courier
Haettenschweiler
Typologie
Zeichenumfang
10
In älteren Zeichensätzen fehlt das Euro-Zeichen manchmal und muss als Sonderzeichen bzw. über die ALT-Codierung eingefügt werden. Andere Währungszeichen wie das Pfund-Zeichen finden sich nur als Sonderzeichen in vollständigen Fonts, allerdings ist der Zeichenumfang der Fonts immer verschieden. 10.2.7 Mediävalziffern Schrift ist abwechslungsreich und dynamisch – dies liegt an den Buchstaben, die in schöner Regelmäßigkeit einmal die Mittellänge über-, einmal unterschreiten. Dieses Spiel der Unter- bzw. Oberlängen fällt beim Versalsatz sowie bei Zahlenreihen weg. Die Standardziffern eines Zeichensatzes (auch Majuskelziffern) weisen die Höhe der Versalbuchstaben auf und sind an der Grundlinie ausgerichtet.
Majuskelziffern Stone Informal Semi
Mediävalziffern Stone Informal Semi OS
Abb. 10.2.7a: Mediävalziffern (Grafik: Hammer)
Damit lange Zahlenauflistungen innerhalb von Texten nicht statisch und langweilig wirken, enthalten manche gute Schriften auch Mediävalziffern (auch Minuskelziffern) im Zeichensatz (Abb. 10.2.7a). Mediävalziffern besitzen teilweise kleine Unter- und Oberlängen und harmonieren deshalb gut mit dem Schriftbild. 10.2.8 Ligaturen Wenn zwei Buchstaben, die häufig zusammen vorkommen (ff, ch, ck, tz, Qu etc.), zu einem verschmelzen, nennt man dies Ligatur. Der Ursprung von Ligaturen liegt in der Zeit, als Dokumente handschriftlich erzeugt wurden, z. B. bei den klösterlichen Schreibern. Vielleicht kennen Sie das aus alten Familiendokumenten, die von amtlicher Stelle so verfasst wurden. Solche Buchstabenpaare wurden oft künstlerisch verziert mit der Feder gezeichnet und dienen noch heute bei klassischer Gestaltung als Elemente gehobener Typografie. Die bekannteste und gebräuchlichste Ligatur ist das ß; wie der Name „Es-Zet“ schon verrät, handelt es sich dabei um eine Zusammenziehung von s und z, und zwar dem langen s und dem z alter Frakturschriften. Aber auch bei anderen Buchstabenkombinationen sind oft Ligaturen die typografisch ansprechendere Lösung. Das gilt z. B. für die Kombinationen ffl und ffi (Abb. 10.2.8a).
Times New Roman
Abb. 10.2.8a: Ligaturen und Normalbuchstaben (Grafik: Hammer)
239
Zeichenumfang In vielen Satzprogrammen können die Voreinstellungen so gesetzt werden, dass automatisch Ligaturen verwendet werden, wenn sie im Zeichensatz vorhanden sind. In vielen Zeichensätzen existieren die Ligaturen ff, fi, fl, ffi und ffl, wie z. B. bei der Adobe Garamond Expert (Abb. 10.2.8.b). Besonders viele Ligaturen bieten Schmuckschriften wie die Zapfino oder die Poetica.
Adobe Garamond Expert
Abb. 10.2.8b: Verbreitete Ligaturen (Grafik: Hammer)
10.2.9 Bruchzahlen In handschriftlicher Schreibweise werden bei der Darstellung von Bruchzahlen zwei Zahlen durch den Bruchstrich getrennt übereinander gestellt. Im Satz würde dies das Zeilenraster sprengen, deshalb muss man dort mit der Höhe einer Zeile auskommen. In einfacher Umsetzung (Zahl, Schrägstrich, Zahl) führt dies allerdings zu einer typografisch unschönen Lösung. Einige vollständige und Expertzeichensätze bieten deshalb für häufig verwendete Brüche echte Bruchzahlen mit kleinen Ziffern und flacher gestelltem Schrägstrich, wie hier im Beispiel zu sehen ist (Abb. 10.2.9a). Diese werden meist automatisch aufgerufen, wenn der Bruch in Standardschreibweise eingegeben wird, oder sind als Sonderzeichen erreichbar.
Adobe Garamond Expert
Abb. 10.2.9a: Unechte und echte Bruchzahlen (Grafik: Hammer)
Abb. 10.2.10a: Eingabemaske für arabische Schrift (Screenshot: Oubaghli)
Abb. 10.2.11a: Zeichen guter Typografie (Grafik: Hammer)
240
10.2.10 Fremdsprachenzeichen Manche auf dem lateinischen Alphabet basierende Fremdsprachenfonts besitzen Sonderzeichen – meist Akzentzeichen –, die nur in vollständigen oder Expertzeichensätzen vorkommen und über ALT-Codierungen der Tastatur aufgerufen werden. Fremdsprachensätze für andere Kulturkreise (arabisch, hebräisch, chinesisch, japanisch, kyrillisch etc.) erfordern eigene Zeichensätze und sinnvollerweise diesbezüglich ausgelegte Tastaturen oder softwareseitige Eingabehilfen (Abb. 10.2.10a). 10.2.11 Zeichen der anspruchsvollen Typografie Wirklich gute professionelle Typografie lässt sich daran erkennen, dass auch die typografischen Details stimmen. Das betrifft z. B. im deutschen Sprachraum den Einsatz der „echten“ Anführungszeichen, der „echten“ Ellipse, des „echten“ Bindestrichs. Diese sind in den typografischen Satzregeln genauer beschrieben.
Zeichenumfang
Typologie
10
Abb. 10.2.12a: Sonderzeichensatz Zapf Dingbats (Auszug) (Grafik: Hammer)
10.2.12 Sonderzeichensätze Sonderzeichen gibt es nicht nur in vollständigen Fonts oder in Expertzeichensätzen; es existieren auch spezielle Zeichensätze für Sonderzeichen. Bekannt dürften hier die Zeichensätze Symbol, Wingdings und ZapfDingbats sein (Abb. 10.2.12a). Solche Zeichensätze bieten Ansammlungen von Symbolen, Piktogrammen und Bildzeichen für unterschiedliche Themengebiete. Einsatzbeispiele von Sonderzeichen sind vielfältig, sie reichen vom Telefonpiktogramm über Symbole für Formelsatz bis hin zu Spezialzeichen für fachspezifische Themen (Kartografie, Elektronik, Architektur, Verkehrswesen etc.) und zu reinen grafischen Schmuckelementen, wie sie als Aufzählungszeichen, zur Einrahmung, Auszeichnung oder Unterteilung von Textpassagen verwendet werden, die so genannten Typosignale. Für alle Bildsymbole gilt, dass sie sparsam und vor allem sinnvoll eingesetzt werden. 10.2.13 Mathematische und Wirtschaftszeichen In Standardzeichensätzen sind die Zeichen der Grundrechenarten (+ - * / ) enthalten. Für weitere mathematische Zeichen oder Symbole, wie sie für den Formelsatz oder den kaufmännischen Bereich erforderlich sind, sind jeweils spezielle Zeichenfonts nötig. Zum Satz von komplizierteren Formeln ist meist auch spezielle Mathematik-Software notwendig, da ein Textverarbeitungsprogramm diese Funktionen nicht bieten kann.
Abb. 10.2.13a: Mathematische Sonderzeichen (Grafik: Hammer)
241
Maßsysteme
10.3 Maßsysteme
Abb. 10.3.1a: Abgebundener Bleisatz (Foto: Hammer)
10.3.1 Ursprünge im Bleisatz Schriftzeichen werden heute am Computer entworfen. Viele Maße und Begriffe leiten sich jedoch historisch vom Bleisatz ab. Einige sind auch heute noch gebräuchlich, andere haben keine Relevanz mehr. Den „abgebundenen“ Bleisatz einer früheren Visitenkarte des Autors zeigt Abb. 10.3.1b. Der einzelne Satzbuchstabe wird als Letter bezeichnet. In Abb. 10.3.1a sind wichtige Begriffe und Maße dazu erklärt. Der Schriftkegel ist der Metallkörper, auf dem das Zeichen steht. Die Kegelhöhe im Bleisatz muss bei allen Zeichen einer Schrift gleich sein, damit das druckende Schriftbild aller Zeichen auf einer Ebene liegt. Das Schriftbild ist der druckende Bereich eines Zeichens im Bleisatz. Dieser Teil ist nicht senkrecht gegossen, sondern wird zum Kegel hin breiter (Konus). Der offene nicht druckende Innenraum eines Zeichens wird Punze genannt. Das Fleisch ist der freie Raum um das Zeichen herum. Man unterscheidet die Vorbreite vor und die Nachbreite nach dem Buchstaben. Ohne diese würden sich zwei benachbarte Zeichen berühren. Als Schrifthöhe wird im Bleisatz die Höhe des Kegels vom Fuß bis zum Kopf (auch Achselhöhe oder Schulterhöhe) zuzüglich der Konushöhe des darauf stehenden Zeichens bezeichnet. Diese ältere Bezeichnung aus dem Bleisatz darf nicht mit der Schriftgröße verwechselt werden. Die Kegelgröße (auch Kegelstärke oder Schriftgröße) bezeichnet die Größe (Tiefe) des Kegels bzw. den Raum, der für dieses Zeichen zur Verfügung steht. Im Bleisatz gehören dazu auch die Bereiche über und unter dem eigentlichen, druckenden Buchstaben. Diese Größe wird im Desktop-Publishing auch Schriftgröße oder Schriftgrad genannt. Schriftlinie Schriftbild Fleisch Kegel Schrifthöhe
Fußrille
Signatur
Kegelgröße, Schriftgröße, Schriftgrad Dickten (Breiten)
Abb. 10.3.1b: Die Letter (Bleisatz) (Grafik: Hammer)
242
Maßsysteme Als Dickte bezeichnet man die Breite des Kegels, bestehend aus der Breite des Zeichens selbst sowie dem Fleisch vor (Vorbreite) und hinter (Nachbreite) dem Zeichen. Haben alle Zeichen einer Schrift die gleiche Dickte, so spricht man von dicktengleicher Schrift (monospaced font), haben unterschiedliche Zeichen individuelle Breiten, so spricht man von einer Proportionalschrift. Die Signatur ist im Bleisatz eine eingegossene oder ausgefräste Nut am Fuß eines Schriftkegels. Unterschiedliche Schriftgrößen haben unterschiedliche Signaturgrößen oder Signaturhöhen. Der Schriftsetzer im Bleisatz konnte daran die unterschiedlichen Schriften ertasten. Eine weitere wichtige, noch heute gebräuchliche typografische Maßeinheit ist das Geviert (engl. em). Das Geviert ist keine absolute, sondern eine relative Maßeinheit in Abhängigkeit von der jeweiligen Schriftgröße. Im Bleisatz beschreibt das Geviert ein Quadrat mit Seitenlänge der Kegelgröße, also der Gesamthöhe der Schrift. Das entspricht ungefähr der Breite von 2 Nullen oder des großen M der jeweiligen Schrift. Das Geviert ist noch heute eine gebräuchliche Einheit zur Definition von Buchstaben-, Wortund Zeilenabständen. 10.3.2 Schriftmaße Die Wahl der richtigen Schriftgröße bestimmt die Lesbarkeit einer Publikation. Hierbei ist wesentlich zu unterscheiden zwischen Typografie im Printbereich und Bildschirmtypografie. Die Schriftgröße (auch Schriftgrad) ist der Abstand zwischen der Oberkante eines Buchstabens mit Oberlänge bis zur Unterkante eines Buchstabens mit Unterlänge. Eine andere, weniger gebräuchliche Definition der Schriftgröße erfolgt in einigen DTP-Programmen über das Maß der Versalhöhe. Für die Beschreibung der Größe einer Schrift und anderer typografischer Festlegungen ist ein typografisches Maßsystem erforderlich (Abb. 10.3.2a). Ein allgemein verbindliches und weltweit einheitliches typografisches Maßsystem existiert nicht. Länderspezifisch und historisch bedingt haben sich unterschiedliche Maßsysteme entwickelt, die z. T. bis heute Bestand haben. Die meisten heute gebräuchlichen Computerprogramme beziehen sich allerdings auf den DTP-Punkt. Er entspricht 0,353 Millimeter. Daneben hat sich in der Bildschirmtypografie die Größendefinition in Pixel bewährt, da diese weniger plattformabhängig ist als etwa Punktangaben. Im barrierefreien Webdesign mit skalierbaren Schriftgrößen verwendet man die Einheit em. Em ist die englische Bezeichnung für Geviert.
Typologie
10
Typografische Maße Zentimeter (cm): 10,0 mm 0,3937 Inch 28,35 DTP-Punkte 26,60 Didot-Punkte (alt) 26,66 Didot-Punkte (neu) Inch (in oder “): 25,4 mm 72 Pica-Points DTP-Punkt (pt): 1/72 Inch 0,3528 mm (Pica-)Point: 1/12 Pica 1/72 Inch (gerundet) 0,351 mm 0,01382 Inch DTP-Pica (pc): 1/6 Inch (genau) 12 DTP-Punkte 4,233 mm 0,16666 Inch englisch / amerikanisches Pica: 1/6 Inch (gerundet) 12 Pica-Points 4,217 mm 0,16665 Inch Didot-Punkt (dd): 0,376 mm (alt) 0,375 mm (neu) DTP-Didot-Punkt: 0,376 mm 0,0148 Inch Cicero (cc): 12 Didot-Punkte 4,512 mm (alt) 4,500 mm (neu) 0,1776 Inch (alter C.) Abb. 10.3.2a: Typografische Maßeinheiten im Vergleich (Tabelle: Hammer)
10.3.3 Schriftlinien Schriftzeichen werden ähnlich wie Noten in einem (nicht dargestellten) Liniensystem angeordnet. Für das Handling und die Definition von Schriftgrößen ist die Kenntnis der unterschiedlichen Schriftlinien unumgänglich. Sie spielen vor allem dann eine Rolle, wenn Schrift
243
Maßsysteme
Ê-Linie k-Linie H-Linie x-Linie Abb. 10.3.3a: Schriftlinien und Schrifthöhen (Grafik: Hammer) Schriftgrad (H) Versalhöhe (V) Oberlänge (OL) Mittellänge (ML) Unterlänge (UL)
OL ML
Grundlinie p-Linie
V
H
UL
in einem Layoutraster angeordnet wird bzw. unterschiedliche Schriften kombiniert werden. Außerdem stellen sie ein wichtiges Differenzierungsmerkmal unterschiedlicher Schriftarten dar. Man unterscheidet folgende Begriffe für Schriftlinien und Höhendifferenzierungen (Abb. 10.3.3a): Die Grundlinie ist eine gedachte Linie, an der die Schrift ausgerichtet ist. Sie entspricht der Unterkante der meisten Zeichen ohne Unterlängen (engl. base line). Die Versalhöhe (V) ist die Höhe der Großbuchstaben (engl. capital height). Am besten ist sie zu messen an Buchstaben wie E, T, M, W. Manchmal wird die Versalhöhe dem Schriftgrad gleichgesetzt, dieser ist jedoch üblicherweise anders definiert. Die Unterlänge (UL) bezeichnet den Bereich eines Zeichens, um den die Kleinbuchstaben wie etwa g, p, q oder y unter die Grundlinie nach unten ragen. Die Mittellänge (ML) (auch x-Höhe) gibt die Höhe der Zeichen ohne Oberlängen wie etwa a, c, e, m oder x an. Kurventeile einzelner Zeichen (wie etwa beim r oder o) können bei einzelnen Schriften diese Linie überragen, was dem optischen Ausgleich dient. Dieses Überragen der x-Höhe bzw. Unterschreiten der Grundlinie wird als Überhang bezeichnet. Die Oberlänge (OL) ist der Bereich, um den die Kleinbuchstaben wie etwa k, l, d, h oder t über die Mittellänge hinausragen. Die Oberlängen ragen in der Regel ein wenig, abhängig von der jeweiligen Schrift, über die Höhe der Großbuchstaben (Versalhöhe) hinaus. Eine völlig eindeutige Definition des Schriftgrades (H) (auch Schriftgröße) gibt es nicht. Im Bleisatz verstand man darunter die Größe des druckenden Buchstabens zuzüglich eines kleinen Bereichs über und unter dem Buchstaben (= Kegelgröße). Heute versteht man darunter üblicherweise das Maß von der Oberlänge bis zur Unterlänge eines Buchstabens. Setzt man in DTP-Programmen eine Schrift ohne Zeilenabstand (100%), so stoßen die Unterlängen der oberen Zeile an die Oberlängen der darunter stehenden Zeile. Manchmal wird allerdings auch die Versalhöhe einer Schrift als Schriftgröße angegeben.
244
Typologie
Resümee Kapitel 10 10.3.4 Wirkung der x-Höhe Je nach Schrifttyp variieren die Relationen der Schriftlinien zueinander. Verschiedene Schriftarten mit dem gleichen Schriftgrad können oft unterschiedliche optische Größen haben. Das liegt daran, dass sie unterschiedliche Mittellängen (x-Höhen) aufweisen. Das ist zugleich ein wichtiges Erkennungsmerkmal der einzelnen Schrift (Abb. 10.3.4a). • Schriftarten mit hohen Mittellängen wirken größer als solche mit kleinen Mittellängen. • Solche mit übermäßig großer oder übermäßig kleiner x-Höhe sind meist schlechter lesbar als diejenigen mit mittlerer x-Höhe (Abb. 10.3.4b). • Je kleiner die x-Höhe, umso größer erscheint der optische Zeilenabstand, da zwischen den Zeilen mehr Freiraum entsteht.
10 H ML Arial Black
H ML Franklin Gothic
H ML Willow
H ML Letter Gothic
H ML Function LH
H ML
Arial Black Franclin Gothic
Clarendon LH Abb. 10.3.4b: Numerische und optische Schriftgröße (Grafik: Hammer)
Vendome Letter Gothic Function LH Clarendon LH
Abb. 10.3.4a: Unterschiedliche x-Höhen bei gleichem Schriftgrad (Grafik: Hammer)
10.4 Resümee Kapitel 10 10.4.1 Was Sie gelernt haben Im Kapitel 10 „Typologie“ haben Sie wichtige Begriffe der Typografie kennen gelernt. Sie kennen den Unterschied zwischen Antiqua- und Groteskschriften, zwischen monospaced und Proportionalschriften und zwischen Schriftstärke, Schriftbreite und Schriftlage. Sie haben gesehen, dass das Aussehen einer Schrift zugleich mit einer semantischen Aussage verbunden ist und zum Inhalt passen sollte. Sie wissen, welchen Zeichenvorrat vollständige Fonts umfassen. Sie können echte und unechte Kapitälchen sowie echte und unechte Bruchzahlen differenzieren. Sie wissen, welche Vorteile Ligaturen haben und wann Sie Mediävalziffern einsetzen.
245
Resümee Kapitel 10 Sie sind vertraut mit den wichtigsten Maßsystemen der Typografie und können z. B. den Schriftgrad und die Mittellänge den entsprechenden Schriftlinien zuordnen. Sie wissen, dass die Größenwirkung einer Schrift wesentlich durch deren x-Höhe bestimmt wird. Überprüfen Sie Ihr erworbenes Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz. 10.4.2 Der besondere Tipp: Maße beim Webdesign Im Printbereich werden Schriftmaße mit dem DTP-Punkt (pt) definiert. In den elektronischen Medien ist dagegen eine Definition über Pixelmaße (px) üblich. Wenn Sie Webseitenentwürfe erstellen, sollten Sie deshalb in den Voreinstellungen des benutzten Layoutprogramms die Maßeinheiten auf Pixel umstellen. Das schafft ein besseres Verständnis beim Einordnen der Schriftgröße zu anderen Abmessungen im Entwurf und erspart ein späteres Umrechnen in der Umsetzung. Ebenfalls verbreitet ist im Webdesign eine Schriftdefinition über die Geviertgröße (em).
246
Typologie
Quiz zu „ Typologie“
10
10.5 Quiz zu „ Typologie“ Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Lösungen (siehe Seite 418) Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. 10.5.1 (A) (B) (C)
Welchen Vorteil haben Serifenschriften? Im Printbereich sind sie besser lesbar Am Computer sind sie besser lesbar Im großen Schriftgrad sind sie besser lesbar
10.5.2 Was verstehen Sie unter „monospaced“ Schriften? (A) Monogrammartige Schriften (B) Eine Schrift, die nur auf einem einzigen Platz im Layout eingesetzt werden kann (C) Eine Schrift, bei der jeder Buchstabe den gleichen Platz benötigt 10.5.3 Was verstehen Sie unter Schriftlage? (A) Die Lage der Schrift im Seitenlayout (B) Die Angabe, ob eine Schrift horizontal, senkrecht oder auf dem Kopf stehend angeordnet ist (C) Die Angabe, ob eine Schrift normal oder kursiv gesetzt ist 10.5.4 Was sind Gemeine? (A) Kleinbuchstaben (B) Buchstaben mit Übergrößen, die über die Schriftlinie hinausragen (C) Gemeinsame Zeichen einer Schriftfamilie 10.5.5 (A) (B) (C)
Was sind Kapitälchen? Schriftzeichen der römischen Capitalis Großbuchstaben in Höhe der Kleinbuchstaben Großbuchstaben
10.5.6 (A) (B) (C)
Was sind Mediävalziffern? Ziffern einer mittelalterlichen Schrift Bruchziffern Ziffern mit optischem Ausgleich zur Grundlinie in Anpassung an das Schriftbild
10.5.7 (A) (B) (C)
Was sind Ligaturen? Verwandte Schriftfamilien Zusammengezogene Buchstaben Römische Steinmetze
Quizfrage 10.5.1
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 10.5.2
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 10.5.3
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 10.5.4
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 10.5.5
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 10.5.6
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 10.5.7
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
247
Quiz zu „ Typologie“ Quizfrage 10.5.8
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C) Quizfrage 10.5.9
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 10.5.10
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Lösung (D) Lösung (E) Lösung (F) Quizfrage 10.5.11
Lösung (A)
Lösung (B)
10.5.8 Was ist ein Geviert? (A) Eine relative Maßeinheit für die Höhe/Breite der Schrift (B) Ein Maß für den Buchstabenabstand von 1/4 eines Leerzeichens (C) Bezeichnung für eine viertelseitige Textspalte 10.5.9 Welches ist die heute im Desktop-Publishing gebräuchliche Maßeinheit zur Festlegung der Schriftgröße? (A) Pixel (px) (B) DTP-Punkt (pt) (C) Millimeter (mm) 10.5.10 Welches ist die x-Linie einer Schrift? Linie (A) Linie (B) Linie (C) Linie (D) Linie (E) Linie (F)
10.5.11 Welche Schriftlinien definieren die Schriftgröße (Schriftgrad)
A
248
Lösung (C)
B
C
Typoklassifikation Typoklassifikation
11
Typoklassifikation
Erik Spiekermann
11
Abb. 11a: Zitat Erik Spiekermann (Grafik: Hammer)
11.0 Einleitung 11.0.1 Lernziele In diesem Kapitel üben Sie sich darin, Schriftarten nach DINKategorien zu unterscheiden, und lernen, eine Schrift genau zu definieren. Sie lernen im Einzelnen: • Geeignete Unterscheidungsmerkmale unterschiedlicher Schriften • Die Einordnung der Schriften nach DIN-Klassifikation • Die Unterteilung nach überarbeiteter DIN • Die Beinert-Klassifikation • Die Merkmale computerlesbarer Schriften • Die Eigenarten so genannter neuer Schriften • Die weiteren Differenzierungsmerkmale innerhalb einer einzelnen Schrift nach unterschiedlichen Schriftschnitten • Die Differenzierung in Abhängigkeit vom Hersteller • Den Vorteil und Umfang verschiedener Schriftfamilien • Klassifizierungssysteme innerhalb einzelner Schriftfamilien Im abschließenden Quiz überprüfen Sie Ihr Vermögen, Schriften zu klassifizieren. 11.0.2 Schriften erkennen Ein allumfassendes Schriftmusterbuch gibt es nicht. Dazu existieren einfach viel zu viele Schriften, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Einige große Schriftenhäuser, deren Typen man
249
Schriftarten
Abb. 11.0.2a: Die feinen Unterschiede (Grafik: Ruske)
im Internet ansehen und bestellen kann, sind: Linotype, Fontshop, ITC Fonts oder URW. Diese Schriftenhäuser legen jeweils eigene Kataloge auf. Aufgrund der Verbreitung von Computern geht heute fast jedermann mit Schrift um. Die Sicherheit in der Anwendung von Typografie ist aber nicht gewachsen. Zum Erkennen und Benennen von Schriften gehört in erster Linie, dass man sich für Schriftformen sensibilisiert und sie schließlich differenzieren kann (Abb. 11.0.2a). Das funktioniert am besten bei charakteristischen Buchstabenformen. Kein „f“ ist wie das andere.
Linktipp zur Schrifterkennung: www.myfonts.com/WhatTheFont/ Literaturtipp zur Schrifterkennung: Samara, T.: Der Typo Scout, München 2006
11.0.3 Schriften definieren Die Bestimmung und Einordnung einer Schrift aufgrund ihrer typischen Merkmale ist ein wichtiger Arbeitsschritt im Umgang mit Typografie. Die Auswahl einer Schrift auf Basis ihrer Klassifikationsmerkmale stellt daher auch den ersten Schritt dar, wenn in der Entwurfsphase die Typografie festgelegt wird. Hat man eine Schrift ausgewählt, geht es dann aber darum, innerhalb der gewählten Schrift eine genauere Spezifikation vorzunehmen, z. B. hinsichtlich der Stärke der Schrift, ihrer Breitenausdehnung und des Schriftwinkels. Entsprechend wichtig ist es daher, auch in dieser Schrift intrinsische Klassifikations- und Unterscheidungsmerkmale zu kennen.
11.1 Schriftarten 11.1.1 Elemente der Schriftzeichen Schriftenkenntnisse erwirbt man durch intensives und genaues Betrachten von Schriftmustern, am besten mit einer Lupe! Schriften unterscheiden sich durch die Buchstabenformen, durch geringe, aber wichtige Variationen einzelner Elemente und nicht zuletzt durch das Zusammenwirken von Form und Zwischenräumen.
250
Typo klassifikation
Schriftarten
Haarlinie
Querstrich Serife
11
Rundungsachse Verdickung
Grundlinie
Diagonale Ohr
Sporn
Schulter
Punze
Steg Schleife
Auslauf
Bogen
Abb. 11.1.1a: Bezeichnung der Buchstabenteile (Grafik: Ruske)
Zunächst ist es sinnvoll, sich mit den verschiedenen Bestandteilen eines Buchstabens vertraut zu machen, damit man die Unterscheidungsmerkmale erkennt (Abb. 11.1.1a). Ist man in der Benennung der Buchstabenelemente sicher, schärft man den Blick fürs Detail und kann bald einen Font identifizieren und damit sich bei der Schriftauswahl im Team klar ausdrücken. Es gibt beispielsweise eine Vielzahl verschiedener Serifenformen, die ein entscheidendes Merkmal für die Einordnung in die verschiedenen Schriftenklassen darstellen. Eine charakteristische g-Schleife kann das Erkennungszeichen für eine bekannte Schrift sein und kann im Zweifelsfall helfen, zwei ähnliche Schriften voneinander zu unterscheiden.
Franklin Gothic Twentieth Century
Gill sans
Futura Officina sans
Abb. 11.1.1b: Gut unterscheidbare Zeichen (Grafik: Hammer)
251
Schriftarten
Venezianische Renaissance-Antiqua
Französische Renaissance Antiqua
Barock-Antiqua
Klassizistische Antiqua
Serifenbetonte Linear-Antiqua
Serifenlose Linear-Antiqua
Antiquavarianten
Schreibschriften
Ein typisches Schriftunterscheidungsmerkmal stellt auch das kleine a dar, das je nach Schrift als offenes Schulschrift „a“ erscheint, wie in geometrisch konstruierten Schriften wie der Futura, oder als das klassische „a“, wie es in der Arial, Franklin Gothic oder Gill sans existiert. Oft unterscheiden sich Schriften auch stark in ihren Zahlen und Sonderzeichen, insbesondere im &-Zeichen (11.1.1b). 11.1.2 Einteilung DIN 16518 Die Schriftklassifikation nach DIN 16518 ist ein Versuch, Ordnung in die unübersichtliche Menge von verschiedenartigen Schriftklassen zu bringen. Sie orientiert sich an stilistischen Schriftmerkmalen, spiegelt aber auch die historische Schriftentwicklung wider. Auf diesen Seiten kann es nur um Orientierungshilfe gehen. Die Einteilung stammt aus dem Jahr 1964, wird zudem von verschiedenen Schriftherstellern und Fachleuten unterschiedlich interpretiert und ist nicht unumstritten. Daher bleiben vor allem neuere experimentelle Schriftentwicklungen, wie sie im Rahmen der postmodernen Typografie verwendet werden, und vor allem Computerschriften unberücksichtigt. Nach der DIN-Norm werden elf Gruppen unterschieden. In der Tabelle (Abb. 11.1.2a) sind einige wichtige Erkennungsmerkmale (Symmetrie, Achsen, Endstriche, Serifen etc.) im optischen Vergleich dargestellt: (1) (2) (3) (4) (5)
Vorhandensein von Serifen Form der Serife Winkel oder auch Strichstärke des k-Schenkels Symmetrie der Rundungsachse Querstrich des e
I. Venezianische Renaissance-Antiqua“ Die venezianische Renaissance-Antiqua weist stark schräge Symmetrieachsen bei Punzen und dem Querstrich des e aus. Auffällig sind auch die ausgekehlten Serifen (Ursprung im Schreibfluss der Feder) und die starken Unterschiede zwischen fetten und feinen Linien. Beispiele: Centaur, Berkeley Old Style (Abb. 11.1.2b)
Handschriftliche Antiqua
Gebrochene Schriften
Centaur MT
Stempel Schneidler Roman
Fremde Schriften
Abb. 11.1.2a: Klassifikation nach DIN 16518 (Grafik: Ruske) Abb. 11.1.2b: Beispiele venezianische Renaissance-Antiqua (Grafik: Hammer)
252
ITC Berkeley Old Style Medium
Typo klassifikation
Schriftarten
11
II. Französische Renaissance-Antiqua Bei der französischen Renaissance-Antiqua sind die Querstriche meist gerade. Die Symmetrieachsen der Rundungen stehen deutlich schräg. Beispiele: Bembo, Garamond, Goudy Old Style, Sabon, Palatino (Abb. 11.1.2c)
Bembo
Goudy Old Style
Palatino Linotype Sabon Roman
III. Barock-Antiqua Die Barock-Antiqua weist gerade Querstriche auf, die Symmetrieachsen stehen fast vertikal. Serifen sind feiner und kantiger angesetzt. Auffällig sind starke Gegensätze zwischen feinen und fetten Schriftlinien. Beispiele: Baskerville, Caslon Old Face, Times (Abb. 11.1.2d) IV. Klassizistische Antiqua Bei der klassizistischen Antiqua stehen die Achsen gerade. Serifen bestehen aus Haarstrichen und sind stets waagerecht angesetzt. Beim k sind Schaft und Schenkel nicht verbunden. Auffällig sind auch hier die starken Gegensätze zwischen feinen und fetten Schriftlinien. Beispiele: Bodoni, New Century Schoolbook, Walbaum, Didot (Abb. 11.1.2e)
Abb. 11.1.2c: Beispiele französische Renaissance-Antiqua (Grafik: Hammer)
Caslon Classico
Times New Roman
Abb. 11.1.2d: Beispiele Barock-Antiqua (Grafik: Hammer)
Walbaum LT Roman
Century Schoolbook Regular
Bodoni Roman Linitype Didot LT Roman
Abb. 11.1.2e: Beispiele klassizistische Antiqua (Grafik: Hammer)
253
Schriftarten V. Serifenbetonte Linear-Antiqua Die serifenbetonten Linear-Antiquas weisen stark ausgeprägte Serifen auf in einer Strichstärke ähnlich der Grundstriche. Endstriche sind oft nach oben gebogen, z. B. beim a, t und R. Als älteste unter den serifenbetonten Schriften gilt die Clarendon mit runden Serifenübergängen. Beispiele: Clarendon, Rockwell, Egyptienne, Lubalin Graph, Typewirter (Abb. 11.1.2f)
Egyptienne F 55 Roman
Memphis Medium
Rockwell Regular
Abb. 11.1.2f: Beispiele Serifenbetonte Linear Antiqua (Grafik: Hammer)
Clarendon Roman
VI. Serifenlose Linear-Antiqua Serifenlose Linear-Antiquas haben gerade Achsen und grundsätzlich keine Serifen. Die Strichstärken sind einheitlich. Beispiele: Gill Sans Serif, Arial, Akzidenz Grotesk, Avantgarde, Futura, Gothic, Helvetica, Rotis Sans, Univers, Verdana (Abb. 11.1.2g)
Univers 65 Bold Arial Regular Futura Medium
Gill Sans MT
Abb. 11.1.2g: Beispiele serifenlose LinearAntiqua (Grafik: Hammer)
Antique Olive Bold
VII. Antiqua-Varianten Zu den Antiqua-Varianten werden alle Schriften gezählt, die nicht den Gruppen I-VI zugeordnet werden können; dabei handelt es sich um vorwiegend für dekorative Zwecke entworfene Fonts. Hier finden sich auch Linear-Antiquas mit variablen Strichstärken. Beispiele: Arnold Böcklin, Broadway, Optima, Savanna (Abb. 11.1.2h)
254
Typo klassifikation
Schriftarten
11
Bauhaus 93 Jokerman
Eurostyle Regular Lithos Pro
Broadway
Cooper Black
Abb. 11.1.2h: Beispiele Antiqua-Varianten (Grafik: Hammer)
VIII. Schreibschriften Die Gruppe der Schreibschriften umfasst alle Arten von künstlerisch geschriebenen Schul-, Kalligrafie- und Kanzleischriften, meist in kursiver Schriftlage. Beispiele: Künstler Script, Zapfino, Poetic (Abb. 11.1.2i)
Linotype Zapfino Three
Edwardian Script
Poetica Chancery 1
Abb. 11.1.2i: Beispiele Schreibschriften (Grafik: Hammer)
KünstlerScript Regular
IX. Handschriftliche Antiqua Zu den handschriftlichen Antiquas gehören alle Schriften, die in persönlicher Art das Alphabet abwandeln. Sie weisen meist einen handschriftlichen Charakter auf und zeigen oft nicht zusammenhängende Einzelbuchstaben. Beispiele: Mistral, Pepita, Kaufmann (Abb. 11.1.2j)
Pepita MT Rage Italic
Bradley Hand ITC
Mistral
Informal Roman
Abb. 11.1.2j: Beispiele handschriftliche Antiqua (Grafik: Hammer)
255
Schriftarten X. Gebrochene Schriften Gebrochene Schriften entstammen der gewachsenen Form der ursprünglichen Mönchshandschriften. Rundungen sind nicht in einem Fluss geschrieben, sondern mit Schrägstrichen „gebrochen“. Sie weisen meist fette Senkrechten und sehr feine Waagerechten und Schrägen auf. Man unterscheidet Rundgotisch, Schwabacher, Fraktur und Fraktur-Varianten Beispiele: Alte Schwabacher, Fette Fraktur, Clairvaux, Duc de Berry, Wilhelm Klingspor Gothisch (Abb. 11.1.2k)
Alte Schwabacher
Clairvaux Fette Fraktur
Duc de Berry
Abb. 11.1.2k: Beispiele gebrochene Schriften (Grafik: Hammer)
Song
Arto
Abb. 11.1.2l: Beispiele fremde Schriften (Grafik: Tu, Oubaghli) Das Wort Medien in der chinesischen „Song“ und der arabischen „Arto“
Linktipp zur Schriftklassifikation: www.typografie.info/typowiki/index. php?title=Schriftklassifikation_nach_DIN
256
Wilhelm Klingspor Gotisch
XI. Fremde Schriften Als so genannte fremde Schriften stuft man alle diejenigen ein, die nicht auf dem lateinischen Alphabet beruhen, z. B kyrillische, chinesische, japanische, arabische, hebräische Schriften (Abb. 11.1.2l). Schriftkategorien und ihre Ursprünge Unsere lateinische Schrift entstand aus der Capitalis Monumentalis. Sie entwickelte sich weiter über Unziale und Karolinger Minuskel bis hin zu den gebrochenen Schriften. Erst im Zeitalter der Renaissance wurden die ursprünglichen lateinischen Schriften wieder aufgegriffen. Daraus entstanden schließlich die uns heute bekannten Antiquaschriften (vgl. Kap. 9 Schrifthistorie). Die Groteskschriften (serifenlose Linear-Antiqua) entstanden im 19. Jahrhundert als technische Gebrauchsschriften. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Groteskschriften zur neuen Ideologie der modernen Typografie erhoben. Im Zuge der Industrialisierung und der rationalen Produktionstechniken galten die Antiquaschriften mit ihren Serifen als veraltet. Man musste sich jedoch bald eingestehen, dass, egal wie schön und klar das Schriftbild der neuen Schriften auch war, für die Lesbarkeit im Printbereich, vor allem von längeren Texten, Antiquaschriften deutliche Vorteile aufweisen, weshalb sie dort nach wie vor verbreitet sind.
Typo klassifikation
Schriftarten
11
11.1.3 Neue Klassifikationen Die beschriebene Schriftklassifikation nach DIN 16518 wurde 1998 überarbeitet. Bis heute ist der Neuentwurf jedoch nicht verabschiedet. Die überarbeitete Schriftklassifikation weist folgende fünf Hauptgruppen auf: • Gebrochene Schriften (Gebrochene Schriften, Unzialschriften, Renaissance-Antiquas) • Transitionals (Barock-Antiquas, Klassizistische Antiquas) • Serifenbetonte Linear-Antiquas • Lineare Schriften (Serifenlose Linear-Antiquas) • Geschriebene Schriften (Antiqua-Varianten, Schreib schriften) Eine andere Einteilung aus dem Jahr 2001 geht auf den Typografen Wolfgang Beinert zurück. Diese schließt u. a Ordnungsklassen für Zier- und Bildschirmschriften ein (Abb. 11.1.3a). Neben einer Einteilung in 9 Hauptgruppen werden eine Reihe von untergeordneten Klassifizierungsmerkmalen unterschieden (Abb. 11.1.3b).
Linktipp zur Schriftklassifikation nach Beinert: www.typolexikon.de/m/matrix-beinert-schriftklassifikation.html
HAUPT- UND UNTERGRUPPEN DER MATRIX BEINERT 1. ANTIQUA Französische Renaissance-Antiqua , Klassizistische Antiqua, Venezianische Renaissance-Antiqua Vorklassizistische Antiqua 2. EGYPTIENNE Clarendon-Schriften, Egyptienne-Schriften, Zeitungs-Antiquas 3. GROTESK Ältere Grotesk, Amerikanische Grotesk, Jüngere Grotesk, Konstruierte Grotesk 4. CORPORATE TYPOGRAPHY FONTS Duale Schriftsysteme, Trilogie-Schriftsysteme, CD-Schriften Klienten, DIN-, ISO- UND OCR-Schriften 5. ZIERSCHRIFTEN Decorative, Display, Script, Schreibmaschinenschriften 6. BILDSCHIRMSCHRIFTEN HTML/WWW-Fonts , PC-System Bitmap-Fonts, Pixel Fonts 7. GEBROCHENE SCHRIFTEN Fraktur, Rotunda, Schwabacher, Textura 8. NICHTRÖMISCHE SCHRIFTEN Asiatisch, Arabisch Griechisch und Kyrillisch, Hebräisch 9. BILDZEICHEN Astrologie, Codes, Grapheme, Illustrationen, Logos, Mathematik, Naturwissenschaft, Musik Ornamente und Zierrat, Piktogramme, Spiel
SCHRIFTGATTUNG [HAUPTGRUPPE]: Antiqua SCHRIFTART [UNTERGRUPPE]: Klassizistische Antiqua NEBENGRUPPE: Bodoni-Varianten FONT: Bauer Bodoni ® SCHRIFTSTIL/SCHRIFTSCHNITT: Kursiv FIGURENVERZEICHNIS: Mitteleuropa (nach ISO), Mac FOUNDRY: Linotype Library ®, 1996 TECHNOLOGY: PostScript 1 TYPE DESIGNER: Giambattista Bodoni (1790), 1926/1927 überarbeitet von Heinrich Jost und Lois Höll
Abb. 11.1.3a: Neufentwurf DIN 16518 (Grafik: Hammer)
Abb. 11.1.3b: Klassifikation nach Beinert (Grafik: Hammer)
257
Schriftfamilien
11.2 Schriftfamilien 11.2.1 Nutzen von Schriftfamilien Schriftfamilien werden überall dort gebraucht, wo Schrift systematisch zum Einsatz kommt: bei der wissenschaftlichen Gliederung von Büchern, im Corporate-Design (Hausschrift eines Unternehmens), Wegweisersystemen etc. Man kann für unterschiedliche Wertigkeiten der typografischen Information (Headline, Subheadline, Mengentext) jeweils eine andere Ausprägungsform der Schrift wählen und dennoch in der gleichen Schrift bleiben. Ein Unternehmen, das umfangreiche Drucksachen benötigt, wie Briefe, Berichte, Broschüren, Kataloge, Geschäftsberichte etc., ist einerseits auf ein einheitliches Erscheinungsbild angewiesen, andererseits muss die eingesetzte Schrift viele Funktionen erfüllen: Lesbarkeit, Gliederungseigenschaften, Hervorhebung, Übersichtlichkeit und einen klaren Stil. Da kommt man nicht mit drei oder fünf Schnitten aus. Überdies ist meist der Einsatz einer Serifen- und einer Groteskschrift unumgänglich. Bei Schriften zur Gliederung von Texten wie der „Stone“ zum Beispiel kann auf eine halbfette und extrafette nicht verzichtet werden. Außerdem gibt es sie als Antiqua für Lesetexte und ohne Serifen zur Erstellung von Tabellensatz oder Infografiken sowie in einem Zwischenschnitt, der Stone Informal. Wenn eine Schriftfamilie aus Grotesk- und Serifenschriften besteht, benutzt man dafür den Begriff „Schriftsippe“. Die „Thesis“ von Lucas de Groot ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine Sippe: Sie hat 144 Schnitte, die z. T. speziell für den Bildschirm entwickelt wurden, und wird bei der ARD verwendet. Einige Schriften bilden Schriftfamilien mit über 30 verschiedenen Schriftschnitten. Zu solchen „Großfamilien“ zählen z. B. die Futura und die „Helvetica“. Zu den beliebtesten Schriftfamilien heute zählen die „Frutiger“ und die „Univers“ von Adrian Frutiger, die „Meta“ von Erik Spiekermann sowie die „Rotis“ von Otl Aicher. Light LightItalic Book BookIOblique Medium MediumOblique Bold BoldOblique ExtraBold ExtraBoldOblique
Abb. 11.2.2a: Beispiele von Schnitten der Schriftfamilie Futura (Grafik: Hammer)
258
11.2.2 Die Futura Das 20. Jahrhundert war geprägt von einer umwälzenden Entwicklung, die auf alle Bereiche des Lebens Einfluss nahm – der Industrialisierung. Auch die Futura wurde von dieser neuen Rationalität geprägt. Sie entstand auf Grundlage rein geometrischer Formen, wie Kreise, Quadrate und Dreiecke, und wurde 1928 von Paul Renner entworfen (Abb. 11.2.2a). Diese neue funktionale Typografie war nun zwar von Verzierungen und Beiwerk befreit, es stellte sich aber auch bald heraus, dass längere Texte in einer reinen Groteskschrift gesetzt, wesentlich schwerer lesbar waren. Ein großer Nachteil der Futura ist ihre Laufweite. Die Buchstaben, welche sich ja auf geometrische Formen beziehen, laufen zwangsläufig sehr weit auseinander. Dies erschwert wiederum das Lesen, da das menschliche Auge die Buchstaben zu Wortkonstrukten
Typo klassifikation
Schriftfamilien
Light LightOblique
11
CondensedLight Condensed LightIOblique
Roman
Condensed
RomanItalic
CondensedOblique
Bold
CondensedBold
BoldItalic
Condensed BoldOblique
Black
CondensedBlack
BlackOblique
Condensed BlackOblique
UltraCompressed Compressed ExtraCopressed
Abb. 11.2.3a: Beispiele von Schnitten der Schriftfamilie Helvetica (Grafik: Hammer)
zusammenfassen will. Daraufhin wurden die Schriften, wie schon so oft, weiterentwickelt. 11.2.3 Die Helvetica Eine bessere Lesbarkeit bot die „Akzidenz-Grotesk“. Sie wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts als einfache Gebrauchsschrift entwickelt und löste nach 1950 die Futura als meistgebrauchte Schrift ab. Als Weiterentwicklung der Akzidenz-Grotesk entstand 1957 eine weitere bekannte Schriftfamilie, die „Helvetica“ von Max Miedinger. Sie wurde zur Hausschrift der Lufthansa (Abb. 11.2.3a). 11.2.4 Die Univers 1957 brachte auch Adrian Frutiger eine neue Schriftfamilie heraus – die „Univers“ (Abb. 11.3.4a). Diese Schrift hat zwar immer noch das Erscheinungsbild einer Groteskschrift, doch anders als bei der Futura variieren hier die Strichstärken. Auch das O wird nicht mehr als Kreis „gezeichnet“, sondern als Oval „geschrieben“. Diese Aspekte sorgen auch bei längeren Texten für eine wesentlich verbesserte Lesefähigkeit. Ein weitere große Leistung von Adrian Frutiger ist die neue, von vornherein geplante Systematik dieser Schrift: Sie besteht aus 21 Schnitten. Sie wird in einer numerischen Matrix geordnet, die übersichtlich und eindeutig ist. Jede Schrift ist dabei durch eine zweistellige Zahl definiert: Die erste Stelle bezeichnet die Schriftstärke, die zweite die Schriftbreite. Gleichzeitig erkennt man an der zweiten Stelle, ob es sich um eine normale (=gerade Zahl) oder kursive Schriftlage (= ungerade Zahl) handelt. Diese Art der Schriftsystematik hat sich in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt. Auch Frutigers Schriften tragen heute wieder die normalen Bezeichnungen in der Differenzierung der Schriftgrade.
Univers45 Univers45Italic Univers55 Univers55Italic Univers45Bold Univers45BoldItalic Univers55Bold Univers55BoldItalic UniversExtraBlack UniversExtraBlackItalic
Abb. 11.2.4a: Beispiele von Schnitten der Schriftfamilie Univers (Grafik: Hammer)
259
Schriftfamilien
TimesLT ExtraBold als Zeitungsüberschrift
TimesNewRoman Semibold für Unterüberschriften
Abb. 11.2.5a: Die Times im Zeitungssatz Grafik: Hammer)
TimesNewRoman Regular für Mengentext
TimesNewRoman SemiboldItalic für Auszeichnungen und Sondertexte
11.2.5 Die Times So gut lesbar die Univers auch ist, ein ganzer Roman in dieser Schrift wäre immer noch zu anstrengend zu lesen. Diesen LeseVorteil bietet nur eine Antiquaschrift. Eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Antiquaschriften ist die 1931 von Stanley Morison geschaffene „Times“ (Abb. 11.2.5a). Trotz Serifen wirkt diese Schrift keinesfalls „eingestaubt“, sondern bietet neben einem starken Eigencharakter und Dynamik, auch eine hervorragende Lesbarkeit bei längeren Texten. Sie wurde lange Zeit im Zeitungssatz eingesetzt. 11.2.6 Die Thesis Eine der umfangreichsten Familien ist zurzeit die Thesis von Lucas de Groot mit über 200 (!) verschiedenen Schnitten (Abb. 11.2.6a). Sie existiert in den Ausprägungen Sans, Serif, Mix und Antiqua. Sie ist speziell für die gute Lesbarkeit am Bildschirm entworfen worden und kommt als Hausschrift von ARD und WDR zum Einsatz.
Abb. 11.2.6a: Schriftfamilie Thesis (Grafik: Hammer)
TIPP: Sie können beim Fernsehen Ihr typografisches Auge grenzenlos schulen: achten Sie z. B. einmal darauf, für wie viele Einsatzgebiete die Thesis in verschiedensten Ausführungen z. B. in der Tagesschau verwendet wird. Außerdem wird sie Ihnen in guten Fachbüchern begegnen. 11.2.7 Herstellermerkmale Nur allein auf den Namen einer Schrift kann man sich nicht verlassen. Viele Schriften, wie z. B. die „Garamond“, werden
260
Typo klassifikation
Resümee
11
Adobe Garamond Regular
ITC Garamond Book
Simoncini Garamond Roman
Stempel Garamond Roman
Abb. 11.2.7a: Gleiche Schrift – unterschiedliche Hersteller (Grafik: Hammer)
von unterschiedlichen Herstellern (Adobe, ITC Berthold, Agfa, Linotype, Monotype etc.) angeboten. Obwohl diese Schriften auf den ersten Blick alle gleich aussehen mögen, gibt es doch subtile Unterschiede im Entwurf, beispielsweise unterschiedliche Serifen oder verschiedene Grauwerte im Fließtext. Diese können in der Gesamtheit dann doch ein deutlich anderes Erscheinungsbild hervorrufen (Abb. 11.2.7a). Für den Computer sind dies ohnehin unterschiedliche Schriften. Wird eine Schriftdatei, die auf einem anderen Computer gesetzt wurde, geöffnet, kann es sein, dass die Ursprungsschrift auf dem aktuell verwendeten Computer nicht vorhanden ist. Es folgt eine Fehlermeldung bzw. der Vorschlag, die Schrift zu ersetzen. Ersetzt man nun leichtfertig durch die gleiche Schrift eines anderen Herstellers, kann das bei umfangreicherem Satz zu Veränderungen im Umbruch führen.
11.3 Resümee 11.3.1 Was Sie gelernt haben Das Kapitel 11 „Typoklassifikation“ hat Ihnen Kenntnisse zur Unterscheidung von Schriften vermittelt. Sie wissen, welche Buchstaben besonders gut geeignete Unterscheidungsmerkmale aufweisen, und können unterschiedliche Buchstabenbestandteile fachlich richtig benennen. Sie kennen die alte, aber noch gültige Schriftklassifikation nach DIN 16518 und die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Schriftengruppen. Sie kennen auch die neue überarbeitete Klassifikation sowie die Schrifteneinteilung nach Beinert. Sie haben große Schriftfamilien wie die Helvetica und Futura kennen gelernt und erfahren, wozu man unterschiedliche Schnitte der gleichen Schrift braucht. Überprüfen Sie abschließend Ihr Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz.
261
Resümee 11.3.2 Der besondere Tipp: Schriften beifügen Nicht selten gibt es eine Schrift gleichen Namens von unterschiedlichen Schriftenhäusern. Auch wenn sie weitgehend gleich aussehen, gibt es doch feine Unterschiede im Schriftbild und der Laufweite. Diese können z. B. einen Umbruch verändern. In jedem Fall identifiziert sie der Computer als eigenständige Schriften. Soll ein von Ihnen gesetzter Text anderswo (z. B. in einem Belichtungsstudio) weiter verarbeitet werden, ist es deshalb ratsam, die verwendeten Schriften der Layoutdatei beizufügen. Auf einem Computersystem sollten möglichst nicht mehrere gleichnamige Schriften aktiviert sein, da es bei einigen Programmen zu Problemen in der Anzeige der Schriftnamen kommen kann.
262
Typo klassifikation
Quiz zu „Typoklassifikation“
11
11.4 Quiz zu „Typoklassifikation“ Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Lösungen (siehe Seite 418) Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. 11.4.1 (A) (B) (C)
Was ist eine Punze? Der Buchstabeninnenraum Die Bleiletter Ein Werkzeug zum Herstellen von Holzlettern
11.4.2 Welcher Schriftgruppe ordnet man die „Schwabacher“ zu? (A) Zu den gebrochenen Schriften (B) Zu den schwäbischen Schreibschriften (C) Zu den Schriftentwürfen von Georg Schwabacher 11.4.3 Woran erkennen Sie eine „serifenbetonte LinearAntiqua“? (A) An den haarfeinen, linienartigen Serifen (B) An kräftigen geradlinigen Serifen in Stärke der Grundstriche (C) Daran, dass Serifen an der Grundlinie geführt sind 11.4.4 (A) (B) (C)
Zu welcher Schriftgruppe gehört die „Bodoni“? Zu den klassizistischen Antiquaschriften Zu den handschriftlichen Antiquaschriften Zu den serifenlosen Linear-Antiquaschriften
11.4.5 In welche Kategorie der DIN 16518 werden neue Schriften wie Face, Blur, CanYou etc. eingeordnet? (A) Rubrik Antiqua-Varianten (B) Rubrik Neue Schriften (C) Rubrik Fremde Schriften 11.4.6 Welche Merkmale sind typisch für die „Klassizistische Antiqua“? (A) Schrägstehende Achsen, ausgekehlte Serifen (B) Haarfeine waagerechte Serifen, senkrechte Achsen (C) Fette Serifen, fette Buchstabenlinien 11.4.7 Worin besteht der Nutzen von Schriftfamilien? (A) Man kann unterschiedliche Wertigkeiten der Informationen differenzieren, bleibt aber dennoch in der gleichen Schrift (B) Große Schriftfamilien sind preiswerter als mehrere Einzelschriften (C) In Schriftfamilien ist die Gestaltung aller Buchstaben aufeinander abgestimmt
Quizfrage 11.4.1
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 11.4.2
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 11.4.3
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 11.4.4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 11.4.5
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 11.4.6
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 11.4.7
Lösung (A)
Lösung (B)
Lösung (C)
263
typosemantik typosemantik
12
Erik Spiekermann
12
Abb. 12a: Zitat Erik Spiekermann (Grafik: Hammer)
Typosemantik
12.0 Einleitung 12.0.1 Lernziele In diesem Kapitel lernen Sie unterschiedliche Aspekte der Typosemantik kennen. Sie lernen einige Grundbegriffe der Zeichentheorie und sehen Beispiele für typografische Anzeichen- und Symbolfunktionen. Anhand von Beispielen und Übungen entwickeln Sie eine Sensibilität für die Auswahl geeigneter Schriften im themenspezifischen Anwendungsbezug und Sie lernen sinnvolle systematische Vorgehensweisen für die Bewältigung typosemantischer Aufgaben. Sie lernen in diesem Kapitel im Einzelnen: • Grundbegriffe der Zeichentheorie und differenzieren Anzeichen- und Symbolfunktionen • Typische Charaktere exemplarisch ausgewählter Schriften • Gestalten mit bildsprachlicher Typografie • Die Anzeichenfunktionen im Machartbezug der Schrift • Die Symbolfunktionen im Kontextbezug der Schrift • Semantische Aufladung durch Schrifteffekte und Bildbearbeitung • Vorgehensweisen beim typosemantischen Gestalten Abschließend prüfen Sie Ihre Kenntnisse anhand des selbst evaluierbaren Quiz. Im Übungsteil und in der Entwurfsaufgabe „Logoentwicklung“ gewinnen Sie praktische Erfahrungen in der Auswahl einer zum jeweiligen Thema passenden Typografie.
265
Begriff Typosemantik
Fette Fraktur
Yorkshire
Copperplate
Data
Myriad Condensed
Digital Serial
Abb. 12.0.2a: Schriftcharakter (Grafik: Hammer) Nur in einer geeigneten Schrift kann die Wortbedeutung glaubhaft vermittelt werden.
266
12.0.2 Form und Inhalt Ein entscheidender Arbeitsschritt beim typografischen Gestalten ist die Auswahl einer zum Inhalt passenden Schrift. Vor allem im Aufgabenfeld der werblichen Typografie (Packungs-, Plakat-, Werbemittel-, Websitegestaltung etc.) ist das die vorrangige Aufgabe. Das ist keine Frage des persönlichen Geschmacks, sondern eine der gestalterischen Sensibilität für emotionale Ansprache durch Typografie. Eine unpassende Schrift zerstört die inhaltliche Aussage wie im Zitat von Erik Spiekermann. Jede Schrift hat einen eigenen „Schriftcharakter“, der sie für bestimmte Anwendungsbereiche geeigneter macht als für andere. Eine Headline „HighTech“ in einer Frakturschrift oder Schreibschrift kann allenfalls als Persiflage Bestand haben, glaubhaft wird das Wort „HighTech“ nur in einer technischen, präzisen Schrift vermittelt (Abb. 12.0.2a).
12.1 Begriff Typosemantik 12.1.1 Begriffe der Semiotik Bei der Auseinandersetzung mit der Beziehung von Form und Inhalt bedient man sich üblicherweise einer Terminologie aus der Semiotik, der Lehre der Zeichen. Alles kann als Zeichen interpretiert werden. Ein am Boden liegender Ast kann ein Zeichen dafür sein, dass zuvor ein Sturm stattgefunden hat. Derselbe Ast kann aber auch, wenn er z. B. auffällig und richtungsbezogen positioniert ist, als Wegweiser gedeutet werden. Bezogen auf die Typografie bilden die Buchstaben Zeichen par exellance. Typografische Zeichen stehen zunächst einmal für bedeutungshaltige Buchstaben. Sie wirken aber auch als Form auf der Fläche in Relation zu anderen Buchstaben. Durch ihre spezifische Gestaltung vermitteln Sie weitere Bedeutungsinhalte, die z. B. eine Aussage über das Schreibwerkzeug, einen Stil oder eine Stimmung machen. In der Semiotik unterscheidet man im Wesentlichen drei Gebiete, die Syntaktik, die Semantik und die Pragmatik. Die Syntaktik beschreibt die Beziehung der Zeichen untereinander und somit Problemstellungen, wie sie beispielsweise in der grundlegenden Komposition vorkommen und unter den Aspekten der optischen Täuschungen untersucht werden. Die Semantik bezeichnet die Bedeutungsdimension der Zeichen. Hier sind nicht nur die linguistischen Wortbedeutungen gemeint, sondern vor allem diejenigen Bedeutungsinhalte, die über die Erscheinungsform der Schrift transportiert werden. Die Pragmatik beschreibt das aus dem Verständnisprozess resultierende Verhalten eines (menschlichen) Interpreten, z. B. eine Handlung aufgrund der interpretierten Wortbedeutung oder eine Reaktion aufgrund einer vermittelten Stimmung.
Typosemantik
Begriff Typosemantik
Benutzer
FUNKTIONEN
Praktische Funktionen
12
Produkt
Produktsprachliche Funktionen
Zeichenhafte Funktionen
Anzeichenfunktionen
Symbolfunktionen
Formalästhetische Funktionen
12.1.2 Produktfunktionen Der Begriff Typosemantik ist in Parallelität zum Begriff Produktsemantik gebildet. Produktsemantik kennzeichnet im Bereich der (dreidimensionalen) Produktgestaltung die bedeutungsvolle Form-Inhalt-Beziehung und nutzt dabei Begrifflichkeiten der Semiotik. An der Hochschule für Gestaltung in Offenbach wurde Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts eine Theorie der Produktsprache entwickelt, die neben den praktischen (physischen) Produktfunktionen auch die produktsprachlichen und zeichenhaften Funktionen unterscheidet. Produktsprachliche Funktionen sind diejenigen Informationen, die über die formgestalterischen Ausprägungen vermittelt werden und Auskunft über tatsächliche oder vermeintliche Qualitäten des Produktes geben. Daraus resultieren u. a. emotionale Regungen, die den Zugang zu einem Produkt erleichtern oder Ablehnung hervorrufen (Abb. 12.1.2a). Im Einzelnen werden dabei solche gestalterischen Ausprägungen unterschieden, die auf Sachverhalte hinweisen, die direkt am Objekt vorhanden sind bzw. auf das Objekt rückverweisen (Anzeichenfunktionen) und auf solche, die über das Objekt hinaus verweisen (Symbolfunktionen). Anzeichenfunktion hat z. B. die Riffelung einer Taschenlampe als Anzeichen für die Griffposition. Im typografischen Anwendungsbezug ist etwa der dynamische, ausfransende Strich einer Pinselschrift Anzeichen für die spezifische Art der Schriftproduktion mit dem Pinsel und verweist somit auf das Zeichenobjekt Schrift zurück. Fernöstlich wirkende Elemente in einer Schrift stehen dagegen als Symbol für das Asiatische, sie verweisen also über das Zeichenobjekt Schrift hinaus in Herkunfts- oder Anwendungsbereiche. Symbolfunktionen vermitteln über symbolhaft eingesetzte Formelemente assoziative Bezüge z. B. zum Gebrauchsumfeld, zur Wertigkeit oder zur Zielgruppe.
Abb. 12.1.2.a: Produktfunktionen nach Gros (Grafik: Hammer)
Literaturtipp zur Theorie der Produktsprache: Fischer, R.; Mikosch, G.: Anzeichenfunktionen, 1984 Gros, J: Grundlagen einer Theorie der Produktsprache, 1983 Gros, J: Symbolfunktionen, 1987
267
Schriftcharaktere
Max Mustermann
Max Mustermann Dipl. Mediendesigner
Dipl. Mediendesigner
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[email protected] Neidenburgerstr. 43 45477 Gelsenkirchen Fon. 0209 9596-704 Fax. 0209 9596-704
Abb. 12.2.1a: Schriftcharaktere (Grafik: Hammer) Auf der Visitenkarte macht die Schrift eine Aussage über die Person. An wen würden Sie einen Designauftrag vergeben?
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[email protected] Neidenburgerstr. 43 45477 Gelsenkirchen Fon. 0209 96 96 -704 Fax. 0209 96 96 -704
12.2 Schriftcharaktere 12.2.1 Schrift als Ausdrucksmittel Schriften weisen viele unterschiedliche Charaktere auf. Diese resultieren zum Teil aus der Zeit ihrer Entstehung (vgl. Kap. 9), aus der Art ihrer Herstellung (Steinschriften, Federkielschriften etc.) oder aus ihrer Anwendungsbestimmung (Headlineschriften, Plakatschriften etc.). Diese Schriftmerkmale verweisen oft über die eigentliche Schrift hinaus auf Eigenschaften, die dem Betrachter oder dem Schrifteinsatzgebiet zugeordnet werden. Wer eine Schnörkelschreibschrift auf der Visitenkarte zeigt, macht damit eine andere Aussage über sich, als derjenige, der dort eine Rotis einsetzt (Abb. 12.2.1a). Mögliche Charakterisierungseigenschaften von Schriften sind vielfältig und hier nur exemplarisch differenziert. Zum einen sind hier die Charakterunterschiede von Standardschriften anzuführen, zum anderen die weitaus deutlicheren Charakteristika von Headlineschriften. 12.2.2 Charakteristika von Standardschriften Bereits innerhalb der großen Gruppe der etablierten Standardschriften lassen sich die Schriften nach Charaktermerkmalen wie modern-altmodisch, streng-locker, statisch-dynamisch, vornehmalltäglich, leicht-schwer etc. differenzieren.
Abb. 12.2.2a: Schriftcharakter: Technikunternehmen (Grafik: Hammer) Für ein technisches Unternehmen eignet sich keine Book Antiqua Bold, sondern eine klare Groteskschrift. Wenn es sich zudem modern und dynamisch geben will, ist eine steife Futura oder eine alltägliche Arial weniger geeignet als eine elegante Rotis sans serif. Abb. 12.2.2b: Schriftcharakter: Hotel für Fiftyplus-Zielgruppe (Grafik: Hammer) Eine Comic Sans ist für ein „gut bürgerliches“ Hotel eine ebenso falsche Botschaft wie eine Arial. Besser geeignet sind nicht zu extravagante Schreibschriften wie die Poetica Chancery oder die Monotype Corsiva.
268
Book Antiqua bold
Comic Sans
Arial black
Arial CE
Futura bold
Poetica Chancery I
Rotis sans serif
Monotype Corsiva
Typosemantik
Schriftcharaktere
Kabel ultra
Futura regular
Washington extralight
Impact
Helvetica thin
Machine
Helvetica black
Rotis sans serif
12
Abb. 12.2.2c: Schriftcharakter: leicht – schwer (Grafik: Hammer) Ausdruck von Leichtigkeit und Schwere: Die zarten Striche und die reduzierten Formen einer Washington wirken noch leichter als die Zeichen einer Helvetica thin. Und die schmalen Buchstabeninnenräume lassen die Kabel noch schwerer erscheinen als eine Helvetica black. Abb. 12.2.2d: Schriftcharakter: Strenge (Grafik: Hammer) Groteskschriften wirken meist strenger als Antiquaschriften. Dennoch ist hier die Bandbreite enorm groß, von der konservativen Strenge und Steifigkeit einer Futura bis zur beschwingten Klarheit einer Rotis sans serif mit dynamisierten Linien.
Ein Unternehmen, das technische Produkte herstellt, wird sich nicht mit einer Antiquaschrift darstellen, sondern in einer sachlich/ technischen Groteskschrift (Abb. 12.2.2a). Ein bürgerliches Hotel, welches sich an einen älteren Personenkreis als Zielgruppe richtet, wählt dagegen eine konservative Schreibschrift wie z. B. die Monotype Corsiva. Die ersten zwei hier abgebildeten Beispiele wären indessen sehr unpassend. Eine ComicSchrift sollte für solche Zielgruppen nicht verwendet werden; eine Arial ist grundsätzlich nichts sagend. Vielleicht entscheidet man sich auch für eine nicht allzu ausgefallene Schreibschrift wie die Poetica Chancery (Abb. 12.2.2b). Natürlich lassen sich fast alle Schriften durch Auswahl der Schnitte „leicht“, „ultraleicht“ einerseits oder „fett“, „extrafett“ andererseits in leichte oder schwere Schriften verwandeln. Es macht jedoch einen Unterschied, ob Sie irgendeine Schrift auf diese Weise differenzieren oder ob Sie Schriften suchen, die wirklich den Charakter von „Leichtigkeit“ oder den Charakter von „Schwere“ vermitteln (Abb. 12.2.2c). Groteskschriften wirken naturgemäß klarer, einfacher, technischer, konstruktiver und dadurch meist nüchterner und strenger als Antiquaschriften. Unter den Groteskschriften zeichnen sich konstruierte Schriften mit gleicher Strichstärke und konstruiertem Charakter wie die Futura als deutlich strenger aus als solche mit fließender Linienführung wie die Rotis (Abb. 12.2.2d). 12.2.3 Charakteristika von Headlineschriften Speziell in der grafischen Typografie sind so genannte Headlineoder Auszeichnungsschriften verbreitet. Sie funktionieren nur in großen Schriftgraden und sind somit für den Mengentext tabu. Headlineschriften haben explizit die Aufgabe, über ihre Anmutung den unmittelbaren Bezug zum jeweiligen thematischen Inhalt zu vermitteln. Sie werden eingesetzt für Firmen-, Marken- und Produktlogos, Einladungen zu besonderen Ereignissen, Speisekarten, Filmtitel, Urkunden, Plakate und auf Webseiten. Headlineschriften weisen sehr ausgeprägte Charaktere auf, die sie in ihrem Gebrauch eindeutig einem bestimmten Kontext zu-
269
Schriftcharaktere
FajitaI picante
Abb. 12.2.3a: Schriftart nach Kontext (Grafik: Ruske) Die Fajital picante ist eine lustige Schrift für die Karnevalseinladung, wäre aber äußerst unpassend für das Hochschullogo.
Rotis
Frutiger medium
Arial black
Balloon fett
Abb. 12.2.3b: Billig-Eindruck (Grafik: Ruske) Die vornehme Rotis passt nicht zum Discounter, eine fette Balloon unterstreicht dagegen den Billig-Eindruck.
Abb. 12.2.3c, d, e: Verspielte Schriften, Plakative Schriften, Dynamische Schriften (Grafiken: Hammer)
ordnen und somit in ihrer Verwendungsbreite einschränken. Die Verwendung im falschen Kontext wirkt hier sofort komisch und irritierend. Eine verspielte Schrift im Logo der virtuellen Fachhochschule zerstört das Vertrauen in diese Institution, während die gleiche Schrift für eine Karnevalsparty genau richtig ist (Abb. 12.2.3a). Ein Discounter dagegen wirkt mit einer Rotis oder Frutiger nicht mehr billig, hier erwartet man plakative Headlines in einer fetten Arial oder Balloon in grellen, aufdringlichen Farben und Größen. Absolut tabu sind hier Serifenschriften (Abb. 12.2.3b). Mit Headlineschriften lassen sich z. B. sehr gut Charaktere wie verspielt, plakativ, dynamisch, extravagant etc. ausdrücken. Verspielt wirken Schriften mit Zierelementen, solche mit schwungvoller Linienführung oder mit wackelnden Buchstaben. Ihr besonderes – sehr eingegrenztes – Einsatzgebiet ist der Anwendungsbereich Kinder, Lustiges, Feuilleton. Eine Typografie, die sicherlich weit entfernt ist von guter Lesbarkeit, aber warum nicht? (Abb. 12.2.3c) Als plakativ gelten Schriften mit Fernwirkung, in der Regel sehr fette, schwere Schriften, aber auch solche mit eigenständigem oder eigenwilligem Charakter, wie ihn viele Auszeichnungsschriften aufweisen. Häufig hierzu eingesetzte Schriften sind Kabel, Goudy, Balloon, CooperBlack (Abb. 12.2.3d). Als dynamisch gelten allgemein schwungvolle Schreibschriften oder kursive Schriften. Schriftendynamik resultiert aber auch aus
Davida
Yorkshire
Balloon extrabold Spumoni
Fajital picante
Marigold
Kabel ultra
Myriad kursiv
KhakiTwo
WarumNicht
270
Tekton
CooperBlack bold
Rotis sans serif
Bildsprachliche Typografie
Typosemantik
12
dem Charakter der einzelnen Buchstaben. Ungleiche Breiten und spannungsreiche Schriftzeichen verleihen z. B. auch einer Rotis eine gewisse Dynamik.
12.3 Bildsprachliche Typografie 12.3.1 Bildzeichen als Buchstabenersatz Eine interessante und aufmerksamkeitsstarke, jedoch eher wenig verbreitete Art typografischen Gestaltens ist der Einsatz bildsprachlicher Elemente als Ersatz oder Ergänzung zu den Wortzeichen. Mit bildsprachlicher Typografie sind hier diejenigen Beispiele bezeichnet, bei denen einzelne Buchstaben oder Buchstabenfolgen durch Bildsymbole ersetzt sind. Wird in Abb. 12.3.1a das Bild durch das jeweilige Wort ersetzt, ergibt sich der Sinn, allerdings nur in der vorgelegten Sprachversion. Im Beispiel oben ergibt sich englischsprachig „hEARing“, deutschsprachig „OHRring“. Im mittleren Beispiel entsteht „EINSam und verZWEIfelt“. Das untere Beispiel zeigt eine Anwendung, wie sie in den USA im Verkehrsbereich gebräuchlich ist, mit dem X als Zeichen für „Cross“. Bekannt ist dieser Ansatz u. a. aus Bilderrätseln.
hEARing
OHRring
einsam und verzweifelt
ing Crossing
Abb. 12.3.1a: Bildzeichen als Buchstabenersatz (Grafik: Hammer)
12.3.2 Bildzeichen als Wortersatz Eine Variante bildsprachlicher Typografie besteht darin, dass nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Wortbegriffe (insbesondere gegenständliche) in einem Satz durch bedeutungshaltige Bildsymbole ersetzt werden. Die Art der bildhaften Darstellung kann dabei unterschiedlich sein (Abb. 12.3.1b). 12.3.3 Bildkontext im Wort In einer anderen Variante werden einzelne geeignete Buchstaben (vorzugsweise O, A, I, U, M, V, W, X) durch wortsinnbezogene Bildzeichen ersetzt, die der ursprünglichen Buchstabenform ähnlich sind. Diese vermitteln direkt und unmissverständlich den jeweiligen Kontext (Abb. 12.3.1c).
Abb. 12.3.2a: Bildzeichen als Wortersatz (Grafik: Hammer) Setzt man anstelle der Bilder die Wörter ein, stehen hier die Ausdrücke: „durch die BLUME sagen“, „ein HAUS bauen“, „Zwei BÄUME pflanzen“.
Abb. 12.3.3a: Bildkontext im Wort (Grafik: Hammer) Durch die kontextbezogene Bildvariante der Buchstaben O und U in den Worten Sonne, Tunnel und Tor wird die Wortbedeutung ausdrucksstark vermittelt.
271
Anzeichen- und Symbolfunktionen
12.4 Anzeichen- und Symbolfunktionen
Abb. 12.4.1a: Originale Machart (Fotos: Hammer)
12.4.1 Machartbezug Typografische Zeichen lassen sich bekanntlich auf vielfältige Weise erzeugen. Man kann sie aus Stein meißeln, mit dem Federkiel schreiben, mit dem Pinsel malen, mit Schablonen oder Stempeln aufbringen, ausstanzen, einprägen etc. Je nach Machart weist die Schrift eine spezifische Ausprägung auf, die den Herstellungsprozess erkennbar macht (Abb. 12.4.1a). Die Art ihrer Produktion bestimmt das Aussehen der Schrift: Die Neonschrift besteht aus einem fortlaufenden gebogenen, gasgefüllten Glasrohr. Die Schreibmaschinenschrift zeigt deutlich ungleiche Anschläge und unsaubere Buchstaben, der Stempelaufdruck verrät durch seine Wischeffekte und den ungleichen Andruck seine Eigenart und der Aufdruck auf der Holzkiste lässt sich problemlos als Schablonenschrift erkennen.
Mistral
GlaserStencil
Chromatic
ParkAvenue
Abb. 12.4.1b: Simulation des Schreibwerkzeuges (Grafik: Hammer) Die Schrift lässt das Schreibwerkzeug erkennen: Pinsel, Schablone, Schreibfeder, Meißel, Zeichenstift.
Abb. 12.4.1c: Materialität in der Schrift (Grafik: Hammer)
272
Lithos
BermudaSquiggle
Nach der zuvor getroffenen Unterscheidung in Anzeichen- und Symbolfunktionen zählen diese Beispiele zu den Anzeichenfunktionen, da die Merkmale der Schrifterstellungswerkzeuge im Zeichen selbst anwesend sind. Allerdings ist dies bei Computerschriften, z. B. im Stil einer Pinselschrift, nur mehr das computergenerierte Anzeichen des Pinselstrichs, da ja nicht wirklich mit dem Pinsel geschrieben wurde. Die Zusammenstellung zeigt Computerschriften, die allesamt eine bestimmte Machart andeuten (Abb. 12.4.1b). Selbst die Unzulänglichkeiten mancher Herstellungsprozesse, wie bei Stempel und Schreibmaschine, wird nachgestellt. Gleiches gilt für Schriften, die Dreidimensionalität und Materialität darstellen (Abb. 12.4.1c). Besonders überzeugende Darstellungen von Materialität in der Typografie lassen sich mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen erreichen. Der Begriff „Anzeichenfunktionen“ wurde der Offenbacher Terminologie entlehnt. Bei Gros (1973) findet sich dazu folgende Definition:
Typosemantik
Anzeichen- und Symbolfunktionen „Wir definieren Anzeichen (Anzeichenfunktionen) als diejenigen zeichenhaften Funktionen, die durch unmittelbare Anwesenheit ihres Gegenstandes den Betrachter zu einem angemessenen Verhalten auffordern. ... Anzeichen beziehen sich damit auf die praktischen Funktionen oder geben über technische oder andere Produktmerkmale Auskunft.“ Wenn es im Informationsvermittlungsprozess von Belang ist, kann die typosemantische Dimension des Machartbezuges genutzt werden, um eine gelungene Schriftauswahl zu treffen. Für eine Headline eines Berichtes über Geheimakten bietet sich z. B. eine ausgefranst wirkende Stempelschrift (Bezug zum Aktenstempeln) an, für die Buttons der Website eines Teeversenders könnte das Motiv der Schablonenschriften auf Teekisten geeignet sein. 12.4.2 Kontextbezug Schriftmerkmale können nicht nur – wie im Beispiel des Machartbezuges – auf die Schriftzeichen zurück verweisen, sondern im Sinne der Symbolfunktionen auch darüber hinaus, z. B. auf den Gebrauchs- oder Herkunftskontext. Hier kann u. a. differenziert werden in Merkmale, die eine bestimmte Stilrichtung, eine historisch-zeitliche Zugehörigkeit oder eine geografisch-regionale Ausrichtung deutlich machen. Der Begriff „Symbolfunktionen“ wurde der Offenbacher Terminologie entlehnt. Bei Gros (1983) findet sich folgende Definition: „Als Symbole (Symbolfunktionen) bezeichnen wir diejenigen zeichenhaften Funktionen, die unabhängig vom unmittelbaren Vorhandensein des Bezeichneten wirken, die also mit einer Vorstellung assoziiert sind. Symbole verweisen damit über technische Merkmale und praktische Funktionen eines Produktes hinaus auf kulturelle, soziale etc. Bezüge.“
12
Abb. 12.4.1d: Passende Machart (Grafik: Hammer) Die vermittelte Machart der Schrift passt in den Kontext: Stempelschrift auf einer Akte, Schablonenschrift auf den Websitebuttons eines Teeversandes.
Stil und Zeitbezug Schriften, die in einer bestimmten Zeitepoche entstanden sind, zeigen oftmals Stilmerkmale dieser Zeitepoche, neuere Schriften bilden diese nach. So existieren zahlreiche neue Schriften mit Fraktur- und Unzial-Elementen oder mit Jugendstilcharakter (Abb. 12.4.2a).
American Uncial
Fette Fraktur
Arnold Böcklin
Abb. 12.4.2a: Kontextbezug: Stil, Zeit (Grafik: Hammer) Bezug zu Zeitepochen durch Verwendung typischer Stilmerkmale der jeweiligen Epoche in der Schrift
273
Anzeichen- und Symbolfunktionen
Wongdon
Regionaler Bezug Manche Schriften weisen regionsbezogene Merkmale auf, die ihnen einen fremdländischen Charakter verleihen, ohne dass sie wirklich eine fremdländische Schrift darstellen (Abb. 12.4.2b). Ein Beispiel ist das Schild des Restaurants „Babylon“ (Abb. 12.4.2c).
FF Bagel
Algerian
Abb. 12.4.2b: Kontextbezug: Region (Grafik: Hammer) Abb. 12.4.2c: Restaurantschild (Foto: Hammer) Die aufwändige Simulation arabischer Schrift des Restaurants „babylon“ ist nur mit Mühe lesbar, aber grafisch sehr reizvoll.
Schriften wie die Playbill oder die Thunderbird hat jeder bereits in Westernfilmen gesehen. Sie stehen in einem traditionell und regional begründeten Anwendungsbezug und sind damit semantisch als Westernschrift fixiert (Abb. 12.4.2d). Außerdem werden sie gerne im Bereich Zirkus und Varietée eingesetzt.
Playbill
Thunderbird
Abb. 12.4.2d: Kontextbezug: Wilder Westen, Zirkus (Grafik: Hammer)
Startrek
Univers
VAG rounded
Abb. 12.4.2e: Kontextbezug: Marke Grafik: Hammer)
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Old Town
Marken/Unternehmensbezug Manche Schriften stehen im Corporate-Bezug, d.h., sie sind exklusiv einem Unternehmen oder einem medialen Ereignis zugeordnet. Markenschriftzüge, Comictitel oder Filmgrafik zählen hierzu. Beispiele sind die Schrift Startrek als Erkennungsmerkmal der gleichnamigen Fernsehserie oder die VAG rounded als ARAL- und Volkswagen-Schrift (Abb. 12.4.2e). Emotionaler Bezug Auch die Informationsaufnahme emotional besetzter Begriffe wie Furcht, Horror, Kälte, Wärme etc. kann durch eine semantisch aufgeladene Typografie verstärkt werden (Abb. 12.4.2f).
Typosemantik
Semantische Aufladung
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IceAge
F2F Shakkarakk
Silkscreen
Abb. 12.4.2f: Kontextbezug: Emotion (Grafik: Hammer)
Schriften aus/mit Bildmotiven Manche Schriften werden aus Bildelementen eines Anwendungsbereiches oder aus Menschenkörpern, Pflanzen, Fingern etc. gebildet (Abb. 12.4.2g). Aufgrund des extrem bildhaften Ausdruckes der Schrift ist sie nur sehr eingeschränkt und nur für kurze Begriffe nutzbar. Solche Schriften sind ein Gag, der allerdings höchstens im Ausnahmefall eine Daseinsberechtigung hat.
Cutout
Toolbox
Ouch
Abb. 12.4.2g: Kontextbezug durch Bildmotive (Grafik: Hammer) Schriften aus Bildmotiven sind ein netter Gag, der sich schnell verbraucht. Die „Cutout“ deutet menschliche Körper an; die Toolbox ist aus Werkzeugsymbolen aufgebaut; in der „Ouch“ sind es Symbole des medizinischen Bereiches.
12.5 Semantische Aufladung 12.5.1 Gestaltende Typoveränderung Mit semantischer Aufladung wird die offensichtliche Veränderung einer Schrift bezeichnet, die diese in einem spezifischen Anwendungsbezug zu einem bedeutungsvollen Informationsträger macht. Meist werden dazu bildhafte Elemente des zu bezeichnenden Themenbereiches in die Schrift eingearbeitet. Derart veränderte Schriften bestehen deshalb häufig aus bedeutungsträchtigen Bildzeichen. Aber Vorsicht: Schriften dieser Art haben oft eine sehr aufdringliche semantische Ausprägung. Sie sind deshalb sehr sparsam, z. B. nur für einen einzelnen Wortbegriff, einzusetzen. Behutsam angewandt, lassen sich durch diese Mittel aber sehr starke semantische Bezüge erreichen.
275
Semantische Aufladung
Abb. 12.5.1a: Semantische Aufladung: heiß – kalt (Studienentwürfe Eschenröder, Palmowski, Salmen, Wagner) Abb. 12.5.1b: Semantische Aufladung: leicht – schwer (Studienentwürfe Wagner) Abb. 12.5.1c: Semantische Aufladung: laut – leise (Studienentwurf Salmen, Wagner)
Ein geeigneter Einsatzbereich sind Produktnamen, Spieleverpackungen oder Headlines in Illustrierten. Zu unterscheiden sind bei der semantischen Aufladung solche Verfahren, bei denen man die Schrift mit bildhaften Elementen umgestaltet, und solche, bei denen man eine Schriftveränderung durch Schrifteffekte, wie sie in vielen Grafik- und Bildbearbeitungsprogrammen verfügbar sind, vornimmt. Durch Einarbeiten typischer Merkmale aus dem Kontext des Wortsinnes lassen sich einzelne Begriffe extrem stark semantisieren. Zusätzlich werden eindeutige Bezüge durch geeignete Farben geschaffen. Besonders deutlich wird dies bei begrifflichen Gegensatzpaaren wie heiß–kalt, schwer–leicht, laut–leise etc. Die gezeigten Beispiele sind Studienarbeiten eines 2. Semesters in Medieninformatik (Abb. 12.5.1a, b, c).
Abb. 12.5.1d: Anwendungsbeispiel Lyrik (Studienentwurf Bensmann) Aufwändige Schriftgestaltung im Bildbearbeitungsprogramm
12.5.2 Schrifteffekte Mit einfachen Mitteln lässt sich am Computer jede Schrift verändern. Durch den Einsatz von Schrifteffekten wird dabei der Schriftcharakter beeinflusst. Beispielsweise lässt sich über Glow-Effekte das Flair einer Neonschrift erzeugen; Verlaufsfüllungen erinnern an die
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Semantische Aufladung Zeichnungen von Autodesignern und durch geeignete Effektkombinationen wirken Schriften wie aus Plastik gegossen, verchromt oder aus Plexiglas geschnitten. Die Anwendung gilt ausschließlich für großformatige Headlines und/oder singuläre Worttypografie (Logos und Buttons), nicht für Lauftext. Zu unterscheiden sind hier die Standardeffekte aus Layoutprogrammen (Abb. 12.5.2a) und die Standardebeneneffekte und Filtereffekte in Bildbearbeitungsprogrammen (Abb. 12.5.2b). Effekte aus der Bildbearbeitung sind Thema der Bildgestaltung und werden hier nicht ausführlich vorgestellt. Durch Reduzierung auf die Outline-Kontur wirken selbst extrafette Schriften leicht. Schriften mit sehr dünnen Schriftlinien sind dazu jedoch ungeeignet. Zusätzliche Außenkonturen in der Linienführung der Buchstaben lassen sich schnell und einfach mit dem Umrandungsbefehl erstellen. Sie werten ein einzelnes Wort auf und erlauben durch Farbkonturen auch zweifarbige Buchstaben. Achten Sie dabei auf gelungene Farbzusammenstellungen und vergrößerte Laufweiteneinstellung! Schatteneffekte sind heute Standard in vielen Layout- und Bildbearbeitungsprogrammen. Entsprechend häufig werden sie angewendet und sind daher mehr oder weniger in der Wirkung verbraucht. Im Einzelfall kann eine Schattenhinterlegung dennoch sinnvoll sein, um z. B. eine Schrift vom Hintergrund besser abzuheben. Schatten lassen Schriften schweben, machen diese also leichter. Mit Prägungseffekten in Bildbearbeitungsprogrammen lassen sich Schriften plastisch darstellen entweder als eingeprägte oder ausgeprägte Schrift. Mit Filtereffekten lassen sich Schriftränder verändern: z. B. durch Weichzeichnen, Ausfransen oder Soften. Texturen, Bildfüllungen, Farbverläufe etc. machen Schriften zu Bildern mit Erzählcharakter. Geeignet dazu sind nur extrafette Schriften mit sehr viel „Fleisch“. Ein wenig trickreich, im Ergebnis aber sehr überzeugend ist z. B. die Erstellung von Neon- oder Chromeffekten, die das Durchlaufen mehrerer Arbeitschritte erfordert (Abb.12.5.2c, d).
typosemantIk
12
Abb. 12.5.2a: Schrifteffekte aus Layoutprogrammen (Grafik: Hammer) Outline, einfache oder farbige Umrandungskontur, Schatten
Abb. 12.5.2b: Schrifteffekte aus Bildbearbeitungsprogrammen (Grafik: Hammer) Bildfüllungen, Einprägungen, Verlaufsfüllung, Überstrahlung, Dreidimensionalität
Abb. 12.5.2c: Chromeffekt (Grafik: Hammer) Abb. 12.5.2d: Neoneffekt (Grafik Hammer)
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Praxisbeispiele Logoentwicklung
12.6 Praxisbeispiele Logoentwicklung 12.6.1 Anforderungen an die Logoentwicklung Bei Unternehmenslogos kommt der typosemantischen Ausrichtung der Gestaltung ein besonders hoher Stellenwert zu, geht es doch darum, den Charakter eines Unternehmens, die Unternehmensidentität (Corporate Identity), zu vermitteln. Unternehmenslogos bestehen in der Regel aus einem gestaltbaren Wortbestandteil (Firmenname oder Firmenkürzel), der so genannten Wortmarke. Sie können zusätzliche grafische Elemente aufweisen, die so genannte Bildmarke. Idealerweise kommt im Logo der inhaltliche Unternehmensgegenstand zum Ausdruck. Es zeigt z. B., in welche Wertkategorie (preiswert-teuer) und in welchen Stilbezug (modern-traditionell) es sich einordnet, und verdeutlicht, ob es kreativ oder konventionell ist. Das Logo ist das Gesicht des Unternehmens. Eine wichtige Funktion eines Logos stellt dessen Memorierbarkeit dar. Es sollte leicht merkfähig sein und deshalb Prägnanz aufweisen. Aus diesem Grunde dürfen Logos nicht formal überladen sein und sollten einfache grafische Zusatzelemente nutzen. Und natürlich sollte ein Logo auch einzigartig und unverwechselbar sein. Andererseits kann es sinnvoll sein, Gestaltungselemente, die in einer bestimmten Branche vorherrschen (z. B. Farben, Schriftkategorien, Symbole), zu übernehmen, um die Zugehörigkeit zu dieser Branche kenntlich zu machen. 12.6.2 Wortmarken Ausgangsbasis für ein Unternehmenslogo ist der Name und/oder die Kurzbezeichnung eines Unternehmens. Man kann ein Logo allein typografisch umsetzen als Wortmarke. Das bietet sich vor allem dort an, wo es möglich ist, über die Schriftgestaltung bzw. durch bildgebende Bearbeitung der Schrift einen semantischen Bezug zum Unternehmensinhalt aufzubauen. Das kann z. B. über die Darstellung typischer Materialien oder typischer Produktionsverfahren in der Schrift erfolgen. Ein sehr gelungenes Beispiel hierfür ist das Firmenschild der Brügger Chocolaterie (Abb. 12.6.2a). In diesem Fall wird durch
Abb. 12.6.2a: Chocolaterie in Brügge (Foto: Hammer)
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Praxisbeispiele Logoentwicklung
Typosemantik
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das Anzeichen der „Schokoladenschrift“ ein unmissverständlicher Zusammenhang zum Geschäftsbereich hergestellt.
Abb. 12.6.2b: Modeboutique in Brügge (Foto: Hammer)
Dort, wo ein solcher sinnreicher Anzeichenbezug nicht realisierbar ist, kann über die Symbolfunktion der Zielgruppenbezug vermittelt werden, indem die Typografie beispielsweise Exklusivität, Elegant und Avantgarde ausdrückt wie im Beispiel des Firmenschildes einer gehobenen Modeboutique (Abb. 12.6.2b). Bei der Gestaltung von Geschäftsdrucksachen bietet es sich bei NurWortzeichen vielfach an, zusätzliche Linien oder Flächengrafiken einzuführen. Man hat dann weitere Elemente zur Verfügung, um Briefbogen und Visitenkarte ein wenig lebendiger zu gestalten. Im Beispiel des Briefbogens für die Finanzagentur „Profina Capital“ wurde die Wortmarke in einer markanten Schrift entworfen. Dieser werden farbige Flächen in Abstufungen der Logofarbe zugeordnet, die ihr das richtige „Standing“ verleihen und den ansonsten sehr sachlichen Briefbogen aufwerten (Abb. 12.6.2c). Zugleich zeigt das Beispiel eine weitere Möglichkeit, ein Logo interessanter zu machen und gleichzeitig zu individualisieren, indem einzelne Buchstaben (hier das i) individuell verändert werden. 12.6.3 Wortkürzel Oft existieren Kurzbezeichnungen für Unternehmen, meistens in Form von 3-Buchstaben-Begriffen, die ebenfalls als Ausgangsbasis für ein Logo dienen können. In der Regel wird man dann zusätzlich eine Logovariante benötigen, die neben dem Kürzel auch die vollständige Unternehmensbezeichnung zeigt. Eine weitere mögliche Variante besteht in der Kombination des Unternehmensnamens oder des Unternehmenskürzels mit einem Textzusatz, der in Schlagworten oder als Slogan auf das Betätigungsfeld des Unternehmens hindeutet oder dieses örtlich spezifiziert. Kurzlogo und Volltextlogo sollten immer parallel entworfen werden, da der Textzusatz ein Logo optisch stark verändern kann. Das Beispiel der LDI mit dem langen Zusatz „Landesbeauftragte für
Abb. 12.6.2c: Logoentwurf für Finanzagentur (Studienentwurf: Giesenbrock)
Abb. 12.6.3a: Logo Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW (Entwicklungsprojekt Prof. Dr. Hammer, Design: Przybyla)
Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen
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Praxisbeispiele Logoentwicklung Datenschutz und Informationsfreiheit“ macht die Problematik deutlich: Ein gut handhabbares Kurzlogo, aber ein Monstrum als Gesamtheit. Dennoch muss beides funktionieren. Außerdem wird noch der Regionszusatz „NRW“ benötigt. Um das Logo nicht zusätzlich komplizierter zu machen, wurde auf eine Bildmarke ganz verzichtet, zumal der Unternehmensgegenstand nicht einfach zu symbolisieren ist (Abb. 12.6.3a). Insbesondere bei Wortkürzeln bietet es sich manchmal an, einzelne typografische Bestandteile wie i-Punkt, t-Strich, O-Punze, Unterlängen, Anfangs- oder Endbuchstaben individuell gestalterisch zu manipulieren, um ein Logo interessanter zu machen und es zu individualisieren.
Abb. 12.6.3b: Logovarianten Institut für Automation und Logistik (Entwicklungsprojekt Prof. Dr. Hammer, Design: Kurtulus)
Im Beispiel des Unternehmens IAL wurden individuelle Gestaltungen der Einzelbuchstaben erprobt; realisiert wurde der rote i-Punkt (Abb. 12.6.3b).
Abb. 12.6.4a: Logo mit Initialbuchstaben (Design: hammer.runge)
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12.6.4 Wort/Bild-Marken Die wohl am häufigsten vorkommende Logoform besteht aus der Kombination von Wortmarke und/oder Unternehmenskürzel mit einer Bildmarke. Idealerweise stellt die Bildmarke den semantischen Bezug zum Unternehmensgegenstand her, indem sie als direkt zuordenbare Metapher wirkt. Nicht immer lässt sich jedoch eine für den gesamten Unternehmensgegenstand zutreffende Metapher finden. Dann ist es überlegenswert, die Wortmarke bzw. das Kürzel mit einem abstrakten grafischen Element aufzuwerten. Im einfachsten Fall kann dies eine Hintergrundfarbe, ein Rahmen oder eine Linie sein oder Grafikelemente (Raster, Formgrafiken), die das Logo eigenständig machen. Anspruchsvoller ist jedoch die grafische Individualisierung durch Veränderung von Einzelbuchstaben oder durch Umsetzung als Schriftgrafik. Ein anderer verbreiteter Ansatz für Bildmarken besteht in der grafischen Aufbereitung des Anfangsbuchstabens des Unternehmens, wie es das Beispiel Richter verdeutlicht (Abb. 12.6.4a) Die wirksamste Art einer Bildmarke besteht aus einer Grafik, die direkt oder indirekt auf den Unternehmensgegenstand verweist.
Praxisbeispiele Logoentwicklung
Typosemantik
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Abb. 12.6.4b: Logo mit Bildelementen (Foto: Hammer)
Eine direkte bildhafte Umsetzung einer Bildmarke, die das Unternehmen eindeutig einer bestimmten Branche zuordnet, zeigt das Firmenschild einer Patisserie. Das ist gut verständlich, aber auch ein wenig banal (Abb. 12.6.4b). Im Kontrast dazu ist das Logo für den Reise- und Kartenbuchhändler Magellan in Form einer stark abstrahierten Weltkugel in hohem Maße eigenständig. Dass möglicherweise nicht jeder die Weltkugel erkennt, ist nicht hinderlich (Abb.12.6.4c). Das Beispiel der Logoentwicklung für das Katholische Klinikum Duisburg verdeutlicht die Suche nach geeigneten Metaphern. Schnell wurde hier deutlich, dass die Stadtsilhouette oder der Duisburger Rheinbogen nicht spezifisch für ein Klinikum sind. Deshalb wurde das Krankenhauskreuz neu interpretiert. Dabei zeigte sich, dass die klassische rot-weiße Farbgebung am besten verständlich, aber banal ist, während andere Farben wie Grünes Kreuz (Erste Hilfe) oder Blaues Kreuz (Anonyme Alkoholiker) bereits belegt sind (Abb. 12.6.4d). Realisiert wurde die Variante mit unterlegtem kreuzförmigen Hintergrund, in den das Kürzel KKD integriert ist. Die kursive Ausrichtung von Form und Grafik dynamisiert das Logo. Die breit laufende Eurostyle-Schrift steht gut dagegen, ist gut lesbar und
Abb. 12.6.4c: Logo Magellan Buchversand mit Bildzeichen (Design: Ruske)
Abb. 12.6.4d: Logoentwurf Katholisches Klinikum Duisburg (Design: hammer.runge)
281
Praxisbeispiele Logoentwicklung wirkt präzise. So werden die angestrebten Werte „Kompetenz“, „Seriosität“ und „Fortschrittlichkeit“ überzeugend vermittelt. Für die Farbgebung wird ein rötliches Orange gewählt in Anlehnung an die Corporate Color der assoziierten katholischen Caritas (Abb. 12.6.4e).
Abb. 12.6.4e: Logoausarbeitung Finale Version (Design: hammer.runge)
Abb. 12.6.5a: Logo im Kontext der Briefbogengestaltung (Studienentwürfe v.l.n.r.: Pusch, Herrmann)
282
12.6.5 Logoanwendungen Bei der Logoentwicklung sollte stets die spätere Anwendung berücksichtigt werden. Auf Drucksachen wird in der Regel das vollständige Logo eingesetzt, auf Gebäudeschildern, Wegweisern, Kleidung, Produkten, Fahrzeugen etc. eher die Kurzform und/oder die Bildmarke. In jedem Fall kommt es darauf an, die genaue Positionierung eines Logos auf seinem Träger festzulegen, damit es z. B. wirkungsvoll auf einem Unternehmensschild steht und eine bestimmte Ausrichtung im Verhältnis zu einem Format, z. B. eine mittige Positionierung, konsistent auf alle Anwendungsfälle übertragen wird. Bei der Gestaltung der Print- und Digitalmedien bietet es sich möglicherweise an, grafische Teilelemente aus dem Logo z. B. als Aufzählungszeichen oder zur Seitenuntergliederung zu wiederholen. Auch Linien oder Hintergrundgrafiken lassen sich gut als Gestaltungselemente wiederholen, wie es die Briefbogenentwürfe zeigen (Abb. 12.6.5a).
Resümee
Typosemantik
12
12.7 Resümee 12.7.1 Was Sie gelernt haben Im Kapitel 12 „Typosemantik“ haben Sie erfahren, wie Sie mit der Auswahl und Gestaltung einer Schrift eine Aussage zum Inhalt machen. Sie haben einige Grundbegriffe der Semiotik gelernt und können Symbol- und Anzeichenfunktionen differenzieren. Sie haben an Anwendungsbeispielen von Standard- und Headlineschriften Charakteristika unterschiedlicher Schriften kennen gelernt. Sie haben einige Anregungen zur bildsprachlichen Typografie erhalten. Sie kennen Möglichkeiten, in der Anzeichenfunktion die Machart einer Schrift zu zeigen und in der Symbolfunktion Stil-, Regionsund Unternehmensbezüge aufzubauen. Sie haben gesehen, wie Sie mit Bildbearbeitungsprogrammen Schriften weitergehend bearbeiten können, um sie noch stärker semantisch aufzuladen. Überprüfen Sie Ihr erworbenes Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz. Vertiefen Sie das Gelernte mit Hilfe einiger Übungen, in denen Sie die dargestellten Phänomene selbst nachvollziehen. 12.7.2 Der besondere Tipp: Richtiger semantischer Kontext Achten Sie unbedingt darauf, dass typosemantische Schriftgestaltung im richtigen Kontextbezug steht. So macht es einen wesentlichen Unterschied, ob ein Wort, das in der Realanwendung üblicherweise schabloniert wird, z. B. der Kistenaufdruck „Tee-Import“, in Schablonenschrift geschrieben ist oder ob es ein anderes Wort z. B. das Wort „Frieden“ ist. Während im ersten Beispiel die Anzeichenfunktion der Schablonenschrift einen direkten bzw. indirekten Kontextbezug hat, fehlt dieser im zweiten Beispiel. Ein schabloniertes Wort „Frieden“, z. B. als Headline eines Gedichtes, wirkt deshalb merkwürdig. Allenfalls könnte es einen Sinn geben, wenn das Wort „Frieden“ in Schablonenschrift auf einem Transparent in einer Friedensdemo eingesetzt würde und den Machartbezug zur Produktion des Transparents deutlich macht (Abb. 12.7.2a). Typosemantisches Gestalten erfordert sehr viel Feingefühl. Vielfach ist es sinnvoller, auf eine überzogene semantische Aufladung zu verzichten, statt den Rezipienten mit einer allzu aufdringlichen, ja oft platten Semantik zu konfrontieren, derer man schnell überdrüssig wird.
Abb. 12.7.2a: Richtiger und falscher semantischer Kontext (Grafik: Hammer)
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Quiz zu „Typosemantik“
12.8 Quiz zu „Typosemantik“ Lösungen (siehe Seite 419) Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. Quizfrage 12.8.1
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C) Quizfrage 12.8.2
12.8.1 Was beschreibt in der Zeichentheorie die Lehre der Semantik? (A) Die Beziehung der Zeichen untereinander (B) Das aus dem Verständnisprozess resultierende Verhalten eines Interpreten (C) Die Bedeutungsdimension der Zeichen 12.8.2 Ordnen Sie folgende Begriffe der richtigen Stelle in der Grafik zu: (A) Anzeichenfunktionen (B) Symbolfunktionen (C) Produktsprachliche Funktionen (D) Zeichenhafte Funktionen Benutzer
(A)
ð ___
(B)
ð ___
(C)
ð ___
(D)
ð ___
Praktische Funktionen
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 12.8.4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Quizfrage 12.8.5
284
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Produkt
1
2 3
Quizfrage 12.8.3
FUNKTIONEN
4
Formalästhetische Funktionen
12.8.3 Welche Schrift hat einen typisch plakativen Charakter? (A) Avantgarde (B) Kabel (C) Times 12.8.4 In welche Kategorie ordnen Sie Schriften, die ihre Machart erkennen lassen? (A) Symbolfunktionen (B) Produktfunktionen (C) Anzeichenfunktionen 12.8.5 Welche Schrift weist einen ausgeprägten Jugendstilcharakter auf? (A) Arnold Böcklin (B) Neville Brody (C) 20th Century
Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“
Typosemantik
12
12.9 Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“ 12.9.1 Aufgabenstellung In dieser Entwurfsaufgabe gestalten Sie zunächst ein Unternehmenslogo und entwickeln dann die passenden Geschäftsdrucksachen dazu. Entwickeln Sie Logo und Geschäftsdrucksachen für die fiktive „Bäckerei Pumpernickel“. Logoentwicklung: Das Logo soll aus der Wortmarke „Bäckerei Pumpernickel“ bestehen oder in Kombination mit einem einfachen Grafikelement (kein Foto) als Wort/Bild-Marke aufgebaut werden. Wählen Sie insbesondere eine zum Themengebiet „Bäckerei“ passende Schrift und passende Farbgebung aus. Geschäftspapiere: Gestalten Sie mit dem entwickelten Logo einen Geschäftsbogen im Format DIN-A4 sowie eine Visitenkarte im Format 85 x 55 mm. Gehen Sie von einer Umsetzung im Vierfarbdruck aus. Inhaltlich sollte der Briefbogen folgende Angaben enthalten: Logo, Absenderzeile im Fenster (Firma, Straße, PLZ, Ort), allgemeine Absenderangaben (Straße, PLZ, Ort, Telefon, Fax, Internet, E-Mail), sonstige Angaben (Bank, Konto-Nr., BLZ, Steueridentnummer). Setzen Sie keine Betreffzeile. Beachten Sie beim Briefbogen die Normmaße nach DIN 676 (vgl. Kap. 6) und setzen Sie mindestens eine Falzmarke. Beschriften Sie Ihren Briefbogen mit Adresse, Datum und Inhaltstext (Lorem-ipsum-Text), so wie es dem normalen Gebrauch entspricht. Die Visitenkarte sollte neben dem Logo/Firmennamen folgende Angaben enthalten: Name, Vorname, Berufsbezeichnung, Straße, PLZ, Ort, Telefon, Fax, Internet, E-Mail. 12.9.2 Ideenfindung mit „Moodboards“ Die Suche nach der geeigneten Typografie für ein gegebenes Thema ist oft sehr mühsam, weil man für das Thema keine direkt offensichtliche Schriftzuordnung treffen kann. In einem solchen Fall ist es empfehlenswert, sich zunächst mit dem Thema und dem Themenumfeld ein wenig vertrauter zu machen. Eine ideale Methode, um visuelle Anregungen zu einem Thema zu erhalten, besteht im Erstellen eines Moodboards. Moodboards sind assoziative Bildcollagen, die verschiedene Facetten des gegebenen Themengebietes visuell präsentieren. Zum Erstellen eines Moodboards gehen Sie folgendermaßen vor: Am einfachsten ist es, mit Hilfe von Zeitschriften und farbigen Ausdrucken relevanter Internetseiten zu arbeiten. Schneiden Sie die zum Thema passenden Motive aus und kleben Sie diese zu einer Bildcollage auf großem Format (mindestens DIN-A3) zusammen.
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“
Abb. 12.9.2a: Moodboard zum Thema Backen (Grafik: Hayenga) Im Moodboard wird das Themenfeld Backen, Bäckerei visuell aufbereitet.
Alternativ kann man auch eine Collage im Bildbearbeitungsprogramm erstellen. Das wird eleganter, erfordert aber auch erheblich mehr Zeit. Eine Klebecollage reicht jedoch völlig aus. Über assoziative Prozesse zu den dargestellten Bildern wird man angeregt, geeignete Schriften, Schriftausführungen, Muster und Farben zu finden. Mit Moodboards wird insbesondere das gesamte semantische Umfeld eines Themas sehr gut aufbereitet. Erstellen Sie in diesem Fall ein Moodbard zum Thema Backen/ Bäckerei. 12.9.3 Vorentwurf Wenn Sie sich für die Kombination der Wortmarke mit einer Bildmarke entscheiden, ist es sinnvoll, zunächst erste Ideen in Scribbleform zu entwickeln, bevor Sie sie am Computer genauer ausarbeiten. Sie wissen, das geht schneller und führt zu mehr Alternativen.
Abb. 12.9.3a: Erste Scribbles für das BäckereiLogo (Grafik: Hammer)
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Typosemantik
Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“
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Hierbei stellt sich die Frage, welche formalen Elemente sinnvoll sind. Einerseits können Sie sinnhaltige, zum Thema passende Formen suchen, in diesem Fall z. B. Brot-, Brötchen-, Bretzelformen, Backformen, Backwerkzeuge etc. Diese sollten für ein Logo stark abstrahiert werden, damit prägnante, leicht erfassbare Formen entstehen. Andererseits kann man ausprobieren, wie die Wortmarke sich mit einfachen geometrischen Grundformen (Quadrat, Rechteck, Dreieck, Kreis, Ellipse) kombinieren oder darin integrieren lässt. 12.9.4 Computerlayout Relativ schnell gelangt man bei dieser Aufgabe an den Punkt, wo man am Computer mit realen Schriften arbeiten muss, da es ja vor allem darum geht, eine gut zum Thema passende Schrift zu finden. Aufgrund des Moodboards werden Sie vielleicht angeregt, in Richtung einer kräftigen Schreibschrift zu suchen. Durchstöbern Sie Schriftmusterbücher oder die Suchseiten von Schriftanbietern. Setzen Sie dann unbedingt Ihren tatsächlichen Text, hier also „Bäckerei Pumpernickel“, in diesen Schriften, um zu sehen, wie die konkreten Wörter in der jeweiligen Schrift wirken (12.9.4a). Probieren Sie aus, wie die Wörter in Versalien oder in Kapitälchen aussehen. Überlegen Sie, wie Sie die Wörter „Bäckerei“ und „Pumpernickel“ durch unterschiedliche Schriftarten, Schriftschnitte oder Schriftgrößen differenzieren. Probieren Sie, die Wörter auf mehrere Zeilen aufzuteilen. Erproben Sie Schrifteffekte wie Outline, Schatten oder Schrift füllungen.
Orator Std
Felix Titling
F2F Tagliatelle Supo
F2F Tagliatelle Supo
Showcard Gothic
Juanita ITC
Revue
Linotype Killer
Abb. 12.9.4a: Schriftvarianten (Grafik: Hammer)
Spielen Sie mit unterschiedlichen Größen und Anordnungspositionen der beiden Wörter. Suchen Sie nach geeigneten semantisch passenden Farben und differenzieren Sie die Wörter durch unterschiedliche Schriftfarben.
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“ Wenn Sie eine Wort/Bild-Marke anstreben, arbeiten Sie die Bildmarke ebenfalls am Computer aus und kombinieren Sie Wort- und Bildmarke. Wählen Sie Ihren Favoriten aus und führen Sie an diesem Entwurf noch das Feintuning aus (Abb. 12.9.4b). Manchmal bietet es sich an, eine Wortmarke allein durch eine Linie zu stärken. Experimentieren Sie mit den Farben der Bildmarke. Verwenden Sie die gleichen Farben wie in der Schrift, hellere oder dunklere Abstufungen oder fügen Sie Verläufe ein. Überdenken Sie stets, ob die Farben zum Thema passen. Prüfen Sie die Umsetzbarkeit in Grauwerten. Eventuell ist ein individuelles Kerning zwischen einzelnen Buchstaben erforderlich oder eine geringfügige Standkorrektur in der Zuordnung beider Wörter. Variieren Sie die Anordnungen der Bildmarke zur Wortmarke.
B Ä C K E R E I
Abb. 12.9.4b: Logooptimierung (Grafik: Hammer)
Abb. 12.9.5a: Bezugslinien im Briefbogenlayout (Grafik: Hammer) B Ä C K E R E I
Bäckerei Pumpernickel • Neidenburger Straße 43 • 45877 Gelsenkirchen
Bäckerei Pumpernickel Neidenburger Straße 43 45877 Gelsenkirchen
12.9.5 Layout Geschäftsdrucksachen Auch beim Entwurf des Geschäftsbogens ist es empfehlenswert, zunächst einige schnelle Scribbles voranzustellen, um sich grundsätzliche Aufbaumöglichkeiten vor Augen zu führen. So kann man beispielsweise neben der konventionellen Anordnung des Logos im Briefbogen rechts oben eine mittige Positionierung ausprobieren. Dann sollte konsequenterweise auch der Fuß des Briefbogens auf Mitte gesetzt werden. Im Computerlayout sind zunächst mittels Hilfslinien die wichtigsten Standardmaße (Adressfenster, Falzmarken, Heftrand) festzulegen, bevor für das Logo und die vorgesehenen Textblöcke unterschiedliche Positionierungsvarianten angelegt werden. Beim Entwurf der Geschäftsdrucksachen ist die Auswahl und Größendefinition einer geeigneten Schrift einer der ersten Arbeitsschritte, da dadurch der erforderliche Platzbedarf bestimmt wird. Setzen Sie deshalb zunächst alle vorkommenden Textinhalte. B Ä C K E R E I
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Telefon: + 49 (0)209 9596-506 Fax: +49 (0)209 9696-708 E-Mail:
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B Ä C K E R E I
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“
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Achten Sie dabei auf Einhaltung der Satzregeln für den Satz von Telefonnummer, BLZ, Kontonummer etc. Definieren Sie die Schriftgröße. Meistens sind 9-10 pt gut geeignet; das hängt jedoch von der gewählten Schrift ab. Wählen Sie eine gut lesbare Textschrift, die zu den Schriften des Logos passt, sich aber auch davon abhebt. Begutachten Sie die gewählte Schrift und die Schriftgröße unbedingt auf einem in Originalgröße ausgedruckten Briefbogen. Am Bildschirm lässt sich das nicht beurteilen! Definieren Sie dann geeignete Bezugslinien zwischen Logo und den anderen Satzelementen. Überlegen Sie, ob Sie einzelne Inhalte in den Fuß der Seite setzen oder ob Sie eine rechte Satzspalte vorsehen (Abb. 12.9.5a). B Ä C K E R E I
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Abb. 12.9.5b: Zusätzliche Grafikelemente (Grafik: Hammer)
Probieren Sie aus, ob es sinnvoll ist, Linien zum „Halten“ des Logos oder zur Abgrenzung des Fußbereiches einzufügen (Abb. 12.9.5b). Oft kann man aber darauf verzichten! Eventuell kann der Briefbogen aufgewertet werden durch Verwenden einer besonderen Papierfarbe. Vielleicht können auch Teilbereiche des Hintergrundes mit Flächen oder Grafiksymbolen (z. B. Wiederholung der Bildmarke) dezent bedruckt werden. Testen Sie andere Schriftfarben als Schwarz. Prüfen Sie, wie die Farben in Grauwerten wirken, denn Briefbögen müssen auch als Kopie oder Faxausdruck funktionieren. B Ä C K E R E I
B Ä C K E R E I
FRITZ MEHLMANN
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Bäckermeister
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Abb. 12.9.5c: Kohärente Gestaltung der Visitenkarte (Grafik: Hammer)
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“ Beschriften Sie abschließend den Briefbogen mit einer fiktiven Adresse im Fenster und einem fiktiven Inhalt, um den Gesamteindruck des bedruckten Briefbogens zu erfassen. In formaler Kohärenz, d. h. formaler Angleichung, zum Briefbogen gestalten Sie die Visitenkarte. Beim Entwurf der Visitenkarte benötigen Sie meist kleinere Schriftgrößen, um alle geforderten Inhalte unterbringen zu können. Schriftgrößen unter 6 pt sind aber nicht zumutbar. Vor allem der Name sollte größer herausgestellt werden. Versuchen Sie, den Gestaltungsstil und die Satzausrichtung des Briefbogens nach Möglichkeit beizubehalten (Abb. 12.9.5c). 12.9.6 Selbstevaluation Drucken Sie Briefbogen und Visitenkarte zur Beurteilung in Originalgröße farbig aus. Checken der Aufgabenkonformität Sind alle geforderten inhaltlichen Angaben enthalten? Logo: „Bäckerei Pumpernickel“ Geschäftspapiere: Logo, Absenderzeile im Fenster (Firma, Straße, PLZ, Ort), allgemeine Absenderangaben (Straße, PLZ, Ort, Telefon, Fax, Internet, E-Mail), sonstige Angaben (Bank, Konto-Nr., BLZ, Steueridentnummer) Visitenkarte: Logo/Firmennamen, Name, Vorname, Berufsbezeichnung, Straße, PLZ, Ort, Telefon, Fax, Internet, E-Mail. Sind die Normmaße nach DIN 676 eingehalten? (Prüfen im Fensterbriefumschlag) Checken der Logogestaltung Kann man die Worte „Bäckerei Pumpernickel“ einwandfrei lesen? Vermittelt das Logo einen eindeutigen semantischen Bezug zum Thema Bäckerei? Ist das Kerning in Ordnung oder gibt es zwischen einzelnen Buchstaben Löcher? Lässt sich das Logo problemlos in Grauwerten darstellen (Kopie, Fax)? Hebt sich das Logo von anderen branchenüblichen Logos ab? Checken der Drucksachengestaltung Sind die Elemente auf Briefbogen/Visitenkarte gut positioniert? Sind ausreichende Randabstände berücksichtigt? Ist ein Heftrand vorgesehen? Ist ein angemessen großer beschreibbarer Inhaltsbereich vorgesehen? Werden Bezugslinien zwischen den Elementen aufgegriffen? Hat das Logo eine angenehme Größe und Position? (Es sollte hervortreten, aber nicht alles „erschlagen“.) Ist alles problemlos lesbar? Auch der Absender im Fenster? Ist die Schrift nicht zu groß? (Schriftgröße ca. 8 -11 pt)
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“
Typosemantik
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Sind die Zeilenabstände gut gesetzt? Sind die Satzregeln bei Telefon, Fax, Konto-Nr., BLZ, PLZ etc. eingehalten? Holen Sie zu Ihrem Entwurf ein Meinungsbild von Dritten ein. 12.9.7 Entwurfsbeispiele Die hier gezeigten Beispiele sind Arbeitsergebnisse einer gleich lautenden Studienaufgabe im 2. Semester Mediendesign. Sie sind einerseits als reine Wortmarke, andererseits als kombinierte Wort/ Bild-Marke aufgebaut.
Abb. 12.9.7a: Bäckerei Logos (Studienentwürfe v.o.n.u.: Filzhut, Hayenga, Raditsch) Die Umsetzungsbeispiele lassen die Anregungen aus dem Moodboard erkennen.
Sie zeigen die im Themenbereich „Bäckerei“ häufig anzutreffenden Farben. Bei der Schriftgestaltung wurden jedoch neue Wege beschritten, die die Entwürfe wohltuend vom allgemein Bekannten abheben.
Abb. 12.9.7b: Logo im Kontext der Briefbogengestaltung (Studienentwürfe v.l.n.r.: Filzhut, Hayenga, Raditsch
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Entwurf „Logo und Geschäftsdrucksachen“ 12.9.8 Aufgabenalternativen Im Folgenden sind einige thematische Abwandlungen des gleichen Aufgabentyps aufgelistet, für die prinzipiell die gleiche Vorgehensweise geeignet ist. Entwickeln Sie Logo und Geschäftspapiere (Briefbogen und Visitenkarte) für die Unternehmen: • Gourmet-Restaurant Parkterrassen • Metzgerei Dicke Rippe • Parfümerie Elegance • Chocolaterie Noisette • Ökokost Grünkern • Tischlerei Zwinge • Internetagentur Pixelpower • Malermeister Klecksel
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Typo-Ergonomie Typo-Ergonomie
Arthur Schopenhauer 13
13
Abb. 13a: Zitat Schopenhauer (Grafik: Hammer)
Typo-Ergonomie
13.0 Einleitung 13.0.1 Lernziele In diesem Kapitel machen Sie sich vertraut mit dem Lesevorgang und den Einflussfaktoren der Typografie auf die Lesbarkeit. Sie lernen im Einzelnen: • Wie die Informationsaufnahme beim Lesevorgang erfolgt • Wie sich Veränderungen der Laufweite einer Schrift auf deren Lesbarkeit auswirken • Was in der Schriftzurichtung festgelegt ist • Wann individuelles Unterschneiden sinnvoll ist • Wie groß der Standardwortabstand ist • Den Unterschied zwischen optischem und numerischem Zeilenabstand • Welcher Zusammenhang zwischen Schriftgröße, Zeilenabstand und Zeilenlänge besteht • Welche Schriftgröße für welches Einsatzgebiet verwendet wird • Welche Kriterien die Lesequalität einer Schrift bestimmen Sie entwickeln ein Gefühl dafür, in welchem Zusammenhang Schriftgröße, Schriftstärke, Spaltenbreite und Zeilenabstand zueinander stehen und wie sie durch Veränderung der einzelnen Werte das Schriftbild verändern. Testen Sie abschließend Ihre theoretischen Kenntnisse im selbst evaluierbaren Quiz.
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Wahrnehmung von Schrift 13.0.2 Leseoptimierung Das Kapitel Typo-Ergonomie betrifft insbesondere den Aspekt der Lesbarkeit von Mengentext in Printmedien, wie er z. B. in Buchpublikationen, Zeitschriften oder Katalogen vorkommt. Die hier genannten Regeln können im diametralen Gegensatz zu denen der Bildschirmschriften stehen. Headlines sind dagegen meist unproblematisch zu lesen, da sie in der Regel größer gesetzt und aus wenigen und daher leicht erfassbaren Wörtern gebildet werden. Unter ergonomischen Gesichtspunkten fällt der typografischen Gestaltung die Aufgabe zu, Leseinformationen so aufzubereiten, dass sie vom Gesichtssinn des Menschen optimal, d. h. schnell, ohne Anstrengung, ohne Ablenkung und eindeutig wahrgenommen werden. Zahlreiche Faktoren typografischen Gestaltens spielen hierbei eine Rolle. Ein leseoptimierter Text bleibt ohne Nutzen, wenn er so langweilig gestaltet ist, dass er die Zielgruppe nicht anspricht und ungelesen bleibt. So steht oft die ergonomische Forderung nach Leseoptimierung gegen andere gestalterische Anforderungen, wie Aufmerksamkeit zu erregen, Typografie semantisch aufzuladen oder spannungsreich zu layouten. Hier gilt es, brauchbare Kompromisse zwischen leseoptimierter Ausprägung und ästhetisch/semantisch gestaltungsoptimierten Ausprägungen der Typografie zu finden.
13.1 Wahrnehmung von Schrift 13.1.1 Der Lesevorgang Beim Lesen erfassen wir Wortbestandteile, Wörter und ganze Wortgruppen durch kurze Fixationen. Wir lesen also nicht wie Leseanfänger einzelne Buchstaben und setzen diese mühselig zu Wörtern zusammen, sondern „erkennen“ sinnhaltige Einheiten, also Silben- oder Wortgruppen, auf einen kurzen Blick. Mit Hilfe von Verfahren der Blickbewegungsmessung (Okulometrie) kann man dies nachweisen. Das menschliche Auge erfasst diese Sinneinheiten in kurzen Fixationen von ca. 100-300 Millisekunden und springt in so genannten
Fixationspunkte Sakkaden
Abb. 13.1.1a: Lesevorgang (Grafik: Hammer)
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Wahrnehmung von Schrift
Typo-Ergonomie
13
Sakkaden zum nächsten Fixationspunkt (Abb. 13.1.1a). In den Fixationen werden Informationen aufgenommen und zeitgleich kognitiv verarbeitet, die Sakkaden hingegen bezeichnen lediglich die Bewegung dorthin. Beim Lesen eines Textes springen wir sehr schnell von Fixationspunkt zu Fixationspunkt. Die größten Sprünge machen wir bei einem Zeilenwechsel. Damit der Lesevorgang möglichst reibungslos abläuft, darf das Auge nicht irritiert werden. Wir bemerken zum Beispiel sofort ein Stocken im Lesefluss, wenn wir über ein Wort „stolpern“, das wir nicht auf Anhieb erkennen, weil es vielleicht sehr lang oder einfach nur unglücklich getrennt ist. Schwierigkeiten bekommen wir auch, wenn die Wörter oder Buchstaben zu nahe beieinander oder auch zu weit voneinander entfernt stehen, Zeilen zu eng beieinander oder zu weit voneinander entfernt sind. Immer dann, wenn wir nicht mühelos weiterlesen, sondern „stecken bleiben“ und uns konzentrieren müssen, leidet die Lesbarkeit. Unser Lesefeld, das ist der horizontale Bereich, in dem wir scharf sehen können, beschränkt sich bei einer Leseentfernung von 30 cm auf den Bereich von 5-10 Buchstaben. Daraus ergibt sich eine Spaltenbreite, die zwischen 45-65 Zeichen liegen sollte. Diesen Bereich können wir sozusagen mit einem Blick überschauen. 13.1.2 Lesefreundliche Textgestaltung Die Hauptinformationen eines Wortes (bezogen auf die Lesbarkeit) liegen in der oberen Hälfte der Buchstaben (Abb. 13.1.2a). Die Formen der Ober- und Mittellängen können wir besser erkennen als die „Füße“ der Buchstaben. Typografie ist auch die Kunst, richtige Abstände und Proportionen für Texte zu finden und durch geeignete Mittel die Fixationsreihenfolge zu lenken. Eine lesefreundliche Textgestaltung ist dabei zwar wichtig, hat aber nicht unbedingt oberste Priorität. So kann manchmal ein Titel in einer wirkungsvollen Schrift interessanter sein als einer, bei dem auf eine gute Lesbarkeit geachtet wurde. Längere Texte übergeht man dagegen schnell, wenn sie einem schon auf den ersten Blick mühselig zu lesen erscheinen. Besonders der Mengentext eines mehrseitigen Werkes sollte einen möglichst hohen Lesekomfort bieten. Dazu tragen sowohl eine
Schneckensuppe Schneckensuppe Mediendesign Mediendesign
Abb. 13.1.2a: Hauptinformation der Schrift (Grafik: Hammer)
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Zeichenabstand übersichtliche Gliederung als auch die Wahl eines gut lesbaren Fonts bei. Die Lesbarkeit im Printbereich kann durch mehrere typografische Einflussfaktoren wie Schriftschnitt, Schriftgröße, Laufweite, Zeilenlänge, Buchstaben pro Zeile, Zwischenräume (Wort-, Zeilen-, Spaltenabstände), Farbe, Hintergrund weiter optimiert werden. Diese werden im Folgenden erörtert.
13.2 Zeichenabstand 13.2.1 Zeichenbreiten Bei monospaced Schriften (z. B. Courier) nimmt jeder Buchstabe den gleichen Platz ein; entsprechend gibt es hier zwischen einigen Buchstabenpaaren sehr große Lücken. Bei proportionalen Schriften ist das anders, schmale Buchstaben belegen weniger Platz als breite. Der Abstand zwischen den einzelnen Buchstaben einer Schrift bestimmt deren „Laufweite“. Für jede Schrift gibt es eine optimale Breite zwischen den einzelnen Zeichen, die zu einem besonders ausgewogenen Schriftbild führt. Diese optimale Breite bestimmt den Abstand zwischen den Buchstaben und damit die Laufweite eines Textes. Fleisch
Fleisch
Vorbreite
Nachbreite
Punzen
Abb. 13.2.1a: Dickte, Vor- und Nachbreite (Grafik: Ruske)
Dickte
Die Laufweite einer Schrift orientiert sich an der Breite des Buchstabeninnenraums (der Punze), um ein optisch ausgewogenes Schriftbild zu erreichen. Der Buchstabenabstand wird durch die Dickte (Begriff aus dem Bleisatz), d. h. durch die Breite des Buchstabens einschließlich der Vor- und Nachbreite, festgelegt (Abb. 13.2.1a). 13.2.2 Laufweite Der Weißraum zwischen den Buchstaben bildet eine Art Gegenform zum Buchstaben selber und hält die Buchstaben auseinander. Sind diese Abstände zu gering, kollidieren die Buchstaben und sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Sind die Abstände wiederum zu groß, entstehen störende Lücken.
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Zeichenabstand Normalerweise ist die originale Laufweite einer Schrift, so wie der Schriftentwerfer sie festgelegt hat, die optimale Einstellung. Je nach Schrift und Anwendungssituation (z. B. bei Versalsatz) kann es jedoch sinnvoll sein, die Laufweite zu verändern. Man unterscheidet dabei das Vergrößern und das Verkleinern der Laufweite. Im Bleisatz geschah das auf zweierlei Art: Zum Vergrößern der Zeichenabstände wurden zwischen die einzelnen Buchstaben kleine Bleistreifen (Spatien) eingefügt. Daraus leitet sich der Begriff „Spationieren“ ab. Zum Verkleinern der Abstände wurde Material vom Bleikegel weggeschnitten, bis die Schriftbilder fast aneinanderstießen. Hiervon leitet sich der Begriff „Unterschneiden“ ab. In heutigen DTP-, Layout- und Satzprogrammen ist sowohl das Vergrößern wie das Verringern der Laufweite mit demselben Regler bzw. durch Eingabe von positiven oder negativen Laufweitenwerten möglich. Leider werden dadurch die Begriffe oft unpräzise benutzt. Üblicherweise wird heute die allgemeine Laufweitenregulierung, d.h. das gleichmäßige Verändern der Zeichenabstände (und der Wortabstände) aller Buchstaben, sowohl vergrößernd wie verringernd als Spationieren bezeichnet (engl. tracking). Durch das Vergrößern der Laufweite erweitert man den Abstand zwischen den Buchstaben und Wörtern, die Schrift erscheint leichter und offener. Übertreibt man dies, leidet die Lesbarkeit: Das Auge kann die Buchstaben nur noch mühsam als Einheit zusammenfassen und erkennen. Ein stärkeres Vergrößern der Abstände bezeichnet man als „Sperren“. Das sollte jedoch nur als Auszeichnung für einzelne Wörter verwendet werden, da es den normalen Lesefluss in hohem Maße stört. Ein Verringern der Laufweite (auch Unterschneiden) kann für manche Texte in großen Schriftgraden geeignet sein und die Lesbarkeit verbessern, stärkeres Unterschneiden stört jedoch die Lesbarkeit. Die Buchstaben rücken dann zu nah zusammen, die Konturen verschwimmen und der Text wird schlechter lesbar. Die Beispiele zeigen, dass schon bei geringen Unterschneidungen die Grenzen der Lesbarkeit erreicht sind. Im positiven Wertebereich sind Schriften mit größerer Laufweite immerhin noch für die Gestaltung von Headlines einsetzbar (Abb. 13.2.2a).
Typo-Ergonomie
13
Buchstabenabstand
-20%
Buchstabenabstand
-10%
Buchstabenabstand
0%
Buchstabenabstand
10%
Buchstabenabstand
20%
Buchstabenabstand
30%
Buchstabenabstand
40%
Buchstabenabstand
75%
Abb. 13.2.2a: Verändern der Laufweite (Grafik: Hammer)
13.2.3 Laufweitenanpassung Wenn es um Lesetext im Printbereich geht, sind die Originaleinstellungen der Schriftlaufweite meist die besten. In folgenden Fällen setzt man die Möglichkeiten der Laufweitenveränderung gezielt ein (Abb. 13.2.3a): • Fette Schriften können enger gesetzt werden als magere Schriften. • Leichte Schriften benötigen eine größere Laufweite als fette, denn sie haben breite Punzen. • Negative Schriften sollten weiter gesetzt werden als positive. • Versalsatz und Kapitälchensatz sollte, zumindest bei kleinen Schriftarten, ebenfalls etwas weiter gesetzt werden
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Zeichenabstand Fette Schriften… Fette Schriften werden etwas enger gesetzt. Bei leichten Schriften… Bei leichten Schriften wird die Laufweite erhöht.
Negative Schrift… Negative Schrift wird minimal gesperrt. Abb. 13.2.3a: Schriftschnitt und Laufweite (Grafik: Hammer)
VERSALSATZ KANN… VERSALSATZ KANN STARK GESPERRT WERDEN. Bei Headlinetexten ist oft eine leicht verringerte Laufweite zu empfehlen, dies kann die Lesbarkeit sogar verbessern. Generell gilt: Bei Titeln darf die Laufweite etwas enger, bei kleinen Texten etwas weiter gehalten werden.
Abb. 13.2.3b: Vergrößerte Laufweite bei Pfadtexten (Grafik: Hammer)
Manuelle Eingriffe zur partiellen Regulierung des Zeichenabstandes sind beispielsweise auch bei Rundsatz (Textfluss am Pfad) erforderlich, da die Schrift hier je nach Positionierung zu eng oder zu weit läuft (Abb. 13.2.3b). In der so genannten Neuen Typografie arbeitet man gern mit stark unterschnittenen oder stark gesperrten Schriften ohne Rücksichtnahme auf deren Lesbarkeit (Abb. 13.2.3 c). Hier geht es hauptsächlich um den künstlerischen Ausdruck, z. B. den unverwechselbaren Stil von David Carson.
Abb. 13.2.3c: Laufweitenveränderung in der „Neuen Typografie“ (Foto: Ruske)
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TIPP: Da die vom Schrifthersteller empfohlenen Standardlaufweiten (Einstellung: 0%) für den Druck ausgelegt sind, ist oft eine Veränderung der Laufweite sinnvoll, wenn Sie diese Schriften in der Bildschirmtypografie einsetzen. Oft werden auf dem Computerbildschirm die Buchstaben, wenn die Antialiasing-Funktion aktiviert ist, etwas breiter. Damit die Buchstaben dort nicht ineinanderlaufen, sollte die Laufweite etwas vergrößert werden.
Typo-Ergonomie
Zeichenabstand
13
13.2.4 Unterschneiden Mit dem Begriff Unterschneiden (engl. kerning) bezeichnet man heute den partiellen Schriftausgleich, d.h. die Veränderung des Zeichenabstandes zwischen einzelnen Buchstaben in Abgrenzung zur allgemeine Laufweitenregulierung. Auch hier ist in DTP-Programmen das Vergrößern und Verringern des partiellen Zeichenabstandes in der Regel in einer Funktion zusammengefasst. Der deutsche Begriff „Unterschneiden“ ist deshalb ein wenig unglücklich.
W-Dickte
e-Dickte
Abb. 13.2.4a: Die Wirkung einer Unterschneidung (Grafik: Ruske)
Die Auswirkung einer Unterschneidung erkennt man in Abb. 13.2.5a. Das gilt insbesondere bei Buchstabenkombinationen wie W und i, e, o oder T und i, e. Immer dann, wenn eine Schrift sehr groß dargestellt wird (z. B. in Headlines oder Logos), ist es sinnvoll, genauer hinzuschauen und gegebenenfalls den Abstand einzelner Buchstabenkombinationen von Hand auszugleichen. Im nicht unterschnittenen Zustand sieht man die „Löcher“, die bei bestimmten Buchstabenkombinationen entstehen (Abb. 13.2.4b). Will man nur den Abstand zwischen zwei einzelnen Buchstaben verändern, setzt man den Cursor zwischen diese Buchstaben und gibt dann die neuen Werte ein (Abb. 13.2.4c). Auch die voreingestellten Unterschneidungswerte sind dann ablesbar.
Abb. 13.2.4b: Unterschneidungen in Logos (Grafik: Ruske)
Abb. 13.2.4c: Eingabe einer Unterschneidung (Screenshot Adobe InDesign)
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Wortabstand
Abb. 13.2.5a: Typische Unterschneidungen (Grafik: Hammer)
unterschnitten
nicht unterschnitten
LT LV AV Av
LT LV AV Av
To Ty Vo Yo
To Ty Vo Yo
Fo Po Ti Pi
F o P o Ti Pi
fo vo wo yo
fo vo wo yo
oj ow oy ev
oj ow oy ev
v, w, y, f. o.
v, w, y, f. o.
13.2.5 Schriftzurichtung Buchstabenbreiten (Dickten) stellen einen Durchschnittswert dar, denn eigentlich müssten sie den jeweiligen vor- und nachfolgenden Buchstaben angeglichen werden. Diese Festlegung der Vor- und Nachbreite bezeichnet man als Zurichtung der Schrift. Buchstaben wie H, I, N benötigen eine größere Vor- und Nachbreite als Buchstaben wie O, Q, C; Buchstaben wie A, V, Y haben natürliche Vor- und Nachbreiten. Typische Buchstabenpaare, die per Unterschneidung ausgeglichen werden, sind im Abb. 13.2.5a gezeigt. Gute Schriftsätze bauen deshalb auf so genannten Unterschneidungstabellen auf, die die Abstandsmaße für spezifische Buchstabenkombinationen festlegen. Unterschneidungstabellen steuern softwaretechnisch die verwendeten Zwischenräume im Text in Layoutprogrammen. Diese Tabellenwerte können in Schriftentwurfsprogrammen verändert werden. Nicht-Typografen sollten hier jedoch keine Veränderungen vornehmen. Beim Satz von Mengentext ist normalerweise keine nachträgliche Veränderung der Laufweite erforderlich. An dem Wort „Hamburgefonts“ ist die Zurichtung einer Schrift gut erkennbar.
13.3 Wortabstand 13.3.1 Der optimale Wortabstand Der Wortzwischenraum steht immer im Zusammenhang mit der Laufweite. Bei einer größeren Laufweite wird automatisch auch der Wortabstand vergrößert, um gut erkennbar zu sein. Der Wortzwischenraum, der durch Drücken der Leertaste erzeugt wird, hieß auch „Spatienkeil“, da früher im Bleisatz die einzelnen Wörter mit Zwischenstücken (Spatien) voneinander getrennt wurden. Der Wortzwischenraum wird klassisch in Geviert (engl. em) gemessen. Unter einem Geviert versteht man ein Quadrat in Höhe
300
Typo-Ergonomie
Wortabstand
Schriftgröße
=
ein Geviert
1/3Geviert
13
Mfg t Dickte des t
Abb. 13.3.1a: 1/3 Geviert Wortabstand (Grafik: Ruske)
eines Schriftkegels. In der Fachliteratur wird je nach verwendeter Schriftart als optimaler Wortzwischenraum ca. 1/3 eines Gevierts empfohlen, was etwa der Dickte eines kleinen t entspricht (Abb. 13.3.1a). Letztendlich ist es jedoch von der verwendeten Schrift abhängig. Eine sehr schmale Schrift braucht nur etwa ein viertel Geviert als Wortabstand, eine breit laufende Schrift benötigt dagegen bis zu einem halben Geviert. Auch dieses Maß ist in der Schriftzurichtung festgelegt, kann jedoch in den Satzprogrammen individuell geändert werden. 13.3.2 Individuelle Wortabstandskorrekturen Ausgeglichene Wortabstände sind sehr wichtig für die gute Lesbarkeit eines Textes. Ähnlich wie bei der Unterschneidung von bestimmten Buchstabenkombinationen ist es ratsam, Abstände von Wörtern auszugleichen. Das ist meistens bei sehr groß dargestellten Schriften oder besonderen Satzaufgaben (z. B. Visitenkartensatz) üblich, nicht aber im Mengensatz. Im vorliegenden Beispiel ist eine Textzeile einmal ohne und einmal mit Wortabstandsausgleich zu sehen (Abb. 13.3.2a). Anhand der dazwischengefügten Balken erkennt man gleiche und differente Abstände. Lücken im Text lassen das Auge beim Lesen stolpern und das kann durch entsprechenden Ausgleich beim Satz mit etwas Übung vermieden werden. Technisch geht man in solchen Fällen genauso vor wie bei der Eingabe einer Unterschneidung.
ACHTET AUF DIE ABSTÄNDE ACHTET AUF DIE ABSTÄNDE Prof. Dr. Frankenstein Prof. Dr. Frankenstein
Abb. 13.3.2a: Korrekturen des Wortabstandes (Grafik: Ruske)
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Wortabstand
Abb. 13.3.3a: Wortabstand und Spaltenbreite (Grafik: Hammer)
302
13.3.3 Wortabstand und Spaltenbreite Bei schmalen Spalten bietet sich der Flattersatz an (Abb. 13.3.3a, oben links), denn hier sind die Wortabstände automatisch richtig gesetzt (ca. 1/3 Geviert). Beim Blocksatz ist der Wortabstand durch den automatischen Ausgleich auf Spaltenbreite variabel. Das führt teilweise zu großen Lücken im Text, die das Lesen erschweren (Abb. 13.3.3b, oben). Das Auge erfasst beim Lesen nicht einzelne Buchstaben und bildet daraus Wörter und Sätze, sondern erkennt ganze Wortgebilde als eine Art bekanntes Muster. Jede Lücke wirkt dabei äußerst störend. Bei zu großen Wortzwischenräumen kann man entweder die Spaltenbreite vergrößern oder die Schrift verkleinern (Abb. 13.3.3a, unten). Auch die Schriftgröße wirkt sich auf die Wortabstände aus. Sehr kleine Schriftgrößen (Konsultationsgrößen 6-8 pt für Nebentexte) werden mit einem Halbgeviert als Wortzwischenraum gesetzt, bei relativ großen Schriftgrößen (Schaugrößen ab 18 pt für Plakate u. Ä.) dagegen werden die Abstände kontinuierlich verkleinert. Je größer also der Schriftgrad ist, desto kleiner werden die Abstände gesetzt. Leistungsstarke Satzprogramme ermöglichen durch die Definition von Minimal- und Maximalwerten für Wortabstand und Zeichenabstand eine komfortable Einflussnahme auf die entstehenden Wortzwischenräume beim Blocksatz.
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. Schweigen symbolisiert hier allerdings weniger das „Nicht-Sagen“ als das „NichtsSagen“, denn dies ist das Schicksal eines Blindtextes, die Inhaltslosigkeit, zu welcher er per Definition verdammt ist.
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. Schweigen symbolisiert hier allerdings weniger das „Nicht-Sagen“ als das „NichtsSagen“, denn dies ist das Schicksal eines Blindtextes, die Inhaltslosigkeit, zu welcher er per Definition verdammt ist.
Flattersatz, Stone sans 9 pt, 34 Zeichen
Blocksatz, Stone sans 9 pt, ca. 34 Zeichen
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. Schweigen symbolisiert hier allerdings weniger das „Nicht-Sagen“ als das „Nichts-Sagen“, denn dies ist das Schicksal eines Blindtextes, die Inhaltslosigkeit, zu welcher er per Definition verdammt ist.
Der Rest ist Schweigen, schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. Schweigen symbolisiert hier allerdings weniger das „Nicht-Sagen“ als das „Nichts-Sagen“, denn dies ist das Schicksal eines Blindtextes, die Inhaltslosigkeit, zu welcher er per Definition verdammt ist.
Flattersatz, Stone sans 9 pt, ca. 42 Zeichen
Blocksatz, Stone sans 8 pt, ca. 42 Zeichen
Typo-Ergonomie
Zeilenabstand
13
13.4 Zeilenabstand 13.4.1 Numerischer und optischer Zeilenabstand Den Zeilenabstand kann man auf verschiedene Weisen definieren. Man unterscheidet den numerischen und den optischen Zeilenabstand. Beim numerischen Zeilenabstand misst man den Abstand zwischen der Schriftgrundlinie der ersten Zeile zur darunter liegenden Schriftgrundlinie der nächsten Zeile. Dagegen ist der optische Zeilenabstand die Entfernung zwischen der Schriftgrundlinie der ersten Zeile und der Schriftmittellinie (x-Linie) der nachfolgenden Zeile. In der Regel werden Schriftzeilen durch einen optischen Freiraum zwischen der Unterlänge der oberen und der Oberlänge der unteren Zeile, den so genannten Durchschuss, getrennt (Abb. 13.4.1a).
Numerischer Zeilenabstand
Schriftgröße
Optischer Zeilenabstand
Grundlinie Durchschuss
Zeilenabstand
Abb. 13.4.1a: Numerischer und optischer Zeilenabstand (Grafik: Hammer)
Es lohnt sich, die Begrifflichkeiten des numerischen und optischen Zeilenabstands sowie des Durchschusses genau unterscheiden zu können, dann fällt die Bedienung der entsprechenden Textverarbeitungs-, Layout- und Satzprogramme leichter. Der Begriff Durchschuss stammt aus der Bleisatzzeit. Aneinanderstehende Kegel der Bleilettern ergaben den minimalen Abstand der Buchstaben zwischen zwei Zeilen. Durch Blindmaterial (so genannte Regletten) vergrößerte man den Abstand der Zeilen. Das Maß der Reglettendicke bestimmte den Durchschuss. Zur Definition der Satzangaben einer Schrift gehört neben der Angabe des Schriftgrades auch immer die Angabe des Zeilenabstandes, gerechnet als Maß des Schriftgrades zuzüglich des Durchschusses. Eine 10 pt große Schrift mit 2 pt Durchschuss wird somit als 10/12 pt Schrift bezeichnet (sprich: 10 auf 12 Punkt). Ist kein Durchschuss vorhanden, spricht man von einem kompressen Zeilenabstand. Dieser entspricht der Schriftgröße. Ein kompresser Zeilenabstand ist aber keinesfalls für Mengentext geeignet!
303
Zeilenabstand Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diem nonummy nibh euismod tincidunt ut lacreet dolore magna aliguam erat volutpat. Ut wisis enim ad minim veniam, quis nostrud exerci tution ullam corper suscipit lobortis nisi ut aliquip ex ea commodo consequat. Duis te feugi facilisi. Duis autem dolor in hendrerit in vulputate velit esse molestie consequat, vel illum dolore eu feugiat nulla facilisis at vero eros et accumsan et iusto odio. Stone sans 8/8 pt (100%) Abb. 13.4.1b: Wirkung unterschiedlicher Zeilenabstände (Grafik: Hammer)
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Verschiedene Variationen des Zeilenabstands und seine Auswirkungen sind in Abb. 13.4.1b zu sehen. Die Unterlängen der oberen Zeile stoßen je nach Schrift teilweise an die Oberlängen der unteren Zeile. Zeilensatz mit großem Abstand bezeichnet man auch mit dem alten Begriff „splendid“. 13.4.2 Der optimale Zeilenabstand Schriftgrad und Zeilenabstand müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Abstände dürfen nicht zu gering sein, sonst kann es vorkommen, dass man mit dem Blick in die falsche Zeile rutscht. Besonders bei Lesetext und langen Zeilen sollte der 200 %
140 %
120 %
100 %
Abb. 13.4.2a: Zeilenabstand und Spaltenbreite (Grafik: Hammer)
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Typo-Ergonomie
Zeilenabstand
13
Zeilenabstand mindestens 120% der Schriftgröße betragen (Abb. 13.4.2a). Kleinere Werte sind, wie man sieht, der Lesbarkeit nicht förderlich. Tatsächlich muss die Größe des Zeilenabstandes aber im Einzelfall in Abhängigkeit von der gewählten Schrift nach optischen Kriterien gewählt werden. Im Wesentlichen wird der Eindruck durch die Höhe der Mittellängen der Schrift bestimmt, da diese den optischen Zeilenabstand beeinflusst. Zu groß darf der Zeilenabstand aber auch nicht sein. Hier besteht zwar nicht die Gefahr, die Zeile zu verwechseln, zu viel weiße Fläche zwischen den Zeilen behindert jedoch den Transport der Information des Textes. Dieser Effekt lässt sich ausgleichen, wenn – wie im Beispiel – Versalien eingesetzt werden. Besonders bei Headlines in großen Schriftgraden kann ein enger oder sogar unterschnittener Zeilenabstand sinnvoll sein. Es gelten folgende Faustregeln: Je größer die Schrift, desto kleiner darf der Zeilenabstand sein. Je länger die Zeile, umso größer soll der Zeilenabstand sein. Je kürzer die Zeile, umso geringer darf der Zeilenabstand sein. Betrachtet man eine Textseite von einiger Entfernung aus oder mit leicht zugekniffenen Augen, so erkennt man die Textspalten als graue Flächen in unterschiedlichen Tönungen von hell bis dunkel: Wir sehen den so genannten Grauwert. Diese Tönung ergibt sich aus der Strichstärke der Schriftart sowie deren Laufweite und dem Zeilenabstand (Abb. 13.4.2b). Durch
Stone Sans Zeilenabstand :
100 %
140 %
Stone Sans Bold Zeilenabstand :
100 %
140 %
Abb. 13.4.2b: Grauwerte von Texten (Grafik: Hammer)
305
Schriftgestalt und Schriftgröße kompressen Zeilenabstand wird das Schriftbild dunkler (Texte links), mehr Durchschuss hellt es auf (Texte rechts). Im Idealfall sollte der Grauwert einer Seite im mittleren Bereich liegen und gleichmäßig sein. Eher dunklere Grauwerte sind zu vermeiden. Das gilt auch für große Lücken in Blocksatztexten, weil diese eine gleichmäßige Grauwertwahrnehmung stören. Der ideale Zeilenabstand ist dann erreicht, wenn das Satzbild als fast gleichmäßige Graufläche wirkt. Wenn die einzelnen Zeilen gut sichtbar bleiben, ist der Zeilenabstand dagegen zu groß.
13.5 Schriftgestalt und Schriftgröße 13.5.1 Schrifttyp Wie aus den Kapiteln 9 und 11 ersichtlich wird, ist die Anzahl unterschiedlicher Schriften riesengroß. Sie unterscheiden sich u. a. in der Qualität ihrer Lesbarkeit. Einige Schriften büßen durch bestimmte Formmerkmale ihre gute Lesbarkeit ein.
ITC Avantgarde Gothic
Abb. 13.5.1a: Avantgarde ungeeignet für Lesetext (Grafik: Hammer)
Wie das Beispiel zeigt, ist eine Avantgarde für längere Texte gar nicht geeignet, sondern allenfalls für einzelne Wörter. Die Proportionen sind undeutlich, die Buchstaben fließen zusammen, die Verwechslungsgefahr ist sehr groß und die Lesbarkeit daher sehr erschwert. Statt eines Lesetextes entsteht eher ein Geflecht (Abb. 13.5.1a). Anhand der Buchstabenkombinationen rn, hn und adg kann man vergleichen, ob die Formen eher ähnlich oder unterschiedlich sind. Die Avantgarde findet demnach eher ihren Platz in einer stilvollen Headline (Abb. 13.5.1b).
ITC Avantgarde Gothic Medium
Abb. 13.5.1b: Avantgarde als Headline (Grafik: Hammer)
306
Schriftgestalt und Schriftgröße
Typo-Ergonomie
13
Gill Sans MT Regular
Abb. 13.5.1c: Gute Lesbarkeit der Gill (Grafik: Hammer)
Nicht alle Groteskschriften sind generell schlechter lesbar. Die Gill sans beispielsweise gehört zu den am besten lesbaren serifenlosen Schriften und ist also ein vorbildliches Beispiel. Die Buchstaben sind gut proportioniert und eindeutig, so dass ein lebendiges Gesamtbild entsteht (Abb. 13.5.1c). Die Verschiedenheit der Buchstabenformen sowie die unterschiedlichen Strichstärken sind der Grund dafür. Sie wurde von Eric Gill 1928 entworfen.
Bodoni MT Regular
Abb. 13.5.1d: Schlechte Zeilenführung der Bodoni (Grafik: Hammer)
Antiqua-Schriften sind noch besser lesbar, allerdings gilt das nur für den Printbereich. Doch auch diese haben ihre Schwächen. So ist die Bodoni zwar eine weltbekannte und unbestreitbar schöne Antiquaschrift mit eindeutig lesbaren Buchstaben, sie weist jedoch eine schlechte Zeilenführung auf (Abb. 13.5.1d). Vor allem viele neue Schriften und solche der so genannten Neuen Typografie sind nicht auf gute Lesbarkeit ausgelegt (Abb. 13.5.1e); sie dienen ausschließlich als Headlineschriften bzw. Auszeichnungsschriften mit Blickfangfunktion. Und dafür sind sie hervorragend geeignet, da sie aufgrund ihrer Eigenwilligkeit einen hohen Aufmerksamkeitswert erreichen. Für Mengentext sind sie jedoch absolut ungeeignet. In jedem Fall muss der Einsatzzweck einer Schrift bedacht werden. Im Mengentext ist eine leseoptimierte Schrift ein Muss, für kurze Wortbotschaften und Headlines ist nahezu jede Schrift ausreichend gut lesbar.
ITC Matisse Regular
Abb. 13.5.1e: Matisse: Allenfalls für Headlines (Grafik: Hammer)
307
Schriftgestalt und Schriftgröße 13.5.2 Buchstabenform Wie gut lesbar eine Schrift ist, kann man an einigen kritischen Buchstabenkombinationen sehen.
Ä hn lic hk ei t
D iff er en zi er un g Zu sa m m en fli eß en Pr op or tio n
Abb. 13.5.2a: Kriterien der Lesbarkeit (Grafik: Hammer)
ITC Avantgarde Gothic book Gill Sans MT
Ty.
Garamond Regular
Plakatschriften ITC Officina Sans book
65 pt
Die Kriterien zur Prüfung kritischer Schriften sehen Sie in Abb. 13.5.2a. Betrachtet wird hierbei der Differenzierungsgrad zwischen I, L und 1, das Zusammenfließen, die Proportionen und die Ähnlichkeit der Buchstaben. Differenzierung: Die Ähnlichkeit zwischen den Buchstaben und 48 pt damit auch die Verwechslungsgefahr kann sehr groß sein, zu sehen an der Kombination „Il“ (großes i oder kleines L oder gar die Zahl 1). 36 pt Zusammenfließen: Das kleine r und n hintereinander geschrieben kann leicht zu einem m verschmelzen. Proportion: Je besser man h und n durch die Proportionen unter24 pt scheiden kann, desto besser ist die Lesbarkeit. Verlierer ist hier die Avantgarde. 18 pt Ähnlichkeit: An Kombinationen mit Ober- und Unterlängen wie bei den Buchstaben agd erkennt man den Grad der Ähnlichkeit. Typo. 14 pt Am deutlichsten lassen sich wohl die Buchstaben der Garamond Lesegrößen und der Gill unterscheiden, während die Avantgarde den höchsten Ähnlichkeitsfaktor aufweist. Schaugrößen
Typ.
Typo.
Typo.
Typo.
Typo.
12 pt
Typo.
11 pt
Typo.
10 pt
Typo.
9 pt
Typo.
8 pt
Beim Vergleich verschiedener Schriften aufgrund dieser Kriterien stellt man fest: Nicht die einfachsten, sondern die eindeutigsten Buchstabenformen sind am besten lesbar.
13.5.3 Schriftgrößen Lesbarkeit hat natürlich immer mit der Schriftgröße (auch SchriftKonsultationsgrößen grad) zu tun bzw. mit dem Abstand zum Geschriebenen. Brillen7 pt träger spüren dies alltäglich. Typo. 6 pt Man unterteilt in der Printtypografie Schriftgrößen in vier Gruppen Typo. Abb. 13.5.3a: Gliederung der Schriftgrößen (Abb. 13.5.3a). (Grafik: Hammer)
308
Schriftgestalt und Schriftgröße Konsultationsgrößen sind kleine Schriften bis 8 pt. Sie finden Verwendung bei Fußnoten, Marginalien, Lexika, Wörterbüchern, Telefonbüchern etc. Lesegrößen bewegen sich im Bereich von 8-12 pt Größe und sind Standard bei allen Arten von Fließtexten. Schaugrößen sind bis zu 48 pt groß und werden vor allem für Titel, Headlines oder einfach für Text eingesetzt, der aus einer größeren Distanz gelesen werden soll. Alle Schriftgrößen, die über 48 pt betragen, werden als Plakatschriften oder Displayschriften bezeichnet. Ihr Einsatzgebiet sind Plakate, Displays, Verpackungen, Messestände und Großplakate, aber auch plakative Headlines in Zeitschriften. Bei der Wahl der geeigneten Schriftgröße spielt die Lesedistanz zum Text eine große Rolle. Sie beträgt bei einer Zeitung etwa 40 cm, also wird man hier eine Lesegröße von 8-12 pt wählen. Würde man stattdessen einen größeren Schriftgrad, beispielsweise eine Schaugröße von 21 pt, benutzen, so wäre dieser Text vom Leser schlecht zu erfassen, da die Lesedistanz gleich bleibt. Bei einem Plakat kann dieser Abstand bis zu 50 m betragen, deshalb muss auch der Schriftgrad größer werden! Ein anderer Aspekt für die Wahl einer Schriftgröße ist die Gestaltung. Schrift wird vom Leser auch räumlich gesehen. Eine große Schrift erscheint uns räumlich näher, als eine kleine (Abb. 13.5.1b). Durch das Spiel mit verschiedenen Schriftgrößen kann man einer Seite Spannung und Dynamik verleihen. Man muss allerdings aufpassen, dass die Ordnung und Lesbarkeit nicht darunter leidet. Ein Typometer dient als Messinstrument für die Größe einer gedruckten Schrift. Anhand des sich verjüngenden Rasters auf einer Art Lineal kann die zu untersuchende Schrift exakt auf ihre Größe hin bestimmt werden. Man kann sowohl Schriftgrößen als auch Zeilenabstände ausmessen (Abb. 13.5.3c, d).
Typo-Ergonomie
13
Abb. 13.5.3b: Plakat mit unterschiedlichen Schriftgrößen (Design: Ruske)
Abb. 13.5.3c, d: Typometer (Foto: Trebstein)
309
Resümee
13.6 Resümee 13.6.1 Was Sie gelernt haben Das Kapitel 13 „Typo-Ergonomie“ hat Ihnen die Aspekte der Gebrauchstauglichkeit unterschiedlicher Schriften und typografischer Gestaltungen vor Augen geführt. Sie haben erfahren, dass die Informationen beim Lesen durch Fixationen von Informationseinheiten aufgenommen werden. Sie kennen Möglichkeiten der Laufweitenanpassung einer Schrift und deren Auswirkung auf die Lesbarkeit. Sie wissen, wann ein individuelles Unterschneiden sinnvoll ist und welche Buchstabenkombinationen kritisch sein können. Sie kennen das Standardmaß des Wortabstandes. Sie können den optischen und numerischen Zeilenabstand unterscheiden und wissen, wie Sie den Zeilenabstand in Relation zu Schriftgröße und Zeilenlänge optimieren. Sie haben an Beispielen gesehen, wie sehr die Lesbarkeit von der gewählten Schriftart abhängt, insbesondere von der Eindeutigkeit ihrer einzelnen Buchstaben. Sie kennen die Einteilungen der Schriftgrößen. Überprüfen Sie Ihr Wissen mit dem selbst evaluierbaren Quiz. 13.6.2 Der besondere Tipp: Schriftgrößenentscheidung im Ausdruck Die Wirkung einer Schriftgröße hängt wesentlich von der gewählten Schriftart ab, vorwiegend in Bezug auf deren x-Höhe. Für die Festlegung geeigneter Schriftgrößen für Lesetexte (Mengentext) existiert zwar die Empfehlung 8-12 pt, Sie müssen es dennoch je nach der gewählten Schrift individuell entscheiden. Diese Entscheidung können Sie nicht am Bildschirm treffen. Legen Sie deshalb Ihr Layout mit alternativen Schriften und Schriftgrößen an, drucken Sie es aus und vergleichen Sie die Ausdrucke.
310
Typo-Ergonomie
Quiz zu „Typo-Ergonomie“
13
13.7 Quiz zu „Typo-Ergonomie“ Im nachfolgenden Quiz prüfen Sie Ihren Kenntnisstand zu den Lösungen (siehe Seite 419) Inhalten dieses Kapitels. Sollte die abschließende Auswertung ergeben, dass Ihr Kenntnisstand lückenhaft ist, wird empfohlen, die relevanten Kapitel nachzuarbeiten. 13.7.1 Welcher Bereich einer Schrift ist informationshaltiger? (A) Der untere (B) Der obere (C) Der mittlere 13.7.2 (A) (B) (C)
Was bezeichnet die Laufweite einer Schrift? Die Lebensdauer einer Schrift Die Spaltenbreite Den Abstand zwischen den Buchstaben einer Schrift
13.7.3 Was bezeichnet man als Schriftzurichtung? (A) Eine ziemlich übel gesetzte Schrift (B) Die Festlegung der Vor- und Nachbreite des Buchstabens für unterschiedliche Buchstabenkombinationen (C) Die Ausrichtung einer Schrift zu einer Linie 13.7.4 (A) (B) (C)
Was ist Unterschneidung? Verringern der normalen Laufweite Ein zu enger Zeilenabstand Schriftzeilen, die höhenmäßig ineinanderlaufen
13.7.5 Ist folgende Aussage richtig oder falsch? „Durch Vergrößern des Buchstabenabstandes um 20% wird bei Mengentext die Lesbarkeit verbessert.“ (A) richtig (B) falsch 13.7.6 Ist folgende Aussage richtig oder falsch? „Leichtere Schriftschnitte benötigen eine geringere Laufweite als fette.“ (A) richtig (B) falsch 13.7.7 Was wird als optischer Zeilenabstand bezeichnet? (A) Der Abstand von der Grundlinie der oberen bis zur Grundlinie der darunter liegenden Zeile (B) Der Abstand von der Grundlinie der oberen bis zur (C) Oberlänge der darunter liegenden Zeile (D) Der Abstand von der Grundlinie der oberen bis zur x-Linie der darunter liegenden Zeile
Quizfrage 13.7.1
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 13.7.2
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 13.7.3
Lösung (A) Lösung (B)
Lösung (C)
Quizfrage 13.7.4
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Quizfrage 13.7.5
Lösung (A) Lösung (B)
Quizfrage 13.7.6
Lösung (A) Lösung (B)
Quizfrage 13.7.7
Lösung (A)
Lösung (B) Lösung (C) Lösung (D)
311
Quiz zu „Typo-Ergonomie“ Quizfrage 13.7.8
Lösung Lösung
(A) (B)
Lösung
(C)
Quizfrage 13.7.9
Lösung Lösung Lösung
(A) (B) (C)
Quizfrage 13.7.10
312
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
13.7.8 Was wird in der Typografie als Durchschuss bezeichnet? (A) Ein Loch im bedruckten Papier (B) Der Abstand zwischen Oberlänge der unteren und Unterlänge der oberen Schriftzeile (C) Der Freiraum im Buchstaben (z. B. beim o) 13.7.9 (A) (B) (C)
Was ist kompress gesetzter Text? Unterschnittener Text Text ohne Zeilendurchschuss Text der am Computer gestaucht wird
13.7.10 Wie groß soll der numerische Zeilenabstand bei Mengentext sein? (A) So groß wie der Schriftgrad (B) Ein Drittel Geviert (C) 120 % des Schriftgrades
Quizfrage 13.7.11
13.7.11 Die Avantgarde ist eine ideale Schrift für … (A) Fließtext (B) Headlines (C) Zeitungssatz
Quizfrage 13.7.12
13.7.12 Eine 8 pt große Schrift gehört zu den … (A) Lesegrößen (B) Schaugrößen (C) Konsultationsgrößen
Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C) Lösung (A) Lösung (B) Lösung (C)
Satzgestaltung Satzgestaltung
14
Kurt Schwitters 14
Abb. 14a: Zitat Kurt Schwitters (Grafik: Hammer)
Satzgestaltung
14.0 Einleitung 14.0.1 Lernziele Sensibilisieren Sie sich in diesem Kapitel für die Gestaltung des typografischen Satzes. Erkennen Sie die Merkmale systematischer Textformatierung. Sie lernen im Einzelnen: • Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Satzausrichtungen • Verschiedene Arten des Umbruchs und die Bewältigung von Umbruchproblemen • Verschiedene Möglichkeiten der Absatztrennung • Die Satzgestaltung mit Initialen und Blickfangpunkten • Kombinationsmöglichkeiten unterschiedlicher Schriften • Die Unzulänglichkeiten der Alltagstypografie mit Systemschriften • Weiter gehende Möglichkeiten der Headlinegestaltung • Den Zusammenhang zwischen Schrift und Farbe • Die wichtigsten Satzregeln Entwickeln Sie in eigenen Satzübungen Ihr Gefühl für Textanordnung, Schriftauswahl und Komposition. Prüfen Sie die erlangten Wissenssachverhalte anhand des selbst evaluierbaren Quiz. 14.0.2 Systematik und Freiheit Eine zentrale Aufgabe typografischen Gestaltens ist es, den Prozess der Informationsvermittlung sinnreich zu unterstützen. Das
313
Satzarten betrifft u. a. Aspekte der Lesbarkeit, die optische Strukturierung der Information durch Systeme verschiedener Schriftgrößen sowie die ästhetische Auswahl von passenden Schriften und deren Kombinationen. Gute Typografie zeichnet sich nicht durch „kunterbunte Vielfalt“ aus, wichtiger sind eine ordnende Struktur und lesefreundliche Schriftanordnung und ein Gefühl für den Charakter einer Schrift. Schriften sollten dezent und zweckmäßig eingesetzt werden. Ein gewisses Maß an Ordnung wird in der typografischen Gestaltung bereits durch eine geeignete Aufteilung im Layout erreicht. Da das systematische Gestalten auf Flächen (sei es auf Papier oder auf dem Bildschirm) oft stark mit dem Einsatz von Rastern einhergeht und sehr weit reichend ist, sind diesem Thema die eigenständigen Kapitel 6 „Rasterlayout“ und 15 „Rastertypografie“ gewidmet. Ordnung entsteht auch durch Gestaltung des Satzes, deshalb werden hier die vielfältigen Möglichkeiten der Satzgestaltung vorgestellt. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden an Beispielen verschiedene Aspekte der Gestaltung mit Schriftformen aufgezeigt. Aus der Freiheit des Gestalters ergibt sich die Möglichkeit, allzu strenge systematische Grenzen zu verlassen und somit neue Anwendungen mit Schriftformen zu erfinden, bis hin zum eigenen, unverwechselbaren Stil. Diese Grenzen zu durchbrechen gelingt am besten, wenn man verschiedene Systeme kennen gelernt hat und die eigene neue gestalterische Handschrift spannender Ausdruck des zu gestaltenden Themas wird.
14.1 Satzarten 14.1.1 Ausrichtung Das Erscheinungsbild eines Layouts wird maßgeblich durch die Satzausrichtung, d. h. die horizontale Positionierung der Schrift innerhalb einer Zeile, bestimmt. Man unterscheidet zwischen linksbündigem, rechtsbündigem Satz und auf Spaltenbreite gesetztem Satz sowie einem Satz, der an der Mittelachse ausgerichtet ist (Abb. 14.1.1a). Als Oberbegriffe stehen hierfür der Blocksatz (auf Spaltenbreite), der Flattersatz (links- oder rechtsbündig) und der mittelzentrierte Satz. Außerdem gibt es die Sonderart des Formsatzes, bei dem der Text links- oder rechtsbündig durch eine Konturform begrenzt wird. Am häufigsten wird der linksbündige Flatter- oder Rausatz verwendet sowie der Blocksatz. Die Satzarten unterscheiden sich nach der Ausrichtung der Zeilen. Diese Ausrichtungsmöglichkeiten bestimmen maßgeblich die Anmutung, den Anlass und die Wirkung eines Schriftbildes. Die Bündigkeit oder Satzausrichtung sollte dem Anlass und somit auch dem Layout entsprechend ausgewählt werden. Nicht zuletzt ist die Textmenge und deren Lesbarkeit ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung für eine Satzart.
314
Satzgestaltung
Satzarten Der Rest ist Schweigen schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. linksbündig
Der Rest ist Schweigen schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. Blocksatz
14
Der Rest ist Schweigen schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. rechtsbündig
Der Rest ist Schweigen schrieb schon Shakespeare in Hamlet, eine, obwohl ursprünglich abschließende Aussage eines kompletten Dramas, dennoch gelungene Einleitung für einen Blindtext. zentriert
Abb. 14.1.1a: Die vier Ausrichtungsarten (Grafik: Hammer)
14.1.2 Blocksatz Beim Blocksatz (auch justierter Satz) reichen die Zeilen rechts und links bündig über die gesamte Spaltenbreite. Das wird erreicht, indem der Wortabstand und der Zeichenabstand je nach Bedarf durch das Satzprogramm vergrößert werden (Abb. 14.1.2a). Blocksatz ist die optimale Satzart für Dokumentationen, wenn insgesamt Ruhe auf der Seite ausgestrahlt werden soll. Auch bei Tageszeitungen ist er Standard. Das setzt eine mittlere Spaltenbreite voraus (30 – 45 Zeichen), sonst wird der Text durch zu große Wortabstände „löchrig“. Unbedingtes Muss ist die eingeschaltete Silbentrennung in Satzprogrammen. Außerdem ist darauf zu achten, dass Zeilen am Absatzende, die nicht vollständig gefüllt sind, nicht zwangsweise im Blocksatz gesetzt werden (erzwungener Blocksatz). Satzprogramme gestatten hier entsprechende Einstellmöglichkeiten, um dies zu verhindern.
Abb. 14.1.2a: Blocksatz (Grafik: Hammer)
315
Satzarten TIPP: Achten Sie auf eine ausgewogene Einstellung der Silbentrennzone, damit nicht in jeder Zeile eine Trennung stattfindet. Prüfen Sie den gesetzten Text daraufhin, ob Sie lange Fremdwörter, die nicht automatisch getrennt werden, von Hand trennen müssen. Benutzen Sie dann den „weichen“ Trennstrich (STRG und -). 14.1.3 Flattersatz Man unterscheidet den linksbündigen und den rechtsbündigen Flattersatz. Die Zeilen sind beim Flattersatz am linken oder rechten Satzrand ausgerichtet und laufen zur anderen Satzkante frei aus. Ohne Trennungen erzielt die Satzkontur eine deutliche Wellenform, die jedoch stark von der Länge der verwendeten Wörter abhängt. So kann im günstigen Fall ein ansprechender Rhythmus an der Satzkante entstehen; im ungünstigen Fall kommt es zu unschöner Stufenbildung (Abb. 14.1.3a).
Flattersatz linksbündig
Flattersatz rechtsbündig
Flattersatz in der Lyrik
Abb. 14.1.3a: Flattersatz (Grafik: Hammer)
Diese weit verbreitete Satzart des linksbündigen Flattersatzes sieht angenehm aus und kommt unseren Lesegewohnheiten entgegen. Der linke, gerade Rand gibt dem Auge Halt, wenn es beim Lesen in die neue Reihe finden muss. Die rechtsbündige Variante des Flattersatzes bietet bei Mengentext eine schlechte Lesbarkeit, da das Auge bei jeder Zeile erst den Anfang suchen muss. Rechtsbündig gesetzter Text eignet sich daher nur als Gestaltungselement, bei sehr kurzen Texten (z. B. Bildlegenden) oder in Tabellen. Mit (linksbündigem) Flattersatz erreichen Sie Lesedynamik, die Ruhewirkung ist geringer als beim Blocksatz. Bei mehrspaltigem Satz wirken die Spaltenabstände mehrerer Flattersatzspalten durch den offenen rechten Flatterrand optisch breiter als im Blocksatz. 14.1.4 Rausatz Der Rausatz stellt eine Sonderform des Flattersatzes dar. Er ist eine abgemilderte Form des Flattersatzes mit kleiner Silbentrennzone, wodurch ein dem Blocksatz nahe kommendes, ruhigeres Schriftbild entsteht (Abb. 14.1.4a). Der Rausatz weist allerdings viele Trennungen auf und hat nicht die ästhetische Qualität eines von Hand nachgearbeiteten Flattersatzes.
316
Satzgestaltung
Satzarten
Rausatz
14
Flattersatz
Abb. 14.1.4a: Vergleich Rausatz und Flattersatz (Grafik: Hammer)
Rausatz verwendet man gerne bei sehr schmalen Spaltenbreiten mit weniger als 40 Zeichen, da hier beim Blocksatz unschöne Löcher entstehen würden. In Satz- und Schreibprogrammen ist die Silbentrennzone individuell einstellbar. 14.1.5 Mittelzentrierter Satz Beim mittelzentrierten Satz (auch Axialsatz) sind die Zeilen an einer Mittelachse zentriert angeordnet. Er sieht dadurch optisch sehr interessant aus. Ein Nachteil sind aber die daraus resultierenden unregelmäßigen Augensprünge bei jedem Zeilenwechsel. Zentrierter Satz eignet sich in Dokumentationen nur für Titel, Zwischentitel und Bildlegenden, ist aber ungeeignet für Mengentext. Da er optisch sehr reizvoll ist, wird er bei kurzen Texten gerne für Zertifikate und lyrische Texte verwendet (Abb. 14.1.5a).
„Ja“, sagte Gwondai, „Ja, so ist es.“ Flavig Anin dachte einen Moment lang nach. Ihm war schlagartig bewusst geworden, was das bedeutete. „Wir müssen etwas unternehmen. Gwondai, du musst sofort aufbrechen und zurückreisen. Ich werde mich mit Cravlat beraten und euch eine Botschaft zukommen lassen. Er weiß
sicher, was zu tun ist. Bis dahin müsst ihr versuchen unter allen Umständen weitere Eskalationen zu vermeiden.“ Er wagte nicht einmal sich vorzustellen, was passieren würde, wenn es wieder zu einem Krieg zwischen den benachbarten Reichen käme.
Der Liebesschwur „Du bist so zart, so weiß, so rein, Ich möcht für immer bei Dir sein, So sprach der Stift zur Seite. Mit den schönsten Worten Dich beschreiben Und meine Miene an Dir reiben Auf deiner ganzen Breite.“ Die Seite sprach: „Bleib weg von mir! Kaum bin ich voll mit dem Geschmier; komm ich ins Altpapier.“
Abb. 14.1.5a: Mittelzentrierter Satz (Grafik: Hammer)
14.1.6 Formsatz Der Formsatz (auch Kontursatz) ist grundsätzlich schlechter lesbar, als die oben vorgestellten Satzarten, bildet jedoch gestalterisch eine sehr reizvolle Variante. Er kommt in drei Ausführungen vor.
317
Satzarten Abb. 14.1.6a: Formsatz (Grafik: Hammer)
Abb. 14.1.6b: Umfließender Satz (Grafik: Hammer)
Die Wirkung des Formsatzes tritt am besten zutage bei einer Blockausrichtung, kommt aber auch rechts- oder links ausgerichtet vor (Abb. 14.1.6a). Beim umfließenden Formsatz kann der Lesetext an einer oder mehreren Seiten ein Bild oder Grafikelement umfließen, wie das z. B. in Zeitschriften häufig zu beobachten ist (Abb. 14.1.6b). Die Satzbegrenzung wird durch das Grafikelement oder einen handgezeichneten Konturpfad erzeugt.
Abb. 14.1.6c: Textfluss am Pfad (Grafik: Hammer)
Abb. 14.1.6d: Text im Pfad (Grafik: Hammer)
318
Die zweite Variante des Formsatzes ist der so genannte Textfluss am Pfad, d.h., der Text läuft an einem sichtbaren oder unsichtbaren Pfad entlang. Diese Art wird häufig bei Signets, Plaketten oder Gütesiegeln verwendet (Abb. 14.1.6c). Und schließlich kann Text auch in eine vorgegebene Form einfließen und den Konturen dieser Form folgen. Dazu wird die gewünschte Form als Umschließungspfad gezeichnet und der Text mit einem definierten Randabstand zur Form dargestellt. Die Form kann unsichtbar oder sichtbar sein, z. B. als Hintergrundfläche. Idealerweise sollte die Konturform einen semantischen Bezug zum Inhalt aufweisen. Im Allgemeinen wird Kontursatz nicht für
Satzarten
Satzgestaltung
14
umfangreichere Texte verwendet, sondern eher für die dekorative Aufbereitung (Abb. 14.1.6d). 14.1.7 Programmeinstellungen In Layout- und Satzprogrammen müssen je nach gewünschter Satzart einige Einstellungen vorgenommen werden (Abb. 14.1.7a).
Abb. 14.1.7a: Satzeinstellungen (Screenshot Adobe InDesign)
Bei Block-, Flatter- und Rausatz ist unbedingt die Silbentrennung zu aktivieren. Hier wird der Trennbereich am Zeilenende definiert, innerhalb dessen trennbare Worte umbrochen werden. Je nach Programm sind zusätzliche Einstellungen z. B. zur Mindestgröße trennbarer Wörter oder Silben möglich. Beim Blocksatz werden die in einer Zeile vorhandenen Wörter so ausgeglichen, dass die Zeile gefüllt wird. Das geschieht nicht allein durch Trennungen, sondern auch durch den Ausgleich der Wortzwischenräume und der Buchstabenzwischenräume. Es lassen sich jeweils Minimum-, Optimal- und Maximalwerte eingeben. Eher ungeeignet ist dagegen eine Veränderung der Buchstabenweite (Glyphenabstand), weil dies zu einer Schriftveränderung führt. Im Satzprogramm Adobe InDesign kann der Benutzer selbst wählen, ob der Ausgleich eher durch Trennen oder eher durch den Abstandsausgleich erfolgen soll. Zudem bietet hier die Option Absatzsetzer eine automatische Abstandsoptimierung für den gesamten Absatz, indem das Programm nach optimalen Trennungsmöglichkeiten sucht. TIPP: Beim Blocksatz empfiehlt sich eine Standardeinstellung der Wortabstände auf die Werte Minimal 80%, Optimal 100%, Maximal 120% und für Zeichenabstände auf -10%, 0% und 10%. Stellen Sie die Variablen der Silbentrennung so ein, dass nicht jedes Wort getrennt wird. 14.1.8 Satzkombinationen Eine Kombination der unterschiedlichen Satzarten sollte nicht beliebig erfolgen. Es sollten beispielsweise keine Satzarten kombiniert werden, die zu unterschiedlichen Oberbegriffen gehören. Gut kombinierbar sind dagegen zusammengehörige Satzarten: • Blocksatz mit mittelzentriertem Satz • Linksbündiger Flattersatz mit rechtsbündigem Flattersatz • Linksbündiger Formsatz mit linksbündigem Flattersatz und justierter Formsatz mit Blocksatz
319
Satzgliederung Dabei kann die Ausrichtung an einem Raster den Einsatz von verschiedenen Kombinationen anregen, aber wie so oft kann weniger Vielfalt mehr Gestaltungsqualität bedeuten.
14.2 Satzgliederung 14.2.1 Umbrucharten Passt ein langer Text nicht zusammenhängend auf eine Seite, sondern wird er auf der Folgeseite fortgesetzt, spricht man von einem typografischen Umbruch. Ebenso bezeichnet man damit bei einem Spaltenlayout die Fortsetzung des Textflusses in der nächsten Spalte. Wenn ein klassischer Spalten- oder Seitenumbruch stattfindet, bei dem eine Spalte oder Seite von oben bis unten gelesen wird, erfolgt das Weiterlesen meist intuitiv richtig (Abb. 15.2.3a, links).
Abb. 14.2.1a: Spaltenweiser Umbruch und Modulumbruch (Grafik: Hammer)
Spaltenweiser Umbruch
Modulumbruch
Vorzugsweise in Zeitungen oder Zeitschriften finden wir aber so genannte Modulumbrüche (Abb. 15.2.3a, rechts). Es gibt dort mehrere Artikel, die innerhalb ihres eigenen Inhaltsbereichs von einer Spalte zur anderen fließen. Die verschiedenen Bereiche müssen dann optisch durch Abstände, Linien, Flächen oder andere trennende Elemente deutlich voneinander abgesetzt werden. Auf diese Weise wird der Satz in inhaltlich sinnreiche Teilbereich untergliedert. Die horizontalen Rasterabstände sollten dabei ausreichend groß sein, um merkliche Trennungen der Inhaltsmodule zu erreichen. 14.2.2 Umbruchprobleme Beim Umbruch ist darauf zu achten, dass keine einzelnen Zeilen am Anfang oder Ende einer Spalte oder Seite stehen. Eine Übertragung der letzten Zeile eines Absatzes in eine neue Seite oder Spalte bezeichnete man in der derben Sprache der Bleisatzzeit als „Hurenkinder“. Die Einbindung der ersten Zeile
320
Satzgestaltung
Satzgliederung
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„Hurenkinder“
14
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„Schusterjungen“
Abb. 14.2.2a: „Hurenkinder“ und „Schusterjungen“ (Grafik: Hammer)
eines neuen Absatzes als letzte Einzelzeile in der vorhergehenden Seite wurde „Schusterjunge“ genannt (Abb. 14.2.2a). Gute Satzprogramme bieten heute automatische Funktionen, die das verhindern, indem bei „Hurenkindern“ einfach die vorletzte Zeile des vorhergehenden Absatzes mit umbrochen wird, bzw. bei „Schusterjungen“ bereits vor der verbleibenden Einzelzeile der nächste Absatz umbricht. Durch fehlende Zeilen im Satzspiegel entstehen Freiräume, die jedoch meistens kaum störend auffallen. Eine bessere Methode ist der Ausgleich von Hand, indem idealerweise durch Autorenkorrekturen im Text ein bis zwei Wörter gekürzt bzw. hinzugefügt werden, so dass eine Zeile eingespart wird oder eine zusätzliche Zeile entsteht. Man kann auch unmerkbar ein wenig die Laufweite manipulieren, um eine Zeile zu addieren oder abzuziehen. 14.2.3 Absatztrennungen Längere Texte gliedern sich üblicherweise in einzelne Absätze. Diese müssen im Satz als solche erkennbar sein (Abb. 14.2.3a). Die einfachste Art der Absatztrennung besteht im Zwischenschalten einer Leerzeile. Das sieht jedoch meist langweilig aus und zerreißt den Text. Besser ist es deshalb, in den Absatzoptionen der Satzprogramme einen kleineren Abstand als eine Leerzeile einzustellen. Bei Verwendung von Grundlinienrastern (vgl. Kap. 15) ist das allerdings nicht möglich.
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1,5 Zeilenabstand
Zeilenabstand
Erstzeileneinzug
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Abb. 14.2.3a: Absatztrennungen (Grafik: Hammer)
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Satzgliederung Man kann aber auch auf jeglichen zusätzlichen Abstand zwischen den Absätzen verzichten, da meistens die letzte Zeile eines Absatzes nicht vollständig gefüllt ist und somit ohnehin eine Differenzierung sichtbar wird. Wem das nicht ausreicht, der kann einen Erstzeileneinzug definieren. Dabei wird die erste Zeile eines Absatzes nach rechts eingerückt und schafft so eine deutliche Absatztrennung. Die Einrückung sollte mindestens ein Geviert betragen. 14.2.4 Initialen Unter Initialen versteht man vergrößerte Buchstaben am Anfang eines Absatzes. Sie stellen somit ebenfalls ein Mittel der Absatztrennung dar, haben aber vor allem dekorativen Charakter. Ihr Ursprung liegt in der Zeit der klösterlichen Schreibstuben des frühen Mittelalters, wo künstlerisch aufwändige und reich verzierte Initialen die Bücher schmückten. Vor allem beim Druck kirchlicher Bücher wurden sie verwendet (Abb. 14.2.4a).
Abb. 14.2.4a: Initiale in einer Lutherbibel (Foto: Hammer)
A D
nfangen mit Initialen erzeugt Aufmerksamkeit. Dies ist ein Text über den Anfang eines Textes. Sie merken schon, eigentlich schwachsinnig und in der Tat auch nur als Blindtext gedacht. eshalb sollte der geneigte Leser seinen Blick auch vom Wortlaut abwenden und auf die Wirkung der eingefügten Initiale achten. Antiquaschriften mit schönen Serifen sind hier meist wirkungsvoller als einfache Groteskschriften. enug der vielen Worte, ab hier folgen Wiederholungen. Dies ist ein Text über den Anfang eines Textes. Sie merken schon, eigentlich schwachsinnig und auch nur als Blindtext gedacht.
G
Abb. 14.2.4b: Initiale aus der Textgrundschrift (Grafik: Hammer)
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Heute verwendet man meistens einen vergrößerten Buchstaben der Grundschrift auf der Höhe von zwei oder drei Zeilen (Abb. 14.2.4b). Die Initiale (auch das Initial) kann dabei bündig zum Text gesetzt werden, während der nebenstehende Text eingerückt wird, sie kann aber auch ganz oder teilweise, als so genannte hängende Initiale nach links herausgerückt sein. Initialen sind Schmuckelemente und sollten nur dort eingesetzt werden, wo die dekorative typografische Aufwertung angemessen ist, wie z. B. in Urkunden oder Festschriften. 14.2.5 Blickfangpunkte Ein besonders aufmerksamkeitsstarkes Gliederungselement stellen so genannte Blickfangpunkte (auch Typosignale) dar. Sie werden bei Aufzählungen angewendet. Die übliche Methode einer Aufzählung gleich kalibrierter Sinneinheiten besteht darin, jeweils eine neue Zeile zu beginnen und dem Begriff einen Aufzählungsstrich (Spiegelstrich) voranzustellen. Beachten Sie, dass der Spiegelstrich kein Trennstrich, sondern ein Halbgeviertstrich ist.
Gestalten mit Schrift Interessanter wirken allerdings andere Aufzählungszeichen, die man als Sonderzeichen des jeweiligen Zeichensatzes des Mengentextes aufruft oder einem speziellen Sonderzeichensatz entnimmt. Praktischer ist es, wenn die Blickfangpunkte zum Zeichenumfang der verwendeten Textschrift gehören, da sonst bei Datenübertragungen auf andere Systeme gerne die Sonderzeichen vergessen und dann unschön ersetzt werden. TIPP: Wählen Sie interessante Blickfangpunkte, die der Gesamtgestaltung des Textes angemessen sind. Extravagante Symbole in einem sachlich gestalteten Text sind ebenso unpassend wie fette Rundpunkte zu einer grazilen Schreibschrift! Entscheiden Sie sich für eine einzige Ausführungsart der Blickfangpunkte und setzen Sie diese konsistent ein. Um eine Aufzählung besonders deutlich hervorzuheben, wird sie als Gesamtes ein wenig (ca. 1 Geviert) gegenüber dem normalen Textanfang eingerückt. Achten Sie darauf, dass ein mehrzeiliger Aufzählungsinhalt richtig umbricht und nicht unter den Aufzählungspunkt gerät.
Satzgestaltung
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Stone Sans
Wingdings3
Wingdings
Webdings
Grafik
Abb. 14.2.5a: Verschiedene Blickfangpunkte (Grafik: Hammer)
14.3 Gestalten mit Schrift 14.3.1 Schrift und Inhalt Wie man durch eine geeignete Schrift direkte semantische Bezüge zum darzustellenden Inhalt erzeugen kann, wurde bereits in Kapitel 12 dargestellt. Darüber hinaus geht es beim Gestalten mit Schrift um die Schrift als Form und deren Eigenschaften auf der zu gestaltenden Fläche. Wie erzeuge ich Spannung und Rhythmus auf einer Fläche? Damit sind wir wieder beim Thema Layout. Dieselben Gestaltungsgesetze, die beim Gesamtaufbau eines Layouts zu beachten sind, betreffen ebenso die Schrift als Gestaltungskomponente. Eine essenzielle Aufgabe der eingesetzten Schrift ist es, als Flächenform zu wirken oder auch mit dem Format, den verwendeten Bildern oder mit Farbflächen in Bezug zu treten. Das kann so aussehen, dass die Form zum Bild einen Kontrast aufbaut oder Spannung erzeugt oder auch das Gegenteil bewirkt, nämlich Harmonie schafft, also ein unruhiges Bild ausgleicht. Das trifft insbesondere zu, wenn die Schrift als Headline groß und dominant in Erscheinung tritt. Das Erscheinungsbild der Schrift wird bestimmt von deren Formkontur, der gekonnten Kombination verschiedener Fonts, der Wahl der Schriftgröße und dem Stand auf der Fläche. Ein spannendes Layout erfordert mutige Experimentierfreude mit allen Elementen. Wer sich nicht traut, erzielt meist nur langweilige Ergebnisse. Die folgenden Beispiele zeigen drei Layouts mit unterschiedlichen Anmutungen. Insbesondere die spezifische Buchstabenform der jeweiligen Schriftart drückt den Stil aus. Aber auch Größe, Anordnung und Farbe der Wörter unterstreichen die gewünschte Aussage.
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Gestalten mit Schrift
Abb. 14.3.1a: Typografisches Gestalten mit Bodoni (Beispiel: Ruske)
Die Bodoni (Abb. 14.3.1a) hat als Form durch die Kombination von runden und vertikalen Elementen ein unverwechselbares Erscheinungsbild und steht dadurch für Klassik und Stil schlechthin. Sie ist die Hausschrift von IBM und wird gerne in der klassischen Mode benutzt (z. B. Armani).
Abb. 14.3.1b: Typografisches Gestalten mit Banco und Ru’ach (Beispiel: Ruske)
Die Umsetzung des Themas „Aikido“ (Abb. 14.3.1b) zeigt durch die beiden gewählten Schriften eine Formsprache, die die Anmutung asiatischer Pinselführung hat. Größe und Stand des Wortes „Aikido“ tragen dazu bei, den Begriff des Wettkampfs richtig ins Licht zu setzen.
Abb. 14.3.1c: Typografisches Gestalten mit Flatrion und Automatic (Beispiel: Ruske)
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Gestalten mit Schrift
Satzgestaltung
14
In Beispiel 14.3.1c sehen Sie ein dynamisches Schriftbild, das für Schnelligkeit steht. Die Geschwindigkeit drückt sich in der niedrigen, extrem breiten und leichten Schrift und der grafischen Formgebung aus. Dynamik wird deutlich durch die Verläufe und progressiven Linienabstufungen sowie durch Verwendung von kursiven Fonts. TIPP: Um Sehen und somit Gestalten (auch Gestaltung beurteilen) zu lernen, können Sie sich für die Gestaltung um sich herum sensibilisieren: Wie setzen Fernsehsender Typografie ein, wie wird sie auf Webseiten genutzt oder in der Packungsgestaltung ganz alltäglicher Produkte wie Milch oder Duschgel? Wodurch wird die Botschaft zum Betrachter gebracht? 14.3.2 Schriften aussuchen Überall, wo Schilder, Wurfsendungen oder Speisekarten aus Kostengründen selbst erstellt werden, z. B. in Imbissläden, Copyshops, Waschsalons oder (nicht nur) privaten Homepages, fällt auf, dass diese Designs sich irgendwie gleichen, leider meist im negativen Sinne. Es ist also an dieser Stelle durchaus angebracht, auch negative Beispiele zu zeigen.
Abb. 14.3.2a, b: Alltagstypografie (Fotos aus Studienaufgabe)
Recht wahllos in der Innenstadt fotografiert, wird man schnell fündig. Jeweils in Abb. 14.3.2a und b wurden von verschiedenen Geschäften ähnliche Schriftarten benutzt, die alle keinen eigenen Charakter aufweisen. Beispiel a zeigt von oben nach unten: Fußball-Kneipe, Berufsbekleidung und griechische Imbiss-Stube. Beispiel 14.3.2b: Apotheke, Schreibwaren, Schmuck, Spielhalle und Sonnenstudio. Unabhängig von der Art des Unternehmens bleibt der eindeutige Eindruck: Hier ist es billig. Auf dem Betriebssystem eines Rechners oder bei günstiger Software werden Systemschriften mitgeliefert wie: Arial, Comic, Georgia, Tahoma, Times New Roman oder Verdana (Abb. 14.3.2c). Man könnte meinen, mit Schriften gut ausgestattet zu sein.
Arial Comic Sans MS Georgia Times New Roman Verdana Abb. 14.3.2c: Systemschriften (Grafik: Hammer)
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Gestalten mit Schrift
Linktipp zur Schriftenauswahl: www.linotype.com www.fontshop.de www.itcfonts.com/fonts www.lucasfonts.com www.identfonts.com www.dafonts.com www.myfonts.com http://betterfonts.com www.abstractfonts.com
Tatsache ist jedoch, dass diese Systemschriften sich eher für die interne Verwendung eignen. Für typografische Gestaltung fehlt den meisten wirkliche Qualität, vor allem fehlen ausreichende Varianten der Schriftschnitte. Außerdem ist der Zeichenvorrat der einzelnen Fonts oft unzureichend (keine Expertzeichen) und auch der Zeichenausgleich (Schriftzurichtung) lässt oft zu wünschen übrig. Leider stehen in der klassischen Websitegestaltung nur die Systemschriften zur Verfügung. Auch Freefonts aus dem Internet weisen meist nur mäßige Qualität auf. Es gibt nur wenige Adressen, die kostenfrei bessere Schriftsätze erwarten lassen. Voraussetzung für eine angemessene Gestaltung ist sind gute Fonts namhafter Schriftanbieter. Schriftanbieter mit qualitativ hochwertigen Fonts wie Linotype, Emigre, URW, Adobe, Fontshop u. v. a. m. bieten Kataloge mit riesiger Auswahl an. Die Kataloge sind nach verschiedenen Kriterien aufgebaut. Neben der alphabetischen Ordnung gibt es mindestens Kategorisierungen nach Serifen-, Grotesk- und Schreibschriften. Hinzu kommen mittlerweile komfortable Suchfunktionen auf Internetsites und CD-ROMs.Dort kann man einerseits den gewünschten Schriftschnitt, die -lage oder -breite, andererseits auch semantische Suchbegriffe wie romantisch, technisch, kühl, verspielt u.Ä. eingeben. Am Beispiel 14.3.2d zeigt sich, wie differenziert Schreibschriften sein können, so dass für jeden Anlass genau die passende Schrift ausgesucht werden kann. Grundsätzlich schult sich das Auge für die richtige Auswahl mit der zunehmenden Erfahrung. Es lohnt sich deshalb, solche Katalogpublikationen anzuschauen.
Edwardian Script ITC
Freestyle Script LET
Abb. 14.3.2d: Charaktere von Schreibschriften (Grafik: Ruske)
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Park Avenue
Satzgestaltung
Gestalten mit Schrift
Russisch Brot
14.3.3 Satz neuer Schriften Die durch die elektronischen Medien entstandene Vielfalt neuer Schriftentwicklungen eröffnet in der typografischen Gestaltung zusätzliche neue Wege. Im Umfeld der so genannten „Neuen Typografie“ entstanden und entstehen zudem Schriften, die die Grundsätze klassischen Schriftentwerfens verlassen. Bei diesen Schriften sind die Grenzen der guten Lesbarkeit überschritten, sie wollen auffallen, provozieren und spiegeln den Zeitgeist wider. Diese Fonts lassen sich kaum mehr im klassischen Satzspiegel verwenden, sie verlangen auch im Layout nach Dekonstruktion der klassischen Satzregeln. Diese Art von Schriften zeichnet sich im Vergleich zu anderen durch den größeren Formenreichtum aus. Ihr Ausdruck ist klar, individuell und oft auch humorvoll. Der typische Satz vom Krümelmonster aus der Sesamstraße kann kaum besser visualisiert werden als mit dem Schriftfont „Russisch Brot“ (Abb. 14.3.3a). Die Schriftschnitte unterscheiden sich nicht, wie sonst üblich, in der Schriftstärke (light/regular/bold), sondern in der Form durch den Auflösungsgrad in Krümel. Ebenfalls zu den neuen Schriften gehört die Quadro, die uns an dieser Stelle für ein mexikanisches Sprichwort geeignet scheint: „Caramba, no hay humo sin fuego“ („ohne Rauch kein Feuer“) in Abb. 14.3.3b. Auch hier besteht die Schrift aus sehr eigenwilligen Buchstabenformen, die die Lesbarkeit stark beeinträchtigen, dennoch sind die Formmerkmale sehr aussagekräftig. Die ausdrucksstarke Schrift mit dem Namen „Jesus loves You“ (Abb. 14.3.3c) verbindet sogar Glauben und Gestaltung.
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Abb. 14.3.3a: Neue Schriften: LT Russisch Brot (Grafik: Schenck)
Quadro Abb. 14.3.3b: Neue Schriften: Quadro (Grafik: Schenck)
Jesus loves You Abb. 14.3.3c: Neue Schriften: Jesus loves You (Grafik: Schenck)
14.3.4 Headlinegestaltung Headlines sind die Aufmacher eines Textes. Ihre Gestaltung entscheidet oft darüber, ob ein Text gelesen und die Werbebotschaft erkannt wird.
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Gestalten mit Schrift Headlines werden deutlich größer gesetzt als der Mengentext, entsprechend treten die einzelnen Zeichen der verwendeten Schrift, und somit ihre Form, deutlich in Erscheinung. Aber auch Unzulänglichkeiten der gewählten Schrifttype, des Buchstaben- oder Wortabstandes fallen auf. Hier geht es um Sensibilität in Bezug auf die Proportionen und der Größen zueinander. Headlinegestaltung bedarf demnach einer besonderen typografischen Sorgfalt. Unter Umständen muss der Buchstabenabstand (Kerning) hier von Hand nachgearbeitet werden. Viele neuere Schriften sind ausschließlich als Headlineschriften konzipiert und weisen sehr eigenwillige Charaktere auf. Ihre typografischen Qualitäten kommen in der Regel auch erst bei Headlinegrößen (ab 65 pt) zur Geltung. Für Mengentext sind sie dagegen nicht geeignet.
Abb. 14.3.4a: Headlinegestaltung mit Bildbearbeitungsprogrammen (Studienentwürfe)
In der Headlinegestaltung stehen den Designern heute dank des elektronischen Publizierens über die klassischen typografischen Gestaltungsmittel hinaus zahlreiche zusätzliche Möglichkeiten des gestalterischen Einwirkens zur Verfügung. Das sind beispielsweise Texteffekte wie Schlagschatten (hart oder weich), Farbkonturen, Plastizität, Überstrahlungseffekte etc. Wird der typografische Text in den Bildmodus gewandelt, sind die Eingriffmöglichkeiten mittels eines Bildbearbeitungsprogramms schier unerschöpflich (Texturfüllungen, Randauflösung, 3-D-Effekte u. v. a. m.). Die Headline wird zum Erlebnis. Vor allem für die Umsetzung im Fantasy- bzw. Spiele-Bereich, aber auch in der Verpackungs- und Zeitschriftengestaltung werden diese Möglichkeiten zunehmend genutzt (Abb. 14.3.4a). Schrift kann auch räumlich erfasst werden. Eine große Schrift erscheint uns räumlich näher als eine kleine. Durch das Spiel mit verschiedenen Schriftgraden kann man einer Fläche Spannung und Dynamik verleihen.
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Satzgestaltung
Gestalten mit Schrift
Strumpf Open (Headline) mit Serpentine
14.3.5 Schriftkombinationen Für die Kombination von Schriften gilt der gleiche Grundsatz wie allgemein in der Gestaltung: Weniger ist oft mehr! Mehr als drei unterschiedliche Schriften in einem Layout lassen es unruhig und wirr erscheinen. Statt alle möglichen Schriftarten wild durcheinander zu kombinieren, sollten Sie sich lieber auf einige wenige beschränken. Wichtig ist, dass diese Schriftarten gut zusammenpassen. Welcher Grundsatz muss angewendet werden, um eine gute Kombination zu finden? Am wichtigsten ist, dass sich die Schriften gut voneinander unterscheiden, der Differenzierungsfaktor also recht hoch ist. Sind die Schriften sich zu ähnlich, reagiert der Betrachter mit Irritation: Er kann keine klare Aussage erkennen. Die Beispiele (Abb. 14.3.5a-c) zeigen es: Hier stimmt die Kombination zweier Schriften, und mehr als zwei sind dafür nicht nötig. Vom Stil passen die Schriften zueinander, jedoch unterscheiden sie sich erheblich in der Form.
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Abb. 14.3.5a: Strumpf Open kombiniert mit Serpentine (Beispiel: Ruske)
LT Bix (Headline) mit ITC Arnova Abb. 14.3.5b: LT Bix kombiniert mit ITC Arnova (Beispiel: Ruske)
TIPP: Notwendige Differenzierungen zwischen verschiedenen Wichtigkeitsstufen des Textes erreichen Sie am besten durch den Einsatz unterschiedlicher Schnitte einer gleichen Schriftfamilie.
ITC Tempus (Headline) mit Sho Roman
Abb. 14.3.5c: ITC Tempus kombiniert mit Sho Roman (Beispiel: Ruske)
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Gestalten mit Schrift
Abb. 14.3.6a: Formen der R-Antiqua (Grafik: Ruske)
Snell Roundhand Script und Perpetua
Abb. 14.3.6b: Formdynamik im Logo durch EtZeichen (Grafik: Ruske)
Abb. 14.3.6c: Keywords als Bildzeichen (Grafik: Ruske)
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14.3.6 Schrift als Form Bislang haben Sie Schrift als Ausdrucksform textlicher Inhalte kennen gelernt. Zumeist ist das das Grundanliegen in der typografischen Gestaltung. Betrachtet man Schrift jedoch auch als reine Form, ergeben sich für ein Layout z. B. zusätzliche Möglichkeiten der Umsetzung in gelungene Gestaltung. Hier kommt die ästhetische Formgebung der einzelnen Zeichen zum Tragen. Das setzt immer einen großen Schriftgrad voraus, bei dem die Gestaltungsdetails eines Zeichens sichtbar werden. Wie viel Eleganz und Dynamik steckt doch in den an- und abschwellenden Bögen der Buchstaben einer Schreibschrift wie der Snell Roundhand? Was in den klösterlichen Schreibstuben des Mittelalters seine Blütezeit hatte, die groß herausgehobene Initiale, ist auch heute noch ein beliebtes Mittel, um Texte typografisch aufzuwerten. Zeitgemäßer angewendet, könnte es aussehen wie in Abb. 14.3.6a. Ein besonders beliebtes Zeichen für die singuläre typografische Hervorhebung ist das kaufmännische Und-Zeichen, das ET-Zeichen (&). Je nach Schriftart weist es hohe Gestaltqualität auf und eignet sich z. B. für eine Hervorhebung in Firmenlogos (Abb. 14.3.6b). Ein interessanter Gestaltungsansatz liegt darin, einzelne Zeichen oder Kurzwörter als Hintergrundmotiv unter einem Lesetext einzusetzen. Das funktioniert gleichermaßen gut in den elektronischen wie in Printmedien. Beispielsweise kann der Titelbegriff, das Thema oder ein Schlüsselwort einem Lesetext unterlegt werden (Abb. 14.3.6c). Dadurch wird nicht nur das Layout aufgelockert, sondern bei entsprechender Schriftauswahl auch ein atmosphärischer Bezug zum Thema geschaffen. Wichtig ist hierbei ein ausreichendes Zurücknehmen der Hintergrundtypografie, damit die Lesbarkeit des Vordergrundtextes erhalten bleibt, z. B. durch Weichzeichnen oder Kontrastreduktion. Diese Art der Anwendung hat nicht nur einen ästhetischen Wert, sondern kann beispielsweise auch zur Orientierung dienen oder einen semantischen Bezug zum Inhalt herzustellen.
Gestalten mit Schrift 14.3.7 Schrift und Farbe Farbe ist ein starkes Ausdrucksmittel, mit dem auch in der Anwendung auf Typografie starke Wirkungen erzielt werden. Farbe ist weitgehend der emotionalen Wahrnehmung unterworfen und wird deshalb zum größten Teil subjektiv beurteilt. Andererseits werden Farben oft kollektiv gleich empfunden, erscheinen als passend oder unpassend im jeweiligen Anwendungsbezug. Farbe ist somit ein wichtiger Bestandteil des typosemantischen Gestaltens. Erst die Kombination mit der aggressiven Farbe bringt z. B. den Begriff „Tschernobyl“ wirklich zum „Strahlen“ (Abb. 14.3.7a). In der Zusammenstellung (Abb. 14.3.7b) sind verschiedene Begriffe zu sehen, zu denen die Schriftart dem Thema entsprechend ausgesucht wurde. Der mittleren Reihe sind jedoch Farben zugeordnet worden, die unserem Empfinden nach dem Begriff nicht entsprechen. Rechts daneben ist die passendere Farbwahl abgebildet.
satzgestaltung
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Abb. 14.3.7a: Typo und Farbe (Studienentwurf: Gegenmantel)
Abb. 14.3.7b: Passende und unpassende Typofarbe (Beispiel: Ruske)
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Satzregeln
Abb. 14.3.7c: Bedeutungsverlagerung durch Farbe (Beispiel: Ruske)
Farbe ist bedeutsam und kann die Aussage unterstreichen, betonen oder irritieren. Allein bei dem im Beispiel verwendeten Begriff „Sehnsuchtsitzen“, der als Leitsatz eines Sitzmöbel-Herstellers zum Einsatz kommen könnte, sehen wir, wie sehr der Gestalter die Betonung in der Hand hat. Mit dem Mittel Farbe kann er steuern, wie die Botschaft aufgefasst werden soll. Farbe kann hervorheben oder zurückdrängen (Abb. 14.3.7c). Es wird dadurch sogar möglich, den Text offensichtlich falsch zu schreiben und trotzdem die richtige Aussage zu vermitteln: Selbst ein eigentlich unlesbarer Satz, der in einem Wort abgebildet ist, kann so gelesen werden. Eine Farbe im Unbuntkontrast (hier: die Farbe Rot) besitzt die Eigenschaft, signalartig in den Vordergrund zu drängen. Deswegen kann der Betrachter die Botschaft entschlüsseln, obwohl das rein textlich allenfalls nach kniffligem Rätselraten eingetreten wäre. Der Satz heißt: „auseinander statt zusammen“. Es greift das Gesetz der Zusammengehörigkeit. So verhält es sich auch mit den einzelnen Wörtern: Durch den Einsatz von Rot streben sie auseinander, obwohl sie zusammen stehen. Farbe als Bedeutungsträger wirkt also stärker auf den Betrachter als das geschriebene Wort (Abb. 14.3.7d).
Abb. 14.3.7d: Zusammengehörigkeit durch Farbe (Beispiel: Ruske)
14.4 Satzregeln 14.4.1 Satz nach DIN Wie bereits im Kapitel 13 dargelegt wurde, existieren zahlreiche Möglichkeiten, durch die konkrete Ausführungsform der Typografie bestimmte Wirkungen, z. B. bezüglich der guten Lesbarkeit zu erzielen. So ist es nicht verwunderlich, dass im Laufe der Zeit für den typografischen Satz vielfältige Regeln entstanden sind, die bestimmte Ausführungsformen für gute Typografie definieren, die sich als Bestformen bewährt haben. Sie zeigen ein hohes Maß an ästhetischer Gestaltung und zeichnen sich durch hohe Leseoptimiertheit aus. Dieses Wissen ist konzentriert in den Satzregeln nach DIN und bildet gewissermaßen das Rüstzeug des typografischen Satzes. Die Einhaltung verschiedener Konventionen in Bezug auf die Gliederung und die Abstände bei Zahlen und Abkürzungen ist besonders bei der Gestaltung von Tabellen, Visitenkarten und Briefbögen wichtig, denn sie helfen dem Betrachter, Informationspakete intuitiv schneller und leichter zu erfassen. Leider fehlt aber ein umfassendes Regelwerk für den deutschen Sprachraum. An dieser Stelle werden nur die wichtigsten Satzregeln gezeigt. Sie beziehen sich auf die Abstände zwischen einzelnen
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Satzregeln
Satzgestaltung
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Zeichen, vor allem bei zusammengehörigen Begriffen und auf die Verwendung von typografisch einwandfreien Zeichen wie z. B. der „echten“ Ellipse als Auslassungszeichen. Die farbig markierten Felder in der Abbildung unterscheiden schmale Leerzeichen in ¼ Geviertabständen (dargestellt durch Balken) und normale Leerzeichen (dargestellt durch die liegende Klammerform). Die Pfeile zeigen an, von welcher Richtung aus gegliedert wird, und die Rechtecke darunter geben die Anzahl der Ziffern an, die zu einer Gruppe gehören. In den Satz- und Layoutprogrammen sind meistens Abstandseingaben von Achtel- oder Zehntel-Geviert möglich. 14.4.2 Zahlensatz Telefon- u. Telefaxnummern Telefon- und Telefaxnummern werden heute in funktionale Einheiten untergliedert. Man beginnt mit der Ländervorwahl, gefolgt von der Städtevorwahl und der eigentlichen Teilnehmernummer. Bei Mobilfunknummern steht nach der Länderkennung die Netzkennzahl. Durchwahlnummern werden mit Bindestrich abgetrennt. Die Teilnehmernummer setzt man ausgehend von rechts in Zweiergruppen und trennt mit ¼ Geviertabständen. Eine alternative, ältere Schreibweise sieht Klammern um die Städtevorwahl vor.
!
!
+49V(0)2 09V12 34-5 67
Postleitzahlen Postleitzahlen werden ohne Abstände gesetzt und zum Ort durch ein Leerzeichen getrennt.
45239 Essen
Kontonummern Der Satz von Kontonummern beginnt von rechts in Dreiergruppen. Getrennt wird mit ¼ Geviertabständen.
Kto. Nr. 5 800 240
Bankleitzahlen Bankleitzahlen werden von links beginnend in Dreiergruppen aufgebaut; es verbleibt am Ende eine Zweiergruppe. Für die Zwischenräume wird ¼ Geviertabstand verwendet. Postbanknummern Etwas komplizierter ist der Satz von Postbanknummern. Die beiden letzten Ziffern der Vornummer (links vom Bindestrich) werden durch einen kleinen Abstand abgetrennt; danach erfolgt eine Gliederung von links in Vierergruppen. Rechts neben dem Bindestrich wird die Ziffernfolge ohne Abstände geschrieben. DIN- und ISO-Nummern Längere DIN und ISO Nummern werden von rechts aus in Dreiergruppen aufgebaut und durch ¼ Geviertabstand getrennt.
!
"
BLZ 360 700 50 "
5832 78-442
!
DIN 16 518
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Satzregeln
1 250 000,050 1.250.000,050
Dezimalzahlen Dezimalzahlen werden ausgehend von der Kommastelle in beiden Richtungen in Dreiergruppen geschrieben und mit ¼ Geviert getrennt. Alternativ, vor allem in technischen Dokumenten, wird dort auch ein Punkt eingefügt, um die Unterscheidung der Tausender zu erleichtern.
8 km
14.4.3 Zahlen und Maße Zahlen vor Abkürzungen und bei Maßangaben Es steht immer ein Leerzeichen zwischen Zahl und Maßangabe bzw. sonstigen Abkürzungen.
29,00 € 29,00 EUR 29,– €
29.02.2012 29. Februar 2012 2012-02-29
13:45 Uhr 22° 22 °C
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Währungssatz (Euro) Preisangaben werden bevorzugt in Dezimalschreibweise gesetzt. Große Zahlen werden links vom Komma in Dreiergruppen mit Punkten unterteilt. Die Währungsbezeichnung steht vor oder nach der Zahl als Währungskürzel oder ausgeschrieben, jeweils durch ein Leerzeichen abgetrennt. Innerhalb eines Textes kann ein Preis auch ausgeschrieben werden, dann jedoch auch mit ausgeschriebener Währungsbezeichnung. Bei ganzzahligen Beträgen kann anstelle der Dezimalschreibweise nach dem Komma auch ein Gedankenstrich gesetzt werden. Hier sollte der Halbgeviertstrich verwendet werden, nicht der normale Trennstrich. Datum Numerische Datumsangaben werden in der Reihenfolge Tag/ Monat/Jahr gesetzt und lediglich durch einen Punkt getrennt. Vor einstelligen Zahlen wird eine 0 eingefügt. Alternativ kann der Monat als Wort geschrieben werden, jeweils davor und danach durch Leerzeichen von den Zahlen abgegrenzt. Die internationale Schreibweise sieht vor, das Datum in der Reihenfolge Jahr/Monat/Tag zu schreiben, jeweils durch Bindestriche (Divis) getrennt. Uhrzeit Stunden und Minuten werden mit Doppelpunkt ohne zusätzliche Leerzeichen getrennt. Dahinter steht mit Leerzeichen getrennt die Bezeichnung Uhr. Gradangaben Für Gradangaben bei Winkel- oder Temperaturmaßen gilt: Steht die Gradangabe ohne die Einheit, wird das Gradzeichen direkt hinter die Zahl gesetzt. In Kombination mit einer Einheitenangabe, z. B. °C, wird das Gradzeichen ohne Abstand vor die Einheit gesetzt und zur Zahl durch ein Leerzeichen getrennt. Alternativ kann die Einheit ausgeschrieben werden, dann jedoch auch die Bezeichnung Grad.
Satzregeln
Satzgestaltung
14
Prozentangaben Steht die Prozentangabe hinter einer Zahl, wird sie durch einen halben Wortabstand abgetrennt. In zusammengesetzten Begriffen, wie 200%ig, wird das Prozentzeichen direkt angeschlossen. Alternativ, vor allem innerhalb eines Textes, kann die Prozentangabe ausgeschrieben werden. Vorzugsweise sollte dann auch die Zahl ausgeschrieben werden.
42 % 200%ig
Formeln und Gleichungen Zahlen und mathematische Zeichen werden in Formeln immer durch Leerzeichen gegliedert; Ausnahme: feste Begriffe wie negative Zahlen (-17) oder Quadtratzahlen (22) gehören zusammen. Das Minuszeichen ist kein Divis, sondern der Halbgeviertstrich; das Malzeichen ist nicht das normale x, sondern ein Sonderzeichen.
2 × (5 – 3) = 4 2 x (5 - 3) = 4
Paragraphen Grundsätzlich steht zwischen §-Zeichen, Zahlenreihen und Abkürzung (HGB) ein Leerzeichen. Vorsicht: Bindestriche sind immer direkt zwischen zwei Begriffen, also ohne Abstand zu setzen.
§ 255 (1) HGB
14.4.4 Zeichen guter Typografie Zeichen der guten Typografie sind als typografische Sonderzeichen im erweiterten Zeichenvorrat guter Schriften enthalten. Sie sind je nach Schrifttechnologie, System und Programm auf unterschiedliche Art zu erreichen, z. B. über die so genannte Glyphenpalette in InDesign. Einige werden auch bei entsprechenden Voreinstellungen im Satzprogramm automatisch benutzt. Anführungszeichen In der anspruchsvollen Typografie ist das Zollzeichen als doppeltes An- und Abführungszeichen verpönt. In vielen Schreib-, Satz- und Layoutprogrammen kann in den Einstellungen die Option „Echte Anführungszeichen“ gewählt werden. Gleiches gilt für das einfache Anführungszeichen, das nicht das englische Zeichen für Fuß bzw. das Zeichen für Winkelminuten ist, sondern die gerundete Form wie die echten Anführungszeichen hat. Es ist im Deutschen zugleich das Apostrophzeichen.
„Das Zitat“ "Das Zitat" ‚Apostroph‘ 'Apostroph'
Französische Anführungszeichen Eine weniger gebräuchliche Alternative für An- und Abführungszeichen stellen die französischen Guillemets dar. Sie stehen im Deutschen mit den Spitzen zum Text. Es handelt sich dabei nicht um das Größer-kleiner-Zeichen (>,>La phrase