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URBAN & FISCHER
S. Frauenknecht, K. Lieb
Last Minute Psychiatrie und Psychot...
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ast rninute Psychiatrie \ I
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URBAN & FISCHER
S. Frauenknecht, K. Lieb
Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie
ln der Re ihe Last Minute ersc heinen folgende Titel:
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Last Mi nute Ana tomie Last Minute Biochemie Last Min ute Chirurgie Last Mi nute Gynäkologi und Geburt hilfe La t Minute Innere Medizi n La t Minute Mikrobiologie Last Minute eurologie La t Mi nute Pädiatrie La t Mi nute Pat hologie Last Minute Pharmakologie Las t Mi nute Phy iologi La t Minute Psychiatrie und P chotherapie
Sabine Frauenknecht, Klaus Lieb
Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie 1. Auflage
ELSEVIER
URBAN & FISCHER
München
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urba n & Fi eher Verlag, Hackerbrücke 6, !\0335 Mün hen E-Mail: medizinstud ium@elsev ier.de Wichtiger Hinweis für den Benutzer
Die Erkenntnisse in der Med izin unte rl iegen laufendem Wandel durch Fors hung und klinische Erfahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große orgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk g _ machten therapeutischen Angaben (insbesondere hin i.chtli h Indikation, Dosierung und unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da entbindet den utzer diese Werkes ab r nicht von der Verpfl ichtung, an band weitere r chriftlicher Information quellen zu überprüfen , ob die dort gema ht 11 Anga ben von denen in diesem Buch abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zutreffen. Für die Vollständigke it und Auswahl der aufgeführten Medibm nte übern immt der erlag kei ne ewähr. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in de r Regel be onder kt:nntli h gema ht ( 1 ). Aus d 111 Fehlen eines solchen Hinwei es kann jedoch nicht automatis h ge chlosse n werden, dass es sich um ein l1 freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet die e Publikation in der D uts hcn ati onalbibliografie; d t il lierte bibliografische Daten sind im Internet über htlp://dnb.d -nb.d abr ulbar. Alle Rechte vorbehalten I. Auflage 2011 © Elsevier Gmb H. München
Der Urban & Fischer Verlag i t ein lmprint der Elsevier GmbH. 11 12 13 14 15
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Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial iehe Abbildung nac hwei . Das Werk einschließlich aller einer Teile ist urh eberrechtlich ges hützt. Jed erwertung auß rhalb der eng 11 Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu timm ung des Verlag un zulä sig und strafbar. Da' gil t in be sondere für Vervielfaltigungen, Übe r etzungen, Mikrover.fi lrn ungen und die Ei n .1 ci ·herung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. · Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Berufs- und Personenbez i hnung n di grammatika li eh maskuline Form gewählt. elbstver tändlich sind in di en .Fällen immer Frauen und Männer ge mei nt. Planung: Chri tina Nuss baum, Katja Weimann, Dr. med. onstan Spring, EI evier Deut bland. Mün hen Lektorat: Dr. nat. med. Anke Kopacek, häfller & Kollege n mbH , ugs burg Herstell ung: Peter Surterli tte, Elsevier Deuts bland, Mün hen Satz: abavo GmbH, Buchtoe/Deut eh land; TnQ, hennai/!ndien Druck und Bindun g: Printer Trento, .lt ali n Umschlaggestaltung: p.ie zDesign, eu-Ulm Titelfotografie: Gettylmages/Kick lmages/T i H i Fung ISB 978-3-437-43013-8
Aktuelle lnformati n n finden i" im lnl rnct unter www.e\sevler.de und www.elsevl er.com
Vorwort Zur Vorbereitung auf das "Hammerexamen" ist mittlerweile eine große Stofffülle innerhalb kurzer Zeit zu bewältigen. Die Faszi nation und Lebendigkeit vieler Fächer bleibt dabei oft auf der Strecke. Auch die Psychiatrie und Psychotherapie kommt dadurch manchmal "unter die Räder". Im Alltag vieler anderer Disziplinen der Medizin sind jedoch psychiatrische Problemstellungen von Bedeutung und bilden häufig "Stolpersteine" im Umgang mit den Patienten und Patientinnen. Es ist uns ein Anliegen, auch den zunächst "U ninteressierten" auf diese Herausforderungen aufmerksam zu machen und ihm das nötige "Handwerkszeug" mitzugeben, um entsprechende Situationen zu meistern. Der Last Minute Psychiatrie und Psychotherapie bietet eine effektive und prüfungsbezogene Vorbereitung für das "Hammerexamen". Er vermit telt die klinisch bedeutsamen und prüfungsrelevanten Inhalte in lebendiger Sprache und übersichtlichen Lerneinheiten. Er kann sowohl als Lektüre für Einsteiger als auch zur Wiederholung bereits erarbeiteten Wissens verwendet
werden . Er verbindet die Stoffwiederholung im Buch mit der Möglichkeit, on-line auf mündliche und schriftliche Prüfungsfragen zuzugreifen. Für ihre wertvollen Beiträge, Kommentare und Anregungen bedanken wir uns bei Frau Dr. med. Renate Böhme, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Müllheim, Frau Dr. med. Elke Gorenflos, l~ achärztin für Psychotherapeutische Medizin, Freiburg und Herrn Dr. med. Frank Gorenflos, Facharzt für Allgemeinmedizin, Freiburg. Frau Manuela Kremerdanken wir für die sekretarielle Unterstützung bei der Manuskripterstellung. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine gute, abwechslungsreiche Prüfungsvorbereitung, viel Erfolg bei den Prüfungen im Staatsexamen und anhaltendes Interesse für psychiatrische und psychotherapeutische Herausforderungen! Freiburg und Mainz, Januar 2011 Sabine Frauenknecht und Klaus Lieb
Benutzerhinweise Prüfungsrelevanz Die Elsevier- Reihe La t Minute bietet Ihnen die Inhalte, zu denen in den Exam ina der letzten fünf Jahre Fragen gestellt wurden . Ei ne Fa rbkennung gibt an, wie häufig ein Thema gefragt wurde, d.h. , wie prüfungsrelevant es ist: • Kapitel in violett ke nn zeichnen die Inhalte, die in bisherigen Exam ina sehr häufig geprüft wurden. • Kap itel in grün kennzeichnen die Inhalte, die in bisheri gen Examin a mittel mäßig häufig geprüft wurden. • Kapitel in blau kennzeichnen die Inhalte, die in bisherigen Examina eher seltener, aber immer wieder mal geprüft wurden.
Lerneinheiten
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Da ge amte Bu h wird in Tage -Lernein heilen unterteilt. Die e ' erd n durch eine " Uhr'' darge teilt: Die Ziffer gibt an, in welcher Tag Lerneinhei t man i h befi ndet. Jede Tages -Lerne inh eit i t in se hs Abschnitte un tertei lt: Der au gefüllt Bereich zeigt, winveit ie fortges hr.itten .ind . Und online tinden Sie zum Buch • Original IMPP -Fragen • zu jedem Kapitel typ ische Frag n un d An two rten aus der mündlichen Prüfung.
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Merkekasten: Wichtige Fakten, Merkregeln.
Zu atzwi en zum Thema, z.B. zusätzliche klini he Informationen .
Adressen Prof. Dr. med. Klaus Lieb Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsmedizin Mainz Untere Zahlbacherstr. 8 55131 Mainz
Dr. med. Sabine Frauenknecht Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Schwarzwaldstr. l 79117 Freiburg
Abkürzungen SHT ADHS ADS AIDS ANA ANCA APP ApoE4 BA BDNF BGB BMI BPS BSG BSP CAG CK CO COMT CREB CRP CYP CT DSM EEG EKT EMDR 18FDG fT3 fT4 GABA GAS GOT GPT GT
5-Hydroxytryptamin Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsyndrom Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom Erworbenes Immunschwächesyndrom (acquired immune deficiency syndrome) Antinukleäre Antikörper Antineutrophile Zytoplasmatische Antikörper Amyloidvorläuferprotein (amyloid precursor protein) ApolipoproteinE Brodmann-Area Brain-derived neurotrophic factor Bürgerliches Gesetzbuch Body-Mass-Index Boder Ii ne-Persönlichkeitsstörung Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit Bandscheibenprolaps Cytosin -Adenin-Guanin Kreatinkinase Kohlenmonoxid Catechol-0 -Methyltransferase cAMP response element-binding protein ( -reaktives Protein Cytochrom P Computertomografie Diagnostic and Statistkai Manual of Mental Disorders Elektroenzephalografie Elektrokonvulsionstherapie Eye movement desensitization and reprocessing Fluordeoxyglucose freies Trijodthyronin freies Thyroxin y- Aminobuttersäure Generalisierte Angststörung Glutamat -Oxalacetat-Transaminase Glutamat-Pyruvat-Transaminase (heute: Alanin-Ami not ransferase) Glutamyltransferase
HIV ICD i. m. IPT IQ i. V.
LSD· MAO MDMA MRT Ncl. NMDA NPH NW PET PS PTBS REM RLS SAS SNDRI
SNRI SSNRI
SSRI StGB TIA TZA TSH WHO ZNS
Humanes Immundefizienz-Virus (human immunodeficiency virus) International Classification of Diseases intramuskulär Interpersonelle Psychotherapie Intelligenzquotient intravenös Lysergsäu rediethylamid Monoaminooxidase 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin Magnetresonanztomografi.e Nucleus N-Methyl-D-Aspartat Normaldruckhydrozephalus (normal pressure hydrocephalus) Nebenwirkung Positronen-Emissions-Tomografie Persönlichkeitsstörung Posttraumatische Belastungsstörung Schnelle Augenbewegung (rapid eye movement) Restless-legs-Synd rom Schlafapnoe-Syndrom Selektive Noradrenalin-DopaminWiederaufnahmehemmer (serotonin-norepinephrine-dopamine reuptake inhibitor) Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (selective norepinephrine reuptake inhibitor) Duale Seroton in- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (Seroton in-norepinephrine reuptake inhibitor) Selektive Seroton in-Wiederaufnah mehemmer (selective serotonin reuptake inhibitor) Strafgesetzbuch Transitorische ischämische Attacken Trizykl ische Antidepressiva Thyroidea stimulierendes Hormon World Health Organization Zentrales Nervensystem
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1 Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie Das Fachgeb iet Einteilung psychischer Erkrankungen Häufigkeit, Ursachen und Versorgung . 0
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2 Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik Grundlagen Psyc hopatho logie psychischer Erkrankungen Zusatzdiagnostik . Vom Symptom zur Diagnose 0
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3 Pharmakologische Behandlung psychischer Erkrankungen und andere biologische Therapieverfahren Antidepressiva Stimmungsstabilisierer. Antipsychotika o Anxiolytika und Hypnotika Antidement iva . Psychopharmaka bei Abhängigkeitssyndromen o Psychestimu lanzien Psychopharmakatherapie unter speziellen Gesichtspunkten Das Cytoc hrom-P450-System . Andere biologische Therapieverfahren 0
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6 Affektive Störungen Definition und Klassifikation Verlaufsformen und Epidemiologie Symptomatik Diagnostik und Differenzialdiagnostik Ätiologie, Therapie und Prognose .. 0
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5 Organische psychische Störungen Ätiologie und Klassifikation Demenzen . Organisches amnestisches Syndrom .. Delir . Organische psychische Störungen zweiten Ranges 0
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4 Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren .. . Einführung Verhaltenstherapie Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren .... Gesprächspsychotherapie Paar- und Familientherapie Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback Supervision, Soziotherapie und Psycheedukation 0
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Inhaltsverzeichnis
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Tag2 .. . ... . . ........ ... ................. . . . . ... ... ........... . . . . . . .
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7 Schizophrenien . ...... . ... . . . . .. .. . .... . ............... . ... . . .. . ... . .
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Definition und Epidemiologie .. . ... . . . . . . . ... . . .... ...... .. .. .. ... .... . Symptomati k, Subtypen und Komorbidität. . .. . ..... ... . . ..... . ... . ... .. . Verlauf und Ätiologie . . ... . ..... . . . . . .......... . ... . ...... . ....... . . . Diagnostik und Differenz ialdi agnose . ... .. . .... . .. . . . . . ......... ... . ... . Therapi e ... . . .... . . ..... . . . .. .. . . . . .... . .. .. ........... . .......... . Prognose ... .. . ..... . ... ... ... . ... . . . . . .... .. . . ... . ..... . .. ....... . !CD-Klassifikation .. . .... . .................. . . .. .... .. ........... . .. . Schizotype Störung .. .. .. .. . . .. . .. . ... . . .. . .. . . . . ... . . .. . . . ....... . . . Anhaltende wahnhafte Störungen .............. .. .. . ....... ... . .. . . . .. . Vorübergehende akute psychot ische Störungen .. . . ... . ....... . .. .. .. . . . . Induzi erte wahnh afte Störung .. . . .. . ........... . .... .. . .......... . . . . . Schizoaffektive Störungen . . ..... . .... ... .. .. ..... . ... . .. .. . . ...... .. .
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9 Abhängigkeitserkrankungen von psychotropen Substanzen . ............ . . .
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8 Andere psychotische Störungen ..... . . . . . . ...... . .... ... . . .. .. .. . .. .. .
Definitionen und Grundtagen ... ........ . . .. .. .. . . . .......... . . . .... . . . 100 Störungen durch Alkohol .... . .. ....... . .............. . .... ... . .... .. . 102 Störungen durch Drogen . .. ..... ...... . . . .. . . . .. . .......... .... . . .... . 106 Medikamentenmi ssbrauch und -abhängigkeit .. ..... .. ...... .. . . . .. .... . . 108 Störungen durch Tabale ..... . ........ ... .. . . . .. ... . ... .. . . . . . ... .. .. . 109
10 Angst und Zwang, dissoziative und somatoforme Störungen ..... ..... .. . . . Der Neurosebegriff .. ... . ........... . .. .................. .. .. ..... . . . Angststörungen ... . .. . .. .. ...... . ...... . .. ..... ............... . .... . Zwangsstörungen . . . ............ .. . .. .. ............ . ...... .... ... .. . Dissoziative Störungen . .. .. . . .. . .............. . .. . . .. ............... . Somataforme Störungen ..... .. . .. .. .. . ... .. . .. ....... ......... ...... .
111 112 11 2 123 127 131
11 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen . ..... .. .. . 137 Einführung . . . .... .... .. .... . . . . . . .... .... .. ... . . ..... .. . . . . ... ... . . 138 Anpassungsstörung . .. ....... . . . ...... ...... ..... .... . . . . .... ... . .. . 138 Akute Belastungsreaktion ... . . ...... . .. ..... .. . . . . . . .. . .. ... .. . .. . . . . 140 Posttraumatische Belastungsstörung .......... . ............. . .... .. . . . . 142
12 Persönlichkeitsstörungen .. . . ...... . ... ............ .. . .. . .. . .. ... .. . . 145 Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung ......... .... . .. . ............ . 146 Ängstlich-ve rmeidende Persönlichkeitsstörung .......... . . .. . . . . ... ... . . . 149 Abhängige Persönlichkeitsstörung ............... . . .. .... . .. ...... ... . . 150 An ankastische Persönlichkeitsstörung .......... . ... . .. . .... .. ......... . 151 Dissoziale Persö nlich ke itsstörung ..... . .. .. ... . . .. . .. ... ... . .. ....... . . 151 Emotional- instabile Persönlichkeit sstörung .. .. . ... . ... ...... .. . . . ... .. . . 152 Histrionische Persönlichkeitsstörung . ..... ......... ... . .. . . . . .. .. .. ... . 155 Narzisstisch e Pe rsönlichkeitsstörung ........ . . ....... . ..... . . .... ..... . 156 Paranoide Persönli chkeitsstörung . .. . .... ... ..... ........ . ............ . 156 Schi zoide und schi zotype Persönlichkeitsstörung .. ..... ..... .. .. ... . .... . 157
@) Tag3 .. . ... .. . . ... . ... .. . . . . .......... . .. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
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13 Störungen der Impulskontrolle und andere lang anhaltende Verhaltensstörungen ......... .. . . .. . ... . ............... ... . . ....... .
159 XI
Inhaltsverzeichnis
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Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impu lskontrolle ........ . . .. .... ADHS im Erwachsenen alte r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter. .... . ........................ . .. Sta lking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14 Sexualstörungen . ................ . .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sexuelle Funktionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Geschlechtsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Sexua lpräferenz. .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung ............. . . . ................ ....... ............. .. ... Dyssomnien ......... . ........ . ........................ . ............ Parasomnien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafstörungen bei körperlic hen und psychischen Erkrankungen . . . . . . . . . . .
175 176 177 179 181
16 Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung .. .. ...................... . ............ .... ..... .... ..... Anorex ia nervosa .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bulimia nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Binge eating disorder ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183 184 185 187 189
17 Psychische Störungen bei Kindern und jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . ......... . .............. .... .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . Um schriebene Entwicklungsstörungen .. . ..................... . ........ . Tief greifende Entwicklungsstörungen . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ADHS im Kindes- und Ju genda lter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen sozialer Funktionen und des Sozialverha ltens ... . . . . . . . . . . . . . . . . Emotionale Störungen des Kindesalters .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Essstörungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlafstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Auss cheidungsfunktion .............. ... . .... ..... ....... Dissoziative und somataforme Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tic -Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deprivatio n und Misshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substanzmissbrauch und Sucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychosen des schizophrenen Formenkreises und organische Psychosyndrome ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intelligenzminderung ..... . ..................................... . ....
191 192 193 195 196 198 199 201 202 202 204 205 206 208 208 209
18 Psychiatrische Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung .... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbringungsgesetze de r Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betreu ungsrec ht ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurt eilung von Geschäfts-. Te sti er- und Einwilligungsfähigke it . . . . . . . . . . . . . Strafrecht. ...... .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial- und versicherung smedi zinische Beguta chtun g ..................... Fahrtauglichkeit bei psychisch n Erkra nkun gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweigepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie Klaus Lieb
Das Fachgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einteilung psychischer Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Häufigkeit, Ursachen und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie
Das Fachgebiet Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie umfass t die Diagnostik, Therap ie und Präventi on psychischer Erkrankungen sowie deren Erfor chung und Lehre. Damit fokussiert das Fach auf Erk rankungen des zentra len Ne rve nsystem , bei denen eine psychische Symptomatik im Vordergrund der Störung steht. Im Gegensatz dazu befasst sich die Neurologie mit der Diagnostik, Therapie und Prävention organi scher Erkrankungen des ze ntralen , peripheren oder vegetativen Nervensys tems, bei denen eine psychisc he Symptomatik nicht im Vordergrund der Stör un g steht. Früher wurde n beide Fächer zum Fach "Nervenheilkunde" vereint, heu te sind die Facharztweiterbildungen jedoch getrennt - bis auf je ein Jahr verpflichtende Weiterbildung- und spezifi eh auf das jeweilige Fach ausgerichtet. Früher gab es außerdem nur einen Facha rzt für Psychiatrie. Heute heißt er Facharzt fUr Psychi· atrie und Psychotherapie, womit verdeutlicht wird, dass Psychiater nicht nur Medikamente verordn en, sondern auch psychotherapeutisch und sozia ltherapeutisch tätig sind.
In der langen Gesch ichte der Psych iatr ie gab es immer wieder Phasen, in denen - häufig auc h aus ideo logischen Gründen - biologische, psychologische oder oziale Ur ac hen psychischer Erkrankungen in den Vo rde rgrund des Forschungsin teresses rü ckten. So en tstanden Begri ffe wie" ozialpsychiatrie" oder "biologische Psychia trie". Heute wissen wir, da s be i allen psychischen Erkrankungen psychologische, neurobiologi ehe, omati ehe und soziale Faktoren in unterschiedlichem Maße beteiligt sind und deshalb grundsätzlich immer eine multi dimensionale Betrac htungsweise be i Diagnostik und Therapie psychischer Erkra nkungen gefordert is t. Das Fach Psychiatrie und Psychotherapie hat immer noch mit großen Vo rurteilen zu kämpfen. Wen n olche Vorurtei le Menschen mit psychischen Erkrankungen betreffen, pricht man auch von e.iner Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. Gute Kenntnisse de hchs können einer Stigmat isierung entgegenwirken: Wissen schUtzt nicht nur vor Fehlurteilen, sondern auch vor Vorurteilen.
0 Worin unterscheidet sich das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie von der Neurologie?
Einteilung psychischer Erkrankungen Triadisches System Das triadische Sy tem bietet einen leichten Ein stieg in die Eintei lung psychi eher Erkrankungen. In der I D-10 wird es jedoch nicht angewendet. Es teilt psychische Erkranku ngen nac h deren angenommener Ätiologie in drei Grup pen ein: • Psychogene Störungen : Erkrankungen, deren Ursache vornehmlich in psychologischen Faktoren zu sehen i t, z. B. abnorme Erlebnisreaktionen, "Neurosen" und Persönlich keit störungen • Endogene Psychosen : Erkrankunge n, bei d nen eine organi ehe Ursa he angenommen wird, die abe r bish r nur bruch tü k.haft aufgeklärt sind , z. B. chizophr ni n und affektive Störungen 2
• Organische Psychosen: Erkrankun gen, bei denen der p ych ischen Störung ei ndeutig eine organi ehe Ur ache zugrund e liegt. Moderne Klassifikationssysteme In den modernen Klas ifika t.ionssystemen wurd die ätiologi ehe in teilung aufgegeben. ie klassifizieren p ych ische Erkrankun gen im Wesentli hen nach phänomenologischen Gesichtspunkten wie ymptoma tik, hwer grad und Ve rl auf. In der 10. Version der International Classification of Diseases (I D-10) werden p ychi ehe Erkrankunge n in n un diagnosti. h Hauptgrup pen e i ngetei l t( ~ Tab. 1.1). Die Einteilung des tri adi hen ·y tem in "p y hogc::n , törung n' und "endogen töru ngen" wurde kompl tt auf-
gegeben, weil man davon ausgeht, dass bei allen psychischen Erkrankungen psychologische und organische Faktoren eine Rolle spielen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die Klasse der organischen psychischen Störungen wurde mit der Diagnosegruppe FOX. X aufrechterhalten. • Das triadische System teilt psychische Er. krankungen nach deren Ätiologie in psychogene, endogene und organische Störungen ein • Die modernen Klassifikationssysteme haben diese ätiologische Einteilung aufgegeben und teilen psychische Erkrankungen nach phänomenologischen Gesichtspunkten ein, z. B. Symptomatik, Schweregrad und Verlauf.
Tab. 1.1 Diagnostische Hauptgruppen der ICD·10 Organische einschließlich somati· scher psychischer Störungen Psychische und Verhaltensstörun gen durch psychotrope Substan zen. Früher: Suchterkrankungen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Affektive Störungen. z. B. Depression, Manie und bipolare Störung Neurotische. Belastungs- und somatoforme Störungen • Angststörungen • Anpassungsstörungen • Somataforme Störungen • Dissoziative Störungen VerhaltensauffäHigkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen oder Faktoren • Essstörungen, z. B. Anorexie und Bulimie • Schlafstörungen lntelligenzm ind eru n g Entwicklungsstörungen Verhaltens- und emotionale Stö· rungenmit Beginn in der Kindheit und Jugend
0 Nach welchen Kriterien werden psychische Erkrankungen im triadischen System und der ICD-10 eingeteilt?
Häufigkeit, Ursachen und Versorgung Häufigkeit psychischer Erkrankungen Gute Kenntnisse im Fach Psychiatrie und Psychotherapie sind fü r alle Ärzte wichtig, da psychische Erkranku ngen zu den häufigsten Erkranktmgen überhaupt gehören und die meisten Patienten mit psychischen Erkrankungen nicht von Fachärzten fü r P ych.iatrie und Psychothe rapie, sondern von Hausärzten und Ärzten anderer Disziplinen behandelt oder zumindest initialgesehen werden. Prävalenzen aller psychischen Erkrankungen: • Lebenszeitprävalenz: Ca. 43 % aller Menschen en twickeln innerhalb ihres Lebens minde tens einmal eine psychische Störung
• 12-Monatsprävalenz: Ca. 30% aller Menschen entwickeln innerhalb ei nes Jahres irgendeine psychische Störung • 1-Monatsprävalenz: Ca. 20% entwickeln innerhalb eines Monats eine neue psychische törung. Die häufigsten psychischen Störungen sind somatoforme Störungen, Phobien, Depressionen und Suchterkrankungen (-+ Abb. 1.1). • Psychische Erkrankungen sind mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 43 % sehr häufig. Am häufigsten sind somatoforme 3
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Einführung in die Psychiatrie und Psychotherapie
DSM-IV-Diagnosen
ln Mro. der Bevolkerung
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Ar gstst
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Somataforme
Störungen~::::==!====F===t======f==~F:__+--j Prävalenz (%] 0
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(GAE= Generalisierte Angsterkrankung)
Störungen, Phobien, Depressionen und Suchterkrankungen • Laut Berechnungen der WHO gehören weltweit von allen körperlichen und psychischen Erkrankungen Depressionen, Schizophrenien, bipolare Störungen und Alkoholerkrankungen zu den zehn Erkrankungen, die am stärksten die Lebensqualität beeinträchtigen. Ursachen psychischer Erkrankungen
Psychische Erkrankungen entstehen .immer durch ein komplexes Zusa mmenspiel von: • Biologischen Faktoren, z. B. gene ti sch~, entwicklungsbiologische und neurochemi sche Parameter • Psych ischen Ursachen, z. ß. L rnerfahrungen und Traumatisi.eru ngen • Sozialen Einflüssen, z. ß. Arbeitslosigkeit, Armut, Belastungen am Arbeitsplatz. Je nach Erkrankung haben jedoch biol.ogis he Urachen ein unterschiedlich ·tark s ew icht. Während etwa Depres ionen und Persönli hkcitsstörungen nur zu ca. 30 % dur h biologische Fakto4
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Abb. 1.1 12-Mo natspräva lenz verschiedener psychischer St örungen [V 485)
ren bedingt sind, sind es 60- 80 % in der Genese bipolarer törungen und Schizophrenien. Diese Gewichtung hat Konsequenzen für die Therapie, da bei. stärkerer biologischer Verursachung eher Medikamente und bei weniger stark ausgeprägten biologischen Faktoren eher Psychotherapien zum Einsatz kommen. Immer sollte das Behandlungskonzept jedoch bio-psycho-sozial sein. Insbesondere Patienten mit schweren Störungen profitieren von einer 111erapie, die Pharmaka-, Psycho- und oziotherapie vereint. Versorgung psychisch Kranker in Deutschland
Von den gesamten Gesundheitsausgaben werden ca. 10 %, also mehr als 20 Milliarden Euro, für psychische Erkrankungen ausgegeben. Am teuersten sind die Behandlungen von Demenzkranken und depressiven Patienten mit Erkrankungen aus der Gruppe F4, zu denen z. B. neurotische Störungen sow ie Bela tungs- und somatoforme Störungen zlihlen. Die hoh en Kosten kommen ni ht nur dur h direkte Krankheitskoste n zustand , sondern au h dur h indirekte Kosten, z. R. Arbeitsunfahigkcit.
Ca. 80 % aller psychisch Kran ke n werde n nicht von Fachärzten, sondern vo n Hausärzten behandelt. 25% der dort behandelten Patienten haben primär ein e psychische Erkrankung. Im Vordergrund stehen dabei depressive Erkrankungen, Angst- und Alkoholstörungen sowie somatafo r-
Die meisten psychisch Kranken werden ambulant behandelt. In ca. 6% der Fälle kommt es zu stationären Krankenhausbehandlungen. Die Liegedauer in den Kliniken ist konti nuierlich gesunken und liegt aktuell bei durchschnittlich 25 Tagen.
me Störungen .
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0 Wie häufig sind psychische Erkrankungen und welche gehören zu den häufigsten Erkrankungen?
0 Was lässt sich grundsätzlich zur Ätiologie psychischer Erkrankungen sagen?
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
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Sabine Frauenknecht Grundlagen
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Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
Grundlagen Die psychiatrisch-psycho therape utische Dia gnostik basiert im Wesentlichen auf dem Gespräch mi t dem Patienten und der Verhaltensbeobachtung. Es gibt bis heute kei nen Messpara meter wie Laborwert oder Befun d aus Bildgebungsve rfahren, mit dem ein e psychiat rische Diagnose gestellt we rden kann. Den noch gehören die körperliche Untersuch un g und die appara tive Zusatzdi agnos tik zu jeder psychiatrischen Diagnostik, da mit Hil fe dieser Verfahren andere Ursachen einer psychi schen Stö rung ausgeschlossen werden, etwa eine Schildd rüsenun terfunktion als Ursache einer Depres ion. Zu jeder vollständigen psychiatri chen Untersuch ung gehören: • An amnese • Psychischer und kö rpe rli cher Befun d, auch mit Hilfe appa rative r Zu atzdi agnostik • Stellen der Diagnose und Abwägen von Diflerenzialdiagnose n (-+ Tab. 2.1 ).
Tab. 2.1 Inha lte ei ner vo llstä nd igen psychiatrisc hen Unters uchu ng Anamnese • Aktuelle Krankheitsgeschi cht e: Vorgesc hichte und gegenwärti ge Be schwerd en • Psyc hi sc he und som atische Vo rge sc hich t e • Drogen· und Med ikamentena nam nese • Bi ografi e: kö rperl iche und psychische Entwic klung, berufli che r und sozia ler Werdega ng, Leben sgewohn heiten, Freizeitgesta ltung, chronische Kon fli kt e, Trauma ta • Fam iliena namn ese : sozia le, allgemei n· med izinische, p sych isch e und neurologisc he Familienvorges chich t e • Fremdan amnese
Befund • Psychi sc her, psychop at halogisc her Befu nd • Körpe rlich er Befu nd • App arative Diagnostik • Evtl. te stpsychologi sc her Befun d
Diagnose und Differenzialdiagnose
0 Was beinhaltet eine vollständige psychiatrische Untersuchung?
Psychopathologie psychischer Erkrankungen Psychopathalogischer Befund
Die Erhebung des psychopathalogisc hen Befunds (-+ Ta b. 2.2) stel lt das Kernstück jeder psychiatri sch-psychotherapeu ti schen Untersuchung dar. Der Befund muss immer vollständ ig erhoben we rden, da auch da l~e h le n inzelne r p y hopathologi ·eher Auffä ll igkeiteil von hoher diagno tis her Relevanz ist. Grund ätzlieh gilt zu beachten: • P ychopathologische ymptome sind nie per se krankhaft, sondern kommen in bestim mten Situatione n au h bei G unden vor. .ie mü sen dah · r immer im Kontex t des gesam ten Befunds .i nterpreti rt we rden • : s gibt kein p ychopathologi ehe · Phänomen, das i h pathognomon isch , d. h. eindeutig einer best immte n Erknnkung zuo rdnen läss t. Psy hi h Frkrankung n un terscheiden j h vielmehr dur h baraktcri ti s h Symptom gruppen, sogenann te Syn drome 8
• jedes psychopathalogische ymptorn kann auch du rch eine orga ni ehe Ursa he hervorgerufen werden . Daher i t der Ausschluss von organi chen Urs·~ch e n beso nders wichtig.
Tab. 2.2 Bestandteil e des psychopathalogisc hen Befunds
• Äuße res Ersc heinungs bild • Verh alt en i n der Untersuchun gss itu ation
• Bewu sstsei n • Ori entierung • Au fmerksam keit und Gedäc htni s • Formales und inh alt li ches Den ken Wah rn ehmungsstö run ge n • Ich-Stö ru ngen • Antrl b und Psychomotorik • A ffekti v lt~ t • Zirkadi an B on d rh it n • Suizid li tlH, Fr mdgefahrll ch keit
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Im Normalfall ist ein Mensch bewusstseinskJar, was Wachheit und Intaktheil aller perzeptiven und kognitiven Funktionen umfasst. Ist das Bewusstsein quantitativ oder qualitativ gestört, weist dies auf eine organische Ursache einer psychischen Störung hin. Quantitative Bewusstseinsstörungen Nach zunehmendem Grad der Bewusstseinsstörung werden unterschieden: • Benommenheit: Der Patient ist schläfrig, aber durch Ansprechen oder Anfassen leicht weckbar • Somnolenz: Der Patient ist so sch läfrig, dass er nur durch lautes Ansprechen oder Anfassen weckbar ist. Die Reaktion aufSchmerzreize erfolgt gezielt • Sopor: Der Patient ist nur durch starke Weckreize erweckbar. Auf Schmerzreize erfolgen ungezielte Abwehrbewegungen • Präkoma und Koma: Der Patient ist auch durch stärkste Weckrei ze nicht weckbar. Es folgen keine Abwehrbewegungen. Die physiologischen Reflexe sind erloschen. Qualitative Bewusstseinsstörungen Zu den qualitativen Bewusstseinsstörungen gehören: • Delir:(-+ Kap. 5) • Dämmerzustand: Dämmerzustände sind gekennzeichnet durch ein nach außen geordnet erscheinendes Verhalten, wobei die Bewusstseinslage des Patienten auf ein inneres Erleben verschoben ist. Die Patienten erscheinen wie "Traumwandler". Dämmerzustände gehen häufig in Schlaf über und hinterlassen eine Amnesie. Sie treten z. B. nach SchädelHirn-Traumen, ep.ileptischen Anfallen oder im pathologischen Rausch auf sowie als dissoziativer Dämmerzustand.
• Q!ientierun_gsstör~'!_g_en________ Orientierungsstörungen bestehen, wenn der Patient bezüglich Zeit, Situation, Ort oder eigener Person nicht mehr orientiert ist. Orientierung törungen weisen immer auf eine organische Ursache einer psychischen törung hin, z. B. ein Delir, ein e Demenz oder ein am nes tisches Syndrom(-+ Kap. 5).
• Orientierungsstörungen sprechen immer für eine organische Genese der psychischen Erkrankung • Je nach Schwere der Störung ist in der Regel zunächst die Orientierung zur Zeit, dann zum Ort, darauffolgend zur Situation und schließlich zur eigenen Person gestört.
• Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnis ---------- ---Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassung sind unspezifische Symptome und kommen bei einer Vielzahl psychischer Erkrankungen vor. Gedächtnisstörungen sind das Kernsymptom der Demenzen(-+ Kap. 5). Je nach Schwere der Störung ist zunächst das Kurzzeitgedächtnis gestört und dann das häufig sehr lang stabile Langzeitgedächtnis. Das Gedächtnis lässt sich klinisch leicht prüfen: • Kurzzeitgedächtnistest: drei Begriffe wie Uhr, Boot und Auto vorsprechen und diese sofort und einige Zeit später reproduzieren lassen • Langzeitgedächtnistest biografische Inhalte abfragen. Korsakow-Syndrom Von einem Korsakow-Syndrom oder amnestischen Syndrom spricht man beim Vorliegen folgender Trias: • Desorientiertheit • Merkfähigkeit störung, d. h. schwere Störung des Kurzzeitgedächtnisses • Ko nfabulationen: Erinnerungslücken des Patienten werden durch Inhalte gefüllt, die für echte Erinnerungen gehaJten werden. Ei nem am nestischen Syndrom (-+Kap. 5) liegt immer eine schwere Hirnerkrankung zugrunde, die ve rschiedenster Ätiologie sein kann, z. B. Zustand nach wiederholten Alkoholdelirien, e.iner Kohlenmonoxidvergiftung oder ein m schweren chädel-Hirn -Tra uma. Amnesien Als Amnes ie wird eine zeitlich oder inhaltlich begrenzte Eri nnerungslücke bezeichnet, die total oder partiell sein kann. Amn sien kommen bei orga ni. chen Hirnerkrankungen verschiedenster Art vor, z. B. b i 9
2
Psychiatrische und psychotherapeutische Diagnostik
SchädeJ-Hirn -Traumen, Vergiftungen oder Enzephalitiden. Bei der retrograden Amnesie besteht eine Erin nerungslücke für die Zeit vor dem Hirnschaden . Diese Erinnerungslücke kann ei nen kurzen Zeitraum von Minuten und Stunden um fasse n, aber auch einen längeren von Tagen oder Wochen. Bei der anterograden Amnesie besteht eine Erinnerungslücke für die Zeit nach dem Hirnscha den , beziehungsweise nach dem Wiedererlangen des Bewusstseins. Eine kongrade Amnes ie liegt vor, wenn eine Erinnerungslücke für die Zeit der Bewuss tlo igkei t besteht. Paramnesien sind gefntro ll
Auskun ft über den Metabolis ierungssta tus und Hinweise auf das Vorl iegen eines genetischen Polymorphismus. Medikamenteninteraktionen. Ma nche Antidepress iva wie die älteren SSRis Paroxetin , Fluoxeti n und Fluvoxamin hemmen die Akti vität von P450-I oenzymen. Dadu rch wird auch der Abbau anderer Substanzen gehemmt, was zu Intoxikation der entsprechen den Medikamente bei Kombinationstherapie führ t. And ere Medi kamente wie Carbamazepin sowie Lebensgewohnheiten, insbesondere Rauchen, induzieren diese Enzyme, sodass der Abbau vo n Medikamenten beschleunigt wird .
• Das Cytochrom-P450-System ist für die Metabolisierung der meisten Psychopharmaka wichtig. Genpolymorphismen und Enzyminduktionen bzw. -inhibitionen führen zu relevanten Arzneimittelinteraktionen, aber auch zu starken Nebenwirkungen oder Wi rkverlust bzw. Therapieresistenz • Durch Plasmaspiegelbestimmungen können poor und ultrarapid metabolizer identifiziert werden .
•
0 Nennen Sie wichtige Cytochrom-P450-Isoenzyme und deren Bedeutung für die Pharmakakinetik von Psychopharmaka.
Andere biologische Therapieverfahren • Elektrok~-~Y'':!.~~i~n~therapie Bei der Elektrokonvulsionsthera pie (EKT), frü her auch Elektrokrampft herapie oder "Schocktherapie" genann t, wird unter Kurznarkose und Muskelrelaxa tion du rc h elektrische Stimul ati on des tempo -parietalen Schädel bereichs der nichtdominanten Hemisphäre - also in der Regel rechts - ein epileptischer Krampfanfa ll ausgelöst, der 30-60 Sekunden anhält. Die EKT i t indizie rt: • Bei wahnhaften Depressio nen • Bei therap iere i tent n Dep ressionen • Selten bei therapiere istenten Manien und Schi zoph re nien, vor allem bei pern iziöser Katatonie. In de r Regel werden 6- 12 itzu nge n durchgefü hrt, wobei meist 2- 3 Sitzu nge n pro Wo he stattfinden. Fa ll s d.ie unilaterale Behandlung keinen ausr ichenden Erfolg zeigt, kann ei ne bilaterale tim ulation anges hlosscn werden. Die Elektrod n können au h bitcmp ral aufgese tzt werden, was jedoch meh r Nebenwirkungen verursa ht, vor all em kognitive. Die Therap ie ist bei bis zu 80 % de r therapie res istenten D pr ssionen erfolgreich. Sie wird !rotz der guten Erfolge h:iufig üb rhau pt ni ht oder we nn, dann sehr spät im Therapiev rlauf eingesetzt. An eine er-
folgreiche EKT kann sich eine Erhaltu ngstherapie mit EKT-Sitzungen alle 2- 4 Wochen anschließen. Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Häufige und vor übergehende Nebenwirkungen sind Kopfschm erzen, Übelkeit und Muskelkater sowie eine anterograde und retrograde Amnesie mit leichte n kognitiven Störungen, v. a. der Merkfähigkeit Bleibende Gedächtni. verluste treten bei unllateraler Sti mulation in de r Regel nicht auf, können aber bei beidseitiger Stimulation, insbesondere bei bitemporaler Stimulation, vorkomm en. Die Mortalität liegt bei I : 50.000 Behandlungen, was dem allgemeinen arkoserisiko ent pricht. Absolute Kontraind ikationen gibt es nicht. Schwere zentraln ervöse Störun ge n oder kardiale Erkrankungen sind eine relative Kontrain dikation.
• Schlafentzugstherapie Bei der Schlafentzugstherapie wi rd in der Regel der komplette chlaf einer ga nze n Nacht ntzogen. Die 'l11erapi ist indiziert bei the rap ieresist nten Depressionen, insbe ondere bei zirbdh n n Tagess hwa nkungen mit: Morgenti ef Ca. 60 % der Patien t n sp rechen 1n h kompl tlem 35
3
Pharmakologische Beha ndlung
chla fentzug mit einer Stimmungsverbe serung an. Entscheidend ist, das ie nach einem Sc hi arentzug auch ni ht für nur kurze Zeit schlafen, sondern erst am darauffolgenden Abend zu Bett gehen. Durch den erneuten nornnl en hlaf fallen aber ca. 80% der Patienten wieder in die schlechte Stimmung zurück, sodass Schlafentzüge auch seri ll angeboten werden.
Lichttherapie Bei der Lichttherapie wird - in der Regel einmal am Morgen und einma l am Aben I - fü r ca. 30120 Minuten hel les, weißes Licht mit ei ner Lichtstärke von 2.500 - 10.000 Lux appliziert. Dieses Therap ieverfah ren wi rd insbesondere bei sa i 0 _ ~al erla ufenden Depressio nen, die regelmäßig tm Herb t und Wmter auftreten, ei ngesetzt.
0 Ne_nnen Sie Indikationen und Nebenwirkungen der Elektrokonvulsionstherapie. 0 Bei welchen Formen der Depression ist die Lichttherapie indiziert?
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren Sabine Frauenknecht
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Psychoanalyse und tiefenpsychologisch orientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gesprächspsychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Paar- und Familientherapie...... ..... .. .. . ... . . .. . ...... . ..... ... ...... .. .
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Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Supervision, Soziotherapie und Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
Einführung Definition Psychoth era pie ist ei n Verfahren, das körperliches oder psych isches Leiden mit psychologischen Interventionen behandelt. Die ·n1erapie erfolgt auf verbaler und nonverbaler Ebene. Die dabei verwendeten J\tleth oden werden bewusst, geplant und gezielt eingesetzt. Das th erapeu ti sche Vorgehen orient iert sich an empirisch gesichertem Wissen über da pektrum menschl ichen Erleben und Verhaltens. Patient und Therapeut gehen dabei eine therapeutische Beziehung ein.
• Therapieschulen Die Gesch ichte der Psy hotherapi e war lange davon geprägt, dass sich ver chiedene, voneina nder getrennte Psychotherapieschulen entwi ckelten. Dies nahm en fü r sich jeweil in An pruch, alle p ychischen Erk rankun gen behan deln zu könn en_ Die mittlerweil e zahlreichen einden werd en fünf Therapie-Hauptgruppen zugeordnet (na h Hohage n et al., 2009) : 1. Humanistische (erlebnisorientierte) Therapien: z. B. klienten zen triert e Ge prä h psychotherapienach Roge rs, Ges talttherapie, Psychodrama 2. Psychodynamische (= tiefen psychologische) Therapien : Psychoanalyse, tiefenpsycho logisch fundierte P yc hothera pieverfahren 3. Kognitiv-behaviorale Therapien : "kJa iehe" Methoden der V rh altens therapie, kognitive Verfa hren Interpersonelle und systemische Therapien : interperso nelle Psy hotherapie, Paar-
und Fami lienthera pi e 5. Ergänzende spezi elle Therapieverfahren : Ent pannungsverfahren, Hypnose, köq rp y hoth npeutis he Intervent ionen.
Moderne Psychotherapie ln den v rga ngenen drei Jab rz hntcn ist ei ne Entwicklung zu b oba hten, di e si ·h vom . tarrcn , schulenbezog n n Denke n lö t und i h vermehrt mit k r Wirksamkeit von Psychotherapie auf wissens haftli chl'r Basis au . ·in and ·r se tzt. Dar·ws ntstan lcn zwei S hwcrpunkle:
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• Allgemeine Psychotherapielehre: ie ge ht der Frage na h, wie P y hotherapie überhaupt c
wirkt • Spezielle Psychoth erapielehre: ie entwickelt
törungs pezifisc he Psychotherap iea nsätze und befas t si h damit, welches psychotherapeut ische Vo rgehen be i welchen Erkrankungen fü r welche Patienten wirk am ist. Überd ies .int egrieren moderne Psy hothera pieverfa hr n gleichermaßen Erkenntni se der Neu robiologie, Ge netik und Psy hoth erapieforschung. Mi ttlerweile ist unbestri tten, das psychothe rapeuti sche In tervention n Veränderungen auf körperlicher Ebene hervorrufen wie um gekehrt somati ehe erfahren wie P ·ychopharm akotherapie zu einer Li nderung psychi scher Be hwerden führen kön nen. Störungsspezifische Therapieansätze
Moderne, törungs pezifisc he P. ycho th era pie ve rst ht si h ge mäß der komplexen Ätiologie psychi eher töru ngen al · multimodale Thera pie . Sie integ riert einer eits vers hiedene Thera, piebausteine (= Module), die sich bei der jeweiligen Störung in klinischen Studie n als wirksa m er wi ese n haben. i . chließ t ande rer eits aber au h die Behandlung mit Psychopharmaka oder andere n biologischen Verfahren nicht aus. Bei piele für törungs pezifis he Psy hoth era pieverfahr n sin 1: • Di e dialekti ch-b hav ioral Th erapie (nac h Linehan) bei ßorderline-Persönli hke itsstörung (-+ Kap. 12) • Die int erperso nelle Psy hotherapie (!PT, na h Klcrman und WcisSITHln) b i Depre I onen • Di multimodale ko nit iv -behavio ral Psyh th Ta pie b ·i Zwa ng·stö rung n.
Grundlagen therapeutischen Handelns Die Qualität der th rapeutis ·hen Bezieh ung spielt eine bedeutende Ro lle für deu Erfol d r Psy -hoth crapi '. Grundbedingungen dafür si nd: • Grundsä tzli · hl' W ·rts ·hii1zu n ' Jcs Pa tient n und s ·in ·r Probkme, lkgcgnu n ' "a uf Aug nhöhc" • lloh cs Mag an EmJ athie (E infühlun nsv ' rmö gen) und Auth ·n tizit:'l (E · ht h-·it
• • • •
Fachliche Kompetenz Vermittlung emotionaler Nähe Respektieren von Grenzen Transparenz und Aufkl ärung, z. B. über verwendete Ve rfa hre n, Alternativen, mögliche unerwünschte Wirkungen • Konsensbildung, d. h. Einigung auf die zu behandelnden Problern e und Therapieziele.
Psychotherapien im Sinne eines komplexen therapeutischen Verfahrens werden durchgefüh rt vo n: • Fac härzten für Psychiatrie und Psychotherapie • Fachärzten für psychotherape utische Medizin • Anderen Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie • Psychologischen Psychotherapeuten. Setting:
• • • •
Einzelpsychotherapie Gruppenpsychotherapie Paa rbehandlung Kombination aus verschiedenen Elementen.
Finanzielle Rahmenbedingungen:
Anerkannte Verfa hren, de ren Kosten in Deutschland auf Antrag vo n der gesetzlichen
Kra nkenve rsicherun g übernommen werden, si nd: • Verhaltensthe rap ie (kognitiv- behaviorale Psycho therapie) • Tiefenpsychologische Ve rfahren. Psychotherapeutisches Handeln erfolgt aber auch durch:
• Beratung stellen, z. B. Paar-, Fa mili en-, Erziehung beratungs-, Suchtberatungsstellen, oder Anlaufste llen fü r sexuell missbrauchte Frauen • Allgemeinmediziner mit hausärztlicher Funktion, sog. Grun dversorgung psychischer und psychosomatischer Erluankunge n • Sozialarbeiter oder -pädagogen mit therapeutischer Ausbildung, z. B. in der Jugend- und Familienhilfe • Kirch liche Seelsorger • Mi tarbeiter von Langzeiteinrichtun gen, z. B. in Heimen fü r geistig behinderte Menschen oder Wohnheimen der Kinder- und Jugendhilfe. • Wesentliche Faktoren fü r das Gelingen einer Psychotherapie sind die Qualität der therapeutischen Beziehung und die fachliche Kompetenz des Therapeuten.
0 Welche "Therapieschulen" kennen Sie? 0 Nennen Sie für jede Therapieschule eine ihr zugehörige Therapieform. 0 In welchem Rahmen findet in Deutschland therapeutisches Handeln statt?
0 Welche Therapieformen werden auf Antrag von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen?
Verhaltenstherapie • Definition Psychothe rapieform, die sich sei t den 1950er Jahren aus empirischen Untersuchungen zu beobachtbarem Ve rhalten und daraus abgeleiteten Lernprozessen entwickelte. Heute werden unter dem BegriffVerh altenstherapie ei ne Vielzahl ve rsch iedener ve rhaltensth rapeuti scher und kogn itiver Te hnike n, Interventionen und Therap ieansäl:i.e zu am meng fasst. Als Verhalten werden dabei ni hr nu r be-
obachtbares Reagieren und Handeln, sondern auch intrapsychische Prozesse verstanden. Dazu gehören beispielsweise die Wa hrnehmung, Bewertung, Speicherung oder Ve rarbeitung vo n In for mationen und motio nal Reakti onen. Die moderne Verhaltens the rap ie richtet ich also nicht au chließli haufe ine Mod ifika tion des nach auß n ichtbar n Ve rhalte ns, sondern ermögli cht: au h eine Ve ränderung von intrapsychi schen Pr z s n od r Beziehungsaspekten.
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Psychotherapie und andere nichtbiologische Therapieverfahren
• Historische Entwicklung Die frühe Verhaltenstherapie • Einführung des Begriff "Verhalten therapie" in denl950er hhren • Konzentri ert e sich - als Gege nbew gung zur P ychoana ly e - auf da. i htbare Verhalten, d. h. auf empirische Un tersuchun gen von Ve rh alten als Reaktion aufUmwe ltreize • Orie ntierte sich an der Lerntheorie, insbeso ndere an den Konditionierungsmodelten . Klass ische Konditionierung_ Diese r Begriff beruht auf den Unter uchungen des russischen Phys iologe n und Nobelprei träge rs lwa n Petrowit eh Pawlow (l849- 1936) zu Beginn des 20. Jah rhund ert ( ~ Abb. 4.1): Er beobac htete, da ·sein Hund auf das Da rbieten von Futter (= unkon dit ionie rt er Iimu lus) mit Speichelfl uss( = unkonditio nierte Reaktion) reagie rt. Um den Hu nd zu k o n dition i e ~en ,_ wird vor der eigentl iche n Futtergabe jeweJI 111 neut raler Reiz dargebo ten ( = Glockenton). Der Hu nd
I rnl so, dass er bei m Läute n der Gloc ke Futter bekomm t. Schli ßli h reagiert er allein auf den Glockenton (= ko ndit io nie rter 'li mulu ) mi t Speic helfl us , ohn e das überhaupt Futter ber it ges tellt wird( = ko nd it ionie rt e Rea kti on).
Operanie Konditioni erung. Das opera nte oder inst ru mentelle Kond itioni eren ge ht auf di Tierexper im en te des Ame rikaner Edward 'lhorndi ke (I '74- 1949) zurüc k, die von Bu rrhus F. kin ne r (1 04 - 1990) in de n 1920er Jahren aufgeg rifte n und m ditizi rl wu rden. Eine ze ntrale Er kenn tn.is \ ar, das Verhalten im V\ se ntlichen dur h 'eine Konsequenzen best imm t wird: Ei n Verhalten, da belohnt oder erleich tert wird, also ange nehme Fo lgen für den Orga nis mus hat oder zum \Vegfa ll ein r Bestrafung führt, wird zu künft ig hä ufiger wiede rholt. Ve rhalten, das hi ngegen bestraft wird und mi t un ange nehmen Folgen ve rbu nden ist, wird häufi ger unterdrückt. Ve rh alte n, d :.~ s intermittierend verstärk t wi rd, d. h. bei d r die Belohn ung unre-
~
ucs
UCR (Speichelsekretion und Fressen)
(Futter)
es
• CR (S peichelsekretion)
(zunächst neutraler Reiz, z.B. Glockenton)
c
2Q) .E (.) Q)
Der wichtigste Risikofaktor ist das Alter. Weitere Risikofaktoren sind: • Fa miliäre Häufung • Ho mozygotie für die E4-Fo rm des ApoE-Gens • Vask uläre Risikofaktoren wie arterielle Hyperton ie und Hypercholesterinämie • Neurologische Vo rerkrankungen, fr ühere Hirnschädigungen • Niedrige Schulbildung. Diagnostik
Die Diagno e wird immer kl inisch gestell t, neurop ychologische Test und apparative Zusatzbefun de können die Diagnose unterstützen. Di e Alzheimer-Demenz ist damit bis heute eine Ausschlussdiagnose, was den Ausschluss an derer, insbesondere symptomatischer Demenzfo rmen mit ei nem diagnostischen Routineprogramm bedeutet (-+ Tab. 5.3). Neue diagnos tische Kr iterien befind en sich in der Entwicklung. Das Ziel ist, spezifische Biomarker und Surrogatparameter wie Liquor-Proteine oder Bi ldgebung zu identifi zieren, die die Alzheimer-Erkrankung mit hoher Sicherheit in einem frü hen Stadium feststellt, um entsprechend auch früh er therapeutisch zu intervenieren (s. Mild cognitive impairment, MC!). Für eine Alzheimer-Demenz sprechen fo lgende Befunde: • Gedächtn isstörungen und andere Störungen höherer kognitiver Funktionen stehen in den neuropsychologischen Tests im Vo rdergrund Tab. 5.3 Au sschlu ssdi agno stik bei Verd ac ht auf Alzheimer-Demen z -
Labordiagnostik • Routine labor: Bl ut bild, Bl utsenku ngsgeschwind igkeit, CRP, Elektrolyte einsc hließli ch Ca 2+, Bl utzucker, Nie renreten tions und Leberwerte • Kupfer- und Coerulop las min • ANA, AN CA und Phospholip idantikö rpe r • Vitamin B12 und Folsäu re • TSH, fT3 und fT4 • Lues-Sero logie, HIV-Te st • Liquordiagno stik Bildgebende Verfahren
:c (.)
~
Kerns pin- und Po sitron ene missionsto mogra fie des Schäde ls
~ Zelt
Abb . 5.2 Sym ptom · ntwi klun g b i d r Al h imer-D m n im V rl ur
Erweiterte apparative Diagnostik • Doppl eru nters uchun g der hirnzufüh rend en Gefäße • EEG , KG und H rzec ho
----------------59
5
Organische psychische Störungen
und haben sich langsam progredient entwickelt • In der Kern pintomografie zeigt sich ei ne Atrophie des Hippokampus mit Erweiterung der parieto-tempora len Liquorräume bei fehlenden vaskulären Läsionen • Die Po itronenemiss ionsto mografie ('ßFDGPET) zeigt eine tempora-parietale Minderu ti lisation von Glukose • Im Liquor ist eine erhöhte Konz ntration des TAU-Proteins nachweisbar. sowoh l in seiner unphosphylierten als auch in seiner pho phorylierten Form. Die Konzentration des ß-Amyloids hingegen is t erniedrigt. Therapie
Es gibt keine kurative 111erapie. Die heutigen Medikamente halten jedoch bei ca. 20% der Patienten die kognitiven Fähigkeiten über ei nen Zeitraum von 6-12 Monaten tabil. Kein Medikament bremst den progredienten neurodegenerativen Prozess. Zur medikamentösen Behandlung sind zugelassen: • Acetylcholinesterase-Hemmer bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz (-+ Kap. 3). Dazu gehören Donepezil.. Rivastigmin und Galantamin • Der partielle NMDA-Rezeptor-Antagonist (= Gluatamatmodulator) Memantin (-+ Kap. 3) bei mittel chwerer bi s hwerer Alzhei mer-Demenz • Andere Substanzen wie Ginkgo-P räpa rate, Pira etam oder icergolin. Sie w rden au h Nootropika genannt. Da ih re Wirksamkeit al Jerding nicht ich er belegt ist, sind sie nicht zu empfeh len • Bei p yc hoti schen Symptomen wie Wahnzuständen oder Hall uzinationen und Aggre si vität werden ni drig dosierte Antipsy hotika, z. B. Ri periclon, ein gesetzt • ßei chlaf törungen und Unruhezu ständen kommen nied rpot nte Antipsychotika wie Melperon oder Pipamperon zum ·in atz. Benzod iazep in e si.nd wegen der Gefahr 1 an dox er Reaktion n zu verm iden . Zu den nichtmedikamentösen Therapieverfahren gehör n Tagesstrukturi er ung owi r ssourcuo rientierte menta le und körper.li he Akti vierung. Zur Erhaltu ng alltagspraktischt:r Hihigk iten kann di Ergoth rapie ei nge ·ctzt werd n. 60
Psychoedukation der Angehörige n zu Aspekten wie Leben mit der Erk ran ku ng, Veränderung von Ve rhalten und Kommunikation, Notwendigkeit der eigenen Entla tung durch externe Hilfen hat ich zur tab ilisieru ng der hüuslichen Verso rgung als hochwirksam erwie en. Auch Angehörigeng ruppen entlasten die Familie zusä tzli ch.
• Vaskuläre Demenzen Va kuläre Demenzen si nd Demenzen , di e auf der Bas is einer zereb ralen vaskulär n Störung mit nachfolgender Neurodegeneration ent tehen. Es handel t sich dabei um die im Sp rachgebrauch üb li he "Verka lkung''. Die ICD-10 unterscheidet fo lgende Gruppen(-+ Tab . 5.2): • Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn • Mu ltiinfarkt-Demenz • Sub kortikale vaskuläre Demenz • Gem ischte, d_ h_ kortikale und subkortikal e vaskuläre Demenz. Typisch für eine va ku läre Demenz sind: • Vaskuläre Ri ikofaktoren in der Vorgesch ich te, z. B. arterielle Hypertonie, Nikotinabhän gigkeit, Hypercholest:erinämie. Adipositas, Diabetes mellitus • Vorgeschichte ze reb raler Infarkte • Häufig plötzlicherB ginnundeine stufenweise Verschlechterung im Verlauf • Fokale ne uro logische Deftzite • Psychopatha logische Defizite entspre hend der vaskulären Läsionsste!Ie, wobei subko rtikale Störunge n von Aufmerksamkeit und Konzentration, Antrieb und Stimmung mit Affektlabilität häufig sind . Diagnostisch i t neben der klini s hen und neuropsy ho logi chen nte rsuchung die Dokumen tati on va. kulärer Lä ioncn in der Kerns pin- und omputc.:rt.omog rafie ents h idend . Therapeutisch teht di ckundärprävent ion vaskul ärer Läs ion n im Vordergrund . A et)'lho lincsterase-Hemmer und Glutamatmodula toren sin I nicht zugdas n.
• Fronto-temporale Demenz Bei der fr !H o-temporalen I emenz lnndel t s sich um ·i 11c neurod eg ne rativ Erkran ktJn g, die fol' ·nde charakteristische Merkmale aufweist: • Langsam f"orts hreit nde Demenz 111it rühcr m Beginn als bei der l zh imer-Dem •nz, häufig vor d ·m )0. l. 'b ·nsjahr
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Organische psychische Störungen
Ätiologisch geht man davon aus, da
beim NPH der Liquorabfluss suba rachnoidal im Bereich der [ acchioni-Granulationen blockiert ist.
Tab_S-4 Klinische Symptome des Morb us
Wilson • Erhöhung de r Transaminasen • Chron ische Hepatitis • Zirrhose mit Fu lminantern Leberversagen
Trias des Normaldruckhydrozephalu : Demenz, Gangstörungen und Inkontinenz.
• Trem or und choreiforme Bewegungen • Ak inetisch -rigides Syndrom • Gangstörungen, Dysarthrie, pseudobulbäre Lähmung • Krampfanfälle und Migräneattacken
• leichte kognitive Störung und Mild cognitive impairment Während die leichte kogn itive Störung (ICD -10 F06.7) eine klinisch bedeutsame Versch lechterung der gei tigen Leistungsfahigkeit, z. B. durch organische Krankheit fakto ren wie Schädel-Hirn -Trauma oder Einnahme von Anticholinergika bezeichnet, bezeichnet der Begriff de Mild cogn itive impai rm en t (M I) ein prä demenzielles Syndrom. IC! ist damit in .. bergang vom normalen achla en der ge.i tigen Leistungsfähigkeit zur Demenz. Für das amnestische MCI , welches ich häufig im Vorfeld der Al zheimer-Demenz entwickelt, gilt: • Subj ektives oder von Dritten beobachtetes Nach lassen der Gedächtni sleistung • In einem standardisiert n Test liegt die epiod i ehe Gedächtni Ieistung (" Kurzzeitg dächtni ") 2: 1,5 Sta ndardabw ichung n unter derjenigen dn gesch lechts-, alter - und bil dungsadjustierten orm • Die Defi zite beeinträchtige n di Alltag aktivitätennicht in bedeutendem Maße • Die Kriterien iner Demenz sind ni ht erfüllt. In Kombination mit pezifi s hen Biomark rn der Alzheimer-Erkrankung ( . o.) hat si h da M I-Konstrukt in pezialisierten cdächtnisarnbula nze n als hochpdidiktiv für eine hera nnahende Alzheimcr-Demcnz erwi . en. Erste Erfahrung n mit ub tanzen, die ni ht nur symptomat i eh wirken, ondern in den Krankheitsprozes modulierend eingreifen - z. B. aktiv oder pas ive Tmmuni, ierun g g gen ß-Amyloid lege n nah , dass di . e ,. kau alcn '' Th rapien hr früh zei tig .im crlauf d r Alzhe im er-Erkrankung eingese tzt werden mii S ' ll , um zu wirken. Am nest:is-!1 M J -Pati cnt ·n, di zu . ~itz li h po. itiv 1:3iomarkcr - Befunde au fw ' iSl: ll, werdend shalb aktu ·II als Zielpopulation fü r krankhei tsmoduli rende Frü hin l ·rv ' ntion n hcra ngezogcn. 62
• • • •
Schlafstörungen Persönlichkeitsstörungen Psychotische Störungen Kognitive Störungen
• Morbus Wilson Die progressive hepatolentikuläre Degeneration i t eine eltene, au tosomal-rezess iv vererbte ~ r krankung d s Kupferm tabolismu , bei d r es vermehrt zu Kupferablagerung n ko mmt. Vn behandelt führt die · rkrankun g zu schw ren B hind erun gen und Tod. Davon b troffen sind etwa 3 von 100.000 Menschen. Die ers te kli nische Symptomati k z igt .ich meist zw i eben dem 15. und 20. Lebensjahr wo bei hepatisc he, neuro logi he, p ychia tri he und op hthalmolo i eh Kr'wkh it zeic h n vorherr h n ( ~ Tab. 5.4). Da in bis zu 50 % d r J.älle psy his he ym1 tomc als Ersts mptom auft reten, ist b i jun n Mensc h nimmer an die e DiiTercnzialdi agnosc zu denken . Diagnostisch wi htig si11 d: • Bestimmung von L ·berfun ktionen • erum spi >Je! von Kupfer und 'acrulopla min • _4 -h-Kupfc r-i\uss hcidun' im Urin. Sicherheil kann durch eine Lcl>erl>iopsk errei ·ht werden . The rapie :
• Ku1 f'rar me Di üt • Fiirdcrung der Kupferaus ·hcidun , dur ·h 1 _ Pcn i ·illamin • II ' llllll U il g der Kupferaufnahm e du rd1 Zink.
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D Wie ist eine Demenz definiert, welche Sym ptome treten auf und welche Formen kennen Sie? D Nennen Sie die Pathogenese wichtiger Demenzformen. D Welche Therapieverfahren kommen bei der Alzheimer-Demenz zum Einsatz?
D Durch welche neurologischen und psychiatrischen Symptome ist ein Morbus Wilson gekennzeichnet?
Organisches amnestisches Syndrom Das orga nische amnes tische Syndrom oder Korsakow-Syndrom ist gekenn ze ichnet durch fo lgende Trias: l. Anterograd e Amnesie mi t schwerer töru ng des episodischen Gedächtnisses und Zeitgitterstörung. Da Immedi at-Gedächtnis, das z. B. durch di rektes Zahlennachsprechen geprüft wird, bleibt weitgehend erh alten 2. Ausgeprägte Orientierungss törun g. Häufig ist nur di e Orientier ung zur Person erhalten 3. Ko nfabu lationen (-+ Kap. 2). Diagnostisch lässt sich neben der typ ischen Kli nik in der zerebra len ~ il dge bun g häufig eine törung dienzephale r und medio-temporaler Strukturen, vor allem dem Hippokampus na chweisen .
lm Prinzip kann jede schwere Hirn- oder systemische Erkrankung zu einem organisch amnestischen yndrom füh ren. Häufigere Ursachen sind : • Chronische Alkoholabhängigkeit mit wiederholten Alkoholent zugs-Delirien (-+ Kap. 9) • Korsakow-Synd rom bei Wernicke-Enzephalopa th ie (-+ Kap. 9) • Hypoxien durch z. B. CO-Vergiftung, nach Strangulation oder Anästh esie-Zwischenfal len • Schädei-Hirn -Traumen • Zerebra-vaskuläre Erkrankungen oder schwere Infektionen des Gehirns.
•
D Was sind die häufigsten Ursachen eines organischen amnestischen Syndroms und durch welche Symptomatik ist es gekennzeichnet?
Delir Definition und Symptomatik
Ei n Deli r oder Verwirrt·heibzu tand ist eine organL he p. ychische Störung, di dur h folgend e Symptomatik gekenn le i h nct ist: • Bewu st einss törun g und Des rienticrtheit • Fo rm ale Dcnkstörun gcn: ink hären tes ... ve rwirrt " Denken • Inhaltliche D nks törun cn: Wahnide n • Wahrn hmung sl·· ruu gcn mit lllu ionenund OJ tis hcn Halluzin ationen • Psy homotoris hc törungc nmi t we hs ln d r Hypo· oder Hy] cra l tivi@ • Störu ng odt: r mkehr cks S hlaf-Wa hRh yt hmus, n ~ htli ·hc V ·rs ·hlirnmc run g de r ·ympt omati k
• Ggf. afi:ektive Stö rungen mit Angs t, Reizbarkeit oder Apathie • Zum Teil stark ausgeprägte vegetative Symptom e. Der Beginn ei nes Delirs .ist gewöhn lich akut, die ympt matik ist im Tagesverlauf fluktu ierend . in D lir ist eine organisch bedingte psychitörung. Es ist gekennzeichnet durch törungen des Bewu sts in , der Ori ntierung, der Kognition, der Wahrnehmung, d s formalen und inhaltlichen D nkcn und der zirkadian n Rhythmik.
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Organische psychische Störungen
Delirien treten bei bis zu 40 % aller stationären Patienten über 65 Jahre auf. Risikofaktoren f-ür die Entwicklung eines Delirs sind: • Alter: Neben alten Menschen ind auch Kleinkinder gehäuft betroffen • Vorbestehende Hirnschädi gung, z. B. Demenz oder vaskuläre Läsionen • Polypharmazie • Suchterkra nkung • Schwere körperliche Erkra nkungen • Früher bereits aufgetretenes Delir. Ätiologie und Diagnostik Die wichtigsten Ursachen eines Delir sind: • Intoxikation mit oder Entzug von zentra l wirk amen Substanze n ( ~ Tab. 5.5) • ZNS-Erkrankungen • Systemische Erkrankungen, z. B. herzchirurgische [nterve ntion, metabolische Erkrankungen, Stö runge n des Wasse r- und Elektrolyt-Haushalts mit Hyponatriämie, VitaminMangel-Syndrom e, vor all em Vitamin 8 1• Die Diagnostik besteht im Wesentli chen in der typischen Klinik und der Iden tifikation der zu gru nde liegenden Ursache mit (Fremd-)A namnese, körperli cher Unters uch ung und Zusatzdia gnostik Therapie Grundprinzip der Therapie ei ne Delirs is t die Beseitigung der zugru nde liegenden Ursache. In
Tab. 5.5 Medikame nte, di e Deii re a us lösen können • • • • • • • • • •
Antibiotika Anticholinergika Antidepressiva, v. a. trizyk lis che Antiep ileptika Antipsychotika, z. B. Clozapin Benzod iazep ine Digitalis Kortison -Präparate Narkotika Neuroleptika
der Regel erfolgt die 'Th erap ie stationär. ln der Praxis am wichtigsten si nd: • Delir fö rdernde Med ikam ente absetze n oder reduzieren • Wasser- und Elektrolyt-Haushalt sow ie Blutzucker kontrol lieren • Vitamin-Mangel-Zustände ausgleichen. • Symptomatische Therapie der Psychopa th ologie: - Wa hnsymptome und Halluzin ationen mi t An tipsychotika wie Haloperidol oder Ris peridon in niedrigen Dosierun gen - Sc hlafstör ungen mi t gut verträglichen niederpotenten Neuroleptika wie Pipamperon oder Melperon - Erregungszustände mit Haloper ido l oder niederpotenten Neuroleptika.
•
D Wie ist ein Delir klinisch gekennzeichnet? D Nennen Sie häufige Ursachen für delirante Zustände.
D Nennen Sie die Therapieprinzipien bei Delirien.
Organische psychische Störungen zweiten Ranges Zu den orga nischen psy hi chen tö rungen zweiten Ranges( -+ Tab . 5.2) gehören: • Organische Hallu zi no e • Organische katatone Störung • Organische wahnhafte ( ch izo ph reniforme) törung • Organi he affektive törung • Orga nische Angs tstörun g • Organis he dissoziat ive Störung • Organi he motionallal ilc (asthenis he) törung • Organis he Per önl i hk ·i tss törung. 64
Organische Halluzinose Organis he Halluzi nos n sind org·wis h oder medikam nt " b dingt Hall uzination n, wob~ i die e isoliert , also ohne auffäll ige affe ktiv tö ru n )en und Wah n, un d unabhängig vo n ein m kogn itiven Abbau oder ein er U wu st eins tö rung auflr t n. Am häufigs ten sind: • hronis hc takt.i lc Hnllu zinosc oder Dermatozoenwahn (Ekbom-. yndro m): llier werden I rabbelnd , l eißend ', si h l weg~: n dc ß ri'lhrun C I1 auf oder unter der Haut wa hr1
" /
genommen. Der Patient ist \·vahn haft davo n überzeugt, vo n Ungeziefer befallen zu sein. Betroffen sind meist Mä nner über 60 Jahr • Alkoholhalluzinose (-+ Kap. 9): Typischerweise bei chronischer Alkoholabhängigkeit auftretende akustische P eudo-Hall uzinationen
• Optische Halluzinose bei Überstimulation
des dopaminergen Systems bei Parkinson111erapie oder Überdos ierung von Stimulanzien • Guslatorische Halluzinose am Beginn eines komplex-partiellen Anfalls.
•
0 Wie ist ein Dermatozoenwah n klinisch gekennzeichnet? 0 Nennen Sie Ursachen fü r organische Halluzinosen.
65
,..
6
Affektive St.ö rungen Klaus Lieb
Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verlaufsformen und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diagnostik und Differenzialdiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ätiologie, Therapie und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
67
6
Affektive Störungen
Definition und Klassifikation Definition Affektive Störungen sind gekennzeichnet durch das phasenhafte Auftreten von Verstimmungen depressiv-gehemmter (Depressionen ) und/oder man isch -erregter Art (Man ien ). ln der Regel treten diese Phasen mehrfach während de Leben s auf, und es wird zwi.schen de n Phasen eine normale psychische Ve rfassung erreicht. Heute weiß man jedoch, dass die Remission zwischen den Phasen vor allem bei bipolaren Erkrankun gen häufig nicht voll tändig ist und bi zu 20 % der affektiven Erkrankungen ei nen chronischen Verlauf nehmen. Depressio nen treten häufig komor bid mit anderen Erkrankun gen auf, wobei vor all em das gleichzeitige Auftreten von Suchterkrankun ge n und Persönlichkeitsstörunge n den Verlauf der affektiven Störung versc hlechtert. Depres ionen si nd auc h bei körperlichen Erkrankungen häufig, z. B. be.i neurologischen Erkrankungen wie Morbu Parkinsan oder multiple Sklerose, nach Schl aga nfa ll und Myokardinfarkt oder bei Diabetikern. Depressionen erhöhen da n eta bolische und kardiavaskuläre Risiko und stellen einen eigenständ igen kardialen Risikofaktor dar. Klassifikation Triadisches System
(~ Kap. I). Affektive Stö-
rungen wurden früher nach den Ätiologievorstellungen eingeteilt: • "Endogene Dep ression en", bei denen von einer genetischen oder neurobiologischen Ursache ausgegangen wird • "Reaktive oder neurotische Depres ionen ", bei denen eine p ycho -reaktive Ursac he angenommen wird. Diesen beiden Kategorien entsprechen in der ICD-10 am ehesten die Depressio n mit so mati schen Symptomen und die Dysthymia.
ICD-10. Die affektiven Störun gen werden heute nicht mehr ätiologis h, sondern nur deskri ptiv nach den Kriterien Schwercgrad, A uftreten p y hotischer Symptome, Vorliegen somatischer Symptome und dem Verlauf eing t ilt
(-t Tab. 6.1). Wie auch im triadischen System werden in der ICD-10 von den affektiven Störu n gen di e organ ischen affektiven Störungen ( ~ Kap. 5) unterschieden, also die affektiven Störunge n, denen eine bekannte organische Ursache zugrunde liegt, z. B. eine endokrine Stö rung wie ei ne Hypothyreose. Tab . 6.1 ICD·10-Klassifika tion affektiver Störungen F30 Manische Episode F30.0 Hypomanie F30.1 Manie o hne psycho ti sche Symptome F30 . 2 Manie mit psychotischen Symptomen F31 Bipolare affektive Störung F31.0 Gegenwärt ig hypomanische Episo d e F31.1 Gegenwärtig ma nisc he Episode ohne psychotische Sympt ome F31.2 Gegenwärtig man ische Ep isode mit psyc hotischen Symptomen F31.3 Gege nwärtig mitte lgradi ge oder leichte depress ive Episode F31.4 Gegenwärtig sch w ere depressive Epi sode oh ne psychotische Sym ptome F31.5 Gegenwärtig schwere depress ive Ep isode mit psyc hotisc hen Sym ptome n F31.6 Gegenwärtig gemisc hte Ep isode F31.7 Gegenwärtig remittiert F32 Depresslve Episode F32 .0 Le ichte depress ive Episode F32 .1 Mitte lgradige depress ive Ep isode F32 .2 Schwere depress ive Epi sode ohn e psy. choti sc he Symptome F32 .3 Schwere depress ive Episode mit psychotischen Sy mpto men F33 Rezidivierende depresslve Störung F33.0 Gegenwärtig leichte Episode F33.1 Gegenwärtig mittelgradige Ep isode F33 .2 Gege nwä rtig sch were Episode ohne psychotis che Symptome F33.3 Gege nwärtig sch were Epi so de mit psychoti sc hen Symptomen F33.4 Gegenwärtig rem ittiert F34 Anhaltende affel
I monophasisch I F 30.xx
im Rahmen eines bipolaren Verlaufs
F 31.xx
Abb. 6.4 Operation ali sie rte Di ag no stik ma nisc her Epi soden nac h der ICD-10 • Post-schizophrene Depression : Damit wi rd
eine depressive Epi ode bezeichnet, die innerhalb von 12 Monaten nach eine r schi zophrenen Ep isode auftritt (-+ Kap. 7). Depressionen treten häufig auch komorb id im Verlaufa nderer psychischer Erkrankungen wie Angststörungen, Essstö runge n, somataformen Störungen oder Suchterkrankungen auf. Manie
• Schi zophrenie • Schizo-manische Störung: Gleichzeit iges
Erfüllen der Diagnosek riterien der Manie und Schi zophrenie. Organische Ursachen
Bei der Diagnos tik von Depression und Manie mü se n imm r orga nische Ursach n ausgeschlossen werden. Verursacht eine organ is he Störung die afl:e ktive Sy mptomati k so sp ri ht
man von einer organischen affektiven Störung (-+ Kap. 5). Prin zipi ell kann eine Vielzahl von orga nischen Störungen ein e depressive oder m anische Symptomatik verursachen. Klinisch relevant sind: • Medikamentennebenwirkungen, vor allem Kortikosteroide ink1. orale Kontraze ptiva , verschiedene Antih ypertensiva, z. B. Clonidin und hirngängige Betablocker sowie An tiarrhythmika, verschiedene Antibiotika und Benzodiazepine • Endokrine törun gen, vor allem Hypo- oder Hyperthyr ose • Andere somatische Erkrankungen, vor allem mul tiple Sklerose, Morbus P.
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Depression
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ca . 6-12 Monate
Behandlungsphase
Akuttherapie
Erhaltungstherapie
Rezidivprophylaxe
(con tinuation)
(main tenance)
Abb. 6.5 Terminologie fü r Verlauf und Behandlung sphasen bei rezidivierenden affektiven Störungen
einer guten Informationsbasis und die Berücksichtigung von PatientenwünscheiL Differenzialindikation antidepressiver Verfahren • Pharmakotherapie: Ein medikamentöse Behandlung muss bei schweren, vor allem psychoti chen Depressionen und sollte bei mit-
tel chweren Depressionen erfolgen. Bei leich ten Depre .ionen ist da utzen -Risiko-Verhältnis für Antidepress iva g ge nüb r Plazebo ungün stig, sodass sie hi er nur bei günstigem Ansprechen in frü heren Pha ' 11 , fr i.ih r 11 schweren Depress ionen oder bei besonderen Patientenwünschen gegeben werden sollten • Psychotherapie: Leichte und ggf. mittelschwere Depr ss ion en werden auch allein psyhoth rapeu tisch behandelt. videnzbasiert ist die 'Therapie z. ß. mit kognitiv r V rhalt nstherapie und inlerper 'on Her P y hoth rapie • Pharmakatherapie und Psychotherapie:
ßei hwer n und hronischen D pre sion n isl eine kombiniert · pharmakoth erapeu ti he un I pcy hoth rapeuti hc Beh andlung ein ' r Behandlung mit dem jewei lig n Ein zelve rfa hren überlegen • Schlafentzugstherapie: ln sbe onderc Pati en ten rni.t starken Tagcss hwankun end r 'limmung und Morgenti ef spr eh n auf in e hlaf, ntz ugsthcrapie an • Lichttherapie: Dies ist vor all m b ·.i saisonal n Ve rlaufsformen von Dep ression n indiziert 78
• Elektrokonvulsionstherapie: Einsatz vor al-
lem bei therapieresistenten und psy hotischen Depr io nen. Antidepressive Pharmakatherapie
Bei schweren Depressionen sind Antidepre ' iva ei ner Plazebobehandlung überlegen. Die An sprech rate li egt bei 60-70 %.
Auswahl eines Antidepressivums. Bei Erstman ifes tation und unkomplizierter depressiver Epi odeempfiehlt sich: • Beginn mit dem SSRI Citalopram oder ertr·:\lin , da diese das b t:e Verhältnis aus Nutzen und Nebenwirkungen haben • Bei ll1erapieresist nz Unu llung auf das du ale Antidepressi vum V nlafaxin (SSNRI), da dieses . ich in r SS RI -Behandlung als über) _ gen erwi'sen hat. All rdings mücsen hier Dosen von~ -25 mg eingesetzt werden, da i h nur in. hö h e_r e nDo se~1 das dual ~ Wirkprinzip, also cl1e w sat zl! hc No radr nal 1n-Wied raufnahmeh n•mung, en tfalte t • B i 'Iherapicr sistenz Augm ' nlierun g mit l ithium oder Umstcllun au f ein tri zyk li , hes Anlid pro.sivum, z. H. Amitr.iptylinod r ] _ mipramin . .Krilerien fiir die Auswahl.
• Früh ' r ·s A nspr · ·h ·n auf ein bes ti mn"ltes An lid 'I re. sivum • Pat ient ·nwuns h
0
/
• Auswahl eines edierenden Antidepress ivums wie Mirtazapin oder trizyklische Ant idepressiva bei agitierten Depre sionen, stimulieren de An tidepressiva wie SSRI oder SSNRl bei gehemmte n Depressionen • Bevorzugte Gabe der kardi al be ser verträglichen SSRI bei internistischen Begleiterkrankungen und höherem Alter der Patie nten • Kombination mit sed ierenden Substanzen bei agitierter Depress ion und erhöhtem Suizidri siko. Frühere Leitlin ien empfahl en, ein Antidepre sivum mindeste ns 4- 6 Wochen zu geben, bevor bei erfolgloser Therapie auf ei n anderes Antidepress ivum umges tellt wird. Heu te ist bekannt, dass Patienten, bei denen sich di e Symptome nach 2 Wochen nicht um mindestens 20 o/o verbesse rt haben, im we iteren Verlauf mit se hr geringer Wahrschein lichkei t auf die Thera pie an prec hen. Dem nach lohnt es sich, die ll1erapie bereits nac h 2- 4 Wochen umzustellen. Ziel jeder Behand lung i t, eine völlige Remission zu erreichen, da un oll ständige Remi.ss ion en den Langzeitverlaufverschlechtern und Rezidive wahr chei nli cher machen . Besondere Subtypen depres iver Epi oden machen eine be andere Pharmakathera pie notwendig: • Psychotische Depress ion: Kombination eines Antidepressivums mit ein m Antipsycboti kum, evtl. EKT • Sai onal Depress ion mit: atypi scher ymp tomatik: bevorzugt abe von MAO-Hcmmern • Bei ausgeprägter Agitierth it und Sui zidalität: Kombination mit sedi erend n ub tanzen wie Benzodiaz pin n od r ni ede rpotenten Antip y hotika.
Vorgehen bei Therapieresistenz
Von 1l1erapieresistenz wird gesprochen, wenn mindestens zwei Antidepressiva in ausreichender Dosierung und für einen Zeitraum von min destens 4- 6 Wochen ohne Erfolg eingesetzt wurden. Mögliche Maßnahmen zum Vo rgehen bei 1l1era pieresistenz listet -+ Tabelle 6.4 auf. Am sinnvollsten sind diese Interventionen, wenn eine Vo rbehandlung mit einem SSRl und Ve nla faxin oder einem trizyklischen Antidep ressivum unwi rksam blieb: • Hochdosistherapie: Erhöhung der Dosis von Venlafaxin oder dem tri zyklischen Antidepress ivum, z. B. Amitriptyli n oder Clomipramin au f Maximaldosen • Augmentierung mit einer Substan z, die selbst nicht oder kaum antidepressiv wirkt, in der Kombination aber gute Effekte zeigt: zusätzliche Gabe von Lithium (Plasmaspiegel 0,60,8 mmol/1) oder - weniger wirksam- Trijodthyronin (T 3) • Zusä tzliche Anwendung von Schlafentzugstherapie und Lichttherapie • Umstellung auf den irreversiblen MAO -Hemmer Tranylcyprom in • EKT. Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe
Erhaltungstherapie. Nach Erreichen der Remission durch ein Antidepressivum muss dieses für mindestens 6- 12 .Monate weitergegeben werTab. 6.4 Maßnahmen bei Therapieresistenz
Pharmakologische Maßnahmen Überprüfung der Plasmaspiegel und Erhöhung auf Maximaldosis Wechse l auf ein anderes An tidepress ivum mit anderem Wirkprin zip Kombinationzweier Antidepressiva mit un · terschied liche n Wirkprofil en
Antidepressive Psychotherapie
Insbeso ndere fü r fo lge nde Verfahren konnte ei ne Wirksa mke it in de r Behand lung dcpres iver Ep isoden na hgcw i ·sen werden : • Kogn.itive V rhalt n s th cra~ ic (-+ Kap. 4) • Jn t rp rsonelle Psy hothcrapic (lPT) na h Kl erm an und W ·issman (-+ Ka p. 4). Die Dauer bi zum Anspr h n istmit 10- 1 Wo h n lä nge r als bei den An ti kpn:ssiva. In j dem Fall wi hti • is t di • Psychoedukatlon des Palienten mit ß ' IUIU CI' Auilliirung ül 1' Enttehun . S)'mptomatik, V Tlau fund lhcrapi • d pr si v r Ep isoden.
Kombination eines Antidepressivums mit Lithium ("Augmentlerung") Kombination eines Antidepressivum s mit Sc hilddrU se nhormonen (,.Augmentierung") Gabe d s irr versi blen MAC-Hemmers Tranylcypromin O atrosom~ in hoher Dosi erun g Ni chtph arm akologi sc he Maßnahmen -
Schlafentzugstherapie
0
rte psychosozia le 01 gno stikund
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6
Affektive Störungen
de n. um einen Rückfall (Relap e) in die aktuelle Depression zu verhindern. Dabei sollte die volle Dosis, die zur Remiss io n führte, beibehalten werden. Wenn innerhalb der letzten fünf)ah re zwei depressive Episoden aufgetreten sind, sollte eine rezidivprophylakti sche Therapie bego nn en werden. Diese wird entweder mit Lithium oder einem Antidepressivum durchgeführt. Auch eine fortge etzte niederfrequente Psychotherap ie, insbesondere in Kom bi nation mit ein em Ant idepres ivum, reduziert die Rückfallwahrscheinlichke it Rezidivprophylaxe.
Antidepress iva dürfen nie abrupt abgesetzt werden, sondern müssen immer ausgeschlichen werden, da bei jedem abrupten Wechsel die Rückfallgefahr besonders hoch ist. Depressive Episoden bei bipolaren Verläufen
Bei der Behandl ung von bipolaren Depressionen mit Antidepress iva besteht die grundsätzli che Gefahr der Provokation von manischen und gemischten Episoden , woraus si.ch folgende
Besonderheiten der Pha rm akath erapie ergeben: • Alleinige Gabe von stark wirkenden An tidepressiva wie Venlafaxi n und trizykli chen Antidepress iva vermeiden, da hier die Switch Gefahr besonders hoch ist. In Kombina tion mit einem Stimmungsstabilisierer, der eine Manie ve rhindert, ist die Gabe aber möglich • Keine An tidepres iva-Beha ndlung bei leich ten Depressionen, sondern Op timierung oder eubegi nn ei ner Behand lung m it stim mungsstabili ierenden Medikamenten • Therapiever uch mit dem Antipsychoti kum Quetiapin, da eine gu te antidep ress ive Wirk sa mkeit bei bipolaren Depressio nen gezeigt hat, ohne dabei eine manisc he Symptomatik zu indu zieren. Manische Episoden Akuttherapie. Medibmentös. Folgend
ub-
tanzen kommen in Frage: • Stimmungsstabilisierer:
- Lithium bei euphori ·her Manie, Valproin äure bei dy phor.i h-g reizter Manie - Medikament der 2. Wahl: arbamazepin - Bei Rapid - ycling Behandlu ngsvers uch mit Va lpro i.nsä ure
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• Antipsychotika der 2. Generation wie
Olanzapin, Risperidon, Quetiap in sind zur Aku tthe!·apie manischer Episode n zugela sen • Benzo~1azepine : Mei t we rden Stimmungs stablhSierer und Anllpsyc hotika mit Benzodiazepmen zur Sedierung kom biniert. \~eite~e wichti~e Elemente der Akuttherapie s111d dte Abschirmung von Reizen , um Erregu ngszustände nicht weiter zu fö rdern . Ak ut manische Patienten widersetzen sich einer Behandlung häufig aufgrundfehlender Krankheitseinsieht Aku te Man ien müssen in der. 1)' egel stationär behandelt werden, unter Umstän den auch gegen den Wille n des Patienten (-+ Kap. 18). Rezidivprophylaxe. Aufgrund des in der Re gel sc h.were r~ n ~erl~ufs bipolarer Störunge n wnd dte lndJkatiOn tür eine Rezidivp rophylaxe schneller als bei rez idivierenden Depres ionen gestellt. Aufjeden Fall sollte sie erfolgen, wenn inn erhal b vo n 4 Jahren zwei Episoden aufgetre ten sind. Zur Rezidivprophylaxe eignen sich: • Lithium zur Prop hylaxe depressiver und manischer Episoden • Carbamazepin zu r Prophylaxe mani scher und depressiver Episoden , vor allem wenn Li thium ni ht au r i h nd ist • lamotrigin zur Rezidivprophylaxe depressiver Episoden im Rahmen bipolarer Verläufe • Valproinsäure vor all em zur Rezidivproph ,_ · ) laxe manischer Ep i oden. Häufig müs en mehrere Medi ka mente komb iniert w.erden. Psychoth erapeutischer und psychosozia ler Unterstützung komm t in der Rezi divprophylaxe bipo.l.arcr Vcrl äufe eine besondere Bedeutung zu , da ln ufig auch ge ringe Stressfaktoren aufgrundder hohen geneti chen Vulnerabi lität zu Rü kfä llen führe n.
• Prognose • Die Progno eist bei unipolar depressiven Verläufen grundstitzli h besser als bei bipo laren t·örunge n • In de r R g I haben ältere Mens hen, sow ie Men schen mit f hlende r ozialer Unterstüt zung und chro nisc hen farnilüi ren od r berufli h n Konfliktsituationen eine hle htere Prognose • Komorbide Erkrankungen wie Angstcrkran ku ngcn, Su htcrkrankungcn, I er ön lichk itstörungc n, Zwangsstörungen ode r Essstörun -
0
/ genverschlechtern oft den Verlauf. Ge rade bei den in 20- 30 % der Depress ionen komorbid vorliegenden Angst- und Panikstöru nge n ist die Gefahr der "l11erapieres istenz und Chroni fiz ieru ng de utlich erh öht. Dies hebt die Bedeutung der in tensive n Behandlung beider Störungen hervo r. Rezidivrisiko. Während die Progno e ei ner einzelnen depressiven oder manischen Episode bezüglich de r Re titutio ad integrum als positiv zu beurteilen ist, gil t das nicht für den Langzeitverlauf: • Das Rezidivrisik o be.i Depressionen liegt bei min destens 50 %, be i bipolaren Stö ru nge n bei 80 % • Ein wichtiger Risikofaktor für Rezidive sind Residualsymptome nach einer stattgefundenen Episode, was die Zeit bis zum nächsten Rückfall um den Faktor 5 reduziert. Daher muss bei jeder Epi odenbehandlung immer eine Vollremiss ion angestrebt we rden.
Suizidrate. Die Prognose ist insbesondere durch die erhöh te Suizid rate verschlechtert: • Die Suizidrate li egt für all e Depress ionen also auch unter Berücksichtigung von leichten Fo rmen - bei etwa 2 % • Nach neuesten Untersuch ungen suizid ieren sich etwa 8,6% alle r Patienten, die mi ndesten' ei nmal wegen einer Depression hospitalisiert wurden, was in der Regel für eine schwere Depre sion spricht • 20- 60 % aller an mindestens einer depressiven Epi odeErkrankten unte rnehmen mindestens einen Suizidversuch und leide n nicht selten an dadurch bed ingten Dauerschäden • Da Sui zid risiko bei bipolaren Störungen ist mind estens genauso hoch wie bei den unipola r depressiven Verläufen, aufgrund der meist schwereren Verl äufe wahrscheinl ich sogar höher • 40- 70 % aller Suizide in der Allgemeinbevölkerung erfolgen im Rah men einer Depression .
•
0 Welche Bedeutung haben genetische Befunde bei der Entstehung affektiver Störungen? 0 Nennen Sie für Depressionen typische Störungen in der Schlaf-Polysomnografie. 0 Was ist die kognitive Triade nach Beck? Nennen Sie psychologische und soziale Faktoren zur Entstehung von Depressionen.
0 Nennen Sie die Prinzipien einer antidepressiven und antimanischen Therapie mit Psychopharmaka. Welche Maßnahmen ergreifen Sie bei Therapieresistenz auf ein Antidepressivum? 0 Welche Medikamente kommen zur Rezidivprophylaxe bei unipolaren und bipolaren Verläufen zum Einsatz?
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Schizophrenien Klaus Lieb
• Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Symptomatik, Subtypen und Komorbidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Verlauf und Ätiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Diagnostik und Differenzialdiagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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_ Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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• Prognose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schizophrenien
Definition und Epidemiologie Definition Im Gegensatz zu den affektiven Störungen stehen bei den Schizophrenien sogenannte abnorme Erlebnisweisen im Vordergrund. Dazu zählen im Wesentlichen: • lnh altliche Denkstörungen wie der Wahn • Wahrnehmungsstörungen, vor allem ak usti sche Ha lluzi nationen • Ich-Störungen. Wie die affekt iven Störunge n verlaufen auch Schizophrenien .in Phasen. Es kommt jedoch im Ve rgleich zu den affektiven Störun gen we niger oft zu einer Vollremission zwischen den Episoden. In der Regel blei ben Restsymptome (Resi dualzustände) zu rück, und es tinden sich häuti ger chronische VerUi ufe. Geschichte
Emil Kraepelin
(1856-1926). Beschrieb das Krankheitsbild erstmals 1896 als "Dementia praecox" und grenzte es vom "man isch-dep ressiven Irresein" ab. Aufgrund der damals in der Vor-Antipsychotika-Ära noch häufiger zu beobac htenden chronisch progredienten Fäl len mit ausgeprägten kognitiven Störun ge n nahm Kraepelin an, dass es bei den Schizophrenien zu ei nem "demenziellen Abbau" kommt, während manisch-depressive Erkrankun ge n ph ase nh aft: und günstiger verla ufen. Kraepelin beschrieb bereits di e drei Grundformen: • Paranoid e Schizop hrenie • Hebephrene Schizophrenie • Katatone Schi zophrenie.
Eugen BJeuler (1857- 1939). Prägte 19ll den Begriff Schizophrenie und untersch ied Grund symptome vo n akzessori chen Symptomen (s. u.). Den Begriff "Dementia praecox" hielt er für unzutreffend, da er viele l~äl l e beobachtete, die spä ter begannen und keinen progredi nten Verlauf aufwiesen . Kurt Schneider (1887- 1967). War für die moderne Diagnostik d r Sc hi zop hrenien der wich tigste P ychiater. Er beschrieb die sogenan nt en Erst- und Zweitrangsymptome der chiznphrenie (s. u. ), di e heute in abgewan Ieiter Form noch Grundlage der modernen Diagnos st.el lu ng in der JCD-10 sind.
Klassifikation und Epidemiologie Triadisches System. lm heu te nicht mehr gül tige n, ät iologisch orientierten triadi schen System( ~ Kap. I) gehörten die Schizophrenien Wie die "manisch -depressiven Erkrankungen" zu den "endogenen Psycho en".
ICD- I0-Kiassifikation. Schizoph renien werden rein deskript iv nach ymptomatik und Verlauf ~ ingeteilt ..(~ Ta b. 7.1) und vo n anderen psychotischen Storungen ( ~Kap. 8) abgegrenzt. Darüber hinaus werden sie differenziald iagnostisch von den orga nischen wahn haften (schizophreniformen) Störungen abgegrenzt, bei denen der psychotischen Symptomatik eine orga nische Ursache zugrunde li egt( ~ Kap. 5 und 7) . Epidem iologie. Die wichtig ten Daten fasst ~ Tabe ll e 7.2 zusammen. Tab. 7.1 ICD-10-Kiass ifikation der Schizophrenien
F20.X Schizophrenien F20.0 Paranoide Schi zophrenie F20 .1 Hebephrene Schizophrenie F20.2 Katatone Schizophrenie F20.3 Undifferenzierte Schizophrenie F20.4 Postschi zophrene Depression F20.5 Schizophrenes Residuum F20.6 Schizophrenia simplex Tab. 7.2 Epidemiologische Daten zu den Sc hizop hreni en Erkrankungsrisiko/Lebenszeitprävalenz 1 : 1% Punktprävalenz: 0,14- 0,4% Alter bei Erstmanlfestation 2 : • Vor dem 14. Lebensjahr: 2% • Zwischen Pubertät und 30. Lebensjahr: so o;,0 • Zwischen 30. und 40. Lebensjahr: 25% • Vor dem 40. Lebensjahr: 75% Männeru nd Frauen erkranken gleich häufig, aber: • Männer erkranken im Durchschnitt früher als Frauen - Manifestation sgipfel d: 1 5.- 25 . Lebensjahr - Manife tatlonsgipfel9: 25. - 35 . Lebensjahr • Frauen hab n im Allgemein en in e bessere Langzeitprognose 1
w hrschei nll chkeit, mind
tens einm al im Leb n an in r Schizophr nie zu rkr nk n
2 Er tmanlf t tlon vom 1.- 7. L ben jahrz hnt
möglich
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D Welcher Psychiater hat den Begriff Schizophrenie geprägt und welcher Psychiater hat für die moderne Diagnostik eine besondere Bedeutung?
0 Wie werden Schizophrenien und andere psychotische Störungen in der ICD-10 eingeteilt? 0 Nennen Sie Punkt- und Lebenszeitprävalenzen und Geschlechtsunterschiede bei den Schizophrenien.
Symptomatik, Subtypen und Komorbidität Symptomatik
Obwohl es kein psychopathalogisches Symptom gibt, das pathognomonisch fü.r die Erkrankung ist, unterscheidet sich das psychopathalogische Bild mehr oder weniger deutlich von der Symptomatik anderer psychischer Störungen. Charakteristische Sym ptome wurden von Engen Bleuler in die sogenannten Grund- und akzessorischen Symptome zusammengefasst( -+ Tab. 7.3) und von Kurt Schneider in die sogenannten Erstund Zweitrangsymptome ( ~T ab. 7.4). Zu der typischen Psychopathologie der Schizophreni en (-+Kap. 2) gehören: • Inhaltliche Denkstörungen: Wahnwahrneh mungen und Personenverkennungen sowie
Wahnideen. Typische Wahnthemen sind Verfolgungs-, Vergiftu ngs- oder Beeinträchti gungswahn, seltener Größenwahn. Typ isch ist der bizarre Charakter der Wa hnvorstellungen • Formale Denkstörungen : charakteristisch sind inkohärentes (zerfahrenes) Denken, Gedankensperrungen und Gedankenabreißen sowie Vorbeireden. Seltener zu beobachten sind Begri ffsze rfa ll (Schizophasie), Begriffsverschiebungen, d. h. Begriffe werden nicht mehr in ihrer übert ragenen Bedeutung benutzt, sondern wö rl'lich genommen (z. B. auffallend beim ErkHren von Sprichwörtern ) und Kon taminationen (un inn ige Wortkombinationen) sowie Neologism n (Wortneub ildungen) • Halluzinationen : Typis h ind akustische Halluzinationen in J~ o rm dia logisier nder, kommentierender oder imp rative r Stimm n sowie Leibh alluzina tion n. Dies haben als leiblich ß einfluss ungscrlebni sse im Gegensatz zu den Zoenästh sien d n harakter des von "a ußen ema htcn", w ~i hre nd s si h bei den Zoenä thcs ien um quali tativ eigenartige
Leibesm issempfindungen ohne den Charakter des Gemachten handelt • Ich-Störungen: Dazu gehören Geda nkeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung und das Phänomen der Willensbeeinflussung • Affektstörungen: Typisch sind Anhedonie, Affektverflachung, inadäquater, parathymer Affekt, Angst und Ambivalenz • Katatone Symptome: äußern sich in Form psychomotorischer Hyper- oder Hypokinesen (-+Kap. 2). Bei chronischen Verläufen kann man auch Befehlsautomatismen beobachten, entweder mi t Echopraxie, d. h. Patienten ahmen Bewegungen und Handlunge n der Umgebung stereotyp nach oder mit Echolalie, d. h. gehörte Wörter und Sätze werden vom Patienten ,.mechanisch" nachgesprochen. Insbesondere für die Langzeitrehabilitation bedeutsam sind häufig auftretende neuropsychologische Defizite, die vornehmlich Beeinträchtigungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, z. B. Aufmerksamkeitsverlagerung und Daueraufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutiven Funktio nen zeigen. Bei den im frontalen und Tab. 7.3 Symptome der Sch izop hrenie nach Eugen Bleu ler
Grundsymptome: die 4 großen A • Assoz iationslockerung, z. B. formale Denkstö rung und Denkzerfahrenheit • Affekt störung, z. B. Parathymie • Autismus, z. B. soz ialer Rückzug und An triebsstörung • Ambivalenz -
Akzessorische Symptome • Wahrnehmungsstörungen,
z. B. Halluzina·
tionen • In ha ltlich e Störungen, z. B. Wahn
• Kataton e Störungen 85
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Schizophrenien
Tab. 7.4 Ers t- und Zweitrangsymptom e der Sc hizophrenie nach Kurt Schneider
Symptome 1. Ranges
Symptome 2. Ranges
Sympt~me 3. Ranges
Wahrnehmungsstörungen DialogiSieren de, kommentierende, imperative Stimmen
Opti sche, olfaktorische, Sens ori sche Stö rungen taktile Halluzinationen
Gedanken lautwerden Leib lich e Beeinflussungserlebnisse (Leib halluzinationen)
Zoenästhesien
Illusionäre Verk en nunge n
Ich -Störungen Gedankeneingebung
Dep ersonalisat ion
Gedankenentzug
De realisation
Gedankenausbreitung Willen sbeeinflus sung Inhaltliche Denkstörungen Wahnwah rn ehmu ng (Personenverkennung)
Wahne infall
medio-temporalen Kortex gesteue rten Exekutivfunktionen sind v. a. Kon ze ptbildung, Problem lösen und der flexible Vlechsel zwischen verschiedenen kognitiven Aufgaben gestört. Subtypen der Schizophrenie
Die !CD- JO unterscheidet fo lgende Subtypen der Schizoph renie: • Paranoide Schizophrenie:
- Ca. 40 % der Fälle - Wahnhafte, para noid e und hall uzinatorische Erlebniswe i en so wie Ich-Störungen stehen im Vordergr und der Sympto mati k - Gutes Ansprechen auf Antipsychotika, da her eher günstige Prognose • Hebephrene Schizophrenie:
- Ca. lS% der Fälle - Trias aus Affekt-, Denk- und Ant riebsstörungen in Verbindung mit einer he.iter-läppischen GestimmtheiL Diese äußert sich in Enthemm ung mit ungeni rtem, di tanzlosem Benehmen, manierierten Ve rh al tensweisen bei gleichzeitigem, weitgehendem Fehlen schizophrener Er t- und Zweitrang ymp tome - Verlauf und Progno e eher ungünsti g, weniger gute Ansprechen auf Anti psychotika • Katatone Schizophrenie:
- Ca. 15% der Fäll e, wi rd allerdings seit Ein führung der Antipsy hotika seltener beob ach tet Klinisch tehen katato ne ymptom im Vo rdergrund 86
- Der Begi nn ist meist akut, da Ansprechen auf Antipsychot ika gut und die Prognose günstig - Eine besonders schwer ausgeprägte Katatonie heißt perniziöse oder febrile Katatonie . Hier kann es aufgrundschwerer katatoner ymptome verbunden mit vegetativer En tgle isung (Fieber) zu einem Iebens gefahrl ichen Kra nkhei tsbild kommen • Undifferenzierte Schizophrenie: Eine Schizophrenieform, _bei der ~ h i zophre n e Symptome auftreten, Jedoch .mcht die Diagnosekriterien der paranoide n, hebephrene n oder ka tatonen Form allein erfüllt sind • Postschizophrene Depression : Diese Diagnose wird gestellt, wenn innerhalb der letztez1 12 Monaf·e die Diagnosekriterien einer Schizoph reni~ erf~ Ut waren und eine depre sive Episode 1mt mindestens zweiwöchiger Dauer auftritt, die das klin ische Bild behcrr cht • Schizophrenes Residuum: Vorherrschen von Negativsymptomen nach Ablauf einer aku ten Pha e einer chi zopbren ie (s. u.) • Schizophrenia simplex: Eine sogenan nte blande Psychose, bei der Negativsymptome klar im Vordergru nd st h n und psychotische Symp tome wie Wahn, Halluzinat ionen und Ich- törungennur ·ehr kur zfristig auftreten. Die Progno eis t hier i.nsgesamt schlecht. Un·1bhängig vo n der ICD-10 w rden im kl.i nis hen Sprac hgebra uch bzw. in der Fors hung auch folgend Subtypen unt rscbieden:
• Zoenästheti sche Schizophrenie: Hier ste-
Tab. 7.5 Negativ- un d Positivsymptome bei
hen Zoenästhesien und Leibhalluzi natio nen im Vorde rgrund , wä hrend ande re produktivpsychotische Symptome wie Wahn , akustische Halluzinationen und Ich-Störungen nicht oder nur passagerauftrete n • Positiv- und Negativ-Schizophrenie: Timothy Crow schlug 1980 vo r, die Schizophreniesymptomatik in eine Negativ- und Positivsymptomatik ei nzutei len(-+ Ta b. 7.5). Sch izoph renien mit Plussymptomen (positive oder produktive Symp tome) sprechen besser auf Antipsychotika an, während Patienten mit Minussymptomen (negative Symptome) sch lechter darauf an precl1en .
de r Schizoph ren ie
Komorbide Erkrankungen
Am häufigsten und klini sch am relevantesten i t die Komorbidität der Sch izophreni en mit Suchterkrankungen , v. a. die Abhängigkeit von
Negativsymptome
Positivsymptome
• Affektverflach un g • Verarmung von Sprache, Mimik,
• • • • •
Gestik • Apathie • Anhedonie • Aufmerk samkeits· Störunge n • Sozialer Rü ckzug
Halluzinationen Wahn Ich-Störungen Bi zarres Verhalten Formale Denkstöru nge n
Alkohol, Cannabis, Koffein und Nikotin , aber auc h von Benzodiazepinen, Antipa rkinsonmittel wie Biperiden und Stimul anzien. Auch komorbide körperliche Erkrankungen sind mit 40-80 % sehr häufig und tragen zur erhöh ten Gesamtmorbidität und -mortalitätschizophre n erkrankter Patienten bei .
•
0 Welche Symptome sind typisch für eine Schizophrenie? . . 0 Nennen Sie Erst- und Zweitrangsymptome sowie Negativ- und Positivsymptome emer Schizophrenie. 0 Welche Subtypen der Schiz:::O:r.P:.: hr:e:.:: ni:.:e:: n.:.:ke::n::n:.:e:: n.:; Si:.:e.:.. ?- - - - - - - - - - - - - . . . - . . . . -
Verlauf und Ätiologie • Verlauf Schizop hrenien verlaufen nicht grundsätzlich sch lecht. Vereinfachend lässt sich der Verla uf mit folgender Drittelregel be chreiben: • Y3 der Erkrankungen führen nach ei n oder mehreren Kra nkheit epi odenzur Heilung oder zu leichten Res idualzuständen • Y.J führen zu mittels hwere n und charakteristischen Residualzuständen mit gel gen tli ehe n Exazerbationen • YJ führen zu schweren Residualzu tänden oder chronischen S h.izoph renien. Bezüglich de Krankheitsverlaufs werden drei Phasen unterschieden : • Prodromalphase: Dies Phas , di Monat bis viele Jahr bes t hen kann, eht der akuten Krankheit sphase voraus und ist dur h Negativsymptome gekennzeich net. Typis h ist ein Knick in der Leben lini ', d r du r h L i " tungsabfall und ggf. ungcwöhnli hc Verha l-
tensweisen charakterisiert ist. Das Erkennen von Prodromalsymptomen ist häufig schwierig, aber umso wichtiger, um die Patienten früh therapieren und so die Langzeitprognose verbesse rn zu können • Akute Krankheitsphase: Die aktive Krankheitsphaseist in der Regel durch positive oder produktiv-psychotische Symptome wie Wa hn , Halluzinationen, Ich-Störun gen und kata tone Symptome geken nzeichnet. Die Akutphase deutet sich häufig durch Früh- . warnzeichen an wie Ruhelo igkeit, Nervosität und Ge panntheit, timmungsschwankungen, Schlafstörunge n, Überforderungsgefü hle, Konzentrations- un d Gedächtnisstörunge n wie ozialer Rü kzug • Residualphase: Etwa 2,1, der Erkrankungen geh n in mehr oder weniger schwe r ausge.prägte Res idualzustä nde über, in de nen Wieder Ne,ativsymptom dom inier n. 87
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Schizophrenien
• Frühwamsymptome einer Schizophrenie müssen mit dem Patienten individueUbesprochen werden, um rechtzeitig ein drohendes Rezidiv zu erkennen • Das größte Risiko für ein Rezidiv besteht beim abrupten Absetzen einer antipsychotischen Therap.ie.
• Ätiol