Helmut M. Niegemann · Steffi Domagk Silvia Hessel · Alexandra Hein Matthias Hupfer · Annett Zobel
Kompendium multimediales Lernen
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Prof. Dr. Helmut M. Niegemann Universität Erfurt LS Lernen und Neue Medien Nordhäuser Str. 63 99105 Erfurt
[email protected] Dr. Steffi Domagk Universität Erfurt LS Lernen und Neue Medien Nordhäuser Str. 63 99105 Erfurt steffi
[email protected] Silvia Hessel, M. A. Universität Erfurt LS Lernen und Neue Medien Nordhäuser Str. 63 99105 Erfurt
[email protected] Alexandra Hein, M. A. Universität Erfurt LS Lernen und Neue Medien Nordhäuser Str. 63 99105 Erfurt
[email protected] Dipl.-Inform. (FH) Matthias Hupfer metaVentis GmbH Postfach 2424 99405 Weimar
[email protected] Dipl.-Inf. Annett Zobel metaVentis GmbH Postfach 2424 99405 Weimar
[email protected] ISBN 978-3-540-37225-7
e-ISBN 978-3-540-37226-4
DOI 10.1007/978-3-540-37226-4 ISSN 1439-3107 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: KünkelLopka, Heidelberg Printed on acid-free paper 987654321 springer.com
Vorwort
Dieses Kompendium ist Nachfolger des 2004 erschienenen „Kompendium E-Learning“. Ursprünglich als zweite Auflage geplant, wurde inhaltlich so viel geändert, dass es gerechtfertigt war, das neue Buch auch unter einem neuen Titel zu veröffentlichen. Auf die Bezeichnung „E-Learning“ zu verzichten, fiel nicht allzu schwer. Zum einen handelt es sich ohnehin um ein Label aus dem Marketingbereich und nicht aus der Wissenschaft, zum anderen gelten viele wissenschaftliche Aussagen zu einem multimedial unterstützten Lernen nicht nur für die elektronische Darbietung, für die das „e“ steht, sondern ebenso für die Gestaltung von Lehrbüchern und -materialien, Folien usw. Auch „Multimedia“ wurde zunächst als Marketingbegriff eingeführt (Weidenmann, 1995), inzwischen hat die Forschung diese Bezeichnung jedoch adaptiert und versteht unter „multimedialem Lernen“ jede Form des Lernens, bei der die Informationen jeweils in mehr als einem Symbolsystem codiert sind bzw. über mehr als einen Sinneskanal aufgenommen werden (Mayer, 2005). Das Kompendium E-Learning war erfreulich gut aufgenommen worden, es wurde nicht nur in zahlreichen Studiengängen als Lehrbuch eingeführt, es gab auch viele positive Rückmeldungen aus Unternehmen und Agenturen, die technologiebasierte Bildungsangebote entwickeln. Diese breite Zielgruppe möchten wir auch mit dem neuen Kompendium ansprechen: Neben den Lehrenden und Lernenden psychologischer, erziehungswissenschaftlicher, medienwissenschaftlicher, ingenieurwissenschaftlicher und informatischer Studiengänge sollen auch Instruktionsdesigner, technische Redakteure und andere Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich der Aus- und Weiterbildung in diesem Buch wissenschaftlich fundiertes, praktisch verwertbares Wissen finden. Wie schon beim Kompendium E-Learning gilt, dass ein „Kurzgefasstes Lehrbuch“ (so definiert der Fremdwörterduden „Kompendium“) auch mit ca. 700 Seiten keine Enzyklopädie ist und darin nicht alle Themen um das multimediale Lehren und Lernen in der wünschenswerten Breite behandelt werden können. Von dem Autorenteam des Kompendiums E-Learning war an diesem Buch außer dem Erstautor nur noch Silvia Hessel beteiligt. Nach dem Wechsel von der Technischen Universität Ilmenau zur Universität Erfurt hat sich auch eine neue Arbeitsgruppe als Autorenteam konstituiert: Dr. Steffi Domagk hat die Kap. 17, 18, 24 und 25 geschrieben, die Kap. 4, 21 und 23 stammen von Alexandra Hein M.A. Von Silvia Hessel M.A. verfasst sind die Kap. 3,
Vorwort
V
15, 16, 19, 27 und 28 und von Helmut Niegemann stammen die Kap. 1, 2, 5 bis 14, sowie 20, 22 und 26. Der gesamte informatisch-technische Teil, die Kap. 29 bis 33, wurden von Dipl.-Inf. Annett Zobel und Dipl.-Inf. Matthias Hupfer geschrieben. Frau Zimpfer danken wir für ihre äußerst sorgfältige Korrekturarbeit. Schließlich danken wir Frau Fischer vom Springer-Verlag für ihr Verständnis für die Verzögerungen aufgrund immer neuer Prioritäten in unseren beruflichen Alltagsaktivitäten, insbesondere aber dafür, dass durch ihre Arbeit aus unseren Kapitelmanuskripten schließlich dieses Buch wurde. Abschließend ein Wort zur Verwendung maskuliner und femininer Formen: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir nicht ständig weibliche und männliche Formen. Wir haben uns dafür entschieden, die im Deutschen für Verallgemeinerungen übliche männliche Form zu verwenden.
Erfurt, im Dezember 2007
H. M. Niegemann
Mayer, R. E. (Ed.). (2005). The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge, New York: Cambridge University Press. Weidenmann, B. (1995). Ist der Begriff „Multimedia“ für die Medienpsychologie ungeeignet? Medienpsychologie, 7(4), 256−261.
VI
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Teil I 1
2
Geschichte und Grundlagen Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning............................. 1.1 Vorläufer ............................................................................................. 1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien................................................................................. 1.2.1 Skinner und Hollands lineare Lehrprogramme..................... 1.2.2 Crowders verzweigte Programme......................................... 1.2.3 Das Projekt TICCIT.............................................................. 1.2.4 Das Projekt PLATO.............................................................. 1.2.5 CUU-Projekte in Deutschland und Europa........................... 1.3 Neuere Entwicklungen ........................................................................ 1.4 Perspektiven ........................................................................................ 1.5 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ........................................................................................................... Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde..................................................................................... 2.1 Instructional Design: Die Idee............................................................. 2.2 Modelle des Instructional Design: Das Urmodell ............................... 2.3 Weitere Modelle der ersten Generation............................................... 2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“............................ 2.4.1 Kritik am Instructional Design ............................................. 2.4.2 Merrills Instructional-Transaction-Theorie .......................... 2.4.3 Projektmethode – multimedial und an Geschichten verankert............................................... 2.4.4 Cognitive Apprenticeship – Lernen von den (alten) Meistern........................................... 2.4.5 „Learning by doing“ in „Goal-Based Scenarios“ ................. 2.4.6 Das Vier-Komponenten-Instruktionsdesignmodell (4C/ID) für das Training komplexer Fähigkeiten ................. 2.4.7 Weitere praktische Theorien.................................................
3 3 4 4 6 7 9 10 12 13 15 15
17 17 20 22 22 22 23 25 28 30 32 37
Inhaltsverzeichnis
VII
3
4
VIII
2.5 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
38 38
Lernen mit Medien ....................................................................................... 3.1 Das Gedächtnis................................................................................... 3.1.1 Das Arbeitsgedächtnis ......................................................... 3.1.2 Das Langzeitgedächtnis ....................................................... 3.1.3 Beziehungen zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis .... 3.2 Die Cognitive-Load-Theorie .............................................................. 3.2.1 Intrinsic Cognitive Load ...................................................... 3.2.2 Extraneous Cognitive Load.................................................. 3.2.3 Germane Cognitive Load ..................................................... 3.2.4 Implikationen für die didaktische Gestaltung ...................... 3.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML)..................... 3.3.1 Theoretischer Hintergrund des Modells............................... 3.3.2 Kernaspekte des Modells ..................................................... 3.3.3 Konsequenzen für die Gestaltung multimedialen Lernens......................................................... 3.4 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens .............................. 3.4.1 Theoretische Basis des Integrativen Modells....................... 3.4.2 Das Integrierte Modell des Textund Bildverstehens (ITPC)................................................... 3.4.3 Konsequenzen für die Gestaltung von multimedialem Lernen .................................................. 3.5 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
41 42 43 43 44 45 46 46 48 49 49 49 52
Selbstreguliertes Lernen............................................................................... 4.1 Was ist selbstreguliertes Lernen? ....................................................... 4.2 Modelle selbstregulierten Lernens...................................................... 4.2.1 Die sozial-kognitive Perspektive nach Zimmerman ............ 4.2.2 Das „Drei-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens“ ............................................. 4.2.3 Das Selbstregulationsmodell von Schiefele und Pekrun...... 4.2.4 Vergleich der vorgestellten Modelle.................................... 4.2.5 Weitere Modelle................................................................... 4.3 Lernstrategien ..................................................................................... 4.3.1 Kognitive Strategien ............................................................ 4.3.2 Metakognitive Strategien ..................................................... 4.3.3 Motivations- und Emotionsstrategien .................................. 4.3.4 Strategien zum kooperativen Lernen ................................... 4.3.5 Ressourcenorientierte Strategien.......................................... 4.4 Vermittlung selbstregulativer Fähigkeiten.......................................... 4.4.1 Direkte Förderung................................................................ 4.4.2 Indirekte Förderung ............................................................. 4.4.3 Modell zur Förderung metakognitiver Komponenten.......... 4.5 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
Inhaltsverzeichnis
53 54 55 57 59 60 61 65 65 66 66 68 69 71 71 71 72 73 74 74 75 75 75 76 77 78 79
Teil II 5
Planung und Analyse
Designentscheidungen: Das DO-ID-Modell................................................. 5.1 Entscheidungsalternativen................................................................... 5.1.1 Systematische Konzeption.................................................... 5.1.2 Anforderungen an ein Modell zur systematischen Konzeption ............................................ 5.2 Das DO-ID-Modell ............................................................................. 5.2.1 Qualitätssicherung: Projektmanagement & Evaluation ........ 5.2.2 Ziele...................................................................................... 5.2.3 Analysen ............................................................................... 5.2.4 Entscheidungsfelder.............................................................. 5.2.5 Kriterien – woher? ................................................................ 5.3 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
83 83 84 84 85 85 86 87 87 88 88 88
6
Didaktische Entwurfsmuster ........................................................................ 6.1 Entwurfsmuster in der Architektur...................................................... 6.2 Übertragung auf didaktische Konzeptionen ........................................ 6.3 Beschreibung didaktischer Entwurfsmuster ........................................ 6.4 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
89 89 90 90 92 92
7
Ziel- und Medienentscheidungen ................................................................. 7.1 Zielentscheidungen.............................................................................. 7.2 Medienentscheidungen........................................................................ 7.3 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
93 93 94 95 95
8
Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen................................ 8.1 Was ist zu analysieren? ....................................................................... 8.2 Problemanalyse ................................................................................... 8.3 Bedarfsanalyse .................................................................................... 8.3.1 Methoden der Bedarfsanalyse............................................... 8.4 Adressatenanalyse ............................................................................... 8.4.1 Methoden der Adressatenanalyse ......................................... 8.5 Wissens- und Aufgabenanalyse........................................................... 8.6 Ressourcenanalyse .............................................................................. 8.6.1 Verfügbares Material ............................................................ 8.6.2 Personelle Ressourcen .......................................................... 8.6.3 Zeitbedarf ............................................................................. 8.6.4 Kostenanalyse....................................................................... 8.7 Analyse des Einsatzkontexts ............................................................... 8.8 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
97 97 98 99 100 101 103 103 107 107 108 108 110 111 111 112
Inhaltsverzeichnis
IX
9
Zielspezifizierung: Lehrzielbestimmung..................................................... 9.1 Lehrziele............................................................................................. 9.2 Kompetenzmodelle............................................................................. 9.3 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
Teil III
Formate multimedialen Lernens
10
Formatentscheidungen ................................................................................. 10.1 Formatbegriff...................................................................................... 10.2 Kriterien für Formatentscheidungen................................................... 10.3 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
119 119 120 120 120
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Formate.......................................................................................................... 11.1 Direkte Instruktion.............................................................................. 11.1.1 E-Kompendium.................................................................... 11.1.2 E-Lecture ............................................................................. 11.2 Problembasiertes Lernen .................................................................... 11.2.1 Generelles Muster problembasierten Lernens...................... 11.2.2 Varianten problembasierten Lernens ................................... 11.3 Fallbasiertes Lernen............................................................................ 11.4 Aufgabengeleitete Simulation ............................................................ 11.5 Produkttraining ................................................................................... 11.6 Hybride Formate................................................................................. 11.6.1 Format „multimedial angeleitetes Selbstlernen“ (MASL) ... 11.6.2 „CreaTeach-Format“ für Blended Learning......................... 11.6.3 „Electronic Performance Support Systems“ (EPSS)............ 11.7 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
121 121 121 122 123 123 124 124 126 126 127 127 133 133 134 134
Teil IV
X
113 113 115 115 116
Contentstrukturierung
12
Inhaltsstrukturen .......................................................................................... 12.1 Sachstruktur – didaktische Struktur – kognitive Struktur................... 12.2 Deduktiv versus induktiv.................................................................... 12.3 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
139 139 141 142 142
13
Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge ............ 13.1 Was ist das Problem?.......................................................................... 13.2 Lehrstoff einteilen: Lernobjekte ......................................................... 13.3 In welcher Reihenfolge präsentiere ich den Lehrstoff? ...................... 13.3.1 Sequenzierungsmöglichkeiten ............................................. 13.3.2 Aufgaben- vs. Domänenkompetenz .....................................
143 143 144 145 145 146
Inhaltsverzeichnis
13.4
Weitere Kriterien für die Segmentierung und Sequenzierung des Lehrstoffs ...................................................................................... 150 13.5 Zusammenfassung............................................................................... 150 Literatur ........................................................................................................... 151 14
Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp.................................................... 14.1 Zieltypen und Basismodelle ................................................................ 14.2 Exkurs: Didaktische Basismodelle ...................................................... 14.2.1 Choreografie-Metapher......................................................... 14.2.2 Tiefen- und Basisstrukturen von Lernprozessen................... 14.2.3 Sicht- und Oberflächenstrukturen der Instruktion ................ 14.2.4 Basismodelle und didaktische Entwurfsmuster .................... 14.3 Faktenwissen ....................................................................................... 14.4 Prozedurales Wissen, Routinebildung, Training von Fertigkeiten ...... 14.5 Begriffslernen und Aufbau von Zusammenhangswissen (Regeln, Prinzipien, Theorien) ............................................................ 14.6 Problemlösen lernen............................................................................ 14.7 Erwerb kognitiver Strategien............................................................... 14.8 Aufbau bzw. Förderung von Einstellungen......................................... 14.9 Anwendung von didaktischen Entwurfsmustern der Lehrstoffstrukturierung ................................................................. 14.10 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
Teil V 15
153 153 154 154 155 156 157 157 159 160 163 165 167 168 169 169
Multimedia-Design
Text ................................................................................................................. 15.1 Texte auf dem Bildschirm ................................................................... 15.2 Textverstehen ...................................................................................... 15.2.1 Basale Verarbeitung ............................................................. 15.2.2 Semantisch-syntaktische Verarbeitung................................. 15.2.3 Elaborative Verarbeitung...................................................... 15.2.4 Reduktive Verarbeitung........................................................ 15.2.5 Rekonstruktive Verarbeitung................................................ 15.3 Motivationale Aspekte beim Textverstehen ........................................ 15.4 Unterstützung des Textverstehens....................................................... 15.4.1 Angabe der Lehrziele............................................................ 15.4.2 Sach- und didaktische Strukturierung................................... 15.4.3 Hilfen zur Anknüpfung an das Vorwissen............................ 15.4.4 Zusammenfassungen............................................................. 15.5 Textgestaltung ..................................................................................... 15.5.1 Überschriften ........................................................................ 15.5.2 Wortwahl, Satzbau, eindeutige Bezüge ................................ 15.5.3 Orientierungsmarken ............................................................ 15.5.4 Typografische Aspekte ......................................................... 15.6 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
173 173 174 174 175 176 177 178 178 179 179 180 181 182 183 183 183 185 186 187 188
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XI
XII
16
Audio.............................................................................................................. 16.1 Charakterisierung von Audio.............................................................. 16.2 Arten auditiver Information................................................................ 16.3 Hörverstehen....................................................................................... 16.4 Funktionen von Musik und Sounds .................................................... 16.5 Funktionen von gesprochener Sprache ............................................... 16.6 Lernförderlichkeit von Audio ............................................................. 16.6.1 Lernförderlichkeit von Musik und Sounds .......................... 16.6.2 Lernförderlichkeit von gesprochener Sprache ..................... 16.7 Didaktische Empfehlungen zum Einsatz von Audio .......................... 16.7.1 Empfehlungen zum Einsatz von Musik und Sounds............ 16.7.2 Empfehlungen zum Einsatz von Sprechtext......................... 16.7.3 Nutzerkontrolle .................................................................... 16.8 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
191 192 192 193 195 196 197 197 199 201 201 201 202 202 203
17
Bilder.............................................................................................................. 17.1 Arten von Bildern ............................................................................... 17.1.1 Realistische Bilder ............................................................... 17.1.2 Analogiebilder ..................................................................... 17.1.3 Logische Bilder.................................................................... 17.2 Bildverstehen...................................................................................... 17.2.1 Das natürliche Bildverstehen ............................................... 17.2.2 Das indikatorische Bildverstehen......................................... 17.2.3 Zusammenspiel der zwei Verstehensmodi........................... 17.3 Unterstützung des Bildverstehens....................................................... 17.3.1 Unterstützung des natürlichen Bildverstehens ..................... 17.3.2 Unterstützung des indikatorischen Bildverstehens .............. 17.4 Warum sollten Bilder eingesetzt werden? .......................................... 17.4.1 Funktionen von Bildern ....................................................... 17.4.2 Didaktische Stärken von Bildern ......................................... 17.5 Sind Bilder lernförderlich? ................................................................. 17.6 Unter welchen Bedingungen sind Bilder lernförderlich? ................... 17.6.1 Lernziele .............................................................................. 17.6.2 Charakteristika der Bilder .................................................... 17.6.3 Charakteristika des Textes ................................................... 17.6.4 Lernermerkmale................................................................... 17.7 Kombination von Text und Bild ......................................................... 17.7.1 Empfehlungen aus der kognitiven Theorie des multimedialen Lernens .................................................. 17.7.2 Empfehlungen aus dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens............................................... 17.8 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
207 207 208 209 209 210 211 214 215 216 216 218 221 221 223 223 224 225 226 227 227 229
Inhaltsverzeichnis
229 233 236 237
18
Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation ....................................... 18.1 Animationen = bewegte Bilder............................................................ 18.1.1 Scheinbare Bewegung .......................................................... 18.1.2 Begriffsbestimmung ............................................................. 18.2 Arten von Animationen ....................................................................... 18.2.1 Welche Veränderung findet statt?......................................... 18.2.2 Wie komplex ist die dargestellte Bewegung? ....................... 18.2.3 Wie abstrakt ist die Darstellung? .......................................... 18.2.4 Welcher Inhalt wird dargestellt?........................................... 18.2.5 Zusammenfassung ................................................................ 18.3 Animationsverstehen........................................................................... 18.3.1 Wahrnehmung von Animationen.......................................... 18.3.2 Kognitive Verarbeitung von Animationen............................ 18.4 Unterstützung des Animationsverstehens............................................ 18.4.1 Unterstützung der Wahrnehmung von Animationen ............ 18.4.2 Unterstützung der kognitiven Verarbeitung.......................... 18.5 Warum sollten Animationen eingesetzt werden? ................................ 18.5.1 Funktionen von Animationen ............................................... 18.5.2 Didaktische Stärken von Animationen ................................. 18.6 Sind Animationen lernförderlich? ....................................................... 18.6.1 Unter welchen Bedingungen sind Animationen lernförderlich? ......................................... 18.6.2 Animationen und Interaktivität............................................. 18.7 Simulation ........................................................................................... 18.7.1 Spezifische Eigenschaften von Simulationen ....................... 18.7.2 Arten von Simulationen........................................................ 18.7.3 Exploration vs. Instruktion ................................................... 18.8 Video ................................................................................................... 18.8.1 Spezifische Eigenschaften von Videos ................................. 18.8.2 Video = Fernsehen = Unterhaltung? ...................................... 18.8.3 Einsatzmöglichkeiten von Videos ........................................ 18.9 Empfehlungen zur Gestaltung von Animationen, Simulationen und Videos .......................................................................................... 18.9.1 Gestaltung von Erläuterungen .............................................. 18.9.2 Vermeidung unnötiger kognitiver Belastung........................ 18.9.3 Angebot zusätzlicher Optionen............................................. 18.10 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
Teil VI 19
239 240 240 241 241 241 242 242 243 245 245 246 249 250 250 253 254 254 256 257 258 258 260 260 261 263 264 265 265 266 268 268 269 269 269 270
Interaktionsdesign
Mensch-Computer-Interaktion .................................................................... 277 19.1 Mensch-Computer-Interaktion als wissenschaftliches Forschungsparadigma.......................................................................... 277 19.2 Säulen der HCI .................................................................................... 279
Inhaltsverzeichnis
XIII
20
21
XIV
19.3
Theorien und Modelle der HCI........................................................... 19.3.1 Das GOMS-Modell.............................................................. 19.3.2 Das Handlungsmodell.......................................................... 19.3.3 Mentale Modelle .................................................................. 19.4 Interaktionsmöglichkeiten .................................................................. 19.5 Normen und Guidelines...................................................................... 19.5.1 DIN-Normen........................................................................ 19.5.2 8 Goldene Regeln des Interface-Designs ............................. 19.6 Gegenwart und Zukunft der HCI........................................................ 19.6.1 Interaktion mittels gesprochener natürlicher Sprache .......... 19.6.2 Soziale Interaktion über multimodale Schnittstellen............ 19.6.3 Anthropomorphe Interfaces ................................................. 19.7 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
279 282 282 284 284 285 285 287 288 288 289 289 290 291
Interaktivität und Adaptivität ..................................................................... 20.1 Was ist Interaktivität?......................................................................... 20.2 Funktionen von Interaktivität ............................................................. 20.2.1 Motivationsfördernde Interaktionen..................................... 20.2.2 Informationsliefernde Interaktionen..................................... 20.2.3 Interaktionen, die das Verstehen fördern ............................. 20.2.4 Interaktionen, die das Behalten fördern ............................... 20.2.5 Interaktionen, die das Anwenden und den Transfer fördern ..................................................... 20.2.6 Interaktionen, die den Lernprozess regulieren ..................... 20.3 Interaktionsformen und ihre Realisierung .......................................... 20.3.1 Aktionen Lernender ............................................................. 20.3.2 Aktionen des Lehrsystems ................................................... 20.4 Wann ist Interaktivität effizient? ........................................................ 20.5 Forschungsfragen zur Effektivität bzw. Effizienz von Interaktivität ................................................................................ 20.6 Media-Equation-Annahme ................................................................. 20.7 Adaptivität .......................................................................................... 20.8 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
293 293 295 296 296 296 296
304 306 307 308 309
Design von Übungs- und Testaufgaben....................................................... 21.1 Funktionen von Übungsaufgaben ....................................................... 21.2 Systematische Konstruktion von Testaufgaben .................................. 21.2.1 Aufgabeninhalte................................................................... 21.2.2 Kognitive Operationen......................................................... 21.2.3 Formale Aspekte von Aufgaben .......................................... 21.2.4 Aufgabenarten...................................................................... 21.3 Geschlossene Test- und Übungsaufgaben .......................................... 21.3.1 Multiple-Choice-Aufgaben .................................................. 21.3.2 Alternativaufgaben (True/False-Aufgaben) .........................
311 311 312 312 313 314 315 315 316 318
Inhaltsverzeichnis
297 297 297 297 300 302
21.3.3 21.3.4
Matching-Aufgaben/Zuordnungsaufgaben ........................... Zusammenfassung geschlossene Testund Übungsaufgaben ............................................................ 21.4 Halboffene Test- und Übungsaufgaben............................................... 21.4.1 Zusammenfassung halboffene Testund Übungsaufgaben ............................................................ 21.5 Offene Test- und Übungsaufgaben...................................................... 21.5.1 Zusammenfassung offene Test- und Übungsaufgaben ......... 21.6 Interaktive Aufgaben........................................................................... 21.7 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
319
322 322 323 323 324 324
22
Feedback......................................................................................................... 22.1 Feedback und Lernen .......................................................................... 22.1.1 Formen von informativem Feedback .................................... 22.2 Theoretische Grundlagen und Befunde ............................................... 22.2.1 Verstärkungsmodell.............................................................. 22.2.2 TOTE-Modell ....................................................................... 22.3 Funktionen von Feedback ................................................................... 22.3.1 Fehler und Feedback............................................................. 22.3.2 Differenzierendes Feedback ................................................. 22.3.3 Internes und externes Feedback............................................ 22.3.4 Feedback, Motivierung und Lernorientierung ...................... 22.4 Gestaltungsmöglichkeiten ................................................................... 22.4.1 Zeitpunkt............................................................................... 22.4.2 Fehleranalytisches Feedback ................................................ 22.4.3 Automatischer Tutor............................................................. 22.4.4 Selbstreguliertes Feedback ................................................... 22.4.5 Natürliche Konsequenzen..................................................... 22.5 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
327 327 328 329 329 330 331 331 331 332 332 333 333 333 333 334 335 335 335
23
Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL) .................................. 23.1 Begriffsbestimmung ............................................................................ 23.2 Lernprozesse in Gruppen..................................................................... 23.2.1 Probleme beim kollaborativen Lernen.................................. 23.2.2 Bedingungen für erfolgreiches kollaboratives Lernen.......... 23.3 Computergestützte kollaborative Lernprozesse................................... 23.4 Entwicklung von CSCL-Umgebungen................................................ 23.4.1 Dimensionen von CSCL-Situationen.................................... 23.5 Gestaltung von CSCL-Umgebungen................................................... 23.5.1 Besonderheiten von CSCL-Umgebungen............................. 23.6 Regulation von Gruppenaktivitäten in CSCL-Umgebungen ............... 23.7 Unterstützung kollaborativer Lernprozesse......................................... 23.7.1 Kooperationsskripts .............................................................. 23.7.2 Mapping-Techniken..............................................................
337 337 338 338 339 340 340 341 342 342 344 347 347 349
320 320
Inhaltsverzeichnis
XV
23.7.3 23.7.4
Worked-out-Examples zum kollaborativen Problemlösen... Weitere Möglichkeiten der Verbesserung kollaborativen Lernens......................................................... 23.8 Die Zukunft des CSCL: Neue Entwicklungen.................................... 23.8.1 Einige neue Applikationen in Web 2.0 ................................ 23.8.2 Web 2.0 in der Bildung........................................................ 23.9 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
349 350 351 352 353 354 354
Teil VII Motivationsdesign 24
25
Motivation...................................................................................................... 24.1 Definition............................................................................................ 24.2 Person oder Situation? ........................................................................ 24.2.1 Personfaktoren ..................................................................... 24.2.2 Situationsfaktoren ................................................................ 24.2.3 Das Grundmodell der Motivationspsychologie.................... 24.3 Das erweiterte kognitive Motivationsmodell...................................... 24.3.1 Tätigkeitsanreize .................................................................. 24.3.2 Tätigkeits- und Folgenanreize im erweiterten kognitiven Motivationsmodell ............................................. 24.4 Intrinsische und extrinsische Motivation............................................ 24.5 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
359 359 360 360 362 362 363 365 365 366 367 367
Motivationsdesign ......................................................................................... 25.1 Motivieren, aber wie? ......................................................................... 25.2 Das ARCS-Modell.............................................................................. 25.2.1 Aufmerksamkeit erlangen (Attention) ................................. 25.2.2 Relevanz des Lehrstoffs vermitteln (Relevance) ................. 25.2.3 Erfolgszuversicht (Confidence) ........................................... 25.2.4 Zufriedenheit, Befriedigung (Satisfaction) .......................... 25.2.5 Einsatz des Modells ............................................................. 25.2.6 Beziehung zu anderen Modellen.......................................... 25.3 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
369 369 370 371 373 376 379 381 381 383 383
Teil VIII Qualitätssicherung 26
XVI
Storyboard..................................................................................................... 26.1 Manifestation und Präsentation der Konzeptionsund Gestaltungsideen.......................................................................... 26.2 Ablaufdiagramm................................................................................. 26.3 Storyboard .......................................................................................... 26.4 Alternative Rapid Prototyping? ..........................................................
Inhaltsverzeichnis
387 387 387 388 392
26.5 Zusammenfassung............................................................................... 393 Literatur ........................................................................................................... 394 27
Evaluation multimedialen Lernens .............................................................. 27.1 Der Begriff „Evaluation“..................................................................... 27.2 Entscheidungen und Phasen – ein Überblick ...................................... 27.3 Die Funktionen der Evaluation............................................................ 27.4 Typus der Evaluation .......................................................................... 27.4.1 Zeitpunkt der Datenerhebung ............................................... 27.4.2 Gegenstand der Evaluation ................................................... 27.4.3 Ausrichtung der Evaluation .................................................. 27.4.4 Das Involvement des Evaluators........................................... 27.5 Zielorientierung................................................................................... 27.6 Evaluationsmodelle ............................................................................. 27.7 Evaluationskriterien ............................................................................ 27.8 Evaluationsmethoden .......................................................................... 27.8.1 Inhaltsanalyse ....................................................................... 27.8.2 Befragung ............................................................................. 27.8.3 Beobachtung ......................................................................... 27.8.4 Verhaltensrecording.............................................................. 27.8.5 Tests...................................................................................... 27.9 Evaluationsinstrumentarien ................................................................. 27.9.1 Theorieorientierte Evaluationsinstrumente ........................... 27.9.2 Kriterienkataloge .................................................................. 27.10 Der Evaluationsprozess ....................................................................... 27.10.1 Definition der zu evaluierenden Maßnahme......................... 27.10.2 Zielsetzung der Evaluation ................................................... 27.10.3 Planung der Evaluation......................................................... 27.10.4 Datenerhebung und Auswertung .......................................... 27.10.5 Berichtlegung........................................................................ 27.10.6 Bewertung und weiter gehende Nutzung.............................. 27.11 Standardisierungsbemühungen............................................................ 27.11.1 Lerntechnologiestandards ..................................................... 27.11.2 Qualitätsstandards der DIN................................................... 27.12 Zusammenfassung............................................................................... Literatur ...........................................................................................................
395 395 396 397 397 398 399 399 400 400 401 402 403 404 404 405 406 406 407 407 409 410 411 412 412 413 414 414 415 415 415 416 417
28
Usability.......................................................................................................... 28.1 Was ist Usability?................................................................................ 28.2 Definition von Usability...................................................................... 28.3 Attribute und Kriterien ........................................................................ 28.3.1 Attribute der Usability .......................................................... 28.3.2 Kriterien der Usability nach DIN EN-ISO9241.................... 28.4 Usability-Evaluation: zentraler Bestandteil des Usability-Engeneering-Prozesses.................................................. 28.5 Ziele der Usability-Evaluation ............................................................ 28.5.1 Arten der Usability-Evaluation............................................. 28.5.2 Evaluationszeitpunkt.............................................................
419 420 420 421 421 422 424 426 427 427
Inhaltsverzeichnis
XVII
28.6
Erhebungsmethoden der Usability...................................................... 28.6.1 Messansätze der Usability.................................................... 28.7 Produktzentrierter Messansatz: Inspektionsmethoden........................ 28.7.1 Cognitive Walkthrough........................................................ 28.7.2 Heuristische Evaluation ....................................................... 28.7.3 Focus-Group ........................................................................ 28.8 Produktzentrierter Messansatz: Fragebögen und Checklisten ............ 28.8.1 Purdue Usability Testing Questionnaire .............................. 28.8.2 Questionnaire for User Interface Satisfaction ...................... 28.9 Interaktionszentrierter Messansatz: Blickbewegungsregistrierung (Eye-Tracking).................................... 28.10 Benutzerzentrierter Messansatz: Befragungsmethoden ...................... 28.10.1 Methode des lauten Denkens (Thinking aloud) ................... 28.10.2 Varianten des lauten Denkens.............................................. 28.10.3 Fragebögen und Checklisten................................................ 28.11 Benutzerzentrierter Messansatz: Usability-Testing ............................ 28.11.1 Usability-Testing – Charakterisierung der Methode ............ 28.11.2 Typen von Usability-Tests ................................................... 28.11.3 Ablauf eines Usability-Tests................................................ 28.11.4 Probleme von Usability-Tests.............................................. 28.12 Drei Hauptprobleme bei der Evaluation der Usability ....................... 28.13 Zusammenfassung .............................................................................. Literatur ..........................................................................................................
Teil IX 29
XVIII
428 429 431 432 434 436 437 438 438 439 441 441 442 443 444 444 445 446 448 448 450 450
Technische Umsetzung
Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen ............ 29.1 E-Learning Infrastruktur – ein Überblick ........................................... 29.2 Architekturen und deren Leistungsfähigkeit....................................... 29.2.1 Client-Server-Systeme (zentraler Server) ............................ 29.2.2 Peer-to-Peer-Systeme........................................................... 29.2.3 Lokale Lernsysteme (CBT).................................................. 29.2.4 Lastverteilung bei Client-Server-Architekturen................... 29.3 Basishardware und -systeme .............................................................. 29.3.1 PCs, Laptops und Kleingeräte auf der Nutzerseite .............. 29.3.2 Anbieterseite: E-Learning-Server ........................................ 29.3.3 Videokonferenzsysteme ....................................................... 29.3.4 Aufzeichnungssysteme für Vorlesungsund Seminarräume ............................................................... 29.3.5 Spezialisierte Systeme für Abstimmung, Feedback, Test und Prüfung.......................................................................... 29.4 Software.............................................................................................. 29.4.1 Software auf Anwender-PCs und Laptops ........................... 29.4.2 Software auf Anbieterserver(n)............................................ Literatur ..........................................................................................................
Inhaltsverzeichnis
457 457 458 458 459 460 460 464 464 465 466 467 468 469 470 476 484
30
31
Systeme für E-Learning und E-Work.......................................................... 30.1 CBT, Peer-to-Peer- und Client-Server-Systeme.................................. 30.1.1 Lokale Systeme für den PC .................................................. 30.1.2 Peer-to-Peer-Systeme ........................................................... 30.1.3 Client-Server-Systeme.......................................................... 30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen ...................................................................................... 30.2.1 Häufige Probleme und Fehler bei der Auswahl und Einführung von IT-Systemen......................................... 30.2.2 Sinnvolle Auswahlkriterien finden ....................................... 30.2.3 Prozesse zur Auswahl und Einführung von Systemen.......... 30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen ........... 30.3.1 Sichten der Benutzergruppen und Anforderungen an grundsätzliche Bedienphilosophien und Oberflächenaufbau......................................................... 30.3.2 Strukturierung der Bedienungsoberfläche ............................ 30.3.3 Gruppen, Rollen, Communities auf einer Plattform und das Rechtesystem........................................................... 30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien............................................................................ 30.4.1 Werkzeuge zur Plattformadministration ............................... 30.4.2 Werkzeuge zur Gestaltung von Kursumgebungen, Lernszenarien, Lernabläufen ................................................ 30.4.3 Werkzeuge zum Lernen und Lehren: Lernplanung, Lernkoordination, Lerntagebücher, Fortschrittskontrolle, Feedback............................................................................... 30.4.4 Werkzeuge zur kooperativen Recherche und zum Erstellen und Austauschen von Inhalten ................ 30.4.5 Werkzeuge zur Koordination – Organisation von Lern- und Gruppenarbeit ............................................... 30.4.6 Werkzeuge zur Kommunikation und Informationsverteilung .................................................. 30.4.7 Persönlicher Schreibtisch oder Raum − typische individuelle Werkzeugnutzung............................... 30.5 Lernen in virtuellen Welten? ............................................................... Literatur ...........................................................................................................
485 485 485 486 487
Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge .............................................. 31.1 Einleitung: Produktion von Lerninhalten – rapid und/oder nachhaltig? .................................................................. 31.2 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Produktionsabläufe ..... 31.3 Bildmedien .......................................................................................... 31.3.1 Grundlagenwissen Bildmedien ............................................. 31.3.2 Dateiformate und Produktion................................................ 31.4 Audio................................................................................................... 31.4.1 Grundlagenwissen Audio...................................................... 31.4.2 Dateiformate und Produktion................................................
557
488 489 491 495 498
500 504 506 511 511 520
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Inhaltsverzeichnis
XIX
31.5
Video .................................................................................................. 31.5.1 Grundlagenwissen Video ..................................................... 31.5.2 Dateiformate und Produktion............................................... 31.6 Animationen ....................................................................................... 31.6.1 Grundlagenwissen Animationen .......................................... 31.6.2 Dateiformate und Produktion............................................... 31.7 Einfache und komplexe Simulationen, virtuelle Lernwelten, Game Based Learning ........................................................................ 31.7.1 Grundlagenwissen Simulation ............................................. 31.7.2 Dateiformate und Produktion............................................... 31.8 Übungen und Tests ............................................................................. 31.8.1 Grundlagenwissen Übungen und Tests................................ 31.8.2 Dateiformate und Produktion............................................... 31.9 Nachschlagewerke und Literaturverwaltung ...................................... 31.10 Online-Präsentationen (Folien und Medien mit Audio/Video)........... 31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML ........ 31.11.1 Zusammenstellen von Kursmaterialien................................ 31.11.2 Erstellung von Lerninhalten (Stücke, Content-Units) mit XML-/HTML- oder anderen Editoren ........................... 31.11.3 Rendering von XML-Lerninhalten nach HTML oder PDF .............................................................................. 31.12 Lerninhalteerstellung mit Wikis und Online-Editoren ....................... 31.13 Assistenten, Auskunftssysteme, Chatbots .......................................... 31.14 Autorenrichtlinien, Dokumenten- und Medienmanagement, Metadaten und Repositorien ............................................................... Literatur .......................................................................................................... 32
33
XX
E-Learning-Standards und Standardisierung............................................ 32.1 Warum braucht man Standards?......................................................... 32.2 Standards für den Bildungsbereich – ein Überblick ........................... 32.3 Einblick in einige Standards ............................................................... 32.3.1 SCORM − Sharable Content Object Reference Model........ 32.3.2 Learning Objects Metadata (LOM) und Dublin Core (DC) ......................................................... 32.3.3 IMS Learning Design (LD).................................................. 32.4 Standardisierungsorganisationen ........................................................ 32.5 Standards in der Praxis ....................................................................... Literatur .......................................................................................................... Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur .......... 33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner .......... 33.1.1 Technische Einbindung, Server, Backup, zentrale Softwarewartung .................................................... 33.1.2 Identity-Management: Authentifizierung und Autorisierung, Gruppenverwaltung............................... 33.1.3 Bildungsverwaltung: Kursverwaltung, Prüfungsverwaltung, Struktur der Bildungseinrichtung, Räume, Ressourcen..............................................................
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573 573 574 576 578 579 580 582 583 583 584 585 586 587 588 589 591 595 596 598 599 601 603 603 604 608 608 609 611 612 613 613 615 615 617 618
618
33.1.4
Storage-System, Dateiablage, Dokumentenverwaltung, Bibliothekssysteme ............................................................... 33.1.5 Informationsverteilung: Pinnwand, Newsletter, Mailinglisten......................................................................... 33.1.6 Kommunikationswerkzeuge: E-Mail, Diskussionsforen, Messenger, Chat ................................................................... 33.1.7 Kalender, Aufgaben, Workflows, Projektmanagement ........ 33.1.8 Wissensverwaltung ............................................................... 33.1.9 Alumni-Betreuung ................................................................ 33.1.10 Organisatorische Einbindung in vorhandene Servicestrukturen .......................................... 33.2 Ausblick: Portalsysteme ...................................................................... Literatur ...........................................................................................................
620 620 621 621 622 623 624 624 626
Glossar ...................................................................................................................... 627 Index ......................................................................................................................... 663
Inhaltsverzeichnis
XXI
Teil I Geschichte und Grundlagen
Das Leserad, 1588 von Agostino Ramelli
1
Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
Computergestützte Instruktion ist keineswegs eine Erfindung der neunziger Jahre, sondern hat eine deutlich längere Tradition. Wenn Sie dieses Kapitel bearbeitet haben, sollten Sie wissen oder verstanden haben,
Lehrziele
• wie die geschichtliche Entwicklung computergestützter Instruktion von der ersten Lehrmaschine bis zu Web 2.0 verlief und • wie computergestützte Instruktion im Lauf der Zeit in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt wurde.
1.1 Vorläufer Der Wunsch, Mühen des Lernens wie des Lehrens zu verringern, ist sicherlich ein alter Menschheitstraum. Als früher Versuch, hierzu Maschinen einzusetzen, gilt oft das 1588 von Agostino Ramelli, dem italienischen „Ingenieur des Königs von Frankreich“ konzipierte, zu seinen Lebzeiten aber vermutlich nie gebaute Leserad: Eine Vorrichtung, die es erlauben sollte, ohne Hin- und Herlaufen an einem Arbeitsplatz auf mehrere Literaturstellen in unterschiedlichen Folianten zuzugreifen. Es handelte sich dabei allerdings weniger um eine Lernmaschine als um einen Vorläufer der Hypertext-Idee. Ein erstes Patent auf eine Lernmaschine erhielt 1866 Halycon Skinner (nicht zu verwechseln mit B. F. Skinner): Nach Anzeige eines Bildes auf der Vorderseite eines Kastens sollte die richtige Bezeichnung über eine Schreibmaschinentastatur eingegeben werden. Die Maschine hatte allerdings einen Nachteil: Auch richtig geschriebene, aber sachlich falsche Bezeichnungen wurden akzeptiert. Eine bessere „Buchstabiermaschine“ ließ sich 1911 der Psychologe Herbert Aiken patentieren. Zu einem gegebenen Bild ließen sich jeweils nur die Buchstaben der richtigen Bezeichnung in Form von Karten in einen Rahmen einsetzen. Bei dieser puzzleartigen Vorrichtung konnten verschiedene Möglichkeiten ausprobiert werden, nur die richtige wurde durch den Erfolg, das Gelingen des „Puzzles“, belohnt. Dahinter stand als grundlagenwissenschaftliche Theorie das wenige Jahre zuvor von Thorndike entdeckte „law of effect“. In der Folgezeit wurden bis 1936 ca. 700 Patente für vergleichbare „Übungsmaschinen“ angemeldet (Riehm & Wingert, 1995, S. 150),
1.1 Vorläufer
Eine erste Lernmaschine?
3
Abb. 1.1: Presseys Test- und Lernmaschine von 1926
darunter auch Presseys Test- und Lehrmaschinen aus den zwanziger Jahren (s. Abb. 1.1) an denen sich Skinner und Holland mehr als 30 Jahre später bei ihren ersten Maschinen für das „Programmierte Lernen“ orientierten.
1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien 1.2.1 Skinner und Hollands lineare Lehrprogramme Gesetz der operanten Konditionierung
Lückentexte
4
Die Idee der computerunterstützten Instruktion geht zurück auf die „Programmierte Unterweisung“ (PU), und diese wiederum war der Versuch, aus einer Lerntheorie unmittelbar eine Lehrtechnologie abzuleiten: Auf der Grundlage einer Reihe von Tierversuchen formulierte Skinner: „Ist das Auftreten einer operanten Verhaltensweise von der Darbietung eines verstärkenden Stimulus gefolgt, so wächst ihre Stärke an.“ (Skinner, 1938, S. 21; zit. nach Bower & Hilgard, 1983, S. 250). Aus der darin enthaltenen Aussage, dass Verhalten aufgrund seiner Folgen gelernt wird, leitete Skinner später Überlegungen ab, durch geeignete Verstärkungsarrangements menschliches Verhalten in erwünschte Bahnen zu lenken. Um beim Wissenserwerb eine konsequente Verstärkung korrekter Verhaltensweisen einzelner Lernender sicherzustellen, was einem Lehrer in einer Klasse kaum möglich ist, griff er auf mechanische Tests und Lehrvorrichtungen zurück, die Pressey in den zwanziger Jahren entwickelt hatte. Gemeinsam mit Holland entwickelte Skinner auf deren Basis „Lehrmaschinen“, deren Funktion im Wesentlichen darin bestand, dem Lernenden einen Lehrstoff in kleinen Schritten (frames) meist in Textform darzubieten, jeweils gefolgt von Fragen (Beispiel: Abb. 1.2). Die jeweilige Antwort war in die „Maschine“ einzugeben, worauf die richtige Lösung angezeigt wurde und der Lerner die Richtigkeit seiner Antwort erkennen konnte. Im Sinne des operanten Konditionierens ist es für den Lernfortschritt unumgänglich, dass der Lerner ein korrektes Antwortverhalten zeigt, welches dann verstärkt werden kann. Dies ist aber nur erreichbar, wenn die Fragen bzw. Aufgaben so einfach sind, dass falsche Antworten nicht mehr zu erwarten sind. In der
1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
Abb. 1.2: Einfache Lernmaschine (Anfang der sechziger Jahre)
Regel sollte es sich nicht um Auswahlantworten handeln, da diese oft nur ein Wiedererkennen erfordern und nicht das „aktive Verhalten“, das verstärkt werden soll. Eine typische Aufgabenform Skinner’scher Lehrprogramme sind dagegen Lückentexte. Skinners Ansatz wird in der heutigen Diskussion um computerunterstützte Instruktion nicht selten abqualifiziert, ohne seinen Beitrag zur Entwicklung einer lernpsychologisch begründeten Instruktionstechnologie historisch zu würdigen. Obwohl sich die theoretische Deutung der Lernprozesse bei kognitiven Lehrinhalten als unzweckmäßig und unzureichend erwiesen hat, sind die im Folgenden wiedergegebenen praktischen Anweisungen Skinners zum Vorgehen bei der Entwicklung von Lernprogrammen – abgesehen von Punkt 5 – unter bestimmten Rahmenbedingungen noch immer bedenkenswert, auch wenn die Begründungen heute andere sind: 1. Es muss zunächst eine klare, detaillierte und objektive Beschreibung erarbeitet werden, was es heißt, den Lehrstoff zu beherrschen.
Regeln für Skinner’ sche Lehrprogramme
2. Es ist eine Folge von Frage-Antwort-Frames zu entwickeln, in welchen der Lernende in langsam ansteigendem Schwierigkeitsgrad mit dem Lehrinhalt konfrontiert wird und wobei dem Lernenden dieselben Fakten aus unterschiedlichen Perspektiven mehrmals dargestellt werden. 3. Es muss dafür gesorgt werden, dass der Lernende aktiv ist (z. B. indem bei jedem Frame eine Antwort auf eine Frage oder Aufgabe verlangt wird). 4. Auf jede Antwort muss eine sofortige Rückmeldung erfolgen. 5. Die Fragen sollen so gestellt werden, dass die richtige Antwort eine sehr hohe Auftretenswahrscheinlichkeit hat. 6. Jeder Lernende soll das Lehrprogramm in seinem persönlichen Tempo durchlaufen. 7. Das Arbeiten mit dem Lehrprogramm soll durch zusätzliche Verstärkungen gefördert werden. (Skinner, 1958; Bower & Hilgard, 1983, S. 278 f.).
1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien
5
Lehrziel- und Lehrstoffanalysen (Punkt 1) gelten heute allgemein als unerlässlich für jede rationale Instruktionsplanung (Klauer, 1974), eine Darstellung des Lehrstoffs aus unterschiedlichen Blickwinkeln (Punkt 2) lässt sich aus wissenspsychologischer Perspektive viel stringenter begründen (vgl. Aeblis Konzept des „Durcharbeitens“; (Aebli, 1983, S. 261 ff. u. 310 ff.). Die Bedeutung individuell unterschiedlicher Lernzeiten (Punkt 6) hat Bloom (1973) mit einer Reihe von Arbeiten belegt; auch dass Rückmeldungen (Punkt 4) im LehrLern-Prozess eine wesentliche Rolle spielen, lässt sich unabhängig vom Erklärungsmodell des operanten Konditionierens begründen (Fischer, 1985). Die Verbreitung der Skinner-Holland’schen „Lehrmaschinen“ wurde durch die Ende der fünfziger Jahre bestehende Aufnahmebereitschaft der amerikanischen Öffentlichkeit für Ideen, die mehr Bildungseffektivität versprachen („Sputnik-Schock“), sicher stark gefördert. Da gleichzeitig auch die Verbreitung der Computertechnologie einsetzte, lag eine Verbindung der Idee der „Lehrmaschine“ mit der Möglichkeit des Computers zur Antwortauswertung nahe und wurde auch realisiert.
1.2.2 Crowders verzweigte Programme Eher pragmatisch orientiert als theoriegebunden schlug Crowder 1959 vor, statt der linearen verzweigte Lehrprogramme zu entwickeln: „Das wesentliche Problem ist die Steuerung eines Kommunikationsprozesses durch Rückkopplung. Die Antwort eines Lernenden dient in erster Linie dazu, festzustellen, ob der Kommunikationsprozess wirksam war. Gleichzeitig bietet sie, falls nötig, die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur.“ (Crowder, 1959)
Fehlerabhängige Verzweigungen
Crowders Programme beinhalten typischerweise größere Frames, jeweils gefolgt von einer Frage mit Auswahlantworten. Bei Wahl einer falschen Antwort erhält der Lerner einen zur Art des Fehlers passenden Kommentar, anschließend wird je nach Art des Fehlers mit einer bestimmten Sequenz von Frames fortgefahren, eventuell werden auch Frames wiederholt, die möglicherweise nicht verstanden wurden. Mit der Einführung fehlerabhängiger Verzweigungen wurde eine Individualisierung des Lehr-Lernprozesses über die Lernzeit hinaus möglich: Der Idee nach handelte es sich nun um adaptive Lehrprogramme; allerdings mangelte es an wissensdiagnostischen Verfahren ebenso wie an Methoden der Lehrstoffanalyse. Crowder selbst benutzte zunächst keinen Computer, sondern einen Microfiche-Projektor; verzweigte Programme wurden jedoch bald typisch für die computerunterstützte Instruktion. Ein Beispiel für den Stand der automatisierten computergestützten Auswertung von Antworten im Jahr 1965 liefert Zinn (1967, S. 71): Computer: Translate into German: „The ring is round“. Schüler:
Das ring is rund.
Computer: D-- _ing is- rund. Schüler:
Der Ring ist rund.
Computer: Correct „The house has cold rooms“.
6
1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
Schüler:
Der Haus haben kalt Zimmer.
Computer: D-- Haus ha- kalt- Zimmer. Schüler:
Das Haus hat kalte Zimmer.
Computer: Correct. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ging das öffentliche Interesse an computerunterstützter Instruktion deutlich zurück – im Bildungsbereich beherrschten andere Themen das Feld – ohne dass sich die instruktionstechnologischen Anwendungen als ineffektiv erwiesen hatten. Um die Frage der Effektivität computergestützter Instruktion durch Feldversuche zu klären, beschloss 1971 die National Science Foundation (NSF) der USA zwei Großprojekte über jeweils fünf Jahre, ausgestattet mit insgesamt 10 Mio. Dollar. Es handelte sich um die Projekte TICCIT (Mitre Corp. in Kooperation mit der Brigham Young University) und PLATO (Control Data Corporation in Kooperation mit der University of Illinois, Urbana-Champaign). Beide Projekte hatten das Ziel, aufzuzeigen, dass mittels computerunterstützter Instruktion ein effektiver und kostengünstiger Unterricht möglich ist (O’Shea & Self, 1986, S. 69 ff.).
1.2.3 Das Projekt TICCIT Die Abkürzung TICCIT steht für „Time-shared Interactive Computer Controlled Information Television“. Wie der Name sagt, war hier bereits die Verwendung von FernsehLehrfilmen integraler Bestandteil des Systems. Dementsprechend wurde eine spezielle Hard- und Software entwickelt, einerseits orientiert am Prinzip der Selbststeuerung des Lernenden, andererseits basierend auf einem speziellen Unterrichtsmodell zum Begriffsund Regellernen. Ein Lernplatz bestand aus einem Farbmonitor mit Lautsprecher, einer besonderen Tastatur, einem Lichtgriffel und einem Abspielgerät für Videobänder. Die Systemsteuerung erfolgte durch Standard-Minicomputer, wobei ein Rechner bis zu 128 Terminals verwalten konnte. Aufschlussreich für das Verständnis des TICCIT-Konzepts sind die Bedeutungen der 15 speziellen Tasten zur Lernersteuerung:
Funktionen zur Selbstregulation des Lernens
• Att’n: Rückkehr zum „Hauptprogramm“ • Exit: Beenden • Repeat: Wiederholen • Go: Weiter • Skip: Überspringen • Back: Zurück • Obj’tive: Aktuelles Lehrziel • Map: Überblick über Struktur der Lerneinheit (grafische Darstellung) • Advice: Vorschlag zur Vorgehensweise (Lernstrategie), Information zum Lernstatus (z. B. gelöste/nicht gelöste Aufgaben) • Help: Hilfe, Lösungshinweis
1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien
7
• Hard: Schwierig (in Kombination mit „Example“ o. „Practice“) • Easy: Leicht (in Kombination mit „Example“ o. „Practice“) • Rule: Textdarstellung der zu lernenden Regel • Example: Anforderung eines Beispiels • Practice: Anforderung einer Übungsaufgabe Auf instruktionspsychologischen Überlegungen beruhen insbesondere die Funktionen der unteren neun Tasten: • die Anzeige des Lehrziels der aktuellen Lerneinheit (Objective), • der Überblick über die Lehrzielstruktur der umfassenderen Lehrstoffeinheit (Map), • die Ausgabe eines Vorschlages für die weitere Vorgehensweise, auf der Grundlage der bereits erreichten Lehrziele (Advice), • die Anforderung eines Beispiels zu einer gerade behandelten Regel bzw. einem Begriff (Example), wobei zusätzlich die Schwierigkeit des Beispiels beeinflusst werden kann („Hard“, „Easy“), • die Anzeige einer Definition bzw. Beschreibung der Regel, die gelernt werden soll (Rule), • die Anforderung von Übungsaufgaben oder Fragen (Practice) unterschiedlicher Schwierigkeit (Kombination mit „Hard“ oder „Easy“) sowie • die Anforderung von Hilfen oder Hinweisen zu Übungsaufgaben, Beispielen und ggf. zur Darstellung der Regel (Help). Erprobt wurde das System an zwei „Community Colleges“ mit Kursen in Mathematik und englischem Aufsatz, wobei die Entwicklung von Selbstlernkursen zum letztgenannten Themenbereich auf Schwierigkeiten stieß (O’Shea & Self, 1986, S. 71).
Abb. 1.3: Frühe Arbeitsstation für computerunterstütztes Lernen
8
1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
In einem Bericht über die Evaluationsergebnisse (Alderman, 1979; zit. nach O’Shea & Self, 1986, S. 71) werden die eindeutig besseren Testergebnisse der Schüler hervorgehoben, welche die TICCIT-Kurse bis zum Ende durchlaufen hatten. Der Wert dieses Ergebnisses wird jedoch stark eingeschränkt durch die niedrigen Abschlussraten: Nur 16% der Lernenden hatten z. B. den Mathematikkurs mit TICCIT bis zum Ende bearbeitet, während in normalen Kursen die Drop-out-Rate bei 50% lag. Ein wesentlicher Faktor für die hohe Abbrecherquote in den TICCIT-Kursen war vermutlich die mangelnde Fähigkeit der Schüler, ihr Lernen selbst zu steuern: Zwar war die „Practice“-Taste häufig bedient worden, nicht aber die „Help“-, „Rule“- und „Example“-Funktionen. Ungünstig war im TICCIT-Versuch auch die Akzeptanz des Systems durch den Lehrkörper. Der Abschlussbericht sah dennoch insgesamt eine Bestätigung der Möglichkeiten des computerunterstützten Unterrichts als wirksames Hilfsmittel (O’Shea & Self 1986, S. 74).
Hohe Abbruchquote bei TICCIT-Versuch
1.2.4 Das Projekt PLATO PLATO ist ein Akronym für „Programmed Logic for Automatic Teaching Operation“. Das System hatte bei Beginn des Projekts eine mehr als zehnjährige Entwicklungsgeschichte. Die in der Studie verwendete Version PLATO IV hatte 950 Terminals an ca. 140 verschiedenen Orten. Verfügbar war Unterrichtsmaterial für ca. 8000 Lernstunden. Im Gegensatz zu TICCIT war PLATO IV als ein „didaktisch offenes“ System konzipiert, d. h., die Systemarchitektur sah keine bestimmte didaktische oder instruktionspsychologische Strukturierung vor. Technisch erfolgte die Systemsteuerung über einen Großrechner, an den die Terminals angeschlossen waren. Ein Terminal bestand zur Zeit des NSF-Projekts im Wesentlichen aus einem Plasmabildschirm und einer Tastatur. Aufgrund der Transparenz des Plasmabildschirms war es möglich, von der Rückseite her Farbdias auf den Schirm zu projizieren und damit die vom Rechner erzeugten Grafiken und Textausgaben zu überlagern. Die Bildschirme waren zumindest teilweise berührungssensitiv: Durch eine Zusatzeinrichtung konnte der Lerner, anstatt die Tastatur zu bedienen, zur Eingabe von Informationen (z. B. Auswahl einer von mehreren Antworten) den Bildschirm an einer bestimmten Stelle berühren. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, andere Geräte (Projektoren, Laborgeräte) über das Terminal von der Lernsoftware aus zu steuern. Die Erstellung der Kurseinheiten wurde unterstützt durch eine spezielle Autorensprache (‚TUTOR‛), d. h. eine Programmiersprache mit besonderen Funktionen für Lehrprogramme. Eine Besonderheit des PLATO-Systems war die Möglichkeit grafischer Simulationen (O’Shea & Self, 1986, S. 75 f). Die Evaluation erbrachte weder eine Überlegenheit noch eine Unterlegenheit des Lernens mit dem PLATO-System im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht bei gleichen Lehrzielen. Anders als beim TICCIT-Projekt war jedoch die Abbrecherquote nicht höher als bei den gewohnten Lehrverfahren. Fragebogenuntersuchungen ergaben eine zufrieden stellende Akzeptanz des Systems sowohl bei den Lernenden als Systembenutzern als auch bei den Lehrern. Unter anderem gaben 70% der Studenten bzw. Schüler an, auch außerhalb der Kurszeiten mit dem System gearbeitet zu haben; 88% der Lehrer wollten, bestimmt oder wahrscheinlich nochmals mit dem System arbeiten. Etwas einschränkend sagten aller-
1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien
Touchscreen
Weder besser noch schlechter
9
dings 83% der Lernenden, sie „wollten nicht einen ganzen Kurs nur mit PLATO unterrichtet werden“, 27% hielten Computer für „zu unpersönlich zum Unterrichten“ und 19% hatten Vorbehalte wegen allzu häufiger Ausfälle des Systems.
1.2.5 CUU-Projekte in Deutschland und Europa Lernen im Gleichschritt?
Forschungseinrichtungen FeoLL und BZ
Modellversuche
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Auch in Deutschland wurden bereits von 1964 an Lehrmaschinen entwickelt (Lipsmeier & Seidel, 1987). Die in den sechziger Jahren am Institut für Kybernetik in Berlin bzw. später in Paderborn entwickelten Maschinen folgten weder Skinners noch Crowders Vorstellungen: Es handelte sich bei diesen Lehrautomaten (Robbimat 0, Geromat III, Bakkalaureus) um Geräte für die Gruppenschulung, d. h., Adaptivität und Individualisierung spielten praktisch keine Rolle. Die Konzeption dieser Geräte erinnert stark an die etwa gleichzeitig verbreiteten Sprachlabors: Die Lernenden waren jeweils mit Kopfhörern ausgestattet, über die sie die akustischen Informationen erhielten, visuelle Informationen erfolgten hauptsächlich über Diaprojektoren; nur beim Geromat wurden die optischen Informationen auf Bildschirme an jedem Arbeitsplatz übertragen, bei den beiden anderen Systemen wurde eine Projektionsfläche im Schulungsraum verwendet. Während Robbimat ein tonbandgesteuertes Gerät für bis zu 24 Lerner war, handelte es sich beim Geromat III bereits um ein rechnergesteuertes System für jeweils drei Lernende. Ein Fortschreiten im Lehrstoff war bei Letzterem nur möglich, wenn alle drei Lerner eine richtige Antwort (meist Multiple-ChoiceAufgaben) gefunden hatten; bei unterschiedlichen Lösungen erhielten alle die Aufforderung, sich zu einigen. Bakkalaureus erlaubte eine parallele Schulung von bis zu 64 Schülern, wobei für die gesamte Lernergruppe auch Verzweigungen möglich waren. Jeder Schüler konnte den Schwierigkeitsgrad des aktuell dargebotenen Lehrstoffs in drei Abstufungen beurteilen. Der Computer errechnete aus diesen Bewertungen einen Mittelwert, aufgrund dessen er die Darbietungszeit der optischen Informationen und die Zeit zur Beantwortung der Fragen bestimmte. Die jeweiligen Schülerreaktionen wurden als individuelle Werte gespeichert und erlaubten dem Lehrer später eine Auswertung der Antworten jedes Lernenden. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre wurden zur Förderung unterrichtstechnologischer Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zwei Forschungseinrichtungen geschaffen: das Bildungstechnologische Zentrum in Wiesbaden und das „Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FEoLL)“ in Paderborn. Ein von diesem Institut durchgeführtes Forschungsprojekt (1971−1974) hatte einen „Effizienzvergleich computergesteuerten Parallelunterrichts mit programmiertem Einzelunterricht in Buchform“ zum Ziel. Vergleichskriterien waren zum einen Lernerfolg und Einstellung der Lernenden zur jeweiligen Instruktionsmethode, zum anderen die jeweiligen Kosten (finanzieller und organisatorischer Aufwand). Gearbeitet wurde mit einer Weiterentwicklung des Bakkalaureus (Nixdorf-Lehrsystem NICOLE). Bereits drei Jahre zuvor war in Berlin ein Schulversuch „Algorithmierung von Lehrprogrammen für computergesteuerten Unterricht“ (ALCU) begonnen worden. Neben diesen Projekten gab es in dieser Zeit eine Reihe weiterer Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum computergestützten bzw. computerunterstützten Unterricht.
1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
Im Rahmen eines Modellversuchs „Computerunterstützter Unterricht in Biologie“ wurde Anfang der siebziger Jahre an der Universität Freiburg eine Reihe von Übungsprogrammen erprobt. Mit dem Programm PFLABE sollten Biologiestudenten als Alternative zu einem Praktikum Wissen für das Bestimmen einheimischer Blütenpflanzen erwerben. Der Lernerfolg war nicht besser als der der Vergleichsgruppe im Praktikum, jedoch war der Zeitaufwand beim Lernen mit dem Übungsprogramm deutlich geringer. Das Programm ZOPRAM zielte darauf ab, unterschiedliches Vorwissen von Studenten durch Ausgleich von Defiziten zu homogenisieren. Dieses Ziel wurde erreicht (Gottwald, 1975; zit. nach Mandl, Gruber & Renkl, 1992, S. 18). Im Rahmen dieses Modellversuchs wurden auch Simulationsprogramme entwickelt und erprobt. Beim Tübinger Modellversuch „Computerunterstützte Simulationen im naturwissenschaftlichen Unterricht“ lag der Schwerpunkt beim Einsatz von Simulationsprogrammen (Simon, 1977). Insgesamt wurden in den siebziger Jahren eine Reihe von Modellversuchen im Bereich der allgemeinbildenden Schulen durchgeführt. Die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen kamen zu unterschiedlichen Befunden: Teils fand man eine Überlegenheit des neuen Mediums im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht, teils konnten keine Unterschiede gezeigt werden (z. B. Simon, 1974; Treitz, 1984; Mandl & Hron, 1985). In Deutschland war dann Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre für einige Jahre computerunterstütztes Lernen „kein Thema“ mehr, weder in der Erziehungswissenschaft noch in der Schulpraxis. Erst gegen Mitte der achtziger Jahre kam es langsam zu einer Renaissance des computerunterstützten Lernens in den deutschsprachigen Ländern, allerdings mit anderen Entwicklungsschwerpunkten als zehn Jahre zuvor: Einige Großunternehmen (Siemens AG, Allianz AG) und Institutionen wie die Deutsche Bundespost investierten hohe Beträge in die Entwicklung computerunterstützter Lernprogramme für die betriebliche Aus- und Fortbildung, andere Unternehmen folgten. Seit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre ist ein zunehmendes Interesse an computerunterstützten Lerntechnologien zu verzeichnen; dies zeigen die Zahlen der einschlägigen Ausstellungen, Kongresse und Seminare und deren Akzeptanz. Die Europäische Gemeinschaft (EC) schrieb seither mehrfach Forschungs- und Entwicklungsprogramme aus, die explizit innovativer Bildungstechnologie gewidmet waren.
1.2 Zur Entwicklungsgeschichte computerunterstützter Lerntechnologien
Ende der ersten Phase und Neubeginn
Abb. 1.4: Bildschirmdarstellungen aus einer „arbeitsanalogen Lernaufgabe“ für die kfm. Erstausbildung
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Schwerpunkt berufliche Bildung
Intelligente tutorielle Systeme?
Wenngleich der Schwerpunkt der Lernprogrammentwicklung zunächst nicht mehr im Bereich von Schule und Hochschule lag, gab es auch hier in den achtziger Jahren eine Wiederbelebung des computerunterstützten Lernens. Ein Beispiel für methodisch anspruchsvollere Forschungsarbeiten dieser Zeit sind die Studien mit dem am Deutschen Institut für Fernstudien in Tübingen entwickelten Programm KAVIS bzw. KAVIS II. Dabei handelt es sich um ein tutorielles Lernprogramm mit Videoeinbindung für den Biologieunterricht (Fischer et al., 1988; Fischer & Mandl, 1988). Untersucht wurden u. a. Wirkungen unterschiedlicher Rückmeldungsarten. Unter Forschungsaspekten bedeutsam wurden auch Simulationsprogramme in Form von Planspielen. Ein von Preiß (Preiß, 1990; 1992) an der Universität Göttingen entwickeltes Unternehmensplanspiel „Jeansfabrik“ wurde in mehreren Projekten eingesetzt und evaluiert (Achtenhagen, 1991; Achtenhagen & John, 1990; Sembill, 1992). Die Befunde zeigen sehr deutlich die Bedeutung der Rolle des Lehrers und die Einbettung von Simulationen in ein didaktisches Gesamtkonzept bei Planspielen. Leutner (1989, 1991, 1992) untersuchte an der Universität Aachen die Effizienz adaptiver Lernhilfen beim Lernen mit Planspielen. Im Kontext wissenspsychologischer Fragestellungen zeigte sich, dass die Entwicklung intelligenter tutorieller Systeme auch ein Vehikel zum Verständnis grundlegender Probleme der Wissensrepräsentation und Wissensdiagnose sein kann: Zu dieser Thematik wurde 1987 ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgelegt (Mandl & Spada, 1988). Im Rahmen entsprechender Forschungs- und Entwicklungsprojekte wurden Lernumgebungen zu Themen aus der Physik, Informatik und Wahrscheinlichkeitstheorie entwickelt (Lukas & Albert, 1989; Mandl, Gruber et al., 1992; Möbus, 1990; Reimann, 1990; Plötzner, Spada, Stumpf & Opwis, 1990; Weber, Waloszek & Wender, 1987). Die Realisierung marktfähiger intelligenter tutorieller Systeme war nicht das Ziel dieser Arbeiten; es zeigte sich jedoch, dass der hohe Anspruch an Wissensdiagnose und Modellierung von Lernprozessen bzw. Wissensverarbeitung, der mit solchen Programmen verbunden ist, wohl auch mittelfristig nicht einzulösen sein wird. Mit der Verlagerung des Einsatzschwerpunkts computerunterstützten Lernens von der Schule zur beruflichen Bildung änderten sich die Forschungsfragen nicht bloß im Detail. Effektivitäts- und Effizienzaspekte, die Transferproblematik (Mandl, Prenzel & Gräsel, 1992) und insbesondere Möglichkeiten zur Unterstützung selbstständigen Lernens (Hofer & Niegemann, 1990) rückten in den Vordergrund. Mit neuen medien- und informationstechnischen Möglichkeiten bei der Entwicklung und Gestaltung computerunterstützter Instruktionssysteme ergeben sich auch neue technische, ergonomische, instruktionspsychologische und didaktische Fragestellungen, die zunehmend eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Niegemann et al. entwickelten ab 1993 an der Universität Mannheim computerbasierte arbeitsanaloge Lernaufgaben für die kaufmännische Erstausbildung (Kostenrechnung, Buchführung) und untersuchten u. a. unterschiedliche Hilfesysteme zur Förderung des selbstkontrollierten Lernens (Niegemann, Hofer, Gronki-Jost & Neff, 2001).
1.3 Neuere Entwicklungen Webbasiertes Lernen
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Einen starken Aufschwung erfuhr die Förderung des – seit Mitte der neunziger Jahre als „E-Learning“ bezeichneten Lehrens und Lernens – durch die Verbreitung des Zugangs
1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
zum Internet/WWW seit dem Ende der neunziger Jahre. Das multimediale Lernen wurde um Möglichkeiten des synchronen computerunterstützten kooperativen Lernens (CSCL) über beliebige Entfernungen erweitert, häufige Aktualisierungen der Programme wurden ebenso praktikabel wie Vernetzungen von Lernprogrammen mit relevanten Inhalten des Internets. Die Initiative „Schulen ans Netz“ erreichte, dass bis 2002 jede Schule in Deutschland zumindest über einen Internetanschluss verfügte. Uns ist allerdings keine Studie bekannt, die den aktuellen Stand (2008) der IT-Ausstattung an deutschen Schulen beschreibt. Generell spielt E-Learning in den öffentlichen Schulen gegenwärtig keine große Rolle. Im Jahr 2000 schrieb das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein groß angelegtes Programm „Neue Medien in der Bildung“ aus, in dessen Rahmen bis Ende 2003/ Anfang 2004 im gesamten Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland neue E-Learning-Programme, -Konzepte und -Tools entwickelt und evaluiert wurden. 2002 wurde zudem vom BMBF ein Programm „Notebook-University“ aufgelegt, mit dem konkrete Konzepte für ein „mobiles Lernen“, d. h. mit Notebook und drahtlosem Webanschluss, entwickelt und erprobt wurden. Über die Nachhaltigkeit dieser Programme ist u. E. derzeit noch kein abschließendes Urteil möglich. Manches deutet darauf hin, dass die Programme vielerorts Anstöße lieferten zu einer dauerhaften und besseren Praxis multimedialen Lernens, dass andererseits aber auch mit dem Ende der Förderung mit den Projektmitarbeitern das Know-how verloren ging und manche Entwicklung recht abrupt beendet wurde. Eine Übersicht über die geförderten Programme liefert der Projektberichtsband des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (DLR-Projektträger, 2004). Besonders viele Lernangebote wurden und werden für den Bereich der medizinischen Aus- und Weiterbildung entwickelt, nicht zuletzt weil ein fallbasiertes Lernen 2003 in der Approbationsordnung verankert wurde. Eine vielversprechende Idee schien die Wiederverwendbarkeit von einzelnen Modulen („Lernobjekte“). Um diese sicherzustellen bzw. zu fördern, müssen die Programme und Module standardisiert beschrieben werden. In die Entwicklung entsprechender Standards (LOM, SCORM) wurden in den letzten Jahren viele Ressourcen investiert. Seit 2006 existiert eine erste ISO-Norm (ISO/IEC 19796-1) zum Qualitätsmanagement im e-Learning; in welchem Maße sie akzeptiert wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Auch in anderen Bereichen als der Medizin hat sich multimediales Lehren und Lernen in den letzten fünf bis zehn Jahren etabliert. Kundenschulung (After-Sale-Services) und viele Formen technischer Kommunikation sind ohne E-Learning oder zumindest multimediale Unterstützung oft gar nicht mehr realisierbar. In vielen Hochschulen gibt es ehrgeizige Programme (z. T. Zielvereinbarungen), einen großen Teil der routinisierbaren Lehre durch E-Learning zu unterstützen.
1.4 Perspektiven Seit etwa 2002 begann die Euphorie für E-Learning etwas abzuflauen. Viele der oft weit überzogenen Erwartungen konnten (natürlich) nicht erfüllt werden:
1.4 Perspektiven
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• Massive Kosteneinsparungen waren zunächst nur in außergewöhnlichen Fällen erreichbar, etwa wenn sehr viele Adressaten geschult werden sollen. Die KostenNutzen-Relation hat sich inzwischen zwar deutlich verbessert, didaktisch gute Lernsoftware ist aber nach wie vor nicht billig zu haben. • Texte und Bilder, auch auf einer ansprechenden Lernplattform dargeboten, sind lediglich Texte und Bilder, mit denen ebenso gut gelernt werden kann wie aus gedruckten Vorlesungsskripten, nicht besser und nicht schlechter. • Genauso wenig, wie jemand wirklich schwimmen lernt, wenn man ihn einfach ins Wasser wirft, stellt sich plötzlich die Fähigkeit ein, selbstständig rationell lernen zu können. Die Abbrecherraten beim E-Learning sind vergleichsweise hoch, wenn die Lernenden das selbstständige Lernen nicht gewohnt sind und auch keine hinreichende (tutorielle) Unterstützung während des Lernprozesses erhalten. • Tolle bunte Bilder, schöne Hintergrundmusik in guter Qualität, realistische Geräusche, die Kombination von Schrift, Bild und Sprache: All dies sichert alleine keineswegs den Aufbau dauerhaften, anwendbaren Wissens und es wirkt auch nicht einfach motivierend. • Der Zeitaufwand (Lernzeit) beim problembasierten bzw. entdeckenden Lernen in multimedialen Lernumgebungen ist hoch, so dass auch bei nachgewiesener Effektivität solcher Medienprodukte unmöglich alle Lehrinhalte so vermittelt werden können; die Effektivität des problembasierten Lernens ist zudem keineswegs generell belegt. • In virtuellen Arbeitsgruppen im Web zeigen sich alle Probleme, die von Präsenzarbeitsgruppen bekannt sind – durch die mangelnde Sichtbarkeit der einzelnen Teilnehmer oft noch verschärft. Anders als beim ersten Boom in den siebziger Jahren hat sich E-Learning dennoch als eine Lehr- und Lernform fest etabliert. Die meisten der gerade aufgeführten Probleme lassen sich auf eine Quelle zurückführen: Es fehlt zu oft an einer qualitativ hinreichenden didaktischen Konzeption. Was dabei zu beachten ist, ist Thema dieses Buchs. Die (informations)technische Entwicklung ist selbstverständlich nicht beendet, es ist bisher auch keine Verlangsamung der Entwicklung festzustellen. Zunehmendes Interesse, sowohl im Bereich von Aus- und Weiterbildung als auch in den Hochschulen, erfährt Web 2.0, also die Möglichkeit, dass Lernende selbst Websites gestalten und ihr Wissen darstellen. Web 2.0-Anwendungen wie Wikis, allen voran die Online-Enzyklopädie Wikipedia, werden täglich von tausenden Nutzern frequentiert, bei den meisten Zugriffen kann eine Form informellen, selbstregulierten Lernens angenommen werden. Hierzu liegen unseres Wissens noch keine systematischen Studien vor. Ein weiterer Bereich, der in der nächsten Zeit deutlich stärker beachtet werden wird, ist das „Digital Game Based Learning“ bzw. „Serious Games“, also das Lernen mit Hilfe digitaler multimedialer Spiele mit „ernsthaftem“ Hintergrund. Interessant für E-Learning könnte schließlich die Entwicklung des „Semantic Web“ (Berners-Lee, Hendler & Lassila, 2001) werden. Möglichkeiten des Fragenstellens und der einfachen Informationssuche für Lernende könnten dadurch deutlich erleichtert werden. Allerdings steht der Durchbruch dieser Technik noch aus. Derzeit deutet auch manches auf eine modifizierte und „leisere“ Wiederbelebung der Idee „intelligenter tutorieller Systeme“ hin: Adaptives Lernen steht sowohl bei der mit
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1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
E-Learning befassten Informatik als auch in der pädagogischen Psychologie wieder hoch im Kurs. Die zuletzt genannten Tendenzen entwickeln sich keineswegs notwendigerweise getrennt voneinander: Web 2.0 und Lernspiele, „Semantic Web“ und KI im e-Learning könnten sinnvoll kombiniert die technische Basis neuer psychologisch-didaktischer Ansätze bilden.
1.5 Zusammenfassung Die Anfänge computergestützter Instruktion gehen auf die Programmierte Instruktion zurück, deren Grundlage die Prinzipien der operanten Konditionierung waren. Seitdem ist im Bereich des Instruktionsdesigns viel passiert. Skinner und Holland nutzten in ihrer programmierten Unterweisung lineare Lernprogramme, in denen der Lernstoff nacheinander zu bearbeiten war, Crowder schlug 1959 verzweigte Lernprogramme mit fehlerabhängigen Verzweigungen vor. Verzweigte Programme wurden typisch für computergestützte Instruktion. In Deutschland war nach einem großen Interesse Ende der siebziger bis Anfang der achtziger computergestützter Instruktion kein Thema mehr. Ein neuer Impuls kam dann Mitte der Achtziger aus der betrieblichen Bildung, wo von Großunternehmen wie Siemens oder der Deutschen Post in die Entwicklung computergestützter Lernprogramme investiert wurde. In den neunziger Jahren erfuhr E-Learning einen Boom, der mit den höchsten Erwartungen an diese „neue“ Form des Lernens verknüpft war. Allerdings konnten die überzogenen Erwartungen nicht erfüllt werden, weshalb die E-Learning-Euphorie etwas abflaute. Mittlerweile ist computergestützte Instruktion jedoch eine fest etablierte Lernform in Bildungsinstitutionen.
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1 Die Suche nach der Lehrmaschine: Von der Buchstabiermaschine über den Programmierten Unterricht zum E-Learning
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Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
Bei der Entwicklung von multimedialen Lernumgebungen sind vielfältige didaktische Entscheidungen zu treffen. Je nach Art der zu vermittelnden Lerninhalte und je nach vorliegenden Rahmenbedingungen ist die für den jeweiligen Zweck bestgeeignete Lernumgebung zu konzipieren. Instruktionsdesign als wissenschaftliche Disziplin beinhaltet technologische Aussagen zur effektiven Gestaltung von Lernumgebungen. Nach erfolgreichem Durcharbeiten dieses Kapitels kennen Sie
Lehrziele
• Grundlagen und Geschichte des Instruktionsdesigns, • ausgewählte Modelle des Instructional System Design zur Planung und Konzeption von Lernumgebungen, • unterschiedliche Modelle der ersten Generation des Instruktionsdesigns, • die wichtigsten Modelle der zweiten Generation des Instruktionsdesigns, die die aktive Rolle des Lernenden betonen, sowie • ein revidiertes Modell zur Planung und Konzeption von Lernumgebungen, das die Wechselwirkung verschiedener Entscheidungen betont.
2.1 Instructional Design: Die Idee Instruktionsdesign (instructional design, ID) hat sich seit den späten fünfziger Jahren in Nordamerika und später in den übrigen englischsprachigen Ländern, aber auch in den Niederlanden, Belgien und Finnland als wissenschaftlich-technologische Teildisziplin der pädagogischen Psychologie bzw. der empirischen Erziehungswissenschaft entwickelt. Die Grundidee war stets die systematische und vor allem die differenzierte Anwendung pädagogisch-psychologischer Prinzipien bei der Konzeption von Lerngelegenheiten bzw. Lernumgebungen. „Instruktion“ bezeichnet jedes systematische Arrangement von Umgebungsbedingungen, das geeignet ist, Kompetenzen zu fördern (Resnick, 1987, S. 51). „Instruktion“ ist damit anders als im Deutschen deutlich weiter gefasst als „Unterricht“ oder „Lehre“. Dem 2002 verstorbenen Robert M. Gagné (s. Abb. 2.1) – unbestrittener Vater der „Instructional Design“-Idee – ging es in erster Linie um die Ablösung von Vorstellun-
2.1 Instructional Design: Die Idee
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Abb. 2.1: Robert M. Gagné (1926 – 2002)
Unterschiedliche Bedingungen erfordern unterschiedliches Vorgehen
Empirische Befunde
gen von „der richtigen Lehrmethode“ durch eine Konzeption, die versucht, für unterschiedliche Kategorien von Lernaufgaben und unterschiedliche Lernvoraussetzungen und Rahmenbedingungen die jeweils (relativ) bestgeeignete Lernumgebung zu finden. Offensichtlich ist die Proklamation „der einen richtigen“ Lernumgebung bis heute virulent. Anfang der neunziger Jahre wurden „konstruktivistische“ Lernumgebungen mit missionarischem Eifer propagiert, später sahen einige in „offenen Lernumgebungen“ die Lösung. Diese Konzepte sind dabei keineswegs generell ungeeignet, sie sind lediglich nicht generell geeignet. Dass Lernprozesse stochastischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, wird wohl von keinem wissenschaftlich arbeitenden Psychologen in Zweifel gezogen. Gleichzeitig ist klar, dass die Funktionszusammenhänge zwischen den Variablen externer und interner (individueller) Lernvoraussetzungen hochkomplex sind und zu vielen Zusammenhängen ökologisch valide empirische Befunde fehlen. Deshalb aber auf eine Fundierung der Konzeption von Lernumgebungen durch Untersuchungsergebnisse der Kognitionswissenschaften und der Psychologie zu verzichten, wäre vergleichbar dem Verzicht auf Befunde aus Biologie, Chemie und Physik in der Medizin. Es gibt klare empirische Befunde aus systematisch kontrollierten und in der Regel replizierten Untersuchungen, die zeigen, dass z. B. • beim Begriffslernen die Anzahl, Art und Zusammenstellung von Positiv- und Negativbeispielen des zu lernenden Begriffs die Qualität des Lernergebnisses beeinflussen und eine optimale Strategie für die Präsentation von Beispielen existiert (Tennyson & Park, 1980), • die gleichzeitige Präsentation von gesprochenem und geschriebenem Text zur Erläuterung eines Sachverhalts, der durch eine Animation veranschaulicht wird, im Durchschnitt schlechtere Lernergebnisse zur Folge hat als lediglich gesprochener Text (Mayer, 2001; s. auch Kap. 16), • das Zugrundelegen einer individuellen Bezugsnormorientierung bei Rückmeldungen die Lernmotivation von Schülern im Vergleich zur üblichen sozialen Bezugsnormorientierung im Mittel deutlich steigert (Mischo & Rheinberg, 1995; Rheinberg, Vollmeyer & Rollett, 2000; s. auch Kap. 22),
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2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
• Bilder, Animationen oder Geschichten, die nichts zur Erklärung der intendierten Sachverhalte beitragen, sondern lediglich „irgendwie motivieren“ sollen, das Behalten und Verstehen des Lehrstoffs eher behindern als fördern (Mayer, 2001; s. auch Kap. 17), • die Platzierung erklärender Texte innerhalb des Abbildes eines technischen oder biologischen Gegenstandes im Durchschnitt zu deutlich besseren Lernerfolgen führt als die Platzierung außerhalb der Grafik (daneben, darunter, auf der vorgehenden oder der folgenden Seite), auch wenn letztere Variante meist als ästhetisch besser gilt und daher intuitiv vorgezogen wird (Sweller, 1999; s. auch Kap. 17). Sofern nun weder Falsifikation noch theoretisch wohlbegründete Annahmen existieren, die diese Aussagen relativieren, ist es vernünftig, die entsprechenden Prinzipien der Bildung von Empfehlungen für die didaktischen Konzeption zugrunde zu legen und bis auf weiteres anzuwenden. Die Gültigkeit der deskriptiven Aussagen (aus der Grundlagenforschung) ersetzt dabei nicht die empirische Prüfung der Effektivität der „technologischen Regeln“. Solange dies nicht geschehen ist, handelt es sich lediglich um begründete hypothetische Annahmen. Instructional-Design-Theorien bzw. -Modelle bestehen in ihrem Kern aus technologischen Aussagen, die beanspruchen, durch deskriptive, stochastisch-gesetzesmäßige Aussagen (meist aus der psychologischen Forschung) fundiert zu sein. Die wissenschaftstheoretische Diskussion zur „Anwendung“ nomothetischer bzw. gesetzesähnlicher stochastischer Aussagen kann hier nicht angemessen wiedergegeben werden. Wissenschaftstheoretisch interessierte Leser seien daher auf die Beiträge von Bunge (1998, 2001) und Herrmann (1994) verwiesen und speziell für die Erziehungswissenschaft auf die Beiträge in Krapp und Heiland, (1981) sowie das Werk von Alisch (1995). Ohne Rekurs auf diese oder andere einschlägige Arbeiten ist eine seriöse wissenschaftstheoretische Bewertung technologischer Theorieansätze in der pädagogischen Psychologie und der Erziehungswissenschaft nicht möglich. Die schlichte Behauptung, man könne aus nomothetischen Gesetzmäßigkeiten keine technologischen Hypothesen begründen, ist abwegig. Auch hier trägt die Analogie zur Medizin: Wahrscheinlich resultieren viele neue Ideen für Pharmaka und Therapiepläne aus der biologischen und chemischen angewandten Grundlagenforschung. Die Wirksamkeit der „technologisch transformierten“ Aussagen muss aber stets eigenen empirischen Überprüfungen standhalten. Wenn z. B. ein Krankheitssymptom nachweislich auf dem Mangel an einem bestimmten Hormon beruht, so folgt daraus nicht unbedingt, dass die richtige Therapie darin besteht, einfach dieses Hormon zuzuführen. Man wird aber auf der Basis des grundlagenwissenschaftlichen Wissens eine Vorgehensweise suchen, die geeignet ist, den Hormonmangel mit möglichst geringen Nebenwirkungen auszugleichen. Die theoretische Orientierung an der Psychologie als Grundlagenwissenschaft bleibt auch bei neueren Forschungsstrategien wie den „Designexperimenten“ oder dem „Integrierten Forschungsparadigma“ (Fischer et al., 2003) erhalten. Diskutiert wird seit einigen Jahren, wie die Forschung organisiert werden kann, damit sich psychologische Laborforschung und empirisch-pädagogische Feldforschung optimal ergänzen. Für die Einordnung von Instruktionsdesignmodellen bzw. zur Zuordnung der Empfehlungen innerhalb von ID-Modellen ist die Unterscheidung „inhaltlich-technologischer“ und „operativ-technologischer“ Aussagen wichtig. Inhaltlich-technologische Aussagen geben u. a. an, wie etwas beschaffen sein muss oder was getan werden muss, wenn eine bestimmte Wirkung bezweckt wird. Operativ-
2.1 Instructional Design: Die Idee
Technologische Aussagen
Analogie zur Medizin als angewandte Wissenschaft
Inhaltlich-technologische Aussagen
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Analyse Design (Konzeption) Development (Entwicklung i.e.S.) Implementation
technologische Aussagen bzw. Theorien oder Modelle beziehen sich auf die Effizienz der Vorgehensweise in der Entwurfsphase. Im Bereich der Planung und Konzeption von Lernumgebungen sind dies insbesondere „Instructional System Design“-Modelle, die seit Mitte der sechziger Jahre verwendet werden (Gustafson & Branch, 2002). Kern ist eine systematische Koordination der Entwicklungsphasen Analyse, Design (Konzeption), Entwicklung im engeren Sinne (Development), Implementierung sowie Evaluation (ADDIE), wobei die Evaluation sowohl formativ als auch summativ erfolgt. Vielleicht wäre es zweckmäßig, Evaluation heute durch „Qualitätssicherung“ als umfassenderen Begriff zu ersetzen. Design (Konzeption) bezieht sich auf alle Situationen, in denen eine Entscheidung zur Gestaltung oder Vorgehensweise erforderlich ist. Die Lösung jedes Designproblems umfasst dabei zweckmäßigerweise die folgenden Schritte (vgl. Simon, 1996): • Suche nach alternativen Möglichkeiten,
Evaluation
• Analyse jeder Lösungsalternative hinsichtlich Kosten, Nutzen, Konsequenzen (Seiteneffekte),
Abb. 2.2: Instructional System Design: ADDIEModell
• Festlegung einer geeigneten Entscheidungsprozedur, • Entscheidung für eine bestimmte Alternative. Andere Modelle geben Empfehlungen, wie der Designprozess zu handhaben ist, z. B. die sukzessive Durchführung von Bedarfsanalyse, Wissensanalyse, Adressaten- und Kontextanalyse, die anschließende Definition von Zielen, die Entwicklung von Evaluationsinstrumenten und die Berücksichtigung der Beziehungen zwischen den Resultaten der durchgeführten Analysen und den weiteren Ebenen der Designentscheidungen. Sowohl die Betonung der Differenzierung didaktischer Entscheidungen nach Merkmalen der Aufgabenstellung wie auch der hohe Stellenwert der Lernvoraussetzungen (Berücksichtigung des erforderlichen Vorwissens, erforderlicher Fähigkeiten) erfordern zwingend eine systematische und stets aufwendige Wissens- bzw. Aufgabenanalyse – ein Erfordernis, das in der Praxis viel zu oft missachtet wird. Im Folgenden skizzieren wir einige Instruktionsdesignmodelle.
2.2 Modelle des Instructional Design: Das Urmodell Im „Urmodell“ des Instruktionsdesigns von Gagné sind beide Arten technologischer Theorien vereinigt: Grundprinzipien des Instruktionsdesigns nach Gagné, Briggs und Wager (1988) sind die Sicherung der Lernvoraussetzungen für die jeweils folgenden Lehrinhalte einerseits und die Differenzierung der didaktischen Prozesse nach unterschiedlichen Lehrzielkategorien andererseits. „Lernvoraussetzungen“ stehen hier insbesondere für das Wissen, das notwendigerweise bereits erworben sein muss, um einen neuen Lehrinhalt erlernen zu können: So ist z. B. die Kenntnis der Addition und der Subtraktion erforderlich, um die Multiplikation und die Divison zu erlernen. Das Verstehen einer Problemlösestrategie erfordert die Kenntnis bestimmter Regeln oder Prinzipien. Von einem bestimmten Lehrziel aus rückwärts gehend, lässt sich eine Hierarchie von Lernvoraussetzungen konstruieren, wobei jede noch nicht beherrschte Lernvoraussetzung selbst ein Lehrziel darstellt, das zwingend vor dem übergeordneten Lehrziel vermittelt
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2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
Sprachlich repräsentiertes Wissen
Kognitive Fähigkeiten
Kognitive Strategien
Einstellungen
Abb. 2.3: Fünf Lehrzielkategorien nach Gagné, Briggs & Wager (1988)
Motorische Fähigkeiten
werden muss (Lehrzielhierarchie). Eine solche Vorgehensweise erfordert eine Kategorisierung der zu erwerbenden Fähigkeiten. Gagné (1985) unterschied fünf Lehrzielkategorien: Sprachlich repräsentiertes Wissen, kognitive Fähigkeiten, kognitive Strategien (mit fünf Unterkategorien), Einstellungen und motorische Fähigkeiten (s. Abb. 2.3). Zu Beginn jeder Planung und Entwicklung von Lernumgebungen müssen die zu vermittelnden Fähigkeiten anhand dieser Kategorien analysiert werden, da die Art der empfohlenen Vorgehensweise (Lehrschritte) je nach Kategorie variiert. Nach Kategorisierung der erwünschten Lernresultate werden die jeweils geeigneten Lehrmethoden empfohlen. Entsprechend den Phasen eines Lernprozesses unterschieden Gagné (1985) bzw. Gagné, Briggs und Wager (1988) eine spezifische Abfolge von „events of instruction“ (Lehrereignissen), im Folgenden als „Lehrschritte“ bezeichnet. Für Gagné repräsentieren diese Lehrschritte die inneren und äußeren Lernbedingungen, die erforderlich sind, um sich die verschiedenen Arten erlernbarer Fähigkeiten anzueignen: Aufmerksamkeit gewinnen, Informieren über die Lehrziele, Vorwissen aktivieren, Darstellung des Lehrstoffs mit den charakteristischen Merkmalen, Lernen anleiten, Ausführen bzw. Anwenden lassen, informative Rückmeldung geben, Leistung kontrollieren und beurteilen, Behalten und Transfer sichern (s. Abb. 2.4). Eine für die Praxis wichtige Weiterentwicklung des Modells publizierten Dick und Carey (1996). Die Instruktionsdesigntheorie von Gagné, Briggs und Wager sowie das ID-Modell von Dick und Carey wurden ohne spezielle Berücksichtigung des Lehrens und Lernens mit Medien entwickelt, sie enthalten daher keine Hinweise für medienspezifische Designentscheidungen. Beide Ansätze eignen sich jedoch auch für die Entwicklung multi-
Aufmerksamkeit gewinnen
Informieren über Lehrziele
Vorwissen aktivieren
Ausführen/ Anwenden lassen
Lernen anleiten
Darstellen des Lehrstoffs
Informative Rückmeldung geben
Leistung kontrollieren u. beurteilen
Behalten und Transfer sichern
2.2 Modelle des Instructional Design: Das Urmodell
Innere und äußere Lernbedingungen
Einschätzung der ID-Theorien von Gagné, Briggs und Wager
Abb. 2.4: Die neun Lehrschritte nach Gagné, Briggs und Wager (1988)
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Kombinationen von ID-Modellen
medialer Kurse, insbesondere wenn Lernende neu in einen Lehrstoff eingeführt werden sollen. Möglich ist auch eine Kombination mit einem situationistischen Modell: In einem EU-Projekt zur Ausbildung von Katastrophenschutz-Fachleuten wurden z. B. die Lehrschritte 4 (Darstellung der Lehrinhalte) bis 7 (Informative Rückmeldung) durch ein computerbasiertes Szenario realisiert. Es hat sich gezeigt, dass eine ausschließlich hierarchisch orientierte Sequenzierung des Lehrstoffs nicht immer optimal ist. In einer empirischen Vergleichsstudie mit einer alternativen ID-Theorie (Case, 1978), bei der das Vermeiden einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses im Vordergrund stand, erwies sich letztere als überlegen (Sander, 1986). Weitere Ausführungen zur Sequenzierung finden sich in Kap. 13.
2.3 Weitere Modelle der ersten Generation In den siebziger Jahren wurde eine ganze Reihe von Instruktionsdesignmodellen entwickelt, von denen die meisten heute lediglich historische Bedeutung haben. Auf eine Darstellung kann daher hier verzichtet werden. Viele Modelle hatten nicht den gesamten Designprozess im Visier, sondern zielten auf bestimmte Teilaspekte: die Sequenzierung der Inhalte, das Lehren von Begriffen, das Vermitteln von Regeln u. ä. Bis heute bedeutsam ist das ARCS-Modell von J. Keller mit systematischen Empfehlungen zur Motivierung Lernender, auf das später ausführlicher eingegangen wird (s. Kap. 25). Eine ausführliche Zusammenstellung der Theorien und Modelle der „ersten Generation“ des Instructional Design bietet ein Sammelband von (C. M. Reigeluth, 1983). Eine interessante Ergänzung dazu ist ein Sammelband des gleichen Autors, in dem die Autoren eines Teils der Ansätze gebeten wurden, zu einem vorgegebenen, für alle gleichen Thema (Lichtbrechung, Prismen) jeweils einen Unterrichtsentwurf auf der Basis ihres Modells zu entwickeln (Reigeluth, 1987). 1999 veröffentlichte Reigeluth unter gleichem Haupttitel einen Sammelband, in dem neben den älteren ID-Modellen auch die neueren ID-Modelle der „zweiten Generation“ dargestellt sind (Reigeluth, 1999).
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“ 2.4.1 Kritik am Instructional Design
Rigidität der Empfehlungen
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Ende der achtziger Jahre gerieten die bis dahin entwickelten Instruktionsdesignmodelle in die Kritik. Die wichtigsten Vorwürfe betrafen (a) eine zu hohe Rigidität der Empfehlungen, welche die didaktische Kreativität der Autoren einschränke, und (b) die Produktion „trägen Wissens“. Gegen den ersten Kritikpunkt kann eingewandt werden, dass niemand gezwungen ist, die Modelle quasi wörtlich umzusetzen. Auch eine Kombination der Elemente unterschiedlicher Modelle war stets möglich.
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
Schwerwiegender war der zweite Vorwurf. Tatsächlich empfahlen die seinerzeit vorliegenden Modelle nahezu ausschließlich Formen direkter Instruktion und sahen Formen des kooperativen Lernens nicht vor. Wissen, das abstrahiert dargeboten wird, kann von den Lernenden oft nicht ohne weiteres beim Lösen von Problemen angewendet werden, es handelt sich um „träges Wissen“ (Renkl, 1996); oft wird gar nicht erkannt, dass man grundsätzlich über einschlägiges Wissen verfügt. In der Folgezeit wurden einerseits neue didaktische Modelle entwickelt, die auf selbstständiges Entdecken, Aktivitäten der Lernenden, unmittelbare Rückmeldung, multiperspektivische Sichtweisen und kooperatives bzw. kollaboratives Lernen abzielten. Andererseits wurden aber auch einige der älteren Modelle revidiert. Da es sich bei diesen Modellen oft um „lokale Modelle“ handelt, die lediglich bestimmte Aspekte des Instruktionsdesign thematisieren, sind Kombinationen von Modellkomponenten möglich. Außerdem gibt es gute Gründe, Modelle „direkter Instruktion“ unter geeigneten Bedingungen weiterhin einzusetzen. Es lohnt sich daher, sich auch mit einigen der älteren Modelle vertraut zu machen.
Träges Wissen
Revision älterer ID-Modelle
2.4.2 Merrills Instructional-Transaction-Theorie Die Instructional Transaction-Theorie (ITT) ist eine Weiterentwicklung der von M. David Merrill seit den siebziger Jahren entwickelten Component Display Theory (CDT, Merrill, 1983). In dieser Theorie ging es darum, die Komponenten zu identifizieren, aus denen Lehrstrategien konstruiert werden können. Sie lieferte Strategieempfehlungen für unterschiedliche (kognitive) Lehrzielkategorien im Sinne jeweils optimaler Kombinationen der angesprochenen Komponenten. Die Instructional Transaction Theory (Merrill, 1999) beschränkt sich wie ihre Vorläuferin auf kognitive Lehrziele. Sie ist ganzheitlicher und weniger analytisch orientiert als die CDT. Als „instructional transaction“ bezeichnet Merrill eine Instruktionsstrategie, die alle Bedingungen des Lernens im Gagné’schen Sinne für eine bestimmte Zielkategorie erfüllt. Besonders wichtig ist jeweils eine umfassende und exakte Wissensanalyse. Vier grundlegende Typen von „Wissensobjekten“ werden unterschieden: Entitäten (entities), Eigenschaften, Aktivitäten und Prozesse. „Entitäten“ repräsentieren Objekte der realen Welt z. B. Personen, Tiere, Geräte, Plätze, Symbole usw. wie auch abstrakte Begriffe (z. B. Demokratie, Pressefreiheit, Unendlichkeit). „Eigenschaften“ repräsentieren qualitative oder quantitative Merkmalausprägungen der Entitäten. „Aktivitäten“ sind Handlungen, die ein Lerner ausführen kann, um Objekte zu manipulieren. „Prozesse“ stehen für Ereignisse, die zu Veränderungen der Eigenschaften von Entitäten führen. Prozesse können durch Aktivitäten oder andere Prozesse beeinflusst werden. Merrill unterscheidet 13 Klassen von Transaktionen (ausführliche Erklärungen in Merrill, Li, Jones & Hancock, 1991):
Nur kognitive Lehrziele
Wissensanalyse
13 Klassen von Transaktionen
• Identifizieren (identify): Teile einer Entität erinnern und benennen; • Ausführen (execute): Schritte einer Aktivität erinnern und ausführen; • Verstehen, Erklären (interpret): Erklären von Prozessen durch Gesetzmäßigkeiten (z. B. Naturgesetze);
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
23
• Urteilen (judge): Bewerten, Rangfolgen bilden; • Klassifizieren (classify): Sortieren von Objekten, Beispielen (instances); • Verallgemeinern (generalize): Klassen bilden, Gruppieren von Objekten, Beispielen (instances); • Entscheiden (decide): Wählen zwischen Alternativen; • Transfer (transfer): Übertragen auf neue Situationen; • Ausbreiten (propagate): Erwerb von Fertigkeiten im Kontext des Erwerbs anderer Fertigkeiten; Generalisieren von Fertigkeiten; • Analogien (analogize): Erwerb von Wissen oder Können in Bezug auf Aktivitäten, Ereignissen oder Aktivitäten anhand der Ähnlichkeit zu anderen Aktivitäten usw.; • Ersetzen (substitute): Erweiterung einer bestimmten Aktivität, um eine andere Aktivität zu erlernen; • Konzipieren (design): Eine neue Aktivität erfinden, einführen; • Entdecken (discover): Einen neuen Prozess entdecken.
Ziele von ITT
Öffentlich demonstrierte Beispiele von Lernprogrammen, die auf der Basis der ITT erzeugt worden waren, beziehen sich insbesondere auf Wissen und Fertigkeiten im Zusammenhang mit der Bedienung, Wartung und Reparatur von Maschinen und Anlagen; berichtet wird allerdings auch von einer Dorfsimulation. Die Ziele von ITT sind: • wirksame Instruktion durch präzise Aussagen über die zum Erreichen eines bestimmten Lehrziels erforderlichen Interaktionen, • effiziente Instruktionsentwicklung durch kürzere Entwicklungszeiten auf der Grundlage der algorithmischen Struktur der Theorie und Nutzung der entwickelten Softwarewerkzeuge, • Entwicklung hochinteraktiver Lernumgebungen mit Simulationsmöglichkeiten und Anleitungen für die Lernenden sowie • die Konzeption und Produktion wirklich individuell adaptiver Instruktion.
Begriffsnetzdarstellung
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Bei der Entwicklung einer interaktiven Lernumgebung wird zunächst im Rahmen der Wissensanalyse eine Art Begriffsnetz der Prozesse, Entitäten (mit ihren Eigenschaften und deren Wertigkeiten) und Aktivitäten (PEAnet) entwickelt. Eine solche PEAnetDarstellung ermöglicht es, einen Simulationsalgorithmus zu entwerfen (Simulation Engine), der die Grundlage aller Lernumgebungen sein kann, die auf einer entsprechenden PEAnet-Repräsentation basieren. Der Simulationsalgorithmus bzw. die Simulation Engine überwacht die Handlungen (meist Mausaktivitäten), interpretiert diese, prüft die Bedingungen des Prozesses, der durch die jeweilige Aktivität beeinflusst wird, und führt gegebenenfalls den Prozess aus. Die geänderten Eigenschaftsausprägungen werden auf dem Bildschirm in geeigneter Form dargestellt. Die so entwickelten Simulationen erlauben den Lernern sowohl schwerwiegende Fehler als auch ein Rückgängigmachen von Handlungen. Da sich bloßes Explorieren jedoch als ineffizient erwiesen hat, werden unterschiedliche Formen von Anleitung und Beratung implementiert: propädeutische Instruktion, Demonstration, Handlungsunterstützung (scaffolding) sowie Erklärungen
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
zu exploratorischem Lernerverhalten; Lernende können auch Fragen stellen. Schließlich werden Fähigkeiten zur Fehlererkennung und Fehlerbeseitigung (trouble-shooting skills) gefördert. Durch Konzeption unterschiedlicher Lehrstrategien für unterschiedliche Lernermerkmale (Motivation, Interesse, Vorwissen usw.) kann eine Lernumgebung, die auf der Basis der Instructional Transaction Theory entwickelt wurde, adaptiv gestaltet werden. Merrills Modell steht historisch in enger Beziehung zur Entwicklung des computerbasierten Trainings (CBT), u. a. wurden eine Reihe von CBTs für die Aus- und Fortbildung von Militärangehörigen anhand dieses Modells entwickelt und erfolgreich eingesetzt; bevorzugte Lehrstoffe waren die Bedienung, Wartung und Reparatur von Maschinen und elektronischen Geräten sowie Klassifizierungsaufgaben (z. B. Erkennen von Schiffs- und Flugzeugtypen). Für solche Lehrstoffe kann Merrills Ansatz sehr effizient sein. Eine Entwicklung umfassenderer Lernumgebungen nach diesem Ansatz ist nicht bekannt. Das Modell besticht durch die Stringenz und Klarheit seiner Empfehlungen. Die andere Seite der Medaille ist jedoch eine gewisse Rigidität, die allerdings nur dann von Nachteil ist, wenn dadurch bessere Alternativen verhindert werden. Merrills Methode der Wissensanalyse kann auch beim Instruktionsdesign, das sich an anderen Theorien oder Modellen orientiert, sehr nützlich sein.
Einschätzung von ITT
2.4.3 Projektmethode – multimedial und an Geschichten verankert Ein inzwischen vielfach bewährter Ansatz explorativen Instruktionsdesigns wurde Anfang der neunziger Jahre unter der Bezeichnung „Anchored Instruction“ bekannt: Ein Modell, das im Wesentlichen von der Forschergruppe um Bransford (Bransford et al., 1990) bzw. der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1991b, 1997) entwickelt wurde. Ausgangspunkt war wie beim Cognitive Apprenticeship-Modell (s. u.) unmittelbar die Kritik an der Produktion „trägen Wissens“ durch den typischen lehrerzentrierten Unterricht, der überwiegend abstraktes Wissen, getrennt von Anwendungssituationen, lehrt. Das Konzept des Anchored-Instruction-Modells stellt den Versuch dar, die Anwendbarkeit von Wissen zu verbessern, wobei zentrales Merkmal ein narrativer Anker ist, der Interesse wecken und die Aufmerksamkeit auf das Wahrnehmen und Verstehen der gestellten Probleme lenken soll. Die gegebenen Problemsituationen stellen dabei komplexe, aber nachvollziehbare Kontexte in narrativer Form dar, die unterschiedliche Fachbereiche tangieren und variable Perspektiven bieten. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zur Lernwirksamkeit solcher Lernumgebungen wurden mit Hilfe der Abenteuergeschichten des Jasper Woodbury durchgeführt (Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1991a). Diese Geschichten sind jeweils Bestandteil einer technologiebasierten Lernumgebung zur Lösung mathematischer und anderer Problemstellungen und wurden im Wesentlichen nach sieben Gestaltungsprinzipien konzipiert:
Anchored Instruction
• Verwendung von audiovisuellen Medien (Videofilm)
Sieben Gestaltungsprinzipien
• Narrative Struktur (Einbettung der Aufgaben und Problemstellungen in eine zusammenhängende Geschichte)
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
„Jasper Woodbury Geschichten“
25
• Das Lösen komplexer, oft interdisziplinär konstruierter Probleme • Einbettung aller relevanten Informationen in die Geschichte • Sinnvolle Komplexität • Jeweils zwei Geschichten zur gleichen Thematik zwecks Förderung des Abstrahierens • Herstellung von Verknüpfungen zwischen verschiedenen Wissensdomänen
Weiterentwicklung
Ziele von Anchored Instruction
Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der Medieneinsatz geeignete Bedingungen dafür schaffen kann, realitätsnahe Probleme erfolgreich zu bearbeiten, neue Situationen zu entdecken und selbstgesteuert neue Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erwerben. In Bezug zu herkömmlichen Unterrichtsmethoden erinnert das Anchored-Instruction-Modell stark an den Projektunterricht in seiner didaktisch sinnvollen Form, wobei durch den Medieneinsatz auch Erfahrungsbereiche erschlossen werden können, die den Lernenden sonst nicht verfügbar sind. Das ursprüngliche Modell wurde weiterentwickelt und präzisiert zu einem Modell für die Entwicklung flexibel adaptiver Lernumgebungen (Schwartz, Lin, Brophy & Bransford, 1999). Ziel des Ansatzes ist es, ein tiefes Verständnis für die jeweiligen Fachdisziplinen zu erreichen und gleichzeitig Problemlösefähigkeit sowie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit zu fördern. Diese Ziele sollen erreicht werden durch die Anwendung von „problembasiertem Lernen“, gefolgt von offenerem „projektbasiertem Lernen“. Im Einzelnen liegen der Konzeption folgende Zielvorstellungen zugrunde: • Hilfen für Lernende und Lehrende beim Verständnis des Wesentlichen, • Individuelle Anpassung der Lehrmaßnahmen an das vorhandene Vorwissen der Lernenden, • Vermittlung unterschiedlicher Sicht- und Herangehensweisen in Bezug auf die jeweiligen Lehrinhalte, • Verwendung von Methoden, die einerseits mit lern- und instruktionspsychologischen Prinzipien übereinstimmen, anderseits hinreichend flexibel sind: Lehrende sollen im Rahmen dieser Prinzipien Lehrmethoden so zuschneiden können, dass sie ihren eigenen Stärken, den Bedürfnissen der Lernenden und den Ansprüchen der Gesellschaft gleichermaßen genügen, • Erhöhung der Ambiguitätstoleranz der Lernenden, d. h. der Fähigkeit, scheinbar oder tatsächlich Widersprüchliches zu ertragen; z. B. das Nebeneinanderbestehen unterschiedlicher Theorien, • „Aufhängen“ neuer Lehreinheiten an subjektiv sinnvollen, möglichst authentischen Aufgabenstellungen, • Förderung der Setzung eigner Ziele seitens der Lernenden, selbstregulierte Exploration und Revision in Lernen und Instruktion, • Motivieren durch Anregung der Neugier und Induktion von Erwartungshaltungen; motivieren zu ständiger Revision und Verbesserung der Lernleistungen, • Hilfe für Lernende, ihre Lernfortschritte zu erkennen und zu reflektieren, • Ständige Weiterentwicklung der Lehrmethoden,
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2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
• Orientierung der Instruktionsmethoden an Lernfunktionen, nicht an den verfügbaren Medien, • Lernergruppe unterstützen, ein gemeinsames (shared) mentales Modell des jeweiligen Lerngegenstands zu entwickeln, • Lernende überzeugen, ihre Ideen explizit mitzuteilen, • Instruktionsdesign in Kooperation mit Lehrenden und Lernenden entwickeln. Sowohl als Anleitung als auch als Sammlung von Werkzeugen für die Verwendung des Designmodells wurde eine anpassungsfähige Softwareumgebung entwickelt („STAR LEGACY“) (Schwartz et al., 1999, S. 190 ff.). Die Methodik des Ansatzes umfasst insbesondere folgende Phasen und Prinzipien: 1. Vorausschau und rückblickende Reflexion. Ziele, Kontext und Anforderungen des Unterrichts sollen von allen verstanden werden. Die Lernumgebung muss Gelegenheiten bieten, vorhandenes Wissen und vorhandene Fähigkeiten in der Lehr-LernSituation auszuprobieren. Die Aufgabenstellungen und ihre Bearbeitung sollen auch Möglichkeiten für die Lernenden bieten, über sich selbst zu reflektieren und sich selbst zu bewerten. Bestandteil der ersten Phase sind auch interessante Folgen von Bildern, Erzählungen und offenen Fragen. Die Lernumgebung soll Lernenden helfen, das spezielle Problem als Prototyp einer Kategorie von Problemen zu begreifen.
Methodik
2. Konfrontation mit dem Einstiegsproblem (initial challenge). Das Einstiegsproblem soll so gewählt werden, dass Lernende ein gemeinsames mentales Modell des Lerngegenstands entwickeln können. Die Aufgabenstellung muss hinreichend interessant und geeignet sein, eigene Ideen der Lernenden anzuregen. 3. Ideenproduktion. Nach der Konfrontation mit dem Einstiegsproblem werden Ideen gesammelt und aufgeschrieben; ein spezielles Softwareprogramm kann hierbei helfen. Es kommt insbesondere darauf an, dass (a) die Lernenden ihr Denken explizit machen, (b) erkennen, was andere denken, (c) ermutigt werden, eigene Gedanken in der Lerngruppe mitzuteilen, (d) die Lehrenden den Wissensstand der Lernenden leichter diagnostizieren können und (e) die Lernenden selbst Grundlagen für das Erkennen ihrer eigenen Lernfortschritte entwickeln. 4. Multiple Perspektiven. Es muss deutlich werden, dass es in dem jeweiligen Fachgebiet unterschiedliche Sichtweisen gibt. Lernenden soll die Möglichkeit geboten werden, die Terminologie und die Denkweise von Experten kennen zu lernen und ihre eigenen Ideen damit zu vergleichen. Auch die Vermittlung realistischer Leistungsstandards wird angestrebt. 5. Recherchieren, explorieren und verbessern. Wichtig ist die Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen, die Zusammenarbeit mit anderen Lernenden und die Verwendung der Arbeitsergebnisse anderer. In dieser Phase können unterschiedlichste Instruktionsmethoden eingesetzt werden, vom Lehrvortrag über Gruppenarbeit, Leitprogramme, Videos bis zum webbasierten kooperativen Lernen. 6. Selbsttests. Sobald Lernende sich dem gewachsen fühlen, sollen sie ihren Leistungsstand testen können. Dazu sollten vielfältige Testformen angeboten werden: MultipleChoice-Tests, Kurzaufsätze, Gelegenheiten, eigene Problemlösungsansätze zu erproben, etc. Die Rückmeldungen müssen Vorschläge zum lückenschließenden Lernen
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
27
beinhalten. Zur Selbstbewertung (z. B. bei Essays) können Checklisten und Musterlösungen angeboten werden. Lernende sollen dazu angehalten werden, zu recherchieren und ihre Arbeiten zu verbessern. Etwas zu verbessern soll nicht als Strafe für Fehler, sondern als normaler Bestandteil alltäglichen Arbeitens, auch von Experten, begriffen werden. Feedback soll stets motivierend sein. 7. Öffentliche Darstellung. Wenn Selbsttests hinreichende Fähigkeiten gezeigt haben, sollen Arbeitsergebnisse präsentiert werden. Zwei Möglichkeiten: (a) Präsentieren der besten Lösungen (Darstellung im Netz, Erstellen einer gemeinsamen Multimediapräsentation, mündlicher Vortrag); (b) Erstellen einer Dokumentation mit Tipps und Ideen für Lernende, die das gleiche Projekt später bearbeiten werden. 8. Fortschreitende Vertiefung. Es gibt jeweils drei thematisch aufeinander bezogene, aufeinander aufbauende Problemaufgaben zunehmender Schwierigkeit. Am Ende kann zum Beispiel eine komplexe Projektaufgabe stehen. Innerhalb jeder Aufgabe wird methodisch der gleiche Lernzyklus durchlaufen (Punkte 2 bis 7). 9. Allgemeine Reflexion und Entscheidungen über Dokumentationen. Nach Durchlaufen der drei Lernzyklen erfolgt ein Rückblick auf den Lernprozess; u. a. wird dabei auf die Ideensammlungen zu Beginn jedes Zyklus zurückgegriffen, um den Lernenden ihre Lernfortschritte deutlich zu machen. Die Lernenden können sich so selbst als erfolgreiche Lerner erleben. Gerade anfangs verwirrende und frustrierende Situationen sollen reflektiert werden; im Zusammenhang mit späteren Erfolgen zeigen sie, dass es sich gelohnt hat, durchzuhalten. Auf dieser Grundlage können die Lernenden dann entscheiden, welche Erfahrungen sie für spätere Lernergenerationen auf einer CD-ROM dokumentieren möchten. Auch Lehrende sollten ihre Eindrücke, Erfahrungen und Lernergebnisse dokumentieren. Einschätzung des Ansatzes
Das Modell eines anpassungsfähigen Instruktionsdesigns mit einem Softwaresystem, das anleitet und Hilfen gibt, ist neu. Die Autoren berichten jedoch von sehr positiver Resonanz sowohl bei Lehrern und Schülern beim Einsatz in allgemeinbildenden Schulen wie auch bei Weiterbildungsfachleuten aus Betrieben und Instruktionsdesignern. Die Entwicklung einer derartigen Lernumgebung ist allerdings sehr aufwendig, was aber für alle situationistischen Lernumgebungen gilt. Das Modell scheint besonders gut geeignet für schulische Bereiche, eventuell auch für die berufliche Erstausbildung, vor allem dann, wenn Lehrinhalte aus unterschiedlichen Domänen miteinander verknüpft vermittelt werden sollen (Idee des fachübergreifenden Projektunterrichts).
2.4.4 Cognitive Apprenticeship – Lernen von den (alten) Meistern Meisterlehre – Übertragung auf Schulstoff
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Wegen der Analogie ihres Modells zur traditionellen Handwerkslehre haben Brown und Duguid (Brown, Collins & Duguid, 1989) ihr Modell als „Cognitive Apprenticeship“Ansatz bezeichnet. Sie gehen davon aus, dass die Lernenden nach anfänglicher starker Stützung durch einen Lehrer oder Tutor (Meister) Schritt für Schritt mehr in die eigene Selbstständigkeit entlassen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass zu Anfang das neue Wissen oder neue Verhalten adäquat erworben und dann aber auch selbstgesteuert und selbstkontrolliert genutzt bzw. ausgeführt werden kann.
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
Die konkrete Vorgehensweise setzt sich aus sechs Lehrschritten zusammen. Die ersten drei Schritte umfassen „Modeling“, „Coaching“ und „Scaffolding“ und dienen im Einzelnen dazu, neues Wissen und neue Verhaltensweisen zu erwerben. Die zwei nächsten sind „Articulation“ und „Reflection“. Sie dienen dazu, in bewusster und kontrollierter Weise mit dem neu Gelernten auch schon selbstgesteuert umzugehen. Der letzte Schritt „Exploration“ betont vor allem die Autonomie der Lernenden in der Vorgehensweise sowie in der Definition und Formulierung von Problemen. Die Schritte im Einzelnen:
Schritte
• Modeling. Hier führt ein Experte eine Problemlösung, Vorgehensweise usw. so vor, dass er von den Lernenden dabei umfassend beobachtet werden kann. Dabei wird erwartet, dass die Lernenden auf dieser Basis ein eigenes konzeptuelles Modell der erforderlichen Schritte und Prozesse entwickeln, das es ihnen später erlaubt, die Handlungen selbst auszuführen. Zu den Aufgaben des Experten gehört es auch, über die sonst nur intern ablaufenden Strategien und Prozesse zu berichten und sie zu begründen. • Coaching. Führen die Lernenden im nächsten Schritt die Verhaltensweisen selbst aus, werden sie von einem Experten direkt betreut. Er prüft ihr Vorgehen, gibt ihnen Rückmeldungen, aber auch Tipps, erinnert sie an fehlende Komponenten und macht gelegentlich auch einzelne Schritte noch einmal vor. Er agiert ähnlich wie ein guter Trainer oder Coach im Sport. • Scaffolding. Dieser Schritt setzt voraus, dass der Experte bzw. Lehrer in der Lage ist, die beim Lernenden bereits entwickelte Fähigkeit sehr genau einschätzen zu können, um zu beurteilen, wie viel die Lernenden schon selbst können und wie viel noch übernommen oder unterstützt werden muss. Das heißt, hier geht es um eine Kooperation zwischen Lehrer und Schüler, die dem Schüler bereits so viel Selbstständigkeit wie möglich zubilligt. Zu dieser Methode gehört daher auch, dass der Lehrer/Experte sich Schritt für Schritt zurückzieht oder ausblendet (Fading). • Articulation. Artikulation bedeutet, dass all das gefördert wird, was dazu dienen kann, das eigene Wissen, Denken und konkrete problemlösende Vorgehen frei zu artikulieren. Dazu können gezielte Fragen dienen, aber auch die Aufforderung, etwas neu zu definieren (Redefining) oder mit eigenen Worten wiederzugeben. • Reflection. Die Reflektion soll Lernende in die Lage versetzen, ihr eigenes Wissen, ihre eigene Vorgehensweise im Vergleich zu einem Experten oder anderen Lernenden zu bewerten. Dazu ist es häufig erforderlich, sich das eigene Wissen oder Vorgehen bewusst zu machen und diesen Prozess durch geeignete Betrachtungstechniken – zu denen auch Videoaufzeichnungen gehören können – zu unterstützen. • Exploration. Selbstständige Exploration stellt in gewisser Weise das Endstadium des „Cognitive Apprenticeship“-Ansatzes dar, nachdem sich der Lehrer/Experte komplett ausgeblendet, also zurückgezogen hat. Der Lernende sollte jetzt in der Lage sein, zu einem Sachverhalt die richtigen Fragen zu stellen, den richtigen Bezugsrahmen zu finden und die richtigen Antworten zu generieren. Der gesamte Einsatz dieser sechs Lehrschritte ist im Zusammenhang mit anderen Vorgehensweisen zu sehen. So spielt sicherlich die richtige praxisbezogene „Situierung“ hier eine wichtige Rolle und auch die Nutzung unterschiedlicher Perspektiven und Kontexte ist wichtig.
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
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Sequenzierung
Einschätzung des Ansatzes
Explizit angesprochen wird im „Cognitive Apprenticeship“-Ansatz auch ein Aspekt der Sequenzierung des Lehrstoffs. Danach sollte die Komplexität des zu erwerbenden Wissens bzw. der zu erwerbenden Fähigkeiten stetig ansteigen. Das bedeutet, dass mit geringer Komplexität begonnen wird. Das Gleiche gilt für die Variabilität von Vorgehensweisen, Strategien und Fähigkeiten, die es zu lernen gilt. Damit soll eine zu enge kontextuelle Bindung verhindert und die Transferwahrscheinlichkeit verbessert werden. Die letzte Empfehlung bezieht sich auf die zeitlich voranzustellende Präsentation einer globalen Perspektive – ähnlich wie in der Elaborationstheorie („zooming“) −, bevor dann eher lokale Aspekte beachtet werden. Die globale Perspektive soll helfen, zuerst ein integratives konzeptuelles Modell des betreffenden gesamten Wissens oder der gesamten Handlung aufzubauen. Dadurch wird auch gewährleistet, dass das Zusammenspiel der einzelnen Teilkomponenten richtig gesehen werden kann. „Cognitive Apprenticeship“ (CA) ist vermutlich das international meistbeachtete ID-Modell. Es handelt sich nicht um einen rein explorativen Ansatz, CA beginnt stets expositorisch. Eine Reihe von multimedialen Lernumgebungen wurde nach diesem Modell entwickelt (z. B. Al-Diban & Seel, 1999), obwohl es zunächst für den lehrerorientierten Unterricht entwickelt wurde. „Cognitive Apprenticeship“ gilt als empirisch bewährt. Besonders geeignet ist das Modell für die Einführung in neue Lehrstoffe, vor allem wenn kognitiv-prozedurales Lernen im Vordergrund steht. Die Freiheitsgrade der Lernenden sind zu Beginn des Lernprozesses relativ gering, jedoch wird die externe Steuerung sukzessive zurückgenommen.
2.4.5 „Learning by doing“ in „Goal-Based Scenarios“ Lerner als Rollenspieler mit Auftrag
Sieben Komponenten
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Ziel der Methode der „Goal-Based Scenarios“ (GBS) ist die Förderung von Fertigkeiten (Können) und der Erwerb von Faktenwissen im Kontext möglicher Anwendungen. Dazu werden Aufgabenstellungen entwickelt, die den realen Problemstellungen, mit denen Lernende außerhalb der Lernumgebung zu tun haben werden, (zumindest strukturell) ähnlich sind. Theoretischer Hintergrund der Konzeption sind die früheren Forschungsarbeiten von Schank (z. B. Schank, 1982, 1990) im Bereich von Kognitionspsychologie und „Künstlicher Intelligenz“, insbesondere zur Bedeutung von „stories“ für die Gedächtnisorganisation. „Stories“ sind Berichte über typisierte Handlungsabläufe und dabei auftretende unerwartete oder erwartungswidrige Ereignisse (Schank, 1998). Besonders nachhaltige Lernprozesse werden ausgelöst, wenn Erwartungen, wie sie bei der Verfolgung eines Handlungsziels bzw. der entsprechenden Handlungsplanung generiert werden, enttäuscht werden („expectation failures“): Das Bedürfnis nach einer Erklärung ist dann besonders stark und die Bedingungen für effektives Lernen demzufolge besonders günstig. Bei späteren Versuchen, ein ähnliches Problem zu lösen, bewahrt die Erinnerung an einen Fall früheren Scheiterns und die Erklärung dafür oft vor weiteren Fehlschlägen („Learning by doing“). Lernwirksam ist allerdings auch, wenn Lernende einen möglichen Fehler antizipieren und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen stellen (Schank et al., 1999; 170 ff.). Das Instruktionsdesignmodell „Goal-Based Szenarios“ umfasst sieben wesentliche Komponenten:
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
1. Lernziele. Unterschieden werden: (a) prozedurales Wissen (process knowledge) und (b) Inhaltswissen (content knowledge). Unabdingbar ist seitens der Designer eine klare Vorstellung von dem, was gelernt werden soll: Was sollen Lernende am Ende können und welches Wissen benötigen sie dazu? 2. Ein (Arbeits- oder Erkundungs-)Auftrag (mission). Der Auftrag wird erteilt, um eine Situation zu konstruieren, in der Lernende ein Ziel verfolgen und Pläne machen. Die entsprechende Aufgabe soll für die Lernenden attraktiv (interessant) und halbwegs realistisch sein. 3. Eine Cover Story (Rahmenhandlung). Sie muss den Kontext für den Auftrag (mission) liefern und die Relevanz der Aufgabenstellung vermitteln. Im Verlauf der Cover Story müssen hinreichend Gelegenheiten geboten werden, um Fertigkeiten zu üben, und Anreize, sich Information zu beschaffen (Wissen erwerben). Auch die Cover Story muss für die Lernenden hinreichend interessant sein. 4. Die Rolle, die dem Lernenden im Rahmen der Cover Story zugedacht ist. Sie muss so konzipiert werden, dass die notwendigen Fertigkeiten und das Wissen im Verlauf des Rollenhandelns benutzt werden. Jede Rolle eines Lernenden muss motivierend sein, d. h. interessant und hinreichend attraktiv. 5. Die Szenario-Handlungen, die der Lernende ausführt. Alle Handlungen müssen eng auf den Auftrag (mission) und die Ziele bezogen sein. Der Handlungsverlauf muss Entscheidungen vorsehen, deren jeweilige Konsequenzen deutlich dargestellt werden. In den Handlungsfolgen sollen für den Lernenden Fortschritte im Hinblick auf die Auftragserfüllung erkennbar sein. Bei negativen Konsequenzen muss klar sein, dass es sich um unerwartete oder erwartungswidrige Ereignisse handelt. Wichtig ist auch, dass das Szenario nicht zu wenige Handlungen von den Lernenden fordert; allerdings sollten auch nicht mehr Handlungen enthalten sein, als die Zielerreichung erfordert d. h., auf rein ausschmückende Handlungsalternativen sollte verzichtet werden. 6. Die Ressourcen. Alle Informationen, die Lernende benötigen, um den Auftrag auszuführen, müssen zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen gut strukturiert und leicht zugänglich sein. Informationen werden wiederum am besten in Form von Geschichten (stories) angeboten; Wissen und Fertigkeiten werden so am günstigsten registriert; die verwendeten „stories“ sollten jeweils als Besonderheiten bekannter Handlungsabläufe verständlich sein. 7. Rückmeldungen (Feedback). Diese müssen situationsbezogen und „ just-in-time“ gegeben werden, damit erwartungswidrige Ereignisse mit den relevanten Kontextbedingungen entsprechend verknüpft werden können und Lernende sie im Handlungsverlauf sogleich berücksichtigen können. Rückmeldungen können auf dreierlei Arten gegeben werden: (a) durch Konfrontation mit den Handlungsfolgen (man sieht z. B., dass etwas wie erwartet funktioniert bzw. dass das Erwartete nicht eintritt; (b) durch multimedial präsentierte „Coaches“ (bei einem Fehler startet eine Videosequenz, in der ein Experte erläutert, weshalb z. B. eine eingeschlagene Vorgehensweise nicht zum Erfolg führen kann bzw. weshalb der Weg richtig ist) und (c) durch Berichte von Inhaltsexperten über ähnliche Erfahrungen (Videosequenz oder auch angezeigter Text). Das GBS-Modell liefert Anleitungen zu wesentlichen Aspekten multimedialen projektbasierten Lernens. Schank und seine Mitarbeiter haben auf der Basis dieses Modells
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
Einschätzung des Ansatzes
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eine Reihe multimedialer Lernumgebungen für Unternehmen, Organisationen und Universitäten entwickelt (Schank, 2002). Die publizierten Berichte sprechen von positiv verlaufenen Evaluationen. Im Vergleich zu „Anchored Instruction“ ist beim GBSModell das Ausmaß an Führung (Anleitung) durch das Medium deutlich höher, wobei die Einschränkungen der Selbstregulation funktional begründet sind. Das Modell ist besonders geeignet für die Hochschullehre und die berufliche Weiterbildung in kognitiv anspruchsvollen Domänen. Interessant ist aber auch, weil es eine Reihe herauslösbarer didaktischer Designideen enthält, z. B. • fragenbasierte Navigation; es gibt in vielen GBS keinen „Weiter“-Button, d. h., Lernende müssen sich jeweils überlegen, zu welcher der angebotenen Fragen sie gerne Informationen hätten, • die Vermittlung des für die Problemlösungen erforderlichen Wissens durch virtuelle Experteninterviews (Videosequenzen), • verschiedene Ideen zur Verbesserung der Interaktion.
2.4.6 Das Vier-Komponenten-Instruktionsdesignmodell (4C/ID) für das Training komplexer Fähigkeiten Problemlösen lernen
kognitionspsychologische Fundierung: vier Ebenen
Speziell für das Training komplexer kognitiver Fähigkeiten, z. B. in technischen Fachbereichen und im Management, entwickelten van Merriënboer und Dijkstra ein Instruktionsdesignmodell (van Merriënboer, 1997; van Merriënboer & Dijkstra, 1997). Komplexe kognitive Fähigkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass der Aufbau entsprechender Expertise relativ lange Zeit benötigt und sich Fachleute in diesen Bereichen sehr deutlich von Laien unterscheiden; typische Beispiele sind die Fähigkeiten von Fluglotsen, professionellen Softwareentwicklern oder – ganz spezifisch – die Fähigkeit von Ärzten, Diagnosen anhand bildgebender Verfahren, z. B. CT, fMRT, US, durchzuführen. Das Modell bezieht sich explizit auf Training, d. h., im Vordergrund steht die Vermittlung von Handlungswissen. Der Erwerb von Wissen ist dem funktional untergeordnet: Wissen wird dabei nicht um seiner selbst willen vermittelt. Das Modell basiert auf kognitionspsychologischen Theorien des Lernens und Denkens. Die Vorgehensweise umfasst jeweils vier Schritte oder Ebenen: 1. Dekomposition (Zerlegung) der zu vermittelnden Fähigkeit (Kompetenz) in ihre konstitutiven Teilfähigkeiten (Teilkompetenzen), 2. Analyse der konstitutiven Fähigkeiten und das entsprechende Wissen, das erforderlich ist, um die einzelnen Fähigkeiten anwenden zu können, 3. Auswahl von Instruktionsmethoden sowohl für das Üben der Teilaufgaben und der kompletten Aufgaben wie auch für die Vermittlung des erforderlichen Wissens, 4. Komposition (Zusammenstellung) der Trainingsstrategie bzw. die Entwicklung der Lernumgebung.
Analyse von Teilfragen
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Auf jeder Ebene sind analytisch oder konzeptionell jeweils vier Designkomponenten (daher der Name) zu berücksichtigen:
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
• Die Analyse von Teilfähigkeiten, die bei entsprechend komplexen Aufgaben routinemäßig immer wieder (rekurrierend) angewandt werden müssen und deren „Kompilierung“ (automatische Ausführung, die wenig kognitive Ressourcen beansprucht) erreicht werden soll. Auf der Basis dieser Analyse erfolgt dann die Konzeption von Teilaufgaben, deren Übung die Routinebildung fördert.
Abb. 2.5: Vier-KomponentenModell des Instruktionsdesigns von van Merriënboer (1997)
• Die Analyse des Wissens, das Voraussetzung ist für die routinemäßig auszuführenden Tätigkeiten, sowohl beim Üben von Teilaufgaben als auch beim Üben der gesamten komplexen Aufgaben. Auf der Grundlage der Wissensanalyse erfolgt die Konzeption von Instruktionsbedingungen (Methoden), die für die Vermittlung dieses Wissens förderlich sind. Dieses Wissen soll jeweils „just-in-time“ vermittelt werden bzw. verfügbar sein, d. h. genau dann, wenn es bei der Bewältigung der Übungen benötigt wird.
Wissensanalyse für routinemäßig auftretende Tätigkeiten
• Aufgabenanalysen hinsichtlich der heuristischen Fähigkeiten, d. h. solcher Fähigkeiten, die sich auf die Bewältigung von Teilaufgaben beziehen, die nicht routinemäßig ausgeführt werden können (komplexe Problemlösungen, heuristische Fähigkeiten); darauf aufbauend erfolgt die Konzeption umfassender, ganzheitlicher Übungsaufgaben. Das Training soll dabei den Erwerb (Aufbau) kognitiver Schemata durch Elaboration der entsprechenden Informationen fördern (Anregen eigener Beispiele, Verknüpfung der neuen Informationen mit vorhandenem Wissen usw.). Bei der Konzeption eines multimedialen Trainings nach dem 4C/ID-Modell steht am Anfang die systematische Dekomposition der zu vermittelnden Fähigkeit: Die Teilfähigkeiten,
Aufgabenanalyse bzgl. heuristischer Fähigkeiten
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
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Lernaufgaben Konkrete, realistische und relevante Aufgaben Aufgabenbeschreibung (z.B. Lösungsbeispiele, Vervollständigungsaufgaben, herkömmliche Aufgaben) Anleitung und Beratung
Üben von Teilaufgaben (part-task practice) Zusätzliche wiederholende Übungen von wiederkehrenden Aufgaben Übungsaufgaben
Unterstützende Informationen
Prozedurales Wissen
für einmalige Aufgaben Domänenspezifische Modelle (ergänzt durch Fallstudien) Systematische Vorgehensweisen beim Problemlösen (ergänzt durch Demonstrationsbeispiele) Kognitives Feedback
Just-in-time-Informationen Praktische Instruktionen (veranschaulicht durch Demonstartionen), Voraussetzungswissen (veranschaulicht durch Beispiele) Informative (korrigierende) Rückmeldung
Abb. 2.6: Schematische Übersicht über die vier Komponenten des 4C/ID-Modells (van Merriënboer & Kester, 2005)
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aus denen sich die komplexe Fähigkeit (z. B. objektorientierte Programmierung von Anwenderprogrammen) konstituiert, werden einschließlich ihrer hierarchischen Beziehungen untereinander identifiziert: Auch die Teilfähigkeiten (Problemanalyse, Informatisierung des Problems, Entwurf von Algorithmen usw.) setzen sich aus Teilfähigkeiten niederer Ordnung zusammen. In einem zweiten Schritt müssen die einzelnen Teilfähigkeiten hinreichend detailliert und klar beschrieben werden. Auf der Grundlage dieser Beschreibungen erfolgt eine Klassifikation der einzelnen Teilkompetenzen hinsichtlich ihrer Funktion in der Gesamtkompetenz (z. B. „bezieht sich auf rekurrierende vs. nicht rekurrierende Teilaufgaben“) und die Notwendigkeit eines expliziten Trainings. Als letzter Schritt der Dekomposition wird eine Makrosequenzierung festgelegt, für die u. a. zu analysieren ist, wie die Teilfähigkeiten innerhalb von Teilaufgaben (z. B. „Entwurf von Algorithmen“) bzw. innerhalb ganzheitlicher Anwendungsbeispiele geübt werden sollen und auch wie die Fähigkeit trainiert werden soll, die zunächst separat trainierten Teilkompetenzen im Kontext umfassender Problemaufgaben anzuwenden.
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
• Die Analyse des Wissens, das nützlich und wichtig ist für die Anwendung der nicht routinisierbaren Fähigkeiten (begriffliche Modelle, Ziel-Mittel-Hierarchien, Kausalmodelle, mentale Modelle) und Konzeption von Instruktionsmethoden, um dieses Wissen im Kontext des Übens ganzheitlicher Aufgaben zu vermitteln. Das Training soll dabei den induktiven Erwerb (Aufbau) kognitiver Schemata durch die Konfrontation mit den konkreten Problemen und Beispielen fördern. Die Lernenden sollen ein tiefes Verständnis für die funktionalen Zusammenhänge im Kontext der jeweiligen Domäne entwickeln. Für die weiteren vier Analysefunktionen des Modells werden jeweils geeignete Kategorisierungen sowie Methoden der Aufgaben- und Wissensanalyse empfohlen und beschrieben. Innerhalb der Designaufgaben wird generell unterschieden zwischen der Konzeption der Wissensvermittlung und der Konzeption von Übungs- und Anwendungsaufgaben. Das Herz des 4C/ID-Modells ist die Konzeption umfassender Übungsund Anwendungsaufgaben im Sinne von Problemstellungen, Fall- und Projektaufgaben und schließlich die Entwicklung von Lernumgebungen im Sinne eines Arrangements von Situationen, in denen komplexe kognitive Fähigkeiten ganzheitlich vermittelt und geübt werden können. Besondere Beachtung wurde dabei jeweils dem Aspekt der kognitiven (Über-)Belastung (cognitive load) gewidmet, die bei manchen Methoden des problem- oder projektbasierten Lernens nachhaltige Effekte verhindert. Es werden folgende Problemformate unterschieden:
Nicht routinisierbare Fähigkeiten
Cognitive (over) load
Produktorientierte Problemformate Bei produktorientierten Problemformaten liegt die Betonung auf der Lösung, weniger auf dem speziellen Lösungsweg. • Konventionelle Probleme: Gegeben sind die Ausgangssituation mit den möglichen Mitteln bzw. Rahmenbedingungen sowie die Ziele; zu finden ist jeweils die Lösung, d. h. der Weg, das Verfahren, welches zur Zielerreichung führt. • Lösungsbeispiele (worked-out examples): Sie enthalten eine Beschreibung der Ausgangssituation, der Ziele und einen guten Lösungsweg; zusätzlich wird evtl. noch auf Eigenarten des Problems hingewiesen. Lernende studieren intensiv den Lösungsweg. Eine Vielzahl von Untersuchungen belegt mittlerweile die Effizienz des Lernens anhand von Lösungsbeispielen (van Merriënboer, 1997, S. 179 ff.; Reimann, 1997). • Vervollständigungsprobleme (completion problems): Bei diesem Format sind ebenfalls Ausgangssituation und Ziele gegeben, die Lösung jedoch nur teilweise; Lernende sollen den beschriebenen Lösungsweg studieren und die Lücken überbrücken. Vervollständigungsprobleme eignen sich insbesondere für Entwurfsaufgaben (z. B. Softwareentwicklung, Architektur). • „Umgekehrte Probleme“ (reverse problems): Hier werden das Ziel und die Lösung angeboten, zu finden sind mögliche Ausgangsbedingungen. Nützlich können sie vor allem bei dem Training fehlerdiagnostischer Fähigkeiten sein: Lernenden wird z. B. gesagt, dass eine bestimmte Komponente in einem Schaltkreis defekt sei, ihre Aufgabe ist es dann, das Verhalten des Geräts unter bestimmten Bedingungen vorherzusagen. • Zielfreie Probleme (goal-free problems): Gemeint sind Probleme, bei denen nicht ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist. Ein Beispiel wäre die Aufgabe, für ein komplexes
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
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Softwaresystem alle möglichen Fehler aufzulisten, die als Ursachen für ein bestimmtes Systemverhalten in Frage kommen könnten. Dieses Format erlaubt keine Rückwärtsstrategie des Problemlösens vom Ziel aus, sondern erzwingt eine Vorwärtsstrategie. Es liegen Befunde vor, die zeigen, dass derartige Probleme Transferleistungen und Schemaerwerb besser fördern können als konventionelle Probleme (van Merriënboer, 1997, S. 182). • Imitationsprobleme (imitation problems): Es handelt sich bei diesem Format um eine Variante des Typs „Lösungsbeispiel“. Dargeboten wird ein konventionelles Problem, wobei den Lernenden jedoch eine genaue Beschreibung des Lösungswegs (z. B. auch durch ein Video oder eine Animation) an die Hand gegeben wird. Die Lernenden lösen das Problem, indem sie den Lösungsweg imitieren. Empirische Befunde haben die Wirksamkeit des Formats bestätigt (van Merriënboer, 1997, S. 183).
Prozessorientierte Problemformate Bei prozessorientierten Problemformaten liegt die Betonung auf dem Lösungsweg. Dieser dient der Förderung des Transfers bzw. der Fähigkeit, heuristische Lösungswege zu finden. • Konventionelle Probleme: Das Format unterscheidet sich nicht von produktorientierten Problemen, jedoch liegt hier der Fokus auf Qualitäten des Lösungswegs. • Modellfälle (modeling examples): Fallbeispiele, die eine Beschreibung und/oder Erklärung der Lösung beinhalten bzw. in denen ein Experte den Lösungsweg vorführt bzw. erläutert. Auch hier besteht der Unterschied zu Lösungsbeispielen (worked-out examples) vor allem in der Betonung des Lösungsprozesses (van Merriënboer, 1997, S. 184, 223 f., 242 ff.). • Probleme mit Ausführungsbeschränkungen (performance constraints): Die Besonderheit dieses Formats sind Auflagen oder Einschränkungen, welche die Lernenden bei der Problemlösung zu beachten haben; z. B. müssen bei der Lösung eines Programmierproblems bestimmte formale Regeln – etwa Erstellung eines Fluss- oder eines Nassi-Shneiderman-Diagramms – streng eingehalten werden. Für die Wirksamkeit des Formats gibt es empirische Belege (van Merriënboer, 1997, S. 184 f.). • Probleme, kombiniert mit kognitiven Werkzeugen oder Arbeitsblättern (process worksheets and cognitive tools): Ähnlich wie bei dem vorangegangenen Format erfolgt auch hier eine Intervention hinsichtlich der Lösungsprozesse, allerdings weniger einschränkend. Arbeits- bzw. Rechenblätter (Papier oder online) oder andere Formen von kognitiven Werkzeugen (z. B. ein Mindmap-Programm) werden den Lernenden eher als Hilfen für die Problemlösung an die Hand gegeben. • Kombinierte Problemformate: Die verschiedenen prozessorientierten Problemformate können mit der produktorientierten Lösung konventioneller Probleme kombiniert werden, zumal sich die beiden Kategorien nicht ausschließen, sondern ergänzen. Aus der Kombination ergeben sich dann zum Teil völlig neue Problemformate (van Merriënboer, 1997, S. 185 ff.). Einschätzung des Modells
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Das 4C/ID-Modell gilt derzeit international als wichtigstes Modell für das Training komplexer kognitiver Fähigkeiten. Es liefert u. a. jeweils Kriterien für die Wahl eines bestimmten Problemformats. Lernmedien stehen nicht im Vordergrund, es ist jedoch
2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
klar, dass bei der Realisierung des Ansatzes die Verwendung digitaler Medien oft eine wichtige Rolle spielt. Darüber hinaus fokussiert das Modell insbesondere die Relation der einzelnen Komponenten (Vermittlung der unterschiedlichen Wissensarten, Entwurf von Teilübungsaufgaben, Entwurf ganzheitlicher Problemaufgaben) bei der Entwicklung der gesamten Lernumgebung. Neuere Weiterentwicklungen enthalten u. a. Prinzipien für eine Adaptierung an unterschiedliche Lernervoraussetzungen (de Crook et al., 2002; van Gerven et al., 2002; van Merriënboer, Clark & de Croock, 2002). Das Modell beinhaltet Anleitungen zur Entwicklung von problembasierten Lernumgebungen und Curricula mit Phasen direkter Instruktion.
2.4.7 Weitere praktische Theorien Die Reihe der hier aufgeführten Theorien ist nicht annähernd erschöpfend. Es handelt sich um die international prominentesten der aktuellen Instruktionsdesigntheorien. Wesentliches Auswahlkriterium war die Relevanz für die Konzeption multimedialer Lernumgebungen. Dies erlaubt jedoch nicht den Umkehrschluss, dass die hier nicht vorgestellten Theorieansätze irrelevant seien für die Konzeption multimedialer Lernumgebungen. Es sollen daher weitere Theorien und Modelle kurz angesprochen werden, wobei auch diese Aufzählung nicht vollständig sein kann. Ein Modell für die Entwicklung offener Lernumgebungen, deren Ziel es ist, auch divergentes Denken und die Gewinnung multipler Perspektiven besonders zu fördern, haben Hannafin und seine Mitarbeiter entwickelt. Es eignet sich vor allem für „weiche“ Domänen mit „unscharfen“ Problemstellungen. Methodische Empfehlungen beziehen sich auf die Konzeption multimedial unterstützter Lernprojekte (analog zum GBSModell, s.o.), hier als „enabling contexts“ bezeichnet. Dazu werden Informationsangebote konzipiert und Werkzeuge (tools) für die Lernenden entwickelt (zum Suchen, Sammeln, Organisieren, Integrieren, zur Manipulation von Inhalten sowie zur Kommunikation). Eine besondere Rolle spielt die Entwicklung von begrifflichen, metakognitiven, prozeduralen und strategischen Lernhilfen (scaffolds), die während des Lernens in offenen Lernumgebungen angeboten werden. Konkrete Beispiele für z. B. webbasierte Lernumgebungen, die nach diesem Modell entwickelt wurden, liegen vor (Hannafin, Land & Oliver, 1999). Ganz ähnlich in Zielsetzung und Vorgehen ist Jonassens Theorie für die Konzeption „konstruktivistischer“ Lernumgebungen (Jonassen, 1999); auch hier spielen tools, coaching und scaffolding bei der Bearbeitung ganzheitlicher Probleme und Fallaufgaben eine tragende Rolle. Speziell für die Konzeption webbasierter Lernumgebungen, die ein kooperatives bzw. kollaboratives Problemlösen ermöglichen sollen, hat Nelson (1999) ein theoretisches Modell (collaborative problem solving, CPS) entwickelt. Das Modell basiert auf einer Synthese vieler empirischer Befunde zum kooperativen Lernen bzw. kollaborativen Problemlösen und liefert konkrete Empfehlungen zur Organisation entsprechender Lerngruppen und zur Prozessunterstützung. Auch bei der Vermittlung psychomotorischer Fähigkeiten können multimediale Lernumgebungen zumindest partiell eingesetzt werden; hierzu kann auf eine operative Theorie von Romiszowski (1999) zurückgegriffen werden. Die wichtigsten Methoden umfassen: Vermittlung des Wissens, was getan werden soll, schrittweiser Aufbau von Grundfertigkeiten, Entwicklung der psychomotorischen Kompetenz (Routinisierung,
2.4 Zweite Generation und „situationistische Modelle“
ID für „weitere“ Domänen
Problemlöseförderung
Kollaboratives Problemlösen Psychomotorische Fähigkeiten
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Generalisierung) durch Demonstrieren ggfs. Erläutern, Förderung mentaler Repräsentationen des Bewegungsablaufs, verbale Hinweise, unterschiedliche Formen des Übungsaufbaus, Rückmeldungen, Transferförderung, Verbesserung von Schnelligkeit und Exaktheit bis hin zu Maßnahmen zur Förderung des Selbstwerts der Lernenden (Romiszowski, 1999).
2.5 Zusammenfassung Instruktionsdesign ist seit den späten fünfziger Jahren wichtige Teildisziplin der pädagogischen Psychologie. Es wurde ursprünglich nicht speziell für multimedial gestützte Instruktion entwickelt, sondern generell für jedes systematische Arrangement von Umgebungsbedingungen, das geeignet ist, Kompetenzen zu fördern. Medienbasierte Lernangebote erfordern allerdings stets eine systematische Planung und Konzeption, so dass Instruktionsdesign hier besonders wichtig ist. Aktuelle Instruktionsdesignmodelle sind weniger auf direkte Instruktion ausgerichtet als die erste Generation von Instruktionsdesignmodellen. Die zweite Generation von Instruktionsdesignmodellen entstand ab Ende der achtziger Jahre – es handelt sich dabei um situationistische Modelle, die stärker das selbstständige Lernen und die aktive Rolle des Lernenden fokussieren. Außerdem betonen diese Modelle oft Möglichkeiten des kooperativen bzw. kollaborativen Lernens. Zu den wichtigsten Modellen der zweiten Generation gehören „Anchored Instruction“, „Cognitive Apprenticeship“, „Goal-Based Scenarios“ sowie das 4C/ID-Modell für das Training komplexer Fähigkeiten. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Modelle für spezielle Domänen oder Kategorien von Lehrzielen bzw. Lernaufgaben.
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2 Die Konzeption von E-Learning: Wissenschaftliche Theorien, Modelle und Befunde
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Lernen mit Medien
In der Frühzeit des multimedialen Lernens war eine verbreitete Vorstellung „viel hilft viel“, d. h. Lernerfolge sind umso eher zu erwarten, je mehr Sinneskanäle angesprochen und je mehr unterschiedliche Symbolsysteme verwendet werden. Multimodale Präsentationsformate mit Bildern, Videos oder Animationen sollten zum Lernen motivieren und es Lernenden mit unterschiedlichen Lernstilen ermöglichen, entsprechend ihrer Vorlieben entdeckend zu lernen. Den Lernprozess sollten Pädagogische Agenten überwachen und steuern, um optimale Lernerfolge zu gewährleisten. Diese durchaus plausiblen Annahmen wurden seit Ende der achtziger Jahre durch Forschungsarbeiten u. a. von Sweller und Chandler (1991) einerseits und Mayer et al. (2001, 2005a) andererseits auf der Grundlage theoretischer Annahmen zur Struktur des menschlichen Gedächtnisses experimentell geprüft. Die sich daraus entwickelnden Forschungsparadigma erwiesen sich als ausgesprochen erfolgreich, seit Ende der neunziger Jahre wurden auch in den Niederlanden und in Deutschland diverse Studien durchgeführt, in denen sich die Tragfähigkeit der theoretischen Ansätze immer wieder bestätigte (Brünken, Plass & Leutner, 2003; Gerjets & Scheiter, 2003; Kirschner, 2002; Renkl & Atkinson, 2003; van Bruggen, Kirschner & Jochems, 2002; Van Gerven, Paas, van Merrienboer & Schmidt, 2002; van Merriënboer, Schuurman, de Croock & Paas, 2002). Auch Weiterentwicklungen und Differenzierungen der Modellansätze sind aktuell in der Diskussion (Schnotz, 2005). Einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung geben Mayer (2005a) und Paas, Renkel und Sweller (2003). Wenn Sie das Kapitel bearbeitet haben, wissen Sie,
„viel hilft viel“ oder „weniger ist mehr“
Lehrziele
• welche gedächtnispsychologischen Grundlagen dem Lernen mit Medien zugrunde liegen, • wie Wissen im Gedächtnis gespreichert wird, • welche Unterschiede es in der Informationsverarbeitung von Texten, Audio und Bildern gibt, • in welchen Lernsituationen das Gedächtnis während der Informationsverarbeitung überlastet sein kann. In den folgenden Abschnitten wird ein Überblick zu den Theorieansätzen der menschlichen Informationsverarbeitung gegeben. Konkret werden die Cognitive-Load-
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Theorie (Chandler & Sweller, 1991; Sweller, 2005), die Kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML) (Mayer, 2001, 2005b) und das integrierte Modell des Text- und Bildverstehens (ITPC) von Schnotz (2005) vorgestellt.
3.1 Das Gedächtnis
Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses
Schemata
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Bevor in den folgenden Abschnitten konkrete Modelle der Informationsverarbeitung vorgestellt werden, sollen hier zunächst gedächtnispsychologische Grundlagen zusammengestellt werden, auf denen die theoretischen Annahmen der Modelle basieren. Lernende, insbesondere jene, die noch wenig Wissen über die vermittelten Lerninhalte haben, können dabei beobachtet werden, wie sie sich einen Text mehrmals durchlesen oder ein Bild sehr lange oder wiederholt betrachten, um alle relevanten Informationen aufzunehmen. Lernende hingegen, die schon ein umfangreiches Vorwissen zum Lerngegenstand haben, lesen Texte selektiv, überspringen also ganze Textteile oder „überfliegen“ den Text nur. Das gleich gilt bei Bilden oder Animationen, diese betrachten sie nur kurz, extrahieren aber dennoch alle relevanten Wissensinhalte aus dem Lernmaterial (Mayer, 1988). Erklären lässt sich diese Beobachtung durch die Kapazitätsbegrenzung der menschlichen Informationsverarbeitung. Es können im menschlichen Gedächtnis nicht alle Informationen auf einmal aufgenommen und verarbeitet werden (Sweller, 2005). Wenn Lernende neue Informationen z. B. aus Texten, Illustrationen oder Animationen aufnehmen, können sie nur einige wenige neue Inhalte gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis verarbeiten. Um alles Wichtige zu erfassen, müssen sie deshalb den Text möglicherweise mehrmals lesen bzw. die Illustration oder Animation mehrmals betrachten, um die neuen Informationen nach und nach im Arbeitsgedächtnis verarbeiten zu können. Bei Lernenden mit geringem oder gar keinem Vorwissen ist dieses Lernverhalten stark ausgeprägt. Sie verfügen nicht über themenbezogene Schemata, die sie aus dem Gedächtnis abrufen können und die ihre Aufmerksamkeit auf schematarelevante Information im Lernmaterial lenken (Anderson, Spiro & Anderson, 1978). Sie müssen diese erst während des Wissenserwerbs erzeugen. Schemata erfassen nach Anderson (1983) Ereignisse, Handlungen, Objekte oder Situationen und bilden diese mental als zusammenhängendes Konzept ab, wobei Zusammennhänge zwischen den einzelnen Wissenseinheiten spezifiziert werden (s. auch Kap. 3.3.2). Bei Lernenden mit umfangreichem themenspezifischem Vorwissen steuern vorhandene Schemata die Informationsaufnahme (Anderson & Pearson, 1984). Teile des Lernmaterials, die nicht in vorhandene Schemata integriert werden können, werden übersprungen, andere dagegen, wie bei Lernenden mit wenig Vorwissen, lange und mehrmals rezipiert. Deshalb muss die Konzeption multimedialer Instruktion einerseits auf das Vorwissen der Lernenden abgestimmt sein und andererseits die Begrenzung des Arbeitsgedächtnisses berücksichtigen. Andernfalls kann multimediale Instruktion nur zufällig erfolgreich sein und zu den gewünschten Lerneffekten hinführen.
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3.1.1 Das Arbeitsgedächtnis Die Annahme über die Begrenzung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses hat eine lange Tradition in der psychologischen Forschung (Baddeley, 1992; Chandler & Sweller, 1991; Mayer, 2001, 2005a; Miller, 1956; Simon, 1974; Sweller & Chandler, 1991). Bekannt sind die Forschungsarbeiten zur „magischen Zahl 7“ (Miller, 1956; Simon, 1974). In den Untersuchungen wurde jedem Probanden eine sinnlose Silbe bzw. eine Zahl pro Sekunde präsentiert und im Anschluss gemessen, an wie viele Silben bzw. Zahlen sie sich ohne Fehler erinnern konnten. Der Durchschnitt aller Probanden lag bei 7 Silben bzw. Zahlen, wobei die Spannweite 2 betrug. Die meisten Probanden erinnerten ohne Fehler 5 bis 9 Silben oder Zahlen. Das Bilden von „Chunks“ hilft, die Erinnerungsleistung zu verbessern (Miller, 1956; Simon, 1974). Chunks fassen Informationseinheiten zusammen, z. B. die sieben einzelnen Zahlen 2-5-4-1-6-7-4 einer Telefonnummer zu den Einheiten 254-16-74. So können noch mindestens zwei weitere Einheiten behalten werden, bis die Kapazitätsgrenze des Arbeitsgedächtnisses erreicht ist. Das Ergebnis dieser Forschung zeigt, dass das menschliche Arbeitsgedächtnis 7 plus oder minus 2 Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten kann. Dagegen können nur 2–4 Informationseinheiten gegeneinander abgewogen oder miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus gilt dies auch nur, wenn die Informationseinheiten permanent wiederholt werden und gleichzeitig die internen mentalen Repräsentationen dieser modifiziert werden (Glenberg, Smith & Green, 1977; Sweller, 2005). Ansonsten wird der Inhalt des Arbeitsgedächtnisses innerhalb von 2 bis 20 Sekunden gelöscht (Marsh, Sebrechts, Hicks & Landau, 1997; Peterson & Peterson, 1959). Würde es keine Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses geben, dann müsste das Arbeitsgedächtnis bei jeder aufgenommenen Informationseinheit Millionen Möglichkeiten daraufhin prüfen, ob es sich um eine relevante oder irrelevante Information handelt. Diese Prüfprozesse wären ineffizient, da sie zu lange dauern würden, deshalb hat sich die Kapazitätsbegrenzung im Laufe der Evolution als günstig erwiesen (Sweller, 2005a).
„Die magische Zahl 7“
Chunks
3.1.2 Das Langzeitgedächtnis Im Langzeitgedächtnis werden Informationen, Wissenszusammenhänge, Erfahrungen etc. verbal, bildhaft oder auditiv abgespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgerufen. Es kann stur auswendig gelerntes Wissen sein, bei dem einige Bezüge klar sind, wesentliche aber ausgelassen wurden, oder aber strukturiertes, elaboriertes Wissen, bei dem die einzelnen Wissenseinheiten netzartig miteinander verbunden sind. Ein zentrales Kennzeichen strukturierten und elaborierten Wissens sind Schemata. Schemata kategorisieren mehrere kleinere Informationseinheiten zu einer großen, die dann im Ganzen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden kann. Damit repräsentieren Schemata typische Zusammenhänge zwischen Informationseinheiten in einer organisierten Wissensstruktur. Sie bilden einerseits Wissen ab, steuern andererseits aber auch den Erwerb neuer Informationen, indem sie helfen, diese zu ordnen und zu organisieren.
3.1 Das Gedächtnis
Schemata
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Skripte
Eine spezielle Form der Schemata sind Skripte (Schank & Abelson, 1977). Sie erfassen prototypische Ereignisse, in denen meist stereotype Handlungssequenzen auftreten. Die Basis für die Bildung strukturierten und elaborierten Wissens ist Lernen. Durch Lernen werden neue Schemata gebildet und bereits vorhandene mit Informationen angereichert oder umstrukturiert. Somit muss multimediale Instruktion, die den Aufbau umfangreichen und strukturierten Wissens zum Ziel hat, Schemabildung unterstützen und fördern, um zielführend und effektiv zu sein.
3.1.3 Beziehungen zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis
Verstehensprozess
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Informationen, die abrufbereit im menschlichen Langzeitgedächtnis abgespeichert wurden, vergrößern die Arbeitsspeicherkapazität erheblich, denn nur für neue Information gilt die Kapazitätsbegrenzung des menschlichen Arbeitsgedächtnisses. Für Informationen aus dem Langzeitgedächtnis lassen sich keine Limitierungen messen, egal, ob sie die Dauer oder die Anzahl der Informationseinheiten betreffen (Sweller, 2005b). Ob und inwieweit die Begrenzung der Arbeitsgedächtniskapazität das Lernen beeinflusst, hängt vom Ausmaß neuer Informationen ab, die der Lernende entweder ganz neu verstehen muss oder in bisher vorhandenes Wissen, insbesondere vorhandene Schemata, integriert. Beim Verstehen arbeiten Langzeit- und Arbeitsgedächtnis eng zusammen. Verständnis tritt erst dann ein, wenn alle relevanten Elemente der Information simultan im Arbeitsspeicher verarbeitet werden konnten (Sweller, 2005). Es kann jedoch vorkommen, dass zu viele Elemente in einer Lerneinheit angeboten werden, die gleichzeitig verarbeitet werden müssten, um Verstehen zu gewährleisten. Dann kommt es zur kognitiven Überlastung des Arbeitsgedächtnisses mit der Folge, dass zunächst keine weiteren Informationen im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden können. In diesem Fall ist das Lernmaterial im Ganzen zu komplex und zu schwer für den Lernenden und es muss von ihm oder durch geeignete Instruktion in kleinere Wissenseinheiten zerlegt werden. Diese kleineren Wissenseinheiten versucht er dann sequenziell zu verstehen, indem er erst einige wenige neue Informationseinheiten im Arbeitsgedächtnis kombiniert und organisiert und dann im Langzeitgedächtnis abspeichert. Sobald er wiederum wenige neue Wissenseinheiten ins Arbeitsgedächtnis weitergeleitet hat, kombiniert und organisiert er dieses neue Wissen mit dem bereits im Langzeitgedächtnis abgespeicherten, wobei die aus dem Langzeitgedächtnis ins Arbeitsgedächtnis übernommenen Schemata die Kombination und Organisation der neuen Wissenselemente steuern. Dieser sukzessive Prozess von Wissensabruf aus dem Langzeitgedächtnis und der Kombination und Organisation mit neuen Wissenselementen erfolgt so lange, bis alle zum ursprünglichen komplexen Wissensinhalt gehörenden essentiellen Elemente im Arbeitsgedächtnis bearbeitet und zu Schemata zusammengeführt sowie untereinander organisiert wurden. Erst dann tritt Verstehen ein. Durch dieses sukzessive Vorgehen wird im Langzeitgedächtnis schrittweise ein immer komplexeres Schemata entwickelt bzw. mehrere miteinander verknüpft, ohne das Arbeitsgedächtnis auf einmal mit zu vielen neuen Wissenselementen zu überlasten.
3 Lernen mit Medien
3.2 Die Cognitive-Load-Theorie Ein geeignetes Erklärungsmodell für differenzierte Aussagen über die kognitive Belastung des Arbeitsgedächtnisses bietet die Cognitive-Load-Theorie (Chandler & Sweller, 1991; Sweller & Chandler, 1991). Ihre theoretische Basis sind nachfolgende Erklärungsmodelle:
Begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (s. Kap. 3.3.1, S. 14) Schemakonstruktion zentraler Prozess beim Lernen (s. Kap. 3.1.2)
Annahmen, auf denen die Cognitive-Load-Theorie aufbaut
Grundlagen zur Entwicklung des Modells
Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ist begrenzt.
(Baddeley, 1992; Miller, 1956)
Tabelle 3.1: Theoretische Basis der Cognitive-LoadTheorie
Lernen bedeutet Schemata zu kon(Chi, Glaser & Rees, 1983; struieren. Sie kategorisieren und Larkin, McDermott, Simon organisieren Wissen. Zudem steuern & Simon, 1980a) sie den Erwerb von Neuem.
In der Cognitive-Load-Theorie wird von einer begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ausgegangen. Während Lernende Wissen erwerben, müssen sie aus dem Langzeitgedächtnis bereits vorhandenes Wissen abrufen, ins Arbeitsgedächtnis transferieren und dort mit neuem Wissen ergänzen oder kombinieren. Wissen zu erwerben bedeutet Schemata zu konstruieren, zu erweitern oder umzustrukturieren. Dafür werden Arbeitsgedächtniskapazitäten benötigt. Es können nach der Cognitive-Load-Theorie drei unterschiedliche Quellen kognitiver Belastung im Arbeitsgedächtnis auftreten: der „Intrinsic Coginitve Load“, der „Extraneous Cognitive Load“ und der „Germane Cognitiv Load“. • Intrinsic Cognitive Load: Er ergibt sich aus der Lernaufgabe als solcher. Der Intrisic Cognitive Load bestimmt sich aus der Aufgabenschwierigkeit, der Aufgabenkomplexität oder/und dem Umfang der Lernaufgabe. • Extraneous Cognitive Load: Er ist abhängig von der Gestaltung des Lernmaterials. Den Extraneous Cognitive Load beeinflussen die ausgewählte Art und Strukturierung der Wissensvermittlung, die Präsentation der Lerninhalte und die verfügbare Steuerungsnavigation, um die Lerninhalte zu erreichen. • Germane Cognitive Load: Mit ihm werden die freien kognitiven Ressourcen bezeichnet, die für die Schemakonstruktion im Arbeitsgedächntis vorhanden sind. Der Germane Cognitive Load ist die kognitive Belastung die für den reinen Wissenserwerb benötigt wird. Die drei Quellen kognitiver Belastung werden als additiv angenommen (Sweller, 2005a). Dabei sollte es das Ziel von Instruktion sein, den Extraneous Cognitive Load zu minimieren, um möglichst viele kognitive Ressourcen für den Germane Cognitive
3.2 Die Cognitive-Load-Theorie
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Load frei zu halten. Denn der Intrinsic Cognitive Load ist nach Sweller (1991) nicht veränderbar. Nachfolgend werden die drei Formen kognitiver Belastung noch einmal ausführlicher dargestellt und Implikationen für die Gestaltung multimedialer Lernumgebungen abgeleitet.
3.2.1 Intrinsic Cognitive Load
Element-Interaktivität
Der Intrinsic Cognitive Load ist abhängig vom Schwierigkeitsgrad, der Komplexität und vom Umfang des Lernmaterials. Den Schwierigkeitsgrad bestimmt die ElementInteraktivität (element interactivty). Sie ist hoch, wenn das Lernmaterial inhaltlich sehr komplex ist, d. h. die Funktionsweise eines Elements nicht verstanden werden kann, ohne die Funktionsweisen weiterer Elemente zu kennen. Beispielsweise kann die Frage, wie ein Auto fährt, vom Lernenden nur dann verstanden werden, wenn er auch über die Funktionsweise des Motors informiert ist, ebenso wie über die des Getriebes und der Kraftübertragung zwischen Getriebe und Motor. Im Beispiel muss der Lernende sehr viele Zusammenhänge zwischen den einzelnen Inhalten konstruieren, um den Sachverhalt „Fahren eines Autos“ angemessen zu verstehen. Das ist typisch für Lernmaterial mit hoher Element-Interaktivität. Demgegenüber sind Element-Interaktivität und „Intrinsic Cognitive Load“ relativ niedrig, wenn Lernende die einzelnen Inhalte separat lernen können, beispielsweise die Bedienung eines Wasserkochers. Instruktional kann der „Intrinsic Cognitive Load“ nicht bzw. nur in Abhängigkeit vom Vorwissen der potenziellen Lernenden beeinflusst werden. Über Segmentierung und Sequenzierung (s. Kap. 13) des Lernmaterials besteht die Möglichkeit, zumindest die Element-Interaktivität für eine bestimmte Zielgruppe zu steuern.
3.2.2 Extraneous Cognitive Load Der „Extraneous Cognitive Load“ ist abhängig von der Gestaltung des Lernmaterials. Müssen Lernende beim Durcharbeiten einer multimedialen Lerneinheit viele irrelevante, wenig zielführende und ineffektive kognitive Anstrengungen aufbringen, um die relevanten Informationen aus dem Lernmaterial zu extrahieren, ist der „Extraneous Cognitive Load“ hoch. Finden Lernende schnell die relevante Information, in leicht verständlicher Form, dann ist er gering. Mit „Extraneous Cognitive Load“ wird demnach jene Belastung des menschlichen Arbeitsgedächtnisses bezeichnet, die eine Lernaufgabenirrelevante kognitive Anstrengung beim Lernenden verursacht. Dies ist der Fall, wenn die Begrenzung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses bei der Gestaltung der multimedialen Lernumgebung ignoriert wurde oder die Lernenden nicht optimal beim Aufbau und der Verknüpfung von Schemata unterstützt wurden.
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3.2.2.1 Didaktische Gestaltungsmöglichkeiten zur Verringerung des Extraneous Cognitive Load Folgende didaktische Gestaltungsmöglichkeiten, helfen den „Extraneous Cognitiv Load“ so gering wie möglich zu halten: • Worked Example Effect (Renkl, 2002, 2005): Zentraler Bestandteil von Lernprozessen ist das Lösen gestellter Probleme durch den Lernenden. Ausgearbeitete Lösungsbeispiele (Worked Examples), die von den Lernenden durchgearbeitet werden, unterstützen effektiver ihr Problemverständnis, als die selbstständige Suche nach der Problemlösung. Beispiel: Den Lernenden wird die Aufgabe gestellt, folgenden Term nach m aufzulösen (s. Tabelle 3.2). Lösungsbeispiel für ein strukturgleiches Problem:
Aufgabe:
Löse folgenden Term nach m auf! l(m + i) = h (m + i) = h/l m = h/l – i
Worked Example
Tabelle 3.2: Beispiel eines Worked Examples
p(m + n) = o
Durch Worked Example kann sich der Lernende allein auf das Verständnis der angebotenen Problemlösungen konzentrieren. Sie vermindern die zur Lösungssuche eines gestellten Problems benötigten umfangreichen Arbeitsgedächtniskapazitäten, da die üblichen nicht zielführenden Suchprozesse nach der Problemlösung nicht vorkommen, ebenso wie irrelevantes Lernen. Worked Examples ermöglichen somit freie Arbeitsgedächtniskapazitäten für die Schemakonstruktion (Renkl, 2005). • Split Attention Effect: Lerninhalte werden häufig visuell dargeboten. Bei der Gestaltung und Anordnung visuellen Materials innerhalb der multimedialen Lerneinheit sollte darauf geachtet werden, dass für das Verständnis notwendige Wissensinhalte nah beieinander plaziert sind. Denn Split Attention tritt dann auf, wenn Wissensinhalte, die der Lernende gleichzeitig bearbeiten muss, räumlich oder zeitlich getrennt präsentiert werden (Sweller, Chandler, Tierney & Cooper, 1990). Beispielsweise ist dies der Fall, wenn der Text oben auf der Bildschirmseite und die dazugehörige ergänzende Grafik, etwa ein Diagramm, weiter unten präsentiert werden oder gar auf der darauf folgenden Bildschirmseite. Es ist ressourcensparender für das Arbeitsgedächtnis des Lernenden, zusammengehörige visuelle Informationsquellen auch gemeinsam zu präsentieren und notfalls die gesamte Information in kleinere Informationsblöcke einzuteilen. Sweller (1999) empfiehlt die integrierte Präsentationsform für die Darstellung von Text und Grafik. In dieser Präsentationsform wird der gesamte zur Grafik gehörende Text direkt in die Grafik an der Stelle eingefügt, wo er für das Verständnis notwendig ist.
Split Attention Effect
• Modality Effect (Tinsdall-Ford, Chandler & Sweller, 1997): Neben dem Split Attention Effect kann bei ausschließlich visueller Präsentation kognitiver Lerninhalte auch der Modality Effect auftreten. Die menschliche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung ist über zwei Kanäle organisiert dem auditiven und dem visuellen. Wird einer dieser Kanäle zu sehr beansprucht, kann es zu einer kognitiven Überlastung eines der beiden Kanäle kommen.
Modality Effect
3.2 Die Cognitive-Load-Theorie
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Der Modality Effect kann auftreten, wenn sehr viele visuell präsentierte Wissensinhalte gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis verarbeitet und mit Informationen des Langzeitgedächtnisses verknüpft werden müssen. Denn dann kann es zur kognitiven Überlastung des visuellen Kanals kommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wenig themenbezogenes Vorwissen zum neu zu erwerbenden Wissensinhalt beim Lernenden vorliegt. Um den Modality Effect zu vermeiden, ist es deshalb ratsam, Erläuterungen zu Grafiken oder Animationen als geprochenen Text anzubieten (s. Kap. 16). Durch die Verwendung gesprochener Erläuterungen wird der visuelle Verarbeitungskanal entlastet und beide Kanäle (Sinnesmodalitäten) zur Wissensaufnahme genutzt (s. auch Kap. 3.3 und Kap. 3.4). Redundancy Effect
• Redundancy Effect (Sweller & Chandler, 1991): Aus der Erkenntnis, dass eine Verteilung der kognitiven Belastung auf den visuellen und auditiven Kanal lernförderlich bei simultaner Darbietung von Text und Grafik sein kann, könnte die Überlegung resultieren, Erläuterungen zu bestimmten Sachverhalten sowohl in gesprochener als auch geschriebener Form gleichzeitig darzubieten. Das führt allerdings nicht in jedem Fall zu einem Mehrwert für den Lerner, weil die Entlastung des visuellen Kanals als Vorteil gesprochener Erläuterungen verloren geht. Es ist der Redundanzeffekt (Redundancy Effect), der dann aufträte, wenn gleichzeitig dieselben Informationen visuell als auch auditiv dargeboten würden. Dennoch gibt es Situationen, in denen Lernende von der gleichzeitigen Darbietung geschriebener und gesprochener Texte profitieren, z. B. wenn der gesprochene Text nicht in der Muttersprache dargeboten wird (s. Kap. 16).
Expertise Reversal Effect
• Expertise Reversal Effect (Kalyuga, Ayres, Chandler & Sweller, 2003): Lernende ohne oder mit nur wenig Vorwissen in einer Wissensdomäne benötigen eine lernunterstützende didaktische Gestaltung mit umfangreichen Strukturierungs- und Lernhilfen, um sich den neuen Wissensinhalt effektiv erschließen zu können. Didaktisch sinnvoll sind neben geschriebenen Texten und Bildern, der Einsatz von Grafiken oder Animationen mit gesprochenen Erläuterungen. Mit fortschreitender Expertise der Lernenden können die zu den Grafiken und Animationen gesprochenen Erläuterungen überflüssig werden. Aufgrund nun vorhandener Schemata sind die Grafiken und Animationen für den Lernenden selbsterklärend. Ihm reicht für das Verständnis zusätzlicher neuer Informationen eine Informationsquelle aus. Wird dennoch in der didaktischen Gestaltung an zwei Informationsquellen festgehalten, tritt der Expertise Reversal Effect ein. Denn Informationen, die für Lernende mit wenig Vorwissen bedeutsam waren, wurden nun überflüssig und behindern den effektiven Wissenserwerb.
3.2.3 Germane Cognitive Load Ebenso wie der Extraneous Cognitive Load kann auch der „Germane or Effective Cognitive Load“ durch die Lernumgebung beeinflusst werden, jedoch nur indirekt. Er resultiert aus der Bildung kognitiver Schemata und Automatismen. Im Gegensatz zum „Extraneous Cognitive Load“ der das Lernen negativ beeinflussen kann, verbessert der „Germane Cognitive Load“ den Lernerfolg bzw. die Lernmotivation. Voraussetzung dafür ist, dass der „Intrinsic Cognitive Load“ gering ist und die Gestaltung der Lernumgebung einen
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geringen „Extraneous Cognitive Load“ beim Lernenden erwarten lässt. So können die im Arbeitsgedächtnis noch freien kognitiven Ressourcen zur Elaboration und Konstruktion von Schemata verstärkt für den Wissenserwerb genutzt werden.
3.2.4 Implikationen für die didaktische Gestaltung Die Cognitive-Load-Theorie ist in vielerlei Hinsicht essentiell für die Konzeption multimedialen Lernens. Ohne Rücksicht auf die begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität beim Lernen kann die geplante Instruktion nur zufällig effektiv und effizient sein. Designentscheidungen zum Intrinsic, Extraneous und Germane Cognitive Load entscheiden über die für effektives und effizientes Lernen so zentrale Belastung des Arbeitsgedächtnisses des Lernenden. Zur Steuerung und zum optimalen Design des Intrinsic Cognitive Load empfiehlt sich eine am Kenntnisstand des Lernenden orientierte Element-Interaktivität. Sie bestimmt die Komplexität des Lernmaterials über den Lernprozess hinweg. Lernziel-, Wissens- und Aufgabenanalysen (s. Kap. 8) helfen die Elemente des neu zu erwerbenden Wissens zu klassifizieren, zu strukturieren und zu organisieren. Auf dieser Basis ist es möglich, durch Segmentierung und Sequenzierung (s. Kap. 13), die während des zukünftigen Lernprozesses auftretende Element-Interaktivität so zu steuern, dass der Lernende seine verfügbaren kognitiven Arbeitsgedächtnisressourcen optimal ausnutzen kann, ohne sich über- oder unterfordert zu fühlen. Durch Einsatz von Worked Examples und Ausnutzen des Modalitätseffektes sowie das Vermeiden von Split Attention und Redundanzeffekten lässt sich der Extraneous Cognitive Load optimieren. Auch durch Beachten des Expertise Reversal Effect lässt sich Extraneous Cognitive Load minimieren. Neben der Berücksichtigung der Belastung des Arbeitsgedächtnisses muss auf dem Schemaerwerb der Designfokus liegen. Instruktion, z. B. mittels fallbasiertem oder beispielbasierendem Lernen ist dazu geeignet, Schemata zu vermitteln (Reimann, 1997). Sie unterstützen den Lernenden beim Wissenserwerb und erleichtern den Erwerb von neuen Informationen (Chi, Glaser & Rees, 1983; Larkin, McDermott, Simon & Simon, 1980b). Denn mittelbar führt eine anregende multimediale Lernumgebung dazu, dass sie den Lernenden stimuliert, seinen verfügbaren Germane Cognitive Load optimal für die Schemakonstruktion und Schemaorganisation auszunutzen.
Steuerung des Cognitive Load
Schemaerwerb
3.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML) 3.3.1 Theoretischer Hintergrund des Modells Menschen lernen besser mit Wörtern und Bildern als mit nur einem Medium (Mayer, 2001). Dennoch garantiert das Hinzufügen von Bildern zu Texten noch keinen guten Lernerfolg.
3.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML)
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Neben der Cognitive-Load-Theorie (Sweller, 2005) ist die Kognitive Theorie multimedialen Lernens, die ursprünglich als SOI Modell von Mayer (2001; 2005a) bezeichnet wurde ein instruktionspsychologisches Arbeitsmodell, das menschliche Informationsverarbeitung zu erklären versucht. Es bildet den Hintergund, vor dem bestimmte Diskrepanzen zwischen erwartetem und tatsächlichem Lernerfolg erklärbar werden, so zum Beispiel auch die eingangs angeführten Behauptungen, mit Wörtern und Bildern gemeinsam könne effektiver gelernt werden, bzw. die Behauptung, reines Hinzufügen von Bildern zum Text muss nicht zum erwünschten Lernerfolg führen. Die kognitive Theorie multimedialen Lernens basiert auf den in Tabelle 3.3 zusammengefassten theoretischen Ansätzen. Tabelle 3.3: Zusammenstellung der theoretischen Basis der kognitiven Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2005b)
Duale Codierung der Informationen Begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (s. Kap. 3.1.1) Aktive Verarbeitungsprozesse
Annahmen auf denen die Kognitive Theorie multimedialen Lernens aufbaut
Grundlagen zur Entwicklung des Modells
Informationsverarbeitung erfolgt getrennt nach visuell und auditiv dargebotener Information. Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und jedes Verarbeitungskanals ist begrenzt. Wesentliche Lernaktivitäten sind: die aktive Auswahl, Strukturierung neuer Informationen, der Aufbau eines mentalen Modells und die Verknüpfung neu erworbenen Wissens mit bereits Gelerntem.
(Baddeley, 1992; Paivio, 1986) (Baddeley, 1992; Chandler & Sweller, 1991) (Mayer, 1999; Wittrock, 1989)
3.3.1.1 Informationsverarbeitung erfolgt durch duale Codierung Duale Codierung
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Das Konzept, nach dem unterschiedliche Informationen über verschiedene Kanäle aufgenommen werden, hat eine lange Tradition in der Kognitionspsychologie. Insbesondere Paivio (1986) mit seiner Arbeit zur dualen Codierungstheorie und Baddeley (1992) mit seinem Modell des Arbeitsgedächtnisses sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Sie postulieren als zentrale Annahme ihrer Theorien, dass die menschliche Informationsverarbeitung sich danach unterscheidet, ob auditive oder visuelle Informationen aufgenommen werden. Je nachdem, welche Informationen zu verarbeiten sind, wird entweder der visuell/bildhaft/nonverbale Kanal für visuelle Informationen angesprochen oder für verbale Informationen der auditiv/verbale Kanal. Über den visuell/bildhaften Kanal werden demnach Informationen aus Bildern, Grafiken oder Animationen aufgenommen, über den auditiv/verbalen Kanal Sprechtexte, Musik oder Sounds. Obwohl Informationen gewöhnlich über einen Kanal das Arbeitsgedächtnis erreichen, abhängig davon, ob es sich um visuelle oder verbale Informationen handelt, muss manchmal auch während der Informationsverarbeitung der Kanal gewechselt werden, z. B. bei der Verarbeitung von geschriebenem Text.
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3.3.1.2 Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses Ebenso wie in Swellers und Chandlers (1991) Cognitive-Load-Theorie (s. Kap. 3.2) wird auch in der kognitiven Theorie multimedialen Lernens angenommen, dass die Anzahl der Informationen, die in jedem einzelnen Kanal gleichzeitig bearbeitet werden kann, begrenzt ist (s. auch Kap. 3.1). Deshalb wird es Lernenden in den seltensten Fällen gelingen, komplexes Lernmaterial auf einmal zu bearbeiten. Stattdessen sind sie durch die Limitierung der Arbeitsgedächtniskapazität gezwungen, das Material sequenziell nacheinander zu bearbeiten. Die Grenzen unserer Bearbeitungskapazität, die individuell verschieden sind und zudem vom Vorwissen abhängen, forcieren demnach Entscheidungen, welche Lerninformationen aktuell bearbeitet werden sollen und welche zunächst unbeachtet bleiben müssen. Metakognitive Strategien und Schemata dienen zur Selbstbeobachtung, Selbstregulation und zur Koordination der eigenen Lernaktivitäten (Mayer, 2005b). Sie unterstützen den Lernenden bei seinen Entscheidungen, welche Informationen wie nacheinander bearbeitet werden sollen. Der Lernende setzt metakognitive Strategien so ein, dass möglichst viele relevante miteinander zusammenhängende Lerninhalte gleichzeitig bearbeitet werden können, ohne an seine Kapazitätsgrenzen des Arbeitsgedächtnisses zu stoßen.
Metakognitive Strategien
3.3.1.3 Aktive Verarbeitungsprozesse Um Wissen zu erwerben, ist es erforderlich, sich aktiv ein kohärentes mentales Modell des Lerngegenstandes zu konstruieren. Dazu sind kognitive Prozesse notwendig, um relevante Informationen auszuwählen, einzuprägen, neues Wissen zu strukturieren und mit bereits erworbenem Wissen in Verbindung zu setzen (Mayer, 1999; Wittrock, 1989). Die basalen kognitiven Prozesse, die den Aufbau eines kohärenten mentalen Modells ermöglichen, sind nach Cambliss und Calfee (1998) sowie Cook und Mayer (1988):
Aufbau eines kohärenten mentalen Modells
• Suche nach Ursache-Wirkungs-Ketten, einschließlich den Erklärungen ihrer Beziehungen untereinander, Beispiel: Das Lernen der Zusammenhänge im volkwirtschaftlichen Geldkreislauf ist nur erfolgreich, wenn Ursache-Wirkungs-Beziehungen erkannt und beschrieben werden können. • Vergleichen von Informationen, Beispiel: Wenn Gemeinsamkeiten zwischen Strom-, Blut- und Geldkreislauf gefunden werden sollen, müssen alle drei Modelle hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede geprüft werden. • Generalisieren bzw. Verallgemeinern von Wissen, Kinder müssen beispielsweise lernen, dass sowohl Erdbeeren als auch Himbeeren oder Äpfel mit dem allgemeineren Begriff „Früchte“ bezeichnet werden können. • Aufzählen bzw. Zusammenstellen von Sachverhalten, Beispiel: Das Lernen der deutschen Bundesländer und ihrer Hauptstädte. • Klassifizieren bzw. Einordnen von Informationen. Beispiel: Das biologische Klassifikationssystem der Tiere oder das Periodensystem der Elemente.
3.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML)
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Insbesondere die Möglichkeiten der Interaktivität (s. Kap. 20), Adaptivität und des lernerbezogenen Feedbacks (s. ebenfalls Kap. 22) sind interessante Gestaltungsmöglichkeiten multimedialen Lernens, um aktives Lernen zu motivieren und zu unterstützen. Es muss jedoch jeweils auf die kognitive Belastung geachtet werden.
3.3.2 Kernaspekte des Modells Kognitive Theorie multimedialen Lernens (SOI Modell)
Im Rahmen der kognitven Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2005b) bzw. des früheren SOI-Modells (Mayer, 2001) wird folgendes vermutet: • Text-, Bild-, Sprach- und Audioinformationen werden dual codiert. Diese Verarbeitung erfolgt für Text- und Bildinhalte über den Kanal für visuell/bildhafte Verarbeitung und für gesprochene Sprache, Töne und Musik über den Kanal für die auditiv/ verbale Verarbeitung. • Jeder der beiden Kanäle hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität und es können somit auch nur eine begrenzte Anzahl kognitiver Prozesse gleichzeitig gesteuert werden. • Fünf kognitive Prozesse sind zentral am Lernen mit Multimedia beteiligt: – – – – –
Sensorisches Gedächtnis
Besonderheit: Geschriebener Text
Arbeitsgedächtnis
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Auswahl (selection) von relevanten bzw. als wichtig erachteten Wörtern, Auswahl von relevanten Bildinhalten, Strukturierung (organizing) der ausgewählten Textinhalte und Bildung eines kohärenten verbalen Modells, Strukturierung der als wichtig erachteten Bildinhalte zu einem kohärenten bildhaften Modell und Verknüpfen (integrating) der Textrepräsentation mit der Bildrepräsentation und Verknüpfung von neuem Wissen mit bereits erworbenem aus dem Langzeitgedächtnis.
Während des Lernens werden permanent gesprochener oder geschriebener Text sowie Bildinformationen im Gedächtnis verarbeitet. Nach der Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2005b) gelangen Text- und Bildinformationen zunächst, über die Augen und Ohren aufgenommen, in das sensorische Gedächtnis (s. Abb. 3.1), wo die Informationen für sehr kurze Zeit präsent gehalten werden, um über den weiteren Verarbeitungsprozess zu entscheiden. Als wichtig ausgewählte, über die Ohren aufgenommene, gesprochene Wörter bzw. Informationen werden über den auditiv/verbalen Kanal an das Arbeitsgedächtnis weitergeleitet; ebenso relevante visuelle Informationen. Diese erreichen das Arbeitsgedächtnis jedoch über den visuell/bildhaften Kanal. Für geschriebenen Text gilt allerdings die Besonderheit, dass er zunächst im visuell/bildlichen Kanal verarbeitet wird und dann in den auditiv/verbalen Kanal wechselt. Folglich müssen für geschriebenen Text aus beiden Kanälen kognitive Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die Informationen adäquat zu verarbeiten. Das Arbeitsgedächtnis ist der zentrale Ort des Gedächtnissystems, an dem multimediales Lernen stattfindet. Es hält die Information, getrennt im visuell/bildhaften und auditiv/verbalen Kanal präsent und ermöglicht eine aktive Verarbeitung der neuen Informationen. Dabei werden relevante Informationen ausgewählt (Selektion), strukturiert
3 Lernen mit Medien
(Organisation) und zu einem mentalen Modell zusammengefügt (Integration). Erst wenn sowohl ein visuell/bildhaftes als auch ein auditiv/verbales Modell vorhanden ist, wird aus beiden Modellen ein gemeinsames Modell konstruiert, ergänzt und verknüpft mit dem aus dem Langzeitgedächtnis abgerufenen Vorwissen. Abb. 3.1: kognitive Theorie multimedialen Lernens (SOI-Modell) nach Mayer (2001, 47)
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2001, 2005b) wurde von Moreno (2005) um den taktilen Sinneskanal erweitert. Er transferiert haptische Reize, z. B. Informationen über erfühlte Formen, Größen oder Oberflächenstrukturen von Gegenständen, in das sensorische Gedächtnis. Dort als lernrelevant erkannte haptische Informationen werden dann in das Arbeitsgedächtnis transferiert und neben visuellen und auditiven zu einem mentalen Modell integriert. Allerdings, beim multimedialen Lernen gibt es nur sehr wenige Lerninhalte, wo haptische Informationen bei der Bildung eines mentalen Modells eine Rolle spielen könnten. Ein Beispiel wäre ein multimediales Trainingsprogramm für Ärzte zur korrekten Bedienung eines Ultraschallgerätes. Neben dem Training der korrekten Nutzung der Software ist es auch notwendig, die richtige Handhabung des Schallkopfes zu üben.
CTML erweitert um taktilen Sinneskanal
3.3.3 Konsequenzen für die Gestaltung multimedialen Lernens Zwei wesentliche Konsequenzen für die Gestaltung von multimedialem Lernen lassen sich aus diesem Modell ableiten (Mayer, 2001): 1. Sobald dem Lernenden zu viele Informationen gemeinsam über einen Kanal angeboten werden, ist das Arbeitsgedächtnis überlastet und der Wissenserwerb behindert. Dies ist z. B. der Fall, wenn hintereinander schnell wechselnde Bildsequenzen in einer Animation zusammengestellt werden und zudem noch viel geschriebener Text zu den Inhalten angeboten wird. Denn beide Informationen werden über den visuellen Kanal verarbeitet. 2. Das Arbeitsgedächtnis ist ebenso überfordert, wenn zu viele Informationen gleichzeitig auf beiden Kanälen zu verarbeiten sind. Denn in diesem Fall muss das Arbeitsgedächtnis sehr viele Informationen gleichzeitig aktiv halten. Ein Beispiel: Werden auf einer Bildschirmseite viele informationshaltige Bilder mit ausführlichen geschriebenen und gesprochenen Erläuterungen dargestellt, so ist die kognitive Überlastung des Arbeitsgedächtnisses sehr wahrscheinlich. Hier muss nicht nur die visuelle Bildin-
3.3 Die kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML)
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formation über den visuell/bildhaften Kanal verarbeitet werden, sondern zunächst auch der geschriebene Text, bevor der auditiv/verbale Kanal die Weiterverarbeitung übernimmt. Dieser jedoch ist bereits mit der Verarbeitung der gesprochenen Informationen belastet. Selbst danach muss das Arbeitsgedächtnis umfangreiche Ressourcen für die Integration von Text- und Bildinformation zu einem mentalen Modell zur Verfügung stellen, da erst der permanente Vergleich von beiden Informationen die Integration zu einem kohärenten Modell ermöglicht. Fünf Designprinzipien sollten darüber hinaus nach Mayer (2001) bei der Konzeption multimedialen Lernens Anwendung finden. Neben dem Modalitätsprinzip und dem Redundanzprinzip (s. Kap. 3.2), das: • Multimedia Prinzip: Die gemeinsame Präsentation von Texten und Bildern sollte insbesondere bei Lernenden mit geringem Vorwissen seine Anwendung finden (s. auch Kap. 17). • Kontiguitätsprinzi: Texte und Bilder sollten möglichst in räumlicher und zeitlicher Nähe zueinander präsentiert werden, um beide Kanäle optimal auszulasten, eine zeitnahe Verfügbarkeit von verbalem und bildhaftem Modell zu ermöglichen und um die Integration beider Modelle zu einem zu erleichtern (s. auch Kap. 17). • Kohärenzprinzip: Lernmaterial sollte nicht mit „interessantem Material“, das nicht direkt zum Verstehen des Lerninhaltes erforderlich ist, angereichert werden. Das kann das Lernen beeinträchtigen. Denn zusätzliche Informationen belasten das Arbeitsgedächtnis und beanspruchen kognitive Ressourcen, die für den eigentlichen Lern- und Verstehensprozess nicht mehr zur Verfügung stehen (s. auch Kap. 17). Darüber hinaus formuliert Mayer (2005a) weitere Prinzipien für multimediales Lernen, auf die in den entsprechenden Kapiteln dieses Kompendiums eingegangen werden soll, sowie Prinzipien für bestimmte Wissensgebiete.
3.4 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens Das Verständnis der Lerninhalte multimedialer Lernumgebungen hängt eng mit der Art und Weise zusammen, wie diese Inhalte angeboten werden. Insbesondere welche Medien für die Präsentation der Lerninhalte ausgewählt und wie diese miteinander kombiniert wurden, bestimmen mit, wie „verständlich“ das Lernmaterial für den einzelnen Lernenden ist. Texte, Bilder und Audio spielen dabei eine Schlüsselfunktion. Das integrierte Modell des Text- und Bildverstehens soll den Verstehensprozess von gesprochenen und geschriebenen instruktionalen Texten, statischen und bewegten Bildern ebenso erklären wie, den von Sounds (Cambliss & Calfee, 1998). Dabei ist es z. T. konkreter in der Darstellung des Text- und Bildverstehensprozesses als die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2005c). Während die Cognitive-Load-Theorie (Chandler & Sweller, 1991; Sweller & Chandler, 1991) allein auf die Prozesse im Arbeitsgedächtnis fokussiert, betrachten sowohl die kognitive Theorie mulimedialen Lernens (CTML), als auch das Intergrierte Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005) den gesamten Verstehensprozess.
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3 Lernen mit Medien
3.4.1 Theoretische Basis des Integrativen Modells
Duale Codierung der Informationen (s. Kap. 3.3.1) Arbeitsgedächtnisbegrenzung (s. Kap. 3.1.1 & Kap. 3.3.1) CTML-Modell (s. Kap. 3.3.1)
Konzept multipler Gedächtnissysteme
Mehrere mentale Repräsentationen beim Text- und Bildverstehen Text- und Bildverständnismodell
Annahmen auf denen das integrierte Modell aufbaut
Grundlagen zur Entwicklung des Modells
Informationsverarbeitung erfolgt getrennt nach visuell und auditiv dargebotener Information.
(Baddeley, 1992; Paivio, 1986)
Die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und jedes Verarbeitungskanals ist begrenzt.
(Baddeley, 1992; Chandler & Sweller, 1991)
Lernprozesse sind gekennzeichnet durch die Aufnahme von Informationen über zwei Sinneskanäle. Sie werden selektiert und aktiv im Arbeitsgedächtnis organisiert sowie in das bisherige Wissen integriert. Die menschliche kognitive Architektur weist drei Speicher auf, das sensorische Gedächtnis, das Kurzzeitgedächtnis bzw. Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Beim Text- und Bildverständnis konstruiert ein Lernender generell mehrere mentale Repräsentationen, beschreibende und darstellende.
(Mayer, 2001, 2005b)
Tabelle 3.4: Zusammenstellung theoretischer Erklärungsmodelle für das integrierte Modell
(Atkinson & Shiffrin, 1971)
(Kosslyn, 1994; van Dijk & Kintsch, 1983)
Texte und Bilder können erst dann verstanden (Schnotz & Bannert, werden, wenn sie über mehrere mentale Repräsen- 2003) tationsstufen kanalunabhängig in ein mentales Modell überführt wurden.
3.4.1.1 Das Konzept multipler Gedächtnissysteme – Drei-Speicher-Modell Nach Atkinson und Shiffrin (1971) besteht das menschliche Gedächtnis aus drei Teilen, dem Sensorischen Gedächtnis, dem Kurzzeitgedächtnis, auch Arbeitsgedächtnis genannt, und dem Langzeitgedächtnis. Das sensorische Gedächtnis (auch sensorisches Register) nimmt kurzzeitig, aber relativ vollständig die auf das Individuum einwirkenden Umgebungsinformationen auf. Durch selektive Aufmerksamkeit werden im Kurzzeitgedächtnis einige wenige relevante Informationen extrahiert und bleiben dort kurzzeitig für etwa 15 Sekunden für die weitere Verarbeitung erhalten. Kommen weitere neue Informationen hinzu, werden alte Einheiten verdrängt. Nur sehr wenige Informationen werden durch Wiederholen in das Langzeitgedächtnis übertragen. Das Langzeitgedächtnis verfügt über eine hohe Kapazität und dient der langfristigen Speicherung großer Informationsmengen. Dennoch kann ein Individuum nicht auf alle im Langzeitgedächtnis gespeicherten Informationen zugreifen, sondern nur auf jene, die nicht vergessen wurden, d. h. auf solche, die vielfältig mit anderen ähnlichen Informationen verbunden sind oder mit diesen Informationen im Zusammenhang abgespeichert wurden (Atkinson & Shiffrin, 1971).
3.4 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens
Sensorisches Gedächtnis Kurzzeitgedächtnis
Langzeitgedächtnis
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3.4.1.2 Annahme mehrerer mentaler Repräsentationen beim Text und Bildverstehen
Mentale Repräsentationen
Oberflächenmerkmale
Propositionales Netzwerk
Mentales Modell
Um die in einer multimedialen Lernumgebung präsentierten Texte und Bilder verstehen zu können, müssen alle relevanten Elemente der Text- bzw. Bildinformation vom Lernenden simultan im Arbeitsspeicher verarbeitet werden. Dazu erzeugen Lernende im Arbeitsgedächtnis mentale Repräsentationen des relevanten Text- bzw. Bildinhaltes. Diese Repräsentationen dienen als Grundlage, die so lange im Arbeitsgedächtnis umstrukturiert und umkonstruiert sowie mit bereits verfügbaren Informationen aus dem Langzeitgedächtnis angereichert werden, bis ein komplexes kohärentes mentales Modell des Lerngegenstandes entstanden ist. Lernende gehen dabei schrittweise vor und erzeugen mehrere Repräsentationen, die nach und nach in ihrer Komplexität zunehmen. Zuerst wird eine Repräsentation erstellt, die Oberflächenmerkmale des Text- oder Bildinhaltes beinhaltet, z. B. eine Repräsentation über die Struktur eines Textes (Länge, Absatzhäufigkeit etc.) oder eines Bildes (Größe, verwendete Farben usw.). Diese Repräsentation wird in einem weiteren Schritt zu einem propositionalen Netzwerk ausdifferenziert, das die im Text vorhandenen Begriffe abbildet und miteinander in Beziehung setzt. Die Repräsentation eines proportionalen Netzwerkes dient demnach dazu, die im Text vorkommenden Begriffe miteinander zu verknüpfen. In einem weiteren und letzten Schritt wird die Repräsentation des propositionalen Netzwerkes zu einem mentalen Modell des Textinhaltes ausdifferenziert. Anders als beim Textverstehen folgt beim Bildverstehen auf die Repräsentation der Oberflächenmerkmale (visual image) nach Kosslyn (1994) und Lowe (1996) gleich die Bildung des mentalen Modells über den Bildinhalt.
3.4.1.3 Das Text- und Bildverständnismodell
Beschreibende Repräsentationen Darstellende Repräsentationen
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Das von Schnotz und Bannert (2003) entwickelte Modell des Text- und Bildverstehens geht von zwei Annahmen aus: Paivios (1986) dualer Codierungstheorie und der Notwendigkeit mehrerer aufeinander aufbauender Repräsentationen (Kosslyn, 1994; Paivio, 1986; van Dijk & Kintsch, 1983) als Grundlage für das Text- bzw. Bildverständnis. Beide Annahmen wurden im Text- und Bildverständnismodell zusammengeführt, ergänzt um die Annahme, dass zwischen beschreibender und darstellender Repräsentation unterschieden wird. Beschreibende Repräsentationen werden für abstraktes Wissen und Zusammenhänge erzeugt, beispielweise um den Sachverhalt zu beschreiben, dass Katzen sowohl Säugetiere als auch Vögel fressen können. Darstellende Repräsentationen hingegen beschreiben einen konkreten Sachverhalt oder eine konkrete Sache. Zum Beispiel die Maus, deren Fressfeind die Katze ist. Die Repräsentation der Oberflächenmerkmale von Text- und Bildinhalten konstruiert der Lernende während seiner ersten visuellen bzw. auditiven Betrachtung des Textbzw. Bildmaterials. Aus einer differenzierteren Analyse des Textmaterials entsteht aus der Repräsentation der Oberflächenmerkmale ein proportionales Netzwerk des Textinhaltes (s. Abb. 3.2). Repräsentationen der Oberflächenmerkmale und des proportionalen Netzwerkes bilden den Lerninhalt kanalgebunden ab, also abhängig davon, ob er über die Augen oder Ohren aufgenommen wurde und ob er als Text oder Bild vorlag (s. Abb. 3.2).
3 Lernen mit Medien
Abb. 3.2: Modell des Text- und Bildverstehens nach Schnotz & Bannert (2003)
Mentale Modelle hingegen stellen Text- und Bildinhalte dar. Sie reduzieren die neue Information, führen Text- und Bildinformation auf abstraktem, Niveau zusammen und reichern diese mit zum Thema relevanten Inhalten des Vorwissens an. Sie werden je nachdem, ob es sich um Text- oder Bildinformationen handelt, direkt aus der Repräsentation der Oberflächenmerkmale erzeugt oder aus der Repräsentation des proportionalen Netzwerkes.
3.4.2 Das Integrierte Modell des Text- und Bildverstehens (ITPC) Das Integrierte Modell des Text- und Bildverstehens (Integrated Model of Text and Picture Comprehension, ITPC) von Schnotz (2005) (s. Abb. 3.3) geht ebenso wie die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2005c) davon aus, dass die über die Sinneskanäle Augen und Ohren aufgenommenen Informationen kurzzeitig im sensorischen Register gespeichert werden, um Themen bzw. lernrelevante Informationen zu filtern und diese dann an das Arbeitsgedächtnis weiterzuleiten. Die Verarbeitung bildhafter und auditiver Informationen verläuft über zwei in ihrer Kapazität begrenzte, getrennte Kanäle, den visuellen und den auditiven Kanal.
3.4 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens
57
Abb. 3.3: Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005)
Im Arbeitsgedächtnis werden zunächst mehrere beschreibende mentale Repräsentationen erzeugt, jeweils getrennt für auditive und bildhafte Informationen, bis beide Informationen in einem mentalen Modell miteinander verbunden werden, gemeinsam mit dem bereits vorhandenen Vorwissen, das aus dem Langzeitgedächtnis in Form von Schemata abgerufen wird. Mit Hilfe des integrierten Modells des Text- und Bildverstehens kann sowohl das Text- und Bildverständnis erklärt werden als auch das Hörverständnis und das Erleben von Musik sowie die Kombination von Texten, Bildern und Musik bzw. Geräuschen.
3.4.2.1 Das Verständnis von geschriebenem Text Wenn ein Lernender einen geschriebenen Text verstehen möchte, so wird nach dem ITPC-Modell (Schnotz, 2005) die visuell über das Auge aufgenommene verbale Information über das visuelle Register durch den visuellen Kanal zum visuellen Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Es resultiert eine Repräsentation der Oberflächenmerkmale des Textes. Ein verbaler Filter (Abb. 3.3) selektiert relevante verbale Informationen, die über den verbalen Kanal weitergeleitet und in einer propositionalen Repräsentation abgebildet werden. Sie schafft die Basis für das mentale Modell, das aus dieser propositionalen Repräsentation erzeugt wird. Dies erfolgt über themenbezogene Schemata aus dem Langzeitgedächtnis, die die propositionale Repräsentation ergänzen, umstrukturieren und ausbauen. Ebenso werden Repräsentationen aus dem bildhaften Kanal, falls diese zum Thema verfügbar waren, in den Prozess der mentalen Modellbildung mit einbezogen (s. auch Kap. 15).
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3 Lernen mit Medien
3.4.2.2 Das Verständnis von gesprochenem Text Auch für das Verstehen von gesprochenem Text muss nach dem ITPC-Modell (Schnotz, 2005) die Information über das sensorische Register in das Arbeitsgedächtnis überführt werden. Erst über mehrere mentale Repräsentationen kann die Information verstanden werden. Gesprochener Text wird über das Ohr aufgenommen. Sofern Textinhalte durch das sensorische Register als relevant erkannt wurden, werden sie als auditive verbale Information durch den auditiven Kanal zum auditiven Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Hier wird eine Repräsentation der Oberflächenmerkmale des gehörten Textes erstellt. Ein auditiver Filter selektiert jene Informationen, die in eine propositionale Repräsentation umstrukturiert und verdichtet werden sollen. Schließlich wird diese Repräsentation zum darstellenden mentalen Modell ausgebaut unter Einbeziehung von aus dem Langzeitgedächtnis abgerufenem Vorwissen und Informationen des bildhaften Kanals (s. auch Kap. 16).
3.4.2.3 Das Verständnis von Bildern und Grafiken Bilder werden vom Lernenden verstanden, indem er die über das Auge aufgenommene Information im visuellen Register vorselektiert und relevante Bildinformationen über den visuellen Kanal zum visuellen Arbeitsgedächtnis weiterleitet. Hier wird eine Repräsentation des Bildes erstellt, auf deren Basis der visuell bildhafte Filter relevante Bildinformationen selektiert, welche die Konstruktion und Ausarbeitung des mentalen Modells anregen. Ergänzt werden kann das mentale Modell durch themenbezogene kognitive Schemata des Vorwissens, die aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden, oder durch relevante Informationen, welche die propositionale Repräsentation eines dazugehörigen Textes liefert (s. auch Kap. 17).
3.4.2.4 Das Verständnis von Audio – Hintergrundmusik, Geräuschen, Sounds Geräusche oder Musik dringen als auditive Information durch das Ohr in das auditive Register ein und werden dann durch den auditiven Kanal zum auditiven Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Es wird eine Repräsentation des auditiv Wahrgenommenen erzeugt, die gefiltert den Aufbau des mentalen Modells steuert. Wiederum kann das mentale Modell durch relevante Informationen des verbalen oder visuellen Kanals und durch bereits erworbene Schemata ergänzt werden (s. auch Kap. 16).
3.4.3 Konsequenzen für die Gestaltung von multimedialem Lernen Neben den instruktionalen Konsequenzen, die schon für die Cognitive-Load-Theorie (Chandler & Sweller, 1991; Sweller & Chandler, 1991) (s. Kap. 3.2) und die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2001, 2005b) beschrieben wurden (s. Kap. 3.3.2),
3.4 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens
59
leitet Schnotz (2005) aus dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens zusätzliche Empfehlungen für Designentscheidungen multimedialen Lernens ab. • Präsentationssequenz-Prinzip: Wenn Text und Bild nicht gleichzeitig präsentiert werden können, so sollte zuerst das Bild präsentiert werden und dann der Text, damit das mentale Modell des Bildes durch die Textinformation angereichert werden kann und nicht anders herum. Denn es ist aufwendiger, geschriebene Textinformationen zu verstehen als Bildinformationen. Geschriebener Text muss vom visuellen Verarbeitungskanal zum verbalen wechseln. Bevor der Lernende die Inhalte des geschriebenen Textes in ein mentales Modell integrieren kann, erstellt er zunächst eine propositionale Repräsentation der Textinformation. Wenn er also zunächst die Bildinformationen in ein mentales Modell integriert, dann steuert dieses mentale Modell die Bearbeitung des Textmaterials und es werden nur noch für das Bildverständnis ergänzende propositionale Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis erzeugt und nicht der gesamte Textinhalt in propositionale Repräsentationen umgesetzt. Diese Vorgehensweise schont kognitive Ressourcen und ermöglicht dem Lernenden, einen großen Teil seiner Kapazität des Arbeitsgedächtnisses effizient für die Schemakonstruktion und die Konstruktion des mentalen Modells aufzuwenden. • Stucture-Mapping-Prinzip: Visualisieren mehrere inhaltlich äquivalente Bilder eine Information, so sollte nur das ausgewählt werden, welches den Wissensinhalt am adäquatesten repräsentiert (s. auch Kap. 17). • Prinzip der Prozesskontrolle: Bei besonders schwierigen Texten und dazugehörigen Grafiken sollte geschriebener Text die Grafik ergänzen, vorausgesetzt es liegen keine zeitlichen Beschränkungen vor. Es kann zunächst die Grafik in ein mentales Modell umgesetzt und dieses Modell durch die Textinformation angereichert werden. Diese Vorgehensweise schont, bei Betrachtung des gesamten Verstehensprozesses, kognitive Ressourcen, da der Text selektiv gelesen werden kann. Andernfalls, läge der Text auditiv vor, müsste er permanent komplett wiederholt werden, um beide Informationen zu einem kohärenten mentalen Modell zusammenzufügen. Das Prinzip der Prozesskontolle ist eine Ausnahme vom Modality Effect (s. Kap. 3.2.2.1), das nur bei sehr komplexem, schwierigem und umfassendem Lernmaterial Anwendung finden sollte.
3.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde auf grundlegende Erkenntnisse und theoretische Modelle der menschlichen Informationsverarbeitung eingegangen. Fünf Kernaspekte menschlicher Informationsverarbeitung lassen sich aus den beschriebenen Modellen subsumieren und sollten deshalb mindestens für eine lernwirksame Gestaltung multimedialen Lernens berücksichtigt werden. 1. Das menschliche Gedächtnis weist multiple Gedächtnissysteme auf (Atkinson & Shiffrin, 1971): das sensorische Gedächtnis, das Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Während das sensorische Gedächntis die Umgebungsinformation nahezu vollständig aufnimmt, ist die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses begrenzt. Im Arbeitsgedächtnis kann nur mit wenigen Informationen operiert werden. Die Kapazität
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3 Lernen mit Medien
des Langzeitgedächtnisses ist hoch, allerdings können nicht alle Wissensninhalte wieder abgerufen werden. 2. Informationen werden getrennt nach visuellen und auditiven Informationen verarbeitet (Baddeley, 1992; Paivio, 1986). Es gibt zwei Verarbeitungskanäle, einen für Bilder und Grafiken und einen für Sprechtexte, Musik oder Sounds. 3. Informationen werden aus dem Lernmaterial getrennt nach visueller und auditiver Information ins sensorische Gedächtnis übernommen und ausgewählte relevante Informationen vom senorischen Gedächtnis ins Arbeitsgedächtnis transferiert. Dort werden die Informationen organisiert und zu einem mentalen Modell unter Zuhilfenahme von Vorwissen aus dem Langzeitgedächtnis integriert (Mayer, 2001, 2005c). 4. Bis jedoch ein mentales Modell vom Lerninhalt im Arbeitsgedächtnis erzeugt werden kann, müssen zuvor mehrere mentale Repräsentationen des Lerninhaltes erstellt werden, die dann zum mentalen Modell integriert werden können (Kosslyn, 1994; Schnotz, 2005; Schnotz & Bannert, 2003; van Dijk & Kintsch, 1983). 5. Die begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität muss zwischen drei Quellen mentaler Belastung aufgeteilt werden: dem Intrinsic Cognitive Load, dem Extraneous Cognitive Load und dem Germane Cognitive Load (Chandler & Sweller, 1991; Sweller, 2005a; Sweller & Chandler, 1991). Orientiert sich die Inhaltsauswahl, Komplexität, Schwierigkeit und der Umfang des Lernmaterials an den Lernvoraussetzungen der Lernenden, so ist der Intrinsic Cognitive Load lernförderlich gewählt. Durch die didaktische Gestaltung des Lernmaterials kann vor allem der Extranous Cognitive Load beeinflusst werden. Nicht lernrelevante kognitive Prozesse, wie z. B. das Suchen von Informationen, sollten möglichst vermieden werden, damit für die Schemakonstruktion und die Konstruktion des mentalen Modells umfangreiche kognitive Ressourcen zur Verfügung stehen. Bei Gestaltung multimedialen Lernens empfiehlt es sich darüber hinaus, die von Mayer (2005a) formulierten Prinzipien multimedialen Lernens bei der Konzeption mit zu berücksichtigen.
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Literatur
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4
Selbstreguliertes Lernen
E-Learning bedeutet oftmals individuelles Lernen mit Hilfe eines computergestützten Lernprogramms. Lernende sind somit aufgefordert, sich den dargebotenen Lernstoff ohne Unterstützung von außen anzueignen. Gerade in diesem Fall spielt die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess selbst zu steuern und zu regulieren, eine bedeutende Rolle. Der Lernende muss die Tätigkeiten, die sonst zumindest teilweise von einem Lehrer übernommen werden, selbst übernehmen, sich also selbstständig neues Wissen erarbeiten. Dazu ist es notwendig, dass der Lerner über ausreichende Kompetenzen zum Lernen verfügt (Schreiber, 1998), die ihm meist zunächst vermittelt werden müssen. Nach erfolgreicher Bearbeitung dieses Kapitels werden Sie wissen,
Lehrziele
• was man unter selbstreguliertem Lernen versteht, • welche Modelle des selbstregulierten Lernens aktuell relevant sind, • welche Lernstrategien unterschieden werden und wie diese vermittelt werden können, • wie selbstregulierte Lernprozesse sinnvoll unterstützt werden können und • wie selbstregulative Fähigkeiten insgesamt gefördert werden können.
4.1 Was ist selbstreguliertes Lernen? Im deutsch- und englischsprachigen Raum finden sich unterschiedliche Begriffe für selbstreguliertes Lernen, die mehr oder weniger synonym verwendet werden. So wird häufig auch von selbstgesteuertem Lernen, autonomem Lernen, selbstorganisiertem Lernen, Self-Directed Learning etc. gesprochen (Götz, 2006; Schreiber, 1998). Allen gemeinsam ist die Betonung der aktiven Rolle des Lernenden: Er muss seinen Lernprozess selbstständig planen, sich eigene Ziele setzen, sein Vorwissen aktivieren, sich seine Lernressourcen suchen und selbstständig nach seiner eigenen Geschwindigkeit bearbeiten (vgl. Fischer & Mandl, 2002). Er muss seinen Lernfortschritt überwachen, sich an die sich verändernden Anforderungen des Lernmaterials anpassen und sein Lernergebnis schließlich bewerten. Weiterhin muss er wissen, wie er die Lerninhalte bewältigen kann, er muss sich selbst motivieren können und wissen, wie er seine Aufmerksamkeit aufrechterhalten kann (Fischer & Mandl, 2002; Simons, 1992). Darüber
4.1 Was ist selbstreguliertes Lernen?
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Selbstreguliertes und fremdreguliertes Lernen als Endpunkte eines Kontinuums
Definition selbstreguliertes Lernen
hinaus muss er seine Lernumgebung den Zielen entsprechend gestalten und seine Ressourcen einteilen. Völlige Selbststeuerung ist jedoch selten zu finden, insbesondere im schulischen oder universitären Kontext. Zumindest bei der Zielsetzung wird den Lernenden zumeist nicht völlige Entscheidungsfreiheit gewährt. Nach Simons (1992) ist selbstreguliertes Lernen ebenso wie fremdreguliertes Lernen selten bzw. nie in Reinform zu finden. Vielmehr sollten beide Formen des Lernens als Extreme eines Kontinuums begriffen werden, zwischen denen Lernende sich bewegen. Nach Schiefele und Pekrun (1996) bedeutet selbstreguliertes Lernen „eine Form des Lernens, bei der eine bestimmte Person in Abhängigkeit von der Art der Lernmotivation selbstbestimmt eine oder mehrere Steuerungsmaßnahmen (kognitiver, metakognitiver, volitionaler oder verhaltensmäßiger Art) ergreift und den Fortgang des Lernprozesses selbst überwacht“ (S. 258). Damit dies gelingen kann, sind entsprechende Lernkompetenzen zur Bewältigung des Lernstoffs und zur Steuerung und Regulation des Lernprozesses notwendig. Dazu gehört ein Repertoire an Lernstrategien (Götz, 2006). Neben kognitiven Strategien sind dies auch metakognitive und motivationale bzw. volitionale Strategien, ebenso wie Strategien des Ressourcenmanagements. Im Folgenden werden aktuelle Modelle des selbstregulierten Lernens vorgestellt und miteinander verglichen.
4.2 Modelle selbstregulierten Lernens 4.2.1 Die sozial-kognitive Perspektive nach Zimmerman Die sozial-kognitive Perspektive sieht Selbstregulation als triadische Interaktion aus personeninternen, verhaltens- und umgebungsbezogenen Prozessen (Straka, 2006; Zimmerman, 2000; Bandura, 1986). Selbstregulation wird als Zyklus angesehen (Abb. 4.1), da Abb. 4.1: Selbstregulation als triadische Interaktion nach Zimmerman (2000)
Person Verhaltensbezogene Selbstregulation
Verdeckte/interne Selbstregulation
Umwelt
Verhalten Umgebungsbezogene Selbstregulation
Strategienutzung Rückkopplungsschleife
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4 Selbstreguliertes Lernen
vorangegangene Leistungen rückgemeldet werden, um aktuelle Lernanstrengungen daran anzugleichen. Diese Vergleiche sind wichtig, weil sich personeninterne, verhaltens- und umgebungsbezogene Bedingungen beim Lernen ständig verändern (Straka, 2006). Über drei Feedback-Schleifen werden die Ergebnisse der personeninternen, verhaltens- und umgebungsbezogenen Prozesse jeweils rückgekoppelt und aktuelle Lernanstrengungen entsprechend angepasst. Verhaltensbezogene Selbstregulation umfasst dabei Selbstbeobachtung und strategische Anpassung der Lernhandlungen. Umweltbezogene Selbstregulation meint die Überwachung und Anpassung der Lernumgebung sowie der (Zwischen-) Ergebnisse der Handlungen. Die interne Selbstregulation bezieht sich auf die Überwachung und Anpassung kognitiver und affektiver Zustände. Nach Zimmerman (1998, 2000) lassen sich für selbstregulierte Prozesse drei Phasen unterscheiden, die zyklisch miteinander verbunden sind. Es handelt sich dabei um die Phase der Vorausschau oder Planung, die Phase der Durchführung und der volitionalen Kontrolle sowie um die Phase der Selbstreflexion (Abb. 4.2):
Abb. 4.2: Drei Phasen des selbstregulierten Lernprozesses nach Zimmerman (1998, 2000)
Durchführung/ Volitionale Kontrolle
Vorausschau / Planung
Phasen selbstregulierter Prozesse
Selbstreflexion
Mit jeder Phase sind bestimmte Aktivitäten verbunden, darüber hinaus lassen sich jeder Phase bestimmte Prozesse und Subprozesse zuordnen. Abbildung 4.3 gibt einen Überblick über die Phasen des Lernprozesses und die damit verbundenen Aktivitäten: Phasen und Subprozesse der Selbstreaktion (zyklisch) Vorausschau/ Planung
Durchführung/ volitionale Kontrolle
Selbstreflexion
Aufgabenanalyse Ziele setzen Strategische Planung
Selbstkontrolle Selbstinstruktion Bildliche Vorstellungen Steuerung der Aufmerksamkeit Strategische Maßnahmen
Selbstbewertung Selbstbeurteilung eigener Leistung Kausalattribution
Selbstbezogene motivationale Überlegungen Selbstwirksamkeit Ergebniserwartungen Intrinsisches Interesse Zielorientierung
Selbstbeobachtung Beobachten und Festhalten eigenen Handelns
Selbstreaktion Einbezug der Ergebnisse der Selbstbeurteilung zur Anpassung künftiger Lernhandlungen
4.2 Modelle selbstregulierten Lernens
Abb. 4.3: Phasen des selbstregulierten Lernens
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Phase der Vorausschau und Planung
Phase der Durchführung
Phase der Selbstreflexion
Nach der sozial-kognitiven Perspektive setzen sich Lernende in der Phase der Vorausschau und Planung zunächst Ziele und planen, welche Lernstrategien eingesetzt werden. Einfluss auf diese Prozesse haben Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Ergebniserwartungen und das intrinsische Interesse am Lernstoff. Während der eigentlichen Durchführung des Lernprozesses spielen Selbstkontrolle und Selbstbeobachtung eine wichtige Rolle: die Lernstrategien werden eingesetzt, gleichzeitig muss überprüft werden, ob deren Auswahl und Einsatz adäquat für die anstehenden Aufgaben ist. Die Aufmerksamkeit muss auf die Lerninhalte fokussiert werden und das eigene Handeln muss überwacht werden. In der Phase der Selbstreflexion geht es in erster Linie darum, die eigene Leistung zu bewerten. Hier spielt der Attributionsstil eine wichtige Rolle: Die Ergebnisse werden entweder der eigenen Leistung zugeschrieben oder äußeren Umständen, was wiederum Auswirkung auf künftige Lernhandlungen hat. Letztlich müssen die Ergebnisse der Selbstbeurteilung dazu genutzt werden, um darauf aufbauend künftige Lernprozesse zu planen. Im Zentrum des Modells nach Zimmerman stehen Prozesse der Selbstregulation, es werden damit vor allem metakognitive Fähigkeiten (planen, durchführen und reflektieren bzw. bewerten) betont.
4.2.2 Das „Drei-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens“ Das Drei-Schichten-Modell des selbstregulierten Lernens nach Boekaerts (1999) konzentriert sich auf das Zusammenspiel von Lern- und Arbeitsstrategien und ihrer motivationalen und emotionalen Bedingungen. Wie auch im Modell nach Zimmerman wird selbstreguliertes Lernen als „eigenständiges Entwickeln von Gedanken, Gefühlen und Handlungen verstanden, die systematisch auf das Erreichen eigener Ziele ausgerichtet sind“ (Straka, 2006). Der selbstregulative Prozess ist gekennzeichnet durch drei Schichten bzw. Regulationsebenen: die Regulation des Selbst, die Regulation des Lernprozesses und die Regulation des Verarbeitungsmodus. Abb. 4.4: Modell des selbstregulierten Lernens nach Boekaerts
Regulation des Selbst / der Gruppe Regulation des Lernprozesses Regulation des Verarbeitungsmodus
Wahl kognitiver Strategien
Metakognitive Strategien Wahl von Zielen und Ressourcen
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4 Selbstreguliertes Lernen
Die Regulation des Verarbeitungsmodus beinhaltet die Wahl kognitiver Strategien, anhand derer die Lerninhalte bearbeitet werden. Damit umfasst der innerste Kreis des Modells „die kognitiven Prozesse […], die unmittelbar der Erarbeitung von Lernergebnissen dienen“ (Götz, 2006, S. 11). Die Kenntnis kognitiver Lernstrategien gilt als Voraussetzung der erfolgreichen Regulation von Lerntätigkeiten. Die Regulation des Lernprozesses bezieht sich auf die Wahl metakognitiver Strategien, die dem Lernenden dabei behilflich sind, den Einsatz kognitiver Strategien zu steuern. Dazu gehören Strategien der Planung, z. B. beim Festlegen von Lernzielen, der Durchführung bzw. der Überwachung des Lernfortschritts sowie Strategien der Bewertung der Lernergebnisse. Der Einsatz dieser metakognitiven Strategien ist häufig fachgebunden. Die äußerte Schicht im Modell, die Regulation des Selbst, umfasst die Wahl von Zielen und Ressourcen sowie motivationale Aspekte selbstregulierter Lernprozesse. Aktuelle und künftige Tätigkeiten müssen entsprechend eigener Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen und Ressourcen ausgewählt werden. Darüber hinaus gehört die Fähigkeit, eigene Ziele gegen konkurrierende Einflüsse abzuschirmen, mit zur Regulation des Selbst. Motivationale Aspekte sorgen dafür, dass Lernaktivitäten in Gang gesetzt werden (Götz, 2006). Die genannten Regulationsprozesse der drei Schichten sind dabei wechselseitig aufeinander bezogen und beinhalten unterschiedliche Komponenten der Informationsverarbeitung (vgl. Straka, 2006; Boekaerts, 1999; Boekaerts & Minnaert, 1999). So nimmt das persönliche Ziel (z. B. „guter Studienabschluss“, „gute Klausurnote“) Einfluss auf die konkrete Planung des Lernprozesses („Ich werde mich heute mit der Klausurvorbereitung befassen und den Abschnitt „Selbstreguliertes Lernen“ durcharbeiten“) sowie auf die Wahl der Strategien zur Erarbeitung des Lernstoffs. Zur Vermittlung selbstregulatorischer Kompetenzen müssen die Regulationsprozesse aller drei Schichten vermittelt werden (Götz, 2006).
Regulation des Verarbeitungsmodus
Regulation des Lernprozesses
Regulation des Selbst
4.2.3 Das Selbstregulationsmodell von Schiefele und Pekrun Das integrative Rahmenmodell des selbstregulierten Lernens nach Schiefele und Pekrun (1996) (Abb. 4.5) betont den prozessualen Charakter des Lernens und stellt das Zusammenwirken von Lernermerkmalen, Lernsteuerung und Lernprodukten dar. Zu den Lernermerkmalen gehören kognitive Komponenten (Repertoire an Lernstrategien, metakognitives Wissen, fachbezogenes Vorwissen, Intelligenz), motivationale Komponenten (Interesse, Motive, motivationsrelevante Kognitionen, volitionale Merkmale) sowie emotionale Komponenten (allgemeine Gestimmtheit). Diese nehmen Einfluss auf die Art und Weise der internen Steuerung des Lernprozesses. Die Lernsteuerung wird – wie im Modell von Zimmerman – in die drei Phasen Planung (vor dem Lernen/vorwärtsgerichtet), Durchführung (während des Lernens/gegenwartsorientiert) und Bewertung (nach dem Lernen/rückwärts- bzw. zukunftsgerichtet) unterteilt. In allen drei Phasen kann sowohl intern als auch extern auf die Lernsteuerung Einfluss genommen werden. Der Grad der Selbst- bzw. Fremdbestimmung des Lernprozesses ist dabei nicht allein von der An- bzw. Abwesenheit eines Lehrenden abhängig (Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Externe Faktoren, die den Lernprozess beeinflussen, sind z. B. auch die Lernumgebung, die angewandten Unterrichtsmethoden und das Verhalten des Lehrenden, aber auch institutionelle Rahmenbedingungen. Bei der internen
4.2 Modelle selbstregulierten Lernens
Lernermerkmale
Lernsteuerung
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Abb. 4.5: Selbstregulationsmodell nach Schiefele und Pekrun (1996) Planung
Durchführung
Bewertung
Lernprodukte
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Lernsteuerung fallen in den unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Aufgaben an, die vom Lernenden zu bewältigen sind. In der Phase der Planung sind das z. B. die Bildung einer Lernabsicht (motivationale Komponente) und die Lernplanung, z. B. durch Setzen von Zielen, aber auch durch Vorbereitung der Lernumgebung (Ressourcenmanagement). Auch die Art und Weise, wie dem künftigen Lernprozess entgegengeblickt wird (emotionale Ebene), spielt bei der Lernplanung eine Rolle. In der Phase der Durchführung müssen passende Lernstrategien ausgewählt und eingesetzt werden (kognitive Ebene), der Lernprozess muss hinsichtlich des Lernfortschritts überwacht und reguliert werden (metakognitive Ebene). Außerdem muss die Lernabsicht gegen konkurrierende Einflüsse abgeschirmt werden (motivationale bzw. volitionale Ebene). Nach Abschluss des Lernprozesses, in der Phase der Bewertung, wird das Lernergebnis hinsichtlich der Zielerreichung diagnostiziert (metakognitive Ebene). Aus dem Ergebnis sollten Schlüsse für künftige Lernhandlungen gezogen werden, die in die nächste Planungsphase des Lernprozesses eingehen. Die Lernprodukte stehen am Ende des Lernprozesses. Es handelt sich dabei um deklaratives bzw. prozedurales Wissen, das durch die Beschäftigung mit dem Lerngegenstand erworben wurde. Merkmale dieses Wissens sind z. B. Umfang, Tiefe, Differenziertheit, Kohärenz und Integration mit dem Vorwissen (Götz, 2006).
4 Selbstreguliertes Lernen
4.2.4 Vergleich der vorgestellten Modelle Alle drei Modelle des selbstregulierten Lernens betonen die Relevanz metakognitiver Prozesse. Das eher allgemein gehaltene Modell von Boekaerts (1999) bietet einen grundlegenden Überblick über zentrale Prinzipien selbstregulierten Lernens (Götz, 2006). Sowohl Zimmerman (1998, 2000) als auch Schiefele und Pekrun (1996) betonen den prozesshaften Charakter selbstregulierter Lernprozesse und zeigen eine zeitliche Abfolge der einzelnen Phasen Planung, Durchführung und Bewertung auf. Durch die Rückmeldung der Lernergebnisse und deren Einbezug in die Planung künftiger Lernprozesse wird ein zyklischer Ablauf hervorgehoben. In allen drei Modellen werden kognitive, metakognitive, motivationale bzw. volitionale sowie ressoucenbezogene Mechanismen erwähnt. Daher ist die Vermittlung entsprechender Strategien für die Förderung selbstregulativer Kompetenzen von besonderer Bedeutung.
4.2.5 Weitere Modelle Neben den hier vorgestellten Modellen des selbstregulierten Lernens existieren eine Reihe Modelle, die auch von Bedeutung sind, hier jedoch nicht detailliert dargestellt werden können. Als ein wichtiges Modell ist das Selbstregulationsmodell von Schmitz (2001) zu nennen, das Ansätze des Modells von Zimmerman (2000) und Aspekte des Handlungsmodells von Kuhl (1987) und des Lernprozessmodells von Schmitz und Wiese (1999) integriert (Götz, 2006). Schmitz unterteilt den Lernprozess in drei Phasen (präaktional, aktional und postaktional), in denen bestimmte Aufgaben für den Lerner anfallen. Der prozessuale Charakter des Lernens wird in diesem Modell betont. Bedingungen der Lernumgebung und der Lernaufgabe sowie Aspekte der Motivation, Emotion und der Ziele des Lerners finden in diesem Modell ebenfalls Beachtung.
Selbstregulationsmodell von Schmitz
4.3 Lernstrategien Selbstreguliertes Lernen kann nur erfolgreich sein, wenn Lernende über ein umfassendes Repertoire an Lernstrategien verfügen und wissen, wann sie welche Lernstrategien einsetzen sollen. Nach Weinstein und Mayer (1986, S. 315) sind Lernstrategien „Verhaltensweisen und Kognitionen, die ein Lerner während des Lernens zur Beeinflussung des Enkodierungsprozesses anwendet“. Wild, Hofer und Pekrun (2006) definieren Lernstrategien in Anlehnung an Friedrich und Mandl (1992) als „mental repräsentierte Schemata oder Handlungspläne zur Steuerung des eigenen Lernverhaltens […], die sich aus einzelnen Handlungssequenzen zusammensetzen und situationsspezifisch abrufbar sind. Zum anderen sind Lernstrategien Sequenzen von Handlungen, mit denen ein bestimmtes Lernziel erreicht werden soll“ (S. 245).
4.3 Lernstrategien
Definition Lernstrategien
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In der Literatur werden verschiedene Kategorien von Lernstrategien unterschieden. Zu den bekanntesten Lernstrategiekonzepten gehören der Ansatz von Weinstein und Mayer (1986) sowie der Ansatz von Pintrich et al. (1993). Einen Überblick über beide Ansätze bieten z. B. Straka (2006) und Wild (2000). Friedrich und Mandl (2006) unterscheiden folgende Kategorien von Lernstrategien: • kognitive Strategien, • metakognitive Strategien, • motivational-emotionale Stützstrategien, • kooperative Lernstrategien sowie • ressourcenorientierte Strategien. Jede Kategorie umfasst dabei mehrere Arten von Lernstrategien, die im Folgenden dargestellt werden.
4.3.1 Kognitive Strategien Kognitive Strategien beziehen sich auf den direkten Umgang mit den Lerninhalten. Wild (2000) definiert eine kognitive Lernstrategie als „ein Set spezifischer kognitiver Prozeduren und diese unterstützende Verhaltensweisen […], das Personen zur Enkodierung und zur Speicherung neuer Wissensbestände einsetzen“ (S. 59). Kognitive Strategien sind Informationsverarbeitungsstrategien, die der unmittelbaren Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen dienen. Dazu zählen sowohl oberflächenorientierte Strategien, wie z. B. Wiederholungsstrategien, als auch tiefenorientierte Strategien wie Organisations- und Elaborationsstrategien sowie Strategien der Wissensnutzung.
4.3.1.1 Wiederholungsstrategien Wiederholungsstrategien dienen z. B. dem Auswendiglernen einzelner Fakten und sollen eine feste Verankerung im Langzeitgedächtnis sicherstellen (Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Bei einfachen Lernaufgaben beinhalten diese Strategien z. B. wiederholtes Aufzählen und Benennen, bei komplexeren Lernaufgaben jedoch auch Tätigkeiten wie Herausschreiben oder Unterstreichen wesentlicher Passagen (Wild, 2000).
4.3.1.2 Organisationsstrategien Bei Organisationsstrategien geht es darum, die Lerninhalte zu strukturieren, auf das Wesentliche zu reduzieren und Verknüpfungen zwischen einzelnen Wissenselementen herauszuarbeiten. Zu den Organisationsstrategien zählen z. B. Mapping-Strategien, also Strategien der externen Visualisierung.
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4 Selbstreguliertes Lernen
4.3.1.3 Elaborationsstrategien Elaborationsstrategien dienen dem Verstehen und dauerhaften Behalten neuer Informationen (Friedrich & Mandl, 2006). Sie unterstützen die Integration neuer Informationen in bereits bestehende Wissensstrukturen und erleichtern damit den späteren Abruf. Zu den Elaborationsstrategien zählen z. B. das Aktivieren von Vorwissen, ImageryStrategien, Notizenmachen oder Fragenstellen.
4.3.1.4 Wissensnutzungsstrategien Wissensnutzungsstrategien sollen dazu beitragen, verfügbares Wissen anzuwenden. Sie sollen also den Transfer des Gelernten fördern. Dazu gehören z. B. Diskutieren und Argumentieren sowie Textproduktion oder Problemlösestrategien.
4.3.2 Metakognitive Strategien Metakognitive Strategien dienen der eigentlichen Regulation des Lernprozesses. Dazu gehören Selbstregulations- und Selbstkontrollstrategien wie Planen, Überwachen und Bewerten. Im Idealfall versetzen Kenntnisse metakognitiver Strategien den Lernenden in die Lage, den Lernprozess ohne fremde Hilfe zu steuern. Dieser Strategieart kommt daher im Rahmen des selbstregulierten Lernens eine besondere Bedeutung zu.
4.3.2.1 Planen Vor Beginn jedes Lernprozesses sollten die anstehenden Lernaktivitäten geplant werden. Lernende sollten sich überlegen, wie der Lernprozess ablaufen soll, welche Strategien eingesetzt und welche Ziele dadurch erreicht werden sollen. Das Setzen von Zielen bildet die Grundlage für die nach dem Lernprozess stattfindende Bewertung desselben und ist daher von hoher Relevanz. In die Planungsphase gehört auch die Gestaltung der Lernsituation bzw. der Lernumgebung.
4.3.2.2 Überwachen/Monitoring In dieser Phase geht es darum, den eigenen Lernfortschritt zu beobachten und die Lernaktivitäten hinsichtlich der Zielerreichung zu überwachen. Dabei werden immer wieder die Istzustände festgestellt und mit dem vorher definierten Sollzustand verglichen. Diese Selbstkontrolle (Self-Monitoring) umfasst z. B. die Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Lernstoff und das Stellen von Fragen zum Lerninhalt, um zu prüfen, ob man den Inhalt wirklich verstanden hat.
4.3 Lernstrategien
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4.3.2.3 Bewerten/Regulieren In der Phase der Bewertung stellt der Lernende fest, ob er seine Ziele erreicht hat, und führt darüber hinaus eine Gesamtbewertung des Lernprozesses durch. Es geht darum festzustellen, ob der Lernprozess wie gewünscht verlaufen ist und wo Schwierigkeiten aufgetreten sind. Diskrepanzen zu Sollwerten müssen erkannt werden. Die Einschätzung des eigenen Lernprozesses soll vom Lernenden dazu genutzt werden, künftige Lernaktivitäten entsprechend anzupassen und aufgetretene Schwierigkeiten zu beseitigen. Man spricht deshalb auch von Regulation. In diesen Bereich fallen auch Strategien der Selbstmotivierung (vgl. Götz, 2006; Schiefele & Pekrun, 1996). Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sind in dieser Phase des Lernprozesses von hoher Bedeutung: Erlebt sich der Lernende als Urheber des Erfolgs, kann das zu einer künftig höheren Anstrengungsbereitschaft führen (Schreblowski & Hasselhorn, 2006). Der Förderung der Kompetenzwahrnehmung sollte daher Beachtung geschenkt werden.
4.3.3 Motivations- und Emotionsstrategien Sowohl die Motivation als auch lernrelevante Emotionen beeinflussen den Lernprozess nicht unerheblich. So kann ein Lerner zwar durchaus über ein breites Repertoire an kognitiven und metakognitiven Lernstrategien verfügen; ob er diese jedoch auch einsetzt, hängt von motivationalen Bedingungen ab, wie z. B. von seinem Interesse am Lerninhalt, seinen persönlichen Zielen und Bedürfnissen, aber auch von Merkmalen der Lernumgebung (Friedrich & Mandl, 2006). Motivational-emotionale Bedingungen beeinflussen den Ablauf des Lernprozesses z. B. hinsichtlich der Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer, der Aufgabenwahl sowie der Wahl kognitiver bzw. metakognitiver Strategien. Besonders in Lernumgebungen, die selbstständiges Lernen erfordern, kommt der Einfluss individueller Motivationsvariablen zum Tragen (Friedrich & Mandl, 2006). Daher ist es günstig, über Strategien zu verfügen, die sowohl die Regulation der aktuellen Lernmotivation als auch die Emotionsregulation unterstützen. Dazu gehören z. B. Strategien zur Bewältigung von Prüfungsangst.
4.3.4 Strategien zum kooperativen Lernen Lernprozesse finden häufig im sozialen Kontext statt, nicht nur in Schulklassen oder Seminaren, sondern auch in multimedialen Lernumgebungen. Um kooperative Lernsituationen erfolgreich zu gestalten, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Es reicht nicht, einfach Lerngruppen zu bilden. Adäquat gestaltete soziale Lernsituationen können sich sowohl positiv auf die eigene Motivation als auch auf die Motivation, andere zum Lernen anzuhalten, auswirken. Kooperatives Lernen spielt auch im Bereich des selbstregulierten Lernens eine bedeutende Rolle, da sozial-interaktive Lernformen dazu genutzt werden können, eigene Lernziele zu realisieren (Friedrich & Mandl, 2006). Strategien wie der Einsatz von Kooperationsskripts können dazu beitragen, den kooperativen Lernprozess der Gruppe zu strukturieren und zu regulieren (s. auch Kap. 23.7.1).
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4 Selbstreguliertes Lernen
Mit Hilfe von kooperativen Strategien können die Phasen des kollaborativen Lernens unterstützt werden. Auch die Suche nach Hilfe (Academic Help Seeking), wenn man mit eigenen Mitteln nicht mehr weiterkommt, ist eine wichtige Kompetenz hinsichtlich der Selbstregulation von Lernprozessen. Lernende können nur dann ihren Lernprozess erfolgreich selbst regulieren, wenn sie ein breites Repertoire an oben genannten Lernstrategien besitzen. Viele Lernende verfügen jedoch nicht in ausreichendem Maße über diese Strategien. Besonders in offenen hypermedialen Lernumgebungen, die einen hohen Grad an Selbststeuerung ermöglichen bzw. fordern, kommt es häufig zu einer Überforderungen der Lernenden (vgl. Tergan, 1997). Um dies zu vermeiden, ist es notwendig, den Lernenden entsprechende Lernstrategien zu vermitteln.
4.3.5 Ressourcenorientierte Strategien Ressourcenorientierte Strategien werden auch als Stütz- oder Sekundärstrategien bezeichnet (vgl. Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Sie umfassen Lerneraktivitäten, die auf eine Optimierung der zur Verfügung stehenden Ressourcen abzielen. Dazu gehören z. B. Zeitmanagement und die Gestaltung der Lernumgebung, aber auch die Steuerung der Anstrengungsbereitschaft sowie die Fokussierung der Aufmerksamkeit (Wild, 2000; Wild, Hofer & Pekrun, 2006).
4.4 Vermittlung selbstregulativer Fähigkeiten Selbstregulative Fähigkeiten können auf direktem oder auf indirektem Wege vermittelt bzw. gefördert werden, wobei beide Arten Vor- und Nachteile bieten.
4.4.1 Direkte Förderung Eine direkte Förderung der Lernenden durch Lernstrategietrainings kann unmittelbar vor der eigentlichen Lerneinheit stattfinden. Dabei werden den Lernenden verschiedene kognitive oder metakognitive Strategien vermittelt und deren Einsatz geübt. Durch diese Trainings konnten große Erfolge erzielt werden (vgl. Schreiber, 1998). Allerdings fehlt es oft an den nötigen Ressourcen, Lernstrategietrainings im Vorfeld einer Lerneinheit – z. B. eines Online-Seminars – durchzuführen. Darüber hinaus können diese Trainings nur dann stattfinden, wenn die Lernenden in irgendeiner Form in Gruppen organisiert oder institutionell eingebunden sind, so dass diejenigen, die sich individuell bilden bzw. weiterbilden oftmals nicht die Gelegenheit haben, an Trainings zur Förderung selbstregulativer Fähigkeiten teilzunehmen. Neben Lernstrategietrainings wurden in der Vergangenheit auch gute Erfolge durch den Einsatz von Lerntagebüchern erzielt (z. B. Landmann & Schmitz, 2007; Landmann, 2005; Perels, 2003). Diese beziehen sich auf das Self-Monitoring, eine der zentralen metakognitiven Kompetenzen. Lerntagebücher initiieren Selbstbeobachtungsprozesse
4.4 Vermittlung selbstregulativer Fähigkeiten
Lernstrategietrainings
Lerntagebücher
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und können Selbstreflexionsprozesse auslösen: Das Bewusstwerden eigenen Lernhandelns kann bereits eine Verbesserung desselben herbeiführen. Der Nutzen solcher Selbstbeobachtungsinstrumente konnte in zahlreichen Studien belegt werden (Landmann & Schmitz, 2007). Neben Lerntagebüchern zählen dazu z. B. auch Lernprotokolle und Portfolios. Zur technischen Umsetzung von Lerntagebüchern s. Kap. 30.4.3.1.
4.4.2 Indirekte Förderung Eine indirekte Förderung von selbstregulativen Fähigkeiten bedeutet, dass die Lernenden durch die Lernumgebung unterstützt werden. Besonders in computergestützten Lernumgebungen kann eine indirekte Unterstützung gut umgesetzt werden. Die Lernumgebung kann auf unterschiedliche Weise so gestaltet werden, dass sich Möglichkeiten für selbstgesteuertes Lernen eröffnen bzw. dass sie selbstgesteuertes Lernen erfordern (vgl. Friedrich & Mandl, 1997). Gleichzeitig kann in den verschiedenen Phasen des Lernprozesses Unterstützung angeboten werden, z. B. durch Hilfen hinsichtlich der Zielsetzung und Planung des Lernprozesses oder durch Hilfen hinsichtlich der Selbstüberwachung durch Selbsttests etc. Aus kognitivistisch-konstruktivistischer Sicht steht die Eigenaktivität des Lernenden im Vordergrund. Die Lernumgebung kann lediglich eine Anregung dazu geben. Daraus lassen sich verschiedene Aspekte zur Gestaltung von Lernumgebungen ableiten (Friedrich & Mandl, 1997): • Sie sollen authentische, komplexe und realitätsnahe Lernprobleme beinhalten, • die Verknüpfung von Wissen und Handeln fördern, • den Aufbau multipler Perspektiven und kognitiver Flexibilität im Umgang mit Wissen fördern, • die Kooperation zwischen den Lernenden aktivieren, • den Transfer des Gelernten stützen und • Medien so einsetzen, dass diese die Funktion von kognitiven Werkzeugen für die Bearbeitung komplexer Probleme übernehmen. Die Gestaltung von Lernumgebungen nach diesen Prinzipien sagt jedoch noch nichts über den Grad der Freiheit aus, den sie hinsichtlich der Gestaltung des Lernprozesses gewähren. So bieten expositorische Lernumgebungen zwar die Möglichkeit der Bearbeitung der Lerninhalte nach eigenem Lerntempo, andere Aspekte wie Lernzielentscheidungen, Sequenzierung der Lerninhalte, Formen der Lernkontrolle etc. sind jedoch von Systemseite vorgegeben (Friedrich & Mandl, 1997). Exploratorische Lernumgebungen verlangen dagegen in der Regel mehr und auch komplexere Eigenaktivitäten seitens der Lernenden (Friedrich & Mandl, 1997). Empirische Befunde (vgl. Prenzel, 1993) legen nahe, dass die von den Lernenden subjektiv wahrgenommene Autonomie eine entscheidendere Rolle spielt als die tatsächlich durch die Lernumgebung gegebene (Friedrich & Mandl, 1997). Selbst bei einer relativ hohen Steuerung durch das Lernprogramm sind Kenntnisse von Lernstrategien bzw. das Wissen darüber, wann welche Strategien eingesetzt werden sollen, von großer Bedeutung.
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4 Selbstreguliertes Lernen
An der Universität Erfurt wird aktuell das Format MASL (Multimedial angeleitetes selbstreguliertes Lernen, s. Kap. 11) erprobt. MASL verbindet unterschiedliche Modelle selbstgesteuerten Lernens und bietet verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten des selbstregulierten Lernprozesses. Neben den Lerneinheiten, bestehend aus einer Video/ Online-Vorlesung inklusive zugehörigem Foliensatz sowie eines Fachtextes, werden den Studierenden Leitprogramme zur Verfügung gestellt. Diese beinhalten Begleittexte mit zusätzlichen Informationen, Erläuterungen zu den fachlichen Inhalten, Beispiele, Anwendungsfälle und Arbeitsaufgaben. Daneben bieten sie in Form von Selbstregulationstagebüchern Unterstützung für die Selbstlernphasen. So werden z. B. Hilfen bei der Planung des Lernprozesses und bei der Zielsetzung gegeben, außerdem wird die Selbstbeobachtung unterstützt und ein Selbstlerntest zur Bewertung der Lernprozesse angeboten. In diesem Fall sind die Werkzeuge der Unterstützung selbstregulierter Lernprozesse in die Lernumgebung integriert. Akzeptanz und Eignung von MASL werden aktuell evaluiert.
4.4.3 Modell zur Förderung metakognitiver Komponenten Das nachfolgende Modell nach Götz (Abb. 4.6) konzentriert sich auf die Vermittlung der metakognitiven Strategien Planung, Monitoring und Regulation, die im Zentrum des selbstregulierten Lernens stehen. In Anlehnung an die drei Regulationsebenen des Modells von Boekaerts (1999) werden auch in diesem Modell die Aspekte Kognition, Metakognition und Selbst aufgegriffen und deren gegenseitige Beeinflussung abgebildet. Zentral wird die Metakognition behandelt. Das Mehrebenenmodell betont die Tatsache, dass Metakognitionen auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden: Jeder der drei metakognitiven Prozesse Planung,
4.4 Vermittlung selbstregulativer Fähigkeiten
Abb. 4.6: Mehrebenenmodell zur Förderung metakognitiver Kompetenzen nach Götz, (2006)
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Überwachung und Regulation (Ebene 1) wird seinerseits geplant, überwacht und reguliert (Ebene 2). Dieses Vorgehen kann sich – z. B. entsprechend der Komplexität des Lerngegenstands oder der Lernsituation – auf weiteren Ebenen fortsetzen. Das Mehrebenenmodell trägt damit der komplexen Struktur metakognitiver Handlungen Rechnung (Götz, 2006). Es wird somit deutlich, dass auf unterschiedlichen Ebenen unterstützend auf Planung, Überwachung und Regulation eingegriffen und den Lernenden entsprechend Hilfestellung geleistet werden kann, um selbstreguliertes Lernen zu fördern. Nachfolgende Abbildung (Abb. 4.7) konkretisiert metakognitive Strategien auf der zweiten Ebene (in Anlehnung an Götz, 2006): Abb. 4.7: Metakognitive Strategien der zweiten Ebene
Planung Ebene 2 Planung der Planung
Ich nehme mir vor, mir einen Zeitplan zu erstellen
Überwachung der Planung
Ich überwache die Erstellung meines Zeitplans
Regulation der Planung
Weil ich mit dem Entwurf des Zeitplans nicht zurechtkomme, wechsle ich zu To-do-Listen für einzelne Tage
Überwachung auf Ebene 2 Planung der Überwachung
Ich plane, ein Lerntagebuch zu führen
Überwachung der Überwachung
Ich überwache das tägliche Führen des Lerntagebuchs
Regulation der Überwachung
Ich schaffe es nicht, jeden Tag Lerntagebuch zu führen, also bitte ich meine Kommilitonin, mich dabei zu unterstützen
Regulation auf Ebene 2 Planung der Regulation
Ich nehme mir vor, während des Lernens Pausen einzulegen
Überwachung der Regulation
Ich überwache, ob ich die Pausen einhalte, wenn meine Konzentration nachlässt
Regulation der Regulation
Ich halte die Pausen nicht ein, daher verabrede ich mich zu festen Zeiten mit meinen Kommilitonen
Zur Förderung metakognitiver Strategien schlägt Götz (2006) ein Inhaltsmodell vor, das konkrete Aspekte metakognitiven Lernens detailliert darstellt. Die von ihm genannten inhaltlichen Aspekte umfassen Ressourcen (Zeit, Lernumgebung, Physiologie), Ziele (kurzfristige und längerfristige), Volition (Aufmerksamkeitssteuerung, Motivation und Emotionskontrolle) und Lernstrategien. Zum selbstregulierten Lernen gehört die Planung, Überwachung und Regulation dieser inhaltlichen Aspekte. Zur Förderung der metakognitiven Kompetenzen in den genannten Inhaltsbereichen entwickelte Götz (2006) eine Reihe von Arbeitsblättern wie Hilfen zur Planung des Lernprozesses, Selbstbeobachtungsbögen, Lerntagebücher und Regulationslisten, die für den Einsatz in Schulen geeignet sind. In modifizierter Form könnten diese Hilfen auch im Studium oder in der Weiterbildung eingesetzt werden.
4.5 Zusammenfassung Selbstreguliertes Lernen gehört zu den zentralen fächerübergreifenden Kompetenzen (cross-curricular Competencies). Das zeigt sich nicht nur in der Tatsache, dass die
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4 Selbstreguliertes Lernen
Fähigkeit selbstgesteuerter Wissensaufnahme in den Kanon der Bildungsindikatoren der OECD aufgenommen wurde (Köller & Schiefele, 2003). Auch und besonders in Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung multimedial vermittelter Lerninhalte spielt die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu steuern und zu regulieren, eine herausragende Rolle. So sehen z. B. Fischer und Mandl (2002) in der Diskussion um Lehren und Lernen mit neuen Medien die Analyse und Förderung selbstgesteuerten Lernens als ein zentrales Aufgabenfeld der Bildungsforschung. Wichtigste Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Selbstregulation von Lernprozessen ist ein breites Repertoire an Lernstrategien. In den aktuellen Modellen des selbstregulierten Lernens wird – neben kognitiven, ressourcenorientierten und motivational-emotionalen Strategien insbesondere die Relevanz metakognitiver Strategien hervorgehoben (Artelt und Moschner, 2005). Da sich gezeigt hat, dass selbst Lernende mit einer langen Lernbiographie, wie z. B. Studierende, nicht über ausreichende Kenntnisse dieser Strategien verfügen, sollte der Fokus auf die Vermittlung von Lernstrategien gerichtet werden. Für die Vermittlung kann sowohl eine direkte Form, z. B. durch Lernstrategietrainings, oder aber eine indirekte Form, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der Lernumgebung, gewählt werden. Besonders multimedial gestützte Lernumgebungen bieten sich für eine indirekte Förderung selbstregulativer Kompetenzen an. Bei der Entwicklung solcher computergestützter Lernumgebungen (z. B. auch CSCLUmgebungen) sollte eine entsprechende Gestaltung beachtet werden.
Literatur Artelt, C. & Moschner, B. (2005). Lernstrategien und Metakognition: Implikationen für Forschung und Praxis – Einleitung. In C. Artelt & B. Moschner (Hrsg.), Lernstrategien und Metakognition. Implikationen für Forschung und Praxis (S. 7–11). Münster: Waxmann. Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitve theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall. Boekaerts, M. (1999). Self-regulated learning: Where we are today. International Journal of Educational Research, 31, pp. 445– 457. Boekaerts, M. & Minnaert, A. (1999). Self-regulation with respect to formal learning. International Journal of Educational Research, 31, pp. 533−544. Fischer, F. & Mandl, H. (2002). Lehren und Lernen mit neuen Medien. In: R. Tippelt (Hrsg.), Handbuch Bildungsforschung, (S. 623–637). Opladen: Leske + Budrich. Friedrich, H. F. & Mandl, H. (1992). Lern- und Denkstrategien – ein Probl-emaufriß. In H. Mandl & H. F. Friedrich (Hrsg.), Lern- und Denkstrategien. Analyse und Intervention (S. 3–54). Göttingen: Hogrefe. Friedrich, H. F. & Mandl, H. (1997). Analyse und Förderung selbstgesteuerten Lernens. In F. E. Weinert & H. Mandl (Hrsg.), Psychologie der Erwachsenenbildung. Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Praxisgebiete, Serie I, Band 4 (S. 237–293). Göttingen: Hogrefe. Friedrich, H. F. & Mandl, H. (2006). Lernstrategien: Zur Strukturierung des Forschungsfeldes. In H. Mandl & H. F. Friedrich (Hrsg.), Handbuch Lernstrategien (S. 1−23). Göttingen: Hogrefe. Götz, T. (2006). Selbstreguliertes Lernen. Förderung metakognitiver Kompetenzen im Unterricht der Sekundarstufe. Donauwörth: Auer Verlag GmbH. Heiß, A., Eckhardt, A. & Schnotz, W. (2003). Selbst- und Fremdsteuerung beim Lernen mit Hypermedien. Zeitschrift für pädagogische Psychologie, 17 (3/4), S. 211–220. Hofer, B. K., Yu, S. L. & Pintrich, P. (1998). Teaching college students to be self-regulated learners. In D. H. Schunk & B. J. Zimmerman (Eds.), Self-regulated learning. From teaching to self-reflective practice (pp. 57–85). New York: The Guilford Press. Köller, O. & Schiefele, U. (2003). Selbstreguliertes Lernen im Kontext von Schule und Hochschule. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 17 (3/4), S. 155–157.
Literatur
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80
4 Selbstreguliertes Lernen
Teil II Planung und Analyse
5
Designentscheidungen: Das DO-ID-Modell
Bei der systematischen Konzeption multimedialen Lernens prägt eine Reihe von Entscheidungen das Handeln von Instruktionsdesignern. Ohne Systematisierung und Strukturierung der einzelnen Entscheidungsebenen bleibt die Auswahl und Abfolge der getroffenen Designentscheidungen jedoch beliebig. Um eine Basis für eine systematisch begründete Konzeption multimedialer Lernumgebungen zu schaffen, wurde das DO-IDModell entwickelt, das als Rahmen für den Designprozess dienen kann. Aus diesem Grund orientiert sich der Aufbau dieses Buches am DO-ID-Modell. Es werden verschiedene Entscheidungsebenen unterschieden, die innerhalb des Modells eingeordnet und in den folgenden Kapiteln dieses Buches näher beschrieben werden. Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, sollten Sie verstanden haben,
Lehrziele
• welche Entscheidungsalternativen bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen zur Verfügung stehen, • welche Entscheidungen für die systematische Konzeption multimedialen Lernens getroffen werden müssen, • zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Entscheidungen getroffen werden sollten, • wie diese Entscheidungen zusammenhängen.
5.1 Entscheidungsalternativen Zu Beginn der Konzeption einer multimedialen Lernumgebung stehen mehrere Alternativen zur Wahl: 1. Man entscheidet sich gegen jegliches Instruktionsdesign, entweder weil man an die eine wahre Lehrmethode glaubt oder weil man lieber „bastelt“. Eine solche Entscheidung muss nicht weiter kommentiert werden.
Alternativen
2. Man wählt eines der verfügbaren Instruktionsdesignmodelle aus und setzt sein E-Learning-Projekt mehr oder weniger flexibel im Sinne der gegebenen Empfehlungen um. Das kann durchaus sinnvoll sein, entweder für Anfänger oder bei bestimmten Aufgabenstellungen. Wenn es um die Unterweisung in der Bedienung oder
5.1 Entscheidungsalternativen
83
Wartung von Maschinen geht, kann Merrills ITT-Modell (s. Kap. 2) durchaus eine sehr gute Lösung sein. Wenn es um das problembasierte Training komplexer kognitiver Fähigkeiten geht, dürfte es keine bessere Entscheidung geben als eine Orientierung an van Merriënboers Vierkomponenten-Modell (s. Kap. 2). 3. Man möchte wissenschaftlich fundierte Designentscheidungen treffen, ohne sich jedoch auf ein bestimmtes ID-Modell festzulegen. Warum nicht aus den vorhandenen Modellen jeweils das auswählen, was zur konkreten Designentscheidung am besten passt? Tatsächlich ist gegen diese dritte Möglichkeit wenig einzuwenden, wenn klar ist, auf welchen Grundlagen die Entscheidung jeweils getroffen wird.
5.1.1 Systematische Konzeption
Orientierung an wissenschaftlich fundierten Kriterien
Systematische Konzeption (design) – in der Architektur beim Entwurf eines Hauses, im Software-Engineering beim Entwurf eines Anwenderprogramms, in der Medizin bei der Zusammenstellung eines Therapieprogramms und im Instruktionsdesign bei der Planung und Entwicklung von Lernumgebungen – kann stets als eine hierarchisch strukturierte Abfolge von Entscheidungen beschrieben werden: Ausgehend von allgemeinen strategischen Entscheidungen folgen Entscheidungen auf jeweils niedrigeren Ebenen. Auf übergeordneten Ebenen getroffene Entscheidungen schränken dabei den Spielraum auf niedrigeren Ebenen ein. Dennoch handelt es sich in der Praxis nur selten um einen streng hierarchisch-linearen Prozess: Nicht alle Wechselbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Entscheidungsfolgen sind bereits bekannt, so dass es zu Entscheidungskonflikten kommen kann, die gelegentlich zur Revision zuvor getroffener Entscheidungen führen können. Idealerweise sollte sich jede Entscheidung an wissenschaftlich fundierten Kriterien orientieren. Voraussetzung dafür wären belastbare psychologisch-didaktische Prinzipien, die jeweils auf replizierten empirischen Befunden beruhen. Derartige Prinzipien gibt es allerdings erst in einigen Teilbereichen. Oft existieren nur einzelne Studien, deren Ergebnisse einer Entscheidung mit gebotener Vorsicht zugrunde gelegt werden können. Nicht selten kann man sich lediglich an einem theoretischen Modell bzw. an Hypothesen orientieren, die aus der psychologischen Grundlagenforschung hergeleitet wurden, ohne dass die Effizienz des technologischen Prinzips bereits empirisch nachgewiesen wurde. Es sollte dann zumindest plausibel sein, dass die Orientierung an Kriterien, deren Evidenz noch nicht empirisch bestätigt ist, mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führt als die Orientierung an alternativen Kriterien („best guess“).
5.1.2 Anforderungen an ein Modell zur systematischen Konzeption Akzeptiert man diese Sichtweise, muss es ein Ziel einer technologischen Wissenschaft des Instruktionsdesigns sein, ein Modell zu entwickeln, das (a) die bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen zu treffenden Entscheidungen beschreibt, (b) diesen die jeweils möglichen Entscheidungsalternativen zuordnet, (c) deren je nach Kontextbedin-
84
5 Designentscheidungen: Das DO-ID-Modell
gungen evtl. unterschiedlichen Folgen einschließlich der „Kosten“ bzw. Nebenwirkungen beschreibt und (d) kenntlich macht, inwieweit jede Entscheidungsalternative Evidenz beanspruchen kann.
5.2 Das DO-ID-Modell Ein derartiges Modell hätte über die präskriptive Funktion hinaus den Vorteil, dass Widersprüche und Forschungslücken deutlich würden. Es repräsentierte zudem eine technologische Theorie didaktischer Konzeption. Auf dem Weg zu einem solchen Modell schlagen wir ein Rahmenmodell vor, das in der Lage sein sollte, die wichtigsten Instruktionsdesign-Entscheidungen zu strukturieren. Wegen der Fokussierung auf Designentscheidungen nennen wir es „Entscheidungsorientiertes Instruktionsdesignmodell“ (Decision Oriented Instructional Design Model: DO-ID) (Abb. 5.1). Abb. 5.1: Decision Oriented Instructional Design Modell (DO ID)
5.2.1 Qualitätssicherung: Projektmanagement & Evaluation Die Sicherung von Qualität bedeutet einerseits die Sicherung der Produktqualität und andererseits die Sicherung der Qualität von Prozessen.
5.2 Das DO-ID-Modell
85
Um die Qualität eines Produktes zu sichern, werden Ziele zum Produkt festgelegt, dabei bilden inhaltliche Analysen die Basis für Entscheidungen. Nach der (Teil-)Umsetzung von Instruktionsdesign-Entscheidungen werden Produkt(teile) getestet und evaluiert. Auf die Evaluation multimedialer Lernumgebungen und Fragen der Usability wird in den Kap. 27 und 28 näher eingegangen. Um die Qualität der Prozesse zu sichern, ist der Einsatz von Methoden und Vorgehensweisen aus dem Projektmanagement zu empfehlen (RKW, 2004): • Neben den Zielen zum Produkt und dessen Auswirkungen auf Anwender und Umfeld (Ergebnisziele) sind in einer Zielhierarchie weitere Ziele, z. B. zu Kosten, Terminen und Vorgehensweisen, zu definieren. Grundlage einer Zielplanung ist eine Stakeholder-/Projektumfeldanalyse. • Anschließend wird eine Projektorganisation aufgebaut. Man unterscheidet zwischen Aufbauorganisation (u. a. Festlegung von Entscheidungskompetenzen und Aufgabengebieten der Beteiligten) und Ablauforganisation (insbesondere die Definition von Prozessen). Außerdem werden Festlegungen zu Dokumenten- und Informationsmanagement getroffen. • In einer Projektstrukturplanung werden alle Teilaufgaben und Arbeitspakete des Projektes beschrieben. • Anschließend erfolgt die Planung von Terminen und Abläufen, Kosten, Finanzierung und Einsatzmittel/Ressourcen. • Projektplanung kann in mehreren Stufen erfolgen. In der Regel wird zu Beginn ein grober Projektplan (Phasenplan) erarbeitet. Später werden die detaillierten Pläne erstellt. • Innerhalb einer integrierten Projektsteuerung werden Istwerte (Kosten, Aufwände, Termine) mit der Planung verglichen, Abweichungen analysiert und steuernde Maßnahmen entworfen und umgesetzt. Dies sind die wesentlichen Aufgabengebiete und Kernkompetenzen eines Projektmanagers. Diese und weitere Projektmanagement-Kompetenzfelder werden als Grundlage für die Ausbildung und Zertifizierung von Personen in Fach-/Industriestandards definiert: • von der International Project Management Association in der IPMA Competence Baseline 3.0 (Caupin et al., 2006), • vom Project Management Institute (PMI) im „A Guide to the Project Management Body of Knowledge“ (PMI, 2006). Die Norm EN ISO/IEC 19796-1 (2005) beschreibt speziell für den Bildungs- und E-Learning-Bereich Methoden und Hilfsmittel zur Qualitätssicherung (s. auch Kap. 32).
5.2.2 Ziele Neben der übergreifenden Projektplanung beginnt der inhaltliche Prozess mit der Zielbestimmung zum Produkt und dessen Auswirkung (s. Kap. 7): Was soll mit dem Lern-
86
5 Designentscheidungen: Das DO-ID-Modell
angebot erreicht werden? Gibt es strategische Vorabentscheidungen seitens des Auftraggebers, z. B. zu den einzusetzenden Medien?
5.2.3 Analysen Bevor Entscheidungen getroffen werden, stehen sorgfältige Analysen der gesamten Rahmenbedingungen an: Worin besteht das zu lösende Problem? In welchem Kontext wird das ID-Projekt durchgeführt? Welche Kosten fallen voraussichtlich an? Welche Mittel stehen zur Verfügung? Wer sind die Adressaten? Welcher Art ist das zu vermittelnde Wissen? Welche Aufgaben sollen die Adressaten nach dem Absolvieren des Programms bewältigen können? Welche Kompetenzen müssen vermittelt werden? Am Ende der Analysen sollten klare Aussagen über die Zielgruppe (Adressaten) und die zu vermittelnden Lehrziele stehen und es sollte zumindest ein Budgetrahmen vereinbart sein (s. Kap. 8).
5.2.4 Entscheidungsfelder Das DO-ID-Modell unterscheidet nun sechs Entscheidungsfelder, in denen zum Teil mehrstufig Designentscheidungen zu treffen sind. Diese Entscheidungen sind keineswegs immer unabhängig voneinander und sie können auch nicht sukzessive so getroffen werden, wie dies im Text linear beschrieben ist. Die Entscheidungsfelder umfassen: 1. Formatentscheidungen, d. h. typische Strukturen von Lernangeboten (s. Kap. 10 und 11), 2. die Strukturierung des Lehrstoffs (Content): u. a. Auswahl, Segmentierung, Sequenzierung (s. Kap. 12−14), 3. die Auswahl, Kombination und Gestaltung der Medien, d. h. der anzusprechenden Sinneskanäle (Modi) und der zu verwendenden Symbolsysteme (Codes): schriftliche oder gesprochene Texte, Abbilder und Grafiken, Animationen, Musik, Video usw. (s. Kap. 15−18), 4. die Formen und das Ausmaß der Interaktionen zwischen Lernenden und der Lernumgebung (s. Kap. 20), 5. Designentscheidungen, die der Förderung und Aufrechterhaltung der Motivation der Lernenden dienen (s. Kap. 24 und 25), 6. das Layout und Details der grafischen Gestaltung, die Berücksichtigung softwareergonomischer Aspekte und die Beachtung rechtlicher und ethischer Normen (Rechte, Barrierefreiheit, Unterlassung von Diskriminierungen u. ä.) (s. Kap. 19 und 28).
5.2 Das DO-ID-Modell
87
5.2.5 Kriterien – woher? Die entscheidende Frage innerhalb jedes Feldes ist: Anhand welcher Kriterien können die anstehenden Entscheidungen jeweils rational getroffen werden? Aus den Ergebnissen der Analysen (s. Kap. 8) alleine lassen sich direkt noch keine Kriterien herleiten. Zusätzlich benötigt werden Aussagen, die Verbindungen herstellen zwischen den Lehrzielen und den gegebenen Rahmenbedingungen einerseits und geeigneten Entscheidungsalternativen andererseits. Diesen Aussagen sollten idealerweise theoretisch fundierte Annahmen über kognitive Strukturen und mentale Operationen zugrunde liegen, die (a) mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch die Art der Informationsdarbietung und die angeregten Lerneraktivitäten „in Gang gesetzt“ werden und (b) ebenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Wissensstrukturen generieren, die den Zielvorstellungen nahe kommen (s. Kap. 3).
5.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde das DO-ID-Modell beschrieben als Instrument zur Begründung und Systematisierung von Designentscheidungen bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen. Das Modell umfasst mehrere Entscheidungsebenen, wobei zunächst die Ziele bestimmt und anschließend Analysen u. a. zu den Aufgaben, Adressaten und den Kosten durchgeführt werden. Prozessbegleitend sind außerdem Entscheidungen zur Projektsteuerung und Qualitätssicherung zu treffen. Weiterhin müssen mehrstufige Designentscheidungen zu Formaten, Content-Strukturierung, zur Medienauswahl, zu Interaktionsformen, zur Motivation und zum Layout, der grafischen Gestaltung sowie der softwareergonomischen Aspekte getroffen werden. Das DO-ID-Modell kann demnach als Rahmen für den systematischen Designprozess herangezogen werden. Aus diesem Grund orientiert sich auch der Aufbau dieses Buches an diesem Modell. Das „Kompendium multimediales Lernen“ gliedert sich in Teilbereiche, welche die jeweiligen Ebenen und Entscheidungsfelder des Modells repräsentieren.
Literatur Caupin, G., Knöpfel, H., Koch, G., Pannenbäcker, K., Pérez-Polo, F. & Seaburg, C. (2006). ICB – IPMA Competence Baseline. International Project Management Association: IPMA/GPM-Eigenverlag. ISO/IEC19796-1 (2005). Information technology – Learning, education and training. Quality management, assurance and metrics. Part 1: General approach. PMI (2006). A Guide to the Project Management Body of Knowledge. Project Management Institute: B&T. RKW (2004). Projektmanagement-Fachmann. Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft e.V. Gesellschaft für Projektmanagement INTERNET Deutschland e.V.: RKW-Verlag.
88
5 Designentscheidungen: Das DO-ID-Modell
6
Didaktische Entwurfsmuster
Das in Kap. 5 vorgestellte DO-ID-Modell dient nicht nur der Strukturierung des systematischen Instruktionsdesigns, sondern es ist auch als Grundlage zur Identifizierung didaktischer Designprobleme nützlich. Denn jedes der Entscheidungsfelder kann den Instruktionsdesigner möglicherweise vor Probleme der Auswahl oder Umsetzung von Designalternativen stellen bzw. vor Probleme bei der Wiederverwendbarkeit vorhandener Designlösungen. Offenbar werden oft die gleichen Probleme von unterschiedlichen Instruktionsdesignern immer wieder neu gelöst. Dieses Effizienzhindernis gab es auch in anderen Entwurfswissenschaften (technologischen Wissenschaften). Steht beispielsweise ein Architekt vor der Aufgabe, einen Balkon zu planen, so muss er nicht zwangsläufig eine neue Idee generieren. Er kann stattdessen auch auf bewährte Lösungen zurückgreifen. Der Ansatz der „Entwurfsmuster“ (design patterns) stellt eine Herangehensweise zum effizienten Umgang mit solchen Designproblemen dar. Er wurde im Bereich der Architektur entwickelt und in jüngerer Zeit auch auf den Bereich der didaktischen Konzeption übertragen. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie verstanden haben,
Lehrziele
• welche Rolle „Entwurfsmuster“ bei der Lösung von Designproblemen spielen können, • was unter „didaktischen Entwurfsmustern“ (pedagogical design patterns) verstanden wird, • welchem Schema die Beschreibung eines didaktischen Entwurfsmusters folgen kann.
6.1 Entwurfsmuster in der Architektur In der Architektur ergeben sich immer wieder gleiche oder ähnliche Entwurfsprobleme, für die im Laufe der Zeit bewährte Lösungsmuster gefunden wurden. Allerdings sind oder waren diese Lösungsmuster nicht allen Architekten bekannt, insbesondere Berufsanfänger verwendeten nicht selten unnötigerweise Zeit für Teilprobleme, für die es längst befriedigende Lösungsmuster gab. Um solche Entwurfsmuster (design patterns) zu kommunizieren, bedarf es einer geeigneten Sprache. Der Aufgabe, eine solche
6.1 Entwurfsmuster in der Architektur
89
Sprache zu entwickeln und vorhandene Muster zusammenzustellen und systematisch zu beschreiben, stellten sich in den siebziger Jahren der Architekt Christopher Alexander et al. (1977). Das Ergebnis war ein über tausendseitiges Werk mit der Beschreibung von Entwurfsmustern von der Stadtplanung bis zur Innenarchitektur. „Design Patterns“ sind niemals neue Entwürfe, sondern stets bereits häufig bewährte Muster. Sie müssen begründet sein und es sollte angegeben werden, unter welchen Rahmenbedingungen sie eingesetzt werden können. Design Patterns können auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben werden: Muster höherer Ebenen können Muster tieferer (d. h. meist detaillierter) Ebenen enthalten: Muster für Landhäuser einer bestimmten Art z. B. können Muster für bestimmte Raumanordnungen, für Balkone usw. enthalten.
6.2 Übertragung auf didaktische Konzeptionen Die Idee von Alexander wurde später mit sehr großem Erfolg in der Informatik aufgegriffen (Gamma et al., 1998). Von dort gelangte die Idee vor kurzem in den Bereich des E-Learning, die Rede ist hier von „pedagogical design patterns“ (didaktischen Entwurfsmustern). Die Arbeiten an der Zusammenstellung von „pedagogical design patterns“ stecken noch in den Kinderschuhen, sie erscheinen jedoch Erfolg versprechend. Die präzise Beschreibung didaktischer Entwurfsmuster mit Angabe der theoretischen Begründung, empirischer Fundierung und vor allem auch der Differenzierung der Anwendungsbedingungen genügt grundsätzlich allen wesentlichen Anforderungen eines wissenschaftlich fundierten Instruktionsdesigns.
6.3 Beschreibung didaktischer Entwurfsmuster Ein systematisch aufgebautes Repertoire solcher didaktischer Entwurfsmuster (DEM), das diesen Kriterien genügt, existiert derzeit noch nicht. Die Idee der Design Patterns ist relativ neu in der Instruktionspsychologie. Vereinbarungen zur Beschreibung von DEM wurden im Rahmen des von der EU (Sokrates/Minerva-Programm) geförderten Projekts E-LEN (2002−2004) entwickelt und im Rahmen des Projekts EXPLAIN (gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im LERNET-Programm, 2005–2007) weiter elaboriert. Didaktische Entwurfsmuster können nach folgendem Schema beschrieben werden: Tabelle 6.1: Schema der didaktischen Entwurfsmuster
90
Beschreibungskategorie
Erläuterung
Name des DEM
Möglichst gut memorierbare, aussagekräftige Bezeichnung für DEM
Bezug zum DO-ID-Modell
Nennung der Entscheidungsfelder, denen das DEM zuzuordnen ist
Version/Datum
Versionsnummer des DEM
Abstract/Kurzbeschreibung
Kurze Darstellung des Patterns
Problem
Kurze Darstellung, was das entsprechende Designproblem zum Problem macht.
6 Didaktische Entwurfsmuster
Tabelle 6.1: (Fortsetzung)
Beschreibungskategorie
Erläuterung
Beschreibung des Lösungsansatzes
Darstellung des Lösungsansatzes. Kein „Rezept“, sondern Dinge, auf die zu achten ist.
Anwendungsbedingungen/ Kontext
Unter welchen Bedingungen, in welchem Kontext ist dieser Lösungsansatz zweckmäßig anwendbar?
Beispielhafte Realisierungen
Hinweise, möglichst Links zu Beispielen
Evidenz, Referenzen
Angaben zu Publikationen/Studien/Befunden, welche die Wirksamkeit des DEM belegen. Einschätzung des DEM hinsichtlich Entwicklungsgrad.
Folgemuster (nächste Designebene)
Welche DEM sind voraussichtlich auf der nächsten Ebene von Designentscheidungen anwendbar?
Verwandte/ähnliche oder abzugrenzende DEM
Hinweise, Links zu ähnlichen bzw. verwandten Patterns
Autoren
Wer hat das DEM konzipiert, geändert?
Ein Beispiel für ein solches didaktisches Entwurfsmuster ist in Tabelle 6.2 angegeben. Es orientiert sich an dem Personalisierungsprinzip (Mayer, 2001, 2005), auf welches in den Kap. 3, 19 und 25 näher eingegangen wird. Beschreibungskategorie
Erläuterung
Name des DEM
„Personalisierungsprinzip 1: Sprachstil“
Bezug zum DO-ID-Modell
Motivationsdesign, Interaktivitätsdesign
Version/Datum
1.0/01.02.2008
Abstract/Kurzbeschreibung
Ein personalisierter Sprachstil ist einem sachlichen vorzuziehen.
Problem
Soll der Text eines E-Learning-Programms prinzipiell eher betont unpersönlich-sachlich formuliert werden oder eher alltagssprachlich-persönlich?
Beschreibung des Lösungsansatzes
Generell sollte anstelle eines distanziert-sachlichen Sprachstils eher ein persönlicher Stil gewählt werden, der Lernende direkt anspricht, z. B. „Sie können in dieser Lerneinheit … lernen“ statt etwa „In dieser Lerneinheit werden Kenntnisse zu … vermittelt“.
Anwendungsbedingungen/ Kontext
Das Prinzip scheint generell anwendbar. Die Effektivität ist bei Personen mit geringerem Vorwissen bzw. ungünstigeren Lernvoraussetzungen wirksamer als bei Personen, die bereits über Vorwissen verfügen bzw. die als „gute Lerner“ gelten.
Beispielhafte Realisierungen
(Links zu Bespielen)
Evidenz, Referenzen
Das Prinzip ist technologisch-experimentell mehrfach belegt; Erklärung u. a. im Kontext der Cognitive-Load-Theorie. Literatur: u. a. Mayer, 2001, 2005
Folgemuster (nächste Designebene)
−
Verwandte/ähnliche oder abzugrenzende DEM
„Personalisierungsprinzip 2: Pädagogische Agenten“
Autoren
HMN, SD
6.3 Beschreibung didaktischer Entwurfsmuster
Tabelle 6.2: Beispiel eines didaktischen Entwurfsmusters: „Persönliche Ansprache des Lerners“
91
Die schematische Darstellung „bewährter“ Muster bzw. Prinzipien ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass instruktionspsychologische Befunde Praktikern des Instruktionsdesigns zugänglich gemacht werden. Ein Ansatz dazu wurde im Rahmen des bereits genannten Projekts EXPLAIN in Form eines „didaktischen Assistenten“ entwickelt (Fredrich, Niegemann & Niegemann, 2008). Es handelt sich dabei um ein elektronisches Beratungssystem für das Instruktionsdesign, das nach Abfrage und Eingabe der Rahmenbedingungen dem Nutzer Designalternativen aufzeigt. Auch das vom niederländischen Forscher Rob Koper initiierte und als „Learning Design“ bezeichnete Forschungs- und Entwicklungsprogramm zur Effizienzsteigerung der Entwicklung technologiebasierter Lernumgebungen setzt auf „pedagogical design patterns“ (Koper & Tattersall, 2005; s. Kap. 27).
6.4 Zusammenfassung Neben der Systematisierung von Designentscheidungen ermöglicht das DO-ID-Modell, Designprobleme zu identifizieren. Als Lösungsansätze dafür können didaktische Entwurfsmuster („pedagogical design patterns“) herangezogen werden. Es handelt sich dabei um Beschreibungen bewährter Muster, die zur Vereinheitlichung einem bestimmten Schema folgen sollten. Die Idee dieser Entwurfsmuster wurde aus der Architektur entlehnt und in jüngerer Zeit auf die Konzeption multmedialer Lernumgebungen übertragen.
Literatur Alexander, C., Ishikawa, S., Silverstein, M., Jacobson, M., Fiksdahl-King, I., & Angel, S. (1977). A pattern language: towns, buildings, construction. New York: Oxford University Press. Fredrich, H., Niegemann, L., & Niegemann, H. M. (2008). E-Learning Designentscheidungen in EXPLAIN. In P. Loos, V. Zimmermann & P. Chikova (Hrsg.), Prozessorientiertes Authoring Management. Methoden, Werkzeuge und Anwendungsbeispiele für die Erstellung von Lerninhalten. Berlin: Logos. Gamma, E., Helm, R., Johnson, R., & Vlissides, J. (1998). Design patterns CD. Elements of reusable object oriented software. New York: Addison-Wesley Longman. Koper, R., & Tattersall, C. (2005). Learning Design. A handbook on modeling and delivering networked education and training. Berlin, Heidelberg: Springer. Mayer, R. E. (2001). Multimedia learning. Cambridge: Cambridge University Press. Mayer, R. E. (2005). Principles of Multimedia Learning Based on Social Cues: Personalization, Voice, and Image Principles. In R. E. Mayer (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (pp. 201−214). Cambridge: Cambridge University Press.
92
6 Didaktische Entwurfsmuster
7
Ziel- und Medienentscheidungen
Ziele zu setzen und Entscheidungen zu treffen, sind wesentliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, um eine komplexere Aufgabe oder ein Projekt zu bewältigen. Im Kontext multimedialen Lernens werden oft vorschnell Ziel- und Medienentscheidungen getroffen, was dann im weiteren Projektverlauf zu Problemen führen kann. Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, sollten Sie verstanden haben,
Lernziele
• welche Ziel- und Medienentscheidungen häufig zu früh getroffen werden, • welche Auswirkungen solche verfrühten Entscheidungen auf ein Gesamtprojekt haben können, • zu welchem Zeitpunkt Ziel- und Medienentscheidungen sinnvoll sind.
7.1 Zielentscheidungen Bevor ein Auftrag zur Entwicklung einer multimedialen Lernumgebung definiert wird, existieren zumindest vage Ziele, z. B. • die effiziente Qualifizierung eigener Mitarbeiter unter bestimmten Rahmenbedingungen (Minimierung der Abwesenheit vom Arbeitsplatz, minimierte Kosten, Flexibilität usw.),
Mögliche Ziele
• die Verfügbarkeit von Trainingsangeboten „on-demand“ bzw. „just-in-time“, z. B. bei häufig wechselndem Personal, • die Schulung von Kunden (After-Sale-Services) bei Minimierung des Zeitaufwandes für hochqualifiziertes eigenes Personal, • die Optimierung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen durch Simulationstrainings, • die Standardisierung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen (z. B. in der Medizin), • die Flexibilisierung des Einsatzes der Lehrenden, • die Überwindung von Raum- und Zeitengpässen in der Aus- und Weiterbildung und dem Hochschulbereich,
7.1 Zielentscheidungen
93
• die Entwicklung eines Lehrangebots für eine räumlich entfernte Zielgruppe (Fernlehre, Fernstudium), • die Erleichterung des Lernens bzw. die Förderung der Lernmotivation durch multimediale Anreicherung, • die Demonstration von Modernität im Bereich der Aus- und Weiterbildung Medienberatung: Ziele erarbeiten
Nicht selten fehlt es bei denjenigen, die diese Ziele setzen, an hinreichendem Fachwissen darüber, inwieweit die beabsichtigten Ziele mit den ins Auge gefassten Mitteln (multimediale Lernumgebung, blended learning) tatsächlich erreichbar sind. Es wird daher eine wesentliche Aufgabe des unternehmensinternen oder – externen Bildungsexperten sein, im Zuge eines Beratungsprozesses gemeinsam mit den jeweiligen Entscheidungsträgern möglichst klare Zielvorstellungen und Prioritäten herauszuarbeiten und diese von den möglichen Mitteln zu separieren.
7.2 Medienentscheidungen
Alternativen aufzeigen, vergleichbar machen Kriterien entwickeln
94
Nachdem die Zielentscheidungen getroffen wurden, sollte im nächsten Schritt definiert werden, welche Medien zum Einsatz kommen sollen. Erfahrungsgemäß werden jedoch oft zeitgleich mit den Zielbestimmungen auch die strategischen Medienentscheidungen getroffen, sei es, weil die Entscheider über entsprechendes Fachwissen verfügen, sei es, weil dieses Fachwissen fehlt. Wenn Medienberatung erwünscht ist, wird es zunächst darauf ankommen, die möglichen Alternativen leidenschaftslos darzustellen, sie anschließend vergleichbar zu machen und die Entscheider bei der Entwicklung von Kriterien für den Vergleich zu unterstützen (Simon, 1996). Die Anzahl verfügbarer Alternativen ist seit den Anfängen des computerbasierten Trainings beträchtlich gewachsen und sie wächst offensichtlich weiter (s. Kap. 29, 30). Tatsächlich können unterschiedliche Bildungsangebote, unabhängig vom Ausmaß und der Art der Medienverwendung, als solche hinsichtlich ihrer Lernwirksamkeit kaum unterschieden werden: Die Frage, ob ein bestimmtes Szenario oder eine Methode hinsichtlich des zu erwartenden Lernerfolgs besser oder schlechter ist als ein anderes (z. B. herkömmliches Training vs. Web-Based Training (WBT)) lässt sich wissenschaftlich nicht vernünftig beantworten: Dozentengeleitetes Training kann brillant geplant und durchgeführt sein oder auch miserabel. Das Gleiche gilt für jedes andere Lehr-Lern-Arrangement. Bei jeder „Methode“ sind derart viele Variablen konfundiert, dass wissenschaftlich zunächst nur festzustellen ist, ob bestimmte Ziele generell erreicht werden können. Anschließend sind dann lediglich noch Fragen von Interesse nach Faktoren, die innerhalb einer Methode oder eines Arrangements den Lernprozess fördern oder hemmen. Nahezu alle Lernprozesse lassen sich auf methodisch unterschiedliche Art und Weise initiieren, allerdings nicht zu gleichen Kosten und in gleicher Zeit (Clark, 1994; Clark & Feldon, 2005).
7 Ziel- und Medienentscheidungen
7.3 Zusammenfassung Bevor eine multimediale Lernumgebung konzipiert und entwickelt wird, existieren häufig Vorstellungen darüber, wie das zukünftige Angebot aussehen soll. Gleichzeitig werden Medienentscheidungen getroffen, die jedoch zu einem so frühen Zeitpunkt nicht unbedingt günstig sind. Denn die Frage, wie gut diese Entscheidungen zu den Zielen, Wünschen, Fähig- und Fertigkeiten der potenziellen Zielgruppe passen werden, kann – wenn überhaupt – nur vage beantwortet werden. Folglich kann das multimediale Angebot möglicherweise nicht das leisten, was ursprünglich erwartet wurde. Zielführender ist es, diese Entscheidungen zurückzustellen, bis die Analysephase (s. Kap. 8) im Rahmen der systematischen Konzeption nach dem DO-ID-Modell (s. Kap. 5) abgeschlossen ist. Zu diesem späteren Zeitpunkt liegen systematisch entwickelte Ziele vor, welche das Angebot erreichen soll. Weiterhin sind fundierte Informationen zu den Lernermerkmalen, den zu bearbeitenden Aufgaben und den Lernzielen verfügbar.
Entscheidung zwischen Medien und Methoden: Kosten und Zeit
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Literatur
95
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Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
Erhält ein Architekt den Auftrag, ein Haus zu konzipieren, so ist es selbstverständlich, dass er zunächst weitere Informationen benötigt. Er muss wissen, welchem Zweck das Haus dienen soll (Wohnungen, Büros), für wen es gebaut werden soll (Anforderungen, Wünsche, Erwartungen), welcher finanzielle Rahmen gegeben ist, welche Kontextbedingungen vorliegen (Lage, Umgebung) und vieles mehr. Diese Art der Informationen sollte auch die Basis einer jeden systematischen Konzeption multimedialer Lernumgebungen bilden. Dazu sind umfangreiche Analysen notwendig, die dann als Grundlage der Designentscheidungen dienen. Nach Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie verstanden haben, • welche Analysen im Rahmen der Konzeption multimedialer Lernumgebungen notwendig sind, • was unter einer Problemanalyse verstanden wird, • welche Funktionen eine Bedarfsanalyse hat, welche Arten von Bedarfen unterschieden werden und wie diese erhoben werden können, • welche Merkmale im Rahmen der Adressatenanalyse relevant sind, • welche Fragen innerhalb der Wissens- und Aufgabenanalyse beantwortet werden sollen und welche Methoden dafür zur Verfügung stehen, • welche Aspekte bei der Ressourcen-, Kosten- und Einsatzkontextanalyse zu beachten sind.
8.1 Was ist zu analysieren? Die unterschiedlichen Analysen stellen zwar die kritischste Phase in der Konzeption digitaler Lernumgebungen dar, werden aber in der Praxis am meisten vernachlässigt. Es gilt, folgende Bereiche gründlich zu analysieren: Problem und Bedarf, Adressaten (Zielgruppe), Inhalte (zu vermittelndes Wissen), Ressourcen und Einsatzkontext. Dies ist keine akademische Forderung: Analysiert man Schwächen marktgängiger multimedialer Lernsysteme, zeigt sich immer die Vernachlässigung der Analysephase mit der Folge,
8.1 Was ist zu analysieren?
Vernachlässigung der Analyse führt zu schwachen Produkten
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Problemanalyse
Adressatenanalyse Wissens- und Aufgabenanalyse
Ressourcenanalyse
Kostenanalyse
Analyse des Einsatzkontextes
dass wesentliche Informationen für rationale Konzeptions- und Produktionsentscheidungen fehlten. Der Entscheidung, eine digitale Lernumgebung zu entwickeln, sollte vor allem im Bereich der betrieblichen Weiterbildung eine sorgfältige Analyse des damit zu lösenden Problems (Problemanalyse) sowie des tatsächlichen Bedarfs (Bedarfsanalyse) vorausgegangen sein, um möglicherweise erhebliche Fehlinvestitionen zu vermeiden. Die Adressatenanalyse ermittelt die Lernvoraussetzungen der Zielgruppe. Am häufigsten unterschätzt und dementsprechend vernachlässigt werden in der Praxis die Analysen des zu vermittelnden Wissens, der Lehrinhalte und insbesondere der Lernaufgaben. Das hängt damit zusammen, dass die Autoren digitaler Lernumgebungen oft Inhaltsexperten sind und im Bewusstsein ihrer Fachkompetenz wenig Anlass sehen, sich auf detaillierte Aufgaben- und Wissensanalysen einzulassen. Tatsächlich geht es bei diesen Analysen aber nicht in erster Linie um die Inhaltsstruktur, sondern um mögliche didaktische Strukturierungen. Die Inhalte sind nach Wissensarten bzw. Arten der angestrebten Kompetenzen und deren Relation sowie den lernerseitig auszuführenden kognitiven und motorischen Operationen zu analysieren, um eine Grundlage für spätere Designentscheidungen hinsichtlich Lehrstrategien, geeigneten Medien, Methoden und Lernhilfen zu bekommen. Die Durchführung einer Aufgaben- bzw. Wissensanalyse setzt also beträchtliche lern- und kognitionspsychologische Kenntnisse voraus. Hilfsmittel können vielfältige, oft grafische Strukturierungsverfahren sein (Jonassen, Tessmer & Hannum, 1999; Niegemann, 1999; Crandall, Klein & Hoffman, 2006), diese liefern u. a. die Grundlage für die hypermediale Strukturierung. Ohne systematische Wissens- und Aufgabenanalyse ist die Entwicklung einer digitalen Lernumgebung kaum als professionell zu bezeichnen, da sich dann die wenigsten Designentscheidungen rational begründen lassen. Nach erfolgter Wissens- und Aufgabenanalyse sollte die Bestimmung der Lehr- bzw. Lernziele kaum noch problematisch sein. Weniger aufwendig ist in der Regel die Analyse der verfügbaren Ressourcen: Personal, Sachmittel (Budget) und die verfügbare Zeit liefern wesentliche Rahmenbedingungen für spätere Designentscheidungen. Häufig wird eine Kostenanalyse bereits ganz zu Beginn erwartet, wenn ein Angebot abzugeben ist und die meisten Analysen noch gar nicht im Detail durchgeführt werden konnten. Die Analyse des späteren Einsatzkontexts wird wiederum häufiger vernachlässigt. Neben Fragen der Rechnerausstattung der Adressaten spielen die physikalischen (Licht, Geräusche) und sozialen Merkmale der Lernumgebung im eigentlichen Sinn eine Rolle.
8.2 Problemanalyse
Ursache von Problemen im Bildungsbereich
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Eine multimediale Lernumgebung wird konzipiert, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Angenommen wird dabei, dass die Ursachen des Problems Defizite in der Qualifikation einer bestimmten Personengruppe sind. Wie sicher und begründet ist aber diese Annahme? Es gibt etliche Beispiele dafür, dass anstelle von Bildungsdefiziten Managementschwierigkeiten oder technische Unzulänglichkeiten Ursache des Problems waren. Das Problem für Instruktionsdesigner ist dabei, dass die erwünschten Zustände auch nach einem hervorragend durchgeführten Training nicht eintreten werden und man seitens der
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
Auftraggeber schnell bei der Hand ist, das entsprechende Training als unzulänglich anzusehen. Wenn die Aufgaben des Instruktionsdesigns innerhalb eines Unternehmens lokalisiert sind, ist es für die Weiterbildungsverantwortlichen daher wichtig, bei der Analyse der durch Bildung bzw. Training zu bewältigenden Probleme anzusetzen. Externe Instruktionsdesigner, die von Unternehmen Aufträge erhalten, bestimmte Lernumgebungen zu entwickeln, haben meist keine Chance, derartige Analysen durchzuführen. Bei Diskussionen um die Effektivität von Programmen kann es aber auch für sie wichtig sein, mit Aspekten der Problemanalyse vertraut zu sein.
8.3 Bedarfsanalyse Bedarfsanalysen sollen ermitteln, welche Kompetenzen bei welchen Adressaten Defizite aufweisen und zu verbessern sind. Dabei werden unterschiedliche Verfahren der empirischen Sozialforschung angewendet (z. B. Fragebogenerhebungen, Interviews mit Führungskräften). Bedarfsanalysen erfüllen mehrere Funktionen: • Bestimmung des Bildungs- bzw. Trainingsbedarfs für ganz bestimmte Arbeitsaufgaben; Feststellung, welche Probleme die Leistung beeinträchtigen,
Funktionen einer Bedarfsanalyse
• Bestimmung des Bildungs- oder Trainingsbedarfs im Zusammenhang mit wichtigen finanziellen Folgen, der Sicherheit und dem Arbeitsschutz sowie der Kontinuität des Arbeitsprozesses, • Setzung von Prioritäten bei der Festlegung von Weiterbildungsaktivitäten, • Lieferung von Daten (baseline) für die spätere Bestimmung der Wirksamkeit der Instruktionsmaßnahmen. Bedarf ist gekennzeichnet durch eine Differenz zwischen dem, was gegeben bzw. vorfindbar ist, und dem, was erwartet wird. Im Fall von Instruktionsdesign in der beruflichen Weiterbildung geht es meist um die Differenz zwischen tatsächlichen und erwarteten bzw. gewünschten Arbeitsleistungen (z. B. Produktivität, Fehlerraten). Für die Durchführung einer Bedarfsanalyse ist es zunächst sinnvoll, die Art des Bedarfs näher zu bestimmen. Unterschieden werden meist sechs Kategorien: 1. Normativer Bedarf liegt vor, wenn die Qualifikation der Zielgruppe hinter einem nationalen oder internationalen Standard zurückbleibt. Zur Ermittlung dienen in der Regel Testdaten, die mit dem entsprechenden Standard verglichen werden.
Bedarfsarten
2. Relativer Bedarf unterscheidet sich vom normativen Bedarf nur dadurch, dass statt eines Standards eine Vergleichsgruppe, ein Konkurrenzunternehmen oder dergleichen bessere Werte aufweist. Wichtig ist es hier festzustellen, ob die erfassten Unterschiede (Umsätze von Außendienstmitarbeitern, geringere Fehlerraten, weniger Ausschuss, höhere Produktivität) tatsächlich auf Qualifikationsunterschiede zurückzuführen sind. 3. Subjektiv empfundener Bedarf liegt vor, wenn Individuen selbst den Wunsch äußern, ihre Qualifikation in bestimmter Weise zu verbessern. Es kann problematisch sein,
8.3 Bedarfsanalyse
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derartige Äußerungen in jedem Fall mit einem Bedarf an bestimmten Qualifizierungsmaßnahmen oder Absatzchancen für bestimmte Lernmedien gleichzusetzen. 4. Demonstrierter Bedarf bedeutet, dass das Verhalten der Zielgruppe auf einen Bedarf hinweist: Die Wartelisten von Seminaren, Vorbestellungen von Lehrprogrammen usw. sind entsprechende Indikatoren. 5. Größere Anforderungen an die Analyse stellt die Ermittlung des zukünftigen (antizipierten) Bedarfs. Es gilt, zukünftige Veränderungen und deren Voraussetzungen bzw. Konsequenzen zu erkennen: Geplante Softwareumstellungen, die Einführung neuer Produktionstechniken, die geplante Erschließung neuer Märkte usw. setzen heute in der Regel Qualifizierungsaktivitäten voraus. Sollen dabei neue Medien eingesetzt werden, ist eine Vorlaufzeit von etlichen Monaten erforderlich. 6. Ein Qualifizierungsbedarf aufgrund kritischer Ereignisse (critical incidents) wird festgestellt, wenn die Möglichkeit seltener, aber besonders folgenreicher Vorfälle erkannt wird. Dies kann in Unternehmen eine Konsequenz von Schwachstellenanalysen sein („was würde passieren, wenn …“), wenn festgestellt wird, dass Mitarbeiter auf entsprechende Ereignisse nicht hinreichend vorbereitet sind.
Marktanalyse
Diese unterschiedlichen „Bedarfe“ bzw. Informationsquellen schließen sich keineswegs aus, teilweise sind es unterschiedliche Instanzen, welche die Frage nach „dem Bedarf“ beantworten. Dem Instruktionsdesigner sollte klar sein, wer die Frage nach dem Bedarf jeweils beantwortet hat, und die Informationen dementsprechend einschätzen, wenn es z. B. gilt, die Motivation der Adressaten einzuschätzen. Soll ein Selbstlernmedium nicht organisationsintern, sondern für den Markt entwickelt werden, erweitert sich die Fragestellung nach dem Bedarf im Sinne einer Marktanalyse, insbesondere sind dann auch bereits vorhandene Produkte (Stärken, Schwächen, Preis) zu analysieren sowie die bisherige und die prognostizierte Marktentwicklung.
8.3.1 Methoden der Bedarfsanalyse Befragung
100
Bedarfsanalysen werden überwiegend mit Hilfe von Befragungen (Fragebögen und Interviews) durchgeführt. Befragt werden je nach Aufgabenstellung Führungskräfte, Experten oder eine Stichprobe aus der Adressatengruppe, wobei die entsprechenden methodischen Prinzipien aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung anzuwenden sind, wenn die Befunde aussagekräftig sein sollen (Bortz & Döring, 2006; Miller & Salkind, 2002). Für die Konzeption von Lehrmedien wie für Trainer sollten diese Erhebungen auch bereits Informationen für die Spezifizierung der Lehrziele sowie die Art und Umstände der Anwendung des zu vermittelnden Wissens bzw. der Kompetenzen liefern. Dies kann später zeitaufwendige Recherchen ersparen. Entsprechende schriftliche Befragungen können heute auch über das Internet bzw. ein Intranet durchgeführt werden. Wichtige Informationen für Bedarfsanalysen liefern auch Qualitätszirkel und andere Instrumente des Qualitätsmanagements.
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
8.4 Adressatenanalyse Bedarfs- und Adressatenanalyse lassen sich in der Praxis kaum klar voneinander trennen. Die Ermittlung des Qualifikationsbedarfs erfordert Kenntnisse über die Ausprägung und Verteilung von Kompetenzen – also Personenmerkmalen – in der Adressatengruppe. Für die didaktische Konzeption und Gestaltung sind jedoch – neben Alter und Geschlecht der Adressaten – weitere Personenmerkmale relevant, die nicht unbedingt mit dem aktuellen Qualifikationsdefizit zu tun haben. Solche Personenmerkmale sind für die betriebliche Weiterbildung insbesondere: • Vorwissen und relevante Erfahrungen: Was kann an theoretischem Wissen (Hintergrundwissen, einschlägiges theoretisches Fachwissen), an Handlungswissen und praktischen Erfahrungen vorausgesetzt werden? Je passgenauer die neuen Informationen ausgewählt werden, umso unwahrscheinlicher werden Langeweile – weil vieles bereits bekannt ist – und Überforderung aufgrund von Wissenslücken.
Relevante Personenmerkmale
• Position und Funktion im Betrieb: Welche Positionen, welche Aufgaben haben die Adressaten bisher im Betrieb? Welche Befugnisse sind damit verbunden? Fehlende Informationen können zu „Missgriffen“ bei der Auswahl von Aufgaben und Beispielen und bei der Formulierung von Rückmeldungen führen. Wichtig sind diese Informationen auch für die evtl. Zusammenstellung von Lerngruppen bei kooperativem Lernen. • Lerngeschichte: Welche Erfahrungen haben die Adressaten mit selbst kontrolliertem Lernen? Haben die Adressaten bereits Erfahrungen mit computer- bzw. webbasiertem Lernen? Haben sie andere Erfahrungen mit Weiterbildungsmaßnahmen? Welches Ansehen genießt Weiterbildung im Betrieb? Adressaten, die keinerlei Erfahrungen mit selbst kontrolliertem Lernen haben und möglicherweise seit ihrer Schulzeit keinen Lernanforderungen in einem institutionalisierten Rahmen ausgesetzt waren, benötigen andere Hilfen und Einführungen in das mediengestützte Lernen als Personen, die bereits seit Jahren mit Computerlernprogrammen umgehen. • Bildungsstand: Welchen formalen Bildungsstand haben die Adressaten? Diese Information lässt u. a. Schlüsse auf das Allgemeinwissen zu und erleichtert Entscheidungen z. B. bezüglich des angemessenen Sprachstils und der Verwendung von Analogien. • Lernmotivation und Einstellungen zum Inhalt: Von wem geht die Initiative zur Qualifizierung aus? Wie wird die Lernmotivation der Adressaten von Vorgesetzten eingeschätzt? Wie transparent ist der Zweck der Qualifizierung? Welche Konsequenzen haben Erfolg oder Misserfolg für die Lernenden? Auch wenn es allgemeine Prinzipien zur Motivierung gibt, die bei der Gestaltung von Lernprogrammen zu berücksichtigen sind (s. Kap. 13), sollten Personen, die sich für ein Lernen mit neuen Medien bzw. für die gesamte Qualifizierung nicht selbst entschieden haben, anders angesprochen werden als solche, die seit Monaten warten, dass ihnen endlich diese Lerngelegenheit geboten wird. Wer Angst haben muss, bei Versagen eine Aufstiegschance oder gar seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wird auch an einen Selbsttest anders herangehen als jemand, der in der Qualifizierung nur Chancen sieht. • Interessen und persönliche Zielsetzungen: Gibt es außerberufliche gemeinsame Interessen der Adressaten? Falls solche Informationen vorliegen, können sie ggf. bei der Wahl von Analogien, Beispielen usw. genutzt werden.
8.4 Adressatenanalyse
101
Lernstile
Interkulturelle Aspekte
Handicaps und besondere Bedürfnisse
Merkmale der Adressatengruppe
Man mag hier Merkmale wie Lernstile oder gar „Lerntyp“ vermissen: Das letztgenannte Merkmal wurde in den siebziger Jahren durch ein Buch von F. Vester mit einem wissenschaftlich allerdings nicht ernst zu nehmenden Selbsttest populär, die Instruktionspsychologie konnte die simple Typologie auch nie bestätigen. Für unterschiedliche „Präferenzen“, also die Bevorzugung bestimmter Methoden der Wissensaneignung, gibt es durchaus Belege, die Messverfahren (Tests) sind jedoch meist so aufwendig, dass ihr Einbau in Lernprogramme den Lernenden nicht zugemutet werden kann (Morrison, Ross & Kemp, 2004). Gewichtiger ist noch, dass es für die so genannten „Lernstil“-Kategorien, deren Validität ohnehin meist fraglich ist, keine wissenschaftlich gesicherten Verknüpfungen mit bestimmten didaktischen Entscheidungsalternativen gibt. Ohne eine solche Verknüpfung ist die Entwicklung oder der Einsatz eines Lernstiltests vergleichbar der Entwicklung oder dem Einsatz eines medizinischen Diagnoseverfahrens ohne Klarheit über die zu diagnostizierende Krankheit und ohne Hinweis auf therapeutische Maßnahmen (Clark & Feldon, 2005). Eine Übersicht über viele potenziell relevante Persönlichkeitsmerkmale von Lernern, entsprechende Messverfahren und vorliegende Forschungsergebnisse geben Jonassen & Grabowski (1993). Zunehmend wichtig im Rahmen von Adressatenanalysen sind Informationen über Adressaten aus anderen Kulturkreisen und mit anderen Muttersprachen. Ein Lernprogramm z. B., das in einem Großkonzern weltweit eingesetzt werden soll, muss nicht nur mehrsprachig konzipiert werden, sondern auch auf vielfältige kulturelle Besonderheiten Rücksicht nehmen. Hinweise und Fallbeispiele hierzu liefern Nielsen und Del Galdo (1996). Bei Befragungen zu den Adressaten sollte schließlich auch nach relevanten Handicaps oder Behinderungen gefragt werden, insbesondere Beeinträchtigungen der Sehoder Hörfähigkeit können besondere Designlösungen erfordern. Über die Merkmale einzelner Adressaten hinaus sind Merkmale der Adressatengruppe wichtig: • Wie homogen oder heterogen ist die Adressatengruppe hinsichtlich der einzelnen Merkmale? Je homogener die Adressaten sind, umso einfacher ist generell die Konzeption. • Kennen sich die Mitglieder der Adressatengruppe (bzw. der evtl. zu bildenden Lerngruppen) bereits? Diese Information spielt vor allem für Teleseminare und andere Formen computer- bzw. webbasierten kooperativen Lernens eine Rolle. Kennen sich z. B. die Mitglieder eines Teleseminars nicht, sollte eine Präsenzveranstaltung zu Beginn in Erwägung gezogen werden, zumindest wäre eine Form des Sichbekanntmachens einzuplanen, z. B. durch eine spezielle Website mit Fotos und kurzen Selbstdarstellungen der Lerner. • Wie sind die Beziehungen zwischen (a) Gleichgestellten untereinander und (b) Vorgesetzten und Untergebenen in dem entsprechenden Betrieb? Welches soziale Klima ist in Lerngruppen zu erwarten? Gibt es Anhaltspunkte, auf die Bildung von Lerngruppen Einfluss zu nehmen? Diese Informationen können ungemein nützlich sein, wenn Teleseminare oder andere Formen medienbasierten kooperativen Lernens in Frage kommen.
102
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
In der Praxis wird es oft nicht gelingen, befriedigende Informationen zu allen diesen Variablen zu erhalten; in manchen Fällen sind auch nicht alle Informationen erforderlich. Generell führen jedoch Informationslücken zu jeder genannten Frage bei der Konzeption zu Unsicherheiten und sicherlich zu größerem und damit teurerem Revisionsbedarf nach den Usability-Tests bzw. der Evaluation (s. Kap. 20 und 21). Bei der Entwicklung von Lernmedien für den offenen Markt muss eine Zielgruppe definiert werden, wobei es häufig zu einem Interessenkonflikt zwischen Autoren und Verlagen kommt: Für den Autor eines Lernprogramms ist es stets am günstigsten, für eine möglichst homogene Zielgruppe zu planen, während jeder Verlag daran interessiert ist, die Zielgruppe möglichst breit zu definieren. Heterogenere Adressaten erfordern einen höheren Entwicklungsaufwand: Es müssen erheblich mehr Hilfen (Abstufungen), unterschiedliche Lernwege, Schwierigkeitsniveaus bei Selbsttests usw. geplant und entwickelt werden, wenn didaktische Qualitätsansprüche nicht reduziert werden sollen.
Informationsdefizite
Heterogene Adressatengruppen
8.4.1 Methoden der Adressatenanalyse Die „unverfänglicheren“ Informationen (Bildungsstand, Erfahrungen, Position im Betrieb) zu den Adressaten lassen sich im Kontext der Bedarfsanalyse leicht erheben. Für Informationen zur Lernmotivation, zum Betriebsklima usw. ist man als externer Instruktionsdesigner dagegen auf Gewährsleute angewiesen, die einem hinreichendes Vertrauen entgegenbringen. Generell sind die Prinzipien der empirischen Sozialforschung zu beachten (Bortz & Döring, 2006).
8.5 Wissens- und Aufgabenanalyse Die Analyse des Lehrstoffs, d. h. des Wissens, das Adressaten mit Hilfe der zu entwickelnden Lehrmedien bzw. der zu konzipierenden Lernumgebung aufbauen sollen, der Arbeits- oder Lernaufgaben, die bei erfolgreichem Lernprozess bewältigt werden sollen und des angestrebten Kompetenzgrades (z. B. zulässige Fehlerquoten, Arbeitsproduktivität) hat eine zentrale Funktion im Prozess der Konzeption von Lernmedien. Es geht um die Beantwortung folgender Fragen:
Lehrstoff
• Welche Fähigkeiten und welches Wissen sind notwendig, um den festgestellten Bedarf zu befriedigen?
Fragen zur Wissensund Aufgabenanalyse
• Welche Inhalte sollen vermittelt werden? • Wie können die Elemente des Lehrinhalts organisiert werden? • Wie können Aufgaben analysiert werden, um die Komponenten zu bestimmen und zweckmäßig zu sequenzieren? Die Aufgaben- und Wissensanalyse soll dem Instruktionsdesigner auch ermöglichen, den Lehrstoff aus der Perspektive der Lernenden zu betrachten, um zu geeigneten Lehrstrategien zu gelangen (Morrison, Ross & Kemp, 2004, S. 77 f.).
8.5 Wissens- und Aufgabenanalyse
103
Kooperation mit Inhaltsexperten Themensammlung
Mapping Techniken
Nur zufällig ist ein professioneller Instruktionsdesigner zugleich Inhaltsexperte, normalerweise ist bei der Aufgabenanalyse eine Zusammenarbeit mit einem Inhaltsexperten erforderlich. Ein gebräuchliches Verfahren für deklaratives Wissen („Wissen, dass“) beginnt mit einer Themensammlung. Die einzelnen Themen werden dann gruppiert und hierarchisch gegliedert: Zunächst werden allgemeinere Themen aufgelistet, dann die untergeordneten Themen differenziert. Ein nützliches Hilfsmittel ist dabei die Gliederungsfunktion eines Textverarbeitungsprogramms. Ordnungskriterien sind dabei zunächst Relationen wie „Unterbegriff von“ „Merkmal von“, „Teil von“, „Beispiel von“ usw. sowie Unterscheidungen hinsichtlich allgemeiner Lernzielkategorien wie Fakten, Begriffe, Regeln und Prinzipien, Prozeduren und kommunikative Fähigkeiten sowie Einstellungen. Eine (bessere) Alternative für die Darstellung der Struktur eines Lehrinhalts bietet die grafische Begriffsnetzdarstellung (concept-mapping) (Mandl & Fischer, 2000; Jonassen, Beissner & Yacci, 1993; Crandall, Klein & Hoffman, 2006, S. 41 f.). Dazu werden zunächst die zentralen Begriffe als Knoten eines Netzes aufgezeichnet und durch meist gerichtete Kanten (Verbindungslinien, Pfeile) miteinander verbunden. Diese Linien oder Pfeile repräsentieren die Relationen zwischen den Begriffen und sollten benannt werden. Als Hilfsmittel stehen mehrere Softwareprodukte zur Verfügung. Sie bieten u. a. die Möglichkeit, die räumliche Anordnung auch bereits erstellter Begriffsnetze durch Verschieben zu ändern, wobei alle Relationen erhalten bleiben. Zum Teil ist es auch möglich, mehrere Ebenen zu definieren, man gelangt dann z. B. durch Anklicken eines Begriffsknotens zu dem Begriffsnetz, das die innere Struktur des entsprechenden Begriffs darstellt. Abbildung 8.1 zeigt eine Begriffsnetzdarstellung für „Interaktivitätsdesign“.
Abb. 8.1: Begriffsnetzdarstellung „Interaktivitätsdesign“
Für die Analyse prozeduralen Wissens und Handelns („Wissen, wie“) müssen die einzelnen Schritte der jeweiligen Prozedur identifiziert werden. Jonassen, Tessmer & Hannum (1999) differenzieren prozedurales Wissen u. a. nach der Beobachtbarkeit der ablaufenden Handlungen:
104
Komplett beobachtbare Handlungen
Beobachtbare und nichtbeobachtbare (mentale) Handlungen/Operationen
Nur nichtbeoachtbare Operationen
Beispiel: Einen Autoreifen wechseln
Beispiel: Buchführung
Beispiel: Analyse eines Schaltplans
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
Es handelt sich hier nicht um drei diskrete Kategorien, sondern um drei hervorgehobene Punkte eines Kontinuums: Das Wissen um bestimmte Vorgehensweisen umfasst meist sowohl Anteile beobachtbarer wie nichtbeobachtbarer (mentaler) Operationen. Bei der Analyse prozeduralen Wissens werden die einzelnen Schritte mit einem Inhaltsexperten durchgegangen, bei Arbeitsabläufen möglichst in der Umgebung, in der die Handlungen ausgeführt werden (z. B. an der jeweiligen Maschine). Drei Fragen sind jeweils zu klären:
Prozedurales Wissen
• Was müssen Lernende später tun? Welche Handlungen müssen dazu ausgeführt werden? Welcher Art sind diese Handlungen jeweils (physisch-beobachtbar oder mental)?
Fragen zu prozeduralem Wissen
• Was müssen Lernende wissen um, jeden Schritt ausführen zu können? Welches Hintergrundwissen (z. B. Wirkungen von Temperatur, Druck, Feuchtigkeit) muss vorausgesetzt werden? Welches Wissen über die Umgebung bzw. den Kontext des Handlungsschritts und eventuelle Komponenten ist notwendig? • Welche Hinweisreize (taktil, Geruch, visuell, Geräusch) informieren den Lernenden, dass es ein Problem gibt, dass er fertig ist oder eine andere Operation erforderlich ist (rotes Blinklicht, kratzendes o. schleifendes Geräusch, Quietschen usw.)? Gelegentlich wird neben „deklarativem“ und „prozeduralem“ Wissen noch „konditionales Wissen“ („Wissen, wann“) unterschieden. Konditionales Wissen meint das Wissen, wann – unter welchen Bedingungen – eine bestimmte Prozedur bzw. bestimmte Regeln am zweckmäßigsten anzuwenden ist. Beispiel: Im Bereich der kaufmännischen Ausbildung wird zum einen die Theorie der Kostenrechnung vermittelt, Begriffe wie Kostenträger, Kostenstellen, Kostenarten und Modelle der Kostenrechnung werden erklärt und ihre Beziehungen zueinander werden erläutert. Dabei handelt es sich um deklaratives Wissen. Es wird aber auch erklärt und geübt, wie innerhalb bestimmter Modelle der Kostenrechnung Kalkulationen durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um prozedurales Wissen. Schließlich kommt es aber auch darauf an zu vermitteln, wann die Anwendung welchen Kostenrechnungsmodells zweckmäßig ist – konditionales Wissen. Zur Repräsentation von Abläufen eignen sich insbesondere Flussdiagramme (s. Abb. 8.2). Für spezielle prozedurale Wissensarten können andere grafische Verfahren günstiger sein. Für das Wissen um Rechenprozeduren z. B. haben sich „Rechenbäume“ bewährt, wie sie in einfacher Form bereits in der Grundschule eingesetzt werden. Ein Beispiel für einen Rechenbaum, der die Berechnung einer Teilgröße bei der Preiskalkulation darstellt zeigt Abb. 8.3. Auch für die Analyse und die Darstellung konditionalen Wissens sind grafische Darstellungen eine nützliche Hilfe, z. B. Entscheidungsdiagramme. Andere grafische Verfahren finden sich im Bereich der Systemanalyse und Softwareentwicklung. Hier wurde mit UML (unified modelling language) eine spezielle Symbolsprache zur Spezifikation, Visualisierung, Konstruktion und Dokumentation entwickelt, die sich inzwischen bei vielen großen Softwareherstellern durchgesetzt hat und auch an den Hochschulen vermittelt wird. Zumindest einige der verschiedenen Diagrammtypen von UML (u. a. Anwendungsfalldiagramm, Klassendiagramm, Aktivitätsdiagramm, Kollaborationsdiagramm, Sequenzdiagramm) lassen sich zweifellos auch für Aufgaben- und Wissensanalysen, die nicht der Softwareentwicklung dienen, mit Gewinn „missbrauchen“. Für die Erstellung entsprechender Diagramme kann auf viele spezialisierte Softwareprogramme zurückgegriffen werden, auch die Software MS Visio unterstützt UML.
8.5 Wissens- und Aufgabenanalyse
Deklaratives, prozedurales, konditionales Wissen Flussdiagramme
Rechenbäume
UML
105
Abb. 8.2: Beispiel eines Flussdiagramms im Rahmen einer Analyse prozeduralen Wissens; hier: Finden eines geeigneten statistischen Testverfahrens
Welche Art von Daten?
Weiter im nächsten Flussdiagramm (2) nein
Häufigkeitsdaten ?
ja
nein
Weiter im nächsten Flussdiagramm (3) nein
Eine Stichprobe?
Zwei Stichproben?
ja Alternativmerkmal (2 Kateg.)
ja ja
Unabhängige Stichproben?
nein
ja
Was sonst?
ja Chi2-Test für 1 Stichprobe
Binomialtest !
nein
mehr als 2 Kategorien?
ja
Abhängige Stichproben?
Chi2-Test für 2 Stichproben
nein
Was sonst?
Abb. 8.3: Beispiel eines Rechenbaums im Rahmen der Analyse prozeduralen Wissens (Niegemann, GronkiJost & Neff, 1999)
McNemar-Test
Verkaufspreis
var. Gemeinkosen (gesamt)
:
var. Einzelkosten pro Stück
-
+
var. Kosten pro Stück
Deckungsbeitrag
var. Gemeinkosten pro Stück
Stückzahl
Fehlerwissen
106
Die in diesem Kapitel vorgenommene Unterscheidung zwischen deklarativem, prozeduralem und konditionalem Wissen ist sehr verbreitet, aber relativ grob und nicht sehr präzise. Solange es keine bessere, didaktisch relevante Taxonomie von Wissensarten gibt, kann auf sie nicht verzichtet werden. Es scheint jedoch lohnend, bei der Wissensanalyse auch auf andere als die vorgestellten Kategorisierungen zu achten. Oser
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
und Hascher (1997) weisen zum Beispiel auf die Bedeutung „negativen Wissens“ („Fehlerwissen“) hin: „Wissen darüber, was man nicht tun sollte“.
8.6 Ressourcenanalyse Vor der Umsetzung einer Konzeption muss geklärt sein, welche Ressourcen zur Verfügung stehen: • Material,
Was steht zur Verfügung? Was wird gebraucht?
• Personal, • Zeit, • Geld, • Rechte. Wenn ein Angebot abzugeben ist oder ein Projektantrag eingereicht werden soll, wird erwartet, dass zuvor geklärt ist, welche Ressourcen erforderlich sind, wenn bestimmte Ziele erreicht werden sollen. Ein schwieriges praktisches Problem ergibt sich oft daraus, dass manche Informationen, die notwendig sind, um die zeitlichen und personellen Ressourcen zu bestimmen, erst durch aufwendige Analysen ermittelt werden müssen: Analysen, die Teil der konzeptionellen Arbeit sind und die oft erst beginnen können, wenn die Ressourcen für ein Projekt bereits bewilligt sind.
8.6.1 Verfügbares Material Am einfachsten ist es in der Regel, zu bestimmen, welches Material für die Medienkonzeption und -produktion benötigt wird: Hardware, Software, Netzzugänge, Bandbreiten. Auch diese Festlegungen sind jedoch nicht unabhängig von den Ergebnissen anderer Analysen, vor allem der Wissens-, Aufgaben- und Zielanalyse. Solange nicht feststeht, welche didaktischen Ziele angestrebt werden, können natürlich keine Mittel zur Zielerreichung bestimmt werden: Sind Videosequenzen erforderlich oder wünschenswert? Welches Bild- und Filmmaterial soll verwendet werden? Was muss an Grafiken ausgearbeitet werden? Was kann gekauft, was muss eigens produziert werden? Je nach Beantwortung dieser Fragen entscheidet es sich oft, ob eine Produktion mehrere 100.000 Euro teurer oder billiger sein wird. Wie bereits gezeigt wurde, ist eine sorgfältige Wissens- und Aufgabenanalyse aufwendig und benötigt insofern selbst bereits personelle Ressourcen. In Unternehmen sollte daher zunächst die Analysephase finanziert werden, danach kann anhand eines fundierten Finanzplans über die Realisierung der Medienentwicklung entschieden werden. Im öffentlichen Bereich kann oft nur ein Projekt komplett beantragt werden. Wenn die Analysen noch nicht durchgeführt sind, können sich Aussagen über geeignete Assets (Elemente und Module einer Multimediaproduktion) bestenfalls auf Erfahrungen beziehen.
8.6 Ressourcenanalyse
Material für die Medienproduktion
Aufwand für Wissensanalyse
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8.6.2 Personelle Ressourcen Wie viele Personen mit welchen Ressourcen?
Wie viele Personen mit welchen Qualifikationen müssen für welche Zeit zur Verfügung stehen, um eine Lernumgebung, ein Lernmedium mit spezifizierten Merkmalen zu entwickeln? Die Beantwortung solcher Fragen setzt eine Projektplanung voraus (s. auch Kap. 5). Hier müssen die Resultate der Wissensanalyse eingehen, aber auch die strategischen Entscheidungen (Kap. 4) müssen bereits getroffen sein, um die benötigten Qualifikationen zu bestimmen:
Fragen zur Bewertung der Qualifikation
• Welche Speicher- und Übertragungstechnik ist vorgesehen? CD-ROM, DVD und/ oder webbasierte Lernumgebungen? Welche Kompetenzen sind dazu erforderlich? • Auf welcher bzw. für welche Betriebssysteme soll entwickelt werden (Windows, Unix/Linux, Mac)? Welche Kompetenzen, welches Maß an Erfahrung bezüglich des Umgangs mit der entsprechenden Plattform ist notwendig? • Welche Instrumente (Webeditoren, Programmiersprachen, Grafikprogramme usw.) sollen verwendet werden? Welche Spielräume gibt es? Kann die Auswahl von Instrumenten an verfügbare Kompetenzen angepasst werden? • Welche Assets (Bilder, Grafiken, Geräusch- und Sprachaufnahmen, Animationen, Filme usw.) müssen neu entwickelt werden, was kann eingekauft werden? • Welche didaktischen, fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen bzw. technischen Kompetenzen sind erforderlich? Bei Aufträgen für Unternehmen: In welchem zeitlichen Umfang über welchen Zeitraum müssen Mitarbeiter des Unternehmens für Informationen, Zulieferungen zur Verfügung stehen? Letzteres sollte beim Auftrag unbedingt vertraglich vereinbart werden, u. a. weil die Arbeitszeit der eigenen Mitarbeiter für das Unternehmen als erheblicher Kostenfaktor eingeplant werden muss.
Längerfristig verfügbare Kompetenzen?
Bei der Planung der personellen Ressourcen ist auch zu berücksichtigen, welche Kompetenzen längerfristig verfügbar sein müssen, um das Angebot weiter zu entwickeln bzw. um Fehler zu beseitigen. Wenn ein Lernserver eingerichtet wird, muss ständig jemand verfügbar sein, der sich um den Zustand des Servers kümmert. Bei anspruchsvoll programmierten Lernsystemen ist es auch bei guter Dokumentation sehr ungünstig, wenn Änderungen oder Weiterentwicklungen von anderen Personen vorgenommen werden sollen als dem ursprünglichen Programmierer.
8.6.3 Zeitbedarf Die maximal für die Entwicklung verfügbare Zeit wird meist bei der Auftragsvergabe festgelegt: Der Abgabe- bzw. Liefertermin ist Vertragsbestandteil. Von den Entwicklern wird daher eine realistische Schätzung des Zeitbedarfs erwartet. Auch dabei stellt sich das Problem, dass es oft erst nach der Wissens- und Aufgabenanalyse möglich ist, didaktische Entscheidungen zu treffen, die wesentlichen Einfluss auf den Entwicklungsaufwand haben. Es sollte zumindest versucht werden, den Auftraggebern diese Problematik deutlich zu machen. Wenn dies gelingt, wird man eher verstehen, dass nach
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8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
Arbeitspaket 3.1: „Entwicklung eines Interviewleitfadens zur Analyse von Emotionen im Kontext von IT-Trainings“ Vorgehen: Literaturrecherche (Methoden, Emotionspsychologie, IT-Training, …) Literaturbearbeitung (Klassifikationen von Emotionen, Extraktion potenziell relevanter Variablen, …) Vorläufige Zusammenstellung von Fragen Diskussion der Fragen innerhalb des Projekts und mit Experten Durchführung von Probeinterviews Korrektur und Entscheidung für endgültige Version des Fragenkatalogs Meilenstein: Einsatzbereiter Interviewleitfaden
Abb. 8.4: Beispiel für Arbeitspaket
Abschluss der Wissens- und Aufgabenanalyse und den strategischen Entscheidungen (Plattform, Informationsträger und -übermittlung, didaktisches Modell) eine Anpassung des Liefertermins notwendig sein kann. Es hat sich als günstig erwiesen und ist bei zunehmend mehr Antragstellungen vorgeschrieben, Arbeitspakete und Meilensteine zu definieren. Ein Arbeitspaket sollte jeweils durch eine abgrenzbare Teilaufgabe der Entwicklung beschreibbar sein. Ein Beispiel zeigt Abb. 8.4. Für die spätere Überwachung und Steuerung der Einhaltung der Zeitplanung werden Meilensteine definiert. Dies sind Zeitpunkte, zu denen bestimmte Teilaufgaben (meist ein oder mehrere Arbeitspakete) abgeschlossen sind. In der Regel ist es sinnvoll, mit jedem Meilenstein ein „Produkt“ zu verknüpfen, das zum entsprechenden Zeitpunkt vorliegen muss, zum Beispiel: • kompletter Budgetplan,
Projektplanung
• Storyboard, • grafische Bedienelemente als gif-Dateien, • benötigte Musik in Form von wav-Dateien, • Videosequenzen in digitalisierter Form, • Beta-Version des Programms, • Evaluationsfragebögen. Für die Schätzung des Zeitbedarfs bis zur Lieferung des fertigen multimedialen Lernsystems (Entwicklungsdauer) genügt es nicht, den Zeitbedarf aller Arbeitspakete zu addieren. Einige Arbeitspakete können von unterschiedlichen Personen parallel bearbeitet werden, andere können erst beginnen, wenn bestimmte Aufgaben abgeschlossen sind. Zur Aufstellung und Darstellung eines entsprechenden Projektplans sowie zur späteren Überwachung der Einhaltung des Plans lohnt es sich, auf bewährte Methoden des Projektmanagements zurückzugreifen. Sehr hilfreich ist der Einsatz einer geeigneten Software (z. B. MS Project).
8.6 Ressourcenanalyse
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8.6.4 Kostenanalyse Wie in vielen anderen Domänen machen auch bei der Entwicklung von E-LearningAngeboten die Personalkosten meist den Löwenanteil aus. Die wichtigsten Kostenarten in diesem Zusammenhang sind (vgl. Morrison, Ross & Kemp, 2004, S. 327 ff): Kostenarten
• Personalkosten der Entwicklung im engeren Sinn: Anzusetzen ist die aufgewendete Arbeitszeit für das jeweilige Projekt und ein Stundensatz, bei dem die gesamten Personalkosten (einschließlich bezahltem Urlaub, durchschnittliche Fehlzeiten durch Krankheit, Sozialleistungen usw.) berücksichtigt sind. Auch die Zeit für die Projektakquisition und für Präsentationen muss zumindest in die interne Kalkulation eingehen. • Personalkosten der Projektleitung: Sofern die Projektleitung nicht in Personalunion von einem an der Entwicklung im engeren Sinn beteiligten Mitarbeiter übernommen wurde, müssen die Gehälter der Personen, die an der Projektleitung beteiligt sind, anteilig in die Kalkulation einbezogen werden. • Personalkosten Verwaltung: Wenn Assistenzkräfte (Sekretariat, Buchhaltung usw.) im Rahmen des Entwicklungsprojektes beschäftigt werden, müssen auch deren Löhne bzw. Gehälter anteilig berücksichtigt werden. • Honorare für freie Mitarbeiter auf der Basis der aufgewendeten Zeit oder auf Werkvertragsbasis • Die eingesetzte Hardware und spezielle Ausrüstung (Abschreibung, evtl. anteilig) • Die eingesetzte Software (Abschreibung oder Lizenzen, evtl. anteilig) • Rechte und Lizenzen für Bilder, Grafiken, Musik, eventuell für zitierte oder anderweitig verwendete Texte, Filme, Software • Dienstleistungen (Fotolabor, Tonstudio usw.) • Telekommunikationskosten (Telefon, Fax, Internet) • Fahrtkosten und Spesen, • Spezielle Büroausstattung, • Büromiete, -reinigung (anteilig) • sonstige Mieten (z. B. Räume für Filmaufnahmen) • Energiekosten (anteilig) • Versicherungen (evtl. anteilig) • Büro- und Verbrauchsmaterial, • Reparaturen • Sonstiges Ob weitere Gemeinkosten zu berücksichtigen sind, hängt vom Kostenrechnungssystem des jeweiligen Unternehmens ab. Eine gute Projektmanagementsoftware unterstützt auch bei der Kalkulation der Projektkosten und hilft, diese später zu überwachen.
110
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
8.7 Analyse des Einsatzkontexts Wenn der spätere Einsatzkontext zum Zeitpunkt der Konzeption eines medialen Lernangebots bereits feststeht, werden für das Instruktionsdesign bestimmte insbesondere folgende Informationen benötigt:
Einsatzmöglichkeiten des Produktes
• Wo soll später mit dem Programm gelernt werden? Zuhause? Am Arbeitsplatz? Im Lernstudio? Während eines Seminars mit Beratung durch Dozenten? Wie realistisch ist es, dass z. B. Lernen am Arbeitsplatz möglich ist? • Ist ein Einsatz im Ausland vorgesehen? Soll das Lernangebot in mehreren Sprachen entwickelt werden? Welche kulturellen Besonderheiten sind gegebenenfalls zu berücksichtigen (Beispiele, Übungsaufgaben, Abbildungen, Symbole)? • Hat jeder Lerner ein eigenes Terminal zur Verfügung? Sind die Arbeitsplätze so beschaffen, dass längere Texte intensiv gelesen werden können? • Welche technischen Möglichkeiten können genutzt werden? Audio? Teletutoring? Teleconferencing? Ausdrucken längerer Texte? Ist Audio- bzw. Videostreaming in hinreichender Qualität möglich (setzt entsprechende Bandbreite voraus)? Gibt es digitales Business-Fernsehen? • Welche sonstigen Medien stehen zur Verfügung? Literatur? Video-/DVD-Abspielgeräte? MP3-Player? • Können Arbeits- bzw. Lerngruppen gebildet werden? Gibt es separate Plätze, an denen Lerngruppen diskutieren und arbeiten können? Neben Fragen, die auf die Verfügbarkeit von zum Teil sehr spezieller neuester Technik zielen, gilt es aber stets, auch die generellen Umgebungsbedingungen der Lernplätze zu erkunden: Merkmale wie Lärm, (mangelndes) Licht, Temperatur, Sitzgelegenheiten, Versorgung der Lernenden. Bei Produkten, die nicht speziell für ein Unternehmen entwickelt werden, lässt sich die Ausstattung der Arbeitsplätze natürlich nicht genau bestimmen. Wichtig ist es hier, Informationen über die durchschnittliche Ausstattung von PC in den Haushalten zu haben.
8.8 Zusammenfassung Insgesamt ist festzuhalten, dass die Analysephase bei der Konzeption digitaler Lernumgebungen unverzichtbare Informationen liefert und auf keinen Fall vernachlässigt werden darf. Ohne die Analyse der Adressatenmerkmale können die Lernangebote nicht zielgruppengerecht konzipiert werden und laufen Gefahr, unverständlich oder redundant zu werden. Ohne eine systematische Wissens- und Aufgabenanalyse bleibt unklar, ob und weshalb z. B. bestimmte Interaktionsformen zweckmäßig sind oder welche Reihenfolge bei der Anordnung des Lehrstoffs geeignet ist. Auch der Festlegung der Lehrziele und der Formulierung von Aufgaben zur Überprüfung des Lernstandes fehlt ohne Wissens- und Aufgabenanalyse eine hinreichende Grundlage. Dass ohne Bestimmung der
8.8 Zusammenfassung
111
Rahmenbedingungen und der Ressourcen noch nicht einmal ein simples Trainingsprogramm entwickelt werden kann, dürfte sich von selbst verstehen.
Literatur Bortz, J. & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler (4. Aufl.). Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Clark, R. E. & Feldon, D. F. (2005). Five common but questionable principles of multimedia learning In R. E. Mayer (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (pp. 97–116). Cambridge, New York: Cambridge University Press. Crandall, B., Klein, G. & Hoffman, R. R. (2006). Working minds. A practioner’s guide to cognitive task analysis. Cambridge, MA: The MIT Press. Jonassen, D. H., Beissner, K. & Yacci, M. (1993). Structural knowledge: Techniques for representing, conveying, and acquiring structural knowledge. Hillsdale, N.J.: Erlbaum. Jonassen, D. H. & Grabowski, B. L. (1993). Handbook of individual differences, learning, and instruction. Hillsdale, N.J.: Erlbaum. Jonassen, D. H., Tessmer, M. & Hannum, W. H. (1999). Task analysis methods for instructional design. Mahwah, NJ: L. Erlbaum. Mandl, H. & Fischer, F. (Hrsg.). (2000). Wissen sichtbar machen. Wissensmanagement mit MappingTechniken. Göttingen: Hogrefe. Miller, D. C. & Salkind, N. J. (Eds.). (2002). Handbook of research design and social measurement (6th ed.). Thousand Oaks, London: Sage. Morrison, G. R., Ross, S. M. & Kemp, J. E. (2004). Designing Effective Instruction (4th Edition). New York: Wiley. Niegemann, H. M. (1999). Wissensstrukturierung im Didaktischen Design. In W. K. Schulz (Hrsg.), Aspekte und Probleme der didaktischen Wissensstrukturierung (S. 29–47). Frankfurt a. M.: P. Lang. Niegemann, H. M., Gronki-Jost, E.-M. & Neff, O. (1999). Instruktionsdesign zur Förderung des selbständigen Erwerbs theoretischen Wissens in der kaufmännischen Berufsausbildung. Unterrichtswissenschaft, 27(1), 12–28. Nielsen, J. & Del Galdo, E. M. (1996). International user interfaces. New York: Wiley Computer Publishing John Wiley & Sons. Oser, F. & Hascher, T. (1997). Lernen aus Fehlern. Zur Psychologie des „negativen“ Wissens (Schriftenreihe zum Projekt „Lernen Menschen aus Fehlern? Zur Entwicklung einer Fehlerkultur in de Schule“ No. 1). Freiburg (CH): Pädagogisches Institut der Universität Freiburg (Schweiz).
112
8 Analysen: Die Ermittlung der Ausgangsbedingungen
9
Zielspezifizierung: Lehrzielbestimmung
Auf der Grundlage der allgemeinen Zielentscheidungen für die Entwicklung einer multimedialen Lernumgebung und den Ergebnissen der nachfolgenden Analysen, insbesondere den Adressaten- und Wissens- bzw. Aufgabenanalysen, lassen sich die Ziele, die mit der Entwicklung eines multimedialen Lernangebots verfolgt werden, genauer spezifizieren. Bei erfolgreichem Bearbeiten dieses Kapitels sollten Sie verstehen, • dass Lehrziele jeweils Kompetenzen und einen zugehörigen Kompetenzgrad beschreiben, • dass Kompetenzen bzw. der Lehrstoff jeweils durch Aufgabenmengen beschrieben werden können, die sich auf der Grundlage von Lerninhalten (Lerngegenständen) und den auf sie anwendbaren Aktivitäten konstruieren lassen. • was mit dem Begriff „Kompetenzmodelle“ gemeint ist und weshalb die darauf bezogene Forschung wichtig ist.
9.1 Lehrziele Wenn beabsichtigt ist, dass die Adressaten einer multimedialen Lernumgebung durch eben diese nachweisbar Qualifikationen erwerben, dann müssen diese Qualifikationen hinreichend genau beschrieben werden, anderenfalls ist der Nachweis nicht möglich. Angestrebte Qualifikationen werden am besten durch Lehrziele beschrieben (Klauer & Leutner, 2007, S. 22). Wir sprechen hier bevorzugt von „Lehrzielen“, weil es sich in der Regel um die von einem Lehrenden bzw. einem Instruktionsdesigner gesetzten Ziele handelt. Die Verwendung dieses Begriffs ermöglicht die Unterscheidung von Lehrzielen als den vom Lehrenden gesetzten Zielen der Qualifizierung und Lernzielen als den von den Lernenden angestrebten Zielen. Auch wenn es wünschenswert ist, dass beide konvergieren, so könnte es doch Unterschiede geben und ein Lerner stellt fest, dass die Lehrziele, auf die ein Lernprogramm hin entwickelt wurde, nicht seinen Lernzielen entsprechen. Auch aus diesem Grund ist es zweckmäßig, zu Beginn einer Lehreinheit die Lehrziele zu nennen,
9.1 Lehrziele
Lehrziele und Lernziele
113
Lernen als Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen
Kompetenzen
Kompetenzgrad
114
die der Entwicklung der Einheit zugrunde liegen. Lernende können dann entscheiden, ob sie sich diese Lehrziele als Lernziele zu eigen machen möchten. Nur wenn Ziele festgelegt wurden, kann während und am Ende des Lernprozesses überprüft werden, ob die Instruktion oder auch das Selbstlernen im Sinne dieser Ziele Erfolg versprechend bzw. erfolgreich verlaufen. Mit Klauer (1974, S. 35 ff.) sehen wir Lernen jeweils als einen Prozess der erfahrungsbedingten Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen (u. a. Wissen, Fähigkeiten, Qualifikationen, Kompetenzen, Einstellungen, Interessen). Lernumgebungen werden konzipiert, um Lernenden die Möglichkeit zu bieten, Erfahrungen der Art zu machen, die zu den erwünschten Ausprägungen von Persönlichkeitsmerkmalen führen. Kompetenzen oder Qualifikationen sind aus unserer Sicht wie Verhaltensdispositionen latente Persönlichkeitsmerkmale (Klauer & Leutner, 2007, S. 29 ff.). Sie bezeichnen Wissen, Können, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in bestimmten Anforderungssituationen manifestiert werden können. Eine bestimmte Kompetenz kann daher definiert werden durch die Aufgabenmenge, zu deren Lösung sie befähigt (Klauer & Leutner, 2007, S. 30 ff). Tests (einschließlich Selbsttests), die nachweisbar feststellen, ob ein bestimmtes Lehrziel erreicht wurde, heißen lehrzielvalide Tests (Klauer, 1987). Sie sind gekennzeichnet durch die Festlegung von möglichst präzise definierten Aufgabenmengen (Lehrstoff). Aufgaben lassen sich zerlegen in Inhalte (und Situationen) einerseits und Operationen oder Prozesse andererseits, die auf diese Inhalte angewandt werden, z. B. lässt sich aus den Zahlen von 1 bis 100 (Inhalte) und der arithmetischen Operation der Addition die Menge der Additionsaufgaben generieren, welche den Lehrstoff „Addieren im Zahlenraum bis 100“ repräsentiert. Analog lassen sich grundsätzlich auch sehr komplexe Lehrstoffe durch Aufgabenmengen bzw. Regeln zu deren Generierung definieren. Dies setzt systematische Analysen der Wissensstrukturen bzw. der zu bewältigenden Aufgaben voraus (s. Kap. 8). Kompetenzen oder Verhaltensdispositionen sind nun allerdings in der Regel nicht einfach „gegeben“ oder „nicht gegeben“, sie sind normalerweise in einem bestimmten Ausmaß gegeben: Wir schreiben Personen meist einen bestimmten Kompetenzgrad zu. Der Kompetenzgrad kann definiert werden durch die Lösungswahrscheinlichkeit (ebenfalls als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet), auf die wiederum geschlossen wird anhand der relativen Häufigkeit, mit der die entsprechenden Testaufgaben gelöst werden. In vielen Fällen wird nicht erwartet, dass die Lernenden die Kriteriumsaufgaben zu hundert Prozent lösen können. Man betrachtet dann das Lehrziel als erreicht, wenn die Lernenden einen bestimmten Kompetenzgrad aufweisen. Zu einem vollständig definierten Lehrziel gehören also neben der Angabe der Kompetenz (oder Verhaltensdisposition) jeweils auch der geforderte Kompetenzgrad (s. zusammenfassend Abb. 9.1). Nach Vereinbarung bzw. Setzen eines bestimmten Lehrziels ist das Ausmaß an Kompetenz zu vermitteln, das der Differenz zwischen vorhandenem und gefordertem Kompetenzgrad entspricht. Die Bedeutung der Angabe des Kompetenzgrades als Bestandteil eines Lehrziels wird deutlich, wenn man sich klarmacht, wie unterschiedlich die geforderten Kompetenzgrade in unterschiedlichen Domänen (Gegenstandsbereichen) festgelegt werden. Bei einem Sportunterricht beispielsweise wird man auch bei numerisch relativ hohen Fehlerquoten der Lernenden das entsprechende Lehrziel als erreicht ansehen können. Bei der Ausbildung eines Piloten oder Fluglotsen dagegen wird bei manchen Kompetenzen ein Kompetenzgrad zu fordern sein, der nahezu keine Fehler zulässt.
9 Zielspezifizierung: Lehrzielbestimmung
Geforderter Kompetenzgrad
Lehrziel Lösungswahrscheinlichkeit Inhalt (Gegenstand) und Situation
Lehrstoff (Aufgabenmenge)
Abb. 9.1: Lehrinhalt, Lehrstoff, Kompetenz, Lehrziel nach Klauer (1974, S. 46; Klauer & Leutner, 2007, S. 31)
Kompetenz bzw. Disposition
Prozesse, Handlungen Operationen: "Leistung"
9.2 Kompetenzmodelle Komplexe Kompetenzen, wie sie im Berufsleben gefordert werden, setzen sich aus einer Vielzahl einzelner Kompetenzen zusammen, wobei diese Zusammensetzung nicht einfach additiv ist: Der Erwerb vieler Kompetenzen setzt die Beherrschung bestimmter anderer Kompetenzen voraus (z. B. setzt das schriftliche Dividieren u. a. das Addieren und Subtrahieren voraus). Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kompetenzen sind allerdings keineswegs immer (nicht einmal im Regelfall) so einfach und klar hierarchisch strukturiert wie in einigen wenigen Bereichen der Grundschulmathematik. Oft sind die bestimmten beruflichen Kompetenzen zugrunde liegenden Teilkompetenzen noch gar nicht hinreichend systematisch erfasst und beschrieben. Dabei sind häufig nicht nur kognitive Kompetenzen von Bedeutung, sondern auch soziale Kompetenzen. Analysiert man solche komplexen Kompetenzen und rekonstruiert die Relationen zwischen den Teilkompetenzen, dann gelangt man zu Kompetenzmodellen, die nicht nur für die Kompetenzmessung und -diagnostik, sondern auch für die Konzeption von Unterricht und Lernumgebungen von erheblicher Bedeutung sind. Auf der Grundlage von Kompetenzmodellen können Ursachen für bestimmte Defizite, sei es im Lernergebnis oder im Lehr- bzw. Lernprozess bestimmt werden, wenn sich z. B. zeigt, dass bestimmte Teilkompetenzen nicht hinreichend vermittelt und gelernt wurden. In diesem Bereich ist noch beträchtliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten (Klieme, 2004; Klieme et al., 2003).
Kompetenzdiagnostik
9.3 Zusammenfassung Lehrziele werden als angestrebte Kompetenzen betrachtet, die einen bestimmten Kompetenzgrad aufweisen sollen. Kompetenzen wiederum lassen sich beschreiben und messen durch Aufgabenmengen, deren Lösung genau die angestrebten Fähigkeiten erfordert. Die Aufgaben selbst lassen sich jeweils in Lerngegenstände (Inhalte) zerlegen und Aktivitäten, d. h. das, was mit diesen Inhalten geschehen soll. Kompetenzmodelle beschreiben die Struktur komplexerer Kompetenzen: die Teilkompetenzen, aus denen sich eine komplexe Kompetenz zusammensetzt, und die Beziehungen zwischen diesen Teilkompetenzen.
9.3 Zusammenfassung
115
Literatur Klauer, K. J. (1974). Methodik der Lehrzieldefinition und Lehrstoffanalyse. Düsseldorf: Schwann. Klauer, K. J. (1987). Kriteriumsorientierte Tests: Lehrbuch der Theorie und Praxis lernzielorientierten Messens. Göttingen: Hogrefe. Klauer, K. J. & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim: Beltz/PVU. Klieme, E. (2004). Was sind Kompetenzen und wie lassen sie sich messen? Pädagogik, 6, 10–13. Klieme, E., Avenarius, H., Blum, W., Döbrich, P., Gruber, H., Prenzel, M. et al. (2003). Zur Eintwicklung nationaler Bildungsstandards: eine Expertise. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
116
9 Zielspezifizierung: Lehrzielbestimmung
Teil III Formate multimedialen Lernens
10 Formatentscheidungen
Bei der Entwicklung von multimedialen Lernumgebungen ist die Entscheidung für ein bestimmtes Format zentral. In diesem Kapitel werden unterschiedliche Formate dargestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Merkmaldimensionen, die für die Unterscheidungen relevant sind sowie Kriterien für die Formatentscheidungen. Nach erfolgreicher Bearbeitung dieses Kapitels
Lehrziele
• kennen Sie sieben unterschiedliche Beschreibungsdimensionen und • wissen, auf welche Kriterien Sie bei der Entscheidung für ein bestimmtes Format achten sollen.
10.1 Formatbegriff Als „Format“ bezeichnen wir analog zum Begriff des Sendeformats beim Fernsehen (z. B. Fernsehspiel, Dokusoap, Quizsendung, Talkshow) jeweils die typische Konzeption einer multimedialen Lernumgebung bzw. eines Teils davon. Wie der Begriff des Sendeformats ist auch im Kontext multimedialer Lernumgebungen der Formatbegriff unscharf. Unterschiedliche Formate unterscheiden sich jedoch häufig in wenigstens einer der folgenden Beschreibungsdimensionen (Schnotz et al., 2004): 1. Organisation der Informationsdarbietung: Die Pole der Ausprägung bewegen sich zwischen „kanonischer“ Darstellung (an einer gängigen Systematik der entsprechenden Fachdisziplin oder der Phänomenologie des Gegenstandes orientiert) und „problembasierter“ Darstellung, 2. Abstraktionsniveau: zwischen völlig „dekontextualisierter“ (abstrakt) und ganz in einen bestimmten Kontext eingebetteter „situativer“ Informationspräsentation, 3. Wissensanwendung: zwischen reiner Erklärung durch einen Lehrenden oder ein Medium bzw. bloßer Rezeption und aktiver Anwendung aufseiten der Lernenden, 4. Steuerungsinstanz („locus of control“): zwischen weitestgehend externaler (fremder) Regulierung des Lernprozesses und nahezu ausschließlicher Eigensteuerung,
10.1 Formatbegriff
119
5. Kommunikationsrichtung: zwischen reiner Ein-Weg- und permanenter Zwei-WegKommunikation, 6. Art der Lerneraktivitäten: rein rezeptives Verhalten als ein Extrem, nahezu ständige Aktivitäten der Lernenden als anderes, 7. Sozialform des Lernens: zwischen individuellem, sozial isoliertem Lernen oder kollaborativem bzw. kooperativem Lernen. In einzelnen Fällen werden auch darüber hinausgehende Unterscheidungen anhand von Oberflächenmerkmalen vorgenommen (z. B. Domäne, Lerngegenstand).
10.2 Kriterien für Formatentscheidungen Es gibt weder empirisch noch theoretisch fundierte Aussagen, die es erlauben würden, eine bestimmte Ausprägung einer dieser Dimensionen oder eine bestimmte Kombination von Ausprägungen generell, d. h. unter allen Bedingungen, als ineffektiv oder als besonders effektiv lernwirksam zu qualifizieren. Die Entscheidung für ein bestimmtes Format ist daher bis auf weiteres auf die Ergebnisse der Analysen, insbesondere der Ziel-, Wissens- und Aufgaben- sowie Adressatenanalysen, angewiesen, wobei auch dann oft nicht auf empirische Befunde zurückgegriffen werden kann, die bei einem bestimmten Muster der Analysebefunde ein bestimmtes Format nahelegen. Die Berücksichtigung der Analysebefunde einerseits und der Merkmale der Formate andererseits lassen jedoch theoretische Begründungen für die Formatentscheidung zu, die zu besseren, d. h. lernwirksameren Entscheidungen führen sollten als unreflektierte Entscheidungen. Wie bei Sendeformaten ist die Menge der Formate nicht eng begrenzt und neue Merkmalkombinationen können jederzeit konzipiert und erprobt werden.
10.3 Zusammenfassung Multimediale Lernangebote können in unterschiedlichen Formaten entwickelt und angeboten werden. Es wurden Beschreibungsdimensionen vorgestellt, deren unterschiedliche Kombinationen substanziell verschiedene Formate ergeben. Zur theoretischen Begründung einer Entscheidung für ein bestimmtes Format müssen darüber hinaus auch die Ergebnisse der Analysen berücksichtigt werden. Im folgenden Kapitel werden einige häufiger verwendete oder besonders interessante Formate und die jeweils geeigneten Anwendungskontexte dargestellt.
Literatur Schnotz, W., Eckhardt, A., Molz, M., Niegemann, H. M. & Hochscheid-Mauel, D. (2004). Deconstructing instructional design models: Toward an integrative conceptual framework for instructional design research. In H. Niegemann, D. Leutner & R. Brünken (Hrsg.), Instructional design for multimedia learning (S. 71–90). Münster, New York: Waxmann.
120
10 Formatentscheidungen
11 Formate
In diesem Kapitel werden einige häufig verwendete Formate und ihre Anwendungsmöglichkeiten skizziert. Nach erfolgreicher Bearbeitung dieses Kapitels
Lehrziele
• kennen Sie Formate der „direkten Instruktion“, problembasierte Formate, das Format „multimedial angeleitetes Selbstlernen“, Produkttraining und ein hybrides Format. • Ferner können Sie begründen, welches dieser Formate unter welchen Bedingungen mehr oder weniger geeignet ist.
11.1 Direkte Instruktion Entgegen der Überzeugung vieler Pädagogen ist die „direkte Instruktion“ der indirekten, d. h. der entdecken lassenden Instruktion keineswegs von vornherein unterlegen. Dies gilt sowohl für den Schulunterricht als auch für multimediales Lehren und Lernen (Hasselhorn & Gold, 2006, S. 241 ff.; Helmke & Weinert, 1997). Direkte Instruktion wird überwiegend external, d. h. vom Dozenten bzw. vom Lehrsystem gesteuert, und bei der Wissensanwendung dominiert die Rezeption durch die Lernenden. Im Bereich des multimedialen Lernens findet man insbesondere zwei Varianten direkter Instruktion, die wir als „E-Kompendium“ und „E-Lecture“ bezeichnen.
11.1.1 E-Kompendium Als „E-Kompendium“ bezeichnen wir das häufig anzutreffende Format, das im Wesentlichen Kombinationen aus Text- und Bilddarbietungen umfasst, aber auch Ton (gesprochener Text, Geräusche) beinhalten kann. Wegen der besseren Lesbarkeit haben wir darauf verzichtet, die Formate und auch die darauf folgenden Entwurfsmuster jeweils formal darzustellen. Den jeweiligen Kern eines Format-Entwurfsmusters beschreiben wir durch die relevanten Elemente und ihre Anordnung. Auf der Grundlage empirischer
11.1 Direkte Instruktion
121
Befunde aus dem Bereich der Unterrichtsforschung scheint bei einem E-Kompendium folgende Vorgehensweise zweckmäßig: Vorgehensweise
1. Intro (optional): Einführung zur Aufmerksamkeitslenkung (Interesse wecken), zur emotionalen Einstimmung oder epistemischer Neugier 2. Inhaltsübersicht, Abstract (kurze Darstellung, worum es in dieser Lerneinheit geht) 3. Lehrziele (eventuell mit Erläuterungen, weshalb der entsprechende Lehrstoff relevant ist) 4. Bei eher geringem Vorwissen der Lernenden: Advance Organizer (vorangestellte Strukturierungshilfen mit der Funktion, die Struktur des relevanten Vorwissens zu aktivieren (Hasselhorn & Gold, 2006, S. 55 f.; Mayer, 1979a, 1979b) 5. Hauptsächlich lineare Darstellung des Lehrstoffs (Texte, Bilder, ggf. Ton); dazu Fragemöglichkeiten (optional) und Antworten des Lehrsystems auf die Fragen 6. Selbsttest (Fragen oder Aufgaben zur Verständnissicherung) 7. informatives Feedback 8. Explizite Hinweise zur Anwendung (Transfer) des Lehrstoffs 9. Übungsaufgaben zur Transferförderung 10. Informatives Feedback 11. Zusammenfassung des Inhalts, ggfls. Verknüpfungen und Ausblick auf Folgethemen 12. Ggf. Abschlusstest zur Einschätzung des Lernerfolgs bzw. zur Bewertung der Lernerleistung; Feedback (Bewertung). Die Punkte 5 bis 7 können sich mehrfach wiederholen, zum Beispiel für jedes „Kapitel“ der Lerneinheit. Dieses Muster und auch alle folgenden sollten im Sinne der Idee der Entwurfsmuster keinesfalls als „Rezept“ begriffen werden: Es ist eine instruktionspsychologisch begründbare und begründete Empfehlung, die insbesondere auf wichtige Elemente hinweisen soll. Das Format E-Kompendium ist am ehesten geeignet für die Vermittlung neuen, deklarativen Lehrstoffs, insbesondere auch für Überblickswissen.
11.1.2 E-Lecture Insbesondere, aber nicht ausschließlich im Kontext von Hochschullehre werden zunehmend digital aufgezeichnete Vorträge verwendet. Nicht selten werden dabei herkömmliche Vorlesungen einfach aufgezeichnet und über einen Streaming-Server angeboten. Diese Art der digitalen Vorlesung hat allerdings mehrere vermeidbare Nachteile: Herkömmliche Vorlesungen nehmen aus organisatorischen Gründen (Zeit, Räume) jeweils 45 oder sogar 90 Minuten in Anspruch. Aber mehr als 45 Minuten kann eine gleichbleibende Aufmerksamkeit der Lernenden nicht erwartet werden. Entscheidet man sich für einen multimedialen Vortrag, entfallen jedoch die organisatorischen Gründe. Es ist daher günstiger, jede Lehreinheit auf 10 bis 20 Minuten zu begrenzen, dafür müssen dann eben entsprechend mehr Einheiten produziert werden.
122
11 Formate
Erfahrungsgemäß kann in dieser Zeitspanne jeweils eine „Idee“, ein abgeschlossenes Teilthema dargestellt werden. Für die Lernenden erleichtert das Angebot solcher MiniVorlesungen die Wiederholung, so können Lernende sich bei Bedarf (z. B. Prüfungsvorbereitung) einzelne E-Lecture-Einheiten erneut anschauen. Bei langen Vorlesungsaufzeichnungen müssten diese eher aufwendig indiziert werden. Das Muster umfasst folgende Elemente: 1. Inhaltsübersicht, Abstract (kurze Darstellung, worum es in dieser Lerneinheit geht),
Elemente
2. optional Lehrziele (in der Regel nur zu Beginn der ersten Lehreinheit einer Serie), 3. bei eher geringem Vorwissen der Lernenden: Advance Organizer (vorangestellte Strukturierungshilfen mit der Funktion, die Struktur des relevanten Vorwissens zu aktivieren, 4. Vortrag, unterstützt durch Folien (Texte, Bilder, Diagramme), 5. begleitend auf der entsprechenden Lernplattform: Hinweise auf weiterführende Literatur, ggfls. Zusatzmaterial, Links usw., 6. beleitend auf der jeweiligen Lernplattform: Selbsttest (Fragen oder Aufgaben zur Verständnissicherung) und informatives Feedback, 7. ebenfalls begleitend auf der Lernplattform: Frage- und Diskussionsmöglichkeit über ein Forum der entsprechenden Lernplattform. Bis auf weiteres müssen abschließende Prüfungen (Klausur, mündliche Prüfung) noch auf herkömmlichem Wege durchgeführt werden, da keine Möglichkeit besteht, sicherzustellen, dass ein Fernprüfling die geforderte Leistung tatsächlich alleine und ohne unerlaubte Hilfen erbringt. Das Format ist immer dort geeignet, wo man sich herkömmlich für einen Vortrag oder eine Vorlesung als Lehrformat entschieden hat: Einführungen in neuen Lehrstoff, Vermittlung von Überblickswissen, systematische theoretische Darstellungen deklarativen Wissens. Eine aktuelle Variante der Übermittlung sind „lecture video-podcasts“, d. h., die Mini-Webvorträge können auf einen mobilen Videoplayer heruntergeladen werden und an beliebigen Orten (z. B im Zug, Flugzeug) rezipiert werden (King & Gura, 2007).
11.2 Problembasiertes Lernen 11.2.1 Generelles Muster problembasierten Lernens Problembasiertes bzw. problemorientiertes Lehren und Lernen (PBL) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Methoden, die sich dadurch auszeichnen, dass Lernende mit einer möglichst authentischen Aufgabe bzw. einem zu lösenden Problem als Lernaufgabe konfrontiert werden. Im Verlauf der Problemlösung können sowohl deklaratives wie prozedurales Wissen, bei häufigerem Einsatz der Methode auch Problemlösekompetenz erworben werden. Eine ausführliche Darstellung der theoretischen Grundlagen und empirischen Befunde zum problembasierten Lernen liefert Zumbach (2003).
11.2 Problembasiertes Lernen
123
Unterformate
Beim Problemlösen lassen sich mehrere Unterformate unterscheiden, die alle eine problembasierte Darstellung, eine (eher) „situative“ Informationspräsentation, aktive Anwendung des Wissens durch die Lernenden, relativ starke Eigensteuerung und Zwei-Weg-Kommunikation aufweisen (s. Kap. 10.1). Problembasierte Formate multimedialen Lernens folgen generell folgendem Muster: 1. Überblick über die Lehrziele 2. Optional: Darstellung einer narrativ eingeführten Rahmenhandlung (cover story) 3. Problemstellung, meist eingebettet in eine virtuelle realitätsnahe Situation 4. Informationsangebote zur Problemlösung (zu finden, zu explorieren; Suche nach Informationen kann Teilprobleme beinhalten) 5. Aktionsmöglichkeiten: Aktionen können Problemlösung voranbringen oder in die Irre führen 6. Optional: Feedback für Teillösungen 7. Optional: prozess- und produktorientierte Hilfen zur Problemlösung 8. Optional: Feedback zu einzelnen Aktionen 9. Feedback zum Lösungsversuch insgesamt. Die Punkte 1 bis 7 können wiederholt bzw. rekursiv vorkommen.
11.2.2 Varianten problembasierten Lernens Varianten ergeben sich durch Angebote für das Lernen in Gruppen und der Verwendung unterschiedlicher Problemtypen (z. B. Erklärungsprobleme, Strategieprobleme, „FactFinding-Probleme“, moralische Dilemmata) oder unterschiedliche Formen der Problemstellung. In Kap. 2.4.3 bzw. 2.4.5 wurden bereits die Modelle „Anchored Instruction“ und „Goal-Based Szenario“ vorgestellt, bei denen es sich ebenfalls um Varianten problembasierten Lernens handelt. Unterschiedliche Formen der Problemstellung wurden in Kap. 2.4.6 beschrieben). Eine spezielle Form des problembasierten Lernens stellen Lösungsbeispiele (worked-out examples) dar: Dabei wird das Problem mit einem detailliert dargestellten Lösungsweg präsentiert. Die Lernenden werden dann aufgefordert, die Lösung aufmerksam durchzuarbeiten und sich die Zusammenhänge selbst zu erklären („Selbsterklärungsprinzip“ (Chi et al. 1989; Reimann, 1997; Renkl, 2005)). Sonderfälle problembasierten Lernens sind das fallbasierte Lernen und aufgabengeleitete Simulationen.
11.3 Fallbasiertes Lernen Fallbasiertes Lernen (Case-Based Learning) kann als Spezialfall des problembasierten Lernens betrachtet werden. Es hat in der praxisbezogenen Ausbildung von Betriebswirten, Ärzten und Juristen eine lange Tradition. Den Lernenden wird ein problematischer
124
11 Formate
Einzelfall vorgestellt. Als multimediales Format werden die Lernenden dazu jeweils in eine virtuelle realitätsnahe Situation versetzt, in der sie wie bei einem authentischen Fall Entscheidungen zu treffen haben: sowohl Entscheidungen über die Informationsgewinnung (z. B. Anamnese in der Medizin, heranzuziehende Unternehmensdaten in der BWL oder Gerichtsurteile und Kommentare im juristischen Bereich) als auch Entscheidungen über Handlungen (Therapie – unternehmerische Entscheidungen – juristische Bewertung des Sachverhalts). In der medizinischen Ausbildung sind derartige Fallbearbeitungen inzwischen verpflichtend. Die Struktur der Formate ist je nach Domäne etwas unterschiedlich, als prototypisches Beispiel hier das typische Muster medizinischer Fallaufgaben: 1. Erreichbare Lehrziele
Muster für Fallbeispiel Medizin
2. Optional: Informationen zur Vorgeschichte des Falls 3. Fallpräsentation (Text mit oder ohne Bild, Videosequenz) 4. Informationsangebote: abrufbare Informationen zum Zweck der Prüfung von diagnostischen Hypothesen 5. Angebote zum Testen diagnostischer Hypothesen (einschließlich informatives Feedback bei geprüften Hypothesen) 6. Erfassung der Entscheidung des Lernenden 7. Optional: Feedback zur diagnostischen Entscheidung, ggf. Wiederholung ab Punkt 4 bzw. Prüfen ergänzender Hypothesen 8. Entscheidung für eine Lösung (z. B. Therapievorschlag) 9. Informatives Feedback zur Lösung Es existieren mittlerweile hunderte multimedial repräsentierter Fallbeispiele für die Ausbildung von Medizinern und verwandten Berufen. Häufig werden in Video- oder Animationssequenzen virtuelle Patienten vorgestellt, die durch Auswahlentscheidungen oder pseudo-natürlichsprachliche Eingaben anamnestisch befragt werden können. Ferner können Lernende mehr und weniger sinnvolle Befunde (Röntgenbilder, Ultraschallbilder, Blutwerte etc.) anfordern. Die Rückmeldungen können „aus dem Off “ kommen (eingeblendete Texte, Sprachmitteilungen) oder erfolgen als virtuelle „natürliche Konsequenzen“, d. h., es kann beobachtet werden, wie es dem Patienten besser oder schlechter geht (Verbesserung oder Verschlechterung der Befunde u. ä.). In anderen Domänen (Psychologie, Recht, Betriebswirtschaft, Ökologie, Ingenieurwissenschaft) sind die Formate strukturell analog aufgebaut, wobei größere Unterschiede auch aus den verwendeten Interaktionsformen resultieren können (Kap. 20, 21). Generell ist wichtig, dass beim Lernen anhand von Fällen zu jedem Thema (Lehrstoff) mehr als ein Fall bearbeitet wird, damit das erworbene Wissen abstrahiert wird und auf neue Fälle transferiert werden kann. Fallstudien sind insbesondere geeignet, um das Anwenden von komplexem Wissen in authentischen Situationen zu lernen und zu üben.
11.3 Fallbasiertes Lernen
125
11.4 Aufgabengeleitete Simulation Typische Beispiele für aufgabengeleitete Simulationen sind betriebswirtschaftliche Planspiele und Flug- sowie andere technische Simulatoren (Kraftwerke, Reaktoren, Labore usw.) und Ökosysteme. In allen Fällen liegt die Programmierung des Modells eines sehr komplexen Systems zugrunde. Die Lernaufgabe besteht in der Regel darin, das System auf ein mehr oder wenig genau bestimmtes Ziel hin zu steuern: Beim Unternehmensplanspiel z. B. eine bestimmte Marktposition zu erreichen oder eine bestimmte Rendite zu erzielen. Beim Flugsimulator wird z. B. ein bestimmtes Flugziel angegeben und dieses soll ohne Schäden in bestimmter Zeit erreicht werden. Je nach Expertise der Lernenden werden von den Trainern zu bewältigende Schwierigkeiten „programmiert“ bzw. eingestellt (z. B. Wetterlagen, Turbulenzen, technische Probleme). Dieses Muster ist aus vielen Ausbildungen nicht mehr wegzudenken, da es die einzige Möglichkeit darstellt, ohne Schaden in und für authentische(n) kritische(n) Situationen zu lernen. Empirische Befunde zur Verwendung und Gestaltung von Simulationen berichten u. a. Clark und Mayer (Clark & Mayer, 2007) sowie Rieber (1996, 2004, 2005). Aufgabengeleitete Simulationen eignen sich für die Vermittlung konkreter Handlungskompetenzen und Transfertraining.
11.5 Produkttraining Wenn ein Unternehmen ein anspruchsvolles und folglich erklärungsbedürftiges Produkt vertreibt und zahlreiche Kunden (z. B. Handwerksbetriebe) unterwiesen oder geschult werden müssen, gibt es zu E-Learning praktisch keine Alternative: Wie anders als über das Web können z. B. in wenigen Wochen je ein oder mehrere Mitarbeiter von ca. 40.000 Handwerksbetrieben lernen, wie das entsprechende Produkt bedient, eingebaut, gewartet und ggf. repariert wird? Produkttrainings sind zu einem beträchtlichen Teil problembasiert, allerdings gehen der Bearbeitung von Lernaufgaben meist Erläuterungen voraus. Das Abstraktionsniveau ist eher „situativ“ und neben Erklärungen spielen aktive Anwendungen und ein gewisses Maß an Eigensteuerung eine wichtige Rolle. Die Kommunikationsrichtung ist daher bidirektional und die Lernenden werden selbst aktiv. Produkttrainings unterscheiden sich von anderen Formaten u. a. dadurch, dass in der Regel das notwendige Hintergrundwissen bei den Adressaten vorhanden ist, die Relevanz und die Lehrziele müssen, von Ausnahmen abgesehen, oft nicht expliziert werden. Ein typisches Muster für ein (Hardware-)Produkttraining sieht wie folgt aus: Muster für Produkttraining
1. Überblick über das Produkt (ggf. auch Verwendung, Einsatzkontext) 2. Darstellung des Aufbaus (Struktur) 3. Selbsttest (optional): Überprüfung der Kenntnisse, Teile zeigen lassen bzw. zeigen und benennen lassen mit informativem Feedback
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11 Formate
4. Erläuterung der Funktion(en) und der unter bestimmten Bedingungen auszuführenden Tätigkeiten der Adressaten, 5. Demonstration der Tätigkeiten (sukzessive, von einfachen, prototypischen Aktivitäten zu komplizierteren und komplexeren) 6. Übungen einfacher, wiederkehrender Aktivitäten und Operationen (evtl. Simulation von Gerätefunktionen, Abbildung des Geräts, virtuelle Manipulation, Programmierung, Messung etc.) mit informativem Feedback 7. Übungsaufgaben komplexerer Tätigkeiten mit Simulation der Gerätefunktionen (analog Punkt 6) und informativem Feedback 8. Hilfefunktionen, nötigenfalls auch zur Vermittlung des erforderlichen Hintergrundwissens, wenn dieses bei den Adressaten nicht generell vorausgesetzt werden kann 9. Selbsttest mit Transferaufgaben, informatives, möglichst fehlersensitives Feedback. Die Punkte 2 bis 7 können bei komplexen Produkten zunächst für jedes relevante Teil einzeln realisiert werden, bevor sie auf das gesamte Produkt bezogen werden. Produkttrainings für Softwareprodukte können analog konzipiert werden. Bei Softwareproduktschulungen sind Beispiellösungen von herausragender Bedeutung. Dort ist auch die Methode der Lösungsbeispiele (worked-out-examples) besonders geeignet (Lösungswege, die sich die Adressaten selbst erklären müssen).
11.6 Hybride Formate Bei komplexeren Lehrstoffen werden oft mehrere Formate kombiniert. Drei hybride Formate besonderer Art werden daher hier vorgestellt: Das „multimedial angeleitete Selbstlernen (MASL)“, ein „Blended Learning“-Format (CreaTeach-Format) und „Electronic Performance Support System (EPSS)“.
11.6.1 Format „multimedial angeleitetes Selbstlernen“ (MASL) MASL ist ein Format, das selbstreguliertes Lernen mit multimedialen Anregungen und Anleitungen verknüpft. Es geht zurück auf eine Idee des Frankfurter Physikdidaktikers Weltner (1977), auf den Keller-Plan sowie auf die für die industrielle Ausbildung entwickelte „Leittextmethode“. Elemente dieser Methoden werden kombiniert und für die Unterstützung Lernender in multimedialen Lernumgebungen modifiziert.
11.6.1.1 Vorgänger des multimedial angeleiteten Selbstlernens: Leitprogramme Weltner entwickelte auch als Reaktion auf die Skinner’sche „programmierte Unterweisung (PU)“ (Kap. 2) sein Konzept der „Leitprogramme“. Statt wie bei der programmierten Unterweisung Lehrtexte nach den Regeln Skinners neu zu formulieren, setzte Weltner auf die Nutzung vorhandener guter Lehrbücher. Es war jedoch klar, dass es im Allge-
11.6 Hybride Formate
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Funktionen der Leitprogramme vor der Lernphase
meinen wenig erfolgreich sein würde, den Lernenden einfach das Lehrbuch vorzugeben. Die meisten Lernenden benötigen zumindest anfangs Arbeitshinweise, Lernhilfen und Rückmeldungen zum Lernerfolg. Daher wechselten sich bei einen leitprogrammunterstützten Lernen zwei Arbeitsformen ab: freie Lernphasen, in denen die Lernenden anhand der Informationsquelle (eines Fachbuchs) arbeiteten, und unterstützte Lernphasen, in denen anhand des Leitprogramms gelernt bzw. gearbeitet wurde. Leitprogramme enthielten Anleitungen zum eigenständigen Lesen von Fachbüchern (Lehrbüchern), verbunden mit Arbeitsvorschlägen und Lernhilfen, Selbsttests und informativer Rückmeldung. Die Leitprogramme erfüllten dabei vor und nach der freien Lernphase unterschiedliche Funktionen: Vor der freien Lernphase sollten sie folgende Funktionen erfüllen: • Die Lernaufgabe begrenzen und die Arbeitsplanung unterstützen. Die Inhalte des Fachbuchs wurden dabei in überschaubare Lerneinheiten bzw. Lernaufgaben unterteilt. • Angaben zu Lernzielen machen und eine Orientierungshilfe geben. Durch die Angabe von erreichbaren Zwischenzielen wurde die Aufmerksamkeit der Lernenden auf (aktuell) Relevantes gelenkt, gleichzeitig dienten sie der abschließenden Überprüfung des Lernstandes. • Lernaktivitäten initiieren, indem z. B. konkrete Aufgaben zum Fachtext gegeben wurden und gleichzeitig Erläuterungen von Lerntechniken aufgeführt werden konnten. • Auf Lernschwierigkeiten vorbereiten, indem z. B. auf Schwierigkeiten oder Lücken des Fachtextes hingewiesen wurde. Allerdings sollten diese Hinweise nicht demotivierend wirken.
Funktionen der Leitprogramme nach der freien Lernphase
Nach der freien Lernphase sollten sie folgende Funktionen erfüllen: • In Form eines Selbstlerntests eine Diagnose des Lernstandes geben und Lerndefizite herausstellen. Dabei galten die vorher definierten Zwischenziele als Orientierungshilfe. Wenig komfortabel und in der Gestaltung beschränkt war die Handhabung der Selbsttests: Die Aufgabenlösungen mussten in der Regel an anderer Stelle im Buch nachgeschlagen oder einem gesonderten Heft entnommen werden. • Kompensatorische Lernaktivitäten initiieren, Hilfe bei Lernschwierigkeiten bieten und Vorschläge zur Korrektur des Lernverhaltens geben. Unter anderem wurde dabei mit Rückverweisen auf den Fachtext gearbeitet. • Die Informationsquelle ergänzen durch zusätzliche Beispiele, Erläuterungen, Anwendungsfälle und Diskussion von Problemen. • Die Lernbereitschaft stabilisieren und erfolgreiche Lernaktivitäten verstärken.
11.6.1.2 Vorgänger des multimedial angeleiteten Selbstlernens: Keller-Plan oder Personalized System of Instruction (PSI) In den sechziger Jahren entwickelte Fred S. Keller (Keller, 1968) eine Lehrmethode, die den Lernenden hohe Unterstützung bot und die – wie die Leitprogramme nach Weltner – eine Trennung zwischen Informationsquelle (Fachtext) und Studienunterstützung vornahm. Die Hauptelemente dieses personalisierten Systems der Instruktion waren:
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11 Formate
• Lernen nach eigener Geschwindigkeit (self-paced learning): Es gab wenig zeitliche Einschränkungen; die Lernenden bearbeiteten die Lerneinheiten nach eigener Lerngeschwindigkeit.
Hauptelemente
• Mastery-Learning: Die Lerneinheiten (Units) wurden nacheinander ausgegeben, zur nächsten Lerneinheit konnte erst fortgeschritten werden, wenn gezeigt wurde – durch Bestehen eines Tests –, dass die Inhalte der vorangegangenen Lerneinheit beherrscht werden. • Einsatz von Vorlesungen (Lectures) und Demonstrationen zur Motivation der Lernenden und zur Auflockerung der in schriftlicher Form ausgegebenen Lerneinheiten. • Vorwiegend schriftliche Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler, was zur Verbesserung von Ausdruck und Verständnis führen sollte. • Einsatz von Tutoren, die sich gezielt um einzelne Lernende kümmerten und bei der Testvorbereitung und speziellen Fragen behilflich waren. Besonders Schüler mit Lernschwierigkeiten profitierten von dieser Lehrmethode, ein Nachteil war allerdings der hohe personelle Aufwand durch den Einsatz der Tutoren.
11.6.1.3 Vorgänger des multimedial angeleiteten Selbstlernens: Leittextmethode Die für die industrielle Ausbildung entwickelte Leittextmethode diente zunächst als Ergänzung der Projektausbildung in Form von Selbstlernprogrammen. Ziel dieser Methode war bzw. ist es, die Handlungskompetenz der Auszubildenden zu fördern. Sie sollen durch Leittexte dazu befähigt werden, komplexe Arbeitstätigkeiten selbstständig zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren. Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Form des materialgestützten individuellen Lernens (BIBB, 1991). Die Leittextmethode orientiert sich am Modell der vollständigen Handlung (Hacker, 1986), wobei die Lernenden die sechs Stufen einer vollständigen Handlung – Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren und Auswerten – größtenteils selbstständig durchführen. Ziel der Leittextmethode ist es, „für jede Stufe eine Strategie zu wählen, die sicherstellt, dass jeder Auszubildende sowohl innerlich wie äußerlich vollständige Handlungen ausführt“ (BIBB, 1991, S. 42). Die Leittextmethode umfasst folgende Punkte:
Modell der vollständigen Handlung
• Information Bearbeitung von Leitfragen • Planung Erstellung schriftlicher Arbeitspläne • Entscheidung Fachgespräch mit dem Ausbilder über die Arbeitsplanung und die Bearbeitung der Leitfragen • Ausführung Durchführung einer praktischen Aufgabe • Kontrolle Selbst- und Fremdkontrolle anhand von Kontrollbögen • Auswertung Fachgespräch über die Kontrollergebnisse und die Möglichkeiten künftiger Fehlervermeidung
11.6 Hybride Formate
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Besonders die Phasen der Rückmeldung spielen eine bedeutende Rolle: Die selbstständig erarbeiteten Ergebnisse werden mit dem Anleiter besprochen und schrittweise auf die Zielerreichung hin überprüft. Die Abwechslung von Selbstlernphasen und Anleitung durch eine Fachkraft führt dazu, dass die Lernenden ein mentales Modell der zu erledigenden Aufgabe entwickeln, dieses Modell immer wieder an der Realität überprüfen können und letztlich dazu befähigt werden, die Aufgabe vollständig selbsttätig durchzuführen. Obwohl die Leittextmethode in der Ausbildung gute Erfolge erzielen konnte, wurde sie bisher selten im universitären Kontext – für die Vermittlung von Fachwissen – eingesetzt.
11.6.1.4 MASL MASL greift die Grundideen der vorgestellten Methoden des angeleiteten Lernens auf und optimiert sie mit Hilfe der Multimediatechnik. Dabei wird auf Erkenntnisse des selbstregulierten Lernens, besonders auf die Vermittlung metakognitiver Fähigkeiten, zurückgegriffen. An vielen Universitäten wird die Lehre heute zum Teil über Lehrplattformen angeboten. Diese bieten vielfältige Möglichkeiten der Darbietung von Fachinhalten sowie der Unterstützung der Lernenden. Fachliche Inhalte können in Form von Videovorlesungen vermittelt werden, daneben können Fachinhalte in Textform hochgeladen werden. Offene Fragen lassen sich in von Tutoren geführten Chats sowie in Diskussionsforen klären. Anleitungen können vielfältige, auch adaptive Hilfen beinhalten. Selbsttests werden als computer- bzw. webbasierte Tests konzipiert und erlauben daher vielfältigere Formen informativer Rückmeldung (s. Kap. 15, 18–22, 30 u. 31). Auf Wunsch der Lerner oder im Zuge informativer Rückmeldungen können Zusatzinformationen zu den Basislehrtexten angeboten werden (Animationen, Abbildungen, Übersichten, Webvorträge, Simulationen usw.). Diese Zusatzinformationen werden den Lernenden in Form von Leit- oder Begleittexten bzw. -materialien zur Verfügung gestellt. Sie enthalten Hinweise auf Schwierigkeiten des Fachtextes, Beispiele, Anwendungsformen, Bearbeitungshilfen etc. Darüber hinaus werden diese Begleit- bzw. Leittexte als Strukturierungshilfen eingesetzt, um den selbstregulierten Lernprozess zu unterstützen. Sie geben Hilfen in den Phasen der Planung (z. B. durch Angaben von Lernzielen), der Entscheidung (z. B. hinsichtlich des Strategieeinsatzes), der Durchführung (z. B. Leitfragen, die die Aufmerksamkeit auf Relevantes lenken und die Überwachung des Lernprozesses bewirken können) sowie der Kontrolle und Auswertung (z. B. durch Lerntests oder durch Musterlösungen). Abbildung 11.1 gibt einen Überblick über die Funktionen der Leit- bzw. Begleittexte im Rahmen von MASL. Dabei liegen das Modell des selbstregulierten Lernens nach Zimmerman (1999) und nach Ziegler (2005) sowie das Modell der vollständigen Handlung nach Hacker (1986) der Darstellung zugrunde:
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11 Formate
Abb. 11.1: Funktionen der Leitbzw. Begleittexte in MASL
Das Format kann angereichert und erweitert werden durch andere Formate des E-Learning: vom E-Kompendium bis zur animierten Simulation. An der Universität Erfurt werden verschiedene Vorlesungen durch MASL angeboten. Der Lerninhalt der Vorlesung wird dabei in Lerneinheiten unterteilt. Diese Lerneinheiten umfassen Videovorlesungen („Mini-Lectures“), bestehend aus einem kurzen Video sowie dem dazugehörigen Foliensatz und Fachtexte (in der Regel Kapitel eines Lehrbuchs) sowie Leit- bzw. Begleittexte mit Zusatzinformationen und Arbeitsaufgaben sowie Hinweisen zur Regulation des Lernprozesses. Darüber hinaus gibt es ein Diskussionsforum, in dem sich die Lernenden untereinander sowie mit dem Lehrenden und den Tutoren austauschen können. Die einzelnen Lektionen können über das ganze Semester hinweg immer wieder angesehen und wiederholt werden. Die Abb. 11.2 und 11.3 zeigen die praktische Umsetzung von MASL im Rahmen einer Vorlesung „Psychologische Grundlagen des Lehrens und Lernens“. Die Lernenden haben Zugriff auf die Mini-Lectures, d. h. auf die Online-Vorlesung (in Form eines Videos) und auf den dazugehörigen Foliensatz (Abb. 11.1). Darüber hinaus finden Sie weitere Lernmaterialien und Arbeitsaufgaben auf der Lernplattform Metacoon (Abb. 11.3). Hier bietet sich auch die Möglichkeit der Kommunikation mit Kommilitonen, Tutoren und Lehrendem (über Diskussionsforum und Chat sowie Pinnwand, Abb. 1.3). MASL eignet sich insbesondere für den Einsatz im Hochschulbereich, es ist aber auch im Bereich der Weiterbildung für sich oder als Teil von Blended-LearningSzenarien verwendbar.
11.6 Hybride Formate
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Abb. 11.2: Mini-Lecture (produziert mit LECTURNITY© 2.0)
Abb. 11.3: Lernplattform: Lernmaterial-Pool
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11 Formate
11.6.2 „CreaTeach-Format“ für Blended Learning Das CreaTeach-Format (benannt nach dem Unternehmen, das dieses Format entwickelt hat) geht von zwei Beobachtungen aus: Erstens besuchen in vielen Trainings- und Schulungsveranstaltungen die Teilnehmer ein Schulungszentrum oder Tagungshotel und verbringen dann einen großen Teil ihrer Zeit damit, Vorträgen zuzuhören. Für „Workshops“, Gruppenarbeit, Diskussionsrunden oder kollaborative praktische Arbeit ist die Zeit dann oft knapp. Wenn solche Vorträge nötig sind, können sie in Form von E-Lectures bereits zuvor den Adressaten über das Web zur Verfügung gestellt werden. Die Lernenden können diese Lehreinheiten zu günstigen Zeiten rezipieren, auf Wunsch auch wiederholt. Je nach Thematik lässt sich diese Phase auch mit weiteren Formaten anreichern. In jedem Fall kann nun die Präsenz in einem Schulungszentrum oder einer Tagungsstätte entweder verkürzt werden oder die verfügbare Zeit kann für Lernaktivitäten genutzt werden, die tatsächlich eine Präsenz und das Zusammentreffen mit anderen Lernenden erfordern. Die zweite Beobachtung resultiert aus eigenen früheren Evaluationsstudien zur Weiterbildung in einem Großunternehmen. Wenn die Teilnehmer (untere Führungsebene, z. B. Industriemeister) von einer wichtigen Schulung zu Themen wie „Delegieren“, „Mitarbeitergespräch“ usw. zurückkamen, fand praktisch nie ein Gespräch mit dem jeweiligen Betriebsleiter darüber statt, wie das Gelernte nun umzusetzen wäre. Die Mitarbeiter hatten auch wenig Kontaktmöglichkeiten zu den Kollegen, mit denen sie die Schulung gemeinsam besucht hatten, und äußerten sich 6–8 Wochen nach der Schulung überwiegend frustriert, weil sie mit der Umsetzung alleine gelassen worden waren. Hier sieht das CreaTeach-Format nun für die Zeit nach der Schulung eine Web 2.0-Plattform mit Blogs und Wikis vor, über die im Bedarfsfall ein Web-Coaching durch den Trainer erfolgen kann, und – wichtig – sich die Schulungsteilnehmer untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen können. Das Format ist für alle Lehrstoffe geeignet, bei deren Vermittlung sowohl theoretisches Wissen als auch praktische oder kollaborative Aktivitäten zweckmäßig sind. Dies gilt zum Beispiel für nahezu alle Techniker- und Meisterausbildungen.
11.6.3 „Electronic Performance Support Systems“ (EPSS) EPSS ist ein hybrides Format, das Anfang der neunziger Jahre von der amerikanischen Unternehmensberaterin Gloria Gery entwickelt und propagiert wurde. (Gery, 1991). Es handelt sich dabei weniger um ein Trainingsformat, sondern, wie der Name sagt, um ein hybrides System zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Ein EPSS umfasst z. B. Arbeitshilfen, kurze Instruktionen und Softwarewerkzeuge (z. B. vorbereitete ExcelArbeitsblätter). Auch innerbetriebliche Informationen (Rundschreiben, Betriebsanweisungen etc.) können in das System integriert sein. Alle Informationen, auch Lerneinheiten, sollen „on-demand“ verfügbar sein.
11.6 Hybride Formate
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11.7 Zusammenfassung Wenn die Ziele der Entwicklung eines multimedialen Lernangebots bestimmt und die Analysen sorgfältig durchgeführt sind, sollte zunächst die Formatentscheidung getroffen werden. In diesem Kapitel wurden drei prototypische Einzelformate und drei hybride Formate vorgestellt: • Formate der direkten Instruktion sind insbesondere für die Vermittlung von Überblickswissen bzw. deklarativem Wissen („Wissen, was“) geeignet. • Problembasierte Formate eignen sich besonders zur Förderung der Anwendung bzw. des Transfers sowie für prozedurales Wissen („Wissen, wie“). • Produktschulung ist ein eigenes Format und der Name bezeichnet bereits das Einsatzgebiet. • Hybride Formate eignen sich für komplexe Lehr-Lern-Arrangements: MASL für den Hochschulbereich und verwandte Formen, das CreaTeach-Format für Schulungen und Trainings, in denen sowohl Phasen rezeptiven Lernens als auch Phasen praktischen und kollaborativen Lernens nötig sind, und EPSS als Informations- und Lernsystem am Arbeitsplatz. Die vorgestellten Formate stellen Beispiele dar, sicherlich existieren andere und es können und sollten noch weitere Formate entwickelt werden. Wichtig ist, dass die Eignung für bestimmte Anwendungsbereiche jeweils nachvollziehbar zu begründen ist.
Literatur Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) (1991). Leittexte – ein Weg zu selbständigem Lernen. Berlin: Bundesinstitut für Berufsbildung. Chi, M. T. H., Bassok, M., Lewis, M., Reimann, P. & Glaser, R. (1989). Self-explanations: How students study and use examples in learning to solve problems. Cognitive Science, 13, 145–182. Clark, R. C. & Mayer, R. E. (2007). Using rich media wisely. In R. A. Reiser & J. V. Dempsey (Eds.), Trends and issues in instructional design and technology, 2nd edition, pp. 311–322). Upper Saddle River, NJ/Columbus, OH: Pearson/Merrill Prentice Hall. Gery, G. J. (1991). Electronic Performance Support Systems. How and why to remake the workplace through the strategic application of technology. Tolland, MA: Gery Performance Press. Hacker, W. (1986). Arbeitspsychologie. Bern: Huber. Hasselhorn, M. & Gold, A. (2006). Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren. Stuttgart: Kohlhammer. Helmke, A. & Weinert, F. E. (1997). Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen. In F. E. Weinert (Hrsg.), Psychologie des Unterrichts und der Schule (Bd. 3, S. 71–176). Göttingen: Hogrefe. Keller, F. S. (1968). Good-Bye, Teacher. Journal of Applied Behavior Analysis, 1, 79–89. King, K. P. & Gura, M. (2007). Podcasting for teachers. Charlotte, NC: Information Age Publishing. Mayer, R. E. (1979a). Can advance organizers influence meaningful learning? Review of Educational Research, 49, 371–383. Mayer, R. E. (1979b). Twenty years of research on advance organizers: Assimilation theory is still the best predictor of results. Instructional Science, 8 (2), 133–167. Reimann, P. (1997). Lernprozesse beim Wissenserwerb aus Beispielen. Analyse, Modellierung, Förderung. Bern: Hans Huber.
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Literatur
135
Teil IV Contentstrukturierung
12 Inhaltsstrukturen
Ebenso wichtig wie fundierte Kenntnisse der Sachstruktur, sind wissens- und instruktionspsychologische Kompetenzen, wenn es darum geht, Lehrstoff inhaltlich zu strukturieren. Wenn Sie diesen Abschnitt erfolgreich bearbeitet haben, • können Sie die Unterscheidung „Sachstruktur“ und „didaktische Struktur“ begründen,
Lehrziele
• verstehen Sie die Unterlegenheit des reinen Entdeckungslernens gegenüber einem angeleiteten Lernen und • Sie kennen die Unterschiede zwischen deduktiver und induktiver Strukturierung des Lehrstoffs.
12.1 Sachstruktur – didaktische Struktur – kognitive Struktur Die Wissens- und Aufgabenanalyse sollte ein klares Bild der Struktur des zu vermittelnden Wissens bzw. der von den Lernenden zu bewältigenden Lernaufgaben erbracht haben. Das Ergebnis ist allerdings nicht die Inhalts- oder Sachstruktur, sondern stets nur eine Möglichkeit, das Wissen eines Autors oder einer Autorengruppe zu strukturieren. Noch immer scheint die Meinung weit verbreitet, eine fundierte Kenntnis der Sachstruktur sei eine notwendige und hinreichende Voraussetzung, um Lehren bzw. multimediale Lernumgebungen konzipieren zu können. Tatsächlich ist das Fachwissen eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung. Es ist wichtig, jeweils zwischen einer Sachstruktur einerseits und einer didaktischen Struktur andererseits zu unterscheiden (Niegemann & Treiber, 1982): Die Sachstruktur eines Lehrstoffs lässt sich einerseits durch die (statischen und dynamischen) Begriffe beschreiben, durch welche die entsprechende Domäne erfassbar gemacht wird, und andererseits ist sie durch die Relationen zwischen den Begriffen beschrieben. Sollen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen strukturiert werden, kommen noch Operationen hinzu, die auf der Basis der begrifflichen Strukturen ausgeführt werden können.
12.1 Sachstruktur – didaktische Struktur – kognitive Struktur
Beschreibung „Sachstruktur“
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Kognitive Struktur
Linearisierung des Lehrstoffs
Didaktische Struktur
Lernende haben keine hinreichenden didaktisch-psychologischen Kenntnisse
Keine oder minimale Anleitung genügt nicht
Formatentscheidungen
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In vielen Fällen ist es möglich und auch zweckmäßig, im Rahmen der Wissens- und Aufgabenanalyse die jeweilige Sachstruktur als Concept-Map (Begriffsnetzdarstellung) (s. Kap. 8) zu modellieren. Die Aufgabe, eine solche Sachstruktur im Rahmen eines Lehr-Lern-Arrangements zu vermitteln, verfolgt in der Regel das Ziel, dass bei den Lernenden innerhalb einer bestimmten Zeit eine Wissensstruktur entsteht, die in den wesentlichen Teilen der Wissensstruktur der Lehrenden oder Instruktionsdesigner möglichst ähnlich ist. Das Problem besteht nun darin, dass weder die über- und nebengeordneten Begriffe noch die vielfältigen Relationen zwischen ihnen gleichzeitig von den Lernenden übernommen werden können. Die Grenzen unseres kognitiven Systems erlauben lediglich, dass jeweils eine eng beschränkte Menge von Informationseinheiten gleichzeitig verarbeitet werden kann. Das hat zur Folge, dass die jeweilige Struktur (Strukturierung) des Lehrstoffs zerlegt werden muss in kognitiv verarbeitbare Einheiten (s. Kap. 13). Diese Einheiten wiederum müssen quasi linear in einer Reihenfolge dargeboten werden, die am ehesten geeignet erscheint, die Elemente der Sachstruktur im Langzeitgedächtnis der Adressaten wieder zu einem Netzwerk zusammenzufügen, das der anfangs erstellten Struktur des Lehrstoffs möglichst ähnlich ist. Genau um dieses Problem zu lösen ist die Kenntnis der Sachstruktur nicht hinreichend. Hier ist zunächst kognitionspsychologisches Grundlagenwissen erforderlich, zumindest in Form wissenschaftlich begründeter Modellvorstellungen über das menschliche Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsprozesse, Operatoren und Strukturen des Langzeitgedächtnisses sowie Prozesse des Aufbaus von Wissensstrukturen. Ferner besteht Bedarf an technologisch-didaktischem Wissen über bewährte didaktische Handlungsmuster, die z. B. bewirken, dass Wissenseinheiten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit untereinander bzw. mit den jeweils bereits im Gedächtnis der Adressaten vorhandenen verknüpft werden. Nimmt man an, dass die möglichen Arten der Bildung von „Abschnitten“ eines Lehrstoffs (Segmentierung) einerseits und die möglichen Reihenfolgen der Darbietung (Sequenzierung) der einzelnen Einheiten im Hinblick auf den Lernerfolg nicht äquivalent sind, dann wird verständlich, weshalb didaktische Modelle, die ein hohes Maß an Selbstregulation fordern, in empirischen Studien nahezu immer Modellen unterlegen sind, die eine gewisse Lenkung, Anleitung oder sonstige Beeinflussung durch pädagogisch-psychologische Experten beinhalten. Dies gilt zumindest bei geringen Vorkenntnissen der Lernenden (Kirschner, Sweller & Clark, 2006; Mayer, 2003, S. 288 f.; Sweller, Kirschner & Clark, 2007). Aus dieser Überlegung folgt nun nicht, dass Lernumgebungen mit einer strikten Anleitung der Lernenden durch einen Dozenten oder ein entsprechendes Programm generell lernwirksamer sind als andere, die Eigenaktivitäten der Lernenden vorsehen. Entscheidend ist, dass bestimmte Prinzipien erfolgreichen Lehrens und Lernens berücksichtigt werden. Ob die Beeinflussung des Lernprozesses durch direkte Instruktion oder durch Arrangements erfolgt, bei denen die Anleitung oder Führung bzw. die didaktische Aufbereitung des Lehrstoffs in den relevanten Aspekten kaum sichtbar wird, spielt letztlich keine Rolle (vgl. Oser & Baeriswyl, 2001). Formatentscheidungen (Kap. 11) determinieren oder begrenzen teilweise die Möglichkeiten der Sequenzierung. Auch andere ID-Entscheidungen werden durch die Wahl eines bestimmten Formats eingeschränkt. Dies zeigt, dass ein Instruktionsdesignprozess nicht als eine lineare Abfolge von Entscheidungen realisierbar ist. Die wechselseitigen
12 Inhaltsstrukturen
Einflüsse der ID-Entscheidungen in den unterschiedlichen Bereichen müssen stets bedacht werden. Im folgenden Abschnitt skizzieren wir eine wichtige Entscheidung zur Strukturierung des Lehrstoffs: Soll der Lehrstoff deduktiv oder induktiv vermittelt werden?
12.2 Deduktiv versus induktiv Eine deduktive Vorgehensweise bedeutet, dass zunächst durch abstraktere Begriffe, Regeln und Prinzipien Wissensstrukturen vermittelt werden und danach konkrete Anwendungen bzw. Beispiele aufgezeigt werden. Kurz, Wissensvermittlung erfolgt vom Allgemeinen zum Besonderen. Induktiv vorgehen bedeutet in diesem Zusammenhang dagegen, dass zuerst Beispiele (Instanzen), Einzelfälle und Anwendungen gezeigt werden und danach die Regeln, Prinzipien und Konzepte abstrahiert werden. Kurz, die Instruktion sequenziert in der Wissensvermittlung vom Besonderen zum Allgemeinen. Die Entscheidung für die eine oder die andere Vorgehensweise ist grundsätzlich eine strategische, denn viele weitere Entscheidungen werden dadurch beeinflusst. Die Einführung in ein juristisches Thema, z.B. das Urheberrecht, ist meist deduktiv organisiert. Man wird im Allgemeinen zuerst die gesetzlichen Regelungen vorstellen und diese anschließend durch Beispiele und Fälle erläutern. In einigen Fällen wird ein einführendes Fallbeispiel vorangestellt, das Interesse wecken und die Thematik verdeutlichen soll. Dennoch bleibt die Vermittlungstrategie deduktiv. Ein induktives Vorgehen würde bedeuten, dass die Regeln aus den Fällen und Beispielen abstrahierend zu erschließen wären. Diese Option dürfte hier wenig sinnvoll sein. Bei der Vermittlung von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten werden dagegen sowohl deduktive als auch induktive Lehrstrategien verwendet. Induktiv: Über Beobachtungen bzw. Einstiegsexperimente werden die Lernenden zu Vermutungen (Hypothesen) über zugrunde liegende Regeln angeregt und mit ggf. notwendiger Unterstützung die Abstraktion der Regeln und Gesetzmäßigkeit erarbeitet. Diese Vorgehensweise kann auch der Strukturierung eines Vortrags zugrunde gelegt werden, indem die Einzelfälle, Beispiele und Befunde dargestellt werden und dann die Abstraktion der Regeln und Prinzipien erläutert wird. Induktives Vorgehen bedeutet also nicht notwendigerweise auch ein entdecken lassendes Lehren (Mayer, 2003, S. 298 f.). Deduktiv: Die naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten werden systematisch vorgetragen oder dargeboten, anschließend werden Beispiele berichtet oder den Lernenden wird angeboten, nun selbst aktiv zu werden und die Regelmäßigkeiten an konkreten Beispielen zu erproben und nachzuvollziehen. Vorteile der deduktiven Vorgehensweise liegen insbesondere in der Ökonomie: Überblickswissen ist auf deduktivem Weg sicherlich rascher zu vermitteln als durch induktive Verfahren. Für ein induktives Vorgehen spricht die Nachhaltigkeit des Behaltens, wenn nach entsprechenden Lernerhandlungen eine Abstraktion tatsächlich selbst entdeckt wurde. Auch die Situierung des Lernprozesses kann erheblich zur Verbesserung des Behaltens beitragen. Wird der gleiche Sachverhalt unter variierten Rahmenbedingungen erarbeitet, ist zudem eine bessere Transferleistung auf neue Sachverhalte zu erwarten.
12.2 Deduktiv versus induktiv
Deduktives Vorgehen
Induktives Vorgehen
Beispiel „deduktives Vorgehen“
Beispiel „induktives Vorgehen“
Vorteile
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Fachdidaktik
Es ist klar, dass bei der Entscheidung für die inhaltliche Strukturierung fachdidaktische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen, allerdings fehlen außerhalb der typischen Schulfächer und bestimmter berufspädagogischer Felder (Wirtschaftspädagogik) weitgehend Forschungsergebnisse. Unabhängig davon, ob elaborierte empirisch geprüfte Konzepte zum Einsatz der induktiven oder deduktiven Vermittlungsstrategie vorliegen, ist die Reflexion des späteren Verwendungszusammenhangs ratsam, um sich je nach Wissensinhalt fundiert entscheiden zu können. In der Praxis ist die Entscheidung „deduktiv oder induktiv“ selten eine Entscheidung für eine umfassende Lernumgebung. In vielen komplexen Lernangeboten wechseln sich Einheiten, in denen deduktiv Lehrstoff vermittelt wird, mit induktiv gestalteten Einheiten ab.
12.3 Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde auf eine wesentliche Unterscheidung aufmerksam gemacht: Die Unterscheidung zwischen einer Sachstruktur, welche durch eingehende Wissensund Aufgabenanalysen modelliert wird, und einer didaktischen Struktur, bei der es darum geht, die Elemente der Sachstruktur so zu verknüpfen und anzuordnen, dass sie von den Adressaten im Hinblick auf deren Aufbau von Wissensstrukturen optimal verarbeitet werden können. Eine wichtige Entscheidung bei der Strukturierung jedes Lehrstoffs betrifft die Frage, ob deduktiv oder induktiv vorgegangen wird. Beide Vorgehensweisen wurden erläutert und ihre Vor- und Nachteile wurden genannt. Im folgenden Kapitel werden unterschiedliche Prinzipien und Muster der Segmentierung und der Sequenzierung dargestellt und erläutert.
Literatur Kirschner, P. A., Sweller, J. & Clark, R. E. (2006). Why minimal guidance during instruction does not work: An analysis of the failure of constructivist, discovery, problem-based, experiential, and inquirybased teaching. Educational Psychologist, 41, 75–86. Mayer, R. E. (2003). Learning and Instruction. Upper Saddle River, NJ/Columbus, OH: Merrill/Prentice Hall. Niegemann, H. M. & Treiber, B. (1982). Lehrstoffstrukturen, Kognitive Strukturen, Didaktische Strukturen. In B. Treiber & F. E. Weinert (Hrsg.), Lehr-Lern-Forschung. Ein Überblick in Einzeldarstellungen (S. 37−65). München, Wien, Baltimore: Urban & Schwarzenberg. Oser, F. & Baeriswyl, F. J. (2001). Choreographies of Teaching: Bridging Instruction to Learning. In V. Richardson (Ed.), Handbook of Research on Teaching, 4th edition (pp. 1031–1065). Washington, DC: American Educational Research Association. Sweller, J., Kirschner, P. A. & Clark, R. E. (2007). Why minimally guided teaching techniques do not work: A reply to commentaries. Educational Psychologist, 42(2), 115–121.
142
12 Inhaltsstrukturen
13 Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge
Bei der Konzeption einer Lernumgebung, ebenso wie bei der Planung eines herkömmlichen Weiterbildungsangebots, stellen sich folgende Fragen: Wie teile ich den Lehrstoff ein und wie ordne ich ihn an. Nach erfolgreichem Durcharbeiten dieses Kapitels kennen Sie
Lehrziele
• wichtige Kriterien für die Segmentierung von Lehrstoff, • die wichtigsten Modelle der Sequenzierung.
13.1 Was ist das Problem? Hinter der Frage, wie ein umfangreicher Lehrstoff zweckmäßig in Abschnitte einzuteilen und in eine chronologische Abfolge (Sequenz) zu bringen ist, steckt ein Grundproblem jeder didaktischen Konzeption, von der Curriculumsplanung bis zum Entwurf einer einzelnen Unterrichtsstunde oder Lehreinheit. In den sechziger Jahren haben Gagné und Briggs (1979) (s. auch Kap. 2) auf der Grundlage einer verhaltenspsychologischen Analyse von Lernarten eine hierarchische Anordnung vorgeschlagen: Alle Elemente eines Lehrstoffs werden hinsichtlich ihrer lernpsychologischen Voraussetzungen analysiert. Allein auf dieser Grundlage werden die Elemente dann hierarchisch angeordnet:
Lehrstoff in Abschnitte einteilen
1. Vermittlung der grundlegenden Voraussetzungen, 2. Vermittlung darauf aufbauender Inhalte, die wiederum die Voraussetzung und Grundlage für weitere Inhalte sind, 3. Vermittlung der auf (2) aufbauenden Inhalte, die wiederum Voraussetzung für weitere Inhalte sind usw. Auch wenn eine Lernhierarchie auf unterschiedliche Art durchlaufen werden kann, wird leicht suggeriert, es müssten zunächst alle Grundlagen vermittelt werden, bevor die nächste Hierarchieebene behandelt wird und so fort.
13.1 Was ist das Problem?
143
Abschnitte in eine didaktisch sinnvolle Reihenfolge bringen
Diese Vorgehensweise ist zunächst durchaus plausibel: Wenn es inhaltliche Voraussetzungen gibt, müssen sie logischerweise vor den Inhalten vermittelt werden, die sie voraussetzen. Nachteilig an diesem Verfahren ist aber, dass den Lernenden oft die Zusammenhänge nicht klar werden (analog dem Lehrerspruch: „Wozu das gut ist, werdet ihr später sehen!“). Voraussetzungsrelationen sind nicht die einzigen relevanten Beziehungen zwischen den Komponenten eines Lehrinhalts: Zusammenhänge innerhalb komplexer Handlungen, Ähnlichkeiten, historische Zusammenhänge usw. können weitere Kriterien sein. Statt „auf Vorrat“ zu Beginn eines Curriculums oder eines Kurses können Lehrinhalte, deren Kenntnis bei der Vermittlung eines anderen Inhalts vorausgesetzt werden, oft auch „just-in-time“ gelehrt werden – also unmittelbar vor der Lehreinheit, in der sie benötigt werden (vgl. auch das Vier-Komponenten-Modell von van Merriënboer, Clark & de Croock, 2002; van Merriënboer & Dijkstra, 1997; van Merriënboer & Kester, 2005).
13.2 Lehrstoff einteilen: Lernobjekte Segmentierung
Segmenting Principle
Lernobjekte
144
Bevor ein Lehrstoff in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden kann, ist eine Segmentierung erforderlich, d. h. die Einteilung in Segmente, also in Abschnitte. Dies mag auf den ersten Blick trivial erscheinen. Kann man sich da nicht einfach „an der Sachlogik“ orientieren? Außerdem ist der Lehrstoff in der Regel bereits in allen Lehrbüchern jeweils segmentiert. Letzteres ist sicher richtig, aber es gibt keinerlei Gewähr dafür, dass die Segmentierung in einem oder mehreren Lehrbüchern die einzig richtige oder auch nur die zweckmäßigste wäre. „Die Sachlogik“ gibt es nur in seltenen Fällen; meistens gibt es Alternativen. Mayer und Chandler (2001) stellten in ihrer Untersuchung zum Prozess der Entstehung von Blitzen fest, dass es lernwirksamer ist, einen komplexen Sachverhalt nicht als Ganzes zu präsentieren, sondern in kleine sequenziell aufeinander folgende getrennte Lerneinheiten aufzusplitten, die gemeinsam den komplexen Sachverhalt erklärten. Wobei die Lernenden selbst entscheiden konnten, wann sie zur nächsten kleinen Lerneinheit weitergingen. In der Untersuchung zum Lerninhalt „Entstehung von Blitzen“ wurde der gesamte Lerninhalt in 16 kleine Einheiten zerteilt, die als Animationen sukzessive vom Lernenden abgerufen werden konnten (Mayer, 2005). Da Segmentierung und Sequenzierung in engem Zusammenhang stehen, scheint es günstig, auf der Basis einer sorgfältigen Wissensanalyse (s. Kap. 2) zunächst möglichst kleine Einheiten zu bilden. Diese Empfehlung ist auch kompatibel mit Empfehlungen aus dem Bereich der Informatik, wo unter dem Aspekt der Wiederverwendbarkeit (re-engineering, re-use) die Definition von Lernobjekten (learning objects) gefordert wird. Lernobjekte sind kleinste in sich sinnvolle Lerngegenstände: ein Bild, eine Videosequenz, eine Testaufgabe, ein Lehrtext, ein Simulationsprogramm. Da bei Festlegung der Sequenz zu kleine „learning objects“ wieder zusammengefügt werden können, gibt es hier kaum irreparable Fehler.
13 Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge
13.3 In welcher Reihenfolge präsentiere ich den Lehrstoff? Ihre Theorie der Sequenzierung haben Reigeluth et al. (1980) über mehr als zwanzig Jahre stetig (weiter)entwickelt. Kern der „Elaborationstheorie“ (Reigeluth et al. 1980; Reigeluth & Stein 1983; Leshin et al. 1992; Reigeluth, 1999) sind Empfehlungen zur Segmentierung und Sequenzierung des Lehrstoffs für einzelne Kurse oder ganze Curricula. Sie liefern vor allem Antworten auf die Frage: In welcher Weise soll der Lehrstoff in Lerneinheiten eingeteilt werden (Segmentierung) und nach welchen Kriterien sollen diese Einheiten in eine zeitliche Abfolge gebracht werden (Sequenzierung)?
Elaborationstheorie
13.3.1 Sequenzierungsmöglichkeiten Eine fast trivial erscheinende Regel besagt, dass es besser ist, mit dem Einfachen oder einer vereinfachten Darstellung zu beginnen („sequencing principle“, (van Merriënboer & Kester, 2005, S. 77 ff.)) und dann die Schwierigkeit sukzessive zu steigern. Allerdings gibt es auch begründete Abweichungen von diesem Prinzip. Ob die Art der Sequenzierung relevant ist für den Lernerfolg hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab: der Stärke der Beziehungen zwischen den einzelnen Themen und dem Kursumfang. Sequenzierung spielt umso mehr eine Rolle, je stärker die Beziehungen zwischen den einzelnen Themenbereichen sind. Wenn die Themenbereiche eng miteinander verknüpft sind, dann spielt der Umfang zunehmend eine Rolle: Bei einem Volumen von mehreren Stunden Kurs, Seminar oder Unterricht fällt es den Lernenden zunehmend schwerer, ungünstig angeordnete Lehreinheiten selbst hinsichtlich Logik und Bedeutung in Zusammenhang zu bringen; bei sehr kurzen Einheiten können entsprechende Mängel eventuell durch Gedächtnis und schlussfolgerndes Denken ausgeglichen werden. Jede Sequenzierung basiert auf einem bestimmten Typ von Relationen zwischen den Themen: Das kann die chronologische Abfolge von Ereignissen (historische Sequenz) sein, die in der Praxis übliche Abfolge von Tätigkeiten (Prozeduren), die Lernvoraussetzungen oder das Ausmaß an Komplexität verschiedener Versionen einer komplexen Aufgabe. Wenn mehrere Themen zu vermitteln sind, können zwei grundlegende Sequenzierungsmuster unterschieden werden: Linear-sukzessive (topical) Struktur und Spiralstruktur (s. Abb. 13.1). Bei der linear-sukzessiven Struktur wird ein Thema so lange behandelt, bis der erwünschte Kompetenzgrad erreicht ist. Erst dann wird zu einem anderen Thema gewechselt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die Lernenden sich längere Zeit auf ein Thema konzentrieren können und evtl. benötigte Medien, Materialien oder sonstige Ressourcen innerhalb eines Zeitblocks leichter organisiert werden können. Andererseits passiert es oft, dass beim Wechsel zu einem neuen Thema vieles vergessen wird. Zudem bleibt das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den Teilthemen eines Lehrstoffs bei der linear-sukzessiven Vorgehensweise leicht auf der Strecke. Letzteres kann in einem gewissen Ausmaß ausgeglichen werden durch Überblicke, Rückblicke und vor allem explizite Querverweise.
13.3 In welcher Reihenfolge präsentiere ich den Lehrstoff?
Lernwirksamkeit
Sequenzierung basiert auf Relationen zwischen den Themen
Linear-sukzessive Struktur
145
Abb. 13.1: Linear-sukzessive Sequenzierung und Spiralsequenzierung nach Reigeluth, 1999, S. 432
Spiralstruktur
Bei einer Spiralstruktur (vgl. auch Bruner, 1960) wird jedes einzelne Thema in mehreren Durchläufen behandelt: Zunächst werden die Grundlagen jedes Themas erläutert, dann werden jeweils nach und nach die einzelnen Themen vertieft, bis in allen Themen die erwünschte Tiefe und Breite des Verständnisses bzw. der Kompetenz erreicht ist. Hauptvorteil der Spiralsequenz ist die quasi eingebaute Synthese und der Rückblick, der bei jedem Themenwechsel unabdingbar ist. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Themen können hier oft leichter vermittelt werden als beim linear-sukzessiven Vorgehen. Ein Nachteil des Verfahrens besteht darin, dass die Beschäftigung mit einem Thema immer wieder unterbrochen wird. Die Frage, welches Vorgehen unter welchen Bedingungen vorzuziehen ist, stellt sich selten in voller Schärfe: Meist ist es die Frage, in welchem Ausmaß ein Thema vertieft werden soll, bevor zu einem anderen Thema übergegangen wird. Reigeluth (1999) betrachtet die beiden Sequenzierungsstrategien als die Pole eines Kontinuums. Zu entscheiden ist in der Regel, wo auf diesem Kontinuum ein bestimmter Kurs, ein Trainingsprogramm oder ein Curriculum verortet werden soll.
13.3.2 Aufgaben- vs. Domänenkompetenz
Aufgabenkompetenz
Domänenkompetenz
146
Unabhängig von diesen Unterscheidungen spielt eine weitere Dimension eine Rolle: Es wird gefragt, ob Aufgabenkompetenz (task expertise) oder Domänenkompetenz (domain expertise) vermittelt werden soll. Im ersten Fall sollen die Lernenden zu Experten für eine ganz spezielle Aufgabe qualifiziert werden, z. B. Projektmanagement, Verkauf eines bestimmten Produkts, Umgang mit einer bestimmten Maschine. Im Fall von Domänenkompetenz geht es um die Expertise in einem bestimmten Wissensbereich ohne Bindung an eine spezielle Aufgabe: Teilchenphysik, betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, elektronische Steuerungen. Die Unterscheidung ist nicht
13 Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge
gleichzusetzen mit der zwischen prozeduralem (Wissen, wie) und deklarativem Wissen (Wissen, was). Im Fall von Domänenkompetenz werden wiederum zwei Arten unterschieden: begriffliche und theoretische Kompetenz. Obwohl beide in der Praxis nicht zu trennen sind, muss bei der Sequenzierung jeweils etwas anders vorgegangen werden, je nachdem, welche Art von Wissen dominiert. Die Elaborationstheorie unterscheidet nun auf der Grundlage dieser Unterscheidungen drei wichtige Sequenzierungsmethoden:
Drei Sequenzierungsmethoden
1. Begriffliche Elaborationssequenz (conceptual elaboration sequence) 2. Theoretische Elaborationssequenz (theoretical elaboration sequence) 3. Sequenzierung auf der Grundlage vereinfachter Bedingungen (simplifying conditions sequence).
13.3.2.1 Begriffliche Elaboration Eine begrifflich orientierte Sequenzierung ist am ehesten angebracht, wenn das Lehrziel das Lernen vieler semantisch verknüpfter Begriffe erfordert. Für diese Fälle wird eine zweischrittige Vermittlungsstrategie vom Einfachen zum Komplexen empfohlen: 1. Vermittlung der allgemeineren und weiteren Begriffe 2. Vermittlung zunehmend engerer und speziellerer Begriffe. Kontextinformationen sowie lernförderliche Fähigkeiten, z. B. Prinzipien, Verfahren, Informationen, Lerntechniken und Einstellungen, sollten jeweils zusammen mit den Begriffen vermittelt werden, zu denen der engste inhaltliche Bezug besteht. Begriffe und die zugehörigen Kontextinformationen sollen zu Lernepisoden zusammengefasst werden, die nicht so klein sind, dass der Lernprozess jeweils unterbrochen wird, und nicht so groß, dass es schwierig wird, sie zusammenzufassen und mit anderen Einheiten zu verknüpfen. Lernende sollten auf die Reihenfolge der Behandlung der einzelnen Begriffe Einfluss nehmen können.
13.3.2.2 Theoretische Elaboration Dieses Sequenzierungsmuster ist gedacht für Lehrinhalte, die sich als Geflechte regelartiger Aussagen („Prinzipien“) kennzeichnen lassen, wie z. B. Lehrstoffe aus der Biologie, der Physik, der Volkswirtschaft, aber auch im Bereich der betrieblichen Weiterbildung, wenn es um die Erklärung der Funktion von Geräten (nicht wie man sie bedient) geht, usw. Solche Prinzipien sind teils allgemeiner, teils spezifischer Art. Anders als bei Begriffen sind die allgemeineren Prinzipien meist leichter zu lernen als die spezifischeren. Aus diesem Grund bieten sich hier spiralförmige Sequenzen an. Wie beim Lernen von Begriffen werden spezifischere Prinzipien meist allgemeineren untergeordnet. Eine Besonderheit des Lernens von Prinzipien ist dagegen die Kombinierbarkeit zu Wirkmodellen, anhand deren sich die Komplexität, Systemhaftigkeit und manchmal chaotische Art vieler Phänomene vermitteln lassen.
13.3 In welcher Reihenfolge präsentiere ich den Lehrstoff?
147
Phasen theoretischer Elaboration
Es können folgende Phasen theoretischer Elaboration unterschieden werden: • Vermittlung der allgemeinsten Prinzipien, die den Lernenden noch nicht bekannt sind, • sukzessive Vermittlung spezifischerer Prinzipien und Inhalte, • Vermittlung von Inhalten, die nicht zum Kernlehrstoff gehören, dessen Vermittlung jedoch fördern („supporting content“, z. B. Lerntechniken, Exkurse). Sie werden zusammen mit den Prinzipien vermittelt, zu denen sie einen engen Bezug aufweisen; dadurch werden Lernepisoden geschaffen. Der Gesamtzusammenhang darf dabei nicht verloren gehen; dies geschieht durch Zusammenfassungen und ein Zurückgehen zur Perspektive der übergeordneten, allgemeineren Prinzipien. Wie bei begrifflichen Sequenzen sollen Lernende, soweit es sinnvoll ist, die Reihenfolge teilweise auch selbst bestimmen können. Voraussetzung der Anwendung dieser Vorgehensweise ist wiederum eine sorgfältige Wissensanalyse, die in einer grafischen „Map“ (Strukturdarstellung) resultiert. Diese meist hierarchische „Map“ repräsentiert die Über-Unterordnungs-Beziehungen zwischen den einzelnen Prinzipien eines theoretischen Lehrstoffs. Eine Elaborationstechnik bei dieser Wissensanalyse ist das Beantworten von Fragen, wie: „Was geschieht noch?“, „Was sonst kann zu diesem Ergebnis führen?“, „Welches Vorgehen führt zu Veränderungen?“, „Weshalb kommt es zu Veränderungen?“ oder „Welches Ausmaß nehmen die Veränderungen an?“ usw. Theoretische Elaborationssequenzen können wie begriffliche Sequenzen spiralförmig sein oder sukzessiv-linear (Reigeluth, 1999, S. 439 ff.).
13.3.2.3 Vereinfachte Bedingungen (VB)
Aufbau von Aufgabenexpertise
Unterschied zu hierarchischen Sequenzierungsverfahren Aufbau von Domänenkompetenz
148
Diese Sequenzierungsmethode kann einerseits für den Aufbau von Aufgabenexpertise, andererseits für die Auswahl der Abfolge von Handlungsschritten zur Lösung prozeduraler Aufgaben angewandt werden. Wenn der Aufbau von Aufgabenexpertise angestrebt wird und dabei eher komplexe Lehrziele erreicht werden sollen, liegt der Focus auf der „Ganzheitlichkeit“ der zu vermittelnden Aufgabenkompetenz. Wenn es für eine relativ komplexe Aufgabe Bedingungen gibt, unter denen die Aufgabe leichter auszuführen ist als unter anderen, dann beginnt eine solche VB-Sequenz mit der einfachsten Version für die Aufgabe als Ganzes; danach werden zunehmend komplexere Versionen bzw. die Ausführung unter schwierigeren Rahmenbedingungen vermittelt. Den Lernenden sollen dabei die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Aufgabenversionen explizit vor Augen geführt werden. Jede Version soll für sich eine Klasse realistischer und vollständiger Aufgaben repräsentieren, also keine aus didaktischen Gründen unrealistisch reduzierte Aufgabe, wie wir sie in vielen Schulbüchern finden. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich deutlich von hierarchischen Sequenzierungsverfahren, bei denen zunächst alle Lernvoraussetzungen vermittelt werden und eine komplette, realistische Aufgabe erst ganz am Ende der Sequenz steht (s. Abb. 13.2). Für prozedurale Aufgaben liegt der Schwerpunkt auf den (physisch oder mental auszuführenden) Schritten, an denen sich Experten orientieren, um zu entscheiden, was wann zu tun ist. Demgegenüber liegt er bei heuristischen Aufgaben auf den Prinzipien
13 Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge
Aufgabenanalyse und Sequenzierung nach der VB-Methode
Abb. 13.2: Hierarchischer Ansatz und „Vereinfachte Bedingungen“-Ansatz (VB) nach Reigeluth, 1999, S. 443
Begriffsnetz
Hierarchische Aufgabenanalyse und Sequenzierung
Unterschiedl. Teilfertigkeiten
Aufgabenunterschiede
Für Ler- Für Desig- Grundnende ner idee
Hierarchische Analyse Hierarchische Sequenzierung
Analyse und Sequenzierung nach “Vereinfachte-Bedingungen”-Modell
Vom Teil zum Ganzen/ vom Einfachen zum Komplexen (von Teilfertigkeiten zu umfassenden Fertigkeiten)
Vom Einfachen zum Komplexen (von einfachen Aufgaben zu komplexen Aufgaben)
Aufgabenanalyse sollte vor den Sequenzierungsentscheidungen als separate Aufgabe erledigt werden
Aufgabenanalyse und Sequenzierungsentscheidungen können simultan bearbeitet werden; ein Prototyp kann rasch entwickelt werden
Erleichtert das Lernen von Fähigkeiten höherer Vermittelt von der allerersten Lektion an: Ordnung (Fähigkeiten, die andere Fähigkeiten einen Vorgeschmack auf die komplette Aufgavoraussetzen) be; einfache, aber anwendbare Fertigkeiten; erhöhte Motivation Die Konzeption des hierarchischen Ansatzes enthält notwendige, aber nicht hinreichende Vorgehensweisen. Der hierarchische Ansatz ist zudem fragmentarisch, nicht ganzheitlich.
und/oder den Wirkmodellen, die Experten zugrunde legen. Typisch für derartige Aufgaben ist eine größere Abhängigkeit der Expertenleistung von den jeweiligen Ausführungsbedingungen. Sie ist so groß, dass Experten bei der Bewältigung der Aufgabe nicht an einzelne Bearbeitungsschritte denken. Beide Arten von VB-Sequenzierung können gleichzeitig verwendet werden, wenn die Aufgabe beide Kategorien von Wissen erfordert. Ebenso können die VB-Sequenzierung und die bei Domänenkompetenz angebrachten Sequenzierungsmethoden gleichzeitig angewendet werden. Die „Vereinfachte Bedingungen“-Sequenzierung: (sowohl für prozedurale wie für heuristische Aufgaben) besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: das Finden der Einstiegsaufgabe (epitomizing) und die Elaboration. Das Finden der Einstiegsaufgabe umfasst die Auswahl oder Konstruktion der einfachsten Version der in Frage stehenden Aufgabe, die noch repräsentativ ist für die entsprechende Kategorie. Elaboration ist der Prozess der Identifikation von zunehmend komplexeren Aufgabenversionen. Das Finden der Einstiegsaufgabe orientiert sich an den Kriterien: (1) Vollständigkeit der Aufgabe (keine Teilaufgabe oder Komponente), (2) Einfachheit, (3) Realitätsbezug (soweit irgend möglich) und (4) Repräsentativität (gebräuchliche, typische Aufgabe). Der Unterschied zu komplexen Varianten der Aufgabe liegt lediglich darin, dass solche
13.3 In welcher Reihenfolge präsentiere ich den Lehrstoff?
Einstiegsaufgabe finden und Elaboration
149
Aufgaben real von Experten unter vereinfachten Rahmenbedingungen bearbeitet werden, woraus sich der Name der Methode herleitet. Der Elaboration, also dem Finden oder der Konstruktion zunehmend komplexerer Aufgaben gleichen Typs, liegen die Ideen des „ganzheitlichen“ Lernens und des Prinzips der Schema-Assimilation (s. auch Aebli, 1980; Mayer, 1977) zugrunde. Daher sollte für die jeweils folgende Elaboration gelten: (1) Es handelt sich um eine weitere komplette Aufgabe, (2) diese Aufgabe ist etwas komplexer als die vorhergehende, (3) sie ist mindestens genauso authentisch und (4) ebenso oder höchstens geringfügig weniger repräsentativ (typisch oder gebräuchlich) für die Aufgabenkategorie. Die vereinfachten Bedingungen werden so nach und nach reduziert. Innerhalb aller Sequenzierungsmethoden kann eine linear-sukzessive oder eine Spiralstruktur verwendet werden.
13.4 Weitere Kriterien für die Segmentierung und Sequenzierung des Lehrstoffs Vermeiden von „cognitive overload“ als Sequenzierungsstrategie
Einen Sequenzierungsansatz, der sich an der begrenzten Kapazität des menschlichen Arbeitsgedächtnisses orientiert, hat in den achtziger Jahren R. Case (1978, 1985) vorgeschlagen und insbesondere bei lernbehinderten Kindern und Erwachsenen erfolgreich erprobt. Bei diesem Ansatz wird jeweils strikt darauf geachtet, dass jedes neue Lehrstoffsegment nur so viele „Informationseinheiten“ (chunks) enthält, wie die Lernenden gleichzeitig verarbeiten können. Das sollten in der Regel nicht mehr als fünf neue Informationseinheiten sein (s. Kap. 3). Diese Beschränkung des Umfangs der einzelnen Abschnitte eines Kurses erfordert dann auch eine spezielle Sequenzierungsstrategie, die den sukzessiven Aufbau zusammenhängenden Wissens ermöglicht und fördert. Der Ansatz hat sich u. a. in einer vergleichenden Studie mit dem Lernhierarchie-Ansatz von Gagné als überlegen erwiesen (Sander, 1986). Cases Ansatz (1978, 1985) steht nicht generell im Widerspruch zu Reigeluths Theorie (1999). Es kann daher versucht werden, innerhalb des Reigeluth’schen Ansatzes die auf Vermeidung der Gedächtnisüberlastung zielenden Kriterien von Case zu berücksichtigen. Bei computer- und webbasiertem Lehren scheint dies generell ratsam, da hier durch die Handhabung des jeweiligen Systems kognitive Überlastungen leicht vorkommen können (Chandler & Sweller, 1991; s. auch Kap. 12).
13.5 Zusammenfassung Die Einteilung des Lehrstoffs in zweckmäßige Einheiten ist keineswegs eine triviale Aufgabe, nicht immer ist es zweckmäßig sich an Lehrbüchern und kanonischen Darstellungen zu orientieren. Dies gilt in gleichem Maße für die Frage der Sequenzierung eines Lehrstoffs. In Abhängigkeit von Merkmalen der Adressaten wie des Lehrstoffs stehen unterschiedliche Modelle der Sequenzierung zur Verfügung. Dargestellt und diskutiert wurden insbesondere Reigeluths Elaborationstheorie und seine Strukturmodelle „linearsukzessive“ Sequenz, „Spiralsequenz“ sowie die für begriffliche, theoretische und prozedurale Lehrstoffe besonders geeigneten Sequenzformen. Es sollte auch deutlich ge-
150
13 Segmentierung und Sequenzierung: Einteilung und Reihenfolge
worden sein, dass Designentscheidungen zur Segmentierung und zur Sequenzierung eine sorgfältige Wissens- und Aufgabenanalyse voraussetzen.
Literatur Aebli, H. (1980). Denken: Das Ordnen des Tuns, Bd. 1. Stuttgart: Klett-Cotta. Bruner, J. S. (1960). The process of education. Cambridge, MA: Harvard University Press. Case, R. (1978). A developmentally based theory and technology of instruction. Review of Educational Research, 48, 439–463. Case, R. (1985). A developmentally based approach to the problem of instructional design. In S. Chipman, J. Segal & R. Glaser (Eds.), Thinking and Learning Skills – Research and Open Questions (Vol. 2, pp. 537−545). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Chandler, P. & Sweller, J. (1991). Cognitive load theory and the format of instruction. Cognition and Instruction, 8(4), 293−332. Gagné, R. M. & Briggs, L. J. (1979). Principles of instructional design. New York: Holt, Rinehart & Winston. Leshin, C. B., Pollock, J. & Reigeluth, C. M. (1992). Instructional design strategies and tactics. Englewood Cliffs, NJ: Educational Technology Publications. Mayer, R. E. (1977). The sequencing of instruction and the concept of assimilation-to-schema. Instructional Science, 6, 369−388. Mayer, R. E. (2005). Principles for Managing Essential Processing in Multimedia Learning: Segmenting, Pretraining, and Modality Principles. In R. E. Mayer (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (pp. 169−182). Cambridge: Cambridge University Press. Mayer, R. E. & Chandler, P. (2001). When learning is just a click away: Does simple user interaction foster deeper understanding of multimedia messages? Journal of Educational Psychology, 93(2), 390−397. Reigeluth, C. M. (1999). The elaboration theory: Guidance for scope and sequence decisions. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional-design theories and models. A new paradigm of instructional theory (pp. 425−453). Mahwah, NJ: Erlbaum. Reigeluth, C. M., Merrill, M. D., Wilson, B. G. & Spiller, R. T. (1980). The elaboration theory of instruction: A model for structuring instruction. Instructional Science, 9, 125−219. Reigeluth, C. M. & Rodgers, C. A. (1980). The elaboration theory of instruction: Prescriptions for task analysis and design. NSPI Journal, 19, 16−26. Reigeluth, C. M. & Stein, F. S. (1983). The elaboration theory of instruction. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional design theories and models: An overview of their current status. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Sander, E. (1986). Lernhierarchien und kognitive Lernförderung. Göttingen, Toronto, Zürich: Hogrefe. van Merriënboer, J. J. G., Clark, R. E., & de Croock, M. B. M. (2002). Blueprints for complex learning: The 4C/ID-Model. Educational Technology Research & Development, 50(2), 39−64. van Merriënboer, J. J. G. & Dijkstra, S. (1997). The four-component instructional design model for training complex cognitive skills. In R. D. Tennyson, F. Schott, N. Seel & S. Dijkstra (Eds.), Instructional design. International perspective. Vol 1: Theory, research, and models (pp. 427−445). Mahwah, NJ: L. Erlbaum. van Merriënboer, J. J. G. & Kester, L. (2005). The Four-Component Instructional Design Model: Multimedia Principles in Environments for Complex Learning. In R. E. Mayer (Ed.), Cambridge Handbook of Multimedia Learning (pp. 71−93). Cambridge: Cambridge University Press.
Literatur
151
14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
Auch wenn eine lineare Abfolge der Designentscheidungen nicht möglich ist: Die Strukturierung des Lehrstoffs auf der Grundlage des jeweiligen Lehrzieltyps muss relativ früh erfolgen. Viele weitere Entscheidungen sind davon abhängig. Welche instruktionspsychologischen Prinzipien sind für das Vermitteln von Faktenwissen besonders geeignet und welche, wenn Problemlösefähigkeiten gefördert werden sollen? Eine wichtige Konzeption der Lehrstoffstrukturierung (Basismodelle) für bestimmte Lehrzieltypen haben Oser und seine Mitarbeiter (Oser & Baeriswyl, 2001) entwickelt. Unabhängig davon haben Smith und Ragan (2005) eine Reihe von Entwurfsmustern entwickelt, die sich ebenfalls auf bestimmte Zieltypen des Lehrens und Lernens beziehen. In diesem Kapitel versuchen wir, beide Konzeptionen zu verknüpfen. Wenn Sie dieses Kapitel erfolgreich durchgearbeitet haben, • kennen Sie Osers Konzept der Lehr- bzw. Lernzieltypen und der damit verbundenen „Basismodelle“.
Lehrziele
Ferner kennen Sie folgende wichtige Strukturierungsprinzipien und Entwurfsmuster für die Lehrzieltypen: • Faktenwissen • Begriffliches Wissen und Wissen über begriffliche Zusammenhänge • Prozedurales Wissen und Routinebildung • Problemlösen • Strategiewissen • Einstellungen
14.1 Zieltypen und Basismodelle Eines der wichtigsten Kriterien für die Strukturierung des Lehrstoffs ergibt sich nach Durchführung der Wissens- und Aufgabenanalyse aus der Art der angestrebten Lehrziele.
14.1 Zieltypen und Basismodelle
153
Verbindung zwischen Lehrzieltypen und Gestaltungsalternativen
Lehr- oder Lernziele werden nach verschiedenen Kriterien klassifiziert. Am weitesten verbreitet sind sicherlich die Taxonomien der Lehrziele nach Bloom (1972) und ihre Derivate (Anderson & Krathwohl, 2001; Krathwohl, 2002). Diese hierarchischen Klassifikationsschemata liefern allerdings kaum Aussagen zum Zusammenhang zwischen den Zielen bzw. Zielkategorien und zweckmäßigen Vorgehensweisen beim Instruktionsdesign. Für die didaktische Konzeption werden Aussagen benötigt, die Verbindungen herstellen zwischen den Lehrzielen und den gegebenen Rahmenbedingungen einerseits sowie nachweisbar wirksamen Gestaltungsalternativen andererseits. Diesen Aussagen sollten theoretisch fundierte Annahmen über mentale Operationen zugrunde liegen, die (a) mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch die Art der Informationsdarbietung und die angeregten Lerneraktivitäten „in Gang gesetzt“ werden und (b) ebenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Wissensstrukturen generieren, die den Zielvorstellungen nahekommen. Einen Instruktionsdesignansatz, der diesen Anforderungen bisher am ehesten gerecht wird, haben Oser, Patry und Mitarbeiter in den neunziger Jahren in Fribourg (Schweiz) entwickelt (Oser & Baeriswyl, 2001; Oser & Patry, 1990, 1994; Oser et al., 1997). Der Ansatz versteht sich als offen für unterschiedliche methodische und mediale Instruktionskonzeptionen. Daneben gibt es für bestimmte Lehrzieltypen auch andere theoretisch und empirisch begründete Prinzipien der Lehrstoffstrukturierung. Zu Kategorien wie Faktenwissen, Begriffslernen, Problemlösen, Strategiewissen und Erwerb von Prozeduren gibt es seit 40 Jahren empirische Befunde (Merrill, 1983; Smith & Ragan, 2005). Wegen seiner paradigmatischen Bedeutung wird der Ansatz von Oser im folgenden Abschnitt etwas ausführlicher dargestellt. Anschließend werden Entscheidungsmuster zu wichtigen Zielkategorien präsentiert.
14.2 Exkurs: Didaktische Basismodelle 14.2.1 Choreografie-Metapher Berücksichtigung von Metrik und Rhythmus analog zur Berücksichtigung von Gesetzmäßigkeiten des Lernens
154
Oser und seine Mitarbeiter orientierten sich am Bild einer „Choreografie des Unterrichts“, bei der (in Analogie zu einer Tanzschrittfolge, die an Metrik und Rhythmik der Musik gekoppelt ist) eine feste Abfolge notwendiger (innerer) Lernschritte mit einer Freiheit der Methodenauswahl seitens des Lehrenden (ähnlich der künstlerischen Freiheit der Choreografen bei der Nutzung des Bühnenraums) verbunden ist. Die notwendigen Lernschritte werden in den Tiefen- und Basisstrukturen von Lernprozessen abgebildet, die methodische Vorgehensweise der Lehrenden bzw. Instruktionsdesigner spiegelt sich in der Sicht- und Oberflächenstruktur der Instruktion wider: Sofern die Schrittfolge des jeweiligen „Basismodells“ strikt eingehalten wird, spielt es für die Vorhersage des Lernerfolgs keine Rolle, ob Präsenzunterricht gehalten oder eine multimediale Lernumgebung angeboten wird, ob direkte Instruktion die Methode der Wahl ist oder kooperatives Lernen.
14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
14.2.2 Tiefen- und Basisstrukturen von Lernprozessen „Die Basisstruktur besteht aus einer für jeden Lernenden absolut notwendigen, feststehenden Kette von Operationen, die nicht durch etwas anderes ersetzt werden kann. Der ganzheitliche Charakter dieser jeweiligen Kette wird bestimmt durch lernpsychologische Gesetzmäßigkeiten einerseits und durch den Typ des Ziels bzw. die Inhalte andererseits“ (Oser & Patry, 1990, S. 3).
Ein Lehrzieltyp (Oser et al. sprechen jeweils von Lernzieltypen ) ist jeweils charakterisiert durch eine bestimmte Qualität des Lernens in Abhängigkeit von spezifischen Lernprozessen. Diese Lehrzieltypen sind nicht hierarchisch strukturiert wie die bekannten Lehrzieltaxonomien. Eine ausführlichere Darstellung der von Oser vorgeschlagenen Basismodelle und die dazugehörigen Zieltypen des Lernens findet sich in Oser und Baeriswyl (s. auch Niegemann et al., 2004; Oser & Baeriswyl, 2001). Tabelle 14.1 zeigt als Beispiel das Basismodell Begriffsbildung. Basismodell: Begriffsbildung (4a) 1. Direkte oder indirekte Bewusstmachung der bereits bestehenden, für die weitere Arbeit notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen (Aktualisierung des Bekannten).
Freiheit der Nutzung des Bühnenraums analog zur Methodenfreiheit Lehrzieltyp (Lernzieltyp)
Tabelle 14.1: Basismodell 4 als Beispiel
2. Vorstellen und Durcharbeiten eines Prototyps, d. h. eines Musterbeispiels des Begriffs, in dem alle wesentlichen Merkmale oder Elemente des Begriffs enthalten sind. 3. Darstellen bzw. Erarbeiten der neuen Merkmale oder Elemente des Begriffs, die im Prototyp enthalten sind (explizite Darstellung oder Erarbeitung des zu Lernenden). 4. Aktiver Umgang mit dem neuen Begriff (Anwendung): zu anderen, bereits bekannten Begriffen in Beziehung setzen (Ober- und Unterbegriffe, andere Begriffe aus dem gleichen Bereich etc.) und zu Beispielen auf verschiedenen Repräsentationsebenen (handelnder Umgang mit dem Begriff). 5. Anwendung des neuen Begriffs in anderen Bereichen und Analyse/Synthese ähnlicher oder verwandter Begriffe (Vernetzung).
Wie z. B. in Schritt 1 bereits Bekanntes bewusst gemacht werden oder wie in Schritt 4 der aktive Umgang gestaltet werden soll, bleibt offen: Jedes Vorgehen, welches die entsprechenden mentalen Operationen initiiert, ist grundsätzlich geeignet. Die bereits angesprochenen „notwendigen, feststehenden Ketten von Operationen“ (in Tabelle 14.1: 1–5) bilden den Kern des jeweiligen Basismodells. Diese Abfolgen legen keine bestimmte methodische Vorgehensweise seitens des Instruierenden fest. Es handelt sich also jeweils nicht um unterrichtliche Lehrschritte, sondern um notwendige mentale Operationen des Lernenden, die im Lernprozess initiiert werden müssen. Tabelle 14.2 zeigt einen Überblick über die Zieltypen und die zugeordneten „Basismodelle“. Wir werden in diesem Kapitel nicht alle Basismodelle berücksichtigen, sondern nur diejenigen, die bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen erfahrungsgemäß oft eine Rolle spielen.
14.2 Exkurs: Didaktische Basismodelle
155
Tabelle 14.2: Übersicht über Basismodelle und Zieltypen (verändert nach Elsässer, 2000)
Nummer und Name des Basismodells
Zieltyp des Lernens
Notwendige Merkmale
1a Lernen durch Eigenerfahrung
Aneignung von Erfahrungswissen
Unmittelbarer Lebensbezug
1b Entdeckendes Lernen
Aneignung durch Suchprozesse Unmittelbarer Lebensbezug in der Wirklichkeit, generalisierendes Lernen
2
Entwicklungsförderndes/ Transformation von strukturveränderndes Tiefenstrukturen Lernen (z. B. moralisches Urteil)
Disäquilibrationsvorgänge
3
Problemlösen (entdeckendes Lernen)
Lernen durch Versuch und Irrtum
Hypothesenbildung, Hypothesentestung
4a Begriffsbildung
Aufbau von memorisierbaren Fakten, von zu verstehenden Sachverhalten
Lehrgänge, Benennung von Einzelaspekten, Begriffshierarchien
4b Konzeptbildung
Aufbau von vernetztem Wissen Größere Sach- und Fachzusammenhänge, Analogiebildung
5
Betrachtendes Lernen
Meditative Versenkung
Innerer Nachvollzug ontologischer und schicksalhafter, religiöser u. a. Wirklichkeiten
6
Lernen von Strategien
Lernen lernen (Metalernen)
Lernerleichterung durch formale innere Strukturierung des eigenen Lernens, Reflexion über eigenes Lernen
7
Routinebildung und Automatisierung Training von Fertigkeiten
Hohe Übungsfrequenz und Wiederholung, Entlastung des Bewusstseins
8
Motilitätsmodell
Transformation affektiver Erregung (z. B. Ergriffenheit)
Schöpferisches Verarbeiten von Erlebnissen, musische Expressivität
9
Aufbau dynamischer Sozialbeziehungen
Bindungsentwicklung durch sozialen Verhaltensaustausch
Prosoziales Handeln, Gruppenleben, Diskursverhalten, Freundschaftsentwicklung
10 Wert- und Identitätsaufbau
Wertwandel, Wertklärung, Wertschaffung
Wertkonstitution durch Partizipation
11 Hypertextlernen
Konstruktion und Erstellung Neuordnen und Bewerten von von eigenständigen Vernetzun- Informationseinheiten, Spiel mit gen (deduktiv-induktiv Übersichten gemischtes Vorgehen)
12 Verhandeln lernen
Herstellen von Konsens in verschiedenen Situationen des Lebens
Aushandeln als Bedürfnisausgleich, Techniken der guten Übereinstimmung
14.2.3 Sicht- und Oberflächenstrukturen der Instruktion Gleiches Basismodell – unterschiedliche Sichtstrukturen
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Die Sicht- oder Oberflächenstrukturen entsprechen den Handlungsalternativen eines Lehrers bzw. den Gestaltungsmöglichkeiten einer multimedialen Lernumgebung: Handlungsmuster des Unterrichts, Sozialformen, Unterrichtsschritte, Medien- und Metho-
14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
deneinsatz etc. Die Kreativität der Handlungen und Entscheidungen in diesem Gegenstandsbereich wird ausdrücklich durch das vorliegende Modell nicht eingeschränkt, außer dass den Anforderungen der relevanten Basismodelle Rechnung getragen werden muss.
14.2.4 Basismodelle und didaktische Entwurfsmuster Leider verwirren die von Oser gewählten Bezeichnungen manchmal und provozieren ein Vermengen der Bezeichnung mentaler Operationen, die bei Lernenden ausgelöst werden sollen, mit den Schritten didaktischen Handelns. Die Frage nach der Stimmigkeit und Angemessenheit von geplanten und durchgeführten Sichtstrukturen hinsichtlich der in den Basismodellen postulierten Handlungsketten kann empirisch überprüft werden und teilweise ist dies auch bereits geschehen (s. dazu Oser et al. 1997; Sarasin, 1995; Wagner, 1999). Das gilt auch für die Frage, ob ein mittels Basismodellen geplanter Unterricht Schülern besser helfen kann, ihre Lernprozesse nachzuvollziehen und zu reflektieren (Brouër, 2001). Allerdings ist die empirische Fundierung der Basismodelle bisher uneinheitlich (Oser & Baeriswyl, 2001) und noch nicht vollständig. Basismodelle können in diesem Sinne durchaus als Kerne didaktischer Entwurfsmuster (DEM) betrachtet werden, die sich auf die Tiefenstruktur, d. h. auf die zu initiierenden wirksamen Lernprozesse, beschränken. Geht man davon aus, dass sich jeweils „Sichtstrukturen“ identifizieren lassen, die zur Realisierung bestimmter Basismodelle besonders gut geeignet sind, dann spricht u. E. nichts dagegen, konkretere Muster zu empfehlen, die auch Prinzipien für die Gestaltung der „Oberfläche“ einschließen, dabei aber dennoch hinreichend Gestaltungsfreiheiten ermöglichen. Abweichungen von den Empfehlungen eines DEM sind ohnehin solange unproblematisch, so lange der Kern der Empfehlung berücksichtigt wird. Im Folgenden orientieren wir uns jeweils soweit angegeben sowohl an Basismodellen als auch an den Mustern („strategies“), die Smith und Ragan (2005) auf der Grundlage empirischer Befunde aus der Instruktionspsychologie für bestimmte Typen von Lehrzielen entwickelt haben.
Mentale Operationsketten
14.3 Faktenwissen Faktenwissen wird nicht selten etwas abschätzig als „bloßes Faktenwissen“ abgetan. Tatsächlich ist das Wissen über Fakten, d. h. das Wissen, dass etwas so oder so ist, sich verhält oder heißt, ein wesentlicher Bestandteil unseres Weltwissens und steht ohnehin in enger Verbindung zu „höheren“ Wissensarten, deren Nutzung ohne Faktenwissen kaum möglich wäre. Lücken im Faktenwissen können die Bildung angemessener Begriffe und begrifflicher Zusammenhänge verhindern und Problemlösungen scheitern lassen. Ein Basismodell für den Erwerb von Faktenwissen findet sich bei Oser nicht.
14.3 Faktenwissen
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Ein Muster der Elemente, die bei der Vermittlung von Faktenwissen zu berücksichtigen sind, haben Smith und Ragen (2005, S. 169) zusammengestellt: Elemente zur Vermittlung von Faktenwissen
• Aufmerksamkeit der Lernenden wecken: Evtl. Neues, scheinbar Paradoxes, Widersprüchliches als „Aufmacher“ oder Trailer einsetzen. • Lehrziele nennen und Relevanz erläutern: Z. B. Verknüpfung mit Anforderungen in bestimmten Berufen vornehmen. • Überblick über den Lehrstoff der Lerneinheit geben: Kurzen Abriss, auch grafische Darstellung (z. B. Mindmap), geben. • Aktivieren von relevantem Vorwissen: Z. B. Advance Organizers. • Information darbieten. • Aufmerksamkeit fokussieren: Hervorhebungen, Fragen stellen: vorangestellt, eingebettet, am Ende der Darbietung. • Geeignete Lernstrategien anbieten oder in Erinnerung rufen: Z. B. mnemonische Techniken, Wiederholung. • Üben: Je nach Lehrstoff bzw. Lernaufgaben: sinnvolles Üben; Wiedergeben lassen, Wiedererkennungsaufgaben, üben mit dem Ziel der Automatisierung (s. Kap. 14.4). • Informativ-bewertendes Feedback: Unterschiedliche Arten von informativem Feedback einsetzen, je nachdem, ob es um Faktenlernen, Listen oder Verstehen und Wiedergeben von Texten geht. • Zusammenfassen: Zusammenfassungen mit eigenen Worten, Zusammenfassung von Abschnitten durchführen lassen. • Transfer fördern: Explizite Hinweise auf Anwendungsfälle, auf unterschiedliche Kontexte geben, Folgerungen seitens der Lernenden aufnehmen. • Abschließende Motivierung: Aufzeigen, was die Lektion erbracht hat (Nutzen) und wie das Gelernte hilfreich sein kann. • Überprüfung der Ausführung: Auf Lehrzielvalidität achten (d. h. Tests usw. an den Lehrzielen orientieren). • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Lernstand mitteilen und abschließende Hinweise auf noch zu schließende Lücken liefern. Das Element „Informationen darbieten“ differenzieren Smith und Ragan (2005, S. 169) weiter aus in: • Bezeichnungen, Namen: Organisieren in „Chunks“ oder „Clusters“, verknüpfen mit Aussagen (Elaboration anregen). • Fakten, Listen: Bildhafte Assoziationen fördern oder unterstützen, Bildung von „Chunks“ oder „Clustern“ fördern, verknüpfen mit Aussagen (Elaboration anregen), verbinden mit beschreibenden Texten. • Beschreibende Texte: Bildhafte Vorstellungen fördern, Metaphern anbieten, grafische Darstellungen, Elaborieren fördern.
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
14.4 Prozedurales Wissen, Routinebildung, Training von Fertigkeiten Prozedurales Wissen – „Wissen wie“ – ist sehr häufig das Ziel multimedialer Lernangebote: in Hard- und Softwaretrainings, technischen Anleitungen, After-Sales-Kundenschulungen (Einweisung in die Handhabung von Geräten, Maschinen, Anlagen), Verhaltenstrainings usw. Bei der Wissens- und Aufgabenanalyse lassen sich die zu erlernenden Prozeduren häufig als Flussdiagramme oder durch ähnliche Visualisierungen darstellen (s. Kap. 8). In Osers Ansatz findet sich dazu der Zieltyp „Routinebildung und Training von Fertigkeiten (Basismodell 7)“ (Elsässer, 2000; Oser & Baeriswyl, 2001, S. 1056). Der Kern dieses Modells enthält 5 mentale Operationen, die in der folgenden Sequenz initiiert werden sollten (s. Tabelle 14.3): Basismodell: Routinebildung (7) 1. Ausführen (a) eine Kette von Handlungen, (b) eine Textfolge (z. B. auswendig zu lernendes Gedicht) oder (c) die Anwendung einer Menge von Regeln.
Tabelle 14.3: Basismodell 7 als Beispiel
2. Entwickeln einer inneren Vorstellung der Handlungskette, des Texts oder der Regeln durch: • vorangestellte Zerlegung des Ganzen, • antizipierte Festlegung der Grenzen jedes Teils, • Verstehen der Regeln für die Verbindung der Schritte jedes Teils, • Definition jeder Komponente. 3. Ausführung der Teile (a), (b) oder (c) mit jeweils kontrollierter Rückmeldung. 4. Bewertung der wiederholten Ausführungen von (a), (b) oder (c). 5. Wiederholung der Ausführung von (a), (b) oder (c), bis der Ablauf automatisiert ist.
Smith und Ragan (2005, S. 202) empfehlen für die Lehrzielkategorie „Prozedurales Wissen“ ein Entwurfsmuster (Konkretisierungen z. T. etwas modifiziert). Das Muster wurde von uns um die im Basismodell „Routinebildung“ zusätzlich betonten Aspekte erweitert (Hervorhebung): • Aufmerksamkeit der Lernenden wecken: Z. B. Fragen stellen, Prozedur demonstrieren, Wirksamkeit der Prozedur beschreiben. • Lehrziele nennen und Relevanz erläutern: Z. B. die zu lernende Prozedur beschreiben und erläutern, wann, wo und in welchem Kontext sie anwendbar ist. • Interesse und Motivation wecken: Z. B. Effizienz und Zuverlässigkeit der Prozedur ansprechen. • Überblick geben: Z. B. Prozedur abschnittsweise im Überblick erläutern. • Vorwissen aktivieren: Auf Komponenten bezogenes begriffliches Wissen, evtl. bekannte Teilprozeduren, relevante Prinzipien aufzeigen. • Information liefern und Verständnis fördern: Z. B. zunächst komplexe Prozeduren vereinfachen; Situationen, in denen die Prozedur anzuwenden ist, aufzeigen; die ein-
14.4 Prozedurales Wissen, Routinebildung, Training von Fertigkeiten
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zelnen Schritte der Prozedur; die Reihenfolge der Schritte; Kriterien für die Korrektheit der Ausführung; evtl. Elaboration fördern über mehrere Durchgänge. • Aufmerksamkeit fokussieren: Z. B. kritische Situationsmerkmale für die Verwendung der Prozedur identifizieren; (Bedingungen für) Übergänge zwischen den Schritten hervorheben – wie erkennbar? Hinweisreize für Korrektheit der Ausführung (woran bzw. wie erkennt man das?) geben. • Lernstrategien fördern bzw. anwenden: Z. B. Arbeitshilfen aufzeigen, Merkhilfen für die richtige Reihenfolge geben. • Üben: Situationen erkennen, in denen die Prozedur anzuwenden ist; Reihenfolge der Schritte einhalten; korrekte und vollständige Durchführung der Prozedur; innere (mentale) Vorstellung beim Lernenden initiieren. • Informativ-bewertendes Feedback: Richtige Antwort bzw. richtige Durchführung mit Erläuterung, Checkliste oder Einschätzskala, evtl. Video-Feedback geben. • Erneutes Üben bis zur Automatisierung. • Rückblick und Zusammenfassung: Wichtigste Schritte wiederholen und zugrunde liegende Prinzipien (warum?), Anwendungssituationen darlegen. • Transfer fördern: Z. B. Verknüpfen mit Problemlösungen, komplexere Prozeduren aufzeigen. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Den Nutzen der gelernten Prozedur aufzeigen (z. B. hinsichtlich Effizienz, Zuverlässigkeit). • Überprüfung der Leistung: U. a. Kontext der Anwendung, richtige Reihenfolge und Vollständigkeit der Schritte (Teilprozeduren), Erkennen der korrekten Ausführung der Prozedur prüfen. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Auf häufige Fehler und Missverständnisse hinweisen.
14.5 Begriffslernen und Aufbau von Zusammenhangswissen (Regeln, Prinzipien, Theorien) Da Begriffe quasi die Bausteine von Wissensstrukturen sind, spielt der Erwerb von Begriffen und der Aufbau begrifflicher Zusammenhänge bei nahezu jeder Instruktion eine Rolle. In der Kognitionspsychologie gibt und gab es unterschiedliche Sichtweisen und Forschungsansätze zum Lernen von Begriffen, die u. E. für das Instruktionsdesign nebeneinander von Bedeutung sein können. Frühe Forschungsarbeiten beschäftigten sich hauptsächlich mit konkreten anschaulichen Begriffen und konzipierten Instruktionsstrategien dafür. Aebli (1981) entwickelte im Rahmen seiner kognitiven Handlungstheorie Vorgehensweisen, die sich insbesondere auch auf abstrakte, „definierte“ Begriffe sowie auf komplexe Begriffe und begriffliche Zusammenhänge beziehen. Osers Basismodelle 4a und 4b beruhen im Wesentlichen auf Aeblis Theorie. Tabelle 14.4 gibt die Basismodelle 4a und 4b zusammengefasst wieder.
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
Begriffsbildung/Konzeptbildung (Basismodelle 4a/4b) a1. Direktes oder indirektes Bewusstmachen der bereits bestehenden, für die weitere Arbeit notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen (Aktualisierung des Bekannten). b1. Direktes oder indirektes Bewusstmachen der bereits bestehenden, für die weitere Arbeit notwendigen Kenntnisse (Konzepte), evtl. auch der entsprechenden Erfahrungen (Aktualisierung des Bekannten).
Tabelle 14.4: Basismodelle 4a und 4b in einer Tabelle zusammengefasst (vgl. Elsässer, 2000)
a2. Vorstellen und Durcharbeiten eines Prototyps, d. h. eines Musterbeispiels des Begriffs, in dem alle wesentlichen Merkmale oder Elemente des Begriffs enthalten sind. b2. Vorstellen und Durcharbeiten eines Prototyps, d. h. eines Beispiels, in dem das Konzept ganzheitlich enthalten ist. a3. Darstellen bzw. Erarbeiten der neuen Merkmale oder Elemente des Begriffs, die im Prototyp enthalten sind (explizite Darstellung oder Erarbeitung des zu Lernenden). b3. Darstellen bzw. Erarbeiten der wesentlichen Prinzipien und Grundsätze des Konzepts (explizite Darstellung bzw. Erarbeitung des zu Lernenden). a4. Aktiver Umgang mit dem neuen Begriff (Anwendung): zu anderen, bereits bekannten Begriffen in Beziehung setzen (Ober- und Unterbegriffe, andere Begriffe aus dem gleichen Bereich etc.) und zu Beispielen auf verschiedenen Repräsentationsebenen (handelnder Umgang mit dem Begriff). b4. Aktiver Umgang mit dem neuen Konzept (Anwendung, Synthese, Analyse): zu anderen, bereits bekannten Konzepten, Begriffen und Beispielen in Beziehung setzen. a5. Anwendung des neuen Begriffs in anderen Bereichen und Analyse/Synthese ähnlicher oder verwandter Begriffe (Vernetzung). b5. Kombination verschiedener Konzepte zu größeren Einheiten (Systemen).
Als Beispiel für die Umsetzung des Basismodells 4 wird im Folgenden eine Konzeption zur Einführung des Begriffs „Umsatzsteuer“ dargestellt (Niegemann et al., 2004, S. 82 ff.). 1. Lernenden wird eine Rechnung präsentiert, in der keine Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Der dort dargestellte Geschäftsvorfall, der dem Lernenden in den Grundzügen bereits bekannt ist, wird in Form und Inhalt beschrieben.
Beispiel zu Basismodell 4
2. Eine zweite beispielhafte Rechnung wird vorgestellt, in der der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet. Danach werden anhand einer dritten Beispielrechnung der normale Steuersatz und dessen Verbuchung verdeutlicht. 3. Anhand einer konkreten Aufgabe soll der Lernende nun (z. B. mit Hilfe einer Musterlösung) die Verbuchung der Umsatzsteuer bei Ausgangsrechnungen vornehmen. Der Kontotyp Umsatzsteuer wird erklärt und in Beziehung mit bereits bekannten Konten gebracht. In einem zweiten Schritt wird die Verbuchung der Umsatzsteuer bei Eingangsrechnungen erarbeitet; der Begriff der Vorsteuer wird eingeführt. Analog werden im Folgenden anhand von Aufgabenrechnungen die Begriffe „Zahllast“ bzw. „Vorsteuerüberhang“ erläutert und deren buchungstechnische Ermittlung dargestellt. 4. Die Lernenden machen sich mit den erlernten Begriffen vertraut, indem sie ihnen bereits bekannte Geschäftsvorfälle um die Berechnung der Umsatzsteuer erweitern. 5. Abschließend wird ein kompletter Geschäftsvorfall mit gemischten Buchungssätzen auf Konten verbucht (inkl. Eröffnungs- und Schlussbilanzierung).
14.5 Begriffslernen und Aufbau von Zusammenhangswissen (Regeln, Prinzipien, Theorien)
161
Smith und Ragan unterscheiden (offensichtlich in der Tradition Gagnés) zwischen Begriffslernen (Smith & Ragan, 2005, S. 171 ff.) und dem Lernen von Prinzipien (Smith & Ragan, 2005, S. 204 ff.). Ersteres entspricht dem gleichnamigen Basismodell 4a, das Lernen von Prinzipien entspricht weitgehend Osers „Konzeptbildung“. Die beiden Entwurfsmuster von Smith und Ragan sind jeweils wieder um Schritte erweitert, welche die im entsprechenden Basismodell genannten Operationen initiieren sollten. Das Entwurfsmuster zur „Vermittlung von Begriffen“ umfasst die folgenden Schritte: • Aufmerksamkeit der Lernenden, Interesse und Motivation wecken: Hervorheben der Begriffsbezeichnung; z. B. bildhafte (evtl. humorvolle) Darstellung, die sich auf den Begriff bezieht; interessante Informationen zum Ursprung oder zur Geschichte des Begriffs; erste Gegenüberstellung eines (Positiv-)Beispiels (PB) und eines Negativbeispiels (NB) für den Begriff. Bei Entscheidung für ein explorierendes Instruktionsformat: Lernende die Unterschiede zwischen PB und NB explorieren lassen. • Lehrziele nennen: Z. B. Lehrziel explizit nennen, bei explorativem Format verzögert. • Überblick geben: Wichtigkeit von PB, NB und Übung erläutern; bei explorativem Format Überblick über „Suchprozess“ geben. • Vorwissen aktivieren: Auf Begriffsmerkmale bezogenes begriffliches Wissen, evtl. Advance Organizer, Analogien, Fragen, hinweisen. • Information liefern und Verständnis fördern: Prototypisches Beispiel und/oder Definition präsentieren; hervorheben der kritischen Merkmale, Durcharbeiten fördern; Gegenüberstellung von PB und NB; Begriff(sbeispiele) in seiner/ihrer Variationsbreite darstellen (Variation irrelevanter Merkmale). • Aufmerksamkeit fokussieren: Z. B. Isolieren kritischer Merkmale in Beispielen und diese (evtl. grafisch) hervorheben. • Lernstrategien fördern bzw. anwenden: Z. B. Begriffsnetze (concept maps), Merkhilfen, bildhafte Darstellungen erzeugen. • Üben: PBs und NBs aus bisher unbekannten Instanzen identifizieren, variieren der Schwierigkeit und der Zusammenstellung der Instanzen, Kategorisierungen erklären, Beispiele generieren; in Beziehung zu anderen Begriffen setzen. • Informativ-bewertendes Feedback: Hinweise auf einzelne Merkmale geben. • Rückblick und Zusammenfassung: Kritische Merkmale wiederholen; wichtigste Information wiederholen bzw. paraphrasieren. • Transfer fördern: Z. B. Anwendung auf neue Fälle (außerhalb der Instruktionssituation), neue PBs und NBs identifizieren. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Den Nutzen des Gelernten aufzeigen. • Überprüfung der Leistung: U. a. Fähigkeit, kritische Merkmale bzw. ihr Fehlen zu erkennen und zu unterscheiden; Variationsbreite der relevanten und irrelevanten Merkmale beim Testen berücksichtigen. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Auf Übergeneralisierung oder -diskriminierung besonders hinweisen. Das Entwurfsmuster für das „Lernen von Prinzipien“ (begriffliche Zusammenhänge) nach Smith und Ragan ist ähnlich aufgebaut; auch hier wurden fehlende oder zu
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
wenig betonte Anregungen mentaler Operationen im Sinne des Basismodells „Konzeptbildung“ ergänzt (Hervorhebung): • Aufmerksamkeit der Lernenden wecken: Neugier erzeugende Situation oder Problemstellung präsentieren. • Lehrziele nennen (Verstehen des Prinzips, der begrifflichen Zusammenhänge). • Interesse und Motivation: Interessante zu erklärende Situation oder Problem darstellen/aufzeigen. • Überblick geben: Inhaltlicher Überblick bei expositorischem Instruktionsformat; eher perspektivisch bei exploratorischem Format. • Vorwissen aktivieren: Zugrunde liegende Begriffe (Komponenten des Prinzips) bewusst machen; evtl. eigene Erfahrungen anführen. • Information liefern und Verständnis fördern, Informationsverarbeitung fördern: Beziehungen zwischen den Begriffen darstellen oder Erkennen induzieren; Anwendung demonstrieren, vorstellen und durcharbeiten eines Prototyps, in dem das zu vermittelnde Prinzip ganzheitlich enthalten ist. • Aufmerksamkeit fokussieren: Kovariation der Variablen bei begrifflichem Zusammenhang aufzeigen, wesentlichen Zusammenhänge darstellen oder erarbeiten lassen. • Lernstrategien fördern bzw. anwenden: Erinnerungshilfe anbieten, evtl. als Diagramm. • Üben: Änderungen vorhersagen bzw. erklären lassen, z. B. „was geschieht, wenn sich eine Variable ändert?“ Erklären oder erkennen lassen, wann das Prinzip anwendbar ist; feststellen, ob das Prinzip auf ein Beispiel richtig angewandt wird; zu anderen Prinzipien und Begriffen in Beziehung setzen (bzw. dies initiieren). • Informativ-bewertendes Feedback: Anwendbarkeit des Prinzips, Korrektheit der Aufgabenlösung prüfen. • Rückblick und Zusammenfassung: Prinzip wiederholen, Kombination verschiedener Prinzipien zu größeren Einheiten (Systemen) durchführen. • Transfer fördern: Zeigen oder entdecken lassen, wie das gelernte Prinzip beim Lösen von Problemen angewandt wird; authentische Anwendungssituationen aufzeigen. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Relevanz für die Praxis aufzeigen (Beispiele). • Überprüfung der Leistung: Anwendbarkeit des Prinzips erkennen, für Vorhersage, Erklärung und Steuerung verwenden lassen. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Fehlkonzeptionen und Missverständnisse aufdecken, Übergeneralisierung, Überdiskriminierung aufzeigen.
14.6 Problemlösen lernen Problemlösende Instruktion zielt darauf ab, zunächst noch kontextgebundenes Wissen und entsprechende Fähigkeiten mit einem konditionalen Bezug zur Anwendungssitua-
14.6 Problemlösen lernen
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tion aufzubauen. Im Unterschied zum Regel- oder Prinzipienlernen (was vorausgesetzt wird), steht im Mittelpunkt die Fähigkeit, zu wissen, unter welchen Bedingungen bestimmte Regeln oder Prinzipien zweckmäßigerweise angewandt werden können und sollen. Ziel der Vermittlung von Problemlösefähigkeiten ist im Allgemeinen die Ausbildung von Expertise (Glaser, Chi & Farr, 1988). Es handelt sich somit hier insbesondere um domänenspezifische Fähigkeiten, weniger um „generische“, allgemeine Problemlösefähigkeiten, deren Vermittlung in Abschn. 14.7 behandelt wird. Tabelle 14.5 zeigt zunächst Osers Basismodell zum Problemlösen. Tabelle 14.5: Basismodell 3
Problemlösen (Basismodell 3) 1. Die Lernenden entdecken ein „Hier und jetzt“-Problem in ihrem Erfahrungsbereich oder es wird ein Problem vermittelt, z. B. basierend auf Diskrepanzerlebnissen zwischen Erwartung und Erfahrung (Problemgenerierung). 2. Formulieren des Problems, bestehend aus den Ausgangsbedingungen und einem anzustrebenden Ziel; Mittel (Lösungsweg) sind unbekannt (Problemformulierung, möglichst exakt). 3. Die Lernenden machen einen Lösungsvorschlag, eventuell mehrere unterschiedliche Vorschläge (Variation). 4. Prüfung, ob die vorgeschlagenen Lösungswege bei den Ausgangsbedingungen zielführend sind (Lösungswege testen, Selektion); wenn kein Lösungsweg zielführend ist: zurück zu Schritt 3. Wenn ein Lösungsweg oder mehrere Lösungswege zufrieden stellend zielführend ist oder sind, diese/n festhalten (Retention). 5. Anwendung des Lösungswegs auf neue Probleme des gleichen Typs, Analyse der Übertragbarkeit oder Verallgemeinerbarkeit des gewählten Lösungswegs, abstrakte Verallgemeinerung etc. (Vernetzung, Transfer etc. ermöglichen).
Das entsprechende Entwurfsmuster zur „Problemlöse-Instruktion“ von Smith und Ragan umfasst folgende Schritte (Ergänzungen aufgrund des gerade gezeigten Basismodells sind wiederum hervorgehoben): • Aufmerksamkeit, Interesse und Motivation der Lernenden wecken: Darbietung eines anspruchsvollen Problems auf neuartige Art und Weise; Problem von den Lernenden entdecken lassen. • Lehrziele nennen und Relevanz erläutern: Probleme beschreiben, welche die Lerner lösen lernen sollen. • Überblick geben: Erläutern, dass die Probleme zunehmend komplexer werden. • Vorwissen aktivieren: Relevantes Vorwissen (Fakten, Begriffe, Regeln) bewusst machen; Möglichkeiten zeigen, Wissen besser zu organisieren. • Information liefern und Verständnis fördern: Mit einfacher bzw. vereinfachter prototypischer Version des Problems beginnen; Aufgabenanforderungen beschreiben (lassen); durch „lautes Denken“ Verhaltensmodell für Problemlösung anbieten; Probleme in Unterprobleme bzw. Teilaufgaben zerlegen. • Aufmerksamkeit fokussieren: „Gegeben“ und „Gesucht“ unterscheiden (lassen); Begriffsnetze erstellen und Analogien verwenden; Erfolg bei (Teil-)Lösungen überwachen; anleitende/weiterführende Fragen stellen und Lösungshinweise geben; Problem auf unterschiedliche Art und Weise repräsentieren; Medien als externe Speicher
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
verwenden; unterschiedliche Lösungsvorschläge von Lernenden einholen und jeweils Wirksamkeit überprüfen. • Üben, Anwenden: Identifizieren von „Gegeben“ und „Gesucht“; Zerlegen von Problemen in Teil-/Unterprobleme üben; Bewerten der Angemessenheit von Lösungsverfahren üben; zuerst mit wohldefinierten Problemen üben. • Informativ-bewertendes Feedback: Lösung vormachen oder Lösungsmuster anbieten; Hinweise zum Fragenstellen geben; Informationen zur Wirksamkeit und Effizienz von Lösungen liefern. • Rückblick und Zusammenfassung: Kritische (relevante) Merkmale der Problemkategorie wiederholen; wirksame Vorgehensweisen zusammenfassen; Möglichkeiten zum besseren Behalten aufzeigen. • Transfer fördern: Ähnliche, authentische Probleme aufzeigen; auf Anwendungsmöglichkeiten bei anderen Problemarten explizit hinweisen. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Wichtigkeit und Umfang der Anwendbarkeit des Gelernten darstellen. • Überprüfung der Leistung: Fähigkeit, ähnliche, aber neue Probleme zu lösen, prüfen; auch nicht wohldefinierte Probleme; Fähigkeit, „Gegeben“ und „Gesucht“ zu unterscheiden; Fähigkeit, die Lösungen anderer zu bewerten; Fähigkeit, Lösungen zu rechtfertigen. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Feststellen, ob Schwierigkeiten vorliegen bei Schemaerkennung, Problemanalyse, Erklärung von Lösungen.
14.7 Erwerb kognitiver Strategien Kognitive Strategien sind Vorgehensweisen, die Lernende einsetzen, um ihre eigenen kognitiven Prozesse zu überwachen und zu steuern: sogenannte Lern- und Denkstrategien. Denkstrategien sind im Wesentlichen identisch mit allgemeinen Problemlösefähigkeiten (der letzte Abschnitt behandelte insbesondere die Vermittlung domänenspezifischer Problemlösefähigkeiten). Tabelle 14.6: Basismodell 6
Lernen von Strategien (nach Sarasin, 1995) (Basismodell 6) 1. Direkte oder indirekte Bewusstmachung jener bisher erworbenen Strukturen, die eine Disäquilibration (sensu Piaget/Aebli) begünstigen. 2. Perzeption der Strategie als solcher (Elemente, Verkettung, Effekt). 3. Anwendung und Generalisierung durch Aufbau unterschiedlicher Inhalte in stetem Wechsel mit Schritt 4. 4. Evaluation der Strategie, Grenzziehung, Kritik. Dabei sollen spontane Vorgehensweisen bewusst gemacht werden, um neue Strategien mit ihnen zu vergleichen und sie bestmöglich in das bestehende strategische Repertoire zu integrieren.
Das Ziel, selbstständiges und eigenverantwortliches Lernen durch die Vermittlung und/oder das Bewusstmachen geeigneter Strategien („Lernen lernen“) zu erleichtern,
14.7 Erwerb kognitiver Strategien
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steht im Mittelpunkt dieses Basismodells. Eine empirische Studie zu diesem Basismodell hat Sarasin vorgelegt (Sarasin, 1995). Zur Erläuterung dieses Lehrzieltyps und des Basismodells wird als Beispiel die Einführung und das Training der Lesestrategie SQ3R nach Robinson skizziert: Beispiel zu Basismodell 6
1. Die Lernenden haben die Aufgabe, einen angemessenen, nicht zu langen Text so gut zu studieren, dass sie danach inhaltliche Fragen beantworten können. Im Anschluss daran werden sie befragt, wie sie die Aufgabe bewältigt haben. Der Lehrende bzw. das Lernprogramm zeigt den Lernenden, dass es vorteilhaft sein kann, eine bestimmte Strategie einzusetzen. Die Vorgehensweisen der Lernenden wird auf ihren Erfolg hin hinterfragt. 2. Die Lesestrategie SQ3R (Survey, Question, Read, Recall, Review) wird vorgestellt und erläutert. 3. Die Lernenden probieren diese Strategie anhand verschiedenartiger Texte aus. 4. Eine Evaluation soll der Frage nachgehen, ob Lernende die neue Strategie als erfolgversprechend einschätzen und wo die Grenzen und evtl. Alternativen dazu gesehen werden. Möglicherweise kann die bisherige individuelle Vorgehensweise mit Elementen der SQ3R-Methode zu einer neuen akzeptierten Strategie weiterentwickelt werden. Smith und Ragan entwickelten ein Entwurfsmuster für die „Vermittlung kognitiver Strategien“, das folgende Schritte umfasst. Auch hier sind Ergänzungen, die aus dem Basismodell von Oser übernommen werden, hervorgehoben: • Aufmerksamkeit der Lernenden wecken: Praxisaufgaben, welche die zu vermittelnde Strategie erfordern, vorstellen bzw. ansatzweise lösen lassen. • Interesse und Motivation wecken: Bedeutung von strategischem Denken beim Lernen erörtern. • Einstieg ins Thema: Die gesamte Strategie im Überblick darstellen. • Vorwissen aktivieren: An früher vermittelte Strategien oder ähnliche Aufgaben erinnern; Disäquilibration provozieren (s. Schritt 1 des Basismodells). • Information liefern und Verständnis fördern: Praxissituationen anbieten, in denen die Verwendung der Strategie angemessen ist; Negativbeispiele ins Spiel bringen (Situationen, in denen die Strategie nicht angemessen wäre); evtl. Verhaltensmodell präsentieren, laut denken; Strategie als Ganzes im Auge behalten (Reihenfolge der Elemente, Verkettung, Wirkung). • Aufmerksamkeit auf das Problem lenken: Kritische Merkmale von Aufgaben/Situationen bzgl. der Angemessenheit des Einsatzes der Strategien; zeigen, woran man erkennen kann, dass der Einsatz der entsprechenden Strategie angemessen ist. • Lernstrategien anwenden: Bei Anwenden der Strategie laut denken; auf unterschiedliche Inhalte anwenden. • Übung: Kontext und Aufgaben finden (identifizieren), für welche die zu lernende Strategie angemessen ist; Grund für Angemessenheit erklären. Strategie sukzessive auf immer schwierigere Fälle/Aufgaben anwenden; Übungen mit reziprokem Lehren.
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
• Informativ-bewertendes Feedback: Bewertung durch Lernpartner, Gruppenfeedback ermöglichen, Ergebnisse der Strategieanwendung bewerten; Anwendung der Strategie kritisch bewerten, Vergleich mit spontanem Vorgehen. • Rückblick und Zusammenfassung: Schritte der Strategie(nutzung) und Aufgabenlösung, bei welcher die Strategie eingesetzt wurde, bewerten. • Transfer fördern: Z. B. Lernhilfen sukzessive zurücknehmen; Strategie vergleichen; Anwendung der Strategie kritisch bewerten und mit spontanem Vorgehen vergleichen. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Zusammenspiel zwischen Anstrengung und Strategieanwendung erkennen. • Überprüfung der Leistung: Direkte Beobachtung; „Produkte“ der Strategieanwendung prüfen und bewerten. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Wurde die/eine angemessene Strategie gewählt? Wurde die Strategie korrekt angewendet? Wurde der Erfolg der Strategie wahrgenommen und die Strategie nötigenfalls angepasst?
14.8 Aufbau bzw. Förderung von Einstellungen Affektive Lehrziele treten allzu oft gegenüber den kognitiven in den Hintergrund. Dabei haben Lehrende durchaus derartige Ziele im Sinn, sei es, weil eine positive (oder negative) Einstellung zu einem bestimmten Gegenstand als günstig für die Kompetenzentwicklung betrachtet wird oder weil die Einstellung bzw. deren Veränderung selbst ein explizites Lehrziel ist. Anwendungsbereiche liegen z. B. im Bereich der „public education“: Bei der Aufklärung über Drogenkonsum und andere Gesundheitsrisiken, politische Bildung, kritisches Denken sind die letztlich angestrebten Ziele durch die ausschließliche Vermittlung kognitiver Lehrinhalte nicht erreichbar. Aber auch in typisch „kognitiven“ Domänen ist es zweckmäßig, positive Einstellungen zu den Lerngegenständen zu vermitteln. Obwohl Oser sich keineswegs auf kognitive Lehrzieltypen beschränkt, enthält sein System nicht explizit die Kategorie „Vermittlung oder Veränderung von Einstellungen“. Wir stellen daher hier das entsprechende Entwurfsmuster von Smith und Ragan vor. Es basiert u. a. auf verschiedenen instruktionstechnologisch relevanten sozialpsychologischen Theorien (Smith & Ragan, 2005, S. 262 f.) • Aufmerksamkeit der Lernenden wecken: An eine interessante Situation anknüpfen (über Situation kann durch Bild, Zeitungsmeldung etc. informiert werden). • Interesse und Motivation wecken: Z. B. versuchen zu erreichen, dass sich Lernende mit einer Figur identifizieren oder sich in die Situation hineinversetzen. • Lehrziele nennen: Direkt oder indirekt, generelles Nicht-Nennen der Ziele wäre manipulierend. • Übersicht: Indirekt, kann hier auch entfallen. • Vorwissen aktivieren: (Ziel-)Überzeugung durch Darstellung der bisherigen (zu verändernden) Einstellung.
14.8 Aufbau bzw. Förderung von Einstellungen
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• Information liefern und Verständnis fördern: Einstellungen aktivieren, z. B. durch Überzeugung, Rollenspiel, Diskussion oder Simulation. • Aufmerksamkeit fokussieren: Wenn die Lernenden überzeugt werden sollen, z. B. respektiertes „Vorbild“ zur Förderung der Überzeugung einsetzen; wenn nötig, deutlich machen, dass das „Vorbild“ Wertschätzung erfährt. • Lernstrategien fördern bzw. anwenden: Mnemotechnik, Sprüche (slogans) einsetzen, um Behalten der kognitiven Aspekte der Einstellung zu fördern. • Übung: Kognitive, affektive und Verhaltenstechniken üben, damit Lernende wissen, wie sie sich verhalten sollen und „wie sich das anfühlt“. • Informativ-bewertendes Feedback: Wert legen auf „natürliche Konsequenzen“ (bzw. deren Darstellung); kognitive und affektive Aspekte bzw. Verhalten miteinander verknüpfen. • Rückblick und Zusammenfassung: Klare Darstellung des gewünschten Verhaltens anbieten; Ziel und Zweck des Lehrstoffs verdeutlichen. • Transfer fördern: Anwendungssituationen besprechen, Rollenspiele und Simulationen verwenden. • Abschließende Motivierung und Abschluss: Verdeutlichen, wie das neu Gelernte umgesetzt werden kann. • Überprüfung des Lernergebnisses: Wenn möglich, Verhalten unter natürlichen Bedingungen zeigen, sonst: Rollenspiel und die Simulationen von Situationen. • Feedback und Remediationsmöglichkeit: Wenn möglich: „natürliche Konsequenzen“ betonen, entsprechende Hinweise darauf. Kognitive, affektive und Verhaltensaspekte gleichermaßen berücksichtigen.
14.9 Anwendung von didaktischen Entwurfsmustern der Lehrstoffstrukturierung Der Lehrstoff eines Kurses ist eher selten genau einem Lehrzieltyp zuordenbar. In der Regel werden mehrere Lehrzieltypen innerhalb eines Kurses oder einer Lehreinheit adressiert. Die entsprechenden Muster müssen dann sinnvoll kombiniert werden (s. auch Oser & Baeriswyl, 2001, S. 1049 ff.). In der Praxis dürfte es dabei nur selten zu widersprüchlichen Regeln kommen, zumal viele Elemente in mehreren Mustern vorkommen. Wichtig ist, dass die Kernelemente des jeweiligen Entwurfsmusters realisiert werden, also diejenigen Schritte, welche geeignet sind, bei den Lernenden die entscheidenden mentalen Operationen auszulösen. Sicherlich gibt es in den dargestellten Mustern Elemente, die bereits in den Formatmustern enthalten sind. Auch hier dürfte der Abgleich zwischen den Anforderungen bzw. Empfehlungen des gewählten Formats einerseits und denen des Lehrzieltypmusters in der Praxis wenig Probleme bereiten. Formatentscheidung und Festlegung der Lehrzieltypen sind auch nicht völlig unabhängig voneinander zu treffen, die Feststellung des Lehrzieltyps resultiert aus der Wissens- und Aufgabenanalyse, die der Formatentscheidung immer vorangehen sollte.
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14 Lehrstoffstrukturierung und Lehrzieltyp
14.10 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden konkrete Hinweise zur Strukturierung des Lehrstoffs bei bestimmten Lehrzieltypen gegeben: Faktenwissen, prozedurales Wissen, Begriffserwerb und das Lernen von Prinzipien und Zusammenhangswissen, Problemlösen, Strategielernen und die Förderung von Einstellungen. Berücksichtigt wurden dabei sowohl die Basismodelle nach Oser als auch die Entwurfsmuster, die von Smith und Ragan vorgeschlagen werden.
Literatur Aebli, H. (1981). Denken: Das Ordnen des Tuns, Bd.2. Stuttgart: Klett-Cotta. Anderson, L. W. & Krathwohl, D. R. (Eds.). (2001). A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing. A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. New York,: Addison-Wesley. Bloom, B. S. (Hrsg.) (1972): Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. 4. Auflage. Weinheim: Beltz. Brouër, B. (2001). Förderung der Wahrnehmung von Lernprozessen durch die Anwendung der Basismodelle des Lernens bei der Gestaltung von Unterricht. Unterrichtswissenschaft, 29(2), 153−170. Chi, M., Glaser, R. & Farr, M. J. (1988). The nature of expertise. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Elsässer, T. (2000). Choreografien unterrichtlichen Lernens als Konzeptionsansatz für eine Berufsfelddidaktik (SIBP Schriftenreihe No. 10). Zollikofen (CH): Schweizerisches Institut für Berufspädagogik (SIBP). Glaser, R., Chi, M., & Farr, M. J. (Eds.). (1988). The nature of expertise. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Krathwohl, D. R. (2002). A revision of Bloom’s Taxonomy: an overview. Theory into Practice, 42(4). Krathwohl, D. R., Bloom, B. S. & Masia, B. B. (1975). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich. Weinheim, Basel: Beltz. Merrill, M. D. (1983). Component display theory. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional design theories and models: An overview of their current status (pp. 279−333). Hillsdale, N.J.: Erlbaum. Niegemann, H. M., Hessel, S., Hochscheid-Mauel, D., Aslanski, K., Deimann, M. & Kreuzberger, G. (2004). Kompendium E-Learning. Heidelberg: Springer. Oser, F. & Baeriswyl, F. J. (2001). Choreographies of Teaching: Bridging Instruction to Learning. In V. Richardson (Ed.), Handbook of Research on Teaching, 4th ed. (pp. 1031−1065). Washington, DC: American Educational Research Association. Oser, F. & Patry, J.-L. (1990). Choreographien unterrichtlichen Lernens. Basismodelle des Unterrichts. (Berichte zur Erziehungswissenschaft No. Nr. 89). Fribourg (CH): Pädagogisches Institut der Universität Freiburg (Schweiz). Oser, F. & Patry, J.-L. (1994). Sichtstruktur und Basismodelle des Unterrichts: Über den Zusammenhang von Lehren und Lernen unter dem Gesichtspunkt psychologischer Lernverläufe. In R. Olechowski & B. Rollett (Hrsg.), Theorie und Praxis. Aspekte empirisch-pädagogischer Forschung – quantitative und qualitative Methoden. (S. 138–146). Frankfurt a. M., Bern: Peter Lang. Oser, F., Patry, J.-L., Elsässer, T., Sarasin, S. & Wagner, B. (1997). Choreographien unterrichtlichen Handelns, Schlussbericht an den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Fribourg (CH): Pädagogisches Institut der Universität. Oser, F., Patry, J.-L., Elsässer, T., Sarasin, S. & Wagner, B. (1997). Choreographien unterrichtlichen Lernens. Freiburg (CH): Pädagogisches Institut der Universität Freiburg (CH). Sarasin, S. (1995). Das Lernen und Lehren von Lernstrategien. Theoretische Hintergründe und eine empirische Untersuchung zur Theorie „Choreographien unterrichtlichen Lernens“. Hamburg: Dr. Kovac. Smith, P. L., & Ragan, T. J. (2005). Instructional design (3rd ed.). Hoboken, NJ: Wiley/Jossey-Bass. Wagner, B. (1999). Lernen aus der Sicht der Lernenden. Eine Untersuchung zum Einfluß des BasismodellUnterrichts auf das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang.
Literatur
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Teil V Multimedia-Design
15 Text
Seit fünf Jahrhunderten wird über das gedruckte Buch Wissen verbreitet und an nachfolgende Generationen weitergegeben. Die Verschriftlichung unseres Wissens ist ein bedeutender Aspekt unserer Kultur. Für jedes Kind ist es wichtig, lesen und schreiben zu lernen. Kinder beginnen sehr schnell zuerst aus Bildern, dann aus gesprochenem Text sowie spätestens in der Schule aus geschriebenem Text Wissen zu erwerben. Für das Lernen hat das geschriebene Wort eine große Bedeutung. Demzufolge ist es auch häufig nicht zu vermeiden, will man multimedial Wissen vermitteln und Lernen anregen, größere Mengen Text auf dem Bildschirm zu präsentieren. Doch welche Besonderheiten sind bei der Textpräsentation am Bildschirm zu beachten? Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, wissen Sie,
Lehrziele
• wie Texte am lernförderlichsten am Bildschirm präsentiert werden, • welche kognitiven Prozesse beim Textlesen eine Rolle spielen, • warum das Vorwissen des Lesers entscheidend für das Textverstehen ist, • welche Gestaltungs- und Strukturierungsmittel helfen, einen Text verständlich zu gestalten.
15.1 Texte auf dem Bildschirm Der Bildschirm ist für die Präsentation von längeren Texten nicht geeignet. Es ist viel mühsamer und anstrengender, Texte am Bildschirm zu lesen als gedruckt in einem Buch (Ballstaedt, 1997). Welche Variablen für den Unterschied in der Lesegeschwindigkeit zwischen der Präsentation von Text in einem Buch und der von Text auf dem Bildschirm verantwortlich sind, ist noch nicht vollständig geklärt. Aber es ist davon auszugehen, das mehrere Variablen, wie Schriftbild, Schriftart, Monitorgröße, Blickwinkel, Bildfrequenz (Flimmern) und Leseabstand durchaus einen Einfluss haben können (Ballstaedt, 1997). Will man dennoch längere Texte auf dem Bildschirm darstellen, ist Scrollen oder seitenweises Weiterblättern von einer Bildschirmseite zur nächsten unumgänglich. Beim
15.1 Texte auf dem Bildschirm
Längerer Text lässt sich schwerer auf dem Bildschirm als in einem Buch lesen
Bedeutung der Lesefreundlichkeit
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seitenweisen Weiterblättern ist der gesamte Text in mehrere Textabschnitte geteilt, die nacheinander Bildschirmseite für Bildschirmseite aufgerufen und rezipiert werden können. Beim Scrollen rückt der Text kontinuierlich Zeile für Zeile weiter. Bisher ist nicht eindeutig geklärt, welche Form für das Lesen und Lernen die geeignetste ist. Lediglich horizontales Scrollen, bei dem der Text Buchstabe für Buchstabe und Wort für Wort in Leserichtung weiterrückt, sollte vermieden werden (Nielsen, 2000). Denn horizontales Scrollen wirkt sich negativ auf die Lesegeschwindigkeit aus. Bevor jedoch darauf eingegangen wird, wie Text am günstigsten auf dem Bildschirm dargestellt werden kann, müssen die kognitiven Prozesse näher betrachtet werden, die der Textverarbeitung zugrunde liegen. Nur mit Hilfe ihrer Kenntnis können sinnvolle inhaltliche, didaktische und gestalterische Orientierungshilfen für die Konzeption und Gestaltung von multimedialen Lernangeboten abgeleitet werden.
15.2 Textverstehen
Modelle des Textverstehens
Eine verbreitete Vorstellung ist, dass wir beim Lesen zunächst Buchstabe für Buchstabe, dann Wörter, Sätze usw. erkennen. Der Leseprozess ist aber sehr viel komplizierter und keineswegs so linear, wie man denken könnte. Viele Prozesse laufen parallel ab. Hilfreich für das Verständnis der ablaufenden Prozesse beim Textverstehen ist die kognitive Theorie multimedialen Lernens (Mayer, 2001, 2005a), das Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz & Bannert, 2003) sowie das integrierte Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005). Allen drei Modellen ist gemeinsam, dass geschriebener Text über die Augen wahrgenommen wird und relevante Textinhalte über Selektionsprozesse ausgewählt werden (s. differenziertere Modellbeschreibungen in Kap. 3). Textinformationen, die als relevant erkannt wurden, werden dann über den visuellen Kanal ins Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Das Ergebnis dieses Textverarbeitungsschrittes ist nach dem Text- und Bildverarbeitungsmodell (Schnotz & Bannert, 2003) eine oberflächliche Repräsentation des Textinhaltes im Arbeitsgedächtnis. Es folgen Mayers (2005a) kognitiven Theorie multimedialen Lernens zufolge Prozesse des Organisierens und Integrierens zentraler Aspekte der Textinformation. Aus der oberflächlichen Repräsentation des Textinhaltes werden durch diese Prozesse propositionale Repräsentationen erzeugt, die schließlich ergänzt um vorhandene Informationen aus dem Langzeitgedächtnis zu einem mentalen Modell des Textinhaltes umstrukturiert werden. Textverstehen erfolgt demnach in mehreren Phasen. Hier soll in Anlehnung an Ballstaedt (1997) von einer Einteilung in basale, semantisch-syntaktische, elaborative und reduktive Verarbeitung ausgegangen werden.
15.2.1 Basale Verarbeitung Während der basalen Verarbeitung laufen die Prozesse des Textverstehens bzw. vielmehr die Texterkennungsprozesse weitgehend automatisch im sensorischen Register ab. Relevant erkannte Textinhalte werden dann ins Arbeitsgedächtnis transferiert und dort zu einer oberflächlichen Repräsentation der essentiellen Textinhalte zusammengefügt (s. Kap. 3).
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15 Text
Es werden Zeichen entziffert und Wörter erkannt. Dabei gleitet der Blick nicht Buchstabe für Buchstabe vorwärts, sondern in Sprüngen, und zwar vorwärts und rückwärts. Zwischen den Sprüngen wird die entsprechende Textstelle etwa eine 1/4 Sekunde fixiert. Im Mittel werden bei jedem Vorwärtssprung (Vorwärtssakkade) jeweils acht Buchstaben „übersprungen“. Rückwärtssprünge (Rückwärtssakkaden) sind notwendig, wenn Verstehensprobleme auftreten. Wie die Worterkennung genau abläuft, ist bisher noch nicht vollständig bekannt. Sicher jedoch ist, dass ein geübter Leser größere Einheiten erfasst, z. B. Silben oder Wortstämme (McQueen, Norris & Cutler, 1994). Wörter zu erkennen umfasst auch, ihnen eine sinnvolle Bedeutung zuzuordnen. Dabei reicht es aus, wenn bereits einige Fragmente des Wortes erkannt werden, um den sinnvollen Begriff zuzuordnen. Dies funktioniert allerdings nicht, wenn der Lesende das Wort durch die Abfolge seiner Buchstaben zwar buchstabieren kann, den Begriff, den das Wort ausdrückt, aber nicht kennt. Es wird somit auch verständlich, dass ein Begriff, umso leichter und schneller gelesen bzw. aktiviert werden kann, je geläufiger er dem Lesenden ist. Demnach ist ein Text schwer verständlich, wenn er viele ungeläufige oder unbekannte Wörter, z. B. Fremdwörter, beinhaltet. Jedoch ist die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades abhängig vom Wortschatz und dem Wissen des Lernenden. Damit wird bereits klar, dass es keine objektiv schwierigen oder objektiv leichten Texte gibt: Die Schwierigkeit eines Textes ist stets eine Wechselwirkung zwischen Merkmalen des Lesers (u. a. Verfügbarkeit von Begriffen, Allgemein- oder Fachwissen) und Eigenschaften des Textes (u. a. verwendete Wörter). Der gleiche Text kann für eine Person (z. B. einen Experten) eher leicht verständlich sein, während er für einen Laien nahezu unverständlich ist. Neben dem Wissen des Lesenden haben aber auch typografische Merkmale der Schrift, wie Schrifttyp, Schriftgröße, Zeilenlänge und Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund einen messbaren Einfluss auf Lesegeschwindigkeit und Lesefehler (Ballstaedt, 1997).
Rolle des Vorwissens
Verständlichkeit
Einfluss typografischer Merkmale
15.2.2 Semantisch-syntaktische Verarbeitung Um einen längeren Text zu verstehen, muss der Lesende nicht nur die Begriffe aktivieren, sondern sie auch in inhaltliche Beziehungen zueinander setzen und damit Wissen konstruieren. Er muss sowohl die Begriffe im Satz untereinander als auch über Satzgrenzen hinweg miteinander in eine inhaltliche Beziehung bringen. Reißt dieser Prozess zu keiner Zeit ab und gelingt es dem Lesenden leicht, den Inhalt des Textes zu erfassen, ist der Text leicht zu lesen und kohärent. Eine kohärente propositionale Repräsentation des Textinhaltes ist nach dem Text- und Bildverarbeitungsmodell von Schnotz und Bannert (2003) Ziel der semantisch-syntaktischen Verarbeitung (s. Kap. 3). Die Kohärenz eines Textes bezieht sich auf die Syntax (syntaktische Kohärenz) und Semantik (semantische Kohärenz) eines Textes. Syntaktische Kohärenz bezieht sich auf einen korrekten Satzbau, indem z. B. das gleiche Wort mehrmals verwendet wird oder Konjunktionen oder Proformen (z. B. Pronomen) gebildet werden.
15.2 Textverstehen
Syntaktische Kohärenz
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Beispiel: Der Attentäter schoss zweimal auf den vorbeifahrenden Präsidenten. Der Präsident brach sofort zusammen. Er starb später im Krankenhaus. Die Kohärenz zwischen den beiden ersten Sätzen wird durch die Wiederholung des Nomens „Präsident“ hergestellt. Zwischen dem zweiten und dritten Satz erfolgt die Kohärenzherstellung durch die Verwendung des Personalpronomens „er“, für das sich im zweiten Satz ein eindeutiger Bezug (Referenz) finden lässt. Unter bestimmten Bedingungen verstehen wir jedoch auch Sätze, die keine syntaktische Kohäsion aufweisen. Beispiel: Er warf die Zigarettenkippe achtlos weg. Der Brandschaden betrug mehrere Millionen. Semantische Kohärenz
Diese beiden Sätze sind syntaktisch in keiner Weise verknüpft. Mit Hilfe unseres allgemeinen Weltwissens können wir dennoch eine klare Beziehung zwischen den beiden Sätzen herstellen: Wenn wir wissen, dass eine Zigarettenkippe glühen kann, dass Glut einen Waldbrand verursachen kann und dass Waldbrände hohe Schäden verursachen können, werden wir diese Sätze ohne Schwierigkeit als durchaus kohärent ansehen. Sie sind semantisch kohärent. Allerdings nur für diejenigen Leser, die über das erforderliche Wissen zum Verständnis des Textabschnittes verfügen. Für den Textproduzenten bedeutet dies, dass er das Vorwissen seiner Leser richtig einschätzen muss, wenn er sich darauf verlassen will, dass sein syntaktisch nicht kohärenter Text verstanden werden soll (van Dijk & Kintsch, 1983).
15.2.3 Elaborative Verarbeitung Während des Lesens eines Textes, z. B. über Australien, würden die meisten Lesenden zu irgendeinem Zeitpunkt innehalten und ihre Gedanken schweifen lassen. Das Ergebnis könnten z. B. nachfolgende Assoziationen, Einfälle oder Ideen sein: Beispiele: „Die australischen Ureinwohner hatten Bumerangs.“ „Ich habe den Film über die Meuterei auf der Bounty gesehen.“ „In Australien gibt es Kängurus; ich mag diese Tiere.“ „In Australien gab es letztes Jahr verheerende Waldbrände“.
Elaborationen
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Auch visuelles Wissen kann aktiviert werden: Vorstellungen auf der Basis von früher gesehenen Bildern, z. B. von Surfern vor der Küste, vom Ayers Rock, von der Silhouette Sydneys oder einer Wüste. Auch selbst generierte bildliche oder szenische Vorstellungen auf der Grundlage des allgemeinen Weltwissens kommen häufig vor (Ballstaedt, 1997). Solche Assoziationen, Einfälle oder Ideen werden als Elaborationen bezeichnet (Ballstaedt, 1997). Sie aktivieren das Vorwissen und regen so dessen Verknüpfung mit dem neuem Wissen an. Sie stützen die Organisation und Integration von neuem und bereits vorhandenem Wissen zu einem möglichst kohärenten mentalen Modell, ebenso wie die informationsverdichtende reduktive Verarbeitung (s. Kap. 3). Die Bedeutung solcher Elaborationen liegt in ihrer behaltensfördernden Wirkung. Wie Mandl und Ballstaedt (1982) zeigen konnten, behielten Personen, die viele Einfälle zu einem vorgegebenen Text hergestellt hatten, diesen deutlich besser als Personen, die
15 Text
wenig Einfälle produzierten (lediglich bei einigen Versuchspersonen mit extrem vielen Elaborationen galt dies nicht mehr). Zur Erklärung dieser Funktion wird auf die Annahme eines netzwerkartig organisierten Langzeitgedächtnisses zurückgegriffen: Wer sich Gedanken zum Lesestoff macht oder Vorstellungen erzeugt, verknüpft damit die neuen Informationen mit seinem Vorwissen. Er stellt Beziehungen zwischen neuem und bereits vorhandenem Wissen her. Durch die vielfältigeren Verbindungen zum Vorwissen fällt es dann leichter, auf das neue Wissen zuzugreifen und es wieder zu erinnern. Dieser Sachverhalt liefert die Grundlage für Lernstrategien, die darin bestehen, sich gezielt dazu anzuhalten, eigene Beispiele zu finden, Verknüpfungen mit dem Vorwissen und visuelle Vorstellungen zu generieren, sowie eigene Fragen zu formulieren. Diese Fähigkeit muss allerdings erlernt werden (Weinstein, 1978). Bei der Entwicklung von Lehrtexten in multimedialen Lernumgebungen ist es demnach empfehlenswert, entsprechende Anregungen oder Aufforderungen zum Elaborieren an geeigneter Stelle in den Text einzubauen.
Lernende zur Produktion von Assoziationen und Einfällen anregen
15.2.4 Reduktive Verarbeitung Normalerweise kann niemand alles behalten, was er liest. Es kommt darauf an, „das Wesentliche“ zu behalten. Was für einen bestimmten Lerner das Wesentliche ist oder sein soll, hängt von dessen eigenen Zielen bzw. den Lehrzielen des Textautors ab. Inwieweit es im Einzelfall gelungen ist, das Wesentliche oder das, was dafür gehalten wird, zu erfassen, konnte in Untersuchungen durch den Vergleich zwischen Originaltext und der zu diesem Text vom Lesenden erstellten Zusammenfassung gezeigt werden. Es stellte sich heraus, dass beim Zusammenfassen insbesondere drei Prozesse, eine Rolle spielen, (a) die Selektion, (b) die Generalisierung und (c) die Konstruktion. Diese drei Prozesse sind kennzeichnent für die reduktive Verarbeitung und verdichten die Information (Ballstaedt, 1997). Bei der Selektion werden bestimmte für wichtig gehaltene Aussagen aus dem Text ausgewählt und gehen praktisch unverändert in die Zusammenfassung ein, andere Aussagen werden ausgelassen.
Selektion
Beispiel: Es war zunächst ein schöner Sommertag. Am Abend kamen Wolken auf. In der Nacht brach ein fürchterliches Gewitter herein. Auf einen schönen Sommertag folgte in der Nacht ein fürchterliches Gewitter. Die Generalisierung fasst mehrere Aussagen verallgemeinernd zusammen.
Generalisierung
Beispiel: Der Vater mäht den Rasen, die Mutter jätet Unkraut und die Tochter schneidet die Rosen. Die ganze Familie arbeitet im Garten. Die Zusammenfassung mehrerer Aussagen unter einem übergeordneten begrifflichen oder prozeduralen Schema wird als Konstruktion bezeichnet.
15.2 Textverstehen
Konstruktion
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Beispiel: Zunächst sind alle Einzelwerte zu addieren. Die Summe ist dann durch die Anzahl der aufaddierten Werte zu dividieren. Es ist das arithmetische Mittel zu bilden. Um es Lernenden zu erleichtern, aus einem Text das herauszufiltern, was besonders wichtig ist, können vom Autor verschiedene Hinweise und Markierungen gegeben werden. In didaktisch aufbereiteten Texten finden sich am Anfang oder am Ende häufig Zusammenfassungen oder Zwischenüberschriften, manchmal auch Spitzmarken (s. Kap. 15.5.3).
15.2.5 Rekonstruktive Verarbeitung
Rolle der Wiederholung
Neben der Aufnahme von Wissen ist auch dessen Abruf aus dem Gedächtnis ein entscheidender Aspekt des Lernens. Reproduzieren und Erinnern von Wissen ist keineswegs eine schlichte Entnahme der gewünschten Information von einer Stelle aus dem Gedächtnis. Vielmehr ist es schon während des Verarbeitens und Speicherns des Wissens wichtig, möglichst viele Verknüpfungen zu anderen im Gedächtnis vorhandenen themenbezogenen Wissensinhalten herzustellen (Ballstaedt, 1997). Dies erfolgt im Rahmen der elaborativen Verarbeitung. Denn je mehr solcher Verknüpfungen oder präziser Spuren existieren, desto besser kann der Wissensinhalt wieder abgerufen werden. Denn man geht davon aus, dass diese Spuren helfen, das gewünschte Wissen zu rekonstruieren. Wie gut ein bestimmter Wissensinhalt rekonstruiert werden kann, hängt also davon ab, wie häufig diese Spuren aktiviert wurden. Es ist demnach wichtig, das Gelesene und Gelernte sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, entweder durch Wiederholung oder durch Verknüpfung mit neuem Wissen. Ein häufig von Lernenden geschildertes Problem äußert sich in Sätzen wie: „Ich habe das eigentlich gewusst, aber ich bin nicht darauf gekommen.“ Solche Sätze verweisen auf „träges Wissen“ (Renkl, 1994). Trägem Wissen fehlen die Verknüpfungen zwischen relevantem Wissen und Merkmalen der Problemsituation. Es kann deshalb nicht oder nur schwierig aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden.
15.3 Motivationale Aspekte beim Textverstehen Neben kognitiven Aspekten des Textverstehens spielen auch motivationale eine Rolle. Lernende haben Lernziele, Interessen und Kontrollüberzeugungen, die ihre Textrezeption leiten. Lernende mit hohem Interesse am Lerngegenstand werden den Text intensiv studieren, um neue Wissensinhalte zu selektieren und mit ihrem bereits erworbenen Wissen zu verbinden. Lernende mit geringerem Interesse neigen dazu, kaum Wissensveränderungen durch die Textrezeption vorzunehmen (Pintrich, Marx & Boyle, 1993). Die Motivation des einzelnen Lernenden ist nicht nur abhängig von seinen individuellen Personenmerkmalen und vom Lerngegenstand, sondern auch vom Lernsetting. So betonen Pintrich et al. (1993), dass ein herausfordernder, authentischer, kooperativer Lernkontext lernförderlicher ist als ein Lernkontext ohne persönliche Bedeutung für den Lernenden.
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15 Text
15.4 Unterstützung des Textverstehens Soll ein Text für das multimediale Lernen ausgearbeitet werden, so muss zunächst überlegt werden, zu welchem Thema dieser zu verfassen sein wird. Zudem müssen die Inhalte festgelegt werden, über die der Text berichten wird. Jedoch reicht dies allein nicht aus, um einen nach didaktischen Gesichtspunkten „lernfördernden“ Text zu schreiben. Es müssen noch weitere Aspekte vor dem Schreiben betrachtet werden (Ballstaedt, 1997): • Information über die Lehrziele: Der Lernende soll erfahren, warum es aus Autorensicht sinnvoll und wünschenswert ist, diesen Text zu lesen. • Sach- und didaktische Strukturierung: Welche Abfolge der einzelnen Inhaltsaspekte ist am geeignetsten, damit der Lernende den Text versteht und der Argumentation folgen kann? • Hilfen zur Anknüpfung an das Vorwissen: Welchen Kenntnisstand des Lernenden zu diesem Thema kann der Autor voraussetzen und welchen nicht? • Zusammenfassungen: Ist eine Zusammenfassung am Ende des Textes sinnvoll oder mehrere hinter jedem größeren Textabschnitt?
15.4.1 Angabe der Lehrziele Die explizite Angabe von Lehrzielen vor bzw. in einem Lehrtext liefert den Adressaten des Textes eine Orientierung und ermöglicht ihnen so eine gezielte Informationsaufnahme. Lernfördernde Effekte solcher Zielangaben sind empirisch gut belegt, allerdings hat sich auch gezeigt, dass dieser Effekt auf Kosten der Inhalte geht, die nicht durch ein Lehrziel abgedeckt wurden (Hager, Barthelme & Hasselhorn, 1989; Hager & Westermann, 1986; Rothkopf & Billington, 1979). Lehrtextautoren müssen sich daher überlegen, wie sie mit diesem Seiteneffekt umgehen wollen. Ballstaedt (1997) nennt folgende Fälle, in denen die explizite Angabe der Lehrziele sinnvoll erscheint:
Lernziele dienen der Orientierung
• Bei großer Stofffülle dienen sie als Orientierung im Hinblick auf Prüfungen. • Bei knapper Zeit, die zu einer vollständigen Lektüre der Texte nicht ausreicht. • Wenn angestrebt wird, dass die Lernenden einen Text unter einer speziellen oder vom Üblichen abweichenden Perspektive lesen (z. B. ein Parteiprogramm unter dem Aspekt der Einstellung zu staatlichen Bildungsaufgaben). • Wenn der Lehrtext teilweise aus Quellen besteht, denen ursprünglich keine Instruktionsintention zugrunde lag („schlechte Lehrtexte“). Bei der Formulierung von Lehrzielen gilt es, einige Regeln zu beachten (Klauer, 1974):
15.4 Unterstützung des Textverstehens
179
• Lehrziele, die den Adressaten mitgeteilt werden, müssen für diese verständlich sein. • Lehrziele müssen informativ sein. • Lehrziele sollen so formuliert sein, dass sie beobachtbare Veränderungen der Kompetenz der Lernenden möglichst genau bezeichnen. Ausführliche Hinweise zur Formulierung von Lernzielen werden im Kap. 8 gegeben und sind nachzulesen bei Oser und Baeriswyl (2001) und Anderson et al. (2001).
15.4.2 Sach- und didaktische Strukturierung Sequenzierung der Textinhalte
Die Sach- und didaktische Strukturierung bezeichnet die Auswahl und Sequenzierung der Textinhalte. Beide sind voneinander nicht zu trennen, da ein Text bestimmt ist durch die Auswahl der Inhalte, ihre subjektive Gewichtung durch den Autor und ihre Abfolge. Folgende Strategien für Entscheidungen des Autors über die Abfolge der Textinhalte sind möglich: deduktiv (vom Allgemeinen zum Besonderen), induktiv (vom Besonderen zum Allgemeinen), differentiell (vom Einfachen zum Komplexeren) oder elaborativ (vom Komplexen zum Einfachen) (s. Kap. 13). Wissensstrukturierung erschöpft sich jedoch nicht in Fragen der Sequenzierung und Auswahl der Inhalte. Auch die Frage, welche Wissensarten (Orientierungswissen, Handlungswissen, Fehlerwissen, Faktenwissen, episodisches Wissen) in welchem Umfang und welchen Anteilen in einem Text verteilt sind, ist jeweils zu klären. Jeder Text sollte sachstrukturel auf Folgendes geprüft werden (Ballstaedt, 1997): • Vollständigkeit: Keine unvertretbaren Lücken • Aktualität: State-of-the-Art im Rahmen von Relevanzüberlegungen • Korrektheit: Keine sachlichen Fehler • Objektivität: Keine Voreingenommenheiten oder Einseitigkeiten in der Darstellung. Außerdem ist eine didaktische Prüfung empfehlenswert hinsichtlich (Ballstaedt, 1997): • Orientierung am Vorwissen der Adressaten, z. B. durch Einstieg anhand vertrauter Beispiele, Fälle usw. • Klarheit und Nachvollziehbarkeit der Argumentation für die Adressaten, insbesondere durch deutlich abgrenzbare Argumente und Stringenz • Herausgehobene Darstellung der wichtigsten Inhalte z. B. durch typografische Mittel • Angemessene Repräsentation der relevanten Wissensarten; konkretes Handlungswissen sollte anders dargestellt werden als theoretisches Hintergrundwissen. • Vermeiden einer kognitiven Überlastung, z. B. durch klare Trennung unterschiedlicher Argumentationsebenen (s. auch Kap. 3) • Lernwirksame Art, Sequenz und Zusammenstellung der Beispiele, Negativbeispiele und Übungsaufgaben beim Vermitteln von neuen Begriffen; z. B. indem ein prototypisches Beispiel am Anfang eingeführt wird, später einzelne verwechslungsträchtige Merkmale variiert werden und besonders extreme Positivbeispiele neben besonders leicht zu verwechselnden Negativbeispielen dargestellt werden.
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15 Text
15.4.3 Hilfen zur Anknüpfung an das Vorwissen Es gibt wohl keinen besseren Prädiktor für den Lernerfolg als das Vorwissen (Kalyuga, Chandler & Sweller, 2000). Wenn dieses sich aber auf den Erwerb neuen Wissens auswirken soll, muss es aktiviert werden, d. h., es muss sichergestellt werden, dass die Vermittlung des neuen Wissens an das Vorwissen anknüpft. Die Wirksamkeit unterschiedlicher Maßnahmen des Anknüpfens an das Vorwissen der Lernenden ist vielfach empirisch belegt (Ausubel, 1963; Mandl, Schnotz & Tergan, 1983; Mayer, 1979, 1984). Die wichtigsten didaktischen Hilfsmittel, Vorwissen zu aktivieren und so das Anknüpfen zu erleichtern, sind: Advance Organizers (Vorstrukturierung), Beispiele und Analogien bzw. Vergleiche.
15.4.3.1 Advance Organizer Advance Organizer wurden zuerst von Ausubel (1963) vorgeschlagen: Im Unterschied zu Zusammenfassungen handelt es sich dabei um vorangestellte Texte, die Vorwissen explizit thematisieren. So sollen Advance Organizer dem Lernenden aufzeigen, über welches Vorwissen er verfügen sollte und wo sein Vorwissen die Basis für das neu zu erwerbende Wissen bildet. Advance Organizer zeigen dem Lernenden somit auf, wo Anknüpfungspunkte zwischen seinem bereits erworbenen Wissen und dem neu zu erwerbenden Wissen liegen. Advance Organizer können vergleichend konstruiert sein.
Funktionen
Beispiel: Um Wissen über eine fremde Religion zu vermitteln, werden wesentliche Merkmale der bekannten Religion ins Gedächtnis gerufen und kontrastiert. Sie können sich aber auch an Analogien orientieren. Beispiel: Um Begriffsnetzverfahren einzuführen, wird an das Eisenbahnnetz oder Straßennetz erinnert und deren Nützlichkeit im Vergleich zu verbalen Beschreibungen plausibel gemacht. Die Funktionsweise von Advance Organizers ist nicht eindeutig geklärt, wohl aber, dass sie lernwirksam sind (Ballstaedt, 1997; Mayer, 1979, 1984).
Lernwirksamkeit
15.4.3.2 Beispiele Die Rolle von Beispielen für den Wissenserwerb ist unabhängig vom Lernen aus Texten mehrfach bestätigt worden (Mandl, Gruber & Renkl, 1997). Hier geht es jedoch um Beispiele, die den Lernenden bereits bekannt sind und daher als Brücken zu ihrem Vorwissen dienen können. Um den neuen Lehrstoff mit dem Vorwissen zu verknüpfen, sind dementsprechend Beispiele für Aspekte des neuen Lehrstoffs aus dem Erfahrungsbereich der Lerner zu finden.
15.4 Unterstützung des Textverstehens
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15.4.3.3 Analogien
strukturelle vs. funktionale Analogie
Misskonzeptionalisierung
Eine Analogie kennzeichnet eine Beziehung zwischen zwei Systemen und liegt dann vor, wenn wesentliche Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems umkehrbar eindeutig den Beziehungen zwischen den Elementen eines anderen Systems entsprechen, ohne dass eine Entsprechung zwischen den Elementen selbst bestehen muss (Issing & Klimsa, 1995). Unterschieden werden strukturelle und funktionale Analogien. Ein Beispiel für eine strukturelle Analogie ist die Verwendung des Planetensystems als Atommodell. Eine funktionale Analogie liegt vor beim Vergleich des Wasserkreislaufs mit dem Stromkreislauf. Hier zeigt sich auch gleich die Problematik von Analogien: Die Definition betont zwar „wesentliche Beziehungen“, dennoch bleibt unklar, wann im Einzelfall Beziehungen wesentlich sind. Zudem stimmen aus Sicht der meisten Physikdidaktiker einige wesentliche Beziehungen innerhalb von Wasser- und Stromkreislauf nicht überein. Diese Defizite hinsichtlich der Passung können bei den Lernenden zu Misskonzeptualisierungen führen. Sie können jedoch auch im Sinne „dosierter Diskrepanzerlebnisse“ das Denken bzw. Elaborieren des Lernenden anregen (Ballstaedt, 1997). Das Erkennen einer Analogie setzt das Wahrnehmen und Verstehen von gemeinsamen Relationen und Strukturen in den beiden zu vergleichenden Systemen voraus, d. h., es erfordert z. T. beträchtliche Abstraktionsleistungen. Beim Gebrauch von Analogien als didaktisches Vehikel muss daher vorab klar sein, dass die Lernenden in der Lage sind, die geforderten Abstraktionsleistungen zu erbringen. Didaktisch gute Analogien zu finden, erfordert einige Mühe; die Lernwirksamkeit guter Analogien ist jedoch empirisch gesichert (Gentner, 1983).
15.4.4 Zusammenfassungen In längeren Texten bündeln Zusammenfassungen die wichtigsten Begriffe und Aussagen des Textes, wobei die inhaltliche und formale Organisation erhalten bleibt. Sie sind eine wichtige Hilfe für die reduktive Verarbeitung von Texten. Zudem können Zusammenfassungen lernwirksam sein, da sie das Behalten der wesentlichen Informationen eines Textes positiv beeinflussen. Hartley und Trueman (1982) ebenso wie Reder und Anderson (1980) fanden sogar bessere Behaltensleistungen, wenn lediglich die Zusammenfassung gelesen wurde, im Vergleich zu einer Gruppe Lesender, die den Basistext und die Zusammenfassung erhielten. Kurze prägnante Texte mit allen wesentlichen Inhaltsaspekten waren auch in Untersuchungen von Caroll et al. (1990) oder bei Mayer et al. (1996) umfassenderen Beschreibungen überlegen. Ballstaedt (1997) unterscheidet je nach didaktischer Funktion verschiedene Arten von Zusammenfassungen: Überblick, Rückblick, Epitom (ähnlich einer vollthematischen Überschrift) und Syntheziser (Verknüpfung von Aussagen, die an verschiedenen, auseinander liegenden Textstellen getroffen wurden) sowie Begriffsnetzdarstellungen.
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15 Text
15.5 Textgestaltung Ein Text, der inhaltlich präzise, didaktisch durchdacht, sinnvoll sequenziert und auf die Zielgruppe zugeschnitten ist, kann dennoch zum Lernen ungeeignet sein, wenn er weder Strukturierung noch einen angepassten Sprachstil oder Orientierungsmarken aufweist. Die Gliederung eines Textes in Abschnitte, die Verwendung von Überschriften, eine auf den Lernenden bezogene Wortwahl sowie ein einfacher Satzbau und das Setzen von Orientierungsmarken sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass ein Text für den Lernenden leicht zu lesen und gut verständlich ist.
15.5.1 Überschriften Überschriften als knappe einleitende Formulierung informieren über den Inhalt des nachfolgenden Textes. Damit unterbrechen sie den Gesamttext und gliedern diesen in kleinere Informationseinheiten zu bestimmten Unterthemen (Ballstaedt, 1997). Es können verschiedene Typen von Überschriften unterschieden werden: • Formale Überschriften: Sie zeigen nur den Gliederungspunkt an, wie Einleitung, Hauptteil, Zusammenfassung oder • Thematische Überschriften: Sie sprechen das Thema des nachfolgenden Abschnittes an, indem sie auf seine zentralen Aussagen hinweisen oder • Perspektivische Überschriften: Perspektivische Überschriften, wie z. B. „Wider dem Methodenzwang“ geben die Meinung oder Position des Autors thesenartig wieder. Es gibt keine Belege dafür, dass formale Überschriften lernwirksam sind (Ballstaedt, 1997; Bock, 1980; Hartley & Jonassen, 1985). Sinnvoll sind sie am ehesten dann, wenn sie, wie Abstract, Zusammenfassung oder Vorwort, kennzeichnen, dass der nachfolgende Text eine besondere Funktion hat. Demgegenüber üben thematische und perspektivische Überschriften einen selektiven Einfluss auf die Verarbeitung des nachfolgenden Textes aus und sind somit lernwirksam (Bock, 1980; Hartley & Jonassen, 1985). Insofern eignen sich thematische Überschriften am besten für das multimediale Lernen, da perspektivische Überschriften nur sparsam eingesetzt werden sollten, damit sie ihr Ziel erreichen.
15.5.2 Wortwahl, Satzbau, eindeutige Bezüge Bereits im Rahmen der semantisch-syntaktischen Verarbeitung von Text beim Lesen wurde darauf eingegangen, dass der Leser geläufige Wörter schneller aktiviert als ungeläufige. Deshalb ist die Wortwahl bei der Konzeption eines Textes für multimediales Lernen von entscheidender Bedeutung (Ballstaedt, 1997). Sie sollte sich am Wortschatz des
15.5 Textgestaltung
Wortwahl
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Satzkonstruktion
potenztiellen Lernenden orientieren, so wenig wie möglich Fremdwörter enthalten und Fachausdrücke, mit für den Lernenden verständlichen Wörtern einführen und definieren. Enthält ein Text viele unbekannte Fachausdrücke so kann ein Glossar hilfreich sein, dass zusammengefasst und alphabetisch geordnet, wichtige Begriffe definiert. Auch Komposita erschweren das Lesen eines Textes. Deshalb sind Wortungetüme, wie „E-Learningqualitätsbeurteilung“ zu vermeiden. Sie können verständlicher ausgedrückt werden, indem von einer Beurteilung der Qualität eines multimedialen Lernangebotes gesprochen wird. Genauso wie ungeläufige Wörter behindern unübersichtliche Satzkonstruktionen das Verstehen von Texten. Unübersichtliche Sätze entstehen insbesondere durch Folgendes (Ballstaedt, 1997): • Umklammerung: auseinandergerissene Verbformen Beispiel: Nach Auswertung der Daten musste die Nullhypothese, die besagt, dass kein Zusammenhang zwischen den Variablen „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ und „Anwenden von Lernstrategien“ besteht, verworfen werden. Alternative: Die Nullhypothese besagte, dass kein Zusammenhang zwischen den Variablen „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ und „Anwenden von Lernstrategien“ besteht. Sie musste nach Auswertung der Daten verworfen werden. • Einschübe Beispiel: Die Regierung hat diese Entscheidungen getroffen, so teilte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Prof. Dr. Hans van Dingens, mit, um dem Missbrauch der Subventionen entgegenzutreten. Alternative: Die Regierungsentscheidungen sollen den Missbrauch von Subventionen verhindern, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Prof. Dr. Hans van Dingens. • Nominalisierung Beispiel: Bitte versehen Sie dieses Formular mit Ihrer Unterschrift und geben Sie es in kürzester Zeit auf den Postweg. Alternative: Bitte unterschreiben Sie dieses Formular und senden Sie es uns umgehend zu. • Schachtelsätze Beispiel: Die Schauspielerin, die die Hauptrolle im Film „Titanic“ gespielt hatte, bekam den Oscar, auf den sie so sehr gehofft hatte, nicht, obwohl die meisten Pressevertreter dies erwartet hatten und es ihr sicher zu gönnen gewesen wäre. Alternative: Anders als die Presse erwartet hatte, bekam die Hauptdarstellerin aus dem Film „Titanic“ den erhofften Oscar nicht. Sicher hätte man es ihr gegönnt. • Füllfloskeln Beispiel: Wie die gemachten Erfahrungen meines Erachtens zeigen, lassen sich lange Sätze in vielen Fällen ohne Sinnverlust verkürzen. Alternative: Erfahrungsgemäß lassen sich lange Sätze ohne Sinnverlust kürzen. Ballstaedt (1997) weist mit Recht darauf hin, dass es keine Lösung ist, ausschließlich kurze Hauptsätze zu verwenden. Abgesehen davon, dass ein solcher Stil ermüdend wirkt, erfordert er satzübergreifende Kohärenzstiftungen, was den Text insgesamt
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15 Text
unübersichtlich machen kann. Zur Schaffung satzübergreifender Kohärenz empfiehlt Ballstaedt (1997): • Eindeutige Bezüge zwischen Sätzen bzw. Propositionen: Sie werden insbesondere durch gemeinsame Elemente hergestellt. Da die Wiederholung ein und desselben Wortes in mehreren aufeinander folgenden Sätzen stilistisch unschön ist, werden gerne Pronomen verwendet. Dabei kann es jedoch passieren, dass der Bezug verloren geht bzw. mehrdeutig wird. Beispiel: Der Mann hielt den Hund in einem Zwinger. Hasso hasste ihn. • Synonyme: Ähnlich ist es mit der Verwendung von Synonymen: Ein Autor muss sich sicher sein, dass verwendete Synonyme den Lesern hinreichend vertraut sind, da sonst die Kohärenzherstellung misslingt. Beispiel: Der Mann hielt den Hund in einem Zwinger. Der Köter hasste ihn. Gerade für Lernende mit geringem Vorwissen sind eindeutige Bezüge besonders wichtig.
15.5.3 Orientierungsmarken Neben Überschriften sollten insbesondere beim multimedialen Lernen noch weitere Orientierungsmarken angebracht werden, die Textteile oder bestimmte Wörter optisch hervorheben. Mayer et al. (2005b) konnten in ihren Studien nachweisen, dass Lernende ein umfassenderes und detaillierteres Verständnis vom Lerngegenstand erweben, wenn in diesem Wesentliches hervorgehoben wurde (Signaling Principle). Durch Hervorhebungen reduziert sich für den Lernenden die mentale Belastung des Arbeitsgedächtnisses (Harp & Mayer, 1998). Er wird direkt im Text darauf hingewiesen, welche Wissensinhalte bei der Textrezeption besonders zu beachten sind und im weiteren Lernverlauf wichtig sein werden. Ein häufiger Fehler besteht darin in einem Text zu viele Orientierungsmarken auf einer Bildschirmseite anzubringen, wodurch sich deren Wirkungen gegenseitig nivellieren. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Orientierungsmarken zu setzen (Ballstaedt, 1997):
Orientierungsmarken heben Wesentliches hervor Signaling Prinziple
• Spitzmarken: Sie sind typografisch ausgezeichnete Wörter am Anfang des Absatzes.
Arten
• Kasten als Umrahmung eines Textteils: Wichtig: Es muss ein deutlicher Abstand zwischen Kasten und Text existieren. • Unterlegung eines Textteils mit Farbe: Unterlegungen sollten sparsam verwendet werden und es ist empfehlenswert, auf Leserlichkeit zu achten, denn bestimmte Kontrastfarben sind schwer unterscheidbar z. B. grün-rot oder blau-schwarz. • Auszeichnungsschrift: Auszeichnungsschrift bezeichnet die Markierung von wichtigen Wörtern in einer anderen Schriftart oder Schriftfamilie. Es sollte möglichst keine schwer lesbare Schrift verwendet werden und eher Fett als Kursivdruck bei Bildschirmtexten genutzt werden.
15.5 Textgestaltung
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• Farbige Schrift: Farbige Schrift ist ein sehr wirksames Mittel zur Steuerung der Aufmerksamkeit. Es ist nicht empfehlenswert zu viele Farben, bunt durcheinander zu verwenden. Zudem haben einige Farben bestimmte Wirkungen z. B. Rot hebt etwas besonders hervor, da es sich um eine Signalfarbe handelt. • Spiegelstriche oder Nummerierungen: Spiegelstriche und Nummerierungen sind für Aufzählungen und für die Aneinanderreihung kurzer Textteile geeignet. • Piktogramme, wie Pfeile, Ausrufezeichen oder Balken: Sie sollten günstigerweise am Rand platziert werden. Viele der gerade genannten Typen von Orientierungsmarken zeigt nachfolgender Screenshot eines multimedialen Lernprogramms zum Thema kritisches Denken (s. Abb. 15.1). Abb. 15.1: Screenshot eines multimedialen Lernprogramms (Zander et al. 2003)
15.5.4 Typografische Aspekte Die kognitiven Prozesse der Textverarbeitung, insbesondere die basale und die semantisch-syntaktische Verarbeitung beim Lesen eines Textes, sind durch typografische Merkmale beeinflusst (Ballstaedt, 1997). Die typografische Gestaltung eines Textes ist eine seit Jahrhunderten gepflegte Kunst, die man sich nicht so einfach nebenbei aneignen kann. Einen umfassenden Überblick über die wichtigen Prinzipien der typografischen Gestaltung geben Simoneit (1989) oder Böhringer et al. (2001). Dennoch sollen hier die wichtigsten Merkmale, auf die bei der Gestaltung von Text zu achten ist, erwähnt werden (Ballstaedt, 1997):
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15 Text
• Wahl der Druckschrift: Bei kleinen Schriften sind Serifen nicht ratsam und serifenlose Schriften vorzuziehen. • Schriftgrad (Schriftgröße): Eine Schriftgröße zwischen 12 und 14 Punkte für normale Schrift ist auf den meisten Bildschirmen gut lesbar. • Schriftstärke: Schmallaufende Schriften sind zu bevorzugen, da sie schneller gelesen werden können. • Schriftlage bzw. Schriftstil (kursiv, normal): Kursive Schriften sind vermutlich auch auf dem Bildschirm schwerer zu lesen als normale, ähnlich wie bei Printmaterial. • Auszeichnungen (fett, petit): Fett gedruckte Wörter sind geeigneter als unterstrichene, da diese mit Links verwechselt werden könnten. Es sollten aber nicht zu viele Wörter oder zu lange Satzteile fett markiert werden, damit die aufmerksamkeitssteuernde Wirkung nicht verloren geht. • Schriftmischung (unterschiedliche Schriften im gleichen Text): Es sollten nicht zu viele verschiedene Schriften miteinander gemixt werden. Als Richtwert gelten maximal zwei unterschiedliche Schriften in einem Dokument. • Buchstaben und Wortabstände: Ein Text wird dann schwer lesbar, wenn die einzelnen Buchstaben entweder zu nah aneinandergereiht sind, so dass die einzelnen Buchstaben ineinanderlaufen, oder zu weit auseinander stehen. Im letzteren Fall müssen die Augen häufiger das Wort fixieren, um alle Buchstaben oder zumindest so viele Buchstaben zu erkennen, dass der entsprechende Begriff aktiviert werden kann. • Zeilenabstand: Eine Zeile muss mühelos ohne ablenkende Seitensprünge zu durchmustern sein. • Zeilenlänge: Acht bis zehn Wörter, das entspricht etwa 60 bis 80 Buchstaben, sind am Bildschirm gut zu lesen. Eine Bildschirmzeile kann also länger als eine Zeile auf dem Papier sein. • Kontrast (Papierfarbe, Buchstabenfarbe): Farben können zur Hervorhebung oder Gruppierung von Zusammengehörigem verwendet werden. Häufig wird auch ein farblicher Hintergrund gewählt. • Seitenaufteilung: Wie viel Text präsentiert werden sollte, kann bisher noch nicht gesagt werden, da es keine einheitlichen Richtlinien gibt. Jedoch wirkt ein mit Text überladener Monitor noch unerfreulicher als eine vollgestopfte Papierseite.
15.6 Zusammenfassung Text ist ein wesentlicher Bestandteil von multimedialen Lernmedien. Seine Gestaltung entscheidet darüber, ob Lernende ihn verstehen oder nicht. Ein Text kann nur dann lernwirksam sein, wenn sich die Art und Weise der Auswahl, Abfolge und Präsentation der Wissensinhalte an den Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen der Lernenden orientiert. Dabei ist Textverstehen ein komplizierter, keineswegs linear ablaufender Prozess. Textverstehen erfordert Zeichen-, Buchstaben- und Worterkennung sowie die Fähigkeit, Wörtern und Sätzen Bedeutungen zuzuweisen. Der Lernende muss in der Lage sein, Sätze und Satzteile miteinander in Beziehung zu setzen und zentrale Informationen aus
15.6 Zusammenfassung
Textverstehen
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Vorwissen
Didaktische Gestaltungsmittel
neuem Text zu extrahieren. Nur wenn er ein möglichst kohärentes mentales Modell vom Textinhalt erstellen konnte, hat er den Textinhalt tatsächlich verstanden. Dieses Modell bestünde dann aus wesentlichen Textinformationen des neuen Textes, ergänzt um themenorientierte Schemata aus dem Langzeitgedächtnis. Das Vorwissen der Lernenden bestimmt mit, ob der Text für den Lernenden einfach und verständlich ist oder nicht. Denn je nachdem, wie viele neue Informationen der Text für den einzelnen Lernenden enthält, kann das Arbeitsgedächtnis überlastet werden. Die Anzahl neuer Informationselemente, die im Arbeitsgedächtnis selektiert, organisiert und integriert werden können, ist auf ca. sieben neue Wissenseinheiten begrenzt (Baddeley, 1999; Miller, 1956) (s. Kap. 3). Vorwissen und insbesondere themenbezogene Schemata erleichtern den Rezeptionsprozess. Sie steuern, welche neuen Informationseinheiten aus dem Text extrahiert werden, und ermöglichen, mehrere neue zusammengehörige Informationseinheiten zusammenzufassen. Sind keine themenbezogenen Schemata vorhanden, müssen kleine Informationseinheiten sukzessive durchgearbeitet werden, bis der komplette Text verstanden wurde. Diese Prozeduren sind zeitaufwendiger und erfordern höheren kognitiven Aufwand vom Lernenden beim Wissenserwerb. Didaktische Gestaltungsmittel, wie Wortwahl, Gestaltung von Überschriften oder das Setzen von Orientierungsmarken, können das Textverständnis ebenso erleichtern und unterstützen wie typografische Gestaltungsmittel, welche die basale und semantischsyntaktische Verarbeitung beeinflussen. Um Wissensinhalte adäquat zu vermitteln, können Texte allein schnell anstrengend und ermüdend wirken und den Lernprozess verlangsamen. Themenbezogene Bilder, Grafiken, Animationen oder Videos können motivieren und erleichtern die Verständlichkeit des angebotenen Lernmaterials (s. Kap. 17 und 18). Denn sie illustrieren schwierige Sachverhalte bzw. stellen Sachverhalte, die durch reinen Text nur umständlich darstellbar wären, einfacher und strukturierter dar. In einigen Fällen ist es auch sinnvoll, gesprochenen Text einzusetzen, um das Verständnis komplizierter Sachverhalte zu erleichtern (s. Kap. 16). Die nachfolgenden Kapitel geben einen Überblick zur lernerorientierten Konzeption und zum Einsatz von Bildern, Grafiken, Videos, Animationen, Simulationen und von Audio.
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15 Text
16 Audio
Jeder Mensch verfügt über fünf Sinneskanäle, einen für auditive Reize, einen für visuelle Reize, einen für Geruch, einen für Geschmack und einen für haptische Reize. Sie liefern jene Informationen, die wir zum Handeln benötigen. Auditive Reize erreichen in Form von Geräuschen, Musik oder gesprochener Sprache über das Ohr unsere Wahrnehmung und unser Gedächtnis. Je nach Art des auditiven Reizes entnehmen wir aus ihm unterschiedliche Informationen. Geräusche können, wenn sie für unser Handeln zunächst nicht relevant sind, „ausgeblendet“ werden. Wir achten nicht auf sie. Während des Autofahrens ignorieren wir nicht selten das Motorengeräusch und konzentrieren unsere Wahrnehmung auf den Verkehr. Erst wenn wir uns verschalten und sich das Motorengeräusch ändert, wird es relevant und wir leiten regulierende Handlungen ein. Auch gesprochene Sprache oder Musik können wir so handhaben. Im Gegensatz zu Geräschen wählen wir Musik oder den Interaktionsparter, mit dem wir sprechen wollen, aktiv aus und sind während des gesamten Rezeptionsprozesses an der Information interessiert. Musik unterhält oder soll unsere Stimmung unterstützen oder verändern. Aus gesprochener Sprache entnehmen wir unterhaltende, handlungsregulierende Informationen oder wir wollen aus den Informationen lernen. Nachdem hier nun alltägliche Situationen geschildert wurden, in denen wir mit auditiven Reizen konfrontiert werden, stellt sich die Frage, welche Rolle Audio in Lernsituationen, insbesondere beim multimedialen Lernen, spielt. Nachdem Sie dieses Kapitel bearbeitet haben, sollen Sie verstanden haben, • welche Besonderheiten Audio in multimedialen Lernsettings aufweist,
Lehrziele
• wie auditive Informationen verarbeitet werden und wie wir aus ihnen Informationen entnehmen, • wie Geräusche bzw. Sounds, Musik und gesprochene Sprache eingesetzt werden können und welche Informationen sie übermitteln können, • wie Audio in multimedialen Lernumgebungen gestaltet sein sollte, um lernwirksam zu sein.
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16.1 Charakterisierung von Audio Informationsvermittlung und Lernen über gesprochene Sprache begleitet unser Leben von klein auf. Als kleine Kinder lernen wir zunächst über das Vorlesen aus Büchern und Vorsingen oder Vorspielen von Liedern, wie die Welt funktioniert. In der Schule erwerben wir unser Wissen über gesprochene Sprache in Interaktion mit der Lehrerin oder dem Lehrer und als Erwachsene vermittelt in der Hochschullehre oder in der Aus- und Weiterbildung ein Dozent in Vorlesungen oder Seminaren sein Wissen über gesprochene Sprache. Trotz der Allgegenwärtigkeit von gesprochener Sprache und Musik lassen sich im Kontext multimedialen Lernens überwiegend Studien zur Rezeption von visuellem Material (Ballstaedt, 1997; Mayer, 2001; Schnotz, 2001; Weidenmann, 1994) finden und weniger zur Rezeption gesprochener Sprache oder Musik (Niegemann, 2004; Paechter, 1996a). Die meisten vorliegenden Studien sind Medienvergleichsstudien. Sie untersuchen in welcher Zusammenstellung visuelle Präsentationsformen mit auditiven, meist gesprochener Sprache, den größten Lernerfolg für den Lernenden ermöglichen (Barron & Kysilka, 1993; Rinck et al. 1997; Rittmann, 2002). Nur vereinzelte Studien beschäftigen sich bislang mit dem „Akt“ des Hörens, Zuhörens und Verstehens von gesprochener Sprache oder Musik in Lernsituationen (Imhof, 2003; Rinck, 2000). Die „dünne“ Forschungslage sollte jedoch nicht daran hindern, Audio vermehrt in multimedialen Lernangeboten einzusetzen, denn die Ergebnisse der wenigen Studien zeigen keinesfalls, dass der Einsatz von Audio nicht lohnenswert wäre, sondern dass Audio je nach Funktion durchaus lernfördernd sein kann.
16.2 Arten auditiver Information In ihrem Artikel unterscheidet Kerr (1999) drei Audioformate: Arten
• Sprache • Soundeffekte • Musik.
Gesprochene Sprache ist auditiv verbal codiert
Musik und Sound ist auditiv nonverbal codiert
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Basis für diese Formatunterteilung sind ihre Unterschiede hinsichtlich Codierungsform, Modalität und Dynamik. Menschliche Sprache ist verbal-auditiv codiert. Sie transportiert ihre Informationen über Sprachinhalte, Betonung, Sprechgeschwindigkeit oder Tonfall. Sprache kann neben semantischen Informationen auch affektive, motivationale und kognitive Aspekte transportieren. Durch die Form der Darbietung können einzelne Inhalte des gesprochenen Textes hervorgehoben oder die Wichtigkeit einzelner Elemente betont werden. Damit kann gesprochene Sprache selektierende, organisierende und elaborierende Prozesse im Arbeitsgedächtnis begünstigen (Mayer, 2005b; Stiller, 2000). Soundeffekte und Musik hingegen sind nonverbal-auditiv codiert. Sie übermitteln ihre Botschaft über Tonart, Tonhöhe oder Klangfarbe. Auch Musik kann durch die Art der Darbietung affektive und motivationale Informationen übermitteln.
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Egal ob gesprochene Sprache oder Musik und Sounds, sie erreichen uns zunächst über das Ohr und werden dann, folgt man der der dualen Codierungstheorie von Paivio (Paivio, 1986) und den Informationsverarbeitungsmodellen von Mayer (2005a) und Schnotz (2005), über den auditiven Kanal ins menschliche Arbeitsgedächtnis weitergeleitet (s. Kap. 3). Audio spricht somit nur eine Sinnesmodalität, das Ohr, an. Dennoch sind auditiv übermittelte Informationen besonders einprägsam (Baddeley, 1999; Engelkamp, 1991). Auditive Informationen, egal ob verbal oder nonverbal sind dynamisch, d. h. für den Rezipienten nur kurzzeitig verfügbar zu dem Zeitpunkt, an dem die Information ausgesprochen oder abgespielt wurde. Deshalb erfordert Hören konstante Aufmerksamkeit vom Zuhörer. Während der auditiven Informationsaufnahme können ungefähr 120–150 Wörter/Minute aufgenommen und im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Bei visuell verbalem Material sind es ca. 250 Wörter/Minute (Stiller, 2000). Damit können durch Zuhören weniger Informationen vom Lernenden pro Minute verarbeitet werden als beim Lesen von Text. Die Schwierigkeit der Dynamik lässt sich in multimedialen Lernumgebungen allerdings leicht eingrenzen, wenn dem Lernenden die Möglichkeit angeboten wird, Textpassagen oder Musik zu unterbrechen oder zu wiederholen. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, zwischendurch Informationen zu selektieren, zu organisieren und zu integrieren.
Audio spricht nur einen Sinneskanal an
16.3 Hörverstehen Hören und Zuhören sind nicht dasselbe. Hören und Zuhören bezeichnen unterschiedliche Prozesse, Hören den physiologischen und Zuhören den psychologischen (Heinrich et al. 2002). Beim Hören werden Geräusche, die auf das Außenohr auftreffen, zunächst zum Trommelfell weitergeleitet, wodurch dieses dann in Schwingung versetzt wird. Die Schwingungen des Trommelfells übertragen sich über die Gehörknöchelchen zum Innenohr und weiter in die mit Flüssigkeit gefüllte Schnecke. Haarzellen in der Schnecke nehmen die Schwingungen auf und leiten sie über den Hörnerv an das Gehirn weiter (Goldstein, 2002). Hören ist ein angeborener Prozess. Dagegen Zuhören muss erlernt werden (Imhof, 2003). Es setzt Hören voraus. Der Zuhörer muss sich aktiv der Geräuschquelle zuwenden, z. B. der Musik oder dem Sprecher. Zuhören beschreibt die aktiven Verarbeitungsprozesse im Gehirn, die das Geräusch identifizieren, zuordnen und interpretieren (Heinich et al. 2002). Dabei finden die Verarbeitungsprozesse Identifizieren, Zuordnen und Interpretieren der auditiven Information nicht wie bei visuell dargebotenen Reizen schon während der Informationsaufnahme statt, sondern erst im Anschluss an die Reizaufnahme (Imhof, 2003). Auditive Reize werden auch nicht räumlich zeitlich gegliedert wahrgenommen, wie visuelle Reize, sondern nur zeitlich gegliedert. Dabei können sich die auditiven Reize überlagern und sich gegenseitig beeinflussen, z. B. wenn verschiedene Personen miteinander diskutieren und nicht konsequent nacheinander sprechen oder zur Sprache noch ein Geräusch hinzukommt, etwa das einer Kirchturmuhr.
16.3 Hörverstehen
Hören
Zuhören
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Abb. 16.1: Modell des Zuhörens (Brownell, 2002)
Modelle des Zuhörens
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Ein konkretes Modell des Zuhörens entwickelte Brownell (2002) (s. Abb. 16.1). Nach diesem Modell ist Zuhören kein singulärer Prozess, sondern es laufen mehrere Prozesse parallel ab (Wickens, 1984). Die gehörte Information (Hearing) wird zunächst gefiltert und organisiert (Organizational role) sowie im Anschluss nach Eigenschaften (Attitudes) strukturiert. Die Prozesse Verstehen (Understanding), Interpretieren (Interpreting) und Bewerten (Evaluating) laufen dabei parallel ab. Zudem fließen Vorerfahrungen und Vorwissen (Previous experiences) in das Verstehen, Interpretieren und Bewerten (Values) mit ein. Nachdem die Information im Gedächtnis verarbeitet wurde, kann dann eine adäquate Antwort formuliert (Bias und Responding) oder neue Information aufgenommen werden. Das Modell postuliert die aktive Aufnahme der Information in die menschliche kognitive Struktur, jedoch wird eher ein Ensemble notwendiger Prozesse zum Audioverstehen zusammengestellt, als dass der Prozess sukzessive detailliert beschrieben wird. Hier können die Modelle von Baddeley (1999), Mayer (2005b) und Schnotz (2005) zur Präzisierung beitragen (s. Kap. 3). Ausgehend von der dualen Codierungstheorie von Paivio (1986) nehmen alle drei Modelle an, dass zwei Verarbeitungskanäle für die Verarbeitung von Informationen im menschlichen Gedächtnis zur Verfügung stehen, der visuelle Kanal für visuell über das Auge aufgenommene Informationen und der auditive Kanal für Informationen, die gehört, also über das Ohr aufgenommen wurden. Nach dem Modell von Mayer (2005b) wird gesprochene Sprache vom Ohr aufgenommen und weiter ins sensorische Gedächtnis transferiert. Im Modell von Schnotz (2005) gilt dies auch für Geräusche und Musik. Im sensorischen Gedächtnis werden die dort eintreffenden Informationen, von zeitlich benachbarten Reizinformationen ineinander integriert (Cowan, 1984; Rammsayer, Leutner 1996) und die gehörten und als wesentlich erkannten Informationen werden weiter über den auditiven Kanal ins auditive Arbeitsgedächtnis transferiert, um sie für weitere Verarbeitungsprozesse verfügbar zu halten. Zu den nun folgenden Prozessen macht das Modell von Schnotz (2005) die konkretesten Aussagen, da nicht nur die kognitive Verarbeitung von gesprochener Sprachinformation mit dem Modell illustriert werden kann, sondern auch die von Sounds und Musik. Deshalb werden die weiteren Verarbeitungsprozesse auditiver Informationen anhand dieses Modells dargestellt.
16 Audio
Je nachdem, ob es sich um gesprochene Sprache oder Sounds und Musik handelt, erfolgt die weitere Infomationsverarbeitung der im auditiven Arbeitsgedächtnis präsent gehaltenen Informationen auf unterschiedliche Weise. Aus den auditiven Sprachinformationen werden nun im auditiven Arbeitsgedächtnis mentale Repräsentationen der Oberflächenmerkmale des Gesagten entwickelt. Durch Selektions- und Organisationsprozesse wird diese mentale Repräsentation der Oberflächenmerkmale dann sukzessive in eine propositionale Repräsentation umstrukturiert und verdichtet. Aus dieser propositionalen Repräsentation wird mit Hilfe themenbezogener Schemata aus dem Langzeitgedächtnis sowie eventuell vorhandener visueller Informationen ein mentales Modell konstruiert. Auch aus auditiv-nonverbalen Informationen, wie Musik oder Sounds, werden im auditiven Arbeitsgedächtnis zunächst mentale Repräsentationen der Oberflächenmerkmale entwickelt. Dann jedoch werden diese, ohne das Erzeugen weiterer propositionaler Repräsentationen, in das mentale Modell integriert, gemeinsam mit bereits vorhandenem themenbezogenem Wissen bzw. Schemata aus dem Langzeitgedächtnis. Hörverstehen von sprachlichen Informationen erfordert demnach genau wie das Verstehen visuell dargebotener Informationen die Konstruktion mehrerer mentaler Repräsentationen des Gesagten, bis ein mentales Modell erzeugt werden kann. Hörverstehen von Sounds und Musik verzichtet auf mentale propositionale Repräsentationen, nicht aber auf ein mentales Modell des Gehörten. Damit benötigt das Verstehen von gesprochener Sprache „theoretisch“ mehr kognitive Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses als das Hören von Musik oder Sounds. Denn es müssen für das Verstehen von gesprochener Sprache mehr mentale Repräsentationen im Arbeitsgedächntis erzeugt werden als beim „Verstehen“ nonverbaler auditiver Informationen.
Verarbeitung von Sprechtexten
Verarbeitung von Musik und Sounds
16.4 Funktionen von Musik und Sounds Der Einsatz von Musik ist immer mit einer bestimmten Absicht verbunden. Für den Bereich des Lehrens und Lernens sind besonders psychologische Funktionen der Musik von Interesse. Merriam (1964) listet verschiedene Funktionen von Musik auf, die ein weites Spektrum umfassen: • Emotionaler Ausdruck
Allgemeine Funktionen von Musik
• Ästhetisches Vergnügen • Unterhaltung • Kommunikation • Symbolische Repräsentation • Konformität zu sozialen Normen erzwingen • Bestätigung von sozialen Institutionen und religiösen Ritualen • Kontinuität und Stabilität von Kultur • Integration in die Gesellschaft. Musik findet sich demnach in weiten Bereichen unseres alltäglichen Lebens wieder. Aber auch für soziale und religiöse Institutionen übernimmt Musik wichtige Funktio-
16.4 Funktionen von Musik und Sounds
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Psychologische Funktionen von Musik
nen, z. B. das Glockenläuten und die Begleitung durch Musikkapellen bei Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen. In den Arbeiten von Hargreaves und North (1999) werden die Funktionen von Musik auf drei grundlegende psychologische Funktionen verdichtet: • Kognitive • Emotionale • Soziale Gerade die emotionale Funktion von Musik spielt beim multimedialen Lernen eine wichtige Rolle. Darüber hinaus besitzt Musik eine motivationale Komponente. So lässt sich mit Musik eine bestimmte Stimmung hervorrufen, die die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema lenkt oder Spannung erzeugt (Bruns & Gajewski, 1999).
16.5 Funktionen von gesprochener Sprache Lernrelevante Funktionen
Sprechtext kann verschiedene Funktionen in multimedialen Lernangeboten übernehmen: • Informationsvermittlung: Eine Grundfunktion von Sprechtexten ist die Übermittlung von Informationen bzw. von Wissen (Barron & Kysilka, 1993; Mayer, 2005b). • Emotionen können besser mitgeteilt werden als über geschriebene Texte (Barron & Kysilka, 1993; Pyter, 1994; Pyter & Issing, 1996; Stiller, 2000). Paraverbale Elemente, wie Ausdruck der Stimme (Lautstärke und Klangfarbe) und das Sprechtempo (Paechter, 1996b), ermöglichen dies. • Gesprochene Texte mit menschlichen Stimmen wirken persönlicher als computererzeugte (Mayer, Sobko & Mautone, 2003). Der Klang und die Tonhöhe der Stimme oder das Sprechtempo können beim Zuhörer Emotionen hervorrufen (Imhof, 2003). Eine Sprecherstimme, die vom Lernenden als angenehm empfunden wird, erzeugt positive Emotionen und fördert möglicherweise das Lernen. • Persönliche Ansprache in Texten kann aktivierend wirken (Moreno & Mayer, 2000b). Lernende, die durch den persönlichen Sprachstil in der „Du“- oder „Sie“-Form angesprochen werden, setzen sich intensiver mit den Lerninhalten auseinander. Sie investieren möglicherweise einen höheren Lernaufwand, als wenn ihnen die Information unpersönlich dargeboten wird, etwa in der „dritten Form“. Das Personalisierungsprinzip (s. Kap. 3) kann gerade durch Sprechtext adäquat umgesetzt werden. Denn umgangssprachlicher Stil und Pädagogische Agenten unterstützen das Lernen (Mayer, 2001). • Der Akzeptanzgrad von Lernmedien und die Motivation der Lernenden können erhöht werden (Barron & Kysilka, 1993; Paechter, 1996). Erreicht wird die Erhöhung der Akzeptanz durch das Zusammenwirken von paraverbalen Elementen und Personalisierung. • Das Aktivierungsniveau und die Aufmerksamkeit kann positiv beeinflusst werden (Jones, 1983). • Das Lernmaterial wirkt authentischer (Rowntree, 1994). Authentizität im Lernmaterial ist eine Möglichkeit, den Erwerb trägen Wissens zu minimieren, da die Wissensver-
196
16 Audio
mittlung mehr Lebensnähe aufweist als theoretisch kontextungebundene Wissensvermittlung. Authentizität wird in verschiedensten Ansätzen des Instruktionsdesigns (s. Kap. 2) gefordert, deren Wissensvermittlung aus diesem Grund auch auditiv verbal erfolgt (Bransford et al. 1990; Schank, 1998).
16.6 Lernförderlichkeit von Audio 16.6.1 Lernförderlichkeit von Musik und Sounds Musik und Sounds können nur dann den Lernerfolg unterstützen, wenn sie mindestens eine der drei psychologischen Funktionen ansprechen, entweder die psychologischkognitive, psychologisch-emotionale oder psychologisch-soziale. Das Rahmenmodell von Flender (2002) integriert diese drei Funktionen von Musik und ordnet ihnen allgemeine und lernprozessbezogene Funktionen zu. Damit eröffnet das Modell Optionen für ein didaktisches Audiodesign.
Flenders Rahmenmodell
Allgemeine Funktionen von Musik • Merkmal der Raumakustik • Element des didaktischen Gesamtdesigns • Funktion der Benutzungsschnittstelle. Lernprozessbezogene Funktionen von Musik • Aufmerksamkeitssteigerung (-gewinnung, -lenkung) • Motivierung • Aktivierung von Vorwissen • Darstellung und Strukturierung von Inhalten • Rückmeldung. Allgemeine Funktionen bringen Musik in Verbindung mit Bedingungen der Mediennutzung. Lernprozessbezogene Funktionen verknüpfen Musik mit klassischen LehrLern-Funktionen (Klauer, 1985). Das Rahmenmodell von Flender (2002) stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt auf dem Weg zu einem didaktischen Audiodesign dar. Flender (2002) konnte darüber hinaus auch empirisch nachweisen, dass mit so genannten Leitmotiven eine zusätzliche und potenziell wirksame Orientierungs- bzw. Strukturierungshilfe in multimedialen Lernumgebungen geschaffen werden kann. Wobei mit Leitmotiven kurze, einprägsame Musiksequenzen bezeichnet werden, die immer wieder auftauchen, um auf einen bestimmten Aspekt hinzuweisen. Bekannt sind Leitmotive aus der Werbung, dem Fernsehen und dem Kino. Sie knüpfen an bestimmte konventionalisierte Kompositionsprinzipien klassischer Musik an. Im Bereich des multimedialen Lernens werden Leitmotive bislang kaum verwendet. Einsatzmöglichkeiten bieten sich z. B. bei wiederkehrenden Ereignissen. So
16.6 Lernförderlichkeit von Audio
Leitmotive
197
können z. B. Zusammenfassungen am Ende einer Lektion mit einer bestimmten Melodie unterlegt werden. Für die Entwicklung von multimedialen Lernangeboten ergeben sich hier bislang noch unerprobte Möglichkeiten, Audioelemente didaktisch sinnvoll einzusetzen. Ganz allgemein ist Musik hervorragend geeignet, Emotionen und Stimmungen aller Art zu erzeugen (Pekrun, 1985). In multimedialen Lehr-Lern-Angeboten kann Musik folgende Funktionen übernehmen (Niegemann, 2004, 128): • Festlegen eines Schauplatzes: Durch bestimmte ethnisch gefärbte Melodien oder passend zum Inhalt gewählte Melodien lässt sich der Schauplatz des Geschehens definieren. • Festlegen der Zeit: Mit Musik lässt sich ein bestimmter zeitlicher Abschnitt angeben (z. B. die 1960er Jahre). • Identifikation: Durch wiederkehrende Melodien lassen sich bestimmte Charaktere und Ereignisse identifizieren. Eine kurze Sequenz kann dazu dienen, die Erscheinungsweise von Figuren, Situationen oder Handlungen hervorzuheben. Dies lässt sich mit dem Begriff des Leitmotivs auf einen Punkt bringen. • Übergang: Musik kann ebenso dafür eingesetzt werden, eine Idee oder Sequenz mit einer anderen zu verbinden. Der Lerner wird dann durch Musik auf einen Wechsel vorbereitet. • Geschwindigkeit: Musik eignet sich dazu, die Geschwindigkeit einer Präsentation festzulegen. Neben dem Einsatzkontext und dem Einsatzzeitpunkt sollte die ausgewählte Musik möglichst repräsentativ für den darzustellenden Wissensinhalt sein. Die nachfolgende Aufzählung gibt einige Anregungen. Beispiele
• Geschichte: Französische Revolutionz. B. die La Marseillaise. • Geografie: Skandinavien z. B. Peer Gynt von Edvard Grieg, • Sprachen: Spanisch z. B. Flamenco, Salsa, • Ethik/Kulturen: Australien z. B. Didgeridoo-Klänge.
Hintergrundmusik
198
Es ist keinesfalls erforderlich, dass ein multimediales Lernangebot ständig von Musik untermalt wird. Stattdessen kann es auch ratsam sein, die Stille wirken zu lassen. Auch dadurch können bestimmte Gefühle und Stimmungen erzeugt werden. Zudem können Hintergrundmusik oder Sounds, aber auch Umgebungsgeräusche das Arbeitsgedächtnis überlasten; insbesondere dann, wenn das Material neu ist oder in schneller Abfolge präsentiert wird. Zusätzliche Geräusche können den Lerner ablenken oder schlicht überfordern. Bisher gibt es noch keine Erkenntnisse über eventuelle Ausnahmen von dieser Regel. Situationen, in denen Hintergrundmusik von Vorteil sein kann, müssen noch identifiziert werden (Clark & Mayer, 2002). Empirisch belegt wurde dieses Prinzip u. a. von Moreno und Mayer (2000a). Die Ergebnisse zeigen, dass Lerner, die dasselbe Material ohne Hintergrundmusik erhielten, 20–67% mehr Punkte erreichten als Lerner, denen eine Animation präsentiert wurde, die durch ein unauffälliges, leises Instrumentalstück begleitet wurde.
16 Audio
Die Verwendung von zusätzlichen Umgebungsgeräuschen erbrachte differenzierte Ergebnisse. Beim Lernen mit einer Animation zur Erläuterung der Entstehung von Blitzen gab es keinen Unterschied hinsichtlich des Lernerfolgs, wenn passende Umweltgeräusche, wie z. B. Wind, zu hören waren. Demgegenüber erwiesen sich Maschinengeräusche in einer Animation zur Funktionsweise von hydraulischen Bremsen als nachteilig für die Lernenden. Bei gleichzeitiger Verwendung von Hintergrundmusik und Hintergrundgeräuschen erzielten die Lernenden sogar noch schlechtere Ergebnisse als ohne zusätzliche Audiosequenzen.
Umgebungsgeräusche
16.6.2 Lernförderlichkeit von gesprochener Sprache 16.6.2.1 Vergleich von Sprechtext mit geschriebenem Text Zum Einsatz von Sprechtext liegen bislang nur sehr wenige empirische Studien vor. Sie wurden meist als Medienvergleichsstudien konzipiert, nach dem Muster, wie es Barron und Kysilka (1993) für ihre Studie angewendet haben (s. nächter Absatz). Studien zum Einsatz von Sprechtext wurden sowohl mit wenig komplexen Lehr-Lern-Material (Conway & Gathercole, 1987; Fenk, 1980; Hartmann, 1961), als auch mit komplexerem sprachlich-auditiven Lehr- Lernmaterial durchgeführt (Barron & Kysilka, 1993; Fey, 2001; Hartmann, 1961; Hsia, 1969; Mousavi, Low & Sweller, 1995; Nasser & McEwen, 1976; Paechter, 1996b; Pyter, 1994; Rinck et al., 1997; Severin, 1967; Stiller, 2000). Ein Beispiel ist die Untersuchung mit komplexerem sprachlich-auditivem Lernmaterial von Barron & Kysilka (1993). Hier wurde der Einfluss von Audio auf die Lernleistung und Bearbeitungszeit untersucht. Gegenstand war eine CD-ROM zum Thema „CD-ROM-Technologie“. Dabei wurden 60 Versuchspersonen zufällig drei Bedingungen zugeteilt: In der ersten Bedingung bekamen die Probanden die Informationen zum Thema auf dem Bildschirm nur als Text präsentiert. In der zweiten Bedingung wurde die Information visuell und auditiv verbal als Sprechtext präsentiert. Der Originaltext wurde von einem Sprecher Wort für Wort vorgelesen und die Lernenden konnten diesen am Bildschirm mitlesen. Die dritte Bedingung beinhaltete eine textuelle und auditiv verbale Präsentation der Information. Dabei wurde allerdings der Text nicht wortwörtlich vorgelesen, sondern in Stichpunkten zusammengefasst. Alle drei Bedingungen erwiesen sich als sehr effektiv (Vorher-Nachher-Vergleich). So nahm das Wissen in allen drei Bedingungen zu. Es zeigte sich allerdings auch, dass sich die drei Gruppen nicht signifikant voneinander unterschieden. Die Wissenszuwächse konnten somit nicht auf eine der drei Bedingungen (Text ohne Sprechtext, Text mit vollem redundantem Sprechtext und Text mit Stichpunkten und Sprechtext) zurückgeführt werden. Hinsichtlich der Bearbeitungszeit fand sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe „nur Text“ (Bearbeitungszeit durchschnittlich 1002,50 sec) und der Gruppe „Text und Sprechtext“ (Bearbeitungszeit durchschnittlich 1158,45 sec). Gemessen wurde auch, wie häufig die Probanden die Optionen zur Wiederholung in Anspruch nahmen. Hier konnte kein Unterschied zwischen allen drei Gruppen nachgewiesen werden. Die unterschiedlichen Präsentationsformen scheinen somit gleichwertig zu sein, mit leichtem Vorteil der Nur-Text-Bedingung bei der Bearbeitungszeit.
16.6 Lernförderlichkeit von Audio
Beispiel für eine empirische Untersuchung
199
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen fast alle durchgeführten Studien, die entweder Sprechtext im Vergleich zu geschriebenem Text untersuchten (Severin, 1967) oder zusätzlich Sprechtext mit redundantem geschriebenem Text verglichen (Pyter, 1994; Rinck et al., 1997). Es können weder eindeutige Überlegenheitseffekte auf die Lernleistung von Sprechtext oder von geschriebenem Text resümiert werden noch für die redundante Textpräsentation. Kalyuga, Chandler und Sweller (1999) erklären den ausbleibenden Überlegenheitseffekt additiver Präsentation von geschriebenem und gesprochenem Text mit dem Redundanzprinzip (s. auch Kap. 3). Denn beide Sinneskanäle werden parallel angesprochen und das Arbeitsgedächtnis muss die Informationen aus beiden Kanälen koordinieren. Die gleichzeitige Belastung beider Sinneskanäle mit der gleichen Information kann zu Inferenzen führen, die eine erhöhte Belastung des Arbeitsgedächtnisses zur Folge hat. Aus dem Bereich des schulischen Unterrichts ist bekannt (Maier, 1998), dass Sprechtexte die volle Konzentration und Vorstellungskraft des Zuhörers erfordern. Deshalb erreichen Tonmedien allein nur selten die Attraktivität eines Bildes in Kombination mit gesprochenem Text.
16.6.2.2 Kombination von Sprechtext mit Bildern
Bimodale Präsentation
Modalitätsprinzip
200
Zur Kombination von Sprechtexten mit Bildern oder Animationen wurden u. a. Studien von Severin (1967), von Mousavi, Low und Sweller (1995) sowie von Mayer, Heiser und Lonn (2001) durchgeführt. Bimodale Präsentation, also die aufeinander abgestimmte Präsentation visuell bildhafter und auditiver verbaler Informationen, scheint sich vorteilhaft auf das Lernen auszuwirken. Sie führte auch in einigen Medienvergleichsstudien zu verbesserten Behaltensleistungen (Mayer, Heiser & Lonn, 2001; Severin, 1967) und wurde von den Lernenden als weniger anstrengend erlebt. Pyter (1994) und auch Mousavi (1995) berichteten zudem über kürzere Bearbeitungszeiten des Lernmaterials, wenn dieses bimodal präsentiert wurde, also beide Verarbeitungskanäle ansprach. Damit deuten die Ergebnisse der Medienvergleichsuntersuchungen darauf hin, dass das von Mayer postulierte Modalitätsprinzip auch bei der Vermittlung von auditiv bildhaften Wissensinhalten Anwendung finden sollte. Das Modalitätsprinzip sagt aus, dass die besten Behaltens- und Verstehensleistungen von Lernenden dann erreicht werden, wenn beide Sinneskanäle, der visuelle und der auditive, parallel die Information an den Lernenden vermitteln (s. Kap. 3). Durch die Kombination von bildhaftem Lernmaterial mit gesprochenen Erklärungen verteilt sich die kognitive Beanspruchung des Arbeitsgedächtnisses auf beide Sinneskanäle. Die Information kann effektiver aufgenommen werden, da keiner der beiden Kanäle überlastet wird. Durch die Kombination von bildhaftem Lernmaterial mit Sprechtext kann der Vorteil des auditiv-verbalen Materials mit denen des bildhaften Materials gekoppelt werden, und zwar zugunsten der Reduzierung der mentalen Belastung des Arbeitsgedächtnisses. Denn gesprochener Text kann im Arbeitsgedächtnis detailreicher behalten werden als Bilder (Conrad & Hull, 1968; Penny, 1975). Bilder wiederum können im Gedächtnis räumlich sortiert verarbeitet werden und nicht nur zeitlich gegliedert (Wickens, 1984), wie Sprechtexte. So kann die Selektion wesentlicher Informationen aus dem Bildmaterial
16 Audio
schon während der Informationsdarbietung erfolgen und dazugehöriger gesprochener Text gleich zugeordnet werden. Zudem können aus dem Vorwissen aktivierte themenbezogene Schemata die Informationsverarbeitung bereits während der Selektion zentraler neuer Informationen unterstützen.
16.7 Didaktische Empfehlungen zum Einsatz von Audio • Wie lässt sich nun Audio didaktisch sinnvoll einsetzen? • Soll z. B. eine Abfolge von Bildschirmseiten mit Informationen in Text und Bild durch eine Hintergrundmusik untermalt werden? • Sollen Bedienungshinweise (z. B. zur Navigation) akustisch hinterlegt werden?
16.7.1 Empfehlungen zum Einsatz von Musik und Sounds Ganz allgemein sollte Musik in einem multimedialen Lernangebot, bei dem nicht Musik zum Thema gehört, eher sparsam eingesetzt werden (Bruns & Gajewski, 1999; Phillips, 1997). Auf Hintergrundmusik empfiehlt sich gänzlich zu verzichten (Moreno & Mayer, 2000a). Musik ist hervorragend dazu geeignet, bestimmte Stimmungen beim Lernenden zu erzeugen. So lässt sich z. B. mit einer ruhigen Musik eine entspannende Atmosphäre schaffen. Laute Musik oder melodische Signaltöne empfehlen sich für alarmierende und warnende Botschaften (Aarntzen, 1993). Signaltöne können, sofern sparsam verwendet, auch für Rückmeldungen bei interaktiven Anwendungen eingesetzt werden. Mit akustischen Signalen und Hinweisen lassen sich Aufforderungen ankündigen, Reaktionen des Lerners als richtig oder falsch kennzeichnen, Pausen füllen und Aufmerksamkeit wecken.
Emotionen
16.7.2 Empfehlungen zum Einsatz von Sprechtext Lange Monologe sind für den Einsatz in einem multimedialen Lernangebot wenig geeignet, da die Aufmerksamkeit der Lernenden rasch abnimmt (Bruns & Gajewski, 1999; Phillips, 1997). Gesprochene Texte können effektiver eingebunden werden, wenn es sich um kurze Einheiten handelt und der Sprachstil dem vermittelten Lerninhalt und der Zielgruppe angepasst ist. Bei längeren Lerneinheiten ist geschriebener Text einem gesprochenen vorzuziehen. Eine redundante Präsentation der gleichen Information sollte möglichst vermieden werden (Sweller, 2005). Der Einsatz von gesprochener Sprache ist vor allem bei animierten Demonstrationen eine gute Möglichkeit, während deren Ablaufs Erläuterungen zu geben, ohne den Lerner vom Bild abzulenken (s. Kap. 18). Durch gesprochenen Text kann die Aufmerksamkeit des Lerners gezielt auf bestimmte Stellen der Demonstration gelenkt werden.
16.7 Didaktische Empfehlungen zum Einsatz von Audio
201
Gestaltung von Sprechtexten
Merkmale des Sprechers
Die Abfassung eines gesprochenen Textes folgt aufgrund der unterschiedlichen Rezeption anderen Regeln als bei geschriebenem Text (Dick, 2000). Ein gesprochener Text darf sich nicht allein auf das Ablesen eines Schriftstücks beschränken, sondern sollte den Sprech- und Hörgewohnheiten der Nutzer angepasst werden. So sollten Sätze kurz und prägnant formuliert sein. Bezüge zwischen den einzelnen Sätzen müssen deutlich werden. Durch angemessene Betonung, Sprechgeschwindigkeit und Pausen lässt sich die Rezeption und Verarbeitung erleichtern. Neben der Art der Gestaltung können auch Merkmale des Sprechers das Lernen beeinflussen (Linek, Gerjets & Scheiter, 2006; Mayer, Sobko & Mautone, 2003). Mayer und seine Kollegen (2003) konnten in ihrer Untersuchung zeigen, dass menschliche Stimmen als angenehmer empfunden wurden im Vergleich zu computererzeugten. Linek, Gerjets und Scheiter (2006) haben das Geschlecht von Sprechern als lernrelevante Variable untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass weibliche Sprecher in ihrer Studie von den Lernenden egal, ob männliche oder weibliche, bevorzugt wurden. Sie sind attraktiver wahrgenommen worden, lösten höhere Motivation und Bereitschaft aus, sich mit dem Lernmaterial zu beschäftigten, was zu besseren Problemlöseleistungen führte. Dennoch ist die Interpretation dieser Ergebnisse nicht unproblematisch, da die Autoren selbst einräumen, dass möglicherweise die Präferenz für weibliche Sprecher, im Grunde eine Präferenz bestimmter Merkmale von Sprechern ist, wie Attraktivität der Stimme oder Sympathie der Stimme. Ferner ist beim Einsatz von gesprochenem Text darauf zu achten, dass er professionell produziert wird. Es lohnt sich, ausgebildete Sprecher zu engagieren, da ein schlechter Sprecher den Gesamteindruck eines Lernprogramms stark beeinträchtigen kann.
16.7.3 Nutzerkontrolle Von zentraler Bedeutung beim Einsatz von Audio ist das Ausmaß an Kontrolle, das dem Lernenden eingeräumt wird. Die Grundfunktionen Start (►), Pause (║), Wiederholen und Abbrechen (■) sind unabdingbar. Gerade bei längeren Audiosequenzen sollten Nutzer die Möglichkeit haben, vorzeitig abzuschalten. Ebenso empfiehlt sich eine fehlertolerante Gestaltung der Lernumgebung, so z. B. für das Klicken auf einen Button, während eine Audiosequenz präsentiert wird. Dabei sollte der Sound automatisch angehalten werden und nicht noch einmal gestartet werden. Wünschenswert wäre auch die Steuerung der Darbietungsgeschwindigkeit durch den Lernenden (Paechter, 1996). Wie bei allen Designentscheidungen muss auch bei Entscheidungen über die Verwendung von Audio der jeweilige Kontext, in dem das Programm eingesetzt werden soll, berücksichtigt werden. Wenn andere gestört werden könnten, muss bei einem mit Audio versehenen Lernprogramm dafür gesorgt werden, dass geeignete Kopfhörer zur Verfügung stehen.
16.8 Zusammenfassung Auditive Informationen können als gesprochene Texte, Sounds bzw. Soundeffekte oder als Musik in multimediale Lernumgebungen integriert werden. Sie empfehlen sich zur
202
16 Audio
Wissensvermittlung, zur Aufmerksamkeitssteigerung, zur Motivierung, zur Aktivierung von Vorwissen oder um Rückmeldungen zu geben. Ausgehend vom Modell des Hörverstehens von Brownell (2002) und dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens von Schnotz (2005) und auf der Basis empirischer Befunde lassen sich zumindest drei Empfehlungen für die Gestaltung von Audio in multimedialen Lernumgebungen formulieren. • Musik sollte nur dann eingesetzt werden, wenn sie direkt für das Verständnis des Lerngegenstandes erforderlich ist. Andernfalls kann sie das Arbeitsgedächtnis überlasten; insbesondere dann, wenn das Lernmaterial neu ist oder in schneller Abfolge präsentiert wird. • Sounds können auf bestimmte Aktionen, interaktive Anwendungen oder Rückmeldungen hinweisen. Dennoch sollte eine solche akustische Unterstützung sparsam verwendet werden. • Gesprochene Texte sind am geeignetsten als Erklärungen zu Bildern, Grafiken oder Animationen. Darüber hinaus liefern die Merkmale der Lernenden, wie Interesse oder Vorwissen, und der Lerngegenstand an sich Hinweise auf eine adäquate zielführende Audiogestaltung. Empfehlungen zur technischen Realisierung und zu technischen Standards der Audioproduktion werden in dem Kap. 31.4. gegeben.
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16.8 Zusammenfassung
203
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Literatur
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17 Bilder
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Schon allein dieser Satz drückt aus, dass Bildern eine wichtige Rolle im Lernprozess zugesprochen wird. Bei der Auswahl eines Lehrbuches für ein Seminar oder für den schulischen Unterricht wird man vielleicht durch das Buch blättern und sich einen Überblick verschaffen. Ein Kriterium für die Auswahl könnte die Anzahl der vorhandenen Bilder sein, weil das Buch so ansprechender aussieht als eines, das nur mit Text beschriebene Seiten enthält. Aber wie genau haben Sie sich mit den Bildern in Schullehrbüchern zur Biologie oder Chemie auseinandergesetzt? Vielleicht haben Sie den Text genau gelesen, die Bilder jedoch nur kurz angesehen. Die Beschriftung der Bestandteile eines Auges könnten viele wohl noch vornehmen. Können Sie aber auch ein Auge mit seinen Bestandteilen zeichnen? Diese Fragen deuten schon darauf hin, dass Bilder nicht per se zu einem besseren Lernerfolg führen. Ein Lehrbuch mit vielen Bildern muss nicht unbedingt ein gutes Lehrbuch sein. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie wissen bzw. verstanden haben,
Lehrziele
• welche Arten von Bildern unterschieden werden, • welche Prozesse bei der Bildverarbeitung auftreten, • wie das Bildverstehen unterstützt werden kann, • welche Funktionen und didaktischen Stärken Bilder haben, • unter welchen Bedingungen Bilder lernförderlich sind, d. h., wie sie didaktisch sinnvoll eingesetzt werden können, • was ein gutes Bild auszeichnet, • wie Text und Bild optimal miteinander kombiniert werden können.
17.1 Arten von Bildern Bereits im 17. Jahrhundert wies Comenius darauf hin, dass Bilder aufgrund ihrer Anschaulichkeit bedeutsam für den Wissenserwerb sind (Schnotz, 2006). Als im 19. Jahr-
17.1 Arten von Bildern
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Informierende Bilder
Künstlerische und unterhaltende Bilder
hundert erstmalig Wandbilder in der Schule eingesetzt wurden, befürchteten Kritiker, dass die Kinder durch die Bilderflut „überreizt“ werden könnten (Weidenmann, 2006). Aus heutiger Sicht erscheint das eher amüsant, bedenkt man die alltägliche Bilderflut durch Fernsehen, Werbeposter, das Internet oder das allzeit bereite Fotohandy. Weidenmann (1993) grenzt informierende Bilder von jenen aus den Bereichen Kunst und Unterhaltung ab. Informierende Bilder sollen Aussagen zu bestimmten Inhalten machen. Sie werden vor allem in Situationen eingesetzt, in denen Wissen und Können vermittelt bzw. erworben werden soll. Klarheit und Informativität spielen bei ihnen die zentrale Rolle. Bei künstlerischen Bildern hingegen steht die ästhetische Dimension im Vordergrund. Sie sind offen für unterschiedliche Rezeptionsweisen, während informierende Bilder möglichst eindeutig sein sollten. Zu den unterhaltenden Bildern zählen jene, die in den Massenmedien zu sehen sind. Sie sollen vor allem Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Emotionen auslösen. Zwar lassen sich auch künstlerische und unterhaltende Bilder für die Wissensvermittlung einsetzen, Gegenstand dieses Kapitels sind jedoch ausschließlich informierende Bilder. Es werden verschiedene Arten von Bildern unterschieden, die im Lehr-Lern-Prozess eingesetzt werden und die jeweils unterschiedliche Funktionen wahrnehmen können: realistische Bilder, Analogiebilder und logische Bilder (Rieber, 2000; Schnotz, 2006).
17.1.1 Realistische Bilder Fotos, realistische Gemälde, Strichzeichnungen, Piktogramme, Cartoons oder Landkarten werden als realistische Bilder bezeichnet, weil sie der dargestellten Realität ähneln. Es bestehen konkrete strukturelle Übereinstimmungen zwischen dem dargestellten und dem repräsentierten Gegenstand. Dabei entspricht die Form der Form, die Größe der Größe und die Farbe der Farbe etc. (Schnotz, 2002). Dabei können diese Bilder auch Sachverhalte darstellen, die in der realen Welt gar nicht existieren (z. B. Romanfiguren, Science-Fiction-Szenen). Sie variieren in ihrem Realitätsgrad von realistisch (Foto) bis abstrakt (Strichzeichnung) und in ihrer Detailgenauigkeit. Abbildung 17.1 soll diese Bandbreite realistischer Darstellungen verdeutlichen.
Abb. 17.1: Realistische Bilder variierend in Realitätsgrad und Detailgenauigkeit
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17 Bilder
Das Foto in Abb. 17.1 gibt die gesamte Komplexität des dargestellten Bootes wieder. Bei Strichzeichnungen dagegen hat der Bildautor die Möglichkeit, wichtige Merkmale hervorzuheben und unwichtige wegzulassen. Hier wird dem Lerner die Identifizierung wichtiger Details erleichtert. Jedoch ist ein gewisses Maß an Detailreichtum erforderlich, um Besonderheiten sichtbar zu machen. So ist die Zeichnung zwar als Segelboot erkennbar, vernachlässigt aber wichtige Bestandteile, wie das Schwert, den Großmast oder das Ruderblatt.
17.1.2 Analogiebilder Bei dieser Art von Bildern wird nicht das Gemeinte selbst gezeigt, sondern ein Sachverhalt, der mit ihm in einer Analogiebeziehung steht. Beispielsweise kann ein U-Boot als Fisch dargestellt werden, weil es unter Wasser schwimmt, oder die begrenzten Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses bei einem Menschen als ein sich füllendes Gefäß, dessen Fassungsvermögen eingeschränkt ist. Analogiebilder sollen helfen, vorhandenes Vorwissen von einem bekannten Bereich auf einen unbekannten Sachverhalt zu übertragen. Mit Hilfe der Analogien werden Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Es ist jedoch entscheidend, dass den Lernenden die Grenzen der Analogie bewusst sind, um falsche Vorstellungen zu vermeiden. Außerdem ist darauf zu achten, dass der Bereich, aus dem die Analogie kommt, den Lernenden bekannt ist, damit sie die Analogie verstehen können.
17.1.3 Logische Bilder Logische Bilder veranschaulichen abstrakte Sachverhalte. Sie sind eine Sammelkategorie für alle Abbildungen, die keine Ähnlichkeit mit dem Gemeinten haben, aber Sinngehalt durch visuelle und räumliche Charakteristiken enthalten. Zu logischen Bildern zählen verschiedene Arten von Diagrammen. Je nachdem, ob qualitative oder quantitative Daten bzw. eine Kombination aus beiden dargestellt werden sollen, können unterschiedliche Diagramme gewählt werden. Fünf Arten von Diagrammen werden in Tabelle 17.1 veranschaulicht und im Folgenden näher erläutert. Strukturdiagramme verdeutlichen Beziehungen zwischen qualitativen Merkmalen, wie etwa die Organisationsstruktur eines Unternehmens oder der „Artenbaum“ im Biologieunterricht, in dem Tiere bestimmten Gattungen und Arten zugeordnet werden. Bei den Kreis-, Säulen-, Linien- und Streudiagrammen handelt es sich um konventionalisierte Darstellungen. Sie werden häufig verwendet und können daher von Lernenden eher verstanden werden als von der Konvention abweichende Darstellungen (Schnotz, 2002). Kreisdiagramme eignen sich zur Untergliederung eines Ganzen in unterschiedliche Teile, wie etwa die Zusammensetzung eines Seminars aus Teilnehmern verschiedener Studiengänge oder die Verteilung der Sitze im Bundestag. Diese Darstellungsform ist dagegen weniger gut für Vergleiche verschiedener Aufteilungen geeignet, da die Zuordnung der jeweiligen Kreissektoren Probleme bereiten kann. Sollen in einer Wahlsendung etwa die Prognosen zweier Meinungsforschungsinstitute für die Zusammensetzung des Bundestages verglichen werden, eignen sich eher Balkendiagramme als zwei Kreisdiagramme.
17.1 Arten von Bildern
Strukturdiagramme
Darstellungskonventionen
Kreisdiagramme
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Tabelle 17.1: Beispiele für verschiedene Arten von Diagrammen (in Anlehnung an Schnotz, 2006, S. 163)
Daten
Diagrammtyp
qualitativ
Strukturdiagramm qualitativ und quantitativ
Kreisdiagramm
Säulendiagramm
Liniendiagramm
Streudiagramm
quantitativ
Balken- oder Säulendiagramme
Liniendiagramme
Streudiagramme
Balken- oder Säulendiagramme können quantitative Merkmalsausprägungen visualisieren. Dabei sollten sich die Merkmalsträger nur qualitativ unterscheiden. Um bei dem Beispiel der Parteien zu bleiben, könnte ein Säulendiagramm die Wahlergebnisse in Prozent wiedergeben. Wobei sich die Parteien als Merkmalsträger nicht quantitativ, sondern nur qualitativ unterscheiden und die Anzahl der erhaltenen Stimmen in Relation zu allen abgegebenen Stimmen die quantitative Merkmalsausprägung darstellt. Entwicklungsverläufe und deren Vergleich lassen sich gut in Liniendiagrammen darstellen. Beispielsweise können die Ergebnisse der „Sonntagsfrage“ in den Monaten vor einer Wahl als Entwicklungsverläufe in einem Diagramm visualisiert werden. In Streudiagrammen wird der statistische Zusammenhang zwischen quantitativen Variablen bei einer bestimmten Stichprobe dargestellt. Die Streuung der Punkte gibt Hinweise auf die Richtung und die Stärke dieses Zusammenhangs.
17.2 Bildverstehen Werden informierende Bilder zum Lernen eingesetzt, so sollen damit bestimmte Informationen transportiert werden. Weidenmann (1993) bezeichnet Bilder deshalb als „visuelle Argumente“. Der Bildautor muss sich darüber klar sein, was genau der Rezipient aus diesem Bild lernen soll, und es dementsprechend gestalten. Nicht nur die Wahl
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17 Bilder
der Bildart (ob Analogiebild, realistisches oder logisches Bild) sollte nach der Mitteilungsabsicht gewählt werden, sondern auch die Art der Gestaltung. Sie sollte zum einen auf den Rezipienten und die Rezeptionssituation abgestimmt sein und außerdem alle relevanten Aspekte des Arguments enthalten. Notwendige Voraussetzung für das Lernen mit Bildern ist jedoch zunächst, dass das Bild wahrgenommen und verstanden wird. Entgegen der Auffassung, dass Bilder mühelos und leicht zu verstehen sind, handelt es sich beim Bildverstehen um einen komplexeren Rezeptionsprozess, bestehend aus präattentiven und attentiven Prozessen. Präattentive Prozesse laufen automatisch innerhalb von Sekundenbruchteilen ab. Sie werden nicht bewusst kontrolliert und verlaufen parallel. Soll das Bild jedoch nicht nur wahrgenommen, sondern auch verstanden werden, schließen sich attentive Prozesse an. Dabei handelt es sich um bewusst kontrollierte Analyseprozesse. Sie laufen seriell ab und werden sowohl vom Vorwissen als auch von den Zielsetzungen des Lernenden beeinflusst (Schnotz, 2006; Weidenmann, 1993). Weidenmann (1993) unterscheidet zwei qualitativ unterschiedliche Verstehensmodi: das natürliche und das indikatorische Bildverstehen. Beim natürlichen Bildverstehen wird das Bild erkannt, während das indikatorische Bildverstehen über das Erkennen des Abgebildeten hinausgeht. Hier geht es darum zu ergründen, warum das Bild so und nicht anders erstellt wurde, d. h., die Absicht des Bildautors soll „gelesen“ werden.
Prozesse bei der Bildrezeption
Präattentive und attentive Prozesse
Zwei qualitativ unterschiedliche Verstehensmodi
17.2.1 Das natürliche Bildverstehen Beim ersten Verstehensmodus, dem natürlichen oder ökologischen Bildverstehen, wird das Bild „erkannt“, d. h., es wird ein Gesamteindruck des Bildes erstellt, ehe einzelne Details genau betrachtet werden. Da es analog zur natürlichen Wahrnehmung der realen Umwelt abläuft, wird es als natürliches Bildverstehen bezeichnet. Üblicherweise erfolgt das Erkennen auf der Grundlage automatischer präattentiver Prozesse. Bei sehr detailreichen Abbildungen können jedoch auch systematische attentive Prozesse zum Einsatz kommen (Weidenmann, 1993, 1994a, 2006). Um das Erkennen zu erleichtern, sollte die Abbildung möglichst klar und eindeutig visualisiert werden. Der Bildautor sollte deshalb präattentive Prozesse der Wahrnehmungsorganisation kennen und berücksichtigen, die im Wesentlichen den Gestaltgesetzen folgen (Schnotz, 2002). Die Gestaltgesetze beschreiben, welche Wahrnehmungen bei bestimmten Reizbedingungen entstehen. Die sechs wichtigsten Gestaltgesetze sind (vgl. Goldstein, 1996):
Was ist auf dem Bild dargestellt?
Präattentive Prozesse
Gestaltgesetze
1. Das Gesetz der Prägnanz oder guten Gestalt: Dieses zentrale Gesetz der Gestaltpsychologie besagt, dass eine visuelle Information so gesehen wird, dass möglichst einfache Strukturen und prägnante Formen entstehen. So wird in Teil a) der Abb. 17.2 ein sich überlagerndes Dreieck und ein Rechteck wahrgenommen, statt einer komplizierten elfeckigen Figur. 2. Das Gesetz der Ähnlichkeit besagt, dass Dinge mit ähnlichen visuellen Merkmalen als zusammengehörige Gruppen wahrgenommen werden. Die Ähnlichkeit kann dabei in Form, Farbe, Größe, Textur etc. bestehen. In Teil b) der Abb. 17.2 wird dies verdeutlicht, da hier jeweils die waagerechten Kästchen aufgrund gleicher Farbe als zusammengehörig wahrgenommen werden.
17.2 Bildverstehen
211
Abb. 17.2: Veranschaulichung der Gestaltgesetze
3. Das Gesetz der Nähe besagt, dass Komponenten, die nah beieinander liegen, als zusammengehörig wahrgenommen werden. In Teil c) der Abb. 17.2 ist das Gesetz der Nähe stärker als das Gesetz der Ähnlichkeit und es werden waagerechte Linien wahrgenommen. 4. Das Gesetz der guten Linienfortsetzung besagt, dass Linien so wahrgenommen werden, als folgten sie dem einfachsten Weg. So werden in Teil d) der Abb. 17.2 zwei geschwungene Linien und keine scharf abknickenden Verläufe gesehen. 5. Das Gesetz des gemeinsamen Schicksals besagt, dass Dinge, die sich in dieselbe Richtung bewegen, als zusammengehörige Gruppe wahrgenommen werden. Dies ist zum Beispiel beim Ballett beobachtbar, wenn einige Tänzer sich in eine Richtung bewegen, während die anderen stillstehen. Figur-GrundTrennung
Darstellungscodes
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Wahrnehmungsorganisation ist die FigurGrund-Trennung. Es sollte jeweils klar erkennbar sein, welches der dargestellte Gegenstand ist und welche Komponenten zum Hintergrund gehören. Die wohl bekannteste Abbildung, bei der diese Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund nicht gelingt, ist die „Kippfigur“ von Rubin (1915; zit. nach Goldstein, 1996), in der man entweder eine Vase oder zwei einander zugewandte Gesichter wahrnimmt. Bildautoren können außerdem bildhafte Codierungen einsetzen, um das Erkennen einer Abbildung und damit das natürliche Bildverstehen zu erleichtern. Diese werden als Darstellungscodes bezeichnet (Weidenmann, 1993).
17.2.1.1 Darstellungscodes bei realistischen Bildern Beschreibende Darstellungscodes
Bei der Gestaltung von Abbildern werden „beschreibende“ Darstellungscodes eingesetzt (Waller, 1979; zit. nach Weidenmann, 1993). Sie dienen dazu, die dreidimensionale Realität in zweidimensionale Abbilder zu überführen. Hierzu können Linien, Schattierungen, verschiedene Perspektiven, Farbgebungen und Proportionen verwendet werden. Außerdem kann bei der Darstellung einer Szene ein vertrauter oder typischer Kontext eingesetzt werden. Beispielsweise greift Abb. 17.3 erneut die Strichzeichnung
Abb. 17.3: Strichzeichnung eines Segelbootes
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17 Bilder
eines Segelbootes auf. In diesem Fall ist es jedoch in einer typischen Szene auf einem See vor dem Hintergrund von Bergen dargestellt, was das Erkennen zusätzlich erleichtern sollte. An dieser Abb. 17.3 wird darüber hinaus deutlich, dass auch mit sehr wenigen grafischen Mitteln eine Szene dargestellt werden kann. Obwohl das Bild weder Farben noch Schattierungen enthält, wird das Boot als Objekt erkannt, weil die Linien als Kontur gedeutet werden. Aufgrund von Prozessen der Figur-Grund-Trennung wird so der Umriss des Segelbootes identifiziert. Da das Boot weiter unten im Bild platziert ist (relative Höhe) und außerdem die Berge im Hintergrund überschneidet, entsteht der Eindruck räumlicher Tiefe. Neben der hier veranschaulichten relativen Höhe und der Verdeckung von Objekten gibt es eine Reihe weiterer Kriterien, die zur Tiefenwahrnehmung beitragen. Wird beispielsweise eine Baumallee dargestellt, die vom Bildvordergrund in den Bildhintergrund verläuft, so sind die Bäume im Hintergrund kleiner (relative Größe) und erscheinen dichter beieinander (Texturgradient). Die Linien, welche die Straße begrenzen, konvergieren, obwohl sie in der Realität parallel verlaufen (lineare Perspektive). Einen ausführlichen Überblick über die Wahrnehmungspsychologie bietet Goldstein (2002). Einige dieser Darstellungscodes werden kulturell erlernt. Es handelt sich dabei um so genanntes Codewissen (wie etwas abgebildet wird). Für das Erkennen benötigt der Betrachter jedoch auch das so genannte Weltwissen (was abgebildet wird). Denn ein Segelboot kann nur dann identifiziert werden, wenn man weiß, wie eines aussieht (Weidenmann, 1994a). Aus diesem Grund muss der Bildgestalter sich darüber im Klaren sein, für welche Zielgruppe und zu welchem Zweck das Bild bestimmt ist, damit er die Anwendung der Darstellungscodes darauf abstimmen kann. Insbesondere eine inadäquate Verwendung oder auch eine Missachtung der Konventionen bei Darstellungscodes kann nicht nur das Erkennen erschweren, sondern auch zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen.
Tiefenkriterien
Codewissen und Weltwissen
17.2.1.2 Darstellungscodes bei logischen Bildern Logische Bilder visualisieren abstrakte Relationen, Mengen und Verläufe. Sie sind kulturelle Erfindungen und ihre Darstellungscodes beruhen auf Konventionen. Räumliche Dimensionen werden symbolisch verwendet (z. B. für Zusammengehörigkeit). Farben und Schattierungen dienen nicht der Erkennung eines Objektes, sondern der Verknüpfung von Bildelementen. Sie werden deshalb als analytische Darstellungscodes bezeichnet (Waller, 1979; zit. nach Weidenmann, 1993). Bildgestalter sollten darauf achten, dass die darstellerischen Konventionen eingehalten werden, bspw. bei der Wahl der Diagrammart oder der Leserichtung. Die grafische Struktur des Diagramms sollte möglichst gut mit der Struktur des darzustellenden Sachverhaltes übereinstimmen. Beispielsweise empfiehlt es sich, auf eine dreidimensionale Darstellung von Säulen- oder Balkendiagrammen zu verzichten, da die dritte Dimension keine inhaltliche Bedeutung hat und das Erkennen erschwert wird (Schnotz, 2002). In noch stärkerem Maße als bei realistischen Abbildern müssen die Lernenden das notwendige Codewissen, aber auch Weltwissen mitbringen, um das Diagramm zu erkennen. Umgekehrt sollte der Bildgestalter darauf achten, verständliche Darstellungscodes zu wählen.
17.2 Bildverstehen
Analytische Darstellungscodes
Einhaltung von Konventionen
Code- und Weltwissen
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17.2.2 Das indikatorische Bildverstehen Warum sind die Elemente des Bildes so und nicht anders dargestellt? Attentive Prozesse
Beispiel: indikatorisches Bildverstehen
Das indikatorische Bildverstehen bildet den zweiten Verstehensmodus, der sich an das natürliche Bildverstehen anschließen kann, aber nicht notwendigerweise stattfindet. Die zentrale Frage beim indikatorischen Bildverstehen lautet: „Warum sind die Elemente des Bildes so und nicht anders dargestellt?“ Ziel ist die Erschließung der Mitteilungsabsicht des Bildautors. Die Prozesse des indikatorischen Bildverstehens laufen in der Regel attentiv, d. h. systematisch, bewusst und absichtsvoll ab. Sie erfordern sowohl einen größeren Zeitaufwand als auch eine größere mentale Anstrengung. Diese bewusst kontrollierten Analyseprozesse laufen seriell ab und werden vom Vorwissen der Lerner beeinflusst. Einen Ausnahmefall bilden Lernende mit Expertenwissen auf dem dargestellten Gebiet (z. B. Architekt − Bauzeichnung), weil bei ihnen auch ein rasches und müheloses Erkennen möglich ist (Schnotz, 2006; Weidenmann, 1993). Betrachtet ein Lernender beispielsweise die folgende Abb. 17.4, so wird er zunächst erkennen, dass zwei Segelboote dargestellt sind (natürliches Bildverstehen). Im weiteren Prozess (indikatorisches Bildverstehen) stellt sich die Frage, warum die beiden Abbildungen derart nebeneinander platziert wurden, und es liegt die Vermutung nahe, dass sie miteinander verglichen werden sollen. Bei der Frage nach den Unterschieden zwischen den beiden Bildern wird deutlich, dass die Windrichtung jeweils gleich bleibt, dass das Segelboot jedoch einen anderen Kurs fährt. Im ersten Fall mit dem Wind „im Rücken“ (vor dem Wind) und im zweiten Fall mit dem Wind von „schräg vorn“ (am Wind). Zum vollständigen Verständnis der Abbildung bedarf es außerdem einer Betrachtung der Bilddetails: Die unterschiedlichen Stellungen der Segel müssen wahrgenommen werden, d. h., in welchem Winkel diese zur Bootsmitte stehen.
Abb. 17.4: Vergleich zweier Segelkurse (Quelle Einzelbilder: Explain, Segeln1) Segelkurs: Vor dem Wind Steuerungscodes
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Segelkurs: Am Wind
Analog zu den Darstellungscodes beim natürlichen Bildverstehen kann der Bildautor auch das indikatorische Bildverstehen erleichtern: durch den Einsatz von Steuerungscodes. Die Funktion von Steuerungscodes besteht darin, die Rezeption des Bildes zu lenken und den Lernenden bei der Analyse zu unterstützen. In der Regel erfolgt diese Steuerung der Bildverarbeitung sprachlich mit Hilfe von Kommentaren im Text, Bildbeschriftungen oder Bildlegenden. Es gibt jedoch auch bildhafte Steuerungscodes, die sich in zwei Arten differenzieren lassen: explizite und implizite Steuerungscodes (Weidenmann, 1993).
17 Bilder
17.2.2.1 Explizite Steuerungscodes Zur expliziten Steuerung der Bildwahrnehmung können Pfeile, farbige Hervorhebungen oder Ausschnittsvergrößerungen eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um Zeichen, die der Abbildung hinzugefügt werden. Sie dienen dazu, die Aufmerksamkeit auf wichtige Bildelemente zu lenken. Pfeile können auch dazu verwendet werden, um in statischen Bildern Bewegungen anzudeuten. Ausschnittsvergrößerungen werden beispielsweise häufig in Gebrauchsanweisungen oder Konstruktionsanweisungen verwendet. Dabei wird das gesamte Objekt (z. B. ein Regalbrett) dargestellt und meist darübergelegt ein Ausschnitt fokussiert, auf dem zu sehen ist, welche Schraube wo befestigt werden soll. Auch farbige Hervorhebungen (sparsam gebraucht) können wichtige Bildelemente betonen. So wäre es in Abb. 17.4 sinnvoll, die Segel der Boote farbig hervorzuheben, da die Segelstellung ein wichtiges Merkmal der zu vergleichenden Kurse darstellt, das bei oberflächlicher Betrachtung jedoch leicht übersehen werden kann. Auch bei der Verwendung expliziter Steuerungscodes ist es entscheidend, dass der Lerner über das notwendige Codewissen verfügt, um sie zu verstehen.
Ergänzung um besondere Zeichen
17.2.2.2 Implizite Steuerungcodes Bei der Verwendung impliziter Steuerungscodes wird das Bild nicht um besondere Zeichen ergänzt. Sie ergeben sich stattdessen aus einer absichtlichen Variation der Darstellungscodes. Wichtige Bildelemente können z. B. dadurch hervorgehoben werden, dass sie detaillierter dargestellt werden. Auch die Anordnung zweier ähnlicher Bilder nebeneinander (vgl. Abb. 17.4), die zum Vergleich anregen soll, zählt zu den impliziten Steuerungscodes. Entscheidend ist, dass die gewählte Variation von den Lernenden erkannt wird und somit auch zu leitenden Fragen für die Bildanalyse führt.
Variation von Darstellungscodes
17.2.3 Zusammenspiel der zwei Verstehensmodi Das Lernen mit Bildern erfordert einen weiter gehenden Verstehensprozess als das bloße Erkennen der Abbildung. Deshalb sind zusätzlich zu den vorwiegend präattentiven Prozessen des natürlichen Bildverstehens auch attentive Prozesse des indikatorischen Bildverstehens notwendig. Häufig wird das Bildverstehen jedoch nach dem natürlichen Verstehensmodus abgebrochen. Die Bilder werden dann nur oberflächlich wahrgenommen und die pädagogische Absicht nicht entschlüsselt. Besonders anfällig dafür sind Illustrationen in Texten, weil der noch zu lesende Text die Aufmerksamkeit abzieht. Merkmale des Lerners, die zu einem vorzeitigen Abbruch des Bildverstehens führen können, sind u. a. mangelndes thematisches Vorwissen und die fehlende Vertrautheit mit den verwendeten Darstellungs- und Steuerungscodes (Codewissen, s. auch Kap. 17.6.4) (Weidenmann, 1993, 1994a, 2006).
17.2 Bildverstehen
Lernermerkmale
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17.3 Unterstützung des Bildverstehens Was macht ein gutes Bild aus? Was sollte bei der Erstellung beachtet werden und wie kann ein vorhandenes Bild verbessert werden? Nach Weidenmann (1994b) tragen „gute Bilder“ optimal dazu bei, das natürliche und das indikatorische Bildverstehen zu unterstützen sowie die Bildinformation für das jeweilige Lernziel zu nutzen.
17.3.1 Unterstützung des natürlichen Bildverstehens 17.3.1.1 Eindeutige Figur-Grund-Trennung Damit ein Bild auf den ersten Blick erkennbar ist, sollte eine eindeutige Trennung von Figur und Grund, d. h. von Objekt und Hintergrund, gegeben sein. Die Figur-GrundTrennung kann durch klare Begrenzungen, Farb- und Helligkeitskontraste sowie Einfärbungen oder Schattierungen verbessert werden. Abbildung 17.5 zeigt ein schlecht erkennbares Beispiel auf der linken Seite und die mögliche Verbesserung auf der rechten. Abb. 17.5: Schlechte (links) vs. gute (rechts) FigurGrund-Trennung 5 bis 7 optische Gruppen
Komplexität und Bildgröße
Unter Anwendung der Gestaltgesetze (vgl. Kap. 17.2.1) sollte Wichtiges hervorgehoben und Zusammengehöriges gruppiert werden. Ein Bild sollte nicht mehr als 5 bis 7 optische Gruppen umfassen, da dies der unmittelbaren Auffassungsspanne beim Sehen entspricht (Ballstaedt, 1997). Die Bildgröße sollte so gewählt werden, dass das Erkennen erleichtert wird. Bei Abbildungen mit wenigen Details, die auf einen Blick erfasst werden können, genügt ein kleines Format. Bei komplexeren Abbildungen mit vielen Details empfiehlt sich dagegen ein entsprechend größeres Format (Ballstaedt, 1997).
17.3.1.2 Eindeutige Schattierungs- und Farbinformationen
Lokal- und Signalfarben
216
Unseren Wahrnehmungsgewohnheiten entspricht ein Lichteinfall von links oben. Für die Darstellung von dreidimensionalen Objekten eignet sich deshalb ein Lichteinfall von links oben nach rechts unten. Farben können sowohl als Lokalfarben als auch als Farbcodes eingesetzt werden. Bei der Verwendung von Lokalfarben wird ein Objekt in der Farbe dargestellt, die es auch in der Realität hat (s. Abb. 17.6). Dies erleichtert das Erkennen und damit das natürliche Bildverstehen. Weicht ein Bildgestalter dagegen absichtlich von der Lokalfarbe ab und
17 Bilder
Lokalfarbe
Signalfarbe
Abb. 17.6: Lokalfarbe und Signalfarbe
hebt bestimmte Objekte dadurch hervor, so handelt es sich um einen Farbcode (s. Abb. 17.6). Er dient der Vermittlung des didaktischen Gehaltes der Abbildung und ist deshalb dem indikatorischen Bildverstehen zuzuordnen.
17.3.1.3 Vertrauter Blickwinkel Die dreidimensionale Realität kann auf verschiedene Weise in zweidimensionale Bilder überführt werden. Je nach Lernziel und erwünschtem Blickwinkel können verschiedene Perspektiven gewählt werden. Häufig wird die Fluchtpunkt- oder die Parallelperspektive verwendet. Bei der Fluchtpunktperspektive werden die Bildelemente so dargestellt, als würde der Betrachter einen bestimmten Standpunkt einnehmen. Alle Linien im Bild laufen auf einen bzw. zwei oder drei Fluchtpunkte zu. Dadurch sind die Maße und Proportionen der dargestellten Objekte verzerrt (s. Abb. 17.7). Bei der Parallelperspektive wird das Objekt in einem bestimmten Maßstab dargestellt. Das Verhältnis zwischen Breite, Höhe und Tiefe entspricht den tatsächlichen Abmessungen (s. Abb. 17.7) (Ballstaedt, 1997). Fluchtpunktperspektive
Parallelperspektive
Fluchtpunktperspektive
Parallelperspektive
Abb. 17.7: Beispiele für die Fluchtpunkt- und die Parallelperspektive
Im Einzelfall kann auch die Verwendung einer Vogel- (von oben) oder Froschperspektive (von unten) angemessen sein. Ungewöhnliche Perspektiven können jedoch das Erkennen erschweren. Bei Gebrauchs- oder Montageanweisungen bietet sich der subjektive Blickwinkel an. Bei dieser Perspektive sieht der Lernende das Objekt auf der Abbildung so, wie er es vor sich hat bzw. in der Hand halten soll. Eine Abstimmung auf das Lernziel ist unerlässlich, weil die Perspektive darüber entscheidet, welche Aspekte zu sehen sind und welche verborgen bleiben. Eine ungünstige Wahl kann zu falschen Schlüssen verleiten.
17.3 Unterstützung des Bildverstehens
217
17.3.1.4 Kontextualisierung Objekte sind leichter erkennbar, wenn sie in ihrem Kontext dargestellt werden. Zum einen kann die Größe des Objektes abgeschätzt werden und zum anderen werden Szenenschemata aktiviert (Vorwissen). Ein Beispiel schlechter Kontextualisierung zeigt das linke Bild in Abb. 17.8. Die trockene Landschaft bietet keinen Hinweis für das Erkennen des Schwanes auf dem Schild. Das rechte Bild in Abb. 17.8 würde sich ungleich besser zur Kontextualisierung eignen. Abb. 17.8: Hinweisschild auf Schwäne und See in Australien
Andeutung des Kontextes
Soll jedoch die Bedeutung des Schildes gelernt werden, so würde eine Andeutung des Kontextes genügen. Zum einen würde eine Überladung des Bildes mit zu vielen Details vermieden werden und zum anderen könnte das Schild als wichtigstes Element hervorgehoben werden.
17.3.2 Unterstützung des indikatorischen Bildverstehens Der Bildgestalter kann den Lernenden dabei unterstützen, die Mitteilungsabsicht zu verstehen. Dazu kann er bildliche Hinweise auf die zentrale Information in der Abbildung und für die angemessene Verarbeitung geben. Dazu stehen ihm zahlreiche Steuerungscodes zu Verfügung.
17.3.2.1 Bildliche Hinweise auf die zentrale Information Die Reihenfolge, in der ein Lernender die Bildelemente betrachtet, kann durch die Art der Gestaltung beeinflusst werden. Die Hervorhebung bedeutsamer Bildelemente hilft dem Lerner bei der Unterscheidung von wichtigen und unwichtigen Informationen.
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17 Bilder
Bei der präattentiven Verarbeitung fällt der erste Blick auf jenes Element, das von den anderen abweicht. In Abb. 17.9 ist jeweils ein Haus durch Farbe und eines durch Größe hervorgehoben. Dieser Pop-out-Effekt kann genutzt werden, um die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken. Abb. 17.9: Beispiele für den Pop-out-Effekt durch Farbe (links) und durch Größe (rechts) Steuerungscodes, die zur Hervorhebung wichtiger Elemente eingesetzt werden können, sind z. B. farbige Hervorhebungen, Pfeile, Umrahmungen oder unterschiedliche Strichstärken. Bei der Verwendung von Steuerungscodes ist es wichtig, Konventionen zu beachten. Zum Beispiel können Pfeile entweder auf ein bedeutsames Detail zeigen oder auf eine Bewegung hinweisen. Farben können dazu dienen, räumlich getrennte Informationen zu gruppieren (Ähnlichkeit), schwer abgrenzbare Details zu diskriminieren, und verdeutlichen, welche Elemente bei zwei Abbildungen verglichen werden sollen. Auch bei Farbcodes sollte der Richtwert von maximal 5 bis 7 Elementen eingehalten werden (Ballstaedt, 1997). Die Verwendung der Farben muss konsistent sein und sollte nicht den Konventionen widersprechen. Rot weist beispielsweise auf ein Verbot hin und Bundesstraßen sind in den meisten Autoatlanten gelb dargestellt. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass mit Farben gewisse Assoziationen verbunden sind (z. B. blau = kalt). Ausführliche Informationen zur Farbwahrnehmung gibt Goldstein (2002). Bei der Erstellung von Gebrauchsanweisungen können bedeutsame Details bis zu einem Faktor von 1,5 (150%) vergrößert werden, ohne den Betrachter zu irritieren. Dies wird als Überzeichnen bezeichnet (z. B. Kösler, 1990). Da auch durch die relative Größe Bedeutsamkeit signalisiert werden kann, empfiehlt es sich, Unwesentliches zu verkleinern oder ganz wegzulassen (Ballstaedt, 1997). Abbildung 17.10 macht deutlich, dass Hervorhebungen nur sparsam eingesetzt werden dürfen. Sowohl die gleichzeitige Verwendung mehrere Steuerungscodes als auch die Betonung zu vieler Details, können die gewünschte Aufmerksamkeitssteuerung zunichte machen.
Pop-out-Effekt
Konventionalisierte Darstellungen Farbcodes
Überzeichnen: wichtige Elemente größer darstellen
Weniger ist mehr
Abb. 17.10: Welches Element ist hier das Wichtigste?
17.3.2.2 Hinweise für die Verarbeitung Ein wichtiger Hinweis für die Verarbeitung ist zunächst, dass die Objekte im Bild so platziert sind, dass sie vom Lernenden in der richtigen Reihenfolge wahrgenommen
17.3 Unterstützung des Bildverstehens
Bildliche Hinweise
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Handlungsabläufe in statischen Bildern
werden. Zur Anlegung von Blickpfaden innerhalb des Bildes eignen sich Nummerierungen. Außerdem kann das Bild auch in aufeinander aufbauende Einzelbilder zerlegt werden. Zwei ähnliche Bilder nebeneinander implizieren einen Vergleich; mehrere verwandte Bilder eine Abfolge. Die Anordnung der Elemente sollte in beiden Fällen der Leserichtung von links nach rechts entsprechen. Sollen Handlungen in statischen Bildern dargestellt werden, so ist die Auswahl der zu visualisierenden Teilhandlungen entscheidend. Im Hinblick auf den Lernenden und das Lernziel müssen der richtige Auflösungsgrad und typische Teilprozesse bestimmt werden. Als Basis dafür kann eine Aufgabenanalyse dienen (vgl. Kap. 8). Außerdem sollte die Sequenz „Ausgangszustand − Handlung − Endzustand“ genutzt werden. Symbolische Zusätze, wie Pfeile, Bewegungsstriche oder übereinander gezeichnete Phasen, können die Verbindung von einem Schritt zum nächsten erleichtern. Soll beispielsweise dargestellt werden, in welcher Reihenfolge die Linien des „Hauses des Nikolaus“ zu zeichnen sind, damit der Stift nicht abgesetzt werden muss, eignet sich eine Bildsequenz (s. Abb. 17.11). Dabei geben die Pfeile die Richtung der zu zeichnenden Linien an.
Abb. 17.11: Bildsequenz „Haus des Nikolaus“
Verneinungen und Konjunktionen
Alphanumerische Ergänzungen
Verneinungen und Konjunktionen können in Bildern nicht ohne weiteres dargestellt werden. Für Verneinungen gibt es Konventionen, wie rote Umrahmen und Durchstreichungen bei Rauch- oder Hundeverbotsschildern. Diese gibt es nicht für Konjunktionen, wie „wenn/dann“ oder „damit“ und „weil“. Hier ist der Bildgestalter auf sprachliche Zusätze angewiesen. Erläuternder Text kann explizit auf das Bild Bezug nehmen und entsprechende Hinweise für die Verarbeitung geben. Neben den bildlichen Hinweisen für die Verarbeitung stehen dem Bildgestalter auch alphanumerische Ergänzungen, wie Bildtitel, Beschriftung und Legende, zur Verfügung. In der Bildüberschrift sollte der Bezugsrahmen genannt werden, in dem das Bild zu verstehen ist. Beschriftungen dienen der Benennung von Bildelementen. Aus dem Biologieunterricht kennt jeder Abbildungen, bei denen die Komponenten beschriftet sind, entweder durch Bezugsziffern oder sprachliche Labels. Bezugsziffern werden in das
Abb. 17.12: Beschriftung von Bildelementen durch Bezugsziffern (links) und sprachliche Labels (rechts)
1 2
Zellmembran
3
Zellplasma
Bestandteile einer Tierzelle: 1 - Zellmembran 2 - Zellplasma 3 - Zellkern
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17 Bilder
Zellkern Tierzelle
Bild eingetragen und in einer Legende erklärt (s. Abb. 17.12 links). Sprachliche Labels werden entweder in das Bild integriert oder durch Bezugslinien mit den Bildelementen verbunden (s. Abb. 17.12 rechts). Bildlegenden geben Hinweise zur Auswertung und Interpretation der Abbildung. Häufig erläutern sie die verwendeten Symbole, Farbcodes und Bezugsziffern, nennen den Bildnamen oder enthalten Kommentare. Bei Fotos und übernommenen Abbildungen werden in der Legende oftmals die Quelle, der Bildproduzent oder technische Daten angegeben. Darüber hinaus können Bildlegenden auch dazu dienen, die Aufmerksamkeit und den Verarbeitungsprozess der Lernenden zu steuern (instruktive Funktion). Dies kann z. B. durch direkte Hinweise wie „Betrachten Sie bitte …“ oder „Vergleichen Sie bitte …“ erreicht werden (Ballstaedt, 1997; Weidenmann, 2006).
Bildlegenden
17.4 Warum sollten Bilder eingesetzt werden? Bei der Erstellung von Lerninhalten bedeutet die Integration von Bildern zusätzlichen Aufwand und höhere Kosten. Deshalb muss abgewogen werden, welche Vorteile sich daraus ergeben. Die Vorteile von Bildern resultieren zum einen aus ihren Funktionen, die sie im Lernprozess erfüllen können, und zum anderen aus ihren spezifischen Eigenschaften. Bilder liefern einen anderen Zugang zu einem Sachverhalt als textliche Informationen. Schon Paivio (1986) nahm in seinem Modell der dualen Codierung an, dass Bilder und Texte in unterschiedlicher Form codiert und gespeichert werden. Die Annahme der unterschiedlichen Codierung liegt auch dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005) zugrunde. Im Gegensatz zu Paivio wird hier jedoch davon ausgegangen, dass sowohl beim Text- als auch beim Bildverständnis multiple Repräsentationen erstellt und gespeichert werden. Text- und Bildinformationen können zusammen mit dem bereits vorhandenen Vorwissen zu mentalen Modellen integriert werden. Bilder und Texte stellen demnach unterschiedliche Informationsquellen dar, die miteinander verknüpft werden und sich ergänzen (s. Kap. 15).
Bild- und Textverstehen
17.4.1 Funktionen von Bildern Im Verlauf des Lernprozesses können Bilder als Ergänzung zu Texten unterschiedliche Funktionen übernehmen mit dem Ziel, den Lernenden beim Verständnis des Inhaltes zu unterstützen. Verschiedene Autoren haben Taxonomien der möglichen Funktionen von Bildern in Texten erstellt (vgl. Drewiak, 1992). Dabei werden in den verschiedenen Taxonomien zwar unterschiedliche Bezeichnungen genutzt, die inhaltliche Bedeutung der Funktionen überschneidet sich jedoch größtenteils. Drei dieser Taxonomien werden hier zusammengefasst und systematisiert dargestellt: Duchastel & Waller (1979), Levie & Lentz (1982) sowie Levin, Anglin & Carney (1987). Die Systematisierung folgt weitgehend derjenigen von Schnotz (2006). Bilder können in Texten folgende Funktionen wahrnehmen (für einen Überblick s. Abb. 17.13):
17.4 Warum sollten Bilder eingesetzt werden?
Funktionen von Bildern in Texten
221
Abb. 17.13: Funktionen von Bildern
• Kognitive Funktionen: Bilder können dazu beitragen, das Verstehen und Behalten zu fördern. • Motivationale Funktion: Sie können Interesse am Lerninhalt wecken und damit die Motivation beim Lernen steigern. • Dekorationsfunktion: Bilder können auch dazu beitragen, das Lernmaterial ästhetisch ansprechend zu gestalten, und somit die Attraktivität des Textes erhöhen. • Kompensationsfunktion: Vor allem Lernende mit Lese- und Lernschwierigkeiten können von der Hinzunahme von Bildern profitieren, wenn das Textverstehen ihnen Schwierigkeiten bereitet.
17.4.1.1 Ausdifferenzierung der kognitiven Funktionen Die kognitiven Funktionen von Bildern können weiter ausdifferenziert werden (vgl. Abb. 17.13): • Aufmerksamkeitsfunktion: Werden bestimmte Textinhalte illustriert, kann ihre Relevanz hervorgehoben und die Aufmerksamkeit auf wichtige Aspekte gelenkt werden. • Darstellungs- oder Konkretisierungsfunktion: Bilder können Sachverhalte veranschaulichen, die mit Worten schwer ausgedrückt werden können, oder verbal beschriebene Sachverhalte konkretisieren. • Organisationsfunktion: Werden in einem Text komplexe Sachverhalte dargestellt, so können Bilder als Bezugsrahmen dienen. Sie bieten dann einen Überblick, damit detaillierte Informationen eingeordnet werden können. Abbildung 17.13 zeigt ein Beispiel für eine organisierende Grafik. • Interpretationsfunktion: Abstrakte Begriffe und schwierige Textpassagen können durch Bilder, die explizit auf das Vorwissen der Lernenden Bezug nehmen, verständlicher gemacht werden. • Transformationsfunktion: Bilder können auch als mnemonische Merkhilfen eingesetzt werden und visuelle Eselsbrücken anbieten. Während sprachliche Eselsbrücken geläufig sind, wie z. B. Merksätze, um sich die Reihenfolge der Planeten oder der Gitarrensaiten zu merken, werden visuelle Eselsbrücken nur sehr selten eingesetzt. So könnte z. B. der Unterschied zwischen konvex und konkav dargestellt werden: konvex als Berg, konkav als Tal.
222
17 Bilder
17.4.1.2 Vorteile und Grenzen der Taxonomien Die Taxonomien systematisieren die möglichen Funktionen von Bildern im Lernprozess. Sie suggerieren jedoch eine Ausschließlichkeit, obwohl ein und dasselbe Bild mehrere verschiedene Funktionen wahrnehmen kann. Es kann z. B. einen Sachverhalt veranschaulichen, den Text dekorieren und den Lernenden motivieren. Die Funktionen eines Bildes können darüber hinaus variieren, je nachdem, welche Instruktion gegeben wird, wie das Bild im Text positioniert ist, wie viel Zeit der Lernende zur Betrachtung des Bildes hat und welche Lernervoraussetzungen der Lernende mitbringt. Ein organisierendes Bild, wie Abb. 17.13, kann für einen Lernenden ohne Vorkenntnisse tatsächlich einen Überblick über die Informationen im Text geben. Für einen Experten dagegen kann es eher eine Veranschaulichung oder sogar nur Dekoration sein (Drewiak, 1992).
17.4.2 Didaktische Stärken von Bildern Aus der obigen Aufzählung und Erläuterung der Funktionen von Bildern wurden bereits viele ihrer Vorzüge erkennbar. Darüber hinaus sind didaktische Stärken zu nennen, die sich aus den spezifischen Merkmalen von Bildern ergeben. Bei der Betrachtung von Bildern können Informationen auf einen Blick erfasst werden. Im Gegensatz zu Texten, die sequenziell, d. h. nach und nach gelesen werden, können mit Hilfe von Bildern Informationen gleichzeitig dargeboten werden. Zusammengehöriges kann im Überblick dargestellt werden. Bilder können außerdem − besser als Text − über räumliche Beziehungen informieren. Wollen wir beispielsweise jemandem einen Weg beschreiben, so greifen wir oft zu Papier und Stift, weil sich die räumliche Lage anhand eines Bildes besser erläutern lässt. Dieser Vorzug von Bildern kommt besonders dann zum Tragen, wenn Bewegungen erlernt oder Konstruktionsprinzipien eines Gerätes, Formen eines Gegenstandes, eine Route auf einer Landkarte oder eine Handlungskette erkannt werden sollen. Bei Handlungsketten, wie dem Bau eines Papierfliegers, bekommt die räumliche Anordnung eine zweite Bedeutung: entsprechend unserer Leserichtung von links nach rechts werden Bilder auf der linken Seite als zeitlich früher interpretiert. Räumliche Informationen können besonders gut erinnert werden. Dafür spricht auch die Erfahrung, dass man in einer Prüfung genau weiß, wo etwas auf der Seite stand, aber nicht mehr, was der Inhalt war. Darüber hinaus können Bilder auch über andere sichtbare Merkmale informieren, wie z. B. die Farbe, die Form oder die relative Größe eines Gegenstandes. Würden Sie versuchen, jemandem einen Esel zu beschreiben, der noch nie einen gesehen hat, so würden Sie sehr viele Sätze brauchen. Ein Bild hingegen würde diese Informationen auf einen Blick liefern (Weidenmann, 1994a).
Überblick geben
Räumliche Beziehungen darstellen
Informationen über sichtbare Merkmale
17.5 Sind Bilder lernförderlich? Wenn Bilder zur Wissensvermittlung eingesetzt werden sollen, stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich lernförderlich sind. Für das Lernen mit Bildern in Texten lautet die Frage,
17.5 Sind Bilder lernförderlich?
223
Text vs. Text mit Bildern
Zielgruppen, Arten von Bildern und Lerninhalte
Kein genereller lernförderlicher Effekt
ob die Effektivität von Lerntexten durch die Integration von Bildern verbessert werden kann. Effektivität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass kognitive Prozesse beim Lernenden unterstützt werden, die sich in einem besseren Verständnis des Lerninhaltes sowie einer besseren Behaltens- und Transferleistung niederschlagen (Levin & Mayer, 1993). In zahlreichen Untersuchungen wurde der Wissenserwerb beim Lernen mit illustrierten und nicht illustrierten Texten verglichen. Sie wurden u. a. in zwei Metaanalysen zusammengefasst: 55 Studien (Levie & Lentz, 1982) und 150 Studien (Levin, Anglin & Carney, 1987). Beide Metaanalysen konnten zeigen, dass die Behaltens- und Verstehensleistung beim Lernen mit Texten durch die Integration von Bildern verbessert werden kann. Das Verständnis der illustrierten Textteile konnte nach Levie und Lentz (1982) um 36% gesteigert werden (Effektstärke von .51) und nach Levin, Anglin & Carney (1987) um 50% (Effektstärke von .71). Die größere Effektstärke bei der letztgenannten Metaanalyse erklärt sich daraus, dass hier 18 Studien mit transformierenden Bildern (s. Funktionen von Bildern, Kap. 17.4.1) integriert wurden, die den größten lernförderlichen Effekt hatten. Die Überlegenheit der illustrierten Texte zeigte sich bei verschiedenen Personengruppen, unterschiedlichen Arten von Bildern und Lerninhalten. Die Studien wurden sowohl mit Kindern als auch mit Jugendlichen und Erwachsenen verschiedener Bildungsniveaus durchgeführt. Es wurden Fotos, Zeichnungen und Diagramme eingesetzt und die Bandbreite der Lernthemen reichte von Märchen bis zu anspruchsvollen Physikproblemen (Weidenmann, 1994a). In keiner der berücksichtigten Studien hatten Bilder negative Effekte. Ein genereller lernförderlicher Effekt von Bildern kann jedoch nicht bestätigt werden. Die Integration von Bildern in Texte ist nur dann lernförderlich, wenn die Bilder komplexe Sachverhalte veranschaulichen und konkretisieren oder Informationen darstellen, die ohne Visualisierung schwer zu verstehen sind (Drewiak, 1992).
17.6 Unter welchen Bedingungen sind Bilder lernförderlich? Wenn die Darbietung von Bildern in Texten nicht generell lernförderlich ist, bleibt zu fragen, welche Bedingungen dafür gegeben sein müssen. Levin und Mayer (1993) Abb. 17.14: Bedeutsame Faktoren für die Lernförderlichkeit von Bildern
Lernziele: Welches Bild für welches Lernziel? Visuelles Testen Charakteristika der Bilder: Das gute Bild Realitätsgrad
Charakteristika des Textes: Komplexität Welches Bild für welchen Text?
Lernermerkmale: Themenspezifisches Vorwissen Darstellungsspezifisches Vorwissen Bildverarbeitungskompetenz
224
17 Bilder
schlagen vor, die Bedingungen nach dem „tetrahedral model“ von Bransford (1979) zu strukturieren. Nach diesem Modell müssen vier Faktoren berücksichtigt werden: a) die Lernziele, b) die Charakteristika der verwendeten Bilder und c) des Textes sowie d) die Lernermerkmale (s. Abb. 17.14).
17.6.1 Lernziele Bilder können nicht für alle Lernziele gleich effektiv sein. Sie müssen deshalb so ausgewählt und eingesetzt werden, dass sie für die erwünschten Lernergebnisse angemessen sind (s. auch Kap. 17.4.1). Je nachdem, ob das Lernziel darin besteht, eine bestimmte Textpassage zu verstehen, bestimmte Textinformationen zu erinnern oder das Gelernte auf andere Kontexte zu übertragen (Transfer), können verschiedene Arten von Abbildungen mit unterschiedlichen Funktionen sinnvoll sein (Levin, 1986; zit. nach Levin & Mayer, 1993). Soll das Verständnis des Textinhaltes verbessert werden, so eignen sich veranschaulichende Bilder mit Darstellungs- und Konkretisierungsfunktion. Zur Förderung des Behaltens der Textinformationen dagegen sind Abbildungen und Diagramme mit Organisationsfunktion sowie mnemonische Merkhilfen mit Transformationsfunktion hilfreich. Analogiebilder und mnemonische Merkhilfen eignen sich auch zur Unterstützung des Transfers (Levin & Mayer, 1993). Auch der Inhalt des Bildes und die Art der Darstellung sollten sich an den Lernzielen orientieren. Wenn Sie z. B. einem Freund einen Stadtplan schenken wollen, müssen Sie eine Vorstellung davon haben, wozu er ihn benutzen möchte. Zur Planung von Ausflügen wäre es vorteilhaft, wenn wichtige Sehenswürdigkeiten in der Karte verzeichnet und hervorgehoben sind. Als Fußgänger braucht er vielleicht auch Informationen über Straßenbahn- und Bushaltestellen. Ist er dagegen im Außendienst tätig, so benötigt er eine Karte, in der Einbahnstraßen und Hausnummern verzeichnet sind. Zu den erwünschten Lernergebnissen zählt auch, in welcher Art und Weise die Lernenden das Wissen wiedergeben und anwenden sollen. Lerntests beinhalten meist verbale Aufgaben zur Überprüfung des erworbenen konzeptuellen Wissens. Visuelles Testen dagegen wird nur sehr selten eingesetzt. Ballstaedt (1997) nennt Möglichkeiten, Inhalte, die anhand von Bildern vermittelt wurden, auch visuell abzufragen. • Bildergänzung: Vergleichbar mit einem Lückentext werden aus dem Bild Details gelöscht, die der Lernende ergänzen soll.
Welches Bild für welches Lernziel?
Erwünschte Lernergebnisse
Visuelles Testen
• Bildkorrektur: Fehlerhafte Abweichungen vom Original müssen erkannt werden. • Bildbeschriftung: Bildkomponenten sollen beschriftet werden. Es sind entweder die Bezugslinien vorgegeben oder die Begriffe, die dann den Bildelementen zugeordnet werden sollen. • Zeichentest: Das präsentierte Bild soll frei reproduziert werden. Das Ergebnis hängt jedoch auch von der Fertigkeit im Zeichnen ab.
17.6 Unter welchen Bedingungen sind Bilder lernförderlich?
225
17.6.2 Charakteristika der Bilder 17.6.2.1 Qualität Die Qualität der eingesetzten Bilder ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie den Lernprozess unterstützen können. Mindestanforderungen sind neben der ästhetischen und technischen Qualität die korrekte, eindeutige Darstellung der Sachverhalte und die Reduzierung der Komplexität des Textes. Die Visualisierungen sollten sich zur Darstellung des Sachverhaltes eignen und den Lernenden zu richtigen Schlussfolgerungen hinführen (Drewiak, 1992; vgl. auch Peeck, 1987).
17.6.2.2 Realitätsgrad Soll ein Bild so realistisch wie möglich sein? Frühere Realismustheorien nahmen an, dass von einem Bild umso mehr gelernt werden kann, je realistischer es ist, d. h., je mehr Informationen und Details es beinhaltet (Carpenter, 1953; Dale, 1946; Morris, 1946; zit. nach Rieber, 2000). Dwyer (1978) und seine Mitarbeiter führten eine Reihe von Experimenten durch, um die Realitätstheorien zu überprüfen. In einer Studie (Dwyer, 1975, zit. nach Weidenmann, 2006) sollten Studierende die Anatomie und die Funktionsweise des Herzens erlernen. Sie bekamen dazu verschiedene Abbildungen präsentiert (vgl. Weidenmann, 2006): • • • •
Weder zu viel noch zu wenig
Lernziele und Lernermerkmale
226
Einfache Strichzeichnungen Schattierte Strichzeichnungen Fotografien eines Herzmodells Fotografien des menschlichen Herzens (anatomische Schnitte).
Anschließend beantworteten die Lernenden Multiple-Choice-Aufgaben zur Funktion des Herzens, fertigten eine Skizze an und bezeichneten Bestandteile anhand von Nummern im Bild. Es zeigte sich, dass die schattierten Strichzeichnungen sich am besten zum Lernen eigneten, insbesondere für das Erstellen der Skizze. Dwyer (1975) fand einen kurvilinearen Zusammenhang zwischen dem Realitätsgrad und dem Lernerfolg. Demnach ist ein mittlerer Realitätsgrad zu bevorzugen. Bilder sollten den Sachverhalt akzentuieren und strukturieren. Zu starke Vereinfachungen vernachlässigen wichtige Informationen. Für realitätsnahe Bilder mit sehr vielen Details benötigen Lernende ausreichend Zeit, um sie angemessen zu verarbeiten. Werden den Lernenden zu viele Details präsentiert und nicht genügend Zeit für die Betrachtung eingeräumt, so tendieren sie dazu, das Bild zu ignorieren oder den falschen Informationen Beachtung zu schenken (Rieber, 1994, 2000). Die Realitätsnähe eines Bildes ist jedoch kein absolutes Kriterium. Es hängt entscheidend von dem Vorwissen der Lernenden und dem jeweiligen Lernziel ab, wie viele Details in einer Abbildung sinnvoll sind. Eine schattierte Strichzeichnung des Herzens wäre beispielsweise in einem Anatomiekurs für Medizinstudenten in fortgeschrittenen Semestern kaum geeignet. Die Balance zwischen „nicht zu wenig“ und „nicht zu viel“ muss im Hinblick auf das Setting bestimmt werden, in dem das Bild eingesetzt werden soll.
17 Bilder
17.6.3 Charakteristika des Textes Die Komplexität des Textinhaltes ist eine weitere Bedingung, die bei der Entscheidung, ob Bilder integriert werden, bedacht werden muss. Bei Texten, die auch ohne Bilder relativ leicht verständlich sind, erbringt die Darbietung von Bildern keine zusätzliche Steigerung der Lernleistung (Drewiak, 1992). Bei schwierigen Texten, die komplexe Sachverhalte darstellen, ist es dagegen wahrscheinlich, dass Bilder hilfreich für das Verständnis sind. Lange Texte zur Beschreibung komplexer Systeme oder Anlagen können durch Abbildungen anschaulicher dargestellt und damit leichter verständlich werden. Verschiedene Arten von Bildern eignen sich für unterschiedliche Arten von Texten. Schlecht strukturierte Texte können durch Abbildungen mit Organisationsfunktion übersichtlicher gestaltet werden. Werden unbekannte Sachverhalte dargestellt, die von den Lernenden erinnert werden sollen, bieten sich mnemonische Merkhilfen an. Untersuchungen, unter welchen Bedingungen eher Überblicksdarstellungen oder Visualisierungen von Details vorteilhaft sind, stehen jedoch noch aus (Levin & Mayer, 1993). Auch ohne die Integration von Bildern können Texte zur Visualisierung des Lerninhaltes beitragen. Die oben genannten Metaanalysen zeigten, dass bereits die Aufforderung zur Generierung von Vorstellungsbildern zu bestimmten Textpassagen das Textverständnis verbesserte, allerdings in geringerem Maße als die Integration von Bildern.
Komplexität des Textinhaltes
Welches Bild für welchen Text?
Generierung von Vorstellungsbildern
17.6.4 Lernermerkmale Das Vorwissen der Lernenden zum Textinhalt und zum Wissensgebiet, das im Text behandelt wird, ist eine weitere Bedingung für die Lernförderlichkeit von Bildern. Beim Lernen mit Bildern versuchen die Lernenden, ein mentales Modell des jeweiligen Wissensgebietes aufzubauen. Verfügt der Lernende bereits über mentale Modelle zu diesem oder einem ähnlichen Wissensgebiet, so wird dieses anhand der neuen Informationen ausgebaut bzw. die Informationen werden integriert (Weidenmann, 1993). Die Funktion eines Bildes hängt somit stark vom Vorwissen der Lernenden ab. Es werden zwei Arten von Vorwissen unterschieden: a) das themen- oder bereichsspezifische Wissen und b) das darstellungsspezifische Vorwissen zu möglichen Darstellungsformen bei Bildern (Strittmatter & Niegemann, 2000) (s. auch Kap. 17.2.3).
Vorwissen
17.6.4.1 Themenspezifisches Vorwissen Mayer (1989) konnte belegen, dass Lernende mit geringem themenspezifischen Vorwissen mehr von Abbildungen profitieren als jene mit hohem Vorwissen (Levin & Mayer, 1993). Sowohl die Art der Abbildung als auch der Detailreichtum und die Funktion der Abbildung sollte an das Vorwissen der Lernenden angepasst werden. Lernende mit geringem Vorwissen profitieren mehr von der Integration von Bildern als Lernende mit hohem Vorwissen. Kalyuga et al. (2003) bezeichnen dies als „expertise
17.6 Unter welchen Bedingungen sind Bilder lernförderlich?
Expertise reversal effect
227
reversal effect“: Anfänger benötigen mehr Unterstützung, während die gleichen Maßnahmen bei Lernenden mit höherem Vorwissen einen geringeren Effekt haben und sich bei Experten sogar nachteilig auswirken können (Fletcher & Tobias, 2005).
17.6.4.2 Darstellungsspezifisches Vorwissen Lesekompetenz ist eine notwendige Voraussetzung, um Texte zu verstehen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und die Textaussage zu extrahieren. Analog dazu benötigen Lernende auch spezielle Fähigkeiten, um Bilder angemessen zu verarbeiten. Sie brauchen darstellungsspezifisches Vorwissen, um die verwendeten Darstellungs- und Steuerungscodes zu erfassen. Neben dem Erkennen der Abbildung kommt es auch darauf an, die Mitteilungsabsicht des Bildgestalters zu verstehen (vgl. Kap. 17.2.2).
17.6.4.3 Beispiel themen- und darstellungsspezifisches Vorwissen In Abb. 17.15 sind zwei Verbotsschilder dargestellt, die in Singapur in U-Bahnhöfen zu sehen sind. Während bei dem rechten Schild sehr schnell klar ist, dass keine (Haus-)Tiere mitgenommen werden dürfen, wirft das linke Bild wahrscheinlich Fragen auf. Abb. 17.15: Verbotsschilder in Singapur
Welches Vorwissen fehlt?
228
Wenn man nicht weiß, was das Wort „durian“ bedeutet, ist man darauf angewiesen, das dargestellte Objekt zu erkennen. Eine Handgranate vielleicht? Aber ist ein Schild notwendig, welches besagt, dass Handgranaten nicht mit in die U-Bahn genommen werden dürfen? Tatsächlich ist auf dem Bild die Frucht „Durian“ abgebildet, die auch als Stinkfrucht bezeichnet wird, weil sie beim Aufschneiden einen sehr unangenehmen Geruch verbreitet. Das Fruchtfleisch dagegen soll sehr gut schmecken. Aufgrund dieses Geruches ist sie in der U-Bahn verboten. Kennt man die Frucht „Durian“ nicht, so fehlt das themenspezifische Vorwissen, um das Bild zu erkennen. Der rote durchgestrichene Kreis dagegen entspricht auch unseren Konventionen, ein Verbot darzustellen, und kann deshalb als solches verstanden werden. Das darstellungsspezifische Vorwissen ist demnach gegeben.
17 Bilder
17.6.4.4 Bildverarbeitungskompetenz Im Gegensatz zum Lesen von Texten wird das „Lesen“ und Verstehen von Bildern selten systematisch erlernt. Deshalb fehlen Kenntnisse zu den bildlichen Symbolsystemen und Strategien zu deren Anwendung und Interpretation. Zur Unterstützung des Bildverstehens können Bildlegenden, Überschriften oder Hinweise im Text zur Nutzung des Bildes verwendet werden. Möglichkeiten, eine systematische Bildbetrachtung zu erlernen, sind das eigene aktive Gestalten von Grafiken (Weidenmann, 2006) sowie Schulungen zum Umgang mit Bildern und den verwendeten Darstellungs- bzw. Steuerungscodes.
17.7 Kombination von Text und Bild Empfehlungen zur didaktisch sinnvollen Kombination von Text und Bild können aus verschiedenen Modellen zum multimedialen Lernen abgeleitet werden. Hier werden zwei Ansätze berücksichtigt: die kognitive Theorie des multimedialen Lernens (Mayer, 2001, 2005b) und das integrierte Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005). Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Modellen besteht in den Annahmen über die Vorgänge im Arbeitsgedächtnis beim Lernen mit bildhaftem und textlichem Material. Mayer (2005b) geht davon aus, das die Lernenden sowohl ein verbales als auch ein bildhaftes Modell aufbauen. Im integrierten Modell (Schnotz, 2005) dagegen wird angenommen, dass eine gemeinsame Repräsentation des illustrierten Textes erstellt wird.
17.7.1 Empfehlungen aus der kognitiven Theorie des multimedialen Lernens Mayer und seine Mitarbeiter (Mayer, 2001) haben auf der Basis der kognitiven Theorie des multimedialen Lernens (s. Kap. 3) Bedingungen untersucht, die das multimediale Lernen unterstützen können. Auf der Basis verschiedener experimenteller Studien haben sie Gestaltungsprinzipien formuliert. Diese können herangezogen werden, um die Frage zu beantworten, wie gute Text-Bild-Kombinationen gestaltet sein sollten. Dabei werden einige der in diesem Kapitel bereits getroffenen Aussagen noch einmal aufgegriffen und in Form von Gestaltungsvorschlägen präzisiert. Eine umfassende Beschreibung dieser Multimediaprinzipien findet sich bei Mayer (2005a). 1. Multimediaprinzip Eine Kombination von Text und Bild ist besser als Text allein. 2. Kontiguitätsprinzip
a) räumliche Kontiguität Zusammengehörende Worte und Grafiken sind räumlich nahe beieinander zu platzieren. b) zeitliche Kontiguität Gesprochene Erläuterungen sollten zeitgleich mit den dazugehörigen Bildern präsentiert werden.
3. Kohärenzprinzip
Das Anreichern mit „interessantem Material“ kann das Lernen beeinträchtigen.
4. Modalitätsprinzip
Zur Erläuterung von Grafiken oder Animationen eignet sich gesprochener Text besser als geschriebener.
17.7 Kombination von Text und Bild
229
17.7.1.1 Das Multimediaprinzip: Eine Kombination von Text und Bildern ist besser als Text allein
Bezug zum Text
Wahrgenommener Bezug zum Text
Die Überlegenheit von illustrierten Texten gegenüber reinem Text konnte in zahlreichen Studien belegt werden (Levie & Lentz, 1982; Levin, Anglin & Carney, 1987) (s. Kap. 17.5). Mayer (1997) bezeichnet dies als Multimediaeffekt und formulierte das gleichnamige Prinzip. Das Multimediaprinzip sagt aus, dass eine Kombination von Text und Bildern besser ist als Text allein. Die Lernförderlichkeit von Bildern in Texten ist jedoch an bestimmte Bedingungen gebunden. Bilder können nur dann das Lernen mit Texten unterstützen, wenn sie sich auf den Textinhalt beziehen. Dekorierende, inhaltlich irrelevante Bilder steigern die Lernleistung nicht. Das Hinzufügen von Bildern verbessert das Verständnis der illustrierten Textpassagen, hat aber keinen Effekt auf nicht illustrierte Textteile (Levie & Lentz, 1982; Levin, Anglin & Carvey, 1987). Häufig werden Abbildungen von den Lernenden nicht angemessen genutzt. Studien zeigten, dass nur dann ein höherer Lernerfolg auftrat, wenn Hinweise auf die Wichtigkeit der Bilder oder explizite Anweisungen zu ihrer genauen Betrachtung gegeben wurden (Drewiak, 1992; Levie & Lentz, 1982; Levin, Anglin & Carney, 1987). Die im Folgenden ausgeführten Prinzipien nennen weitere Bedingungen, die für die Lernförderlichkeit von Bildern erfüllt sein müssen.
17.7.1.2 Das Kontiguitätsprinzip: Zusammengehörige Bilder und Texte nahe beieinander platzieren
Theoretischer Hintergrund: Cognitive Load
Blickbewegung
Split-Attention-Prinzip
230
Während das Multimediaprinzip den Einsatz relevanter Grafiken fordert, beinhaltet das Kontiguitätsprinzip Hinweise zur Anordnung von Text und Bild. Werden Bild und dazugehöriger Text nahe beieinander präsentiert, führt dies zu einem höheren Lernerfolg als eine räumlich getrennte Darstellung. In Büchern oder multimedialen Lernumgebungen werden häufig Abbildungen verwendet, deren zugehörige Erläuterung auf einer anderen Seite zu finden ist oder nur durch Blättern/Scrollen erreicht werden kann. Diese Art der Darstellung beeinträchtigt das Lernen. Die theoretische Begründung für dieses Prinzip liefert die Cognitive-LoadTheorie (Sweller, 1999; s. Kap. 3). Die räumliche Trennung von Text und Bild erfordert zusätzliche kognitive Ressourcen zum Auffinden und mentalen Verknüpfen bedeutsamer Beziehungen zwischen Text und Grafik (extraneous load). Entsprechend weniger Ressourcen stehen dann für das Verständnis des eigentlichen Lerninhaltes zur Verfügung (germane load). Studien mit Blickbewegungsaufzeichnung (Hegarty, Carpenter & Just, 1996) haben gezeigt, dass Lerner dazu tendieren, den erläuternden Text „häppchenweise“ zu lesen. Nach jedem Teilstück betrachten sie den entsprechenden Aspekt in der Grafik. Dieser Prozess kann bedeutend vereinfacht werden, indem der Text in sinnvolle Einheiten zerlegt und jeweils dem betreffenden Teil der Grafik zugeordnet wird (Clark & Mayer, 2002; Mayer, 2005c). Das Kontiguitätsprinzip ist eine Subkategorie des Split-Attention-Prinzips. Dieses besagt, dass Formate vermieden werden sollten, die eine Aufteilung der Aufmerksam-
17 Bilder
keit zwischen verschiedenen Informationsquellen erfordern, welche mental verknüpft werden müssen (Ayres & Sweller, 2005; Mayer, 2005c). Empfehlungen für die Gestaltung von Lernmaterialien: • Erläuternde Texte werden in die Grafik integriert oder zumindest nahe beieinander präsentiert. • Ist eine integrierte Darstellung nicht möglich, können die Textteile durch Linien mit den dazugehörigen Grafikbestandteilen verbunden werden. • Erläuterungen eines Zustandes oder Ereignisses erscheinen als Pop-up-Text, wenn die Maus die Grafik berührt (mouse-over). • Grafik und Text sind immer gleichzeitig sichtbar; die Verdeckung eines der beiden durch Scrollen sollte vermieden werden. „mouse-over“ oder kleinere Grafiken können dazu beitragen. Neben dem räumlichen Kontiguitätsprinzip gibt es auch ein zeitliches Kontiguitätsprinzip (Mayer, 2005c): Gesprochene Kommentare und Erläuterungen sollten gleichzeitig mit der jeweiligen Visualisierung dargeboten werden. Da dieses Prinzip besonders bei Animationen zum Tragen kommt, wird es dort ausführlicher dargestellt (s. Kap. 18).
Zeitliche Kontiguität
17.7.1.3 Das Kohärenzprinzip: Das Anreichern mit „interessantem Material“ kann das Lernen beeinträchtigen Bei der Gestaltung von Lernmaterialien liegt es nahe, zusätzliche Grafiken, Musik und interessante Geschichten einzufügen, um den Lerninhalt interessanter und ansprechender zu gestalten. Wie bereits erwähnt, sind rein dekorative Bilder jedoch nicht lernförderlich. Abbildungen wirken sich nur auf das Verständnis der illustrierten Textpassagen aus. Für das Verständnis des Lerninhaltes müssen Text- und Bildinformationen semantisch zusammenhängen und zu einer kohärenten Wissensstruktur integriert werden. Für diese Integration ist es erforderlich, dass sich die zusammengehörigen Informationen gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis befinden. Aufgrund der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses kann jedoch nur eine bestimmte Menge von Text- und Bildinformationen gleichzeitig verarbeitet werden (Baddeley, 1992; Schnotz, 2006). Inhaltlich irrelevante Informationen können zu einer kognitiven Überlastung (extraneous load) führen und deshalb den Lernerfolg beeinträchtigen. Die irrelevanten Informationen behindern den Lernenden bei der sinnvollen Verbindung wichtiger Aspekte des Lernstoffs und wirken ablenkend, weil die Aufmerksamkeit auf unwichtige Informationen gerichtet wird. Nach dem Kohärenzprinzip wird daher empfohlen, auf irrelevantes Material zu verzichten, sofern es keinen Zusammenhang mit dem Lernziel hat bzw. nur der Abwechslung dienen soll (Mayer, 2005c).
17.7 Kombination von Text und Bild
Begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
Beeinträchtigung durch irrelevantes Material
231
Empfehlungen für die Gestaltung von Lernmaterialien: Verzicht auf • irrelevante, dekorative Grafiken, • unterhaltsame Geschichten, die zwar mit dem Inhalt verbunden, aber nicht unbedingt notwendig sind, • detaillierte Beschreibungen in Textform und • Hintergrundmusik. Verhältnis von Text und Bild
Interrepräsentionale Hyperlinks
Text und Bild sollten nicht redundant sein, sondern sich sinnvoll ergänzen. Idealerweise weckt das Bild das Bedürfnis nach weiteren Informationen und verweist damit auf den Text. Analog dazu sollte die jeweilige Textpassage den Wunsch fördern, das Beschriebene in einem Bild zu sehen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Informationen sich nicht widersprechen und der Lernende keine Probleme hat, Verbindungen zwischen der Text- und der Bildinformation herzustellen (Weidenmann, 2006). Das Herstellen von Verbindungen zwischen zwei Repräsentationsformen (Text und Bild) kann z. B. durch „interrepräsentionale Hyperlinks“ erleichtert werden (s. Abb. 17.16). Wichtige Begriffe werden im Text als Hyperlinks dargestellt. Wenn der Lernende sie anklickt, erscheinen Linien, die sie mit den entsprechenden Elementen in der Grafik verbinden (Seufert & Brünken, 2006).
Abb. 17.16: „Interrepräsentionale Hyperlinks“ zur Kohärenzbildung (Seufert & Brünken, 2006)
Verzicht auf unterhaltsame Geschichten und ausführliche Beschreibungen
232
Zusätzliche kleine Geschichten lenken nicht nur ab, sie verlängern den Text und machen ihn dadurch unübersichtlich. Texte ohne zusätzliche Erzählungen erwiesen sich in empirischen Studien als lernwirksamer. Mayer et al. (1996) untersuchten die Behaltensund Transferleistung der Lernenden, wenn sie a) eine ausführliche Beschreibung der Entstehung eines Blitzes erhielten (600 Wörter und 5 Abbildungen) oder b) eine Zusammenfassung desselben Textes (80 Wörter und 5 Abbildungen). Die Probanden, die mit der Zusammenfassung lernten, erzielten bessere Ergebnisse (Clark & Mayer, 2002).
17 Bilder
Die Prinzipien des multimedialen Lernens werden von verschiedenen Autoren unterschiedlich benannt. Sweller (2005) bezeichnet den Effekt, dass zusätzliches Material den Lernerfolg beeinträchtigen kann, als allgemeines Redundanzprinzip. Die von Mayer (2005c) verwendete Bezeichnung Kohärenzprinzip betont jedoch stärker, dass Bild und Text semantisch zusammenhängen müssen, um lernförderlich zu sein. Auch bei Mayer gibt es ein Redundanzprinzip, auf das in Kap. 18 näher eingegangen wird. Dieses wird von Sweller (2005) als spezifisches Redundanzprinzip bezeichnet.
Allgemeines Redundanzprinzip
Spezifisches Redundanzprinzip
17.7.1.4 Das Modalitätsprinzip: Zur Erläuterung von Grafiken oder Animationen eignet sich gesprochener Text besser als geschriebener Das Modalitätsprinzip besagt, dass zur Erläuterung von Visualisierungen eher gesprochener als geschriebener Text verwendet werden sollte. Dieser Effekt lässt sich anhand der kognitiven Theorie multimedialen Lernens von Mayer (2001, 2005b, s. Kap. 3) erklären: Der Vorteil der auditiven Präsentation der Erläuterungen von Grafiken ergibt sich aus der Organisation der menschlichen Informationsverarbeitung über zwei Kanäle − den auditiven und den visuellen. Wird einer dieser Kanäle zu sehr beansprucht, kann es zu einer kognitiven Überlastung kommen. In diesem Fall ist es dem Lerner nicht möglich, Text und Grafik gleichzeitig (simultan) zu verarbeiten. Es kommt zu einer Aufteilung der Aufmerksamkeit zwischen den beiden Informationsquellen („split attention“). Durch die Verwendung gesprochener Erläuterungen wird der visuelle Verarbeitungskanal entlastet. Das Modalitätsprinzip ist nur unter bestimmten Bedingungen wirksam. Besondere Relevanz hat es jedoch bei der Präsentation von bewegten Bildern (Animationen) und wird dort ausführlich besprochen (s. Kap. 18).
Theoretischer Hintergrund
17.7.2 Empfehlungen aus dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens Auch aus dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens (Schnotz, 2005) können Empfehlungen für die Gestaltung von Text-Bild-Kombinationen abgeleitet werden. Sie decken sich teilweise mit den eben genannten Empfehlungen aus dem kognitiven Modell des multimedialen Lernens (Mayer, 2001, 2005b). In diesem Abschnitt werden jene Aspekte aufgegriffen, die darüber hinausgehen oder den Annahmen widersprechen. 1. Prinzip der Verarbeitungskontrolle
Zur Erklärung von statischen Bildern, insbesondere bei schwierigen Texten und unbegrenzter Lernzeit, eignen sich geschriebene Erläuterungen besser als gesprochene.
2. Prinzip der Reihenfolge von Text und Bild
Ist eine gleichzeitige Präsentation von Text und Bild nicht möglich, so sollte erst das Bild und dann der Text dargeboten werden.
3. Prinzip des Strukturabgleichs (Structure Mapping)
Kann ein Sachverhalt unterschiedlich dargestellt werden, so sollte die Abbildung gewählt werden, die am besten zu den Lernzielen passt.
4. Redundanzprinzip (allgemein)
Auf eine Kombination von Text und Bild sollte verzichtet werden, wenn der Lernende ausreichend Vorwissen und kognitive Fähigkeiten hat, um den Sachverhalt aus nur einer Informationsquelle zu verstehen.
17.7 Kombination von Text und Bild
233
17.7.2.1 Prinzip der Verarbeitungskontrolle Einschränkung des Modalitätsprinzips
Prinzip der Verarbeitungskontrolle
Entsprechend dem Modalitätsprinzip sollte die gesprochene Erläuterung einer Abbildung generell besser sein als geschriebener Text, weil die Aufspaltung der Aufmerksamkeit zwischen zwei visuellen Informationsquellen vermieden wird. Nach dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens ist diese generelle Empfehlung jedoch nicht haltbar. Der Split-Attention-Effekt ist weniger bedeutsam, wenn statische Bilder (keine Animationen) präsentiert werden und die Lernzeit nicht begrenzt ist. In diesem Fall tritt zum Modalitätseffekt noch ein anderer Aspekt hinzu: wie viel Kontrolle die Lernenden über die Informationsverarbeitung haben. Bei gesprochenem Text kann der Lernende die Geschwindigkeit nicht beeinflussen, während er bei geschriebenem Text das Tempo selbst bestimmen kann. Schnotz (2005) schlägt deshalb das Prinzip der Verarbeitungskontrolle vor. Dieses besagt, dass bei der Kombination von Text und statischem Bild, insbesondere bei schwierigen Texten und bei unbegrenzter Lernzeit, geschriebener Text besser geeignet ist als gesprochene Erläuterungen.
17.7.2.2 Prinzip der Reihenfolge von Text und Bild
Theoretischer Hintergrund
In einigen Fällen ist das Bild zu groß oder zu komplex, um es gleichzeitig mit dem Text zu präsentieren. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob es günstiger ist, zuerst den Text oder zuerst das Bild darzustellen. Das Prinzip der Reihenfolge von Text und Bild besagt, dass das Bild vor dem Text präsentiert werden sollte. Nach dem integrierten Modell des Text- und Bildverstehens tritt dieser Reihenfolgeeffekt auf, weil ein Text einen Sachverhalt nie so eindeutig beschreiben kann, dass nur ein einziges Bild dazu passen würde. Die Vorstellung, die sich der Lernende aufgrund der Beschreibung des Textes macht, wird daher mehr oder weniger von dem präsentierten Bild abweichen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass das nachgestellte Bild und die Vorstellung aus dem Text sich gegenseitig behindern. Einige Studien konnten zeigen, dass es besser ist, erst das Bild und dann den dazugehörigen Text darzubieten (Kulhavy, Stock & Caterino, 1994; zit. nach Schnotz, 2005).
17.7.2.3 Prinzip des Strukturabgleichs (Structure Mapping)
Vergleich unterschiedlicher Abbildungen gleichen Inhalts
234
Soll ein bestimmter Sachverhalt visualiert werden, so gibt es meist mehrere Möglichkeiten dies zu tun. In diesem Kapitel wurde bereits herausgearbeitet, dass Bilder nicht generell, sondern nur unter bestimmten Bedingungen lernförderlich sind. Das Prinzip des Strukturabgleichs besagt, dass Lerner nur von Abbildungen profitieren, die für das Lernziel angemessen sind. Abbildungen, die nicht zu der Aufgabe passen, können das Lernen behindern. Schnotz und Bannert (2003) verglichen die Lernleistung bei der Darbietung eines Textes mit jeweils unterschiedlichen Abbildungen. Die Bilder waren inhaltlich gleich, unterschieden sich jedoch in der Art der Visualisierung. Es wurden zwei verschiedene Darstellungen der Zeitzonen verwendet. Die eine Darstellung zeigte die Weltkarte mit den Linien der Zeitzonen, wie sie in Taschenkalendern zu finden ist (Teppichdiagramm,
17 Bilder
Abb. 17.17: Darstellung der geografischen Zeitunterschiede in einem Teppichdiagramm (oben) und einem Kreisdiagramm (unten) (Quelle: Schnotz & Bannert, 2003)
s. Abb. 17.17 oben). Die andere Abbildung zeigte die Nordhalbkugel mit dem Nordpol als Zentrum, bei der die Zeitzonen als Kreisabschnitte eingetragen waren (Kreisdiagramm, s. Abb. 17.17 unten). Es zeigte sich, dass die erste Abbildung sich besonders für Aufgaben eignete, bei denen Zeitunterschiede in zwei verschiedenen Städten erfragt wurden. Die zweite Abbildung war bei Aufgaben überlegen, bei denen der Lernende mental um die Welt reisen muss (z. B. bei der Aufgabe, warum Magellans Segler glaubten, dass sie nach einer Weltumseglung an einem Mittwoch ankommen würden, obwohl es ein Donnerstag war (Schnotz & Bannert, 2003, S. 148)). Es zeigte sich, dass nur diejenigen Abbildungen das Lernen unterstützten, die eine aufgabenangemessene Art der Visualisierung verwendeten. Dieses Prinzip ist sowohl für Lernende mit niedrigem als auch für Lernende mit hohem Vorwissen von Bedeutung, da die Konstruktion mentaler Modelle durch unangemessene Formen der Visualisierung beeinträchtigt werden kann.
17.7 Kombination von Text und Bild
Vorwissen
235
17.7.2.4 Redundanzprinzip (allgemein)
Redundanz durch hohes Vorwissen
Das Redundanzprinzip besagt, dass redundante, unnötige Informationen den Lernerfolg beeinträchtigen können (Sweller, 2005). Das allgemeine Redundanzprinzip wird von Mayer (2005c) als Kohärenzprinzip bezeichnet und wurde unter diesem Namen bereits behandelt (s. oben). Dort wurde betont, dass das Anreichern mit „interessantem“ Material das Lernen beeinträchtigen kann. An dieser Stelle wird auf den Fall eingegangen, dass Bilder auch dann überflüssig sein können, wenn sie wichtige Teile des Textes illustrieren, und zwar bei Lernenden mit hohem Vorwissen. Wenn Lernende hohes Vorwissen haben, so brauchen sie in vielen Fällen keine zusätzliche Abbildung für die Veranschaulichung des Sachverhaltes. In diesem Fall ist die Integration eines Bildes in den Text eine überflüssige Information, die den Lernenden Zeit und mentale Ressourcen kosten. Lernende mit niedrigem Vorwissen dagegen können von derselben Abbildung profitieren (expertise reversal effect). Nach diesem Prinzip sollte auf eine Kombination von Text und Bild verzichtet werden, wenn der Lernende ausreichend Vorwissen und kognitive Fähigkeiten hat, um den Sachverhalt mit nur einer Informationsquelle zu verstehen (Schnotz, 2005).
17.8 Zusammenfassung Das Lernen mit Bildern ist ein komplexer Prozess, in dem viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. In diesem Kapitel wurden zunächst informierende Bilder, die zum Lernen eingesetzt werden, von unterhaltenden Bildern unterschieden. Die informierenden Bildern wiederum können in verschiedene Arten unterteilt werden: in realistische Bilder, Analogiebilder und logische Bilder, die unterschiedliche Funktionen im Lernprozess übernehmen können. Bildverstehen umfasst das Zusammenwirken attentiver und präattentiver Prozesse sowie zweier Verstehensmodi: das natürliche und das indikatorische Bildverstehen. Bei ersterem wird erkannt, was auf der Abbildung dargestellt ist, Letzteres beinhaltet das Verstehen der Mitteilungsabsicht des Bildautors. Durch den angemessenen Einsatz von Darstellungs- und Steuerungscodes kann sowohl das natürliche als auch das indikatorische Bildverstehen unterstützt werden. Zahlreiche Studien zeigten, dass Texte mit Bildern reinem Text überlegen sind. Dennoch gilt wie in den meisten Fällen nicht „viel hilft viel“, sondern eher „weniger ist mehr“. Die Lernförderlichkeit von Bildern hängt von verschiedenen Bedingungen, wie den Lernzielen, der Qualität der Bilder, dem Inhalt des Textes und den Lernermerkmalen, ab. Obwohl auf der Basis des heutigen Forschungsstandes noch nicht alle Fragen zufrieden stellend beantwortet werden können, lassen sich einige Empfehlungen zur Gestaltung von Bildern und Text-Bild-Kombinationen ableiten. Diese sind nicht als UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zu verstehen. Eine Einhaltung der Empfehlungen führt nicht automatisch zu einem höheren Lernerfolg. Sie können jedoch dazu beitragen, Lernmaterialien so zu gestalten, dass Lernende beim Wissenserwerb unterstützt oder zumindest nicht behindert werden. Die zentrale Frage, die bei Designentscheidungen bedacht werden sollte, ist: „(…) was wem und wozu vermittelt werden soll.“ (Schnotz, 2002, S. 77). Technische Aspekte zur Gestaltung von Bildern werden in Kap. 31.3 besprochen.
236
17 Bilder
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238
17 Bilder
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Die fortschreitende Entwicklung der Computertechnologie ermöglicht heute realistische Darstellungen von Objekten, Prozessen und Figuren. Besonders in aktuellen Filmen und Computerspielen wird die Leistungsfähigkeit der Computeranimation sichtbar. So ist es beispielsweise bei der Darstellung des Wesens „Gollum“ in dem Film „Herr der Ringe“ für den Zuschauer kaum noch möglich, zwischen Film und Animation zu unterscheiden. Auch im Bereich des multimedialen Lernens finden Animationen zunehmend Verbreitung. Zur Darstellung dynamischer Prozesse wird ihnen eine bessere Eignung zugesprochen als statischen Bildern. Offen bleibt jedoch die Frage, ob Animationen tatsächlich zu besseren Lernergebnissen führen bzw. das Lernen erleichtern. Stellen Sie sich eine Animation eines Viertaktmotors vor. Könnten Sie anhand der Darstellung seine genaue Funktionsweise erklären und abschätzen, was passiert, wenn die Größe des Hubraumes variiert wird? Könnten Sie diese Fragen anhand einer Serie statischer Bilder auch oder sogar besser bzw. schlechter beantworten? Benötigen Sie eine realistische Abbildung (Video) oder eher eine schematische? Angenommen Sie erhalten außerdem die Möglichkeit, den Hubraum des Motors zu verändern und die entsprechenden Konsequenzen zu beobachten (Simulation). Würde dies die Aufgabe erleichtern? Diese Ausführungen machen deutlich, dass (ähnlich wie bei statischen Bildern) eine generelle Lernförderlichkeit von Animationen und Simulationen fraglich ist. Vielmehr ist zu klären, wie sie gestaltet sein sollten, um das Lernen potenziell zu fördern. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie wissen bzw. verstanden haben,
Lehrziele
• warum es sich bei Animationen nur um scheinbare Bewegungen handelt, • welche Arten von Animationen unterschieden werden, • welche Prozesse bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von Animationen auftreten und wie diese unterstützt werden können, • welche Funktionen Animationen haben können und welche didaktischen Stärken, • unter welchen Bedingungen Animationen lernförderlich sein können, • welche Besonderheiten Simulationen und Videos aufweisen und wie diese sinnvoll eingesetzt werden können und • welche Gestaltungsprinzipien bei der Einbindung bewegter Bilder beachtet werden sollten.
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
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18.1 Animationen = bewegte Bilder Sehr allgemein gesagt, wird der Begriff „Animation“ für Darstellungselemente verwendet, deren Eigenschaften oder Merkmale sich über die Zeit verändern (Schnotz & Lowe, 2008).
18.1.1 Scheinbare Bewegung Bewegungswahrnehmung
Erzeugung von Bewegungstäuschungen
Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht handelt es sich bei Animationen um eine scheinbare Bewegung. Im Gegensatz zu Menschen oder Objekten, die in der Wirklichkeit wahrgenommen werden und die sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit in eine bestimmte Richtung fortbewegen, liegt bei Animationen eine Bewegungstäuschung vor. Dieser Effekt wird durch eine schnelle Folge von Standbildern erzeugt und als stroboskopische Bewegung bezeichnet (Goldstein, 1996). In frühen Untersuchungen zur stroboskopischen Bewegung wurden Bilder zweier Lichtpunkte präsentiert, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen aufleuchteten (Kaufman, 1974; Schiffman, 1976). Der Schwellenwert für die Wahrnehmung einer kontinuierlichen, glatt laufenden Bewegung liegt bei ca. 16 Bildern pro Sekunde (Rieber, 2000). Scheinbewegungen (stroboskopische Bewegungen) können nicht nur durch eine schnelle Abfolge von Bildern erzeugt werden (Beta-Phänomen), sondern auch durch das An- und Ausschalten von Lichtern (Phi-Phänomen). Eine bekannte Anwendung dafür sind Leuchtreklamen, wie z. B. an den Kasinos von Las Vegas (s. Abb. 18.1). Bei der richtigen Geschwindigkeit entsteht hier der Eindruck einer Laufschrift, d. h. eines einzigen hin- und herwandernden Lichtimpulses. Bei langsamerer Darbietung wird ein Blinken, bei zu schneller ein ständiges Leuchten aller Lichter wahrgenommen (Rieber, 2000).
Abb. 18.1: Leuchtreklamen in Las Vegas (Quelle: www.pixelquelle.de)
240
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
18.1.2 Begriffsbestimmung Nach der oben genannten allgemeinen Begriffsbestimmung zählen auch einfache, sich bewegende Pfeile oder blinkende Objekte zu den Animationen, ebenso wie einfliegende Buchstaben oder Zeilen, wie sie z. B. in MS Powerpoint erzeugt werden können (Wright, Milroy & Lickorish, 1999, zit. nach Schnotz & Lowe, 2008). Betrancourt und Tversky (2000) heben in ihrer Begriffsbestimmung stärker auf die Zusammensetzung einer Animation aus einzelnen Bildern (englisch: frames) ab. Sie verwenden den Begriff „Animation“ für Anwendungen, die eine Folge von Bildern generieren, so dass jedes Bild als eine Veränderung des vorherigen Bildes erscheint, wobei die Reihenfolge der Bilder entweder vom Designer oder dem Lernenden bestimmt wird. In Anlehnung an Schnotz und Lowe (2008) wird in diesem Kapitel eine Eingrenzung des Begriffes „Animation“ vorgenommen. Sie definieren Animationen als bildhafte Darstellungen, deren Struktur und Eigenschaften sich über die Zeit verändern und die die Wahrnehmung einer kontinuierlichen Veränderung erzeugen. Diese Definition schließt Animationen ein, die Objekte oder Prozesse darstellen. Zu den Animationen werden auch Simulationen und Videos gezählt, die jeweils besondere Eigenschaften aufweisen. Simulationen zeichnen sich durch einen hohen Grad an Interaktivität, Videos durch die Art ihrer Erstellung (Aufzeichnung statt Generierung) und einen hohen Realitätsgrad aus.
Animation als Folge von Bildern
Definition
Einschluss von Simulationen und Videos
18.2 Arten von Animationen In der Literatur gibt es bisher keine einheitliche Unterteilung der Arten von Animationen. Stattdessen finden sich verschiedene Ansätze, diese zu klassifizieren.
18.2.1 Welche Veränderung findet statt? Die Definition von Animationen verweist darauf, dass sie Veränderungen über die Zeit abbilden. Dementsprechend lassen sich verschiedene Arten von Animationen unterscheiden, je nachdem, in welcher Art und Weise diese Veränderungen verlaufen. Lowe (2003, 2004) unterscheidet drei Arten von Animationen: • Veränderung der Form (transformation), d. h. der Größe, Form, Farbe oder Struktur eines Objektes, • Veränderung der Position (translation), die Bewegung einzelner Elemente von einer Stelle zu einer anderen, relativ zum Rand der Animation oder zu anderen dargestellten Objekten, • Veränderung der enthaltenen Elemente (transition), das Erscheinen oder Verschwinden bestimmter Elemente oder Teilen von ihnen.
18.2 Arten von Animationen
241
18.2.2 Wie komplex ist die dargestellte Bewegung? Je nach den Veränderungen, die über die Zeit abgebildet werden sollen, variieren Animationen in ihrer Komplexität. Die vielleicht einfachste Bewegung ist eine Flugbahn bzw. der zurückgelegte Weg, wenn die Merkmale des jeweiligen Objektes nicht bedeutsam sind. Dies kann durch die Bewegung eines Punktes oder einer Kugel dargestellt werden. Soll die Geschwindigkeit und die Art und Weise der Bewegung visualisiert werden, erfordert dies komplexere Animationen. Die nächsthöhere Stufe bilden Darstellungen von Bewegungsabläufen, bei denen sich Teile des Objektes oder Systems relativ zueinander verändern. Ein Beispiel dafür ist die dynamische Abbildung eines galoppierenden Pferdes, bei dem sich die Beine relativ zueinander und zum Körper bewegen. Neben den bisher beschriebenen Bewegungen eines Objektes oder Systems selbst kann auch der Blickwinkel des Betrachters variiert werden (Tversky et al., 2002).
18.2.3 Wie abstrakt ist die Darstellung? Gemessen an ihrem Abstraktionsgrad können abstrakte und konkrete Animationen unterschieden werden, je nachdem, ob eine ikonische oder symbolische Darstellung gewählt wird. Soll beispielsweise eine Fragestellung der Wahrscheinlichkeitsrechnung veranschaulicht werden, wie das Ziehen einer Zufallsstichprobe ohne Zurücklegen, können unterschiedliche Darstellungen gewählt werden. In Abb. 18.2 wird ein Wettrennen als konkretes Beispiel verwendet, welches ikonisch, d. h. in Analogie zur Realität, dargestellt wird. Abb. 18.2: Konkrete Animation zur Veranschaulichung der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Abbildung 18.3 dagegen zeigt das Urnenmodell als häufig verwendete symbolische Darstellung. In diesem Fall handelt es sich um eine abstrakte Animation (Scheiter & Gerjets, 2006; Scheiter, Gerjets & Catrambone, 2006). Abb. 18.3: Abstrakte Animation zur Veranschaulichung der Wahrscheinlichkeitsrechnung
242
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
18.2.4 Welcher Inhalt wird dargestellt? Da Animationen Veränderungen über die Zeit abbilden können, liegt die Vermutung nahe, dass sie sich besonders für die Vermittlung dynamischer Inhalte eignen, während statische Inhalte eher durch Bilder visualisiert werden sollten. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass Lernende in der Lage sind, auch aus einer Folge statischer Bilder zeitliche Informationen zu entnehmen und die Animation mental durchzuführen, d. h., sich die Veränderung vorzustellen. Auf der anderen Seite ist auch die Nutzung von Animationen nicht auf dynamische Inhalte beschränkt. Ihre Verwendung kann auch zur Konstruktion statischer mentaler Modelle beitragen (Schnotz & Lowe, 2008). Auf die Möglichkeit, Handlungsfolgen durch eine Folge mehrerer statischer Bilder darzustellen, wurde bereits in Kap. 17.3.2.2 hingewiesen. So kann beispielsweise in mehreren Bildern die Bewegung eines Weitspringers demonstriert werden, etwa in der Reihenfolge Anlauf-Absprung-Flugphase-Landung. Eine solche Abfolge kann auch in ein einziges Bild integriert sein, wie in Abb. 18.4.
Statische Bilder für dynamische Inhalte
Abb. 18.4: Bewegungsabfolge eines Snowboarders in einem statischen Bild (Quelle: www.pixelquelle.de)
Die Verwendung von Steuerungscodes (s. Kap. 17.2.2) kann die Wahrnehmung von Bewegungen bei statischen Bildern unterstützen. Zur Angabe der Richtung einer Bewegung können Pfeile, gepunktete Linien oder dunkler werdende Farben verwendet werden. Die Geschwindigkeit kann durch die Länge der Pfeile oder dichtere Abstände zwischen den Punkten angezeigt werden.
18.2.4.1 Darstellung von Prozessen Häufig werden Animationen zur Darstellung von Prozessen verwendet. Sie bieten dann eine externe Repräsentation zeitlicher Veränderungen analog zu den Vorgängen in der Realität. Es können sowohl natürliche als auch technische Prozesse dargestellt werden. Beispiele für Visualisierungen natürlicher Prozesse sind die Bewegungen eines Raubund eines Beutetieres, das dynamische Verhalten meteorologischer Systeme (Wetterkarten), die Bewegungsabläufe eines Menschen bei einer bestimmten Sportart oder eines Tieres (s. Abb. 18.5).
18.2 Arten von Animationen
Animationen für dynamische Inhalte
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Abb. 18.5: Ausschnitt aus der Bilderfolge eines galoppierenden Rennpferdes (Fotograf: Eadweard Muybridge)
Beispiele für technische Prozesse sind Darstellungen der Funktionsweise technischer Geräte (wie Motoren, Fahrradpumpen oder Kameras), des Knüpfens von Seemannsknoten oder der Wechselwirkung von Variablen in einem Diagramm.
18.2.4.2 Darstellung von Objekten Animationen für statische Inhalte
Dem gegenüber stehen Animationen von Objekten, mit deren Hilfe statische mentale Modelle aufgebaut werden sollen. Durch Rotationen können Objekte aus verschiedenen Perspektiven dargestellt und betrachtet werden. Darüber hinaus kann der Aufbau komplexer Objekte aus ihren Bestandteilen verdeutlicht werden, indem sie entweder zerlegt oder nach und nach aufgebaut werden. Der Aufbau einer Basilika wird in Abb. 18.6 am Beispiel der Kirche von Altenstadt veranschaulicht. Der Lernende kann verfolgen, aus welchen Einzelteilen sie sich zusammensetzt, und durch Anklicken erfahren, wie die Teile bezeichnet werden, z. B. der Ostturm.
Abb. 18.6: Animation zum Aufbau einer Basilika aus ihren Einzelteilen (Quelle: prometheus Lernelement Themenraum Altenstadt)
Darüber hinaus kann der Lernende den Grundriss der Basilika einblenden und sich die Lage der Bestandteile anzeigen lassen (s. Abb. 18.7). Dadurch wird z. B. deutlich, dass der Ostturm nicht an das Mittelschiff, sondern an den Chor anschließt. Die Veranschau-
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18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Abb. 18.7: Bestandteile einer Basilika in Relation zum Grundriss (Quelle: prometheus Lernelement Themenraum Altenstadt)
lichung, wie die einzelnen Teile des Objektes miteinander in Beziehung stehen, kann den Lernenden helfen, hierarchisch organisierte mentale Repräsentationen aufzubauen.
18.2.5 Zusammenfassung Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Arten von Animationen zu klassifizieren. Besonders hervorzuheben ist, dass dynamische Inhalte nicht notwendigerweise in Animationen dargestellt werden müssen und umgekehrt Animationen auch statische Inhalte abbilden können (Schnotz & Lowe, 2008). In allen Fällen jedoch sollte sich die Art der Animationen daran orientieren, welche relevanten Informationen dargestellt bzw. hervorgehoben werden sollen (Tversky et al., 2002). Dazu ist es notwendig zu verstehen, wie Animationen wahrgenommen und verarbeitet werden.
18.3 Animationsverstehen Animationen können auf drei Analyseebenen beschrieben werden. Bei der technischen Ebene liegt der Fokus auf den technischen Geräten, die benutzt werden, um die Zeichen zu übertragen (z. B. Computer). Die semiotische Ebene umfasst das Präsentationsformat (Texte, Bilder, Audiosequenzen) sowie die Art und Weise, welche Veränderungen wie dargestellt werden. Die psychologische Ebene bezieht sich auf die Modalität, in der die Zeichen wahrgenommen werden (visuell, auditiv), und auf die Prozesse der Wahrnehmung und kognitiven Verarbeitung (Betrancourt, 2005; Schnotz & Lowe, 2003). Für die Frage, inwieweit Animationen sinnvoll zum Lernen eingesetzt werden können, ist insbesondere die psychologische Ebene von Bedeutung. Ein neuerer Ansatz betont, dass das Lernen mit Bildern und mit Animationen sich nicht fundamental voneinander unterscheidet (Schnotz & Lowe, 2008). Vielmehr sollten dieselben Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse zum Tragen kommen, da beide Präsentationsformen vom selben kognitiven System verarbeitet werden. Nach dieser Überlegung bildet das Verständnis der Verarbeitung von Bildern die Grundlage für das Verständnis des Lernens mit Animationen. Dementsprechend baut dieses Kapitel auf die Ausführungen in Kap. 17 auf. Unsere Umwelt lässt sich als 3-dimensionale räumliche Struktur beschreiben, die sich über die Zeit verändert (3 + 1-dimensional). Bilder geben diese Struktur 2-dimen-
18.3 Animationsverstehen
Ähnlichkeiten der Verarbeitung von Bildern und Animationen
Besonderheiten von Animationen
245
sional wieder. Bei Animationen kommt zusätzlich die zeitliche Dimension hinzu, woraus eine 2 + 1-dimensionale Struktur folgt. Demnach enthalten Animationen zwar mehr Informationen als Bilder, das heißt jedoch nicht, dass diese in jedem Fall vom Lerner genutzt werden (können). Animationen sind deshalb nicht per se besser zum Lernen geeignet. Darüber hinaus können Lernende mit ausreichend Vorwissen zeitliche Informationen auch aus einer Folge von statischen Bildern erschließen (Schnotz & Lowe, 2008) (s. auch Kap. 18.2.4).
18.3.1 Wahrnehmung von Animationen
Präattentive Prozesse
Prozesse der Wahrnehmungsorganisation
Analog zum natürlichen Bildverstehen geht es bei der Wahrnehmung von Animationen zunächst einmal um das Erkennen der dargestellten Objekte und Prozesse. Die Wahrnehmung erfolgt präattentiv und selektiv, da nur eine bestimmte Menge an Informationen gleichzeitig aufgenommen werden kann. Im Gegensatz zu statischen Bildern, die ein Lernender so lange er möchte nach relevanten Details absuchen kann, sind die Informationen bei Animationen fliehend. Die einzelnen Bilder einer Sequenz sind nur für Sekundenbruchteile sichtbar. Demnach ist es von besonderer Bedeutung, dass zum einen die einzelnen Elemente gut erkennbar sind und zum anderen die Aufmerksamkeit der Lernenden auf inhaltlich relevante Elemente gelenkt wird (Schnotz & Lowe, 2008). Aus diesem Grund sind auch bei Animationen die präattentiven Prozesse der Wahrnehmungsorganisation zu bedenken, insbesondere die Figur-Grund-Trennung und die Gestaltgesetze (s. Kap. 17.2.1). Im Folgenden werden jene Prinzipien aufgeführt, die bei Bewegtbildern bedeutsam sind (vgl. Schnotz & Lowe, 2008).
18.3.1.1 Die Figur-Grund-Trennung Bei der Darstellung von Bewegungen ist es auch bedeutsam, dass eindeutig zwischen dem dargestellten Objekt und dem Hintergrund unterschieden werden kann. Im Gegensatz zu statischen Bildern geht es dabei nicht nur um den Kontrast zwischen Vorderund Hintergrund und die klare Abgrenzung der Figur (visueller Kontrast), sondern auch um den dynamischen Kontrast (Lowe, 2000, 2003, 2004).
18.3.1.2 Dynamische Kontraste Ein dynamischer Kontrast ist dann gegeben, wenn sich innerhalb einer Animation nur ein einziges Objekt bewegt, während der Hintergrund statisch bleibt (s. Abb. 18.8, links). Auch der umgekehrte Fall ist möglich, wenn das Objekt fokussiert wird, also sich nicht bewegt, und der Hintergrund sich verändert (s. Abb. 18.8, rechts). Die Wirkung eines dynamischen Kontrastes können Sie ausprobieren, indem Sie die Abb. 18.9 kopieren, auf Folie ausdrucken, in der Mitte teilen und den Smiley auf die Fläche legen. Er wird sehr viel besser zu erkennen sein, wenn Sie ihn über die Fläche bewegen (vgl. Goldstein, 1996). Weniger eindeutig sind Szenen, bei denen sich sowohl das Objekt als auch der Hintergrund bewegt, etwa wenn man versucht, von einer Brücke aus einen Fisch im Wasser
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18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Abb. 18.9: Dynamische Kontraste: Bewegung des Objekts (links) und des Hintergrunds (rechts) (Quelle: www.pixelquelle.de)
Abb. 18.8: Übungsblatt zum dynamischen Kontrast (Abbildung in Anlehnung an Regan (1986))
zu entdecken. Hier muss zwischen der Bewegung der Wellen und des Fisches unterschieden werden. Dies wird durch invariante Bewegungsmuster ermöglicht.
18.3.1.3 Invariante Bewegungsmuster Viele Bewegungen von Menschen, Tieren und Objekten verlaufen zyklisch, d. h., sie wiederholen sich nach demselben räumlich-zeitlichen Muster und enthalten deshalb Invarianz. Beispiele dafür sind gehende, trabende oder galoppierende Pferde, laufende Menschen, das Schwingen eines Pendels, das Hopsen eines Kängurus, die Bewegungen von Wellen bei einer bestimmten Windstärke oder die eines schwimmenden Fisches. Das Erkennen dieser Invarianten erlaubt die Unterscheidung zwischen Figur und Grund, da die Bewegungen beider einem spezifischen Muster folgen.
18.3.1.4 Das Gesetz des gemeinsamen Schicksals Das Gesetz des gemeinsamen Schicksals ist eines der Gestaltgesetze (vgl. Kap. 17.2.1). Es besagt, dass Objekte, die sich in dieselbe Richtung bewegen, als zusammengehörige Gruppe wahrgenommen werden (Goldstein, 1996). So werden die drei Inlineskater in Abb. 18.10 als Gruppe wahrgenommen, weil sie sich in einer ähnlichen Geschwindigkeit in dieselbe Richtung bewegen und, wie eben beschrieben, dieselben invarianten Bewegungsmuster aufweisen.
18.3 Animationsverstehen
247
Abb. 18.10: Inlineskater-Gruppe (Quelle: www.pixelquelle.de)
18.3.1.5 Zeitliche Kategorisierung Prototypenlehre
Übertragung auf Prozesse
248
Darzustellende Ereignisse können in Teilprozesse unterschiedlicher Ebenen zerlegt werden. Zur Beantwortung der Frage, wie differenziert die Zerlegung erfolgen sollte, kann die Prototypenlehre (Rosch, 1978; Rosch & Mervis, 1975) herangezogen werden (Schnotz & Lowe, 2008). Sie bezieht sich ursprünglich auf Objekte und besagt, dass es für jede Kategorie jeweils einen typischen Vertreter gibt. Beispielsweise weisen alle Vertreter der Kategorie „Vögel“ gewisse Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Die Zugehörigkeit zu einer Kategorie bestimmt sich dadurch, dass ein Vertreter mit dieser Kategorie mehr Ähnlichkeiten gemein hat als mit einer anderen, wie z. B. „Hunden“. Die Kategorie wiederum wird durch einige Vertreter besser repräsentiert als durch andere. So stellt ein Rotkelchen in Europa oder ein Magpie in Australien einen typischen Vertreter (Prototypen) dar, während ein Strauß eher untypisch ist. Analog wäre ein Hammer ein typisches Werkzeug. Überträgt man diese Überlegungen auf Prozesse (Zacks & Tversky, 2001), so können diese in Kategorien zerlegt werden, deren Ereignisse einander ähneln (Schnotz & Lowe, 2008). Eine neue Kategorie bzw. ein neuer Teilprozess würde dann beginnen, wenn neue Ereignisse auftreten, die einander ähneln, sich aber von der vorhergehenden Kategorie unterscheiden. Am Beispiel eines Weitspringers können die Phasen Anlauf-Absprung-Flugphase-Landung unterschieden werden (Makroebene). Zur Phase des Anlaufes würden der Start und die Sprintphase gehören. Eine prototypische Handlung wäre der Sprint etwa in der Mitte zwischen Start und Absprungbrett, da der Lerner sich vorstellen kann, dass der Sportler gestartet ist, bis hierher gelaufen und auch den restlichen Weg bis zum Absprungbrett laufen wird. Schnotz & Lowe (2008) schlagen deshalb vor, solche prototypischen Ereignisse als statische Bilder (keyframes) zu präsentieren. Die gebildeten Kategorien wiederum können zur Zerlegung der Animation in mehrere Teile entsprechend der Phasen des Prozesses genutzt werden.
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
18.3.1.6 Zusammenfassung Anhand der Abb. 18.11 lassen sich die genannten Prinzipien zusammenfassend erläutern (sofern man sich die Abbildung als animiert vorstellt). Die Figur-Grund-Trennung ist möglich, weil das Karussell sich in Bewegung befindet, während die Häuser im Hintergrund statisch sind. Dadurch entsteht ein dynamischer Kontrast. Die Bewegungen des Karussells sind invariant und erfolgen immer nach demselben Muster. Da sich alle Teile des Karussells in dieselbe Richtung bewegen, wird es als ein Objekt wahrgenommen (Gesetz des gemeinsamen Schicksals). Es handelt sich um ein prototypisches Bild für die In-Fahrt-Phase des Karussells. Weitere Phasen (Kategorien) wären Stillstand, Anfahren, Abbremsen. Abb. 18.11: Darstellung eines Kettenkarussells in Fahrt (Quelle: www.pixelquelle.de)
Zur Unterstützung des Erkennens von Animationen können ebenso wie bei statischen Bildern beschreibende und analytische Darstellungscodes eingesetzt werden (s. Kap. 17.2.1). Dabei ist darauf zu achten, dass die Lernenden sowohl über das notwendige Codewissen als auch das Weltwissen verfügen, um die Verständlichkeit der verwendeten Codes zu gewährleisten.
Unterstützung durch Darstellungscodes
18.3.2 Kognitive Verarbeitung von Animationen Analog zum indikatorischen Bildverstehen bei statischen Bildern geht es bei Animationen nicht nur darum, sie wahrzunehmen, sondern darum zu verstehen, warum der Inhalt so und nicht anders dargestellt wurde (vgl. Kap. 17.2.2). Die Prozesse der kognitiven Verarbeitung laufen attentiv, d. h. bewusst ab und werden durch die Ziele der Lernenden und deren Vorwissen beeinflusst. Vorhandene kognitive Schemata werden zum Verständnis der vorliegenden Animation herangezogen. Das bekannteste Beispiel für ein Ereignisschema (Skript) ist der Besuch eines Restaurants (Schank & Abelson, 1977). Es besteht aus einer Reihe hierarchisch organisierter Teilhandlungen. Als Besucher eines Restaurants wird man erwarten, dass man zunächst einen Platz zugewiesen bekommt, dann die Karte erhält, Getränke und Speisen bestellt, usw. Diese Erwartungen wiederum beeinflussen das Verständnis einer Animation, sie werden mit den dargestellten Ereignissen abgeglichen (structure mapping: Gentner, 1983; Schnotz, 1993; zit. nach Schnotz & Lowe, 2008).
18.3 Animationsverstehen
Attentive Prozesse
249
Schlussfolgerungen ermöglichen
Statische Bilder vs. Animationen
Unterstützung durch Steuerungscodes
Das Vorwissen bzw. die vorhandenen kognitiven Schemata erlauben es dem Lernenden, bei statischen Bildern auf Ereignisse vor und nach der abgebildeten Szene zu schließen. Bei fehlendem Vorwissen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass Lernende in der Lage sind, aus komplexen Abbildungen die richtigen Schlüsse zu ziehen (Lowe, 1996; zit. nach Schnotz & Lowe, 2008). Hier können Animationen von Vorteil sein, da die Ereignisse explizit gezeigt werden und demnach keine Schlussfolgerungen notwendig sind. Andererseits ermöglichen Folgen von statischen Bildern den Vergleich zwischen verschiedenen Zuständen. Da Animationen fliehend sind, d. h. sich kontinuierlich verändern, erfordern diese Vergleiche viel mehr kognitive Ressourcen. Um einen Vergleich zu ermöglichen, muss der vorherige Zustand im Arbeitsgedächtnis behalten oder aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden. Ist ein Vergleich verschiedener Zustände notwendig, um den Lerninhalt zu verstehen, so können statische Bilder besser geeignet sein. Verfügen die Lernenden über geringes Vorwissen und ist eher der Prozess selbst als die einzelnen Zustände entscheidend, so bieten sich Animationen an. Einen Kompromiss stellt die Zerlegung der Animation in verschiedene Sequenzen dar, die jeweils einen Teilprozess abbilden. Dies kann zu einer Reduzierung des Extraneous Cognitive Load (s. Kap. 3) beitragen (Mayer & Chandler, 2001; Schnotz & Lowe, 2008). In einigen Studien zum Lernen mit Animationen konnte gezeigt werden, dass Lernende dazu neigen, ihre Aufmerksamkeit auf auffällige Elemente zu fokussieren, die etwa durch eine ungünstige Figur-Grund-Gliederung oder dynamische Kontraste hervorgehoben werden. Dafür vernachlässigen sie subtilere, aber inhaltlich relevante Informationen (Lowe, 2000, 2004). Oft werden einzelne Elemente betrachtet, jedoch nicht der Zusammenhang zwischen den Objekten und Teilprozessen. Veränderungen in der Position scheinen eher wahrgenommen zu werden als Veränderungen in der Größe. Daraus wird deutlich, dass die Lernenden zusätzliche Hilfen benötigen, um die relevanten Informationen zu identifizieren. Diese können u. a. durch explizite und implizite Steuerungscodes (s. Kap. 17.2.2) gegeben werden. Andere Möglichkeiten der Unterstützung der Wahrnehmung und des Verständnisses von Animationen werden im Folgenden aufgeführt.
18.4 Unterstützung des Animationsverstehens Wie können Animationen gestaltet bzw. überarbeitet werden, um die Wahrnehmung und die kognitive Verarbeitung zu erleichtern? Was macht eine gute Animation aus? Aufbauend auf die Ausführungen zum Animationsverstehen werden einige Ansatzpunkte zur guten didaktischen Gestaltung gegeben.
18.4.1 Unterstützung der Wahrnehmung von Animationen 18.4.1.1 Das Erkennen erleichtern Dynamische Kontraste
250
Zusätzlich zu den Maßnahmen zur Unterstützung des Bildverstehens (s. Kap. 17.3.1) kann das Erkennen von Animationen durch die Verwendung dynamischer Kontraste erleichtert werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Auffassungsspanne
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
beim Sehen bei 5 bis 7 optischen Einheiten liegt (Ballstaedt, 1997). Deshalb sollten inhaltlich weniger relevante Details vernachlässigt oder zumindest nicht betont werden. Darüber hinaus kann die Verletzung von Darstellungskonventionen (z. B. Rot für sauerstoffreiches Blut, Blau für sauerstoffarmes Blut) das Erkennen und Verständnis von Animationen erschweren (Schnotz & Grzondziel, 1996; zit. nach Weiss, Knowlton & Morrison, 2002).
18.4.1.2 Teilprozesse sichtbar machen Zur Erleichterung der zeitlichen Kategorisierung (s. Kap. 18.3.1) können Prozesse in Phasen oder Teilprozesse zerlegt werden, indem die Animation an den entsprechenden Stellen gestoppt wird. Die einzelnen Phasen können dann durch prototypische Szenen repräsentiert werden, die entweder als Standbilder in der Animation oder als Folge statischer Bilder hervorgehoben werden.
Zeitliche Kategorisierung
Abb. 18.12: Keyframes für zwei Phasen eines Kurswechsels beim Segeln (Quelle: Segeln 1, Infowerk Medienproduktions-GmbH)
18.4 Unterstützung des Animationsverstehens
251
Chunking
Beispiel: prototypische Szenen
Auf diese Weise können kontinuierliche zeitliche Informationen in Einheiten zusammengefasst werden (chunking). Dadurch wird die Informationsmenge, die verarbeitet und abgerufen werden muss, reduziert (Schnotz & Lowe, 2008). Abbildung 18.12 zeigt jeweils eine prototypische Szene (keyframe) für die erste und letzte Phase eines Kurswechsels beim Segeln mit den dazugehörigen Kommandos an die Crew. Der Kasten in der rechten oberen Ecke gibt dem Lernenden einen Überblick über die auszuführenden Aktionen der insgesamt drei Phasen.
18.4.1.3 Veränderungen sichtbar machen Zeitlicher Zoom
Die menschliche Wahrnehmung zeitlicher Veränderungen ist für einen bestimmten Geschwindigkeitsbereich ausgelegt. Prozesse, die entweder zu langsam oder zu schnell ablaufen, können nicht verfolgt werden. Animationen können deshalb dazu dienen, langwierige Prozesse zu beschleunigen, wie etwa das Wachsen einer Pflanze, um kontinuierliche Veränderungen sichtbar zu machen (temporal zooming out). Umgekehrt können Prozesse, die in Sekundenbruchteilen ablaufen, derart verlangsamt werden, dass einzelne Phasen sichtbar werden (temporal zooming in). Ein Beispiel dafür wäre ein Frosch, der ein Insekt mit seiner Zunge fängt (Schnotz & Lowe, 2008).
18.4.1.4 Unterschiedliche Detailebenen sichtbar machen Unterschiedliche Abspielgeschwindigkeiten
252
Die Variation der Geschwindigkeit von Animationen kann auch dazu genutzt werden, verschiedene Detailebenen sichtbar zu machen. In Animationen können sehr unterschiedliche zeitliche Veränderungen dargestellt werden. Je nachdem, welches Lernziel erreicht werden soll, können unterschiedliche Informationen relevant sein. Sollen Schüler lernen, wie Fische schwimmen, genügt das Erkennen der schlängelnden Bewegungen auf der Makroebene. Sollen dagegen Biologiestudenten lernen, die differenzierten Bewegungen verschiedener Fischarten zu unterscheiden, benötigen sie Detailinformationen darüber, welchem Muster diese Bewegungen folgen. Diese Informationen sind auf der Mikroebene angesiedelt. Eine schnellere Abspielgeschwindigkeit hebt eher Ereignisse auf der Makroebene hervor und macht den Gesamtprozess sichtbar. Die Verlangsamung dagegen ermöglicht die Betrachtung der Mikroebene. Schnotz & Lowe (2008) schlagen deshalb vor, den Lernenden die Möglichkeit zu geben, Animationen in verschiedenen Geschwindigkeiten abzuspielen, so dass sie unterschiedliche Detailebenen der Prozesse wahrnehmen können (s. auch Lowe, 2006). Fischer, Lowe und Schwan (2006) variierten die Abspielgeschwindigkeit bei einer Animation zur Funktionsweise einer mechanischen Pendeluhr (s. Abb. 18.13). Dieses komplexe dynamische System setzt sich aus vielen Elementen verschiedener Größe und Relevanz zusammen, die sich in unterschiedlicher Weise in Relation zueinander bewegen. Sie konnten zeigen, dass sich die Aufmerksamkeit der Lernenden bei verschiedenen Abspielgeschwindigkeiten auf unterschiedliche Aspekte richtete.
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Abb. 18.13: Darstellung einer Pendeluhr (Quelle: Fischer, Lowe und Schwan (2006))
18.4.2 Unterstützung der kognitiven Verarbeitung Da Animationen kontinuierlich ablaufen, ist es für das Verständnis entscheidend, die Aufmerksamkeit der Lernenden zur richtigen Zeit auf die inhaltlich relevanten Elemente zu lenken (Betrancourt, 2005; Lowe, 2004; Schnotz & Lowe, 2008). Die ungenügende Anleitung zur Fokussierung der Aufmerksamkeit kann die Effektivität von Animationen beeinträchtigen (Rieber, 1992; zit. nach Weiss, Knowlton & Morrison, 2002).
18.4.2.1 Bildliche Hinweise auf die zentralen Informationen Analog zum Vorgehen bei statischen Bildern können relevante Informationen durch die Verwendung von Steuerungscodes hervorgehoben werden (s. Kap. 17.3.2). Beispielsweise können Pfeile effektiv für Hinweise auf die zeitliche Folge und die Richtung der Bewegung eingesetzt werden (Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002; Tversky et al., 2000). Darüber hinaus können dynamische Kontraste und Pausen in der Animation genutzt werden, um die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken (Lowe, 2004; Schnotz & Lowe, 2008). Werden inhaltlich weniger relevante Elemente durch dynamische Kontraste hervorgehoben oder unangemessene Figur-Grund-Beziehungen verwendet, so tendieren Lernende dazu, sich auf diese Elemente zu konzentrieren. Dies geschieht auf Kosten der inhaltlich relevanten Informationen (Lowe, 2003, 2004).
Steuerungscodes
Dynamische Kontraste
18.4.2.2 Verbale Anleitung Eine einfache Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Lernenden zu lenken ist die begleitende Erläuterung des Dargestellten durch gesprochenen Text (Schnotz & Lowe, 2008; Weiss, Knowlton & Morrison, 2002). Dies kann beschreibend (z. B. In der Animation sehen Sie …) oder direktiv (z. B. Beobachten Sie die Bewegung der Beine des galoppierenden Pferdes und beachten Sie …) erfolgen. Beide Formen der Verbalisierung sollten den Lernenden dazu anleiten, wann er wohin schauen soll und worauf zu achten ist (Lowe, im Druck; zit. nach Schnotz & Lowe, 2008). Untersuchungen zum multimedia-
18.4 Unterstützung des Animationsverstehens
Beschreibende und direktive Erläuterungen
253
len Lernen haben gezeigt, dass gesprochener Text zur Erläuterung von Animationen besser geeignet ist als geschriebener Text (vgl. Low & Sweller, 2005; Mayer, 2001). Dies wird als Modalitätsprinzip bezeichnet (s. auch Kap. 17.7.1.4). Die Lernenden müssen dann nicht zwischen dem Betrachten der Animation und dem Lesen des Textes „hin- und herspringen“ (Split-Attention, s. Kap. 17.7.1.2).
18.5 Warum sollten Animationen eingesetzt werden? Im Vergleich zur Verwendung von Texten und der Einbindung von Bildern erfordert die Bereitstellung von Animationen in einer multimedialen Lerneinheit zusätzliche Ressourcen. Zeitliche, personelle und finanzielle Kosten müssen gerechtfertigt werden. Zur Beantwortung der Frage, warum Animationen eingesetzt werden sollten, sind zum einen ihre Funktionen von Bedeutung und zum anderen ihre besonderen Eigenschaften.
18.5.1 Funktionen von Animationen Während bei statischen Bildern eine Reihe von Taxonomien zu ihren Funktionen vorliegen, sind im Bereich der Animationen kaum ähnliche Aufzählungen zu finden. Zwei mögliche Ansätze sind die Übertragung der Funktionen von Bildern auf Bewegtbilder und die Beschreibung in Relation zu der kognitiven Belastung, die sie verursachen.
18.5.1.1 Übertragung der Funktionen von Bildern Animationen sind in erster Linie Visualisierungen und können deshalb ähnliche Funktionen erfüllen wie statische Bilder (vgl. Kap. 17.4.1): kognitive, motivationale, dekorative und kompensatorische Funktionen (s. Abb. 18.14). Ähnlich wie bei statischen Bildern sollten rein dekorative Animationen nur sparsam eingesetzt werden, um die Lernenden nicht abzulenken (Rieber, 1994, 2000; Weiss, Knowlton & Morrison, 2002).
Abb. 18.14: Funktionen von Bildern
254
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Besonderheiten von Animationen betreffen speziell die kompensatorische Funktion. Fehlt Lernenden das notwendige Vorwissen oder das räumliche Vorstellungsvermögen, um aus statischen Bildern die ablaufenden Veränderungen abzuleiten, können diese in Animationen vorgegeben werden.
18.5.1.2 Funktion in Relation zur kognitiven Belastung Rasch und Schnotz (2006) gehen davon aus, dass Multimedia im Allgemeinen und Animationen im Besonderen eine ermöglichende oder eine erleichternde Funktion in Bezug auf den Lernprozess haben, aber diesen auch behindern können. Ihre Annahmen basieren auf den Annahmen zur Belastung der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (s. Kap. 3). Ein ermöglichender Effekt tritt dann auf, wenn die Lernaufgabe ohne eine Animation so schwierig ist, dass sie die Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses übersteigt. Wird beispielsweise ein komplexes Objekt präsentiert, so kann es in einer Animation rotiert und von verschiedenen Perspektiven gezeigt werden. Durch diese zusätzlichen Informationen lässt sich eine Aufgabe bewältigen, die unter Verwendung von Text oder statischen Bildern nicht lösbar gewesen wäre. Ein erleichternder Effekt tritt auf, wenn Animationen eine schwierige Aufgabe vereinfachen. Werden beispielsweise dynamische Prozesse dargestellt, so muss der Lernende sich die auftretenden Veränderungen nicht selbst erschließen, sondern bekommt sie vorgegeben (Schnotz & Lowe, 2008). Sowohl die erleichternde als auch die ermöglichende Funktion resultieren aus der Reduktion der kognitiven Belastung (Cognitive Load). Es ist jedoch auch möglich, dass die kognitive Belastung durch die Präsentation einer Animation unbeabsichtigt erhöht wird. In diesem Fall wird von einem hinderlichen Effekt gesprochen. Sein Auftreten wäre denkbar, wenn eine Konstruktionsanleitung als Animation vorgegeben wird, die der Lernende nicht unterbrechen kann. Er müsste dann versuchen, alle relevanten Einzelhandlungen im Arbeitsgedächtnis zu halten oder aus dem Langzeitgedächtnis wieder abzurufen. Umgekehrt ist es auch möglich, dass die Aufgabe durch eine Animation zu einfach wird. Ist ein Lernender in der Lage, die notwendige Simulation mental durchzuführen, so benötigt er keine externe Vorgabe dieser Veränderungen. In diesem Fall wird zwar die Verarbeitung erleichtert, der Lernende wird jedoch auch von lernrelevanten kognitiven Prozessen abgehalten (Rasch & Schnotz, 2006). Dies kann dazu führen, dass der Lernende die Animation nur oberflächlich verarbeitet, weil er glaubt, sie verstanden zu haben (illusion of understanding) (Betrancourt, 2005; Schnotz & Grzondziel, 1996; Weiss, Knowlton & Morrison, 2002).
Ermöglichende Funktion
Erleichternde Funktion
Hinderliche Effekte: a) unbeabsichtigte Erhöhung der Schwierigkeit
b) unpassende Erleichterung der Aufgabe
18.5.1.3 Zusammenfassung Je nach dem Vorwissen der Lernenden und den jeweiligen Lernzielen kann ein und dieselbe Animation unterschiedliche Funktionen haben. Die Erwägung der Einbindung einer Animation sollte sich deshalb an dem Lerninhalt, der Zielgruppe und den Lernzielen orientieren. Animationen können eine Lernaufgabe erleichtern oder ermöglichen, sie aber auch unbeabsichtigt erschweren oder zu einfach erscheinen lassen.
18.5 Warum sollten Animationen eingesetzt werden?
255
18.5.2 Didaktische Stärken von Animationen Als Zusammenführung der bisherigen Aussagen werden im Folgenden Vorteile aufgelistet, die Animationen zugeschrieben werden: Stärken von Animationen
• Sie sind attraktiv und können den Lernenden motivieren (u. a. Betrancourt, 2005; Rieber, 1991). • Sie enthalten zusätzliche Informationen, da dynamische Prozesse und zeitliche Veränderungen explizit vorgegeben werden (u. a. Rieber, 1994, 2000; Tversky, BauerMorrison & Betrancourt, 2002; Weiss, Knowlton & Morrison, 2002). • Dynamische Eigenschaften eines Sachverhaltes können demonstriert werden, auch dann, wenn die Beobachtung in der Realität nicht möglich ist, beispielsweise weil der Prozess zu schnell oder zu langsam abläuft (Betrancourt, 2005; Rasch & Schnotz, 2006; Schnotz & Lowe, 2008). • Objekte können rotiert werden, um deren 3-dimensionale Struktur zu verdeutlichen (Rasch & Schnotz, 2006). • Der Erwerb prozeduralen Wissens kann unterstützt werden, indem Handlungen Schritt für Schritt modelliert werden (Rasch & Schnotz, 2006). • Sie können die Lernaufgabe erleichtern bzw. ermöglichen, wenn eine mentale Simulation der Prozesse nicht notwendig ist (Rasch & Schnotz, 2006). • Durch die Variation der Abspielgeschwindigkeit können Prozesse verschiedener Detailebenen (Makro-Mikro) sichtbar gemacht werden (Schnotz & Lowe, 2008). Diesen potenziellen Stärken von Animationen stehen mögliche Schwächen gegenüber:
Grenzen von Animationen
• Animationen können den Lernenden ablenken (Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002). • Da die Informationen in einer Animation fliehend sind, kann es Schwierigkeiten bereiten, –
die relevanten Informationen herauszufiltern bzw. sie von Unwichtigem zu trennen (Ainsworth & Van Labeke, 2004; Lowe, 2000, 2004),
–
Vergleiche zwischen verschiedenen Zuständen anzustellen (Schnotz & Lowe, 2008; Tversky, Knowlton & Morrison, 2002).
• Ihre Wahrnehmung und Verarbeitung kann eine hohe kognitive Belastung (Cognitive Load) darstellen und den Lernenden überfordern (Betrancourt, 2005; Lowe, 2003, 2004; Rasch & Schnotz, 2006). • Andererseits können Animationen die Aufgabe zu sehr vereinfachen und den Lernenden unterfordern bzw. dazu verleiten zu glauben, dass er alles verstanden hätte (illusion of understanding) (Lowe, 2003, 2004; Rasch & Schnotz, 2006).
256
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
18.6 Sind Animationen lernförderlich? Intuitiv erscheinen Animationen angemessen, wenn zeitliche Veränderungen dargestellt werden sollen. Insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Kosten bei ihrer Entwicklung und die didaktische Konzeption einer Lerneinheit stellt sich jedoch die Frage, ob Lernende tatsächlich von der Einbindung von Animationen profitieren. Die Forschung zur Effektivität von Animationen ergab bisher unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Ergebnisse. In einigen Fällen erwiesen sich Animationen als lernförderlich, in anderen erbrachten sie keinen Effekt oder wirkten sich sogar negativ aus (Betrancourt, 2005). Die Lernwirksamkeit von Animationen und statischen Bildern wurde in vielen Studien miteinander verglichen. Aus den Ergebnissen lassen sich jedoch nur beschränkt Schlüsse ziehen, da die beiden Bedingungen nicht immer miteinander vergleichbar waren. Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt (2002) merken an, dass die Animationen in einigen Fällen zusätzliche inhaltliche Informationen enthielten, die in den statischen Bildern nicht vorhanden waren. In anderen Fällen konnten die Animationen interaktiv genutzt werden, die statischen Bilder jedoch nicht. Wenn dann Vorteile bei der Animationsgruppe auftraten, kann nicht entschieden werden, ob sie durch die Animation selbst oder den zusätzlichen Inhalt bzw. die Interaktivität zustande gekommen sind. Nach Sichtung der vorliegenden Literatur kommen Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt (2002) zu dem Schluss, dass Animationen oft auch dann keinen Vorteil gegenüber statischen Bildern erbringen, wenn Veränderungen über die Zeit abgebildet werden (Betrancourt, 2005). Vorteile von Animationen werden (wenn überhaupt) dann vermutet, wenn kontinuierliche statt diskrete Veränderungen abgebildet werden sollen. Insbesondere, wenn die Art und Weise der Veränderung, kleine Detailschritte oder komplexe zeitliche Beziehungen zwischen Teilen eines Systems, von Bedeutung sind. Gut gestaltete statische Bilder können jedoch selbst in diesen Fällen ebenso gut geeignet sein (Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002). Betrancourt (2005) weist darauf hin, dass die Frage, ob Animationen sich generell besser zur Wissensvermittlung eignen als statische Bilder, falsch gestellt ist. Es muss vielmehr nach den Bedingungen gefragt werden, unter denen Animationen von Vorteil sein können. Diese Entwicklung steht in Analogie zur Untersuchung der Lerneffektivität von statischen Bildern. Hier wurde zunächst auch die Frage gestellt, ob Texte mit Bildern generell besser zum Lernen geeignet sind als Texte allein. Später wurde der Fokus der Untersuchungen darauf verlagert, unter welchen Bedingungen Texte mit Bildern überlegen sind. Im Gegensatz zur Fragestellung, ob Texte mit oder ohne Bilder präsentiert werden sollten, stellen Animationen und statische Bilder jedoch zwei qualitativ ähnliche Repräsentationsformen dar. Während angenommen wird, dass Texte und Bilder in unterschiedlichen Subsystemen verarbeitet werden (s. Kap. 3), sollte die Wahrnehmung und Verarbeitung von Animationen und Bildern denselben Prinzipien unterliegen. Schnotz & Lowe (2008) schlagen deshalb eine einheitlichere Betrachtung von bewegten und animierten Bildern vor, der weniger auf deren Unterschiede, sondern vielmehr auf ihre Gemeinsamkeiten abhebt.
18.6 Sind Animationen lernförderlich?
Vergleich Animation vs. statische Bilder
Kein genereller Vorteil von Animationen gegenüber statischen Bildern
Veränderung der Fragestellung
Gemeinsamkeiten bewegter und statischer Bilder
257
18.6.1 Unter welchen Bedingungen sind Animationen lernförderlich? In einer aktuellen Metaanalyse (Höffler & Leutner, 2007) wurden 26 Studien zum Vergleich statischer und bewegter Bilder untersucht, um die Bedingungen zu identifizieren, unter denen Animationen lernförderlich sein können. Insgesamt zeigte sich eine Überlegenheit der Animationen gegenüber den statischen Bildern mit einer kleinen bis mittleren Effektstärke. Dieses Ergebnis scheint im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen von Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt (2002) zu stehen. Dementsprechend scheint es Bedingungen zu geben, unter denen Animationen überlegen sind. Die Metaanalyse ergab dazu u. a. folgende Ergebnisse (Höffler & Leutner, 2007): Funktion der Animation
Dargestellter Inhalt: statisch vs. dynamisch
Realitätsgrad
• Animationen scheinen statischen Bildern dann überlegen zu sein, wenn sie lernzielrelevante Inhalte darstellen, d. h. kognitive Funktionen erfüllen, und nicht rein dekorativ sind. Beispiele dafür sind Darstellungen, wie eine Bandage angelegt wird (Mischas & Berry, 2000), oder die Bewegung von Elektronen in einer Taschenlampenbatterie (Yang, Andre & Greenbowe, 2003). Rein dekorative Animationen erbrachten keinen Lernvorteil gegenüber statischen Bildern. Mögliche motivationale Effekte scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. • Animationen erwiesen sich auch dann als effektiv, wenn deklaratives Wissen (Faktenwissen) vermittelt wurde, also nicht nur für die Vermittlung von Problemlösestrategien. Dies widerspricht Annahmen, dass Animationen nur dann sinnvoll sind, wenn dynamische Prozesse abgebildet werden sollen. Dagegen stützt dies die Annahme von Schnotz & Lowe (2008), dass Animationen auch für die Vermittlung statischer Inhalte sinnvoll eingesetzt werden können (s. Kap. 18.2.4) und die Gemeinsamkeiten von statischen und bewegten Bildern stärker berücksichtigt werden sollten. • Animationen mit geringerem Realitätsgrad führten nicht zu schlechteren Lernergebnissen. Sie sollten jedoch die Aufmerksamkeit des Lernenden auf inhaltlich relevante Aspekte lenken. Die Ergebnisse dieser Metaanalyse geben Hinweise auf Bedingungen, unter denen Animationen lernförderlich sein können. Es bleiben jedoch eine Reihe von Fragen offen, beispielsweise die Rolle des Vorwissens der Lernenden, ihrer Motivation, ihres räumlichen Vorstellungsvermögens oder Einflüsse auf die benötigte Lernzeit (Höffler & Leutner, 2007). So zeigten einzelne Studien, dass Lernende mit geringem räumlichem Vorstellungsvermögen von Animationen profitieren können (Höffler & Leutner, 2006). Lernende mit geringem Vorwissen scheinen eher Probleme dabei zu haben, zwischen inhaltlich relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden, während Experten wahrscheinlich eher strategisch vorgehen (Lowe, 1993; Schnotz & Lowe, 2008).
18.6.2 Animationen und Interaktivität Interaktive Animationen
258
Eine weitere wichtige Variable sind die Möglichkeiten zur Interaktivität, die dem Lernenden angeboten werden. Mit Interaktivität können bei Animationen zwei verschiedene Aspekte gemeint sein: einerseits der Grad der Nutzerkontrolle bei der Darbietung von
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Animationen durch Steuertasten, wie „Play“, „Pause“ oder vor- und zurückspulen, andererseits die Möglichkeit zur Eingabe von Parametern, deren Einfluss dann dargestellt wird. In letzterem Fall handelt es sich um eine Simulation (Betrancourt, 2005). Diese beiden Aspekte können eher als ein Kontinuum zunehmender Interaktivität verstanden werden als zwei getrennte Aspekte. Dazwischenliegend sind Möglichkeiten denkbar, wie das Herein- und Herauszoomen, die Wahl verschiedener Perspektiven oder die Veränderung der Abspielgeschwindigkeit, die im Extremfall bis hin zu Standbildern reduziert werden kann (Schnotz & Lowe, 2008; Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002). Nichtinteraktive Animationen dagegen laufen in einer bestimmten Geschwindigkeit in voller Länge ab, ohne dass der Lernende dies beeinflussen kann (Hegarty, 2004). Simulationen zählen demnach zu den interaktiven Animationen. Die genannten Aspekte sind in Abb. 18.15 zusammenfassend dargestellt.
Interaktive Animation Nichtinteraktive Animation
Nutzerkontrolle
Zunehmende Interaktivität
Simulation
Nichtinteraktive Animationen Einordnung von Simulationen
Abb. 18.15: Nichtinteraktive vs. interaktive Animationen und die Einordnung von Simulationen
18.6.2.1 Nutzerkontrolle Der Lernende erhält so die Möglichkeit, die Abspielgeschwindigkeit seinen kognitiven Ressourcen anzupassen, so dass er weder über- noch unterfordert ist. Dadurch werden außerdem verschiedene Detailebenen (Makro-, Mikroebene) sichtbar. Er kann die Animation mehrmals ansehen und verschiedenen Aspekten besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Einbindung von Pausen kann dem Lernenden helfen, den dargestellten Prozess in sinnvolle Einheiten zu zerlegen (s. Kap. 18.4.1.2). Sogar minimale Steuerungsmöglichkeiten können zu besseren Lernergebnissen führen (Mayer & Chandler, 2001; Schmidt-Weigand, 2006). Die bloße Möglichkeit zur Nutzerkontrolle reicht jedoch nicht unbedingt aus. Sie muss von den Lernenden auch in einer zielführenden Art und Weise genutzt werden. Dazu muss er strategische Überlegungen anstellen, die wiederum kognitive Ressourcen beanspruchen (Hegarty, 2004; Schnotz & Lowe, 2008). Vor allem Lernende mit geringem Vorwissen scheinen Probleme dabei zu haben, die Kontrolle effektiv zu nutzen (Kettanurak, Ramamurthy & Haseman, 2001; zit. nach Betrancourt, 2005). Deshalb ist es sinnvoll die Nutzersteuerung anzuleiten und zu unterstützen (Plötzner & Lowe, 2004).
18.6 Sind Animationen lernförderlich?
Vorteile der Nutzerkontrolle
Grenzen der Nutzerkontrolle
259
18.7 Simulation Simulation als interaktive Animation
Allgemeine Begriffsbestimmung
Eine Animation wird dann zur Simulation, wenn sie einen bestimmten Grad an Interaktivität aufweist. Von einer Simulation kann gesprochen werden, wenn der Lernende die Möglichkeit hat, bestimmte Parameter zu verändern, und damit beeinflussen kann, was im Verlauf der Animation dargestellt wird (Betrancourt, 2005). Rieber (2005) dagegen bestimmt den Begriff „Simulation“ nicht in Relation zur Animation. Er definiert Simulationen als Computerprogramme, die Phänomene oder Aktivitäten modellieren und die dafür vorgesehen sind, dass die Nutzer durch Interaktionen mit ihnen etwas über diese Phänomene und Aktivitäten lernen. Die Rolle der Lernenden in einer Simulation ist im Allgemeinen festgelegt. So kann der Lernende beispielsweise der Pilot in einer Flugsimulation sein.
18.7.1 Spezifische Eigenschaften von Simulationen
Natürliches Feedback
Zugrunde liegendes mathematisches Modell
Lernziele
„unsichtbare“ Prozesse erfahrbar machen
260
Multimediales Lernen erfolgt in den meisten Fällen durch Erläuterungen und Erklärungen unter der Nutzung von Text, Bildern, Audio etc. (Instruktion). Im Gegensatz dazu bieten Simulationen die Möglichkeit zur Interaktion mit dem Lehrstoff (learning by doing). Der Schwerpunkt liegt hier auf der Exploration anstelle von Erläuterungen. Durch die Manipulation von dynamischen Elementen kann der Lernende die Konsequenzen erfahren und beobachten (Rieber, 2005). Er kann direkt beobachten, wie sich die von ihm vorgenommenen Veränderungen auswirken (natürliches Feedback; s. auch Kap. 22) (Gredler, 2003). Jeder Simulation liegt ein mathematisches Modell zugrunde, das das Verhalten des Systems bestimmt. Der Lernende kann mit der Simulation interagieren, um zu verstehen, wie das Modell funktioniert. Deshalb werden Simulationen häufiger in den Naturwissenschaften angewandt, weil hier präziser formulierte Modelle vorliegen und kausale Zusammenhänge bestehen, was in den Geisteswissenschaften (wie der Soziologie, Psychologie) nicht notwendigerweise der Fall ist. Beispiele wären Simulationen im Fach Physik, wie z. B. zum Newton’schen Gesetz, im Fach Chemie, z. B. zur Wärmeleitung durch die Bewegung von Elektronen, oder im Fach Biologie, z. B. zum Ablauf der Fotosynthese. Simulationen haben von sich aus kein bestimmtes Lernziel außer der Exploration. Dem Lernenden können jedoch Ziele vorgegeben werden durch Fragen oder Problemstellungen (Rieber, 2005). Simulationen können Prozesse, die in der Natur nicht beobachtbar sind, nicht nur sichtbar, sondern auch erfahrbar machen (Ainsworth & Van Labeke, 2004). Während magnetische Feldlinien durch Eisenspäne sichtbar gemacht werden können, gelingt dies für die Bewegung von Elektronen beim elektrischen Strom nicht. Diese kann in einer Simulation dargestellt werden und zudem kann der Lernende beispielweise noch erproben, wie sich verschiedene Stromstärken auswirken.
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Den offensichtlichsten Vorteil bieten Simulationen, die das Training einer komplexen Fähigkeit ermöglichen, das in der realen Welt nicht ohne weiteres möglich ist. Beispiele dafür sind Flugsimulatoren oder Astronautentrainings. Die Lernenden können in der Simulation Erfahrungen sammeln und dürfen Fehler machen, die in der realen Welt schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würden.
Fehler erlaubt
18.7.2 Arten von Simulationen Hinsichtlich ihrer Nutzung werden modellanwendende und modellbildende Simulationen unterschieden (Penner, 2000−2001; Rieber, 2005).
18.7.2.1 Modellanwendende Simulationen Bei modellanwendenden Simulationen wurde das zugrunde liegende mathematische Modell bereits programmiert und der Lernende kann einige Parameter verändern. Ein Beispiel dafür ist in Abb. 18.16 dargestellt. In dieser Simulation zum elektrischen Feld hat der Lernende die Möglichkeit, die beiden Ladungen der Teilchen zu verändern. Dabei kann er die Auswirkungen gleich großer Ladungen (s. Abb. 18.16, oben) und unterschiedlicher Ladungen (s. Abb. 18.16, unten) explorieren. Abb. 18.16: Simulation eines elektrischen Feldes bei gleich großer (oben) und unterschiedlicher Ladung (unten) (Quelle: Davidson College Physlet Archive)
18.7 Simulation
261
Abb. 18.17: Beispiel für einen Segelsimulator (Quelle: Segeln 1, Infowerk Medienproduktions-GmbH)
Beispiel Segelsimulator
Die wohl bekanntesten Beispiele für Modellanwendungen sind Flug-, Auto- oder Segelsimulatoren, bei denen komplexe Tätigkeiten erlernt bzw. geübt werden können (s. Abb. 18.17). Bei dem in Abb. 18.17 dargestellten Segelsimulator kann der Lernende die Jolle durch Veränderungen der Segel- und Ruderstellung im Verhältnis zum gegebenen Wind steuern lernen. Dabei kann er die Konsequenzen seines Handelns direkt beobachten. Die Neigung, Position und Geschwindigkeit des Segelbootes verändern sich entsprechend seiner Eingaben. Eine fehlerhafte Steuerung kann bis zum Kentern führen. Windrichtung und Windstärke (0−7) sind vorgegeben, können aber auch vom Nutzer verändert werden. Außerdem erhält der Lernende in der unteren rechten Leiste Informationen zur Position des Bootes zum Wind und zur Geschwindigkeit. In dem Feld „Anweisungen“ werden ihm konkrete Ziele vorgegeben und Hinweise erteilt.
18.7.2.2 Modellbildende Simulationen Dagegen haben die Lernenden bei modellbildenden Simulationen die Möglichkeit, die Eigenschaften des Systems selbst zu programmieren bzw. zu erstellen. Sie können beispielsweise aus Elementen und zu spezifizierenden Relationen ein Modell konstruieren, z. B. wie sich ihr Kontostand bei einem gegebenen Zinssatz entwickeln wird. Ihr Modell können sie dann ablaufen lassen und überprüfen, ob sie alle einwirkenden Variablen bedacht haben bzw. wie sich ihre Eingaben und Festlegungen auswirken. In entsprechender Software, wie z. B. Powersim®, werden systemdynamische Notationen verwendet (s. Tabelle 18.1), um das Modell abzubilden (Hillen, Paul & Puschhof, 2002).
262
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
Bestandsgröße
Hilfsgröße
Konstante
Informationsverbindung
Flussgröße
Ein sehr viel komplexeres Beispiel für modellbildende Simulationen findet sich in der Praxis. Die Firma „Bennert MonuMedia“ erstellt Simulationen im Vorfeld von Bauvorhaben. Zur Restaurierung der Gloriosa, der Glocke des Erfurter Doms, musste diese aus der Glockenstube genommen und anschließend wieder eingesetzt werden. Die Simulation diente der Planung des Vorhabens, u. a. der genauen Bestimmung eines möglichen Standortes des Krans auf der engen Plattform oberhalb der Domstufen (s. Abb. 18.18 und Abb. 18.19).
Tabelle 18.1: Systemdynamische Notationen (Abb. nach Hillen, Paul & Puschhof (2002)) Beispiel: modellbildende Simulationen in der Bauplanung
Abb. 18.18: Simulation der Glocke des Erfurter Doms (Gloriosa) in und auf dem Gerüst vor der Glockenstube (Quelle: Bennert MonuMedia)
Abb. 18.19: Simulation zur Bestimmung des Standortes des Krans (Quelle: Bennert MonuMedia)
18.7.3 Exploration vs. Instruktion Wie bereits erwähnt, bieten Simulationen die Möglichkeit, den Lerngegenstand durch Exploration erfahrbar zu machen. Dem gegenüber steht die Vorgabe einer Instruktion, d. h. die Erläuterung, wie ein System reagiert. Eignen sich Simulationen deshalb besser
18.7 Simulation
263
Probleme der freien Exploration
Wie viel Anleitung ist notwendig?
Anleitung durch Strukturierung
zum Lernen? Die Beantwortung dieser Frage bezieht sich im Folgenden ausschließlich auf modellanwendende Simulationen, da diese in multimedialen Lernumgebungen am häufigsten genutzt werden. In Studien zeigte sich, dass Lernende Schwierigkeiten dabei haben, das zugrunde liegende Modell einer Simulation durch reine Exploration zu verstehen (de Jong & van Jolingen, 1998; Rieber, 2005). Lernende neigten dazu, ihre Experimente so zu konstruieren, dass ihre bisherigen Hypothesen bestätigt werden (confirmation bias). Insbesondere in der Physik widersprechen alltägliche Annahmen häufig den tatsächlichen Gegebenheiten. So könnte man glauben, dass ein schwerer Gegenstand schneller zu Boden fällt als ein leichter. Tatsächlich ist jedoch nicht das Gewicht des Gegenstandes, sondern der Luftwiderstand entscheidend. Den Lernenden fiel es schwer, ihre eigenen Hypothesen zu verwerfen, selbst dann, wenn sie das Gegenteil beobachten konnten. Darüber hinaus bereitete es ihnen Schwierigkeiten, Annahmen zu formulieren, die sie innerhalb der Simulation testen könnten. De Jong & van Jolingen (1998) schlossen daraus, dass die Lernenden ein gewisses Maß an Anleitung benötigen. Rieber, Tzeng und Tribble (2004) schlagen vor, während der Nutzung der Simulation kurze Erläuterungen zu geben. Sie sollen den Lernenden helfen, ihre Aufmerksamkeit auf die relevanten Prinzipien zu lenken und das grafische Feedback richtig zu interpretieren. Die Lernenden erhalten die Informationen jeweils dann, wenn sie sie benötigen. In Studien erwiesen sich diese kurzen Erläuterungen als lernförderlich im Vergleich zur reinen Exploration. Eine andere Möglichkeit wäre die Einbindung ganzer Instruktionseinheiten vor der Simulation oder zwischen verschiedenen Teilen. Auf diese Weise würden Phasen der Erläuterung und der Exploration sich abwechseln. Rieber, Tzeng und Tribble (2004) sehen hier jedoch die Gefahr der kognitiven Überlastung der Lernenden. Die Anleitung der Lernenden kann auch durch die Struktur der Simulation erreicht werden, indem die Komplexität und Schwierigkeit sukzessive zunimmt. In diesem Fall bauen die einzelnen Teile der Simulation aufeinander auf. Rieber & Parmley (1995) zeigten, dass eine solche strukturierte Simulation keiner zusätzlichen Instruktionseinheiten zur Erläuterung bedarf (Rieber, 2005).
18.8 Video Unterscheidung auf technischer Analyseebene
Kaum Unterschiede für den Betrachter
264
Animationen sind Bewegtbilder, die am Computer erzeugt werden, während Videos analoge oder digitale Aufnahmen der Realität sind. Diese beiden Formate unterscheiden sich demnach auf der technischen Analyseebene: in der Art und Weise, wie sie erzeugt werden (zu den Analyseebenen s. Kap. 18.3). Auf semiotischer und psychologischer Ebene dagegen handelt es sich sowohl bei Animationen als auch bei Videos um Bewegtbilder (mit Ton und/oder Text), die auf dieselbe Art und Weise verarbeitet werden. Aus diesem Grund werden Videos häufig gemeinsam mit Animationen betrachtet bzw. in die Definition eingeschlossen (Schnotz & Lowe, 2008). Aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten ist es dem Betrachter in manchen Fällen kaum noch möglich, zwischen Animation und Video zu unterscheiden. Auch computergenerierte Darstellungen können Fotorealismus erreichen. Dies wird insbesondere in Filmen deutlich, wie beispielsweise bei der Darstellung von „Gollum“ in „Herr der Ringe“ oder den Dinosauriern in „Jurassic Park“.
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
18.8.1 Spezifische Eigenschaften von Videos Zu den Gemeinsamkeiten von Animationen und Videos gehört die fliehende Natur der dargebotenen Informationen und die damit notwendige Lenkung der Aufmerksamkeit der Lernenden (vgl. Kap. 18.4). Bei Videos stehen dafür teilweise andere Gestaltungsmittel zur Verfügung, wie beispielsweise die Kameraführung (Kamerabewegung, -winkel, Abstand zum Objekt), Schnitt und Überblendung (Wetzel, Radtke & Stern, 1994). Aus der unterschiedlichen Erzeugung von Videos und Animationen ergeben sich auch einige Besonderheiten bei der Verwendung dieses Mediums. Während die Darstellungen in Animationen von abstrakt über konkret bis hin zu fotorealistisch reichen können, weisen Videos einen hohen Realitätsgrad auf. Der Lernende steht deshalb vor der Aufgabe, aus den vielen dargestellten Details die lernzielrelevanten herauszufiltern. Insbesondere Lernende mit geringem Vorwissen können dadurch überfordert sein. Im Gegensatz zur schematischen Darstellung in Animationen, bei der unwichtige Details weggelassen werden können, besteht in Videos allenfalls die Möglichkeit, sie weniger zu betonen. Bei statischen Bildern zeigte sich, dass ein hoher Realitätsgrad weniger effektiv sein kann als eine vereinfachte Zeichnung (s. Kap. 17.6.2.2). Der Einsatz von Videos sollte daher auch in Abstimmung auf das Lernziel und die Zielgruppe abgewogen werden (Schnotz & Lowe, 2008; Wetzel, Radtke & Stern, 1994). Im Vergleich zu Animationen haben Videos vor allem praktische Vorteile. Sie können kostengünstig und mit relativ geringem Aufwand produziert werden.
Spezifische Gestaltungsmittel
Realitätsgrad
Produktionskosten
18.8.2 Video = Fernsehen = Unterhaltung? Fernsehen wird vor allem als Unterhaltungsmedium angesehen, bei dem sich die Zuschauer zerstreuen, entspannen oder auch aufregen wollen. Analysen von Zuschauermotiven zeigten, dass selbst Informationssendungen zur Zerstreuung angesehen werden und nicht, um alles aufzunehmen und zu behalten. Eine Studie zeigte, dass 80% der Zuschauer zwar meinten, dass die Sendungen informativ und verständlich waren. Sie erinnerten sich jedoch nur an 20% der Aussagen (Wember, 1976). Das Auftreten dieser „illusion of knowing“ konnte auch in späteren Studien bestätigt werden (Weidenmann, 2006). Sollen Videos zum Lernen eingesetzt werden, können sich die Assoziationen mit Unterhaltung negativ auf das Lernen auswirken. Salomon (1983, 1984) konnte zeigen, dass Lernende, die denselben Lerninhalt durch das Fernsehen statt durch Printmedien präsentiert bekamen, die Aufgabe leichter und ihre eigenen Fähigkeiten höher einschätzten. Sie investierten deshalb weniger mentale Anstrengung (mental effort), um die Inhalte zu verstehen und schnitten bei Transferaufgaben schlechter ab. Diesen hinderlichen Erwartungen kann durch geeignete Instruktionen begegnet werden, die herausstellen, zu welchem Zweck das Video präsentiert wird, was der Lernende zu erwarten hat und welches Lernziel erreicht werden soll (Wetzel, Radtke & Stern, 1994).
18.8 Video
Erwartungen an das Format
„TV is easy, print is tough“
265
18.8.3 Einsatzmöglichkeiten von Videos 18.8.3.1 Darstellung natürlicher Prozesse Videos bieten sich vor allem an, wenn natürliche Prozesse dargestellt werden sollen, deren Nachbildung in einer Animation sehr aufwendig wäre. Vorgänge in der Natur, die sehr schnell oder sehr langsam ablaufen, können mit Hilfe von Videos aufgenommen und in angemessener Geschwindigkeit dargeboten werden (zeitlicher Zoom, s. Kap. 18.4.1.3). Ein Beispiel für eine beschleunigte Darstellung ist das Aufblühen einer Tulpe (s. Abb. 18.20), ein Beispiel für eine verlangsamte Darstellung die Verwirbelungen beim Fallen eines Steins ins Wasser (s. Abb. 18.21). Abb. 18.20: Zeitlich beschleunigte Darstellung des Aufblühens einer Tulpe (Quelle: www.sciencedoku.de)
Abb. 18.21: Zeitlich verlangsamte Darstellung eines ins Wasser fallenden Steins (Quelle: www.sciencedocu.de)
18.8.3.2 Darbietung, Aufzeichnung und Produktion
Einsatzformen im Unterricht
Videos können vielseitig verwendet werden. Ihr Einsatz in multimedialen Lernumgebungen kann sich an (bewährten) Methoden aus dem traditionellen Unterricht orientieren. In Unterricht und Weiterbildung werden Videos meist in drei Formen eingesetzt (Kittelberger & Freisleben, 1994, S. 12): 1. zur problemorientierten Themeneinführung oder zur Vermittlung von Inhalten mittels fremd- oder eigenerstellter Filme, 2. zur Aufzeichnung von Verhaltenssequenzen, wie z. B. Rollenspielen oder Vorträgen, die anschließend reflektiert und diskutiert werden, 3. zur Produktion von Filmen durch die Lernenden selbst.
Modelllernen
266
Anstelle der Aufzeichnung von Verhaltenssequenzen können auch Beispielvideos anderer Personen eingesetzt werden, deren Verhalten entweder analysiert (z. B. zur Einschätzung der Qualität einer Lehrprobe) oder nachgeahmt werden soll (Modelller-
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
nen). Videos haben insbesondere durch ihre realistische Darstellung das Potenzial, Änderungen im Denken und Verhalten der Zuschauer zu bewirken, und können so zur Vermittlung prozeduralen Wissens eingesetzt werden. Die klassischen Experimente zum Modelllernen durch Beobachtung von realem oder in Filmen dargestelltem Verhalten wurden von Bandura (1979) durchgeführt (Weidenmann, 2006).
18.8.3.3 Spezifische Nutzungsformen in multimedialen Lernumgebungen Außerdem ergeben sich einige für multimediale Lernumgebungen spezifische Nutzungsformen, wie z. B. Videokonferenzen, Videochats sowie der Austausch und die Bereitstellung von Videosequenzen. Ebenso wie bei Animationen kann dem Lernenden ein unterschiedlich hoher Grad an Kontrolle über die Abspieleigenschaften gegeben werden. Interaktive Videos bieten Möglichkeiten, das Abspielen zu starten, zu stoppen, bestimmte Stellen im Video anzuwählen, Standbilder zu erzeugen, vor- und zurückzuspulen sowie die Abspielgeschwindigkeit zu variieren (Wetzel, Radtke & Stern, 1994). Schwan & Riempp (2004) verglichen den Einsatz nichtinteraktiver und interaktiver Videos beim Erlernen von Seemannsknoten. Es zeigte sich, dass die Lernenden ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf schwierige Passagen lenkten, diese wiederholt und verlangsamt ansahen, während sie leichtere Passagen übersprangen. Sie lernten auf diese Art und Weise effizienter als jene Lernenden in der nichtinteraktiven Bedingung. Eine höhere Lerneffizienz interaktiver Videos belegen auch weitere Studien (vgl. Neumann, 1995).
Interaktive Videos
Abb. 18.22: Beispiel für das Treffen von stellvertretenden Handlungsentscheidungen (Quelle: „Der persönliche Berater“)
18.8 Video
267
Stellvertretende Handlungsentscheidungen
Hyperlinked Videos
Interaktive Videos können auch die Möglichkeit bieten, stellvertretende Handlungsentscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen sichtbar zu machen. Dies wurde im Lernprogramm „Der persönliche Berater“ der Firma IWL GmbH, München umgesetzt. Der Lernende begleitet einen Versicherungsangestellten durch den Tag und bekommt in Videosequenzen einzelne Situationen präsentiert. Er kann per Mausklick auswählen, wie der Akteur im Film reagieren soll. Diese Auswahl bestimmt den weiteren Verlauf des Geschehens, d. h. den Inhalt des folgenden Videos (s. Abb. 18.22). Eine weitere Einsatzform bilden so genannte „hyperlinked videos“, die eine Kombination aus Video und Hyperlinks darstellen. Miteinander zusammenhängende Videosequenzen enthalten Hyperlinks, die auf andere Informationselemente (Texte, Fotos, Grafiken etc.) verweisen. Dadurch entsteht eine nichtlineare Struktur (s. Zahn, Barquero & Schwan, 2004).
18.9 Empfehlungen zur Gestaltung von Animationen, Simulationen und Videos Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung und Verarbeitung bewegter Bilder wurden bereits Möglichkeiten zur Unterstützung des Animationsverstehens genannt. An dieser Stelle sollen zusammenfassend Empfehlungen zur Gestaltung von Animationen, Simulationen und Videos gegeben werden, die sich aus den Modellen zum multimedialen Lernen ergeben. Sowohl die Theorien als auch die daraus folgenden Gestaltungsprinzipien sind ausführlich bei Mayer (2005a) beschrieben (s. auch Kap. 17.7.2 und Kap. 3).
18.9.1 Gestaltung von Erläuterungen Modalitätsprinzip
Prinzip der zeitlichen Kontiguität
Redundanzprinzip (spezifisch)
Personalisierungsprinzip
268
Zur Erläuterung von Animationen eignet sich gesprochener Text besser als geschriebener (vgl. Low & Sweller, 2005). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Lernzeit begrenzt ist (Prinzip der Verarbeitungskontrolle; Schnotz, 2005). Sie sollten zeitgleich mit der entsprechenden Animation präsentiert werden, damit die Inhalte gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis sind und verarbeitet werden können. Die aufeinanderfolgende Präsentation von Animation und Erläuterung erfordert, dass der Lernende die zusammengehörigen Informationen im Arbeitsgedächtnis hält. Dadurch wird der Extraneous Cognitive Load erhöht und das Lernen kann beeinträchtigt werden (Mayer, 2005c). Bei der Verwendung gesprochener Erläuterungen sollte auf eine zusätzliche Präsentation desselben Textes in geschriebener Form verzichtet werden. Diese redundante Darstellung derselben Information kann ebenfalls zu einer unnötigen Erhöhung des Extraneous Cognitive Load und damit zu einer Beeinträchtigung des Lernens führen (Sweller, 2005). Ein personalisierter Sprachstil, bei dem die Lernenden in der zweiten Person angesprochen werden, ist besser geeignet als ein sachlicher Sprachstil (Mayer, 2005d). Die personalisierte Sprache ist der natürlichen Kommunikation mit einem Gegenüber ähnlicher. Erläuterungen zu Animationen sollten nicht nur Informationen präsentieren, sondern auch kognitive Prozesse anregen. Aus der Diskursforschung ist bekannt, dass Lernende sich mehr anstrengen, das Lernmaterial zu verstehen, wenn sie im Dialog mit
18 Bewegtbilder: Animation, Video und Simulation
einem Partner stehen, als wenn sie lediglich Informationen dargeboten bekommen (Clark & Mayer, 2002). Die Ersetzung „Die Animation stellt … dar“ durch „In dieser Animationen sehen Sie …“ kann sich demnach positiv auf den Lernerfolg auswirken. Darüber hinaus sollten die Erläuterungen von einer menschlichen Stimme gesprochen werden. Computergenerierte Stimmen, aber auch fremdsprachige Akzente, sind weniger gut geeignet (Mayer, 2005d).
Prinzip der Stimmauswahl
18.9.2 Vermeidung unnötiger kognitiver Belastung Die schnelle Abfolge der Informationen, die in einer Animation präsentiert werden, können die kognitiven Ressourcen der Lernenden übersteigen. Die Informationsaufnahme und Verarbeitung kann erleichtert werden, indem die Animation in mehrere Teile zerlegt wird und der Lernende die Kontrolle über den Ablauf erhält (Betrancourt, 2005; Mayer, 2005b). Zur Lenkung der Aufmerksamkeit der Lernenden sollten wichtige Informationen durch verbale Hinweise oder grafische Mittel hervorgehoben werden (Betrancourt, 2005; Mayer, 2005c). In einigen Fällen kann durch die Abweichung von der realistischen Darstellung bei dynamischen Veränderungen das Verständnis erleichtert werden. Laufen beispielsweise mehrere Prozesse parallel ab, so können sie zunächst nacheinander präsentiert werden (Betrancourt, 2005; Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002). Die Geschwindigkeit der Darbietung, der Detailreichtum und der Realitätsgrad sollten an die Kapazitäten der Lernenden und das Lernziel angepasst werden (Betrancourt, 2005; Tversky, Bauer-Morrison & Betrancourt, 2002).
Prinzip der Segmentierung (Mayer) bzw. Interaktivitätsprinzip (Betrancourt) Hervorhebungsprinzip (Mayer) bzw. Aufmerksamkeitslenkungsprinzip (Betrancourt) Kongruenz-Prinzip
Prinzip der Auffassungsspanne
18.9.3 Angebot zusätzlicher Optionen Bei komplexen Animationen sollten die Lernenden zunächst mit den Bezeichnungen und den Merkmalen von neuen, unbekannten Elementen vertraut gemacht werden, bevor die Animation startet. Auf diese Weise können sie sich ausschließlich auf die dynamischen Veränderungen konzentrieren (Mayer, 2005b). Insbesondere bei heterogenen Zielgruppen sollten mehrere Optionen zum Umgang mit der Animation angeboten werden, um den Anforderungen von unterschiedlichem Vorwissen gerecht zu werden (Betrancourt, 2005).
Pretraining-Prinzip
Flexibilitätsprinzip
18.10 Zusammenfassung Animationen, Simulationen und Videos sind verschiedene Formate, die beim multimedialen Lernen eingesetzt werden. Sie wurden in diesem Kapitel gemeinsam behandelt, da es sich jeweils um bewegte Bilder handelt, deren Wahrnehmung und Verarbeitung denselben Prozessen unterliegen. Die scheinbare Bewegung der Bilder wird durch eine schnelle Abfolge leicht veränderter Darstellungen erreicht. Bisher hat sich keine allge-
18.10 Zusammenfassung
269
meine Klassifikation von Animationen durchgesetzt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, verschiedene Arten von Animationen zu unterscheiden, z. B. nach dem dargestellten Inhalt oder ihrer Komplexität. Aufbauend auf die Ausführungen zu statischen Bildern, wurden die Besonderheiten der Wahrnehmung und Verarbeitung bewegter Bilder herausgearbeitet. Zur Unterstützung des Animationsverstehens können (statische) Darstellungs- und Steuerungscodes, aber auch spezifische Mittel, wie z. B. dynamische Kontraste, eingesetzt werden. Auch Animationen kann keine generelle Lernförderlichkeit bescheinigt werden. Die didaktisch sinnvolle Gestaltung in Abstimmung auf das Lernziel und die Zielgruppe, d. h. die Methode, nicht das Medium, ist entscheidend (Clark, 1994). Simulationen erlauben den Lernenden die Manipulation einzelner Parameter und zeichnen sich demnach durch ein hohes Maß an Interaktivität aus. Insbesondere für Lernende mit geringem Vorwissen sollte das explorative Lernen durch begleitende Instruktionen angeleitet werden. Videos unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Erzeugung von Animationen und Simulationen. Durch den geringeren Produktionsaufwand bieten sich eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten. Jedoch kann der hohe Realitätsgrad das Herausfiltern wichtiger Elemente erschweren. Aus den Modellen zum multimedialen Lernen lassen sich übergreifende Prinzipien zur Gestaltung von Instruktionen mit Bewegtbildern ableiten. Sie sind als Empfehlungen zu verstehen, deren Einhaltung nicht zwangsläufig zu einem höheren Lernerfolg führt, jedoch Leitlinien für eine didaktisch sinnvolle Gestaltung geben. Technische Aspekte zur Gestaltung von Animationen, Videos und Simulationen werden in Kap. 31.5, 31.6 und 31.7 besprochen.
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Literatur
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Teil VI Interaktionsdesign
19 Mensch-Computer-Interaktion
Seit Mitte der achtziger Jahre ist die Computerbedienung nicht mehr nur spezialisierten Experten vorbehalten. Dank erschwinglicher Hardware setzte sich der Computer zunehmend auch für nicht-technische Arbeitsplätze als Arbeitsmittel durch. Im privaten Bereich wird er für Lernzwecke, zur Informationssuche im Internet, Kommunikation mit anderen sowie als Spiel- und als Abspielmedium für Musik oder Videos genutzt. Durch diese breiten Einsatz- und Nutzungskontexte des Computers und möglicherweise fehlendes Expertenwissen bei dessen Nutzern wird die Entwicklung und Gestaltung benutzerfreundlicher Schnittstellen notwendig, welche die Kommunikation zwischen Mensch und Computer unterstützen und vereinfachen. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels wissen Sie,
Lehrziele
• was sich hinter dem Begriff Mensch-Computer-Interaktion verbirgt, • welche Bedeutung er für die Konzeption multimedialen Lernens hat, • welche Richtlinien für die Konzeption von Mensch-Computer-Interaktionen gelten.
19.1 Mensch-Computer-Interaktion als wissenschaftliches Forschungsparadigma HCI-Forschung bzw. MCI-Forschung (Human Computer Interaction Research bzw. Mensch-Computer-Interaktionsforschung) fokussiert auf unsere Handlungen mit dem Computer und auf Reaktionen des Computers auf unsere Handlungen. Wenn wir auf dem Desktop ein Programm aufrufen, dann beschäftigt sich HCI mit jener Interaktion zwischen der Handlungsabsicht, das Programm zu starten, dem Finden des entsprechenden Icons auf dem Desktop, dem Anklicken dieses Icons und der tatsächlichen Reaktion des Computers, also dem Öffnen des entsprechenden Programms. Die Mensch-Computer-Interaktion kennzeichnet spätestens seit Winogard und Flores (1986) drei Faktoren:
19.1 Mensch-Computer-Interaktion als wissenschaftliches Forschungsparadigma
HCI bzw. MCI
277
zentrale Merkmale der HCI
• den Menschen mit seinen anatomischen, physiologischen und psychologischen Eigenschaften, Kommunikationsabsichten und seinen Handlungen, • die Aufgabe, die sie mit Hilfe des Computers bearbeiten oder lösen wollen, und • die Technologie, die die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen muss, die gestellten Aufgaben effektiv, effizient und zufrieden stellend zu lösen. Ziel des optimalen Zusammenwirkens der drei Faktoren und somit auch der optimierten Interaktion zwischen Mensch und Computer ist die Erhöhung der Effektivität des Zusammenwirkens humaner und technischer Leistungen. Dabei sind psychische und psycho-physische Beanspruchungsoptimierung ebenso wesentlich wie die Stabilisierung der psychischen Gesundheit und die Persönlichkeitsentwicklung. Auch die Optimierung der Lernchancen spielt eine essentielle Rolle (Hacker, 1986). Wird dieses Ziel zumindest teilweise verfehlt, treten Interaktionsstörungen in Form von Aufgaben-, Funktionsund Handlungsproblemen auf (Shackel, 1985; Streitz, 1988). • Aufgabenprobleme können u. a. dadurch auftreten, dass die Aufgabe für die Zielgruppe unangemessen ist, also entweder zu schwierig, zu einfach, zu komplex etc. • Funktionsprobleme zeigen sich in der Diskrepanz zwischen inhaltlicher Aufgabenstellung des Benutzers und den Eigenschaften des Anwendungssystems, insbesondere dessen Funktionsumfang. Ein Funktionsproblem wäre u. a., wenn es in einer multimedialen Lernumgebung keine Möglichkeit gebe, den aktuellen Arbeitsstand zu speichern. Lernende, die ihre Lernaktivitäten unterbrechen wollen, müssten dann wieder von vorn mit ihrer Arbeit beginnen. • Handhabungsprobleme sind gekennzeichnet als Ungleichgewicht zwischen Handhabungsanforderungen des Benutzers und der zur Verfügung stehenden Usability des Anwendungssystems. Beispielweise äußert sich ein Handlungsproblem darin, dass ein Lernender einen bestimmten Lerninhalt sucht, aber nicht weiß, hinter welchem Menüpunkt sich die gesuchte Information verbirgt. In der Folge werden die Nutzer mehr Zeit zum Erlernen und Handhaben der Software benötigen. Sie machen mehr Fehler, fühlen sich unzufrieden, nutzen diese nur unfreiwillig, erlernen möglicherweise nie den Gebrauch des vollen Funktionsumfangs der Software und werden sich diese möglicherweise nicht kaufen (Shneiderman, 1998). Human-Computer-Interaction als wissenschaftliches Forschungsparadigma „is a discipline concern with the design, evaluation and implementation of interactive computing systems for human use and with the study of mayor phenomena surrounding them.“ (Hewett et al., 1992)
HCI – interdisziplinäres Forschungsfeld
278
HCI-Forschung ist angewandte Forschung und umfasst die Entwicklung und das Design, die Evaluation und die Implementierung benutzerfreundlicher und einfach zu bedienender Schnittstellen. Ihr Ziel ist die Schaffung einer systematischen und fundierten Grundlage für die Entwicklung und Implementation sowie Evaluation multimodaler, adaptiver Schnittstellen und Hilfesysteme, die verschiedene Aufgaben und Benutzer berücksichtigen und von ihnen als flexible Werkzeuge empfunden werden, die auch Benutzerpartizipation erlauben (Fähnrich & Ziegler, 1987). Von Anfang an ist dieser Forschungsbereich geprägt durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Psychologie, Kognitionswissenschaften und Pädagogik, Linguistik und
19 Mensch-Computer-Interaktion
Semiotik, Soziologie und Anthropologie, Design und Kunst, Ergonomie, Informatik und künstliche Intelligenz sowie Ingenieurwissenschaften (Chen & Norcio, 2001; Fähnrich & Ziegler, 1987; Faulkner, 1998; Preece et al., 1994).
19.2 Säulen der HCI Auf dem Fundament anwendungsorientierter Forschung fußen nach Shneiderman (1998) drei Säulen erfolgreicher Benutzerschnittstellen: (1) Theorien und Modelle, (2) Algorithmen und Prototypen sowie (3) kontrollierbare Experimente. Abb. 19.1: Säulenmodell der HCI Forschung nach Shneiderman (1998)
Zur Säule Theorien und Modelle gehören insbesondere Guidelines, Dokumente und Prozesse, auf die detaillierter hier in diesem Kapitel eingegangen werden soll. Algorithmen und Prototypen liefern die Voraussetzung für die Entwicklung benutzerfreundlicher Softwaretools. Diese Säule beschreiben die Kap. 29 bis 33. Die Kapitel zu Evaluation und zu Usability (s. Kap. 27 und 28) fokussieren auf die dritte Säule erfolgreicher Benutzerschnittstellen, die empirischen Forschungsmethoden zur Analyse von User Interfaces. Kontrollierte Experimente zur Analyse von Benutzerschnittstellen in Form von Usability-Tests werden ebenso in diesen Kapiteln vorgestellt wie Expert Reviews und darüber hinausgehend allgemein empirische Forschungsmethoden zur Evaluation von Mensch-Computer-Interaktion im Kontext multimedialen Lernens.
19.3 Theorien und Modelle der HCI Modelle und Ansätze der Mensch-Computer-Interaktion müssen grob mindestens einen der drei Aspekte modellieren, den Menschen, den Computer und die Interaktion zwischen beiden.
19.3 Theorien und Modelle der HCI
279
Modelle des Computers Modelle der Interaktion
Modelle des Computers, insbesondere deren technische Umsetzungsmöglichkeiten in adäquate Mensch-Computer-Interaktion, und notwendige Werkzeuge im Kontext multimedialen Lernens werden in den Kapn. 29 bis 33 angesprochen. Eines der ältesten Modelle der Interaktion ist die Informationstheorie von Shannon und Weaver und deren Weiterentwicklungen durch Steinbuch (Shannon & Weaver, 1969; Steinbuch, 1978). Das Modell von Shannon & Weaver (1969) ist ein nachrichtentechnisches Modell über Codierung, Fehlererkennung, Informationsgehalt, Redundanz, Wortlänge etc. Es beschränkt sich auf technische Aspekte der Nachrichtenübertragung von Sender zu Empfänger. Die Intensionen für das Zustandekommen einer Nachricht auf Senderseite und das Verstehen dieser auf Empfängerseite werden im Modell außen vorgelassen. Modelle, in deren Vordergrund die Handlung als Tätigkeit steht, finden zunehmend in der HCI- und Usability-Forschung Beachtung (Hacker, 1978; Miller, Galanter, & Pribram, 1960; Volpert, 1983; Winograd & Flores, 1986). Kommunikation wird in diesen Modellen als rückkoppelnder Prozess verstanden. Dabei löst eine Interaktionshandlung eine Folgehandlung des Interaktionspartners aus. Diese kann wiederum Ausgangspunkt für eine weitere Interaktionshandlung sein. So entsteht ein kybernetischer Kreislauf zwischen den Interaktionspartnern, die Kommunikation wechselseitig initiieren und empfangen. Die Intensionsbildung oder die Regulation der Handlungsabsicht bleibt bei diesen Modellen unberücksichtigt. Der wohl prominenteste Ansatz zur Modellierung der HCI ist der Dialog (Maaß, 1984; Watzlawick, Beavin, & Jackson, 1996). Diese Vorstellung lehnt sich an das zwischenmenschliche Kommunikationsverhalten an. Kommunizieren zwei oder mehr Menschen miteinander, so tun sie dies meist in einer für alle Beteiligten verständlichen Sprache und verständlichen nonverbalen Mimik und Gestik (Clark & Brennan, 1991). Ähnlich wie in der zwischenmenschlichen Kommunikation ist auch bei der MenschComputer-Interaktion ein Mindestmaß an gemeinsamem Verständnis der benutzten Begriffe und Symbole notwendig, um miteinander kommunizieren zu können. Maaß (1984) hält vier Aspekte der Mensch-Computer-Kommunikation und Interaktion für besonders zentral: • Handeln, d. h. Interaktionshandlungen werden während der Kommunikation zielorientiert geplant und durchgeführt, • Konventionen, also Regeln, die beide Kommunikationspartner während ihrer Kommunikation beachten sollten, • Zusammenarbeit zwischen Computer und Mensch, • Partnermodelle, die das Verhalten des Kommunikationspartners, also des Computers, vorhersagbar und interpretierbar machen. Darüber hinaus gibt es weitere Modelle der Kommunikation und Interaktion. Sie legen ihren Fokus u. a. auf Sprache und Sprechakte (Austin, 1962; Searle, 1969), Zeichen und Semiotik (Bühler, 1982; Morris et al., 1972) oder Kooperation und sozialeKopplung (Maturana & Varela, 1987). Einen guten Überblick über diese und weitere Modelle der Kommunikation und Interaktion geben Erb und Peschek-Schröder (1990). Der Mensch ist im Gegensatz zum Computer kein passiv reagierendes, sondern ein aktiv Information suchendes, aufnehmendes und verarbeitendes Wesen (Wittrock, 1988). Deshalb sind Modelle der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung als
280
19 Mensch-Computer-Interaktion
Modelle spezifischer Eigenschaften des Menschen besonders relevant. Sie modellieren Einflussparameter auf die Interaktion zwischen Mensch und Computer. Modelle der menschlichen Wahrnehmung beziehen sich einerseits direkt auf den neuropsychologischen Wahrnehmungsprozess von Informationen über Augen und Ohren. Andererseits fokussieren sie Einflussaspekte auf diesen Prozess. Die menschliche Wahrnehmung funktioniert keinesfalls wie ein Schwamm, der alles bis zu einem bestimmten Sättigungspunkt aufsaugt, sondern sie erfolgt selektiv, strukturierend und interpretierend. Die Gestaltgesetze (Wertheimer, 1922/23) zeigen Prinzipien bezüglich der visuellen Wahrnehmung auf, durch die der Wahrnehmungsprozess beeinflusst wird (s. Kap. 17). Die von Wertheimer (1922/23) formulierten Prinzipien beziehen sich insbesondere auf die Farbwahrnehmung, die Wahrnehmung der Form und Struktur (Größe, Anordnung, Menge und Hervorhebungen) sowie die Wahrnehmung von Bewegung oder Reihenfolge. Die Einflussgrößen auf die akustische Wahrnehmung von Informationen (s. Kap. 8) sind Form (Schallart, Frequenzbereich und Schalldruckpegel) und Reihenfolge der präsentierten verbalen oder nonverbalen Informationen (Zwerina & Haubner, 1987). Menschliche Informationsverarbeitung hat ihre Stärken (Wandmacher, 1993) im Erkennen komplexer Informationsinhalte, wie etwa natürlicher Sprache sowie ganzheitlicher komplexer Reizkonfigurationen. Es können auch nicht trennscharfe Objekte Kategorien zugeordnet werden. Bei Informationsüberfluss konzentriert sich menschliche Informationsverarbeitung auf wesentliche Informationen und selektiert so das Reizmaterial. Sie arbeitet flexibel bei der Informationssuche, beim Entscheiden und Handeln auch in bisher unbekannten Situationen. Dies erfolgt durch Anpassung von Schemata, induktivem Schließen, Verallgemeinern oder dem Bilden von Analogien. Modelle der menschlichen Informationsverarbeitung, wie sie von Mayer (2005) oder Schnotz (2005) vorliegen, umfassen deshalb Prozesse des Wahrnehmens von Informationen über die Sinneskanäle Augen und Ohren, des Selektierens von zentral erkannten Wissensinhalten aus dem Informationsangebot, des Organisierens essentiell erkannter Wissensinhalte und des Integrierens und Zusammenfügens dieser neuen Wissensinhalte mit bereits vorhandenem Wissen. Darüber hinaus liegen Modelle zur Informationsaufnahme vor, wie die duale Codierungstheorie (Paivio, 1986) oder Modelle des menschlichen Gedächtnisses (Atkinson & Shiffrin, 1971), wie das Mehrspeichermodell und die Cognitive-Load-Theorie (Sweller, 2005). Sie modellieren den Prozess des Speicherns und wieder Abrufens von Informationen. Ausführlich werden die angesprochenen Modelle im Kap. 3 vorgestellt. In der HCI-Forschung ergänzen die Modelle des Menschen Modelle des Nutzers, die detaillierter die Interaktion des Menschen mit dem Computer fokussieren. Solche Modelle dienen einerseits dem besseren Verständnis menschlichen Handelns, Lernens und Problemlösens, andererseits machen sie die menschliche Interaktion mit dem Computer verständlicher. Sie sollen zudem anwendungsorientiert helfen, Computersysteme so zu gestalten, dass Computernutzer einfach bisherige Handlungsschemata aus zwischenmenschlichen Interaktionen auf ihre Interaktion mit dem Computer übertragen können. Sie sollen diesen ohne Beeinträchtigungen und ohne spezifisches Bedienungsfachwissen nutzen können (Krämer, 2004). Das wohl prominenteste Nutzermodell ist das GOMS-Modell (Card, Moran & Newell, 1983), das im Folgenden ebenso vorgestellt werden soll wie das Handlungsmodell (Norman, 1989) und der Ansatz der mentalen Modelle (Johnson-Laird, 1983).
19.3 Theorien und Modelle der HCI
Modelle des Menschen
Modelle des Nutzers
281
19.3.1 Das GOMS-Modell GOMS steht für „goals“, „operators“, „methods“, und „selection rules“, also für Ziele, Operatoren, Methoden und Auswahlregeln. Mensch-Computer-Interaktion wird nach dem GOMS-Modell in Analogie zum menschlichen Problemlöseprozess entworfen. Wobei Problemlösen als Funktion von erreichten Zielen, gegebener Aufgabenstruktur, zur Verfügung stehender Information und Wissen gesehen wird, begrenzt durch Verarbeitungskapazitäten (Eberleh, 1989). GOMS modelliert Ablaufstrukturen von Aufgaben, die ein Benutzer durchführen muss, wenn er ein bestimmtes Ziel, beispielsweise ein multimediales Lernprogramm über den Desktop aufrufen, erreichen will. Mittels hierarchischer Aufgabenanalyse werden die Aufgaben rekursiv in Teilaufgaben zerlegt und so die Gesamtaufgabe analytisch zugänglich gemacht. Jeder Teilaufgabe werden Ziele („goals“) zugeordnet die durch den Einsatz von Methoden („methods“) erreicht werden. Können alternativ mehrere Methoden zur Zielerreichung eingesetzt werden, wird jede einzelne Methode über Auswahlregeln („selection rules“) bewertet und jeweils die zur Erreichung des Ziels geeignetste Methode ausgewählt. Methoden werden durch die Verkettung von elementaren Operatoren („operators“) operationalisiert. Sie sind die sensorischen, kognitiven und motorischen Grundelemente, durch die der Nutzer mit dem Computer interagiert. Operatoren repräsentieren die kleinsten Aktionseinheiten und werden nicht weiter zerlegt. Ein typisches GOMS-Modell stellt den Ablauf einer Handlung zwischen dem Nutzer und dem Computer dar und ermittelt dabei die Effizienz und Konsistenz der meist sukzessiv aufeinanderfolgenden Aufgaben und ihrer Teilaufgaben. Durch eine Analyse mittels GOMS-Modellen können sowohl qualitative Aussagen zur Umsetzung der Funktionalität gemacht werden als auch quantitative Vorhersagen zur Bedienbarkeit, z. B. zu Ausführungs- und Lernzeiten sowie Fehlbedienungswahrscheinlichkeiten (Card, Moran & Newell, 1983). Das Modell blieb nicht unkritisiert. Kieras (1988) merkt an, es sei nicht klar, wie GOMS im Detail funktioniere. Zudem ist es nur locker an die zugrunde liegende kognitive Theorie, z. B. ACT (Anderson, 1983a, 1983b), gebunden (Shneiderman, 1998). Als Erweiterung entwickelte Kieras (1988) die Natural GOMS Language (NGOMSL) bzw. deren Folgemodell EPIC (Kieras & Meyer, 1997), mit der GOMS umfangreicher ausformuliert wurde und GOMS-Modelle niedergeschrieben werden können. Auch Gray, John und Atwood (1993) erweiterten GOMS zu CPM-GOMS (Cognitive, Perceptual, Motor GOMS, or Critical Path Method GOMS) und machten es realistischer, indem sie parallele Ziele und Operatoren zuließen. So eignet sich CPM-GOMS auch für die Analyse hochparallelisierbarer, multimodaler Tätigkeiten, wie Hotline oder Chat. Zentraler Bestandteil einer GOMS-Analyse ist die hierarchische Aufgabenanalyse. Quick (and Dirty) GOMS erleichtert diese und ermöglicht schnell, grafisch Ziel- und Operatorhierarchien zu erstellen und zu analysieren (Beard, Smith & Denelsbeck, 1996).
19.3.2 Das Handlungsmodell Das von Norman (1989) entwickelte Handlungsmodell stellt die bewussten Handlungen des Nutzers, etwa Schlussfolgern, Problemlösen oder Planungshandlungen, während
282
19 Mensch-Computer-Interaktion
Abb. 19.2: Handlungsschritte und mögliche Problembereiche (Stages of action and Gulf of extention Norman, 1989)
seiner Interaktion mit dem Computer in den Vordergrund, nicht die Wissensstrukturen des Nutzers. Norman formuliert sieben Handlungsschritte, die bis zur Zielerreichung durchlaufen werden müssen (s. Abb. 19.2). Gleichzeitig zeigt das Modell mögliche Problembereiche zwischen Handlungsabsicht, Handlungsaktion und der Reaktion des Computers auf die Handlungen des Nutzers. Ist beispielsweise das Ziel des Nutzers, ein Lernprogramm auf dem Desktop zu starten, so kann schon in der unscharfen Formulierung der Handlungsabsicht ein Problembereich liegen. Beispielsweise ist dies dann der Fall, wenn der Nutzer seine Handlungsabsicht nur so weit ausformuliert, dass er ein Programm auf dem Desktop starten will. Durch die nicht vollständig ausformulierte Handlungsabsicht, dass es sich nicht um ein Programm im Allgemeinen, sondern um ein Lernprgramm handeln soll, hat er möglicherweise das Problem der Identifizierung des richtigen Programms. Neben einer unspezifisch formulierten Handlungsabsicht können den Nutzer zu geringe Kenntnisse der Bedienung vor die Frage stellen, ob er einfach oder doppelt auf das entsprechende Icon mit der Maus klicken muss. Lange Wartezeiten auf die Reaktion des Lernprogramms sind beispielsweise die Folge eines schlechten Zugangs zu Funktionen. Sie verunsichern den Nutzer, ob er tatsächlich die richtige Aktion ausgeführt hat, also das Lernprogramm gestartet hat. Gleichzeitig führt die temporäre „Unsichtbarkeit“ des neuen Zustandes zu Unklarheiten, ob das Handlungsziel erreicht wurde, da keine Beziehung zur Absicht, dem Starten des Lernprogramms, erkennbar ist. Auch die Darstellungsform hinterlässt Unklarheiten beim Benutzer, der nicht weiß, ob der Computer etwas tut oder nicht. Aus dem Modell leitet Norman vier Prinzipien guten Designs ab: 1. Status und Handlungsalternativen sollen stets für den Nutzer sichtbar sein.
Prinzipien guten Designs
2. Ein gutes konzeptuelles Modell der Handlungen potenzieller Nutzer mit einem konsistenten Systemabbild sollte vorhanden sein,
19.3 Theorien und Modelle der HCI
283
3. Eine Schnittstelle sollte gute Zuordnungen beinhalten, die die Zusammenhänge zwischen einzelnen Stufen der Handlung offenbaren, 4. Der Nutzer sollte kontinuierlich Rückmeldung zu seinen Handlungen erhalten (Shneiderman, 1998).
19.3.3 Mentale Modelle
Konzeptionelle Modelle
Im Gegensatz zu den beiden bisher vorgestellten Modellen sind mentale Modelle keine Modelle über den Nutzer, sein Wissen oder seine Handlungen. Sie sind Modelle, die der Nutzer über die Eigenschaften und die Funktionsweise der Mensch-Computer-Interaktion und der Technologie, also dem Computer selbst, entwickelt. Mentale Modelle werden bei Bedarf aus dem Gedächtnis aufgerufen. Möchte ein Nutzer beispielsweise ein Lernprogramm auf dem Desktop aufrufen, so erzeugt er vor der eigentlichen Handlung, dem Anklicken des Lernprogrammicons mit der Computermaus, basierend auf seinem bisherigen Wissen und seinen bisherigen Erfahrungen mit Computerdesktops und dessen Funktionsweise eine mentale Vorstellung der Eigenschaften und Interaktionsmöglichkeiten. Komponenten des nun dynamisch entstehenden mentalen Modells könnten u. a. sein: ein Desktop visualisiert über Icons (Wimps) mögliche aufrufbare Programme. Jedes Programm hat ein eigenes spezielles Icon, das durch Anklicken mit der Computermaus gestartet werden kann. Auf Basis des erzeugten mentalen Modells beurteilt der Nutzer nun im Voraus die Folgen seiner geplanten Handlung, also, ob das Anklicken des Icons zum Starten des Lernprogramms Erfolgsversprechend zu sein scheint oder nicht. Mentale Modelle werden durch Lernen, Erfahrung, Erwartungen und Interaktion mit dem Computer gebildet und können permanent erweitert und verändert werden (Johnson-Laird, 1983). Sie sind funktional, d. h. enthalten nur relevante Charakteristika, sind sparsam, relativ konkret und manchmal bildhaft. Sie unterstützen den Wissenserwerb und erlauben Aufgaben und Probleme zu lösen, wobei sie selbst als Wissensbasis dienen. Sie müssen von konzeptionellen Modellen (Mayhew, 1992) abgegrenzt werden, die ein System, etwa die Elemente der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer, genau, konsistent und vollständig beschreiben und keine subjektiv situativ konstruierten Modelle darstellen. Gute konzeptuelle Modelle machen Beziehungen zwischen den Intentionen der Nutzer, den erforderlichen Interaktionen und den Ergebnissen klar und erlauben dem Nutzer, die Konsequenzen seiner Interaktion vorherzusagen.
19.4 Interaktionsmöglichkeiten
Interaktionsmöglichkeiten
284
Da Mensch und Computer über unterschiedliche Kommunikationssprachen und -arten miteinander agieren, bedarf es für die Interaktion zwischen beiden der Entwicklung einer Schnittstelle, die die Handlungsabsichten des Menschen in für den Computer verständliche Aktionen übersetzt und dessen Reaktion wiederum so visualisiert bzw. präsentiert, dass sie vom Nutzer, also dem Menschen, verstanden wird. Adäquate Möglichkeiten, die auch miteinander kombiniert werden können, sind nach Shneiderman u. a. (1998):
19 Mensch-Computer-Interaktion
• Menüzugriff: Menüs offerieren eine vordefinierte Liste von Items, aus denen der Nutzer das zu seiner Aufgabe passende auswählt. Ein Beispiel wäre der Menüzugriff in Office-Anwendungen. Sind die einzelnen Items verständlich und unterscheidbar, so können Aufgaben über wenige Aktionen, meist Mausklicks, realisiert werden. Die Handhabung der Menüs ist einfach und schnell zu erlernen und eignet sich für Neueinsteiger ebenso wie für periodische Anwender. Menüs sind eine der am häufigsten eingesetzten Formen der Kommunikation zwischen Mensch und Computer, auch bei multimedialen Lernprogrammen. • Dialogführung mittels Kommandosprache: Für regelmäßige Anwender vereinfacht die Kommandosprache die Kommunikation. Der Anwender lernt die Syntax und kann so komplexe Kommunikationsvorgänge schnell ausdrücken, ohne dass viele Mausklicks erforderlich wären oder ablenkende Eingabeaufforderungen rezipiert werden müssten. Shortcuts, wie z. B. Strg + S zum Speichern einer Datei, sind ein Beispiel aus der Kommandosprache. • Dialogführung mittels direkter Manipulation: Durch Zeigen oder Auswählen visueller Repräsentationen von Objekten oder Aktionen führen Nutzer Aktionen schnell aus und können deren Ergebnisse sofort verfolgen. Ein Klick mit der Maus auf einen Programmbutton beispielsweise öffnet das gewünschte Programm oder er reicht aus, um den auf dem Desktop befindlichen Papierkorb zu leeren. In einigen Sprachlernprogrammen kann z. B. die Sprechgeschwindigkeit über direkte Manipulation verändert werden. • Dialogführung mittels Bildschirmformularen: Diese Kommunikationsform wird dann eingesetzt, wenn Eingaben etwa in Datenbanken erfolgen sollen. Meist erfordert diese Dialogform ein vorheriges Training. • Dialogführung mittels natürlicher Sprache: Die Interaktion zwischen Mensch und Computer erfolgt über willkürliche, natürlichsprachliche Sätze. Es ist kein Lernaufwand für den Anwender erforderlich, um mit dem Computer zu interagieren. Allerdings wird bisher diese Methode in eng begrenzten Anwendungsbereichen eingesetzt, da die Spracherkennung eine technologische Hürde darstellt. Allenfalls das Anwählen von Telefonnummern über Spracheingabe oder Auskünfte über das Telefon zu Zugverbindungen der Deutschen Bahn können als Beispiele angeführt werden. In multimedialen Lernprogrammen können z. B. „Pädagogische Agenten“ eingesetzt werden, um natürlichsprachlich mit dem Lernenden zu kommunizieren. Sie verfügen in diesem Fall über Anteile künstlicher Interelligenz. STEVE ist ein solcher pädagogische Agent (Johnson et al., 1998). Er unterstützt Anwender bei der Bedienung und Wartung von Maschinen (s. auch Kap. 19.6).
19.5 Normen und Guidelines 19.5.1 DIN-Normen Egal welche Form der Dialogführung zum Einsatz kommt, entscheidend ist, dass die Mensch-Computer-Interaktion benutzerfreundlich gestaltet ist. Sie soll es dem Nutzer ermöglichen, seine gestellte Aufgabe mit der zur Verfügung stehenden Technologie, und
19.5 Normen und Guidelines
285
DIN EN-ISO 9241-10: Aspekte
dem Computer effektiv, effizient und zufrieden stellend zu lösen (Winograd & Flores, 1986). Nach DIN-EN 9241-10 (1996) können drei Aspekte unterschieden werden. • Effektivität bezeichnet die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der der Benutzer sein Aufgabenziel erreicht. • Effizienz setzt den erreichten Grad an Effektivität ins Verhältnis zum benötigten Aufwand zum Lösen der Aufgabe. Wobei mit Aufwand mentale Anstrengung ebenso gemeint ist wie Zeit, Material oder finanzielle Kosten. • Zufriedenheit meint einerseits die subjektive Bewertung, inwieweit die Interaktion mit dem Computer zielführend und beeinträchtigungsfrei bei der Aufgabenlösung half und die zuvor entwickelten Erwartungen erfüllte. Andererseits meint Zufriedenheit die Akzeptanz der Nutzung. Neben den Aspekten Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit ist nach DIN-EN-ISO 9241-10 (1996) bzw. nach DIN-EN-ISO 9241-110 (2006) Benutzerfreundlichkeit auch durch die Unterkriterien Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität, Fehlertoleranz, Individualisierbarkeit und Lernförderlichkeit beschrieben (s. ausführlicher in Kap. 28).
DIN EN-ISO 9241-10: Kriterien
• Aufgabenangemessenheit: Der Nutzer soll seine Arbeitsaufgabe effektiv und effizient erledigen können. Dies bedeutet auch, dass Tätigkeiten, die durch den Computer ausgeführt werden können, weitestgehend von ihm übernommen werden. • Selbstbeschreibungsfähigkeit: Jeder Dialogschritt muss durch Beschreibungen oder Rückmeldungen unmittelbar dem Nutzer verständlich werden oder auf dessen Anfrage ihm erklärt werden. Darüber hinaus ist eine vollständige Übersicht aktuell zur Verfügung stehender Optionen ebenso sinnvoll wie kontextabhängige Erklärungen der einzelnen Funktionen, in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Nutzers. • Steuerbarkeit: Der Benutzer sollte in der Lage sein, den Dialogablauf hinsichtlich Sequenz, Richtung und Geschwindigkeit selbst zu steuern. Auch die Möglichkeiten, mehrere Dialogschritte zusammenzufassen, z. B. über Makros oder die Benutzerführung frei zu wählen, etwa zwischen Kommandoeingabe, Menüwahl, Direkte Manipulation (siehe auch weiter unten in diesem Kapitel) individualisiert die Steuerbarkeit der Mensch-Computer-Interaktion. • Erwartungskonformität: Der Dialog erscheint dem Nutzer erwartungskonform, wenn er mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen übereinstimmt und er Konsistenz in Funktionalität und Gestaltung vorfindet. • Fehlertoleranz: Der Dialog ist fehlertolerant, wenn er trotz erkennbar fehlerhafter Eingaben mit nur minimalem Korrekturaufwand zum beabsichtigten Arbeitsergebnis des Benutzers führt. • Individualisierbarkeit: Wenn ein Benutzer den Dialog an seine Arbeitsaufgabe oder individuelle Vorlieben anpassen kann, ist er individualisierbar. • Lernförderlichkeit: Der Dialog unterstützt den Benutzer beim Erlernen der Anwendung. Die in der ISO-Norm formulierten Kriterien bilden lediglich den Rahmen für die Gestaltung benutzerfreundlicher Schnittstellen und eröffnen somit Spielräume für An-
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19 Mensch-Computer-Interaktion
passungen an individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnisse der Nutzer, ihre Aufgaben und Umgebungsbedingungen durch Selektion, Interpretation und Modifikation der angewanden Kriterien.
19.5.2 8 Goldene Regeln des Interface-Designs Neben den internationalen Normprinzipien wurden u. a. von Shneiderman (1998) acht, von Norman (1989) sieben Prinzipien oder von Nielsen (1993) zehn Heuristiken (s. auch Kap. 28) des Interface-Designs entwickelt, durch deren Umsetzung hohe Usability gewährleistet werden soll. Alle drei Instrumentarien stellen ihre Designregeln in Form einer Checkliste griffig für den Praktiker zusammen. Stellvertretend sollen hier expemplarisch die acht goldenen Regeln des Interface-Designs von Shneiderman (1998) vorgestellt werden: 1. Strebe nach Konsistenz: In ähnlichen Situationen sollen ähnliche Handlungsoptionen über ähnliche Werkzeuge realisierbar sein. Farbgebung, Terminologie, Menüs, Hilfetexte, Layout, Schriftart- und Schrifttypen sollen während der gesamten Interaktion zwischen Mensch und Computer immer ähnlich in Bedeutung, Platzierung oder Funktion sein. 2. Ermögliche erfahrenen Nutzern und Nutzerinnen die Verwendung von Shortcuts: Für jeden Nutzer sollte die Schnittstelle möglichst eine passende Interaktionsform anbieten, für Anfänger Menüs und für erfahrene Benutzer und Experten eine Kommandosprache, z. B. als Tastenkürzel, welche die Interaktionszeiten verkürzen. 3. Biete informatives Feedback an: Für jede Aktion des Benutzers sollte Feedback angeboten werden, entweder visuell, taktil oder akustisch. Die formulierten Fehlermeldungen sollten klar, positiv und konstruktiv formuliert sein, damit der Nutzer deren Sinn versteht und entsprechende Handlungsschritte zur Fehlerbehebung einleiten kann. 4. Gestalte geschlossene Dialogsequenzen: Jede Handlungssequenz sollte in Gruppen eingeteilt werden, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben. Wobei das Ende klar ersichtlich sein muss. Damit der Nutzer seine kognitiven Ressourcen nicht zwischen alter und neuer Handlungssequenz aufteilen muss. 5. Biete Fehlerprävention an und Hilfen zur Fehlerbehebung: Schnittstellen sollten so gestaltet sein, dass sie möglichst keine Fehler zulassen, beispielsweise Buchstaben nur in dafür vorgesehenen Feldern erlauben oder aktuell nicht mögliche Aktionen über Menüs deaktivieren. Sollten dennoch Fehler auftreten, so sind minimale Aktionen seitens des Benutzers zur Fehlerbehebung anzustreben. Beim Ausfüllen eines Formulars, z. B. eines computergestützten Wissenstests, könnten vergessene Felder beispielsweise rot markiert werden. Ein Hilfetext erklärt darüber hinaus, welche Informationen noch fehlen. 6. Erlaube einfache Umkehrbarkeit von Aktionen: Jede Aktion sollte durch den Benutzer einfach rückgängig gemacht werden können, z. B. durch das Betätigen eines Zurückbutton oder eines Shortcuts. Eine Änderungshistory unterstützt den Benutzer, mehrere zurückliegende Aktionen rückgängig zu machen, und ermöglicht damit auch exploratives Handeln.
19.5 Normen und Guidelines
287
7. Unterstütze internale Kontrollüberzeugungen des Benutzers: Nutzer sollen stets das Gefühl haben, ihre Interaktion mit dem Computer kontrollieren zu können. Unvorhersehbare Systemreaktionen oder die Unmöglichkeit, aktuell notwendige Aktionen zu erreichen und auszuführen, erzeugen beim Nutzer Frust, aus dem eine Unzufriedenheit mit der Interaktion resultieren kann. Nutzer sollten stets das Gefühl haben, aktiv die Interaktion selbst steuern zu können und nicht reaktiv auf Aufforderungen seitens des Computerdialogs zu reagieren. 8. Reduziere die Belastung des Arbeitsgedächtnisses: Entsprechend der Erkenntnis, dass Menschen ungefähr sieben Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten und behalten können, sollten Menüs, Hilfetexte undFehlermeldungen darauf abgestimmt werden (s. auch Kap. 3.2 und 3.3).
19.6 Gegenwart und Zukunft der HCI Ab den achtziger Jahren kennzeichnen zunehmend grafische Benutzerschnittstellen und direkte Manipulation die Schnittstellengestaltung der Mensch-Computer-Interaktion. Die Computernutzung blieb damit nicht mehr nur auf Experten beschränkt. Gleichzeitig stieg auch der Anspruch auf nutzergerechte Gestaltung der Schnittstelle (user centeredness) weiter. Nur so können zunehmend auch Nutzer mit geringem Anfangswissen den Computer bedienen und nutzen. Grafische Benutzeroberflächen erleichtern und unterstützen zwar die Interaktion mit dem Computer, nutzergerechter wäre aber eine Interaktion über natürliche Sprache. Deshalb treibt die Forschung diese Idee seit den achtziger Jahren bis heute voran. Daneben stehen die Ideen natürlicher und sozialer Interaktion im Forschungsfokus. Eine vielversprechende Idee, mit der natürliche Sprache und soziale Interaktion umgesetzt werden sollen, sind Agenten (Bradshaw, 1997). Softwareagenten können unsichtbar im Hintergrund agieren, z. B. als Suchagenten wie in Google, sowohl als auch auf dem Computerbildschirm abgebildet sein, wie z. B. „Karl Klammer“ in MS Office. Im Kontext multimedialen Lernens werden soziale Interaktionen zwischen Lernendem und Computer mittels Pädagogischer Agenten realisiert. Es handelt sich um Charaktere, die auf dem Bildschirm präsentiert werden und durch die Lerneinheit führen. Sie können über natürliche Sprache bzw. künstliche Intelligenz verfügen, müssen es aber nicht. Einen guten Überblick gibt Domagk (2008).
19.6.1 Interaktion mittels gesprochener natürlicher Sprache Interaktionen mittels gesprochener natürlicher Sprache zwischen Mensch und Computer ist für den Menschen intuitiv und erfordert kein Training. Ziel ist es, den Computer so zu adaptieren, dass dieser menschliche natürlichsprachliche Interaktion versteht und darauf adäquat reagieren kann (Baecker et al., 1995). Eine der wohl zur Zeit verbreitetsten Formen ist die Spracheingabe von Wörtern oder ganzen Sätzen. Eine Spracherkennungssoftware erkennt die gesprochene Sprache und gibt diese dann als schriftlichen Text auf dem Computerdesktop aus. So wird „lästige Tipparbeit“ über die Computertastatur minimiert.
288
19 Mensch-Computer-Interaktion
Interaktion mit gesprochener Sprache kann auf verschiedenen Ebenen natürlicher Sprache erfolgen. Auf der niedrigsten Ebene ist die Spracheingabe begrenzt auf einfaches Vokabular und einfache Grammatik. Die Interaktion erfolgt über einzelne Wörter in Form von Kommandos, z. B. bei telefonischen Bestellsystemen. Für den Einsatz im Bereich multimedialen Lernens scheint diese Form noch zu unausgereift. Für multimediales Lernen interessanter sind „natural language“ bzw. „natural language dialog“. Mit diesen Sprachen ausgestattete Computersysteme verstehen und analysieren umfangreiches natürlichsprachliches Vokabular, komplexe Grammatik, grammatikalische Variationen, Ambiguitäten, unklare Satzgrenzen oder Wortfragmente. Auf Basis phonologischer Analyse von Wörtern und einfachen Satzkonstruktionen ergeben sich hier Einsatzmöglichkeiten für multimediales Fremdsprachenlernen. Einige multimediale Sprachlernprogramme bieten beispielsweise an, die eigene Aussprache in der Fremdsprache zu üben. Dabei wird die eigene Aussprache mit der eines Muttersprachlers durch phonologische Analyse verglichen und der Computer meldet zurück, ob noch Übungsbedarf besteht. Für Computersysteme mit künstlicher Intelligenz gibt es im Kontext multimedialen Lernens interessante, lernprozessunterstützende Anwendungen. Über die Erkennung von Schlüsselwörtern in natürlichsprachlichen Sätzen kann das Computersystem mit künstlicher Intelligenz sinnvolle Antworten formulieren und dadurch auch auf unscharf formulierte Fragen adäquat reagieren. Kurze natürlichsprachliche Dialoge sind so möglich.
Einsatzmöglichkeiten beim multimedialen Lernen
19.6.2 Soziale Interaktion über multimodale Schnittstellen Multimodale Schnittstellen gewinnen zunehmend an Bedeutung, da durch die Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle vom Menschen zur Maschine (Eingabemodalität) oder von der Maschine zum Menschen (Ausgabemodalität) eine nutzergerechtere Gestaltung und eine höhere Akzeptanz gerade von ungeübten Nutzern erwartet wird. Multimodale Schnittstellen reichern die Interaktion zwischen Mensch und Computer an, so dass sie nicht nur visuell, auditiv (Text, Grafiken, Animationen, Ton) und manuell (z. B. Klicken mit der Computermaus oder Eingeben von Text über die Computertastatur) erfolgen muss, sondern auch über natürliche Sprache erfolgen kann, ebenso wie über Gestik, Mimik oder point-and-klick als Subkulturtechnik.
19.6.3 Anthropomorphe Interfaces Multimodalität eröffnet bei der Gestaltung multimedialer Lernumgebungen neue Perspektiven. Insbesondere Pädagogische Agenten sprechen einerseits multimodal die Sinneskanäle des Lernenden an und andererseits besitzen sie anthrpomorphe, „menschenähnliche“ Eigenschaften. Sie erkennen natürliche Sprache, ihre Mimik und Gestik ist auf die Sprachinhalte abgestimmt und aufgrund von Anteilen künstlicher Intelligenz können sie Emotionen ausdrücken und angemessen reagieren. Pädagogische Agenten vermitteln dadurch den Eindruck „natürlicher zwischenmenschlicher“ Kommunikation. Ein Beispiel ist der Pädagogische Agent STEVE, der Lernende bei der Bedienung und Wartung von Maschinen unterstützt (Johnson et al., 1998) oder der „Auto-Tutor“. Er
19.6 Gegenwart und Zukunft der HCI
289
simuliert innerhalb tutorieller Lernumgebungen die Kommunikation mit einem „echten“ Tutor (Graesser, Jackson, & McDaniel, im Druck; Graesser et al., 2001; Graesser et al., 1999). Von anthropomorphen Interfaces wird erwartet, • dass durch die menschenähnliche Figur mehr Aufmerksamkeit auf das Computersystem gelenkt wird (Dehn & van Mulken, 2000), • dass sie subjektives Vertrauen in die animierte Figur und deren Intelligenz steigern (Sproull et al., 1996), • dass durch den animierten Agenten, die Nutzer versuchen, sich in der Kommunikation mit ihnen positiver darzustellen, • sie den Nutzer bei der schnellen Aufgabenlösung unterstützen. Allerdings fanden Rickenberg & Reeves (2000) im Gegensatz dazu in ihren Studien heraus, dass ihr pädagogischer Agent Lernende nicht bei der schnellen Aufgabenlösung unterstützte. Es bleibt fraglich, inwieweit anthropomorphe pädagogische Agenten diese Erwartungen erfüllen. Außerdem müssen auch die Merkmale der Lernenden in Betracht gezogen werden, z. B. ihr Vorwissen oder ihre Interessen. Es scheint zudem vielmehr so zu sein, dass Pädagogische Agenten nicht per se behaltensfördernd und lernförderlich sein müssen, sondern dasses auf die Merkmale des einzelnen Pädagogischen Agenten ankommt (Domagk, 2008). Jüngere Pädagogische Agenten, die ein ähnliches Alter wie die Zielgruppe haben, und Figuren des jeweils anderen Geschlechts scheinen von den Lernenden bevorzugt zu werden (Domagk, Poepperling, & Niegemann, 2006).
19.7 Zusammenfassung Interaktionen zwischen Mensch und Computer werden durch drei zentrale Merkmale bestimmt: die Aufgabe, den Menschen und die Technologie. Kommt es in der Kommunikation zwischen Mensch und Computer zu Schwierigkeiten, so können es Probleme mit der Aufgabe sein, dem Funktionsumfang oder der Handhabung des multimedialen Angebotes. Um diesen Problemen vorzubeugen, versuchen Modelle des Nutzers, potenziell auszuführende Interaktionshandlungen so zu antizipieren und zu optimieren, dass der Nutzer möglichst beeinträchtigungsfrei mit der Technologie interagieren kann. Hilfreich zur Optimierung der Mensch-Computer-Interaktion sind die in den DIN-Normen formulierten Aspekte und Kriterien sowie die acht goldenen Regeln des InterfaceDesigns. Daneben empfehlen sich möglichst detaillierte Kenntnisse über die Zielgruppe sowie detailliertes Wissen zu Inhalts- und Aufgabenmerkmalen des multimedialen Angebotes. In multimedialen Lernumgebungen können multimodale anthropomorphe „Pädagogische Agenten“ die Mensch-Computer-Interaktion unterstützen. Durch ihre natürliche Sprache, und die darauf abgestimmte Mimik und Gestik vermitteln sie den Eindruck „natürlicher“ Kommunikation. Sie verringern deshalb unter Umständen für Lernende die Einstiegshürde, aber auch schwierige Lernphasen können durch angepasste Unterstützung seitens des Agenten produktiv überwunden werden.
290
19 Mensch-Computer-Interaktion
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292
19 Mensch-Computer-Interaktion
20 Interaktivität und Adaptivität
Lernprogramme werden häufig mit dem Hinweis beworben, dass sie interaktiv sind. Dabei wird meist implizit oder explizit unterstellt, dass Interaktivität die Motivation der Lernenden und ihren Lernprozess positiv beeinflussen kann. Offen bleibt, bei welchen möglichen Aktionen der Lernenden oder des Lernsystems von Interaktivität gesprochen werden kann. Ist allein die Möglichkeit, bestimmte Seiten im Lernprogramm anzuwählen, schon Interaktivität? Inwieweit sollte das Lernsystem in der Lage sein, auf Eingaben des Lernenden zu reagieren, um von Interaktivität sprechen zu können? Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit sich Interaktivität tatsächlich positiv auf das Lernen auswirken kann und unter welchen Bedingungen ihr Einsatz sinnvoll ist. Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, sollten Sie verstanden haben,
Lernziele
• was im Kontext der Konzeption von multimedialem Lernen unter Interaktivität verstanden wird, • welche Funktionen Interaktivität im Lernprozess haben kann, • welche Interaktionsformen auf Seiten der Lernenden und des Lernsystems möglich sind, • inwieweit Interaktivität lernwirksam (effektiv) bzw. effizient ist, • welche Forschungsfragen sich zu diesem Thema ergeben, • welche sozial-emotionalen Aspekte bei der Interaktion zwischen einem Lernenden und einem Lernsystem von Bedeutung sein können, • und was unter dem Begriff „Adaptivität“ verstanden wird.
20.1 Was ist Interaktivität? Als „Interaktion“ bezeichnen wir aus sozialwissenschaftlicher Perspektive das wechselseitig handelnde aufeinander Einwirken zweier Subjekte. Seit digitale Medien Funktionen menschlicher Kommunikationspartner übernehmen können, kann diese Definition (metaphorisch) erweitert werden auf Fälle, in denen eines der Subjekte durch ein entsprechendes technisches System ersetzt wird. Handeln meint stets ein zielgerichtetes Verhalten und schließt kommunikative Akte ein.
20.1 Was ist Interaktivität?
Definition „Interaktion“
293
Interaktionsketten
Im Bereich des E-Learning haben wir es in der Regel mit Interaktionsketten zu tun, deren Idealtyp (außer beim kooperativen bzw. kollaborativen Lernen) der Situation eines einzelnen Lernenden mit einem kompetenten Privatlehrer oder Coach nahe kommt. In solchen Situationen initiiert eine Aktion des Interaktionspartners A (z. B. des Lehrenden) bestimmte mentale Operationen beim Partner B (z. B. dem Lernenden). Als Ergebnis oder Begleitphänomen dieser Operationen agiert B seinerseits und dieses Agieren hat dann zweierlei Funktionen: Zum einen liefert es A eine Rückmeldung bzw. „Antwort“ zu seiner vorangegangenen Aktion (wurde sie aufgenommen? verstanden? etc.), zum anderen werden nun durch die Aktion von B bei A mentale Operationen ausgelöst (s. Abb. 20.1).
Abb. 20.1: Interaktionskette Lernsystem
Anreiz Feedback Lernender
Anreiz
Feedback
Lernsystem
Anreiz
Feedback
Lernender
Anreiz Feedback Lernsystem
Anreiz Lernender
294
20 Interaktivität und Adaptivität
„Interaktivität“ bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert. Auf den ersten Blick scheint es daher durchaus zweckmäßig, Interaktivität zu messen. Dies wird auch versucht. Es gibt oder gab Maße für die Interaktivität, die auf einer Zählung der Dateneingaben (Tastenanschläge, Wörter oder Mausklicks) der Lernenden beruhen (US Military Handbook 29612, Definitions; zit. nach Shook, 2002) und dementsprechend z. B. vier oder fünf Niveaus von Interaktivität unterscheiden. Offensichtlich wird dabei die Menge der Eingaben als Maß für die Qualität des Lernsystems betrachtet. Das entspricht einer Zählung der Wörter und Zeigehandlungen eines Lehrers als Qualitätsmerkmal seiner Lehre. Aber auch komplexere Taxonomien von Interaktionen bzw. Interaktivität (z. B. Schwier & Misanchuk, 1993) sind für die Konzeption von E-Learning-Angeboten wenig hilfreich, wenn die Beziehung zwischen den Kategorien einerseits und den kognitiven Prozessen andererseits nicht erläutert werden. Worauf es alleine ankommt, ist der Beitrag, den die Interaktionen jeweils mittelbar oder unmittelbar zum erwünschten Lernergebnis beitragen können (vgl. auch Sims, 1997); darauf werden wir in Kap. 20.4 nochmals zurückkommen.
Interaktivität: messbar?
20.2 Funktionen von Interaktivität Interaktivität hat im Bereich der Lernmedien zweifellos eine ausgesprochen positive Konnotation. Nicht selten wird computer- bzw. webbasiertes Lernen in der Werbung und in nicht-wissenschaftlichen Publikationen von vornherein gleichgesetzt mit „interaktivem“ Lernen. Dabei sind etliche der so charakterisierten Lernprogramme etwa so interaktiv wie ein Buch: Man kann an jeder beliebigen Stelle beginnen, man kann von hinten nach vorne lesen, es gibt ein Inhaltsverzeichnis, vielleicht sogar ein Glossar und Querverweise im Text. Den Vorteil, dass man statt zu blättern mit einem Mausklick auskommt, erkauft man mit der deutlich geringeren Mobilität des Datenträgers. Die entscheidende Frage für das Instruktionsdesign ist, welche Funktion diese Merkmale dialogähnlicher Kommunikation haben. Angestrebt werden sicher oft die Funktionen der Kommunikation mit einem menschlichen Tutor oder Trainer: • Motivieren, • Informieren, • Verstehen fördern, • Behalten fördern, • Anwenden bzw. Transfer fördern und • den Lernprozess organisieren und regulieren. Dies sind die Grundfunktionen jedes Lehrens (Klauer, 1985; Klauer & Leutner, 2007). „Interaktivität“, die keine dieser Funktionen unterstützt, ist wahrscheinlich überflüssig, wenn nicht kontraproduktiv. Eine motivierende Funktion von „Interaktivität“ (ohne nähere Spezifikation) wird recht häufig reklamiert, ähnlich wie dies von farbigen Grafiken, Bildern, Animationen und Filmsequenzen behauptet wird. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass es oft weniger effektiv ist, wenn Lernende bloß rezeptiv Informationen aufnehmen, als wenn sie stimu-
20.2 Funktionen von Interaktivität
Grundfunktionen des Lehrens als Kriterien
295
liert werden, aktiv zu werden. Diese Aktivitäten müssen dann aber den Prozess des Wissensaufbaus unterstützen und es muss eine theoretische Vorstellung verfügbar sein, in welcher Art dies geschieht. Im Folgenden werden einige Möglichkeiten genannt, wie „Interaktivität“ zu den einzelnen Lehrfunktionen beitragen kann.
20.2.1 Motivationsfördernde Interaktionen Demotivation vermeiden!
Eine leicht implementierbare Möglichkeit sind ermutigende Äußerungen, die darauf abzielen, mit dem Lernen zu beginnen oder weiter zu lernen. Ein Modell zur Konzeption motivationsförderlicher Interaktionen wird in Kap. 25 dargestellt. Wichtig ist vor allem, jede potenziell demotivierende Interaktion zu vermeiden. Dies sind alle Äußerungen, die in irgendeiner Weise geeignet sind, den Selbstwert und die Selbsteinschätzung Lernender zu beeinträchtigen: Auch „scherzhaft gemeinte“ Herabwürdigungen in Rückmeldungen („Du lernst es anscheinend nie!“) sind tabu: Beim Design von Bildungsmedien kennen wir die Adressaten nicht, wir haben bestenfalls statistische Informationen über durchschnittliche Nutzer und können daher nicht einschätzen, was im Einzelfall durch Herabwürdigungen angerichtet wird. Angriffe auf den Selbstwert Lernender sind auch in Schule, Aus- und Weiterbildung stets schwere Kunstfehler, die leider nur selten sanktioniert werden.
20.2.2 Informationsliefernde Interaktionen Hinweise auf Wissenslücken und Denkfehler
Hinweise auf die jeweils noch zu bearbeitenden Kapitel oder Abschnitte erleichtern das selbstgesteuerte Lernen. Fehlerdiagnostische Rückmeldungen mit Erläuterungen bezüglich der Fehler liefern wertvolle Hinweise auf Wissenslücken und Denkfehler. Auch Fragemöglichkeiten für Lernende gehören hierzu.
20.2.3 Interaktionen, die das Verstehen fördern Hilfen unterschiedlicher Art
„Verstehen“ bedeutet, dass neue Informationen in bestehende individuelle Wissensstrukturen eingeordnet werden können, dass Bezüge hergestellt werden. Verstehen fördernde Interaktionen können z. B. adaptiv unterschiedliche Darstellungen, alternative Erklärungen oder spezielle Hilfen bereitstellen und eventuell entsprechende Empfehlungen geben. Zu den wichtigsten Möglichkeiten, das Verstehen zu fördern, gehören sicherlich Fragen, und zwar sowohl seitens des Systems als auch seitens der Lernenden.
20.2.4 Interaktionen, die das Behalten fördern Verknüpfen mit anderen Inhalten und Memorieren
296
Neben vielfältigen Verknüpfungen mit anderen Gedächtnisinhalten wird das Behalten durch Üben (Memorieren) gefördert. Multimediale Lernumgebungen können das Behalten fördern, indem sie Werkzeuge bereitstellen, die geeignete Mnemotechniken
20 Interaktivität und Adaptivität
unterstützen und lernerfolgsabhängige Übungsmöglichkeiten anbieten (z. B. eine Lernkartenverwaltung).
20.2.5 Interaktionen, die das Anwenden und den Transfer fördern Aufgaben- bzw. Problemstellungen, deren Lösung die Verwendung des zuvor vermittelten bzw. angeeigneten Wissens erfordert, können den Transfer unterstützen. Anwendungs- und Transferförderung lassen sich praktisch nicht trennen, da jede Abweichung von den Aufgaben, die bei der Vermittlung des Lehrstoffs verwendet wurden, bereits einen (nahen) Transfer beinhaltet. Das Ausmaß des automatisch zu erwartenden Lerntransfers wird von Lehrenden oft deutlich überschätzt. Transfer kann explizit gefördert werden, indem auf Anwendungsmöglichkeiten und Besonderheiten der Anwendung des Gelernten in bestimmten Situationen ausdrücklich hingewiesen wird. Im Kontext multimedialen Lernens sind spezielle Verweise (Links) möglich, die z. B. beim Anklicken in einem eigenen Fenster solche Hinweise enthalten. Eine weitere Möglichkeit der Transferförderung besteht in der systematischen Variation von Aufgaben und Problemstellungen. Beim situierten Lernen (s. Kap. 2) sollte zu jedem Thema mehr als eine Aufgabenstellung angeboten werden.
Transfer tritt nicht von alleine auf
20.2.6 Interaktionen, die den Lernprozess regulieren Übersichten (Sitemaps) zu Inhalten, die Anzeige noch nicht bearbeiteter Kapitel, Rückmeldungen, Empfehlungen für bestimmte Lernwege, Hinweise auf Übungsangebote, Lernhilfen, Tipps und integrierte Werkzeuge zur Lernplanung und zum Zeitmanagement sind Möglichkeiten, den Prozess der Selbstregulation zu unterstützen (vgl. Kap. 4). Es ist aber auch zu bedenken, dass es durchaus legitim und von Lernenden oft erwünscht ist, Entscheidungshilfen von Experten zu erhalten. Wer sich auf eigenen Wunsch beraten oder anleiten lässt, fühlt sich keineswegs gegängelt, vorausgesetzt, er kann die Führung jederzeit wieder verlassen.
Unterstützung der Selbstregulation
20.3 Interaktionsformen und ihre Realisierung 20.3.1 Aktionen Lernender Die Aktionen des Lernenden und des Lehrsystems müssen zwar aufeinander bezogen sein, sie sind jedoch nicht notwendigerweise symmetrisch. Aus instruktionstechnologischer Sicht lassen sich zumindest folgende Aktionsformen der Lernenden unterscheiden: Die selbstständige Auswahl von Lehrinhalten: Sie darf natürlich nicht fehlen, obwohl es eher lächerlich wirkt, wenn diese Möglichkeit bei der Beschreibung eines Lernprogramms als Beleg für „Interaktivität“ aufgeführt wird und sich später als einzige Aktion erweist. Die Umsetzung erfolgt durch einfache Hyperlinks. Dabei empfiehlt es sich,
20.3 Interaktionsformen und ihre Realisierung
Auswahl von Lehrinhalten
297
Sequenz Auswahl als Interaktion?
Wahl von Beispielen und Aufgaben
Stellvertretende Handlungsentscheidungen
Bearbeiten von Aufgaben, Lösen von Problemen
jeweils die gesamte Überschrift in einem Inhaltsverzeichnis als Link zu definieren und nicht nur ein vorangestelltes Aufzählungszeichen. Wenn Überschriften nicht selbsterklärend sind, empfiehlt sich ein Pop-up-Fenster mit einer kurzen Erläuterung (öffnet sich bei Berührung mit dem Mauscursor). Auch kurze Kapitelzusammenfassungen können auf diese Weise angeboten werden. Auch die selbstständige Wahl einer Reihenfolge (Sequenz) des Lehrstoffs ist für sich genommen trivial. Falls bestimmte Sequenzen für bestimmte Nutzergruppen (z. B. je nach Vorkenntnissen oder Interessen) besonders günstig sind, empfiehlt sich das Angebot von „Guided Tours“. Die Realisierung ist innerhalb einer Website bereits mit sehr einfachen Mitteln möglich. Bei der Entscheidung eines Nutzers für eine bestimmte „Guided Tour“ sollte er die Freiheit zu Abstechern haben, also anderen Links folgen können. „Tour-Maps“, die über den Verlauf der „Guided Tour“ informieren, können solchen Nutzern helfen, gegebenenfalls wieder in die Spur zu kommen. Eine „TourMap“ kann z. B. analog einer hervorgehobenen Strecke innerhalb der Darstellung eines städtischen Verkehrsnetzes präsentiert werden. Solche Maps sollten während einer „Tour“ jederzeit verfügbar sein. Auswahlentscheidungen bezüglich Beispielen und Aufgaben betonen das Angebot selbstgesteuerten Lernens: Die Auswahl zwischen unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus dürfte für die meisten Lerner unproblematisch sein, manche benötigen allerdings Aufforderungen oder geeigneten Zuspruch, damit sie sich für höhere Schwierigkeitsgrade entscheiden. Wenn sich die Beispiele und vor allem Aufgaben anders als nach Schwierigkeit unterscheiden, sind die meisten Lerner allerdings überfordert, es sei denn, das Programm liefert Entscheidungshilfen. Zur technischen Umsetzung genügen meist einfache Links und Pop-up-Fenster. Das Treffen stellvertretender Handlungsentscheidungen ist erfahrungsgemäß für Lernende besonders reizvoll, wenn anschließend die Konsequenzen beobachtet werden können. Hier können interaktive Videosequenzen (vgl. Kap. 18) didaktisch sinnvoll eingesetzt werden. Die Verzweigungen einer Filmstory müssen allerdings aus Gründen des Speicherplatzes und des Umfangs der Dreharbeiten in der Regel eng begrenzt bleiben. Ein interaktives Video, bei dem eine stellvertretende Handlungsentscheidung jeweils Konsequenzen für alle weiteren Handlungsverläufe hat, dürfte auch vom Drehbuch her kaum realisierbar sein: Eine gute Dramaturgie für viele Verlaufsvarianten gleichzeitig zu entwickeln hat bis heute noch kein Drehbuchautor geschafft. Das Bearbeiten und Lösen von Aufgaben und Problemen erfordert einigen Programmieraufwand, wenn die Aktivitäten der Lerner aus mehr bestehen sollen als dem Anklicken oder Verschieben von Objekten auf dem Monitor. Problemorientierte Lernumgebungen (vgl. Kap. 2) sind meist sehr aufwendig in der technischen Realisierung, sie erfordern häufig eine größere Zahl Video- und Audio-Assets. Wünschenswert ist eine möglichst „intelligente“ Auswertung komplexer Lerner-Inputs: • Sortieraufgaben, • Erstellung von Conceptmaps und • (pseudo)natürlichsprachige Eingaben.
Passive Hilfen
298
Das Anfordern und Nutzen von Hilfen (= „passive Hilfen“) stellt insbesondere ergonomische Anforderungen: Es sollte von einem Benutzer nicht erwartet werden, dass er die genaue Bezeichnung des Gesuchten kennt. Benutzerfreundliche Hilfen sind kontextsensitiv, d. h., es wird in der Regel Hilfe zu dem Inhalt der aktuellen Bild-
20 Interaktivität und Adaptivität
schirmseite angeboten. Hilfe zur Handhabung des Programms generell kann ein spezieller Menüpunkt innerhalb der lokalen Hilfe sein oder es sollte dafür einen eigenen Button geben. Die Möglichkeit des Vervollständigens oder Modifizierens angebotener Lernmaterialien kann genutzt werden, um Lernende zu aktivieren und die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten; z. B. indem beim Teleteaching Schaubilder angeboten werden, die von den Lernenden während der Instruktion grafisch oder textlich zu vervollständigen sind. Besonders interessant ist die Möglichkeit, Lehrtexte mit Annotationen zu versehen, ähnlich der Kommentarfunktion in MS Word. Das Stellen von Fragen durch Lernende ist einer der größten Schwachpunkte computer- und webbasierter Lernmedien: Obwohl die „Interaktivität“ von E-Learning in der Werbung stets besonders herausgestellt wird, ist diese elementare Lehrer-LernerInteraktion oft nicht einmal ansatzweise vorgesehen. Tatsächlich ist eine echte natürlichsprachige Interaktion bis heute nicht realisierbar. Es gibt jedoch mehrere Möglichkeiten, dass Lernende auch bei E-Learning Fragen stellen können: Eine technisch einfach realisierbare Art besteht darin, vorgefertigte Fragen anzubieten, etwa in einem speziellen Fragenfenster. Es kommt darauf an, dass diese Fragen dem Fragebedarf der Lernenden entsprechen, erfahrene Lehrer bzw. Trainer des jeweiligen Fachgebiets sollten hierzu herangezogen werden. Eine etwas aufwendigere Art besteht darin, eine Art „Fragenparser“ zu programmieren, d. h. eine Prozedur, die es erlaubt, aus einer vorgegebenen Menge von Begriffen und fachgebietsbezogenen „Fragestämmen“ Fragen zu generieren. Nicht sinnvolle Kombinationen werden mit der Aufforderung zu einer „Umformulierung“ zurückgewiesen. Beispiele für „Fragestämme“ sind: Wie hängen X und Y zusammen? Was ist die Ursache von X? Wie kann Y verstärkt werden? Für X und Y können durch „Drag and Drop“ oder in Form von Schieberegistern Begriffe aus einer umfangreichen Liste eingesetzt werden; die Flexibilität dieser Form ist etwas größer als bei vorgegebenen Fragen. Eine dritte Form sind pseudo-natürlichsprachige Fragen: Hierbei ist eine freie Eingabe möglich, die Eingaben werden hinsichtlich des Vorkommens von Frage- und Schlüsselwörtern bzw. deren Wortstämmen sowie der Sequenz der Wörter hin ausgewertet; irrelevante Wörter werden ignoriert. Je nach Fachgebiet kann dies sehr vielfältige Fragen ermöglichen. Technisch steht für die Beantwortung der Fragen bei allen Formen eine Matrix im Hintergrund, die alle Begriffskombinationen präsentiert und mit einer geeigneten Antwort verknüpft. Didaktisch interessant ist in diesem Zusammenhang die Idee einer fragebasierten Navigation: Programme können so organisiert werden, dass bestimmte Verzweigungen nur über Fragen zugänglich sind. Lernende müssen sich dann an bestimmten Stellen überlegen, was sie wissen möchten, anstatt einfach einen „Weiter“-Button anzuklicken. Die bewusste Entscheidung für eine Frage kann sich positiv auf das Behalten des Lehrstoffs auswirken. Die Eingabe von Antworten auf systemseitig gestellte Fragen ist in der Regel unproblematisch, wenn es sich um das Markieren korrekter Alternativen von MultipleChoice-Aufgaben, um Lückentexte oder „Drag and Drop“-Aktionen handelt: Hierzu gibt es in allen guten Autorensystemen vorgefertigte Routinen. Werden ganze Sätze erwartet, kann eine pseudonatürlichsprachige Verarbeitung (s. o.) verwendet werden. Bei mehreren Sätzen oder Kurzaufsätzen ist eine automatische Verarbeitung derzeit nur sehr eingeschränkt möglich. Hier können dem Lerner Musterantworten zum Vergleich angeboten werden. Möglichkeiten einer automatischen Bewertung von Kurzaufsätzen beim webbasierten Lernen bestehen, sind aber verhältnismäßig aufwendig.
20.3 Interaktionsformen und ihre Realisierung
Vervollständigen, Modifizieren
Fragen stellen
Pseudonatürlichsprachige Fragen und Eingaben
299
Simulationen und Lernspiele
Simulationen selbst entwickeln
Planungshilfen
Die Steuerung bzw. Regelung von Systemen ist ein Standardfall hoher Interaktivität bei Simulationen und Lernspielen (modellanwendende Simulationen, s. Kap. 18.7.2.1). Aus didaktischer Sicht ist es hierbei wünschenswert, dass die Gründe für ein bestimmtes Systemverhalten transparent gemacht werden, wenn die Wirkung einer Eingabe nicht trivial ist: Es sollte möglichst erkennbar werden, welche Wechselwirkung von Bedingungen den entsprechenden Effekt bewirkt hat. Geeignet dazu sind insbesondere spezielle Diagramme, die den Einfluss der Eingabe erläutern. Ein didaktisch weiter gehender Ansatz besteht darin, die Lernenden selbst Simulationsmodelle erstellen zu lassen (modell-bildende Simulationen, s. Kap. 18.7.2). Entsprechende Versuche unternahmen Hillen, Berendes und Breuer (2000; auch Hillen, Paul & Puschhof, 2002). Beispiele didaktisch orientierter Software, die vom Kindergarten bis zur Universität solche Modellbildung fördert, sind AgentSheets (Informationen unter: http://www.agentsheets.com) und NetLogo (http://ccl.northwestern.edu/netlogo). Eine bisher nur sehr selten umgesetzte Form von Interaktivität betrifft Hilfen zur Planung und Regelung des eigenen Lernens (Ziele, Zeit): Vor allem bei umfangreichen Lernwebsites wäre es für manche Lerner hilfreich, zu Beginn des Lernprozesses einen Plan aufzustellen, z. B. anhand einer Folge von Fragen nach Zielen und verfügbarer Zeit. Das Programm könnte dann später an die ursprünglich genannten Ziele und Zeitvorstellungen erinnern, z. B. wenn ein Lerner sich im Web weit weg von seinen Zielen bewegt hat. Dabei sollte selbstverständlich stets die Möglichkeit gegeben sein, Ziele und Zeiten anzupassen. Ein derartiges Hilfesystem ließe sich auch um weitere lerntechnische Tools und Tipps erweitern.
20.3.2 Aktionen des Lehrsystems Intelligente tutorielle Systeme
Fragen stellen, Aufgaben zuweisen
Nicht jede fehlerhafte Antwort ist falsch
300
Vom Lehrsystem ausgehend sind insbesondere folgende Aktionen realisierbar: Die Darbietung von Informationen in Form von Texten, Bildern, Tönen, Filmen und Animationen kann dann als interaktiv bezeichnet werden, wenn sie auf der Basis von Informationen über den jeweiligen Lernenden variabel gestaltet wird. Dies war und ist ein wesentliches Ziel „intelligenter tutorieller Systeme“ (Wenger, 1987), deren Entwicklungsmöglichkeiten Ende der achtziger Jahre überschätzt wurden. Adaptivität ist jedoch nach wie vor ein wichtiger Faktor der Effektivität von Lehrmedien (s. Kap. 20.7). Die Informationen für die Anpassung (z. B. Niveau von Aufgaben oder Darbietung von Zusatztexten) können durch Fragen an den Lerner, durch Input eines Trainers oder durch den Aufbau eines Lernermodells auf der Grundlage einer mehr oder weniger raffinierten Diagnosefunktion des Systems gewonnen werden. Das Stellen von Fragen, Aufgaben und Problemen ist im Allgemeinen technisch unproblematisch. Umso mehr Aufwand kann die Bereitstellung von Eingabemöglichkeiten und eine angemessene Auswertung der Antworten erfordern. Am häufigsten zu finden sind bisher die Standardformen von Fragen und Antworten: Multiple-Choice, Lückentext, Drag and Drop und Eingabe einzelner Wörter, evtl. auch Sätze. Interessante Möglichkeiten können aber auch Techniken der Begriffsnetzdarstellung bieten (Eckert, 1999). Es ist dabei möglich, ein von Lernenden erzeugtes Begriffsnetz („Concept-Map“) automatisch mit dem Netz eines Experten zu vergleichen (s. Kap. 8.5). Fehlertolerante Verarbeitung und Rückmeldung auf Eingaben: Es ist immer wieder ärgerlich, wenn ein Lernender die Antwort auf eine Frage oder die Lösung einer Auf-
20 Interaktivität und Adaptivität
gabe eingibt und trotz inhaltlich richtiger Antwort die Rückmeldung „falsch“ bekommt. Die Eingabeprozedur muss zumindest in der Lage sein, vor oder hinter einer Antwort eingegebene Leerzeichen zu ignorieren. Schwieriger ist die Gestaltung (rechtschreib)fehlertoleranter Eingaberoutinen. Fehlertolerant heißt dabei nicht, dass der Rechtschreibfehler unkommentiert hingenommen wird, sondern, dass die Eingabe inhaltlich dennoch korrekt interpretiert wird. Zweckmäßigerweise wird der Lerner dann auf den Fehler hingewiesen, eventuell kann das Programm auch rückfragen, ob die vermeintlich korrekte Schreibweise das vom Lerner Gemeinte wiedergibt. Problematisch ist hier die Abgrenzung dessen, was noch toleriert werden kann und was zurückgewiesen werden muss. Es gilt hier, den erforderlichen Programmieraufwand gegen den Nutzen des Erkennens seltener Falschschreibungen abzuwägen. Das Problem beim aktiven Anbieten von Hilfen („aktive Hilfen“) besteht darin, Indikatoren dafür zu finden, wann eine derartige Hilfe erwünscht sein könnte. Hierzu gibt es seit langem Arbeiten im Bereich der KI-Forschung (Künstliche Intelligenz). Es hat sich allerdings gezeigt, dass hier auch psychologische Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Auch objektiv nützliche Hilfsangebote werden aus verschiedenen Gründen nicht selten abgelehnt. Indikatoren für Hilfebedarf können sein: Längeres Verweilen auf einer Bildschirmseite ohne Input (Mausklicks, Tastatureingaben), wiederholte typische Fehler oder ungünstige Handlungsfolgen. Wichtig ist, dass jedes Hilfsangebot vom Lerner sofort abgelehnt werden kann. Ohne Rückmeldungen (Feedback) auf Lerneraktivitäten kann auch in der dreistesten Werbung kein Lernprogramm als „interaktiv“ bezeichnet werden. Entscheidend ist jedoch hier die Qualität (s. Kap. 22). Ein bloßes „Falsch“ oder „Schade“ als Feedback zu einer unrichtigen Aufgabenbearbeitung ist didaktisch unzureichend: Zumindest die korrekte Antwort, möglichst mit Erläuterungen sollte unmittelbar folgen, damit der Fehler Ausgangspunkt eines Lernprozesses sein kann. Wünschenswert ist allerdings, dass Rückmeldungen jeweils auf einer Fehleranalyse basieren. Fehleranalysen zu planen und zu programmieren kann ziemlich aufwendig sein. Sie sind eher einfach, wenn die Aufgaben feststehen. In diesem Fall kann jeder kategorisierbare Fehler als spezieller „Eingabefall“ vorgesehen werden. Wenn aber, wie z. B. bei einem Rechentrainer, die Aufgaben jeweils zufällig erzeugt werden, muss das entsprechende Programm in der Lage sein, für jede Fehlerkategorie die typische Antwort zur Laufzeit zu generieren, um bei Eingabe einer falschen Antwort entsprechend zu reagieren. Da gelegentlich der gleichen falschen Antwort unterschiedliche Denkfehler zugrunde liegen können, müssen alternative Fehlererklärungen ausgegeben werden. Um geeignete Fehlerkategorien zu finden, können eigene Felduntersuchungen nötig sein, in vielen Fällen genügen zunächst Interviews mit erfahrenen Lehrern, Dozenten und Trainern. Bei webbasierten Lernumgebungen empfiehlt es sich, alle Antworten zu speichern und von Zeit zu Zeit zu analysieren, ob und welche falschen Antworten aufgrund systematischer „Denkfehler“ bzw. unangemessener Vorstellungen vom jeweiligen Lerngegenstand zustande gekommen sind. Bei jeder Fehleranalyse bleibt natürlich eine Restkategorie für Tippfehler und andere nicht kategorisierbare Fehler. Generell ist bei allen wertenden Rückmeldungen darauf zu achten, dass das Selbstwertgefühl der Lerner in keiner Weise beeinträchtigt wird. Gerade weil der Autor den Lernenden nicht kennt, ist äußerste Zurückhaltung bei tadelnden Äußerungen angebracht.
20.3 Interaktionsformen und ihre Realisierung
Aktive Hilfen
Rückmeldungen
301
20.4 Wann ist Interaktivität effizient?
Lernwirksamkeit
Bisher wurden hauptsächlich Funktionen und Formen von Interaktionen beschrieben und Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt. Wann ist aber nun Interaktivität – besser: Wann sind Interaktionen mit einer multimedialen Lernumgebung effektiv (lernwirksam) bzw. (unter Berücksichtigung des Aufwands) effizient? Die Lernwirksamkeit der Interaktivität multimedialer Lernumgebungen wird zumindest von folgenden Variablen beeinflusst (Abb. 20.2): • von der Qualität der lernzielrelevanten Information, die Lernende durch spezifische Einwirkung auf die Lernumgebung gewinnen können und die ihnen ohne diese Einwirkung nicht zur Verfügung steht, • von der Qualität der kognitiven Operationen, die durch Einwirkungen der Lernumgebung auf Lernende initiiert werden, • von Art und Ausmaß der Belastung des Arbeitsgedächtnisses der Lernenden während des Lernprozesses, • vom aktivierten Vorwissen der jeweiligen Lernenden, • von den in der jeweiligen Lernsituation realisierten metakognitiven bzw. selbstregulatorischen Fähigkeiten des jeweiligen Lernenden sowie • von Persönlichkeitsmerkmalen, motivationalen und emotionalen Zuständen der Lernenden während des Lernprozesses.
Abb. 20.2: Rahmenmodell der relevanten Variablen für effiziente Interaktivität in multimedialen Lehr-/Lern-Prozessen
Qualität des lernrelevanten Informationsangebots, das ohne Lerner-Einwirkung nicht zur Verfügung steht.
Qualität der kognitiven Operationen, die durch Einwirkung der Lernumgebung auf den Lerner initiiert werden.
302
20 Interaktivität und Adaptivität
Abb. 20.3: NDH-Modell zur Erklärung effizienter Interaktivität in multimedialen Lehr-/Lernprozessen
Akzeptiert man, dass diese Variablen die Effektivität der Interaktionen eines Lernenden mit einer multimedialen Lernumgebung beeinflussen, stellt sich die Frage, wie dies geschieht und wie die Variablen funktionell zusammenhängen. Als ersten Schritt zur Beantwortung der Frage haben Niegemann, Domagk und Hessel ein Modell („NDH-Modell“) entwickelt, das als Grundlage für entsprechende empirische Forschungsarbeiten dienen soll (Abb. 20.3). Gegeben ist jeweils ein Lernender mit einem bestimmten Vorwissen sowie bestimmten motivationalen und emotionalen Eigenschaften und Zuständen. Die multimediale Lernumgebung (LU) präsentiert ein bestimmtes Informationsangebot sowie Aktionsmöglichkeiten. In Wechselwirkung mit dem durch das Informationsangebot aktivierten Vorwissen sowie den motivationalen und emotionalen Eigenschaften und Zuständen kann das Informations- und Aktionsangebot der Lernumgebung den Anreiz zu einem Handlungsimpuls liefern (s. auch Rheinberg, 2006). Grundlage können Neugier oder auch die Erwartung bestimmter Handlungskonsequenzen sein. In Abhängigkeit von den metakognitiven Fähigkeiten des Lernenden wird nun vom Lernenden eine Handlung (oder eine Abfolge von Handlungen) geplant und ausgeführt (selbstregulativ). Diese Handlung (technisch realisiert z. B. durch Mausklick oder -bewegung, Eingabe von Text, Bewegung eines Joysticks) resultiert in einer mehr oder weniger komplexen Informationseingabe und -verarbeitung auf Seiten des Lehrsystems. Die Lernumgebung „agiert“ dann ihrerseits, was bedeutet, dass sich ihr Informationsangebot ändert. Wenn das Lernsystem gut konzipiert ist, zielt das neue Informationsangebot bzw. dessen kognitive (mentale) und emotionale Verarbeitung auf die Initiierung oder Veränderung kognitiver Operationen und Wissensstrukturen des Lernenden im Langzeitgedächtnis (LZG).
20.4 Wann ist Interaktivität effizient?
303
Diese Initiierung bzw. Veränderung kognitiver Operationen und Strukturen (Begriffe und Relationen) ist entscheidend für die Effektivität von Interaktionen. Bei der Modellierung kognitiver Operationen gibt es allerdings erheblichen Forschungsbedarf. Eine für das multimediale Lernen wichtige Kategorie von Operationen hat Salomon (1979) als „Supplantation“ bezeichnet. Die Effizienz des Lernprozesses hängt u. a. vom Ausmaß der Belastung des Arbeitsgedächtnisses (AG) während der Verarbeitung der neuen Informationen ab (vgl. Kap. 3). Die Belastung des Arbeitsgedächtnisses ist dabei zu einem erheblichen Teil von der Konzeption der Lernumgebung abhängig, nicht zuletzt gerade auch von den Bedingungen, die Interaktionen zwischen Lernumgebung und Lernenden ermöglichen bzw. den Formen der Interaktion selbst.
20.5 Forschungsfragen zur Effektivität bzw. Effizienz von Interaktivität
Perspektivenwechsel
Pädagogische Agenten
Lernerfragen
304
Im Folgenden sind einige weitgehend offene Forschungsfragen zur Effektivität bzw. Effizienz der Interaktivität multimedialer Lernumgebungen skizziert. Das Interaktivitätsdesign berührt viele Bereiche der Konzeption einer Lerneinheit. Deshalb sind diese Forschungsfragen hier exemplarisch aufgeführt. Es wird dabei auf die jeweiligen Kapitel verwiesen, in denen sie vertiefend behandelt werden, sofern bereits empirische Befunde dazu vorliegen. Perspektivenwechsel bei interaktiven Videopräsentationen: Mehrperspektivische interaktive Videoformate ermöglichen es, dass Lernende selbstreguliert die Perspektive wählen: Es stehen unterschiedliche Videodarstellungen parallel zur Verfügung und Lernende entscheiden, ob und in welcher Sequenz sie zwischen den unterschiedlichen Perspektiven wechseln. Derartige Angebote werden in der Annahme entwickelt, dass die Möglichkeit des eigenständigen Perspektivenwechsels zu einem höheren Ausmaß an Differenziertheit in der Meinungsbildung beitragen könnte (Lucht, 2007). Dabei sind noch mehrere Fragen unbeantwortet: Unter welchen internen und externen Bedingungen werden eine höhere Differenziertheit des Wissens und der Meinung gefördert? Welche Merkmale metakognitiver Prozesse sind ausschlaggebend für die Art und Weise, mit der Lernende bei diesem Format die Perspektive wechseln? Wovon hängt es ab, ob und wann ein Perspektivenwechsel vorgenommen wird? Unter welchen Bedingungen ist es zweckmäßig, Perspektivenwechsel zu fördern? Für welche Themen ist ein solches Format geeignet? Pädagogische Agenten: Unter welchen Bedingungen sind „pädagogische Agenten“ in multimedialen Lernumgebungen lernwirksam? Welche Rolle spielen das Aussehen (im Hinblick auf Sympathie der Lernenden) und die Stimme solcher Agenten (Domagk, 2007)? Welche Rolle spielt der durch die Beobachtung des Agenten verursachte „Cognitive Load“ beim Lernprozess? Welche Art der Unterstützung (Funktion) durch pädagogische Agenten ist lernwirksam? (vgl. Kap. 19, 25) Fragen Lernender an das Lehrsystem (Lernerfragen): Welche Formen von Fragemöglichkeiten werden von Lernenden unter welchen Bedingungen akzeptiert und genutzt (FAQ, vorformulierte Fragen zur Auswahl, Fragengenerierung mittels Ergänzung von Fragenstämmen, (pseudo)natürlichsprachliches Fragenstellen, Fragenprompts)?
20 Interaktivität und Adaptivität
Unter welchen Bedingungen (einschließlich Antwortformen des Lehrsystems) sind Lernerfragen an ein informationstechnisches Lehrsystem lernwirksam? Informatives selbstreguliertes Feedback (ISF): Komplexe Lern- und Übungsaufgaben (z. B. Antwort erfordert Texteingabe) werden beim multimedial unterstützten Selbstlernen oft nicht gestellt, weil eine Prüfung und Rückmeldung der eingegebenen Antwort ohne aufwendigen Einsatz von KI nicht möglich ist. Eine noch nicht hinreichend untersuchte Methode besteht in der Anforderung an den Lernenden, die eigene Antwort bzw. Lösung anhand einer Musterlösung und/oder einer Kriterienliste selbst zu überprüfen und zu dokumentieren. Welche Faktoren beeinflussen die Compliance der Lernenden? Unter welchen Bedingungen ist dieses Verfahren lernwirksam? Welcher Art sind die Lernprozesse bei der Prüfung der eigenen Lösungen bzw. Antworten? Können diese ggf. gefördert werden? (vgl. Kap. 22) Edutainment („Spielend lernen“/„Lernen beim Spielen“): Die „Cognitive-LoadTheorie“ (Kap. 3) sagt für Edutainment-Produkte schlechtere Lernleistungen voraus als für „Entertainment“-freie Lernumgebungen. Ist diese Hypothese empirisch haltbar oder gibt es doch einen „Trade-off“ zwischen Cognitive Load und Motivierung? Multimedial angeleitetes selbstreguliertes Lernen (MASL): MASL wurde als ein Lehrformat für den Hochschulunterricht entwickelt und wird aktuell (2007/08) an der Universität Erfurt erprobt. Es orientiert sich an Ideen von Weltner (1975, „Leitprogramme“) und Keller (1968, „Personalized System of Instruction, PSI“) und leitet insbesondere zum selbstständigen Lernen anhand von Lehrtexten an, unterstützt durch die Verwendung von Lerntagebüchern und interaktiven Selbsttests mit informativer Rückmeldung. Welchen Einfluss haben selbstregulatorische Fähigkeiten auf Akzeptanz und Lernwirksamkeit der Methode? Inwieweit sind integrierte Hilfen zum selbstregulierten Lernen effektiv? (vgl. Kap. 4, 11) Usability von Orientierung, Steuerung und Präsentation: Die Cognitive-Load-Theorie und aus ihr resultierende empirische Befunde haben gezeigt, dass die Verarbeitung von Informationen, die nicht direkt zum Wissenserwerb beitragen, diesen beeinträchtigen. Es liegt daher nahe, anzunehmen, dass die Usability einer Lernumgebung Auswirkungen auf den Lernprozess und den Lernerfolg hat. Dies ist bisher kaum untersucht worden. Welche Wirkungen haben unterschiedliche Menü- und Navigationselemente auf die subjektive Bewertung dieser Strukturierungs- und Steuerelemente durch den Lernenden? Verursachen unterschiedliche Menü- und Navigationselemente unterschiedlichen Cognitive Load und ist dieser lernkontextabhängig? Werden unterschiedliche Formen von Menüund Navigationselementen als verschieden motivierend erlebt? Wie können Orientierungshilfen adäquaten Wissenserwerb unterstützen? Welche Zusammenhänge und Wechselwirkungen gibt es zwischen der Nutzung von Orientierungshilfen und den angebotenen Menü- und Navigationselementen? Haben diese Wechselwirkungen Auswirkungen auf den Cognitive Load oder die Lernmotivation? (vgl. Kap. 28) Statische Bilder vs. Animationen zur Förderung des Aufbaus angemessener mentaler Modelle (dynamischer Sachverhalte): Empirische Befunde zeigen, dass es keine generelle Überlegenheit von Bewegtbildern gegenüber Standbildern bei der Wissensvermittlung gibt (Schnotz & Lowe, 2008). Die jeweilige Überlegenheit des einen oder des anderen Bildformats hängt ab vom Vorwissen des jeweiligen Lernenden und den sachlogischen Erfordernissen für den Aufbau eines angemessenen mentalen Modells. Bilder können auf unterschiedliche Art und Weise animiert werden und die Lernenden können ein unterschiedliches Maß an Kontrolle über den Ablauf erhalten. Unter welchen Bedingungen sind Lernende in der Lage, die Art und Weise der Animation von Bildern
20.5 Forschungsfragen zur Effektivität bzw. Effizienz von Interaktivität
Informatives selbstreguliertes Feedback
Edutainment
Multimedial angeleitetes selbstreguliertes Lernen
Usability
Statische Bilder vs. Animationen
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Simulationen
Entwicklung von Simulationsmodellen
lernwirksam selbst zu regulieren? Welche Rolle spielt dabei der Cognitive Load? (vgl. Kap.17, 18) Simulationen können sehr effizient zum Aufbau mentaler Modelle komplexer Lerngegenstände beitragen. Dazu können die Simulationen mehr oder weniger stark selbst reguliert werden. Lernende können die Wirkungen bestimmter Operationen stärker frei explorieren oder sie sind gehalten, anhand eines Simulationsmodells bestimmte Lernaufgaben zu bewältigen. Das Ausmaß an Informationen zum Lerngegenstand, das sie jeweils erhalten, kann variiert werden. Unter welchen Bedingungen sind mehr oder weniger strukturierte Lernaufgaben beim Lernen mit Simulationsmodellen einem mehr oder weniger freien Explorieren hinsichtlich der Lernwirksamkeit überlegen? (vgl. Kap. 18) Die Entwicklung von Simulationsmodellen als Lernaufgabe kann ebenfalls in verschiedenen Domänen (Wirtschaft, Technik) lernwirksam sein (s. auch Kap. 18). Unterschiedliche „Simulationsbaukästen“ stehen zur Verfügung (z. B. VenSim, Netlogo, Agentsheets). Die Anforderungen an die kognitiven und metakognitiven Fähigkeiten der Lernenden sind dabei relativ hoch, ebenso der zeitliche Aufwand. Unter welchen Bedingungen (z. B. Vorwissen der Lernenden) ist diese Instruktionsmethode effizient? Inwieweit beeinträchtigt die für die Konstruktionsleistung erforderliche Belastung des Arbeitsgedächtnisses (Cognitive Load) den Aufbau eines angemessenen mentalen Modells des Lerngegenstands? Wie kann diese Belastung ggf. reduziert werden?
20.6 Media-Equation-Annahme Weitgehend unabhängig von den Inhalten spielen bei der Interaktion mit einem Medium auch sozial-emotionale Aspekte eine oft unterschätzte Rolle. Die Kommunikationspsychologen Reeves und Nass (1996) fanden in einer langen Reihe replizierter Experimente die Media-Equation-Annahme bestätigt: „Menschen verhalten sich gegenüber Medien genauso, wie sie sich gegenüber anderen Menschen verhalten.“ Auch wenn die These überspitzt klingt: Die Experimente zeigen, dass Menschen unbewusst bzw. unreflektiert soziale Verhaltensmuster auf die Interaktion mit Medien übertragen. Befunde liegen u. a. zu folgenden Aspekten vor: Sind Sie höflich zu Ihrem Computer?
• Höflichkeitsregeln: Versuchspersonen verhielten sich höflich gegenüber einem Computer. Wenn ein Computer um Bewertung „seiner Leistung“ bat (Bewertung eines Lehrprogramms), so waren die Antworten positiver und homogener als wenn die gleiche Frage zu diesem Lehrprogramm von einem anderen Computer kam. Analog dem Unterschied, ob ein Redner selbst einen Zuhörer fragt: „Wie war ich?“ oder ob jemand anderes fragen würde, wie gut der Redner war. Den Versuchspersonen war die Tendenz zu höflichen Antworten nicht bewusst. • Zwischenmenschliche Distanz – persönlicher Raum: Kulturabhängig lehnen wir es ab, wenn uns fremde Menschen physisch zu nahe kommen. Leute, die uns weniger sympathisch sind, finden wir noch weniger sympathisch, wenn sie im Gespräch die Grenze des „persönlichen Nahraums“ überschreiten. Bei Medien entspricht dies „Ganznah“-Aufnahmen bzw. Detailaufnahmen auf einem großen Bildschirm.
306
20 Interaktivität und Adaptivität
• Reaktionen auf Lob und Schmeicheleien: Personen, die einem schmeicheln, werden tendenziell positiver bewertet. Dieses Prinzip gilt auch für Software, die einem Nutzer schmeichelt; die Gesetzmäßigkeit gilt sowohl im realen Leben wie im Umgang mit Medien offenbar auch dann, wenn die Schmeicheleien als solche durchschaut werden.
Lieben Sie Ihren Computer mehr, wenn er Sie lobt?
• Wirkung von und Reaktionen auf Lob und Kritik: Kritikern wird zum Beispiel eine höhere Intelligenz zugesprochen als lobenden Personen. Wenn Lob oder Kritik von einem Computer kommen, werden analoge Zuschreibungen gemacht. • Wahrgenommene „Persönlichkeitsmerkmale“: Bestimmte wahrgenommene Persönlichkeitsmerkmale von Interaktionspartnern führen zu bestimmten Zuschreibungen (Attribuierungen). Dies gilt auch für Medien (Computer), bei denen aufgrund ihres Verhaltens (Formulierungen, Ausdrucksweise) bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wahrgenommen werden (u. a. Dominanz vs. Unterwürfigkeit, Offenheit vs. Verschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität vs. Instabilität). • Wahrnehmung von und Verhalten gegenüber Experten: Informationen über Titel, besondere Kompetenz usw. führen zu Veränderungen im zwischenmenschlichen Verhalten und analog im Verhalten gegenüber Medien. • Geschlechtsbezogene Stereotype: Ein Computerprogramm, das mit weiblicher Stimme über Technik spricht, wird, entsprechend dem gängigen Stereotyp, das Frauen weniger technische Kompetenz zuschreibt, als weniger kompetent eingeschätzt als das gleiche Programm, das mit männlicher Stimme spricht.
Ist Ihr Computer männlich oder weiblich?
Dies sind nur einige der sozialpsychologischen Gesetzmäßigkeiten, von denen Reeves und Nass (1996) zeigen konnten, dass sie auf interaktive Medien übertragen werden. Die plausibelste Erklärung bisher ist, dass Menschen über bestimmte schematische Verhaltensmuster verfügen, auf die wir mangels Alternativen auch in Situationen zurückgreifen, die den zwischenmenschlichen ähneln. Trotz der experimentellen Bestätigung der Media-Equation-Theorie stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit diese Befunde zeit- und kulturabhängig sind. Für die Höflichkeit gegenüber dem Computer konnte eine ziemlich genaue Replikation der Studie im Jahre 2003 mit deutschen Studierenden die Ergebnisse nicht bestätigen (Krannich, 2003). Ein Grund könnte sein, dass etwa zehn Jahre nach den Studien in Stanford der PC zu einem so alltäglichen und vertrauten Gebrauchsgegenstand geworden ist, dass der Effekt nicht länger auftritt. Eine alternative Erklärung könnte mit der unterschiedlichen Bedeutung von Höflichkeit in Nordamerika und in Deutschland zusammenhängen: Höflichkeit spielt in der Tat in der amerikanischen Gesellschaft eine andere Rolle und zeigt andere Ausprägungen als hierzulande (Watts, 2003). Hier sind weitere Studien erforderlich und auch die anderen Befunde gehören sicherlich auf den Prüfstand.
20.7 Adaptivität Ein interaktives System ist kaum denkbar ohne ein Minimum an Adaptivität. Äußerungen des Systems sollen sich auf vorangegangene Äußerungen des Nutzers beziehen und sie nach Möglichkeit an Besonderheiten (z. B. Vorwissen, Interessen) des individuellen Lerners anpassen.
20.7 Adaptivität
307
Anpassung an individuelle Unterschiede Lernender
Adaptivität ist in dem Maße gegeben, in dem eine Lernumgebung „ihr Verhalten“ an veränderte Bedingungen, d. h. insbesondere die individuell unterschiedlichen Lernvoraussetzungen bzw. Lernfortschritte, Lernender anpasst. Diese Anpassung kann sich u. a. beziehen auf • den Instruktionsumfang, • die Lernzeit, • die Sequenz, • die Zeit der Aufgabenpräsentation oder • die Aufgabenschwierigkeit (Leutner, 2002). Adaptive Lernumgebungen haben sich durchaus als effektiv erwiesen, ihre Entwicklung ist allerdings technisch relativ aufwendig und erfordert einschlägige Kenntnisse der Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen von Lernenden und Merkmalen von Lernumgebungen (vgl. Leutner, 1992; Leutner, 2002). Nachdem es um die Idee adaptiver Lernsysteme eine Zeitlang relativ ruhig war, scheint die Thematik wieder an Attraktivität in der Forschung zu gewinnen (Shute & Towle, 2003). Tatsächlich handelt es sich um einen zentralen Aspekt des E-Learning. Wenn man nicht überzeugt ist, dass die meisten Lerner in der Lage sind, sich ihre Informationen selbst zu besorgen und angemessen aufzubereiten, selbstständig hinreichend zu üben und für Transferförderung zu sorgen, dann ist E-Learning das Mittel, mit dem individuell angepasste Lernangebote bereitgestellt werden können. Ansätze, ein adaptives E-Learning außerhalb universitärer Forschungslabors zu realisieren, gibt es erst wenige: • LearningBrands.com http://216.247.191.87/clients/LBR/site/solutions/alearning.htm • AdaptiveTutoring.com http://www.adaptivetutoring.com/ • Learning Machines, Inc. http://www.learningmachines.com.
20.8 Zusammenfassung Der Begriff „Interaktivität“ bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen zwischen dem Lerner und dem System ermöglicht und fördert. Dabei sollte sie mindestens eine der Grundfunktionen des Lehrens (Klauer, 1985; Klauer & Leutner, 2007) unterstützen: Motivation, Information, Förderung von Behalten, Verstehen und Transfer sowie Regulation und Organisation des Lernprozesses. Sowohl auf Seiten der Lernenden als auch des Lernsystems sind eine Reihe von Aktionen möglich, die in diesem Kapitel dargestellt und diskutiert wurden. So können Lernende beispielsweise bestimmte Lerninhalte und Aufgaben anwählen, Eingaben vornehmen sowie passive Hilfen anfordern. Das Lernsystem dagegen kann u. a. Fragen stellen, Aufgaben zuweisen und Rückmeldungen geben. Hinsichtlich der Frage, inwieweit Interaktivität lernwirksam bzw. effizient sein kann, wurden zwei Modelle vorgestellt. Zum einen das Rahmenmodell, in dem relevante Variablen für effiziente Interaktivität zusammengetragen sind. Zum anderen das
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20 Interaktivität und Adaptivität
NDH-Modell, welches die funktionalen Zusammenhänge dieser Variablen beschreibt und als Grundlage für empirische Forschungsarbeiten dienen soll. Mögliche Forschungsfragen in diesem Bereich wurden beispielhaft aufgeführt. Sofern dazu bereits Befunde vorliegen, werden diese in den folgenden Kapiteln aufgegriffen und erläutert. Bei der Interaktion zwischen einem Lernenden und einem Lernsystem können außerdem sozial-emotionale Aspekte zum Tragen kommen. Entsprechend der MediaEquation-Annahme (Reeves & Nass, 1996) verhalten sich Menschen gegenüber Medien genauso wie gegenüber anderen Menschen. Entsprechende empirische Befunde wurden vorgestellt und diskutiert. Die Abgrenzung des Begriffs „Adaptivität“ bildet den Abschluss des Kapitels. Dazu wurden aktuelle Beispiele adaptiver Lernumgebungen aufgeführt.
Literatur Domagk, S. (2008). Pädagogischer Agenten in multimedialen Lernumgebungen: Empirische Studien zum Einfluss der Sympathie auf Motivation und Lernerfolg. Berlin: Logos. Eckert, A. (1999). Die „Mannheimer Netzwerk-Elaborierungs-Technik (MaNET)“ – Ein computerunterstütztes Instrument zur Analyse vernetzten Wissens. In W. K. Schulz (Hrsg.), Aspekte und Probleme der didaktischen Wissensstrukturierung (S. 93–111). Frankfurt a. M.: Peter Lang. Hillen, S., Berendes, K. & Breuer, K. (2000). Systemdynamische Modellbildung als Werkzeug zur Visualisierung, Modellierung und Diagnose von Wissensstrukturen. In H. Mandl & F. Fischer (Hrsg.), Wissen sichtbar machen. Begriffsnetze als Werkzeuge für das Wissensmanagement (S. 95–102). Göttingen: Hogrefe. Hillen, S., Paul, G. & Puschhof, F. (2002). Systemdynamische Lernumgebungen. Modellbildung und Simulation im kaufmännischen Unterricht. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Keller, F. S. (1968). Goodbye teacher. Journal of Applied Behavior Analysis, 1, 79–89. Klauer, K. J. (1985). Framework for a theory of teaching. Teaching & Teacher Education, 1(1), 5–17. Klauer, K. J. & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim: Beltz. Krannich, C. (2003). Soziale Interaktion mit einem interaktiven Medium: Replikation eines Experimentes zur Media Equation Theorie (Höflichkeit). Unveröffentlichte Diplomarbeit, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft, Technische Universität Ilmenau. Leutner, D. (1992). Adaptive Lehrsysteme: Instruktionspsychologische Grundlagen und experimentelle Analysen. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Leutner, D. (2002). Adaptivität und Adaptierbarkeit multimedialer Lehr- und Informationssysteme. In L. J. Issing & P. Klimsa (Eds.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet (3. Aufl. ed., pp. 115–125). Weinheim: Beltz. Lucht, M. (2007). Erfüllung der Informations- und Meinungsbildungsfunktion im Fernsehen: Eine experimentelle Studie zum Vergleich von herkömmlicher Dokumentation und Multiperspektivendokumentation. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. Reeves, B. & Nass, C. (1996). The media equation. How people treat computers, televisions, and new media like real people and places. New York: Cambridge University Press. Rheinberg, F. (2006). Motivation (6. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. Salomon, G. (1979). Interaction of media, cognition, and learning. San Francisco: Jossey Bass. Schnotz, W. & Lowe, R. K. (2008). A unified view of learning from animated and static graphics. In R. K. Lowe & W. Schnotz (Eds.), Learning with animation. New York: Cambridge University Press. Schwier, R. A. & Misanchuk, E. R. (1993). Interactive multimedia instruction. Englewood Cliffs, NJ: Educational Technology Publications. Shook, B. (2002). Measuring levels of interactivity in computer based training. http://www.aicc.org/docs/meetings/04feb2002/online.htm Stand 1.5.2003 Shute, V. & Towle, B. (2003). Adaptive E–Learning. Educational Psychologist, 38(2), 105–114.
Literatur
309
Sims, R. (1997). Interactivity: A forgotten art? , http://www.gsu.edu/~wwwitr/docs/interact/index.html. Stand 11.11.1999 Watts, R. J. (2003). Politeness. Cambridge: Cambridge University Press. Weltner, K. (1975). Das Konzept des integrierenden Leitprogramms – ein Instrument zur Förderung der Studienfähigkeit. Informationen zur Hochschuldidaktik, H. 12, 292–305. Wenger, E. (1987). Artificial intelligence and tutoring systems. – Computational and cognitive approaches to the communication of knowledge. Los Altos, CA: Morgan Kaufmann.
310
20 Interaktivität und Adaptivität
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Übungs- und Testaufgaben sind jedem aus der eigenen Schulzeit bekannt. In Form von Klassenarbeiten oder Tests dienen sie den Lehrenden dazu, den Lernstand der Schüler zu erfassen. Die Schüler erhalten anschließend Rückmeldung über ihren Lernfortschritt. In multimedialen Lernumgebungen spielen Übungs- und Testaufgaben eine bedeutende Rolle, da sie den selbstregulierten Lernprozess steuern und unterstützen können. Statt eines Lehrers oder Tutors können sie den Lernenden Auskunft darüber geben, wo nach Bearbeitung einer Lektion oder eines Lernprogramms noch Lerndefizite bestehen. Um dies zu gewährleisten, müssen jedoch bei der Konstruktion von Übungs- und Testaufgaben bestimmte Aspekte beachtet werden. Nach erfolgreicher Bearbeitung des Kapitels werden Sie wissen,
Lehrziele
• welche Funktionen Übungs- und Testaufgaben erfüllen, • was bei der Konstruktion von Übungs- und Testaufgaben zu beachten ist, damit sie den Lernprozess wirksam unterstützen, • welche Aufgabenarten es gibt und • wie welche Lernziele optimal abgefragt werden können.
21.1 Funktionen von Übungsaufgaben Um Lernprozesse zu initiieren, reicht es nicht, die Lerninhalte in Textform oder multimedial anzubieten, vielmehr muss gewährleistet sein, dass die Lernenden sich intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen. Die Bearbeitung von Übungs- bzw. Testaufgaben regt einerseits Lern- und Denkprozesse an, gleichzeitig übt sie die Funktion der Steuerung und Organisation der LehrLern-Prozesse aus (Seel, 1981, S. 88). Darüber hinaus lässt sich über Übungs- und Testaufgaben der Leistungsstand der Lernenden und somit das Erreichen der Lehrziele feststellen. Somit spielen Übungs- und Testaufgaben insbesondere in der (Lern-)Phase der Selbstüberprüfung bzw. der Selbstüberwachung eine bedeutende Rolle. Sie können aber auch in den anderen Phasen des Lernprozesses eingesetzt werden: in der Vorbereitungsphase beispielsweise zur Explizierung der Lehrziele oder als Hilfe zur Aktivie-
21.1 Funktionen von Übungsaufgaben
Wirkung von Übungsaufgaben
311
rung des Vorwissens, in der Phase des Wissenserwerbs z. B. zur vertieften Verarbeitung des Lehrstoffs (Körndle, Narciss & Proske, 2004). Mit Hilfe von Lernaufgaben und deren Platzierung in bestimmten Phasen des Lernprozesses (bzw. des Unterrichts oder Lernprogramms) kann also der selbstregulierte Lernprozess strukturiert und unterstützt werden. Dies ist insbesondere in computergestützten Lernumgebungen von Bedeutung, in denen den Lernenden kein Tutor oder Lehrer zur Seite steht, der entsprechende Hilfestellung geben kann. Dabei ist zu beachten, dass die Bearbeitung von Lernaufgaben sich dann positiv auf den Lernprozess auswirkt, wenn diese nicht rein intuitiv erstellt wurden – wie das in der Praxis häufig der Fall ist, – sondern systematisch und auf psychologische Theorien gestützt (vgl. Körndle & Narciss & Proske, 2004; Hamaker, 1986).
21.2 Systematische Konstruktion von Testaufgaben Um Aufgaben systematisch zu konstruieren, ist es notwendig, Aufgabeninhalt, Aufgabenform und die (kognitiven) Operationen, die bei der Aufgabenbearbeitung ausgeführt werden müssen, eindeutig zu beschreiben (Klauer 1987, zit. nach Körndle, Narciss & Proske, 2004). Darüber hinaus müssen die individuellen Lernvoraussetzungen der Lernenden berücksichtigt werden (Seel, 1981). Körndle, Narciss und Proske schlagen für die Konstruktion von interaktiven Lernaufgaben vor, den Ansatz von Klauer (1987) um die Dimension der Interaktivität, die für die Bearbeitung der Aufgaben angeboten wird, zu erweitern. Nach Körndle, Narciss und Proske (2004) sind zur systematischen Konstruktion von Lernaufgaben folgende Aufgabendimensionen zu beachten: • die Inhalte, die Gegenstand der Aufgabe sind, • die kognitiven Operationen, die mit diesen Inhalten verknüpft werden sollen, • die Form der Aufgabe bzw. die Aufgabenart sowie die Medien und Materialien, die zur Präsentation der Inhalte und Operationen genutzt werden, und • die Interaktivität, die für die Bearbeitung der Aufgaben angeboten wird.
21.2.1 Aufgabeninhalte Analyse des Wissensbereichs Component-DisplayTheorie
312
Zur Aufgabengenerierung ist es erforderlich, den zugrunde liegenden Wissensbereich – also den Inhalt der Unterrichtseinheit – zu analysieren und zu strukturieren. Nach der Component-Display-Theorie (CDT) von Merrill (1983, 1987) werden die Lehrinhalte einer Unterrichtseinheit zunächst klassifiziert. Anschließend werden die einzelnen Lernziele festgelegt und die Lernleistungen, anhand derer die Lernzielerreichung festgestellt werden kann, präzisiert und operationalisiert. Zur eindeutigen Definition eines Lehrziels gehören nach Klauer (1974, 1978, zit. nach Seel, 1981) die Angabe eines angestrebten Persönlichkeitsmerkmals sowie die Angabe des angestrebten Kompetenzgrades des Persönlichkeitsmerkmals.
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Nach der Component-Display-Theorie werden vier Arten von Lerninhalten unterschieden:
Lerninhalte
• Fakten: Fakten bezeichnen Aussagen, die unbestreitbar wahr sind. Sie bezeichnen bestimmte Objekte, Ereignisse oder Symbole. • Konzepte: Konzepte sind Klassen von Objekten oder Ereignissen, welche die gleichen Eigenschaften haben. • Prinzipien: Prinzipien sind regelhafte Verknüpfungen (z. B. kausallogische Beziehungen) zwischen mindestens zwei Konzepten. Sie sagen vorher, wie verschiedene Konzepte zusammenwirken. • Prozeduren: Prozeduren bezeichnen eine Serie von zusammenhängenden Handlungsschritten, die mental oder physisch vollzogen werden können.
21.2.2 Kognitive Operationen Bloom schlägt in seiner Taxonomie kognitiver Lehrziele (1973) vor, kognitive Operationen in die sechs folgenden Hauptkategorien zu unterteilen: • • • • • •
Lehrziel-Taxonomie
Wissen Verstehen Anwenden Analysieren Synthetisieren und Evaluieren.
Die Taxonomie von Bloom ist der bekannteste Ansatz der Klassifizierung von Lehrobjekten und wird bei der Konstruktion von Übungsaufgaben häufig herangezogen. Der Ansatz ist jedoch nicht ganz unumstritten (vgl. Haladyna, 1999). Körndle, Narciss und Proske (2004) kritisieren an dieser Taxonomie die geringe Operationalisierung der Anforderungen und schlagen stattdessen folgende Unterteilung vor: • Erinnern − Recognition: Abruf von Wissen mit Hinweisreizen (Wiedererkennen) − Recall: Abruf von Wissen ohne Hinweisreize (Reproduzieren) • Transformieren − Abbilden: Darstellen von Inhalten in neuer Form − Paraphrasieren: Wiedergeben von Inhalten mit eigenen Worten − Illustrieren: Finden von Beispielen • Klassifizieren − Diskriminieren: Finden von Unterschieden − Generalisieren: Finden von Gemeinsamkeiten − Kreuzklassifizieren: Finden von Gemeinsamkeiten und Unterschieden
21.2 Systematische Konstruktion von Testaufgaben
313
• Argumentieren/Schlussfolgern
Aufgabengenerierung
Abb. 21.1: Leistungs-InhaltsMatrix für die Aufgabenerstellung
–
Extrapolieren: Vorhersagen treffen, Hypothesen erstellen
–
Interpolieren: Rückschlüsse auf einzelne Komponenten oder Faktoren ziehen, die einen Sachverhalt bestimmen
–
Interpretieren: Deuten und Bewerten von Ereignissen und Aussagen.
In Weiterführung verschiedener Instruktionstheorien (z. B. der Instruktionsdesigntheorie von Gagné, Briggs und Wager (1988)), verbindet die Component-Display-Theorie die Lerninhalte (Fakten, Konzepte, Prinzipien, Prozeduren) mit den damit verbundenen kognitiven Operationen und den Lernresultaten Erinnern, Anwenden und Erschließen. Die Lehrziele werden folglich zweidimensional erfasst und nicht lediglich eindimensional über die Lernresultate (Performance) (Merrill, 1983). Bei der Erstellung von Übungsaufgaben kann jede inhaltliche Kategorie (abgesehen von der inhaltlichen Kategorie Fakten) mit jeder der operativen Kategorien kombiniert werden, wobei eine Leistungs-Inhalts-Matrix entsteht. Abbildung 21.1 zeigt eine Leistungs-Inhalts-Matrix exemplarisch für die Lernleistungen nach der CDT. Diese Art von Matrix kann natürlich auch für andere Taxonomien erstellt werden. Fakten
Konzepte
Prozeduren
Prinzipien
Kategorie 1
Kategorie 2
Kategorie 5
Kategorie 8
Anwenden
Kategorie 3
Kategorie 6
Kategorie 9
Erschließen
Kategorie 4
Kategorie 7
Kategorie 10
Erinnern
Zu jeder Zelle dieser Matrix können Aufgaben entwickelt werden. Der Aufgabeninhalt könnte z. B. sowohl auf das Erinnern eines Konzeptes, einer Prozedur oder eines Prinzips als auch auf das Anwenden oder Erschließen eines Konzeptes, einer Prozedur oder eines Prinzips abzielen, je nach vorher definiertem Lehrziel.
21.2.3 Formale Aspekte von Aufgaben Aufgabenkomponenten
Reizkomponente
Reaktionskomponente
314
Nach Seel (1981) ist bei der Konstruktion von Aufgaben eine Unterscheidung in Informations-, Reiz-, Reaktions- und Rückmeldungskomponente notwendig. Die Informationskomponente wurde durch die Analyse des Wissensbereichs schon beschrieben (s. Kap. 21.2.1). Es handelt sich hierbei um die Darstellung des Aufgabeninhalts, also um eine Beschreibung des Lernsachverhaltes. Die Reizkomponente meint die dem Informationsteil hinzugefügte Frage- bzw. Aufgabenstellung. Die Fragestellung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, einen Überblick über die verschiedenen Aufgabenarten gibt Kap. 21.2.4. Wichtig ist in jedem Fall eine präzise und eindeutige Frageformulierung, so dass dem Lernenden klar ist, was er zu tun hat, um die Aufgabe zu lösen. Die Reaktionskomponente spezifiziert das erwartete Lösungsverhalten. Bei der Konzeption der Übungsaufgaben müssen die erwarteten Antworten präzisiert und fest-
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
gelegt werden (vgl. Seel, 1981, S. 92). Bei geschlossenen Aufgabenformaten (z. B. Multiple Choice) werden korrekte neben falschen Lösungen zusammen mit der Reizkomponente, also der Aufgabenstellung, angeboten. Doch auch bei halboffenen und bei offenen Aufgabenformaten mit freien Antwortmöglichkeiten muss im Vorfeld festgelegt werden, welche Lösung(en) als richtig akzeptiert werden (Körndle, Narciss & Proske, 2004). Die Rückmeldungskomponente meint die Vergabe von Feedback nach Bearbeitung der Übungsaufgabe. Unterschiedliche Möglichkeiten der Feedbackvergabe und deren Wirksamkeit werden in Kap. 22 behandelt.
Rückmeldungskomponente
21.2.4 Aufgabenarten Bei der Gestaltung von Übungen und Testaufgaben zum Einsatz in multimedialen Lernumgebungen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Welche Form gewählt wird, hängt von dem vorab definierten Lehrziel ab, jedoch stellen sich für die Aufgabenkonstruktion für interaktive Lernumgebungen auch praktische Fragen. Am gebräuchlichsten sind geschlossene Aufgabenformate, wie z. B. Multiple-Choice-Aufgaben, da die Auswertung und Rückmeldung mit relativ wenig Aufwand geleistet werden kann. Rütter (1978) unterscheidet drei unterschiedliche Klassen von Übungs- bzw. Testaufgaben: • Geschlossene Testaufgaben, bei denen die Antworten sowohl dem Lernenden als auch dem Auswerter vorgegeben sind. Der Lernende kann dabei aus einer vorgegebenen Menge von möglichen Antworten wählen.
Unterschiedliche Klassen von Übungsbzw. Testaufgaben
• Halboffene Testaufgaben, bei denen die Antworten nicht dem Lernenden, jedoch dem Auswerter bekannt sind. Der Lernende hat zur Bearbeitung der Aufgabe z. B. einen Satz zu ergänzen oder eine kurze Antwort frei einzugeben. • Offene Testaufgaben, bei denen die Antwort weder dem Lernenden noch dem Auswerter vorgegeben ist. Bei diesem Aufgabentyp ist ein freier Text einzugeben, z. B. ein Essay. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Arten von Übungs- und Testaufgaben ausführlich dargestellt und erläutert. Zur technischen Umsetzung von Übungs- und Testaufgaben in multimedialen Lernumgebungen siehe Kap. 30.4.3.3 sowie Kap. 31.8.
21.3 Geschlossene Test- und Übungsaufgaben Bei geschlossenen Aufgabenformen sind die Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Zu diesem Aufgabentyp gehören beispielsweise Multiple-Choice-Items, die in interaktiven Lernumgebungen die gebräuchlichste Form von Testaufgaben darstellen. Auch True/False-Aufgaben und Matching-Aufgaben zählen zu den geschlossenen Aufgabenarten.
21.3 Geschlossene Test- und Übungsaufgaben
315
21.3.1 Multiple-Choice-Aufgaben
Konstruktion von Multiple-Choice-Aufgaben
Festlegung des Lehrziels
Distraktoren
Multiple-Choice-Aufgaben werden in jeder Quizshow eingesetzt, um Faktenwissen auf unterschiedlichem Wissensniveau abzufragen. Mit Multiple-Choice-Aufgaben lässt sich jedoch nicht nur Faktenwissen abfragen, sondern es können ebenso kognitive Operationen auf höherem Lehrzielniveau, wie z. B. Verständnis und Anwenden (Jacobs, 2000/2005) oder auch kritisches Denken und Problemlösen (Haladyna, 1999) überprüft werden. Die Auswertung von Multiple-Choice-Aufgaben kann ohne Probleme maschinell erfolgen, weshalb sie gerade in interaktiven Lernumgebungen sehr häufig eingesetzt werden (Jacobs, 2000/2005). Die Erstellung von Multiple-Choice-Aufgaben ist nicht ganz einfach und es müssen bestimmte Regeln beachtet werden. Einen umfassenden Überblick zur Konstruktion von Multiple-Choice-Items bieten Jacobs (2000/2005) sowie Gronlund (1998), Haladyna (1999) und Osterlind (1998). Hier sollen nur die wichtigsten Punkte angesprochen werden. Zunächst muss festgelegt werden, welches Lehrziel gemessen werden soll. Idealerweise liegt eine Leistungs-Inhalts-Matrix (s. Abb. 21.1) vor, welche die Lerninhalte mit dem gewünschten Verhalten (den kognitiven Operationen/Lehrzielniveau) verbindet. Zu beachten ist, dass nicht alle Aufgabentypen für die Erfassung der inhaltlichen Lernziele gleich geeignet sind. Multiple-Choice-Aufgaben bestehen aus einem Aufgabenstamm und mehreren Antwortoptionen. Die falschen Antwortoptionen werden Distraktoren genannt (Gronlund, 1998). Beispiel für eine Multiple-Choice-Aufgabe:
Anzahl Antwortalternativen
316
Aufgabenstamm
Wie heißt die Hauptstadt Australiens?
Antwortoptionen
Distraktor
1.)
Melbourne
Distraktor
2.)
Sydney
Richtige Antwort
3.)
Canberra
Distraktor
4.)
Brisbane
Das vorliegende Beispiel umfasst vier Antwortalternativen. Die Chance, die richtige Antwort zu erraten, liegt folglich bei 25%. Je größer die Anzahl der Alternativen, desto geringer ist die Möglichkeit, durch Raten zur richtigen Antwort zu gelangen. Allerdings hängt die Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu erraten, nicht nur von der Anzahl der Antwortalternativen ab, sondern auch von der Plausibilität der Alternativen (Jacobs, 2000/2005). Oftmals lassen sich nicht viele sinnvolle Distraktoren finden. In diesem Fall ist es günstiger, weniger Antwortalternativen anzubieten, statt offensichtlich falsche Distraktoren anzugeben, was die Aufgabe nicht verbessert. Im vorliegenden Beispiel wäre das Hinzufügen von „Rom“ keine vernünftige Antwortalternative und sollte daher unterbleiben. Innerhalb eines Tests können problemlos Items mit unterschiedlich vielen Antwortalternativen eingesetzt werden, ohne dass die Qualität des Tests darunter leiden würde. Üblich sind drei, vier oder fünf Antwortalternativen, wobei sich vier Antwortalternativen in der Praxis als recht brauchbar erwiesen haben (Jacobs, 2000/2005).
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Am schwierigsten bei der Konstruktion von Multiple-Choice-Items ist die Wahl der Distraktoren. Da es bei Übungs- und Testaufgaben um die Feststellung geht, ob ein Lehrziel erreicht wurde oder nicht, ist es erforderlich, die wissenden Lerner von den nicht-wissenden Lernern zu unterscheiden. Somit sollen also nicht nur die Könner die richtige Antwort wählen, sondern die Nicht-Könner sollen sich auch für eine falsche Alternative entscheiden. Es geht also darum, die Distraktoren so zu wählen, dass sie den Nicht-Wissenden plausibel und attraktiv erscheinen (Osterlind, 1998; Gronlund, 1998). Unplausible Distraktoren werden nicht gewählt und sind somit der Messung der Lehrzielerreichung abträglich. Zu geeigneten Distraktoren kann man z. B. gelangen, indem man in einer frühen Konzeptionsphase des Tests die Items ohne Antwortalternativen frei beantworten lässt und häufig gemachte Fehler in der Beantwortung in der Endversion als Distraktoren einsetzt.
Wahl der Distraktoren
21.3.1.1 Hinweise zur Formulierung von Multiple-Choice-Items Der Aufgabenstamm kann als Frage oder als Aussage formuliert werden, wobei eine Formulierung als Frage zwar meist einen längeren Aufgabenstamm bedeutet, jedoch einfacher zu konstruieren ist. Für die Formulierung des Aufgabenstamms gilt außerdem, dass er in einer einfachen und verständlichen Sprache verfasst ist und dass nur ein Problem präsentiert wird, so dass dem Lernenden klar ist, was von ihm erwartet wird. Der Aufgabenstamm sollte verstanden werden, ohne dass die Alternativen gelesen werden müssen (Gronlund, 1998). Negative Formulierungen sollten vermieden werden bzw. falls sie sich nicht vermeiden lassen, sollten sie klar und deutlich hervorgehoben werden. Beispiel: „Alle der nachfolgenden Tiere sind ausschließlich Pflanzenfresser, außer … a) Elefant, b) Orang Utan, c) Gorilla, d) Känguru“. Um die Antwortalternativen möglichst kurz zu halten, sollten Textteile, die für alle Antwortoptionen gelten, in den Aufgabenstamm gepackt werden. Statt der Formulierung:
Formulierung des Aufgabenstamms Klare und verständliche Sprache
Negative Formulierungen vermeiden
Kurze Antwortalternativen
• „Welche Antwort ist richtig? • Melbourne ist die Hauptstadt von Australien • Sydney ist die Hauptstadt von Australien • Canberra ist die Hauptstadt von Australien • Brisbane ist die Hauptstadt von Australien“, empfiehlt sich die Formulierung „Wie heißt die Hauptstadt von Australien?“ mit den entsprechenden Antwortalternativen. Erstere Form weist darüber hinaus den Fehler auf, dass der Antwortstamm ohne die Antwortalternativen nicht verstanden werden kann, was – wie oben erwähnt – ebenfalls vermieden werden sollte. Bei der Konstruktion der Multiple-Choice-Items ist außerdem zu beachten, dass sie keine Hinweise auf die richtige Antwort enthalten (z. B. durch Wortähnlichkeiten in Aufgabenstamm und korrekter Antwort oder durch die Verwendung von Begriffen wie „immer“, „nie“, „alle“, „kein“, da sie häufig auf die falsche Antwort hinweisen) und natürlich, dass die korrekte Antwort auch tatsächlich die korrekte Antwort ist.
21.3 Geschlossene Test- und Übungsaufgaben
Keine Hinweise auf die richtige Antwort
317
21.3.1.2 Unterschiedliche Multiple-Choice-Formate True-Answer und BestAnswer-Formate
Unterschieden werden „True-Answer-“ und „Best-Answer“-Multiple-Choice-Items. Im „True Answer“-Format gibt es nur eine einzige richtige Antwort, diese Art von Multiple-Choice-Aufgaben wird zumeist bei der Abfrage von Faktenwissen eingesetzt (vgl. Osterlind, 1998). Bei der „Best-Answer“-Form sind alle gegebenen Alternativen teilweise richtig, jedoch ist eine Alternative deutlich besser als die anderen und es ist nur eine Wahl möglich. Diese Art der Multiple-Choice-Aufgaben messen Leistungsziele auf höherem Niveau, z. B. Urteilsvermögen. Best-Answer-Items verlangen besondere Sorgfalt in der Konstruktion der Distraktoren, da gesichert sein muss, dass sie tatsächlich schlechtere Alternativen darstellen als die „beste Antwort“. Beispiel für eine „Best-Answer-Aufgabe“: Aufgabenstamm
Welcher wäre der beste Distraktor für die Frage nach Australiens Hauptstadt in einem Multiple-Choice-Item?
Antwortoptionen
Distraktor
1.)
Wellington
Distraktor
2.)
Rom
Distraktor
3.)
Auckland
Beste Antwort
4.)
Sydney
21.3.2 Alternativaufgaben (True/False-Aufgaben) True/False-Formate
Cluster-Formate
Wenn sich nur zwei sinnvolle Alternativantworten anbieten, so kann das True/FalseFormat eingesetzt werden. Die Lernenden müssen bei diesen Alternativaufgaben entscheiden, ob die Aussage im Aufgabenstamm richtig oder falsch ist. Neben „richtig“ oder „falsch“ sind auch Antwortalternativen wie „ja/nein“, „stimme zu/stimme nicht zu“, „gültig/nicht gültig“ u. ä. möglich. Vorteile des „True/False-Formats“ sind vor allem die schnelle Bearbeitung der Testitems sowie die einfache, objektive und reliable Auswertung. Nachteilig ist allerdings die erhöhte Ratewahrscheinlichkeit. Eine Variation der Alternativaufgabe ist die Cluster-Form des „True/False-Formats“. In diesem Fall folgt dem Aufgabenstamm eine Reihe von Items, die mit „falsch“ bzw. „richtig“ zu bewerten sind. Beispiel für eine Alternativaufgabe / True/False-Format: Welcher der folgenden Begriffe bezeichnet beobachtbare Schülerleistung? Kreuze jeweils „J“ für „Ja“ und „N“ für „Nein“ an!
318
Erklären
J*
N
Identifizieren
J*
N
Lernen
J
N*
Vorhersagen
J*
N
Begreifen
J
N*
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Diese Form der Alternativaufgabe bietet sich als Ersatz für Multiple-Choice-Items mit mehreren richtigen Antworten an. Während diese schwieriger auswertbar sind, ergeben sich bei der Cluster-Form einzelne Auswertungseinheiten, die leicht bepunktet werden können (vgl. Gronlund, 1998). Trotz einiger Vorteile dieses Aufgabenformats sollte das „True/False-Format“ nur dann verwendet werden, wenn es im Vergleich zur Multiple-Choice-Aufgabe die bessere Alternative darstellt (vgl. Gronlund, 1998).
21.3.3 Matching-Aufgaben/Zuordnungsaufgaben Matching-Aufgaben sind Assoziationsaufgaben, bei denen Elemente einer Serie je einem anderen Element einer anderen Serie zugeordnet werden müssen. Wie bei Multiple-Choice-Aufgaben besteht auch bei diesem Aufgabentyp eine hohe Auswertungsobjektivität, so dass sich Matching-Aufgaben sehr gut für den Einsatz in interaktiven Lernumgebungen eignen. Oftmals wird in Lernprogrammen dieser Aufgabentyp durch eine „Drag and Drop“-Bearbeitung umgesetzt. Von vollständigen Matching- bzw. Zuordnungsaufgaben wird gesprochen, wenn sich jedes Element der ersten Liste genau einem Element der zweiten Liste zuordnen lässt. Bei unvollständigen Matching- bzw. Zuordnungsaufgaben enthält eine der beiden Listen (in der Regel die Response-Liste) mehr Elemente, als der ersten Liste zugeordnet werden können, so dass am Ende Elemente übrig bleiben. Ein Beispiel für eine vollständige Matching- bzw. Zuordnungsaufgabe ist in Abb. 21.2 dargestellt. Je ein Element der Response-Liste (Bezeichnungen) kann je einem Element der anderen Liste (Bilder) zugeordnet werden.
Vollständige und unvollständige Zuordnungsaufgaben
Abb. 21.2: Vollständige Matching-Aufgabe (Quelle: Digital Publishing: Interaktive Sprachreise Englisch)
Abbildung 21.3 zeigt ein Beispiel für eine unvollständige Matching- bzw. Zuordnungsaufgabe. Nach Lösen der Aufgabe bleiben zwei Elemente übrig. Vorteil der unvollständigen Matching- bzw. Zuordnungsaufgabe ist die Reduzierung der Ratewahrscheinlichkeit (vgl. Gronlund, 1998). Ebenso kann die Wahrscheinlichkeit, durch Raten zur richtigen Lösung zu gelangen, verringert werden, wenn ein Element der Response-Liste doppelt verwendet werden kann/muss.
21.3 Geschlossene Test- und Übungsaufgaben
319
Abb. 21.3: Unvollständige Matching-Aufgabe (Quelle: Digital Publishing: Interaktive Sprachreise Englisch)
Ansonsten sollte bei Matching-Aufgaben beachtet werden, dass die Listen nicht mehr als zehn Items umfassen, dass aus der Aufgabenstellung hervorgeht, ob es sich um eine vollständige oder unvollständige Zuordnungsaufgabe handelt und ob eine Einfach- oder Mehrfachzuordnung vorzunehmen ist.
21.3.4 Zusammenfassung geschlossene Test- und Übungsaufgaben Abschließend lässt sich zu den geschlossenen Aufgabentypen sagen, dass sie durch die einfache, objektive und reliable Auswertung und durch die Tatsache, dass auch komplexe kognitive Lernziele gemessen werden können, optimal für den Einsatz in multimedialen Lernumgebungen geeignet sind.
21.4 Halboffene Test- und Übungsaufgaben Short-Answer-Formate
Halboffene Testaufgaben verlangen vom Lernenden die freie Eingabe einer kurzen Antwort, man spricht auch von „Short-Answer-Formaten“. Lückentexte und Satzergänzungen stellen Arten der halboffenen Testaufgaben dar. Beispiel für eine halboffene Testaufgabe/Short-Answer-Format: Wie heißt die Hauptstadt von Australien? Antwort: _____________________________________________________________________
In erster Linie wird durch Short-Answer-Formate das Wissen (oder Faktenwissen) von Fakten ohne Hinweisreize gemessen (Recall) (vgl. Gronlund, 1998; Osterlind, 1998). Durch die nur sehr kurzen Freiantworten ist das Messen höherer Lehrziele kaum möglich, so dass die Einsatzmöglichkeiten dieser Art von Aufgaben im Gegensatz zu den vorher besprochenen geschlossenen Aufgabenformaten (vgl. Osterlind, 1998) oder aber offenen Übungsaufgaben recht begrenzt sind.
320
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Abbildung 21.4 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Aufgabentypen und die Lernziele, die sich mit den unterschiedlichen Aufgaben am besten messen lassen: Abb. 21.4: Halboffen e und offene Aufgaben und gemessene Lernziele. (Quelle: Gronlund (1998))
Ein Vorteil von Short-Answer-Aufgaben ist, dass die Ratewahrscheinlichkeit geringer ist als bei geschlossenen Aufgaben. Darüber hinaus lassen sich Short-Answer-Items relativ einfach konstruieren, wobei jedoch darauf geachtet werden muss, dass der Aufgabenstamm so formuliert wird, dass nur eine Lösung korrekt ist. Günstig ist, den Aufgabenstamm als Frage zu formulieren und nur dann die Aussageform zu wählen, wenn dadurch größere Präzision erreicht werden kann. Normalerweise sollte pro Aufgabe nur eine Lücke auszufüllen sein. Eine Sonderform stellen jedoch Lückentexte dar, bei denen es darum geht, die wichtigsten Informationen aus einem zuvor gelesenen Text (Aufgabeninhalt) wiederzugeben. Abbildung 21.5 zeigt ein Beispiel dieser Sonderform.
21.4 Halboffene Test- und Übungsaufgaben
Abb. 21.5: Lückentext als Beispiel für eine halboffene Übungsaufgabe (Quelle: Digital Publishing: Interaktive Sprachreise Englisch)
321
Fehlertoleranz
Halbgeschlossene Aufgaben eignen sich ebenfalls zur Messung mathematischer und logischer Fähigkeiten, z. B. durch Ergänzung von Zahlenreihen etc. Problematisch beim Einsatz von halboffenen Testaufgaben in multimedialen Lernprogrammen ist die Tatsache, dass Aufgaben nur dann als richtig bewertet werden, wenn sie vom Lerner exakt so eingegeben werden, wie es das Programm verlangt. Daher kann es passieren, dass fachlich korrekte, jedoch orthographisch falsche Antworten als „falsch“ bewertet werden. Dies kann demotivierend auf den Lernenden wirken. Daher sollte das Programm zumindest bis zu einem gewissen Grad fehlertolerant sein.
21.4.1 Zusammenfassung halboffene Test- und Übungsaufgaben Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich halbgeschlossene Itemformate zur Messung von Faktenwissen und von mathematischen Fähigkeiten durchaus eignen. Aufgrund der Problematik hinsichtlich der Auswertung dieser Art von Aufgaben sollte jedoch geprüft werden, ob die Lernziele sich nicht auch über geschlossene Aufgabentypen abprüfen lassen.
21.5 Offene Test- und Übungsaufgaben
Musterlösungen
322
Aufgaben, bei denen die Antwort ohne Vorgaben vom Lernenden frei einzugeben ist, gehören zu den offenen Aufgabenarten. Hierzu zählen beispielsweise Essay-Tests oder Diskussionsaufgaben. Bei dieser Art von Aufgaben gibt es nicht unbedingt eine richtige Antwort, sondern es kommt z. B. auf die Argumentationsstärke an. Diese Art der Aufgaben eignet sich u. a. gut, um Prozesswissen zu erfragen oder Einstellungen der Lernenden zu einer bestimmten Frage oder Thematik zu ermitteln. Problematisch bei offenen Fragestellungen in interaktiven Lernumgebungen ist jedoch die Rückmeldung seitens des Lernsystems. Eine rein technische Auswertung freier Antworteingaben ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich. Allerdings können nicht alle Lerninhalte oder Lernziele durch geschlossene oder halboffene Aufgaben erfragt werden. In Online-Lernumgebungen, die eine Zusammenarbeit mit anderen Lernern (s. CSCL, Kap. 23) oder einem (realen) Tutor ermöglichen, kann eine Rückmeldung auf frei eingegebene Antworten leicht über die Mitlernenden (oder den Tutor) erfolgen. Bei einer rein technischen Lernumgebung muss stattdessen auf andere Möglichkeiten zurückgegriffen werden. Beispielsweise können Musterlösungen eingesetzt werden. Solche Musterlösungen sollten eine sehr detaillierte Beschreibung des Lösungsweges umfassen, den die Lernenden Schritt für Schritt nachvollziehen müssen. In einer multimedialen Lernumgebung erhalten die Lernenden statt eines Feedbacks auf ihre (frei eingegebene) Lösung eine Musterlösung, mit der sie ihre Antwort selbstständig vergleichen und gegebenenfalls korrigieren können.
21 Design von Übungs- und Testaufgaben
21.5.1 Zusammenfassung offene Test- und Übungsaufgaben Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich bestimmte Lernziele nur über offene Testaufgaben erfragen lassen. Daher kann oftmals nicht auf deren Einsatz verzichtet werden, auch wenn die Auswertung schwierig ist und nicht allein durch das technische System erfolgen kann. In Online-Seminaren oder in anderen computergestützten Lernarrangements, in denen mehrere Lerner zusammenarbeiten und/oder von einem Tutor unterstützt werden, kann eine Auswertung dieser offenen Antworteingaben durch die Mitlernenden erfolgen. In rein computergestützten Lernumgebungen kann die Ausgabe detaillierter Musterlösungen eine Möglichkeit bieten, den Lernenden zumindest Hilfestellung in der selbstständigen Auswertung der Aufgabe zu geben. Allerdings können diese nicht alle möglichen Antwortalternativen abdecken, so dass bei den Lernenden oftmals Fragen offenbleiben. Gerade besonders kreative Lösungsansätze werden durch die Arbeit mit Musterlösungen möglicherweise nicht honoriert.
21.6 Interaktive Aufgaben Interaktivität bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert (s. Kap. 20). Bei der Bearbeitung von Übungs- bzw. Testaufgaben meint Interaktivität häufig einfach die Eingabe der Lösung seitens des Lernenden sowie eine Rückmeldung durch das Lernsystem. Am einfachsten zu realisieren ist eine einfache sachliche Rückmeldung bei geschlossenen oder halboffenen Aufgaben. Diese sollte über ein einfaches „richtig“ oder „falsch“ hinausgehen und mindestens die korrekte Antwort, am besten jedoch – insbesondere bei inkorrekten Antworten – auch eine Erklärung umfassen. Feedbacks mit Fehleranalyse sind aufwendiger in der Umsetzung. Sie sind jedoch für die Lernenden für die Regulation des Lernprozesses von Bedeutung, da sie mögliche Denkfehler berücksichtigen und Hinweise liefern können, wo die Lernenden ansetzen müssen, um ihren Lernfortschritt zu verbessern. Wichtig ist, dass das Feedback prompt gegeben wird und sachlich ist. Unsachliche oder gar selbstwertgefährdende Rückmeldungen (z. B. Tadel) sind unbedingt zu vermeiden (s. auch Kap. 22). Bei Short-Answer-Aufgaben ist auf eine fehlertolerante Antwortauswertung zu achten, um Frustration bei den Lernenden zu vermeiden: Eine nicht wortgenaue, jedoch korrekte Antwort sollte als „richtig“ gewertet werden, ebenso sollten orthographische Mängel toleriert werden. Interaktivität kann jedoch mehr als einfache Rückmeldungen nach der Aufgabenbearbeitung bedeuten. So sind viele Lernprogramme in der Lage, die einzelnen Schritte der Lernenden zu überwachen und frühzeitig Feedback zu geben (Jacobs, 2000/2003). Dies ist besonders in problembasierten Lernumgebungen von Bedeutung, in denen Lernende weitestgehend selbstgesteuert arbeiten. Hier konnte durch ein unmittelbares korrigierendes Feedback auf jeden Fehler des Lernenden eine höhere Lerneffizienz nachgewiesen werden als durch den Einsatz von Musterlösungen nach Gesamtbearbeitung der Aufgabe (Corbett & Anderson, 2001; zit. nach Jacobs, 2000/2003).
21.6 Interaktive Aufgaben
Definition Interaktivität
Gestaltung von Feedback
Fehlertoleranz
Unterstützung von Lernenden
323
Lerneraktionen
Darüber hinaus umfasst Interaktivität auch Aktionen der Lernenden, z. B. hinsichtlich der Auswahl und Sequenzierung des Lernstoffs oder bei der Wahl unterschiedlicher Schwierigkeitsniveaus. Einen umfassenden Überblick über Interaktionsformen bietet Kap. 20.
21.7 Zusammenfassung Übungs- und Testaufgaben ermöglichen nicht nur, die Erreichung der Lernziele abzufragen, sondern dienen darüber hinaus der Steuerung und Organisation des Lernprozesses. Eine rein intuitive Gestaltung der Aufgaben wird jedoch nur selten zu einer vernünftigen Lösung führen: Um den Lernprozess tatsächlich zu fördern, müssen bei der Konstruktion von Lernaufgaben unterschiedliche Aspekte beachtet werden. Eine systematische Aufgabenkonstruktion erfordert die Beschreibung der Aufgabeninhalte, der Aufgabenform, der bei der Aufgabenbearbeitung durchzuführenden kognitiven Operationen und der mit der Aufgabenbearbeitung verbundenen Interaktivität seitens der Lernenden bzw. seitens des Systems. Darüber hinaus spielt der Zeitpunkt der Darbietung von Übungs- bzw. Testaufgaben und der dazugehörigen Rückmeldung eine bedeutende Rolle. Übungs- und Testaufgaben sollten erst dann präsentiert werden, wenn die Lernenden Gelegenheit hatten, sich die Lerninhalte anzueignen, so dass ein Abfragen der Zielerreichung überhaupt Sinn macht. Nur so kann der Lernprozess optimal gefördert werden. Richtig eingesetzt können Test- und Übungsaufgaben und das dazugehörende Feedback den Lernenden dabei helfen, ihren Lernfortschritt zu überwachen, zu bewerten und darauf folgende Lernhandlungen entsprechend den Ergebnissen anzupassen. Sie können somit die Selbstregulation der Lernenden wertvoll unterstützen. Daher sollte bei der Konstruktion von Übungs- und Testaufgaben mit großer Sorgfalt vorgegangen werden.
Literatur Bloom, B. (1973). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim: Beltz. Gagné, R. M., Briggs, L. J. & Wager, W. W. (1988). Principles of instructional design. New York: Holt, Rinehart & Winston. Gronlund, N. E. (1998). Assessment of student achievement. 6. Aufl., Boston: Allyn & Bacon. Haladyna, T. M. (1999). Developing and validating multiple-choice test items. 2. Aufl. Mahwah, NJ: Erlbaum. Hamaker, C. (1986). The effects of adjunctquestions on prose learning. Review of Educational Research, 56 (2), 212–242. Jacobs, B. (1997/2005). Übungsaufgaben stellen mit JavaScript, http://www.phil.uni-sb.de/FR/Medienzentrum/verweise/psych/aufgaben/aufgaben.html [Stand 09.10.2007]. Jacobs, B. (2000/2003). Feedback mit oder ohne eigene Aufgabenbearbeitung? http://www.phil.uni-sb.de/~jakobs/wwwartikel/feedback/direktesfeedback.htm [Stand 28.11.2007]. Jacobs, B. (2000/2005). Richtlinien zur Erstellung von einfachen Multiple-Choice-Aufgaben nach Gronlund. http://www.phil.uni-sb.de/mz/verweise/psych/aufgaben/mcguideline.html [Stand 09.10.2007]. Klauer, K. J. (1974). Methodik der Lehrzieldefinition und Lehrstoffanalyse. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann. Klauer, K. J. (1978). Kontentvalidität. In K. J. Klauer (Hrsg.), Handbuch der pädagogischen Diagnostik, Band 1 (S. 225–255). Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann.
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21 Design von Übungs- und Testaufgaben
Klauer, K. J. (1987). Kriteriumsorientierte Tests. Göttingen: Hogrefe. Körndle, H., Narciss, S. & Proske, A. (2004). Konstruktion interaktiver Lernaufgaben für die universitäre Lehre. In D. Carstensen & B. Barrios (Hrsg.), Campus 2004. Kommen die digitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre? (S. 57–67). Münster: Waxmann. Merrill, D. (1987). A lesson based on the component display theory. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional theories in action. Lessons illustrating selected theories and models (pp. 201–244). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Merrill, M. D. (1983). Component display theory. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional-design theories and models. An overview of their current status (pp. 279–333). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Osterlind, S. J. (1998). Constructing test items: multiple choice, constructed response, performance, and other formats, 2. Aufl. Norwell, MA: Kluwer Academic Publishers. Rütter, T. (1978). Formen der Testaufgabe. In K. J. Klauer (Hrsg.), Handbuch der pädagogischen Diagnostik, Band 1 (S. 257–280). Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann. Seel, N. (1981). Lernaufgaben und Lernprozesse. Stuttgart: Kohlhammer. Bildquellen: Digital Publishing: Sprachkurs 1. Englisch. Der Selbstlernkurs für Anfänger und Wiedereinsteiger. Interaktive Sprachreise 10. München: Digital Publishing.
Literatur
325
22 Feedback
Feedback bzw. Rückmeldung sind Begriffe, ohne die es die „Programmierte Unterweisung“ als Vorläufer zunächst des computerbasierten Trainings (CBT) und aktueller multimedialer Lernumgebungen nicht gegeben hätte. Rückmeldungen sind essenzieller Bestandteil des Lernprozesses, in dem sie den selbstregulierten Wissensaufbau unterstützen und kontrollieren. Zudem regulieren sie die Handlungen der Mensch-ComputerInteraktion. Wenn Sie dieses Kapitel gelesen haben, kennen Sie
Lehrziele
• die unterschiedlichen theoretischen Grundlagen zur Verwendung von Feedback in unterschiedlichen Formen und Kontexten multimedialen Lernens, • ausgewählte empirische Befunde zu Formen, Einsatz und Wirkungsweisen von Feedback in multimedialen Lernumgebungen. Wegen des enormen Umfangs der vorliegenden empirischen Befunde zur Effektivität von Rückmeldungen kann oft nur auf die einschlägige Literatur verwiesen werden.
22.1 Feedback und Lernen „Über eine gelegentliche Rückmeldung würde ich mich freuen.“ Diesen oder einen ähnlichen Satz lesen oder hören Hochschullehrer nicht selten, wenn ihnen ein Sonderdruck, ein Manuskript oder Ähnliches von einem Kollegen überreicht wird. In einem älteren Lehrbuch der Lern- und Gedächtnispsychologie heißt es: „Skinner … entwickelte … eine Lehrmaschine, durch die eine Lernsituation hergestellt werden sollte, in der immer bessere Approximationen an das erwünschte Verhalten möglich sind und richtiges Verhalten sofort rückgemeldet (verstärkt) werden kann (Bredenkamp & Wippich, 1977, S. 79). Hier wird Rückmeldung mit Verstärkung gleichgesetzt, was beim Wunsch eines Kollegen wohl weniger der Fall ist. Was ist gemeint, wenn im Kontext von E-Learning von „Rückmeldung“ bzw. „Feedback“ die Rede ist? „Feedback“ oder „Rückmeldung“ kann definiert werden als die von einem informationsverarbeitenden System als Folge eigener Verhaltensäußerungen wahrgenommenen
22.1 Feedback und Lernen
Was bedeutet „Rückmeldung“ bzw. „Feedback“?
Definition Feedback
327
Umgebungsveränderungen. Oder anders ausgedrückt: Das Ergebnis eines selbst initiierten Ereignisses dient als Information. Feedback nach dieser Defintion kann beim Lernen mit einer multimedialen Lernumgebung zweierlei leisten. Es kann erstens lernrelevant sein, dann wird auch von informativem Feedback gesprochen. Informatives Feedback bezeichnet Informationen, Informatives Feedback
Systemfeedback
„die Lernenden nach der Bearbeitung von Lernaufgaben bzw. von Teilen dieser Aufgaben bzgl. ihrer Lösung von einer externen Informationsquelle angeboten werden mit dem Ziel, eine korrekte Lösung dieser Aufgaben in der aktuellen oder auch in künftigen Lernsituationen zu ermöglichen “ (Narciss, 2006, S. 18).
Zweitens kann Feedback auf die Regulation der Mensch-Computer-Interaktion bezogen sein, z. B. in Form von Fehlermeldungen des Systems.
22.1.1 Formen von informativem Feedback Es lassen sich eine Vielzahl von Formen informativen Feedbacks unterscheiden (Narciss, 2006, S. 19 f.): • Knowledge of performance (P): Nach der Bearbeitung von Lernaufgaben wird ein summatives Feedback über den ereichten Leistungsstand gegeben (z. B. „Sie haben 70% der Aufgaben korrekt gelöst!“). • Knowledge of result/response (KR): Lernende erfahren, ob die aktuelle Lösung richtig oder falsch ist. • Knowledge of the correct answer (KCR): Den Lernenden wird die korrekte Antwort dargeboten. • Answer until correct or multiple try feedback (AUC/MTF): Nach einer falschen Antwort (KR) kann die Aufgabe erneut bearbeitet werden, bei AUC so lange, bis die korrekte Antwort gefunden ist, bei MTF bis zu einer bestimmten Anzahl von Versuchen, danach erfolgt dann meist die Darbietung der korrekten Antwort oder Lösung (KCR). • Elaborated Feedback (EF): Neben KR oder KCR werden zusätzliche Informationen geliefert, die helfen können, den Fehler zukünftig zu vermeiden (s. auch Kap. 22.3.2). Gruppenfeedback
328
Den theoretischen und den empirischen Erkenntnisstand zu den Formen informativen Feedbacks stellt Narciss sehr detailliert dar, insbesondere auch Befunde zur FeedbackQualität, zur Wirksamkeit von Feedback unterschiedlicher Art sowie speziell auch Lernund Motivationseffekte (Narciss, 2006). Stärker auf Instruktionsdesignmodelle bezogen untersuchte Pommer Formen informativen Feedbacks, insbesondere hinsichtlich der Förderung sprachrezeptiven Handelns (Pommer, 2003). Feedback im Kontext des kooperativen Lernens bei der Förderung von Verstehen und Reflexion statistischer Sachverhalte untersuchte Krause (Krause, 2007), sie beobachtete dabei auch Effekte des Feedbacks an Gruppen (Gruppenfeedback). Außerhalb des Lernens mit Medien haben Hargreaves und North (2000) Feedback in Grundschulklassen untersucht. Sie definieren als Feedback alle direkt mitgeteilten Urteile von Lehrenden an Lernende über Lernstrategien, Lernfähigkeiten oder die Lernzielerreichung. Unterschieden wird, ob das Feedback an die Gruppe gegeben wird oder
22 Feedback
an Einzelne, verbal, nonverbal oder schriftlich. Ferner differenzieren die Autoren zwischen evaluativem und deskriptivem Feedback. Sie kommen zu folgenden Formen von Feedback: • Evaluatives Feedback: − Belohnung oder Bestrafung − Anerkennung oder Missbilligung • Deskriptives Feedback: − Information über die Richtigkeit einer Antwort (richtig, falsch) − Erklären, warum eine Antwort richtig oder falsch ist − Dem Lerner mitteilen, was er geleistet hat und was nicht − Einen besseren Weg zur Zielerreichung aufzeigen − Verschiedene Wege aufzeigen, wie sich ein Lerner verbessern kann. Diese Kategorien können auch beim multimedialen Lernen genutzt werden.
22.2 Theoretische Grundlagen und Befunde 22.2.1 Verstärkungsmodell In der Lerntheorie kennen wir seit 1898 (Thorndike, 1898) das Gesetz des Effekts:
„Gesetz des Effekts“
Eine Handlung, die zu einem befriedigenden Ergebnis führt, tritt unter ähnlichen Umständen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wieder auf. Skinners Untersuchungen zur operanten Konditionierung haben den Zusammenhang zwischen einer Verstärkung (reinforcement, Bekräftigung) und der erhöhten Wiederholungswahrscheinlichkeit bestätigt. Aus theoretischer Sicht ergibt sich jedoch eine Reihe von Fragen. Beim operanten Lernen werden Reaktionen gelernt, die zu Belohnungen führen (Skinners Tauben bekamen Körner, die Ratten und Mäuse in vielen anderen Untersuchungen bekamen Futterpillen und der Hund, dem man im Alltag das „Pfötchengeben“ beibringt, bekommt „Streicheleinheiten“). Für das menschliche Lernen im Sinne des Wissenserwerbs (Aufbau von Wissensstrukturen) liefert das Gesetz des Effekts oder Skinners operantes Konditionieren aber keine hinreichenden Erklärungen (vgl. Cooper et al., 1998):
Operantes Konditionieren
Kritik
1. Das Gesetz des Effekts enthält keinerlei Annahmen über die Prozesse der Informationsverarbeitung, die dem „Empfang“ der Belohnung folgen. Aussagen über die Zeit, die zwischen einem Verhalten und seiner Verstärkung liegen kann, sind bestenfalls vage.
22.2 Theoretische Grundlagen und Befunde
329
2. Die Notwendigkeit kausaler Beziehungen zwischen Handlungen und ihren Ergebnissen wird nicht thematisiert oder gar in Abrede gestellt. 3. Das Gesetz des Effekts stellt ab auf den bekräftigenden Effekt einer Verhaltensfolge. Der Informationsgehalt des Ergebnisses wird weitgehend ignoriert. Die Verstärkung wird lediglich insoweit als Signal betrachtet, als dem Organismus angezeigt wird, welche Bedingungen erwünscht bzw. unerwünscht sind. Programmierte Instruktion der sechziger Jahre
Signalwirkungen
E-Learning funktioniert nicht nach den Prinzipien des operanten Konditionierens
Bei der „Programmierten Instruktion“, die Skinner als Anwendung des Prinzips des operanten Konditionierens kreiert hat, wurde in der Tat angenommen, dass die Rückmeldung eine bekräftigende Wirkung hatte, entweder unmittelbar als Lob oder als Signal für eine Belohnung. Dementsprechend sollten die Lernschritte auch von vornherein so einfach sein, dass Fehler gar nicht auftreten konnten. Es ging nur darum, ein erwünschtes Verhalten zu bekräftigen. Die Frage, weshalb ein standardmäßiges verbales Lob für das Lösen einer ausgesprochen simplen Aufgabe eine nachhaltige Bekräftigungswirkung haben soll, wurde anscheinend gar nicht gestellt. Signalwirkungen kann ein Verstärker im Rahmen des Paradigmas der operanten Konditionierung außerdem nur haben, wenn das Signal eindeutig ist, d. h., wenn klar ist, welches Verhalten verstärkt wird. Dies ist meist nur möglich, wenn die Verstärkung unmittelbar erfolgt. Nicht vorgesehen ist in diesem theoretischen Rahmen so etwas wie eine Zielvorstellung und damit eine Unterscheidung von Verhalten und (stets zielgerichtetem) Handeln. Einen empirischen Beleg gegen die Annahme der Verstärkungswirkung lieferte Anderson (1971). Er konnte zeigen, dass eine Versuchgruppe, die bei computerbasiertem Lernen nur nach falschen Antworten ein negatives Feedback erhielt, bessere Lernerfolge erzielte als eine Gruppe, die nur nach richtigen Antworten ein positives (verstärkendes) Feedback erhielt. Auch Untersuchungen zur Anwendung von Verstärkungsplänen im Sinne des operanten Konditionierens beim programmierten Unterricht waren ohne Ausnahme erfolglos (Kulhavy & Wager, 1993).
22.2.2 TOTE-Modell Neben dem Verstärkungsmodell haben Miller, Galanter und Pribram (1960) das TOTE Handlungsmodell vorgeschlagen (s. Abb. 22.1): Abb. 22.1: TOTE-Modell nach (Miller et al., 1960) TT
TOTE-Einheiten
330
O
E
Der Organismus, der ein bestimmtes Ziel erreichen möchte, prüft zunächst seinen gegenwärtigen Ausgangszustand (T) und vergleicht ihn mit dem Zielzustand (E). Sind beide noch nicht ähnlich genug, wird eine Handlung (Operation) ausgeführt, entweder
22 Feedback
physisch oder in Gedanken (mental). Der sich als Folge des Operierens ergebende Zustand wird wiederum geprüft (Test). Wenn die Übereinstimmung mit dem Ziel noch immer nicht hinreichend ist, wird eine neue Handlung initiiert, und zwar so lange, bis der Zielzustand erreicht ist und das Handeln beendet werden kann (Exit). Miller, Galanter & Pribram (1960) sahen in solchen TOTE-Einheiten (Test-OperateTest-Exit) einen grundlegenden Funktionsmechanismus menschlicher Denkoperationen (Dörner, 1976; Posner, 1976). Worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist die in den „Test“-Phasen implizierte Rückmeldung (Feedback-Schleife): Es wird jeweils geprüft (Information eingeholt bzw. verarbeitet), ob das eigene Handeln zu Veränderungen geführt hat, die als Annäherung an das Ziel gedeutet werden können. Rückmeldung im Sinne dieses Modells hat offensichtlich eine andere Bedeutung als Rückmeldung im Sinne von Verstärkung, und das muss bei der Interpretation von Forschungsbefunden zu Feedback beachtet werden.
Rückmeldungen liefern Informationen
22.3 Funktionen von Feedback 22.3.1 Fehler und Feedback Rückmeldungen spielen eine wichtige Rolle unter dem Aspekt der Förderung einer angemessenen Fehlerkultur (Oser & Hascher, 1997; Oser et al., 1997; Spychiger et al., 1997). Eine günstige Fehlerkultur liegt unter anderem dann vor, wenn Fehler stets als Lernchancen begriffen werden und Rückmeldungen des Lehrenden als Hilfen gesehen werden (Rheinberg, Vollmeyer & Rollett, 2000). Rückmeldungen werden positiv attribuiert und sind für Lernende motivierend, wenn folgende Vorgehensweise innerhalb eines positiven emotionalen Klimas befolgt wird: Bei Misserfolg/Fehler: • Sachliche Rückmeldung ohne Tadel in freundlichem und interessiertem Tonfall; Aufforderung, den Fehler zu verbessern
Fehlerkultur: Fehler als Lernchancen
Kriterien für Rückmeldung bei Fehlern
• Unmittelbare Fehlerkorrektur, nötigenfalls Hilfen zur Fehlerverbesserung geben • Lob nach der Fehlerkorrektur. Obwohl auch diese Studien sich nicht auf das Lernen mit Medien bezogen haben, gibt es keinen Grund, die Prinzipien nicht zu übertragen.
22.3.2 Differenzierendes Feedback Es liegt theoretisch auf der Hand, dass ein differenzierendes Feedback den Lernerfolg fördert: Ohne Hinweise auf die richtige Lösung bzw. Gründe, weshalb eine Lösung falsch war, kann in vielen Fällen die Wissensstruktur des Lernenden nicht revidiert oder erweitert werden. Die Mitteilung der richtigen Lösung und fehleranalytisch begründete
22.3 Funktionen von Feedback
Erklärungen zum richtigen Lösungsweg
331
Erklärungen zum richtigen Lösungsweg können gleichermaßen effektiv sein (Reimann, 1997). Voraussetzung für die Wirksamkeit elaborierter Rückmeldungen scheint aber eine gewisse Komplexität des Lehrstoffs zu sein (Bangert-Drowns et al., 1991).
22.3.3 Internes und externes Feedback
Antwortsicherheit von Lernern triggert Feedback-Wirkung
Insbesondere im Hinblick auf ein selbstreguliertes Lernen ist auch die Unterscheidung zwischen internem und externem Feedback wichtig. Internes Feedback, d. h. Feedback, das sich ein Lernender selbst verschafft, beruht auf der Überprüfung verfügbarer Schemata auf ihre Übereinstimmung mit Ergebnissen eigenen Handelns durch einen „inneren Dialog“ (Butler & Winne, 1995; Eckert & Hofer, 1999; Niegemann & Hofer, 1997). Wichtig ist, dass dazu geeignete Hilfen zur Verfügung stehen (vgl. Kap. 15). Eine Variable, welche die Wirksamkeit von Feedback beeinflussen kann, ist die Sicherheit (Konfidenz) des Lerners hinsichtlich der Korrektheit seiner Antwort. Bei geringer Sicherheit ist der Nutzen des Feedbacks nach einem Modell von Kuhlhavy und Stock (1989) eher gering; bei hoher Konfidenz dagegen kommt es auf die Korrektheit an: War die Antwort richtig, spielt die (bestätigende) Rückmeldung kaum eine Rolle, war die Antwort aber zur Überraschung des Lerners doch falsch, wird dieser sich eher mit dem Sachverhalt näher und vor allem länger beschäftigen und davon profitieren. Diese Prognose konnte empirisch von Musch (1999) bestätigt werden.
22.3.4 Feedback, Motivierung und Lernorientierung Lernorientierung: Aufgabenorientierung vs. sozialer Vergleich
Bezugsnormorientierung
Paradoxe Wirkung: Lob kann auch schaden
332
Ein weiterer Aspekt betrifft die „Lernorientierung“ im Sinne von Dweck und Legget (1988): Unterschieden werden hier Lernende, die hinsichtlich ihrer allgemeinen Zielsetzung eher am sozialen Vergleich interessiert sind (performanzorientierte), und solche, die eher daran interessiert sind, ihre eigene Kompetenz zu verbessern (aufgabenorientierte). Bei auftretenden Schwierigkeiten und arbeitsaufwendigen Aufgaben sind aufgabenorientierte Lerner den performanzorientierten oft überlegen; letztere wählen seltener schwierige Aufgaben und tendieren bei Schwierigkeiten zu Meidungsverhalten und Abwertung der Aufgaben. Musch (1999) folgert daraus, dass durch Feedback versucht werden soll, eine aufgaben- bzw. lernorientierte Zielsetzung zu unterstützen. Praktisch bedeutet das, dass beim Feedback eher die Bedeutung der Anstrengung betont werden sollte. Ein Wettbewerbscharakter sollte vermieden werden. Bei Leistungsrückmeldungen sollte zudem eine individuelle Bezugsnorm („du hast gegenüber der letzten Arbeit gute Fortschritte gemacht“) einer sozialen Bezugsnorm („deine Leistungen liegen etwas unter dem Durchschnitt der Gruppe“) vorgezogen werden. Möglich ist auch eine sachliche (kriteriumsorientierte) Bezugsnorm („ jetzt hast du das Rechnen mit ungleichnamigen Brüchen verstanden“). Diese Empfehlungen werden u. a. durch Interventionsstudien von Rheinberg und Krug (1993) gestützt. Gerade beim multimedialen Lernen ist auch die Warnung vor paradoxen Wirkungen von Lob angebracht. Überschwängliches Lob bei simplen Aufgaben oder nach einer richtigen Lösung im dritten Versuch mit massiven Hilfen findet man nicht selten. Das kann wie im Schulunterricht dazu führen, dass Lernende folgern, das Programm würde
22 Feedback
ihre Fähigkeiten als sehr gering einschätzen, was auf Dauer den Selbstwert schädigen kann (Musch, 1999).
22.4 Gestaltungsmöglichkeiten Da reines „Richtig/Falsch“-Feedback bei komplexeren Lehrstoffen kaum Wirkungen zeigt, bleibt die Frage nach Gestaltungsmöglichkeiten differenzierter Feedbacks.
22.4.1 Zeitpunkt Eine einfach handhabbare Gestaltungsvariable ist der Zeitpunkt des Feedbacks: Während sich in vielen Unterrichtsstudien ein unmittelbares Feedback einer verzögerten Rückmeldungen als überlegen erwies, gibt es auch Bedingungen, unter denen die Verzögerung zu besseren Lernleistungen führt (Kulhavy & Wager, 1993; Musch, 1999). Als Erklärung werden Interferenzen zwischen der Erinnerung an die falsche Antwort und der Information über die richtige Lösung genannt; häufig scheint jedoch eine Rolle gespielt zu haben, dass die verzögerte Rückmeldung eine wiederholte Darbietung der zu lernenden Information implizierte, so dass die Lernenden in den Genuss einer zweiten Lernphase kamen. Bangert-Drowns et al. (1991) kommen nach einer umfangreichen Metaanalyse zum Schluss, dass verzögertes Feedback nur bei komplexem Lehrstoff vorteilhaft ist (Musch, 1999).
Wann Feedback?
22.4.2 Fehleranalytisches Feedback Fehlerdiagnostische Rückmeldungen erfordern einen erheblichen Entwicklungsaufwand, wenn die Fragen und Aufgaben nicht fest im Programm gespeichert sind, sondern während der Laufzeit generiert werden, z. B. bei Programmen zum Üben des Rechnens, bei denen die Zahlen jeweils zufällig erzeugt werden. Ein Problem dabei ist, dass eine einzelne falsche Antwort sich nicht notwendigerweise genau einem „Wissens- oder Denkfehler“ zuordnen lässt. Das ist zum Beispiel beim schriftlichen Subtrahieren der Fall. Erst nach mehreren Fehlern lässt sich dann die Fehlerursache sicher diagnostizieren und entsprechende Rückmeldung geben.
Fehlerdiagnose
22.4.3 Automatischer Tutor Auf der Basis von Studien zu Rückmeldungen und dem effektiven Umgang mit Fehlern bei menschlichen Tutoren entwickelten Graesser (1999) und seine Mitarbeiter an der Universität von Memphis das System AutoTutor.
22.4 Gestaltungsmöglichkeiten
AutoTutor
333
Zunächst liefert dieses Programm dem Lernenden je nach Lösungsqualität unmittelbar • positives Feedback („Bravo, das ist richtig“), • neutrales Feedback („Okay“), • negatives Feedback („Nein, nicht ganz“). Danach verfügt das System über ein Repertoire an Dialogschritten: • Pumping (Aushorchen): Der Tutor fordert vom Lerner zusätzliche Information an. Neben positivem und neutralem Feedback wird explizit mehr Information angefordert („Erzähl mir mehr“, „Was weiter?“). Pumping hilft unvollständige Lösungen durch exaktere Angaben des Lerners zu vervollständigen, regt zum Nachdenken an, bringt Wissen zum Vorschein und fordert mehr Eigenbeteiligung ein. • Prompting (Soufflieren, Hinweis): Ein Aufgabenansatz wird vom Tutor vorstrukturiert, der Lerner wird auf den richtigen Weg gebracht und löst dabei auch Teile der Aufgabe. • Hinting (Hinweise, Hilfen geben): Verschiedene Formen von Hilfen werden gegeben, wenn der Lerner Schwierigkeiten mit dem Lösen von Aufgaben hat: Fakten, Regeln, zielführende Fragen, Umformulierung des Problems usw. • Elaborating: Fehlende Information, die aus Sicht des Tutors oder des Lerners für das Verständnis wichtig ist, wird vom Tutor ergänzt. • Splicing/correcting: Offensichtliche Flüchtigkeitsfehler werden einfach vom Tutor korrigiert. • Summarizing: Der Lerner soll angehalten werden, eine Zusammenfassung selbst zu konstruieren. Dies fördert eine aktive Wissenskonstruktion. AutoTutor ist ein KI-basiertes System, das sich des Verfahrens der Latent Semantic Analysis (LSA) bedient. Die didaktische Effektivität von „AutoTutor“ konnte in einigen Studien belegt werden (Graesser et al. 2001). AutoTutor ist bisher wohl das einzige nachweisbar funktionierende E-LearningSystem, das in der Lage ist, Rückmeldung zu relativ komplexen Lerneräußerungen zu geben. Da dieses System nicht leicht zu implementieren ist, wird meist von vornherein darauf verzichtet, Lernende zu komplexeren Lösungen anzuhalten.
22.4.4 Selbstreguliertes Feedback Feedback per Musterlösung und Kriterienliste
334
Eine technisch einfache Möglichkeit wurde und wird aktuell untersucht (Niegemann et al., 2003): Innerhalb eines webbasierten Programms zum Thema „Kameraeinstellungen“ hatten die Lernenden die Aufgabe, zu schriftlich beschriebenen Filmszenen jeweils eine sinnvolle Abfolge unterschiedlicher Kameraeinstellungen festzulegen. Die Studierenden wurden vier Versuchsbedingungen per Zufall (Reihenfolge des Einloggens) zugeordnet: Gruppe A erhielt als Rückmeldung die eigene Lösung und eine Musterlösung, Gruppe B erhielt die eigene Lösung, eine Musterlösung und eine Kriterienliste als Grundlage für den Vergleich, Gruppe C erhielt neben der eigenen Lösung lediglich die Kriterienliste
22 Feedback
und Gruppe D – als Kontrollgruppe – sollte sich nur die eigene Lösung anschauen. Alle Versuchspersonen waren aufgefordert, sich intensiv mit dem als Rückmeldung vorgelegten Material zu beschäftigen, analog zu Selbsterklärungsstudien mit ausgearbeiteten Lösungsbeispielen (Reimann, 1997; Renkl, 2002). Es zeigte sich, dass die beiden Gruppen mit den Kriterienlisten den beiden anderen Gruppen überlegen waren. Wegen einiger technischer Unzulänglichkeiten bei der Versuchsdurchführung muss vor Generalisierungen des Ergebnisses eine Replikation des Experiments abgewartet werden. Die Möglichkeit, selbstregulierte Rückmeldungen durch Musterlösungen und Kriterien zu unterstützen, kann aber in jedem Fall genutzt werden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein völliger Verzicht auf anspruchsvolle Aufgabenstellungen zu besseren Lernergebnissen führt.
22.4.5 Natürliche Konsequenzen In multimedialen problembasierten Lernumgebungen bietet es sich oft an, anstelle expliziten Feedbacks dafür zu sorgen, dass den Lernenden die „natürlichen Konsequenzen“ ihres Handelns vor Augen geführt werden: Wenn ein Lernender sieht, dass ein Versuch im (simulierten) Genlabor nicht funktioniert, dass ein Fehler beim Landeanflug im Flugsimulator zu einem Absturz führt, dass seine Entscheidungen bei der „Regierung“ eines simulierten Staatswesens dieses in den Ruin führt, dann benötigt er keinen Hinweis mehr, dass etwas falsch war. Umso wichtiger sind in diesen Fällen allerdings Hilfen, die eine Analyse und Erklärung der gemachten Fehler erlauben. Besonders hervorgehoben wird diese Variante im ID-Modell „Goal-Based Scenario“ (s. Kap. 2).
Schau halt, was passiert!
22.5 Zusammenfassung Feedback bzw Rückmeldungen. werden heute nicht mehr als „Verstärkung“ interpretiert, sondern als mehr oder minder differenzierte Informationen, die unterschiedliche Funktionen haben können. Es wurden unterschiedliche Formen und Funktionen von Feedback dargestellt. Für die Konzeption multimedialen Lernens besonders interessant erscheinen Formen des informativen Feedbacks, speziell fehleranalytisches Feedback sowie motivierendes Feedback und Feedback im Zusammenhang mit selbstreguliertem Lernen.
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336
22 Feedback
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
Computergestütztes kollaboratives Lernen (computer-supported collaborative learning, kurz CSCL) rückte in den frühen neunzigerer Jahren ins Zentrum des Forschungsinteresses. Mit CSCL verband man die Idee, soziales Lernen mit einer medialen Unterstützung der Lernprozesse zu verknüpfen (Stahl, Koschmann & Suthers, 2006). Technische Grundlage bildete dabei die zeitgleiche Entwicklung des Internets mit dem Potenzial, Lernende über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg miteinander zu verbinden. Nach erfolgreicher Bearbeitung dieses Kapitels werden Sie wissen,
Lehrziele
• was kollaboratives bzw. kooperatives Lernen bedeutet, • wie in Gruppen gelernt wird und welche Probleme dabei auftreten können, • nach welchen Kriterien CSCL-Umgebungen kategorisiert werden können, • was bei der Gestaltung von CSCL-Umgebungen zu beachten ist, • wie kollaborative Lernprozesse wirksam unterstützt werden können und • wie die Zukunft des CSCL aussehen könnte.
23.1 Begriffsbestimmung Während im angloamerikanischen Sprachraum meist von „kollaborativem“ Lernen gesprochen wird, hat sich im deutschsprachigen Raum eher die Bezeichnung „kooperatives“ Lernen durchgesetzt. Obwohl die beiden Begriffe oftmals synonym verwendet werden, lassen sie sich zumindest auf theoretischer Ebene voneinander trennen (Carell, 2006). Generell spricht man von kooperativem bzw. kollaborativem Lernen, wenn mindestens zwei Personen in einem Lernsetting gemeinsam lernen, d. h. ein gemeinsames Lernziel verfolgen (Dillenbourg, 1999). Während kollaboratives Lernen sehr stark den gemeinsamen Lernprozess betont und die „Schaffung einer gemeinsamen bzw. von allen geteilten Wissensbasis“ (Carell, 2006) durch intensive Interaktion der Gruppenmitglieder untereinander und durch stark aufeinander bezogenes und miteinander verschränktes Arbeiten hervorhebt, orientiert sich kooperatives Lernen eher am Ergebnis des Lernprozesses.
23.1 Begriffsbestimmung
Kollaboratives Lernen
337
Kooperatives Lernen
Beim kooperativen Lernen ist jedes Gruppenmitglied individuell für die Erledigung einer Teilaufgabe zuständig (in Anlehnung an Roschelle & Teasley, 1995), die Teilergebnisse werden dann am Ende des Lernprozesses additiv zusammengefügt. Die Gruppenmitglieder verfügen in diesem Fall nicht (notwendigerweise) über eine gemeinsame Wissensbasis.
23.2 Lernprozesse in Gruppen
Vygotsky und Piaget
Kognitive Konflikte
Motivationale Perspektive
Aus konstruktivistischer Sicht wird Lernen als aktiver und konstruktiver Prozess mit starkem Handlungs- und Problemlösungsbezug angesehen. Der Lernprozess ist situations- und kontextgebunden und sowohl selbstgesteuert als auch vom sozialen Umfeld bestimmt (Hinze, 2004). Wissen wird dabei in Interaktion mit dem (sozialen) Umfeld konstruiert. Vygotskys Entwicklungstheorie, insbesondere seine These von der „Priorität des Sozialen vor dem Individuellen“ (Reusser, 2006, S. 155), sowie der sozial-konstruktivistische Ansatz (in Weiterentwicklung der Piaget’schen Theorie) bilden oftmals das theoretische Fundament bei der Entwicklung von kooperativen bzw. kollaborativen Lernumgebungen (Hinze, 2004). Im sozial-konstruktivistischen Ansatz werden in erster Linie kognitive Konflikte, die durch Interaktion mit der Umwelt und durch personale wie soziale Impulse wie z. B. Widersprüche, Meinungsverschiedenheiten oder Lerndialoge entstehen, als lernproduktiv angesehen (vgl. Reusser, 2006). Nach Vygotsky (und in Weiterentwicklung seiner Theorie) erfolgen Wissens- und Kompetenzaufbau nicht primär individuell, sondern auf vielfältige Weise sozial und kontextuell verankert (Reusser, 2006). Angenommen wird ein transaktiver Wissens- und Kompetenzaufbau „als soziokulturelle Sinnkonstruktion im engeren und weiteren Erfahrungshorizont einer Kultur“ (Reusser, 2006, S. 155). Dem sozialen Umfeld kommt folglich eine wichtige Rolle zu. Der Lehrende agiert dabei als Lernberater oder Coach, der die Lernenden in ihrem selbstregulierten Lernprozess fördert. Neben der kognitiven Perspektive wurden die Vorteile kooperativen bzw. kollaborativen Lernens auch aus motivationaler Perspektive untersucht (Abb. 23.1). Als besonders positiv wird das Verfolgen eines gemeinsamen Zieles angesehen (vgl. Slavin, 1992, 1995), wobei das Gruppenziel nur dann erreicht werden kann, wenn jedes Gruppenmitglied sein individuelles Ziel erreicht. Wird die Leistung der Gruppe als Ganzes bewertet (bzw. als Summe der Einzelleistungen), so zeigen die einzelnen Gruppenmitglieder die Bereitschaft, sich untereinander zu helfen, sich gegenseitig zu motivieren und maximale Anstrengung zur Erreichung des gemeinsamen Ziels aufzubringen.
23.2.1 Probleme beim kollaborativen Lernen Trittbrettfahrer
338
Probleme beim kollaborativen Lernen können sich durch so genannte „Trittbrettfahrer“ ergeben. Das bedeutet, dass einige Gruppenmitglieder die ganze Arbeit erledigen, während andere sich nicht einbringen. Dieses Phänomen ist besonders in Situationen zu beobachten, wenn die Gruppe eine einzelne Aufgabe zu erledigen hat (z. B. Schreiben
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
einer Hausarbeit) und wenn nur das Gesamtergebnis der Gruppe bewertet wird (nicht als Summe der Individualleistungen) (Slavin, 1995). Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn Gruppenmitglieder, die als weniger qualifiziert oder erfahren angesehen werden, ignoriert werden und ihnen keine Gelegenheit gegeben wird, sich einzubringen. Dieser „Diffusion der Verantwortlichkeit“ kann auf zwei Arten begegnet werden: Entweder wird die Aufgabe so strukturiert, dass jedes Gruppenmitglied einen Teilbereich zu bearbeiten hat. Das kann allerdings dazu führen, dass sich jeder in einem bestimmten Teil spezialisiert, sich aber keinen Überblick über die gesamte Aufgabe verschaffen kann, so dass keine gemeinsame Wissensbasis konstruiert wird. Allerdings ist das weniger im Sinne des kollaborativen bzw. kooperativen Lernens. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Gruppenergebnis als Summe der Individualleistungen zu bewerten, wobei das Gruppenergebnis nur so gut sein kann wie die Ergebnisse der einzelnen Gruppenmitglieder. In diesem Fall entfällt die Möglichkeit des Trittbrettfahrens und es ist auch nicht sinnvoll, einzelne Gruppenmitglieder zu ignorieren (vgl. Slavin, 1995).
Ignorieren einzelner Gruppenmitglieder Lösungen
23.2.2 Bedingungen für erfolgreiches kollaboratives Lernen Johnson und Johnson (1992) nennen drei Bedingungen, die mindestens erfüllt sein müssen, damit kollaboratives Lernen erfolgreich ist: • Alle Gruppenmitglieder sollten eine positive Interdependenz wahrnehmen, d. h., die Gruppenmitglieder erkennen die persönliche Verantwortung zum Erreichen des Gesamt- bzw. Gruppenziels. Dies kann z. B. gewährleistet werden durch Feststellung der Leistung der einzelnen Gruppenmitglieder sowie durch Rückmeldung an den Einzelnen und an die Gruppe. • Die Gruppenmitglieder müssen sich durch gegenseitige Hilfe, gegenseitiges Erklären und Elaborieren (z. B. in Face-to-Face-Interaktionen) angemessen unterstützen. • Häufiges Nutzen von spezifischen Kleingruppenmethoden (Group processing). Den Gruppenmitgliedern müssen Methoden der Zusammenarbeit in kleinen (oder größeren) Gruppen beigebracht werden und sie müssen angehalten werden, diese auch einzusetzen. Dazu zählt z. B. auch die Vermittlung von Lernstrategien. Nach Slavin (1995) lassen sich unterschiedliche Faktoren ermitteln, die Einfluss auf den Lernerfolg beim kooperativen bzw. kollaborativem Lernen nehmen (Abb. 23.1). Kooperatives Lernen führt nicht automatisch zur Verbesserung der Motivation, sondern nur bei entsprechender Gestaltung der Lernsituation (Slavin, 1995), z. B. wenn das Gruppenziel nur erreicht werden kann, wenn alle Gruppenmitglieder ihre individuellen Ziele erreichen. Bei adäquater Gestaltung sozial-interaktiver Lernformen können sie sich positiv auswirken auf die eigene Lernmotivation, auf die Motivation, andere zum Lernen anzuregen, sowie auf die Motivation, andere beim Lernen zu unterstützen. Als positive Effekte des kooperativen Lernens nennt Slavin u. a. das Peer Tutoring (gegenseitiges Erklären), das Peer Modeling (Lernen am Modell) und das Generieren von Elaborationen (Friedrich & Mandl, 2006). Insgesamt kann so der Lernprozess bzw. der Lernerfolg verbessert werden.
23.2 Lernprozesse in Gruppen
Einflüsse auf den Lernerfolg beim kooperativen Lernen
339
Abb. 23.1: Modell des kooperativen Lernens: Einflüsse auf den Lernerfolg (Slavin, 1995)
Lernmotivation
Gruppenziel basierend auf dem Lernerfolg der Gruppenmitglieder
Elaborierte Erklärungen (Peer Tutoring) Peer Modeling
Motivation, die Gruppenmitglieder zum Lernen anzuregen
Kognitive Elaboration
Lernerfolg
Peer Practice Motivation, die Gruppenmitglieder beim Lernen zu unterstützen
Peer Assessment und Bewertung
23.3 Computergestützte kollaborative Lernprozesse Definition CSCL
Beim computergestützten kollaborativen Lernen wird der kollaborative Lernprozess durch ein technisches System unterstützt bzw. durch dieses System erst ermöglicht (Lipponen, 2002; Carell, 2006). Koschmann (2002) sieht CSCL als Forschungsfeld, das sich in erster Linie mit „Bedeutung“ (Meaning) und den Praktiken der „Bedeutungskonstruktion“ (MeaningMaking) im Kontext gemeinsamer Aktivitäten befasst und mit den Möglichkeiten, diese Aktivitäten durch technische Systeme zu unterstützen. Dabei stützt sich CSCL als interdisziplinäres Forschungsfeld auf Erkenntnisse unterschiedlicher Forschungsrichtungen. Neben entwicklungspsychologischen Ansätzen (z. B. Piaget oder Vygotsky, s. Kap. 23.2), die sich mit den Einflüssen des sozialen und kulturellen Umfelds auf die Entwicklung befassen, sind auch psychologisch-didaktische Ansätze von Bedeutung, die sozial-kommunikatives Lernen als Handlungsprinzip und als Ziel von Bildung, Erziehung und Unterricht auffassen (Grune & de Witt, 2004). Oftmals wird in Zusammenhang mit CSCL von „collaborative knowledge building“ (Scardamalia & Bereiter, 1991, 1996) gesprochen. Wissen wird nach diesem Verständnis durch die Gruppe kollaborativ, d. h. in Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld, konstruiert. Entsprechend wird bei der Entwicklung von CSCL-Umgebungen häufig auf problembasierte Ansätze (oder Ansätze des entdeckenden Lernens) zurückgegriffen, die den Lernenden die fachlichen Inhalte nicht als fertigen Stoff präsentieren, sondern ihnen die Möglichkeit zur Exploration lassen und zur gemeinsamen Erarbeitung bzw. Konstruktion des Wissens.
23.4 Entwicklung von CSCL-Umgebungen Da computervermittelte Kollaboration bzw. Kooperation in sehr unterschiedlichen Lernbzw. Arbeitskontexten eingesetzt wird (vgl. auch computer-supported collaborative
340
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
work, kurz CSCW), unterscheiden sich CSCL-Szenarien entsprechend stark in der jeweiligen Umsetzung. In der Entwicklungsphase der kollaborativen Lernszenarien müssen – wie für andere E-Learning-Szenarien auch – verschiedene Analysen durchgeführt werden (s. Kap. 8), um die CSCL-Umgebung optimal an die Anforderungen anzupassen. Die in Kap. 23.4.1 genannten Dimensionen von CSCL-Situationen stellen einerseits Kontinua dar, anhand derer die CSCL-Situationen klassifiziert werden können, andererseits geben sie Aufschluss über die Aspekte, die bei der Entwicklung beachtet werden müssen. Die Ausprägung der Dimensionen beeinflusst die Wahl der Konzepte, Werkzeuge und Methoden für die konkrete Umsetzung eines CSCL-Szenarios (Haake, Schwabe & Wessner, 2004).
23.4.1 Dimensionen von CSCL-Situationen CSCL-Situationen können nach folgenden Dimensionen kategorisiert werden (Wessner & Pfister, 2000): • Ort: Befinden sich die Gruppenmitglieder am gleichen Ort oder nicht? • Zeit: Arbeiten die Gruppenmitglieder synchron oder asynchron an der Aufgabe? • Symmetrie: Sind die Gruppenmitglieder hinsichtlich ihres Wissenstandes auf vergleichbarem Niveau oder herrscht ein starkes Wissensgefälle vor? Sind die Gruppenmitglieder gleichberechtigt, dürfen alle die gleichen Handlungen ausführen? Verfügen die Gruppenmitglieder über den gleichen Status (vgl. Dillenbourg, 1999)? • Direktivität: Wird der Lernprozess angeleitet (durch Personen oder durch Programmfeatures) oder agiert die Gruppe selbstreguliert und als sich selbst organisierende Einheit? • Dauer: Soll die Gruppe über längere Zeit und mehrere Phasen einen Lernstoff gemeinsam bearbeiten oder bildet sie sich nur für eine kurze Zeitspanne? • Wissen: Ist das Ziel des Lernprozesses der Wissenserwerb der Gruppe als Ganzes oder geht es eher um individuellen Wissenserwerb der einzelnen Gruppenmitglieder? Verfolgt die Gruppe ein gemeinsames Lernziel? • Gruppengröße: Wie viele Personen bilden eine Gruppe? Geht es um Lernpaare, um Klein- oder um Großgruppen? Das Spektrum reicht von zwei Personen und ist nach oben offen. Dillenbourg (1999) nennt neben der Symmetrie den Grad der Arbeitsteilung als wichtiges Kriterium zur Charakterisierung von CSCL-Situationen. Dieses Kriterium wird auch zur Unterscheidung zwischen kollaborativem und kooperativem Lernen herangezogen. Bei starker Arbeitsteilung bearbeitet jedes Gruppenmitglied eine unabhängige Teilaufgabe (vgl. auch Definition kooperatives Lernen), bei geringer Arbeitsteilung arbeiten die Gruppenmitglieder stärker zusammen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen (vgl. kollaboratives Lernen). Darüber hinaus betont Dillenbourg (1999) die Bedeutung eines gemeinsamen Ziels in kooperativen bzw. kollaborativen Lernsituationen, im Gegensatz zu kompetitiven Situationen, in denen die Ziele der Beteiligten gegenläufig sind. Über gemeinsame Ziele
23.4 Entwicklung von CSCL-Umgebungen
Grad der Arbeitsteilung
Gemeinsame Ziele
341
Interaktivität
Kontext
muss in der Gruppe verhandelt werden, das Entwickeln gemeinsamer Ziele ist Teil des Schaffens eines „Common Grounds“ innerhalb der Gruppe (Dillenbourg, 1999; Rummel & Spada, 2005). Zur Beschreibung von CSCL-Situationen kann außerdem der Grad der Interaktivität herangezogen werden (Dillenbourg, 1999). Dabei meint Interaktivität weniger die Häufigkeit der Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern als vielmehr das Ausmaß, in dem die Interaktionen die Gruppenmitglieder in ihrer Arbeit und in ihren kognitiven Prozessen beeinflussen (z. B. Grounding, Mutual Modeling) (zu Interaktivität s. auch Kap. 20). Neben den genannten Dimensionen spielt auch der Kontext, in dem die CSCLUmgebung zum Einsatz kommt, eine bedeutende Rolle. Es ist zu beachten, ob das Lernszenario in Schule, Hochschule oder Aus- und Weiterbildung zum Einsatz kommt und ob es sich bei der Zielgruppe um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene handelt. Auch daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an eine CSCL-Umgebung (Haake, Schwabe & Wessner, 2004).
23.5 Gestaltung von CSCL-Umgebungen 23.5.1 Besonderheiten von CSCL-Umgebungen
Kommunikation in Gruppen
Distance Learning
342
Zwar gibt es empirische Belege dafür, dass kooperatives bzw. kollaboratives Lernen unter bestimmten Bedingungen dem individuellen Lernen überlegen ist (Slavin, 1992, 1995; Johnson & Johnson, 1992), dabei ist jedoch zu beachten, dass die Lernumgebung optimale Bedingungen für den kollaborativen Lernprozess bieten und den Besonderheiten des computergestützten kollaborativen Lernens Rechnung tragen muss. Allein die technische Unterstützung in Form einer virtuellen Lernumgebung und die Möglichkeit, Kommunikationsprozesse zu realisieren, sind nicht ausreichend, um kollaborative Lernprozesse effektiv zu gestalten. Vielmehr muss der CSCL-Umgebung ein psychologisch-didaktisches Konzept zugrunde liegen, das dazu geeignet ist, die Gruppe in ihrem Lern- und Arbeitsprozess zu unterstützen (s. Kap. 2). Es reicht nicht, von Lernenden einfach zu verlangen, dass sie in Gruppen arbeiten (Johnson & Johnson, 1992), vielmehr bedarf erfolgreiches kollaboratives Lernen der Unterstützung und muss gefördert werden. Die Kommunikation in Gruppen, besonders die netzbasierte Wissenskommunikation und der Informationsaustausch in Gruppen, führen aus unterschiedlichen Gründen häufig zu Koordinationsproblemen. Durch die Einbindung von Koordinationswerkzeugen in die CSCL-Umgebung, (z. B. Recommender-Systeme, die die Gruppenbildung unterstützen) kann die Kommunikation und die Koordination innerhalb der Gruppe unterstützt werden (Reichling et al., 2004). Netzbasierte Lernsituationen sind Distanzsituationen (vgl. Lauer et al., 2006), die eine Kommunikation ohne nonverbale Signale verlangen. Oftmals kennen sich die Gruppenmitglieder nicht persönlich, was die Kommunikation im Vergleich zu einer Face-to-Face-Situation zusätzlich erschwert, da der gemeinsame Kontext (der common ground) fehlt. Eine Herausforderung für CSCL-Umgebungen besteht darin, durch Rückkopplungen den Gruppenmitgliedern Möglichkeiten zu geben, sich darüber zu verständigen, dass sie die Botschaften der anderen verstanden haben (Grounding) (Lauer et al., 2006).
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
Zur lernförderlichen Gestaltung von CSCL-Umgebungen muss auf die Usability geachtet werden (s. Kap. 28). Die Nutzung der CSCL-Umgebung selbst sollte möglichst wenig kognitive Ressourcen in Anspruch nehmen, so dass sich die Lernenden vollständig auf die Lernaufgabe konzentrieren können (vgl. Lauer et al., 2006). Darüber hinaus sollte die CSCL-Umgebung Möglichkeiten der Koordination und Regulation des Lernprozesses der Gruppe bieten sowie Werkzeuge, die die Dokumentation des Lern- und Arbeitsprozesses sowie die Verwaltung der erzielten (Teil-)Ergebnisse (Dokumentenverwaltung) unterstützen. Insgesamt müssen CSCL-Umgebungen also neben Werkzeugen zur Unterstützung der synchronen bzw. asynchronen Kommunikation auch Werkzeuge zur Koordination und Kooperation der Lernprozesse umfassen. Der Bereich der Koordination beeinhaltet dabei Funktionen, welche die Zusammenarbeit und die Kommunikation der einzelnen Teilnehmer regeln. Der Bereich der Kooperation umfasst Werkzeuge, die eine gemeinsame Ressourcennutzung ermöglichen (Dawabi, 2004). Ausführlicheres zu Werkzeugen zur Unterstützung kollaborativer bzw. kooperativer Lernprozesse erfahren Sie in den Kap. 30.4.4 und 30.4.5. Abbildung 23.2 gibt einen Überblick über die möglichen Werkzeuge, die in CSCLUmgebungen integriert werden können.
Aufgabe Kommunikation
Spezifizierung Synchron
Asynchron
Koordination
AwarenessFunktionen
Selbstregulation der Gruppe Lenkung des Gruppenlernprozesses Werkzeuge zur Vernetzung der Lernenden Administrationswerkzeuge Kooperation
Gemeinsame Objektverwaltung Werkzeuge zum gemeinsamen Arbeiten an einer Aufgabe
CSCL-Werkzeuge Funktion Unterstützen die parallele Kommunikation der Gruppenmitglieder Unterstützen die nichtparallele Kommunikation der Gruppenmitglieder Zeigen an, welche Gruppenmitglieder aktuell erreichbar sind Geben Aufschluss über Aktivitäten der anderen Unterstützen den Lernprozess der Gruppe auf metakognitiver Ebene Ermöglichen die Lenkung des Lernprozesses der Gruppe von außen Unterstützen die Gruppenbildung Werkzeuge zur Verwaltung von Benutzern und Ressourcen Datenablage/ Dokumentenverwaltung Erlauben das gemeinsame Arbeiten an einem Dokument
Beispiel Chatprogramme Videokonferenzen Internet-Telefonie E-Mail Diskussionsforen Newsgroups Anzeige der „anwesenden“ Mitglieder, z. B. per Foto Anzeige des Arbeitsstandes Prozess- und Phasenunterstützung
Usability
Abb. 23.2: Werkzeuge in CSCL-Umgebungen
Kooperationsskripte Prozess- und Phasenunterstützung Verteilung von Rollen Recommender-Systeme, z. B. ExpertFinder Rechteverwaltung Gruppenverwaltung
z. B. kooperative Editoren
23.5 Gestaltung von CSCL-Umgebungen
343
Generische und spezifische virtuelle Lernräume Lernplattformen
Evaluationswerkzeuge
Verwendung von Metaphern
Bei der Entwicklung einer konkreten CSCL-Umgebung muss in Abstimmung mit den Anforderungen an das Lernszenario eine Auswahl aus den möglichen Werkzeugen getroffen werden. Die vorab durchgeführten Analysen geben Aufschluss darüber, welche Werkzeuge geeignet sind, den Ansprüchen gerecht zu werden. Unterschieden werden generische von spezifischen virtuellen Lernräumen. Während generische virtuelle Lernräume sich flexibel für verschiedene Lernszenarien und Lerninhalte konfigurieren und einsetzen lassen, sind spezifische virtuelle auf einzelne Anwendungsbereiche eingeschränkt (Dawabi, 2004). Besonders im universitären Kontext werden CSCL-Umgebungen häufig auf Basis von Lernplattformen umgesetzt. Diese bieten die unterschiedlichen Kommunikations-, Kooperations- und Koordinationswerkzeuge in integrierter Form an und können auf den jeweiligen Benutzer individuell zugeschnitten werden (vgl. Appelt, 2004). Ein Beispiel dafür bietet die Lernplattform Metacoon. Metacoon stellt dabei eine generische Lernplattform dar, die das Einbinden und Erstellen beliebiger Lerninhalte ermöglicht. Neben den Werkzeugen für die Kommunikation und Kooperation der einzelnen Gruppenmitglieder sowie für die Koordination der Arbeitsabläufe bieten CSCLUmgebungen auch häufig Evaluationswerkzeuge an, mit denen sich z. B. die Aktivitäten und Lernerfolge der Lernenden ermitteln lassen (vgl. Appelt, 2004). Dazu gehören Selbsttests (z. B. zum Abschluss einer Studieneinheit) oder Kurs-, Lernenden- oder Gruppen-Monitorings, anhand derer verfolgt werden kann, wer an welchem Kurs teilgenommen hat und mit welchem Erfolg und wie die Beteiligung der einzelnen Gruppenmitglieder an Gruppenaufgaben war. Bei der konkreten Gestaltung von Lernumgebungen wird häufig auf die Verwendung von Metaphern zurückgegriffen, um eine Verbindung zu traditionellen Lernkontexten zu schaffen und den Lernenden somit die Orientierung in den CSCL-Umgebungen zu erleichtern (Carell, 2006). Besonders häufig wird dabei auf die Raummetapher zurückgegriffen, man spricht z. B. von virtuellen Klassen- oder Seminarräumen. Auch der Schreibtisch ist eine häufig verwendete Metapher; dabei handelt es sich meist um den individuellen virtuellen Arbeitsplatz, an dem der Lernende seine Dokumente verwalten kann (z. B. in virtuellen Ordnern) und seine Lernmaterialien vorfindet und bearbeiten kann. Die Nutzung solcher Metaphern vereinfacht das Zurechtfinden in CSCL-Umgebungen und kann dazu beitragen, die kognitiven Belastungen zu reduzieren.
23.6 Regulation von Gruppenaktivitäten in CSCL-Umgebungen Beim kollaborativen Lernen geht es nicht nur darum, dass jeder seinen Lernprozess individuell reguliert, sondern auch darum, dass die Gruppenaktivitäten gesteuert und aufeinander abgestimmt werden. Individuelle Lernphasen und Phasen des Lernens und Arbeitens in der Gruppe wechseln sich ab. Dabei muss der individuelle Lernprozess mit dem Lernprozess der Gruppe in Einklang gebracht werden. Die Gruppe muss also, wie der einzelne Lernende, über geeignete Selbstregulationskompetenzen und -strategien verfügen (Carell, 2006). Der kollaborative Lernprozess umfasst zwei Ebenen: die Ebene der Koordination und die Ebene der Kommunikation. Rummel & Spada (2005) bezeichnen die Ebene der Koordination als „Makrolevel“, die Ebene der Kommunikation als „Mikrolevel“ des kollaborativen Lern- bzw. Arbeitsprozesses.
344
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
Auf dem Makrolevel geht es darum, den Lernprozess der Gruppe zu koordinieren. Zunächst muss das Gruppenziel bestimmt werden und es muss festgelegt werden, wie das Ziel erreicht werden soll. In diesen Bereich fällt sowohl die Arbeitsteilung als auch das Zeitmanagement. Es muss eine Balance gefunden werden zwischen Einzel- und Gruppenarbeitsphasen, außerdem muss dafür gesorgt werden, dass die Zwischenergebnisse der Gruppenmitglieder jeweils in den Gesamtzusammenhang integriert werden (Rummel & Spada, 2005). Auf dem Mikrolevel ist in erster Linie dafür zu sorgen, dass zwischen den Gruppenmitgliedern ein grundsätzliches Verständnis herrscht, d. h., die Gruppenmitglieder verfügen über einen common ground bezüglich der gemeinsamen Arbeitsaufgabe. Besonders in computergestützten Lernumgebungen ist die Kommunikation erschwert, da sie in vielen Fällen schriftlich erfolgt, somit also nonverbale Hinweisreize fehlen (Lauer et al., 2006). Grounding ist ein Prozess, mit dessen Hilfe eine gemeinsame Basis geschaffen und erhalten werden kann (Baker et al., 1999). Dabei geht es nicht nur darum, dass Informationen an die Gruppenmitglieder weitergegeben werden, sondern auch darum, dass die Gruppenmitglieder von einem gegenseitigen Verständnis bezüglich der Bedeutung der Information und der verwendeten Begriffe ausgehen (Baker et al., 1999; Clark & Schaefer, 1989). Um zum gegenseitigen Verständnis der Gruppenmitglieder beizutragen, muss dafür gesorgt werden, dass es zu einem kontinuierlichen Wissensaustausch kommt und dass besonders spezifisches Wissen der Gruppenmitglieder kommuniziert wird (pooling von Information). Der Wissensaustausch kann z. B. durch Fragenstellen angeregt werden (Rummel & Spada, 2005). Wichtig für eine effektive Zusammenarbeit ist außerdem die Strukturierung der Kommunikation, z. B. durch festgelegte Dialogzyklen (Bruhn et al., 2000). In welchem Ausmaß die Gruppe ihre Aktivitäten selbst regulieren bzw. in welchem Maße von außen Einfluss genommen werden sollte, ist von unterschiedlichen Faktoren, z. B. der Gruppengröße, der Gruppenzusammensetzung, der Art der Aufgabe, dem Grad der Erfahrenheit der Gruppenmitglieder bzgl. kooperativen Lernens oder der Art der genutzten Medien, abhängig. Da sich in kollaborativen Lernszenarien Einzel- und Gruppenarbeitsphasen abwechseln, müssen die Gruppenmitglieder sowohl den eigenen Lernprozess als auch den Gruppenarbeitsprozess regulieren. Basierend auf dem Modell des selbstregulierten Lernens von Boekaerts (1999) zeigt Abb. 23.3 einen Überblick über die von den Gruppenmitgliedern während des Lernprozesses zu leistenden Aktivitäten zur effektiven Gestaltung der Zusammenarbeit. Diese Tätigkeiten können entweder durch die Gruppe selbstständig reguliert werden oder durch die Lernumgebung (bzw. durch einen Lernberater oder Coach) unterstützt werden. Während sich Kommunikationsprozesse hauptsächlich auf die innerste Schicht (die Regulation des Verarbeitungsmodus) und auf die mittlere Schicht (die Regulation der Lernprozesse) beziehen, muss die Koordination des kollaborativen Lernprozesses alle drei Schichten, also auch die Regulation der Gruppe mit der Wahl von Zielen und Ressourcen, umfassen. Von der Gruppe und von den individuellen Lernenden sind während des Lernprozesses unterschiedliche Lern- und Selbstregulationsstrategien anzuwenden, um möglichst effektiv zu lernen bzw. zu arbeiten.
23.6 Regulation von Gruppenaktivitäten in CSCL-Umgebungen
Makrolevel: Koordination
Mikrolevel: Kommunikation
Grounding
345
Abb. 23.3: Gruppenprozesse beim selbstregulierten kooperativen, computergestützten Lernen, Modell nach Boekaerts (1999), Mikro- und Makrolevel nach Rummel & Spada (2005)
Zu den Selbststeuerungsstrategien zählen kognitive, metakognitive und ressourcenorientierte Strategien (Wild, 2000). Diese Strategien sind sowohl in Einzelarbeitsphasen wie auch in kollaborativen Lernphasen zur effektiven Gestaltung des Lernprozesses von Bedeutung. Folgende Selbststeuerungsstrategien lassen sich auf individueller Ebene und auf Gruppenebene unterscheiden (Carell, 2006):
Abb. 23.4: Selbststeuerungsstrategien auf individueller Ebene und auf Gruppenebene (nach Carell, 2006)
346
23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
Auf kognitiver Ebene können Lerngruppen verschiedene Strategien wählen, die die Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten erleichtern. Da es bei der kollaborativen Wissenskonstruktion darum geht, die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Lerner miteinander zu verschränken (Carell, 2006), sind verschiedene Visualisierungsstrategien, wie z. B. Brainstorming-Methoden (zur eher oberflächlichen Verarbeitung des Stoffes) oder Mapping-Strategien (zur tiefer gehenden Verarbeitung des Stoffes) von Bedeutung. Metakognitive Strategien dienen u. a. dem Monitoring und der Reflexion des Lernprozesses. Die einzelnen Phasen der Planung, Durchführung und Bewertung des Lernprozesses müssen von der Gruppe überwacht werden. Da dabei auch der Lernprozess koordiniert werden soll, überschneiden sich diese Strategien mit den ressourcenorientierten Strategien. Ressourcenorientierte Lernstrategien umfassen in erster Linie Managementaktivitäten, die dazu dienen, das Gruppenziel zu erreichen (Carell, 2006). Koordinations- und Organisationsstrategien helfen den Lernenden auf dem Makrolevel, den Lernprozess der Gruppe zu strukturieren und zu regulieren, während die Kommunikationsstrategien (Mikrolevel) dazu beitragen, dass im Prozess der Wissenskonstruktion zwischen den Gruppenmitgliedern ein common ground entsteht und erhalten bleibt. Sowohl auf dem Makro- als auch auf dem Mikrolevel können die kollaborativen Lernprozesse unterstützt werden.
Kognitive Lernstrategien
Metakognitive Lernstrategien
Ressourcenorientierte Lernstrategien Kommunikationsstrategien
23.7 Unterstützung kollaborativer Lernprozesse CSCL-Umgebungen können unterschiedliche Komponenten und Werkzeuge zur Unterstützung des kollaborativen Lernprozesses umfassen.
23.7.1 Kooperationsskripts Kooperationsskripts dienen der Unterstützung kooperativem Textlernens und wurden ursprünglich für kooperatives Lernen in Face-to-Face-Situationen entwickelt. Kooperationsskripts umfassen eine Sequenzierung der Lernaufgabe, eine Verteilung von Rollen unter den Gruppenmitgliedern (zumeist Lernpaare) sowie eine Zuordnung von Strategien zum Textverständnis, insbesondere Frage-, Feedback-, Reduktions- und Elaborationsstrategien (Ertl & Mandl, 2006). Durch Sequenzierung wird die Aufgabe in mehrere Teilaufgaben unterteilt (z. B. Textabschnitte), die nacheinander zu bearbeiten sind. Außerdem werden den Gruppenmitgliedern verschiedene Rollen zugewiesen, z. B. die des Prüfers und die des Prüflings oder die des Lehrers bzw. Erklärers, der die Inhalte vermitteln soll. Dabei wirkt sich insbesondere die Lehrerrolle positiv aus. Lernen durch Lehren konnte eine stark lernförderliche Wirkung zugeschrieben werden (Renkl, 1995; zit. nach Ertl & Mandl, 2006). In den verschiedenen Phasen des Kooperationskripts werden von den Lernpartnern unterschiedliche kooperative Strategien angewendet (Ertl & Mandl, 2006). Zu diesen Strategien gehören z. B. Fragenstellen zu den Textinhalten, Zusammenfassen von Text-
23.7 Unterstützung kollaborativer Lernprozesse
Sequenzierung Rollenverteilung
Kooperative Strategien
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Soziale Kooperationsskripts
Epistemische Kooperationsskripts
informationen, Klären von Verständnisfragen oder Vorhersage kommender Inhalte, was auf eine Elaboration und an ein verstärktes Anknüpfen an das Vorwissen abzielt (Ertl & Mandl, 2006). Kooperationsskripts spielen auch in CSCL-Umgebungen eine bedeutende Rolle, insbesondere, weil die computergestützte Kommunikation im Vergleich zur Face-to-FaceKommunikation erschwert ist. Dabei kann die Unterstützung durch Kooperationsskripts sehr unterschiedlich aussehen und auf verschiedene Aspekte des kollaborativen Lernprozesses, wie z. B. elaborative und metakognitive Aktivitäten, abzielen (Weinberger et al., 2005). Beim kollaborativem Lernprozess ergeben sich häufig Probleme sowohl bzgl. der Lernaufgabe selbst als auch der sozialen Interaktionen. An dieser Stelle können Kooperationsskripts hilfreich sein. Soziale Kooperationsskripts (social cooperation scripts) regulieren die sozialen Interaktionen zwischen den beteiligten Gruppenmitgliedern. Dies kann z. B. gewährleistet werden, indem den Gruppenmitgliedern unterschiedliche Rollen im Lernprozess zugewiesen werden, durch sie z. B. aufgefordert sind, anfallende Probleme zu analysieren („Analytiker“) oder konstruktives Feedback zu den Ergebnissen zu geben („Kritiker“) (Weinberger et al., 2005). Diese Rollen geben Hinweise auf die gewünschte Kommunikationsform, z. B. Feedback geben. Epistemische Kooperationsskripts (epistemic scripts) regulieren den Prozess der kollaborativen Wissenskonstruktion, indem sie die zu bewältigenden Lernaufgaben strukturieren und den Fokus auf die wichtigsten Punkte der Aufgabe lenken (Weinberger et al., 2005). Epistemische Kooperationsskripts umfassen Werkzeuge der externalen Repräsentation der Wissensinhalte sowie Fragen und Hinweise zur Identifizierung relevanter Inhalte (Weinberger et al., 2005). In CSCL-Umgebungen werden diese Kooperationsskripts durch das Interface-Design umgesetzt (Weinberger et al., 2005). Kooperationsskripts eignen sich zum Einsatz in unterschiedlichen CSCL-Umgebungen, z. B. in textbasierten Lernumgebungen oder Videokonferenzen. Der Grad der Strukturierung des Lernprozesses durch die Kooperationsskripts variiert dabei zwischen unterschiedlichen Ansätzen sehr stark von einigen wenigen Hinweisen zum Arbeitsablauf bis hin zu sehr detaillierten Instruktionen, welche Aufgabe wann von wem und auf welche Weise zu bearbeiten ist (Kollar, Fischer & Slotta, 2005). Welcher Grad der Strukturierung empfehlenswert ist, hängt unter anderem vom Vorwissen der Lernenden ab. Lernende mit wenig Vorwissen finden sich besser in stark strukturierten Umgebungen zurecht, während für Lernende mit guten Vorkenntnissen eine weniger starke Strukturierung günstiger ist (Kollar, Fischer & Slotta, 2005).
23.7.1.1 Auswirkungen von Kooperationsskripts Generell eignen sich Kooperationsskripts sowohl in textbasierten Umgebungen als auch in Videokonferenzen gut, um die Kollaboration zwischen den Gruppenmitgliedern zu verbessern (Ertl & Mandl, 2006; Rummel & Spada, 2005). Hinsichtlich des Lernerfolgs ist die Befundlage jedoch heterogen, z. T. wurde auch eine lernhinderliche Wirkung festgestellt (Ertl & Mandl, 2006). Während für soziale und epistemische Kooperationsskripts ein positiver Einfluss auf den Lernprozess nachgewiesen werden konnte, ergaben sich lediglich für die sozialen Kooperationsskripts positive Einflüsse auf das Lernergebnis (Weinberger et al., 2005).
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23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
23.7.2 Mapping-Techniken Neben Kooperationsskripts verspricht auch die Visualisierung von Aufgabeninhalten mit Hilfe von Mapping-Techniken die Förderung kooperativer Lernprozesse (Bruhn et al., 2000). Durch Mapping-Techniken sollen verschiedene Prozesse gefördert werden, die zur gemeinsamen Wissenskonstruktion beitragen: die Externalisation aufgabenrelevanten Wissens, das Erfragen aufgabenrelevanten Wissens, die konfliktorientierte sowie integrationsorientierte Konsensualisierung, (Bruhn, Fischer, Gräsel & Mandl, 2000) d. h. die Bildung eines common ground. Der Visualisierung des Wissens kommt im Prozess gemeinsamer Wissenskonstruktion eine bedeutende Rolle zu. Durch „Sichtbar-Machen“ des Wissens wird das Erstellen von Konzepten aus den Fachinhalten erleichtert, Wissenslücken können leichter aufgedeckt werden und dadurch das Erfragen aufgabenrelevanten Wissens angeregt werden. Darüber hinaus können durch Mapping-Techniken und die damit verbundene Aufforderung, die eigenen Auffassungen klar darzustellen, lernförderliche kognitive Konflikte mit den beteiligten Gruppenmitgliedern entwickelt und diskutiert werden. Letztlich erleichtert die strukturierte Visualisierung unter Umständen die Integration der unterschiedlichen Perspektiven der Gruppenmitglieder, was eine notwendige Bedingung der gemeinsamen Wissenskonstruktion darstellt (Bruhn et al., 2000). Insgesamt geht es bei Mapping-Techniken darum, dass gemeinschaftlich eine Mindmap oder Concept-Map erstellt wird. Zur Förderung der Kooperation kann die in ein CSCL-Szenario eingebundene Mapping-Technik inhaltsspezifisch vorstrukturiert sein, indem sie z. B. bereits bereichsspezifische Inhalte umfasst (Bruhn et al., 2000).
23.7.2.1 Auswirkungen von Mapping-Techniken In einer Studie von Bruhn et al. (2000) konnte gezeigt werden, dass der Einsatz eines Mapping-Tools in einer CSCL-Umgebung die Prozesse der gemeinsamen Wissenskonstruktion fördern kann: Die Beteiligten zeigten eine erhöhte Aufgabenorientierung, äußerten und erfragten mehr aufgabenrelevante Inhalte und gingen mehr kognitive Konflikte ein, was hinsichtlich der kollaborativen Bedeutungskonstruktion sehr wichtig ist. Insgesamt führte die Unterstützung der Mapping-Technik sowohl zu einem verbesserten Ablauf des Prozesses der Wissenskonstruktion als auch zu besseren Lernergebnissen (Bruhn et al., 2000). Ein Vorteil von Mapping-Techniken gegenüber Kooperationsskripts ist die Tatsache, dass den Gruppenmitgliedern mehr Freiheit bei der Gestaltung ihres Lernprozesses bleibt, da nur wenige Vorgaben hinsichtlich der Strukturierung und des Ablaufs des kollaborativen Lernprozesses gemacht werden. Dies kann möglicherweise zu weniger Motivationsoder Akzeptanzproblemen führen als stark strukturierende Verfahren (Bruhn et al., 2000).
Vorteile von Mapping-Techniken
23.7.3 Worked-out-Examples zum kollaborativen Problemlösen Worked-out-Examples sind eine Möglichkeit, den selbstregulierten Lernprozess zu unterstützen, da sie als Modell eines Problemlösevorgangs dienen können. Neben der Auf-
23.7 Unterstützung kollaborativer Lernprozesse
Ausgearbeitete Lösungsbeispiele
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Vorteile von Worked-out-Examples
gabenstellung umfassen ausgearbeitete Lösungsbeispiele eine sehr elaborierte und detaillierte Beschreibung des Lösungsweges, den die Lernenden Schritt für Schritt nachvollziehen müssen (Stark et al., 2000). Beim individuellen Lernen erwies sich der Einsatz von ausgearbeiteten Lösungsbeispielen als vielversprechend (Reimann, 1997; Renkl, 1997). Der Vorteil von Worked-out-Examples ist die Lenkung der Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte des Problemlöseprozesses, die Reduktion des Cognitive Load und die Übernahme adäquater Problemlösestrategien (Rummel & Spada, 2005). Beobachtungslernen ist geeignet, auch den Erwerb sehr komplexer Fertigkeiten zu unterstützen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Beobachtungslernen im Bereich kommunikativer Fähigkeiten zu positiven Ergebnissen führen kann: So kann das Verfolgen von Beispieldialogen zu einer Verbesserung der eigenen Dialogkompetenz führen. Um tieferes Verständnis zu fördern, ist es günstig, wenn das Modell die durchgeführten Handlungen erklärt (Rummel & Spada, 2005). In kollaborativen Lernumgebungen können Worked-out-Examples einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der kollaborativen Lernprozesse leisten. Durch das ausgearbeitete Lösungsbeispiel wird den Lernenden ein vollständiger kollaborativer Problemlöseprozess vorgeführt, z. B. durch Video- oder Audiosequenzen. Dies kann zu positiven Resultaten hinsichtlich der eigenen kommunikativen und kollaborativen Fähigkeiten führen und dabei helfen, den eigenen kollaborativen Problemlöseprozess zu strukturieren und entsprechend dem Vorgehen im ausgearbeiteten Lösungsbeispiel zu modellieren.
23.7.3.1 Auswirkungen von Worked-out-Examples Rummel und Spada (2005) setzen Worked-out collaboration Examples zur Unterstützung kollaborativer Lernprozesse ein. Dabei zeigte sich, dass das Verfolgen eines vollständigen kollaborativen Problemlöseprozesses (vermittelt via Audiosequenzen und durch Begleittexte am Bildschirm, die die Schritte der gemeinsamen Lösungsfindung aufzeigten) tatsächlich zu positiven Ergebnissen hinsichtlich der Verbesserung der kollaborativen Fähigkeiten und der Problemlösung selbst führte. Die Teilnehmer erlangten mehr Wissen über kollaborative Lernprozesse und kamen zu besseren Problemlösungen als Teilnehmer, die in ihrem Prozess nicht unterstützt wurden. Durch die relativ einfache Umsetzung eignen sich ausgearbeitete Lösungsbeispiele in hohem Maße für den Einsatz in CSCL-Umgebungen.
23.7.4 Weitere Möglichkeiten der Verbesserung kollaborativen Lernens 23.7.4.1 Höhere Beteiligung der Gruppenmitglieder Ein Problem in computergestützten Lernszenarien ist oftmals die mangelnde Beteiligung der Gruppenmitglieder am Lern- bzw. Arbeitsprozess (Creß, 2005). Dieser Effekt lässt sich häufig in Online-Seminaren feststellen: Nur wenige der eingeschriebenen Teilnehmer beteiligen sich an Diskussionen in Foren oder im Chat. Die Bereitschaft zur Teilnahme an Diskussionen und zum Einbringen eigener Beiträge kann z. B. durch so genannte Awareness-Funktionen beeinflusst werden.
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23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
Awareness-Funktionen sind Funktionen, die die Gruppenmitglieder über die Anwesenheit und die Aktivität anderer Teilnehmer informieren. Darüber hinaus geben Awareness-Funktionen auch Aufschluss über den Fortschritt aktueller Aufgaben (Creß, 2005).
Awareness-Funktionen
Social Awareness Insgesamt ist davon auszugehen, dass Informationen über die Mitglieder der Gruppe (z. B. in Form von in die Lernumgebung eingebundener Fotos) zu positiven Gruppeneffekten führen, zumindest hinsichtlich der Wahrnehmung der Gruppe als Ganzes (vgl. Creß, 2005). Dies kann insbesondere in Distanzsituationen, wenn die Gruppenmitglieder sich nicht kennen, relevant sein, da so die Anonymität verringert wird. Creß (2005) konnte jedoch zeigen, dass eine Verringerung der Anonymität nicht automatisch zu einer höheren Beteiligung führt. Bei Teilnehmern mit sozialer Orientierung führt die Einbindung sozialer Awareness-Funktionen zu einer geringeren Beteiligung. Erklärung dafür könnte sein, dass das Gruppengefühl durch die Wahrnehmung von Unterschieden verringert wird. Für Teilnehmer mit individueller Orientierung wirkte sich die Verringerung der Anonymität jedoch positiv aus: Sie zeigten eine höhere Beteiligung an Gruppenaktivitäten, wenn Portraits der anwesenden Gruppenmitglieder angeboten wurden.
Action Awareness Creß und Hesse (2004) konnten nachweisen, dass Informationen über die Aktivität anderer Gruppenmitglieder zu einer Anpassung des eigenen Verhaltens an das der anderen führt: Wird die Information vermittelt, dass die anderen Gruppenmitglieder sehr aktiv sind, so steigert das die eigene Aktivität. Umgekehrt werden die eigenen Aktivitäten eingeschränkt, wenn die Information vermittelt wird, dass die anderen Gruppenmitglieder wenig aktiv sind. Die Einbindung von Awareness-Funktionen kann zu einer höheren Beteiligung der Gruppenmitglieder beitragen, jedoch sind weitere Faktoren, wie z. B. die soziale bzw. individuelle Orientierung der Gruppenmitglieder zu beachten. Eine Kombination von Awareness-Funktionen mit weiteren Funktionen mit hohem Aufforderungscharakter, z. B. geführte Chats oder Foren, könnte zu positiven Resultaten hinsichtlich der Beteiligung der Gruppenmitglieder führen. Wichtig ist unter allen Umständen die Bewertung des Gruppenergebnisses als Summe der Einzelleistungen, so dass Trittbrettfahren oder das Ignorieren von einzelnen Gruppenmitgliedern reduziert oder gar ausgeschlossen werden kann.
23.8 Die Zukunft des CSCL: Neue Entwicklungen Durch die Entwicklung und zunehmende Verbreitung der Nutzung des Internets wurde die Zusammenarbeit von Lernenden über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg deutlich erleichtert bzw. erst möglich. Web 2.0 bietet neue technische Möglichkeiten und Applikationen, die großen Einfluss auf die Nutzungsformen des Internets ausüben. Während das Internet zunächst in erster Linie eher einseitig als Informationskanal und Abrufmedium genutzt wurde (Churchill, 2007) und die Bereitstellung von Inhalten mit hoher technischer Expertise verbunden war, kann Web 2.0 eher als „MitmachMedium“ angesehen werden, bei dem ohne viel Aufwand und technische Vorkenntnisse
23.8 Die Zukunft des CSCL: Neue Entwicklungen
Abruf- versus Mitmach-Medium
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Inhalte erstellt und zugänglich gemacht werden können. Besonders Wikis und Blogs (sogenannte „infoware“, O`Reilly, 2005) sind Applikationen, die die Bereitstellung von Inhalten deutlich erleichtern.
23.8.1 Einige neue Applikationen in Web 2.0 23.8.1.1 Blogs Ein Blog oder Weblog ähnelt einem Tagebuch, dessen Inhalte im Web veröffentlicht werden. Es handelt sich um eine regelmäßig aktualisierte Webseite mit chronologisch sortierten Beiträgen, die Texte, Bilder und andere Medien umfassen können. Ein Blog ist leicht zu erstellen und kann von einer Person allein oder auch von mehreren Personen in einem Group Blog geführt werden (Alby, 2007). Wichtig ist die Partizipation: Die Beiträge des Blogs können und sollen von anderen Internetusern nicht nur gelesen, sondern auch kommentiert werden, so dass oftmals lebendige Diskussionen zu bestimmten Themen entstehen (Alby, 2007). Dabei beschäftigen sich Blogs mit den unterschiedlichsten Themen, z. B. Watchblogs, die Filme und andere Medien kritisch diskutieren, Litblogs, die sich mit Literatur beschäftigen, Blogs zu juristischen Themen (Blawgs) etc. (Alby, 2007).
23.8.1.2 Wikis Wikis sind ebenfalls webbasierte Publikationsinstrumente, die die kollaborative Produktion von Informationsquellen unterstützen (Churchill, 2007). Hier steht allerdings das kollaborativ entstandene Produkt, z. B. ein gemeinschaftlich geschriebener Artikel für eine Online-Enzyklopädie, im Zentrum. Das bekannteste Beispiel für eine auf Wikis basierende Informationsquelle ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die über 2 Millionen Artikel in der englischen Version umfasst (Stand November 2007), wobei täglich tausende von Einträgen hinzukommen. Die Artikel entstehen gemeinschaftlich als Produkt der Zusammenarbeit mehrerer Autoren. Die Einträge können über ein Editionsprogramm auf der Webseite selbst kontinuierlich verändert, erweitert oder auch gelöscht werden (Anderson, 2007; Churchill, 2007). Jeder kann sich problemlos an der Entstehung eines Artikels beteiligen. Eine Untersuchung von Giles (2005) zeigte, dass die gemeinschaftlich entstandenen Einträge in Wikipedia sich in ihrer Korrektheit und Akkuratheit nur unwesentlich von den Einträgen der renommierten Britannica Encyclopedia unterscheiden (Churchill, 2007).
23.8.1.3 Podcasts und Videopodcasts Podcasts sind Audioaufnahmen – meist in MP3-Format – von z. B. Interviews, Diskussionen oder Vorlesungen, die über einen Computer abgespielt werden können. Videopodcasts umfassen neben den Audiofiles auch Videos und können online als Video-on-Demand über Rechner bereitgestellt werden. So können z. B. Vorlesungen als Videopodcast
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23 Computergestütztes kollaboratives Lernen (CSCL)
angeboten werden, die von den Lernenden bei Bedarf immer wieder abgerufen werden können.
23.8.1.4 Austausch von Ressourcen Der Austausch unterschiedlicher Ressourcen ist mit den durch Web 2.0 aufgekommenen technischen Applikationen deutlich leichter geworden. Zu den bekanntesten Anbietern gehören YouTube (Videos), Napster (Musik) oder Flickr (Fotos), die es Usern möglich machen, das gewünschte Material – häufig kostenlos – auszutauschen, aber auch zu bewerten und zu kommentieren (Churchill, 2007).
23.8.2 Web 2.0 in der Bildung Web 2.0 bietet insgesamt im Vergleich zu Web 1.0 eine deutlich verbesserte Basis für kollaborative Lern- und Arbeitsprozesse. Dies sollte auch im Bereich der Bildung genutzt werden. Blogs, Wikis, Podcasts und Videopodcasts können alle sinnvoll in Lernmanagementsysteme eingebunden werden, um kollaboratives Lernen zu erleichtern und zu unterstützen. Ein Blog als Kursportal bietet nicht nur die Möglichkeit, jederzeit auf Kursmaterialien und Aufgaben zurückzugreifen, sondern kann auch zur Unterstützung von kollaborativen Arbeiten genutzt werden, insbesondere für die Diskussion bestimmter Themen und damit für die kollaborative Wissens- bzw. Bedeutungskonstruktion. Darüber hinaus können Expertenblogs als zusätzliche Informationsquelle eingesetzt werden (Alby, 2007). Podcasts können in Lernumgebungen eingebunden werden und so z. B. Vorlesungen oder andere Seminar- bzw. Fachinhalte anbieten. Einige Universitäten (z. B. University of Berkeley, die Universität Osnabrück (Alby, 2007) oder die Universität Erfurt) setzen mittlerweile auch Videopodcasts von Vorlesungen ein, die z. B. im Auditorium aufgezeichnet und später online zur Verfügung gestellt werden. Dadurch, dass Videopodcasts immer wieder abgespielt werden können, solange sie den Studierenden zugänglich sind (z. B. über Lernplattformen), spielen sie auch bei der Nachbereitung von Seminaren und Vorlesungen sowie bei der Prüfungsvorbereitung eine wichtige Rolle. Darüber hinaus können Wikis eingesetzt werden, um z. B. innerhalb von Seminaren von den Studierenden Glossare mit den wichtigsten Begriffen eines Themengebietes anfertigen zu lassen (Glogoff, 2006). Diese Glossare können öffentlich zugänglich gemacht und ständig erweitert werden. Churchill (2007) nennt weitere Möglichkeiten zur Nutzung der Web 2.0-Technologien in der Bildung: • neue Formen von Assessment, z. B. durch digitale Portfolios, • Nutzung von internetunterstützten sozialen Lernumgebungen, die sich z. B. an MySpace orientieren und neue Formen von sozialem Lernen anbieten, • neue Modelle für den Austausch von Ressourcen (z. B. unter Lehrern), • neue Generationen von Lernmanagementsystemen, die die Auswahl und Integration von Web 2.0-Diensten erlauben.
23.8 Die Zukunft des CSCL: Neue Entwicklungen
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Insgesamt bieten die mit Web 2.0 verbundenen neuen Applikationen und technischen Möglichkeiten gute Chancen, die computerbasierte Zusammenarbeit deutlich zu erleichtern. Es wird ein wichtiges Thema der nächsten Zeit sein, das Potenzial, das diese Neuerungen mit sich bringen, weiterzuentwickeln und die Effektivität für Bildungszwecke zu optimieren.
23.9 Zusammenfassung Computergestütztes kollaboratives Lernen und Arbeiten wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Durch die in Zusammenhang mit Web 2.0 zugänglichen neuen technischen Applikationen ist das kollaborative Erstellen von Content deutlich vereinfacht worden. Die Anzahl an Blogs oder Social Spaces (z. B. MySpace), der tägliche enorme Zuwachs an Wikipedia-Artikeln oder -einträgen und der Austausch unterschiedlicher Ressourcen via Internet (YouTube wird beispielsweise täglich von über 25 Millionen Menschen genutzt (Hardy, 2006; Churchill, 2007) sind nur einige Beispiele dafür, wie begeistert diese Neuerungen von den Usern angenommen werden. Diese Neuerungen sollten unbedingt auch in der Bildung genutzt werden. Im Hochschulbereich lassen sich Online-Seminare z. B. durch den Einsatz von Blogs oder Podcasts ergänzen und bereichern, gleichzeitig können sie dazu beitragen, kollaborative Lern- und Arbeitsprozesse anzuregen. Trotzdem bleibt zu bedenken, dass effektives kollaboratives Lernen nicht „von selbst“ aufkommt. Es reicht nicht, Lerngruppen zu bilden und die entsprechende Technik bereitzustellen. Auch die Einbindung neuer Technologien, die eine Zusammenarbeit erleichtern können, ist ohne Unterstützung von außen oder durch das Lernsystem selbst nicht hinreichend. CSCL-Umgebungen müssen daher neben den üblichen Kommunikationswerkzeugen Werkzeuge umfassen, die die Lernenden sowohl in den individuellen Lernphasen als auch in den kollaborativen Lern- und Arbeitsphasen fördern. Kooperationsskripts, Mapping-Verfahren oder ausgearbeitete Lösungsbeispiele bieten einige wirkungsvolle Wege der Unterstützung der kollaborativen Lernprozesse. Insgesamt sollte den CSCL-Umgebungen ein psychologisch-didaktisches Konzept zugrunde liegen, das den jeweiligen Lernzielen und den Anforderungen des Kontextes Rechnung trägt.
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Teil VII Motivationsdesign
24 Motivation
Motivation ist ein Begriff, der uns im Alltag häufig begegnet. So stellt sich beispielsweise die Frage, warum Sie gerade dieses Buch lesen. Vielleicht bereiten Sie sich auf eine Prüfung vor oder Sie interessieren sich für multimediales Lernen. Vielleicht haben Sie aber auch gezielt dieses Kapitel aufgeschlagen, weil Sie die Antwort auf eine bestimmte Frage suchen. Die Beweggründe können vielschichtig sein und mehr oder weniger bewusst. Einfache Antworten auf die Frage nach dem „Warum“ fallen insbesondere dann schwer, wenn jemand etwas tut, das ihm nicht gut tut, wie z. B. Rauchen oder zu viel essen. Oder im umgekehrten Fall, wenn Dinge nicht getan werden, die notwendig sind, wie am Beispiel eines Studenten, der lieber die Wohnung putzt, statt sich auf die bevorstehende Prüfung vorzubereiten. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie wissen bzw. verstanden haben,
Lehrziele
• wie Motivation im wissenschaftlichen Sinn definiert wird, • wie sich die aktuelle Motivation als Zusammenspiel von Person- und Situationsfaktoren ergibt, • was unter impliziten und expliziten Motiven verstanden wird, • welche Erwartungen eine Person an die Ausführung einer Handlung knüpfen kann, • warum Handlungen auch unabhängig von einem bestimmten Ergebnis ausgeführt werden, • was mit der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation gemeint ist.
24.1 Definition Alltagssprachlich wird häufig angenommen, dass Motivation etwas Einheitliches ist, ein fassbarer Begriff, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann. Schlagzeilen, wie „Schumacher geht hoch motiviert in die neue Saison“ oder „Wie motiviert sind Sie?“, lassen den Eindruck entstehen, dass Motivation etwas ist, das in seiner Intensität variiert. Wissenschaftlich betrachtet, handelt es sich bei der Motivation jedoch nicht um eine homogene Einheit. Vielmehr werden verschiedene Prozesse und Phänomene unter
24.1 Definition
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Definition
diesem Begriff zusammengefasst. Etwa wie die Verben „wünschen“, „wollen“, „beabsichtigen“, „bezwecken“ und „hoffen“ ähnliche Erscheinungen beschreiben, die sich jedoch in ihrer Struktur und Qualität unterscheiden. Es lassen sich folgende Komponenten der Motivation unterscheiden: Werte, Erwartungen, Selbstbilder, Affekte/Emotionen, Willensprozesse und neurohormonelle Prozesse (Rheinberg, 2004a; zit. nach Vollmeyer & Brunstein, 2005). Motivation ist nicht unmittelbar wahrnehmbar und kann nur über Anzeichen erschlossen werden. Es handelt sich um ein hypothetisches Konstrukt, eine Hilfsgröße, die bestimmte Verhaltensbesonderheiten erklären soll (zu hypothetischen Konstrukten s. Beck & Krapp, 2006, S. 58f). Was aber ist das Gemeinsame dieser Phänomene? Nach Rheinberg (2004b, S. 15) ist Motivation definiert als „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand“. Eingeschlossen ist dabei sowohl eine aufsuchende als auch eine meidende Komponente, wenn Aversivem aus dem Weg gegangen wird. Zimbardo und Gerrig (2004, S. 503) verstehen Motivation als „allgemeinen Begriff für alle Prozesse, die der Initiierung, der Richtungsgebung und der Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivitäten dienen“. Es soll die Aktivierung, Richtung, Ausdauer und Intensität von Verhalten erklärt werden.
24.2 Person oder Situation? In Stellenanzeigen ist häufig zu lesen, dass Firmen motivierte Mitarbeiter oder Auszubildende suchen. Lehrer wünschen sich motivierte Schüler, Trainer motivierte Seminarteilnehmer. Demgegenüber stehen Forderungen, dass Lehrende ihre Studenten motivieren sollten und Unternehmen ihre Mitarbeiter. Beide Ansichten zielen auf unterschiedliche Sachverhalte ab. Im ersten Fall wird Motivation als eine gegebene Eigenschaft der jeweiligen Person angesehen, während im zweiten Fall eine Situation motivierend gestaltet werden soll. Tatsächlich wird angenommen, dass Motivationsphänomene nur als Wechselbeziehung zwischen Person und Situation zu verstehen sind. Diese Annahme stammt bereits aus den 30er Jahren von Lewin (1936) und Murray (1938). Auf der Personenseite werden drei Arten von Faktoren angenommen (Heckhausen & Heckhausen, 2006): • Bedürfnisse und universelle Verhaltenstendenzen (elementare physiologische Bedürfnisse wie etwa Hunger und Durst), • implizite Motive (Motivdispositionen), die Individuen voneinander unterscheiden, • explizite Motive (Zielsetzungen), die eine Person verfolgt. Auf der anderen Seite steht der Anreiz, der Aufforderungscharakter einer Situation (Rheinberg, 2004c).
24.2.1 Personfaktoren Befragt man eine Person in einer bestimmten Situation nach den Gründen, warum sie so und nicht anders handelt, so kann ihr die Antwort mehr oder weniger leicht fallen. Ist ihr
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bewusst, was sie erreichen bzw. verhindern möchte und welchen Stellenwert das gewünschte Ergebnis für sie hat, so handelt sie auf einer rationalen Motivationsbasis. In diesem Fall wird von expliziten Motiven oder auch von motivationalen Selbstbildern der Person gesprochen. Explizite Motive sind „bewusste, sprachlich repräsentierte (oder zumindest repräsentierbare) Selbstbilder, Werte und Ziele, die eine Person sich selbst zuschreibt“ (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 4). Unter dem Begriff „Motiv“ wird die Neigung verstanden, bestimmte Klassen von Zielzuständen, Themen oder Gegenständen positiv bzw. negativ zu bewerten. Bestimmte Handlungs- und Erlebnischancen werden bevorzugt wahrgenommen. Diese Bevorzugungen sind individuell unterschiedlich und werden als zeitstabile Personenmerkmale konzipiert. Es lassen sich vor allem drei Motive unterscheiden, die bisher am meisten erforscht wurden: das Leistungs-, das Macht- und das Anschlussmotiv (Heckhausen, 1989; McClelland, 1987; zit. nach Vollmeyer, 2005). Jedes Motiv besteht aus den beiden unabhängigen Komponenten Hoffnung und Furcht und thematisiert bestimmte Ziele (s. Tabelle 24.1). Am Beispiel des Leistungsmotivs kann die Vorgabe einer Knobelaufgabe bei einer Person (je nach ihrer Motivstruktur und den Rahmenbedingungen) sowohl die Hoffnung auf Erfolg, als auch die Furcht vor Misserfolg u. U. auch beide oder keine der beiden, Motivationstendenzen anregen. aufsuchende Komponente
meidende Komponente
Leistungsmotiv
Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab
Vermeidung von Misserfolg
Anschlussmotiv
Herstellung wechselseitig positiver Beziehungen
Vermeidung von Zurückweisung
Machtmotiv
Beeinflussung des Erlebens und Verhaltens anderer Personen
Vermeidung von Kontrollverlust
Vielleicht haben Sie beim Lesen bereits eine Selbstanalyse durchgeführt und nehmen an, dass Sie mittelstark leistungsmotiviert, hoch anschlussmotiviert, jedoch auf keinen Fall machtmotiviert sind. Dies entspricht zumindest nach Untersuchungen von Emmons und McAdams (1991; zit. nach Langens, Schmalt & Sokolowski, 2005) der typischen Selbsteinschätzung von Studenten. Diese Selbstberichte stimmen jedoch nicht mit langfristigen Verhaltenstrends überein und sind unkorreliert mit anderen Motivmaßen, wie dem Thematischen Apperzeptionstest (TAT). Bei diesem Test sollen Geschichten zu mehrdeutigen Bildern erzählt werden. Anhand eines Verrechnungsschlüssels werden die genannten Bedürfnisse und Zielzustände den drei genannten Motiven zugeordnet (Langens et al., 2005; Rheinberg, 2004c; Vollmeyer, 2005). Deshalb wird neben den expliziten Motiven, die im Selbstbericht erfragt werden können, noch eine zweite Art von Motiven angenommen: implizite Motive. Implizite Motive sind „in der frühen Kindheit gelernte, emotional getönte Präferenzen (…), sich immer wieder mit bestimmten Arten von Anreizen auseinander zu setzen.“ (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 4; McClelland, Koester & Weinberger, 1989). Da sie nicht sprachlich repräsentiert sind, können sie nicht über Fragebögen bzw. Selbstberichte erfasst werden. Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass implizite Motive eher spontanes Verhalten und überdauernde Verhaltenstrends vorhersagen. Explizite Motive hingegen wirken eher auf kurzfristige Entscheidungen und Bewertungen ein (Brunstein, 2006). Ausführliche Informationen über die Gemeinsamkeiten und Un-
24.2 Person oder Situation?
Explizite Motive
Motiv
Tabelle 24.1: Ziele der Motive Leistung, Anschluss, Macht und ihrer beiden Komponenten
Implizite Motive
361
terschiede impliziter und expliziter Motive sowie deren Zusammenspiel finden sich bei Brunstein (2002, 2006).
24.2.2 Situationsfaktoren
Anreize
Interaktion von Motiv und Anreiz
Wenn man davon ausgeht, dass Verhalten einseitig durch Personenmerkmale beeinflusst wird, so lässt sich nicht erklären, warum ein und dieselbe Person unterschiedliches Verhalten zeigen kann. Motive beeinflussen nicht fortwährend und in gleicher Stärke das Verhalten. Sie sind nicht per se aktiviert, sondern müssen durch entsprechende Situationsmerkmale (Anreize) angeregt werden, bevor sie sich im Verhalten niederschlagen. Anreize sind Situationsmerkmale, die zu einem bestimmten Motiv passen. Sie bilden den Aufforderungscharakter einer Situation zu einer Handlung. Der Begriff „Anreiz“ bezeichnet alles, „was Situationen an Positivem oder Negativem einem Individuum verheißen oder andeuten (…). Dabei können Anreize an die Handlungstätigkeit selbst, das Handlungsergebnis und verschiedene Arten von Handlungsergebnisfolgen geknüpft sein.“ (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 5). Es gibt eine enge Verschränkung zwischen Motiv und Anreiz. Einerseits muss eine Situation erst potenzielle Anreize zur Aktivierung des Motivs bieten. Andererseits hängt es von der Stärke des Motivs ab, welche Anreize in einer Situation wahrgenommen werden. Beispielsweise kann die Teilnahme an einem Wochenendseminar Gelegenheiten sowohl zur Verbesserung eigener Fähigkeiten (Leistungsmotiv), zur Kontaktaufnahme mit anderen Teilnehmern (Anschlussmotiv) als auch zum Übertrumpfen der anderen (Machtmotiv) bieten.
24.2.3 Das Grundmodell der Motivationspsychologie
Vermittlungsprozesse zwischen Person- und Situationsfaktoren
Das Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie stellt die Interaktion von Situation und Person schematisch dar, aus der sich die aktuelle Motivation ergibt (s. Abb. 24.1). Die aktuelle Motivation ihrerseits beeinflusst das Verhalten und Erleben. Die Vermittlungsprozesse zwischen den Person- und Situationsfaktoren werden durch das ⊗-Zeichen veranschaulicht. Dahinter verbergen sich verschiedene Teilprozesse wie Erwartungsbildungen, die Anregung von Handlungsschemata, Wahrnehmungs-
Abb. 24.1: Das Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie (nach Rheinberg, 2004b, S. 70)
Person (Motive) Aktuelle Motivation Situation (potenzielle Anreize)
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Verhalten
und Bewertungsprozesse, physiologische Aktivationsprozesse und die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter (Rheinberg, 2004c). Zu beachten ist außerdem, dass der Pfeil zwischen der „aktuellen Motivation“ und dem „Verhalten“ eine starke Vereinfachung ist. An dieser Stelle müssen Prozesse berücksichtigt werden, die auftreten, wenn sich bei der Handlungsausführung Schwierigkeiten ergeben oder die auszuführenden Tätigkeiten aversiv werden. Sie werden mit den Begriffen Wille bzw. Volition bezeichnet und in einer eigenen Forschungsrichtung untersucht. Während sich die Motivationspsychologie mit der Auswahl und Setzung von Zielen beschäftigt, fokussiert die Volitionsforschung auf die Handlungsausführung selbst. Einen Überblick zum Thema Volition geben u. a. Achtziger und Gollwitzer (2006) und Rheinberg (2004b, 2006b).
Volition
24.3 Das erweiterte kognitive Motivationsmodell Die Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Person und Situation weist bereits darauf hin, dass die Entscheidung für eine bestimmte Handlung nicht an die objektiven Komponenten der Situation gebunden ist. Vielmehr ergibt sie sich aus der subjektiven Wahrnehmung der Situation, den sich ergebenden Handlungsalternativen und den möglichen Handlungsergebnissen und -folgen. In der Erwartungs-mal-Wert-Hypothese wird davon ausgegangen, dass die Entscheidung für eine Handlung umso wahrscheinlicher ist, je zuversichtlicher die Person ist, Erfolg zu haben, und je attraktiver das zu erwartende Ergebnis ist. Ausgehend von dieser Hypothese entwickelten Heckhausen und Rheinberg (1980) das erweiterte kognitive Motivationsmodell. Nach diesem Modell werden Handlungsalternativen bevorzugt, bei denen ein größtmöglicher Ertrag mit möglichst geringem Aufwand erzielt werden kann. Das Modell besteht in seiner Grundstruktur aus der wahrgenommenen Situation mit ihren verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, den potenziellen Ergebnissen und den Folgen, die diese Ergebnisse nach sich ziehen könnten (s. Abb. 24.2). Außerdem enthält es die verschiedenen Erwartungen, die in einer Situation unterschieden werden können. Es wird davon ausgegangen, dass eine Person vor einer Handlung abwägt, was sie sich von ihrer Ausführung verspricht. Diese Einschätzung kann bewusst oder unbewusst erfolgen (vgl. Rheinberg, 2004b; Schnotz, 2006; Vollmeyer, 2005). Es werden drei Erwartungstypen unterschieden (vgl. Rheinberg, 2006a): Die Situations-Ergebnis-Erwartung, die Handlungs-Ergebnis-Erwartung und die Ergebnis-FolgeErwartung. S E-Erwartung
Situation
Handlung
Ergebnis
H E-Erwartung
Folgen
Erwartungs-malWert-Hypothese
Die Grundkomponenten einer Handlungsepisode
Abb. 24.2: Das erweiterte kognitive Motivationsmodell (nach Heckhausen & Rheinberg, 1980, S. 16)
E F-Erwartung
24.3 Das erweiterte kognitive Motivationsmodell
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Beispiel Softwareschulung
Vier Formen des motivationalen Ausstiegs
Einschränkungen des erweiterten kognitiven Motivationsmodells
364
Situations-Ergebnis-Erwartung: Zunächst schätzt die Person ein, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich das gewünschte Ergebnis auch ohne eigenes Zutun einstellt. So könnte man den Abwasch stehen lassen, in der Hoffnung, dass der Partner ihn erledigt, oder sich nicht aktiv an einem Seminar beteiligen, weil man ohnehin nur einen Teilnahmeschein benötigt. Bei einer hohen Situations-Ergebnis-Erwartung erübrigt sich eigenes Handeln und die Stärke der Handlungstendenz sinkt. Handlungs-Ergebnis-Erwartung: Der umgekehrte Fall tritt ein, wenn die Person zu dem Schluss gekommen ist, dass sich das Ergebnis nicht von allein einstellen wird. Dann wird sie überlegen, inwieweit sie in der Lage ist, durch eigenes Handeln das gewünschte Ergebnis herbeizuführen. Anders formuliert, handelt es sich hier um die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Handlung zu dem gewünschten Ergebnis führt. Steht eine Klausur an, so kann ein Student der Überzeugung sein, dass er durch eine gute Vorbereitung eine gute Note erreichen kann (hohe Handlungs-ErgebnisErwartung). Sind ihm die Anforderungen der Klausur jedoch unklar, so kann er auch annehmen, dass er sie ohnehin nicht besteht, unabhängig davon, ob er lernt oder nicht (niedrige Handlungs-Ergebnis-Erwartung). Ergebnis-Folge-Erwartung: Der dritte Erwartungstyp drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der das angestrebte Ergebnis bestimmte Folgen nach sich zieht. Die Kopplung von Ergebnis und Folge reicht jedoch nicht aus, um die Handlungstendenz zu beeinflussen. Die Folgen müssen außerdem einen hohen Anreiz besitzen, damit das Ergebnis überhaupt attraktiv bzw. wichtig erscheint. Am Beispiel einer Produktschulung lässt sich das Gesagte verdeutlichen: In einem Unternehmen wird eine neue Software eingeführt und eine freiwillige Schulung zum Umgang mit dem Produkt angeboten. Die Mitarbeiter werden die Schulung wahrscheinlich nur dann besuchen, wenn sie erwarten, dass die Handhabung der Software nicht selbsterklärend ist (Situations-Ergebnis-Erwartung). Sie werden außerdem abwägen, ob sie durch die Teilnahme an der Schulung den Umgang mit der Software erlernen können (Handlungs-Ergebnis-Erwartung). Dann wird es darauf ankommen, ob sie erwarten, dass sie die Kenntnisse in ihrer täglichen Arbeit anwenden werden (Ergebnis-FolgeErwartung). Zusätzlich sollte das Produkt ihre Arbeitsabläufe vereinfachen (positiver Anreiz der Folge). Ist eine dieser vier Bedingungen nicht gegeben, so werden die Mitarbeiter wahrscheinlich nicht an der Schulung teilnehmen. Rheinberg (2006a, S. 340) nennt vier Formen des motivationalen Ausstiegs: Das Lernen erscheint (1) überflüssig oder (2) wirkungslos, (3) das Lernergebnis hat keine sicheren Folgen, (4) die potenziellen Folgen sind nicht hinreichend wichtig oder erscheinen wertlos. Obwohl das erweiterte kognitive Motivationsmodell recht gut erklären kann, warum Menschen eine bestimmte Handlung ausführen oder sie unterlassen, beschreibt es den Menschen doch als kühlen, abwägenden Rechner. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Menschen sich vor einer Handlung alle positiven und negativen Folgen klarmachen (z. B. Bischof, 1989; zit. nach Vollmeyer, 2005). Es kann insbesondere nicht erklären, warum Menschen begeistert und hingebungsvoll Tätigkeiten nachgehen, die kein offensichtliches Ergebnis haben, wie etwa Tanzen oder Ski fahren. So ist zum Beispiel ein Boot ein Fortbewegungsmittel. Leiht jemand jedoch eine Jolle aus, um sie nach 2–3 Stunden am selben Steg zurückzugeben, so mag es ihm weniger um die Fortbewegung als vielmehr um den Spaß am Segeln gehen. Aus diesem Grund hat Rheinberg (1989) dieses zweckrationale Modell um eine neue Komponente erweitert: die Tätigkeitsanreize (Vollmeyer, 2005).
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24.3.1 Tätigkeitsanreize In der bisher besprochenen Konzeption des erweiterten kognitiven Motivationsmodells ergibt sich die Attraktivität einer Tätigkeit lediglich aus einer Quelle: aus dem Anreiz der Folgen, von denen erwartet wird, dass sie sich einstellen, sobald die Handlung erfolgreich beendet wurde. Dabei wird vernachlässigt, dass Tätigkeiten auch um ihrer selbst willen ausgeführt werden können, weil sie aus sich heraus Spaß machen. Bei Tätigkeiten wie lesen, malen, Rad fahren, wandern, Skat oder Volleyball spielen liegt der Anreiz nicht nach ihrer Vollendung, sondern während ihres Vollzuges. Rheinberg (1989) nennt diesen Eigenanreiz von Tätigkeiten den „tätigkeitsspezifischen Vollzugsanreiz“. Tätigkeitsanreize sind nicht nur im positiven, sondern auch im negativen Fall bedeutsam: Ein Student kann das Lernen für eine Klausur trotz erkannter Notwendigkeit unterlassen oder nur ansatzweise ausführen, wenn er es als hoch aversiv empfindet, sich allein an den Schreibtisch zu setzen und den Stoff durchzuarbeiten (Rheinberg, 2006a).
Definition
24.3.2 Tätigkeits- und Folgenanreize im erweiterten kognitiven Motivationsmodell In einer erneuten Erweiterung des erweiterten kognitiven Motivationsmodells werden neben den zweckzentrierten Anreizen auch die Tätigkeitsanreize als eigenständiges Element verankert (s. Abb. 24.3). Nach diesem Modell lassen sich auch Motivationsdefizite unterscheiden, die nicht auf die drei Erwartungstypen (s. oben) zurückgehen, sondern auf unzureichende bzw. ungünstige Anreize. Sie können entweder in den Folgen verankert sein, wenn eine Handlung nicht lohnend erscheint, oder im Tätigkeitsvollzug, wenn sie als unangenehm erlebt wird.
S E-Erwartung
Situation
Handlung
Ergebnis
H E-Erwartung Tätigkeitsanreize
Folgen
Abb. 24.3: Zweck- und tätigkeitszentrierte Anreize im erweiterten kognitiven Motivationsmodell (nach Rheinberg, 1989)
E F-Erwartung Folgenanreize
24.3 Das erweiterte kognitive Motivationsmodell
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Der zweckzentrierte Motivationsanteil
Der tätigkeitszentrierte Motivationsanteil
Flow-Erleben
Für den zweckzentrierten Motivationsanteil ergeben sich vier notwendige Bedingungen: „Es ist (1) nötig und (2) möglich und hat (3) hinreichend sicher (4) lohnende Folgen.“ (Rheinberg, 2006a, S. 341). Dieser Motivationsanteil kann leicht gestört werden und ist hochsensibel gegenüber situativen Veränderungen, weil er schon beim Wegfallen einer Bedingung nicht mehr gegeben ist. Für den tätigkeitszentrierten Motivationsanteil dagegen ist es ausreichend, wenn die Tätigkeit ohne große zu erwartende negative Folgen ausgeführt werden kann. Diese Form der Motivation ist im positiven Fall vergleichsweise einfach strukturiert und relativ robust (Rheinberg, 2006a). Dies lässt sich an zahlreichen Beispielen verdeutlichen: Wenn eine Person sich bis in die frühen Morgenstunden nicht von einem spannenden Buch losreißen kann, obwohl sie am nächsten Morgen früh zur Arbeit muss, oder wenn jemand Extremsportarten nachgeht, obwohl Verletzungsgefahren damit verbunden sind. Geht eine Person, wie im ersten Beispiel, gänzlich in einer glatt laufenden Tätigkeit auf, wird dies als „Flow-Erleben“ (Csikszentmihalyi, 1975, 1985) bezeichnet. In diesem (selbst)reflexionsfreien Zustand vergisst sie sowohl die Zeit als auch alles um sich herum (z. B. Rheinberg, 2004b, 2006a, 2006b).
24.4 Intrinsische und extrinsische Motivation
Tätigkeits- und Zweckzentrierung
Gegenstandszentrierung: Interesse
Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan
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Besonders im Kontext des Lehrens und Lernens begegnen einem häufig die Begriffe der intrinsischen und der extrinsischen Motivation. Aus dem Englischen abgeleitet, beziehen sich die beiden Begriffe auf „innen“ (intrinsic) und „außen“ (extrinsic). In der Verwendung dieser wissenschaftlichen Fachausdrücke gibt es jedoch einige Unklarheiten, weil „innen“ und „außen“ auf unterschiedliche Sachverhalte angewendet wird. Bei der eben besprochenen Unterscheidung von Rheinberg zwischen Tätigkeits- und Zweckzentrierung ist der Bezugspunkt die Tätigkeit selbst. Intrinsisch motivierte Handlungen sind demnach solche, deren Anreize im Vollzug der Tätigkeit liegen. Extrinsisch motivierte Handlungen dagegen werden nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen ihrer antizipierten Folgen ausgeführt. Es wird also zwischen Anreizen während (innen) und nach der Tätigkeit (außen) unterschieden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Motivation im Handlungsverlauf ändern kann. Liest ein Student aufgrund extrinsischer Motive einen Text für eine Hausarbeit, so kann er währenddessen Spaß am Lesen entwickeln. Schiefele (1996) ergänzt die tätigkeitszentrierte Form der intrinsischen Motivation um eine gegenstandszentrierte Form. Da das Lesevergnügen sich nicht nur auf die Tätigkeit des Lesens, sondern auch auf den Inhalt des Textes beziehen kann, wird die Attraktivität der Tätigkeit auch durch den Gegenstand bestimmt. Liest jemand einen Text über die Fußball-WM, kann er das tun, weil er gerne liest und/oder weil er sich für den Gegenstand „Fußball“ interessiert. Steht der Anreiz des Gegenstandes klar im Vordergrund, so wird diese Form der intrinsischen Motivation als Interesse bezeichnet (vgl. Rheinberg, 2006a). Bei Deci und Ryan (1985, 1993) ist der Bezugspunkt für die Bestimmung von „innen“ und „außen“ das Selbst. Sie bezeichnen selbstbestimmte, autonome Handlungen als intrinsisch und von außen kontrollierte Tätigkeiten als extrinsisch motiviert. Dabei werden intrinsische und extrinsische Motivation jedoch nicht als Gegensatzpaar, sondern als Pole eines Kontinuums verstanden. Diese Theorie trifft Aussagen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Person ihre Handlungen als selbstbestimmt erlebt und
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unter welchen Bedingungen eine auf Selbstbestimmung beruhende intrinsische Motivation zustande kommen kann (Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Dieses Verständnis der intrinsischen Motivation liegt der pädagogischen Interessentheorie (Krapp, 1992, 1999) zugrunde. In der Literatur zu Interesse kann mit intrinsischer Motivation demnach sowohl „in der Tätigkeit“ als auch „in der Person/dem Selbst“ gemeint sein. Nun könnte man fragen, welche der beiden Begriffsbestimmungen die richtige ist. Allerdings existieren neben diesen noch eine Reihe alternativer Ansätze (s. Rheinberg, 2006a; Schiefele & Köller, 2001). In den letzten Jahren zeichnet sich jedoch die Tendenz ab, dass der Begriff intrinsische Motivation für Tätigkeiten verwendet wird, die um ihrer selbst willen und nicht um ihrer Ergebnisse willen ausgeführt werden. Damit würde das Verständnis mit der Unterscheidung zwischen tätigkeits- und zweckzentrierter Motivation übereinstimmen (Rheinberg, 2004b, S. 154; Schiefele & Köller, 2001; Wild, Hofer & Pekrun, 2006).
Was ist die „richtige“ intrinsische Motivation?
24.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde „Motivation“ als wissenschaftliches Konstrukt mit seinen Komponenten erläutert. Es wurde herausgestellt, dass sowohl Person- als auch Situationsfaktoren für die Herausbildung der aktuellen Motivation verantwortlich sind. Für die Konzeption multimedialer Lernumgebungen ergeben sich folgende Fragen: • Wie können Lernende motiviert werden? • Wie können Demotivierungen vermieden werden? • Wie kann den Lernenden geholfen werden, Ziele zu setzen und zu verfolgen? Zur Beantwortung dieser Fragen muss zum einen geklärt werden, welche Erwartungen, Motive und Ziele auf der Lernerseite vorhanden sind (s. auch Zielgruppenanalyse). Zum anderen sollte die Lernsituation so gestaltet werden, dass sie den Lernenden Anreize und Hilfen bei der Verfolgung ihrer Ziele bietet. Ansätze zum Motivationsdesign von multimedialen Lernumgebungen werden im nächsten Kapitel vorgestellt.
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25 Motivationsdesign
Im Gegensatz zum Präsenzunterricht eröffnet der Einsatz neuer Lernmedien die Möglichkeit, den Lernprozess weitgehend selbstständig zu organisieren. Die Lernenden können selbst bestimmen, wann, wie lange, wo und mit wem sie lernen. Diese Freiheit stellt jedoch auch hohe Anforderungen an die Einzelnen. Sie müssen sich selbst motivieren, mit dem Lernen zu beginnen, sich Zeit dafür nehmen sowie Ziele setzen und diese verfolgen. Motivation stellt somit eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Absolvierung eines E-Learning-Kurses dar. Die Aufgabe der Motivierung liegt dabei keineswegs einseitig auf der Lernerseite. Dozenten, Tutoren und Entwickler von E-Learning-Angeboten sind ihrerseits dafür verantwortlich, die Lernsituation motivierend zu gestalten. Dabei reicht es nicht aus, einen fertigen E-Learning-Kurs post hoc um einige „motivierende Elemente“ anzureichern. Vielmehr sollte das Motivationsdesign den gesamten Entwicklungsprozess begleiten. Es sollte sich sowohl auf die Konzeption der gesamten Lerneinheit als auch auf die Gestaltung einzelner Elemente beziehen, denn der Lernende soll nicht nur motiviert sein, den „Vorwärts“-Button zu betätigen, sondern auch dazu, sich mit einem bestimmten Text, einer Grafik oder einem Video auseinanderzusetzen (Lee & Boling, 1999). Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie wissen bzw. verstanden haben,
Lehrziele
• was das Ziel des Motivationsdesigns ist, • welche Hauptkategorien der Motivierung im ARCS-Modell unterschieden werden, • welche Strategien eingesetzt werden können, um Lernende zu motivieren, • wie Demotivierungen vermieden werden können, • welche anderen Modelle für das Motivationsdesign herangezogen werden können.
25.1 Motivieren, aber wie? Die Bedeutsamkeit motivationaler Faktoren bei der Gestaltung multimedialer Lernumgebungen ist früh erkannt worden (z. B. Keller, 1983; Keller & Kopp, 1987; Keller & Suzuki, 1988). Der Reiz des Neuen und die Möglichkeit der Einbindung multimedialer Elemente reichten nicht aus, die Lernenden langfristig zu motivieren. Telelernkurse verzeichneten
25.1 Motivieren, aber wie?
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Ziel des Motivationsdesigns
Erklärung vs. Erzeugung von motiviertem Verhalten
relativ hohe Abbrecherzahlen (Drop-out). Anzeichen für eine fehlende Motivation können schon früh auftreten, wenn etwa Arbeitsaufträge gar nicht oder nur verspätet erfüllt werden und die Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Tutor oder den anderen Lernenden auch dann ungenutzt bleiben, wenn Verständnisprobleme auftreten (Astleitner, 2005). Motivation ist die „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg, 2004, S. 15). Das Ziel des Motivationsdesigns sollte demnach die Aktivierung von Lernhandlungen sein, die Unterstützung der Lernenden bei realistischen Zielsetzungen und die Aufrechterhaltung dieser Lernaktivitäten (Ausdauer und Intensität). Obwohl die Theorienbildung und deren empirische Überprüfung in der Motivationspsychologie weit vorangeschritten ist, können aus diesen Befunden nicht ohne weiteres Gestaltungsempfehlungen abgeleitet werden (Domagk & Niegemann, 2008). Rheinberg (2005) weist darauf hin, dass die Schwerpunktsetzungen aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht voneinander abweichen: Während sich die Motivationspsychologie mit der Erklärung von Verhalten beschäftigt, sind Praktiker eher an der Erzeugung und Herstellung von motiviertem Lernverhalten interessiert. Demnach wird ein Modell benötigt, das präskriptiv Aussagen darüber macht, wie motiviertes Verhalten gefördert werden kann. Diese Aussagen müssen dann einer empirischen Untersuchung unterzogen werden. Ein solches Modell ist das „ARCS-Modell“ (Keller, 1983), welches im Folgenden vorgestellt und diskutiert wird.
25.2 Das ARCS-Modell
Die vier Hauptkategorien des Modells
Tabelle 25.1: Hauptkategorien des ARCS-Modells
370
Bereits in den achtziger Jahren entwickelte John Keller ein Instruktionsdesignmodell, das Strategien zur systematischen und gezielten Förderung der Motivation der Lernenden enthält: das ARCS-Modell (Keller, 1983). Darin unterscheidet er vier Hauptkategorien der Motivierung, nach deren Anfangsbuchstaben das Modell benannt ist: Aufmerksamkeit (attention), Relevanz (relevance), Erfolgszuversicht (confidence) und Zufriedenheit (satisfaction). Das Modell wurde ursprünglich für die Gestaltung schulischer Instruktion und von Lehrveranstaltungen im Allgemeinen formuliert. Auf dieser Basis wurden begründete Empfehlungen für die Konzeption multimedialer Lernumgebungen entwickelt (Keller & Kopp, 1987; Keller & Suzuki, 1988; Niegemann, 1995, 2001). Die vier Hauptkategorien des Modells liefern den allgemeinen Bezugsrahmen für den Einsatz motivationsfördernder Maßnahmen (s. Tabelle 25.1). Diesen Hauptkategorien sind jeweils Subkategorien zugeordnet, die spezifische Strategien enthalten. Hauptkategorien
Aufgabe des Motivationsdesigns
Aufmerksamkeit (Attention)
Gewinnen und Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit bzw. des Interesses der Lernenden
Relevanz (Relevance)
Vermittlung der Nützlichkeit der Lerneinheit für die Erreichung persönlicher Ziele und für die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse
Erfolgszuversicht (Confidence)
Aufbau einer positiven Erfolgserwartung und Kompetenzmeinung sowie Wahrnehmung eigener Kontrolle
Zufriedenheit (Satisfaction)
Angebot attraktiver Handlungsmöglichkeiten, Belohnungen, Rückmeldungen und Möglichkeiten zur Einschätzung der eigenen Leistung
25 Motivationsdesign
25.2.1 Aufmerksamkeit erlangen (Attention) Der erste Schritt jeder Lernmotivierung besteht darin, die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse des Lerners zu erlangen und aufrechtzuerhalten. Neugier, Reizsuche und ähnliche Faktoren spielen hierbei eine wichtige Rolle. Für das Motivationsdesign stellen sich folgende Fragen, die jeweils eine Subkategorie bilden (s. Tabelle 25.2). Prozessfragen
Subkategorie
Was kann ich tun, um das Interesse der Lernenden zu wecken?
A1: Orientierungsverhalten provozieren
Wie kann ich Fragehaltungen anregen?
A2: Neugier bzw. Fragehaltungen anregen
Wie kann ich die Aufmerksamkeit der Lernenden aufrechterhalten?
A3: Abwechslung
A1: Orientierungsverhalten provozieren (perceptual arousal): Die Aufmerksamkeit der Lernenden kann durch das Verwenden neuer, überraschender, widersprüchlicher und ungewisser Ereignisse gewonnen und aufrechterhalten werden. Wird ein Lehrer beim Betreten des Klassenraums nicht beachtet und knallt deshalb sein Buch auf das Pult, so ist ihm die Aufmerksamkeit der Schüler erst einmal gewiss. In multimedialen Lernumgebungen können audiovisuelle Effekte, wie animierte Grafiken, inverse Darstellungen, Töne oder Sprache, zur Gewinnung der Aufmerksamkeit verwendet werden. Wie das Beispiel des Lehrers illustriert, sind diese Mittel jedoch sinnvoll zu dosieren und erreichen noch kein Interesse am jeweiligen Lehrstoff. Dazu können unübliche oder unerwartete Inhalte und Ereignisse beitragen, wie z. B. provokative oder widersprüchlich wirkende Aussagen und Bildinhalte. Die Vorführung „unerklärlicher“ Experimente, wie das Entstehen einer Fontäne, wenn „Mentos“ in eine Cola-Flasche gegeben werden, kann z. B. das Interesse an Chemie wecken. Es ist jedoch in jedem Fall darauf zu achten, dass Ablenkungen vermieden werden. Der falsche, insbesondere übertriebene Einsatz von Mitteln zur Erlangung von Aufmerksamkeit kann die Konzentration der Lerner beeinträchtigen und den Lernprozess stören.
Tabelle 25.2: Aufmerksamkeit erlangen
A1: Orientierungsverhalten provozieren Aufmerksamkeit gewinnen
Ablenkung vermeiden
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Audiovisuelle Effekte • Unübliche oder unerwartete Inhalte/Ereignisse • Vermeidung von Ablenkung A2: Neugier bzw. Fragehaltungen anregen (inquiry arousal): Informationssuchendes Verhalten soll stimuliert werden, indem Lernende mit Fragen oder zu lösenden Problemen konfrontiert bzw. veranlasst werden, Fragen oder Probleme selbst zu formulieren.
25.2 Das ARCS-Modell
A2: Neugier bzw. Fragehaltungen anregen
371
Häufig wird Lernenden zunächst Theorie vermittelt, die sie dann anwenden oder ausprobieren sollen. Bei physikalischen Experimenten etwa, sollten die Effekte eintreten, die der Lehrer den Schülern vorher geschildert hat. Demgegenüber stehen Ansätze, bei denen der Lernende selbst erforschen und entdecken soll. Eine Anwendung aus dem E-Learning-Bereich ist das ID-Modell „Goal-Based Scenario“ (s. Kap. 2 und 11). Dort wird den Lernenden eine Problemlösesituation dargeboten, die sie durch Explorieren lösen sollen. Beispielsweise sollen die Lernenden im Verhandlungstraining „yes“ eine angemessene Gage für eine Operndiva aushandeln. Sie können dafür auf Informationen im Programm zurückgreifen. Im Gegensatz zur trockenen Vermittlung von Argumentationsstrategien ist hier die Eigeninitiative der Lernenden gefragt. Sie können immer wieder in die Verhandlung einsteigen (Simulation des Gespräches) und erhalten die erreichte Gage als Bewertung ihrer Lösung. Lernerreaktionen können auch durch „FrageAntwort-Rückmeldung“-Sequenzen herausgefordert werden, die das Mitdenken der Lernenden erfordern und so Interesse anregen können. Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Entdecken und Erforschen lassen (z. B. Goal-Based Scenario) • Die Lernenden veranlassen, sich selbst Aufgaben zu stellen, deren Lösungen dann vom Programm bewertet werden. (z. B. Simulationen) • Lernerreaktionen herausfordern (z. B. „Frage-Antwort-Rückmeldung“-Sequenzen) A3: Abwechslung
A3: Abwechslung (variability): Die Variation der Instruktionselemente ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Lernerinteresses. Generell sollte in einer multimedialen Lernumgebung ein bestimmtes Bildschirmformat beibehalten werden. Gelegentliche Abweichungen von diesem Standard können jedoch eingesetzt werden, um die Aufmerksamkeit der Lernenden zu erhalten. Diese Abweichungen sollten jedoch nicht unsystematisch, sondern stets zweckmäßig sein. Variation kann auch dadurch erreicht werden, dass verschiedene Codes und Modi sich abwechseln, indem Bilder, Animationen und Audiosequenzen verwendet werden. Dies sollte jedoch nur dann eingesetzt werden, wenn der Wechsel didaktisch sinnvoll ist, d. h., wenn die zu vermittelnden Inhalte besser durch ein anderes Format präsentiert werden können. Kurze Instruktionseinheiten verhindern den Eindruck, sich in einem endlosen Text zu verlieren. Der Wechsel zwischen darstellenden und interaktiven Bildschirmseiten gibt den Lernenden die Möglichkeit, immer wieder selbst aktiv zu werden. Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Kurze Instruktionseinheiten • Abwechslung darstellender und interaktiver Bildschirmseiten • Variation des Bildschirmformates • Verwendung verschiedener Codes & Modi (z. B. Animation, Bilder, Audio)
372
25 Motivationsdesign
25.2.2 Relevanz des Lehrstoffs vermitteln (Relevance) Es werden Ziel- und Prozessaspekt der Relevanz unterschieden. Ein Lehrstoff kann als nützlich für das Erreichen bestimmter Ziele betrachtet werden: Das spätere Bestehen einer Prüfung, der Erwerb von Fähigkeiten, die auf dem aktuellen Lehrstoff aufbauen, die zukünftige Anwendung für bestimmte Zwecke sind typisch für eine Relevanz hinsichtlich bestimmter Ergebnisse und Folgen. Dies setzt seitens der Lerner eine bestimmte Zeitperspektive voraus und entspricht dem zweckzentrierten Motivationsanteil (s. Kap. 24.3.2). Relevanz kann für den Lerner jedoch auch aus dem Lehr-Lern-Prozess selbst hergeleitet sein: z. B. Gruppenarbeit, Experimentieren und Computerlernen. Merkmale der Lehrmethode können für sich bereits motivierend wirken i. S. des tätigkeitszentrierten Motivationsanteils. Folgende Prozessfragen ergeben sich für das Motivationsdesign (s. Tabelle 25.3). Prozessfragen
Subkategorie
Wie kann ich am besten den Erwartungen und Bedürfnissen der Lernenden begegnen? (Kenne ich ihre Erwartungen?)
R1: Lehrzielorientierung
Wie und wann sollte ich den Lernenden angemessene Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stellen und ihnen Verantwortung übertragen?
R2: Anpassung an Motivationsprofile
Wie kann ich die Instruktion mit den Erfahrungen der Lernenden verknüpfen?
R3: Vertrautheit
R1: Lehrzielorientierung (goal orientation): Es sind Aussagen oder Beispiele zu den Zielen und zur Nützlichkeit der Instruktion anzugeben. Der Lerner soll über Ziele für (hohe) Leistungen informiert werden, außerdem soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, sie selbst festzulegen. Unter dem Relevanzaspekt soll den Lernenden verdeutlicht werden, wozu sie den präsentierten Lehrstoff lernen sollen und in welchem Rahmen sie ihn anwenden können. Dazu sollten sowohl für die gesamte Lerneinheit als auch für einzelne Teilbereiche Lernziele mit Hinweisen auf die Wichtigkeit bzw. den Nutzen des Lehrinhaltes formuliert werden. Geeignete Spiele oder Simulationen können den Zweck des Lernens illustrieren, etwa bei der Regulierung eines Ökosystems oder der Planung von Nahverkehrskonzepten. Bei einer heterogenen Zielgruppe mit unterschiedlichen Erwartungen kann auch eine Auswahl an Lernzielen dargeboten werden, die sich hinsichtlich der Lehrmethoden und des Anwendungsbereiches unterscheiden. Beispielsweise können die Lernenden in der Lernsoftware „Interaktive Sprachreise – Englisch“ ihre Lernziele selbst aus verschiedenen Bereichen wählen, je nachdem, ob sie sich auf eine Prüfung vorbereiten, gezielt Aussprache oder Grammatik üben oder das Programm zur Reisevorbereitung nutzen möchten (s. Abb. 25.1).
Zielaspekt: Zweckzentrierung
Prozessaspekt: Tätigkeitszentrierung
Tabelle 25.3: Relevanz des Lehrstoffs vermitteln
R1: Lehrzielorientierung
Verdeutlichung von Lernzielen
Angebot wählbarer Lernziele
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Darbietung von Lehrzielen mit Hinweisen auf deren Wichtigkeit bzw. den Nutzen • Auswahl möglicher Lernziele bei heterogenen Zielgruppen • Vermittlung der Ziele durch geeignete Spiele/Simulationen
25.2 Das ARCS-Modell
373
Abb. 25.1: Lehrzielwahl in der Lernsoftware „Interaktive Sprachreise – Englisch“ von Digital Publishing
R2: Anpassung an Motivationsprofile
Leistungsmotiv
Anschlussmotiv
Machtmotiv
374
R2: Anpassung an Motivationsprofile (motive matching): Lehrstrategien, die zu der jeweiligen Motivstruktur der Lerner passen (s. Motive, Kap. 24.2.1), sind zu bevorzugen. Unter dem Prozessaspekt der Relevanz soll der Lehrstoff nicht nur für die Erreichung bestimmter Ziele bedeutsam sein, die Art seiner Vermittlung sollte auch den Bedürfnissen und Motiven der Lernenden entsprechen. Leistungsmotivierte Lerner bevorzugen Situationen, in denen sie sich mit einem Bewertungsmaßstab auseinandersetzen können. Es sollte deshalb ein transparentes Bewertungssystem (z. B. Punkte) eingeführt werden, das für Rückmeldungen über erbrachte Leistungen verwendet wird. Ein Angebot unterschiedlicher Schwierigkeitsniveaus bei Übungsaufgaben ermöglicht die Wahl eines individuellen Anspruchsniveaus. Unter Berücksichtigung der Furcht vor Misserfolg sollten Wettbewerbsspiele lediglich als Option angeboten werden. Anschlussmotivierten Lernern sollte die Möglichkeit gegeben werden, mit anderen Teilnehmern in Kontakt zu treten, indem kooperatives Lernen und Kommunikationsmöglichkeiten, wie Chats oder Foren, angeboten werden. Die Anregung des Machtmotivs innerhalb multimedialer Lernumgebungen ist eine schwierigere Aufgabe, da Möglichkeiten zur Beeinflussung anderer gegeben werden müssten. Es ist jedoch möglich, Einzelnen die Leitung bestimmter Diskussionen im Forum oder Chat zu übertragen. Machtkonflikten kann dabei durch die klare Formulierung konsistenter Regeln entgegengewirkt werden.
25 Motivationsdesign
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Transparentes Bewertungssystem für Rückmeldungen • Angebot unterschiedlicher Anspruchsniveaus bei Übungsaufgaben, Wettbewerbsspiele nur als Option • Möglichkeiten zum kooperativen Lernen und zur Kommunikation mit anderen Lernenden • Übertragung einzelner Aufgaben (z. B. Leitung eines Diskussionsforums) R3: Vertrautheit (familiarity): Es sollen ein konkreter Sprachstil, anschauliche Begriffe und Beispiele, die Bezüge zu Erfahrungen bzw. Werten der Lerner aufweisen, verwendet werden. Im Gegensatz zu der weitverbreiteten Ansicht, dass ein sachlicher Sprachstil für das Lernen als ernsthafte Angelegenheit angemessen ist, postuliert Mayer (2001, 2005) das Personalisierungsprinzip. Ein sachlicher Stil bei der Vermittlung von Informationen wirkt unpersönlich und distanziert. Es empfiehlt sich, in der ersten oder zweiten Person zu schreiben bzw. den Lernenden mit seinem Namen anzusprechen, da dieser Stil der natürlichen Kommunikation mit einem Gegenüber am ähnlichsten ist. Ein übertrieben informeller Ton kann jedoch die Lernenden ablenken oder unangemessen für Thema und Zielgruppe sein. Personalisierung kann auch über sog. Pädagogische Agenten realisiert werden. Damit sind animierte Charaktere oder Videos realer Personen gemeint, die den Lernprozess unterstützend begleiten. Beispiele für Pädagogische Agenten sind in Abb. 25.1 und Abb. 25.2 dargestellt. Die entscheidende Frage, inwieweit Pädagogische Agenten sich positiv auf die Motivation und den Lernerfolg auswirken, ist noch nicht ausreichend geklärt, da entsprechende Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen (vgl. Domagk, 2008; Domagk & Niegemann, 2005; Moreno, 2005). Unterschiedliche Charakteristiken der Figuren selbst, ihre Rolle in der Lerneinheit, das Thema und die Zielgruppe müssen für
R3: Vertrautheit
Personalisierter Sprachstil
Pädagogische Agenten
Abb. 25.2: Der Pädagogische Agent „Tom“ in der Lerneinheit „Visuelle Wahrnehmung“
25.2 Das ARCS-Modell
375
Beispiele, Analogien & Metapher
einen angemessenen Einsatz Pädagogischer Agenten berücksichtigt werden (Domagk, 2008). Beispielsweise kann sich ein sympathischer Pädagogischer Agent positiv auf den Lernprozess auswirken, wobei die Sympathie ihm gegenüber u. a. durch Alter und Geschlecht der Figur und der Zielgruppe beeinflusst wird (Domagk, Pöpperling & Niegemann, 2006). Bei der Auswahl von Beispielen sollten die jeweiligen Erfahrungsbereiche der Lernenden berücksichtigt werden. Die Verwendung vertrauter Situationen kann darüber hinaus Anwendungsbereiche sichtbar machen. Abstrakte Begriffe können durch den Einsatz von Analogien und Metaphern in einem bekannten Kontext dargestellt werden. Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Personalisierte Sprache • Einsatz Pädagogischer Agenten • Verwendung von Beispielen, Analogien und Metaphern aus den Erfahrungsbereichen der Lernenden
25.2.3 Erfolgszuversicht (Confidence) Positive Erfolgserwartung ist die dritte Bedingung, die gegeben sein muss, um Lerner zu motivieren. Zwar wird oft eine Herausforderung gesucht, das Risiko zu scheitern sollte dabei jedoch innerhalb bestimmter Grenzen liegen. Unterschieden werden drei Dimensionen der Erfolgszuversicht (s. Tabelle 25.4): wahrgenommene Kompetenz (Kompetenzmeinung), wahrgenommene Kontrolle (Kontrollmeinung) und Erfolgserwartung. Tabelle 25.4: Erfolgszuversicht
C1: Lernanforderungen Angabe von Zielen, Struktur und notwendigem Vorwissen
376
Prozessfragen
Subkategorie
Wie kann ich den Aufbau einer positiven Erfolgserwartung unterstützen?
C1: Lernanforderungen
Wie kann die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz (Kompetenzmeinung) unterstützt und gefördert werden?
C2: Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse
Wie kann ich die Lernenden darin unterstützen, ihre Anstrengungen und ihre Fähigkeiten als Ursachen für ihren Erfolg wahrzunehmen (Kontrollmeinung)?
C3: Selbstkontrolle
C1: Lernanforderungen (learning requirements): Leistungsanforderungen und Bewertungskriterien sollten den Lernenden bewusst gemacht werden. Eine positive Erfolgserwartung kann die aktuelle Motivation der Lernenden erhöhen. Die Voraussetzung dafür ist, dass den Lernenden klar ist, was genau sie lernen sollen und was von ihnen erwartet wird. Dies kann über die Angabe der Lernziele und einen Überblick über die Struktur des Lernangebotes erreicht werden. Fähigkeiten, Fertigkeiten, Vorwissen und ggf. Einstellungen, die zur Bewältigung der jeweiligen Lernaufgaben notwendig oder nützlich sind, sollten vorab genannt werden.
25 Motivationsdesign
Bei Tests – auch bei Selbsttests – sollten den Lernenden die Bewertungskriterien erläutert werden. Sie sollten außerdem darüber informiert werden, wie viele Aufgaben sie erwarten und ob eine Zeiteinschränkung vorgesehen ist oder nicht. Dafür eignen sich Fortschrittsanzeigen mit einem Verlaufsbalken oder die Angabe der aktuellen Fragenummer und der Gesamtanzahl der zu stellenden Aufgaben (s. Abb. 25.3).
Angabe der Testlänge
Abb. 25.3: Fortschrittsanzeige mit Verlaufsbalken (unten, Mitte) und Angabe der aktuellen Fragenummer (rechts) (Quelle: Segeln 1, Infowerk Medienproduktions-GmbH)
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Erreichbare Lernziele und die Struktur der Lektion darbieten • Notwendiges bzw. nützliches Vorwissens angeben • Bewertungskriterien erläutern • Bei (Selbst-)Tests die Länge und evtl. Zeitbeschränkungen angeben C2: Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse bieten (success opportunities): Innerhalb eines Lehrprogramms sollen unterschiedliche Leistungsniveaus angeboten werden, die es dem Lerner gestatten, individuelle Anspruchsniveaus und persönliche Leistungsstandards zu setzen. Es sollten Gelegenheiten geboten werden, Leistungen zu erbringen und Erfolgserlebnisse zu haben. Überforderungen können Lernende leicht entmutigen. Andererseits wirken zu leichte Aufgaben schnell uninteressant und langweilig. Deshalb sollten die Lernanforderungen jeweils an das Vorwissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Lernenden angepasst werden (adaptiv). Bei heterogenen Zielgruppen sollten unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten in das Lernprogramm und verschiedene Lernwege angeboten werden. Als Grundlage entsprechender Empfehlungen sollte ein Einstiegstest offeriert werden. In
25.2 Das ARCS-Modell
C2: Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse bieten
Anpassung des Schwierigkeitsgrades
377
Gestaltung der Einstiegsphase
Variation der Schwierigkeitsniveaus
dem oben genannten Englisch-Lernprogramm wird ein solcher Einstiegstest als Option nach der Wahl der Lernziele angeboten (s. Abb. 25.1). Während der Einführung in einen neuen Lehrstoff sollte grundsätzlich nach dem Prinzip „vom Einfachen zum Komplexen“ vorgegangen werden. In dieser Phase sollten auch Übungsaufgaben nach dem Prinzip „von leicht zu schwer“ organisiert sein und besonders häufig Rückmeldungen gegeben werden, um den Lernenden Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Nach der Einstiegsphase ist es vorteilhafter, Übungen nach dem Zufallsprinzip anzuordnen, um durch ein gewisses Maß an Unbestimmtheit den Herausforderungscharakter der Aufgaben zu verstärken. Die Schwierigkeitsniveaus der Aufgaben können durch Zeitbegrenzungen, eine geringere Dauer der Aufgabenpräsentation oder komplexere Aufgabensituationen variiert werden. Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Anpassung der Lernanforderung an das Vorwissen • Unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten bieten (Empfehlungen durch Einstiegstest) • Einstiegsphase: vom Einfachen zum Komplexen • Danach: Variation der Schwierigkeitsniveaus (Herausforderung)
C3: Selbstkontrolle
Kontrolle über Lernweg und Lerntempo
Gestaltung von Rückmeldungen
378
C3: Selbstkontrolle (personal control): Rückmeldungen sollen die Fähigkeit und Anstrengung des Lerners als Erfolgsursachen betonen. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung des Lernweges und des Lerntempos ist vorteihaft. Für die aktuelle Motivation der Lernenden ist es wichtig, dass sie den Lernerfolg sich selbst, d. h. ihren eigenen Anstrengungen, zuschreiben. Sie sollten weder erwarten, dass sich ein positives Lernergebnis von selbst und ohne ihr Zutun einstellt (hohe SituationsErgebnis-Erwartung), noch sollten sie glauben, dass ihre Anstrengung nichts an dem Ergebnis ändert (niedrige Handlungs-Ergebnis-Erwartung) (s. Kap. 24.3). Aus diesem Grund sollten Lerner jederzeit die Kontrolle über ihren Lernweg und ihr Lerntempo haben. Sie sollten die Möglichkeit haben, das gerade bearbeitete Kapitel bzw. das Lernprogramm jederzeit abzubrechen oder zu unterbrechen sowie beliebig „zurückzublättern“. Die Entscheidung, welchen Teil des Lehrstoffs er aktuell bearbeitet, sollte beim Lerner liegen. Einführende Darstellungen und Erläuterungen zur Handhabung sollten übersprungen werden können, um direkt zum Auswahlmenü für die Lehrinhalte zu gelangen. Auf automatische Wechsel zur nächsten Bildschirmseite oder zum nächsten „Ereignis“ sollte verzichtet werden. Insbesondere bei Rückmeldungen sollte stets darauf geachtet werden, dass die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg in erster Linie der Anstrengung des Lerners zugeschrieben werden. Angaben wie „Pech gehabt“ bzw. „Glück gehabt“ sind zu vermeiden. Aussagen zur Begabung des Lernenden sind insbesondere bei schwachen Lernleistungen innerhalb eines Lernprogramms ein didaktischer Kunstfehler.
25 Motivationsdesign
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Lernerkontrolle über Abbruch, Unterbrechung, Zurückblättern, Überspringen von Intros bzw. Handhabungshinweisen und die Wahl der aktuell zu bearbeitenden Inhalte • Keine automatischen Wechsel zwischen Bildschirmseiten • Bei Rückmeldungen: Betonung der Anstrengung des Lerners als Ursache für Erfolg oder Misserfolg
25.2.4 Zufriedenheit, Befriedigung (Satisfaction) Lernende können sehr schnell demotiviert werden, wenn die Folgen ihrer Anstrengung von den Erwartungen abweichen. Es werden drei Subkategorien unterschieden (s. Tabelle 25.5). Prozessfragen
Subkategorie
Wie kann ich den Lernenden sinnvolle Möglichkeiten zur Anwendung ihres neu erworbenen Wissens bieten?
S1: Natürliche Konsequenzen
Wie kann ich erwünschtes Verhalten der Lerner aufrechterhalten?
S2: Positive Folgen
Tabelle 25.5: Zufriedenheit, Befriedigung
Wie kann ich den Lernern helfen, ihre eigenen Leistungen positiv zu S3: Gleichheit, Gerechtigkeit bewerten?
S1: Natürliche Konsequenzen, intrinsische Verstärkung (intrinsic reinforcement): Es sind Gelegenheiten zu bieten, neu erworbenes Wissen bzw. neu erworbene Fähigkeiten in realen oder simulierten Umgebungen anzuwenden. Der Begriff „intrinsische Verstärkung“ meint, dass den Lernenden Handlungsoptionen angeboten werden, die von sich aus Spaß machen. Die Möglichkeit, zuvor neu erworbenes Wissen und erlernte Fähigkeiten anwenden zu können, kann einen solchen Tätigkeitsanreiz darstellen (s. Kap. 24.3.1). Tutorielle Lernprogramme sollten deshalb so aufgebaut sein, dass in nachfolgenden Einheiten jeweils auf zuvor neu Gelerntes zurückgegriffen werden muss. Soweit sinnvoll sollte auch explizit darauf verwiesen werden, dass neues Wissen bzw. neue Fähigkeiten angewendet werden. Eine weitere Möglichkeit, den Lernenden attraktive Handlungsoptionen anzubieten, sind Simulationen oder Lernspiele. Nach der Einführung des Grundlagenwissens kann so die Anwendung des Gelernten ermöglicht und gefördert werden. Segel- oder Flugsimulatoren, aber auch die Möglichkeit der freien Parametereingabe zur Erzeugung von Funktionskurven sind bekannte Anwendungsbeispiele.
S1: Natürliche Konsequenzen, intrinsische Verstärkung Tätigkeitsanreize
Natürliche Konsequenzen
Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Übungen, die die Anwendung neuen Wissens ermöglichen • Nachfolgende Einheiten greifen auf zuvor Gelerntes zurück • Angebot von Lernspielen oder Simulationen
25.2 Das ARCS-Modell
379
S2: Positive Folgen, extrinsische Belohnungen Folgenanreize
Rückmeldungen
Belohnungen
S2: Positive Folgen, extrinsische Belohnungen (extrinsic rewards): Rückmeldungen und Bekräftigungen sollen geeignet sein, das jeweils erwünschte Verhalten aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zur intrinsischen Verstärkung liegt die Bekräftigung hier nicht in der Tätigkeit, sondern in ihrer Folge (Folgenanreize, s. Kap. 24.3.2). Folgenanreize können in Form von Rückmeldungen oder Belohnungen gegeben werden. In einem einführenden Tutorial sollten positive, motivierende Rückmeldungen nach jeder richtigen Antwort gegeben werden, bei anwendungsbezogenen Übungen jeweils erst nach Abschluss einer sinnvollen Aufgabeneinheit. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Lerner nicht übertrieben für einfache Aufgaben gelobt werden. Sie könnten sonst annehmen, es würde ihnen nichts zugetraut und sie würden deshalb wegen Kleinigkeiten gelobt. Als Belohnungen für die Bearbeitung einzelner Programmteile können Spielangebote, Animationen oder sonstige Bildschirmdarstellungen angeboten werden. Sie sollten jedoch nicht wesentlich interessanter sein als der eigentliche Lerninhalt. Nach Möglichkeit sollte der Lerner die Belohnungsform selbst auswählen können, um negative Effekte, die durch die Kontrolle anderer entstehen können, zu vermeiden (Korrumpierungseffekt). Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Positive Rückmeldungen nach jeder Aufgabe bzw. nach sinnvollen Aufgabeneinheiten • Verzicht auf übertriebenes Lob • (Selbst wählbare) Belohnungen durch Spielangebote
S3: Gleichheit, Gerechtigkeit
S3: Gleichheit, Gerechtigkeit (equity): Beurteilungsmaßstäbe und Konsequenzen erbrachter Leistungen müssen stets in sich stimmig sein. Damit die Lernenden ihre eigenen Lernergebnisse einschätzen und bewerten können, müssen bei Bewertungen die Bewertungsmaßstäbe und ihre Anwendung transparent und nachvollziehbar sein. Inhalt und Struktur jeder Lektion wie auch des ganzen Programms sollten mit den angegebenen Zielen und der Überblicksdarstellung übereinstimmen. Auch die Übungen und Testaufgaben sollten untereinander stimmig und auf die Lernziele abgestimmt sein. Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen: • Transparenz & Nachvollziehbarkeit der Bewertungsmaßstäbe • Stimmigkeit der Lernziele und Überblicksdarstellungen mit dem Inhalt und der Struktur des Lernprogramms • Übereinstimmung der Übungen und Testaufgaben mit den Lernzielen
380
25 Motivationsdesign
25.2.5 Einsatz des Modells Die Frage, wann welche Strategien eingesetzt werden sollen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wie in den meisten Fällen dürfte auch hier die Anwendung des Grundsatzes „viel hilft viel“ kontraproduktiv sein. Vielmehr sollte sich die Wahl der Strategien auf vorangestellte Analysen stützen und so in den systematischen Designprozess eingebunden werden (Keller & Litchfield, 2002). Für die aktuelle Motivation sind sowohl Situations- als auch Personfaktoren entscheidend (s. Kap. 24). Informationen über die Art des Kurses, die Freiwilligkeit der Teilnahme, den jeweiligen Inhalt und den Kontext, in dem das Training eingesetzt wird, sind notwendig, um zu entscheiden, welche Strategien angemessen sind. Auf Personenseite kann auf die Ergebnisse der Adressatenanalyse (s. Kap. 8) zurückgegriffen werden, um Informationen über Alter, Beruf und das Vorwissen der Lernenden zu erhalten. Darüber hinaus sollten auch die Erwartungen und Ziele der Lernenden erhoben werden (s. auch Bedarfsanalyse, Kap. 8). Der Einfluss unterschiedlicher Personenvariablen zeigte sich auch in einigen Studien. Astleitner und Hufnagl (2003) fanden, dass nur jene Lernenden von den eingesetzten ARCS-Strategien profitierten, die eine niedrige Situations-Ergebnis-Erwartung hatten. Lernende mit hohen Situations-Ergebnis-Erwartungen sind dagegen schwer zu motivieren, da sie glauben, dass das Lernergebnis nicht beeinflussbar ist. Sie führen Erfolg und Misserfolg auf stabile Komponenten wie das eigene Talent zurück. Zander et al. (2003) verwendeten frei wählbare motivierende Botschaften und fanden keinen Lerneffekt. Tendenziell profitierten jedoch Lernende mit geringem Vorwissen. Positive Effekte auf den Wissenserwerb zeigten sich außerdem beim Einsatz von Relevanzstrategien (Means, Jonassen & Dwyer, 1997). Eine ausführliche Darstellung der empirischen Forschungsergebnisse zur Anwendung des ARCS-Modells bei der Konzeption von multimedialen Lernumgebungen gibt Astleitner (2005). Beispiele für die systematische Anwendung des Modells bei der Entwicklung multimedialer Lernumgebungen berichtet Keller (1999a, 1999b).
Wann sollten welche Strategien eingesetzt werden?
Forschungsergebnisse
25.2.6 Beziehung zu anderen Modellen Die vier Hauptkategorien des ARCS-Modells definieren Mindestanforderungen jeder Instruktion. Es besteht eine weitgehende Überlappung mit neueren, theoretisch konsistenten Ansätzen, wie etwa dem von Prenzel und Mitarbeitern (Prenzel, Drechsel & Kramer, 1998): Prenzel postuliert folgende Faktoren als notwendige Bedingungen für die Entwicklung einer selbstbestimmten Lernmotivation: • Wahrgenommene Autonomieunterstützung (sinnvolle Wahlmöglichkeiten für die Lernenden) • Kompetenzunterstützung (Förderung der Erfolgszuversichtlichkeit, angemessene Rückmeldung)
25.2 Das ARCS-Modell
Entwicklung einer selbstbestimmten Lernmotivation
381
• Wahrgenommene Instruktionsqualität (u. a. Strukturiertheit, Transparenz, Anpassung an die Lernvoraussetzungen der Lernenden) • Wahrgenommene soziale Einbindung (Integration der Lernenden in Lernergruppen, kollegialer Umgang, Empathie, kooperatives Arbeiten, entspannte freundliche Lernatmosphäre) • Wahrgenommenes Interesse der Lehrenden am Lehrstoff (z. B. Ausdrücken von Einstellungen zum Lehrstoff, Engagement, Enthusiasmus) • Wahrgenommene inhaltliche Relevanz.
Emotionen: das FEASP-Modell
Volition und Handlungskontrolle
Mehr noch als bei Keller wird hier deutlich, dass die Motivierung dem Unterricht nicht beliebig nachträglich hinzugefügt werden kann, sondern als wesentliches Gestaltungsprinzip den gesamten Designprozess bestimmen muss. Motivation hat sowohl kognitive als auch affektive Komponenten. Ein Ansatz, der sich mit dem Einfluss von Emotionen auf den Lernprozess beschäftigt, ist das FEASPModell (Astleitner, 1999, 2000). Die Bezeichnung ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der fünf Kategorien von Emotionen, die in dem Modell unterschieden werden: Angst (fear), Neid (envy), Ärger (anger), Sympathie (sympathy) und Vergnügen (pleasure). Es bietet ebenfalls eine Reihe von Strategien, die bei der Konzeption von Unterricht im Allgemeinen und von multimedialen Lernumgebungen im Besonderen eingesetzt werden können. Für den Lernprozess positive Emotionen sollen gefördert und hinderliche Emotionen unterbunden werden. Eine weitere Komponente, die für den Lernprozess bedeutsam ist, sind volitionale Prozesse der Handlungssteuerung. Die Volitionsforschung beschäftigt sich mit der Frage der Realisierung von Zielen, wie Absichten (Intentionen) gegenüber anderen Handlungsalternativen abgeschirmt werden können. Denn auch wenn ein Lernender die Absicht gefasst hat zu lernen, kann ihm das Weggehen mit Freunden ungleich attraktiver erscheinen. Nach der Handlungstheorie (Kuhl, 1983, 1987) können fünf Mechanismen zur Erleichterung der Handlungsdurchführung eingesetzt werden (Kuhl, 1996; zit. nach Wild, Hofer & Pekrun, 2006, S. 220): • Die Aufmerksamkeit auf zielrelevante und handlungsbegünstigende Informationen fokussieren • Informationen ausblenden, die nur mit Blick auf Handlungsalternativen relevant (gewesen) wären • Positive Emotionen anregen und leistungsbeeinträchtigende Emotionen unterdrücken. Zur Förderung der eigenen Motivation: • Positive Konsequenzen des Lernens bewusst machen • Nachteilige Umweltfaktoren gezielt kontrollieren („Lockreize beseitigen“, z. B. Telefon abschalten). Deimann und Keller (2006) zeigen Möglichkeiten auf, volitionale Prozesse in theoretische Modelle zum multimedialen Lernen einzuordnen.
382
25 Motivationsdesign
25.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden zunächst die Ziele des Motivationsdesigns herausgearbeitet. Es geht dabei um die Aktivierung von Lernhandlungen sowie die Unterstützung der Lernenden bei der Setzung realistischer Ziele und der Aufrechterhaltung der Lernaktivitäten. Dazu wurde das ARCS-Modell (Keller, 1983) vorgestellt, das Strategien zur systematischen Förderung der Motivation enthält. Das Modell umfasst vier Hauptkategorien: Aufmerksamkeit, Relevanz, Erfolgszuversicht und Zufriedenheit. Jeder dieser Hauptkategorien sind Subkategorien zugeordnet, zu denen Prozessfragen für das Motivationsdesign und konkrete Empfehlungen für die Umsetzung in multimedialen Lernumgebungen erläutert wurden. Dies wurde um Hinweise zum Einsatz des Modells ergänzt sowie um entsprechende Forschungsergebnisse. Zum Abschluss des Kapitels wurden weitere Modelle genannt, die im Rahmen des Motivationsdesigns von Bedeutung sind. Diese setzen z. T. andere Schwerpunkte, indem sie auf Emotionen oder Volition und Handlungskontrolle abheben. Für ein gelungenes Motivationsdesign reicht es nicht aus, nachträglich „motivierende Extras“ hinzuzufügen. Stattdessen sollten Überlegungen zur Motivierung der Lernenden den gesamten Entwicklungsprozess begleiten: von der Konzeption der gesamten Lerneinheit bin hin zur Gestaltung einzelner Elemente.
Literatur Astleitner, H. (1999). Emotionale Unterrichtsgestaltung. Pädagogische Rundschau, 53 (307−326). Astleitner, H. (2000). Designing emotionally sound instruction: The FEASP-approach. Instructional Science, 28 (169−198). Astleitner, H. (2005). Motivationsförderung im E-Learning: Stand der Forschung zum ARCS-Modell. Beitrag zur NET-ELC Jahrestagung, ETH Zürich. Astleitner, H. & Hufnagl, M. (2003). The effects of situation-outcome-expectancies and of ARCS-strategies on self-regulated learning with web-lectures. Journal of Educational Multimedia and Hypermedia, 12, 361−367. Deimann, M. & Keller, J. M. (2006). Volitional Aspects of Multimedia Learning. Journal of Educational Multimedia and Hypermedia, 15(2), 137−158. Domagk, S. (2008). Pädagogische Agenten in multimedialen Lernumgebungen. Empirische Studien zum Einfluss der Sympathie auf Motivation und Lernerfolg (Band 9 der Reihe Wissensprozesse und digitale Medien). Berlin: Logos. Domagk, S. & Niegemann, H. M. (2005). Pedagogical Agents in Multimedia Learning Environments: Do They Facilitate or Hinder Learning? Paper presented at the 13th International Conference on Computers in Education (ICCE), Singapore: IOS Press. Domagk, S. & Niegemann, H. M. (2008). Motivationsdesign im Hochschulunterricht. In J. Zumbach & H. Mandl (Hrsg.), Pädagogische Psychologie in Theorie und Praxis. Ein fallbasiertes Lehrbuch (S. 205−211). Göttingen: Hogrefe. Domagk, S., Poepperling, P., & Niegemann, H. M. (2006). Do people prefer the opposite sex? Characteristics of pedagogical agents. In G. Clarebout & J. Elen (Eds.), Avoiding simplicity, confronting complexity (pp. 187−192). Rotterdam: Sense Publishers. Keller, J. M. (1983). Motivational design of instruction. In C. M. Reigeluth (Ed.), Instructional design theories and models: An overview of their current studies. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Keller, J. M. (1999a). Motivation in Cyber Learning Enviroments. Paper presented at the Korean Society for Educational Technology, Seoul, Korea. Keller, J. M. (1999b). Using the ARCS Motivational Process in Computer-Based Instruction and Distance Education. New Directions for Teaching and Learning, 78, 39−48.
Literatur
383
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384
25 Motivationsdesign
Teil VIII Qualitätssicherung
26 Storyboard
Wenn alle Designentscheidungen im weitesten Sinne getroffen sind – was dann? An dieser Stelle sind wieder operativ-technologische Aussagen gefragt. Alle Ideen müssen nun in geeigneter, präsentabler Form manifestiert werden, bevor die Produktion des „E-Learning-Produkts“ beginnen kann. Hierfür eignet sich ein Storyboard. Wenn Sie dieses Kapitel bearbeitet haben, sollten Sie verstanden haben,
Lernziele
• was ein Storyboard ist und welche Funktionen es hat, • welche Informationen es enthält und • welche Alternativen es gibt.
26.1 Manifestation und Präsentation der Konzeptionsund Gestaltungsideen Um die getroffenen Ideen und Entscheidungen umsetzen zu können, benötigt die Produktion in jedem Fall eine möglichst genaue Vorlage für die Umsetzung in ein Programm. Bei einem externen Auftraggeber ist es in der Regel zudem erwünscht und sinnvoll, vor Beginn der Produktion die Konzeption und Gestaltungsideen zu präsentieren und das Einverständnis der Geldgeber einzuholen. Denn spätere Änderungen am Softwareprodukt können erhebliche Kosten verursachen. Ein Storyboard fixiert alle Entscheidungen, wie Zieldefinition, Analysen und Designentscheidungen. Da es sich bei E-Learning-Angeboten aber im Allgemeinen nicht um eine lineare Abfolge von Bildschirmseiten handelt, ist es zweckmäßig, zusätzlich zum Storyboard ein Ablaufdiagramm zu erstellen.
Kommunikation mit der Produktion
26.2 Ablaufdiagramm Bevor Texte, Bilder, Video- und Audioelemente (assets) didaktisch sinnvoll zusammengeführt werden, gilt es, die Gesamtstruktur des Multimediaprodukts zu definieren.
26.2 Ablaufdiagramm
387
Ablauf- oder Flussdiagramm
Auf der Grundlage der Entscheidungen über die zu vermittelnden Inhalte (s. Kap. 12), ihre Segmentierung (Aufteilung in Schritte bzw. Kapitel und Unterkapitel) und die Sequenzierung im Kontext des gewählten didaktischen Designmodells (s. Kap. 13) einerseits und den Entscheidungen zur Adaptivität und zu den Formen der Interaktivität (s. Kap. 20) andererseits wird zunächst ein Strukturgraph entworfen: eine Darstellung aller Navigations- und Aktionsmöglichkeiten innerhalb des fertigen Produkts. Eine bewährte Repräsentationsform ist ein Ablauf- oder Flussdiagramm (flowchart), wobei die Standardform oft an die speziellen Anforderungen der Darstellung angepasst wird. Meist entsteht der erste Entwurf mit Papier und Stift, für eine saubere Darstellung kann auf Softwaretools (z. B. Microsoft Visio) zurückgegriffen werden.
26.3 Storyboard Screen für Screen alle Designentscheidungen realisiert
Ein Storyboard ist für eine digitale Lernumgebung das, was ein detailliertes Drehbuch für einen Film ist: eine genaue Anleitung für die informationstechnische Umsetzung der Konzeption in eine Software. Eine ausführliche Darstellung für Praktiker liefert Mair (2005). Die Fertigstellung des Storyboards ist in der Regel auch ein wichtiger Meilenstein für das Projektmanagement. Das Storyboard erleichtert auch die endgültige Kalkulation der Entwicklungskosten. Seine Entwicklung beendet die Phase, in der alle Designentscheidungen getroffen und realisiert werden. Das fertige Storyboard repräsentiert das Design, die Konzeption einer Lernumgebung. Es müssen Screen für Screen alle Designentscheidungen deutlich werden. Möglichst schon zu Beginn der Storyboard-Entwicklung sind alle Standards der Produktion festzulegen. Im einzelnen sind dies (Schifman, Heinrich & Heinrich, 1999, S. 106 ff.): • Screenlayout (Standardbildschirmgröße, Aufteilung) • Anordnung der Bedienelemente (Navigationsleiste, fixe Buttons) • Standardschriften, Schriftgrößen, Textgestaltung • Grafikformate (PNG, JPEG, SVG usw.) • Layoutraster und Hintergrundgrafiken • Farben, reservierte Farben • Entwicklungstools (Autorensoftware, Grafikprogramme) • Audioqualität (u. a. Samplingraten) • Videoqualität (Videoformat, Digitalisierung) • Animationsqualität (Clipanimationen, Pfadanimationen, Objektanimationen usw.) • Funktionen der Menüs und der Bedienelemente • Alle Texte, die auf einem Bildschirm ohne Scrollen zu sehen sind; längere Texte, insbesondere Materialien, die z. B. als ladbare Dateien enthalten sind, müssen eindeutig beschrieben werden oder sie werden dem Storyboard als Anhang beigefügt. • Alle Bilder: Soweit die Beschaffung noch nicht erfolgt ist, müssen die Anforderungen an die zu beschaffenden Bilder möglichst genau beschrieben werden.
388
26 Storyboard
• 200Alle Texte und Bilder sind platziert und in realistischer Proportionalität zueinander dargestellt. • Musik, Geräusche mit genauer Beschreibung; falls ein Kompositionsauftrag vergeben werden soll, Angabe der zu vermittelnden Stimmung, Länge der Stücke usw. • Videoeinblendungen soweit Archivmaterial verwendet wird, ist die genaue Bezeichnung anzugeben. Falls Videos noch zu produzieren sind, nach Möglichkeit Drehbuch beifügen oder nachreichen. • Genaue Angabe der Präsentationszeit, soweit die Darbietungszeiten nicht dem Lernenden überlassen werden. • Navigationsmöglichkeiten bzw. Hyperlinks: Zu jedem Hyperlink bzw. jedem Button (Schaltfläche) soll (möglichst am Rand) das Ziel der Verzweigung angegeben werden. • Selbstablaufende Sequenzen von Bildschirmdarstellungen sollten nötigenfalls durch mehrere Seiten des Storyboards repräsentiert werden. • Besondere Funktionen von Hyperlinks oder Buttons sollen ebenfalls beschrieben werden. • Grobe Vorgaben bzw. Vorschläge für das grafische Screendesign • Liste aller zu verwendenen Assets (mediale Elemente). Wie das Storyboard im Einzelnen gestaltet ist, kann von den benutzten Autorenwerkzeugen abhängig sein. Abbildungen 26.1 und 26.2 zeigen einfache Schemata für multimediale Lernprogramme bei einem vorwiegend seitenorientierten Design. Storyboard Nr.
Programmname
Abb. 26.1: Schema für ein einfaches StoryboardLayout (nach Alessi & Trollip, 2001, S. 563)
Kommentare:
Autor: Datum:
26.3 Storyboard
389
Der größte Bereich gibt die Bildschirmdarstellung wieder. Es empfiehlt sich, die Größe dieses Feldes proportional zur Bildschirmgröße zu wählen (im Allgemeinen noch 4 : 3). Die Felder rechts und oben enthalten Hinweise für das Entwicklerteam, wobei die jeweiligen Verzweigungen (Links) besonders wichtig sind. Wenn das Storyboard am PC entwickelt wird, empfiehlt es sich, hierzu eine Dokumentvorlage (DIN-A4-quer) zu entwickeln, in der die entsprechenden Felder jeweils vorgegeben sind.
Abb. 26.2: Weiteres Schema für ein einfaches Storyboard-Layout (nach Alessi & Trollip, 2001, S. 564)
Titel: Einheit:
Abschnitt: Grafiken: Ja Nein
Seite: Audio: Ja
Nein
Notizen:
Zurück
Weiter
Audio:
MS Powerpoint als Werkzeug
390
Die Nachteile des Arbeitens mit Kopiervorlagen liegen auf der Hand, Änderungen sind relativ aufwendig, Präsentationen vor einer Gruppe schwierig. Die handschriftlichen Einträge entsprechen oft auch nicht der wünschenswerten Größendarstellung auf dem Bildschirm. Man fragt sich natürlich, weshalb es anders als im Bereich der Drehbuchentwicklung für Filme (s. u.) bisher keine Softwaretools gibt, um die Storyboard-Erstellung zu unterstützen. Verbreitet ist daher die Verwendung von MS Powerpoint (oder einer anderen Präsentationssoftware) als Werkzeug. Der Vorteil einer Nutzung von Powerpoint (im Gegensatz zu MS Word zum Beispiel) liegt zunächst darin, dass alle Bildschirminhalte so platziert werden können, wie sie später dargestellt werden sollen. Man ist gezwungen, den Bildschirm als Rahmen zu benutzen und sieht unmittelbar, was sich unterbringen lässt und was zu viel ist. Das Layout kann jeweils mit Hilfe der „Folienmaster“ definiert werden und auch die Nutzung der Kommentarfunktionen (z. B. um den Entwicklern Hinweise zur Farbwahl usw. zu geben) ist recht praktisch (vgl. Abb. 26.3 und Abb. 26.4).
26 Storyboard
Um die wichtigen Metadaten, Anweisungen, Link-Beschreibungen usw. systematisch darzustellen, wurde an der Universität Erfurt ein Add-In entwickelt. Dieses Add-In generiert eine Eingabemaske, in die alle entsprechenden Informationen eingegeben werden. Eine Untermaske erfasst alle Assets, die auf der entsprechenden Seite verwendet werden. Nach Eintrag aller Informationen wird die Maske geschlossen und alle Eintragungen werden in das Notizfeld (unterhalb jeder Folie) geschrieben. Wenn die PowerpointDatei mit Notizfeld ausgedruckt wird, sind auf jedem Blatt oben die Bildschirmdarstellung zu sehen darunter alle Metainformationen. In einer neuen Version des Add-In ist es auch möglich, die Einträge eines Storyboards ohne die Bildschirmdarstellungen als Listen auszugeben. Die Vorteile des Tools sind die gute Präsentierbarkeit und die Möglichkeit, Assets (auch Videos) ohne großen Aufwand bereits einzubauen. Wenn im Rahmen der Konzeption und Entwicklung eines E-Learning-Angebots auch Filme zu drehen sind und ein Drehbuch zu schreiben ist, kann auf das Werkzeug „Moving-Plot“ zurückgegriffen werden. Es handelt sich dabei um ein Add-In für MS Word. Nützliche Hinweise zur Erstellung von Film- und Drehbüchern finden sich u. a. in Cowgill (2001). Wenn die Erstellung des Storyboards abgeschlossen und abgenommen ist, kann die Produktion im engeren Sinn beginnen: Softwareentwicklung, Herstellung von Fotos und Grafiken sowie gegebenenfalls Audio- und Videoproduktion.
Tool für FilmDrehbücher
Abb. 26.3: Storyboard-Tool (Add-In für Powerpoint). Das Layout der Seite wird mit Hilfe der FolienmasterFunktion festgelegt. Platz für Bilder oder für die Präsentation von Videos werden durch Rechtecke gekennzeichnet. Hier ist die Eingabemaske geöffnet mit den Metadaten und den Anweisungen für die Produktion und zusätzlich das Fenster zur Erfassung der auf dieser Seite verwendeten Assets (hier: eine Videodatei).
26.3 Storyboard
391
Abb. 26.4: Ausgedruckte Storyboard-Seite
26.4 Alternative Rapid Prototyping? Die bisher dargestellte Abfolge – erst Storyboard, dann Produktion – wird allerdings nicht immer so strikt gehandhabt. Eine gewisse Überlappung der Aufgaben gibt es, wenn die aus dem Bereich der systematischen Softwareentwicklung übernommene Strategie des „Rapid Prototyping“ (Tripp & Bichelmeyer, 1990) gewählt wird.
392
26 Storyboard
Beim „Rapid Prototyping“ (RP) für die Entwicklung von multimedialen Lernumgebungen werden alle Bildschirmseiten zunächst ohne Programmierung der Funktionalität grafisch erstellt, durch Hyperlinks verknüpft und nach Bestätigung von Qualität und Akzeptanz ausprogrammiert und grafisch komplettiert. Um die grafische Darstellung zu verdeutlichen, können in einer frühen Phase Clip-Art-Grafiken, schnell geschossene digitale Fotos und nötigenfalls sogar provisorische Videosequenzen eingefügt werden, die dann sukzessive durch die endgültigen Assets ersetzt werden. Einige Autoren entwickeln das Storyboard praktisch parallel zum RP, es werden dann Hardcopies der vorläufigen Screens in das Storyboard kopiert. RP als Entwicklungsstrategie integriert wesentliche Funktionen der formativen Evaluation (s. Kap. 27). Sie erlaubt in mancher Beziehung eine bessere Qualitätssicherung. Die Verzahnung von Design und Entwicklung ermöglicht es, Gestaltungsalternativen am Bildschirm zu testen und die Designentscheidung auf der Basis der Prototypentwicklung zu treffen. Sehr früh können so auch schon Repräsentanten der Adressatengruppe oder Inhaltsexperten mit Merkmalen der Prototypen konfrontiert werden und gegebenenfalls Revisionen vorgenommen werden. Tripp und Bichelmeyer (1990) sowie Rieber (1994, S. 192 ff.) sehen in RP eine Alternative zur formativen Evaluation in seiner herkömmlichen Form, vorausgesetzt die während des RP zu treffenden Designentscheidungen sind jeweils reflektiert und es werden tatsächlich Alternativen geprüft. Wir empfehlen RP nur in Ausnahmefällen, z. B. für die Konzeption der MenschComputer-Interaktion (s. Kap. 19), speziell die in der zukünftigen multimedialen Lernumgebung angebotenen Navigations- und Orientierungsmöglichkeiten. Die Erstellung eines Storyboards sollte bei der E-Learning-Entwicklung die Standardprozedur sein.
Rapid Prototyping bei der Entwicklung von E-Learning-Angeboten
Empfehlung: Storyboard erstellen
26.5 Zusammenfassung Ein wichtiges Mittel, alle Designentscheidungen, die während der systematischen Konzeption des multimedialen Lernangebotes getroffen wurden, zu manifestieren, ist üblicherweise ein Storybord mit dazugehörigem Ablaufdiagramm. Im Storyboard werden Screen für Screen alle Designentscheidungen dargestellt. Das dazugehörige Ablaufdiagramm enthält alle Navigations- und Aktionsmöglichkeiten, die der potentielle Lernende im fertigen Produkt hat. Das Storyboard dient den Entwicklern der multimedialen Lernumgebung als Vorlage für die informationstechnische Umsetzung. Auftraggebern hilft es sich das zukünftige Lernprodukt genau vorzustellen. Das Rapid Prototyping bietet eine Möglichkeit, prototypische Lerneinheiten schon vor der Fertigstellung des Storyboards Entwicklern, potenziellen Lernenden oder dem Auftraggeber zu präsentieren. Mit dieser Vorgehensweise soll festgestellt werden, ob das zukünftige Produkt erwarten lässt, dass die definierten Ziele durch die zu entwickelnde Lernumgebung auch erfüllt werden können. Empfehlenswert ist diese Methode vor allem für die Konzeption der Navigations- und Orientierungsmöglichkeiten (s. Kap. 19 und Kap. 28). Denn Rapid Prototyping zeigt zu einem sehr frühen Konzeptionszeitpunkt, ob die angebotenen Navigationsmöglichkeiten die Lernenden zufrieden stellen und das Lernen zukünftig unterstützen werden.
26.5 Zusammenfassung
393
Literatur Alessi, S. M. & Trollip, S. R. (2001). Multimedia for learning. Methods and development (3rd ed.). Boston, London: Allyn and Bacon. Cowgill, L. J. (2001). Wie man Kurzfilme schreibt. Frankfurt a. M.: Zweitausendeins. Mair, D. (2005). E-Learning − das Drehbuch. Heidelberg: Springer-Verlag. Rieber, L. P. (1994). Computers, graphics, & learning. Madison, WI: Brown & Benchmark. Schifman, R., Heinrich, Y. & Heinrich, G. (1999). Multimedia − Projektmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. Tripp, S. D. & Bichelmeyer, B. (1990). Rapid prototyping: an alternative instuctional design strategy. Educational Technology Research and Development, 38(1), 31−44.
394
26 Storyboard
27 Evaluation multimedialen Lernens
Qualitätssicherung und Evaluation sind heute nicht mehr angestrebtes Ziel während des Konzeptions- und Entwicklungsprozesses multimedialer Lernangebote, sondern ein Erfolgsfaktor. Kontinuierliche Qualitätskontrolle gilt als wesentliche Voraussetzung für die Zufriedenheit beim Lernen. Dabei ist Evaluation kein Begriff der sich auf multimediales Lernen allein bezieht, vielmehr evaluieren wir jeden Tag. Wir bewerten Informationen und wählen nach bestimmten Qualitätskriterien Obst und Gemüse im Supermarkt aus. Dennoch unterscheidet sich unser alltägliches Verständnis von Evaluation von deren wissenschaftlichen Definition. Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sollten Sie wissen bzw. verstanden haben,
Lehrziele
• wie Evaluation im wissenschaftlichen Sinn definiert wird, • wie Qualitätssicherung im Bereich des multimedialen Lernens erreicht werden kann, • welche Entscheidungen getroffen werden müssen, um erfolgreich evaluieren zu können, und wodurch diese beeinflusst werden, • welche Evaluationsmodelle, -kriterien und Erhebungsmethoden es gibt, • welche Phasen eine Evaluation hat.
27.1 Der Begriff „Evaluation“ Evaluation ist im Bildungsbereich ein zentraler Begriff (Tergan, 2001). Er beschreibt Ähnliches oder vielfach Gleiches, wie die Begriffe Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung oder Wirkungskontrolle. Evaluation wird in der Praxis in unterschiedlich breiter Bedeutung verwendet. So kann Evaluation sehr weit gefasst als reine Bewertung eines Prozesses, Ergebnisses oder Wertes eines Gegenstandes oder einer Sache aufgefasst werden (Scriven, 1991). Im engeren Sinne wird Evaluation als systematische Bewertung gesehen, die auf nachprüfbaren objektiven Kriterien aufbaut (Beywl, 1987; Kromrey, 2001). Im engsten Sinne geht es bei einer Evaluation darum, ein Bildungsangebot oder eine einzelne Maßnahme hinsichtlich Qualität, Funktionalität, Wirkung und Nutzen zu analysieren und zu bewerten. Dies erfolgt auf Grundlage einer systematisch erhobenen Datenbasis, entweder (a) während
27.1 Der Begriff „Evaluation“
Unterschiedliche Auffassungen
395
Definition
Abgrenzung Grundlagenforschung
jeder oder (b) nur in einer ausgewählten Phase oder (c) nach dem Einsatz des Angebotes (Rossi & Freeman, 1999; Rossi, Lipsey & Freeman, 2005; Will, 1987). Dieses Begriffsverständnis wird auch mit Evaluationsforschung bezeichnet (Suchman, 1967). Unter Evaluation im engeren Sinne wird demnach systematische Kontrolle von Qualität, Funktionalität, Wirkung und Nutzen auf Basis systematisch erhobener Daten mit wissenschaftlichen Methoden verstanden. Evaluation im Unterschied zur Grundlagenforschung hat einen Auftraggeber, der konkrete Absichten verfolgt. Mittels Evaluation wird konkret ein Produkt oder ein Prozess bewertet. Meist entspricht dies einer engeren Zielsetzung und engeren Forschungsfragestellung, als dies in der Grundlagenforschung der Fall ist. Hinsichtlich der Auswahl des Untersuchungsgegenstandes und der Datenerhebungs- und Analysemethoden unterscheiden sich beide Forschungsformen nicht.
27.2 Entscheidungen und Phasen – ein Überblick Um eine Evaluation im engeren Sinne erfolgreich durchführen zu können, müssen vorab verschiedene Entscheidungen getroffen werden. Diese können jeweils einem Evaluationsabschnitt zugeordnet werden. Einen Überblick gibt die nachfolgende Abbildung 27.1. Sie zeigt die einzelnen Entscheidungsfelder links und die Evaluationsabschnitte rechts mit ovaler Umrandung. Die Pfeile zwischen Entscheidungen und Evaluationsabschnitten
Abb. 27.1: Prototypisches Modell eines Evaluationsprozesses
Evaluationsentscheidungen
Funktionen Typus
Evaluationsabschnitte
1. Definition
Zielorientierung
2. Ziele setzen
Modell Kriterien Methoden Instrumente
3. Planung
4. Datenerhebung und Auswertung
5. Berichtlegung
6. Bewertung und weitergehende Nutzung
396
27 Evaluation multimedialen Lernens
symbolisieren den Einfluss, denn die einzelne Entscheidung auf den jeweiligen Evaluationsabschnitt hat. Aber, auch wenn in der Grafik die einzelnen Entscheidungsfelder und Evaluationsabschnitte klar getrennt visualisiert sind, so gehen sie dennoch häufig im konkreten Evaluationsprojekt ineinander über (s. auch Kap. 27.10). Nachfolgend soll nun zunächst auf die Evaluatinsentscheidungen eingegangen werden, bevor ab Kap. 27.10 die einzelnen Evaluationsschritte vorgestellt werden.
27.3 Die Funktionen der Evaluation Die Funktionen der Evaluation sind entsprechend der Vielfalt der Interessen, die mit ihr verbunden sind, sehr unterschiedlich. Eine mögliche Systematisierung schlägt Rowntree (1992) vor. Er unterscheidet zwischen: • strategisch-politischer Funktion, • Kontroll- und Entscheidungsfunktion sowie • Erkenntnisfunktion. Die strategisch-politische Funktion dient zumeist der Legitimation einer Bildungsmaßnahme bzw. eines Bildungsangebotes. Externe Förderer der Maßnahme sollen von deren Sinn und Nutzen überzeugt werden. Mit Kontroll- und Entscheidungsfunktion meint Rowntree (1992), dass Evaluation dazu beiträgt, kurz-, mittel- und langfristig das Bildungsangebot zu optimieren und dadurch dessen Qualität zu kontrollieren. Wird Evaluation mit dem Ziel der Erkenntnis durchgeführt, so zielt sie auf die Prüfung von Effekten des Bildungsangebotes, häufig auch im Vergleich zu anderen Angeboten. Innovatives Potenzial soll dadurch entdeckt werden oder eine Einschätzung des Angebotes nach bestimmten Kriterien, erfolgen, z. B. nach psychologisch-didaktischer oder technischer Qualität. Scriven (1991) empfiehlt ein analytisches Vorgehen, das zu möglichst vielen entscheidungsrelevanten Aspekten, quantitativ Auskunft gibt und summativ ausgerichtet ist. Stockmann (2004) ergänzt die drei Funktionen um eine vierte, die Dialogfunktion. Evaluation kann Transparenz schaffen, um in Dialog miteinander zu treten über Zusammenarbeit, Erfolge, Defizite oder weitere Handlungsschritte.
Strategisch-politische Funktion Kontroll- und Entscheidungsfunktion Erkenntnisfunktion
Dialogfunktion
27.4 Typus der Evaluation Evaluationsansätze können auch hinsichtlich des Charakters ihrer angestrebten Evaluationsergebnisse unterschieden werden, und zwar bezogen auf: • den Zeitpunkt der Datenerhebung, • den Gegenstand der Evaluation, • ihre grundlegende Ausrichtung, • das Involvement der Evaluierenden.
27.4 Typus der Evaluation
397
27.4.1 Zeitpunkt der Datenerhebung
Summative Evaluation
Eine gebräuchliche Einteilung anhand des Zeitpunktes der Datenerhebung eines Evaluationsvorhabens unterscheidet in summative und formative Evaluation (Rossi, Lipsey & Freeman, 2005; Wottawa & Thierau, 1990). Die summative Evaluation findet am Ende einer Bildungsmaßnahme statt. Beispielsweise kann mit Hilfe einer summativen Evaluation überprüft werden, ob die Nutzer eines multimedialen Lernprogramms mit diesem subjektiv zufrieden waren und erfolgreich lernen konnten. Smith und Ragan (2005) formulieren folgende typische, die summative Evaluation leitende Fragen: • Haben die Lernenden das Lernziel erreicht? • Wie fühlten sie sich dabei? • Welche Kosten verursachte das Bildungsprogramm? • Wie viel Lernzeit wurde für das gesamte multimediale Bildungsangebot benötigt? • Konnte die Instruktion wie geplant um- und eingesetzt werden? • Welche unerwarteten Schwierigkeiten resultierten aus der Konzeption der Instruktion?
Formative Evaluation
Ziel einer summativen Evaluation ist es demnach festzustellen, ob das Bildungsangebot oder Komponenten dessen den Erwartungen in der praktischen Anwendung gerecht werden können. Meist werden dazu Daten zu Akzeptanz, Lernerfolg, Transferierbarkeit und Praxisrelevanz des Wissens erhoben. Sie dienen als Effektivitäts- und Effizienzindikatoren des Bildungsangebotes. Im Gegensatz zur summativen Evaluation wird mittels formativer Evaluation schon entwicklungsbegleitend geprüft, inwieweit das multimediale Lernangebot oder dessen Komponenten Schwachstellen aufweisen. Typische Fragestellungen formativer Evaluation sind (Smith & Ragan, 2005): • Versteht der Lernende die Instruktion? • Weiß der Lernende zu jedem Zeitpunkt, was er in der Lernumgebung tun soll? • Kann er Text, Grafiken, Videos, Animationen und Audio etc. verstehen und interpretieren? • Versteht er Übungs-, Anwendungs- und Testaufgaben? • Kann er sämtliche angebotenen Werkzeuge, wie Forum, Chat, Bulletinboards, „mind tools“ (Jonassen, 2000) etc. optimal zur Erreichung des Lernziels nutzen? • Kann der Lernende optimal Menü-und Navigationsfunktionen nutzen? Wird er durch die angebotenen Hilfen zur Orientierung angemessen unterstützt? • Wie fühlt er sich während es Lernens? Die kontinuierliche Kontrolle von Inhalten, Umsetzungen und Wirkungen des multimedialen Angebotes bezieht sich auf die Inhalte, Instruktion, Gestaltung und Usability des Angebotes. Mit dem Ziel, Stärken und Schwächen des Lernangebotes zu identifizieren,
398
27 Evaluation multimedialen Lernens
werden Daten zu soft- oder hardwareseitigen Fehlern, Lernwirksamkeit, Lernzufriedenheit, Darbietung des Lernstoffes, zu Lernschwierigkeiten oder zum Lernerfolg erhoben. Bei unbefriedigenden Ergebnissen oder Abläufen müssen gezielt Veränderungen und Verbesserungen am zuvor evaluierten Angebot initiiert werden.
27.4.2 Gegenstand der Evaluation Evaluationsansätze können auch nach dem Gegenstand, der mit ihrer Hilfe evaluiert werden soll, unterschieden werden. Dabei können nach Stufflebeam (1983) der Context, der Input, der Process und das Product als Evaluationsgegenstände evaluiert werden (CIPP-Modell). Bei der Prozessevaluation (process) wird der gesamte Prozess von der Konzeption über die Entwicklung bis hin zum Einsatz auf Schwachstellen im Verfahren, der Planung und Abstimmung geprüft. Aber auch auf der Metaebene werden Abläufe und Inhalte dahingehend analysiert, wo die Evaluation effektiver werden muss oder ob es Bereiche gibt, die bisher nur ungenügend evaluiert wurden. Wird ein konkretes Produkt (product), also ein multimediales Lernangebot oder seine Komponenten, daraufhin analysiert, ob die gesetzten Ziele, z. B. Erwerb von Wissen, erreicht wurden, dann spricht man von Produktevaluation. Neben diesen beiden Formen unterscheidet Stufflebeam (1983) noch die Kontextevaluation (context), die Rahmenbedingungen des Einsatzes multimedialen Lernens analysiert, und die Inputevaluation (input), die sich auf die Lernvoraussetzungen der Lernenden bezieht.
Stufflebeams CIPP-Modell
27.4.3 Ausrichtung der Evaluation Werden Evaluationen nach ihren möglichen grundlegenden Ausrichtungen betrachtet, so lassen sich praxis- und theorieorientierte Evaluation voneinander unterscheiden (Wottawa & Thierau, 1990). Zielt die Evaluation ausschließlich auf die Bewertung konkreter Praxiseffekte, z. B. darauf, ob eine speziell zum multimedialen Lernprogramm angebotene tutorielle Unterstützung von den Lernenden positiv oder negativ bewertet wird, dann sprechen Wottawa und Thierau (1990) von einer praxisorientierten Evaluation. Diese ist meist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus einer Zusammenstellung speziell interessierender Fragen besteht und häufig mittels Fragebogen oder informell durch Rückfragen an die Lernenden durchgeführt wird. Sie erfolgt eher sporadisch als systematisch kontinuierlich. Im Gegensatz zur praxisorientierten Evaluation erfordert die theorieorientierte Evaluation eine systematische kontinuierliche Datenerhebung. Sie kann entwicklungsorientiert angelegt sein, dann untersucht sie die Verbesserung bestehender Interventionsmaßnahmen, oder sie soll zur Prüfung theoretischer Überlegungen beitragen. Eine sinnvolle Fragestellung im Rahmen des multimedialen Lernens wäre dann: Welche Präsentation des Lernmaterials unterstützt bei den meisten Lernenden das Lernen.
27.4 Typus der Evaluation
Praxisevaluation
Theorieorientierte Evaluation
399
27.4.4 Das Involvement des Evaluators
Selbstevaluation
Fremdevaluation
Vor- und Nachteile
Kombination von Evaluationstypen
Werden die Evaluationsansätze danach unterteilt, welches Involvement eine Person bzw. der Evaluator bei der Planung, Entwicklung und im Einsatz des multimedialen Lernsystems hat, so lassen sich Selbst- und Fremdevaluation unterscheiden (Clarke, 1999; Patton, 1997; Scriven, 1991). Von Selbstevaluation bzw. interner Evaluation wird gesprochen, wenn die evaluierende Person entweder selbst in die Projektentwicklung mit einbezogen wurde (Selbstevaluation) oder aus der gleichen Einrichtung (interne Evaluation) stammt und nur zum Zweck der Evaluation zum Projekt hinzugezogen wird. Bei einer Fremdevaluation ist dies nicht der Fall. Der externe Evaluator stammt nicht aus derselben Einrichtung und wird nur zum Zweck der Durchführung der Evaluation in das Projekt mit eingebunden. Beide Vorgehensweisen haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Wird Evaluation als Selbstevaluation bzw. interne Evaluation durchgeführt, liegt der Vorteil darin, dass die Evaluatoren mit dem Evaluationsgegenstand gut vertraut sind und die Probleme, die während der Projektentwicklung auftraten, kennen. So kann die Evaluation gezielter erfolgen. Jedoch fehlt eventuell die „kritische Distanz“ zum eigenen Produkt, was möglicherweise die Sicht auf Qualitätsmängel verstellt und zu kognitiven und motivationalen Urteilsverzerrungen führen kann (Scriven, 1991). Die Orientierung an methodischen nachvollziehbaren Standards und die Offenlegung der Evaluationsvorgehensweise, der Evaluationskriterien, der Methodik von Datenerhebung und -auswertung beugen diesen möglichen Problemen vor. So ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Produkt gegeben. Allerdings kann ein weiterer Grund für Urteilsverzerrungen auch darin begündet sein, dass es den Evaluatoren an Fachkompetenz mangelt. Sie urteilen dann u. U. auf Basis falscher oder nur begrenzt valider Ergebnisse, aus denen dann die Urteilsverzerrungen resultieren. In diesem Fall ist es sinnvoller, eine externe Evaluation durchführen zu lassen. Im Gegensatz zur Selbstevaluation bzw. internen Evaluation ist bei einer externen Evaluation die „kritische Distanz“ und hohe Fachkompetenz gegeben, aber es kann der Blick für Probleme, die während der Projektentwicklung auftraten, fehlen. Um Beurteilungsfehler sowohl bei der Selbst- als auch bei der Fremdevaluation zu vermeiden, empfiehlt sich eine Kombination aus beiden, Selbst- und Fremdevaluation. Die vorgestellten Typen der Evaluation werden in der Evaluationspraxis miteinander kombiniert. So kann ein Evaluationsvorhaben durchaus formativ angelegt sein und durch Selbst- sowie Fremdevaluation realisiert werden.
27.5 Zielorientierung Zielorientierte Evaluation
400
Evaluation kann zielorientiert (goal oriented evaluation (Scriven, 1991)) ausgerichtet sein, indem sie vorab gesetzte Ziele kontrolliert und damit gleichzeitig aufzeigt, über welche innovativen Elemente das multimediale Angebot bereits verfügt und wo Verbesserungen notwendig werden.
27 Evaluation multimedialen Lernens
Evaluation kann aber auch zielfrei (goal free evaluation (Scriven, 1991)) durchgeführt werden, etwa dann, wenn noch gar nicht klar ist, wodurch sich zeigende Probleme beim Lernen mit einem multimedialen Lernangebot ausgelöst werden. Dann dient Evaluation dazu, möglichst umfassende Informationen zum multimedialen Angebot und dessen Einsatzkontext zu sammeln, um die Problemursachen aufzudecken und das Angebot daraufhin zu optimieren.
Zielfreie Evaluation
27.6 Evaluationsmodelle Evaluationsmodelle definieren die Art und Weise, den Umfang und die Kriterien einer Evaluation und standardisieren dadurch das Evaluationsvorgehen. Es gibt kein einheitliches Evaluationsmodell. Stattdessen existieren die unterschiedlichsten Modelle nebeneinander, allgemeinere und sehr spezielle oder auf einen bestimmten Evaluationsfokus gerichtete. Hier soll lediglich ein Überblick gegeben werden, welche Evaluationsmodelle sich für welche Evaluationsfragestellungen eignen. Eher allgemeine Evaluationsmodelle sind das Stake’sche (1975) und das Provus’sche Evaluationsmodell (1971). Während das Stake’sche (1975) Evaluationsmodell auf einer Beschreibungs- und Urteilsmatrix mit 12 Feldern basiert, die Schwachstellen und Verbesserungspotenziale aufzeigen soll, ist das Ziel des kybernetischen Provus’schen (1971) Evaluationsmodells, Abweichungen zwischen vorher definierten Normen (Sollzustand bzw. Sollverlauf ) und einer Bestandaufnahme des durch den Einsatz des multimedialen Lernangebotes Erreichten (Istzuständen bzw. Istverlauf ) festzustellen. Anschließend werden in aller Regel auftretende Abweichungen bewertet. Es lassen sich mit diesem Modell sehr gezielt und prozessabhängig Schwächen des Angebotes ausmachen. Darüber hinaus kann in einem optionalen weiteren Schritt eine Aufwands-NutzenAnalyse durchgeführt werden. Beide Modelle eignen sich gut, um einzelne Komponenten des multimedialen Lernangebotes zu optimieren. Ein einfaches Evaluationsmodell ist jenes von Kirkpatrick (1998). Das Modell basiert auf vier hierarchisch aufeinander aufbauenden Evaluationsebenen. Auf der ersten Ebene wird die Reaktion der Lernenden auf das Angebot erhoben sowie der Nutzen, den das Angebot für die Teilnehmer hatte. Auf der zweiten Ebene fokussiert das Modell auf den Lernprozess und die Lernergebnisse, auf der dritten Ebene auf das Verhalten in Form von Anwendung und Generalisierung des Gelernten durch die Teilnehmer des Angebotes. Auf der vierten und letzten Ebene liegt der Evaluationsfokus bei globalen organisatorischen Zielen und auf der Kosten-Nutzen-Abwägung der gesamten Maßnahme. Das Modell eignet sich somit gut zur summativen, teilnehmerzentrierten Bewertung einer Maßnahme. Für die Evaluation von multimedialen Lernangeboten die zukünftig in einem breiten Einsatzkontext eingesetzt werden sollen, eignet sich das Modell von Stufflebeam (1983). Das CIPP-Modell unterscheidet die vier Ebenen, Kontext, Input, Produkt und Prozess (s. auch Kap. 27.4.2). Im Rahmen der Kontextanalyse werden Rahmenbedingungen definiert und Probleme und Diskrepanzen zusammengestellt. Auf der Inputebene werden Pläne und Strategien unter den Kriterien Zeit, Ressourcen und Kosten betrachtet und bewertet. In der Prozessevaluation wird nach Fehlern im Evaluationsplan und seiner Durchführung gesucht sowie nach Ursachen für Fehlschläge. Auf der vierten Ebene wird die Wirksamkeit des Produktes bzw. einer Maßnahme beurteilt, Ergebnisse
27.6 Evaluationsmodelle
Allgemeine Evaluationsmodelle
Kirkpatrick’s Modell
Stufflebeam CIPP-Modell
401
Evaluationsmodell von Kemp et al.
Reigeluths Evaluationsmodell
Evaluationsmodell für CSCL
gemessen und interpretiert. Das CIPP-Modell zielt darauf, die Transparenz von Entscheidungsprozessen offenzulegen und dabei die Ebenen der Gemeinde, des Bundeslandes und des Staates in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Geeignet ist das Modell beispielsweise zur entscheidungsvorbereitenden Evaluation darüber, welche Lernplattform sich am besten für den Einsatz in den Schulen eines Bundeslandes eignet oder welche Lernplattform landesweit an den Universitäten und Hochschulen eingeführt werden soll. Zu den Evaluationsmodellen, deren Fokus auf der Bewertung systematisch mittels Instruktionsdesign entwickelter multimedialer Lernumgebungen liegt, gehören das Evaluationsmodell von Kemp, Morrison und Ross (1998) sowie das Modell von Reigeluth (Reigeluth, 1983). Kemp, Morrison und Ross (2001) unterscheiden neun Evaluationsaspekte, die sowohl zu formativer als auch zu summativer Evaluation herangezogen werden können: (1) Zusammenstellen von Problemen und Bedürfnissen, (2) Feststellen von Voraussetzungen und Merkmalen der Lernenden, (3) Analysieren der Lernaufgaben und Lernziele, (4) Definieren des Inhalts, der vermittelt werden soll, (5) Sequenzierung der einzelnen Lernabschnitte, (6) Festlegen der Vermittlungmethoden bzw. Formate, (7) Gestaltung des Instruktionsmaterials, (8) Festlegen des Kursformates, z.B als Lerneinheit in Gruppen oder Einzelarbeit und (9) Festlegen der Evaluationsinstrumente. Reigeluth (1983) hingegen differenziert nur fünf Evaluationsebenen aus: (1) Auswahl des Instruktionsmodells, (2) Entwicklung und Design des Lernmaterials, (3) Anpassung der Instruktion an die gegebenen Rahmenbedingungen, (4) Planen des Einsatzkontextes in Abstimmung zu weiteren thematisch ähnlichen Instruktionsmaßnahmen und (5) Festlegen der Evaluationsinstrumentarien. Beide Modelle eignen sich gut für die formative Evaluation und betonen die permanente Notwendigkeit der Evaluation während des gesamten Prozesses des Instruktionsdesigns, von der Instruktionsentwicklung über die Instruktionsimplementierung bis hin zum Instruktionsmanagement. Sollen CSCL-Lernumgebungen evaluiert werden, so bieten sich die Evaluationsempfehlungen von Pfister und Wessner (2000) an. Sie unterscheiden vier Evaluationsebenen: (1) pädagogisch psychologische Ebene, die Lernziele, Lernmethoden etc. umfasst, (2) technisch funktionale Ebene, auf der die HCI, insbesondere die Softwareergonomie, Usability und Gestaltung betrachtet wird, (3) organisatorisch betriebswirtschaftliche Ebene, die organisatorische Rahmenbedingungen und Kosten analysiert, und (4) soziokulturelle Ebene, auf der die Akzeptanz der CSCL-Umgebung durch die Lernenden und deren Nutzungspotenzial evaluiert wird.
27.7 Evaluationskriterien Evaluationskriterien sind als Gestaltungs- und Bewertungskriterien die Basis für die Evaluation. Sie variieren je nach Evaluationsfokus und verwendetem Evaluationsmodell. So reicht das Spektrum der Evaluationskriterien von der inhaltlichen Darstellung oder dem didaktischen Konzept über den Lernprozess des Nutzers und die Lernergebnisse, die er mit dem Angebot erzielt, bis hin zu softwareergonomischer Gestaltung des Lernangebotes oder der Integration des Angebotes in das gesamte Lernsetting oder organisatorische Aspekte.
402
27 Evaluation multimedialen Lernens
Hier soll nun ein Überblick über die zentralsten Evaluationskriterien gegeben werden, die in jeder Evaluation Berücksichtigung finden sollten. 1. Inhaltliche Gestaltung: Zur inhaltlichen Gestaltung zählen Kriterien zur Auswahl, Aktualität, Umfang und Tiefe sowie Schwierigkeitsgrad, Vielfalt und Komplexität des präsentierten Wissens, aber auch der Situiertheit und des Praxisbezuges. 2. Didaktische Gestaltung: Zur didaktischen Gestaltung zählen Kriterien wie Angemessenheit der gewählten Instruktionsstrategie, Hilfen und Rückmeldungen, aber auch Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Lernenden. Zu diesem Kriterium gehört auch die Auswahl des Präsentationsformates, z. B. Einzellerneinheit oder als CSCL. 3. Präsentation des Lernmaterials: Unter Layoutgestaltung des Lernmaterials werden Kriterien zum angemessenen Einsatz von Text, Bild, Animationen und Video, farblicher Gestaltung und Ton subsumiert. 4. Usability und softwareergonomische Gestaltung: Zu den Kriterien der Usability und Softwareergonomie zählen die Gestaltung des Layouts, die Benutzerführung und programmiertechnische Aspekte. Aspekte der Benutzerführung fokussieren insbesondere auf die Navigationsstruktur und auf die Navigationsmöglichkeiten. Zu den programmiertechnischen Aspekten der Usability und softwareergonomischen Gestaltung zählen hauptsächlich Kriterien zu Prozeduren, die Programmierfehler aufdecken. 5. Lernvoraussetzungen: Vorwissen, Lernkompetenz etc. sowie deren Wechselwirkungen mit der inhaltlich-didaktischen Gestaltung bzw. Usability-Gestaltung sind als Kriterien mit in der Evaluation zu berücksichtigen. 6. Lernprozesse und Lernergebnisse: Dieses Kriterium beinhaltet Angaben zum Lernfortschritt, zur Motivation sowie zum subjektiven und objektiven Lernerfolg. 7. Curriculare Rahmenbedingungen: Ein multimediales Lernprogramm kann, muss aber nicht allein stehen. Gerade wenn es nicht isoliert existiert, sollte es hinsichtlich seiner Abstimmung auf bereits bestehende Lernmodule hin evaluiert werden. Dabei spielen Kriterien, wie Abstimmungsgrad auf bisher existierende Lernmodule oder Integrationsmöglichkeiten in schon vorhandene Lernensembles, eine Rolle. 8. Organisatorische Rahmenbedingungen: Projektmanagement, Zeit-, Kosten- und Materialaufwand sowie ein Soll-Ist-Vergleich der Aufwendungen und des Nutzens für die Teilnehmer und den Auftraggeber kennzeichnen dieses Evaluationskriterium. Über diese grobe Einteilung hinaus hängen die einzelnen Evaluationskriterien davon ab, auf welcher theoretischen Konzeption das multimediale Lernangebot aufbaut. Aus dieser theoretischen Konzeption lassen sich dann systematisch spezifischere Evaluationskriterien ableiten.
27.8 Evaluationsmethoden Bestandteil jeder Evaluation ist die systematische Datensammlung. Diese kann zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten erfolgen: vor Beginn der eigentlichen Intervention,
27.8 Evaluationsmethoden
403
während der Intervention oder danach. Häufig werden dazu Erhebungsverfahren wie die folgenden angewendet: • Inhaltsanalyse • Befragung • Beobachtung • Verhaltensrecording • Tests.
27.8.1 Inhaltsanalyse Mit Hilfe der Inhaltsanalyse, häufig in Form einer Dokumentenanalyse durchgeführt, werden schon vor der Evaluation existierende Dokumente wie Fachliteratur, Lehrpläne, Prüfungsordnungen, Studien- und Kurspläne systematisch dahingehend analysiert, welche Informationen sie zur Konzeption eines multimedialen Lernprogramms, dessen Planung, Rahmenbedingungen und Einsatz enthalten. Das können Informationen zur Präzisierung relevanter Lernziele und Lernaufgaben, zur Entwicklung von didaktischen und gestalterischen Konzepten oder zur Formulierung und Präzisierung von Lernerfolgskriterien sein. Auf der Website von unter Kukhartz http://www.inhaltsanalyse.de findet sich eine Zusammenstellung computergestützter Verfahren der Inhaltsanalyse.
27.8.2 Befragung Fragebögen oder Interviews
Schriftliche oder mündliche Befragung
404
Die Befragung ist die am häufigsten angewandte Evaluationsmethode. Ziel ist es, Informationen, Einschätzungen und Wertungen bestimmter Personen oder Personengruppen zu erhalten. Häufig werden in einer Evaluation die Lernenden beispielsweise zur Gestaltung des Lernprogramms, zur Akzeptanz und zu ihrem Lernerfolg befragt. Aber auch Experten, Lehrende oder die Entwickler können in die Evaluation je nach Evaluationsfragestellung mit einbezogen werden. Die durch Befragung erhobenen Daten werden hinsichtlich ihres Aussagegehaltes interpretiert und häufig nach Kriterien eingeschätzt. Eine Befragung kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Befragung liegt in der Erhebungssituation. Diese ist bei einer schriftlichen Befragung anonymer als bei einer mündlichen, was sich positiv auf die Ehrlichkeit der Aussagen auswirken kann. Bei einer schriftlichen Befragung kann jedoch nicht klar sein, z. B. bei postalischer Befragung, ob die vorgegebene Reihenfolge bei der Beantwortung der Fragen eingehalten wurde und ob tatsächlich derjenige die Fragen beantwortete, der angesprochen war. Eine schriftliche Befragung wird mittels Fragebogen oder Checkliste, die mündliche Befragung als Interview zwischen Interviewer und Interviewtem durchgeführt und kann mehr oder weniger standardisiert erfolgen. Der Grad der Standardisierung richtet sich danach, wie frei die Befragten ihre Informationen und Einschätzungen geben. Von einer standardisierten Befragung wird gesprochen, wenn die Fragen an die Probanden
27 Evaluation multimedialen Lernens
vorformuliert sind und sie innerhalb einer Einschätzungsskala ihre Antworten formulieren müssen. Bei einer halbstrukturierten oder offenen Befragung hingegen erhält der Befragte die Möglichkeit, sich in zusammenhängenden Sätzen zur Frage zu äußern und im Fall der offenen Befragung zudem deren weiteren Ablauf selbst durch seine Antworten zu bestimmen.
27.8.3 Beobachtung Beobachten wird im pädagogischen Kontext traditionell häufig angewendet, man denke hierbei an Unterrichtsbeobachtungen bzw. Hospitationen von Unterricht in Schulen oder von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (Laatz, 1993). Während einer Beobachtung sammelt der Beobachter Eindrücke und Erfahrungen, die er mit seinen Sinnen wahrnimmt, und protokolliert. Dabei kommuniziert er nicht mit der zu beobachtenden Person. Auch im Kontext multimedialen Lernens sind Beobachtungen möglich, so ist beispielsweise denkbar, dass sich ein Lernender selbst beim Lernen mit einem multimedialen Lernprogramm beobachtet und seine Lernfortschritte in einem Lerntagebuch notiert. Eine andere Möglichkeit ist, dass er beobachtet wird, wie er mit diesem Programm arbeitet. Sofern diese Lernumgebung für kooperatives Lernen ausgelegt ist, kann der Lernprozess einer ganzen Kleingruppe verfolgt werden. Es können je nach Evaluationsfragestellung aber auch Lehrende oder die Entwickler des multimedialen Lernangebotes bei ihrer Arbeit Gegenstand der Beobachtungen sein. Dabei ist es notwendig, dass die Beobachtungen zielgerichtet, standardisiert und intersubjektiv nachprüfbar erfolgen, damit sie den Kriterien einer wissenschaftlichen Beobachtung genügen. In den Beispielen wurden schon zwei unterschiedliche Formen der Beobachtung angesprochen, Selbst- und Fremdbeobachtung. Darüber hinaus muss noch zwischen teilnehmender und nicht teilnehmender, verdeckter und offener Beobachtung unterschieden werden. Bei der Selbstbeobachtung ist der Beobachter aktiv am Geschehen beteiligt. Er beobachtet sich selbst, wie er vorgeht, wie er zu bestimmten Entscheidungen gelangt und diese dann bewertet, um das weitere Vorgehen festzulegen. Ein Beispiel einer Selbstbeobachtung ist ein Lernender, der seine Handlungen in einem Lerntagebuch protokolliert. Während einer Fremdbeobachtung wird der eigentliche Gegenstand der Beobachtung, z. B. der Lernende, durch einen Dritten beobachtet. Er protokolliert das Verhalten des Lernenden, z. B. die Häufigkeit der Klicks auf den Hilfe-Button. Ob eine Beobachtung offen oder verdeckt stattfindet, hängt davon ab, ob sich der Beobachter zu erkennen gibt oder nicht. Beispielsweise ist die Beobachtungssituation offen, wenn der Beobachter neben dem Lernenden am Computer sitzt und dessen Handlungen protokolliert. Würde es sich um eine verdeckte Beobachtung handeln, z. B. durch Logfile-Protokolle, wäre demjenigen, der beobachtet wird, nicht bewusst, dass er beobachtet wird. Der Unterschied zwischen einer teilnehmenden und einer nicht teilnehmenden Beobachtung besteht darin, dass der Beobachter im ersten Fall aktiv, im zweiten Fall nicht aktiv in das Geschehen involviert ist. Moderiert der Versuchsleiter in einer Gruppendiskussion, etwa über die Stärken und Schwächen eines multimedialen Angebotes, die
27.8 Evaluationsmethoden
Einsatzmöglichkeiten
Beobachtungsgegenstände
405
Diskussion und beobachtet gleichzeitig die Diskussionsteilnehmer, dann würde es sich um eine teilnehmende Beobachtung handeln. Der Versuchsleiter hat in dieser Situation zwei Aufgaben zu erfüllen, die Diskussion zu moderieren und gleichzeitig die Untersuchungssituation zu beobachten. Wird hingegen zur Moderation ein zweiter Versuchsleiter hinzugezogen, handelt es sich um eine nicht teilnehmende Beobachtung durch den beobachtenden Versuchsleiter.
27.8.4 Verhaltensrecording Das Verhaltensrecording (die Verhaltensaufzeichung) ist eine eigenständige Methode der Beobachtung. Diese Methode erfasst mittels Computersoftware vorher definierte Aktionen des Lernenden, z. B. Tastatureingaben und Mausbewegungen, in der multimedialen Lernumgebung. Das dadurch entstandene Beobachtungsprotokoll (Logfile) enthält detaillierte, vollständige und differenzierte Daten über das Benutzerverhalten, z. B. aufgerufene Bildschirmseiten, Häufigkeit ihrer Nutzung, Lernpfade und Lernzeiten bzw. Verweilzeiten, verwendete Werkzeuge und Aufrufe der Hilfefunktion. Meist erfolgt das Verhaltensrecording verdeckt, so dass der Lernende nicht weiß, dass Daten seines Nutzungsverhaltens mittels Computersoftware aufgezeichnet werden und welche Daten dies im Einzelnen sind. Es ist selbstverständlich darauf zu achten, dass Datenschutzaspekte dennoch berücksichtigt werden, indem beispielsweise die Probanden im Nachhinein darüber informiert werden, dass Daten mittels LogfileProtokollen aufgezeichnet wurden.
27.8.5 Tests
Tests
Leistungstests
Normorientierte Tests
406
Im Kontext der Evaluation von multimedialen Lernangeboten werden überwiegend Leistungstests eingesetzt: Daneben können auch Verfahren zur Messung anderer Personenmerkmale wesentlich sein, z. B. Einstellungen, Erfahrungen mit Lernstrategien, Persönlichkeitsmerkmale, wie Ängstlichkeit oder Selbstwirksamkeitsüberzeugungen. Ein Test als wissenschaftliches Routineverfahren dient der Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst qualitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung (Lienert, 1969, S. 7). In Leistungstests ist das abgrenzbare Persönlichkeitsmerkmal die Fähigkeit, innerhalb einer vordefinierten Zeit eine bestimmte Anzahl von Aufgaben richtig zu lösen. Über die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben lässt sich anschließend der Leistungsstand der Person feststellen. Je nachdem, ob die Feststellung des individuellen Leistungsstandes des Lernenden anhand der Bezugsgruppe aller Lernenden erfolgt oder anhand eines gesetzten Ziels, beispielsweise einer Note, wird zwischen normorientierten und kriteriumsorientierten Tests unterschieden (Klauer, 1987, 3). Normorientierte Tests beurteilen die individuelle Testleistung anhand der durchschnittlichen Testleistung der gesamten Testgruppe. Ein Beispiel wäre die Erfassung des individuellen Leistungsstandes eines Teilnehmers beim Weitspringen, der anhand des
27 Evaluation multimedialen Lernens
durchschnittlichen Leistungsstandes von Weitspringern des gleichen Alters und Geschlechts bewertet wird. Kriteriumsorientierte Tests messen die individuelle Leistung anhand eines vorher definierten Kriteriums, wie etwa einem bestimmten Punktestand, der vom Testteilnehmer erreicht werden soll, oder einer bestimmten Note. Beispielsweise eignen sich kriteriumsorientierte Tests, um Veränderungen in der Lernleistung zu messen. Dabei wird die Testleistung des Einzelnen nur in Beziehung zum Kriterium gesetzt und nicht in Beziehung zur Leistung anderer. Wird der Sprung des Teilnehmers im Beispiel kriteriumsorientiert gemessen, dann müsste er, im Alter von 30 Jahren 4,30 überspringen, damit er das deutsche Sportabzeichen erhalten kann. In der Evaluationspraxis werden im Gegensatz zur wissenschaftlichen Forschung üblicherweise informelle Tests verwendet, die nicht standardisiert sind und deren Gütekriterien nicht in dem Maße geprüft wurden, wie dies bei wissenschaftlichen Tests der Fall ist. Solche Tests werden meist anhand der Evaluationsziele von den Evaluatoren selbst entwickelt (Tergan, 2000).
Kriteriumsorientierte Tests
Informelle Tests
27.9 Evaluationsinstrumentarien Zur Evaluation von multimedialem Lernen gibt es die unterschiedlichsten Instrumentarien, je nach konkretem Einsatzgebiet. Das Spektrum reicht von Checklisten bzw. Kriterienkatalogen mit vordefinierten Fragen und Antwortmöglichkeiten bis hin zu sehr offenen Instrumentarien, in denen nur Hinweise gegeben werden, worauf bei der Evaluation zu achten ist. Zudem gibt es unter diesen Instrumentarien solche, die eher aus der Evaluationspraxis heraus entstanden sind, ohne expliziten Verweis auf die zugrunde liegende Lerntheorie, und es sind solche verfügbar, die eher aus einer Lerntheorie abgeleitet die Kriterien für das Evaluationsinstrumentarium entwickelten. Die meisten der vorliegenden Evaluationsinstrumentarien wurden für eine Evaluation durch Experten entwickelt. Mehrere Experten prüfen dabei voneinander unabhängig die multimediale Lernumgebung. Aus ihren Urteilen wird dann das Gesamturteil gebildet. Es gibt aber auch Evaluationsinstrumentarien, die für die Evaluation durch Lernende konzipiert wurden. Zwei Gruppen von Evaluationsinstrumenten werden nachfolgend näher erläutert: theorieorientierte Instrumente und Kriterienkataloge.
27.9.1 Theorieorientierte Evaluationsinstrumente Theorieorientierte Evaluationsinstrumente basieren auf einer Lerntheorie. Sie ist das theoretische Modell, aus der die Kriterien für die Evaluation abgeleitet werden und vor deren Hintergrund die Evaluationsergebnisse interpretiert werden. Damit ist zwar der Gültigkeitsbereich des entstandenen Evaluationsinstrumentes eingeschränkt, aber multimediales Lernen, das nach der entsprechenden Lerntheorie konzipiert ist, lässt sich mit solch einem Evaluationsinstrument erschöpfend evaluieren. Zudem sind Auswahl und Umfang der zu evaluierenden Kriterien durch die zugrunde liegende Lerntheorie festgelegt. Solche Instrumente sind meist eher offen gehalten, da sie nur den Rahmen für die
27.9 Evaluationsinstrumentarien
407
Evaluation setzen. Sie können individuell an die Anforderungen und Bedingungen des zu evaluierenden multimedialen Angebots angepasst werden. Die Anwendung dieser Instrumente setzt ein hohes Maß an Fachkompetenz und forschungsmethodischen Kenntnissen seitens des Evaluators voraus. Insbesondere zum Instruktionsdesign sind theorieorientierte Instrumente konzipiert worden, so u. a. das Evaluationsinstrument ELISE von Schott und seinen Kollegen (2000), das heuristische Würfelmodell von Baumgartner und Payr (1994), der Instruktionsdesign-orientierte Ansatz von Reigeluth (1983) oder der Ansatz von Hannafin und Peck (1988). Letzterer soll hier stellvertretend dargestellt werden.
27.9.1.1 Das Evaluationsinstrument von Hannafin und Peck (1988) Hannafin und Pecks Ansatz orientiert sich am systematischen Instruktionsdesign (s. Kap. 2). Er geht somit von einem zunächst stärker fremdgesteuerten Lernprozess des Lernenden aus, der jedoch mit zunehmender Lernerfahrung und steigendem Wissensstand immer selbstbestimmter seine Lernaktivitäten plant und durchführt. Hannafin und Peck (1988) konzipierten ihren Ansatz speziell für die formative Evaluation computerunterstützten Lernens. Ihr Ansatz postuliert vier zentrale Dimensionen: Zentrale Dimensionen
1. Didaktische Angemessenheit (instructional adequacy): In dieser Dimension wird das Lernprogramm daraufhin geprüft, ob es entsprechend den Lernvoraussetzungen der Lernenden und dem Lerninhalt adäquate Instruktionsstrategien und Hilfen zur Verfügung stellt, um die Lernziele zu erreichen. Beispielsweise wäre in dieser Dimension festzustellen, ob Lernziele, vermittelte Inhalte und Übungsaufgaben aufeinander abgestimmt sind. Darüber hinaus gilt es zu evaluieren, ob die Instruktion klar formuliert und auf den Wissensstand der Lernenden abgestimmt wurde und ob die Übungsaufgaben im Schwierigkeitsgrad angemessen sind. 2. Angemessenheit des Erscheinungsbildes (cosmetic adequacy): Unter Angemessenheit des Erscheinungsbildes verstehen Hannafin und Peck (1988) die softwareergonomische und benutzerfreundliche Gestaltung der Bildschirmseiten. Insbesondere die Evaluation von Text-, Bild-, Farb- und Tongestaltung sowie einer insgesamt in sich konsistenten Gestaltung des Lernangebotes stehen im Zentrum der Analyse. Zudem interessiert in diesem Zusammenhang, ob der Lernende die gesuchten Informationen schnell und leicht auffindet und inwieweit diese für ihn verständlich dargeboten werden. 3. programmtechnische Angemessenheit (program adequacy): Programmierfehler, wie Systemabstürze, Fehlermeldungen oder falsche Verknüpfungen von Bildschirmseiten, werden in dieser Dimension erfasst. 4. Curriculare Angemessenheit (curriculum adequacy): Da ein Lernangebot häufig auf ähnliche schon existierende Angebote aufbaut oder ergänzend anknüpft, muss festgestellt werden, ob sich das neue Lernangebot effektiv und flexibel in bestehendes Lernmaterial und bestehende Lernformen integrieren lässt.
Kritik
408
Es wird hier deutlich, dass dieses Konzept lediglich einen theoretischen Rahmen für die Evaluation setzt.
27 Evaluation multimedialen Lernens
Beispielsweise fehlt diesem Ansatz eine Dimension, die sich mit Interaktionsmöglichkeiten beschäftigt und nach Möglichkeiten des kooperativen Lernens fragt. Aber gerade diese Dimension hat in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Dementsprechend ist es die Aufgabe der Evaluatoren, das existierende Konzept auf ihren speziellen Evaluationsfokus anzupassen und eventuell eigene Instrumente für spezielle Evaluationsfragestellungen zu entwickeln. Das Ergebnis wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt die kostengünstigste Evaluation sein, jedoch werden die Evaluationsergebnisse detailliert und ausführlich Stärken und Schwächen des Lernangebotes zeigen und es nicht bei einer allgemeinen oberflächlichen Beurteilung bewenden lassen.
27.9.2 Kriterienkataloge Eine große Anzahl ausgearbeiteter Evaluationsinstrumente ist in Form von Checklisten oder Kriterienkatalogen formuliert. Sie sollen Praktikern eine schnellere und einfachere Beurteilung von multimedialen Lernangeboten ermöglichen, als es mit theorieorientierten Instrumenten in Evaluationsstudien möglich ist. Kern der Kriterienkataloge ist eine mehr oder weniger strukturierte Zusammenstellung von Qualitätskriterien in Form von Fragen und Einschätzungsskalen zur standardisierten Beurteilung. Qualitätskriterien kennzeichnen allgemeine Merkmale multimedialer Lernumgebungen, die in einer Validitätsstudie ihre Wirksamkeit nachgewiesen haben (Fricke, 2000). Bezogen auf die in Kriterienkatalogen zusammengestellten Qualitätskriterien ist jedoch festzustellen, dass der Begriff Qualitätskriterium allerdings schon dann verwendet wird, wenn lediglich Vermutungen über die Lernwirksamkeit eines Programmmerkmals vorliegen (Fricke, 2000, 75). In Kriterienkatalogen werden somit häufig „valide“ Merkmale einer Lernsoftware mit Merkmalen, denen aufgrund von Erfahrung oder plausiblen Schlüssen unterstellt wird, dass sie das Lernen positiv beeinflussen, miteinander vermischt und als Kriterien gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Das hat fatale Folgen hinsichtlich der so ermittelten Ergebnisse. Es ist nun erstens nicht mehr sichergestellt, wie unabhängig die ermittelten Ergebnisse vom jeweiligen Evaluator sind, zweitens, mit welcher Genauigkeit das geprüfte Merkmal gemessen wurde, und drittens, ob der Kriterienkatalog überhaupt das misst, was er messen soll. Eine systematische Zusammenstellung der Kritikpunkte gibt Fricke (2000, 75). Weitere Problembereiche führt Tergan (2001) an. Im Folgenden seien die zentralsten Kritikpunkte aufgelistet (Fricke, 2000, 75):
Qualitätskriterien
• Mangelnde Beurteilerübereinstimmung bei der Quantifizierung von Qualitätskriterien: Hiermit ist gemeint, dass mit dem gleichen Kriterienkatalog unterschiedliche Beurteiler zu unterschiedlichen Bewertungen des gleichen Lernangebotes kommen. Es ist unmittelbar einsichtig, dass sich dadurch auch die Zuverlässigkeit der Messung reduziert.
Kritikpunkte von Kriterienkatalogen
Validität der Qualitätskriterien
• Geringe praktische Signifikanz der Qualitätskriterien: Die meisten der im Kriterienkatalog als lernwirksam aufgeführten Kriterien weisen in der Regel nur eine sehr geringe praktische Signifikanz auf. Dies ist verständlich, da der Lernerfolg von mehreren Kriterien und ihren Wechselwirkungen abhängt. Die Ergebnisse der Beurteilung
27.9 Evaluationsinstrumentarien
409
können dementsprechend nur adäquat vor dem Hintergrund erklärender Lehr-LernTheorien interpretiert werden. Viele Kriterienkataloge lassen jedoch einen expliziten Rückgriff auf theoretische Modelle vermissen. • Differentielle Methodeneffekte bei Qualitätskriterien: Je nach Rahmenbedingungen, in denen das Lernangebot eingesetzt wird, kann die Effektivität der Lehrmethode unterschiedlich sein, was mit differentiellen Methodeneffekten bezeichnet wird. Dies hat zur Folge, „dass auch Lernprogramme, die mittels (didaktischer) Kriterienkataloge recht schlecht abschneiden […] in bestimmten Situationen durchaus erfolgreich und effektiv eingesetzt werden können“ (Baumgartner, 1995, 242). • Nichtberücksichtigung des Verwendungszusammenhangs einer Bildungssoftware: In den Kriterienkatalogen wird der Verwendungszusammenhang, also die Bedingungen des Einsatzes (Adressaten, Domäne, Ziele usw.), außen vor gelassen. So kann es sein, dass ein multimediales Lernangebot auch dann eingesetzt wird, wenn die Ergebnisse der Evaluation mittels Kriterienkatalog ergeben haben, dass multimediales Lernen nicht effektiver ist, als traditionelles Lernen, dessen Einsatz aber erhebliche Kosteneinsparungen mit sich bringt (Fricke, 2000). Kritische Reflexion der Einsatzmöglichkeiten
Kriterienkataloge speziell zur Analyse multimedialer Lernumgebungen
Auf der Basis der eben beschriebenen Schwächen von Kriterienkatalogen ist genau abzuwägen, ob die Beurteilung durch einen Kriterienkatalog allein ausreicht, ein Urteil über die Qualität und den zu erwartenden Einsatzerfolg des multimedialen Angebotes zu bilden. Für einen ersten Überblick über mögliche Stärken und Schwächen des Angebotes und in Ergänzung zu anderen Methoden können Kriterienkataloge durchaus tauglich sein. Zwischen den vorhandenen Kriterienkatalogen existieren große Unterschiede. Es gibt sowohl solche, die den Anspruch erheben, über vollständige Kriterienlisten zu verfügen, wie etwa MEDA und CCEM, oder solche, die für einen ganz bestimmten Einsatzbereich konzipiert wurden, u. a. EPASoft und IPN (Meier, 1995). Einige Instrumente bieten die Möglichkeit, interessierende Evaluationskriterien aus dem angebotenen Gesamtrepertoire für die eigene Evaluation zusammenzustellen, wie MEDA, Exper Clear (Zeitler & Ablass, 2004) oder die E-Learning Checklist (Kahn, 2005). Sie umfasst über didaktischinstruktionale, curriculare und Usability-Kriterien hinaus auch Management- und ethische Kriterien. Andere ermöglichen ein Evaluationsvorgehen in mehreren Ebenen vom „Kurzcheck“ bis zur detaillierten Evaluation, wie sie mit der „Tool Box“ im Evaluationsnetz möglich wird ( Tergan & Schenkel, 2004). Eine umfangreiche Zusammenstellung gängiger Evaluationsinstrumentarien, die jedoch vor ihrem Einsatz einer kritischen Reflektion und Prüfung bedürfen, bietet die Internetseite von Jellitto (2002). Welcher Kriterienkatalog am ehesten für die eigene Evaluation tauglich ist, muss dementsprechend vorher recherchiert werden.
27.10 Der Evaluationsprozess Nachdem die wesentlichsten Evaluationsentscheidungen erläutert wurden, soll nun ein Grundgerüst für den Ablauf einer Evaluation vorgestellt werden. Das nachfolgend skzizzierte Vorgehen entspricht einer modelltypischen Vorgehensweise. Es ist unabhängig von den Funktionen, vom Typus, vom eingesetzten Evaluations-
410
27 Evaluation multimedialen Lernens
modell, den ausgewählten Evaluationskriterien und -methoden sowie spezifischen Evaluationsinstrumentarien. Im Zentrum des Evaluationsprozesses stehen verschiedene zeitlich aufeinander folgende Evaluationsabschnitte (Posavac & Carey, 1992; Rossi, Lipsey & Freeman, 2005; Scriven, 1991; Suchman, 1967). Diese sind in Abb. 27.2 rechts als umrandete Ovale ausgeführt.
Evaluationsentscheidungen
Evaluationsabschnitte
Funktionen Typus
Abb. 27.2: prototypisches Modell eines Evaluationsprozesses
1. Definition
Zielorientierung
2. Ziele setzen
Modell Kriterien Methoden Instrumente
3. Planung
4. Datenerhebung und Auswertung
5. Berichtlegung
6. Bewertung und weitergehende Nutzung
27.10.1 Definition der zu evaluierenden Maßnahme Als ersten Schritt gilt es festzustellen, ob und in welchem Umfang Evaluation erforderlich ist. Es wird zunächst zusammengetragen, welche Interessen und Bedürfnisse hinsichtlich einer Evaluation existieren und ob es schon Hinweise auf Mängel gibt, deren Ursachen festgestellt werden müssen. Damit ist das Evaluationsvorhaben grob umrissen und die Funktion und der Typ der Evaluation können definiert werden. Es empfiehlt sich weiterhin, eine grobe Anforderungsliste an die Evaluation zusammenzustellen und eine grobe Zeit und Kostenschätzung dieser hinzuzufügen. Zudem ist festzuhalten, wer die Ergebnisse, in welcher Form erhalten soll, z. B. das Entwicklungsteam oder das Management.
27.10 Der Evaluationsprozess
Anforderungsprofil, Zeit- & Kostenschätzung
411
Schwierigkeiten
Manchmal treten schon in dieser Phase erste Schwierigkeiten dahingehend auf, dass • bestimmte Anforderungen an das Evaluationsergebnis existieren, • ein fehlendes Problembewusstsein bei den Entscheidungsträgern vorhanden ist, • mangelnde methodische Kenntnisse der Evaluierenden konstatiert werden müssen oder • die Kosten gescheut werden. Sollten eines oder mehrere dieser Probleme erkennbar werden, gilt es, schon in der Planungsphase durch Information, Kommunikation und Transparenz in Handlungen und Entscheidungensowie möglicherweise, durch den Einbezug von externen Evaluatoren auf diese Schwierigkeiten zu reagieren.
27.10.2 Zielsetzung der Evaluation Wünsche, Vorstellungen, Interessen
Ausrichtung verschiedener Zielsetzungen
Auf die Definition der zu evaluierenden Maßnahme folgt schon während des ersten Schrittes die Ausarbeitung der Zielsetzung der Evaluation. Hierbei spielen Wünsche, Vorstellungen und Interessen des Entwicklungsteams des multimedialen Lernangebotes bzw. des Auftraggebers eine entscheidende Rolle. Nicht selten wird im betrieblichen Kontext vom Auftraggeber verlangt, neben der Beurteilung der Lernwirksamkeit, Kriterien der Effizienz sowie Kosten-Nutzen-Indikatoren (Return of Investment) mit in die Evaluation einzubeziehen. Die nun präzisierten Evaluationsziele beschreiben, ob es z. B. um die Verbesserung des entwickelten Produktes bzw. einzelner Komponenten geht oder um die Erhöhung der Effizienz der Arbeitsabläufe oder ob das Produkt abschließend hinsichtlich des Erreichens ursprünglich gesetzter Ziele beurteilt werden soll.
27.10.3 Planung der Evaluation Der Arbeitsplan
Ergebnis der Planungsphase ist ein Arbeitsplan, der neben den zu evaluierenden Inhalten auch Ressourcen, einzusetzende Methodik und Evaluationsinstrumentarien, Datenerfassungsverfahren, Bewertungskriterien und Auswertungsstrategien sowie einen ersten Bericht und eine Planung weiterer Publikationen beinhalten sollte. Auch die Integration von Kontrolle und Feedback sind Bestandteile des Arbeitsplanes. Nachfolgend werden einzelne Bestandteile des Arbeitsplanes näher charakterisiert: • Inhalte: Zu den Inhalten zählen einerseits Aspekte, die die Auswahl, didaktische Konzeption und Darstellung der Lerninhalte sowie die Usability betreffen, aber auch Aspekte der Integration in das Gesamtlernsetting, z. B. die Integration des multimedialen Lernprogramms in Präsensveranstaltungen. • Ressourcen: Eine Zeit- und Kostenschätzung, basierend auf einer soliden Personalund Materialplanung, ist Bestandteil der Ressourcenplanung. Konkret beinhaltet eine solche Konzeption beispielsweise die Planung der Anzahl und Honorierung der Eva-
412
27 Evaluation multimedialen Lernens
luatoren und Testpersonen sowie die Planung benötigter Geräte (Videorekorder oder Audiokassetten für Aufzeichnungen). • Methodik und Evaluationsinstrumente: Im Rahmen dieses Planungsschrittes stellen sich u. a. Fragen nach der Vorgehensweise bei der Evaluation (Auswahl des Evaluationsmodells), der Art der benötigten Daten und Informationen, der Größe der benötigten Stichprobe, der Auswahl der Erhebungsverfahren (Beobachtung, Befragung, Lernleistungstests) und der Instrumente (Kriterienkataloge oder theorientierte Evaluation). Es ist an dieser Stelle zentral, sich der Stärken und Schwächen der eingesetzten Methoden bewusst zu sein und diese bei der Beurteilung der späteren Evaluationsergebnisse mit zu berücksichtigen. • Auswertungsstrategien: Schon vor der Datenerhebung, aber spätestens bei Beginn der Datenauswertung müssen Auswertungsstrategien ausgearbeitet werden. Diese beinhalten Festlegungen über den Umfang dessen, was ausgewertet werden soll, über die Exaktheit der Auswertung in statistischer Hinsicht bis hin zur Art der statistischen Analysen sowie einzusetzender Testverfahren. • Berichtlegung: Erforderlich sind hier Überlegungen dahingehend, welche Ergebnisse, wann, wem in welcher Form präsentiert werden sollen. Es muss geklärt werden, ob unterschiedliche Arten von Berichten, u. a. wissenschaftlicher Bericht oder Managementreport, notwendig sind. Für die einzelnen Berichtarten ist es ratsam, Richtlinien zu deren Strukturierung und Layoutgestaltung zu erarbeiten.
27.10.4 Datenerhebung und Auswertung Bei einer sorgfältigen Planung des Evaluationsvorhabens sind größere Probleme während der Datenerhebung zwar selten, dennoch können Versuchsleiter-Artefakte auftreten. Dies sind Fehler im Verhalten z. B. des Versuchsleiters, von Interviewern oder Personen, die die Probanden anleiten und betreuen. Einige häufige Fehler, die durch verbale und nonverbale Kommunikation entstehen, betreffen folgende Punkte (Bortz & Döring, 2006):
VersuchsleiterArtefakte
• Die emotionale Atmosphäre, in der die Untersuchung stattfindet: Ein ungeduldiger Versuchleiter wirkt anders auf den Probanden als ein geduldiger. Häufiger Blickkontakt seitens des Versuchsleiters zur Versuchsperson könnte diese als Zustimmung zu ihren Äußerungen werten, was ihr Verhalten ändert und dadurch möglicherweise das Untersuchungsergebnis verzerrt. • Unbeabsichtigtes Mitteilen der Hypothese an den Untersuchungsteilnehmer: Häufiges Betonen eines bestimmten Sachverhaltes oder häufige gleichbedeutende Hinweisreize, wie Zeigen in eine bestimmte Richtung oder auf einen bestimmten Gegenstand, könnten den Untersuchungsteilnehmer das Ziel der Untersuchung erahnen lassen. Er wird dementsprechend sein Handeln auf erwünschtes Verhalten hin ausrichten und dadurch möglicherweise die Gültigkeit/Objektivität des Untersuchungsergebnisses negativ beeinflussen.
27.10 Der Evaluationsprozess
413
Um diesen Fehlern vorzubeugen, sollten folgende Prinzipien beachtet werden (Bortz & Döring, 2006): • Alle Versuchsteilnehmer erhalten die gleiche und möglichst standardisierte Instruktion, z. B. schriftlich. • Verständnisprobleme werden mit jedem Probanden individuell geklärt. • Der Versuchsablauf ist bei allen Untersuchungsteilnehmern gleich, sofern nicht systematische Variationen und Sequenzeffekte geprüft werden. • Zwischenfragen und unerwartete Ereignisse werden protokolliert. • Der Untersuchungsablauf wird einmal prototypisch vor der eigentlichen Untersuchung vorgetestet, um störende Reize oder Inkonsistenzen erkennen und beheben zu können. • Falls möglich wird der gesamte Untersuchungsablauf auf Video oder Ähnlichem mitprotokolliert. • Nach der eigentlichen Untersuchung findet eine Nachuntersuchung statt, in der die Probanden über Empfindungen, Stimmungen, Schwierigkeiten, Aufrichtigkeit, Interesse und Wirkung des Versuchsleiters berichten können.
27.10.5 Berichtlegung Abhängig davon, was den Auftraggeber bzw. das Projektteam interessiert, kann der Bericht als reine Beschreibung und Ergebnisdarstellung verfasst werden. Dies wird häufig im Rahmen wissenschaftlicher Begleitforschung verlangt. Möglich ist auch ein Bericht mit konkret nutzungsbezogenen Ergebnissen, die Entscheidungshilfen zur Verfügung stellen. In letzterem Fall ist insbesondere auf eine zielbezogene Informationsverdichtung zu achten. Evaluationsberichte sollten zudem Ansatzpunkte aufzeigen, wie die Ergebnisse der Evaluation auch zukünfig von Nutzen sein können und welche Schlussfolgerungen für ähnliche Projekte zu ziehen sind. Entscheidend ist, den Bericht so zu verfassen, dass er es Entscheidungsgremien und Auftraggebern erlaubt, auch ohne wissenschaftliche Fachkenntnisse die Ergebnisse des Berichtes richtig zu verstehen und zu verarbeiten (Patton, 1997).
27.10.6 Bewertung und weiter gehende Nutzung Auch die Bewertung und weiter gehende Nutzung der Evaluationsergebnisse sollte der Evaluator mit anstoßen, denn Evaluation geht über die reine Datenerhebung und Auswertung hinaus. Dementsprechend gehört es zu den Aufgaben des Evaluators, Ansatzpunkte aufzuzeigen, wie die Ergebnisse der Evaluation in die Praxis übertragen werden können und welche Schlussfolgerungen für weitere ähnliche Projekte zu ziehen sind.
414
27 Evaluation multimedialen Lernens
27.11 Standardisierungsbemühungen 27.11.1 Lerntechnologiestandards In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl multimedialer Lernangebote entwickelt, von denen nur einige nachhaltig genutzt werden. Gründe dafür gibt es viele. Einer jedoch ist die Bindung des multimedialen Angebotes an bestimmte technische Voraussetzungen oder technische Einsatzkontexte. So sind möglicherweise Texte, Bilder, Animationen oder Simulationen, die für eine bestimmte multimediale Lernplattform entwickelt wurden, nicht in eine andere ohne erheblichen Mehraufwand übertragbar. Hier könnten so genannte Lerntechnologiestandards, wie etwa LOM (Comitee, 2002), SCORM (AdvancedDistributedLearningInitiative, 2002) oder EML (Koper, 2002) bzw. IMS (Koper, Oliver & Anderson, 2002), Abhilfe schaffen. Es geht hierbei nicht darum, instruktionale Gestaltung zu standardisieren oder gar generelle Einheitslösungen zu entwickeln, sondern darum, beschreibende Standards für die softwaretechnische Umsetzung der didaktischen Konzeption festzulegen. Ziel ist es, dass Lerninhalte und Instruktionsdesign, aber auch die Gestaltung der Usability unabhängiger werden vom ursprünglichen Präsentationsmedium, also einer speziellen Lernplattform oder einem speziellen Wissenbasierten Training (WBT). Dadurch wären die gleichen Lerninhalte und das gleiche Instruktionsdesign nun auch in neuen anderen multimedialen Lernangeboten wiederverwendbar, neu arrangiert und auf die Bedürfnisse und Lernvoraussetzungen der neuen Zielgruppe zugeschnitten. Bereits Entwickeltes könnte verstärkt erweitert, verbessert und aktualisiert werden, anstatt hohen Aufwand in die Neuentwicklung zu investieren. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die differenzierte Beschreibung didaktischer Aspekte in den bisherigen Modellen immer noch ein Problem darstellt (Pawlowski, 2004). Zukünftig wird trotzdem die Unterstützung der Wiederverwendbarkeit durch die „softwareseitige Programmierung“ auch ein Kriterium der Evaluation multimedialer Angebote sein. Für die Evaluation eines multimedialen Angebotes auch hinsichtlich des Standardisierungsaspektes empfehlen sich theorieorientierte Instrumente. Sie sind in ihrer Konstruktion so offen und flexibel, dass sie den aktuellen Stand der Standardisierungsdiskussion adäquat in Qualitätskriterien umsetzen können und bei der Evaluation mitberücksichtigen. Unter den Kriterienkatalogen bietet bisher nur die E-Learning Quick Checklist Kriterien zur Standardisierung an (Kahn, 2005).
LOM, SCORM, EML, IMS
27.11.2 Qualitätsstandards der DIN Auf die Schaffung einer „Minimalbasis“ von Qualität und Vergleichbarkeit multimedialer Lernangebote untereinander zielt die DIN (2004a, 2004b). In der DIN-Norm geht es nicht nur um die Standardisierung von Lerntechnolgiestandards, sondern auch um mehr Transparenz während des gesamten Evaluationsprozesses, d. h., die einzelnen Schritte während der Evaluation müssen nach DIN bestimmten in der DIN-Norm geregelten
27.11 Standardisierungsbemühungen
415
Mindestanforderungen genügen. Dabei besteht weiterhin freie Wahl des Evaluationsmodells, der Evaluationsmethoden und der Evaluationsinstrumente. Nur müssen diese bestimmte in der DIN-Norm geregelte Standards erfüllen. Die DIN-Norm besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden ein Prozessmodell, ein Beschreibungsmodell und eine Kriterienliste beschrieben, die Konzeptions-, Einführungs- und Evaluationsaktivitäten standardisieren sollen. Im zweiten Teil wird der Lerntechnologiestandard DIN-DOM erläutert, der die „softwareseitige Programmierung“ eines multimedialen Lernangebotes standardisieren soll. Die Basis der DIN ist ein Prozessmodell, das die einzelnen Bedarfsermittlungs-, Konzeptions-, Durchführungs- und Evaluationsprozesse auflistet. Auf dieser Basis wird im Beschreibungsmodell jedem im Prozessmodell aufgelisteten Prozess eine Beschreibung zugewiesen. Diese Beschreibung beinhaltet die für den Prozess zutreffenden angestrebten Ziele, eingesetzten Methoden usw. Dies könnten für den Kontext multimedialen Lernens z. B. die Begründung der verwendeten Instruktionsmethoden oder die Auflistung der eingesetzten Technologiestandards sein, unter der Angabe, zu welchen Ergebnissen sie führen sollen. In der Folge wird eine Liste von Kriterien empfohlen, die bei der systematischen Konzeption und Evaluation Berücksichtigung finden soll. Für die softwaretechnische Umsetzung einer multimedialen Lernumgebung nach DIN wird der Standard DIN-DOM empfohlen. Die DIN-Norm ist kein Evaluationsmodell oder ein Evaluationsinstrumentarium, vielmehr ist sie eine Zusammenstellung von Mindestanforderungen an die Evaluation eines multimedialen Lernangebotes, das in seinen einzelnen Konzepten und Evaluationsschritten diese DIN erfüllen muss, um mit dem Qualitätssiegel DIN werben zu können. Eine Evaluation unter der Berücksichtigung der DIN führt nicht unbedingt zu einem qualitativ hochwertigen multimedialen Lernprodukt, wenn Kriterien der systematischen theorieorientierten Konzeption und Evaluation von multimedialem Lernen ignoriert werden. Die DIN ist nur der Orientierungsrahmen, der unter Berücksichtigung des Vorwissens und der Lernvoraussetzungen der potenziellen Lernenden inhaltlich systematisch und theorieorientiert ausdifferenziert werden muss, sowohl bezogen auf den Lerngegenstand und die didaktische Gestaltung als auch auf die Auswahl des Evaluationsmodells, der Evaluationsinstrumente und der Erhebungsmethoden.
27.12 Zusammenfassung Abschließend bleibt festzustellen, dass Evaluation als selbstverständlicher Bestandteil der Konzeption, Entwicklung und des Einsatzes von multimedialen Angeboten begriffen werden muss, wenn die entwickelten Produkte eine hohe didaktische Qualität und Effizienz aufweisen sollen. Das heißt vor allem, dass die formative Evaluation im Mittelpunkt stehen muss. Es bedeutet aber auch, dass Bildungsverantwortliche, Entwickler und Evaluatoren langfristig und vor allem frühzeitig zusammenarbeiten müssen, um in ihrem Evaluationskonzept möglichst früh auch die Wünsche der Lernenden mitberücksichtigen zu können. Diese sind es, die über die Annahme der Lernangebote entscheiden und deren Nutzen bewerten. Eine Evaluation aus Sicht von Experten reicht alleine nicht aus, es muss gleichzeitig auch eine Evaluation aus Sicht der Lernenden angestrebt werden. Ferner bedeutet dies, dass der Aufwand für hochwertige (formative) Evaluation nicht gescheut werden darf, wenn bei den multimedialen Lernprodukten hohe didaktische Qualität
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27 Evaluation multimedialen Lernens
erwartet wird. Dazu sollten theorieorientierte Evaluationsmethoden ein deutlich stärkeres Gewicht erhalten und die Bewertung durch Kriterienkataloge ergänzen bzw. ersetzen (Jelitto, 2002).
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27 Evaluation multimedialen Lernens
28 Usability
Der Umgang mit dem Computer oder mit Computeranwendungen kann im täglichen Leben eine frustrierende Erfahrung sein. Etwa dann, wenn am Bankautomaten Menüoptionen zum Geldabheben nicht direkt parallel zu den Knöpfen angebracht sind, über welche die Auswahl erfolgen soll. Manchmal ist auch die Einteilung der direkt abhebaren Geldbeträge so ungünstig gewählt, dass kleine Geldbeträge erst über das Drücken zusätzlicher Tasten abrufbar sind. Versuchen nun mehrere Nutzer des Geldautomaten hintereinander etwa 50 € abzuheben, hat das evtl. zur Folge, dass sich eine Warteschlange hinter dem Automaten bildet. Usability-Probleme können immer dann auftreten, wenn Mensch-Computer-Interaktionen erforderlich sind, wie z. B. beim Gebrauch von Handys, DVD-Playern oder beim Einsatz von Computerprogrammen. Nicht nur beim Benutzen alltäglicher Konsumgüter, sondern auch beim Lernen mit multimedialen Lernangeboten sehen wir uns mit Usability-Problemen konfrontiert, beispielsweise dann, wenn wir eine gewünschte lernrelevante Information im Angebot nicht finden. Häufig suchen Lernende dann die Schuld bei sich selbst. Jedoch ist es vielmehr ein Gestaltungsproblem des multimedialen Angebotes (Norman, 1989), insbesondere der Gestaltung von Orientierungs-, Navigations-, Screenlayout-, emotionalen oder Interaktionselementen (Schweibenz & Thissen, 2003). • Orientierungselemente unterstützen den Lernenden dabei, sich im Netz der untereinander verbundenen Seiten zurechtzufinden. • Navigationselemente ermöglichen den raschen Zugriff auf die im Lernangebot vorhandenen Inhalte. • Screenlayout-Elemente strukturieren die Inhalte, also Texte, Bilder, Animationen, Videos etc., anhand eines Gestaltungsrasters und mittels gezielt eingesetzter Farben. • Emotionale Elemente verstärken den „joy of use“, also die Freude und den Spaß bei der Nutzung (Blythe et al., 2003; Glass, 1997). Sie personalisieren die Interaktionen zwischen Lernenden und dem multimedialen Lernangebot, indem sie sie sozialer gestalten (Reeves & Nass, 1996). • Mit Hilfe von Interaktionselementen kann der Lernende bestimmte Funktionen anwählen, etwa eine E-Mail versenden oder einen Forumsbeitrag einfügen, eine Formelsammlung aufrufen oder Parameter einer Simulation verändern.
28 Usability
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Lehrziele
Nur wenn alle Elemente so gestaltet wurden, dass sie den Lernprozess unterstützen, können längere Suchzeiten nach relevanten Informationen vermieden und Frustrationserlebnisse für die Lernenden verhindert werden. Die Basis für eine solche Gestaltung ist die formative Evaluation bestimmter Merkmale und Eigenschaften des multimedialen Lernangebotes während des gesamten Usability-Engineering-Prozesses, von der Konzeptions- bis hin zur Nutzungsphase der multimedialen Lernumgebung. Wenn Sie dieses Kapitel bearbeitet haben, sollten Sie wissen, • wie Usability wissenschaftlich definiert wird, • auf welche Gestaltungskriterien Usability einen Einfluss hat, • wie Usability gemessen werden kann.
28.1 Was ist Usability? Usability ist ein Schlüsselkonzept der Mensch-Computer-Interface-Gestaltung, in dem es um benutzerfreundliches Design von Computersoftware oder Websites geht (Preece et al., 1994). Synonyme sind Nutzbarkeit, Nützlichkeit, Benutzerfreundlichkeit oder leichte Handhabung, um nur einige zu nennen. Nicht selten wird Usability auch mit dem Begriff der Softwareergonomie gleichgesetzt. Doch geht der Begriff „Softwareergonomie“ über den der „Usability“ hinaus. Die Softwareergonomie gliedert sich in mehrere Bereiche: Korrektheitsergonomie, Funktionsergonomie und Schnittstellenergonomie. Nur die Schnittstellenergonomie beschäftigt sich mit ähnlichen Themen wie die Usability. Obwohl Usability vor allem im Rahmen der Mensch-Computer-Interaktion beschrieben wurde, ist es plausibel, anzunehmen, dass sie auch beim multimedialen Lernen eine wichtige Rolle spielt, da es sich lediglich um eine spezielle auf das Lernen gerichtete Form der Mensch-Computer-Interaktion handelt. Hara & Kling (2000) stellen in einer Studie zu den Ursachen von Stress und Frustration beim Online-Lernen fest, dass technische Probleme und Probleme des InterfaceDesigns die Interaktion beim webbasierten Lernen deutlich erschweren und sich negativ auf die Motivation beim Lernen auswirken. Die Nutzbarkeit eines Lernprogramms ist demnach eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass das System möglichst komplikationslos bzw. überhaupt zum Lernen verwendet wird.
28.2 Definition von Usability Für den Begriff der Usability gibt es verschiedene Definitionen (Hix & Hartson, 1993; Preece et al., 1994; Shackel, 1991; Shneiderman, 1998). Hier sollen exemplarisch jene von Nielsen und der ISO-Normenreihe vorgestellt werden: „Usability has multiple components and is traditionally associated with these five usability attributes: Learnability, Efficiency, Memorability, Errors, Satisfaction.“ (Nielsen 1993a, 26)
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28 Usability
Usability ist das „… Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und mit Zufriedenheit zu erreichen.“ (DIN-EN-ISO9241-11, 1996, p. 2)
Mit Usability wird demnach ein Konstrukt bezeichnet, das beschreibt, wie adäquat ein Produkt in der Handhabung zu den Bedürfnissen, Fähig- und Fertigkeiten sowie Wünschen seiner Nutzer passt.
28.3 Attribute und Kriterien Usability ist ein Konstrukt, das auf zwei aufeinander aufbauenden Ebenen beschrieben werden kann. Auf der ersten Ebene kennzeichnen die Attribute Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit das Konstrukt.
28.3.1 Attribute der Usability 28.3.1.1 Effektivität Effektivität beschreibt die Möglichkeiten eines Nutzers oder Lernenden aufgrund der Gestaltung eines multimedialen Lernangebotes sein Arbeitsziel genau und vollständig zu erreichen und seine Wünsche zu befriedigen. Damit in engem Zusammenhang steht die Gestaltung der Menü-, Navigations- und Orientierungsmittel, die dies zulassen müssen. Effektivität entscheidet ebenso wie Effizienz darüber, wie viel kognitiver Aufwand ein Nutzer oder Lernender aufbringen muss, um das Angebot formal handhaben zu können, und wie viele kognitive Ressourcen damit für den eigentlichen Wissenserwerb noch verfügbar bleiben. Das Ausmaß, in dem das Angebot den Nutzer oder Lernenden unterstützt, seine selbst oder fremd gesetzten Ziele vollständig und in hoher Qualität zu erreichen, kann daran festgemacht werden,
Möglichkeiten der Messung
• ob das Ziel überhaupt erreicht wurde, • welche und wie viele relevante Informationen aufgerufen wurden, • welche und wie viele potenziell relevante Informationen nicht genutzt wurden. Es ist sinnvoll, Effektivität wie auch Effizienz erst dann zu messen, wenn der Nutzer oder Lernende das multimediale Angebot relativ sicher handhabt. Dies kann z. B. über seine eigene Einschätzung, die Häufigkeit der Nutzung oder die Perfektion, mit der er das Angebot nutzt, ermittelt werden.
28.3.1.2 Effizienz Effizienz drückt das Verhältnis von Ressourcen zum Ergebnis aus, d. h. die eingesetzten Ressourcen, wie Anstrengung zur Zielerreichung oder Aufrechterhaltung der Motiva-
28.3 Attribute und Kriterien
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Möglichkeiten der Messung
tion, müssen in Relation zum erreichten Ergebnis stehen, damit der Wissenserwerb über ein multimediales Angebot als subjektiv effizient empfunden wird. Effizienz kann nur dann als zufrieden stellend beurteilt werden, wenn wenige Mausklicks und Tastatureingaben notwendig sind, um den entsprechenden Wissensinhalt adäquat im Angebot zu erreichen und durchzuarbeiten, bei gleichzeitig überschaubarer, nachvollziehbarer Strukturierung und Präsentation des Inhaltes. Der Grad der Effizienz, mit der ein multimediales Angebot gehandhabt werden kann, wird häufig über die Zeit ermittelt. Dabei entspricht die Effizienz dem Prozentsatz, in welcher Zeit mit welcher Qualität gelernt wurde. Es ist jedoch wichtig, zu beachten, dass die Effizienz zumindest von der Fehlerrate des Systems abhängig ist und auch das Kriterium der Zufriedenheit beeinflussen kann.
28.3.1.3 Zufriedenheit
Möglichkeiten der Messung
Zufriedenheit (satisfaction) entsteht, indem die Erwartungen des Nutzers bzw. des Lernenden an das multimediale Angebot erfüllt werden und er seine Arbeitsprozesse ohne Beeinträchtigungen ausführen kann. Nur so kann der Nutzer oder Lernende eine subjektiv positive Einstellung gegenüber dem multimedialen Angebot entwickeln, die Arbeit oder das Lernen als angenehm empfinden und auch Spaß und Freude daran haben. Zufriedenheit (von Rubin (1994) auch Likeability genannt) ist ein Aspekt der Usability, der in alle anderen Usability-Aspekte hineinwirkt. Zufriedenheit spiegelt auch die Akzeptanz des Angebotes wider und beantwortet die Frage, ob der Funktionsumfang als angemessen für den Wissenserwerb empfunden wird, ob er ausreichend bei der Lösung der Lernaufgaben oder beim Erreichen der Lernziele unterstützt. Zufriedenheit bestimmt in erheblichem Maße, ob die Nutzer oder Lernenden bereit sind, das multimediale Angebot zu benutzen. Der Aspekt der Zufriedenheit kann sehr aufwendig über Blickbewegungsmessungen, und durch Auswertung der Pupillenerweiterung bestimmt werden. Weniger aufwendig ist es, dies durch Befragungen zu erreichen. Darüber hinaus können spontane Äußerungen während des Lernens mit dem Angebot festgehalten und die Häufigkeit positiver und negativer Äußerungen dokumentiert werden. Dies können Äußerungen sowohl der Verzweiflung oder Frustration, aber auch Verwunderung oder Überraschung sein. Entscheidend ist, das Zustandekommen dieser Äußerungen im Nachhinein in einem Interview durch den Lernenden selbst erklären zu lassen.
28.3.2 Kriterien der Usability nach DIN EN-ISO9241 Auf der zweiten Ebene werden den drei Usability-Attributen Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit jeweils Unterkriterien zugeordnet, um eine differenziertere Erfassung jedes einzelnen Attributes zu ermöglichen. Neben den von Nielsen (1993b) angeführten Kriterien Lernförderlichkeit (learnability) bzw. leichter Wiedereinstieg bzw. Erinnerbarkeit (memorability), Effizienz (efficency), Fehlerrobustheit (errors) und Zufriedenheit (satisfaction) gibt es eine Reihe ähnlicher Kriterienzusammenstellungen (Dumas, 1993; Krug, 2000; Rubin, 1994; Wandmacher, 1993). Am meisten verbreitet und akzeptiert ist jene aus der ISO-Normreihe ISO 9241-10 (1996), seit 2006 DIN-EN-ISO 9214-110, die im Folgenden vorgestellt wird:
422
28 Usability
1. Aufgabenangemessenheit bezieht sich auf die Frage, ob ein Nutzer bzw. ein Lernender seine Ziele vollständig und auf einfachem direktem Wege erreicht, ohne durch zusätzliche kognitive Anforderungen belastet zu werden. Das Angebot sollte ein hohes Maß an Produktivität ermöglichen. Die Gliederung von Information in sinnvolle Gruppen erhöht ebenso die Aufgabenangemessenheit wie nachempfundene reale Arbeits- und Lernabläufe. 2. Selbstbeschreibungsfähigkeit ist erfüllt, wenn ein multimediales Angebot dem Nutzer ohne zusätzliche Beschreibungen, Hilfen, Erklärungen etc. anzeigt, welche Handlungsoptionen und Interaktionsmöglichkeiten sich hinter einer Funktion verbergen. Dies bedeutet auch, dass Systemmeldungen (Anweisungen oder Fehlermeldungen etc.) präzise, einfach, selbsterklärend und unmissverständlich sein müssen. 3. Steuerbarkeit meint die Anpassung der Informationsselektion und -präsentation an die Bedürfnisse des Nutzers mit Hilfe einer Suchfunktion oder der Möglichkeit, Inhalte nach gewünschten Kategorien zu gruppieren und auszuwählen. Darüber hinaus zeichnet sich Steuerbarkeit dadurch aus, dass der Nutzer oder Lernende seinen Wissenserwerb zu jeder Zeit unterbrechen und später an derselben Stelle fortsetzen kann. Ein Aspekt der Steuerbarkeit ist ebenfalls, dass der Nutzer oder Lernende die Möglichkeit hat, sich innerhalb des Angebotes vor und zurück zu bewegen, ohne auf eine fixe Bearbeitungssequenz festgelegt zu werden. 4. Erwartungskonformität ist dann erfüllt, wenn der Nutzer seine Vorerfahrungen im Umgang mit interaktiven multimedialen Medien nutzen und anwenden kann. Zentral ist zudem Konsistenz, u. a. in der Platzierung der Information, konsistenten Interaktionen und konsistenter Sprache. 5. Fehlerrobustheit meint eine geringe Fehlerrate des Systems und ein System, das so konstruiert ist, dass es dem Nutzer hilft, möglichst wenig Fehler bei der Handhabung zu machen bzw. Fehler schnell und unkompliziert zu korrigieren. Dabei werden solche Aktionen als Fehler definiert, die nicht zum gewünschten Erfolg führen. Die Fehlerrate zu messen ist einfach, da die auftretenden Fehler nur aufsummiert werden müssen. Schwieriger ist festzustellen, ob angebotene Hilfen zur Behebung von Fehlern, insbesondere selbst verschuldeten, auch verstanden und angewendet werden können. In jedem Fall ist eine Kategorisierung der Fehler unerlässlich. Sinnvolle Kategorien sind u. a. Fehler, die der Nutzer oder Lernende selbst verursacht hat und die er beheben kann, Fehler, die von ihm nur sehr aufwendig und mit hohem inhaltsspezifischen Wissen oder Computerfachwissen behoben werden können, sowie Fehlern die nur die Entwickler der Lernumgebung beheben können. Eine Kategorisierungsmöglichkeit im Rahmen der Inspektionsmethoden (s. Kap. 28.7) schlägt Nielsen (1993a) vor. 6. Individualisierbarkeit ist dann gegeben, wenn das multimediale Angebot sich dem individuellen Vorwissen bzw. deren Fähigkeiten der Benutzer anpasst. Filterfunktionen sind ein Merkmal der Individualisierbarkeit. In multimedialen Lernumgebungen übernehmen manchmal Einstufungstests diese Funktion. Anhand des Kenntnisstandes des Lernenden wird eine optimale Auswahl der zu bearbeitenden Lerninhalte zusammengestellt und so der zukünftige Wissenserwerb gesteuert. Der Lernende muss also nicht mehr alle Inhalte im Lernangebot rezipieren, sondern nur noch jene, die auf seinen Kenntnisstand aufbauen und diesen erweitern. 7. Lernförderlichkeit ermöglicht es dem Lernenden, sich schnell Wissen und Fertigkeiten über die Benutzung des multimedialen Angebotes anzuzeignen. Zudem soll der
28.3 Attribute und Kriterien
423
gelegentliche Lerner sich schnell wieder im Angebot zurechtfinden und sich leicht erinnern, wie das Angebot zu handhaben ist. Sobald er einige grundlegende Funktionen, wie die Handhabung der Navigation, kennen gelernt und sich einen Überblick über den Inhalt des Angebotes verschafft hat, muss es möglich sein, schnell mit dem Arbeiten bzw. Lernen beginnen zu können. Die Lernförderlichkeit ist ein wesentlicher Aspekt der Usability. Sie bestimmt die Höhe der anfänglichen Hürde, die vom Nutzer oder Lernenden zunächst einmal überwunden werden muss, will er mit dem Angebot arbeiten oder lernen. Dieser Aspekt erhält insbesondere dann Bedeutung, wenn für das Angebot nur kurze oder gar keine Schulungsmaßnahmen vorgesehen sind. Denn dann entscheidet die Lernförderlichkeit darüber, ob das Angebot schnell oder nur widerstrebend angenommen wird. Ein Maß der Lernförderlichkeit ist die Zeit, die Nutzer bzw. Lernende brauchen, um ein bestimmtes Niveau an Können im Umgang mit dem System zu erreichen. Sehr lange Einarbeitungszeiten zeigen Schwächen der Lernförderlichkeit an, so dass in einem solchen Fall eine Überarbeitung der Oberfläche des Angebotes angebracht ist. Erinnerbarkeit
Ein zumindest von Nielsen (1993b) herausgestellter und im Kontext multimedialen Lernens zentraler Aspekt der Lernförderlichkeit ist die Erinnerbarkeit (memorability). Sie hängt eng mit dem Kriterium der Erwartungskonformität zusammen und umfasst alle Gestaltungsmerkmale des multimedialen Angebotes, die den gelegentlich Lernenden unterstützen, sich leicht wieder in die Handhabung der Lernumgebung hineinzufinden. Dieser Aspekt bezieht sich aber auch auf Experten, die in größeren Zeitabständen bestimmte Sonderfunktionen nutzen. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Erinnerbarkeit zu messen:
Messung Erinnerbarkeit
1. Es können Zeiten für die Bearbeitung bestimmter Übungsaufgaben zur Handhabung der Lernumgebung gemessen werden, und zwar einmal für gelegentlich mit dem Angebot Lernende und einmal für häufig mit dem Angebot Lernende. Beide Zeiten werden dann miteinander vergleichen. Große Differenzen deuten dann auf UsabilityProbleme hin. 2. Es werden Gedächtnistests durchgeführt, bei denen Lernende gefragt werden, die nur in größeren Abständen mit dem Lernangebot arbeiten, welche Effekte bestimmte Befehle oder Aktionen hervorrufen. Diese 7 Kriterien der Usability sind nicht stabil und durch eindeutige Maße bestimmbar, da die relative Bedeutung, vom Nutzungskontext, Nutzungszweck und Nutzungsziel abhängt. Somit müssen die einzelnen Kriterien je nach Anwendungsfall ausgewählt, kombiniert und gewichtet werden. Da die Messung der Usability nicht direkt erfolgen kann, muss sie indirekt über andere Größen bestimmt werden. Im Wesentlichen wird dies über eine Kombination aus Leistungsmessungen und Erfassung subjektiver Daten realisiert.
28.4 Usability-Evaluation: zentraler Bestandteil des Usability-Engeneering-Prozesses Ohne Evaluation ist es nicht möglich, festzustellen, ob und inwieweit ein multimediales Lernangebot mit den Bedürfnissen und Erwartungen der Lernenden übereinstimmt (Preece et al., 1994).
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28 Usability
Im Rahmen vieler didaktischer Evaluationsansätze wird die Usability einer multimedialen Lernumgebung eher aus Expertensicht und zudem summativ beurteilt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Kriterienkataloge zum Einsatz kommen, die eine Vielzahl von Kriterien zur softwareergonomischen Gestaltung enthalten (Kahn, 2005; Meier, 1995; Squires & McDougall, 1994). Eine summative Beurteilung der Usability eines Lernsystems ist möglich, vernachlässigt aber die Chancen und den zusätzlichen Erkenntnisgewinn formativer Evaluation (s. Kap. 27). Durch formative Usability-Evaluation wird eine Datenbasis geschaffen, auf deren Grundlage Schritte zur Verbesserung der Effektivität, Effizienz oder Zufriedenheit des entstehenden Angebotes unternommen werden können. Somit muss Usability-Evaluation wesentlicher Bestandteil während des kompletten Usability-Engineering-Prozesses (s. Abb. 28.1) sein, wie dies auch in der DIN-EN-ISO 13407 (2006; 1999) bzw. im DATech Prüfhandbuch (2006; 1999) empfohlen wird.
Usability Tests als summative Evaluation Usability Tests als formative Evaluation
Abb. 28.1: UsabilityEngeneering-Prozess in Anlehnung an DIN-EN-ISO 1340
28.4 Usability-Evaluation: zentraler Bestandteil des Usability-Engeneering-Prozesses
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Abb. 28.2: Phasen und Tätigkeiten des UsabilityEngineering-Prozesses
Phasen des Usability-EngineeringProzesses Feststellen der Notwendigkeit einer benutzerorientierten Gestaltung Verstehen und Festlegen des Nutzungskontextes Festlegen von Benutzeranforderungen und organisatorischen Anforderungen Entwerfen von Gestaltungslösungen
Beurteilung von Gestaltungslösungen
Tätigkeiten in der jeweiligen Prozessphase Definition von Zielsetzungen, Kosten-Nutzen-Analyse; Planung des gesamten Prozesses, Erstellen von Arbeitspaketen, Sensibilisierung aller Beteiligten für die Usability-Problematik Anfertigen einer Aufgabenanalyse, Erstellen einer Benutzerprofilanalyse, Analysieren der Rahmenbedingungen Entwicklung eines konzeptionellen User-InterfaceModells, Berücksichtigung von Produktserien und Vorversionen, Festlegen eines Style Guide, Mock-ups und Entwicklung von Prototypen Auswahl und Gewichtung der Usability-Kriterien, Auswahl der geeigneten Usability-Evaluationsmethode(n)
Der Prozess des Usability Engineering ist iterativ, d. h., einzelne oder mehrere Phasen des Entwicklungsprozesses werden so lange in Zyklen durchlaufen, bis die vorher definierten Usability-Ziele erreicht wurden (Shackel, 1985). Der Prozess beginnt mit der Projektvorbereitung, dem Feststellen der Notwendigkeit einer benutzerorientierten Gestaltung und der Festlegung des Nutzungskontextes. Des Weiteren folgen im fortschreitenden Prozess die Anforderungsanalyse und der UserInterface-Entwurf, in dem Gestaltungslösungen entwickelt werden. Abschließend folgen die Einführung, Nutzung, Optimierung sowie Pflege des multimedialen Angebotes. Für jeden Prozessabschnitt sind spezifische Tätigkeiten erforderlich, die jeweils evaluiert werden sollten (Mayhew, 1999; Nielsen, 1994; Shneiderman, 1998). Besonders die Anforderungsanalyse sollte neben den Gestaltungslösungen differenziert evaluiert werden, da ein großer Teil später festgestellter Usability-Mängel in der Anforderungsanalyse ihre Ursache haben können. Dabei ähneln die Phasen des Usability-Engineering-Prozess denen des Evaluationsprozesses (s. Kap. 27).
28.5 Ziele der Usability-Evaluation Usability-Evaluation basiert auf dem Prinzip des nutzerfreundlichen Designs bzw. UserCentered-Designs (Rubin, 1994). Nach diesem Prinzip steht der Nutzer bzw. Lernende im Fokus der Konzeption und Entwicklung des multimedialen Angebotes. Es gilt, herauszufinden, was er unter usable bzw. nutzerfreundlich versteht und wie er zukünftig mit dem System zu arbeiten bzw. zu lernen beabsichtigt. Insbesondere, wenn es sich um ein multimediales Lernangebot handelt, ist festzustellen, über welche Funktionen, wie E-Mail, Chat, tutorielle Unterstützung, Möglichkeiten zum kooperativen Lernen usw., das Lernangebot verfügen sollte. Es muss definiert werden, wie das multimediale Lernangebot gestaltet sein muss, damit es Lernen unterstützt und nicht behindert. Die Basis für Aussagen und Bewertungen der Usability sind mittels empirischer Forschungsmethoden systematisch erhobene Daten. Im Rahmen formativer Evaluation können Schwächen und Problembereiche einer Lernumgebung aufgedeckt und gegebenfalls verändert werden. Als summative Evaluation durchgeführt, bietet die Schwächenanalyse Hinweise auf Problembereiche, die im Einsatzkontext auftreten könnten und
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28 Usability
möglicherweise durch Anpassung noch kompensiert werden müssen. Zudem kann die gewonnene Datenbasis Hinweise auf Usability-Schwierigkeiten bei zukünftigen Neuentwicklungen multimedialer Lernangebote liefern. Sinn einer Usability Evaluation ist es ausschließlich, die Schwierigkeiten und Probleme des Systems zu identifizieren, die Lernende mit dessen Nutzung haben und die ihre Lernprozesse negativ beeinflussen. Die Usability-Evaluation ist nicht geeignet, das Lernsystem generell zu bewerten. Sollte dies das Ziel sein, ist auf Forschungsmethoden der Evaluation zurückzugreifen, wie sie im Kap. 27 beschrieben wurden. Usability-Evaluation dient also ausschließlich der Beurteilung, ob ein bestimmtes vordefiniertes Maß an Usability erfüllt ist. Darüber hinaus analysiert und bewertet sie, ob den Charakteristiken typischer Lernender entsprochen wird, so dass diese effizient, effektiv und zur subjektiven Zufriedenheit mit der Lernumgebung lernen können (Lee, 1999).
Möglichkeiten der Dateninterpretation
28.5.1 Arten der Usability-Evaluation Es können drei verschiedene Arten der Usability-Evaluation unabhängig von der Form ihrer Durchführung unterschieden werden (Holz auf der Heide, 1993; Rubin, 1994): • Vergleichende Usability-Evaluation dient der Analyse verschiedener Prototypen miteinander, um die beste Lösung für den einzelnen Anwendungsfall zu bestimmen. • Bewertende Evaluation eines einzelnen Produktes prüft eine bestimmte vorher definierte Usability-Eigenschaft eines Prototyps. • Analysierende Evaluation deckt Usability-Schwächen und Probleme des analysierten Prototyps auf und dient als Basis für verbesserte Gestaltungsvorschläge. Es können zur Analyse sowohl vertikale als auch horizontale Prototypen verwendet werden. Während horizontale Prototypen die volle Breite der zukünftigen Benutzeroberfläche abbilden, realisieren vertikale Prototypen nur Teile dieser, z. B. die zukünftig zu integrierende Suchfunktion (Niegemann, 1993). Prototypen können sowohl rein beschreibend in Textform ausgeführt sein als auch in Papierform, als einfache Handskizzen oder Bilder bzw. Bilderketten, als statische Bilddarstellungen bzw. dynamische Simulation, die manuell weitergeschaltet wird, so dass der Eindruck einer vollfunktionsfähigen Applikation entsteht.
Horizontale und Vertikale Prototypen
28.5.2 Evaluationszeitpunkt Werden Evaluationsvorhaben nach dem zeitlichen Rahmen ihrer Durchführung unterteilt, so lassen sich drei Zeitpunkte während des Usability-Engineering-Prozesses für eine Usability-Bewertung bestimmen. Am Anfang des Usability-Engineering Prozesses kann die Konzeptbewertung stattfinden. In der mittleren aktiven Umsetzungsphase des Konzeptes sowie in der Testphase erster Produktversionen erfolgt die Designbewertung, und am Ende des Usability-Engineering-Prozesses, steht die abschließende summative Bewertung des entstandenen Produktes, die sogenannte Produktbewertung.
28.5 Ziele der Usability-Evaluation
427
• Konzeptbewertung Die Konzeptbewertung findet in einer sehr frühen Phase statt. Sie ist vor allem dann notwendig, wenn die Lernumgebung erstmalig oder völlig neu konzipiert werden soll und es noch keine Erfahrungen oder Vorgängermodelle gibt, an denen man sich orientieren kann. Eine Usability-Evaluation dient dann als Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Gestaltungselemente und der Gesamtgestaltung. Da zu diesem frühen Zeitpunkt meist noch keine programmierten Prototypen existieren, wird dieser Test häufig auf Papier oder mit Hilfe einer Präsentationssoftware durchgeführt. Den Probanden werden mehrere mögliche Oberflächensituationen und einfache, aber typische Lernabläufe gezeigt, die sie dann bewerten müssen. Ihre Reaktionen geben wertvolle Hinweise, so dass kostenintensive Umstrukturierungen in späteren Phasen der Entwicklung vermieden werden können. • Designbewertung Sobald klar ist, über welche Funktionen die Lernumgebung verfügen soll, kann im Rahmen der Designbewertung diejenige Designalternative ausgewählt werden, bei der die Ziele hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit am besten erreicht werden und die zukünftige Lernende mit hoher Wahrscheinlichkeit anspricht. So kann z. B. die Frage der Menüanordnung untersucht werden, indem mehrere funktionsfähige Prototypen miteinander verglichen werden, die auf der Basis unterschiedlicher Designkonzepte entwickelt wurden. Im Anschluss wird eine Entscheidung zugunsten einer Alternative gefällt. • Produktbewertung Am häufigsten werden Usability-Evaluationen im Rahmen der Produktbewertung eingesetzt, also der Bewertung von Prototypen vor dem Einsatz im Lernkontext. Es wird geprüft, ob die Usability-Attribute (Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit) in der Lernumgebung entsprechend den Anforderungen der Lernenden umgesetzt wurden und welche Schwächen die Lernumgebung aus Sicht der Lernenden noch aufweist. Usability-Evaluationen zum Zweck der Produktbewertung können sowohl nach formativen Kriterien als auch nach summativen Kriterien durchgeführt werden. Ein Beispiel für eine summative Bewertung wäre die Entscheidung darüber, welche Lernplattform für die eigenen Zwecke am besten geeignet ist.
28.6 Erhebungsmethoden der Usability
Experten- und Nutzerurteile
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Eine „gute“ Usability ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches multimediales Lernen. Sie stellt sicher, dass beim Lernen die verarbeitungs- und aufmerksamkeitsintensiven kognitiven Prozesse auf den Lerngegenstand an sich gelenkt werden und nicht weitere aufwendige Verarbeitungsprozesse auftreten, die zu einer kognitiven Überlastung des Arbeitsgedächtnisses beim Lernenden führen können. Insofern gehört die Evaluation der Usability stets zum systematischen Instruktionsdesign, worauf u. a. Peck und Hannafin (1988) oder Kemp (1985) hinweisen. Auch Kahn (2005) schließt UsabilityKriterien mit in seine E-Learning Quick Checklist ein. Um die Usability zu testen, gibt es unterschiedliche Methoden, die entweder basierend auf der Untersuchungsmethode der Beobachtung oder der Befragung entwickelt wurden. Die Tatsache, dass Expertenurteile eine häufig genutzte Methode der Evaluation von Usability ist, mag vor dem Hintergrund des gewünschten frühzeitigen Einbezugs der Nutzer verwundern. Jedoch basierend auf der Annahme, dass Experten in der Lage sind,
28 Usability
Probleme der Lernenden vorauszusagen, sind Expertenurteile eine kostenreduzierende Möglichkeit, Usability zu untersuchen, zumindest in frühen Entwicklungsphasen des Produktes. Ob dies für die eigene Usability-Studie erwartbar ist, muss im Einzelfall abgewogen und eventuell überprüft werden. Nur in einigen Fällen kann es sein, dass ein Usability-Test, basierend auf Nutzerurteilen, überflüssig ist, in den meisten Fällen jedoch nicht. Die Kombination von Methoden der Erhebung von Expertenurteilen mit Methoden der Nutzerbeurteilung schafft eine umfangreiche und aussagefähige Datenbasis. So ist es möglich, mehr Usability-Probleme zu identifizieren und möglichst vollständig und umfassend zu erheben. Deshalb werden nachfolgend sowohl die Methoden der Evaluation durch Experten als auch durch Nutzer bzw. Lernende vorgestellt. Der nachfolgende Abschnitt gibt zunächst einen Überblick über mögliche Messansätze und stellt Beispiele verfügbarer Messinstrumente zusammen. Ab Kap. 28.7 werden dann zu den einzelnen Messansätzen, die für die Usability-Evaluation im Kontext multimedialen Lernens relevanten Messinstrumentarien vorgestellt.
28.6.1 Messansätze der Usability Usability kann auf unterschiedliche Weise erhoben werden, am häufigsten sind Beobachtung und Befragung. Zur Messung der Usability lassen sich vier Messansätze unterscheiden (Bevan, Kirakowski & Maissel, 1991), die auch miteinander kombiniert werden können. Sie sollen nun im Überblick kurz vorgestellt werden, bevor die drei für multimediales Lernen am häufigsten angewendeten Messansätze ausführlicher ab Kap. 28.7 erläutert werden. • Der formal-analytische Messansatz (FM) bestimmt Usability über formale Eigenschaften der Benutzer bzw. Lernenden und Eigenschaften des multimedialen Angebotes und wird besonders in frühen Phasen der Entwicklung eingesetzt. Es werden Performanz und psychomentale Leistungen der potenziellen Nutzer bzw. Lernenden gemessen. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das Keystroke-Level-Model, mit dem versucht wird, auf der Basis von Leistungsdaten Voraussagen über Usability-Schwächen zu generieren (Card, Moran & Newell, 1990). Dazu werden die zur Bewältigung der Aufgaben notwendigen Tastatureingaben bestimmt und eine Vorhersage über die benötigte Zeit getroffen. Diese Vorgaben werden später mit den Daten aus der Leistungsmessung, die während des Usability-Tests erhoben wurden, verglichen. Systematische Abweichungen zwischen Vorgabe und denen im Test ermittelten Daten deuten dann auf Usability-Schwächen hin. Allerdings ist die Beschränkung des Ansatzes auf den Zeitfaktor ohne Einbezug weiterer Usability-Attribute wie Zufriedenheit oder Effektivität der Nutzer bzw. Lernenden einer der häufigsten Kritikpunkte. Eine ausführliche Kritik zum formal-analytischen Messansatz findet sich bei Ziegler (1988). Ähnliche analytische Messinstrumente wie das Keystroke-Level-Model sind die „Cognitive Complexity Theorie“ (Kieras & Polson, 1985) und das SANe-Modell (Gunsthövel, Bösser, & Amsterdam, 1991). Beide Modelle sind differenzierter als das Keystroke-Level-Model (Card, Moran, & Newell, 1990), da unterschiedliches Vor-
28.6 Erhebungsmethoden der Usability
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wissen und unterschiedliche Fähigkeitslevel und Fertigkeitslevel der Nutzer bzw. Lernenden mit in die Beurteilung der Usability des multimedialen Angebotes eingehen. • Der produktzentrierte Messansatz (PM) misst die Benutzerfreundlichkeit des multimedialen Angebotes über dessen ergonomische Eigenschaften, z. B. über Heuristiken oder Checklisten, die von Experten bearbeitet werden müssen. Messverfahren für diesen Ansatz sind u. a.: Heuristiken: − Cognitive Walkthrough (C. Lewis & Wharton, 1997) − Heuristische Evaluation (Nielsen, 1993b). Checklisten: − EVADIS (Oppermann et al., 1992) − IsoMetrics (Gediga, Hamborg, & Düntsch, 1999) − PUTQ (Lin, Choong, & Salvendy, 1997) − QUIS (Chin, Diehl, & Norman, 1988). • Der interaktionszentrierte Messansatz (IM) bestimmt Usability über Eigenschaften der Interaktion zwischen Benutzer bzw. Lernendem und dem multimedialen Angebot. Es werden Performanz und psychomentale Leistungen gemessen. Mögliche Aufzeichnungsmethoden sind u. a.: − Beobachtungsprotokolle erstellt durch den Versuchsleiter während des Lern- und Arbeitsprozesses mit dem multimedialen Angebot, indem nonverbale und verbale Äußerungen und Handlungen der Lernenden bei der Benutzung des Angebotes erfasst werden (Müller-Holz, 1991), − „Screen-Recording“ zeichnet die Handlungen des Nutzers oder Lernenden über Video auf (protokolliert werden Tastatureingaben, Mausbewegungen etc.), − „Logfile Recording“ protokolliert die Handlungen des Nutzers oder des Lernenden über den Computer (festgehalten werden u. a. Anzahl und Reihenfolge aufgerufener Bildschirmseiten, Dauer der Nutzung) (Crellin, Horn, & Preece, 1990), − „Eye-Tracking“ erfasst die Augenbewegungen des Nutzers bzw. des Lernenden während der Rezeption des multimedialen Angebotes mittels Eye-TrackingKamera (s. Kap. 28.9). Um die Intention und Ziele des Benutzers oder Lernenden, die seinen Handlungen zugrunde liegen, den Beobachtungsdaten zuordnen zu können, ist es empfehlenswert, die ausgewählte(n) Methode(n) des interaktionszentrierten Messansatzes mit Methoden des benutzerzentrierten Messansatzes zu kombinieren. • Der benutzerzentrierte Messansatz (BM) erfasst subjektive Beurteilungen des multimedialen Angebotes durch den Nutzer selbst, z. B. über subjektive Ratings. Diese Art der Datenerfassung wird auch als Usability-Test bezeichnet (Rubin, 1994). Erhebungsmethoden des Ansatzes sind: − Thinking-Aloud-Methode (C. Lewis, 1982) − Videokonfrontationsmethode (Neal & Simons, 1984)
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28 Usability
− Fokus Groups (Morgan, 1997) (Gruppendiskussion) − Usability-Tests (Rubin, 1994) − AttrakDiff (Checkliste zur Attraktivität und Freude während der Nutzung eines multimedialen Angebotes (Hassenzahl, Burmester, & Koller, 2003). Sowohl der formal-analytische, als auch der produktzentrierte Messansatz nutzen überwiegend Expertenurteile zur Beurteilung der Usability. Für den benutzerzentrierten Messansatz hingegen bilden Nutzer- bzw. Lernendeneinschätzungen die Basis der Usability-Bewertung eines Angebotes. Der Fokus des interaktionszentrierten Messansatzes liegt zwar auch auf dem Nutzerbzw. Lernendenverhalten, es werden jedoch nicht deren Urteile erfragt, sondern ihre Handlungen protokolliert und später analysiert. Jede der Methoden hat spezielle Vor- und Nachteile. Formal-analytische Messmethoden analysieren Usability stark effizienzbezogen. Interaktionszentrierte und benutzerzentrierte Messmethoden erfassen neben dem Effizienz-Attribut auch die Effektivität und Zufriedenheit. Beide Messmethoden gelten als sehr aufwendig (Dumas, 1993). Eine Alternative sind Inspektionsmethoden, wie der Cognitive Walkthrough bzw. die heuristische Evaluation oder Checklisten. Mit Inspektionsmethoden können eine Vielzahl der Usability-Probleme aufgedeckt werden (Desurvire, 1994), jedoch variiert die Verlässlichkeit, wie viele Probleme entdeckt werden, je nach Qualifikation der Evaluatoren (Desurvire, 1994). Zudem entdecken Experten andere Probleme als Nutzer (Dumas, 1993). Produktzentrierte Evaluationsmethoden ergänzen sinnvoll interaktionsund benutzerzentrierte Methoden, ersetzen sie aber nicht. Nachfolgend sollen nun ausgewählte Methoden des produkt-, interaktions- und benutzerzentrierten Ansatzes näher vorgestellt werden.
Vor- und Nachteile der Ansätze
28.7 Produktzentrierter Messansatz: Inspektionsmethoden Eine häufig für die Evaluation der Usability eingesetzte Form sind Inspektionsmethoden. Diese bezeichnen eine Reihe von Methoden, die auf Expertenurteilen basieren und somit auf ihrer Fähigkeit, Nutzungsprobleme typischer Anwender bzw. typischer Lernender vorherzusehen. Als Experten kommen dabei Domänenexperten und Softwareentwickler in Frage, aber auch Nutzer mit großer Erfahrung im Umgang mit dem zu untersuchenden Angebot und entsprechend umfangreichem Usability- sowie inhaltlichem Fachwissen. Nielsen (1993a) weist jedoch einschränkend darauf hin, dass Experten mehr Probleme identifizieren als erfahrene Nutzer. Neben der Entscheidung, welche Experten das Angebot analysieren sollen, ist auch ihre Anzahl entscheidend. So identifiziert ein Experte im Mittel 38% der Usability-Probleme, 5 Experten entdecken schon im Mittel 70% und 10 Experten im Mittel 89% aller im System existierenden Usability-Mängel, die zuvor als solche definiert wurden (Molich & Nielsen, 1990). Ob die Experten in Teams oder einzeln arbeiten sollen, wird kontrovers diskutiert (Mack & Nielsen, 1994; Sawyer, Flanders & Wixon, 1996) und muss nach Abwägen der Vor- und Nachteile in Abhängigkeit vom Evaluationsziel und den Evaluationsaufgaben entschieden werden. Experten, die allein arbeiten, sind in ihrer Begutachtung unbeeinflusst, entdecken häufig
28.7 Produktzentrierter Messansatz: Inspektionsmethoden
Experten oder erfahrende Nutzer
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Einsatzzeitpunkt
aber weniger Usability-Probleme, als es in der Gruppe der Fall ist. Auch sind die in der Gruppe konzipierten Lösungsvorschläge für Usability-Probleme häufig kreativer. Allerdings beansprucht die Gruppenarbeit mehr Zeit (Molich & Nielsen, 1990). Der optimale Einsatzzeitpunkt für Inspektionsmethoden ist die mittlere Phase im Entwicklungszyklus des multimedialen Angebotes. Zu diesem Zeitpunkt existiert ein lauffähiger Prototyp mit favorisiertem Design und der Experte kann typische Aufgaben zukünftiger Lernender schon selbst durchführen.
28.7.1 Cognitive Walkthrough 28.7.1.1 Überblick über die Methode Analyse von Handlungsabläufen
Die Methode des Cognitive Walkthrough basiert auf Erkenntnissen der Kognitionspsychologie (C. Lewis & Wharton, 1997). Sie wird in einem sehr frühen Entwicklungsstadium des multimedialen Angebotes eingesetzt, in dem noch nicht einmal ein Prototyp vorhanden sein muss (C. Lewis & Wharton, 1997). Schwierig ist die Auswahl repräsentativer Aufgaben, denn nur diese werden von den Experten bearbeitet und bilden gleichzeitig auch die Evaluationsgrundlage (Dumas, 1993). Voraussetzung ist somit eine detaillierte Aufgabenanalyse (s. Kap. 8). Der Cognitive Walkthrough konzentriert sich in seiner Analyse vor allem auf die Handlungsabläufe, die ein Lernender durchführen muss, wenn er mit einer multimedialen Lernumgebung lernt (Desurvire, 1994). Der Experte, der mittels Cognitive Walkthrough die multimediale Lernumgebung analysiert, versucht jeweils die Frage zu beantworten, ob der typische Lernende in der Lage wäre, die für die Lösung der Aufgabe relevanten Aktionen zu erkennen und auszuführen. Die Methode des Cognitive Walkthrough betont vor allem den Aspekt der leichten Erlernbarkeit und Handhabung der Lernumgebung, der mit weiteren Usability-Kriterien, insbesondere der Effizienz, korreliert. Beim Cognitive Walkthrough analysieren Experten vorgegebene Handlungsabläufe, idealerweise solche, die auch zukünftige Lernende häufig durchführen müssen, oder solche, bei denen keine Fehler unterlaufen dürfen, wie dies beispielsweise beim Aufrufen, Beantworten und Abschicken einer Online-Klausur der Fall wäre. Dabei wird festgestellt, ob zukünftige Lernende in der Lage wären, die einzelnen Schritte zu erkennen, nachzuvollziehen, zu verstehen und auszuführen. Sobald Probleme von den Experten erkannt werden, dokumentieren und begründen sie diese als Hilfe für die Entwickler.
28.7.1.2 Ablauf eines Cognitive Walkthrough Der Ablauf eines Cognitive Walkthrough gliedert sich typischerweise in vier Schritte: 1. Definition von Zielgruppe, Beispielaufgaben, Handlungssequenzen und Interface: Dieser Schritt umfasst Vorarbeiten und Vorüberlegungen. Zunächst stellt sich die Frage nach der Zielgruppe, ihrem Vorwissen und ihren Erwartungen, die in diesem Schritt festgehalten werden. Des Weiteren müssen die einzelnen Aufgaben ausgear-
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28 Usability
beitet werden. Dabei ist zu beachten, dass sie sich entweder auf häufig ausgeführte und/oder auf kritische Lernaspekte beziehen und zudem repräsentativ ausgewählt werden müssen. Im Anschluss kann festgelegt werden, welche Aktionen für die Lösung der einzelnen Aufgaben notwendig sind. Es müssen diejenigen Bedienungssequenzen definiert werden, denen die zukünftigen Lernenden idealerweise folgen sollten. In diesem Schritt wird ebenfalls festgelegt, was die Lernenden während der einzelnen Bedienungsschritte zu sehen bekommen, also wie die Bildschirmoberfläche gestaltet werden soll und welche Funktionen zur Verfügung stehen werden. Dies ist kein Problem, wenn schon ein Prototyp vorliegt, andernfalls müssen die einzelnen Bildschirmseiten entworfen werden, bevor die eigentliche Untersuchung beginnen kann. 2. Untersuchung der Handlungssequenzen: Während des Cognitive Walkthrough arbeitet der Experte die einzelnen Schritte des korrekten Lösungsweges durch, wobei er bei jeder Aktion Voraussetzungen und Folgen bedenkt. Er stellt sich dabei u. a. folgende Fragen: Welche Aktion würde der Lernende anstreben? Steht die korrekte Aktion zur Verfügung? Wird der Lernende diese korrekte Aktion als solche erkennen und ausführen können? Wenn er die Aktion korrekt ausgeführt hat, wird er den Fortschritt erkennen? Aus den Ergebnissen dieser Überlegungen wird dann geschlossen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Lernende die Aufgaben korrekt bearbeiten kann. 3. Protokollierung der Probleme: Während der Protokollierung sollte der Prüfer (a) alle Informationen und Kenntnisse angeben, die der Lernende für bestimmte Handlungsschritte haben muss, (b) alle Aktionen auflisten, bei denen Probleme auftreten könnten, und (c) mutmaßliche Gründe für diese Probleme angeben. Eine Bewertung der Schwere der Mängel, wie bei der heuristischen Evaluation, ist im Cognitive Walkthrough nicht zwingend erforderlich. 4. Revision: Im Rahmen der Revision werden nun die einzelnen analysierten Probleme geordnet aufgelistet, z. B. entsprechend der zur Untersuchung der Handlungssequenzen gestellten Fragen: Der Lernende weiß oft nicht, welche Aktion er anstreben soll. Auch bestehen Unsicherheiten dahingehend, ob die gewünschte Aktion überhaupt zur Verfügung steht. Zudem weiß er nicht, wie er sie anstreben soll. Er findet die korrekte Aktion nicht und erhält auch keine Rückmeldung oder Hilfestellung, wie er sein Problem lösen kann. So entsteht eine Zusammenstellung von Problemen, die den Entwickler darüber informiert, ob, wo und wann das Design der Lernumgebung die Interaktion zwischen Lernenden und Lernumgebung erschwert. Auf dieser Basis kann nun das Redesign beginnen.
28.7.1.3 Anwendungsempfehlungen Der Cognitive Walkthrough ist eine kostengünstige Methode, was Verantwortliche ermutigen sollte, eine Kombination mit interaktions- und benutzerzentrierten Messmethoden einzusetzen. Es wird nicht empfohlen, den Cognitive Walkthrough als Ersatz eines Usability-Tests einzusetzen (Wharton et al., 1994). Zwar werden mit dem Cognitive Walkthrough weniger Probleme identifiziert als beim Usability-Test oder bei der heuristischen Evaluation, aber es werden mögliche Ursachen von Usability-Problemen ebenso wie Zusammenhänge zwischen Problemen
28.7 Produktzentrierter Messansatz: Inspektionsmethoden
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aufgedeckt, auch dann, wenn bei anderweitig identifizierten Usability Problemen nicht klar ist, warum diese auftreten. Eine Variation ist der Pluralistic Walkthrough, bei dem Experten, Entwickler und Nutzer gemeinsam vorgegebene Handlungsabläufe durchlaufen und dabei diskutieren.
28.7.2 Heuristische Evaluation In der heuristischen Evaluation beurteilen eine geringe Anzahl von Experten anhand von Heuristiken die Usability des zu analysierenden Produktes. Nielsen (1992) empfiehlt drei bis fünf, für einen Test als Teil des Design-Test-Redesign Prozesses empfielt Molich (2005) 5 bis 8 Experten, um (alle) schweren Usability-Probleme aufzudecken. Dabei greifen sie auf die von Molich und Nielsen (1990) vorgeschlagenen heuristischen Prinzipien zurück.
28.7.2.1 Heuristiken Molich und Nielsen (1990) schlagen folgende Heuristiken für die Usability_Evaluation vor: 1. Einfache und natürliche Dialoge: Nach diesem Prinzip wird die Benutzeroberfläche des Produktes daraufhin geprüft, ob sie exakt die Information präsentiert, die der Nutzer sich wünscht, und zwar zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. 2. Die Sprache des Nutzers sprechen: Nutzerbezogenes Design bedeutet auch, dass in der Terminologie beachtet werden muss, Begriffe und Icons zu verwenden, die der Nutzer aus seinem natürlichen Sprachkontext heraus kennt und versteht. Vermieden werden sollten Dialoge, die auf der Ebene einer systemorientierten Sprache aufbauen. Bekannt ist dieses Problem bei Hilfen einschlägiger Softwareanwendungen. Sie enthalten selten die Begriffe als Suchwörter, die der Anwender in die Suchmaske eingibt. Dieser ist dann häufig frustriert, weil er alle möglichen Synonyme ausprobieren muss, um die gesuchte Information zu erhalten. 3. Minimiere die Gedächtnisbelastung des Nutzers: Der Nutzer sollte entsprechend diesem Prinzip möglichst wenig kognitive Verarbeitungsprozesse auf die Bedienung des Angebotes lenken müssen. 4. Konsistenz: Konsistenz ist das wichtigste Grundprinzip. Ähnlich strukturierte Bildschirmseiten erleichtern dem Nutzer die Orientierung und die gezielte Suche nach relevanten Informationen. Damit eng verbunden ist auch die Minimierung der kognitiven Belastung des Arbeitsgedächtnisses beim Nutzer (s. Kap. 3). 5. Feedback: Der Nutzer sollte jederzeit Rückmeldungen über seine Aktivitäten und die des Systems erhalten, z. B. beim Laden von Bildern, aber auch über Fehler in der Handhabung. Gerade bei Rückmeldungen zu Fehlern reicht es nicht aus, den Fehler zu benennen. Für den Nutzer entscheidend sind darüber hinaus Hinweise, wie der Fehler behoben bzw. vermieden werden kann (s. Kap. 22). 6. Tastenkürzel (Shortcuts): Um häufig auszuführende Operationen zu beschleunigen, ist es sinnvoll, Shortcuts als Schnellzugriffe auf diese Operationen anzubieten, z. B.
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28 Usability
Str + C für kopieren, wäre ein solcher Shortcut, der gewöhnlich unter Windows funktioniert. 7. Genaue und konstruktive Fehlermeldungen: Gute Fehlermeldungen sind dadurch charakterisiert, dass sie klar formuliert sind, systemorientierte Informationen an den Schluss stellen und konstruktive Hinweise zur Fehlerbehebung bzw. Fehlervermeidung beinhalten sowie höflich formuliert sind. 8. Fehlerprävention: Fehleranfälligen Situationen sollte vorgebeugt werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll, das System so zu konzipieren, dass es Nutzer dabei unterstützt, Fehler zu vermeiden, und sofern sie dennoch aufgetreten sind, Hilfen zu deren Behebung anzubieten. 9. Hilfe und Dokumentation: Komplexe Systeme müssen über eine Bedienungsanleitung und Hilfefunktion verfügen. Diese sollten leicht verständlich formuliert sein und, soweit angebracht, den Sachverhalt visualisieren. Diese Heuristiken sind nicht starr, sondern sollen entsprechend dem speziellen Evaluationsgegenstand verändert und angepasst werden. Im Rahmen der Evaluation multimedialen Lernens ist das unbedingt erforderlich, da nur wenige der Prinzipien direkt für das multimediale Lernen übernommen werden können. Viele der Heuristiken müssen präzisiert und auf den aktuellen Evaluationsgegenstand angepasst werden, insbesondere gilt dies für das Feedback. Denn gerade beim multimedialen Lernen kommen zum bedienungsbezogenen Feedback inhaltliche Rückmeldungen und Hilfen hinzu, deren Gestaltung lernerfreundlich sein sollte.
28.7.2.2 Ablauf einer heuristischen Evaluation Anhand der beschriebenen heuristischen Prinzipien beurteilen die einzelnen Experten separat die Usability der Anwendung, und zwar idealerweise in zwei Durchgängen. Es ist auch möglich, die heuristischen Prinzipien im Team zu bewerten. Dies ist empfehlenswert, denn dann steigt die Produktivität der Methode, da unterschiedliche Gutachter mehr und verschiedene Probleme finden. Auch in der Gruppe erfolgt die Anwendung der heuristischen Evaluation in zwei Durchgängen. Bevor die Experten mit der Analyse des multimedialen Angebotes beginnen können, müssen sie ausführlich mit den heuristischen Prinzipien vertraut gemacht werden. Im ersten Durchgang konzentrieren sich die Experten auf den Informationsablauf und die Funktionalitäten, im zweiten Durchgang auf die einzelnen Bedienelemente. Das Ergebnis ist eine Liste von Usability-Problemen, die genau beschreibt und in ihrer Charakterisierung Bezug nimmt, welches heuristische Prinzip sie verletzen. Analysieren die Experten zunächst allein das Angebot, werden im zweiten Duchgang die von den einzelnen Experten identifizierten Usability Probleme in der Gruppe aller Experten diskutiert. Gleichzeitig erstellen sie eine Gesamtliste aller von ihnen identifizierten UsabilityProbleme. Erfolgt die Analyse gleich in der Gruppe, wird zum Abschluss die Liste aller Probleme noch einmal diskutiert. In einem weiteren Schritt werden alle gefundenen Usability-Kriterien nach ihrem Schweregrad durch die Experten beurteilt. Dies kann entweder in der Gruppe oder durch einzelne Experten erfolgen.
28.7 Produktzentrierter Messansatz: Inspektionsmethoden
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28.7.2.3 Rating der Usability-Probleme Kategorisierung der Usability-Probleme
Um Anhaltspunkte zu erhalten, welche der gefundenen Probleme die Usability in welchem Maße beeinträchtigen und wie notwendig Produktveränderungen sind, werden die gefundenen Probleme einem „Schweregrad-Rating“ (severity rating) unterzogen. Problematisch beim severity rating ist, dass es für die Schwere der Mängel keine einheitliche Definition gibt (Desurvire, 1994). Nach Nielsen (1993b) fließt in die Beurteilung der Schwere der Usability-Probleme eine Kombination folgender Faktoren: 1. Auftretenshäufigkeit, 2. Einfluss des Problems auf die Erreichung des gesetzten Ziels bzw. der Aufgabenbewältigung und 3. Möglichkeit, sobald das Problem bekannt ist, dieses zu umgehen.
Priorisierung der Probleme nach Schweregrad
Zur Klassifizierung des Schweregrades eines identifizierten Usability-Problems schlägt Nielsen (1993b) nachfolgende Abstufungen vor: 1. Dies ist kein Usability-Problem. 2. Dies ist nur ein kosmetisches Problem, das nicht behoben werden muss, solange keine zusätzliche Zeit zur Verfügung steht. 3. Dies ist ein kleines Usability-Problem – dessen Behebung erhält geringe Priorität. 4. Dies ist ein großes Usability-Problem – dessen Behebung erhält große Priorität. 5. Dies ist eine Usability-Katastrophe – das Problem muss unbedingt schnellstmöglich behoben werden. Alle gefundenen Probleme werden von mindestens drei und wenn möglich allen Experten hinsichtlich ihres Schweregrades eingeschätzt. Meist erfolgt dies über vorab zugesandete Fragebögen.
28.7.2.4 Möglichkeiten und Grenzen der heuristischen Evaluation Nielsen (1994) weist darauf hin, dass mit der heuristischen Evaluation schwerwiegende Fehler schneller erkannt werden als weniger schwerwiegende, jedoch von Letzteren weitaus mehr gefunden werden. Wie bereits erwähnt, ersetzt die heuristische Evaluation nicht den Usability-Test mit Nutzern, da Experten keine Nutzer sind, und sie auftretende Probleme bei der Benutzung nur antizipieren können. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass Nutzer einerseits ähnliche Usability-Probleme wie die Experten finden, andererseits aber auch andere, die von den Experten nicht vorhergesehen wurden.
28.7.3 Focus-Group Im Rahmen der Focus-Group-Evaluationsmethode (Morgan, 1997) werden in kleinen Gruppen moderierte Gruppendiskussionen durchgeführt (Nielsen & Mack, 1994), wie
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28 Usability
sie als Evaluationsmethode etwa von Bortz und Döring (2006) beschrieben wurde. Focus-Group-Interviews sollen Wahrnehmungen, Meinungen und Einschätzung von Nutzern bzw. Lernenden multimedialer Lernangebote ergründen. Sie können strukturiert mittels Interviewleitfaden durchgeführt werden oder unstrukturiert. Für die unstrukturierten Interviews reicht es aus, ein oder zwei Themen bzw. Fragen vorzubereiten, welche die Diskussion anstoßen. Die Teilnehmer der Diskussion werden nach bestimmten vordefinierten Kriterien (Geschlecht, bestimmte Zielgruppe, bestimmtes Vorwissen oder bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten) ausgewählt. Empfohlen werden 6–8 Teilnehmer je Focus-Group-Diskussion, manchmal auch bis zu 12 (Bortz & Döring, 1996). Die Dauer eines Fokus-Group-Interviews ohne Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer und Einführung in das Diskussionsthema bzw. die Diskussionsthemen sollte 60–90 min nicht überschreiten (Dumas, 1993; Dürrenberger & Behringer, 1999; Greenbaum, 1993). Entscheidend für den erfolgreichen Verlauf eines Focus-Group-Interviews ist ein gut geschulter Moderator. Er muss auf die Gruppe eingehen, Moderationstechniken kennen und anwenden können sowie über Geschick im Umgang mit Menschen verfügen. Neben dem Moderator sind noch Protokollführer während des Focus-Group-Interviews anwesend, entweder im gleichen Raum oder einem separaten, in dem sie über Videokameras das Verhalten und die Aussagen der Teilnehmer und des Moderators mitverfolgen und protokollieren können. Fokus-Group-Interviews sind nicht unumstritten, da sie lediglich Einstellungen, Meinungen und Einschätzungen der Teilnehmer aufklären, aber nicht tatsächlich den Gebrauch des multimedialen Lernangebotes erfassen. Fokus-Group-Interviews sollten deshalb mit interaktionszentrierten und/oder benutzerzentrierten Methoden, wie z. B. der Methode des lauten Denkens oder Usability-Test kombiniert werden (Dumas, 1993; Morgan, 1997). Zudem kann es bei Fokus-Group-Interviews zu Gruppeneffekten kommen. Bei zu kleinen Gruppen besteht die Gefahr, dass keine Diskussion zustande kommt, bei zu großen Gruppen hingegen kann die Diskussion von einzelnen Teilnehmern dominiert werden (Dumas, 1993; Nielsen, 1993b).
28.8 Produktzentrierter Messansatz: Fragebögen und Checklisten Ähnlich wie in der Evaluation multimedialer Lernumgebungen (s. Kap. 27) sind Fragebögen und Checklisten ein häufig eingesetztes Instrument zur Beurteilung der Usability. Sie werden gern genutzt, da sie wegen ihrer vorgegebenen Kriterienlisten, schnell anwendbar erscheinen, zumal der Experte für jedes Einzelkriterium lediglich auf einer Einschätzungsskala sein Urteil ankreuzen muss. Aber auch für Kriterienlisten die Usability-Apspekte erfassen, gelten die Kap. 27 diskutierten Einschränkungen hinsichtlich ihres Einsatzes. Fragebögen und Checklisten können auf keinen Fall einen UsabilityTest mit zukünftigen Nutzern ersetzen. Je nach Beurteilungsspektrum wurden bisher unterschiedliche Fragbögen bzw. Checklisten entwickelt. Der Keevil Usability Index (Keevil, 1998), IsoMetrics (Gediga, Hamborg & Düntsch, 1999) oder der Pudure Usability Testing Questionnaire (Lin, Choong & Salvendy, 1997) sind geeignet, die Usability eines Softwareproduktes mit grafischer Benutzeroberfläche insgesamt zu beurteilen. Demgegenüber erfassen QUIS
28.8 Produktzentrierter Messansatz: Fragebögen und Checklisten
437
(Chin, Diehl & Norman, 1988) oder PSSUQ (Lewis 1995) nur den Aspekt der Zufriedenheit des Usabilitykonstruktes. Nachfolgend werden als Beispiele die Usability Fragebögen PUTQ sowie der Fragebogen QUIS näher vorgestellt.
28.8.1 Purdue Usability Testing Questionnaire Purdue Usability Testing Questionnaire (PUTQ): Dieser Fragebogen umfasst 100 Fragen zu den Usability-Kriterien Kompatibilität, Konsistenz, Flexibilität, Erlernbarkeit, Minimierung der einzelnen zielführenden Handlungen und Minimierung der kognitiven Belastung (s. Kap. 3). Desweiteren enthält er Kriterien dazu, ob die Grenzen der Wahrnehmung durch das Design berücksichtigt wurden, und zur einfachen Benutzerführung. Die einzelnen Fragen können auf einer 7-stufigen Skala von „schlecht“ bis „gut“ beantwortet werden, wobei es auch die Möglichkeit gibt, „keine Angabe“ zu machen. Abbildung 28.3 zeigt als Ausschnitt aus dem PUTQ die Fragen zum Aspekt „Erlernbarkeit“. Abb. 28.3: Purdue Usability Testing Questionnaire (PUTQ)
Learnability
1
2
3
4
5
6
7
NA
Does it provide clarity of wording? Is the data grouping reasonable for easy learning? Is the command language layered? Is the grouping of menu options logical? Is the ordering of menu options logical? Are the command names meaningful?
BAD BAD
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
GOOD GOOD
Ο Ο
BAD BAD
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
GOOD GOOD
Ο Ο
BAD BAD
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
Ο Ο
GOOD GOOD
Ο Ο
Does it provide no-penalty learning?
BAD
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
GOOD
Ο
Es fällt auf, dass die Fragen sehr allgemein bzw. global zur Einschätzung des Systems an sich gestellt werden. Bei Lernumgebungen jedoch können die einzelnen Teilabschnitte durchaus unterschiedlich sein. Beispielsweise kann ein Teil, der ausschließlich der Wissensvermittlung dient, anders aussehen, als einer, der Übungen anbietet. Wenn ein solcher Fragebogen für die Beurteilung verwendet werden soll, muss er an die Spezifik multimedialen Lernens angepasst werden. Andernfalls liefert er bestenfalls eine globale Einschätzung.
28.8.2 Questionnaire for User Interface Satisfaction Questionnaire for User Interface Satisfaction (QUIS): Der Fragebogen QUIS umfasst 27 Einzelfragen, die von Experten beantwortet werden müssen. Auf einer 9-stufigen Skala wird der Zufriedenheitsgrad eingeschätzt, wobei auch „keine Angabe“ angekreuzt werden kann. Diese 27 Fragen lassen sich den Inhaltskomplexen (a) allgemeines Urteil über die Software, (b) Bildschirmgestaltung, (c) Begriffsverwendung, (d) Erlernbarkeit und (e) Systemcharakteristik zuordnen. Abbildung 28.4 verdeutlicht die Struktur des QUIS-Fragenkomplexes „Learning“.
438
28 Usability
Learning Learning to operate system Exploring new features by trial and error Remembering names and use of commands Performing tasks is straightforward Help messages on the screen Supplemental reference materials
1
2
3
4
5
6
7
8
9
NA
difficult
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
easy
Ο
difficult
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
easy
Ο
difficult
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
easy
Ο
never
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
always
Ο
unhelpful
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
helpful
Ο
confusing
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
clear
Ο
QUIS ist sicherlich ein geeignetes Werkzeug zur groben Einschätzung der Zufriedenheit mit dem Gesamtsystem. Aber dennoch gilt auch bezüglich der Einschätzung der Zufriedenheit, dass verschiedene Teile einer Lernumgebung von den Lernenden unterschiedlich eingeschätzt werden können. Eine globale Einschätzung kann an dieser Stelle nur Hinweise geben. Erst die genauere Analyse zeigt die Problembereiche auf, wo die Zufriedenheit der Lernenden stark zurückgeht und an welchen Stellen die Lernumgebung den zukünftigen Lernenden als benutzerunfreundlich erscheinen wird. Neben den soeben vorgestellten Fragebögen gibt es spezielle Kriterienkataloge, die für die Evaluation multimedialen Lernens entwickelt wurden. Diese enthalten zumeist eine Vielzahl instruktionspsychologisch-didaktischer Kriterien, daneben aber auch Kriterien zu Merkmalen der Software, insbesondere zur Gestaltung von Benutzeroberflächen (Lewis, 1995; Squires & McDougall, 1994). Beispiele für instruktionspsychologisch-didaktische Kriterienkataloge mit Usability-Kriterien sind die Kriterienkataloge von und Peck (1988), Gräber (1990) und Kahn (2005). Diese Instrumente haben den Schwerpunkt ihrer Usabilitbewertung zwar auf technischen Kriterien, wie Fehlerrate oder Navigationsgestaltung, allerdings orientieren sie sich nicht an der Systematik des Usability-Konzeptes. Insofern bleibt zu prüfen, ob die im Kriterienkatalog aufgelisteten Usbility-Kriterien, das UsabilityKonstrukt umfassend und vollständig erfassen.
Abb. 28.4: Questionnaire for User Interface Satisfaction (QUIS)
Kriterienkataloge für die Evaluation multimedialen Lernes
28.9 Interaktionszentrierter Messansatz: Blickbewegungsregistrierung (Eye-Tracking) Zur Objektivierung der Verbalprotokolle, die durch lautes Denken (s. Kap. 28.10.1) oder durch die Aufzeichnung von Interviews entstanden sind, werden neben LogfileAnalysen auch Blickbewegungsmessungen eingesetzt. Mittels der Methode der Blickbewegungsmessung werden die Augenbewegungen des Lernenden während seines Lernprozesses mit dem multimedialen Lernangebot aufgezeichnet. Zur Protokollierung der Benutzeraktionen und der Augenbewegungen werden Logile-Analysen verwendet. Sie zeichen u. a. auf, welche Bildschirmseiten aufgerufen wurden oder welche Benutzereingaben über die Tastatur erfolgten. Zusätzlich dokumentie-
28.9 Interaktionszentrierter Messansatz: Blickbewegungsregistrierung (Eye-Tracking)
Blickbewegungsmessung Logfile Analysen
439
Idee der Blickbewegungsaufzeichnung
Messverfahren
Fixationen
ren sie die Fixationsdauer des Auges auf einen bestimmten Textteil, ein Bild oder eine Grafik und den Blickverlauf, etwa den Blickwechsel vom Text zum Bild oder innerhalb eines Textteils. Man erhofft sich durch diese Methode z. B. Antworten auf Fragen wie: Hat der Lernende einen bestimmten Absatz gelesen? Hat er die angebotenen Bilder intensiv betrachtet oder hat er häufig zwischen Text und Bildinformation hin- und hergeblickt? Die Methode der Blickbewegungsaufzeichnung dient zur Gewinnung objektiver Daten über das Verhalten des Nutzers oder Lernenden während der Rezeption des multimedialen Angebotes. Hinter der Blickbewegungsaufzeichnung steht die zentrale Idee, dass eine Person ihren Blick auf die Informationen fokussiert, die sie gerade aufnehmen möchte bzw. die für den augenblicklichen Ablauf der Informationsverarbeitung notwendig sind. Somit können Blickbewegungen Hinweise auf Schritte der menschlichen Informationsverarbeitung geben (Carpenter & Just, 1976; Deffner, 1984). Dadurch eröffnet die Blickbewegungsregistrierung im Bereich der Usability-Evaluation von multimedialem Lernen die Möglichkeit, anhand objektiver Daten z. B. festzustellen, welche Bereiche einer Website wie lange angesehen wurden, in welcher Reihenfolge dies erfolgte oder welche Bereiche ausgelassen wurden. Um die Blickbewegungen zu messen, gibt es verschiedene Möglichkeiten (Galley, 2001): Magnetspuhlverfahren, die über ein Magnetfeld um den Kopf des Probanden dessen Blickverhalten protokollieren, und elektrookulografische Verfahren. Sie erfassen mittels Elektroden am Kopf das Blickverhalten des Probanden. Beide Verfahren messen mit sehr hoher Genauigkeit Blickbewegungen, jedoch eignen sie sich für die Messung von Blickverläufen weniger. Diese Möglichkeit bieten reflexionsbasierte Verfahren. Eine spezielle Kamera, z. B. eine Infrarotkamera erfasst die Augenbewegungen des Probanden. Ein Rechner mit Spezialsoftware zeichnet die Blickbewegungen auf und wertet diese aus. Die Basis der Analyse sind bei refexionsbasierten Verfahren die Fixationen des Auges. Eine Fixation ist „der Zustand, bei dem das Auge sich bezüglich des Sehobjektes in relativem Stillstand befindet“ (Rötting, 2001). Neben der Dauer der Fixationen gibt die Software die Zeit zwischen einer und der darauf folgenden Fixation an. In Abb. 28.5 sind die Reihenfolge und der Ort der Fixation enthalten. Man braucht jedoch einige Vorstellungskraft, sich die protokollierten Blickverläufe auf der Lernwebsite vorzustellen.
Abb. 28.5: Die Grafik zeigt ein Beispiel des Datenoutputs
440
28 Usability
Abb. 28.6: Die visuell aufgearbeitete Form des dazugehörigen Blickverlaufes, wie ihn die von uns genutzte Software zur Verfügung stellt
Die visuell aufgearbeitete Form zeigt deutlicher den Blickverlauf des Probanden (s. Abb. 28.6). Es ist zu sehen, dass der Lernende zunächst die Navigationsleisten betrachtete, bevor er den für sich relevanten Inhalt auswählte. Das Hauptaugenmerk seiner Lernaktivitäten lag auf der Erkundung der Funktion der Kameras und der Abbildung des Sucherbildes der Kamera, was die häufigen Fixationen zeigen (durch Oval umrandete Fixationen). Schon anhand der reinen Fixation eine Aussage darüber zu treffen, ob ein Lernender den Bereich aktiv wahrgenommen hat bzw. sich einzelne Inhalte eingeprägt hat, wäre verfrüht. Erst die Kombination aus Fixation an sich, deren Dauer und Häufigkeit lässt solche Schlüsse zu. Zudem empfehlen Carpenter und Just (1976) nicht einzelne, sondern mehrere Fixationen in einem interessierenden Bereich des Lernangebotes zur Grundlage eines Indikators für kognitive Prozesse zu machen und somit dicht beieinander liegende Fixationen als eine zu betrachten.
Aussagefähigkeit von Blickbewegungsdaten
28.10 Benutzerzentrierter Messansatz: Befragungsmethoden 28.10.1 Methode des lauten Denkens (Thinking aloud) Die Methode des lauten Denkens setzte Duncker (1935) als einer der Ersten zur Erforschung nicht beobachtbarer Problemlöseprozesse beim Lernen ein (Carpenter & Just, 1976). Dabei mussten die Testpersonen zweierlei leisten: einerseits eine gestellte Aufgabe lösen und andererseits Verbalisierungen produzieren.
28.10 Benutzerzentrierter Messansatz: Befragungsmethoden
441
Ziele der Methode
Vorteile
Nachteile
Diese Methode hat sich auch als erfolgreich im Bereich des Interface-Designs herausgestellt und ist dadurch auch für die Untersuchung der Usability interessant (Lewis, 1982). Ziel der Methode des lauten Denkens ist es, die Gedankengänge der Lernenden beim Umgang mit dem multimedialen Lernangebot zu erforschen. Sie wird häufig im Rahmen des Usability-Testing eingesetzt. Der große Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die Testprobanden nicht nur Usability-Probleme aufdecken, sondern meistens auch begründen, warum sie diese haben. Dazu werden die Testteilnehmer aufgefordert, ihre Handlungen und Gedankengänge während des Lernens laut zu äußern. Überdies verbalisieren sie auch Gedanken zur Zufriedenheit, Begeisterung oder Motivation. Mittels Tonbandgerät oder Videokamera besteht die Möglichkeit, diese Äußerungen aufzuzeichnen und später auszuwerten. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, große Mengen qualitativer Daten über die Beurteilung des Lernangebotes sammeln zu können und zudem schon während des Usability-Tests Problembereiche allein dadurch zu erkennen, dass mehrere Lernende auf sie hinweisen. Allerdings hat diese Methode auch Nachteile. So werden nur bewusste Handlungen und Gedankengänge geäußert. Zudem kann es, gerade im Kontext der Analyse multimedialer Lernangebote vorkommen, dass die Probanden das Verbalisieren und Begründen ihrer Handlungen und Gedankengänge vergessen, da sie sich auf zwei Aufgaben konzentrieren müssen, zum einen auf das Lernen und den Umgang mit dem multimedialen Lernangebot und zum anderen auf das laute Denken. Die Methode des lauten Denkens sollte bei der Usability-Analyse multimedialer Lernangebote erst nach sorgfältiger Prüfung der Vor- und Nachteile eingesetzt werden. Zudem empfiehlt es sich, diese Technik zunächst mit den Testteilnehmern einzuüben, da sie für sie zunächst ungewohnt ist. Empfehlenswerter als die reine Methode des lauten Denkens erscheint für die Usability-Evaluation bei Lernprozessen die Methode der Videokonfrontation (s. Kap. 28.10.2.2 ), da der Lernende zunächst, ohne zusätzlich verbalisieren zu müssen, die Lernaufgaben bearbeiten kann und im Anschluss zu seinen Problemen befragt wird.
28.10.2 Varianten des lauten Denkens 28.10.2.1 Methode des Question-Asking Eine Variante des lauten Denkens ist die Interviewtechnik (Question-Asking-Technik). Bei dieser Methode wartet der Testleiter nicht auf die Äußerungen der Lernenden, sondern stellt gezielt Fragen zum Verständnis, dem Ablauf der Lernhandlungen usw. Aus der Art und Weise der Antworten oder dem Ausbleiben dieser sind dann Rückschlüsse auf Problembereiche des untersuchten Lernangebotes möglich.
28.10.2.2 Methode der Videokonfrontation Eine weitere Variante des lauten Denkens und der Interviewtechnik ist die Videokonfrontation (Retrospective-Testing-Technik). Mit dieser Methode werden zu hohe
442
28 Usability
kognitive und emotionale Belastungen vermieden. Auch wird das Verhalten des Probanden nicht durch den Zwang permanenten Verbalisierens seiner Gedankengänge und Handlungen beeinflusst. Bei diesem Verfahren wird der Testteilnehmer erst, nachdem er mit dem Lernangebot gelernt hat, gebeten, anhand des während des Tests aufgezeichneten und ihm nun vorgeführten Videos seine Handlungen und Gedankengänge darzulegen. Durch gezieltes Nachfragen sollen die Beweggründe für die durchgeführten Lernhandlungen in Erfahrung gebracht werden. Diese Variante kann ebenfalls als Question-Asking-Technik durchgeführt werden, indem der Versuchsleiter kritische Stellen im Video auswählt und vom Probanden kommentieren lässt.
28.10.2.3 Methode Teach-Back Alle drei vorangegangenen Methoden können auch im Teach-Back durchgeführt werden. Dabei lösen zwei Probanden gemeinsam an sie gestellte Aufgaben und beurteilen die Usability eines multimedialen Lernangebotes. Mit dieser Methode können, wie ein empirischer Vergleich von Hackman & Biers (1992) zeigt, mehr Usability-Probleme aufgedeckt werden, als wenn zwei Probanden getrennt voneinander arbeiten.
28.10.3 Fragebögen und Checklisten Fragebögen für Nutzer- bzw. Lernendenbefragungen werden oft in unstandardisierter Form genutzt, um die Eindrücke der Probanden direkt im Anschluss oder während ihrer Arbeit mit dem multimedialen Angebot zu erfassen. Ad hoc entworfene Fragebögen haben den Vorteil, spezifisch auf das Ziel der Usability-Evaluation hin ausgerichtet zu sein. Sie haben jedoch den Nachteil, dass die Gütekriterien dieser Fragebögen, wie z. B. die Reliabilität, unbekannt sind und ein Vergleich zwischen verschiedenen Angeboten nicht möglich ist. Aufgrund fehlender Normwerte gibt es keine Möglichkeit, Grenzwerte zu bestimmen, deren Überschreitung ein Redesign in diesem Kriterium erforderlich macht. Nur standardisierte Instrumente, wie die Fragebögen ISONORM 9241/10 (Prümper & Anft, 1993) bzw. ISO-NORM 9241/110(S) (Pataki et al., 2006), SUMI (Kirakowski & Cierlik, 1993) und WAMMI (Kirakowski, Claridge & Whitehand, 1998), bieten diese Möglichkeit. • ISONORM 9241/10: Der Fragebogen orientiert sich in seiner Konzeption an den in der ISO-Normenreihe formulierten Grundsätzen der Dialoggestaltung. Prümper und Anft (1993) geben an, dass mindestens 10 Probanden für die Evaluation mit diesem Instrument notwendig sind. Die einzelnen Usability-Kriterien (Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität, Fehlertoleranz, Individualisierbarkeit und Lernförderlichkeit) werden jeweils über 5 Items (insgesamt 35 Einzelfragen für den gesamten Fragebogen) operationalisiert. Der Kurzfragebogen ISO-NORM 9241/110-S umfasst 21 Einzelfragen. Jede Frage wird auf einer 7-stufigen Skala von sehr negativ (− − −) bis sehr positiv (+ + +) abgebildet. Der Fragebogen eignet sich gut zur Usability-Evaluation von Internet- und Intranetanwendungen. Für den Einsatz im Kontext multimedialen Lernens bestehen jedoch bisher keine Erfahrungen. Problematisch zu bewerten ist, dass die Aussagen des Fragebogens sehr allgemein
28.10 Benutzerzentrierter Messansatz: Befragungsmethoden
ISONORM 9241/10
443
formuliert sind, was die Identifikation spezieller Usability-Probleme erschwert. Er eignet sich primär zur summativen Einschätzung der Usability. SUMI
• SUMI: Der Fragebogen Software Usability Measurement Inventory (SUMI) ist ein kommerzielles Produkt und einer der am häufigsten eingesetzten standardisierten Fragebögen. Er umfasst 5 Skalen (Affect, Control, Efficency, Helpfulness, Learnability) mit insgesamt 50 Items. SUMI orientiert sich zwar an der ISO-Norm 9241 hat aber eigenständige Skalen.
WAMMI
• WAMMI ist die Weiterentwicklung von SUMI zur Erfassung der Usability von Websites. WAMMI umfasst ebenfalls 5 Skalen (Attractiveness, Control, Efficency, Helpfulness, Learnability), jedoch mit insgesamt 20 Items. Der Fragebogen weist sehr gute Gütekriterien auf. Das Chronbachs Alpha beträgt für die erste Version 0,96. WAMMI bildet auch kleinere Usability-Probleme ab. Jedoch lässt das Instrumentarium durch sein starres Antwortschema keine individuellen Antwortvarianten zu. Es gibt auch eine Version für den Einsatz im pädagogischen Kontext, allerdings wurden zu Skalen und Kriterien auf der Website http://www.wammi.com keine Angaben gemacht.
28.11 Benutzerzentrierter Messansatz: Usability-Testing 28.11.1 Usability-Testing – Charakterisierung der Methode
Untersuchungsziele
Empirisch geprüfte Kombinationen
444
Softwarebenutzer verfügen über ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, das Produkt falsch zu interpretieren und nicht in vorgesehener Weise zu benutzen. Deshalb sind Usability-Tests mit Nutzern zwingend erforderlich. Nur so ist es möglich, sich über die Arbeitsweise, die tatsächlichen Lernprozesse und Lernabläufe sowie Aufgaben der potenziellen Lernenden ein klares Bild zu verschaffen. In einem Usability-Test können alle Methoden des interaktions- und benutzerzentrierten Messansatzes eingesetzt werden. Wie sie miteinander sinnvoll zu kombinieren sind, hängt vom Untersuchungsziel ab. Deshalb können Usability-Tests mit Lernenden je nach Situation sehr unterschiedlich ablaufen. Es ist erforderlich, für jeden geplanten Test die Messmethode bzw. Messmethodenkombination auszuwählen, die die zuverlässigsten und aussagekräftigsten Untersuchungsergebnisse verspricht, und dies gegebenenfalls in einem Pre-Test zu überprüfen. Als Illustrationsbeispiel der Möglichkeiten eines Usability-Tests sollen unsere Studien dienen (Domagk, Hessel & Niegemann, 2004). Sie deckten Usability Probleme einer Lernumgebung mittels Usability-Tests, Focus-Groups und Fragebögen auf. In unseren Studien hat sich eine Kombination aus freiem Explorieren und konkreter Bearbeitung von Aufgaben bewährt. Während des freien Explorierens hatte jede Versuchsperson nach eigenem Ermessen Zeit, mit der Lernumgebung zu lernen und dabei Probleme zu äußern, auf die sie stieß. Beim Bearbeiten konkreter Aufgaben hingegen waren die Versuchspersonen gehalten, „laut zu denken“, d. h. alle Entscheidungen, Probleme usw., die ihnen durch den Kopf gingen, sofort zu artikulieren. Zusätzlich wurde die Interviewtechnik (Question-Asking-Technik) angewendet. Im Ergebnis erhielten wir von jedem getesteten Lernenden eine Liste mit Benutzungsproblemen, die als Grundlage für die Verbesserung der Lernumgebung diente. Als
28 Usability
effektivste Methodenkombination stellte sich die Kombination von standardisiertem Fragebogen und Question-Asking-Technik heraus. Die Fokus-Group-Interviews deckten nur eine sehr geringe Anzahl Usability-Schwächen auf, die umfassender mit den anderen beiden Instrumenten erhoben werden konnten (Hessel, Domagk & Niegemann, 2004). Für einen Usability-Test mit potenziellen Lernenden gibt es, im Gegensatz zu Inspektionsmethoden mit Experten (Usability Inspection Methods) keine konkreten Empfehlungen über die Anzahl der Testteilnehmer. Nielsen (1993a) stellt fest, dass die Anzahl der Testteilnehmer schon allein vom untersuchten Usability-Aspekt abhängt. Um den Aspekt Effektivität oder Erlernbarkeit zu untersuchen, werden weniger Teilnehmer benötigt als für das Kriterium Fehlerrate. Erfahrungen aus der Praxis zeigen aber auch, dass in einigen Fällen mit kleinen Testbenutzergruppen zumindest die schwerwiegendsten Schwachstellen identifiziert wurden (Dumas, 1993).
Testteilnehmer
28.11.2 Typen von Usability-Tests Es können insgesamt vier Typen von Usability-Tests unterschieden werden (Dumas, 1993): Explorationstest, Assessmenttest, Validierungstest und Vergleichstest.
28.11.2.1 Explorationstest Explorationstests (Exploratory Test) können zu einem frühen Zeitpunkt im Entwicklungszyklus eines multimedialen Lernangebotes durchgeführt werden. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Gewinnung von qualitativen Aussagen über die Usability des Lernangebotes. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, wie geht ein Lernender beim Lernen mit dem Angebot vor und warum nutzt er es gerade auf diese Art und Weise. Der Explorationstest kann zum Testen eines ersten programmierten Prototyps eingesetzt werden, aber auch ein papierbasierter Prototyp ist nutzbar. Entscheidend ist, dass bereits mehrere Bildschirmseiten vorliegen bzw. einzelne Funktionen implementiert wurden. Dem Nutzer wird zunächst der Prototyp vorgestellt. Im Anschluss bearbeitet er gestellte Aufgaben, die zukünftig beim Lernen mit diesem Angebot häufig auftreten werden oder besonders kritisch hinsichtlich der Abfolge der einzelnen auszuführenden Handlungen sind. Die Aufgabe des Testleiters ist es, durch geschickt gestellte Fragen oder Anregungen zu versuchen, die Gedankengänge des Lernenden während seines Lernprozesses offenzulegen. Eine häufig angewendete Methode ist das „laute Denken“ bzw. eine ihrer methodischen Variationen (s. Kap. 28.10.2).
28.11.2.2 Assessment test Der Assessmenttest ist die „typische Form“ des Usability Tests. Es wird ein Prototyp, in dem einzelne oder mehrere Funktionen vollständig implementiert sind, von den Lernenden dahingehend bewertet, ob das gewählte und teilweise schon realisierte Design den Wünschen und Erwartungen der Lernenden entspricht, ob die Usability-Aspekte in der Lernumgebung optimal umgesetzt wurden. Dies ist auch der früheste Zeitpunkt, quantitative Daten durch Beobachten der Lernprozesse unterschiedlicher Lerner zu sammeln.
28.11 Benutzerzentrierter Messansatz: Usability-Testing
445
Das Lösen von Lernaufgaben ist fester Bestandteil dieser Testform. Die Aufgabe des Testleiters liegt allein in der Beobachtung des Nutzungsverhaltens und in der Klärung schwerwiegender Probleme.
28.11.2.3 Validierungstest Im Validierungstest (Validation Test) wird das multimediale Lernprogramm erstmalig in seiner Gesamtheit getestet. Geprüft wird, ob die komplette Lernumgebung den festgelegten Standards entspricht. Dies können unternehmenseigene, allgemeine oder aus den Ergebnissen des Explorations- oder Assessmenttests definierte Standards sein. Auf Basis dieses Tests kann entschieden werden, wann die multimediale Lernumgebung freigegeben werden kann. Diese Entscheidung basiert ausschließlich auf quantitativen Beobachtungsdaten über die Lernhandlungen von potenziellen Lernenden und der dabei aufgetretenen Fehler. Die Interaktion zwischen Testleiter und Lernenden wird auf ein Minimum begrenzt, so dass letztlich eine Situation beobachtet wird, bei der der Lernende während des Lernens in der Handhabung des Lernangebotes auf sich selbst angewiesen ist.
28.11.2.4 Vergleichstest Der Vergleichstest (Comparison Test) kann zu fast jedem Zeitpunkt während der Entwicklung eines multimedialen Lernangebotes eingesetzt werden. In einer frühen Phase dient er beispielsweise dem Vergleich zweier grundsätzlich verschiedener Designkonzepte oder zu einem späteren Zeitpunkt der Entscheidung für eine von zwei möglichen Oberflächendesigns. Er wird oft analog zu einem der drei vorher aufgeführten Tests durchgeführt mit der Besonderheit, dass zwei Varianten miteinander verglichen werden. Die Testresultate sollen Auskunft geben, in welcher Variante die einzelnen UsabilityAspekte lernerbezogener umgesetzt wurden.
28.11.3 Ablauf eines Usability-Tests Um aussagekräftige Ergebnisse durch einen Usability-Test zu erhalten, ist eine detaillierte Planung des Testablaufes von entscheidender Bedeutung. Folgende Aspekte sind wesentlich für eine erfolgreiche Planung, Durchführung und Auswertung eines solchen Tests (Dumas, 1993; Rubin, 1994): Planung
446
• Detaillierte Planung: Zunächst müssen Testzweck und Testgegenstand klar definiert werden. Darüber hinaus sind die Zielgruppe(n) und ihre Ansprüche an das Angebot festzulegen. Nun kann auch entsprechend dem Testzweck und der Testinhalte die passende Methode und Technik ausgewählt werden. Es folgt die Planung der Testumgebung (Räume, Geräte samt Software etc.) und der Testinhalte (wie z. B. die Zusammenstellung der Aufgabenliste). Ebenfalls Teil der Planung ist die Entscheidung darüber, welche Daten erhoben werden sollen und in welcher Form die Ergebnisse der Auswertung zu dokumentieren sind. Darüber hinaus gehört zur Planung eine
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Zeit- und Kostenschätzung. Zum Abschluss der Planung sollten folgende Fragen eindeutig beantwortet sein: Welche Inhalte sollen getestet werden, wann, wo und von wem? • Auswahl der Stichprobe und Teilnehmer: Die Auswahl der Testteilnehmer ist ein ausschlaggebendes Element im Rahmen eines Usability-Tests. Nur wenn die Testteilnehmer aus der Gruppe der potenziellen zukünftigen Lernenden des Angebotes stammen, werden die erhobenen Daten auch zur lernprozessbezogenen Optimierung des Angebotes beitragen können. Anderenfalls ist der durchgeführte Test hinsichtlich seiner Validität, Reliabilität und Objektivität diskussionswürdig. Es ist daher nötig, vor der Rekrutierung festzulegen, über welches Wissen, welche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen die Testteilnehmer verfügen sollen, damit sie die typischen Lernenden für das zu testende Angebot repräsentieren.
Auswahl Testteilnehmer
• Zusammenstellung des Testmaterials und der Testumgebung: Zu jedem UsabilityTest muss neben der zu testenden Lernumgebung weiteres Testmaterial vorbereitet werden. Das können z. B. Fragebögen sein, die vor und/oder nach dem Test von den Testteilnehmern auszufüllen sind, oder psychologische Tests, insbesondere Wissenstests oder Belastungstests. Neben den Befragungs- oder Testinstrumentarien gehört zur Zusammenstellung des Testmaterials auch die Vorbereitung der Aufgabenszenarien, welche die Teilnehmer bearbeiten sollen. Zudem sind das Briefingmaterial und ein Überblick über den Testablauf für die Testteilnehmer vorzubereiten sowie die Instruktionen für die Testleiter. Auch einige Formalien müssen vorbereitet werden, wie Einverständnis- oder Vertraulichkeitserklärungen.
Auswahl Testmaterial
• Durchführung des Tests: Der typische Usability-Test wird abhängig von der ausgewählten Testmethode und Testtechnik mit vier oder mehr Testteilnehmern durchgeführt. Jeder von ihnen sitzt in einem Labor mit Computer, auf dem die zu testende Lernumgebung stabil installiert ist. Je nach Art der gewünschten Aufzeichnung der Handlungen und Äußerungen beim Lernen können Mikrofon, Videokamera sowie Eye-Tracking-Kamera die Testanordnung ergänzen. Neben den technischen Aspekten der Durchführungen eines Usability-Tests ist zu beachten, dass VersuchsleiterArtefakte auftreten können (s. Kap. 27), deren Vermeidung angestrebt werden sollte.
Durchfühung
• Instruktion der Teilnehmer: Damit die Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt während des Usability-Tests wissen, was sie tun sollen, ist eine detaillierte Instruktion erforderlich. Sie sollte über das Ziel des Testes und den Ablauf informieren, aber auch den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, Fragen zum Test zu stellen und Unklarheiten anzusprechen. Hier ist auch der Raum, Fertigkeiten mit den Testteilnehmern einzuüben, wie beispielsweise Lautes Denken. Nach dem Usability-Test erlaubt eine zusätzliche Feedbackrunde den Teilnehmern, ihre Meinungen und Kritik zum Test zu formulieren. Berechtigte Kritik sollte bei weiteren Tests berücksichtigt werden.
Instruktion
• Datensammlung und Analyse: Nach der Datenerhebung müssen die einzelnen Datensätze zusammengefasst und Verbalprotokolle, die z. B. durch lautes Denken der Teilnehmer entstanden sind, kategorisiert und für die Datenanalyse aufgearbeitet werden. Der Prozess der Datenanalyse erfolgt typischerweise in zwei Phasen. Zuerst werden in einer ersten groben Analysephase kritische Problembereiche analysiert, damit schon während der weiteren Analyse der Daten an der Verbesserung und Optimierung gearbeitet werden kann. Im Anschluss erfolgt die Phase der detaillierten Datenanalyse, für die mindestens vier Wochen vorzusehen sind (Dumas, 1993; Rubin, 1994).
Datensammlung
28.11 Benutzerzentrierter Messansatz: Usability-Testing
447
Berichtlegung
• Berichtlegung und Zusammenstellung der Empfehlungen zur Verbesserung des multimedialen Angebotes: Die Ergebnisse der Datenanalyse werden schließlich in einem Ergebnisbericht zusammengestellt. Dabei empfiehlt sich, die Darstellung der Problembereiche in den Vordergrund zu stellen. Der abschließende Bericht sollte mindestens ein Abstract, die Vorstellung und Erläuterung der angewendeten Methoden und Techniken sowie die Darstellung der Ergebnisse und eine Auflistung der Empfehlungen umfassen.
28.11.4 Probleme von Usability-Tests Ein gravierendes Problem von Usability-Tests ist: • Die Tendenz zur Selbstschuld: Testprobanden tendieren manchmal dazu, fälschlicherweise die Schuld bei sich zu suchen, wenn Fehler und Probleme bei der Handhabung eines multimedialen Lernangebotes auftauchen (Norman, 1989). Nielsen (2001) fügt noch drei weitere Probleme hinzu: • Das Problem der sozialen Erwünschtheit von Aussagen: Nutzer bzw. Lernende orientieren ihre Aussagen an dem, was sie denken, was der Versuchsleiter hören oder sehen will oder sozial akzeptabel erscheint. • Das Problem der selektiven Erinnerung: Nutzer oder Lernende berichten nur das, woran sie sich erinnern, nicht an das, was sie getan haben. • Das Problem der interpretierten Erinnerung: Lernende und Nutzer neigen dazu, ihr Verhalten zu rationalisieren, und stellen so hypothetische Behauptungen auf, die im Nachhinein schwer überprüfbar sind. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Usability Tests nur mit einer Auswahl von Merkmalen der Lernumgebung durchgeführt werden können. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen ist es nicht sinnvoll, die gesamte Lernumgebung zu testen (Nielsen, 2001).
28.12 Drei Hauptprobleme bei der Evaluation der Usability Kontextabhängigkeit der Ergebnisse
448
Die Ergebnisse einer Usability-Evaluation werden stark durch den Kontext geprägt, indem sie entstanden sind. Sie sind ebenso abhängig von der Auswahl der Erhebungsmethode und den ausgewählten meist ungewichtet in die Evaluationsergebnisse eingehenden Usability-Kriterien und ausgewählten, Evaluationsaufgaben wie von den Evaluatoren selbst (Dumas, 1993). Diese Variabilität macht es schwierig, Ergebnisse verschiedener Usability-Untersuchungen miteinander zu vergleichen oder Ergebnisse einer bestimmten Untersuchung zu verallgemeinern. Dies ist nur möglich durch experimentelle systematische Variation und Kombination einzelner Gestaltungsmerkmale (Molich et al., 2004). In den meisten Fällen ist die Verallgemeinerung und Vergleichbar-
28 Usability
keit ohnehin nicht das Ziel von Usability-Evaluation. Vielmehr sollen die Ergebnisse einer Usabiltiy-Evaluation helfen, das untersuchte multimediale Angebot zu verbessern. Die Evaluation der Usability muss neben Ziel- und Zweckorientierung auf einer systematischen forschungsmethodisch fundierten Datenbasis aufbauen. Ziel der Evaluation ist es, die Bedingungen auf nominaler Ebene zu variieren und zu kontrollieren sowie Randbedingungen zu fixieren. Bei der Erhebung der Daten sind außerdem die Regeln für die Stichprobenauswahl zu beachten sowie die Regeln zur Darbietung der Instruktion. Die Messung der Gütekriterien der Evaluation muss objektiv, reliabel und valide erfolgen. Allerdings kann die Variabilität die Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Ergebnisse negativ beeinflussen. Zentrale Einflussgrößen auf die Messung der Usability sind drei Faktoren: die Nutzer bzw. Lernenden, die ausgewählten Experten, die das multimediale Angebot beurteilen, und die ausgewählten Arbeitsaufgaben, die von den Evaluatoren während der UsabilityEvaluation bearbeitet werden. Entsprechend lassen sich drei Effekte differenzieren:
Einflussgrößen auf die Usability-Messung
• User-Effekt (Benutzereffekt bzw. im Kontext multimedialen Lernens Lernendeneffekt): Der User-Effekt beschreibt Unterschiede der Nutzer oder Lernenden bei der Fehlerfindung während ihrer Analyse des multimedialen Angebotes (Wandke, 2004). Die Fehlerfindungsrate variiert stark, je heterogener die Probanden in ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihrem Vorwissen sind. Dieser Effekt tritt besonders stark bei internationalen Probanden auf (Law & Hvannberg, 2004). Zudem wird die Fehlerfindungsrate bei kleinen Probandenzahlen häufig überschätzt (Caulton, 2001). Auch wenn es nicht möglich ist, alle Probleme aufzudecken, mit steigender Probandenanzahl werden mehr Probleme erkannt. Ein weiteres Problem ist, dass Nutzer oder Lernende bestimmte kleine Probleme, als solche gar nicht erkennen oder zumindest nicht artikulieren. Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass sie gar nicht wissen, dass es sich um ein Problem handelt, oder sie es nicht benennen können (Lewis, 1995).
User-Effekt
• Expert-Effect (auch als Evaluator-Effect bezeichnet): Er beschreibt die Unterschiede zwischen den Experten bei der Identifikation von Usability-Problemen und deren Kategorisierung (Harms & Schweibenz, 2000). Je größer die Unterschiede zwischen den einzelnen Experten ausfallen, desto geringer sind die Beurteilerübereinstimmungen und damit die Validität der Usability-Messung. Ähnlich wie beim User-Effekt ist auch hier die Erhöhung der Anzahl der Experten empfehlenswert. Außerdem sollte unter den Experten ein gemeinsames Problemverständnis (Jacobsen, Hertzum & John, 1998) geschaffen werden.
Expert-Effect
• Task Selection Bias (Aufgabeneffekt): Das Problem tritt bei der Definition und Auswahl der während der Usability-Evaluation zu bearbeitenden Aufgaben auf. Oft wird unterschätzt, dass Probanden annehmen, die Aufgaben seien so gestellt, dass sie tatsächlich erfüllbar sind. Die Testprobanden oder Experten versuchen dann, diese Aufgaben zu erfüllen, und investieren viel Zeit in deren Lösung, was sie unter anderen Umständen nicht getan hätten (Gray & Salzman, 1998; Molich et al., 2004). Die Basis der Usability-Evaluationsaufgaben liefert für multimediales Lernen die Aufgabenanalyse (s. Kap. 8). Aus ihr können die Testaufgaben für die multimediale Lernumgebung abgeleitet werden.
Aufgabeneffekt
28.12 Drei Hauptprobleme bei der Evaluation der Usability
449
28.13 Zusammenfassung Usability-Evaluationsmethoden sind im Bereich kommerzieller Websites Standard, seitdem klar ist, dass schlecht handhabbare Websites potenzielle Kunden abschrecken und so Kosten verursachen. Im Bereich des multimedialen Lernens schlägt sich eine ungünstige Usability möglicherweise in schlechten Lernergebnissen nieder, weil die Lerner Ressourcen für die Handhabung mit der Software verbrauchen, die ihnen dann für den eigentlichen Wissenserwerb fehlen könnten. Multimediales Lernen wäre dann vergleichbar einem Lernen in der Schule, bei dem ständig Lärm, Unterbrechungen, fehlendes Material o. ä. den Unterricht stören. Usability-Evaluation muss daher zu den selbstverständlichen Qualitätsmaßnahmen gehören. Die dafür verfügbaren Prozeduren sind generell auf multimediale Lernumgebungen anwendbar. Bei der Feinabstimmung auf die Besonderheiten des multimedialen Lernens besteht allerdings noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
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Literatur
453
Teil IX Technische Umsetzung
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Dieser Teil des Buches bietet E-Learning-Autoren, Lehrenden, Projektmanagern und Entscheidern eine Einführung in E-Learning-Technologien. Komplexe IT-Systeme werden leicht verständlich, teilweise vereinfachend dargestellt. Wir möchten, dass Sie als Anwender IT-Systeme und Architekturen bewerten, auswählen und betreiben können, ohne selbst zu IT-Experten werden zu müssen. Dazu gibt dieses Kapitel einen Überblick zu Systemarchitekturen und typischen Softwaresystemen auf den Servern eines E-Learning-Anbieters und auf den PCs der Nutzer. Für Detailplanung, Installation und Wartung empfehlen wir Unterstützung von IT-Fachleuten. Vorkenntnisse: Wir sind davon ausgegangen, dass Sie einen Computer bedienen können und wissen, dass Windows eine Betriebssystemsoftware und Ihr Textverarbeitungssystem eine Anwendungssoftware ist. Auf diesen Grundlagen aufbauend haben wir versucht, alles Weiterführende (wie z. B. Firewalls) zu erläutern, obwohl heute bereits viele Anwender wissen, was eine Firewall, ein Virenscanner oder eine LAN-Verbindung ist. Damit möchten wir auch E-Learning-Einsteigern einen leichten Zugang ermöglichen.
Zielgruppe für dieses Kapitel Lehrziele
Welche IT-Vorkenntnisse Sie für dieses Kapitel benötigen
29.1 E-Learning Infrastruktur – ein Überblick E-Learning-Infrastruktur besteht aus Hardware und Software, die in einer entsprechenden Architektur angelegt ist. Anwender greifen mit Hilfe ihrer Hard- und Software (zumeist via Internet) auf die Angebote des Anbieters zu. Welche Hard- und Software und welche Architektur für E-Learning notwendig bzw. sinnvoll sind, wird nachfolgend ausgeführt: Zur Hardware zählen Computer, Periphergeräte (Drucker, Monitor usw.) sowie Kabelverbindungen und Funkanlagen (z. B. WLAN). E-Learning-Anbieter betreiben auf ihrer Seite meist leistungsfähige Großcomputer (Server) mit entsprechenden Zusatzgeräten und Internetanbindung, über welche die E-Services den Anwendern zur Verfügung gestellt werden. Autoren, Lehrende und Lernende betreiben PCs oder Laptops, periphere Geräte (z. B. Drucker, Scanner, externe Speichermedien) und Internetanbindung (Modem, DSL,
29.1 E-Learning Infrastruktur – ein Überblick
Hardware
457
Software
Abb. 29.1: Schichtenaufbaumodell von Client und Server
ISDN), über welche sie die Services der Anbieter erhalten (Kursinhalte, Zugang zur Lernplattform). Im Prinzip ähnelt sich die notwendige Softwareausstattung auf beiden Seiten. Sowohl Server als auch Anwender-PCs benötigen ein Betriebssystem, eine Firewall und Virenschutz zur Abwehr von Angriffen aus dem Internet. Auf der Anwenderseite werden i. d. R. ein Internet-Browser und Software zum Anzeigen und Bearbeiten von Inhalten (z. B. Acrobat-Reader, Textverarbeitung, Folienpräsentation) benötigt. Server haben zusätzlich Softwaresysteme, welche für den Betrieb von Online-Angeboten benötigt werden. Dies sind beispielsweise Lernplattformen und für diese notwendige Basissysteme (Datenbank, Programmierumgebung, Webserver-Software usw. – s. Kap. 29.4). PC (Client) des Anwenders
Server des Anbieters
Lernmanagementsystem (Lernplattform) Anwendung 1
2
…
Browser
Webserver
Betriebssystem
Internetverbindung
Lerninhalte
Architekturen
Basissyst.
Datenbank
Betriebssystem
Um die Kommunikation zwischen zwei Rechnern über das Internet zu ermöglichen (z. B. wenn Lernende HTML-Lernmaterialien vom Server des Anbieters abrufen), sind einige Software- und Hardwaresysteme notwendig, und zwar sowohl auf beiden Seiten als auch auf dem „Weg durch das Internet“. Neben der Lernplattform, die meist auf einem Server des Anbieters installiert ist, werden Lerninhalte benötigt. Diese können auch als Software angesehen werden. Einige Lerninhalte gehen in ihrem technischen Aufbau weit über „einfache Dateien“ hinaus. Die bisherige Erläuterung der Kommunikation zwischen Servern und PCs/Laptops ging von dem häufigsten Fall eines zentralen E-Learning-Servers aus in einer so genannten Client-Server-Architektur. Neben dieser werden für einige Anwendungen Peerto-Peer-Netzwerke (nachfolgend P2P) genutzt (Tannenbaum & van Steen, 2007). CBTAngebote benötigen hingegen keine Netzwerkarchitektur.
29.2 Architekturen und deren Leistungsfähigkeit 29.2.1 Client-Server-Systeme (zentraler Server) Bei einem Client-Server-System nutzen die PC-Clients die Dienste eines zentralen Servers:
458
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Client (PC)
Abb. 29.2: Client-ServerArchitektur
Server
Client (PC)
Internet
Client (PC)
Der zentrale Server bietet den PC-Clients die Nutzung der Lernumgebung und -inhalte als Dienste über das Internet an. In der Regel wird auf dem PC-Client die Lernumgebung im Webbrowser geöffnet. Statt der Nutzung des Webbrowsers ist für manche E-Learning-Lösungen eigens programmierte Software auf den Nutzer-PCs zu installieren, welche auf Serverdienste zugreift.
29.2.2 Peer-to-Peer-Systeme In P2P-Systemen sind die PCs der Anwender zu einem Netzwerk verbunden. Dabei bietet jeder Computer als Server den anderen PCs Dienste an und kann gleichzeitig als Client die Dienste eines anderen Computers nutzen. Echte P2P-Netzwerke haben keine zentrale Steuerung und daher keinen zentralen Flaschenhals bzw. Engpass. Leider gibt es keine zuverlässigen Partner, da PCs von Nutzern ausgeschaltet werden können. Deswegen werden Services und Daten auf mehrere PCs redundant verteilt. Weiterführende Informationen zu P2P-Netzwerken finden sich bei Mahlmann und Schindelhauer (2007) und Schindelhauer (2006). P2P-Architekturen kommen z. B. bei Internet-Kommunikationssystemen zum Einsatz oder bei Dokumentenaustauschsystemen (Musik/Audio, Programme, Filme, Informationen usw. – z. B. Napster, Gnutella, eDonkey).
Abb. 29.3: Peer-to-PeerArchitektur
c s
c s
c s
c s
c s
c s
Peer-to-PeerArchitekturen
c s
29.2 Architekturen und deren Leistungsfähigkeit
459
Im Lernplattformbereich werden zentrale Serverlösungen bevorzugt, da die Anbieter ihre Lerninhalte, Teilnehmerdaten und Kursleistungsinformationen lieber zentral auf eigenen Servern ablegen möchten anstatt verteilt in einem P2P-Netzwerk. Günstig für E-Learning wäre die Verknüpfung von P2P-Lösungen (für Kommunikation und Datenaustausch) mit zentralen Lernplattformen. So können die Vorteile beider Architekturen genutzt werden. Jedoch stellen für viele Bildungsorganisationen die Einführung und der gut betreute Betrieb ganz klassischer zentraler Lernplattformen eine Herausforderung dar, so dass weiterführende Ansätze noch nicht in der Breite praktikabel sind.
29.2.3 Lokale Lernsysteme (CBT) Lokale Lernsysteme auf dem PC des Nutzers
E-Learning-Szenarien, in denen Lerninhalte und Lernprogramm auf CD ausgeliefert werden (als Computer-Based Training CBT) und keine Online-Dienste bereitgestellt werden, kommen ganz ohne Server und Netzwerk aus. Sie laufen als lokale Lernsysteme auf dem PC des Nutzers. Dies hat einige Vorteile. Beispielsweise müssen sich Nutzer nicht mit Problemen in Bezug auf Internetzugang, Viren und Browerversionen auseinandersetzen. Nachteile sind die fehlende Interaktion in einer Lerngruppe und die schwierigere Aktualisierbarkeit von Inhalten und Lernprogramm. Einige Demoversionen von Client-Server-Lernplattformen werden übrigens auch auf CD oder Speicherstick verbreitet. Im Prinzip wird damit der PC des Nutzers zum E-Learning-Server, denn einige dieser CD-/Stick-Lösungen installieren diverse Serversysteme auf dem PC des Nutzers (und machen diesen ggf. langsam). Es gibt aber auch Lösungen, welche die Serversysteme primär auf der CD halten, so dass der Computer nach Entfernen der CD wieder weitgehend von lastverursachenden Systemen befreit ist. Dies sind keine lokalen Lernsysteme, sondern lokal installierte Client-ServerSysteme.
29.2.4 Lastverteilung bei Client-Server-Architekturen 29.2.4.1 Grundlagen und Gründe für Lastprobleme
Welche Engpässe und Lastprobleme sind relevant ?
Client-Server-Architekturen sind die am weitesten verbreiteten Lösungen. Der Nachteil dieser Architektur ist der mögliche Engpass beim zentralen System, wenn viele Clients Services vom Server fordern. Wenn wir hier über Engpässe und Lastprobleme sprechen, sind drei Nadelöhre gemeint: • die Anfragen der Clients an den Server, • die Last auf dem Server bei Ausführung der Programme und • die Last für die Datenbank bzw. Datenquelle (Zugriffe und Dauer der Datenabfragen).
460
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Bei der Konzeption einer E-Learning-Serverlösung ist die zu erwartende maximale Last zu berücksichtigen. In Hochschulen gibt es z. B. Lastspitzen am Semesteranfang während der Kurseinschreibung und am Semesterende vor Abgabe- und Prüfungsterminen. Übrigens gibt es dann auch Lastspitzen für das Anwenderbetreuungspersonal. Und so bräuchte man zu diesen Spitzenzeiten nicht nur das Vielfache an Personal, sondern auch entsprechend höhere Serverkapazität. In der Praxis werden die Server so ausgelegt, dass bisher bekannte Lastfälle abgedeckt werden. Wenn Sie ein E-Learning-System erstmalig einführen, sind jedoch keine Lastinformationen bekannt. Ihr IT-Fachmann schätzt also mit Ihnen die zu erwartenden Nutzerzahlen der nächsten Monate und Jahre und legt das System entsprechend aus. Daher ist es wichtig, die Nutzerzahlen und die wirklichen Server- und Infrastrukturlasten im weiteren Betrieb regelmäßig zu überprüfen. Es ist auch wichtig, dass E-Learning-Anwendern Informationen zu möglichen Lastgrenzen mitgeteilt werden. Zum Beispiel sollte für gleichzeitige Aktivitäten (wie Chatsitzungen) eine empfohlene maximale Teilnehmerzahl bekannt sein. Möchten Lerngruppen diese Grenze und damit die Leistungsfähigkeit des Serversystems überschreiten, sollten sie dies rechtzeitig bei den Betreuern des Serversystems anmelden. Diese haben so die Chance, Serverressourcen für diesen Fall umzuverteilen, um zeitbegrenzt zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Auf der Hardwareseite kann die Lastfähigkeit bei der Serveranschaffung primär durch Hauptspeichergröße, Prozessorleistung und die Geschwindigkeit der Festplatten gesteuert werden. Auf der Softwareseite lässt sich die Lastfähigkeit primär durch Auswahl eines leistungsfähigen Lernmanagementsystems (LMS) und die Kompetenz bei der Softwarekonfiguration und -wartung steuern. Mangelnde Lastfähigkeit beim LMS ist also entweder auf schlechte Programmierung oder auf schlechte Konfiguration zurückzuführen. Für Nicht-Experten ist die Lastfähigkeit eines LMS schwer einzuschätzen und noch schwerer ist es, Lastprobleme entweder Programmierungs- oder Konfigurationsfehlern zuzuordnen. Einige Bildungsorganisationen lassen Lernplattformen im Rahmen von Diplom- und Praktikumsarbeiten installieren und testen. Für die Bewertung von LernplattformFunktionalitäten ist der Einsatz von Auszubildenden eine kostengünstige Alternative. Eine fachgerechte lastoptimierende Installation erfordert jedoch viel Praxiserfahrung. Bitten Sie das Entwicklerteam bzw. den Hersteller um eine Testinstallation. Die Hersteller kennen ihre Systeme am besten und können Server- und LMS-Konfiguration an Ihre Bedürfnisse anpassen. Oder nutzen Sie die Möglichkeit, eine andere Bildungsorganisation, welche das gewünschte LMS betreibt, nach Serveranforderungen und Lastproblemen zu befragen.
Nutzerzahlen, Nutzungsart und Anforderungen an die Leistungsfähigkeit
Nutzungsszenarien und Anwenderinfo zu Lastgrenzen
Server- und LMS-Auswahl
LMS-Programmierungs- und -Konfigurationsmängel
Last-Tipps zu Auswahl, Installation und Wartung
29.2.4.2 Lösungsmöglichkeiten für Lastprobleme Die von Ihnen ausgewählten Serversysteme (LMS, Datenbank usw.) können optimiert werden. Zum Beispiel ist einstellbar, dass lastintensive Funktionen seltener ausgeführt werden. Beispielsweise kann für ein Chatsystem die Häufigkeit der Anzeigeaktualisierungen für den Teilnehmer reduziert werden. Dies lässt sich in der Konfiguration oder der Programmierung des LMS ändern.
29.2 Architekturen und deren Leistungsfähigkeit
Systemtuning
461
Datenbankverteilung
Load Balancing (ServeranfragenVerteilung)
Caching
462
Durch längere Nutzung eines LMS kann es zu Ineffizienzen beim Datenbankzugriff kommen. Hier können durch Tuning in der Datenbank (z. B. Indexsetzung) schnellere Datenbankantwortzeiten erreicht werden. Außerdem kann die Effizienz von Datenbankabfragen in der Programmierung des LMS geprüft und angepasst werden. Lassen Sie Ihr LMS von IT-Fachleuten, die Erfahrung mit diesem System haben, warten und regelmäßig tunen oder lassen Sie Ihre IT-Mitarbeiter ausreichend schulen und zertifizieren. Durch Tuning ist bei großen Nutzermengen durchaus eine hohe Effizienzsteigerung möglich. Wenn im Laufe des Betriebs Lastprobleme (z. B. durch Steigerung der Nutzerzahlen oder Änderung der Nutzungsgewohnheiten) nicht mehr durch Systemtuning lösbar sind, dann hat Ihr IT-Servicepersonal oder Dienstleister verschiedene weitere Möglichkeiten, das Lastproblem zu lösen. Wegen Lastproblemen müssen Sie nicht das LMS wechseln, sondern lediglich die Serverinfrastruktur anpassen. Im Kap. 29.2.4.1 wurden 3 Arten von Lastproblemen genannt: Normalerweise werden bei einer Erstinstallation Datenbank und LMS auf einem Server installiert. Bei Überlastungen kann man diese auf zwei verschiedene Server verteilen. Wenn dies nicht ausreicht, kann die Datenbank repliziert werden (Kopien der Datenbank werden auf mehreren Servern angelegt, die sich gegenseitig abgleichen). Dies ist übrigens keine Funktionalität des LMS, sondern der Datenbank. Dazu muss die Datenbank „replikationsfähig“ sein. Eine weitere Möglichkeit ist der Austausch der Datenbanksoftware gegen eine leistungsfähigere, ggf. kommerzielle Lösung (z. B. Oracle). Man sollte beim Anschaffen eines LMS darauf achten, dass dieses mit unterschiedlichen Datenbanken arbeiten kann. Dazu muss das LMS eine Abstraktionsschicht nutzen, statt direkt die Datenbank anzufragen. Diese Abstraktionsschicht wäre für Java z. B. JDBC, für PHP Pear:DB und PDO und in der Windowswelt ODBC. Zusammengefasst, sollte das LMS leistungsfähige Datenbanken unterstützen, eine Datenbank-Abstraktionsschicht nutzen und die Datenbank sollte replikationsfähig sein. Der Webserver verträgt je nach Hardwareausstattung eine begrenzte Zahl von gleichzeitigen Anfragen (z. B. 150). Zum Laden einer Bildschirmseite durch einen Benutzer werden eine oder mehrere Verbindungen für das Übertragen der Seiteninhalte und Medien kurze Zeit aufrechterhalten. „150 gleichzeitig“ klingt wenig leistungsfähig, aber Requests werden innerhalb von Millisekunden abgearbeitet und LMS-Nutzer benötigen relativ dazu viel Zeit für das Betrachten einer Bildschirmseite. Stößt der Webserver an seine Grenzen, werden die Antwortzeiten länger und Bilder einer Seite laden sich verzögert. LMS-Entwickler versuchen daher, die Anzahl der Objekte auf einer Seite begrenzt zu halten (also z. B. nicht zu viele Bilder auf einen Blick). Solche Lastprobleme sind mit Load Balancing und der Verteilung des E-LearningSystems auf mehrere Server lösbar. Ein vorgeschalteter Load Balancer erhält die Anfrage und leitet sie an den Server weiter, der noch nicht ausgelastet ist. Weiterführende Informationen für Systemadministratoren von Apache Webservern sind bei Laurie und Laurie zu finden (2003). Caching ist eine weitere Möglichkeit, ein erlahmtes LMS wieder zu beflügeln. Wenn Sie z. B. einen Adresseintrag eines Kursteilnehmers abrufen, muss der Server eine Webseite „zusammenbauen“, auf der neben den Adressdaten auch das Foto und die Oberfläche der Kursumgebung enthalten ist.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Web-Client
Webserver Server
Web-Client
Web-Client
Webserver
Abb. 29.4: Load Balancing und Datenbankverteilung
Datenbank
Load Balancer Applicationserver
Server
Web-Client Datenbank Web-Client
Applicationserver
Ein Cache auf dem Server merkt sich Webseiten, welche schon einmal „zusammengebaut“ wurden und hält diese für den nächsten Nutzer vor. So ein Mechanismus kann bereits in der Programmierung des LMS eingebaut sein. Es ist aber auch möglich, die darunter liegenden Basissysteme (Webserver, PHP/Java usw.) um eine solche Fähigkeit zu erweitern. Cachingfähigkeit ist also kein Auswahlkriterium für ein LMS. Die gängigen Basistechnologien können so konfiguriert werden, dass Caching möglich ist. Nebenbei, auch der Webbrowser-Cache des Nutzer-PCs merkt sich schon angezeigte Inhalte. Lastprobleme durch sehr rechenintensive Anwendungen (z. B. Kalkulationen, Transformation von Dokumenten in andere Dokumententypen) können durch die Verteilung der Rechenprozesse auf mehrere Server gelöst werden. Dafür wird im Gegensatz zur Load Balancing-Lösung nicht das LMS auf mehrere Server kopiert, sondern es muss in der Lage sein, seine Programmprozesse auf Servern zu verteilen. Lernmanagementsysteme sind aber nicht „rechen“intensiv, sondern bringen eher Datenbank und Webserver an ihre Grenzen. Daher besteht für deren Betrieb seltenst die Notwendigkeit von Rechenlastverteilung. Anders sieht das hingegen für Transformationsprozesse von Lernmaterialien aus, wenn beispielsweise zur Laufzeit (also life je Abfrage eines Benutzers) XML-Lernmaterialien zu individuellen HTML-Seiten oder zu PDFs transformiert werden. Individuell bedeutet im angepassten Layout und mit nutzerspezifischen Inhalten (z. B. das Austauschen von Beispielen oder Einfügen von Erläuterungen je nach Benutzerprofil). XML-Autorenwerkzeuge werden jedoch meist erst nach einigen Jahren intensiver LMSNutzung eingesetzt, so dass Prozessverteilbarkeit für die Auswahlentscheidungen wenig relevant ist. Für die Verteilbarkeit von Prozessen wäre ein so genannter Applicationsserver notwendig. Diese sind für Java verfügbar, für PHP werden derzeit Application-Technologien entwickelt. Hersteller, die für das LMS PHP nutzen (z. B. metacoon), setzen häufig für rechenintensive XML-Lernmaterial-Frameworks Java-Technologien ein. So können Bildungsorganisationen mit relativ wenig PHP-Installationsaufwand starten und müssen erst bei späterer intensiverer Nutzung Java-Technologien konfigurieren.
29.2 Architekturen und deren Leistungsfähigkeit
Rechenlast: Verteilung der Anwendung auf mehrere Server
463
29.2.4.3 Java oder PHP bzw. andere Skriptsprachen? J2EE-Prozessverteilung und problematische Pauschalaussagen Gute Lastproblemlösungen für „beide Welten“
Einarbeitungsaufwand und Serveranforderungen
Hauptauswahlkriterien bleiben: LMS-Funktionalität, vorhandene Infrastruktur und Ressourcen
Es kursiert eine Pauschalaussage, PHP sei in Bezug auf Lastprobleme weniger leistungsfähig als Java/J2EE. Vielleicht entstand diese Meinung, weil J2EE-ApplicationServer Teile eines Lastverteilungssystems mitbringen, also J2EE-Anwendungen ihre Prozesse auf mehrere Server verteilen können, während für PHP derzeit erst PHPApplication-Technologien entwickelt werden. Prozessverteilung für ein LMS kommt bei der Lastoptimierung in der Relevanz erst nach Tuning, Caching, Load Balancing und Datenbankverteilung. Für Tuning, Caching, Load Balancing und Datenbankverteilung existieren für beide Welten sehr gute Lösungen. Außerdem existieren Technologien, mit denen PHP Java-Application-Server und damit Prozessverteilung nutzen kann. „Java oder PHP“ sollte aus Lastproblem-Gründen kein Auswahlkriterium sein. Die Entscheidung von Bildungseinrichtungen oder Entwicklerteams für PHP wird häufig damit begründet, dass PHP leicht erlernbar ist und so kleinere Anpassungen und Weiterentwicklungen von Mitarbeitern oder Studierenden möglich sind. Für den Start verlangen PHP-Systeme weniger Serverressourcen und können meist schon auf PCs für mittlere Nutzermengen betrieben werden. Ein J2EE-Application-Server, in dem ein Java-LMS läuft, benötigt für sich bereits einen leistungsfähigen Server. Die Entscheidung zwischen Java und PHP bzw. anderen Skriptsprachen ist eher hinsichtlich bereits vorhandener IT-Infrastruktur zu treffen, wenn nach einem Auswahlprozess funktional gleich bewertete LMS-Systeme in beiden Technologien zur Endauswahl stehen. IT-Abteilungen entscheiden sich dann für die Technologien, welche bereits eingesetzt werden, um den Einarbeitungsaufwand gering zu halten. Bildungseinrichtungen sollten aber bei der Auswahl der Plattform primär Gesichtspunkte wie Funktionalität, Bedienfreundlichkeit, Benutzerdokumentation und Schnittstellen zur eigenen Infrastruktur berücksichtigen. Zu den vorausgewählten Systemen sollte man die Entwickler/Anbieter nach empfohlener Serverleistung für das LMS bezüglich der angestrebten Nutzerzahlen befragen.
29.3 Basishardware und -systeme 29.3.1 PCs, Laptops und Kleingeräte auf der Nutzerseite PCs/Laptops und Peripherie
Handys, Handheld & Co
464
Fast alle Anbieter von digitalen Bildungsangeboten orientieren sich an der üblichen IT-Ausstattung von Nutzern. Dies sind PCs und Laptops mit zusätzlichen Geräten, wie Drucker, Headset und ggf. USB-Videokamera. WLAN-fähige Laptops setzen sich immer mehr durch und werden sicher in den nächsten Jahren zur üblichen Lernausstattung gehören. Auch Kleingeräte, wie leistungsfähige Handys oder Handheld-Geräte, dringen zunehmend in den Bildungsbereich vor. Sie haben jedoch wegen kleiner Bildschirmgrößen ihre Grenzen. Hinzu kommt, dass die Entwicklung von Lernprogrammen oder -inhalten für solche Geräte noch relativ aufwendig ist, da die Gerätetypen teilweise unterschied-
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
lich auf Programmierungen und Datenübertragungen reagieren. Während die Lerninhalteentwicklung für PCs inzwischen von „normalen“ Autoren geleistet werden kann, ist bei der Entwicklung für Kleingeräte noch Expertenunterstützung notwendig. Einige Firmen haben sich auf Handyinhalteerstellung spezialisiert und bieten z. B. die Erstellung von Übungen und Tests für Handys an. Handyhersteller bemühen sich, die Geräte sukzessive so leistungsfähig und kompatibel wie PCs zu gestalten, so dass mobile Geräte (mit ausreichender Bildschirmgröße) sicher Teil des Lernalltags werden. Im Audiobereich erlebten gerade Podcasts einen Hype. Die Inhalte werden z. B. vom PC auf ein Kleingerät überspielt (z. B. einen iPod, ein USB-MPEG-Player). Durch gute Standardisierung der Inhalteformate bestehen hier sehr viel weniger Barrieren als bei visuellen Lerninhalten für Kleingeräte. Da auch die Erstellung von Podcast-Inhalten sehr einfach ist, kann diese Medienform gut als Ergänzung in Lernszenarien eingesetzt werden.
Audio-Kleingeräte
29.3.2 Anbieterseite: E-Learning-Server Eine der ersten Fragen bei LMS-Einführungsberatungen ist: Welche Hardware muss angeschafft werden bzw. vorhanden sein. Für Kommunikation mit IT-Fachleuten folgt hier eine einfachere Beschreibung der Serverseite. Vorweg: Wenn Sie keine IT-Abteilung und keine eigenen Server haben, können Hosting-Services genutzt werden. Damit mieten Sie einen Server (oder einen Teil davon) und lassen vom Anbieter das LMS installieren und warten. Haben Sie eigene Server, dann könnten ggf. vorhandene, noch nicht ausgelastete Server den Betrieb des LMS mit übernehmen. Hier sind dann weniger Fragen zur Hardwareals vielmehr zur Softwarekompatibilität interessant (z. B. ob das LMS die gleichen Basissystemversionen benötigt wie die vorhandenen Anwendungen auf dem Server). Für Bewertung oder Kauf eines Servers sind, ähnlich wie bei PCs, nachfolgende Leistungsmerkmale wesentlich. LMS-Hersteller veröffentlichen für ihr System Mindestanforderungen an Server.
Leistungsmerkmale von Servern
• Prozessorgeschwindigkeit – ggf. sind mehrere parallel arbeitende Prozessoren vorhanden • Hauptspeicherkapazität • Geschwindigkeit des Zugriffs zu Festplatten und externen Geräten • Kapazität der Festplatten – für Server werden i. d. R. „Raidsysteme“ eingesetzt (Geräte mit mehreren Festplatten, die Daten meist redundant auf mehreren Platten speichern). Die Verbindung zum Internet erfolgt über Netzwerkkomponenten (Router, Hub oder Switch). Gemietete Server befinden sich „im Internet“. Ein eigener hausinterner Server kann entweder auch für das Internet verfügbar gemacht werden oder ist nur im Intranet des eigenen „Hauses“ zugreifbar. Eigene Server, die permanent im Internet verfügbar sein sollen, benötigen eine eigene permanente Internetadresse (IP-Adresse). Diese bekommt man bei einem der
29.3 Basishardware und -systeme
Standort des Servers
465
Abb. 29.5: Server im Internet
Client (PC) Client (PC)
PC Server
PC
Client (PC)
PC Internet
„Internet-Einwohnermeldeämter“ (regionale Internet-Registries) des Webs. Weiterhin benötigen diese Server auch eine permanente Internetverbindung. Viele kleine und mittelständige Betriebe nutzen zwar eigene hausinterne Server, haben aber keine Server „im Internet stehen“. Hier ist bei der Entscheidung zum E-Learning-Server zu berücksichtigen, ob dieser wirklich nur innerhalb des Intranets benötigt wird oder ob man Mitarbeitern auch von zu Hause Zugriff auf die Lernumgebung ermöglichen will. Im letzteren Fall empfiehlt sich das Nutzen eines HostingAngebotes oder die Miete eines externen Servers. Abb. 29.6: Server im Intranet
PC Server
PC
PC
Internet
29.3.3 Videokonferenzsysteme
Desktop-Systeme
466
Systeme für Audio- oder Videokonferenzen befinden sich im ständigen Wandel und werden in unterschiedlichsten Formen angeboten. Sie bestehen im Wesentlichen aus Kameras, Mikrofonen zur Aufnahme, Bildschirmen bzw. Projektionsflächen und Lautsprecher zur Wiedergabe. Im E-Learning am häufigsten verwendet werden Desktop-Systeme, also Systeme, welche auf den PCs der Anwender laufen. Hierfür wird nur noch eine Kamera (z. B. USB-
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Kamera) und ein Headset benötigt. Der Kauf eines Headsets (im Gegensatz zur Nutzung von Lautsprecher und Mikrofon) ist sehr empfehlenswert, da die Lautsprecherstimme sonst vom Mikrofon wieder aufgenommen wird und der Sprecher sich zeitversetzt selbst hört. Desktop-Systeme haben den Vorteil, dass man am eigenen Computer sitzt und alle eigenen Dokumente zur Verfügung hat. Einige Systeme erlauben auch die Übertragung von Dateien oder das gemeinsame Betrachten und Nutzen von Anwendungen. Set-Top-Boxen sind kleine transportable Kompaktsysteme mit Kamera und Mikrofon, welche an einen Bildschirm bzw. Fernseher und an eine Telefon- oder LANVerbindung angeschlossen werden. Für den Betrieb in größeren Konferenzräumen oder die Übertragung von Vorlesungen sind auf dem Markt Raumsysteme verfügbar. Sie bestehen aus leistungsfähigen Kameras, Raummikrofonen und größeren Monitoren. Häufig sind auch Medienwiedergabe und Aufzeichnungsgeräte angeschlossen, so dass z. B. Folienpräsentationen und Handgeschriebenes oder Handzeichnungen auf Whiteboards mit übertragen werden können. Einige Systeme verfügen über Abstimmungskomponenten, so dass Stimmungen und Meinungen auf der eigenen und auf der entfernten Seite der Konferenz abgefragt und visualisiert werden können. Wenn sich im E-Learning-Bereich mobile Kleingeräte mehr durchsetzen, werden vielleicht auch Mobilfunk-Videokonferenzen per UMTS oder ähnliche Lösungen relevant. Da es in E-Learning-Videokonferenzen meist um Lerninhalte geht, welche parallel zu den Teilnehmern sichtbar sein sollten, verhindern derzeit die kleinen Displays eine ernsthafte Nutzung.
Set-Top-Boxen
Raumsysteme
Mobile Lösungen
29.3.4 Aufzeichnungssysteme für Vorlesungs- und Seminarräume Fast jede größere Hochschule verfügt inzwischen über ein oder mehrere „MultimediaHörsäle“. Diese sind oft auch mit Videokonferenz-Raumsystemen ausgestattet, um eine Vorlesung für mehrere Standorte verfügbar zu machen. In Multimediahörsälen sind meist Aufzeichnungssysteme installiert, mit denen „onthe-fly“ die Vorträge inklusive der gezeigten Medien aufgenommen und ins Netz oder auf die Lernplattform gestellt werden. Das in Abb. 29.7 dargestellte Aufzeichnungssystem besteht aus einer Kamera und Mikrofon sowie einem Audio-Mischpult zur Aufzeichnung von Bild und Ton des Lehrenden. Auf dem Computer befinden sich die Präsentationsfolien, welche in eine Rapid-Authoring-Software (z. B. L E C T U R N I T Y) importiert wurden. Die Folien werden für den Lehrenden auf einem Interactive Pen Display und für Lernende über Beamer angezeigt. Die Zeigeaktionen der Lehrenden, wie auch Handzeichnungen, Annotationen und Markierungen, werden ebenfalls angezeigt und von der Authoring-Software aufgenommen. Für die nachfolgende Veröffentlichung im Web kann das Autorenwerkzeug diese Aufzeichnung in mehreren Endformaten ablegen (z. B. Windows Media, Real Media, Flash, MPEG-4). Will man Lehrenden eine Nachproduktionsphase ersparen, muss die Bildungseinrichtung diese Nachproduktion automatisieren und eine Schnittstelle zwischen diesem Aufzeichnungssystem und der Lernplattform oder dem Content-Management-System erstel-
29.3 Basishardware und -systeme
467
Abb. 29.7: Beispiel Aufzeichnungssystem in Hörsälen
Funkmikrofon
Interactive Pen Display Digitalkamera
Computer VGA Sound Card AudioMischpult
USB Videocard Rapid-Authoring-Software
len. Die aufgezeichneten Inhalte werden den Lernenden in der entsprechenden virtuellen Lernumgebung oder auf der Webseite der Lehrenden zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung eines Hörsaals, wie in Abb. 29.7 gezeigt, kostet je nach Anforderung beispielsweise 5.000–10.000 Euro und wird sicher in den nächsten Jahren auch für den Seminarmarkt noch erschwinglicher. Für Seminarräume oder Workshop-Veranstaltungen kann statt Beamer und Interactive Pen Display auch ein Interactive Whiteboard eingesetzt werden. Auf dieser „berührungssensitiven Tafel“ werden Präsentationsmedien (z. B. Foliensatz) angezeigt und während des Vortrags können (z. B. mittels Stiften, Textmarkern und Pointern) Annotationen auf den Folien vorgenommen und aufgezeichnet werden.
29.3.5 Spezialisierte Systeme für Abstimmung, Feedback, Test und Prüfung Integrierte Systeme für Abstimmung und Tests
468
Spezielle Hard- und Softwaresysteme werden z. B. für Abstimmungen oder Tests angeboten und sind entweder mobil in mehreren Räumen nutzbar oder in den im vorigen Abschnitt dargestellten Multimedia-Raumeinrichtungen integriert. In Fernsehstudios werden diese Systeme z. B. für Zuschauerbefragungen eingesetzt. Die Teilnehmer erhalten eine Abstimmungseinheit, das ist ein kleines Gerät, auf dem sie Eingaben (i. d. R. Zahlen) machen können. Mit einer Chipkarte kann die Abstimmungseinheit personalisiert werden. So kann man verfolgen, wer welche Antwort gegeben hat.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Die Eingaben der Teilnehmer werden zum Präsentations-PC übertragen (Funk- oder Kabelverbindung). Hier werden die Antworten gesammelt, gespeichert und als Diagramme oder Übersichten dargestellt. Auf dem Präsentations-PC ist dazu eine spezielle Software installiert. Die zur Abstimmung gestellten Fragen können vor oder während der Veranstaltung eingegeben werden. Solche Systeme werden zu Stimmungsabfragen, Verständnisfragen und auch für Prüfungsszenarien verwendet. Wie bei allen elektronischen Prüfungssystemen sind juristische Bedenken abzuklären. Meist nutzen solche Spezialsysteme proprietäre Formate. Das heißt, dass die Fragen (z. B. bei Verwendung in Prüfungen) in diesem System separat einzugeben sind. Dies bedeutet für Lehrende doppelte Arbeit, weil prüfungsvorbereitende Fragen und professionell aufbereitete Fragenpools so redundant zur Lern- und Autorenumgebung gepflegt werden müssen. Vor Anschaffung sollte man daher prüfen, inwieweit vorhandene Übungs- und Testinhalte importiert bzw. mit dem Abstimmungssystem erzeugte Inhalte in die reguläre Lernplattform der Einrichtung exportiert werden können. Als Standard für Übungen und Tests hat sich QTI durchgesetzt (Kap. 31 und 32). Für Bildungseinrichtungen bedeutet die Integration jedes weiteren Spezialsystems zusätzlichen Aufwand, da dieses in die Infrastruktur (z. B. Benutzer- und Passwortverwaltung) und die organisatorischen Abläufe einzubinden ist. Wünschenswert wäre die Weiterentwicklung zu standardisierten Erstellungs-, Übertragungs- und Abspieltechnologien. Dadurch könnte man Handys für Test- und Votingszenarien einsetzen. E-Learning-Inhalte sollten nur in einem System – möglichst im normalen Autorensystem bzw. in der Lernplattform erstellt und gepflegt werden. Abstimmungssysteme für die Lehre und für Prüfungsszenarien sollten zumindest QTI-Fragebögen (Übungsund Teststandard) importieren und dabei entsprechend der Eingabemöglichkeiten der Abstimmungsgeräte zu internen Fragedarstellungen konvertieren können (IMS QTI). Bildungseinrichtungen benötigen Technologien zur effizienten Abwicklung von Prüfungen und Umfragen. Daher wäre es für Mobilfunkanbieter attraktiv, im Bildungsmarkt aktiver zu werden und mit Handy- und Übertragungstechnik E-Learning-Standards zu unterstützen. Dies würde Bildungseinrichtungen die Integration von proprietären Inhalten und Technologien ersparen. Alternativ könnten Hersteller oben beschriebener spezialisierter Umfragesysteme die Unterstützung von Standards und Schnittstellen zu E-Learning-Systemen ausbauen.
Proprietäre Inhalteformate
Integration von Systemen in die IT-Infrastruktur
Ausblick: Hoffnung auf standardisierte Lösungen, z. B. im Mobilfunkbereich
29.4 Software Bei der Betreuung von E-Learning-Anwendern spielen Softwareprobleme eine große Rolle. Dabei sind weniger Probleme oder kleine Programmierfehler des LMS gemeint, sondern Probleme mit den Basissystemen. Betrachtet man die Vielzahl der Systeme, welche bei einem E-Learning-Szenario genutzt werden (s. Abb. 29.8), wird verständlich, dass Problemursachen an sehr unterschiedlichen Stellen auftreten können.
29.4 Software
Aus Sicht der E-Learning-Betreuer
469
Abb. 29.8: Software auf Anwender-PC und auf Anbieterserver
PC des Anwenders Office-Software/ verschiedene Programme für Datei-/Medienanzeige Java-Laufzeitumgebung
Server des Anbieters Lernmanagementsystem
(Applicationsserver oder Servlet-Engine)
Webbrowser (ggf. Browser-Plugins)
Softwareübersicht Anwender-Seite
Softwareübersicht auf Anbieterseite
Basissystem(e) Webserver
Sicherheitssoftware
Sicherheitssoftware
Betriebssystem
Betriebssystem
Auf den PCs der Anwender läuft als unterste Basis ein Betriebssystem. Für den Schutz gegen Angriffe und Viren aus dem Internet sollte eine Firewall und ein Virenscanner (oft zusammengefasst in einem Softwarepaket) installiert sein. Auf der Basis des Betriebssystems sind mehrere Anwendungen installiert. Eine der Anwendungen ist ein Webbrowser (z. B. Microsoft Internet-Explorer, Firefox, Safari, Opera, Netscape), in dem Lernumgebung und -inhalte angezeigt werden. Für Inhalte, welche der Browser nicht anzeigen kann, stehen entweder BrowserPlugins zur Verfügung (z. B. für Flash) oder es sind sonstige Anwendungen nötig (z. B. Acrobat Reader für PDFs, Microsoft Word für Word-Dokumente). Für Videokonferenzen und Messenger-Funktionen sind ggf. entsprechende Anwendungen zu installieren (z. B. Skype, MSN, Yahoo, VCON vPoint). Und für die Erstellung von Lernmaterialien werden Autorenwerkzeuge und Medienproduktionssoftware benötigt. Auf der Anbieterseite ist ebenfalls ein Betriebssystem (z. B. Microsoft Windows, Unix, Linux) die Basis. Auf diesem läuft ein Webserver zur Kommunikation mit dem Internet (Internet Information Server, Apache usw.). Als Grundlage für eine Serveranwendung ist außerdem ein Basissystem notwendig, welches die Programmiersprache des LMS „versteht und ausführen kann“ (z. B. PHP, Java, Perl – meist als Webservererweiterung installiert). Für die Speicherung der Daten ist die Installation einer Datenbank erforderlich (MSSQL, MySQL, Oracle usw.). Erst wenn diese Basissysteme installiert sind, kann ein LMS auf dem Server laufen.
29.4.1 Software auf Anwender-PCs und Laptops E-Learning-Hotline: Aufgaben im Rahmen der Nutzerbetreuung
470
Die Beratungsaufgaben einer E-Learning-Betreuung müssen über die reine Beratung zum LMS hinausgehen. Probleme bei der Nutzung einer Lernplattform sind häufig auf Fehlfunktionen anderer Systeme zurückzuführen. Einige Anwender nutzen z. B. ältere Softwareversionen auf ihrem PC oder führen Sicherheitsupdates nicht regelmäßig durch. Mit einem virenbefallenen PC macht die Nutzung einer Lernumgebung wenig Spaß und gefährdet auch die PCs anderer Lernender (z. B. durch Dateiaustausch).
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Nachfolgend haben wir eine Einführung in Basiswissen für die E-Learning-Beratung zusammengefasst. E-Learning-Berater sollten zu den angeschnittenen Themen vertiefend geschult werden. Wir empfehlen keine konkreten Softwareprodukte oder Hersteller, auch weil beim schnellen Wandel im IT-Markt eine Empfehlung schnell veraltet. Stattdessen werden wir auf dem Marktplatz-Bildung (www.marktplatz-bildung.de) einen Bereich bereitstellen, in dem wir und andere erfahrene Anwender Produktlisten anlegen und kommentieren können. Ansonsten sind für die Auswahl von Software die Marktübersichten von Computerzeitschriften empfehlenswert.
29.4.1.1 Betriebs- und Basissysteme Das am häufigsten genutzte Betriebssystem ist Microsoft Windows. Aber auch Linux und Apple- bzw. Mac-OS werden oft verwendet. Somit müssen deren Nutzer von einer E-Learning-Hotline gut betreut werden. Anwenderprobleme durch Betriebssysteme entstehen z. B. durch deren Sicherheitslücken, durch die Viren und andere Schadprogramme aus dem Internet eindringen. Für Anwender wirken sich solche Probleme z. B. durch verlangsamte Programme und Internetzugriffe sowie durch vermeintliche Programmfehlfunktionen aus. Eine E-LearningHotline sollte bei Beschreibungen von untypischem Systemverhalten nach Betriebssystemversion und Stand der Updates fragen. Sie sollte auch die Anwender über neu verfügbare wichtige Sicherheitsupdates regelmäßig informieren, z. B. auf der Pinnwand des LMS. Betriebssysteme (bzw. allgemein alle Systeme) mit größerem Marktanteil sind für Angreifer attraktiver, also werden von Hackern mehr Sicherheitslücken entdeckt und genutzt. Anwender müssen regelmäßig Sicherheitsupdates für ihr Betriebssystem nachladen. Oft ist das System so konfiguriert, dass diese Updates automatisch geladen und installiert werden. Leider gibt es (relativ selten) Betriebssystem-Updates, welche Probleme verursachen oder selbst Systemgeschwindigkeit oder Funktionen negativ beeinflussen. Fortgeschrittene PC-Nutzer können das Nachladen von Betriebssystemupdates manuell starten und sich vorher über deren Wirkung informieren. Problematische Updates sprechen sich im WWW schnell herum (Foren, Newsboards). Nach mehreren Jahren der Nutzung eines Computers kann das Betriebssystem „verschlacken“ – insbesondere wenn viel Software installiert und ausprobiert wurde. Hier gibt es zwar mehrere Möglichkeiten aufzuräumen und auch entsprechende Hilfsprogramme, manchmal ist aber eine Neuinstallation der sicherere und einfachere Weg. Für Laien ist die Neuinstallation eines Betriebssystems derzeit noch besonders problematisch. Wenn sie ihre ältere Version eines Betriebssystems wieder aufspielen und anschließend die Sicherheitsupdates nachladen, können schon in der Nachladezeit Internetangriffe erfolgreich sein. Die einzig sichere Lösung ist die Offline-Installation aller Updates, indem mit einem anderen sicheren PC die Updates heruntergeladen werden. Ein PC sollte grundsätzlich erst ans Netz, wenn ein aktualisiertes Betriebssystem sowie Firewall und Virenscanner installiert sind. Firewalls erlauben oder verbieten anhand ihres Regelwerks Datenverbindungen mit dem Internet und Programmaktivitäten auf dem PC des Nutzers. Das Regelwerk ist bei
29.4 Software
Betriebssysteme
Regelmäßige Betriebssystem-Updates zur Vermeidung von Sicherheitslücken
„Verschlacken“ von Betriebssystemen, Aufräum-Hilfsprogramme und SystemNeuinstallation
Firewalls und Virenscanner
471
der Installation i. d. R. so eingestellt, dass übliche Internetaktivitäten erlaubt, also E-Learning-Funktionen möglich sind. Ist eine Firewall jedoch pessimistisch eingestellt, lässt sie ggf. für das E-LearningSystem notwendige Inhalte nicht durch. Hier sind als Beispiel drei Firewallprobleme aus der Praxis aufgeführt: • Wenn ActiveX ausgeschaltet ist, kann es zu Flash-Anzeigeproblemen kommen, da Flash im Quellcode der Webseite mit einem „Tag“ ausgezeichnet ist, welches manche Firewalls als ActiveX führen. • Wenn nur Port 80 gestattet und 8080 verboten ist, können bei bestimmten Servereinstellungen Java-Programme nicht im Browser angezeigt werden (Kap. 29.4.2.3). • Eine Option „Remote-Adresse mitteilen unterdrücken“ kann dazu führen, dass das LMS nicht verifizieren kann, ob die neue Anfrage vom gleichen Nutzer kommt (damit soll Hackerangriffen vorgebeugt werden).
Viren in DownloadDateien
Sicherheitslücke Anwendungsprogramm
PC-AdministratorKonto nur eingeschränkt nutzen Computersicherheit als Thema für Einführungsveranstaltungen
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Heute haben Betriebssysteme meist eine eigene Firewall. Diese bietet einen Basisschutz. E-Learning-Anwender sollten trotzdem eine Sicherheitssoftware (AntivirenFirewall-Software) benutzen. Auch diese muss regelmäßig (möglichst täglich) aktualisiert werden und Informationen über neue Viren und Schadprogramme vom Hersteller nachladen. Virenschutzprogramme der Anwender sollten so eingestellt sein, dass sie aus dem Internet heruntergeladene Dateien vor dem Öffnen prüfen. Anwender sollten darüber informiert werden, mit welchen Dateitypen sehr leicht Viren übertragen werden können und welche Dateitypen sicherer sind. Lehrende können mit den Lerngruppen vereinbaren, nur Dateitypen auszutauschen, welche weniger gefährdet sind. Diese Hitliste risikoreicher Dateitypen ändert sich ständig, da Hersteller der Anwendungen versuchen, ihre Software immer sicherer zu gestalten. Und Hacker suchen und finden immer neue Sicherheitslücken, auch für vielleicht bisher als sicher angenommene Dateitypen. Risiken beim Dateiaustausch entstehen nicht nur durch die Dateien selbst, sondern auch durch die Anwendungen, mit denen die Dateien geöffnet werden. Auch hier sollten E-Learning-Betreuer die Sicherheitsnews der häufigst genutzten Anwendungen im Auge behalten und ihre Anwender über neue Sicherheitslücken und notwendige Programmupdates informieren. Viele Anwendungen (z. B. Acrobat Reader, Realplayer) aktualisieren (wenn korrekt konfiguriert und die Firewall es zulässt) sich selbst. Eine der wichtigsten Vorsichtsmaßnahmen: An seinem PC sollte man nicht als Administrator, sondern als Nutzer mit eingeschränkten Rechten arbeiten. Durch die fehlenden Installationsrechte des Nutzers können sich Schadprogramme nicht so leicht installieren. Entwickler von Sicherheitssoftware befinden sich im ständigen Wettlauf mit „Entwicklern“ von Schadprogrammen. So wie in der realen Welt grundlegende Brand- und Terrorschutzregeln gelernt werden, müssen Online-Nutzer heute grundlegende Vorsichtsmaßnahmen erlernen und sich auf dem Laufenden halten. Für viele Online-Nutzer ist dies bereits selbstverständlich, u. a. dank der in Funk und Fernsehen vermehrt angebotenen Computerinfosendungen.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
29.4.1.2 Internet-Browser Eine der für E-Learning wichtigsten Anwendungen sind die Internet-Browser, da die Lernumgebung und meist auch die Lerninhalte mit diesen angezeigt und genutzt werden. Der derzeit meistverwendete Browser ist der Internet-Explorer (IE). Auch häufig verwendet werden (unsortiert) Firefox, Opera, Safari, SeaMonkey und Netscape, gefolgt von zahlreichen weiteren Browsern. Leider halten sich die Browserhersteller nicht vollständig an Standards bzw. interpretieren Inhalte leicht unterschiedlich. So kann eine in einem Browser perfekt aussehende Webseite oder Lernumgebungsoberfläche im anderen Fehler aufweisen. Hersteller von LMS oder von anderen Internetangeboten testen normalerweise ihre Anwendungen auf 3–6 Browser in entsprechend neuerer Version. Diese Browserversionen geben sie als Empfehlungen an. Dabei kämpfen sie mit häufigen automatischen Browserupdates. So kann es vorkommen, dass ein LMS in der bisherigen Browserversion perfekt dargestellt wurde und nach einem („unsichtbaren“, weil automatischen) Update Fehler aufweist. Browser-Plugins ermöglichen, zusätzliche Inhalte anzuzeigen oder zu verwenden (z. B. Flash-Animationen, SVG-Grafiken, 3D-Simulationen). Die Plugin-Verwaltungen der Browser sind in den letzten Jahren relativ gut geworden. Dem Nutzer wird angezeigt, welches Plugin ihm für die aktuelle Webseite fehlt, und angeboten, dieses nachzuladen. In anwenderfreundlichen LMS existiert eine „Teste meinen PC“-Seite. Diese zeigt an, welche Konfigurationseinstellungen ungünstig sind und welche Plugins fehlen. Diese Seite sollte von E-Learning-Betreuern je Kursszenario angepasst werden, da manche Kurse z. B. keine Plugins erfordern und in manchen Kursen Medien (wie Flash) verwendet werden. Für LMS relevante Browsereinstellungen sind z. B. Cookies, Popup-Blocker, Java, Java-Script, der Browser-Cache und ActiveX (Windows-Welt). Fast alle Internetanwendungen benutzen heute Java-Script, um bedienfreundliche Benutzungsoberflächen anbieten zu können. Eine Webseite bekommt mit Java-Script etwas eigene Logik mit, so dass die Seite auf Benutzereingaben und -aktionen selbst reagieren kann, ohne dass die Webseite vom Server neu geladen werden muss. So wird z. B. Java-Script in Formulareingaben verwendet, um Formularfelder entsprechend bereits eingegebenen Feldern vorauszufüllen oder ein-/auszublenden. Nach Verbot von Java-Script in den Browseroptionen kann man sehr viele Webseiten nicht mehr nutzen, weil in den Webseiten selbst Java-Script für besseren Bedienkomfort integriert ist. Java-Script und Java-Applets bzw. Java-Anwendungen werden wegen des ähnlichen Namens leicht verwechselt. Java.Applets sind kleine im Browser laufende Programme. Sie werden z. B. für einige interaktive Lerninhalte (Animationen oder Simulationen) entwickelt. Applets laufen in einem „Sandkasten“, also in einer zum PC abgeschirmten Umgebung. Daher stellen Applets nur dann ein Sicherheitsrisiko dar, wenn dieser „Sandkasten“ defekt ist. Applets sind also normalerweise in der Funktionalität und in den Rechten (was sie tun dürfen) eingeschränkt. Sie dürfen z. B. nicht auf die Festplatte des PCs zugreifen und Daten oder Anwendungen manipulieren. Wenn ein Applet aus seinem „Sandkasten“ rausgreifen will, also lesend oder schreibend auf den PC zugreifen möchte, wird der Benutzer gefragt, ob er dem Applet-Ent-
29.4 Software
Browser/Anbieter
Browser-Plugins
Browsereinstellungen Java-Skript
Java-Applets
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Java-Webstart und lokale Java-Programme
Weitere Frameworks für Offline-Webapplikationen
HTTPS – sichere Verbindung zwischen Browser und Server
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wickler/Anbieter bzw. dem Applet selbst vertrauen und den Zugriff gestatten will. Applet-Hersteller können sich von einer vertrauenswürdigen Organisation ein Zertifikat für solche aus dem Sandkasten hinausgreifenden Applets signieren lassen. Dabei prüft diese Organisation lediglich die Identität des Anbieters. Nicht geprüft wird der Programmiercode. Nutzern wird damit also lediglich offengelegt, wer dieses Applet anbietet und an wen sie sich im Schadensfall wenden können. Im Gegensatz zu Java-Applets laufen Java-Programme nicht im Browser, sondern sind eigenständige Anwendungen. Sie können entweder wie ein normales PC-Programm auf diesem installiert werden oder im Web über einen Klick gestartet werden (Java-Webstart). Da sowohl Java-Applets als auch Java-Webstart über das Web gestartet werden, ist für manche Nutzer die Unterscheidung schwierig. Bei Download und Start von Java-Webstart-Anwendungen wird der Nutzer (ähnlich wie bei Applets) gefragt, ob er dem Anbieter vertrauen möchte. Bei Java-Webstart wird übrigens das Java-Programm vom Server geladen und auf dem PC abgelegt. Bei jedem Neuaufruf überprüft es, ob auf dem Server Aktualisierungen verfügbar sind und lädt diese nach. Diese Form der Programme eignen sich besonders gut für Autorenwerkzeuge, also Lernmaterial-Editoren oder Dokumentenmanagementsysteme. Am Beispiel eines Dokumentenmanagementsystems könnte der Client (also der Teil der Anwendung, der auf dem PC des Benutzers läuft) über Java-Webstart installiert werden. Mit dem Clientprogramm kann der Anwender dann vom Server seine Dokumente auschecken. Anschließend kann er offline gehen und die Dokumente bearbeiten. Bei der nächsten Online-Verbindung gleicht der Client die Dateien mit dem Serverdokumentenpool wieder ab. Damit Java-Programme (sowohl Applets als auch eigenständige Anwendungen) funktionieren können, muss Java auf dem PC des Anwenders installiert sein (siehe bei Windows in der Systemsteuerung). Startet eine Internetanwendung Java, dann wird auf dem PC des Nutzers Java als Laufzeitumgebung gestartet, was je nach PC eine Weile dauern kann. Danach erscheint in der Statusübersicht die kleine dampfende Java-Tasse . Es gibt weitere sich verbreitende Frameworks für Offline-Webapplikationen, welche ähnlich wie Java-Webstart lokal zu installieren sind (z. B. Google Gears oder jojo offline toolkid). Auch Browser entwickeln sich weiter und werden den Webanwendungen zukünftig leistungsfähige Laufzeitumgebungen z. B. mit lokaler Datenbank anbieten. Dadurch können dem Nutzer zusätzliche lokale Installationen erspart werden, da im „Sandkasten“ des Browsers fortgeschrittene Funktionalitäten online und offline ausgeführt werden können. Eine für den Nutzer ähnlich zu den Browser-Sicherheitsfragen für „aus Sandkasten rausgreifende Anwendungen“ ist die Frage nach sicheren Verbindungen. Wie beim Onlinebanking können auch Lernplattformserver eine sichere (verschlüsselte) Verbindung zum Browser aufbauen. Auch hier kann der Anbieter ein Zertifikat von einer vertrauenswürdigen Organisation signieren (also seine Identität prüfen) lassen. Lernplattformbetreiber sparen sich manchmal diese Signierung. Dadurch meldet der Browser, dass man auf eine ggf. nicht vertrauenswürdige Seite zugreift. E-Learning-Betreuer sollten überprüfen, ob Lern- und Autorensysteme JavaAnwendungen oder Applets enthalten. Für diese, wie auch für eine HTTPS-Verbindung, sollten Zertifikate signiert werden, damit Benutzer nicht mit unnötigen Warnhinweisen konfrontiert werden.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Mit Cookies und Sessions merken sich Lernmanagementsysteme bestimmte Benutzereinstellungen und Bedienzustände. Hat ein Benutzer z. B. im Lernmaterialpool des LMS etwas gesucht (alle Dokumente des Lehrenden X), also über den Pool einen Suchfilter gelegt, sollte sich das LMS dies für die aktuelle Session (bis zum Logout) merken. Dies ist entweder mittels auf dem PC des Anwenders gespeicherter Cookies möglich oder auf dem Server mit sog. Sessions. Von Shopping-Portalen werden in Cookies Gewohnheiten und Vorlieben gespeichert, um dem nichteingeloggten Nutzer individuelle Angebote machen zu können. Speicherung von Gewohnheiten und Einstellungen über die Sitzung hinaus macht für ein LMS wenig Sinn, da diese nur wieder abrufbar sind, wenn der Nutzer beim nächsten Mal das LMS am gleichen PC nutzt. LMS-Nutzer haben ein Login und so kann sich das LMS wichtige Einstellungen auf dem Server im Benutzerprofil merken. Cookies und Sessions sollten also nur für Informationen verwendet werden, welche innerhalb einer Sitzung gespeichert werden müssen. Ob Cookies vom LMS gebraucht werden, sollte in dessen Dokumentation stehen. In manchen Systemen kann man konfigurieren, ob sie Session oder Cookies verwenden sollen. Werden Cookies eingesetzt, sollten E-Learning-Betreuer die Nutzer darauf hinweisen, dass diese in den Browsereinstellungen Cookies für das LMS erlauben. Technisch unterscheiden sich Popup-Fenster von „normal“ in einem neuen Fenster öffnenden Webseiten folgendermaßen: Wenn der Ersteller einer Webseite einen Link einbaut, der beim Anklicken den verlinkten Inhalt in einem neuen Fenster öffnet, dann handelt es sich nicht um ein Popup. Wird das neue Fenster jedoch durch ein mit JavaScript ausgewertetes Ereignis geöffnet, dann handelt es sich um ein Popup. Dies kann z. B. bei einer Formularabfrage geschehen, wenn bisher ausgefüllte Felder (z. B. Rechnungsadresse ungleich persönlicher Adresse) eine Zusatzabfrage (die Rechnungsadressdaten) erforderlich machen. Ein von Java-Script ausgewertetes Ereignis kann auch der Benutzerklick auf ein wie ein Link aussehender Text auf der Webseite sein. Daher ist für einen Nutzer die Unterscheidung „Popup“ oder „Link im neuen Fenster“ in diesem Fall schwierig. Popup-Fenster machen für Nachrichtensysteme oder andere wichtige nichtklickgesteuerte Ereignisse durchaus Sinn, z. B. wenn Nutzer sich gegenseitig Sofortnachrichten schreiben. Für klickgesteuerte Ereignisse ist die Nutzung von Popups Geschmackssache. Hier könnten LMS-Entwickler auch alternative Lösungen finden – dies ist jeweils ein Abwägen von Vor- und Nachteilen. Das Öffnen zusätzlicher Fenster, statt alle Inhalte im gleichen Fenster zu öffnen, ist generell Ansichtssache. Einige Nutzergruppen wünschen sich ein Fensterverhalten ähnlich dem ihres Betriebssystems und ihrer PC-Anwendungen, andere sind mit mehr als einem Fenster überfordert und möchten alles im gleichen Fenster erledigen. Für das normale Surfen im Netz ist das Anschalten des Popup-Blockers sinnvoll. Wenn das LMS mit Popups arbeitet, sollte dem Browser für diese LMS-Webseite bzw. LMS-Domain Popups erlaubt werden.
Cookies und Sessions
Popup-Blocker
Wozu nutzen LMSHersteller Popups?
29.4.1.3 Sonstige PC-Anwendungssoftware Ein LMS selbst verlangt i. d. R. keine weitere Anwendungssoftware auf den PCs der Nutzer außer den Browser. Für Lerninhalte und Medien werden jedoch seitens der
29.4 Software
475
Anwendungen zur Anzeige von Lernmaterialien
Abstimmung von Dateiformaten in Lerngruppen
Pack-/Dateikomprimierungs-Programme
Lehrenden und Kursteilnehmer auch Formate verwendet, welche vom Browser und üblichen Browserplugins nicht anzeigbar sind. In vielen virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen werden z. B. Office-Dokumente (Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen, Folienpräsentationen) oder PDFs ausgetauscht. Um diese Dokumente anzeigen zu können, muss auf dem PC des Nutzers das entsprechende Programm installiert sein (MS-Word, Powerpoint, OpenOffice, Acrobat Reader). Oft werden von den Herstellern kostenfreie „Viewer“/„Reader“ angeboten, mit denen Nutzer die Dokumente lesen, aber nicht ändern können. Dadurch müssen sie nicht die manchmal teuren Programme erwerben. Lehrende sollten mit ihren Lerngruppen die Dateiformate abstimmen, welche im Kurs verwendet werden, und dafür sorgen, dass alle Kursmitglieder über entsprechende Anzeigeprogramme verfügen. Beispielsweise könnte im virtuellen Kursraum im Begrüßungseintrag auf der Pinnwand eine Programm-Downloadliste bereitgestellt werden, welche entsprechende Reader oder Viewer (Anzeigeprogramme) verlinkt. Auf die Liste der Standardanwendungen für Anwender-PCs gehört auf jeden Fall ein Dateikomprimierungsprogramm, um große Dateien vor dem Upload auf die Lernplattform einpacken, d. h. komprimieren zu können.
29.4.1.4 Internetverbindung auf Seiten der Anwender
Mögliche Probleme mit Firewalls
Anwender nutzen Online-Lernumgebungen am Arbeitsplatz, zu Hause, im Hotel, in Internetcafés, Kongressräumen, Computerpools usw. Meist ist die Einrichtung eines Internetzugangs für Anwender-PCs problemlos. Manche Heim-Telefonanlagen, über die der Internetzugang erfolgt, haben eigene Firewalls. Auch diese müssen so eingestellt sein, dass alle für das E-Learning notwendige Inhalte durchgelassen werden. Hier gibt es unserer Erfahrung nach wenig Probleme. Mehr Probleme existieren mit den Firewalls von Firmen und Behörden. Diese sind manchmal sehr einschränkend eingestellt. Einige lassen z. B. keine Flash-Animationen durch, andere keine mit Java-Frameworks gesendeten Lerninhalte (Port 8080 s. Kap. 29.4.2.3). Für E-Learning-Kursteilnehmer sollten seitens der Betreuer vor der ersten Lernphase Testseiten bzw. Testlogins zur Verfügung gestellt werden, damit die Teilnehmer prüfen können, ob sie Zugriffsprobleme haben. Auch Lernende können vorweg von zu Hause und vom Arbeitsplatz aus testen, ob alle für den Kurs vorgesehenen Inhalte und Funktionen „ankommen“. Problemlösungen sind dann echte Einzelfallbehandlungen und häufig Verhandlungssache mit dem Betreiber von Firewall und Infrastruktur.
29.4.2 Software auf Anbieterserver(n) Organisation eines störungsfreien Serverbetriebs
476
Die oben dargestellten Fehlermöglichkeiten bei Anwender-PCs sind nur ein Teil eventuell möglicher Problemursachen. Auch auf der Serverseite und in der Internetverbindung können Probleme auftreten. Um als E-Learning-Hotline bei Problemanalysen zwischen PC-, Internet- und Serverproblemen unterscheiden zu können, hilft ein Grundverständnis zu üblichen Serversystemen.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Wenn ein Server einmal eingerichtet ist und das LMS seit längerem läuft, treten Probleme primär dann • bei starkem unvorhergesehenem Nutzungsanstieg (Lastprobleme s. o.), • bei Änderungen an der Konfiguration • oder bei Angriffen aus dem Internet auf. Für den Schutz gegen Angriffe aus dem Web sind ähnlich wie bei PCs Sicherheitssysteme zu installieren. Außerdem sind alle Serversysteme regelmäßig zu aktualisieren. Konfigurationsänderungsprobleme entstehen z. B. genau durch diese Aktualisierungen der Systeme. Unter Umständen haben die Systemhersteller bei ihren Updates kleine Änderungen implementiert, welche die bisher gut funktionierende Zusammenarbeit der Systeme an einer Stelle stören. In diesem Fall ist die Konfiguration der Serversysteme entsprechend anzupassen. Probleme wegen Konfigurationsänderungen treten unvorhergesehen auch auf, wenn auf dem Server mehrere Anwendungen laufen und der Betreuer von Anwendung A Einstellungsänderungen vornimmt, welche ungewollt auf Anwendung B (z. B. das LMS) Auswirkungen haben. Mögliche Fragen zur Ursachenforschung bei Serverproblemen wären daher die folgenden: • Entstanden unvorhergesehene Belastungen, z. B. wegen höherer Benutzeranzahl oder anderem Benutzerverhalten (z. B. überdurchschnittlich viele Chats)? Dies zu überwachen, ist Aufgabe der E-Learning-Betreuer der Einrichtung. • Wurde am Server etwas umkonfiguriert (Updates oder Anpassung für eine Anwendung)? Hier sollten mit Inbetriebnahme des LMS organisatorische Regelungen zur gegenseitigen Information getroffen werden. Bei allen Änderungen sollten die E-LearningBetreuer das LMS stichprobenweise testen. • Gibt es überdurchschnittlich viele Angriffe aus dem Internet oder kann ein Angriff erfolgreich Serversysteme zerstört haben? Dies zu überwachen, ist Aufgabe der IT-Abteilung oder des Servicedienstleisters. Über vermehrte Hackeraktivitäten, neue Schadprogramme und Ähnliches wird in einschlägigen Web-Informationsquellen informiert. Leider nehmen Hackerangriffe gerade während Feiertagen und Ferienzeiten zu, wenn z. B. gelangweilte Kids ihre Rootkits (Baukästen zum Serverhacken) auspacken. Wenn Sie also Ihr LMS auf eigenem Server mit Ihrem Personal betreiben, müssen Sie gerade über Feiertage und Ferienzeiten einen Bereitschafts- und Überwachungsdienst einrichten. Im Abschnitt Lastverteilung (s. Kap. 29.2.4) wurden schon einige Serversysteme genannt, die bei Lastproblemen eine Rolle spielen. Nachfolgend werden einige wesentliche Serversysteme unter den Aspekten vorgestellt, die einen E-Learning-Betreuer interessieren könnten. Wartung und Problembehebung bleiben natürlich die Aufgabe von IT-Fachleuten.
29.4 Software
477
29.4.2.1 Betriebssystem
Vom LMS empfohlene Server-Betriebssysteme
Wie bei PCs ist auch auf einem Server als untere Schicht ein Betriebssystem installiert, welches die Ressourcen des Computers verwaltet und die Ausführung von Programmen und Anwendungen steuert. Einige Lernmanagementsysteme verlangen ein bestimmtes Betriebssystem. Meistens kann ein LMS auf mehreren Betriebssystemen laufen, auch wenn in der Dokumentation „empfohlen für Betriebssystem X“ steht. Dies bedeutet i. d. R., dass die Entwickler ihr LMS auf diesem Betriebssystem getestet haben und ggf. dafür ein Installationsprogramm oder Installationsanleitungen erstellt haben. Die Entscheidung, vom empfohlenen, getesteten Betriebssystem abzuweichen, hängt primär davon ab, • ob im eigenen Haus standardmäßig ein Betriebssystem eingesetzt wird, zu dem erfahrenes IT-Personal vorhanden und die vorhandene IT-Infrastruktur darauf abgestimmt ist oder • ob ein nicht ausgelasteter Server mit einem anderen Betriebssystem genutzt werden kann. Passt das für das ausgewählte LMS empfohlene Betriebssystem nicht in die eigene Infrastruktur, sollte geprüft werden, ob das LMS doch auf dem Betriebssystem läuft, welches im eigenen Haus standardmäßig eingesetzt wird, oder ob das LMS bei Drittanbietern gehostet werden kann.
29.4.2.2 Webserver Funktionsweise von Webservern
Abb. 29.9: Zusammenwirken zwischen Browser und Webserver
Die Webbrowser der Nutzer-PCs kommunizieren mit einem Webserver, einem Softwarebasissystem, das auf dem Server des Anbieters installiert ist. Die am häufigsten eingesetzten Webserver sind der Apache HTTP Server (kurz: Apache) und der Microsoft Internet Information Server (kurz: IIS). Klickt ein Nutzer auf einen Link, um eine neue Webseite zu erreichen, so sendet der Webbrowser diesen „HTTP-Request“ (HTTP: Hypertext Transfer Protcol) an den
Webbrowser Link
BS PC
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Webserver
Betriebssystem Server
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Datenbereich des Webservers
adressierten Webserver. Dieser erhält den Request und liefert die Webseite, deren Bilder und andere Medien zurück an den Browser. In Lernmanagementsystemen werden neben diesen statischen Webseiten vor allem dynamisch erzeugte Seiten ausgeliefert. Wenn z. B. der LMS-Nutzer die Liste seiner Kursveranstaltungen einsehen will, wird diese für ihn zur Laufzeit (dynamisch) erzeugt.
29.4.2.3 Basissysteme zur Erzeugung dynamischer Inhalte Für die Erzeugung dynamischer Inhalte sind serverseitig Basissysteme implementiert, die das Ausführen von Anwendungen (wie die eines LMS) erlauben. Welche Basissysteme zu installieren sind, hängt von den Anwendungen ab. Ist eine Anwendung in PHP, Perl, ASP oder ähnlichen Skriptsprachen geschrieben, wird der entsprechende Interpreter in den Webserver integriert.
Webbrowser
Link.php
Abb. 29.10: Webserver und PHPSkriptsprachen-LMS
Datenbereich
Webserver
PHP
1. PHP-Anwendung 2. PHP-Anwendung ...
Pearl
1. Perl-Anwend. 2. Perl-Anwend. ...
SkriptsprachenInterpreter
BS PC
Betriebssystem Server
Im Datenbereich des Webservers können mehrere Anwendungen (u. a. das LMS) liegen. Deren Programmteile werden vom Webserver dann gestartet, wenn im Aufruf des Browsers z. B. „.php“, der Anwendungsname, der Anwendungsteil und ggf. Parameter enthalten sind, z. B.: „http://…/Anwendungspfad/Programmteil.php?SID=99999999 Typische PHP-LMS im Open-Source-Bereich sind Ilias, metacoon und Moodle.
29.4 Software
479
Session des Benutzers und automatisches Logout/„SessionTimeout“
Servlet-Engines
Lösung von FirewallProblemen bei ServletEngines
In o. g. Aufruf wird auch die „Sessionnummer“ (SID) übergeben (bestimmte Sitzung eines bestimmten Nutzers). Diese wird entweder vom Skriptsprachen-Basissystem oder von der Anwendung verwaltet. Ist ein Benutzer lange inaktiv (klickt nicht mehr), kann seine Session serverseitig beendet werden – er wird automatisch ausgeloggt. Das Serversystem erhält durch fehlende Klicks bzw. ausbleibender Nutzeraktivitäten keine Informationen mehr und geht davon aus, dass der Nutzer sich nicht ordnungsgemäß abgemeldet hat („Logout“-Funktion), sondern das Browserfenster einfach geschlossen hat. Je nachdem, ob das Sessionmanagement von PHP verwendet wird oder das LMS ein eigenes nutzt, können diese „Auto-Logout-Zeiten“ an entsprechender Stelle konfiguriert werden. Wenn der Benutzer nur zu lange inaktiv war (z. B. beim Lesen eines Kursdokumentes) und dadurch automatisch ausgeloggt wurde, dann erscheint bei seinem nächsten Klick eine Fehlermeldung – im Idealfall „Sie wurden automatisch ausgeloggt“, im ungünstigen Fall eine wenig verständliche Fehlermeldung. Daher bittet die E-Learning-Hotline vor weiteren Problemanalysen wegen Anzeigefehlern häufig: „Loggen Sie sich bitte neu ein.“ Für Java-Anwendungen ist zusätzlich zum Webserver eine Servlet-Engine (z. B. Tomcat, IBM WebSphere, Jetty) zu installieren. Tomcat bringt selbst nochmals einen Webserver mit, der auf einem anderen Port (Eingang) auf Requests von Benutzer-PCs wartet (s. Abb. 29.11). Der Tomcat bzw. sein interner Webserver „hört“ auf dem Port 8080, während jeder normale Webserver auf dem Port 80 „lauscht“. Manche Firewalls (von Firmen oder Nutzern) sperren den Port 8080, so dass Java-Anwendungen nicht laufen können.
Abb. 29.11: Java-LMS nutzt eine Servelet Engine
Webserver
Datenbereich PHP
1. PHP-Anwendung 2. PHP-Anwendung ...
Port 80
Servlet-Engine (z. B. Tomcat) interner Webserver
Servlet-Container 1. Java-Anwendung 2. Java-Anwendung ...
Port 8080
Betriebssystem Server
480
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Webserver
Abb. 29.12: Verbindung zwischen Servlet-Engine und Webserver
Datenbereich
PHP Port 80
1. PHP-Anwendung 2. PHP-Anwendung ...
Servlet-Engine (z. B. Tomcat) Servlet-Container 1. Java-Anwendung 2. Java-Anwendung ... Port 8080
Betriebssystem Server
In diesem Fall können Servlet-Engine/Tomcat und Webserver verbunden werden. Der Server empfängt und sendet somit nur noch auf Port 80 und der Webserver reicht dann alle für den Tomcat bestimmten Anfragen durch (s. Abb. 29.12). Das Schaffen dieser Verbindung ist Aufgabe des IT-Fachmanns, der den Server betreut. Es ist eine reine Serverkonfigurationsaufgabe, also unabhängig vom LMS. Lernmanagementsysteme, welche diese Konfiguration nutzen (Servlet-Anwendungen), sind z. B. Olat und Clix. Noch etwas komplexer ist die Serverinstallation für J2EE-Anwendungen. Hier muss ein Application-Server installiert werden, in dem dann sowohl eine Servlet-Engine also auch die Anwendungen laufen (s. Abb. 29.13). Serverseitige Java-Anwendungen haben übrigens nichts mit Java-Anwendungen oder Java-Script, die auf den Clients laufen, zu tun, können also auch nicht durch die Browsereinstellungen „Java“, „Java-Script“ verboten werden. Java-Anwendungen auf dem Server erstellen genau wie PHP-Anwendungen eine HTML-Seite. Der Client-PC erhält vom Server also eine HTML-Seite. Die vom Server generierte HTML-Seite kann unabhängig davon, wie sie entstanden ist (mit Java, PHP, Webseitenerstellungs-Programm), Java-Script enthalten oder ein Java-Applet mitsenden.
29.4 Software
Application-Server
Java Java
481
Abb. 29.13: LMS nutzt einen Application-Server
Datenbereich
Webserver
PHP-Anwendungen
PHP
Port 80
Application-Server
Tomcat
ServletContainer
EJB-Container
1. JavaAnwendung 2. JavaAnwendung ...
Port 8080
Betriebssystem Server
29.4.2.4 Datenbanken Datenbanken/Anbieter Datenbanknutzung von LMS
482
Für die Speicherung und effiziente Verwaltung von Massendaten werden Datenbanken verwendet. Typische Vertreter sind MySQL, PostgreSQL, Firebird, Oracle und MSSQL. Ein LMS legt den Großteil der Daten in einer Datenbank ab und greift mittels Datenbankabfragen (lesend und schreibend) darauf zu. Die Datenbankabfragen sind in der LMS-Programmierung enthalten. Vereinfacht bestehen Datenbanken primär aus Tabellen. Ändert ein Benutzer in einem LMS-Webformular seine Adresse, wird dies z. B. in der Adresstabelle gespeichert. Legt ein Lehrender einen neuen Kurs an, kommt eine neue Zeile in der Kurstabelle hinzu. Für Benutzereinstellungen, Aufgaben, Kalendertermine, Abstimmungen, Pinnwandeinträge, Chatäußerungen u. v. m. gibt es weitere Datenbanktabellen. Entwickler bemühen sich, Daten nicht bzw. wenig redundant zu halten. Die Reduzierung von Redundanzen führt dazu, dass noch mehr Tabellen benötigt werden: So gibt es beispielsweise für das Werkzeug Chat i. d. R. nicht nur eine Tabelle, sondern z. B. eine Tabelle für die Liste aller Chats, eine Tabelle für die Chatkategorien, eine für die Chatäußerungen bzw. das Protokoll, eine für die Mitglieder der Chats (Relation zwischen der Benutzertabelle und der Chattabelle) usw.
29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
Für Personen, welche das Lernmanagementsystem in seiner Programmierung nicht kennen, ist es daher fast unmöglich, Daten direkt in der Datenbank zu ändern, zumindest ist es riskant. Daten sollten über die LMS-Programmfunktionen geändert werden, welche in ihren Änderungsabfragen dafür sorgen, dass an allen Stellen der Datenbank die Änderung korrekt eingetragen wird. Die LMS-Entwickler selbst oder mit dem jeweiligen System sehr erfahrene IT-Fachleute greifen natürlich manchmal direkt auf die Datenbasis zu und arbeiten die Programmprozeduren (um an allen Stellen die Änderung einzupflegen) sozusagen manuell ab. Die Komplexität der Datenablage ist einer der Hauptgründe, warum für das Anbinden verschiedener Systeme an ein LMS Programmschnittstellen notwendig sind: Die LMS-Entwickler müssen mit Schnittstellen dafür sorgen, dass Daten und Ereignisse von anderen Systemen korrekt in der Datenablage des LMS widergespiegelt werden. Typische Schnittstellen gibt es z. B. zu einer zentralen Benutzerverwaltung oder zur Anbindung an ein Kursbuchungssystem. Die große Menge der Datenbanktabellen und die unterschiedliche Datenstrukturierung sind Gründe, warum man nur schwer von einem LMS zu einem anderen migrieren kann. Hat man ein LMS mehrere Jahre verwendet, dann sind die oben im Beispiel genannten Chats in einer komplett anderen Datenstruktur abgelegt, als das neue LMS dies bräuchte. Im Prinzip müsste man für jedes LMS-Werkzeug (Chat, Diskussionsforum, …) ein Datenübernahmeprogramm schreiben (also eine Programmschnittstelle erstellen), und dies ist ggf. zu teuer. Für einige Werkzeugarten wurden für den Datenaustausch Standards entwickelt (z. B. für Kalender, Personen-Adressdaten, Personen-Authentifizierungsdaten). Für die Mehrzahl der LMS-Werkzeuge existiert jedoch kein Datenaustauschstandard. Daher bedeutet ein LMS-Umstieg oft den Verlust vieler Daten. Meist ist die sinnvollste Lösung, nur die wichtigsten Daten zu übernehmen und ansonsten das alte LMS so lange weiter zu betreiben, bis kaum mehr auf alte Datenbestände zugegriffen wird. Neben Problemen der Datenstruktur-Kompatibilität ist aber eines der Hauptprobleme die Zugriffsgeschwindigkeit auf Daten. Niemand möchte bei der Benutzung eines LMS mehrere Sekunden auf die Liste seiner Kurse warten. Natürlich gibt es Leistungsunterschiede zwischen Datenbanksystemen. Allerdings sind diese in der Praxis für Zugriffsgeschwindigkeiten weit weniger relevant als LMSProgrammcode-Optimierungen: Die große Anzahl der Tabellen muss durch das LMS in Datenbankabfragen wieder zusammengeführt werden. Wenn Sie eine Statusansicht Ihrer Chats haben möchten, werden sehr viele, wenn nicht alle der Chattabellen dafür abgefragt. Die Geschwindigkeit, in der Ihnen diese Ansicht zur Verfügung gestellt wird, hängt häufig mehr von der Datenabfrage-Effizienz und weniger von der Leistungsfähigkeit der Datenbank ab. Wenn Sie ein „Closed-Source“ LMS einsetzen, also die Programmierung des LMS nicht einsehbar ist, kann nur der Hersteller an der Effizienz seiner Datenzugriffe arbeiten. Bei Open-Source Produkten erhalten Sie den Programmcode und können mit eigenen IT-Experten Optimierungen vornehmen.
29.4 Software
LMS-Schnittstellen statt DatenbankDirektzugriff
DatenstrukturUnterschiede als Barriere für ein LMS-Wechsel
Standards für Datenstrukturen
Datenbank-Zugriffsgeschwindigkeit
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Literatur IMS QTI. IMS Question & Test Interoperability Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/question/index.html [Stand 26.11.2007]. Laurie, B. & Laurie, P. (2003). Apache. Das umfassende Handbuch. (S. 294–309). Köln: O’Reilly Verlag. Mahlmann, P. & Schindelhauer C. (2007). P2P Netzwerke: Algorithmen und Methoden. Berlin: SpringerVerlag. Schindelhauer, C. (2006). Peer-to-Peer Netzwerke SS2006 (Vorlesungsaufzeichnung der Universität Freiburg). http://electures.informatik.uni-freiburg.de/catalog/course.do?courseId=Peer2Peer2006 [Stand 20.11.2007]. Tanenbaum, A. & van Steen, M. (2007). Verteilte Systeme. München: Pearson Studium.
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29 Einführung: Systeme, digitale Inhalte und Systemarchitekturen
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Nachdem im vorangegangenen Kapitel grundlegende Technologien und Basissoftware vorgestellt wurden, gibt dieses Kapitel einen konkreten Überblick zu Systemen für E-Learning und E-Work. Die einführende Betrachtung von Architekturen (lokale Systeme, Peer-to-Peer- und Client-Server-Systeme) soll Ihnen helfen, Softwaresysteme, ihre Funktionalität sowie ihre Vor- und Nachteile einschätzen zu können. Um Lernplattformen und -technologien auszuwählen und einführen zu können, vermittelt dieses Kapitel Grundlagenwissen zum Auswahlprozess, beschreibt einige Auswahlkriterien und erläutert typische Probleme und Fehler aus der Praxis. Der anschließende Überblick zu Lernplattform-Funktionalitäten kann Lehrenden helfen, geeignete Lehr-, Lern- und Arbeitswerkzeuge für ihre individuellen Lernszenarien zusammenzustellen und somit eine eigene Online-Didaktik zu entwerfen. Außerdem kann anhand der beschriebenen LMS-Werkzeuge eine Bewertungs-Checkliste für die Auswahl eines LMS entworfen werden. Der Kapitelausblick gibt eine kurze Einführung zu 3-D-Lernumgebungen und virtuellen Lernwelten und deren Zukunftschancen für das Lehren und Lernen.
Lehrziele
30.1 CBT, Peer-to-Peer- und Client-Server-Systeme Grundsätzlich kann man zwischen lokalen Systemen, wie CBTs, und internetbasierten Systemen, unterscheiden. Bei internetgestützten Systemen wird technisch zwischen Peer-to-Peer-Systemen und Client-Server-Systemen unterschieden. Siehe Kap. 29.2 und Tanenbaum & van Steen (2007).
30.1.1 Lokale Systeme für den PC Reine lokale Systeme ohne die Nutzung des Internets sind selten geworden, da der Zugang zum Internet immer selbstverständlicher ist. Außerdem ist die Unterstützung von Lehrenden oder anderer Lernender wertvoll für einen Lernprozess.
30.1 CBT, Peer-to-Peer- und Client-Server-Systeme
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Verbreitung von Inhalten/Medien auf CD/DVD
Lokal auf den Nutzer-PCs zu installierende Software
Reine lokale Systeme werden z. B. zur Informationsverbreitung und zu individuellen Übungen genutzt. So können Bücher mittels CD-Beilagen um Zusatzmaterialien, Medien, Selbsttests oder Übungsprogramme ergänzt werden. Handelt es sich um reine Dokumente oder Medien, welche von üblichen PC-Programmen abgespielt werden können, dann sind keine Installationen auf dem PC des Nutzers nötig. Oft wird der Webbrowser für die Anzeige der Inhalte genutzt. Und für Audio-oder Videomedien wird ein lokaler Player (z. B. Media-Player, Real-Player, Quicktime-Player) aufgerufen. Die Produktion solcher Inhalte, einschließlich die von Animationen, Simulationen und Audio/Video, rückt immer mehr in den normalen Autorenbereich, erstens weil die Autorensysteme immer leistungsfähiger und auch für Einsteiger bedienbar werden. Zweitens steigt die Medienkompetenz von Nutzern fortwährend. Die Endproduktion ansprechender CDs oder DVDs in Kleinserien ist heute in Heimproduktion üblich. Mit entsprechender Ausstattung an Software, CD/DVD-Brenner und Drucker können die Medien erstellt und Rückseiten sowie Cover bedruckt werden. Auch die professionelle Produktion ist dank der Internetkonkurrenz von Anbietern kostengünstig geworden. Bestehen die auf CD, DVD oder anderen Datenträgern ausgelieferten Inhalte nicht nur aus Dokumenten oder Medien, sondern auch aus Programmen, welche auf dem Nutzer-PC ablaufen müssen, dann sind diese Programme in der Regel zu installieren. Dazu muss der Anwender in manchen Fällen Administratorrechte für seinen PC besitzen. Die Vielfalt solcher CBT-Systeme ist sehr groß. Im Kinder-Edutainment-Bereich können für sehr viele Schulfächer Lernsoftware und Lernspiele erworben werden. Meist handelt es sich aber nicht um reine lokale Systeme – in der Regel werden die lokalen Systeme durch Internetangebote ergänzt (z. B. virtuelle Lern- und Spielumgebungen). Für die Produktion von komplexen Lernsoftwareprogrammen ist die Unterstützung von IT-Fachleuten notwendig. Insbesondere bei Zugriff auf das Internet können bei der Entwicklung Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen, damit die Anwender nicht durch über das Internet verbreitete Schadprogramme geschädigt werden. Enthält ein lokales System einen Teil, der für seine Funktionalität auf das Internet zugreifen muss, so handelt es sich bei diesem Teil i. d. R. um ein Client-Server-System.
30.1.2 Peer-to-Peer-Systeme
Begleitender Einsatz von P2P-Tools
Vorteil von P2P-Tools
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Die dezentrale Haltung von Lerninhalten und persönlichen Daten ist keine typische Anforderung für Lernsysteme und wird von Bildungsanbietern eher nicht gewünscht. Daher werden P2P-Systeme mehr für Teilbereiche von Lern- und Arbeitsszenarien genutzt. Peer-to-Peer-Systeme können sehr gut begleitend zu Lernplattformen eingesetzt werden. Messenger-, IP-Telefonie- und Videokonferenzprogramme haben sich bereits breit durchgesetzt und sehr viele Nutzer besitzen z. B. einen Skype-, MSN- oder ICQ-Account. Kommunikationsfunktionen wie Messenger bzw. Sofortnachrichten oder Chat sind für den Anwender sehr viel komfortabler, wenn sie über solche lokal auf dem PC installierten Systeme laufen. Dadurch ist z. B. die Anzeige des Benutzerstatus wesentlich zuverlässiger als bei webbasierten Client-Server-Lösungen. Lokale Systeme können die
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Tastatur beobachten und zeigen an, wenn der Nutzer lange inaktiv ist. Hier haben Client-Server-Systeme sehr viel eingeschränktere technische Möglichkeiten. Ein besonderer Vorteil für eine synchrone kooperative Zusammenarbeit ist die Möglichkeit, den Bildschirm anderer Nutzer sehen zu können. So kann z. B. ein Lehrender die Bedienung einer Software vorführen oder wie an einer Tafel einen Lerninhalt entwickeln. Ein Nachteil dieser Peer-to-Peer-Systeme ist natürlich die Erfordernis, lokal installiert zu sein. So begrenzt ein Lernarrangement, das Peer-to-Peer-Systeme einbindet, den Benutzer auf seinen persönlichen oder auf bestimmte PCs. Ist in einem Internetcafé oder Computerpool die spezielle Software nicht verfügbar, ist es nicht immer gestattet, diese zu installieren. Von IT-Abteilungen und Rechenzentren werden Peer-to-Peer-Systeme kritisch gesehen, nicht nur, weil illegale File-Sharing-Communities diese Systeme nutzen, sondern auch weil sie eine hohe Netz- und Ressourcenlast verursachen können. P2P-Systeme nutzen das Internet und damit auch das Intranet als „Telefonnetz“ und die PCs als Serverknotenpunkte. Diese Ressourcen werden auch belastet, wenn der jeweilige Nutzer selbst das System gar nicht aktiv nutzt. Das können Sie selbst testen. Wenn Sie ein P2P-System auf Ihrem PC installiert haben und Internetverbindung oder PC mal wieder langsam ist, können Sie das System ausschalten und erreichen wahrscheinlich wieder höhere Geschwindigkeiten. Einige Rechenzentren sind dazu übergegangen, „sehr belastende“ Peer-to-PeerSysteme zu verbieten oder technisch zu sperren. Peer-to-Peer-Systeme benötigen meist sehr viele Erlaubnisse seitens einer Firewall, z. B. Ports zum Internet oder Aktivitäten auf dem PC – wie das Abhören der Tastaturaktivitäten. Klickt ein Nutzer bei einer Firewall-Abfrage auf „verbieten“, kann es vorkommen, dass das Peer-to-Peer-System nicht mehr läuft. Außerdem ist hinsichtlich der Sicherheit die Installation eines P2P-Systems eine echte Vertrauenssache dem Anbieter gegenüber. Wenn die Firewall das „Ablauschen“ der Tastatur meldet, muss der Nutzer darauf vertrauen, dass dieses Lauschen tatsächlich nur für die Statusanzeige des Nutzers verwendet wird. Weiterführende Informationen zu P2P-Systemen sind bei Mahlmann & Schindelhauer (2007) nachlesbar.
Nachteile
Netzwerk- und Systemlast durch P2P
Mögliche FirewallProbleme
30.1.3 Client-Server-Systeme Client-Server-Systeme beherrschen die kooperative E-Learning- und E-Work-Welt von reinen WBTs, über Weblogs, Podcasting-Plattformen, Wikis bis hin zu komplexen Lernmanagementsystemen. Daten und Software werden auf einem oder mehreren Servern zur Verfügung gestellt. Lernumgebung und Inhalte werden mittels eines Webbrowsers angezeigt. Für einige E-Learning-Lösungen ist die Installation eines lokalen Clients auf dem Nutzer-PC nötig. Die technische Funktionsweise von Client-Server-Systemen ist im Kap. 29.2 erläutert.
30.1 CBT, Peer-to-Peer- und Client-Server-Systeme
Primäre Nutzung von Client-ServerSystemen
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Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Beschreibung klassischer webbasierter Lernplattformen, da deren Einsatz in der heutigen E-Learning-Praxis die Regel ist. Kapitel 30.5 gibt abschließend eine kurze Einführung zur Nutzung von 3-D-Lernwelten.
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen Lernplattform im Kontext zu anderen Systemen der IT-Infrastruktur
Beteiligte am Auswahlentscheidungsprozess ausgewogen zusammenstellen
Wie viel Funktionen und Werkzeuge?
Erfolgreiche Systeme werden immer umfangreicher
Funktionsumfang kontra übersichtlicher Benutzungsoberfläche
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Um eine Umgebung für E-Learning und E-Work zu gestalten, kommen oft mehrere Systeme zum Einsatz. Bildungseinrichtungen betreiben Systeme zur Bildungs- oder Personalverwaltung, zur Verwaltung ihrer Webseiten, zum Wissensmanagement Bibliothekssysteme, Projektmanagementsoftware, Workgroup-Systeme u.v.m. Entsprechend der Funktionalität und Verwendung vorhandener Systeme sollen Lernplattformen spezifische Lernmanagementfunktionen oder auch Funktionen zur kooperativen Arbeit, zum Wissensmanagement oder zur Verwaltung hinzufügen. Soll eine Lernplattform ausgewählt werden, verwenden Bildungseinrichtungen unterschiedliche Auswahlkriterien und Auswahlverfahren. Nachfolgend haben wir einige Beispiele aus der Praxis zusammengetragen und deren Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Einige Bildungseinrichtungen versenden (umfangreiche) Fragebögen an die Anbieter von Lernmanagementsystemen. Die Zusammenstellung dieser Kriterien und Fragen spiegeln häufig Bedürfnisse der IT-Abteilung und fortgeschrittener E-Lehrender wider, da angehende E-Learning-Einsteiger ihre zukünftigen Bedürfnisse schwer formulieren können. Einerseits hilft die Kompetenz der IT-Abteilung und der E-Learning-Profis, um technische Hürden bzw. Hürden in fortgeschrittenen E-Learning-Szenarien zu vermeiden. Andererseits kann dies dazu führen, dass für Einsteiger zu komplexe Systeme (oder zu komplex konfigurierte) eingerichtet werden. Wahrscheinlich existieren so viele Lernplattformen, weil kein Hersteller in der Lage ist, die unzähligen Lern- und Arbeitswerkzeuge bzw. Feature-Wünsche aller Nutzer zu befriedigen. Einige Systeme sind für Einsteiger leicht bedienbar, haben eine überschaubare Anzahl von Funktionen und stellen jene Funktionen in den Mittelpunkt der Bedienoberfläche, welche von der Mehrzahl der E-Learning-Einsteiger genutzt werden. Andere Hersteller setzen auf Werkzeugvielfalt, Konfigurierbarkeit und vielseitige Einsetzbarkeit. Nicht allen gelingt es, diese Vielfalt in eine leicht bedienbare, nicht überladene Benutzungsoberfläche zu integrieren. Systeme, welche mit wenigen Funktionalitäten auf dem E-Learning-Markt starten und genügend Nutzer finden, rüsten mit der Zeit doch auf, erweitern Funktionalitäten oder bieten zusätzliche Plugins an. Gerade bei so gewachsenen Systemen, insbesondere wenn sie in großen Entwickler-Communites erstellt werden, ist es schwierig, eine einheitliche Benutzerführung zu gestalten. Generell – auch bei systematisch gestalteten Systemen – bedeutet viel Funktionalität, dass diese vielen Funktionen auf der Benutzungsoberfläche untergebracht werden müssen.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Leider ist die primäre Berücksichtigung der Bedürfnisse von E-Learning-Einsteigern nach einem einfachen schlanken System auch keine Lösung. Mit steigender E-LearningKompetenz steigen die Wünsche nach weiteren Funktionen. Ein späterer Wechsel der Lernplattform ist teuer, da grundsätzlich die Einführung eines IT-Systems sehr kostenintensiv ist. Erstens entstehen versteckte Kosten durch Einarbeitung des Personals und zweitens dadurch, dass beim Umstieg sehr viele Daten verloren gehen und neu erstellt werden müssen. Zwar haben sich Austauschstandards für Lerninhalte inzwischen recht gut durchgesetzt, aber für andere Inhalte, wie die der Kommunikations- oder Verwaltungswerkzeuge sind Austauschstandards nur teilweise verfügbar bzw. nur teilweise breit implementiert. Die Wahl eines schlanken Systems kann also nur empfohlen werden, wenn man irgendwann mit einem „Schnitt“ umsteigen kann, also bereit ist, auf erarbeitete Datenbestände zu verzichten. Dies könnte z. B. eine Pilotphase sein. Wird E-Learning von „unten“ eingeführt, setzen sich häufig Systeme mit guter Bedienbarkeit für Einsteiger durch. Auch die leichte Installierbarkeit eines Systems sorgt für dessen Verbreitung, da Lehrende in Pilot- oder Auswahlphasen die Systeme gerne selbst installieren. Komplexere Systeme (hier hauptsächlich hinsichtlich Funktionalität und Rechteverwaltung), welche die Bedürfnisse des Anwenders (auch ohne Plugin-Dschungel und inhomogener Bedienoberfläche) nach einigen Nutzungsjahren noch immer befriedigen, haben es schwerer, da oft schon die Installation etwas komplexer ist. Einige Systeme sind zwar modular aufgebaut und können so konfiguriert werden, dass die Benutzer nur wenige, leicht bedienbare Funktionen vorfinden, aber allein diese Konfigurierbarkeit ist für die Administratoren komplex und erfordert Einarbeitungsaufwand. Die Funktionalität einer Lernplattform steht meist im Mittelpunkt der Auswahldiskussion. Wichtig sind auch weitere Kriterien wie Qualität und Zuverlässigkeit des Weiterentwicklungsprozesses, Stabilität des Entwicklungsteams bzw. des Anbieters usw. Wir haben in den nächsten beiden Unterkapiteln zuerst häufige Probleme und Fehler in Auswahl- und Einführungsprozessen aus der Praxis zusammengestellt und im darauf folgenden Unterkapitel einige sinnvolle Auswahlkriterien. Eine Übersicht und Bewertung von Lernplattformen in diesem Buch ist nicht sinnvoll, da solche Übersichten aufgrund der rasanten Weiterentwicklung der Systeme schon bei der Drucklegung veraltet wären. Einige Internetangebote versuchen aktuelle Übersichten zu Lernplattformen zu geben. Aber auch hier ist wirkliche Aktualität und Neutralität kaum machbar. Ein valider Test eines LMS kostet mehrere Wochen und würde beendet sein, wenn bereits die nächste Version mit neuen Funktionen auf dem Markt ist.
Funktionswünsche steigen mit E-LearningKompetenz
E-LearningEinführung von „unten“
Funktionalität und Nachhaltigkeit Hinweis zum Kapitel
30.2.1 Häufige Probleme und Fehler bei der Auswahl und Einführung von IT-Systemen Wie eben schon erwähnt ist das Gleichgewicht zwischen E-Learning-Einsteigern und fortgeschrittenen Benutzern sehr wichtig. Lernplattformen „gelangen“ hauptsächlich auf zwei Wegen in eine Bildungseinrichtung:
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen
Top-down oder Bottom-up?
489
• Mehrere Systeme werden von Lehrenden dezentral installiert und genutzt. Eines davon setzt sich durch und wird zentral installiert und betrieben. • Ein (organisationsweiter) Auswahlprozess führt zur Einführung einer Lernplattform. Nachhaltigkeit der Auswahlentscheidung
Probleme mit in Forschungsprojekten entwickelten Systemen
Berücksichtigung aller Nutzerwünsche durch Installation sehr vieler Plugins und Zusatzfunktionen ?
490
Die Nachhaltigkeit einer Auswahlentscheidung hängt maßgeblich von der Ausgewogenheit und breiten Einbindung von Nutzergruppen in den Auswahlprozess ab. Außerdem sind eine strategische Entscheidung der Einrichtung, E-Learning systematisch einzuführen, und die Bereitstellung der dazu notwendigen Ressourcen Grundvoraussetzungen. In der Praxis gibt es leider Bildungseinrichtungen, welche in den letzten Jahren bis zu 4 Lernplattformen eingeführt und wieder verworfen haben. Dabei bleiben jeweils Inselnutzungen der ehemaligen Systeme übrig und eine einheitliche hochqualitative E-Learning-Infrastruktur und -Betreuung ist schwer durchsetzbar. Gerade Hochschulen haben durch die Freiheit von Forschung und Lehre mit inhomogenen IT-Landschaften zu kämpfen. Insbesondere Forschungseinrichtungen sind darauf angewiesen, neue innovative Systeme nutzen, testen, erweitern oder neu entwickeln zu können. IT-Systemen aus Forschungsprojekten gelingt es aber seltener, sich in einer Bildungsorganisation durchzusetzen oder gar den Sprung aus dieser hinaus in den Markt zu schaffen, da Forschung i. d. R. auf bestimmte innovative Funktionalitäten fokussiert ist, aber nicht die volle „Standardfunktionsvielfalt“ entwickeln kann. Auch benötigen erfolgreiche Systeme Update- und Wartungstechnologien, deren Entwicklung aus Forschungssicht normalerweise wenig spannend ist. Ein erfolgreicher Sprung in den Markt ist z. B. über eine Ausgründung oder andere kommerzielle Ausrichtung möglich. Andererseits ist für Forschungs- und Entwicklungsprojekte die Integration ihrer entwickelten Tools in breit betriebene Systeme sehr attraktiv, um leichter Nutzungs- und Forschungsdaten sammeln zu können. Die Integration könnte z. B. durch enge Zusammenarbeit mit einem Hersteller oder einem Entwicklungsteam realisiert werden. Da dies in der Praxis nicht immer machbar ist, entstehen noch immer neue Lernplattformen und -technologien als Insellösungen, manche davon sind nicht sehr langlebig. Einige IT-Entwicklungen, welche im Programm Neue Medien in der Bildung (BMBF, 2004) an Hochschulen entwickelt wurden, haben leider nicht den Sprung in den Markt geschafft und sind nach Weggang der jeweiligen Projektmitarbeiter eingestellt bzw. eingefroren worden oder werden als Insellösung nur am jeweiligen Fachbereich betrieben. Werden Insellösungen irgendwann eingestellt, gehen damit entwickelte Inhalte, geschaffene Datenbestände, Einarbeitungsaufwände und sonstige Einführungskosten verloren. Weiterführende Informationen zu Erfolgsfaktoren bei Ausgründungen aus Hochschulen siehe Hemer et al. (2006). Bei einer Lernplattformen, die sich unter mehreren dezentral installierten durchgesetzt, kann sich ein Teufelskreislauf ergeben: Nachdem die Entscheidung für die zentrale Einführung eines bisher dezentral relativ schlank installierten Systems (also mit wenig Zusatzfunktionen/Plugins und guter Bedienbarkeit) getroffen wurde, werden bei der zentralen Installation die Summe aller bisher dezentral verwendeter Zusatzmodule installiert. Dadurch ist die Bedienfreundlichkeit des zentralen Systems geringer als die der bisherigen dezentralen Systeme. Neueinsteiger, die man für eine breite Nutzung gewinnen will, haben es somit schwerer.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Einige Bildungseinrichtungen bringen nicht die strategische Entscheidung und zugehörige Ressourcen auf, um ein einheitliches Lernmanagementsystem bzw. überhaupt E-Learning einzuführen. Eine strategische Entscheidung für E-Learning wird jedoch benötigt, um ganz normale Widerstände eines solchen Änderungsvorhabens überwinden zu können. Durch zu geringe Ressourcen wird leider oft an der E-Learning-Betreuung gespart. So werden z. B. Lehrlinge, Praktikanten, Berufseinsteiger oder IT-Fachpersonal eingesetzt, um Lehrende bei der Nutzung des LMS zu unterstützen. Schulung, Beratung und Support sind somit (sofern überhaupt angeboten) oft IT-lastig und wenig auf die Lehrbedürfnisse ausgerichtet. Auch wenn die E-Learning-Betreuung als Zusatzaufgabe an Mitarbeiter übertragen oder diese dafür nur teilweise freigestellt werden, entstehen Betreuungsprobleme. Eine gute E-Learning-Betreuung sollte über eine Wissens- und Erfahrungsmenge verfügen, welche durch eine Teilzeitkraft nicht erarbeitet und aktuell gehalten werden kann.
Strategische Entscheidung und Ressourcen als Voraussetzung für Plattformeinführung E-Learning-Betreuung als Erfolgsfaktor
30.2.2 Sinnvolle Auswahlkriterien finden Anfänglich werden Lernmanagementsysteme von Pilotnutzern genutzt. Diese sind häufig die treibende Kraft, ein LMS auszuwählen und zentral einzuführen. Sie können ihre Nutzungswünsche klarer formulieren, als (noch) weniger interessierte Lehrende oder z. B. Mitarbeiter im Verwaltungsbereich. Manchmal haben neben Pilotanwendern auch die IT-Abteilungen sehr starkes Gewicht im Auswahlprozess. Gute, ausgewogene Auswahlkriterien hinsichtlich kurz-, mittel- und langfristiger Nutzungswünsche machen eine Analyse und Prognose der Wünsche aller potenziellen Nutzer notwendig. Noch vor einigen Jahren wurde für Lernplattformen mit der Unterstützung einer bestimmten Didaktik oder Lernform geworben. Die Einführung von Lernplattformen war manchmal die Lehre der Online-Lehre. Inzwischen wurden in vielen Fachgebieten erfolgreiche E-Learning-Szenarien entwickelt und erprobt. Da dies ein fortlaufender Prozess bleibt, der ständig neue Anforderungen an die Lernplattform stellt, sollte diese anpassbar und erweiterbar sein. Andererseits ist keine Featureschlacht beim Auswahlprozess nötig. Die meisten heutigen Lernplattformen bieten genügend Funktionalität, um innovative Lernszenarien zu ermöglichen. Nicht vorhandene Funktionen können oft durch andere vorhandene ersetzt werden. Zum Beispiel sind derzeit Wikis „angesagte“ Werkzeuge. Das Gros der Wiki-Funktionalität kann aber auch mit kooperativen WYSIWYG-Notizfunktionen abgedeckt werden. Umgekehrt können Wikis oder Notizfunktionen für Lerntagebücher genutzt werden. Erfahrene E-Lehrende suchen und „verbiegen“ sich Lernplattform-Werkzeuge für die gewünschte Funktionalität. Trotzdem sollte der gewünschte Funktionsumfang definiert und priorisiert werden (Auswahlkriterien). Erfahrene E-Lehrende oder Berater können zu gewünschten Werkzeugen mögliche alternative Tools ergänzen. Für Einsteiger ist ein geringer Einarbeitungsaufwand ein wesentliches Kriterium. Der Aufwand muss mit dem E-Learning-Nutzen in einem gesunden Verhältnis stehen. Einsteiger benötigen ein System mit wenigen, leicht bedienbaren Funktionen.
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen
Kurz-, mittelund langfristige Nutzungswünsche
Anpassbarkeit an Nutzungswünsche, Erweiterbarkeit
Funktionsumfang
Leichte Bedienbarkeit und Konfigurierbarkeit
491
Barrierefreiheit
Gute Bedienbarkeit hinsichtlich Benutzerführung und Systemfeedback ist für Einsteiger und Fortgeschrittene sehr abweichend. Neue Nutzer benötigen übersichtliche nicht überfüllte Ansichten und klares Feedback sowie Rückfragen vom System (z. B. „möchten Sie diesen Inhalt wirklich löschen“). Mit mehr Nutzungserfahrungen werden mehr Funktionen auf einen Blick gewünscht und Systemfeedback sowie Rückfragen werden als lästig empfunden. Einsteiger neigen auch dazu, mehrere komplexere Bedienabläufe, die jeweils aus einer Reihe von Einzelbedienaktionen bestehen, sequenziell zu erledigen. Dagegen neigen Fortgeschrittene dazu, die Bedienaktionen für mehrere Bedienabläufe zusammenzufassen, also z. B. erst mehrere Dateien hochzuladen, um dann jede einzelne weiter zu bearbeiten. So wäre für den Start ein sehr schlankes System wünschenswert und später ein komplexeres. Kompromiss kann entweder die Einführung von zwei Systemen sein oder die Einführung eines komplexeren gut konfigurierbaren Systems, welches individuell für Nutzer angepasst werden kann. Eine besondere, für die Entwickler von IT-Systemen nicht immer leicht umsetzbare Anforderung ist die Barrierefreiheit (engl. accessibility). Auch widersprechen sich die Wünsche der verschiedenen Nutzergruppen in Zeiten von modernen Web 2.0-Funktionalitäten. Barrierefreiheit verlangt, dass Systeme so gestaltet sind, dass sie von jedem Menschen, unabhängig von einer eventuellen Behinderung, uneingeschränkt benutzt werden können. Die Verordnung: „Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2654)“ legt u. a. folgende Kriterien für Barrierefreiheit fest (BITV, 2002): • „Für jeden Audio- oder visuellen Inhalt sind geeignete äquivalente Inhalte bereitzustellen, die den gleichen Zweck oder die gleiche Funktion wie der originäre Inhalt erfüllen …“ … „Für jedes Nicht-Text-Element ist ein äquivalenter Text bereitzustellen.“ • „Alle mit Farbe dargestellten Informationen müssen auch ohne Farbe verfügbar sein, z. B. durch den Kontext oder die hierfür vorgesehenen Elemente der verwendeten Markup-Sprache.“ • „Internetangebote müssen auch dann nutzbar sein, wenn der verwendete Benutzeragent neuere Technologien nicht unterstützt oder diese deaktiviert sind.“ • Es muss sichergestellt sein, dass mittels Markup-Sprachen geschaffene Dokumente verwendbar sind, wenn Scripts, Applets oder andere programmierte Objekte deaktiviert sind. • Internetangebote sind so zu gestalten, dass Funktionen unabhängig vom Eingabegerät oder Ausgabegerät nutzbar sind. Weitere Informationen zur Barrierefreiheit können beim World Wide Web Consortium unter „WAI Guidelines and Techniques“ nachgelesen werden (W3C, 1999/2007, 2002, 2006, 2007a, 2007b), z. B. in den Zugänglichkeitsrichtlinien für Webinhalte (Web Content Accessibility Guidelines 1.0 von 1999, neueres Draft 2.0 von Mai 2007). Viele barrierefreie Systeme sind sehr schlicht gestaltet, um Nutzern mit Behinderungen genügend Übersichtlichkeit und Bedienkomfort zur Verfügung zu stellen. Leider bieten zu schlicht gestaltete Systeme für den Großteil nicht behinderter Nutzer weniger Bedienkomfort, als mit heutigen Technologien möglich ist.
492
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Die Umsetzung all dieser Anforderungen bzw. Gestaltung barrierefreier Oberflächen kann sehr aufwendig werden. Viele Anbieter und Entwickler von Lernplattformen haben i. d. R. zumindest barrierearme Bedienoberflächen bereitgestellt. Vermutlich werden die meisten Anbieter dazu übergehen, alternative Bedienoberflächen für Nutzergruppen mit spezifischen Anforderungen zu erstellen, um mehreren Benutzergruppen größtmöglichen Bedienkomfort zu bieten. Usability geht noch etwas detaillierter auf Gestaltungsregeln für bedienfreundliche Oberflächen ein. Die Usability des Systems wirkt sich insbesondere auf den Einarbeitungsaufwand und auf die Effizienz aus, mit denen die Nutzer mit dem System arbeiten können. Usability (dt. Gebrauchstauglichkeit) ist das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und mit Zufriedenheit zu erreichen (DIN EN ISO 9241-11). Es gibt sowohl gesetzliche Regelungen bzw. Verordnungen als auch Standards und „Goldene Regeln“, welche von Systemherstellern berücksichtigt werden sollten. Grundlage dieser Anforderungen sind beispielsweise folgende menschliche Fähigkeiten:
Usability
• Wahrnehmung z. B. Ermüdung von Augen durch helle Bildschirme; Wahrnehmungsgeschwindigkeiten • Denken und Gedächtnisleistung z. B. Informationsmenge, die vom Kurzzeitgedächtnis aufgenommen werden und wie lange Informationen behalten werden können • Motorik z. B. in welchem Abstand Interaktionsschaltflächen für welche Benutzergruppe angeordnet werden können. Als Vorbereitung zur Auswahl einer Lernplattform ist z. B. das Studium der EN ISO 9241 empfehlenswert. Diese gibt Richtlinien der Interaktion zwischen Mensch und Computer vor (EN ISO 9241). Insbesondere die Teile 2, 11–17, 110 (ehm. 10) und 151 (ISO/FDIS 9241-151 – in Entwicklung) enthalten hilfreiche Anregungen für Auswahlkriterien und -prozess. Die genauere Beurteilung der Usability einer Lernplattform ist nur für die Systeme möglich, in die engere Wahl kommenden, da ein Probebetrieb mit den verschiedenen Nutzergruppen in der eigenen Bildungsorganisation sehr aufwendig ist. Demo-Plattformen der Anbieter oder eine Gegenüberstellung bei einer Systempräsentation können bei einer Vorauswahl helfen. Im Allgemeinen können Nutzer auch ohne Kriterienkataloge gut einschätzen, ob sie ein System für gut bedienbar halten oder nicht. Weiterführendes s. Kap. 28 Usability. Neben den oben beschriebenen Bedürfnissen aus Benutzersicht sind weitere technische Qualitätskriterien für die Auswahlentscheidung wichtig. Diese Kriterien sollten von der IT-Abteilung oder, wenn hausintern nicht vorhanden, von externen Fachleuten beigesteuert werden. Die Wahl von technischen Qualitätskriterien hängt z. B. davon ab, in welche IT-Infrastruktur die Plattform eingebunden werden soll, welche Nutzeranzahl und Nutzungslast zu erwarten ist (Skalierbarkeit, Lastfähigkeit) oder ob Anpassungen der Software nötig und möglich sind. Auch Aspekte der Daten- und Systemsicherheit sollten in den Kriterien berücksichtigt werden. Außerdem sollten möglichst viele E-Learning- und andere Standards unterstützt werden.
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen
Technische Eigenschaften bzw. Qualität der Software und des Entwicklungsprozesses
493
Verfügbarkeit von Informationsmaterialien, Schulungsangeboten und Serviceleistungen
Ressourcenbedarf und Wirtschaftlichkeit
494
Die Qualität der Systemarchitektur und des Programmcodes können sich auf das Laufzeitverhalten sowie auf einen eventuellen Anpassungs- und Erweiterungsaufwand auswirken. Open-Source Systeme oder Freeware haben in dieser Hinsicht leider immer noch einen schlechten Ruf, obwohl die Qualität der Open-Source Entwicklung, auch dank der verfügbaren Entwicklungswerkzeuge, sehr gut geworden ist. Sowohl im kommerziellen als auch im Open-Source Bereich gibt es schwarze Schafe, die so genannten „Spagetti-Code“ programmieren, d. h. Funktionen „hart verdrahten“, statt sie modular und konfigurierbar zu gestalten. In viele kommerzielle Produkten kann man nicht hineinsehen und muss darauf vertrauen, dass kommerzielle Hersteller für die Effizienz der Weiterentwicklung und Anpassung selbst an Softwarequalität interessiert sind. Bei Open-Source Systemen kann dies bewertet werden, da deren Programmiercode frei zugänglich ist. Open-Source Communities haben hauptsächlich zwei Strategien, um die Softwarequalität zu gewährleisten. Meist existiert ein Kernentwicklerteam, welches die Integration (und ggf. Säuberung) von in der größeren Community entstandenen Software vornimmt oder/und die Community hat Qualitätsregeln aufgestellt. Für die Lernplattform sollten Informationsmaterialien, Dokumentationen und Bedienungsanleitungen verfügbar und finanzierbar sein. Zur Einführung eines Systems werden auch Schulungen und Serviceleistungen benötigt. Für kommerzielle Produkte sollte die Mitlieferung entsprechender Materialien Standard sein. Bei kommerziellen Anbietern gehören Einführungskonzept, Anpassungen und Schulungen häufig zu einem Gesamtpaket. Bei Open-Source und Freeware lebt die Weiterentwicklung häufig vom Verkauf von Materialien oder dem Angebot von Schulungen und Services. Andere Anbieter stellen auch öffentlich zugängliche Benutzerdokumentationen in Form von Wikis, Guided Tours oder Ahnlichem zur Verfügung. Leider missverstehen manche Anwender Open-Source als Free Service und kontaktieren die Entwickler für Installationshilfen und Serviceleistungen mit der Erwartung, dass diese Leistungen so kostenfrei sind wie das Produkt. Das sind sie i. d. R. natürlich nicht. Auch sollten die Inhalte von Webseiten oder anderen Informationsmaterialien der Open-Source-Anbieter nicht als kostenfreier kopierbarer Content verstanden werden. Für kommerzielle Systeme bietet der Hersteller meist selbst einen Service – fällt die Wahl auf ein Open-Source oder Freeware-System, sollte man darauf achten, dass ein Servicedienstleister verfügbar ist. Auch wenn vorerst die Inanspruchnahme von Schulungs- oder Serviceleistungen nicht geplant ist, kann dies im Laufe der Einführung oder des Betriebs notwendig werden. Bietet ein Open-Source Entwicklerteam selbst professionellen Service an, können Sie die Weiterentwicklung der Software damit unterstützen, dass Sie Serviceleistungen dort beauftragen. Dies kann für Sie vorteilhaft sein, weil für Sie erstellte Änderungen oder Erweiterungen wahrscheinlich in der Weiterentwicklung der Software berücksichtigt werden. Dies erspart Ihnen Kosten für das Einpflegen von Updates. Generell muss man bei Anpassungen und Erweiterungen darauf achten, dass diese nicht mit jeder Softwareversion erneuert werden müssen, z. B. durch Nutzung beständiger Schnittstellen, einer Herstellervereinbarung oder einem Festpreis-Supportvertrag. Nicht zuletzt sollten Einführungs- und Betriebskosten im Rahmen der Einführungsentscheidung zum LMS eingeschätzt werden.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.2.3 Prozesse zur Auswahl und Einführung von Systemen In der Literatur sind diverse Empfehlungen und Alternativen für Auswahlprozesse von Softwareprodukten verfügbar. Zum Beispiel beschäftigt sich Projektmanagementliteratur mit der Auswahl und Einführung von Softwaresystemen. Der Projektmanagement-Fachmann (RKW, 2004) schlägt allgemein einen folgenden Ablauf vor (angepasst auf den E-Learning-Bereich):
Literaturhinweise
1. Vorstudie, Vorarbeiten, Definitionsphase: • Auswahl und Einführung der Software als Projekt definieren (Termine, Budgets, Leistungen, Projektorganisation) • Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Zieldefinition • Analyse des Istzustands und der IT-Infrastruktur • Stakeholder- und Umfeldanalyse • Anforderungsprofil und ggf. Pflichtenheft erstellen 2. Auswahlphase • Grobauswahl, Feinauswahl • Nutzwertanalyse • Alternativen für die Testphase festlegen 3. Testphase • Präsentation der ausgewählten Systeme • Testversion installieren und Modalitäten für den Probelauf festlegen • Testen der Alternativen anhand eines Pilotprojekts (hier eines Beispielkurses) • Bewertung der ausgewählten Systeme nach vorher festgelegten Kriterien 4. Beurteilungsphase • Ergebnisse der Tests bewerten, begründen • Nutzwertanalyse • Entscheidung für eine Software treffen 5. Einführungsphase • Einführungs- und Betriebskonzept, Richtlinien und Organisationspläne erstellen • Schulungen und Aufbau von Betreuungsangeboten. Evaluationsmethoden zur Bewertung von LMS nach Schulmeister (2003) und Baumgartner, Häfele & Käfele (2002b) wurden von Mattauch zusammengefasst (Mattauch et al., 2005):
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen
495
Tabelle 30.1: Evaluationsmethoden zur Bewertung von LMS
Methode
Vorgehen
Vorteil
Nachteil
Peer-Evaluation
Präsentation verschiedener LMS, Bewertung durch Expertenkommision
Schnelles Entscheidungsverfahren
Nur eine Auswahl wird betrachtet, Entscheidung aufgrund von Theorie ohne Praxisbezug
Praxistest
Erprobung ausgewählter LMS durch Zielgruppe; Erfahrungsberichte
LMS werden nicht nur präsentiert, sondern auch praktisch erprobt
Nur eine Auswahl wird betrachtet, Schulung für die Zielgruppe nötig
Kriterienbasierte Evaluation
1. Definition von Anforderungskriterien (Institution, Experten) 2. Datengewinnung (Herstellerbefragung, technisches Benchmarking) und -auswertung 3. Vergleichende Bewertung Usability-Test: Mischung aus Interviewtechniken (lautes Denken) und Verhaltensbeobachtung Usability-Fragebogen: Handling der Software wird erfragt
Viele LMS werden betrachtet, Systematisches objektives Vorgehen, Relativ kostengünstige Methode
Höherer Aufwand, Evaluationskompetenz notwendig, Verdacht der Unvollständigkeit Geringer Praxisbezug
Defizite beim Handling einer Plattform werden durch die Zielgruppe identifiziert
Betrachtet wird nur der Faktor Usability Evaluationskompetenz notwendig
Usability-Test/ Fragebogen
Erfahrungsträger und Change-Agents
Neutrale Moderation des Auswahlprozesses
496
Im Rahmen eines eigenen Auswahlprozesses können verschiedene dieser Auswahlmethoden kombiniert werden, z. B. die kriterienbasierte Evaluation für eine Grobauswahl und testorientierte Methoden für die Endauswahl. Außerdem kann neben der Wahl von Methoden und der Vorgehensweise die Berücksichtigung ganz individueller weicher Rahmenbedingungen sehr wichtig für den Erfolg sein. Dadurch könnten beispielsweise E-Learning-Skeptiker gewonnen und Lehrende einbezogen werden, welche bereits eigene Insellösungen und entsprechend E-LearningErfahrung aufgebaut haben. Ein E-Learning-Einführungsprojekt benötigt bisherige Erfahrungsträger als „ChangeAgents“, da sich diese mit Energie und Überzeugungskraft für eine neue Lösung einsetzen können. Auch haben bisher aktive „E-Lehrende“ die Möglichkeit, Leuchttürme zu erschaffen und in der Bildungseinrichtung die Machbarkeit von – und ggf. die Effizienzsteigerung durch E-Learning zu zeigen. Für Entscheider ist dieses in der Organisation vorhandene Potenzial an Mitstreitern und Change-Agents Grundlage, um die strategische Entscheidung für E-Learning und für die Einführung von Technologien zu treffen. Ohne diese Entscheidung fehlt es dem Einführungsprojekt langfristig an Ressourcen. Kurzfristige Ressourcen z. B. aus Projektoder Fördermitteln sind keine tragfähige Basis. Andererseits muss die Wahl der Lieblingstools und Konzepte bisheriger Erfahrungsträger nicht die beste Lösung für die gesamte Organisation sein. Das Finden einer neutralen, breit akzeptierten Person für die Moderation des Auswahlprozesses, ohne die möglichen Change-Agents zu verlieren, ist die größte Herausforderung eines solchen Projektes.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
In der ersten Projektphase ist der Istzustandes zu analysieren: Im Rahmen dieser Analyse sollten vorhandene positive und negative E-Learning-Erfahrungen zusammengetragen werden. Bei vorhandenen Insellösungen sollten die Bedürfnisse, die hinter dieser Nutzung stehen, erfasst werden. So kann man später bewerten, ob sich diese Bedürfnisse auch mit anderen Tools befriedigen lassen. Neben der Analyse des Istzustandes und der Motivation der Mediennutzung ist auch eine Stakeholderanalyse empfehlenswert. Jedes Vorhaben hat potenzielle Befürworter und Gegner. Einige in unserer Betreuungspraxis immer noch genannte Gründe für Widerstände seitens der Lehrenden sind z. B.:
Widerstände gegen E-Learning
• Lehrende möchten den Wert ihrer persönlich angebotenen Lehre nicht schmälern, indem ihre Inhalte und ihre Lehre online abrufbar wird. • In der Präsenzlehre kann eine Meinung provokativ geäußert werden. Außerdem kann eine Lehrmeinung durch neue Erkenntnisse veralten. Mediale Aufzeichnungen sind für Lehrende schwer zu kontrollieren und kaum zu löschen. • Lernende haben nicht selten mehr Kompetenz im Umgang mit neuen Medien als Lehrende. Sie können z. B. mehrere Chatgespräche gleichzeitig verfolgen, kennen alle Chat-Emotions & Abkürzungen, können schneller mit dem Computer interagieren und technische Probleme leichter lösen. Mit E-Learning startende Lehrende begeben sich in Online-Umgebungen auf ungewohntes Terrain. • Kleine Versprecher oder lächerliche Situationen werden ebenso dauerhaft gespeichert und manchmal von Lerngruppen „medial aufbereitet“ und in einschlägigen Foren präsentiert. • Für einzelne Lehrende ist es schwierig, nochmals „komplett umzulernen“. (Diese sind ggf. bereit, mit einer technischen Hilfskraft zu arbeiten.) Neben Lernenden, Lehrenden und Verwaltung sind auch die Bedürfnisse der IT-Abteilung, z. B. hinsichtlich der Integration in die Infrastruktur, zu analysieren. Hier werden oft schon sehr konkrete Anforderungen definiert (Abb. 30.1 und Kap. 33). Wählt man eine kriterienbasierte Evaluation, ist es sinnvoll, aus allen Analyseergebnissen ein Kriterienkatalog zusammenzustellen, mit dem die gesammelten Bedürfnisse bewertbar werden. Eine gemeinsame Priorisierung dieser Kriterien sollte ergeben, welche ein K.O.-Kriterium darstellen, was für viele Nutzer und was für bestimmte Nutzergruppen wichtig ist und was in die Kategorie „nice to have“ fällt. Die Moderation dieser Priorisierung sollte einerseits dazu führen, dass der Kriterienkatalog auf breiter Zufriedenheit basiert. Andererseits müssen Kriterien so realistisch sein, dass ein System gefunden werden kann. Insbesondere die K.O.-Kriterien helfen bei einer zügigen Vorauswahl. Werden allerdings K.O.-Kriterien zur Softwarefunktionalität angewendet, ist zu berücksichtigen, dass fehlende Features ggf. durch Erweiterungen oder Anpassungen ergänzt werden können bzw. der Systemhersteller diese Funktionalität in der Entwicklungsplanung hat. Typische K.O.-Kriterien sind mangelnde Weiterentwicklung des Produktes oder Instabilität des Entwicklungsteams (z. B. weil nur temporäre Projektpersonalstellen verfügbar sind). Ein wichtiges Kriterium kann die Bedienphilosophie sein. Sie muss zu den Abläufen in der eigenen Organisation passen. Wichtig ist auch die gute Benutzbarkeit des Systems bzw. zumindest das Vertrauen auf die Weiterentwicklung und Verbesserung.
30.2 E-Learning und E-Work-Systeme nachhaltig auswählen und einführen
Anforderungen aus der IT-Infrastruktur Zusammenfassung der Auswahlkriterien
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Auswahl- und Testphase
Verbleiben sollte nur eine geringe Anzahl von Systemen, welche näher untersucht werden. Die einfachste und schnellste Erstuntersuchung kann durch eine Präsentation der Hersteller oder der Servicedienstleister erfolgen. Diese kennen ihre Systeme am besten und können schnell zu den für Sie wichtigen Kriterien Auskunft geben und ggf. die gewünschte Funktion vorführen. Viele Anbieter ermöglichen eine allgemeine Demoplattform oder einen persönlichen Testzugang. Einige bieten Interessenten eine Teststellung an. Wurde ein System ausgewählt, sollte die Auswahlentscheidung durch eine Testphase mit möglichst allen Nutzergruppen validiert werden. Schon in dieser Testphase sollte die Plattform wie im Regelbetrieb betrieben werden. Dazu gehören Beratung, Schulung und Service für Lehrende und Lerngruppen. Auch einige dringend gewünschte Anpassungen sollten, sofern finanzierbar, implementiert werden. Ein Roll-out kann erfolgen, nachdem sich diese Pilotnutzer für die Plattform entschieden haben und breite Unterstützung für die Einführung in die gesamte Bildungseinrichtung verfügbar ist.
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen Lernplattform oder Lernmanagementsystem (LMS)?
Funktionsbereiche von Lernplattformen
„Unter einer webbasierten Lernplattform ist eine serverseitig installierbare Software zu verstehen, die beliebige Lerninhalte über das Internet zu vermitteln hilft und die Organisation der dabei notwendigen Lernprozesse unterstützt.“ (Baumgartner, Häfele & Käfele 2002a). Im E-Learning-Begriffsdschungel werden die Begriffe Lernplattform und Lernmanagementsystem weitgehend synonym verwendet. Um Kriterien zur Lernplattform-Funktionalität für einen Auswahlprozess zusammenzustellen, hilft eine Strukturierung in Funktionsbereiche. Baumgartner, Häfele & Käfele (2002a) beschreiben fünf hauptsächliche Funktionsbereiche von Lernplattformen: • Präsentation von Inhalten • Werkzeuge zur Erstellung von Aufgaben und Übungen • Evaluations- und Bewertungshilfen • Kommunikationswerkzeuge • Administration.
Unterschiedliche Meinungen zur Strukturierung in LernplattformFunktionsbereiche
498
Inzwischen haben sich internetbasierte Funktionalitäten sowie die Nutzungskompetenz und somit die Bediengewohnheiten und Anforderungen an Systeme weiterentwickelt. So werden z. B. im Internet Kooperationsfunktionen verstärkt genutzt und Autorenwerkzeuge sind zunehmend besser in Online-Plattformen integriert. Allerdings strukturieren Fachleute und Hersteller Funktionsbereiche von Lernplattformen sehr unterschiedlich. Für einen individuellen Auswahlprozess kann die eigene Definition von Funktionsbereichen und zugehörigen Funktionen spezifisch und pragmatisch erfolgen. Hilfreich kann z. B. die Strukturierung nach Anwendergruppen und deren Nutzungsinteressen sein.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Abb. 30.1: Lernplattform in einer IT-Infrastruktur
Integrierte Online-Oberfläche z. B. Webportal, und lokale Systeme auf Anwender-PCs, die auf zentrale Applikationen/Dienste zugreifen
Zentrale Applikationen
CSCW & Projektmanagementsystem
Shopping-/BuchungsSystem Bibliothekssysteme
Verwaltungssysteme
CRM
E-LearningSystem(e)
... sonstige Web-CMSSystem
Zentrale Basisdienste Betriebssystem Server Anwendungsserver
Dateiserver Homeverzeichnisse IdentityManagement
Authentifizierung
Autorisierung
StreamingServer WWW
E-MailDienste
BackUp
Grundlegende Netz- und Kommunikationsdienste
Um die Anforderungen der Nutzer an Lernplattform-Funktionalitäten zu definieren, müssen diese Funktionalitäten von denen anderer IT-Systeme in der Organisation abgegrenzt werden. Also muss die Einbettung der Lernplattform in die IT-Infrastruktur betrachtet werden. Bildungsorganisationen versuchen, die Funktionalität dieser verschiedenen Systeme z. B. in einem Online-Portal zusammenzufassen, um den Nutzern eine integrierte persönliche Benutzungsoberfläche anzubieten (s. Kap. 33.2). Eine Lernplattform sollte einer solchen IT-Infrastruktur spezifische Lern- und Autorenfunktionalitäten hinzufügen, ohne Redundanzen zu vorhandenen Systemen zu schaffen. Sind Verwaltungssysteme wie z. B. Veranstaltungskataloge und Kurseinschreibesysteme vorhanden, dann sollte das Einschreibesystem der Lernplattform abschaltbar und eine Schnittstelle mit dem Kursverwaltungssystem möglich sein. Ist allerdings kein Kursverwaltungssystem an der Einrichtung vorhanden, kann dies als LernplattformFunktionalität explizit gewünscht sein. Solche typischen nicht redundant gewünschten oder explizit gewollten Funktionen sind z. B.:
Anforderungen der Nutzer in Abhängigkeit sonstiger IT-Systeme der Einrichtung
Typische Lernplattform-Funktionen und Redundanzen zu anderen IT-Systemen
• Kursverwaltung und Einschreibung, Teile von Prüfungsverwaltungs- und Studienauskunftssystemen • Funktionen aus dem Facility-Management (Raum- und Technikverwaltung, Reservierung Ausleihe)
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
499
• Webseiten-Bearbeitung (Web-CMS) • Projektmanagementfunktionen für Projekte oder CSCW-Funktionen (virtuelle Kooperationsbereiche für Projektarbeit). Die Anforderungen aus Sicht der IT-Infrastruktur werden in Kap. 33 näher dargestellt.
30.3.1 Sichten der Benutzergruppen und Anforderungen an grundsätzliche Bedienphilosophien und Oberflächenaufbau Unterschiedliche Anforderungen/ Sichten von Benutzergruppen
Klassen von Daten in Lernplattformen
In Auswahlprozessen von Lernplattformen werden Funktionalitäten leicht mit individuellen Sichten auf ein System verwechselt. Während eine Personalabteilung die Liste aller Personen, ihren Ausbildungsstand und ihre aktuelle Kurse sehen möchte, interessiert Lernende an der Funktionalität „Liste aller Personen“ lediglich, „wer ist noch in meinem Kurs und wer davon ist gerade online“ oder „wer hat die entsprechenden Kompetenzen, um mir bei Fragen zu helfen“. Sehr umfangreiche komplexe Systeme bieten mehrere Sichten an, einige Anbieter haben in ihrem Produktportfolio mehrere Softwaresysteme, welche einzeln oder in Paketen eingesetzt werden können. Analysiert man für die Auswahl einer Lernplattform die gewünschten Sichten und anschließend detailliert die Funktionen bzw. Werkzeuge je Sicht, ist zu berücksichtigen, dass Funktionalitäten entweder aus der Lernplattform bereitgestellt werden oder aus anderen IT-Systemen. Bei der Analyse der Anforderungen der Benutzergruppen werden typische Aufgaben sowie bisher verwendete IT-Werkzeuge und deren Funktionen erfasst. Aus den Anforderungen der Nutzer ergeben sich die insgesamt wünschenswerten Funktionalitäten. Diese können später entweder durch die Lernplattform oder durch ein anderes System in der IT-Infrastruktur angeboten werden. Ist diese Abgrenzung abgeschlossen, können die gewünschten Funktionalitäten der Lernplattform definiert werden. Lernplattformen haben z. B. folgende Klassen von Daten: • Personen • Kurse/Projekte • (Gruppen, Rollen) • Materialien/Lerninhalte • Werkzeuge zum Lernen, Lehren, Kommunizieren … und deren Einzelfunktionen.
Typische Nutzer von Lernplattformen
Auf diese Datenklassen haben die folgenden typischen Nutzergruppen unterschiedliche Sichten: • Lernende • Lehrende • Bildungsverwaltung • Sonstige Verwaltungsbereiche
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
• Beratungs- und Betreuungspersonal (betreiben die Systeme/die Lernplattform aus organisatorischer/inhaltlicher Sicht, betreuen die Benutzer, helfen bei Problemen, beraten zum Einsatz) • Systemadministratoren/IT-Abteilung (betreiben die Systeme in technischer Hinsicht). Je nach Strukturierung der zur Auswahl stehenden Lernplattformen kann es entweder sinnvoll sein, je Nutzergruppen die gewünschten Ansichten auf Datenklassen oder je Datenklasse die gewünschten Nutzersichten zu definieren. Hier ein Beispiel nach letzterer Strukturierungsmöglichkeit:
Sichten von Nutzergruppen auf Datenklassen
Ansichten auf Personen der Lernplattform/des Kurses:
Sichten auf Personeninformationen
Bildungsverwaltung/Personalabteilung: • Liste der Personen, deren Ausbildungsstände • und deren aktuelle Kursveranstaltungen Lehrende: • eigene Kursteilnehmer, deren Lernstand und Kursleistungen • ggf. deren letzte Aktivitäten, um lernmoderierend eingreifen zu können Lernende: • Ansprechpartner für technische und inhaltliche Fragen • Kommilitonen auf der Lernplattform • Kursteilnehmer in der jeweiligen Kursumgebung • ggf. Kompetenzen und Interessen der Personen Betreuungspersonal von Kursumgebungen oder der Plattform sowie Systemadministratoren: • Liste von Benutzern und deren Status • in welchen Gruppen und Kursumgebungen diese Mitglied sind • welche Rechte sie haben • ob sie auf Freigaben oder andere Aktivitäten warten • Übersicht der Aktivitäten der Nutzer, z. B. um häufig genutzte Funktionen zu optimieren oder Probleme zu erkennen
Ansichten auf Kursumgebungen: Bildungsverwaltung:
Sichten auf Kursinformationen
• welche Kurse werden wann angeboten bzw. sollten zusätzlich angeboten werden • wie ist die Belegung der einzelnen Kurse • welche Ressourcen (Räume, Technik, Personal) benötigen bzw. binden diese Kurse
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
501
Lehrende: • Liste der eigenen Kurse als Statusübersicht mit Informationen darüber, in welchen Veranstaltungen eigenes Eingreifen wie dringend nötig ist Lernende: • Liste der eigenen Kurse und der eigenen Bearbeitungsstände (ggf. im Vergleich zum Kursdurchschnitt) • Kursübersicht als aktuelle Lernplanübersicht, wo gibt es etwas Neues, wo stehen Termine und Aufgaben an Betreuungspersonal: • Liste aktiver Kurse, deren Status, z. B. um für abgeschlossene Kurse die Kursumgebung in den Archivstatus zu überführen • Liste geplanter Kurse, z. B. zu Semesterbeginn einzurichtende Kursumgebungen Sichten auf Informationen zu Gruppen, Rollen und Rechten
Ansichten zu Gruppen/Rollen und Rechten: Lehrende: • Lerngruppenübersicht, deren Lernstand und Aktivitäten Betreuungspersonal: • Rollen/Gruppen und deren Rechte auf Werkzeuge, Umgebungen oder Daten/ Dokumente
Sichten auf Informationen zu Materialien und Lerninhalten
Ansichten zu Materialien/Inhalten: Bildungsverwaltung: • zu welchen Themen sind Materialien verfügbar/nicht verfügbar (z. B. als arbeitsbegleitende Lern- und Informationsmaterialien, ohne explizite Kursveranstaltung und begleitendes Trainingspersonal) Lehrende/Autoren: • Ansicht verfügbarer Lerninhalte, kompletter Kursmaterialien, Nachschlagewerkeinträge, Übungen und Tests oder Medienobjekte, deren Vollständigkeits- und Aktualitätsstand sowie Nutzungsrechte • Ansicht zu von Kursgruppen genutzter Materialien, Nutzungshäufigkeiten, Lernstand sowie eventuelles Feedback zu Dokumenten für das eigene Qualitätsmanagement • Ansicht von Materialien, die von Lernenden erstellt wurden, z. B. Abgabeleistungen
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
Lernende: • Ansicht von Materialien im Rahmen eines Lernablaufes, also in der Kursumgebung • Thematische Ansicht von Materialien zu Recherchezwecken, in der Kursumgebung • Ansicht einer eigenen Dokumentenbibliothek (schon durchgearbeitete oder selbst erstellte Materialien vergangener Kursveranstaltungen als kursübergreifendes Nachschlagewerk) Betreuungspersonal: • Verwaltungsübersicht zu Materialien, z. B. um veraltete Materialien aus bestimmten Bereichen zu entfernen
Ansichten zu Kursarrangements/Kursabläufe/Lernarrangements (inklusive auf Werkzeuge und Dokumente):
Sichten auf Kursabläufe/ Lernarrangements
Lehrende/Autoren: • Darstellung des Kursablaufs als Lernstatusübersicht je Teilnehmer oder Kursdurchschnitt • Werkzeug zur Gestaltung eines Kursablaufs/eines Lernarrangements Lernende: • Darstellung des Kursablaufs als persönlicher Lernpfad • oder als eigene Lernstatusübersicht ggf. im Vergleich zu anderen Kursteilnehmern • Aktivitäten/Lernstand anderer Teilnehmer – „Wer ist noch an dieser Stelle im Kursablauf und verfügbar für eine Zusammenarbeit“ • als Werkzeug zur Gestaltung eines Lernarrangements bei in Gruppenarbeit durch Lernende selbst gestaltete Lernabläufe Betreuungspersonal: • Gestaltung der Kursumgebung entsprechend den didaktischen Anforderungen, Vergabe von Rechten auf Werkzeuge (z. B. ob Lernende auch Materialien einstellen oder Kursabläufe gestalten dürfen) • Vorschau auf kommende Kursaktivitäten, welche ggf. die Serverressourcen stark beanspruchen (z. B. sehr viele gleichzeitig geplante Chats) – in diesem Fall wäre eine werkzeugorientierte Sicht sinnvoll (Liste aller Chats und deren Termine) • Ansicht auf gestaltete Kursabläufe von E-Learning-Einsteigern, um Beratung und Coaching anzubieten Je nach Ergebnis der Anforderungsanalyse kommen zu den hier dargestellten Sichten und Funktionen individuell noch weitere hinzu. All diese Sichten müssen im Lernmanagementsystem in eine Benutzungsoberfläche integriert werden. Hier gibt es sehr unterschiedliche Bedienphilosophien und Strukturierungen, welche möglichst gut zu den in der Bildungseinrichtung vorhandenen Arbeitsund Lernabläufen passen sollten.
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
503
30.3.2 Strukturierung der Bedienungsoberfläche Kurse, Räume, Communities, Lernumgebungen, …
Persönliche Bereiche für Nutzer: Schreibtisch, persönlicher Raum, …
Kursumgebungsarten
Die meisten Lernplattformen strukturieren die Bedienungsoberfläche nach Kursen. Einige Plattformen bieten neben der Nutzung als Lernplattform auch die Nutzung als Projekt- oder Kooperationsplattform an. Dann werden Metaphern wie Räume oder Communities genutzt, um allgemein Lern-/Arbeitsumgebungen für Kursveranstaltungen oder Projekte zu bezeichnen. In manchen Lernplattformen ist für eine Kursumgebung zwingend ein Lerninhalt zu definieren, d. h., alle Verwaltungs- und Bedienfunktionen beziehen sich auf den Umgang mit Lerninhalten. Dies kann für reine Projektarbeit oder projektorientiertes Lernen nicht optimal sein. Viele Plattformen bieten persönliche Bereiche für den Benutzer an, z. B. einen „persönlichen Schreibtisch“ oder einen „persönlichen Raum“. Während in einigen Plattformen die persönliche Ansicht eine zusätzliche Ansicht darstellt, ist in anderen dies die zentrale Ansicht. Bei zentralen Ansichten erscheinen die Sichten auf Kurse als Filter über alle verfügbaren Dokumente, Informationen und Aktivitäten. In einzelnen Plattformen steht eine persönliche Kompetenzübersicht im Mittelpunkt, also ein übergeordneter Lernplan. Der Besuch von Kursen oder das Selbststudium dienen jeweils dem Ausbau der eigenen Kompetenz, also der Aktualisierung der Kompetenzübersicht. Lernplattformen bieten Kursumgebungen. Einige Plattformen sind auf die Unterstützung bestimmter didaktischer Szenarien spezialisiert, andere bieten unterschiedliche Arten von Kursumgebungen an. Werden unterschiedliche Kursumgebungsarten angeboten, müssen Lehrende i. d. R. beim Einrichten der Kursumgebung die gewünschte Art wählen. Einige Lernplattformen bieten auch nach dieser ersten Auswahl noch Anpassungsmöglichkeiten. Der Begriff Kursumgebungsarten ist hier nicht im Sinne eines Lernszenarios aus didaktischer Sicht gemeint, sondern im Sinne der von der Bedienoberfläche angebotenen Interaktionsmöglichkeiten, wodurch Lehrende die Möglichkeit erhalten, eine Kursdidaktik digital zu gestalten. Beispiele für Kursumgebungsarten: • Geführtes Lernen: In diesen durch Themen oder zeitliche Kursabschnitte gestalteten Lernabläufen sind die Lernaktivitäten entweder sequenziell oder vernetzt arrangiert. Ein typisches Werkzeug ist ein Editor für die Gestaltung dieses Lernablaufs oder eine Importfunktion für Lernabläufe. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Durch reine Lerninhalte geführtes Lernen: Zum Beispiel können „SCORM-Kurse“ importiert werden. Diese beinhalten Lernmaterialien, also Selbststudienmaterialien inklusive Übungen und Tests. Alternative Lernabläufe können z. B. in Abhängigkeit von Testergebnissen entstehen. Durch Lernaktivitäten geführtes Lernen: Hier wird für Lernende ein Lernablauf aus Lerninhalten und Kooperations- bzw. Arbeitsaktivitäten gestaltet. Neben Lerninhalten können also auch Foren, Abgabeaufgaben, Kooperationsaufgaben und Ähnliches eingebunden werden. Technisch gesehen werden also Inhalte und Werkzeugnutzung arrangiert. • Auf Übungen, Gruppenarbeit und Kooperation ausgelegte Lernumgebungen: Hier wird nicht der Lernablauf vorgegeben, sondern dieser soll in der Lerngruppe
504
30 Systeme für E-Learning und E-Work
oder vom einzelnen Lernenden selbst gestaltet werden. Lernmaterialien und Lern-/ Arbeitswerkzeuge werden in Pools zur Auswahl angeboten. Typische Werkzeuge zum Lernen und zur Zusammenarbeit sind Diskussionsforum, Chat, Dateiaustausch und Koordinationswerkzeuge z. B. zur Abstimmung der Gruppenarbeit. • Auf Recherche- und Wissenskonstruktion ausgelegte Umgebungen: Hier werden Lerninhalte und Informationen in Pools angeboten oder explizit nicht angeboten. Lernende sollen sich zu einer Lernaufgabenstellung die Inhalte selbst zusammensuchen oder erarbeiten. Typische Werkzeuge wären Recherchewerkzeuge (z. B. Suchfunktionen), Linklisten, Dokumentensammlung, Mindmaps und Wikis. Rein strukturell (aus technischer Sicht) gesehen, bietet man den Lernenden eine Art Autoren- und Wissensverwaltungsumgebung an. Die Mehrzahl der eingesetzten Lernplattformen sind serverseitig installiert und bieten noch eingeschränkte Möglichkeiten der synchronen Zusammenarbeit. Häufigstes synchrones Werkzeug auf diesen Plattformen ist der Chat. Da die Nutzer lediglich einen Internet-Browser benötigen, sind die Nutzungsbarrieren relativ gering, weswegen sich Lernplattformen breit durchgesetzt haben. • Synchrones Lernen: Zu einigen Lernplattformen gibt es Zusatzsoftware, wodurch Kursumgebungen bereitgestellt werden können, in denen synchones Lernen möglich ist. Diese Zusatzwerkzeuge erfordern i. d. R. eine lokale Installation auf den Nutzer-PCs. Für Lernplattformen, für die keine solchen Werkzeuge vom Hersteller angeboten werden, können Life-Learning-Systeme eingebunden werden. Abb. 30.2: Marratech-System von my-education.tv als Beispiel für „Synchron Distance Education“
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
505
Synchrones Lernen, Life-Learning-Systeme
Life-Learning-Systeme haben sich auf synchrone Lernaktivitäten spezialisiert, müssen aber auch auf den PCs der Nutzer installiert werden. Typische Funktionen von LifeLearning sind Audio- und Videokonferenzen, digitale kooperativ nutzbare Tafel oder Flipchart, Application Sharing und Desktop-Übernahme. Bei der Auswahl eines Life-Learning-Systems sollte darauf geachtet werden, dass Installation und Lauffähigkeit für die bei den Teilnehmern vorhandene Hard- und Softwareausstattung (insbesondere Betriebssysteme und deren Versionen) gegeben ist. Life-Learning-Systeme sind hier gesondert aufgeführt, weil die Strukturierung ihrer Bedienoberfläche, die Nutzerführung und die Gestaltung von Kursabläufen und -umgebungen meist sehr unterschiedlich zu serverseitig installierten Lernplattformen sind. Solche Systeme sind wie Online-Konferenzsysteme gestaltet und die Hersteller bieten die Software meist sowohl für „Distance Education“ als auch für „Online Meetings“ an. In der Praxis werden Life-Learning-Systeme mehr als Ergänzung zu Lernplattformen genutzt und weniger als Ersatz für diese. Einige Anbieter von Lernplattformen haben bereits Zusatzmodule für synchrone virtuelle Klassenzimmer in ihren Programmen.
30.3.3 Gruppen, Rollen, Communities auf einer Plattform und das Rechtesystem Nutzungsrechte für Plattformfunktionalitäten für Rollen/Gruppen
In den Kurs- und Arbeitsumgebungen stehen diverse Werkzeuge, wie Chat, Forum, Kalender und Aufgabenverwaltung zur Verfügung. Auf manche dieser Werkzeuge oder auf bestimmte Funktionalitäten eines Werkzeuges dürfen ggf. nur Lehrende oder nur Administratoren zugreifen. Dies wird vom Rechtesystem einer Plattform gesteuert.
30.3.3.1 Begriffsdschungel: Werkzeug, Modul, Funktion, Komponente, Dienst, …
Begriffsunterschiede für Plattformfunktionalitäten
506
Die Lernplattform-Hersteller haben unterschiedliche Begriffe für die Bestandteile und Dateneinträge gewählt. Funktionalitäten von Lernplattformen, wie Chat, Diskussionsforum, Aufgabenverwaltung, Kalender, werden z. B. als Dienste, Funktionalitäten, Module, Komponenten, Werkzeuge oder Lernaktivitätstypen bezeichnet. Im nachfolgenden Text werden sie Werkzeuge genannt. Diese Werkzeuge wiederum haben Funktionalitäten, welche hier als Funktionen von Werkzeugen bezeichnet werden. Eine Pinnwand hat z. B. Funktionen zum Erstellen, Ändern oder Löschen von Pinnwandeinträgen. Ein Werkzeug zum Dateiaustausch hat Funktionen zum Hochladen oder Löschen von Dateien. Mit Werkzeugen werden i. d. R. Dokumente, Informationen, Einträge in Foren (sogenannte „Posts“) usw. erstellt. Diese sollen im Folgenden allgemein Einträge genannt werden. Zwischen Lernplattformen bestehen große Unterschiede beim Einrichten von Gruppen, Rollen und Rechten.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.3.3.2 Rechtevergabe zur Nutzung von Werkzeugen und deren Funktionen In ihrer Entwicklungsgeschichte haben viele Systeme mit der festen Definition von Rollen (wie Lehrende und Lernende) begonnen. Jede Rolle hatte in den Plattformbereichen festgelegte Rechte, bestimmte Werkzeuge lesend oder ändernd zu nutzen und somit Einträge bzw. Daten lesen oder verändern zu können. Flexiblere Systeme gestatten die zentrale Anpassung der Rechte je Rolle, noch flexiblere Systeme gestatten dies je Kursumgebung. In einem Rechtesystem wird grundsätzlich zwischen dem Recht, Werkzeuge und deren Funktionen nutzen zu dürfen, und dem Recht, bestimmte Einträge lesen oder ändern zu können, unterschieden. Das Recht auf Werkzeuge legt i. d. R. das System oder wenn konfigurierbar ein Administrator fest. In flexiblen Systemen können diese Rechte je Kursumgebung oder Plattformbereich individuell definiert werden. Können in den jeweiligen Lernumgebungen die Rechte für selbst erstellte Gruppen frei definiert werden, dann haben Lehrende die Möglichkeit, für den Kurs passende Rollen zu definieren und können sehr individuelle Lernszenarien erstellen. Da eine solche Definition von individuellen Lernszenarien mehr oder weniger aufwendig ist, sollte das System die Speicherung des eingerichteten Szenarios oder der Kursumgebung als Vorlage erlauben. So müssen Lehrende nur einmal, beim Entwickeln ihrer Online-Didaktik, diese Rechte definieren und können in folgenden Kursveranstaltungen eine Kursumgebung auf Basis ihrer Vorlage erneut erstellen. Einige Systeme erlauben übrigens auch das „Einpacken“ von Inhalten (Einträgen) in diesen Vorlagen, so dass komplett mit Lernmaterialien und Start-Kommunikationseinträgen eingerichtete Lernräume wiederverwendet werden können. Rechte auf Werkzeuge werden i. d. R. je Rolle oder Gruppe definiert und nicht je Person, weil eine Definition je Person für Lehrende aufwendiger wäre. Ebenso wäre sonst die Klärung von Rechteproblemen (warum darf ein Nutzer etwas nutzen oder nicht nutzen) für die E-Learning-Betreuung schwieriger. Rechte auf Werkzeuge bedeutet in manchen LMS ein binäres Nutzungsrecht (ja/nein) und in anderen ein differenziertes. Differenzierte Rechte z. B. auf Funktionen einer Pinnwand könnten folgende sein: a) Einträge sehen/durchsuchen
Starr je Rolle definierte Rechte
Freie Definition von Rollen und Rechten
Nutzungsrecht für Werkzeuge und deren Funktionen
Speicherung von Rechtevorlagen
Sinnvolle Granularität der Rechtevergabe
Übliche allgemeine Rechte auf Werkzeugfunktionen
b) Neue Einträge erstellen c) Vorhandene Einträge ändern d) Einträge löschen e) Dateianhänge erlauben f) Zusatzfunktionen, wie das Anhängen einer Diskussion oder einer Umfrage, ermöglichen g) Veröffentlichung auf einer öffentlichen Kurswebseite gestatten.
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
507
Diese Zusammenstellung von Rechten (Rechteset) auf Werkzeugfunktionen ist für eine ganze Reihe von Werkzeugen sinnvoll. Man kann damit sehr gezielt die Art der gewünschten Interaktionen je Rolle oder Gruppe steuern. Beispiele: 1. Möchten Lehrende z. B. nicht, dass Schüler Kurs-Pinnwandeinträge erstellen, aber dass sie vorhandene Einträge (wie in einem Wiki) ändern, aber nicht löschen dürfen, dann könnte für Schüler das Recht auf die Pinnwand wie folgt aussehen: a) = Ja e) = Ja
b) = Nein f) = Ja
c) = Ja g) = Nein
d) = Nein
2. Es ist auch üblich, dass Lernende Einträge erstellen dürfen (z. B. als öffentliche Abgabe einer Kursarbeit) und die Lehrenden sich das Recht vorbehalten, einzelne Einträge auf der Kurswebseite zu veröffentlichen.
Individuelle Rechte auf Funktionen bei Werkzeugen mit speziellen Funktionalitäten
Werkzeuge mit speziellen Funktionalitäten, wie ein Diskussionsforum, benötigen spezielle Rechtesets, z. B. bestehend aus folgenden Rechten: a) Das Forum generell nutzen (sehen/durchsuchen) b) Ein Forum erstellen c) Ein Thema in einem Forum erstellen d) Einen Beitrag/eine Antwort zu einem Thema verfassen e) Eine Datei anhängen f) Eine Abstimmung anfügen g) Das Forum moderieren Beispiele: 1. Je nach Lernszenario könnte das Erstellungsrecht (a) bis (c) den Lehrenden vorbehalten sein. 2. Im selbstorganisierten Gruppenlernen könnte je Gruppe ein Forum angelegt werden, in denen die Gruppensprecher das Moderationsrecht erhalten.
Da i. d. R. mehrere Gruppen und mehrere Werkzeuge in einer Lernumgebung verfügbar sind, kann man sich die Rechtevergabe als Matrix vorstellen (J = Ja, N = Nein): Tabelle 30.2: Beispiel für Gruppenzugriffsrechte (Rechte auf Werkzeugnutzung)
508
Werkzeuge:
Pinnwand
Funktionen:
a
b
Diskussionsforum c
d
e
f
g
a
b
c
d
e
f
g
Schüler
J
N
J
N
J
J
N
N
N
N
J
J
N
N
Lehrende
J
J
J
J
J
J
J
J
J
J
J
J
J
J
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.3.3.3 Rechtevergabe je erstelltem Eintrag/Dokument Rechte auf Einträge legen fest, wer einen bestimmten Eintrag (z. B. einen Pinnwandeintrag) lesen, ändern oder löschen darf. Theoretisch könnten die Rechte eines Eintrags genauso, wie oben bei den Werkzeugen dargestellt (Recht a bis g), definiert werden. In der Praxis werden häufig nur Rechte wie „lesen“, „ändern“, „löschen“ vergeben, um die Bedienbarkeit einfach zu halten. Die Rechte für den jeweiligen Eintrag werden i. d. R. von dessem Autor festgelegt, denn dieser sollte entscheiden dürfen, für wen der Eintrag sichtbar und nutzbar sein soll. Für spezielle Anwendungsfälle, wie z. B. die Abgabe von Studienarbeiten, kann das System die Rechte anhand von sinnvollen Voreinstellungen selbst setzen. Beispielsweise werden Studienarbeiten einer Kursumgebung ggf. per Vordefinition für die Gruppe der Lehrenden im Kursraum sichtbar, aber bleiben für alle anderen unsichtbar. Die Fähigkeit eines LMS, Rechte auf Einträge zu ermöglichen, statt je Anwendungsfall die Rechte „hart zu verdrahten“, ist für Gruppenarbeit und für selbstdefinierte Lernszenarien sehr sinnvoll. Besitzt ein System keine einstellbaren Eintragsrechte, muss bei der Auswahl des LMS geprüft werden, ob die voreingestellten Rechte den eigenen Wünschen entsprechen. Besitzt ein LMS die Möglichkeit, differenziert Eintragsrechte zu setzen, dann sollte dies für E-Learning-Einsteiger vereinfacht handhabbar sein, z. B. durch die unterschiedlichen Modi „einfach“ und „erweitert“:
Rechte auf Einträge
Rechtevergabe für differenzierte Gruppenarbeit
Abb. 30.3: Beispiel für Rechte an Einträgen
30.3.3.4 Zusammenfassung der Rechtesysteme von LMS Für die Bewertung des Rechtesystems eines LMS wären also mit aufsteigender Individualität folgende Rechte möglich: Rechte auf Werkzeuge:
Zusammenfassung Rechtesystem
• Das LMS hat feste Rollen und diese haben festgelegte Rechte auf Werkzeuge. • Das LMS hat vordefinierte Rollen, aber der Plattformadministrator kann Rechtevoreinstellungen kursübergreifend anpassen. • Das LMS erlaubt freie Definition von Rollen/Gruppen und deren Rechte je Kursumgebung.
30.3 Aufbau von Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen
509
Rechte auf Einträge: • Es sind keine Rechteeinstellungen für Einträge möglich. In einer Kursumgebung sehen alle alles oder es sind für die entsprechenden Werkzeugarten (z. B. Abgabe Kursarbeiten) Sichtbarkeitsrechte „hart verdrahtet“. • Das LMS erlaubt Gruppenarbeit. Befindet man sich im Gruppenmodus, dann werden Einträge für die gewählte Gruppe zugänglich. • Das LMS erlaubt dem Autor eines Eintrags das Setzen von Rechten: − − − −
binär: privater Eintrag oder für alle sichtbar Rechte für eine Gruppe gesondert setzbar Rechte für mehrere Gruppen setzbar Rechte für einzelne Personen setzbar (in der Bedienung etwas aufwendig).
30.3.3.5 Rollen und Gruppen Rollen
Gruppen
Bewertung von Rollenund Gruppenverwaltung bei Plattformauswahl
510
Die Benutzerrolle in einem System definiert die Aufgaben, Eigenschaften und insbesondere die Rechte der Benutzer, welchen diese Rolle zugewiesen wurde. Systeme mit einer individuellen Gruppenzugriffsrechte-Verwaltung haben u. U. keine Rollenverwaltung, weil im Prinzip sehr individuelle Rollen über Gruppen und deren Rechte festgelegt werden können. I. d. R. haben solche Systeme trotzdem implizit einige Rollen, also im System „hart“ eingestellte Rechte, wie beispielsweise die des Systemadministrators, der meist alle Werkzeuge nutzen und auf alle Einträge (auch private der Nutzer) zugreifen kann. Neben Benutzerrollen existieren in IT-Systemen Benutzergruppen. Sie dienen technisch gesehen ebenfalls der Rechtevergabe. Während über Rollen allgemeine Rechte und Aufgaben im System festgelegt werden (z. B. Nutzungsrechte für Werkzeuge), ist das Ziel der Gruppenbildung die differenzierte Zusammenarbeit, also z. B. die Vergabe von Rechten auf Einträge. In Lernumgebungen existieren Rollen wie „Lehrende“, „Lernende“ und „Kursadministratoren“. In Systemen, wo mittels Gruppenzugriffsrechten individuelle Rollen definiert werden können, sind die Rollen meist die vordefinierten Gruppen einer Kursumgebung. Lehrende oder Kursadministratoren haben die Möglichkeit, weitere Gruppen (z. B. Lerngruppe A und B) einzurichten. Beim Anlegen dieser Gruppen wird das LMS fragen, welche Rolle diese neue Gruppen haben soll (Lehrende oder Studierende). Entsprechend dieser Auswahl erhalten die Mitglieder dieser neuen Gruppe die Rechte der Rolle. Diese Frage nach der Rolle der neu anzulegenden Gruppe wird nicht gestellt, wenn die Mitgliedschaft in der Gruppe keine gesonderten Rechte mit sich bringt (also Rechte nur über feste Rollenzuweisungen definiert werden). In einigen LMS-Auswahlkriterien-Fragebögen wird nach dem Vorhandensein und der Funktionalität einer Gruppen- und Rollenverwaltung gefragt. Bei der Auswertung wäre also zu berücksichtigen, dass Gruppen- und Rollenverwaltungen, wie oben erläutert, sehr unterschiedlich gestaltet sein kann. Über gezielte Fragen zum Rechtesystem im Kriterienkatalog sollten entsprechende Antworten ergeben.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien In 30.3.2 wurden bereits verschiedene Strukturierungsmöglichkeiten der Bedienoberfläche angesprochen und in 30.3.1 die unterschiedlichen Interessen der Nutzergruppen (Sicht auf LMS-Informationen zu Kursen, Personen, Materialien usw.) aufgezeigt. Um typische Werkzeuge einer Lernplattform übersichtlich vorzustellen, werden diese nachfolgend nach den Benutzerrollen gruppiert:
Hinweise zum Kapitelaufbau
• Werkzeuge zur Plattformadministration (Systemadministrator der IT-Abteilung, E-Learning-Betreuung und ggf. dezentrale „Kursadministratoren“) und • Werkzeuge für Lerngruppen (Lehrende/Lernende). Die Zuordnung der Werkzeuge zu diesen Rollen ist natürlich nicht eindeutig. Einige Werkzeuge sind vielseitig einsetzbar und könnten mehreren Unterkapiteln zugeordnet werden. Die Funktionen der vorgestellten Werkzeuge und die gezeigten Abbildungen sind beispielhaft zu verstehen und sollen keine Empfehlung für bestimmte Produkte oder Hersteller sein. Viele Abbildungen sind daher ohne Nennung des Produktnamens aus realen Lernplattformen entnommen. Andere Abbildungen sind beispielhafte Entwürfe aus unseren Usability-Workshops.
30.4.1 Werkzeuge zur Plattformadministration Typische Kernfunktionalitäten einer Lernplattform, welche seitens der IT-Abteilungen benötigt werden, um die Plattform zu betreiben, sind: • Benutzerverwaltung • Gruppen-/Rollenverwaltung • Rechteverwaltung • Verwaltung von Kurs-/Arbeitsumgebungen • Systemverwaltung und -konfiguration. In großen Bildungseinrichtungen können die Anzahl der Kursumgebungen sehr groß werden, so dass deren zentrale Verwaltung zu aufwendig ist. Die Kurs- und Arbeitsumgebungen sollten also dezentral verwaltet werden können. So könnte nach Anlegen einer Kursumgebung durch einen zentralen Plattformadministrator diese an den Kurseigentümer übergeben werden. Dieser kann in seiner Kursumgebung Gruppen, Rollen, Rechte und Nutzer selbst verwalten.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Dezentrale Plattformverwaltung zur Entlastung der IT-Abteilung
511
Abb. 30.4: Plattform-Kernfunktionalitäten für Administratoren und Schnittstellen zu anderen Systemen
Plattformverwaltung Lernende Lehrende
Tools
Benutzerverwaltung
Rechteverwaltung
Gruppen-/Rollenverwaltung
zentrale Kursverwaltung
System-/Schnittstellenverwaltung
Bibliothekssysteme IdentityManagement
StreamingServer
Verwaltungssysteme Authentifizierung
Autorisierung
...
Web-CMSSystem E-MailDienste
Backup
30.4.1.1 Benutzerverwaltung Definition von Benutzern und Anwendern
Nutzer bzw. Benutzer sind Personen, die ein System persönlich benutzen. Anwender hingegen sind Personen oder Organisationen, welche die Nutzung eines Systems veranlassen. Die Bildungseinrichtung, die das LMS einführt, ist ein Anwender, während Lehrende, Lernende, Plattform- und Kursadministratoren Nutzer(gruppen) sind. Im Sinne der Benutzerverwaltung von Lernplattformen sind hier Benutzer mit einem Benutzerkonto (Account) gemeint, welche mittels Passworteingabe in den zugriffsgeschützten Bereich der Lernplattform gelangen. Diese Nutzer werden von der PlattformBenutzerverwaltung administriert. Weitere, nicht administrierte Benutzer eines LMS könnten z. B. aus der Weböffentlichkeit kommen, welche ohne Benutzerkonto auf frei zugängliche Webseiten oder Funktionen der Lernplattform zugreifen können. Typische Funktionen einer Benutzerverwaltung sind: • Neuzulassung von Benutzern (z. B. nachdem diese sich auf den öffentlichen Webseiten der Plattform registriert haben) • Neu-Anlegen von Benutzern, ohne dass diese sich registrieren müssen • Sperren oder Löschen von Benutzern • Eingriff in die Benutzerdaten (Name, E-Mail-Adresse für Systemnachrichten, ggf. Adressdaten) • Zurücksetzen des Passwortes • Neu-Anlegen oder Zulassen von Benutzern, welche in Fremdsystemen registriert sind (z. B. einer zentralen Benutzer-/Loginverwaltung).
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
Bildungseinrichtungen, welche ihren Mitgliedern mehrere zentrale IT-Systeme anbieten, sollten eine zentrale Benutzerverwaltung außerhalb der Lernplattform verwenden. Dies sind z. B. Verzeichnisdienste wie LDAP und NIS. Größere Organisationen, welche ihren Nutzern nach einem einmaligen Loginvorgang den Wechsel zwischen den IT-Systemen ermöglichen wollen (ohne dass diese erneut ihr Passwort eingeben müssen), verwenden so genannte Single-Sign-on Lösungen:
Zentrale NutzerloginVerwaltung über Verzeichnisdienste Single-Sign-on (SSO)
• Anmeldesysteme: Der Benutzer erhält nach Login einen digitalen Ausweis, welcher ihn für verschiedene IT-Systeme berechtigt (z. B. Shibboleth). • Portalsysteme: Nach Login in das Portal erhält der Nutzer Zugriff auf alle für ihn freigegebenen IT-Systeme, welche in das Portal integriert sind (z. B. Liferay, IBM Websphere). • Implementiertes Ticketing-System: Verschiedene sich gegenseitig vertrauende IT-Systeme akzeptieren das Login bei einem anderen System. Ist für eine kleinere Bildungseinrichtung ohne eigene IT-Abteilung die Installation eines zentralen Verzeichnisdienstes oder einer Single-Sign-on-Lösung zu aufwendig, dann können Benutzer auch zentral über Importfunktionen angelegt werden. Schulen besitzen z. B. Schulverwaltungssoftware, welche CSV-Dateien ausgeben. Diese könnten in die Lernplattform importiert werden. Diese Importfunktion wäre je nach LMS z. B. in der Benutzerverwaltung oder in einer gesonderten Klassenverwaltung zu finden. Abb. 30.5: Oben Benutzerverwaltung, Unten: neue Benutzer zulassen.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
513
Probleme bei dezentraler Benutzerverwaltung
Wird Benutzername und Passwort z. B. von einem zentralen Verzeichnisdienst oder einem Anmeldesystem verwaltet, macht es keinen Sinn, dass Nutzer oder Administrator das Passwort im LMS ändern kann. Daher ist bei Nutzung einer zentralen oder übergreifenden Lösung die Funktionalität Benutzerverwaltung des LMS i. d. R. eingeschränkt. Doppelte Nutzerkonten sind ein relativ häufiges Problem in Lernplattformen, wenn keine zentrale Lösung für die Benutzerauthentifizierung existiert. Erstens vergessen Benutzer zuweilen ihr Passwort und registrieren sich dann erneut, statt eine „Passwort vergessen“-Funktion zu nutzen. Zweitens steigt das Risiko doppelter Accounts, wenn die Benutzerverwaltung des LMS auf die einzelnen Kursumgebungen verteilbar ist: Suggeriert die Benutzerregistrierung einer Kursveranstaltung den Zugang zu einer komplett eigenen Plattform, neigen Nutzer dazu, sich erneut zu registrieren, statt sich mit ihrem vorhandenen Login einzuschreiben. Dies ist für Weiterbildungseinrichtungen, deren Kursteilnehmer einmalige Nutzer sind, kein Problem. Aber Bildungseinrichtungen, in denen Nutzer mehrere Kurse besuchen, sollten organisatorische Regelungen implementieren, die ein nur einmaliges Registrieren und Zulassen eines Nutzers sicherstellen. Anmeldungen zu Kursen sollten dann ausschließlich plattformintern erfolgen, also mit einem vorhandenen Benutzerkonto.
30.4.1.2 Verwaltung von Kursmitgliedern
Benutzerverwaltung und KursmitgliederVerwaltung
Eine Lernplattform hat normalerweise mehrere Kursumgebungen, für die Plattformbenutzer zugelassen oder abgelehnt werden können. Üblich ist ein Bewerbungsverfahren, also eine Kurseinschreibung. In Weiterbildungseinrichtungen, in denen eine Person nur einen Kurs besuchen wird, werden Kursanmeldungen häufig auf der Webseite angeboten. Das Zulassen eines neuen Kursteilnehmers bedeutet dann gleichzeitig die Zulassung als Plattformbenutzer. In den meisten Fällen wird jedoch davon ausgegangen, dass ein Plattformbenutzer mehrere Kurse besucht. Dann befindet sich die Einschreibefunktion normalerweise im zugriffsgeschützten Bereich der Plattform und ist nur für zugelassene Benutzer zugänglich. Ist die Einschreibefunktion auch von einer öffentlichen Webseite erreichbar, werden die Nutzer gebeten, sich für die Einschreibung mit ihren Zugangsdaten bzw. Passwort auszuweisen.
Abb. 30.6: Werkzeug zum Zulassen oder Ablehnen von Kurseinschreibungen
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
Ähnlich wie mit der in Abb. 30.6 gezeigten Zulassungsfunktion können bereits zugelassene Kursmitglieder auch wieder aus der Kursumgebung entfernt werden. Lernplattformen gehen unterschiedlich mit von gesperrten Nutzern erzeugten Einträgen um. Oft bleiben diese einfach bestehen, manchmal werden sie ausgegraut oder entfernt. Existiert in der Einrichtung ein externes Kurseinschreibesystem, so werden die hier beschriebenen Funktionen zur Plattformadministration ggf. vom externen System gesteuert (Kap. 33).
Entfernen von Nutzern aus Kursumgebungen
Kopplung mit plattform-externen Kurseinschreibesystemen
30.4.1.3 Gruppen-/Rollenverwaltung Verwaltungsfunktionen für Gruppen ermöglichen: • das Anlegen, Ändern und Löschen von Gruppen sowie • das Zuweisen und Entfernen von Nutzern zu vorhandenen Gruppen. Abb. 30.7: Beispiel für eine Gruppenverwaltung
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
515
Verwaltungsfunktionen für Rollen erlauben manchmal nur die zweitgenannten Funktionalitäten, wenn die Rollen im LMS starr definiert sind. In Lernplattformen mit fortgeschrittenem Rechtesystem existiert ggf. keine Rollenverwaltung, da Rollen flexibel über Gruppen und deren Rechte definiert werden können.
30.4.1.4 Rechteverwaltung Die Rechteverwaltung seitens der Plattform- oder Kursadministratoren bezieht sich i. d. R. auf die Rechte der Gruppen oder Rollen, Werkzeuge nutzen zu dürfen. Diese Rechte können entweder systemweit gesetzt werden (z. B. wenn Lernende keine Verwaltungswerkzeuge nutzen dürfen, um ihre Kursumgebung anzupassen) oder sie können je Kursumgebung gesetzt werden. Dann könnten Lernende ihre Lernumgebung selbst gestalten. In Abb. 30.8 sehen Sie zwei Beispiele, wie eine Zugriffsrechteverwaltung aussehen könnte. Abb. 30.8: Beispiel für Verwaltung von Rechten von Gruppen auf Werkzeugnutzung
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.4.1.5 Verwaltung von Kurs-/Arbeitsumgebungen Plattformadministratoren benötigen folgende Funktionen zur Verwaltung von Kurs-/Arbeitsumgebungen: • Anlegen, Ändern, Kopieren und Löschen von Kurs- oder Arbeitsumgebungen auf der Lernplattform • Einordnen eines Kurses/Arbeitsraumes in eine Organisationsstruktur (z. B. der Studien-/Ausbildungsgänge, der Berufsgruppen oder Abteilungen eines Betriebes) • Möglichkeit, Einschreibe-/Bewerbungszeiträume für Kurse festzulegen • sowie Nutzungszeiträume; inkl. Archivierungsfunktionen Kursteilnehmer suchen zu Beginn eines Semester, eines Schuljahres oder einer anderen Ausbildungsperiode Kursangebote aus und schreiben sich ein. Existiert eine Vielzahl von Kursangeboten, so kann deren Einordnung in eine Baumstruktur oder ein Kursverzeichnis helfen. Diese Struktur bildet z. B. die Bildungseinrichtung ab (Abteilungen oder Fakultäten/ Lehrstühle), um den Lernenden die Suche nach dem Anbieter des Kurses zu vereinfachen. Eine andere Möglichkeit ist die Strukturierung nach Bildungsgängen oder Fachgebieten (z. B. Studiengänge oder eine thematische Gliederung Physik, Mathematik, …). Einige Lernplattformen erlauben nur die ein-eindeutige Zuordnung einer Kursumgebung in eine solche Struktur. Würde die Struktur thematisch sein (Gestaltung, Informatik, Ingenieurwissenschaften, …), dann hätte der Anbieter eines fachübergreifenden Informatik-Kurses (auch für Gestalter und Ingenieure) Probleme. Andere Lernplattformen erlauben eine Mehrfach-Einordnung, so dass ein Kursangebot sowohl bei den Ingenieurwissenschaften als auch bei der Gestaltung verlinkt werden kann.
Einordnung von Kursräumen/Kursen in eine Organisationsstruktur
Abb. 30.9: Beispiel für eine Funktion zum Einordnen einer Kursumgebung in eine Organisationsstruktur
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
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Abb. 30.10: Beispiel für eine Funktion zum Anlegen einer Kursumgebung
Anlegen einer Kurs-/ Arbeitsumgebung
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Bietet die Lernplattform mehrere Kursumgebungsarten an (s. Kap. 30.3.2), dann wird beim Anlegen der Kursumgebung diese i. d. R. ausgewählt und festgelegt. In Abb. 30.10 sehen Sie ein Beispiel für eine Funktion zum Anlegen einer Kursumgebung.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Verfügt eine Bildungseinrichtung über eine separate Software zur Kursverwaltung (ein Veranstaltungsverzeichnis, ein Kurseinschreibesystem), dann kann die in Abb. 30.10 gezeigte Funktionalität in dieses System eingebunden werden. Derzeit werden im Hochschulbereich viele Lernplattformen z. B. an das Verwaltungssystem HIS-LSF angebunden. Wird im externen Veranstaltungsverzeichnis eine neue Kursveranstaltung eingetragen, könnte der Eintragende gefragt werden, ob er eine virtuelle Lernumgebung wünscht. Bei Bejahung könnte das in Abb. 30.10 gezeigte Eingabeformular als Bestellung ausgefüllt und an den Plattformadministrator zur Bestätigung gesendet werden. Wurde eine Kursumgebung angelegt, so erhält i. d. R. der Eigentümer oder der Kursadministrator Zugang und kann die Kursumgebung weiter einrichten. Je nachdem, ob die Kursumgebung eine Kopie bzw. eine gespeicherte Vorlage aus einer Vorgängerveranstaltung ist (inklusive des schon gestalteten Kursablaufs und der eingefügten Inhalte), verbleibt mehr oder weniger Einrichtungsarbeit. Kann die Einrichtungsarbeit nicht aus einer Vorgängerveranstaltung übernommen werden, dann sind von den Lehrenden z. B. noch Lerninhalte und Begrüßungseinträge anzulegen (s. Kap. 30.4.2). Entspricht die Einrichtung der Kursumgebung nicht ganz den didaktischen Anforderungen, können mit Kursverwaltungswerkzeugen Gruppen, Rechte und Werkzeugangebot noch angepasst werden. Bietet die Lernplattform die Speicherung von eingerichteten Kursumgebungen als Vorlage für spätere Kursveranstaltungen an, dann könnte dies nach dieser Ersteinrichtung genutzt werden, bevor durch die Arbeit mit den Lerngruppen Inhalte entstehen, welche in einer Vorlage nicht gewünscht sind. Ist die Vorlagenfunktion in der Lage Gruppen, Rollen, Rechte und sonstige Kursumgebungseinstellungen zu speichern, nicht aber Lern- und Kommunikationsinhalte, dann kann die Vorlage auch zum Ende des Kurses gespeichert werden.
Weitere Einrichtung durch Kurs-Admin/ Lehrende
Speicherung von Kursumgebungsvorlagen
30.4.1.6 Systemverwaltung und -konfiguration Welche Funktionen in einer Systemverwaltung angeboten werden, hängt ganz von der Funktionalität der Lernplattform ab. Grundsätzlich kann man aber zwischen sehr technischen Systemeinstellungen und eher oberflächengestaltenden Plattformeinstellungen unterscheiden, da diese einerseits unterschiedliche Tiefe an technischem Wissen erfordern und andererseits eine typische Arbeitsteilung zwischen einer IT-Abteilung und einer E-Learning-Betreuung darstellen. Welche Werkzeuge von welcher dieser beiden Rollen genutzt werden sollen, kann sich je nach Arbeitsteilung auch individuell unterscheiden. Mitarbeiter in einer E-Learning-Betreuung könnten z. B. folgende Plattform-Verwaltungsfunktionen angeboten werden:
Typische PlattformVerwaltungsfunktionen
• Änderung der Oberflächengestaltung und der Menü-/Werkzeugbenennung • Änderung von Katalogwerten, beispielsweise Auswahlfelder von Eingabeformularen (z. B. die Angabe von Kursarten, wie Seminar, Vorlesung, Training) • Einrichtung der Organisationsstruktur (Fakultäten, Studiengänge, Abteilungen, Bildungsbereiche)
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
519
• Änderung von E-Mail-Texten, welche vom System bei bestimmten Ereignissen automatisch gesendet werden (z. B. nach der Registrierung/Zulassung eines neuen Nutzers) • Systemnutzungsübersichten, wie Login-Historien (z. B. zur Recherche bei Verdacht auf Loginmissbrauch) oder Häufigkeit der Werkzeugnutzung (z. B. zum Zweck der Vermeidung von Lastproblemen) • Zentrale Rollen- und Rechteverwaltung (s. Kap. 30.4.1.3 und 30.4.1.4). Typische Systemverwaltungsfunktionen
Systemadministratoren, die das System aus technischer Sicht betreuen, könnten folgende Systemverwaltungsfunktionen zur Verfügung stehen: • Einstellungen der Benutzerverwaltung (z. B. ob lokal auf der Plattform oder Authentifizierung über eine zentrale Loginverwaltung • Einstellungen der Kursverwaltung (z. B. ebenso lokal oder gesteuert durch zentrales Veranstaltungs- oder Einschreibe-System • Hinzufügen, Entfernen und Konfiguration von Werkzeugen, Plugins, Erweiterungen und Diensten • Systemseitige Einstellungen zur Benutzeroberfläche und deren Konfigurierbarkeit • Zentrale übergreifende Rechteeinstellungen • Konfiguration von Dateiablagen/Serververzeichnissen, z. B. − Ort der Datenablage der Plattform auf dem Server − Datenmengenbegrenzungen je Nutzer/je Bereich − Einstellung der Zugreifbarkeit von bestimmten Verzeichnissen aus dem WWW (z. B. öffentliche oder zugriffsgeschützte Kursmaterialbereiche) • Werkzeuge für Plattform-Updates/-Upgrades.
30.4.2 Werkzeuge zur Gestaltung von Kursumgebungen, Lernszenarien, Lernabläufen Anlegen einer Kursumgebung Anpassen von Gruppen und Rechten in der Kursumgebung
Typische Aufgaben von Kursadministratoren
520
Eine Kursumgebung wird z. B. von einem Plattformadministrator oder automatisch von einem plattformexternen Kursverwaltungssystem angelegt und beispielsweise per E-Mail an Lehrende bzw. an den Kursadministrator übergeben (s. Kap. 30.4.1.5). In manchen Systemen werden die Gruppen gleich bei diesem Anlegen der Kursumgebung mit benannt (Lernende, Schüler oder Studierende). In anderen Systemen besteht nach dem Anlegen die Möglichkeit der Umbenennung in der Gruppenverwaltung. In vielen Systemen kann man weitere Gruppen in der Kursumgebung anlegen, z. B. verschiedene Lerngruppen (s. Kap. 30.4.1.3). Wiederum andere Systeme gestatten für die Gestaltung von Gruppenarbeit das Anlegen von geschachtelten Räumen. Besitzt das System ein für Kursumgebungen anpassbares Rechtesystem, können vom Standard abweichende Wünsche zu den Rechten von Gruppen oder Rollen definiert werden (s. Kap. 30.4.1.4). Diese Aufgaben sind typisch für Kursadministratoren. In Hochschulen wird dies oft von studentischen Teilzeitmitarbeitern übernommen. Kursadministratoren betreuen
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Abb. 30.11: Beispiel für einen gestalteten Lernablauf in einer Kursumgebung
später auch Lehrende und Lernende bei technischen Fragen oder Problemen. Nach dieser „Konfiguration“ der Kursumgebung bieten einige Plattformen spezifische Werkzeuge für die Gestaltung von Lernabläufen, Kursabläufen, Lernsequenzen, Lernumgebungen und Ähnlichem. Dieser Ablauf kann z. B. in Form von Kursblöcken gestaltet sein, die sich wiederum aus Lernaktivitäten oder Lernschritten zusammensetzen. Einige Systeme erlauben auch die Gestaltung vernetzter Abläufe, wo anhand von erfüllten Bedingungen in den einen oder anderen Lernpfad verzweigt wird. Solche Lernpfade können durch Lehrende mittels Werkzeugen in der Kursumgebung arrangiert werden, wie in Abb. 30.12 dargestellt sind. Es können aber auch plattformexterne Autorenwerkzeuge verwendet werden, welche das Arrangieren von Lernaktivitäten erlauben und diese für die Plattform verarbeitbar speichern (z. B. LAMS – siehe www.lamsfoundation.org). Für die Gestaltung solcher Lernarrangements existiert der noch relativ junge E-Learning-Standard: „IMS Learning Design“, kurz LD (s. Kap. 32). Allerdings können Lernarrangements sehr unterschiedlich sein und nicht alle Kursarrangements sind planbare Abläufe. In einem projektorientierten Studium wird z. B. zu Beginn eines Kurses eine komplexe Projektaufgabe gestellt, ggf. wird begleitend Grundlagenwissen in Form von Lehrvorträgen, Skripten/Lernmaterialien oder Recherchehinweisen gegeben. Die Kursgruppen erhalten eine Lernumgebung, die eher eine Projektarbeitsumgebung ist, in der
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Plattformexterne Werkzeuge zum Gestalten von Lernszenarien
521
Abb. 30.12: Beispiel für ein Werkzeug zur Gestaltung eines Kursablaufs bzw. zum Arrangement von Lernaktivitäten
sie ihre Lern- und Arbeitsabläufe selbst gestalten. Diese Lernform ähnelt den Anforderungen im Arbeitsalltag am meisten und so starten Ausbildungsgänge u. U. mit stark geführten Lernszenarien und enden mit Kursen, welche die hier dargestellten Werkzeuge nicht benötigen. Entsprechend bieten einige Lernplattformen verschiedene Lernumgebungstypen an, welche geführtes, selbstbestimmtes oder kommunikationsorientiertes Lernen unterstützen.
30.4.3 Werkzeuge zum Lernen und Lehren: Lernplanung, Lernkoordination, Lerntagebücher, Fortschrittskontrolle, Feedback Werkzeuge für Lernplanung, Lerndokumentation und Lernsteuerung
522
Neben den oben beschriebenen Werkzeugen zur Gestaltung von Lernarrangements können zur Planung und Steuerung von Lernprozessen in Kursen verschiedene Werkzeuge genutzt werden, z. B. Lerntagebücher, Lernaufgaben, Lernstandsübersichten, Mindmaps oder Blogs. Solche Werkzeuge können zur Unterstützung selbstregulierten Lernens beitragen (s. Kap. 4).
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.4.3.1 Werkzeuge für Lernziele und Lerntagebuch Für die Definition von Zielen und die Dokumentation des eigenen Lernfortschritts können alle Werkzeuge genutzt werden, mit denen Einträge als Text, Bild, Audio oder Video aufgenommen bzw. eingegeben und dargestellt werden können. Mögliche Werkzeuge sind Lerntagebuch, Weblog, Audio- oder Video-Blog, Wiki, Journal, Pinnwand, kooperative Notizfunktionen u. v. m. Möchte man Lernziele strukturierter darstellen (beispielsweise Ziele je Themengebiet oder Über- und Unterziele), könnten Mindmap-Tools verwendet werden. Wenn Lernziele und -fortschritt als Fragebogen erfasst werden sollen, sind Fragebogen- bzw. Umfragewerkzeuge einsetzbar. Einige Plattformen besitzen ein spezielles Lerntagebuch-Werkzeug. Die Benennung und Funktionalität kann sehr unterschiedlich sein. Beispielsweise könnte jeder Lernende eine Tagebuchseite führen oder es wird je Ereignis und Teilnehmer ein Tagebucheintrag angelegt. Häufig sind Lerntagebücher umfragebasiert. Das heißt, Lehrende stellen eine Frage oder einen Fragenkomplex und fordern damit jeden Teilnehmer zu einem strukturierten Tagebucheintrag auf. Lernende beantworten diese Aufforderung. Die Einträge der Lernenden könnten dann von Lehrenden durchgesehen und bewertet werden. Die Fragen und Antworten können entweder als Text oder formatierter Text eingegeben werden. Einige Lerntagebücher funktionieren auch als kleines Fragebogensystem, wo Ja/Nein-, Auswahl- oder andere Antworttypen möglich sind.
Frage(bogen) Lernende
Lehrende
Antworten
Lerntagebücher
Abb. 30.13: Beispiel für die Funktionsweise eines Lerntagebuchs
Antw. Person A Antw. Person B ...
Feedback Antw. Person A Feedback A Antw. Person B Feedback B ... ...
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
523
Nutzung anderer Werkzeuge als Lerntagebuch
Ist kein Lerntagebuch auf der Plattform verfügbar, dann ist für diese Funktionalität auch ein Diskussionsforum nutzbar. Ebenso können Werkzeuge wie Pinnwand oder Online-Mitschriften und Wikis als Lerntagebuch genutzt werden.
30.4.3.2 Weblogs Was ist ein Weblog
Weblogs im Bildungsbereich
RSS-Newsfeeds/ RSS-Reader
Weblogs (aus dem Englischen von Web und Log, auch kurz Blog genannt) werden außerhalb des Bildungsbereiches als persönliche oder thematische öffentliche Tagebücher verwendet. Einträge des „Herausgebers“ werden chronologisch veröffentlicht und können von anderen Nutzern kommentiert und verlinkt werden. Im Bildungsbereich werden Blogs als Bildungsblog, EduBlog oder E-Learning-Blog bezeichnet. Lernende können sie zur Dokumentation ihrer Lernziele, Lernaktivitäten, Erfahrungen und ihres Lernfortschritts nutzen. Besucher des Blogs (also andere Lernende oder Lehrende) können Kommentare, Hinweise oder Meinungen hinzufügen. Blogs bieten durch RSS-Newsfeeds die Möglichkeit, die Leser auf dem Laufenden zu halten, ohne dass diese den Blog besuchen müssen. So könnten Lehrende die Blogs ihrer Teilnehmer abonnieren und erhalten auf ihren RSS-Reader umgehend neue Informationen.
Abb. 30.14: Beispiel für Funktion und Aufbau eines Weblogs: www.peter. baumgartner.name
524
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Da Blogs eigentlich eigenständige Online-Systeme sind, deren Einträge im Web öffentlich werden, ist deren Einsatz in Kursen mit den Teilnehmern abzustimmen. In einem Intranet installiert oder als lernplattforminterne Funktionalität integriert, könnte man die „Öffentlichkeit“ auf die Einrichtung oder auf den Kurs beschränken. Wahrscheinlich werden zukünftig solche persönlichen Werkzeuge, wie Blogs (oder auch persönliche Webseiten, Personen-Visitenkarten, private Räume), so in Lernportale integriert, dass die Nutzer Inhalte für bestimmte Kurse/Räume, Gruppen, Freunde oder die Weböffentlichkeit freigeben können. So könnten die Teilnehmer Blog-Seiten oder Bildergalerien je Kurs anlegen, in denen sie nur für diesen Kurs veröffentlichen. Blogs werden auch zum Wissensaustausch zwischen Fachleuten verwendet, z. B. wie nachfolgender Blog „Gedankensplitter“ von Peter Baumgartner. Für die Planung eines Kurses ist die Einschätzung der Lesemenge sehr wichtig. Mit Blogs würden je Thema und Teilnehmer ein oder mehrere Einträge entstehen, die dafür produziert werden, gelesen zu werden. Um den Workload für die Kursmitglieder realistisch zu gestalten, kann mit Gruppenarbeit und Veröffentlichungshierarchien gearbeitet werden. Einträge der Teilnehmer werden zunächst nur von den Teilnehmern der Lerngruppe gelesen und gegenseitig kommentiert. Die Gruppen verfassen daraus für die anderen Gruppen wenige zusammengefasste Beiträge, welche wiederum diskutiert und zusammengefasst werden können. Der Leseaufwand wird dadurch für die Teilnehmer und auch für die Lehrenden reduziert. Lehrende können zwar Teilnehmerbeiträge lesen, brauchen dies aber nur, wenn strittige Gruppen- oder Kurseinträge eine nähere Ursachenrecherche erfordern.
Blogs und Öffentlichkeit der Einträge
Blogs zum Austausch zwischen Fachleuten Lesemenge/Workload für Kursteilnehmer begrenzen
30.4.3.3 Übungen, Tests und Lernstandsübersichten Übungen und Tests können verschieden eingesetzt werden: • Vor dem Studium eines Kapitels oder eines Online-Lerninhalts bieten Fragen die Möglichkeit, Lernziele zu definieren oder Lernende zum Kapitelstudium zu motivieren.
Einsatz von Übungen und Tests
• Nach dem Studium eines Lerninhalts kann mit Kapitelfragen oder Übungen und Tests eine persönliche Verständniskontrolle angeboten werden. • Werden die Testergebnisse an Lehrende gesendet, erhalten diese dadurch Informationen über den Lernstand. Testergebnisse können in die Bewertung der Kursleistung eingehen oder nur als Information für Lehrende dienen. Weiterführende Informationen zum Design von Übungs- und Testaufgaben (Didaktik) können Kap. 21 entnommen werden. Die Fragebögen werden von den Lehrenden erstellt und in den Kursablauf eingefügt. Übungen und Tests können entweder online in der Lernumgebung oder offline mit E-Learning-Autorenwerkzeugen erstellt werden. Beispiele für typische Übungen, Tests und Autorenwerkzeuge finden Sie im Kap. 31. Für Übungen und Tests wurde der E-Learning-Standard „QTI – Question and Test Interoperability“ entwickelt (IMS QTI). Diesen Standard sollten die gewählten Autorenwerkzeuge unterstützen, wenn eine Wiederverwendung oder ein Export bzw. Import der Lerninhalte angestrebt wird (s. Kap. 32).
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Erstellung von Übungen und Tests
E-Learning-Standard QTI
525
Betreuungsaufwand: Automatisierungsmöglichkeiten
Rechtliche Aspekte
Funktionalität von Übungen und Tests auf Lernplattformen
Übungen und Tests sollen nicht nur Transparenz des Lernfortschrittes bieten, sondern sie können Lehrenden auch helfen, den Betreuungsaufwand zu reduzieren. Online-Tests bieten Lehrenden die Möglichkeit, automatisierbare Wissensstandskontrollen zu realisieren und die eingesparte Lehrzeit für persönliche Betreuung und nicht automatisierbare Lehraufgaben zu verwenden. Außerdem besteht in manchen Fällen die Möglichkeit, mehr Studierenden die Teilnahme an einem Kurs zu ermöglichen, als es mit klassischer Lehre möglich wäre. Sollen Online-Tests in Kursbewertungen eingehen, sollten im Vorfeld mögliche rechtliche Fragen mit dem Juristen der Bildungseinrichtung abgestimmt werden. Online-Prüfungen werden an einigen Bildungseinrichtungen in PC-Pools abgehalten, wo die Identität der Prüflinge kontrolliert, die Antworten ausgedruckt und von den Teilnehmern unterschrieben abgegeben werden können. Während die Auswertung elektronisch und zeitsparend erfolgt, dienen die unterschriebenen Abgaben als rechtliche Absicherung. Ein einmal erstellter Fragebogen sollte in mehreren Kursumgebungen wiederverwendet werden können. Deshalb werden Fragebögen z. B. im Lernmaterial-Repository oder in der Autorenumgebung zentral gespeichert. Anschließend können Lehrende einen Fragebogen in verschiedene Kursumgebungen einfügen, z. B. als Lernschritt oder Lernaktivität in einen Lernablauf, als Kursmaterial oder als Lernaufgabe. Die Lernplattform muss die Auswertungsfunktion (Testergebnisse der Teilnehmer) kursumgebungsspezifisch bereitstellen.
Abb. 30.15: Beispiel für einen Online-Test, (Quelle : Universität Erfurt, Dozent D. Horn 2006)
526
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Abb. 30.16: Beispiel für einen Überblick zu Fragebogenergebnissen eines Kurses
Abb. 30.17: Beispiel für die Auswertungsansicht zu einem Fragebogen
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
527
Alle zu dem Test zugelassenen Teilnehmer können den Fragebogen beantworten. Einige Systeme ermöglichen zusätzliche Funktionen, wie Zeitbegrenzungen und „Schütteln“ der Fragen und Antworten, um ein Abschreiben von Nachbarn zu vermeiden. Bei Selbsttests werden die Antworten nur den Testteilnehmern angezeigt und nicht oder nur für ihn/sie persönlich gespeichert. Bei Online-Prüfungen oder Tests werden die Testergebnisse auf dem Lernserver gespeichert und den Lehrenden zur Verfügung gestellt.
30.4.3.4 Lernstandsübersicht zu Lernmaterialien
Learner Tracking und SCORM-RuntimeEnvironment
Verlässlichkeit von Lernstandsübersichten
Einige Systeme zur Anzeige und Nutzung digitaler Lernmaterialien bieten ebenfalls Lernstandsübersichten an. Eine SCORM-Laufzeitumgebung (häufig Bestandteil einer Lernplattform zum Abspielen von „SCORM-Kursmaterialien“) kann die Aktivitäten der Nutzer verfolgen (ADL SCORM, 2004). Es wird gespeichert, welche Teilnehmer welche Kursmaterialseiten bereits besucht haben und wie lange eine Seite aufgeblendet war. Lehrenden wird eine Lernstandsübersicht mit diesen Informationen je Teilnehmer angezeigt. Bei vorhandenen Online-Tests sind diese entweder in dieser Übersicht enthalten oder separat verfügbar. Während für Übungen und Tests aktiv von Lernenden eingegebene Daten angezeigt werden, sind Lernstandsübersichten zu Kursmaterialien nicht sehr aussagekräftig. Diese können nicht anzeigen, welche Inhalte Lernende wirklich gelesen und verstanden haben. Es wird nur erfasst, dass Inhaltsseiten von Lernenden angeklickt und aufgeblendet waren. Einige Systeme bieten Lernenden je Seite eine „Verstanden-Funktion“ an, so dass die Aussagen über den Lernstand etwas verlässlicher sind:
Abb. 30.18: Beispiel für eine Lernstandsübersicht zu Kursmaterialien
528
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.4.3.5 Nutzungsübersichten von anderen Inhalten und Werkzeugen in Kursumgebungen und auf Lernplattformen Neben Lernmaterialien und Online-Tests gibt es noch Informationen (z. B. Pinnwandeinträge), Kommunikationsinhalte (z. B. Diskussionsforum, Chat) und Koordinationsinhalte (z. B. Kalendereinträge und Aufgaben). Oft möchten Ersteller des jeweiligen Eintrags, Lehrende oder alle Kursteilnehmer einsehen, wer oder wenigstens wie viele Teilnehmer den Eintrag schon gesehen bzw. aktiv wahrgenommen haben (Lesebestätigung). Andererseits lehnen manche Nutzer solche detaillierte Nachforschbarkeit zu ihren Aktivitäten auf einer Lernplattform ab. Natürlich benötigen Lehrende einen Ersatz für Informationen, welche sie in Präsenzveranstaltungen selbstverständlich erhalten (Aufmerksamkeit der Teilnehmer, verständnisvolle oder verständnislose Gesichter). Der Wunsch, die fehlende Präsenz der Teilnehmer durch Informationen über Online-Aktivitäten auszugleichen, steht dem Bedürfnis nach Schutz vor Überwachung gegenüber. Über Einsatz von Überwachungsfunktionen sollte in einer Kursgemeinschaft abgestimmt werden. Konfigurationsfunktionen der Kursumgebung sollten ein Abschalten ermöglichen. Werden Lernstandsinformationen für eine Kursveranstaltung zusammengefasst („Teilnehmer X hat 60% Lernfortschritt“), sind diese Informationen nur dann entsprechend genau,
Weitere Nutzungsübersichten/NutzerTracking
Notwendigkeit von Nutzungs-/Fortschrittsinformationen kontra Privatsphäre
Verlässlichkeit von Lernfortschrittsanzeigen
• wenn der geplante Zeitaufwand zum Durcharbeiten je Material und Eintrag erfasst wurde und in der Auswertung berücksichtigt wird und • wenn die Fortschrittsinformation durch aktives Feedback der Teilnehmer (z. B. Lesebestätigung) verlässlich ist. Meist werden weder Lernplanzeiten durchgängig und korrekt an den Einträgen oder Lerninhalten vermerkt noch wird eine Lesebestätigung eingeholt. Entsprechend ungenau können solche Anzeigen sein. Lernplattformen und Kursumgebungen können häufig auch erfassen, wer wann online ist oder war. Sehr viele Kursumgebungen bieten eine Funktion „wer ist online“ an, die mit einem lokalen Messenger-System verbunden ist. Einige Systeme zeigen den „Aktivitätsgrad“ für Kursumgebungen an, so dass Teilnehmer sehen können, in welchen ihrer Kursräume die anderen Teilnehmer sehr aktiv sind. Andere Systeme zeigen sogar an, was welcher Teilnehmer in letzter Zeit getan hat. Loginübersichten von Nutzern werden ggf. zum Schutz der Privatsphäre nicht für Kursteilnehmer und Lehrende sichtbar, sind aber für Plattformadministratoren eine wichtige Funktion, um z. B. bei Missbrauch recherchieren zu können. Übersichten zur Nutzung verschiedener Werkzeuge in einer Lernplattform sind für die Plattformadministratoren Voraussetzung, um Lastprobleme zu vermeiden, also rechtzeitig Serverressourcen bereitzustellen. Für eine E-Learning-Betreuung kann die Nutzungshäufigkeit und die Art der Nutzung ein Hinweis sein, ob geeignetere Werkzeuge benötigt werden (z. B. wenn in Kursen Forum oder Pinnwand als Ersatz für ein eigentlich benötigtes Lerntagebuch genutzt werden).
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Wer-ist-onlineFunktion und Messenger „Aktivitätsgrad“Anzeige für Kursumgebungen Nutzungsübersichten für Administratoren und E-LearningBetreuung
529
Abb. 30.19: Beispiel für eine Teilnehmer-Loginübersicht
Datensammlung über Personen als verantwortungsvolle Vereinbarung in der Einrichtung
Überwachung kann positiv und negativ genutzt werden. Bei der Einführung einer Lernplattform sollte der Grad und die Art der Überwachung, die durch das System ermöglicht wird, in der Bildungseinrichtung individuell abgestimmt werden. Zum Beispiel wären Gruppen wie Personalrat, Studierendenrat, Datenschutzbeauftragte oder Justitiar der Einrichtung einzubeziehen.
30.4.4 Werkzeuge zur kooperativen Recherche und zum Erstellen und Austauschen von Inhalten
Kooperationswerkzeuge für fortgeschrittene E-Learning-Szenarien
Online-Kurskooperation als Vorbereitung auf moderne Berufspraxis Einführung in ein Beispielkursszenario
In einfachen E-Learning-Szenarien werden lediglich Lerndokumente und Informationen seitens der Lehrenden bereitgestellt und von Lernenden abgerufen. In fortgeschritteneren Szenarien wird die Online-Kursumgebung für kooperative Arbeit in Lerngruppen genutzt. Eine Online-Kursumgebung kann auch begleitend für Präsenzgruppenarbeit genutzt werden, z. B. um Informationen, Ergebnisse und Dokumente zentral abzulegen und für Heimarbeit oder verhinderte Teilnehmer zum Nachschlagen zentral verfügbar zu haben. Kooperative Online-Arbeit ist in vielen Branchen zum selbstverständlichen Bestandteil des Arbeitslebens geworden. Daher werden auch für Präsenzausbildungen, die an sich keine Online-Kooperation erfordern, zunehmend Online-Kooperationswerkzeuge genutzt, um Teilnehmer auf eine moderne Berufspraxis vorzubereiten. Um neben den technischen Eigenschaften der Werkzeuge auch deren Einsatzmöglichkeiten in Lernszenarien zu beschreiben, soll ein fiktiver Gestaltungskurs als durchgehendes Beispiel dienen: • In einem Mediengestaltungskurs werden Kunstepochen und -richtungen analysiert. Studierende sollen neben der Recherche zu der ihnen zugewiesenen Kunstepoche oder -richtung zum Kursende eigene moderne Mediengestaltungsobjekte schaffen, die Elemente der studierten Epoche und die Kunstrichtung aufnehmen. • Phase 1: Die Lehrenden teilen den Kurs in zwei Gruppen, die zu einer Kunstperiode/-richtung Informationen und Beispiele sammeln und Essays schreiben.
530
30 Systeme für E-Learning und E-Work
• Phase 2: Im Austauschverfahren zwischen den Gruppen werden die Rechercheergebnisse und Essays von den Teilnehmern selbst geprüft und kommentiert. Dadurch beschäftigt sich jede Kursgruppe mit zwei Themen. Lehrende prüfen stichprobenhaft oder bei Anzeichen von Recherchefehlern. Lernende können in Chatsprechstunden oder in einem Forenbereich Hilfe von Lehrenden anfordern. • Phase 3: In der dritten Kursphase soll jedes Mitglied jeder Gruppe ein eigenes Medienobjekt gestalten, welches Elemente aus der recherchierten Epoche/Richtung aufnimmt und mit modernen Aspekten verknüpft. Zum geschaffenen Objekt ist eine Abhandlung zu verfassen. • Phase 4: Die Objekte werden von den Lerngruppen und den Lehrenden bewertet und kommentiert. Die 5 besten Objekte werden auf der öffentlichen Webseite der Kursveranstaltung vorgestellt.
30.4.4.1 Glossare, Nachschlagewerke, Literatur- und Weblink-Sammlungen In unserem Kursbeispiel recherchieren in der ersten Kursphase die Teilnehmer jeder Gruppe zu ihrem Gebiet. Sie sammeln Begriffe im Glossar, Persönlichkeiten (Künstler) und andere Informationen in Nachschlagewerken. Außerdem dokumentieren sie studierte Literatur in einer Literaturdatenbank und erfassen im Internet gefundene Informationen in einer Weblinksammlung zum Kurs.
Abb. 30.20: Beispiel für Nachschlagewerke und Literaturverzeichnisse
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
531
Abb. 30.21: Beispiel für Nachschlagewerk: Eingabe eines Glossarbegriffs
Es gibt unterschiedliche Nachschlagewerke. Sehr häufig werden Glossare, Literaturverzeichnisse und Weblink-Sammlungen verwendet. Aber es werden auch Informationen zu Persönlichkeiten, Organisationen (z. B. auf dem Gebiet aktive Firmen, Forschungseinrichtungen), Produkten, Projekten und Fachkongressen oder Veranstaltungen gesammelt. Je Fachgebiet können in spezifischen Nachschlagewerken (z. B. Werkstoffe oder Kunstobjekte-Datenbank) weitere Fachinformationen erfasst werden. In einigen Lernplattformen können individuelle Nachschlagewerke angelegt werden. Es werden die Informationen zur Beschreibung der Objekte in einer Formularstruktur abgebildet (s. Abb. 30.21) und anschließend werden die Objekte erfasst. In einer Autorenumgebung können die Einträge von Nachschlagewerken (z. B. Glossarbegriffe) beim Verfassen von Lernmaterialien verwendet und verlinkt werden (s. Autorenwerkzeuge in Kap. 31). In Kursumgebungen werden Nachschlagewerke beispielsweise zur kooperativen Recherche verwendet. Ähnlich wie in Wikipedia können die Teilnehmer selbst als Autoren
Abb. 30.22: Beispiel für eine Bookmark-/WeblinkSammlung
532
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Begriffe und Objekte oder Subjekte beschreiben. Nachschlagewerke unterscheiden sich zu Wikis durch deren feste Struktur: Ein Glossar hat z. B. Formularfelder, wie Begriff, Beschreibung, Abkürzung usw. Die Formulare einer Literatursammlung sind ähnlich wie Bibliothekskataloge strukturiert. Informationsquellen im Internet können kooperativ in Bookmark- oder WeblinkSammlungen verwaltet werden. Alternativ können sie auch in einem Literaturquellenverzeichnis (s. o.) erfasst werden. Weblink-Sammlungen werden eher zum schnellen informellen Austausch verwendet, während das Literaturverzeichnis Fachinformationsquellen verlinkt. Welche Informationsarten mit welchem Werkzeug gesammelt werden und wie die Inhalte einheitlich benannt und verschlagwortet werden, sollte die Kursgruppe zu Kursbeginn festgelegen.
30.4.4.2 Werkzeuge zum kooperativem Authoring, u. a. Wikis, Blogs, Mindmaps, Online-Textverarbeitung und -Tabellenkalkulation In unserem Kursbeispiel soll jede Gruppe gemeinsam ein Essay erstellen. In Chatsitzungen entwerfen sie die Struktur (das Inhaltsverzeichnis) unter Verwendung eines Mindmap-Werkzeuges. Welche Textpassagen des Essays von welchem Teilnehmer entworfen werden, wird ebenfalls festgelegt. Mindmaps eignen sich sehr gut für die Moderation und zum Entwurf. Eine Reihe von Lernplattformen verfügen allerdings nicht über synchrone Arbeitswerkzeuge. Das gleichzeitige Arbeiten an Inhalten und die schnelle Synchronisation zwischen den Teilnehmern einer Sitzung ist für Web-Client-Server-Anwendungen noch sehr aufwendig. Erste webbasierte Ajax-Lösungen existieren inzwischen. Für fehlende Werkzeuge gibt es meist einen „Workaround“. So kann z. B. in einem Chats Beschlossenes von einer Person in einem lokalen PC-Mindmap-Programm (z. B. Freemind oder Mindmanager) erfasst und in Abständen für alle auf die Lernplattform hochgeladen werden. Wird eine neue Version hochgeladen, müssen die Teilnehmer die Reload-Funktion ihres Browsers nutzen. Leider muss in manchen Fällen zusätzlich der Browser-Cache gelöscht werden, falls das Reload keine Aktualisierung bringt.
Mindmaps
In unserem Kursbeispiel waren für ein gemeinsames Essay Aufgaben zum Schreiben von Essay-Teilen an die Gruppenmitglieder verteilt worden. Die Teilnehmer benötigen dazu Werkzeuge, um Texte (ggf. mit Medien angereichert) zu erstellen. Später müssen die Essay-Teile zu einem Gesamtwerk zusammengefügt und abgegeben werden. Google Docs & Spreadsheets ist eine Client-Server-Lösung, mit der Teilnehmer synchron an Textdokumenten und Tabellen arbeiten können. Änderungen eines Teilnehmers werden (derzeit leider noch mit etwas Zeitverzug) für die anderen Teilnehmer sichtbar. Ähnliche Technologien werden sicher in den nächsten Jahren ihren Weg in viele Lernplattformen finden.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Online-Textverarbeitung und Tabellenkalkulation
533
Wikis und Online-Schreiben
Qualität der Integration von Werkzeugen (z. B. Wikis, Blogs) in eine Lernplattform Blogs
Offline-Autorenwerkzeuge
534
Nach einer Expertenbefragung auf der Learntec 2007, veröffentlicht vom Institut für Medien und Kompetenzforschung Essen, werden Wikis in den nächsten 3 Jahren eine große Bedeutung haben. Wikis sind trotz der zu erlernenden Syntax beliebt. Sie bieten Mehrwerte durch die leichte Verlinkbarkeit von Einträgen, fordern aber Einarbeitungsaufwand für die WikiSyntax (z. B. ist das Anlegen von Tabellen etwas umständlich). Auch das Hochladen und Verwalten von Medien ist etwas aufwendiger als bei WYSIWYG-Editoren. Als Hilfe wurden erste Tools entwickelt, z. B. kann OpenOffice 2.3 Wiki-Syntax speichern. Ist kein Wiki auf der Plattform vorhanden, können andere Plattformwerkzeuge, wie „Online-Schreiben“ oder Nachschlagewerke, genutzt werden. Diese sind oft mit WYSIWYG-Editoren ausgestattet. Inhalte sind so leichter als in Wiki-Syntax eingebbar. Sie bieten außerdem häufig strukturiertere Verschlagwortungs- und Suchmöglichkeiten an. Medien und Bilder werden komfortabler in Galerien verwaltet. Letztlich werden diese Technologien wahrscheinlich miteinander verschmelzen. Inzwischen bieten erste WYSIWYG-Editoren eine alternative Eingabe in Wiki-Syntax an. Einige Lernplattformen haben wegen des Runs auf Wikis ein Wiki-System integriert, aber dies nicht an das Rechtesystem der Plattform angeschlossen. Entweder wird dann für jeden Kurs ein eigenes Wiki-System auf dem Server installiert oder das Wiki ist kursübergreifend und daher für abgeschlossene Gruppenarbeit nicht komfortabel einsetzbar. Allgemein sollte die Qualität der Werkzeugintegration, insbesondere für Werkzeuge, mit denen langlebige Inhalte erstellt werden, geprüft werden. Ist ein dringend gewünschtes Werkzeug nicht im sonst favorisierten LMS enthalten, kann die Roadmap Auskunft geben, ob die Integration geplant ist. Blogs können nicht nur als persönliche Tagebücher verwendet werden, sondern eignen sich auch zur Gruppenkooperation. Sind auf einer Plattform kaum Recherche- oder Online-Schreibwerkzeuge vorhanden, kann ein entsprechend strukturierter Blog diese Funktionen ersetzen. Blogs besitzen für die Kurskooperation meist noch den Nachteil, dass die Einträge weböffentlich werden. Dies kann bei Teilnehmern Barrieren aufbauen. Bei der Integration von Blogs in Lernplattformen sollte eine Zugriffsbegrenzung auf die Gruppe der Kursmitglieder möglich sein, auch wenn dadurch der eigentliche ÖffentlichkeitsCharakter des Werkzeugs verloren geht. Offline-Autorenwerkzeuge bieten für Nutzer noch mehr Bedienkomfort als OnlineWerkzeuge. Auch sind die Bedienkompetenzen meist schon vorhanden. Werden Offline-Werkzeuge genutzt, so werden die entstehenden Dokumente über die Lernplattform ausgetauscht. Im Rahmen der Kursorganisation ist abzustimmen, welche Formate von allen Teilnehmern lesbar sind, also welche Software bei allen verfügbar ist. Einige Autorenwerkzeuge ermöglichen die Transformation des offline geschriebenen Inhalts in einen Online-Inhalt (z. B. in HTML, Flash), der von jedem Browser dargestellt werden kann. Dann müssen keine Dateiformate in der Kursgruppe abgestimmt werden. Leider kann es aber zu Problemen mit Umlauten, Leer- und Sonderzeichen kommen. So lässt z. B. MS Windows viele Zeichen zu, die nicht alle Serversysteme verarbeiten können. Einige Plattformen bieten beim Hochladen von (z. B. mit MS Word) erzeugten HTML-Inhalten die Säuberung von Sonderzeichen in Datei- und Verzeichnisnamen an. Andere Offline-Autorenwerkzeuge erzeugen XML, welches die Lernplattform lesen und weiterverarbeiten kann (s. Autorenwerkzeuge im Kap. 31).
30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.4.4.3 Dateiaustausch, Dateimanager, Repositorien Dokumentenaustausch wird z. B. benötigt, wenn mit Offline-Autorenwerkzeugen nicht vom Browser lesbare Formate für die Kursarbeit erzeugt werden. Oder die von Kursgruppen gesammelten Dokumente sollen strukturiert (Dateiordnern) in der OnlineKursumgebung abgelegt werden. In Entwicklungsprojekten (z. B. einem Softwareentwicklungskurs) werden erstellte Pläne und Entwicklungsergebnisse (z. B. Softwareprogramme oder -module) ausgetauscht. Nutzer sind an die Verwendung von Dateimanagern ihrer Betriebssysteme gewöhnt. Plattformhersteller versuchen daher, sich diesem Bedienkonzept anzunähern. Oft erlauben Dateimanager-Werkzeuge die Definition von Zugriffsrechten auf Ordner- oder sogar auf Dateiebene. Einige Systeme erlauben das Check-in/Check-out: Möchte ein Teilnehmer an einer Datei arbeiten, kann er diese auschecken und sie wird als „in Bearbeitung“ angezeigt. Dadurch werden andere Nutzer abgehalten, die gleiche Datei zeitgleich zu bearbeiten und damit Versionsunstimmigkeiten zu verursachen. Online-Dateisysteme erlauben teilweise den Zugriff auf ältere Versionen und Bearbeitungshistorien. Derzeit sind die meisten solcher Online-Dateiverwaltungen in der Bedienung etwas umständlicher als Offline-Dateimanager. Dies liegt daran, dass in einem Browser genutzte Anwendungen Beschränkungen unterliegen.
Online-Dateimanager
Abb. 30.23: Beispiel für einen Online-Dateimanager
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
535
Dateiaustausch über Anhänge an anderen Einträgen
Die Bedienung solcher Online-Dateimanager wird mit fortschreitenden OnlineTechnologien aber immer besser. „Klicken und Ziehen“ innerhalb des Browsers wird gerade und mit zunehmender Tendenz in Online-Systemen implementiert. Technische Grenzen: Durch diesen Mauskomfort wird WWW-Einsteigern suggeriert, man könnte mit der Maus auch eine Datei aus dem PC-Dateimanager in einen OnlineDateimanager ziehen oder umgekehrt. Dies ist natürlich nicht möglich, es sei denn, der Online-Dateimanager erhält die Erlaubnis, auf den PC des Nutzers zuzugreifen. Dies wäre z. B. ein aus dem Sandkasten rausgreifendes Applet (s. Kap. 29.4.1.2). Dateien werden auch als Anhänge von Einträgen ausgetauscht. Zum Beispiel bieten Werkzeuge, wie Pinnwand oder Diskussionsforum, das Anhängen von Dateien an die Kommunikationseinträge an. Wünschenswert ist dann, dass die dort hochgeladenen Dateien auch im persönlichen Dateimanager-Ordner des Nutzers gespeichert werden. In unserem Kursbeispiel entscheiden sich die Kursteilnehmer gegen den Einsatz des verfügbaren Dateimanagers: Dokumente und Informationen werden in der Literaturverwaltung und den anderen Nachschlagewerken gesammelt, an deren Einträge auch Dateien angehängt werden können. Lehrende stellen „offizielle“ Lerninhalte im Lernmaterialpool bereit. Im Rahmen der Gruppenarbeit entstehende Dokumente werden an die jeweilige Aufgabe angehängt. Um nicht zu diffuse Möglichkeiten der Dateiablage in der Kursumgebung zu haben, wird der Dateimanager des Kursraums abgeschaltet.
30.4.4.4 Bilder- und Mediengalerien Bildergalerien
Thumbnails und Dateiformatsbeschränkungen
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In Zeiten von Digitalkameras und Fotohandys entstehen in Präsenzveranstaltungen Bilder, z. B. von Teilnehmern, Gruppenarbeitssituationen, Tafelbilder oder Flipcharts. Bildungsanbieter werben inzwischen damit, dass die Fotoprotokolle innerhalb weniger Stunden nach Ende der Präsenzphase online verfügbar sind. Hierfür werden u. a. Bildergalerien der Lernplattformen genutzt. Wird dieser Service nicht vom Bildungsanbieter oder von Lehrenden angeboten, könnte in einer Kursgruppe je Präsenztag ein Teilnehmer zum Fotoprotokollant bestimmt werden. In Einträgen, z. B. von Pinnwänden, können ebenfalls Bilder eingefügt werden. Damit Teilnehmer einmal für einen Eintrag hochgeladene Bilder für spätere Einträge wiederverwenden können, werden diese oft auch in den Bildergalerien der Plattform abgelegt. Um eine schnelle Anzeige von Bildergalerien zu erlauben, haben Galerien eine Thumbnail-Funktion, mit der große Bilder verkleinert dargestellt werden. Beim Hochladen eines großen Bildes (in hoher Auflösung) wird auf dem Server automatisch ein verkleinertes Bild erstellt. Diese Funktion ist ggf. nicht für alle Bilddateiformate möglich. Daher gibt es Galerien, die nur bestimmte Dateiformate erlauben. Verbreitet sind das JPG- und das GIF-Format. Bildergalerien sollten beim Hochladen die Eingabe von Textbeschreibungen, Kategorien oder Schlagwörter erlauben. Diese Zusatzangaben sollten in einer Suchfunktion das Wiederfinden eines Bildes erleichtern.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Abb. 30.24: Beispiel für eine Bildergalerie
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
537
In unserem Kursbeispiel wird die Bildergalerie nur für die Fotoprotokolle der Präsenzveranstaltungen genutzt. Anfänglich wurde erwogen, ob die von den Teilnehmern zu gestaltenden Kunstobjekte in der Bildergalerie ausgestellt werden sollten. Gewählt wurde dann aber das Werkzeug „Online Schreiben“, weil hier in dem WYSIWYG-Editor nicht nur mehrere Abbildungen, sondern auch die Beschreibung auf einen Blick dargestellt werden können. Andere Medien und Galerien
Alle im Internet-Browser abspielbaren Formate sind üblicherweise auf Lernplattformen austauschbar. Zu erwarten ist, dass Lernplattformen für jeden weiteren Medientyp eine Galerie oder ein Werkzeug anbieten, also Videogalerie, Animationen/ Simulationen, Audioblog/Podcast usw. Gegebenenfalls werden diese langfristig zu allgemeineren Mediengalerien ausgebaut und je Medientyp stehen Spezialfunktionen zur Verfügung. In E-Autorenumgebungen werden bereits Medien-Repositorien eingesetzt. Diese unterscheiden sich von einfacheren Galerien durch die detailliertere Erfassung von Metadaten und durch weitere Zusatzfunktionen.
30.4.4.5 Gestaltung von Kurswebseiten Kurswebseiten
Durch die Gestaltung eines öffentlichen Werkes, z. B. einer Webseite mit den Ergebnissen des Kurses, kann die Lern- und Arbeitsmotivation gefördert werden. In unserem Kursbeispiel werden gemeinsame Essays erstellt. Anschließend sollte jeder Teilnehmer ein eigenes Kunstobjekt gestalten. Die besten Objekte und auch die Essays könnten auf einer öffentlichen Kurswebseite ausgestellt werden. Einige Lernplattformen bieten an, die nur für Teilnehmer zugänglichen Kursumgebungen um eine öffentliche Webseite zu ergänzen. Auf dieser Webseite kann • der Kurs beschrieben und ggf. beworben werden. • Es kann eine Einschreibe- und Zahlfunktion für den Kurs angeboten werden. • In der zugriffsgeschützten Kursumgebung entstandene Inhalte könnten durch die Kursleitung oder durch Redakteure auf der Webseite veröffentlicht werden (News, Kursergebnisse, Schnupper-Lerninhalte, usw.).
Rechte für Webseitenveröffentlichung
538
Die Möglichkeit, Webseiten für Kursumgebungen anzulegen, ist besonders für Weiterbildungsanbieter attraktiv, da diese so den Kurs bewerben und die Kursinhalte, Referenten, Lehrgangsräumlichkeiten u. v. m. darstellen können. Bietet eine Lernplattform gestaltbare öffentliche Webseiten, dann stehen hierfür Bearbeitungsfunktionen zur Verfügung. Mit diesen können z. B. Menüpunkte der Webseite und meist mit WYSIWYG-Editoren die Inhalte jeder Seite bearbeitet werden. Besteht die Möglichkeit, in der zugriffsgeschützten Kursumgebung entstandene Inhalte auf der Webseite zu veröffentlichen, sind entsprechende Redaktions- oder Veröffentlichungsfunktionen vorhanden.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Abb. 30.25: Zugriffsgeschützter Kursraum mit einer öffentlichen Webseite
Abb. 30.26: Pinnwand einer Kursumgebung mit Veröffentlichungsfunktion für die externe Webseite
Je nach Rechteverwaltungssystem der Plattform dürfen entweder bestimmte Rollen (z. B. Lehrende oder Kursadministratoren) die öffentlichen Webseiten bearbeiten oder es besteht die Möglichkeit, Veröffentlichungsrechte an Gruppen oder Teilnehmer zu vergeben. Plattformen, welche zwar keine gestaltbaren Webseiten für Kursumgebungen anbieten, haben i. d. R. zumindest eine Kursseite, welche die Kursbeschreibung enthält. Dort ist oft auch die Loginfunktion für den Kurs untergebracht. Studierende suchen häufig Informationen zu den Lehrveranstaltungen auf den Homepages der Professuren oder Fachbereiche. Daher ist es günstig, von diesen Webseiten die aktuellen Kurswebseiten oder Kursinfoseiten zu verlinken.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
539
30.4.4.6 Kooperatives Arbeiten mit Inhalten – Markierungsund Kommentierungsfunktionen Zu Lerninhalten entstehen in Lerngruppen häufig Fragen und Verständnisprobleme oder Diskussionen. Erstellen Lerngruppen selbst kooperativ Inhalte, so werden Zwischenstände und Teilergebnisse auch diskutiert. Abb. 30.27: Markierung und Kommentierung im Lernmaterialtext
Markierung und Kommentierung direkt in Lerninhalten Anfügen von Kommentaren und Diskussionen an Einträge/ Lerndokumente
Zum Markieren und Kommentieren von HTML-Lerninhalten gibt es Werkzeuge. Benutzer können mit diesen Textpassagen im Browser markieren (z. B. farblich) und dazu Notizen verfassen. Diese Hervorhebungen und Kommentare können entweder privat oder öffentlich sein. Häufiger als diese Werkzeuge, welche direkt im Text angewendet werden, sind Funktionen, mit denen Kommentierungen und Diskussionen an einen Plattformeintrag angefügt werden können:
Abb. 30.28: Kommentierung, Diskussionen und Verlinkung an Lernmaterial-Einträgen in der Kursumgebung
540
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Sind solchen Annotationswerkzeuge auf der Plattform nicht vorhanden, können diese Funktionen in einem Wiki oder durch einen WYSIWYG-Editor ersetzt werden: Abb. 30.29: Kooperative Nutzung eines LerninhalteWikis für Annotationen
Lerngruppen wird das Recht für die Bearbeitung der Lerninhalte im Wiki oder Editor gestattet und es werden Kommentierungsformatierungen und -konventionen vereinbart.
30.4.5 Werkzeuge zur Koordination – Organisation von Lernund Gruppenarbeit Zur Organisation von individueller oder kooperativer Arbeit können Koordinationswerkzeuge eingesetzt werden. In Lernumgebungen am häufigsten anzutreffen sind Werkzeuge zur Gruppenbildung und -organisation, Aufgabenverwaltung, Kalender, Umfragen bzw. Abstimmungen und Protokolle.
30.4.5.1 Werkzeuge zur Gruppenbildung Die Online-Kommunikation in Kursen kann wesentlich aufwendiger sein als die Kommunikation in Präsenzveranstaltungen. Kommunikationsinhalte werden in Textform eingegeben oder als Audio/Video aufgenommen. Es fehlen Kommunikationskanäle, so dass Inhalte häufig vorsichtiger und ausführlicher formuliert werden. Die Bildung von sich selbst organisierenden Lerngruppen ist eine Möglichkeit, den Arbeitsaufwand aller Beteiligten in Online-Kursen zu reduzieren. Zum Beispiel können sich zu Kursbeginn Gruppen zusammenfinden und einen Gruppensprecher bestimmen. Im Lernprozess kommunizieren die Teilnehmer primär gruppenintern und über den Gruppensprecher mit Lehrenden und anderen Gruppen.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
541
Abb. 30.30: Beispiel für eine Einschreibefunktion in Veranstaltungsgruppen innerhalb einer Kursumgebung
Werkzeuge zur Gruppenkoordination in Lernräumen
Um solche Gruppenbildungs- und Gruppenarbeitsprozesse zu unterstützen, bieten einige Lernplattformen Werkzeuge an: In einer Kursumgebung können Gruppen angelegt werden. Entweder schreiben sich Kursteilnehmer in diese ein oder sie werden von Lehrenden zugeordnet. In einigen Plattformen können in Kursumgebungen statt solcher Gruppenfunktionen auch Unterräume, Unterveranstaltungen, Projekte oder ähnliche Kursunterstrukturen angelegt werden, welche prinzipiell ähnliche Funktionalitäten ermöglichen. Den Gruppen in Kursumgebungen stehen ggf. Werkzeuge zur Verfügung, um sich selbst (Gruppenname, Beschreibung, Mitglieder, Aufgaben) und ihren Arbeitsstand darzustellen. Meist werden Gruppen so mit dem Plattform-Rechtesystem verbunden, dass ein Eintrag (z. B. ein Kalendereintrag oder Lernmaterial) für eine bestimmte Gruppe freigegeben oder Kommunikationsinhalte an eine bestimmte Gruppe gesendet werden können. In unserem Kursbeispiel haben sich die Teilnehmer nach der Startinformationsveranstaltung zu Gruppen zusammengefunden. Die Gruppen und zugeordnete Bearbeitungsthemen waren von den Lehrenden angelegt worden und eine Einschreibefunktion ermöglichte den Teilnehmern den „Beitritt“. Anschließend wurden in einem von Lehrenden moderierten Chat die Gruppensprecher gewählt. Später haben die Gruppensprecher die Zusammenarbeit koordiniert und moderiert.
30.4.5.2 Kalender Persönliche Kalender
Kalender in Kursumgebungen
542
Beim Einsatz von Kalendern in Kursumgebungen ist zu berücksichtigen, dass Kurstermine für eine Person nur einen Teil der Termine aus dem gesamten Lern-, Arbeits- und Privatleben darstellen. Außerhalb der Kursumgebung haben Nutzer den Wunsch, eine Gesamtübersicht ihrer Termine aus allen Lebensbereichen zur Verfügung zu haben. Daher ist ein Terminaustausch zwischen verschiedenen Kalendersystemen notwendig (s. Kap. 33.1.7). In einer Kursumgebung werden Termin- oder Kalenderfunktionen für die Bekanntgabe oder für die Abstimmung von Kurs- und Gruppenterminen benötigt. Am häufigsten werden einfache Kursterminlisten seitens der Lehrenden bereitgestellt, da die Bedienung von Kalendern meist spezifische Bedienabläufe und -funktionen erfordern, die von Einsteigern erlernt werden müssten.
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Abb. 30.31: Beispiel für einen Kurskalender
Der Einsatz von Kalenderwerkzeugen ist dann sinnvoll, wenn keine Bedienprobleme zu erwarten sind und wenn die Mehrwerte von Kalenderfunktionen genutzt werden können, z. B.: • Automatische Information (z. B. über E-Mail oder SMS) über neu eingetragene oder sich ändernde Termine • Einlade- und Bestätigungsfunktion für Gruppen und Teilnehmer • Speicherung von Terminen im Kalenderformat sowie Ex- und Importierbarkeit zum Abgleich mit anderen (z. B. persönlichen) Kalendern • Suchfunktionen zum Finden von Terminen. Einige Plattformen bieten alternativ einfachere Terminlisten an, welche in der Bedienung anderen Werkzeugen (z. B. der Pinnwand) ähneln. Hier werden Termine in ein Online-Formular eingegeben und in einer Terminliste gespeichert. Diese Liste kann sortiert angezeigt und durchsucht werden.
Alternativen zu Kalendern
In unserem Kursbeispiel konnten die Gruppen individuell entscheiden, ob sie einen Kalender für die Gruppenkoordination nutzen wollten. Für die Gruppen, welche keinen Kalender wünschten, wurde dieser im Kursrechte-Verwaltungssystem abgeschaltet.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
543
30.4.5.3 Aufgabenverwaltung und Feedback auf Kursleistungen
Aufgabenverwaltung für Lern- und Gruppenarbeit
Aufgaben können in Online-Plattformen unterschiedlich benannt sein: Aufgaben, Lernaufgaben, Arbeitspaket, (Aufforderung zu einer) Lernaktivität usw. Unterschiedlich sind auch die Rechte (wer darf Aufgaben stellen) und die Komplexität des Werkzeuges implementiert. So werden in einigen Plattformen Aufgaben lediglich für die Aufforderung zu Lernaktivitäten genutzt. In fortgeschrittenen Lernszenarien können sie für selbstbestimmte Koordination der Lerngruppenarbeit eingesetzt werden. Mit Aufgaben kann z. B. zu folgenden Lern- oder Gruppenarbeitsaktivitäten aufgefordert werden: • Selbststudium eines Lernmaterials • Abgabe einer Kursarbeit • Aufforderung zu einer Gruppendiskussion oder -leistung
Abb. 30.32: Aufgabe mit Abgabefunktion (s. rechts) sowie verlinkte Werkzeuge/Einträge zur Aufgabenkoordination
544
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Aufgaben sind oft mit anderen Werkzeugen oder Einträgen verknüpft, die zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe dienen, z. B. einer Dateihochladefunktion für die Abgabe einer Kursarbeit oder einem Forum zur Gruppendiskussion (s. Abb. 30.32). In unserem Kursbeispiel wurden Aufgaben von Lehrenden an die Gruppen gestellt. Die Gruppen konnten die Aufgabenverwaltung für die Gruppenkoordination nutzen. Die Gesamtaufgabe, ein gemeinsames Essay zu erstellen, wurde in Teilaufgaben geteilt und Gruppenmitgliedern zugewiesen. Einige Lernplattformen bieten Feedback- oder Bewertungsfunktionen für Aufgaben an. Mit diesen können Lehrende die Kursleistungen kommentieren oder bewerten. Dies kann entweder als Feedback für Lernende offengelegt werden oder nur für Lehrende eine Sammlung von Kursleistungsbewertungen sein, welche am Ende zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst werden.
Feedback und Leistungsbewertung
Abb. 30.33: Beispiel für Leistungsbewertung/OnlineKlassenbuch (Eingabeformular)
Abb. 30.34: Listenansicht einer Leistungsbewertung bzw. eines OnlineKlassenbuch mit Excel-/CSV-Export aus Sicht von Lehrenden
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
545
Es besteht die Möglichkeit, einzelne Leistungsbewertungen online weiterzubearbeiten oder sie können exportiert und offline weiterbearbeitet werden (z. B. mit Tabellenkalkulation).
30.4.5.4 Projektmanagement
Groupware-/ ProjektmanagementPlattformen
In projektorientierten Lernszenarien können Aufgaben in ein Projektablauf- und Terminmanagement integriert sein. Da diese Projektmanagementfunktionen von wenigen Lernplattformen angeboten werden, können für solch fortgeschrittene Szenarien auch Online-Projektmanagementsysteme genutzt werden (z. B. PHProjekt). Diese Systeme sind eigenständige Projektarbeitsumgebungen und enthalten neben Aufgaben-, Termin- und Ablaufverwaltung häufig auch Kalender-, Zeiterfassungs- und Kommunikationswerkzeuge. Daher ist es sinnvoll, für einen Kurs entweder einen virtuellen Lernraum oder eine solche Groupware-Plattform zu nutzen.
30.4.5.5 Gesprächsnotizen/Protokolle Von Teilnehmern erstellte Mitschriften
Automatisch erstellte Protokolle
Einer der Gründe, warum virtuelle Kursumgebungen auch für Präsenzkurse genutzt werden, ist, dass alle Informationen und Dokumente zentral zum Nachschlagen verfügbar sind. Um auch den Inhalt von Präsenztreffen festzuhalten, können von einem der Teilnehmer Gesprächsnotizen oder Protokolle mitgeschrieben und online gestellt werden. Diese können mit Dateiaustauschwerkzeugen verwaltet werden oder (wenn verfügbar) mit speziellen Notiz- und Protokollfunktionen der Plattform. Diese erfassen i. d. R. die Metadaten, welche ein schnelles Auffinden ermöglichen (Titel, Datum, Protokollant usw.). Wird online kommuniziert, dann sind die Inhalte in aller Regel auf der Lernplattform gespeichert. Foreninhalte bleiben üblicherweise erhalten und Chatwerkzeuge bieten häufig Protokollierungsfunktionen an. In unserem Kursbeispiel werden die wichtigsten Inhalte von Audio- und Videounterhaltungen parallel in einem Chatfenster mitprotokolliert. Auch in Präsenztreffen wird ein Protokollant bestimmt, der Zusammenfassungen und Beschlüsse mitschreibt. Beide Mitschriftarten werden in der Kursumgebung mit einem Werkzeug „Gesprächsmitschriften“ abgelegt.
30.4.6 Werkzeuge zur Kommunikation und Informationsverteilung Typische Lernplattform-Kommunikationswerkzeuge sind Chat, Diskussionsforum, Mailverteiler, News und Pinnwand. Einige Plattformen verfügen außerdem über ein Messenger-System. Bei der Auswahl von Kommunikationswerkzeugen für ein Kursszenario können folgende grundsätzliche Fragen helfen:
546
30 Systeme für E-Learning und E-Work
• Wird synchrone (gleichzeitige) Kommunikation benötigt (z. B. Chat) oder genügen asynchrone Abstimmung (z. B. Diskussionsforum)? • In welcher medialer Form soll kommuniziert werden: Text, Audio, Video? Wird beispielsweise synchron an einem gemeinsamen Text gearbeitet, sollte eine Textkommunikation parallel zum gemeinschaftlichen Lesen und Ändern eines zu bearbeitenden Textes vermieden werden – hier würde sich Audiokommunikation besser eignen. • Technische Ausstattung: Die Anforderungen für synchrone Audio- und Videokommunikation sind am höchsten. In der Regel müssen Teilnehmer dazu auf ihrem PC ein System installieren und könnten mit technischen Problemen konfrontiert werden. • Wie hoch ist das Informationsaufkommen (wie viel muss kommuniziert werden) und durch welche Werkzeuge und Kommunikationsorganisation lässt sich eine Informationsüberlastung verhindern. Grundsätzlich sollten in einer Kursumgebung nicht zu viele Werkzeuge für den gleichen Zweck – hier Kommunikation und Information – angeboten werden. Beispielsweise könnte ein Chat als synchrones und ein Forum als asynchrones Werkzeug gewählt werden. Wenn die Gefahr besteht, dass wichtige Kursinformationen in einem intensiv genutzten Diskussionsforum untergehen, könnte noch eine News-, Newsletter- oder Gruppenmail-Funktion ergänzt werden. Wie auch in jedem Präsenzkurs sind explizit oder implizit Regeln für die Kommunikation festzulegen. Während es heute in Online-Umgebungen oft üblich ist, „quick & dirty“ und kurz zu schreiben, um möglichst viele Inhalte effizient zu vermitteln, legen manche Nutzergruppen viel Wert auf korrekte Schreibweise und elegante, ausführliche Formulierung. Dies ist eine Frage der Kurskultur und sollte individuell vereinbart werden.
Kommunikationsregeln und Netiquette
30.4.6.1 Pinnwand, Newsletter, E-Mail & E-Mail-Verteiler Pinnwände, Newsletter und E-Mail-Verteiler überschneiden sich funktional teilweise. Newsletter werden normalerweise als E-Mail versendet. Der Autor gibt den Inhalt des Newsletters auf der Lernplattform ein und wählt die Gruppen oder die Nutzer aus, welche diesen Newsletter erhalten sollen. Newsletter-Werkzeuge bieten Nutzern i. d. R. die Möglichkeit, einen Newsletter (zu einem Thema, einem Gebiet) zu abonnieren und wieder abzubestellen. Bei vielen Newslettern können die Einträge online nachgelesen werden. Auch Einträge auf einer Pinnwand werden vom jeweiligen Autor online eingegeben, aber primär online gelesen. Da Plattformen teilweise mit E-Mail-Abosystemen ausgestattet sind, könnten Nutzer automatisch via E-Mail über neue Pinnwandeinträge informiert werden. In dem Fall unterscheiden sich Pinnwände funktional kaum von Newslettern. Manche Pinnwände haben Zusatzfunktionen, wie das Anhängen von Dateien, Links auf andere Einträge und Umfragen.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
News(letter)
Pinnwand
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Abb. 30.35: Beispiel für einen Pinnwandeintrag
Gruppen-Mailfunktion
(Gruppen-) Mailverteiler
Integriertes komplettes Online-Mailsystem
Einige Lernplattformen besitzen Gruppen-Mailfunktionen. Entweder erlauben diese die Online-Eingabe der E-Mail. Dann unterscheiden sich diese Werkzeuge funktional auch wenig von den beiden vorangegangenen. Oder sie liefern dem Autor lediglich die E-Mail-Adressdaten, z. B. indem sich nach Klick auf ein Gruppenadresslink das lokale E-Mail-Programm öffnet und die Adressaten schon in der E-Mail eingetragen sind. Eine andere Möglichkeit ist die Bereitstellung einer Gruppen-E-Mail-Adresse (
[email protected]). Auf der Plattform können die Mitglieder des Verteilers gepflegt werden. E-Mails, die an diese Adresse adressiert sind, werden dann automatisch an alle Mitglieder verteilt. Einige Lernplattformen haben ganze E-Mailsysteme integriert, in denen jeder Nutzer die üblichen Online-Mail-Systemfunktionen hat (Posteingangsordner, Ausgangsordner, Spamschutz, Abwesenheitsinfo). In unserem Kursbeispiel entscheiden sich die Teilnehmer gegen die Nutzung von E-Mail-Verteilern, da so gesendete Informationen nicht zentral in der Kursumgebung abgelegt sind und nachgeschlagen werden können. Für wichtige Kursinformationen wird die Pinnwand-/Newsfunktion genutzt. Hier online gestellte Informationen werden zentral in der Kursumgebung gespeichert, aber auf individuellen Wunsch trotzdem via E-Mail versendet. Nutzer, welche in ihrem E-Mail-System eine SMS-Funktion angeschaltet haben, erhalten die Information zusätzlich auf ihr Handy.
30.4.6.2 Diskussionsforen Diskussionsforen – Themen, Beiträge, Antworten
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Foren dienen der asynchronen Kommunikation. Auf einem Board (eine Art schwarzes Brett) können Themen eingerichtet werden. Teilnehmer können zu Themen Beiträge schreiben, auf die Antworten folgen können.
30 Systeme für E-Learning und E-Work
Es gibt Diskussionsforen mit einer Blockstruktur (wie unten im Bild) und Foren mit einer Baumstruktur. Bei Baumstrukturen kann man durch immer weiter nach rechts eingerückte Beiträge besser übersehen, welche Beiträge auf welche vorangegangenen Beiträge folgen. Foren mit Blockstrukturen wirken dafür aufgeräumter und thematisch übersichtlicher − Beiträge auf Beiträge werden hier durch Zitierung organisiert. Foren eignen sich durch die thematisch sortierten Beiträge, deren Kommentierbarkeit und Antwortmöglichkeiten sehr gut für die Strukturierung einer asynchronen Kommunikation. Mit Foren und Chats können eine Reihe von Präsenzgruppenübungen online umgesetzt werden, z. B. Auftauübungen für startende Kursgruppen oder Kreativitätsübungen vor produktiven Phasen. Da Foren für asynchrone Kommunikation entwickelt wurden und Teilnehmer relativ viel Zeit für das Verfassen ihrer Beiträge haben, eignen sie sich weniger für Spontanität fordernde Kursaktivitäten.
Einsatz von Diskussionsforen
Abb. 30.36: Beispiel Forenübersicht eines Kursraumes
In unserem Kursbeispiel finden Gruppenarbeiten und Konsultationen im Chat statt, während für Fragen zum Lernstoff das Diskussionsforum genutzt wird. Die Lehrenden haben sich verpflichtet, täglich ab 18 Uhr einige Minuten offene Fragen vom Vortag zu beantworten. Die Lerngruppen sind angehalten, bis 18 Uhr Fragen anderer Teilnehmer selbst zu beantworten. Aktive Forenteilnahme wurde als Teil der Kursleistung definiert.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
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Lerngruppen nutzen das Forum im Rahmen der Recherche zu ihrer Kunstepoche. Die in den Nachschlagewerken erfassten Einträge (Literaturverweise, Persönlichkeiten, Begriffe usw.) wurden mit Diskussionsforensträngen verlinkt, um diese Einträge zu diskutieren. Diese Forenbereiche werden von den Gruppensprechern moderiert. Lehrende werden nur auf Einladung der Gruppensprecher aktiv, wenn inhaltliche Fragen in der Gruppe nicht geklärt werden konnten. Ansonsten wird das Ergebnis dieser Gruppendiskussion und der Recherche in den Gruppen-Essays zusammengefasst, welche in die Kursbewertung eingehen. Diskussions- bzw. Kommunikationsorientierte Lernszenarien Forum als Dokumentenverwaltung
Kursorganisation über ein Forum
Moderation
In einigen Kursszenarien werden Foren auch als zentrales Kursorganisationsmedium genutzt. In solchen diskussionsorientierten Lernszenarien gelangt man beim Betreten der Kursumgebung sofort in die Forumsübersicht. Alles im Kurs wird im Forum angekündigt, kommentiert und diskutiert. Das Forum hat also sowohl die Funktion „Was ist neu“ als auch die sonst übliche Kommunikationsfunktion. An Forenbeiträge können Dokumente angehängt werden. Daher werden Foren teilweise auch als Dokumentenverwaltung genutzt. Dies ist im Sinne der systematischen Wiederverwendung einmal hochgeladener Dokumente nicht ideal. Da man aber in Kursumgebungen die Teilnehmer mit möglichst wenig Werkzeugen belasten möchte, ist dies für Einsteiger eine durchaus praktische Doppelnutzung. Foren in Kursräumen haben oft einen Themenbereich Kursorganisation. Es werden also nicht nur Inhalte zum Lernstoff, sondern auch organisatorische Fragen geklärt. Fragen die häufig in Chats oder Präsenzkommunikation auftauchen und deren Antworten werden z. B. in FAQ-Themenbereichen des Forums abgelegt. Die meisten Foren erlauben Moderationsfunktionen. Moderatoren haben die Möglichkeit, unangemessene Beiträge zu entfernen und Teilnehmer von der Kommunikation auszuschließen. Da in Lernszenarien die Verfasser selten anonym sind, treten diese Probleme sehr selten auf. Eine häufigere Aufgabe eines Moderators ist das Umsortieren von falsch platzierten Kommunikationsbeiträgen und das Lenken der Kommunikation.
30.4.6.3 Blogs, Podcasts, Videoblogs Weblogs/Blogs
Audioblogs/ Audiopodcasting
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Blogs wurden bereits im Kap. 30.4.3.2 vorgestellt. Blogs werden in einigen Kursen anstelle von Lernplattformen eingesetzt und bieten Nutzern das thematische chronologische Veröffentlichen von Informationen und Kommunikationsbeiträgen. Weiterführende praxisrelevante Informationen können bei Sauer (2006) und bei Rubens (2006) nachgelesen werden. Audioblogs hingegen werden zur Verbreitung von Audio-Lerninhalten genutzt. Innerhalb von Lernplattformen können aber auch Kommunikationsbeiträge übermittelt werden. Audioblogs können als Ergänzung für textbasierte Diskussionsforen im Sprachunterricht sehr wertvoll sein. Allerdings fordert es von einigen Menschen sehr viel Überwindung, eigene Beiträge als Audio/Video aufzunehmen. Dies kann Kommunikationsbarrieren verursachen. Die Audiobeiträge werden in einem Audioformat (MP3) hochgeladen und mit einem Titel und einer Beschreibung abgespeichert. Nutzer können die Audiodatei herunterladen. Die Systeme bieten einen RSS-Newsfeed (s. u.), um die Hörer über neue Beiträge zu informieren.
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Abb. 30.37: Beispiel für ein Podcast-Werkzeug in einer Lernplattform
Spätestens seit YouTube und MyVideo sind online bereitgestellte Videoclips allgemein bekannt. In Lernplattformen können Medien (auch Videos) seit langem ausgetauscht werden. Als asynchrone Kommunikationswerkzeuge innerhalb von Lernplattformen haben sich Videoclips noch nicht durchgesetzt. Bisher werden Videos primär zur Vermittlung von Lern-/Wissensinhalten genutzt. Zu erwarten ist allerdings, dass sich mit einfacher werdender Aufnahme- und Schnitttechnik und nach wenigen E-Learner-Generationswechseln Videoclipbeiträge genauso durchsetzen wie Audioblogs bzw. Podcasts.
Videoblogs/-galerien
30.4.6.4 Chat und Messenger Als erste und häufigste synchrone Kommunikationswerkzeuge in Lernumgebungen sind Chat und Messenger zu nennen. Messenger-Funktionalitäten erlauben Lernenden zu sehen, wer gerade online und wer in der gleichen Kursumgebung ist. Diesen Personen kann dann eine Sofortnachricht, eine Message, gesendet werden, welche auf der anderen Seite (fast) sofort ange-
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Messenger
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Lokal installierte Messenger
Klassische Online-Chats
zeigt wird und beantwortet werden kann. Dies ist vergleichbar mit einem E-Mail-PingPong, wobei die Nachrichten sehr zeitnah, fast sofort übermittelt werden. Man hat aber auch die Möglichkeit, mit anderen Online-Teilnehmern eine Chatsession zu eröffnen, also in einem Chatfenster zu kommunizieren. Online-Messenger-Systeme können den Status von Benutzern nur mit Einschränkungen aktuell anzeigen. Es kann z. B. nicht überprüft werden, ob ein Nutzer wirklich noch online ist oder sich nur nicht ordnungsgemäß abgemeldet hat. Online-Systeme können lediglich feststellen, ob Nutzer noch Daten vom Server abrufen – daraus schließen sie den Onlinestatus. Ist ein Messenger-System auf dem PC des Nutzers installiert, kann dieses bei fehlender Tastatur-/Mausaktivität oder beim Ausschalten des Rechners anderen Teilnehmern sofort melden, dass der Nutzer nicht mehr für eine Kommunikation zur Verfügung steht. Dafür muss der Nutzer die Messenger-Software installieren und auch der Firewall das Durchlassen bestimmter Kommunikationsaktivitäten erlauben. Dies stellt für manche Benutzergruppen immer noch eine technische Hürde dar. Lokale Messenger-Systeme integrieren heutzutage Chat-, Audio- und Videokonferenzfunktionen und erlauben teilweise auch kooperative Arbeit und Desktop-Übernahme (z. B. Skype, Google Talk, ICQ, MSN). Da viele Lernplattform-Nutzer die Installation von lokaler Software (außer der des Internet-Browsers) scheuen, ist der Online-Chat noch das meist genutzte synchrone Kommunikationswerkzeug. Es wird für Online-Sprechstunden, für Gruppenarbeit und für Online-Lehrveranstaltungen genutzt. Einige Chatsysteme erlauben Zusatzfunktionen wie kooperatives Browsen im Internet. Ein berechtigtes Chatmitglied sendet eine Internetseite (deren Internetadresse) an andere Nutzer, bei welchen sich die Seite im Browser öffnet. Ebenso können online gestellte durch Browser anzeigbare Dateien, Audio- oder Videoinhalte gemeinsam betrachtet werden. Nutzer laden die Dateien zuvor z. B. in den Lernmaterialpool hoch und die von der Lernplattform bereitgestellte WWW-Adresse der Datei wird im Chatfenster an die Teilnehmer gesendet. In unserem Kursbeispiel wird das erste Chattreffen der Gruppe wurde von einem Lehrenden moderiert: Nach einer Eisbrecher-Übung werden die Kursthemen, die Kursorganisation und die Gruppenaufteilung besprochen. Die Teilnehmer erhalten genügend Zeit, sich für ein Kursthema und damit für eine Kursgruppe zu entscheiden, und können sich nach dem Chat in die entsprechende Gruppe einschreiben. Die Gruppen kommunizieren über das Forum, tauschen Dateien aus, aber treffen sich für die Abstimmung von einem gemeinsam zu erstellenden Essay online im Chat. Diese Chatsitzungen werden vom Gruppensprecher moderiert. Die Chatprotokolle werden vom Chat automatisch auf Anforderung aufgezeichnet und stehen für alle Chatteilnehmer zum Nachschlagen bereit.
Abkürzungen und Emoticons
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Um die Serverlast durch Online-Chats in Grenzen zu halten, wird die Ansicht oft nicht sofort aktualisiert, sondern nur alle paar Sekunden. Für textbasierte Kommunikation haben sich eine Reihe von Abkürzungen entwickelt, z. B. lol für Laughing out loud (lautes Lachen). Eine Liste mit diesen Chatabkürzungen finden Sie mit einer Suchmaschine im Internet.
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Abb. 30.38: Beispiel für einen Online-Chat
Da im Chat Sinneskanäle fehlen (sehen, hören, riechen, …), werden diese durch direkteres Ausdrücken von Emotionen ersetzt. Emotionales wird z. B. über Emoticons (meist Smilies/Heulies) oder Asterisken (zwischen Sternchen) ausgedrückt. Beispielsweise umarmt man sich unter Freunden mit *knuddel* bei einer Begrüßung oder Verabschiedung. Für Moderatoren eines Chats ist es empfehlenswert, voraussehbare Kommunikationsbeiträge in einer Textdatei vorzuformulieren (Begrüßungsfloskeln, häufige Moderationsbeiträge). Diese können dann schnell in das Chatfenster hereinkopiert werden. In Chats für Fortgeschrittene werden häufig mehrere Kommunikationsstränge gleichzeitig behandelt. Die Teilnehmer ordnen die Beiträge den jeweiligen Themen zu. Moderatoren sollten zugunsten von E-Learning-Einsteigern darauf achten, dass in einer Chatsitzung nicht mehrere Inhalte parallel, sondern sequenziell besprochen werden.
Moderation von Chats Einsteiger kontra Fortgeschrittene
30.4.6.5 Audio-/Videokonferenzen und synchrone Lernumgebungen Synchrone Lernumgebungen wurden bereits im Kap. 30.3.2 unter dem Begriff LifeLearning-Systeme vorgestellt. Online-Portale und Anbieter, wie Google, Skype, Yahoo und Co., stellen zunehmend Online-Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge bereit. Die Messenger-Systeme und Browser-Toolbars werden lokal installiert (mit dem dafür aufzubringenden Vertrauen dem Anbieter gegenüber) und bieten anschließend komfortable synchrone Kommunikationswerkzeuge. Einige Lernplattformen stellen ebenso Zusatzwerkzeuge zur lokalen Installation zur Verfügung, um mehr Komfort für synchrone Zusammenarbeit zu bieten.
30.4 Lernplattform-Werkzeuge und deren Funktionen/ Überblick zu Lerntechnologien
Life-Learning-Systeme Synchrone Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge
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30.4.7 Persönlicher Schreibtisch oder Raum − typische individuelle Werkzeugnutzung Persönlicher Schreibtisch in Lernplattformen und Lernportalen
Lernplattformen und Lernportale bieten ihren Nutzern zunehmend persönliche Arbeitsbereiche oder Räume an. Diese sind wie persönliche Schreibtische mit typischen individuellen Werkzeugen ausgestattet. Diese Werkzeuge wurden oben bereits für Lern- und Gruppenarbeit vorgestellt und sollen hier nochmals kurz mit den individuellen Nutzungszielen genannt werden: • Kalender, Terminlisten: Hier benötigen Nutzer eine Zusammenstellung aller ihrer Termine aus dem Lern-, Arbeits- und Privatbereich. Daher sind private Kalenderfunktionen i. d. R. außerhalb von Lernplattformen. Oder eine Bildungsorganisation stellt dem Nutzer einen persönlichen Kalender zur Verfügung, welcher sowohl Kursund Arbeits- als auch sonstige Termine enthält (Import/Export/Abgleich mit anderen Kalendern). Innerhalb von Lernplattformen benötigen Nutzer einen Terminüberblick über alle Kurse. Diese Funktionalität ist typisch für einen individuellen Schreibtisch. • Aufgaben: Nutzer von Lernplattformen benötigen einen Überblick über anstehende Aufgaben und Deadlines. Eine Übersicht über alle Aufgaben aller Kurs- und Arbeitsumgebungen ist auch eine typische Schreibtischfunktion. • Autorenwerkzeuge: Lehrende verfassen mit Autorenwerkzeugen Lerninhalte (s. Kap. 31). Die Nutzung von E-Autorenwerkzeugen für die Erstellung von Studienund Kursarbeiten oder persönlichen Mitschriften wird sicher in den nächsten Jahren zunehmen. • Persönliche Informations- und Dokumentenablagen: Während in Kursumgebungen Dateiverwaltungsfunktionen primär zum Dokumentenaustausch verwendet werden, sollte auf dem Schreibtisch ein persönlicher Dateibereich zur Verfügung stehen, auf den aus den Kursumgebungen heraus zugegriffen werden kann. • Persönliche Medienablagen/Galerien: Ähnlich wie die persönliche Nutzung von Autorenwerkzeugen und Dokumentenablagen werden Nutzer auf einer Plattform auch persönliche Medienablagen und Galerien nutzen. Neben der persönlichen Nutzung sind auch Nutzungsfreigaben für Kollegen und Freunde typische Anwendungsfälle. • Persönliches Adressbuch/Buddy-Listen: Kontaktdaten zu anderen Plattformmitgliedern können in persönlichen Adressbüchern oder Buddy-Listen verwaltet werden. • Persönliche Seite, Visitenkarte: Kontaktdaten und Informationen zur eigenen Person können Plattformnutzer auf einer Visitenkarte oder einer persönlichen Seite veröffentlichen. • Persönlicher Blog/persönliche Webseite: Zur Selbstdarstellung könnte jeder Plattformnutzer eine persönliche Webseite pflegen. Auf dieser könnten zu Bewerbungszwecken Informationen zur Person, zu Studienleistungen und zu Referenzprojekten dargestellt werden.
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
30.5 Lernen in virtuellen Welten? Die Nutzung von virtuellen Umgebungen als Lernumgebung ist nicht neu. In Kinderlernprogrammen werden virtuelle 3-D-Welten schon länger als einführende Lernumgebung genutzt. Die Lerninhalte sind dann primär zweidimensional. In einigen Hochschulprojekten wird der Campus in 3-D dargestellt. Man kann zur Bibliothek laufen oder mit einem persönlichen Fluggerät die Fakultätshochhäuser bzw. den jeweiligen Fachlernraum anfliegen. Die eigentlichen Lerninhalte bleiben primär 2-D. 3-D-Lernwelten sind ohne Frage schick und wirken innovativ. Ist jedoch nur die Umgebung dreidimensional, der Lerninhalt aber zweidimensional, ist zu überprüfen, ob die Navigation in 3-D-Welten gegenüber der klassischen 2-D-Lernplattform wirklich Vorteile bringt. Sicher ist es nur die ersten Male spannend, zur Bibliothek zu laufen oder zu fliegen anstatt eine 2-D-Navigations- oder Suchfunktion zu nutzen. Hinsichtlich Kommunikation und kooperativer Aufgaben bieten 3-D-Welten aber natürlichere Interaktionsformen. Letztlich haben sie sich aber in der Bildungspraxis bisher noch nicht in der Breite durchgesetzt. Der Klassiker blieb bislang die webbasierte Lernplattform. Man muss jedoch zwischen Lernumgebung und Lerninhalt unterscheiden. Gut durchgesetzt haben sich 3-D-Lerninhalte in Bereichen, wo das Beherrschen oder die Vorstellung von dreidimensionalen Räumen Teil des Lernziels ist, z. B. bei Flugsimulationen oder Inhalten aus Medizin, oder wenn es auf das Erlernen von kommunikativen oder kooperativen Fertigkeiten ankommt. Heute gibt es Bildungsinhalte in 3-D-Welten, wie Second Life (SL), die z. B. Szenarien für Katastrophenschutz oder medizinische Massen-Notfallversorgung abbilden. Auch werden in solchen virtuellen Welten Bibliotheken, Museen, HochschulcampusGebäude oder virtuelle Seminarumgebungen angeboten. Einige Bildungsinstitutionen beginnen, Kurse in dieser „2ten Welt“ zu veranstalten. Solche virtuellen Umgebungen bieten inzwischen Frameworks, mit denen Entwickler „relativ einfach und kostengünstig“ 3-D-Lerninhalte und -Lernumgebungen erstellen können. Damit sich virtuelle Lernumgebungen in der Breite durchsetzen, sind aus unserer Sicht drei „Knackpunkte“ zu lösen:
virtuelle 3-D-Welten
3-D Lerninhalte
Ausblick
• Die Erstellung von komplexen 3-D-Lernszenarien muss einfacher werden. Es sollten möglichst keine oder wenig Programmierkenntnisse erforderlich sein, damit eine breite Autorengemeinschaft Inhalte produzieren kann. • Das Problem der effizienten Navigation in 3-D-Welten muss gelöst werden. • Die Laufzeitumgebungen für 3-D-Szenarien, die i. d. R. lokal auf dem PC des Anwenders zu installieren sind, müssen zuverlässiger und bedienungsfreundlicher werden, insbesondere hinsichtlich Installation und Updates. Hier kann die Bildungscommunity sicher von den 3-D-Spiele-Communities viel lernen.
30.5 Lernen in virtuellen Welten?
555
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30 Systeme für E-Learning und E-Work
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Trotz fortlaufend besser werdender Autorenwerkzeuge ist die Produktion digitaler Lerninhalte noch immer aufwendig. Rapid-Authoring-Werkzeuge versprechen die schnelle unkomplizierte Erstellung von E-Learning-Materialien. Häufig stehen aber eine schnelle und kostengünstige Produktion in Konkurrenz zu Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit. Andererseits ist es ein natürlicher Prozess, wenn Lehrende anfänglich mit einfachen Werkzeugen schnelle Erfolge erzielen und später die bis dahin größere Content-Menge systematisieren und wiederverwendbar gestalten.
Lehrziele
• Je nach Anforderungen und Umfeld müssen E-Learning-Berater Arten von zu produzierenden Lerninhalten und entsprechende Autorenwerkzeuge empfehlen. Sie sollten in der Lage sein, eine Autorenumgebung planen und Autorenrichtlinien entwerfen zu können. • Dazu ist Grundlagenwissen zu Lerninhalten und zur Medienproduktion notwendig. Dieses Kapitel gibt ein Überblick zu Medien- und Lerninhaltearten, deren typische Formate und zu Autorenwerkzeugen, mit denen diese erstellt werden können. • Nach dem Studium dieses Kapitels sollten Sie wissen, wie modulare wiederverwendbare Lerninhalte und Medien produziert und zu komplexeren Inhalten und Kursmaterialien zusammengestellt werden können. • Im Zusammenhang mit Kap. 32 erfahren Sie, wie Lerninhalte standardkonform gestaltbar sind.
31.1 Einleitung: Produktion von Lerninhalten – rapid und/oder nachhaltig? E-Learning-Nutzung startet meist mit dem Einsatz einer Lernplattform, auf der vorhandene oder unaufwendig für einen bestimmten Kurs produzierte Dokumente bereitgestellt werden. Zum Beispiel
31.1 Einleitung: Produktion von Lerninhalten – rapid und/oder nachhaltig?
Erste Schritte mit digitalen Lerninhalten
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• werden vorhandene PDF-Artikel als Lesestoff genutzt, • Texte zu Kursinhalten oder zur Kursorganisation werden mittels Textverarbeitung verfasst und online gestellt, • und es werden für die Präsenzveranstaltungen verwendete Foliensätze hochgeladen.
Bessere Ausnutzung der digitalen Möglichkeiten; Rapid Authoring
Diese Materialien werden für Nachfolgekurse komplett oder teilweise wiederverwendet: Lehrende aktualisieren Foliensätze und passen diese ggf. an eine neue Zielgruppe an. Dadurch verwalten sie nach einigen Jahren eine große Menge an Lernmaterialien. Häufig verfügen sie über eine Vielzahl von Foliensätzen, in denen die „gleiche“ Folie in unterschiedlichen Varianten (also mit kleinen Anpassungen) enthalten ist. Auch Grafiken, Textpassagen sowie andere Inhalte und Medien existieren in mehreren Foliensätzen oder Textdokumenten. Oft entsteht erst zu diesem Zeitpunkt der Wunsch, die Materialien zu modularisieren und systematisch abzulegen. Dies kann der Einstieg in die Nutzung hochwertiger Autorenwerkzeuge und fortgeschrittener Produktionsprozesse sein. Nachdem mehrere Kurse mit o. g. einfachen digitalen Materialien und einer Lernplattform unterstützt wurden, beginnen einige Lehrende mit der Erstellung von Materialien, welche die digitalen Möglichkeiten besser ausnutzen. So werden z. B. mit • MS Word strukturierte HTML-Lernmaterialien erstellt oder • Foliensätze werden animiert und zu Flash gewandelt. • Auch werden z. B. Wikis, Blogs oder andere einfache kooperative „Autorenwerkzeuge“ eingesetzt.
Fortgeschrittene Produktion modularer, wiederverwendbarer Inhalte
Wann lohnt sich eine aufwendige Contentproduktion
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In dieser Phase des E-Learning-Einstiegs werden auch Rapid-Authoring-Werkzeuge ausprobiert. Einige geförderte E-Learning-Projekte, welche sich zur Produktion von umfangreichen E-Contents verpflichtet hatten, produzierten sehr viele Lifeaufzeichnung von Lehrvorträgen (Rapid Authoring von Folienpräsentationen mit Video-/Audioaufnahme). Heute wird der Mitschnitt von Präsenzlehre eher als Service für Lernende verstanden und weniger als nachhaltige E-Learning-Inhalteproduktion. Die Produktion von modularen, multimedialen und wiederverwendbaren Inhalten findet in vielen Bildungseinrichtungen erst in späteren Phasen der E-LearningEinführung statt, z. B. wenn sehr viele nichtmodulare, schlecht wiederverwendbare Lerninhalte nur noch schwer verwaltet werden können. Andererseits starten auch einige E-Learning-Projekte, welche große Mengen an Inhalten erstellen wollen, schon zu Beginn mit der Produktion von feingranularen hochwertigen Inhalten, insbesondere wenn diese Inhalte in Varianten benötigt werden (z. B. für Branchen, Produktarten oder in mehreren Sprachen). Der Aufwand für die Inhalteproduktion sollte vom Nutzen abhängig gemacht werden, z. B. ob sich dieser Aufwand durch bessere Wiederverwendung, Einsparungspotenziale in der Kursteilnehmerbetreuung, bessere Marktchancen des Bildungsangebots oder anderes refinanzieren lässt. Der oben beschriebene schrittweise Einstieg ist ein natürlicher Weg, bei dem mit steigender E-Learning-Kompetenz auch die Anforderungen an die Inhalteproduktion steigen. Die Produktion feingranularer, wiederverwendbarer und multimedial angereicherter Inhalte bietet Mehrwerte, z. B. wenn
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
• der Inhalt für eine sehr große Zielgruppe, • in mehreren Branchen oder Sparten, • in mehreren Bildungsbereichen (Berufsschule, Hochschule, Weiterbildung) eingesetzt werden kann. • Wenn die Inhalte des Fach-/Wissensgebietes wenig umstritten und langfristig gültig sind oder • wenn viele Autoren mitwirken können und eine gemeinsame Strukturierung die Voraussetzung für die Zusammenstellung von Inhalten zu einem gemeinsamen Werk ist. Die Umsetzung in E-Learning-typische Formate, wie Übungen & Tests und Multimedia, ist dann vorteilhaft, wenn z. B. • Lehraufwand eingespart werden kann oder • Wissen einer große Menge von Lernenden vermittelt oder abgeprüft werden muss. • Wenn die multimediale Darstellung leichter verständlich ist (z. B. Animationen, die zeitliche Abläufe erläutern oder Filme zum Praxistransfer) oder • wenn Qualität oder Konkurrenzfähigkeit der Lehrangebote verbessert werden muss. Aus unserer technischen Sicht wäre es natürlich wünschenswert, wenn gleich beim Einstieg Autorentechnologien und Abläufe nachhaltig gewählt werden, z. B. indem gleich zu Beginn ein Dokumenten- und Medienverwaltungssystem zum Einsatz kommt. In der Praxis werden jedoch Investitionen entsprechend der kurz- oder mittelfristigen Refinanzierungsmöglichkeiten getätigt. Auch ist es durchaus sinnvoll, wenn immer leistungsfähigere und damit komplexere Werkzeuge schrittweise eingeführt werden. Dieses Kapitel soll E-Learning-Beratern einen Überblick über die Möglichkeiten der Produktion von Inhalten bieten und eine Einschätzung ermöglichen, welcher Aufwand, welches Vorgehen und welche Werkzeuge für die vorhandenen Ziele und Ressourcen angemessen sind. Entsprechend der bisher produzierten Menge und Art von Inhalten sollten Autoren und E-Learning-Betreuer jeweils rechtzeitig Reorganisation und Technologiewechsel einleiten. In diesem Kapitel werden verschiedene Lerninhalte und Dateiformate, mögliche Nutzungsbarrieren für Kursteilnehmer (z. B. notwendige Browser-Blugins), Autorenwerkzeuge und Abläufe zur Erstellung hochwertiger digitaler Lerninhalte vorgestellt.
Lesehinweis zu diesem Kapitel
31.2 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Produktionsabläufe Multimediale Lerninhalte bestehen i. d. R. aus • Text, • Medien: Bilder, Audio, Video, Animationen, Simulationen, • eingebundenen Glossarbegriffen, Literaturverweisen oder sonstigen Nachschlagewerkeinträgen, • Übungen & Tests.
31.2 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Produktionsabläufe
559
Diese werden u. a. zusammengesetzt zu: • Online-Präsentationen (Folien-/Medienpräsentation mit Audio oder Video des Vortragenden, • Hypermedia-Kursmaterial (Text, Medien und Navigation) • oder integrierten Lernumgebungen (z. B. lokale Lernsysteme oder komplexe FlashLernmaterialien).
Abb. 31.1: Zusammensetzung von Lerninhalten von elementaren Inhalten bis hin zu kompletten Kursmaterialien (Quelle: metaVentis GmbH)
Kursmaterial/Publikation aus „Lernobjekten“/„Content-Units“ 5. Ebene • Kursheft • Lehrskript • Publikation •…
(Lern-)Dokument
Kurs-Map
• Kursstruktur • Kurslandkarte
Concept-Map
• Wissenslandkarte • Semantisches Netz •…
Überschrift Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text
mehrere „Lernobjekte“/„Content-Units“ 4. Ebene Vortrag
ein „Lernobjekt“/„Content-Unit“ 3. Ebene Fragebogen
Text + Medien
Antwort 1 Antwort 2 Antwort 3
Überschrift Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text
zusammengesetzte Objekte 2. Ebene Übung/Test
Medien-Paket
Antwort 1 Antwort 2 Antwort 3
elementare Objekte 1. Ebene Medien
Formel x2+2 y3+1
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Nachschlagewerk
Dieses Zusammensetzen von kompletten Kursmaterialien erfolgt häufig in mehreren Schritten und Ebenen. Abbildung 31.1 zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Einzelne Bildmedien (1. Ebene von elementaren Objekten) werden verwendet, um zusammengesetzte Bilder oder Animationen zu produzieren. Auch können Bilder (elementar oder zusammengesetzt) in einer Übungs-/Testaufgabe verwendet werden (2. Ebene in der Abbildung). Aus einzelnen Testaufgaben kann ein Testfragebogen zusammengestellt werden. Und es können „Content Units“ aus Text, Medien (elementar oder zusammengesetzt), Testfragebögen und anderen Inhalten zusammengestellt werden (3. Ebene in Abb. 31.1). Content Units können wiederum zu komplexeren Inhaltsobjekten arrangiert werden. In der letzten Ebene werden Lerninhalte (Content-Units genannt) für eine konkrete Zielgruppe (einen Kurs) zu Kursmaterialien arrangiert.
Kursmaterialien/ Publikationen
31.2.1.1 Wiederverwendbarkeit von Lerninhalten für unterschiedliche Kursmaterialien und Kursumgebungen E-Autoren sollten zwischen Lerninhalten und Kursmaterialien unterscheiden. Auch wenn sich dies in der Autorenpraxis noch nicht in der Breite durchgesetzt hat, ist diese Unterscheidung die Grundlage für eine Wiederverwendung. Lerninhalte sollten so gut wie möglich zielgruppenneutral entworfen werden, damit diese in Kursmaterialien für unterschiedliche Branchen und Ausbildungsebenen (Schule, Hochschule, Weiterbildung) einsetzbar sind. Eine Lerninhalte-Einheit, auch „Content-Unit“, „Informationsobjekt bzw. Informationseinheit“ genannt, muss so klein sein, dass sie hinsichtlich der didaktischen Aufbereitung für unterschiedliche Kursmaterialien verwendbar ist. (Umstrittenerweise werden solche didaktisch vielseitig verwendbaren Inhalte auch „Lernobjekt“ genannt.) Einige Kursmaterialien beginnen z. B. mit einer Praxisfallstudie (als Beispiel), erläutern anschließend die theoretischen Grundlagen und bieten nachfolgend für Festigung und Praxistransfer Übungen und Praxisanwendung an. Andere Kursmaterialien beginnen mit den theoretischen Grundlagen und lassen dann andere Lernaktivitäten folgen. Somit könnten die theoretischen Grundlagen in einer oder mehreren Content-Units abgebildet werden, um in diesen unterschiedlich strukturierten Kursmaterialien einsetzbar zu sein. Lerninhalte werden für eine bestimmte Zielgruppe zu Kursmaterialien adaptiert und zusammengestellt. Beispiele für Adaption: Stehen für einen Inhalt alternative Beispiele zur Verfügung, wird ein für die Zielgruppe passendes ausgewählt. Auch können Lerninhalte/Content Units „didaktisch anders verwendet“ werden. Eine Übungsaufgabe ist als Beispiel nutzbar, wenn Aufgabe und Lösung gemeinsam angezeigt werden. Beim Zusammenstellen zu Kursmaterialien werden verschiedene Inhalte zu einem komplexen Material (meist Hypertext) integriert, z. B. indem adaptierte Lerninhalte in einem Inhaltsverzeichnis, einer Wissenslandkarte oder mittels anderer Navigationselemente verbunden werden. Im Sinne von SCORM-Kursmaterial würde ein so genanntes „SCORM-Manifest“ (eine Art Inhaltsverzeichnis/Navigationsstruktur) erstellt (s. Kap. 32.3.1). Vereinfacht kann man sich dies so vorstellen, dass Kursmaterial„seiten“ mit einem Werkzeug zur Erstellung von „Inhaltsverzeichnissen“ zusammengestellt werden (ADL SCORM, 2004).
31.2 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Produktionsabläufe
Grundlegende Anforderungen an wiederverwendbare Lerninhalte
Kursmaterial
561
Abb. 31.2: Lerninhalte, Kursmaterialien, Kursumgebung
Kursumgebung
Kursmaterialien Lernschritt
Zusammenstellung
Adaptierung Inhalte
Modularisierung
Verwendung von Kursmaterialien in Kursumgebungen, z. B. in Lernaktivitäten und Lernpfaden
Meistens werden Kursmaterialien anschließend in eine Kursumgebung eingebunden. Gegebenenfalls wird dazu das Kursmaterial in eine Lernaktivität eingefügt, z. B. Aktivität „Selbststudium“ oder Aktivität „Gruppendiskussion“ (Start-Lerninhalt für eine Diskussion im Forum). Aktivitäten werden zu einem Lernpfad oder einem Kursablauf für eine bestimmte Kursumgebung zusammengefügt (s. Kap. 30.4.2). Zukünftig wird diese Trennung zwischen dem Arrangement von Kursmaterialien und dem Arrangement von Kursabläufen oder der Gestaltung von Kursumgebungen teilweise verschwinden. Lernabläufe bzw. Kursumgebungen werden (z. B. nach Learning Design – s. Kap. 32) arrangiert, indem Kursmaterialien und Lernaktivitäten (mit Forum, Chat oder zur Kooperation) gemeinsam zusammengestellt werden.
31.2.1.2 Herausforderungen bei der Erstellung von Lerninhalten Kohäsive Geschlossenheit
562
Damit Lerninhalte möglichst vielseitig wiederverwendbar sind, sollten Autoren kleine Einheiten gestalten und diese sollten „kohäsiv geschlossen“ sein. Dies bedeutet, dass diese Inhalte-Einheit, von verschiedenen Kontexten aus aufgerufen, einen Sinn ergeben muss. Daher muss der Autor einer „Content-Unit“ (vereinfacht vorstellbar als „Lerninhalteseite“) so formulieren, dass diese in verschiedenste Kontexte passt.
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Aus Gründen der Wiederverwendbarkeit ist es außerdem wichtig, dass eine ContentUnit sich selbst erklärt, ohne auf weitere (verlinkte) Content-Units angewiesen zu sein. Die Navigation oder Verlinkung von Content-Units sollte extern erfolgen, z. B. durch ein darüber gelegtes Navigations- oder Linknetzwerk. Ermöglicht ein Autorenwerkzeug das Verlinken von Content-Units innerhalb dieser (z. B. Links im Text – wie in Wikis), dann sind die Units schwer wiederverwendbar. Eine verlinkte Unit könnte andere Units verlinken, welche wiederum weitere Units verlinken usw. Somit würde ein Autor, welcher eine Unit für sein Kursmaterial aus einem Inhaltepool auswählt, eine unübersehbare Menge an verlinkten Units mit auswählen. Dies kann also
Verlinkung außerhalb der Inhalte
• zu sehr großen Kursmaterialien, • zu unübersichtlichen Lernzeiten und • zu technischen Problemen führen, da ungewollt große Content-Mengen je Kursmaterial zu verwalten sind. Für Autoren ist diese modulare Schreibweise eine Herausforderung. Viele Lehrende sind an die Erstellung von zusammenhängenden Kursmaterialien gewöhnt. Die Anforderung kleine, in sich geschlossene Stücke zu verfassen, um diese anschließend wieder zu größeren Zusammenhängen zu aggregieren, bedarf Autorenrichtlinien (z. B. zur Größe der Stücke), Autorenschulungen und geeigneter Autorenwerkzeuge. Autorenwerkzeuge sollten z. B. durch Übersichts- und Vorschaufunktionen diese modulare Arbeitsweise unterstützen.
Autorenrichtlinien, Schulung und unterstützende Autorenwerkzeuge
31.2.1.3 Aufbereitungsvarianten In der Praxis ist es natürlich nicht möglich, eine Content-Unit (ein Inhalt zu einem Thema) für alle Branchen, alle Altersgruppen und sonstige Zielgruppeneigenschaften zu erstellen. Man versucht einerseits, Lerninhalte für möglichst breite Wiederverwendung, also unterschiedlichste Zielgruppen und Lernkontexte, zu gestalten. Andererseits hat die Wiederverwendbarkeit auch Grenzen, so dass für einen Lerninhalt u. U. Varianten zu produzieren sind. Nachfolgend sind Beispiele für Aufbereitungsvarianten nach (Zobel et al. 2002) aufgeführt: • Sprache Werden Inhalte in verschiedene Sprachen übersetzt, müssen bei Aktualisierung des Inhalts auch die Sprachvarianten aktualisiert werden. Lerninhalte werden häufig auch entsprechend der Zielgruppe unterschiedlich formuliert: Während in Lehrbüchern für die Praxis ein umgangssprachlicher Stil gewählt werden könnte, sind wissenschaftliche Inhalte formaler formuliert. Autorengemeinschaften legen z. B. auch fest, ob Lerninhalte die Lernenden persönlich anreden sollen (Sie/Du) oder nicht. • Vorkenntnisse, Altersstufe, Lernfähigkeiten Ein Atom würde z. B. für Kinder anders erklärt werden, als für Schüler oder Studierende. Für Studierende der Physik oder für Wissenschaftler würde der gleiche Inhalt wiederum anders aufbereitet werden. Aufbereitungsvarianten richten sich einerseits nach den Vorkenntnissen und andererseits nach den Fähigkeiten der Zielgruppe, wel-
31.2 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Produktionsabläufe
563
che vom Alter oder aber auch von eventuellen Behinderungen abhängig sind. Zum Beispiel verfügen Gehörlose oft über einen geringeren Wortschatz, so dass normalerweise ohne Erläuterung verwendete Fachwörter in Lerninhalten für diese Zielgruppe implizit oder durch Verlinkung erklärt werden. • Lernziel – Tiefe des Lerninhalts Beispielsweise benötigen Medizintechniker zu einigen medizinischen Inhalten weniger tiefgehendes Wissen als angehende Mediziner. Dies gilt umgekehrt zu medizintechnischen Inhalten. Trotzdem könnte für Kursmaterialien beider Zielgruppen der gleiche Content-Pool verwendet werden.
Abb. 31.3: Stark vereinfachende Darstellung eines Atoms (Quelle: Wikimedia Commons, Benutzer: Sander van der Molen, Jeanot)
• Didaktische Formen Der gleiche Lerninhalt kann in verschiedenen Formen aufbereitet werden, z. B. als Übung, als abstraktes vereinfachendes Beispiel, als Praxisbeispiel bzw. Fallstudie oder als Präsentation. In der Regel werden im Kursmaterial mehrere Aufbereitungsvarianten sequenziell eingesetzt, um durch Wiederholung und Lernaktivitätswechsel den Lernerfolg zu fördern. • Fähigkeit der Ausgabegeräte Ausgabegeräte haben bestimmte Eigenschaften, welche insbesondere bei der Medienproduktion zu berücksichtigen sind. Lernende verwenden sowohl normale PCs als auch zunehmend mobile Geräte. Diese unterscheiden sich z. B. in Bildschirmgröße, Bildauflösung, Farbtiefe und Fähigkeit, bestimmte Medien oder Formate anzuzeigen oder abzuspielen.
31.2.1.4 Modularisierung, Wiederverwendbarkeit und Kontext In Abb. 31.1 wurde beispielhaft eine mögliche Modularisierung von Lerninhalten und deren Aggregation zu Kursmaterialien gezeigt. Wayne Hodgins (2002) unterteilt in folgende Ebenen: • Collections (Courses, Stories) • Aggregate Assemblies, Lessons • Application Objects/Learning Objects • Information-Objects • „Raw“ Data & Media Elements.
Rohdaten, Medien, Assets
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Je elementarer die Inhalte sind (untere Ebenen), umso leichter lassen sie sich in unterschiedlichsten Kontexten wiederverwenden. Je aggregierter sie sind (obere Ebenen), umso mehr Kontext haben sie, sind also zum Lernen geeigneter, aber lassen sich schwerer, d. h. unflexibler wiederverwenden. „Rohdaten“ können z. B. Textstücke, elementare oder zusammengesetzte Medien (Bild, Animation, Simulation) sein. Diese sind sehr gut wiederverwendbar. Wird in einer Abbildung z. B. auf Text verzichtet, kann sie für Lerninhalte in verschiedenen Sprachen eingesetzt werden. Für sich allein sind sie aber mangels inhaltlichen Kontexts schwer als Lernmaterial verwendbar. Solche Inhalte und Medien werden auch Assets genannt und in Asset-Management-Systemen (auf Medien spezialisierte Repositories bzw. Dokumentenmanagementsysteme) verwaltet.
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Als Informationseinheiten, Informationsobjekte, Informationsblöcke, ContentUnits werden aus diesen Rohdaten zusammengestellte Einheiten bezeichnet. Diese könnten z. B. ein Konzept erklären (was ist ein Atom) oder ein Verfahren, einen Prozess usw. Diese Inhalte werden auch teilweise als Assets bezeichnet. Sie sind ebenfalls noch relativ gut wiederverwendbar. Auch wenn solche Content-Units möglichst breit einsetzbar gestaltet werden sollen, wird eine Wiederverwendung z. B. durch Sprache, Sprachstil, inhaltliche Aufbereitung auf eine Alters-/Lernzielgruppe eingeschränkt. Der Begriff Lernobjekte wird (wie alle vorangegangenen) nicht einheitlich verwendet. Oft wird er als kleinste sinnvolle Lerneinheit beschrieben. Dazu muss ein Lernziel, eine Lernzielgruppe, Vorkenntnisse und andere Rahmenbedingungen definiert sein. Genau diese Informationen sollten dem Lernobjekt als Metadaten beigegeben werden, wenn es in einem Repository (Dokumentenverwaltung) zur Wiederverwendung gespeichert wird. In der Praxis wird noch kaum zwischen Informationsobjekten bzw. Content-Units und Lernobjekten unterschieden. Dies kommt wahrscheinlich daher, dass Content-Units nicht komplett kontextfrei gestaltet werden können und damit Lernobjekten relativ ähnlich sind. Es gab bereits mehrere Bemühungen, Technologien für die Erstellung von zielgruppen- und kontextneutralen Einheiten zu schaffen sowie Technologien für die automatisierte Anpassung an eine Zielgruppe. Beispielsweise sollte mit „context wrapper“ „neutralen“ Inhalten Kontext hinzugefügt werden. Diese Konzepte und Technologien sind der heutigen Autorenpraxis noch voraus. Die Produktion von Inhaltsvarianten und die Auszeichnung mit Metadaten (für welchen Kontext die Variante einsetzbar ist) ist aber gängige Praxis in fortgeschrittenen Autorengemeinschaften. Lernobjekte werden zu Kapiteln o. ä. und diese zu kompletten Kursmaterialien zusammengestellt. Wie dies erfolgt, ist z. B. abhängig:
Informationseinheiten/ -objekte/-blöcke/ Content-Units
Lernobjekte
Kursmaterialien, Kapitel
• vom Curriculum des Kurses, • von möglichen zusammenhängenden Lernzeitabschnitten im Kurs (z. B. Anzahl Lernstunden in einem Heimarbeitsblock), • von sinnvollen inhaltlichen Zusammenhängen des Fachgebiets (welche Lernobjekte sollten möglichst zusammenhängend dargestellt werden). Kursmaterialien (einzelne Kapitel oder Lernobjekte) werden z. B. als Lernaktivität „Selbststudium“ oder „Online-Test“ in einen Kursablauf integriert. Neben diesen Lernaktivitäten enthält ein Kursablauf beispielsweise Lernaktivitäten, wie Gruppendiskussion oder kooperative Erstellung von Studienarbeiten, welche „nur“ Lern- und Arbeitswerkzeuge der Lernplattform, aber keine Kursmaterialien nutzen. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden Grundlagen zur Content-Produktion zusammengefasst, beginnend von „unteren“ elementaren Objekten (wie Medien) bis hin zur Zusammenstellung kompletter Kursmaterialien.
Lernszenario, Kursumgebung, Kursablauf
31.3 Bildmedien Bilder sind die am häufigsten in Lerninhalten eingesetzten Medien, sie werden aber auch zur Gestaltung von Bedienoberflächen genutzt:
31.3 Bildmedien
565
Abb. 31.4: Darstellung eines Atoms (Quelle: Wikimedia Commons, Benutzer: Beentree) und Ausschnitt einer Bedienoberfläche (Quelle: www.metacoon.net)
Links sehen Sie die Darstellung eines Atoms, wie sie auch in einem Lernmaterial enthalten sein könnte. Rechts ist ein Ausschnitt einer Lernumgebungs-Bedienoberfläche dargestellt, in welcher Bilder als Icons oder Schaltflächen verwendet werden. Zum didaktischen Einsatz von Bildmedien siehe Kap. 17.
31.3.1 Grundlagenwissen Bildmedien
Vektorgrafiken
Rastergrafiken/ Vektorgrafiken
Bei Bildern unterscheidet man zwischen Vektor- und Rastergrafiken, auch Pixelgrafiken genannt (Kerksen, 2007). In Vektorgrafiken werden Bilder durch Koordinaten und Vektoren gespeichert. Für den Atomkern aus obiger Grafik würden 4 Kreise jeweils durch Mittelpunkt, Radius oder Durchmesser, Strichstärken und Strich-/Füllfarben gespeichert. Vergrößert man eine Vektorgrafik, werden die geometrischen Angaben skaliert und die Grafik kann scharf dargestellt werden (s. unten linker Teil der Abb. 31.5). In Rastergrafiken werden Bildpunkte mit Farbinformationen gespeichert. Je mehr Bildpunkte für die Darstellung verwendet werden, umso schärfer oder genauer ist die Abbildung.
Abb. 31.5: Vergrößerter Ausschnitt der Abb. 31.3 links: Vektorgrafik, rechts: Raster-/Pixelgrafik
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abb. 31.6: Foto eines Schmetterlings (Quelle: Wikimedia Commons, Benutzer: Beentree)
Vergrößert man eine Pixelgrafik, dann wird die Grafik unscharf dargestellt (s. rechter Teil der Abb. 31.5). Pixelgrafiken (z. B. Fotos) werden oft zu groß und mit zu vielen Farbinformationen in Lernmaterialien eingebunden: Abbildung 31.6 zeigt einen mit einer Digitalkamera aufgenommenen Schmetterling. Das Originalfoto war farbig, 19 cm breit und 14 cm hoch. Die Dateigröße betrug ca. 800 KB. Die Textbreite in diesem Buch beträgt jedoch nur 10 cm und die Darstellung erfolgt in Graustufen. Durch Verkleinerung und Umwandlung in ein Bild mit Graustufen wurde die Dateigröße auf ca. 500 KB reduziert. Würde man die Grafik fürs Web optimiert speichern (72 dpi), hätte sie eine Dateigröße von 170 KB. Die Bildauflösung wird in dpi – dots per inch (Punkte je Zoll) − angegeben. In nachfolgender Tabelle sehen Sie die Daten vom Originalbild und für die Abb. 31.6 verkleinerte Variante:
Original Kleiner
Pixel waagerecht 2288 1181
Pixel senkrecht 1712 0884
cm waag. 19,37 10,00
cm senkr. 14,49 07,48
Auflösung Pixel/Zoll 300 300
Auflösung Pixel/cm = ca. 118 = ca. 118
31.3 Bildmedien
Bildauflösung – dpi (dots per inch)
Abb. 31.7: Daten zur Bildauflösung von Abb. 31.6 und dem Originalfarbbild, aus dem die Abbildung erzeugt wurde
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Abb. 31.8: Beispiel für maximale Bildbreiten/ Pixelanzahl bei Online-Kursmaterialien
Bilder für Bildschirmausgabe
Bilder für Druckausgabe
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Um als Autor die notwendige Bildauflösung zu bestimmen, müssen die Bildauflösungen der gewünschten Ausgabegeräte berücksichtigt werden (Drucker, PC-Monitor, mobile Geräte). Da Lerninhalte in der Regel auf Bildschirmen und zum Ausdruck ausgegeben werden, werden Bilder häufig in zwei verschiedenen Größen bzw. Auflösungen bereitgestellt. In den Autorenrichtlinien sind entsprechende Angaben zu Bildauflösungen vorzugeben. Für die Ausgabe von Lerninhalten auf Webseiten wird heute häufig eine Bildschirmauflösung von 1024 × 768 Pixel als Standard angenommen. Um die notwendige Pixelbreite für Grafiken innerhalb dieser Lernmaterialien zu bestimmen, muss man von den 1024 Pixel noch den Rahmen des Browserfensters, die Bildlaufleiste und eventuell die Breite von Navigations- und Funktionsflächen abziehen. Abbildung 31.8 zeigt ein Beispiel für Kursmaterialien, in denen Bilder mit ca. 500 Pixel Breite eingebunden werden. Binden Autoren zu große oder zu breite Bilder ein, wird meist im HTML der Lernmaterialseite die passende Bildgröße festgelegt. Der Server sendet das zu große Bild. Der Browser entnimmt dem HTML-Code die gewünschte Größe und stellt das Bild in der korrekten Breite dar. Eine Vergrößerungsfunktion ermöglicht den Lernenden das Ansehen in Originalgröße. Durch das Senden sehr großer Bilder können lange Ladezeiten für Lerninhalte verursacht werden. Für die Bildschirmausgabe reicht eine Auflösung von 72 dpi. Einerseits werden Lerninhalte gleich als PDF zum Ausdruck bereitgestellt, andererseits werden für Online-Lerninhalte Ausdruckfunktionen ermöglicht (s. z. B. in Abb. 31.8 rechts unter Optionen „Diese Seite als PDF“). Für eine Druckausgabe der Lerninhalte sollten Bilder mit größerer Auflösung (als für den Bildschirm nötig wäre) eingebunden werden. In der Regel sind 250 bis 300 dpi sinnvoll. Ideal wäre die Einbindung von Bildern in zwei Varianten, eine für den Bildschirm und eine zweite für die Druckausgabe. Da jedoch Internetverbindungen immer schneller werden und dadurch Bilddateigrößen immer weniger Relevanz haben, fordern Autorensysteme ihre Nutzer selten dazu auf, Bildvarianten einzubinden. Im obigen Beispiel (Abb. 31.7) wird bei Anforderung einer PDF-Druckausgabe durch den Lernenden ein PDF serverseitig erzeugt und an den Browser gesendet. Das
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
PDF wird also automatisch aus dem Online-Lerninhalt erzeugt, ohne dass ein Autor dafür extra Produktionsvarianten erzeugen mussten. Autoren müssen sich also über die Funktionalität ihrer Autorenumgebung informieren und ggf. zu Bildauflösung, Breite, Höhe, Farbtiefe und eventuelle Varianten Festlegungen in gemeinsamen Autorenrichtlinien treffen. Grafiken sollten so aufbereitet sein, dass möglichst auch sehbehinderte Nutzer Zugang zu den Informationen haben. Die Farben in Abbildungen sollten so gewählt werden, dass sie in Grauwerten auch noch gut unterscheidbar sind. Für Sehbehinderte sind Vergrößerungsmöglichkeiten und -funktionen sehr hilfreich. Für blinde Nutzer wurden taktile Ausgabetechnologien zur Darstellung von einfachen Grafiken entwickelt. Vom Institut Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart wurde z. B. eine Stiftplatte zur monochromen Ausgabe von Grafiken entwickelt (s. Abb. 31.9, Rotard, 2006). Neben der Verbesserung der Zugänglichkeit zu Grafiken für Sehbehinderte sollten alle Medien alternative Textbeschreibungen besitzen.
Grafikausgabe für Sehbehinderte
Abb. 31.9: Stuttgarter Stiftplatte zur taktilen Ausgabe von Grafiken für Sehbehinderte
31.3 Bildmedien
569
31.3.2 Dateiformate und Produktion Dateiformate/ Bildformate
Für Bildmedien gibt es sehr viele Dateiformate. Viele der Bildbearbeitungssoftwaresysteme speichern ein eigenes proprietäres Format. Für die Verwendung in Internetseiten bieten die Bearbeitungsprogramme Exportfunktionen in die Bildformate an, welche innerhalb von Browsern angezeigt werden können. Damit Bilder schneller übertragen werden können und weniger Speicherplatz benötigen, wurden Kompressionsverfahren entwickelt. Man unterscheidet zwischen verlusthaft und verlustfrei komprimierten Formaten für Rastergrafiken. Bei verlusthaft komprimierten Grafiken kann es wie in Abb. 31.10 zu Pixelfehlern kommen (graue Bildpunkte rund um den Text).
Abb. 31.10: Verlusthafte Bildkomprimierung
GIF (Graphics Interchange Format) verlustfreie Kompression
PNG-Format, verlustfreie Kompression
JPG-/JPEG-Format, verlustbehaftete Kompression BMP, TIFF-Format unkomprimierte Bildformate SVG, Flash/SWF, Formate für Vektorgrafiken
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GIF ist ein häufig genutztes Format in Online-Lerninhalten. Es erlaubt transparenten Hintergrund, so dass zum Beispiel ein rundes Icon auf schwarzem Webseitenwürde statt eckig (rechts). Hintergrund rund (links) erscheinen GIF-Grafiken sind verlustfrei komprimiert, d. h., es entstehen keine Bildstörungen wie in Abb. 31.10. Allerdings bieten GIFs nur 256 Farben, so dass bei Konvertierung von Fotos mit großer Farbtiefe Farbverluste entstehen. Das GIF-Format erlaubt auch animierte Bilder, so genanntes „animated GIF“ (s. Kap. 31.6). GIF war ursprünglich mit Patentanforderungen belastet. Da Lernplattformen zur Erzeugung von verkleinerten Anzeigen die Komprimierungsalgorithmen nutzen müssen, wird dieses Format noch nicht von allen Plattformen unterstützt. PNG-Grafiken sind ebenfalls verlustfrei komprimiert. Das Format wurde als Alternative zu dem damals mit Patentanforderungen belasteten GIF-Format entworfen und wird von modernen Webbrowsern unterstützt. Im Gegensatz zu GIF kann mit PNG die Transparenzstärke (halbdurchsichtige Farbbereiche) definiert werden. Leider hat der Internet-Explorer Version 6 Probleme, transparente PNGs darzustellen. JPG ist das im Internet verbreitetste Bildformat. Die Kompression der Bilder ist verlustbehaftet. Abbildung 31.10 zeigt ein aus einem BMP mit Microsoft Paint erzeugtes JPG. Professionelle Grafikprogramme verfügen über Kompressionsalgorithmen, welche die Verluste deutlich verringern. Beispiele für nicht komprimierte Bildformate sind BMP und TIFF. Die Bilddateien sind dementsprechend relativ groß und wenig geeignet für die Verwendung in Webseiten und Online-Lerninhalten. Für die Speicherung von Vektorgrafiken und deren Nutzung im Internet werden die Formate SVG und Flash verwendet. Allerdings benötigen die Nutzer für die Anzeige dieser Formate innerhalb einer Webseite ein SVG-Plugin oder einen Flash-Player.
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Weiterführende Informationen zu Dateiformaten finden Sie in Born (2002). E-Authoring-Einsteiger verwenden häufig auf ihrem PC vorhandene Software für die Bilderstellung, z. B. MS PowerPoint oder Paint. Für die Produktion von hochwertigen Bildern ist eine große Vielfalt von Software verfügbar. Beispiele für Software zur Bearbeitung von Vektorgrafiken: Inkscape (kostenfrei), Macromedia FreeHand, Adobe Illustrator, CorelDraw. Beispiele für Software für die Produktion von Pixelgrafiken/Bearbeitung von Fotos: Gimp (kostenfrei), Adobe Photoshop, Corel Paint Shop Pro.
Produktionswerkzeuge
31.4 Audio Audio-Produktionswerkzeuge sowie Verbreitungs- und Abspielmöglichkeiten sind in den letzten Jahren sehr leistungsfähig und einfach bedienbar geworden. Audio wird im E-Learning-Bereich eingesetzt für: • reine Audio-Lerninhalte (Podcasts/Audio-Blogs), • Mitschnitt von Vorträgen und Lehrveranstaltungen (Folienpräsentation und Audioaufnahme des Sprechers), • Sprechertexte für die Vertonung von Lerninhalten, z. B. von Animationen oder anderen medialen Präsentationen, • Hinweis- und Warntöne in Bedienoberflächen sowie • Musik oder Jingles (möglichst sparsam verwenden). Weiterführendes zum didaktischen Einsatz von Audiomedien finden Sie im Kap. 16. Internet-Browser können von sich aus kein Audio abspielen. Lernende benötigen daher ein Browser-Plugin oder ein Abspielprogramm, z. B. QuickTime, Windows Media Player oder Realplayer. Da PCs meist schon vorinstalliert sind (Betriebssystem, Browser und diewichtigsten Plugins), stellt die Audionutzung meist keine Hürde dar, solange keine exotischen Audioformate angeboten werden.
31.4.1 Grundlagenwissen Audio Vereinfacht gesehen entspricht bei Audiomedien das Midi-Format dem Vektorformat der Bildmedien. Während bei Vektorgrafiken Koordinaten und Vektoren statt Bildpunkte festgehalten werden, wird für die Musikaufnahme je Instrument ein Kanal sowie Tonhöhe, -länge und Lautstärke abgespeichert. Im E-Learning-Bereich wird Audio aber primär für die Aufnahme von Sprache genutzt. Daher spielt Midi in diesem Kontext kaum eine Rolle und soll hier lediglich erwähnt werden. Analog zu Rastergrafiken (z. B. Digitalfotos) können Audioinhalte (z. B. Sprechertexte) ebenfalls mit unterschiedlicher Auflösung aufgenommen und verlustfrei oder verlustbehaftet komprimiert werden. Das menschliche Gehör nimmt Frequenzen im Bereich ab ca. 20 Hertz (Hz) bis ca. 20 kHz wahr. Dabei liegt die größte Wahrnehmungsempfindlichkeit bei ca. 2 kHz.
31.4 Audio
MIDI
Audio für Sprechertexte und Tonaufnahmen
571
Werden Audioinhalte für Lerninhalte gespeichert, können unterschiedliche Qualitäten insbesondere durch die Wahl der Sampling- oder Abtastrate angeboten werden, z. B. in CD-Qualität mit ca. 44 kHz oder Radio-Qualität mit ca. 10−22 kHz. Je größer die Samplingrate, desto größer ist die Dateigröße. Auch kann Dateigröße und Qualität durch Wahl von Mono oder Stereo beeinflusst werden. Stereoaufnahmen sind für Sprechertexte in Lernmaterialien aber selten notwendig. Wird eine Sprechertextaufnahme bei professionellen Sprechern beauftragt, dann fragen diese i. d. R. nach diesen beiden Qualitätsmerkmalen und liefern den Sprechertext in einem entsprechend komprimierten Dateiformat (z. B. in MP3).
31.4.2 Dateiformate und Produktion Audioaufnahme
Die Qualität der Aufnahme von Audio ist entscheidend für die Wiedergabequalität. Während in Bildern nachretuschiert werden kann, sind die Möglichkeiten, eine schlechte Audioaufnahme zu verbessern, schwieriger. Hier einige Aufnahme-Empfehlungen: • Mikrofon: Je nachdem, ob der Sprecher bzw. die Audioquelle fest steht oder sich bewegt, kann ein Richtmikrofon oder ein portables, ansteckbares Mikrofon sinnvoll sein. Bei der Verwendung von Funkmikrofonen sollte sichergestellt werden, dass die Funkfrequenz (z. B. durch andere Aufnahmen in Nachbarräumen) nicht gestört wird. • Günstig wäre die Nutzung eines schallgedämmten Raums, idealerweise ein Studio. In der normalen Autorenpraxis werden Sprecher jedoch oft in Hörsälen oder in Büros aufgenommen. Hier sollten akustische Störungsquellen so gut wie möglich reduziert werden. • Für eine einfache Sprechertextproduktion kann ein Mikrofon direkt in den Computer eingespielt werden. Ein Mischpult ist dann sinnvoll, wenn z. B. mehrere Eingänge (Mikrofone) abgemischt werden müssen. Für das Abmischen von Audio ist der Einsatz von erfahrenen Fachleuten sinnvoll. • Für Außenaufnahmen gibt es spezielle Geräte, z. B. DAT-Rekorder.
Audioformate und Komprimierung
Möchte man sich für die Weiterverarbeitung einer Audioaufnahme alle Optionen offen lassen, sollte die Aufnahme in hoher Qualität erfolgen und als unkomprimiertes Format in WAV, AU und AIFF gespeichert werden. Für die Einbindung in Lerninhalte sollte die endgültige Qualität für die Nutzer festgelegt werden und die Audioaufnahme sollte entsprechend komprimiert abgelegt werden. Beispiele für Formate: • • • • • •
MPEG-3, verlustbehaftet RealAudio, verlustbehaftet Vorbis (auch Ogg Vorbis genannt), verlustbehaftet, patentfrei Windows Media Audio, verlustbehaftet WMAAudio Lossless Coding, verlustfrei MPEG-4 Audio Lossless Coding, verlustfrei. Weiterführendes zu Dateiformaten finden Sie in Born (2002).
572
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Mit Softwareprogrammen, wie WaveLab oder AudaCity (freies Werkzeug) kann Audio aufgenommen, nachbearbeitet und in verschiedene Audioformate konvertiert werden. In der Regel wird der Audioinhalt anschließend mit einem anderen Lerninhalt (z. B. einem Foliensatz oder einer Animation) kombiniert. Hierzu verfügen einige Lernplattformen über Werkzeuge in der Autorenumgebung. Alternativ können Rapid Authoring Tools angesetzt werden, welche neben der Bearbeitung der Präsentationsmedien auch einfache Aufnahme- und Audiobearbeitungswerkzeuge bieten. (s. auch Kap. 31.6) Eine Audioaufnahme sollte durchgehend die gleiche Lautstärke und Klangqualität haben. Werden mehrere Audioaufnahmen in einem Kurs verwendet, sollten diese ähnliche Pegel haben, damit den Nutzern das ständige Nachregeln erspart bleibt. Daher werden Audioaufnahmen normalisiert, also auf den gleichen Pegel gebracht. Hierfür besitzen Audiobearbeitungs-Softwaresysteme entsprechende Funktionalitäten.
Produktionswerkzeuge
Einheitliche Lautstärke, Normalisierung
31.5 Video Auch Videobearbeitungs- und Abspielsoftware ist in den letzten Jahren sehr leistungsfähig und leichter bedienbar geworden. Für professionelle Produktionen sollten aber Fachleute eingesetzt werden. Beispiele für Videos im E-Learning-Bereich: • Mitschnitt von Vorträgen und Lehrveranstaltungen (Folienpräsentation und Videoaufnahme des Vortragenden) • Vorortaufnahmen, z. B. in der Produktionspraxis, Darstellung von Abläufen und Praxissituationen, Interviews mit Fachleuten und Beteiligten oder Aufnahmen von medizinischen Inhalten, wie Operationsabläufe, oder Makroaufnahmen (z. B. Biologie) • Aufnahme von Beispielsituationen mit Schauspielern (z. B. Situations- und Handlungsbeispiele zur Sozialkompetenz, zum Verkaufstraining, zur Kundenbetreuung) • Einmoderation oder Erläuterungen zu Lerninhalten durch Moderatoren oder Lehrende Weiterführendes zum Einsatz von Videos aus didaktischer Sicht finden Sie im Kap. 18.8. Da Internet-Browser von sich aus keine Videos abspielen können, benötigen Nutzer ein Browser-Plugin oder ein Abspielprogramm, z. B. QuickTime, Windows Media Player oder Realplayer. PCs sind i. d. R. schon so vorinstalliert (Betriebssystem, Browser und die wichtigsten Plugins), dass Videonutzung heute kaum mehr eine Hürde darstellt, solange keine exotischen Videoformate angeboten werden.
31.5.1 Grundlagenwissen Video Mit Animationssoftware produzierte Animationsfilme wären vereinfacht gesehen die Vektordarstellung des Videobereichs (analog zu Bildern im Vektor- und Rasterformat). In diesem Buch sind die mit Animationssoftware hergestellten Medien im Kap. 31.6
31.5 Video
573
näher beschrieben, während sich dieses Kap. den mit Videokamera aufgenommenen Medien widmet. Mit Digitalkamera aufgenommene Videos sind prinzipiell aneinandergereihte Rastergrafiken. Genau wie bei Grafiken (s. Kap. 31.3) kann das Bild in verschiedenen • Größen und Auflösungen (Anzahl Bildpunkte) und • Farbtiefen gespeichert werden. Bildrate
Analog zur Samplingrate bei Audioaufnahmen ist bei Filmaufnahmen die Anzahl der aufgenommenen Bilder je Sekunde ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Für das menschliche Auge entsteht ab ca. 15−18 Bildern je Sekunde der Eindruck einer Bewegung, für Filme werden ca. 25 Bilder je Sekunde aufgenommen. Für die Speicherung von Filmen gilt: Je höher die Auflösung, Farbtiefe und Bildrate, umso größer ist die Datei. Der Speicherplatzbedarf wird zusätzlich von der Tonqualität (s. Kap. 31.4) beeinflusst. Professionelle Videoaufnahmen und Nachproduktion sollten von Fachleuten durchgeführt werden (Kamera, Beleuchtung, Schnitt usw.). Sollen Videoaufnahmen von E-Learning-Autoren selbst erstellt werden, ist zumindest eine Medienproduktionsschulung empfehlenswert.
31.5.2 Dateiformate und Produktion Bei einfachen Videoaufnahmen von Vortragenden sollten z. B. folgende Aspekte berücksichtigt werden: • Die Beleuchtungssituation sollte überprüft und ggf. optimiert werden (u. a. Gegenlicht vermeiden). • Die aufzunehmende Person sollte keine knallrote oder mit feiner Musterung (kleine Karos oder Streifen) versehene Kleidung tragen, um Flimmereffekte zu vermeiden. Außerdem ist die Zustimmung für das Mitfilmen einzuholen. • Tonqualität: siehe Hinweise in Kap. 31.4 • Die Kamera sollte auf einem Stativ stehen. Ort der Kamera (und Kabelverlegung) sollte neben einer günstigen Aufnahmeperspektive auch Störungsfreiheit während der Aufnahme sicherstellen. Für Personenaufnahmen kann eine halbnahe Einstellung gewählt werden (Oberkörper ab Bauchmitte). • Wenn die Kamera nicht auf Automatik eingestellt ist, ist ein Weißabgleich zu empfehlen. • Sollen später Medien mit dem Film dargestellt oder in diesen reingeschnitten werden, ist eine Zeitliste zu führen (wann wurde welches Medium gezeigt). • Mit Rapid-Authoring-Werkzeugen kann das Zusammenstellen von Video und Medien während der Aufnahme realisiert und die Nachproduktionszeit verkürzt werden (s. Kap. 29.3.4).
574
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Videokameras speichern die Aufnahme auf Kassette, miniDVD oder Festplatte in verschiedenen digitalen Formaten (DV, DVCAM, DVCPro, HDV,DVCProHD). Zur Weiterverarbeitung werden die Videos von der Kamera über eine Firewire bzw. i.Link-Schnittstelle oder eine USB-Schnittstelle an den PC übertragen. Beim Transfer des Videostroms in den PC wird je nach Plattform (Windows, Mac oder Linux) und genutzter Videobearbeitungssoftware das Video in unterschiedlichen Formaten abgelegt: Bei Windows-PCs wird das DV-Material meist im AVI-Containerformat auf der Festplatte abgelegt (Dateiendung .avi) und bei Macintosh-Computer meist in Quicktime als Containerformat (.mov). Für analog aufgenommene Videos (inzwischen selten) müssen diese über eine Grafikkarte mit Video-IN/OUT, TV-Karten oder reine Videokarte (Videograbber) in den PC importiert werden. Es gibt eine große Menge von Videobearbeitungssoftware mit unterschiedlicher Funktionalität und Fähigkeit, verschiedene Formate zu speichern. Beispiele für freie Software: Avidemux, Open Video Editor und VirtualDub. Beispiele für kommerzielle Systeme: Adobe Premiere, Avid Xpress iMovie und Final Cut Pro (Apple). Nach der Bearbeitung möchte man die Videos den Nutzern bereitstellen. Auch bei der Speicherung von Videos werden Komprimierungsverfahren eingesetzt, um Speicherplatzbedarf und Übertragungsbandbreite zu sparen. Man unterscheidet zwischen verlustfreier und verlustbehafteter Komprimierung. Komprimierung von Videos basiert erstens auf der Komprimierung der Einzelbilder und zweitens darauf, dass bei der Speicherung von Bildfrequenzen nur sich verändernde Bildbereiche gespeichert werden müssen. Verlustfreie Formate werden in der Praxis selten verwendet (HuffYUV, Lagarith, FFv1, MSU Lossless, AZW). Häufig genutzt werden die verlustbehafteten Formate: MPEG-4, Windows Media, RealMedia, Flash-Video und, Quicktime). Weiterführendes zu Dateiformaten finden Sie in Born (2002). Da Video- und Audiomedien trotz Komprimierung hohen Speicherplatzbedarf haben und für die Übertragung an die Nutzer hohe Bandbreiten erfordern würden, wurden Streaming-Verfahren entwickelt. Während ohne Streaming eine Mediendatei vor Beginn des Abspielens zuerst vollständig übertragen werden muss, wird beim Streaming das Abspielen schon während der Übertragung begonnen. Serverseitig ist hierfür i. d. R. ein Streaming-Server zu installieren. Beispiele für freie Software: Darwin Streaming Server, Helix DNA Server. Beispiele für kommerzielle Software: Helix Server (RealNetwork), Windows Media Server. PC-seitig werden die Medien von streamingfähigen Programmen oder Browser-Plugins empfangen und abgespielt. Um Videos als Streaming Media anzubieten, müssen diese in ein Streaming-Format gewandelt werden, z. B. Windows Media Video, Real Media/Real Video, MPEG-4 oder Quicktime Movie (MOV). Einige Videobearbeitungs-Softwaresysteme können streamingfähige Formate speichern. Ansonsten können so genannte Encoder genutzt werden, z. B. realProducer, Microsoft Media Encoder, Quicktime Broadcaster, die das Streaming-Format des Videos so aufbereiten können, dass die Nutzer mit unterschiedlichen Bandbreiten (56 kbpsModem, single/dual ISDN, DSL usw.) einen jeweils optimalen Stream bereitgestellt bekommen. „Progressives Download“ erlaubt das Betrachten von Medien schon während des Downloads, ohne dass sich auf dem anbietenden Server eine Streaming-Serversoftware
31.5 Video
Videoaufnahme und Übertragung zum Autoren-PC
Produktionswerkzeuge
Komprimierung, komprimierte Formate
Streaming Media/ Streaming Server
Streaming für unterschiedliche Bandbreiten
Progressives Download
575
befindet. Der Player auf dem PC des Nutzers benötigt eine kurze Vorladezeit und beginnt dann mit dem Abspielen. Im Gegensatz zu Streaming kann nur in dem bereits heruntergeladenen Teil navigiert werden (Schieberegler auf Zeitleiste).
31.6 Animationen Begriffe: Animation und Simulation
Einsatzbeispiele
Wie auch bei Videos sind Animationen Folgen von Einzelbildern, durch deren schnelles zeitliches Aufeinanderfolgen der Eindruck der Bewegung entsteht. Während mit Videomedien im Kap. 31.5 die mit Kamera aufgenommenen Medien gemeint sind, geht es in diesem Kapitel um „programmierte“ Bewegtmedien. Animationen können helfen, mit Bild oder Text schwer erläuterbare Lerninhalte leicht verständlich zu gestalten. Zum Beispiel können Animationen zeitliche Abläufe oder Prozesse gut darstellen sowie komplexe Sachverhalte, Modelle, Konzepte oder Phänomene „Schritt für Schritt“ erläutern (s. auch Kap. 18). Im Gegensatz zu Simulationen stehen bei Animationen den Nutzern keine Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung (abgesehen von Navigationsmöglichkeiten, wie Vorund Zurückspulen). Hier einige Einsatzbeispiele von Animationen: • Animierte Folien helfen komplexe Konzepte und Sachverhalte durch schrittweises Einblenden von Teilaspekten zu erläutern. Dies können z. B. einfache Aufzählungspunkte, mathematische Herleitungen oder komplexe grafische Darstellungen sein. Häufig werden animierte vertonte Folienvorträge (Sprechertext) im E-Learning eingesetzt. • Kommunikationssituationen können mit einfachen Trickfiguren dargestellt werden, z. B. bei der Wissensvermittlung zu Sozialkompetenzthemen oder im Verkaufstraining. • Für Assistenten oder Chatbots werden die Charaktere animiert, häufig mit einfachen Trickanimationen. Inzwischen ist die Animationstechnologie so weit, dass anhand eines einzigen Fotos ein menschliches Gesicht animiert werden kann. • Animationen können zeitliche Abläufe, z. B. die Funktionsweise von technischen Geräten, gut erläutern:
Abb. 31.11 links: Darstellung eines Sternmotors als animated GIF mit 18 Einzelbildern (hier Frame 1, 5, 10, 15; Quelle: Wikimedia Commons – Autor: Duk) Abb. 31.12 rechts: Darstellung einer Schwingung (Quelle: www.elearningbauphysik.de)
576
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abb. 31.13: Erläuterung des Aufbaus eines Ohrs (hier 4 Einzelbilder der Animation; Quelle: www.elearningbauphysik.de)
• Das Verständnis von mathematischen oder physikalischen Zusammenhängen kann durch Animationen gefördert werden. In Abb. 31.12 wird eine Schwingung dargestellt. • Auch Algorithmen oder Berechnungsmodelle können mit Animationen leichter verständlich visualisiert werden. In Abb. 31.14 werden 2 Bilder einer Animation zur Darstellung der Netzplantechnik (Terminplanungsmethode) dargestellt. Die Berechnung der Netzplanknoten wird Schritt für Schritt vorgeführt und mit Formeln und anschaulichen Beispielen erläutert.
31.6 Animationen
Abb. 31.14: Animation Netzplantechnik Kursmaterial Projektmanagement (Quelle: metaVentis GmbH)
577
31.6.1 Grundlagenwissen Animationen Animation von Gesichtern/Darstellung von Menschen
In Abb. 31.15 sehen Sie ein von der Gruppe Medieninformatik (Institut für Bildinformatik, Universität Siegen) bereitgestelltes Bild von Mona Lisa. Anhand eines Bildes oder eines Fotos sowie eines Gesichts- und Bewegungsmodells kann eine 3-D-Animation eines Gesichtes erstellt werden (Blanz & Vetter, 1999).
Abb. 31.15: Mona Lisa, Gesichtsanimation auf Grundlage einer Abbildung
Auf den Internetseiten des Instituts kann man die anhand eines Fotos erzeugten 3-D-Animationen von Gesichtern sehen, z. B. von Tom Hanks und Audrey Hepburn. Professionelle Animationssoftware ist bereits seit einigen Jahren so weit fortgeschritten, dass komplette menschliche Körper sehr originalgetreu animiert werden können (z. B. im Film „Final Fantasy“ oder Personenanimation in „Spider-Man 3“). In der Filmindustrie werden echte Videoaufnahmen mit animierten Szenen kombiniert, z. B. um für die Darstellung von kriegerischen Schlachten die Anzahl der Schauspieler zu reduzieren. Diese Technologien werden in Teilen sicher in einigen Jahren für E-LearningAuthoring übernommen, z. B. um mit animierten Schauspielern Situationen oder Handlungsabläufe darzustellen. Die heutige E-Learning-Autorenpraxis konzentriert sich auf oben in den Einsatzbeispielen dargestellte Medien. Grundsätzlich können Animationen auf zwei Wegen entstehen: • Die Einzelbilder werden separat erstellt und hintereinander arrangiert (animierte Grafiken). • Objekte und deren Bewegungen werden als Modell konstruiert: Ähnlich wie die in Kap. 31.3.1 beschriebenen Vektorgrafiken werden mittels einer Animationssoftware oder durch Programmierung Koordinaten und andere geometrische Informationen der Objekte festgelegt und diese durch Oberflächeninformationen und Bewegungsinformationen ergänzt.
578
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abgesehen von der Produktion von animierten Foliensätzen und einfachen Animationen mittels Rapid-Authoring-Werkzeugen oder Grafikbearbeitungssoftware ist der Einsatz von Medienproduzenten für die Gestaltung hochwertiger Animationen empfehlenswert.
31.6.2 Dateiformate und Produktion Durch die Vielzahl der Animations- und Autorenprogramme existieren zahlreiche proprietäre Formate. Entscheidend sind die Formate, in welche die Produktionssoftware die fertige Animation exportieren kann. Flash und Java-Applets sind derzeit die meistverwendeten Formate für Animationen. Für Flash benötigen die Endnutzer ein Flash-Plugin für ihren Browser, was heute als Standard angesehen werden kann. Für das Abspielen von Java ist eine RuntimeEnvironment auf dem PC des Nutzers notwendig. Auch dies ist heute Standard. Durch die weite Verbreitung von Microsoft Office werden animierte Foliensätze häufig im proprietären Microsoft-Formaten PPT oder PPS ins Web gestellt. Hierzu müssen Nicht-Microsoft-Nutzer ein Abspielprogramm installieren. Insbesondere bei der Verwendung von proprietären weit verbreiteten Formaten muss auf Virenschutz geachtet werden. Lehrende und Autoren, welche diese Formate vertreiben, sollten ihren Produktions-PC besonders sorgfältig schützen. Ein beliebtes Format zur Verbreitung einfacher Animationen ist das GIF-Grafikformat, da dies sehr leicht zu produzieren ist. Weiterführendes zu Dateiformaten finden Sie in Born (2002). Animationen werden mit Animationssoftware wie Flash, Java (Java-Applets) oder Rapid-Authoring-Software erstellt. Einfache GIF-Animationen (animierte Rastergrafiken) können mit Bildbearbeitungssoftware erzeugt werden (s. Kap. 31.3). Sehr viele Softwarewerkzeuge bieten die Möglichkeit, Bildschirme abzufilmen (z. B. geeignet für Softwarebedienungs-Tutorials). Einige erlauben das Importieren von vorhandenen Foliensätzen, Video, Audio und anderen Medien und gestatten das Gestalten einer Kursmaterial-Navigation (Themen, Unterthemen, Navigationspfade). Eine Trennung in Produkte zur Erstellung bzw. „Programmierung“ von Animationen, zum Rapid Authoring oder anderen Gruppen ist durch die schnelle Weiterentwicklung der Tools nicht mehr sinnvoll. Daher erfolgt hier nur eine Aufzählung von Beispielen und keine Feature-Beschreibung oder Einordnung. Beispiele für kommerzielle Werkzeuge: Dynamic PowerTrainer, Flash-AuthoringWerkzeuge von Adobe (z. B. Flash CS3 Professional), LECTURNITY von IMC, Macromedia Captivate (auch bekannt als RoboDemo). Einige Beispiele für freie Werkzeuge: CamStudio (Abfilmen vom Bildschirm), Impress von OpenOffice (Folienerstellung und Flash-Export), Java (als Programmierumgebung für Java-Applets), Wink von DebugMode (Abfilmen und Nachbearbeiten von Bildschirmen). Außerdem existieren freie Online-Autorenwerkzeuge (z. B. Webvortrags-Editor von metacoon), mit denen vertonte Online-Folienpräsentationen aus Einzelrastergrafiken und anderen Medien sowie Audio/Video erstellt werden können. Einzelgrafiken der Foliensätze können aus Folienerstellungsprogrammen gespeichert werden (s. Kap. 31.10).
31.6 Animationen
Dateiformate
Produktionswerkzeuge
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31.7 Einfache und komplexe Simulationen, virtuelle Lernwelten, Game Based Learning In Forschung und Entwicklung bildet man mit Simulationen Systeme mit deren dynamischen Prozessen in Modellen nach, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und diese auf die Wirklichkeit zu übertragen. Im E-Learning-Bereich werden Simulationen zur Unterstützung von Erkenntnisprozessen der Lernenden zu verfügbarem Wissen eingesetzt. Außerdem bieten Simulationen die Möglichkeit, erarbeitetes Wissen und Fähigkeiten in einer sicheren virtuellen Umgebung zu erproben, ohne den Risiken der realen Welt ausgesetzt zu sein, z. B. Versuche in virtuellen Labors oder Training mit einem Flugsimulator (s. auch Kap. 18.7). Beispiele für Simulationen: Abb. 31.16: Simulation aus Kursmaterialien zur Bauphysik (Quelle: www.elearningbauphysik.de)
• Einfache Simulationen, z. B. kleine Applets, ermöglichen Lernenden, die Reaktion eines Systems auf verschiedene Eingaben zu erkennen. • Abbildung 31.17 zeigt eine Simulation, mit der Lernende schalldämmende Eigenschaften von verschiedenen Materialien und Wandaufbauten ausprobieren können. Man sieht zwei Räume von oben, welche mit einer links auswählbaren Wand abgeteilt werden. Im linken Raum kann man verschiedene Schallquellen starten und hört die Lautstärke in diesem Raum. Oberhalb der Raumdarstellung kann man die Art des Schalls verändern (z. B. Klassik, Rock). Klickt man im rechten Raum auf die Abspielschaltfläche, kann man hören, wie viel Schall durch die gewählte Wand hindurchdringt. • Die Fachhochschule Erfurt forscht zum Einsatz von Chatbot-Technologien in der Lehre, z. B. für das Fach „Moderation und Mediation“. Simuliert werden Dialoge. Zum Beispiel können sich mehrere Chatbots kontrovers über ein Thema unterhalten und Lernende moderieren dies. Bei guter Moderationsleistung kann die Unterhaltung konstruktiv und lösungsfindend verlaufen, bei schlechter Moderation kann ein Streit eskalieren. (Spierling, 2006, 2007).
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abb. 31.17: Simulation aus Kursmaterialien zur Bauphysik (Quelle: www.elearningbauphysik.de)
Abb. 31.18: Einsatz von ChatbotTechnologie für interaktives Kommunikationstraining (Quelle: Fachhochschule Erfurt)
Sehr viel aufwendiger sind Simulationen, wie Planspiele oder Lernspiele. Abbildung 31.19 zeigt eine virtuelle Stadtsimulation, anhand derer Lernende Aspekte der Planung einer Stadt, z. B. Stadtentwicklung, Verkehr, Verkehrspolitik, Wirtschaft und Umwelt, erlernen können.
31.7 Einfache und komplexe Simulationen, virtuelle Lernwelten, Game Based Learning
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Abb. 31.19: Virtuelle Stadtsimulation „dein|t|o|w|n|“ ehemals „Mobility“ (Quelle: Javido Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen, Bauhaus-Universität Weimar, GLAMUS GmbH)
31.7.1 Grundlagenwissen Simulation Während bei Animationen der Nutzer nur navigieren kann (z. B. vor- und zurückspulen oder auswählen), kann er bei Simulationen aktiv in die mit der Simulation abgebildete Realität eingreifen oder diese steuern. Dies kann das Verändern von einfachen Eingabewerten (z. B. bei Berechnungsmodellen), die Bedienung einer komplexen Maschine (bzw. deren Modell) oder das Üben einer medizinischen Operation sein. Von Simulationen wird erwartet, dass diese ähnlich der Realität auf Benutzereingaben und andere Ereignisse reagieren, auch wenn die Realität nicht 100%ig abgebildet wird. Simulationen liegen ein oder mehrere Modelle zugrunde. Beim Beispiel der in Abb. 31.19 dargestellten Stadtsimulation wären dies z. B. Infrastruktur-, Finanz-, Stadtentwicklungs-, Nachfrage- und Umlegungsmodell. Mit einem Wirkungsmodell wird der Einfluss von Ereignissen und der daraus folgende nächste Systemzustand ermittelt. Dieser wird durch eine Visualisierungskomponente dem Nutzer präsentiert. In dieser Simulation werden fortlaufend neue Systemzustände berechnet, auch wenn der Nutzer keine weiteren Eingaben macht. Die Stadt entwickelt sich auch selbstständig über die Zeit. Ereignisse, die Zustandsänderungen hervorrufen, kommen also aus dem System und vom Nutzer. Prinzipiell funktionieren einfachere Simulationen ähnlich. Durch Programmierung oder Konfiguration wird ein Modell zugrunde gelegt, welches zumindest auf Nutzereingaben reagiert, ggf. auch auf weitere Ereignisse. Eine Visualisierungs- oder andere Aus-
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abb. 31.20: Modelle von „dein|t|o|w|n|“ ehemals „Mobility“ (Quelle: Javido Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen, Bauhaus-Universität Weimar, GLAMUS GmbH)
gabekomponente informiert den Lernenden über den aktuellen Zustand des Systems und bietet Eingabe- bzw. Eingriffsmöglichkeiten an.
31.7.2 Dateiformate und Produktion Abgesehen von einfachen Simulationen, welche mit Flash oder Rapid-AuthoringWerkzeugen erstellt werden können, ist die Produktion von Simulationen meist so aufwendig, dass IT-Fachleute hinzugezogen werden. Simulationen sind ausführbare Programme. Mögliche Formate können sein: • Abspielbar im Webbrowser: Flash, Java-Applets • Lokal zu installieren: Java-Programme, ausführbare Programme je nach Plattform (für Windows z. B. EXE). Komplexe Simulationen werden mittels verschiedenster Programmierumgebungen erstellt.
31.8 Übungen und Tests Übungen und Tests werden unterschiedlich eingesetzt: • Klassische Online-Prüfungen und Tests • Selbstlernkontrolle, z. B. zur Prüfungsvorbereitung • Lesehilfen, z. B. Kapitelfragen. Werden die Testergebnisse gespeichert, können Autoren Feedback zur Verständlichkeit ihrer Inhalte erhalten.
31.8 Übungen und Tests
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Kapitel 21 führte bereits in das didaktische Design von Übungs- und Testaufgaben ein. In Kap. 30.4.3.3 wurden Tests aus Sicht der Lehrenden bzw. der E-LearningBetreuung erläutert. In der Regel legen Autoren Übungs- und Testfragen an und stellen aus diesen Fragebögen zusammen. Abbildung 30.17 zeigt die Sicht eines Lernenden auf die erste Frage eines 15 Fragen umfassenden Bogens. Abbildung 30.18 und 30.19 zeigen aus Sicht von Lehrenden bzw. Autoren die Auswertung von Fragebögen, also die von Teilnehmern erreichte Punktzahl.
31.8.1 Grundlagenwissen Übungen und Tests Übungen und Tests werden meist als Fragebögen, also als Sammlung von Einzelfragen und -übungen erstellt. Für den E-Learning-Bereich sind vor allem Frage- und Übungstypen interessant, welche automatisch ausgewertet werden können, z. B.: Typische Online-Fragetypen
• Single Choice: Aus einer Liste von Antwortalternativen, welche in Text, Bild oder mit anderen Medien dargestellt werden, ist genau eine Antwort richtig. • Multiple Choice: Hier können mehrere Antworten richtig sein, d. h., Lernende können mehrere Antwortalternativen wählen. • Lückentext wird häufig in der Sprachausbildung eingesetzt. In einem Text fehlen Worte, Wortteile oder (selten) Satzteile, welche von den Lernenden korrekt zu ergänzen sind. Autoren legen je Lücke ein oder mehrere als richtig zu erkennende Antworten fest. Diese Übungsform wird auch für komplexere Rechenaufgaben genutzt. Zum Beispiel kann eine komplexe Projektterminplanungs-Aufgabe als Dokument (PDF) an Lernende verteilt werden. Die Lernenden lösen die Aufgabe und tragen anschließend einige Zwischen- und Endergebnisse in die Lücken des „Lückentexts“ ein. So können Lehrende zwar nicht den Lösungsweg nachvollziehen, aber die Lösung mit Punkten bewerten. • Bei Sortieraufgaben wird Lernenden eine Liste von nicht korrekt sortierten Elementen (Text/Medien) vorgegeben, welche in die korrekte Reihenfolge zu sortieren sind. • Anordnungs-/Zuordnungsaufgaben stellen meist zwei Gruppen von Elementen dar. Jedes Element der einen Gruppe muss dem korrekten Element der anderen Gruppe zugeordnet werden. So könnten z. B. die Namen von Hauptstädten den Ländern zugeordnet werden. • Zeigeaufgaben/Hotspot: Es wird eine Frage zu einer Abbildung gestellt, z. B. soll die Leber auf einer Abbildung des menschlichen Bauchraumes angeklickt werden. Trifft der Lernende mit der Maus auf als richtig markierte Bildbereiche, erhält er entsprechende Punkte. Je nach Fachgebiet wurden spezielle Übungstypen entwickelt: • In der Sprachausbildung können Lernende aufgefordert werden, ein Wort korrekt auszusprechen. Dies wird aufgenommen und mit einem Referenzbeispiel verglichen. • In der Musikausbildung kann ein Musikstück vorgespielt werden und Lernende müssen dieses analysieren, z. B. Taktart, Noten, Abschnitte und Harmonik.
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Unter der Internetadresse: http://qti2.metacoon.net wird ein Beispielfragebogen vorgestellt (Quelle: Projekt des Bildungsportals Sachsen und der metaVentis GmbH zur Erstellung von QTI-2 Werkzeugen). Wenn Übungsaufgaben nicht automatisch von einem System korrigierbar sind, können Selbstbewertungen durch den Lernenden eingefordert werden. Wird z. B. eine Freitextaufgabe gegeben, d. h., Lernende müssen in einem kurzen Text antworten, können anschließend korrekte und falsche Aspekte einer möglichen Antwort neben der gegebenen Antwort eingeblendet werden. Lernende müssen sich Plus- oder Minuspunkte für enthaltene/nicht enthaltene Aspekte geben. Lehrende können die Selbstbewertung durch Stichproben prüfen. Für Übungen und Tests wird neben den reinen Lernmaterialien auch Systemfunktionalität des LMS benötigt, welche u. a. eine Auswertung der Ergebnisse ermöglicht. Die Fragebögen werden für eine bestimmte Kursumgebung bereitgestellt. Ein Fragebogen könnte für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedlich bewertet werden, d. h., dass auf die korrekte Beantwortung einer Frage in einem Kurs mehr Punkte vergeben werden könnten als in einem anderen Kurs. Neben den reinen Übungen müssen Autoren oder Lehrende also noch Bewertungsinformationen beifügen.
Beispiel für einen Online-Fragebogen
LMS-Funktionen für Übungen und Tests
31.8.2 Dateiformate und Produktion Im Übungs- und Testbereich existieren leider eine Vielzahl von proprietären Formaten, da viele Hersteller von E-Learningsystemen ein eigenes Übungs- und Test-Framework schufen. So können diese Lerninhalte meist nur in der Plattform genutzt werden, für
Proprietäre Formate
Abb. 31.21: Beispiel für einen Übungs- und Testeditor zur Produktion von QTI-konformen Fragebögen (Bildquelle: www.metacoon.net)
31.8 Übungen und Tests
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QTI: Standardisiertes Übungs- und Test-Format
welche sie erstellt wurden. Auch wurden in den letzten Jahren durch den Boom der mobilen Geräte eine Reihe von Übungs- und Testtechnologien für Handys oder Palms entwickelt. Die Übungen und Tests sollten möglichst im Format des QTI E-Learning-Standards (s. Kap. 32) erstellt werden (IMS QTI). Lernplattformen, welche diesen Standard unterstützen, können QTI-Fragebögen importieren und die Abspiel- und Auswertefunktion bereitstellen. Nachdem E-Learning-Hersteller den QTI-Standard implementiert hatten, wurde der sehr umfangreiche QTI-2-Standard veröffentlicht. Dieser wird nun von einigen Lernplattformen und Autorenwerkzeugen implementiert. Zum Beispiel entwickeln derzeit das Bildungsportal-Sachsen und metacoon ein freies, umfangreiches QTI2-Framework, welches aus Offline-Editor und Online-Abspiel- und Auswertungsumgebung besteht.
31.9 Nachschlagewerke und Literaturverwaltung Die bekanntesten Nachschlagewerkformen sind Glossare und Literaturreferenzen oder „-datenbanken“. Für einige Fachgebiete besteht der Bedarf an speziellen Nachschlagewerken, z. B. Persönlichkeiten, Produkt- oder Materialdatenbank. Nachschlagewerke können eine fest vorgegebene Datenstruktur haben. So könnten z. B. für ein Material- oder Produktnachschlagewerk neben Feldern wie Titel, Beschreibung, Abbildung spezielle Felder zu Materialeigenschaften gewünscht sein, die strukturiert durchsuchbar sein müssen. Andere Nachschlagewerke haben keine fest vorgegebene Datenstruktur, abgesehen vom Titel und einer Beschreibung. Meist kann dann die Beschreibung frei mit einem Editor strukturiert werden, z. B. mit Überschriften, Aufzählungen und Tabellen. Nachschlagewerke werden häufig in Lernmaterialien eingebunden. Leider verlangen einige Autorenwerkzeuge immer noch, je Kursmaterial die gewünschten Glossar-, Literaturverweis- oder sonstige Nachschlagewerkeinträge erneut zu erstellen. Immer mehr Autorenumgebungen ermöglichen jedoch die kooperative oder individuelle Pflege von Nachschlagewerken, welche in unterschiedlichen Kursmaterialien wiederverwendet werden können. Solche Nachschlagewerke werden z. B. in OnlineDatenbanken oder in einem Wiki gepflegt. Dafür müssen Nachschlagewerkeinträge eine eindeutige Identifikation haben, also eine sich nicht verändernde Nummer oder Adresse. Diese wird als Link in die Lernmaterialien aufgenommen. Die Abb. 30.22 und 30.23 zeigen solch ein Online-Nachschlagewerk, welches in XML-Kursmaterialien der Autorenumgebung eingebunden werden kann. In Abb. 31.22 ist ein Kursmaterial dargestellt, in welchem ein Nachschlagewerkobjekt „Persönlichkeit“ eingebunden wurde. Das sicher bekannteste Nachschlagewerk ist Wikipedia. Da zu vielen Wissensgebieten bereits sehr gute Nachschlagewerke existieren, werden Lernplattform- und Autorenumgebungs-Nachschlagewerke zunehmend mit diesen vorhandenen Nachschlagewerken verbunden. Wird im lokalen Nachschlagewerk kein passender Eintrag gefunden, werden andere Quellen durchsucht. Zusätzlich können auch externe Nachschlagewerke als weiterführende Informationen angegeben werden (s. z. B. Abb. 31.21 der Link auf Wikipedia unter der Darstellung des eigenen Nachschlagewerkeintrags).
586
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abb. 31.22: Beispiel für ein im Kursmaterial eingebundenes Nachschlagewerk, welches wiederum auf ein externes Nachschlagewerk (hier Wikipedia) verweist (Quelle: www.elearningbauphysik.de)
31.10 Online-Präsentationen (Folien und Medien mit Audio/Video) Online-Präsentationen bestehen aus einem Präsentationsmedium, meist einem Foliensatz, und einer Aufnahme des Lehrenden als Audio (gesprochener Text) oder Video. Abb. 31.23: Beispiele für OnlinePräsentation (Folien und Video) (Quelle: metacoon OnlineLernmaterial des Lehrstuhls Lernen und Neue Medien, Universität Erfurt)
31.10 Online-Präsentationen (Folien und Medien mit Audio/Video)
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Produktionswerkzeuge
Solche Online-Präsentationen können unterschiedlich erstellt werden. Beispiel für die Produktion mit freien Werkzeugen: Mit OpenOffice können Foliensätze erstellt und die Folien als Rastergrafiken (JPG oder GIF) gespeichert werden. Alternativ können die Folien als Einzelgrafiken mit einer Grafikbearbeitungssoftware erstellt werden. Das Video des Sprechers wird mit einer Digitalkamera aufgenommen, z. B. in einer Schreibtischsituation oder in einem Vorlesungsraum. Dabei wird die Einblendestartzeit jeder Folie notiert. Mit einem Webvortrags-Online-Editor werden die hochgeladenen Folienbilder mit dem hochgeladenen Video (wird auf einem StreamingServer abgelegt) verbunden. Dabei werden die Startzeiten der Folien, Titel und Metadaten des Vortrags sowie die seitliche Folientitelleiste eingegeben. Abbildung 31.23 zeigt ein Beispiel für die Sicht eines Studierenden. Ein Beispiel für die Produktion mit kommerziellen Rapid-Authoring-Werkzeugen können Sie im Kap. 30.3.4 nachlesen.
31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML Viele Online-Lernmaterialien werden als Hypertexte angeboten: Mehrere HTMLSeiten, welche selbst aus Texten und Medien bestehen, sind über Links oder andere Navigationsmöglichkeiten miteinander verbunden. Sie bilden ein Netzwerk oder, falls nur über ein hierarchisches Inhaltsverzeichnis verknüpft, einen Baum. Klassische Hypertexte werden über Links innerhalb der Seite miteinander verbunden. Abbildung 31.24 rechts unten symbolisiert zwei Links in einer HTML-/Lerninhalteseite, welche zu anderen Lerninhalteseiten führen. Diese Art der Verlinkung ist für die Wiederverwendung von Lerninhalteseiten/-stücken sehr ungünstig. Bei einer Wiederverwendung müssten nicht nur die ausgewählte Seite, sondern auch die verlinkten Seiten sowie die von diesen Seiten verlinkten Seiten usw. mit in das neue Kursmaterial übernommen werden. Abb. 31.24: Verlinkung von HTML-Seiten oder Lerninhalteseiten/ -stücke
Netz
Baum
Verlinkung außerhalb
Verlinkung innerhalb
588
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Kursmaterialien
Zusammenstellung
Abb. 31.25: Kursmaterialien zusammengestellt aus Lerninhalteseiten/ -stücken
Adaptierung Inhalte
Modularisierung
Erstellung von gut wiederverwendbaren Inhalten bedeutet: • dass ein Lernmaterialstück für sich abgeschlossen und gut verständlich geschrieben sein muss, ohne auf andere verlinkte Inhaltestücke angewiesen zu sein,
Modularität und Wiederverwendbarkeit
• und dass Verlinkungen nicht innerhalb einer Seite oder eines Stücks definiert werden, sondern als externe Link- oder Navigationsstruktur „über den Seiten“. Beim Erstellen moderner Lerninhalte sollte zwischen Inhalten und Kursmaterialien unterschieden werden. Inhaltestücke/Content-Units sollten modular und gut wiederverwendbar für einen Pool produziert werden. Wie in Abb. 31.25 zu sehen, werden Kursmaterialien für eine bestimmte Zielgruppe aus diesen Inhalten zusammengestellt und bei Bedarf adaptiert. Die Zusammenstellung kann als Link- oder Navigationsstruktur „über“ den Inhaltestücken angesehen werden. Abbildung 31.1 zeigt ein Beispiel für die Zusammensetzung von komplexen Kursmaterialien (z. B. Hypertexte) aus elementareren Inhalten und Medien. Kursmaterialien können aus Kapiteln oder ähnlichen Abschnitten bestehen. Diese Kapitel bestehen z. B. aus Content-Units, also z. B. aus einzelnen Lerninhalteseiten oder -stücken, Webvorträgen und Übungsfragebögen. Content-Units setzen sich aus kleineren Einheiten zusammen und diese wiederum aus kleineren – bis hin zu elementaren Objekten, wie Medien oder Nachschlagewerkeinträgen.
Zusammenstellung von Kursmaterialien aus Inhalten und Medien
31.11.1 Zusammenstellen von Kursmaterialien Sind genügend Content-Units für ein gewünschtes Kursmaterial verfügbar, können diese mit entsprechenden Autorenwerkzeugen, z. B. „Kursmaterial arrangieren“ oder „course material builder“, zusammengestellt werden.
31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML
589
Abb. 31.26: Werkzeug zum Zusammenstellen von SCORM-Kursmaterial in einer LMS-Autorenumgebung
Abbildung 31.26 zeigt ein Werkzeug zur Zusammenstellung von Kursmaterial aus Content-Units. Das Inhaltsverzeichnis (bzw. SCORM-Manifest) wird wie in einem Dateiexplorer durch Ordner und Unterordner erstellt. In einen „Ordner“ (entspricht einer späteren Kursmaterialseite) wird die jeweilige Content-Unit samt Medien hochgeladen. Rechts aufgeblendet ist eine Vorschau des Kursmaterials mit Navigation zu sehen (vollständig s. Abb. 31.22). Abb. 31.27: Werkzeug zum Zusammenstellen von SCORM-Kursmaterial über Wissenslandkarten in einem Repository
590
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Abbildung 31.27 zeigt ein ähnliches Werkzeug zur Zusammenstellung von SCORMKursmaterialien innerhalb eines Lerninhalte-Repositoriums. Hier werden Content-Units in Wissenslandkarten oder Concept-Maps in Aufbereitungsvarianten (Sprache, didaktische Form, …) verwaltet. Das Erstellen einer Kursnavigation erfolgt durch das „Darüberlegen“ eines Kursmaterial-Navigationspfads. Abbildung 31.22 zeigt ein Beispiel für ein zusammengestelltes Lernmaterial. Neben der Hauptmenünavigation links besteht die Möglichkeit, zusätzliche „related Links“ mit externer Verlinkung zu definieren. Diese würden rechts unter „Weitere Inhalte“ erscheinen. Darunter befinden sich typische Kursmaterialfunktionen: • Suche im Kursmaterial, • Schriftgröße anpassen, als Druckversion ausgeben,
Typische Kursmaterialfunktionen
• Learner-Tracking: „schon gesehen“, „Seite verstanden“, Favoritenverwaltung, • Denkbar wären hier auch individuelle oder kooperative Markierungs- und Kommentierungsfunktionen (s. Abb. 30.29). Einige Autorenwerkzeuge, mit denen die Content-Units, Lerninhalteseiten oder stücke erstellt werden, ermöglichen gleichzeitig die Zusammenstellung eines Kursmaterials. Im Prinzip wird damit den Autoren ermöglicht, ihre Kursmaterialien als komplettes Buch inklusive Inhaltsverzeichnis bzw. Navigation zu erstellen. Da dies dazu verleitet, fortlaufend, also seiten- bzw. lernmaterialstückübergreifend zu schreiben, ist diese Form des Texterstellens ungünstig für die Wiederverwendung aber natürlich sehr komfortabel für AutorInnen.
31.11.2 Erstellung von Lerninhalten (Stücke, Content-Units) mit XML-/HTML- oder anderen Editoren Für die Produktion der Lerninhalte, welche mit eben beschriebenen Werkzeugen zu Kursmaterialien arrangiert werden können, sind eine Reihe von unterschiedlichen Technologien und Autorenwerkzeugen verfügbar. Lerninhalte bestehen aus: • Texten, • Medien (Video, Audio, Animation, Simulation) und • zusammengesetzten Inhalten (z. B. Selbsttestfragebögen oder Webvorträgen). Lerninhalte können in proprietären Formaten (z. B. in älteren Microsoft WordDateiformaten), in XML, SGML oder in HTML erstellt werden. Für die Anzeige als Hypertext im Internet-Browser wird das erzeugte Format letztlich meist in HTML gewandelt. Diese Wandlung kann gleich nach Fertigstellung durch die Autoren ausgeführt werden (z. B. Export als HTML aus Microsoft Word oder OpenOffice). Alternativ kann die Wandlung erst nach dem Hochladen auf eine Lernplattform (Plattformwerkzeuge zur Lernmaterialanzeige) erfolgen.
31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML
Formate für Lernmaterialien
591
Abb. 31.28: Beispiel für ein proprietäres Dateiformat
Proprietäre Formate
SGML, XML
Proprietäre Formate haben den Nachteil, dass der Zugriff auf die Inhalte abhängig vom jeweiligen Editor-Programm ist. Ist der genutzte Editor nach einigen Jahren nicht mehr verfügbar oder lauffähig oder können Nachfolgeversionen das alte Dateiformat nicht mehr korrekt verarbeiten, dann gehen die erstellten Lerninhalte weitgehend verloren oder müssen sehr aufwendig rekonstruiert werden. Um dieses Problem zu lösen, wurden XML (Extensible Markup Language) und SGML (Standard Generalized Markup Language) entwickelt (ISO 8879). Mit diesen Metasprachen werden Dokumententypdefinitionen (DTD/XML-Schema) definiert, die den strukturellen Aufbau von Dokumenten beschreiben. Weiterführendes zu SGML und XML siehe Mintert (2002) und Harold und Means (2005). Abbildung 31.29 zeigt einen Ausschnitt der XML-Datei, aus welcher die in Abb. 31.22 dargestellte Lernmaterialseite (dort HTML-Ansicht in einem Browser) erzeugt wurde. Diese XML-Lerninhaltesprache (hier elcoML) sieht Auszeichnungen wie Titel des Lernmaterialstücks, Lerninhalt, Beispiel, Motivation usw. vor. Außerdem ist die Einbindung von Nachschlagewerken möglich − in obiger Abbildung wurde der Nachschlagewerkeintrag „Persönlichkeiten: Aristoteles“ verwendet. Welche dieser Auszeichnungen in welcher Reihenfolge oder Anordnung von Autoren verwendet werden dürfen, wird in der DTD bzw. im XML-Schema festgelegt. Man unterscheidet zwischen:
Abb. 31.29: Beispiel für ein XML-Lernmaterial (Texteditor)
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
• Auszeichnungen auf Absatz oder Abschnittsebene (z. B. Lerninhalt, Beispiel, Einleitung) • Auszeichnungen auf Zeichenebene, d. h., dass einzelne Wörter oder Zeichen beschrieben werden (z. B. Zitat, Referenz auf ein Nachschlagewerkeintrag, Hervorhebungen) • Strukturelementen (z. B. Tabelle, Aufzählungspunkte oder nummerierte Aufzählung) • Einbindung von Medien, Fremddokumenten (z. B. Bild, Video, Audio, Animationen, Simulationen, beigefügte PDFs). XML-Lerninhalte können mit verschiedenen Autorenwerkzeugen erstellt werden. Die unkomfortabelste Möglichkeit sind reine Texteditoren, in welchen Autoren selbst in der jeweiligen XML-Notation schreiben müssten (s. Abb. 31.29). Etwas komfortabler sind XML-Editoren (z. B. XMetal oder XML Spy). Diese sind für fortgeschrittene E-Learning-Autoren geeignet, überfordern aber Einsteiger (s. Abb. 31.30). Abb. 31.30: Beispiel für einen XML- Editor (XML Spy von Altova)
Autoren kommen immer noch eng mit der XML-Notation in Berührung. XML-Editoren haben aber den Vorteil, dass sie die korrekte Eingabe unterstützen und schon während der Bearbeitung auf Fehler hinweisen können. E-Learning-Einsteiger benötigen Autorenwerkzeuge, welche ihrer normalen Textverarbeitung sehr ähnlich sind. Daher bieten einige Hersteller von Lernplattformen und Autorenwerkzeugen Editoren an, bei denen die Autoren nicht mit dem XML, sondern nur noch mit der bekannten Formatvorlagen-Auszeichnung in Berührung kommen. Dies sind meist Offline-Editoren für den Autoren-PC. Beispiel: In Abb. 31.31 ist solch ein Editor abgebildet. Hier wurde ein Plugin für das Textverarbeitungssystem OpenOffice erstellt, welches den Autoren eine E-LearningFormatvorlage anbietet. Autoren arbeiten wie gewohnt mit einer Textverarbeitungssoftware, formatieren den Lerninhaltetext, nutzen Tabellen und Aufzählungen, binden Medien ein und speichern anschließend ein E-Learning-Dokument. Beim Speichern prüft das Plugin die korrekte Verwendung der Auszeichnungen und transformiert den Inhalt in ein XML-Lerninhalteformat. Anschließend packt das Plugin diese XML-Datei mit allen verwendeten Medien und Dokumenten in eine ZIP-Datei.
31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML
593
Abb. 31.31: Beispiel für einen XML-LerninhalteEditor auf Basis von OpenOffice
Vorteile von XML
Diese ZIP-Datei stellt eine Content-Unit inklusive aller Medien dar. Sie kann vom Autor in den Autorenbereich der Lernplattform hochgeladen und dort zu Kursmaterialien arrangiert werden (s. Abb. 31.26 oder 31.27). Fertig arrangiertes Kursmaterial kann anschließend in beliebig vielen Kursumgebungen der Plattform mit Kurs-LearnerTracking- und anderen Funktionen eingesetzt werden. Außerdem bieten Werkzeuge zum Arrangieren von Kursmaterialien i. d. R. Importund Exportfunktionen an. Zum Beispiel kann das Kursmaterial als SCORM-Paket oder als HTML-Pack&Go-Kursmaterial (z. B. für CD-Versand) gespeichert werden. Beim Export in Standardformate und Import in eine andere Lernplattform können Zusatzfunktionen, welche für die Quell-Lernplattform typisch sind, verloren gehen. Dies können z. B. Funktionen wie Lesezeichen, PDF-Druckfunktion, Markierung und Kommentierung sein. Der plattformübergreifende Austausch von Lerninhalten, Medien und Hauptnavigation über SCORM oder andere Standardformate funktioniert heute weitgehend. Trotzdem sollte vor Auswahl und Einführung einer Lernplattform geprüft werden, ob vorhandene Lerninhalte importierbar sind. Die Produktion von Lerninhalten im XML-Format ist, je nach Wahl der Autorenwerkzeuge, etwas aufwendiger als die direkte Produktion des Zielformats HTML. Trotzdem setzt sich die Nutzung von XML-Autorenwerkzeugen immer mehr durch, weil im Gegensatz zu HTML mit XML semantisch ausgezeichnet werden kann: • Ein möglicher Mehrwert kann die automatisierbare Anpassung der Inhalte an eine neue Zielgruppe sein. Beispielsweise könnten Beispiele ausgezeichnet und für eine neue Zielgruppe gegen andere Beispiele ausgetauscht werden. • Semantische Auszeichnung bietet auch die Möglichkeit für Funktionen wie „zeige alle Definitionen des Kursmaterials“.
594
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
• Das Kursmaterial-Erscheinungsbild (Farben, Schriftgrößen, Bildschirmaufteilung usw.) kann an neue Zielgruppen angepasst werden. Entsprechend der semantischen Auszeichnung könnten z. B. Beispiele grau hinterlegt werden oder als Lerninhalt ausgezeichnete Texte in kräftigerer Darstellung als Einleitungstexte oder andere lernführende Inhalte. Alternativ können Autoren auch Lerninhalte direkt in HTML erstellen. HTMLEditoren sind in den letzten Jahren sehr gut bedienbar geworden. Auch bei HTML besteht die Möglichkeit, die Lerninhalte in der Formatierung anzupassen (Farben, Anordnung, Schriftgrößen), wenn beim Erstellen des HTML Styles verwendet werden. Neben der HTML-Datei wird z. B. von einem Designer ein Stylesheet erstellt, welches die Anzeige der HTML-Datei beeinflusst. Wird das HTML-Kursmaterial für eine andere Zielgruppe in anderer Gestaltung benötigt, muss lediglich das Stylesheet angepasst werden. HTML-Lerninhalte werden von E-Learning-Einsteigern häufig mit Textverarbeitungssystemen (z. B. Microsoft Word) erstellt. Werden z. B. bei MS Word in den Überschriften Sonderzeichen verwendet, dann entstehen beim HTML-Export Dateinamen und Ordner mit Sonderzeichen. Beim Hochladen des Kursmaterials auf die Lernplattform und damit auf einen Server kann es dann zu Problemen kommen, weil z. B. LinuxServer die Verarbeitung von Sonderzeichen in Datei- und Ordnernamen nicht vorsehen. Einige Lernplattformhersteller haben ihren Hochladefunktionen zusätzliche „HTMLSäuberungs-/Konvertierungs-Funktionen“ hinzugefügt. Ohne solche Säuberungsfunktionen würde das Kursmaterial nicht verwendet werden können.
HTML-Kursmaterialien erstellen
31.11.3 Rendering von XML-Lerninhalten nach HTML oder PDF Das Rendering von Lerninhalten (Umwandeln von XML nach HTML) erfolgt automatisch auf dem E-Learning-Server. Nach dem Hochladen der Lerninhalte und dem Arrangieren zum Kursmaterial durch die Autoren liegen auf dem Server die XML-Dateien, alle Medien, Formeln, Nachschlagewerke sowie Informationen zur Kursnavigation oder zum Inhaltsverzeichnis vor. Für das automatische Rendering des Kursmaterials steht serverseitig eine XSLT-Datei zur Verfügung. Diese enthält Anweisungen, wie das XML nebst Medien und Navigation zu HTML zu wandeln ist. Ein Standard-XSLT wird vom Plattformhersteller mitgeliefert und kann für den Anwender individuell angepasst werden. Der Rendering-Prozess öffnet eine XML-Lerninhaltedatei und findet z. B. die Auszeichnung „Beispiel“. Die XSLT-Datei gibt vor, dass Beispiele als HTML-Paragraph zu speichern sind und dieser Paragraph den Style „Beispiel“ erhält. In einer zugehörigen auf dem Server liegenden CSS-Datei wird vermerkt, dass der Style „Beispiel“ vom Browser in schwarzer Schrift der Größe 12 grau hinterlegt dargestellt werden soll. In der HTML-Datei werden die Inhalte gespeichert und die CSS-Datei enthält Formatierungs- und Anordnungsinformationen für die Anzeige im Webbrowser. In der erzeugten HTML-Datei wird auf die verwendeten Medien oder auf Nachschlagewerkeinträge referenziert. HTML, CSS und die zur Seite gehörigen Medien werden auf Anforderung an den Browser eines Lernenden gesendet und dort dargestellt. Die Browser verarbeiten die
31.11 Hypertexte, Hypermedia – Textformate, HTML, SGML, XML
XSLT-Transformation
CSS-Datei
Browser und Darstellungsprobleme
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Abb. 31.32: Rendering von XMLLerninhalten zu HTML-Kursmaterialien
Erstellung der Content-Units
Kursmaterial arrangieren
Rendering XML | zu HTML +CSS
Server sendet an den Browser: HTML +CSS (und Medien) der Browser zeigt entsprechend CSS (Formatierung) das HTML an
NW XML, Medien, Formeln, NW (NW = Referenzen zu Nachschlagewerkeinträgen)
Gestaltungsanpassungen durch Fachleute
+Navigation/ SCORM-Manifest
XSLT-Transformation auf dem Server
XML, Medien, Formeln, NW
Navigation/ SCORM-Manifest XML, Medien, Formeln, NW
Kursmaterial im Webbrowser
empfangenen Dateien, um die Darstellung zu erzeugen. Dies tun Browser leider nicht immer exakt gleich. Dadurch kann ggf. ein Inhalt in vom Lernplattformhersteller (bzw. vom Ersteller des XSLT und CSS) nicht empfohlenen Browsern nicht 100%ig korrekt dargestellt werden. Zu Darstellungsproblemen kann es bei Benutzern auch nach einem Browser-Update kommen, wenn die Interpretation von HTML/CSS vom Browserhersteller geändert wurde. Wird also das XSLT-Stylesheet angepasst, sollte dies von einem IT-Fachmann erfolgen, der die aktuelle HTML/CSS-Interpretation der verschiedenen Browser kennt.
31.12 Lerninhalteerstellung mit Wikis und Online-Editoren Online-Editoren für die Produktion von hochwertigen modularen XML-Lerninhalten sind noch sehr selten. Die mögliche Funktionalität in einem Webbrowser ist viel eingeschränkter als die von lokal auf dem Autoren-PC installierbaren Programmen. Trotzdem hat die Produktion von Lerninhalten mit reinen Online-Werkzeugen Vorteile: • Es sind keine lokalen Installationen nötig, bei denen Probleme auftreten könnten. • Nutzer müssen sich nicht um das Update ihrer Autorenwerkzeuge kümmern. • Autoren können an fremden PCs, in Pools oder Internetcafés arbeiten. • Alle Lerninhaltedateien sind Online nachbearbeitbar verfügbar. (Einige XML-Autorenwerkzeuge belassen leider die nachbearbeitbaren Quellinhalte-Dateien auf den Autoren-PCs und laden nur die erzeugten XML-Dateien hoch.)
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31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Meist werden Online-Editoren in Kursumgebungen für das schnelle Erstellen einmalig (für einen Kurs) zu verwendender Lerninhalte angeboten. Sie sind meist nicht für die Produktion nachhaltiger, modularer, wiederverwendbarer Inhalte konzipiert. Weit verbreitet sind WYSIWYG-Online-Editoren: Abb. 31.33: WYSIWYG-OnlineEditor
Manche Plattformen bieten Werkzeuge zur Verlinkung der so erstellt Kursmaterialseiten. Einige dieser Plattformen halten die Verlinkungen extern zu den Kursmaterialseiten. Werden die Kursmaterialseiten kursübergreifend auf der Plattform gespeichert und können Kursbetreuer eine kursspezifische Verlinkung erstellen, dann ist das Arrangieren eines individuellen Kursmaterials und somit eine flexiblere Wiederverwendung möglich. Einige Online-Editoren erlauben das Verlinken auf andere Seiten innerhalb des Texts, so dass beim Abonnement von Online-Lerninhalten für einen Kurs unübersehbar viele ungewünschte Inhalte verlinkt sein könnten. Manche Plattformen ermöglichen dem Nutzer das Betrachten der Links in einer Netzansicht (wie eine Art Concept-Map oder Mindmap verwendbar).
31.12 Lerninhalteerstellung mit Wikis und Online-Editoren
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Wikis
Sehr beliebt sind Wikis. In Kursumgebungen werden sie ebenfalls für die schnelle Inhalteproduktion eingesetzt (s. Kap. 30.4.4.6, Abb. 30.31). Werden Wiki-Inhalte kursübergreifend (in einer Lernplattform oder separat zu dieser) sorgfältig gepflegt, dann sind sie auch für die nachhaltige Erstellung von Lern-/Wissensinhalten geeignet. In einer Kursumgebung kann dann auf den entsprechenden Wiki-Eintrag verlinkt werden. Jedoch erlauben Wikis seiteninterne Verlinkung auf andere Seiten. Dies bedeutet, dass bei stark verlinkten Wikis eine Abgrenzung von dem, was zum empfohlenen Lesestoff für den Kurs gehört, zu dem, was im Wiki zusätzlich verlinkt ist, schwierig wird.
31.13 Assistenten, Auskunftssysteme, Chatbots
Chatbot-Wissensbasis und Funktionsweise
Autorenwerkzeuge
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Um online dialogbasiert Wissen an Lernende zu vermitteln, eignet sich der Einsatz von Chatbots, Auskunftssystemen oder Assistenten. Als ein Beispiel für solche Systeme soll hier die Chatbot-Technologie vorgestellt werden: Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme. Sie werden z. B. als Auskunfts- und Hilfesysteme in der Kundenbetreuung eingesetzt (z. B. auf den Internetseiten von Ikea oder Yellowstrom). Nutzer geben eine Frage ein, worauf der Chatbot aus einer Wissensbasis eine passende Antwort sucht. Typisch für Chatbots ist auch, dass sie über SmalltalkFähigkeiten verfügen, also die Wissensbasis allgemeine Gesprächsthemen abdeckt. Im E-Learning-Bereich lassen sich Chatbots zur Wissensvermittlung einsetzen. Das Rechenzentrum der Bauhaus-Universität Weimar baut derzeit zu häufigen Fragen der IT-Nutzung einen Chatbot auf. Die Fachhochschule Erfurt hat einen Chatbot an das Glossar ihrer Lernplattform angeschlossen. Der Bot kann also zu den im Glossar abgebildeten Fachbegriffen Auskunft geben. Möglich ist auch, Chatbots zur Wissensvermittlung in Kursen einzusetzen. Allerdings müssten dazu die Kursinhalte in einer Chatbot-Wissensbasis abgebildet werden, was noch relativ aufwendig ist. Eine Chatbot-Wissensbasis besteht aus Dateien, welche in der Auszeichnungssprache (XML) „formuliert“ sind. Sehr verbreitet ist die Artificial Intelligence Markup Language (AIML), weil zugehörige Technologien Open-Source sind. Aber es gibt auch andere nichtkommerzielle und kommerzielle Chatbot-Technologien (z. B. Lingubot von kiwilogic). Anfragen des Nutzers an den Chatbot werden mit Textmustern dieser Wissensbasis verglichen. Bei Übereinstimmung von Kernbegriffen oder der Fragestruktur wird eine der zugeordneten Antworten ausgegeben. Nutzereingaben (z. B. der Name) können in Variablen gespeichert und in personalisierten Antworten verwendet werden. Die Qualität der Chatbot-Antworten hängt maßgeblich vom Autor der Wissensbasis ab (Botmaster), der ein gutes Sprachgefühl benötigt und den Ablauf von typischen Kommunikationsabläufen vordenken muss. Es gibt verschiedene Werkzeuge und auch freie Wissensbasen zu Chatbots (s. z. B. http://www.alicebot.org). Die FH Erfurt entwickelte in den letzten Jahren einen Editor für die Erstellung von AIML-ChatbotWissensbasen und erforscht den Einsatz von Chatbot-Technologien für neue interaktive Online-Kommunikationsmöglichkeiten (http://www.fh-erfurt.de/mobiz/citizentalk/).
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
31.14 Autorenrichtlinien, Dokumenten- und Medienmanagement, Metadaten und Repositorien Beim Erstellen von Lerninhalten, insbesondere wenn dies kooperativ in einer Gemeinschaft erfolgt, treten eine Reihe von praktischen Problemen auf, welchen mittels Autorenrichtlinien, Qualitätsmanagement und sorgfältiger Verwaltung der Inhalte und Medien begegnet werden sollte, dazu gehören.:
Autorenrichtlinien
• Uneinheitliche Strukturierung der Lerninhalte (z. B. Länge von Seiten, Abschnitten, Sequenz von Inhalten) • Uneinheitliche Sprache und Formulierung • Uneinheitliche Medienformate und folgende technische Probleme oder Mehraufwände • Uneinheitliche Gestaltung von Medien (z. B. Farben, Strichstärken, Abstände, Lautstärke) • Mangelnde oder nicht konsistente Metadaten zu Medien und Inhalten • Mangelndes Dokumenten- und Medienmanagement, unnötige Dopplungen, Probleme beim Wiederauffinden Autorenrichtlinien umfassen gestalterische, organisatorische, mediendidaktische und inhaltliche Regelungen, welche vor Beginn der Produktion festgelegt und fortlaufend ergänzt und aktualisiert werden sollten. Die Richtlinien sollten modular gestaltet und durchsuchbar sein. Dazu kann z. B. ein Wiki oder ein durchsuchbares Online-Handbuch genutzt werden. Tipp: Wird vor Beginn der Content-Produktion ein Autorenhandbuch genau so wie die späteren Contents erstellt, kann das Handbuch als Positiv-Beispiel genutzt werden. Außerdem können durch diesen „Testlauf “ praktische Probleme berücksichtigt werden. Dokumente und Medien müssen gut verwaltbar abgelegt werden. Größere Kursmaterialien bestehen aus sehr vielen Inhaltsdokumenten und Mediendateien. Um einzelne Dateien und Inhalte in einem großen Pool wiederfinden zu können, werden Metadaten beigefügt. Metadaten beschreiben die abgelegten Inhalte und Medien, z. B. durch: • • • • • • •
Metadaten
Titel des Dokuments oder des Mediums „gehört zu“ Fachgebiet/Sachgebiet (z. B. Mathematik) Schlagwörter zur näheren Beschreibung des Inhalts (z. B. Kosinussatz) Dokumenten-/Medientyp, Dateiformat Autoren, Produzenten Nutzungs- und Urheberrechte Für Lerninhalte werden auch Angaben zur Zielgruppe (z. B. Alter, notwendige Vorkenntnisse, Ausbildungsrichtung) angegeben.
Autoren können bei der Festlegung zu erfassender Metadaten auf Standards zurückgreifen. Für Lerninhalte steht der LOM – Learning Object Metadata Standard
31.14 Autorenrichtlinien, Dokumenten- und Medienmanagement, Metadaten und Repositorien
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Dokumentenverwaltungssysteme/ Repositorien
(IEEE LOM) − zur Verfügung (s. Kap. 32). Da nach diesem mehr als 50 Metadaten je Lerninhalt erfassbar wären, ist es in der Praxis üblich, nur eine Teilmenge zu nutzen und diese durch individuelle Metadaten zu ergänzen. Einige Lerninhalteproduzenten nutzen auch die DC – Dublin-Core-Spezifikation (ISO 15836) −, in der nur ca. 15 Kernfelder definiert sind. In der Praxis ist die Eingabe von Metadaten in Formulare nicht sehr beliebt und wird letztlich selten sorgfältig betrieben. Aktuelle Forschungen und Entwicklungen bemühen sich daher, Autorentechnologien zu entwickeln, welche möglichst viele Metadaten automatisch bzw. automatisiert sammeln. Zum Beispiel sind Autoren i. d. R. in der Autorenumgebung eingeloggt, so dass Autorenname und Erstellungsdatum automatisch erfasst werden könnten. Metadaten werden entweder direkt in der Dokumentendatei gespeichert (z. B. beinhalten einige Medienformate bereits Metadaten-Speichermöglichkeiten) oder sie werden der Dokumentendatei beigefügt. Entweder werden sie während der Erstellung im Bearbeitungsprogramm oder nachträglich beim „Einchecken“ in ein Dokumentenverwaltungssystem erfasst. Steht keine Dokumentenverwaltung zur Verfügung, können zumindest Regeln für die Struktur von Dateiordnern und Dateibenennung so getroffen werden, dass sich aus Ablageort und Dateiname einige Metainformationen ergeben. Dokumentenverwaltungssysteme werden auch Repositorien oder Content-Management-Systeme genannt. (Bei letzterer Benennung entstehen häufig Verwechslungen mit Webseiten-Verwaltungssystemen.) Dokumentenverwaltungssysteme haben hauptsächlich folgende Funktionalitäten: • Verwaltung von Dokumenten und Metadaten, Suchfunktionen • Check-in und Check-out von Dokumenten (Vermeidung von gleichzeitiger Bearbeitung eines Dokuments) • Rechtemanagement (wer darf welche Inhalte bearbeiten oder nutzen) • Versionierung und Zugriff auf ältere Versionen • Einige Repositorien erlauben das Zusammenstellen von Inhalten aus Teilinhalten und die Ergänzung von Schnittstelleninhalten zwischen den Stücken. • Einige Systeme bieten zusätzlich Funktionen zur Planung und Steuerung des Produktionsprozesses oder Schnittstellen zu separaten Softwaresystemen. • Moderne Repositorien lassen sich mit anderen Repositorien verbinden und können Nutzern eine repositorienübergreifende Suche nach Inhalten anbieten (s. auch Abb. 33.1). • Umgekehrt können Inhalte für Nutzer anderer Repositorien freigegeben werden. Dazu sind entsprechende Nutzungsrechte bzw. Lizenzen und eventuelle Gebühren zu verwalten. • Häufig bestehen Schnittstellen zwischen dem Repositorium und der Bearbeitungssoftware für die Inhalte und Medien. Softwaresysteme wachsen, entwickeln und verändern sich im Laufe ihres Produktlebenszyklus. Insbesondere wachsen viele Softwareprodukte im Laufe der Zeit in angrenzende Gebiete hinein. Zum Beispiel dienen Repositorien im Kern dem Speichern und Wiederauffinden von Inhalten. Im Laufe der Zeit haben einige Produkte Zusatzfunktionen erhalten, z. B. zur Zusammenstellung von Inhalten oder gar zu deren Editierung.
600
31 Digitale Lerninhalte und Autorenwerkzeuge
Für die Auswahl eines geeigneten Autorenwerkzeugsets sollte sich eine Autorengemeinschaft • eine Liste notwendiger Autorensoftware-Funktionalitäten erstellen. Voraussetzung dafür ist die Zusammenstellung einer • Liste der zu produzierenden Inhalte- und Medienarten • sowie eine Liste sonstiger Anforderungen (Benutzbarkeit, Schulungsaufwand, Integrierbarkeit in die IT-Infrastruktur usw.). Anschließend können Entscheidungen zum notwendigen Grad der Softwareunterstützung für bestimmte Funktionsbereiche getroffen werden: Beispielsweise werden sicher für einmalige kleinere Produktionsprojekte geringere Anforderungen an die Dokumentenverwaltung gestellt. Eine der wichtigsten Anforderungen aus technischer Sicht ist die Unterstützung gängiger E-Learning-Standards und die Integrierbarkeit in die IT-Infrastruktur. Diesen Themen haben wir die nachfolgenden zwei Kapitel gewidmet.
Literatur ADL SCORM (2004). ADL − Advanced Distributed Learning Initiative. 3rd ed. [Stand 26.11.2007]. Blanz, V., Vetter, T (1999). A Morphable Model For The Synthesis Of 3D Faces. 26th International Conference on Computer Graphics and Interactive Techniques − SIGGRAPH 1999, Los Angeles, California. Born, G. (2002): Dateiformate − Die Referenz. Bonn: Galileo Press. Harold, E., Means, S. (2005). XML in a Nutshell. Köln: O’Reilly Verlag. Hodgins, W. (2002). The future of Learning Objects. Conference for Reusable Learning Designs: opportunities and challenges. Sydney, Australia. IEEE LOM (2002). IEEE Standard for Learning Object Metadata. IEEE. (ISBN: 0-7381-3297-7). IMS QTI. IMS Question & Test Interoperability Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/question/index.html [Stand 26.11.2007]. ISO 15836:2003 (2003). Information and documentation − The Dublin Core metadata element set. http://www.iso.org. ISO 8879:1986 (1986). Information processing − Text and office systems − Standard Generalized Markup Language (SGML). http://www.iso.org. Kerksen, S. (2007). IT-Handbuch für Fachinformatiker. Bonn: Galileo Press. Mintert, S. (2002). XML & Co. Die W3C-Spezifikationen für Dokumenten- und Datenarchitektur. München: Addison-Wesley. Rotard, M. (2005). Standardisierte Auszeichnungssprachen der Computergraphik für interaktive Systeme. PhD thesis, Universität Stuttgart. Rotard, M. & Ertl, T. (2006). Tactile 3D-Graphics for Blind People. In Workshop on Accessible Media 2006. Spierling, U. (2006). Learning with Digital Agents − Integration of Simulations, Games, and Storytelling. In M. Burmester, D. Gerhard, F. Thissen, (eds.): Digital Game Based Learning − Proceedings of the 4th International Symposium for Information Design 2nd of June 2005 at Stuttgart Media University. Karlsruhe: Universitätsverlag Karlsruhe (S. 115−147). Spierling, U. (2007). Killer Phrases: Design steps for a game with digital role playing agents. To be published in: Proceedings of ISAGA 2007, 38th Conference of the International Simulation and Gaming Association, Nijmegen, The Netherlands. Zobel, A., Hupfer, M., Schubert, U. & Wüthrich, C. (2002). Axes to classify learning Content Units. In G. Richards (eds.), Proceedings of World Conference on E-Learning in Corporate, Government, Healthcare, and Higher Education 2002 (pp. 2454−2456). Chesapeake, VA: AACE.
Literatur
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32 E-Learning-Standards und Standardisierung
The nice thing about standards is that there are so many of them to choose from. (Andrew S. Tanenbaum)
Viele E-Autoren oder Lehrende arbeiten ohne tiefergehende Kenntnisse über E-Learning Standards jahrelang erfolgreich. Müssen allerdings Lernplattformen oder Autorenwerkzeuge getauscht werden (z. B. weil sie nicht mehr weiterentwickelt werden), dann können hohe Folgekosten für den Transfer nichtstandardkonformer Inhalte entstehen. Die in diesem Kapitel vermittelte Einführung zu Standards im E-Learning soll Ihnen helfen, die Relevanz von Standards für Ihren Arbeitsbereich einzuschätzen. • E-Learning-Berater, Autoren und Lehrende erhalten einen praxisrelevanten Überblick zu E-Learning-Standards. IT-Fachleute und Entwickler finden Links zu den Internetseiten der Standardisierungsorganisationen und Hinweise auf weiterführende Informationen zu Standards.
Lehrziele
• Es wird erläutert, warum Standards notwendig und erfolgreich, aber trotzdem Systeme und Inhalte nicht immer 100%ig kompatibel sind. • Außerdem erfahren Sie, wie Standards in die Praxis gelangen und welche Organisationen sich an Standardisierungsprozessen beteiligen.
32.1 Warum braucht man Standards? Mit Hilfe der Einhaltung von Normen und Standards versucht man, eine Kompatibilität zwischen einer großen Anzahl von Produkten herzustellen und die umgebenden Prozesse mit einzubeziehen. Einen Standard versteht man als eine rechtlich anerkannte, durch ein Normungsverfahren bestätigte und veröffentliche Regel zur Lösung eines Sachverhalts. Mit Standardisierung vereinheitlicht man z. B. Verfahrensweisen, Maße oder Typen. Man erschafft so offene Systeme, die mit anderen Systemen zusammenwirken können. Standards sind also dokumentierte Vereinbarungen, welche technische Spezifikationen oder präzise Regelungen enthalten. Auf verschiedenen Gebieten haben sich Normen erfolgreich durchgesetzt und machen die Welt einfacher:
32.1 Warum braucht man Standards?
Normen und Standards
603
Erfolgreiche Beispiele aus anderen Branchen
Elektrizität Eisenbahnwesen
Ziele von Standardisierung
• einheitliche Spannungspotenziale • Normung von Steckverbindungen • Normung der Schienenspurbreite
Kreditkartenformat (ISO-Standards)
• Stärke der Karte (0,76 mm)
Internationale Papierformate
• Referenzformat der A-Reihe ist A0, dessen Flächeninhalt einen Quadratmeter beträgt.
Egal ob im Ingenieurbereich, in der Informationstechnologie oder im Bildungsbereich – Standardisierung hat in allen Branchen und Anwendungsbereichen ähnliche Ziele, z. B.: • Rationalisierung • Kompatibilität • Austauschbarkeit • Qualitätsverbesserung und -sicherung • Gebrauchstauglichkeit • Sicherheit • Verständigung
Das Durchsetzen von Standards braucht Zeit
Auch bei IT- und Bildungstechnologien kommt man ohne Normung nicht aus. Die Standardisierung ist allerdings ein stetiger Prozess, in den neue Ideen und Forschungsergebnisse zyklisch eingehen. Durch die Dauer von Normierungsverfahren entsprechen Standards nicht immer den aktuellsten Erkenntnissen und technischen Möglichkeiten. Außerdem benötigen Hersteller Zeit für die Umsetzung von Standards. Manchmal werden Technologien zuerst nur annährend standardkonform umgesetzt, so dass Standardisierung im Alltag ein langwieriger Prozess sein kann.
32.2 Standards für den Bildungsbereich – ein Überblick Standards − Auswirkung auf Akteure im Bildungsbereich
Leicht abweichende Umsetzung von Standards
604
Standardisierung wirkt sich auf die Produzenten von Lernmaterialien und auf Lehrende primär insofern aus, dass sie Werkzeuge benutzen, welche diese Standards unterstützen und verwenden. So produzierte Materialien und Lernarrangements können in verschiedenen, ebenfalls standardkonformen Lernplattformen eingesetzt werden, ohne dass nochmals plattformspezifische Änderungen notwendig sind. Meist wiegt dieser Vorteil eventuellen Mehraufwand oder Gestaltungseinschränkungen bei der Erstellung auf. Konsumenten (Schüler, Studierende, Lernende) profitieren von einer weitgehend einheitlichen Bedienbarkeit und Navigation in Online-Kursumgebungen. Für die Hersteller von Plattformen und Tools ist es allerdings aufwendig und kostspielig, die immer komplexer werdenden Normen zu implementieren. Entwicklern kommen Standards und Spezifikationen entgegen, die in verschiedenen Stufen aufgebaut sind, welche einzeln bzw. nacheinander implementiert werden können. Wie oben erwähnt werden dennoch Standards von den Herstellern nicht immer einheitlich implementiert bzw. manchmal etwas „angepasst“. Deswegen fragen z. B. Content-Hersteller trotz IMS-Standards und SCORM, welche Lernplattform genutzt wird. Meist ist es trotzdem leichter, diese kleinen Anpassungen und Abweichungen für
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
einen Datenaustausch zu beseitigen, anstatt proprietäre Daten zu überarbeiten oder neu erstellen zu müssen. Viele bedeutende Technologien konnten ihre Wirkung erst durch die Übernahme oder die Begründung von Standards entfalten. Im E-Learning-Bereich gab es gerade durch die Entwicklung einer Vielzahl von Plattformen den Druck, sich auf einheitliche Schnittstellen festzulegen. Durch Standardisierung im E-Learning-Bereich wurden eine Reihe von Vorteilen erarbeitet, z. B.:
Mehrwerte von Standardisierung für den Bildungsbereich
• Vereinheitlichung von Anwenderschnittstellen in Lernmanagementsystemen • Größere Unabhängigkeit von proprietären Technologien eines Herstellers (z. B. einfacherer Lernplattformwechsel) • Wiederverwendbarkeit von Lerninhalten und -arrangements in verschiedenen Kontexten und Lernszenarien • Gemeinschaftliche Nutzbarkeit von Lerninhalten aus verschiedenen Quellen Im Bildungsbereich eingesetzte Standards beziehen sich u. a. auf Lernplattformen und Inhalteproduktion. Für Ablage und Austausch von Lerninhalten und anderen Daten hat XML sich als Schlüsseltechnologie etabliert (Klebl, 2004). Folgende Gebiete der Normung und Standardisierung sind im Bildungsbereich primär interessant: Bereich
Beschreibung der Inhalte von Standards/ Spezifikationen
Beispiele für Spezifikationen
A) Lernmaterialaustausch zwischen mehreren LMS Betrieb in einem LMS
• „Verpackungsvorschriften“ zur Speicherung von Lernmaterialien • Austauschbarkeit von Inhalten zwischen verschiedenen LMS • Standardisierte Verwaltung und Betrieb von Lernmaterialien in einem LMS (wie Materialien an Lernende ausgeliefert und Nutzungsdaten erfasst werden) • Reihenfolge und Navigation in Lernmaterialien (sequencing & navigation) • Didaktische Planung kompletter Kurse, d. h. die Strukturierung von Lektionen, Methoden, Abschnitte in Lektionen und darin enthaltene Lernschritte/-aktivitäten • Beschreibung der Rollen und deren Handlungen in diesen Kurssituationen • Beschreibung der in den Kurssituationen zu nutzenden Lerninhalte und Lernumgebung/Tools/Services (z. B. Forum, Chat) Derzeit ungenügend standardisiert ist, bzw. aktuelle Aktivitäten bemühen sich um: • Standardisierung von Tools/Services, (z. B. typische Funktionen eines Diskussionsforums), standardisierte Nutzbarkeit von Tool-Funktionen
• IMS Content Packaging (IMS CP) • SCORM (ADL SCORM) • AICC/CMI, Package Exchange Notification (AICC)
B) „Kursabläufe“/ Didaktische Szenarien
Standardisierungsgebiete im Bildungsbereich
• IMS Learning Design (IMS LD)
32.2 Standards für den Bildungsbereich – ein Überblick
605
Bereich
Beschreibung der Inhalte von Standards/ Spezifikationen
Beispiele für Spezifikationen
C) Lerninhalte
Unter A) genannte Spezifikationen beschreiben primär Verpackung und Betrieb, nicht aber den Aufbau von Lerninhalten: • Beschreibung, wie die Lerninhalte selbst aufgebaut sind, also welche innere Struktur sie haben und was semantisch ausgezeichnet wird • Übungen und Tests: Übungstypen (Multiple Choice, Single Choice, …), wie diese aufgebaut sind, wie Fragebögen aus mehreren Übungen aufgebaut sind und wie die Inhalte standardisiert gespeichert werden • Für viele Medienarten existieren Spezifikationen und Standards (diese werden aufgrund ihrer Vielfalt rechts nicht aufgelistet) Derzeit ungenügend standardisiert sind: • Auszeichnung von anderen Lerninhalten (z. B. Lernmaterialseiten, welche Text und Medien enthalten). Hier fehlen einheitliche Konventionen, welche Inhalte (z. B. Einleitung, Beispiel, Definition, Merksatz) wie auszuzeichnen sind. Derzeit geht man in verfügbaren Standards von HTML-Seiten aus, vernachlässigt also einheitliche semantische Auszeichnungen (z. B. mit XML). • XML-Schema für Lerninhalte dieser Art, sondern es gibt je Hersteller ein eigenes (rechts einige Beispiele für XML-Schemata von Herstellern) • Nachschlagewerke und Literaturverzeichnisse und wie diese oder andere Quellen in eben genannten Lerninhalteseiten eingebettet werden können • Definition von Metadaten (beschreibende Informationen) zu Lerninhalten, neben vielen weiteren Informationen z. B. folgende: Einsatzmöglichkeiten der Inhalte (inhaltliche Verschlagwortung, notwendige Vorkenntnisse/typische Altersstufe/ Bildungsphase, Schwierigkeitsgrad usw. Nutzungsrechte, Autoren, Historie und Status (z. B. Auflage/Version) des Inhalts
• QTI (IMS Question and Test Interoperability – Standardisierung von Übungen und Tests) (IMS QTI) Beispiele für LernmaterialMarkup-Sprachen (XML-Schema/DTD): • EML (wird nicht mehr weiterentwickelt, ging teilweise in IMS LD auf) • elcoML (E-Learning Content Markup Language, www.elcoML.net) • Ilias (www.ilias.de) • FuXML (www.fuxml.org) • LMML (Learning Material Markup Language www.lmml.de) • eLML (E-Lesson Markup-Language, www.elml.ch)
D) Suche/Auswahl von Lerninhalten (Metadaten)
606
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
• IEEE LOM (IEEE LOM, 2002) • DC (Dublin Core) (ISO 15836:2003)
Bereich
Beschreibung der Inhalte von Standards/ Spezifikationen
Beispiele für Spezifikationen
E) Informationen über Lernende
• Erfassung und Austausch (zwischen Lernplattformen) von Informationen über Lernende u. a. • Persönliche Informationen über Lernende, wie Name, Adressdaten, … • Zugänglichkeit zu Informationen, z. B. Sprachkenntnisse, eventuelle Behinderungen • Kompetenzen, Qualifikationen, leistungsbezogene Informationen, Studiennachweise • Präferenzen, Ziele z. B. Karriere/ Lernarbeit, Interessen • Beschreibung von Vorgehensweise, Methoden zur Durchführung von E-LearningProjekten (Methodenqualität): Analyse von Anforderungen und Rahmenbedingungen, Konzeption, Produktion, Einführung, Durchführung, Evaluation • Qualitätskriterien zu Produktprüfung, z. B. von Online-Lernangeboten (Produktqualität)
• IMS LIP (Learner Information Package) (IMS LIP) • IMS RDCEO (Reusable Definition of Competency or Educational Objective – Information Model) (IMS RDCEO) • IEEE PAPI (Personal and Private Information)
F) Qualitätsmanagement und -sicherung
• ISO/IEC 19796-1 (Information technology − Learning, education & training − Quality management, assurance and metrics − Part 1: General approach) (ISO/IEC 19796-1, 2005) • PAS 1032-1 (ging in o. g. ISO-Norm ein) (PAS 1032-1:2004-2, 2004)
In der Praxis werden einige der bisher genannten Spezifikationen integriert verwendet. Zum Beispiel werden beim Austausch und Betrieb von so genannten SCORMKursmaterialien auch Standards wie IMS Content Packaging, LOM und andere Spezifikationen genutzt. IMS Learning Design kann in einem IMS Content Package verpackt als eine „Unit of Learning“ in einem größeren Kurs genutzt werden. Neben den bisher genannten existieren noch viele weitere sowohl für den Bildungsbereich als auch für angrenzende Bereiche genutzte Spezifikationen und Standards – hier einige Beispiele:
Vernetzung von Standards
• Spezifikationen für IT-Integration: Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen, z. B. Anbindung der Lernplattform an andere IT-Systeme (wie Repositorien, Nutzerdaten- und Passwortverwaltung, Verwaltungssysteme) Beispiele: IMS Enterprise Specification (IMS ES), IMS Digital Repositories Specification (IMS DRS) • Allgemeine technische bzw. Internetstandards, z. B. HTML, CSS, XML, XSLT, Usability- und Accessability von Webseiten/Bedienoberflächen • Informationen, wie Kalenderdaten (iCalendar, früher Vcalendar/VCAL) oder Adressdaten (vCard)
32.2 Standards für den Bildungsbereich – ein Überblick
607
32.3 Einblick in einige Standards Dieser Abschnitt bietet einen Einblick in einige für den Bildungsbereich wesentliche Standards und Richtlinien.
32.3.1 SCORM − Sharable Content Object Reference Model SCORM Sharable Content Object Reference Model
SCORM-Überblick (Overview)
SCORM Content Aggregation Model (CAM)
SCORM Runtime Environment (RTE)
SCORM Sequencing and Navigation (SN)
608
SCORM ist die Abkürzung für Sharable Content Object Reference Model. Irrtümlich wird SCORM manchmal „nur“ als Standard für den Austausch von Lerninhalten zwischen Systemen verstanden („SCORM-Kurs“). In Wirklichkeit ist SCORM viel mehr, nämlich eine Sammlung von Standards und Spezifikationen, welche die Nutzung von Lerninhalten in einer internetbasierten Lernumgebung regelt, aber auch die Wiederverwendung und Austauschbarkeit zwischen Lernplattformen ermöglicht. Das Referenzmodell SCORM besteht aus einer Menge miteinander in Beziehung stehender, technischer Spezifikationen. Jede beinhaltet einen Teilaspekt des Gesamtmodells. Das Gesamtmodell beschreibt Methoden zur Strukturierung von Kursmaterialien und deren Verwendung in Lernmanagementsystemen. SCORM besteht aus vier wesentlichen Dokumenten: Das Dokument „Überblick/Overview“ beinhaltet Historie, Ziele bzw. Vision von SCORM. Es werden eine Reihe von grundlegenden Begriffen und Abkürzungen sowie der prinzipielle Aufbau eines Lernmanagementsystems erläutert. Außerdem beschreibt das Dokument den Aufbau von SCORM und gibt eine Einführung zu dessen einzelnen Teilen/Dokumenten. Das SCORM Content Aggregation Model (CAM) ist eine XML-basierte Spezifikation. Es beschreibt im Wesentlichen, wie man Lernmaterialien strukturiert, also Einzelressourcen zu Kursmaterialien zusammenfügt und diese so als Archiv aufbereitet, dass sie von unterschiedlichen Lernumgebungen importiert bzw. zwischen ihnen ausgetauscht werden können. Außerdem beinhaltet dieser Teil von SCORM ein Metadatenmodell: LOM von IEEE (s. u.). Diese Metadaten für Lerninhalte liefern die Basis für Recherche nach Kursinhalten. SCORM Runtime Environment (RTE) spezifiziert Anforderungen an ein Lernmanagementsystem, so dass es standardisierte Lernmaterialien und deren Nutzung managen kann. Es werden Befehle, Schnittstellen und Datenmodelle beschrieben, z. B. der Datenaustausch zwischen den für einen Lernenden angezeigten Kursmaterialien und dem Lernmanagementsystem. Eine RTE liefert Lerninhalte an den Browser der Nutzer, erfasst Lernaktivitäten, wertet diese aus und speichert sie. SCORM Sequencing and Navigation (SN) beschreibt die Ablaufsteuerung der Präsentation von Lerninhalten, welche durch die Navigation des Benutzers beeinflusst werden kann. So genannte Aktivitätsbäume definieren mögliche Reihenfolgen in Abhängigkeit von Benutzeraktionen. Dieser SCORM-Teil beschreibt ebenfalls die Funktionalität, welche ein LMS für das Management dieser Ablaufsteuerung bieten muss.
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
Wie schon erwähnt sind die einzelnen Teile – sie werden auch Bücher genannt – miteinander verwoben. Außerdem stützt sich SCORM auf Spezifikationen, die von anderen Gremien, wie IMS, AICC oder ARIADNE, erarbeitet wurden:
SCORM und andere Spezifikationen
• IEEE Data Model For Content Object Communication • IEEE ECMAScript Application Programming Interface for Content to Runtime Services Communication • IEEE Learning Object Metadata (LOM) • IEEE Extensible Markup Language (XML) Schema Binding for Learning Object Metadata Data Model • IMS Content Packaging • IMS Simple Sequencing. Für E-Learning-Autoren und -Berater kann das Studium des ersten Buches bzw. Dokumentes „Overview“ empfohlen werden. Dieses sowie die anderen Dokumente sind unter http://www.adlnet.gov herunterladbar. ADL bietet neben den beschriebenen „Büchern“ auch eine Beispiel-Laufzeitumgebung (Sample RTE), Beispiel-Lerninhalte sowie andere Dokumente und Hilfen für Entwickler von Lerninhalten- und Lerntechnologien an.
32.3.2 Learning Objects Metadata (LOM) und Dublin Core (DC) Um Dokumente bzw. Lerninhalte in Inhaltepools suchen und finden zu können, müssen Informationen über Inhalt oder Eigenschaften beigefügt sein. Diese beigefügten, beschreibenden Informationen werden Metadaten genannt. Tim Berners-Lee, Direktor des World Wide Web Consortium (W3C), definiert Metadaten als „maschinenlesbare Informationen über elektronische Ressourcen oder andere Dinge“. Für klassische Dokumente wie Bücher sind Angaben üblich, die vom Metadatenschema Dublin Core (DC) abgedeckt werden:
Metadaten
Dublin Core (DC)
• Eindeutige Identifikationskennung, z. B. ISDN • Beschreibung des Inhalts, z. B. Titel des Dokuments, Fachgebiet, Schlagwörter, inhaltliche Zusammenfassung • Personen und Rechte: Autoren, Herausgeber/Verleger, Rechte/Lizenzbedingungen • Technische Daten (wie Formate), Dokumententyp/Gattung (z. B. Buch, Zeitschrift), Sprache • Vernetzung, z. B. Quellen oder in Bezug stehende Dokumente, Zielgruppe des Dokuments und Einsatzmöglichkeiten (z. B. in einem Lernprozess) • Angaben zum Lebenszyklus: Geschichte und aktueller Zustand des Dokuments (z. B. Erstellung, Gültigkeit, Version/Auflage).
32.3 Einblick in einige Standards
609
Learning Objects Metadata (LOM)
Lerninhalten werden umfangreichere und spezifischere Informationen beigefügt. Dafür wurden Metadatensets, wie der Learning Objects Metadata (LOM) Standard entwickelt. Dieser beinhaltet 9 Kategorien: 1. General Category (Allgemein): grundlegende Informationen, die den Lerninhalt als Ganzes beschreiben 2. Lifecycle Category (Lebenszyklus) 3. Meta-Metadata Category (Metametadaten): Informationen über die Metadaten und über deren Erstellung 4. Technical Category (technische Kategorie): technische Voraussetzungen und Merkmale (z. B. Formate, Player, Abspieldauer) 5. Educational Category (pädagogische Kategorie): pädagogische Beschreibung des Lerninhalts/Lernobjekts z. B. Lernaktivitätstyp (Simulation, Übung, Problemstellung usw.), Interaktivitätsgrad, typisches Alter der Zielgruppe, Schwierigkeitsgrad, typische Lernzeit, Sprache 6. Rights Category (Rechte): z. B. Kosten, Nutzungsbedingungen, Copyright 7. Relation Category (Verwandte Ressourcen): Beziehungen zwischen dem Lernobjekt/ -inhalt und anderen verwandten Lernobjekten/-inhalten 8. Annotation Category (Anmerkungen): z. B. zu Erfahrungswerten beim Einsatz und dem erzielten Nutzen 9. Classification Category (Klassifikation): Einordnung des Lernobjekts in Klassifizierungssysteme
Metadatenerfassung ist heute noch zu aufwendig
Metadatensets in der Praxis
610
Jede dieser Kategorien enthält also mehrere auszufüllende Metadatenfelder, welche theoretisch jedem kleinen und größeren (zusammengesetzten) Objekt beizufügen sind. Die Eingabe dieser vielen Angaben ist für E-Autoren eine so große Arbeitsbelastung, dass Metadaten in E-Learning-Pools in der Praxis ein großes Problem darstellen. Außerdem werden Standards von vielen Beteiligten in langwierigen Prozessen abgestimmt, so dass an Standards inhaltliche Kritik geübt wird, also die Akzeptanz problematisch ist. In der Praxis werden daher für die Auszeichnung von Lerninhalten verschiedene Metadatensets genutzt. Einige Autorenwerkzeuge unterstützen Dublin Core, andere angepasste oder abgespeckte LOM-Sets, z. B. CanCore (www.cancore.ca). Selbst bei der Nutzung eines relativ „schlanken“ Sets bleibt das Ausfüllen von Metadatenformularen in der Autorenpraxis zu aufwendig und ist letztlich nicht praktikabel. Das Problem wird sich daher nur durch integrierte Autorenumgebungen lösen lassen, welche während des Produktionsprozesses Metadaten sammeln. Das System muss den Erstellungsprozess beobachten und Metadaten vorschlagsweise schlussfolgern. Die Autoren sind eingeloggt, während sie Inhalte erstellen (Beteiligte, Urheber). Eine inhaltliche Verschlagwortung könnte vom Fachgebiet (Profil) des Autors oder von im Erstellungsprozess wiederverwendeten bereits verschlagworteten Inhalten abgeleitet werden. Komplexere Lernmaterialien werden aus Medien und Lerninhalten erstellt, daraus lassen sich Informationen zu Formaten, Anforderungen zum „Abspielen“, Laufzeiten usw. schlussfolgern. LOM wurde primär für die Beschreibung von Lerninhalten oder Lernobjekten entwickelt. In der Praxis ist eine scharfe Trennung zwischen reinen Lerninhalten (Text und/oder Medien), Lernobjekten, Lernaktivitäten, Lernpfaden, Lektionen u. ä. unscharf
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
– Begriffe werden unterschiedlich verwendet. Entsprechend unterschiedlich ist der Einsatz von LOM.
32.3.3 IMS Learning Design (LD) Normalerweise planen Lehrende ihre Lehrveranstaltungen. Ein Kurs besteht z. B. aus Lektionen, Themen oder Abschnitten, diese enthalten Phasen bzw. Methoden (z. B. eine Gruppenarbeit), welche sich wiederum aus Lernschritten (z. B. Aufgabenstellung analysieren, Gruppenbildung) zusammensetzen. Im Lernprozess sind die beteiligten Personen also in einer Folge von Lehr-LernSituationen eingebunden, in denen sie Rollen innehaben und gemeinsam oder allein Handlungen mit Lerninhalten und Lernwerkzeugen ausführen. Für die Präsenzlehre erstellen Lehrende z. B. eine tabellarische Unterrichtsplanung. Im E-Learning steht für die Beschreibung bzw. Modellierung solcher pädagogischen Lernszenarien IMS Learning Design (LD oder IMS LD) zur Verfügung. LD unterstützt die Beschreibung des geplanten Ablaufs bzw. der Abfolge von LehrLern-Handlungen als Prozess. LD wird häufig mit der Metapher eines Bühnendrehbuchs beschrieben. Darin gibt es Personen bzw. Rollen, Aktivitäten, Dienste (Lernwerkzeuge, z. B. Chat) und eine Umgebung, mit denen der Ablauf eines Kurses oder eines Kursabschnitts beschrieben wird. In der Theorie sollen Lehrende mit einem Autorenwerkzeug einen Kursablauf planen. Dieser „Plan“ wird in einem XML-Dokument gespeichert (im LD-Format) und sollte dann von jeder standardkonformen Lernplattform gelesen und als Kursumgebung instanziiert werden können. Dafür fügt sich LD in vorhandene Modelle (IMS Content Packaging) ein. Diese XML-Dokumente müssen also vom LMS verstanden werden. Es muss die Lernaktivitäten und die dazu notwendigen Lernwerkzeuge und -inhalte, beteiligte Rollen oder Gruppen und die Abfolge der Lernaktivitäten umsetzen. Inzwischen hat sich die Praxis umgekehrt entwickelt. Autoren gestalten, wie bisher üblich, ihre Kursabläufe in der Lernplattform (s. Kap. 30.4.2). Lernplattformen haben begonnen, IMS LD so zu implementieren, dass sie diese gestalteten Lernszenarien als IMS LD exportieren können, um einen Austausch mit anderen Plattformen zu unterstützen. Auch am Import wird gearbeitet. Allerdings haben Lernplattformen ganz unterschiedliche Services bzw. Werkzeuge und die Werkzeuge unterscheiden sich in ihren Funktionalitäten. Es gibt z. B. kein standardisiertes Wiki (in einigen Plattformen bieten Wikis eine Diskussionsfunktion in andern nicht). Außerdem entwickelt sich die didaktische Nutzung von Werkzeugen durch die Kreativität der Lehrenden sehr schnell weiter. Nutzt z. B. ein Autor in seiner Heimatlernplattform ein sehr leistungsfähiges Diskussionsforum (Gruppen, Rechte, Moderationsfunktion usw.) zur Diskussion von Publikationen, welche auch über das Forum verteilt werden (Dateiaustauschfunktion des Forums), kann ggf. ein Forum einer anderen Plattform diese Funktion nicht anbieten. Zur praxistauglichen Umsetzung von LD ist neben der schon weitgehend ausreichenden Standardisierung von Lerninhalten auch eine weiter gehende Standardisierung von Lernplattform-Werkzeugen und -Technologien notwendig. Derzeit fehlen genaue Spezifikationen, welche Funktionen welche Lern- und Arbeitswerkzeuge bereitstellen sollten
32.3 Einblick in einige Standards
Planung von Kursen aus didaktischer Sicht
IMS Learning Design (LD)
Probleme mit uneinheitlichen LMS-Werkzeugen/ -Services
Weitere Standardisierungsbemühungen
611
und wie sie für Lernszenarien zu konfigurieren sind. Zurzeit ist somit eine exakte plattformunabhängige Umsetzung detailliert geplanter Lernarrangements mittels LD nicht möglich. Deswegen haben auch auf dem Gebiet der „Services“ erste Standardisierungsaktivitäten begonnen. Ziel von LD ist es also, die Handlungen von Lernenden und Lehrenden sowie die Ressourcen und Dienste zu beschreiben, die zum Lehr-Lern-Prozess benötigt werden. Dabei soll LD verschiedene didaktische Ansätze und sowohl einzelne Lernende als auch Lerngruppen unterstützen (im Unterschied zu Simple Sequencing von SCORM). Ein Vorteil von LD ist die Trennung von Interaktionsabläufen und Kursmaterialien durch die Modellierung einer Lehr-Lern-Einheit. So wird es möglich, E-LearningSzenarien für unterschiedliche Gruppen zu modellieren (Schule, Hochschule, Mitarbeiter, Manager), in denen sich pädagogische Anforderungen unterscheiden, ohne einen spezifischen Kursinhalt einbinden zu müssen. Weiterführende Informationen zu Learning Design können bei Klebl (2005) und bei Koper & Tattersall (2005) nachgelesen werden.
32.4 Standardisierungsorganisationen
ANSI, AFNOR, DIN, …
ISO/JTC1-SC36
IEEE/IEEE LTSC
IMS
ADL
ARIADNE
612
Es gibt verschiedene Institutionen und Organisationen, welche Spezifikationen für den Bildungsbereich entwickeln. Viele der Organisationen arbeiten eng zusammen. Zu den wichtigsten von ihnen gehören folgende Einrichtungen: American National Standards Institute (ANSI), Association Française de Normalisation (AFNOR) und das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) sind Beispiele für Standardisierungsorganisationen der Staaten. Einige Standards beginnen ihren Lebenszyklus in diesen Organisationen und werden später in internationale Standards (ggf. in Teilen oder angepasst) übernommen. International Organisation for Standardisation (ISO) gibt internationale Standards heraus. ISO gründete das „Technical Commitee: JTC 1/SC 36 − Information technology for learning, education and training“ und veröffentlicht Normen für den Bildungsbereich. Bekannt ist die ISO/CEN 19796-1 (Information technology − Learning, education and training − Quality management, assurance and metrics). (www.iso.org − Seitensuche: „JTC 1/SC 36“) Innerhalb des „Institute for Electrical and Electronic Engineers“, entstand 1996 das „Learning Technology Standards Committee (IEEE LTSC)“, das Normen für eine Vielfalt von Lerntechnologieaspekten entwickelt. Sehr bekannt ist IEEE LOM (Spezifikation für „Learning Objects Metadata“). (http://ltsc.ieee.org) „IMS Global Learning Consortium, Inc.“ entstand 1997 und hat die Vision, eine umfassende, offene Architektur und Infrastruktur für Lerntechnologien auszuarbeiten. IMS gibt eine ganze Reihe von Spezifikationen heraus, die wohl bekannteste neuere ist IMS Learning Design (s. Kap. 32.3.3). (www.imsproject.org) „Advanced Distributed Learning Network Initiative“, gegründet 1997 vom „US Department of Defence“, definiert Anforderungen für Lerninhalte und deren Wiederverwendbarkeit, Zugänglichkeit, Dauerhaftigkeit und Kompatibilität. ADL veröffentlichte die Standardsammlung SCORM (s. Kap. 32.3.1). (www.adlnet.gov) „Alliance for Remote Instructional and Authoring and Distribution Networks for Europe“ begann im Januar 1996 und konzentriert sich auf die Entwicklung von Werk-
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
zeugen und Protokollen, welche die Produktion, Speicherung, Bereitstellung und Wiederverwendung von Lernkomponenten unterstützen. ARIADNE war eingebunden in die Entwicklung verschiedener Standards, z. B. der Metadatenspezifikation LOM. (www.ariadne-eu.org) „Aviation Industry CBT Committee“ wurde 1988 zur Normung und Vereinheitlichung von Weiterbildungsressourcen und computergesteuerten Anleitungen gegründet. (www.aicc.org) Die Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen ist z. B. anhand der SCORMund einiger IMS-Spezifikationen gut nachvollziehbar. Viele dieser Dokumente beginnen mit Referenzen auf andere Spezifikationen, auf welche man sich stützt, und auf Organisationen, deren Vorarbeiten Grundlage für die Erarbeitung war.
Aviation Industry CBT Committee (AICC)
32.5 Standards in der Praxis Tanenbaum bemerkte: „Das Schöne an Standards ist, dass es so viele gibt, aus denen man wählen kann.“ Eine Beschreibung aller für den Bildungsbereich nützlichen Standards an dieser Stelle ist nicht möglich. Viele weitere Spezifikationen können auf den Webseiten der in Kap. 32.4 genannten Organisationen nachgelesen werden. E-Learning-Betreuer oder Entscheider sollten auf Standardkonformität achten (z. B. bei der Einführung neuer Werkzeuge und Software) und dabei ein sinnvolles AufwandNutzen-Verhältnis berücksichtigen. Gerade bei jungen Standards kann es günstig sein, auf eine stabile Version zu warten, bevor kostspielige Anpassungen oder Entwicklungsarbeiten gestartet werden. Wird ein neues System (z. B. Autorenwerkzeug oder ein LMS) ausgewählt, ist eine der Anforderungen häufig „Standardkonformität“. Selten unterstützen Systeme jedoch alle verfügbaren Spezifikationen. Das würde die Entwicklung zu aufwendig und die Produkte zu teuer machen, was letztlich die Überlebensfähigkeit des Systems auf dem Markt negativ beeinflussen kann. Es ist daher günstig, auf die Standards zu setzen, welche relativ ausgereift scheinen und weit verbreitet sind. Für diese ist meist ein Markt vorhanden, auf welchem die Entwicklung neuer Tools und Schnittstellen sehr wahrscheinlich ist. Da für einige Standardformate Konverter existieren, ist es vielleicht nicht notwendig, dass alle verfügbaren Standards je Datenart unterstützt werden. Ideal wäre, wenn ein System für viele Datenarten Standards insoweit unterstützt, dass möglichst viele Inhalte direkt oder indirekt über Konverter importiert und exportiert werden können. Unterstützt ein System für eine Datenart zwar keinen Standard, speichert aber gut strukturierte Daten (z. B. XML), können leicht Konverter in andere strukturierte Datenformate erstellt werden.
Aufgaben von E-Learning-Betreuer zu Standards
Konverter für (standardisierte) Daten und Formate
Literatur ADL SCORM (2004). SCORM 2004 3rd Edition, ADL − Advanced Distributed Learning Initiative [Stand 26.11.2007]. AICC. AICC Guidelines and Recommendations (ARG’s); AICC White Papers And Technical Reports. Aviation Industry CBT Committee. http://aicc.org/pages/down-docs-index.htm [Stand 26.11.2007]. IEEE LOM (2002): IEEE Standard for Learning Object Metadata. IEEE. 2002 (ISBN: 0-7381-3297-7)
Literatur
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IMS CP. Content Packaging Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/content/packaging/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS DRS. Digital Repositories Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/digitalrepositories/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS ES. IMS Enterprise Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/enterprise/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS LD. Learning Design Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/learningdesign/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS LIP. IMS Learner Information Package Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/profiles/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS QTI. IMS Question & Test Interoperability Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/question/index.html [Stand 26.11.2007]. IMS RDCEO. IMS Reusable Definition of Competency or Educational Objective Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/competencies/index.html [Stand 26.11.2007]. ISO 15836:2003 (2003). Information and documentation − The Dublin Core metadata element set. www.iso.org. ISO/IEC 19796-1 (2005). Information technology − Learning, education and training − Quality management, assurance and metrics − Part 1: General approach. www.iso.org. Klebl, M. (2004). Lehrprozesse planen, Lernprozesse strukturieren mit IMS Learning Design. Philosophisch-Pädagogische Fakultät, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. http://www1.ku-eichstaett.de/PPF/Arbeitswiss/lab004/docs/ ZurPerson_MKL/MKL_lehrprozesseplanen.pdf [Stand 26.11.2007]. Klebl, M. (2005). Nachhaltiges Design digitaler Lernmedien. Netzgestützte Bildungsprozesse mit IMS Learning Design. Mössingen-Talheim: Talheimer Verlag. Koper, R. & Tattersall, C. (2005). Learning Design: A Handbook on Modelling and Delivering Networked Education and Training. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag. PAS 1032-1:2004-02 (2004). Aus- und Weiterbildung unter besonderer Berücksichtigung von e-Learning − Teil 1: Referenzmodell für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung; Planung, Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Bildungsprozessen und Bildungsangeboten. Berlin: Beuth Verlag.
614
32 E-Learning-Standards und Standardisierung
33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
Dieses Kapitel bietet E-Learning-Betreuern einen Einblick in die IT-Infrastruktur und beantwortet folgende Fragen:
Lehrziele
• Wie sieht eine typische IT-Infrastruktur in einer Organisation aus, welche Systeme und Dienste existieren in der Regel? • Wie können vorhandene Systeme miteinander verbunden werden, so dass Nutzern eine integrierte Benutzungsoberfläche zur Verfügung steht? • Wie sollten Systeme für E-Learning, E-Authoring und E-Work in eine solche vorhandene Infrastruktur eingefügt werden? Welche Schnittstellen zu welchen Systemen sind notwendig, empfehlenswert oder „nice to have“. • Wie funktionieren Portalsysteme? Wie lassen sich E-Learning-Systeme darin integrieren? • Welche Abstimmungen und Konzepte sind nötig, wenn das neu einzuführende System einige Funktionen mitbringt, welche bereits von vorhandenen Systemen abgedeckt werden? • Wer sind typischerweise die Ansprechpartner für diese Integrationsplanung? Mit welchen weiteren Personen und Gruppen sollte die Integration abgestimmt werden? • Wie können organisationsexterne Systeme angebunden und wie können mehrere Organisationen gemeinsam Systeme nutzen?
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner Man könnte meinen, dass sich die Infrastruktur einer Hochschule oder eines größeren Betriebes von der eines kleinen Bildungsanbieters unterscheidet. Einerseits trifft dies zu, weil größere Organisationen leistungsfähigere Systeme benötigen. Andererseits bestehen große Ähnlichkeiten, weil IT-Systeme in allen Organisationen (unabhängig von der Größe) ähnliche Aufgaben unterstützen, z. B.:
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner
Typische IT-Infrastruktur − allgemein
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• Erstellung von Dokumenten (Texte, Bilder/Folien, Kalkulationen usw.) i. d. R. über Office-Programme • Kommunikation, z. B. via E-Mail • Dateiablage, z. B. über gemeinsame Netzlaufwerke • Webseitenverwaltung und -gestaltung • Verwaltung von Kundendaten und Kommunikationsaktivitäten, z. B. über CRMSysteme • Verwaltungsaufgaben, z. B. für Personal, Aufträge, Projekte, Kosten/Finanzen, Termine, Aufgaben, Rechnungswesen usw. • Wissensverwaltung und Weiterbildung • ggf. Online-Verkauf/Shoppingsysteme • Sicherheitssysteme, u. a. Datensicherung/Backup, Virenschutz, Firewalls. Systeme für typische Bildungsverwaltungsaufgaben
Hinzu kommen in Bildungseinrichtungen noch ein oder mehrere Bildungsverwaltungssysteme für Aufgaben, wie: • Studierenden-/Kursteilnehmerverwaltung • Veranstaltungsverwaltung, Veranstaltungskatalog • Ressourcenverwaltung für Veranstaltungen (Räume, Referenten, Technik) • Prüfungsverwaltung.
Typische Systeme für E-Learning und E-Authoring
Diese typischen Aufgaben werden von vorhandenen Systemen abgedeckt. Während größere Organisationen i. d. R. für diese Aufgaben spezialisierte Systeme nutzen, decken manche kleinere Organisationen Aufgaben mit vorhandenen allgemeinen Systemen ab, im einfachsten Fall z. B. könnten Kursteilnehmer und Veranstaltungen in Tabellenkalkulation gepflegt werden. Im Kap. 30 wurde in Abb. 30.2 bereits eine typische IT-Infrastruktur dargestellt. In dieser Infrastruktur ist die Lernplattform nur ein Baustein. Nun werden bei der „E-Learning“-Einführung ggf. mehrere Systeme hinzugefügt und in die IT-Landschaft integriert: • Lernplattform (s. Kap. 30.4 und 30.5) • Konfernzsysteme/Software für synchrone Arbeit (s. Kap. 29.3.3) • E-Learning-Repositorium (s. Kap. 31.14) • Streaming-Server • Autorenwerkzeuge (s. Kap. 31) • Aufzeichnungssysteme in Seminarräumen (s. Kap. 29.3.4). Die Integration kann in verschiedenen Stufen erfolgen. Je integrierter eine IT-Systemlandschaft gestaltet ist, umso bedienungsfreundlicher ist sie in der Regel für die Nutzer:
616
33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
• Technische Einbindung: Netzwerk, Backup, Schutzsoftware (Firewall, Virenschutz), ggf. Remote-Zugriff • Zentrale Authentifizierung (Loginverwaltung) • Autorisierung (Rolle und Systemzugang) • Schnittstellen oder Integration mit anderen Services (z. B. E-Mail, Dateiablage, Groupware/Kalender/Aufgaben/usw.) • Einbindung in die Servicestruktur (Beratung, Hilfesystem, Fehlermeldung/Ticketsystem, usw.). Der erste Punkt sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das Anbinden an eine zentrale Loginverwaltung ist äußerst empfehlenswert. Bis zu diesem Punkt werden E-LearningPlattformen in den meisten Organisationen in die IT-Landschaft eingebunden. Ab dem Punkt Autorisierung sind heutige Lernplattformen seltener integriert. E-Learning-Betreuer wissen häufig zu wenig über die IT-Infrastruktur, also welche Systeme für welche Aufgaben von welchem Personenkreis genutzt werden. Andererseits wissen die Betreuer dieser anderen Systeme meist zu wenig über E-Learning. Auch werden E-Learning-Systeme leider selten nach einer systematischen Analyse eingeführt, welche die Betrachtung bisheriger Systeme, Aufgaben und Nutzerkreise mit einschließen würde. Viel häufiger „wachsen Lernplattformen von unten nach oben“, werden also von einem Nutzerkreis ausgewählt, eingeführt und irgendwann als zentraler Service angeboten. Organisationen konsolidieren daher zyklisch ihre IT-Infrastruktur. Für diese beiden Fälle, also für eine systematische Einführung von E-Learning-Technologien oder für eine Konsolidierung der IT-Infrastruktur, sind nachfolgend die wichtigsten Funktionen der IT-Infrastruktur, welche E-Learning-Systeme umgibt, kommentiert. Den richtigen Ansprechpartner findet man mit den jeweiligen Stichwörtern (s. Marginalien) in der IT-Abteilung, zumindest sollte man von dort aus weitergeleitet werden können.
33.1.1 Technische Einbindung, Server, Backup, zentrale Softwarewartung Wird eine E-Learning-Plattform eingeführt, wird diese häufig im eigenen Rechenzentrum auf einem Server installiert. Die erste Entscheidung ist dann, ob ein separater Server angeschafft werden soll oder ob die Plattform auf einem der vorhandenen Server laufen kann. Dies hängt z. B. von den für die Plattform notwendigen Basissystemen (z. B. PHP, Java-Technologien, Datenbank) und von der zu erwartenden Last ab (s. Kap. 29). Wird ein neuer Server hinzugefügt, benötigt dieser eine eigene IP-Adresse und muss in das Netzwerk eingebunden werden. In das Backup-System muss die Datensicherung der Lernplattform und anderer E-Learning-Systeme integriert werden. Manche E-Learning-Systeme erfordern Einstellungsänderungen in der Firewall. Über die Lernplattform werden ggf. Dokumente mit gewissem Virenrisiko verbreitet. Daher wäre eine zentrale Überprüfung von Dateien beim Upload auf die Lernplattform wünschenswert.
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner
Einbindung in Netzwerk und Serverlandschaft
Backup und Sicherheitssoftware
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Zentrale Softwarewartung
Manche Organisationen verfügen über Systeme zur zentralen Softwareinstallation und Wartung. Software und deren Updates werden also auf die PCs der Anwender zentral aufgespielt. Sind für das E-Learning-System Installationen auf den lokalen PCs der Nutzer nötig, müssen diese in die zentrale Softwarewartung integriert werden. Anderenfalls sind diese Installationsaufgaben organisatorisch in die Arbeitsabläufe der IT-Abteilung einzubinden.
33.1.2 Identity-Management: Authentifizierung und Autorisierung, Gruppenverwaltung Zentrale Authentifizierung
Zentrale Autorisierung und Single-Sign-on
Systemübergreifende Gruppenverwaltung
Gruppen und Rollen für die Lernplattform
Bei der Vielzahl an PINs und Passwörtern, die sich Nutzer heute merken müssen, sollten die E-Learning-Systeme nicht noch weitere hinzufügen. Deswegen unterhalten Organisationen zentrale Verzeichnisdienste oder andere Systeme zur zentralen Authentifizierung, z. B. LDAP oder NIS. Eine Schnittstelle zur Authentifizierung ist in E-Learning-Systemen i. d. R. schon vorgesehen, die konkrete Anbindung muss aber nach Installation der Plattform noch erfolgen. In den Verzeichnisdiensten sind manchmal auch weitere Daten enthalten, z. B. Personenname, Studien-/Bildungsgang, Lehrenden-/Lernendenrolle. Gerade wenn die Anbindung an andere Systeme, in denen solche Daten vorliegen, noch nicht möglich ist, sollten diese Daten aus den Verzeichnisdiensten übernommen werden. Organisationen mit einer integrierteren IT-Infrastruktur nutzen Autorisierungssysteme. Hier werden Nutzer und deren Rollen bzw. deren IT-Nutzungsrechte gespeichert. Benutzer können sich so einmalig einloggen und dann die Funktionen der verschiedenen IT-Systeme nutzen, zu denen sie zugelassen sind (SSO – Single-Sign-on). Seltener ist eine zusätzliche Nutzung von zentralen Gruppenverwaltungssystemen. Hier können systemübergreifend Gruppen, wie z. B. Kursgruppen, Gremien, Abteilungen, gespeichert werden. Die IT-Systeme können auf diese zentralen Gruppen und deren Nutzer zugreifen. Lernplattformen benötigen Informationen über Gruppen und Rollen. Wenn diese Informationen nicht aus vorhandenen Verwaltungssystemen ausgelesen werden können, erhöht sich für die Plattformadministratoren der Arbeitsaufwand. Zum Beispiel müssten so Bildungsgang, Kurs oder andere Gruppen und Rollen, wie Lehrende oder Studierende, manuell gepflegt werden. Weiterführendes zu Identity-Management kann bei Richter (2007) nachgelesen werden.
33.1.3 Bildungsverwaltung: Kursverwaltung, Prüfungsverwaltung, Struktur der Bildungseinrichtung, Räume, Ressourcen Kursverwaltung, Veranstaltungskatalog und Einschreibesysteme
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Eine der primären Objektklassen einer Lernplattform ist der Kurs. Kurse werden angelegt, ihnen werden Lehrende und Lernende zugeordnet – bzw. diese schreiben sich ein − und Kurse sind eingeordnet in eine bestimmte Struktur (z. B. Bildungsgang, Fachbereich).
33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
Informationen zu Kursen entstehen selten originär im Lernmanagementsystem, sondern meist in einem Kursverwaltungssystem, einem Veranstaltungsverzeichnis, Fächerkatalog oder ähnlich benannten System. Für die Nutzer sichtbar wird dieses System meist durch ein durchsuchbares Kursverzeichnis mit einer Einschreibe- und ggf. einer Stundenplanfunktion. Ist ein solches System verfügbar und werden viele der Kurse mit E-Learning unterstützt, lohnt sich eine Anbindung. Es sollten die Kurse, zugehörige Informationen und die Einschreibungen der Nutzer übernommen werden. Lehrende können so beim Anlegen eines Kurses im Veranstaltungsverzeichnis automatisch eine virtuelle Kursumgebung auf der Lernplattform anlegen. Lernende erhalten mit der Einschreibung in einen Kurs automatisch Zugang zur entsprechenden Online-Kursumgebung. Ist eine solche weitergehende Anbindung nicht möglich oder gewünscht, dann ist zumindest zu überdenken, ob man die Struktur eines Veranstaltungsverzeichnisses zyklisch übernehmen kann. So könnten Kurse der Lernplattform in ein Verzeichnis eingeordnet werden und sind so von den Lernenden leichter auffindbar. Eine solche Struktur könnte auch aus anderen Verwaltungssystemen übernommen werden. Zum Beispiel gibt es in fast allen Organisationen ein Kostenstellenverzeichnis, in dem ggf. Fachbereiche und Abteilungen bzw. Fakultäten und Professuren enthalten sind. Da einige E-Learning-Systeme Administrationsrechte für Bildungsbereiche vorsehen, muss die E-Learning-Betreuung zumindest organisatorisch klären, wie die Bereiche der Lernplattform mit der reale Organisation der Bildungseinrichtung zu verknüpfen ist. Ist in Bildungseinrichtungen kein Veranstaltungsverzeichnis mit Einschreibesystem verfügbar, kann es sinnvoll sein, die Lernplattform für diese Funktionalität einzusetzen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Lernplattformen selten für lastintensive Einschreibevorgänge konzipiert sind (also wenn viele Nutzer sich in sehr kurzer Zeit um Kurse bewerben). Deswegen sollte man in diesem Fall Kontakt zum Hersteller suchen. Prüfungsverwaltung und Einschreibesysteme sind häufig miteinander verbunden. Oftmals darf man sich erst in eine bestimmte Veranstaltung einschreiben, wenn bestimmte Prüfungsleistungen erbracht wurden. Je nachdem, wie gut die Lernplattform mit einem separaten Einschreibe- und Prüfungsverwaltungssystem verbunden ist, werden auch diese Einschreiberegeln in der Lernplattform wirksam. Besteht keine Kopplung, dann kann die Einschreibung in Lernplattform-Kurse ggf. auch dann erfolgen, wenn Prüfungsvorleistungen nicht erbracht wurden. In diesem Fall sind seitens der E-Learning-Betreuung organisatorische Regelungen zu treffen, z. B. indem Lehrenden bei der Zulassung der Kursteilnehmer die Kontrolle der Vorleistungen aufgetragen wird. Andererseits produziert eine Lernplattform ggf. auch Daten, welche für Verwaltungssysteme interessant sind. So verfügen z. B. Lernplattformen i. d. R. über LearnerTracking- und Eingabe-/Speicherfunktionen zu Lernleistungen für Lehrende. Werden solche Funktionen intensiv genutzt, kann Lehrenden durch eine Kopplung zu einer Prüfungsverwaltung die Arbeit erleichtert werden. Die Speicherung von personenbezogenen Leistungsständen ist jedoch ein heikles Thema und sollte mit Verantwortlichen für Datenschutz, einem Personalrat und ggf. anderen Gremien abgestimmt werden. Das Rückspeichern von Daten in ein Verwaltungssystem bedarf eines gesonderten, mit allen Beteiligten abzustimmenden, Projektes. Kleinere Bildungseinrichtungen nutzen ggf. keine Bildungsverwaltungssoftware und sind nicht daran interessiert, zu viele IT-Systeme zu betreiben. Für diese kann es eine Option sein, Verwaltungsfunktionen der Lernplattform anstatt spezialisierter Systeme zu
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner
Bildungsbereiche, Veranstaltungsverzeichnisstruktur der Lernplattform
Lernplattform als Veranstaltungsverzeichnis
Prüfungsverwaltung
Ressourcenverwaltung und andere Verwaltungsfunktionen
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nutzen. Einige Lernplattformen bieten z. B. Funktionen zur Verwaltung von Referenten, Räumen und Technik an.
33.1.4 Storage-System, Dateiablage, Dokumentenverwaltung, Bibliothekssysteme Datei- und Dokumentenverwaltung in der IT-Landschaft Datei- und Dokumentenverwaltung für E-Learning und -Authoring Dokumentenmanagement-Systeme und E-LearningRepositorien
Bibliothekssysteme
Die meisten Organisationen verfügen vor der Einführung von Lernplattformen bereits über Systeme zur Dateiverwaltung, angefangen von einfachen Netzlaufwerken für Projekte, Abteilungen oder Gruppen und privaten Homeverzeichnissen bis hin zu Dokumentenmanagementsystemen und Repositorien. Oft bieten Lernplattformen ihren Nutzern ebenfalls Dateiablagemöglichkeiten an, z. B. einen persönlichen Dateimanager und Ablagen für Kurse, Projekte oder Gruppen. Diese Funktionalitäten könnten Gegenstand einer Integration sein. E-Learning-Repositorien werden für die Verwaltung von Contents eingesetzt. Sind bereits Dokumentenmanagementsysteme in der Organisation im Einsatz, wäre dies ein weiteres Feld der Integrationsbemühungen. Falls nicht spezielle Funktionen des E-Learning-Repositoriums benötigt werden, ist die Nachnutzung des vorhandenen Systems für den neuen E-Authoring-Nutzungszweck sinnvoll. Werden auf beiden Seiten Spezialfunktionen genutzt, kann eine übergreifende Suche über beide Systeme hilfreich sein. Anderenfalls muss man die Dokumentenarten und Nutzungsziele organisatorisch trennen und beide Systeme betreiben. Ein weiterer digitaler „Ort“, an dem Organisationen Dokumente speichern, sind Bibliotheken. Diese bieten Metadaten zu verfügbarer Literatur, welche für Kursliteraturlisten in Lernumgebungen interessant wären (Schnittstelle zu Lernplattform-Literaturverzeichnissen) oder auch für Literaturhinweise in E-Learning-Materialien (Schnittstellen zu E-Autorensystemen). Weiterhin bieten Bibliotheken digitale Literatur – also die Dokumente selbst − an, z. B. über abonnierte Online-Journals oder in Dokumentendatenbanken. Diese wären für den Lernmaterialpool einer E-Learning-Plattform interessant. In den E-Autorensystemen werden digitale Publikationen erstellt. E-Autorensysteme bieten sehr viel Komfort zur Erstellung digitaler Inhalte. Gegebenenfalls möchten Lehrende Dokumente also nicht nur in der Lernplattform nutzen, sondern einige Dokumente in der digitalen Bibliothek veröffentlichen.
33.1.5 Informationsverteilung: Pinnwand, Newsletter, Mailinglisten Werkzeuge zur Informationsverteilung: Pinnwand, Newsletter, Mailinglisten
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Im Intranet einer Organisation werden häufig Werkzeuge zur Informationsverteilung bereitgestellt, z. B. eine Pinnwand, Newsletter oder Mailinglisten. Genau diese Werkzeuge sind auch typisch für Lernplattformen. Die Problematik liegt meist in der unterschiedlichen Verwaltung von Gruppen und Empfängerlisten. Ein E-Learning-System organisiert Empfängergruppen häufig nach Kursmitgliedschaft, während z. B. eine zentrale Pinnwand die Information nach Organisationseinheiten oder Rollen verteilt. Trotzdem besteht ggf. die Möglichkeit, ein IT-System oder eine Kom-
33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
ponente der Lernplattform einzusparen, ohne Leistungsfähigkeit oder Komfort für Nutzergruppen einzuschränken. Ist dies nicht möglich, könnte man eine übergreifende Ansicht auf neue Informationen erwägen. Schließlich ist für einen Nutzer lediglich interessant, was es Neues gibt und nicht aus welchem System diese Information kommt.
33.1.6 Kommunikationswerkzeuge: E-Mail, Diskussionsforen, Messenger, Chat Bei den Kommunikationswerkzeugen sind vor allem das E-Mail-System und der Messenger interessant für eine Integration. Ist ein E-Mail-System vorhanden, ist es vielleicht nicht sinnvoll, dass die Lernplattform ein eigenes E-Mail-System mitbringt, welches mit dem vorhandenen nicht integriert ist. Nutzer lesen i. d. R. in ihrer normalen Mailbox. In diese sollten Informationen zu wichtigen E-Learning-Ereignissen gelangen. Diese sollten filterbar sein (z. B. nach Informationsart, Kurs/Projekt), damit die Flut des gesamten Mailaufkommens komfortabel bearbeitet werden kann. Einige Lernplattformen bieten automatische E-Mail-Abonnements über Neuigkeiten auf der Lernplattform. Nachrichten an Lernplattform-Nutzer werden ebenfalls via E-Mail gesendet. Andererseits wünschen Lehrende ggf., dass keine lernplattformexterne Kommunikation unterstützt wird, damit sich die Kursteilnehmer regelmäßig in die virtuelle Lernumgebung einloggen. In diesem Fall könnte eine Mail-Information darüber informieren, dass es etwas Neues im Kurs X gibt, und das lernplattforminterne Mailsystem sollte erhalten bleiben. Für eine Integration verschiedener Kommunikationsfunktionen, also auch für Funktionen wie Messenger, Diskussionsforen und Chat, sollten also nicht nur technische Ansprechpartner einbezogen werden, sondern auch Lehrende.
E-Mails, E-Mail-Notification
weitere Kommunikationswerkzeuge
33.1.7 Kalender, Aufgaben, Workflows, Projektmanagement Nutzer interessieren sich dafür, welche Termine sie oder ein anderer Nutzer in einem bestimmten Zeitraum haben oder welche Projekte und Aufgaben dringend anstehen. Wenn man einen freien Termin für ein gemeinsames Treffen sucht, ist weniger interessant, ob ein Nutzer E-Learning-Termine hat, sondern man muss alle Termine des Zeitraums sehen. Daher ist die Trennung von E-Learning-Terminkalender und Arbeitsterminkalender nicht sinnvoll. Nutzer sollten eine zentrale Sicht auf alle ihre Termine haben. Ebenso sollte man eine zentrale Sicht auf Aufgaben und Projekte bzw. Kurse erhalten. Daher ist die Integration von E-Learning-Terminen und folglich LernplattformKalendern mit den Kalendern der Organisation interessant. In Betrieben ist dies noch relativ leicht möglich, da häufig ein Workgroup-System genutzt wird, in dem mit Einführung der Lernplattform auch E-Learning-Termine und -Aufgaben gespeichert werden sollten.
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner
integrierte Sicht auf Termine und Aufgaben
621
Für Weiterbildungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen ist die Konsolidierung schwieriger, weil Nutzer unterschiedlichste externe Kalendersysteme nutzen. Für Kalendereinträge gibt es ein Standardformat „iCalendar“ (RFC 2445 1998). Der E-Learning-Kalender der Plattform sollte zumindest die Kalendereinträge in diesem Exportformat bereitstellen können, damit die Nutzer ihre Lerntermine in ihre Kalender übertragen können. Andererseits haben kleine Organisationen bisher ggf. noch kein zentrales Kalender-, Aufgaben- oder Projektverwaltungssystem und könnten ggf. diese Funktionalitäten der Lernplattform zentral nutzen. Einige Lernplattformen bieten explizit Projekt- und E-Work-Unterstützung an (z. B. StudIP und metacoon). Hier können Umgebungen für Projekte eingerichtet werden, Kunden können ein Login erhalten und freigegebene Projektinformationen einsehen. Das Team kann Aufgaben, Termine, Informationen, Wissen und Dokumente verwalten.
33.1.8 Wissensverwaltung Wissensverwaltung findet in jeder Organisation mehr oder weniger systematisch statt. In Kursveranstaltungen wird geordnetes, aufbereitetes Wissen weitergegeben. Eine Trennung zwischen Wissensbasis und Lerninhalten ist also schwer möglich. Daher liegt es nahe, in einer Organisation E-Learning-Systeme, insbesondere E-Autorensysteme, mit Systemen zur Wissensverwaltung zu verbinden. Die Kopplungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie die Systeme, welche für beide Seiten eingesetzt werden. Wissens- und Lerninhalte können in Wikis, Blogs, in OfficeDokumenten, in Datenbanken, Glossaren oder in spezialisierten Wissensmanagementsystemen verwaltet werden. Für eine Konsolidierung helfen z. B. folgende Fragen bei der Analyse: • Welche Wissens-/Lerninhaltearten existieren (worüber, in welcher medialen Form, mit welchen Metadaten werden Inhalte gesammelt)? • Welche Werkzeuge werden zur Erstellung und Speicherung genutzt (würde z. B. die Lernplattform ein redundantes Wiki-System mitbringen)? • Welche Personen und Gruppen tragen zum Inhaltepool in welcher Form bei (in welcher Arbeitssituation mit welchem Zugriff auf Autorenwerkzeuge)? • In welcher Form müssen Nutzer auf die Inhalte zugreifen, sind z. B. im vorhandenen System spezielle Remoteezugriffsmöglichkeiten für Außendienstmitarbeiter implementiert? Normalerweise haben Abteilungen, Projekte oder Fachbereiche eigene Wissensbasen, deren Inhalte primär intern genutzt werden. Sind ausgewählte Inhalte für andere Abteilungen oder unternehmensweit von Interesse, dann werden diese freigeschaltet oder in andere Inhaltepools übertragen. Manche Wissens- und Lerninhalte oder Informationsmaterialien sollen externen Nutzern ggf. kostenpflichtig zur Verfügung gestellt werden, z. B. die Dokumentation von Produkten oder wiederverwertbare Lernmaterialien. Umgekehrt werden eventuell Inhal-
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33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
externe Repositorien
Portalwebseite
gemeinsamer Intranetbereich
Lern- und Arbeitsräume
Abb. 33.1: Fünf Organisationen (Firmen/Bildungseinrichtungen) mit vernetzten Inhaltepools/Repositorien
te aus externen Informationsangeboten oder Repositorien für interne Informationsangebote benötigt und müssen verfügbar gemacht werden. Zusammenfassend werden moderne Organisationen intern Repositorien für Lernund Wissensinhalte nutzen, welche je Abteilung oder Fachbereich geschlossene oder teiloffene Bereiche bereitstellen. Für den Austausch von Inhalten zwischen dem hausinternen Inhaltepool und externen Repositorien sind Schnittstellen (Import/Verlinkung) und Funktionen zur übergreifenden Suche nötig. Für Repositorien stellt z. B. IMS eine Spezifikation zur Verfügung (IMS DRS).
33.1.9 Alumni-Betreuung Für Bildungseinrichtungen sind die so genannte Alumnis wichtige Stakeholder. Man versucht mit Ehemaligen in Kontakt zu bleiben, betreut sie und bietet Mehrwerte an, z. B. den Zugriff auf Bildungsangebote. Einige Bildungseinrichtungen betreiben Alumniportale mit folgenden Funktionen, welche mit Lernplattform-Funktionen redundant sind: • Alumnis können sich registrieren, so wie Kursteilnehmer sich für Kurse registrieren können. • Ehemalige können Kontakt zu anderen Ehemaligen aufnehmen, so wie Lernende andere Lernende suchen und kontaktieren können. • Bildungsorganisationen bieten „Heutigen“ und Ehemaligen gefiltert Zugriff auf Lerninhalte, Bibliotheksangebote und andere Bildungsservices an. • Betreuer nutzen Informationsverteiler (Newsletter, Mailinglisten, Podcasts, Videocasts usw.), um Inhalte an Alumnis oder Kursgruppen zu vermitteln.
33.1 Eine typische IT-Infrastruktur, Systeme und Ansprechpartner
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• Kursgruppen und Alumnis werden Kommunikationsfunktionen, wie Foren, Chat, Messenger, angeboten. • Alumnis können Gruppen bilden und Zusammenarbeit organisieren. Dies ermöglicht den Austausch von Informationen, Dokumenten und Inhalten bzw. Wissen. Außerdem können gemeinsam Inhalte oder Arbeiten erstellt werden. Kurz: Die Funktionalitäten von Lernplattformen und Alumniportalen unterscheiden sich nicht wesentlich. Eine gut anpassbare Lernplattform kann ggf. als Alumniportal genutzt werden. Stellen Lehrende Lerninhalte und Dokumente für Kurse ein, könnten sie gefragt werden, ob ein Dokument auch im Alumni-Wissenspool gespeichert werden darf. Kursveranstaltungen der Lernplattform könnten für Alumnis frei oder gegen Entgeld geöffnet werden. Eine Konsolidierungsanalyse oder eine Anforderungsanalyse vor der Einführung einer Lernplattform bzw. eines Alumniportals lohnt sich gegebenenfalls.
33.1.10 Organisatorische Einbindung in vorhandene Servicestrukturen Jede Organisation hat bestehende Servicestrukturen. Normalerweise müssen sich Mitarbeiter nicht mit allen IT-Problemen selbst auseinandersetzen. Sie rufen bei einem IT-Servicemitarbeiter an oder lösen einen Servicecall auf einer Intranet-Webseite aus. IT-Abteilungen bieten Dienstleistungen zyklisch oder nach Bedarf an. Außerdem werden Informationen zu vorhandenen IT-Systemen und Leistungen angeboten. Hier fügt die Einführung von E-Learning-Systemen weitere Komponenten zu vorhandenen Servicestrukturen hinzu, z. B.: • Neue Beratungsleistungen (technische, didaktische, organisatorische u. a.) • Neue Hilfe- und Fehler-Call-Funktionen im Fehlermelde-/Ticketsystem • Inhalte zu den neuen E-Learning und E-Authoring-Systemen für zentrale OnlineHilfesysteme (z. B. HTML-Seiten der IT-Abteilung, Hilfe-Datenbank, Chatbot-/ Auskunftssystem,) • Schulungen und Einführungsveranstaltungen • Zentrale Einspeisung von Software (z. B. Installation von Autorenwerkzeugen auf den PCs der Anwender)
33.2 Ausblick: Portalsysteme Bildungseinrichtungen haben ihre Internetauftritte mit Web-Content-ManagementSystemen (CMS) aufgebaut und sukzessive um Zusatzfunktionen, wie buchbare Kursangebote, bestellbare Newsletter oder Newsfeeds, erweitert. Für Lehrende und Lernende werden i. d. R. weitere Werkzeuge, wie E-Mail, Lernmanagementsystem oder Funktionen aus Verwaltungssystemen, eingebunden. Meist handelt es sich nicht um echte Integration, sondern die Anwendungen werden nur in der Webseite verlinkt und gestartet. Um eine verbesserte Integration zu ermöglichen, haben Organisationen begonnen, Portale einzuführen. Portale sind Online-Systeme, welche Personen einen individuellen
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33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
Abb. 33.2: symbolische Darstellung einer PortalsystemBenutzeroberfläche
Online-Schreibtisch bereitstellen. Die Benutzeroberfläche für eine Person besteht aus einer Reihe von Fenstern (Portlets), welche je eine benötigte Funktion aus einem der IT-Systeme der Einrichtung anbieten. Portalsysteme bringen selbst eine große Menge von Funktionalitäten, wie Kalender, Wiki, Forum, Chat, Aufgabenverwaltung, Webseiten-CMS und viele mehr, mit. Gemeinsam mit den Funktionalitäten der eingebundenen IT-Systeme (z. B. CSCW, Mailsystem) könnten fast alle typischen Werkzeuge für Kursumgebungen bereitgestellt werden. So könnte man provokativ fragen: Was bleibt die Kernfunktionalität von E-Learning-Systemen? Lernmanagementsysteme sind mehr als reine Sammlungen von Werkzeugen für das Lehren und Lernen, wie Wikis, Blogs, Forum, welche zu Kursumgebungen zusammengestellt werden. In E-Learning-Standards werden typische Funktionalitäten von Lernmanagementsystemen beschrieben (s. Kap. 32), z. B. standardisiertes Management von Kursmaterialien, die Gestaltung individueller Kursabläufe für Lernende und Gruppen, das Erfassen und Auswerten von Lernständen. Lernmanagementsysteme werden daher sehr wahrscheinlich nicht von Portalsystemen abgelöst, aber sie werden sich in diese integrieren und sich verändern müssen. Auf einige E-Learning-Betreuer kommt in den nächsten Jahren dieses Integrationsprojekt zu. Daher nachfolgend eine Einführung zu Portalsystemen. Ein Portal ist eine zentrale Anwendung bzw. Applikation, welche den Zugriff sowohl auf personalisierte Inhalte als auch auf aufgabenbezogene Anwendungen bereitstellt. Nutzer können (sofern sie die Rechte dazu erhalten) ihre individuelle Arbeitsoberfläche zusammenstellen. Nutzer können z. B. Lernende, Lehrende, Verwaltungsangestellte, Partner und andere Rollen sein. Entsprechend der Rolle stehen für den individuellen Schreibtisch Funktionen bzw. Werkzeuge zur Verfügung. Im Allgemeinen bringen Portalsysteme leistungsfähige Benutzer- und Rechteverwaltungen mit.
33.2 Ausblick: Portalsysteme
Gibt es in Zukunft noch Lernmanagementsysteme?
Kernfunktionalität von E-Learning-Systemen in Portalen
Portalsysteme
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Integration von IT-Systemen in ein Portal
Ausblick
Portalsysteme bieten für die IT-Anwendungen der Einrichtung eine Integrationslösung. Sie ermöglichen die Gestaltung durchgehender Prozesse über mehrere Anwendungen hinweg. Die Anwendungen laufen in so genannten Portlets, welche in Fenstern bestimmte Funktionen der Anwendung anbieten. Dazu müssen diese Anwendungen portalfähig, also in der Lage sein, ihre Funktionalitäten in Portlets anbieten zu können. Damit Anwendungen, wie z. B. Lernmanagementsysteme, diese Fähigkeit einheitlich für mehrere Portalsysteme implementieren können, wurde die Java-Spezifikation JSR 168 entwickelt (JSR 168). Portlets können vom Benutzer personalisiert werden. Sie können minimiert oder entfernt werden und verfügen über eigene Hilfe- und Konfigurationsmenüs. Nutzern bleibt die manuelle Anmeldung an den in das Portal integrierten Anwendungen durch SingleSign-on erspart. Portalsysteme, vernetzte Repositorien und leistungsfähige Autorenwerkzeuge werden in den nächsten Jahren die Bildungseinrichtungen und Betriebe erobern und Nutzern komfortable, effiziente IT-Lösungen für Lern- und Wissensmanagement bieten.
Literatur IMS DRS. Digital Repositories Specification. IMS Global Learning Consortium, Inc. http://www.imsglobal.org/digitalrepositories/index.html [Stand 26.11.2007]. JSR 168 (2003). Java Specification Request 168: Portlet Specification. Sun Microsystems. 2003, http://www.jcp.org/en/jsr/detail?id=168 [Stand 26.11.2007]. RFC 2445 (1998). Internet Calendaring and Scheduling Core Object Specification (iCalendar). Internet Engineering Task Force/Internet Society http://tools.ietf.org/html/rfc2445 [Stand 29.11.2007]. Richter, M. (2007). Identity Management. Saarbrücken: Vdm Verlag Dr. Müller.
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33 Integration von E-Learning in eine vorhandene IT-Infrastruktur
Glossar
Academic Help Seeking Effektives Hilfesuchverhalten stellt als strategisches Handeln einen Bestandteil des → selbstregulierten Lernens dar. Dabei geht es darum, bei Problemen im Bildungskontext in angemessener Weise bei Peers oder Lehrenden Hilfe und Unterstützung zu finden. Accessibility → Barrierefreiheit Adaptive Lernhilfen Lernhilfen, die sich unterschiedlichen Lernvoraussetzungen anpassen. Adaptivität bezeichnet das Ausmaß, in dem sich eine Lernumgebung an unterschiedliche Bedingungen (Lernermerkmale, Lernfortschritte, Interessen etc.) anpasst. ADDIE-Modell ist ein im Bereich der Planung und Konzeption von Lernumgebungen eingesetztes Instructional-System-Design-Modell. Kern des Modells ist eine systematische Koordination der Entwicklungsphasen Analyse, Konzeption, Entwicklung im engeren Sinne, Implementation sowie Evaluation. Add-in Ergänzungsprogramm, das in eine Standardsoftware „eingebaut“ wird und zusätzliche Funktionen bereitstellt. Adressatenanalyse gehört zu den Analysen, die in der Planungsphase der Entwicklung multimedialer Lernumgebungen durchgeführt werden sollten. Die Adressatenanalyse ermittelt die Lernvoraussetzungen der Zielgruppe.
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Advance Organizer sind einem Text vorangestellte kurze Texte, die Vorwissen explizit thematisieren. Sie zeigen dem Lernenden auf, über welches Wissen er bereits verfügen sollte und wo sein Wissen Anknüpfungspunkte für das neu im Text vorgestellte Wissen aufweist. AIML Artificial Intelligence Markup Language ist ein XML basierte Datenbasis für → Chatbots. Algorithmierung/algorithmische Struktur In der Mathematik: exakte, eindeutig bestimmte Vorschrift zum Vollzug einer Reihe elementarer Operationen (oder von Systemen solcher Operationen), um Aufgaben einer bestimmten Klasse oder eines bestimmten Typs zu lösen. Im Kontext der → programmierten Unterweisung bezeichnet A. den Versuch, Prinzipien des Lehrens und Lernens als exakte Regeln zu formulieren. Alumni Bezeichnung für die ehemaligen Studenten oder Absolventen einer Bildungseinrichtung, z. B. Hochschule. analytische Darstellungscodes → Darstellungscodes Anchored Instruction Ansatz des explorativen Instruktionsdesigns in Anlehnung an die Projektmethode zur Verbesserung der Anwendung des zu vermittelnden Wissens. Zentrales Merkmal ist ein narrativer Anker (in Form eines Films), der Interesse wecken und die Aufmerksamkeit auf das zu lösende Problem lenken soll. Die gegebenen Problemsituationen stellen dabei komplexe, aber nachvollziehbare Kontexte in narrativer Form dar, die unterschiedliche Fachbereiche tangieren und variable Perspektiven bieten. Animation sind bildhafte Darstellungen, deren Struktur und Eigenschaften sich über die Zeit verändern. Sie setzen sich aus einzelnen Bildern zusammen, wobei jedes Bild als Veränderung des vorherigen erscheint. Dadurch wird die Wahrnehmung einer kontinuierlichen Veränderung erzeugt. Auch → Simulationen und → Videos werden zu den Animationen gezählt, weisen aber jeweils besondere Eigenschaften auf. Anreiz Anreize sind Situationsmerkmale, die zu einem bestimmten → Motiv passen. Sie bilden den Aufforderungscharakter einer Situation zu einer Handlung. Anthropomorphe Interfaces sind → multimodiale Interfaces, die über menschenähnliche Eigenschaften (Mimik, Gestik) verfügen und aufgrund von Anteilen künstlicher Intelligenz Emotionen ausdrücken und angemessen reagieren können.
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Application Sharing Bezeichnet die gemeinsame und gleichzeitige Nutzung einer Softwareanwendung durch mehrere Benutzer an verschiedenen Orten, typischer Anwendungsfall: gemeinsame Bearbeitung eines Dokumentes. Arbeitsgedächtnis → multiple Gedächtnissysteme Assets sind Variable Elemente eines E-Learning-Angebots: Textdateien, Grafikdateien, Audiodateien, Videodateien usw. Sie werden meist als kleinste, nicht mehr teilbare Einheit verstanden. Asynchron → synchron vs. asynchron Attentive Prozesse sind „aufmerksame“, bewusst kontrollierte Analyseprozesse, die seriell ablaufen. Sie werden sowohl vom Vorwissen als auch von den Zielsetzungen des Lernenden beeinflusst. → präattentive Prozesse Attribution Zuschreibung von Merkmalen oder Ursachen (Kausalattribution); z. B. „Attribuierung auf Anstrengung“: Jemand schreibt Lernerfolge seiner Anstrengung (und nicht seiner Begabung oder seinem Glück) zu. Audio bezeichnet Reize, die in akustischer Form über das Ohr aufgenommen werden. Sie können als gesprochene Sprache, Sounds bzw. Geräusche oder Musik unsere Wahrnehmung erreichen. Aufgabenanalyse Analyse des Lehrstoffs, d. h. des Wissens, das die Adressaten mit Hilfe der zu entwickelnden Lehrmedien bzw. der zu konzipierenden → Lernumgebung aufbauen sollen. Dazu gehören die Ermittlung der Inhalte, die vermittelt werden sollen, die Entwicklung der Arbeits- oder → Lernaufgaben, die bei erfolgreichem Lernprozess bewältigt werden sollen, sowie die Festlegung des angestrebten Kompetenzgrades. Authentifizierung Durch die Authentifizierung wird die Identität eines Benutzers geprüft. Die gebräuchlichste Authentifizierung ist die Abfrage eines Passworts vom Benutzer. Autorisierung Die Autorisierung ist das Einräumen, Zuweisen und Überprüfen von Rechten zu einer angefragten Aktion. Eine Autorisierung setzt eine Prüfung der Person oder Applikation voraus. Sie erfolgt meist nach einer erfolgreichen → Authentifizierung.
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Awareness-Funktionen sind Funktionen, die die Gruppenmitglieder beim → kooperativen bzw. → kollaborativen Lernen in multimedialen → Lernumgebungen über die Anwesenheit (Social Awareness) und die Aktivität anderer Teilnehmer (Action Awareness) informieren. Sie geben außerdem Aufschluss über den Fortschritt einer (gemeinsam) zu bearbeitenden Aufgabe. Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen Gegenstände, Gebrauchsgüter, Software oder andere Objekte uneingeschränkt nutzen können, unabhängig von etwaigen Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Dabei soll die Zugänglichkeit für bestimmte Gruppen nicht über alternativ angebotene Zugangswege gewährleistet werden. Bedarfsanalyse Im Rahmen der Entwicklung multimedialer → Lernumgebungen ermitteln Bedarfsanalysen, bei welchen → Kompetenzen die Adressaten Defizite aufweisen. Im Fall von Instruktionsdesign in der beruflichen bzw. betrieblichen Weiterbildung geht es meist um die Differenz zwischen tatsächlichen und erwarteten Arbeitsleistungen. Begriffsnetzdarstellung → Concept-Map Behaviorismus Forschungsrichtung in der Psychologie, die lediglich Aussagen zulässt, welche sich auf beobachtbares Verhalten beziehen. Benutzerfreundlichkeit beschreibt die leichte und einfache Handhabbarkeit als Eigenschaft eines Produktes bzw. eine multimedialen Lernumgebung, die es dem Nutzer oder Lernenden ermöglicht, seine gestellten Aufgaben in vollem Umfang, schnell und zu seiner Zufriedenheit zu erledigen. → Usability Benutzerschnittstelle Die Benutzerschnittstelle synchronisiert menschliches Kommunikationsverhalten mit dem des Computers. Benutzerschnittstellen erlauben dem Anwender, z. B. über Icons auf dem Desktop oder über das Anwählen und Anklicken von Menüoptionen in einem Anwendungsprogramm Anweisungen zu erteilen. Der Computer meldet entweder visuell oder auditiv zurück, ob er die Anweisung verstanden hat und ausführen kann. beschreibende Darstellungscodes → Darstellungscodes Best-Answer-Aufgaben sind → geschlossene Testaufgaben, bei denen der Lernende die beste Antwort aus einer Reihe von Antwortalternativen wählen muss. Alle Antworten sind dabei teilweise richtig, eine Antwort ist jedoch deutlich besser als alle anderen Alternativen.
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Bezugsnormorientierung (individuell, sozial) Orientierung an einem Kriterium für die Leistungsbeurteilung. Individuelle Bezugsnormorientierung: Orientierung am individuellen Leistungsstand, bei der Beurteilung bezieht man sich auf Unterschiede zu früheren Leistungen des gleichen Individuums. Soziale Bezugsnormorientierung: Die Leistungsbeurteilung orientiert sich an der Lerngruppe (z. B. Schulklasse), die Bewertung orientiert sich an deren Durchschnitt oder am Rangplatz des Lernenden in der Gruppe. Ein Lerner der individuell starke Fortschritte gemacht hat, hat sich evtl. hinsichtlich seines Rangplatzes nicht verbessert. Bezugssystem Ein Bezugssystem ist ein Koordinaten- oder Definitionssystem, das die räumliche Lage, Zeitabläufe oder Bewegungen beschreiben kann. Im psychologischen Kontext ist ein System aus Annahmen und Standards gemeint, das es erlaubt, Verhalten zu beurteilen und ihm Sinn zu geben. Bimodale Präsentation bezeichnet ein Präsentationsformat für Informationen, das Wissensinhalte einmal visuell und parallel auditiv vermittelt. Bimodale Präsentation spricht sowohl das Auge als auch das Ohr an. Blackboard Bezeichnet einen „Virtuellen Aushang“, d. h. eine elektronische Form der Pinnwand. Blog ist ein meist chronologisches, thematisch gegliedertes privates-Online Tagebuch, welches öffentlich zugänglich ist. Es kann Texte, Bilder und andere Medien umfassen. CBT steht für „Computer Based Training“. Bis etwa Anfang der neunziger Jahre eine von vielen gleichwertigen Bezeichnungen für Software-Lernangebote. Die Verteilung erfolgte in der Regel über über Disketten oder später über CDs, eine kurze Zeit auch per Videodisk. Verwandte Bezeichnungen waren u. a. CUU (Computerunterstützter Unterricht), CAI (Computer Assisted Instruction), CAL (Computer Assisted Learning). Change-Agent Change-Agents sind Personen in einer Organisation, welche einen Wandel oder eine Neuerung in der Organisation fördern. Diese Förderung kann unterschiedliche Formen annehmen, z. B. mit Leuchtturmprojekten Machbarkeit und Mehrwerte aufzeigen, Moderation von Entscheidungs- und Konfliktprozessen, Vermittlung von Fachwissen. Chat ist eine synchrone, computervermittelte Kommunikation zwischen mehreren Benutzern; in seiner ursprünglichen Form textbasiert; Chat ist die Basis anderer synchroner Kommunikationsformen, z. B. → Online Voting. Chatbot Mit diesem Kunstwort aus den Begriffen Chat und Roboter werden „intelligente“ Computerprogramme benannt, mit denen Benutzer reden können oder die Fragen von
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Benutzern beantworten können. Die Antworten werden aus einer Datenbasis (z. B. → AIML) zusammengestellt, Chatbots werden meist als virtuelle Berater eingesetzt. Chunking bedeutet, dass zunächst getrennte Informationseinheiten zu „Informationspaketen“ höherer Ordnung zusammengefasst werden. Beispielsweise können Zahlenfolgen wie 550123876 zu größeren Einheiten 55 0123 876 gruppiert werden. Client → Client-Server-Architektur Client-Server-Architektur ist ein hierarchisches Modell einer Aufgabenverteilung in Rechnernetzen. Der Server bietet Ressourcen, Dienstleistungen oder Daten an und die Arbeitsstationen (Clients) nutzen sie. Im Gegensatz dazu stehen → Peer-to-Peer-Architekturen. Cognitive Apprenticeship Ansatz des Instruktionsdesigns in Anlehnung an die traditionelle Handwerkslehre. Nach diesem Modell werden die Lernenden zunächst von einem Lehrenden stark unterstützt, um Schritt für Schritt mehr in die eigene Selbstständigkeit entlassen zu werden. Cognitive Apprenticeship umfasst die Schritte Modeling, Coaching, Scaffolding, Articulation, Reflection und Exploration. Cognitive Load bezeichnet die mentale Belastung des Arbeitsgedächtnisses, die aus Informationsverarbeitungsprozessen resultiert (→ menschliche Informationsverarbeitung). Es können drei Quellen von Cognitive Load unterschieden werden, die additiv miteinander verknüpft sind: (1) Intrinsic Cognitive Load, der durch die Schwierigkeit und Komplexität des Lernmaterials bestimmt wird, der (2) Extraneous Cognitive Load, der aus der didaktischen Gestaltung und der → Usability der Lernumgebung resultiert, und der (3) Germane Cognitive Load, der produktiv für den Wissenserwerb und den Aufbau von → Schemata und → mentalen Modellen zum Lerngegenstand verfügbar ist. Componet-Display-Theorie klassifiziert Lernen anhand von zwei Dimensionen, der Inhaltsdimension und der Leistungsdimension. Weiterhin werden primäre und sekundäre Präsentationsform der Inhalte unterschieden. Merill geht davon aus, dass Instruktion am effektivsten ist, wenn beide Dimension vollständig durch die multimediale Lernumgebung angesprochen werden, ebenso wie alle Formen der primären und sekundären Präsentationsform. Computer-supported collaborative learning (CSCL) durch ein technisches System unterstütztes → kooperatives bzw. → kollaboratives Lernen. Computerunterstützte Instruktion Mit computerunterstützter Instruktion werden Lehr- und Lernprozesse bezeichnet, die sich eines Computers als Medium bedienen.
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Concept-Map (Begriffnetzdarstellung) Visuelle Darstellung von Begriffen und den Beziehungen (Relationen) zwischen ihnen. Die Begriffe werden meist als „Knoten“ eines Netzwerks dargestellt, die Relationen als die „Kanten“ bzw. Verbindungslinien zwischen den Knoten. Content Management System (CMS) Der Begriff wird meist für Softwarelösungen zur Pflege von Webseitenangeboten verwendet. Durch ein Web-CMS können anders als bei lokal installierten WebseitenEditoren mehrere Autoren zusammenarbeiten. Alternativ wird „Content“ auch als E-Learning-Content verstanden und der Begriff CMS wird als Dokumentenverwaltung für digitale (Lern-)Inhalte genutzt. Cronbachs Alpha ist eine statistische Maßzahl, welche die Reliabilität (Zuverlässigkeit, Genauigkeit) einer Skala bzw. eines psychometrischen Messinstrumentes angibt. Sie nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 an, wobei höhere Werte für eine größere Reliabilität stehen. CSCW als Abkürzung bezeichnet „computer supported kooperative work“; Technologien zur Unterstützung des kooperativen Arbeitens von i. d. R. räumlich verteilten Personen. CSS Cascading Style Sheets ist ein Standard zur Beschreibung von Design und Layouteigenschaften von HTML-Dokumenten. Das Stylesheet kann in einer separaten css-Datei gespeichert werden. CSV (Character/Comma/Colon Separated Values): ist ein Textdateiformat, welches im E-Learning häufig für den Austausch tabellarischer Daten/Informationen zwischen Systemen verwendet wird. Zum Beispiel werden Nutzerdaten von Bildungsverwaltungssystemen oft per CSV-Datei in ein Lernmanagementsystem übertragen. Die Daten (z. B. Name, Vorname, Straße usw.) werden in einer CSV Datei durch Komma oder Semikolon getrennt und können vor dem Import in ein System manuell in einem Texteditor nachbearbeitet werden. Auch Tabellenkalkulationsprogramme können CSV-Dateien öffnen und speichern. CTML → Kognitive Theorie multimedialen Lernens Darstellungscodes sind bildhafte Codierungen, die das Erkennen einer Abbildung erleichtern sollen. Es werden beschreibende und analytische Darstellungscodes unterschieden. Beschreibende Darstellungscodes werden bei realistischen Bildern eingesetzt. Sie dienen der Überführung der dreidimensionalen Realität in zweidimensionale Abbilder. Zu den beschreibenden Darstellungscodes zählen Linien, Schattierungen, Farbgebungen und verschiedene Perspektiven. Analytische Darstellungscodes werden bei logischen Bildern eingesetzt. Sie dienen der Verknüpfung von Bildelementen. Beispielsweise kann die gleiche Farbgebung bei Säulen in einem Balkendiagramm auf die Zugehörigkeit zur selben Gruppe hindeuten. → Steuerungscodes.
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Deklaratives Wissen ist Wissen über Sachverhalte. Es ist Wissen darüber, was etwas ist (Begriffe) oder wie etwas ist. In Abgrenzung dazu: → prozedurales Wissen. Didaktische Entwurfsmuster sind bewährte Lösungen zu Designproblemen bei der Konzeption von multimedialen → Lernumgebungen. Sie werden nach einem bestimmten Schema beschrieben. Entwurfsmuster wurden ursprünglich im Bereich der Architektur entwickelt und in jüngerer Zeit auf didaktische Konzeptionen übertragen. → Entwurfsmuster Digital Sound Töne, Geräusche und Musik werden digital repräsentiert – mit Einsen und Nullen (im Gegensatz zu analogen Methoden). Digital Sound kann mit Hilfe von Software bearbeitet werden, um bestimmte Effekte zu erzeugen. Digitale Signatur Die digitale Signatur dient der Überprüfung der Authentizität eines Absenders. → Authentifizierung Außerdem kann durch digitale Signaturen sichergestellt werden, dass Dokumente während der Übertragung nicht verändert wurden. Disäquilibrationsvorgänge Im Sinne der Psychologie von J. Piaget sind Disäquilibrationsvorgänge Prozesse, die ein geistiges „Ungleichgewicht“ zur Folge haben; ein solches Ungleichgewicht liegt z. B. vor, wenn ein verfügbares → Schema sich wider Erwarten nicht auf einen bestimmten Sachverhalt anwenden lässt. Durch Veränderung des Schemas kann das Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für das Lernen neuer Sachverhalte. Distraktoren bezeichnen bei → Multiple-Choice-Aufgaben die falschen Antwortoptionen. DO-ID-Modell Entscheidungsorientiertes Instruktionsdesignmodell, welches den Fokus auf Designentscheidungen im Laufe des Konzeptionsprozesses einer multimedialen → Lernumgebung legt. Die Abkürzung „DO-ID“ ergibt sich aus der englischen Bezeichnung „Decision Oriented Instructional Design Model“. Domänenexperten Mit Domäneexperten sind Fachleute für einen bestimmten Bereich gemeint. Im Fall der Entwicklung von E-Learning sind das z. B. Technikexperten, Inhaltsexperten oder Evaluationsexperten. Drag and Drop Technik des Bewegens von Bildschirmelementen durch „Ziehen“ mit der Maus und „Loslassen“ an der gewünschten Stelle.
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Drop-out Mit Drop-out wird das Abbrechen eines Kurses oder einer besuchten Veranstaltung bezeichnet. Dual-Code Theory Die Dual-Code-Theorie unterscheidet zwei getrennte Codes für die → menschliche Informationsverarbeitung: den nonverbalen Code und den verbalen Code. Informationen werden folglich getrennt verarbeitet, je nachdem, ob sie visuell oder auditiv dargeboten wurden. Dublic Core Metadatenstandard zur Beschreibung von Publikationen. Dynamischer Kontrast Ein dynamischer Kontrast entsteht, wenn sich in einer → Animation ein Element dadurch abhebt, dass es sich bewegt, während andere Elemente statisch bleiben. Umgekehrt kann sich ein Element auch dadurch abheben, dass es sich nicht bewegt, während andere sich verändern. Durch dynamische Kontraste kann die → Figur-Grund-Trennung in Bewegtbildern erleichtert bzw. erst möglich gemacht werden. Einschätzskala/Ratingskala Als Ratingmethoden bezeichnet man in der empirischen Sozialforschung alle subjektiven Schätzverfahren, bei denen der Befragte aufgefordert wird, die Eigenschaften eines Meinungsgegenstands oder das Verhalten anderer Personen oder Gruppen oder auch das eigene Verhalten bzw. das der eigenen Gruppe einzuschätzen oder zu beurteilen. Erfasst werden diese Urteile auf Ratingskalen (Einschätzskalen). Diese sind so angelegt, dass der Beurteiler den von ihm beobachteten Ausprägungsgrad bestimmter Eigenschaften eines Merkmals, eines Gegenstands, einer Person, einer Gruppe auf der gestuften Skala, die numerisch oder verbal formuliert sein kann, einträgt. Ziel der Entwicklung von Ratingskalen ist es, durch Zugrundelegen eines einheitlichen, systematischen und formalisierten Verfahrens subjektiven Ermessensurteilen höhere Genauigkeit und Treffsicherheit zu verleihen. Ein-Weg-Kommunikation Kommunikation mit einem Sender und einem Empfänger, bei welcher der Empfänger nicht Sender und der Sender nicht Empfänger sein kann. Ein Beispiel wäre die Kommunikation über einen Fernseher. Elaborationsstrategien Elaborationsstrategien dienen dem Verstehen und dauerhaften Behalten neuer Informationen. Sie unterstützen die Integration neuer Informationen in bereits bestehende Wissensstrukturen und erleichtern damit den späteren Abruf. Zu den Elaborationsstrategien zählen z. B. das Aktivieren von Vorwissen, Imagery-Strategien, Notizenmachen oder Fragenstellen. Elektronische Agenda ist i. d. R. ein webbasierter „Virtueller Terminplaner“ zur Verwaltung von Terminen und Aufgaben.
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Element-Interaktivität Charakterisiert die Komplexität des Lernmaterials. Die Element-Interaktivität bezeichnet die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Wissensinhalten. Sie ist hoch, wenn zum Verständnis eines Sachverhaltes viele einzelne Wissensinhalte miteinander in Verbindung gebracht werden müssen. Sie ist niedrig, wenn ein Wissensinhalt isoliert von anderen verstanden werden kann. Emotionsstrategien beziehen sich auf den Einfluss lernrelevanter Emotionen. Dazu gehören z. B. Strategien zur Regulation von Prüfungsangst. Entdeckendes, exploratorisches, exploratives Lernen Lernprozesse, die sich dadurch auszeichnen, dass der Lernende ein Problem bzw. eine Situation erkundet (exploriert) und selbst Zusammenhänge entdeckt. Entwurfsmuster sind bewährte Lösungen zu Designproblemen, die nach einem bestimmten Schema beschrieben werden. Sie sollten begründet sein und Hinweise auf den jeweiligen Anwendungskontext enthalten. → didaktische Entwurfsmuster Ergonomie Wissenschaftsdisziplin, die sich insbesondere damit beschäftigt, welche Faktoren in einem Arbeitsprozess sich in welchem Ausmaß belastend oder beanspruchend auswirken und wie Arbeitssituationen im Hinblick auf die physische und psychische Situation der Arbeitenden optimiert werden können. Übertragen wird auch von „der Ergonomie“ eines Arbeitsplatzes oder eines Produkts gesprochen, wenn die Qualität hinsichtlich physisch und psychisch belastender oder beanspruchender Merkmale gemeint ist. Evaluation Die Beurteilung der Konzeption, Gestaltung, Umsetzung und Wirkung sowie der Kosten und Nutzen von E-Learning-Angeboten auf der Grundlage von Daten, die nach den Regeln sozialwissenschaftlicher Forschungsmethodik systematisch erhoben wurden. Expertise Reversal Effect Auf der Basis der → Cognitive-Load-Theorie wurden Instruktionsprinzipien entwickelt, wie z. B. das → Modalitäts- oder das → Multimediaprinzip. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Lernende ohne bzw. mit wenig Vorwissen mehr von der Einhaltung dieser Prinzipien profitieren als Lernende mit hohem Vorwissen. Bei Experten könnten sich die Effekte sogar umdrehen, da sie die zusätzliche Unterstützung nicht benötigen und sie deshalb redundant sein kann. Dies wird als Expertise Reversal Effect bezeichnet. Explizite Motive sind Selbstbilder, Ziele und Werte, die eine Person sich selbst zuschreibt. Sie sind bewusst und sprachlich repräsentiert. → implizite Motive Exploratorisches, exploratives Lernen → entdeckendes Lernen
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Externe Lernvoraussetzungen → interne vs. externe Lernvoraussetzungen Fakten zählen nach der → Component-Display-Theorie zu den vier Arten von Lerninhalten. Fakten bezeichnen Aussagen, die unbestreitbar wahr sind. Sie legen bestimmte Objekte, Ereignisse oder Symbole fest. Falsifikation Widerlegung einer Aussage, die nach dem Muster: Für alle P gilt: „Wenn X, dann Y“ oder „Je mehr/weniger/ … x, desto mehr/weniger/ … y“ aufgebaut ist. Feedback ist in multimedialen → Lernumgebungen eine Folge eigener Verhaltenäußerungen auf wahrgenommene Umweltveränderungen. Es kann lernrelevantes informatives Feedback von Systemfeedback abgegrenzt werden. Figur-Grund-Trennung bezeichnet die Gliederung eines Musters in eine Figur und einen Hintergrund. Dabei wird die Figur als vor dem Hintergrund befindlich wahrgenommen, während der Grund sich hinter der Figur erstreckt. Firewall Firewalls sind Netzwerkkomponenten oder Applikationen, welche ein gesichertes Netzwerk (oder einen Computer) mit einem ungesicherten Netzwerk verbinden. Angriffe bzw. Zugriffe durch Viren, Spamattacken usw. auf Firmennetzwerke bzw. lokale PCs aus dem Internet werden durch Firewalls blockiert. Flow-Erleben bezeichnet das gänzliche, selbstreflexionsfreie Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit. Obwohl diese Aktivität die Kapazitäten der betreffenden Person voll auslastet, hat diese das Gefühl, den Ablauf noch gut unter Kontrolle zu haben. Folgenanreize bezeichnen die Attraktivität der antizipierten Folgen einer Handlung. Formative Evaluation beurteilt während der Durchführung einer Maßnahme deren Qualität. Von formativer Evaluation wird aber auch gesprochen, wenn es sich um eine entwicklungsbegleitende Prüfung der Qualität von Komponenten bzw. dem multimedialen Lernangebot als solchem handelt. → Evaluation Frames Sind kleinste Lernschritte (meist Textabschnitte) im Kontext der programmierten Unterweisung.
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Ganzheitlicher Charakter Berücksichtigt alle relevanten Beziehungen zwischen unterschiedlichen Variablen eines komplexen Sachverhalts und seiner Umgebung. Geschlossene Testaufgaben Testaufgaben, bei denen die Antworten sowohl dem Lernenden als auch dem Auswerter vorgegeben sind. Der Lernende wählt dabei aus einer vorgegebenen Menge von möglichen Antworten. Gestaltgesetze beschreiben, wie einzelne Elemente in der Wahrnehmung gruppiert werden. Diese Regeln wurden von Gestaltpsychologen entwickelt, die davon ausgehen, dass „das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“. Goal-Based Scenarios Instruktionsdesignmodell mit dem Ziel der Förderung von Fertigkeiten und des Erwerbs von Faktenwissen im Kontext möglicher Anwendungen. Goal-Based Scenarios sind multimediale → Lernumgebungen, in denen der Lernende einen bestimmten Auftrag – eingebettet in eine Rahmenhandlung – zu erfüllen hat (Learning-by-doing). Group Calendaring ermöglicht in Ergänzung zur → Elektronischen Agenda die Planung und Abstimmung von Terminen in einer Gruppe. Groupware Software für die gemeinsame Nutzung durch eine (Arbeits-) Gruppe, in der für die gemeinsame Arbeit benötigte Daten, Dokumente oder Funktionen geteilt werden. Durch Groupware können örtlich verteilte Teams in einer virtuellen Umgebung zusammenarbeiten in einer Art virtuellem Büro. Guided Tour „Geführte Tour“ durch ein Softwareprogramm: Anleitung oder Empfehlung, ein Programm oder eine Website auf eine bestimmte Art und Weise zu durchlaufen. Halbgeschlossene Testaufgaben Testaufgaben, bei denen die Antworten nicht dem Lernenden, jedoch dem Auswerter bekannt sind. Der Lernende hat zur Bearbeitung z. B. einen Satz zu ergänzen oder eine kurze Antwort frei einzugeben. Hardcopy ist Ausdruck einer Bildschirmseite auf Papier. Heuristische Fähigkeiten Fähigkeiten, Probleme durch flexible „Daumenregeln“ zu lösen. Human-Computer-Interaction beschäftigt sich mit der Schnittstellengestaltung zwischen Mensch und Computer → Mensch-Computer-Interaktion.
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Human Resources verallgemeinernde Bezeichnung für Expertenwissen, das Wissen über Experten etc. (→ Domänenexperten). Hypertext/Hypermedia Ist eine Menge von Texten, von denen jeweils Teile von Texten durch „Links“ (Verbindungen) mit anderen Teilen verknüpft sind. Bei Aktivierung eines „Links“ (meist durch Anklicken mit der Maus) wird zum verbundenen Textteil hin navigiert. Das größte Hypertextsystem ist das World Wide Web (WWW). Wenn es sich bei den verknüpften Objekten nicht nur um Texte handelt, sondern z. B. auch um Bilder, und wenn durch das Anklicken eines Links nicht nur ein Sprung an eine andere Textstelle erfolgt, sondern z. B. auch ein Bild erscheint oder ein Video startet, spricht man auch von Hypermedia. Hypothetisches Konstrukt Ein hypothetisches Konstrukt ist eine Variable, die relativ allgemein und nicht direkt beobachtbar ist. Sie wirkt sich auf viele beobachtbare Variablen aus und ist im Gegensatz zu den manifesten Variablen, nur indirekt messbar. Icon Ist ein kleines Bilde, das auf das Wesentlichste reduziert wurde. Ein Icon steht für ein Objekt oder eine Funktion, so stellt z. B. in MS Word ein graues Feld mit einer Diskette die Funktion „Speichern des Dokumentes“ dar. Identity-Management Verwaltet zentral Identitätsinformationen von Benutzern. Individuelle Bezugsnormorientierung → Bezugsnormorientierung Implementieren/Implementierung Einbringen und Umsetzen einer Maßnahme in einen bestimmten sozialen oder technischen Kontext; z. B. das Einbringen von E-Learning in einen konkreten Betrieb, oder eine konkrete Hochschule. Implizite Motive sind emotional getönte Präferenzen, sich von bestimmten Anreizarten ansprechen zu lassen und diese bevorzugt wahrzunehmen. Sie werden in der frühen Kindheit erlernt und sind nicht sprachlich repräsentiert. Aus diesem Grund können sie nicht über Fragebögen oder Selbstberichte erfasst werden. → explizite Motive, → thematischer Apperzeptionstest (TAT) IMS Learning Design (IMS LD) IMS LD ist eine Spezifikationen von IMS, welche die Beschreibung von Lernszenarien als Ganzes ermöglicht (s. Kap. 32).
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IMS-QTI IMS QTI steht für IMS Question & Test Interoperability und ist ein XML Datenformat zur Vereinheitlichung und zum übergreifenden Austausch von Lerninhalten, speziell Übungen und Tests. Instant Messaging ist ein synchrones Online-Kommunikationswerkzeug. Es werden die (befreundeten/ autorisierten) Benutzer angezeigt, welche zeitgleich auch online sind. Mit diesen Nutzern kann eine chat-ähnliche Kommunikation begonnen werden. Manche Messenger lassen zusätzliche Funktionen wie Dateiaustausch zu. → Chat Instruktionspsychologie bezeichnet die Psychologie des Lehrens und Lernens. Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens (ITPC) ist ein instruktionspsychologisches Modell. Es betrachtet differenziert die Text- und Bildverstehensprozesse, indem es die Organistations- und Integrationsprozesse, die zur Konstruktion des → mentalen Modells führen, genauer spezifiziert als die → kognitive Theorie multimedialen Lernens. Auch sie basiert auf Annahmen → der Dual Code Theory und der Theorie → multipler Gedächtnissysteme sowie der Cognitive Load Theorie (→ Cognitive Load). Darüber hinaus geht sie von der Existenz → multipler Repräsentationen aus. Intelligentes tutorielles System (ITS) ist ein Computerbasiertes Lernsystem, bei dem wichtige Lehrfunktionen mit Hilfe → „künstlicher Intelligenz“ realisiert sind. Ein ITS diagnostiziert z. B. Fehler und passt dann automatisch die folgenden Lehrschritte an. Interaktion Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive bezeichnet Interaktion das wechselseitig handelnde aufeinander Einwirken zweier Subjekte. Interaktionselemente ermöglichen es dem Lernenden, bestimmte Funktionen anzuwählen, etwa einen Forumsbeitrag zu erstellen oder die Parameter einer Simulation zu verändern. Interaktivität bezeichnet das Ausmaß, in dem eine →Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert. Interface-Gestaltung/Interface-Design Unter dem Begriff Interface-Design wird die grafische Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine/Computer verstanden. Konkreter betrifft Interface. Design z. B. das Aussehen einer Tabelle, eines Buttons oder Icons, einer Schriftart oder die Strukturierung der Benutzerführung. Häufig wird dieser Begriff auch gleichbedeutend mit dem Begriff des Screendesigns verwendet.
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Interne vs. externe Lernvoraussetzungen Interne Lernvoraussetzungen sind Voraussetzungen, die in der Person des/der Lernenden liegen: u. a. Vorwissen, Fähigkeiten, Motivation, Einstellungen. Externe Lernvoraussetzungen beziehen sich auf Merkmale der → Lernumgebung und der → Lernaufgabe. Intervention Mit Intervention wird eine Maßnahme bezeichnet, die zur Verbesserung bestimmter Einstellungen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten beitragen soll. Kognitive Lernstrategien sind Informationsverarbeitungsstrategien, die der unmittelbaren Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen dienen. Kognitive Ressourcen Mit Kognition (lat. Cognition = Erkennen) werden alle Prozesse und Strukturen bezeichnet, die umgangssprachlich „geistig“ genannt werden. Gemeint sind Prozesse für Wahrnehmung, Schlussfolgern, Erinnern, Denken, Problemlösen und Entscheiden. Kognitive Schemata → Schemata Kognitive Strategien Zielorientierte Vorgehensweisen zur Problemlösung. Kognitive Theorie multimedialen Lernens (CTML) ist eine instruktionspsychologische Theorie, welche die sukzessive Informationsverarbeitung im Gedächtnis von Texten, Bildern, Grafiken und Audio zu erklären versucht. Ihre Basisannahmen sind die → Dual-Code Theory, die Theorie → multipler Gedächtnissysteme und der Cognitive Load Theorie (→ Cognitive Load). Kognitivismus Eher abwertend gemeinte Bezeichnung von Didaktikern für die wissenschaftliche Orientierung an Modellen der Informationsverarbeitung. Kohärenzbildung/kohärentes Wissen Mit Kohärenz wird die Zusammengehörigkeit bzw. der Zusammenhang von Einzelelementen zu einem übergeordneten Ganzen bezeichnet. Also führt das Bilden inhaltlicher Zusammenhänge zwischen einzelnen Wissensinhalten bzw. „Wissensstücken“ zu kohärentem Wissen. Ein Beispiel: Ein Lernender verfügt über Wissen zur Funktionsweise des Herzens, der Lunge, der Arterien und der Venen. Erst wenn er sein Wissen über die einzelnen Komponenten des menschlichen Blutkreislaufes miteinander in Verbindung setzt, wird er sich die Vorgänge im menschlichen Blutkreislauf vorstellen können. Gleichzeitig hat er das Modell des Blutkreislaufes erworben und zum Thema Blutkreislauf eine kohärente Wissensstruktur gebildet. Kohärenzprinzip sagt aus, dass das Anreichern des relevanten Lernmaterials mit „interessantem zusätzlichem Material“ das Lernen beeinträchtigen kann.
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Kollaboratives Lernen Der Begriff „kollaboratives Lernen“ wird hauptsächlich im angloamerikanischen Sprachraum verwendet. Von kollaborativem Lernen wird dann gesprochen, wenn mindestens zwei Personen in einem → Lernsetting gemeinsam lernen, d. h. ein gemeinsames → Lernziel verfolgen. Dabei steht die Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis durch intensive → Interaktion der Gruppenmitglieder untereinander und durch stark aufeinander bezogenes und miteinander verschränktes Lernen und Arbeiten im Vordergrund. Kompetenzen sind als latente Persönlichkeitsmerkmale konzipiert. Sie bezeichnen Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche in bestimmten Anforderungssituationen gezeigt werden können. Konstruktivismus Erkenntnistheoretische Position, die davon ausgeht, dass alles Wissen konstruiert und damit notwendigerweise relativ ist; die Position wird durch neurobiologische Forschung gestützt. In den neunziger Jahren wurde daraus ein „didaktischer Konstruktivismus“ hergeleitet, der „konstruktivistische Lernumgebungen“ fordert. Diese Position ist nicht unumstritten: Wenn Wissen immer konstruiert wird, macht es wenig Sinn, von konstruktivistischen Lernumgebungen zu sprechen. Gemeint waren in der Regel → Lernumgebungen, die auf ein → problemlösendes Lernen anhand anwendungsbezogener Aufgabenstellungen zielen. Kontiguitätsprinzip Zusammengehörende Worte und Grafiken sind nahe beieinander zu platzieren. → SplitAttention-Prinzip Konzeptbildung Begriffsbildung; bei einigen Autoren ist auch die Bildung umfangreicherer, komplexer begrifflicher Zusammenhänge gemeint. Konzepte zählen nach der → Component-Display-Theorie zu den vier Arten von Lerninhalten. Konzepte sind Klassen von Objekten oder Ereignissen, welche die gleichen Eigenschaften haben. → Componet-Display-Theorie Kooperationsskripts dienen der Unterstützung → kooperativen bzw. → kollaborativen Lernens. Sie umfassen eine → Sequenzierung der → Lernaufgabe, eine Verteilung von Rollen unter den beteiligten Gruppenmitgliedern und eine Zuordnung von Strategien zum Textverständnis, z. B. Frage-, Feedback-, Reduktions- und → Elaborationsstrategien. Kooperatives Lernen Der Begriff „kooperativen Lernens“ ist im deutschen Sprachraum weiter verbreitet als der des → „kollaborativen Lernens“. Auch von kooperativem Lernen wird dann gesprochen, wenn mindestens zwei Personen in einem → Lernsetting gemeinsam lernen, d. h. ein gemeinsames → Lernziel verfolgen. Allerdings ist die Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis nicht so zentral wie beim kollaborativen Lernen: Vielmehr hat jedes
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Gruppenmitglied eine Teilaufgabe zu erledigen, die zum Gruppenziel beiträgt. Anders als beim kollaborativem Lernen steht also weniger der Lernprozess als vielmehr das Lernergebnis im Mittelpunkt. Korrumpierungseffekt Werden Personen für eine ursprünglich intrinsisch motivierte Tätigkeit belohnt, so kann dies zu einer Verringerung der intrinsischen Motivation führen. Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) Forschungs- und Entwicklungsrichtung der Informatik, die sich mit Versuchen befasst, den Computer intelligent zu machen, d. h. ihm Fähigkeiten zu implementieren, die komplexe Informationsverarbeitung und selbstständiges Problemlösen ermöglichen sollen, u. a. Verarbeitung natürlicher Sprache, → Wissensrepräsentation, Mustererkennung, maschinelles Lernen, Robotik. LAN Abkürzung für „local area network“; Bezeichnung für ein Netzwerk von Rechnern, die in gewisser Weise lokal sind, d. h. z. B. zu einem Unternehmen gehören. Langzeitgedächtnis → multiple Gedächtnissysteme Lehrziele dienen der Beschreibung angestrebter Qualifikationen. Sie bezeichnen die von den Lehrenden gesetzten Ziele. → Lernziele Lernarten, Lernaufgaben Bei Gagné (s. auch Kap. 2) und anderen Theoretikern des Instruktionsdesigns werden Arten des Lernens unterschieden, z. B. Fakten oder Wörter lernen, Begriffe lernen, Prinzipien und Regeln lernen oder lernen Probleme zu lösen. Lernen Prozess der erfahrungsbedingten Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen (u. a. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Qualifikationen, Kompetenzen, Einstellungen, Interessen). Lernqualitätsstandards schaffen eine Minimalbasis von Qualität und Vergleichbarkeit multimedialer Lernangebote untereinander. Dabei zielen Lernqualitätsstandards auf die Einhaltung von → Lerntechnologiestandards und ermöglichen eine größere Transparenz während des Evaluationsprozesses. Lernsetting Mit Lernsetting wird die Summe aller der Aspekte bezeichnet, die Lernen ermöglichen, aber auch behindern können. Insbesondere sind dies (a) räumliche/technische Gegebenheiten, wie Größe des Raumes, Geräuschkulisse, Zugangsmöglichkeiten zur Lernplattform usw., (b) Merkmale des Lernenden, wie Intelligenz, Vorwissen und Vorerfahrungen oder dessen → Motivation, sich mit dem Lerngegenstand auseinanderzusetzen,
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(c) Merkmale der → Lernumgebung, wie z. B. Schwierigkeitsgrad des Lernstoffes, didaktische Gestaltung der Inhaltsdarbietung und -vermittlung sowie Hilfen für das Lernen. Lernstil ist eine überdauernde Tendenz von Personen, bestimmte Lerntechniken (wie z. B. Mindmapping zur Visualisierung komplexer Sachverhalte) zu bevorzugen. Andere verstehen darunter die überdauernde Bevorzugung bestimmter Sinneskanäle (sehen, hören, tasten/greifen); für diese letztgenannte Annahme gibt es aber keine wissenschaftlichen Belege. Lernstrategien sind mental repräsentierte Schemata oder Handlungspläne zur Steuerung des eigenen Lernverhaltens […], die sich aus einzelnen Handlungssequenzen zusammensetzen und situationsspezifisch abrufbar sind. Zum anderen sind Lernstrategien Sequenzen von Handlungen, mit denen ein bestimmtes → Lernziel erreicht werden soll. Lernstrategietrainings gehören in den Bereich der direkten Förderung bzw. Vermittlung von → Lernstrategien. Dabei werden den Lernenden in Seminaren z. B. unterschiedliche → kognitive, → metakognitive, → ressourcenorientierte und → Motivations- bzw. → Emotionsstrategien meist fächerübergreifend vermittelt. Lerntagebuch sind Instrumente der Selbstbeobachtung und gehören damit in den Bereich der Förderung → metakognitiver Strategien. Durch das Führen von Lerntagebüchern sind Lernende dazu aufgefordert, den eigenen Lernprozess zu protokollieren. Sie zeichnen z. B. auf, welche Aufgaben sie wann bearbeiten wollen, ob sie es geschafft haben, die Aufgabe richtig zu lösen und welche Probleme dabei auftraten. Durch den Einsatz von Lerntagebüchern im Rahmen multimedialen Lernens werden für den Lehrenden zunächst nicht unmittelbar beobachtbare Lernhandlungen oder Einstellungen der Lernenden gegenüber dem Lernangebot sichtbar. Sie geben z. B. Aufschluss darüber, ob sie die Lerninhalte verstanden haben, gestellte Aufgaben lösen konnten und die Möglichkeiten, die ihnen die Lernumgebung anbot, auch nutzten und ob sie die Gestaltung als lernfördernd empfanden. Die Aufzeichnung des Lernverhaltens kann über offene oder geschlossene Instrumente (z. B. Fragebögen) erfolgen. Lerntechnologiestandards versuchen beschreibende Standards für die softwaretechnische Umsetzung didaktischer Konzeptionen festzulegen. Ziel ist es, dass Lerninhalte und das Instruktionsdesign unabhängiger werden vom Ursprungsmedium und einfache weitere Anwendungen in neuen multimedialen Lernangeboten erlauben. → Lernqualitätsstandards Lerntransfer Lerntransfer bezeichnet die Fähigkeit von Lernenden, Wissen und Fertigkeiten, die sie in einer Lernsituation erworben haben, in einer anderen Anwendungssituation angemessen und korrekt einzusetzen. Es geht also um die Generalisierung von Lernen auf neue Situationen. Damit Lerntransfer geschieht, muss eine Person Wissen oder Fertig-
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keiten im Gedächtnis aktivieren, die bisher nur in anderen Situationen Anwendung fanden. Dies wird nur dann geschehen, wenn die aktuelle Situation hinreichend ähnlich zu den alten Lernsituationen ist. Die Ähnlichkeit kann in verschiedenen Aspekten der Situation liegen. Lernumgebung „Eine Lernumgebung umfasst das Gesamtarrangement, das zur Unterstützung von Lernprozessen planvoll gestaltet werden kann.“ Im Rahmen des E-Learning zählen zu diesem Gesamtarrangement, neben der Art und Weise der Darbietung des Lernmaterials, auch die Aspekte Merkmale der Lernplattform und technische Zugangsmöglichkeiten. Die Gestaltung der Lernumgebung soll beim Lernenden idealerweise die → Motivation durch Herausforderung von Erwartungen anregen, Lernprozesse durch angemessene methodische Aufbereitung des Lehrstoffes und durch besondere Lehrmaßnahmen erleichtern, Rückmeldungen über den jeweiligen Lernerfolg geben, selbstgesteuertes Lernen fördern und Kooperationsfähigkeit sowie die Kommunikation zwischen den Lernenden unterstützen Die Lernplattform sollte auf die Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt und von ihnen leicht handhabbar (useable) sein. Lernvariablen/Lernervariablen kennzeichnen Eigenschaften des Lernenden, z. B. sein Vorwissen, seine Vorerfahrungen, seine Einstellungen, seine → Motivation. Lernziele sind die von den Lernenden angestrebten Ziele einer Qualifizierung. → Lehrziele LMS „Learning Management System“ ist eine Software, welche → Lernumgebungen z. B. für Kurse zur Verfügung stellen. Typische Funktionalitäten sind z. B. das Einrichten von → Lernumgebungen, in denen Lernaktivitäten arrangiert sind, in denen u. a. Lerninhalte präsentiert und die Lehr-/Lernaktivitäten protokolliert werden. LOM „Learning Objects Metadata“ ist ein Metadatenstandard zur Beschreibung von Lerninhalten. Mapping-Techniken dienen der externalen Visualisierung von Lerninhalten. Techniken wie Mindmaps oder Concept-Maps dienen der Förderung der Verarbeitungstiefe, der Herstellung von Zusammenhängen zwischen neuen Inhalten (Organisation), der Reduktion sowie der Elaboration von Lerninhalten. Auch im Zusammenhang mit → kooperativen bzw. → kollaborativen Lernen spielt das „Sichtbarmachen“ von Wissen eine wichtige Rolle: Externalisation aufgabenrelevanten Wissens, Erfragen aufgabenrelevanten Wissens, konfliktorientierte sowie integrationsorientierte Konsensualisierung fördern die Bildung einer gemeinsamen Wissensbasis (common ground). MASL Multimedial angeleitetes Selbstlernen ist ein E-Learning-Format, welches selbstreguliertes Lernen mit multimedialen Anregungen und Anleitungen verknüpft.
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Matching-Aufgaben sind → geschlossene Testaufgaben, bei denen Elemente einer Serie je einem Element einer anderen Serie zugeordnet werden müssen. Meeting Support sind Technologien zur Unterstützung von Meetings, deren Teilnehmer i. d. R. räumlich verteilt sind. Mensch-Computer-Interaktion bzw. Human-Computer-Interaction Mensch-Computer-Interaktion (MCI) beschäftigt sich mit den gegenseitig aufeinander bezogenen Handlungen zwischen Mensch und Computer. Ziel ist die Entwicklung von Schnittstellen zum Informationsaustausch. Dabei beschäftigt sich die MCI-Forschung mit dem Design, der Evaluation und der Implementierung von interaktiven Schnittstellen, um diese für den Anwender einfach handhabbar und für die Erledigung seiner Aufgaben effektiv nutzbar zu machen. Menschliche Informationsverarbeitung bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, Informationen aus seiner Umwelt zu selektieren, zu organisieren und zu integrieren, im Gedächtnis zu speichern und zu encodieren. → multiple Gedächtnissysteme, → Schemata Mentale Operationen sind „geistige Tätigkeiten“, z. B. das Addieren oder Subtrahieren, im Kopf oder die vorgestellte Bewegung eines Gegenstandes. Mentales Modell Modellhafte Vorstellung eines Sachverhalts, die auf Grundlage von → Schemata konstruiert und anforderungsspezifisch aktualisiert und angepasst wird. Metadaten Daten, welche beschreibende Informationen über andere Daten beinhalten. Metadaten werden als eine Art Beipackzettel für Inhalte im E-Learning-Bereich verwendet. Metakognition Wahrnehmen und bewusstes Steuern des eigenen Denkens, Wahrnehmens und Wissens. Metakognitive Lernstrategien dienen der eigentlichen Regulation des Lernprozesses. Dazu gehören Selbstregulationsund Selbstkontrollstrategien wie Planen, Überwachen und Bewerten. Im Idealfall versetzen Kenntnisse metakognitiver Strategien den Lernenden in die Lage, den Lernprozess ohne fremde Hilfe zu steuern. Metalernen ist Lernen zu lernen. Microfiche-Projektor Gerät, mit dem Microfiches angezeigt werden können. Microfiches sind Filmnegative, auf denen stark verkleinert Text fotografiert ist. Der Microfiche-Projektor zeigt den Text
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in lesbarer Größe auf einem Durchlichtbildschirm an. Heute wird diese Art der Speicherung von Informationen kaum noch verwendet. MIDI ist die Abkürzung für „Musical Instrument Digital Interface“ und meint eine digitale Schnittstelle für Musikinstrumente, die seit 1983 in der Musikindustrie als Standard verwendet wird. MIDI erlaubt die Übertragung codierter Musiksignale – Bezeichnung des Instruments, Beginn und Ende einer Note, Grundfrequenz und Lautstärke – sowohl zwischen Instrumenten als auch zwischen Rechnern. MIDI ermöglicht eine naturgetreue Wiedergabe von Musikdaten in derzeit kompaktester Darstellung. Mindmap Eine Mindmap ist eine Darstellung eines meist hierarchischen Strukturplans. Mit Mindmaps können Themen/Aspekte in Unterthemen/Unteraspekte gegliedert werden bzw. man kann Begriffe assoziativ einander zuordnen. Mit Mindmaps werden menschliche, assoziative Denkprozesse unterstützt und visualisiert. Mindmaps eignen sich insbesondere für Gruppenarbeit. Misskonzeptionen sind unvollständige oder falsche Vorstellungen oder Irrtümer zu einem Sachverhalt. Misskonzeptionen werden deutlich, wenn Alltagswissen bzw. Vorwissen mit dem neu zu erwerbenden Wissen in Konkurrenz tritt und diesem widerspricht. Mnemotechniken sind erlernbare Techniken zur Verbesserung des Behaltens von Fakten, Begriffen, Gesichtern, Zusammenhängen, Reihenfolgen. Modalitätsprinzip Zur Erläuterung von Bildern, Grafiken oder →Animationen eignet sich gesprochener Text besser als geschriebener. Motilitätsmodell Eine spezielle Zielkategorie des Lernens die für Fächer wie Musik, Bildende Kunst oder Religion relevant ist. Motiv Motive werden als zeitstabile Personenmerkmale verstanden. Sie bezeichnen die Neigung, bestimmte Handlungs- und Erlebenschancen bevorzugt wahrzunehmen. Spezifische Klassen von Zielzuständen, Themen oder Gegenständen werden entsprechend der Motivlage tendenziell eher positiv oder negativ bewertet. → implizite & explizite Motive Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt, welches verschiedene Phänomene und Prozesse zusammenfasst. Es handelt sich dabei um Prozesse der Aktivierung, Richtung, Ausdauer und Intensität von physischen und psychischen Aktivitäten. Motivation kann definiert werden als aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzuges auf einen positiv bewerteten Zielzustand.
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Motivationsdesign bezeichnet den Teil der systematischen Konzeption einer (multimedialen) → Lernumgebung, der auf die Motivierung der Lernenden abzielt. Das Motivationsdesign dient der Aktivierung und Aufrechterhaltung von Lernhandlungen sowie der Unterstützung der Lernenden bei der Setzung realistischer Ziele. Motivationsstrategien beziehen sich auf die Beeinflussung der Lernmotivation. Zu beachten ist dabei, dass es die → Lernmotivation nicht gibt und daher je nach Motivationsproblem unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden können. Multimediaprinzip Eine Kombination von Text und Grafik ist besser als Text allein. Multimodale Interfaces Multimodale Interfaces präsentieren ihre Informationen, indem sie die visuelle, auditive und evtl. haptische Sinneswahrnehmung parallel beim Nutzer ansprechen. Multiple Gedächtnissysteme Das menschliche Gedächtnis besteht aus drei Teilen, (1) dem sensorischen Gedächtnis, das kurzzeitig fast vollständig die Umgebungsinformationen speichert, (2) dem Arbeitsgedächtnis, in dem die Umgebungsinformationen organisiert, zusammengefasst und mit dem Vorwissen kombiniert werden, dessen Kapazität für kognitive Prozesse aber begrenzt ist, und (3) dem Langzeitgedächtnis, das über eine große Kapazität verfügt und in dem unser Wissen und unsere Erfahrungen gespeichert werden. Multiple Repräsentationen können für → deklaratives Wissen oder für → prozedurales Wissen im Arbeitsgedächtnis (→ multiple Gedächtnissysteme) konstruiert werden. Sie enthalten die Text- oder Bildinhalte auf einem konzeptionellen Niveau als Zusammenstellung der wesentlichen Informationen, die aus dem Text oder Bild extrahiert wurden. Multiple Repräsentationen geben also weder den genauen Wortlaut oder die Syntax des Textes wieder, noch wird ein Bild als Abbild im Gedächtnis gespeichert. Multiple-Choice-Aufgaben sind → geschlossene Testaufgaben. Sie bestehen aus einem Aufgabenstamm (z. B. einer Frage) und mehreren Antwortoptionen. Die falschen Antwortoptionen heißen → Distraktoren. Natürliche Konsequenzen In einer → Simulation können Lernende bestimmte Parameter verändern und die Konsequenzen dieser Manipulation erfahren. Sie können direkt beobachten, wie die vorgenommene Veränderung sich auswirkt. Die Konsequenzen sind insofern natürlich, als dass sie analog zu den Gegebenheiten in der Realität simuliert werden. Navigationselemente Über Navigationselemente, wie Menü, Buttons, Scrollbars oder Links, erfolgt der Zugriff auf die Lerninhalte.
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Nonverbale Kommunikation meint jegliche Art der Kommunikation, die nicht über gesprochene Sprache erfolgt. Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation sind beispielsweise Körpersprache, das geschriebene Wort oder Bilder. Paivio meint mit nonverbaler Kommunikation in der Dualen Codierungstheorie (→ Dual-Code Theory) insbesondere die Kommunikation über Bilder. Objektiver Lernerfolg → subjektiver vs. objektiver Lernerfolg Objektivität Die Objektivität ist neben der → Reliabilität und der → Validität eines der Hauptgütekriterien eines Messinstrumentes. Mit dem Begriff der Objektivität ist die intersubjektive Nachprüfbarkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse z. B. eines Tests gemeint. Das heißt, unter den gleichen Bedingungen sollten verschiedene Forscher zu demselben empirischen Resultat kommen. Offene Lernumgebung Sehr unscharfer Begriff für → Lernumgebungen, die den Lernenden in bestimmtem Umfang eigenständige Entscheidungen ermöglichen. Offene Testaufgaben Testaufgaben, bei denen die Antwort weder dem Lernenden noch dem Auswerter vorgegeben ist. Bei dieser Art von Aufgaben ist freier Text einzugeben, z. B. ein Essay. Online Voting Abstimmung bzw. Stimmabgabe von räumlich verteilten Personen mit Hilfe des Internets. Open-Source-Software Software, deren Quellcode veröffentlicht wurde und an dem freie Programmierer arbeiten können. Operante Konditionierung Lernen durch Verstärkung (Bekräftigung): Wenn ein bestimmtes Verhalten bekräftigt wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es wiederholt gezeigt wird. Organisationsstrategien Organisationsstrategien helfen dabei, die Lerninhalte zu strukturieren, auf das Wesentliche zu reduzieren und Verknüpfungen zwischen einzelnen Wissenselementen herauszuarbeiten. Zu den Organisationsstrategien zählen z. B. → Mapping-Strategien, also Strategien der externen Visualisierung. Orientierungselemente Sie unterstützen den Lernenden, um sich im Netz der untereinander verbundenen Seiten zurechtzufinden. Beispiele für Orientierungselemente wären Breadcrumbs oder unterschiedlich farbig markierte Links, je nachdem, ob sie schon besucht wurden oder nicht.
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Pädagogische Agenten sind Charaktere, die auf dem Bildschirm präsentiert werden und durch Lernprogramme führen. Dargestellt werden sie als (animierte) Cartoon-Figuren oder als Abbildungen/ Videos von realen Personen. Sie sollen den Lernenden unterstützen, indem sie Hinweise, Beispiele, Demonstrationen und Erklärungen geben. Peer-to-Peer-Architektur Ist ein dezentrales und damit nicht hierarchisches Modell einer Aufgabenverteilung in Rechnernetzen. Alle Rechner des Netzwerks bieten für alle anderen Rechner Ressourcen, Dienstleistungen oder Daten an. Im Gegensatz dazu stehen → Client-ServerArchitekturen. Personalisierungsprinzip Umgangssprachlicher Stil und Pädagogische Agenten können das Lernen unterstützen. Perzeption Wahrnehmung Planspiel ist die Simulation eines komplexen Systems in Form eines Spiels: Durch Entscheidungen werden bestimmte Parameter des Systems verändert, die Folgen der Veränderung werden rückgemeldet. Oft verwendet werden Unternehmensplanspiele, bei denen unternehmerische Entscheidungen getroffen werden müssen. Plugin Zusatzprogramme für Browser, welche die Funktionalität der Browser erweitern z. B. um Wiedergabefähigkeiten für Medienformate wie Video und Audio. Podcast Podcasting nennt man das Bereitstellen von Audiodateien mit einer zugehörigen Beschreibung im Internet. Präattentive Prozesse sind „voraufmerksame“ Prozesse, die automatisch innerhalb von Sekundenbruchteilen ablaufen. Sie werden nicht bewusst kontrolliert und verlaufen parallel. → attentive Prozesse Prinzipien zählen nach der Component-Display-Theorie zu den vier Arten von Lerninhalten. Prinzipien sind regelhafte Verknüpfungen (z. B. kausallogische Beziehungen) zwischen mindestens zwei → Konzepten. Prinzipien sagen vorher, wie verschiedene Konzepte zusammenwirken. → Componet-Display-Theorie Problemanalyse In der Planungsphase multimedialer → Lernumgebungen durchzuführende Analyse eines vorliegenden Problems (Bildungsdefizit), das durch die E-Learning-Umgebung behoben werden soll.
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Problemlösendes Lernen Ein Problem ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lernenden zunächst nicht wissen, wie sie es lösen sollen, da ihnen das erforderliche Wissen entweder fehlt oder sie nicht wissen, wie sie bereits erworbenes Wissen kombinieren müssen, um das Problem zu lösen. Problemlösend lernen sie dann, wenn sie versuchen, ein gestelltes Problem, selbstgesteuert, mit Hilfe ihres Vorwissens und durch Erwerb von neuem zusätzlichemWissen zu lösen. Da problemlösendes Lernen die aktive Nutzung bereits vorhandenen Wissens in verschiedenen Lernkontexten stimuliert, fördert es einerseits Elaborationsvorgänge und andererseits den Transfer. (→ Lernen) Programmierter Unterricht/progrmmierte Unterweisung Lehrmethode auf der Basis der Theorie des → operanten Konditionierens: Der Lehrstoff wird schriftlich in sehr kleinen Schritten dargeboten, Es folgt dann stets eine sehr leichte Frage dazu. Deren (richtige) Beantwortung wird durch Lob bekräftigt. Die Bezeichnung PU hatte zunächst nichts mit dem Programmieren von Computern zu tun. Prototyp In der Informatik ist ein Prototyp die erste computerbasierte Version einer zu entwickelnden Software, in der einige Funktionen bereits implementiert sind. Prototypen werden dazu verwendet, während der Entwicklung Nutzer- und Expertentests durchzuführen, um die Qualität und Funktionsweise einzelner Komponenten zu überprüfen und festzustellen, ob das geplante System für die spätere Nutzergruppe taugt. Zudem führen Tests an Prototypen auch zur stetigen Verbesserung des gesamten Systems. Prozedurales Wissen ist Wissen über Prozeduren und Vorgehensweisen. Prozedurales Wissen bezeichnet Wissen, wie etwas gemacht wird (Know-how). In Abgrenzung dazu: → deklaratives Wissen Prozeduren zählen nach der Component-Display-Theorie zu den vier Arten von Lerninhalten. Prozeduren bezeichnen eine Serie von zusammenhängenden Handlungsschritten, die mental oder physisch vollzogen werden können. → Componet-Display-Theorie Qualitative vs. quantitative Analyseverfahren Qualitative und quantitative Verfahren unterscheiden sich zunächst in der Art des Datenmaterials, das sie verwenden. Dementsprechend werden für die Analyse dieser Daten auch verschiedene Auswertungsmethoden herangezogen. Der qualitative Ansatz verwendet verbale Daten, die interpretativ ausgewertet werden. Quantitative Daten beruhen auf Messung eines Merkmals und seiner Quantifizierung, also seiner Auszählbarkeit. Sie können statistisch ausgewertet werden. Qualitätskontrolle Innerhalb der Qualitätskontrolle wird überprüft, inwiefern ein Produkt von akzeptabler Qualität ist und den Kriterien entspricht, die in der Qualitätsplanung aufgestellt wurden. Sie begleitet den gesamten Entwicklungsprozess.
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Qualitätssicherung Um sicherzustellen, dass ein Produkt vorgegebenen Anforderungen entspricht, wird die Methode der Qualitätssicherung angewendet. Sie umfasst die Gesamtheit aller geplanten und systematisch durchgeführten Tätigkeiten der Qualitätsplanung, -lenkung und -überprüfung. → Evaluation Rapid Authoring Schnelles, einfaches Erstellen von Inhalten, z. B. mittels einfach bedienbarer Autorenwerkzeuge, welche Lerninhalte in Echtzeit im Lehrprozess aufnehmen (z. B. VideoFolien-Präsentation). Rapid Prototyping beschreibt den sukzessiven Entwicklungsprozess einer multimedialen → Lernumgebung, der schon zu einem sehr frühen Entwicklungszeitpunkt beginnt. Es werden kleine → Prototypen getestet, die im Erscheinungsbild und den Funktionen bereits wesentlichen Teilen der zukünftigen multimedialen Lernumgebung entsprechen. Diese kleinen Prototypen werden sukzessive erweitert und verbessert, bis die Prototypen die Anforderungen, die vorab an die zukünftige Lernumgebung formuliert wurden, erfüllen und zu einem komplexen Ganzen zusammengefügt und ausprogammiert werden können. Werkzeuge zur Erstellung von Prototypen sind → Rapid Authoring Tools. Ratingskala → Einschätzskala Redundanz-Prinzip Die gleichzeitige Darbietung von geschriebenem und gesprochenem inhaltlich gleichem Text kann das Lernen beeinträchtigen. Rekurrierend nennt man routinemäßig ausgeführte Handlungen und Tätigkeiten, die immer vorkommen. Reliabilität Die Reliabilität ist neben der → Objektivität und der → Validität eines der Hauptgütekriterien eines Messinstrumentes. Die Reliabilität gibt die Zuverlässigkeit einer Messmethode an. Ein Test wird dann als reliabel bezeichnet, wenn er bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen und an denselben Gegenständen zu demselben Ergebnis kommt. Ressourcenanalyse In der Planungsphase der Entwicklung einer → Lernumgebung durchzuführende Analyse zur Feststellung, welche Ressourcen zur Verfügung stehen bzw. benötigt werden. Ressourcen sind dabei: Personal, Zeit, Material, Geld, Rechte. Ressourcenorientierte Lernstrategien Ressourcenorientierte Strategien werden auch als Stütz- oder Sekundärstrategien bezeichnet. Sie umfassen Lerneraktivitäten, die auf eine Optimierung der zur Verfügung stehenden Ressourcen abzielen. Dazu gehören z. B. Zeitmanagement und Gestaltung der
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→ Lernumgebung, aber auch Steuerung der Anstrengungsbereitschaft sowie Fokussierung der Aufmerksamkeit. Rezeptives Verhalten ist informationsaufnehmendes (sonst „passives“) Verhalten. RSS Feed RSS steht für „Rich Site Summary“, „RDF Site Summary“ oder für „Really Simple Syndication“ und ist ein XML-Standard. Nutzer können sich auf ihren Computer bzw. auf ihr mobiles Gerät Hinweise auf neue Beiträge von verschiedenen Webseiten oder Angeboten senden lassen. Dadurch muss man nicht regelmäßig alle Angebote aufsuchen. Rückkopplung Einwirkung der Ausgangsgröße eines Übertragungssystems auf den Eingang über ein weiteres, zwischengeschaltetes System. Der Begriff wird eher in der Elektrotechnik und Informatik verwendet, in der Psychologie wird „Rückmeldung“ präferiert. Im Englischen steht für beides „feedback“. Samplingraten Frequenz der Messung bei der Digitalisierung von Audiodaten (auch: Abtastrate). Schema-Assimilation/Akkommodation Schemata sind die Grundbausteine der Ordnung des menschlichen Gedächtnisses und des Denkens; mit Hilfe des „motorischen Greifschemas“ z. B. tritt ein Kind in Wechselwirkung mit seiner Umwelt, es wendet das Greifschema an. Dinge, die sich mit dem verfügbaren Greifschema (be)greifen lassen, werden assimiliert, d. h. einem vorhandenen Schema untergeordnet. Bei manchen Dingen gelingt das Greifen auf die gewohnte Art nicht, das Greifschema muss angepasst, „akkommodiert“ werden. Bei abstrakten Schemata laufen analoge Prozesse ab. Schema/Schemata (Pl.) Das aus Erfahrung stammende Wissen über einen Realitätsbereich wird – so die gängige Modellvorstellung – in Form von Schemata im Langzeitgedächtnis gespeichert. Dabei kann es sich um verschiedenes Wissen unterschiedlicher Komplexität handeln. Zum Beispiel, kann sich jeder Europäer und Amerikaner etwas unter dem „Begriff“ „Restaurant“ vorstellen. Er weiß z. B., was der Begriff bedeutet, dass sie an verschiedensten Orten gebaut sein können, dass es in einem Restaurant Mahlzeiten gibt und diese Mahlzeiten zu unterschiedlichen Zeiten zu sich genommen werden können. Auch persönliche Erfahrungen ergänzen das Schema „Restaurant“. SCORM Das „Shareable Content Reference Model“ ist ein Standard, der sowohl die Kompatibilität der Lerninhalte zwischen Lernplattformen gewährleistet wie auch den einheitlichen Betrieb von Lerninhalten in einem → LMS.
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SCORM RTE SCORM Runtime Environment dient der Auslieferung von Kursinhalten von einem → LMS an Nutzer und dem Usertracking (Protokollieren von Nutzeraktivitäten). → SCORM Screenlayout-Elemente strukturieren die Lerninhalte. Es können Texte, Bilder, Grafiken, → Animationen, → Videos oder Audioelemente sein. Screendesign → Interface-Gestaltung/Interface-Design Scrollen Verschieben des Bildschirminhalts nach oben, unten, rechts oder links. Dadurch können z. B. Texte gelesen oder Bilder angeschaut werden, die nicht komplett auf einem Bildschirm sichtbar sind. Segmentierung Einteilung des Lehrstoffes in Lerneinheiten, die dann wiederum sequenziert (→ Sequenzierung) werden müssen. Segmenting Principle Menschen lernen mehr und erwerben ein tieferes Verständnis, wenn ein Lerninhalt in kleinere lernendengerechte Segmente unterteilt ist, als wenn der Lernende den Lerninhalt im Ganzen bearbeiten muss. Selbstreguliertes Lernen; selbstgesteuertes Lernen, selbstkontrolliertes Lernen Lernprozesse, bei denen eher der Lernende als der Lehrende didaktische und lernorganisatorische Entscheidungen trifft: was gelernt werden soll, wann gelernt wird, wo, mit welchen Medien, in welchem sozialen Kontext usw. Versuche, zwischen den unterschiedlichen Termini zu differenzieren, konnten sich nicht allgemein durchsetzen; die Termini werden häufig synonym verwendet. Sensorisches Gedächtnis → multiple Gedächtnissysteme Sequenzierung bezeichnet die Festlegung der Reihenfolge der Lehrstoffpräsentation. Sequenzierung strukturiert einerseits eine Lerneinheit in sich, andererseits aber auch die Abfolge der Lerneinheiten nacheinander. Server → Client-Server-Architektur Shared Workspace „Virtueller Arbeitsbereich“, d. h. ein elektronischer Platz zur Ablage von Ressourcen und Daten, auf die mehrere i. d. R. räumlich verteilt agierende Personen zugreifen; wichtiger Bestandteil für → CSCW.
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Short-Answer-Aufgaben sind → halboffene Testaufgaben, bei denen vom Lernenden eine kurze Antwort frei eingegeben werden muss. Das können z. B. Lückentexte oder Satzergänzungen sein. Simulation Simulationen sind eine Sonderform der → Animationen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen gewissen Grad an → Interaktivität aufweisen. Die Lernenden haben die Möglichkeit, bestimmte Parameter zu verändern, und können dadurch beeinflussen, was im Verlauf der Animation dargestellt wird. Innerhalb einer Simulation können Phänomene und Aktivitäten modelliert werden. Dabei übernimmt der Lernende in der Regel eine bestimmte Rolle, z. B. die des Piloten in einer Flugsimulation. Situationistisches Modell Instruktionsdesignmodell, das der Situiertheit des Lernens Rechnung trägt, indem weniger an abstraktem Lernmaterial gelernt wird als an Problemaufgaben, die späteren Anwendungssituationen möglichst ähnlich sind. Softwareergonomie Wissenschaftliches Fachgebiet, das sich mit der → Ergonomie von Softwareprodukten beschäftigt. Wie beim Begriff „Ergonomie“ wird auch Softwareergonomie als Begriff für die Qualität eines Softwareprodukts hinsichtlich der Handhabung durch Nutzer verwendet. SOI-Model → Kognitive Theorie multimedialen Lernens Soziale Bezugsnormorientierung → Bezugsnormorientierung Split-Attention-Prinzip Zusammengehörige Lerninhalte, Texte und dazugehörige Bilder, Grafiken oder → Animationen, sollten räumlich und zeitlich nah beieinander präsentiert werden, um SplitAttention zu vermeiden. Split-Attention bezeichnet einen geteilten Aufmerksamkeitsfokus, der auftritt, wenn der Lernende zwischen zwei Informationsquellen hin- und herspringen muss, um sie zu verstehen. Sputnik-Schock Als 1957 die UdSSR den ersten Satelliten („Sputnik“) in den Weltraum schoss, löste dies in den USA heftige Reaktionen („Schock“) aus. Man sah die angenommene eigene wissenschaftlich-technische Überlegenheit in Frage gestellt und führte dies auf Mängel im Bildungswesen zurück. Die Folge waren unterschiedliche Reforminitiativem im amerikanischen Bildungssystem. SSO Single-Sign-On bedeutet, dass sich ein Benutzer nur einmal authentifizieren muss → Authentifizierung, um auf verschiedene Dienste oder Rechner (Server) zugreifen zu können. Es ist keine weitere Anmelden bei angeschlossenen Anwendungen nötig.
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Stakeholder Stakeholder sind alle Personen oder Institutionen, die an einem Vorhaben beteiligt sind bzw. von der späteren Realisierung des Vorhabens betroffen sind. Der Begriff umfasst also sowohl jene, die bei der Entwicklung mitwirken, als auch spätere Nutzer. Sie alle sind Informationslieferanten für Ziele, Erwartungen und Ansprüche an das Produkt. Stereotype Verallgemeinerungen über Gruppen, bei denen jedem Gruppenmitglied die gleichen Eigenschaften zugeschrieben werden. Steuerungscodes sind bildhafte Codierungen, welche die Rezeption eines Bildes lenken und den Lernenden bei der Analyse unterstützen sollen. Es werden explizite und implizite Steuerungscodes unterschieden. Explizite Steuerungscodes sind Zeichen, die einer Abbildung hinzugefügt werden, um die Aufmerksamkeit auf wichtige Bildelemente zu lenken. Zu dieser Art von Steuerungscodes zählen Pfeile, farbige Hervorhebungen und Ausschnittsvergrößerungen. Bei impliziten Steuerungscodes handelt es sich um die absichtliche Variation von → Darstellungscodes. Der Abbildung werden demnach keine besonderen Zeichen hinzugefügt. Vielmehr werden wichtige Bildelemente etwa durch einen größeren Detailreichtum, stärkere Linien oder die Anordnung zweier Bilder nebeneinander (um einen Vergleich anzuregen) hervorgehoben. Steuerungsnavigation Zur Steuerungsnavigation zählen die → Navigationselemente und die → Orientierungselemente einer multimedialen Lernumgebung. Stimulus Reiz Storyboard ist eine Serie von Bildschirmscreens, auf denen die Texte, Bilder und Grafiken so festgehalten sind, wie sie später produziert werden sollen. Auch die Interaktions- und Navigationsmöglichkeiten sind im Storyboard definiert. Strategien zum kooperativen Lernen dienen dazu, soziale Lernformen erfolgreich zu gestalten. Dazu gehören z. B. Strategien zur Unterstützung der Kommunikation in Gruppen oder zur Unterstützung von Lernund Arbeitsprozessen in Gruppen. Streaming Streaming ist ein Begriff aus der Netzwerktechnik und bezeichnet das sequenzielle Versenden und Empfangen von Datenströmen. Der große Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass der Inhalt bereits während des Sendens wiedergegeben und gesteuert werden kann, also nicht erst nach Empfang der der gesamten Datenmenge. Durch „Streaming“ können also Audio- und Video oder Dateien bereits während der Übertragung (z. B. im Internet) angehört bzw. angeschaut werden. Die Übertragung erfolgt über ein Netzwerk. Streaming eignet sich besonders für die Darstellung großer Datenpakete (z. B. Ton- oder Videosequenzen), da es hier nicht zu langen Wartezeiten
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kommt und der Nutzer auch bestimmte Teile auswählen kann, die er herunterladen möchte. Subjektiver vs. objektiver Lernerfolg Mit Lernerfolg wird das Ergebnis einer Leistungsüberprüfung bzw. eines Leistungstests bezeichnet, die/der auf einen definierten Lern- und Übungsaufwand folgte. Subjektiver Lernerfolg bezeichnet den Lernerfolg, den der Lernende aufgrund seiner Selbsteinschätzung für sich selbst wahrnimmt. Aussagen von Lernenden, wie „ich habe heute nichts verstanden, obwohl der Lernstoff eigentlich wichtig ist“ oder „ich habe die Lösung der Aufgabe wieder nicht gefunden, obwohl ich doch so viel gelernt habe“, spiegeln beispielsweise wider, dass sich der Lernende nur einen geringen Lernerfolg zuschreibt. Aussagen, wie „ich werde bestimmt eine gute Note erhalten“ oder „ich denke, ich habe viel Nützliches gelernt, das ich später anwenden kann“, zeugen von einer positiven Einschätzung des subjektiven Lernerfolgs. Objektiver Lernerfolg wird anhand eines nachvollziehbaren Kriteriums, beispielsweise in der Schule häufig durch die Schulnote, bestimmt. Summative Evaluation ist eine abschließende Bewertung eines Bildungsangebotes. → Evaluation Symbolische Repräsentation Darstellung (auch im Gedächtnissystem) eines Sachverhalts durch ein Symbol. Synchron/asynchron Synchron bedeutet gleichzeitig; asynchron nicht gleichzeitig, ungleichzeitig Präsentation von Informationen. Tätigkeitsanreize bezeichnen den Eigenanreiz von Tätigkeiten, d. h., der Anreiz einer Aktivität liegt nicht in ihrem Ergebnis oder ihren Folgen, sondern während ihres Vollzuges. In diesem Fall wird die Aktivität um ihrer selbst willen ausgeführt, weil sie von sich aus Spaß macht. Teleconferencing Virtuelle Konferenz, bei der die Teilnehmer nicht an einem Ort versammelt sind, sondern per Telekommunikation (meist mit Videoübertragung) verhandeln. Teleteaching/Televorlesungen/Teleseminare Lehrveranstaltungen, bei denen Lehrender und Lernende nicht am gleichen Ort zusammenkommen. Bei einer Televorlesung werden Bild und Sprache in entfernte Hörsäle oder zu Hörern an ihren PCs übertragen; zum Teil besteht für die Hörer über einen Rückkanal die Möglichkeit, sich mit Fragen oder Bemerkungen an den Dozenten zu wenden. Bei Teleseminaren werden entweder zwei räumlich entfernt tagende Seminargruppen audiovisuell miteinander verbunden oder die Teilnehmer sitzen jeweils zuhause an ihren PCs. Teletutoring Unterstützung eines einzelnen Lernenden durch einen Tutor, der mit dem Lerner per Telekommunikation interagiert: Oft ist der Teletutor in einem kleinen Bild auf dem Bildschirm des Lernenden zu sehen (und umgekehrt), meist können beide miteinander
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sprechen. Wichtig ist die Möglichkeit, dass beide den gleichen Bildschirminhalt sehen können („joint viewing”). Tests sind wissenschaftliche Routineverfahren, die der Untersuchung einer oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale dienen. Sie messen die Ausprägung des individuellen Persönlichkeitsmerkmals, z. B. der Lernleistung. Textliche und bildliche Repräsentationen Textliche Repräsentationen: Normalerweise ist das wortwörtliche Behalten von Text sehr schwierig und lernintensiv, zudem meistens nicht wünschenswert, da es häufig um das allgemeine Verständnis des Sachverhaltes geht. Effektiver ist das Behalten der wesentlichsten Informationen eines Textes. Diese Informationen werden aus dem Text extrahiert und im Gedächtnis mit dem Vorwissen oder untereinander so verknüpft, dass eine Zusammenstellung der wesentlichen Inhalte des Textes entsteht. Diese Zusammenstellung wird als textliche Repräsentation bezeichnet. Bildliche Repräsentation sind Repräsentationen von Bildmaterial, wie Fotos oder Grafiken. Sie enthalten nur eine Zusammenstellung der wesentlichsten Elemente des Bildes, verknüpft mit dem Vorwissen. Die Bilddetails werden bei der bildlichen Repräsentation nicht mit im Gedächtnis gespeichert. Thematischer Apperzeptionstest (TAT) Projektives Messverfahren zur Erfassung → impliziter Motive, die nicht durch Selbstberichte erhoben werden können. Es werden Bildvorlagen gezeigt, zu denen die Person 5-minütige Geschichten erzählen soll. Anhand eines Auswertungsschlüssels wird festgestellt, inwieweit eine Geschichte bestimmte Thematiken enthält. Es werden dann über mehrere Geschichten Summenwerte pro → Motiv (Leistung, Anschluss, Macht) gebildet, von denen auf die Motivausprägung der Person rückgeschlossen wird. TOTE-Modell ist ein Handlungsmodell, in dem postuliert wird, dass ein Individuum, um einen bestimmten Zielzustand zu erreichen, so lange diesen mit dem aktuellen Zustand vergleicht und daraufhin Anpassungen seiner Handlungen oder seines Wissens vornimmt, bis der aktuelle Zustand dem angestrebten Ziel entspricht. Träges Wissen Es fehlen die Verknüpfungen zwischen relevantem Wissen und Merkmalen der Problemsituation. Deshalb können gelernte Fakten spontan nicht auf aktuelle Problemsituationen angewendet werden. Transfer → Lerntransfer True/False-Aufgaben sind → geschlossene Testaufgaben mit nur zwei möglichen Antwortalternativen. Lernende müssen bei dieser Art von Aufgabe entscheiden, ob die Aussage im Aufgabenstamm richtig oder falsch ist.
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Tutorielle Unterstützung Nicht selten tauchen während des computerunterstützten Lernens beim Lernenden Fragen und Probleme auf. Diese zu beantworten ist Aufgabe eines Tutors, entweder eines natürlichen, der durch E-Mail, Chat oder in einem Forum zu erreichen ist, oder durch vom System generierte Hilfestellungen/Rückmeldungen, nicht selten realisiert in Form eines → pädagogischen Agenten. Tutorielles Lernprogramm Lernprogramm, in dem analog einem menschlichen Tutor Wissen vermittelt wird: Geschriebene und gesprochene Texte, Übungsaufgaben mit Rückmeldung sind charakteristisch. Typisierte Handlungsabläufe Handlungsabläufe, die in ähnlicher Weise wiederholt vorkommen. Usability beschreibt das Ausmaß, wie adäquat ein Produkt in seinen Funktionen und seiner Handhabung zu den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie den Wünschen des Nutzers passt. Entscheidende Aspekte von Usability sind Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit. Usability-Gegenstände sind: → Navigationselemente, → Orientierungselemente. Usability Engineering Process bezeichnet den Prozess systematischer Entwicklung benutzerfreundlicher, leicht zu handhabender Schnittstellen. Dabei muss der gesamte Prozess zyklisch so lange optimiert werden, bis das Produkt ein bestimmtes vorab definiertes Maß an Benutzerfreundlichkeit erfüllt Usability-Evaluation Usability-Evaluation hat die Aufgabe, die Benutzbarkeit, Handhabung bzw. Gebrauchstauglichkeit eines multimedialen Lernangebotes zu bestimmen. Durch eine UsabilityEvaluation können z. B. Fragen beantwortetet werden, wie: „Wird eine bestimmte Information schnell gefunden?“, „Werden Links als solche erkannt und ist ihre Beschriftung aussagekräftig?“, „Sind die Lernenden zufrieden mit der Lernumgebung?“. Man unterscheidet zwei Testverfahren: (1) Tests durch Experten und (2) Tests durch potenzielle Nutzer. Validität Die Validität ist neben der → Objektivität und der → Reliabilität eines der Hauptgütekriterien eines Messinstrumentes. Das Ausmaß, mit dem ein Messinstrument das misst, was es messen soll, bezeichnet man als Validität oder Gültigkeit (engl.: validity). Video Während → Animationen am Computer erzeugt werden, sind Videos analoge oder digitale Aufnahmen der Realität.
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Virtuelle Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe, deren Mitglieder nicht am gleichen Ort versammelt sind, sondern per Telekommunikation (WWW) miteinander interagieren. Virtuelles Labor Ein virtuelles Labor wird analog zu einem „wirklichen“ realen Labor mit seinen Geräten und Chemikalien programmiert und auf dem Bildschirm präsentiert. Der Nutzer hat die Möglichkeit Experimente durchzuführen, sich in dem virtuellen Raum zu bewegen und die Geräte zu bedienen. Meist wird der theoretische Hintergrund zu dem jeweiligen Thema anhand von Filmen, Bildern und → Animationen vermittelt. Volition bezeichnet Prozesse der willentlichen Handlungssteuerung bei der Umsetzung einer Absicht und der Durchführung einer Aktivität. WBT steht in Anlehnung an das Kürzel → „CBT“ für „Web Based Training“. Etwa seit Mitte der neunziger Jahre verwendet für softwarebasierte Lernangebote, die über das Word Wide Web (WWW) oder auch über ein Intranet angeboten werden. Web-Safari Mehrere Benutzer surfen gleichzeitig unter Anleitung eines „Guides“ durch ein Webangebot; Alternative zu einer → Guided Tour, bei der sich die Benutzer auf vorher festgelegten Pfaden durch ein Webangebot bewegen. Weblog → Blog Webservice ist ein Dienst der, im „Web“ für andere Anwendung zur Verfügung steht. Webservices werden von einer Internetapplikation für andere Applikationen bereitgestellt. Sie können über eine sogenannte URI (Uniform Resource Identifier) aufgerufen werden. Whiteboard „Virtuelle Wandtafel“, d. h. eine elektronische Wandtafel, auf der mehrere Personen gemeinsam und synchron arbeiten können; typisches Beispiel für → Application Sharing. Wiederholungsstrategien Wiederholungsstrategien dienen z. B. dem Auswendiglernen einzelner Fakten und sollen eine feste Verankerung im Langzeitgedächtnis sicherstellen. Bei einfachen Lernaufgaben beinhalten diese Strategien z. B. wiederholtes Aufzählen und Benennen, bei komplexeren Lernaufgaben jedoch auch Tätigkeiten wie Herausschreiben oder Unterstreichen wesentlicher Passagen. WiKi Wiki − (wiki wiki − hawaiianisch für „schnell schnell“) steht für ein Web-ContentManagement-System, mit dem es möglich ist, an einem zentralen Inhaltepool über das
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Web verteilt zu arbeiten. Bekanntestes Beispiel für eine auf Wikis basierende Informationsquelle ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Wissensanalyse → Aufgabenanalyse Wissensdiagnose Diagnose des Umfangs und der Art des Wissens, über das eine Person verfügt. Wissensnutzungsstrategien Wissensnutzungsstrategien sollen dazu beitragen, verfügbares Wissen anzuwenden. Sie sollen also den Transfer des Gelernten fördern (→ Lerntransfer). Dazu gehören z. B. Diskutieren und Argumentieren sowie Textproduktion oder Problemlösestrategien. Wissenspsychologie Teildisziplin der Kognitionspsychologie, die sich mit dem Aufbau, der Struktur, der Entwicklung und der Anwendung von Wissen befasst. Wissensrepräsentation Die Darstellung von Wissen im menschlichen Gedächtnis. Wissensstruktur Gesamtheit der in einem Gedächtnis verfügbaren Fakten, Begriffe und der Beziehungen zwischen ihnen (meist auf einen bestimmten Bereich bezogen: Wissensstruktur im Bereich Physik, im Bereich Geschichte). W-LAN „wireless LAN“-Rechnernetzwerk, das durch die drahtlose Vernetzung von Rechnern mit Hilfe von Technologien der Mobilkommunikation entsteht. Worked-Out Examples Schritt für Schritt ausgearbeitete Lösungsbeispiele, die z. B. im Mathematikunterricht häufig zur Hilfe bei der Lösung ähnlicher Textaufgaben verwendet werden: Der Lehrer beginnt seine Erklärungen zur Lösung der Aufgabe, indem er zeigt, welche Größen gegeben sind und welche gesucht werden. und rechnet dann schrittweise den Lösungsweg vor. Die Lernenden sollen den Lösungsweg nachvollziehen und sich selbst erklären, warum ein Schritt auf den anderen in der vorgegebenen Reihenfolge folgen muss. Für die Lösung ihrer eigenen Aufgabe wenden sie dann dieses Wissen an. WYSIWYG Abkürzung für „what you see is what you get“; Bezeichnung einer Form der Erstellung von Inhalten, bei der schon in der Phase des Editierens die Inhaltselemente das endgültige Aussehen haben. XML (eXtensible Markup Language) ist ein vom W3C definierter Standard zur Beschreibung von Daten. Man spricht bei XML von semistrukturierten Daten, da der Aufbau eines XML-Dokuments teilweise einer vorgegebenen Struktur (einem Schema) folgen kann,
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andererseits aber auch Elemente beinhalten kann, die nicht einem Schema entsprechen. Da die Bedeutung der einzelnen Datenelemente durch die Bezeichner der Tags angegeben werden kann, nennt man XML auch selbstbeschreibend. Aufgrund der Einfachheit und Flexibilität ist XML mittlerweile das Standardformat bei vielen Anwendungen. XSLT/Transformationen Mit XSLT (XML Stylesheet Transformation Language) kann man ein XML-Dokument in ein anderes Textdokument transformieren, z. B. in ein HTML-Dokument, ein anders strukturiertes XML-Dokument oder eine einfache Textdatei. XSLT wurde eingeführt, um eine Trennung von den Daten und ihrer Darstellung zu erreichen. Während in HTML-Dokumenten der Code zur Beschreibung der Daten und der Code zur grafischen Präsentation der Daten gemischt sind, sollen XML-Dokumente nur die Daten enthalten. Ein XSLT-Skript kann die XML-Daten in das gewünschte Ausgabeformat transformieren. Zwei-Weg-Kommunikation Kommunikationsprozess, bei dem Sender und Empfänger ihre Funktion wechseln: Wer zuvor Sender war, wird anschließend zum Empfänger und umgekehrt. → Ein-WegKommunikation
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3 3-D-Lernszenarien 555 A Abbrecherraten 14 Ablauf eines Cognitive Walkthrough 432 Ablauf eines Usability Tests 446 Berichtlegung 448 Datenauswertung und Analyse 447 Detaillierte Planung 446 Duchführung 447 Instruktion der Teilnehmer 447 Stichprobenauswahl 447 Zusammenstellen von Testmaterial und Testumgebung 447 Ablaufdiagramm 388 Ablenkung 371 Abschnitte 143 Abstimmungs-/Voting-Systeme 468 Abstraktionsniveau 119 Abstraktionsschicht Datenbank 462 Abwechslung 372 Academic Help Seeking 75 Action Awareness 351 Adaptive Lernumgebungen 26, 308 Adaptivität 300, 308 ADDIE 20 Add-In 391 ADL 612 Adressatenanalyse 98, 101 Adressatengruppe 102 Advance Organizer 122, 123, 181 AgentSheets 300 AICC 605, 613 Aktionsformen 297 Aktive Hilfen 301
Aktive Verarbeitungsprozesse 51 Aktivierung 197 Aktivitäten von Wissensobjekten 23 Aktivitätsgrad-Anzeige für Lernende 529 Allgemeine Reflexion 28 Alphanumerische Ergänzungen 220 Alternativaufgaben 318 Alumni 623 Alumni-Portale 623 Ambiguitätstoleranz 26 Analogien 181 Analyse der konstitutiven Fähigkeiten 32 Analyse des Lehrstoffs 103 Analysefunktionen des 4C/ID-Modells 35 Analysephase 97 Analysierende Evaluation 427 Anchored Instruction 25, 32 Anchored Instruction-Modell 25 Anforderungen an Lerntechnologien 491 Anforderungen von Benutzergruppen 500 Animation Begriff allgemein 240 Definition 241 Animationen 108, 576 Abspielgeschwindigkeit 252 Abstrakt 242 Analyseebenen 245 Arten 241 Besonderheiten 245 Dateiformate 579 Dynamische Inhalte 243 Funktionen 254 Kognitive Verarbeitung 249 Konkret 242 Realitätsgrad 258 Schwächen 256 Stärken 256 Statische Inhalte 244 Wahrnehmung 246
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Animationsverstehen 245 Animierte Foliensätze 579 Anpassbarkeit als Anforderung 491 Anreiz Definition 362 ANSI 612 Answer until correct or multiple try feedback 328 Antiviren-Firewall-Software 472 Antizipierter Bedarf 100 Applets 473 Application-Server 464, 481 Arbeits- oder Lernaufgaben 103 Arbeitsgedächtnis 43, 55 Arbeitspakete 109 ARCS-Modell 370 Hauptkategorien 370 Argumentieren 314 ARIADNE 612 Art der Lerneraktivitäten 120 Articulation 29 ASP 479 Assessmenttest 445 Assets 108, 565 Assistenten (Lerninhalte-Produktion) 598 Assoziationen 176 Ästhetisches Vergnügen 195 Atmosphäre 201 Attentive Prozesse 211, 214, 249 Audio 192 Charakteristika 192 Empirische Studien 199 Audio-Aufnahme 572 Audio-Blogs 550, 571 Audioformate 572 Audio-Medien 571 Audio-Podcasting 550 Audio-Produktion 391, 571 Aufbereitungsvarianten von Lerninhalten 563 Aufgaben- und Wissensanalyse 98, 105 Aufgabenanalyse 33, 104 Aufgabenangemessenheit 423 Aufgabenarten 315 Aufgabenexpertise 148 Aufgabengeleitete Simulation 126 Aufgabeninhalte 312 Aufgabenkompetenz 146 Aufgabenkomponenten 314 Aufgabenorientierung 332 Aufgabenpräsentation 308 Aufgabenschwierigkeit 308 Aufgabenverwaltung in Kursumgebungen 544 Aufgabenverwaltungs-Systeme 621 Aufmerksamkeit 158, 371 Aufmerksamkeitslenkungsprinzip 269 Aufmerksamkeitssteigerung 197
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Auftraggeber 387 Aufzeichnungssysteme 467 Ausgearbeitete Lösungsbeispiele 47 Auskunftssysteme (LerninhalteProduktion) 598 Auswahl -kriterien 488 -verfahren 488 von Lernplattformen 488 Auswahl von Instruktionsmethoden 32 Auswahlantworten 6 Auswahlentscheidungen 298 Auswahlkriterien für Lerntechnologien 491 Auswahlkriterien zusammenfassen 497 Auswahlphase 495, 498 Auswahlprozess 500 Auswahlprozess für Lernplattformen und -technologien 495 Auswertungsstrategien 412, 413 Auszeichnungen 187 Auszeichnungsschrift 185 Authoring, kooperatives 533 Automatischer Tutor 333 Autonomie der Lernenden 29 Autonomieunterstützung 381 Autorenrichtlinien 599 Autorensprache 9 Autorensysteme in der IT-Infrastruktur 616 Autorenwerkzeuge, offline 534 AutoTutor 333 Awareness-Funktionen 350 B Backup in der IT-Infrastruktur 617 Bakkalaureus 10 Barrierefreiheit – Anforderung an Lerntechnologien 492 Basale Verarbeitung 174 Basismodelle 155 Basisstruktur 155 Basissysteme (Server) 479 Bedarf 99 Antizipierter Bedarf 100 Demonstrierter Bedarf 100 Normativer Bedarf 99 Normativer Bedarf 99 Qualifizierungsbedarf 100 Relativer Bedarf 99 Subektiv empfundener Bedarf 99 Bedarfsanalyse 98, 99 Bedeutung von Elaborationen 176 Bedienbarkeit, gute – Anforderung an Lerntechnologien 491
Bedienungsanleitungen – Anforderung an Lerntechnologien 494 Bedürfnisse 360 Befragung 100, 404, 413 Mündliche Befragung 404 Schriftliche Befragung 404 Begriffliche Elaborationssequenz 147 Begriffliche Kompetenz 147 Begriffslernen 18, 160 Begriffsnetz 24, 104 Begriffsnetz-Darstellung 104 Behalten fördern 295 Behinderungen 102 Beispiele 181 Belohnung 329, 380 Benutzerdokumentationen 494 Benutzergruppen 500 Benutzerverwaltung 512, 513 Benutzer-zentrierter Messansatz 430 Beobachtung 404–406, 413 Fremdbeobachtung 405 Nicht teilnehmende Beobachtung 405 Offene Beobachtung 405 Selbstbeobachtung 405 Teilnehmende Beobachtung 405 Verdeckte Beobachtung 405 Berufliche Bildung 12 Berufliche Erstausbildung 28 Beschreibende Repräsentationen 56 Best-Answer-Format 318 Bestätigung von sozialen Institutionen und religiösen Ritualen 195 Beta-Phänomen 240 Betonung 202 Betreuung als Erfolgsfaktor 491 Betreuungsaufwand von E-Learning 526 Betriebsklima 103 Betriebssystem 470, 471, 478 Beurteilung des Schweregrades von Usability Problemen 436 Beurteilungsmaßstab 380 Beurteilungsphase 495 Bewerten 74 Bewertende Evaluation 427 Bewertung von Kursleistungen 544 Bewertungskriterien 412 Bezugsnorm 332 Bezugsnormorientierung 18 Bibliothekssysteme 620 Bild- und Filmmaterial 107 Bildauflösung 567 Bilder Analogie 209 Arten 207 Funktionen 221 Informierende 208 Künstlerische 208
Logische 209 Realistische 208 Realitätsgrad 226 Unterhaltende 208 Bildergalerien 536 Bildlegende 221 Bildmedien 565 Bildrate 574 Bildungs- bzw. Trainingsbedarf 99 Bildungsstand 101 Bildungstechnologische Zentrum 10 Bildungsverwaltungssysteme IT-Infrastruktur 616 Bildungsverwaltungs-Systeme IT-Infrastruktur 618 Bildverarbeitungskompetenz 229 Bildverstehen 210 Indikatorisches 214 Natürliches 211 Bimodale Präsentation 200 Blickbewegungen 440 Blog 352 Blogs 525, 534, 550 BMP 570 Bookmark-Sammlung 531 Bottom-Up (Auswahlprozess Lerntechnologien) 489 Browser 473 Browsereinstellungen 473 Browser-Plugins 470, 473 Buchstaben und Wortabstände 187 Budgetplan 109 Bundesministerium für Bildung und Forschung 13 Büro- und Verbrauchsmaterial 110 Büroausstattung 110 Büromiete 110 C Cache 463 Caching 462 Case-Based Learning 124 CBT 25, 460, 485, 486 CD/DVD-Produktion 486 Change-Agents 496 Chat 551 Chat-Abkürzungen 552 Chatbots (Lerninhalte-Produktion) 598 Chatbot-Technologien 580 Checklisten 28, 404, 407, 409 Choreografie des Unterrichts 154 Chunks 43 Client-Server-Architektur 459 Client-Server-System 458 Client-Server-Systeme 485, 487 Cluster-Formate 318
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Coaching 29 Codewissen 213 Cognitive Apprenticeship-Ansatz 28 Cognitive load 35 Cognitive Walkthrough 432 Cognitive-Load-Theorie 45 Collaborative knowledge building 340 Collaborative problem solving 37 Communities 504 Comparison Test 446 Completion problems 35 Component Display Theorie 23, 312 Computerbasierte Trainings 25, 460 Concept Maps 140, 591 Concept-mapping 104 Confirmation bias 264 Contentproduktion 558 Content-Unit 561, 565 Cover Story 31 Crowder 6 CSCL 340 CSS 595 CSV-Export 545 CSV-Import für Benutzer 513 D Darstellende Repräsentationen 56 Darstellungscodes 212 Analytische 213 Beschreibende 212 Datei- und Dokumentenverwaltung in der IT-Landschaft 620 Dateiaustausch 536, 550 Dateimanagement 620 Dateimanager, online, Dateiaustausch 535 Datenbank 470, 482 Datenbank-Verteilung Datenbank 462 Datenerfassungsverfahren 412 Datenklassen in Lernplattformen 500 Datensammlung über Personen 530 DC 609 Deduktive Vorgehensweise 141 Definitionsphase 495 Deklaratives Wissen 105, 147 Dekomposition 32 Dekontextualisierte Informationspräsentation 119 Demonstration 24 Demonstrierter Bedarf 100 Denkfehler 301 Designentscheidungen 21, 83, 202 Designexperimente 19 Designkomponenten 32 Designprobleme 20 Designprozess 20
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Desktop-Systeme 466 Diagramme Arten 209 Balkendiagramm 210 Kreisdiagramm 209 Liniendiagramm 210 Säulendiagramm 210 Streudiagramm 210 Strukturdiagramm 209 Didaktische Basismodelle 154 Didaktische Entwurfsmuster 157 Didaktische Evaluationsansätze 425 Didaktische Struktur 139 Didaktische Strukturierung 98, 180 Die magische Zahl 7 43 Dienste in Lernplattformen 506 Dienstleistungen 110 Dimensionen von CSCL-Situationen 341 DIN 612 Direkte Instruktion 23 Diskussionen in Lernumgebungen 540 Diskussionsforen 548 Distance Learning 342 Distraktor 316 Dokumentationen – Anforderung an Lerntechnologien 494 Dokumentenanalyse 404 Dokumentenmanagement 599, 620 Dokumentenverwaltung 550, 599 Domänenkompetenz 146 DPI – dots per inch (Punkte je Zoll) 567 Dramaturgie 298 DTD 592 Duale Codierung 50, 55 Dublin Core 609 Dynamik 192 Dynamische Webseiten 479 Dynamischer Kontrast 246, 250, 253 E Effective Cognitive Load 48 Effektivität 421 Efficiency 420, 428 Effizienz 421 Eigenschaften von Wissensobjekten 23 Eigensteuerung 119 Eindeutige Bezüge 183, 185 Einfälle 176 Einführungsphase 495, 498 Einsatz im Ausland 111 Einsatzkontext 98, 111 Einschreibefunktion in Lerngruppen 542 Einschreibesystem 499 Einschübe 184 Einstellungen 21 Einstellungen zum Inhalt 101
Einstiegsaufgabe 149 Einstiegsphase 378 Einstiegsproblem 27 Einstiegstest 378 Ein-Weg-Kommunikation 120 Elaborated Feedback 328 Elaborating 334 Elaboration 33, 149 Elaborationsstrategien 73 Elaborationstechnik 148 Elaborationstheorie 30, 145, 147 Elaborative Verarbeitung 176 E-Learning 12 Betreuung 470, 491 Hotline 470 Infrastruktur 457 Electronic Performance Support Systems 133 Element interactivity 46 E-Mail & E-Mailverteiler 547 E-Mailsysteme 621 EML 415 Emoticons 552 Emotionale Elemente 419 Emotionaler Ausdruck 195 Empirische Erziehungswissenschaft 17 Empirische Forschungsarbeiten zu Audio 192 Empirische Sozialforschung 103 Enabling contexts 37 Energiekosten 110 Entitäten von Wissensobjekten 23 Entscheidungsfelder 87 Entwicklungsdauer 109 Entwurfsmuster 89 Epistemische Kooperationsskripts 348 Epitomizing 149 EPSS 133 Erfahrungen 101, 496 Erfahrungsträger 496 Erfolgserwartung 376 Erfolgszuversicht 376 Erhebungsmethoden bei Usability Tests 428 Methode des lauten Denkens 441–443 Erinnern 313 Erkenntnisfunktion 397 Erläuterungen Beschreibend 253 Direktiv 253 Errors 420, 423, 428 Erwartung Ergebnis-Folge-Erwartung 364 Handlungs-Ergebnis-Erwartung 364 Situations-Ergebnis-Erwartung 364 Erwartungshaltungen 26 Erwartungskonformität 423 Erwartungs-mal-Wert-Hypothese 363
Evaluation Begriff 395 Funktionen 397 Typen 397 Evaluationsfragebögen 109 Evaluationsinstrumentarien 407, 410, 412 Evaluationskriterien 402, 403, 410 Curriculare Rahmenbedingungen 403 Didaktische Gestaltung 403 Inhaltliche Gestaltung 403 Organisatorische Rahmenbedingungen 403 Präsentation des Lernmaterials 403 Usability/softwareergonomische Gestaltung 403 Evaluationsmethoden 403 Befragung 404 Beobachtung 404 Inhaltsanalyse 404 Tests 404 Verhaltensrecording 404 Evaluationsmodelle 401 Evaluationsprozess 410 Berichtlegung 414 Datenerhebung/Auswertung 413 Definition 411 Planung 412 Weiter gehende Nutzung 414 Zielsetzung 412 Evaluator Effect 449 Events of instruction 21 Expectation failures 30 Expert-Effect 449 Experten- und Nutzerurteile 428 Expertise reversal effect 48, 227 Exploration 29, 263 Exploratory Test 445 Externale Regulierung 119 Extraneous cognitive load 46 Extrinsische Belohnung 380 Eye-Tracking 430 F Fachdidaktik 142 Facility-Management 499 Fahrtkosten 110 Fakten 313 Faktenwissen 157 Fallbasiertes Lernen 124 Fallbeispiele 36, 102 Fallpräsentation 125 Farbcodes 219 Farbige Schrift 186 FEASP-Modell 382 Feedback 31, 323, 327 Deskriptives 329
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Differenzierendes 331 Evaluatives 329 Externes 332 Fehleranalytisches 333 Internes 332 Natürliches 260 Selbstreguliertes 334 Feedback auf Kursleistungen 544 Feedbackformen 329 Fehlerabhängige Verzweigungen 6 Fehleranalyse 6, 301 Fehlerbeseitigung 25 Fehlerkorrektur 331 Fehlerkultur 331 Fehlerrobustheit 423 Fehlertolerante Verarbeitung 300 Fehlerverbesserung 331 Fehlerwissen 107 Fehlschläge 30 Feldforschung 19 Fertigkeiten, Training von 159 Figur-Grund-Trennung 212, 216, 246 Firewall 470, 471 Fixationen 440, 441 Flash-Animationen 579 Flash-Grafiken 570 Flash-Simulationen 583 Flash-Video 575 Flexibilitätsprinzip 269 Flow-Erleben 366 Fluchtpunktperspektive 217 Flussdiagramm 105, 388 Folgenanreiz 380 Foliensätze, animierte 579 Folienvorträge (Online-Lerninhalte) 587 Formal-analytischer Messansatz 429 Formale Überschriften 183 Formative Beurteilung der Usability 425 Formative Evaluation 398, 408, 426 Formatunterteilung 192 Forschungsbefunde 331 Fortschreitende Vertiefung 28 Frage-Antwort-Frames 5 Fragebogen 100, 399, 404, 583 Fragebögen und Checklisten 437, 443 Fragemöglichkeiten 296 Fragenbasierte Navigation 32 Fragenfenster 299 Fragenparser 299 Fragenstellen 299 Fragestämme 299 Frames 6 Fremdbeobachtung 405 Fremdevaluation 400 Frequenzen (Audio-Medien) 571 Füllfloskeln 184 Funktionen in Lernplattformen 506
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Funktionen von Sprache 196 Funktionsbereiche von Lernplattformen 498 Funktionsergonomie 420 Funktionsprobleme 278 Funktionsumfang – Anforderung an Lerntechnologien 491 G Game Based Lear 580 Ganzheitlichkeit 148 Geld 107 Generalisierung 38, 177 Germane or effective cognitiv load 48 Geschlechtsstereotype 307 Geschlossene Testaufgaben 315 Gesprächsnotizen 546 Gestalterische Aspekte der Textpräsentation 183 Orientierungsmarken 185 Typografische Aspekte 186 Wortwahl, Satzbau, Eindeutige Bezüge 183 Gestaltgesetze 211 Ähnlichkeit 211 Gemeinsames Schicksal 212, 247 Gute Gestalt 211 Gute Linienfortsetzung 212 Nähe 212 Prägnanz 211 Gestaltungsmöglichkeiten 156 GIF 570 Glossare 531 Goal free evaluation 401 Goal oriented evaluation 400 Goal-Based Scenarios 30 Goal-free problems 35 Grad der Arbeitsteilung 341 Grafiken 107 Grafikprogramme 108 Grafische Strukturierungsverfahren 98 Grobe Ziele von Usability Designbewertung 428 Konzeptbewertung 428 Produktbewertung 428 Grounding 345 Gruppen in Kursumgebungen 520 Gruppen in Lernplattformen 502, 506, 510 Gruppenarbeit 27 Gruppenbildung, Werkzeuge für 541 Gruppenfeedback 328 Gruppenkoordination 542 Gruppen-Mailverteiler 548 Gruppenverwaltung IT-systemübergreifende 618 Guided Tour 298, 494
H Halboffene Testaufgaben 315 Handhabungsprobleme 278 Handheld 464 Handicaps 102 Handlungen 105 Handlungskontrolle 382 Handlungstheorie 382 Handlungsunterstützung 24 Handwerkslehre 28 Handys 464 Hannafin 37 Hardware 457 HCI-Forschung 277 Hervorhebungsprinzip 269 Heuristische Evaluation 434 Hintergrundmusik 198 Hintergrundwissen 105 Hinting 334 Hinweisreize 105 Historische Sequenz 145 Höflichkeitsregeln 306 Honorare 110 Hören 193 Hörverstehen 194 Hosting 465 HTML 588 HTML-Erzeugung/Rendering 595 HTTP-Request 478 HTTPS 474 Human Computer Interaction 420 Hyperlinked Videos 268 Hyperlinks Interrepräsentational 232 Hypermedia 588 Hypermediale Strukturierung 98 Hypertext Transfer Protokoll 478 Hypertexte 588 I Ideenproduktion 27 Identifikation 198 IEEE 612 Imitation problems 36 Imitationsprobleme 36 IMS 415, 612 IMS Content Packaging 605 IMS LD 605 IMS Learning Design 521, 605, 611 Individualisierbarkeit 423 Induktiv 141 Induktive Vorgehensweise 141 Inert knowledge 23 Informationseinheit 561, 565 Informationsgehalt 330
Informations-Objekt 561, 565 Informationspräsentation 119 Informationsverteilung, Werkzeuge für 546 Informatives Feedback 125, 328, 333 Informieren 295 Inhaltepools 623 Inhalteproduktion 558 Inhaltlich technologische Aussagen 19 Inhaltliche und didaktische Aspekte der Textpräsentation Angabe der Lehrziele 179 Hilfen zur Anknüpfung an das Vorwissen 181 Sach- und didaktische Strukturierung 180 Zusammenfassungen 182 Inhaltsanalyse 404 Inhaltsexperten 105 Inhaltsstruktur 98 Inhaltsübersicht 122, 123 Inspektionsmethoden 431 Instructional System Design 20 Instructional Transaction-Theorie 23 Instruktion 17, 263 Instruktionsdesign 17 Instruktionsdesignmodell Entscheidungsorientiertes 85 Instruktionsmethoden 35 Instrumente 108 Integration in die Gesellschaft 195 Integriertes Forschungsparadigma 19 Integriertes Modell des Text- und Bildverstehens 54, 57 Intelligente tutorielle Systeme 300 Interactive Pen Display 467 Interactive Whiteboard 468 Interaktion 32, 293 Interaktionselemente 419 Interaktionsketten 294 Interaktions-zentrierter Messansatz 430 Interaktive Aufgaben 323 Interaktive Videos 267, 298 Interaktivität 258, 295 Interaktivitätsprinzip 269 Interesse 366 Interessen 101 Interessentheorie Pädagogische 367 Interkulturelle Aspekte 102 Internet-Browser 473 Internet-Verbindung 458 Interview 100, 404 Interviewtechnik 442 Methode des lauten Denkens 441–443 Question-Asking-Technik 442 Videokonfrontation/Retrospective-TestingTechnik 442 Intrinsic cognitive load 46
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Invariantes Bewegungsmuster 247 iPod 465 ISO 612 IsoMetrics 430, 437 IT-Infrastruktur 488, 499, 615 Anforderungen an Lerntechnologien 497 IT-Servicestrukturen 624 ITT-Modell 84 J J2EE 464 J2EE-Anwendungen 481 Jasper Woodbury 25 Java 464 Java Applets 473 Java-Applets (Animationen) 579 Java-Applets (Simulationen) 583 Java-Programme 474 Java-Programme (Simulationen) 583 Java-Skript 473 Java-Webstart 474 JDBC 462 JPG 570 K Kalender 542, 621 Kalkulation 110 Kamera 467 Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses 51 Kasten 185 Kaufmännische Erstausbildung 12 Kausale Beziehungen 330 KAVIS 12 Keevil Usability Index 437 Keller-Plan 128 Keyframe 248, 252 Klangfarbe 196 Klassen von Daten in Lernplattformen 500 Klassenbuch, Online- 545 Klassifizieren 313 Klassifizierung des Schweregrades von Usability Problemen 436 Knowledge of performance 328 Knowledge of result/response 328 Knowledge of the correct answer 328 Kodierungsform 192 Kognitionspsychologische Theorien 32 Kognitive Belastung 255 Kognitive Fähigkeiten 21 Kognitive Konflikte 338 Kognitive Operationen 313 Kognitive Prozesse der Textverarbeitung Basale Verarbeitung 174 Elaborative Verarbeitung 176
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Index
Reduktive Verarbeitung 177 Rekonstruktive Verarbeitung 178 Semantisch-syntaktische Verarbeitung 175 Kognitive Strategien 21, 72, 165 Kognitive Theorie multimedialen Lernens (CMTL bzw. SOI Modell) 49, 52 Kognitive Werkzeuge 36 Kohärentes mentales Modell 51 Kohärenz 175 Kohärenzprinzip 54, 231 Kohäsive Geschlossenheit 562 Kollaboratives Lernen 337 Kombinierte Problemformate 36 Kommentare in Lernumgebungen 540 Kommentierungsfunktionen für Lerninhalte 540 Kommunikation 195 Asynchrone 547 Synchrone 547 Werkzeuge für 546 Kommunikationsregeln 547 Kommunikationsrichtung 120 Kompetenzdiagnostik 115 Kompetenzen 114 Kompetenzgrad 114 Kompetenzmeinung 376 Kompetenzmessung 115 Kompetenzmodelle 115 Kompilierung 33 Komponenten eines Lehrinhalts 144 Komponenten in Lernplattformen 506 Komposition 32 Konditionales Wissen 105 Konferenzsysteme (audio, video) 553 Konfigurierbarkeit – Anforderung an Lerntechnologien 491 Konformität zu sozialen Normen erzwingen 195 Kongruenz-Prinzip 269 Konstruktion 177 Konstruktivistische Lernumgebungen 18 Kontiguität Zeitliche 268 Kontiguitätsprinzip 54, 230 Kontinuität und Stabilität von Kultur 195 Kontrast 187 Kontroll- und Entscheidungsfunktion 397 Kontrollmeinung 376 Konventionelle Probleme 35, 36 Konzept des Durcharbeitens 6 Konzepte 313 Kooperationsskripts 347 Kooperationswerkzeuge 530 Kooperative Recherche, Werkzeuge 530 Kooperativen Lernen 102 Kooperatives Authoring 533
Kooperatives Lernen 338 Kopiervorlagen 390 Korrektheitsergonomie 420 Kosten für Einführung und Betrieb – Anforderung an Lerntechnologien 494 Kostenanalyse 98 Kosteneinsparungen 14 Kriterienkataloge 407, 409, 410, 413, 417 Kriterienliste 334 Kriteriumsorientierte Tests 407 Kritik an ID-Modellen 22 Kritische Ereignisse 100 Kulturkreise 102 Künstliche Intelligenz 30 Kursabläufe 503 Kurs-Administrator 519 Typische Aufgaben 520 Kursblöcke, Kursthemen 521 Kurse 504 Kurse, Kursumgebungen, -räume einrichten in Lernplattformen 517 Kursinformationen in Lernplattformen 501 Kursmaterial 561, 565 Kursmaterialien zusammenstellen 589 Kursmitglieder-Verwaltung 514 Kursorganisation 550 Kursumgebung – anlegen, anpassen 520 Kursumgebungsarten 504 Kursverwaltung 499 Kursverwaltung in Lernplattformen 517 Kursverzeichnis in Lernplattformen 517 Kurzaufsätze 299 Kurzzeitgedächtnis 55 L Laborforschung 19 LAMS 521 Langzeitgedächtnis 43, 55 Lastgrenzen 461 Lastprobleme 460 Lastspitzen 461 Lastverteilungssystem 464 Latent Semantic Analysis 334 Lautstärke 196 LD 605, 611 LD (IMS Learning Design) 521 LDAP 513 Learnability 420, 423 Learner Tracking/Lernstandsübersichten 525, 528 Learning by doing 260 Learning Design (IMS LD) 521 Learning objects 144 Learning Objects Metadata 610 Lehre 17 Lehrfunktionen 295
Lehrinhalte 98 Lehrmaschine 10 Lehrmethode 26, 83 Lehrschritte 21 Lehrstoff 143 Stukturierung 87 Lehrstrategien 98 Lehrziel 100, 113, 179 Affektiv 167 -hierarchie 21 -kategorien 20 -orientierung 373 -taxonomie 154, 155 -typ 154, 155 Lehrzielvalide Tests 114 Leistungsbewertung 545 Leistungsfähigkeit des Serversystems 461 Leistungsrückmeldungen 332 Leistungstests 406 Leitmotive 197 Leitprogramme 27, 77, 127 Leittextmethode 127, 129 Lektionen 565 Lernablauf gestalten 521 Lernanforderungen 376 Lernarrangements 503 Lernaufgaben 98 Lernen Begriffsbestimmung 114 Selbstreguliertes 332 Lernen von Prinzipien 162 Lernen, individuelles 120 Lernen, kollaboratives 120 Lernen, kooperatives 120 Lernende Aufgabenorientierte 332 Performanzorientierte 332 Lernepisoden 148 Lernförderliche Fähigkeiten 147 Lernförderlichkeit 423 Lernfortschritte 26 Lernfunktionen 27 Lerngeschichte 101 Lerngruppen 37, 111 Lerninhalte 458 Lerninhalte in Lernplattformen 502 Lerninhalte-Produktion 557 Lernmanagement-Systeme 498 IT-Infrastruktur 616 Zukunft von 625 Lernmaschine 3 Lernmotivation 101, 103 Lernobjekt 144, 561, 565 Lernorientierung 332 Lernplattform 498 Funktionsbereiche 498 Funktionsumfang 488
Index
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Verwaltungsfunktionen 519 Werkzeuge 511 Lernprojekte 37 Lernprozesse 18 Lernprozessorganisation 295 Lernpsychologische Voraussetzungen 143 Lernspiele 300, 581 Lernstandsübersicht 522, 525, 528 Lernstile 102 Lernstiltests 102 Lernstrategien 71 Lernstrategietraining 75 Lerntagebücher 75, 522, 523 Lerntechnologien 511 Lerntempo 378 Lerntyp 102 Lernumgebungen 504 Problemorientierte 298 Lernvoraussetzungen 18, 20, 148 Lernweg 378 Lernzeit 308 Lernziele 113 Wählbar 373 Lernziele in Kursen festlegen, Werkzeuge 523 Lernzieltyp 155 Leseprozess 174 Life-Learning-Systeme 506, 553 Linear-sukzessive Struktur 145 Literaturlisten 586 Literaturverwaltung 586 Literaturverweise (Lerninhalte) 586 Literaturverzeichnis, -liste 531 Lizenzen 110 LMS 498 Load Balencer 462 Load-Balencing 462 Lob Paradoxe Wirkungen 332 Locus of control 119 Logfile 406 Logfile Recording 430 Loginübersichten 529 Lokale Lernsysteme 460 Lokalfarbe 216 LOM 415, 610 Lösungsbeispiele 35, 124, 335 Lückentexte 5 M Mailfunktion 548 Makro-Sequenzierung 34 Mapping-Techniken 349 Markierungsfunktionen für Lerninhalte 540 MASL 77 Mastery-Learning 129
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Index
Matching-Aufgaben 319 Material 107 MEDA 410 Media-Equation-Annahme 306 Medieneinsatz 26 Mediengalerien 536 Medienmanagement 599 Medienverwaltung 599 Meilenstein 109, 388 Memorability 420, 428 Mensch-Computer-Interaktion 277 Menschliche Informationsverarbeitung 281 Mentale Operationen 105, 154, 157 Mentale Repräsentationen 56 Mentales Modell 51, 56 Merrill 23 Messenger 529, 551 Software 470 Metaanalyse 333 Metadaten (Lerninhalte-Produktion) 599 Metakognitive Strategien 51, 73 Methode des Lauten Denkens (Thinking aloud) 441–443 Methodenauswahl 154 Microsoft Visio 388 MIDI 571 Mikrofon 467 Mindmaps 533 Mission 31 Misskonzeptualisierungen 182 Mitschriften 546 Mobile Kleingeräte 467 Mobiles Lernen 13 Modalität 192 Modalitätseffekt 47 Modalitätsprinzip 200, 233, 268 Modality Effect 47 Modeling 29 Modeling examples 36 Modell 4C/ID bzw. 4C/ID-Modell 33 Modell der vollständigen Handlung 129 Modelle des Zuhörens 194 Modelle selbstregulierten Lernens 66 Modellfälle 36 Modellierung von Lernprozessen 12 Moderation des Auswahlprozesses 496 Moderation von Chats 553 Moderation von Foren 550 Modul in Lernplattformen 506 Modularisierung von Lerninhalten 559, 564 Modularität – Lerninhalteproduktion 589 Monitoring 73 Monologe 201 Motiv 361 Anschlussmotiv 361, 374 Leistungsmotiv 361, 374 Machtmotiv 361, 374
Motivation Definition 360 Extrinsisch 366 Intrinsisch 366 Tätigkeitszentriert 366, 373 Zweckzentriert 366, 373 Motivationaler Ausstieg 364 Motivations- und Emotionsstrategien 74 Motivationsdesign 370 Motivationsfördernde Interaktionen 296 Motivationsprofil 374 Motive Explizite 361 Implizite 361 Motivieren 295 Motivieren von Erwartungshaltungen 26 Motivierung 197 Motorische Fähigkeiten 21 MP3 550 MPEG-3 572 MPEG-4 575 MPEG-4 Audio Lossless Coding 572 MPEG-Player 465 Multimedia-Hörsaal 467 Multimedial angeleitetes Selbstlernen 127 Multimediales Lernen 13 Multimediaprinzip 54, 230 Multimedia-Produktion 107 Multiple Perspektiven 27 Multiple-Choice-Aufgaben 316 Musik 109, 192, 195 Musterantworten 299 Musterlösungen 28 N Nachhaltige Lernprozesse 30 Nachhaltigkeit – Technologienwahl 490 Nachschlagewerke 531, 586 Narrative Struktur 25 Natürliche Konsequenzen 125, 335, 379 Navigationselemente 419 Netiquette 547 Neugier 371 Newsletter 547 Nicht teilnehmende Beobachtung 405 NIS 513 Nominalisierung 184 Nomothetische Gesetzmäßigkeiten 19 Normen 603 Normen, rechtliche und ethische 87 Normorientierte Tests 406 Notebook-University 13 Nutzergruppen 500 Nutzerkontrolle 259 Nutzer-Tracking 529 Nutzungsübersichten 529
O Oberflächenstrukturen 156 ODBC 462 Offene Beobachtung 405 Offene Lernumgebungen 37 Offene Testaufgaben 315 Öffentliche Darstellung 28 Offline-Autorenwerkzeuge 534 Ogg Vorbis 572 Online-Editoren (Lerninhalte-Erstellung) 596 Onlinepräsentationen (Lerninhalte) 587 Online-Prüfungen 583 Online-Schreiben 534 Online-Tests 583 Operante Konditionierung 329 Operationen, mentale 155 Operativ-technologische Aussagen 19 Organisation der Informationsdarbietung 119 Organisationsstrategien 72 Orientierungselemente 419 Orientierungsmarken 185 P P2P-Netzwerke 459 Pädagogische Agenten 375 Pädagogischen Psychologie 17 Parallelperspektive 217 Passive Hilfen 298 PDF-Erzeugung/Rendering 595 PEAnet 24 Pear DB 462 Pedagogical design patterns 90 Peer-to-Peer-Architekturen 459 Peer-to-Peer-Systeme 459, 485, 486 Performance constraints 36 Performanzorientierung 332 Perl 479 Personal 107 Personalisierter Sprachstil 375 Personalisierungsprinzip 268, 375 Personalized System of Instruction (PSI) 128 Personalkosten 110 Personeninformationen in Lernplattformen 501 Persönliche Beeinträchtigungen 102 Persönliche Bereiche/Räume in Lernplattformen 504 Persönliche Zielsetzungen 101 Persönlicher Raum in Lernumgebungen 554 Persönlicher Schreibtisch in Lernumgebungen 554 Personmerkmale 101 Perspektivische Überschriften 183 Phasen eines Softwareauswahlprozesses 495
Index
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Phi-Phänomen 240 PHP 464, 479 Piktogramme 186 Pinnwand 547 Pixelgrafiken 567 Planen 73 Planspiele 12, 581 PLATO 7, 9 Pluralistic Walkthrough 434 PNG 570 Podcast 465 Podcasting 550 Podcasts 352, 465, 571 Pop-out-Effekt 219 Port 480 Portalsysteme 625 Ausblick IT-Infrastruktur 624 Position und Funktion im Betrieb 101 Präattentive Prozesse 211, 246 Präferenzen 102 Präsentationen 110 Präsentationssequenz-Prinzip 60 Praxistest 496 Pressey 4 Prinzip der Prozesskontrolle 60 der Reihenfolge von Text und Bild 234 der Segmentierung 269 der Stimmauswahl 269 der Verarbeitungskontrolle 234 der zeitlichen Kontiguität 268 des Strukturabgleichs 234 Pretraining-Prinzip 269 Prinzipien 313 Privatsphäre und Lernstandskontrollen/ Nutzertracking 529 Problemanalyse 98 Problembasiertes Lernen 123 Probleme mit Ausführungsbeschränkungen 36 Problemformate 35 Problemlösefähigkeit 164 Problemlösekompetenz 123 Process worksheets 36 Produktevaluation 399 Produktion 107, 387 Produktionsabläufe für Lerninhalte 559 Produktorientierte Problemformate 35 Produkttraining 126 Produkt-zentrierte Messansatz 430 Programmiersprachen 108 Programmierte Instruktion 330 Progressive download 575 Projektakquisition 110 Projektbasiertes Lernen 31
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Index
Projektmanagement 109, 388 Systeme 621 Werkzeuge in Lern-/Arbeitsumgebungen 546 Projektplan 109 Projektunterricht 26 Prompting 334 Propädeutische Instruktion 24 Propositionales Netzwerk 56 Protokolle 546 Prototypenlehre 248 Provus’sches Evaluationsmodell 401 Prozedurale Aufgaben 148 Prozedurales Wissen 105, 147, 159 Prozeduren 313 Prozesse von Wissensobjekten 23 Prozessevaluation 399 Prozessorientierte Problemformate 36 Prüfungsverwaltung 499 (Pseudo)natürlichsprachige Eingaben 298 PSSUQ 438 Psychomotorische Fähigkeiten 37 Psychomotorischen Kompetenz 37 Public education 167 Pudure Usability Testing Questionare 437, 438 Pumping 334 Q QTI 583, 606 QTI – Question and Test Interoperability (E-Learning-Standard) 525 QTI – Standardisiertes 586 Qualifikationen 108 Qualifikationsbedarf 101 Qualifikationsdefizit 101 Qualifizierungsbedarf 100 Qualitätskontrolle 395 Qualitätskriterien 409, 410 Qualitätsmanagements 100 Qualitätsmängel 400 Qualitätssicherung 395 Qualitätszirkel 100 Querverweise 145 Question and Test Interoperability (QTIE-Learning-Standard) 525 Question-Asking-Technik 442, 444 Quicktime 575 QUIS 430, 437–439 R Rahmenhandlung 31 Rapid-Authoring 558 Werkzeuge 579, 583 Rastergrafiken 566
Räume 504 Raumsysteme 467 RealAudio 572 RealMedia 575 Rechenlast 463 Recherchieren 27 Rechte 107 auf Einträge 509 auf Werkzeugfunktionen 507 in Kursumgebungen 520 in Lernplattformen 502 Rechtesysteme in Lernplattformen 506, 509 Rechtevergabe in Lernplattformen 507 Rechteverwaltung in Lernplattformen 516 Rechtevorlagen in Lernplattformen 507 Rechtliche Aspekte von Lernstandskontrollen 526 Reduktive Verarbeitung 177 Redundancy Effect 48 Redundanzeffekt 48 Redundanzprinzip Allgemeines 48, 233, 236 Spezifisches 233, 268 Re-engineering 144 Reflection 29 Regeln des Interface Design 287 Regulieren 74 Reigeluth’s Evaluationsmodell 402 Rekonstruktive Verarbeitung 178 Relativer Bedarf 99 Relevanz Prozessaspekt 373 Zielaspekt 373 Relevanz des Lehrstoffs 373 Rendering von Lerninhalten 595 Reparaturen 110 Repositorien (Lerninhalte-Produktion) 599 Repositorien für Lerninhalte 591 Repräsentationsform 388 Request 479 Ressourcen 98, 107 Ressourcenbedarf – Anforderung an Lerntechnologien 494 Ressourcenorientierte Strategien 75 Retrospective-Testing-Technik 442 Return on Investment (ROI) 412 Re-use 144 Reverse problems 35 Rezeption 119 Rigidität 22 Rollen in Lernplattformen 502, 506, 507, 510 Rollenhandeln 31 Rollenverwaltung 516 Roll-Out-Phase 498 Romiszowski 37 Routinebildung 159 Routinisierung 37
RSS-Newsfeed 524, 550 RSS-Reader 524 Rückblicke 145 Rückblickende Reflexion 27 Rückmeldung 6, 21, 31, 38, 301, 327, 378 Verzögerte 333 Rückwärtssakkade 175 Rückwärtssprünge 175 S Sachliche Strukturierung 180 Sachstruktur 139 Samplingrate (Audio-Medien) 572 Satisfaction 420, 422, 428, 438 Satzbau 183 Säulenmodell 279 Scaffolding 29 Schachtelsätze 184 Scheinbewegungen 240 Schema-Assimilation 150 Schemata 43 Schlussfolgern 314 Schmeicheleien 307 Schnittstellen 499 Schnittstellenergonomie 420 Schreiben, online und kooperativ 534 Schreibtisch für Benutzer in Lernplattformen 504 Schriftgrad (Schriftgröße) 187 Schriftlage 187 Schriftmischung 187 Schriftstärke 187 Schulungsangebote, verfügbare – Anforderung an Lerntechnologien 494 Schwierigkeitsgrad 377 Schwierigkeitsniveau 378 SCORM 415, 605, 608 Kursmaterial 590 Manifest 590 Runtime Environment 528 Screenlayout 388 Elemente 419 Screen-Recording 430 Second Life 555 Segmentierung 140, 144 Seitenaufteilung 187 Selbstbeobachtung 405 Selbstbeschreibungsfähigkeit 423 Selbstbestimmungstheorie 366 Selbsterklärungsprinzip 124 Selbstevaluation 400 Selbstkontrolle 378 Selbstkontrolliertes Lernen 12 Selbstregulation 140 Selbstreguliertes Lernen 66 Selbsttest 27, 122, 123
Index
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Selbstwert 296, 333 der Lernenden 38 Selektion 177 Self-paced learning 129 Semantic Web 14 Semantische Kohärenz 176 Semantisch-syntaktische Verarbeitung 175 Sensorisches Gedächtnis 55 Sensorisches Register 55 Sequenz 298, 308 Sequenzierung(s) 144, 145 auf der Grundlage vereinfachter Bedingungen 147 des Lehrstoffs 22, 30 -methode 148 -muster 145, 147 -strategien 146 -verfahren 148 Server im Internet 466 Server im Intranet 466 Server-Betriebssystem 478 Service, verfügbarer – Anforderung an Lerntechnologien 494 Servlet-Engine 480 Session 480 Set-Top-Box 467 Severity rating 436 SGML 588, 592 Sharable Content Object Reference Model 608 Short-Answer-Formate 320 Sichere Verbindung 474 Sicherheitssoftware IT-Infrastruktur 617 Sichtstrukturen 157 Signalfarbe 216 Signaling Principle 185 Signaltöne 201 Signalwirkungen 330 Simulation 241, 259 Definition 260 Simulationen 580 Arten 261 Dateiformate 583 Modell-anwendende 261 Modell-bildende 262 Simulationsmodelle 300 Simulationsprogramme 12 Single Sign On 618 Single Sign-On 513 Situative Informationspräsentation 119 Situierung 29 Skinner 4 Skriptsprachen 479 SL – Second Life 555 Social Awareness 351
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Software 458, 469 auf Anwender-PCs 470 auf Server-/Anbieter-Seite 476 Softwareentwicklung 391 Softwareergonomie 420 Software-ergonomische Aspekte 87 Softwarequalität – Anforderung an Lerntechnologien 493 Soundeffekte 192 Soziale Einbindung 382 Soziale Kooperationsskripts 348 Spannung 196 Spesen 110 Spiegelstriche oder Nummerierungen 186 Spiralsequenz 146 Spiralstruktur 145 Spitzmarken 185 Splicing/correcting 334 Split Attention Effect 47 Sprache 192 Sprachstil 201 Sprechertexte 571 Sprechgeschwindigkeit 202 Sprechtempo 196 Sprechtext 201 Sputnik-Schock 6 SSO 513 Stake’sches Evaluationsmodell 401 Standardisierung E-Learning-Qualität 607 Gebiete 605 Ziele der 604 Standardisierungs-Organisationen 612 Standards 603 im Bildungsbereich 604 STAR LEGACY 27 Statische Webseiten 479 Stellvertretende Handlungsentscheidungen 268, 298 Steuerbarkeit 423 Steuerungscodes 214, 253 Explizite 215, 250 Implizite 215, 250 Steuerungsinstanz 119 Stochastisch-gesetzesmäßige Aussagen 19 Storyboard 109 Storyboardentwicklung 388 Strategien zum kooperativen Lernen 74 Strategien, kognitive 166 Strategisch – politische Funktion 397 Strategische Vorgehensweise 141 Streaming Media 575 Streaming Server 575 Structure Mapping 234 Structure-Mapping-Prinzip 60 Studienauskunftssystemen 499 Stufflebeams CIPP-Modell 399, 401
Stufflebeams Evaluationsmodell 399, 401 Subjektiv empfundener Bedarf 99 Summarizing 334 Summative Beurteilung der Usability 425 SVG 570 Symbolische Repräsentation 195 Symbolsysteme 87 Synchrone Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge 553 Synchrones Lernen 506 Synonyme 185 Syntaktische Kohärenz 175 Systematische Konzeption 84 Systemkonfiguration, Lernplattformen 519 Systemverwaltung, Lernplattformen 519 Systemverwaltungsfunktionen 520
Top-Down (Auswahlprozess Lerntechnologien) 489 TOTE-Einheiten 331 Tour-Maps 298 Träges Wissen 23, 25 Training der Lesestrategie 166 Trainingsstrategie 32 Transaktionen 23 Transfer fördern 295 Transferförderung 38 Transferwahrscheinlichkeit 30 Transformieren 313 True Answer-Format 318 Tuning 461 Typisierte Handlungsabläufe 30 Typografische Aspekte 186
T
U
Tabellen-Kalkulation, online & kooperativ 533 Task Selection Bias 449 Tätigkeitsanreize 365, 379 Taxonomie der Wissensarten 106 Taxonomien von Interaktionen 295 Techniken von Usability Tests 444 Technologisch transformierte Aussagen 19 Technologischen Aussagen 19 Teilfähigkeiten 33 Teilnehmende Beobachtung 405 Teleconferencing 111 Telekommunikationskosten 110 Teleseminare 102 Teleteaching 299 Teletutoring 111 Testinstallation 461 Testlänge 377 Testphase 495, 498 Tests 404, 406, 407, 583 Kriteriumsorientierte Tests 407 Normorientierte Tests 406 Textformate 588 Textgestaltung 183 Textverarbeitung, online & kooperativ 533 Textverstehen 174 Thematische Überschriften 183 Thematischer Apperzeptionstest 361 Theoretische Elaboration 147 Theoretische Elaborationssequenz 147 Theoretische Kompetenz 147 Theorieorientierte Evaluationsinstrumente 407 Thinking aloud 441–443 Thumbnails 536 TICCIT 7 Tiefenstrukturen 154 TIFF 570
Üben der Teilaufgaben 32 Überblicke 145 Übergang 198 Überschriften 183 Überwachen 73 Übungen und Tests 525, 583 Übungs- und Anwendungsaufgaben im 4C/ID-Modell 35 Übungsaufbaus 38 Umgebungsbedingungen 17 Umgebungsgeräusche 199 Umgekehrte Probleme 35 Umklammerung 184 UML 105 Unterhaltung 195 Unterlegung 185 Unterricht 17 Unterstützung des Textverstehens 179 Usability 403, 412 Anforderung an Lerntechnologien 493 Usability Inspection Techniken Cognitive Walkthrough 432 Fragebögen und Checklisten 443 Heuristische Evaluation 434 Usability Testing 438 Untersuchungsziele 444 Usability-Aspekte 422, 445, 446 Effektivität 399 Fehler 399 Zufriedenheit 399 Usability-Test 425, 428, 429, 433, 437, 442, 444–447, 496 Usability-Testing-Techniken Assessmenttest 445 Comparsion Test 446 Exploratory Test 445 Validation Test 446
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User-Centered-Design 426 User-Effekt 449 V Validation Test 446 Variabilität von Vorgehensweisen 30 VB-Sequenz 148 Vektorgrafiken 566 Verdeckte Beobachtung 405 Vereinfachte Bedingungen 148 Sequenzierung 149 Vergleichende Usabilityevaluation 427 Verhaltensrecording 404, 406 Versicherungen 110 Verstärkungswirkung 330 Verstehen fördern 295 Versuchsleiter-Artifakte 413 Vertrautheit 375 Vervollständigungsprobleme 35 Verwaltungsfunktionen von Lernplattformen 519 Verwaltungssysteme 499 Verzeichnisdienste 513 Verzweigte Lehrprogramme 6 Video 241 Definition 264 Einsatzmöglichkeiten 266 Video-Blogs 551 Videoeinbindung in Lernprogramme 12 Video-Galerien 551 Videokonferenz-Software 470 Videokonferenzsysteme 466 Videokonfrontation (Retrospective-TestingTechnik) 442 Video-Medien 573 Video-podcasts 123 Videoproduktion 391, 573 Videosequenzen 109 Vierkomponenten-Modell 84 Virenscanner 470, 471 Virenschutzprogramme 472 Virtuelle Arbeitsgruppen 14 Virtuelle Experteninterviews 32 Virtuelle Lernwelten 555, 580 Virtuelle Seminarumgebungen 555 Visuelles Testen Bildbeschriftung 225 Bildergänzung 225 Bildkorrektur 225 Zeichentest 225 Volition 363, 382 Vollzugsanreiz Tätigkeitsspezifisch 365 Vorbis 572 Vorstudie 495 Vorwärtssakkade 175
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Vorwärtssprung 175 Vorwissen 21, 101, 227 Darstellungsspezifisches 228 Themenspezifisches 227 W Wahl der Druckschrift 187 WBT 487 Web-basierte Lernumgebungen 37 Webbrowser 470 Web-CMS 500 Webeditoren 108 Weblink-Sammlung 531 Weblog 352 Weblogs 524, 550 Webseiten, kooperativ gestalten 538 Webseitenveröffentlichungen in Kursumgebungen, Rechte in Kursumgebungen 538 Webserver 470, 478 „Weiter“-Button 299 Weltwissen 213 Wer-ist-Online-Funktion 529 Werkzeug in Lernplattformen 506 Wettbewerbscharakter 332 Widerstände gegen E-Learning 497 Wiederholungsstrategien 72 Wiederverwendbarkeit 144 Lerninhalteproduktion 589 Wiederverwendbarkeit von Lerninhalten 559, 561, 564 Wikis 352, 534, 541 (Lerninhalte-Erstellung) 596 Windows Media 575 Windows Media Audio 572 Wirtschaftlichkeit – Anforderung an Lerntechnologien 494 Wissen 21 Wissens- oder Denkfehler 333 Wissensanalyse 24, 33, 144 Wissensanwendung 119 Wissensarten 37 Wissensdiagnose 12 Wissenserwerb 329 Wissenslandkarten 591 Wissensnutzungsstrategien 73 Wissensobjekte 23 Wissensverwaltung (Systeme) 622 WMAAudio Lossless Coding 572 Worked Example Effect 47 Worked examples 35, 124, 349 Worked-out examples 35, 124, 349 Worterkennung 175 Wortwahl 183 Wortwahl, Satzbau, Eindeutige Bezüge 183 WYSIWYG-Editoren 534
X XML 588, 592 XML-Editoren 593 XML-Lerninhalte 593 XSLT-Transformation 595 Z Zeilenabstand 187 Zeilenlänge 187 Zeit 107 Zeitaufwand 14 Zeitbedarf 108, 109 Zeitliche Kategorisierung 248
Zeitlicher Zoom Temporal zooming in 252 Temporal zooming out 252 Zentrale Authentifizierung 618 Zentrale Autorisierung 618 Zentrale Softwarewartung 618 Zielfreie Probleme 35 Zielorientierung 400 Zielspezifizierung 113 Zufriedenheit 379, 422 Zuhören 193 Zuordnungsaufgaben 319 Zusammenfassen von Textinhalten 177 Zusammenfassungen 182 Zwei-Weg-Kommunikation 120 Zwischenmenschliche Distanz 306
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