MACHT STAHLRATTE ZUM
PRÄSIDENTEN!
HARRY HARRISON 1982/84
Fünfter Roman des >StahlrattenDreck< bedeutet -, von der ...
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MACHT STAHLRATTE ZUM
PRÄSIDENTEN!
HARRY HARRISON 1982/84
Fünfter Roman des >StahlrattenDreck< bedeutet -, von der sagenhaften angeblichen Wiege der Menschheit. Sie sind unsere Freunde, harmlose Wesen, die unsere Wagen ziehen und unsere Felder pflügen. Gutmütig und zufrieden, werden sie Sie in die Hotels bringen. Wir fahren ab!“ Die caballos und ihre klapprigen Wagen ergaben zusammen eines der unbequemsten Transportmittel, die ich je erlebt hatte. Und es waren auch keine caballos, sondern einfache heufressende Pferde, wie ich sie während eines ungeplanten Zeitreisebesuchs auf der Erde erlebt hatte, jener sehr realen und wenig sagenhaften Wiege der Menschheit. Aber das durfte ich meinen Mitreisenden natürlich nicht auf die Nase binden. Die trotz des Ungemachs der Reise laut lachten und einander Beobachtungen zubrüllten. Selbst Angelina schien ihren Spaß zu haben. Ich kam mir vor wie ein Skelett bei einer Hochzeit. „O Mann!“ rief ich und versuchte mich in die rechte Stimmung zu bringen. Ich griff in die Tasche und holte die Flasche mit der braunen Flüssigkeit heraus, die ich bei der Begrüßung erhalten hatte. Garantiert so ein widerliches Eingeborenengesöff aus verdorbenen Früchten oder alten Socken. Ich drehte den Verschluß auf und trank einen kräftigen Schluck. „O Mann!“ wiederholte ich und meinte es diesmal ernst. Ich rief Jörge herbei, der den Mut besessen hatte, sich auf eines der Pferde zu setzen. Er galoppierte herbei. Ich hielt ihm die Flasche hin. „Was ist das für ein Zeug, Partner? Flüssiger Sonnenschein? Der beste Stoff, den ich seit meiner Jugend gekostet habe.“ „Freut uns, daß er ihnen zusagt. Er wird aus dem fermentierten Saft der cana gemacht und heißt ron.“ „Also, Schätzchen, dieser Ron ist wirklich ‘ne tolle Nummer. Leider ist die Flasche so klein.“ „Es gibt sie in allen Größen!“ rief er lachend, griff in die Satteltasche und holte ein Gefäß von annehmbarem Umfang hervor. „Wie kann ich Ihnen jemals danken!“ jubilierte ich und entriß ihm das kostbare Gefäß. „Das dürfte kein Problem sein. Die Flasche kommt auf Ihre Rechnung!“ Er galoppierte davon. „Du willst dir doch nicht so früh schon einen ansäuseln?“ fragte Angelina, als ich die Flasche seufzend von den Lippen löste. „O nein, meine Süße. Ich bringe mich nur ein bißchen in Ferienstimmung. Machst du mit?“ „Später. Im Moment bewundere ich gerade die Landschaft.“ Und die war wirklich bewundernswert. Unsere Straße führte in weiten Windungen durch grüne Felder zur Küste. Der Sand funkelte sauber in der Sonne, und der blaue Ozean lockte. Sehr hübsch. Aber wo waren die Einheimischen? Bis auf die Fahrer und Jörge war niemand
auszumachen. Ja, wir wurden wie Touristen behandelt, kein Zweifel. Na schön, Jim, gib dich zunächst damit zufrieden! Sei kein Spielverderber! „Schau mal, Papa!“ rief einer der Mittouristen. „Sind die nicht niedlich?“ Ich folgte seinem Blick und fand sie alles andere als niedlich. Eher sahen sie bemitleidenswert aus, obwohl sie lächelnd zu uns aufblickten. Eine Gruppe von Männern und Frauen arbeitete neben der Straße auf einem Feld. Mit langen, gefährlich aussehenden Messern schnitten sie die hohen grünen Pflanzen. Die Sonne brannte heiß herab, die Arbeit war anstrengend, und wenn diese Leute nicht erschöpft und verschwitzt waren, so konnten es keine Menschen sein. Ich hob die Kamera und machte etliche Aufnahmen. Als er das Summen des Apparats hörte, drehte sich unser Fahrer auf seinem Sitz um - und ich knipste ihn ebenfalls. Einen Sekundenbruchteil lang hatte ich den Eindruck, das starre Lächeln werde von ihm abfallen, dann zeigten sich seine weißen Zähne in einem Grinsen. „Sie müssen sich den Film für die schönen Gärten und das prächtige Hotel aufheben“, sagte er. „Warum? Ist etwas dagegen zu sagen, daß ich die Feldarbeiter photographiere?“ „Nein, natürlich nicht, aber das ist doch so uninteressant.“ „Nicht für die Leute dort. Sie sehen müde aus. Wie viele Stunden müssen sie am Tag arbeiten?“ „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ „Was bekommen sie bezahlt?“ Meine Worte trafen seinen Rücken. Er schüttelte die Zügel und antwortete nicht. Ich bemerkte Angelinas Blick und kniff ein Auge zu. Sie nickte. Ich bemerkte Angelinas Blick und kniff ein Auge zu. Sie nickte. „Ich glaube, jetzt möchte ich doch ein bißchen ron“, sagte sie. Das Hotel war luxuriös wie versprochen, unser Zimmer vornehm eingerichtet. Unser Gepäck wartete bereits - sicher gründlich durchsucht -, und ich überließ Angelina das Auspacken. Da ich davon überzeugt war, alle meine männlichen Mit-Touristen müßten Chauvinistenschweine sein was ich nun wirklich nicht war -, oblag es mir natürlich, in dieser Rolle mitzumachen, so sehr mir das auch widerstrebte. „Wir sehen uns, wenn du damit fertig bist, Schätzchen“, sagte ich und verschwand durch die Tür, so daß ich ihre drastische Antwort nicht mehr mitbekam. In der Folge wanderte ich durch das Gelände, schaute in der Bar vorbei, verweilte am Schwimmbecken, um von den dort versammelten nackten Sonnenanbeterinnen einige Aufnahmen zu machen - was ich dann aber doch bleiben ließ bei dem ernüchternden Gedanken an Angelinas Reaktion, sollte sie die Bilder zu sehen bekommen. Sehr besitzbewußt ist meine Frau, und das gefiel mir auch glaube ich wenigstens. Ich marschierte weiter und fand schließlich das Touristenbüro. Es kostete mich schon Überwindung, nicht zu erschaudern beim Anblick des kleinen Schiffs aus gefärbten Muscheln, den putzigen Seemannsmützen mit intelligenten Aufschriften wie KÜSS MICH, DU VERRÜCKTER ESEL! und KLAPPERN SIE GLEICH WEITER! Mit abgewandtem Blick ging ich daran vorbei und begab mich in einen Teil des Ladens, in dem Ansichtskarten und Reisebücher verkauft wurden. Ich begann mich umzusehen, als eine leise Stimme neben mir fragte: „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“ Süß, jung, klare Augen, eine ausgeprägte, sinnliche Figur, goldene Haut, rubinrote Lippen und exotisch wie ein Tiger... „Und ob!“ antwortete ich heiser, zügelte dann aber doch meine Begeisterung. Nicht, solange Angelina und ich auf demselben Planeten waren! „Ich möchte gern... einen Touristenratgeber.“ „Wir haben viele vorzügliche Ausgaben. Hatten Sie an etwas Bestimmtes gedacht?“ „Ja, an eine Geschichte von Paraiso-Aqui. Keine Propagandaschrift für Touristen, sondern etwas Konkretes. Haben Sie so etwas?“
Sie bedachte mich mit einem verschleierten Blick unter halb gesenkten Lidern - und wandte
sich den Regalen zu. Als sie sich wieder umdrehte, hielt sie einen dicken Band in der Hand,
den sie mir reichte.
„Ich glaube, hier werden Sie das Gesuchte finden“, sagte sie, ehe sie sich geschmeidig
abwandte und langsam entfernte.
„An die Arbeit, Jim!“ sagte ich mir, riß den Blick von ihrer faszinierenden Figur und richtete
ihn auf das Buch in meiner Hand.
Eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von Paraiso-Aqui. Großartig. Klang nach einem
Bestseller. Ich blätterte den Band durch und fand sofort das Stück Papier zwischen den
Seiten. Darauf standen Blockbuchstaben, die ich lesen konnte, ohne das Papier
herauszunehmen.
VORSICHT! LASSEN SIE SICH HIERMIT NICHT ERWISCHEN!
Plötzlich fiel ein Schatten über das Buch. Ein untersetzter Einheimischer stand vor mir und
lächelte falsch.
„Ich hätte gern das Buch“, sagte er und streckte die Hand aus.
Ich sah das Wort so deutlich, als stünde es auf seiner Stirn. BULLE. Das war es. Ein Polizist.
Eine überall in der Galaxis anzutreffende Spezies.
„Ach du je, weshalb sind Sie denn so scharf auf mein hübsches kleines Buch?“ fragte ich.
„Das geht Sie nichts an. Her damit!“
„Nein.“ Ich zitterte in gespielter Angst, preßte das Buch an mich und wich einen Schritt
zurück. Er schenkte mir ein kaltes Lächeln und hob die Arme, um es meinen feigen Händen
zu entreißen.
Endlich begann der Urlaub richtig!
4. Ich ließ ihn erst beide Hände an das Buch legen, ehe ich meinerseits zugriff, mir seine ziemlich vorspringende Nase schnappte und energisch daran drehte. Ich muß zugeben, dafür hatte ich rein sadistische Gründe. Er brüllte vor Wut und Schmerz und zeigte mir einen Mund voller schiefstehender Zähne, die dringend einer Behandlung bedurft hätten. Dann schlössen sich die Lippen wieder, wie auch seine Augen, denn er sank schlaff zu Boden. Ein energisch in das Nervenzentrum des Solar Plexus gestoßener Finger ruft augenblickliche Bewußtlosigkeit hervor. Ich wandte der Szene dieses nicht weiter aufregenden Triumphes den Rücken, nur um mich einem der Einheimischen gegenüberzusehen, der eine Hoteluniform trug. Mit untertassengroßen Augen und aufgerissenem Mund. „Er muß sehr müde gewesen sein, einfach so einzuschlafen“, sagte ich. „Aber dieser Planet hat nun mal etwas Entspannendes. Ich möchte dieses Buch erstehen.“ Blinzelnd starrte er auf den Umschlag und fand seine Stimme wieder. „Tut mir leid, aber das ist kein Buch von uns.“ Jetzt war ich mit Blinzeln an der Reihe. „Muß aber sein. Ich habe doch gesehen, wie die Verkäuferin es aus dem Regal nahm.“ „Wir haben hier keine Verkäuferin. Ich bin allein.“ Endlich dämmerte mir, was geschehen war. Achselzuckend wandte ich mich zum Gehen. Keine Verkäuferin und kein Buch. Man hatte mich in die Falle gelockt, soviel war klar. Und sobald Dornröschen wieder zu sich kam, würden sich die Vertreter des Gesetzes an meine Fersen heften. Wie nett, daß sie auf dieser langweiligen Urlaubswelt für ein bißchen Abwechslung sorgen wollten! Als ich zurückkehrte, streifte Angelina gerade einen Badeanzug über, was augenblicklich meine Libido in Gang brachte. Nach einer energischen Runde Küsserei und Schmuserei schob sie mich sanft von sich. „Wir müssen öfter Urlaub machen, wenn das so angenehme Auswirkungen hat: was doch für ein süßes Ungeheuer in dir steckt! Was ist das für ein Buch?“ „Nichts. Hab’s nur irgendwo aufgelesen. Machen wir einen Spaziergang am Strand, um zu sehen, ob dein Badeanzug zum Sand paßt.“ Dabei rollte ich vielsagend mit den Augen. Sie nickte ein wenig zum Zeichen, daß sie verstanden hatte. „Wunderbar. Ich muß nur noch meine Sandalen suchen.“ Stumm machten wir uns davon, und Angelina hielt ihre Frage zurück, bis wir am Rand des Wassers entlangspazierten, fern von allen Gebäuden. „Glaubst du, das Zimmer wird abgehört?“ „Keine Ahnung. Aber ich wollte kein Risiko eingehen, wenn ich das Buch aufmachte.“ Ich erzählte ihr, wie ich an den Band gekommen war, und zog den geheimnisvollen Zettel zwischen den Seiten hervor. Auf der Rückseite standen einige hastig hingeworfene Zeilen, die wir stumm lasen: Die Bevölkerung dieses Planeten braucht dringend Ihre Hilfe. Wir flehen Sie an, unterstützen Sie uns! Bitte gehen Sie um 2400 Uhr heute nacht allein am Strand spazieren. Die Unterschrift fehlte. Ich bückte mich, schöpfte eine Handvoll Wasser, zerdrückte den Zettel und trat die Fetzen beim Gehen in den Sand. „Möchte wissen, wer dahintersteckt“, bemerkte Angelina, wozu ich nur feierlich nicken konnte. „Das ist die entscheidende Frage, nicht wahr? Schon dem Beamten an der Paßkontrolle bin ich aufgefallen, dann machte ich Aufnahmen von den Landarbeitern - und stellte neugierige
Fragen. Meine Anwesenheit ist bekannt. Man hat sich mit mir in Verbindung gesetzt. Aber du fragst ganz richtig - wer ist >man