Klaus Holzkamp Subjektwissenscbajtliche
Grundlegung
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Klaus Holzkamp Subjektwissenscbajtliche
Grundlegung
Klaus Holzkamp untersucht in diesem grundlegenden Werk den Prozeß des Lernens aus der Perspektive des lernenden Subjekts und seiner Motive. Er unterstreicht die Bedeutung des Lernens als Erweiterung subjektiver Erfahrungs- und Lebensmöglichkeiten und grenzt dieses »expa1zsive Lernen« vom gängigen Verständnis des Lernens als eines von anderen auferlegten und kontrollierten Prozesses ab. In seinem weiterführenden theoretischen Ansatz macht er den inneren Zusammenhang der verschiedenen, meist isoliert behandelten Seiten des Lernproblems deutlich. »Er bietet eine enorme Fülle von lerntheoretischen Betrachtungen, die für das gesamte Spektrum der pädagogischen Leserschaft von Belang sein dürfte.« Kunst + Unterricht
»Indem Holzkamp seine Analyse an bekannten Alltagsphänomenen ansetzt und die relevanten Konzepte der Unterrichtsforschung reflektiert, erlangen seine Kategorien und Einschätzungen eine eindrucksvolle Gültigkeit und Klarheit.« Psychologische LiteraturumschaN
ISBN
II
9 7
~?a-3-5~3-35317-3
11111
173
www..ca•f•..de
Klaus Holzkamp, der Begründer der Kritischen Psychologie, rollt in diesem grundlegenden Werk zur Lernpsychologie das Lernproblem aus einer neuen Perspektive, der des lernenden Subjekts und seiner Motive, auf. Er betont damit das Lernen als Erweiterung subjektiver Erfahrungs- und Lebensmöglichkeiten gegenüber dem gängigen Verständnis von Lernen als von anderen auferlegt und kontrolliert. Diese Sichtweise ist- wie Holzkamp ausführlich zeigt- nicht nur für den Behaviorismus charakteristisch: Sie wurde auch von modernen kognitivistischen und handlungstheoretischen Ansätzen nicht überwunden. Nach der Behandlung der vielfältigen Aspekte des Lernens als »allgemeinmenschlichem« Problem werden die institutionellen, insbesondere schulischen Lernmöglichkeiten und -behinderungen auf den Begriff gebracht und die verschiedenen Mechanismen herausgearbeitet, durch welche in der Schule engagiertes produktives Lernen entmutigt und die bloße Demonstration, ja Vortäuschung von Lernresultaten als zur Situationsbewältigung »zweckmäßig« nahegelegt wird. Holzkamp schildert, in welcher Weise es - da der Lehrer als Organisator der Lernprozesse der Schülerinnen/Schüler bestellt ist und diese dadurch mit ihren eigenen Lernanliegen in den schulischen »Untergrund« gedrängt sind- zu einer Verwahrlosung der Lernkultur kommen muß, mit der gesellschaftliche Ressourcen menschlicher Produktivität in unverantwortlicher Weise verschleudert werden. Holzkamp macht in seinem weiterführenden theoretischen Ansatz den inneren Zusammenhang der verschiedenen Seiten des Lernproblems deutlich. So erscheinen auch das Bewegungslernen und das Behalten/Erinnern nicht mehr als isolierte physiologienahe bzw. innermentale Prozesse, sondern werden als Aspekte gegenständlicher menschlicher Lebenspraxis begreifbar. Klaus Holzkamp betrachtet dieses Werk als einen wesentlichen Schritt über seine Grundlegung der Psychologie (Campus 1983) hinaus, weil er hier neue Möglichkeiten zur Durchdringung konkreter Probleme menschlicher Lebenstätigkeit eröffnet.
Klaus Holz~mp
Lernen Subjektwissenschaftliche Grundlegung
Campus Verlag Frankfurt/New York
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Holzkamp, Klaus: Lernen : subjektwissenschaftliche Grundlegung I Klaus Holzkamp. - Studienausg. - Frankfurt!Main ; New York: Campus Verlag, 1995 ISBN 978-3-593-35317-3
Studienausgabe 1995
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertun~ ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright© 1993 bei Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main Umschlaggestaltung: Atelier Warminski, Büdingen Datenkonvertierung: Camptext Fotosatz, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Kapitell Hinführung auf das Verfahren der Problementwicklung
17
Vorbemerkung 19 • Explikation des Subjektstandpunkts als Diskursebene subjektiver Handlungsgrunde 21 • Impliziter Begrundungsdiskurs und nomologisches Selbstmißverständnis in der Psychologie 27 · Kriterien für den Nachweis von Begrundungsmustern in vermeintlich nomologischen Theorien 33
Kapitel2 Begründungsanalytische Kritik/Reinterpretation lerntheoretischer Grundansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
2.1 Kritik/Reinterpretation des lerntheoretischen Grundansatzes behavioristischer SR-Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Vorbemerkung: Tierexperimentelle Fundiertheit SR-psychologischer Lern· theorien? 41 • Klassisches Konditionieren: Signallernen 46 • Instrumentelles bzw. operantes Konditionieren: Lernen-am-Erfolg 54 · Gesamt· einschätzung: Induktiv begrunderes Lernen bei auf Gegebenheitszufälle reduziertem Realitätsaufschluß 57 · SR~heorien unter lerntechnologischem Aspekt: Manipulation von Begrundungsprämissen zur Erzielung »gewünschten« Verhaltens 63
6
Inhalt
2.2 Kritik/Reinterpretation kognitiver Erweiterungen des SR-psychologischen Lernkonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Vorbemerkung 69 · Unterscheidung zwischen Lernen und Ausführung, damit Ausdifferenzierung eines Konzeptes selbständiger Lernmotivation 69 · Bestätigung von Erwartungen als/anstatt Verstärkung 78 · Der andere Mensch als Lernagens: •lernen am Modelle 88 · Das Konzept des •Selbst« im lerntheoretischen Kontext 94 · Gesamteinschätzung: Realitätsbezug des Subjekts als bloße Sichtweise unter Ausklammerung der Möglichkeit aktiver Welteinwirkung 110
2.3 Kritik/Reinterpretation des Gedächtnis-Konzepts als kognitivistischer Fassung des Lernproblems . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
Vorbemerkung 118 · Theoretische Grundkonzeptionen kognitivistischer Gedächtnisforschung 121 · Die Aufhebung der mystifizierenden Hineinverlegung des Subjekts ins •Systeme als Voraussetzung begründungstheoretischer Reinterpretierbarkeit der kognitivistischen Gedächtnismodelle 134 · Anstatt ..Gedächtnis«: Behalten/Erinnern im Begründungsdiskurs 139 • Gesamteinschätzung: Gerichtetheit auf Permanenz des Gelernten in den Schranken immanent-sprachlicher Bedeutungsbezüge 146
2.4 Kritik/Reinterpretation der handlungstheoretisch-kybernetischen Fassung des Lernproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
Vorbemerkung 152 · Das Grundmodell der Handlungsregulation 153 · Lernen als regulatorisch gesteuertes Lernhandeln 157 • Lernregulation im Begründungsdiskurs: Vom Subjektstandpunkt begründete Optimierung der Ablaufsorganistion des Lernvollzugs 163 · Gesamteinschätzung: Regulation als sekundär begründeter Lernaspekt unter Ausklammerung primärbedeutungsbezogener Lernbegründungen 167
Kapitel3 Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Theorie lernenden Weltaufschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
3.1 Ansatz der Theorieentwicklung: Typische Lernproblematiken .
177
Vorbemerkung: Das Problem des Anfangs 177 · Typische Lernproblematiken als Spezifizierung von Handlungsproblematiken; Lernhaltung und Lernprinzipien 182 · Operativer und thematischer Lernaspekt; die emotional-motivationale Begründungsstruktur des Lernens im Spannungsfeld zwischen expansiven und defensiven Lerngründen 187 · Zur Funktion von Beispielen und ein exemplarisches Beispiel: Schönbergs Orchestervariationen als Lernproblematik 194
Inhalt
3.2 Dimensionen und Verlaufsformen des Zugangs zur Bedeutungsstruktur des Lerngegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
206
Vorbemerkung 206 · Potentieller Lerngegenstand und Vorgelerntes 207 · Die Herausbildung von Lernproblematiken: Ausgliederung eines aktuellen Lerngegenstandes als Erfahrung einer »Lerndiskrepanz« 211 · Selektive Funktion von Lernproblematiken: Aktualisierung bestimmter Dimensionen an potentiellen Lerngegenständen als unterschiedlicher Ausprägungen von ,.flachheit!fiefe« 218 · »Problemlösen« und/ oder ..Entwicklungsstufen« als Muster zur Konzeptualisierung qualitativer Lernfortschritte? 226 · Qualitative Lernsprünge durch Reflexion auf das bisherige Lernprinzip und Diskrepanzerfahrungen höherer Ordnung 239 • Nochmals: Zum Verhältnis zwischen thematischem und operativem Lernaspekt 248
3.3 Kategoriale Explikation des »Lernsubjekts« auf seine standortspezifischen Bestimmungen in lebenspraktischen Bedeutungszusammenhängen ......... _. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
Vorbemerkung 252 · Körperliche Situiertheit: Spannungsfeld zwischen intentionaler Gerichtetheit auf den Lerngegenstand und ,.zurückhaltender• Körperlichkeit 253 · Mental-sprachliche Situiertheit: Beachtungslenkung/ »inneres Sprechen« als Prozeßbestimmungen der Lernintention 258 · Personale Situiertheit: Die »Fähigkeit« zu lernen im biographischen Kontext und das Verhältnis von Verfügungsinteresse und Grenzerfahrung 263 · Überleitung: Theoretische Annäherungen an den lebenspraktischen Zusammenhang des Lernhandeins vom Bewegungslernen und vom mentalen Lernen (Behalten/Erinnern) her 269
3.4 Annäherung vom Bewegungslernen her . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
Vorbemerkung 271 · Gegen physiologische, mathematische und operative Reduzierungen des Bewegungskonzeptes 272 · Hilfsbewegungen und Bewegungshandlungen; Bewegungslernen als wachsende Bedeutungsadäquatheil von Bewegungshandlungen 280 · Praktisches Eindringen in den Bedeutungsgehalt von Lerngegenständen: Relative Überwindung der körperlichen Schwerfälligkeit/Unverfügbarkeit meiner Bewegungen 287
3.5 Annäherung vom mental-verbalen Lernen (Behalten/Erinnern) her . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung 295 · Aufhebung der kognitivistischen Sprachimmanenz {Systemimmanenz): Mentale, kommunikative und objektivierende Modalität des Behaltens/Erinnerns 296 · Herstellung der Permanenz des Behaltenen: Eindringen in modalitätsübergreifende Bedeutungsstrukturen/Verweisungszusammenhänge 309 · Zum Verhältnis von Lernen und Behalten/Erinnern:
295
8
Inhalt Spezifizierung von Lernproblematiken als Behaltens-/Erinnernsproblematiken 318 · Zum Verhältnis von Mitlernen und intentionalem Lernen: Affinitive Selbstorganisationsprozesse im Rahmen intentionaler Lernhandlungen 324
Kapitel4 Konzeptuelle Aufschlüsselung historisch bestimmter institutioneller Lernverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339
4.1 Die Bedeutungsanordnung »Schule«: Historisches Muster institutionell verfaßten Lernens . . . . . . . . .
341
Vorbemerkung: Schulische Bedeutungsstrukturen und ihre Analyse 341 · Genealogie der Schule als ·Disziplinaranlage• (Foucault) 349 • Schuldisziplin im Spiegel administrativer Vorschriften 1: Isolierung, Rang, Zeitökonomie, Organisation von Entwicklungen 359 · II: Überwachung, Sanktionierung, normalisierende Differenzierung 363 · III: Leistungsbewenung im Widerspruch zwischen zugeschriebener pädagogischer Verantwonung des Lehrers und von ihm geforderter Veneilungsorientienheit der Notengebung 368 · Mystifikation von Noten als numerische Daten: Totalität individualisierender Bewenungen als Legitimation »gerechtere Zuweisungen unterschiedlicher Berufslaufbahnen/Lebenschancen 377
4.2 Lehrlernen: Entöffendichung des Subjektstandpunkts der Lernenden als strategisches Implikat der Schuldisziplin . . . . . . .
385
Vorbemerkung 385 · Offizielle Kontamination von Lehr- und Lernzielen: Fiktion schuladministrativer Planbarkeit von Lernprozessen mit dem Lehrer als deren •Subjekt« 387 • Auflösung des Widerspruchs zwischen vorausgesetzten optimalen Lehrlernbedingungen und geforderter Unterschiedlichkeit der Leistungsbewenungen: Das schulische Konstrukt natürlicher Begabungsunterschiede 399 • Schulische Sondermaßnahmen gegenüber Lehrlerndefiziten unterhalb des »Normalen• zwischen zusätzlichem Normalisierungsaufwand und Ausgrenzung 403 · Psychologische Wissenschaft im Einklang mit der Schuldisziplin: Lerntheorien als (implizite) Lehrlerntheorien m Sichtverkürzung auf die offizielle Seite des Schulprozesses 406
4.3 Begründungsanalytische »Ent-deckung« der Schulwirklichkeit vom Standpunkt des Lernsubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung 424 · Methodische Hinführung: Unterrichtsklima; Klassenraum-Diskurs; Begründungsanalyse 425 · Machtstrategische Widersprüche: Grunderfahrung des Eingekreist-Seins; verdecktes Verhältnis; Normalisierung auf defensives Lernen hin 441 · Interpersonale Beziehungen in der
424
Inhalt
9
Schulklasse: Vereinzelung durch Bewertung vs. gebrochene kollektive Bedrohungsabwehr 453 · Monopolisierung des Fragens beim Lehrer und Marginalisierung von Schülerfragen im Kontext der schultypischen Frage-Antwon-Bewenungssequenz: Lernen ohne Fragen und umgekehrt 461 · Schuldisziplinäre Ignoranz gegenüber den immanenten Verlaufsformen expansivweltaufschließenden Lernens: Verwahrlosung schulischer Lernkultur 476
4.4 Lernen über die Schuldisziplin hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
486
Vorbemerkung 486 · Statt .. schule" als privilegien-universeller Lernstätte: Nebeneinander spezieller Lernsituationen mit unterschiedlicher Tiefenstruktur des Lerngegenstandes 487 · Subjektive Lernbiographien: Verhältnis lebensgeschichtlich (für mich) bedeutsamer Episoden expansiven Lernens im schulischen und außerschulischen Kontext 491 · Interpersonale Lernverhältnisse jenseits des Lehrlernkurzschlusses: Panizipatives Lernen und kooperatives Lernen 501 · Möglichkeiten/Behinderungen expansiven Lernens in Lernstätten I-gruppen außerhalb der Schuldisziplin 516 · Überwindung der Denk-/Praxisfigur bedrohtheitszentriener Lernformierung: Von instrumentellen zu intersubjektiven Lernverhältnissen 522
4.5 Gesichtspunkte aus der subjektwissenschaftlichen Analyse institutioneller Lernverhältnisse für die Schulreformdiskussion
532
Vorbemerkung 532 · »Lebensnähe« und politische Relevanz von Lernkonstellationen als Mittel zur Förderung expansiven Lernens? 533 · Zersetzung expansiver Lernmöglichkeiten durch schuldisziplinäre Bewertungsuniversalität: Grenzen der Schulreform? 539 · Das Planungsparadox und die Zukunft des Lernens 553
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
564
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
588
Einleitung
Sofern man dem Augenschein trauen wollte, könnte man meinen, daß das Lernen heute kaum (noch) als Problem grundsätzlicher Art zu betrachten ist: Schließlich hat sich die Psychologie fast bis zum Überdruß damit beschäftigt, und im öffentlichen Leben ist - so scheint es - das Lernen durch die vielfältigen Institutionen unseres Bildungssystems und dessen wissenschaftliche Fundierung/Begleitung bestens betreut und gut aufgehoben. Um zu begründen, warum ich dennoch den folgenden grundsätzlichen Text über Lernen geschrieben habe, berufe ich mich zunächst auf bestimmte Eigenheiten des allgemeinen Vorverständnisses, aus dem sich vor aller weiteren Information gewisse Vermutungen darüber ergeben mögen, worum es in meinen anschließenden Ausführungen gehen wird: Ich werde (so mag man von da aus annehmen) hier sicherlich unter irgendeinem Aspekt zur Klärung der Frage beitragen wollen, wie man bestimmte andere in möglichst effektiver Weise dazu bringen kann, das zu lernen, was sie lernen sollen oder müssen: Kinder, Schüler, Arbeitslose, Behinderte etc., also Gruppen von Individuen, die das Lernen aus jeweils verschiedenen Gründen (noch bzw. wieder) nötig haben. Weniger naheliegend dürfte demgegenüber die Vermutung sein, ich würde mich im folgenden mit Lernproblemen gesunder Erwachsener mit Arbeitsplatz beschäftigen, oder gar, daß es dabei um das jeweils eigene Lernen, also auch das Lernen der Leserinnen und Leser gehen könne: Das Ansinnen, daß es für einen selbst noch etwas zu lernen gibt, würde - wenn ausdrücklich an einen herangetragen - u.U. sogar eher als Zumutung erlebt werden, indem man darin den oft beschworenen »erhobenen Zeigefinger« derjenigen wittert, die glauben, es besser zu wissen und mich deshalb belehren zu müssen. Anders: Lernen erscheint hier als etwas, das man günstigenfalls hinter sich hat, aber in jedem Falle schnell hinter sich bringen will; die Möglichkeit, daß Lernen keine Beeinträchtigung, sondern im Gegenteil eine Form der Realisie· rung meiner Selbständigkeit als Erwachsener und deswegen in meinem genuinen Lebensinteresse sein könnte, wäre so (obwohl doch eigentlich jedem irgendwie bekannt) im alltäglichen Lernverständnis abgedrängt oder mindestens widersprüchlich überformt.
12
Einleitung
Ein solches gebrochenes Verhältnis zum eigenen Lernen verweist auf allgemeinere Verflochtenheiten des Lernens mit gesellschaftlicher Macht: Gerade weil nicht nur die Fähigkeiten, sondern auch generelle Haltungen, Lebensgewohnheiten, Handlungsbereitschaften, Urteilskompetenzen der Individuen dem Vernehmen nach durch Lernen entstanden sind und geändert werden können, hatten herrschende Instanzen von je her ein besonderes Interesse daran, das Lernen zu okkupieren und der Bevölkerung zuzuteilen. So sieht sich heute Lernen offiziell in unterschiedlichen Erscheinungsformen an Belehren gebunden, ja es wird tendenziell mit Belehrt-Werden gleichgesetzt, wobei das Belehren seinerseits in die Zuständigkeit von Institutionen gegeben ist, die in verschiedener Weise Kontrolle über die Lernenden anstreben. Nur auf diesem Wege scheint das Lehren/Lernen einerseits - soweit zuträglich - zu entwickeln, andererseits aber mittels Kanalisierung, Selektion, Einschwörung auf erwünschte Denk- und Sichtweisen derart zu beschränken, daß die herrschende Ordnung (d.h. das, was man von der jeweiligen politischen Position darunter vt~rsteht) nicht durch ein »Zuviel« des Lernens gefährdet wird. Als Institutionen eines solchen kontrollierten Lernens - die naturgemäß Gegenstand intensiver politischer Beeinflussungsversuche sind - imponieren heute die Familie (als Objekt der Familienpolitik), die Medien (als Objekt der Medienpolitik), insbesondere aber die Schule (i.w.S.), die offenbar wirkungsvollste Instanz indirekter Herrschaftssicherung durch Lernreglementierung, die demgemäß ein permanentes Kampffeld politischer Vereinnahmungsbemühungen darstellt. Entsprechend eng sind im öffentlichen Bewußtsein die Verflechtungen und Überschneidungen der Bedeutungshöfe von »Schule« und »Lernen«. Lernprozesse sind in dieser Sicht nicht nur hauptsächlich ein Resultat von Unterrichtung, sondern diese findet bevorzugt, systematisch, planmäßig durch die Schule statt. Die Bewältigung von Aufgaben und Problemen außerhalb der Schule wäre demnach wesentlich die Anwendung dessen, was in der Schule gelernt, und ein Versagen bei der Problembewältigung Indiz dafür, daß in der Schule nicht hinreichend gelernt bzw. das Gelernte wieder vergessen wurde. Wenn sich der Erwachsene dann- etwa aus beruflichen Notlagen wie Arbeitslosigkeit heraus - gezwungen sieht, wiederum zu lernen, d.h. sich belehren zu lassen, so erscheint ihm qies bevorzugt als ein »Die-Schulbank-Drücken«, also ein Rückfall in eigentlich längst überwundene Lebensphasen der Abhängigkeit und Unselbständigkeit. Damit verdeutlicht sich ein zentrales Dilemma: Durch die ideologische Verquickung von Lernen und Beschulung, Zwang, Reglementierung, Vereinnahmung »Von oben• enthält der Protest gegen Gängelung, Entmündigung, Fremdbestimmung des Lernens häufig auch einen Protest gegen das Ansinnen zu lernen überhaupt: Indem man so angesichts der »Enteignung« des Lernens dessen allgemeine Funktion als Voraussetzung des Erkennens und der Realisierung eigener Lebensinteressen
nicht erfassen kann, reproduziert und befestigt man hier gerade jenen Zustand der Fremdbestimmung, gegen den man mit der Abwehr der Lernzumutung protestieren will. Die traditionelle psychologische Lernforschung nimmt in all ihren Erscheinungsformen diesen Widerspruch nicht zur Kenntnis, sondern schlägt sich durchgehend naturwüchsig auf die Seite der Kontrollierenden, setzt also Lernen mit reglementiertem Lernen gleich. Für die behavioristische SR-(StimulusResponse-}Psychologie, die vom zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts an rund vierzig Jahre als allgemeine »Lerntheorie« das Feld beherrschte, versteht sich dies schon aus dem methodischen Grundansatz: Die Initiierung von Lernprozessen bedeutet hier wesentlich die Herstellung solcher U mweltkontingenzen (durch den Experimentator}, die bei den Individuen (per klassischem oder instrumentellem Konditionieren} bestimmte vorhergesagte oder erwünschte Verhaltensweisen hervorrufen. In der sowjetischen Tätigkeitstheorie ist dieses methodische Schema nicht so offensichtlich, läßt sich aber als Einfluß von Pawlows »Theorie der höheren Nerventätigkeit« (die ihrerseits den Behaviorismus beeinflußte} häufig dennoch mehr oder weniger deutlich aufweisen. In jedem Falle aber wird hier Lernen mit UnterrichtetWerden in pädagogischen Kontexten, also letztlich fremdinitiiertem Lernen gleichgesetzt. Mit der Ablösung der Hegemonie des Behaviorismus durch die des Kognitivismus seit den späten fünfziger Jahren trat bei uns das Lernkonzept zunächst als Grundbegriff in den Hintergrund und machte anderen Grundbegriffen, wie Informationsverarbeitung und Gedächtnis, Platz. Neuerdings erlebte zwar in dem Maße, wie sich der »konnektionistische« gegenüber dem »symbolischen« Kognitivismus zur Geltung bringen konnte, der Begriff des Lernens eine gewisse Renaissance: Jedoch wurde damit (auch wo man hier von selbstorganisiertem Lernen spricht) die Identifikation von Lernen mit fremdkontrolliertem Lernen keineswegs überwunden (s.u.). Der gemeinsame Nenner, aufgrund dessen Lernen praktisch kaum anders gedacht werden kann denn als Lernen-unter-fremder-Kontrolle, liegt im allen traditionell-psychologischen Ansätzen inhärenten Verständnis der Psychologie als Wissenschaft vom Außenstandpunkt bzw. (richtiger) Standpunkt dritter Person (s.u.) und dem damit gesetzten Bedingungsmodell: Demgemäß ist psychologische Forschung - auch wo auf theoretischer Ebene umfassendere und liberale Konzepte angestrebt werden - auf methodischer Ebene prinzipiell mit dem Aufweis von Zusammenhängen zwischen fremdgesetzten Bedingungen und dadurch hervorgerufenen Verhaltens- oder Erlebnisweisen (unabhängigen und abhängigen Variablen) identifiziert: So kann man auch die Erfahrungen der Lernenden, selbst wenn man sich explizit darauf beziehen möchte, dennoch nur als abhängige Größe von hergestellten und
14
Einleitung
vorausgesetzten Bedingungen zu Gesicht bekommen, womit die individuelle Subjektivität hier wiederum lediglich als Forschungsobjekt in Erscheinung tritt. Sofern meine vorstehenden Darlegungen im Prinzip adäquat sind, wäre also das benannte widersprüchliche Lernverständnis (Lernen als Zumutung und als Lebensmöglichkeit) mit den bisher vorliegenden Lerntheorien nicht konzeptualisierbar, sondern Lernen lediglich platt als Kontrollfunktion abgebildet (also die Lernzumutung quasi wissenschaftlich stilisiert und zementiert). Dies wiederum verweist auf eine allgemeinere Problematik, die sich aus dem skizzierten gemeinsamen methodologischen Nenner der Außenperspektive und des Bedingungsmodells ergibt: den Umstand, daß das Lernen als
Problem vom wissenschaftlichen Standpunkt des Lernsubjekts in den traditio· nellen Lerntheorien nicht vorkommt. An dieser Stelle nun scheiden sich (wenn man mir diese Plattheit hier einmal erlauben will) die Geister: Von der Position der traditionellen Psychologie aus ist dies selbstverständlich und nicht zu ändern, und zwar deswegen nicht, weil - gleichviel wieweit und in welcher Weise man subjektive Gegebenheiten als Forschungsgegenstand berücksichtigen mag - der Standpunkt der Forschung als Standpunkt wissen. schafdieher Objektivität notwendig mit dem Außenstandpunkt zusammenfällt. Gerade diese Voraussetzung ist es nun aber, die mit der subjektwissenschaftlichen Zuspitzung der Kritischen Psychologie immer eindeutiger von uns angezweifelt wurde. Als Resultat dieser Entwicklung versuchen wir aufzuweisen, daß in einer gegenstandsadäquaten psychologischen Forschung der wissenschaftliche Standpunkt mit dem (verallgemeinerten) Subjektstandpunkt der Betroffenen zusammenfällt. So mag es vielleicht nachvollziehbar sein, wenn ich (angesichts der geschilderten Problemsituation um das Lernen) im folgenden auf der Basis unseres subjektwissenschaftlichen Ansatzes eine Lernkonzeption zu entwickeln versuche, welcher der bisher ausgeklammerte
Standpunkt des Lernsubjekts als Standpunkt der wissenschaftlichen Analyse zugrundeliegt. Beim Versuch der Realisierung dieses Vorhabens müßte sich gleichzeitig am Exempel erweisen, ob das Konzept einer Psychologie vom Subjektstandpunkt (wie viele unserer Kolleginnen und Kollegen aus der etablierten Psychologie meinen dürften) eine bloße Worthülse und gleichbedeutend mit dem Aufgeben jedes wissenschaftlichen Anspruches überhaupt ist, oder ob man (wie wir meinen) von da aus einen neuen, umfassenderen und fruchtbareren wissenschaftlichen Zugang, hier zum Problem des Lernens, finden kann. Der eingangs von mir umschriebene Augenschein, das Lernproblem sei psychologisch abgegrast und institutionell befriedet, ließe sich also jetzt als der wissenschaftlichen und institutionellen Ausklammerung des Lernsubjekts geschuldete Scheinharmonie einstufen. Von da aus mag verständlich
Einleitung
15
sein, daß ich eine erneute grundsätzliche Beschäftigung mit Lernen keineswegs für obsolet, sondern im Gegenteil als Versuch der analytischen Durchdringung der glatten Oberfläche auf die darin liegenden Widersprüche hin und von da aus Gewinnung neuer Erkenntnisdimensionen für besonders dringlich halten muß (wobei die in diesen einleitenden Bemerkungen zunächst ungeschützt hingestellten Voreinschätzungen ihre Begründetheit erst noch zu erweisen haben). Von diesem Grundansatz aus versteht sich, daß- sofern in einer Lerntheorie vom Standpunkt des Lernsubjekts wirklich ein umfassenderer Zugang zum Lernproblem möglich ist als vom Außenstandpunkt der traditionellen Lerntheorien - deren Erkenntnisbeschränkungen sowie ggf. relativer Erkenntnisgehalt aus der Sicht des subjektwissenschaftlichen Ansatzes auch tatsächlich aufweisbar sein müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Lernsubjekt in den traditionellen Theorien ja nicht real verschwunden sein kann, sondern offenbar nur in irgendeiner Weise theoretisch wegreduziert, verleugnet, damit konzeptionell verfehlt wird. So sehen wir uns vor der Aufgabe, solche Verdrängungen und Verkehrungen theoretisch zu durchdringen und das »Lernsubjekt« in seinen jeweils besonderen Verkürzungen wieder diskursfähig und diskutierbar zu machen. Nur mit einer solchen Reinterpretation können die im Vergleich zu den traditionellen Lerntheorien umfassenderen Erkenntnismöglichkeiten einer Lerntheorie, die explizit vom Standpunkt des Lernsubjekts entwickelt wird, sichtbar werden. Gleichzeitig soll damit ein neuer psychologischer Beitrag zur laufenden erziehungswissenschaftliehen und bildungspolitischen Grundsatzdiskussion, insbesondere über Schule und Schulreform, eingebracht werden. Den Angelpunkt des folgenden Textes bildet die Erarbeitung der allgemeinen Grundbegrifflichkeit einer Lerntheorie vom Standpunkt des Lernsubjekts und seiner genuinen Lebensinteressen, also die Aufschlüsselung des Lernens aus dem Zusammenhang menschlichen Handeins im Kontext gesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten (im 3. Kapitel). Einerseits sind erst auf dieser Grundlage die historisch bestimmten institutionellen Lernverhältnisse, insbesondere die erwähnte öffentliche Gleichsetzung von Lernen mit (schulischem) Lehrlernen, auf die Widersprüche und Restriktionen, die sich daraus für das Lernen vom Subjektstandpunkt ergeben, aufzuschlüsseln: Damit soll die benannte Enteignung des Lernens, wo nicht überwindbar, wenigstens - auch als Anreiz für notwendige pädagogisch-bildungspolitische Klärungen- schärfer auf den Begriff zu bringen sein (Kapitel4). Andererseits aber kann unsere lerntheoretische Grundbegrifflichkeit, da der »Subjektstandpunkt« ja keine besondere Art Psychologie konstituieren, sondern eine adäquatere Herangehensweise an psychologische Probleme überhaupt markieren soll, ihrerseits nicht einfach neben die traditionellen Lerntheorien
16
Einleitung
gestellt, sondern muß (wie gesagt) im Durchgang durch diese entwickelt werden: Dem dient die vorgängige Kritik und Reinterpretation vorfindlieber lerntheoretischer Grundansätze-SR-Theorien des Lernens, kognitivistischer Theorien, handlungstheoretischer Lernkonzepte - als Herausarbeitung ihres (in der subjektwissenschaftlichen Theorie des Lernens aufzuhebenden) relativen Erkenntnisgehalts (in Kapitel 2). Alldem voranzustellen war aber der Versuch, die Frage, was »Psychologie vom Subjektstandpunkte bedeutet und was auf dieser Grundlage die Kritik/Reinterpretation und Weiterentwicklung der Lernpsychologie heißen kann, soweit zu beantworten, daß die anschließenden inhaltlichen Ausführungen über Lernen verständlich werden dies im folgenden 1. Kapitel, dem wir uns nun zuwenden wollen.
Kapitell Hinführung auf das Verfahren der Problementwicklung
19
Vorbemerkung Das Vorhaben der Entwicklung einer lerntheoretischen Konzeption vom Standpunkt des Lernsubjekts ergab sich also einerseits aus unserer in der Einleitung dargelegten Globaldiagnose des Zustands der gegenwärtigen Lernpsychologie. Andererseits aber handelt es sich dabei (wie schon angedeutet) um eine Konkretisierung unseres langjährigen »kategorialanalytischen« Projekts der Kritischen Psychologie, wie es u.a. von Holzkamp (1973), Osterkamp (1975 u. 1976) und Schurig (1976) erarbeitet wurde und wie ich es in der »Grundlegung der Psychologie« (1983)- im folgenden GdP- integriert und weiterentwickelt habe: Dort wurden unser subjektwissenschaftlicher Ansatz und die Konzeption einer »Psychologie vom Subjektstandpunkt« aufgrund umfangreicher logisch-historischer Analysen an biologischem, ethologischem, anthropologischem, ethnologischem, gesellschaftlich-historischem Material entfaltet und aus umfassenden begrifflichen Zusammenhängen verdeutlicht (zur historischen Einordnung des kritisch-psychologischen Grundansatzes vgl. Maiers 1992, Kap. 2, sowie- insbesondere bezüglich des Verhältnisses zur Kulturhistorischen Schule der sowjetischen Psychologie und zum tätigkeitstheoretischen Ansatz - die laufenden Forschungsarbeiten von Keiler, vgl. 1991). Von da aus liegt es zunächst nahe, hier als Hinführung auf das folgende eine zusammenfassende Darstellung des Verfahrens und der Resultate kritischpsychologischer Kategorialanalyse voranzustellen. Indessen: Meine entsprechenden Versuche waren nicht sehr erfolgreich. Ein entsprechender Entwurf erwies sich bei seiner Erprobung als für Leser, denen die Kritische Psychologie neu war, weitgehend unverständlich und für diejenigen, die sie schon kannten, unbefriedigend. Es stand zu befürchten, daß eine derartige - notwendig abstrakte und komprimierte - Zusammenfassung als retardierendes Moment wirken und die Leser ungeduldig machen, damit den späteren Einstieg in die inhaltlichen Ausführungen über Lernen weniger fördern als behindern würde. So habe ich schließlich auf die zusammenfassende Präsentation des kritisch-psychologischen Grundkonzeptes verzichtet und statt dessen eine andere Darstellungsweise gewählt: Ich führe jeweils am On nur soviel grundsätzliche kategorialanalytische Konzeptionen ein, wie mir zum Verständnis der jeweils anschließenden Darlegungen unbedingt nötig erscheint, und verweise im übrigen auf die Literaturstellen, wo die jeweilige Begrifflichkeit im Zusammenhang dargestellt und begründet wurde. Dies bedeutet, daß man aus der folgenden Arbeit zwar viel über Lernen in subjektwissenschaftlicher Sicht, aber wenig Systematisches über die Kritische Psychologie erfährt: Sofern man sich darüber kundig und urteilsfähig machen will, muß man den von mir angegebenen Literaturhinweisen nachgehen. - Damit
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Hinführung auf das Verfahren der Problementwicklung
verbinde ich die stille Hoffnung, daß man aus der Art, wie im folgenden ein psychologisches Zentralproblem wie .. Lernen« inhaltlich entfaltet wird, u.U. sogar in besonders günstiger Weise Zugang auch zu unserer subjektwissenschaftlichen Grundkonzeption finden und dabei weniger leicht zu Fehldeutungen und Mißverständnissen kommen mag als beim direkten Ansatz an der kritisch-psychologischen Grundbegrifflichkeit. Zu den allgemeinen konzeptuell-methodologischen Hinweisen, die ich trotz allem nicht ganz vermeiden kann, gehören die folgenden vorbereitenden Erläuterungen darüber, wie der schon benannte .. Subjektstandpunkt•, von dem aus wir das Lernproblem neu aufarbeiten wollen, genauer zu verstehen ist, inwiefern von da aus eine Reinterpretation der traditionellen Lerntheorien möglich und nötig ist, und in welchem Verhältnis die von uns zu erarbeitende subjektwissenschaftliche Lerntheorie zur vorfindliehen Psychologie des Lernens steht. Dem noch vorauszuschicken sind jedoch einige kurze Hinweise, was im Kontext der benannten kritisch-psychologischen Kategorialanalysen mit dem Begriff ..Kategorien« gemeint ist, welche Funktion also den von uns erarbeiteten Kategorialbestimmungen bei der Entwicklung des subjektwissenschaftlichen Ansatzes und dessen lerntheoretischer Konkretisierung zukommt: »Kategorien« sind unserer Definition nach jene in psychologischen Theorien enthaltenen Grundbegriffe, von denen der Grad und die Art des Gegenstandsbezuges der Theorien abhängt, durch welche also bestimmt ist, welche Ausschnitte oder Aspekte der Realität jeweils überhaupt thematisierbar sind. Sie sind damit den eigentlichen theoretischen Zusammenhangsannahmen und deren Empiriebezug vorgeordnet: Durch den Versuch einer empirischen Realisierung von Theorien stehen zwar diese Zusammenhangsannahmen, nicht aber die bei deren Formulierung verwendeten Grundbegriffe in Frage. (So wäre die in einer Theorie enthaltene Kategorie »Reiz« vom Resultat des Versuchs einer empirischen Realisierung dieser Theorie keineswegs mitbetroffen. Vielmehr hängt es vom in Kategorien wie der des »Reizes• ermöglichten/beschränkten Gegenstandsbezug ab, was in der Theorie überhaupt zur empirischen Realisierung ansteht). Die aus den in ihnen enthaltenen Kategorialbestimmungen sich ergebenden Eingrenzungen des Gegenstandsbezuges von Theorien werden unserer Auffassung nach von der traditionellen Psychologie kaum mitreflektiert, in jedem Falle aber verfügt diese über kein wissenschaftliches Verfahren zur Kritik/Rechtfertigung ihrer kategorialen Voraussetzungen. Die •Wissenschaft• setzt dort vielmehr erst bei der Theorienprüfung ein, also dann, wenn darüber, was man vom Gegenstand überhaupt zu Gesicht bekommen kann, bereits entschieden ist. Das von der Kritischen Psychologie entwickelten kategorialanalytischen Verfahren soll dagegen selbst empirisch-wissenschaftlich fundierbar sein, allerdings nicht im Sinne der »aktualempirischen« Forschung, sondern als »historisch-empirische« Vorgehensweise (vgl. GdP, Kap. 1.3).
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Im folgenden werde ich - aus den erwähnten Gründen der Vermeidung unzumutbarer Umwege und Verzögerungen- den Prozeß der historisch-empirischen Gewinnung unserer Kategorialbestimmungen nicht entfalten, sondern lediglich in Darstellungszusammenhängen, wo dies unerläßlich ist, einige der so erarbeiteten Grundkonzepte einführen wobei, wie schon gesagt, mit der Erläuterung dessen, was »Psychologie vom Subjektstandpunkte im Kontext unseres subjektwissenschaftlichen Ansatzes heißt, begonnen werden soll.
Wem die folgenden Darlegungen immer noch reichlich komprimiert vorkommen, der sei darauf verwiesen, daß die hier geforderte Rezeptionsanstrengung nur kurze Zeit in Anspruch genommen wird, und daß die eingeführten Bestimmungen sich im übrigen aus ihrer Funktion innerhalb der inhaltlichen Darlegungen in jeweils konkreten Zusammenhängen später selbst erläutern werden.
Explikation des Subjektstandpunkts als Diskursebene subjektiver Handlungsgründe Der Standpunkt des Subjekts schließt - phänomenologisch gesehen - eine
Perspektive, d.h. eine besondere »Ansicht« der Welt (einschließlich der eigenen Person) eben von jenem Standpunkt ein. Darin ist- da ja hier der Standpunkt als der des Subjekts akzentuiert wird - mitgesagt, daß diese Perspektive intentionalen Charakter hat, d.h. daß sich damit das Subjekt mit seinen Absichten, Plänen, Vorsätzen bewußt auf die Welt und sich selbst bezieht. So gesehen kann man das Subjekt als eine Art von lntentionalitätszentrum kennzeichnen, das von seinem Standpunkt aus auch andere Menschen als Intentionalitätszentren mit deren jeweils standpunktabhängiger Perspektive/Intentionalität erfährt: Die darin liegende reziproke Perspektivenverschränkung ist die allgemeinste Bestimmung der Intersubjektivität als Kennzeichen zwischenmenschlicher Beziehungen. - Der so umschriebene »Standpunkt« meint keineswegs eine räumlich-geographische Fixierung: Auch wenn ich mich in der Welt bewege und aktiv in sie eingreife, geschieht dies von meinem Standpunkt aus, der - auch wenn er sich ändert - stets mein Standpunkt mit einer je bestimmten/begrenzten Perspektive bleibt. Mit diesem Standpunkt stehe ich nicht neutral in der Welt, sondern verhalte mich zu ihr als ein sinnlich-körperliches, bedürftiges, interessiertes Subjekt. Meine Absichten, Pläne, Vorsätze als Charakteristika meiner Intentionalität sind inhaltliche Stellungnahmen und Handlungsentwüife vom Standpunkt meiner Lebensinteressen. Entsprechend nehme ich den anderen als intentionales Zentrum seiner Lebensinteressen, die zu den meinen in einem bestimmten Verhältnis stehen, wahr.
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Die Welt, in der wir uns gemeinsam befinden und auf die wir uns von »je meinem« Standpunkt und in .. je meiner• Perspektive mit unseren Handlungen richten, ist aufgrund der in ihr durch gesellschaftliche Arbeit produzierten allgemeinen Gebrauchszwecke (•verallgemeinertes Gemachtsein« des Hauses »ZUm« Wohnen, des Hammers »ZUm« Nägeleinschlagen, etc., vgl. GdP, S.29tff) sowie der dadurch konstituierten sozialen Verhältnisse für uns objektiv bedeutungsvoll- und zwar nicht im Sinne bloß sprachlicher Bedeutungen, sondern im Sinne von sachlich-sozialen •Gegenstandsbedeutungen•, auf die sich die sprachlich-symbolischen Bedeutungen verallgemeinernd und verdichtend beziehen (vgl. GdP, 226ff). Dieses Bedeutungskonzept ersetzt innerhalb der von uns erarbeiteten Kategorialbestimmungen die gängige psychologische ,.Reiz•-Kategorie, in welcher von der gegenständlich strukturierten menschengeschaffenen Welt nur unmittelbare Einwirkungen auf den Organismus übrigbleiben (vgl. Holzkamp 1988, S.377f). Die sachlich-sozialen Bedeutungen in unserem Sinne (vgl. dazu etwa Osterkamp 1975, Kap. 3.3.2, und GdP, Kap. 6) sind - indem ich durch deren Realisierung an der gesellschaftlichen Verfügung über Mittel und Ressourcen der Lebensbewältigung teilhaben kann- der individuell handlungsrelevante Aspekt in sich strukturierter, objektiver gesellschaftlicher Lebensbedingungen in ihren historisch bestimmten, klassen- und schichtspezifischen Ausprägungen, stellen also eine Vermittlungsebene zwischen gesellschaftlichen Lebensbedingungen und individuellem Handeln dar. Diese Vermittlungen werden in der Ontogenese zunächst nur über das Vortun und Mittun der Erwachsenen, die dem Kind damit die verallgemeinerten. Bedeutungsgehalte verschiedener Weltaspekte praktisch nahebringen (.. KindErwachsenen-Koordination•), aufschließbar: In dem Maße, wie auf diesem Wege die sprachlich-symbolisch strukturierten Verweisungszusammenhänge der Bedeutungen durchdrungen und synthetisiert werden können, kann ich mir die darin liegenden sozialgesellschafliehen Handlungsvoraussetzungen über meine individuelle Lebenspraxis erschließen, ohne dabei stets auf die direkte Unterstützung Kundigerer angewiesen zu sein (vgl. GdP, Kap. 8.2). Mit der Hervorhebung der Handlungsrelevanz der Bedeutungen als jeweils mir zugekehrter Seite der Welt ist nicht gesagt, daß meine Handlungen dadurch determiniert werden. Da entwickelte gesellschaftliche Systeme sich in gewissem Maße auch ohne permanente Beiträge jedes einzelnen ihrer Mitglieder erhalten können, stellen die Bedeutungen von Weltgegebenheiten vielmehr für mich lediglich {wenn auch klassen-und schichtspezifisch ungleich zugeteilte) Handlungsmöglichkeiten dar (vgl. GdP, S.235ff). Zu diesen Möglichkeiten kann ich mich bewußt ..verhalten«: Ich kann sie - in Abhängigkeit von meiner jeweils konkreten Lebenssituation - ergreifem oder verweigern, nur in bestimmten Aspekten und Dimensionen realisieren oder sogar gewisse, mit den hergestellten Brauchbarkeiten mitgeschaffene, aber damit nicht intendierte ..Verwendbarkeiten• (vgl. GdP, S.446ff) in Handlungen umsetzen - man kann einen Hammer, anstatt mit ihm Nägel einzuschlagen, wegen seines Gewichtes auch als Briefbeschwerer benutzen, oder ein Haus, statt darin zu wohnen, in Handlungsumsetzung seiner ,.Brennbarkeit• auch anzünden (vgl. dazu KeilersUnterscheidung zwischen ,.funktionswert« und ,.funktionalcharakter•, 1987, S.223ff).
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Da die Bedeutungshaftigkeit denjenigen Aspekt der Welt darstellt, über den ich mich allein als handelndes Subjekt auf diese richten kann, sind auch nicht produzierte, •natürliche« Tatbestände in die gesellschaftlich produzierten Bedeutungszusammenhänge einbezogen und werden nur in diesem Kontext, nämlich in Abhebung davon, für mich in ihrer Besonderheit als •Natur« (auch als •innere Natur« des Menschen) faßbar und handlungsrelevant (vgl. GdP, S.232f), etc. (Das damit eingeführte Bedeutungskonzept wird später in unterschiedlichen Darstellungszusammenhängen genauer auseinandergelegt werden.)
Aus dem Verständnis menschlichen Handeins als Realisierung von Bedeutungen, d.h. gesellschafliehen Handlungsmöglichkeiten, ergibt sich, daß die Charakterisierung des Subjektstandpunktes als ,.Jntentionalitätszentrum« noch verdeutlicht werden muß: Intentionale Bezogenheit auf die Welt ist keineswegs nur ein kognitiver oder mentaler Akt, sondern schließt die aktive Umsetzung derartiger Handlungsmöglichkeiten ein. Dabei muß das Subjekt -je nach seiner konkreten Lebenslage und den darin gegebenen Freiheitsgraden - sich nicht auf die Realisierung vorgegebener Bedeutungen beschriinken, sondern kann in handelndem Weltzugriff seine Lebensbedingungen aktiv umgestalten, damit deren Bedeutungsaspekt als Inbegriff von Priimissen seiner eigenen Handlungsbegründungen/Handlungen verlindern (vgl. GdP, S.354ff). •Subjektiv« ist demnach von uns stets im Sinne eines subjekthaltaktiven Weltbezuges bzw. Weltzugriffs als Erweiterung der Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen zu verstehen (vgl. auch Osterkamp 1975, Kap. 3.3). Aus der Art, wie wir den Standpunkt/ die Perspektive des Subjekts in der sachlich-sozial bedeutungsvollen Welt bis zu dieser Stelle kennzeichneten, ist noch nicht hinreichend ersichtlich, wie daraus eine psychologische Wissenschaft bzw. Lerntheorie vom Subjektstandpunkt entwickelbar sein kann. Dazu muß vielmehr kategorialanalytisch differenzierend hervorgehoben werden, daß Erfahrungen vom Standpunkt des Subjekts dadurch diskursfähig und wissenschaftlich verhandelbar werden, daß sie in der Sprache subjektiver Handlungsbegründungen artikuliert und kommuniziert werden können (vgl. dazu GdP, Kap. 7.4). Dies läßt sich unter den folgenden Aspekten auseinanderlegen: •Gründe« sind als solche stets »je meine Gründe«, also (anders als •Ursachen«, »Bedingungen«, »Ereignisse«) quasi »erster Person«. Damit ist, sofern man von Handlungsgründen redet, der Standpunkt des Subjekts, das diese Gründe »hat« bzw. für das bestimmte Handlungen (so und so) begründet sind, notwendig impliziert. Umgekehrt kann man Aussagen •vom Standpunkt des Subjekts«, wenn man deren Spezifik nicht verfehlen will, nur auf
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der Diskursebene subjektiver Handlungsgründe einbringen und zur Diskussion stellen. Weiterhin werden in bestimmten Handlungsbegründungen nicht Geschehnisse außerhalb meines Zugriffs, sondern eben meine Intentionen, Absichten, Pläne »begründet«. Dabei gehen »äußere« Ereignisse zwar auch in Handlungsbegründungen ein, ebenso können dabei kausale Zusammenhänge berücksichtigt werden, aber nicht unter dem Aspekt ihrer direkten Ein- bzw. Auswirkungen, sondern (in der Art, wie ich sie erfahre) als »Prämissen« für die Begründung meiner Handlungsvorsätze: Derartige Prämissen sind nicht eindeutig von außen determiniert, sondern vom Subjekt im Kontext seiner Handlungen aktiv selegiert bzw. hergestellt, mithin sowohl Voraussetzung wie Resultat des Handlungsverlaufs. Die (mit Bezug auf den Begründungszusammenhang) äußeren Bedingungen, die zu Begründungsprämissen gemacht werden können, sind Aspekte eben jener sachlich-sozial bedeutungsvollen Welt, wie wir sie gerade charakterisiert haben: Bedingungen als Begründungsprämissen akzentuieren an den Weltgegebenheiten deren Bedeutungen, d.h. die durch gegenständliche gesellschaftliche Praxis geschaffenen Handlungsmöglichkeiten, durch deren Realisierung ich Verfügung über individuell relevante gesellschaftliche Lebensbedingungen' erreichen kann. In die gegenständlichen und symbolischen Bedeutungsverweisungen, durch welche die Welt strukturiert ist, bin ich selbst in meiner körperlich-sinnlichen Existenz einbezogen, indem ich für mich und andere im Kontext der Bedeutungszusammenhänge erfahrbar und in meinen Handlungen wie meiner Befindlichkeit darauf verwiesen bin. So gesehen gehören zu den »äußeren« Bedingungen als Prämissen von Handlungsbegründungen auch solche, die meiner Person, etwa meinem Körper zugehören, aber meiner intentionalen Verfügung entzogen sind, wie körperlicher Schmerz, aber ebenso für mich unverfügbare »psychische« Geschehnisse. In den Begründungsprämissen ist also im Ganzen die meinen Intentionen gegenüber widerständige Realität verkörpert, die ich in meinen Handlungsvorsätzen nicht aufheben, sondern nur berücksichtigen kann: Veränderungen dieser Realität sind für mich nicht durch Vorsätze, sondern (wenn überhaupt) nur durch deren Umsetzung in wirkliche Handlungen möglich, womit ich auf diesem Wege auch selbst an der Ver-
änderung von Bedingungen/Bedeutungen als Prämissen für meine Handlungsbegründungen teilhaben kann (s.u.). Darüber hinaus ist mit der Kategorie »subjektive Handlungsbegründungen« auch der (über die Bedeutungen vermittelte) Rückbezug auf meine Lebensinteressen (an der Wahrung und Entwicklung meiner subjektiven Lebensqualität durch Verfügung über die dazu notwendigen Bedingungen, s.u.) mitgemeint: »Begründet« ist ein Handlungsvorsatz nicht schon, wenn er sich ,.logisch« aus bestimmten Prämissen ergibt, sondern erst, wenn für mich
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stringent ist, daß ich angesichts der gegebenen Prämissenlage zur Wahrung meiner Lebensinteressen {wie ich sie sehe) diesem Vorsatz gemäß handeln muß (oder müßte).- Dieser Umstand wird auch inderneueren Diskussion um das philosophisch-sozialwissenschaftliche Handlungskonzept {dessen Verhältnis zu unserer Position wir hier nicht näher erörtern können, vgl. Holzkamp 1986) berücksichtigt. Dabei bezieht man sich heute häufig auf die (von William Dray, 1985, vorgeschlagene) Spezifizierung von Handlungsgründen als »guten Gründen« {»good reasons«): Wenn ein Handlungsvorsatz für mich begründet ist, so heißt dies, daß ich gute Gründe habe, so handeln zu wollen, daß ich also in meinem eigenen Interesse vernünftigerweise beabsichtige, so zu handeln (vgl. auch Beckermann 1985, S.48). Die Klärung von Handlungsgründen ist wesentliches Bestimmungsmoment meines »inneren Sprechens«, bei dem ich permanent mit mir aushandle, was ich in meiner jeweiligen Lage tun oder lassen sollte, wenn ich mir nützen, wenigstens aber nicht selbst schaden will (s.u.). Schließlich läßt sich der benannte standpunktbezogene intersubjektive Beziehungsmodus von »lntentionalitätszentrum« zu »lntentionalitätszentrum« im Kontext der subjektiven Handlungsbegründungen kategorial konkretisieren als intersubjektive Begründetheit/Verständlichkeit von Handlungsintentionen: Ich mache mich dem anderen dadurch verständlich, daß ich ihm die Gründe für mein Handeln, genauer: die Prämissen, unter denen für mich mein jeweiliger Handlungsvorsatz begrundet (d.h. in meinem Interesse »vernünftig«) ist, nachvollziehbar mache; und entsprechend »Verstehe« ich den anderen, soweit ich nachvollziehen kann, aufgrund welcher Prämissen, wie sie für ihn gegeben sind bzw. von ihm wahrgenommen werden, sein Handlungsvorsatz für ihn aus seinen Interessen begründet, d.h. vernünftig ist. {vgl. dazu etwa GdP, S.349ff und Holzkamp 1986, S.218ff). Mit der so gefaßten Ebene der »subjektiven Handlungsgründe« ist - um einem möglichen Mißverständnis entgegenzutreten - keineswegs in »rationalistischer« Weise behauptet, menschliche Handlungsvorsätze seien immer (im beschriebenen Sinne) »gut begrundet« oder »Vernünftig«. Hier ist vielmehr lediglich der Beziehungsmodus oder die Diskursform angesprochen, worin mit der Frage nach der Begründetheit auch die Frage nach der Unbegründetheit oder Unvernünftigkeit von Handlungsintentionen überhaupt sinnvoll gestellt werden kann: Bloß »kausal« bedingte Ereignisse können - da nicht von meinem Standpunkt aus .. begrundet«, sondern lediglich ..Vorgänge dritter Person« - auch nicht »unbegrundet« und »unvernünftig« sein {wenn die Milch überkocht, so ist dies weder begrundet/vernünftig noch unbegründet/unvernünftig, sondern lediglich ein »kausal«, etwa durch den Hitzegrad der Herdplatte, bedingtes Ereignis). Ebensowenig ist mit Heraushebung der intersubjektiven Reziprozität
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zwischen Begründetheit meines Handlungsvorsatzes und Verständlichkeit des Vorsatzes einer anderen Person gesagt, daß die Handlungsintentionen des anderen für mich aktuell tatsächlich immer verständlich sind. Faktische »Unverständlichkeit« bedeutet auf der intersubjektiven Beziehungsebene aber nicht »kausale« Bedingtheit der Handlungen des anderen, sondern bezeichnet meine mangelnde Einsicht in die Prämissen, unter denen für den anderen seine Intentionen »begründet« sind, impliziert also, daß ich- wenn mir dessen Prämissen hinreichend bekannt wären - auch seine Handlungsvorsätze als für ihn begründet »Verstehen« würde. Meine Verständnislosigkeit dem anderen gegenüber zwingt mich also keineswegs, die Diskursform der »subjektiven Handlungsgründe« zu verlassen und die Handlungen des anderen nur noch unter dem Gesichtspunkt ihrer kausalen Bedingtheit zu betrachten: Wenn ich es dennoch tue, so ist dies (formal gesehen) das Resultat meiner Entscheidung, den anderen aus dem »menschlichen« Beziehungsniveau der Intersubjektivität auszugrenzen und ihn (dauernd oder vorübergehend) »Von außen« auf die Ursachen seines Verhaltens hin zu betrachten (vgl. Holzkamp 1986, S.219f). Da die Ebene der »subjektiven Handlungsgründe« kategorial als Diskursform bestimmt ist, sind damit auch keinerlei außengesetzt-.mormative« Forderungen, daß der Mensch in so oder so vorentschiedener Weise »begründet« oder »Vernünftig« handeln soll, verbunden. Die Bedeutungen (wie wir sie umschrieben haben) dürfen keineswegs als Inbegriff von normativen Handlungsbestimmungen, die ich (etwa im gesellschaftlichen Interesse) realisieren soll, angesehen werden. Diese stellen (wie gesagt) vielmehr für mich lediglich Handlungsmöglichkeiten dar, die ich nach Maßgabe meiner jeweils konkreten Lebensinteressen in bestimmten An- und Ausschnitten - oder auch gar nicht zu Prämissen für meine Handlungsbegründungen machen kann. Wir haben es hier also mit keinem vom Außenstandpunkt formulierten Modell über die Rationalität menschlichen Handeins zu tun, an dem das empirische Handeln der Individuen zu messen ist (vgl. dazu etwa Frey 1990). Von uns wird lediglich angenommen, daß ich von meinem Standpunkt aus nicht »begründet« gegen meine eigenen Interessen (wie ich sie wahrnehme) handeln kann. Auch diese Voraussetzung könnte natürlich angezweifelt werden, nur hätte man sich dadurch die Grundlage entzogen, von der aus allein begreiflich wird, daß ich meine eigenen Handlungsvorsätze begründen, damit anderen verständlich machen kann und daß Handlungsvorsätze anderer für mich als begründet verständlich werden können: Ein Mensch, dem ich unterstelle, daß er bewußt seine eigenen Lebensinteressen verletzen, also »grundlos« handeln kann, ist damit- indem sein Tun und Lassen absolut beliebig ist- für sich selbst und andere notwendigerweise »unfaßbar« - in der gleichen Weise, wie auf dem kausalen Niveau der Bedingungs-Ereignis-Zusammenhänge ursachenlose
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Ereignisse nicht faßbar, ja nicht einmal .. denkbar« sind. So gesehen kann man die Voraussetzung, daß niemand bewußt seinen eigenen Interessen zuwiderhandelt, als einziges »materiales Apriori• des intersubjektiven Beziehungsmodus bezeichnen: ein Grundpostulat, das - obzwar selbst nicht weiter zurückführbar und ableitbar - als notwendige Voraussetzung der Möglichkeit intersubjektiver Kommunikation/Interaktion nur bei Ableugnung dieser Möglichkeit selbst aufgegeben werden kann {vgl. GdP, S.350).
Impliziter Begründungsdiskurs und nomologisches Selbstmißverständnis in der Psychologie Die von uns projektierte Erarbeitung einer Lernpsychologie vom Subjektstandpunkt ist also gleichbedeutend mit der Reinterpretation und Weiterentwicklung lernpsychologischer Konzeptionen auf der Diskursebene subjektiver Handlungsgründe. Daraus ergeben sich hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den traditionellen Theorien und unserem subjektwissenschaftlichen Theorieansatz die folgenden Konsequenzen: Da wir von unserem kategorialen Ansatz aus den »Standpunkt des Subjekts« nicht zum Gegenstand der Analyse machen, sondern als Standpunkt der Forschung übernehmen, sind die »Gründe«, die jemand für sein Handeln haben mag, nicht etwas, das wir - von einer davon abgehobenen theoretischen Position aus - in der Forschung mituntersuchen, berücksichtigen, erfragen wollen: Vielmehr muß die Theoriesprache, in der wir unsere Reinterpretation der bestehenden Lernpsychologie und weiterhin auch unsere eigenen lerntheoretischen Konzeptionen zu formulieren haben, selbst eine Sprache aufder Diskursebene der Handlungsgründe sein. So gesehen ist auch der Unterschied zwischen bloß deskriptiven, vorwissenschaftliehen Aussagen und eigentlichen wissenschaftlichen Theorien nicht in Termini der Absetzung der eigentlichen Theorienbildung von subjektiven Begründungszusammenhängen, sondern innerhalb der Diskursebene der Handlungsbegründungen herauszuheben. Mit anderen Worten: i.e.S. wissenschaftliche (Lern)theorien müssen von uns auf eine Weise gegenüber deskriptiv-vorwissenschaftliehen Aussagen qualifizierbar und spezifizierbar sein, daß die Zugehörigkeit beider Aussageformen zur Ebene der »subjektiven Handlungsgründe« nicht aufgehoben oder auch nur relativiert ist. Dem steht aber nun die Tatsache gegenüber, daß die von uns zu reinterpretierenden Lerntheorien im »nomothetischen« oder »nomologischen« Selbstverständnis der Mainstream-Psychologie als solche Satzsysteme angesehen werden, die die Ableitung von empirisch prüfbaren Hypothesen über kausale
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Beziehungen zwischen Bedingungen und Ereignissen bzw. (in anderer Wendung) die » Vorhersagbarkeit« von Ereignissen aus Bedingungen - sog. »Wenn- DannHypothesen«- ermöglichen. Dies gilt nicht nur für das i.e.S. experimentellstatistische Vorgehen, sondern für alle Konzeptionen in der Psychologie, die sich in ihrem methodischen Grundverständnis - wie vermittelt und relativiert auch immer - an diesem Modell orientieren. Demnach wären auch die meisten jener »qualitativen« Denkansätze, die in kritischer Absetzung von der quantitativ ausgerichteten Psychologie entwickelt worden sind, dennoch deren so gefaßtem Grundmodell verhaftet: Dabei sollen zwar einerseits z.B. »subjektive Theorien« berücksichtigt werden, wird einer prinzipiellen »Subjektorientierung« der Psychologie das Wort geredet , wobei aber andererseits die wissenschaftliche Perspektive nach wie vor mit der »Außenperspektive« gleichgesetzt, die Subjektperspektive also immer noch lediglich als Gegen· stand, nicht aber als Standpunkt wissenschaftlicher Forschung verstanden ist (vgl. etwa Hoff 1990). Dies bedeutet jedoch, daß man auch hier- sobald man die Formulierung von herausgehobenen und abgrenzbaren Hypothesen versucht - notwendigerweise auf deren irgendwie geartete Fassung als kausale bzw. bedingungsanalytische Wenn-Dann-Hypothesen verwiesen ist. (Zur Problematik der Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Methoden im subjektwissenschaftlichen Methodenzusammenhang vgl. Markard 1991). Das Verhältnis zwischen der »Wenn-« und der »Dann-Komponente« der Hypothesen ist gemäß gängigem psychologischem Selbstverständnis dadurch gekennzeichnet, daß es sich dabei um voneinander unabhängige »kontingente« Faktizitäten handeln soll, deren Zusammenhang sich aus keinerlei immanenten Konstruktionsmerkmalen der Theorie ergibt, der sich mithin bei der empirischen Prüfung auch als nichtexistent erweisen (die Hypothese damit als »falsifiziert« an der Realität scheitern) kann: Nur aufgrund dieser Voraussetzung ist die jeweilige Wenn-Dann-Hypothese als empirisch gehaltvoll, also als Teilaussage innerhalb des Theoriesystems »empirischer Wissenschaft« im traditionellen Sinne zu betrachten und der Anspruch zu begründen, daß in aus den Theorien abgeleiteten Hypothesen tatsächlich echte »Vorhersagen« über reale Verhältnisse formulierbar seien (eine stringente Darstellung dieser wissenschaftstheoretischen Position findet sich bei Gadenne 1984).
Die von uns kategorial herausgehobene Theoriesprache der »subjektiven Handlungsgründe« ist nun aber mit einer solchen Auffassung über die Form von Theorien und ihrer empirischen Prüfung unvereinbar: »Ereignisse« erscheinen darin nicht als kausale Bedingungen für andere Ereignisse, sondern (wie gesagt) in ihrer Bedeutungshaftigkeit als »Prämissen« für Handlungs-
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begründungen. Die Begründungen stehen zu den Prämissen nicht im Verhältnis empirischer Kontingenz, sondern diskursiver Schlüssigkeit: Sie ergeben sich für mich in Ansehung meiner Interessen (wie ich sie wahrnehme) als »vernünftige« Konsequenz aus den Prämissen. Deranige Annahmen über Begründungszusammenhänge enthalten demnach keinerlei »Vorhersagen« über reale Ereignisse, können mithin auch nicht als solche »an der Realität scheitern«, es kann sich lediglich herausstellen, daß sie, da hier die darin vorausgesetzten Prämissen nicht vorliegen, auf eine bestimmte reale Situation nicht anwendbar sind. Wenn ich mir etwa unter der Prämisse, es fängt an zu regnen, vorgenommen habe, um nicht naß zu werden, den Schirm aufzuspannen, so ist damit nicht »Vorhergesagt«, daß es tatsächlich regnen wird. Die »Begründetheit/Vernünftigkeit« dieses Handlungsvorsatzes ist demnach als solche keineswegs durch den Umstand falsifiziert, daßes-wie sich bald herausstellt - gar nicht regnet, das Aufspannen des Schirms also überflüssig wäre: Es hat sich nur erwiesen, daß die Prämissen für diesen vernünftigen Handlungsvorsatz im konkreten Falle nicht vorliegen. »Empirische Prüfungen« nach An der Überprüfung von traditionellen Wenn-Dann-Hypothesen sind also mit Bezug auf Annahmen über Begründungszusammenhänge schon aus formalen Gründen unmöglich: Selbst, wenn man keinen einzigen empirischen Fall aufweisen könnte, auf den die Begründungsannahme anwendbar ist (wenn etwa »Regen« als meteralogisches Phänomen plötzlich verschwinden würde}, bliebe die Begründetheit des hier angesetzten Zusammenhangs zwischen Prämissen und Handlungsvorsätzen davon unberührt; reale Verhältnisse sind also kein irgendwie gearteter Prüfstein für die Begründungsannahmen, sondern eben mögliche Anwendungsfälle oder »Beispiele« für den darin angesetzten »vernünftigen« Zusammenhang zwischen Prämissen und Handlungsvorsätzen; falls ein solcher »Anwendungsbezug« nicht herstellbar ist, bedeutet dies lediglich, daß nicht diese, sondern eine andere, die Bestimmungen der Begründungsannahme erfüllende Anordnung realer Verhältnisse als Beispiel dafür taugt (ich habe dies 1986, S.220ff, ausführlicher auseinandergelegt und komme später noch darauf zurück). Mit unserer Bestimmung von »Theorien« als Annahmen über subjektive Begründungszusammenhänge haben wir einen zentralen Grundzug psychologischer Theorienbildung gemäß unserem Verständnis von Subjektwissenschaft in erster Annäherung kategorial expliziert. Diese Art Theorienbildung findet sich nicht nur in der Kritischen Psychologie (und wird in dieser Abhandlung später lerntheoretisch konkretisiert werden), sondern auch in der Psychoanalyse, die (wie ich andernorts, 1984a, ausgeführt habe} als früher subjektwissenscthaftlicher Denkansatz in der Geschichte der Psychologie zu betrachten ist. Von da aus versteht sich, daß das Konzept »bewußter« Handlungsbegründungen keineswegs- wie man vielleicht meinen könnte- mit dem Freudschen Konzept des »Unbewußten• in Widerspruch steht. Im Gegenteil: Die Eigenart und Funktion des »Unbewußten«
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ist auf der Diskursebene von ,.faktischen« Bedingungs-Ereignis-Zusammenhängen nicht faßbar (und wurde demgemäß von der akademischen Psychologie konsequent verfehlt). Vielmehr konstituiert sich das •Unbewußte« (als Begriff und Erfahrung) aus den Lücken und Brüchen »begründetere, •vernünftiger« Lebensentwürfe, ist also außerhalb des Kontextes von Begründungszusammenhängen als deren partielle Negation gar nicht •denkbar«. Entsprechend wird die subjektive Notwendigkeit und Funktion der ..Verdrängung« ins Unbewußte nur als Versuch begreifbar, den Diskurs einer aus den eigenen Lebensinteressen (wie ich sie wahrnehme) begründeten, •Vernüftigen« Lebensführung trotz damit nicht zu vereinender •anstößiger« Impulse in seiner Geschlossenheit aufrechtzuerhalten: Verdrängungen sind also nicht (unmittelbar) das Resultat bestimmter ..Bedingungen«, sondern haben primär als solche bestimmte ,.Gründe« (in welche gewisse Bedingungen als •Prämissen« eingehen). Gängige Einlassungen, in denen Freuds Lehre für »irrationalistischec Positionen in Anspruch genommen und gegen die Vernunft als Leitlinie menschlicher Lebensführung ins Feld geführt werden soll, gehen also an der Sache vorbei: Freuds Theorie ist (und darin liegt ihr potentiell aufklärerischer Charakter)- gerade indem sie die Widersprüche und Brüche des Bemühens um ihre Verwirklichung begreifbar und (im Rahmen des Möglichen) überwindbar machen will- der menschlichen Vernunft als zentralem Lebenswert unauflösbar verpflichtet: ..... die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör verschafft hat« ... »auf die Dauer kann der Vernunft und der Erfahrung nichts widerstehen ... « (Freud, FGW 14, S.377 bzw. 378).
Mit der Heraushebung des Verhältnisses zwischen dem subjektwissenschaftlichen Begründungsdiskurs und dem nomologischen Bedingtheitsdiskurs der von da aus zu reinterpretierenden Lerntheorien ist auf eine historische Gegenüberstellung von zwei Arten Psychologie verwiesen: den Dualismus zwischen einer »geisteswissenschaftlichen«, »ideographischen« o.ä. und einer »naturwissenschaftlichen«, »nomothetischen« o.ä. Psychologie: Die Problematik der Berechtigung dieses Dualismus ist heute in der Kontroverse um die Unterscheidung zwischen einer Psychologie der »Ursachen« und einer Psychologie der »Gründe« aktualisiert und erfuhr eine wissenschaftstheoretische Akzentuierung durch die in der amerikanischen Wissenschaftsphilosophie intensiv geführte »Causes vs. reasons«-Diskussion (vgl. dazu Lenk 1979; Beckermann 1985). In manchen Positionen der Psychoanalyse wurde in diesem Problemzusammenhang deren Sonderstatus als einer hermeneutischen, »deutungswissenschaftlichen« Disziplin in Absetzung von der nomologischen, ,.faktenwissenschaftlichen« Mainstream-Psychologie reklamiert und so einer mehr oder weniger unverbundenen Koexistenz beider »Psychologien« das Wort geredet (vgl. dazu Holzkamp 1985). Aus unserem Ansatz, den geschilderten »Begründungsdiskurs« als methodologischen Rahmen für die Reinterpretation der überkommenen Lerntheorien und Grundlage der eigenen Theorieentwicklung zu benutzen, geht hervor, daß wir den angesprochenen Dualismus zurückweisen. Andernfalls wären ja der Reinterpretationsrahmen und die zu reinterpretierenden Theorien in zwei verschiedenen Psychologien anzusiedeln, und wir würden mit
Impliziter Begründu~gsdiskurs und nomologisches Selbstmißverständnis
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unseren Reinterpretationsversuchen das Zu-Reinterpretierende von vornherein nicht ..erreichen« können. Für eine umfassende Rechtfertigung unserer Kritik an jeder Art ..Verdoppelung« der Psychologie ist hier nicht der Ort (vgl. dazu Maiers 1992a, 1992b}. Im gegenwärtigen Darstellungszusammenhang sei nur darauf verwiesen, daß der Subjektstandpunkt im Diskurs ,.begründeten« Handeins gemäß unserem Grundansatz als Spezifik der Gegebenheitsweise und
des Beziehungsmodus der individuellen Lebenstätigkeit auf menschlichem Niveau zu betrachten und in der wissenschafliehen Vorgehensweise zwar zu analysieren und zu verallgemeinern, aber legitimerweise nicht zu unterschreiten ist (vgl. GdP, etwa Kapitel 9.3}. Dies heißt aber, daß auch die zu reinterpretierenden Mainstream1'heorien des Lernens, sofern in ihnen Ausagen über menschliches Handeln in seiner Spezifik enthalten sind, letztendlich (wie rudimentär auch immer} »Begründungstheorien« des Lernens wären. Demgemäß müßten wir bei unseren Reinterpretationsbemühungen die traditionellen lernpsychologischen Konzeptionen in der theoretischen Diskursform subjektiver Handlungsgründe dergestalt kritisch analysieren können, daß dadurch die Unangemessenheit ihrer eigenen,
im nomothetischen Bedingtheitsmodell verankerten Wissenschaftlichkeitskriterien deutlich wird. Die Selbsteinschätzung der überkommenen Lernpsychologie als nomothetische Erklärungswissenschaft vom »Standpunkt dritter Person« müßte sich mithin als Selbstmißverständis erweisen, durch welches das eigene wissenschaftliche Vorgehen mystifiziert und so letztlich der von der einschlägigen Mainstream-Psychologie selbst erhobene Anspruch auf wissenschaftliche Durchdringung menschlichen Lernens nicht hinreichend erfüllt werden kann. »Reinterpretation« bedeutet also so gesehen das Herausanalysieren der hinter den nomologischen Theorieformulierungen verborgenen begründungstheoretischen Struktur der vorfindliehen Theorien. Nur unter Voraussetzung einer solchen Reinterpretation (mit welcher die traditionellen Lerntheorien sozusagen vom nomologischen Kopf auf die begründungstheoretischen Füße gestellt werden)* ist der relative Erkenntnisgehalt der Mainstream1'heorien heraushebbar und in den Kontext der erwähnten positiven Ausarbeitung einer Begründungstheorie des Lernens einzubeziehen. Auf diesem Wege sind dann auch die aus der mangelnden wissenschaftlichen Reflexion des Begründungscharakters der jeweiligen Theorie erwachsenen
*Mit der Verwendung des Terminus •nomologisch« (synonym mit •nomothetischc) in kritischem Bezug auf das variablenpsychologische Verallgemeinerungskonzept ist keineswegs eine generelle Absage an die Forderung nach Verallgemeinerbarkeit wissenschaftlicher Aussagen verbunden: Entsprechende terminologische Differenzierungen finden sich bei Maiers (1992a, b).
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Beschränkungen und Widersprüche aufweisbar und in weiterführende For• .. schungsfragen zu deren Oberwindung zu fassen. Die Auffassung, daß psychologische Theorien, obwohl sie sich selbst als empirischer Prüfung zugänglich betrachten, tatsächlich implizite, aus logischen Gründen selbsteviden· te Strukturen darstellen, wird nicht nur von mir vertreten. So wurde von jeweils bestimmten Theorien behauptet, sie würden fälschlicherweise als •empirisch« betrachtet, seien aber in Wirklichkeit nur Explikationen von selbstevidenten Alltagsannahmen- vgl. etwa Calder (1977) mit Bezug auf die Attributionstheorie und Vollmer (1982) mit Bezug auf die Rottersche Erwartungs-mai-Wert.:fheorie. Weiterhin analysierte Brandtstädter (1982, 1984) an vielen Beispielen stringent heraus, daß und auf welche Weise in bestimmten vermeintlich empirischen Hypothesen statt kontingenten lediglich »apriorische«, begriffliche bzw. sprachliche Zusammenhänge formuliert sind, die experimentell nicht geprüft werden können; dabei differenzierte er die jeweiligen Implikationszusammenhänge in »begriffsstrukturelle Implikationen« als definitorische Zusammenhänge, ,. formalstrukturelle Implikationen« als formale Notwendigkeiten und »sachstrukturelle Implikationen•, die sich aus sachlichen Konstruktionsprinzipien, Regeln und Schemata des Aufbaus von Objekten ergeben (1984, S.154ff). Während in den damit benannten Argumentationen lediglich auf im Prinzip vermeidbare Fehler und Inkonsequenzen innerhalb der ansonsten als »nomothetisch• verstandenen psychologischen Theorienbildung hingewiesen wird, vertritt Smedslund (etwa 1978a, 1978b, 1979) die radikale Auffassung, psychologische Theorien seien im Ganzen- oder doch in wesentlichen Teilen - selbstevidente Common-Sense.:rheoreme, deren •empirische« Prüfung weder möglich noch notwendig sei, so daß hier die faktisch durchgeführten Experimente als »Pseudoempirie« einzustufen wären. Er fordert von da aus eine prinzipielle Umorientierung der Psychologie von einer vermeintlich empirischen Wissenschaft in eine Formaldisziplin nach Art der Euklidischen Geometrie, in welcher die alltagstheoretischen Vorstellungen vereindeutigt und in ihren logischen bzw. axiomatischen Zusammenhängen auf den Begriff gebracht werden. Konsequenterweise kam er von da aus zu einer positiven Wendung seiner bisher kritisch gegen psychologische Theorien gerichteten Analysen, indemer-in einem »the ancient Greek geometers« gewidmeten Buch, »PsychoLogie« (1988)- einen ersten so verstandenen Systematisierungsversuch der »common sen· se psychology« vorlegte; hier wurden in den Bereichen »being aware and active•, »wanting and believing«, ,.feelingc, »acting•, »characteristics of personsc, »personal changesc, und »interacting« die jeweils implizierten Zusammenhangsannahmen nach »Definitionen«, »Theoremen« und »Corrolarien« quasi axiomatisiert. Dabei setzt Smedslund voraus, daß die implikativen Common-Sense-Strukturen nicht- wie die Geometrie- allgemeingültig, sondern kulturabhängig und historischem Wandel unterworfen sind, womit er die Psychologie in gewisser Weise als eine historische Wissenschaft versteht, in der das »Analytische« und das (historisch) »Zufällige« (»arbritary«) in ihrem jeweils konkreten Wechselverhältnis zu untersuchen sind, Unsere dargestellte Konzeption geht einerseits in die gleiche Richtung wie die von Smedslund, unterscheidet sich aber andererseits dadurch von dieser, daß wir psychologische Theorien nicht global als Explikationen von »Alltagstheorien« betrachten, sondern ihnen eine spezifische Struktur zuschreiben, die sich daraus ergibt, daß die individuelle
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Lebenstätigkeit in einen subjektiv begründeten/verständlichen Handlungszusammenhang einbezogen ist, innerhalb dessen unter Voraussetzung bestimmter Prämissen und Intentionen bestimmte Handlungsvorsätze sich implikativ aus dem Kriterium vernünftigen Handeins im eigenen Lebensinteresse ergeben: Dies ist es unserer Konzeption nach, das in psychologischen Theorien abgebildet werden muß bzw. (sofern sie sich auf menschliches Handeln beziehen) notwendigerweise, auch entgegen der offiziellen »nomologischen« Selbsteinschätzung, abgebildet ist. Damit ist gesagt, daß Theorien, sofern in ihnen nur derartige implikative Begründungsaussagen enthalten sind, nicht im traditionellen Sinne empirisch prüfbar, sondern lediglich auf Situationen, in denen diese Strukturen gegeben sind, identisch anwendbar sein können, so daß man entsprechende Prüfungsversuche tatsächlich mit Smedslund als •Pseudoempirie« einzuordnen hat. Das schließt aber nicht aus, daß derartige Theorien so gefaßt werden können, daß mit Bezug darauf empirische Geltungsbegründungen anderer Art möglich sind (vgl. dazu Holzkamp 1991b). Dabei kann über die Frage, ob und ggf. auf welche Weise auch innerhalb des subjektwissenschaftlichen Forschungsansatzes Experimente durchführbar und sinnvoll sein können, nicht prinzipiell vorentschieden werden: Dies muß sich jeweils aus der konkreten Fragestellung der im KonteXt bestimmter Bedeutungs-Begründungszusammenhänge realisierten Forschungsprojekte ergeben. Mit diesen Hinweisen ist das Verhältnis zwischen unserem begründungstheoretischen Ansatz und den anderen benannten Konzeptionen über psychologische Theorien als implikative Strukturen natürlich keineswegs schon hinreichend geklärt. Besonders die (bisher in der psychologischen Grundlagendiskussion weitgehend ignorierte) Position von Smedslund muß von uns in Zukunft noch eingehend diskutiert und auf ihre Bedeutung für unsere Grundkonzeption hin beurteilbar werden.
Kriterien für den Nachweis von Begründungsmustern in vermeintlich nomologischen Theorien Nachdem wir unsere Auffassung, traditionelle (Lern)theorien seien (sofern auf menschliche Handlungen bezogen) eigentlich im Gewande von nomologischen Theorien auftretende Begründungstheorien, soweit entwickelt haben, sehen wir uns (wie angekündigt) vor der Aufgabe, dies durch entsprechende Reinterpretation vorfindlieber Lerntheorien auch tatsächlich nachzuweisen. Um dies zu bewerkstelligen, sind unsere Darlegungen bisher aber noch nicht hinreichend spezifiziert. Wir benötigen dazu vielmehr entsprechende, möglichst präzise und handliche Kriterien, die wir mithin erst darlegen müssen, ehe wir uns - mit ihrer Hilfe - an die ins Auge gefaßte begründungstheoretische Kritik/Reinterpretation der Mainstream.:fheorien des Lernens machen können. - Bei der Entwicklung solcher Kriterien muß ich glücklicherweise nicht von vorn anfangen, sondern kann mich auf entsprechende Kriterien beziehen, die ich in einer früheren Arbeit entwickelte: Dort habe ich, was hinsichtlich der Lerntheorien hier erst darzulegen ist, mit
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Bezug auf sozialpsychologische Theorien bereits ausgeführt, indem ich den Nachweis zu erbringen versuchte, daß die wesentlichen sozialpsychologischen Theorien (K.onsistenztheorien, Entscheidungstheorien, Einstellungstheorien, Theorien über Gruppenprozesse, über soziale Wahrnehmung/Kognition) obzwar sie sich selbst als empirisch prüfbare nomologische Wenn-Dann-Aussagen verstehen - tatsächlich als •Begründungstheorien« mit bloßem Anwendungsbezug zu den experimentellen Befunden betrachtet werden müssen (Holzkamp 1986, vgl. auch Feger, Graumann, Holzkamp & Irle 1986). Ich ging dort davon aus, daß es im Interesse möglichst eindeutiger Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen empirischen Zusammenhangsannahmen und Aussagen über Begründungszusammenhänge zweckmäßig ist, die Form der empirischen Zusammenhangsannahmen {im Sinne der Mainstream-Psychologie) als nomologischen Wenn-Dann-Aussagen soweit wie möglich beizubehalten und sodann Kriterien einzuführen, an denen prüfbar ist, wieweit hier tatsächlich empirische Wenn-Dann-Hypothesen vorliegen bzw. wieweit man es in Wirklichkeit mit {als nomologische Wenn-Dann-Annahmen maskierten) Aussagen über Begründungszusammenhänge zu tun hat. Als wesentliches Kriterium dieser Art benannte ich das versuchsweise Einschieben der Formel »vernünftigerweise« zwischen die Wenn- und die Dann-Komponente der (vermeintlichen) empirischen Hypothese: Sofern dieses Einschiebsel im Satzzusammenhang logisch stringent ist, tritt damit zutage, daß zwischen der Wenn- und der Dann-Komponente tatsächlich kein kontingenter empirischer Zusammenhang, sondern ein •rationaler«, •inferentieller« (•erschlossener«), »implikativer«, i.w.S. »definitorischer« Zusammenhang vorliegt, indem hier nicht ausgesagt ist, welches Verhalten faktisch durch die Ausgangsbedingungen bewirkt wird, sondern, welches Verhalten unter eben diesen Ausgangsbedingungen - soweit sie zu Handlungsprämissen gemacht werden •vernünftig«, d.h. ,.gut begründet« ist. Beispiel: Wenn es kalt ist, dann zieht man sich warm an; wenn es kalt ist, dann zieht man sich vernünftigerweise warm an. Durch das Einschiebsel »vernünftigerweise« wird deutlich, daß hier die (vielleicht unterstellte) empirische Zusammenhangsannahme in Wirklichkeit eine unexplizierte Begründungsaussage darstellt. Es widerspricht hier näm· lieh der Art des logischen Satzzusammenhangs, irgendwelche »kausalen« Faktoren anzunehmen, durch welche Leute bei Kälte »automatisch« warme Sachen anziehen. Vielmehr ist, wenn man es sich einmal bewußt gemacht hat, klar, was gemeint ist: Bei Kälte haben die Leute »gute Gründe«, sich warm anzuziehen (und tun dies also auch nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten). Dementsprechend wird hier die Nichtrealisierung der Dann-Komponente auch keineswegs im Sinne empirischer Evidenz gegen die Wenn-Dann-Hypothese interpretiert: Wenn jemand sich bei Kälte nicht warm anzieht, so bedeutet dies in diesem Kontext lediglich, da er sich (bei Ansetzung der hier unterstellten Definition von »vernünftig•) eben nicht vernünftig verhält, womit die formulierte inferentielle Zusammenbangsannahme per definitionem nicht auf ihn anwendbar ist.
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Gegenbeispiel: Wenn es kalt ist, dann bekommt man Grippe; wenn es kalt ist, dann bekommt man vernünftigerweise Grippe. Hier wiederum tritt durch das Einschiebsel in keiner Weise ein Begründungszusammenhang zwischen Wenn- und Dann-Komponente hervor, sondern die Formel •vernünftigerweise« gehön im Gegenteil eindeutig einer anderen, hier •unpassenden« bzw. •unsinnigen« Diskursebene an. Tatsächlich trägt die Kälte u.U. als irgendwie geaneter kausaler Faktor, aber nicht als •guter Grunde, zur Entstehung der Grippe bei.
Vorgeblich empirische Wenn-Dann-Hypothesen, die- wie sich durch das Einschiebsel •vernünftigerweise« herausgestellt hat - in Wirklichkeit Begründungszusammenhänge zwischen der Wenn- und der Dann-Komponente implizieren, wurden von mir als •typische Begründungsmuster« oder kurz »Begründungsmuster« (»BGMs«) bezeichnet (1986, S.221ff).Ich werde diesen Terminus hier allgemeiner, zur Kennzeichnung der Begründungsstruktur von psychologischen Theorien überhaupt, verwenden. Die BGMs unterscheiden sich (womit ich an dieser Stelle meine früheren Aussagen präzisiere und teilweise korrigiere) in folgender Weise von •echten« empirischen Wenn-DannHypothesen: Die Wenn-Komponente wird vom Inbegriff empirischer Antezedenz-Bedingungen für ein dadurch •bedingtes« Verhalten zum Inbegriff von Bedingungen, sofern sie von der Versuchsperson (i.w.S.) zu »Prämissen« für ihre subjektiven Handlungsbegründungen gemacht werden; die Dann-Kom· ponente wird vom Inbegriff der durch die Antezedenz-Bedingungen hervorgerufenen Verhaltensweisen der Vp zum Inbegriff von Handlungen als Umsetzung von Handlungsvorsätzen der Vp als (für sie) •gut begründete«, •vernünftige« Konsequenzen aus den Handlungsprämissen. Die »Zwischenvariablen« zwischen Wenn- und Dann-Komponente werden vom Inbegriff »Verborgener«, physiologischer, subjektiver Vermittlungsinstanzen, durch welche die Art der Wenn-Dann-Beziehung spezifiziert ist, zum Inbegriff von impliziten oder expliziten Intentionen der Vpn, durch welche für sie bestimmt ist, was »Begründetheit« bzw. »Vernünftigkeit« ihrer Handlungen in Ansehung ihrer Lebensinteressen (an der Erhaltung/Erhöhung ihrer Lebensqualität durch Verfügung über die dafür relevanten Daseinsumstände, s.u.) innerhalb der gegebenen Bedingungs-/Prämissenkonstellation bedeutet. Ein »Begründungsmuster« (als Explikation einer empirischen Wenn-Dann-Hypothese in Richtung auf eine ,.ßegründungstheorie«) hätte demnach folgende Form: Be-
dingungen/Bedeutungen -+ Handlungsprämissen -+ intentionale Zwischenglieder -+ Handlungsvorsatz -+ Handlung. Der eigentliche Begründungszusammenhang besteht dabei in der Beziehung Handlungsprämissen -+ intentionale Zwischenglieder -+ Handlungsvorsatz. Dieser wiederum erhält seinen Stellenwert und seine Funktion als Begründung von realen Handlungen durch den Umstand, daß (wie dargestellt) vom Subjekt nur wirkliche Weltgegebenheiten und Lebenszusammenhänge in ihrer gegenständlich-symbolischen
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Hinführung auf das Verfahren der Problementwicklung
Bedeutungshaftigkeit zu Prämissen für seine Handlungsbegründungen gemacht werden können, und daß es durch die Realisierung seiner Vorsätze gemäß seinen Lebens- und Verfügungsinteressen handelnd auf diese (mithin auch auf jene, die seinen Handlungen als »Prämissen« dienten) einwirken kann. Somit gehören die »Bedingungen/Bedeutungen« und die »Handlungen« zwar notwendig zu einer hinreichenden Bestimmung von subjektiven Begründungszusammenhängen. Innerhalb dieser stellt aber aber das Verhältnis zwischen Bedingungen/Bedeutungen und Prämissen einerseits sowie Handlungsvorsätzen und Handlungen andererseits ein selbständiges, die bloß inferentiell-implikativen Beziehungen zwischen Prämissen, Intentionen und Handlungsvorsätzen überschreitendes Problem, nämlich das Problem des Realitätsbezugs der Handlungsbegründungen dar. Genauer: Aus der Art meines Weltzugangs ergeben sich Handlungs- und Verfügungsmöglichkeiten zwar nur von je meinem Standpunkt und in je meiner Perspektive, wobei mir darin aber gleichzeitig mitgegeben ist, daß die Welt als objektive Realität das, was mir von ihr zugänglich ist, allseitig und unausschöpfbar überschreitet (s.u.). Als weiteres Kriterium zur Identifizierung von BGMs in vorgeblich empirischen Wenn-Dann-Aussagen habe ich zur Ergänzung der ..Vernünftigkeits«-Kriteriums die versuchsweise Negation oder Umkehrung des behaupteten Zusammenhangs, etwa durch Einfügung des Wortes »nicht« zwischen die Wenn- und die Dann-Komponente- quasi nach Art eine »Gegenprobe«- vorgeschlagen ( 1986, S.230ff). Sofern es sich nämlich in einem bestirnten Falle tatsächlich um eine echte nomothetische Wenn-Dann-Hypothese handelt, so muß die empirische Nichtbestätigung der Hypothese aufgrundder sprachlichen Fassung der Hypothese genauso möglich sein wie die Bestätigung: Nur in diesem Fall hat die Bestätigung der Hypothese ja einen empirischen Gehalt. Sofern aber die Negation der Hypothese von vornherein als logisch unsinnig erscheint, bzw. aufgrund ihrer sprachlichen Fassung eine Nichtbestätigung der Hypothese apriori nicht im Sinne empirischer Gegenevidenz akzeptiert werden kann, spricht dies dafür, daß hier tatsächlich gar kein kontingenter Bedingungs-Ereignis-Zusammenhang, sondern ein implikativinferentieller Begründungszusammenhang gemeint ist. Beispiel: Wenn es kalt ist, zieht man sich warm an; wenn es kalt ist, zieht man sich nicht warm an bzw. aus. Die •Gegenhypothese« ist hier von vornherein weniger glaubwürdig als die ursprungliehe Hypothese, und zwar deswegen, weil man das darin angesprochene Verhalten implizit für »unvernünftig« hält: Kein •vernünftiger Mensch« geht in dünnen Sachen nach draußen oder zieht sich gar noch aus, wenn es kalt ist. Sofern für die Gegenhypothese empirische Evidenz vorläge, würde man dies entsprechend keineswegs in Richtung auf ein Scheitern der Ursprungshypothese an der Empirie interpretieren (und das Aufgeben dieser Hypothese erwägen), sondern man würde vielmehr den Begründungs-
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zusammenbang- genauer, die intentionalen Zwischenglieder- der Hypothese zu differenzieren suchen: Wenn jemand dünn angezogen bei Kälte nach draußen geht, so will er sich vielleicht abhärten, o.ä. Aufgrund einer deranigen Intentionsdifferenzierung hat man das ursprüngliche Begründungsmuster, »Wenn es kalt ist, zieht man sich vernünftigerweise warm an« in die Fassung umgewandelt: »Wenn es kalt ist und man sich abhänen will, zieht man sich vernünftigerweise nicht warm an«. Damit wird auch deutlich, daß in der ursprünglichen Hypothese implizit ein anderes intentionales Zwischenglied mitgedacht war, etwa: ..Wenn es kalt ist und man nicht frieren bzw. sich aktuell vor Erkältung schützen will, zieht man sich vernünftigerweise warm an« (vgl. 1986, S.222f). So hat man also hier zwei verschiedene BGMs, die jeweils unterschiedliche intentionale Spezifikationen der Lebensinteressen des Subjekts enthalten, und die scheinbare empirische Evidenz gegen die erste Hypothese verdeutlicht sich als Anwendungsfall der zweiten Hypothese. Beide, sich scheinbar widersprechende Hypothesen stehen also nun friedlich nebeneinander. Eine empirische Prüfung im eigentlichen Sinne ist eben im Falle von BGMs schon aus formalen Gründen nicht möglich. Gegenbeispiel: Wenn es kalt ist, bekommt man eine Grippe; wenn es kalt ist, bekommt man keine Grippe. Hier ist die Negation keineswegs unsinnig bzw. verweist keineswegs auf die Unvernunft dessen, der bei Kälte keine Grippe bekommt. Die empirische Bestätigung der Gegenhypothese ist dementsprechend empirisch gehaltvoll. Daraus geht hervor, daß die ursprüngliche Hypothese in dieser Form nicht beibehalten werden kann, sondern mindestens -etwa durch Hinzunahme weiterer Antezedenz-Bedingungen - umformulien werden muß. Hier fühn also empirische Gegenevidenz nicht, wie im BGM-Falle, zu interpretierenden Denkbewegungen zur unverändenen Beibehaltung der ersten Hypothese durch Abspaltung eines anderen BGMs (womit sich die letztliehe Überflüssigkeit der vermeintlichen •Hypothesenprüfung« erweist), sondern schlägt verändernd auf die ursprüngliche Hypothese selbst durch.
Aus diesen letzten Darlegungen verdeutlicht sich, daß die Annahme, es könne zwischen psychologischen Theorien, sofern die Theorien als BGMs explizierbar sind, eine empirisch entscheidbare Konkurrenz geben, irrig ist: Die Beziehung zwischen BGM.:Yheorien und experimentellen Daten ist, wie dargelegt, kein Prüfbezug, sondern lediglich ein Anwendungs- oder Beispielbezug. Empirische Beispiele aber können prinzipiell für unübersehbar viele, auch einander widersprechende oder ausschließende Begründungstheorien beigebracht werden. Dies bedeutet, daß eine etwa imponierende Vergleichbarkeit zwischen Theorien hinsichtlich der darin angesprochenen Empirie, womit sie nach empirischen Kriterien in Konkurrenz gesetzt werden könnten, nur dadurch entstehen kann, daß die Prämissen/Intentionen, aus denen hervorgehen würde, daß sie tatsächlich auf unterschiedliche Anwendungsfälle bzw. Beispiele bezogen sind, nicht hinreichend spezifiziert wurden. So läßt sich etwa eine solche Scheinkonkurrenz zwischen dem BGM »wenn es kalt ist, wählt man vernünftigerweise wärmere Kleidung« und dem BGM >>wenn es kalt ist, wählt man vernünftigerweise keine wärmere Kleidung« ja sofort dadurch auflösen, daß man die intentionalen Bestimmungen innerhalb
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beider .widersprechender« BGMs (z.B. in der vorgeschlagenen Weise) spezifiziert: .Wenn es kalt ist und man nicht frieren bzw. sich aktuell vor Erklärung schützen will, wählt man vernünftigerweise wärmere Kleidung«, und .wenn es kalt ist und man sich abhärten (damit langfristig für seine Gesundheit etwas tun) will, wählt man vernünftigerweise keine wärmere Kleidung«. Damit hat man die beiden ·Theorien« explizit auf unterschiedliche Beispielfälle hin auseinanderdividiert, und es wird deutlich, daß sie •eigentlich« schon immer miteinander vereinbar gewesen waren, was nur durch die mangelnde Intentionsspezifizierung verschleiert war (vgl. Holzkamp 1986, S.232). Die von uns zu leistende Explikation von BGMs aus vermeintlich empirischen Theorien schließt also, sofern wir dabei auf scheinbar konkurrierende Theorien stoßen, immer auch die Auflösung dieses Scheins der Konkurrenz durch den Ausweis unterschiedlicher Spezifikation oder Spezifizierbarkeit der Prämissen bzw. Intentionen in der einen und in der anderen Theorie ein. An diesen letzten Ausführungen wird einmal mehr deutlich, daß,- wie allgemein, so auch im Kontext der BGM-Identifizierung- das Urteil der ,.unvernünftigkeit« {da bzw. sofern man den Begründungsdiskurs nicht verlassen kann oder will) stets nur vorläufigen Charakter haben kann: Es muß sowohl im Interesse intersubjektiver Verständigung wie analytischer Präzisierung von BGMs stets darum gehen, beim zweiten Hinsehen die Prämissen/Intentionen herauszuarbeiten, unter welchen die jeweiligen Handlungen wiederum als ,.begründbar«, d.h. vernünftig verständlich werden. Damit offenbart sich gleichzeitig, daß man in dem ersten ,.unvernünftigkeits«-Urteil unabgeklärt tatsächlich andere {etwa die eigenen) Prämissen/Intentionen hypostasiert bzw. universalisiert hatte.
Kapitel2 Begründungsanalytische Kritik/Reinterpretation lerntheoretischer Grundansätze
2.1 Kritik/Reinterpretation des lerntheoretischen Grundansatzes behavioristischer SR-Psychologie
Vorbemerkung: Tierexperimentelle Fundiertheit SR -psychologischer Lerntheorien? Wenn wir nun also daran gehen wollen, mittels der dargelegten Kriterien zunächst die SR-psychologischen Lernkonzepte begründungsanalytisch zu reinterpretieren, so sehen wir uns - noch bevor wir damit begonnen haben - vor folgender Schwierigkeit: In den experimentellen Standardanordnungen, mit welchen die SR-theoretischen Lerngesetze empirisch geprüft werden sollten, dienten bekanntlich Tiere (Ratten, Tauben etc.) als Versuchsorganismen; Konditionierungsexperimente mit Menschen hatten demgegenüber mehr sekundären, demonstrativen o.ä. Charakter. Dem lag die Auffassung zugrunde, die Gesetze des Lernens seien universell-organismischer Natur, also für Tiere und Menschen gleichermaßen gültig, könnten aber in Tierexperimenten aufgrund der hier möglichen rigoroseren Bedingungskontrollen exakter nachgewiesen werden. Sofern man diese Vorstellung für angemessen hält, muß man unseren Versuch einer begründungsanalytischen Reinterpretation SR-psychologischer Lerntheorien von vornherein als aussichtslos einschätzen: Da man Tieren ja noch keine Handlungsgründe zuschreiben dürfe, die SR.:fheorien des Lernens aber aufgrundvon Tierexperimenten empirisch abgesichert seien, könne man doch aus den gleichen Theorien, wenn diese auf menschliches Lernen bezogen werden, nicht plötzlich »Begründungsmuster« explizieren wollen. Die diesem möglichen Einwand zugrundeliegende Überzeugung von der tierexperimentellen Fundiertheit SR-psychologischer Theorien über menschliches Lernen ist nun aber innerhalb der psychologischen Wissenschaftlergemeinschaft bis heute mindestens brüchig geworden. Einer der Gründe dafür liegt darin, daß mit der zunehmenden Rezeption ethologischer Ansätze und Befunde in der Psychologie die SR-psychologische Auffassung von einem durch elementare Lernmechanismen charakterisierbaren abstrakten »Organismus>in which the concept of selfefficacy is assigned a central role for analyzing changes in fearful and avoidant behavior«. »In this conceptual system, expectation of personal mastery affects both initiation and persistence of coping behavior« (S.193) . Es geht also um die Herausarbeitung der Funktion der Selbstwirksamkeits-Erwartungen bei der Bewältigung furchterregender, Vermeidungstendenzen hervorrufender Situationen. Bandura definiert sein Konzept der Selbstwirksamkeits-Erwartungen in Abhebung von bloßen >>Ergebnis-Erwartungen>erklärt«. Damit wird auch an dieser Stelle das Weiterfragen nach den Begründungszusammenhängen meiner ,.Gedächtnisleistungen«, d.h. den Bedingungen/Prämissen und Intentionen, von denen deren Besonderheit und Effektivität abhängen, abgeschnitten. Dies verdeutlicht sich noch, wenn wir die Art und Weise berücksichti,gen, wie man zu der begrifflichen Aufdifferenzierung immer weiterer »Speicher« kam: Dabei wurde offensichtlich bestimmten ausmachbaren funktionalen oder inhaltlichen Verschiedenheiten von Gedächtnisleistungen einfach eine besondere Speicherart (Ultrakurzzeitspeicher, Kurzzeitspeicher, episodischer und semantischer Langzeitspeicher, Arbeitsspeicher, prozeduraler und deklarativer Speicher etc.) unterschoben und daraus dann die Besonderheit der jeweiligen Behaltens-/Erinnernsaktivitäten »erklärt«. Entsprechend beliebig könnten (gemäß der unbegrenzten Heraushebbarkeit speziellerer funktionaler oder inhaltlicher Eigenheiten der Behaltens-/Erinnernsprozesse) immer weitere Speicherarten hinzuerfunden werden (eine Facette der von Herrmann, 1982, so genannten kognitivistischen »Begriffsinflation«). Gleichermaßen beliebig ist auch die Weise, in der solche Speicheraufteilungen wieder rückgängig gemacht wurden- bis (etwa bei Norman, 1978) nur noch ein Einspeicher-Modell bzw. (wenn man die Beibehaltung der Annahme eines sensorischen Registers berücksichtigt) Zweispeicher-Modell übrigblieb. Nach Aufhebung bzw. Reflexion der genannten Mystifizierungen des Handlungssubjekts und der damit zusammenhängenden reifizierenden Begriffsbildungen läßt sich nun auch der BGM·Charakter der funktionalen Konzepte in den Mehrspeichermodellen explizieren: Es wird klar, daß die don angesprochenen »Strategien«, »Suchprozesse« etc. auf Aktivitäten des Subjekts bezogen sind, deren sich dieses »vernünftigerweise« zur Optimierung
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Begründungsanalytische Kritik/Reinterpretation lerntheoretischer Ansätze
seiner Behaltens- und Abrufleistungen bedient. Die theoretische Spezifizierung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser oder jener der benannten »Strategien« etc. ist also nicht auf vorfindliehe Empirie bezogen, sondern eben (qua BGM) die Definition »gut begründeter« Kognitionsaktivitäten unter den jeweils spezifizierten Bedingungen als Prämissen. - Entsprechendes läßt sich auch an Konzepten nachweisen, in denen die Optimierungsfunktion der benannten Aktivitäten nicht schon aus der Wortbedeutung selbst hervorgeht, wie etwa an dem kognitivistischen Grundkonzept der »Kodie· rung«: Die »reduktive Kodierung«, Bildung von »Clustern«, »Chunks« etc., soll ja (wie dargestellt) der Überwindung der begrenzten Kapazität zur Aufnahme verschiedener Informationseinheiten durch Bildung von übergeordneten Kennwerten für mehrere Elemente o.ä. dienen, ist also auch eine »Strategie«, hier zur Optimierung des Behaltens trotz begrenzter Aufnahmekapazität. M.a~.: Die »reduktive Kodierung« ist ein unter der Prämisse meiner begrenzten Kapazität zur Aufnahme mehrerer Elemente »gut begründeter• Versuch ·der Realisierung meiner Behaltensintention, d.h. es ist »vernünftige, unter dieser Prämisse und Intention mehrere ltems zu höheren Einheiten zusammenzufassen, um diese Einheitenbildung bei Bedarfper »Dekodierung• durch Dekomposition wieder rückgängig machen ZU können: So kann ich nämlich sehr viel mehr Elemente behalten und erinnern, als ich gleichzeitig aufzufassen und festzuhalten vermag. Entsprechend läßt sich auch das Konzept der »elaborativen Kodierung« (u.U. in Form erhöhter ..Verarbeitungstiefe«) als BGM verdeutlichen: Es ist unter der Prämissen des Gegebenseins unverbundener Elemente »vernünftig«, diese Elemente in übergreifende, schon etablierte Wissenszusammenhänge einzuordnen, weil so das jeweilige Element durch seine Ortung innerhalb derartiger Zusammenhänge leichter reproduzierbar ist, o.ä.- Auch der Umstand, daß es sich bei den »Produktionen«, wie sie von Newell & Sirnon in die kognitivistische Theorie eingeführt und (wie erwähnt) etwa von Anderson als Basiskonzepte seines ACr-Modells benutzt worden sind, tatsächlich um Begründungsmuster handelt, ist hat man dies einmal expliziert - offensichtlich: Die Produktionen sind ja in psychologische Theoreme konvertierte Befehlsfolgen als Computerprogramme, wobei der BGM-Charakter solcher Theoreme sich unmittelbar aus dem Charakter der in den Programmen enthaltenen »IF-THEN«-Ketten als Mittel zu optimaler Problemlösung anband von Erfolgsrückmeldungen ergibt, die in ihrer »psychologischen« Wendung quasi als Selbstinstruktionen fungieren (s.u.): Die jeweiligen »IFs« sind so gesehen quasi die Prämissen, unter denen die »THENs« als kognitive Operationen »gut begründet«, d.h. »Vernünftig« sind. Anderson bringt dies - allerdings wiederum ohne daraus die erforderlichen theoretisch-methodologischen Konsequenzen zu ziehen - selbst zum Ausdruck, etwa wenn er in dem angeführten Zitat feststellt, »the system
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(d.h. das darin mystifizierte Subjekt/K.H:) has no reason to judge the perforrnance as failure« (1983, S.252, Hervorh. K.H.).- Weitere derartige Beispiele sind - da beliebig beizubringen - wohl nicht erforderlich. Man mag nun gegen solche BGM-Explikationen einwenden, dabei sei ja vorausgesetzt,
daß die Individuen die jeweiligen Operationen intendiert, also bewußt vollziehen, es könne sich hier aber doch auch um »automatische«, »unbewußte« o.ä. Mechanismen handeln, deren subjektive Begriindetheit man also nicht annehmen dürfe. Tatsächlich werden solche automatischen Prozesse in manchen Auspriigungen der kognitivistischen Gedächtnisforschung mehr oder weniger eindeutig unterstellt, was sich sicherlich schon aus dem ,.mechanischen• Charakter der hier analogisierend •introjizierten• Computer-Operationen ergibt. Somit fänden wir an dieser Stelle ein Problem wieder, das wir bereits als Frage der .awareness« von Konditionierungsprozessen innerhalb SR-psychologischer Experimente diskutiert haben (vgl. S.44ff), wobei mindestens die dort begrundeten Zweifel an einer methodisch tragfähigen Nachweisbarkeit der Nichtbeteiligung des Bewußtseins auch auf die hier zu erörternde Problemlage zu übertragen sind. Dariiber hinaus ist man bei der Verteidigung des automatischen oder mechanischen Charakters von Gedächtnisoperationen im Rahmen des kognitivistischen Ansatzes in einer noch ungleich schwierigeren Situation, da die Kognitive Psychologie ja gerade zur Rehabilitation des menschlichen Bewußtseins gegenüber seiner Eliminierung durch die SR-Psychologie angetreten ist. Ent· sprechend •mentalistisch« sind denn auch wesentliche Konzepte der kognitivistischen Gedächtnisforschung: •Aufmerksamkeit«, ,.Strategien«, ja sogar ,.ziele« und •Intentionen« (gerade deswegen war man gezwungen, einschlägige Homunkuli, die aufmerksam sein, Strategien verfolgen, Ziele oder Intentionen haben können, in das informationsverarbeitende System einzusetzen). Wenn man unter diesen Umständen die Automatismus.:rhese beibehalten will, so bleibt einem mithin nichts anderes übrig, als derartige Konzepte nachträglich mit dem Attribut •automatische zu versehen, also automatische Aufmerksamkeits· prozesse, Strategien, Ziele, Intentionen zu unterstellen, womit die beabsichtigte Rehabilitierung des Bewußtseins in der Psychologie unversehens wieder zurliekgenommen wäre.
Aufgrund der bisherigen Diskussion bietet es sich an, im begründungstheoretischen Kontext nicht von »Gedächtnis« zu sprechen, sondern von »Behalten« und »Erinnern« als menschlichen Handlungen: Mit dieser ,.funktionalen« Terminologie (wie sie ja bereits etwa von Craik vorgeschlagen wurde, vgl. S.130f) sind zum einen alle Anklänge an die diskutierten reifizierenden Begriffsbildungen vermieden, und zum anderen ist damit der aufgewiesene BGM-Charakter der einschlägigen Theorien, etwa in der Spezifizierung des Behaltens bzw. Erinnerns als in der Behaltens- bzw. Erinnernsintention begründete Strategien o.ä., leicht auf den Punkt zu bringen. Damit erhebt sich nun aber sogleich die Frage, wie das Verhältnis zwischen Behalten und Erinnern im Begründungsdiskurs genauer zu bestimmen ist. Innerhalb der traditionellen Gedächtnisforschung (sei es klassischer oder kognitivistischer Art) wird meist schon durch die Art der Standardanordnungen das Verhältnis zwischen Behalten und Erinnern als kontingente Beziehung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable aufgefaßt: In den
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jeweiligen Anordnungen wird hier (innerhalb welcher Designs auch immer) ein erstes Stadium des Lernens, Einpriigens, Behaltens, der Übung des Materials einem zweiten Stadium der Reproduktion, des Abrufs, des »retrieval«, des »recall«, gegenübergestellt. Im ersten Stadium des Lernens sollen dabei die unabhängigen Variablen eingeführt sein, von denen aus die Reproduktion des gelernten Materials im zweiten Stadium vorhersagbar werden soll. »Behalten« und »Erinnern« werden hier also als Wenn-Dann-Komponenten einer empirischen Hypothese aufgefaßt, deren Glieder sich in keinem logischen bzw. implikativen, sondern eben in einem kontingenten, bloß faktischen Zusammenhang befinden. - Diese Nariabilisierung« des Verhältnisses zwischen Behalten und Erinnern schlägt sich auf theoretischer Ebene darin nieder, daß hier in verschiedenen Versionen das Behalten als ein Prozeß aufgefaßt wird, dessen Effektivität zwar mittels Erinnernsprüfung festgestellt werden kann, der aber als solcher mit dem Erinnern nichts zu tun hat. Entsprechend erscheint dabei auch das Erinnern als ein selbständiger Prozeß, der zwar durch die Art des Behaltensprozesses beeinflußt wird, aber in sich keinerlei Bestimmungsmomente des vorgängigen Behaltens impliziert. Eine besonders schlagende und verbreitete Konkretisierung erfährt diese wechselseitige konzeptionelle Isolierung von »Behalten« und »Erinnern« innerhalb der klassischen Gedächtnisexperimente, aber auch vielerorts innerhalb der kognitivistischen Gedächtnisforschung gebriiuchlichen Gleichsetzung des Lernens bzw. Einprägens eines bestimmten Materials mit dessen Übung, d.h. Wiederholung, wobei die Anzahl der Wiederholungen mehr oder weniger eindeutig als Maß für den Grad des »lernens« (also Behaltens in unserem Sinne) genommen wird. Besonders schwerwiegend ist dabei, daß diese theoretische Gleichsetzung von Lernen/Behalten und Wiederholung bereits in die Standard· methoden zur Messung der Behaltensleistung, wie sie von Ebbinghaus bzw. Müller & Schurnano eingeführt und seither in mannigfachen Abwandlungen immer wieder benutzt wurden, eingegangen ist: So wird der Vp bei der Methode des »Erlernens« eine Liste mit sinnlosen Silben (oder anderem Gedächtnismaterial) solange wiederholt dargeboten, bis sie sie fehlerfrei reproduzieren kann, wobei die Anzahl der dazu nötigen Wiederholungen als Maß für die Gedächtnisleistung dient; die »Ersparnismethode« und die »Methode des Behaltens« basieren bei etwas anderer Struktur ebenfalls auf diesem Wiederholungskonzept. Dies ist unabhängig davon, ob das Gelernte sodann durch •gepaarte Assoziationen«, »serielle« Reproduktion von Listen oder ,.freie Reproduktion« abgefragt wird. - Der allgemeinere theoretische Rahmen für eine derartige Gleichsetzung von Einpriigen und Wiederholen ist die geschilderte assoziationistische Grundüberzeugung als Charakteristikum prak· tisch der gesamten traditionellen Gedächtnisforschung bzw. die ebenso ver· breitete Vorstellung des »Einpriigens« als »Spurenbildung« im Gedächtnis bzw.
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im Gehirn: Die »Festigkeit« der assoziativen Verknüpfungen bzw. die Ausprägung der Spurenbildung erscheint danach als selbstverständliches Resultat der Anzahl der Wiederholungen im Einprägungsprozeß. Damit ist notwendig zugleich eine Isolierung des Einprägevorgangs von der Erinnerungsanforderung impliziert: Die jeweiligen Assoziationen bzw. Spuren bilden sich unabhängig vom Erinnernsprozeß und werden über diesen lediglich in ihrem jeweiligen Ausprägungsgrad diagnostizierbar. Wenn man das Behalten nun im Begründungsdiskurs als intendierte menschliche Handlung reinterpretiert, so wird (wie schon aus unseren früheren Darlegungen hervorgeht) deutlich, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen »Behalten« und »Erinnern« um keine kontingent-empirische, sondern um eine inferentie/1-implikative Beziehung handelt: Meine Behaltensaktivitäten sind darin begründet, daß ich später (in welcher situationalen Konkretisierung auch immer) das Behaltene erinnern will. Behaltensintentionen ohne antizipierte Erinnernsanforderung sind vom Subjektstandpunkt offensichtlich sinnlos; bzw., noch weiter zugespitzt, die Behaltensintention ist in gewisser Weise mit der Intention, mich später an das Behaltene erinnern zu wollen, identisch. - So haben wir es in den einschlägigen Experimenten wiederum mit einer Variante der schon früher aufgewiesenen Inkongruenz zwischen der bedingungsanalytischen Begriffsbildung des Experimentators und dem begründeten Handeln der Versuchsperson unter den gesetzten Bedingungen als Handlungsprämissen zu tun: In der Theorie ist von durch Obung, d.h. Wiederholung geförderten Einprägungsprozessen die Rede, wobei implizit davon ausgegangen wird, daß die Vpn mit der Übernahme der Lernaufgabe ebenfalls nur Gründe dafür sehen, das Material zu Einprägungszwecken möglichst oft mechanisch zu wiederholen; dies kommt u.a. in der geschilderten Auffassung zum Ausdruck, daß die Einprägeleistung der Vpn umso besser ist, je mehr Zeit ihnen für das »innere« Wiederholen des Materials zur Verfügung steht (diese Annahme wird gelegentlich »Gesamtzeithypothese« genannt, vgl. etwa Baddeley, 1979, S.34ff). Vom Subjektstandpunkt der ~hin gegen antizipiert diese eine bestimmte Erinnerungsanforderung und begründet darin ihre jeweilige Behaltensstrategie mit den vorgegebenen Versuchsbedingungen als Handlungsprämissen - dies wiederum unabhängig davon, wieweit ihr die Tatsache und/ oder die Art der späteren »Prüfsituation« vom Experimentator mitgeteilt wurde oder nicht: Sie muß sich in Abwesenheit anderer Informationen hier notwendig selbst bestimmte Hypothesen über die Art der Erinnernsanforderung bilden, da sie andernfalls keinerlei Gründe für das vom Experimentator verlangte intendierte Lernen des Materials hätte, also gar nicht in der Lage wäre, dessen Instruktion nachzukommen.
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Die in Gedächtnisuntersuchungen aufgrund nomologischer Theorienbildung mit assoziationistisch-mechanistischen Vorannahmen bestehende Diskrepanz zwischen dem, was die Vpn hier tatsächlich tun, und den Annahmen des Experimentators darüber ist von Miller, Galanter & Pribram (1960) in ihrem Buch ~Plans and the structure of behaviorc (auf das wir später noch in prinzipielleren Zusammenhängen eingehen) überzeugend veranschaulicht und konkretisiert worden. Die Autoren legen - obwohl sie diese selbst in den Trend der damals im Aufschwung begriffenen Kognitiven Psychologie einordnen- ihrer Arbeit tatsächlich einen um die Begriffe der »Intentionalität~ und des ,.p]anes• zentrierten Ansatz zugrunde, der (obwohl nicht konsequent zuendegebracht und später kaum in seiner Eigenart erkannt und weitergeführt, s.u.) sie zu Einsichten über kognitive Prozesse vom Standpunkt des Subjekts befähigt hat, die den Rahmen des üblichen kognitivistischen Denkens weit überschreiten. In ihrem mit den traditionellen Gedächtnisexperimenten befaßten Kapitel ,.p]ans for remernberinge (S.125ft) stellen sie dementsprechend die Forderung nach Berücksichtigung der Intentionalität, damit Subjektivität der Vpn im Experiment gegen deren übliche, in theoretischen Vorurteilen gegründete Vernachlässigung heraus. Wie aber gewinnt man Zugang zur Intentionalität/Subjektivität der Versuchspersonen im klassischen Gedächtnisexperimem? Miller, Galanter & Pribram finden darauf die gleiche Antwort, wir wir sie im Kontext unseres »intersubjektiven« Methodenansatzes gegeben haben: »Ürdinarily the simplest way to find out what a person is doing is to ask him« (S.126). Gerade dieses Fragen werde aber von den Psychologen aus Gründen methodischer »Objektivität« eliminiert. Wenn man jedoch eine Vp danach frage, was sie in den traditionellen, mit sinnlosen Silben durchgeführten Untersuchungen getan habe, so stelle sich heraus, daß diese, um die ihnen aufgetragene Aufgabe des »memorizing• erfüllen zu können, notwendig die Absichten des Experimentators durchkreuzen müsse, indem sie versucht, die sorgfältig ausgesuchten •sinnlosen Silben• dennoch in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen: »Weil, it wasn't easy, but he did it• (S.l26). Miller, Galanter & Pribram bringen dafür mannigfache Beispiele aus ihrer experimentellen Arbeit und verallgemeinern diese mit der Feststellung, daß die Vpn dabei »two different kinds of plans• ausführen müßten: »Ün the one hand, the subject is attempting to construct a Plan that will, when executed, generate the nonsense syllables in the correct order. But at the same time he must adopt a Plan to guide his memorizing, he must choose a strategy for constructing the Plan for recall« (S.128). Dafür stünden der Vpn verschiedene Wege offen: Sie könnten z.B. die sinnlosen Silben in Worte übersetzen, diese in Sätze einordnen und aus diesen eine Geschichte erfinden, um bei der geforderten Wiedergabe (als seriellem Lernen) den gleichen Weg rückwärts zu gehen und so die korrekte Reihenfolge der Silben rekonstruieren zu können. Ein anderer möglicher Plan bestehe in der rhythmischen Gruppierung der Silben, ein wieder anderer darin, die Silben in einem imaginären Raum anzuordnen und beim Erinnern jeweils dahin zu »blicken« und die Reihenfolge der Silben dort »abzulesen•, wo sie »Stehen« (S.l28t). Dies wird von Miller, Galanter & Pribram in folgender Weise verallgemeinert auf den Begriff gebracht: ,.Unless a person has some kind of Plan for learning, nothing happens. Subjects have read nonsense syllables hundreds of times and learned almost nothingabout them ifthey were not aware that they would later be tested for recall. In order to get the Iist memorized, a subject must have that mysterious something called an ,intent to learn'.
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An intention to learn means that the subject executes a Plan to form a Plan to guide recall«. Solche Pläne mögen, so Miller, Galanter & Pribram, u.U. lediglich fragmentarischer Natur sein, mehr oder weniger ..absent minded« und zufällig erfolgen, wobei die Vpn also auch ohne eindeutige und bewußte Intentionen einiges lernen könnten (s.u.): »The important thing• sei jedoch »to have a Plan to execute for generating the recall response; ordinary, but not invariably, that Plan will not be achieved without intend to learn, that is to say, without a metaplan for constructing a Plan that will guide recall« (5.129}
In dieser Sichtweise ist nun auch die Funktion der Wiederholung für das Lernen bzw. Einprägen des Materials im Gedächtnisexperiment begründungstheoretisch reinterpretierbar: Die Wiederholung hat so betrachtet keineswegs schon als solche einen »einprägenden«, »spurenbildenden« etc. Effekt, sondern ermöglicht lediglich unter bestimmten experimentellen Bedingungen die Entwicklung einer adäquaten subjektiven Strategie zur Erfüllung der antizipierten Erinnernsanforderung (so wird die Vp im von Miller, Galanter & Pribram angeführten Beispiel die Strategie der Verknüpfung der sinnlosen Silben mit sinnvollen Wörtern, deren Einordnung in Sätze und die Zusammenfügung dieser Sätze zu einer Geschichte nicht schon beim einmaligen Lesen einer Liste fertig haben, sondern erst von Wiederholung zu Wiederholung allmählich aufbauen können). Von da aus würden sich dann auch die erwähnten widersprüchlichen Befunde über den Effekt der Wiederholungen für den Behaltensprozeß erklären (so fanden, wie dargestellt, etwa Craik & Lockart, daß bloßes Wiederholen ohne erhöhte Nerarbeitungstiefe« keine Verbesserung der Erinnerungsleistung bringe, was etwa von Baddeley bestritten und gegen die Verarbeitungsebenen.:fheorie ins Feld geführt wurde): Wiederholungen werden dann die Erinnernsleistungen verbessern, wenn bei den Vpn im Experiment die Bedingungen/Prämissen und die Intentionen dafür gegeben waren, diese Wiederholungen zum Aufbau von an der Antizipation der Erinnernsanforderung orientierten Behaltensstrategien zu nutzen; keine förderliche Wirkung der Wiederholungen auf die Erinnerung bestünde hingegen dann, wenn für die Vpn keine Möglichkeit und/ oder kein Grund zur Entwicklung derartiger Strategien vorhanden war. Befunde, in denen ein Zusammenhang zwischen Wiederholung und Erinnerungsleistung feststellbar ist bzw. fehlt, sind mithin - wie stets bei der bedingungsanalytischen »Brechung« des Verhältnisses zwischen Experimentator und Versuchsperson - in diesem Kontext notwendigeweise mehrdeutig und letztlich uninterpretierbar, weil hier über die nur in intersubjektivem Frage- und Antwortspiel aufzuweisenden wirklichen Handlungsbegründungen der Vpn hinwegspekuliert wird. Aus unserer (an das Konzept der Verarbeitungsebenen angelehnten und begründungstheoretisch gefaßten) Umformulierung von »Gedächtnis«-Modellen in Konzepte über intentionale Behaltens-/Erinnernsaktivitäten ergibt
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sich, daß die vorgeblich besonderen Funktionen von »Speichern« o.ä. als funktionale Spezifika der jeweiligen Behaltensstrategien verstanden werden müssen: Es hängt so gesehen von der Art der intendierten Erinnernsleistung ab, welche Arten von typischen Behaltens-/Erinnernsstrategien dabei begründetermaßen in Anschlag zu bringen sind, wobei bestimmte Inhalte um so dauerhafter behalten werden können, je umfassender und stabiler die schon vorhandenen Wissensstrukturen sind, in denen das Zu-Behaltende durch die jeweilige Behaltensstrategie verankert wird. Eine Uminterpretation dessensorischen Registers, Kurzzeitspeichers und Langzeitspeichers unter solchen Gesichtspunkten ist (mindestens im Prinzip, also unabhängig von den jeweiligen inhaltlichen Bestimmungen, s.u.) in Craik & Lockans Konzept der »Tiefe« der Verarbeitung bereits versucht worden (wobei der BGM-Charakter dieses Ansatzes auf der Hand liegt). In entsprechender Weise müßten nun aber auch andere Einteilungen, wie etwa die dargestellte gängige Unterscheidung zwischen episodischem und semantischem Gedächtnis reinterpretierbar sein. Die Voraussetzungen dazu sind (wie sich zeigen wird) auf dem gegenwärtigen Stand unserer Diskussion allerdings noch nicht gegeben, wir kommen deshalb später, bei der Darlegung einer bestimmten Entfaltungsstufe der von uns zu erarbeitenden subjektwissenschaftlichen Lerntheorie, darauf zurück.
Gesamteinschätzung: Gerichtetheit aufPermanenz des Gelernten in den Schranken immanent-sprachlicher Bedeutungsbezüge Wir weiten jetzt wiederum den begrifflichen Rahmen der Darstellung aus, indem wir die bloße Begründungsanalyse überschreitend unsere kategorialen Bestimmungen der umfassenden sachlich-sozialen Bedeutungskonstellationen, die als Prämissen in die Handlungsbegründungen eingehen, explizit auf die bisherigen Resultate unserer Reinterpretation der kognitivistischen Gedächtnistheorien beziehen: Welche prinzipiellen Beschränkungen und Möglichkeiten des von uns bisher reinterpretativ daraus gewonnenen Konzepts subjektiv begründeter Behaltens-/Erinnernsaktivitäten werden in dieser Sichtweise erkennbar? Welche über die Schlußfolgerungen aus der Reinterpretation (kognitiv erweiterter) SR-psychologischer Ansätze hinausgehenden Fragestellungen für die weitere lerntheoretische Analyse sind auf diesem Wege zu explizieren? Aus den kognitiven Erweiterungen der SR.:fheorien ergab sich für uns (wie dargestellt) die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Lernen und Ausführung und weiterhin der Aufdifferenzierung des Lernens in intendierteS
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und inzidentelles Lernen. Wie verhält sich nun das neue Konzept der intendierten Behaltens-/Erinnernsaktivitäten zu diesen begrifflichen Differenzierungen? - Offensichtlich ist einerseits das »Behalten/Erinnern« (zunächst gleichviel ob intendiert oder inzidentell) zwanglos dem »Lernen« zuzuordnen (entsprechend redet man in der traditionellen Gedächtnisforschung häufig statt von der Behaltens-oder Einprägungsphase auch von der >>l..ernphase« als erstem Stadium des experimentellen Ablaufs). Andererseits aber ist, wenn man von »Lernen« als »Behalten« redet, ein bestimmter Aspekt des Lernens hervorgehoben, nämlich die Dauerhaftigkeit oder Permanenz des Lernresultats: Dies ist es ja, was in den Vorstellungen vom >>Gedächtnis« als »Speicher« etc. seinen verdinglichten Ausdruck findet. Damit verdeutlicht sich, daß eine derartige Permanenz im Konzept des Lernens implizit stets in irgendeiner Weise mitgemeint sein dürfte: »Lernen« hat demnach nicht schon dann stattgefunden, wenn in einer bestimmten Situation erfahrungsbedingte Änderungen der Leistung, Einstellung etc. feststellbar sind, sondern erst dann, wenn diese Änderungen über die spezielle Situation, in der sie erworben wurden, hinaus erhalten bleiben, so daß in einer nächsten einschlägigen Situation weitere Änderungsprozesse quasi darauf aufbauen können. Eine solche transsi· tuationale Permanenz und Kumulation soll in unseren späteren Ausführungen als (weiteres) spezifisches Merkmal des Lernhandeins aufgegriffen werden. Bei Akzentuierung der Unterscheidung >>inzidentell-intendiert« verdeutlicht sich, daß im inzidentellen Lernen die Permanenz sich irgendwie von selbst, als Nebeneffekt der Erfahrungsbildung, herstellen muß. Bei intentionalem Lernen sind dagegen zwei Möglichkeiten in Rechnung zu stellen: Entweder sind hier die Lernintentionen auf andere Dimensionen als das Behalten/Erinnern (etwa »Können« oder »Verstehen«) gerichtet, dann ergibt sich die Permanenz als lediglich mitintendiert; oder das Behalten/Erinnern stellt die einzige oder mindestens dominante Dimension der Lernintentionen dar, dann ist die Permanenzintention das Spezifikum der Lernaktivitäten. lnten· diertes Behalten/Erinnern wäre so bestimmt als intentionales Lernen unter der Dominanz der Permanenzintention. Definitorisch gesehen könnte mithin die Gedächtnisforschung, indem hier Lernaktivitäten thematisiert sind, bei welchen das Individuum in verselbständigter Weise die Dauerhaftigkeit seiner Lernresultate anstrebt, als ein Spezialfall der Lernforschung eingestuft werden. Faktisch allerdings stehen (wie gesagt) in den einschlägigen Forschungstraditionen »Lernen« und »Gedächtnis« weitgehend begriffslos nebeneinander, so daß wir im Laufe unserer weiteren Überlegungen die sich aus einer derartigen Verhältnisbestimmung ergebenden lerntheoretischen Konsequenzen erst noch herausarbeiten müssen. Ein weiteres Desiderat, das in unserer späteren lerntheoretischen Entwicklungsarbeit aufzugreifen ist, ergibt sich aus folgendem: Wenn man die (immer:
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intendierten) Behaltens-/Erinnernsaktivitäten, wie wir sie in Reinterpretation der kognitivistischen Gedächtnisforschung gekennzeichnet haben, im Lichte unserer benannten Kategorialbestimmungen betrachtet, so wird schon auf den ersten Blick deutlich: Die dort angesprochenen Strategien etwa des Clustering, der Kodierung verschiedener Art, des Suchens, der Rekonstruktion, Ortung in semantischen Netzwerken, die verschiedengradige Verarbeitungstiefe etc. werden niemals als in sachlich-soziale Bedeutungszusammenhänge hineinwirkende, realitätsverändernde, spurenhinterlassende, praktische Handlungen, sondern durchgehend als lediglich •innere«, gedankliche, mentale Handlungen verstanden. Dies geht soweit, daß selbst dort, wo etwa vom »prozeduralen Gedächtnis« die Rede ist, üblicherweise keineswegs- wie man meinen könnte - »äußere« Handlungsfolgen, sondern wiederum bloß mentale »Prozeduren« gemeint sind. (So stellt etwa Anderson mit Bezug auf das »Produktionsgedächtnis« als seine Version des »prozeduralen Gedächtnisses« zunächst fest, darunter könnte ja ein Gedächtnis für eigentliche moto· rische Fähigkeiten, wie Fahrradfahren oder Schreibmaschineschreiben verstanden werden, die ACT".:fheorie befasse sich aber in diesem Kontext ausschließlich mit kognitiven, programmsprachlich formulierbaren Prozeduren, wie Entscheidungsfindung, mathematisches Problemlösen, Sprachentstehung etc., vgl. 1983, S.215). - Können denn aber derartige externe, praktische Handlungen überhaupt als Behaltens-/Erinnernsaktivitäten fungieren, macht es also einen Sinn, sie in diesem Kontext zu vermissen? Genau diese Frage ist es, die wir später, wenn wir bei der Auseinanderlegung unseres Entwurfs einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie soweit gekommen sein werden, aufgreifen müssen. Allgemeiner gesehen tritt bei Reflexion der möglichen Bezüge menschlichen Behaltens und Erinnerns auf die sachlich-sozial bedeutungsvolle Welt der Umstand hervor, daß durch die kognitivistische Gedächtnisforschung derartige Bezüge radikal ausgeklammert sind: Zwar wird (gerade in den neueren Entwicklungen des Kognitivismus) zunehmend auf die »Bedeutung« des zu behaltenden und erinnernden Materials abgehoben, dabei sind jedoch (im Einklang mit der allgemeinen Beschränkung der traditionellen Gedächtnistheorien auf sprachlich-symbolische Gegebenheiten) ausschließlich i.w.S. sprachliche Bedeutungen gemeint, deren Beziehung zu den gegenständlichen Weltbedeutungen unsichtbar bleibt (s.u.). Auch wo innerhalb des Kognitivismus die Wechselwirkung des Systems mit bestimmten Merkmalen des »Environments« in Rechnung gestellt wird, handelt es sich nicht um die wirkliche Umgebung, sondern nur um die programmsprachliche Repräsentanz vori bestimmten gesetzten Umgebungs-Parametern. So tritt hier an die Stelle der Welt das »Weltwissen« und an die Stelle der Berücksichtigung der verschiedenen
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Ausprägungen sachlich-sozialer Bedeutungsstrukturen im Handlungs- und Praxiszusammenhang der Individuen die Unterscheidung verschiedener ,.Wissensdomänen« o.ä. (vgl. dazu die kritischen Analysen von Lave, 1988, etwa S.83ff). Durch eine derartige Sprachimmanenz scheint das Subjekt in die ..innere« Welt seiner sprachlichen Bedeutungsbezüge eingesperrt: Es führt mit Bezug auf mein eigenes Handeln wie mit Bezug auf meine Erfahrungsmöglichkeiten auch hier kein Weg hinaus in die wirkliche, historisch geworde·
ne, von »uns allen« in unserer Lebenspraxis geteilte gesellschaftliche Lebenswelt. Graumann & Sommer (1985) haben dies in verallgemeinerter Weise aufgewiesen, indem sie als Hauptgefahr der »Computerisierung« kognitionspsychologischer Modellbildungen »Einkapselung (encapsulation) und, deswegen, Realitätsverlust (loss of reality)« herausheben: »Die gesamte Welt, einschließlich dessen, was wir soziale Realität nennen, ist (in der Kognitiven Psychologie/K.H.) konzentriert in individuellen ,brains' and ,minds', als kognitive Repräsentationen zwischen Input und Output von Information eingeschlossen, um verarbeitet, gespeichert und abgerufen zu werden« (S 66f., Übers. K.H.). Aus der Reflexion auf die Ausklammerung realer sachlich-sozialer Bedeutungszusammenhänge fällt auch neues Licht auf die (schon angedeutete) Kontinuität des Assoziationsprinzips (i.w.S.) von der SR-Psychologie zum Kognitivismus: In der SR-Psychologie bezieht (wie früher etwa im Kontext unseres Bremslicht-Beispiels aufgewiesen, vgl. S.60f) das Konzept der Konditionierung als assoziativer Verknüpfung von Signal und Signalisiertem bzw. Verhalten und Verhaltenskonsequenz seine theoretische Unverzichtbarkeit daraus, daß die »Welt« hier nicht in ihren vergegenständlichten Bedeutungszusammenhängen, sondern nur als Inbegriff von isolierten Gegebenheitszufällen sichtbar wird, so daß alle Verknüpfungsleistungen dem Individuum aufgebürdet werden müssen. Wenn nun, wie gerade herausgestellt, im Kognitivismus in dieser Richtung quasi noch ein Schritt weitergegangen wird, indem die »Welt« im Ganzen durch Zentrierung auf bloß »innere« Prozesse der Informationsverarbeitung ausgeklammert ist, so würde daraus folgen, daß hiertrotzaller Kritik an der SR-Psychologie deren prinzipiell »assoziationistischer« Denkweise kaum etwas entgegengesetzt werden könnte, vielmehr in diesem Punkt eine (vielleicht z. T. verschwiegene) Kontinuität zwischen SRTheorie und Kognitivismus aufweisbar sein müßte. Eine solche Fortschreibung assoziationistischer Prinzipien von der SRPsychologie zur kognitivistischen Gedächtnisforschung wurde auf überraschende Weise in der schon erwähnten, an der schwedischen Universität Umea abgehaltenen Konferenz unter dem Thema »Perspectives on learning and memory« (vgl. Nilsson & Areher 1985) deutlich. Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen beiden Grundansätzen wurde dabei immer wieder
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das Assoziationsprinzip als möglicher »gemeinsamer Nenner« benannt -einschlägige Diskussionen ziehen sich wie ein roter Faden durch fast alle der dort gehaltenen Beiträge. Man war sich unter SR-Psychologen und Kognitivisten in U mea weitgehend einig, daß das Assoziationsprinzip (möglicherweise in ausgeweiteter und ·liberalisierter« Form) psychologisch unverzichtbar sei und ein wesentliches Verbindungsglied zwischen beiden Positionen darstelle. So konnten denn Rönnberg & Ohlsson (1985) bei ihrer Synopse der in Umea gehaltenen Beiträge hervorheben, daß das Assoziationsprinzip nicht nur- erwarteterweise - die moderne SR-Psychologie beherrscht, sondern {mindestens implizit) den wesentlichen Ansätzen kognitivistischer Gedächtnisforschung zugrundeliegt: »Human memory theorists, in their turn, have hidden the explicit associative assumptions in their models. Closer scrutiny reveals that the association isalive and weil established even in such models« {S.184). Dies gilt nicht nur für die Aufbauprinzipien des sensorischen Registers und Kurzzeitgedächtnisses, sondern- wie Nilsson & Areher hervorheben- ebenso etwa für die modernen Modelle des semantischen Gedächtnisses: In den hier formulierten Konzepten über semantische »Netzwerke« oder »Hierarchien« sei die Assoziation notwendig als strukturbildender Faktor vorausgesetzt. Auch auf die assoziationistische Grundlage des ACr-Modells von Anderson wird von den Autoren hingewiesen (S.294, vgl. dazu Anderson selbst, 1983, S.202). Nilsson & Areher fassen zusammen: »The association is a robust concept and perhaps necessary to the fields of learning and memory• (S.295).- Auch der moderne Konnektionismus muß (obwohl man über die Besonderheiten des kognitivistischen gegenüber früheren, einfachen Formen des Assoziationismus streiten kann, vgl. etwa Fodor & Pylishyn 1988 und Smolensky 1989) - da hier Knoten und gerichtete Verbindungen angenommen sind, zwischen denen durch rückwirkende Gewichtungsmodifikation Verbindungen sich herausbilden - in einem weiteren Sinne als eine besondere Art von Assoziationismus bezeichnet werden. Dementsprechend konnte (wie dargelegt) etwa K.ohonen (1984) das »Gedächnis« in konnektionistischer Fassung umstandslos als »associative memory« bezeichnen. Wenn wir auf unsere drei »Gesamteinschätzungen« jeweils am Ende der begründungstheoretischen Reinterpratationsversuche der vorher diskutierten traditionellen lern- bzw. gedächtnistheoretischen Ansätze zurückblicken, so verdeutlicht sich, daß dabei in jeweils anderem Kontext das kategoriale Problem des beschränkten Weltbezuges im Mittelpunkt der Kritik stand: Die •Welt« der SR-theoretischen Konzeption erwies sich als Inbegriff isolierter Einwirkung von Umweltkontingenzen auf den Organismus (wobei der konnektionistische Weltbezug u.U. als eine Spielart des SR-theoretischen aufgefaßt werden kann). Nach Diskussion der kognitiv erweiterten SR-theoretischen
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Lernkonzepte erwies sich, daß mit dem hier (explizit und implizit) zugrundeliegenden ..Erwanungskonzept« der aktiv-änderende Ausgriff des Subjekts auf seine Lebenswelt (damit auch Veränderung der Prämissen des eigenen Handelns) nicht konzeptualisierbar ist. Aus der Erörterung der kognitivistischen Gedächtnisforschung ließ sich verallgemeinern, daß hier der ..Input« und der .. Output«, also die Eingabe- und Ausgabefunktion des ..Systems•, an die Stelle der unabhängigen Lebenswelt tritt und daß dabei die Sprache (i.w.S.) quasi als undurchdringliche Mauer zwischen dem Subjekt und der Außenwelt steht. Aus alldem ergibt sich, daß wir diese Beschränkungen in unserer später zu erarbeitenden subjektwissenschaftlichen Lerntheorie rückgängig machen bzw. vermeiden müssen. Es muß uns gelingen, den subjekthaft-aktiven Charakter des Lernens als Zugang des Subjekts zur wirklichen Welt sachlich-sozialer Bedeutungszusammenhänge zu konzeptualisieren. Oder (anders gewendet): Wir müssen zu lerntheoretischen Grundkonzepten jenseits der (gleichviel ob aus dem SR-psychologischen Reiz-Reduktionismus oder der kognitivistische Sprachimmanenz resultierenden) Weltlosigkeit der traditionellen Lerntheorien gelangen. Bevor wir damit beginnen können, ist jedoch erst noch ein weiterer lerntheoretischer Grundansatz darzustellen und zu reinterpretieren, der der später zu erarbeitenden subjektwissenschaftlichen Lernkonzeption einen wesentlichen Schritt näher kommt: Aus der kognitivistischen Tradition erwuchs (wie schon erwähnt) neben der gerade diskutierten Gedächtnisforschung noch ein anderer lernpsychologisch relevanter Entwicklungszweig als .. kybernetischer« Theorieansatz, wie er heute in Gestalt der Handlungs· regulationstheorie vorliegt. Mit diesem Ansatz ist in gewissem Sinne eine Verbindung zwischen dem Kognitivismus und dem tätigkeitstheoretischen Ansatz, aus dessen kritischer Rezeption unsere subjektwissenschaftliche Grundkonzeption entstanden ist, hergestellt. So könnte von da aus der Übergang zwischen unseren Reinterpretationsbemühungen und eigener lerntheoretischer Entwicklungsarbeit in besonders stringenter Weise vollziehbar werden.
2.4 Kritik/Reinterpretation der handlungstheoretischkybernetischen Fassung des Lernproblems
Vorbemerkung Neben der gängigen »Reiz«-Konzeption (die, wie gesagt, nicht nur für die SRPsychologie bestimmend ist, sondern auch in der kognitivistischen Gedächtnisforschung mit dem Konzept des »sensorischen Input« konserviert wurde) gab es - wenn auch am Rande des Mainstream - immer wieder Ansätze, in denen die scheinbar kausal fixierte Reihenfolge Reiz .... Reaktion mit dem Hinweis problematisiert wurde, daß »Reize« dem Organismus ja nicht notwendig einfach gegeben sein müssen, sondern von diesem auch aktiv aufgesucht oder erzeugt werden können. Demnach müsse das einsinnige ReizReaktions-Schema durch ein Modell der Wechselwirkung zwischen Reizen und Reaktionen erweitert werden (was- da »Reaktionen« ja so gesehen den »Reizen« vorhergehen können- eine prinzipielle Problematisierung der Angemessenheit dieses Begriffspaars und konzeptuelle Neufassungen nahelegt). Solche Vorstellungen, die z.B. schon von John Dewey (1896) in seinem berühmten Artikel »The reflex arc concept in psychology« klar auf den Begriff gebracht wurden, finden sich in verschiedenen physiologischen, biologischen etc. Ansätzen, in psychologisch folgenreichster Weise aber in dem (schon früher- bei der Reinterpratation der kognitivistischen Mehrspeichermodelle - von mir unter speziellen Gesichtspunkten herangezogenen) Buch von Miller, Galanter & Pribram ( 1960), »Plans und the Structure of Behavior«, in dem das kybernetische Regelkreis-Modell die Darstellungsgrundlage bildet. Diese Arbeit wird einerseits zu den wegbereitenden Frühwerken der kognitiven Wende gerechnet (auch die Autoren selbst sehen sich in diesem Kontext), ist aber innerhalb des Kognitivismus zwar immer wieder respektvoll angeführt, aber (wegen seiner handlungstheoretischen Tendenzen, s.u.) in den wesentlichen Aspekten kaum wirklich rezipiert worden. Ernsthaft aufgegegriffen wurden die Grundauffassungen von Miller, Galanter & Pribram dagegen von einer anderen psychologischen Entwicklungslinie, die weitgehend außerhalb des Mainstream liegt: der (schon erwähnten) Handlungsregulationstheorie, wie sie von dem Dresdner Arbeitspsychologen Wilfried Hacker
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begründet wurde und bei uns etwa von Walter Volpert, Siegfried Greif, Michael Stadler, Norbert Semmer, Rainer Oesterreich und Heiner Dunkel vertreten wird. Es ist wohl auf Anhieb evident, daß- da (wie gezeigt) die Weltlosigkeit der bisher diskutierten traditionellen Lerntheorien wesentlich mit der außendeterministischen Einseitigkeit der zugrundeliegenden Reiz-Kategorie zusammenhängt - theoretische Ansätze, in denen die Einwirkung des Individuums auf die Welt schon in der Konzeptualisierung elementarer menschlicher Realitätsbeziehungen berücksichtigt wird, für unsere weiteren Analysen von großem Interesse sein müssen. Dabei ist zwar einerseits einzuräumen, daß die Handlungsregulationstheorie als solche keine »Lerntheorie« darstellt (und auch nicht, wie die kognitivistischen Gedächtnismodelle, als Lerntheorie interpretiert werden kann); andererseits aber liegen verschiedene Arbeiten vor, in denen explizit versucht wird, die Begrifflichkeit der Handlungsregulationstheorie für die Analyse von Lernprozessen fruchtbar zu machen, auf die wir uns im weiteren beziehen können. Damit ist der nächste (und letzte) Schritt unserer begründungstheoretischen Kritik- und Reinterpretationsbemühungen vorgezeichnet. Zunächst soll dabei die Handlungsregulationstheorie samt der dieser vorausgehenden Theorie von Miller, Galanter & Pribram in ihren allgemeinen Grundzügen dargestellt werden, ehe wir dann auf deren lerntheoretische Spezifizierung und zu unserer darauf bezogenen begründungstheoretischen Diskussion kommen.
Das Grundmodell der Handlungsregulation Miller, Galanter & Pribram (1960) greifen in ihrem Buch zwei miteinander zusammenhängende Grundfragen auf: Sie wollen mit ihrer Konzeption das von ihnen diagnostizierte •theoretical vacuum between cognition and action« innerhalb der Kognitiven Psychologie (S.13) überwinden. Dies wiederum soll erreicht werden durch eine konzeptionelle Neufassung des unmittelbaren Weltkontaktes der Individuen unter Zurückweisung des traditionellen Stimulus-Response-Schemas. In diesem Problemzusammenhang kritisieren Miller, Galanter & Pribram den dem SR-Schema zugrundeliegenden »klassischen« Reflexbogen (Stimulus --+ Rezeptor --+ afferenter Nerv --+ verbindende Fasern --+ efferenter Nerv -+ Response) als eine Art von Einbahnstraße, an deren Ende der passive Organismus von jeder weiteren Erfahrung abgeschnitten sei. Als alternative Fassung der Grundeinheit psychologischer Analyse schlagen sie das Modell der »Rückkoppelungsschleife« (»feedback loop«) vor, wie es von Norbert Wiener als kybernetischer »Regelkreis« konzipiert
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Begründungsanalytische Kritik/Reinterpretation lerntheoretischer Ansätze
wurde, in welchem ein jeweiliger »Istwert« unter Berücksichtigung externer »Störgrößen« kontinuierlich auf einen »Sollwert« hin einreguliert wird. Rückkoppelungsvorgänge dieser Art finden sich nach Miller, Galanter & Pribram bereits auf den unspezifischen organismischen Ebenen des Energieund lnformationsflusses: Charakteristisch für menschliches Verhalten seien indessen solche Regelungsprozesse auf der Ebene der Verhaltenskontrolle. Derartige elementare Kontrolleinheiten werden hier als TOTE-Einheiten (test -+ operation -+ test -+ exit) bezeichnet (und am Beispiel der kontinuierlichen Kontrollprozesse mittels Regulation der Operationen durch Vergleichen von Ist- und Sollwert beim Nageleinschlagen veranschaulicht). Solche TOTE-Einheiten unterscheiden sich - so Miller, Galanter & Pribram prinzipiell vom traditionellen SR-Schema: »Because stimulus and response are correlative und contemporaneous, the stimulus processes must be thougt of not as preceding the response but rather as guiding it to a successful elimination of the incongruity. That is to say, stimulus and response must be considered as aspects of a feedback loop« (S.30). Die so gefaßten TOTE-Einheiten sind nach Miller, Galanter & Pribram nicht, wie die SR-Einheiten, in sich abgeschlossen, sondern weisen in zweierlei Hinsicht über sich hinaus: Einmal sind die TOTEs auf horizontal-zeitlicher Ebene als Elemente von Sequenzen eines kontinuierlichen Kontrollprozesses aufzufassen, die erst mit dem Zusammenfallen von Ist- und Sollwert enden. »Exit« ist mithin keineswegs (notwendig) das reale Ende der Aktivität, sondern grenzt lediglich analytisch eine TOTE-Einheit gegenüber der nächsten ab. Zum anderen aber können (wie ebenfalls am Beispiel des Nageleinsehtagens exemplifiziert wurde, vgl. S.35) nach Miller, Galanter & Pribram bestimmte TOTE-Einheiten auch als Teiloperationen innerhalb übergeordneter TOTE-Einheiten zusammengefaßt und umgekehrt die Operationsglieder gegebener TOTE-Einheiten in untergeordnete TOTEs aufdifferenziert sein, womit den Kontrollprozessen hier grundsätzlich »hierarchischer« Charakter zukommt. In der Möglichkeit, die TOTE-Einheiten als in hierarchischer Weise ineinander verschachtelt aufzufassen, liegt nun aber nach Miller, Galanter & Pribram deren wesentliche theoretische Potenz zur Überwindung des benannten »vacuums« zwischen Kognition und Aktion: Hier bestünde nämlich die Möglichkeit, durch eine Art von »Mehrebenen-Beschreibung« die einzelnen Instanzen von der unmittelbaren Ausführungsaktivität bis zu kognitiven Verarbeitungsformen verschiedenen Allgemeinheitsgrades in ihrer Strukturähnlichkeit (als rückgekoppelte Kontrollvorgänge verschieden hoher Ordnung} zu fassen und auf dieser Grundlage in ihrer jeweiligen Besonderheit zu spezifizieren. Die Autoren bezeichnen abgrenzbare TOTE-Sequenzen, mit welchen die Individuen auf der Grundlage ihres bisherigen Wissens (»image«} ihre Aktivitäten organisieren, als Pläne (»Plans«). Dabei konzeptualisieren sie
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den hierarchischen Charakter solcher Planungsaktivitäten durch die Unterscheidung von »Meta-« bzw. »Subplänen« verschiedener Ordnung, wobei die übergeordneten Pläne mehr »Strategischen« und die untergeordneten Pläne, besonders die, in denen die unmittelbare Aktivitätsausführung geplant ist, mehr »taktischen« Charakter hätten. In der weiteren Ausführung ihrer Theorie kommen Miller, Galanter & Pribram nun zu einer speziell psychologischen Qualifizierung ihrer bisher mehr formal-kybernetisch gefaßten Begrifflichkeit: Sie explizieren den Tatbestand, daß in den IDTE-Einheiten und den daraus gebildeten Plänen jeweils ein Subjekt mitgedacht ist, das in seinen Operationen den Sollwert, an den es sich annähern will, bewußt antizipiert und dabei das zu erreichende Resultat danach bewertet, wieweit es ihm in Ansehung seines Vorwissens als wünschenswert erscheint. Daraus folgt für die Autoren, daß die »Intention« und ,.Bewertung• (•evaluation•) als wesentliche Bestimmungsmomente des Planens zu betrachten sind: Sie räumen deswegen diesen mehr phänomenologischen Konzepten in bewußter Abkehr von deren SR-psychologischer Vernachlässigung einen zentralen Stellenwert ein (vgl. S.59ff) und diskutieren ausführlich deren Verhältnis zueinander innerhalb individueller Planungsaktivitäten. In der Handlungsregulationstheorie wird einerseits das zentrale Konzept von Miller, Galanter & Pribram, das zyklische Modell des Handeins als sequentielle und hierarchische Organisation von Rückkoppelungseinheiten, übernommen, andererseits wird hier das Schwergewicht auf die Organisation von Arbeitshandlungen und deren möglichst effiziente Planung/ Ausführung innerhalb der unmittelbaren Produktion gelegt. Dies führt dazu, daß die taktische Ebene der Ausführungsaktivitäten innerhalb der hierarchischen Handlungsplanung weitgehend mit der Ebene motorischer Ausführungshandlungen gleichgesetzt wird (auch bei Versuchen, die Handlungsregulationstheorie auf weitere Bereiche der menschlichen Lebenstätigkeit anwendbar zu machen, herrscht dieser •handwerkliche« Aspekt vor). Zum anderen werden hier die bei Miller, Galanter & Pribram relativ locker gefügten Grundkonzepte der Handlungsplanung streng systematisiert und kodifiziert. Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang das (auch auf Einflüsse aus der sowjetischen Psychologie zurückgehende) Verständnis des Handeins als eindeutig »zielgerichtet« - während Miller, Galanter & Pribram gerade zu bedenken gaben, daß die Fassung von Lebensplänen »in terms of concrete and specific objectives, in terms of ,goals', invites the disaster of planlessness«: ·The problern is to sustain life, to formulate enduring Plans, not to terminate living and planning as if they were tasks tobe finished« (1960, S.113f). Solche Auffassungsunterschiede ergeben sich -wie mir scheint- u.a. daraus, daß Miller.
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Galanter & Pribram mit ihrer Begrifflichkeit mehr die spezifische Rationali-
tät menschlichen Alltagsplanens faßbar machen wollten, während in der Handlungsregulationstheorie diese Begrifflichkeit eben zuvörderst unter der Fragestellung der Rationalisierung des Arbeitshandeins aufgenommen wurde (s.u.). Die zyklischen, ineinander verschachtelten Rückkoppelungseinheiten, die von Miller, Galanter & Pribram als TOTEs gefaßt wurden, sind bei Hacker, dem Begründer der Handlungsregulationstheorie, als NVR-Einheiten« definiert: statt »Test --+ operation --+ test --+ exit« »Veränderung --+ Vergleich --+ Rückmeldung« (vgl. etwa Hacker 1973, S.l04ff). Dabei werden die VVREinheiten, wie die TOTE-Einheiten, als gleichzeitig prozessual aufeinanderfolgend und hierarchisch strukturiert modelliert. In Kodifizierung dieser Vorstellungen Hackers entwickelte insbesondere Volpert (z.B. 1983a) das »Modell der hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganisation«, das heute das Kernstück der Handlungsregulationstheorie bildet. Dieses Modellläßt sich global folgendermaßen kennzeichnen: Zuerst wird das jeweils zu erreichende Ziel antizipiert. Sodann wird von da aus eine Reihe zielbezogener Handlungsschritte geplant (sog. Generierung von »Transformationen•). Danach werden die einzelnen Schritte (angefangen von der Stamransformation über vermittelnde Transformationen bis zur Ausführungstransformation) nacheinander ..durchgearbeitet«. Im Anschluß daran wird der Regelkreis durch Rückmeldung des Handlungsresultats zur Zielantizipation geschlossen: Sind deren Bestimmungen erfüllt, so ist der Handlungsvollzug beendet. - Die so modellierten Handlungszyklen können nun selbst wieder zu Teilhandlungen innerhalb übergeordneter Handlungsvollzüge werden. Verallgemeinert läßt sich dies abbilden als hierarchisches System mit einem generellen Handlungsziel an der Spitze und immer spezielleren Handlungszielen zur Basis hin: Die erfolgreiche Rückmeldung nach der Durcharbeitung von Transformationen führt also nach diesem Modell zunächst zur Aktivierung weiterer, untergeordneter Teilziele, wobei erst am Schluß der Generierung/Durcharbeitung der Handlungsschritte zu Zielen •niedrigster Ordnung« die eigentlichen Ausführungshandlungen stehen. Die Genese solcher hierarchischer Systeme verläuft dabei nach Volpert (der sich damit auf das Interiorisierungskonzept der Tätigkeitstheorie bezieht, s.u.) quasi in umgekehrter Richtung, nämlich als »Verbalisierung/Verinnerlichung• äußerer Handlungen im Zuge des ,.Aufbaus einer hierarchisch-sequentiellen Organisation des Handelns« (1975, 5.148). Diese hierarchische Anordnung hat nach Volpert die Funktion eines analytischen Mittels, um gegebene oder zu erzeugende Handlungsverläufe je nach Bedarf weiter aufzugliedern oder unter allgemeineren Zielsetzungen zusammenzufassen.
Die so bestimmten zyklischen Regulationsvollzüge werden über die Heraushebung ihrer sequentiell-hierarchischen Ablaufscharakteristik hinaus quasi vertikal nach verschiedenen Regulationsebenen mit unterschiedlichen kognitiven Strukturmerkmalen aufgegliedert: Hacker (1973, S.153ff) kam dabei zu drei Regulationsebenen: »Perzeptive und begriffliche Regulation von
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Arbeitstätigkeiten« als orientierende kognitive Strukturen am Objekt, »intellektuelle Regulation von Produktionsarbeiten« als übergeordnete Beurteilungsprozesse des Verhältnisses der auszuführenden Handlung zu generelleren Produktionszielen und schließlich »sensumotorische Ausführungsregulation von Arbeitstätigkeiten«. (Diese Gliederung wird meist abweichend von der m.E. sinnvolleren Anordnung Hackers quasi von unten nach oben als »sensumotorische•, »perzeptiv-begriffliche« und »intellektuelle« Handlungsregulation referiert; vgl. Volpert 1975, S.119f). Von der Konzeption der sequentiell-hierarchischen Handlungsorganisation in Wechselwirkung der verschiedenen Regulationsebenen aus stellt man innerhalb der Handlungsregulationstheorie Verbindungen sowohl zu bestimmten Konzepten der sowjetischen Psychologie wie zu kognitivistischen Vorstellungen über die Speicherung und Abrufbarkeit handlungsrelevanter Information her: Nach Hacker (1973) sind es »operative Abbildsysteme« (Oschanin) als »innere Repräsentationen« (die damit an die Stelle des »image« bei Miller, Galanter & Pribram treten/K.H.), aus denen das Individuum die jeweiligen »Handlungspläne« bzw. »Aktionsprogramme« abruft (vgl. auch Greif 1983, S. 92). -Die allgemeinste Richtgröße der Planung von Handlungsverläufen ist dabei für die Handlungsregulationstheorie die (auf der intellektuellen Regulationsebene angesiedelte) »planende Strategie« des Handelns, von der aus alle Teilaspekte der Handlung bewertet und ausgerichtet werden. Die damit skizzierte Grundkonzeption wurde in einer Reihe arbeits- und sozialpsychologischer Problemfelder angewendet. Dabei kam es zu einer immer stärkeren Tendenz, den Anwendungsbezug der Handlungsregulationstheorie in andere Bereiche (so die Allgemeine Psychologie, vgl. Stadler & Seeger 1981, die Klinische Psychologie, vgl. Raeithel & Bergold 1985, etc.) hinein auszuweiten. Auch auf theoretischer Ebene wurde das Modell in neuerer Zeit sowohl nach innen differenziert wie auf grundsätzlicher Ebene relativiert und flexibilisiert (vgl. dazu meinen Überblick, Holzkamp 1986, S.387ff).
Lernen als regulatorisch gesteuertes Lernhandeln Wie ist nun im Kontext derartiger theoretischer Vorstellungen über Handlungsplanung als sequentiell-hierarchischen Rückmeldungsprozeß das Lernen in seiner Besonderheit zu bestimmen? - Miller, Galanter & Pribram (1960) behandeln diese Frage in zweierlei speziellen Problemzusammenhängen: Einmal analysieren sie den Prozeß des Lernens von »sinnlosen Silben« etc. in den üblichen Gedächtnisexperimenten in Begriffen der bewußten, strategischen Planung mit der Intention einer Bewältigung der antizipierten
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Erinnernsaufgabe (ich habe dies früher eingehend dargestellt und diskutiert, vgl. S.144f). Zum anderen interpretieren sie das Lernen von motorischen Fähigkeiten und Gewohnheiten (»motor skills and habits«) als Automatisierung von Plänen: »Habits and skills arePlansthat were originally voluntary but have become relatively inflexible, involuntary, automatic«. Daraus ergebe sich das Problem, »how learned Plans become automatized« (S.82). Die Autoren diskutieren in der Folge dieses Problem (am Beispiel des Fliegenlernens) als Frage nach den Möglichkeiten und Vermittlungen der »Strategischen« Ebene verbaler Instruktionen und Selbstinstruktionen und der »taktischen« Ebene der unmittelbar motorischen Ausführungshandlungen (ich komme noch eingehend darauf zurück). Solche Automatisierungen von Plänen haben nach Miller, Galanter & Pribram die Funktion, das Individuum von mehr
taktischen Planungen im Interesse weitergespannter strategischer Planungen zu entlasten: Wenn die in das Fliegen eines Flugzeugs involvierten taktischen Planungsschritte einmal automatisiert seien, könne das Individuum sich nun übergeordneten strategischen Plänen, etwa der Planung eines Fluges von San Francisco nach Chicago, zuwenden. Auf grundsätzlichere Weise wird das Problem der Besonderheit des Lernens von Volpert (etwa 1974) angegangen: Er grenzt zunächst die Prinzipien der Handlungsregulationstheorie explizit von denen der SR:fheorie ab: Während die SR.:Yheorie eine lineare Verkettung von Einheiten voraussetze, die allein von gelernten Übergangswahrscheinlichkeiten bestimmt sei, konzeptualisiere die Handlungsregulationstheorie Sequenzen von Einzelhandlungen als elementare Regelvorgänge, die durch eine hierarchische Handlungsorganisation derart überformt seien, daß die höheren Ebenen gegenüber den niedrigeren jeweils als Steuer-, Überwachungs- und Kontrollinstanzen wirken (S.23ff). Auf dieser Basis bestimmt Volpert das »Lernen« als eine bestimmte Art von Handlungen, die den Aufbau von Handlungskompetenzen zum Ziele haben: »Wenn wir von der Definition ausgehen, Lernen sei die Weiterentwicklung von Handlungssystemen ... , dann ist Lernen sozusagen Handeln in zweiter Dimension: Handeln, dessen Ziel unmittelbar oder mittelbar die Verbesserung gegenständlicher Handlungen ist. Damit würden die bisherigen Überlegungen zur Handlungsstruktur auch für das Lernhandeln gelten, dieses wäre aber noch durch zusätzliche Merkmale zu kennzeichnen, welche eben den Aspekt der individuellen Entwicklung von Handlungen akzentuieren« (1974, 5.106). In Konkretisierung dieses Verständnisses von •Lernen« hebt nun Volpert an anderer Stelle (1975) - ähnlich wie Miller, Galanter & Pribram - die StereotypisierunglAutomatisierung als Erwerb von Fertigkeiten im Zuge der hierarchisch-sequentiell gegliederten Handlungsfolgen mit der Konsequenz der Entlastung der Bewußtseinskapazität für höhere, intellektuelle Planungs- und Kontrollprozesse als ein Spezifikum von·
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Lernhandlungen hervor. Diese Automatisierungsprozesse stellt Volpert wiederum in den Zusammenhang der »Verbalisierung/Verinnerlichung« äußerer Handlungen, wobei »Stereotype Folgen von Handlungsforderungen erkannt und als entsprechend stereotype und ,von selbst ablaufende' Sequenzen von Handlungsteilen angeeignet werden« (1975, 5.148, s.u.). Die umfassendste Diskussion des Lernproblems im Kontext der Handlungsregulationstheorie stammt von Dulisch (1986): Er hat diesem Thema ein ganzes Buch - mit dem programmatischen Titel »Lernen als Form menschlichen Handelns« - gewidmet. - Dulisch konzentriert seine Darstellung (wie wir) auf das bewußte und intendierte Lernen, in Abgrenzung vom bloß »beiläufigen Lernen« (nach Tolmans Terminologie »inzidentellen Lernen«, s.o.) als möglichem Nebeneffekt beliebiger Handlungsvollzüge (5.149). Das eigentliche »Lernhandeln« wird von ihm definiert als »ein Handeln ... , das in bewußter Weise auf die Verbesserung der eigenen Handlungsvoraussetzungen gerichtet ist und auf das Bereitstellen von Dispositionen für das zukünftige Handeln zielt« (S.149f). »Das bewußte Ziel der Lerntätigkeit ist eine relativ dauerhafte Veränderung der eigenen Gedächtnisstrukturen; oder anders ausgedrückt: Die Lerntätigkeit richtet sich auf den Aufbau und die gedächtnismäßige Verfestigung von Handlungsdispositionen bzw. -kompetenzen« (5.150). Dies impliziert nach Dulisch, daß im »Rahmen der Analyse von Lerntätigkeiten ... zwischen zwei Handlungsarten zu unterscheiden (sei), und zwar zwischen der Lerntätigkeit, die als ein zielgerichtetes Verhalten das Lernen bewirken will, und zwischen dem Handeln, zu dem der Lerner sich im Rahmen der Lerntätigkeit befähigen will« (5.151). Diese Art des Handeins wird von Dulisch (in Anlehnung an Strathenwerth) als die »,Bezugshandlung' der Lerntätigkeit« bezeichnet. Zur Abgrenzung zwischen beiden Handlungsarten stellt Dulisch präzisierend fest: »Da Menschen in erster Linie Handlungsdispositionen entwickeln, indem sie diese Handlungen im Rahmen der Lerntätigkeit real oder nur vorstellungsmäßig zu vollziehen versuchen, werden zwischen der Lerntätigkeit und der jeweiligen Bezugshandlung in der Regel vielfältige Überschneidungen bestehen« (5.151). Aus dem Umstand, daß dabei sowohl Lernhandlungen wie »Bezugshandlungen« als »Handlungen« - nur mit verschiedener Zielsetzung- zu betrachten sind, leitet Dulisch die Rechtfertigung dafür ab, (wie Volpert) die Grundkonzepte der Handlungsregulationstheorie auf das Lernen zu übertragen. Als Veranschaulichungsgrundlage für seine weiteren einschlägigen Konzeptualisierun~en bringt Dulisch {1986, S.l58f) folgendes Beispiel ein: Ein Auszubildender erfährt, daß m der bevorstehenden schriftlichen Abschlußprüfung möglicherweise das Thema »Rostbildung« gestellt wird. Deswegen will er sich die dafür nötigen Kenntnisse •relativ dauerhaft, d.h. zum mindesten bis zur Prüfung«, aneignen. Er informiert sich zunächst darüber, wie differenziert und umfassend sein einschlägiges Wissen sein müßte, um den erwarteten
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Anforderungen zu genügen, und prüft von da aus, wieweit seine schon vorhandenen Kenntnisse mit Bezug darauf hinreichend sein könnten. Aufgrund der dabei festgestellten Wissensmängel macht der Auszubildende sich Gedanken über die zum Schließen der Wissenslücke sinnvolle Vorgehensweise, etwa die Auswahl angemessener Texte, die zur Zielerreichung notwendigen Teilschritte, die optimale Art der Einprägung etc., und geht sodann an die Ausführung der Lernhandlung. Dabei prüft er einerseits schon während des Lernvollzuges mehrfach, wieweit er mit den jeweiligen Teilaktivitäten sein Ziel erreicht hat, und versucht andererseits abschließend sich ein Bild darüber zu machen, wieweit er mit seinen Vorbereitungen die erwarteten Prüfungsanforderungen erfüllen wird. - Diese verschiedenen Stadien dieses (hier nur verkürzt dargestellten) Vorbereitungsprozesses werden von Dulisch (S.158ff) folgendermaßen auf den Begriff gebracht: •Entwickeln von Vorstellungen über die Bezugshandlung der Lerntätigkeit«; »Lernzielbildung•, »Orientieren zum Zwecke der Lernzielkonkretisierung«, »Soll-Ist-Vergleiche; .. Entwickeln eines Lernplanes«; »Aufbau einer hierarchischen Lernziel- und Lernprogrammstrukturc; ,.p)anung und Realisierung der Lerntätigkeit•; ..aktionsbegleitende Kontrollprozesse«; •resultative Kontrollprozesse«, etc.
Zur weiteren Ausarbeitung der in diesem Beispiel enthaltenen Vorstellungen über Lernen als Handlungsregulation stellt Dulisch die »hierarchischsequentielle Organisation des Lernhandelns« (S.215ff) in den Mittelpunkt seiner Darstellungen. Dabei übernimmt er im Rahmen dieses Konzeptes einer »hierarchischen Lernzielstruktur« von Miller, Galanter & Pribram deren (dargestellte) Unterscheidung von »Strategien« und »Taktiken«, wobei er sich auf Mandl und seine Mitarbeiter bezieht: »Unter Lernstrategien werden zielgerichtete Aktivitäten verstanden, die intentional dazu eingesetzt werden, Prozesse des Verstehens, Einprägens, Behaltens und Erinnerns zu verbessern ....Taktiken sind elementare kognitive Prozesse oder Operationen; Strategien organisieren diese Prozesse in einer problemadäquaten Sequenz. Strategien betreffen die Auswahl spezifischer Taktiken für die jeweiligen Anforderungen einer Lernaufgabe, sie erlauben also die flexible oder ,intelligente' Verwendung von kognitiven Operationen. Strategien überwachen, bewerten und regulieren Einsatz, Verlauf und Erfolg von Taktiken« (Ballstaedt, Mandl, Schnotz & Tergan 1981, S.285, zit. nach Dulisch, S.219). Die »l.erntaktiken«, so faßt Dulisch diese Unterscheidung zusammen, »beziehen sich demnach auf den Lernvollzug und die relativ vollzugsnahen, bewußtseinsfernen Regulationsprozesse, während die Lernstrategien die übergeordneten, bewußten Pläne darstellen, die die Vollzugseinheiten steuern und kontrollieren« (S.219). In K.onkretisierung des hierarchisch-sequententiellen Lernmodells unter· scheidet Dulisch (S.226ff) drei »Komponenten des Lernhandelns«, die »Antizipationskomponente«, die »Realisationskomponente« und die »Kontrollkomponente«. - Unter dem Stichwort »Antizipationskomponente« werden insbesondere die übergeordneten, auf bestimmte Veränderungen der Handlungsvoraussetzungen gerichteten Zielbildungsprozesse diskutiert, da die
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Antizipation der obersten Handlungsziele, wie dargestellt, gemäß der Handlungsregulationstheorie die Bildung von Teilzielen bis hin zu denen, die der Ausführungshandlung unmittelbar vorgeordnet sind, erst ermöglicht (S.226ff). _ Die »Realisationskomponente« charakterisiert nach Dulisch den eigentlichen ..Lernvollzug«, den er in Übertragung des genannten Volpertschen Modells des »Durcharbeitens eines Planes« auf die Lernhandlungen als ,.Durcharbeiten eines Lernplanes« spezifiziert (S.231ff). Dabei wird auf die besondere Bedeutung, die in diesem Zusammenhang dem Norplanen« und der ,.dafür notwendige(n) Fähigkeit zur Voraussicht« zukommt, hingewiesen: ,.Erst die übergreifende antizipative Vorstrukturierung des Lernvollzuges ermöglicht es dem Individuum, sich der Bewältigung der Lernanforderungen ,strategisch' zu nähern« (S.233). - Mit dem Terminus »Kontrollkomponente« ist das Konzept der »Rückmeldung« des Handlungserfolges durch Vergleich des jeweiligen Istzustandes mit dem Zielzustand, das den Kern der Handlungsregulationstheorie bildet, auf das Lernhandeln übertragen (S.235ff). Dabei unterscheidet Dulisch (mit Sacharowa) zwischen »resultativen, aktionsbegleitenden und antizipativen Kontrollprozessen«: Die resultativen Kontrollprozesse beinhalten nach Dulisch den Vergleich zwischen dem jeweiligen Ziel oder Teilziel des Lernhandeins und dem tatsächlich erreichten Lernergebnis, wobei sowohl in der äußeren Welt wahrnehmbare Produkte wie der nur introspektiv zu erfassende Entwicklungsstand der eigenen Lernvoraussetzungen die Vergleichsbasis bilden könnten. Charakteristisch für die lernvollzugsbegleitenden Kontrollprozesse sei, »daß sie den Lernverlauf überwachen, die Übereinstimmung zwischen dem Handlungsprogramm und dessen Realisierung überprüfen, sowie eine flexible, an die jeweiligen äußeren und inneren Gegebenheiten angepaßte Realisierung des Vollzugsprogramms ermöglichen« (S.239). Unter den antizipativen Lernkontrollprozessen schließlich können nach Dulisch »alle die Prüfprozesse verstanden werden, die der Lerner vor der eigentlichen Realisation der entsprechenden Lerntätigkeitseinheit vollzieht. Vorausschauend kann der Lerner beispielsweise prüfen, ... inwieweit er aufgrund seiner gegebenen Lernvoraussetzungen zur Realisation eines Lernzieles in der Lage ist, ... welcher Anstrengungsaufwand zur Erreichung des Lernzieles notwendig ist und ob dieser Anstrengungsaufwand unter motivationalen Gesichtspunkten erfolgversprechend ist, schließlich »inwieweit ein ins Auge gefaßtes Aktionsprogramm einen Beitrag zur Erreichung eines Lernzieles leisten kann«. »Grundlage für die antizipativen Kontrollprozesse« ist dabei nach Dulisch »das metakognitive Wissen des Lerners über die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses, über die Besonderheiten des eigenen Gedächtnisses und über die situations- und aufgabenspezifische Effizienz bestimmter Lernstrategien und -taktiken. Erst dieses Wissen ermöglicht es der Person, mögliche Lernverläufe gedanklich
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durchzuspielen und die entsprechenden Lernergebnisse und -folgen abzuschätzen« (5.240). Ein besonderes, übergeordnetes Anliegen des Buches von Dulisch ist die kritische Diskussion des gängigen Konzeptes des »selbstgesteuerten Lernens« unter handlungstheoretischen Gesichtspunkten (wobei hier mit der Vorsilbe •selbst« nicht, wie im Modell der neuronalen Netzwerke, systemeigene Organisationsprozesse gemeint sind, sondern auf das Subjekt als Ursprung der Handlungsintention verwiesen ist). Dazu erörtert er- unter der Überschrift »l..ernhandeln zwischen Selbststeuerung und Fremdsteuerung« (S.264ff) nacheinander vier, seiner Auffassung nach nicht hinreichend unterschiedene bzw. oft miteinander vermengte Bedeutungen der Bezeichnung •selbstgesteuertes Lernen«: »Selbstregulation•, »Autonomie«, »Selbstbestimmung• und »kollektive Selbststeuerung (Mitbestimmung)«.- Die Prozesse der »Selbst· regulation« verdienen nach Dulisch keine Hervorhebung als spezifische Qualität des Lernens, da (wie in seinen vorgängigen Ausführungen aufgewiesen) jedes menschliche Lernen - unter wie restriktiven Bedingungen auch immer - ein vom Lernenden über die Antizipation von Zielen und Teilzielen kontrollierter, also »selbstregulativer« Prozeß sei (S.266ff). - Ebensowenig habe die »Autonomie« (wie man dieses Konzept heute normalerweise verstehe) etwas mit »Selbststeuerung« des Lernens i.e.S. zu tun: Der Grad der Autonomie würde vielmehr lediglich daran bemessen, wieweit dem Lernenden (bevorzugt in Lehrlernsituationen) die Einbeziehung externer Lerngegenstände (Informationsquellen) und Lernhilfen in die Planung, Realisierung und Kontrolle seines Lernhandeins gestattet ist. Dabei sei das (später von mir noch eingehend diskutierte/K.H.) »entdeckende Lernen« ein Lernprozeß mit hoher •autonomer« Komponente. Hier werden dem Lernenden hier lediglich bestimmte, vorher ausgewählte Materialien angeboten und wird ihm dann selbst überlassen, daran gewisse Gesetzmäßigkeiten, Regelhaftigkeiten o.ä. (auf deren Vermittlung es dem Lehrenden ankommt) herauszufinden, etc. (S.268ff)- Dagegen sei die »Selbstbestimmung« (S.274ff) des Lernhandeins tatsächlich in höherem Grade als wirkliche Verfügung des Lernenden über den Lernprozeß zu verstehen, indem der Grad der Selbstbestimmung davon abhänge, wieweit der Lernende jeweils die Möglichkeit hat, verschiedene Wege zu beschreiten und eigenständig Entscheidungen mit weitreichender Bedeutung zu fällen. »Während sich« - so präzisiert Dulisch das Verhältnis der drei bisher diskutierten Konzepte der ..Selbststeuerung• des Lernens »der Aspekt der Selbstregulation auf den Bereich des Lernvollzugs bezieht und bei dem Aspekt der Autonomie vollzugsnahe Regulationsprozesse im Vordergrund stehen, bezieht sich der Aspekt der Selbstbestimmung eher auf Entscheidungs- und Planungsprozesse, die im Modell der hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganisation auf einer übergeordneten, vollzugsfernen
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Ebene angesiedelt werden können. Je weitreichender die Ziele und Aktionsprogramme sind, auf die sich die Entscheidungsmöglichkeiten des Lerners beziehen, als desto größer kann im allgemeinen der Grad der Selbstbestimmung im Lernen gelten« (S.275). - Unter dem Stichwort der »kollektiven Selbstbestimmung• diskutiert Dulisch schließlich verschiedene Aspekte der ,.Selbststeuerung im Lernhandeln in einem sozialen Bezugsrahmen« (S.283ff). Er zeigt auf, in welcher Weise durch die Einbindung in eine Gruppe die individuellen Lernmöglichkeiten und damit Selbstbestimmung zwar u.U. ausgeweitet, aber unter bestimmten Bedingungen auch eingeschränkt sein kann. Solche Einschränkungen seien nur zu vermeiden, wenn in kooperativen Lernprozessen der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung durch den der Mitbestimmung ergänzt werde, etc. (vgl. dazu meine späteren Ausführungen über kooperatives Lernen).
Lernregulation im Begründungsdiskurs: l-'Om Subjektstandpunkt begründete Optimierung der Ablauftorganisation des Lernvollzugs In der Handlungsregulationstheorie einschließlich des durch sie aufgegriffenen Ansatzes von Miller, Galanter & Pribram ist - wie aus der vorstehenden zusammenfassenden Darstellung hervorgehen sollte - der Bedingtheitsdiskurs der Mainstream-Psychologie auf kategorialer Ebene weitgehend verlassen: Indem hier menschliche Aktivitäten bzw. Handlungen als von Subjekten intendiert, zielgerichtet etc. bestimmt sind, findet man sich mit seinen theoretischen Aussagen objektiv eindeutig im Begründungsdiskurs. Im Vergleich mit der SR-Psychologie (samt ihrer kognitiven, erwartungstheoretischen Erweiterungen) bedeutet dies, daß dabei die Theorien durchgehend nicht als Annahmen überkontingenteempirische Wenn-Dann-Beziehungen, sondern als Annahmen über Zusammenhänge zwischen bestimmten Prämissen und darin begründeten Handlungsvorsätzen/Handlungen formuliert sind: In den Konzepten über ,.Pläne«, ,.hierarchisch-sequentielle Handlungsorganisation« nach dem ,.Rückmeldungsprinzip« etc. ist nichts darüber ausgesagt, wie beliebige vorfindliehe Individuen tatsächlich handeln, sondern wie man unter je gegebenen Prämissen »Vernünftigerweise« handelt, also auch lernt (bzw. handeln oder lernen sollte, s.u.). Im Vergleich mit den kognitivistischen Grundvorstellungen heißt dies, daß hier das Handlungssubjekt nicht auf verschiedene Weise ins ..System« introjiziert und durch diese Mystifikation eine Bedingtheit der Systemparameter vom ,.sensorischen Input« o.ä. vorgetäuscht ist, sondern als Ursprung der Handlungen zweifelsfrei das empirische Subjekt
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außerhalb des Systems bestimmt wird - zugespitzt in der von der Handlungsregulationstheorie vollzogenen »materialistischen« Gleichsetzung von Handlungsausführung und stofflicher Realitätsveränderung durch das handelnde Subjekt. So eindeutig m.E. der kategoriale Charakter der Handlungsregulationstheorie als Handlungstheorie im Begründungsdiskurs ist, so klar ist es auch, daß von deren Vertretern diese ihre eigene Position nicht hinreichend theoretisch reflektiert und in den Konsequenzen entwickelt ist: Hier wird keineswegs deutlich erkannt, daß eine Handlungstheorie im Sinne einer Handlungsbegründungstheorie notwendig den verallgemeinerten Subjektstandpunkt als Standpunkt der Theorie impliziert, und es werden so subjektwissenschaftliche Konzepte mit Konzepten vom Außenstandpunkt vermischt. Daraus wiederum ergibt sich, daß aus dem eigenen Ansatz die methodologischen Konsequenzen einer Abkehr vom experimentell-statistischen Forschungsschematismus der nomologischen Psychologie nicht gezogen werden können und man so weitgehend der Fiktion, Annahmen über Begründungszusammenhänge könnten empirisch »geprüft« werden, verhaftet bleibt. Indessen, eine umfassende kritische Diskussion der Handlungsregulationstheorie liegt nicht in der Linie unseres gegenwärtigen Darstellungszusammenhangs (vgl. dazu Haug, Nemitz & Waldhubel, 1980, sowie Holzkamp, 1986b). Vielmehr sollen die verschiedenen Bestimmungen dieser Theorie hier nur soweit diskutiert werden, daß ihre Relevanz und ihr Stellenwert innerhalb der zu entwickelnden Begründungstheorie des Lernens deutlich wird. Beim Versuch der Einordnung des Lernkonzeptes der Handlungsregulationstheorie in unseren umfassenderen begründungstheoretischen Ansatz springt sogleich das von Hacker eingeführte, in der Handlungsregulationstheorie weitgehend anerkannte Konzept der »Regulationsebenen« als widerständiges Moment ins Auge: Die Unterscheidung zwischen »sensumotorischercc, »perzeptiv-begrifflicher« und »intellektueller Handlungsregulation« ist offensichtlich weniger auf Erfahrungsgegebenheiten vom Subjektstandpunkt rückbeziehbar, sondern stellt eher einen reifizierenden Schematismus vom »Standpunkt dritter Person« dar, wobei der hier implizierte Stufenaufbau vom »Sensorischen« zum »Kognitiven« gewisse Ähnlichkeiten mit den von uns kritisierten Aufbauprinzip der verschiedenen »Speicher« bzw. Nerarbeitungsebenencc in der kognitivistischen Gedächtnisforschung aufweist (ich komme später darauf zurück). Jedoch scheint mir hier einerseits in jedem Falle ein Problem angesprochen, das auch in unseren weiteren Darlegungen geklärt werden muß: Die Frage nach der Konzeptualisierung des Verhältnisseszwischen »mentalen« Handlungen und »motorischen« Handlungen, u.U. als stoffliche Eingriffe in reale Umstände. Dabei ist andererseits die Fassung
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dieses Verhältnisses in Termini der »Regulationsebenen« offenbar keine notwendige Bestimmung der für die Handlungsregulationstheorie kennzeichnenden Konzeption hierarchisch-sequentieller Handlungsorganisation, sondern stellt eher eine zusätzliche Modellvorstellung dar. (Dies geht schon aus dem Tatbestand hervor, daß Miller, Galanter & Pribram 1960 in ihrem 6. Kapitel - wie erwähnt, am Beispiel des Fliegenlernens - die Beziehungen zwischen verbalen (Selbst}instruktionen und motorischer Umsetzung analysieren, ohne dabei auf schematische Vorstellungen fixierter Regulationsebenen o.ä. zurückzugreifen, s.u.) Somit spräche im Prinzip nichts dagegen, im Rahmen der Grundvorstellungen der Handlungsregulationstheorie das Verhältnis zwischen dem mentalen Aspekt und dem Aspekt der Bewegungsumsetzung meines Handeins ohne Benutzung von Konzepten, die vom Subjektstandpunkt nicht ausweisbar sind, zu diskutieren. - Ähnliches gilt grundsätzlich für Hackers aus der sowjetischen Psychologie übernommenes (und ebenfalls in der Handlungsregulationstheorie verbreitetes) Konzept des »operativen Abbildsystems«: Dieses Konzept ist zwar wiederum als verdinglichend»subjektloses« Konstrukt unter verschiedenen Aspekten problematisierbar, aber, soweit ich sehe, ebenfalls kein konstitutiver Bestandteil der Handlungsregulationstheorie: Man gerät mit ihren zentralen Bestimmungen keineswegs in Widerspruch, wenn man derartige Vorstellungen beiseitelassen und die Weltbeziehung des Subjekts im Rahmen begründungstheoretischer Denkansätze diskutieren will (s.u.). Ein weiteres prinzipielles Hindernis beim Versuch der Einbeziehung der Grundbestimmungen der Handlungsregulationstheorie in unsere begründungstheoretische Lernkonzeption könnte in ihrem oft von deren Kritikern hervorgehobenen und auch von deren Vertretern diskutierten normativen bzw. präskriptiven Charakter und der daraus resultierenden »Starrheit« des Modells der Handlungskontrolle liegen: Ist damit nicht unversehens der Standort des Subjekts in Richtung auf einen mit dem subjektwissenschaftlichen Ansatz prinzipiell nicht zu vereinenden äußeren »Kontrollstandpunkt« überschritten? Tatsächlich nähert sich diese Theorie, schon aufgrund ihrer ursprünglichen Hackersehen Aufgabenstellung als Mittel der Optimierung industrieller Produktion, gelegentlich dem Übergang von einer Handlungsregulations- zu einer Handlungsreglementierungstheorie. Aus die~em Kontext versteht sich dann auch die Gleichsetzung zwischen Handlungstntentionen mit eindeutigen Handlungszielen, in deren Antizipation das Handeln über die verschiedenen Teilziele bis zur Handlungsausführung streng durchrationalisiert werden soll.- Jedoch scheinen mir auch mit Bezug darauf Zweifel berechtigt, ob man es dabei tatsächlich mit essentiellen Bestimmungen der Handlungsregulationstheorie zu tun hat: Gegen die Vorstellung, das Konzept der sequentiell-hierarchischen Handlungsorganisation
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sei als solches ein präskriptives Modell zur Normierung des (Arbeits)handelns an Produktionszielen o.ä. spricht nämlich zunächst schon der Umstand, daß Miller, Galanter & Pribram (1960), obwohl in ihrem Plan-Konzept der hierarchische wie der sequentielle Aspekt des Handeins im Prinzip voll ausgeprägt sind, ihre Theorie keineswegs präskriptiv als ein Modell der Rationalisierung menschlicher Aktivitäten fassen. Im Gegenteil, sie betrachten dieses Modell eher als eine Konzeption zur deskriptiven Explikation von lebenspraktischen Planungsansätzen, oft auch nur -bruchstücken, in der alltäglichen Lebensführung (so illustrieren sie ihr Plankonzept etwa am Beispiel der Tagesplanung eines Individuums nach dem morgendlichen Aufstehen und stellen in diesem Zusammenhang fest: We »recognize that you do not draw out long and elaborate blueprints for every moment of the day. You do not need to. Rough, sketchy, flexible anticipations are usually sufficientc (S.5). Im gleichen Sinne stellt Volpert - in Verteidigung gegen den Vorwurf der »Starrheit« etc. des hierarchisch-sequentiellen Modells - heraus, er habe sich »bemüht, allgemeine Handlungsziele und die Pläne zur Erreichung dieser Ziele weniger als Ausgangspunkt eines quasi-automatischen Ablaufs, als vielmehr als Anstöße für variables und autonomes Handeln aufzufassen«. In der benannten Kritik werde das »sequentielle Moment im Modell der hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganistion restriktiver verstanden ... , als dies das Modell erfordert oder impliziert« [1984b, S.75). Ebenso sei eine »Weniger systematische als vielmehr episodische Unterordnung von Teilzielen unter Oberziele mit dem Modell gut vereinbar« (S.75): Auch das »hierarchische Moment« werde also •gemeinhin in einer restriktiven Weise aufgefaßt ... , welche die Logik des Modells gar nicht erfordert« (S.76). Sofern man die Bestimmungen der Handlungsregulationstheorie in ihrem allgemeinen, von den genannten Fixierungen und Restriktionen befreiten Charakter versteht, verdeutlicht sich, daß sie tatsächlich· als generelle Kenn· zeichen des Handeins vom Subjektstandpunkt explizierbar sind: So werden in meinen Handlungen - da ich bestimmte Teilaktivitäten vernünftigerweise vor bzw. nach anderen Aktivitäten vollziehe - bestimmte sequentielle Anordnungen erfordert sein; ebenso läßt sich der Umstand, daß ich dabei vernünftigerweise bestimmte Über- und Unterordnungen- sei es nach der Wichtigkeit, der logischen Priorität, des praktischen Voraussetzungs-Polge-Verhältnisses o.ä. - berücksichtigen muß, als hierarchische Struktur meines Hand· lungsvollzuges kennzeichnen. Um der hier durch die Terminologie nahegelegten Gefahr narrnativistischer Fehldeutungen zu entgehen, sollte man sich verdeutlichen, daß die gleichen Organisationsaspekte des Handelfis auch alltagssprachlich umschrieben werden können: Ich bin in vielerlei Handlungskontexten laufend damit beschäftigt, mir zurechtzulegen, was ich vernünfti· gerweise zuerst und was ich danach tue, wie ich verschiedene Anforderungen
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so unter einen Hut bringen kann, daß ich damit auch fertig werde, auf welche Weise ich der Gefahr, mich zu verzetteln, durch Besinnung auf das, was für mich am wichtigsten bzw. vorrangig ist, begegnen kann, etc. In gewisser Weise sind sogar meine Alltagshandlungen, gleichviel was ich gerade tue, kaum anders zu vollziehen, als im Modus solcher an meinen Handlungsintentionen ausgerichteter Planungen (wie bruchstückhaft und ,.ad hoc« sie auch immer angesetzt sein mögen}. Die ,.hierarchisch-sequentiellen« Modellvorstellungen der Handlungsregulationstheorie treffen in womöglich noch eindeutigerer Weise auch meine Lernhandlungen: Das intentionale Lernen, wie wir es bisher innerhalb unserer Reinterpretationsbemühungen diskutierten, impliziert im Begründungsdiskurs stets in irgendeiner Weise geplantes Vorgehen mit strategischen und taktischen Vorkehrungen und entsprechend organisierter l..ernregulation. In dem Maße, wie eine solche Ausrichtung des Lernhandeins bei mir zurücktritt, nivelliert sich mein verselbständigt intendiertes Lernen (definitionsgemäß} mehr oder weniger zu bloß inzidentellem Lernen. Demnach können derartige (von reifikativen oder normativen Verzerrungen befreite} Konzepte bei der Weiterentwicklung unserer begründungstheoretischen Lernkonzeption auf jeden Fall ihren Platz beanspruchen. - Wie aber ist der Stellenwert einer als Begründungstheorie identifizierten Handlungsregulationstheorie umfassender einzuordnen, wenn wir jetzt wiederum unsere allgemeinen kategorialen Bestimmungen der Beziehung des aktiven Subjekts zu den Handlungsmöglichkeiten sachlich-sozialer gesellschaftlicher Bedeutungsstrukturen explizit in die Analyse einbeziehen? Und was ergibt sich, wenn wir die dabei erlangten Resultate mit den im gleichen Bezugsrahmen gewonnenen Aussagen über die Möglichkeiten/Beschränkungen SR-theoretischer bzw. kognitivistischer Lernkonzeptionen ins Verhältnis setzen?
Gesamteinschätzung: Regulation als sekundär begründeter LErnaspekt unter Ausklammerung primär-bedeutungsbezogener Lernbegründungen In der Handlungsregulationstheorie ist (wie bereits eingangs festgestellt} schon mit dem ihr zugrundeliegenden kybernetischen Rückmeldungsprinzip der Außendeterminismus der (auch kognitiv erweiterten) SR.:fheorien des Lernens überwunden; ebenso findet sich die durch die Art des Gegenstandsbezugs kognitivistischer Gedächtnisforschung gesetzte ,.Einkapselung« des Subjekts in bloß sprachimmanent-mentale Strukturen im Grundansatz der Handlungsregulationstheorie nicht wieder. Wieweit hat diese damit aber
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auch schon die Beschriinkungen des Weltbezuges der SR-Psychologie und des Kognitivismus, wie wir sie in den früheren Gesamteinschätzungen hervorgehoben haben, hinter sich gelassen?- Um uns der Klärung dieser Frage anzunähern, versuchen wir zunächst möglichst priizise zu bestimmen, worauf sich die Begriffe der Handlungsregulationstheorie (immer: in ihrer lerntheoretischen Version) eigentlich beziehen: Offensichtlich hat man es hier mit einer bestimmt geaneten konzeptuellen Differenzierung des intentionalen Lernens, zu tun: Hier wird eine Begrifflichkeit bereitgestellt, mit welcher genauer faßbar werden soll, wie man vernünftigerweise seine Lernhandlungen zu regulieren und zu organisieren hat, wenn man die jeweilige Lernintention realisieren will. Dabei erweist sich, daß diese Begrifflichkeit auf die verschiedenen früher diskutienen Lernkonzepte ziemlich universell anwendbar ist, nämlich immer dann, wenn dabei irgendwelche intentionalen Aspekte des Lernens (ggf. mittels begründungstheoretischer Reinterpretation) herausgehoben sind: In solchen Fällen lassen sich stets mehr oder weniger eindeutig auch bestimmte planerische oder organisatorische Gesichtspunkte aus den intentionalen Begründungszusammenhängen explizieren. So ist es sicherlich nicht schwer, schon an den Begründungsmustern, wie ich sie früher in Beispielen von Steiner bzw. Lefrancois für Klassisches bzw. Instrumentelles Konditionieren aufdecken wollte - den Versuchen des Kindes in der Arztpraxis, neuerlicher Schmerzufügung zu entkommen, den Bemühungen der Lehrerin, »Michael den Störefried« zu disziplinieren, dem Verhalten des 1. und 2. Anglers angesichts unterschiedlichen Beißverhaltens der Fische - zielbezogen-regulatorische Momente zu entdecken. Dies gilt um so mehr für Konzepte, in denen menschliche Handlungen von vornherein schon in Termini, die denen der Handlungsregulationstheorie nahestehen, nämlich als ..Strategien«, »Taktiken« etc. beschrieben werden, so wenn etwa in der kognitivistischen Gedächtnisforschung von »Suchstrategien« o.ä. die Rede ist. Auch die von uns als lerntheoretisches lmplikat des ,.Gedächtnis•-Konzeptes herausgehobene verselbständigte .. Permanenzintention« des Lernens läßt sich in handlungsregulatorische Modellvorstellungen einbeziehen, nämlich dann, wenn man als ,.ziele, das mit der jeweiligen hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganisation zu erreichen ist, eben (wie Dulisch 1986, S.150) »eine relativ dauerhafte Veränderung der eigenen Gedächtnisstrukturen« benennt.
Aus alldem verdeutlicht sich, daß die Handlungsregulationstheorie, quasi als Kehrseite ihrer universellen Anwendbarkeit, gegenüber der Besonderheit der jeweils konkreteren lerntheoretischen Vorstellungen weitgehend neutral ist. Daraus versteht sich auch, daß die Handlungsregulationstheorie, wenn man sie zu einer irgendwie »vollständigen« Handlungs- bzw. Lerntheorie ausbauen will, ohne Probleme durch traditionelle Theorien, in denen Aussagen über die von der Handlungsregulationstheorie nicht abgedeckten Problemaspekte enthalten sind, ergänzt werden kann (so findet sich etwa in Dulischs Teilkapiteln über den Motivationsaspekt menschlichen Handeins und zur
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Lernmotivation, 1986, S.88ff bzw. S.242ff, nicht viel mehr als eine Überblicksdarstellung der heute gängigen Motivationstheorien; ebenso wird zur Konkretisierung des »Lernziels« der dauerhaften Veränderung eigener Gedächtnisstrukturen auf einschlägige Konzepte der kognitivistischen Gedächtnisforschung zurückgegriffen: vgl. Dulischs 2. Kapitel). Wir können also zunächst festhalten: Während (wie dargestellt) der Vergleich und die kumulative Aufarbeitung der SR.:Yheorie des Lernens und der kognitivistischen Gedächtnisforschung durch deren Bezug auf unterschiedliche Gegenstandsbereiche (averbales und verbales Lernen) kompliziert wurde, ist die Handlungsregulationstheorie offensichtlich aus anderen Gründen nicht so ohne weiteres mit den bisher diskutierten Theorien vergleichbar. Sie hebt nämlich an unterschiedlichen Lernkonzeptionen abstraktiv lediglich einen bestimmten Aspekt heraus: die Regulierbarkeit des Lernens durch Handlungs· organisation aufein Ziel hin, o.ä. Somit wäre weiter zu fragen, welche theoretischen Implikationen sich aus der Hervorhebung des regulatorischen Lernaspekts ergeben, d.h. auch: was mit der Einführung dieses Aspekts in die zu entwickelnde subjektwissenschaftliche Lerntheorie gewonnen sein könnte, insbesondere, wo es darum geht, die früher benannte »Weltlosigkeit« der traditionellen Lernkonzepte theoretisch zu überwinden. Mit dem Modell der Handlungsregulationstheorie ist (wie gesagt) in Zurückweisung gängiger Hypostasierungen der Reaktivität von Verhaltensänderungen der aktive Charakter menschlicher Lernhandlungen begrifflich faßbar gemacht. Ist damit aber auch schon das Lernen als subjekthaft-aktiv in unserem Sinne theoretisch konzeptualisiert worden? - Für diese Bestimmungen ist wesentlich, daß die Welt kategorial als Inbegriff von »Bedeutungen«, d.h. gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten verstanden wird, durch deren aktive Realisierung ich Verfügung über die individuell relevanten gesellschaftlichen Lebensbedingungen erreichen kann. Ein so gefaßter Bedeutungsbezug ist aber durch die Begrifflichkeit der Handlungsregulationstheorie keineswegs abbildbar. Statt gesellschaftlicher Bedeutungen kommen hier vielmehr nur individuelle »Lernziele« in den Blick, die durch eine angemessene Organisation meiner Lernaktivitäten besser erreichbar werden sollen. Welche inhaltliche Bedeutung die jeweiligen Zielsetzungen für mich haben, bleibt dabei außen vor. Anders: Mit dem Modell der Handlungsregulationstheorie ist zwar ausgesagt, daß es - vorausgesetzt ein bestimmtes Lernziel soll erreicht werden - gute Gründe dafür gibt, dies in den angegebenen hierarchisch-sequentiellen Planungsschritten zu versuchen: Welche guten Gründe man haben könnte, das jeweilige Lernziel überhaupt erreichen zu wollen, bleibt dagegen unhinterfragbar. Die in der Handlungsregulationstheorie enthaltenen Begründungsmuster haben mithin einen in gewisser Weise sekundären Charakter: Die primären Gründe für die Realisierung einer Lernhandlung
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Begründungsanalytische Kritik/Reinterpretation lerntheoretischer Ansätze
sind bei der Formulierung von Griinden, diese so und so zu organisieren, einerseits implizit vorausgesetzt, andererseits aber in der Handlungsregulationstheorie als solche nirgends angesprochen. Diese kategoriale Verkürzung ergibt sich offenbar schon aus dem hier zugrundeliegenden kybernetischen Rückmeldungsprinzip. Die Rückmeldung wird dabei nämlich zwar einerseits als Ergebnis der Aktivität des Individuums gefaßt - in diesem Punkt ist also das traditionelle Reiz-ReaktionsSchema überwunden-, andererseits aber ist die Rückmeldung selbst nicht in Termini von Eigenanen der wirklichen Welt, sondern nur in Termini von deren unmittelbarer Einwirkung auf die Handlungen des Individuums konzeptualisien- und in diesem Punkt bleibt man im ..Reiz«-Denken befangen. So reduziert sich die Welt auf jeweils einzelne, von mir durch meine Aktivitäten provoziene ..Antwonen«, die Vermitteltheit der Rückwirkungen meines Tuns durch die von mir unabhängigen inneren Zusammenhangsstrukturen der Weltgegebenheiten bleibt aber unerkennbar. Dementsprechend sind kategoriale Bestimmungen über in sich zusammenhängende Bedeutungsstrukturen als Inbegriff gesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen im Modell der Handlungsregulationstheorie prinzipiell nicht theoretisch zu konkretisieren: Die ..Welt« ist für derartige psychologische Grundansätze lediglich ein soziologisch, ökonomisch oder physikalisch beschreibbarer Tatbestand außerhalb der Zuständigkeit der Psychologie; die Möglichkeit von psychologischen Konzeptualisierungen einer •Welt (in ihren objektiven Strukturen) für das Subjekt« liegt jenseits ihres Horizonts. Der vorstehende Aufweis kategorialer Verkürzungen der Handlungsregulationstheorie deckt sich im Prinzip mit Leontjews tätigkeitstheoretischer Kritik am kybernetischen Rückkoppelungsmodell, wie ich sie 1990 in einem Anikel mit dem Titel ·Die ~eltlosig keit' der traditionellen Psychologie und Leontjews Version des Widerspiegelungsprinzipsc referien habe (Zitate im folgenden nach diesem Text). Leontjew hebt als das Grundmerkmal des Tätigkeitskonzepts die Explikation der ..Vermitteltheit« der Beziehungen des Organismus/Individuums zur Welt hervor. Dabei trete der Gegenstand der Tätigkeit auf ,.zweierlei Weise in Erscheinung: primär in seiner unabhängigen Existenz, ... sekundär als Abbild des Gegenstandes, als Produkt der psychischen Widerspiegelung seiner Eigenschaften«. Auf der Grundlage der so verstandenen •Gegenständlichkeit« der Tätigkeit charakterisien Leontjew die Beziehung des Subjekts zur Welt als Inbegriff von •SubjektObjekt-Objekt-Beziehungen«, wobei das Psychische •mit einem Inhalt versehen wird, der von« dessen ..eigenem Inhalt verschieden ist, mit einem Inhalt, der der gegenständlic;hen Welt selbst zugehön. Das Problem dieser ,Zuteilung' schafft den Gegenstand der psychologischen Wissenschaft!« {nach S.48t). Diese Auffassung von der Gegenstandsvermitteltheil der Tätigkeit bildet nun die Grundlage für Leontjews Kritik am ..Unmittelbarkeitspostulatc der traditionellen Psychologie, darunter auch von •kybernetischen« bzw. •informationstheoretischen« Konzepten wie ..Verhaltensregulierung durch Rückkoppelung« (nach S.53): Zwar ist, so Leontjew, in
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der Tätigkeit in gewissem Sinne eine »Ringstruktur• enthalten, indem die gegenständliche Umwelt bereichernd auf die psychische Widerspiegelung zuriickwirkt. Jedoch bestehe die ,.Hauptsache hier nicht in der Ringstruktur an sich, sondern darin, daß die psychische Widerspiegelung der gegenständlichen Welt nicht unmittelbar durch äußere Einwirkungen (einschließlich der ,Rückwirkungen') hervorgerufen wird, sondern durch diejenigen Prozesse, in denen das Subjekt praktische Kontakte mit der gegenständlichen Welt aufnimmt, Prozesse, die daher notwendigerweise deren unabhängigen Eigenschahen, Zusammenhängen und Beziehungen unterworfen sind•. Man könne die methodischen Schwierigkeiten der Psychologie nicht dadurch beseitigen, daß man das dem Unmittelbarkeitspostulat folgende •Ausgangsschema 'von innen heraus' kompliziert ... Um sie zu beseitigen, muß man ... prinzipiell ... das Postulat der Unmittelbarkeit aufgeben• (nach S.53). Derartige Verkürzungen bei der Konzeptualisierung des menschlichen Weltbezugs aufgrunddes Rückkoppelungsprinzips riihren m.E. daher, daß man zwar die Notwendigkeit psychologischer Konzepte zur Erfassung der aktiven Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt erkannt, solche Konzepte dann aber vorschnell in physikalisch-technischen Modellen, hier im Regelkreismodell, formalisiert hat: Auf diese Weise ist so etwas wie die .Bereicherung• des Psychischen durch praktischen Umweltkontakt nicht mehr begrifflich abbildbar; dies deswegen nicht, weil die wirkliche Welt, wie sie je mir gegeben ist, im Banne solcher Modelle generell ausgeklammert bleibt. Damit wende ich mich keineswegs generell gegen Formalisierungsversuche in der Psychologie: Nur kann die adäquate inhaltliche Fassung der jeweiligen Beziehung nicht durch die Formalisierung erreicht werden, sondern muß dieser vorhergehen und in der Art der Formalisierung beriicksichtigt werden.
Wenn man nun auch hier wieder die Grenz- und Sondersituationen umschreiben wollte, auf welche (diesmal) das Lernkonzept der Handlungsregulationstheorie aufgrund der aufgewiesenen Verkürzungen allein anwendbar wäre, so muß einem zunächst klar sein, daß vom Standpunkt des Subjekts eine Eliminierung der inhaltlichen Lerngründe zugunsten bloß sekundärregulatorischer Lernbegründungen genau genommen nicht denkbar ist: Ich habe - sofern ich tatsächlich lerne - natürlich immer inhaltliche Gründe dafür (gleichviel, ob diese Gründe nun in der Erweiterung meiner Verfügungsinteressen fundiert sind, womit die Lernintention »motiviert« umsetzbar wäre, oder ob ich lediglich Gründe habe, mich durch das Lernen bestimmten Zwangslagen entziehen zu wollen: Ich komme darauf zurück). Vom »Drittstandpunkt« aus sind Reduzierungen auf lediglich sekundär-regulatorische Lerngründe hingegen durchaus denkbar (und wohl nicht nur in Grenz- und Sondersituationen): Solche Reduzierungen werden nämlich immer dann vorliegen, wenn die Theorie bzw. deren Anwender an den inhaltlichen Lerngründen des Betroffen nicht interessiert ist, sondern nur organisatorische Vorkehrungen getroffen werden sollen, um ein möglichst effektives, ökonomisches etc. Lernen zu ermöglichen. Praktisch impliziert dies stets eine irgendwie geartete Überordnung von Lehrsituationen über Lernsituationen auf die Weise, daß die Entscheidung über Lerninhalte der •lehrenden« Instanz i.w.S.
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(also etwa auch dem Auftraggeber, der »Gesellschaft« etc.) vorbehalten ist, während dem Lernenden nur die möglichst ökonomische, effektive, also etwa nach dem Modell der Handlungsregulationstheorie gesteuerte Realisierung der fremdgesetzten Lernziele zugestanden wird (s.u.). Dies gilt - wider den ersten Augenschein - auch da, wo man im Rahmen solcher theoretischer Vorstellungen unter den Vorzeichen selbstbestimmten Lernens dem Lernenden die Setzung seiner Lernziele selbst überlassen will: Da hier nämlich mangels entsprechender kategorialer Konzepte der Interessenbezug des Lernziels vom Standpunkt des Lernsubjekts nicht thematisierbar ist, kann aufgrund dieser Sichtbeschränkung notwendig auch die »freiwillige« Übernahme von Lernzielen nur als freiwillige Akzeptanz fremdgesetzter Ziele- u.U. als freiwillige Wahl zwischen fremdgesetzten Alternativen (»wollt Ihr einen Hund oder ein Schwein zeichnen?«)- abgebildet werden. Die traditionelle Verkürzung von »Motivation« auf »inneren Zwang« (s.u. S.169f) wäre also auch hier nicht überwunden. (Über solche theoretischen Restriktionen kommt man in den Schranken der Handlungsregulationstheorie auch dann nicht hinaus, wenn man, wie Dulisch, sich für selbstbestimmtes Lernen engagieren will: Die damit verbundenen emanzipatorischen Absichten werden hier notwendigerweise durch die Theorie sabotiert.) Wenn man sich nun vergegenwärtigt, daß die benannten Arrangements, in welchen »Lernen« nur unter dem sekundären Aspekt der Lernorganisation initiiert und zur Kenntnis genommen wird, die Situation des Lernsubjekts von dessen Standpunkt charakterisieren, so können wir (quasi auf einem Umweg) nun doch noch zu Aussagen über die »Sondersituationen«, auf die die Handlungsregulationstheorie beziehbar ist, kommen: Es handelt sich dabei um solche Situationen, in denen das Subjekt, indem nur das »Wie«, aber nicht das »Üb« der Verfolgung eines Lernziels zur Disposition steht, seine inhaltlichen Lerninteressen (bzw. deren Abwesenheit) ignoriert sieht, also dies die hier vorliegende Variante 4er schon mehrfach aufgewiesenen Diskrepanz zwischen den »Bedingheitsdeutungen« der Theorie und den begründeten Handlungen des davon betroffenen Subjekts - ggf. seine Handlungen »Verünftigerweise« so organisieren wird, daß es den gestellten Lernanforderungenauf möglichst effektive Weise ausweichen kann (s.u.). Wenn wir nun also die theoretischen Potenzen des Konzepts der Handlungsregulation - Überwindung außendeterministischer und mentalistischer Reduktionen - für die von uns zu entwickelnde subjektwissenschaftliche Lerntheorie nutzen wollen, so muß (wie aus unseren damit abgeschlossenen Analysen hervorgeht) zum einen der Anspruch der Handlungsregulationstheorie, eine eigenständige Theorie des Lernhandeins in Konkurrenz mit
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anderen Theorien konzipiert zu haben, auf kategorialer Ebene problematisiert werden: Die Handlungsregulation kann vielmehr lediglich als ein sekundärer Aspekt von primär auf inhaltliche Bedeutungskonstellationen bezogenen Lernhandlungen berücksichtigt werden - womit die Theoretisierung dieses lernenden Bedeutungsbezugs also durch die Handlungsregulationstheorie nicht geleistet, sondern im Gegenteil für ihre sinnvolle Einbeziehung vorausgesetzt ist. Dabei muß es weiterhin von der Art der dabei zu erarbeitenden subjektwissenschaftlichen Konzeptualisierung des lernenden Weltaufschlusses (in Überwindung der benannten Weltlosigkeit traditioneller Lerntheorien einschließlich der Handlungsregulationstheorie) abhängen, wie das Verhältnis zwischem inhaltlichem und regulatorischem Aspekt des Lernens näher zu bestimmen ist.
Kapitel3 Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Theorie lernenden Weltaufschlusses
3.1 Ansatz der Theorieentwicklung: Typische Lernproblematiken
Vorbemerkung: Das Problem des Anfangs Im Anschluß an die vorstehende begründungsanalytische Reinterpretation vorfindlieber Lerntheorien soll nun der Versuch gemacht werden, in »Aufhebung« der dabei gewonnenen Resultate positiv die Hauptlinien einer Begründungstheorie des Lernens herauszuarbeiten_ Dabei sind wir von vornherein mit dem erwähnten Umstand konfrontiert, daß das Lernkonzept in den verschiedenen früher diskutierten Theorien auf sehr unterschiedliche, teilweise unvergleichbare bzw. sich überschneidende Weise (als Konditionierungslernen, Erwartungslernen, Behalten/Erinnern, averbales Lernen, verbales Lernen, Lernregulation etc.), bestimmt ist, die wir mit der zu schaffenden Lerntheorie irgendwie in Beziehung bringen müssen. Wie aber beginnen?- Diese Frage nach dem Anfang ist keineswegs nebensächlich oder eine bloß äußerliche Angelegenheit der Darstellungsweise. Vom Anfang hängt es vielmehr ab, wieweit wir unsere theoretische Begrifflichkeit von den allgemeinen Bestimmungen des Lernens zu dessen verschiedenen konkreten Erscheinungsformen ohne Sprünge und Brüche entwickeln können, wieweit es uns also gelingen kann, die Aspektvielfalt unseres Gegenstandes so zu berücksichtigen, daß dabei gewisse Aspekte nicht einseitig vordergründig werden, andere jedoch vernachlässigt oder ausgeschlossen sind, und daß so die wesentlichen Momente schließlich in ihrem Verhältnis zueinander transparent werden (vgl. dazu die Analyse von W.F. Haug, 1974, S.16ff., zum »Anfang« des Marxschen »Kapital«). Das damit umrissene Problem des angemessenen Ausgangskonzepts zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen allgemeinen Bestimmungen und der Erfassung der je konkreten Beschaffenheiten von Lernhandlungen wird häufig dadurch zu lösen bzw. zu umgehen versucht, daß man eine Einteilung der verschiedenen bisher in der Psychologie thematisierten Lernformen erstellt und diese von da aus nacheinander systematisch abarbeitet.
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Grundbegrifllichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
So unterscheidet etwa Gagne (1973) auf diesem Wege acht •Lerntypenc, nämlich •Signallernen« (klassisches Konditionieren), ·Reiz-Reaktions-Lernen« (instrumentelles Konditionieren), •Kettenbildung« (Assoziationslernen) mit den Unterformen der motorischen Kettenbildung und der •sprachlichen Assoziation«, weiterhin ·Diskriminationslernen«, ,.ßegriffslernen«, •Regellernen« und •Problemlösenc: Er bewegt sich also mit dieser Auflistung schrittweise aus der auf bloß averbal-motorisches Lernen bezogenen SRPsychologie hinaus und in die Kognitive Psychologie hinein. Edelmann (1986) kommt an· gesichts der .Vielfalt der Lernprozesse« auf gleichem Wege zu einer ähnlichen Einteilung: Er unterscheidet •assoziatives Lernen« (dem er das klassische Konditionieren subsumiert) »instrumentelles Lernen•, ,.ßegriffsbildung und Wissenserwerbc sowie •planvolles Handeln und Problemlösen«. Solche Aufteilungen finden sich - häufig in weniger ausdifferenzierter Form - in den allermeisten moderneren Gesamtdarstellungen, aber auch Definitionsversuchen des Lernens. So ergänzte in dem Hilgard/Bowerschen Standardlehrbuch über Lerntheorien Bower (1984) bei der Neufassung des zweiten Teils die bisherige, auf averbal-motorisches Lernen im Sinne der SR-Psychologie zentrierte Darstellung umstandslos um ein gesondertes Kapitel über ..Lernen• als Informationsverarbeitung. Aber auch Bateson (1972) und im Anschluß an ihn Engeström (1987) bieten Einteilungen verschieden »hoher« Lernformen mit dem Konditionierungslernen als grundlegender Lernform an (s.o., S.238). Selbst Piaget (etwa 1981, S.63) unterscheidet das .. Lernen« im weiteren Sinne, wie es es in seiner kognitiv-genetischen Theorie faßt, vom ,.Lernen« im engeren Sinne als bloßem Konditionierungslernen, mit dem seine Theorie nichts zu tun habe. (Zur allgemeinen methodologischen Problematik solcher Lernkategorisierungen vgl. Keiler & Schurig 1978.)
In derartigen aggregativen Einteilungsverfahren bildet - abgesehen von sonstigen Differenzen - die Unterscheidung zwischen averbalem und verbalem Lernen bzw. motorischem Lernen und kognitiv-mentalem Lernen den kleinsten gemeinsamen Nenner, so daß man davon ausgehen kann, daß hier in irgendeiner Weise Grundaspekte des Lernkonzeptes angesprochen sind. Damit ist jedoch der Zusammenhang zwischen allgemeinen Bestimmungen und konkreten Erscheinungsformen des Lernens ersichtlich keineswegs konzeptuell geklärt, sondern - indem die unterschiedliche theoretische Herkunft und teilweise kontroverse Beziehung der verschiedenen Lernkonzepte aus einem historischen Verhältnis in ein systematisches Verhältnis verkehrt wer· den -lediglich suspendiert: Nicht einmal, wieweit und in welchem Sinne das, was man da zusammengestellt hat, als »Lernen« zu verstehen ist, kann so noch fragwürdig werden. Damit wird die Möglichkeit einer Zuständigkeitsabgrenzung verschiedener Lerntheorien vorgetäuscht, womit sich etwa Vertreter bestimmter Lernkonzepte qua Unzuständigkeit um die anderen Konzepte nicht kümmern müßten und der Chronist dazu berechtigt wäre, wenn er von einer Lernform redet, über die anderen zu schweigen: Eine solche Stillstellung von Kontroversen ist eine Spielart jener eklektizistischen Lösungen, wie sie heute in der traditionellen Psychologie als Heilmittel gegen all ihre Widersprüchlichkeiten und Begriffslosigkeiten verbreitet sind.
Ansatz der Theorieentwicklung: Typische Lernproblematiken
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Als geeigneteres Ausgangskonzept zur begrifflichen Durchdringung des Verhältnisses zwischen allgemeinen und besonderen Bestimmungen des Lernens bietet sich - besonders im Kontext i.w.S. tätigkeitstheoretischer Ansätze _ die individualgeschichtliche Rekonstruktion der Entstehung verschiedener Lernformen an: Dabei werden bestimmte ontogenetisch frühe Arten des Lernens als Grundformen herausgehoben, um von da aus höhere Lernarten als stufenweise Komplizierungen, Verinnerlichungen o.ä., der jeweiligen Grundform auf den Begriff bringen zu können. So betrachtet man etwa - wie Wygotski (s.u.)- das unmittelbare soziale Lernen als ursprüngliche Lernweise des Kindes, woraus sich über die Entstehung der •inneren Sprache« erst individuelle Formen des Lernens herausbilden sollen. Oder man geht - wie Galperin (1967)- davon aus, daß das Kind zunächst äußere Tätigkeiten erlernt und diese dann mit dem Aufbau verschiedener Stufen geistiger Operationen schrittweise verinnerlicht. In ähnlicher Weise bestimmt Volpert (etwa 1976, S.27), das •sensumotorische Lernen« als ontogenetische Grundform des Lernens, aus der sich per Interiorisierung die höheren Formen des Lernens entwickeln sollen. Derartige entwicklungspsychologische Analysen von Lernprozessen sind es sicherlich für sich genommen wert, ausführlich dargestellt und diskutiert zu werden. Jedoch würden sich, wenn ich dieses Verfahren zur Grundlage für die Ausfaltung unserer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie machen würde, so schwerwiegende Schwierigkeiten und Nachteile ergeben, daß ich den Ansatz an ontogenetischen Grundformen als Anfang meiner Analyse schließlich verworfen habe. Um diese Entscheidung verständlich zu machen, sei zunächst hervorgehoben, daß die ontogenetische Entwicklung von Lernvoraussetzungen (wie immer man sonst dazu stehen mag) ohne die Berücksichtigung der Unterstützung des Kindes durch Kundigere, im Normalfall Erwachsene, in keinem Falle sinnvoll konzeptualisiert werden kann (vgl. dazu die Ausführungen über die »Kind-Erwachsenen-Koordination« in GdP, Kap. 8.2). So sind etwa von Wygotski Lernfortschritte von Kindern meist (so z.B. im Zentralkonzept der ·Zone der nächsten Entwicklung«, etwa 1971, S.236ff) in Begriffen der spezifischen Unterstützung durch Erwachsene charakterisiert. In von Wygotski beeinflußten Lern- und Entwicklungstheorien finden sich entsprechende Konzepte, wie der Begriff des »Coaching«, insbesondere aber - se1t Wood, Bruner & Ross (1976)- der Begriff des »scaffolding« als Kennwort für vielfältige und differenzierte Formen der indirekten Unterstützung von Kindern durch Erwachsene mittels Bereitstellung von •Gerüsten« verschiedener Art (vgl. etwa Greenfield 1984). Galperins Theorie der Bildung geistiger Operationen kann vollends genauso gut oder besser denn als Lerntheorie als didaktische Unterrichtstheorie verstanden werden. Gleiches gilt - wie noch zu
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
zeigen - für neuere tätigkeitstheoretische Stufenkonzepte, wie etwa den Ansatz von Dawydow (1982). So erweist sich, daß Konzeptualisierungen des Lernens aus dem Kontext ontogenetischer Analysen der Lernentwicklung- aufgrund der notwendigen Verflochtenheit kindlicher Lernfortschritte mit Unterstützungsaktivitäten Erwachsener - prinzipiell in Termini des .. Lehrens« (im weitesten Sinne) erfolgen müssen oder (vorsichtiger ausgedrückt), daß eine klare analytische Scheidung von »Lernen« und »Lehren« hier kaum möglich (und deswegen auch nicht anzutreffen) ist. Die Aufhebung der gängigen Vermischung von Lernen und Lehren (um gerade dadurch auch das Verhältnis des Lernens zum Lehren auf seine wesentlichen Bestimmungen hin durchdringbar zu machen) ist aber - wie schon in der Einleitung hervorgehoben - eine zentrale Voraussetzung für die Erarbeitung einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie, wie wir sie verstehen. Wir können mithin schon aus diesem Grunde unsere lerntheoretische Grundbegrifflichkeit nicht sinnvoll von ontogenetischen Stufungen der Lernentwicklung her zu entfalten versuchen. Dahinter steht aber noch ein prinzipiellerer Grund: Bei einer Charakterisierung des Lernens in Termini der Wechselwirkung zwischen kindlichem Lernen und U nterstützung durch die Erwachsenen ist der Entwicklungsweg zum Erwachsenen hin schon konzeptionell als Weg von der Dominanz der interpersonalen Unterstützung zu immer größerer Selbständigkeit des Hemanwachsenden gekennzeichnet. Das Lernen des Erwachsenen ist damit vollends im wesentlichen negativ, als Lernmöglichkeit ohne die für die kindliche Lernentwicklung notwendigen Unterstützungsformen charakterisiert. Positive Bestimmungen des Lernens vom Subjektstandpunkt (auch) des Erwachsenen sind demnach auf diese Weise kaum zu gewinnen. Statt der von uns gesuchten Grundbegrifflichkeit subjektwissenschaftlicher Lerntheorie bliebe demnach nicht viel mehr als eine Leerstelle. Entsprechend ist in den ontogenetisch hergeleiteten Lernkonzepten zwar ausführlich vom Lernen anderer, nämlich von Kindern und Heranwachsenden" von »je meinem« Lernen aber kaum die Rede. Man kommt offensichtlich, wenn man das Lernen »von unten«, frühkindlichen Grundformen, her entwickeln will, nicht so recht »oben« an: Die so erarbeiteten Konzepte scheinen gegenüber dem Lernen jenseits ontogenetischer Stufungen ihre Tauglichkeit einzubüßen (s.u.). Aus diesen Gründen habe ich mich entschlossen, bei der folgenden Erarbeitung unseres subjektwissenschaftlichen Lernkonzeptes die Grundbestimmungen des Lernens nicht in frühen Stadien der Ontogenese, sondern in der Weltund Selbstsicht von »je mir« als Lernsubjekt zu suchen (deswegen wird die Entwicklungspsychologie des Lernens im folgenden nicht systematisch
Ansatz der 7beorieentwicklung: Typische Lernproblematiken
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behandelt). Dabei muß - wenn wir die aufgewiesene Weltlosigkeit der traditionellen Lerntheorien überwinden wollen - vor allem anderen das Lernen als möglicher Zugang des Lernsubjekts zur sachlich-sozialen Welt gesellschaftlicher Bedeutungszusammenhänge verständlich gemacht werden können. Dazu soll- in einer Art von abstrahierend-konkretisierendem Verfahren -zunächst das »Lernen« vom Standpunkt des (noch abstrakt gefassten) Lernsubjekts zunächst so allgemein charakterisiert werden, daß dabei nur diejenigen Bestimmungen herausgehoben sind, die das Lernhandeln gegenüber dem Handeln überhaupt spezifizieren. Sodann sind diese Bestimmungen zunächst an einem möglichst entwickelten Lernprozeß, der mithin alle anderen Lernbestimmungen in sich aufheben würde, d.h. für uns: an Lernhandlungen mit Bezug aufeinen möglichst entwickelten gesellschaftlichen Lerngegenstand zu entfalten. Erst auf dieser Grundlage kann man dann die standortspezifischen Bestimmungen der Lernsubjekte und von da aus die BeschaffenbeiteD jeweils konkreter Lernhandlungen samt der darin einbeschlossenen Beziehung zwischen motorischem und mentalem Lernen und schließlich die historische Bestimmtheit institutioneller Lernverhältnisse konkretisierend zu erschließen suchen, die - sofern die Ausgangsabstraktion angemessen ist - eben als Spezifizierungen der allgemeinsten Lernbestimmungen - in ihrem Verhältnis zueinander begreifbar werden, wobei auch der interpersonale Aspekt des Lernens ohne Hypostasierung von Lehrlernbeziehungen verständlich werden soll. -Diese hier nur skizzierte Verfahrensweise soll sich auf dem Wege ihrer Realisierung schrittweise selbst erläutern. (Dabei muß sich auch herausstellen, wieweit die im folgenden versuchte Befreiung der Lerntheorie von entwicklungspsychologischen Bestimmungen vertretbar ist, oder sogar einen Gewinn an Klarheit und Relevanz lerntheoretischer Bestimmungen erbringen mag). Das von uns gewählte Ausgangskonzept, von dem aus wir in der geschilderten Weise unsere lerntheoretische Begrifflichkeit entwickeln wollen, ist das der »typischen Lemproblematiken«. Dabei ist die Wahl gerade dieses Initialkonzeptes (obwohl sie natürlich das Resultat vielfältiger vorgängiger Überlegungen und Abstraktionsversuche ist) in der Darstellung nicht vorab verbindlich zu machen, sondern kann ihre Berechtigung erst an der wirklichen Funktion dieses Konzepts im Zuge der folgenden theoretischen Entwicklungsarbeit erweisen.
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Grundbegrißlichkeit einer subjektwissenschaftlichen I..erntheorie
Typische Lernproblematiken als Spezifizierung von Handlungsproblematiken; Lernhaltung und Lernprinzipien Aus unserem Grundansatz einer Psychologie vom Standunkt des Subjekts ergibt sich, daß einer solchen subjektwissenschaftlichen Psychologie nichts zum Problem werden kann, was nicht auch den Subjekten zum Problem wird- nur so mischt sich die Wissenschaft nicht ungebeten in meine Angelegenheiten, und nur so ist jene grundsätzliche Interessenkonkordanz zwischen Forschern und Betroffenen gegeben, die eine notwendige methodelogische Voraussetzung subjektwissenschaftlichen Vorgehens darstellt (vgl. GdP, etwa 5.567). Ausgangspunkt subjektwissenschaftlicher Forschungsfragen, ja in gewisser Weise sogar der Konstituierung des Forschungsgegenstands, sind demnach im Begründungsdiskurs bestimmte, sich aus meinem Handlungsvollzug ausgliedernde Problemsituationen, in denen das Subjekt einerseits »gute Grunde« hat, auf eine bestimmte Weise zu handeln, andererseits aber die Problemsituation so nicht zu bewältigen vermag - und sich angesichts eines derartigen Handlungsproblems, oder (wie wir, um den widerspruchliehen Charakter solcher Konstellationen zu betonen, lieber sagen wollen) einer derartigen Handlungsproblematik (bildlich gesprochen) hilfesuchend an die Wissenschaft wendet. Dabei kann dieses Interesse des Subjekts deswegen mit dem Gegeninteresse der Wissenschaft rechnen, weil diese die scheinbar bloß individuelle Problematik auf in der Bedeutungs-/Begründungskonstellation, durch die sie hervorgerufen wurde, liegende typische Züge hin analytisch durchdringbar machen kann (wobei die Bezeichnung »typisch« sich hier also niemals auf Menschen, sondern immer nur auf Lebenssituationen bezieht). Es sind mithin solche typischen Handlungsproblematiken, die, global gesehen, mögliche Gegenstände subjektwissenschaftlicher Forschung ausmachen. Derartige typische Handlungsproblematiken sind auf vielfältige Weise spezifizier- und differenzierbar, so daß unterschiedliche subjektwissenschaftliche Gegenstandsbereiche resultieren können. Im Rahmen unseres Themas ist dabei diejenige Spezifizierung relevant, durch welche typische Handlungsproblematiken zu typischen Lernproblematiken werden. Dabei setzen wir zunächst voraus, daß es auch Handlungsproblematiken gibt, die nicht mittels Lernen, sondern auf andere Weise zu bewältigen sind. Von da aus haben wir uns zu fragen, wodurch demgegenüber solche Handlungsproblematiken ausgezeichnet sein sollen, zu deren Überwindung das Subjekt sich gerade aufs Lernen verwiesen sieht. Dabei ist (im Anschluß an frühere Begriffsbestimmungen) zunächst hervorzuheben, daß- wenn in diesem Zusammenhang von Lernen die Rede ist nicht das inzidentelle Lernen also (wie wir uns jetzt ausdrücken wollen) das
Ansatz der 1heorieentwicklung: 7ypische Lernproblematiken
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Mitlernen gemeint ist. Mitlernen begleitet nämlich mehr oder weniger jeden Handlungsvollzug und ist demnach auch bei der Bewältigung jeder Handlungsproblematik auf die eine oder andere Weise involviert. Ebenso liegen Lernaktivitäten, die zwar grundsätzlich intendiert sind, aber in der jeweiligen Bedeutungskonstellation als zweifelsfrei notwendig oder unumgänglich erfahren werden - da für das Subjekt unproblematisch - am Rande unserer Gegenstandsbestimmung und unseres Interesses: Vielmehr kommt für uns zur Spezifizierung gerade von Lemproblematiken nur der Bezug auf intentionales Lernen, also Lernen aufgrund einer speziell darauf gerichteten Handlungsvornahme, in Frage. Von Lernen in diesem (engeren) Sinne kann (wie früher dargelegt) aber nur dann sinnvoll gesprochen werden, wenn in der Lernintention die Gewinnung einer die jeweilige Situation überschreitenden Permanenz und Kumulation des Gelernten mitintendiert ist, d.h. das Erworbene nicht sofort wieder verlorengeht, sondern transsituational derart erhalten geblieben ist, daß nun im weiteren an diesem neuen Niveau angesetzt werden kann. Lemproblematiken wären mithin gegenüber primären Handlungsproblematiken dadurch ausgezeichnet, daß hier auf der einen Seite die
Bewältigung der Problematik aufgrund bestimmter Behinderungen, Widersprüche, Dilemmata nicht im Zuge des jeweiligen Handlungsablaufs selbst, ggf. durch bloßes Mitlernen o.ä., möglich erscheint: Auf der anderen Seite aber gibt es hier gute Gründe für die Annahme, daß in (mindestens) einer Zwischenphase aufgrund einer besonderen Lernintention die Behinderungen,
Dilemmata etc., die mich bis jetzt an der Überwindung der Handlungsproblematik gehindert haben, aufgehoben werden können, so daß daran anschließend bessere Voraussetzungen für die Bewältigung der Handlungsproblematik bestehen. Eine Handlungsproblematik wäre demnach dadurch bzw. solange als Lernproblematik spezifiziert, daß bzw. wie hier in der geschilderten Weise vom Subjekt eine Lernhandlung ausgegliedert, quasi eine Lernschleife eingebaut ist, um im primären Handlungsverlauf nicht überwindbaren Schwierigkeiten beizukommen. Für die Dauer dieser Lernschleife würde dabei also die ursprüngliche Handlungsproblematik-dadas Lernen nach Art und Ausmaß durch die darin liegenden nicht aktuell überwindbaren Schwierigkeiten bestimmt ist- zu einer (um den von Dulisch vorgeschlagenen Terminus sinngemäß zu adaptieren} Bezugshandlung für die Lernhandlung, wobei ein derartiges Sonderverhältnis im Maße des Voranschreitens der Lernhandlungen sich wieder aufhebt und in normale Bewältigungsaktivitäten bzw. unproblematische Handlungsvollzüge übergeht (in denen neue Widersprüche und Dilemmata, die wiederum das Lernen herausfordern, natürlich schon ange· legt sein können). Mit der Ausdifferenzierung von Lernhandlungen und Bezugshandlungen innerhalb einer Lernproblematik entsteht zwangsläufig die Frage nach deren
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Grundbegri!Jlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
genauerem Verhältnis zueinander: Was unterscheidet denn nun präzise Lernhandlungen von sonstigen Handlungen, was tut man also eigentlich, wenn man .. lernt«? -Im Kontext der Handlungsregulationstheorie sollen, wie dargelegt, Lernhandlungen durch eine besondere Art von Zielgerichtetheit von den Bezugshandlungen unterscheidbar sein, nämlich durch Gerichtetheit auf die Verbesserung der eigenen Handlungsvoraussetzungen. Unserer Auffassung nach geht es beim Lernen zwar um die Verbesserung von Handlungsvoraussetzungen, wobei die Annahme einer darauf gerichteten Zielbezogenheit des Lernens aber das Phänomen kaum trifft (eher auf einen- später noch genauer zu kennzeichnenden- Grenzfall des Lernens anwendbar ist). Der Übergang von direkten Bewältigungshandlungen zu intendierten Lernhandlungen scheint vielmehr eher durch eine (vorübergehende) Suspendierung der für das Bewältigungshandeln charakteristischen Zielbezugs gekennzeichnet zu sein: Ich halte - da ich bei der Problembewältigung auf direktem Wege nicht weitergekommen bin - quasi erst einmal inne, versuche Übersicht und Distanz zu gewinnen, um herausfinden zu können, wodurch die Schwierigkeiten entstanden sind und auf welche Weise ich sie lernend überwinden kann. Dies schließt ein, daß ich möglicherweise bestimmte Fixierungen und Einseitigkeiten meines bisherigen Handelns, also zu unmittelbare und kurzschlüssige »Zielgerichtetheiten« meines bisherigen Handeins reflektierbar machen muß. Es gilt also, der Handlungsproblematik bei der Überführung in eine Lernproblematik durch Dezentrierung, Standpunktwechsel, gedankliche Variation o.ä. neue Aspekte zur Überwindung meiner Festgefahrenheit abzugewinnen. Dies bedeutet auch, daß ich hier meine eigenen Schwächen o.ä. in anderem Licht sehe als im Kontext der direkten Problembewältigung, nämlich nicht lediglich als Hindernisse bei der Zielannäherung o.ä., sondern als selbständige Hinweise darauf, wie meine Schwierigkeiten zum Zwecke ihrer lernenden Überwindung präzise zu fassen sind. Die Übernahme der jeweiligen subjektiven Lernproblematik impliziert so gesehen den Übergang zum (intendierten) »Lernen« als einer bestimmte Haltung (der Distanzierung, Dezentrierung, Aspektierung etc.), durch welche ich mir bewußt vornehme, nicht so weiterzumachen wie bisher (dies hat ja nichts gebracht), sondern erst einmal soweit Orientierungen zu finden, daß ich Hinweise dafür, wo es hier in welcher Weise etwas für mich zu lernen geben könnte, finden und so die Handlungsproblematik bewußt als Lernproblematik übernehmen (oder eine solche Übernahme für mich verwerfen) kann (vgl. dazu unsere spätere ausführliche Diskussion zum »affinitiven Lernen« auf S.324ff). Aus diesen Andeutungen zum Lernen als besonderer »Haltung« geht hervor: Lernen kommt nicht einfach dadurch von selbst in Gang, daß von dritter Seite entsprechende Lernanforderungen an mich gestellt werden; mein Lernen kann keineswegs durch irgendwelche dafür zuständigen Instanzen
Ansatz der Theorieentwicklung: Typische Lemproblematiken
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(etwa den Lehrer oder die Schulbehörde) über meinen Kopf hinweg geplant werden. Lernanforderungen sind nicht eo ipso schon Lernhandlungen, sondern werden nur dann zu solchen, wenn ich sie bewußt als Lernproblematiken übernehmen kann, was wiederum mindestens voraussetzt, daß ich einsehe, wo es hier für mich etwas zu lernen gibt. Dies schließt ein, daß »Fehler« nicht, wie in traditionellen, insbesondere SR-theoretischen Ansätzen angenommen, automatisch als »Rückmeldungen« (etwa qua »Verstärkung«) den Lernprozeß regulieren: Vielmehr muß ich das, was von Anforderungseite als ,.Fehler« ausgegeben wird, erst einmal als mein Kriterium übernehmen, ehe ich im Kontext meiner Lernproblematik meine Handlungen daran orientieren kann. Dabei liegt ein wesentliches Moment der Durchdringung einer Lernproblematik sicherlich häufig darin herauszufinden, was mit Bezug darauf überhaupt als »Fehler« zu gelten hat, wobei das Ausgliedern/Identifizieren von Fehlern bereits wichtige Fortschritte bei der Überwindung einer Lernproblematik markiert. Die gängige Vorstellung des »l..ernens aus Fehlern« - oder auch des Lernens, Fehler zu vermeiden - liegt also quasi diesseits der notwendigen Differenzierung zwischen Lernanforderungen und Lernproblematiken und hat deswegen für uns kaum analytische Bedeutung. - Die damit benannten wichtigen Implikationen unseres Konzeptes der subjektiven Lernproblematiken werden später für uns noch in vielfältigen Zusammenhängen relevant werden. Aufgrund der Unterscheidung von drittseitigen Lernanforderungen und subjektiven Lernproblematiken bedürfen manche unserer früheren Ausführungen der Präzisierung. So haben wir früher die Standardanordnungen um die Theorien der internen-externen Kontrollüberzeugung von Rotter, der gelernten Hilflosigkeit von Seligman und der Selbstwirksamkeitserwartungen von Bandura als jeweils bestimmte »typische Lemscbwierigkeiten« (vgl. S.103ff und S.106ff) und gewisse Untersuchungskonstellationen der kognitivistischen Gedächtnisforschung als •typische Behaltens-/Erinnernsstrategien« (vgl. S.146) reinterpretiert. Mit Bezug auf die drei Erwartungstheorien des Lernens ist jetzt zu präzisieren, daß das Gemeinte treffender mit dem Konzept der »typischen Lernproblematiken« zu kennzeichnen ist, da die Vpn hier nicht eigentlich mit fremdgesetzten •Anforderungen«, sondern mit (durch die Anordnung induzierten) subjektiven Widersprüchen und Dilemmata, denen sie (vergeblich) durch Lernen zu entkommen trachten, konfrontiert sind. Bei den Behaltens-/Erinnerungskonstellationen handelte es sich dagegen offensichtlich in Wirklichkeit um durch die experimentelle Konstellation gesetzte •Anforderungen«, wobei mit dem Konzept der subjektiven Lernproblematiken aber nun die Möglichkeit besteht, den vorausgesetzten bedingungsanalytischen Überzeugungen, daß mit dem Stellen der Anforderungen auch schon automatisch das Lernen beginnt, begrifflich differenzierter entgegenzutreten - etwa durch den Hinweis, daß hier keineswegs ausgemacht und auszumachen ist, ob die Vp unter den gegebenen Prämissen Gründe hat, die hergestellte experimentelle Zwangslage tatsächlich als Lernproblematik zu übernehmen (also mit instruktionsgemäßen Bemühungen um Einprägung des Materials o.ä. zu beantworten) oder als bloße Handlungsproblematik (etwa durch Raten, Musterabzählen etc.) zu bewältigen (ich komme darauf zurück).
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Grundbegrißlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
Die damit angedeutete Differenz zwischen Handlungsproblematiken (Bezugshandlungen) und - durch spezifische Lernhaltungen initiierte - Lernproblematiken muß nun je nach dem konkreten Handlungszusammenhang in unterschiedlicher Art und Deutlichkeit zutagetreten. - Sofern im Zuge menschlicher Handlungen, also auch solchen zur Überwindung von Handlungsproblematiken, nur ,.mitgelernt« wird, ist ersichtlich eine Unterscheidung von Bezugs- und Lernhandlungen und die Identifizierung besonderer Lernproblematiken noch nicht möglich. Aber schon wenn man aufgrund bestimmter Schwierigkeiten einen Handlungsvollzug einmal wiederholt, treten Bezugsund Lernhandlungen andeutungsweise auseinander. Dabei ist hier die Vorstellung impliziert, wenn ich es nochmals versuche, wird es besser gehen, also eine elementare Gleichsetzung des Lernens mit ,.üben«. Entsprechende Vorstellungen liegen natürlich auch zugrunde, wenn ich den benannten Handlungsabschnitt nicht nur einmal, sondern mehrfach wiederhole. Bezugshandlungen und Lernhandlungen würden sich auf dieser Ebene also lediglich dadurch unterscheiden, daß man in der Lernhandlung das gleiche tut, wie in der Bezugshandlung, nur öfter (über 1.70 zu springen lernt man, indem man es immer wieder versucht; eine schwierige Stelle in einem Klavierstück zu spielen, lernt man, indem man diese Stelle immer wieder spielt). Dabei stellt sich mit der Akzentuierung der Lernhaltung aber u.U. bereits im praktischen Lernvollzug die (früher schon andiskutierte) Frage, ob man denn tatsächlich durch bloße Wiederholung etwas lernen kann, ob sich also erfolgreiche Lernhandlungen tatsächlich nur durch ihren Wiederholungscharakter von den zugeordneten Bezugshandlungen unterscheiden: So werde ich beim Hochsprung-Üben, wenn ich etwa merke, daß ich die Latte stets mit meinen Hacken reiße, wohl kaum immer wieder in der gleichen Weise springen, sondern vielmehr gezielt versuchen, das nächste Mal die Hacken hochzunehmen; beim Klavierüben werde ich die schwierige Stelle, wenn ich sie nach einigen Wiederholungen immer noch nicht bewältigen kann (nach der alten klavierpädagogischen Maxime ,.langsam üben ist schnell üben«) erst einmallangsam üben. Abgesehen von solchen der Lernhaltung geschuldeten Variationen der Bezugshandlungen durch die Lernhandlungen können zwischen beiden aber auch sehr viel indirektere Zusammenhänge bestehen: So kann ich, um meine Hochsprung-Leistungen zu verbessern, bestimmte Turnübungen machen oder beim Klavierspielen angesichts schwieriger Passagen bestimmte Forcierungen und Verkrampfungen zu vermeiden .. lernen«. - Bezugshandlungen und Lernhandlungen können -etwa in (i.w.S.) schulischen Lehr-Lernverhältnissen- institutionell auf vielfältige Weise auseinandergerissen und in ihrem Zusammenhang mystifiziert sein, was soweit gehen kann, daß die Bezugshandlungen, auf die hin das Lernen faktisch erfolgen soll, dem Lernenden weitgehend unzugänglich sind und Kontrollinstanzen verschiedener Art als Lernagens einspringen (s.u.).
Ansatz der 'Jheorieentwicklung: 7ypische Lernproblematiken
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Die jeweils besondere Art, in der ich im Resultat meiner distanzierendumorientierenden Lernhaltung zur Überwindung einer Lernproblematik meine Lernhandlungen gegenüber den Bezugshandlungen »vernünftigerweise« qualifizieren muß, um mich im Lernen den jeweilig übergeordneten Bezugshandlungen annähern zu können, lassen sich als bestimmte Prinzipien, an denen ich meine Lernhandlungen orientiere, herausheben. Solche Lernprinzipien stehen sicherlich mit regulatorischen Lernstrategien zur sequentiell-hierarchischen Organisation der Lernhandlungen (etwa im Sinne der Handlungsregulationstheorie) in engem Zusammenhang, sind aber dennoch diesen gegenüber durch ihren Inhaltsbezug spezifiziert. Sie sind (wie schon bei der Skizzierung der initialen Lernhaltung, aus der die Prinzipien ausgegliedert werden, gesagt) nicht primär antizipativ am Lernziel orientiert, sondern vielmehr an der Bedeutungsstruktur, die in der übergeordneten Bezugshandlung umzusetzen ist (später wird dieser Unterschied von uns durch Abhebung des »thematischen« vom »operativen« Lernaspekt noch verdeutlicht werden). So ergibt sich etwa das Prinzip des »Erst-langsam-Übens« aus der Bedeutungsstruktur des Klavierspiels als Inbegriff primär zu realisierender Handlungsmöglichkeiten: Mit Bezug auf die Umsetzung der Bedeutungsstruktur »Hochsprung« o.ä. wäre Langsam-Üben dagegen ein ungeeignetes Lernprinzip. Ebenso werde ich zur lernenden Annäherung an die Bezugshandlung »Ein-Gedicht-Sprechen« vernünftigerweise kaum Hanteln stemmen wollen. Nur in dem Maße, wie ich mir über das jeweils zu realisierende inhaltliche Lernprinzip im klaren bin, steht die angemessene regulatorische Lernstrategie zur möglichst effektiven, erfolgskontrollierten Annäherung an die Bezugshandlung überhaupt zur Frage. Erst muß mir klar sein: Die Bezugshandlung »Klavierspielen« o.ä. erfordert als Lernprinzip »Langsam-Üben«, ehe ich am Maßstab der optimalen Annäherung an die Bezugshandlung meine Übungspraxis entsprechend organisieren kann (s.u.).
Operativer und thematischer Lernaspekt; die emotionalmotivationale Begründungsstruktur des Lernens im Spannungsfeld zwischen expansiven und defensiven Lerngründen Die Überwindung einer Lernproblematik impliziert (wie schon gesagt) einerseits die antizipatorisch an der Aufhebung der jeweiligen Problematik orientierte Organisation und Planung des Lernhandelns. Andererseits ist aber allein mit einer genaueren begrifflichen Fassung dieser Planungsebene, wie sie im hierarchisch-sequentiellen Modell der Handlungsregulationstheorie vorliegt, die Überwindung bzw. Bewältigung der jeweiligen Lernproblematik
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Grundbegri/Jlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
nicht zu theoretisieren; dies deswegen nicht, weil die dort entwickelte Begrifflichkeit eben nur den sekundär-regulatorischen Lernaspekt berücksichtigt, den primär-bedeutungsbezogenen Lernaspekt aber theoretisch ausklammert.- Um klären zu können, wie diese Beschränkung konzeptuell zu überwinden ist, müssen wir unsere friiher (S.22} eingeführten und seither in der Darstellung »mittransportierten« kategorialen Minimalbestimmungen über die gegenständlich bedeutungsvolle menschliche Lebenswelt hier ein Stück weit genauer explizieren: Im Zuge der Entstehung verselbständigter gesellschaftlicher Strukturen und Erhaltungssysteme- damit »gesamtgesellschaftlicher Vermitteltheit individueller Existenz« (vgl. GdP, Kap. 6.3) - bilden die Produktions- und Reproduktionsprozesse, ikonischen und diskursiven Symbolwelten und darin liegenden gesellschaftlichen Denkformen eine eigene umfassende Synthese: So sieht sich das Individuum den gesamtgesellschaftlichen Bedeutungsstrukturen in ihren verschiedenen Aus- und Anschnitten stets als in sich gegliedenen Verweisungszusammenhängen gegenüber: Diese muß es in seinem Lebensinteresse soweit individuell erfassen, daß es subjektiv begründet über seine Lebens- und Entwicklungsbedingungen verfügen, d.h. subjektiv handlungsfähig werden kann. In diesem Kontext arbeiteten wir heraus, in welcher Weise die für die höchsten vormenschlichen Entwicklungsstufen charakteristische »individuell-antizipatorische Aktivi· tätsregulation«, mit der gesellschaftlich-historischen Entwicklung bis hin zur gesamtgesellschaftlichen Synthese immer mehr zum unselbständigen »operativen« Teilmoment menschlicher Handlungen wird: Zunächst dadurch, daß die Handlungen auf die individuelle Teilhabe an überindividuellen, kooperativ-gesellschaftlichen Lebensgewinnungsaktivitäten bezogen sind, so daß die Handlungsstruktur nicht mehr nach dem Muster der in sie einbeschlossenen operativen Ebene bloß individuel/-antizipatorischer Planung und Regulation begriffen werden kann (vgl. GdP, S.279ff); weiterhin, indem (bei »gesamtgesellschaftlicher Vermitteltheit«) die Handlungen weitgehend auf die Realisierung/Veränderung in sich selbständig strukturiener gesellschaftlicher Handlungs- und Denkmöglichkeiten (als Bedeutungsstrukturen) gerichtet sind: So haben die perzeptiv-operativen Bestandteile der Handlung zwar einerseits nach wie vor die Funktion der individuellen Realisierung der Handlungsvorsätze, sind aber im Verhältnis zu dem über die Realisierung/Veränderung gesellschaftlicher Bedeutungszusammenhänge vermittelten inhaltlichen Aspekt der Handlungen weitgehend unspezifisch, sekundär, geworden (vgl. GdP, S.307ff). Somit wird deutlich, daß der in der Handlungsregulationstheorie konzeptualisierte regulatorische Lernaspekt, da es sich dabei um eine individuell-antizipatorische Aktivitätsregulation handelt, von unseren kategorialen Rahmenvorstellungen her als theoretische Konzeptualisierung des operativen Handlungs-, also auch Lernaspekts gekennzeichnet werden kann. Die früher aufgewiesene universelle Anwendbarkeit wie der sekundär-inhaltsneutrale Charakter des Modells hierarchisch-sequentieller Handlungsregulation verdeutlichen sich damit hier als Implikat des unspezifischen und sekundären Charakters des operativen Handlungsaspekts, als dessen theoretische Konkretisierung dieses Modell eingeordnet werden kann.
Ansatz der Theorieentwicklung: Fypische Lernproblematiken
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Durch den auf diese Weise kategorial herausgehobenen operativen Lernaspekt ist nun auch schon die Richtung angedeutet, in welcher der inhaltlichbedeutungsbezogene Aspekt, den wir von nun an den thematischen Lernaspekt nennen wollen, genauer begründungstheoretisch zu explizieren ist: Da (wie gezeigt) die operativen Lerngründe gegenüber den inhaltlich-thematischen Gründen sekundär sind, ist die Frage nach Lerngründen hier gleichbedeutend mit der Frage nach den primären, thematischen Lernbegründungen, aus denen sich die operativ-regulatorischen Lerngründe ableiten - womit die Begründungsfrage hier eben nur auf thematischer Ebene diskutiert werden kann. Da wir weiterhin im gegenwärtigen Darstellungszusammenhang bei der Explikation des Konzepts der Lernproblematiken vom Subjektstandpunkt sind, können wir an dieser Stelle fremdgesetzte Lernanforderungen (noch) nicht als thematische Begründungsprämissen des Lernens in Rechnung stellen. Wie kann man aber theoretisch verständlich machen, daß das Subjekt selbst von seinem Standpunkt aus Gründe haben kann, sachlichsoziale Bedeutungszusammenhänge durch Lernen in seinen Handlungen zu realisieren? Aus dem gerade reaktualisierten kategorialen Zusammenhang ist klar, daßangesichtsder benannten Problemlage zur Klärung dieser Frage nur der Rückgriff auf die- in unserem Handlungsmodell zwischen die »Prämissen« und ..Vorsätze« eingeschobenen - Lebensinteressen, d.h. hier: Lerninteressen des Subjekts übrigbleibt. Die menschlichen Lebensinteressen aber sind unserer Gesamtkonzeption nach wiederum psychologisch zu konkretisieren als emotional·motivationale Qualität von Handlungsbegründungen (womit kognitive und emotionale Momente hier auf spezifische Weise integriert sind). Die begründungstheoretische Explikation des thematischen erweist sich also als gleichbedeutend mit der Explikation des emotional-motivationalen Lernaspekts. Um dies genauer zu fassen, ist hier wiederum ein kurzer Rückgriff auf weitere kategorialanalytische Bestimmungen der Kritischen Psychologie unumgänglich: Die subjektiven Lebensinteressen, in welchen die Gründe des Individuums für die handelnde Realisierung von Bedeutungen/Handlungsmöglichkeiten fundiert sind, lassen sich kategorial in ihren allgemeinsten Zügen als elementare subjektive Notwendigkeit, Ver-
fügung über individuell relevante gesellschaftliche Lebensbedingungen zu gewinnen bzw. zu bewahren, bestimmen (vgl. Osterkamp 1976, Kap. 4): Dabei sind die Gewinnung der Weltverfügung bzw. Abwehr von deren Bedrohung nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern machen die allgemeine Lebensqualität subjektiver Befindlichkeit in ihren vielfältigen konkreten Erscheinungsformen aus. In diesem Kontext wurde von uns - auf der Basis des Begriffspaars •verallgemeinerte-restriktive Handlungsfähigkeit« (vgl. Holzkamp 1990c)der emotionale Aspekt meiner Befindlichkeit als Erfahrung der jeweiligen Bedeutungen als •Bedeutungen für mich« im Spannungsfeld zwischen emotionalem Handlungsengagement und emotionaler »Innerlichkeit« gekennzeichnet (vgl. GdP, S.402ff). Auf dieser Grundlage charakterisierten wir die motivationale Qualität meiner Handlungsgründe als
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Grundbegrif!lichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
Verhältnis zwischen den mit einem Handlungsresultat antizipierbaren Verfügungsmög· lichkeiten (in ihrer emotionalen Wertigkeit) und den zu seiner Realisierung aufzubringenden Anstrengungen bzw. in Kauf zu nehmenden Risiken im Spannungsfeld zwischen echter Motivation und (verinnerlicht-motivationsförmigem) Zwang (Osterkamp 1976, S.57ff).
Aufgrund solcher kategorialen Differenzierungen ergibt sich für uns die Notwendigkeit einer entsprechend differenzierenden theoretischen Qualifikation meiner thematischen Lernbegründungen in Abhängigkeit davon, wieweit mit der lernenden Realisierung sachlich-sozialer Bedeutungszusammenhänge die lernende Erweiterung/Erhöhung meiner Verfügung/Lebensqualität oder lediglich die durch das Lernen zu erreichende Abwendung von deren Beinträchtigung und Bedrohung antizipierbar ist: Sofern vom Subjektstandpunkt eine Lernhandlung aus der damit zu erreichenden Erweiterung/Erhöhung meiner Verfügung/Lebensqualität begründet und in diesem Sinne motiviert realisierbar ist, muß von mir ange· sichts einer bestimmten Lernproblematik der innere Zusammenhang zwischen
lernendem Weltaufschluß, Verfügungserweiterung und erhöhter Lebensqualität unmittelbar zu erfahren bzw. zu antizipieren sein. Dies schließt ggf. auch die lernende Durchdringbarkeit meiner Interessen daraufhin ein, in welchem Sinne und in welcher Hinsicht Interessen anderer in ihnen enthalten sind, so die Erfaßbarkeit von Möglichkeiten gemeinsamen, verfügungserweiternden Handelns. »Lernmotivation«, wie wir sie verstehen, ist also der Inbegriff von Lerngründen, die einerseits allgemein im Interesse an der handelnden Erweiterung/Erhöhung der Verfügung/Lebensqualität fundiert sind, wobei aber andererseits - und darin liegt ihr Spezifikum als Lernbegründungen - die wachsende Verfügung/Lebensqualität als Implikat des lernenden Weltaufschlusses antizipierbar ist: Die zu erwartenden Anstrengungen und Risiken des Lernens werden hier also unter der Prämisse von mir motiviert übernommen, daß ich im Fortgang des Lernprozesses in einer Weise Aufschluß über reale Bedeutungszusammenhänge gewinnen und damit Handlungsmöglichkeiten erreichen kann, durch welche gleichzeitig eine Entfaltung meiner subjektiven Lebensqualität zu erwarten ist: Lernhandlungen, soweit motivational begründet, sind mithin quasi expansiver Natur.* Dabei ist, soweit ich an meine Lernhandlungen den Gesichtspunkt ihrer motivationalen Begründbarkeit anlege, stets impliziert, daß ich bei mangelnder Motivation die Möglichkeit habe bzw. gehabt hätte, eine Lernhandlung zu unterlassen. Dies verweist aber auf die benannte prinzipielle Alternative der lnteressenfundiertheit von Handlungsbegründungen, daß ich angesichts
,. Dieser Terminus hat keinen inhaltlichen Bezug zum Konzept des •learning by expand· ing« von Engeström (1987)
Ansatz der Theorieentwicklung: Typische Lernproblematiken
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einer gegebenen Lernproblematik auch dann Gründe für die Realisierung von Lernhandlungen haben kann, wenn eine Erhöhung der Weltverfügung/ Lebensqualität dabei nicht antizipiert werden kann, aber mit der Unterlassung oder Verweigerung des Lernens für mich eine Beeinträchtigung meiner Weltverfügung/Lebensqualität droht. So sehe ich mich begründetermaßen gezwungen zu lernen, obwohl die Möglichkeit der motivationalen Begründung der Lernhandlung (mit der Alternative des Nichtlernens) für mich nicht besteht. Damit bin ich gleichzeitig von Perspektiven der gemeinsamen Verfügung über die Lebensverhältnisse abgeschnitten und auf mich selbst - meine unmittelbare Bedrohtheit und Bedürftigkeit - zurückgeworfen. In diesem Fall sind meine Lerngründe also nicht expansiver, sondern (wie wir uns ausdrücken wollen) defensiver Natur.- Mit der damit eingeführten Differenzierung von thematischen Lernbegründungen in expansive und defensive Lerngründe sind bestimmte Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Prämissen-/Intentionsstruktur je konkreter Lernproblematiken auf das darin beschlossene Verhältnis expansiver und defensiver Lerngründe quasi begründungslogisch zu analysieren. Damit dies verständlich wird, ist dem möglichen Mißverständnis entgegenzutreten, unser Konzept der expansiven Lerngründe gehöre auf irgendeine Weise in die Nachbarschaft des früher von uns dargestellten und diskutierten Konzeptes der »intrinsischen Motivation«: Expansiv begründetes Lernen bedeutet ja gerade nicht Lernen um •seiner selbst«, sondern Lernen um der mit dem Eindringen in den Gegenstand erreichbaren Erweiterung der Verfügung/Lebensqualität willen. Damit im Zusammenhang geht es in expansiv begründeten Lernhandlungen eben nicht um die Rückbeziehung des Lernens auf einen bloß individuellen »Spaß an der Sache« o.ä., sondern um die Überwindung meiner Isolation in Richtung auf die mit dem lernenden Gegenstandsaufschluß erreichbare Realisierung verallgemeinerter gesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten in meinem subjektiven Erleben. Auch in Heckhausens Fassung der •intrinsischen Motivation« als •Gleichthematik (Endogenität) von Handlung und Handlungsziele (vgl. S.72f) ist (unabhängig davon, wieweit dieses Konzept in anderen Problemzusammenhängen sinnvoll sein mag) die Spezifik der expansiven Lernbegründungen nicht getroffen. Dies geht schon aus seiner erläuternden Feststellung hervor, •l..eistungshandeln« sei •intrinsisch, wenn es nur um des zu erzielenden Leistungsergebnisses willen unternommen wird, weil damit die Aufgabe gelöst ist oder die eigene Tüchtigkeit einer Selbstbewertung unterzogen werden kann« (1989, S.459): Die Selbstbewertung der eigenen Tüchtigkeit wäre unserer Konzeption nach, da hier die Verfügungserweiterung nicht als Implikat des inhaltlichen Zugangs zum Lerngegenstand gefaßt ist, in jedem Falle kein expansiver Lerngrund, während die Begründung •weil damit die Aufgabe gelöst ist« - indem hier nicht nach dem Grund, den das Individuum dafür haben könnte, die Aufgabe zu lösen, weitergefragt wird- wiederum die für die Theorie der •intrinsischen Motivation« typische zirkuläre Verkürzung enthält.
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
Aus der Unangemessenheit einer Gleichsetzung zwischen expansiven Lerngründen und »intrinsischer Motivation« deutet sich schon an, daß auch die Gleichsetzung zwischen defensiven Lerngründen und »extrinsischer Motivation« inadäquat sein könnte, da in beiden Begriffspaaren offensichtlich unterschiedliche Gegenstandsebenen angesprochen sind. In der Tat ist mit »extrinsisch motiviertem« Lernen - dies, wie dargestellt, eine Sammelbezeichnung für jede Art von instrumentellem bzw. operantem Konditionierungslernen - keineswegs Lernen zur Abwendung eines Verlustes an Weltverfügung, sondern einfach Lernen zur Gewinnung bestimmter Vergünstigungen (positive Verstärkung) bzw. zur Vermeidung der Einbuße bestehender Vergünstigungen (negative Verstärkung) gemeint. Dabei ist -gemäß dem SRpsychologischen Grundansatz - die Möglichkeit der Veifügung über die Befriedigungsquellen bzw. Nerstärkungsbedingungen« durch das Lernsubjekt hier begrifflich prinzipiell nicht abbildbar, diese werden vielmehr von vornherein als außengesetzt und damit dem kognitiven wie realen Zugriff des Lernenden entzogen angesehen: Nur so ist ja die verstärkungsvermittelte Fremdsteuerung des Verhaltens in »gewünschter« Richtung erreichbar, die- wie dargestellt - in der SR-psychologischen ..Verhaltenstechnologie« als explizites Ziel formuliert, aber auch den grundwissenschaftlichen Ausprägungen der SR-Psychologie als Erkenntnisinteresse inhärent ist. Demgemäß ist vom Standpunkt des Lernsubjekts - sofern dieses in der früher geschilderten Weise durch eine entsprechend reduzierte Prämissenlage auf bloßes Konditionierungslernen zurückgeworfen ist - das Gewährtwerden bzw. der Entzug von Vergünstigungen ein bloßer Gegebenheitszufall, dem gegenüber es (etwa qua »Wahrscheinlichkeiten«-Lernen) zwar bestimmte »Erwartungen« herausbilden kann, über den es aber keinerlei Verfügung hat. Vom Konzept der expansiven-defensiven Lerngründe her fällt neues Licht auf das Verhältnis zwischen Lernproblematiken und den Handlungsproblematiken, aus denen die Lernproblematiken ausgegliedert sind: Während, wie dargelegt, bei expansiv begründetem Lernen die Erhöhung der Verfügung/ Lebensqualität unmittelbar als durch das Lernen erreichbare Erweiterung/ Vertiefung des Weltaufschlusses intendiert wird, tritt dieser Zusammenhang bei defensiv begründetem Lernen zurück. Hier geht es mir primär darum, den drohenden Verlust der gegebenen Verfügung/Lebensqualität durch Machtinstanzen mittels Lernen abzuwenden. So ist der lernende Weltaufschluß, da über ihn diese Bedrohung nicht unmittelbar zu beseitigen ist, gegenüber der Bedrohungsbewältigung sekundär: »Lernen« ist für mich hier nur deswegen bzw. soweit angezeigt, wie ich dadurch den drohenden Verfügungsentzugvermeiden kann. Damit wäre bei defensiv begründetem Lernen aber genau genommen gar nicht die Überwindung einer l.ernproblematik, sondern die Überwindung einer durch Lernanforderungen gekennzeichneten
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primären Handlungsproblematik die dominante Intention, womit auch die (früher von uns gekennzeichnete) spezielle Lernhaltung als Distanz/Dezentrierung/ Aspektierung tendenziell auf eine bloße Bewältigungshaltung reduziert wäre: Es muß mir in dieser Konstellation lediglich darum gehen, der Situation, in welcher die Lernanforderung gestellt ist, möglichst umgehend ohne den drohenden Verlust an Verfügung/Lebensqualität - damit auch an . sozialer Zuwendung und Unterstützung- zu entkommen. Im Extremfall, d.h. wenn die Prämissenlage dies zuläßt, mag man dabei sogar gänzlich ohne wirkliches Lernen auszukommen meinen (etwa, indem man durch das in der Schule verbreitete Abschreiben, Sich-Vorsagen-Lassen etc. den Lernerfolg zur Gänze vortäuscht, s.u. ). Aber auch, soweit Lernen zur Situationsbewältigung in mehr oder weniger großem Umfang erforderlich scheint, färbt die bloß defensive Begründetheit des Lernens notwendigerweise auf dessen Art und Erfolg ab: Da es hier nicht primär um das Eindringen in den Lerngegenstand, sondern um die Abrechenbarkeit des Lernerfolgs bei den jeweiligen Kontrollinstanzen geht, muß der darauf zentrierte Lernprozeß notwendig auf vielfältige Weise in sich zurückgenommen, gebrochen, unengagiert vollzogen werden, dabei die Zuwendung zum Lerngegenstand durch Zweifel darüber, wieweit das jeweils Gelernte zur Situationsbewältigung überhaupt •nötige, d.h. gefordert ist, zersetzt sein. Die so resultierende widersprüchliche Mischung aus Lernen und Lernverweigerung ist von mir an anderer Stelle ( 1987) als widerständiges Lernen bezeichnet und genauer beschrieben worden. Dabei sollte aus dem vorher entfalteten Argumentationszusammenhang klar sein, daß derartige widerständige Lernformen zwar auf defensiv begründetes Lernen verweisen, aber nur dann entstehen, wenn ich mir den defensiven Charakter des Lernens, also den äußeren Lernzwang, nicht bewußt mache, sondern mich in abwehrender und realitätsverleugnender Weise quasi der •Dynamik« defensiven Lernens überlasse: Das bewußte .Verhalten« zu dem Umstand, daß ichangesichtseiner bestimmten Bewältigungs-/Lernproblematik nur defensiv zu lernen imstande bin, eröffnet mir dagegen perspektivisch die Alternative der Lernverweigerung oder der (in einem •qualitativen Lernsprung« zu vollziehenden) Gewinnung eines umfassenderen Zugangs zum Lerngegenstand, also von Möglichkeiten expansiv begründeten Lernens in Austragung des Konflikts mit den meine Verfügung/Lebensqualität bedrohenden Machtinstanzen bzw. deren strukturellen Abkömmlingen (s.u.). Allgemeiner ist in diesem Kontext die Besonderheit herauszuheben, durch welche »Lernmotivation« in unserem Sinne sich von den einschlägigen traditionellen Motivationstheorien kritisch abhebt: Gerade der Begriff der •intrinsischen Motivation« stellt - wie früher, S.75ff, geschildert - eine Art von
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reifizierendem Deckbegriff dar, mit dem bestimmte inhaltliche Handlungstendenzen durch das Unterschieben einer entsprechenden »Motivation« quasi verdoppelt werden und so das Weiterfragen nach den Begründungsprämissen und -intentionen der jeweiligen Handlung unterbunden ist. Das gleiche gilt für traditionelle Definitionen anderer Arten von Motivation, etwa (um nur einige der von Heckhausen in seinem Lehrbuch von 1989 benannten Motivationsarten anzuführen) •l..eistungsmotivation«, Motivation zur »Hilfeleistung«, »Aggression« als Motivator, »Anschlußmotivation«, •Intimitätsmotivation«, •Machtmotivation« etc. Gemäß unserer Konzeption ist das Begriffspaar •Motivation-Zwang« hingegen kein Konzept zur Ersetzung von Handlungsgründen durch inhaltlich fixierte »Antriebs-« und ·Richtungsfaktoren«, sondern zur Qualifikation der Lernbegründungen selbst: Dementsprechend handelt es sich bei dem Konzept der expansiven-defensiven Lerngründe (in welchem •Motivation-Zwang« auf das Lernhandeln konkretisiert ist) um ein analytisches lmtrument, mit welchem die Qualität der Prämissen-/Intentionsstruktur einer Lernproblematik vom (verallgemeinerten) Subjektstandpunkt genauer aufzuschlüsseln ist. Auf diesem Wege kann man prinzipiell nicht zu den üblichen Einteilungen in bestimmte Motivationsarten kommen: Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es genau so viele Konfigurationen expansiver und defensiver Handlungsgründe wie Lernproblematiken (also unbestimmbar viele) gibt, und Verallgemeinerungen werden hier nicht mittels Abstraktion von den jeweils speziellen Begründungsfiguren, sondern quasi •durch diese hindurch«, als Heraushebung typischer Begründungsstrukturen von Lernproblematiken, angestrebt (s.u.).
Zur Funktion von Beispielen und ein exemplarisches Beispiel: Schönbergs Orchestervariationen als Lernproblematik Nachdem wir bis hierher das Konzept der subjektiven Lernproblematiken einschließlich seines emotional-motivationalen Aspekts in den Grundzügen entfaltet haben, wäre (unserer Vornahme gemäß) nunmehr die schrittweise Rekonstruktion immer konkreterer Bestimmungen dieses Konzeptes fällig. Indessen ist mir bei den ersten einschlägigen Versuchen deutlich geworden, daß dies kaum lediglich allgemein oder abstrakt möglich ist, sondern daß sich hier von der Art der Aufgabe her die Heranziehung von Beispielen mehr oder weniger aufdrängt. Von da aus erscheint es mir zweckmäßig, diese Komplikation in einem eingeschobenen Darstellungsteil systematisch anzugehen, d.h. zunächst die Funktion von Beispielen innerhalb der theoretischen Entwicklungsarbeit prinzipiell zu diskutieren, auf dieser Grundlage Kriterien
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für eine angemessene Beispielauswahl zu entwickeln und danach ein konkretes, exemplarisches Beispiel als Grundlage für die weiteren Analysen darzustellen. Wenn ich also zunächst allgemein über die Rolle von Beispielen in der psychologischen Forschung zu reflektieren versuche, so wird mir deutlich, daß innerhalb theoretischer Entwicklungen in der Psychologie, auch (und vielleicht besonders) in der Arbeitsrichtung, der ich mich zurechne, gerade an zentralen Schaltstellen der Argumentation Beispiele erfunden wurden und tradiert werden: so bei Leontjew das »}äger.:freiber-Beispiel«, das »Axt-Beispiel«, das ,.Löffel-Beispiel«, das Beispiel von der »bitteren Süßigkeit« u.a. Dabei sind diese Beispiele keineswegs bloß beliebige Veranschaulichungen davon unabhängiger theoretischer Aussagen, sondern gehören zur »Theorie« selbst: Erst aufgrund der Beispiele wird hinreichend deutlich, was mit der Theorie gemeint ist, ja, wird die theoretische Botschaft erst eigentlich überzeugend, so daß man nicht daran vorbeigehen kann. In diesem Zusammenhang fällt mir auf, daß ich innerhalb der vorstehenden Ausführungen selbst in verschiedenen Kontexten fremde und selbsterfundene Beispiele eingebracht habe: »Zahnarzt«, »Michael der Störefried«, »Angler«, das »Bremslicht-Beispiel .. , das »Lichtanschalt-Beispiel« etc., und dies nicht lediglich deswegen, um dem Leser das Verständnis zu erleichtern, sondern vor allem, weil mir nur so hinreichend faßbar wurde, was mit einer bestimmten kritischen oder als weiterführend gedachten Aussage gemeint sein soll. Und von da aus komme ich schließlich auch auf den dargelegten Umstand, daß im Kontext unseres begründungstheoretischen Ansatzes experimentelle Untersuchungen legitimerweise nicht als Prüfungen von Theorien, sondern nur als Beispiele für die jeweiligen theoretischen Annahmen eingestuft werden können. Ich verdeutliche mir, daß meine Gepflogenheit, zu den dargestellten (und später reinterpretierten) lerntheoretischen Konzeptionen jeweils mindestens ein dazu durchgeführtes Experiment (häufig als Exemplar einer bestimmten Standardanordnung) relativ ausführlich zu schildern, keineswegs bloß aus dem Bestreben nach abstrakter dokumentarischer Gründlichkeit o.ä. entsprang: Jedes der vorgeführten Experimente hatte eben die benannte Funktion von Beispielen, aus denen überhaupt erst hinreichend klar zu machen war, worin die Besonderheit der darin exemplifizierten Theorie besteht und wie sie sich von anderen Theorien unterscheidet. {Man möge sich das etwa an dem auf S.l03ff angestellten Vergleich zwischen Rotters Theorie interner I externer Kontrollerwartungen, Seligmans Theorie der gelernten Hilflosigkeit und Banduras Selbstwirksamkeitstheorie verdeutlichen: Ohne Rückgriff auf die jeweils für eine Theorie typischen Experimente - etwa •skill vs. chance«, Nermeidbarkeit vs. Unvermeidbarkeit«, Training von Schlangenphobikernhätte ich mir und anderen niemals zureichend deutlich machen können, daß
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und in welcher Hinsicht es sich dabei tatsächlich um verschiedene Theorien handelt). Beispiele sind, sollte man meinen, sofern sie tatsächlich Beispiele für das Gemeinte sind, im Prinzip beliebig. Allerdings liegt in der damit formulierten Einschränkung >>im Prinzip« der springende Punkt: Beispiele können offensichtlich, selbst wenn sie einschlägig sind, das Gemeinte besser oder weniger gut treffen, d.h. explizierbar machen. In unserem Darstellungszusammenhang hat das gesuchte Beispiel darüber hinaus sogar eine bestimmte, aus dem Gesamtzusammenhang der Argumentation sich ergebende Funktion: Es muß zur Veranschaulichung der begrifflichen Aufdifferenzierung von Lernproblematiken mit Bezug auf einen möglichst entwickelten gesellschaftlichen Lerngegenstand taugen, um von da aus später immer konkretere Züge des Lernens bis hin zur Explikation der Lebenspraxis des wirklichen Lernsubjekts rekonstruieren zu können. Nach welchen Kriterien aber kann ich zur Auswahl eines so qualifizierten Beispiels kommen? Zunächst muß die als Beispiel gesuchte Lernproblematik auf eine Bedeutungsstruktur beziehbar sein, an welcher das höchste Entwicklungsniveau gesellschaftlicher Symbolwelten in ihren komplexen und vielschichtigen Verweisungen auf primäre sachlich-sozialen Bedeutungen eindeutig ausmachbar ist: Deswegen wären scheinbar elementare Lernformen, wie sensumotorisches oder soziales Lernen, da deren Bedeutungskontext erst von der entwickelsten Form aus rekonstruierbar werden kann, an dieser Stelle als Beispiel noch ungeeignet. Dabei erscheint es mir zweckmäßig, das Beispiel so zu wählen, daß die konkreten Lernformen, wie sie in den früher diskutierten traditionellen Lerntheorien angesprochen sind, darin nicht als Selektionskriterium genommen werden: Auf diese Weise ist es leichter, die gesuchten allgemeinen Bestimmungen der Überwindung von Lernproblematiken von der Frage nach dem (später zu diskutierenden) Verhältnis zwischen motorischen und mentalen Lernhandlungen zu unterscheiden: Die in dem Beispiel zu exemplifizierende Lernproblematik soll mithin weder (wie in der Handlungsregulationstheorie und der SR-Theorie vorausgesetzt) im Bereich äußerlich-gegenständlicher noch (wie in der kognitivistischen Gedächtnisforschung vorausgesetzt) im Bereich bloß immanent-verbaler Handlungszusammenhänge angesiedelt sein. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Stellenwert des Beispiels als Veranschaulichungsgrundlage bei der Entwicklung allgemeinster Züge des lernenden Weltaufschlusses aber noch weitere Selektionskriterien. Es dürfen in dem Beispiel keine Lernsituationen in konkreten institutionellen Kontexten von Lehrlernverhältnissen (i.w.S.) aufgegriffen werden, es darf sich also nicht auf Lernproblematiken in der Schule oder Hochschule, im Rahmen von beruflicher Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung, ebensowenig auf solche in sozialpädagogischen oder therapeutischen
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Einrichtungen zur Förderung Lernbehinderter, Überwindung einschlägiger psychischer »Störungen« etc. beziehen: Ein so spezifiziertes Beispiel würde die argumentationsstrategische Funktion der folgenden Analysen sabotieren, erst einmal zu grundlegenden Bestimmungen des lernenden Weltzugangs vom Subjektstandpunkt zu gelangen, um so die allfälligen Verkürzungen und Einseitigkeiten der Behandlung von Lehr-Lernsituationen zu vermeiden: Dies steht im Einklang mit der (in der Gesamteinleitung formulierten) generellen Zielsetzung unserer Arbeit, das Lernen gegenüber seiner üblichen Degradierung zu einer außengesetzten Anforderung an bestimmte Problemgruppen (Kinder, Jugendliche, Auszubildende, Benachteiligte, Arbeitslose, etc.) als allgemeine Menschenmöglichkeit konzeptionell Zurückzugewinnen und so erst die Grundlage für eine nichtrestriktive Diskussion auch der benannten spezielleren Lernprobleme zu schaffen. Das Beispiel, das ich unter solchen Gesichtspunkten ausgewählt habe, läßt sich (wie schon in der Überschrift zu diesem Abschnitt gesagt) unter das Motto »Schönbergs Orchestervariationen als Lernproblematik« stellen: Bei den Orchestervariationen von Schönberg handelt es sich um eine hochentwickelte symbolische Bedeutungsstruktur, die aber nicht sprachlicher, sondern ästhetisch-musikalischer (also i.w.S. ikonischer) Art ist. Die in dem Beispiel aufgewiesene Lernproblematik impliziert dabei weder aktuelle sozialkommunikative Beziehungen irgendwelcher Art, noch steht sie in wie immer gearteten direkten Lehr-/Lernzusammenhängen, sondern hat sich für mich als konkretes Individuum im Zuge meiner Lebensführung ergeben und wurde auch nur in diesem Zusammenhang allein von mir angegangen (womit man die hier involvierte Art des Lernens in gewisser Weise als »autonomes Lernen« im Sinne von Max Miller, 1986, S.l40ff, bezeichnen kann, s.u.). Mit dem Rückgriff auf meine eigene Selbsterfahrung ist dabei einerseits der Subjektstandpunkt als Standpunkt der Analyse konkret realisiert, und andererseits habe ich damit die Möglichkeit, die Beschreibung nach den Anforderungen unseres Diskussionszusammenhanges ohne Einbußen an Authentizität zu spezifizieren und zu differenzieren. Man mag gegen dieses Beispiel einwenden, es sei individualistisch. Dem würde ich entgegenhalten, daß - da die Bedeutungsstruktur, auf die die Lernproblematik sich bezieht, gesellschaftlicher Art ist- auch die Lernhandlungen zu deren Überwindung quasi ein Prozeß der Nachvergesellschaftung sind: Die Gesellschaftlichkeil des Individuums ist ja nicht an die aktuelle Anwesenheit anderer gebunden. Weiter mag man gegen das Beispiel vorbringen, es sei elitär. Aber elitär könnte es doch höchstens genannt werden, wenn man andere von der Realisierung bestimmter gesellschaftlicher Erfahrungsmöglichkeiten aus· schließen, nicht aber wenn man, wie durch die vorliegende Beispiel-Auswahl, andere in diese Möglichkeiten einbeziehen will. Das Beispiel sei doch aber, so könnte man fortfahren,
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weit hergeholt und fernliegend. Dem würde ich den Zweizeiler von Wilhelm Busch, •Das Zebra wohnt in fernen Zonen, für die, die weit ab davon wohnen•, entgegenstellen: Warum muß einem denn Schönbergs Musik ferner liegen als etwa Dulischs Prüfung eines AZUBI über Rostbildung? Auch mag man gegen das Beispiel vorbringen, es sei doch aber nur für Kenner, jedoch nicht für •normale Menschen« verständlich. Warum aber sollen nicht auch normale Menschen auf manchen Gebieten Kenner sein oder werden können? Sicherlich habe ich damit nicht alle möglichen Bedenken gegen das Beispiel angesprochen: So könnte man fragen, warum hier ein einzelnes Subjekt sich in einem mehr kontemplativen Handlungszusammenhang bloß rezeptiv einem schon ausgegliederten Lerngegenstand gegenübersieht, also gemeinsames Lernen in praktischen Lebensbezügen, dabei die aktive Konstitution von Lerngegenständen, zurückgestellt ist. Ich kann die Erörterung der darin liegenden Auffassungsunterschiede, Mißverständnisse, oder auch nur voreiligen Antizipationen jedoch hier nicht vorwegnehmen: Entsprechende Klärungen werden sich (günstigenfalls) aus späteren Diskussionszusammenhängen ergeben. So möchte ich die diesbezüglich Skeptischen bitten, sich durch ihre Bedenken nicht ablenken zu lassen und ihnen (wie natürlich allen anderen auch) empfehlen, sich der nun folgenden Darstellung des Beispiels in Ruhe zuzuwenden.
Zur Vorgeschichte. Ich hatte über Arnold Schönbergs »Zwölftonmusik« bisher kaum mehr als die gehobene Allgemeinbildung des musikinteressierten Laien zur Verfügung: Die Grundregel des Schönbergsehen Kompanierens mit zwölf Tönen ist die Vorschrift, daß (von gewissen, fest definierten Ausnahmen abgesehen) ein bestimmter Ton innerhalb der chromatischen Zwölftonskala jeweils erst dann wieder verwandt werden darf, wenn alle übrigen elf Töne vorgekommen sind- dies zum Zwecke der Vermeidung des Entstehens tonaler Zentren, also zur rigorosen Durchsetzung der »Atonalität«. Gemäß dieser Regel werden für jede Komposition spezielle »Reihen« aus 12 verschiedenen Tönen zusammengestellt, welche - sowohl in ihrer Grundgestalt wie als Umkehrung (Kopfstand), Krebs (von hinten nach vorne) sowie Krebsumkehrung als kontrapunktische Figuren aus der alten Musik - das Material für die Komposition darstellen, also dort rhythmisiert, übereinandergeschichtet, zerlegt, etc. werden. Im Zusammenhang mit solchen Globalvorstellungen hatte sich bei mir (vermutlich auch im Einklang mit verbreiteten Sichtweisen) das Urteil etabliert, die so nach dem Zwölftonprinzip komponierten Stücke könnten eigentlich keine »richtige Musik« sein, da der Komponist hier kaum seinen Inspirationen folgen und schöpferisch tätig werden könne, sondern darauf festgelegt sei, die Töne nach musikfremden Gesichtspunkten anzuordnen, wobei die dabei resultierenden Tonfolgen und Zusammenklänge notwendigerweise musikalisch mehr oder weniger zufällig sein müßten. Da hier mithin - so meinte ich - quasi mathematische Konstruktionsmerkmale vorherrschen, sei diese Art von Musik offenbar mehr etwas zum Lesen als zum Hören, etc. Im Einklang mit dieser Einschätzung hatte ich zwar die Musik anderer Vertreter der klassischen
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Moderne wie Bartok, Strawinsky, Hindemith, mehr oder weniger bemüht (und subjektiv erfolgreich) zu rezipieren und zu verstehen gesucht, um Schönberg und die Neue Wiener Schule aber stets einen Bogen gemacht. Aus Gründen, die ich nicht mehr eindeutig rekonstruieren kann, wohl aber besonders aufgrund der mehrfachen Begegnung mit der Einschätzung Schönbergs als größten Komponisten des 20. Jahrhunderts o.ä., wurde ich jedoch (seit Mitte der achtziger Jahre) zunehmend unsicher, ob diese Abstinenz zu rechtfertigen sei, d.h. ob ich mir aufgrund meiner unhinterfragten und ungeprüften Vorbeurteilung nicht wesentliche musikalische Erlebnisund Erfahrungsmöglichkeiten versperren könnte. So kam ich schließlich zu der Vornahme, ein repräsentatives Werk von Schönberg versuchsweise mit der gleichen Aufmerksamkeit und Konzentration zu Ende zu hören, wie ich dies bei anderen, mir von vornherein genehmeren Werken der neuen Musik auch zu tun pflegte. Meine Wahl fiel dabei auf die Orchestervariationen op. 31 (entstanden 1926-1928): Diese sind, wie ich erfuhr, Schönbergs erstes Zwölftonwerk für Orchester und gelten als ein besonders bedeutendes und repräsentatives Dokument der neuen Technik. Der Anlaß für das hier dargestellte Lernprojekt war also keine wissenschahliehe Fragestellung, sondern ein persönlicheslebenspraktisches Ungenügen. Ich ahnte damals noch nicht, daß ich meine Schönberg-Erfahrungen später als Beispiel in ein Buch über Lernen einrücken würde. Demnach habe ich meinen Lernprozeß nicht aktuell systematisch dokumentiert - die damaligen Einschätzungen können also von nachträglichen Deutungen nicht klar unterschieden werden - und auch sonst keine exakten untersuchungstechnischen Vorkehrungen getroffen. Als methodisches Muster für subjektwissenschaftliche Aktualempirie ist das folgende somit kaum geeignet.
Ich kaufte mir also eine CD mit der Aufnahme der Variationen {unter Karajan), erfuhr aus dem Beiheft, daß das Werk aus einer Introduktion, neun Variationen und einem Finale besteht, daß darin neben oder im Zusammenhang mit dem reihenförmigen Thema und seinen drei Spiegelungen (,.rückläufig, kopfständig und in rückläufigem Kopfstand«) die B-A-C-H-Figur verarbeitet ist, daß Schönberg hier aus Gründen der Farbigkeit neben einer großen Orchesterbesetzung auch Celesta und Mandoline zum Einsatz brachte, etc. Während ich das Stück das erste Mal anhörte - einer Situation, auf die ich mich äußerlich (durch Schaffung günstiger Rezeptionsbedingungen) und innerlich (durch das Bemühen um Ernsthaftigkeit und Unvoreingenommenheit) gründlich vorbereitet hatte - spielte sich bei mir etwa folgendes ab: ,.Aha, dies ist also die Introduktion, klingt reizvoll, bißeben impressionistisch, erinnert mich jetzt etwas an Richard Strauß; da ist ja die B-A-C-H-Figur. Und jetzt kommt wohl das Thema: Cello mit Begleitung? Ist als Melodie
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irgendwie sperrig, merkwürdige Sprünge, wie soll man das denn behalten und nachher in den Variationen wiedererkennen? Und das ist offenbar die erste Variation; au wei; sicher: Charaktervariationen, aber mindestens bei der ersten Variation müßte man doch das Thema noch irgendwie heraushören können«. Von der zweiten oder dritten Variation an läßt sich der Rezeptionsvorgang immer weniger als »innerer Monolog« rekonstruieren: Das musikalische Geschehen begann an mir vorbeizurauschen. Ich versuchte, zunehmend vergeblich, irgendwelche Haltepunkte und Orientierungen zu finden. Wenn es mir für kurze Momente gelang, wieder hinzuhören, so vermittelte sich mir stets der Eindruck eines Chaos, in dem die einzelnen Instrumente weitgehend unabhängig nebeneinander her spielen. Die tumultuösen Abläufe, in denen für meine Fassungskraft viel zu viel passierte, gingen mir auf die Nerven. An manchen Stellen fühlte ich mich durch ein irgendwie absichtslos-unstrukturiert vor sich hinlaufendes Tingeltangel provoziert. Von meiner angestrebten üblichen Bewußtseinslage musikalischen Genusses keine Spur. Statt dessen geriet ich schließlich (besonders während der leisen Passagen) in eine leicht dösige Verfassung, aus der ich jedesmal durch irgendwelche Orchesterschläge aufgeschreckt wurde. Plötzlich war das Ganze mit einem dieser unmotiviert-bizarren Orchesterschläge zu Ende. Stille. Angesichts meiner Frustration und Ratlosigkeit nach dem ersten Anhören der Orchestervariationen hätte ich nun meinen Versuch mit Schönberg als gescheitert erklären können, etwa mit der Begründung, meine frühere Einschätzung sei eben doch zutreffend gewesen, dies sei halt keine »richtige Musik«; oder mit der intropunitiven Rechtfertigung, ich sei eben musikalisch zu ungebildet für so etwas: Es gibt doch soviel schöne Musik auf der Welt, warum muß es denn auch gerade Schönberg sein? Um den Fehlschlag weniger prinzipiell zu inszenieren, hätte ich auch die Schuld auf das Stück schieben und die Angelegenheit wiederum vertagen können: Vielleicht waren die Orchestervariationen als Einstieg doch nicht so geeignet, u.U. später mal mit einem Klavierstück versuchen. Tatsächlich aber war mir klar, daß die Angelegenheit »Orchestervariationen« für mich damit nicht zu Ende war, sondern daß ich im Gegenteil weiter versuchen würde, dennoch irgendwie an dieses Stück heranzukommen. In der Terminologie dieser Arbeit: Ich akzeptierte mein Unverständnis und meine gereizte Ablehnung beim ersten Hören des Stückes als subjektive Lernproblematik. - Die Gründe dafür sind für mich schwer rekonstruierbar: Vielleicht erinnerte ich mich daran, daß ich auch andere moderne Stücke, aber sogar Beethovens letzte Klaviersonaten und Streichquartette, teilweise nicht gleich beim ersten Hören voll mitgekriegt hatte. Dagegen spricht allerdings, daß dabei Widerwillen nie das Resultat des ersten Hörens gewesen war. Vielleicht war ich auch nur hartnäckig oder »pflichtbewußt« und wollte die Sache nicht so schnell aufgeben. Offenbar
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aber bildete sich darüber hinaus während des Hörens-und dies muß der entscheidende Grund gewesen sein - bei mir eine Ahnung heraus, daß in den Abläufen des Stückes irgendwie mehr an musikalischer Aussage enthalten ist, als mir (schon) zugänglich war, so daß sich die weitere Bemühung darum für mich lohnen würde. Dabei mag gerade die Heftigkeit meiner Ablehnung für mich ein Indiz dafür gewesen sein, daß mit Schönbergs Werk bei mir unhinterfragte und liebgewordene Formen musikalischen Erlebens erschüttert worden sein könnten, so daß - falls es mir gelänge, Zugang zu dem Stück zu finden - neue Dimensionen künstlerischer Erfahrungsmöglichkeiten für mich eröffnet würden, etc. Darüber, auf welche Weise ich die Lernhaltung gewinnen könnte, von der aus mein Verständnis des Stückes zu fördern wäre, hatte ich allerdings zunächst keine genaueren Vorstellungen (woher auch?). Das einzige für mich denkbare Lernprinzip bestand in dieser Phase im »Mitkriegen-Wollen« des Stücks, und so fuhr ich die Strategie, das Stück unverdrossen immer wieder anzuhören, um zu sehen, was dabei passiert, d.h. etwa bei einem Durchgang gemachte neue Erfahrungen so zu reflektieren, daß sie in den weiteren Durchgängen verwertet werden können. (Bei diesem Vorhaben kam mir entgegen, daß Schönberg selbst einmal gesagt hat, man müsse jedes seiner Stücke zehnmal hören - wobei zehn Durchgänge mir aber keineswegs ausgereicht haben.) Ich will die Veränderungen meiner Hörhaltung, die sich im Laufe dieser (im Abstand von Tagen, höchstens einer Woche inszenierten) Wiederholungen ergaben, wiederum als Bruchstücke des inneren Monologs pointiert zusammenfassen: Du mußt gleich richtig zuhören, und Dich nicht darauf verlassen, daß sowieso alles nochmal kommt. Du mußt dich nicht auf wörtliche oder fast wörtliche Wiederholungen fixieren: Auch hier gibt es Anklänge an jeweils Früheres, aber mehr in Form permanenter Veränderungen; es kommt offenbar darauf an, dabei die alte Figur gleichzeitig mit ihrer variierten Gestalt mitzukriegen. Also: Hören in Entwicklungen. - Du mußt nicht nur das als •Melodie« anerkennen, was die üblichen Quarten, Quinten und Terzen als Stützpunkte und den bekannten regelmäßigen Periodenaufbau hat: Hier können - qua Reihentechnik - alle Intervalle an der Melodienbildung beteiligt sein. Außerdem müssen die Melodien, da darin normalerweise gleiche Tonhöhen nicht wiederholt werden, irgendwie komplexer und weitergespannt werden: Neues Melodiebewußtsein I -Du mußt in anderer Weise auf die Instrumentierung achten: Diese hat hier offensichtlich nicht nur koloristische, sondern irgendwie •strukturelle« Funktion, offenbar sind bestimmte Zusammenhänge häufig nur über die Instrumentierung herauszuhören.- Du darfst Deine Beachtung nicht jeweils nur auf eine Stimme fokussieren und das, was sonst noch passiert, außer acht lassen (darf man ja in anderen polyphonen Stücken, etwa einer Fuge von Bach, auch nicht). Erfordert ist eine »multifokale« Rezeption, »Verteilte Aufmerksamkeit« oder besser (stammt der Ausdruck nicht von Freud?) »gleichschwebende Aufmerksamkeit«.
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In der Tat wird z.B. in der Unterscheidung zwischen »relativem lernen« und »funJ4. mentalem Lernen«, wie sie von Miller ( 1986, etwa S.140ff) im Anschluß an bestimmte Auf. fassungen Piagets vorgeschlagen wurde, nicht etwa (wie ich friiher irrtümlich annahm, vgl. 1987, S.22ff) der Übergang vom •relativen«, also graduellen Lernen zum ,.fundamentalen«, also als qualitativer Sprung vollzogenem Lernen, zu konzeptualisieren versucht. Vielmehr ist hier das ,.fundamentale Lernen« als eine die •Aneignung von Basistheorien« betreffende gesonderte Lernform vom •relativen Lernen« als »Aneigung von anwendungsbezogenem Wissen« abgetrennt (S.140). Das ,.fundamentale Lernen« selbst wird sodann- in dieser Hinsicht den früher dargelegten, von Montada herausgehobenen Vorstellungen Piagets entsprechend - als Aufhebung eines •Selbstwiderspruchs« im Erreichen eines vordefinierten höheren kognitiven Strukturniveaus (etwa den Übergang vom VOroperatorischen zum operatorisehen Niveau der Lösung von Piagets Problem der ·Balkenwaage«) analysiert. Weiterhin handelt es sich etwa in der von Bateson (1972, S.279ff) konzipienen Stufeneinteilung des Lernens (•Lernen lc bis ·Lernen III« bzw. •Lernen IV•) um eine explizit logisch konstruierte Unterscheidung verschiedener Strukturniveaus des Lernens, und zwar deran, daß •lernen 1.. im wesentlichen als Lernen gemäß den Gesetzen des klassischen und instrumentellen Konditionierens bestimmt wird, »Lernen n.. sodann in der Möglichkeit der Reflexion und Veränderung der Voraussetzungen für Lernen I•, und •lernen IIl• wiederum in der Veränderbarkeit der Voraussetzungen für ·Lernen ll« etc. bestehen soll. Dabei ist mir unklar geblieben, wieweit Bateson sein Konzept nur zur Einteilung verschiedenaniger Lerntheorien und zugehörigen empirischen Befunde benutzen will und wieweit damit tatsächlich der Übergang von einer Lernstufe zur nächsthöheren bei einem je identischen Individuum theoretisch faßbar werden soll. Klar scheint mir aber, daß für den letzten Fall auch hier wiederum nur das Erklimmen der logisch vorkonstruierten und präskriptiv vorausgesetzten höheren Lernstufe, nicht aber die Generierung qualitativer Lernsprunge vom Standpunkt des Lernsubjekts zur Frage stehen kann. Diese Sichtweise bestätigt sich m.E. auch in der Art, wie Engeström (1987) Batesons Lernstufen in sein - u.a. von Wygotski beeinflußtes - Konzept des •learning by expandingc einbezieht und in diesem Kontext etwa •Entwicklung• als »the transitions between the Ievels of lt4ming• (im Sinne Batesons) verstehen will (S.163) - Entwicklung also dergestalt als lernendes Durchlaufen eines logisch vorkonstruierten Rasters von Lernstufen betrachtet.
So können wir aus dem Ergebnis unserer Diskussion des Verständnisses qualitativer Sprünge im Kontext der vorfindliehen Problemlöseforschung und der Theorien über Entwicklungs- oder Lernstufen quasi als Auftrag an unsere weiteren Konzeptualisierungsbemühungen festhalten: Qualitative Sprünge als Resultat von Lernhandlungen können nur dann adäquat begrifflich gefaßt werden, wenn die dabei zu erreichenden höheren Stufen bzw. Stufenfolgen nicht vorab nach irgendwelchen kognitionspsychologischen, pädagogisch-didaktischen, entwicklungslogischen etc. Kriterien vorkonstruiert sind: Vielmehr müssen am Verlauf von Lernprozessen selbst Gesichtspunkte aufweisbar sein, aus denen verständlich wird, unter welchen Umstän· den dabei vom Lernsubjekt im Zuge des Lernfortschritts qualitative Sprünge vollzogen werden und ggf. wie die Eigenart dieser Sprünge durch die Art des
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vorgängigen Lernvollzugs und der sich dabei ergebenden Widersprüche bestimmt ist. - Wie aber kann man zu derartigen Gesi~htspunkten gelangen?
Qualitative Lernsprünge durch Reflexion auf das bisherige Lernprinzip und Diskrepanzerfahrungen höherer Ordnung Zum Einstieg in die unter diesen Vorzeichen von uns zu leistende theoretische Analyse halten wir zunächst fest, daß (wie gesagt} nicht jede Lernproblematik zu ihrer Überwindung qualitative Lernsprünge erfordert, sondern bestimmte Lernproblematiken durch •von Anfang bis Ende« kontinuierliche Lernfortschritte überwunden werden können: Wodurch also sind solche Lernproblematiken und die aus ihnen explizierbaren Diskrepanzerfahrungen, Gegenstandsausgliederungen, Dimensionen des lernenden Weltaufschlusses etc. ausgezeichnet, durch welche vom Subjektstandpunkt im Fortgang des Lernprozesses ein Stadium erreicht ist, von dem aus weiteres Lernen nur noch als qualitativer Sprung möglich wird? Aus unseren früheren Darlegungen über die Ausgliederung von Lernproblematiken ergibt sich, daß diese Besonderheit in bestimmten Spezifika des Verhältnisses zwischen der Elaboriertheit einer Lernproblematik und der durch die Struktur des Lerngegenstands ermöglichten .Tiefe« des lernenden Gegenstandsaufschlusses zu suchen ist: Auf der einen Seite muß hier die Tiefe des Lerngegenstands so ausgeprägt sein, daß dessen Bedeutungsstrukturen in sich mehrere Vermittlungsebenen aufweisen; auf der anderen Seite aber die Lernproblematik beim gegebenen Stand des Vorwissens vom Subjekt noch so wenig elaborierbar, daß durch die Diskrepanzerfahrung auf der jeweiligen Dimension zunächst nur eine inter· mediäre Zwischenebene der Tiefenstruktur des Lerngegenstandes erreichbar ist. Damit wäre also die lernende Aufschlüsselung der Bedeutungsstruktur des Lerngegenstands, d.h. der in ihm liegenden Verfügungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, nicht schon beim vorgegebenen Entfaltungsgrad der subjektiven Lernproblematik adäquat möglich, sondern nur dadurch, daß die Lernproble· matik selbst im Zuge des Lernprozesses so verändert und entwickelt wird, daß von einem bestimmten Stand des Lernvollzuges an die Beschränkung auf eine intermediäre Zwischenebene in Richtung auf die weitere lernende Aufschlüsselung der Tiefenstruktur des Lerngegenstandes überwindbar ist. Der Umschlag von der Dominanz der Bestimmungen der ursprünglichen Lernproblematik zur Dominanz der (im Lernvorgang selbst entwickelten} Bestimmungen der entfalteteren Lernproblematik beim Vollzug der Lernhandlungen wäre so gesehen gleichbedeutend mit einem qualitativen Lernsprung. Demnach würde es zu qualitativen Lernsprüngen dieser Art umgekehrt dann
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Variationen in ihrem inneren Verhältnis und im Verhältnis zum ganzen Stück immer klarer präsent gemacht werden konnten.
Die damit versuchte begriffliche Aufschlüsselung des Vollzugs qualitativer Lernsprünge hat (wie mir erst nachgängig klar wurde) gewisse substantielle Ähnlichkeiten mit dem von mir in GdP (1983,S.78ff) aus der Rekonstruktion des Umschlags von vorpsychischen zu psychischen Lebenserscheinungen herausabstrahierten »Fünfschritt« qualitativer Sprünge. Insbesondere die Art und Weise, wie im gegenwärtigen Diskussionskontext der Übergang von der punktuellen, noch dem alten Lernprinzip untergeordneten Erweiterung des Gegenstandszugangs bis zu dessen Dominantwerden als neuem Lernprinzip und dem dadurch ermöglichten höheren Niveau lernenden Gegenstandsaufschlusses nachgezeichnet wurde, läßt sich unschwer als eine besondere Ausprägungsform der früher herausgehobenen Sequenz »Funktionswechsel« --+ »Dominanzwechsel« --+ »neue Entwicklungsrichtung« identifizieren. Damit tritt an unserem jetzigen Argumentationszusammenhang der Umstand, daß zum Vollzug und Verständnis qualitativer Lernsprünge eine Art von Vorlauf der im Umgang mit dem Gegenstand gewonnenen Erfahrung vor deren Reflexion und Umsetzung in ein neues Lernprinzip angenommen werden muß, in verallgemeinerter Weise hervor. Dies schließt gleichzeitig eine Bekräftigungunserer früheren Darlegungen über die zentrale Relevanz der emotional-motivationalen Wertungsvorgänge für die Herausbildung von Lerndiskrepanzen in einem erweiterten Zusammenhang ein. Aus unseren entsprechenden Ausführungen ist nämlich zu entnehmen, daß nur in dem Maße, wie bei der Anwendung des alten Lernprinzips dessen Ungenügen zunächst als emotional-komplexqualitative Umgangserfahrung mit dem Lerngegenstand hervortritt, dieses dann auch als Beschränkung des alten zugleich mit der Perspektive des neuen Lernprinzips auf den Begriff zu bringen ist. Der geschilderte Umstand, daß die erweiterten Zugangsmöglichkeiten zunächst nur »punktuell« faßbar werden, immer wieder »wegrutschen« etc., verweist so gesehen auf deren noch unreflekltiert emotionalen Charakter und damit zugleich auf die Notwendigkeit, im bewußten »Verhalten« zur eigenen Emotionalität, das, was an Weltbeziehungen darin steckt, faßbar, hier: die Diskrepanz zwischen schon realem und darüber hinausgehendem möglichen Gegenstandsaufschluß als Diskrepanz zwischen altem und neuem Lernprinzip verstehbar und so in intentionale Lernhandlungen umsetzbar zu machen. Damit verdeutlicht sich auch, in welchem Sinne die früher schon benannten Widersprüche als Charakteristika qualitativer Lernsprünge heraushebbar sind: nicht als logische Widersprüche innerhalb von »Denkaufgaben« o.ä. (zu deren »Lösung«, wie dargestellt, Lernaktivitäten nicht als notwendig vorauszuset· zen sind), sondern als inhaltliche Widersprüche zwischen meinem aufgrund
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des gegenwärtig angewendeten Lernprinzips allein erreichbaren realen Stand und dem in der komplexqualitativ-emotionalen Umgangserfahrung sich andeutenden möglichen Stand des lernenden Gegenstandsaufschlusses. Genauer: Die Diskrepanzerfahrung (•höherer Ordnung«) wandelt sich im Prozeß der Herausbildung qualitativer Lernsprünge vom zunächst nur komplexqualitativ-emotionalen Ungenügen zur Identifizierung des expliziten Widerspruchs zwischen den realen Beschränkungen des »alten« und den erweiterten Möglichkeiten des Weltzugangs durch das •neue« Lernprinzip, wobei dieser Widerspruch allein durch »Lernen« - nämlich im Zuge der Realisierung der •neuen« Möglichkeiten durch lernendes Eindringen in den Gegenstand auf dem durch das neue Lernprinzip erreichbaren höheren Niveau - aufzuheben ist. Dabei mag auch das •neue Prinzip« - obwohl es einerseits die Voraussetzung für das Lernen auf höherem Niveau ist - sich andererseits erst mit dem hier vollziehbaren Lernfortschritt immer mehr in seiner Eigenart verdeutlichen - und dabei möglicherweise neuerlich bestimmte Grenzen offenbaren, die auf das Erfordernis eines weiteren qualitativen Lernsprungs verweisen (so im Schönberg-Beispiel des Sprungs zur Verallgemeinerbarkeit des Neuen Hörzustands als genereller Hörhaltung, was hier aber nicht mehr ausgeführt werden soll. Mit unserer vorstehenden theoretischen Konzeptualisierung qualitativer Lernsprünge wurde - wie deutlich werden sollte - die eingangs angezielte »Metaebene« erreicht, von der aus nicht mehr universelle Stufen des qualitativen Umschlags vorgegeben werden müssen, sondern die Tatsache, wie die Eigenart der jeweiligen Sprünge sich ganz und gar aus der Beschaffenheit der jeweiligen initialen Lernproblematik in ihrem Verhältnis zur Tiefenstruktur des Lerngegenstands ergibt. Lernsprünge, wie wir sie verstehen, vollziehen damit nicht sich als Annäherung an einen irgendwie außengesetzten •Endzustandc, sondern werden von mir als Lernsubjekt vollzogen, indem ich während des Versuchs der Überwindung einer bestimmten Lernproblematik bei einem gewissen Stand lernender Gegenstandsannäherung in Ansehung des Zusammenhangs zwischen Weltaufschluß und Verfügungs-/Lebenserweiterung »gute Gründe« habe, ein »prinzipiell.. höheres Niveau lernenden Gegenstandszugangs zu realisieren. Wie die Eigenart der qualitativen Lernsprünge, so ist auch die Besonderheit des in ihrem Vollzug zu reflektierenden »alten« und »neuen« Lernprinzips nicht generell zu kennzeichnen, sondern hängt von der jeweiligen Lernproblematik/Lerndiskrepanz, wie ich sie von meinem Standpunkt ausgegliedert habe, ab. Dabei muß allerdings (wie in unserem Rekurs auf den emotionalmotivationalen Aspekt qualitativer Lernsprünge schon implizit mitgemeint) unsere früher dargestellte kategoriale Differenzierung in expansiv und defensiv begründetes Lernen bei der Spezifizierung der jeweiligen Lernprinzipien
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Nochmals: Zum Verhältnis zwischen thematischem und operativem Lernaspekt Bei der bisherigen Entfaltung unserer lerntheoretischen Grundbegrifflichkeit stand - da es um die Konzeptualisierung des lernenden Weltaufschlusses ging - der thematische Aspekt des Lernens im Vordergrund. Dies heißt aber nicht, daß damit der operative Lernaspekt irrelevant geworden wäre. Vielmehr enthält jede Lernproblematik für mich mit der thematischen Diskrepanzerfahrung notwendigerweise immer auch operative Vorstellungen, Entwürfe etc., wie ich dabei begründetermaßen meine Lernvollzüge so zu planen und zu organisieren habe, daß ich das antizipierte Lernresultat in möglichst sinnvoller Weise erreichen kann. Dies heißt aber, daß mit der begrifflichen Differenzierung des thematischen Lernaspekts sich auch die Frage nach dessen Verhältnis zum operativen Aspekt neu stellt. Dieser Frage soll im folgenden gesondert nachgegangen werden, wobei ich mich wiederum am Beispiel meiner Lernaktivitäten zur Aufschließung der Schönbergsehen Orchestervariationen entlang bewegen will. Um mir nicht nur das erste Hören, sondern auch jeden weiteren Durchgang des Anhörens dieses Stückes zu ermöglichen, waren selbstredend jeweils bestimmte Vorkehrungen: Schaffung entsprechender ,.freier Zeit«, Aufsuchen des Ortes, wo der CD-Player steht, dessen Anschalten, Einlegen der richtigen Scheibe, Drücken der ..Play«.:raste etc. erforderlich, die man als klassische operative Verrichtungen etwa in Termini der Handlungsregulationstheorie beschreiben kann. Neben mehr äußerlichen wurden im Fortgang des Lernprozesses auch mannigfache mentale Kontroll- und Regelungsaktivitäten, etwa die angeführten Selbstinstruktionen, vollzogen. All solche Operationen sind einerseits (auf dieser Allgemeinheitsebene betrachtet) in der herausgehobenen Weise gegenüber dem Lerninhalt neutral, könnten also jede für sich auch zur Kennzeichnung von Lernhandlungen benutzt werden, die in beliebig anderer Weise inhaltlich bestimmt sind. Andererseits aber deutet sich hier schon an, daß man es dabei keineswegs mit einer in sich geschlossenen operativen Lernregulierung als .. Abarbeiten eines Lernplans« o.ä. zu tun hat, sondern daß sowohl die Auswahl der jeweiligen Operationen wie deren Aufeinanderfolge offensichtlich nur aus dem übergeordneten thematischen Zusammenhang (der damit sozusagen das geistige Band zwischen den einzelnen Lernoperationen darstellt) und dem sich daraus ergebenden Lernprinzip verständlich werden. Um dies genauer zu fassen, gehen wir einen Schritt näher heran und betrachten eine bestimmte (von mir bei der Darstellung des Beispiels selbst schon so genannte) Strategie, die auf dem Weg, mir die Orchestervariationen zugänglich zu machen, für mich von zentraler Relevanz war: Die permanente
Dimensionen und Vf!Tlaufsformen des Zugangs zum Lerngegenstand
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Wiederholung des Anhörens dieses Stücks: Das Wiederholen stellt ja, etwa als ,.üben« näher bestimmt, gemäß traditionell-lerntheoretischer Auffassung ein universelles Vehikel von Lernfortschritten dar und könnte somit ebenfalls als generelle, vom jeweiligen thematischen Zusammenhang unabhängige Lernoperation eingestuft werden. Diese Sichtweise wäre auch noch im Hinblick auf unsere frühere Reinterpretation von Wiederholungen als Möglichkeiten des progressiven Aufbaus von Behaltens-/Erinnernsstrategien (5.145) halbwegs durchzuhalten. Betrachten wir nun aber die Funktion, die dem Wiederholen in dem von mir geschilderten Lernprozeß zum Verständnis der Orchestervariationen zukam: Dort versuchte ich, von Wiederholung zu Wiederholung immer weiter in die Aufbau- und Organisationspinzipien des Stückes einzudringen, indem ich Erfahrungen, die ich in einem jeweils bestimmten Durchgang mit den musikalischen Abläufen machte, Zusammenhänge und Strukturen, die ich (zunächst ansatzweise) dabei heraushören konnte, durch Selbstinstruktionen festzuhalten, beim nächsten Durchgang wiederzufinden und von da aus weiteren Zugang zu der Musik zu gewinnen trachtete (vgl. dazu die Schilderung der Folge derartiger Selbstinstruktionen auf S.201). So zeigt sich also, daß hier die durch die Wiederholungen ermöglichte operative Strategie der Selbstinstruktionen ihrerseits nur als dessen sprachliche Fassung unselbständiges Teilmoment des thematischen Eindringens in die Struktur des Lerngegenstandes, also (um den de Groot-Seidelschen Ausdruck hier sinngemäß heranzuziehen) des »progressiven Vertiefens« des Gegenstandsaufschlusses war. Die Wiederholungen selbst stellten so quasi nur den oberflächlichsten Niederschlag eines dahinterstehenden thematisch zentrierten Lernprinzips dar. Eine entsprechende Abhängigkeit der operativen von den thematischen Lernaspekten läßt sich auch bezüglich des dargestellten Übergangs von der Strategie, das ganze Stück wiederholt abzuhören, zur Strategie des wiederholten Hörens einzelner Variationen aufweisen. Dabei handelt es sich bestenfalls auf den ersten Blick um eine allein aus operativer Sicht verständliche •hierarchische« Sequenz vom Allgemeinen zum Besonderen o.ä. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß (wie aus meiner Schilderung auf S.200ff hervorgeht) mit dem weiteren Eindringen in die Verlaufsstruktur des Stückes der Charakter der Zwölfton-Komposition als •entwickelnde Variation« der Reihe in ihrer Grundgestalt, Umkehrung, Krebsführung und umgekehrten Krebsführung, immer deutlicher werden mußte. Von da aus wurde es in dem Grade, wie ich mich in Realisierung des initialen thematischen Lernprinzips immer »tiefer« in die Musik hineinhörte, immer zwingender, dieses allgemeine Variationsprinzip nun auch in seinen konkreten Erscheinungsformen innerhalb der verschiedenen Variationen i.e.S.genauer zu verfolgen und zu diesem Zweck (dies die operative Konsequenz) jede Variation für sich mehrfach
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Grundbegri!Jlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
zentralnervöse Mechanismen der Bewegungssteuerung annahm (vgl. etwa Lashley 1951). Eine der dadurch angeregten, bis heute andauernden Hauptkontroversen ist durch die Gegenüberstellung: allgemeine, zentrale »motor programs« vs. mehr periphere Feedback-Prozesse der Bewegungskontrolle, zu kennzeichnen. Entsprechend entstanden in diesem Gebiet spezielle Methodentraditionen, wobei »Tracking«-Anordnungen, in welchen ein fremdbewegter Zielpunkt unter verschiedenen Bedingungen durch Eigenbewegungen der Vpn »Verfolgt« werden muß, einen prominenten Platz einnehmen. Dabei zeichnet sich in neuerer Zeit eine gewisse Trendänderung der Konzepte und Versuchsanordnungen ab: Das Schwergewicht verlagerte sich vom Gesamtprozeß der »motor control« auf die isolierte Untersuchung einzelner Komponenten, wie Sequenzierung, Zeitverhältnisse, Kraftaufwand, um so zu Regulationseinheiten des Bewegungsablaufs (»Modulen« o.ä.) zu gelangen, die in unterschiedlicher Anordnung bei verschiedenen Bewegungsarten antreffbar sein sollen (vgl. Keele & lrwy 1987; repräsentative Aufsatzsammlungen zur Forschungsrichtung des »motor learning« etwa bei Stelmach & Requin, 1980, und Jeannerod, 1990).
Gegen physiologische, mathematische und operative Reduzierungen des Bewegungskonzeptes Beim Versuch, durch den damit skizzierten Forschungsansatz hindurch sich dem lebenspraktischen Kontext motorisch-mentaler Lernprozesse vom Subjektstandpunkt anzunähern, stößt man zunächst auf ein Hindernis, das wir bereits früher, bei der Diskussion der kognitivistischen Gedächtnistheorien, ausführlich kritisch hervorgehoben haben: Auch in der Forschungsrichtung des »motor learning« wird das Lernsubjekt auf unterschiedliche ~ise ins »System« verlegt und durch eine derartige »Homunkulisierung« das wirkliche Subjekt der Lernhandlungen so mystifiziert, daß es theoretisch nicht mehr faßbar ist. Aussagen, in denen »Systeme« z.B. zu Subjekten von Vorhersagen, Erwartungen etc. werden - wie die Formulierung von Jordan (in seinem Experiment über Freiheitsgrade des motorischen Lernens): »... allows the system to predict the results it expects to obtain ... « (1990, S.798)- sind auch hier an der Tagesordnung.- Eine zweite Beschränkung liegt in der im vorigen Teilkapitel von uns diskutierten Kontamination der phänomenalen und der neurophysiologischen Bezugsebene der theoretischen Interpretation und in den damit produzierten Pseudoerklärungen (theoretischen »Stilbrüchen« im Sinne von Herrmann, vgl. S.136), was sich hier (wohl durch die auf Lashley zurückgehende neurophysiologische Tradition der gesamten Forschungsrichtung
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begünstigt) geradezu als Prinzip der Theorienbildung zuspitzt: Beschrieben werden die Bewegungen häufig sogar in Termini von Zielen und Intentionen, bei ihrer Erklärung greift man aber so gut wie durchgehend auf die Annahme physiologischer bzw. neurophysiologischer Mechanismen zurück, noch dazu meist ohne den tatsächlichen Aufweis entsprechender Prozesse, also in Form von spekulativen Unterstellungen, so, wenn es bei MacKenzie & Van Eerd {1990) in ihrer Untersuchung zur Motorik des Pianospiels heißt: »There must be mappings among multiple representations {musical, auditory and motor) in the central nervous system« (S.367, Hervor. K.H.). Ein umfassenderes, mit den beiden benannten zusammenhängendes Hindernis beim Versuch der lebenspraktischen Explikation der Forschungsrichtung des »motor learning« liegt in der (sicherlich auch mit dem geschilderten Trend zur Analyse isolierter Bewegungskomponenten zusammenhängenden) fast durchgehenden Tendenz zu einer Reduktion von Handlungsverläufen auf Einzelbewegungen bzw. durch restriktive Randbedingungen fixierte stereotype Abläufe in den experimentellen Standardanordnungen. So sind schon in den erwähnten, besonders beliebten Tracking-Experimenten die Bewegungen darauf beschränkt, der fremdbewegten Marke »hinterherzulaufen«, der Zusammenhang zwischen Handlungsintention und Handlungsverlauf ist so stillgestellt. Dabei ist häufig eine beträchtliche Diskrepanz zwischen dem Anspruch der theoretischen Fragestellungen und ihrer experimentellen Realisation feststellbar. So will z.B. Rosenbaum (1987) verschiedene Ebenen des »action planning« herausarbeiten, untersucht dabei im Experiment aber lediglich aus dem Handlungszusammenhang isolierte »rapid finger movements«. Keele & Irvy (1987) benutzen zur Analyse des •modularen« Aufbaus von Handlungsfolgen so spezialisierte und isolierte Bewegungen wie So-schnell-wie-möglich-hintereinander-Klopfen. Selbst McKenzie & Van Eerd (1990) ziehen in ihrer erwähnten Untersuchung zur Motorik des Klavierpiels einerseits professionelle Pianisten als Versuchspersonen heran, verlangen von diesen dann aber andererseits nicht mehr als das Spielen einer C-Dur-Skala in verschiedenen Tempi gemäß vorgegebenen Metronomschlägen (s.u.). Im ganzen gesehen ist festzuhalten, daß die theoretischen Erklärungsansätze im Bereich von •motor control•./ »motor learning« unseren gegenwärtigen Bemühungen, das Bewegungslernen auf sein Verhältnis zu mentalen Lernprozessen im lebenspraktischen Kontext hin zu durchdringen, in gewissem Sinne geradezu entgegengerichtet sind. In den benannten kurzschlüssigen Substitutionen psychologischer Erklärungen durch physiologische Versatzstücke wird nämlich dem umfassenderen Handlungs- und Lebenszusammenhang des Bewegungsiemens quasi der Rücken zugekehrt. Selbst wo man theoretisch auf komplexere Bewegungsabläufe abhebt, geht
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Grundbegrijjlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Theorie
Die Konzeption der lnteriorisierung als allgemeines Prinzip der Entstehung des Psychischen aus äußeren, materiellen Handlungen wurde unter Bezug auf Wygotski besonders von Galperin (in seiner schon erwähnten ·Theorie der etappenweisen Ausbildung geistiger Handlungen•, z.B. 1967) und Leontjew (z.B. in seiner Studie über die Genese des Gedächtnisses, 1977, 5.313 ff) vertreten, war aber innerhalb der sowjetischen Psychologie keineswegs unumstritten, wobei auch die Berechtigung, sich mit dem so gefaßten lnteriorisierungskonzept auf Wygotski zu beziehen, angezweifelt wurde. Keiler (1984/85) ist dieser Problematik nachgegangen und wies dabei von Wygotski zu Galperin und Leontjew einen eigentümlichen Perspektivenwechsel auf: Während Wygotski einen Funktionswandel des Psychischen durch Hineinwachsen der sozialen Verhaltensformen in das Individuum im Auge gehabt habe, sei von Galperin und Leontjew der Richtungsaspekt von ..außen« nach •innen«, d.h. die Umwandlung der materiell-gegenständlichen Tätigkeit in .. höhere« geistige Prozesse, hervorgehoben worden. Diese Problemverschiebung wurde nach Keiler bereits Ende der 50iger Jahre von Rubinstein kritisiert, der geltend gemacht habe, daß jede äußere Tätigkeit bereits in sich psychische Komponenten enthalte, es sich also lediglich um den Übergang der psychischen Prozesse von einer Daseinsweise in eine andere handele (vgl. dazu Rubinstein 1963, S.212ff). In diese bis in die neuere Zeit fortgeführte Auseinandersetzung innerhalb der sowjetischen Psychologie wurde etwa von Asmolow & Welitschkowski (1988, S.24ff) eingegriffen, indem sie hervorhoben, daß u.a. auch Dawydow und Talyzina die Interiorisation als Mechanismus des Übergangs von der äußeren, praktischen in die innere oder Erkennistätigkeit auffaßten und damit der Problematik konfrontiert seien, daß ihrer Vorstellung nach die äußere Tätigkeit keine i.e.S. psychischen Komponenten aufweist. Die Autoren stellen dem die Auffassung Wygotskis gegenüber, der unter äußeren Prozessen soziale verstanden habe. Sie zitieren Wygotski mit dem Satz: •Jede psychische Funktion war eine äußere, weil sie eine soziale war, bevor sie eine innere, eigentlich psychische Funktion wurde; sie war zunächst eine soziale Beziehung zwischen zwei Menschen« (S.25). In weiterführender Weise kritisieren neuerdings Lave & Wenger (1991) vom Standort der (ursprünglich tätigkeitstheoretisch orientierten) kaliforniseben »Kognitiven Anthropologie« das Interiorisierungskonzept im ganzen: •lt establishes a sharp dichotomy between inside and outside; it suggests that knowledge is largely cerebral and takes the individual as the nonproblematic unit of analysis. Furthermore, learning is too easily construed as an unproblematic process of absorbing the given, as a matter of transmission and assimilation« (S.47). Interiorisierung sei hier •viewed as an individualistic acquisition of the cultural given. There is no account of the place of learning in the broader context of the social world« (S.48f). Von da aus stellen sie dem lnteriorisationskonzept ihr Konzept der »Partizipation« gegenüber, auf das ich noch ausführlich zurückkomme.
Zur Gesamteinschätzung des lnteriorisierungs-K.onzeptes sei (im Anschluß an frühere Ausführungen) in unserem Darstellungszusammenhang hervorgehoben, daß - indem hier die Beziehung zwischen »äußeren« (sei es materiellen, sei es sozialen) und mentalen Handlungen als ein genetisches »Nacheinander« aufgefaßt ist, deren je gegenwärtiges Verhältnis unfaßbar wird. Die ehemals »materiellen« bzw. »sozialen« Handlungen sind so gesehen per lnteriorisierung zu nur noch »inneren« Handlungen, Bewußtseinsprozessen o.ä.
Annäherung 'IlOm Bewegungslernen her
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geworden; der doch offensichtliche Umstand, daß auch das erwachsene Individuum ja noch »materielle« Handlungen ausführt bzw. wirkliche soziale Beziehungen unterhält, ist mit dem lnteriorisierungskonzept streng genommen nicht vereinbar. So gesehen hat der Begriff der lnteriorisation (entgegen den materialistischen Zielsetzungen seiner Urheber) tatsächlich jene »individualistischen• Implikationen, auf die Lave & Wenger verwiesen haben; die Annahme einer materiellen oder sozialen Genese ändert nichts daran, daß als deren Ergebnis lediglich innerpsychische Prozesse übrigbleiben. - Grundsätzlich impliziert die im lnteriorisierungskonzept enthaltene Vorstellung eines Weges vom (materiell oder sozial) »Äußeren« zum »Inneren« den Standpunkt dritter Person: Allein in dieser Außensicht können die ehemals für alle zugänglichen Aktivitäten als nunmehr »in« die andere Person hineingewandert und so nur noch dieser zugänglich, aufgefaßt werden. Vom Subjektstandpunkt, also »je meinem« Standpunkt, sind dagegen auch meine körperlichen Lebensäußerungen, etwa Bewegungshandlungen, ebenso wie meine wirklichen sozialen Beziehungen, einerseits Aspekt meiner Erfahrung untl verweisen andererseits auf diejenigen jenseits meines Zugriffs liegenden realen Umstände, die hier von mir erfahren werden, sind mithin so gesehen »innerlich« und »äußerlich« zugleich. Das Verhältnis zwischen Welt- und Selbsterfahrung bzw. Bewegungshandlungen und mentalen Handlungen wird mit jeder Form der Innen-Außen-Analogie vom Drittstandpunkt nicht angemessen abgebildet. In der erwähnten zweiten Version der Verhältnisbestimmung zwischen motorischen und mentalen Handlungen durch die Handlungsregulationstheorie, dem von Hacker (etwa 1973, S.153ff) eingebrachten Schema der »Regulationsebenen«, werden (wie früher dargestellt) drei derartige Regulationsebenen unterschieden: »perzeptive und begriffliche Regulation von Arbeitstätigkeiten«, »intellektuelle Regulation von Produktionsarbeiten« und »Sensumotorische Ausführungsregulation von A rbeitstätigkeiten« bzw. - in der gebräuchlich gewordenen umgestellten Reihenfolge - »sensumotorische«, »perzeptiv-begriffliche« und »intellektuelle« Handlungsregulation (vgl. Volpert 1975, S.119f). Hierbei hat man es nicht mit einem genetischen Modell, sondern eher mit einem Schicht-Modell zu tun, das aber in mancher Hinsicht ähnliche Implikationen hat wie das lnteriorisations-Konzept: Mit den »Regulationsebenen« sind nicht verschiedene Aspekte des Handeins herausgehoben, sondern scheint vielmehr unterstellt, daß die verschiedenen »Ebenen« im Handlungsvollzug eine nach der anderen, entweder von oben nach unten oder von unten nach oben, durchlaufen werden. Dies würde jedoch heißen, daß etwa während der sensumotorischen Handlungsregulation nicht gleichzeitig eine intellektuelle Handlungsregulation stattfinden kann, so daß
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Grundbegrif!lichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
wiederum an die Stelle einer Bestimmung des Verhältnisses etwa zwischen motorischen und mentalen Handlungen die Annahme eines bloßen Nacheinander, hier nicht genetischer Stufen, sondern verschiedener Handlungsebenen, getreten wäre. Aber selbst, wenn man diese Schlußfolgerung nicht für zwingend halten will, bleibt die Voraussetzung, daß das sensumotorische Handeln als auf der »untersten« Ebene angesiedelt irgendwie elementarer sei als etwa das intellektuell-mentale Handeln. Darin liegt aber wiederum eine (wohl auch an neuroanatomischen bzw. -physiologischen Konzepten verschieden »hoher« Hirnanteile orientierte} vorgefaßte »Schicht«-Einteilung vom Standpunkt dritter Person, die durch »je meine« Erfahrungen keineswegs gedeckt ist. Es spricht tatsächlich nichts dafür, daß etwa Bewegungshandlungen wie Klavierspielen oder ein Bild malen in irgendeinem Sinne »elementarer« (und vielleicht damit sogar noch »niedrigeren« Hirnanteilen zuordenbar) sein sollen, als etwa das mühsame Zusammenrechnen von 2 + 2 »im Kopf... Mit einer solchen Begrifflichkeit werden m.E. Erfahrungen nicht aufgeschlüsselt, sondern eher verstellt (s.u.). Der gleiche problematische Denkansatz charakterisiert m. E. auch die dritte Version der Verhältnisbestimmung von motorischen und mentalen (Lern)handlungen durch die Handlungsregulationstheorie: Die selbstverständliche Voraussetzung, daß im Modell der »hierarchisch-sequentiellen Handlungsorganisation« die »Durcharbeitung« der jeweiligen Zielhierarchien gleichbedeutend ist mit einer immer weitergehenden Annäherung an die - schließlich auf der untersten Ebene der Hierarchie erreichten - sensumotorischen Ausführungshandlungen. So findet sich etwa in Volperts graphischer Darstellung des hierarchisch-sequentiellen Modells als ,.ziel- und Aktionsprogramm der untersten Ebene« umstandslos deren Kennzeichung als Nollzugsimpuls und Bewegungsentwurf« (so 1974, S.28). Entsprechend heißt es bei Munzert: »Die konkrete Ausführung von Handlungen wird vermittels der Ebene der sensumotorischen Regulation gesteuert. Eine Theorie, die das Eingreifen und das Verändern von Umwelt erklären will, muß die ,Nahtstelle' zwischen internen Planungsprozessen und Umweltveränderungen untersuchen« (1984, S.3). Auch Dulisch vertritt, etwa anläßtich der Unterscheidung strategischer und taktischer Ebenen der Regulation des Lernhandelns, die gleiche Auffassung: Die »l.erntaktiken«, so faßt er (wie auf S.160 referiert) diese Unterscheidung zusammen, »beziehen sich demnach auf den Lernvollzug und die relativ vollzugsnahen, bewußtseinsfernen Regulationsprozesse, während die Lernstrategien die übergeordneten, bewußten Pläne darstellen, die die Vollzugseinheiten steuern und kontrollieren« (S.219, Hervorh. K.H.). Mit solchen Auffassungen wird offensichtlich zunächst ein bestimmter
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Typ von Handlungs- bzw. Lernproblematiken, in denen die Handlungs- bzw. Lerndiskrepanz sich auf Bewegungen bezieht, mit »Lernen« überhaupt gleichgesetzt, also der Umstand, daß die Überwindung solcher Problematiken (u.U. durchaus ·hierarchisch-sequentiell« organisiert) auch im Erreichen bestimmter mentaler Möglichkeiten (etwa verständigem Hören der Schönbergseben Orchestervariationen) bestehen kann, ignoriert. Weiterhin findet sich auch in diesem Kontext die Vorstellung eines Durchlaufs (hier durch die Zielhierarchie) bis zu den sensumotorischen Aktivitäten als »Unterster« Ebene, womit das Verhältnis von mentalen Handlungen und Bewegungshandlungen wiederum auf eine Art von sukzessivem »Abstieg« verkürzt wird. Dem entspricht die Vorstellung von Ausführungshandlungen als vollzugsnahe, also bewußtseinsfern: Die Bewegungen werden demnach hier nicht bloß als u.U. »automatisierbar« (s.u.) aufgefaßt, sondern sollen offenbar als solche »automatische und physiologienahe-mechanisch ablaufen; der Umstand, daß Bewegungen in sich mentale Momente enthalten, (dabei, wie das benannte Klavierspielen und Malen, aber etwa auch der Tanz, dezidiert »geistiger« Natur sein können), bleibt hier außen vor. Hinter alldem steht, wie mir scheint, die Tendenz der Handlungsregulationstheoretiker, (auch bei tätigkeitstheoretischen Erweiterungen) Handlungen (mindestens ,.richtige• Handlungen) mit materiell-eingreifenden Handlungen gleichzusetzen, also in gewisser Weise •Handeln• generell als ,.Handwerken• zu verstehen. Dem wiederum könnte ein Gesellschaftsbild inhärent sein, in welchem die vergegenständlichende gesellschaftliche Arbeit als immer noch (wie auf früheren, kooperativ-gesellschaftlichen Stufen) alleiniges Resultat vergegenständlichender individueller Arbeitshandlungen aufgefaßt wird. So würde übersehen, daß (wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe) mit der Herausbildung des gesamtgesellschaftlichen Systemcharakters der Produktion/Reproduktion die unmittelbaren Aktivitäten zur stofflichen Transformation der Natur immer mehr in ,.die dem gesellschaftlichen System zugehörigen Ziel-Mittel-Konstellationen« (so die Maschinerie, heute immer mehr in die Automation) übergehen. •Es ist nicht mehr, wie im unmittelbarkooperativen Stadium, zentral das je einzelne Mitglied der Gesellungseinheit, das durch ,seiner Hände Arbeit' in Gemeinschaft mit anderen die Natur zur menschlichen Lebenswelt umformt, vielmehr werden nun in immer höherem Maße ,mit den Händen' solche Mittel geschaffen, die ,selbsttätig~< die stoffliche Transformation der Natur besorgen und ..von der Hand nur noch ,bedient' werden müssen«. Die Umformung der materiellen Natur zur gesellschaftlichen Lebensgrundlage •wird also immer mehr zu einer gesamtgesellschaftlichen Systemfunktion, taugt so immer weniger zur allgemeinen Charakterisie· rung der psychischen Lebensaktivität einzelner Individuen« (GdP, S.308, Hervorh. teilweise weggelassen}.
Wie die vorstehende Diskussion ergeben hat, kann es auch mit den Denkmitteln der Handlungsregulationstheorie nicht gelingen, vom Subjektstandpunkt das Bewegungslernen auf seinen Zusammenhang mit übergreifenden mentalen Lernprozessen hin theoretisch zu durchdringen: Dem entgegen
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Grundbegrijjlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
steht vor allem die Vorstellung menschlicher Bewegungen als gegenüber der kognitiv-mentalen Ebene elementar, naturhaft, automatisch, bewußtlos etc., wodurch widersprechende Erfahrungsevidenz weggeleugnet und das Bewegungslernen eher aus dem subjektiven Lebens- und Handlungszusammenhang isoliert als in seinem Stellenwert darin verdeutlicht wird. Die allgemeineren Gründe für solche Verkürzungen könnten darin liegen, daß (wie ausgeführt) die Handlungsregulationstheorie generell den operativen Aspekt des Handeins universalisiert, also den inhaltlich-thematischen Aspekt nicht zu Gesicht bekommt: Muß mit der darin liegenden Reduzierung des Handlungsablaufs auf die Ebene individuell-antizipatorischer Regulation nicht zugleich mit der Eliminierung inhaltlicher Bedeutungshaftigkeit auch jener Bedeutungsbezug der Bewegungen/ des Bewegungsiemens verloren gehen, über den deren Verhältnis zu übergreifenden mentalen Handlungszusammenhängen allein angemessen zu rekonstruieren wäre?- Mit dieser Frage ist der nächste Schritt unseres Versuchs einer Annäherung an die im lebenspraktischen Kontext bestehenden kognitiv-mentalen Bezüge und Implikationen des Bewegungsiemens vorgezeichnet.
Hilftbewegungen und Bewegungshandlungen; Bewegungssternen als wachsende Bedeutungsadäquatheit von Bewegungshandlungen Als Ansatz für die folgenden Überlegungen knüpfen wir an unsere früheren Ausführungen an, denen gemäß-aufgrundder Unhintergehbarkeit der körperlichen Situiertheit vom Subjektstandpunkt - in jede Handlung, also auch jede Lernhandlung, körperliche Bewegungen involviert sind (vgl. S.256}. Wie aber kann man angesichts einer solchen Universalität der Bewegungen dennoch »Bewegungslernen« als gesondertes Analysethema herausheben? Um dies zu klären, explizieren wir hier eine Differenzierung, die in den früheren Darlegungen schon mitgedacht war: Die mögliche Einbezogenheit von Bewegungen in unterschiedliche Phasen und/ oder Aspekte des Handlungsverlaufs, von denen es abhängt, ob die Bewegungen für mich tatsächlich den Stellenwert von Bewegungshandlungen oder lediglich die Funktion von den eigentlichen Handlungen vorhergehenden oder diese begleitenden Hilftbewegungen haben. Mit »Hilfsbewegungen« sind solche Bewegungen gemeint, mit welchen ich mich in eine körperliche Lage, Haltung o.ä. bringe, durch die die eigentlichen (Lern)handlungen von mir überhaupt erst ausführbar sind oder werden. Dazu gehören etwa jene ortsverändernden Bewegungen, durch die ich vor dem
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Hören der Schönbergsehen Orchestervariationen in den Raum gelangt bin, wo der CD-Player steht, weiterhin die Arm- und Handbewegungen des Einlegens der CD in den Player, das Drücken auf die »Playc.:raste etc. Dabei müssen derartige Hilfsbewegungen nicht vor der eigentlichen (Lern)handlung liegen, sie können diese auch begleiten, indem dadurch von mir die körperlichen Bedingungen für die jeweilige Handlung optimiert oder hergestellt werden, so die Regulierung der Lautstärke des Wiedergabegeräts während des Hörens oder- in anderem Handlungszusammenhang- das Umblättern eines Buches, über das ich mich vorher - ebenfalls per Hilfsbewegung - mit der Absicht, darin zu lesen, gebeugt hatte. Die (Lern)handlungen i.e.S. sind dabei von den Hilfsbewegungen sehr leicht dadurch zu unterscheiden, daß sie zur Realisierung meiner eigentlichen Handlungs-/Lernintention als dem, worauf es mir hier ankommt, ausgeführt werden: Ich ..will«, wenn ich die Orchestervariationen abhören möchte, ja nicht ins Schlafzimmer gehen, die CD in den Player einlegen etc., nur muß ich, wenn es dazu kommen soll, eben die benannten Hilfsbewegungen ausführen. Ebenso will ich beim Lesen eines Buches nicht dessen Seiten umblättern, ich muß dies nur tun, um weiterlesen zu können. In den bisher angeführten Beispielen waren die eigentlichen Handlungen, die durch die Hilfsbewegungen ermöglicht, vorbereitet etc. werden, als mentale Handlungen, (Musikhören, Lesen) näher bestimmt. Auf das Verhältnis zwischen mentalen Lernhandlungen, insbesondere als »Behalten/Erinnern«, zu den Hilfsbewegungen komme ich jedoch erst später - bei dem Versuch der Annäherung an den lebenspraktischen Kontext des Lernens von der anderen, »mentalen« Seite her - genauer zu sprechen. Im gegenwärtigen Darstellungszusammenhang muß hingegen hervorgehoben werden, daß die Bestimmung der Handlungen, auf die die Hilfsbewegungen vorbereiten, als mentaler Art keineswegs zwingend ist. Man kann es dabei vielmehr ebenfalls mit Bewegungen zu tun haben, so daß man die Hilfsbewegungen von den eigentlichen Bewegungshandlungen zu unterscheiden hätte. Die Abgrenzung zwischen diesen macht keine größeren Schwierigkeiten als mit Bezug auf die mentalen Handlungen: Das Öffnen des Badezimmerschranks, Herausnehmen und Einschalten des Rasierers sind als Hilfsbewegungen klar von dem eigentlich intendierten motorischen Rasiervorgang abzugrenzen. Dabei können die Bewegungen sogar in beiden Fällen gleichartig sein. Ich gehe (oder, wenn ich verspätet bin, laufe) zur Aschenbahn und bewege mich zur Starteinrichtung, um an einem Hundertmeterlauf teilzunehmen: Dies ist eine ortsverändernde Hilfsbewegung. Sobald ich aber nach dem Startschuß zu laufen beginne, wird daraus die eigentliche, hier intendierte Bewegungshandlung. Hilfsbewegungen und eigentliche Bewegungshandlungen sind also keine unterschiedlichen Bewegungsarten. Vielmehr ergibt es sich aus dem Bedeutungs-/
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
Eigendynamik und der »Eigensinn« meiner »Physis« in ihrem Verhältnis zur stofflichen Welt - im Maße der aus dem gesellschaftlichen Bedeutungszusammenhang erwachsenden Höhe der Leistungs- und/ oder Vollkommenheitsansprüche in immer höherem Grade - systematisch in die Lernanstrengungen einbezogen werden müssen - woraus sich auch die gesellschaftliche Organisiertheit des »Übens«, »Trainings« etc. in institutionellen Lehr-/Lernkonstellationen, Musikschulen, Tanzakademien, Sportvereinen oder -hochschulen etc., versteht (s.u.). Durch die besondere körperliche Eingebundenheit und »Zurückgehaltenheit« der Umsetzung von Lernintentionen beim Bewegungslernen tritt das Problem der »Fähigkeiten« mit Bezug darauf in spezieller Weise hervor. Volpert hat sich mit diesem Problem im Kontext des sensumotorischen Lernens ausführlich befaßt (1971, 1976). Er konzeptualisiert dabei die Herausbildung von sensumotorischen Fähigkeiten bzw. (wie er lieber sagen will, vgl. 1976, 5.41) des sensumotorischen »Könnens«, im Kontext des schon dargestellten und diskutierten Modells der Regulationsebenen, indem er zwei Arten von Handlungsregulation unterscheidet: "···diejenige, die generell dem Können zugeordnet ist, und diejenige, die spezifischen Bestandteilen dieses Könnens, nämlich den Fertigkeiten zuzuordnen ist. Wir betonen bei der ersten Form der Regulation die volle Einbeziehung der höchsten Regulationsebenen und die Dominanz der Resultatantizipation. Bei der zweiten Form existiert auf der höheren Ebene ein Moto· rik-Superzeichen, das ebenfalls wesentlich durch die Ergebnisvorwegnahme bestimmt wird. Ein einziger Initialimpuls kann so die gesamte Bewegungsabfolge der Fertigkeit hervorrufen. Die Abfolge selbst wird - bei Eingriffsmöglichkeit der höheren Zentren - von niedrigeren Zentren, also ,automatisiert' geregelt. Dies ermöglicht eine schnellere zeitliche Abfolge der Bewegungen« (1971, 5.43, Hervorh. K.H.). Dabei wirken nach Volpert die taktile und visuelle Regulation zusammen. Die externe, also visuelle Regulation entspreche der Könnensregulation, die interne, kinästhetische, der Fertigkeitsregulation (5.45). Mit der Ausdifferenzierung der »automatisierten« Fertigkeiten bei der Fähigkeitsbzw. Könnensentwicklung durch sensumotorisches Lernen kommt es, so Volpert, zu einer Entlastung der höheren Regulationsebenen, d.h. deren Freisetzung für komplexere Leistungen des Könnens (5.41). Als Beispiel dafür nennt Volpert (1976, 5.41) das "Autofahrenkönnen« als isolierbare Anpassungsleistung. Eine »Fertigkeit• im Rahmen dieses »Könnens« sei die Folge »Auskuppeln -einen anderen Gang einlegen- Einkuppeln«. Im Normalfall löse das Superzeichen »Schalten« als Initialimpuls diese Folge von automatisierten Fertigkeiten aus (vgl. auch die Darlegungen von Munzert, 1984, 5.10, über die »5uperierung von Handlungsvollzügen«, wobei er mit Bezug auf Volpert die Superierung als spezifische Art der Redundanzausnutzung kennzeichnet, indem regelhafte Bedingungen »zweitsignalisch>kommunikativem« bzw. »objektivierenden« Rückgriff auf die Quelle wiederum die Wahrnehmungspräsenz des verblaßten Inhalts herstellen und so meiner Erinnerung aufhelfen. - Vorausgesetzt ist dabei allerdings, daß mir der jeweilige Inhalt nicht total »entfallen« ist, denn dies würde bedeuten, daß ich auch nicht mehr feststellen könnte, was die Quelle oder der Träger gerade dieses Inhalts ist; mit anderen Worten, ich wüßte dann gar nicht mehr, was ich suche, und könnte es infolgedessen auch nicht finden. Häufig dürfte aber aus der speziellen Eigenart des Trägers bzw. der Quelle (der Person eines Auskunftgebenden, dem Titel eines Buches) ein mindestens globaler Hinweis auf dort möglicherweise zu aktualisierende Inhalte liegen, so daß das - u.U. über das Ausprobieren mehrerer Alternativen laufende - Wiederfinden des Gesuchten dadurch erleichtert wäre. In den bisherigen Darlegungen deutete sich schon an, daß die Konzeption übergreifender Behaltens-/Erinnernsstrategien, die Sequenzen mit unterschiedlichen Modalitäten enthalten, die Explikation übergeordneter, an der
antizipierten Erinnernsaufgabe orientierter Regulations· und Aktualisierungs· aktivitäten erfordert, durch welche der optimale Stellenwert der jeweiligen Strategiebestandteile nach dem Gesichtspunkt der Begründetheit/Vernünftigkeit innerhalb der Gesamtstrategie gefunden werden kann. Damit ist in diesem Problemzusammenhang die Ebene meiner Situiertheit zur Welt und zu mir selbst angesprochen, die wir früher als »mental-sprachliche Situiertheit« diskutiert haben. Dabei wurde von uns das »innere Sprechen« als »prozessierende« Erscheinungsform meiner Lernhaltung/Lernintention herausgehoben. Im Kontext unserer gegenwärtigen Diskussion der Behaltens-/Erinnernsaktivitäten erscheint dieses innere Sprechen nun als eine relativ selbständige »Metaebene« (etwa im Sinne des verbreiteten Konzepts des »Metagedächtnisses«, vgl. Flawell & WeBmann 1977), wobei die früher angesprochenen
Annäherung vom mental-verbalen Lernen (Behalten/Erinnern) her
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Selbstkommentare, Selbstaufforderungen, Selbstinstruktionen, an mich selbst gerichteten Fragen auf unterschiedliche Teiloperationen innerhalb der jeweiligen Behaltens-/Erinnernsstrategie bezogen sind: Solche inneren Sprechakte enthalten (wie gesagt) zwar auch immer den Aspekt derBeachtens-und Zuwendungsfixierung bzw. -Ienkung, sind aber darüber hinaus inhaltlich bestimmt und so dazu geeignet, auf spezifische Weise aktivierend, lenkend, artikulierend, klärend in den Strategievollzug des Behaltens/Erinnerns einzugreifen. Durch die Einbeziehung des inneren Sprechens scheint nun auch ein theoretisches Grundproblem des Behaltens/Erinnerns, das schon früher von uns angesprochen wurde, auf einer neuen Ebene diskutierbar: daß ich, um mich intendiert an etwas erinnern zu können, doch eigentlich schon wissen müßte, um was es sich dabei handelt; so wäre mithin das Resultat der Erinnernsaktivität für deren Möglichkeit bereits vorausgesetzt, womit man es hier mit einem Zirkel zu tun hätte. Schönpflug (etwa 1988) hat diesen Zirkel durch Rückgriff auf das Konzept der »Makrooperatoren«, wie es von van Dijk entwickelt wurde (vgl. van Dijk 1980 sowie Kintsch & van Dijk 1978) überwinden wollen: Demgemäß werden im Behaltensprozeß an einem Inhalt (hier an einem sprachlichen Text) wesentliche, konstituierende Züge, eben als .. Makrooperatoren« (die quasi ein mental-sprachliches Pendant zu den früher diskutierten ,.motorischen Superzeichen« darstellen), herausgehoben, womit einerseits das .. Gedächtnis« des Individuums von den Einzelheiten des jeweiligen Textes entlastet, aber andererseits anband der Makrooperatoren der gesamte Text bei Bedarf in einem »äußeren Speicher« identifizierbar und abrufbar sei. Um genauer zu erfassen, in welcher Weise so etwas (außerhalb des engeren Bereichs der Computer-Anwendungen) vom Individuum vollziehbar sein könnte, mag man das von uns früher dargestellte kognitivistische Konzept der »Abruf-Information« (..probe information«) reinterpretativ heranziehen: Danach wäre im Kurzzeit-Speicher diese »probe information« quasi als eine ,.frage« an das Langzeitgedächtnis gespeichert, wodurch selektiv bestimmte Informationen aus diesem aktiviert und per Eintritt in den Kurzzeitspeicher bzw. Arbeitsspeicher zugänglich bzw... bewußt« gemacht werden. Wenn man nun diese Vorstellungen ohne Computerjargon zu umschreiben versucht und dabei besonders die Mystifikation des Kurzzeitspeichers als ..Subjekt« von Fragen beiseiteläßt, so verdeutlicht sich die Strategie des intendierten Erinnerns als das von mir selbst vollzogene Herantragen bestimmter Fragestellungen an meinen eigenen latenten und zu aktualisierenden Wissens- bzw. Erfahrungsbestand, an andere, oder an bestimmte Objektivationen wie Bilder, Bücher, Dokumente. Solche Fragestellungen sind innerhalb der Ebene meines inneren Sprechens zu spezifizieren als eine Art von Schlüssel/ragen, die mir Zugang zu den gesuchten Inhalten verschaffen
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Grundbegrif!lichkeit einer subjektwissenschaftlichen Ur11theorie
können. Dabei ist davon auszugehen, daß mir solche Schlüsselfragen im Zuge einer Erinnernsstrategie nicht von Anfang an klar und deutlich zur Verfügung stehen (damit wäre mir ja tatsächlich auch das Gesuchte bereits mehr oder weniger klar verfügbar), sondern sich in einer Art von aktualgenetischem Prozeß erst allmählich verdeutlichen und präzisieren: So werde ich mit Bezug auf meinen eigenen Erfahrungs- und Wissensbestand oder auf bestimmte Objektivationen zunächst gewisse mehr oder weniger globale Umschreibungen versuchen, Alternativen herausheben und verdeutlichen, »Hypothesen« aufstellen und verwerfen, um mich so im Durchgang durch meinen latenten Erfahrungsbestand oder etwa im Durchblättern eines Buches allmählich an das Gesuchte heranzutasten. Sofern ich in kommunikativer Modalität direkt einen anderen befrage, werde ich -sofern die Antwort zunächst noch an dem, was ich wissen will, vorbeigeht- den anderen (vernünftigerweise) ebenfalls durch weitere Annäherungsfragen, Präzisierungen etc. zu leiten versuchen. Dabei ist zwar irgendeine Ahnung darüber, an was ich mich eigentlich erinnern will, also quasi ein sehr blasser und globaler •Makrooperator« stets vorausgesetzt, das intendierte Erinnern selbst ist aber als ein Annäherungs· prozeß des Prüfensund VerwerJens zu explizieren, in welchem sich in Wechselwirkung mit dem Durchgang durch die Inhalte die Fragen erst allmählich präzisieren und so (im günstigen Falle) zu wirklichen •Schlüsselfragen« werden, auf die es dann nur noch eine Antwort gibt, die also diejenige Leerstelle genau markieren, die allein durch das Gesuchte gefüllt werden kann. Innerhalb solcher Annäherungsprozesse muß das Individuum denn auch mit den früher benannten, mehr oder weniger kurzzeitigen Erinnerungs· hemmungen fertig werden, durch welche mir Inhalte, die ich •eigentlich« weiß, gerade jetzt nicht •einfallen« wollen. In diesem Kontext sind (wie dargelegt) innerhalb der kognitivistischen Gedächtnisforschung besonders Erscheinungen der »Interferenz«, d.h. Hemmung der Reproduktion des Gesuchten durch Dazwischentreten eines konkurrierenden ähnlichen Inhalts, experimentell analysiert worden. Zur Überwindung solcher und anderer Hemmungserscheinungen müssen die jeweiligen Erinnerungsstrategien von den Individuen u.U. geradezu als Taktiken konkretisiert werden: Tricks, mit denen man sich selbst in die Lage bringt, daß Entfallene wieder faßbar zu machen. Sofern die Hemmung durch Fixierung der Beachtung auf einen interferierenden Inhalt zustandegekommen ist, aber auch bei vorübergehen· der Leere im Kopf, also den berühmten ·Black-Outs«, dürfte etwa als mentale Taktik eine Zurücknahme der Beachtungsintensität, Dezentrierung der Beachtung, ein inneres Sich-Zurücklehnen, Abstand und Übersicht gewinnen, u.U. die Blockierung überwindbar machen (vgl. unsere späteren Darlegungen über affinitives Lernen). Möglicherweise helfen auch präzisere Formulierungen einer Schlüsselfrage, um so zu einer Entflechtung der sich wechselseitig
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behindernden Inhalte zu kommen. Dabei mag aber auch hier ein Wechsel der Modalität die •vernünftigste« Lösung sein, so - wenn mir ein bestimmter Name entfallen ist- die Nachfrage beim anderen, •Du, wie hieß der noch, der mit dem roten Pullover?«, oder das Durchsehen einer einschlägigen Namensliste, in der Hoffnung, daß ich den entfallenen Namen, wenn ich ihn vor mir sehe, also anläßlich seiner Wahrnehmungspräsenz, schon wiedererkennen werde. In den damit umschriebenen fragengeleiteten Behaltens-/Erinnernsstrate· gien werden (vernünftigerweise) in den kommunikativen und objektivierenden Modalitäten immer wieder innerhalb verschiedener Zusammenhänge Wahrnehmungspräsenzen hergestellt und wird bei mentalen Modalitäten das Erfahrene auf seinen realen Ursprung, seinen Realitätsbezug, hin zu durchdringen versucht: Es muß mir in Verfolgung einer Strategie ja daran gelegen sein sicherzustellen, daß ich mich in der antizipierten Erinnernssituation auch an das »Richtige« erinnere, bzw. daß das, was ich im Erinnernsprozeß aktualisiert habe, auch »der Wahrheit entspricht«, also keine Täuschung ist. So gesehen enthält eine begründete Behaltens-/Erinnernsstrategie immer auch auf der Ebene des inneren Sprechens mehr oder weniger deutlich ein Moment der Selbstkritik bzw. der Quellenkritik: Irre ich mich auch nicht, wenn ich mich an das und das zu erinnern glaube? Sagt der andere auch die Wahrheit, kann er das überhaupt wissen, was er mir mitgeteilt hat? Sind die Informationen, die ich aus einem bestimmten Buch entnommen habe, auch zuverlässig? Gerade die über kommunikative oder objektivierende Modalitäten hergestellte Wahrnehmungspräsenz offenbart dabei eine eigentümliche Kulis· senhaftigkeit: Hinter der Wahrnehmungsevidenz einer bestimmten Quelle, wie einer Auskunft oder eines Textes, steht immer noch eine weitere Wahrnehmungsevidenzder nächsten Quelle, auf die sich die erste Quelle stützt. So ist auch die Authentizitätskritik des Zu-Erinnernden ein unabgeschlossener Aspekt des Prüfens, Verwerfens und vorläufigen Annehmens innerhalb der jeweiligen Strategie. Eine neue Widerspruchsebene ist mit Bezug darauf dann erreicht, wenn man widersprüchliche Gründe und Gegengründe, durch welche ich mir bei einer Erinnerungsstrategie bewußt-onbewußt selbst im Wege stehe, womit eine Erinnerungsblockierung den Charakter einer partiell intendierten Selbstblockierung erhält, in Betracht zieht: Vielleicht will ich mich (in der mentalen Modalität) an einen bestimmten Sachverhalt, den ich einerseits aktualisieren möchte, andererseits gar nicht erinnern, weil mir dies peinlich ist, ich die daraus erwachsenen Konsequenzen scheue o.ä. Vielleicht ist (in der kommunikativen Modalität) der andere interessiert daran, mich über einen bestimmten Sachverhalt im Ungewissen zu lassen oder gar zu täuschen; vielleicht gibt es (in der objektivierenden Modalität) ideologische Verflechtungen
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Grundbegriff/ichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
in einem Text, die ich - will ich ihn als Quelle verwerten - erst zu durchdringen hätte. Mit solchen »inneren Fragen« befinden wir uns ersichtlich im Umfeld defensiver Handlungs- bzw. Lerngründe bei mir selbst, bei anderen oder »gefroren« in bestimmten Objektivationen, womit unsere früheren einschlägigen Bestimmungen hier in einen neuen, komplexeren Zusammenhang zu stellen sind (s.u.). Gerade aus der Einbeziehung der Metaebene des inneren Sprechens dürfte sich unter allgemeineren Gesichtspunkten verdeutlicht haben, wie unzulänglich eine bloß mental-sprachliche Analyse von Behaltens-/Erinnernsprozessen in den Grenzen der kognitivistischen Gedächtnisforschung ist, aber auch, daß eine bloß zusätzliche Beschäftigung mit »externen Speieherne ohne Neufassung der gesamten Grundbegrifflichkeit diesen Mangel kaum heilen kann. Aus dem aufgewiesenen inneren Zusammenhang zwischen mentalen, kommunikativen und objektivierenden Modalitäten von Behaltens-Erinnernsstrategien ergibt sich, daß man von der gängigen Vorstellung, das »eigentliche« Behalten/Erinnern sei das »innere«, bloß »sprachlichec, »individuelle«, und alle anderen Aspekte seien bestenfalls zusätzlicher Art, Abstand nehmen muß: Der Behaltens-/Erinnensaspekt menschlichen Handeins und Lernens ist von vornherein auf die Komplementarität mentaler, kommunikativer und objektivierender Modalitäten angelegt. Dies tritt zugespitzt auch darin in Erscheinung, daß das innere Sprechen, insbesondere innere Fragen, obzwar als solches mentaler Art, genuin auf die Überschreitung bloßer Selbstbefragungen in Richtung auf die Befragung äußerer Instanzen zur Erweiterung, Differenzierung, Kritik der eigenen Erfahrungen gerichtet ist: Dies ergibt sich schon aus der transitiven bzw. sozialen Natur des Fragens selbst. So liegt in den an »mich selbst« gerichteten Fragen, wenn ich sie nicht beantworten kann, in sich schon die Tendenz zu deren Transformation in entäußerte, »laute« oder »schriftliche« Fragen, etwa an verallgemeinerte andere in den Objektivationen oder auch an konkrete andere in sozialer Kommunikation. - Da mit derart entäußerten Fragen ein - ob nun über Objektivationen vermitteltes oder in unmittelbarer Kommunikation realisiertes - intersubjektives Frage-Antwortspiel eingeleitet sein kann, verdeutlicht sich hier die Perspektive eines gemeinsamen Erinnerns, etwa indem wir im unmittelbaren Kontakt uns wechselseitig befragen, Dritte einbeziehen, Dokumente hinzunehmen, um in unserem gemeinsamen Interesse herauszufinden, wann etwas geschehen und wie es gewesen ist; oder indem - z.B. in historischer Analyse - im Medium von Objektivationen die Vergangenheit bestimmter sozialer Erscheinungen, Ideologien, Institutionen oder sogar eines ganzen Volkes »in Erinnerung gebracht« wird.
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Herstellung der Permanenz des Behaltenen: Eindringen in modalitätsübergreifende Bedeutungsstrukturen und Verweisungszusammenhänge Aus der Art und Weise, wie wir durch Explikation des Unterschiedes und Verhältnisses mentaler, kommunikativer und objektivierender Modalitäten die Sprach- bzw. Systemimmanenz der kognitivistischen Gedächtnisforschung überwinden wollten, ergeben sich nun nicht nur Konsequenzen hinsichtlich der theoretischen Fassung von Behaltens-/Erinnernsstrategien: Vielmehr müssen von da aus auch unsere früheren in Reinterpretation des Konzeptes •Langzeitgedächtnis« versuchten Bestimmungen der Herstellung von Permanenz, Dauerhaftigkeit des Behaltenen in umfassenderen theoretische Zusammenhängen betrachtet werden. Dabei haben wir uns zunächst zu vergegenwärtigen, daß wir bei einer solchen Konzeptualisierung der Dauerhaftigkeit des Gelernten (wie dargelegt) auf physiologische Hilfsannahmen irgendwelcher Art nicht zurückgreifen können: Unsere Erfahrungen stehen zwar in mehr oder weniger großem zeitlichen Abstand zu ihrem ersten Vollzug und gehören so mehr oder weniger lange zum personalen Bestand, wobei dies aber primär ein Charakteristikum ihres subjektiven Gegebenseins im Bezugssystem der Vergangenheitsperspektive darstellt. Somit ist zwar vom Drittstandpunkt die unspezifisch-hirnphysiologische »Seite« dieses Festgehaltenseins thematisier- und erforschbar, vom Subjektstandpunkt aber gibt es schlechterdings keinen Punkt innerhalb der Vergangenheitserstreckung unserer Erfahrungen, wo man deren Überwechseln vom phänomenalen zum physiologischen Status- etwa als Prägung irgendeiner »Gedächtnisspur« oder »Ablage« in einem »Speicher« - annehmen könnte. Ebensowenig ausweisbar ist die Annahme, daß im Zuge der Erinnerung bestimmte physiologische Spuren aktiviert oder Inhalte physiologischer (bzw. transphänomenaler) »Speicher« abgerufen werden (s.o.)- Daraus folgt aber die Voraussetzung, daß alles, an das wir uns je erinnern können, uns prinzipiell auch in unserer weit· und Selbsterfahrung gegeben ist, nur u.U. lediglich als eine Hintergrundserfahrung, die durch unsere Beachtung bzw. inneres Sprechen in verschiedenen zeitlichen Koordinaten herausgehoben und faßbar gemacht wird. Dies läßt sich phänomenal als Evidenz umschreiben,
daß ich jeweils mehr weiß oder »habe«, als das,
was ich gerade deutlich erfasse bzw. dem ich mich gerade zuwende: In dem Hinweis, daß ich einen Erfah-
rungsinhalt durch Beachtungslenkung, inneres Sprechen o.ä. aktualisieren kann, ist für mich gleichzeitig erfahrbar, daß ich ihn latent bereits hatte. Wie dabei das Verhältnis zwischen dem latent Gegebenen und dem bewußt Erinnerten zu fassen ist, d.h. was in oder mit meinem vergangenheitsbezogenen Erfahrungsbestand geschieht, wenn ich meine Erinnernsintention darauf
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
richte, dies ist allerdings keineswegs offensichtlich, sondern bedarf sorgfältiger Klärung (worauf wir gegen Ende dieses Teilkapitels noch zurückkommen müssen). Um nun also das Problem der Permanenz des Gelernten vom Subjektstandpunkt, d.h. ohne neurophysiologische Versatzstücke, theoretisch zu entwickeln, setzen wir an einem Konzept an, das schon früher, bei der Theoretisierung der Dimensionen lernenden Weltzugangs, für uns bedeutsam war und seither in verschiedenen Problemzusammenhängen herangezogen wurde: Dem Begriffspaar »Flachheit-Tiefe«, wie wir es im Anschluß an Craik &:: Lockart zur Charakterisierung des durch Lernen zu erreichenden wachsenden Gegenstandsaufschlusses eingeführt haben (vgl. S.22lff): Dort wurde von uns dargelegt, daß die Flachheit.:fiefe zwar einerseits ein allgemeines Kennzeichen der (nach bestimmten Dimensionen differenzierten) Lernhandlungen vom Subjektstandpunkt ist, andererseits aber von der Tiefenstruktur des Lerngegenstands selbst, d.h. der Ausprägung verschiedener Vermittlungsebenen der in ihm vergegenständlichten Bedeutungskomplexe, abhängt. Dabei hatten wir zwar schon darauf hingewiesen, daß Craik & Lockart mit dem Konzept der ..Verarbeitungstiefe«, d.h. Intensität der Auseinandersetzung mit dem Material, die •Haltezeit« des Erinnerten im Langzeitspeicher erklären wollten: Dieser Aspekt wurde jedoch bei unserer Konzeptualisierung des lernenden Gegenstandsaufschlusses zunächst nicht aufgegriffen - ist aber in unserem gegenwärtigen Diskussionszusammenhang von zentraler Relevanz. Wenn wir mithin unsere früheren einschlägigen Darlegungen nunmehr unter dem Permanenz-Aspekt explizieren, so können wir feststellen: Die Dauerhaftigkeit wächst in dem Grade, wie das Zu-Behaltende per Tiefe des Ge-
genstandszugangs in schon vorhandene überdauernde Wissensstrukturen integriert werden kann: Damit wird es seiner Flüchtigkeit entkleidet und selbst Teil des überdauernden Wissensbestandes des Individuums. Einerseits führt also eine bestimmte Behaltensstrategie in dem Maße zu dauerhaften Erweiterungen unseres Wissens, wie am schon Vorgewußten übergreifende, eindeutige Zusammenhänge mit bereits vorhandenen Wissensbeständen expliziert oder hergestellt werden. Andererseits wird in einer so qualifizierten Behaltensstrategie das Vorgewußte selbst weiter durchstrukturiert und bereichert, so daß auf diese Weise in den folgenden einschlägigen Behaltensaktivitäten (zusätzlich zu dem jeweils nichtintentional Mitbehaltenen) die Dauerhaftigkeit des Behaltenen auf neuer Basis zu erhöhen ist, hier also ein kumulativer Prozif/ immer reicheren und differenzierteren Zusammenhangswissens möglich wird. Wenn wir nun, nach der Heraushebung verschiedener Modalitäten des Behaltens/Erinnerns, bei der Bestimmung solcher Zusammenhänge über die Annahme bloß mentaler Strukturen, etwa nach Art »Semantischer Netzwerke«,
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hinausgehen und auch kommunikative und objektivierende Modalitäten von Behaltensstrategien berücksichtigen, so können wir dem hinzufügen: Die erwähnten Zusammenhangsstrukturen als Resultat und Grundlage der Dauerhaftigkeit des Zu-Behaltenden sind als übergreifende Organisations· formen unseres mentalen, kommunikativen und objektivierenden Inhalts· und Quellenwissens aufzufassen, in welche der Aufbau und die Nutzbarmachung spezifischer Kommunikationsmöglichkeiten mit einschlägig Kundigen genauso einbezogen ist wie eine durchschaubare und verfügbare Organisation meiner objektivierenden Behaltensmittel. Daraus ergibt sich, daß auch die scheinbar bloß mentalen Wissensstrukturen keineswegs selbstgenügsam sind, sondern mannigfache Verweisungen auf kommunikative wie objektivierende Quellen und Wissensbestände enthalten, wie umgekehrt aus den kommunikativen und objektivierenden Organisationsformen mannigfache Verweisungen auf mentale Wissensbestände und Aktualisierungsmöglichkeiten entnehmbar sind. Es wird deutlich geworden sein, daß wir uns bereits mit diesen Darlegungen auf prinzipieller Ebene von den tradierten Vorstellungen des Gedächtnisses als »inneren« Besitzes, den der einzelne in seinem Bewußtsein (oder in seinem »Spurenbestand«) mit sich herumträgt, entfernt haben: »Gedächtnis« ist für uns eher ein Charakteristikum der historisch gewachsenen Lebenslage, in die der Reichtum und die Klarheit der Beziehungen zwischen dem Individuum und seiner sozialen wie gegenständlichen Mitwelt als konstituierendes Moment eingehen. Damit verdeutlicht sich als umfassenderer Erfahrungshintergrund des so verstandenen Gedächtnisses gleichzeitig meine personale Situiertheit, wie wir sie als Moment der standortspezifischen Bestimmungen des Lernsubjekts herausgehoben haben: Das Gedächtnis ist so gesehen ein Moment der Vergangenheitsperspektive meiner biographisch gewordenen Weltbeziehungen, wobei darin einerseits meine Art des Erfahrungsgewinns und Weltwissens enthalten ist, was aber andererseits von meinen wirklichen, historisch-konkreten Beziehungen zu bestimmten Infrastrukturen der von mir unabhängigen sachlich-sozialen Realität nicht getrennt werden kann; wie all meine personalen »Fähigkeiten«, so akzentuiert sich dabei auch mein Gedächtnis als selbständiger Erfahrungstatbestand aus den aufgewiesenen Grenzerfahrungen, hier der Erfahrung einer Differenz zwischen dem, was mir in meinem Leben tatsächlich zugänglich war oder zugestoßen ist, und dem, was ich davon in meiner gegenwärtigen Situation (noch) verfügbar habe. Der Reichtum und die Klarheit meines (auch durch vorgängige Behalteosaktivitäten kumulativ entwickelten) überdauernden Inhalts- und Quellenwissens (als »Gedächtnis«) bestimmen (unter sonst gleichen Umständen) auch die Eigenart und Effektivität meiner permanenzbezogenen Behaltens-/Er· innernsstrategien: Je umfassender und differenzierter die Organisation meines
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
modalitätsübergreifenden Inhalts- und Quellenwissens ist, desto stärker ist meine Beachtung bzw. die Formulierung von inneren Schlüsselfragen dadurch angeleitet, desto genauer kann ich also den in meiner Wissens- und Verfügungsstruktur enthaltenen Verweisungen innerhalb einer Modalität, von einer Modalität auf die andere, von Quellen auf Inhalte und umgekehn, nachgehen und so das Gesuchte zur Überwindung der gegebenen Lernproblematik identifizieren: So erreiche ich mit wachsender Tiefe des Gegenstandsaufschlusses (auf der jeweils durch die Lernproblematik selegienen Dimension) gleichzeitig eine erhöhte Permanenz des Gelernten. Je geringer dagegen der Organisationsgrad meines Vorgewußten im Umkreis des Zu-Erinnernden, desto eher werde ich mit meinen auf dessen Aktualisierung gerichteten Aktivitäten stagnieren, Blockierungen ausgesetzt sein, in Sackgassen geraten, mich im Kreis bewegen etc. und so auch die Dauerhaftigkeit des Zu-Behaltenden nicht erreichen können. -Damit zeigt sich also: Ich kann nicht nur um so »besser« Neues behalten, sondern auch um so leichter und präziser latent Gewußtes erinnern, je mehr ich vorgängig schon »weiß«, sofern »Wissen« hier in der dargestellten Art als modalitätsübergreifende Verweisungsstruktur verstanden wird; die Vorstellung, das Gedächtnis sei ein Gefäß, das zu voll sein könnte, um noch etwas darin aufzunehmen bzw. darin etwas zu finden, muß also auch in diesem Problemzusammenhang als irreführende Reifizierung zurückgewiesen werden. Hier gilt vielmehr umgekehn: Je mehr, desto besser. Zugespitzt läßt sich dies an der förderlichen Funktion von mehrfachen Verweisungen aus verschiedenen Kontexten auf den gleichen Inhalt, also quasi »Überdeterminationen« (um diesen psychoanalytischen Ausdruck hier in anderer Bedeutung heranzuziehen) verdeutlichen: Auf diese Weise ist das Zu-Behaltende quasi mehrfach veranken, vernetzt o.ä. und damit besonders dauerhaft, und läßt sich das Zu-Erinnernde von verschiedenen Seiten her »einkreisen« und so aktualisieren. Unter den damit herausgehobenen Gesichtspunkten fällt auch auf das Phänomen des ~rgessens neues Licht: Vergessen ist so gesehen nicht nur Hemmungen und Widersprüchen bei der Erinnerung von »eigentlich« Gewußtem geschuldet, auch nicht nur aus flüchtigen und oberflächlichen Bezügen des Zu-Erinnernden zu den Strukturen des Vorgewußten verständlich: Auch Inhalte, die einst fest verankert und dauerhaft verfügbar waren, können wieder verloren gehen, nämlich dann, wenn durch Änderungen oder Um· brüche meiner personalen Situation die vorher aufgebauten Strukturen kommunikativer Frage- und Auskunftsmöglichkeiten und/ oder objektivierender Mittelorganisation zerstört oder desintegriert wurden. Auf diese Art können mir nicht nur die Verweisungswege abhanden gekommen sein, mit welchen ich bisher auf das Gesuchte zu kommen pflegte: Sogar die Inhalte selbst, deren dauerhafte Existenz für mich ja in gewisser Weise mit ihrer
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Bestimmtheit durch die modalitätsübergreifenden Zusammenhangsstrukturen identisch ist, können verloren sein: Meine verbliebenen bloß mentalen Verweisungsansätze hängen damit quasi in der Luft, bestehen aus lauter losen Enden, haben ihren Gegenpart eingebüßt und sind so funktionslos geworden. - Damit zeigt sich, daß die dargestellte kognitivistische Auffassung von der ..unbegrenzten Haltezeit« des »Langzeitspeichers« (vgl. S.122ff) problematisch ist, weil dabei (in der dargestellten Weise) bloß mentale Prozesse des isolierten Individuums in Rechnung gestellt sind: Die Dauerhaftigkeit des von mir Behaltenen/Erinnerten ist in unserer Sicht als abhängige Größe des Reichtums und der Geordnetheit meiner sozial und sachlich bedeutungsvollen Weltbeziehungen in der Vergangenheitsperspektive meiner personalen Situiertheit mit diesen entwickelt und kann mit deren Desintegration wieder abnehmen oder verloren gehen. Die Entwicklung oder Rekonstruktion meines »Gedächtnisses« ist so gesehen gleichbedeutend mit der Entwicklung/ Rekonstruktion meines Lebens- und Arbeitszusammenhanges, innerhalb dessen meine bloß mentale Wissensorganisation einen unselbständigen Teilaspekt darstellt. In unseren vorstehenden Überlegungen haben wir zunächst die Permanenz des Gelernten im Anschluß an frühere Reinterpretationen des Konzeptes» langzeitspeichere auf allgemeiner Ebene weiterführend theoretisch konzeptualisieren wollen. Wieweit sind nun aber auch die im Alltag gängigen und wissenschaftlich aufgegriffenen Unterscheidungen verschiedener Arten von »Gedächtnis«, insbesondere die populäre Unterscheidung zwischen »epi· sodischem« und »semantischem Gedächtnis« (als verschiedenen Formen von »Langzeitspeichern«) in diesem Kontext theoretisierbar?- Zur Klärung dieser Frage schließen wir an unsere früheren Darlegungen an, in denen aufgewiesen wurde, daß primäre Gedächtnis-Einteilungen wie die Unterscheidung zwischen episodischem und semantischem Gedächtnis als solche begriffliche Reifizierungen darstellen, die im Rahmen unseres theoretischen Ansatzes begründungsanalytisch reinterpretiert werden müssen. Von da aus bietet es sich im Einklang mit früheren einschlägigen Reformulierungen an, auch die scheinbar »im« Individuum fixierten Gedächtnisarten als (ins Individuum hineinverlegte) typische Lernproblematiken aufzufassen. In der Tat ist, wenn man einmal darauf reflektiert, (bereits vor genaueren begrifflichen Spezifizierungen) die Lesart begründungstheoretisch evident, daß im »episodischen« Kontext das Subjekt mit der Problematik konfrontiert sein mag, sich an bestimmte raumzeitlich fixierbare Ereignisse in seiner personalen Vergangenheitsperspektive nicht erinnern zu können, während es sich im »semantischen« Kontext vor der Problematik sehen könnte, etwa die ihm gegenwärtig nicht klare Bedeutung eines Begriffes erfassen zu sollen o.ä. Von da aus versteht es
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Grundbegrifllichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
sich von selbst, daß das Subjekt zur Überwindung der ,.episodischen« Problematik und zur Überwindung der ,.semantischen« Problematik gute Gründe hat, auch unterschiedliche Erinnernsstrategien, etwa die dargestellten » raumzeitlich orientierten Suchprozesse« bzw. den Durchgang durch begriff. liehe Klassifikationssysteme o.ä., in Anschlag zu bringen. Das gleiche gilt fUr die vorgängigen Behaltensstrategien, in welchen die Problematik, in einer antizipierten Erinnerungssituation sich an einen raumzeitlich zu ortenden Sachverhalt bzw. an bestimmte sprachliche Bedeutungszusammenhänge nicht erinnern zu können, zu überwinden ist (was durch Explikation der jeweilig konkreten Lerndiskrepanz und der daraus sich ergebenden relevanten Dimensionen der Gegenstandsannäherung genauer aufzuschlüsseln wäre). Es kann also (um dies noch einmal zusammenzufassen) hier nicht darum gehen, sich mit der Heraushebung verschiedener Gedächtnisarten zufriedenzu. geben, sondern diese als per Selbst- und/ oder Fremdattribution ..vereigenschaftete« typische Lernproblematiken weiter zu analysieren. Dabei wäre zunächst differenzierend in Rechnung zu stellen, daß auch innerhalb der als Lernproblematiken aufgeschlüsselten episodischen bzw. semantischen Gedächtnisform, wenn daran bestimmte Dimensionen verändert sind, andere Strategien mit Bezug darauf vernünftig/begründet sein können. So geht etwa aus der früher dargestellten Untersuchung von Craik & Jacoby (1975) hervor, daß im episodischen Kontext bei relativ geringem zeitlichen Abstand zwischen Behaltens- und Erinnernssituation ..rückwärtsgerichtete serielle Suchprozesse« als Erinnernsstrategien begründbar sind, während bei länger zurückliegender Behaltenssituation derartige Suchprozesse wegen der Unvollständigkeit der raumzeitlichen Verweisungsstrukturen nicht mehr möglich sind und demgemäß »Rekonstruktionsprozesse« einspringen müssen, mit welchen das gesuchte Ereignis quasi aus den vorhandenen Verweisungsansätzen erschlossen wird. Dies ist nach Craik & Lockart um so leichter möglich, je ,.tiefer« das Prozeßniveau der Behaltensaktivitäten, d.h. (in unserer Begrifflichkeit) je reicher und umfassender der modalitätsübergreifende Verweisungszusammenhang war, in den das Zu-Behaltende einbezogen wurde. Weiterhin wäre zur genaueren Aufklärung des theoretisierbaren Gehalts der Unterscheidung des episodischem vom semantischen Gedächtnis auf allgemeinerer Ebene zu reflektieren, wieweit Behaltensstrategien, in denen Situationen raumzeitlicher Orientierungsnotwendigkeiten antizipiert werden und Behaltensstrategien aufgrund der Antizipation von Notwendigkeiten der Verfügbarkeit begrifflicher Bestimmungen oder Zusammenhänge tatsächlich prinzipiell verschiedene Strategietypen darstellen, die auf grundsätzlich unterschiedliche Typen bzw. Dimensionen von Lernproblematiken verweisen. Dafür mag sprechen, daß raumzeitliche Orientierungen und
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begriffliche Bestimmungen tatsächlich in gewisser Weise »Orthogonal• zueinander stehen, d.h. kaum auf einander überschneidende Wissens- und Verweisungsstrukturen beziehbar sein könnten. Dagegen spricht, daß schließlich auch raumzeitlich »Gesuchtes«, wenn es aufzufinden sein soll, begrifflich identifizierbar sein muß; ebenso, daß aufgrund des Zueinanders von Inhaltsund Quellenverweisungen auch Begriffe nur bei Mitvergegenwärtigung ihrer jeweiligen raumzeitlich ortbaren Quellen oder Träger zu behalten oder zu erinnern sein mögen etc. Die Unsicherheit solcher Erwägungen verweist einmal mehr auf die Notwendigkeit einer umfassenden Typologie von Lernproblematiken mit klaren Bestim~.ungen des Verhältnisses der verschiedenen Typen, der Dimensionen ihrer Ahnlichkeiten und Unterschiede: Die Resultate dieser Art von »Aufgabenanalyse« wären an die Stelle der traditionellen Gedächtniseinteilungen, der Unterscheidung zwischen episodischem und semantischem Gedächtnis wie anderer gebräuchlicher Differenzierungen, zu setzen, womit auch hier die reifizierende Abschneidung weitergehender Intentions- und Prämissenklärungen überwindbar wäre. Wie aber könnte man unter diesen Gesichtspunkten die Eigenart und das Zustandekommen individuell unterschiedlicher Behaltens- und Erinnerungsleistungen in verschiedenen Bereichen ohne Rückgriff auf die alltagspsychologische und wissenschaftlich stilisierte Annahme eines mehr oder weniger »guten« bzw. »schlechten Gedächtnisses« auf diesem oder jenem Gebiet aufzuschlüsseln versuchen? Um hier weiterzukommen, beziehen wir uns wiederum auf das in der Kognitiven Psychologie und Handlungsregulationstheorie gebräuchliche Konzept der »Automatisierung« und versuchen, ihm im gegenwärtigen Problemzusammenhang einen neuen begründungstheoretischen Gehalt abzugewinnen: Automatisiert oder besser routinisiert wären in diesem Kontext bestimmte Behaltens-/Erinnernsstrategien, soweit sie ohne
neuerliche Reflexion des Gegebenseins ihrer Begründetheitsprämissen zur Bewältigung neuer Lernproblematiken verwendet werden: Man hält es in solchen Fällen - aufgrund der mehr oder weniger bewußten Voraussetzung, daß die neue Problematik einem bereits bekannten, auf diesem Wege erfolgreich bewältigten Typ zugehört - nicht für erforderlich, noch eigens zu überprüfen, wieweit die Prämissen, unter denen die zur Frage stehende Strategie bisher erfolgreich war, in der neuen Problematik nun auch tatsächlich vorliegen. Dabei ist einerseits festzuhalten, daß selbstverständlich auch solche Argumentationsfiguren subjektiv begründet sind: Man sieht hier eben keinen vernünf tigen Grund, die Prämissenlage jedesmal eigens zu überprüfen. Andererseits aber ist mit einer solchen Routinisierung von Behaltens-/Erinnernsstrategien immer auch die Gefahr verbunden, angesichts bestimmter Problematiken, deren Prämissenstruktur zu klären man nicht für erforderlich hielt, unteroptimale oder gar verfehlte Strategien in Anschlag zu bringen. Damit
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Grundbegrif!lichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
haben wir es hier mit einer Widerspruchssituation zu tun, die es im Rahmen von Behaltens-/Erinnernsstrategien angesichtsneuer Problematiken immer neu aufzulösen gilt: Wieweit kann ich bereits Erprobtes auf die neue Problematik übertragen, und wieweit muß ich von Grund auf neu an diese heran. gehen? Da dieser Widerspruch, wie ersichtlich, niemals endgültig zu beseitigen ist, werde ich notwendigerweise mehr oder weniger ausgeprägte Routinen dieser Art entwickelt haben, durch welche ich einerseits bestimmte Vorteile habe, durch welche es aber andererseits auch, per unreflektierter Akzentuierung oder Fixierung bestimmter Strategieformen, bei gewissen Lernproblematiken zu Bewältigungsschwierigkeiten kommen muß. Nehmen wir z.B. an, ich hä~~e angesichtsvon Lernproblematiken, deren Überwindull& im Wiederfinden bestimmter Ortlichkeiten, einer Straße, eines Hauses oder des Autos im Parkhaus besteht, die Strategieroutine entwickelt, mich hier auf die kommunikative Modalität zu fixieren, d.h. jeweils andere zu fragen, wo es lang geht, wo dieses oder jenes sich befindet etc. - und zwar besonders solche Personen, von denen ich annehme, daß sie, anders als ich, normalerweise auf die jeweiligen Örtlichkeiten achten werden: Für diesen Fall wäre ich immer dann schlecht dran, wenn die erwarteten Prämissen in einer bestimmten Problematik nicht gegeben sind, wenn also derjenige, den ich zu fragen pflege, nicht da ist, der Befragte ausnahmsweise selbst nicht "aufgepaßt« hat und mir den falschen Weg weist o.ä.; dennoch mag diese Fixierung (obzwar nicht verallgemeinerbar) für mich ,.im großen und ganzen« funktional sein. Ähnliches mag man sich hinsichtlich der Fixierung auf die objektivierende Modalität beim Behalten/Erinnern von Namen, Telefonnummern etc. ausmalen. Darüber hinaus sind hier natürlich auch modalitätsinterne bzw. modalitätsübergreifende Fixierungen denkbar, etwa die Routine des ·Diagonallesens« von Büchern zur Einprägung ihres Inhalts, die bei Texten mit entwickelnder Darstellung, schrittweiser Einführung einer neuen Terminologie o.ä. fehlschlagen muß. Bei all derartigen Fixierun· gen wird es, wenn es sich um relativ überdauernde Routinen handelt, zwangsläufig auch zu mehr oder weniger ausgeprägten Brüchen oder Lücken innerhalb der modalitätsüber· greifenden Verweisungsstrukturen meines Inhalts· und Quellenwissens kommen.
Sofern ich nun - etwa im Experiment oder in der Schule - in Situationen gebracht werde, wo die Prämissen für die Effektivität der jeweiligen Strategieroutinesystematisch entzogen sind (etwa, indem ich grundsätzlich niemanden fragen oder nirgends nachschauen darf, mir die Zeit für bestimmte Strategieformen nicht zur Verfügung steht etc.) so ergibt sich aufgrund der dar· gestellten üblichen Reifikationstendenzen leicht das Bild: Ich habe ein »schlechtes Gedächtnis« für diesen oder jenen Sachverhalt, etwa ein schlechtes Ortsgedächtnis, Namensgedächtnis, Gedächtnis bei der Textrezeption, oder auch - globalisiert - »episodisches« bzw. »semantisches Gedächtnis«. Mein »schlechtes Gedächtnis« würde sich hier also für mich als die Kehrseite bestimmter normalerweise erfolgreicher Strategieroutinen entpuppen, ist aber in jedem Falle als Verkennung von Widersprüchen im Verhältnis zwischen
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Lernproblematiken und dazu angesetzten Behaltens-/Erinnernsroutinen eine reifizierende Verstellung der wirklichen Problemlage Damit wird auch klar, daß das vorgebliche schlechte Gedächtnis keineswegs eine (wie immer entstandene) persönliche Eigenschaft ist, sondern vom Subjektstandpunkt bzw. Standpunkt verallgemeinernder subjektwissenschaftlicher Forschung - wo nötig - d\lrch die Aufhebung der fixierenden Strategieroutinen, d.h. deren Umorganisation aufgrundpräziserer Prämissenanalyse von Lernproblematiken und der dadurch möglichen adäquateren Typisierungen von Problematiken und Strategien überwindbar werden kann. Dies schließt ein, daß die von mir als Aspekt meiner personalen Situiertheit erfahrenen einschlägigen ,.Fähigkeits•-Grenzen von mir reflektiert und problematisiert werden müssen, um dergestalt durch die Überwindung solcher Fixierungen und Beschränkungen mich und andere davon zu überzeugen, daß sie noch »diesseits« der unaufhebbaren Grenzen meiner personalen Verfügungsmöglichkeiten, hier: über meine früheren Erfahrungen und Widerfahrnisse, liegen (vgl. S.266f). Die Perspektive der Aufhebung unangemessener Routinen durch neuerliche Prämissenreflexion besteht jedoch dann nicht (mindestens nicht unmittelbar), wenn ich bisher nicht nur keinen Grund sah, angesichts neuer Problematiken die alten Strategieprämissen zu hinterfragen, sondern wenn ich - warum auch immer - positive Gründe dafür habe, die Prämissen bestimmter Behaltens-/Erinnernsstrategien nicht zu hinterfragen. Mit solchen zirkulären Begründungsfiguren, innerhalb derer das Unhinter/ragtlassen der »Vernünftigkeit« von Strategien selbst als »vernünftig« erscheint, habe ich mir selbst den Zugang zu meinen eigenen einschlägigen Handlungsgründen verbaut, man hat es hier also mit einer Art von »Double bindcc-Situation oder »Begründungsfalle« zu tun, durch welche Blockierungen von Behaltens- bzw. Erinnernsprozessen selbst immer wieder aktiv hergestellt werden. Es ist klar, daß wir uns mit solchen Überlegungen auf das Problem der Bedeutung von Abwehr- und Verdrängungsprozessen im KonteXt von Behaltens-/Erinnernsaktivitäten als Bestimmungen defensiv begründeten Lernens zubewegen. Als Beispiel im gegenwärtigen Problemzusammenhang nehme man etwa die verbreitete Art der Rezeption wissenschaftlicher Texte, die man als defensives Lesen bezeichnen könnte: Jene Art des ·kritischen« Um· gangsmit einem Buch oder einem Artikel unter dem dominanten Gesichtspunkt der Ent· deckung seiner Fehler und Schwächen, durch welche selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen nur das zur Kenntnis genommen wird, aus dem die Unbrauchbarkeit des Textes oder sogar die generelle Inkompetenz des Autors zur Bearbeitung seines Themas hervorzugehen scheint. Hier ist (indem man sich unreflektiert der Konkurrenzförmigkeit wissenschaftlicher Kommunikation unter unseren gesellschaftlichen Verhältnissen über· läßt) die Möglichkeit, daß ich aus dem Buch oder Artikel (u.U. trotzbestimmter Fehler und Schwächen) lernenden Aufschluß über den behandelten Gegenstand gewinnen könnte, von vornherein ausgeschlossen: Statt derartiger expansiver Lerngründe habe ich vielmehr nur in defensiver Weise ein Interesse daran, durch öffentliche Kundgabe meiner •Kritik«
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Grundbegri./Jlichkeit einer subjektwissenschaftlichen Irmtheorie
mögliche Bedrohungen meiner eigenen wissenschaftlichen Vorstellungen abzuwenden, der •Konkurrenz« die Legitimation zu entziehen, so mein wissenschaftliches •Profile, dem ich meine berufliche und materielle Existenz verdanke, abzusichern und aufzuwenen - dies als wechselseitige Behinderung/Selbstbehinderung wissenschaftlicher Produktivität, versuchte Entmutigung des Betroffenen und Verwirrung Dritter, wie sie als •dynami. sche« Sabotage des Wissenschaftsfortschritts über weite Strecken den Umgang der Angehörigen bestimmter ..Wissenschaftlergemeinschaftenc charakterisieren (was natürlich viel genauer zu belegen und zu analysieren wäre).
Damit verdeutlicht sich auch das Problem der Überwindung derartiger dynamischer Blockierungen als ein besonderer Fall des früher diskutierten Problems der Möglichkeit •qualitativer Lernsprünge« zur Aufhebung defen· siv begründeter Lernprinzipien: Defensive Behaltens-/Erinnernsstrategien sind eben (gemäß unserer Bestimmung des Behaltens/Erinnerns als Lernen unter Dominanz der Permanenzintention) als eine bestimmte Erscheinungsform defensiv-selbstbehindernden Lernens überhaupt zu verstehen, so daß auch unsere früher erarbeitete Begrifflichkeit zur Analyse der Möglichkeitsvoraussetzungen qualitativer Lernsprünge darauf beziehbar ist (was hier nicht mehr näher ausgeführt werden soll).
Zum Verhältnis von Lernen und Behalten/Erinnern: Spezifizierung von Lernproblematiken als Behaltens-I Erinnernsproblematiken Wenn wir nun unseren bisherigen Argumentationsgang zur Annäherung an den lebenspraktischen Kontext des Lernens vom verbalen Lernen bzw. Behal· ten/Erinnern her überblicken und mit den (im Teilkapitel davor versuchten) Annäherungsbewegungen vom motorischen Lernen her vergleichen, so zeigt sich einerseits, daß die dabei schließlich resultierende Begrifflichkeit zur Aufschlüsselung der jeweiligen Besonderheiten von Lernhandlungen im einen und im anderen Falle keineswegs identisch ist: Dies war allerdings auch nicht zu erwarten, weil die jeweiligen »Ansatzstellen«, das Konzept des •motor learning« und die kognitivistische Gedächtnisforschung, keine rein systematische Gegenstellung markieren, sondern auch von lediglich realhistorischen Zügen geprägt sind, womit die von da aus zu gewinnenden Aus- und Anschnitte der lebenspraktischen Lernverhältnisse ebenfalls in gewissem Maße historisch zufällig sein müssen. Andererseits aber läßt sich, wir mir scheint, dennoch eine bestimmte gemeinsame Tendenz der einen wie der anderen Argumentationsbewegung und Begriffsentwicklung aufweisen. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Rekonstruktion der lebenspraktischen Bezüge des Lernens gegenüber dessen vorfindlieber
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theoretisch-experimenteller Isolierung im einen wie im anderen Falle die Einbeziehung bestimmter Aspekte der übergreifenden sachlich-sozialen Bedeutungsstrukturen, wie wir sie vorgängig kategorial aufgewiesen haben, in unsere theoretischen Konzeptualisierungen erforderlich machte. Beim Ansatz am motorischen Lernen war dies die Thematisierung der Bedeutungsbezüge, durch welche die Inhaltlichkeit menschlicher Bewegungen überhaupt erst faßbar wurde: Auf diesem Hintergrund konnte das Bewegungslernen aus dem Kontext der umfassenderen Bedeutungsbezüge, deren Aspekt die in Bewegungen umsetzbaren Bedeutungen darstellen, verstanden werden. Beim Ansatz am Behalten/Erinnern erwies sich schon bei der ersten Konfrontation der einschlägigen kognivitistischen Konzepte/ Anordnungen mit Behaltens-/Erinnernsstrategien im lebenspraktischen Kontext, daß die gängige Beschränkung von »Gedächtnisc-Prozessen auf innermentale bzw. sprachimmanente Prozesse die Praxis des Behaltens/Erinnerns verfehlen muß, so daß die Erweiterung der bloß mentalen Strategien um »kommunikative« und »objektivierende« Strategiekomponenten für uns theoretisch zwingend wurde. Bei etwas genauerem Hinsehen zeigt sich nun, daß damit noch in einem spezielleren Sinne auf eine Konvergenz unserer beiden Annäherungsbewegungen vom motorischen Lernen bzw. Behalten/Erinnern her verwiesen ist. Diese ergibt sich daraus, daß mit der Explikation der kommunikativen und der objektivierenden Modalität des Behaltens/Erinnerns eine dabei erforderte Ausführung von Körperbewegungen mehr oder weniger eindeutig mitgemeint sein mußte. So ist schon in unserem dazu eingeführten Beispiel die dort benannte intermodale Sequenz des Behaltens/Erinnerns einer Telefonnummer dadurch gekennzeichnet, daß ich dabei u.a. das Telefonverzeichnis heranziehe, einen Stift zur Hand nehme, mir die Nummer aufschreibe etc. Allgemeiner gesehen ist (wie auch aus den dazu angeführten Arbeiten über externe, praktische Behaltens-/Erinnernshilfen ersichtlich} die objektivierende Modalität geradezu dadurch spezifiziert, daß darin Körperbewegungen eingeschlossen sind, sei es, indem ich selbst in sinnlich-materiellen Handlungen bestimmte Zeichen produziere oder Spuren hinterlasse, sei es, daß ich bestimmte schon vorliegende Objektivationen für mich (durch Herstellung von Wahrnehmungspräsenz} verfügbar mache (etwa ein Buch zur Hand nehme, darin blättere o.ä.}. Auch in der kommunikativen Modalität sind die Vorkehrungen zur Herstellung der Kommunikation kaum anders denn als Körperbewegungen irgendwelcher Art zu denken, und zwar nicht nur als Sprechbewegungen o.ä., sondern als Hingehen, Sich-Zuwenden, das Telefon bedienen etc., um sich in bestimmter Weise für die Realisierung der Kommunikation körperlich-sinnlich »in Positur« zu bringen. An dieser Stelle mag man einwenden, mit den damit angeführten Körperbewegungen handle es sich doch durchgehend um das, was von uns früher
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(auf S.280ff) als »Hilfsbewegungen« zur Ermöglichung motorischer oder mentaler Lernprozesse diskutiert wurde, nicht aber um eigentliche Bewegungshandlungen, wie sie in unserer Annäherung vom motorischen Lernen (gerade in Abgrenzung von den Hilfsbewegungen) diskutiert wurden. Dazu wäre jedoch zum einen festzustellen, daß aus den dargelegten »motorischen.. Momenten der objektivierenden bzw. kommunikativen Modalität des Behaltens/Erinnerns in jedem Falle hervorgeht, daß die dabei lernend realisierten Bedeutungskomplexe auf irgendeine Weise auch in Bewegungen umsetzbare Bedeutungen enthalten müssen, so daß man es in dieser Hinsicht mit keinem prinzipiellen Unterschied gegenüber dem Bewegungslernen zu tun hätte. Zum anderen wäre darauf hinzuweisen, daß (wie früher dargelegt), bestimmten Bewegungen ihr Charakter als Hilfsbewegungen nicht ein für alle mal eigen ist, sondern daß es von der Art der jeweiligen Ur-nproblematik abhängt, ob einer bestimmte Bewegung die Funktion einer Hilfsbewegung oder einer primär inhaltsbezogenen Bewegungshandlung zukommt. Dies heißt aber, daß mit Bezug auf denselben Bedeutungskomplex bei entsprechender Umakzentuierung der Lernproblematik aus Hilfsbewegungen im Kontext der objektivierenden oder kommunikativen Modalität des Behaltens/Erinnerns eigentliche Bewegungshandlungen, auf die selbständige Intentionen des Bewegungslernens zu richten sind, werden können (so wenn ichangesichtsvon Schwierigkeiten beim Versuch der Erstellung von Schreibmaschinenprotokollen mir vornehme, erst einmal richtig Schreibmaschineschreiben zu lernen)- womit die Grenzen zwischen Bewegungslernen und Behalten/Erinnern sich auch unter diesem Gesichtspunkt als fließend erweisen. Wenn man nun aus diesen Darlegungen verallgemeinernde Schlußfolgerungen zu ziehen versucht, so kann man festhalten: Die Gemeinsamkeiten des Bewegungsiemens und des mental-verbalen Lernens bzw. Behaltens/Erinnerns, aus denen sich die benannte Konvergenz unserer respektiven Annäherungsbewegungen versteht, ergeben sich daraus, daß in den übergeordneten Bedeutungskomplexen als potentiellen Lerngegenständen primäre Gegenstandsbedeutungen einschließlich der in Bewegungen umsetzbaren Bedeutungen mit deren sekundär-symbolischen Repräsentanzen in einer Weise integriert sind, daß bei der Ausgliederung aktueller Lerngegenstände eine Isolierung beider Momente nicht möglich ist. Dies heißt, daß auch in den bedeutungsrealisierenden Lernhandlungen praktische und mentale Handlungsanteile zwar unterschiedlich akzentuiert sein mögen, aber niemals ohne realen Bezug aufeinander vorkommen können. Bewegungslernen einerseits und Behalten/Erinnern andererseits sind also nicht durch genuin unterschiedliche Funktionsgrundlagen und/ oder Lerngegenstände voneinander abgehoben, sondern stellen lediglich unterschiedliche Akzentuierungen des Lernens bei der Ausgliederung von aktuellen Lerngegenständen in Abhängigkeit von der
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jeweilig vorliegenden Lernproblematik dar. Die bei der Annäherung vom motorischen Lernen und vom Behalten/Erinnern her feststellbaren Konvergenzen verstehen sich also aus der übergreifenden Integration gegenständlicher und symbolischer Momente der gesellschaftlichen Bedeutungsstrukturen. Differenzierungen hingegen entstehen auf einer anderen Ebene, nämlich dadurch, daß diese Bedeutungsstrukturen von verschiedenen Lernproblematiken her auf unterschiedliche Weise selegiert werden, wobei aber der Gesamtzusammenhang nicht eigentlich verloren geht, sondern nur unterschiedlich »angeschnitten« ist, woraus sich verschiedene Gewichtungen, perspektivische Gliederungen etc. mit Bezug auf das Ganze ergeben. Aufgrund dieses Rückbezuges auf unser Konzept der Lernproblematiken können wir nun das Verhältnis zwischen Lernen und Behalten/Erinnern (über die frühere mehr definitorische Bestimmung des Behaltens/Erinnerns als Lernen unter der Dominanz der Permanenzintention hinaus) konkreter zu fassen suchen. Dabei ist zunächst zu bestätigen, daß aufgrund der transsituationalen Permanenz und Kumulation, die die Lernhandlungen gegenüber Handlungen zur bloß aktuellen Situationsbewältigung (etwa »Problemlösen•) auszeichnen, das Behalten/Erinnern faktisch jeder Lernhandlung (ob nun motorischer oder mentaler Art) inhärent ist- was aber nicht heißt, daß es auch selbständig intendiert sein und deswegen als Erfahrungsgegebenheit gesondert hervortreten muß. Dazu kommt es vielmehr erst dann, wenn im Lernprozeß das Behalten/Erinnern als Erfahrungstatbestand dominant, d.h. (wie wir jetzt hinzufügen können), wenn aufgrund der Eigenart der jeweiligen Lernproblematik mangelndes Behalten und/ oder Erinnern die erfahrene Lerndiskrepanz wesentlich charakterisiert und so die Optimierung des Behaltens bzw. Erinnerns zur zentralen Dimension der intendierten Lernhandlungen wird. Verselbständigtes Behalten/Erinnern ist mithin (wie sich auch in diesem Problemzusammenhang bestätigt) keine gesonderte, etwa als »Gedächtnisfunktion« qualifizierbare, psychische Funktion, sondern ergibt sich lediglich aus einem bestimmten Typ von Lernproblematiken, nämlich solchen, in denen Behalten bzw. Erinnern dem Subjekt in herausgehobener, gegenüber anderen Lernintentionen dominanter Weise zum Problem wird. Wenn man nun nach gemeinsamen Merkmalen solcher als Behaltens-/Erinnernsproblematiken spezifizierten Lernproblematiken sucht, so imponiert zunächst, daß Behalten/Erinnern nur dann als eigenständige Problematik hervortreten wird, wenn dem Subjekt bestimmte Grenzen beim Präsenthalten, Vergegenwärtigen, Reproduzieren früherer Erfahrungen oder Handlungen vordergründig werden: Nur unter dieser Voraussetzung ist es begründet/»vernünftig«, im Lernen nicht direkt die (in der Bezugshandlung zunächst behinderten) erweiterten Verfügungsmöglichkeiten bzw. Möglichkeiten der
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Abwehr des Verfügungsentzuges anzustreben, was die dabei zu erreichende. Permanenz des Gelernten ja einschließt, sondern sich verselbständigt auf Nachhaltigkeit des Gelernten zu richten. Deranige spezielle Lernproblematiken mögen zunächst daraus entstehen, daß in der Bedeutungskonstellation des dabei aktualisienen Lerngegenstandes ungewöhnliche, das normalerweise Bewältigbare übersteigende Anforderungen an meine eigene •Fassungs. kraft« (als Moment meiner körperlichen Situienheit) beschlossen sind und so entsprechende Grenzerfahrungen zugleich mit der Notwendigkeit des Hinausschiebens der erfahrenen Grenzen bei mir hervonreten - so etwa, wenn ich mich vor der Problematik sehe, als Schauspieler einen langen Text fehlerfrei zu sprechen, oder (dies eine entwickelte Spielan von Bewegungsproblematik) als Dirigent zur Verbesserung meines Kontaktes zum Orchester eine Symphonie •auswendig« zu dirigieren: In solchen Fällen bleibt mir meist kaum etwas anderes übrig, als das Behalten und Erinnern des Textes oder der Partitur - um so die unübersteiglichen Grenzen meiner Fassungskraft herauszufordern - sei~ ständig und systematisch zu lernen. Andere, sozusagen mehr diesseitige Bedeutungskonstellationen, aus denen sich für mich (im Falle ihrer Übernahme) verselbständigte Behaltens-/Erinnernsproblematiken ergeben können, liegen überall da vor, wo mir in institutionellen Lehrsituationen (i.w.S.) auferlegt ist, bestimmte Texte, Bewegungen etc. so zu reproduzieren, daß dabei gerade auf das isoliene Behalten/Erinnern bezogenen Gütemaßstäben entsprochen wird - so, wenn ich ein Gedicht so •auswendig lernen« soll, daß ich es zur Zufriedenheit des Lehrers •aufsagen« kann, oder wenn ich mir vorgenommen habe, beim Eiskunstlauf die Pflichtfiguren deran schulgerecht zu performieren, daß die Punktrichter eine Note möglichst nahe an 6 zu ziehen sich veranlaßt sehen. In deranigen Fällen geht es für mich ersichtlich nicht so sehr um die Annäherung an meine eigenen Grenzen als um die Erfüllung äußerer Normen, wobei hier sowohl die Isolierung des Behaltens/Erinnerns wie die dabei gesetzten Schwierigkeiten die (aus unterschiedlichen Gründen institutionell inaugurierte) Bewertung meiner »Leistungen« ermöglichen oder erleichtern.
Von den damit benannten Anforderungssituationen aus ist es nur noch ein Schritt zur Exemplifizierung solcher fremdgesetzter Anordnungen, deren Übernahme als Lernproblematiken die Zurückgeworfenheit auf bloß menta· le Modalitäten unter möglichst weitgehender Ausgrenzung kommunikativer und objektivierender Modalitäten des Behaltens/Erinnerns erfordern würde. Derartige Konstellationen liegen dann vor, wenn ich in der Schule beim Aufsagen des Gedichtes mir von meinem Nachbarn nicht einhelfen lassen, aber auch nicht im Gedichtband nachsehen darf, wenn ich in Prüfungen von allen »externen Gedächtnisstützen« isoliert bin oder wenn ich im psychologischen Gedächtnisexperiment mir weder Notizen machen noch einen anderen fragen darf, sondern die ltems auf der Liste bloß »innermental« behalten und erin· nern soll. Gerade an dieser letzten Anordnung läßt sich verdeutlichen, wie hier einerseits eine Anforderungssituation mit der Eliminierung kommuni· kativer und objektivierender Modalitäten vorgegeben (und deren Übernahme
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als Lernproblematik durch die Vp hoffnungsvoll vorausgesetzt) ist, andererseits aber diese Vorgabe theoretisch ignoriert und so die Fiktion genährt wird, man untersuche hier »das« Gedächtnis als selbständiges, isoliertes ..Vermögen« des Individuums. Anders: Man läßt hier per »Anordnung« der Vp (sofern sie mitspielt) gar keine andere Möglichkeit, als sich in »defensiv« begründeter Weise so zu benehmen, als ob sie ein isoliert prüfbares rein mentales Gedächtnis »hätte«, und sieht dieses ihr Benehmen dann zirkulär wiederum als empirischen Beleg für die Existenz eines solchen »Gedächtnisses« an. Aus der damit begründeten Tradition erwuchs dann eben der von uns dargestellte und diskutierte verselbständigte Zweig der kognitivistischen »Gedächtnisforschung« mit dem Pendent des ebenso isolierten Zweigs der Erforschung des »motor learningc, der »motor control« o.ä.: Hier wird der übergreifende Zusammenhang mentaler, kommunikativer und objektivierender Modalitäten des Lernens intradisziplinär zerrissen und sind damit die Voraussetzungen für eine dem lebenspraktischen Kontext gerecht werdende Analyse des Behaltens/Erinnerns wie des Bewegungsiemens eliminiert. Durch das daraus entstehende Erfordernis externer Lernkontrolle ist expansives Lernen weitgehend ausgeschlossen, also die traditionelle Gleichsetzung von Lernen mit defensiv begründetem Lernen bekräftigt (s.u.). Aus dem Umstand, daß Behalten/Erinnern nicht als ein integraler und lediglich über spezielle Lernproblematiken als verselbständigt akzentuierter Bestandteil des weltbezogenen Lernens, sondern als isolierte »Gedächtnisleistung« verstanden wird, erweisen sich nun die dabei auftretenden Schwierigkeiten als weitgehend hausgemacht. Dies gilt zunächst für die Schwierigkeiten, in die man die Vpn dadurch bringt, daß man ihnen im Experiment - zum Zwecke der Eruierung möglichst »reiner« Gedächtnisfunktionen nur die mentale Modalität des Behaltens/Erinnerns lassen möchte: Auf diese Weise erfährt man schlechterdings nichts darüber, auf welche Weise die Menschen in ihrer wirklichen Lebenspraxis die Dauerhaftigkeit des Gelernten zu erreichen pflegen und zu welchen »Leistungen« sie dabei fähig sind. Dies gilt aber auch für die Schwierigkeiten, in die man sich dadurch auf der theoretischen Ebene bringt: Man sieht sich durch die Fixierung auf lediglich »innermentale« Behaltens/Erinnernsfunktionen gezwungen, die Bedeutungsstrukturen und Verweisungszusammenhänge, zu denen das Individuum tatsächlich kommunikativ und/ oder über Objektivierungen Zugang hat, quasi »in« das Individuum bzw. kognitive System rückzuprojizieren, muß so auch hier (wie im früher dargestellten Fall der theoretisch-experimentellen Isolierung des Bewegungsiemens von gesellschaftlichen Bedeutungszusammenhängen) alle Verknüpfungsleistungen dem einzelnen aufbürden, womit wiederum nicht nur dieser, sondern auch das theoretische Modell hoffnungslos überfordert ist: Es bleibt so theoretisch weitgehend unerfindlich, wie die Individuen
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tatsächlich jene Lern- und Behaltensleistungen zustandebringen können, die sie in ihrer Lebenspraxis doch tatsächlich zu vollziehen vermögen. Aus unserer theoretischen K.onkretisierung des Verhältnisses zwischen Lernen und Behalten/Erinnern sollte demgegenüber hervorgehen, daß auch das Behalten/Erinnern als (ob nun lediglich implizite oder per Lernproblematik akzentuierte) Grundbestimmung des Lernens nur dann angemessen theoretisierbar ist, wenn man einsieht, daß dabei die »innermentalen« Verweisungen nicht für sich, sondern nur als Teilsystem übergreifender, soziale und gegenständliche Bedeutungszusammenhänge einbeziehender Verweisungsstrukturen zu analysieren sind. Dies heißt nicht nur, daß die mentale Aufnahmefähigkeit des Individuums durch die »Speicherfunktion« der Welt, mit der es sich kommunikativ und objektivierend in Beziehung setzt, entlastet ist, sondern grundsätzlicher, daß hier die mentalen Aktivitäten genuin nur als Teilaspekte der lebenspraktisch-weltbezogenen Lernhandlungen funktionsfähig, also auf ihre Wechselwirkung mit kommunikativen und objektivierenden Modaliltäten hin angelegt und demnach isoliert genau genommen weder ausführbar noch auch nur denkbar sind. Dieanthropogenetische Herausbildung des gesellschaftlichen Mensch-Welt-Zusammenhangs schließt eben die Erweiterung menschlicher Lernmöglichkeiten durch gesellschaftlich produzierte Bedeutungszusammenhänge als gegenständlich-symbolisches »Sozialgedächtnis« ein - was bei der lern- bzw. gedächtnispsychologischen Theorienbildung nicht per »Naturalisierung« des Individuums in seiner Umwelt weggebügelt werden darf.
Zum Verhältnis von Mitlernen und intentionalem Lernen: Affinitive Selbstorganisationsprozesse im Rahmen intentionaler Lernhandlungen Das Konzept der »modalitätsübergreifenden Verweisungszusammenhänge« (oder auch »Verweisungsstrukturen•) diente uns bisher als Möglichkeit zur begrifflichen Erfassung der inneren Gliederung des intendierten Lernens im Kontext subjektiver Lebenspraxis ohne verdinglichende Einteilungen und ohne Suspendierung der begründungsanalytischen Herangehensweise. Nun hat dieses Konzept aber darüber hinaus bestimmte Implikationen, durch welche -wie sich zeigen wird- unsere bisher als unproblematisch betrachtete Abgrenzung des intentionalen Lemens wm inzidentellen Lernen bzw. (wie wir uns ausdrückten) Mitlernen tangiert ist. Von da aus wird (wie sich zeigen soll) auch unsere allgemeine Vornahme, die Gesamtanalysen dieser Arbeit auf intentionales Lernen zu beschränken, in spezieller Weise fragwürdig. Um
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dies herauszuarbeiten, sind wir gezwungen, die Beziehung zwischen Mitlernen und intentionalem Lernen neu zu durchdenken und daraus auch Konsequenzen hinsichtlich der Strategien und Prinzipien des intentionalen Lernens zu ziehen. Zur Hinführung auf den damit zu eröffnenden Argumentationsgang sei zunächst daran erinnert, daß wir schon in unseren früheren Analysen innerhalb verschiedener Problemzusammenhänge gehalten waren, bestimmte Grenzen unseres intentionalen Zugriffs auf den Lernprozeß hervorzuheben, so die Verhaftetheit des Bewegungsiemens in unverfügbarer Körperlichkeit, die aus unserer körperlichen Situiertheit erwachsenden unüberwindbaren Beschränkungen unserer Behaltens-/Erinnernsintentionen etc. Besonders wichtig für unseren gegenwärtigen Diskussionszusammenhang sind dabei jene Passagen (im Kontext modalitätsübergreifender Verweisungszusammenhänge), aus denen hervorgeht, daß Lernen keineswegs stets als einfache, quasi reibungslose Durchsetzung der Lernintention betrachtet werden kann, sondern u.U. Lernen nur dadurch vorankommt, daß das intendierte Lernen sich seinerseits gewissen Zusammenhängen oder Strukturen anmißt, die bereits unabhängig von der aktuellen Lernintention bestehen. Solche Strukturen waren etwa mitgedacht, wo wir das Erinnern als Durchgang durch meinen latenten Erfahrungsbestand, um mich so allmählich an das Gesuchte heranzutasten, gekennzeichnet haben, besonders aber (an darstellungslogisch zentraler Stelle), wo wir »übergreifende Organisationsformen unseres mentalen, kommunikativen und objektivierenden Inhalts- und Quellenwissens« heraushoben, die nicht lediglich als Ergebnis, sondern vielmehr als Voraussetzung der Möglichkeit »permanenzbezogene(r) Behaltens-/Erinnernsstrategien« zu betrachten sind. Dazu stellten wir erläuternd fest: »Je umfassender und differenzierter die Organisation meines modalitätsübergreifenden Inhalts- und Quellenwissens ist, je stärker ist meine Beachtung bzw. die Formulierung von ,inneren' Schlüsselfragen dadurch angeleitet, je genauer kann ich also den in meiner Wissens- und Verfügungsstruktur enthaltenen Verweisungen innerhalb einer Modalität, von einer Modalität auf die andere, von Quellen auf Inhalte und umgekehrt, nachgehen und so das Gesuchte zur Überwindung der gegebenen Lernproblematik identifizieren ... « (s.o., S.311ff, Hervorh. geändert). Aus dieser Passage verdeutlicht sich nun auch, daß bereits in der Rede von »modalitätsübergreifenden Verweisungsstrukturen« das Angeleitetsein des Lernsubjekts durch vorgängig erfahrene Zusammenhänge mitgemeint ist: Hier »Verweise« ich nicht, sondern ich werde verwiesen, und zwar auf Zusammenhänge, die meiner Lernintention vorhergehen, also als Strukturen angeordnet sein müssen, deren Organisation unabhängig von meinen aktuellen Intentionen zustandegekommen ist. So treten also hier auf der Ebene des Vorgelernten oder Mitgelernten Prozesse in den Vordergrund, die man - mit
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dem heute aktuellen Terminus - als Selbstorganisation oder autonome Orga· nisation bezeichnen könnte. Dabei müssen wir allerdings erst noch herausfinden, was dies im gegenwärtigen Darstellungszusammenhang sinnvollerweise heißen kann (vgl. dazu unsere Diskussion der Verwendung des •Selbst«· Konzeptes im Zusammenhang konnektionistischer Modellvorstellungen,
S.131ff). Dabei kommt unseren einschlägigen Bemühungen derUmstand entgegen, daß neuerdings Frank Galliker (1990) Analysen und Untersuchungen vorgelegt hat, die - wenn auch eingeschränkt auf sprachliche Bedeutungsbezüge als Versuch der Konzeptualisierung von Selbstorganisationsprozessen innerhalb von Bedeutungsstrukturen aufgefaßt werden können, wobei Gallikers Arbeit insofern auch in unseren allgemeineren Darstellungszusammenhang paßt, als er die selbstorganisierte Ausgliederung von Erinnerungen aus sprachlichen Bedeutungszusammenhängen thematisiert. Galliker analysiert Gesprächsprotokolle sprachphänomenologisch auf darin vorkommende ,.Yergangenheitsverweise«: Es soll herausgearbeitet werden, auf welche Art sich in von den Probanden erzählten Geschichten über ihre eigene Lebenslage sprachliche Bezüge auf frühere Vorkommnisse ausgliedern und wie derartige •unwillkürliche Erinnerungen« zu den gegenwartsbezogenen Darstellungen in Beziehung stehen. Die wesentliche konzep· tuelle Grundlage der Analyse bildet dabei Gallikers Differenzierung der Erzählungen in »definitive« und ,.affinitive Sätze«: •Definitive Sätze« sind •Sprechakte«, in denen das Subjekt Aussagen über ein davon getrenntes Objekt macht. In •affinitiven Sätzen« ist dagegen der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt nivelliert, sie sind nicht ,.feststellender•, sondern mediativer, sinnvermittelnder Art, haben nicht fixierenden und damit •ausschließenden«, sondern vielbezüglich •erschließenden« Charakter. •Im Grunde genom· men wird mit definitiven Sätzen etwas unterdrückt, während affinitive Sätze ,etwas aufkommen lassen'. Definitive Sätze, die als bewußte (Sprech-)Handlungen wirksam sind, haben einen eindeutigen Charakter. Sie sperren sozusagen alles ab, was nicht zum Vollzug des an sich endgültigen Aktes beiträgt«. Affinitive Sätze dagegen •erschließen gerade das, was durch die direkten Sprechakte weggeschoben bzw. ,verdrängt' wird, und können somit als ,vorbewußte Verbalisierungen' bzw. ,Thematisierungen' verstanden werden« (S.109). Der zentrale - als Affinitätshypothese bezeichnete - Beitrag Gallikers zum Erinnerungsproblem besteht nun in dem (aus seinem Material explizierten und exemplifizierten) Aufweis, daß definitive Sätze als solche Vergangenheitsverweise ausschließen, während in affinitiven Sätzen aufgrund der temporal ausgeweiteten Gegenwart und Eröffnung der zeitlichen Tiefendimension über Entsprechungsreihen Vergangenheitsbezüge impliziert sind und je nach dem Kontext ausgesprochen werden können. Die affinitive »So-WieSprache« erweckt Erinnerungen, wobei •affinitive Einheiten analogisch aufeinander verweisen. Indem die Einheiten sukzessive einander substituieren, ohne Realität zu eliminieren oder dingfest zu machen, wird Sinn konstituiert; ein schöpferischer Effekt, mit dem im Gegebenen das Vergangene evoziert wird« (S.116). Die sprachlichen Verweisungszusammenhänge, die in definitiven Sätzen abgeschnitten, in affinitiven Sätzen aber auf ihre Vergangenheitsbezüge hin geöffnet werden, konzeptualisiert
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Galliker (im Anschluß an einen Terminus von Oevermann) als •latente Sinnstrukturen«. Dies wird folgendermaßen erläutert: •Bei einer affinitiven Konstitution« der aktuellen sprachlichen Wirklichkeit •klingen vielfältige, zunächst kaum wahrnehmbare Konnotationen an. Die polyvalente sprachliche Infrastruktur wird geweckt. Mit der synchronischen Sprachverflechtung der Gegenwartsphrase deuten sich ,latente Sinnstrukturen' innerhalb der vorliegenden ,sprachlichen Konstellation' an. Die primär nur allgemein eingefaßte Wirklichkeit komplettiert sich in dem Maße, wie das hinter dem verlautbarten Wort stehende System von Relationen diachronisch realisiert wird«. ·Affinität bedeutet also, daß die Sinnzusammenhänge der aktuellen Sprache eingestimmt werden. Über die anklingenden Sinnrelationen werden vergangene Erlebnisse analog gegenwärtiger rekonstituiert« (S.132).
Die damit von Galliker angesprochenen Komplettierungs- bzw. Rekonstitutionsprozesse, die bei »affinitiver« Annäherung über Vernetzungen sprachlicher Bedeutungen »autonom«, ohne unser Zutun, ablaufen und so als Formen verbaler Selbstorganisation bezeichnet werden können, lassen sich in der Art, wie Galliker sie näher bestimmt, in gewissen Aspekten auf unser Konzept der »modalitätsübergreifenden Verweisungszusammenhänge« beziehen: So finden sich bei Galliker mannigfache Hinweise auf sprachliche Sinnrelationen, die den bloß »innermentalen« Bereich in Richtung auf die Einbeziehung kommunikativer und gegenständlicher Momente überschreiten, etwa, wo er feststellt: »Je reichhaltiger die aktuelle sprachliche Wirklichkeit ist, in der wir unser Sprechen synchronisieren, desto größere Wissensbestände eröffnen sich: Man denke vor allem an interessante Gesprächspartner, aber auch an anregende Bücher und,bedeutungsvolle Gegenstände« (S.133). Entsprechend wendet sich Galliker (gleich uns) gegen die gängige Vorstellung vom bloß »privatsprachlichen Charakter« der Wiedergabe des Vergangenen: »Da wir in einer sprachlichen Wirklichkeit zuhause sind, befinden wir uns immer schon im Brennpunkt semantischer Strukturen, die gesellschaftlich konstituiert sind und als solche nicht subjektiv, sondern intersubjektiv vermittelt werden. Die Sprache samt ihrer Struktur existiert, bevor der einzelne menschliche Organismus in sie eintritt« (5.133). Von da aus kritisiert auch Galliker die Lokalisierung einer »psychologisch verstandene(n) ,Speicherung' in einem verabsolutierend subjektivierten und von den latenten Sinnstrukturen abgeschnittenen ,Individuum~ als »das grundsätzliche Mißverständnis jener Gedächtnispsychologen, welche die Verdinglichung nicht aufzulösen versuchen, sondern vielmehr wissenschaftlich reproduzieren. Was quasi über einen programmsprachlichen Apriorismus' im isolierten Subjekt versammelt wird, wäre in die intersubjektive Infrastruktur eines Sprechers zu verlegen ... « (S.134f). Trotz dieser Konvergenzen ergeben sich für uns mit Gallikers Konzept Schwierigkeiten daraus, daß die »latenten Sinnstrukturen« als Ort affinitiver
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Selbstorganisationsprozesse von ihm zwar intersubjektiv, aber innersprachlich verstanden werden, während in unseren »modalitätsübergreifenden Verweisungszusammenhängen« nicht nur auf kommunikative oder gegenständliche Sprachbedeutungen, sondern auf wirkliche, sinnlich-körperliche Handlungen als Komponenten von Behaltens-/Erinnernsstrategien verwiesen ist. Wenn ich einen anderen Menschen um Auskunft bitte, jemanden anrufe, mir Notizen auf einem Zettel mache, ein Buch zur Hand nehme, ein Museum besuche, so ist dabei zwar immer auch Sprachliches beteiligt, dennoch handelt es sich nicht nur um sprachliche Aktivitäten, sondern um praktische Lokomotionen, Welteingriffe, Weltveränderungen o.ä., durch die aufgrund der gegenständlichen Bedeutungsbezüge die jeweiligen Möglichkeiten zu sprachlichen Äußerungen, sprachlicher Rezeption und sprachlicher Kategorisierung zu allererst geschaffen werden. Demnach müßten in die hier zugrundeliegenden Selbstorganisationsprozesse nicht nur »spontane« sprachliche, sondern auch motorische, perzeptuelle, kognitive Gliederungen, Akzentuierungen und Zuordnungen involviert sein, in welche die latenten sprachlichen Sinnstrukturen eingebettet sind. Dabei könnte man etwa an das »Geleitetwerden« von Oberflächenmerkmalen nach Art des »Deutens«, wie wir es früher (GdP S.387ff) gekennzeichnet haben, denken: So überlasse ich mich bei der Erschließung von ..Vergangenheitsverweisen« nicht nur den Konnotationen sprachlicher Sinnbezüge, sondern gehe etwa auch ,.ziellos« in meinem Zimmer hin und her, lasse meinen Blick über die Bücher im Regal schweifen, werde in passiver Aufmerksamkeit von einem bestimmten Buch angezogen, blättere darin herum, stelle es wieder zurück, schaue aus dem Fenster, wobei sich die sprachlichen Sinnbezüge dadurch fließend ändern und spontan anleitend auf meine praktischen Streifzüge zurückwirken mögen. Dabei ist die konzeptuelle Heraushebung von »affinitiven« gegenüber »definitiven« Zuwendungen zwar streng genommen nur in den von Galliker aufgeschlossenen sprachphänomenologischen Bereichen legitim: Dennoch scheinen mir noch genug Gemeinsamkeiten vorzuliegen, um diese Konzepte (auch wenn ich Bestimmungen vergleichbarer Präzision nicht beisteuern kann) in einem allgemeineren, die praktischen Momente einbeziehenden Sinne zu verwenden: »Affinitive« Zu- und Abwendungen wärenso-in Abhebung von »definitiven« - gekennzeichnet durch eine nicht aus-, sondern einschließende Herangehensweise, ein »Kommen-Lassen« von gegenständlichen wie sprachlichen Bedeutungsverweisungen, ein »Sich-Zurücklehnen«, Übersicht-Gewinnen, eine »distributive« (im Gegensatz zu ,.fixierender«) Beachtung, die Aufhebung von Festlegungen und Beschränkungen durch das ln-den-Blick-Nehmen des »Ganzen«, dabei das Sich-leiten-Lassen von ..Verwandtschaften«, das Fortgetragenwerden von einer Verweisung zur nächsten in den modalitätsübergreifenden Bedeutungsnetzen, dadurch Einbeziehung
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des Vergangeneo in seinem Verhältnis zum Gegenwärtigen. Die von Galliker umschriebenen sprachlichen Affinitäten wären dabei als ein Sonderfall bzw., besser, als inhaltliche Spezifizierungen und Präzisierungen der so gekennzeichneten allgemeineren Affinitäten hier stets mitgemeint. Indem wir die Selbstorganisationsprozesse auf der Ebene von Bedeutungen (in Ausweitung des Konzepts von Galliker) als »affinitive« Aufschließung modalitätsübergreifender Verweisungsstrukturen gekennzeichnet haben, deuten sich affinitive Zuwendungsweisen als wesentliche »Vorintentionale« Bewegungsformen des Behaltens/Erinnerns, d.h. aber des (gemäß unseren früheren Bestimmungen Behalten/Erinnern als »Permanenzfunktion« stets einschließenden) Lernens überhaupt an. Um dies näher ausführen zu können, müssen wir zunächst Anschluß an unsere bisherige Gesamtdiskussion des intentionalen Lernhandeins finden, also zu klären versuchen, wie das Verhältnis des geschilderten »affinitiven« Miterinnerns bzw. Mitlernens zum intentionalen Lernen genauer zu fassen ist. Schließen Lernintention und affinitives, also inzidentelles Lernen einander aus, so daß man die geschilderten affinitiven Orientierungs- und Klärungsprozesse nicht absichtlich herbeiführen könnte, sondern lediglich abzuwarten hätte, bis sie sich nach Art von »glücklichen Zufällen« selbst herstellen? Oder gibt es Möglichkeiten, das Konzept der »Lernintention« bzw. »Lernhaltung« in einer Weise zu explizieren, daß man der Konsequenz, mit den »Affinitäten« wesentliche Implikationen lernenden Gegenstandsaufschlusses vom Standpunkt des konkreten Individuums schon definitorisch aus dem bewußt-intendierten Lernhandeln ausschließen zu müssen, entgehen kann? Die damit angesprochene Problematik (die von Galliker, 1990, S.138ff, in mehr phänographischer Weise unter dem Kennwort »Freisetzung affinitiver Sprache« diskutiert worden ist) läßt sich (wie mir scheint) auf einer grundsätzlichen Ebene angehen, wenn man etwas genauer zusieht, was mit dem Konzept der Lernintention nicht ausgesagt ist: »Intention« ist in diesem Kontext nicht gleichbedeutend mit »Zielsetzung« - man kann auch intendiert ein Ziel aufgeben; Intention ist auch nicht gleichbedeutend mit Anspannung - man kann auch intendieren, sich zu entspannen; somit heißt Intention auch nicht notwendigerweise Fixierung, Ausschließung, definitives Herangehen man kann auch eine Aufhebung der Fixierung, eine »einschließende« Haltung, eine affinitive Zuwendungsweise bewußt intendieren. So gesehen erwiese sich die gängige Gleichsetzung von Intention und Zielsetzung, Anspannung, Fixierung, Identifizierung als eine unmittelbarkeitsverhaftete Kontamination allgemeiner Bestimmungen intentionalen Handeins mit dessen »naheliegenden« Erscheinungsformen, was man nur zu reflektieren und aufzuheben brauchte, um die angesprochene Problematik - zum mindesten auf definitorischer Ebene - zu überwinden.
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Auf phänomenaler Ebene bleiben damit aber immer noch Probleme, die daraus entstehen, daß affinitives Lernen zwar Nichtintentionalität begrifflich nicht notwendig einschließt, aber in seinem wirklichen Zustandekommen, schon als Mitlernen, irgendwie daran gebunden ist - die Aussage, man könne auch Nichtintentionalität intendieren, aber (eindimensional gesehen) einen Widerspruch enthält. Die Intention der Nichtintentionalität ist in unserem Diskussionszusammenhang denn auch eher als eine Art von »Metaintention« zu betrachten, indem ich hier intendiere, meine Intention, ohne sie preiszugeben, möglichst weitgehend so zurückzunehmen und stillzustellen, daß die »in der Sache liegenden« Verweisungszusammenhänge bei mir ungestört zu Geltung kommen. Es handelt sich dabei also um eine bestimmte Art von »Konzentration«, in welcher ich mich nicht auf etwas Bestimmtes konzentriere, sondern äußere Störungen, irrelevante Gedanken, »Ablenkungen« soweit von mir fernzuhalten, meinen Kopf quasi soweit »leer« zu machen trachte, daß eine bestimmmter Erfahrungszusammenhang »in« mir zur Geltung kommen kann. Galliker (1990, S.145) hat demgemäß die »Formel für die Freisetzung affinitiver Sprache, die im Rahmen definitiver Sprache das Erinnern einleiten kann« so umschrieben: »Nicht ich spreche, nicht du sprichst, sondern es spricht:.. - Dabei impliziert die intendierte Zurücknahme des intentionalen Eingriffs als konzentrierte Aufhebung der fixierenden Konzentration in sich ein labiles, prekäres Verhältnis, indem mir meine Metaintention bzw. Metakonzentration zur Zulassung affinitiven Lernens, wenn ich mich dabei zu weit zurücknehme, wegzurutschen droht, und so die intendiert zugelassenen, damit bewußt zur Kenntnis genommenen affinitiven Selbstorganisationsprozesse in bloßes Mitlernen außerhalb des Bereichs meiner intentionalen Zuwendung zurückfallen, und damit als Moment meines intendierten Lernhandeins verloren gehen. Da das Erfordernis affinitiven Lernens notwendig von der Art der jeweiligen Lernproblematik abhängt, käme es also im Rahmen der (in dieser Weise verallgemeinert gefaßten) Lernintention darauf an, [txierende, definitive Momente auf eine Weise mit affinitiven ins Verhältnis zu bringen bzw. abzuwechseln, die für mich aus der Art der jeweiligen Lernproblematik bzw. dem Prozeß ihrer Überwindung und den dabei auftauchenden Widerständen, Hindernissen, Dilemmata begründet ist. Somit erweist sich die Herstellung und Aufrechterhaltung des benannten prekären Gleichgewichts der intendierten Zurücknahme meiner Lernintention als allgemeine Bestimmung meiner (intentionales Lernen gegenüber bloßem Mitlernen qualifizierenden) generellen Lernhaltung selbst: Ich muß mit der lernenden Überwindung der Lernproblematik auch lernen, mich - wo und soweit es aus dieser erfordert ist - in bestimmten Stadien, Springpunkten etc. des Lernprozesses ohne Aufgeben der generellen Lernintention so ,.zurückzunehmen«, daß affinitive
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Lernphasen möglich werden und in den ,.definitiv« zu bestimmenden Lernfortschritt qualifizierend eingehen können. Die Zulassung von solchen affinitiven Selbstorganisationsprozessen als Qualifikation meiner Lernhaltung ist - unter thematischem Lernaspekt - bereits mehr oder weniger eindeutig die Voraussetzung dafür, daß die jeweilige Lerndiskrepanz überhaupt in weiterführender Weise aus der Lernproblematik ausgegliedert werden kann: Die früher auseinandergelegte, mit der Ausbildung der Diskrepanzerfahrung verbundene emotionale Wertung der in die Lernproblematik involvierten Bedeutungsbezüge als »Komplexqualität« kann nämlich nur in dem Grade auf die jeweils wesentliche Lerndimension, die das Eindringen in die Tiefenstruktur des Lerngegenstandes auf verangemeinerbare Bedeutungszusammenhänge hin möglich macht, zentriert werden, wie die involvierten modalitätsübergreifenden Verweisungen auf meine in der Bedeutungskonstellation gegebenen Handlungs-/Verfügungsmöglichkeiten und -behinderungen erst einmal in möglichst umfassender Weise affinitiv in meiner Erfahrung zugelassen sind. Bei sofortigem definitivfixierendem Zugriff dagegen kann die Diskrepanzerfahrung/Lerndimension nicht als im Schnittpunkt vielfältiger Verweisungen liegendes wesentliches Kennzeichen der jeweiligen Problematik ausgegliedert werden, die emotional bewerteten Komplexqualitäten schließen von vornherein relevante Bezüge des Lerngegenstands aus, und die Stelle, von der aus ich die Lerndiskrepanz als Leitlinie der Überwindung der Lernproblematik ansetzte, bleibt somit mehr oder weniger zufällig: So kriege ich, gerade weil ich unmittelbar und kurzschlüssig auf Festlegungen und Identifizierungen aus bin, die inneren und äußeren Bedeutungsbezüge des Lerngegenstands nur in beschränkter und einseitiger Weise mit und weiß letztlich selbst nicht, wo ich mit meinen Lernanstrengungen hingeraten werde. Affinitive Lernphasen sind aber nicht nur angesichts der initialen Lernproblematik, wo es für mich darum geht, die gegenstandsadäquate Diskrepanzerfahrung überhaupt erst einmal zu artikulieren, subjektiv begründet, sondern auch im weiteren Lernverlauf stets dann, wenn ich mich »einseitig« zu fixieren, in Sackgassen hineinzugeraten, mich zu verrennen drohe: In solchen Situationen werden durch verbesserte operative Planung, eindeutigere Zielsetzungen, bewußtere Lernanstrengungen die Schwierigkeiten und Hindernisse naturgemäß immer nur noch größer. Vielmehr muß es mir hier darum gehen, mich zurückzunehmen, auf die inneren Verweisungszusammenhänge meiner Beziehung zum Lerngegenstand zu ,.hören«, den Lerninhalt gegenüber meinen Bewältigungsversuchen und dem dadurch produzierten •psychischen Lärm« zur Geltung kommen zu lassen, also affinitiven Verweisungsreihen über das von mir bisher Ergriffene hinaus Raum zu geben, um danach auf einer neuen, umfassenderen Grundlage meine Lernhandlungen
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lemtheorie
wiederum bewußt und definitiv voranbringen zu können. - Eine besondere Krisensituation des Lernprozesses, wo der Rückgang auf affinitives Lernen quasi systematisch unerläßlich wird, ist jene für unser Gesamtkonzept zentrale Art von Lernschwierigkeiten, die (wie früher herausgehoben) nicht mehr durch Optimierungen im Rahmen des initialen Lernprinzips, sondern nur durch »Diskrepanzerfahrungen höherer Ordnung«, d.h. Gewinnung eines neuen, die Grenzen des alten Prinzips aufhebenden Lernprinzips, also einen qualitativen Lernsprung möglich ist: Hier sind die Lernhindernisse ja gerade dadurch entstanden, daß ich das bisherige Lernprinzip mit dem Lernen überaupt gleichsetzte, also durch Fixierung darauf andere prinzipielle Möglichkeiten lernender Gegenstandsannäherung nicht in den Blick nehmen konnte. So komme ich dabei selbstredend ebenfalls nicht mit verbesserter operativer Planung, erhöhter mentaler Anspannung, klarerer Definition des »Lernziels« etc. weiter: In solchen definitiven Zuwendungsweisen liegt ja hier gerade die Krankheit, die man damit heilen will. Vielmehr muß ich so in die Tiefenstruktur des Lerngegenstandes eindringen können, daß dabei Vermittlungszusammenhänge, die ich bisher ignorierte, deren Einbeziehung aber eine prinzipiell andere Weise des Lernens erfordern würde, für mich sichtbar werden, also affinitive Lernmöglichkeiten errschließen. Nur auf diesem Wege kann ich sodann (günstigenfalls) in definitiver Weise das den nun erfahrenen neuen Vermittlungen angemessene Lernprinzip auf den Begriff bringen und so von nun an in prinzipiell anderer Art zu lernen versuchen. (Man möge sich dies an meinen früheren Ausführungen über die Gewinnung des Neuen Hörzustands als qualitativen Sprungs beim lernenden Eindringen in Schönbergs Orchestervariationen, S.203ff, veranschaulichen und dabei deutlich machen, daß die scheinbare Plötzlichkeit, d.h. aus dem bisherigen Lernprinzip nicht voll ableitbare »Neuheit« des Neuen Hörzustands auf eine vorgängige affinitive Lernphase hinweist, in welcher meine bewußten Lernbemühungen vorübergehend in den Hintergrund traten und neue Bezüge des Lerngegenstandes samt deren emotionaler Qualitäten vordergründig werden konnten, womit schließlich das qualitativ neue, den Neuen Hörzustand implizierende Lernprinzip in seiner Besonderheit gegenüber dem bisherigen Lernprinzip definitiv konzeptualisiert werden konnte.) Das damit umschriebene und veranschaulichte Zueinander von definitiven und affinitiven Lernphasen unter intendierter Zurücknahme intentionaler Fixierung charakterisiert indessen nur eine Ebene des Verhältnisses zwischen intentionalem Lernen und Mitlernen: »Dahinter« liegt noch eine weitere Ebene, die aus der beschriebenen Möglichkeit erwächst, in kommunikativer bzw. objektivierender Modalität die Bedingungen des Behaltens/ Erinnerns bzw. - allgemeiner - des Lernens durch eingreifende Weltveränderung zu optimieren. Daraus ergibt sich nämlich, daß die affinitiven Selbst-
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organisationsprozesse zwar als solche die Zurücknahme meines intentionalen Zugriffs voraussetzen, aber ihre Randbedingungen, von denen abhängt, was sich da auf welche Weise organisieren kann, von mir durchaus im Vollsinne intentional herstellbar und veränderbar sind. So ist das (in einem früheren Beispiel benannte) ,.ziellose« Umhergehen in meinem Arbeitszimmer, der schweifende Blick über Schreibtisch und Bücher etc. zwar für sich genommen als affinitiv akzentuierte Lernphase zu charakterisieren: Welche Bücher aber in meinem Regal stehen, welche Notizen ich mir gemacht habe, wer über mein Telefonverzeichnis als möglicher Gesprächspartner erreichbar ist etc., dies hängt von vorgängigen intentionalen Arbeitsphasen ab, deren Resultate nun in meinem Arbeitszimmer vergegenständlicht sind. So gesehen ist auf quasi indirekte Weise der mögliche Ertrag meines affinitiven Mitlernens durch intentional-objektivierende Komponenten des Vorgelernten mitbestimmt und kann es so zu einer Art Entwicklungsprozeß kommen, in welchem durch im Vorlernen geschaffene immer adäquatere Randbedingungen auch das, was in Phasen gegenwärtigen affinitiven Mitlernens der Möglichkeit nach resultieren kann, immer angemessener und weiterführender in den weiteren Lernprozeß eingeht. Dies gilt nicht nur für die kommunikativen und objektivierenden, sondern- da die verschiedenen Modalitäten wechselseitig aufeinander verweisen - auch für die mentalen Komponenten der modalitätsübergreifenden Verweisungsstrukturen (die Art der Ordnung in meinem Kopf und in meinem Arbeitszimmer, meinen Aufzeichnungen, meinen sozialen Arbeitsbeziehungen ist global gesehen die gleiche). Aus dem in meiner phänomenalen Biographie/personalen Situiertheit liegenden Reichtum meiner mentalen, kommunikativen und gegenständlichen Beziehungen zur sachlich-sozial bedeutungsvollen Welt ergeben sich mithin nicht nur die von meinem Standort aus bestehenden Möglichkeiten direkt intentionalen Eindringens in den Lerngegenstand, sondern auch die Voraussetzungen für die Fruchtbarkeit der in den intentionalen Lernprozeß einbezogenen Phasen des Zulassens einer affinitiven Selbstorganisation der Verweisungsbezüge. Da die Lernintention (wie dargestellt) in ihren Prozeßbestimmungen als Moment mental-sprachlicher Situiertheit, nämlich am Lernverlauf orientierte(s) Beachtungslenkung/inneres Sprechen konkretisiert werden kann, müßte das intendierte Zurücknehmen intentionaler Fixierung als Zur-GeltungBringen affinitiver Bezüge sich auch als spezifische Art der Beachtungszuwendung und innersprachlichen (Selbst}kommentierung näher bestimmen lassen. Am nächstliegenden ist sicherlich die Vorstellung, es gehe hier darum, die ·fixierende Aufmerksamkeit« in .distributive Aufmerksamkeit« aufzulösen, um so möglichst weite Bereiche des modalitätsübergreifenden Verweisungsnetzes in den (•inneren«) Blick nehmen zu können. Gewisse inhaltliche
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
Differenzierungen einer solcherart zu verteilenden Beachtung ergäben sich dabei aus innersprachlichen Selbstkommentaren oder -aufforderungen wie: lehn' dich doch mal zurück; entspann' dich erst mal; laß' es (nämlich das, was in deinem Kopf vorgeht) doch einfach mallaufen und schau zu, was dabei herauskommt. Die hier zugrundeliegende Vorstellung, die Beachtungszuwendung/Kommentierung sei von den dabei beachteten/kommentierten Verweisungsstrukturen eindeutig zu trennen (so wie etwa ein- enger oder weiter eingestellter - Lichtkegel einer Taschenlampe davon getrennte Gegebenheiten lediglich in engerem oder weiterem Umkreis sichtbar macht) ist allerdings nur begrenzt adäquat. Bei genauerer Betrachtung wird vielmehr deutlich, daß die jeweiligen Beachtungs-/Kommentierungsweisen, da sie ja stets nur versprachlicht auftreten bzw. selbst innersprachlicher Art sind, in gewissem Sinne selbst als Bestimmungsmomente in die aufzuklärenden, bedeutungsbezogenen Verweisungsstrukturen eingehen müssen. Zu welchen affinitiven Selbstorganisationsprozessen es kommen kann, hängt also stets auch davon ab, in welchen Worten ich dabei mit mir oder zu mir rede: Damit wird nämlich die Bildung bestimmter Ähnlichkeitsreihen angestoßen, durch welche die Art der Selbstorganisation im ganzen beeinflußt ist. So ist es etwa von der Art der früher (S.305ff) angeführten innersprachlichen »Schlüsselfragen« abhängig, wieweit sie schon aufgrund der durch sie hervorgerufenen Konnotationen tatsächlich dazu geeignet sind, umfassendere Bedeutungszusammenhänge affinitiv aufzuschließen oder eher durch Vereigenschaftungen, Etikettierungen o.ä. zuzusperren. Um solche Zusammenhänge näher aufzuklären, sind sicherlich vielfältige empirische Analysen von der Art nötig, wie Galliker (1990) sie über die Voraussetzungen des Aufschließens oder Zuschließens sprachlicher Vergangenheitsverweise angestellt hat. Unsere Darlegungen über die Funktion affinitiver Lernmomente oder -phasen im Rahmen intendierten Lernens sind (wie aus unseren bisherigen Ausführungen schon deutlich geworden sein mag) zwar im Ansatz am Behalten/Erinnern entwickelt, aber - indem Behalten/Erinnern das Lernen in seiner Permanenz qualifiziert- (da auf Lernen überhaupt) auch auf das !Je. wegungslemen (wie wir es in Teilkapitel3.4 diskutiert haben) beziehbar. Dies ergibt sich schon aus dem erwähnten Umstand, daß die kommunikativen bzw. objektivierenden Modalitäten stets an Hilfsbewegungen gebunden sind, die - ohne daß dadurch an der Eingebettetheit in übergreifende Verweisungsstrukturen sich etwas ändert - als zu lernende Bewegungshandlungen umakzentuiert werden können. Entsprechend ist die Differenzierung in definitive und affinitive Beachtungszuwendungen/Selbstkommentare vollinhaltlich auch auf das Bewegungslernen anwendbar. Allerdings muß auch hier (vor dem Hintergrund der allgemeinen Bestimmungen) die Spezifik von affinitiven Selbstgliederungsprozessen mit Bezug auf Lernproblematiken, durch an
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aktuellen Lerngegenständen Möglichkeiten zum Bewegungslernen ausgegliedert sind, genauer herausgehoben werden. - Auf einer bestimmten Ebene ist dabei an das affinitive Zulassen der inhaltlichen Bedeutungshaftigkeit von Bewegungen durch Zurücknahme kurzschlüssiger operativer Fixierungen auf Lern- bzw. Übungs- oder Trainingsergebnisse zu denken - so eine bestimmte Art von Sich-Zurück-Lehnen und Entspannen, um wieder mehr Gespür für die Eigendynamik der Bewegungen zu entwickeln. In diesem Kontext ist die früher benannte affinitive Konzentration besonders relevant, indem hier alle forcierten, geradlinig zielbezogenen, ungeduldigen Bewegungsimpulse - mit denen ich mir bei der bedeutungsadäquaten Bewegungsausführung laufend selbst im Wege stehe - eingeklammert und stillgestellt sind: Das »Hinkriegen« und möglichst lange Festhalten einer derartig unabgelenkten, entrückten, »überlegenen«, erfüllten und erfüllenden Konzentrationshaltung ist (wie mir scheint} bei der Bemühung um das Erreichen möglichst vollkommener Bewegungsgestalten im künstlerischen oder sportlichen Bereich geradezu die zentrale Dimension lernender Gegenstandsannäherung. Solche affinitiven Phasen des Bewegungsiemens schließen immer auch eine Ausweitung der Zuwendung auf umfassendere Bedeutungsbezüge des Bewegungsablaufs ein. So wird man etwa im Sport - sofern man durch noch so intensives Training einer bestimmten Bewegungsfolge nicht weiterkommt, sondern mit wachsender Anstrengung eher immer schlechter wird - durch das Zur-Geltung-kommen-Lassen der übergeordneten Bewegungsgestalt, der diese Bewegungsfolge zugehört: Erfassung ihres Sinnes und ihrer Funktion innerhalb des Ganzen, damit erhöhte Bedeutungsadäquatheit der Bewegung, (günstigenfalls) die Verspannung und Blockierung überwinden können. Neben derartigen Ausweitungen innerhalb des Bereichs des BewegungsIemens sind auch solche affinitiven Defixierungen zu berücksichtigen, durch welche Verweisungen auf umfassendere symbolische Bedeutungszusammen· hänge in der Erfahrung zur Geltung kommen - so, wenn ich beim Klavierspiel angesichts der Stagnation beim Üben einer bestimmten schwierigen Passage mir deren Sinn im Kontext der inhaltlichen Gesamtaussage des Stückes vergegenwärtige und so vielleicht über die durch kurzschlüssig operative Zielbezogenheit beim Üben entstandenen Störungen des Bewegungsablaufs hinwegkommen kann. Unsere Darlegungen über affinitive Lernphasen und deren subjektive Begründetheit innerhalb des übergreifenden intendierten Lernens beziehen sich, wie wohl deutlich geworden sein wird, auf den thematischen Aspekt des Lernens und betreffen so in gewisser Weise dessen früher ausführlich diskutiertes Verhältnis zum operativen Lernaspekt: Dies deswegen, weil man (wie schon aufgewiesen) die Einseitigkeiten und Fixierungen bei der Ausgliederung von Lerndiskrepanzen bzw. im weiteren Verlauf der Überwindungsversuche der
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Grundbegrifflichkeit einer subjektwissenschaftlichen Lerntheorie
jeweiligen Lernproblematik global gesehen als phänomenale Dominanz des operativen Lernprozesses und damit verselbständigtes Hervortreten hierarchisch-sequentieller Zielbezogenheil des Lernens unter Vernachlässigung inhaltlich-thematischer Bedeutungsbezüge betrachten kann. In den affinitiven Lernphasen liegt so gesehen (zwar nicht die einzige, aber eine wesentliche) Möglichkeit, dem thematisch-inhaltlichen Aspekt des Lernens wieder Geltung zu verschaffen und so den operativ-planenden Aspekt des Lernens auf seine sekundäre, dienende Funktion im Gesamt des Lernprozesses zu verweisen. -Damit tritt an den schon öfter diskutierten Fragwürdigkeiten einer Theoretisierung des Lernens als dominant zielbezogenen Handeins - wie sie in der Tätigkeitstheorie und Handlungsregulationstheorie zu finden ist eine neue Facette zutage: Wenn man Lernen dergestalt als zielgerichtet- etwa, wie Dulisch, als ..Durcharbeiten eines Lernplans« - konzeptualisiert, so schließt man hier mit der Ausklammerung des thematischen Lernaspekts gleichzeitig die Möglichkeit und Begründetheit affinitiven Lernens aus, empfiehlt also mit dem Vorschlag einer primären hierarchisch-sequentiellen Strukturierung des Lernens recht eigentlich eine bestimmte Art selbstbehindernden Lernens. Anders: Ein zielgerichtetes Lernen unter Ausklammerung affinitiver Lernphasen kann nur dann mit dem Lernen überhaupt gleichgesetzt werden, wenn man dabei den (institutionellen) Entzug der Verfügung über die Lerninhalte, etwa im traditionellen Lehrlernverhältnis, als selbstverständlich voraussetzt. Dies ist ein Gesichtspunkt, den wir bei der späteren Analyse des Lehrens beachten müssen. Aus dem Umstand, daß affinitives Lernen nur bei Dominanz des thematischen Lernaspekts in seiner Funktion der Aufhebung von Fixierungen und Blockierungen des lernenden Gegenstandsaufschlusses zur Geltung kommt, ergibt sich auch, daß ich nur dann »gute Gründe« für das Zulassen affinitiver Selbstgliederungsprozesse haben kann, wenn mein Lernhandeln im Ganzen expansiv begründet, also {wie gesagt) aus dem Zusammenhang zwischen Gegenstandsaufschluß, Verfügungserweiterung und Lebensqualität motiviert ist. In dem Maße aber, wie das Lernen defensiv auf die Vermeidung von Bedrohungen und Benachteiligungen aus ist, wobei der Gegenstandsbezug zugunsten bloß aktueller Situationsbewältigung {mit der Tendenz der Entspezifizierung der Lernproblematik in Richtung auf eine unmittelbare Handlungsproblematik) zurücktritt, kann ich auch kein Interesse an der Zulassung affinitiver Lernphasen haben. Im Gegenteil: Die darin liegende vorübergehende Verunsicherung hinsichtlich des weiteren Vorgehens beim Lernen und Verzögerung eines vorweisbaren Lernresultats muß die Bedrohtheit durch antizipierte mögliche Benachteiligungen, Sanktionen etc. nur noch erhöhen, womit in diesem Kontext nicht nur äußere Ablenkungen o.ä., sondern auch affinitive Neuorientierungen des Gegenstandsbezuges als aufgabenirrelevant
Annäherung oom mental-verbalen Lernen (Behalten/Erinnern) her
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erscheinen und deswegen unterdrückt werden müssen. So gesehen ist also nicht nur offen fremdbestimmtes Lernen durch die Unterdrückung affinitiver Lernphasen gekennzeichnet: Auch die früher in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutierten vielfältigen Formen defensiver Selbstbehinderungen durch widerständiges, im Verhältnis zum Lerngegenstand gebrochenes Lernen wären genauer daraufhin zu analysieren, wieweit und in welcher Weise dabei affinitive Selbstgliederungsprozesse als angstbesetzt unterdrückt und damit Fixierungen, Vereinseitigungen, Kurzschlüssigkeiten beim Versuch lernenden Gegenstandsaufschlusses unaufhebbar werden.
Kapitel4 Konzeptuelle Aufschlüsselung historisch bestimmter institutioneller Lernverhältnisse
4.1 Die Bedeutungsanordnung »Schule«:
Historisches Muster institutionell verfaßten I..ernens
Vorbemerkung: Schulische Bedeutungsstrukturen und ihre Analyse Da wir innerhalb unserer lerntheoretischen Grundbegrifflichkeit (im vorigen Kapitel) die Lerngegenstände als Aspekte übergreifender gesellschaftlicher Bedeutungsstrukturen auffaßten, waren die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse, in denen und auf die hin Lernproblematiken hervortreten können, immer schon mitgemeint. Dies soll (wie für den Gesamtaufbau der Arbeit projektiert) im folgenden selbständig thematisiert werden, indem der Umstand, daß es sich dabei immer um historisch bestimmte Verhältnisse (etwa solche in der Bundesrepublik um die neunziger Jahre) handelt, explizit berücksichtigt wird. Wir müssen herausfinden, welche neuen Einsichten in die Lernprozesse vom Subjektstandpunkt, wie wir sie bisher zentriert auf das Konzept der Lernproblematiken begrifflich durchdringen wollten, zu erreichen sind, wenn die Bedeutungskonstellationen, die zu Prämissen für die subjektiv begründeten Lernhandlungen werden können, unter diesem Gesichtspunkt analysiert werden. Damit wird für die weitere Diskussion eine neue Vermittlungsebene relevant: Die Ebene der Vermittlung zwischen den jeweils konkreten institutionellen Anordnungen (quasi »Lernstätten«), an/in denen Lernproblematiken ausgegliedert werden können, und den gesamtgesellschaftlichen Strukturen, als deren Ausschnitte oder Mikrostrukturen die Lernstätten zu betrachten sind. Deshalb werden sich in der folgenden Darstellung derartige »historische« Bedeutungsanalysen vorübergehend verselbständigen: Erst wenn wir Genaueres darüber sagen können, wie man die jeweiligen institutionellen Lernstätten in ihrer historischen Bestimmtheit zu begreifen hat, können wir die Konsequenzen aufweisen, die sich daraus für die Begriindungsstruktur der Lernhandlungen vom Subjektstandpunkt ergeben. Mit der Thematisierung der historischen Bestimmtheit institutioneller Lernverhältnisse können wir mit Bezug auf die Art der dabei zu berücksichtigenden Institutionen nicht mehr allgemein bleiben oder exemplarisch
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Aufschlüsselung historisch bestimmter institutioneller Lernverhältnisse
vorgehen, sondern haben es zwangsläufig immer mit jeweils dieser konkreten Lernstätte zu tun. Wo aber ansetzen und wie von da aus weiterverfahren? Schon aus dem Gesamtduktus der vorliegenden Arbeit ergibt sich, daß wir der Institution »Schule« dabei einen bevorzugten Stellenwert einräumen müssen: Wir haben- wie schon in der Einleitung (vgl. S.15f) dargelegt- die ..Schule« als Lernstätte bisher nicht systematisch in die Analysen einbezogen, weil wir zunächst einen selbständigen konzeptuellen Zugriff zum Lernen vom Standpunkt des Lernsubjekts ohne Behinderungen durch die gängige Kontamination von Lernen und (schulischem) Lehren gewinnen wollten. Nachdem wir nun unsere subjektwissenschaftliche Lernkonzeption soweit entwickelt haben, wäre jetzt das eingangs gegebene Versprechen einzulösen, damit einen tieferen Zugang auch zum Problem des schulischen Lernens und der darin unterstellten Lehrlernbeziehung zu eröffnen. Darüber hinaus wird Lernen nicht nur in der Öffentlichkeit weitgehend mit schulischem Lernen gleichgesetzt, sondern stellt auch für jeweils mich (als ehemaliger Schülerin oder ehemaligem Schüler) eine Art von universeller Grunderfahrung dar: Wie meine familiale Kindheit, so ist mir auch meine Schulzeit in vielfältigen Bezügen gegenwärtig, und zwar nicht nur als Inbegriff vergangener Lebensund Leidenserfahrung, sondern eingelassen in meine »erwachsene« Welt- und Selbstsicht: Deswegen kann ich .. Lernen« ohne .. Schule« kaum denken und vollziehen- sowohl, wenn ich mich derartigen Prägungen unreflektiert überlasse, als auch in der Art, wie ich mich davon zu distanzieren versuche. So gesehen ist die Aufarbeitung von ..schule« ein zentraler Aspekt subjektwissenschaftlicher Lernanalyse und darüber der Reflexion meiner individuellen Lernerfahrungen und -behinderungen, wobei erst von da aus auch die Befindlichkeit von Lernsubjekten in außerschulischen Lernstätten angemessen diskutiert werden kann. Dies heißt zwar nicht, daß- wie man vielleicht meinen könnte - die Diskussion von ..Schule« im vorliegenden vierten Kapitel das zentrale Anliegen dieses Buches ist, auf das die vorhergehenden Kapitellediglich vorbereiten: wohl aber, daß es sich im folgenden keineswegs nur um eine •Anwendung« der erarbeiteten lerntheoretischen Konzepte, sondern um deren weitere subjektwissenschaftliche Ausdifferenzierung handeln muß. Damit, daß wir im folgenden unsere Diskussion auf ·Schule« als Lernstätte zu zentrieren haben, finden wir uns - ob wir wollen oder nicht - innerhalb einer Wissenschaftstradition, die das, was wir bisher berücksichtigt haben, zeitlich wie inhaltlich weit überschreitet: der Forschungs- und Fragerichtung der modernen Erziehungswissenschaften. Selbst wenn wir die übergreifende Entwicklung der neuzeitlichen Pädagogik seit dem 17. und 18. Jahrhundert beiseite lassen und uns nur auf die Schulreformbewegung in der Bundesrepublik- die in den frühen sechziger Jahren begann, Mitte der siebziger Jahre
Die Bedeutungsanordnung »Schule•
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stagnierte bzw. zurückgedreht wurde und seit Mitte der achtziger Jahre einen neuen Aufschwung nahm (vgl. etwa Klemm, Rolff & Tillmann 1985 sowie Braun & Wunder 1987) - beziehen würden, sähen wir uns mit vielgestaltigen und differenzierten Diskussionszusammenhängen konfrontiert, mit einem widersprüchlichen Zueinander und Gegeneinander von erziehungswissenschaftlicher Konzeptbildung und Reflexion, praktischer Reformarbeit und politischer Umsetzungsbereitschaft bis Widerständigkeit. Während in der ersten Phase der Schulreform Themen wie Abbau des Bildungsprivilegs durch die Gesamtschule, Curriculumsrevision, Humanisierung des pädagogischen Umgangs im Mittelpunkt standen, sind seit dem Revival der Reform neue Konzeptionen hinzugekommen: Schule als »Lebensschule«, »Öffnung der Schule« zur Gemeinde hin als »Community education«, »soziales Lernen«, Regionalisierung und Individualisierung der Schulen: »Qualität von Schule«, »Schule mit Profil«, etc. (s.u.). Wie sollen wir uns diesen Diskussionen und Entwicklungen gegenüber verhalten? Aufgrund der Themenstellung dieser Arbeit ist klar, daß wir - da das Gebiet der Psychologie (wie weit man es auch immer fassen mag) dabei eindeutig überschritten ist - uns auf allgemeinerer Ebene hier nicht einmischen können: Schulreform ist ein genuines Aufgabenfeld der Erziehungswissenschaft. Ebenso klar ist aber, daß wir auch nicht völlig daran vorbeigehen können. Dies versteht sich daraus, daß es einen Überschneidungsbereich zwischen pädagogischer und psychologischer Betrachtung gibt, der schon durch die Benennung einer psychologischen Subdisziplin als »Pädagogische Psychologie« markiert ist: den Bereich des schulischen Lernens. Und gerade das Lernproblem scheint mir- was vielleicht der Uneindeutigkeit seiner Disziplinenzuordnung geschuldet ist - in den erwähnten SchulreformDiskussionen (soweit ich sie überblicken kann) eigentümlich unterbelichtet: Häufig wird dabei so geredet, als ob das Lernen in der Schule weiter kein Problem sei, als ob es- wenn man nur die entsprechenden pädagogischen Voraussetzungen dazu schafft - selbstverständlich und widerspruchsfrei in der Schule stattfinde. Gelegentlich wird die Behinderung von freien Lernaktivitäten der Schülerionen/Schüler durch die überkommenen autoritären und verkrusteten Unterrichtsstrukturen beklagt - wobei man aber mehr oder weniger eindeutig zu unterstellen scheint, daß mit der Realisierung des jeweils projektierten Reformvorhabens solche Lernschwierigkeiten von selbst verschwinden werden. Innerhalb der pädagogischen Teildisziplin ·Didaktik« als allgemeiner und schulfachspezifischer Theorie der Unterrichtspraxis ist zwar »Lernen« zwangsläufig stets mitgemeint, wird aber (soweit ich sehe) - m.E. schon aufgrund des wissenschaftssystematischen Ansatzes - kaum als selbständiges Problem analysiert, sondern eher als abhängige Größe der jeweiligen
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didaktischen Arrangements angesehen. Sofern man sich in der pädagogischen Reformdiskussion auf Psychologie, insbesondere Pädagogische Psychologie, bezieht, geschieht das meist in mehr rezeptiver Weise, indem lernpsychologische Ansätze und Resultate- früher mehr »klassische« Lerntheorien, heute häufig kognitiv erweiterte Konzepte (wobei Begriffe wie »learning by doingc, »intrinsische Motivation« und »entdeckendes Lernen« besonders beliebt sind) - als wissenschafdich gesichert akzeptiert werden. Wie sollte man auch vom erziehungswissenschaftliehen Denk- und Methodenansatz her einen eigenständigen kritischen Zugang dazu finden? Von da aus ist der Beitrag, den wir (bestenfalls) zur erziehungswissenschaftliehen Schulreformdiskussion leisten können, in seinen Möglichkeiten und Grenzen umreißbar: Die von uns erarbeitete subjektwissenschaftliche Lernkonzeption müßte - da sie aus der Kritik traditioneller Lerntheorien entwickelt wurde- sich auf die Kritik und Weiterentwicklung auch der traditionellen pädagogisch-psychologischen Lernansätze (i.w.S.) hin spezifizieren und differenzieren lassen. Falls es uns gelingt, auf diesem Wege zu weiterführenden Einsichten über die Möglichkeiten und Beschränkungen schulischen Lernens zu kommen, könnten sich daraus Konsequenzen auch für die pädagogische Schulreformdiskussion ergeben: Es mag so deutlicher werden, auf welche Weise die Schule »reformiert« werden müßte, damit sinnvolles und produktives Lernen in ihr (eher als bisher) stattfinden kann- und welche Reformvorhaben an etwaigen schulischen Lernbehinderungen nichts ändern Ga sie u.U. sogar noch verstärken). Vielleicht können wir so bestimmte psychologische »Widerhaken« einbringen, die der Schulreformdiskussion partiell eine andere Richtung geben. Das folgende vierte Kapitel verfolgt demnach - dies sollte man nicht aus dem Auge verlieren -zwei gleichberechtigte und aufeinander bezogene Argu· mentationslinien: Die Ausdifferenzierung unserer subjektwissenschaftlichen Lernkonzeption durch Explikation historisch bestimmter institutioneller Lernverhältnisse, ansetzend an der Institution »Schule«, und die Bereitstellung einer fundierteren lernpsychologischen Grundbegrifflichkeit und Denkweise als Beitrag zur pädagogischen Schulreformdiskussion. Der erste Schritt unserer Analyse institutioneller Lernverhältnisse im An· satz an »Schule« muß (wie gesagt) im Aufweis schulischer Bedeutungsstrukturen (als Konstellationen verallgemeinerter Handlungsmöglichkeiten und -behinderungen) bestehen: Erst mit Bezug auf solche Bedeutungen als mög· liehen Handlungsprämissen wären dann auch die typischen Begründungsstrukturen von Lernhandlungen vom Standpunkt der der Schulinstitution
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unterstellten Subjekte herauszuarbeiten. Da wir im gegenwärtigen Darstellungszusammenhang auf die institutionellen Lernverhältnisse in ihrer historischen Bestimmtheit gerichtet sind, können wir zu solchen Bedeutungsstrukturen nicht lediglich durch begriffliche Explikationen kommen, sondern benötigen dazu Resultate empirisch-historischer Analysen über die Bedeutungsanordnung »Schule«, wie sie sich im Zuge gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen herausgebildet hat und wie wir sie entsprechend hier und heute vorfinden. Wie aber an derartige Resultate gelangen? In der erwähnten pädagogischen Schulreformdiskussion ist häufiger von »Schulstrukturen« die Rede, oft akzentuiert auf die Gegenüberstellung von •äußerer Schulreform« als ..Strukturreform« und »innerer Schulreform« als Reform des unterrichtlichen Geschehens etc. Dabei gibt es Kontroversen über die relative Bedeutung »äußerer« und »innerer Schulreform«. So zitieren etwa Klemm, Rolff und Tilmann (1986, S.59) die Meinung von Erich Weniger, 1953, in der pädagogischen Theorie bestehe Einmütigkeit darüber, ,.,daß die äußere Schulreform, die Umgestaltung der Schulorganisation von zweitrangiger Bedeutung ist, daß es vielmehr auf die innere Wandlung des Erzieherischen und auf die Neufassung der Bildungsziele ankommt:. und stellen dem die Auffassung von Furck, 1969, gegenüber, daß es •,entgegen dem bestehenden Vorurteil ganz und gar nicht gleichgültig (ist), wie die Schule strukturiert ist. Behält man die Organisation unverändert bei und postuliert nur ein angeblich neues Verständnis von Bildung oder appelliert an demokratisches Bewußtsein, so ändert sich in der Praxis kaum etwas. Wirkliche Veränderungen in den ,Schulstuben' von Dauer sind dann auch stets mit Veränderungen der Schulorganisation verbunden gewesen:.. K.H. Braun (1989, S.58) wiederum hebt in Zusammenfassung der Resultate neuerer Diskussionen über das Verhältnis von innerer und äußerer Schulreform hervor: ,.Die Schaffung neuer Entwicklungsmöglichkeiten durch neue Bildungsinstitutionen, neue Bildungswege und verbesserte Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulstufen und -formen, also die Strukturreformen,legen keineswegs eindeutig fest, was sich im Inneren der Schulen tatsächlich verändert.lnsofern ist die innere Schulreform, die Erprobung neuer Unterrichtsziele, -inhalte, und -medien, neuer Sozialformen im Unterricht und im Schulleben generell, eine relativ eigenständige Aufgabe für jede demokratische Schulreform.«
Derartige Schwierigkeiten bei der Verhältnisbestimmung zwischen »äußerer« und »innerer Schulreform« scheinen mir (mindestens teilweise) darin be-gründet, daß das Problem der »Schulstruktur« hier weitgehend gleichgesetzt wird mit dem Problem unterschiedlicher Organisationsformen von Differenzierungen, Übergängen, Durchlässigkeiten, Abschlüssen etc., zentriert auf das heute wohl am meisten umstrittene »Strukturproblem«: Dreigliedriges Schulsystem vs. Gesamtschule. Wenn man »Schulstrukturen« in dieser Weise versteht, so scheint das, was in der Klasse und im Unterricht geschieht, dadurch tatsächlich unterbestimmt, und man kann so die Reform des Unterrichtsprozesses, sozialen Umgangs, der Lehrpläne etc. als eine von der Strukturreform unabhängige Aufgabe betrachten. Wenn man andererseits darauf
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Aufschlüsselung historisch bestimmter institutioneller Lernverhältnisse
beharrt, daß das Geschehen in den Schulstuben ohne Veränderung der »Strukturen« nicht wirklich reformierbar sei, so mag man angesichts des gängigen Struktur-Verständnisses wiederum Schwierigkeiten haben, dies argumentativ auszuweisen. Die damit benannten Schwierigkeiten sind möglicherweise leichter zu bewältigen, wenn man sich den Umstand in höherem Grade bewußt macht und in den Konsequenzen bedenkt, daß den jeweils unterschiedlichen Formen der Schullaufbahn-Organisation eine demgegenüber (relativ) invariante, die »Schule«, wie wir sie hier und heute vorfinden, als solche charakterisierende »Struktur« zugrundeliegt, nämlich die Struktur des jeweils konkreten Schulgebäudes, das da und da steht, »in« das man hineingehen kann, wo man dann auf bestimmte Anordnungen von Räumen, Sachen und Individuen stößt, etc. (s.u.). Diese Strukturen kann man als Bedeutungsstrukturen in unserem Sinne verstehen: Als das sinnlich-praktische Arrangement von vergegenständlichten
sachlich-sozialen Handlungsmöglichkeiten, -beschränkungen und -widersprüchen. Von den so gefaßten schulischen Bedeutungsstrukturen hängt es ab, was in der Schule überhaupt als Prämissen für begründetes Handeln der Schulinsassen, im Unterricht und anderswo, zur Verfügung steht, so daß kein Mensch etwas am »Inneren« der Schule reformieren kann, das durch die schulischen Bedeutungsanordnungen nicht ermöglicht ist. Auch die Analyse der Schule als konkreter Lernstätte, also Ort von Lernmöglichkeiten, -behinderungen und -widersprüchen vom Subjektstandpunkt, ist nur auf Grundlage der Erfassung so verstandener »Schulstrukturen« sinnvoll möglich. Da es mir (wie gesagt) schwer fiel, im Kontext der pädagogischen Schultheorie und Schulreformbewegung historisch-empirische Resultate über so verstandene schulische Bedeutungsstrukturen in für unsere weitere Diskussion wünschenswerter Konkretheit zu finden, habe ich im etwas weiteren Umfeld gesucht und bin dabei auf die Genealogie der »Schuldisziplin« von Michel Foucault in seinem Buch ,.überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnissesec (1977) gestoßen. Soweit ich überblicken kann, wurde- so intensiv Foucault gegenwärtig sonst diskutiert wird- diese Arbeit innerhalb der fachpädagogischen Schuldiskussion nicht zur Kenntnis genommen. Falls sich dieser Eindruck bestätigen sollte, wäre dies nicht weiter verwunderlich: Hat doch auch Foucault in diesem Buch die aufklärerische Geschichte der modernen Pädagogik etwa von Comenius über Rousseau, Condorcet, Lepepelletier, Pestalozzi, Schleiermacher bis hin zu Dewey, Gaudig und Kerschensteiner total ignoriert. Ebenso muß aus pädagogischer Sicht befremden, daß Foucault die Genealogie der Schuldisziplin lediglich als unselbständigen Teilaspekt der Genealogie anderer »Disziplinen«, allem voran des Gefängnisses,
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sodann des Militärs, des Hospitals und der Werkstatt analysiert. Zugeständnisse an Besonderheiten und relative Eigenentwicklungen der Schule gegenüber den übrigen ·Disziplinen«, oder etwa gar das In-Rechnung-Stellen einer .relativen Autonomie des Erziehungsbereichs« gegenüber gesamtgesellschaftlichen Prozessen und eines darin liegenden aufklärerischen Potentials {vgl. etwa Klafki 1989, S.22), sind ihm fremd. Wenn ich trotz all solcher Probleme dennoch auf Foucaults Arbeit zurückgreife, so deshalb, weil die An und Weise, wie er die verschiedenen Bestimmungen der •Schuldisziplin« aus ihrer historischen Entstehung analysien, tatsächlich in wesentlichen Hinsichten meinen Vorstellungen von •schulischen Bedeutungsstrukturen« nahekommt. So ist für ihn die Schule weder einfach Resultat bildungspolitischer Planung noch der Objektivierung bestimmter pädagogischer Handlungsintentionen, sondern vor allem eine (im historischen Selbstlauf entstandene) gegenständlich-praktische Anordnung von Sachen und menschlichen Körpern, also wirklich das •Schulgebäude«, in dem durch räumliche und interpersonale Arrangements bestimmte Handlungen und Beziehungen der Insassen ermöglicht und andere unterbunden werden. Weiterhin betrachtet Foucault die ·Disziplinen« - indem er sie als Manifestationen eines neuen Typs von Macht, der •Machtökonomie« im Inneren der Institutionen, auffaßt - als selbständige Träger von Strategien, Manövern, Technologien der Durchsetzung und Reproduktion von Machtverhältnissen. Damit ist in der An, wie hier die Institutionen als historischer Gegenstand entfaltet werden, deren Fassung in Termini ihrer Funktionalität als vergegenständlichte Handlungsmöglichkeiten und -behinderungen im Kontext unseres Bedeutungskonzeptes unmittelbar nahegelegt. Schließlich geht es Foucault seinem Ansatz nach um die Herausarbeitung der vielfältigen Verflechtungen von •Macht« und •Wissen«, der Einheit von Machtstrategien und wissenschaftlichen Diskursen. Dabei faßt er (wie zu zeigen) die Wissenschaft im Zusammenhang der •Schuldisziplin« nicht als (von ihm hier ignoriene) Erziehungswissenschaft im umfassenderen Sinne, sondern als registrierende, beurteilende und messende Wissenschaft nach An der Psychologie: Dies kommt unserem Vorhaben, unser subjektwissenschaftliches Konzept schulischen Lernens über die Kritik der Pädagogischen Psychologie in der Schule zu entwickeln, entgeg~n. Man mag mir schon an dieser Stelle warnend entgegenhalten, ob ich - indem ich Foucaults Genealogie der •Schuldisziplin« zur inhaltlichen Konkretisierung schulischer Bedeutungsstrukturen in ihrer historischen Bestimmtheit heranziehe - mich nicht von vornherein auf eine falsche Fähne begeben könnte: Besteht nicht die Gefahr, daß die in der pädagogischen Diskussion
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immer wieder hervorgehobenen Ambivalenzen und Widersprüche schulischen Lebens zwischen »Freiheitsverbürgung und Freizeitsentzug« (Habermas), Autonomie und Reglementierung, Schutz und Einsperrung, Lernchancen und Lernbehinderungen, etc. unter den Vorzeichen des »Disziplin«Konzeptes auf die jeweils restriktive Alternative hin eingeebnet werden und damit der Schule jede Entwicklungsperspektive verschlossen wird? Ich würde darauf (im Vorgriff auf spätere Ausführungen) erwidern: dann nicht, wenn man den Stellenwert des Konzepts »disziplinärer« Schulstrukturen im Zusammenhang der Gesamtanalyse schulischen Lernens adäquat bestimmt. Es geht hier nicht darum, die benannten Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen des Schullebens durch ein eindimensionales »Disziplin«-Konzept zu ersetzen. Vielmehr müssen die Bestimmungen der »Schuldisziplin« quasi eine Ebene tiefer angesiedelt werden: Der »disziplinäre« Charakter der Schule wäre zu verstehen als Inbegriff von historisch (relativ) invarianten Grundstrukturen der Reproduktion von Schule und schulischem Lernen, wobei aufgrundsolcher Strukturen der Umstand, daß sich die Schule nur in Form von Widersprüchen und Ambivalenzen reproduzieren kann - daß man sich in der Schule permanent mit Halbheiten zufrieden geben muß, daß man sich hier häufig korrumpiert und wider besseres Wissen handelt und daß vieles Erreichte letztlich wieder zurückgenommen werden muß, sich gegen die Intentionen seiner Urheber wendet, etc.- aus der Bewegungsform der Schule selbst erklärlich wird. Das Konzept der »Schuldisziplin« soll uns also heuristisch als ein analytisches Instrument dienen, als eine Art Skalpell, mit welchem - durch Aufdeckung der genannten zugrundeliegenden »disziplinären« Invarianten - schulische Lernmöglichkeiten, -widersprüche und -behinderungen vielleicht schärfer auf den Begriff zu bringen sind, als dies normalerweise möglich ist. Die Vermittlungen zwischen der »disziplinären« Grundstruktur und den verschiedenen Erscheinungsformen des Schulprozesses sollen wo möglich so deutlich faßbar werden, daß gängige Unklarheiten und Beschönigungen über die Möglichkeiten des Lernens in der Schule auf präzisere und radikalere Weise durchdrungen werden können. Mit den letzten Überlegungen habe ich, wie mir scheint, die Grenzen möglicher einleitender Klärungen im Vorgriff auf das noch nicht inhaltlich eingebrachte Foucaultsche Konzept der »Schuldisziplin« endgültig überschritten. Deswegen gehe ich nun zu dessen Darstellung über, um im Anschluß daran unsere schulischen Bedeutungsanalysen entfalten zu können. Dabei übernehme ich keinesfalls Foucaults Konzept im Ganzen und behaupte auch nicht, daß dies in toto mit unserem subjektwissenschaftlichen Grundansatz vereinbar ist. Auch kümmere ich mich nicht darum, ob Foucault meinem Gebrauch seiner Genealogie der Schuldisziplin zustimmen
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würde: Schließlich hat er selbst gelegentlich seine Bücher als Werkzeugkästen bezeichnet, aus denen sich jeder bedienen könne.
Genealogie der Schule als »Disziplinaranlage« (Foucault} Die Genealogie der Schule ist (wie gesagt) nur ein Aspekt von Foucaults Herausarbeitung des historischen Wandels institutionell verkörperter Machtverhältnisse von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert (und letztlich in unsere Zeit) hinein: Im Mittelpunkt seiner Analysen steht das Strafsystem und seine Veränderung zum modernen Gefängnis. Jedoch ist für Foucault, da sich gleichgerichtete Veränderungen etwa auch beim Militär, im Hospital, in der Fabrik, und eben in der Schule aufweisen lassen, ein allgemeinerer geschichtlicher Prozeß auszumachen, der herausanalysiert werden muß, damit die wesentlichen Bestimmungen des neuen Machttyps in den einzelnen Institutionen wiedererkannt werden können. Grob gesehen handelt es sich dabei - wie Foucault darlegt - um einen Übergang von der personifizierten Macht des Souveräns über seine Untertanen zur in den Institutionen vergegenständlichten Machtökonomie, an deren entpersönlichten Strategien vielfältige lokale Zentren auf verschiedene Weise beteiligt sind. Diese Machtökonomie gewinnt nach Foucault ihre gesteigerte Effektivität wesentlich daraus, daß eine klare Trennung von »Herrschenden« und »Beherrschten« nun nicht mehr möglich, jeder in gewisser Weise sowohl Opfer wie Täter der Macht ist, womit die Machtverhältnisse nicht mehr im Willen des Souveräns sichtbar in Erscheinung treten, nicht mehr einfach von »oben« nach »Unten« wirken, sondern sich im Inneren der Institutionen quasi durch die Betroffenen hindurch mittels eines flexiblen und wandlungsfähigen Systems wechselseitiger Kontrolle und Überwachung reproduzieren. Die allgemeinen historischen Voraussetzungen für diesen Übergang liegen nach Foucault in der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise mit sprunghafter Zunahme der Bevölkerung, Erhöhung des Lebensstandards, Anhäufung von Reichtümern, Verfeinerung und Differenzierung von Verbrechen und Vergehen, Wechsel von der Dominanz der Bandenkriminalität zur Dominanz individueller Eigentumsdelikte etc., womit die überkommenen grob-sinnlichen Mittel der Machtausübung zunehmend ineffektiv und so von der neuen Machtökonomie »überholt« werden. Die unterschiedlichen Vergegenständlichungen des neuen Machttyps werden von Foucault »Disziplinen« genannt, nicht im üblichen Sinne »disziplinierten Verhaltens«, der »Disziplinierung« bestimmter Personen, o.ä., sondern
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als gemeinsamer Nenner verschiedener Institutionen, in denen sich die Machtökonomie jeweils konkret verkörpert: Das Militär, der Polizeiapparat, das Hospital, die Schule als ,.Disziplinen«, d.h. »Disziplinaranlagen« mit bestimmten charakteristischen »Methoden«, eher im Bedeutungsumfeld von durch spezifische methodische Zurüstungen gekennzeichneten wissenschaftlichen ,.Disziplinen«. -Der Begriff »Disziplin« und ,.Disziplinen« wird von uns nur in diesem spezifischen Foucaultschen Sinne gebraucht. Die Herausbildung der Disziplinen ist nach Foucault aus den Widenprüchlichkeiten des historischen Prozesses zu ventehen, .durch den die Bourgeoisie im Laufe des 18. Jahrhunderts zur politisch dominierenden Klasse wurde«: Damit sei einerseits die ..Einführung eines ausdrücklichen, kodifizierten und formell egalitären rechtlichen Rahmens• mit der ,.Organisation eines parlamentarischen und repräsentativen Regimes« verbunden (Foucault 1977, S.284f- alle folgenden Seitenangaben beziehen sich auf dieses Buch). Andererseits aber bildeten die •Entwicklung und Verallgemeinerung der Disziplinarmlagen ... die dunkle Kehrseite dieser Prozesse. Die allgemeine Rechtsform, die ein System prinzipiell gleicher Rechte garantierte, ruhte auf jenen unscheinbaren, alltäglichen und physischen Mechanismen auf, auf jenen wesenhaft ungleichen und asymmetrischen Systemen einer Mikromacht - den Disziplinen. Wenn es das repräsentative Regime formell ermöglicht, daß der Wille aller, direkt oder indirekt, mit oder ohne Vermittlung, die fundamentale Instanz der Souveränität bildet, so garantieren doch die Disziplinen im Unterbau die Unterwerfung der Kräfte und der Körper. Die wirklichen und körperlichen Disziplinen bildeten die Basis und das Untergeschoß zu den formellen und rechtlichen Freiheiten«. So sind nach Foucault die Disziplinen nur scheinbar •nichts anderes als ein Subsystem des Rechts ... Tatsächlich aber sind« sie •als eine Art Gegenrecht wirksam. Sie haben nämlich gerade die Aufgabe, unübenteigbare Asymmetrien einzuführen und Gegenseitigkeiten auszuschließen• (S.285). In der •Genealogie der modernen Gesellschaft bildeten sie zusammen mit der sie durchkreuzenden Klassenhernchaft das Gegenstück zu den Rechtsnormen der Machtverteilung« (S.286).
Die elementarste Ebene der Funktionalität von Disziplinarinstitutionen liegt nach Foucault in der Bewältigbarkeit der immer wachsenden Bevölkerungszahl mit Anhäufungen und Massenbewegungen verschiedener Art, aber auch immensem Anstieg der Schülerzahlen etc., bezieht sich also direkt auf eine neue Anordnung der menschlichen Körper im Raum. -Voraussetzung dafür ist, so Foucault, zunächst die »Klausur«, d.h. bauliche Abschließung bestimmter Orte gegenüber anderen Orten. So werden von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an in wachsendem Umfang Kasernen gebaut: Die ,.Armee, jene umherschweifende Masse, muß festgesetzt werden« (S.182). Wie die Kasernen erhalten auch die Fabriken, die Hospitäler, die Schulen feste Umfassungsmauern, wodurch man den Aus- und Eintritt, damit die Anzahl der Insassen kontrollieren, Mißbräuchen vorbeugen, Unbefugte fernhalten kann. - Die Fortsetzung dieser Abschließung nach innen ist nach Foucault die Par· zellierung der Körper innerhalb der jeweiligen Institution als elementare
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Lokalisierung: •Jedem Individuum seinen Platz und auf jeden Platz ein Individuum. Gruppenverteilungen sollen vermieden, kollektive Einnistungen sollen zerstreut, massive und unübersichtliche Vielheiten sollen zersetzt werden«. Solche Vorkehrungen richten sich also •gegen das unkontrollierte Verschwinden von Individuen, gegen ihr diffuses U mherschweifen, gegen ihre unnütze und gefährliche Anhäufung ... Es geht darum, die Anwesenheiten und Abwesenheiten festzusetzen und festzustellen; zu wissen, wo und wie man die Individuen finden kann« (S.183). - Mit der Parzellierung sind die Körper prinzipiell gleichgeordnet, austauschbar, in bewegliche Ordnungen zu bringen, daraus ergibt sich als neuer Einteilungs- und Kontrollgesichtspunkt der »Rang«: .. der Platz in einer Klassifizierung, der Kreuzungspunkt zwischen einer Linie und einer Kolonne, das Intervall in einer Reihe von Intervallen. Die Disziplin ... individualisiert die Körper durch eine Lokalisierung, die sie nicht verwurzelt, sondern in einem Netz von Relationen verteilt und zirkulieren läßt« (5.187). Die Herausbildung der Disziplinen auf der Ebene einer Kontrolle durch die Herstellung der räumlichen Verteilungen von Körpern/Individuen tritt, wie Foucault aufweist, auch in einer neuen räumlichen Durchorganisation der Schulklassen in Erscheinung. Früher waren die Körper der Schüler /Lehrer in den Klassen unterschiedlich angeordnet - etwa nach dem Modell von Schlachtordnungen mit zwei gegnerischen Parteien (so in Jesuitenkollegs, vgl. S.187), besonders verbreitet wohl aber in einer Anordnung, durch welche »ein Schüler ... einige Minuten lang mit dem Lehrer« arbeitet, »während die ungeordnete Masse der anderen ohne Aufsicht müßig ist und wartet« (5.188). Im Katalog der großen Mozart-Ausstellung des Historischen Museums in Wien, 1990/91, findet sich (auf S.130) die Abbildung eines zeitgenössischen Gemäldes, »Unterricht in einer Knabenvolksschule«, auf welchem das mühsam geordnete Durcheinander eines so gestalteten Unterrichts eindrucksvoll sichtbar wird: Der Lehrer beschäftigt sich mit einem Kind, ein zweites wird gerade von einem Visitator examiniert, ein drittes steht weinend in der Ecke, während der Rest der Schüler unbeschäftigt in verschiedenen Gruppierungen herumsitzt. Das Prinzip des gleichzeitigen Unterrichtens mehrerer Schülerinnen/Schülerdurch einen Lehrer wurde (der Bildunterschrift zufolge) in Österreich erst durch die Reform des Abtes Johann Ignaz Felbiger (1724 - 1788) eingeführt.
Die U morganisation der Schulklassen im Zuge der Wandlung der Schule zu einer Disziplinarinstitution im Sinne Foucaults wird von diesem folgendermaßen geschildert: •Allmählich - vor allem nach 1762 - ,verflacht' sich der Schulraum; die Klasse wird homogen und besteht nur mehr aus individuellen Elementen, die sich nebeneinander unter dem Blick des Lehrers ordnen. Der ,Rang' beginnt im 18. Jahrhundert die große Form der Verteilung der Individuen in der Schulordnung zu definieren: Schülerreihen in
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der Klasse, Korridore, Kurse; jeder erhält bei jeder Aufgabe und bei jeder Prüfung einen Rang zugewiesen -von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr; Gleichschaltung der verschiedenen Altersklassen; Abfolge des Lehrstoffs und der behandelten Fragen in der Ordnung zunehmender Schwierigkeit. Und in diesem System obligatorischer Gleichschaltungen erhält jeder Schüler nach seinem Alter, seinen Leistungen, seinem Benehmen bald diesen Rang und bald einen anderen; er verschiebt sich ständig auf jenen Reihen, von denen die einen rein ideal eine Hierarchie des Wissens und der Fähigkeiten markieren, während die anderen die Verteilung der Werte und der Verdienste materiell in den Raum der Klasse oder des Kollegs übersetzen. In dieser ständigen Bewegung ersetzen sich die Individuen. In diesem Raum skandieren sich gleichgeschaltete Intervalle• {Foucault 1977, S.l88).
Die mit den Disziplinarinstitutionen herausgebildeten Anordnungen der Körper im Raum ermöglichen nun - so Foucault - verschiedene Formen darüber hinausgehender Kontrolle über die Tätigkeit der einzelnen Körper I Individuen durch deren Fixierung in der Zeit.- So kames-bevorzugt beim Militär, aber von da aus auch in anderen Disziplinaranordnungen- zu immer strengeren Vorschriften der Zeitplanung, Stundenplänen, der zeitlichen Durcharbeitung der Tätigkeiten, der Zuordnung von Zeiten, Gesten und Objekten, nicht nur mit dem negativen Zi~l der Verhinderung von Müßiggang und Leerlauf, sondern als positive Zeitökonomie, um aus der Zeit »immer noch mehr verfügbare Augenblicke, aus jedem Augenblick immer noch mehr nutzbare Kräfte herauszuholen« (S.198).- In unserem Darstellungszusammenhang von besonderer Relevanz ist jener zeitliche Aspekt der Disziplinaranlagen, die Foucault die »Organisation von Entwicklungen« nennt: Er weist auf, wie aus zunftmäßigen Lehrverhältnissen, die nicht nach einem festgelegten Programm gegliedert sind und mit nur einer Prüfung abschließen, die Organisation von stufenweisen Fortschritten wurde, mit gestaffelten Prüfungen, durch welche jedes Individuum einer bestimmten Stufe zuzuordnen, also die Rangzuweisung inhaltlich mit entsprechenden Fähigkeiten und Verhaltensweisen begründbar ist. Diese Organisation der »Disziplinarzeit« wurde zunächst in den Klöstern und beim Militär perfektioniert und griff »allmählich auf die pädagogische Praxis über- und spezialisiert die Zeit der Ausbildung, indem sie sie von der Erwachsenen-Zeit, von der Berufs-Zeit ablöst; indem sie durch abgestufte Prüfungen voneinander geschiedene Stadien organisiert; indem sie die Programme festlegt, die jeweils während einer bestimmten Dauer ablaufen müssen und Übungen von zunehmender Schwierigkeit enthalten; indem sie die Individuen je nach dem Durchlauf durch diese Serien qualifiziert« (S.205). »Und es ist daran zu erinnern, daß eben damals die Kontrolltechniken der Administration und der Wirtschaft eine gesellschaftliche Zeit serieller, gerichteter und kumulativer Art zur Geltung brachten: Entdeckung einer Evolution als ,Fortschritt'. Die Disziplinartechniken
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bringen individuelle Serien hervor: Entdeckung einer Evolution als ,Entwicklung'« (S.206). - Mit der Festlegung von Entwicklungsstufen trat nach Foucault eine Facette der Disziplinartechniken in den Vordergrund, durch welche in besonders sinnfälliger Weise eine Synchronisation des individuellen Vermögens mit den »vorgeschriebenen« Zeitreihen erreichbar schien: »Es handelt sich um die ,Obung'. Die Übung ist nämlich jene Technik, mit der man den Körpern Aufgaben stellt, die sich durch Wiederholung, Unterschiedlichkeit und Abstufung auszeichnen. Indem sie das Verhalten auf einen Endzustand ausrichtet, ermöglicht die Übung eine ständige Charakterisierung des Individuums; entweder in Bezug auf dieses Ziel oder in Bezug auf die anderen Individuen oder in Bezug auf eine bestimmte Gangart. Auf diese Weise gewährleistet sie in der Form der Stetigkeit und des Zwanges sowohl Steigerung wie Beobachtung und Qualifizierung« (S.207f, Hervorh. K.H.). Auf der bisher dargestellten Ebene raumzeitlicher Durchorganisation der Disziplinarinstitutionen ruht nach Foucault eine spezifischere Ebene auf, die in gewisser Weise den Kern der Disziplinartechniken bildet, die intendierte Beeinflussung und Dressur der Individuen, die Foucault (im Anschluß an Wallhausen) als »gute Abrichtung« kennzeichnet - (im Einklang mit der Machtökonomie der Disziplinen) nicht als eine »herrschaftliche« Machtdurchsetzung von »oben« nach •unten«, sondern als eine wechselseitig verschränkte Form der Machtausübung im Inneren der Institutionen selbst: »Die Disziplin ,verfertigt' Individuen: sie ist die spezifische Technik einer Macht, welche die Individuen sowohl als Objekte wie als Instrumente behandelt und einsetzt. Es handelt sich nicht um eine triumphierende Gewalt, die aufgrund ihres Überschwanges an ihre Überlegenheit glaubt, sondern um eine bescheidene und mißtrauische Gewalt, die als eine sparsam kalkulierte, aber beständige Ökonomie funktioniert« (S.220}. - Als deren wesentliche Techniken benennt Foucault die »hierarchische Überwachung« und die »normierende Sanktion«. Die hierarchische Oberwachung tritt an die Stelle der von außen ausgeübten Aufsicht durch bestimmte, dazu eingesetzte Personen - dies einmal dadurch, daß die Beobachtung und das Beobachtetwerden dergestalt ins Innere der instituti?.nellen Beziehunßen verlegt werden, daß hier potentiell jeder gleichzeitig Uberwacher und Uberwachter ist, die Beobachter ihrerseits beobachtet werden können; das wiederum erfordert eine möglichst differenzierte Organisation von Sichtbarkeiten, womit - schon durch die Architektur der Anlagen, aber auch durch entsprechende Verhaltensregeln - der Möglichkeit nach jeder gewärtig sein muß, gesehen zu werden, ohne selbst zu sehen, sich also nirgends wirklich unbeobachtet wähnen kann, und so unerlaubte
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Zusammenrottungen, Ausschweifungen, Homosexualität erschwert, aber auch Refugien, in denen der einzelne sich vorübergehend der Kontrolle entziehen kann, eliminiert werden. Derartige differenzierte Organisationsformen des »Disziplinarblicks• entwickelten sich, so Foucault, beim Militär, in den großen Werkstätten und Fabriken, etc. »Dieselbe Entwicklung findet in der Umgestaltung des Elementarunterrichts statt: die Überwachung wird zu einer eigenen Aufgabe und zugleich in das Erziehungsverhältnis integriert« (S.227). Diese »hierarchisierte, stetige und funktionelle Überwachung gehört gewiß nicht zu den großen technischen ,Erfindungen' des 18. Jahrhundertsvielmehr beruht ihre schleichende Ausweitung auf den neuen Machtmechanismen, die sie enthält. Mit ihr wird die Disziplinargewalt ein ,integriertes' System, das von innen her mit der Ökonomie und den Zwecken der jeweiligen Institution verbunden ist und das sich so zu einer vielfältigen, autonomen und anonymen Gewalt entwickelt« (S.228). »Die Disziplin hält eine aus Beziehungen bestehende Macht in Gang, die sich durch ihre eigenen Mechanismen selbst stützt und aufsehenerregenden Kundmacbungen ein lückenloses System kalkulierter Blicke vorzieht« (S.229}. Die Techniken »normierender Sanktion« werden nach Foucault ausgeübt durch jene kleinen Strafmechanismen im »Herzen aller Disziplinarsystemec (S.230}, die nicht, wie die große Strafjustiz, Handlungen nach dem Prinzip »schuldig-nichtschuldig«, sondern Individuen auf vielfältig abgestuften Dimensionen von Vergehen, Verstößen, »Unregelmäßigkeiten«, beurteilen. Was seit Mitte des 18. Jahrhunderts »in der Werkstatt, in der Schule, in der Armee überhandnimmt, ist eine Mikro-Justiz der Zeit (Verspätungen, Abwesenheiten, Unterbrechungen), der Tätigkeit (Unaufmerksamkeit, Nachlässigkeit, Faulheit), des Körpers (,falsche' Körperhaltungen und Gesten, Unsauberkeit), der Sexualität (Unanständigkeit, Schamlosigkeit)« (S.230). Darüber hinaus werden die Leistungen der Schülerinnen/Schülergenerell nach Graden dimensioniert und immer präziser als Abweichungen bewertbar. Die Strafen, mit denen derartige Abweichungen sanktioniert werden, sind, so Foucault, nicht nur »negative, sondern wesentlich auch positiv, »korrigie· rend«. Die Disziplinarsysteme »bevorzugen ... Bestrafungen, die in den Bereich des Übens, des intensivierten, vervielfachten, wiederholten Lernens fallen« (5.232}. Innerhalb dieses Systems von ..Vergütung und Sanktion, von Dressur und Besserung• muß der Lehrer (nach Demia, 1716) •,Züchtigungen so weit wie möglich vermeiden; im Gegenteil, er muß versuchen, häufiger Belohnungen auszuteilen als Strafen; denn die Faulen werden durch das Verlangen, ebenso belohnt zu werden wie die Fleißigen, mehr angeeifert als durch die Furcht vor Strafen; darum wird es sehr ersprießlich sein, wenn es dem Lehrer, der eine Strafe anwenden muß, zuvor gelingt, das Herz des
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Schülers zu gewinnen'« (S.233). - »Während in der Strafjustiz das Verbot als einfache Scheidelinie fungiert«, handelt es sich in den pädagogischen Einrichtungen um eine »Verteilung zwischen einem positiven und einem negativen Pol. Das gesamte Verhalten fällt unter gute oder schlechte Noten, unter Gutpunkte und Schlechtpunkte. Und das läßt sich sogar quantifizieren und zu einer Zahlenökonomie ausbauen. Eine ständig auf den neuesten Stand gebrachte Buchführung legt die Strafbilanz eines jeden jederzeit offen. Die Schuljustiz hat dieses System, von dem sich in der Armee und in der Werkstatt zumindest Spuren finden, sehr weit getrieben« (S.233). Um eine derartige pädagogische Buchführung an einem extremen Beispiel zu glossieren, wird von Foucault J.-B. de la Salle zitiert, der die Mikro-Ökonomie der Privilegien und Strafaufgaben, die von den christlichen Schulbrüdern organisiert wurde, darstellt: ,.Die Privilegien sollen den Schülern dienen, um sich damit von den Bußen zu befreien, die ihnen etwa auferlegt werden könnten ... Ein Schüler etwa, der die Strafaufgabe bekommen hat, vier oder sechs Katechismusfragen abzuschreiben, kann sich mittels einer bestimmten Zahl von Privilegienpunkten davon loskaufen; der Lehrer wird bestimmen, welche Zahl jeder Frage entspricht ... Da jedes Privileg eine bestimmte Punktzahl wert ist, können kleinere Privilegien auch als Wechselgeld dienen. Wenn etwa ein Kind, das über ein Privileg von 10 Punkten verfügt, eine Strafaufgabe hat, von der es sich mit sechs Punkten loskaufen kann, so gibt es dem Lehrer sein Privileg zurück und bekommt dafür eines von vier Punkten wieder« (S.233).
Allgemein gesehen zielt nach Foucault im »System der Disziplinarmacht ... die Kunst der Bestrafung nicht auf Sühne und auch nicht eigentlich auf die Unterdrückung eines Vergehens ab. Sie führt vielmehr fünf verschiedene Operationen durch: sie bezieht die einzelnen Tage, Leistungen und Verhaltensweisen auf eine Gesamtheit, die sowohl Vergleichsfeld wie auch Differenzierungsraum und zu befolgende Regel ist: Die Individuen werden untereinander und im Hinblick auf diese Gesamtregel differenziert, wobei diese sich als Mindestmaß, als Durchschnitt oder als optimaler Annäherungswert darstellen kann: Die Fähigkeiten, das Niveau, die ,Natur' der Individuen werden quantifiziert und in Werten hierarchisiert. Hand in Hand mit dieser ,wertenden' Messung geht der Zwang zur Einhaltung einer Konformität. Als Unterschied zu allen übrigen Unterschieden wird schließlich die äußere Grenze gegenüber dem Anormalen gezogen (die ,Schandklasse' der Ecole militaire). Das lückenlose Strafsystem, das alle Punkte und alle Augenblicke der Disziplinaranstalten erfaßt und kontrolliert, wirkt vergleichend, differenzierend, hierarchisierend, homogenisierend und ausschließend. Es wirkt normend, normierend, normalisierend« (S.236, Hervorh. teilw. K.H.)- Als genereller historischer Hintergrund der auf diese Weise funktionierenden normierenden Sanktion wird von Foucault der Durchbruch der »Macht der Norm« herausgehoben: ,.zusammen mit der Überwachung wird am Ende des klassischen
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Zeitalters die Normalisierung zu einem der großen Machtinstrumente. An die Stelle der Male, die Standeszugehörigkeiten und Privilegien sichtbar machten, tritt mehr und mehr ein System von Normalitätsgraden, welche die Zugehörigkeit zu einem homogenen Gesellschaftskörper anzeigen, dabei jedoch klassifizierend, hierarchisierend und rangordnend wirken. Einerseits zwingt die Normalisierungsmacht zur Homogenität, andererseits wirkt sie individualisierend, da sie Abstände mißt, Niveaus bestimmt, Besonderheiten fixiert und Unterschiede nutzbringend aufeinander abstimmt. Die Macht der Norm hat innerhalb eines Systems der formellen Gleichheit so leichtes Spiel, da sie in die Homogenität, welche die Regel ist, als nützlichen Imperativ und als präzises Meßergebnis die gesamte Abstufung der individuellen Unterschiede einbringen kann« (S.238f, Hervorh. K.H.). Als Machttechnik, die in gewisser Weise im Zentrum der Disziplinaranlagen steht, wurde von Foucault die •Prüfung« herausanalysiert. Darin sind einerseits die »Techniken der überwachenden Hierarchie mit denjenigen der normierenden Sanktion« kombiniert: »Sie ist ein normierender Blick, eine qualifizierende, klassifizierende und bestrafende Überwachung« (S.238). Andererseits aber gehen die Strategien der Macht und die Diskurse des Wissens - die »Disziplin« als Anordnung der Machtökonomie und als wissenschaftlicher Bereich- in der Prüfung auf sichtbarste Weise eine Verbindung ein: •In ihr verknüpfen sich das Zeremoniell der Macht und die Formalität des Experiments, die Entfaltung der Stärke und die Ermittlung der Wahrheit« (5.238). Wie etwa das Spital durch immer differenziertere Prüfungsrituale der Diagnose und der Einordnung von Patienten, so wird in •gleicher Weise ... die Schule zu einem pausenlos funktionierenden Prüfungsapparat, der den gesamten Unterricht begleitet. Es geht immer weniger um jene Wettkämpfe, in denen die Schüler ihre Krifte maßen, und immer mehr um einen ständigen
Vergleich zwischen dem einzelnen und allen anderen, der zugleich Messung und Sanktion ist« (S.240, Hervorh. K.H.). - Diese Einheit von individueller Zuschreibung und Objektivierung wird nach Foucault ermöglicht durch eine mit der Ritualisierung und Perfektionierung der Prüfung immer stärker hervortretende Tendenz zur Dokumentierung der der Prüfung unterworfenen Disziplinarindividualität: ·Die Prüfung stellt die Individuen in ein Feld der Überwachung und steckt sie gleichzeitig in ein Netz des Schreibens und der Schrift; sie überhäuft sie mit einer Unmasse von Dokumenten. Von Anfang an waren die Prüfungsverfahren an ein System der Registrierung und Speicherung von Unterlagen angeschlossen« (S.244), der •Organisation von Vergleichsfeldern zum Zwecke der Klassifizierung, Kategorienbildung, Durchschnittsermittlung und Normenfixierung« (5.245). - Durch solche
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Dokumentierungen und Fixierungen von Prüfungsverlauf und -ergebnis wird jedes Individuum zu einer Aktenperson, zu einem •Fall«: ..Als rituelle und zugleich ,wissenschaftliche' Fixierung der individuellen Unterschiede, als Festnagelung eines jeden auf seine eigene Einzelheit (im Gegensatz zur Zeremonie, in der Standeszugehörigkeiten, Abstammungen, Privilegien, Ämter zu unübersehbarem Ausdruck kamen), zeigt die Prüfung das Heraufkommen einer neuen Spielart der Macht an, in der jeder seine eigene Individualität als Stand zugewiesen erhält, in der er auf die ihn charakterisierenden Eigenschaften, Maße, Abstände und ,Noten' festgelegt wird, die aus ihm einen ,Fall' machen« (S.247). Durch die Prüfung und den ihr angeschlossenen Aufzeichnungsapparat wird mithin einerseits das Individuum ,.in seinen besonderen Zügen, in seiner eigentümlichen Entwicklung, in seinen eigenen Fähigkeiten« festgehalten, dabei andererseits ,.ein Vergleichssystem« aufgebaut, »das die Messung globaler Phänomene, die Beschreibung von Gruppen, die Charakterisierung kollektiver Tatbestände, die Einschätzung der Abstände zwischen den Individuen und ihre Verteilung in einer ,Bevölkerung' erlaubt« (S.247). Diese »kleinen Notierungs-, Registrierungs-, Auflistungs- und Tabellierungstechniken, die uns so vertraut sind«, haben, so Foucault, »die epistemologische Blockade der Wissenschaften vom Individuum aufgehoben« (S.245f, Hervorh. K.H.): Erst durch die - in den Spitälern, den Schulen etc. eingeführten Methoden der Einzelbeschreibung, Anamnese, der Registrierung, des Vergleichs, der Messung, hat sich jener spezielle Wirklichkeitszugriff konstituiert, der den Individualwissenschaften zu ihrem besonderen empirischen Gegenstand verhalf: ..Die Geburt der Wissenschaften vom Menschen hat sich wohl in jenen ruhmlosen Archiven zugetragen, in denen das moderne System der Zwänge gegen die Körper, die Gesten, die Verhaltensweisen erarbeitet worden ist« (S.246).- Damit es zum Gegenstand der Wissenschaft werden konnte, mußte sich im historischen Prozeß die Annäherung an das Individuum quasi umkehren: Nicht mehr die Verfahren der »aufsteigenden Individualisierung« durch Erzählungen von herausragenden Leistungen und Eigenschaften des verehrungswürdigen einzelnen, »Denkmäler oder Stiftungen, die das Überleben nach dem Tode sichern«, sondern •absteigende Individualisierung«: ..je anonymer und funktioneller die Macht wird, um so mehr werden die dieser Macht Unterworfenen individualisiert: und zwar weniger durch Zeremonien als durch Überwachungen, weniger durch Erinnerungsberichte als durch Beobachtungen; nicht durch Genealogien, die auf die Ahnen verweisen, sondern durch vergleichende Messungen, die sich auf die ,Norm' beziehen; weniger durch außerordentliche Taten als durch ,Abstände' ... Alle Psychologien, -graphien, -metrien, -analysen, -hygienen, -techniken
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AufschlüsseJung historisch bestimmter institutioneileT Lernverhältnisse
und -therapien gehen von dieser historischen Wende der Individualisierungsprozeduren aus. Als man von den traditionell rituellen Mechanismen der Individualisierung zu den wissenschaftlich-disziplinären Mechanismen überging, als das Normale den Platz des Altehrwürdigen einnahm und das Maß den Platz des Standes, als die Individualität des berechenbaren Menschen die Individualität des denkwürdigen Menschen verdrängte und die Wissenschaften vom Menschen möglich wurden - da setzten sich eine neue Technologie der Macht und eine andere politische Anatomie des Körpers durch« (S.248f). Durch die »Formierung des Wissens und die Steigerung der Macht« in einem geregelten Wechselwirkungsprozeß treten die Disziplinen also »über die Schwelle der ,Technologie'. Zunächst das Spital, dann die Schule, noch später die Werkstatt: sie sind durch die Disziplinen nicht einfach ,in Ordnung gebracht' worden; vielmehr sind sie dank ihnen solchermaßen zu Apparaten geworden, daß jeder Objektivierungsmechanismus darin als Subjektivierungs/Unterwerfungsinstrument funktioniert und daß jede Machtsteigerung neue Erkenntnisse ermöglicht« (S.287, Hervorh. K.H.). »Aufgrund dieser Verbindungen, die den technologischen Systemen eigen sind, konnten sich im Element der Disziplin die klinische Medizin, die Psychiatrie, die Entwicklungspsychologie, die pädagogische Psychologie, die Rationalisierung der Arbeit formieren. Es handelt sich also um einen zweifachen Prozeß: um eine epistemologische Enthemmung aufgrund einer Verfeinerung der Machtbeziehungen und um eine Vervielfältigung der Machtwirkungen dank der Formierung und Anhäufung der Kenntnisse« (S.288). Mit dieser Darstellung der aus ihrer .Verwissenschaftlichung« entstandenen Überhöhung der Disziplinen zu »Technologienc sind wir- durch die Entfaltung ihrer konkreten Bestimmungen hindurch - wiederum bei jenen von Foucault formulierten Auffassungen über die gesamtgesellschaftliche Funktionalität der Disziplinen, die wir unserer differenzierenden Charakterisierung voranstellten, angelangt: Dem historischen Unterlaufen der mit der Dominanz bürgerlicher Lebensverhältnisse garantierten formell-rechtlichen Gleichheit d~rch den Aufbau »unübersteiglicher Asymmetrienc und den Aussl. J, Discourse and Dialogue (119-133). London: Academic Press. Menzel, E. W. (1973). Chimpanzee spatial memory organization. Science, 182, 943945. Menzel, E. W. (1974). A group of young chimpanzees in a one-acre field. In A. M. Schriers & F. Stollnitz (Eds.), Behavior ofnonhuman primates, W>l. 5 {83-153). New York: Academic Press. Menzel, E. W. (1978). Cognitive mapping in chimpanzees. InS. H. Hulse, H. Fowler & K. Honig (Eds.), Cognitive processes in animal behavior (375-422). Hillsdale, N.J.: Erlbaum. Messinger, H. {1971). Langenscheidts Großwörterbuch Englisch-Deutsch. (5. Auf!. 1981). Berlin: Langenscheidt.
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Sachverzeichnis
Damit beim Nachschlagen möglichst wenig Leerlauf entsteht, ist im folgenden vor allem auftragende Konzepte und aufdie Stellen verwiesen, wo die jeweiligen Begriffe eingeführt oder expliziert sind. ACT"-Modell (Anderson) 131, 137, 140, 148 Affinitives Lernen 184, 326ff, 328ff, 480ff Affinitivitätshypothese (Galliker) 326 Aktueller Lerngegenstand vgl. Lerngegenstand, aktueller Alltagssituation 487ff Anglerbeispiel 56, 84, 168, 225 Antipädagogik 533 Apprenticeship 502ff, 506, 514ff Artspezifische Ausprägung des Lernens 41ff Assoziationsprinzip 149f, 225f Aufgabenanalyse 208f Außerschulisches Lernen 517ff in Institutionen 517f in freien Lerngruppen 519ff, 534{, 537f Automatisierung 158, 288, 290ff, 315f Autonomes Lernen 513ff, 516, 524ff, 552 Autonomie, relative, des Erziehungsbereichs 347 Awareness 44ff Bedeutungsadäquatheil von Bewegungen 284ff, 293f Bedeutungskonzept, kritisch-psychologisches 22, 188, 34lff Bewegungsbedeutungen 282ff, 320, 507f Bedeutungsstrukturen, schulische 34lff, 438ff, 441ff Bedingtheitsdiskurs, nomologischer 30ff Begabung als schulisches Konstrukt 402f, 460f im Selbsterleben der Schülerinnen/ Schüler 459ff Begründetheit/Verständlichkeit 21, 25, 264
Begründungsanalyse schulischer Lernverhältnisse 436ff Begründungsdiskurs, subjektwissenschaftlicher 27, 30ff Begründungsfiguren, typische 439f, 441ff Begründungsmuster (BGMs) 35ff Behalten/Erinnern (vgl. auch Modalitäten des Behaltens/Erinnerns) 139ff, 269f, 295ff, 319ff Beispiele(n), Funktion von 194ff Beobachtungsklassen für verhaltensgestörte Schüler 404f Beobachtungslernen (Bandura) 88ff, 92ff Bewegungslernen 256f, 269f, 271ff, 280ff, 295, 318ff, 334f, 507f Bewertungssequenz 457ff, 462ff, 550ff Bewertungsuniversalität, schulische 379, 380ff, 457ff, 468, 542ff, 553 Bezugshandlungen 183ff, 230 Biographie, phänomenale 263ff, 492 Bremslicht-Beispiel 60f, 111, 289 Causes vs. reasons 30 Common sense psychology 32 Computer-Metaphorik, kognitivistische 118ff, 122, 135ff Curricula vgl. Lehrpläne Defensives Lernen 190ff, 215, 245ff, 317f, 336f, 447ff, 451ff, 465ff, 514f, 525ff, 534, 539. 558f, 562 Dimensionen an potentiellen Lerngegenständen 218ff Diskrepanzerfahrung 212ff, 218, 224f, 292, 321, 331
höherer Ordnung 243ff, 246f Diskursanalyse der Schulklasse 432ff Distribution des Wissens 511 Dreispeicher-Modell 124f, 139
Einkreisungsstrategien der Schuldisziplin 442ff, 454 Emotionai-motivationale Qualität vgl. motivational-emotionale Qualität Entdeckendes Lernen (Bruner) 419ff, 454, 473f Entöffentlichung des Lernsubjekts 385ff, 395ff, 411, 424f, 435, 436ff Entschulung 533 Entwicklungspsychologie 358, 406 Entwicklungsstufen, ontogenetische 179ff, 232ff, 237f Episoden expansiven Lernens 499f Episodisches Gedächtnis vgl. Semantisches/ episodisches Gedächtnis Erwartung 78ff, 84ff, 111f, 151, 210f, 213 Erwartungs-mai-Wert:fheorien 81f, 85ff Ethnographie der Schulklasse 433ff Ethologie 41ff Expansives Lernen 190ff, 215ff, 245ff, 294, 447f, 449f, 476ff, 491ff, 510, 516ff, 524ff, 534, 539ff Experiment, psychologisches 28, 408f, 444, 480 Experimentell-statistisches Vorgehen 28, 408f Externer Speicher/Externe Behaltens-I Erinnernshilfen 3o0ff, 308, 319, 322, 479 Extinktion 66f, 410
Fähigkeiten zum Lernen 264ff beim Bewegungslernen 288ff Flachheit/Tiefe (vgl. auch Tiefe des Gegenstandsaufschlusses) 221ff, 239ff, 291ff, 310 Förderunterriebt 404 Formaldisziplinen, schulische 487 Fragen, Funktion von, in der Schulklasse 461ff Frage-Antwort-Bewertungs-Sequenz 462ff, 465ff, 474f, 545f Fragendes Lernen 473ff Lehrerfrage 462ff, 470ff Obszönität des Fragens 472 Schülerfrage 467ff, 472ff Vorauswissende Frage - wissendemonstrierende Antwort 463ff, 471f, 475f, 545ff Wissensuchende Frage - inhaltliche Antwort 463ff, 545f, 547
Gedächtnisforschung, klassische 121 kognitivistische 120ff, 134ff, 296, 319, 323 Gelernte Hilflosigkeit 97ff, 102, 103f, 107f Genetische Theorie der kognitiven Entwicklung (Piaget) 234ff Gesamtschule 343, 345, 378, 534, 540ff, 554 Handlungsbegründungen, subjektive 23ff Handlungsproblematiken, subjektive 182ff, 192f, 215, 230, 385, 451ff Handlungsregulationstheorie 152ff, 163ff, 167ff Lernkonzept 157ff, 168ff, 213, 274ff, 295, 336, 408, 423f, 480 Hierarchisch-sequentielle Handlungsregulation 156, 166, 278f Regulation des Lernhandeins 160ff, 167, 249ff Selbstgesteuertes Lernen 162f Hierarchische Überwachung 353f, 363f Hilfsbewegungen und Bewegungshandlungen 280ff, 320 Homogenisierung der Schulklasse 356, 361ff, 397ff, 400f, 453f Individualisierung des Unterrichts 540ff Induktives Lernen 58f, 115, 224f Initiation -+ reply -+ evaluation (vgl. auch Bewertungssequenz) 434, 457, 461, 495, 550, 552 Inneres Sprechen 258ff, 305ff, 308, 333f Instruktion 62, 409 Instrumentelle/intersubjektive Lernverhältnisse 526ff, 531 Instrumentelles (operantes) Konditionieren 54ff, 408, 410f Interferenz 124, 306 lnteriorisierung 156, 159, 275ff Interne/ externe Kontrollerwartungen 95ff, 101, 102, 103f, 106f Interpersonale Verhältnisse/Interpersonales Lernen 407ff, 431ff, 453ff Intersubjektiver Beziehungsmodus 21, 24, 264 Intrinsische/ extrinsische Motivation 71ff, 75ff, 191ff,420,448 Inzidentelles Lernen (vgl. auch Mitlernen) 70 Kam-Beispiel 498f, 500, 501, 525 Kategorialanalyse, kritisch-psychologische 19, 20 Klassisches Konditionieren 46ff, 57ff, 60f, 79ff, 88, 408
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Sachverzeichnis
Known-information-questions (vgl. auch Fragen, vorauswissende) 434, 462 Kodierung 123f, 140f Kognitive Psychologie (Kognitivismus) 43f, 116, 117, 118ff, 121ff, 134ff, 139ff, 146ff, 152ff, 163f, 167f, 258ff, 270f, 296ff, 306, 309, 315, 323 Konnektionismus 119, 131ff, 138, 326 Kontextabhängigkeit der Schulsituation 489ff Kontingenz (Kontiguität) 13, 54, 59ff, 62, 63ff, 79ff, 94, 107f, lltf, 113ff, 150, 412, 413 Kooperatives Lernen 454, StOff, 548ff, 552 Künstliche Intelligenz 119 Kurzzeit-Speicher (STM) 122ff, 299 Langzeit-Speicher (LTM) 122ff, 313 Latente Sinnstrukturen 327 LatenteS Lernen (vgl. auch Mitlernen) 70 Lehr-Lernforschung, empirische 426ff, 430ff, 473ff Lehrlernen (Lehrlernkurzschluß) 39lff, 398, 408ff, 417ff, 420ff, 430, 469f, 476, 481, 514f, 518, 552, 553 Lehrpläne, schulische (vgl. auch Planung) 390ff, 446 Leistungsbewenung, schulische (vgl. auch Noten) 368ff Leistungsmotivation 82, 447ff Lernbiographien, subjektive 491ff, 517 Lerndiskrepanz vgl. Diskrepanzerfahrung Lernen-am-Erfolg 54ff Lernformierung 522ff, 525ff, 530f, 535, 558 Lerngegenstand, aktueller 211ff, 218ff, 266ff potentieller 207ff, 218ff Dimensionen 218ff, 266f Lernhaltung 184ff Lernprinzipien 187, 212, 240f Lernproblematiken, subjektive 182ff, 192f, 215, 230, 313ff, 320ff, 385,424, StOff, 516 Lernsprünge, qualitative vgl. Qualitative Lernsprünge Lernziele, schulische 387ff, 393ff, 395, 446, 48lf Levels of processing (Craik & Lockan) vgl. Verarbeitungsebenen Lichtanschalt-Beispiel 111f, 210 Locus of control (Rotter) vgl. Interne/ externe Kontrollerwanungen Machtökonomie 349ff, 379, 441ff, 522ff Makrooperatoren 305ff Master vgl. Meisterverhältnis
Mathematik-Beispiel 496, 500, 501, 503 Meisterverhältnis bei partizipativem Lernen 502ff, 406f, 521 Mental-verbales Lernen vgl. Behalten/ Erinnern Metagedächtnis 304 Metalernen 261 Mitlernen 183, 229, 231, 324ff, 329ff, 493f Modalitäten des Behaltens/Erinnerns Mentale Modalität 300ff, 323, 478 Kommunikative Modalität 30tff, 332f, 478 Objektivierende Modalität 301ff, 332f, 478f Modalitätsübergreifende Verweisungsstrukturen 311ff, 316, 324ff Modell-Lernen 88ff, 112ff, 301, 408, 411ff Motivation/Innerer Zwang 447f Motivational-emotionale Qualität von Lernbegründungen 189ff, 214ff, 243ff, 267f, 480ff Motor learning 271ff, 292, 295, 323 Motorisches Lernen vgl. Bewegungslernen Musikstunden-Beispiel 495, 499, 500, 501, 503 Neuer Hörzustand 203ff, 243, 247, 323 Neugier- und Explorationsverhalten 71ff, 75ff Neural networks 13tff Neurophysiologie 255ff, 272ff, 309f Normierende Sanktion 354ff, 364ff, 377, 380 Noten, schulische 367ff, 544f Einheitlichkeit 373ff, 400f, 542f Gerechtigkeit 380ff Normalverteilung 371ff, 399, 402f Numerische Daten, Mystifikation als 377ff, 543ff Vergleichbarkeit 369f, 400f, 542f Verteilungsorientienheit 369ff, 372, 375ff Öffnung der Schule 536ff Operativer /thematischer Lernaspekt vgl. Thematischer I operativer Lernaspekt Orchestervariationen op. 31 (Schönberg) l97ff, 207f, 210f, 213, 215f, 219f, 241f, 243, 247, 248ff, 261, 267, 284, 291,323,498, 524f Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülern 365f, 404 Organisation von Entwicklungen 352, 362f, 380, 397f, 518 Overjustification hypothesis 73f, 77, 451, 544 Pädagogische Psychologie 344f, 458, 406, 415ff, 458f, 473ff Paneilichkeit des Lernens 520, 524, 525, 530 Panizipatives Lernen 501ff, 514ff
Sac:hverzeic:hnis Perspektivendivergenzen bei kooperativem Lernen 512ff, 520f Planung (Pianbarkeit) schulischen Lernens 387ff, 390ff, 406f, 412ff, 424, 430, 443ff Planungsparadox 556f Subjektvermittelte 558ff Potentieller Lerngegenstand vgl. Lerngegenstand, potentieller Prämissen-Gründe-Zusammenhang 24 Problemlösen 222, 227ff, 422f Programmierte Unterweisung 63 Propositionales Gedächtnis 126 Prozedurales Gedächtnis 126 Prüfung 356ff, 374ff, 379f, 382f Psycho-Logie (Smedslund) 32 Psychologie vom Gegenstand her 206 Psychologie vom Subjektstandpunkt 14, 19, 21,27 Pygmalion-Effekt 458f Qualitative Lernsprünge 227, 231, 239ff, 244f, 291ff, 323, 439, 481,506, 529f Rahmenplanwerk, Berliner 390ff, 396 Reaktanz 74, 77f, 104ff Regelkreis 153ff Regulationsebenen 156, 164f, 277f Reinforcement vgl. Verstärkung Reinterpretation, begründungsanalytische 30ff Reiz 59,260 Risikowahl-Modell (Atkinson) 81f, 86f Schlüsselfragen beim Behalten/Erinnern 305ff, 334 Schönberg-Beispiel vgl. Orchestervariationen op. 31 Schopenhauer-Beispiel 495f, 498, 499, 500, 501, 503 Schriftliche Beurteilungen vgl. verbalisierte Beurteilungen Schriftmacht, schulische 356, 382f Schuldisziplin (Foucault) 346ff, 349ff, 406, 532f, 553, 560ff Schülerbogen 380 Schulfunktionen 383f Schulklima vgl. Unterrichtsklima Schulpflicht 364f Schulreform 342ff, 423, 532ff Schulreglement, Berliner 359ff Schulstruktur 345ff Schulwirklichkeit aus der Sicht der Betroffenen 425, 428, 484f Selbst 94ff, 412f Selbstgesteuertes Lernen 162f, 413, 416
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Selbstkommentare I-instruktionen beim Lernen 202, 258ff, 289ff, 305, 333f Selbstorganisation 326ff, 329, 331, 333 Selbstreflexive Schule 559 Selbstmißverständnis, nomologisches 31 Selbstwirksamkeits-Erwartungen 99ff, 102f, 108ff Semantisches/ episodisches Gedächtnis 124ff, 146, 313ff Senso(u)motorisches Lernen 275, 286f, 288 Sensorisches Register (SR) 122ff Signallernen 46ff, 57ff, 60f Situationsspezifik, schulische 489ff Situiertheit, körperliche 253ff, 287ff, 297f mental-sprachliche 256f, 258ff, 304 personale 263ff Skill vs. chance 95f Skinnerbox 62, 63, 64, 411 Sokratischer Dialog 470, 47lf Solidargemeinschaft, defensive, zwischen Schülerinnen/Schülern 455ff, 469 Sondermaßnahmen, schulische 403ff Sonderschule 405 Sozial-kognitive Lerntheorie (Bandura) 71, 89ff Soziale Lerntheorie (Rotter) 82f Soziales Lernen als SchulreformKonzept 548ff Sozialpsychologie der Schulklasse 431ff Sozialpsychologische Theorien als Begründungstheorien 34 Sportpsychologie 274, 285ff SR-(Stimulus-Response-)Psychologie 13, 4tff, 46, 271, 410ff unter lerntechnologischem Aspekt 63ff, 225f Stellvertretende Verstärkung 88, 92 Sternstunden, schulische 495ff Stufeneinteilungen des Lernens 237f Superzeichen 289ff, 292, 305 Tacit knowledge 435f Tätigkeitstheorie 179ff, 233, 416ff, 480 Täuschung (vgl. auch Wissensvortäuschung) 452f, 461, 465ff, 484f Team-Kleingruppen-Modell 549ff Thematischer I operativer Lernaspekt 189ff, 249ff, 261, 288ff, 335f, 480f, 510 Theorie der etappenweisen Ausbildung geistiger Handlungen (Galperin) 179, 233, 276,417 Theoriesprache der subjektiven Handlungsgründe 28ff
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Sachverzeichnis
Tiefe des Gegenstandsaufschlusses (vgl. auch Flachheit:fiefe) 128ff, 146, 221ff, 239ff, 291f, 310ff, 512 Tierexperimente, SR-psychologische 4lff TOTE-Einheiten 154, 213, 274 Transfer of learning 487ff Turn allocation 343, 463f, 477 Tutorialer Dialog 470ff Üben (vgl. auch Wiederholung) 186ff, 249, 353f, 483, 552 Überrechtfertigungs-Hypothese vgl. Overjustification hypothesis U mgebungen, verhaltensmodifikatorisch günstige 64f Unbewußtes 29f Unproblematisches Lernen (vgl. auch Mitlernen) 183, 493f Unterricht 343ff, 426ff, 433ff, 442ff, 446ff, 483, 555ff Unterrichtsklima 426ff Variablen-Modell 27ff, 408ff, 426ff, 429f Verallgemeinerbarkeit, strukturelle 489ff Verarbeitungsebenen, Theorie der 127ff, 296ff, 310 Verbalisierte Beurteilungen anstatt Noten 545ff Verdecktes Verhältnis 445ff, 456ff Vergessen 121, 129, 312f Verhaltensmodifikation 64ff, 411
Verinnerlichung vgl. lnteriorisierung Verständlichkeit vgl. Begründetheit/Verständlichkeit Verstärkung (vgl. auch Klassisches Konditionieren und Instrumentelles Konditionieren) 58ff, 65ff, 410f Verstärkungspläne 58 Intermittierende Verstärkung 56 Verteilung der Körper 350, 360f Verwahrlosung der Lernkultur 485, 555f, 562 Vorlernen 208ff Wahlmöglichkeiten von Unterrichtsfächern 541ff Wahrnehmungspräsenz 260ff Weltbild, schulisches, bekannter Tatsachen und gelöster Probleme 466 Wenn-Dann-Hypothesen, nomologische 28f, 408 Widerständiges Lernen 193, 452, 484{, 552 Wiederholung (vgl. auch Üben) 142, 145, 249 Wissensvortäuschung (vgl. auch Täuschung) 465ff Wissendichkeit 44ff Zeitdisziplin vgl. Zeitökonomie Zeitökonomie 352, 36lf, 396ff, 477, 482ff Zensuren vgl. Noten Zielwissen und Quellenwissen 303ff, 479 Zone der nächsten Entwicklung 179, 418{