Mathematik Kompakt
Herausgegeben von: Martin Brokate Heinz W. Engl Karl-Heinz Hoffmann Götz Kersting Gernot Stroth Emo Welzl
Die neu konzipierte Lehrbuchreihe Mathematik Kompakt ist eine Reaktion auf die Umstellung der Diplomstudiengänge in Mathematik zu Bachelorund Masterabschlüssen. Ähnlich wie die neuen Studiengänge selbst ist die Reihe modular aufgebaut und als Unterstützung der Dozenten wie als Material zum Selbststudium für Studenten gedacht. Der Umfang eines Bandes orientiert sich an der möglichen Stofffülle einer Vorlesung von zwei Semesterwochenstunden. Der Inhalt greift neue Entwicklungen des Faches auf und bezieht auch die Möglichkeiten der neuen Medien mit ein. Viele anwendungsrelevante Beispiele geben dem Benutzer Übungsmöglichkeiten. Zusätzlich betont die Reihe Bezüge der Einzeldisziplinen untereinander. Mit Mathematik Kompakt entsteht eine Reihe, die die neuen Studienstrukturen berücksichtigt und für Dozenten und Studenten ein breites Spektrum an Wahlmöglichkeiten bereitstellt.
Mathematische Logik
Martin Ziegler
Birkhäuser
Autor: Martin Ziegler Mathematisches Institut Universität Freiburg Eckerstraße 1 79104 Freiburg Deutschland email:
[email protected] 2000 Mathematics Subject Classification: 03-01 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
ISBN 978-3-7643-9973-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2010 Birkhäuser / Springer Basel AG Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Satz und Layout: Protago-TEX-Production GmbH, Berlin, www.ptp-berlin.eu Printed in Germany ISBN 978-3-7643-9973-3 987654321
www.birkhauser.ch
Inhaltsverzeichnis
I
Pr¨adikatenkalk¨ul 1 Strukturen und Formeln . . . . . . . 2 Semantik . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Allgemeing¨ultige Formeln . . . . . . 4 Der G¨odelsche Vollst¨andigkeitssatz 5 Der Sequenzenkalk¨ul . . . . . . . . . 6 Der Herbrandsche Satz . . . . . . . 7 Die Resolutionsmethode . . . . . . .
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1 2 8 13 17 27 33 39
Mengenlehre 8 Die Axiome . . . . . . . . . . . . . . 9 Die nat¨urlichen Zahlen . . . . . . . 10 Ordinalzahlen und Kardinalzahlen 11 Metamathematik von ZFC . . . . . .
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41 41 51 55 62
III Rekursionstheorie 12 Registermaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Primitiv rekursive Funktionen und G¨odelisierung 14 Rekursiv aufz¨ahlbare Mengen . . . . . . . . . . . . . 15 G¨odelnummern von Formeln . . . . . . . . . . . . . 16 Ein anderer Aufbau der rekursiven Funktionen . .
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67 67 74 80 83 86
IV Arithmetik 17 Definierbare Relationen . . . . . . . . . . . . . 18 Das System Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Peanoarithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Der Zweite G¨odelsche Unvollst¨andigkeitssatz
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89 . 89 . 92 . 99 . 104
II
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Literaturverzeichnis
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Index
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Vorwort
Diesem Buch liegt eine Vorlesung u¨ ber mathematische Logik zugrunde, wie sie in Freiburg regelm¨aßig f u¨ r Mathematik- und Informatikstudenten im vierten Semester gehalten wird. Sie bildet den Anfang eines mehrsemestrigen Logikzyklus und verfolgt einerseits das Ziel,jedem Studenten etwas u¨ ber die grundlegenden Fundamente der Mathematik zu vermitteln. Andererseits zeigt die Vorlesung auch die verschiedenen weiterf u¨ hrenden und eigenst¨andigen Bereiche der Logik auf, insbesondere Modelltheorie, Mengenlehre, Beweistheorie, Rekursionstheorie und theoretische Informatik. Die Vorlesung hat vier Teile,deren erste beide darstellen,wie sich die Mathematik auf Pr¨adikatenkalk¨ul und Mengenlehre zur¨uckf u¨ hren l¨aßt. Das erste Kapitel erkl¨art den Hilbertkalk¨ul, der das formale Beweisen im Hilbertschen Sinne beschreibt. Dieser forderte n¨amlich, Beweise so zu f u¨ hren, daß man anstelle von Punkten, Geraden und Ebenen auch Tische, B¨anke und Bierseidel einsetzen k¨onnen m¨usse, ohne daß die G¨ultigkeit des Beweises darunter litte. Aus dem G¨odelschen Vollst¨andigkeitssatz folgt, daß sich in diesem Kalk¨ul tats¨achlich alles, f u¨ r das es keine Gegenbeispiele gibt, formal beweisen l¨aßt. Damit schafft dieser Satz auch die Grundlagen f u¨ r die Anf¨ange der k¨unstlichen Intelligenz. Die Grenzen dieses formalen Beweisens aber werden in den G¨odelschen Unvollst¨andigkeitss¨atzen sichtbar, die am Ende dieses Buches stehen. Als Vorbereitung auf die Modelltheorie und die theoretische Informatik gehen wir im ersten Kapitel auch auf die Herbrandschen S¨atze ein, die eine Art Entscheidbarkeit f u¨ r die Allgemeing¨ultigkeit von Formeln beschreiben. Das zweite Kapitel erkl¨art die Anf¨ange der axiomatischen Mengenlehre, weit genug, um zu sehen, auf welche Weise sich die gesamte Mathematik in der Mengenlehre entwickeln l¨aßt. Insbesondere zeigen wir, wie sich die nat¨urlichen Zahlen im Rahmen der axiomatischen Mengenlehre beschreiben und charakterisieren lassen. Mathematische S¨atze beschreiben nun Eigenschaften des Mengenuniversums, mathematische Beweise sind damit Folgerungen aus den Axiomen der Mengenlehre nach den Schlußregeln des Pr¨adikatenkalk¨uls. Das dritte Kapitel enth¨alt eine Einf u¨ hrung in die Theorie der berechenbaren Funktionen anhand von sehr einfachen Computermodellen, den Registermaschinen. Diese Theorie ist f u¨ r die theoretische Informatik wichtig, wird aber hier auch f u¨ r den vierten Abschnitt verwendet, um den G¨odelschen Unvollst¨andigkeitssatz zu beweisen, der schon in einfachen Systemen der Arithmetik gilt. Die Arithmetik, die Theorie der nat¨urlichen Zahlen als Struktur mit Addition, Multiplikation und Nachfolgeroperation, steht im Zentrum des vierten Kapitels. Diese (vollst¨andige) Theorie wird verglichen mit einem axiomatisierbaren Teil, der
viii
Vorwort sogenannten Peanoarithmetik. Wir werden sehen, daß eine Theorie der nat¨urlichen Zahlen nicht gleichzeitig vollst¨andig und effektiv axiomatisierbar sein kann. In diesem Satz zeigt sich ein unvermeidbares Problem der mathematischen Grundlegung der Mathematik.In diesem letzten Kapitel laufen die Begriffe der vorigen drei Kapitel zusammen: Die Mengenlehre, die es uns erlaubt, die nat¨urlichen Zahlen sauber zu definieren, die Modelltheorie und die Theorie der berechenbaren Funktionen. Vorbild war das Buch Mathematical Logic von J. Shoenfield, [22], das wesentlich tiefer in Mengenlehre, Rekursionstheorie und Beweistheorie eindringt. Das l¨aßt sich im Rahmen einer einsemestrigen Vorlesung nicht verwirklichen, doch sollte dieses Buch ausreichend Material liefern, um sich wenigstens ein erstes Bild dieses wichtigen Gebietes machen zu k¨onnen. Ich danke Katrin Tent f u¨ r ihre unsch¨atzbare Hilfe bei der Endfassung dieses Buches.
Was die Rechtschreibung betrifft, so hat man sich deren bedient, welche jetzo f¨ur die beste gehalten wird. (J.A. Hoffmann, 1735)
I
Pr¨adikatenkalk¨ul
Aussagen des Pr¨adikatenkalk¨uls sind Zeichenreihen, die Eigenschaften von Strukturen beschreiben. Zum Beispiel gilt die Aussage . = ∀x ( 0 < x → ∃y x = y · y) in einem angeordneten K¨orper K = (K, 0, 1, +, −, ·, 9 Die nat¨urlichen Zahlen Die rekursive Definition
n = 0, 1, . . . , n − 1
ordnet jeder nat¨urlichen Zahl n eine Menge n zu. Es ist zum Beispiel 0=∅ 1 = {∅} 2 = {∅, {∅}} 3 = {∅, {∅}, {∅, {∅}}}. Wir schreiben im folgenden s(x) f u¨ r den Nachfolger x ∪ {x} von x. In ZFC ist dann f u¨ r alle n beweisbar, daß n + 1 = s(n). Man zeigt leicht durch Induktion: Wenn m < n ist
F¨ur alle n, m ist
. ZFC ¬ m = n.
m < n ⇒ ZFC m n m ≥ n ⇒ ZFC ¬ m n
Lemma
Folgerung
Weil wir noch nicht wissen, wie man rekursive Definitionen in ZFC formalisiert, ist dadurch der formale Begriff nat¨urliche Zahl noch nicht definiert. Wir brauchen dazu: Sei < eine Relation auf a (also eine Teilmenge von a × a).
Definition
1. < ist eine partielle Ordnung , wenn a) < irreflexiv ist: ¬ x < x f u¨ r alle x ∈ a. b) < transitiv ist: x < y ∧ y < z → x < z f u¨ r alle x, y, z ∈ a. 2. Eine partielle Ordnung < auf a heißt linear, wenn f u¨ r alle x, y ∈ a . x < y ∨ x = y ∨ y < x. Eine Menge x heißt transitiv, wenn alle ihre Element auch Teilmengen sind: z y x → z x. x ist genau dann transitiv, wenn
x ⊂ x.
Definition
52 Definition
II Mengenlehre x heißt nat¨urliche Zahl, wenn 1. x transitiv ist, 2. ∈ eine lineare Ordnung auf x definiert 3. und jede nicht–leere Teilmenge von x bez¨uglich dieser Ordnung ein kleinstes und ein gr¨oßtes Element besitzt. Daß jede nicht–leere Teilmenge von x ein bez¨uglich ∈ minimales Element hat, folgt schon aus dem Fundierungsaxiom und braucht in der Definition nicht eigens gefordert zu werden. Wir haben diese Bedingung einerseits aufgenommen, weil eine Menge mit einer linearen Ordnung genau dann endlich (siehe S. 59) ist, wenn jede nicht–leere Teilmenge ein kleinstes und ein gr¨oßtes Element hat. Andererseits hat man so auch in Abwesenheit des Fundierungsaxioms die richtige Definition. ∈ ist schon eine lineare Ordnung von x, wenn die Elemente von x bez¨uglich ∈ vergleichbar sind. Denn ∈ ist irreflexiv nach dem Fundierungsaxiom. ∈ ist transitiv auf x, weil a ∈ b ∈ c ∈ x zur Folge hat, daß a = c und c ∈ a und daher a ∈ c.
Lemma 9.1
In ZFC ist beweisbar: 1. Elemente einer nat¨urlichen Zahl sind nat¨urliche Zahlen. 2. 0 ist eine nat¨urliche Zahl. Wenn x eine nat¨urliche Zahl ist, ist auch s(x) eine nat¨urliche Zahl. 3. Jede nat¨urliche Zahl = 0 hat die Form s(y) f u¨ r eine nat¨urliche Zahl y. 2. impliziert, daß alle n nat¨urliche Zahlen sind.Aus 3. folgt (informell), daß man jede nat¨urliche Zahl aus ∅ mit endlichen vielen Anwendungen der Operation s gewinnen kann. Beweis. 1: Sei x eine nat¨urliche Zahl und y ein Element von x. ∈ ordnet y ebenfalls linear und jede nicht–leere Teilmenge von y hat bez¨uglich ∈ ein kleinstes und ein gr¨oßtes Element. Zu zeigen bleibt, daß y transitiv ist. Das folgt aber sofort aus der Transitivit¨at von ∈ auf x. 2: Leicht. 3: Wenn die nat¨urliche Zahl x nicht leer ist, hat x ein ∈–gr¨oßtes Element y. Es ist also . x = {z | z ∈ y ∨ z = y} = s(y). Wir bezeichnen mit ! die Klasse der nat¨urlichen Zahlen.
Lemma
! ist eine Menge. Beweis. Sei x eine Menge wie im Unendlichkeitsaxiom. Wir zeigen, daß ! eine Teilmenge von x ist. Die Behauptung folgt dann aus dem Aussonderungsaxiom. Nehmen wir an, es g¨abe ein a aus ! \ x. Sei b das kleinste Element von s(a), das nicht zu x geh¨ort. Dann sind alle Elemente von b (die ja selbst wieder zu ! geh¨oren)
9 Die nat¨urlichen Zahlen
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Elemente von x. Weil b ∈ x, ist b nicht leer. Also hat b die Form s(c). Dann ist c ∈ x, woraus aber auch b ∈ x folgt. Ein Widerspruch. Aus dem Beweis folgt Induktion. Eine Menge von nat¨urlichen Zahlen, die 0 enth¨alt und unter s abgeschlossen ist, besteht aus allen nat¨urlichen Zahlen.
Folgerung
Wir schreiben < f u¨ r die ∈–Relation zwischen nat¨urlichen Zahlen. 1. < ist eine lineare Ordnung auf !. Jede nicht–leere Teilmenge von ! hat ein kleinstes Element.
Lemma
2. F¨ur alle n ∈ ! ist s(n) der unmittelbare Nachfolger, von n, also die kleinste Zahl gr¨oßer als n. 3. Alle n > 0 haben einen unmittelbaren Vorg¨anger. 1. besagt, daß < eine Wohlordnung auf ! ist. Beweis. Alle Aussagen sind leicht zu beweisen, außer der Vergleichbarkeit von je zwei nat¨urlichen Zahlen. Sei also m ∈ ! festgehalten. Wir zeigen durch Induktion, daß alle n ∈ ! mit m vergleichbar sind. Zuerst m¨ussen wir zeigen, daß 0 mit m vergleichbar ist. Wenn m = 0, hat m ein kleinstes Element m0 . Weil die Elemente von m0 auch Elemente von m sind, muß m0 = 0 sein. Jetzt nehmen wir an, daß n mit m vergleichbar ist, und zeigen, daß auch s(n) mit m vergleichbar ist. Das ist klar, wenn m ≤ n10 . Wenn n < m, sei n0 der unmittelbare Nachfolger von n in der linearen Ordnung von s(m). Es ist also n0 ≤ m und die Elemente von n0 sind genau die Elemente von n und n selbst.Das heißt aber n0 = s(n) und daher s(n) ≤ m. Um + und · definieren zu k¨onnen, brauchen wir den Rekursionssatz f u¨ r !. Rekursionssatz. Seien zwei Funktionen g: A → B und h: A × ! × B → B gegeben. Dann existiert ein, eindeutig bestimmtes, f : A × ! → B mit f (a, 0) = g(a) f (a, s(n)) = h(a, n, f (a, n)) f u¨ r alle a ∈ A und n ∈ !. Beweis. Wir halten a ∈ A fest. Man zeigt leicht durch Induktion u¨ ber m, daß es f u¨ r alle m ∈ ! genau ein f : s(m) → B gibt mit (a, m, f ), wobei . . (a, m, f ) = f (0) = g(a) ∧ ∀n < m f (s(n)) = h(a, n, f (n)) . 10 Hier und
. sp¨ater ist x ≤ y eine Abk¨urzung f¨ur x < y ∨ x = y.
Satz
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II Mengenlehre Wir definieren jetzt
. f = (a, m, b) ∈ (A × ! × B) ∃f (a, m, f ) ∧ f (m) = b .
Definition
Addition +: ! × ! → ! und Multiplikation ·: ! × ! → ! werden definiert durch die Rekursionsgleichungen a+0=a a + s(n) = s(a + n) a·0=0 a · s(n) = (a · n) + a. Rechenregeln wie m+n = n+m beweist man leicht durch Induktion (siehe Aufgabe 39).
¨ Ubungsaufgaben Aufgabe 39. Zeigen Sie in ZFC, daß (!, +, ·) ein unit¨arer kommutativer Halbring ist. Das heißt, daß die K¨orperaxiome Nr. 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 der Seite 5 gelten. Aufgabe 40. Sei M ein Modell von ZFC. Ein Element a von M heißt nichtstandard . nat¨urliche Zahl, wenn M | a !, aber M | ¬ a = n f u¨ r alle n = 0, 1, . . .. Zeigen Sie: 1. Wenn ZFC konsistent ist, gibt es ein Modell mit nichtstandard nat¨urlichen Zahlen. 2. Es gibt in M keine kleinste nichtstandard nat¨urliche Zahl. Aufgabe 41. Beweisen Sie den Satz von Schr¨oder11-Bernstein12 : Seien f : A → B und g: B → A Injektionen. Dann gibt es eine Bijektion h: B → A. Hinweis: Wir k¨onnen annehmen, daß A eine Teilmenge von B und f die Inklusionsabbildung ist. Sei C = {g n (x) | n ∈ !, x ∈ B \ A}. Setze h(c) = g(c) f¨ur c ∈ C und h(y) = y f¨ur y ∈ B \ C.
Der Satz von Schr¨oder–Bernstein folgt sofort aus Lemma 10.3, das (in der Definition der M¨achtigkeit) das Auswahlaxiom verwendet. Der hier vorgeschlagene Beweis kommt ohne das Auswahlaxiom aus.
11 Ernst Schr¨ oder 12 Felix
(1841-1902) Karlsruhe. Funktionentheorie, Mathematische Logik Bernstein (1878-1956) G¨ottingen. Mengenlehre, Statistik
10 Ordinalzahlen und Kardinalzahlen
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10 Ordinalzahlen und Kardinalzahlen Eine Ordinalzahl ist eine transitive Menge, die durch ∈ linear geordnet wird.
Definition
Alle nat¨urlichen Zahlen und ! selbst sind Ordinalzahlen. Wir bezeichnen mit On die Klasse der Ordinalzahlen. 1. On wird durch ∈ linear geordnet. (Wir nennen diese lineare Ordnung < .) 2. Jede nicht–leere Teilklasse von On hat ein minimales Element. 3. Jede Ordinalzahl ˛ ist die Menge ihrer Vorg¨anger: ˛ = {ˇ ∈ On | ˇ < ˛}. 4. On ist keine Menge. Beweis. Sei S ˛ ein echtes Anfangsst¨uck (d.h. x < y ∈ S → y ∈ S) von ˛ und ˇ ∈ ˛ das kleinste Element von ˛ \ S. Dann ist offensichtlich ˇ = S. Wenn nun ˛ und ˇ zwei Ordinalzahlen sind, ist S = ˛ ∩ ˇ ein Anfangsst¨uck von ˛ und ˇ. S kann nicht sowohl von ˛ als auch von ˇ verschieden sein, weil sonst S selbst ein Element von ˛ und ˇ sein m¨ußte. Wenn aber S = ˛, ist ˛ ≤ ˇ, und wenn S = ˇ, ist ˇ ≤ ˛. Daraus folgt, daß alle Ordinalzahlen vergleichbar sind. Wie auf Seite 52 folgt, daß ∈ die Klasse aller Ordinalzahlen linear ordnet. Daß jede nicht–leere Teilklasse von On ein minimales Element hat, folgt sofort aus dem Fundierungsaxiom. 3. bedeutet lediglich, daß Ordinalzahlen aus Ordinalzahlen bestehen. Das zeigt man aber wie Lemma 9.1.1. Wenn On ein Menge w¨are, w¨are On selbst eine Ordinalzahl und m¨ußte sich selbst als Element enthalten. Aus 2. folgt ein Induktionsprinzip: Eine Teilklasse U von On enth¨alt alle Ordinalzahlen, wenn f u¨ r alle ˛ ˛ ⊂ U → ˛ ∈ U. Eine Ordinalzahl der Form s(˛) heißt Nachfolgerzahl. Man schreibt auch ˛ + 1 f u¨ r den Nachfolger von ˛. Eine Ordinalzahl > 0, die keine Nachfolgerzahl ist, heißt Limeszahl. Eine Klasse A ist ein System {x | (x, a)} von Mengen, die eine Formel (x, a), mit festgehaltenen Parametern a = a1 , . . . , an , erf u¨ llen. Das Aussonderungsaxiom besagt, daß der Durchschnitt einer Menge mit einer Klasse wieder eine Menge ist. Ein Funktional F: A → V ist eine funktionale Klasse von Paaren aus A × V. Es ist also ∀x ∈ A ∃ ! y (x, y) ∈ F. Vergleiche die Diskussion des Ersetzungsaxioms auf Seite 46.
Lemma
56 Satz
II Mengenlehre Rekursionssatz. Zu jedem Funktional G: V → V kann man ein Funktional F: On → V angeben, sodaß f u¨ r alle ˛ ∈ On F(˛) = G(F ˛). Beweis. Wir zeigen zuerst, daß es f u¨ r alle ˇ genau eine Funktion f : ˇ → V gibt, die f u¨ r alle ˛ ∈ ˇ die Rekursionsgleichung erf u¨ llt. Zuerst die Eindeutigkeit: Wenn es ein anderes f : ˇ → V gibt, gibt es ein kleinstes ˛ < ˇ mit f (˛) = f (˛). Aus f ˛ = f ˛ folgt aber f (˛) = f (˛). Wir zeigen die Existenz durch Induktion u¨ ber ˇ. Nehmen wir also an, daß die Behauptung schon f u¨ r alle ˇ < ˇ gezeigt ist. Es gibt drei F¨alle: 1. ˇ = 0. Wir setzen f = ∅. 2. ˇ = ˇ + 1. Wir w¨ahlen ein f : ˇ → V, das die Rekursionsgleichung erf u¨ llt und setzen f = f ∪ (ˇ , G(f )) . 3. ˇ ist eine Limeszahl. Nach dem Ersetzungsaxiom ist X = {f : ˇ → V | ˇ < ˇ, f erf u¨ llt die Rekursionsgleichung.} eine Menge, weil die f eindeutig durch ˇ bestimmt sind. Aus demselben Grund ist f = X eine Funktion.
Schließlich setzen wir F = {f : ˇ → V | ˇ ∈ On, f erf u¨ llt die Rekursionsgleichung}. Wenn wir V˛ definieren durch V0 = ∅ V˛+1 = P(V ˛ ) V˛ , Limeszahl, V = ˛<
erhalten wir die von Neumann13-Hierarchie. Man zeigt leicht, daß V=
V˛ .
˛∈On
V! besteht gerade aus den erblich endlichen Mengen: Eine Menge heißt erblich endlich, wenn sie in einer endlichen (siehe S. 59) transitiven Menge enthalten ist. Ordinalzahlen werden durch < wohlgeordnet. Das folgende Lemma besagt, daß Ordinalzahlen Wohlordnungstypen sind. Lemma 10.1
Jede Wohlordnung ist zu genau einer Ordinalzahl isomorph. 13 John von Neumann (1903-1957) Princeton (USA). Mathematische Logik, Spieltheorie, Quantenmechanik
10 Ordinalzahlen und Kardinalzahlen
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Beweis. Sei (a, ˛k . Aufgabe 46. Zeigen Sie, daß es eine kleinste Ordinalzahl "0 gibt mit ! "0 = "0 . Zeigen Sie, daß sich jede Ordinalzahl unterhalb von "0 durch einen Ausdruck beschreiben l¨aßt, der sich aus der Konstanten 0 und den Funktionen x + y, x · y und ! x aufbaut. Aufgabe 47. Sei n ≥ 2 eine nat¨urliche Zahl. Definieredie Funktion Sn : N → N durch Sn (0) = 0 und Sn (x) = i