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Anton Grabner-Haider / Johann Maier / Karl Prenner
Kulturgeschichte des späten Mittelalters Von 1200 bis 1500 n.Chr.
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Inhalt
Einleitung ..................................................................................................................
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1. Lebenswelt und soziale Schichtung ................................................................ Soziale Dynamiken und Entwicklungen ............................................................... Kultur der Städte ....................................................................................................... Wirtschaft und kulturelles Leben ........................................................................... Handel und Arbeit .................................................................................................... Das alltägliche Leben ............................................................................................... Beziehungen der Geschlechter ...............................................................................
13 13 14 18 20 22 25
2. Entwicklungen der politischen Herrschaft .................................................... Vielfalt von Herrschaft ............................................................................................. Tendenzen der Zentrierung .................................................................................... Herrschaft in Mitteleuropa ...................................................................................... Französische Länder ................................................................................................ Angelsächsische Länder ........................................................................................... Süd-, Nord- und Osteuropa ....................................................................................
29 29 31 33 36 38 39
3. Religiöse Weltdeutungen ................................................................................... Verbreitung des christlichen Glaubens .................................................................. Das Wirken der Bettelorden ................................................................................... Die sozialen Protestbewegungen ............................................................................ Glaubensformen der Laienchristen ....................................................................... Lebensformen und Lebenswerte ............................................................................ Mystische Bewegungen ............................................................................................
43 44 46 48 51 52 56
4. Herrschaft der Kleriker ..................................................................................... Die Machtfülle der Päpste ....................................................................................... Konfliktfelder der Kleriker ...................................................................................... Die Lehren der Konzilien ........................................................................................ Renaissance der päpstlichen Herrschaft ................................................................
59 59 62 63 66
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Inhalt
5. Lehren der Philosophen .................................................................................... Die Rezeption des Aristoteles ................................................................................. Denkimpulse des Nominalismus ........................................................................... Lehren der philosophischen Mystik ...................................................................... Denkimpulse der Renaissance ................................................................................ Lehren des Nikolaus von Kues ................................................................................ Denklinien jüdischer und islamischer Philosophen ............................................
69 69 72 74 76 79 80
6. Entwicklungen der Kulturen ............................................................................ 85 Juden, Christen und Moslems ................................................................................ 85 Juden in Frankreich, England und Deutschland .................................................. 88 Lernprozesse des Humanismus .............................................................................. 92 Wiedergeburt der antiken Kultur ........................................................................... 93 Entdeckungen fremder Kulturen ............................................................................ 96 Entwicklung der Medizin ........................................................................................ 99 Neuansätze der Naturwissenschaften .................................................................... 102 7. Die Byzantinische Lebenswelt ......................................................................... Die Zeit politischer Bedrängnis .............................................................................. Unter der Herrschaft der Osmanen ....................................................................... Türken und Christen ................................................................................................ Orthodoxer Glaube in Italien und Russland .........................................................
107 107 110 113 117
8. Verfolgung der Häretiker und Hexen ............................................................. Häresie und Inquisition ........................................................................................... Soziale Protestbewegungen ..................................................................................... Der Kampf der Hussiten .......................................................................................... Die Lehren der Inquisitoren ....................................................................................
121 121 124 128 130
9. Literatur und Dichtkunst .................................................................................. Länder deutscher Sprache ....................................................................................... Angelsächsische Länder ........................................................................................... Skandinavische Länder ............................................................................................ Die romanischen Länder ......................................................................................... Das geistliche und weltliche Theater ......................................................................
135 135 139 141 143 146
10. Baukunst und Malerei ..................................................................................... Gotik in den romanischen Ländern ....................................................................... Gotische Kunst in West-, Nord- und Mitteleuropa ............................................. Die Kunst der Bildhauer in Italien ......................................................................... Malerei der Frührenaissance ...................................................................................
149 149 153 154 156
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Inhalt
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11. Die Juden im späten Mittelalter (Johann Maier) ........................................ Allgemeine und regionale Rahmenbedingungen ................................................ Regionale Besonderheiten ....................................................................................... Lebenswelt und Alltagsleben .................................................................................. Konfrontationen und Abgrenzungen .................................................................... Literatur ..................................................................................................................... Die jüdische Gemeinde und ihre Institutionen .................................................... Bildung und Geistesleben ........................................................................................ Kunst und Kunsthandwerk .....................................................................................
161 161 165 178 186 193 199 200 207
13. Islamische Kulturgeschichte (Karl Prenner) ............................................... Die Epoche der Mongolen ....................................................................................... Das Ayyubidenreich ................................................................................................. Berberreiche im Maghreb ....................................................................................... Die Nasriden von Granada ..................................................................................... Arabisch-Islamische Gelehrsamkeit ...................................................................... Sufis und Derwischorden im westlichen islamischen Kulturkreis .................... Sufis und Derwischorden im persisch-sprachigen Kulturraum ......................... Theologie und Philosophie ..................................................................................... Der Aufstieg der Osmanen ...................................................................................... Der Ursprung der Safawiden ................................................................................... Der Islam auf dem Indischen Subkontinent .........................................................
209 209 219 227 262 231 235 237 242 245 248 249
ANHANG Anmerkungen ............................................................................................................ Zeittabelle .................................................................................................................. Weiterführende Literatur ....................................................................................... Personenregister ......................................................................................................
253 287 291 295
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Einleitung Anton Grabner-Haider
Das späte Mittelalter in Europa wurde von vielen kulturellen, sozialen und politischen Lernprozessen geprägt. In dieser Zeitepoche veränderten sich soziale Strukturen, Formen des Zusammenlebens und der Herrschaft, der Blick vieler Menschen wurde auf fremde Kulturen gelenkt. Die Techniken des Landbaues, des Handwerks, des Bergbaues und des Krieges wurden deutlich weiterentwickelt, in den Städten und Märkten bildeten sich neue Lebensformen. Auch die religiösen Weltdeutungen veränderten sich, große Gruppen von Laienchristen grenzten sich deutlich von den Lehren der Theologen und der Kleriker ab. Wir erkennen in vielen Lebensbereichen deutliche Prozesse der Emanzipation aus den herkömmlichen Ordnungen und Strukturen der Herrschaft. Gleichzeitig sehen wir viele soziale Protestbewegungen gegen die alten Strukturen der feudalistischen Kultur. Einzelne Fürsten und Dynastien konnten ihre politische Macht vergrößern und für längere Zeit stabilisieren, in manchen Regionen Europas entstanden erste Flächenstaaten. Wir erkennen zum einen die Stärkung der Zentralgewalt, zum andern aber die Aufwertung der Regionalfürsten und ihre politische Mitsprache in frühen Parlamenten (England, Frankreich). Durch den Austausch mit der jüdischen und islamischen Kultur in Spanien, Südfrankreich und Süditalien begannen auch in Europa in Ansätzen Naturwissenschaft und empirische Medizin. Die realistische Weltdeutung des Aristoteles hat an den Universitäten langsam die metaphysischen Spekulationen der Platoniker verdrängt. Von den Universitäten, die sich in einzelnen Städten durch den Zusammenschluss von Klosterschulen, von Palastschulen und Domschulen bildeten, gingen starke Impulse für die kulturellen Lernprozesse im Bereich der Politik, der Wirtschaft und der Weltdeutung aus. Zu dieser Zeit wurden vermehrt Schriften aus der antiken Kultur wieder entdeckt, abgeschrieben und verbreitet. Viele Gebildete begannen, sich nun an den Schriften der antiken Kultur zu orientieren, damit aber relativierten sie die Lehren der Theologen und der Kleriker; diese verloren das Deutungsmonopol des Lebens und der Welt. Neue Formen der Kommunikation wurden im 15. Jh. durch die Erfindung der Buchdruckerkunst möglich, nun konnten neue Ideen und Erkenntnisse in kurzer Zeit in weiten Regionen verbreitet werden. Viele Denker eines neuen „Humanismus“ orientierten sich an den moralischen Werten der antiken Kultur, Theologen wollten die Bibel in den Urtexten Hebräisch und Griechisch lesen. In vielen Städten Italiens
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Einleitung
wurde eine partielle „Wiedergeburt“ (rinascita) der antiken Lebenswelt angestrebt, die vor allem in der Kunst ihren Ausdruck fand. Durch die Konfrontation mit den Osmanen im Osten und durch die Entdeckung neuer Inseln, Küsten, Länder und Kontinente wurde der Blick der Gebildeten auf fremde Kulturen gelenkt. Dieses Buch versucht, in mehreren Abschnitten den kulturellen Entwicklungen dieser Zeitepoche nachzugehen. Begonnen wird mit der Beschreibung sozialer Lebenswelten, mit der Entfaltung der Stadtkulturen, mit Handel, Arbeit und Wirtschaft. Dann wird auf die Entwicklungen von Herrschaft in den verschiedenen Regionen Europas geblickt. Breiten Raum nimmt die Darstellung von religiösen Lebensdeutungen ein, die keineswegs einheitlich waren. Der Blick richtet sich auf das Wirken der Bettelorden, auf soziale Protestbewegungen, auf das Verhältnis der Geschlechter und die beginnende Emanzipation der Laienchristen von den Vorgaben der Kleriker. In den Blick kommen die Herrschaft der Kleriker und ihre Konfliktfelder, das lange Ringen zwischen den monarchischen und den konziliären Entscheidungsformen. Gewichtig werden nun die Lehren der Philosophen, die kulturelle Lernprozesse angestoßen haben. Hier geht es um die Rezeption der Lehren des Aristoteles, um die naturwissenschaftlichen Impulse der Nominalisten, um die Denkansätze der frühen Humanisten und der Kultur der Renaissance, aber auch um den Austausch mit der jüdischen und islamischen Philosophie. Dargestellt werden auch die Formen des Zusammenlebens und die Konfliktfelder zwischen Juden und Christen, sowie zwischen Christen und Moslems. Ein eigener Abschnitt befasst sich mit der Byzantinischen Lebenswelt und Kultur, die in dieser Zeit vom Osmanischen Reich bedroht und dann erobert wurde. Erinnert werden auch die Verfolgung der Ketzer, der Häretiker und der „Hexen“ durch die höheren Kleriker und Fürsten, die Formen der Inquisition und die Lehren der Verfolger, der fanatische Kampf gegen soziale Außenseiter und Zauberer, die politischen Protestgruppen und die Kriege gegen die Hussiten. Insgesamt zeigten die Eliten der Kultur eine starke Intoleranz gegen das Fremde und Neue, doch in großen Teilen der Bevölkerung wuchs der Wunsch nach Veränderung der sozialen Strukturen und nach Reform der Herrschaft und der Religion. Die Entwicklung der Literatur und der Dichtkunst zeigt in den meisten Ländern deutliche Lernprozesse, auch hier wird die Emanzipation der Laienchristen von den Lehren der Kleriker deutlich erkennbar. Die Baukunst suchte neue Formen der Gestaltung von Kirchen und Domen, von Burgen und Stadthäusern, und in der Malerei wurden die großen Themen des Lebens und der Religion dargestellt. Im Lauf des 15. Jh. durfte der menschliche Körper, ähnlich wie in der Antike, wieder nackt dargestellt werden. Auch die jüdische und die islamische Kultur haben die Lebenswelten Europas nachhaltig und vielfältig geprägt. Wir erkennen hier den wechselseitigen Austausch zwischen den Kulturen, tiefgreifende Lernprozesse in der Weltdeutung, die langsame Entfaltung von Naturwissenschaft und Medizin. Das Buch zeigt die Vielfalt der Lebensformen und der Daseinsdeutungen, die Veränderungen im Bereich der Herrschaft, der sozialen Organisation, der Arbeit, der Wirtschaft und der Kultur. Methodisch wird von der Sichtweise der Pragma-
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Einleitung
tischen Philosophie (Ch. S. Peirce, W. James, J. Dewey) ausgegangen, welche die Weltdeutungen stark auf konkrete Lebensformen und Lebenswelten (L. Wittgenstein, R. Rorty, Ch. Taylor, M. Walzer, J. Derrida) bezieht. Dabei wird eine vielfältige Wechselbeziehung zwischen den konkreten Daseinsformen und den pluriformen Daseinsdeutungen erkennbar. Das Buch weiß sich dem Dialog der Kulturen und der interkulturellen Philosophie verbunden. Deswegen wird bewusst ein breites Verständnis von „Kultur“ übernommen, um den Dialog auch mit fremden Kulturräumen führen zu können. Denn mit einem engen Verständnis von Kultur ist dieser Dialog gar nicht zu führen, weil dann die Ansprechpartner in Indien, China, Japan, Islam oder Afrika fehlen. Die Schreibweise der jüdischen und der islamischen Namen wurde nicht vereinheitlicht, da Philosophen, Forscher der Judaistik und Islamwissenschaftler unterschiedlichen Transkriptionen folgen. Für wertvolle Arbeiten am Computer und am Text danken wir Frau Mag. Anne Seibt.
Graz, Frühjahr 2012
Anton Grabner-Haider
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Lebenswelt und soziale Schichtung
Im späten Mittelalter bestanden die alten Ordnungen des Zusammenlebens in den ländlichen Regionen weiter, aber in den Städten und Märkten veränderten sie sich deutlich. Durch die Gründung neuer und die Vergrößerung bestehender Städte entstanden neue Dynamiken im sozialen Gefüge, neue Lebenswelten waren im Entstehen. Die Familie und die Sippe bzw. das „Haus“ bildeten weiterhin die Grundstrukturen der Gesellschaft, sie gewährten den meisten Menschen Schutz und Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern. Im Haus und dem dazugehörigen Hof, in den Dörfern und Märkten, in kleinen und größeren Städten und auf Burgen sowie in den Klöstern vollzog sich das Leben der meisten Menschen. In den ländlichen Regionen gab es die Hausgemeinschaft und die Nachbarschaft, die Dorfgemeinde und die Marktgenossenschaft, aber auch religiöse Vereinigungen und Verbrüderungen. Die Krieger und Adeligen lebten zum Großteil noch auf befestigten Burgen, zum Teil aber schon in den Städten. In der Funktion der Feudalherren hatten sie Aufgaben der Verteidigung, der Verwaltung und des Gerichts.
Soziale Dynamiken und Entwicklungen Eine besondere politische und wirtschaftliche Rolle spielten die Königspfalzen und die Reichsburgen. Die Ritter hatten das Recht der Befestigung ihrer Burgen, durch den „Burgbann“ übten sie regionale Verwaltung aus. Sie boten ihren Untertanen, von deren Arbeit sie lebten, Schutz vor Feinden und vor Überfällen, durch sie entwickelten sich regionale Rechts- und Friedensbereiche. Mit dem wachsenden wirtschaftlichen Wohlstand und dem Anwachsen der Bevölkerung wurde das Leben auf den Burgen vielfältiger und differenzierter. Doch die stärkste soziale Dynamik entwickelten zu dieser Zeit die schon bestehenden und die neu gegründeten Städte, die sich aus Marktorten entwickelten oder von Fürsten und Bischöfen gegründet wurden. In ihnen bildeten sich verschiedene Rechtsformen aus, Marktrechte, Kaufmannsrechte, Handelsrechte und Stadtrechte. Zwischen 1220 und 1320 wurden in Europa mehr als 300 Städte gegründet.1 Nach den Schätzungen der Archäologen dürfte sich die Bevölkerung in Europa vom 11. bis zum 14. Jh. verdoppelt haben, für Frankreich wird mit einer Verdreifachung gerechnet. Eine deutliche Klimaerwärmung von ein bis zwei Grad im
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Lebenswelt und soziale Schichtung
Jahresschnitt machten den Landbau ertragreicher, die Dreifelderwirtschaft ersetzte die bisherige Zweifelderwirtschaft. Getreide wurde durch Windmühlen und Wassermühlen gemahlen, die Ernährung der Bevölkerung wurde reichhaltiger. In den Alpen stieg die Bewirtschaftung in höhere Bergregionen, der Obst- und Weinbau rückte weit in den Norden. Erst im 14. Jh. gingen die Temperaturen wieder deutlich zurück, was die Ernährung schwierig machte und regionale Hungersnöte zur Folge hatte. Die Bauern bewirtschafteten Teile des Landes in genossenschaftlichen Strukturen, viele Landstücke waren im Allgemeinbesitz eines Dorfes (Allmende). In den Städten differenzierten sich die Arbeitsprozesse und das Gewerbe, es bildeten sich Beruzfsgruppen, die sich zu Innungen, Zünften und Zechen zusammenschlossen.2
Kultur der Städte In den Märkten und Städten verbanden sich die Händler und Kaufleute zu Handelsgemeinschaften, zu Gilden und Hansen, sie gaben sich gegenseitig Unterstützung im Fall von Krankheit oder bei Streitfällen vor Gericht. Viele der alten und der neuen Städte verbanden sich zu Städtebünden, ebenfalls zum wechselseitigen Schutz, dabei entwickelten sie in Ansätzen bereits erste demokratische Strukturen. Jede größere Stadt hatte den „Kleinen Rat“, darin saßen die alteingesessenen Bürger (frz. citoyen). Dazu kam bald der „Große Rat“, zu dem auch Neubürger (frz. bourgois) zugelassen waren. Beide Räte entschieden regelmäßig über wichtige Angelegenheiten der Stadt; Frauen, Besitzlose und Unfreie waren in diesen Räten nicht vertreten. Die Bürgerschaft in einer Stadt musste durch Geld oder durch Sachgüter erkauft werden. Neben den beiden Räten gab es die jährliche Bürgerversammlung aller freien, männlichen und erwachsenen Stadtbürger, auch dort wurden bindende Entscheidungen getroffen.3 Rechtlich unterstanden die meisten Städte den Fürsten und Bischöfen, Äbten und Königen, aber sie strebten zu dieser Zeit nach mehr Unabhängigkeit und Autonomie, die sie oft durch Geld erkauften. Bald entwickelten die Städte ihre eigenen Rechtsordnungen, die sog. Stadtrechte, durch die sie das Zusammenleben, den Handel und die Arbeit ordneten. Manche Städte hatten bereits Schreibschulen, Lateinschulen und Grammatikschulen eingerichtet, neben den Schulen der Bischöfe, der Fürsten und der Klöster. Ab dem 13. Jh. schlossen sich in einigen Städten diese zuletzt genannten Schulen zu „Universitäten“ (lat. universitas litterarum, magistrorum et scholarum) zusammen, um größere Effizienz zu erzielen. Dort wurden vor allem die höheren Kleriker, die Juristen, die Stadtschreiber und bald auch die Mediziner ausgebildet. Viele Städte verbanden sich mit einander zu „Schwurgemeinschaften“ (lat. coniurationes), um sich gegenseitig Schutz zu geben und den Handelsfrieden zu wahren. Denn ständig mussten räuberische Banden abgewehrt werden, welche die Ordnungen der Städte nicht anerkannten. Manche Städte und Städtebünde führten auch Kriege gegen ihre Stadtherren, gegen Herzöge, Fürsten und Bischöfe, um mehr Rechte oder die vollständige Unabhängigkeit zu erreichen. Überall gaben sich die Städte Verfassungen und Verwaltungsordnungen, das Privatrecht und das Wirtschaftsrecht
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Lebenswelt und soziale Schichtung
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wurden deutlich ausdifferenziert. Im Familienrecht gab es zu dieser Zeit deutliche Veränderung zu Gunsten der Frauen, diese gewannen in den Städten und beim Adel ständig mehr an Rechten und Pflichten.4 Die Stadbewohner nannten sich „Bürger“, obwohl sie nicht in einer Burg, sondern nur im Schutz einer solchen lebten; in den romanischen Ländern hießen sie citoyen und bourgois. Sie richteten Bürgerwehren zur Verteidigung und zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Stadt ein. Bei den Gerichten wurden neben den adeligen Stadtherren immer öfter auch bürgerliche „Schöffen“ an der Urteilsfindung beteiligt. Viele Städte waren in gemeinsamen „Rechtskreisen“ mit einander verbunden, in ihnen lebten Besitzbürger mit Knechten und Mägden, sowie mit Fremden und Beisassen (bisassen) zusammen; diese hatten unterschiedliche Standesrechte. Durch die vielen Kriege der Männer gab es in den Städten, aber auch in ländlichen Regionen einen deutlichen Frauenüberschuss, obwohl das Leben der Frauen im Durchschnitt kürzer war als das der Männer, wegen der hohen Sterblichkeit bei den Geburten. Deswegen lebten viele Frauen in Klöstern oder in Frauenhäusern (Beginen). Die alteingesessenen Bürger (Patrizier) waren im Kleinen Rat vertreten, sie hatten die höchste Entscheidungsbefugnis. Zur Mittelschicht gehörten die Neubürger, die Händler und die Vertreter des Gewerbes, sie waren im Großen Rat vertreten. Die Knechte und Mägde und die Fremden sowie alle Frauen der Bürger waren aus den politischen Entscheidungen der Städte ausgeschlossen.5 Zur Unterschicht in den Städten gehörten bis zu 40% der Bewohner, dazu zählten Knechte und Mägde, Lehrlinge und Gesellen, Kranke, Bettler und Verarmte. Zu den Randgruppen gehörten auch die Freudenmädchen, die „gemeine Frauen“ oder „gelüstige Fräulein“ genannt wurden. Sie wohnten in Freudenhäusern, die zumeist von Männern geführt wurden. In den öffentlichen Badestuben der Städte leisteten sie den Männern aus allen sozialen Schichten erotische Dienste, in den Kirchen waren ihnen eigene Sitzplätze zugewiesen. Zu den Einrichtungen der Städte gehörten auch Armenhäuser, Siechenhäuser und Häuser für Leprakranke; die Betreuung der Kranken wurde meist von niederen Klerikern, von Nonnen und von den Bettelorden übernommen.6 In einem eigenen Rechtskreis lebten die höheren und die niedrigen Kleriker, sie waren von städtischen Abgaben und Diensten freigestellt, auch hatten sie eigene Gerichte. In vielen Städten lebten auch jüdische Familien als Händler und Handwerker, sie siedelten meist in eigenen Stadtvierteln, in Judengassen und Judenvierteln. Die Kleriker untersagten ab dem 13. Jh. den Laienchristen in vielen Predigten und Schriften den vertrauten Umgang (z.B. Gastmähler) mit Juden. In manchen Städten mussten alle Mitglieder der jüdischen Religion an ihrer Kleidung öffentlich erkennbar sein, sie trugen den Judenhut oder einen Kreis (Rouelle) auf den Kleidern. Christen durften keinesfalls zum jüdischen Glauben übertreten. In den Städten schlossen sich die Kaufleute und Händler zu Gilden und Hansen zusammen, um den Handel mit fremden Märkten und Ländern zu organisieren. Juden durften sich nicht an christlichen Gilden und Hansen beteiligen, sie hatten ihre eigenen Handelsorganisationen, die in vielen Ländern vernetzt waren. Um die
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Lebenswelt und soziale Schichtung
Händler und Kaufleute mit Geld und Edelmetall zu versorgen, wurden in vielen Städten „Münzerhausgenossenschaften“ eingerichtet. Auch die Handwerker waren zu Zünften vereinigt, in denen sie ihr technisches Wissen weitergaben; dort gewährten sie einander sozialen und rechtlichen Schutz. Ähnlich schlossen sich die Gesellen und Lehrlinge zu Gesellenvereinen und Bruderschaften zusammen.7 In vielen Städten gab es die geistlichen Bruderschaften zur Pflege der Armen und Kranken. Allgemein schritt die Ausdifferenzierung der einzelnen Berufe und Stände fort. Der städtische Bürgerstand unterschied sich deutlich von den Lebensformen der Bauern und der Landbewohner, aber auch der Adeligen und der Kleriker. Durch den Handel und die Produktion von Gütern enstand in den Städten ein wirtschaftlicher Wohlstand, der freilich nicht gleichmäßig auf alle Bewohner verteilt war. Das Geld spielte in der Marktwirtschaft eine gewichtige Rolle, in der Folgezeit kam den Juden vermehrt die Rolle des Geldverleihens zu. Die Kleriker und Theologen verboten den Laienchristen zu dieser Zeit noch feste Zinssätze für verliehenes Geld, sie sprachen von der Sünde des „Wuchers“. Doch die Juden wurden von den Lehren der Kleriker nicht erreicht, ihnen waren feste Zinssätze erlaubt. In den Städten relativierten sich zwar die alten Grenzen zwischen den Freien und den Unfreien, aber es entstanden neue Grenzen zwischen den Armen und den Reichen sowie zwischen den Christen und den Juden.8 In dieser Zeit gestaltete sich auch das Verhältnis der Grundherren zu ihren Dienstleuten (ministeriales) neu. Diese bekamen die Aufgabe, die Abgaben der Stadtbürger und der Bauern einzutreiben und effektiv zu verwalten. Viele dieser Dienstleute (Vögte und Vizegrafen) sind später in den Stand der Ritter aufgestiegen. In den Städten wurde die soziale Mobilität größer, auf dem Land blieb sie weiterhin gering. Durch den Umzug in eine Stadt oder durch Heirat wurden aus Unfreien oder Halbfreien oft freie Bürger. In dieser Zeitepoche wurden die Handelswege zu Wasser und zu Land ausgebaut, Wälder wurden gerodet und Sümpfe trockengelegt, um neues Ackerland zu gewinnen. Auch die Fischzucht der Klöster und die Viehzucht der Bauern wurden verbessert. Zu dieser Zeit wurden viele Lehen (lat. feudum) erblich, sie blieben lange Zeit in Sippen und Familien. Zu den Lehen zählten Grund und Boden, Mühlen und Fischteiche, Ämter und Zollstellen, aber auch Abgaben. Die Eintreibung der Abgaben wurde durch bewaffnete Krieger unterstützt, den Bauern aber war das Tragen von Waffen verboten. Die Grundherren konnten Hörige freilassen, wenn sie sich davon wirtschaftlichen Nutzen versprachen, denn sie waren an konfliktfreien Beziehungen interessiert. Die Bauern wussten, dass sie den Schutz der Grundherren und ihrer Krieger benötigten, um friedlich wirtschaften zu können.9 In den Städten entwickelte sich die Geldwirtschaft, während auf dem Land noch lange Zeit mit Naturalien getauscht und gehandelt wurde. Wo Münzen geprägt wurden, dort waren die Geldwechsler wichtige Berufe, aus ihnen wurden später die Geldverleiher und die Bankiers. Durch ihre Vernetzung im Handel und im Geldverleih haben die Juden wesentlich zum Wohlstand der Stadtkulturen beigetragen. In vielen Städten konnten nun große Rathäuser, Markthallen, Bürgerhäuser,
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Lebenswelt und soziale Schichtung
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Kirchen, Klöster und Dome gebaut werden. Die großen Zünfte der Bauwirtschaft („Freimaurer“) gaben ihr geheimes Wissen weiter, bei ihnen hatten viele Stadtbewohner Brot und Arbeit. Zu dieser Zeit wurden ganz neue Kirchenräume mit einem Kreuzrippengewölbe gebaut, auch viele Burgen wurden ausgebaut. Eisenhämmer wurden von Wasserrädern getrieben, das Spinnrad und der horizontale Webstuhl verbesserten die Herstellung von Stoffen und Kleidern. Die Segelschiffe wurden erheblich vergrößert, sie konnten nun ungleich weiter als bisher auf das Meer hinausfahren.10 Damit wurden die Städte auch zu Zentren der technischen Entwicklung, vor allem im Bereich der Gewerbe und bei der Herstellung und Verarbeitung von Stoffen, von Leder, von Eisen und von Stein. Die Bergwerke verbesserten ihre Techniken des Abbaues und des Transports von Edelmetallen und von Steinen, sie brachten ihren Besitzern den schnellen Reichtum. An den Schulen wurde nun auch Mathematik gelehrt, die Einführung der arabischen Zahlen brachten eine große Erleichterung beim Rechnen. Die lateinischen Zahlen hatten sich als unbrauchbar erwiesen. Vor allem die neue Zahl Null, die aus Indien über Persien und die Araber nach Europa kam, brachte große Fortschritte der mathematischen Berechnungen. Die neue Mathematik wurde vor allem in den Dombauhütten, aber auch von den Konstrukteuren von Waffensystemen genutzt. Die Bauformen der Häuser in den Städten veränderten sich, Holz und Stein lösten alte Fachwerkwände und Strohdächer ab. Manche Städte bauten schon offene Rinnsale für die Abwässer oder pflasterten die Hauptstraßen mit Steinen.11 Auf den Dörfern blieb noch lange Zeit die alte Bauweise der Häuser mit Fußboden aus gestampftem Lehm, mit Wänden aus Holz und Flechtwerk, mit Dächern aus Stroh und Schilf. Die Brandgefahr war in den Städten, Dörfern und Einzelgehöften groß, auf mutwillige Brandstiftung wurden hohe Strafen gesetzt. In den Bauernhäusern lebten die Menschen mit ihren Haustieren unter einem Dach, durch Mauern getrennt; der Wohnbereich wurde durch dünne Wände für Frauen und für Männer getrennt. Zu den Einrichtungen gehörten einfache Tische und Bänke, Truhen und Schemel, kaum Stühle, einfache Betten mit einer Strohmatte bzw. dem Strohsack; die Decken waren zumeist aus Schafwolle. Die Latrinengrube wurde etwas vom Haus entfernt angelegt werden, in der Nacht und von Kranken wurden Nachttöpfe für die Notdurft verwendet. Auch die Backöfen wurden abseits des Hauses aufgestellt, um die Brandgefahr zu vermeiden.12 In den Städten verbesserte sich die Wohnkultur der oberen und der mittleren sozialen Schichten, die Häuser wurden sicherer und stabiler gebaut. Manche Städte errichteten Stadtmauern zum Schutz vor Feinden und Räuberbanden, sie hatten neben den Nachtwächtern ihre Bürgerwehr. Die Holzhäuser wurden immer öfter von Steinhäusern abgelöst, um die Brandgefahr zu verringern. In Regionen, wo es wenig Steine gab, wurden Ziegel aus Lehm gebrannt, um damit Kirchen und Dome, Rathäuser und Wohnhäuser, aber auch Klöster zu bauen. Die Dächer wurden zunehmend mit Steinplatten oder mit Lehmziegeln bedeckt. Die reicheren Familien hatten als Einrichtung schon Möbel aus Holz und Metall, besseres Geschirr zum
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Lebenswelt und soziale Schichtung
Kochen und Essen, Decken aus Schafwolle und Baumwolle und einen beheizbaren Raum zum Wohnen. Auch in den Burgen und Häusern der Adeligen verbesserte sich der Wohnkomfort, Steinwände wurden mit Holz verkleidet, es gab wertvoll geschnitzte Möbel aus Holz. Die Frauen bekamen ein eigenes beheiztes Zimmer („Frauenzimmer“), nur die Eheleute hatten ein gemeinsames Schlafzimmer. In großen Räumen wurden Kachelöfen eingerichtet, die mit Holz beheizbar waren. Die Latrinen lagen im Wohngeschoß, ihre Öffnungen führten direkt in die Abfallgruben. Die Burgkapellen wurden von Klerikern bedient, die im Dienst der Adeligen standen. Viele Burgen, aber auch Bürgerhäuser in den Städten hatten zu dieser Zeit schon eine beheizbare Badestube.13
Wirtschaft und kulturelles Leben Wirtschaftlich gesehen war das späte Mittelalter eine Zeit der Blüte und der Hochkonjunktur in der Wirtschaft, an Arbeit und an Diensten, vor allem in den Städten. Zwischen 1220 und 1300 wurden in Europa jedes Jahr viele Städte und Märkte neu gegründet, nach 1450 waren es bedeutend weniger. Es gab Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern, Paris dürfte im 14. Jh. bereits 100.000 Einwohner erreicht haben, London etwa 40.000. Von den deutschen Städten lag Köln bei etwa 35.000, Augsnurg, Nürnberg, Lübeck, Magdeburg, Straßburg und Wien zwischen 30.000 und 20.000 Bewohnern. Das Leben in den Städten bestimmten die Händler, die Kaufleute, die Handwerker und die Kleriker, während die Grundherren immer mehr in den Hintergrund traten. Nun entstanden viele neue Berufe, die Produktion von Waren stieg an. Die städtische Führungsschicht der Patrizier erreichte auf der sozialen Skala fast den Rang der niederen Adeligen. Vor allem in Italien zogen jetzt viele Adelige von ihren Burgen in die Städte und errichteten dort ihre Stadtburgen und Paläste.14 Ab dem 14. Jh. durften Patrizier der Stadt Lehen empfangen und selber Lehen weitergeben, sie wurden partiell zu Lehensherren. Damit wurde das Grund- und Bodenmonopol des Adels unterbrochen. Die alteingesessenen Geschlechter (lat. viri hereditarii) der Stadt waren im „Kleinen Rat“ vertreten, sie lenkten die Geschicke der Stadt. Viele dieser Geschlechter errichteten jetzt große Wohnhäuser mit Wohntürmen, etwa in Italien oder an der Donau (Regensburg). Zu ihrer Klientel gehörten die „Muntmannen“, das waren niedrige Bürger und Handwerker. Manche dieser Patrizier konnten sich eine Leibgarde als Schutz leisten, sie trugen den lateinischen Titel „Dominus“, sie durften ein Wappen führen und kostbare Kleider tragen. In ihrem Lebensstil passten sie sich immer deutlicher dem niederen Adel an, doch im Lauf der Zeit wurden viele Patrizier von wirtschaftlich erfolgreichen „Neubürgern“ von ihren Rängen verdrängt. In Frankreich hießen die Patrizier citoyen, die Neubürger bourgois; die spätere Bourgoisie leitete sich also von den Neubürgern ab.15 Im Verlauf der Zeit veränderten sich die Führungsschichten in den Städten, die Patrizier mussten Teile der politischen Macht an die neu zugezogenen Handelsbürger und an die Zünfte der erfolgreichen Handwerker abtreten. Die Aufnahme in die Bürgerrechte einer Stadt musste immer mit Geld und mit Sachgütern erkauft werden.
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Die Stadträte legten jedes Jahr fest, wieviele Neubürger sie aufnehmen wollten. Wenn sie nämlich Geld benötigten für Rüstung und für Bauprojekte, nahmen sie viele Neubürger auf. Doch die alten Eliten mussten sich mit den Neubürgern die politische Macht teilen, dies war der Preis für das wirtschaftliche Wachstum. Ab dem 14. Jh. waren fast alle Zünfte in den Stadträten vertreten, dort gab es deutliche Ansätze zu demokratischen Entscheidungen.16 Die alten Eliten hatten sich zu Bruderschaften, zu Fest- und Kleiderordnungen zusammen geschlossen. Aber die soziale Mittelschicht war in den Städten ständig im Wachsen, dazu zählten die Handwerksmeister, die Kaufleute und Händler, die Baumeister, sowie alle in den Zünften, Gilden, Innungen und Bruderschaften organisierten Personen und ihre Familien. Juden waren grundsätzlich davon ausgeschlossen. In diesen genossenschaftlichen Organisationen wurden die Rechte und Pflichten der Einzelnen klar verteilt. Zu den Handwerkern zählten die Weber und Tuchmacher, die Metzger und Schuster, die Goldschmiede und Kürschner, die Krämer und Gerber, die Tischler und Zimmerleute, sowie die Baumeister. Die Unterschicht bestand aus den vielen Knechten und Mädgen, den Taglöhnern und Kleinhäuslern, den Untermietern, den Armen, den Bettlern und den Kranken. Als gesellschaftliche Außenseiter galten die Spielleute und die Freudenmädchen, die Zuhälter und die Barbiere, die Henker und die Totengräber, die Schinder und Hundefänger, aber auch Blinde und Lahme, Krüppel und „Narren“ (Geisteskranke), sowie die Aussätzigen. Ebenfalls zu den Außenseitern zählten die Juden und seit dem 15. Jh. die „Zigeuner“ (Sinti und Roma).17 Nach den Lehren der Kleriker und Theologen waren auch die männlichen Homosexuellen („Sodomiter“) strikt zu meidende Außenseiter (homines vitandi), aber auch die Anhänger kirchlich verbotener Gruppen („Häretiker“), sowie Frauen, denen ein Bündnis mit dem Teufel und mit bösen Dämonen nachgesagt wurden („Hexen“). Als die Zahl der benötigten Handwerker gesättigt war, gab es überzählige Gesellen, die von Stadt zu Stadt zogen, um Arbeit zu finden. Diese Gruppen wurden oft zu einem politischen Unruhepotential, denn sie protestierten gegen den Reichtum der Starken und organisierten Raubüberfälle auf Händler. Bereits im 14. Jh. gab es vereinzelt die Arbeitsniederlegung der Gesellen wegen zu niedrigen Lohnes und danach die Aussperrung durch den Betriebseigner (z.B. Breslau). Die Stadtordnungen riefen dazu auf, die arbeitslosen Handwerksgesellen streng zu überwachen.18 Auch in den ländlichen Regionen war die Bevölkerung bis ung. 1300 stark angewachsen, danach stagnierte sie. Die Klöster und die Adeligen intensivierten den Landbau, die Viehwirtschaft, den Weinbau und die Fischzucht in den Teichen. Die Verbesserung der Verkehrswege und die beginnende Geldwirtschaft ermöglichten die bessere Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Die Menschen in den Städten brauchten viel an Getreide, an Vieh, an Obst und Wein. Zu dieser Zeit wurden viele adelige Herrenhöfe von Pächtern verwaltet oder in kleinbäuerliche Lehensgüter aufgeteilt. Ab 1300 ist eine deutliche Klimaverschlechterung zu erkennen, zwischen 1309 und 1317 gab es in mehreren Regionen Hungersnöte. Durch schlechte Ernten wurden die Vorräte an Lebensmitteln aufgebraucht, nun starben viele Menschen an
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Hunger und Unterernährung. Und in den Jahren 1347 und 1348 wütete in vielen Regionen die Pest, die vor allem in den Städten viele Opfer forderte. Um 1450 wird die Bevölkerung in Deutschland und in Skandinavien um 50% geringer eingeschätzt als um 1300.19 Nach diesem Bevölkerungstief stieg die Einwohnerzahl Europas wieder lagsam an, doch die Pestwellen und die Missernten hatten auch starke wirtschaftliche Folgen. Viele Bauernhöfe blieben unbewirtschaftet, ganze Dörfer waren aufgegeben worden, Fluren und Felder sind verödet. Auch viele Adelige verloren ihre Einnahmen und ihr Lebensstandard sank. Langsam nur erholte sich die Landwirtschaft, Dörfer und Höfe wurden wieder besiedelt. Viele mittlere und niedrige Adelige waren zu dieser Zeit vom wirtschaftlichen Abstieg bedroht, sie wandten sich dem Waffenhandwerk und dem Kriegsdienst zu; andere schlossen sich auch Raubritterbanden an.20 Im 15. Jh. verbesserte sich die Kriegstechnik der Reiter, sie benutzten nun den Langbogen, die Armbrust und immer öfter Feuerwaffen. Doch die Mehrheit der Krieger waren Fußtruppen, sie waren mit einfachen Waffen ausgerüstet. Alle Krieger lebten vom Sold ihrer Auftraggeber, zu dieser Zeit bildeten sich die ersten Söldnerheere. Die Ministerialen und Dienstmannen verlangten mehr Rechte von den Lehensherren, die sie auch durchsetzen konnten. Die Situation der Bauern war unterschiedlich, in manchen Regionen verlangten die Gutsherren weniger Abgaben, damit die verödeten Felder wieder bewirtschaftet werden konnten. Auch die Klöster bemühten sich, die Bauern zu entlasten, damit diese nicht in die Städte abwanderten. Doch in anderen Regionen war die Abgabenlast der Bauern sehr hoch, dort blieb die wirtschaftliche Effizienz gering.21 Die meisten Bauern waren zu dieser Zeit persönlich unfrei, sie durften ohne die Erlaubnis ihrer Herren die Höfe und Felder nicht verlassen. Trotzdem gelang nicht wenigen Bauern die Flucht in die Anonymität einer Stadt. Im 15. Jh. wuchs die Zahl der Bauernhöfe wieder an, es gab neue Rodungen von Wäldern und die Besiedlung von Bergregionen. Die Arbeitstechnik wurde verbessert, neue Werkzeuge kamen zur Anwendung. Die Dörfer wurden von den Vögten (lat. advocatus) und Richtern der Grundherren verwaltet. Die Bauern hatten wenig Möglichkeiten der Selbstverwaltung. Die drückende Abgabenlast hat in vielen Regionen zu Bauernprotesten und zu Aufständen geführt, die später in die großen Bauernkriege mündeten. Die Aufstände wurden von den Kriegern der Grundherren immer mit Waffengewalt niedergeschlagen.22
Handel und Arbeit In der sich entwickelnden Marktwirtschaft bekam das Geld nun eine zentrale Bedeutung. Die Könige und Fürsten, später auch einige Städte hatten das Recht, Münzen mit bestimmten Nennwerten zu prägen. Die Fernhandelswege wurden in den meisten Regionen verbessert und ausgebaut, zum Teil waren noch Reste von Römerstraßen befahrbar. Viele Güter wurden durch Lasttiere über Saumpfade transportiert, an den Wegen wurden alte Holzbrücken durch Steinbrücken ersetzt. Auch die Flußwege
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wurden ausgebaut, die Lastschiffe vergrößert. Für die großen Bauten in den Städten, die Dome und Rathäuser, mussten große Mengen an Stein und Holz oft sehr weit transportiert werden. Der Transport geschah vor allem durch Zugtiere, Pferde und Rinder. Ein ständiges Problem für die Fernhändler waren die Straßenräuber, die in Banden organisiert waren. Deswegen mussten große Handelszüge mit militärischer Begleitung unterwegs sein. Wenn die Straßenräuber gefasst wurden, dann wurden sie zumeist zum Tod verurteilt.23 Zu dieser Zeit wurden in den Städten große Handelsmessen eingerichtet, auf denen die Waren aus fernen Städten und Ländern angeboten wurden. Die großen Handelsrouten gingen im Norden nach Skandinavien und in den Raum der Ostsee, im Westen nach England und Irland, im Süden zu den moslemischen Ländern Spanien und Nordafrika, im Osten über das Byzantinische Reich bis in den vorderen Orient und von dort über die Seidenstraße bis nach China. Gehandelt wurde mit Edelsteinen, mit Seide und Lederwaren, mit Gold und Silber, mit Baumwolle und Farbstoffen, mit Duftstoffen, Gewürzen und Früchten aus fernen Ländern. In Norddeutschland war der Handelsbund der „Hanse“ dominant, der in Lübeck und Hamburg seine Zentren hatte. In Süddeutschland waren die Städte Frankfurt, Nürnberg und Augsburg große Handelszentren, in Italien waren die Städte Venedig, Florenz und Mailand führend. Auf den Handelswegen, an Brücken und an den Stadttoren wurden für alle Waren Zölle eingehoben. Die Münzen waren auf bestimmte Währungsbereiche bezogen, nur wenige Geldmünzen erreichten überregionale Bedeutung. Neben den Prägestätten wurden nun die Wechselstellen und die Banken für die Wirtschaft bestimmend.24 Einige Münzen wurden aus Gold geprägt, etwa der Florentiner „Gulden“ (Floren) oder Venezianische Golddukaten. Bei den Geldgeschäften bekamen jüdische Familien immer mehr an Bedeutung, weil sie für verliehenes Geld feste Zinssätze verlangen durften. In Augsburg und in Straßburg waren in den Stadtrechten den Juden ausdrücklich die Geldgeschäfte zugewiesen worden, nämlich die Verleihung von Geld gegen Pfänder. Zu dieser Zeit wollten die meisten Kleriker und Theologen das Geld nur als Tauschfaktor akzeptieren, die Kreditgeschäfte mit festen Zinsen galten ihnen als verbotener „Wucher“. Doch die Juden als „Christusmörder“ durften die schmutzigen Geschäfte mit dem Geld abwickeln, ihre Seelen galten als verloren. Aber nun begannen Prediger und Kleriker, die Juden in den Städten systematisch zu verfemen, deswegen kam es im 14. und 15. Jh. häufig zu Judenverfolgungen. Besonders wenn Seuchen und Hungersnöte ausbrachen, wurden häufig die Juden dafür verantwortlich gemacht; auch wurde ihnen unterstellt, dass sie die öffentlichen Brunnen vergiftet hätten.25 Die Situation veränderte sich, als ab 1300 italienische Kaufleute aus der Lombardei in deutschen Ländern als Geldverleiher sesshaft wurden. Sie wurden Kawertschen oder Lombarden genannt und verlangten für verliehenes Geld oft viel höhere Zinssätze als die Juden. Nun stiegen diese christlichen Geldverleiher bald zur städtischen Oberschicht auf, während die Juden wegen ihres Glaubens weiterhin abgewertet wurden. In dieser Zeit entstanden Handelsgesellschaften und Handelsfirmen, die nach politischem Einfluss in den Städten, aber auch bei den Bischöfen, Fürsten
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und Königen strebten. Einige dieser großen Handelshäuser haben bei der Wahl der deutschen Könige kräftig mitgewirkt. In den Städten gehörten die Kaufleute zu den reichen Bürgern (lat. cives dives), sie sicherten sich den politischen Einfluss durch die Stadträte.26 Auch der Bergbau wurde zu dieser Zeit technisch verbessert und intensiviert, denn der Bedarf an Gold und Silber, an Eisen und Kupfer, an Blei und Zinn war groß. In die Berge wurden tiefe Stollensysteme gegraben, besondere Fundorte waren die Alpen, die Pyrenäen, das Erzgebirge und der Appenin. Bei der Verarbeitung der Erze wurde verstärkt die Wasserkraft eingesetzt, es wurden große Schmelzöfen und Eisenhämmer eingerichtet. Auch die Bergknappen und die Schmelzer schlossen sich zu Vereinen und Genossenschaften zusammen, denn ihre Arbeitsbedingungen waren hart und gefahrenvoll. Die Theologen und Prediger schätzten den Wert der Arbeit, sie sahen darin einen göttlichen Auftrag, aber auch eine Strafe Gottes für die „Erbsünde“. Daher lehrten sie, alle Menschen könnten durch harte Arbeit viele Sünden abbüßen bzw. tilgen, doch der Müßiggang und die Faulheit (lat. acedia) seien die Wurzel aller anderen Sünden.27 Im Allgemeinen wurde die Arbeit in den Städten und auf dem Land positiv gewertet, denn sie diente dem Wohl der Gemeinschaft. Vor allem die Handwerker und Händler, aber auch Bauleute und Bergknappen entwickelten ihren Berufsstolz, den sie mit einem bestimmten Berufsethos verbanden. Auch die Klöster schätzten die manuelle Arbeit hoch ein (lat. ora et labora), sie wurde vor allem von Laienbrüdern und Laienschwestern ausgeführt; doch auch Mönche und Nonnen sollten sich an der Handarbeit beteiligen. Prediger schätzten auch die Arbeit der Bauern, der Viehhirten und der Landarbeiter, wie aufgeschriebene Predigten zeigen. Zu den nicht ehrbaren Berufen aber zählten die Bettler und Landstreicher, die Freudenmädchen und ihre Zuhälter, die Henker und Abdecker. Diese Bewertung stammte aber von den Klerikern, denn im Volk waren die Freudenmädchen sehr geschätzt, wie uns literarische Zeugnisse bestätigen.28
Das alltägliche Leben Je größer die Städte wurden, umso schwieriger war es, die Einwohner mit Trinkwasser zu versorgen und die Abwässer und Abfälle zu beseitigen. Zumeist kam das Wasser aus gegrabenen Brunnen, oft auch aus Bächen, es wurde von den Menschen und den Haustieren gemeinsam genutzt. Meistens wurden auch die Abwässer mit Fäkalien und Restbeständen der Handwerksbetriebe wieder in die Bäche, Teiche und Seen geleitet. Es gab wenig Wissen über Hygiene, oft waren die Abfallgruben und die Misthäufen der Haustiere nahe an den Brunnen. In den Städten Freiburg im Breisgau, in Colmar und in Straßburg wurden bereits im 13. Jh. Teile des Stadtbaches mit künstlichen Abzweigungen durch mehrere Straßen geleitet. Daraus wurde das Trinkwasser geholt, aber darin wurde auch die Wäsche gewaschen und geschwemmt. Die Menschen glaubten, das Wasser reinige sich, wenn es über zehn Kieselsteine fließe.29 Viele Brunnen waren durch Verunreinigung verschiedenster Art gefährdet. Deswegen schrieben städtische Bauordnungen vor, die Abfallgruben mindestens 10 Ellen
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(ca. 3 m) von den Brunnen entfernt zu errichten. Die öffentlichen Brunnen waren zum Teil Fließbrunnen und zum Teil noch Ziehbrunnen, dort konnten alle Bewohner der Stadt ihr Wasser holen. In einigen Städten wurden bereits Waschstellen für Wäsche an Bächen, neben den Brunnen, an öffentlichen Plätzen oder am Stadtrand eingerichtet. Frühe Wasserleitungen in Holzrohren oder in halboffenen Steinrinnen sind seit dem 13. Jh. bekannt geworden. Immer wenn Krankheiten oder Seuchen ausbrachen, wurden ungebliebte Mitmenschen, Außenseiter oder die Juden dafür verantwortlich gemacht. Dann wurde nach „Brunnenvergiftern“ gesucht, viele wurden zum Tod verurteilt.30 Ein großes Problem für alle Städte war die Beseitigung und Entsorgung von Abfällen und von Fäkalien. Am Rand der Städte lebten die Bauern mit ihren Viehställen und Düngerhaufen, dorthin kamen auch die menschlichen Fäkalien. Der Mist wurde als Dünger regelmäßig auf den Feldern und Wiesen verstreut. Die meisten Häuser in der Stadt hatten Abfallgruben in den Hinterhöfen, auch von dort musste der Mist regelmäßig mit Zugtieren weggefahren werden. Wenn ein Bach oder ein Fluss durch bewohntes Gebiet flossen, wurden die Abwässer und Fäkalien dorthin geleitet. Oft waren es starke Regengüsse, welche die Abfallgruben säuberten. Die Speisereste wurden wohl von Hunden und Katzen, Ratten und Mäusen gefressen, die mit den Menschen lebten. Verboten wurde die Entsorgung des Abfalls auf die Straße, dafür wurden Geldstrafen angesetzt.31 Einige Städte haben früh begonnen, Gerinne für die Abwässer zu bauen, die in Bäche und Flüsse geleitet wurden. Auch die schlammigen Straßen wurden immer häufiger mit Bachsteinen und Pflastersteinen befestigt. In den nicht befestigten Straßen mussten die Bewohner nach starken Regenfällen hohe Holzschuhe tragen, um überhaupt gehen zu können (z.B. Holland). Da viele Häuser aus Holz gebaut und mit Stroh bedeckt waren, war die Feuergefahr groß. Es wurden frühe Feuerwehren eingerichtet, die aber das Löschwasser in Eimern von Hand zu Hand aus den Bächen holen mussten. Daher sind immer wieder ganze Stadtviertel abgebrannt, denn das Brennholz für die Öfen wurde auf den Straßen oder in den Höfen gelagert. Oft gab es noch Teer und Pech in den Kellern. Die vermeintlichen oder tatsächlichen Brandstifter wurden hart bestraft (Todesstrafe).32 Manche Städte legten in den Stadtvierteln Löschteiche an, um im Brandfall Wasservorrat zu haben. Doch mit dem fortschreitenden wirtschaftlichen Wohlstand wurden immer mehr Häuser aus Stein gebaut und mit Lehmziegeln bedeckt. Insgesamt brauchten die Städte viel Holz für das Gewerbe und zum Heizen, dieses wurde auf Flüssen oder mit Fuhrwerken angeliefert. Deswegen wurden in der Nähe der Städte die Wälder abgeholzt, außerdem gab es frühe Köhlerein, die aus Holz Kohle erzeugten. Besonders viel Holz wurde für die Salzgewinnung (Salinen), aber auch für die Herstellung von Teer und Pech für den Schiffsbau benötigt. Um große Handelsschiffe bauen zu können, haben die Venezianer zu dieser Zeit viele Wälder an den Küsten der Adria abgeholzt, die Flächen sind danach verkarstet. Auch für den Bergbau wurde viel Holz benötigt, um die Schächte und Tunnels zu stützen und um in den Schmelzöfen die Erze zu schmelzen.33
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Die Ernährung der meisten Menschen bestand aus Brot, Getreide, Obst und Gemüse; Fleisch und Fisch gab es selten, für die Ärmeren wohl nie. An den Festtagen wurden von den oberen und mittleren sozialen Schichten Hühner, Enten, Gänse und Tauben gegessen, die gejagten Wildtiere waren den Adeligen vorbehalten. Gesüßt wurden die Speisen mit Honig. Gewürze kamen aus fernen Ländern, aber auch aus eigenen Gärten.34 Die Kleidung der Menschen war nach Ständen geordnet, der soziale Rang musste öffentlich erkennbar sein. Einfach gekleidet waren die Knechte und Mägde, die Bauern und Hirten, die Landstreicher und fahrenden Gesellen, sie trugen grobes Leinen und billige Felle. Die Stadtbewohner waren besser gekleidet, wir erkennen in der Kleidung bereits die Vielfalt der Berufe, der sozialen Schichtung, der Altersgruppen, der Stände. Die Stadtbürger trugen kunstvoll gestaltete Kleider aus Wolle, Webstoffen und Seide, besondere Hüte und Schuhe aus wertvollem Leder.35 Die Adeligen und der reichen Stadtbürger trugen wertvolle Gewänder in prächtigen Farben. Der Leibrock bedeckte den Körper der Frauen, das bunte Obergewand betonte die weiblichen Körperformen. Die Männer der Oberschicht trugen enge Beinkleider in bunten Farben, dazu reich geschmücktes Obergewand, Hüte und Mäntel. Wir kennen die Kleider dieser Zeit sehr gut aus der Malerei, die alle sozialen Schichten darstellte. Bei den Stadtbewohnern und Adeligen sehen wir deutlich ein positives Körpergefühl, das sich von den leibfeindlichen Predigten der Kleriker längst befreit hatte. Freilich predigten auch zu dieser Zeit vor allem die Bettelmönche stereotyp gegen die „verführerische“ Kleidung der reichen Frauen. Die Juden mussten zu dieser Zeit an der Kleidung erkennbar sein, durch einen besonderen Hut (Judenhut) und einen gelben Kreis (Rouelle) auf dem Mantel.36 Die Frauen der Bauern und Hirten trugen sackartige Kleider aus rauen Leinenstoffen und aus Wolle, die Männer trugen Hosen aus dickem Gewebe. Bei den Adeligen und Stadtbürgern wurde die Haartracht wichtig, an ihr sollten Verheiratete und Unverheiratete, aber auch Reiche und Ärmere erkennbar sein. Unverheiratete Frauen durften die Haare offen tragen, verheiratete Frauen trugen ihr Haar unter einem Gebinde, einer Haube, einem Stirnband oder einer Krone. Die Männer der oberen sozialen Schichten trugen das Haar lang oder halblang, die Bauern und Knechte waren meist kurz geschoren; die Bauersfrauen und Mägde trugen das Haar unter Kopftüchern. Auch die Hüte der Männer zeigten deren sozialen Rang an. Die Kleriker trugen bunte Kleider und waren an ihren klerikalen Rängen deutlich zu erkennen.37 Die Wohnformen waren auf den Burgen, in den Städten, in den Dörfern und auf den Bauernhöfen sehr verschieden. Im 13. Jh. wurden viele neue Burgen gebaut oder alte Burgen wurden vergrößert und modernisiert. Die Wohnräume wurden mit Holz verkleidet oder mit Mörtel verputzt und bemalt; dort wurden große Öfen aus Tonkacheln aufgestellt, die wertvoll verziert wurden. Manche Adels- und Bürgerfamilien bauten sich Türme an ihre Stadthäuser, die Reichtum anzeigten, aber auch Schutzfunktionen hatten. Am Ende des 15. Jh, zogen viele Adelige in Italien von den Burgen in die Stadt und bauten sich dort Stadthäuser und Palais. Die Stadtbürger verbesserten ihren Wohnkomfort, sie hatten oft mehrere beheizbare Räume, ihre Möbel wurden kunstvoll gestaltet; die Wände wurden mit Bildern bemalt, auch Ba-
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destuben wurden eingerichtet. Nur das Leben der Bauern blieb einfach, sie konnten nur durch Nachbarschaftshilfe überleben.38
Beziehungen der Geschlechter Die Gesellschaft blieb auch im späten Mittelalter patriarchal geordnet, doch in den Städten und bei den Adeligen bekamen die Frauen deutlich mehr Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten. Allerdings führten die Kleriker und Theologen mit ihren alten Lehren die Abwertung der Frauen weiter. Sie nannten sie „Verführerinnen“ zum Bösen oder sündige „Töchter Evas“ oder einen „Mangel der Natur“ oder ein zur Erhaltung des Lebens „notwendiges Übel“. Außerdem lehrten sie, die Frauen müssten sich den Männern in allen Bereichen unterordnen, weil das so in der Bibel stehe. Die stärksten Widerstände gegen die Emanzipation der Frauen kamen von den Theologen und den höheren Klerikern, aber auch von einigen Adeligen. Nach der alten Lehre der Theologen (Aurelius Augustinus) war die sexuelle Befriedigung der Geschlechter nur in der von Gott gesegneten Ehe erlaubt, außerhalb der Ehe wurde sie als „Sünde“ bezeichnet. Die Theologen nannten die Sexualität luxuria (Schwelgen, Zügellosigkeit), die sexuelle Einigung der Geschlechter nannten sie fornicatio (Wölbung, Unzucht). Sie verwendeten also dasselbe lateinische Wort für nach ihrer Meinung erlaubte und unerlaubte Sexualität.39 Augustinus hatte gelehrt, durch die sexuelle Begierde (lat. concupiscentia) der Geschlechter werde die „Erbsünde“ weitergegeben; und bei der sexuellen Einigung der Geschlechter außerhalb der gesegneten Ehe würden böse Dämonen die Herrschaft über die Liebenden ergreifen. Zu dieser Zeit konnten sich die Kleriker und Prediger mehrheitlich nicht von diesen abstrusen Lehren trennen, wie wir aus ihren Schriften wissen. Aber wir erkennen aufgrund anderer literarischer Zeugnisse annehmen, dass die meisten Laienchristen, Adelige, Stadtbürger und Bauern diese Lehren der Kleriker entweder nicht verstanden oder nicht geglaubt haben. Denn wir sehen bei allen sozialen Schichten eine positive Einschätzung der Sexualität und der Liebe zwischen den Geschlechtern, sie konnte durch die Christianisierung kaum verändert werden. Allerdings konnten zu dieser Zeit viele Menschen aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen gar nicht heiraten. Sie lebten ihre sexuellen Beziehungen auch ohne die von den Klerikern gesegnete Ehe, die ledigen Kinder wuchsen bei den Müttern oder in fremden Familien heran. Nach den Lehren der Prediger waren die Männer und Frauen, die außerhalb der Ehe sexuelle Beziehungen lebten, als „Sünder“ einzustufen. Ob dieses Schuldbewusstsein allgemein oder nur von wenigen rezipiert wurde, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Auf das Ganze gesehen hatten die Theologen und Prediger durch alle untersuchten Jahrhunderte zur Abwertung der Sexualität und damit zu einer latenten „Schuldkultur“ erheblich und nachhaltig beigetragen, auch wenn die meisten Theologen dies heute zu relativieren oder zu verniedlichen versuchen. Doch die Adeligen, die Fürsten und Ritter hatten mehrheitlich die Sexualregeln der Kleriker nicht übernommen, viele von ihnen lebten auch nach der Christianisie-
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rung mit mehreren Frauen und hatten mit ihnen Kinder. Allerdings hatten die Kinder der Zweitfrauen und Konkubinen nicht die gleichen Erbrechte wie die Kinder der Erstfrauen. Auch die höheren Stadtbürger und Patrizier dürften mehrheitlich den Sexuallehren der Kleriker nicht gefolgt sein, doch auf die Mittelschichten der Städte hatten die Bettelorden mit ihren Predigten großen Einfluss. Selbst die höheren und niederen Kleriker lebten mit Konkubinen zusammen, aber ihre Kinder waren nicht erbberechtigt. Ein Konzil im Lateran (1139) hatte allen Klerikern die Eheschließung verboten, nicht aber das Konkubinat und die freie Liebe. Die Bauern, aber auch die Knechte und Mägde wussten sich kaum an die Morallehren der Prediger gebunden, wie wir aus ihrer Lebensform wissen. Doch bei stark religiös und kirchlich gebundenen Gruppen nahmen die Leibfeindlichkeit und die Abwertung der Sexualität deutlich zu, dies kann eine kritische Kulturwissenschaft nicht verharmlosen.40 Doch an den Fürstenhöfen entwickelte sich früh eine erotische Kultur, wie wir aus den Liedern der Troubadours und der Minnesänger wissen. Bereits im 13. Jh. war die „Ars amatoria“ des Ovidius Naso ins Französische übersetzt worden, sie war unter den Gebildeten also nie vergessen worden. Nun begannen die männlichen Dichter und Sänger die Schönheit des weiblichen Körpers und die Kunst des erotischen Liebesspieles zu preisen. Es wurden neben den von den Sippen bestimmten „Standesehen“ auch Ehen aus Liebe geschlossen, und es gab Liebesbeziehungen über die Ehegrenzen hinweg. Nach der alten Wertordnung konnten nur Frauen „Ehebruch“ begehen; doch die Kleriker lehrten, dass Männer und Frauen die Ehe brechen können. In den oberen sozialen Schichten entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen zwischen den Geschlechtern, was auch bei den Bauern und Stadtbürgern nicht auszuschließen ist. Bei den unteren sozialen Schichten war eine Emanzipation der Frauen aber kaum möglich, nach der Lehre der Kleriker mussten sie den Männern gegenüber ihre „ehelichen Pflichten“ gehorsam erfüllen.41 Im Allgemeinen lebten und arbeiteten die Männer und die Frauen getrennt, nur in den Städten rückten sie näher zusammen. Bei den Bauern, Hirten, Knechten und Mägden haben beide Geschlechter wohl auch zusammen auf den Feldern und Viehweiden gearbeitet. Am deutlichsten getrennt waren die Arbeitsbereiche der Geschlechter bei den Adeligen, den Rittern und Kriegern. Dichter und Sänger sprachen den Bauern meist eine derbe Form der Erotik zu, was aber abwertende Projektion sein könnte. Kirchliche Bußbücher berichten, dass bei den Kirchweihfesten (Kirmes) und Volksfesten von allen sozialen Schichten eine sehr freie Form der Sexualität gelebt wurde, dass sich Bauern und Hirten mit ihren Frauen und mit fremden Frauen auf den Feldern und Wiesen paarten. Das könnten sogar noch alte Fruchtbarkeitsrituale sein, die von den Klerikern nie ausgelöscht werden konnten.42 Durch die Minnesänger kam es an den Fürstenhöfen zu einer deutlichen Aufwertung der Frauen und der erotischen Liebe. Diese Aufwertung wird auch bei den oberen Schichten der Stadtbürger erkennbar, sie hing auch mit dem größeren wirtschaftlichen Wohlstand zusammen. Wir erkennen dies an den Bildern und Malereien des 14. und 15. Jh., selbst wenn von den Auftraggebern religiöse Themen gemalt werden mussten. Die Zeit der Kindheit und Jugend war kurz, die Jugendlichen wurden
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von den Erwachsenen nach Geschlechtern getrennt in die Liebeskunst eingeführt. Junge Männer der oberen sozialen Schichten lernten die Liebeskunst auch bei den Freudenmädchen der Stadt. Ab der Geschlechtsreife galten die Jugendlichen als Erwachsene, das Heiratsalter lag für Frauen bei 12 Jahren, für Männer bei 14 Jahren. Ob die Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung von den Erwachsenen geschützt waren, wissen wir nicht. Bereits im 13. Jh. wird von einem Kindesmissbrauch durch Adelige berichtet (Lambert von Andres).43 Die alten Menschen wurden zu dieser Zeit nicht mehr ausgesetzt, wenn die Nahrung knapp war. Nur in Norwegen hören wir noch von einer Altenaussetzung im 13. Jh. (Gulatingsloven 63). In den Kirchen mussten die Geschlechter getrennt sitzen, es gab eine Männerseite (Epistelseite) und eine Frauenseite (Evangelienseite). Die Kleriker unterschieden ihre Lebensform (lat. ordo clericalis) deutlich von der Lebensform der Laienchristen (lat. ordo saecularis). Sie trugen mit ihren Lehren aber dauerhaft zur Fortsetzung und Verstärkung der patriarchalen Kultur bei, denn sie forderten immer wieder die Unterordnung der Frauen unter die Männer. Viele Frauen flüchteten in die Lebensform der Klöster, weil sie dort dem Zwang der lebensgefährlichen Geburten entkamen und ein selbstbestimmteres Leben führen konnten. Aber zu dieser Zeit wurden viele Kinder, Knaben und Mädchen, den Klöstern übergeben, damit sie dort ein Leben lang als Mönche und Nonnen lebten. Gewiss wurde auch in den Klöstern Sexualität gelebt, aber in welcher Form, darüber haben wir nur marginales Wissen. Aber ohne Zweifel gab es heterosexuelle und homosexuelle Beziehungen, es wurden auch Kinder geboren und großgezogen.44 Zu dieser Zeit haben die Theologen und Kleriker zur langsamen Veränderung der Rechtsordnung beigetragen. Sie betonten jetzt stärker die inneren Einstellungen bei bösen Taten und weniger die konkreten Folgen der Taten. Mit einem guten und von Gott gewollten Ziel konnten auch Kriege (lat. bellum iustum) gerechtfertigt werden. Zu dieser Zeit wurden vermehrt stoische Werte und Rechtsnormen rezipiert, manche Theologen (Wilhelm von Thierry) sahen in Seneca sogar einen „geheimen Christen“. Kleriker durften an „Gottesurteilen“ (ordal) nicht mehr teilnehmen, diese waren aber weiterhin erlaubt. Für die verschiedenen Stände gab es unterschiedliche Rechtsordnungen und Gerichte, den unteren sozialen Schichten wurden ungleich strengere Strafen angedroht als den Adeligen und Klerikern. Der Prozess der „Zivilisation“ schritt vor allem in den Städten weiter fort.45 Die meisten Menschen wohnten in Sippen zusammen, zum „Haus“ gehörten Mann und Frau und Kinder, einige Verwandte, Mägde und Knechte. Das Haus gab einen gewissen Schutz und war der Ort der Sozialisation und der Kommunikation, dort lebten Jüngere und Ältere, aber auch beide Geschlechter zusammen. Die Kinder der Adeligen kamen zur Ausbildung an einen fremden Adelshof, die Kinder der reicheren Stadtbürger wurden bereits in städtische Schulen geschickt oder sie lernten ein Handwerk. Die Kinder der Bauern, der Knechte und Mägde wurden früh in den bäuerlichen Arbeitsprozess eingegliedert, sie hatten kaum die Möglichkeit der Bildung. Die Frauen gebaren viele Kinder, aber die Sterblichkeit der Mütter wie der Kinder war hoch.46
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Lebenswelt und soziale Schichtung
Sowohl die männliche als auch die weibliche Homosexualität wurden von den Predigern als „Sünde gegen die Natur“ eingestuft, sie wurde aber trotzdem gelebt. Das erste literarische Zeugnis für männliche Homosexualität haben wir beim Minnesänger Ulrich von Liechtenstein im „Frauendienst“ und im „Frauenbuch“47. Die freie Wahl der Ehepartner war zu dieser Zeit kaum möglich, die Kleriker forderten bei der Eheschließung den freien Konsens (lat. consensus) der Ehepartner, aber der wurde nur formal gegeben. Auch die klerikale Forderung der ehelichen Treue wurde von den Männern aller sozialen Schichten kaum befolgt, bei den Adeligen und den Stadtbürgern nahmen sich auch immer mehr Frauen das Recht auf freie Wahl des Liebespartners. Wir erkennen im späten Mittelalter deutliche Emanzipationsprozesse und kulturelle Entwicklungen in den Beziehungen der Geschlechter.48
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Entwicklungen der politischen Herrschaft
Im späten Mittelalter veränderten sich auch viele Formen der Herrschaft in ganz Europa, es entstanden in Ansätzen neue Territorialstaaten. Gleichzeitig wurden zentrale und überregionale Herrschaftsformen relativiert. Die Träger der Herrschaft waren weiterhin die Fürsten und Grafen, die Herzöge und Könige, die Bischöfe und Äbte bzw. Äbtissinnen, Päpste und Kaiser. Die deutschen Könige trugen den Amtstitel „Imperator Romanorum“ und verstanden sich damit als Herrscher des „Heiligen Römischen Reiches“. Aber ihre tatsächliche politische Macht war stark begrenzt und eingeschränkt. Zum einen mussten sie um die Durchsetzung der deutschen Königsgewalt ringen und kämpfen. Zum anderen waren sie bestrebt, das „Königreich Italien“ stärker an das Sacrum Imperium Romanum zu binden, was ihnen aber kaum gelang. Durch die vielen Kriegszüge nach Italien wurde die politische Macht im deutschen Königreich erheblich geschwächt. Die Herzöge, Grafen und Fürsten waren die natürlichen Konkurrenten der Könige, aus ihren Reihen wurden oft Gegenkönige gewählt. Dann musste die zentrale Macht wieder durch lange Kriege durchgesetzt werden. Auch die Kastellane und die Ministerialen gewannen zu dieser Zeit ständig an politischer Macht, dies vor allem dann, wenn sie eine königliche Burg oder Stadt verwalteten. Gleichzeitig versuchten die Städte, die politische Macht ihrer Stadtherren zu verringern und mehr an eigenen Entscheidungsbefugnissen zu bekommen. Oft wurden die vermehrten Rechte von den Stadtherren mit teurem Geld erkauft. Um 1250 hatten in Deutschland bereits 150 Städte einen gewählten Stadtrat mit Bürgermeister. Die Stadtherren und die Städte erhoben von den Bewohnern noch keine regelmäßigen Steuern, sondern Abgaben für Waren, Zölle für Märkte und Strafgelder für geringe Straftaten.1
Vielfalt der Herrschaft Zu dieser Zeit konkurrierten die weltlichen Herrscher (Grafen, Fürsten, Herzöge, Könige) mit den geistlichen Herren (Bischöfe, Päpste, Äbte und Äbtissinnen), welche neben der militärischen und wirtschaftlichen Macht noch geistliche bzw. religiöse Gewalt beanspruchten. So war der Bannfluch der Päpste von allen Herrschern
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Entwicklungen der politischen Herrschaft
gefürchtet, denn er entband nach der Lehre der Kleriker alle Untertanen von der Treueverpflichtung zu ihren Herren. Nun hatten die geistlichen Herrscher schon früher als ihre weltlichen Konkurrenten ein allgemeines Steuersystem eingerichtet, denn gemäß der Bibel (Altes Testament) war der zehnte Teil (Zehent) von Vieh, Getreide, Wein und Geld an die Bischöfe und Äbte/Äbtissinnen abzuliefern. Später haben auch die Grafen, Fürsten und Herzöge dieses Steuersystem übernommen. Durch den Investiturstreit mit dem Papst und den Bischöfen bzw. Theologen wurde die Zentralmacht des deutschen Königs erheblich geschwächt, seine religiöse Legitimation hatte er zu dieser Zeit schon weitgehend verloren.2 Seit dem 13. Jh. waren den Juristen und den Theologen die Schriften des Aristoteles in lateinischer Übersetzung bekannt geworden. Darin war jetzt vom „Staat“ (lat. civitas) die Rede, dieser Begriff verdrängte nun sehr schnell die früheren Begriffe des Reiches (lat. imperium), des Königtums (lat. regnum) und der Christenheit (lat. christianitas). In den politischen Texten der Juristen und Philosophen wurde nun immer häufiger die institutionelle Autonomie des Staates gefordert. Denn nach Aristoteles liege der Staat (lat. civitas) in der Natur der Menschen begründet, jeder freie Mann sei aktiv am Staat beteiligt. Der Begriff der Herrschaft (lat. imperium), der bisher vor allem mit Personen verbunden war, wurde von den Autoren jetzt auf Länder und Territorien übertragen. Historiker sprechen hier von den Anfängen der Territorialstaaten, dabei kam es zu einer deutlichen Verdichtung von Herrschaft, denn die einheitlichen Rechte der Grafen und Fürsten schufen eine einheitliche Landeshoheit. In Bayern sind im 13. Jh. fast alle alten Grafengeschlechter ausgestorben, ihre Rechte gingen nun auf die Herzöge über.3 Die Ausbildung der geistlichen und der weltlichen Reichsfürstentümer war um die Mitte des 14. Jh. abgeschlossen, die Folge war eine politische Regionalisierung des deutschen Reiches mit deutlichen sozio-ökonomischen Besonderheiten. Die Verwaltung der größeren Territorien bediente sich jetzt vermehrt der schriftlichen Aufzeichnungen, etwa das „Habsburgische Urbar“ oder das „Landbuch der Mark Brandenburg“. Solche Aufzeichnungen waren in England schon früher gebräuchlich gewesen. Durch die Einführung von festen Steuern kam es zur qualitativen Unterscheidung zwischen der fürstlichen Herrschaft und dem Hörigenverband der alten Grundherren. Die regionalen Fürsten mussten die neuen Steuern begründen, weil sie über das bisherige Gewohnheitsrecht hinaus gingen. Zuerst widersetzten sich der niedere Adel und der höhere Klerus diesen Steuern, weil sie darin einen Angriff auf ihre alten Privilegien und Freiheiten sahen. Zu dieser Zeit spaltete sich der Hochadel in Fürsten und Grafen, der Fürstenrang wurde durch die Privilegien der zentralen Herrscher erlangt. Dieser Rang war mit der Teilhabe an der politischen Verantwortung am Königsgericht und am königlichen Rat verbunden.4 In der Folgezeit wurden die regionalen Fürsten immer mächtiger, während die Grafen ihren Einfluss auf die Reichspolitik weitgehend verloren haben. Häufiger Wechsel der Herrschaft, Erbteilungen und Erbstreitigkeiten hatten zum Niedergang der gräflichen Macht beigetragen. Allerdings konnten manche Grafengeschlechter (Habsburg, Cilli, Görz) durch kluge Heiratspolitik in den Rang von Fürsten auf-
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steigen. Der fürstliche Hof wurde nun immer mehr zum Zentrum der staatlichen Verwaltung. Die Adeligen hatten fortan Rechte auf feste Abgaben ihrer Untertanen, sie übten über diese die Hoheit der Verwaltung und des Gerichts aus. Nun ging aber der Landadel einen anderen Weg als der Hofadel bzw. Hochadel des Reiches. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Reichsfürsten zu Landesherren von größere Territorien. Vor allem im Osten des Reiches entstanden die Herzogtümer Österreich, Steiermark, Bayern, Meißen, Brandenburg, Pommern und Mecklemburg.5
Tendenzen der Zentrierung Aus den Landesherrschaften wurden langsam Territorialstaaten, etwa in England und in Frankreich. Dem französischen Königshof gelang unter dem Haus der Capetinger eine deutliche Ausweitung seiner politischen und militärischen Macht, die Adeligen ordneten sich dem König unter. Die Gesetze und die Rechtssprechung des Königs wurden auf den gesamten Herrschaftsbereich ausgedehnt, der regionale Adel musste immer mehr Rechte an den Herrscher abgeben. Die bisherige Königswahl wurde außer Kraft gesetzt, nun sollte immer der älteste Sohn des Königs sein Nachfolger werden. Ein Königssohn war ab dem 13. Lebensjahr zur Regierung fähig, die Königstöchter wurden von der Erbfolge ausgeschlossen. Diese Ordnung der Thronfolge musste jeder König bei seinem Amtsantritt beschwören, er durfte auch keine Gebiete seiner Herrschaft an andere Fürsten veräußern. Mit dieser Regelung der Herrschaft gelang es in Frankreich früher als in anderen Ländern, eine einheitliche Gesetzgebung und Rechtsprechung durchzusetzen.6 Die meisten Menschen waren zu dieser Zeit von der Grundherrschaft abhängig, die Grundherren waren Fürsten und Könige, Grafen und Bischöfe, Klöster und Städte. Da die Abgaben der Bauern und der Hörigen hoch waren, wurden viele Bauern zu Lohnarbeitern degradiert, sie verloren ihre kleinen Felder und Viehweiden. In manchen Regionen wurden Grundherrschaften zu „Hofmarken“ zusammen gelegt, was größere Einheiten der Verwaltung ermöglichte. So bildeten sich in Frankreich bald zwei Gruppen von Bauern heraus, nämlich diejenigen, die ihre Felder und Äcker mit Zugtieren bearbeiten konnten (frz. laboreurs), und diejenigen, welche ihre Anbauflächen noch mit dem Grabstock und der Hacke bearbeiteten (frz. manuvriers). Nur die größeren Bauern erzeugten einen Überschuss an Lebensmitteln, den sie auf den Märkten verkaufen konnten. Alle Gutsherren, ob Adelige oder Städte, waran daran interessiert, dass ihre Landgüter mit hohen Erträgen bewirtschaftet wurden.7 Im Allgemeinen schlossen sich die Bauern zu Dorfgemeinschaften zusammen, ihre Dorfvorsteher (Ammann, Schultheiß) aber wurden meist von den Grundherren eingesetzt oder zumindest bestätigt. Er stand der Dorfversammlung vor und hatte Funktionen der Streitschlichtung und niedere Gerichtsbarkeit, dort wurden Raufhändel und Besitzstörungen verhandelt. Zur Dorfversammlung gehörten alle erwachsenen männlichen Bauern, sie wurden einmal im Jahr auf dem Dorfplatz zusammen gerufen. Dort wurde die Nutzung der allen gemeinsamen Anbau- und Weideflächen verhandelt, außerdem wurden vier bis fünf Vertreter der Bauern beim
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Entwicklungen der politischen Herrschaft
Grundherren gewählt. Wir erkennen hier die ersten Ansätze der ländlichen Demokratie. Oft kam es bei den Dorfversammlungen zu Protesten gegen den Grundherren und zu Aufständen, die mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden. Nicht selten nutzten auch Prediger diese Versammlungen, um ihre Ideen von einer gerechteren Gesellschaft vorzutragen. Viele Protestbewegungen des späten Mittelalters fanden bei Dorfversammlungen starke Unterstützung.8 Die Stadtgemeinden organisierten sich anders, aber auch sie strebten nach mehr Unabhängigkeit von ihren Grundherren. Sie bildeten zusammen mit anderen Städten schon früh eigene Bereiche des Rechts und der Herrschaft. Gewiss standen die Städte weiterhin in einem Treueverhältnis zu ihrem Stadtherren, einem Fürsten, Grafen oder Bischof, sie mussten ihm regelmäßige Abgaben und Kriegsdienste leisten. Aber durch den wachsenden Reichtum erstritten sich die Städte immer mehr Rechte der Selbstverwaltung, denn nicht der Grundherr, sondern der Stadtrat sorgte für die Ordnung im alltäglichen Leben. Der Grundherr hatte gar nicht die Mittel und Möglichkeiten, diese Ordnung zu garantieren, sie konnte nur durch Selbstverwaltung geschaffen werden. In den größeren Städten bildeten sich zwei Stadträte, der Kleine Rat der alteingesessenen Bürger für die wichtigen Angelegenheiten, und der Große Rat der Neubürger für die weniger relevanten Problemlagen. Beide Räte teilten sich die Aufgaben und Funktionen, der erste tagte ein bis dreimal in der Woche, der zweite ein bis dreimal im Monat. In der Folgezeit trugen auch die Mitglieder der Stadträte den lateinischen Titel „Dominus“, der bisher nur den Adeligen vorbehalten war. Auch hier erkennen wir die bewusste Emanzipation der Stadtbürger von ihren Herren.9 Viele Städte wurden um eine Burg der Adeligen gebaut, andere Städte wurden an Handelswegen gegründet und waren oft weit von den Sitzen der Grundherren entfernt. In der Verwaltung der Städte erkennen wir einen deutlichen Zug der Demokratisierung, denn die Entsendung in den Großen und Kleinen Rat erfolgte durch Wahl der freien männlichen Bürger und war zeitlich begrenzt; nur die Patrizier erhielten in diesen Räten dauerhafte Sitze. Viele Städte stellten schon Juristen und Stadtschreiber an, die an Universitäten ausgebildet wurden. Damit verbesserten sich die Gesetze und Statuten, sie wurden schriftlich festgelegt. Die Städte folgten unterschiedlichen Stadtrechten, die sich bereits bewährt hatten. Der zentrale Ort jeder Stadt war der Markt, wo Güter gekauft und verkauft wurden; größere Städte richteten mehrere Märkte ein, für Getreide, Fisch, Heu, Vieh und andere Handelsgüter. Durch den Handel und die Gewerbebetriebe kamen die meisten Städte zu Reichtum und Wohlstand, die aber je nach sozialen Rängen unterschiedlich verteilt wurden. In der Folge kam es in vielen Städten zu sozialen Konflikten, sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen, weil die unteren sozialen Schichten nach mehr Rechten strebten. Dann musste eine „Bürgerwehr“ für Ruhe und Ordnung sorgen. Viele Konflikte entstanden, wenn der Stadtrat die Steuern und Abgaben erhöhte.10 Große Konfliktpotentiale boten die ausbrechenden Seuchen und Hungersnöte, aber auch die vielen Kriege der Landesfürsten und Grundherren, denn die Stadtbürger mussten Kriegsdienste leisten. Die niederen Kleriker und vor allem die Bettelorden waren in den Städten um einen sozialen Ausgleich zwischen den Reichen
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und den Armen bemüht. In ihren Predigten forderten sie die Wohlhabenden dazu auf, einen Teil ihres Besitzes oder Gewinnes für fromme Stiftungen oder für soziale Einrichtungen zu geben, um damit den Armen und Kranken helfen zu können. Die Bettelorden organisierten regelmäßig Sammlungen von Geld, Lebensmitteln und Sachgütern für die Ärmsten, deswegen wurden sie in den meisten Städten hoch geschätzt. Sie leiteten Küchen für die Hungernden und organisierten Schlafplätze für die Hauslosen. Mit geistlichen Schwestern und Nonnen zusammen betreuten sie in der Stadt die Kranken, die Krüppel und die Geisteskranken. Langsam begannen auch die Stadträte, eigene Häuser für Kranke, Arme und Sieche einzurichten.11
Herrschaft in Mitteleuropa Da die deutschen Könige das „Heilige Römische Reich“ (lat. Sacrum Imperium Romanum) zu regieren und zu schützen beanspruchten, gerieten sie regelmäßig in große politische und militärische Konflikte mit dem Bischof von Rom, dem Papst, der über das „Patrimonium Petri“ herrschte. Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Philipps von Schwaben und Otto IV. kam der Staufer Friedrich II. auf den deutschen Königsthron. Er war in Süditalien aufgewachsen, als König von Sizilien war er sogar ein Lehensträger des Papstes. Aber es gelang ihm trotz vieler Konflikte mit den Päpsten,seine Herrschaft zu sichern und sogar religiös zu überhöhen. So nannte er sich offiziell „Mitstreiter Gottes“ (lat. Cooperator Dei), in einigen Texten wird er sogar mit „Heiligster Imperator“ (lat. Sanctissimus Imperator) betitelt. Selbst als er vom Papst mit dem Kirchenbann bestraft wurde, predigte er noch im Dom zu Pisa. Bei seinem Einzug in den Dom ließ er sich das Kreuz voran tragen und er segnete wie ein Bischof das glaubende Volk. In Aachen war er zum deutschen König gekrönt worden, einige Jahre später in Rom zum Herrscher der Römer. Er nannte sich fortan „König der Römer“ (lat. Rex Romanorum). Da er bei der Krönung dem Papst einen Kreuzzug gegen die Moslems versprochen hatte, musste er diesen mit seinen Kriegern ausführen. In Jerusalem krönte er sich selbst zum König und verlas ein Manifest an die gesamte Christenheit. Darin nannte er sich „Herrscher des Erdkreises“ (lat. Dominus orbis), sein Amt habe ihm Gott direkt geschenkt. In seiner Rechtsordsnung „Liber Augustalis“ (1231), die auch für andere Könige als Norm gelten sollte, regelte er die Verwaltung und die Rechtssprechung im ganzen Imperium. Darin wurden Ehebruch, Glücksspiel und Liebestränke verboten, geregelt wurden die Ausbildung der Ärzte und die Verfolgung der Ketzer.12 In seinen Fürstengesetzen (lat. Statutum in favorem principum) musste der Kaiser den regionalen Fürsten aber erhebliche Zugeständnisse der Machtteilung machen. Im Mainzer „Reichslandfrieden“, der in lateinischer und bereits in deutscher Sprache veröffentlicht wurde, sollten im ganzen Reich friedenssichernde Maßnahmen gesetzt werden, um die vielen Privatfehden einzudämmen. Da der Kaiser alle Bischofsstühle frei besetzen konnte und sogar ein Königreich Italien errichten wollte, geriet er in schwere Konflikte mit den Päpsten in Rom. Einer dieser Päpste (Gregor IX.) ließ den Kaiser als Ketzer und Gotteslästerer verurteilen, er sprach über ihn den Kirchenbann
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aus und ließ sogar einen Kreuzzug gegen ihn predigen, der mit einem Ablass von Sündenstrafen verbunden war. In Deutschland wurden Gegenkönige gewählt, doch der Kaiser konnte sich militärisch gegen diese durchsetzen. Im Jahr 1250 verstarb er, aber nach seinem Tod verfiel die kaiserliche Macht.13 Denn nun kam es im Reich zu langen Machtkämpfen um die Nachfolge des Kaisers, die Parteien standen sich unversöhnlich gegenüber. Die Erzbischöfe von Köln und Mainz wählten den englischen Grafen Richard von Cornwall zum römischen König, der Erzbischof von Trier und die Fürsten von Sachsen und Brandenburg erhoben den Spanier Alphons von Kastillien in das Königsamt. Der Past aber verweigerte beiden Rivalen die Anerkennung. In Italien ging der Kampf zwischen den Anhängern der Staufer und der Welfen (Ghibelinen) weiter, bis der letzte männliche Stauferfürst Konradin in Neapel hingerichtet wurde. Danach erklärte sich der Papst zum universalen Herrscher der Christenheit, alle christlichen Könige müssten sich ihm in Gehorsam unterwerfen.14 Diese Zeit des „Interregnums“ im deutschen Königreich stärkte die regionalen Fürsten und die Städtebünde. Nun wurden viele der bisherigen Königsstädte zu freien „Reichsstädten“, die Fürstengeschlechter der Habsburger, der Hohenzollern, der Wettiner und der Wittelsbacher konnten ihre regionale Herrschaft vergrößern und festigen. Die “kaiserlose Zeit“ dauerte bis 1273, in diesem Jahr wählten die deutschen Kurfürsten den Grafen Rudolf von Habsburg zum König. Dieser konnte nur mühsam die königlichen Rechte militärisch durchsetzen, doch es gelang ihm, aus Österreich den Böhmenkönig Ottokar zu verdrängen und dort eine stabile Herrschaft aufzubauen. Der Gegenkönig Adolf von Nassau wurde von einem Fürstentag abgesetzt, denn auf dem Konzil von Lyon (1245) hatten die Bischöfe die Regeln für die Absetzung eines Königs (lat. depositio regis) aufgestellt. Auch die Nachfolger von König Rudolf I. mussten um ihre Herrschaft hart kämpfen, König Albrecht I. wurde ermordet.15 Als von den Kurfürsten zwei Könige gewählt wurden, nämlich Friedrich von Habsburg und Ludwig von Bayern, führten beide kuze Zeit gemeinsam den Titel „Römischer König“ (1325). Danach konnte Ludwig die Alleinherrschaft durchsetzen, doch auch er geriet schnell in den Konflikt mit dem Papst in Rom, da dieser nun die Einsetzung des deutschen Königs als päpstliches Recht ansah. Kaiser Ludwig wurde vom Papst aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen, im ganzen Königreich durften keine kirchlichen Sakramente gespendet werden (lat. interdictum). Doch dem Kaiser gelang die Versöhnung mit dem Papst und seine Anerkennung, er wurde in Rom sogar zum Römischen Imperator gekrönt. In seinen Stammlanden ließ König Ludwig das geltende „Landrecht“ aufzeichnen, für München bestätigte er das Stadtrecht, er ließ dort ein Hofakademie mit Lehrern des Rechts einrichten. In einer öffentlichen Erklärung von 1338 beanspruchte er aber die volle Unabhängigkeit des deutschen Königs von der Zustimmung des Papstes. Diese Erklärung „Fidem catholicam profitentes“ wurde danach auch vom Kurfürstentag in Rhense angenommen. Im selben Jahr veröffentlichte der König fünf Reichsgesetze über den Vollzug der zentralen Reichsgewalt und die Begrenzung der regionalen Kriege. Vier Jahre später nahm er eigenmächtig und ohne den Papst eine Ehetrennung der Gräfin Margareta
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von Tirol mit Johann Heinrich von Luxemburg vor und verheiratete seinen Sohn Ludwig mit den Gräfin. Der Papst hat diese Ehetrennung später nach kirchlichem Recht als annulatio akzeptiert.16 Ein starker König war der Luxemburger Karl IV., der seine Rechte gegen viele neu entstehende Städtebünde verteidigen musste. Das waren der rheinische, der schwäbische, der elsässische und den niedersächsische Städtebund, die mehr Rechte und Freiheiten forderten. Zu dieser Zeit schlossen sich auch Ritter zu Ritterbünden zusammen, um ihre Ansprüche durchsetzen zu können; wir erkennen auch hier eine Verdichtung von Herrschaft. Als neues Reichsgrundgesetz wurde im Jahr 1356 die sog. „Goldene Bulle“ (lat. Bulla aurea) auf den Reichstagen in Nürnberg und in Metz veröffentlicht. Darin wurde das föderale Territorialprinzip für das gesamte deutsche Reich festgeschrieben, gleichzeitig wurde die Wahl des Königs geregelt. Die Kurfürstentümer durften fortan nicht mehr geteilt werden, immer sollte der älteste Sohn des Kurfürsten das Erbrecht haben (lat. primogenitura). Der König von Böhmen sollte den ersten Rang unter den vier weltlichen Kurfürsten haben. Bei der Wahl des Königs mussten mindestens vier von den sieben Kurfürsten anwesend sein. Bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des Erzbischofs von Mainz. Jede Mitwirkung oder Bestätigung des Papstes bei der Wahl des deutschen Königs war fortan ausgeschlossen.17 König Karl IV. vergrößerte die Herrschaft der Luxemburger von Böhmen bis zur Ostsee, in Arles ließ er sich zum König von Burgund krönen, das nominell noch zum Heiligen Römischen Reich gehörte. Er setzte sich für die Rückkehr des Papstes Gregor XI. von Avignon nach Rom ein, um den französischen Einfluss auf die Kirchenleitung zu begrenzen. In seiner Residenzstadt Prag gründete er im Jahr 1348 eine Universität, die Stadt bekam einen Erzbischof und der Bau eines großen Domes (St. Vitus) wurde begonnen. In Prag erinnert bis heute die Karlsbrücke an diesen Herrscher. Sein Sohn wurde zum deutschen König gewählt, aber wegen Unfähigkeit zut Herrschaft und wegen Untätigkeit von den Kurfürsten wieder abgesetzt. Die Juristen lehrten zu dieser Zeit, wenn die Kurfürsten den König wählen dürften, dann hätten sie auch das Recht, ihn abzusetzen (lat. depositio regis). Damit war die Königsmacht stark relativiert. Der Papst bestritt zuerst diese Absetzung, weil nur er das Recht habe, Könige abzusetzen. Später erklärte seine Kanzlei, die Kurfürsten hätten bei der Absetzung in päpstlichem Auftrag gehandelt.18 König Sigismund von Luxemburg hatte seine Wahl zum deutschen König dem Papst gar nicht mehr angezeigt, denn in der römischen Kirche herrschten zwei Päpste (Schisma). Er setzte den Burggrafen von Nürnberg (Hohenzollern) zum Herrscher der Mark Brandenburg ein und verlieh ihm die Würde eines Kurfürsten. Die Herrschaft in Italien konnte er nicht mehr durchsetzen, aber er engagierte sich für ein Konzil der Bischöfe in Pisa und in Konstanz. Das deutsche Reich teilte er in vier Rechtskreise ein, um mehr politischen Einfluss auf die Städtebünde zu bekommen. Er akzeptierte die rechtliche Grundlage für eine Reichsritterschaft, aus seiner Zeit ist die älteste Reichsmatrikel erhalten geblieben. Als das Haus der Askanier in Sachsen ausstarb, übertrug er die sächsische Kurwürde den Wettiner Markgrafen von
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Meißen. Die Adeligen und die Städte konnten ihre Besitzstände rechtlich absichern, ein „Reichsfriedensgesetz“ sollte für 18 Monate im ganzen Reich den Frieden durchsetzen. In der Lombardei bestätigte der König Philipp von Visconti als Herzog von Mailand. Der Papst krönte Sigismung in Rom sogar zum Kaiser.19 Fast 53 Jahre regierte der Habsburger Friedrich III. als deutscher König, zu seiner Zeit wurde die Zentralmacht deutlich geschwächt. Die politische und militärische Macht der Fürsten nahm ständig zu, Friedrich konnte die Herrschaft in den eigenen Erbländern nur mühsam durchsetzen. Mit dem Papst schloss er 1448 das „Wiener Konkordat“, das die päpstlichen Rechte bei der Besetzung der Bischofsämter in Deutschland bestätigte; gleichzeitig wurden neue Bischofsitze (Wien) gegründet. Friedrich war der letzte deutsche König, der in Rom zum Kaiser des Imperium Romanum gekrönt wurde. Seine Erbländer im Osten wurden zu dieser Zeit immer häufiger durch die Einfälle türkischer Heere bedroht. In Trier vereinbarte er mit dem Herzog von Burgung Karl dem Kühnen die wechselseitige Eheschließung ihrer Kinder. Deswegen heiratete sein Sohn Maximilian Maria von Burgund und wurde somit der Erbe dieses Herzogtums. Doch mit diesem Erbe geriet Maximilian ein eine große und lange Auseinandersetzung mit den Königen von Frankreich.20 Der König Maximilian teilte seine großen Besitztümer in drei Verwaltungsgebiete auf. Er heiratete die Tochter des Herzogs von Mailand Maria Sforza, doch die kaiserlichen Rechte in Italien konnte er nicht mehr durchsetzen. Im deutschen Reich verkündete er einen dauerhaften Reichsfrieden, er führte eine allgemeine Reichssteuer (Gemeiner Pfennig) ein und errichtete ein höchstes Reichskammergericht. Im Jahr 1494 schloss der König ein Bündnis mit den Katholischen Königen von Spanien (Kastilien und Aragon), das mit einer Hochzeit der Kinder besiegelt wurde. Damit wurde das Erbe des spanischen Königsthrones für das Haus Habsburg sichergestellt. Ein ähnliches Bündnis von Preßburg (Bratislava) im Jahr 1491 sicherte den Habsburgern bereits die Herrschaft von Böhmen und Ungarn. So hatte dieser König seine Hausmacht gewaltig vergrößert, doch die politische Zentralmacht des deutschen Königs blieb auf Dauer geschwächt.21
Französische Länder In den französischen Ländern (Frankreich, Burgund, Dauphine, Angouleme) konnte eine stärkere Zentralmacht durch die politische Klugkeit der Könige durchgesetzt werden. Bereits im 13. und 14. Jh. nahmen die Bindungen der Regionen an das Königtum zu, auch wenn die regionalen Fürsten ihre Eigenständigkeit bewahren konnten. Schon früh wurde eine zentrale Verwaltung eingerichtet, es gab Ämter für die königlichen Finanzen und eine zentrale Rechnungskammer, dazu die königliche Kanzlei, den königlichen Rat und einen obersten Gerichtshof des Königs. König Philipp der Schöne rief bereits die Adeligen, die höheren Kleriker und die Vertreter der Städte zusammen, um sich mit ihrer Hilfe gegen den Papst in Rom durchsetzen zu können. Aus dieser Versammlung wurden später die „Generalstände“ (frz. états généraux), die auf die Politik des Königs immer stärkeren Einfluss bekamen. Mit der
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Zustimmung des Papstes raubte König Philipp die Besitzungen des Templerordens, der ausgelöscht wurde; damit wurde seine Macht deutlich vergrößert. Zu dieser Zeit beschlossen die Adeligen und die Juristen der Universität Paris, dass in Frankreich Frauen vom Königtum ausgeschlossen sein sollen.22 Der König teilte sich die Macht mit dem königlichen Rat (lat. curia), der von Adeligen, höheren Klerikern und Rittern beschickt wurde. Dieser Rat hatte Aufgaben der Verwaltung und richterliche Funktionen, er berief von den Universitäten Spezialisten des Rechts (frz. maîtres). Während seiner Sitzungen wurde dieser Rat „Parlament“ (lat. parlamentum) genannt, seit 1250 tagte er regelmäßig an festgesetzten Tagen. Dort wurden Ansuchen (frz. requêtes) und richterliche Untersuchungen (frz. enquêtes) behandelt. Dieser königliche Rat (lat. parlamentum) kontrollierte die Einkünfte und Ausgaben des Königs, er bildete eine eigene Rechnungskammer (lat. curia in compotis); bald wurde auch ein eigener Gerichtshof (frz. échiquier) gebildet. So regierte der König zusammen mit seinen Räten und einem frühen Parlament.23 Durch einen Kreuzzug gegen die Albigenser hatte der König neue Gebiete für seine Herrschaft erobert, nämlich Toulouse, Aquitanien, Languedoc, Poitiou und Teile der Gascogne. Die kirchliche Inquisition unterstützte seine Herrschaft, die Gegner des Königs wurden als Häretiker verfolgt. Neben dem königlichen Rat gab es noch einen „Ständetag“, vor dem Adelige, Kleriker und Vertreter der Städte ihre Beschwerden (lat. gravamina) vorbringen konnten. Als die männlichen Thronerben ausgestorben waren, beanspruchte der englische König Eduard III. die französische Krone, weil er mit dem letzten König verwandt war. Im hundertjährigen Krieg gegen England wurde die französische Königsherrschaft erheblich geschwächt, erst im 15. Jh. konnte sie wieder gefestigt werden. König Ludwig XI. organisierte den Staat neu, die Vertreter des Adels, des höheren Klerus und der Städte wurden mehr als bisher an der politischen Macht beteiligt. So wie nach der Lehre des Theologen Johannes Gerson in der Kirche der Papst mit dem Konzil regieren soll, so sollte auch der König von Frankreich zusammen mit den Vertretern der „Stände“ die Macht ausüben. Die Bischöfe sollten vom Papst unabhängig werden und sich voll in den Dienst des Königs stellen (Pragmatische Sanktion von Bourges).24 Eine starke Konkurrenz zum französischen Königtum bildete das Herzogtum Burgund, das lange Zeit mit den Engländern verbündet war. Erst König Karl VII. konnte 1452 die Engländer vertreiben und seine Herrschaft durchsetzen. Er hatte bereits ein stehendes Heer (lat. militia perpetua) eingerichtet und die Güterverwaltung neu organisiert. Als der letzte Herzog von Burgund starb, beanspruchte der König von Frankreich dieses reiche Herzogtum, aber es ging durch Heirat an den Habsburger Maximilian von Österreich. König Karl VIII. wollte seine Herrschaft über die Städte in Oberitalien ausdehnen, aber er scheiterte.25 Der lange Krieg gegen England hatte in Frankreich aber einen starken Nationalstaat entstehen lassen, der nun zentral organisiert wurde.
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Angelsächsische Länder Auch in England kämpften die Adeligen und höheren Kleriker um mehr Rechte und um die Mitwirkung an der Herrschaft und Verwaltung. Sie hatten mit dem „Magna Charta Libertatum“ (1215), als der König Johann ohne Land in Not war, viel Macht im Staat bekommen. Denn die Herrschaft des Königs wurde damit stark eingeschränkt und der Kontrolle der Adeligen und des höheren Klerus unterworfen. Deswegen hatte der Papst Innozenz III. diesen Freiheitsbrief des Königs auch nie anerkannt. Doch in den Folgezeit tagte der Große Rat der Barone (lat. Magnum concilium) dreimal im Jahr, in verschiedenen Städten des Landes; er wurde auch in England parlamentum genannt. Seit 1265 waren auch die Vertreter der Städte in diesem Rat vertreten, dort wurden Petitionen und Beschwerden an den König übernommen und beraten. Dieser ständige Rat des Königs konnte nun die Politik des Königs, die Höhe der Steuern und die Formen der Verwaltung mitbestimmen. Er konnte sogar Könige absetzen, wenn sie für ihr Amt ungeeignet waren. In der Folgezeit schränkte dieses Parlament die Besitzrechte des Königs erheblich ein. Zu Beginn des 15. Jh. hatte die Dynastie der Lancaster die Herschaft übernommen, ihr folgte ab 1485 das Haus Tudor. Das Parlament wurde zu dieser Zeit von adeligen und geistlichen Herren (engl. Lords), von Rittern der Grafschaften und von den Vertretern der Städte und Märkte beschickt, es war ein gleichwertiger Partner des Königs in der Ausübung von Herrschaft und Macht.26 Fortan tagte das Parlament regelmäßig an einem Ort, nämlich in Westminster, es musste die Steuern für die Kriege und für die Seefahrt bewilligen. Mit Heinrich VII. Tudor begann eine neue Form der Herrschaft, der König arbeitete eng mit dem königlichen Rat (engl. council), dem Parlament, den obersten Richtern (engl. Common Law), den Friedensrichtern und den Geschworenen zusammen. Als der Krieg mit Frankreich beendet war, verloren die alten Feudalherren in den Regionen ihren politischen Einfluss. Die Bauern mussten nun weniger Abgaben zahlen und konnten das Land intensiver bewirtschaften, denn viele der ländlichen Regionen waren während des Krieges verödet. In den großen Städten, vor allem in London entfalteten sich das Handwerk und der Handel, besonders die Tucherzeuger wurden gefördert. So entstand in den größeren Städten ein gewisser Reichtum an Gütern, es wurden Grammatikschulen gegründet, die auch bürgerliche Stadtbewohner besuchen konnten. Damit schritt die Literarisierung der Bevölkerung fort, in der Oberschicht konnte sich durch die Verwaltung der Güter bereits eine einheitliche Schriftsprache durchsetzen. In den einzelnen Regionen wurden weiterhin viele Dialekte gesprochen, die sich schwer mit einander verständigen konnten. Bereits 1440 wurde das EtonCollege für adelige Schüler gegründet, es wurde zum Vorbild für viele weitere Adelsschulen. Die beiden Universitäten in Cambridge und Oxford waren mit einander in Konkurrenz, dort wurden viele Juristen, Theologen, Mediziner und Naturforscher ausgebildet. So wurde England von einem starken Parlament mitregiert, dort sind deutliche Ansätze zu demokratischen Entscheidungen zu erkennen.27
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Süd-, Nord- und Osteuropa In Italien konnte im späten Mittelalter keine einheitliche Herrschaft durchgesetzt werden. Im Süden bildeten sich die Königreiche Sizilien und Neapel, im Kirchenstaat (lat. Patrimonium Petri) übte der Papst die politische Herrschaft aus. Und in Norditalien konkurrierten viele Fürstentümer und Stadtstaaten miteinander, wovon Venedig, Florenz, Genua und Mailand die stärksten waren. Nach dem Tod von Kaiser Friedrich II. war die politische Macht des Heiligen Römischen Reiches in Italien verfallen, im Süden hatten die Könige von Anjou und von Kastilien Herrschaften errichtet. In den Fürstentümern und Stadtstaaten von Norditalien konnten die Stadtbürger viel an Macht gewinnen, dort wurde die Politik vom Podesta und von der Signoria bestimmt. Wir erkennen auch hier deutliche Ansätze zu demokratischen Entscheidungen, freilich begrenzt auf freie und wohlhabende Bürger männlichen Geschlechts.28 Auf der Iberischen Halbinsel bildeten sich durch die Kämpfe gegen die Moslems (lat. reconquista) mehrere starke Königreiche, vor allem Kastilien mit Leon und Aragonien mit Katalanien, außerdem noch Portugal. Diese waren im Kampf gegen die Moslems verbündet, untereinander aber in Konkurrenz. Im 14. und 15. Jh. war in Spanien nur mehr das kleine Fürstentum von Granada unter moslemischer Herrschaft geblieben, bis die Moslems 1492 von dort vertrieben wurden. Auch die katholischen Könige von Spanien und Portugal regierten im 15. Jh. bereits mit einer Kurie (lat. curia), mit adeligen und klerikalen Räten (lat. cortes); sie folgten damit der altrömischen Herrschaftsform (lat. princeps und senatus).29 Die Cortes wurden vom König regelmäßig einberufen, sie hatten die Funktion der Kontrolle der Finanzen und der Gerichte. Ab dem 13. Jh. schickten auch größere Städte und Märkte ihre Vertreter in den Rat der Cortes, dieser beriet den König in allen wichtigen Fragen der Politik und hatte die Befugnis der Mitentscheidung. Nach der Eroberung von Granada lebten in Spanien viele frühere Moslems, die Christen geworden sind, sie waren von den christlichen Königen geschützt. Doch viele Moslems wurden als Sklaven gehandelt und verkauft. Die Situation der Juden hat sich durch die christliche Eroberung stark verschlechtert, bis sie 1492 aus ganz Spanien vertrieben wurden.30 In Skandinavien bildeten sich drei Königreiche, nämlich Dänemark, Schweden und Norwegen, die sich kurze Zeit in der Union von Kalmar vereinigt hatten. Die Königin Margarete herrschte über alle drei Länder, doch nach ihrem Tod zerfiel die Union und die drei Länder trennten sich wieder. In allen drei Ländern war die Macht des Königs gering, die Vertreter des Landadels und der freien Bauernschaft waren an den politischen Entscheidungen beteiligt. Eine Ratsversammlung musste über Kriege und Friedensschlüsse, über die Bestellung von Vögten und über die Höhe der Abgaben an den König mitentscheiden. Dieser „Reichsrat“, aus dem später ein ständiger „Reichstag“ wurde, war im 15. Jh. deutlich gestärkt worden. Wo das Königtum nicht erblich war, durfte er den König wählen. In manchen Regionen konnten sogar die Bauernverbände ihre Unabhängigkeit von den Adeligen durchset-
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zen (Dithmarscher). Die drei Königreiche lebten in politischer und wirtschaftlichen Konkurrenz mit einander.31 In Osteuropa war im 14. Jh. durch die Vereinigung des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen ein stabiles und großes Reich entstanden. Der Deutsche Orden hatte seine Herrschaft weit nach Osten ausgedehnt, bis nach Kurland und Livland, die neu geründeten Städte wurden dort von der deutschen Kultur geprägt. Doch in der Schlacht bei Tannenberg (1410) wurde der Deutsche Orden von den Polen und Litauern besiegt, damit verlor der Orden seine dominante Rolle in dieser Region. In der Folge erlebte Polen einen wirtschaftlichen und politischen Aufschwung, die Bauern wurden direkt durch Soldaten vom König geschützt. Den Juden wurde die Einwanderung in großer Zahl erlaubt, damit sie mithelfen sollten, die Städte, den Handel und das Handwerk aufzubauen.32 Auch in Ungarn konnte sich im 14. Jh. eine zentrale Königsherrschaft durchsetzen, obwohl die Macht der Adeligen immer sehr stark blieb. Vor allem unter dem König Ludwig konnte sich die Wirtschaft entfalten, westliche und lateinische Kultur prägten das Leben der Oberschichten. Doch seit dem Sieg der Türken über die Serben (1389) war Ungarn direkt vom Osmanischen Reich bedroht. Der Böhmenkönig und deutsche Kaiser Sigismund hatte einen letzten Kreuzzug gegen die Türken geführt, aber sein Heer wurde an der Donau von den Osmanen besiegt. König Matthias Corvinus hatte Ungarn noch einmal groß und stark gemacht, aber nach seinem Tod übernahmen die polnischen Jagiellonen die Herrschaft über Ungarn und Polen. In ihren Händen lag nun auch die Verteidigung gegen das Osmanische Reich.33 In Polen waren die Adeligen und bald auch die Vertreter der Städte an der Herrschaft des Königs beteiligt, jeder König musste den regionalen Fürsten ihre alten und angestammten Rechte bestätigen. Auf Betreiben der höheren Kleriker und vieler Adeliger sollte Polen ein Bollwerk der katholischen Rechtgläubigkeit sein; daher wurden dort die böhmischen Hussiten, die nach Polen geflüchtet waren, hart bekämpft. Durch ein Bündnis mit Litauen und mit Ungarn sollten die Türken von Osteuropa ferngehalten und vertrieben werden. König Kasimir IV. suchte sogar ein Bündnis mit dem russischen Fürsten Wassilij von Moskau gegen die Tartaren (Mongolen) auf der Halbinsel Krim. Ständig musste der polnische König seine Zentralmacht gegen die Ansprüche des Landadels und der Städte verteidigen, die sich zu einer „Preußischen Liga“ zusammen geschlossen hatten. Doch der polnische König blieb siegreich und gewann die Oberhoheit über Preußen, er eroberte die Marienburg, den Sitz des Deutschen Ordens (1457). Das Ermland kam unter polnische Herrschaft, Ostpreußen wurde polnisches Lehen.34 In Russland gelang es dem Großfürsten von Moskau, eine zentrale Herrschaft mit starkem Militär durchzusetzen. Zuerst strebten die Polen und Litauer von Kiew aus die Herrschaft über die Russen an. Die Länder am Fluß Wolga waren noch unter der Herrschaft der Tartaren. Da gelang dem Großfürsten Iwan III. ein Bündnis mit dem orthodoxen Metropoliten von Moskau, mit dessen moralischer und religiöser Unterstützung eroberte er alle russischen Fürstentümer und Städte und besiegte einen Aufstand der Adeligen (Bojaren). Damit konnte er die Alleinherrschaft über Russland
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antreten, er nannte sich nun Car (Zar), von lat. Caesar, und „Selbstherrscher“ (russ. samoderzec). Danach heiratete er eine Nichte des letzten Kaisers von Byzanz und übernahm die byzantinischen Feldzeichen (Doppeladler) auf seine Fahnen. In der Folgezeit sah er sich als Nachfolger des byzantinischen Kaisers, Moskau war nun das „Dritte Rom“ geworden.35 Die Länder Südosteuropas wurden im 15. Jh. immer stärker von den Osmanen bedroht, Serbien, Bulgarien und die Länder um das Schwarze Meer waren bereits von den Türken erobert worden. Sultan Mehmed II. hatte Belgrad und Konstantinopel erobert und von dort an die 60.000 Gefangene für sein großes Heer mitgeführt. Danach wurden Teile der Walachei und das Bosnische Reich erobert (1463). Der Papst Pius II. rief zu einem Kreuzzug gegen die Türken auf, die Venezianer kämpften einen harten Kampf um ihre Besitzungen an der Adria und im Mittelmeer. Doch die Türken eroberten großeTeile Dalmatiens und drangen tief in die Krajna (Krain) der Habsburger ein. Venedig musste Inseln und große Häfen an der Adria an die Osmanen abtreten.36 Zum Ende des 15. Jh. war ganz Südosteuropa von den Eroberungen der Türken bedroht.
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Die große Mehrheit der Bevölkerung lebte zu dieser Zeit in einer religiösen und teilweise mythischen Weltdeutung. Hinter den Phänomenen der sichtbaren Welt wurden unsichtbare Kräfte und Kraftfelder angenommen, die auf die Menschen in vielfältiger Weise wirkten. Die Christianiserung hatte diese mythische Weltdeutung wohl weiter entwickelt, aber keineswegs ausgelöscht. Außerdem war die Verbreitung des christlichen Glaubens keineswegs abgeschlossen, große Teile der Bevölkerung kannten nur marginale Teile der christlichen Lehre. Die meisten Menschen verbanden die neue Lehre der Prediger und Kleriker mit ihren alten Formen der Weltdeutung. In den alten Volkskulturen glaubten die Menschen an viele männliche und weibliche Schutzgötter, an gute und böse Dämonen, an unsichtbare Kräfte in der gesamten Natur. Sie verehrten ihre Ahnen, die sie in einem Ahnenland wähnten. Sie führten regelmäßig Riten der Fruchtbarkeit, der Abwehr des Bösen, der Reinigung von Schuld, der Heilung von Krankheit und der Verabschiedung der Toten aus. Die christliche Weltdeutung hatte sich, bildhaft gesprochen, nur zum Teil über die bisherige Form der Weltdeutung gebreitet.1 Dies hatte zur Folge, dass viele Menschen zu dieser Zeit in zwei Glaubensformen lebten, nämlich in einer vorchristlichen und einer marginal christlichen. Trotz aller „Abschwörungen“ gegen die alten Schutzgötter bei der christlichen Taufe glaubten viele Bauern und Hirten, Knechte und Mägde, Handwerker und Händler, aber auch Krieger und Adelige weiterhin an die Macht der bisherigen Schutzgötter und der bösen Dämonen. Sie verehrten weiterhin ihre Ahnen, von denen die Prediger jetzt sagten, sie seien nicht im Ahnenland, sondern im „Himmel“ oder in der „Hölle; oder sie müssten im „Fegefeuer“ (lat. purgatorium) von ihren Sünden und bösen Taten gereinigt werden. Aus den vielen Klagen der christlichen Prediger und aus ihren „Bußbüchern“ können wir den tatsächlichen Glauben des Volkes erschließen. Theologen und Historiker waren oft der irrtümlichen Meinung, der christliche Glaube hätte sich vollständig und flächendeckend durchgesetzt.2
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Verbreitung des christlichen Glaubens Die Verbreitung und Einwurzelung des christlichen Glaubens wurde im späten Mittelalter intensiviert und fast flächendeckend verdichtet. Es wurden an vielen Orten, in Märkten, Städten und Dörfern neue Kirchen gebaut, zumeist aus Stein oder aus Lehmziegeln mit dem neuen Rippengewölbe. Die Predigttätigkeit der Kleriker, vor allem der Bettelorden wurde stark ausgeweitet. Aber nun durften nur mehr Kleriker predigen, den Laienchristen wurde die öffentliche Verkündigung des christlichen Glaubens durch die Bischöfe untersagt. Das Netz der Pfarren wurde ausgweitet und in den Städten verdichtet. Die Bischöfe richteten regelmäßige Visitationen der Pfarren ein, um Irrlehren aufzuspüren oder verbotene Riten zu unterbinden. An den Bischofsitzen wurden eigene Visitationsregister (lat. register visitationis) eingerichtet, um einen Überblick über den rechten Glauben und die Moral der Laienchristen zu haben. Die Bischöfe verordneten, dass die Gläubigen mindestens einmal im Jahr vor einem Priester (lat. sacerdos proprius, curatus, rector) ihre Sünden bekannten und dann die Kommunion empfingen.3 Die Priester führten die Listen der öffentlichen Sünder und der von den Sakramenten Ausgeschlossenen (lat. excommunicati tolerati et vitandi), sie veröffentlichten die Heirat der Laienchristen, nahmen Testamente entgegen und spendeten den Sterbenden Trost. Die Laienchristen zahlten den Klerikern fixe Abgaben, sie mussten ihre Kirche und den Friedhof rund um die Kirche in Stand halten und dafür Bauarbeiten verrichten. Das Vermögen der Kirchengemeinde wurde in einem Geldkasten (lat. arca) aufbewahrt und vom Pfarrer und einem Laien verwaltet. In den größeren Städten wurden neue Pfarren eingerichtet und Dome gebaut, dort waren Tausende von Arbeitern beschäftigt. Paris hatte im 13. Jh. bereits 37 Pfarren, davon wurden einige von den Bettelorden der Dominikaner und der Franziskaner betreut. Dazu kamen noch viele Klöster, Personalpfarren und Kapellen in den Siechenhäusern und Krankenhäusern (frz. hôpital). Zu dieser Zeit kritisierten bereits viele Laienchristen die Lebensform der Kleriker, die oft nicht mit den Vorgaben des Evangeliums übereinstimmte.4 Die Kleriker und Theologen verfassten zu dieser Zeit viele „Bußbücher“, in denen sie Straftarife für die einzelnen Sünden festsetzten. Die Beichte vor dem Priester bekam die Züge eines Gerichtsverfahrens, die Sündentilgung sollte auf magische Weise durch die „Lossprechung“ der Kleriker erfolgen. Durch diese Privatbeichte wollten die Kleriker die Kontrolle über das Verhalten und die Lebensformen der Laienchristen gewinnen, was ihnen aber nicht flächendeckend gelungen sein dürfte. Zu dieser Zeit lehrten die Theologen, dass bei der Feier der Eucharistie Christus in der Hostie und im Wein real gegenwärtig sei (lat. praesentia realis). Deswegen wurden die Hostien in Schreinen aus Holz, Stein oder Metall (tabernaculum) aufbewahrt und von den Gläubigen angebetet. Wenn diese Brot-Hostien aber von Schimmelpilzen befallen wurden, dann sprachen die Kleriker von einem „Blutwunder“ Christi. Am neu eingeführten Fest des „Leibes Christi“ (lat. Corpus Christi) wurde die Hostie auf einem Zeigeinstrument (lat. monstrantia) in der feierlichen Prozession mitgetragen.
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Zu dieser Zeit wurden von den Pfarren und Bischofskirchen viele Prozessionen veranstaltet, dabei sollten die Gläubigen die Geheimnisse des Glaubens besser kennen lernen. Prozessionen hatten zu dieser Zeit vor allem pädagogische Funktionen. Die Prediger in den Städten wurden in bischöflichen Schulen ausgebildet. Robert de Sorbon hatte in Paris eine erste Predigerschule eingerichtet; nach ihm wurde später die Universität (Sorbonne) benannt. Die Prediger und Priester in den ländlichen Regionen hatten zu dieser Zeit noch keine besondere Ausbildung, sie wurden von den Pfarren einfach angelernt. Ein paar Gebete mussten sie lateinisch sprechen können, ohne sie zu verstehen. Für das nichtgebildete Volk wurde nun in den verschiedenen regionalen Muttersprachen gepredigt, nur für gebildete Adelige und Kleriker wurde noch in Latein gepredigt. In manchen Regionen durften auch noch Laienchristen predigen, was im 13. Jh. aber verboten wurde. Denn die Kleriker beanspruchten von nun an das Predigtmonopol, das zugleich das Monopol der Weltdeutung sein sollte, aber nicht wirklich war. Sie bestimmten, welche Lehren und Vorstellungen als „Häresie“ zu gelten hatten und welche Überzeugungen „orthodox“ waren. Die Bettelorden bemühten sich, das Niveau der Predigten zu heben, sie hatten eigene Predigerseminare eingerichtet.5 Die Kleriker erhielten von der Pfarrgemeinde Abgaben in Naturalien, in den ländlichen Regionen durften sie ein kleines Feld bewirtschaften. In manchen Regionen verlangten sie für die Spendung der Sakramente noch Geld (Stolare, Stolgebühren), was aber den Unmut vieler Laienchristen erregte. In den Städten predigten die Kleriker zu dieser Zeit vor allem gegen die hohen Gewinne der Händler und der Geldverleiher, die sie als „Wucherer“ bezeichneten. Doch gleichzeitig richteten sich viele Vereinigungen von Händlern und Kaufleute gegen die Grundherrschaft der Bischöfe. Aus diesem Grund beklagten die Prediger die Sünde des Wuchers (lat. usura) und die Herrschaft des Geldes in den Städten, aber zur gleichen Zeit häuften die Klöster und die Bischöfe große Reichtümer an. Hart gegen die Geldwirtschaft predigten Franz von Assisi und Stephan von Muret, die Reichen sollten ihre angehäuften Güter mit den Armen teilen. Sie warfen den Händlern vor, dass sie mit dem Geld und den Gütern ihrer Mitmenschen Spekulation betrieben und reichlich Gewinne machten, ohne selbst zu arbeiten. Denn nach der alten Lehre der Theologen durfte Geld nur durch Arbeit verdient werden. Die fest verzinsten Darlehen der Händler wurden deshalb von den Klerikern als „Diebstahl“ und Wucher eingestuft. Diese Bewertung findet sich dann noch im 19. Jh. bei den frühen Sozialisten.6 Doch es gab schon viele Juristen und Kanonisten, welche die neuen Geschäfte der Banken und Geldverleiher, nämlich Geldwechsel mit Gewinn, Geldverleih und Kauf auf Kredit als erlaubt ansahen; nur die fest verzinsten Darlehen (lat. mutuum) sollten verboten bleiben. Wir erkennen hier einen großen kulturellen und wirtschaftlichen Lernprozess, der allerdings lange Zeit dauerte. Die Theologen Petrus Cantor, Thomas von Chobham, Robert von Flamborough, Stephan Langton, Robert de Couron und Jacques de Vitry arbeiteten bereits an einem neuen Ethos für Händler und Kaufleute. Sie sahen deren Gewinn für rechtmäßig an, weil sie ja Risiken eingingen. Und auch feste Zinsen auf verliehenes Geld seien nicht abzulehnen. In seinem Werk „De
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usura“ unterschied Robert von Couron deutlich zwischen dem rechtmäßigen Zins und dem verbotenen Wucher. Zur gleichen Zeit hatte sich der Dominikanertheologe Thomas von Aquin noch gegen feste Zinsen ausgesprochen. Doch den Klerikern sollten Geldgeschäfte und Handel mit Gütern verboten sein, denn sie sollten von den Abgaben der Laienchristen leben.7
Das Wirken der Bettelorden In den Städten und größeren Märkten verbreiteten sich ab dem 13. Jh. die großen Bettelorden, vor allem die Franziskaner und die Dominikaner, später noch die Minoriten. Sie hatten nicht wie die bisherigen Klöster Landbesitz und Güter und waren somit keine Feudalherren. Vielmehr lebten sie in kleinen Häusern in den Städten, nur ein Obst- und Gemüsegarten war ihnen zur Ernährung erlaubt. Sonst lebten sie von den Spenden der Laienchristen, die sie zum Teil auch zur Versorgung der Armen und Kranken einsetzten. Im Grunde wollten sie keinen Umsturz der alten Feudalordnung, sondern sie strebten nach einer Umverteilung des Reichtums weniger durch freiwillige Spenden. Sie konnten mit großer Wortgewalt und Überzeugungskraft die Reichen und wohlhabenden Bürger davon überzeugen, dass sie einen guten Teil ihres Gewinnes als „milde Gaben“ für die Ärmsten und Notleidenden geben sollten. Da die Bettelorden keinen Grundbesitz hatten, waren sie von der Geldwirtschaft in den Städten abhängig. In der Folge kamen sie sehr schnell zu einer positiven Beurteilung der Geldgeschäfte und der festen Zinssätze für verliehenes Geld. Wir erkennen, dass auch die Lehren der Theologen immer von den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten abhängig sind.8 So schrieb der Dominikaner Raimon de Penafort schon um 1230, dass Zinsforderungen erlaubt seien, weil das verliehene Geld auch auf andere Weise, etwa durch Handel hätte Gewinn bringen können. Der Jurist Azzon wies bereits auf das Risiko des Geldverleihers hin, denn oft bekam er sein Geld nicht mehr zurück. Der französische DominikanerPierre Jean Olieu (Petrus Olivi) sprach bereits von einem „Kapital“ (lat. caput) und meinte damit die Geldsumme oder Ware, die für den Handel gewinnbringend waren (lat. De emptis, de usuris, de investitutionibus). Eine Geldsumme werde dann zum Kapital, wenn der Eigentümer beschließe, sie für neue Geschäfte zu investieren. Der Ausleiher und Schuldner könne die Senkung der vereinbarten Zinsen aber dann erreichen, wenn er seine Schuld vor dem gesetzten Termin zurückzahle. Auch der Dominikaner Gilles de Lessines schrieb in seinem Werk „De usuris“ (1270), dass feste Zinssätze im Geldverleih erlaubt seien, um Risiken abzudecken. Bald wurde sogar ein Tuchhändler aus Cremona als „guter Mensch“ (lat. homo bonus) vom Papst heilig gesprochen, weil er seinen Beruf mit Gerechtigkeit und Nächstenhilfe ausgeübt habe. Und Franz von Assisi wurde sogar zum Patron aller Tuchhändler in Europa.9 Der Orden der Franziskaner war vom Tuchhändlersohn Franz aus Assisi (gest. 1226) gegründet worden. Er zog in mehrere Kriege, erkrankte und wurde geheilt, dann trennte er sich von seinem Besitz. Er wollte mit Freunden, die ähnlich wie er
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dachten, einfach und in Armut leben und gleichzeitig den vielen Verarmten und Notleidenden in der Stadt und Umgebung nachhaltig und dauerhaft helfen. Die Gruppe nannte sich „Mindere Brüder“ (lat. Fratres minores), sie sammelten von den reichen Mitbürgern Geld und Sachgüter, um sie dann regelmäßig an Arme und Kranke zu verteilen. Bald schlossen sich auch Frauen und Töchter reicher Familien dieser neuen Armutsbewegung an. So entstand ein männlicher Orden der Franzskaner und ein weiblicher Orden der Klarissen, der von Klara aus Assisi angefangen wurde. Der Papst hat beide Orden bestätigt, sie verbreiteten sich nun sehr schnell in allen größeren Städten Europas, denn es muss ein großer Bedarf an Armenbetreuung gewesen sein. Die Franziskaner wandten sich überall den Randgruppen der städtischen Gesellschaft zu, sie halfen den Leprakranken, den Landstreichern, den Hauslosen, den Hungernden und den Kranken. Sie sammelten verbunden mit aufrüttelnden Predigten von den reicheren Bürgern Geld, Kleider und Lebensmittel und verteilten diese zumeist in den Klöstern, aber auch auf öffentlichen Plätzen, an die Ärmsten der Stadt. Gleichzeitig predigten sie von der Armut Jesu Christi und von seiner Nachfolge in der Nächstenliebe und Nächstenhilfe. So hat dieser Orden bis in die Gegenwart nachhaltig und dauerhaft zur Umverteilung der angehäuften Güter und zur flächendeckenden Armenhilfe beigetragen. Er hat die Härten der aufkommenden Marktwirtschaft und Kapitalwirtschaft für breite Schichten der Gesellschaft etwas abgemildert und entschärft.10 Etwa zur gleichen Zeit entstand in Südfrankreich der Orden der Dominikaner, der sich als ein Orden der Prediger (lat. Ordo praedicatorum) verstand. Sein Gründer war der spanische Adelige Domingo de Guzman, er wollte mit seiner Initiative die Kirche vor den Armutsbewegungen der Katharer und der Waldenser schützen. Deswegen gründete er mit Freunden in Toulouse eine neue Ordensgemeinschaft, die ebenfalls ohne große Besitzungen an Grund und Boden auskommen wollte. Diese Predigerbrüder strebten nach einer guten theologischen und rhetorischenAusbildung, zumeist an den Universitäten oder in Predigerseminaren. Sie bekämpften alle Armutsbewegungen, weil diese die alte Feudalordnung der Kirche und der Herrscher umstürzen wollten. Sie gründeten Niederlassungen in vielen größeren Städten in Frankreich, Italien, Spanien, bald auch in Deutschland, England, Polen und Skandinavien. Auch ein Frauenorden der Dominikanerinnen entstand, diese Schwestern widmeten sich der Armenhilfe, aber auch der Unterstützung der Prediger. Auch diese beiden Orden lebten von der Unterstützung durch reiche Familien und durch den Bettel, deswegen heißen sie Bettelorden. Auch sie haben wesentlich zur Umverteilung der Güter aus religiösen Gründen vor allem in den Städten beigetragen.11 Sowohl die Dominikaner, als auch die Franziskaner wurden von den Päpsten und Bischöfen bald mit der Durchführung der Inquisition betraut. Sie mussten mit ihrer volksnahen Seelsorge und in ihren Predigten die „Irrlehrer“ und „Häretiker“ des christlichen Glaubens ausfindig machen. Sie führten zusammen mit Juristen die Prozesse gegen die Angeklagten, gegen sog. „Hexen“ und Zauberer, sie sprachen die Verurteilungen aus und übergaben die Verurteilten dem weltlichen Arm zur Bestrafung bzw. zur Hinrichtung durch den Scheiterhaufen. Zwei Dominikaner verfassten
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auch das große Verfolgungsbuch „Malleus malificarum“ für die Inquisitoren. Nun waren die Mitglieder der Bettelorden nicht zur Sesshaftigkeit (lat. stabilitas loci) verpflichtet, sie konnten von ihren Oberen überall flexibel eingesetzt werden, wo sie gebraucht wurden. Im Allgemeinen bekamen sie eine gute Ausbildung, sie entwickelten eine Spiritualität der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. In den Städten schufen sie soziale Netzwerke, sie kümmerten sich um die Randsiedler und die Ärmsten der Gesellschaft, sie überredeten viele Reiche zum Teilen ihrer Güter und Gewinne. Damit trugen sie wesentlich zur Stabilisierung der Gesellschaft und der bestehenden Sozialordnung bei. Später entstanden noch neue Bettelorden, die Augustiner Eremiten, die Karmeliter, die Serviten, die Minoriten und die Kapuziner.12 In den Städten kam es aber bald zu Konflikten zwischen den Bettelorden und den bischöflichen Klerikern (Weltklerus), es ging um unterschiedliche Lebensformen und Weisen der Frömmigkeit. Die Konflikte erreichten auch die Universitäten (Paris) und die theologischen Lehren. In den Städten waren die Bettelorden (lat. mendicantes) bei den Laienchristen beliebt, weil sie einfach lebten und das Ohr nahe beim Volk hatten. Sie bekamen viele Spenden und konnten große Kirchen bauen, denn sie profitierten von der neuen Geldwirtschaft, die sie positiv bewerteten. Bald wurden Bruderschaften, Schwesternschaften und „Dritte Orden“ unter den Laienchristen gegründet, die in der Spiritualiät der Ordensgründer leben sollten. Ohne Zweifel wurden die frühen Stadtkulturen stark von den Lehren und Lebensformen der Bettelorden mitgeprägt.13
Die sozialen Protestbewegungen Durch die fortschreitende Ansammlung von Gewinn und Reichtum in den Händen der oberen und der mittleren sozialen Schichten wurden die Lebensbedigungen der unteren sozialen Schichten zunehmend schwieriger. Dazu zählten die Knechte und Mägde, die Lohnarbeiter, die Hauslosen und Besitzlosen, die Bettler und Außenseiter. Immer wieder traten Prediger auf, die mehr soziale Gerechtigkeit einforderten; manche konnten sich auch einen gewaltsamen Umsturz der Feudalgesellschaft und der bestehenden Herrschaftsverhältnisse vorstellen. In Spanien und in England entstanden die „Armen Christi“ (lat. Pauperes Christi) und die „Apostel Christi“ (lat. Apostoli Christi), beide strebten die Gütergemeinschaft an. Sie verwalteten ihre Güter und Besitzungen gemeinsam und verteilten alle Lebensmittel, Kleider und Häuser gleichmäßig und nach Bedarf. In Südfrankreich entstand die Bewegung der „Reinen Christen“ (Katharer, griech. Katharoi), die sich in ihrer Lebensform am Evangelium orientieren wollten. Sie konnten nicht glauben, dass diese ungerechte und harte Welt von einem guten Weltgott geschaffen sein konnte, wie die Theologen und Kleriker lehrten.14 Vielmehr glaubten die Katharer, ähnlich wie die Gnostiker und Bogumilen, dass diese Weltordnung von einem bösen Dämon stamme. Und sie waren überzeugt, dass diese ungerechte Ordnung veränderbar sei, deswegen organisierten sie eine neue Gesellschaft und auch eine neue christliche Kirche. Ihre Gemeinschaften wurden
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von einem „älteren Sohn“ (lat. filius maior) und einem „jüngeren Sohn“ (lat. filius minor) geleitet, sie gliederten sich in die vollkommen Glaubenden (credentes) und in die Lernenden, Hörenden und Suchenden (lat. auditores). Beide Gruppen wollten sich gegenseitig wirtschaftlich unterstützen, denn es sollte keine Notleidenden mehr geben. Viele Anhänger lebten asketisch und teilten ihren Besitz mit dem Ärmeren, sie glaubten an eine besondere göttliche Erwählung. Vor allem vollzogen sie eine „Geisttaufe“, in der göttlicher Schöpfergeist über ihr ganzes Leben kommen sollte. Um die Stadt Albi in Südfrankreich bildete sich die gut organisierte Bewegung der „Albigenser“, die ebenfalls einen neuen Weg der moralischen Vollkommenheit leben wollten.15 Der Kaufman Petrus Valdes aus Lyon hatte eine Gemeinschaft von Christen gebildet, welche in der biblischen Armut und Gerechtigkeit leben wollten (Waldenser). Auch sie wollten ihre Güter gerechter verteilen, damit es weniger Armut und Not gäbe. Diese Bewegung verbreitete sich in Savoien und in Piemont, ihr schlossen sich Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten an. Doch die meisten Bischöfe, höheren Kleriker und Adeligen sahen in diesen neuen Protestbewegungen eine Gefahr für die bestehende Sozialordnung. Sie verhandelten auf mehreren Synoden über diese neuen Bewegungen und stuften sie als „Irrlehrer“ und „Häretiker“ ein. In der Folgezeit wurde die Inquisition verstärkt, um die Anhänger dieser Bewegungen ausfindig machen zu können. Die Prediger in allen Pfarren sollten das Verhalten der Glaubenden stärker kontrollieren, durch die verpflichtende Beichte sollten Irrlehrer und Häretiker aufgedeckt werden. Dominikaner und Franziskaner engagierten sich in besonderer Weise im Kampf gegen diese neuen Protestbewegungen.16 Zu dieser Zeit wurden durch die Bischöfe die Gesetze gegen Häretiker und Ketzer verschärft, die Kleriker predigten gegen alle Formen der Homosexualität und gegen den Ehebruch; Homosexuelle wurden als „Irrlehrer“ eingestuft und zum Tod verurteilt. Das 4. Laterankonzil (1215) beschloss die Todesstrafe für alle Häretiker, ihre Güter sollten dem Landesherren und dem kirchlichen Gericht zufallen.Denn die Häresie sei ein „Majestätsverbrechen“ (lat. crimen maiestatis) gegen den einen Weltgott, gegen die Könige und Fürsten, gegen den Papst und die Bischöfe. Durch einen militärischen Kreuzzug sollte die Irrlehre der Albigenser ausgelöscht werden, die Güter der Getöteten fielen an den König von Frankreich. Niemand durfte den Ketzern Zuflucht gewähren, wer das tat, verlor sein Haus und seinen Besitz. Für die Fürsten und Adeligen war die Verfolgung der Ketzer immer die Gelegenheit zu großer Bereicherung. Ketzer, die beim Inquisitionsgericht ihren Glauben widerriefen, wurden mit vielen Jahren Kerkerstrafe (Mauerstrafe) bestraft. Wer seinen Glauben aber nicht widerrief, wurde zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilt.17 Mit seiner Bulle „Vox in Rama“ (1233) machte Papst Gregor IX. die Inquisition zu einer dauerhaften Einrichtung in allen christlichen Ländern. Bald folgten einheitliche Gesetze zur flächendeckenden Verfolgung der Ketzer und Häretiker. Bei den Prozessen wurden anonyme Anklagen angenommen, viele Angeklagte verstanden oft nicht den Inhalt der Anklage. Bereits im 13. Jh. verfassten Theologen Handbücher für Inquisitoren, viele Prozesse wurden schriftlich aufgezeichnet. Die Theologen und
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Kleriker lehrten, wegen des „Seelenheiles“ (lat. salus animae) müsse der Körper des Ketzters gequält und dann getötet werden, das Feuer des Scheiterhaufens solle jede Häresie auslöschen. Unter den genannten Protestbewegungen wurden nun Denuntianten belohnt, die Gemeinschaften wurden unterwandert und dann ausgelöscht. Einige Gruppen der Katharer konnten aber noch eine Zeitlang in den französischen Alpentälern überleben.18 Im 13. Jh. gab es auch apokalyptische Bewegungen, die noch auf die Lehren des Joachim von Fiore zurückgingen. Sie sahen in der gegenwärtigen Gesellschaft den „Antichrist“ als Herrscher, weil die Reichen immer reicher wurden und die Armen darben mussten. Sie erwarteten die baldige Wiederkunft Christi, der ein gerechtes göttliches Reich herstellen werde. Als ab 1240 große Heere der Mongolen (Tartaren) in Osteuropa einfielen, bildeten sich in ganz Europa viele Büßergruppen und Geißlerscharen (lat. flagellantes). Denn die Prediger hatten ihnen gesagt, dass sie durch harte Bußübungen die drohende „Strafe Gottes“ der Mongolen noch abwenden könnten. Viele Glaubende zitterten vor dem „Zorn Gottes (lat. furor Dei), den ihnen die Kleriker einpeitschten, weil sie zu viele Sünden begangen hätten. Nun gab es auch Bewegungen von Laienchristen, die sich gegenseitig die Vergebung der Sünden zusprachen; sie protestierten damit gegen das Beichtmonopol der Kleriker. In Norditalien entstand die Bewegung der „Apostoliker“ und in Frankreich die Gruppe der „Pastorelles“, sie wollten ihre Güter gemeinsam verwalten und damit die Armut überwinden. Auch sie kritisierten den Reichtum der höheren Kleriker, die sich vom Leben der Apostel abgewendet hätten.19 Als Amalrich von Bena lehrte, jeder Mensch könne ganz ohne die göttliche Gnade und nur durch eigenes moralisches Handeln die ewige Erlösung erlangen, wurden auch seine Anhänger (Amalrikaner) als Ketzer verurteilt und verfolgt. Doch zu dieser Zeit lehrten die Theologen Siger von Brabant und Boethius von Dacien, dass die Philosophie und die menschliche Vernunft aus eigener Kraft und ganz ohne die Lehren der Religion die höchste Gottheit erkennen könnten. Auch diese Lehre wurde von den Bischöfen als häretisch verurteilt, sie durfte nicht öffentlich vorgetragen werden. Ab dem 13. Jh. wurden auch die alten Riten der Volksreligion, die noch in vielen Regionen lebendig waren, flächendeckend verfolgt und verboten. Doch da die Prediger und Inquisitoren nicht überall hinkommen konnten, überlebten diese Riten noch bis weit in die Neuzeit hinein. Die Theologen berichteten noch lange Zeit von Fruchtbarkeitsriten rund um das „Johannesfeuer“ zur Sommersonnenwende, von Totenbeschwörungen und von nächtlichen Tänzen auf den Friedhöfen; sie nannten dies die Torheit der Ungebildeten (lat. stultitia illiteratorum).20 Im späten Mittelalter verbreiteten die Prediger und Kleriker die christlichen Lehren durch verstärkte Predigttätigkeit, aber auch durch gemalte Bilder an den Kirchen und in diesen, sowie durch Prozessionen, durch die bestimmte Lehren im Volk verwurzelt werden sollten. Doch viele Menschen glaubten weiterhin an gute und böse Geistwesen, an Werwölfe und Schlangenfrauen, an die Kraft der Ahnen und der Toten, an die wilden Krieger in den Lüften, an viele Teufel und Dämonen. Der christliche Glaube vermischte sich mit den Vorstellungen der alten Volksreligion.
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Selbst gelehrte Theologen wie Thomas von Aquin waren der festen Überzeugung, dass Menschen und vor allem Frauen mit dem Teufel ein Bündnis und einen Pakt (lat. pactus Diaboli) schließen konnten. Seit dem 13. Jh. sollten in den christlichen Ländern auch die Wahrsagerinnen, die weisen Frauen und die Mantikerinnen verfolgt werden (Papst Alexander IV., 1256). Aus ihnen wurden in der Sprache der Verfolger bald die „Hexen“, weil sie im heiligen Haag auf Zäunen saßen (mhd. hagasuzza, zunrite).21
Glaubensformen der Laienchristen Eine realistische Sichtweise der historischen Quellen zeigt, dass die meisten Laienchristen im späten Mittelalter den Lehren der Theologen und Kleriker nur teilweise gefolgt sind, weil sie diese Lehren nur zum Teil gekannt und verstanden hatten Die Kleriker sprachen tröstend vom impliziten Glauben (lat. fides implicita) der Laienchristen, der erst entfaltet werden müsse. Wir können also nicht annehmen, dass die Lehren und Moralregeln der Kleriker und Theologen im ganzen christlichen Volk rezipiert wurden. Diese Annahme war ein grundlegender Fehler auch vieler Historiker, sie haben von den Lehren der Theologen auf das tatsächliche Leben der Christen geschlossen. Die Theologen sahen in den meisten Laienchristen „Ungebildete“ (lat. illiterati), welche die christlichen Wahrheiten nur zum Teil verstehen können. Papst Gregor I. hatte noch gelehrt, die Ordensmenschen (Mönche und Nonnen) würden nach dem Tod bei Gott 100% als Lohn erhalten, die Kleriker nur mehr 60% und die Laienchristen magere 30%. Aurelius Augustinus hatte gelehrt, die Laienchristen seien wie der Dulder Hijob am Mühlstein des Lebens, sie müssten hart arbeiten, um ihre vielen Sünden der fleischlichen Begierde zu büßen. Und Humbert de Romans schrieb im 13. Jh., die Laienchristen seien wie Rinder beim Pflügen und wie Esel auf den Weiden, sie müssten von den Klerikern hart gelenkt werden. Die Eheschließungen der Laienchristen brauchten fortandie Zustimmung der Kleriker. Das ungebildete Volk sollte aber das Ave Maria und das Credo in der Landessprache auswendig lernen. Doch viele Christen benutzten diese Gebete, um Gewitter und Blitzschlag abzuwehren und den Frauen die Geburt zu erleichtern. Die Hostie bei der Messe sollte vor einem plötzlichen Tod bewahren und die Fruchtbarkeit der Felder stärken. Deswegen entwendeten Bauern gelegentlich Hostien und heilige Öle aus den Kirchen, um sie in den Feldern zu vergraben.22 Viele Gebete wurden gesprochen, um böse Dämonen abzuwehren; auch die vertreibenden und apotropäischen Riten lebten im Volk weiter. Von der Bibel wussten die Laienchristen nur, was ihnen die Kleriker in den Predigten erzählten oder was auf den Bildern in den Kirchen zu sehen war; denn sie hatten keinen direkten Zugang zu diesem heiligen Buch. Deswegen gingen sie weiterhin zu Hellsehern und Magiern, sie verehrten Schutzgötter und fürchteten Dämonen; die Kleriker sprachen dann von „Teufelskulten“ und „Teufelssteinen“. Die Ahnen lebten nach dem Glauben des Volkes im Land der Ahnen oder im Himmel, aber die Menschen begannen nun auch die Hölle und das Fegefeuer zu fürchten, die sie vorher nicht kannten. Die Höllenangst
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musste erst von den Predigern verbreitet werden, denn in den alten Volksreligionen gab es sie nicht.23 Die Laienchristen wurden von den Klerikern angewiesen, Almosen zu geben und Messen zu bezahlen, damit die Toten ein gutes Schicksal bekämen. Das Totengedächtnis war zuerst bei den adeligen Familien und Sippen verbreitet, jetzt wurde es bei allen sozialen Schichten begangen. Die Riten der Bestattung, das Totenmahl und das Gebet für die „armen Seelen“ im Fegefeuer gehörten jetzt zur Verabschiedung der Verstorbenen. Nach der Lehre der Kleriker konnte die Buße für begangene Sünden auch stellvertretend von anderen Personen ausgeführt werden. Deswegen bezahlten viele Adelige, Grafen und Fürsten Geld an Kleriker, Mönche und Nonnen, damit diese an ihrer Stelle Buße taten (Delegationsbuße). Weiter wurde gelehrt, dass durch Bußübungen auch die Sünden von Verstorbenen getilgt werden können. Deswegen bildeten sich Bruderschaften und Schwesternvereine zu asketischen Bußübungen für die „armen Seelen“.24 In Zeiten des Frauenüberschusses in der Folge von Kriegen schlossen sich unverheiratete Frauen zu Gemeinschaften zusammen, die christliche Lebenswerte verwirklichen wollten. Es waren keine Ordensgemeinschaften im Sinne der Kleriker, zu ihnen gehörten auch die Beginen. Außerdem bildeten sich Büßergemeinschaften, die für die eigenen Sünden und für die Sünden von Mitmenschen Buße tun wollten. Andere Gemeinschaften hatten das Ziel, Kranke zu pflegen und Arme mit Speise zu versorgen, sie verehrten bestimmte Heilige als Vorbilder. Maria Magdalena war die Schutzpatronin der Freudenmädchen, weil sie der Legende nach selber in diesem Beruf tätig war, bevor sie Jesus kennen lernte. Nach einer anderen Legende soll sie nach dem Tod Jesu über das Meer nach Marseille gekommen sein. Wenn die Freudenmädchen aus Altersgründen ihren Beruf aufgaben, schlossen sie sich zu Büßergemeinschaften (Magdalenenorden) zusammen.25
Lebensformen und Lebenswerte Die Kleriker und Theologen predigten wohl die Abwertung des menschlichen Körpers als „Gefängnis der Seele“, wie sie es von Plato gelernt hatten. Sie legten alles Gewicht auf das Heil und die Erlösung der Seele. Aber ob die Mehrheit der Laienchristen diese Abwertung des Körpers, der Sinnlichkeit und der Sexualität auch übernommen hat, ist keineswegs sicher. P. Dinzelbacher betont, dass wir es im ganzen Mittelalter genau besehen mit zwei religiösen Glaubensformen zu tun haben, nämlich mit der von den Klerikern verordneten und mit der vom Volk gelebten Form. Viele schriftliche Zeugnisse dieser Zeit deuten darauf hin, dass nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei den Adeligen und den Stadtbewohnern der alte Volksglaube noch sehr lebendig war. Es wird so nebenbei von vielen Zauberriten und Dämonenbannungen berichtet, von magischen Handlungen und von wunderbaren Heilungen. Die Knochen der Toten und später die Reliquien der Heiligen wurden benutzt, um böse Dämonen abzuwehren, um Fruchtbarkeit zu wecken, um Krankheiten zu heilen. Auch die Hostien und die heilige Öle der Kleriker wurden dafür eingesetzt.26
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Vor allem die des Lesens und Schreibens kundigen Laienchristen, die Dichter und Sänger, Philosophen und Lehrer emanzipierten sich deutlich von den Lehren der Theologen und Kleriker. Sie beschrieben die Schönheit des menschlichen Körpers und der sinnlichen Liebe, und die Maler begannen im 14. und 15. Jh. die Wunder des menschlichen Körpers zu malen. Der Bezug zu den Toten blieb lebendig, es mussten auch Ängste vor Krankheit, vor Krieg, Hunger und Seuchen ertragen werden, dafür half die Religion. Ob ein allgemeines Sündenbewusstsein verbreitet war, wie die Kleriker lehrten, ist sehr fraglich; es ist in den literarischen Zeugnissen der Laienchristen kaum zu erkennen. Es ist auch keineswegs sicher, ob die Abwertung der Frauen, welche die Kleriker und Theologen stereotyp lehrten, vom christlichen Volk akzeptiert wurde. Wir haben viele Zeugnisse der Hochschätzung der Frauen bei allen sozialen Schichten, denn mit den lebensfeindlichen Sexuallehren der Kleriker hätte wohl keine Kultur dauerhaft überleben können.27 Die oberen und gebildeten sozialen Schichten entwickelten ein positives Selbstwertgefühl, sie bedienten sich sowohl ihrer kritischen, als auch ihrer praktischen Vernunft, sei es im Beruf oder im persönlichen Leben. Adelige und Ritter begannen, neben ihren bisherigen Vornamen bzw. Taufnamen noch den Namen ihrer Sippe bzw. Familie zu führen. Diese Sippennamen bezogen sich häufig auf eine bestimmte Burg oder eine Region. Auch in den Städten begannen nun die Stadtbürger, Familiennamen und Sippennamen anzunehmen; diese Namen bezogen sich häufig auf Berufe, Tätigkeiten und Regionen. Die Adeligen begannen, auch in Friedenszeiten bestimmte Wappentiere als Symbole für ihre Sippen zu benutzen; im Krieg wurden diese Wappentiere als Schutz auf den Fahnen, Helmen und Waffen getragen. Die Ehen der Adeligen wurden meist von den Sippen eingefädelt und geschlossen, auch wenn die Kleriker den Konsens der Ehepartner forderten; zumeist wurde dieser Konsens dann pro forma gegeben.28 In der höfischen und in der städtischen Kultur erkennen wir im 15. Jh. deutlich die Hochschätzung des menschlichen Körpers, der Sinnlichkeit und der Sexualität, und zwar für beide Geschlechter. Dies drückt sich in der Malerei, in der Mode der Adeligen und reichen Stadtbürger und in der Dichtkunst der Sänger auf besondere Weise aus. Auch wenn die Kleriker die Verehrung des leidenden Christus predigten, erkennen wir auch bei den kirchlichen Festen und Prozessionen viel an Lebensfreude. Die freien und adeligen Männer trugen langes Haar, die Bauern, die Knechte und Mägde waren kurz geschoren, so war an der Haartracht der soziale Rang erkennbar. Gemieden und abgewertet wurden aber verkrüppelte Menschen, oder Menschen mit Hautnarben und Hautflecken, wohl aus einer magischen Berührungsangst, die Mängel könnten sich übertragen. Viele verbanden einen verkrüppelten Körper mit einem „schlechten Charakter“, oder sie sprachen von „Teufelsmalen“. Wie weit hier die klerikale Bewertung mitspielt, ist nicht mehr zu erkennen.29 Da nach der Lehre der Prediger die Frauen den Männern immer gehorchen und ihre „ehelichen Pflichten“ erfüllen mussten, wurde sexuelle Vergewaltigung in und außerhalb der Ehe kaum thematisiert und noch seltener bestraft. Auch der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen war kein Straftatbestand. Wie weit er
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verbreitet war, können wir heute kaum noch feststellen. Die Kleriker werteten die sexuelle Selbstbefriedigung und die Homosexualität für beide Geschlechter ab, sie sprachen von einer Sünde gegen die Natur (lat. contra naturam). Strikt verboten wurde von den Klerikern das Küssen der Geschlechtsorgane und die Paarung des Mannes mit der Frau von hinten (lat. a tergo). Aus den Bußbüchern der Kleriker können wir aber deutlich erkennen, dass viele Laienchristen diese Verbote nicht akzeptiert haben. Außerdem ist zu bedenken, dass viele Gläubige nicht alle ihre „Sünden“ gebeichtet haben und dass sie ihr erotisches Verhalten nicht als Sünde angesehen haben. Ab dem 13. Jh. wurden in den größeren Städten öffentliche Badehäuser eingerichtet, die für beide Geschlechter zugänglich waren. Zum Teil badeten Männer und Frauen getrennt, zum Teil gemeinsam. Oft saßen sie in großen Wannen aus Holz oder in Becken mit Lehmziegeln, die mit Teer verfugt waren. Im 14. Jh. hatte Wien bereits 29 Badehäuser, Paris über 30, Frankfurt und Nürnberg um die 15. Damit begann eine städtische Badekultur, die sich später auch auf einigen Burgen verbreitete. Im Sommer badeten beide Geschlechter an Seen oder an Flüssen, Schwimmtechniken waren kaum bekannt. Beide trugen dünne Badehemden, wie wir von Bildern wissen. In den Badehäusern der Städte waren zum Teil Badehemden vorgeschrieben, zum Teil waren beide Geschlechter nackt. Zu dieser Zeit entwickelte sich in den Städten und auf den Burgen wieder eine erotische Kultur, manche Badehäuser waren direkt mit Freudenhäusern verbunden. Viele „Bademägde“ waren Meisterinnen des erotischen Liebespiels, von ihnen wurden viele junge Männer in die Liebeskunst eingeführt. Aus diesem Grund wurden die Badehäuser für beide Geschlechter als „Jungbrunnen“ angepriesen und wohl auch erlebt.30 Bei den Festzügen der Adeligen und der höheren Kleriker (Einzug der Fürsten und Könige oder des Konzils) zogen immer die Freudenmädchen der Stadt mit. Oft tanzten sie mit entblößten Brüsten auf den Plätzen, weil dies den Menschen Glück und Fruchtbarkeit bringen sollte. Beim Festzug des Herzogs Philipp von Burgund (1457) stellten drei nackte Mädchen die drei mythischen Wassernixen dar. Bei einem Festzug in Paris mimte eine junge Frau mit nackten Brüsten und einem Kind die stillende Madonna (lat. madonna lactans). Große Angst hatten die Menschen vor Krankheiten und dem frühen Tod, deswegen waren die kräuterkundigen Frauen von beiden Geschlechtern sehr gefragt. Auch die frühen Ärzte suchten den Bezug zur Religion, sie stellten sich oft unter den Schutz des heilenden Christus (lat. Christus medicus). Die Kleriker deuteten die Krankheit noch immer als göttliche Strafe für begangene Sünden, aber die gebildeten Laienchristen konnten dies nicht mehr glauben. Daher begannen sie, nach den natürlichen Ursachen der Krankheiten zu suchen und zu forschen, dort liegen die Neuansätze der empirischen Medizin.31 Die frühen Ärzte deuteten die Krankheit als Störung im natürlichen Fließen der Körpersäfte (lat. humores), diese vier Säfte Blut, Schleim, gelbe Galle und rote Galle sollten im Gleichmaß fließen. Viele Ärzte glaubten, dass alle Prozesse im Körper von den Kräften und Bewegungen der Gestirne bestimmt seien. Als Therapie bei Krankheiten galten der Aderlass, die Schonkost, Brechmittel und Abführmittel, Schwitzbäder und Einläufe in den Darm. Die Heilkräuter wurden gezielt eingesetzt,
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um bestimmte Krankheiten zu heilen. Oft wurden noch magische Riten ausgeführt, um Krankheitsdämonen auszutreiben; es wurden Zauberformeln gesprochen, um Kranke gesund zu „beten“. Großen Schrecken verbreiteten die Pestepidemien von 1347/1348, sie wurden von den Predigern wieder als Strafe Gottes gedeutet; manche sprachen vom nahen Weltende und vom kommenden Gottesgericht.32 Zu dieser Zeit wurden psychisch Kranke und im Verhalten gestörte Personen als „Narren“ bezeichnet und in den Narrenturm der Stadt gesperrt, dort wurden sie mit Nahrung versorgt. Später wurden aus den Narrentürmen die “Irrenhäuser“. In Bologna wurden im Jahr der Pest (1348) erstmalig Kranke 40 Tage lang von den Gesunden getrennt. Von diesen vierzig Tagen (lat. quaranta giorni) leitet sich der Ausdruck „Quarantäne“ her. Viele Ärzte glaubten, aus dem Harn des Kranken das gestörte Gleichgewicht der Körpersäfte zu erkennen. Nun verbreiteten Ärzte und auch Kleriker frühe Regeln für ein gesundes Leben (lat. regimen sanitatis); dazu zählten sie Ruhe und Bewegung, das Gleichmaß von Schlafen und Wachen, die gesunde Nahrung und die regelmäßige Reinigung des Körpers. Damit wurden die Krankheit und Gesundheit des Körpers zunehmend als ein profanes und natürliches Geschehen gedeutet, der Aspekt der göttlichen Strafe und der bösen Dämonen verblasste.33 Gleichzeitig aber glaubten viele Menschen weiterhin an die heilenden Kräfte der Riten und Gebete. Vor allem den Asketen, Mönchen und Nonnen, Einsiedlern und Predigern (Franz von Assisi, Antonius von Padua) wurden heilende Kräfte zugetraut. Deswegen stammen aus dieser Zeit viele Wunderberichte, nach denen Kranke durch Auflegung von Reliquien, durch Küssen heiliger Bilder, durch Handauflegung der Kleriker geheilt wurden. In vielen Kirchen und Kapellen wurden heilende Kräfte vermutet, daher wurden dorthin Wallfahrten unternommen. Oder es wurde die Lossprechung von den Sünden gesucht und es wurden Bußleistungen verrichtet. Den psychisch Kranken wurde unterstellt, dass sie von bösen Dämonen besessen seien. Deswegen vollzogen die Prediger und Kleriker verschiedene Riten der Dämonenaustreibung (Exorzismus). Aussätzige mussten außerhalb der Stadt leben und sich durch eine Holzklapper zu erkennen geben; oder sie wurden in Leprosenheimen eingesperrt und mit Nahrung versorgt. Gelegentlich wurden sie zusammen mit Juden, Homosexuellen und Hexen getötet.34 Der Tod wurde von den meisten Menschen gefürchtet, wie uns viele Texte sagen. In den Kirchen wurde er auf großen Bildern (Totentanz) dargestellt, denn er machte alle Menschen gleich. Bauern, Knechte und Mägde wurden in einfachen Säcken begraben, Bürger und Adelige hatten Särge aus Holz, Stein und Metall. Die Selbsttötung wurde von den Klerikern streng verboten, die sog. „Selbstmörder“ wurden außerhalb der Friedhöfe ohne Ritual bestattet. Gefürchtet waren die „Seelen“ der Selbstmörder und der Hingerichteten, von ihnen wurde angenommen, dass sie nicht zur Ruhe kamen und sich an den Lebenden ständig rächen wollten. Viele Juden zogen zu dieser Zeit die Selbsttötung der Zwangstaufe vor, weil sie darin einen „geistlichen“ Tod sahen. Die Ärzte und Heiler hatten die Aufgabe, den Tod festzustellen.35 Es gibt Berichte von „Totenerweckungen“, wenn der Tod zu früh festgestellt wurde. Von Wien wird berichtet, dass im 15. Jh. ein hingerichteter Mörder zur Sektion
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der Ärzte frei gegeben wurde und bei der Arbeit der Anatomen wieder zum Leben erwacht sei; ihm sei sofort die Freiheit geschenkt worden. Viele Menschen hatten Angst, als Scheintote begraben zu werden, sie verlangten daher vor dem Begräbnis einen Stich in das Herz. Die Seelen der getöteten Verbrecher waren als „Umgeher“ gefürchtet, denn sie konnten viel Unheil anrichten. Die Kleriker riefen die Gläubigen zu vielen „Seelenmessen“ auf, damit die Verstorbenen ein gutes Schicksal im Jenseits hätten.36
Mystische Bewegungen Im 13. Jh. entstanden mehrere Bewegungen von Männern und von Frauen, die sich auf mystische Erfahrungen des Göttlichen und des Himmlischen beriefen. Oft waren Nonnen wie Beatrix von Nazareth, Mechtild von Magdeburg, Getrud von Helfta die prägenden Gestalten dieser spirituellen Gruppen. Sie alle kannten das ekstatische Gebet und berichteten von Visionen und von Auditionen des Göttlichen oder bestimmter Heiliger. In der Provence hatte Douceline von Aix viele Anhänger und Nachfolger, in Italien waren Margareta von Cortona, Clara von Montefalco, Angela von Folignio bekannte Lehrmeisterinnen des mystischen Gebetes und der inneren Schauung. Später verbreiteten sich diese Bewegungen auch in England, in Frankreich und im Ostseeraum. Diese Frauen und Männer lernten, sich die Lehren des Glaubens bildhaft vorzustellen und sie ganzheitlich zu erleben. Sie suchten dann eine starke emotionale Beziehung zu den Gestalten des Glaubens, zum göttlichen Vater, zu Jesus Christus, zum Heiligen Geist, zur Gottesmutter Maria, zu den Engeln und zu vielen Heiligen. Ja sie lebten sogar in einer Liebesbeziehung (Minne) zu den göttlichen Personen und Heiligen, und sie wussten sich bei ihnen geschützt und geborgen.37 Bald entstanden ganze Mystikerschulen, die einen konzentrierten sich vor allem auf die Gestalt Jesu Christi, andere verbanden sich in tiefer Liebesbeziehung mit der Gottesmutter Maria. Männer und Frauen wollten an den Leiden und Schmerzen, aber auch an der Seligkeit des göttlichen Erlösers teilnehmen. Vor allem in den Klöstern lernten die Mönche und Nonnen die Techniken der schauenden und hörenden Meditation und des ekstatischen Erlebens. Sie erlebten die innere Leerheit und die Hingabe an das Göttliche, die tiefe Liebesbeziehung zu Christus und zu Maria. Dabei erfuhren sie intensive Tröstung für ihr hartes und asketisches Leben, die Inhalte des Glaubens wurden zu ihrem Lebensprogramm. Während des Kirchenjahres empfanden sie die einzelnen Lebensphasen Jesu nach, seine Geburt, sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung zu neuem Leben. Im „Herzenstausch“ tauschten die Mystiker ihre Herzen auf symbolische Weise mit den Herzen der Erlösergestalten Jesus und Maria; oder sie feierten die symbolische und mystische „Hochzeit“ mit ihnen.38 In der Folge schlossen sich auch Laienchristen, Frauen und Männer, zu mystischen Bewegungen zusammen. Sie lebten ihren Glauben in heiliger Begeisterung und sahen darin einen starken Trost für ihr ausgesetztes Leben. So entstand die Mystik aus den Meditationsmethoden der Mönche und Nonnen, die Inhalte des christlichen Glaubens wurden bildhaft vorgestellt und emotional nacherlebt. Der Dominikaner
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Meister Eckhart (gest. 1327) vertiefte die mystische Meditation durch philosophische Lehren, er sprach von einer Mystik des ewigen und göttlichen „Seinsgrundes“. In der Meditation schaut der Mystiker das Göttliche und Heilige, aber er kann es mit Sprache, Worten und Begriffen nicht mehr ausdrücken. Denn die Gottheit in ihrer Größe und Unfassbarkeit übersteige alle unsere Erkenntnisse und Aussagen. Wir können dann nur mehr sagen, was das Göttliche nicht sei (lat. theologia negativa); es sei mit allen menschlichen Erfahrungen unvergleichbar. Doch in jedem Menschen sei ein göttlicher Funke im „Seelengrund“.39 Im Erleben der Stille, der Leerheit, der Abgeschiedenheit, der Meditation und der Ekstase trete Gott in die menschliche Seele ein und verwandle sie. Diese nehme nun Anteil am göttlichen Wesen und erlange göttliche Qualitäten. Jeder Mensch in der Nachfolge Jesu werde vom Bild des göttlichen Sohnes nach und nach verwandelt, er gleiche sich diesem Bild an. Diese Lehre wurde von Bischöfen als häretisch verurteilt, sie wurde aber trotzdem weit verbreitet. Auch die beiden Dominikaner Johannes Tauler (gest. 1361) und Heinrich Seuse (gest. 1366) verbreiteten in ihren Predigten mystische Lehren und Meditationsformen. Für sie erfolgte der Aufstieg der Seele zu Gott durch die sieben Gaben des Heiligen Geistes, durch gute Taten der Nächstenhilfe, durch die Buße und die Teilnahme an der Eucharistie.40 Heinrich Seuse verfasste ein „Büchlein der ewigen Weisheit“ und ein „Stundenbuch der Weisheit“ (lat. Horologium sapientiae), er betonte die innere Einheit der Liebe zu Gott und zu konkreten Mitmenschen. Die Vereinigung mit dem Göttlichen werde durch mehrere Stufen erreicht, der Höhepunkt sei die mystische Schau. Dabei fühle sich die Seele eins mit Gott und mit Christus verwandt. Ähnlich dachten und lebten die Mystikergruppen der „Gottesfreunde“ (lat. amici Dei), welche von Laienchristen gebildet wurden, sie lebten am Rand der feudalistischen Kirche der Kleriker. Zentren dieser Bewegung waren Basel, Straßburg und Köln, eine bekannte Mystikerin dieser Zeit war Margarete Ebner (gest. 1351). Bei Straßburg bildete sich die Gemeinschaft der Johanniter, die ihre mystischen Lehren bereits in mittelhochdeutscher Sprache darstellten. Der belgische Priester Jan Ruysbroeck (gest. 1381) verfasste zwei Schriften „Zierde der geistlichen Hochzeit“ und „Vom glänzenden Sein“, in denen er die Verbindung der inneren Seelenmystik mit dem aktiven Handeln im Alltag betonte. In Siena verfasste die Dominikanerin Katharina von Siena (gest. 1380) einen „Dialog über die göttliche Vorsehung“, in der sie die Verbindung der Seele mit der göttlichen Trinität beschrieb.41 Eine starke spirituelle Bewegung bildete die „Devotio moderna“ des holländischen Klerikers Gerhard Groote (gest. 1384). In der Nähe eines Frauenklosters in Deventer bildete sich eine Gemeinschaft von Klerikern und Laienchristen, und in Windsheim entstand in diesem Geist sogar eine Gemeinschaft von Kanonikern. Sie alle lebten nach der Spiritualität ihres Gründers und nannten sich „Brüder vom gemeinsamen Leben“. Auch sie strebten in maßvoller Form das mystische Erleben der Gottverbundenheit an. Wichtig seien die gelebten Tugenden der Demut und der Nächstenhilfe, sowie die Bewährung des Glaubens im alltäglichen Leben. In dieser Spiritualität verfasste Thomas von Kempten (gest. 1471) ein weit verbreitetes Buch über die „Nach-
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folge Christi“ (lat. Imitatio Christi). Darin empfahl er den Christen eine demütige Distanz zum Treiben der Welt, aber gleichzeitig die Bewährung in allen Berufen.42 Diese mystischen Bewegungen zeigen eine enge Kooperation zwischen den Laienchristen und den Mönchen und Nonnen. Zu dieser Zeit zogen viele Volksprediger durch die Lande, manche von ihnen wurden als Wundertäter gesehen und wie Heilige verehrt (Volksheilige). Manche dieser Prediger wurden von den Bischöfen und Päpsten auch heiliggesprochen, sie galten als Vorbilder des christlichen Glaubens und des moralischen Lebens. Trotz dieser mystischen Bewegungen blieben im breiten Volk die Forderungen nach Veränderungen in der Feudalgesellschaft und in der Kirche der Kleriker stark. Denn die sozialen Proteste konnten durch die mystische Verinnerlichung nicht abgefangen oder ausgelöscht werden.43
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Herrschaft der Kleriker
Im späten Mittelalter waren die höheren Kleriker, vor allem die Bischöfe und Päpste auf dem Höhepunkt ihrer politischen und religiösen Macht. Die Voraussetzung dafür war, dass die Eliten der Gesellschaft und große Teile des christlich gewordenen Volkes deren religiöse Lehren zum Teil kannten und glaubten. Die Mehrheit der Völker Europas hatte den christlichen Glauben angenommen, auch wenn dieser Glaube in den Details noch lange nicht verstanden und rezipiert wurde. Damit wurden auch die Bischöfe und Kleriker als religiöse und politische Autoritäten anerkannt, das Christentum war zu dieser Zeit eine hoch politische Religion. Doch nun meldeten sich öffentlich die ersten Stimmen, die eine Trennung von religiöser und staatlicher Autorität forderten. Doch die Bischöfe und die Kleriker widersetzten sich diesen politischen Bestrebungen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, vor allem mit dem Bannfluch und mit den Mitteln der Inquisition.1
Die Machtfülle der Päpste Im 11. Jh. hatte der Papst Gregor VII. mit seinen Hoftheologen in der Nachfolge des Reichstheologen Aurelius Augustinus seinen Herrschaftsanspruch über die gesamte Christenheit öffentlich vorgetragen. Christus habe dem Apostel Petrus die volle Binde- und Lösegewalt über alle Menschen übertragen, deswegen sei der Papst in Rom als Nachfolger des Apostels Petrus der oberste Richter in der Welt, und zwar in geistlichen und religiösen Fragen (lat. spiritualia). Nun sei aber Petrus von Christus auch als oberster Fürst über alle Königreiche der Welt eingesetzt worden, folglich habe der Papst das „göttliche Recht“ (lat. ius divinum), Könige und Fürsten einzusetzen und abzuberufen. Seine Macht (lat. potestas) stehe über der des Kaisers, der Könige und der Fürsten, der Papst sei der einzige Hüter der göttlichen Wahrheit. Der Irrtum habe kein Existenzrecht, er müsse mit allen Mitteln ausgerottet werden.2 Dieser Herrschaftsanspruch des Papstes wurde auch im 13. Jh. von Theologen und Klerikern öffentlich vorgetragen. Sie erweiterten diese Lehre dahingehend, dass auf der ganzen Erde nur die rechtgläubigen Christen die von Gott geschenkten Länder besitzen dürften. Die Nichtchristen (Moslems), die Juden, die Irrlehrer und die Häretiker hätten gar kein göttliches Recht, Länder zu besitzen. In diesem Sinn handelte Papst Innozenz III. (gest. 1216), der in Paris und Bologna kirchliches Recht studiert
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hatte. Er verfasste ein Buch über die „Armseligkeit der menschlichen Natur“ (lat. De miseria conditionis humanae), darin beklagte er die Hinfälligkeit des menschlichen Körpers, der ein „Gefängnis“ der von Gott geschaffenen Seele sei. Das Streben nach Reichtum, die sexuelle Wolllust und die Sucht nach Ehre seien die Grundübel des menschlichen Lebens. Wegen der Erbsünde müssten die Menschen von den Klerikern durch strenge Gesetze gelenkt werden, dies geschehe zu deren „Heil“. Dieser Papst predigte bereits in italienischer Sprache, die sich bereits vom Latein der meisten Kleriker unterschied.3 Er nannte sich „Stellvertreter Christi“ (lat. vicarius Christi), dem die Fülle der religiösen und der politischen Macht (lat. plenitudo potestatis) übertragen worden sei. Daher mischte er sich in die Politik der christlichen Königreiche ein und berief ein großes Konzil der Bischöfe und höheren Kleriker in den Lateranpalast nach Rom (1215). Auch die Päpste Innozenz IV. und Alexander IV. vertraten den universalen Machtanspruch ihres Amtes und stritten mit Königen und Fürsten. Das große Konzil im Lateran befasste sich mit der Rückeroberung des Heiligen Landes von den Moslems, mit dem Kampf gegen die Häretiker in Südfrankreich, mit der Bestätigung des deutschen Königs Friedrich II., mit der Exkommunikation englischer Barone, die ihrem König die „Magna Charta Libertatum“ abgetrotzt hatten. Die Lehren des Joachim von Fiore wurden verurteilt und die Inquisition gegen Ketzer und Häretiker wurde verschärft. Ein anderes Konzil der Bischöfe in Lyon (1245) sprach den Bann und die Absetzung über den Kaiser Friedrich II. aus, doch der Papst korrigierte einige Entscheidungen des Konzils, denn er wollte über diesem stehen. Verhandelt wurden Fragen der kirchlichen Vermögensverwaltung, ein Kreuzzug gegen die Moslems, sowie die Abwehr der Mongolen, die vom Osten kommend nach Europa strebten. Auch eine kurzzeitige Einigung mit den Theologen der griechischen Ostkirche wurde erreicht.4 Nun wurde der päpstliche Hof in Rom zu einem Zentrum der kirchlichen Verwaltung, aber auch der Wissenschaften und der Kultur. Wenn der Papst in Viterbo oder in Orvieto residierte, dann galt der Grundsatz: „Wo der Papst ist, dort ist Rom“ (lat. Ubi papa, ibi Roma). Im „Liber censuum“ wurden von der päpstlichen Kanzlei alle zinspflichtigen geistlichen und weltlichen Lehen erfasst, es wurden bereits Register über alle territorialen Ansprüche des Papstes erstellt. Die Gerichtsordnung wurde verändert, Streitfälle konnten jetzt beim auditor angemeldet werden, Anwälte (lat. procuratores) vertraten die Streitparteien. Die Pönitentiarie (lat. summus poenitentiarius) war nun für die Kirchenbußen zuständig. Der Papst erteilte gegen Bezahlung von Gebühren Dispens von Kirchengesetzen, z.B. von Ehegesetzen, und er sprach die Christen von den schwersten Sünden los. Schon zu dieser Zeit schickte der Papst Gesandte (lat. legati) an die Fürstenhöfe in ganz Europa, um seine Oberherrschaft anzuzeigen.5 Im 13. Jh. wurde am päpstlichen Hof ein Studium generale eingerichtet, zur Ausbildung der höheren Kleriker, der Beamten an der päpstlichen Kurie (lat. curia) und der Juristen. Zur „Familie des Papstes“ (lat. familia papae) zählten zu dieser Zeit die Kardinäle, die Hoftheologen und die Juristen. Seit Innozenz III. wurde auch ein
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päpstliche Hofarzt (lat. medicus papae) angestellt, unter Papst Bonifaz VIII. gab es bereits 25 Hofärzte. Diese wurden an der Medizinschule in Salerno ausgebildet, welche der Stauferkaiser Friedrich II. errichtet hatte. Dort kam auch empirisches Wissen der Medizin über die arabischen Ärzte in Nordafrika in die lateinische Kultur. Am päpstlichen Hof wirkten auch Mathematiker und Astronomen. Campanus von Novara verfasste eine frühe Planetentheorie (lat. Theoria planetarum) und schrieb Kommentare zu Euklids Werk der „Elemente“. Roger Bacon, John Peckham und Witelo trieben Studien über die Ausbreitung des Lichtes und über die Perspektiven des menschlichen Auges (lat. Perspectiva communis). Papst Johannes XXI. schrieb selbst ein Buch über das Auge (lat. De oculo), auch der Dominikaner Wilhelm von Moerbeke verfasste Werke über die Ausbreitung des Lichtes. Wichtig wurden die Bücher des Franziskaners Roger Bacon über Fragen der Naturerkenntnis (lat. Opus maius, Opus minus, Opus tertium).6 Durch das Studium des menschlichen Körpers wurde eine neue Sichtweise des Menschen möglich. So verfasste der Franziskaner John Peckham bereits ein Buch über das Glück und die Schönheit des menschlichen Körpers (lat. De beatitudine corporis et animae). Dabei bezog er sich auf den arabischen Arzt Al Hazen, vom dem er bereits ein Wissen hatte. Simon von Genua verfasste ein medizinisches Wörterbuch, auch er bezog sich auf lateinische, auf griechische und auf arabische Autoren. Einige Kardinäle wie Pelagius Galvani und Johannes von Toledo lernten die arabische Sprache, um arabische Wissenschaft zu studieren. Für die päpstliche Bibliothek wurde eine Inventarliste erstellt, die bereits medizinische und astronomische Werke enthielt.7 Die Päpste sahen sich nach den Lehren ihrer Hoftheologen als die Spitze der kirchlichen und der weltlichen Hierarchie, sie waren das „Haupt“ (lat. caput) der gesamten Christenheit, auch der byzantinischen Christen. Fortan sollte die päpstliche Rechtssprechung für alle christlichen Länder gelten, denn die Fülle der Macht war allein beim Papst. Folglich lehrten die päpstlichen Juristen (Dekretisten), der Papst trage das gesamte Recht der Menschheit in seiner Brust, seine Macht gelte auch für die Ungläubigen und Nichtchristen, für Moslems und Juden (Commentaria ad X, II, 10). Im 13. Jh. wurden alle Laienchristen (Fürsten und Volk) und der niedere Klerus von der Wahl der Bischöfe und Päpste ausgeschlossen, nur die höheren Kleriker durften an diesen Wahlen mitwirken; das waren bei der Bischofswahl die Mitglieder des Domkapitels (Kanoniker). Der Papst musste die Wahl der Bischöfe und Äbte durch Ernennung bestätigen, dafür mussten ihm aber große Summen an Geld (lat. servitium) bezahlt werden. Nun konnte der Papst die Bischöfe auch von einer Diözese in eine andere versetzen (lat. translatio loci).8 Wenn Christus der „König“ der Welt war, dann war der Papst sein Stellvertreter auf der Erde. Nach der Lehre der Hoftheologen herrschte Christus durch den Papst über alle Könige und Fürsten, über alle Menschen. Damit war die Basilika des Papstes die erste Kirche der gesamten Christenheit, der Bischof von Rom war der höchste Schiedsrichter der Menschen, er konnte von niemandem gerichtet werden (Petrus Olivi). Seit Gratian (Decretum Gratiani) galt die Lehre, dass der Papst über allen
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Konzilien und Bischöfen stehe. Doch der Dekretist Johannes Teutonicus war der Überzeugung, das Konzil sei über dem Papst und könne ihn sogar absetzen, wenn er der Häresie verfalle. Dem Papst stand das „Konsistorium“ der Kardinäle zur Seite, das nach seinem Tod bis zur Wahl des neuen Papstes alle Macht ausübte.9 Fortan lehrten die Hoftheologen, der Papst habe eine geistliche und eine weltliche Gewalt, er habe von Christus den Schlüssel des himmlischen und des irdischen Reiches bekommen. Den zweiten Schlüssel habe er an die Könige und Fürsten weiter gegeben, aber diese müssten ihm streng gehorchen. Bei der Bekämpfung der Häretiker müssten die Fürsten eng mit dem Papst und den Bischöfen zusammen arbeiten. Daher könne der Papst die Fürsten, Könige und Kaiser absetzen (lat. depositio), wenn sie vom wahren Glauben abwichen. Daher setzte das Konzil von Lyon (1245) den Kaiser Friedrich II. ab. Aber die Waffen der Fürsten waren immer stärker als die Herrschaftsphantasien der Theologen und Kleriker.10 Nach der Lehre der Hoftheologen war die universale Herrschaft des Papstes wegen der „Erbsünde“ (lat. ratione peccatis) der Menschen notwendig, alle Sünder müssten vom Nachfolger des Petrus streng gelenkt werden. In der Folge verhängte der Papst oftmals den Kirchenbann (lat. interdictum, excommunicatio) über Fürsten und Könige, der aber im Lauf der Zeit an politischer Wirkung verlor. Die Bischöfe setzten durch, dass Kleriker nur vor kirchliche Gerichte gestellt wurden. Daraufhin betonten die Adeligen die Autonomie der weltlichen Gerichte. In England wehrten sie sich lange Zeit, die Ehegesetze der Kleriker anzuerkennen.11 In der Folgezeit wehrten sich viele Adelige gegen die Bevormundung durch die Klöster. England war seit dem König Johann „Ohneland“ ein Lehen des Papstes, der König musste an diesen pro Jahr 1.000 Silbermark zahlen. Auch die französischen Könige waren bestrebt, den Herrschftsansprüchen der Kleriker Grenzen zu ziehen. Häufig ist eine antiklerikale Haltung zu erkennen, wie Lieder der fahrenden Sänger, aber auch Schriften der Kleriker bezeugen. Oft ist darin von „falschen“ Klerikern und „betrügerischen Prälaten“ die Rede.12
.RQÀLNWIHOGHUGHU.OHULNHU Zu Beginn des 14. Jh. erreichte der päpstliche Herrschaftsanspruch über die ganze Christenheit einen neuen Höhepunkt, doch die Hoftheologen erkannten nicht, dass sie nur mehr politische Träume formulierten. Denn der Papst hatte keine politischen und militärischen Mittel, um diese Ansprüche durchzusetzen. Bei einer Synode in Rom (1302) veröffentliche der Papst Bonifaz VIII. seine Bulle „Unam sanctam catholicam“, in der er sich wieder als Herrscher der gesamten Menschheit bezeichnete. Ihm stünden das geistliche und das weltliche Schwert zur Verfügung, die hierarchische Ordnung der Kirche entspreche der hierarchischen Ordnung im Kosmos. Daher müssen die Fürsten dem Papst gehorchen, nur auf seinen Befehl dürften sie zum Schwert greifen. Dieser Gehorsam unter dem Papst sei zum „Seelenheil“ aller Christen notwendig. Darauf ließ der König von Frankreich Philipp IV. den Papst zum
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Ketzer erklären und durch seine Soldaten im Schloss von Anagni gefangen setzen; an dieser Aufregung verstarb der Papst.13 Durch die Waffen der Fürsten ist der päpstliche Machtanspruch schnell zu Ende gekommen, die nächsten Päpste gerieten sogar in die Abhängigkeit vom französischen König. Sie verlegten ihre Residenz von Rom nach Avignon, wo sie über 70 Jahre lang regierten. Nun mussten ung. 600 Kurienbeamte, 20 Kardinäle und etwa tausend Mitglieder der „päpstlichen Familie“ vom Tiber an die Rhone übersiedeln. Der Bischofspalast wurde zur päpstlichen Residenz ausgebaut, dazu kamen zwei neue Gerichtsgebäude. Viele Juristen und Theologen, Kaufleute und Handwerker zogen in die Stadt des Papstes, die bisher ung. 30.000 Einwohner hatte. Eine Universität wurde errichtet, Banken und Handelsgesellschaften ließen sich in der Stadt nieder. Die päpstliche Bibliothek wurde ein Zentrum der theologischen und der juridischen Wissenschaft.14 Doch manche Kleriker wie der englische Bischof Robert Grosseteste kritisierten die hohen Einnahmen des Papstes, die Vergabe von Pfründen, die Bezahlungen für Dispensen und Provisionen. Dadurch würden die seelsorglichen Aufgaben (lat. cura animarum) in den Hintergrund gedrängt. Viele Fürsten und Könige wollten nun die Geldflüsse an die Bischöfe und Päpste eindämmen, weil sie selber Geld für die Rüstung benötigten. Im Jahr 1378 konnten sich die italienischen und die französischen Kardinäle auf keinen gemeinsamen Papst mehr einigen, sie wählten zwei Päpste, die sich mit militärischen Mitteln heftig bekämpften. Der italienische Papst residierte in Rom, ihm folgten das deutsche Reich, die Polen, die Ungarn, Norditalien, England, Irland und Portugal. Der französische Papst regierte in Avignon, ihm folgten Frankreich, Burgund, Aragon, Kastilien und Süditalien.15 Nun führten die beiden Päpste mit ihren Anhängern 15 Jahre lang Kriege gegen einander, jeder ließ den Gegner als Ketzer verurteilen und gegen ihn einen Kreuzzug ausrufen. Auf Papst Urban VI. war ein hohes Kopfgeld ausgesetzt, er wurde gefangen und nur durch große Bestechung konnte er fliehen. Die Christenheit war in zwei Lager gespalten, die Kriege der Päpste kosteten viel Geld, das die Laienchristen mit hohen Abgaben bezahlen mussten. Viele Fürsten verstanden es, die beiden Päpste gegen einander auszuspielen und gleichzeitig ihre fürstliche Macht zu vergrößern. Einfache Laienchristen waren verwirrt, sie verloren die Orientierung, denn viele Prediger kündigten das baldige Weltende an. Gelehrte Theologen riefen nach einem Konzil der Bischöfe und Fürsten, vor dem sich beide Päpste verantworten sollten. Die Universität von Paris erklärte beide Päpste zu „Spaltern“ (Schismatiker).16
Die Lehren der Konzilien Als der König von Frankreich dem Papst in Avignon den Gehorsam aufkündigte und die päpstlichen Steuern konfiszierte, ging er daran, ein allgemeines Konzil einzuberufen und eine nationale Kirche (lat. ecclesia gallicana) aufzubauen. Nun sollten die Rechte des Papstes, die Apellationen an kirchliche Gerichte, die Lösungen von Kirchenstrafen, die Dispens von Ehehindernissen, die Bestätigung der Bischöfe auf
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ein französisches Konzil übergehen. Nach langen Verhandlungen einigten sich die Fürsten Europas auf ein Konzil in Pisa, das im Jahr 1409 begann. Daran nahmen Kardinäle und Patriarchen, Bischöfe und Theologen, Juristen und Vertreter der Fürsten teil. Der Kanonist Baldus stellte fest, dass ein von den Kardinälen einberufenes Konzil den Papst absetzen könne. Und der Theologe Zabarella bezog sich auf Marsilius von Padua und lehrte, wie die Gewalt (lat. potestas) in der Stadt den Bürgern gehöre, so liege die Macht in der Kirche in den Händen des Konzils. Der Papst sei nur ein „Diener“ (lat. servus) der Kirche, er könne von den Gläubigen jederzeit abberufen werden.17 Hier werden die Lehren des Wilhelm von Ockham erkennbar, die sich an vielen Universitäten verbreitet hatten. Eine verinnerliche Kirche sollte die hierarchische und sakramentale Ordnung ersetzen, das Konzil könne an die Stelle des Papstes treten, wenn das Heil der Kirche es erfordere. Das Konzil trat in Pisa zusammen und erklärte beide Päpste als „verstockte Schismatiker“, sie hätten ihre Würde verloren und ihre Rechte seien auf die Kardinäle übergegangen, von denen sie gewählt wurden. Im Jahr 1410 wurde Sigismund von Luxemburg zum deutschen und römischen König gewählt, er lud die Bischöfe, die höheren Kleriker und die Vertreter der Fürsten zu einem neuen Konzil nach Konstanz ein. Dort sollte wie an den Universitäten nach Nationen (lat. nationes) abgestimmt werden, aber damit wurden die politischen Konflikte zwischen den Königreichen mitten in das Konzil getragen. Der Papst Johannes XXIII. wurde von seiner Residenz mit Waffengewalt vertrieben, danach stimmte das Konzil über die Vorlage „Haec santam“ ab. Darin hieß es, das Konzil sei die oberste Instanz der gesamten Kirche, es sei berufen, die Spaltung (Schisma) zu beenden. Die Theologen nannten diese Lehre später „Konziliarismus“. Papst Benedikt XIII. wurde zum Häretiker erklärt und von seinem Amt enthoben. Danach wählten 53 Wahlmänner der Nationen und 23 Kardinäle einen neuen Papst, der sich den Namen Martin V. gab.18 Dieser Papst bestätigte dem König von Frankreich ein „Konkordat“ (lat. concordatum), in dem dieser alle Rechte bei der Vergabe von kirchlichen Pfründen bekam. Die Zahl der Wahlmänner des Papstes, der Kardinäle, wurde mit 24 begrenzt. Die Theologen J. Wyclif und J. Hus wurden als Häretiker verurteilt. Mit dieser Abstimmung nach Nationen wurden die Kirchen der einzelnen Länder deutlich gestärkt, vor allem die Kirche in Frankreich ging nun ihren eigenen Weg (Gallikanismus). Im breiten Volk und unter den Laienchristen gab es zu dieser Zeit viel Hass auf die höheren Kleriker, das Schisma der zwei streitenden Päpste hatte viele Gläubige tief verunsichert. Aber dem Papst Martin V. gelang es in kurzer Zeit mit Unterstützung der Fürsten, die päpstliche Monarchie wieder zu errichten. Sein Nachfolger berief ein Konzil nach Basel, das die Reformen der Kirche weiterführen sollte. Doch im Jahr 1434 riefen Adelige und Bürger von Rom die „Römische Republik“ aus, der Papst musste aus seiner Residenz flüchten.19 Doch die Fürsten halfen ihm, den Aufstand niederzuschlagen, denn sie fürchteten um ihre eigene Macht. Nach einiger Zeit wurde das Konzil der Bischöfe nach Ferarra und von dort nach Florenz verlegt, auch der Papst nahm daran teil. Dort haben im
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Jahr 1453 die Vertreter der Byzantinischen Ostkirche einen Vereinigungsvertrag mit der Westkirche unterzeichnet, um von dort Hilfe gegen die Osmanen zu bekommen. Sie hatten sogar den Primat des römischen Papstes anerkannt. Der Papst wollte jetzt einen Kreuzzug gegen die Türken, doch er scheiterte mit seinen Kriegsplan. Und fünf Monat später wurde Konstantinopel von den Osmanen erobert. Ein Teil dieses Konzils war in Basel geblieben und wählte einen Gegenpapst; es gab nun also zwei Konzilien und zwei Päpste. Aber der römische Papst bestätigte dem König von Frankreich die „Pragmatische Sanktion“ von Bourges, damit erhielt er dessen politische Unterstützung. Ähnliche Konkordate schloss der Papst mit den deutschen Kurfürsten (Kurfürstenkonkordat 1447) und mit dem deutschen Kaiser Friedrich III. (Wiener Konkordat 1448). Die Fürsten setzten den Papst wieder in Rom ein und zwangen den Gegenpapst von Basel zur Abdankung.20 Als die Konzilsväter die Stadt Basel verließen, waren sie überzeugt, sie hätten der Kirche eine neue Verfassung gegeben. Denn sie hatten beschlossen, dass alle 10 Jahre ein Konzil zusammen treten musste, das die Macht des Papstes, der römischen Kurie und der Kardinäle begrenzte. Doch an einer solchen „konziliaren“ Verfassung hatten auch die Fürsten kein Interesse, denn sie fürchteten ähnliche Strukturen auch in ihren Herrschaftsbereichen. Auch sie wollten die politische Macht nicht mit vom Volk gewählten Vertretern teilen. Daher unterstützten sie mit großer Mehrheit einen starken Papst und eine kirchliche Monarchie, der sie allerdings viele Privilegien abtrotzen konnten. Damit war das Papsttum in seiner alten monokratischen Form gerettet, die Konziliaristen verloren rasch an Unterstützung. Fortan lehrten die kirchlichen Juristen (Dekretisten) wieder, allein der Papst entscheide über die Dogmen des Glaubens, seine Urteile seien endgültig, denn er könne von niemanden, auch von keinem Konzil gerichtet werden. Die Fürsten garantierten dem Papst den Kirchenstaat (Patrimonium Petri), auch wenn die Humanisten Lorenzo Valla und Nikolaus von Kues die „Konstantinische Schenkung“ als Fälschung der päpstlichen Kanzlei nachgewiesen hatten.21 Damit hatten die Fürsten für den Papst und für sich selbst die autokratische Macht gerettet. Doch die Reformwünsche gingen sowohl in der Kirche, als auch in den Königreichen und Fürstentümern weiter, die Reformideen von J. Wyclif und J. Hus wurden in vielen Regionen verbreitet, sie waren nicht mehr auszurotten. In Böhmen hatten die Lehren des J. Hus eine nationale Protestbewegung ausgelöst, die der König nur mit militärischer Macht niederschlagen konnte (Hussitenkriege). Zugleich war in England, in Frankreich und in Böhmen ein starkes Nationalgefühl erwacht, das nach einer politischen Verwirklichung drängte. Der Bürgerkrieg in Böhmen schwächte die Macht des Königs, das Volk wartete auf politische Reformen. Dies war die politische Lage am Ende des 15. Jh., die zu Beginn des nächsten Jahrhunderts die Reformation einzelner Kirchen und Länderstrukturen ermöglichte.22
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Herrschaft der Kleriker
Renaissance der päpstlichen Herrschaft Mit dem „Jubeljahr“ von 1450 hatten der Papst und die päpstliche Kurie ihren großen Sieg über die Konziliaristen gefeiert. Die Kirchenunion mit der Byzantinischen Ostkirche war gelungen, nur der Kreuzzug gegen die Türken kam nicht zustande. Die Türken versenkten einige Schiffe der christlichen Flotte, die von Venedig angeführt wurde. Nun forderten die Päpste von den Fürsten neue Steuern, um für einen großen Kreuzzug gegen die Osmanen zu rüsten. Doch die meisten Fürsten ignorierten die Pläne der höheren Kleriker. Der Papst hatte vorgeschlagen, dass alle Kleriker 10% ihres Einkommens für den Kreuzzug zahlen sollten, die reicheren Laienchristen 30% und die Juden 20%. Nur der König von Neapel und der Herzog von Burgund rüsteten für den Kreuzzug, die anderen Fürsten verweigerten die Hilfe. Zu dieser Zeit veröffentlichen die päpstlichen Theologen die „Irrtümer“ des Islam, Nikolaus von Kues verfasste sein Werk „Prüfung des Koran“ (lat. Cribatio Alchorani). Und der Papst Pius II. schrieb einen imaginären Brief an den Propheten Mohammed, für den Kreuzzug plante er eine Armee von 40.000 Mann.23 Doch als der Papst 1464 starb, waren die Fürsten zu keiner Rüstung gegen die Türken mehr bereit. Diese eroberten nun Albanien und stießen weit nach Dalmatien vor, mit ihren Überfällen erreichten sie Friaul, Kärnten und die Steiermark. Als die Straße von Otranto eingenommen wurde, nahm der Papst durch Gesandte Kontakt zum Sultan in Istanbul auf. Der Papst Alexander VI. verständigte sich sogar mit dem türkischen Heerführer Bajazet. Er verhinderte einen Kriegszug des französischen Königs gegen die Türken und erhielt dafür 300.000 Golddukaten. Der türkische Thronanwärter Djem, der von den Truppen des Papstes gefangen wurde, ist daraufhin ermordet worden. Nun war also der Stellvertreter des Petrus mit dem Anführer der „Ungläubigen“ einen lukrativen Handel eingegangen. Aus diesem Grund erhob in Florenz der Dominikaner Girolamo Savonerola schwere öffentliche Vorwürfen gegen den Papst. Doch dieser feierte im Jahr 1500 ein weiteres „Jubeljahr“, er ließ wieder den Kreuzzug predigen und dafür Steuern eintreiben. Doch seine Nachfolger Julius II. und Leo X. dachten nicht mehr an einen Kreuzzug. Und der König von Frankreich ging sogar ein Bündnis mit den moslemischen Osmanen gegen den deutschen König und die Habsburger im Osten des Reiches ein.24 Im 15. Jh. gelang den Päpsten die Konsolidierung und „Renaissance“ ihrer politischen und religiösen Macht, doch die meisten der christlichen Könige folgten nicht mehr ihren Vorgaben. Die Stadt Rom hatte ihre Einwohnerzahl verdoppelt, sie wuchs von 22.000 auf ca. 55.000 Personen an. Nun bauten die Päpste, die Kardinäle und Adelige neue Paläste in einem neuen Baustil, der an die Antike erinnern sollte. Papst Paul II. stritt sich mit den Humanisten, die an der Römischen Akademie lehrten, einige von ihnen entließ er aus dem Lehramt. Der Papst Sixtus IV. schuf große Bauten der Repräsentation, darunter die Sixtinische Kapelle. Und Alexander VI. agierte als geschickter Diplomat, er setzte seine eigenen Kinder für politische Unternehmungen ein. Die Chronik berichtet, dass zu dieser Zeit in Rom ung. 1.000 Freudenmädchen lebten, unter den Klerikern, Adeligen und reicheren Stadtbürgern wurde weithin
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eine sinnenfreudige Kultur gelebt. Die asketische und lebensfeindliche Kultur sollte aufgegeben werden, die Lebenswerte der römischen Antike sollten zu neuem Leben erstehen.25 Doch die Prachtbauten der Renaissance-Päpste verschlangen viel Geld, dieses musste durch Steuern, durch den Verkauf von Privilegien und durch Gebühren für den „Ablass“ von Sündenstrafen aufgetrieben werden. So wurden die Päpste und die höheren Klerikern in kurzer Zeit zu Spezialisten der Geldwirtschaft, die Hoftheologen nannten die Ansammlung von Geld und Kapital nicht länger „Wucher“. Nach den Plänen der Päpste sollte die alte Basilika St. Peter abgetragen und durch eine neue im zeitgenössischen Stil ersetzt werden. Dieser Bau sollte ein Zeichen der Erneuerung der gesamten Christenheit sein. Zu dieser Zeit wirkten am päpstlichen Hof viele Mediziner und Astronomen, Dichter und Sänger, Maler, Bildhauer und Baumeister, aber auch Hofnarren; ein Tiergarten mit Elefanten aus Afrika wurde angelegt. Alle Ämter der päpstlichen Kurie mussten zu dieser Zeit um hohes Geld gekauft werden, die römischen Adelsfamilien und Patrizier haben dafür viel Geld bezahlt.26 Unter den Theologen, Klerikern und Fürsten hatte der Konziliarismus an Einfluss verloren, die von vielen Laienchristen geforderten Reformen der Kirche wurden von den höheren Klerikern verweigert. Die päpstliche Monarchie sollte auch die Herrschaft der Fürsten wieder festigen, die Wiedergeburt der antiken Kultur sollte auch mit einer Renaissance der zentralen Herrschaft und mit vielen prächtigen Bauwerken verbunden werden. Denn die neue Herrschaft der Päpste sollte in der Stadt Rom auch an den neuen Prachtbauten gesehen werden, der Stellvertreter Christi auf Erden brauchte starke Zeichen seiner universalen Macht. So hatte die Herrschaft der Kleriker im späten Mittelalter viele Veränderungen erfahren.27 Als der päpstliche Herrschaftsanspruch über die Fürsten politisch nicht mehr durchsetzbar war, wollten die Päpste, die Kardinäle und die Hoftheologen die Größe der päpstlichen Macht vor allem durch große Bauwerke darstellen. So entstanden im und rund um den päpstlichen Hof große Werke der Renaissance-Kunst, aber dafür mussten viele Gelder aufgetrieben werden. Diese Geldbeschaffung mittels der „Ablassbriefe“ in der gesamten lateinischen Christenheit führte dann im 16. Jh. zur großen Kirchenspaltung, die aber von den Fürsten zum Teil voll mitgetragen wurde. Die Ideen der Konziliaristen von der Mitbestimmung der Kirchenleitung durch ein Konzil wurden auch von den meisten Fürsten verworfen, denn sie wollten in ihren Herrschaftsbereichen auch kein zu starkes Parlament der Adeligen und der Patrizier. Doch die konziliaren und frühdemokratischen Ideen eines Marsilius von Padua und eines Wilhelm von Ockham waren unter den Gebildeten nicht mehr aus der Welt zu schaffen.28
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Lehren der Philosophen
Zu Beginn des 13. Jh. schlossen sich in einigen Städten (Paris, Bologna) Domschulen, Klosterschulen und Palastschulen zu „Universitäten“ (lat. universitas magistrorum et scholarum) zusammen, wohl auch, um die Effizienz des Lehrens und des Studierens zu steigern. Die Lehrer (lat. magistri) erstritten das Recht, die Lehrerlaubnis (lat. licentia docendi) an ihre Schüler selbständig weitergeben zu können. Im Jahr 1215 erhielt die Pariser Universität ein Statut, in dem die Vorlesungen und Disputationen, aber auch die Kleidung und die Unterkunft der Studenten geregelt wurden. Damit erhielten die Lehrer auch jurisdiktionelle Gewalt über ihre Schüler (lat. scholares). Eine päpstliche Bulle „Super speculam“ von Honorius III. im Jahr 1219 regelte die Einkünfte der studierenden Kleriker. In Montpellier und Paris, aber auch in Salerno bei Neapel entstanden neue Studienzentren der Medizin, wo die die arabische Wissenschaft der empirischen Medizin gelehrt wurde. Die Magistri erstritten sich stärkere Autonomie gegenüber dem von den Bischöfen oder Fürsten bestellten Kanzler der Universität.1
Die Rezeption des Aristoteles Die meisten Universitäten waren zu dieser Zeit noch stark von den Päpsten, Bischöfen und Fürsten abhängig, denn sie wurden von diesen mit bestimmten politischen Zielvorgaben gegründet. Die Universität von Toulouse sollte für die Bekämpfung der Ketzer und Häretiker zuständig sein, Montpellier sollte gute Ärzte für die Fürsten ausbilden, Bologna wurde zu einem Zentrum des kirchlichen Rechts. Die Universität Oxford löste sich weitgehend vom Einflusss des Bischofs. Die Studenten wurden nach ethno-linguistischen Gruppen (lat. nationes) zusammengefasst, so gab es in Paris Franzosen, Picarden, Normannen, Engländer und Deutsche. In Oxford wurde zwischen den Südengländern (Australes), den Nordengländern und Schotten (Boreales) unterschieden. Über die „arabische Wissenschaft“ wurden an den lateinischen Universitäten neue Schriften des Aristoteles bekannt. Denn nach 1150 waren in Toledo seine Schriften über Physik, Metaphysik, Psychologie, Ethik und Politik aus dem Arabischen ins Lateinische übersetz worden.2 Bekannt wurden nun auch die Schriften von Al Ghazali und von Ibn Shina (Avicenna), vor allem dessen „Buch der Heilung“. Aber beim Lesen dieser Bücher von Aris-
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Lehren der Philosophen
toteles bekamen die Theologen Schwierigkeiten mit ihrer Schöpfungslehre. Denn für den antiken Philosophen aus Stageira war die Materie (griech. hyle) ein ewiger und zeitloser Stoff, und Gott hatte als „erster Beweger“ diesen Stoff nur zu einem Kosmos geformt. Deswegen hatten die Bischöfe diese Lehre des Aristoteles zuerst strikt verboten, denn sie sahen darin eine Gefährdung des christlichen Schöpfungsglaubens. Doch die Lehrer Alexander von Hales und Albert von Lauingen (Albertus Magnus) übernahmen diese Lehren, denn sie sahen darin neue Ansätze der Naturerkenntnis. An einigen Universitäten (Köln, Oxford) entfaltete sich ein systematisches Interesse an den Phänomenen der Natur. Vor allem die Ausbreitung des Lichtes wurde nun auch empirisch erforscht, wie die arabischen Philosophen es schon länger taten.3 Der Dominikaner Wilhelm von Moerbeke hatte wichtige Werke des Aristoteles aus dem Griechischen in die lateinische Sprache übersetzt. Dadurch wurde erkennbar, dass in den Übersetzungen aus dem Arabischen viele neuplatonische Anmerkungen und Glossen eingeflossen waren. Durch die Übersetzung aus dem Griechischen waren die Schriften des Aristoteles den lateinischen Philosophen und Theologen nun in der Originalfassung zugänglich. Seine realistische Interpretation der Welt und der Natur hat nun auch an den lateinischen Universitäten eine systematische Erforschung der Phänomene der Natur angeregt. Der Dominikaner Albert von Lauingen (Albertus Magnus) sah das Göttliche als Gegenstand unserer vernünftigen Erkenntnis. Da in der Natur die Formen der Arten und Gattungen nur in den konkreten Einzeldingen verwirklicht seien, beginne jede Erkenntnis der Welt mit der sinnlichen Wahrnehmung. Das Allgemeine sei immer nur in den besonderen Einzeldingen verwirklicht, diese seien nur durch Beobachtung zu erkennen.4 Dieser Denkansatz des Aristoteles bedeutete den Primat des Besonderen und Einzelnen vor dem Allgemeinen und in der Folge die Aufwertung der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit. Damit konnte sich auch in der lateinischen Welt die systematische Erforschung der Naturphänomene entfalten, die in der spätantiken Kultur zu Ende gekommen war. So verfasste Albert von Lauingen mehrere Schriften zur Naturkunde, zur Botanik und zur Zoologie, aber auch zur Astronomie und Astrologie, denn er hatte bereits exakte Beobachtungen angestellt. Er wollte durch die eigene Beobachtung die Erkenntnisse des Aristoteles erweitern und ergänzen. Hier liegen die Anfänge der europäischen Naturwissenschaften. Albert war überzeugt, dass die Philosophie die Erkenntnisse der Naturbeobachtungen zusammenfasse und dass ihre Erkenntnisse nicht durch göttliche Eingebung zustande kommen, sondern durch das natürliche Licht der Vernunft gewonnen werden. Die Lehren der Religion und die Erkenntnisse der Vernunft könnten in keinen Widerspruch geraten, weil beide Gott zum Urheber hätten. Empirische Erforschungen der Natur betrieben zu dieser Zeit auch Roger Bacon, Robert Grosseteste und Dietrich von Freiberg.5 Wichtige Impulse für die Weltdeutung des späten Mittelalters gab der Dominikanertheologe Thomas von Aquin (gest. 1274). Zunächst korrigierte er die Erbsündenlehre des Aurelius Augustinus, denn nach seiner Überzeugung setzte die göttliche Gnade bei ihrer Wirksamkeit immer die menschliche Natur voraus (lat. gratia praesupponit naturam). Er war überzeugt, dass wir Menschen mit dem Licht
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der natürlichen Vernunft die Gottheit erkennen können. Denn wir können in Gott die „erste Ursache“ (lat. prima causa) der Welt und des Kosmos sehen, aber auch das Ziel des Weltprozesses, das höchste Gute (lat. summum bonum), die vollendete Schönheit und die Fülle der Wahrheit. Aber die Gottheit habe alle ihre Möglichkeiten und Potentiale schon verwirklicht, sie sei daher reine Tätigkeit (lat. actus purus) und vollendete Wirklichkeit. Denn in ihr sei kein Werden mehr. Die Gottheit sei die vollkommene Formkraft des Kosmos. Wir Menschen können mit unserer geschaffenen Vernunft die Wahrheit der Schöpfung erkennen, diese Erkenntnis geschehe durch die Angleichung unseres Verstandes an die untersuchten Objekte der Natur (lat. adaequatio rei et intellectus).6 Nach der Auffassung des Thomas sind unsere sprachlichen Begriffe Abbilder der allgemeinen Formen. Konkrete Substanzen bestehen aus der Wesenheit (lat. essentia) und der Existenz (lat. existentia), und weil das so sei, entspräche den Allgemeinbegriffen (lat. universalia) keine selbständige Existenz; das Allgemeine bestehe nur als Formkraft der materiellen Dinge. Mit dieser Überzeugung hatte Thomas die Ideenlehre des Plato verabschiedet, die den ewigen Ideen die Priorität vor den Einzeldingen zugesprochen hatte. Das Allgemeine verwirkliche sich in den Einzeldingen, diese Verwirklichung geschehe in der Materie, diese sei das Prinzip der Vereinzelung. Wir Menschen existieren als sterbliche Körper und als unsterbliche Seelen, immer forme die innere Seelenkraft die Gestalt des Körpers. Nun sei die Seele im ganzen Körper und in allen Körperteilen und Gliedern wirksam, aufgrund ihrer vernünftigen Fähigkeiten müsse sie den Tod des Körpers überdauern. Denn alles Vernünftige sei ewig. Die Gottheit sei der erste Beweger und die Wirkursache des gesamten Kosmos, sie gebe der Welt und den Menschen ein letztes Ziel und eine höchste Ordnung. Deswegen sei die gesamte Welt und Natur zweckmäßig geordnet.7 Über die Gottheit (lat. deitas) und das Göttliche könnten wir Menschen nur in der sprachlichen Form der „Analogie“ sprechen, denn zwischen der endlichen und der unendlichen Wirklichkeit bestehe immer ein analoges Verhältnis. Es bestehe keine Gleichheit und keine Ungleichheit, sondern eine Ähnlichkeit (lat. similitudo). Weil die göttliche Gnade immer die menschliche Natur voraussetze, sollten die Menschen ihre Natur entfalten. Sie sollten gemäß dieser Natur (lat. praeter naturam) leben und nicht gegen ihre Natur (lat. contra naturam). Sie müssten in ihrem Verhalten dem „Naturrecht“ (lat. lex naturalis) folgen, das niemals dem göttlichen Recht (lat. lex divina) widersprechen könne. Für uns Menschen habe folglich das Naturrecht als ein göttliches Recht zu gelten. In den Fragen der Geldwirtschaft näherte sich Thomas von Aquin den Lehren anderer Bettelmönche an. Er hielt zwar am generellen Zinsverbot fest, wie Plato und Aristoteles es taten, aber in Ausnahmefällen sollten Zinsen für verliehenes Geld erlaubt sein; nämlich wenn für den Geldverleiher ein Schaden entstanden war, wenn der Termin der vereinbarten Rückzahlung nicht eingehalten wurde oder wenn die Beteiligung an einem Geschäft verhindert wurde.8 Auch der Franziskaner Johannes Duns Scotus lehrte zu dieser Zeit, feste Zinsen seien wegen des Risikos des Geldverleihers erlaubt und angemessen. Denn nun wurde Geld ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in den Städten Oberitaliens. Die Dominika-
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nertheologen orientierten sich nun mehrtheitlich an den Lehren des Aristoteles, hingegen hielten die Franziskanertheologen weiterhin an der Autorität des Aurelius Augustinus fest. Sie glaubten, dass im menschlichen Leben der Wille immer stärker sei als der Verstand, dieser müsse sich jenem unterordnen. So lehrte Johannes Fidenza (Bonaventura), dass in der Gottheit die Urbilder und Vorbilder aller Einzeldinge, aller Gegenstände und Lebewesen seien. Die Erkenntnis der höchsten Wahrheit komme uns nur durch göttliche Erleuchtung zu. Daher suchten die Mystiker die innere Vereingung mit dem Göttlichen und die innere Schau (lat. visio) des Ewigen. Und Johannes Duns Scotus war überzeugt, dass die Lehren der Theologen immer über den Erkenntnissen der Philosophie stehen müssten. Denn die Gottheit sei das absolut Erste, das Eine und Ewige, das höchste Gute und die vollkommene Wahrheit. Die Universalbegriffe stellen reale Wirklichkeiten dar, und die Menschen müssten sich in ihren Handlungen dem göttlichen Willen unterordnen. Denn die sittlichen Gebote könnten nicht allein mit der Vernunft begründet werden.9 Diese beiden Denkrichtungen haben fortan die scholastische Philosophie geprägt, wobei naturwissenschaftliche Forschung aber nur im Kontext der aristotelischen Weltdeutung betrieben werden konnte.
Denkimpulse des Nominalismus Im Streit um den Status der Universalbegriffe setzte sich immer mehr die nominalistische Sichtweise durch, die in den universalen Begriffen nur mehr Bezeichnungen (lat. nomina) und keine realen Wirklichkeiten sah. Dieser neue Denkweg (lat. via moderna) verdrängte an den Universitäten langsam die traditionellen Lehren (lat. via antiqua). So war Wilhelm von Ockham (gest. 1349) davon überzeugt, dass die Existenz Gottes oder die Unsterblichkeit des Seele nicht durch die natürlichen Erkenntnisse der Philosophie bewiesen werden könnten; diese Lehren der Religion müssten vielmehr geglaubt werden. Da die Theologie immer auf dem religiösen Glauben aufruhe, sei sie keine Wissenschaft im strengen Sinn. Denn unser Wissen (lat. scientia) könne sich immer nur auf einzelne Dinge und Lebensbereiche beziehen, aber nicht auf allgemeine „Wesenheiten“. Denn wirklich und real seien nur die konkreten Einzeldinge, nämlich Gegenstände, Lebewesen und Geistwesen. Wir gehen immer von der Beobachtung der Einzeldinge aus und bilden dann allgemeine Begriffe und Aussagen. Aber wir können nicht länger aus allgemeinen Wesenheiten die Erkenntnis der Einzeldinge ableiten.10 Damit hatte Wilhelm von Ockham die Fragestellung nach den Universalbegriffen umgedreht. Für die Erkenntnis der Einzeldinge aber brauchen wir immer die empirische Erfahrung und die Beobachtung der Natur. Mit diesem nominalistischen Denkansatz konnte sich fortan die Naturwissenschaft entfalten, sie ersetzte nun langsam die metaphysischen Spekulationen über das „Wesen“ (lat. essentia, substantia) der Dinge. Durch die sinnliche Anschauung erfassen wir individuelle Gegenstände, und durch Abstraktion von deren einzelnen Eigenschaften gelangen wir dann zu allgemeinen Begriffen, die immer für viele Einzheldinge stehen. Nun wollte Wilhelm
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von Ockham die Philosophie und die profane Wissenschaft klar von den Lehren der Religion und der Theologie trennen. Gleichzeitig war er überzeugt, dass die weltliche Macht der Fürsten und Könige sich völlig unabhängig von den Ansprüchen der religiösen und kirchlichen Macht entfalten müsse. Und in der Kirche müssten die Lehren der Kleriker und Theologen, der Bischöfe und Päpste ständig von den Gläubigen kontrolliert und korrigiert werden. Wir erkennen hier den expliziten Denkansatz eines autonomen Laienchristentums, das sich in der Folgezeit in den Bereichen der Politik, der Naturwissenschaft, der Kunst, der Literatur und der Philosophie zu entfalten begann.11 Auf diesem „modernen“ Denkweg konnte sich die Naturforschung in kleinen Schritten weiter entfalten. So lehrte Nikolaus von Oresme (gest. 1382), dass sich die Erde jeden Tag einmal um sich selbst drehe. Die metaphysischen Spekulationen sollten in den Naturwissenschaften durch Beobachtung und durch mathematische Berechnungen ersetzt werden. Und Johannes Buridanus (gest. 1360) glaubte, dass jedem bewegten Körper eine bestimmte Bewegungsenergie innewohne (Impetustheorie). An den medizinischen Fakultäten wurden nun die Schriften des Galenus (lat. Corpus Galenum) rezipiert und durch Beobachtung weiter entwickelt. Besonders die Schule von Padua legte auf die Beobachtung von Einzelphänomenen großen Wert, diese Beobachtungen sollten dann zu allgemeinen Aussagen und Hypothesen zusammengefasst werden.12 Marsilius von Padua (Marsiglio di Padova, gest. 1342) entwickelte in seiner Staatslehre (Defensor pacis) die Vorstellungen des Aristoteles über das Zusammenleben der Menschen weiter. Er sah den Staat als autonome und autarke gesellschaftliche Ordnung, die alle Lebensbereiche der Menschen umfassen sollte. Dieser Staat müsse von den Bischöfen und Päpsten, sowie von den Lehren der Theologen vollständig unabhängig sein. Die Kirche stehe nicht über dem Staat, sondern sie sei nur ein Teil des viel größeren Staates. Das Recht im Staat sei nicht mehr an den Willen Gottes oder an das Naturrecht gebunden, sondern es werde durch die Vernunft gefunden und benötige immer die Zustimmung des Volkes. Das staatliche Zwangsrecht müsse Strafen und Sanktionen für Rechtsbrecher durchsetzen. Es war der Kaiser Ludwig IV. aus Bayern, der sowohl Wilhelm von Ockham, als auch Marsilius von Padua unter seinen politischen und militärischen Schutz gestellt hatte. Dadurch konnten diese beiden Theologen und Philosophen nicht vor der kirchlichen Inquisition als Häretiker angeklagt werden.13 Ähnlich hatte 160 Jahre später der Kurfürst von Sachsen Friedrich der Weise den Theologen und Reformator Martin Luther vor der Inquisition geschützt und damit die Reformation ermöglicht. Ohne den Schutz dieser Fürsten wären große Lernschritte der europäischen Kultur zu dieser Zeit nicht möglich gewesen. Nach der Lehre des Marsilius von Padua ging die politische Gewalt im Staat vom Volk aus, nicht von Gott oder vom Papst. In diese Richtung hatte im 11. Jh. bereits der Mönch Manegold von Lautenbach im Elsass gedacht. Im 14. Jh. wurden unter den Theologen vermehrt auch Fragen der Wirtschaft diskutiert. Nach Thomas von Aquin liegt der letzte Zweck der Wirtschaft in der Erhaltung des guten Lebens und des
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gemeinsamen Hauses (lat. oeconomia). Die Menschen erhalten von Gott vorläufige Eigentumsrechte über ihre Güter, die sie aber auf soziale Weise gebrauchen müssen, damit auch die Mitmenschen davon einen Nutzen haben können.14 Das Nehmen von festen Zinsen für verliehenes Geld wurde nun von den meisten Theologen als erlaubt und sinnvoll angesehen, weil immer das Risiko des Geldverleihers zu bedenken sei.15 In seinem „Traktat über die Verwendung von Münzen“ vertrat Nikolaus von Oresme eine neue Lehre über das Geld. Der Herrscher sei zwar der oberste Münzherr, aber das von ihm geprägte Geld gehöre der Gemeinschaft und habe den Zwecken und dem Nutzen der Gemeinschaft zu dienen. Daher dürfe der Geldwert nur verändert werden, wenn dies dem allgemeinen Nutzen diene. Bei jeder Veränderung des Münzwertes müsse das Volk mit dem Fürsten entscheiden, weil es um die Sache der Allgemeinheit gehe. Spekulationsgewinne der Fürsten durch die Veränderung des Münzwertes seien als unmoralisch abzulehnen. Hier klingt bereits eine frühe Forderung nach einer Gewaltenteilung im Staat an, denn der Fürst sei nicht allein der Herr der Gesetze und der Wirtschaft, er brauche die Zustimmung des Volkes. Der französische König Karl V. (gest. 1380) folgte diesen Lehren der Theologen und Philosophen, er sah im Rat der Philosophie einen Vorteil für seine Herrschaft und für das Volk. Etwas später unterschieden auch die Theologen Bernhardin von Siena (gest. 1444) und Antonin von Florenz (gest. 1459) bereits zwischen dem im Volk umlaufenden „Geld“ und dem von Einzelnen angehäuften „Kapital“ (lat. caput). Dieses könne in der Wirtschaft gewinnbringend investiert werden, während das umlaufende Geld seinen Wert nicht verändere.16
Lehren der philosophischen Mystik Zu dieser Zeit waren einige Theologen und Philosophen auch Mystiker, sie haben versucht, ihre mystischen Erfahrungen mit rationalen Überlegungen zu verbinden. Sie dachten den personalen Gott der Bibel auch als ein nichtpersonales Wesen. Deswegen sprachen sie von einem göttlichen „Urgrund“, aus dem der gesamte Kosmos und die Welt der Menschen entstanden seien. Von diesem göttlichen Urgrund sagten sie, dass er zeitlos und ewig sei; er sei unbegrenzt und unendlich, wir Menschen könnten gar keine Vorstellung von ihm haben. Denn der göttliche Urgrund übersteige alle unsere Erkenntnisse und Vorstellungen. Doch in der Meditation, im mystischen Erleben und in der Erfahrung der Ekstase rühre die menschliche Seele an diesen göttlichen Urgrund, der ihr wie ein „fließendes Licht“ erscheine. Die Mystiker hätten den Eindruck, dass sie sich mit dem ewigen Urgrund verbänden und ein Teil von ihm würden. Sie erlebten eine innere Verwandlung und damit einen starken Trost für ihr Leben. Solche Vorstellungen hatten die Theologen aus den Schriften der Neuplatoniker gelernt, vor allem von Dionysios Areopagites.17 So sah der Dominikaner Meister Eckhart (gest. 1328) von Hochheim in der mystischen Erfahrung auch eine neue Weise des Denkens, die weit über das rationale Argumentieren hinaus gehe. Denn durch das mystische Denken werde das unmittelbare Erfassen des Ewigen und Göttlichen möglich, der Mystiker strebe immer die
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Vereinigung mit der Gottheit an. Dabei ging er von der Überzeugung aus, dass alle endlichen Dinge, Gegenstände und Lebewesen der Ausdruck des Ewigen und die Verwirklichung des Göttlichen seien. Damit folgte er der platonischen Ideenlehre, die er in die Sprache der christlichen Frömmigkeit übersetzte. In dieser Sichtweise kommen nun allen Dingen, Gegenständen und Lebewesen göttliche Qualitäten zu, da sie aus dem göttlichen Urgrund gewachsen seien. Die menschliche Seele erkenne nun ihren Anteil am Göttlichen, daher sei sie dazu berufen, dem göttlichen Bereich ähnlich zu werden. Ohne den Bezug zum Göttlichen und Ewigen existierten der Kosmos und die Menschenwelt im Bereich der Nichtigkeit und der Leerheit. Das mystische Denken möchte die tiefe Kluft zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen überwinden.18 Nach der Vorstellung des Meisters Eckhart sei die Gottheit wohl von der Welt der Dinge, der Gegenstände und der Lebewesen verschieden, aber sie sei von dieser vielgestaltigen Welt auch nicht völlig getrennt. Vielmehr stehen die gesamte Welt und der Kosmos in einem Wirkungszusammenhang mit dem Göttlichen und Ewigen, ohne die permanente göttliche Wirkkraft könne der Kosmos gar nicht existieren. Hier sollten Vorstellungen des Dionysios Areopagites mit Lehren des Thomas von Aquin verbunden werden. Doch wegen dieser Vorstellungen wurde der Meister Eckhart vor der kirchlichen Inquisition der Häresie angeklagt, 28 seiner theologischen Sätze wurden als „Irrlehre“ verurteilt. Die mystischen Predigten dieses Dominikaners, die er in mittelhochdeutscher Sprache im Elsass gehalten hatte, fanden große Verbreitung unter mystisch orientierten Zeitgenossen. Gemäß diesen Vorstellungen erfolgte der Aufstieg (lat. anabasis) der Seele zur Gottheit in mehreren Stufen. Begonnen werde mit der Erkenntnis der schönen Dinge und Lebewesen, auch der schönen Menschen. Von dieser Erkenntnis steige die Seele dann zur Schauung der höchsten Ideen des Schönen und Guten. Die absolute Einheit des Göttlichen entfalte sich in der unüberschaubaren Vielheit der Dinge, der Gegenstände, der Himmelskörper, der Lebewesen, der Menschen. Die Gottheit (lat. deitas) sei das ungeteilte Ureine und das unsagbare Ewige, sie entfalte sich zuerst in der göttlichen Dreiheit (lat. trinitas) und von dort weiter in die Vielheit der Geschöpfe. Als das vollendete Sein sei die Gottheit in allen Dingen, Körpern, Gegenständen, Himmelskörpern, Lebewesen und Menschen wohnend. Sie sei die wahre Natur (lat. vera natura) der geschöpflichen Welt. Alle Kreaturen, Tiere und Menschen, Pflanzen und Steine, alle Himmelskörper seien daher „Fußspuren“ des Göttlichen. Nur wir Menschen seien die vollen „Abbilder“ des Ewigen.19 Die drei Fähigkeiten der menschlichen Seele, nämlich das Denken, das Fühlen und das Empfinden seien Abbilder der göttlichen Dreiheit. Aber wir können das Göttliche immer nur in Bildern in uns aufnehmen, unsere rationalen Begriffe reichen nicht aus, um das Ewige darzustellen. So kommen wir Menschen in unserem Fragen nach dem Göttlichen über ein „gelehrtes Nichtwissen“ (lat. docta ignorantia) nicht hinaus. So hatte es im 15. Jh. auch der Theologe und Bischof Nikolaus von Kues gelehrt. Meister Eckhart sah in jedem Menschen einen göttlichen „Lichtfunken“, in jedem menschlichen Seelengrund strahle das Göttlich auf. Die „Geburt“ des Gött-
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lichen in der menschlichen Seele erfolge durch die Erfahrung des Schweigens, durch die innere Stille und Leerheit. Dadurch werde der ganze Mensch vom göttlichen Licht durchstrahlt. Wir erkennen in diesem Denkmodell deutliche pantheistische Ansätze, denn das eine Göttliche ist überall in der Welt und im Kosmos, es gibt keine „gottlosen“ Räume und Bereiche. Zum anderen werden die Trennlinien zwischen dem personalen Gottesbild und den nichtpersonalen Vorstellungen von der Gottheit aufgehoben bzw. verwischt.20 Im Prozess der mystischen Einigung werde die Seele „vergöttlicht“, bzw. sie erkenne, dass sie immer schon göttliche Qualitäten hatte. Für die sittlichen Handlungen seien immer die inneren Einstellungen der Handelnden entscheidend, die äußeren Taten und ihre Folgen seien zweitrangig. Wichtig im Leben sei die innere Vereinigung der Seele mit dem Göttlichen und Ewigen, dies sei sogar dem sündigen Menschen möglich. Denn selbst in den vielen Sünden der Menschen geschehe immer noch göttlicher Wille. Die innere Abschiedenheit von der Welt zwinge den Mystiker zur Gottesliebe, aber auch zur Liebe zu konkreten Mitmenschen. Dieser vereinige sich mit der Gottheit, dadurch erkenne er die Nichtigkeit und Vergänglichkeit aller irdischen Dinge und Lebewesen. Wer sich in der Gottheit festmache, werde von den Widerlichkeiten des Lebens gar nicht mehr berührt. Ähnliche Gedanken vertraten auch Johannes Tauler und Heinrich Seuse, Jan van Ruysbroek und Thomas von Kempten. Die Mystiker wollten die Selbstliebe und die Weltliebe überwinden, um sich ganz dem Göttlichen und Ewigen hingeben zu können. Vor allem relativierten sie die Grundregeln der Moral des menschlichen Zusammenlebens, denn sie glaubten, wer in der Gottesliebe fest sei, dem sei alles erlaubt. So hatte es ja schon Aurelius Augustinus gelehrt. Wie gefährlich solche Lehren aber sein können, zeigt die Tatsache, dass sich nicht wenige hohe NS-Ideologen (H. Himmler. A. Rosenberg) mit den Ideen der deutschen Mystik befasssten und sie in ihre politischen Ideologien übersetzten. Sie sahen in der Vereinigung mit dem göttlichen Urgrund und der ewigen Vorsehung die Legitimation zu großen Kriegen und zur Tötung unvorstellbarer Zahlen von Mitmenschen.21
Denkimpulse der Renaissance Zuerst in den Städten Italiens und später auch in anderen Regionen Europas gelang im 15. Jh. unter den gebildeten Eliten eine Rückbesinnung auf und die Erinnerung an die antike Kultur mit ihren Lebenswerten und Lebensformen. Zu dieser Zeit wurden vermehrt Schriften von stoischen und epikuräischen Philosophen wieder entdeckt, abgeschrieben und später sogar gedruckt. Einige Denker sprachen von einer „Wiedergeburt“ (lat. rinascita) des antiken Geistes, der römischen und griechischen Lebenswelt, der vorchristlichen Kultur. Und sie erhofften von dieser kulturellen Erinnerung eine starke Bereicherung der eigenen Lebenswelt, vor allem in den Städten. Zu dieser Zeit verhandelten Theologen und Philosophen mit Vertretern der Byzantinischen Ostkirche über eine mögliche Wiedervereinigung der getrennten Kirchen. Unter ihnen wuchs das Interesse für das griechische Denken. Es geschah
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ohne Zweifel ein interkultureller Austausch, der lange Zeit nicht möglich war. Der griechische Gelehrte Gemistos Plethon (gest. 1452) hatte an einem Unionskonzil der Bischöfe in Florenz teilgenommen, wo er frühzeitig starb. Daraufhin hatte der Fürst Cosimo di Medici in Florenz die Platonische Akademie neu gegründet, die in Athen vom Kaiser Justinianos I. im Jahr 529 geschlossen worden war. An dieser Akademie wurden vor allem platonische Denker gelesen und gelehrt.22 Als die Türken im Jahr 1453 die byzantinische Kaiserstadt Konstantinopel erobert hatten und in Istanbul umbenannten, waren viele griechische Theologen und Philosophen nach Italien geflohen. Der spätere Kardinal Johannes Bessarion hatte seine ganze Bibliothek mit Schiffen nach Ravenna gebracht. Viele Philosophen in Italien orientierten sich fortan an moralischen Zielwerten der antiken Kultur, teils der stoischen und teils der platonischen Philosophie. Sie griffen den Wert der „Menschlichkeit“ (lat. humanitas) wieder auf, der in der antiken Lebenswelt unter Gebildeten eine Rolle gespielt hatte. Sie nannten sich nach diesem Grundwert „Humanisten“ bzw. wurden von ihren Konkurrenten so genannt. Denn sie fragten nach den Besonderheiten und realen Möglichkeiten des menschlichen Lebens. Einge Denker versuchten, Ideen der antiken Skeptiker neu zu interpretieren; andere griffen die Morallehren der stoischen Philosophie wieder auf. Durch den Bezug zu pythagoräischen und platonischen Lehren wuchs das Interesse an der Mathematik und an den Zahlen. Die Moralphilosophen diskutierten die Fragen nach dem guten und glücklichen Leben.23 Einige dieser Denker glaubten, dass die Gegenstände unserer empirischen Erfahrung die Form der Mathematik haben können, dass aber alle mathematischen Formen von den erkennenden Subjekten geschaffen werden. Sie kamen zur Überzeugung, dass unsere Erkenntnisse der Außenwelt durch die Spontaneität unseres Verstanden und nicht durch göttliche „Eingebung“ geschehen. Jede Wissenschaft sollte auf profane Weise betrieben werden und sich von den Lehren der Religion vollständig lösen. Dringlich wurden nun die Fragen nach der gesamten Natur und nach der menschlichen Natur im Besonderen. Die alten Fragen der Theologie und der Metaphysik traten deutlich in den Hintergrund, wichtig wurden nun Studien über das menschliche Leben (lat. studia humanitatis), aber auch Fragen der Kultur und der Geschichte, Probleme der Politik und des Staates, Untersuchungen über die Sprache, über die Redekunst und über die Regeln der Moral. Der scholastischen Schulphilosophie wurde in vielen Städten nicht mehr zugetraut, noch etwas zur Lösung der konkreten Lebensprobleme der Zeit beitragen zu können. Wichtig wurde jetzt das Studium der alten Sprachen Griechisch und Hebräisch, denn viele Theologen wollten die Bibel in der Ursprache lesen. Viele Denker wandten sich den Einzelwissenschaften zu, sie befassten sich mit klar abgegrenzten Sachgebieten des menschlichen Zusammenlebens. Daraus sollten später allgemeine Wertordnungen abgeleitet werden, die den neuen Bedürfnissen der Stadtkulturen besser entsprechen sollten als die alten Morallehren. In Italien kam der Dichter und Philosoph Francesco Petrarca (gest. 1374) zur Überzeugung, dass in den Stadtkulturen Italiens ein neues Zeitalter begonnen habe, mit neuen Lebensformen
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und Lebenswerten. Die Rückbesinnung auf die Lebensformen und Lebenswerte der antiken Kultur sollte mithelfen, dieses neue Zeitalter gerecht und menschenwürdig zu gestalten.24 Francesco Petrarca sah das republikanische Rom der Antike als mögliches Vorbild für die neuen Stadtkulturen in Italien. Dabei orientierte er sich an den Schriften von Cicero, von Vergil und von Plato, doch er schätzte auch die Grundwerte des christlichen Glaubens. Sein Denken und Dichten kreiste um die Entfaltung des menschlichen Lebens, um die Wertschätzung des Körpers und der Sinnlichkeit, um die Gewinnung einer tragfähigen Moral des guten Zusammenlebens. Auch der Moralphilosoph Lorenzo Da Valla, der die „Konstantinische Schenkung“ an den Papst als Fälschung der päpstlichen Kanzlei erkannte hatte, befasste sich mit der Frage der menschlichen Willensfreiheit. Er fragte, wie der Mensch frei entscheiden könne, wenn Gott nach der Lehre der Theologen alles vorauswisse. Er regte an, die scholastische Logik zu verbessern, damit sie auch in der Redekunst einen Nutzen bringen könne.25 Ein Mitbegründer der Platonischen Akademie in Florenz war Marsiglio Ficino (gest. 1449), der platonische und neuplatonische Werke, aber auch das Corpus Hermeticum aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzte. Für ihn offenbarte sich der göttliche Logos sowohl in der Bibel, als auch in den Lehren der Philosophen. Die volle Wahrheit des Lebens erreichen wir Menschen durch das göttliche Licht, das unser Leben hell macht. Wir erkennen die Gottheit nicht allein mit unserem Verstand, sondern auch mit unserem starken Willen. Zuerst habe der göttliche Schöpfer den Geist der Engel geschaffen, danach die eine Weltseele, und erst dann die vielen Menschenseelen, und zuletzt die Himmelskörper und die Körper in der Menschenwelt. Bei der Schöpfung habe Gott dem ungeordneten Stoff (griech. hyle, lat. materia) die Vielfalt der Formen gegeben, dadurch seien die vielen Dinge, Gegenstände und Lebewesen geworden. Die menschliche Seele sei von Gott unsterblich geschaffen worden, deswegen strebe sie ein Leben lang zum göttlichen Licht. Das Stoffliche sei völlig passiv, aber es werde von der göttlichen Weisheit und von den Kräften der Weltseele kunstvoll geformt und wunderbar gestaltet. Die gesamte Natur sei beseelt, denn in ihr wirkten unzählbar viele Seelenkräfte.26 Nun seien der Kosmos und die gesamte Menschenwelt in hierarchischer Weise nach Stufen der Vollkommenheit geordnet. Die menschliche Seele aber bewege sich immer in der Mitte zwischen den höheren Geistwesen und den niederen körperlichen Wirklichkeiten. Jeder Mensch sei ein „Kosmos“ im Kleinen (lat. mikrokosmos), denn in ihm sei das ganze Weltall enthalten und zusammen gefasst. Durch die Kräfte unserer Seele könnten wir Menschen Einfluss gewinnen auf das Geschehen in der Natur, deswegen seien die Methoden der Astrologen, der Alchemisten und die magischen Riten auch in einer neuen Zeit wichtig und bestimmend. Denn die gesamte Natur sei ein wunderbares System von unsichtbaren Kräften, sie könne von den Physikern niemals nur mechanisch oder materiell gedeutet werden.27 Auch Giovanni Pico della Mirandola (gest. 1494) orientierte sich in seinen Denkkonzepten vor allem an Plato. Er war umfassend gebildet und formulierte 900 Thesen
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von lateinischen, von griechischen, von hebräischen und von arabischen Autoren, die er an mehreren Universitäten öffentlich diskutieren wollte. Doch die Päpstliche Inquisition verhängte über einige dieser Thesen ein Diskussionsverbot, weil sie religiöse Lehren in Frage stellten. Pico della Mirandola war in Verbindung mit Lehrern an der Platonischen Akademie in Florenz, er wollte lateinische, griechische und arabische Weisheitslehren mit einander verbinden. Große Wirkung erreichte seine große „Rede über die Würde des Menschen“ (lat. De dignitate hominis), die erst zwei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht werden konnte. In seinem Werk „Hexaplus“ versuchte er, den Schöpfungsbericht der Bibel auf sieben verschiedene Weisen zu interpretieren, die Allegorie sollte sieben verschiedene Bedeutungsebenen ergeben. Gegen die Astrologen argumentierte er, dass die materiellen Himmelskörper auf den menschlichen Geist gar nicht einwirken könnten, weil Körperliches auf den Geist keinen Einfluss habe (lat. Disputationen contra astrologos).28 Das Ziel des menschlichen Lebens liege in seiner Erhebung zum Göttlichen, diese Erhöhung geschehe zum einen durch die Philosophie, zum andern durch eine vernünftige Theologie. Die Menschenseelen sollten sich durch Freundschaft miteinander verbinden, um größeres Glück zu erleben. Im Kosmos seien die Sphären unterhalb der Mondbahn und die Bereiche oberhalb dieser Bahn gar nicht von einander getrennt, wie Aristoteles meinte, sondern sie bildeten eine Einheit. Alle Seinsstufen seien mit einander verwandt und verbunden, die neun Sphären des Kosmos und die Gestirne seien durch die Kraft des Geistes gelenkt. Die Welt bestehe aus vier Bereichen, nämlich aus dem Bereich der unbelebten Dinge und Gegenstände, aus der Welt des pflanzlichen Lebens, aus dem tierischen Leben und aus dem Bereich der Menschen. Durch ihre Vernunft hätten alle Menschen einen Anteil an der göttlichen Welt, durch ihren Körper aber seien sie mit der Welt der Tiere verbunden. Wir erkennen in diesen Lehren platonische Vorstellungen verbunden mit den frühen Erkenntnissen der Naturwissenschaft. Die „Würde“ des Menschen bestehe darin, dass er mit seinen geistigen Fähigkeiten in den Bereich des Göttlichen vorstoße.29
Lehren des Nikolaus von Kues Dieser kreative Denker hatte erkannt, dass die Tatsachen (lat. facta), die wir erkennen, immer auch von unseren Denkformen abhängig sind. Im Prozess der Erkenntnis seien die Berufungen auf alte Autoritäten nicht ausreichend und daher ungenügend, diese behinderten oft das selbständige Denken. Nikolaus von Kues (gest 1464) hatte Jurisprudenz, Mathematik, Astronomie, Physik, Medizin und Theologie studiert, er war für seine Zeit umfassend gebildet. Er ging davon aus, dass unser Erkennen immer die Aktivität unseres Geistes voraussetze, denn der menschliche Geist könne als Abbild des göttlichen Geistes gesehen werden. Alles Erkennen in der Natur sei ein Messen, der Maßstab des Erkennens liege daher in den Zahlen. Wo es keine Zahl mehr gäbe, dort sei auch keine Erkenntnis möglich. Alle Zahlen werden vom menschlichen Geist erzeugt, doch sie seien Abbilder der ursprünglichen Zahlen, die im göttlichen Geiste verborgen seien. Was wir von den Gegenständen und Phänomenen der Natur
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erkennen, verdanken wir der Mathematik. Nun bestimme das Verhältnis der Zahl Eins zu den übrigen Zahlen auch das Verhältnis des ewigen Seinsgrundes zu den einzelnen Seienden.30 Daher führe uns die Mathematik zur Erkenntnis des absolut Unendlichen heran. Die Grenzen unseres mathematischen Wissens seien immer auch die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Nun sei das Unendliche und Göttliche von allen endlichen Dingen verschieden, doch je umfassender wir das Endliche denken können, umso mehr nähern wir uns dem Unendlichen an, das wir allerdings nie erreichen. So wie in der unendlichen Linie die Gerade, der Kreis und das Dreieck zusammenfallen, so fallen in der Unendlichkeit des Göttlichen alle Gegensätze in der Welt und im Kosmos zusammen (lat. coincidentia oppositorum). Dort nämlich treffen sich das Maximum und das Minimum, das Schöne und das Hässliche, das Gute und das Böse. In der Person Jesu Christi sei das Zusammenfallen von Endlichem und Unendlichem historische Wirklichkeit geworden. Doch grundsätzlich könne das Unendliche niemals mit dem Endlichen gemessen werden.31 Folglich könne die Gottheit als unendlicher Grund alles Wissens nicht mehr durch endliches Wissen erkannt werden. Vielmehr könne das Göttliche nur in der mystischen Schau und Ekstase erlebt werden. Von der absoluten Unendlichkeit Gottes sei die relative Unendlichkeit des Kosmos und der Welt zu unterscheiden. Insgesamt seien die Welt und der Kosmos die „Entfaltung“ (lat. explicatio) des Unendlichen, folglich sei in allen Dingen, Gegenständen, Himmelskörpern und Lebewesen etwas Göttliches. Wenn also die Natur und die Welt die Entfaltung des Göttlichen sind, dann müssen sie in der Gottheit bereits impliziert sein. Damit sei die ganze Natur die „Erscheinung“ des Göttlichen (lat. theophania), die Erforschung der Natur sei göttlicher Dienst. Insgesamt sei die Natur ein Geflecht (lat. complicatio) alles dessen, was durch Bewegung entstehe; als Erscheinung des Göttlichen habe sie göttliche Qualität.32 Der Mensch sei eine Welt im Kleinen (mikrokosmos), auch in ihm sei etwas Göttliches. Der Kosmos müsse als unbegrenzt gedacht werden, folglich gäbe es gar keinen Mittelpunkt im Kosmos und im Universum. Die Erde könne gar nicht der Mittelpunkt sein, sie sei ein Planet und damit ein Himmelskörper unter vielen anderen. Damit sei die alte Trennung zwischen der sublunearen Welt und der supralunearen Welt unsinnig, auch wenn Aristoteles daran festhielt. Diese Ideen haben die neuzeitliche Astronomie entscheidend angeregt und beeinflusst, vor allem Giordano Bruno und Johannes Kepler haben darauf Bezug genommen.33
Denklinien jüdischer und islamischer Philosophen Die jüdische Philosophie entfaltete sich im späten Mittelalter im Austausch mit dem islamischen Denken. Beide Denkweisen haben auf die lateinische Philosophie nachhaltige Auswirkungen gezeitigt, deswegen sollen sie hier kurz dargelegt werden. Ein prägender Denker war Moses ben Maimon (Maimonides, gest. 1204), der die Philosophie des Aristoteles mit den Lehren der jüdischen Religion verbinden wollte. Er wirkte als Arzt und verfasste medizinische und philosophische Schriften.
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Darin vertrat er die Überzeugung, dass jeder Mensch die Aufgabe habe, gegen die Übel in der Welt zu kämpfen, denn diese seien nicht von Gott gewollt. Daher sei der Kampf gegen die Krankheiten auch eine religiöse und moralische Pflicht, nicht nur der Ärzte. In seinem Werk „Mischne Tora“ wollte Moses ben Maimon zeigen, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaft und der empirischen Medizin nicht dem Glauben der Juden widersprechen.34 In diesem großen Werk versuchte Moses ben Maimon, den Talmud der Juden den Erkenntnissen der Naturwissenschaft anzupassen. Von bösen Dämonen sollte bei der Krankheit nicht mehr die Rede sein, denn das Leben der Menschen hänge nicht von den Bewegungen der Gestirne ab. Unsere Erkenntnisse der Physik hätten Folgewirkungen für unser Leben, die Betrachtung des Weltalls zwinge uns zum Staunen vor der Größe des göttlichen Schöpfers. In der Ordnungen der Natur und der Welt erkennen wir die göttliche Weisheit, die uns zu tiefer Dankbarkeit und zu inniger Gottesliebe motiviere. Die Fragen der Metaphysik seien für die Religion wichtig, weil sie die Menschen zu Demut und Gehorsam aufforderten. Von Aristoteles übernahm Moses ben Maimon die Grundzüge der Nikomachischen Ethik, so folge die Tugend immer der Mitte (lat. mesotes) zwischen den gegensätzlichen Extremen zweier Handlungsmöglichkeiten.35 In seinem Buch „Führer der Unschlüssigen“, das in arabischer Sprache verfasst wurde, wollte ben Maimon zeigen, dass die Erkenntnisse der Philosophie den Lehren des jüdischen Glaubens nicht widersprechen. Daher bleiben die Lehren der Tora und der ganzen Bibel richtig, sie müssen nur auf neue Weise interpretiert werden. Dabei helfen uns die Lehren des Aristoteles und dessen Auslegung durch Ibn Shina, doch die dunklen Seiten des Plato seien entbehrlich. Der Glaube an die göttliche Schöpfung der Herrlichkeit (hebr. schechina) bleibe wichtig, diese werde in der Bibel unter dem Bild des göttlichen Thronwagens dargestellt. Die gesamte Bibel habe neben dem wörtlichen Sinn noch eine verborgene philosophische und moralische Bedeutung (Allegoria). Wenn wir Gott Eigenschaften zusprechen, dann erkennen wir, dass dies unsere eigenen positiven Eigenschaften sind. Doch genau genommen können wir nur sagen, wer Gott nicht ist. Die Religion habe die Aufgabe, die Menschen zu moralischer Vollkommenheit zu führen. Den letzten Zweck der Welt und der göttlichen Schöpfung könnten wir mit unserem begrenzten Verstand nicht erkennen.36 Als vernünftige Wesen können wir überall in der Welt und in der Natur die Wirkungen Gottes sehen. Auch unser menschliches Sittengesetz folge dem göttlichen Weltplan, der die Vollkommenheit Gottes zeige. Aristoteles habe keinen Beweis für die Ewigkeit des Stofflichen (griech. hyle) erbringen können, deswegen dürfen die Juden weiterhin an die göttliche Welterschaffung glauben. Ihr Glaube sei im Grunde vernünftig, aber er müsse ständig durch neues Wissen ergänzt werden. Daher sei es die Aufgabe gebildeter Juden, sich mit den Erkenntnissen der Natur und den Fragen der Philosophie zu befassen. Auch die Mystik sei mit der Philosophie verträglich, sie könne diese sogar ergänzen.37 Auch der Mathematiker, Astronom und Philosoph Lewi ben Gersom (Gersonides, gest. 1344) hatte versucht, die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft mit den Lehren
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des jüdischen Glaubens zu verbinden. In seinem Buch „Gotteskämpfe“ argumentiert er gegen die vielen falschen Ansichten über das Göttliche. Da die menschliche Vernunft und das Buch der Bibel von Gott stammten, könnten sich beide gar nicht widersprechen. Jedes menschliche Wissen sei von einem anderen Wissen abgeleitet und daher immer unvollkommen, nur das göttliche Wissen sei absolut. Die Welt sei auf ein Ziel hin geordnet, deswegen könne sie nicht unendlich sein. Und sie könne auch nicht ewig sein, denn sonst müsste es die ewige Neuschöpfung geben. Gott habe die Welt und den Kosmos aus der ungeordneten Materie geformt, er habe sie nicht aus dem Nichts geschaffen. Trotz aller Gesetzmäßigkeiten in der Welt lebe jeder Mensch in der Freiheit seiner Entscheidungen, deswegen sei er für seine Taten und Unterlassungen verantwortlich. Die Sterne hätten keinen Einfluss auf das menschliche Leben, für das Glück des Menschen seien die Entfaltung der Vernunft und das Streben nach moralischer Vollkommenheit entscheidend.38 Die menschliche Seele sei deswegen unsterblich, weil die Begriffe und Vorstellungen, die ein Mensch während seines Lebens gesammelt hat, den Tod des Körpers überdauerten. Je mehr die Menschen in der Vermehrung des Wissens fortschreiten, umso größer wird das Glück ihres Lebens sein. Der Gelehrte Chasdai Crescas (gest. 1410) verfasste ein Werk „Gotteslicht“ zur Widerlegung des christlichen Glaubens und als eine Apologie für den jüdischen Glauben. Auch er war überzeugt, dass der jüdische Glaube im Grunde sehr vernünftig sei. Daher brauche er die Erkenntnisse der Philosophie nicht zu fürchten. Den Lehren des Aristoteles stand Crescas aber ablehnend gegenüber, denn die Bibel genüge zur Deutung der Welt, dafür brauche sie nicht die Hilfe der Philosophie. Die Welt sei durch den göttlichen Willen geschaffen worden, dieser ewige Wille aber begrenze die Freiheit der Menschen.39 Der Denker Josef Albo (gest. 1444) verfasste ein Werk „Buch der Grundlehren“ des jüdischen Glaubens, diesen stellte er in drei Teilen dar. Zuerst handelte er über die Existenz Gottes, dann über die göttlichen Offenbarungen an die Menschen und zuletzt über die moralischen Regeln des Zusammenlebens. Gott sei unkörperlich und ewig, allwissend und moralisch vollkommen. Die Juden glaubten an die Auferstehung der Toten und an die Ankunft des göttlichen Messias am Ende der Zeit. Nun sei das göttliche Gesetz allen menschlichen Gesetzen bei weitem überlegen. Deswegen stehe das Judentum über dem Christentum und dem Islam, denn nur im Judentum habe sich das göttliche Gesetz den Menschen offenbart. Differenzierter dachte Isaak Abravnel (gest. 1508), der aus Spanien vertrieben worden war und dann in Venedig Aufnahme gefunden hatte. Auch er verteidigte die Lehren der jüdischen Religion und war davon überzeugt, dass aus der Freiheit des göttlichen Willens auch die volle Freiheit des menschlichen Willens folge, da der Mensch ein Abbild Gottes sei. In der ganzen Welt und in den Wundern der Natur können wir Gottes Wirken und Schaffen erkennen. Freilich das Wesen der Gottheit könnten wir mit unserer begrenzten Vernunft nicht ergründen.40 Zur Zeit der Vertreibung der Juden und der Moslems aus Spanien waren jüdische Denker genötigt, die Grundlehren ihres Glaubens mit guten Argumenten zu verteidigen. Erst als ihr Überleben in Italien und in anderen christlichen Ländern wieder
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gesichert war, konnten sie sich wieder mit der Philosophie befassen. Isaak Abravanel war nach Italien geflüchtet. Dort nannte er sich Leone Ebreo und verfasste ein großes Werk über die menschliche Liebe „Dialoghi d´amore“ (1502). Darin schrieb er, die Harmonie in der Welt und zwischen den Menschen komme aus der Kraft der Liebe, die den ganzen Kosmos durchströme. Nun liege das vollkommene Glück der Menschen in der intensiven Liebe zu Gott und in der seelischen Vereinigung mit der Gottheit (lat. deificatio). Die göttliche Seele habe die Welt erschaffen und wirke jetzt in den Liebesbeziehungen der Menschen weiter. Auf diesen jüdischen Denker haben später Giordano Bruno und Baruch Spinoza Bezug genommen, er gilt als großer Dichter der italienischen Literatur.41 Die islamische Philosophie konnte sich nach dem 13. Jh. kaum noch weiter entfalten, die Khalifen hatten ihr den Schutz entzogen, weil der Widerstand der Theologen (arab. kalam) gegen sie immer größer wurde. Auch die Rechtsgelehrten stellten sich gegen die philosophische Weltdeutung, für sie genügten die Lehren des Koran und der Hadithe bzw. der Sunna. Daher gab es kaum noch Khalifen, die den Philosophen Schutz vor den Angriffen der Theologen gaben. Die Naturwissenschaften, die Mathematik und die Medizin aber konnten sich weiter entfalten. Eine Ausnahme war der nordafrikanische Denker Abdul ibn Khaldun (gest. 1406), der in Kairo lebte und wirkte. Er befasste sich mit den natürlichen Ursachen und Gründen für den Aufstieg und den Niedergang von politischer Herrschaft. Denn er wollte nicht glauben, dass Allah ständig in die Geschichte der Menschen eingriff und diese lenkte. Vielmehr war er überzeugt, dass die Menschen selbständig ihre Geschichte gestalten. Daher fragte er nach den Ursachen für den Aufstieg und den Niedergang von Khalifen und ihren Dynastien.42 Ibn Khaldun war überzeugt, dass im Islam eine ständige Spannung zwischen den sesshaften Bauern und Stadtbewohnern einerseits und den nicht sesshaften Hirtennomaden anderseits gegeben sei. Er ging mit Aristoteles davon aus, dass wir Menschen soziale Wesen sind und nur in Gruppen und Gemeinschaften überleben können. Daher entwickeln wir ein Gemeinschaftsgefühl (arab. asabija). Solange in einer Gesellschaft dieses Gemeinschaftsgefühl stark sei, könnten sich Reiche und Kulturen entfalten. Aber durch den Luxus und den Reichtum weniger sei das Gemeinschaftsgefühl in den Städten geschwächt worden. Denn die Reichen lebten im Überfluss und vergaßen ihre Verantwortung für die Armen, dies habe zum Niedergang der Khalifate geführt.43 Daher beginne der Niedergang einer Kultur immer in den Städten und bei der sesshaften Bevölkerung. Dieser Niedergang sei nun eine Chance für die nicht sesshaften Nomaden, sie strömten mit kriegerischer Begeisterung in die Städte und eroberten diese. Dann bildeten sie neue Herrschaften, die meist nur fünf bis sechs Generationen dauerten. Denn danach beginne schon wieder der Niedergang und neue Nomandenstämme strömten in die Städte und bildeten neue Herrschaften und Reiche. Dieser Zyklus der Herrschaftswechsel laufe fort, eine Periode stabiler Herrschaft dauere ung. 100 Jahre. Damit hatte Ibn Khaldun die reale Politik in islamischen Ländern beschrieben, er hatte aber das religiöse Deutungsmodell der Geschichte aufgegeben.
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Herrschaften entstehen durch Eroberungen und nicht durch die Zuteilung Allahs. Wir sehen hier bereits eine profane Deutung der menschlichen Geschichte und Gesellschaft, es sind sogar deutliche Ansätze einer soziologischen Fragestellung.44
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Durch den Austausch mit fremden Kulturen und Lebenswelten war auch die christliche Kultur genötigt, sich in den inneren Strukturen und den Formen der Weltdeutung weiterzuentwickeln. Die wichtigsten Impulse für die Begegnung mit dem Fremden kamen aus der jüdischen, der islamischen und der byzantinischen Kultur. Vor allem auf der Iberischen Halbinsel wurde dieser Austausch durch die politischen Entwicklungen voran getrieben, denn dort lebten seit langem Moslems, Juden und Christen auf engen Räumen zusammen. Zu dieser Zeit wurden große Teile Spaniens von den christlichen Königen zurück erobert (span. reconquista). In Granada und Toledo behielten die Moslems noch die Mehrheit; sie wurden von den Christen Mudejaren genannt. Die Juden Spaniens waren mehrheitlich zweisprachig, sie sprachen jüdisch und arabisch. Die arabischen Christen (Mozaraber) waren vom Islam zum Christentum übergetreten, auch sie waren zweisprachig (spanisch und arabisch).1
Juden, Christen und Moslems Für die Juden von Toledo war das späte 13. Jh. eine Zeit der Konsolidierung und der wirtschaftlichen Blüte, sie unterstanden direkt dem christlichen König (lat. homines regis). Dieser schützte ihre Kultorte und Synagogen, ihre Toraschulen und Friedhöfe, ihre Bäder und Versammlungsorte. Kein Jude durfte mit Gewalt zum christlichen Glauben gezwungen werden. Die Mischehen und die gemeinsamen Mähler mit Christen wurden von den Klerikern verboten, doch das Verbot war nicht flächendeckend durchsetzbar. Juden durften aber keine Christen für ihren Glauben anwerben, darauf stand die Todesstrafe. Viele Kleriker klagten die Juden wegen Kinderschändung und Frevels an den Hostien an. Doch die Könige von Aragon brauchten die gebildeten Juden in ihrer Verwaltung und in der Wirtschaft, denn die meisten Juden verstanden drei Sprachen, nämlich Arabisch, Hebräisch und Latein. Die großen Judengemeinden (span. juderías) waren in Kastilien, in Leon und in Andalusien. Im 14. Jh. kam es wegen verschiedener Bürgerkriege zwischen den Spaniern auch vereinzelt zu Progromen gegen die Juden.2 Doch im Lauf des 14. Jh. wurden die spanischen Eliten, der Adel und das Bürgertum in den Städten, den Juden gegenüber immer untoleranter und feindlicher. Sie wollten ihren eigenen politischen Einfluss vergrößern und das Land nach den
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Eroberungen neu verteilen. Im Königreich Aragon lebten noch viele moslemische Siedler, vor allem Bauern in den Bergen und im Hochland. Der König schützte die Moslems und ihre kulturellen Einrichtungen, denn er wollte ihr starkes wirtschaftliches Potential nutzen. Das von den Moslems eroberte Land wurde unter dem Adel, dem höheren Klerus und dem König aufgeteilt. Die Muslime mussten sich den Siegern unterwerfen, sie wurden nun von den neuen Lehensherren zu Lohnarbeitern degradiert. Zumeist lebten sie fortan in eigenen Dörfern (span. morerias), sie mussten Fronarbeit verrichten, aber ihr Leben war geschützt. Gemäß der Kleiderordnung des Königs mussten sie an den Kleidern erkennbar sein. Sie trugen eine Haartonsur (span. garceta) und lange Gewänder (span. aljerba). Oft versuchten die christlichen Predigermönche, die Moslems zum Übertritt zum christlichen Glauben zu bewegen, aber meistens mit wenig Erfolg.3 Auf dem Konzil von Vienne (1311) verboten die Bischöfe den Ruf des Muezzin zum Gebet, auf den Dörfern war das Verbot aber nicht durchsetzbar. Mitte des 15. Jh. wurde in Valencia das Moslemviertel von fanatischen Christen geplündert, dies war der Anfang der Vertreibung aller Moslems aus Spanien. Als die beiden Königreiche Aragon und Kastilien vereinigt wurden, begann die systematische Vertreibung der Moslems. Wer aber im Land bleiben wollte, musste christlich getauft werden. Die getauften Moslems hießen Morisken, ihr Leben und ihr Eigentum wurden vom König geschützt.4 Ähnlich wie den Moslems erging es bald auch den Juden in Spanien. Zuerst waren sie im Königreich Aragon geschützt, sie hatten hohe Ämter im Staat als Schreiber, als Schatzmeister und als Berater der Fürsten inne, weils sie gut gebildet waren. Als aber immer mehr gebildete Christen nach Aragon kamen, wurden die Juden aus ihren Ämtern verdrängt, sie wurden nun in der Verwaltung nicht mehr gebraucht. Bis dahin lebten sie in eigenen Judenvierteln (span. juderia, aljama), sie wählten ihre Gemeindevertreter (bedi). Doch auf den Straßen mussten sie an ihrer Kleidung erkennbar sein; ihnen war ein runder Judenhut vorgeschrieben. Sie mussten dem König höhere Steuern zahlen als die Christen, sonst konnten sie nach ihren Gesetzen leben. Doch immer mehr Prediger, z. B. Raimundus Lull, forderten die Juden und die Moslems auf, zum christlichen Glauben überzutreten. Es kam zu einigen Übertritten von Juden, aber auch zu größeren Verfolgungen. Die Juden bauten Mauern um ihre Wohnviertel, um sich vor Überfällen zu schützen.5 Zumeist blieben die Juden im Kontakt zu den christlich getauften Volksgenossen, doch ab dem 15. Jh. wurden alle Juden von den Fürsten und Stadtherren immer mehr gedemütigt. Sie mussten die niedrigsten Arbeiten verrichten, gleichzeitig aber die höchsten Steuern zahlen. Doch jetzt konnte der Prediger Vinzenz Ferrer erreichen, dass die getauften Juden unter den Christen wohnen durften. Damit wurden sie aus ihren verwandtschaftlichen Beziehungen und Sippen heraus gerissen, sie wurden aber von den Christen weiterhin stark abgewertet. Viele Juden, die sich der Taufe widersetzten, wanderten in andere Länder aus, nach Italien, Frankreich und in deutsche Länder. Die Gewalt der Christen richtete sich sehr bald auch gegen die getauften Juden, denn sie wurden als „Geheimjuden“ denunziert. Viele Anhänger
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der Mosaischen Religion wurden vor kirchliche Inquisitionsgerichte gestellt und als Häretiker verurteilt. Wohl gab es zu dieser Zeit auch in Spanien einige humanistisch orientierte Theologen und Juristen, aber ihr Protest konnte die Verfolgung der Juden nicht mehr eindämmen. Im Jahr 1492 beschlossen die vereinigten Königreiche und ihre Fürsten mit großer Mehrheit, alle Juden aus Spanien zu vertreiben. Der Besitz der Vertriebenen ging an die adeligen Feudalherren und an den König, auch an Bischöfe und höhere Kleriker.6 Seit langem siedelten Juden auch auf den Balearen und in den Königreichen Sizilien und Neapel, sie waren dort als Händler und Seefahrer sehr angesehen. Auf der Insel Mallorca hatten sie eine kartographische Schule für Seefahrer eingerichtet, mit diesen Seekarten konnten spanische und portugiesische Seefahrer die Westküste Afrikas erkunden. Diese Seefahrer und Händler kannten bereits die afrikanischen Königreiche Ghana und Mali, mit denen sie Handelsbeziehungen hatten. Der Jude Abraham Cresques hatte damals die bekannteste Karte für Seefahrer gezeichnet. Doch mit Beginn des 15. Jh. wurden die christlichen Herren auf Mallorca immer untoleranter zu den Juden, es kam zu Plünderungen, sodass alle Juden die Insel verließen. Auf Sizilien gab es große jüdische Gemeinden, die bis ins. 15. Jh. die arabische Sprache benutzten. In den Städten gab es Synagogen und Toraschulen, jüdische Bäder (hebr. chaboria) und Friedhöfe; der Totengräber hatte ein eigenes Haus neben dem Friedhof. Die Juden hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit und ihre Vertreter im Stadtrat, sie waren vor allem in den Geldgeschäften tätig. Doch christliche Prediger traten scharf gegen den „Zinswucher“ und das Glücksspiel der Juden auf, beides sollte den Christen noch verboten sein. Als die Rabbiner die Gesetze für Juden verschärften, um die Abgrenzung deutlicher zu markieren, wurde die Aggressivität der Christen gegen sie noch verstärkt.7 In Palermo aber wurden zu dieser Zeit die jüdischen Schulen ausgebaut, das Herbräische ersetzte jetzt die arabische Schrift und Sprache. Im Jahr 1466 genehmigte der christliche König von Sizilien den Juden sogar die Errichtung einer eigenen Universität (lat. studium generale). Dennoch blieben die Juden und die Moslems weiterhin „Knechte der königlichen Kurie“ (lat. servi regiae curiae), einmal in der Woche mussten sie den Platz vor dem Königspalast mit Besen säubern. Die Henker der Stadt waren zu dieser Zeit Juden. Die christlichen Prediger wollten den Juden den Glauben an Jesus Christus darlegen, deswegen mussten sie zu Weihnachten mit ihrer Tora in die christlichen Kirchen gehen. Am Karfreitag durften die Christen ganz legal Steine gegen jüdische Häuser werfen, weil die Juden Christus getötet hätten. Doch während der ganzen Karwoche durften die Juden ihre Häuser nicht verlassen, um nicht den Zorn der Christen zu provozieren. Vor allem die Franziskaner drängten darauf, dass die Juden an ihren Kleidern erkennbar sein mussten; sie trugen auf Sizilien den gelben Kreis (lat. rutella) auf den Mänteln.8 Im Jahr 1492 sprachen sich die Universität von Palermo und die Offiziere des Königs dagegen aus, die Juden aus Sizilen zu vertreiben. Deswegen wurden sie von dort nicht ausgewiesen. Auch im Königreich Neapel standen die Juden unter dem
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besonderen Schutz des Königs, denn sie leiteten seine finanziellen Geschäfte. Aber sie mussten eine Sondersteuer (arab. mortafa) bezahlen. Nun wurden viele vertriebene Juden aus Spanien und Portugal in Sizilien, in Neapel und in anderen Regionen Italiens aufgenommen. Dort erlangten sie hohe Stellungen an den Höfen der Fürsten und in der Verwaltung der Städte, oder sie waren als Buchbinder und Miniaturenmaler, als Schneider und als Ärzte tätig.
Juden in Frankreich, England und Deutschland In vielen Regionen Frankreichs waren Juden ansässig, zumeist in den Städten, sie waren von den Königen geschützt und mussten nicht getrennt von den Christen wohnen. Im Laufe der Zeit wurden die Könige und Fürsten von den Klerikern und Predigern aber dazu gedrängt, die Trennung der Juden von den Christen zu verordnen. Nun entstanden eigene Judenviertel. Aus manchen Städten und Regionen wurden alle Juden ausgewiesen. Sie siedelten in ländlichen Regionen als Bauern. Nach einiger Zeit wurde ihnen von den Fürsten und Stadtherren die Rückkehr in die Städte wieder erlaubt. Zur Zeit der Kreuzzüge kam es in fast allen Städten Frankreichs zu Verfolgungen und zu Massakern an Juden (Hirtenkreuzzug 1320). Oft wurden Gerüchte verbreitet, die Juden würden zusammen mit den Leprakranken die Brunnen der Stadt vergiften. Viele Juden wurden bei der Inquisition angeklagt, als Häretiker verurteilt und öffentlich verbrannt. In Burgrund und in der Provence waren die Juden stärker geschützt als in anderen Regionen. Doch zur Zeit der Pest (1348) waren sie wieder großen Verfolgungen ausgesetzt. Viele wurden vertrieben, doch nach der Pest rief der König die Juden wieder in das Land, um die Wirtschaft aufzubauen. Er versprach, fortan ihre Schulen und Synagogen zu schützen und ihre Gesetze zu achten.9 Doch die Bischöfe und die höheren Kleriker kämpften gegen die neuen Rechte der Juden in den Städten. Sie setzten durch, dass die Juden in eigenen Stadtvierteln leben mussten und einen königlichen Aufseher bekamen. Doch die Juden stellten die meisten Finanzbeamten des Königs und waren als Händler und Handwerker sehr angesehen. Aber die Prediger wiegelten das Volk ständig gegen die Juden auf, es kam wieder zu Verfolgungen und zu Progromen. Nun war der König genötigt, im September 1394 alle Juden aus seinem Königreich auszuweisen.10 Nach England waren die Juden erst mit den Normannen und mit Wilhelm dem Eroberer (1066) gekommen, auch dort gehörten sie früh zur Schicht der königlichen Geldverleiher. Aber auch die Fürsten, die Adeligen und die höheren Kleriker liehen von den Juden Geld für Bauvorhaben oder für Kriegsrüstungen. Die Juden waren vom König geschützt, aber sie mussten eine besondere Judensteuer bezahlen. Ihre Finanzgeschäfte wurden von einem königlichen Beamten (engl. Exchequer of the Jews) überwacht. Als der König Johann ohne Land dringend Geld benötigte, legte er den Juden im Land besonders hohe Steuern auf. Doch damit hatte er ihre Finanzgeschäfte erheblich geschwächt. Denn nun kamen auch Geldverleiher aus der Lombardei (Lombarden) ins englische Königsreich, sie verdrängten die Juden aus
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vielen Geschäften. Im Jahr 1290 hatte der König alle Juden aus England ausgewiesen, wo sie nur ung. 230 Jahre leben konnten.11 In Deutschland lebten die Juden seit der Zeit der Römer (4. Jh.) in den Städten am Rhein. Im frühen Mittelalter siedelten sie auch im Süden und Osten des Landes, vor allem in der Städten an der Donau. Dort lebten die Juden in ihren eigenen Vierteln, rund um die Synagoge, den Friedhof und das Badehaus (z.B. Köln). Es gab aber keine abgegrenzten Ghettos. In den größeren Städten führten sie sogar ein Hospiz für Reisende oder ein Hospital für Kranke. Sie bauten Räume für Hochzeiten und für Tänze, das rituelle Bad (hebr. mikwe) war ein Zentrum der Kommunikation. Im 13. Jh. zogen sogar jüdische Troubadours durch das Land (Süßkind von Trimberg) und sangen von den Großtaten der Fürsten. In den Städten waren die Juden als Händler und Handwerker tätig, sie wurdenen früh zu den Spezialisten für Geldverleih und Geldgeschäfte. Im Herzogtum Österreich und in Tirol übernahmen Juden sogar die Verwaltung der Finanzen und die Zolleintreibung für Fürsten und Grafen. Auch der geistliche Kurfürst und Bischof von Trier hatte Juden in seiner Verwaltung, ihre Buchführung war auf Hebräisch.12 Juden transportierten regelmäßig Gelder von England nach Trier, umgekehrt liehen sie dem König von England Geld. Das geliehene Geld wurde durch wertvolle Pfänder gesichert, der Zins lag wzischen 27% und 173%, je nach Risiko, wie uns Kreditbriefe zeigen. Um 1280 begrenzte der Rheinische Städtebund die erlaubten Zinsen für verliehenes Geld mit 43% auf Wochenkredite, mit 33% auf Jahreskredite. Dadurch wurden jüdische Familien in den Städten sehr reich, sie besaßen oft mehrere Häuser. Ab dem 14. Jh. drängten auch die Lombarden auf den deutschen Kreditmarkt und minderten den Einfluss der Juden. Viele Fürsten und Grafen verkauften angestammte Rechte gegen teures Geld, damit begann die Geldwirtschaft zu blühen. Einzelne Fürsten und Grafen, aber auch Bischöfe und Klöster, richteten jetzt eine zentrale Finanzwirtschaft ein, die es bisher nicht gab. Die Juden waren als Händler und Geldverleiher in den Städten angesehen, aber wegen ihrer Sondersprache, ihrer Religion und Bräuche blieben sie vielen Christen fremd. Mit den Kreuzzügen ab 1096 kam eine schwere Zeit über alle Juden in Europa, denn die christlichen Kreuzfahrer töteten viele Juden als „Gottesfeinde“, ähnlich wie sie die Moslems töten wollten. Denn nun wurde von den Theologen und Klerikern das Töten von Glaubensfeinden erlaubt, die Bischöfe und Päpste versprachen den Kriegern die Löschung aller dabei begangegen Sünden (Generalabsolution). Den Juden wurden nun von den Fürsten alte Rechte weggenommen, wie ein Vergleich zwischen dem „Sachsenspiegel“ (1233) und dem „Schwabenspiegel“ (1275) zeigt. Die Kleriker und die Juristen wiesen den Juden in den Städten in der Folgezeit die niederen Dienste (lat. opera servilia) zu. Die Stauferkönige hatten ein letztes Mal versucht, die Rechte der Juden zu schützen, denn zu ihrer Zeit erbrachten sie ung. 12% der Gesamteinnahmen des Heiligen Römischen Reiches.13 Fortan sahen viele Könige die Juden als „Leibeigene“ des Reiches (lat. servi regis), ohne königliche Erlaubnis durften sie das Land nicht verlassen. Freilich waren Fluchtbewegungen nicht kontrollierbar. Die Güter der ausgewanderten Juden wurden von
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den Fürsten, Grafen und Bischöfen eingezogen. Manche Herrscher versuchten sogar, durch besondere Gesetze ihre Schulden bei jüdischen Geldverleihern zu annullieren. Mit der „Goldenen Bulle“ (1356) erhielten die sieben Kurfürsten das Recht der „Judensteuer“, das sie gegen teures Geld weiter verpachten oder verpfänden durften. Die meisten Städte aber schützten ihre Juden, weil sie zum Wohlstand und Erfolg der Wirtschaft wesentlich beitrugen. Die reichen jüdischen Familienhäupter gehörten zu den Bürgern der Stadt, sie erhielten alle Bürgerrechte (Worms 1289). Aber sie mussten an die Städte höhere Abgaben zahlen. Auch das Recht eines Friedhofs, einer Synagoge, einer Toraschule und eines Kultbades musste gesondert bezahlt werden. Die jüdischen Grundstücksverkäufe wurden von den Städten in sog. „Schreinbüchern“ aufgezeichnet.14 Ab dem 14. Jh. haben einige Städte den Erwerb von Grundstücken durch Juden erheblich eingeschränkt. Manche Städte führten eine Obergrenze (lat. numerus clausus) für jüdische Mitbewohner ein. Die Stadt Köln ließ das jüdische Viertel ummauern und durch Tore verschließen. Manche Fürsten ließen wegen geringer Vergehen jüdische Mitbürger verhaften und danach durch hohes Lösegeld freikaufen. Im Lauf des 14. Jh. verloren die Juden das Recht, Waffen zu tragen; sie konnten sich nun nicht mehr selbst verteidigen. Zum militärischen Dienst wurden sie nicht zugelassen, weil sie den Fürsten und Königen als unzuverlässig galten. Nach den Vertreibungen aus England und Frankreich waren viele jüdische Familien in deutsche Länder geflüchtet, wo sie zumeist aufgenommen wurden. Denn die Juden brachten viel Erfahrung im Handel und beim Handwerk mit. Doch bereits zu dieser Zeit fürchteten eingesessene Bürger das Wissen und Können der zugewanderten Juden. Bischöfe und Kleriker verboten den Laienchristen Disputationen mit den Juden über den rechten Glauben. Denn der afrikanische Bischof Aurelius Augustinus hatte gelehrt, die Juden sollten unter den Christen im Stand der Minderwertigkeit (lat. inferioritas) leben.15 Bischöfe und Theologen forderten seit dem 13. Jh. eine besondere Kopfbedeckung für Juden (Judenhut), um sie als „Häretiker“ zu erkennen. Vor allem die Dominikaner versuchten, die Juden durch Predigten zum christlichen Glauben zu bekehren. Doch die getauften Juden bekamen nicht die gleichen Rechte wie die alteingesessenen Christen. In Krisenzeiten, bei Hungersnöten, bei Missernten und bei Epidemien wurden fast immer die Juden dafür verantwortlich gemacht. Die Kleriker und Theologen lehrten dann, allein die Gegenwart von Juden wecke den „Zorn Gottes“ (lat. furor Dei), daher müssten die Juden aus den christlichen Ländern entfernt werden. Andere sagten, dass die Juden mit dem Teufel im Bunde seien, Hostien entweihten, Kinder schändeten und Brunnen vergifteten. Auf vielen Bildern in und an den Kirchen, später auf gedruckten Flugblättern wurden die Juden und ihre Synagogen verspottet. Ab dem 14. gab es vermehrt die Unterstellung, Juden hätten ein christliches Kind rituell getötet (Ritualmord). Juden wurden bei Gerichten angeklagt, sie hätten Hostien aus den Kirchen entwendet. Als die Pest ausbrach, waren für viele Prediger die Juden die Ursache.16 Aber es gab schon große Judenprogrome vor dem Auftreten der Pest. Auch die Geißlergruppen (Flagellanten) hatten zum Hass auf die Juden beigetragen, die sie als
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„Gottesmörder“ und „Christusmörder“ verleumdeten. Nach einer Brandkatastrophe in Breslau wurden allein die Juden zu Brandstiftern gestempelt und verfolgt. Nach der Pest und der Dezimierung der Bevölkerung haben aber viele Fürsten die Juden wieder in ihre Länder und Städte gerufen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Zum Teil wurden sie jetzt besser geschützt. Doch es kam auch danach wieder zu Vertreibungen, wenn fanatische Gruppen es wollten. In Regensburg bildete sich aber eine christliche Gruppe, welche die Juden beschützte. Kaiser Karl IV. hatte 1349 dem Stadtrat von Frankfurt alle Juden der Stadt, ihren Besitz und ihre Abgaben verpfändet. Damit konnte die Stadt die Güter der Juden konfiszieren. Derselbe Kaiser erlaubte den Bürgern von Nürnberg, viele jüdische Häuser abzureißen und zu zerstören, um einen neuen Marktplatz bauen zu können.17 Das alles war nach den Lehren der Theologen gerechtfertigt, denn sie lehrten seit der Spätantike, dass „Häretiker“ keinen Besitz an Grund und Boden haben dürften. Dieser Besitz stehe allein den rechtgläubigen Christen zu. Die Juden galten ihnen als tolerierte Häretiker, all ihr Besitz war immer nur vorläufig und konnte ihnen jederzeit wieder genommen werden. Nach der Pestepidemie waren viele Juden wieder in die großen Städte zurückgekehrt, inzwischen hatten sie in ländlichen Regionen gelebt. Sie bauten wieder ihre Synagogen und Toraschulen auf (Speyer, Worms, Straßburg, Köln), und übernahmen wieder die Finanzgeschäfte, den Handel und das Handwerk. Die Zinsen für verliehenes Geld waren jetzt niedrig, sie lagen zwischen 8% und 12%, wenn die Rückzahlung gesichert war. Doch nun traten auch in den deutschen Ländern die Lombarden als Geldverleiher auf, sie waren für die Juden eine harte Konkurrenz.18 König Wenzel erlaubte der Stadt Nürnberg, einen Teil des jüdischen Besitzes zu enteignen, um die leere Stadtkasse zu füllen (1385). Fünf Jahre später ließ er alle Guthaben der jüdischen Geldverleiher für ungültig erklären, damit raubte er den Besitz vieler Juden. Jetzt wanderten viele Juden aus den Städten in kleinere Dörfer, wo sie sich sicherer glaubten. Die Städte Straßburg, Speyer, Trier, Köln, Augsburg, Ulm und Breslau vertrieben im 14. und 15. Jh. mehrfach die Juden, um sie später wieder zurückzuholen. In dieser Zeit wanderten aber viele jüdische Familien nach Polen und Osteuropa aus, andere flüchteten nach Italien. Langfristig gab es für die Juden keine dauerhafte Rechtssicherheit, sie waren immer nur auf bestimmte Zeit geduldet und konnten zu jeder Zeit vertrieben oder getötet werden.19 In der Folgezeit forderten die Kleriker und Theologen eine scharfe Trennung der Juden von den Christen. So verlangte Bischof Nikolaus von Kues als Legat des Papstes, dass im ganzen deutschen Reich die Juden an den Kleidern erkennbar sein mussten; die Männer durch ein gelbes Rad auf den Mänteln, die Frauen durch zwei blaue Streifen auf ihrem Schleier. Nikolaus wollte auch die festen Zinssätze der Juden verbieten, doch der Kaiser Friedrich III. widersetzte sich diesem Ansinnen. Der Kaiser hatte bereits einen jüdischen Leibarzt und hatte erkannt, dass die Verarmung der Juden in seinen Ländern auch seine Einnahmen erheblich schmälern würde. Viele Städte begannen jetzt, die Juden in einem Ghetto abzusondern und ihr Viertel mit einer Mauer zu umfassen. Zu dieser Zeit gab es viele Prediger, wie
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Johannes von Capistrano, die gegen die Juden hetzten, sie seien an allem Unglück der Christen schuld.20 Vereinzelt gab es auch freundschaftliche Beziehungen zwischen Juden und höheren Klerikern. Der Theologe Heinrich von Langenstein riet seinen Hörern und Lesern, Hebräisch zu lernen, um jüdische Weisheit kennenzulernen. Die Ansätze zur Toleranz des Fremden waren spärlich und schwach, denn fast immer setzten sich die Fanatiker des Glaubens mit ihren Monopolansprüchen durch. Erst einige Denker des Humanismus und der Renaissance haben den Gebildeten die Augen für den Reichtum fremder Kulturen geöffnet. Die Mehrheit der gebildeten Theologen, Juristen und Mediziner ist jedoch dieser toleranten Sichtweise nicht gefolgt, sie hat die Juden aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen gnadenlos ausgenutzt und unterdrückt. Auch dies ist ein Teil christlicher Glaubens- und europäischer Kulturgeschichte.21
Lernprozesse des Humanismus Im späten Mittelalter richtete sich der Blick vieler Gelehrter und in der Folge auch vieler Adeliger und Stadtbürger wieder auf die Kultur der römischen und griechischen Antike. Das Studium der Grammatik, der Rhetorik und der Philosophie (lat. studia humaniora) brachte Lehrer und Studenten in einen Bezug zu antiken Texten und Denkern. Damit wurden Vergleiche der antiken Lebenswelt mit der christlich geprägten Kultur möglich, es begannen deutliche kulturelle Lernprozesse. So pries Pico della Mirandola die Größe und Schönheit des menschlichen Lebens (lat. De dignitate hominis). Der Mensch sei in seinen Taten und Entscheidungen frei, wie Proteus forme er sein eigenes Bild. Christus sei gekommen, das verdunkelte Antlitz der Menschen wieder herzustellen. In dieser Tradition dachte später Erasmus von Rotterdam, dass die Menschen durch das Fortschreiten der Kultur erst zum vollen Menschsein geformt würden.22 Die Kontakte mit den griechischen Theologen und mit islamischen und jüdischen Denkern weckten bei vielen Lehrern die Neugierde nach der griechischen und hebräischen Sprache. Sie wollten die Bibel wieder in der Ursprache lesen, weil sie in den lateinischen Übersetzungen Fehlinterpretationen vermuteten. Viele wollten „zurück zu den Quellen“ (lat. ad fontes) des christlichen Glaubens, um das Christentum und die Kirche neu gestalten zu können. So erkannte Lorenzo da Valla viele Fehler in der Bibelübersetzung des Hieronymus (Vulgata). Er schrieb Werke über die Eleganz der lateinischen Sprache. Außerdem bestritt er, dass die Mönche und Nonnen moralisch vollkommener lebten als die Laienchristen.23 Der christliche Glaube sei keine Angstreligion, er bereite die Menschen vielmehr auf die ewige Seligkeit vor. Da Valla legte seine Korrekturen zur Vulgata als Buch (Collatio) vor. In einem anderen Werk (Antidoti in Poglium) legte er seine Methode übersichtlich dar. Doch viele scholastische Theologen lehnten diese neue Methode der Bibelauslegung entschieden ab.24 So zeigte Da Valla ein neues Selbstbewusstsein eines gebildeten Laienchristen, der sich von den Lehren der Kleriker ablöste. Die Vulgata war ihm nicht mehr sakrosankt. Andere Denker erkannten, dass das Menschenbild der antiken Kultur lebensfreund-
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licher war, als die christliche Lehre von der „Erbsünde“ es zuließ. Sie akzeptierten nicht mehr die leibfeindlichen Lehren der Theologen und Prediger, welche die sinnliche Liebe der Geschlechter außerhalb der Ehe als „Sünde“ ansahen. Dieses positive Menschenbild wurde im 15. Jh. vor allem unter den Adeligen und den gebildeten Stadtbürgern rezipiert, denn jetzt durfte der menschliche Körper in seiner Schönheit nach vielen Jahrhunderten wieder nackt gemalt werden (Sandro Botticelli: Geburt der Venus, 1483). Viele Laienchristen befreiten sich mit starken Argumenten von den Lehren und Moralvorschriften der scholastischen Theologen.25 Der Gräzist Marsiglio Ficino hatte die Schriften Plotins (Enneaden), das Corpus Hermeticum und Werke des Dionysios Areopagites ins Lateinische übersetzt. Zusammen mit Gemistos Plethon erkannte er die Unterschiede zwischen der platonischen und der aristotelischen Philosophie. Er glaubte an die Erneuerung der antiken Kultur, die mit christlichen Lehren verträglich sein sollte. Plato sollte auf neue und realistische Weise gedeutet werden. Diese Ideen verbreitete Ficino durch Briefkontakte mit vielen Fürsten und Adeligen. Auch in Frankreich (Lefèvre d´Étaples) und in Spanien (Francisco Ximenes de Cisneros) wurden solche Ideen verbreitet.26 In Deutschland wurden „literarische Gesellschaften“ (lat. sodalitates) in Straßburg, Schlettstadt und Heidelberg gegründet, welche die Kultur der Antike neu beleben wollten. Jakob Wimpfeling unterrichtete an der Universität Heidelberg biblische und weltliche Literatur der Antike. Humanistisch orientierte Gesellschaften entstanden auch in Flandern und in der Artois, die Bibel sollte in Griechisch und Hebräisch gelesen werden. Nun hatte die Kunst des Buchdrucks zur Verbreitung von humanistischen Ideen und Lebenswerten unter den Gebildeten erheblich und nachhaltig beigetragen. In den Städten gab es viele schriftkundige Bürger, die diese Texte und Bilder verstehen und weitergeben konnten. Bald engagierten sich Adelige und Stadtbürger für die politische Verwirklichung der neuen Ideen und Lebenswerte.27 Sie strebten nach der Befreiung der Laienchristen von den Monopollehren der Kleriker und Theologen; die unbewegliche Tradition der Scholastik sollte überwunden werden, ja es sollte ein neues Christentum möglich werden. Viele der alten Riten, aber auch Dogmen und Morallehren der Kleriker mussten relativiert und aufgegeben werden. Gefordert wurde, dass die Scheidung von Ehen und die Wiederverheiratung jederzeit und ohne Zustimmung der Kleriker möglich sein sollte. Auch die Kleriker, die Mönche und Nonnen sollten heiraten können, wenn sie es wollten. Die Frauen sollten die gleichen Zugänge zur Bildung haben wie Männer. Mit den Grundwerten des frühen Christentums und den Lehren der antiken Philosophie (Stoa, Epikur) sollte eine neue humane und friedvolle Kultur möglich werden.28
Wiedergeburt der antiken Kultur Am Ende des 15. Jh. war die Bevölkerung in Europa wieder stark gewachsen, die Verluste der Pestepidemie waren wieder ausgeglichen worden. Dörfer wurden neu besiedelt, Städte vergrößerten sich, der wirtschaftliche Wohlstand des Bürgertums
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nahm deutlich zu. Der Handel erfolgte über große Entfernungen, Venedig und Genua bestimmten den Seehandel im Mittelmeer. Die Portugiesen fuhren mit ihren Schiffen von Lissabon aus bis zur Westküste Afrikas. In den Städten wurde das Gewerbe technisch verbessert, viele Bergwerke lieferten Kupfer, Zinn, Blei, Silber und Gold.29 Als Johannes Gutenberg (gest. 1468) in Mainz die erste Druckpresse in Betrieb nahm, war mit dem Buchdruck ein neues Mittel der schnellen Kommunikation über große Entfernungen hinweg gefunden. Die Lettern wurden aus Blei gegossen, Goldschmiede hatten dafür die Vorarbeit geleistet. Seit dem 13. Jh. wurde Papier aus Holzfasern auch in Europa hergestellt, die Druckerschwärze wurde verbessert. Holzschnitte waren in Böhmen schon vor Johannes Gutenberg gedruckt worden, aber nun konnten auch umfangreiche Texte in kurzer Zeit vervielfältigt werden. Gedruckt wurden zuerst Handbücher für Prediger, Gebetbücher und Psalter für die Kleriker, religiöse und politische Schriften für Laienchristen.30 Vor allem die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ haben zur Verbreitung von Druckwerken beigetragen. Die erste Bibel wurde 1456 von Johannes Gutenberg gedruckt. Bald wurden in allen Universitätstädten Europas Druckerwerkstätten eingerichtet. Dort wurden Lehrbücher der Grammatik, Lesebücher mit antiken Texten, Bücher der Theologen und Legenden von Heiligen sowie Anleitungen zum guten Sterben gedruckt. Die Bibel wurde in der lateinischen Sprache und in den Volkssprachen gedruckt, soweit eine Übersetzung vorlag. Aber auch Textsammlungen des römischen Rechts, sowie Schriften von antiken Dichtern und Philosophen wurden durch die neue Drucktechnik unter den Gebildeten verbreitet.31 Viele Stadtherren und Stadträte förderten zu dieser Zeit Baumeister, Bildhauer und Maler, denn sie schufen neue Bauten, Rathäuser und Paläste. Sie wollten ihren Reichtum und ihre Macht zur Schau stellen, gleichzeitig aber ein neues Menschenbild vermitteln. Die Baukunst und die Bildkunst nahmen wieder das Maß an der antiken Kultur. Nicht mehr der leidende und verkrüppelte Mensch sollte dargestellt werden, sondern der aufrechte, kraftvolle und lebensfrohe Adelige und Bürger. In den Kirchen und Klöstern wurden weiterhin die Themen des christlichen Glaubens gemalt, aber in den Palästen und Rathäusern wurden nun wieder die Götter und Göttinnen der antiken Kultur dargestellt. Vor allem Florenz wurde im 15. Jh. zu einem Zentrum dieser „Wiedergeburt“ der antiken Lebenswelt.32 Zu dieser Zeit verfasste Leon Battista Alberti (gest. 1472) zehn Bücher über die Baukunst, in denen er die platonischen Ideen der ewigen Schönheit darlegte. Er entwarf Kirchen für Ferarra, Mantua und Rimini. Mit seinen drei Büchern über die Malerei (De pictura) hatte er viele Maler angeregt, neue Sichtweisen des Lebens darzustellen. Lorenzo de Medici (gest. 1492) hatte viele Baumeister, Bildhauer, Maler, Goldschmiede und Dekorateure in seinem Dienst, die große Werke der Kunst schufen. Sandro Botticelli malte nach platonischen Ideen die höchsten Formen des Schönen und des Guten. Doch zu dieser Zeit predigte der Dominikaner Girolamo Savonerola in Florenz gegen die humanistische Kultur und die Wiedergeburt der antiken Lebenswelt. Er hatte die Stadt Florenz das neue „Ninive“ und rief die Menschen zu Buße und Umkehr auf. Denn er sah das baldige Weltende kommen. Doch
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die Stadtbürger und der Fürst haben ihn bei der Inquisition angeklagt, er wurde dort von den Theologen und Juristen als Häretiker verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wir erkennen in diesem tragischen Ereignis auch das harte Ringen um eine neue Kultur der Sinnlichkeit und der Lebensfreude.33 Diese neue Kultur musste aber den Klerikern und Theologen mühsam und leidvoll abgetrotzt werden. Doch bald öffneten sich auch Bischöfe und Päpste für diese Kultur und Lebensform, sie beauftragten Baumeister, Bildhauer und Maler mit dem Bau und der Ausgestaltung großer Paläste und Kirchen. Nun durften wieder die Themen der griechischen und der römischen Mythologie dargestellt werden, die Götter und Göttinnen kehrten auf symbolische Weise in die europäische Kultur zurück. In den Bildern der „drei Grazien“ tasteten die Maler der Schönheit des weiblichen Körpers nach, ganz gegen die Lehren der Theologen und Prediger. Viele Künstler verbanden mit Zustimmung ihrer Auftraggeber mythische Themen der Antike mit christlichen Lehren, es fand ein großer Übersetzungsprozess statt. Philosophen sprachen von einer „doppelten Wahrheit“, einer Wahrheit für Gebildete und einer Weltdeutung für Nichtgebildete. Die Akademie in Florenz orientierte sich weiterhin an den idealistischen Lehren Platos, während die Universität von Padua der realistischen Weltdeutung des Aristoteles folgte.34 Langsam wurde die neue Kunstform auch nördlich der Alpen rezipiert, weil viele Maler von dort in Italien ihre Ausbildung und Formung erhielten. Zu dieser Zeit erreichten portugiesische und spanische Seefahrer neue Inseln im Atlantischen Ozean und ab 1492 (Christoph Kolumbus) einen neuen Kontinent. Der Blick der Gebildeten in Europa weitete sich, nun musste eine ganz neue Weltorientierung aufgebaut werden. Denn portugiesische Schiffe waren an die Ostküste Afrikas und bis Westindien gekommen, die Welt der Seefahrer war unvorstellbar groß geworden. Bei der Aufteilung der neu entdeckten Länder akzeptierten Spanien und Portugal noch den Papst Alexander VI. als Schiedsrichter.35 Vor allem die spanischen Adeligen, Fürsten und Kleriker waren im 15. Jh. in einem Hochgefühl der Überlegenheit und der göttlichen Erwählung. Denn sie hatten die Moslems und die Juden aus ihrem Land vertrieben und gleichzeitig neue Inseln und Kontinente entdeckt. Die Kriegsheere der Rückeroberer (span. reconquista) und der Neueroberer (span. conquistadores) suchten nach neuen Aufgaben, zusammen mit den Missionaren sicherten sie die neuen Länder und deren Bewohner für den christlichen Glauben. Nun war die Überlegenheit des Christentums weltweit erwiesen, die Einwohner der entdeckten Länder mussten im göttlichen Auftrag zu Christen gemacht werden.36 Nach der alten und neuen Lehre der Theologen hatten die „Ungläubigen“ und Nichtchristen gar kein Recht, Boden und Länder zu besitzen, weil der christliche Weltgott alles den Christen zugeteilt habe. Daher setzten die Eroberer zusammen mit den Missionaren und Predigern den Monopolanspruch des christlichen Glaubens durch, wo immer sie konnten. In der Phase der neuen Expansion wurden Religion und Politik wieder eng miteinander verbunden, weil damit die höchste politische Effizienz erzielt wurde. Der christliche Imperialismus, der seit dem 4. Jh. den römischen
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Imperialismus beerbt hatte, wurde nun durch technische Überlegenheit und durch theologische und religiöse Absicherung auf neue Teile der Welt ausgedehnt.37 In dieser Phase der Expansion und bald der innerchristlichen Religionskriege hatte das humanistische Lebensprogramm des späten 15. Jh. wenig Chancen auf Verwirklichung. Aber dieses Programm wurde unter Gebildeten und Philosophen nicht mehr vergessen. Aber erst 200 Jahre später wurde in Teilen Europas seine politische Verwirklichung möglich. Die Wiedergeburt der antiken Kultur ging in der Phase der europäischen Expansion weiter, aber nun standen nicht mehr moralische Werte des Zusammenlebens, sondern die Formen der effizienten Herrschaft im Vordergrund des Interesses.
Entdeckungen fremder Kulturen Die Entdeckungen fremder Kulturen begannen in Westeuropa im 15. Jh., um 1449 waren portugiesische Seefahrer mit ihren Schiffen bereits bis Schwarzafrika vorgedrungen. Sie handelten mit Gold und mit Sklaven und suchten das Reich des legendären Priesterkönigs Johannes, von dem ihre Prediger erzählt hatten. Mit diesem König in Afrika wollten sie sich verbinden, um gegen die verhassten Moslems zu kämpfen. Im Zeichen des Kreuzes segelten sie und später auch die spanischen Seefahrer auf die Meere hinaus, um neue Länder und Völker für den christlichen Glauben zu gewinnen. Denn sie kannten von ihren Predigern das Jesuswort: „Es wird ein Hirte und eine Herde sein“ (Joh 10,16). Sie wollten fremde Völker dem christlichen Glauben zuführen, damit deren Seelen gerettet würden, wie die Theologen ihnen sagten. Sie waren überzeugt, dass alle Länder der Erde den Christen gehören mussten.38 Damit begann in Europa mit religiöser und theologischer Legitimation ein wirtschaftlicher und politischer Imperialismus, der weit ins 20. Jh. reichte. Zu dieser Zeit diskutierten die Theologen in Salamanca und in Granada noch, ob die Erde eine Scheibe sei, wie die Bibel sagt, oder ob sie eine Kugel ist, wie Aristoteles nahelegte. Die meisten Seefahrer glaubten in dieser Zeit bereits den Lehren des Aristoteles, daher fuhren sie weit auf die Meere hinaus, ohne zu fürchten, an den Rändern abzustürzen. Von den Moslems hatten sie die neuen Methoden der Sternenkunde und der Navigationsberechnung gelernt. Bartolomäus Diaz umsegelte 1497 das südliche Afrika, das er „Kap der Guten Hoffnung“ nannte. Ihm folgte etwas später Vasco da Gama, der an der Ostküste Afrikas weiter segelte und mit günstigen Winden bis an die Malabarküste (Calicut) in Westindien gelangte. Bald danach wurden von portugiesischen Schiffen die Inseln Ceylon, Sumatra und Malakka erreicht.39 Bereits vier Jahre später erreichten die Schiffe der Portugiesen die südlichen Küsten Chinas, nun wurden bereits neue Seekarten von Afrika und Indien gezeichnet. Heinrich der Seefahrer hatte den Entschluss gefasst, in das Land des Priesterkönigs Johannes zu gelangen. Auch Christoph Kolumbus glaubte an diesen fernen Priesterkönig. Schon im 13. Jh. wurde die Legende von diesem König erzählt, der südlich von Äthiopien herrschen sollte. Kolumbus las die Reiseberichte des Marco Polo und von Mandeville, aber auch die Schriften „Imago mundi“ und „Tractatus de legibus
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et sectis“ von Kardinal Pierre d´Ailly und die „Historia rerum ubique gestarum“ den Enea Silvio Piccolomini. Der Theologe d´Ailly hatte vorhergesagt, die Moslems würden von den Tartaren (Mongolen) oder von den Christen besiegt werden. Am Ende der Zeit würden die Christen über beide Völker und Religionen herrschen.40 Schon das Konzil von Basel hatte 1439 dekretiert, dass alle Ungläubigen und Heiden, auch die Inder, der einen Herde Christi (lat. ovile Christi) zugeführt werden müssen. Papst Eugen IV. schrieb zu dieser Zeit, die Barmherzigkeit Gottes müsse jetzt bis zu den Grenzen der Erde (lat. finis terrae) getragen werden. Mit diesem Sendungsbewusstsein segelten die portugiesischen und die spanischen Seefahrer bis zu den fernsten Küsten, sie sahen in ihren Unternehmungen einen göttlichen Auftrag. Die Theologen hatten gelehrt, dass auch die Länder China und Japan, von denen sie bereits ein Wissen hatten, dem Glauben an Jesus Christus zugeführt werden müssten. Denn der Venezianer Marco Polo war schon um 1271 von Palästina aus nach Persien, Afganistas und Pakistan gelangt und von dort bis Kathi in Nordchina vorgestoßen. Dort sei er in den Dienst des Mongolenherrschers getreten. Seinen Reisebericht „Il milione“ verfasste er angeblich in der Gefangenschaft. Vor allem in Spanien war durch die langen Kriege gegen die Moslems die Motivation zur Eroberung neuer Länder sehr groß.41 Die portugiesischen und spanischen Seefahrer berichteten ausführlich über ihre Entdeckungen, in ihren Berichten sprechen sie immer von der christlichen Mission in China (Kathay), in Japan (Zipangu) und in Indien. Sehr schnell wurden alle diese frühen Entdeckungen von päpstlichen „Bullen“ (lat. bullae) legitimiert, denn die christlichen Könige und Fürsten glaubten, dass allein der Papst im Auftrag Christi die Güter dieser Welt verteile. So sprach Papst Martin V. von einem neuen „Kreuzzug“ der Seefahrer. Andere päpstliche Bullen („Dum diversas“, 1452 und „Romanus pontifex“, 1455) bezogen sich bereits auf Eroberungen in Schwarzafrika. Folglich verstanden sich die christlichen Seefahrer als vom Papst beauftragte „Kreuzfahrer“. Als es zwischen Spanien und Portugal zu Besitzstreitigkeiten über die neu entdeckten Länder kam, trat Papst Sixtus V. (Aeterni regis, 1481) als Schiedsrichter auf. Zwölf Jahre später musste Papst Alexander VI. diese Rolle übernehmen („Inter cetera“, 1493).42 Darin übergab der Papst den katholischen Königen von Spanien (Kastilien und Aragon) die Souveränität über alle Inseln und alles Festland, welche die spanischen Seefahrer in Richtung Indien oder sonstwo schon entdeckt haben oder erst entdecken werden. Der Papst verpflichtete sich, diesen Ländern gottesfürchtige Männer zu senden, um dort den christlichen Glauben zu verkünden. Ein Jahr später einigten sich die Könige von Spanien und von Portugal im Vertrag von Tordesillas (1494) auf eine klare Trennungslinie aller ihrer Besitzungen, die 370 Seemeilen westlich von den Kap Verdischen Inseln verlief. Papst Julius II. unterzeichnete als Schiedsrichter diesen Vertrag.43 Die Theologen und Juristen sahen in den eroberten Völkern „Ungläubige“, die keine Rechte auf Besitz und Güter hatten. Der Kardinal Henricus de Segusio (Hostiensis) lehrte, mit dem Kommen Christi in diese Welt seien alle natürlichen Rechte der Völker erloschen, Christus aber verteile die Besitzrechte der Erde nur an Christen. Diese
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Lehren hatten die römischen Reichstheologen schon unter den Kaisern Theodosios I. (nach 380) und Honorius I. (nach 411) verbreitet, sie hatten in der römischen Kirche immer noch Gültigkeit. Dagegen hatte allerdings der Theologe Thomas von Aquin gelehrt, dass die göttliche Gnade die menschliche Natur nicht aufhebe (lat. gratia non tollit naturam). Nach dieser Lehre hätten auch die Nichtchristen noch natürliche Rechte auf Besitz und Leben. Unter den Theologen standen sich beide Parteien unversöhnlich gegenüber, doch die maßgebenden Theologen Kardinal Cajetan und der Bischof Bartolome de Las Casas folgten der Lehre des Thomas.44 Hingegen hatte der Papst Nikolaus V. schon in seiner Bulle „Romanus pontifex“ (1455) verordnet, dass den Afrikanern wie den Moslems keine natürlichen Rechte zukommen, dass sie folglich von den Christen versklavt werden dürfen. Diese päpstliche Bulle legitimierte also den Sklavenhandel und die Sklavenjagd bis weit ins 19. Jh. Die Päpste übergaben die neu entdeckten Inseln, Länder und Völker den christlichen Königen. Diese handelten folglich im Auftrag des göttlichen Weltherrschers Jesus Christus. Die Portugiesen hatten bereits 1415 Ceuta erobert und die Moschee in eine Kirche umgebaut. Danach entdeckten sie Madeira und stießen zur Westküste Afrikas vor, wo sie den Handel mit Gold und Sklaven organisierten. Ab 1450 wurden pro Jahr ca. 1.000 Sklaven nach Europa gebracht, die Händler machten genaue Aufzeichnungen. Lissabon war der Haupthafen für den Import von Sklaven in Europa. Die Inseln Madeira und die Azoren wurden mit Juden, mit moslemischen und mit afrikanischen Sklaven neu besiedelt. Bei einem kurzen Kreuzzug gegen Marokko ging es um den Gewürzhandel und die Eroberung der heiligen Stätten in Palästina.45 Sehr schnell gründeten die Portugiesen in Schwarzafrika Handelsniederlassungen und traten mit den Königreichen Kongo und Benin in Beziehung. Ein König von Kongo wurde 1491 christlich getauft, er förderte in der Folge die christliche Mission. Zu dieser Zeit erreichten die Portugiesen auch die Ostküste Afrikas und das Königreich Äthiopien. Dort verhandelte der christliche Theologe Alvares mit dem König von Äthiopien (Negus), der ebenfalls Christ war, über die Nachfolge des Apostels Petrus. Der König sah die vier alten Patriarchate der Alten Kirche Konstantinopel, Antiochia, Alexandria und Rom als gleichberechtigt an. Als Vasco da Gama 1498 Westindien (Calicut) erreichte, trafen die Portguiesen dort auf „Thomaschristen“, die sich auf den Apostel Thomas bezogen. Deswegen dachten die Portugiesen zuerst, die Hindus seien versteckte Christen, weil sie oft nur einen Gott (Shiva, Vishnu) verehrten. Doch die Jesuiten setzten sich mit ihrer Lehre durch, dass die indischen Götter „Teufel“ und böse „Dämonen“ seien.46 Auch die Spanier wollten über Nordafrika Jerusalem erreichen, aber sie scheiterten bei Tunis und auf der Insel Djerba. Der König von Kastilien wurde fortan aber der Lehensherr über die Kanarischen Inseln, welche Seefahrer aus Genua schon 1336 entdeckt hatten. Diese Inseln wurden nun für die Spanier zu Stützpunkten für weitere Seefahrten genutzt. Im Jahr 1485 trat der Genueser Christoph Kolumbus (Colombo) in den Dienst der spanischen Könige, er erlebte die Eroberung Granadas und die Vertreibung der Moslems und der Juden. Die Königreiche von Kastilien und Aragon hatten sich vereinigt, im April 1492 wurde Kolumbus vom König mit seiner ersten
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großen Seefahrt beauftragt. Als er im Sommer dieses Jahres mit seinen Schiffen auf der Insel Kuba landete, glaubte er, in Kathay (China) und in Zipangu (Japan) zu sein. Auf seiner dritten Seereise erreichte er die Insel, die er nach dem heiligen Dominikus San Domingo nannte. Bald aber stritt sich Kolumbus mit seinen Brüdern, die an der Reise beteiligt waren. Daraufhin entzog ihm der spanische König alle Privilegien. Auf einer vierten Seereise erreichte Kolumbus Honduras und Panama, vor Jamaika erlitt er jedoch Schiffbruch. Aber er glaubte weiter an seine göttliche Sendung, wie der Dulder Hiob aus der Bibel wollte er alle Leidern der Fahrt tapfer ertragen. Im Jahr 1506 ist er gestorben.47 Kolumbus war ein apokalyptisch und messianisch geprägter Christ. Manche Historiker vermuten, dass er die Lehren des Joachim von Fiore kannte. Er sah sich als Kreuzfahrer, mit ihm und vor allem nach ihm kamen daher viele christliche Missionare, Weltpriester und Ordensleute. Die Ureinwohner der Inseln und Länder wurden mit Gewalt zu Christen gemacht und zu Zwangsarbeitern degradiert. Die neuen spanischen Herren richteten effiziente Betriebe der Wirtschaft und der Verwaltung ein (span. encomiendas). Tausende von Menschen wurden von unfruchtbaren Inseln auf fruchtbare Gebiete verschleppt. Die meisten Gutsherren waren Mitglieder der spanischen Ritterordnen. Die Theologen gaben ihnen das göttliche Recht, die „Ungläubigen“ als Sklaven zu halten und auszunutzen, auch wenn sie christlich getauft waren.48 Wir erkennen, dass der Monopolanspruch des christlichen Glaubens die Eroberung und Ausbeutung fremder Länder, Kulturen und Kontinente voll gerechtfertigt hatte. Hier galt seit dem 4. Jh. die alte theologische Lehre, dass Christus der Herr der ganzen Welt (griech. pantokrator) sei und dass er alle Länder der Erde den Christen zum Besitz geben werde. Folglich durften nur rechtgläubige Christen Grund und Boden besitzen, nicht aber Häretiker, Juden und Moslems und „Ungläubige“. Diese alte Lehre wurde jetzt mit der Spiritualität der Kreuzzüge verbunden, die Eroberer brachten den fremden Völkern unter dem Zeichen des Kreuzes die „Erlösung“ von den Sünden und das „Heil“ für die Seelen. Wenn dabei ihre Körper gequält und getötet wurden und ihr Leben ausgelöscht war, so entsprach dies dem Willen der göttlichen „Vorsehung“. Nur wenige Humanisten haben im 15. Jh. die tiefe Unmenschlichkeit solcher Lehren erkannt. Erst die Denker der europäischen Aufklärung haben sie mühsam als solche enttarnt und aufgedeckt.49
Entwicklung der Medizin Ab dem 13. Jh. wurde den lateinischen Ärzten das medizinische Wissen der antiken Kultur wieder zugänglich. Es war in Nordafrika und Spanien von arabischen und jüdischen Ärzten gepflegt und weitergegeben worden. Gerhard von Cremona und Constantinus Africanus hatten medizinische Werke aus dem Arabischen ins Latein übersetzt. Salerno bei Neapel und Montpellier wurden nun Zentren der medizinischen Wissenschaft, unter den Lehrern der Heilkunde waren dort auch Frauen tätig. Zu dieser Zeit kam die alte Klostermedizin langsam zu Ende, die mit Hildegard
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von Bingen noch einen letzten Höhepunkt gefunden hatte. Ein berühmter Arzt in Montpellier war Arnaldo von Villanova (gest. 1312), der auch an einigen Fürstenhöfen wirkte. Der Chirurgie wurde zu dieser Zeit noch wenig Wert beigemessen, allerdings begannen im 14. Jh. anatomische Studien an Leichen, zumeist an zum Tod Verurteilten. Denn die Kleriker und Theologen hatten das Aufschneiden von Leichen wegen der „Totenruhe“ verboten. Nun ging die Heilkunst zur Gänze in die Hände der Laienchristen über, denn die Bischöfe verboten allen Klerikern medizinische Studien und Tätigkeiten.50 Die Fürsten und Heerführer hatten zu dieser Zeit ihre Wundärzte, welche die verletzten Soldaten versorgen mussten. Zu dieser Zeit stellten die Städte immer häufiger einen „Stadtarzt“ (lat. physicus) an, der bereits an einer Universität ausgebildet war. Diese Stadtärzte hatten die Aufsicht über die Hospitäler, die jetzt eingerichtet wurden. Sie waren bemüht, Seuchen zu bekämpfen, so gut sie konnten. Im 13. und im 14. Jh. waren an einigen Universitäten auch Medizinische Fakultäten entstanden, etwa in Montpellier, Padua, Toulouse, Paris, Orléans, Prag, Wien, Leipzig. Bereits der Stauferkaiser Friedrich II. hatte in einem Medizinischen Gesetzbuch (Liber Augustalis) die ärztliche Versorgung in seinem Königreich von Salerno aus geregelt. Die Ärzte mussten fortan auch die Apotheker kontrollieren, damit diese keine verbotenen Arzneimittel anbieten konnten.51 Ein wichtiger Lehrer der Medizin war der jüdische Arzt und Philosoph Moses ben Maimon (gest. 1204), der viele Ärzte ausbildete. Er stammte aus Cordoba und wirkte später im Dienst des Sultans in Kairo. In seinen Büchern beschrieb er viele Arzneimittel, die er den Kranken verordnete. Außerdem verfasste er Kommentare zu den Medizinschriften des Hippokrates und des Galenus. Sehr genau beschrieb er Vergiftungen und Rheumaleiden, aber auch Hämorrhoiden im Darm. Zuletzt verfasste er mehrere Ratgeber zum gesunden Leben. Eine Liste von Heilpflanzen beschrieb schon ihre Folgewirkungen, die auf Beobachtung beruhten. Seine Schüler berichteten, dass ihr Lehrer immer den Körper und die Seele zusammen heilen wollte.52 Der katalanische Arzt Arnaldo von Villanova (gest. 1312) studierte die Medizin in Montpellier und in Salerno. Dann war er als Stadtarzt tätig, bevor er in den Dienst des Königs von Aragon trat. Er versuchte bereits, Nierensteine mit mineralhältigem Wasser zu heilen. Zuletzt lehrte er an der Universität von Montpellier und verfasste mehrere medizinische Werke: „Speculum medicinae“ und „Regimen sanitatis ad regem Aragonensium“. Diese lateinischen Werke wurden bald in die spanische und italienische Sprache übersetzt. Da er auch ein Buch über den „Antichrist“ und über angezauberte Krankheiten (De malificiis) schrieb, wurde er lange Zeit der Häresie verdächtigt. Er glaubte nämlich, dass „angehexte“ Krankheiten nur durch Gebet und durch magische Riten zu vertreiben seien. Allerdings verwendete er nicht die Riten der Kleriker (lat. exorcismus).53 Die Bischöfe hatten auf ihrem vierten Konzil im Lateranpalast in Rom (1215) den Ärzten die Chirurgie verboten, diese sei ein unerlaubter Eingriff in die göttliche Ordnung. Dennoch konnte sich in Montpellier eine wichtige Schule für Chirurgen entwickeln. Guy de Chauliac (gest. 1368) konnte durch einen adeligen Förderer zuerst
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Theologie und danach Medizin studieren, und zwar in Montpellier und in Bologna. Danach wirkte er als Arzt in Lyon und in Avignon, dort wurde er sogar zum Leibarzt des Papstes ernannt. Er verfasste ein Buch über Chirurgie („Kleine Chirurgie“) und ein Gesundheitbuch (Regimen) für den Luxemburger Kaiser Karl IV. Als 1348 die Pest über Europa hereingebrochen war, da waren alle Ärzte ratlos, denn davon hatten sie noch nicht gehört. Doch der italienische Pestarzt Gentile da Foligno glaubte, dass der „Pesthauch“ die Krankheit verursache. Die Menschen müssten sich vor diesem Hauch schützen. Der Arzt Guy de Chauliac riet den Menschen, aus den Städten auf das Land zu flüchten, weil dort weniger Pesthauch sei. Vor seinem Tod verfasste er ein großes Werk über Chirurgie und Wundheilung (lat. Inventarium seu collectorium chirurgiae); dieses Werk wurde nach seinem Tod in ganz Europa verbreitet.54 Im 15. Jh. wurde die Anatomie des menschlichen Körpers genauer studiert. Zu dieser Zeit interessierten sich auch Maler und Bildhauer für Medizin, weil sie den menschlichen Körper naturgetreu malen wollten. In Florenz vereinigten sich Ärzte, Apotheker und Bildhauer zu einer Gilde, um den menschlichen Körper genau zu erkunden. Ein interessierter Forscher der Anatomie war Leonardo da Vinci (gest. 1519), der den menschlichen Körper mit seinen Muskeln und Sehnen genau studieren wollte. Er hinterließ eine Vielzahl von anatomischen Zeichnungen, die er nach Sektionsstudien der Ärzte anfertigte. Der Humanismus und die Renaissance hatten entscheidend zur Entfaltung der empirischen Medizin beigetragen, weil nun der menschliche Körper ganz neu eingeschätzt und bewertet wurde. Für die Humanisten war er ein Wunderwerk des göttlichen Schöpfers und kein „Gefängnis der Seele“.55 Doch zu dieser Zeit waren auch noch viele Formen der magischen Heilkunst verbreitet, die ja bis in unsere Gegenwart reicht. Erstaunlicher Weise hat auch das apokalyptische Denken mancher Ärzte und Theologen zur Entwicklung der Naturwissenschaft beigetragen. Da das baldige Ende der Welt erwartet wurde, versuchten viele Forscher, mit mathematischen Methoden den Zeitpunkt dieser Ereignisse zu errechnen. Nikolaus von Straßburg und Arnald von Villanova hatten solche Berechnungen angestellt. Deswegen wurden zu dieser Zeit viele Kalenderstudien betrieben, um Prognosen für die nächste Zukunft machen zu können. Die kosmischen Zeichen des Weltendes sollten durch neue Methoden der Naturforschung rechtzeitig erkannt werden. Von den Naturforschern und Ärzten wurde zu dieser Zeit das Natürliche klar vom Übernatürlichen getrennt. Die natürlichen Vorgänge am Himmel, in der Welt und im menschlichen Körper sollten durch Beobachtungen und durch Messungen erkundet werden. Auch die Frage, ob das Leben der Menschen vom Lauf der Gestirne abhängig ist, sollte durch genaue Berechnungen geprüft werden.56 Doch zu dieser Zeit waren noch viele Ärzte und Naturforscher mit dem mythischen und magischen Denken verbunden. Sie wussten, dass sie nur einen kleinen Teil des Naturgeschehens mit ihren Messungen und Berechnungen erreichen konnten. Der weitaus größere Teil des Kosmos und des Lebens war von unverfügbaren und unerkennbaren Kräften bestimmt. Auf diese unsichtbaren Kräfte wollten die Menschen seit langer Zeit durch magische Riten, durch Gebete und Gesänge und Zeichen einen Einfluss gewinnen. So blieben die Naturwissenschaft und die Medizin
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bis weit in die Neuzeit hinein dem mythischen Denken verhaftet. Die Ablösung von diesem Denken konnte nur in kleinen Schritten vorankommen. Auch sie geschah erst verstärkt in der Zeit der europäischen Aufklärung.57
Neuansätze der Naturwissenschaften Angeregt durch das realistische und wenig spekulative Weltbild des Aristoteles haben im späten Mittelalter einige Gelehrte begonnen, die Phänomene der Natur systematisch zu beobachten. Zu dieser Zeit wurden auch die naturwissenschaftlichen Werke der moslemischen Forscher Al Hazen und Ibn Ruschd in die lateinische Sprache übersetzt. Al Hazen hatte mehrere Werke über Fragen der Mathematik, der Physik, der Medizin und der Naturphilosophie verfasst. Der syrische Arzt Abul Hasan Thabit ibn Kurra hatte ihm das Wissen von antiken Naturbeobachtern vermittelt. Duch diese Anregungen führte Al Hazen wieder physikalische Experimente durch. Dabei erkannte er, dass die Lehren des Aristoteles oft nicht mit den Ergebnissen seiner Experimente übereinstimmten, dass er den griechischen Denker aus Stageira also korrigieren musste. Sein Interesse galt den Lehren der Optik, den Gesetzen der Lichtausbreitung, dem Bau des menschlichen Auges, der Wirkung von Linsen aus Glas auf das Licht. Er untersuchte die Zeitdauer der Dämmerung zu verschiedenen Jahreszeiten und verband diese mit dem Sonnenstand. In seinem Werk „Große Optik“ fasste er diese Erkenntnisse zusammen. Dieses Werk wurde von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt. So kannten Roger Bacon und Johannes Kepler dieses Werk. Darin erklärte Al Hazen die Bewegungen der Planeten durch das Zusammenwirken verschiedener Sphären der Luft.58 Wichtige Impulse für die Naturwissenschaft kamen vom Philosophen und Arzt Ibn Ruschd (gest. 1198), er verfasste Bücher über Heilkunde, über Arithmetik und Astronomie und schrieb viele Kommentare zu den naturwissenschaftlichen Werken des Aristoteles. Er verteidigte die Naturforschung und die Philosophie gegen die Angriffe der Theologen (arab. kalam). Denn er war überzeugt, dass die Welt und der Kosmos ewig seien und keinen Anfang und kein Ende haben, dass sie aber von einem göttlichen Weltgeist bzw. von einer ewigen Weltvernunft gelenkt werden. Jede Menschenseele sei ein Teil dieser allgemeinen Weltvernunft (griech. Logos), deswegen können wir die Welt und den Kosmos erkennen. In der Folge trat Ibn Ruschd für eine klare Trennung zwischen der Naturforschung und der islamischen Religion ein. Mit dieser Position hat er auch die lateinischen Naturforscher ermutigt, eine ähnliche Trennung anzustreben. Denn mit den Lehren der Religion könne man nicht die Welt und den Kosmos erforschen.59 Ein großer Naturforscher der lateinischen Kultur war der Engländer Robert Grosseteste (gest. 1254), der an der Universität Oxford studierte und dort auch lehrte. Er ging zunächst von der neuplatonischen Lichtmetaphysik aus, nach der sich im ganzen Kosmos das Licht von einem Punkt, dem „Ureinen“ (griech. to hen), ausbreitete. Daher wollte er die Ausbreitung des Lichts mit empirischen Methoden der Beobachtung studieren. Er erprobte alle physikalischen Theorien der Lichts mit Experimenten der
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Lichtspiegelung und der Brechung der Lichtstrahlen. Dabei unterschied er zwischen den Erkenntnissen eines Sachverhalts und den Gründen dieses Sachverhalts. Die Natur sollte durch die induktive Methode erforscht werden, dabei sollte von vielen Einzelbeobachtungen auf gemeinsame Regeln und Gesetze geschlossen werden. Die zweite Methode der Naturforschung sei die experimentelle, denn alle erkannten Regeln und Gesetze müssen durch Experimente nachgeprüft werden. Die dritte Methode der Naturforschung liefert uns die Mathematik, denn die Gesetzmäßigkeiten in der Natur lassen sich durch Zahlen und Zahlenrelationen darstellen.60 Von den Ursachen einer Naturerscheinung sollte dann auf die Wirkungen dieser Ursachen geschlossen werden. In der Analyse (lat. resolutio) werden die Elemente und Phänomene nach Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten geordnet. Aus einer Sammlung von vielen Beispielen für ein beobachtetes Phänomen werden alle allgemeinen Eigenschaften ausgesondert und zu gemeinsamen Formeln (lat. formula communis) zusammengefasst. Zwischen den häufig auftretenden Eigenschaften werden dann kausale Beziehungen (lat. causae) vermutet. Im zweiten Schritt ordnet dann die Synthese (lat. compositio) das beobachtete Material auf solche Weise, dass die Beziehungen zwischen den Ursachen und den Wirkungen wie zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen sichtbar werden. So kann eine zuerst intuitive Erkenntnis später durch wiederholte Beobachtungen bestätigt oder widerlegt werden.61 Zwischen den richtigen und den falschen Erklärungen der Phänomene entscheidet dann das Experiment, die analoge Beobachtung oder die „reductio ad absurdum“, also die Erkenntnis der Unsinnigkeit. In der gesamten göttlichen Schöpfung können wir einheitliche Gesetze und Regeln der Ökonomie annehmen. Nun seien aber die naturwissenschaftlichen Beweise nie so sicher wie die mathematischen Beweisführungen. Jede physikalische Erkenntnis und Theorie brauche das Zusammenwirken von Experiment und Mathematik. Auf diese Weise suchte R. Grosseteste nach einer Synthese zwischen der platonischen und der aristotelischen Weltdeutung. In seiner Vorstellung spielte die geometrische Optik eine wichtige Rolle in der Naturforschung. Das Licht wird im Sinne des Aristoteles als „erste Materie“ (lat. prima materia) aufgefassst, aber gleichzeitig auch als „erste Form“ (lat. prima forma). Es erzeugt sich selbst und vermehrt sich aus eigener Kraft. Die Ausbreitung erfolgt in der Gestalt einer Kugel, nach allen Richtungen gleich schnell. Das Licht (lat. lumen) sei also die erste Form aller Körper, der Raum sei eine Funktion des Lichtes und seiner Wirkungsgesetze bzw. seiner Ausbreitung. Aus dem göttlichen „Urlicht“ seien die verschiedenen Arten des Lichtes und der Farben geworden, aber auch die vom Licht geformten Körper, die Himmelskörper und der ganze Kosmos. Hier wurden also lichtmetaphysische Ideen mit empirischer Beobachtung der Lichtausbreitung verbunden. Diese Anregungen zeigten ihre Wirksamkeit in der Lichtforschung bis ins 17. Jh.62 Der englische Franziskaner Roger Bacon (gest. 1292) studierte in Oxford und in Paris, auch er betrieb Forschungen der Lichtausbreitung (lat. scientia optica). Denn er war überzeugt, dass wir uns durch diese Wissenschaft das beste Wissen von der Welt und dem Kosmos aneignen können. Unser Gesichtssinn sei ein privilegierter
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Zugang zur Welt, denn damit schaffen wir uns ein Wissen von Gegenständen, von Lebewesen und von Himmelskörpern. Ein Blinder erkenne nur sehr wenig von der Welt, denn unser Wissen über die Welt und den Kosmos gewinnen wir hauptsächlich durch „Erfahrung“ (lat. empiria). Freilich die Mathematik sei nicht auf Erfahrung aufgebaut, sie sei eine formale Wissenschaft. Aber sie helfe uns dabei, unser empirisches Wissen sicherer zu machen. Wir können alle unsere empirischen Beobachtungen durch mathematische Formeln systematisch darstellen. Damit hatte auch dieser Engländer wichtige Impulse für die weitere Naturwissenschaft formuliert.63 Ein großer Anreger der Naturwissenschaften war der englische Theologe und Philosoph Wilhelm von Ockham (gest. 1349), der mit seiner nominalistischen Methode den generellen Vorrang der Einzelphänomene vor dem Universalen formuliert hatte. Damit konnte sich das Interesse an der Erforschung der Einzeldinge und Phänomene entfalten. Als real gelten uns nur die Einzeldinge und Phänomene, nicht aber unsere Allgemeinbegriffe (lat. universalia), die wir zur Generalisierung von Einzelphänomenen mit unserem Geist erzeugen. Jede Erkenntnis des Einzeldinges beginne mit einer intuitiven Erkenntnis, sie werde dann durch systematische Beobachtungen vertieft oder verworfen. Erkenntnisse allgemeiner Wahrheiten lassen sich nicht a priori gewinnen, auch nicht die Erkenntnisse der Gottheit. Folglich seien die Sätze der Religion und der Theologie immer nur Glaubensaussagen, für die Erforschung der Natur hätten sie keinen Wert. Daraus folge nun die prinzipielle Freiheit der Naturforschung von den Lehren der Religion. Jede Naturforschung beginne mit der Beobachtung des Einzelnen, aus der Beobachtung vieler Einzeldinge können erst später allgemeine Aussagen gemacht werden. Gott müsse nicht die erste Ursache der Naturereignisse sein, denn nicht jede Bewegung bedürfe eines Bewegers. Die Einheit und die Unendlichkeit Gottes seien überhaupt nicht nachweisbar. Ja es sei sogar eine Vielheit von Welten mit verschiedenen Urhebern denkbar. Mit dieser nominalistischen Skepsis wurde das Weltbild des Aristoteles nachhaltig relativiert und zugleich weiterentwickelt. Wilhelm von Ockham zeigte neue Wege einer autonomen und von der Religion abgelösten Naturwissenschaft.64 Diese Lehren wurden vor allem an der Universität von Paris weitergetragen. Dort entwickelte Nikolaus von Oresme (gest. 1382) einen naturphilosophischen Nominalismus, denn er verfasste Kommentare zu den naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles. Auf Befehl des Königs veröffentlichte er seine Erkenntnisse in Latein und in Französisch. Damit hat er den Grundstein für die naturwissenschaftlichen Begriffe in der französischen Sprache gelegt, der bis heute Geltung hat. Er interessierte sich für die Prozesse und Vorgänge in der Natur und baute in seine Beobachtungen und Beschreibungen den Faktor Zeit ein. In seinem Werk „De diformitate qualitatum“ stellte er auf graphische Weise die Formen und Veränderungen von Naturphänomenen dar. Er verband sie mit einem Koordinatensystem der Zeit (lat. longitudo) und mit dem Grad der Intensität einer Bewegung oder einer Eigenschaft. Diese punktuelle Bestimmungsmethode war in der Astronomie und in der Geographie seit der griechischen Antike gebräuchlich, Nikolaus von Oresme hat sie für die lateinische Kultur wieder entdeckt. Er führte dafür den Begriff der „Funktion“
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(lat. functio) ein, der sich in den Naturwissenschaften sehr schnell durchsetzte. Damit sollten qualitative und quantitative Veränderungen dargestellt werden können. Diese Verfahren der analytischen Geometrie wurden auf gleichmäßige und auf ungleichmäßige Fallbewegungen angewandt. Damit wurde Nikolaus von Oresme zu einem Wegbereiter für die Entdeckung der physikalischen Fallgesetze.65 Vor allem hatte er die Impetustheorie des Johannes Buridanus (gest. 1358) angeregt. Dieser Lehrer war überzeugt, dass Gott bei der Erschaffung der Welt jedem Körper bestimmte Bewegungsimpulse (lat. impetus) eingepflanzt habe. Solche Bewegungsimpulse seien auch in den Sphären des Kosmos und im Luftraum (griech. a-ther), folglich brauche Gott als erster Beweger die Himmelskörper gar nicht mehr zu bewegen. Auch die Geistseelen müssten den Kosmos und die Gestirne nicht in Bewegung halten, denn in allen Gestirnen seien seit der Schöpfung göttliche Bewegungsimpulse. Eine solche Impulslehre hatte der Grieche Johannes Philoponos schon im 6. Jh. gelehrt, aber Buridanus hat sie nicht gekannt. Zu dieser Zeit wurde angenommen, dass die Sphären des Kosmos die Gestirne bewegten. Buridanus glaubte auch, dass andere Welten mit anderen physikalischen und astronomischen Gesetzen möglich sein könnten. Theoretisch überlegte er bereits die Möglichkeit, dass die Sonne in der Mitte des Kosmos sein könnte.66 Die Kleriker und Theologen hatten aber bereits 1277 den Naturforschern verboten, durch ihre Erkenntnisse die Allmacht Gottes einzuschränken. Aus diesem Grund konnten viele Forscher ihre Erkenntnisse und Vermutungen nur sehr vorsichtig vortragen, denn es drohte ihnen immer die kirchliche Inquisition. Buridanus glaubte, dass Gott viele andere Welten hätte schaffen können, wenn er es gewollt hätte. Wir Menschen können den unkörperlichen Raum jenseits des Himmels weder erfassen, noch verstehen. Denn die Vorstellungen unseres Verstandes hängen immer von unseren sinnlichen Wahrnehmungen ab, von jenem Raum aber hätten wir keine Wahrnehmungen. Wir Menschen haben einen freien Willen, der aber immer von den Erkenntnissen unserer praktischen Vernunft mitbestimmt werde. Insgesamt haben einige Denker im späten Mittelalter entscheidend zur Entfaltung der selbständigen Naturwissenschaften beigetragen, die aber den Lehren der Theologen und Kleriker nicht widersprechen durften.67 Im 13. Jh. hatte der Engländer Johannes von Halifax für die Universitäten Lehrbücher der Arithmetik (Algorismus), der Astronomie (Sphaera) und der Kalenderberechnung (Computus) verfassst, die durch mehrere Jahrhundert im Quadrivium der Universitäten Gültigkeit hatten. Etwas später verfasste Konrad von Megenberg Kommentare zur Astronomie, die ins Mittelhochdeutsche übersetzt wurden. Sie basieren auf dem Werk „Almagestum“ von Ptolemaios, das über arabische Astronomen bekannt geworden war. Diesem Wissen zugrunde lag das ins Lateinische übersetzte Werk „Rudimenta astronomica“ des arabischen Gelehrten Al Farghani (Alfraganus). Wichtige Impulse kamen vom Astronomen Ulugh-Beg, der in Samarkand lehrte und dort bereits eine Sterwarte gebaut hatte. Dort wurden schon seit längerem astronomische Tafeln, Rechenscheiben für die Planetenbahnen und Sternenkataloge erstellt.
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An der Universität von Wien lehrte im 15. Jh. Georg von Peuerbach, er hatte in Padua und Rom studiert und dort Schriften der antiken Philosophen kennen gelernt. In Rom hatte er den Griechen Johannes Bessarion getroffen, vom dem er wertvolle Anregungen übernahm. Zusammen mit Johannes von Gmunden und Bernhard Walter aus Nürnberg hat er das astronomische Wissen seiner Zeit erweitert. Aus der arithmetischen Geometrie übernahm er die Berechnung der Sinuskurve und schuf ein „Quadratum geometricum“. Er hatte viele Sonnenuhren gebaut und zur Verbreitung des „Almagestum“ von Ptolemaios beigetragen.68 Sein Schüler Johannes Regiomontanus (gest. 1476) führte die Arbeiten weiter, er gehörte zur Wiener Schule der Astronomie und Mathematik. In Italien lernte er neue Schriften der Sternenkunde kennen, sein Intersse aber galt der Trigonometrie und er verfasste ein Werk zur Berechnung von Dreiecken (De triangulis omnimodis). Kurze Zeit wirkte er an der neu gegründeten Universität von Pressburg (Bratislava) und in Nürnberg, er war an der Ausarbeitung der trigonometrischen Tafeln und an Kalenderberechungen beteiligt. In Rom beriet er den Papst Sixtus IV. bei einer Kalenderreform, die aber nicht abgeschlossen werden konnte. Seine verbesserten astronomischen Messinstrumente wurden von den Seefahrern Vasco da Gama, Christoph Kolumbus und Amerigo Vespucci benutzt.69 Auch in der Mathematik gab es zu dieser Zeit wichtige Erkenntnisfortschritte. Der Pisaner Leonardo Pisano Fibonacci (gest. 1250) verfassste mehrere mathematische Werke: “Liber abbacci“; “Practica geometriae” und “Liber quadratorum”. Einige seiner Schriften und Kommentare zu Euklid sind verloren gegangen. Im „Liber Abbaci“ (1228) führte er erstmalig in Europa das dezimale Stellensystem und die arabischen Ziffern ein, die aus dem indisch-persischen und arabischen Raum nach Spanien und Sizilien gekommen waren. Sie lösten die lateinischen Zahlen ab, die keine Ziffer Null kannten. Diese Ziffer kam aus der indischen Philosophie und Mathemastik über Persien und die Araber in die lateinische Mathematik und löste damit eine schnelle Weiterentwicklung aus. Bis heute bekannt ist die Fibonacci-Zahlenreihe, die den indischen Gelehrten schon länger bekannt war. Sein Buch über die Quadrate wurde das wichtigste Werk über die Zahlentheorie. Er schrieb über die perfekten Zahlen sowie über die Summation von arithmetischen und geometrischen Reihen.70 Der Astronom Regiomontanus entwickelte Verfahren, um Sätze und Tabellen zur ebenen und zur sphärischen Trigonometrie zu gewinnen; auch formulierte er den Sinus- und den Kosinussatz. An der Ausarbeitung und Lösung kubischer Gleichungen arbeiteten zu dieser Zeit auch Mathematiker in Italien. Durch die mathematischen Erkenntnisse konnten zu dieser Zeit die Naturwissenschaften starke Impulse bekommen, die empirischen Beobachtungen wurden fortan verstärkt weiter geführt. Insgesamt gab es im späten Mittelalter bereits wichtige Entdeckungen und Erkenntnisse in fast allen Disziplinen der Naturwissenschaft. Doch von einer freien Wissenschaft und Forschung konnte noch lange Zeit keine Rede sein. Denn die Kleriker und Theologen behielten die oberste Kontrolle über alle Fragen der Weltdeutung und des Weltbildes.
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Byzantinische Lebenswelt
Seit der Trennung der griechischen Ostkirche und der lateinischen Westkirche im Jahr 1054 entwickelten sich beide Lebenswelten und Kulturen noch weiter auseinander, als sie es schon vorher getan hatten. Bei den ersten Kreuzzügen der Lateiner gegen die Moslems waren die Byzantiner noch zu einer Unterstützung der Heerführer bereit. Doch dies änderte sich im Jahr 1204, als die Lateiner die bedingungslose Unterstützung und Unterordnung der Byzantiner verlangten. Da diese dazu nicht bereit waren, eroberten die lateinischen Heerführer die Kaiserstadt Konstantinopel und große Teile des Byzantinischen Reiches und errichteten dort ein „Lateinisches Kaiserreich“. Ein Rat von 6 fränkischen und 6 venezianischen Adeligen wählte einen lateinischen Kaiser, nämlich Balduin von Flandern, und einen lateinischen Patriarchen, Tommaso Morosini aus Venedig. Die griechische Herrschaft blieb nur in drei Gebieten bestehen, in Trapezunt, in Nikaia und in Epeiros. Die Haupstadt Konstantinopel wurde zu fünf Achtel vom lateinischen Kaiser und zu drei Achtel vom Dogen (ital. doce) aus Venedig verwaltet. Diese gewaltsame Eroberung war eine absolute Demütigung des byzantinischen Reiches und der griechischen Kultur.1
Die Zeit politischer Bedrängnis Ab 1240 drängten große Heere der Mongolen nach Kleinasien, damit kamen sowohl die Moslems, als auch die Byzantiner in Bedrängnis. Doch bis 1261 war es dem byzantinischen Kaiser Michael Palaiologos gelungen, die Lateiner aus seinem Reich zu vertreiben und auch die Hauptstast Konstantinopel wieder zu erobern. Sein siegreicher Einzug in die Stadt fand am 15. August, dem Hochfest der Himmelfahrt Marias statt. Dem Kaiser wurde die große Ikone der Gottesmutter (griech. Hodegetria) vorangetragen, denn ihr wurde der Sieg über die Lateiner zugeschrieben. Der Papst in Rom und seine Theologen strebten aber weiterhin eine Vereinigung der Ostkirche mit der Westkirche an. Dafür berief er ein Konzil nach Lyon (1274), um dieses Ziel zu erreichen. In Konstantinopel teilten sich nun der Kaiser und der Patriarch die Herrschaft in enger Verbundenheit (griech. symphonia). Die alten Herrschaftsformen wurden wieder hergestellt. Die Kleriker und Theologen stützten dieses System der Symphonia zwischen dem Kaiser und dem Patriarchen. Die Metropolitensitze in Trapezunt und in Epeiros konnten erhalten werden.2
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Byzantinische Lebenswelt
Germanos II. war Patriarch im verkleinerten Kaiserreich von Nikaia, er kämpfte gegen die Bogomilen aus Bulgarien, gegen die Juden und gegen unwürdige Kleriker in den eigenen Reihen. Arsonios Autoreianos war der letzte Patriarch von Nikaia, er übersiedelte wieder nach Konstantinopel. Unter seiner Herrschaft gab es aber oftmals Streit zwischen den Klerikern. Unter der Herrschaft der Lateiner wurden viele Kirchen geplündert und Kunstschätze nach Venedig gebracht. Griechische Klöster wurden in lateinische Klöster umgewandelt, die griechischen Mönche und Nonnen wurden vertrieben. Nun zogen die Benediktiner und die Zisterzienser in Konstantinopel ein, bald folgten ihnen die Franziskaner und die Dominikaner. Sie lernten griechisch und predigten bald in der Sprache der Griechen den lateinischen Glauben. Der Papst beanspruchte nun auch die wichtigsten Klöster und Kirchen. In Süditalien, wo viele Griechen lebten, errichtete er eine lateinsche Hierarchie.3 Zu dieser Zeit gab es unter der Herrschaft der Byzantiner eine Vielfalt von Glaubensformen. Die Kleriker kämpften in vielen Schriften gegen den „Aberglauben“, gegen die alten Riten des Volkes, aber auch gegen die Häresie der Bogomilen. Ihr Kampf galt den sexuellen Riten der Fruchtbarkeit in den ländlichen Regionen, der Verehrung böser Dämonen (der alten Schutzgötter), den archaischen Initiationsriten und den rituellen Abtreibungen von Kindern. Als „häretische“ Bewegungen verfolgten die Kleriker die Euchiten, die Messalianer und die Bogomilen. Diese Bewegungen zeigen, dass die Lehren der Kleriker und Prediger nur teilweise vom wenig gebildeten Volk geglaubt und gelebt wurden. Zu dieser Zeit gab es viele öffentliche Streitgespräche mit den Juden, die von den Klerikern als Gefahr für den christlichen Glauben gesehen wurden. Den Juden, den Armeniern, den Ismaeliten und den Agarenen waren ab dem 13. Jh. in den Städten eigene Stadtviertel zum Wohnen und Arbeiten zugewiesen worden. Zu dieser Zeit hatten die byzantinischen Juden viele Elemente der griechischen Kultur in ihre Lebensform aufgenommen. Trotzdem lehrten die Bischöfe und Theologen, die Juden müssten sich zum Christentum bekehren, damit Christus als Weltherrscher wiederkommen könne.4 Zu dieser Zeit war der Islam in Kleinasien bereits fest verwurzelt. Doch nun drängten turkmenische Nomaden (Türken) und Mongolen gegen den Westen und Süden dieser Region, sie bedrohten das byzantinische Restreich von Nikaia. In den islamischen Gebieten traten viele Christen aus wirtschaftlichen Gründen zum Islam über. Die Derwisch-Bewegung breitete sich aus, die durch ekstatische Erlebnisse die mystische Vereinigung mit dem Weltgott Allah suchte. Die Beziehungen der Griechen zu den Lateinern waren tief gestört, trotzdem gab es weitere Annäherungsversuche der Theologen. Griechische Theologen wurden zu Verhandlungen nach Rom geschickt. Doch sie lehnten die lateinischen Lehren vom Fegefeuer, von den ungesäuerten Broten bei der Eucharistie, das Heiratsverbot für Kleriker und die Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes aus dem göttlichen Vater und dem göttlichen Sohn (lat. filioque) strikt ab. Zu dieser Zeit verfasste Thomas von Aquin eine eigene Streitschrift gegen die Lehren der Griechen (Contra Graecos).5 Der Kanzler der Universität Oxford Robert Grosseteste kannte bereits die griechische Sprache, um die Bibel in dieser Sprache lesen zu können. Und der hollän-
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dische Theologe Wilhelm von Moerbeke wurde nach Konstantinopel geschickt, um dort zu predigen. Auch er hatte Griechisch gelernt und übersetzte Teile der Schriften des Aristoteles, die er dort fand, ins Lateinische. Der Papst nannte die Bedingungen für die Griechen für eine Wiedervereinigung der beiden Kirchen: Die Griechen müssten die sieben Sakramente, das römische Glaubensbekenntnis und den Primat des Papstes anerkennen. Papst Gregor X. berief 1274 ein Konzil der Bischöfe nach Lyon, zu dem griechische Theologen geladen wurden. Wegen der starken Bedrohung durch die Türken setzte sich auch der byzantinische Kaiser für die Wiedervereinigung der Kirchen ein, denn er hoffte auf militärische Hilfe der Lateiner.6 Nun stellte der Papst dem Konzil folgende Aufgaben: die Organisation von militärischer Hilfe für die Christen in Palästina, die Wiedervereinigung der lateinischen und der griechischen Kirche und einzelne Reformen in der Westkirche. Der byzantinische Kaiser Michael VIII. Palaiologos hatte seine Gesandten zum Konzil geschickt, diese mussten dort ihre Unterordnung unter die römische Kirche erklären. Dort anerkannten sie den Primat des römischen Papstes, die sieben Sakramente, die Lehre vom Fegefeuer und den Ausgang des Heiligen Geistes vom göttlichen Vater und vom göttlichen Sohn. Am 6. Juli 1274 legten sie im Namen und Auftrag ihres Kaisers das römische Glaubensbekenntnis ab. Als die Gesandten des Kaisers aber nach Konstantinopel zurück kehrten, gab es großen Widerstand und Protest gegen diese Unterordnung unter die lateinische Kirche. Der Kaiser konnte in seinem Land die Wiedervereinigung mit der römischen Kirche nicht durchsetzen, der Vertrag blieb nur auf dem Papier stehen. Umgekehrt brachte die lateinische Kirche keinen Kreuzzug gegen die Moslems zustande, wie es vorher vereinbart worden war.7 Inzwischen war das byzantinische Reich sehr klein geworden, es wurde ständig von den Türken bedroht. Der Turkstamm der Osmanen war durch die Mongolen in den Westen getrieben worden. In Kleinasien eroberten die Heere der Osmanen die Städte Tralles, Ephesos, Prusa, Smyrna, Nikaia und Nikomedia. Ab 1350 gelangten ihre Heere über das Meer bereits nach Europa, sie besiegten die Städte Adrianopolis, Philippopolis und Thessalonike. Im Jahre 1453 gelang es ihnen, nach langer Belagerung die Hauptstadt Konstantinopel einzunehmen. Die Verteidigung des Reiches hatte von den Bauern und Händlern hohe Steuern abverlangt. Es kam daher zu Bürgerkriegen und Kämpfen gegen den Kaiser, Aufständische plünderten die Hauptstadt. Viele Bauern flüchteten in die Städte, weil sie sich dort von den Türken geschützt glaubten. Im Volk gab es apokalyptische Bewegungen, die das baldige Weltende voraus sagten. Die Mönche und Theologen predigten überall, die Türken seien eine „Strafe Gottes“ für die vielen Sünden der Menschen.8 Aber die Patriarchen, die Metropoliten und die Bischöfe hatten zu dieser Zeit im Volk noch ein hohes Ansehen, denn von ihnen wurde göttliche Hilfe in der Not erwartet. Doch bald mussten alle Metropolitensitze aufgegeben werden. In der Folgezeit entstanden neue Sitze der Metropoliten nur in Serbien, in Bulgarien und in der Walachei. Im Land der Rus (Russland) wurde der Sitz des Metropoliten von Kiew nach Vladimir und von dort nach Moskau verlegt (1328). Die Patriarchen wurden pro forma von den höheren Klerikern gewählt, in Wirklichkeit aber immer von den
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Fürsten bestimmt, denn es war eine enge Zusammenarbeit zwischen Religion und Militär notwendig. Immer noch kamen viele Pilger nach Konstantinopel und zu den Klöstern, an der Hagia Sophia waren im 13. Jh. über 3.000 Priester beschäftigt. Die Heilige Synode und der Patriarch hatten die Aufgabe, die Armenfürsorge zu organisieren und gefangene Christen von den Türken freizukaufen.9 Die Bischöfe der Diözesen, die von den Türken erobert wurden, flohen zumeist in sichere Gebiete, nur wenige blieben in ihren Städten und versuchten die Verständigung mit den Eroberern. Nun zeigten die Moslems gegenüber den Christen und Juden aber große religiöse Toleranz, diese konnten ihren Glauben behalten und leben, mussten nur höhere Steuern als die Moslems zahlen. Aus diesem Grund sind viele Christen, aber nur wenige Juden zum Islam übergetreten. Die Juden begrüßten zumeist die moslemischen Eroberer, denn sie erwarteten sich nun mehr Rechte, als sie unter den Christen hatten. Bald gab es öffentliche Diskussionen zwischen jüdischen, moslemischen und christlichen Theologen über die wahre Religion. Die meisten Christen suchten die Zusammenarbeit mit den Moslems, sie übernahmen wie die Juden hohe Ämter in der Verwaltung. Nur wenige Christen wurden zu Martyrern des Glaubens. Auch die Klöster blieben von den Türken unangetastet, sie blieben daher für das breite Volk die Zentren des wahren Glaubens.10 Zu dieser Zeit gab es noch häufig Doppelklöster von Mönchen und Nonnen, die aber von den Patriarchen immer mehr zurück gedrängt wurden. Oft lebten Mönche und Nonnen unter einem Dach, oder sie lebten in getrennten Häusern und trafen zur Feier der Liturgie zusammen. Die meisten Klöster hatten große Besitzungen an Landgütern, deren Erträge mussten aber zum Teil für die Armenversorgung eingesetzt werden. In der Zeit der militärischen Bedrohung wurden viele Klostergüter vom Kaiser eingezogen und an Soldaten und Heerführer übergeben. In einigen Klöstern gab es Neuerungen der Disziplin und der Spiritualität, der „Hesychasmus“ legte großen Wert auf das innere Gebet und die Hingabe an Christus und die Gottesmutter. In der Zeit der politischen Bedrohung wandten sich viele Menschen an die Klöster, um dort Hilfe und Rat zu finden.11
Unter der Herrschaft der Osmanen Die Wiedervereinigung der griechischen Kirche mit der lateinischen Westkirche auf dem Konzil von Lyon war im byzantinischen Reich nicht durchzusetzen. In der Folgezeit kam es sogar zu einer Spaltung der griechischen Kirche und der byzantinischen Gesellschaft. Denn ein Teil der Theologen und Kleriker nahm die Union mit der Westkirche an und verteidigte sie. Doch ein anderer Teil lehnte sie entschieden ab und bekämpfte sie. Die Gegner der Wiedervereinigung sahen im Vormarsch der Türken die gerechte Strafe Gottes für den Abfall vom wahren orthodoxen Glauben. Für sie waren die Moslems das geringere Übel als die Lateiner, die Venezianer, die Genuesen, die Franken, die Katalanen und die Franzosen. Die Befürworter und die Gegner der Kirchenunion bekämpften sich hart und lähmten die Widerstandskraft gegen die Moslems.12
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Am 29. Mai 1453 war Konstantinopel von den Türken erobert worden. Der Patriarch Gregorios III. floh nach Italien, ein neuer Patriarch konnte nicht sofort gewählt werden. Der letzte Kaiser Konstantinos kam bei den Kämpfen ums Leben. Die Klöster hatten sich vehement gegen eine Vereinigung mit der Westkirche gewehrt, seither gelten sie als die Zentren der wahren orthodoxen Lehre und Lebensform. Der heilige Berg Athos mit seinen vielen Klöstern wurde zu einem Zentrum der Rechtgläubigkeit. Die Spiritualität des Hesychasmus verbreitete sich rasch auch in Serbien, in Bulgarien und im Land der Rus. Als der griechische Patriarch im Jahr 1439 einen neuen Versuch der Wiedervereinigung mit der Westkirche unternommen hatte, trennte sich die Kirche von Russland vom Patriarchat Konstantinopel, das als häretisch bezeichnet wurde. Für den Patriarchen und den Kaiser war die Vereinigung mit der Westkirche auf dem Konzil zu Florenz der letzte Versuch, von den Lateinern militärische Hilfe gegen die Türken zu bekommen. Aber diese Hilfe blieb aus, die lateinischen Fürsten und Königreiche konnten sich auf keinen größeren Kriegszug einigen.13 Das byzantinische Christentum war zu dieser Zeit schon lange in verschiedene Glaubensrichtungen und Kirchenorganisationen gespalten. Die Monophysiten und die Nestorianer hatten sich schon früh von der Theologie der orthodoxen Reichsbischöfe losgesagt. In Syrien war eine chaldäische Kirche entstanden, aber sie wurde durch den Einfall der Mongolen erheblich geschwächt. Die syrische Kirche der Monophysiten konnte sich unter der Herrschaft der Moslems gut behaupten und entfalten, sie hat reiche theologische Literatur geschaffen. Die Melkitische Kirche lebte in Ägypten, in Palästina und in Syrien, auch sie hatte eigene Lehren und Rituale. Im Libanon wurde die Maronitische Kirche organisiert, sie stand in enger Verbindung mit den Moslems.14 In Armenien bildete sich die Armenische Kirche mit einem Katholikos an der Spitze, auch hier suchten Teile der Kirche die Verbindung zur lateinischen Christenheit. In Georgien konnte sich die Georgische Kirche aufbauen, sie lebte im Austausch mit den Mongolen und den Moslems, hatte aber auch Kontakte zur römischen Kirche. In Ägypten hatte sich die Koptische Kirche organisiert, die von vielen Klöstern geprägt wurde. Dort entstanden zu dieser Zeit große Werke der theologischen Literatur und der Buchmalerei. Eine christliche Kirche in Nubien hatte bis ins 15. Jh. überlebt, dann wurde sie von den Moslems assimiliert. Doch die Äthiopische Kirche konnte ihre Eigenständigkeit bewahren, auch sie unterhielt viele Klöster und Kirchen, heilige Orte und Pilgerstätten.15 In den slawischen Ländern etablierte sich die byzantinische Kirche als die Trägerin der Religion und der Kultur, aber auch der nationalen Einheit der einzelnen Fürstentümer. Die rumänischen Fürstentümer Moldawien und Walachei wurden im 15. Jh. von den Moslems erobert. Die Fürstentümer der Rus um Kiew waren seit dem 13. Jh. unter die Abhängigkeit der Tartaren (Mongolen) gekommen. Im 15. Jh. konnte die Herrschaft der Tartaren beendet werden, danach bildeten sich zwei staatliche Einheiten, nämlich das Russland der Fürsten von Moskau (Moskowiter) und das Großfürstentum der Litauer. Dieses verband sich im Jahr 1386 sogar mit dem römisch-katholischen Königreich von Polen, damit war die russische Christenheit
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gespalten. In Serbien, Bulgarien und Rumänien entstanden nationale orthodoxe Kirchen mit vielen Klöstern, sie kamen früh unter die Herrschaft der Osmanen. Denn die Serben wurden 1389 auf dem Amselfeld (Kosovo) von den Türken besiegt. Die Bulgaren unterlagen ihnen 1393 bei Tarnavo. Etwas später wurden die Fürstentümer von Bosnien und Herzegovina von den Osmanen erobert. Dort traten viele Christen zum moslemischen Glauben über, um wirtschaftliche und steuerliche Vorteile zu nutzen. Der russische Metropolit war schon im Jahr 1320 von Kiew über Vladimir nach Moskau übersiedelt, weil dort das neue Zentrum der politischen Macht entstand.16 Die Litauer hatten sich durch ihre Verbindung mit dem Königreich Polen mehrheitlich zum römischen Katholizismus bekehrt. Damit verschlechterte sich aber ihre Beziehung zum Brudervolk der Russen und zu den Griechen. Der letzte griechische Metropolit von Moskau Isidoros hatte im Jahr 1439 in Florenz den Vertrag über die Wiedervereinigung mit der lateinischen Westkirche unterschrieben. Als er nach Moskau zurückkehrte, wurde er von Soldaten festgenommen und aus der Stadt vertrieben. Denn der Klerus und das Volk lehnten diese Vereinigung entschieden ab. Danach wählten die Kleriker einen russischen Metropoliten, der sich unter den Schutz des Großfürsten Vasilij II. stellte. Dies war eine Revolte der Kirche von Moskau gegen den Patriarchen von Kostantinopel, der nun als Häretiker bekämpft wurde. Als dann der Papst Pius II. auf dem Papier in Russland noch zwei lateinische Kirchenprovinzen schuf, nämlich Kiew und Moskau, da kam es zum endgültigen Bruch mit der lateinischen Kirche in Rom.17 Auch in den slawischen Ländern waren die Klöster starke Zentren der Wirtschaft, des Landbaues und der Kultur, aber auch der Armenversorgung. Die Fürsten übergaben den Klöstern große Besitzungen zur Rodung und zur Kultivierung, damit bekamen die Mönche und Nonnen auch politischen Einfluss. Die Bischöfe der Diözesen waren entweder Mönche oder verwitwete Priester, sie durften nicht mehr heiraten. In den Klöstern wurden viele alte Texte abgeschrieben und in die entstehenden Nationalsprachen übersetzt, nämlich ins Serbische, Bulgarische und Russische. Die Klöster mit ihren großen Kirchen und Profanbauten waren Zentren der Baukunst und der Malerei, der Schreibkunst und der Buchmalerei. Im 14. Jh. schuf der russische Maler Andrej Rubljev eine berühmte Ikone der göttlichen Trinität. Gemalt wurden alle Themen des Glaubens, vor allem Christus, Maria, die Engel und Heiligen, auch Mönche und Herrscher.18 Auch in der byzantinischen und slawischen Ostkirche lebte die Bevölkerung in zwei Glaubensformen. Denn zum einen waren fast alle Menschen christlich getauft und kannten einige Grundlehren des Christentums. Zum anderen aber verehrten sie ihre alten Schutzgötter und befolgten die alten Riten der Abwehr des Bösen und zur Vermehrung der Fruchtbarkeit. Mit dem altrussischen Lehnwort kriestjanin (Christ) wurden vor allem die Bauern bezeichnet, die noch an ihren alten paganen Riten festhielten. Die adeligen Sippen gaben sich ab dem 15. Jh. christliche Vornamen, was die Bauern noch lange Zeit nicht taten. Vor allem in Bulgarien kämpften die Kleriker einen langen und harten Kampf gegen die Bogumilen, die eine gerechtere Gesellschaftsordnung anstrebten. Die Bischöfe mussten den Klerikern den Kauf von
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Ämtern verbieten. Mönche und Kleriker verfassten mehrere Abhandlungen über das moralische Leben der Laienchristen, z.B. das Buch „Izmaragd“ im 14. Jh. Die Kirchen wurden mit reichen Ikonen ausgemalt, um den Glauben des einfachen Volkes zu vertiefen. Diesen Bildern wurden von den Gläubigen heilende und beschützende Kräfte zugetraut. Allgemein galten die Fürsten, die Bischöfe, die Mönche und die Kleriker den Laienchristen als moralische Vorbilder.19
Türken und Christen Nachdem die Osmanen das Byzantinische Reich erobert hatten, musste die Herrschaft neu organisiert werden. Dabei kam es zu einem intensiven Austausch zwischen der christlichen und der islamischen Kultur. Denn die Mehrheit der Bevölkerung war in den meisten Regionen christlich geblieben, den Christen und den Juden wurde der Schutz ihrer Religion und ihres Kultes zugesichert. In der Phase der Eroberung war es zu Gewalttaten gegen Christen gekommen, danach waren die moslemischen Herrscher aber an einer Beruhigung des Volkes interessiert. In manchen Regionen, etwa in Anatolien waren viele Christen zum Übertritt zum Islam gezwungen worden. Aber in den meisten anderen Regionen war dies nicht der Fall. Viele griechische Christen sahen in den Lateinern den primären Feind ihrer Kultur. Mit den Moslems wollten sie friedlich leben. Die Theologen nannten die Moslems nun Sarazenen oder Agarener oder Ismaeliten, da sie sich auf Ismael, den Sohn des Abraham bezogen. Daher hatten griechische Christen den Moslems geholfen, als deren Flotte von den Schiffen der Genueser angegriffen wurde.20 Gegen die Heere der Lateiner hatte der griechische Kaiser Michael VIII. sogar ein Bündnis mit den moslemischen Mameluken in Ägypten geschlossen. Im Heer der Byzantiner kämpften seit langem moslemische Türken als Söldner, was die Lateiner mit Hass erfüllte. Die griechischen Kaiser hatten mehrere Bündnisse mit den Osmanen geschlossen, denn bereits vor der Eroberung war das Byzantinische Reich ein Vasallenstaat der Türken. Die Eroberung der Hauptstadt war dann nur eine Frage der Zeit. Türkische Chroniken berichten, dass in der osmanischen Armee viele Christen, nämlich Griechen, Serben, Bulgaren und Albaner dienten. Denn die Türken raubten den christlichen Familien regelmäßig die jungen Söhne („Knabenlese“), um sie zu fanatischen Kampftruppen (Janitscharen) zu erziehen.21 Nach der Eroberung übergaben viele christliche Bauern ihre Söhne freiwillig der türkischen Armee, weil sie dort einen gesicherten Beruf hatten und Karierre machen konnten. Von türkischen Wesiren wird berichtet, dass sie neben einem Harem an Frauen noch viele Lustknaben hielten, denen sie später Lehen und Schenkungen zukommen ließen. So wurden die Janitscharen die stärksten Kampftruppen des Osmanischen Reiches, viele Anführer gewannen dauerhaften Einfluss auf die Politik. Deswegen kam es im Militär schon früh zu einer Assimilation zwischen den Türken und den besiegten Völkern. Die Griechen wussten, dass sie von den Lateinern keine militärische Hilfe zu erwarten hatten, deswegen mussten sie sich mit den Türken arrangieren. Unter der Herrschaft der Türken behielten die meisten Kleriker und
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Bischöfe ihre religiösen Funktionen, auch die meisten Klöster konnten weiter bestehen. Christen und Juden mussten als „Kopfsteuer“ höhere Abgaben zahlen als Moslems; zu ihrem Schutz, wie ihnen gesagt wurde. Die Juden bekamen unter den Türken deutlich mehr Rechte, als sie unter den Christen hatten. Einige Prediger wie Gregorios Palamas mühten sich sogar, Türken zum Übertritt zum christlichen Glauben zu gewinnen, was diesen aber strikt verboten war. Andere Theologen drückten die Hoffnung aus, dass sich der Islam und das Christentum verständigen würden, da beide die gleichen Wurzeln und den gleichen Stammvater Abraham hätten.22 Bei der Verteidigung der Hauptstadt Konstantinopel kam es zu Gewalttaten gegen Christen, da wurden Männer, Frauen und Kinder in Hütten gesperrt und verbrannt. Das berichten rumänische Chroniken aus dieser Zeit. Viele Kleriker sahen in den Türken die „Strafe Gottes“ oder die „Geißel Gottes“ für die vielen Sünden der Christen. Doch die Osmanen zeigten den Christen, dass sie ihren Glauben frei leben konnten, wenn sie sich der neuen Herrschaft unterwarfen und mit den Türken wirtschaftlich und politisch zusammen arbeiteten. Christliche Prediger aber warnten die Laienchristen vor dem Übertritt zum Islam, der vor allem in Bosnien und in der Herzegowina verbreitet war. In der slawischen Kultur wurde weiterhin der Hass auf die lateinischen Christen verstärkt, viele Prediger sahen in der Herrschaft der Türken die göttliche Strafe für die Unionsverhandlungen mit der lateinischen Kirche.23 Als die Kirchenunion mit der lateinischen Kirche, die in Florenz ausgehandelt wurde, im Jahr 1452 in der Hagia Sophia von Konstantinopel feierlich verlesen wurde, gab es keinen Patriarchen mehr. Ein Jahr später wurde die Stadt erobert und die Bischöfe, die der Kirchenunion zugestimmt hatten, mussten nun öffentlich ihre Schuld eingestehen. Sie sagten, dass sie aus Furcht vor den „Franken“ der Wiedervereinigung zugestimmt hätten. Sie hätten aber damit den alten Glauben verleugnet.24 Schon vor der Eroberung der Hauptstadt waren griechische Christen aus Hass gegen die Lateiner zum Islam übergetreten, vor allem beim Militär. Als die Osmanen Thessalonike eroberten (1430), war die Stadt bereits im Besitz der Venezianer gewesen. Genau besehen wurde das Byzantinische Reich also von den Moslems und den Lateinern erobert.25 Als die Türken in die Hauptstadt eindrangen, konnten sie gar nicht glauben, dass es dort nur 5.000 Verteidiger gab. Sie hatten mit der zehnfachen Zahl gerechnet. Unter den Verteidigern waren auch 200 lateinische Krieger. Die Stadt wurde geplündert, der Sieger Mehmet II. nahm die Hagia Sophia in seinen Besitz. Ab jetzt waren die Christen den Türken tributpflichtig (türk. zimmi), aber ihr Leben und zum Teil auch ihr Besitz waren geschützt. Die türkischen Sultane gestalteten das islamische Recht auf souveräne Weise, sie wendeten nicht die alte Sharia an. Die Sieger ließen aus den ländlichen Regionen wieder Juden und Christen in die Hauptstadt holen, um dort den Handel und das Handwerk aufzubauen. Der Peloponnes und Trapezunt am Schwarzen Meer wurden erst sieben Jahre später erobert, damit war das ganze Byzantinische Reich unter die Herrschaft der Osmanen gekommen.26 Auch die Slawen, die der Kirchenunion mit den Lateinern nicht zugestimmt hatten, sahen im Untergang von Konstantinopel die gerechte Strafe Gottes für die
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versuchte Einigung mit dem Papst. In Russland sahen sich die Fürsten und die Metropoliten von Moskau als die Nachfolger des Byzantinischen Reiches und der griechischen Kirche. Die Venezianer und die Genuesen handelten mit den Moslems sehr schnell Handelsverträge aus, die Wirtschaft sollte weitergehen. Papst Pius II. versuchte 1464 noch einen Kreuzzug der Lateiner gegen die Moslems zu erreichen, aber er starb während der Vorbereitungen. Zuerst kämpften noch einzelne Schiffe der Venezianer in der Adria gegen islamische Flotten, aber meist mit wenig Erfolg. Die griechischen Theologen sprachen nun von der „Turkokratie“, nachdem sie im 13. Jh. von der „Frankokratie“ gesprochen hatten. Viele Prediger hofften auf die baldige Ankunft Christi als Erlöser, der den Griechen wieder die Freiheit bringen würde.27 In der Folgezeit gab es einige eschatologische Gruppen und messianische Bewegungen, die aber kaum politisches Gewicht hatten. Viele Kleriker beklagten, dass die Juden von den Osmanen begünstigt wurden, denn ihnen seien Güter im Überfluss zugeteilt worden. Es gab öffentliche Diskussionen zwischen jüdischen und islamischen Theologen, an denen sich gelegentlich auch christliche Kleriker beteiligten. Einige griechische Lehrer und Theologen waren nach Italien geflüchtet, wohin sie ihre Bücher mitnahmen. Zu dieser Zeit griffen russische Theologen die apokalyptischen Ideen auf, indem sie lehrten, nach dem Untergang von Konstantinopel müssten die „rothaarigen Russen“ (russ. rusij rod), ein „blondes“ Volk aus dem Norden, die Griechen ersetzen. Fürst Iwan III. verkündete im Jahr 1516, nun sei der Kaiserthron von Konstantinopel nach Moskau übertragen worden, diese Stadt sei nun das „Dritte Rom“. Diese Bezeichnung verwendeten nun auch die russischen Theologen und Kleriker. Der Großfürst versprach, er werde alles tun, um Konstantinopel vom Joch der „Agarener“ zu befreien.28 Das Osmanische Reich wurde in der Folgezeit neu organisiert, es wurden schriftliche Besitzlisten (Defterler=Kataster) angelegt, um die Steuereinnahmen zu vergrößern. Die Rechtsschulen wurden von den Hanafiten geleitet, die bei ihren Urteilen neben den Gesetzen des Koran auch Analogieschlüsse und den gesunden Menschenverstand zuließen. Das Militär wurde für neue Eroberungen in Osteuropa optimal organisier. Christen und Juden konnten als Schreiber und Beamte im staatlichen Dienst, aber auch beim Militär tätig sein. Die osmanischen Sultane waren bestrebt, den Kulturvorsprung der Griechen im Bereich des Handwerks und des Handels zu nutzen, daher suchten sie den Austausch mit den italienischen Handelszentren Venedig und Genua. Sie boten den griechischen Christen den vollen Schutz vor den militärischen Angriffen der Lateiner an, die nicht auszuschließen waren. So kam es zu engen wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen zwischen den Moslems, den Juden und den Christen.29 In dieser neuen Situation lernten auch die Christen, den Juden gegenüber toleranter zu sein, als sie bisher gewohnt waren. Am Hof des Sultans wirkten Christen und Juden, viele Moslems lernten Griechisch; und im Heer wurde fortan Türkisch und Griechisch gesprochen. Durch Glaubenswechsel und durch Heirat kam es zu familiären Verknüpfungen zwischen Moslems und Christen. Viele erkannten, dass beide Religionen keine Gegensätze waren, sondern verträglich gelebt werden konn-
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ten. Vor allem in den Ländern des Balkan kam es zu einer starken Vermischung von slawischer und moslemischer Kultur. Selbst Mönche sagten, sie würden eher Moslems werden, als zum römischen Christentum überzutreten. Die Völker Anatoliens waren zu dieser Zeit bereits mehrheitlich moslemisch geworden. Selbst in Thessalonike und Istanbul (Konstantinopel) lebten mehr Moslems als Christen. In Bosnien und Albanien trat die Führungsschicht des Landes sehr schnell zum Islam über, meist wohl aus wirtschaftlichen und politischen Gründen. Die Osmanen respektierten die Juden und Christen und gaben ihnen fast alle politischen Chancen bis zu den höchsten Beamtenstellen.30 Der siegreiche Heerführer Mehmed II. schätzte die griechische Kultur und Bauweise, er baute in Istanbul ein neues Herrschaftszentrum und eine Residenz (Serail). Dort richtete er eine große Bibliothek ein, in die er auch viele griechische Bücher aufnahm. An dieser Bibliothek wurden türkische und griechische Gelehrte angestellt, denn das Wissen der Griechen sollte wirtschaftlich genutzt werden. Durch eine besondere Kopfsteuer (arab. Gizya, türk. Cizye) waren die Juden und Christen von den feindlichen Moslems geschützt, sie durften ihren Glauben frei leben. Im vergrößerten Osmanischen Reiche lebten fortan viele Völker (türk. millet) zusammen, es kam zu einem vielfältigem Austausch der Kulturen. Die Juden und Christen wurden Zimmi genannt, sie waren als Handwerker, Händler, Bauern und Beamte sehr geschätzt. Der neue Patriarch der Christen konnte von diesen frei gewählt werden, er musste aber vom Sultan bestätigt werden.31 Doch der Sultan ließ die Hauptkirche der Christen, die Hagia Sophia, in eine Moschee umbauen. Die Apostelkirche war die Grabstätte der byzantinischen Kaiser, sie wurde abgerissen, weil sie baufällig war. Immer wenn Kirchen in Moscheen umgewandelt wurden, blieben die Ikonen noch längere Zeit bestehen, aber den Gesichtern wurden meist die Augen ausgekratzt. Die Moslems wollten nicht in die Augen des Christus und der Gottesmutter sehen, denn sie befolgten ein striktes Bilderverbot. Der Patriarch und die Heilige Synode verwalteten gemeinsam die christlichen Kirchen, die Klöster blieben jedoch selbständig. Einige Kirchen wurden unter den Moslems sogar restauriert. Die Kleriker blieben eine privilegierte Körperschaft mit besonderen Rechten und Pflichten. In allen Fragen der Religion hatte der Patriarch die oberste Rechtsprechung, auch in Fragen der Heirat, der Scheidung, der Testamentgestaltung, der Erbfolge in der Familie und der Vormundschaft, sofern beide Streitparteien Christen waren. Bei gemischten Familien waren die islamischen Richter zuständig. Die Kirche folgte ihrem kanonischen Recht und dem byzantinischen Zivilrecht.32 In der Folgezeit durfte die griechische Kirche von den Gläubigen für den Bedarf der Religion auch Abgaben einheben, ein Teil der Abgaben ging aber an den Sultan. Die Oberaufsicht über die orthodoxen Christen hatten die Kirchenverwaltung und der Sultan gemeinsam. Die Bischöfe wurden von den Klerikern gewählt, sie mussten aber vom Sultan bestätigt werden. Die Heilige Synode konnte jedoch zu dieser Zeit ihre Machtbefugnisse ständig ausbauen. Vor den islamischen Gerichten erreichten die Juden und Christen aber keine Rechtsgleichheit mit den Moslems, weil ihre Zeugenaussasgen dort nicht akzeptiert wurden. Der Patriarch musste dafür sorgen, dass
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die Christen die staatlichen Gesetze einhielten. Als viele christliche Knaben von den Türken zu den Janitscharen rekrutiert wurden, setzte der Patriarch das Heiratsalter für Knaben auch auf 12 Jahre herab wie für die Mädchen. Denn nach der Heirat waren die jungen Männer vor dem Militär geschützt.33 So mussten der Patriarch, die Heilige Synode und die Bischöfe eng mit der osmanischen Verwaltung zusammen arbeiten. Die Mitglieder der Synode wurden von den Moslems allerdingsoft mit Geld bestochen, damit sie die gewünschten Kanditaten zu Bischöfen oder Patriarchen wählten. Auch die Klöster mussten sich den neuen Herren unterwerfen, aber in ihnen blieb der Widerstand am längsten bestehen. Nun wussten sich Mönche und Nonnen als die besonderen Bewahrer des wahren Christentums und auch der nationalen Identität der einzelnen Völker. Vor allem der heilige Berg Athos mit seinen vielen Klöstern wurde zu einem Zentrum des orthodoxen, aber nach rückwärts gewandten Glaubens. Die Ausbildung der Kleriker blieb die Aufgabe der Bischöfe, sie erfolgte aber auf einem niedrigem Niveau. Deswegen konnte sich die orthodoxe Theologie in dieser Zeitepoche auch kaum weiter entwickeln.34
Orthodoxer Glaube in Italien und Russland Doch orthodoxe Christen gab es weiterhin auch in nichtmoslemischen Ländern, vor allem in Russland und im Süden Italiens, aber auch in der Walachei und im Süden Ungarns. Nach Italien sind viele Griechen vor den Türken geflüchtet. Die große Bibliothek des Kardinals Bessarion kam nach Venedig und von dort nach Rom (Bibliotheca Marciana). Venedig wurde von da an ein Zentrum der griechisch-orthodoxen Kultur in Italien. Die geflüchteten Griechen suchten die Union mit den lateinischen Christen, sie bewahrten aber ihre alten Riten, Gebete und Lebensregeln. So kamen griechische Seeleute, Händler, Handwerker und Gelehrte nach Italien, sie belebten dort die Wirtschaft und die Wissenschaft. Der Markusdom in Venedig wurde zu dieser Zeit im griechischen Stil weitergebaut, die Venezianer hatten nämlich viele Kunstschätze aus Konstantinopel geraubt. An den Universitäten in Norditalien wurde nun wieder die griechische Sprache gelehrt, die Bibel konnte von einigen Gelehrten wieder in dieser Sprache gelesen werden. Griechische Adelige haben die Politik der „Republik Venedig“ lange Zeit mit Erfolg mitbestimmt.35 Der erste Lehrstuhl für griechische Sprache wurde im Jahr 1463 in Padua eingerichtet, dort lernten die späteren Humanisten die griechischen Schriften der Antike kennen. Die Dichtungen von Homer wurden nun in der griechischen Sprache gelesen. Die Philologe Nikolaos Laonikas unterrichtete in Padua bereits in griechischer Sprache, er lehrte die aristotelische Philosophie in Verbindung mit den alexandrinischen Kommentaren. Kardinal Bembo sah in der griechischen Kultur den Beginn einer neuen Zeitepoche für Italien und für das lateinische Christentum. Nun waren Venedig und Padua die Zentren der griechischen Studien für ganz Europa, von überall kamen die Studenten dorthin, auch aus deutschen Ländern. Der Theologe Maximon Grekos hatte in Florenz, Padua und Venedig studiert, bevor er zum Berg Athos und von dort nach Moskau ging. Er baute in der Stadt der Moskowiter eine
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theologische Schule auf, die lange Zeit weiterwirkte. In Venedig gab es griechischorthodoxe Gottesdienste und griechische Bruderschaften, die eigene Feiertage befolgten. Bald wurde eine eigene Kirche für die Griechen gebaut.36 Auch in Süditalien blieben griechisch-orthodoxe Kirchen weit verbreitet, dort vermischte sich auch albanischer mit griechischem und italienischem Kultureinfluss. Doch ein neuer Schwerpunkt der orthodoxen Kirche verlagerte sich nun in das Großfürstentum Russland. Denn die Fürsten von Moskau hatten sich im 14. und 15. Jh. von der Herrschaft der Tartaren befreien können. Im Zuge dieser politischen Selbständigkeit strebten sie auch nach kirchlicher Unabhängigkeit vom Patriarchat in Konstantinopel. Nach dem Sieg über die Tartaren durfte in den Kirchen in Moskau der byzantinische Kaiser nicht mehr in den Fürbitten der Gottesdienste erwähnt werden. Und nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Türken sahen die russischen Theologen und Kleriker Moskau als das „Dritte Rom“. Zu dieser Zeit regierte der Metropolit von ganz Russland Isidoros noch in Kiew und war Grieche. Da er die Union mit der lateinischen Kirche vertrat, war er vom Papst in Rom zum Kardinal ernannt worden. Doch als er von Italien nach Russland zurückkehrte und mit einem lateinischen Kreuz in Moskau einziehen wollte, da wurde er vom Rat der Bojaren und von den höheren Klerikern zum „Häretiker“ verurteilt und vom Militär gefangen gesetzt. Er musste die Stadt verlassen und floh über Litauen nach Rom. Damit war der Bruch der russischen Kirche mit der lateinischen Kirche von Rom besiegelt. Von da an verstand sich die Kirche von Moskau als die wahre Hüterin und Bewahrerin des orthodoxen Glaubens. Russische Theologen hatten den Untergang des „Zweiten Rom“ (Konstantinopel) vorausgesagt, sie sahen im russischen Großfürsten Vasilij den „neuen Konstantin“.37 Als der Papst in Rom für die Kirche in Kiew einen neuen Patriarchen ernennen wollte, trennte sich die Kirche von Moskau auch von der Kirche von Kiew. Ein politischer Konkurrent für Moskau war zu dieser Zeit aber der Fürst von Nowgorod, welcher der Union mit der lateinischen Kirche beigetreten war. Doch der Großfürst Iwan III. von Moskau kämpfte zusammen mit Truppen der Tartaren gegen den Fürsten von Nowgorod und besiegte diesen im Jahr 1471. Danach wurde Nowgorod dem Großfürstentum von Moskau eingegliedert, das nun bis an die Ostsee reichte. Eine Gefahr für Moskau blieb aber weiterhin das polnisch-litauische Reich der Jagellonen, das zum Teil der römisch-katholischen Religion und zum Teil der mit Rom unierten griechischen Religion folgte. Zu dieser Zeit hatte der Großfürst Iwan III. eine byzantinische Prinzessin Sophia geheiratet, damit wollte er die direkte Verbindung zum letzten Kaiser von Byzanz herstellen. Doch diese Prinzessin wurde in Moskau als „Römerin“ bezeichnet und abgelehnt, sie musste später sogar in ein Kloster eintreten.38 Im Süden war das Großfürstentum von Moskau noch immer von den Tartaren bedroht und musste an diese Abgaben zahlen. Erst als sich die Herrschaft der Tartaren im Jahr 1502 auflöste, gewann der Großfürst seine volle politische Selbstständigkeit. Iwan III. bezog die russische Kirche in seine Herrschaft mit ein. Die Bauern mussten ihm hohe Abgaben für das Militär zahlen, diese Abgaben wurden auch von den Klöstern eingetrieben. Nun sprach auch der Metropolit Zosimos vom „Dritten Rom“, das
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von Konstantinopel nach Moskau übersiedelt sei. Ja er nannte den Fürsten sogar den „neuen Konstantin“. Im Jahr 1498 ließ sich Fürst Iwan III. vom Metropoliten Simeon zum Herrscher der Russen krönen, dabei benutzte er das byzantinische Krönungsritual. Der gekrönte Herrscher nannte sich nun offiziell „Caesar“ (russ. Car), aber auch „Großfürst und Selbstherrscher von ganz Russland“. Der Metropolit forderte den neuen „Allherrscher“ auf, für das Seelenheil aller orthodoxen Christen Sorge zu tragen.39 Nach dieser Denkweise sollte jetzt Moskau zur neuen Stadt des Kaisers Konstantin werden, der Großfürst Iwan III. (Vasilievic) sollte in die Nachfolge der byzantinischen Kaiser eintreten. Viele russische Klöster und ihre Mönche und Nonnen begrüßten diese neue religiöse und politische Herrschaft. Der Mönch Philotheos aus Pskow schrieb, der neue Car regiere das gesamte russische Volk durch den höchsten göttlichen Willen. Dieser sei von Gott erwählt worden, anstelle von Rom und Konstantinopel die Herrschaft über die gesamte Christenheit anzutreten. Das erste und das zweite Rom seien von Feinden besiegt worden, doch das neue und „Dritte Rom“ sei unbesiegbar. Und ein viertes Rom werde es gar nicht mehr geben, weil vorher die Welt untergehe. Der neue Kaiser von Moskau müsse mit dem Oberhaupt der russischen Kirche eng zusammen arbeiten, um vom christlichen Volk alle Feinde abzuwehren.40 Zu dieser Zeit glaubten viele Theologen, Mönche und Prediger, nun sei die „Endzeit“ vor der Wiederkunft Christi gekommen. Denn in der Herrschaft der Russen vollende sich der göttliche Sendungsauftrag an alle Christen. Mit dem Fürsten und Kaiser Iwan III. wurde Russland zu einer Theokratie, wie sie vorher in Konstantinopel gegeben war. Moskau sollte nun das religiöse und politische Zentrum aller Russen werden, das es aber noch lange nicht war. In Konstantinopel hatten die meisten Bewohner als freie Bürger gelebt, in Moskau aber wurden alle Bürger des Fürstentums als „Sklaven“ des Kaisers gesehen. Dies war ein gewaltiger Unterschied, Moskau stand zu dieser Zeit auf einer ganz anderen Kulturstufe als Konstantinopel es war; diese Stadt hatte bereits 1.200 Jahre griechische Kultur hinter sich. Der Kaiser Iwan IV. ( der „Schreckliche“) hatte den Metropoliten von Moskau in den Rang eines Patriarchen erhoben, das neue Patriarchat von Moskau sollte das alte Patriarchat von Konstantinopel ablösen und ersetzen. Mit dieser Verbindung von griechischem Kaisertum und orthodoxem Patriarchat in Moskau konnte der politische Auftieg des Russischen Reiches in Osteuropa fortgesetzt werden. Die russische Herrschaft war wie die byzantinische nur möglich durch die enge Kooperation (Symphonia) zwischen dem Kaiser und dem Patriarchen. Diese enge Verbindung blieb bis zum Anfang des 20. Jh. (Oktoberrevolution von 1917) bestehen und bahnt sich seit dem Ende der Sowjetunion 1991 auf neue Weise an.41
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Verfolgung der Häretiker und Hexen
Im späten Mittelalter gab es in vielen Regionen Europas soziale Protestbewegungen von Verarmten und Marginalisierten der Gesellschaft, viele dieser Bewegungen hatten einen religiösen Hintergrund. Zu dieser Zeit aber stützten die Bischöfe und Theologen fast geschlossen das feudalistische und hierarchische System der Gesellschaft. Sie sahen darin eine „göttliche Ordnung“ (lat. lex divina), die von menschlichen Gruppen nicht umgestoßen werden durfte. Deswegen wurden alle Personen und Gruppen, die eine Veränderung dieser Gesellschaftsordnung anstrebten, als „Häretiker“ eingestuft und und als „Ketzer“ verfolgt. Zu dieser Zeit hatten die Gerichte der kirchlichen Inquisition die Aufgabe, diese Häretiker und Ketzer in allen Regionen aufzuspüren, zu verurteilen und der staatlichen Todesstrafe zuzuführen. Hier arbeiteten die Fürsten (Könige, Kaiser, Fürsten, Grafen) und die höheren Kleriker (Bischöfe, Päpste, Theologen) eng zusammen, denn sie verteidigten gemeinsame Interessen und Privilegien. Sie waren bestrebt, alle häretischen Protestbewegungen zu unterdrücken und auszulöschen.1
Häresie und Inquisition Häresie (griech. hairesis) bedeutet die subjektive Auswahl von Lehren und Werten aus den Gesamtlehren der Kleriker und Theologen, die das Monopol der Weltdeutung beanspruchten. Nach der Überzeugung der Theologen wählten die „Häretiker“ nur einen Teil der göttlichen Wahrheiten aus und setzten diesen für absolut geltend. Sie nannten diese teilweise Auswahl aber einen „Irrtum“ (lat. error), und dieser habe nach göttlicher Weisung und Offenbarung unter den Menschen kein Existenzrecht. Denn der Irrtum provoziere den „Zorn Gottes“ (lat. furor Dei) über den Menschen, deswegen müsse er ausgelöscht werden. Hier wurde also magisch gedacht. Aber Ähnliches lehrten die römischen Jesuiten in ihrer Zeitschrift „Civilta cattolica“ noch im Jahr 1890: Die Anwesenheit der Juden in Europa entfache den Zorn Gottes, deswegen müssten diese aus Europa vertrieben werden.2 Theologische Denkmuster konnten sich also über viele Jahrhunderte halten und dann viel später in große politische Katastrophen führen. Seit dem vierten Laterankonzil (1215) wurden alle Fürsten, Könige und Kaiser, Bischöfe und Äbte bzw. Äbtissinnen und Grafen mit der Exkommunikation und dem Kirchenbann bedroht, wenn sie in ihren Herrschaftsgebieten die Ketzer und Häretiker
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nicht verfolgten. Die Päpste. die Kaiser und die Könige erließen folglich gemeinsam mit ihren Kanzlein mehrere Ketzergesetze. Darin wurde von den Fürsten gefordert, die Ketzer aufzuspüren und sie dann den kirchlichen Gerichten zu übergeben. Die Anklage vor diesen Gerichten konnte anonym erfolgen, zwei Zeugen genügten für einen Prozess und eine Verurteilung. Durch die Anwendung der Folter sollten die gewünschten Geständnisse erzwungen werden. Oft wurden den Angeklagten die Zungen abgeschnitten, damit sie die „Irrlehre“ nicht mehr verbreiten konnten. Doch nach ihrer Verurteilung wurden sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt.3 Papst Gregor IX. veröffentlichte 1234 eigene Ketzergesetze, danach mussten in allen christlichen Ländern sog. „Inquisitoren“ zur Aufspürung der Ketzer und Häretiker ernannt werden. Wenn die Angeklagten ihre Schuld eingestanden und bereuten, wurde ihr Leben geschont. Doch dann wurden sie zu Gefängnis, zu Fasten und Geißelung und zum Tragen gelber Kreuze auf den Kleidern verurteilt. Wenn sie aber ihre Schuld nicht eingestanden, weil sie oft den Sinn der Anklage gar nicht verstanden, wurden sie zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Denn das Feuer sollte die Irrlehre auslöschen und alle bösen Dämonen verbrennen oder vertreiben. Im Jahr 1252 führte der Papst Innozenz IV. die Folter zur Erzwingung von Geständnissen ein, und zwar in seiner Bulle „Ad exstirpenda“ . Damit sollten die Angeklagten solange körperlich gequält werden, bis sie Geständnisse ablegten. Als Foltermittel galten die Folterbank, brennende Kohlen, der Wippgalgen, den Gefolterten wurden alle Glieder ausgerenkt und meist die Geschlechtsteile zerstört.4 Die kirchlichen Gerichte sprachen über die Angeklagten das Urteil, dann übergaben sie diese dem „weltlichen Arm“ zur Vollstreckung des Urteils. Denn nach alter theologischer Lehre vergossen oder „tranken“ die Kleriker kein Blut (lat. ecclesia non bibit sanguinem). Die Güter der Verurteilten wurden zum Teil dem Gericht und zum Teil den Landesfürsten übergeben. In der Frühzeit waren die Inquisitionsgerichte auf Wanderschaft (Wandergerichte), sie hatten keinen fixen Ort. Später bekamen sie in den Städten feste Sitze und Orte. Die Richter waren Theologen (Dominikaner und Franziskaner) und Juristen, die das kirchliche Recht kannten. Vor die Inquisitionsgerichte kamen neben den „Irrlehren“ auch der Abfall vom wahren Glauben, Zauberei und Alchemie, öffentliche Gotteslästerung, männliche Homosexualität, sexuelle Riten der Fruchtbarkeit und Kindestötung. Auch die Juden wurden häufig bei der Inquisition angeklagt, und zwar wegen Brunnenvergiftung, wegen Ritualmord und wegen Hostienschändung. Alle christlichen Länder führten die Inquisition durch, allein in Skandinavien konnte sie nicht flächendeckend eingesetzt werden.5 Auch Robert Grosseteste lehrte, alles das sei eine Häresie, was gegen die Lehren der Bibel verstoße. Die Kleriker und Theologen bekämpften die magischen Riten, die Kunst der Wahrsagung, die Losdeutung, den Liebeszauber und den Schadenszauber. Sie unterstellten nun den „weisen Frauen“ (Mantikerinnen) der alten Volkskulturen, dass sie mit bösen Dämonen und mit Teufeln im Bunde seien. Wenn sie an geheimen Orten ihre alten germanischen, keltischen, slawischen, finn-ugrischen oder baltischen Riten ausführten, dann wurden sie von den Klerikern und Theologen verfolgt. Denn es ging um das Ritenmonopol der Kirchenleitung. Da sie bei diesen
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Riten der Fruchtbarkeit oder der Dämonenabwehr häufig auf erhöhten Holzgestellen oder auf Zäunen saßen, wurden sie von ihren Verfolgern „hagasuzza“ (die am heiligen Haag Sitzende) oder „zunrite“ (die auf dem Zaun Reitende) genannt. Aus der ersten Bezeichnung wurde das Wort „Hexe“. Diesen weiblichen Hexen wurde unterstellt, dass sie durch die Verbindung mit Dämonen und Teufeln den Menschen Böses, Krankheit und den frühen Tod bringen konnten. Deswegen wurden sie mit allen Mitteln verfolgt.6 Als wichtigste Häresien galten zu dieser Zeit die Auflehnung gegen die kirchliche Hierarchie und gegen die staatliche Ordnung, der Abfall vom wahren Glauben der Kleriker. Bereits im 13. Jh. verfassten Theologen Bücher über die Häresien und ketzerische Bewegungen und ihre Verfolgung. Der Dominikaner Bernard Gui schrieb im 14. Jh. ein Praxisbuch für die Inquisitionsgerichte (lat. Practica inquisitionis). Und Nikolaus Eymericus veröffentlichte ein Handbuch für die Inquisitionsrichter (lat. Directorium inquisitorum). Der deutsche Theologe Johannes Nieder schrieb im 15. Jh. ein großes Verfolgungsbuch „Formicarius“, in dem er alle Formen des „Götzendienstes“ und der Teufelsverehrung aufzeigte. Am 5. Dezember 1484 veröffentlichte der Papst Innozenz VIII. eine Bulle zur systematischen Verfolgung der Hexen und Zauberer in allen christlichen Ländern („Summis desiderantes“), die später „Hexenbulle“ genannt wurde. Er schrieb darin, die Irrtümer der Häretiker und Zauberer müssten „mit höchsten Gefühlen“ (lat. summis affectibus) und „mit blindem Glaubenseifer“ (lat. zelo fidei) ausgerottet werden.7 Weiter schrieb der Papst in seiner Bulle, es sei ihm aus vielen Teilen Germaniens gemeldet worden, dass viele Personen beiden Geschlechts und das eigene Seelenheil vergessend vom katholischen Glauben abwichen, ja dass sie sich sexuell mit weiblichen Dämonen (lat. succubis) und mit männlichen Teufeln (lat. incubis) vereinigten. Diese Personen singen magische Gesänge und Lieder, sie schwören verbotene Eide und geben sich dem verbrecherischen „Aberglauben“ (lat. superstitium) hin. Sie geben Weissagungen von sich und machen sich vieler Verbrechen schuldig. Sie töten nämlich die Leibesfrucht der Frauen, zerstören Weingärten durch Hagelschlag, schädigen Haustiere und Menschen, sie machen Äcker, Wiesen und Weiden unfruchtbar. Außerdem fügen sie den Haustieren und den Menschen viele Krankheiten und Leiden zu, sie verhindern die sexuelle Vereinigung der Eheleute. Mit sakrilegischen Worten verfluchen sie ihre Taufe, sie seien Verbrecher gegen die Menschheit und dächten nicht an die Rettung ihrer Seelen. Der Papst ernannte zwei Dominikaner zu Inquisitoren für die deutschen Länder, nämlich Heinrich Institoris und Jacob Sprenger. Daher mussten sie überall im Land die Zauberer und Hexen aufspüren und vor die kirchlichen Gerichte bringen.8 Der Papst schrieb weiter, die Landesfürsten und Bischöfe dürften die Arbeit der Inquisitoren nicht behindern. Die Angeklagten müssten eingekerkert, gestraft und „übel zugerichtet“ (lat. mulctare) werden. Die Verurteilten müssten dann dem weltlichen Arm zur Bestrafung im Feuer übergeben werden. Schon drei Jahre später verfasste die beiden Inquisitoren das große Verfolgungsbuch gegen Hexen und Zauberinnen, den sog. „Hexenhammer“ (lat. Malleus maleficarum). In diesem Buch ist
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nur mehr von weiblichen Hexen und Zauberinnen die Rede, doch der Papst hatte noch von Hexen und Zauberern beiden Geschlechts gesprochen. Das Werk ist in lateinischer Sprache verfasst und wurde für 260 Jahre zum großen Verfolgungsbuch für Hexen und Zauberinnen in ganz Europa. Es erlebte 30 Druckauflagen und wurde vor allem von Richtern, Bischöfen, Landesfürsten, Juristen und Notaren benutzt.9 Der Papst beschrieb in seiner Bulle, was ihm Theologen und Prediger über ihre Boten nach Rom gemeldet hatten. Da ist von Zauberern und Hexen die Rede, die magische Gesänge singen, ihre Taufe verfluchen und sich mit bösen Dämonen verbinden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich im 15. Jh. an vielen geheimen Orten noch alte keltische, germanische, slawische, finn-ugrische und baltische Riten der Fruchtbarkeit und der Dämonenabwehr halten konnten, dass Christen ihre Taufe verfluchten und bei der Verehrung ihrer alten Schutzgötter blieben. Dasselbe berichteten zu dieser Zeit ja auch Theologen und Kleriker der russischen und slawischen Ostkirche. Die Anhänger der alten Kulte wurden nun von den Verfolgern „Hexen“ genannt, und sie wurden für alle Nöte und Schäden der Menschen verantwortlich gemacht; nämlich für Missernten und Hagelschlag, für Krankheit und Tierseuchen, für Totgeburten, sexuelle Impotenz und Unfruchtbarkeit beider Geschlechter. Nach der Lehre der Kleriker und Theologen erzürnten diese alten Riten der Volkskulturen den christlichen Weltgott (lat. furor Dei), sodass er die Menschen mit schweren Strafen züchtigte. Deswegen mussten diese alten Riten und ihre Anhänger, die Hexen und Zauberer, ausgelöscht werden. Ähnlich dachten noch viele Theologen im 19. und im 20. Jh. im Bezug auf die Juden. Von Zeit zu Zeit predigten die Kleriker und Theologen, dass auch die Juden durch ihre Lebensform den „Zorn Gottes“ auslösten und dass dadurch viele göttliche Strafen zu den Menschen kämen. Dieses mythische und magische Argument vom Zorn Gottes benutzten die angeblich aufgeklärten Jesuiten in ihren Zeitschriften noch um 1890, und noch im zweiten Weltkrieg war es von vielen Predigern zu hören.10
Soziale Protestbewegungen So wie die Katharer in Südfrankreich durch die Kriegsheere der Fürsten und der Bischöfe weitgehend ausgerottet wurden, so sollten auch alle weiteren Protestgruppen gegen die „göttliche Ordnung“ der feudalistischen und hierarchischen Gesellschaft in den christlichen Ländern ausgelöscht werden. Nun gab es im späten Mittelalter aber viele eschatologischen Bewegungen, die wegen der bösen Zustände in der Welt, vor allem wegen der Spaltung der Kirchenleitung (Schisma), das baldige Ende der Welt erwarteten. Die Anhänger des Joachim von Fiore (gest. 1202) wurden Joachimiten genannt. Sie glaubten noch lange Zeit, dass bald ein „drittes Weltzeitalter“ des Heiligen Geistes kommen werde. Dann aber werde das Evangelium Christi in einer neuen Weise durch Versinnlichung gelebt, eine neue „Kirche des Geiste“ werde die alte Kirche des Fleisches ablösen. Zuerst wurde diese Lehre von einigen Bischöfen und Päpsten sogar begrüßt. Doch im Jahr 1254 wurde sie von der päpstlichen Kanzlei
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als häretisch verurteilt. Die Ideen dieser Bewegung lebten noch lange Zeit weiter, vor allem im Orden und in der Spiritualiät der Franziskaner.11 Auch der Franziskaner Pierre de Jean Olieu (Petrus Olivi, gest. 1298) hatte eschatologische und apokalyptische Lehren verbreitet. Um ihn scharten sich viele Laienchristen, vor allem Beginen, die eine vertiefte Spiritualität des Glaubens leben wollten (lat. spirituales). Sie lebten asketisch und erwarteten den „Antichrist“ und danach das baldige Weltende. Aber der „Kirche des Fleisches“ wollten sie entkommen. Nun suchten die Beginen und die Spiritualen eine Kirche der Armen, folglich kritisierten sie die großen Besitztümer der Bischöfe und der Klöster. Papst Johannes XXII. ließ sie bereits als Ketzer verfolgen, vier Franziskaner wurden in Marseille auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt. In Italien hatten sich die „Fraticelli“ mit den Armen solidarisiert, auch sie wurden als Häretiker verfolgt. In Parma bildete sich die Gruppe der „Apostoliker“ (lat. apostolici), sie wollten wie zu Anfang der Kirche apostolisch leben. Bei ihnen sollten die Frauen die gleichen Rechte wie die Männer haben.12 Die Apostoliker verstanden sich als die Vorhut einer neuen Kirche und Gesellschaft, doch sie wurden von den Klerikern und Theologen als Häretiker eingestuft und verfolgt. Papst Clemens V. rief sogar zu einem Kreuzzug der Fürsten gegen diese Bewegung der Laienchristen auf, denn die Gleichheit der Geschlechter durfte es vor Gott nicht geben. In Perugia bildete sich eine Bewegung der „Geißler“ (lat. flagellanti, disciplinati, battuti), sie wollten die Leiden Christi möglichst wirklich nacherleben und verbreiteten sich bald über ganz Europa. Sie waren überzeugt, dass die Lossprechung von den Sünden auch durch Laienchristen erfolgen könne, damit rüttelten sie am Beichtmonopol der Kleriker. Aus diesem Grund wurden sie als Häretiker eingestuft und mussten von den Fürsten verfolgt werden. Eine mystische Laienfrömmigkeit bildeten die Beginen, die hauptsächlich von Frauen geprägt wurden. Doch auch sie hatten männliche Berater und Beichtväter. Sie verbanden sich mit den Begarden (Männer), die eine neue Spiritualität des Glaubens leben wollten. Auch hier sollten Frauen alle liturgischen Funktionen ausüben können, der Ausschluss der Frauen aus der Ritenspendung der Klerikerkirche wurde nicht akzeptiert. Die Beginen und Begarden hielten ihre Gottesdienste bereits in den Volkssprachen, was die Bischöfe schnell verboten hatten. Denn die Lehren des Evangeliums sollten nicht ohne klerikale Zensur unter das Volk kommen, das wäre viel zu gefährlich für die feudalistische Ordnung der Gesellschaft. Grundsätzlich wollten sich die Kleriker ihre Herrschaft über die Laienchristen nicht entreißen lassen.13 Dann gab es zu dieser Zeit verbreitet die Brüder und Schwestern des „Freien Geistes“, welche die strengen Regeln der katholischen Sexualmoral nicht befolgen wolltgen. Sie konnten und wollten nicht glauben, dass sexuelle Beziehungen außerhalb der gesegneten Ehe eine „Sünde“ seien. Außerdem wollten sie durch mystische Meditation mit Gott eins werden, ohne auf die Sakramente der Kleriker angewiesen zu sein. Einige dieser Bewegung kehrten zum Gehorsam unter die Kleriker zurück. Die dies aber nicht taten, wurden als Häretiker verfolgt und ausgelöscht. Die Bibel durfte nicht in den Sprachen des Volkes gelehrt und übersetzt werden, denn die Lebensordnung der frühen Kirche hätte die gesamte hierarchische Gesellschaft um-
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stürzen können. Die Kleriker ahnten seit langem, welche verändernden Kräfte vor allem im Neuen Testament lagen.14 In Lyon hatte der Kaufmann Pierre Vaudes (Petrus Valdes) eine Laienbewegung ausgelöst, die ebenfalls gemäß dem Evangelium leben wollte. Alle diese Bewegungen mussten durch Prediger von den Lebensformen der frühen Christen gehört haben, denn selbst hatten ja sie keinen Zugang zur Bibel. Die Bewegung des Petrus Valdes wollte den Besitz gleichmäßig unter alle Mitglieder verteilen, da es in der Urkirche zu Jerusalem den gemeinsamen Besitz gegeben habe. Die Frauen wurden den Männern gleichgestellt, sie konnten alle Gottesdienste leiten und die Sakramente spenden. Diese Laienchristen („Waldenser“) spendeten sich gegenseitig das Sakrament der Sündenvergebung und der Buße. Sie brauchten also keine Kleriker für das christliche Leben. Die Bischöfe von Turin und Susa verfolgten diese Bewegung mit der Inquisition. Doch viele Mitglieder konnten in die Alpentäler flüchten, wo sie bis heute überlebt haben. Im 15. Jh. riefen die Bischöfe zu einem Kreuzzug gegen die Waldenser auf, sie sollten in ganz Europa ausgelöscht werden. In Böhmen unterstützten die Waldenser die Reformbewegung der Hussiten, die vom Theologen Johannes Hus ausgelöst wurde und ähnliche Ziele verfolgte. Die Waldenser verbanden sich kurzzeitig mit den „Mährischen Brüdern“, im Jahr 1532 schlossen sie sich der Reformation Martin Luthers an.15 Im 15. Jh. nahmen die Laienbewegungen in ganz Europa stark zu, sie trugen vor allem den sozialen Protest gegen die Feudalordnung der Gesellschaft, die von den mittleren und unteren sozialen Schichten als ungerecht empfunden wurde. Diese Proteste wurden fast immer mit religiöser Motivation verbunden, weil die Religion den Menschen ja soziale Gerechtigkeit versprach. Vor allem in den Städten hatte die soziale Mobilität der Bevölkerung zugenommen, die alten Ordnungen wurden von aufstrebenden Bürgern, aber auch von sozialen Randgruppen nicht mehr akzeptiert. Oft haben Theologen, welche die Lebensordnung der frühen Kirche kannten, diesen Protest und diese Ungerechtigkeit thematisiert. So lehrte in England der Theologe John Wyclif (gest. 1384) eine neue und geistige Kirche, die vor allem von den Laienchristen getragen werden sollte. Dort sollte die Bibel von allen Christen in der Volkssprache gelesen werden können. Deswegen übersetzte er Teile der Bibel (des Neuen Testaments) in die englische Sprache, was die Bischöfe bisher strikt verboten hatten. Er hielt sich nicht an das Verbot der Bischöfe und lehrte, bei der Feier der Eucharistie sei nur die „geistige Gestalt“ Christi im Brot und im Wein gegenwärtig, nicht sein leidener Körper. Und es finde keine Substanzveränderung (lat. transsubstantiatio) des Brotes und des Weines statt. Nach seinem Tod führten seine Schüler seine englische Bibelübersetzung weiter. In der Folgezeit relativierten sie alle Sakramente der Kleriker. Sie lehnten die magische Verehrung der religiösen Bilder ab und nahmen nicht mehr an den Wallfahrten zu den heiligen Orten teil. Einige seiner Schüler lehnten das besondere Priesterum der Kleriker ab. Sie sprachen bereits von einem „allgemeinen Priesterum“ aller Laienchristen, der Männer und der Frauen.16 Doch John Wyclif wollte wie vor ihm Wilhelm von Ockham die politische und moralische Gewalt der Fürsten gegen die Bischöfe und Kleriker stärken. So lehrte er,
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die Fürsten könnten durch ein spirituelles Dominium moralisch unwürdigen Klerikern die Benefizien entziehen. Und die Könige könnten sogar Päpste von ihrem Amt absetzen, wenn diese in ihrer Lebensform von den Lehren des Evangeliums abwichen. Wir erkennen hier deutlich ein moralisches Kriterium für religiöse Lehren, das auf ihre Prediger und Verkünder angewandt werden sollte. Die weltliche Autorität der Fürsten sei ein notwendiges Hilfsmittel (lat. remedium) gegen die Erbsünde der Menschen, sie könne von den Klerikern in keiner Weise eingeschränkt werden. Zu dieser Zeit war es in England zu mehreren Bauernaufständen gegen ihre Feudalherren gekommen. Und es entstand die Reformbewegung der „Lollarden“ (Vagabunden), die vor allem die großen Besitztümer der Kleriker, der Bischöfe und Klöster kritisierten. Denn dieser Besitz störe den göttlichen Geist und die moralischen Tugenden. Auch die Kleriker, die Mönche und Nonnen sollten heiraten und Kinder haben, wenn sie es wollen, denn das Eheverbot führe zu vielen sexuellen Lastern. Die Riten der Kleriker seien „Aberglauben“ (lat. superstitium), sie seien zum Heil der Seelen gar nicht notwendig. Hier drehten die Kritiker in der Argumentation gegen die Kleriker und Theologen den Spieß um, sie bestätigten den Fürsten und Königen alle Macht über die Bischöfe, Äbte und Theologen. Die Gebete für die Toten, die Wallfahrten zu heiligen Orten und die Predigten zum Ablasskauf von Sündenstrafen sollten beendet werden, denn diese stünden im Widerspruch zu den Lehren der Bibel, vor allem des Neuen Testaments. In der Politik der Fürsten sollten die Kriege überwunden werden, denn sie entsprächen nicht den Lehren Jesu und der frühen Kirche. Für diese Laienchristen war bereits die Bibel die alleinige Autorität (lat. sola scriptura) für die Lebensgestaltung der Glaubenden.17 Die Lollarden forderten bereits die Säkularisation des gesamten Vermögens der höheren Kleriker und der Klöster, was aber im Parlament keine Mehrheit fand. Doch den Bischöfen und Theologen gelang es, die Lollarden als Häretiker zu verurteilen (1401) und zu verfolgen. Unter ihnen schmiedete der Adelige John Oldcastle ein Komplott gegen den König, denn er wollte diesen und die Bischöfe entmachten und mit anderen Adeligen und dem Parlament die Herrschaft ausüben. Er wollte die Kleriker zu manueller Arbeit zwingen, damit sie näher beim Volk seien. Doch das Komplott wurde verraten und von den Truppen des Königs niedergeschlagen. Trotzdem verbreiteten sich die Ideen der Lollarden im Volk schnell weiter. Sie waren der Überzeugung, die Bibel allein sei für ein moralisch gutes Leben ausreichend, Priester, Bischöfe, Kleriker und ihre Sakramente seien für ein gutes Leben unnütz und überflüssig. Die Gesetze des Staates sollten sich an die Vorgaben der Bibel, vor allem des Neuen Testaments halten.18 Die Lollarden waren überzeugt, dass die Laienchristen selbständig und irrtumsfrei die Wahrheit der Bibel erkennen könnten. Die wahre Kirche Christi brauche keine Bilder und keine Wallfahrten, keine Kleriker und keine Klöster, keine Riten und Sakramente, auch keine Heiligenverehrung und keine Eide vor Gott. Die Kriege und die Todesstrafe sollten überwunden werden. So hatte der Bischof Reginald Pecock die Lehren der Lollarden zusammengefasst, sie hatten sich unter einigen Bürgern der Städte verbreitet, aber nicht bei den Adeligen, denn diese fürchteten um ihre
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politischen und steuerlichen Privilegien. John Purcey war ein Schüler von John Wyclif, er hatte bereits die ganze Bibel ins Englische übersetzt. Insgesamt haben die Lollarden die späteren Kirchenreformen und die Reformation in Schottland und in Wales vorbereitet.19
Der Kampf der Hussiten Eine starke Protestbewegung gegen die feudalistische Gesellschaftsordnung lösten in Böhmen die Hussiten aus, die den Lehren des Prager Theologen Johannes Hus (gest. 1415) folgten. Er hatte in England studiert und verbreitete nach seiner Heimkehr nach Prag dort die Ideen und Schriften des John Wyclif. Auch er strebte eine national geprägte Gemeinschaft von Christen an, die nach den Vorgaben des Evangeliums leben sollten. Deswegen kritisierte er die Unmoral und die großen Besitzungen der höheren Kleriker. Wegen dieser Kritik entzog ihm der Erzbischof von Prag die Predigterlaubnis. Seine Bücher, die er verfasst hatte, wurden öffentlich verbrannt, er wurde mit Geleitschutz des Königs Sigismund zum Konzil nach Konstanz geladen. Dort wurde er wegen seiner Lehren zum Ketzer verurteilt und auf dem Domplatz öffentlich verbrannt. Das war nun ein politischer Kampf der höheren Kleriker gegen ein autonom werdendes Laienchristentum. Denn J. Hus und seine vielen Anhänger glaubten, dass die Laienchristen den Klerikern nur dann den Gehorsam schuldeten, wenn diese gemäß dem Evangelium lebten. Scharf kritisierte der Prager Theologe die höheren Kleriker, die Bischöfe und Äbte, die aus der Sakramentenspendung großen Gewinn zogen und dann dem Stolz der Reichen schmeichelten. Vielmehr sollten alle Christen ihr Leben nach den Vorgaben der Bibel ausrichten, die ihnen aber sachkundig gepredigt werden müssen. Daher sei die an der Bibel orientierte Predigt viel wichtiger als die Spendung der Sakramente und die Liturgie der Kleriker. Was mit den Lehren der Bibel nicht im Einklang sei, müsse aus den Lehren des Glaubens ausgemerzt werden (lat. sola scriptura). Die guten Werke der Nächstenhilfe aber seien für das Heil der Seelen notwendig, auch die Heiligen sollten als moralische Vorbilder verehrt werden. Der Primat des Papstes über den Bischöfen sei aber nicht göttlichen Ursprungs, der Bischof von Rom habe nur einen Ehrenvorrang vor den anderen Bischöfen der Christenheit. Da die wahre Kirche Christi unsichtbar sei, könne die römische Kirche nicht den Anspruch erheben, die allein wahre Kirche zu sein.20 So hatte Jan Hus öffentlichen Protest gegen den Ablasshandel des Papstes erhoben. In Prag wurde in mehreren Kirchen die Kommunion unter den Gestalten von Brot und Wein eingeführt (lat. sub utraque spezie), obwohl der Wein für die Laienchristen verboten war. Die Anhänger dieser neuen Form der Liturgie wurden „Utraquisten“ genannt, für sie sollten die Kleriker vor den Laienchristen bei der Feier der Eucharistie keinen Vorrang mehr haben. Alle Getauften, Männer und Frauen, sollten auch den Kelch empfangen. Diese Ideen und Überzeugungen hatten sich in Prag und in vielen Regionen Böhmens schnell verbreitet. Daher war der Schock der Bevölkerung groß, als die Nachricht verbreitet wurde, Jan Hus sei auf dem Konzil der Bischöfe als
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Ketzer verbrannt worden. Es kam zu Wellen des Protests im ganzen Land und der verbrannte Ketzer wurde zu einem Martyrer des wahren Glaubens und zu einem nationalen Helden. Nun erhoben sich tschechische Bauern und Stadtbewohner gegen den Papst und gegen ihren König. Aber im Land dominierten die deutschen Siedler. Deswegen stellten sich die tschechischen Adeligen mehrheitlich hinter die Anhänger des Johannes Hus, sie bildeten eine „Hussitenliga“, welche die Reformprediger schützen, aber gleichzeitig die Privilegien des Adels verteidigen sollte.21 Als Antwort auf diese Aufruhr im Land riefen der Papst und der König zu einem Kreuzzug gegen die Hussiten auf, doch wurde eine kurzzeitige Einigung mit den Aufständischen möglich. Dabei wurde nämlich vereinbart, dass die Bibel in ganz Böhmen in tschechischer Sprache gepredigt werden darf, dass alle Laienchristen bei der Eucharistie den Kelch bekommen und dass die kirchlichen Güter von einer Kommission von Adeligen und Bürgern verwaltet werden. Außerdem sollte in den Städten und Dörfern eine „Sittenkommission“ über die Einhaltung der biblischen Gebote wachen. In der Folgezeit aber spalteten sich die Hussiten in eine tolerante Richtung (Calixtiner) und in einen fanatischen Zweig (Taboriten). Die zweiten lehnten alle Riten der Kirche ab. Und sie forderten, Männer und Frauen sollten die Vollmacht bekommen, das Evangelium zu predigen. Alle sollten sich an der Lebensform der Urkirche orientieren. Schließlich lehnten die Taboriten sogar die Herrschaft und die Gerichte des Königs ab. Unter der Führung des früheren Priesters Prokop organiserten sie ein starkes Kriegsheer.22 Die radikalen Taboriten wollten sogar das Privateigentum aufgeben und in einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern leben. Doch in der Folge kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den kompromissbereiten Calixtinern, bei denen die Taboriten besiegt wurden. Doch ihre radikale Bewegung ging im Volk weiter, aus ihr entstanden die gewaltfrei und pietistisch orientierten „Böhmischen Brüder“. Nun hatte sich das Königreich Böhmen mehrheitlich von der Kirche der Bischöfe und Kleriker losgesagt. Aber die Calixtiner bauten keine eigene Kirchenordnung und Hierarchie auf, sondern verständigten sich mit den verbliebenen Bischöfen. Zu dieser Zeit gab es in Böhmen noch andere Protestgruppen, etwa die Pikarden und die Adamiten, welche die freie Liebe zwischen den Geschlechtern lebten und sich im Sommer nackt in der Öffentlichkeit zeigten. Der König und der Papst hatten große Kriegsheere aufgestellt und fünf „Kreuzzüge“ gegen die Hussiten und ihre Sympathisanten geführt. Doch danach kam es zu Verhandlungen und zu partiellen Einigungen. In den Verträgen von Iglau (Compacta) wurde von den Bischöfen den Hussiten der Laienkelch zugestanden, doch die Predigterlaubnis musste bei den Klerikern bleiben. Auch mussten die geraubten Kirchengüter den Bischöfen und Klöstern zurück gegeben werden.23 Der Papst hatte diesem Kompromiss nicht zugestimmt, aber auch die Hussiten waren damit nicht zufrieden. So konnten in Böhmen die religiösen und die politischen Protestbewegungen weiterleben, sie richteten sich gegen die Monopolansprüche der Kleriker, gegen den Reichtum der Klöster und der Bischöfe und gegen die Unmoral vieler Prediger. Zu den Zielen dieser Bewegung gehörten die Aufwertung der Lai-
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Verfolgung der Häretiker und Hexen
enchristen, der Männer und der Frauen, die Orientierung des Lebens an den Vorgaben der Bibel, die Verringerung der sozialen Ungerechtigkeit und die moralische Vervollkommnung aller Christen. Diese Reformziele verstummten in Mitteleuropa und in Westeuropa nicht mehr, bis sie im 16. Jh. im benachbarten Kurfürstentum Sachsen die Unterstützung des Kurfürsten Friedrich des Weisen fanden und damit in die große Kirchenreformation einmündeten.24
Die Lehren der Inquisitoren Die wichtigsten Lehren der Inquisitoren sind im „Hexenhammer“ (lat. Malleus maleficarum) der beiden Dominikaner Heinrich Institoris und Jacob Sprenger umfassend und übersichtlich dargestellt. Es handelt sich dabei nicht um ein „übles Machwerk“, wie viele Theologen heute zu sagen pflegen, sondern um einen scholastischen Traktat und um ein Grundwerk der scholastischen Theologie, das über 300 Jahre Gültigkeit hatte. Denn darin werden die Lehren der wichtigsten Theologen zu dieser Frage zusammengefasst, wobei Thomas von Aquin als höchste Autorität gesehen wurde. Der erste Teil des Traktats handelt über den Umgang von Menschen mit bösen Dämonen. Auf die Darlegung der Frage (lat. quaestio) folgt zuerst deren Widerlegung (lat. sed contra), und daraus wird die richtige Schlussfolgerung gezogen (lat. conclusio). Im Traktat wird behauptet, dass die bösen Dämonen tatsächlich existierten und dass sie über Körper, Tiere und Menschen Macht ausübten. Weil das so ist, gibt es viele Menschen, die mit bösen Dämonen Umgang pflegen und sich mit ihnen sogar verbünden. Da diese Menschen, Zauberer und Hexen, eine ständige Gefahr für ihre Mitmenschen darstellten, müssten sie von der Inquisition ausgeforscht und von der weltlichen Macht vernichtet werden.25 Dann wird geschildert, was die bösen Dämonen bei den Menschen durch Zauberinnen und Hexen (lat. maleficae) Böses bewirken können. Sie können die Männer sexuell impotent und die Frauen lustlos und frigide machen, sie können auf vielfältige Weise Leben zerstören. Auch Naturwunder können sie vollziehen, vor allem können sie ihre Mitmenschen krankmachen. Denn die Zauberinnen und Hexen schließen immer ein Bündnis mit den bösen Dämonen und Teufeln, einen „Teufelsbund“. Damit sind sie diesen total ergeben. Mit dem „bösen Blick“ können sie Mitmenschen und Tiere schädigen, ja sogar töten. In beiden Geschlechtern können sie wilde sexuelle Begierde („Liebeswahn“) wecken. Nun können die Dämonen sowohl männliche Körperform (lat. incubus) als auch weibliche Gestalt (lat. succubus) annehmen, und sie können sich dann mit Frauen und mit Männern wahllos sexuell paaren. Aus diesen Verbindungen würden dann „Teufelskinder“ geboren. So hätten sich die Hexen und Zauberer mit Leib und Seele den bösen Dämonen verschrieben, dem christlichen Gott aber hätten sie abgeschworen.26 Folglich könnten die bösen Dämonen den Frauen den Samen von fremden Männern einflößen, sodass sie fremde Kinder gebären. Sie schickten beiden Geschlechtern die wilde sexuelle Begierde, die deren Seelen zerstöre. Dann wird im Traktat der Frage nachgegangen, warum vor allem die Frauen für den Pakt mit dem Teufel
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und den bösen Dämonen anfällig sind. Dafür fassen die beiden Autoren nun alles zusammen, was die Theologen Negatives über die Frauen gelehrt haben und noch immer lehrten. Sie sagen, die Frauen seien ein „gebrechliches Geschlecht“, das nie das rechte Maß der Männer einhalten könne. Das stehe schon in der Bibel und bei den Kirchenvätern. So nannte Johannes Chrysostomos die Frauen „Feindinnen“ der Freundschaft zwischen Männern. Sie seien für die Fortpflanzung der Menschen ein „notwendiges Übel“, für die Ehemänner seien sie eine „unentrinnbare Strafe“ Gottes, und für alle Männer seien sie eine „Versuchung der Natur“. Aber gleichzeitig seien sie ein „Mangel der Natur“, weil ihnen das männliche Zeugungsglied fehle, das habe schon Aristoteles gesagt. In den Sippen und Familien seien die Frauen eine „häusliche Gefahr“ und ein „wünschenswertes Unglück“.27 Wir kennen aus keiner anderen Kultur, weder in Asien noch im Islam, ein ähnliches Zeugnis von geballtem Frauenhass durch asketische Männer, wie die beiden Dominikaner ihn zusammengestellt haben. Sie müssen ihn in ihren Klöstern durch Jahrhunderte gelernt und internalisiert haben. Die Autoren fahren in ihrem Traktat fort, das Weib und die Begierden des Fleisches seien für die Männer bitterer als der Tod. Denn die Frauen seien mit geringem Verstand ausgestattet, sie hätten eine schlüpfrige Zunge. Auf ihnen laste der „Fluch Evas“, daher seien sie durch und durch unvollkommene Wesen. Folglich sei es leicht verständlich, dass es in vielen Ländern so viele Hexen und Zauberinnen gäbe, die nun konsequnt verfolgt und ausgelöscht werden müssten. Die erste Menschfrau Eva habe den ersten Menschenmann Adam zur Sünde verführt, nicht der Teufel habe das getan. Die Erbsünde komme durch die Frauen zu den Männern. Daher sei die Öffnunng des weiblichen Schoßes unersättlich, aus diesem Grund verlangten die Hexen nach männlichen Dämonen als Sexualpartnern. Dann träumen die beiden Dominikaner von einer schönen Welt ohne Frauen, wie sie es in ihren Klöstern durch Jahrhunderte gelernt hatten.28 Danach wird geschildert, was die Hexen und die dämonischen Frauen bei den Mitmenschen auslösen können. In den Männern können sie eine unbezähmbare sexuelle Begierde wecken (Liebeszauber), aber sie können anderseits die Männer sofort sexuell impotent machen (Schadenszauber). Oder sie wecken bei den Männern die Vorstellung, ihre Geschlechtsorgane seien nicht mehr an ihrem Körper (Kastrationsangst). Diese Vorstellungen hatten die Mönche wohl lange Zeit in ihren Klöstern geübt, um sexuell asketisch leben zu können. Dann sagen sie, die Hexen könnten sich in Tiergestalt verwandeln, sie könnten Frauen unfruchtbar machen, Frühgeburten oder Fehlgeburten bewirken und neugeborene Kinder töten. Auf den Höfen der Bauern schädigen die Hexen und Zauberinnen die Feldfrüchte und die Haustiere, die Weinberge und die Viehweiden, denn sie seien „Werkzeuge des Teufels“. Besonders die schönen Frauen seien den Männern gefährlich, weil sie bei diesen den „Liebesrausch“ auslösen können.29 In der Folge könnten die Hexen viele heilige Ehen zerstören, sie könnten die sexuelle Vereinigung der Ehepartner verhindern. Denn auf Wunsch der dämonischen Frauen legen sich männliche und weibliche Dämonen zwischen die Ehepartner, sodass sich diese nicht mehr paaren können. Die Hexen bringen die männlichen
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Zeugungsglieder zum Erschlaffen, sodass kein Same mehr fließen kann. Die Frauen fänden dann ihre Ehemänner abstoßend und könnten keinen Samen mehr in sich aufnehmen. Deswegen blieben die Ehen kinderlos. Bei vielen Männern lösten die Hexen die Kastrationsangst aus, denn sie glaubten, dass ihre Sexualorgane nicht mehr an ihrem Körper seien. Doch wenn sie dann hingreifen, merken sie, dass sie immer noch da sind. Diese Angst dürfte bei Asketen und Mönchen weit verbreitet gewesen sein, die Ursache wird nun den Hexen unterschoben. Von ihnen wird weiter gesagt, dass sie auf bösen Dämonen durch die Luft reiten können (Hexenritt) und weite Strecken zurücklegen.30 Weiter behaupten die beiden Inquisitoren, dass die Hexen und dämonischen Frauen andere Frauen unfruchtbar machen können, dass sie neugeborene Kinder töten und den Dämonen als Opfer darbringen (Kinderopfer). Dieser Vorwurf wurde vor allem gegen die kräuterkundigen Frauen, die Heilerinnen und Hebammen erhoben; er wurde zu dieser Zeit auch den Juden unterstellt. Die beiden Dominikaner forderten die Prediger auf, überall in ihren Ländern mit Glaubenseifer gegen die Hexen und dämonischen Frauen vorzugehen und diese auszuforschen, denn sie verdienten die strengsten Strafen. Der II. Teil des Traktats befasst sich mit den Arten und den Wirkungen der Hexerei und der Zauberei, sowie mit den Schutzmethoden und dem Gegenzauber der gläubigen Christen. Diese sollten immer die guten Lichtengel Gottes anrufen und sich unter ihren Schutz stellen (Schutzengel), dann könnten ihnen die bösen Dämonen nichts anhaben. Zur Kastrationsangst der Mönche merken die beiden Dominikaner an, dass viele Mystiker im Traum die symbolische Kastration durch einen Feuerengel Gottes erlebt hätten. In der Folge hätten sie keine sexuellen Bedürfnisse mehr verspürt und konnten in Reinheit und Keuschheit leben.31 Der III. Teil des Traktats bildet den Kriminalkodex, hier wird über die Arten der Verfolgung, der Bestrafung und der Ausrottung der Hexen und dämonischen Frauen gesprochen. Alle Hexen und Zauberer müssen vor die kirchlichen Inquisitionsgerichte, denn sie müssen zu ihrem „Seelenheil“ bestraft und getötet werden. Nun müssen sich alle christlichen Länder der Hexen und Zauberinnen entledigen, das hätten die Theologen Thomas von Aquin, Albert von Lauingen und Bonaventura gelehrt. Und Augustinus habe gesagt, es sei besser, zu sterben, als vom wahren Glauben abzufallen. Jeder Prozess begann mit einer Anklage oder mit zwei anonymen Zeugenaussagen. Zwei Zeugen genügten für einen Schuldspruch, ihre Namen konnten geheim bleiben. Auch Verbrecher und Verfemte waren als Zeugen zugelassen.32 Danach werden die Verhörmethoden dargelegt, nämlich die Art der Einkerkerung und die „peinliche Befragung“ (Folter). Bei der Folter mussten die Frauen entkleidet werden, es wurden ihnen alle Körperhaare abrasiert oder mit Feuer abgebrannt, damit dort keine Amulette versteckt werden konnten. Die Notare und Richter sollten während der Folter geweihtes Salz zu sich nehmen, um gegen die Macht der bösen Dämonen geschützt zu sein. Die Folterverhöre sollten an den heiligen Tagen oder an Freitagen angesetzt werden. In den Kirchen sollte gleichzeitig das Messopfer gefeiert werden. So wurde der Kreuzestod Jesu zur Legitimation für die Folter der Hexen, aber auch für die Verfolgung der Juden benutzt. Auch die Progrome begannen fast
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immer an Freitagen, den Todestagen Jesu. Im nächsten Abschnitt wurden die Arten des Urteils dargelegt und vorformuliert. Die Prozesse endeten bei Leugung der Hexerei immer mit Schuldspruch und der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Viele der angeklagten Frauen dürften den Sinn der Anklage gar nicht verstanden haben.33 Nun gaben die Hexenprozesse vielen Männern die Möglichkeit, ihre Frauen der Hexerei anzuklagen und sich ihrer zu entledigen, da die Kleriker die Trennung und Scheidung nicht erlaubten. Die kirchlichen Richter übergaben die verurteilten Hexen dem weltlichen Arm zur Vollstreckung der Todesstrafe. Seit dem vierten Laterankonzil waren die Fürsten und Könige verpflichtet, die Inquisition in ihren Ländern durchzuführen und die verurteilten Ketzer, Häretiker und Hexen zu töten. Pro forma baten die geistlichen Richter die Träger der staatlichen Gewalt, das Leben der Verurteilten zu „schonen“. Dieser juristische Formalismus zeigt die Denkart der Kleriker und Theologen, die damit alle Schuld an der Tötung von Mitmenschen von sich wiesen. Die beiden Dominikaner fassten nur die gültigen Lehren der Hexenverfolgung und des Frauenhasses der Kleriker zusammen, sie schufen nichts Neues.34 Erstaunlich ist allerdings, dass im 16. Jh. auch protestantische Länder dieses Verfolgungsbuch übernommen und benutzt haben. Denn sie waren an die päpstlichen Bullen und Beschlüsse nicht mehr gebunden. Für sie war die Inquisition jetzt Reichsrecht (Carolina) und Fürstenrecht geworden. Erst den Denkern der europäischen Aufklärung ist es auf mühsame Weise und vor allem durch Geheimorganisationen (Freimaurer, Illuminaten) gelungen, die Verfolgung der Hexen, die Inquisition und die Folter auch politisch zu beenden. Im Grunde ist die Verfolgung der Häretiker, der Ketzer und der Hexen seit dem politischen Monopolanspruch des Reichschristentums (ab 380) schon gegeben. Dieser Monopolanspruch konnte nur von den Fürsten und den höheren Klerikern gemeinsam durchgesetzt werden. Damit ist die Geschichte der einheitlichen christlichen „Reichsreligion“ auch eine Geschichte von unzählbaren Menschenopfern. Dies sollten auch Theologen und Historiker heute nicht verniedlichen oder verharmlosen. Es geht in der kulturgeschichtlichen Analyse um den Respekt vor den Opfern und um das Verstehen der Täter. Das monopolhafte Christentum war auch im späten Mittelalter eine hoch aggressive und politische Religion.35
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Literatur und Dichtkunst
Im späten Mittelalter haben die europäischen Sprachen eine Vielfalt von literarischen Zeugnissen entwickelt, nämlich in der Form von Liedern und Gedichten, Erzählungen und Fabeln, Epen und Schauspielen. Die einzelnen Sprachen waren mit einander im Austausch, es gab wechselseitige Übersetzungen, zum Teil folgten sie auch literarischen Vorbildern aus der antiken Kultur. Die verbindende Sprache in der Religion, an den Universitäten und lange Zeit auch noch in der Verwaltung war das Latein. Doch diese Sprache hat sich weiter entwickelt, sie wurde in den verschiedenen Regionen unterschiedlich ausgesprochen, aus ihr entwickelten sich die romanischen Sprachen. Die Religion prägte ihr eigenes Latein, nämlich das Kirchenlatein, das viele Bildwörter aus der Bibel und viele juristische Ausdrücke kannte. Nun gab es im späten Mittelalter auch noch lateinische Dichtungen, die meisten Urkunden und alle wissenschaftlichen Arbeiten wurden in dieser Sprache verfasst. Auch die Anweisungen der Theologen und Bischöfe für die Predigten der Kleriker waren meist in Latein, sie wurden von den Predigern in die Volkssprachen übersetzt. Vor allem die Bettelorden waren an diesem Übersetzungsprozess beteiligt, denn sie predigten mehrheitlich in den Volkssprachen. Die Bibel lag zu dieser Zeit offiziell nur in der lateinischen Übersetzung der Vulgata vor. Nach Anweisung der Bischöfe durfte sie nicht in die Sprache des Volkes übersetzt werden. Die Kleriker wollten das Monopol der Bibelauslegung und damit der Weltdeutung. Doch zu dieser Zeit hielten sich einige Theologen nicht mehr an das Verbot der Bischöfe, sie übersetzten Teile der Bibel oder die ganze Bibel in die Volkssprachen. Damit aber lösten sie große Reformprozesse in der Religion und in der Gesellschaft aus.1
Länder deutscher Sprache Die Dichtkunst in der Landessprache wurde vor allem an den Höfen der Fürsten, in den Klöstern, an den Residenzen der Bischöfe und in den größeren Städten gefördert und entfaltet. Es waren fahrende Sänger und Dichter, die im Dienst von Adeligen und höheren Klerikern standen. Sie mussten von den großen Taten (Heldentaten) der Fürsten und Krieger, aber auch von den Ereignissen vergangener Zeiten singen und erzählen. So entfaltete sich die höfische Dichtung zunächst in Norditalien und in Südfrankreich, später in der Normandie, in Flandern, am Rhein, an der Donau und
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Literatur und Dichtkunst
in Thüringen. Diese „mittelhochdeutsche“ Sprache wurde an vielen Fürstenhöfen verbreitet, sie musste aber an niederdeutsche, an mitteldeutsche und an oberdeutsche Zuhörer angepasst werden. So sind uns aus dem frühen 13. Jh. bereits große epische Werke in deutscher Sprache überliefert.2 So beschrieb Hartmann von Aue die Schönheit der adeligen Frauen und des weiblichen Geschlechts. Dieses „Frauenlob“ wurde von Laienchristen formuliert und stand im direkten Gegensatz zu den frauenfeindlichen Lehren und Predigten der Kleriker. Denn diese sahen in den Frauen stereotyp ein leicht zur Sünde verführbares Geschlecht und einen Mangel der Natur. Hartmann beschrieb das arme Mädchen Enite, das von der Königin durch höfische Kleider zu einer schönen Frau gemacht wurde, die dann viele andere Frauen überstrahlte. Er wollte damit zeigen, dass durch Kultivierung auch arme Frauen und Mädchen zu strahlender Schönheit aufsteigen konnten. Die adeligen Männer und Krieger sollten lernen, ihre Frauen zu schätzen und zu bewundern, denn die Schönheit der Frauen sollte die Tapferkeit der Männer ergänzen.3 Bald nach 1200 schrieb Gottfried von Straßburg sein großes Werk „Tristan“, in dem er am irischen Königshof die Schönheit der Königin Isolde und ihrer Tochter ausführlich darstellte. Darin tritt die Königin wie das freudenbringende „Morgenrot“ auf, an ihrer Hand führt sie ihre Tochter, die wie die „Sonne“ strahlte. Sie war vollkommen geschaffen, groß und schlank und vollends aufgeblüht, ihre Kleider waren edel und ihre Bewegungen voller Liebreiz. Bald sprach sie und bald schwieg sie. Sie verneigte sich, wie die Sitte es ihr vorgab. Auch hier ist zu bedenken, dass zu dieser Zeit die Theologen und Prediger stereotyp von der Vergänglichkeit der weiblichen Schönheit und des Lebens gesprochen und geschrieben haben. Mit der höfischen Dichtung entstand in der Folgezeit eine deutliche Gegenkultur zu den leibfeindlichen Lehren der Theologen und Kleriker, in den Ansätzen ein selbständiges Laienchristentum.4 Ähnlich beschrieb Wolfram von Eschenbach die weibliche Schönheit in der Gestalt der schlafenden Ehefrau des Ritters. An ihr waren die „Waffen des Lichtes“ und ein leuchtend roter Mund. So lag sie da, ein Wunder an Vollkommenheit, ihr Ehemann war weggezogen. Sie war wohlgebaut und gut geformt, keine Schönheit fehlte ihr, denn Gott hatte ihren anmutigen Leib geschaffen.5 Konrad von Würzburg beschrieb in ähnlicher Weise die schöne Helena, ihre runden Brüste waren wie zwei Kugeln und wie Wonneäpfel. Ihre helle Haut bot den männlichen Augen ein Wonnespiel der Farben. Wo die Brüste und der Hals sich berührten, war heller Glanz, den kein Auge ertragen konnte.6 Gewiss wird in diesen Beschreibungen der Schönheit des weiblichen Körpers wohl auf das „Hohe Lied der Liebe“ aus der Bibel Bezug genommen, das viele Dichter von den Predigten der Kleriker gekannt haben dürften. Auch die mittelhochdeutsche Lyrik hat weithin die sinnliche Liebe zwischen den Geschlechtern zum Thema erhoben. In den „Tageliedern“, die wohl auf mündliche Überlieferungen zurückgehen, wird immer das schmerzvolle Auseinandergehen der Liebenden beschrieben. Die Vögel zeigen den Morgen an, die Liebenden müssen sich trennen. Ob diese verheiratet waren, wie die Kleriker forderten, wird nie gesagt, es war den Dichtern nicht wichtig.
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So beschrieb Heinrich von Morungen die herrliche Gestalt der geliebten Frau, sie war strahlend wie der Schnee. Sie küsste den Geliebten noch vielemal, bevor dieser von ihr Abschied nehmen musste, denn der Tag nahte („da taget es“). Auch Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide besangen den Schmerz der getrennten Liebenden, sie zeichneten in ihren Dichtungen in Ansätzen bereits ein realistisches Bild vom Leben der Ritter.7 Ein erfolgreicher Liederdichter war Neidhard von Reuental, seine Lieder sind uns in 22 Handschriften und mit 56 verschiedenen Melodien überliefert. In mehreren heiteren Schwänken schreibt er von Rittern, die sich mit den Bauern herumschlagen. Er erzählte von Müttern, die um ihre schönen Töchter besorgt waren. Eine Mutter warnte ihre Tochter vor einem gewalttätigen Ehemann, der sie an den Haaren ziehen und mit Fäusten schlagen wird. Viele Dichter befassten sich auch mit den politischen Ereignissen in den Ländern. So forderte Walther von der Vogelweide in seinen Gesängen die Fürsten auf, den neuen König Philipp anzuerkennen und ihm die Krone aufzusetzen. Denn selbst die Tiere hätten einen Anführer, um im Leben bestehen zu können. Um 1225 stellte Eike von Repgow das Landrecht und Lehensrecht seiner niedersächsischen Heimat in lateinischer Sprache zusammen. Danach drängte ihn sein Lehensherr, dieses Werk auch in seine niedersächsische Muttersprache zu übersetzen. Dieser „Sachsenspiegel“ wurde später in andere deutsche Regionalsprachen übersetzt, er war das Vorbild für den um 1275 verfassten „Schwabenspiegel“ und für die „Spiegel der deutschen Leute“. Mit diesem Werk wurde ein früher Maßstab für das deutsche Landesrecht gesetzt.8 Im 13. Jh. begannen Könige, Fürsten und Kaiser, ihre Gesetze auch in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Der Mainzer „Reichslandfriede“ von 1235 machte den Anfang. Nun verkehrten die Könige mit den weltlichen Fürsten immer öfter in der deutschen Sprache, mit den geistlichen Fürsten waren sie weiterhin in lateinischer Sprache in Verbindung. Vor allem die königliche Kanzlei der Luxemburger in Prag hat zu dieser Zeit wesentlich zur Bildung einer überregionalen deutschen Urkundensprache beigetragen. Im 13. Jh. verfasste Konrad von Megenberg ein „Buch der Natur“ bereits in deutscher Sprache. Danach folgten auch einige Arzneibücher in den regionalen Landessprachen. Doch die Sprache der Medizin an den Universitäten blieb weiterhin das Latein. Trotz des Übersetzungsverbots durch die höheren Kleriker dürfte in Flandern bereits ein Teil der Bibel in die niederdeutsche Sprache übersetzt worden sein. Diese Übersetzung musste von einem Theologen anonym verfasst worden sein. Doch immer mehr Theologen scherten vom Übersetzungsverbot aus und übersetzten in England und in Böhmen Teile der Bibel in die Landessprachen. Doch der große Durchbruch der Bibelübersetzungen gelang erst im Prozess der Reformation in Wittemberg, in Genf, in Zürich, in Basel und in Straßburg.9 Zu neuen Zentren der Dichtkunst und der Literatur wurden im späten Mittelalter die aufstrebenden Städte mit ihren in der Schreibkunst gebildeten Patriziern und Bürgern. Denn in vielen Städten wurden Grammatikschulen eingerichtet. Manche
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Literatur und Dichtkunst
Städte stellten sogar einen eigenen „Stadtschreiber“ an, der die wichtigsten Ereignisse aufzeichnen musste. Die früheste städtische Literatur kennen wir aus Flandern, nämlich aus Gent, Antwerpen, Brügge und Löwen. Dort wurden Werke der französischen Literatur in die niederdeutsche Sprache übersetzt. Außerdem wurden in den Städten eigenständige Schriften über die Moral der Bürger und der Stände, sowie über das gute und gesunde Leben verfasst. Einer der frühen städtischen Autoren war Jacob von Maerlaut im 13. Jh., der französische Ritterromane ins Flämische übersetzte und flämische Tierfabeln verfasste. Die städtische Dichtung setzte sich über Brabant dann ins Rheinland fort und erreichte etwas später die Städte an der Donau.10 Die Heldendichtung wurde zu dieser Zeit fortgesetzt, denn auf den Burgen wurde weiterhin von großen Kriegshelden und von Kriegen gesungen. Darin wurde König Etzel (Attila, Attli) als nach Gold begieriger Heerführer der Hunnen beschrieben, oder es wurde der Drachentöter Siegfried gepriesen. Viele regionale Heldendichtungen sind im „Nibelungenlied“ zusammengefasst worden, das um 1200 um den Bischofshof in Passau entstanden sein dürfte. Darin wird vom Untergang der Burgunden, vom großen Kriegshelden Dietrich von Bern und vom Waffenmeister Hildebrand erzählt. Frauen (z.B. Kriemhild) treten darin oft als Rächerinnen ihrer getöteten Brüder auf. Ein Kudrun-Lied aus dieser Zeit erzählt von Kämpfen und Kriegen an der Nordsee bis zur Normandie, darin ist von Brautraub und von der nachfolgenden Versöhnung der Sippen die Rede. Heldendichtung ist zu dieser Zeit auch in Bayern gut bezeugt.11 In den belehrenden Dichtungen wird neben der Kunst der Minne auch die Vergänglichkeit der Schönheit, des Lebens und der Welt dargestellt. Denn die Predigten der Kleriker wurden auch von vielen Dichtern rezipiert, so klagten schon Neidhard von Reuental und Hartmann von Aue über das viel zu kurze Glück des Lebens. Konrad von Würzburg schrieb über den schnell vergänglichen „Lohn der Welt“. Und Heinrich von Veldecke zeigte in seinen Liedern, dass die Liebe zwischen den Geschlechtern immer mit Leiden verbunden sei. Das Leiden aber erziehe die Menschen zum tugendhaften Leben (Eneide).12 Der sog. Stricker verfasste im 13. Jh. eine „Frauenehre“, in der er die Tugenden der adeligen Frauen darlegte. Die höchste aller Frauentugenden aber sei die Liebe zu ihren Männern. Ulrich von Liechtenstein beschrieb in seinem „Frauenbuch“ die Liebe der Ritter zu ihren adeligen Frauen. Er gab den Frauen viele Anweisungen, in welcher Weise sie das Liebeswerben der Männer beantworten sollten. Bei ihm wird bereits der Ehebruch thematisiert und es ist vom homosexuellen Neigungen zwischen Männern die Rede. Die Frauen werden in Ehefrauen, Witwen, junge Mädchen (mhd. maget), unverheiratete Frauen (mhd. lidigiu wip) und freie Geliebte (mhd. friundin) eingeteilt. Sie alle aber sollten den Männern gehorchen, denn dann würden beide Geschlechter alt werden. So lehrten es auch die Kleriker gemäß der Bibel. Ein wandernder Dichter namens Suchensinn warnte die Frauen vor einer verfrühten und leichtfertigen Liebe, weil daraus viele Leiden erwachsen könnten.13 In seinem „Narrenschiff “ von 1494 kritisierte der Dichter Sebastian Brant seine Zeitgenossen, weil sie für Zeiten der Not nicht rechtzeitig vorsorgten. Denn jeder
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Literatur und Dichtkunst
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vernünftige Mensch decke sich im Sommer mit Lebensmitteln ein, damit er im Winter genügend an Vorräten zur Verfügung habe. Es gäbe zu viele faule Zeitgenossen, diese seien wie Vogelscheuchen, sie säßen im Winter untätig auf der Ofenbank. Aber die Trägheit sei die Ursache vieler Sünden und Laster, so predigten auch die Kleriker. Hingegen arbeite der kluge Mensch mit seinen begrenzten Mitteln, er schaffe Neues und erhalte einen Lohn für seine Arbeit. Auch das „Ständebuch“ von Jost Amman warnte die Zeitgenossen vor Untätigkeit und Faulheit, denn die Arbeit sei für die Mitmenschen nützlich und bringe allen Menschen das göttliche Wohlgefallen. Nur Narren würden Vorhaben planen, die sie nicht verwirklichen könnten.14 Literarische Zeugnisse in deutscher Sprache haben uns auch einige Mystiker und Mystikerinnen hinterlassen, die ihre emotionale Beziehung zu Gott, zu Christus, zu Maria und den Heiligen sowie zu den Engeln darstellten. So verfasste Meister Eckhart „Reden der Unterweisung“ und ein „Buch der göttlichen Tröstung“, in denen er religiöse Vorstellungen und Glaubenslehren unter das Volk bringen wollte. In seinem Buch „Von der Abgeschiedenheit“ schrieb er über die Formen der Meditation im Erleben der Stille und Einsamkeit; und in vielen deutschen Predigten erklärte er die großen Themen des christlichen Glaubens. Johannes Tauler verfasste deutsche Predigten über die Armut des Geistes und die Gelassenheit der Seele. Und Heinrich Seuse verfasste ein „Büchlein der Wahrheit“ und ein „Büchlein der ewigen Vernunft“, in denen er die Leser und Hörer seiner Predigten zur mystischen Gottesliebe einlud. Die Begine Mechtild von Magdeburg hat uns ein mystisches Werk über „Das fließende Licht der Gottheit“ hinterlassen. Es waren vor allem die Bettelmönche, die in der Sprache des Volkes predigten und schrieben.15
Angelsächsische Länder Zu Beginn des 13. Jh. wurde bereits ein Geschichtswerk „Brut“ (lat. Brutus) von Layamon in mittelenglischer Sprache verfasst, das auf die Vorlagen des anglo-normannischen Dichters Wace zurückgeht. Diese Vorlage bezog sich auf die „Historia regum Britanniae“ des Geoffrey von Monmouth. Zu dieser Zeit orientierten sich die englischen Dichter zum Teil an lateinischen und zum Teil an französischen Sprachformen, sie vermieden Ausdrücke der mittelenglischen Umgangssprache. Meist wählten sie die Erzählform, die an konkrete Zuhörer gerichtet war. Selbst Geoffrey Chaucer (gest. 1400) klagte noch über die Schwierigkeit, französische Texte im Reim in englische Sprache zu übersetzen. Er hatte seine „Canterbury Tales“ aus vielen Erzähltraditionen zusammen gestellt, die ihm bekannt geworden sind. Dies bekennt er am Ende seines Werkes. G. Chaucer war der Sohn eines Weinhändlers und kam in den Dienst des Königs, ein ihm befreundeter Dichter wirkte als Anwalt bei einem Gericht. Viele Dichter dieser Zeit waren Kleriker, die des Lesens und Schreibens kundig waren.16 Die gesammelten Geschichten wurden meistens von Hofsängern (Ministrels) an den Fürstenhöfen vorgetragen. Später haben auch Adelige und Stadtbürger solche Geschichten gesammelt und gesungen. Die größeren Städte richteten im 14. Jh. Grammatikschulen ein, damit aber entstand ein Bedarf an Literatur in englischer
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Literatur und Dichtkunst
Sprache. Während die Adeligen zu dieser Zeit noch vorwiegend normannische bzw. französische Literatur lasen, begannen die reicheren und gebildeten Bürger der Städte, Literatur in englischer Sprache zu schaffen. Die Inhalte waren vor allem moralischer Art, denn die Dichtung sollte dem Zusammenleben der Menschen in den Städten, später auch auf dem Land, nützlich sein. In vielen dieser Schriften wurden Missstände in der Verwaltung der Städte aufgedeckt und es wurde das unmoralische Verhalten vieler Mitbürger laut beklagt (engl. literature of complaint).17 Das Gedicht „Die Eule und die Nachtigall“ (engl. The owl and the nightingale) dürfte um 1200 entstanden sein und nimmt auf alte Tierfabeln Bezug. Eine Geschichte des dänischen Königssohns Havlok (engl. The lay of Havlok the Dane) ist wohl um 1250 verfasst worden. In die gleiche Zeit gehört auch die Dichtung „Sir Gawain und der Grüne Ritter“ (engl. Sir Gawain and the Green Knyght), beide Werke beziehen sich auf französische Vorlagen. Da wird von Havlok berichtet, der mit göttlichem Wohlgefallen lebte und kämpfte und sich mit der Königstochter Goldeburh verheiratete. Das Werk „Alliterative morte Arthure“ befasste sich mit der mythischen Gestalt des keltisches Kriegshelden Arthur, dessen Name übersetzt Bär bedeutet. Darin wird das Leben der Ritter ausführlich beschrieben, gleichzeitig wird die Trunksucht des Königs kritisiert. Um die ritterliche Tapferkeit und um die Liebe zu den adeligen Frauen kreiste die Erzählung vom „Grünen Ritter“, die vor allem die alten Adelstugenden wieder in Erinnerung rufen wollte.18 Ein Gedicht „Die Perle“ (engl. Pearl) verbindet religiöse Glaubensinhalte mit Erfahrungen des täglichen Lebens. Aus derselben Zeit stammt auch ein Werk „Peter der Pflüger“ von William Langland, das ebenfalls zur moralischen Belehrung der Hörer und Leser beitragen sollte. Das Leben wird als Pilgerreise der Seele zum ewigen Heil gesehen. Diese muss durch viele Gefahren hindurch und ständig gegen böse Dämonen kämpfen. Doch durch die Erziehung des menschlichen Willens zu vernünftigen Entscheidungen kann die Seele das ewige Heil und Glück erlangen. Sie muss den Stotz überwinden, denn dieser verführt die Menschen immer zur Sünde und zur Hölle. Der Text hat einen deutlichen Bezug zu theologischen Lehren und zu Predigern, was die vielen Bibelzitate noch verdeutlichen. Ein Zeitgenosse von G. Chaucer war John Gower, der literarische Werke in lateinischer, in französischer und in englischer Sprache verfasste. Er schrieb also für Kleriker in Latein, für normannische Adelige in Französisch und für Stadtbürger in englischer Sprache. Sein Werk „Die Beichte des Liebenden“ (lat. confessio amantis) wurde in Latein und Englisch verfasst, es sucht die moralische Unterweisung mit humorvoller Unterhaltung zu verbinden. Der Autor warnt vor den sieben Todsünden und vor den Gefahren der sinnlichen Liebe, diese finde ihre volle Erfüllung in der gesetzlichen Ehe.19 Geoffrey Chaucer hat sein Werk „Troilus and Criseyde“ dem Dichter Gower gewidmet. Er bezieht sich darin auf einen autobiographischen Liebesroman des Italieners Giovanni Boccaccio. In der Erzählung erlebt der Kriegsheld Troilus tiefe Liebe zu einer Frau, aber er verliert seine Geliebte an seinen Gegner und wird in der Schlacht getötet. Doch nach seinem Tod wurde er in die achte Sphäre des Kosmos entrückt,
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von dort sah er dem eitlen Treiben der Menschen weiterhin zu. In den „Canterbury Tales“ wird von 30 Pilgern erzählt, die auf eine lange Pilgerreise nach Canterbury zum Grab des heiligen Thomas Becket geschickt wurden. Die Pilger verabredeten sich, jeder von ihnen sollte auf dem Hinweg und auf dem Rückweg vier Geschichten erzählen, um den Weg und die Zeit zu verkürzen. Der Dichter konnte aber nur 39 Geschichten fertigstellen, dann verstarb er. Im allgemeinen Prolog schilderte er auf satirische Weise die verschiedenen Stände, die an der Wallfahrt teilnahmen. Es finden sich im Werk viele Tierfabeln, die allegorisch gedeutet wurden. Vermutlich war mit der Wallfahrt nach Canterbury die lange Reise jeder Menschenseele zum himmlischen Jerusalem gemeint, von der die Kleriker sprachen.20 Neue inhaltliche Anregungen bekam die englische Literatur durch die Schriften der Humanisten, die ab 1450 auch an den englischen Universitäten bekannt wurden. Diese Schriften kamen zumeist aus Italien, weil zu dieser Zeit viele englische Studenten in Padua, Florenz und Bologna studierten. Eine eigene humanistische Literatur begann in Englisch mit dem Anfang der Regierung der Tudor-Dynastie ab 1485. Danach verbreitete der Theologe John Colet neuplatonische Ideen und verband sie mit Lebensweisheiten aus der Bibel. Er zeigte bereits eine sehr kritische Einstellung zur scholastischen Schulphilosophie der Universitäten. Breiten Niederschlag fanden die humanistischen Ideen und Lebenswerte im großen Werk des Thomas Morus, der aber bereits ins 16. Jh. gehört.21
Skandinavische Länder In den skandinavischen Ländern hat sich ab dem 13. Jh. die volkssprachliche Literatur vielfältig weiter entwickelt. Die Überlieferungen aus der Wikingerzeit wurden vor allem auf Isländisch niedergeschrieben. Wir finden dort zwei Gattungen der Dichtkunst, nämlich die Edda-Dichtung und die Skaldendichtung. Die ältere Edda (isländ. Sämundar Edda) enthält 30 Gedichte, 11 Lieder über die Götter und 19 Loblieder auf Kriegshelden. Die Seherin Voluspa schaute in die Welt der Schutzgötter und sah die zukünftigen Ereignisse voraus. Die Inhalte dieser Dichtung sind viel älter als die Niederschriften. Die Skaldendichtung entstand zu bestimmten Anlässen im Leben der Krieger und der Fürsten, etwa bei Siegesfeiern oder bei Totenfeiern für die Kriegshelden. Die Skalden mussten dabei das Lob ihrer Fürsten singen und deren großen Taten im Krieg und auf der Jagd öffentlich verkünden. Neben den großen Kriegen wurden auch Liebesbeziehungen der Krieger zu den Frauen beschrieben. Die Isländer waren Einwanderer auf ihrer Insel, sie kamen wohl aus Norwegen. Im „Isländerbuch“ berichten die Autoren von dieser Einwanderung und von der Landnahme (isländ. landnam); es werden die frühesten Sippen genannt, unter denen das erkundete Land verteilt wurde. Daraus wird erkennbar, dass aus Norwegen ganze Adelsclans auf die Insel ausgewandert sein dürften, das geschah wohl in einer klimatischen Wärmeperiode. Die „Goden“ verwalteten die einzelnen Regionen, sie hatten einen gemeinsamen Gerichtsort (isländ. Allthing), wo Streitfälle entschieden wurden. Zur Zeit der Niederschrift dürften bereits zwei Bischofssitze errichtet
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worden sein, von dort aus wurde die Verkündigung und Vertiefung des christlichen Glaubens vorangebracht.22 Ab dem 13. Jh. unterstellten sich die Isländer den Königen von Norwegen, zu dieser Zeit kämpften die Fürsten noch untereinander, es gab keine starke Zentralmacht. An den Klöstern und Bischofsitzen wurden bereits Lateinschulen eingerichtet, dort wurde auch die früheste isländische Literatur verfasst. Dazu gehören ein isländisches und ein norwegisches Homilienbuch für Prediger (Homiliubok). Zu dieser Zeit wurden wohl von Klerikern lateinische Werke ins Altnordische übersetzt, etwa das „Erleuchtungsbuch“ des Honorius Augustodunensis, dann ein Werk über die Natur (Physiologus) und eine „Weltgeschichte“ (Varaldasaga), die auf Beda Venerabilis zurückging. Außerdem wurden Heiligenlegenden (Heilagra manna sogur) übersetzt, mit diesen Übersetzungen hat sich die altnordische Schriftsprache deutlich weiter entwickelt.23 Auch in den Klöstern und an den Bischofsitzen in Norwegen wurden lateinische Legenden in die nordische Sprache übersetzt, die vom europäischen Kontinent kamen. So wurde der anglo-normannische Roman von „Tristan“ übertragen, aber auch französische Lieder und Erzählungen über Kaiser Karl den Großen. Diese Lieder wurden später auch ins Dänische und Schwedische übersetzt, die sich in der Folgezeit als eigene Sprachen entwickelten. Auch altdeutsche Sagen über Dietrich von Bern wurden übersetzt. Außerdem entstand ein norwegischer „Königsspiegel“ (Konungs skuggsja), der die Pflichten und Aufgaben des Königs und seiner Gefolgsleute zusammenfasste. Die „Königssaga“ (Konungasögur) erzählt von den vielen Kriegen und Siegen der norwegischen Könige. Auch Erzählungen und Legenden über christliche Heilige wurden vielfältig aufgeschrieben.24 Um 1230 hat Snorri Sturlussen der Saga über den heiligen Olaf ihre endgültige Gestalt gegeben. In einem Kloster wurde die Geschichte von Olaf Tryggson verfasst, außerdem wurde des kriegerische Leben des Königs Hakon Hakonarson erzählt. Snorris „Weltkreis“ gibt einen Überblick über die wichtigsten Kriegszüge und Siege der norwegischen Könige. In Island wurden zu dieser Zeit auch Bischofssagas verfasst, die „Geschichte der Sturlungen“ und eine „Geschichte der Isländer“ (Islendinga saga) wurden aufgeschrieben. Snorris Vorfahren waren bereits berühmte Erzähler und Sänger an Fürstenhöfen, über seinen Vater gibt es eine eigene Saga. Inhaltlich erzählen diese Sagas die Kriege und Friedensschlüsse, die Eheschließungen und Liebesgeschichten der frühen Krieger und Adeligen.25 Im 13. Jh. wurden alte Heldenlieder und Sagas zusammengestellt und aufgeschrieben, dabei wurden die Handlungen der Krieger meist mit mythischen Vorstellungen der Götterwelt verbunden. Im darauf folgenden Jahrhundert wurde wenig Literatur verfasst, zu dieser Zeit dominierten die Handelsbeziehungen der nordischen Länder zum Handelsbund der Hanse. Norwegen wurde von Dänemark abhängig, zu dieser Zeit entfaltete sich auch die dänische und die schwedische Literatur in den Klöstern und an den Bischofssitzen. So wurden im frühen 14. Jh. die „Eufemia-Lieder“ aus dem Französischen ins Schwedische übersetzt, aber auch das Werk „Ivain oder der Löwenritter“ des Chretien de Troyes. Der Roman „Flores och Blanzeflor“ bezog sich auf die Vorlage eines griechischen Liebesromans. Später wurden Epen vom Kontinent
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ins Schwedische und Dänische übersetzt, so erfolgte der Anschluss an die europäische Literatur. In Schweden wurden ein „Fürstenspiegel“ und eine „Eriks-Chronik“ verfasst, und in Dänemark entstand im 15. Jh. eine „Reimchronik“ (Reinkroniken), welche die Taten der dänischen Könige darstellte.26 In dieser Zeitepoche wurden auch vermehrt religiöse Texte in die skandinavischen Sprachen übertragen, etwa eine altschwedische Sammlung von Heiligenlegenden, ein Buch über Päpste und Könige, Dichtungen über die Jungfrau Maria, Geschichten von Heiligen, die in isländischen und in schwedischen Klöstern verfasst wurden. Eine Sammlung von Marienlegenden (Mariusaga) gibt es in isländischen, in dänischen und in schwedischen Fassungen. Außerdem wurden lateinische Visionsgeschichten (Visio Pauli, Descensus Christi ad inferos) ins Altnordische und später ins Dänische und Schwedische übersetzt. Mystische Lieder wie ein „Sonnenlied“ und ein „Traumlied“ wurden in Island und in Norwegen verfasst. Bald wurden auch deutsche und italienische Mystiker in skandinavische Sprachen übersetzt, wir erkennen hier einen weiten Austausch zwischen den mystischen Bewegungen.27 Die Visionen der heiligen Brigitta von Schweden wurden in Schwedisch verfasst und später ins Lateinische übersetzt; 1492 wurden sie in Lübeck gedruckt. In Schweden entstand ein großer Brigittenroman, der dann in ganz Skandinavien verbreitet wurde. Lateinische Predigtbücher und Teile der lateinischen Bibel wurden schon im 13. und 14. Jh. ins Altnordische und später ins Schwedische und Dänische übersetzt. In Island war das Predigtbuch „Lilja“ (Lilie) weit verbreitet, es stammte vom Theologen Eysteinn Asgrinsson und erzählte die Leidensgeschichte Jesu ausführlich. So hatten auch die Theologen, Prediger und Mystiker neben den Dichtern und Sängern zur Ausgestaltung der skandinavischen Schriftsprachen beigetragen.28
Die romanischen Länder Die französische Literatur und Sprache hatte sich schon im 9. und 10. Jh. von der lateinischen Sprache getrennt. Es entstanden altfranzösische Erzählungen über Kriegshelden, dazu Tiergeschichten und Liebesgeschichten der Krieger (Lai). Dabei unterschied sich die provencalische Sprache im Süden deutlich von der französischen Sprache im Norden des Landes. Schon früh wurden Gedichte und Lieder verfasst, Bücher über das gute Leben, moralische Anweisungen der Kleriker, Romane über die Liebe der Krieger und Erzählungen von deren Heldentaten. Die provencalischen Dichter waren im Austausch mit der arabischen und mit der jüdischen Kultur in Spanien. So verfasste Girard de Roussilion Lieder (frz. chansons) über die Heldentaten der Könige. Die Sänger zogen von Fürstenhof zu Fürstenhof, um diese Lieder vorzutragen. In dieser Sprache entstanden die beiden Romanerzählungen „Flamenca“ und „Jaufre“. Doch als die französischen Könige die Katharer und Albigenser besiegt hatten, wurde auch die provencalische Literatur weitgehend zerstört. Im Jahr 1539 verordnete der König Franz I. Französisch als Amtssprache auch im Süden, damit wurde das Provencalische zu einem regionalen Dialekt degradiert.29
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Die italienische Literatur spaltete sich erst im 13. Jh. von der lateinischen Sprache ab, obwohl in Italien schon früher verschiedene regionale Dialekte des Lateinischen gesprochen wurden. An den Höfen der Fürsten wurden diese Dialekte durch Dichter und Sänger zur Schriftsprache erhoben, etwa in der Toskana, in Mailand und in Venedig. Frühe Dichter in Oberitalien waren Gerardo Patecchio, Ugaccione da Lodi, Bonvesin da Riva. In Süditalien waren das Kloster Montecassino und die Medizinschule von Salerno Zentren der literarischen Bildung, wo auch frühe italienische Literatur verfassst wurde. Und auf Sizilien wurden schon früh Gedichte in süditalienischer Sprache geschrieben. Dazu gehören die „Canzoni“ des Guido von Messina oder die Dichtungen des Giacomo da Lentini. In Umbrien entstand die Form des Lobliedes (ital. lauda), gepriesen wurden vorbildhafte Menschen, aber auch die Schönheiten und Wunder der Natur (Laudario di Cortona). Frühe Dichter solcher Loblieder waren Guittone von Arezzo und Serbarzo.30 Guittone von Arezzo versuchte, den Minnegesang der provencalischen Troubadours in italienischer Sprache darzustellen. Guido Guinizelli verfasste mehrere Loblieder auf die Schönheit der adeligen Frauen. Solche Loblieder verfassten auch Guido Cavalcanti und Dante Alighieri. Dieser lebte im 14. Jh. und verfasste zuerst mehrere lateinische Werke, etwa „De situ et de forma aquae et terrae“ und „De monarchia“. Darin engagierte er sich für die Erneuerung der kaiserlichen Herrschaft in Italien, um die vielen Kriege der Adelsfamilien einzudämmen. Später verfasste er zwei lateinische Werke über die Ausdruckskraft der Volkssprache (De vulgari eloquentia libri duo). Bald aber schrieb er selber einige Bücher über die neue Lebensform der Adeligen und Stadtbürger (Vita nuova) und über gelehrte Disputationen bei den adeligen Gastmählern (In convivio) in der frühitalienischen Vulgärsprache.31 In diesen Werken bezog sich Dante Alighieri auf provencalische Dichtungen, aber auch auf das lateinische Werk „De consolatione philosophiae“ des Boethius. In dieser gegenüber den Lehren der Kleriker und Prediger neuen Sichtweise des Lebens (ital. stile nuovo) erscheint die junge adelige Frau Beatrice als die Verwirklichung der vollkommenen weiblichen Schönheit. Sie führte den Dichter zu den tiefsten Einsichten über die Geheimnisse des Lebens. Auch in seiner „Göttlichen Komödie“ (La divina comedia) blickte er in dieser neuen Sichtweise auf die Schönheit des menschlichen Lebens. Damit hat er sich deutlich von den lebensabwertenden Lehren der Kleriker abgelöst, die ständig über die Sündhaftigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens klagten. Der Dichter schaute in der Tradition seiner Zeit die Hölle, das Fegefeuer und das himmlische Paradies. Doch sein Werk sollte ähnlich wie die Bibel auf allegorische Weise gelesen werden, nämlich auf einer wörtlichen, einer symbolischen, einer metaphysischen und einer moralischen Bedeutungsebene.32 Auch Francesco Petrarca (gest. 1374) stammte aus der Toscana, er hatte dort bereits die Ideen von einer humanistischen Kultur kennen gelernt. Er wusste um die Mauerreste des antiken Rom und sehnte sich nach einer „Wiedergeburt“ (ital. rinascita) der antiken Kultur und Lebensform. Denn er kannte auch die ethischen Werte der stoischen und der platonischen Philosophie. Auch er schrieb zuerst in lateinischer Sprache: De sui ipsius et multorum ignorantia; De remediis utriusque fortunae; Epi-
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stolae. Später schrieb er in italienischer Sprache mehrere Liebesgedichte, die im „Buch der Lieder“ (Canconiere) gesammelt sind. Petrarca vertrat in allen seinen Werken die Grundwerte einer humanistischen Kultur und Lebenswelt, die sich deutlich von den Lehren und Wertungen der Theologen und der Kleriker unterschieden. Er war überzeugt, dass die literarisch Gebildeten über die christliche Bibel hinweg im Blick auf die antike Kultur wieder die Größe und Schönheit des menschlichen Lebens sehen können. Auch in seinem Werk erkennen wir einen deutlichen Prozess der Emanzipation eines Laienchristen von den Lebensdeutungen der Theologen.33 Noch deutlicher zeigte diesen Emanzipationsprozess der Dichter Giovanni Boccaccio (gest. 1375). Auch er verfasste zuerst ein lateinisches Werk über die Genealogie der altrömischen Götter (Genealogia deorum), darin ließ er bereits seine Orientierung an humanistischen Lebenswerten erkennen. Ins seinen späteren Gedichten in italienischer Sprache (Il filostrato; Teseida; Il nimfale fiesolano) erzählte er aus dem Leben der Ritter und Adeligen und über Lehren des religiösen Glaubens. Er regte die Literaturgattung der „Cantari“ an, die sich nach ihm vielfältig weiter entfaltete. In seinem großen Werk „Il Decamerone“ zeigte er bereits das starke Selbstbewusstsein der bürgerlichen Stadtbewohner, die nicht mehr bereit waren, den Lehren und Normen der Kleriker und Prediger blind zu folgen. Auf humorvolle Weise kritisierte er das tatsächliche Leben der Kleriker und Prediger, auch der Mönche und Nonnen. Und er berichtete von fingierten Wundern, die vom einfachen Volk gerne geglaubt wurden.34 Vor allem akzeptierte der humanistische Dichter Boccaccio nicht mehr die alten Moralregeln der Kleriker, Theologen und Prediger über die menschliche Sexualität. So berichtete er von Ehebrüchen unter Adeligen und Stadtbürgern und betonte das Recht auf freie Liebe für beide Geschlechter. Gleichzeitig beschrieb er das Liebesleben der Kleriker, der Mönche und Nonnen, die sich selbst nicht an ihre moralischen Vorgaben für die Laienchristen hielten. Die Liebe sei immer verbunden mit Spiel und Scherz, auch mit Verletzungen. Aber viele Wahrheiten des Lebens könnten nur im Scherz gesagt und ertragen werden. So wird vom Liebesleben des Mönchs Rustico berichtet, von den Liebesabenteuern des Adeligen Federigo degli Alberigli und der Dame Griselda. Dieses Werk zeigt das neue Selbstbewusstsein der gebildeten Stadtbürger und Laienchristen den Klerikern und Theologen gegenüber.35 Damit haben die Dichter Dante Alighieri, Francesco Petrarca und Giovanni Boccaccio nachhaltig dazu beigetragen, in der italienischen Kultur die Erinnerung an die antike Kultur und Lebenswelt zu verbreiten. Sie haben als philosophisch gebildete Dichter gesehen, dass in den aufstrebenden Stadtkulturen und an den Adelshöfen die alten Lebensdeutungen und Moralregeln der Kleriker nicht mehr ausreichten, um das Zusammenleben der Geschlechter zu gestalten. Andere Vertreter humanistischer Ideen waren zu dieser Zeit Colucio Salutati, Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini, Lorenzo Valla, Aenea Silvio Piccolomini und Antonio Beccadelli, die aber mehrheitlich noch in lateinischer Sprache schrieben. In Spanien und Portugal gab es zu dieser Zeit einen intensiven Austausch zwischen der christlichen, der moslemischen und der jüdischen Kultur. Die islamischen Almohaden regierten bis 1269, das islamische Teilfürstentum Granada bestand bis
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1492. In dieser Zeit entstand eine hispano-arabische Literatur, die sich mit Themen des islamischen Glaubens, mit dem Umgang mit bösen Dämonen und mit den Liebesbeziehungen zwischen den Geschlechtern befasste. In der spanischen Dichtung und Geschichtsschreibung, aber auch in der Philosophie und Mystik klingt noch lange Zeit moslemisches Gedankengut nach.36
Das geistliche und das weltliche Theater Das geistliche Drama und Theater hatte im 11. und 12. Jh. in lateinischer Sprache begonnen, im 13. Jh. wurde es bereits in den verschiedenen Volkssprachen fortgesetzt. Der Inhalt dieser religiösen Spiele waren die Themen des Glaubens, Szenen aus der Bibel, Geschichten von Adam und Eva, die Klage Marias unter dem Kreuz Jesu, die fünf klugen und die fünf törichten Jungfrauen, Geschichten vom Teufel und vom Antichrist. In Frankreich wurden früh geistliche Spiele in der Volkssprache verfasst, über die heilige Auferstehung (Seinte resurrection), über den heiligen Nikolaus (Jeu de Seint Nicolas). Seit dem 13. Jh. entstanden Osterspiele und Passionsspiele auch in deutscher Sprache, das Osterspiel von Muri in der Schweiz (1250) oder das Innsbrucker Osterspiel (1391), oder die Frankfurter „Dirigierrolle“, eine Anweisung für das Passionsspiel. Aus St. Gallen haben wir ein Weihnachtsspiel und aus Eisenach ein Spiel von den klugen und törichten Jungfrauen (1360). Zur gleichen Zeit wurden von Klerikern Spiele zum Leichnam Christi (lat. Corpus Christi) und zum Festzug von Fronleichnam verfasst.37 Im 15. Jh. verbreiteten sich die Osterspiele und die Passionsspiele in fast allen christlichen Regionen, die Fronleichnamsspiele wurden von den Klerikern aus pädagogischen Gründen forciert. In Frankreich wurden die Spiele vom Leiden Christi als Mysterienspiele (frz. mystères) inszeniert, solche Spiele gab es in der Karwoche bald in allen größeren Städten. Texte davon sind uns überliefert aus Arras, Paris, Valenciennes. Gespielt wurden in den Kirchen und vor diesen auch die Handlungen der Apostelgeschichte oder die 40 Wunder der seligsten Jungfrau Maria, Szenen des Jüngsten Gerichts mit Himmel und Hölle. In Italien und in Spanien dauerten die Passionsspiele in der „Heiligen Woche“ (span. semana santa) drei Tage bis zu einer Woche, jeden Tag wurden auf den Straßen und Plätzen der Stadt andere Szenen des Leidens Christi dargestellt. Oft waren es Laienbruderschaften, die diese Spiele organisierten und spielten. In Italien hießen diese Spiele „heilige Vergegenwärtigung“ (ital. sacra rappresentazione) oder „dramatisches Gotteslob“ (ital. lauda drammatica) oder einfach „Verehrung“ (ital. devozione).38 In Spanien wurden seit dem 14. Jh. die Himmelfahrt Marias gespielt, in Kastilien haben Juan del Eucina und Lucas Fernandez zur Verbreitung der Weihnachtsspiele beigetragen. Die Passions-und die Osterspiele verbreiteten sich bald in ganz Spanien. Die Fronleichnamsspiele hießen dort „sakramentale Handlungen“ (span. auto sacramental); und die öffentlichen Verbrennungen der Ketzer hießen in der Sprache der Kleriker bereits „Akte des Glaubens“ (span. auto da fede). So lagen die Passionsspiele und die Tötung der Ketzter sehr nahe beisammen. In den deutschen Ländern verbrei-
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teten sich die Passions- und die Osterspiele vor allem in Bayern und Österreich. Texte solcher Spiele haben wir aus Frankfurt, Alsfeld, Luzern, Donaueschingen, Sterzing, Bozen, Eger und Oberammergau, auch aus Mainz und Innsbruck.39 Weit verbreitet waren auch die Weihnachtsspiele, die Spiele vom großen Weltgericht (Bern, Luzern, Würzburg). Um 1480 wurde das Spiel von einer Päpstin (Frau Jutta) von Dietrich Schernberg verfasst, das eine Frau auf den Thron des Petrus gelangen ließ. In England verbreiteten sich die Leib-Christi-Spiele (engl. Corpus Christi Play), etwa in York, in Chester, in Townley und in Coventry, sie waren mit großen Prozessionen verbunden. Diese geistlichen Spiele wurden zum Teil in den Kirchen und Kathedralen gespielt, zum Teil auf den großen Plätzen vor den Kirchen und Domen. Die Prozessionen zogen durch die Hauptstraßen der Städte. Die Frankfurter „Dirigierrolle“ gab klare Anweisungen für die Ausführung dieser Spiele. Diese hatten nicht nur eine religiöse, sondern auch eine soziale Funktion, denn die Teilnehmer und die Zuschauer fühlten sich eng zusammen gehörig. Freilich die Juden blieben ausgegrenzt.40 Zum andern zeigten diese Spiele die zunehmende Selbständigkeit der Laienchristen bei der Gestaltung der Themen des Glaubens und bei der Spielleitung, die Kleriker traten dabei in den Hintergrund. Dabei wurden alle sozialen Schichten der Stadt in das geistliche Drama einbezogen, es bildeten sich Gilden der Spieler und Spielergemeinschaften. Immer ging es dabei um die Vertiefung des Glaubens und um die moralische Belehrung der Zuseher und der Teilnehmer. In Frankreich gab es seit 1266 den Text eines Spieles „Du garçon et de l´aveugle“, etwas später das „Spiel von Adam“ und ein „Laubhüttenspiel“. Dabei wurden dramatische Monologe oder Satiren in der Rolle der Narren (frz. sotte) vorgetragen. Denn nur in dieser Rolle durften die Fürsten, Kleriker und Stadtherren öffentlich kritisiert werden. In dieser Zeit entstand ein „Spiel vom Narrenfürsten und der Narrenmutter“. Mit der Methode der „Farce“ sollten die Zuseher unterhalten, aber auch moralisch belehrt und zur Selbstkritik aufgefordert werden.41 Die Figuren der Farce wurden typenhaft vereinfacht, in derber Sprache stellten sie die Welt als komisches Schauspiel dar. Beliebte Themen waren der Ehebruch und der Ehestreit, Fehden zwischen den Sippen, die Lebensformen der Kleriker. Die Farce des Maitre Pierre Pathelin (1464) war richtungsweisend für weitere Spielformen dieser Art. Mit Humor und Witz sollten die Unzulänglichkeiten des Lebens erkannt und ertragen werden. In Italien, Spanien und Portugal gab es schon frühe Anleitungen zu den Komödienspielen (span. farsa). In England wurden zu dieser Zeit von den Stadtherren und Klerikern vor allem Spiele mit moralischen Inhalten gefördert, darin wurden die Tugenden und die Laster der Menschen dargestellt.42 In den deutschen Ländern entfalteten sich im 15. Jh. viele Fastnachtsspiele, die zu Beginn der kirchlichen Fastenzeit gespielt wurden. In der älteren Form wurden die Reden der einzelnen Figuren aneinander gereiht, während in der jüngeren Form viele Handlungsfolgen gespielt wurden. Dargestellt wurden Szenen aus dem täglichen Leben, Streit und Betrug, Ehebruch und Missgeschicke des Lebens, Erfahrungen der Erotik und der Sexualität, das Verhältnis der Geschlechter, der Herren und Diener,
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der Armen und Reichen. Die sog. Arztspiele stellten die Schwächen und Mängel des menschlichen Körpers dar. Das „Türken Vastnachtspiel“ des Nürnbergers Hans Rosenplut (1456) hatte den Verfall der kaiserlichen Macht und den zunehmenden Einfluss der Juden zum Inhalt.43 Nürnberg war ein Zentrum der Fastnachtsspiele, sie wurden von Hans Folz, Peter Probst, Jakob Ayrer und Hans Sachs aufgeschrieben. Mit Nürnberg in Verbindung standen die Tiroler Fastnachtsspiele, die in Sterzing ein Zentrum hatten. Niederdeutsche Fastnachtsspiele gab es in Lübeck, doch von dort sind uns kaum Texte überliefert. Die Spielform der „Moralitäten“ hatte das Ziel, die Zuseher moralisch zu bilden und zu ermahnen. Dargestellt wurden die Mächte des Bösen, die sieben Todsünden, die sieben Tugenden, die Kämpfe zwischen Gott und dem Teufel um die Seelen der Menschen. Die Zuseher wurden zur Umkehr vom Bösen und zum moralischen Leben aufgefordert.44 In Frankreich gab es schon 1390 ein Moralspiel über die sieben Todsünden und die sieben Tugenden. In England sind solche Spiele seit 1430 (York) bezeugt, ein beliebtes Thema war die „Burg der Standhaftigkeit“ (engl. The castell of perseverance). Etwas später entstanden das Spiel „Jedermann“ (engl. Everyman) und das Spiel „Jedermanns Vorladung“ (engl. The summons of Everyman) vor das göttliche Gericht. Ein anderes Thema zu dieser Zeit war der „Totentanz“, der die Menschen an ihre Vergänglichkeit und Sterblichkeit erinnern sollte. In Frankreich wurden Spiele gegen das Laster der Völlerei (frz. Condamnacion de banquet) verfassst, aber auch Spiele zur moralischen Erziehung der Jugend.45 So waren die Themen des profanen Theaters zu dieser Zeit eng mit dem moralischen Lernen verbunden, sie sollten vor dem Laster und der Bosheit warnen. Thematisiert wurden die satirische Kritik an den Herren und Klerikern sowie die Unzulänglichkeiten des alltäglichen Lebens. Mit der Entstehung des weltlichen Theaters grenzte sich die Kultur der Laienchristen deutlich von den Themen und Lehren der Kleriker ab. Es war vor allem das selbstbewusste Bürgertum der wachsenden Städte, das seine Lebensprobleme auf satirische und dramatische Weise darstellte.46
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Die Zeugnisse der Baukunst und der Malerei geben uns einen tiefen Einblick in die Kultur und Lebenswelt, aber auch in die Weltdeutung des späten Mittelalters. Wir erkennen darin eine vielfältige Weiterentwicklung der Bautechnik, des theoretischen Wissens, der Interpretation von Raum und Zeit, der optischen Perspektive und der Bildgestaltung. In den meisten Ländern Europas wurde im Baustil der „Gotik“ gebaut, der im 15. Jh. langsam in die Bauformen der Renaissance überging. Angeregt wurde der gotische Baustil wohl von den Reformbewegungen der Klöster von Cluny und der Zisterzienser. Der Name „Gotik“ wurde vom italienischen Kunstinterpreten Giorgio Vasari geprägt, der im 16. Jh. lebte. Dieser meinte damit einen derben und konfusen Baustil, der sich nicht an die Regeln der klassischen Proportionen (Vitruvius) hielt.1 Zu Beginn des 13. Jh. wurden die ersten Klosterkirchen und Bischofskirchen in diesem neuen Stil gebaut. Neu war daran das Kreuzrippengewölbe mit Strebepfeilern und mit Spitzbögen, welche die romanischen Rundbögen ablösten. Das Gewicht der Deckengewölbe wurde von den Mauern auf die schlanken Strebepfeiler übertragen, was eine besondere statische Leistung darstellte. Die Kirchenräume wurden nun höher gebaut, die Außenwände wurden durch große und farbige Fenster untergliedert. Die Pfeiler und die Kreuzrippen aus gemeißeltem Stein zeigten eine neue Leichtigkeit der Konstruktion. Damit entstand für die Besucher der Kirchen ein neues Erleben des sakralen Raumes. Die Blicke der Feiernden gingen nicht nur zum Altarraum, sondern auch in die lichten Höhen und zur Farbenpracht der Glasfenster. Ohne Zweifel drückte der neue Baustil eine veränderte Spiritualität der Kleriker, aber auch der Gläubigen aus.2
Gotik in den romanischen Ländern Diese technische Weiterentwicklung erfolgte zuerst in den Dombauhütten der Normandie und der Ile de France. In diesen Regionen gab es Steinsorten, die hohe Stabilität und Festigkeit zeigten, sich aber leicht durch Hammer und Meißel formen ließen. Die Bauhütten hatten Hunderte von Arbeitern in den Steinbrüchen, auf den Transportwegen, beim Behauen der Steine und an den Baustellen selbst. Die Bauten waren immer mit einem wirtschaftlichen Aufschwung der Städte und Klöster verbunden. Die Spitzbögen und die Kreuzrippen am Gewölbe ergaben eine neue Raumerfahrung,
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denn die Rippen des Gewölbes laufen strahlenförmig auf die tragenden Pfeiler zu. Diese Bündelpfeiler ermöglichten den mehrfachen Aufsatz von Kreuzrippen, die aus harten Steinen mit genauen Maßen gehauen wurden. Während das romanische Tonnengewölbe quadratische und rechteckige Räume überdachte, konnten durch das Kreuzrippengewölbe fast beliebige Raumformen überdeckt werden. Mit der visuellen Leichtigkeit des Raumes verband sich die Dynamik des farbigen Lichtempfindens, dies alles im Kontext des religiösen Erlebens.3 Nun wurden die Innenwände und die Strebepfeiler der gotischen Kirchen und Dome häufig mit Steinplastiken, mit Gestalten von Heiligen, von Herrschern und von Engeln gestaltet. Die Gläubigen sollten zu diesen Vorbildern des Glaubens und des Lebens aufsehen und an ihnen das Maß nehmen. Eine besondere Bedeutung bekamen die Westfassaden und die Eingangstore der großen Kirchen und Kathedralen. Denn die Gläubigen sollten schon auf die Geheimnisse des Glaubens zugehen, die in den großen Portalen zumeist in reichen Steinplastiken dargestellt wurden. Die hohen und zumeist spitzen Türme machten das Gotteshaus weithin sichtbar, etwa für Pilger, die sich ihm zu Fuß näherten. Vor allem die Fenster und die Rosetten der Fassaden waren aus buntem Glas, auch sie stellten die großen Themen des christlichen Glaubens in wunderbaren Farben dar. Oft waren die Rosetten der einzelnen Seitenwände in unterschiedlichen Farbtönen gestaltet (z.B. Chartres).4 Die großen Themen der Bildplastik, der riesigen Fenster und der Rosetten waren: Christus als Weltherrscher und Erlöser, Maria mit dem Christuskind und als Königin der Apostel, die zwölf Apostel und die Heiligen, aber auch Engel und Dämonen, die klugen und die törichten Jungfrauen, das göttliche Weltgericht, Geschichten aus der Bibel, Phänomene der Natur, Pflanzen und Tiere, Symbole des Guten und des Bösen. So waren die großen Dome und Kathedralen nicht nur Wunderwerke der Baukunst, sondern auch Erlebnisräume der Geheimnisse des christlichen Glaubens. Sie waren in den Städten auch Versammlungsräume für die Stadtbewohner, für Adelige und Kleriker, für freie Bürger und Handwerker, für Knechte und Mägde, nach Ständen und sozialen Schichten gegliedert. An den großen Festen des Kirchenjahres wurden die Geheimnisse des christlichen Glaubens zelebriert, die Messen wurden in lateinischer Sprache gefeiert. In den Domen und Kirchen wurde das Sakrament der Sündenvergebung, aber auch der Taufe gespendet, dort sangen die Kleriker das Lob Gottes und beteten das Stundengebet.5 Die Gesänge waren zu dieser Zeit noch mehrheitlich in lateinischer Sprache, aber zwischendurch gab es schon Liedstrophen in den Volkssprachen der Regionen. Es wurden große Hymnen auf den göttlichen Vater, auf den Erlöser Jesus Christus, auf den Heiligen Geist und auf die Gottesmutter Maria gesungen. Solche Dome wurden von Äbten und Bischöfen, von Fürsten und Königen, aber auch von den Stadträten großer Städte gestiftet und in Auftrag gegeben. Die Bauzeit dauerte meistens mehrere Generationen, oft zwischen 100 und 400 Jahren. Manche Dome Europas wurden erst im 19. Jh. fertiggestellt. Die ersten gotischen Kathedralen entstanden in Frankreich, in Reims wurde von 1210 bis 1400 gebaut. Zu dieser Zeit wurden der Dom Notre Dame in Paris und die Marienkathedrale von Chartes begonnen, auch die „Heilige Kapelle“
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(frz. Sainte-Chapelle) im Königspalast von Paris wurde zu dieser Zeit angefangen. Oft wurden romanische Vorgängerbauten weitergebaut oder umgebaut, deshalb blieben oftmals romanische Türme, Mauern und Bögen bestehen; vor allem die Unterkirchen (Krypta) blieben meist romanisch.6 Die Bauausführung lag in den Händen großer Bauhütten und vieler Baumeister, die ihr Wissen nur innerhalb ihrer Bauzunft (Bruderschaften) weitergeben durften. Diese freien Bauhütten hießen später „Freimaurer“ (engl. free masons), sie waren miteinander in Konkurrenz und entwickelten regionale Bauschulen. Aus dieser Zeit ist uns ein Skizzenbuch des Baumeisters Villard de Honnecourt erhalten, das sich in der Nationalbibliothek von Paris befindet. Es beschreibt die genaue Planung und die Arbeitsweisen der Bauarbeiter, die Lebensform der Steinmetze und der Baumeister. Hier war eine komplexe Vernetzung von großen Wirtschaftsbetrieben nötig, um solche Bauwerke zu schaffen: die Arbeiten in den Steinbrüchen, der Transport der Steinblöcke mit Pferdewagen oder auf Schiffen und Kähnen, die Arbeit der Steinmetze nach Maß und Plan, die Konstruktion von Aufzügen und Gerüsten aus Holz, die Koordination der vielen Bauhilfsarbeiter.7 Alle Lasten dieser grandiosen Bauwerke wurden durch Zugtiere (Pferde, Ochsen, Esel, Kühe) transportiert. Die Arbeiter wohnten an den Baustellen oder in der Nähe in Massenquartieren, durch Großküchen wurde ihre Ernährung gesichert. Die Kleriker leiteten sie an, ihre harte und gefährliche Arbeit als „Gottesdienst“ zu sehen, regelmäßig ihre Sünden zu beichten und an der Kommunion teilzunehmen. So wurden vom 13. bis zum 15. Jh im neuen Baustil der Gotik viele Kirchen und Dome errichtet, Kapellen und Klöster, aber auch Profanbauten wie Festungen und Burgen, Paläste und Stadttore, Wasserleitungen und Brücken. Zu den großen Burgen in Frankreich gehörten die Königsburg in Paris (Louvre) und der Papstpalast in Avignon. In den größeren Städten wurden auch Hospitäler und Bürgerhäuser, Markthallen und Rathäuser, Stadtmauern und Brücken sowie öffentliche Brunnen in diesem Stil gebaut. Die neu gegründeten Städte (frz. villes neuves) wurden nach vorgefertigten Plänen errichtet, mit geraden Straßen und mit Rinnen für das Regenwasser. Die Wasserversorgung wurde durch öffentliche Ziehbrunnen oder Fließbrunnen sichergestellt. In einigen Städten (Freiburg im Breisgau) wurden kleine Bäche durch die Straßen geleitet.8 Die Dome und Kathedralen, aber auch Burgen und Rathäuser wurden mit vielen Steinplastiken ausgestaltet. Dargestellt wurden religiöse und profane Themen, die großen Gestalten des christlichen Glaubens, aber auch Ritter, Adelige und Könige. Diese Steinbilder wurden in vielen Steinmetzschulen gefertigt. In den großen Mariendomen wurde die legendäre Lebensgeschichte der Gottesmutter Maria dargestellt, meist nach der „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine. Die Fürsten und Könige ließen ihre Grabmäler mit Skulpturen aus Stein oder aus Bronze gestalten. Die Buchmalerei wurde weiterentwickelt, die großen Handschriften der Bibel wurden mit reichen Bildzyklen gestaltet. Ein signifikantes Beispiel der Buchmalerei ist das „Stundenbuch“ des Herzogs von Berry. Die bunten Gläser für die Kirchenfenster und Rosetten der Kathedralen wurden in großen Glasereibetrieben hergestellt. Dabei
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wurden Tausende farbige Glasstücke in Blei eingefasst und dann zu großen Bildwerken zusammengestellt. Für die Fürsten und Könige, Bischöfe und Äbte wurden Figuren aus Elfenbein geschnitzt oder in Gold und Silber gearbeitet.9 Auch in Spanien begann ab dem 13. Jh. die gotische Baukunst, sie blieb lange Zeit mit maurischen Stilelementen (Mudejar Stil) verbunden. Die Könige von Kastilien, von Leon und von Aragon holten Baumeister aus Frankreich und Flandern. So wurden große Kathedralen in Leon, Avila, Siguenza gebaut, aber auch Klöster der Zisterzienser Ciudad Rodrigo bei Salamanca und Las Huelgas bei Burgos. Die Kathedrale von Burgos hatte eine Bauzeit von 300 Jahren, sie folgte französischen Vorbildern. Der Dom von Toledo wurde mit 750 schmalen und hohen Fenstern gestaltet. An der Bischofskirche von Cuence ist der Einfluss englischer Baumeister zu erkennen. Der große Dom von Sevilla wurde über einer islamischen Moschee errichtet, als Siegeszeichen über den Islam. Neben der Kathedrale von Santiago de Compostella wurde ein Kreuzgang für die Pilger gebaut. Auch in Portugal wurden mehrere Dome und Klöster im gotischen Stil errichtet.10 Zu den großen Bauten in Spanien gehörten die Bischofskirchen von Tarragona und von Barcelona, die Marienkirche Maria del Mar in Barcelona, die Kathedrale Nuestra Senora in Palma de Mallorca, die Bischofskirchen von Valencia und Saragossa. In einigen Städten wurden gotische Rathäuser errichtet, aber auch Handelsbörsen, Markthallen, Bürgerhäuser und Hospitäler; die Könige von Aragon ließen neue Paläste bauen. Aufwendig gestaltet wurden die Grabmäler der Fürsten, etwa in Sevilla, Toledo und Las Huelgas, dort finden sich prunkvolle Sarkophage mit Steinplastiken. Die Malerei wurde in den Kirchen und Domen, in den Klöstern und in den Fürstenpalästen gepflegt, die katalanische Buchmalerei griff Anregungen aus Flandern auf. Kunstvoll gestaltet wurden auch die Chorgestühle der Kleriker und die zahlreichen Reliquienschreine.11 In Italien jedoch war die gotische Baukunst wenig verbreitet, denn hier wurden frühzeitig die Baurformen der Frührenaissance entwickelt. Gotische Bauten in Italien sind der Dom von Siena, die Kirche der Franziskaner in Assisi, der Dogenpalast in Venedig und der Dom von Mailand. Der Palast in Venedig wurde im 15. Jh. erweitert und mit gotischen Bögen und Stilelementen gestaltet. Auch die Paläste der Adelsfamilien Contarini, Giustiani, Pisani, Dandolo und Fosari wurden in diesem Stil ausgestaltet. Der Dom von Mailand war im 14. Jh. begonnen worden, dort wirkten deutsche Baumeister wie Heinrich von Enzingen und Heinrich von Gmünden. Er besteht aus einem fünfschiffigem Langhaus und einem dreischiffigem Querhaus. Die Kuppel über der Vierung trägt einen mit Figuren geschmückten Turm und eine Laterne mit der Madonna. Die Fenster sind in unterschiedlichen Farbtönen gestaltet, auf den Säulen und Wänden stehen große Steinplastiken, die Fußböden sind mit Mosaik ausgelegt. Dieser Dom wurde erst im 19. Jh. fertiggestellt, die Liturgie wird im Ambrosianischen Ritus gefeiert.12 Mit gotischen Stilelementen gestaltet wurden der Palazzo Ca d´Oro und die Kirche San Giovanni e Paolo in Venedig, der Kreuzgang des Campo Santo in Pisa, die Kapelle Or San Michele in Florenz, die Bischofskirchen von Siena und Orvieto. Vor allem
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die Dominikaner und die Franziskaner verbreiteten den gotischen Stil, etwa in der Kirche Francesco in Assisi oder San Domenico in Bologna, aber auch Santa Croce in Florenz. Aus dieser Zeit stammen der Palazzo Pubblico in Siena, sowie der Palazzo del Podesta und der Palazzo Vecchio in Florenz, die Stadtburg von San Giminiano und der Palazzo Communale in Bologna. Dazu kommen Burgen in Süditalien (Castel del Monte) und in Palermo auf Sizilien.13
Gotische Kunst in West-, Nord und Mitteleuropa Von Frankreich kam die gotische Baukunst in deutsche Länder, wie die Dome von Köln und Straßburg zeigen. Der Kölner Dom wurde zur gleichen Zeit wie der Dom von Chartres begonnen, aber erst im 19. Jh. fertiggestellt. Er hatte als Vorbild den Dom zu Amiens. In Straßburg arbeitete eine große Bauhütte, die ihre Meister in viele Städte schickte. So entstanden große Münster und Dome in Paderborn, Münster, Regensburg, Stralsund, Limburg an der Lahn, St. Elisabeth in Marburg, St. Georgskirche in Dinkelsbühl, St. Stephan in Wien. Auch das Kloster von Maulbronn folgte französischen Schulen, besondere Kunstwerke sind die Münster von Ulm und von Freiburg im Breisgau.14 Im Norden, wo es wenig harten Stein gab, wurden die Dome und Klöster aus gebrannten Ziegeln (Backstein) ausgeführt, etwa in Lübeck und Stralsund. Im gotischen Stil wurden auch profane Bauten errichtet, etwa die Burg des Deutschen Ordens (Marienburg), aber auch Bauten in Polen und im Baltikum. Zu dieser Zeit wurden viele Stadttore und Rathäuser errichtet, das Holstentor in Lübeck oder das Severinstor in Köln. Gebaut wurden überdachte Markthallen, frühe Hospitäler, Burgen und Gefängnisse. Große Rathäuser entstanden in Danzig, Breslau, Königsberg, Tangermünde, Münster, Braunschweig. In vielen Städten wurden Bürgerhäuser mit hohen Giebeln errichtet, etwa in Lüneburg, Braunschweig, Hildesheim, aber auch in Tirol.15 Eine besondere Bedeutung kam der gotischen Bildplastik zu, die Statuen wurden in den Domen und Schlössern aufgestellt. So wurden in Magdeburg, Bamberg und Naumburg bereits im 13. Jh. große Skulpturen von Heiligen und von Stiftern geschaffen, später auch in Mainz und Straßburg. Dargestellt wurden die zwölf Apostel, die Passion Christi (Lettner von Naumburg), die großen Schutzpatrone, Maria und Johannes unter dem Kreuz, Heilige und Engel. Ab dem 14. Jh. wurde in Folge der verbreiteten Leidensmystik der leidende Heiland in ausgemergelter Gestalt dargestellt, das Leiden Christi rückte in die Mitte der Frömmigkeit. Bilder von der Abnahme des toten Jesus vom Kreuz sollten beim gläubigen Volk tiefes Mitgefühl erzeugen.16 Ab dem 15. Jh. wurde ein neues Marienbild dominant, nämlich die Madonna vom „weichen“ Stil oder die „schöne“ Madonna; zuerst in Böhmen und am Rhein. Dort wurde Maria als junge Frau dargestellt, welche die Leiden ihres Sohnes schon verwandelt hat. Ab 1430 bildeten sich in Deutschland mehrere Bildhauerschulen, etwa in Nürnberg, in Schwaben (Ulm), am Rhein und an der Donau. Berühmte Bildhauer dieser Zeit waren Hans Multscher, Nikolaus Gerhaert von Leyden, Jörg Syrlin aus Ulm. In Wien ließ der Kaiser Friedrich III. sein Grabmal mit großen Symbolfiguen ge-
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stalten. Von Bayern und Österreich kam die gotische Baukunst und Bildkunst nach Böhmen und nach Polen. In Prag wurde der Veitsdom errichtet, der französischen Vorbildern folgte, außerdem die Karlsbrücke über die Moldau und der Altstädter Brückenturm. In Krakau wurden der Dom und die Königsburg (Wawel) gebaut, in Kuttenberg in Böhmen entstand die spätgotische Barbarakirche.17 Die Mönche und Missionare brachten die gotische Baukunst auch nach Skandinavien, so wurde in Turku in Finnland ein Dom aus Backstein errichtet, in Norwegen entstanden Dome an den Bischofsitzen in Stavanger und in Drontheim, mit Grabmälern der Könige. In Schweden wurde der Dom von Uppsala gebaut und in Dänemark die Bischofskirche von Roskilde. Auch in den Niederlanden entstanden große Werke der gotischen Baukunst, etwa die großen Dome in Antwerpen, in Brügge und in Brüssel (Sainte Gudule); dazu Zunft- und Stapelhäuser, Tuchhäuser und Markthallen, Rathäuser und Stadtschlösser der Adeligen. In den Kirchen verbreitete sich die gotische Tafelmalerei, die Altäre wurden mit großen Bildtafeln geschmückt, welche die Themen der christlichen Heilsgeschichte darstellten.18 Nach England kam die gotische Baukunst aus Frankreich, vor allem aus der Normandie, auch hier waren die Zisterzienser führend daran beteiligt. So entstanden schon früh die Dome von Canterbury, von Chichester und von Lincoln, mit besonders langen Längsschiffen und oft mit ungleichen Querschiffen. Dazu kamen Klöster mit Kreuzgängen und Kapitelsälen. Vor allem die Ostseiten der Dome wurden mit großen Fenstern und Rosetten gestaltet. Der Dom von Salisbury wurde in 40 Jahren fertiggestellt, andere Dome hatten 200 Jahre Bauzeit. Einen Höhepunkt der englischen Gotik bildet die Abtei von Westminster mit den Grabmalen der englischen Könige und der Kapelle Heinrichs VII.19 Im gotischen Stil erbaut wurden an den Universitäten auch die Colleges von Oxford und von Cambridge, mit eigenen Kirchen und Kapellen. In der Malerei wurde der „Perpendicular Style“ dominant, etwa im Dom von Beverley.20 Im allgemeinen finden wir in England weniger Wandmalereien und Tafelgemälde als auf dem Kontinent, dort blieb die Gestaltung des Raumes durch Fenster und figurale Plastiken dominant. In den Wirren der Reformation und in den Religionskriegen sind viele der englischen Klöster und Dome zerstört worden.
Die Kunst der Bildhauer in Italien Viele der italienischen Städte und Stadtstaaten konnten sich wirtschaftlich schneller entwickeln als die meisten Städte nördlich der Alpen. Daher ist auch das Kunstschaffen dieser Zeit in Italien vielfältiger als in anderen Regionen Europas. Vor allem Florenz wurde im 15. Jh. ein Zentrum der Bildhauerkunst und des Bronzegusses. Nanni di Banco schuf bereits um 1410 die Figurengruppe „Santi Quattro Coronati“ für die Kirche Or San Michele. Die lebensgroßen Marmorstatuen stellen die vier Schutzpatrone der Bildhauer, der Architekten und der Steinmetze dar. Später schuf Nanni di Banco noch die „Himmelfahrt Marias“ für die Porta della Mandorla, im Vordergrund stehen der zweifelnde Thomas und die Gottesmutter. Arnalfo di
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Cambio hatte in Florenz eine Schule der Bildhauerei gegründet, aus der viele große Meister hervor gegangen sind.21 Im 14. Jh. schuf Andrea Pisano das erste Bronzeportal für das Baptisterium (Taufkirche) in Florenz, dieses zeigt auf 28 Feldern Szenen aus dem Leben des Täufers Johannes und die christlichen Tugenden. Der Glockenturm (Campanile) des Domes Santa Maria del Fiore wurde von Giotto di Bondone im Jahr 1337 entworfen. Und Andrea Pisone schuf für den Turm des Domes große Reliefs aus Bronzeguss. Giotto war ein Schüler des Malers Cimabue gewesen, der in Rom und in Florenz große Bildwerke geschaffen hatte, etwa die Kreuzigung Jesu oder Bilder der Apokalypse des Johannes. Giotto aber entwickelte neue Sichtweisen des Bildes, er malte die feinen Nuancen des mimischen und des gestischen Ausdrucks bei seinen Personen. Die Bildfläche wurde begrenzt und auf die Handlung einer Szene bezogen, dadurch waren die dargestellten Personen durch Blicke und Gesten miteinander verbunden. Die gemalten Handlungen wurden durch die Landschaft und die Bildarchitektur unterstützt, damit setzte sich Giotto deutlich von der gotischen Tafelmalerei ab.22 Der Bildhauer und Bronzegießer Andrea Pisano arbeitete später in Pisa und in Orvieto. Ab 1401 wurden am Baptisterium von Florenz weitere Bronzetüren geschaffen, die eine von Filippo Brunelleschi, die andere von Lorenzo Ghiberti; der erste hatte auch die Domkuppel von Florenz entworfen. Diese Bronzetüren zeigen viele Szenen aus dem Alten Testament und aus der christlichen Heilsgeschichte. Die Themen für die 28 Felder der beiden Türen wurden vom Humanisten Leonardo Bruni vorgegeben. Beide Künstler bemühten sich bei ihren Bildtafeln um ihre persönliche Sichtweise der Figuren, was seit der Kunst der Antike nicht mehr erreicht worden ist. Nach einer neuen Theorie der Perspektive wurde der Raum des Bildes genau errechnet. Lorenzo Ghiberti hatte seine Tafeln bereits im Jahr 1452 vollendet, gleichzeitig verfasste er ein theoretisches Werk zu seinen Arbeiten (Commentarii).23 Der Florentiner Bronzegießer Antonio di Pietro Averlino (Filarete) brachte diese Kunst der perspektivischen Bilder in die Stadt des Papstes nach Rom, wo er mit der Gestaltung einer Bronzetür der Basilika St. Peter beauftragt wurde. Lorenzo Ghiberti stellte in seinen Reliefs den König Salomon und die Königin von Saba dar, die Geschichte von Jakob und Esau, die Himmelspforte, David und Goliath. Zum Freundeskreis um Ghiberti gehörten die Bildhauer Filippo Brunelleschi, Donatello (Donato di Nicolo di Betto Bardi) und Luca della Robia, sowie der Maler Tommaso Masaccio. Filippo Brunelleschi aber galt vielen als ein neuer „Phidias“ von Florenz. Donatello schuf zu dieser Zeit große Statuen für den Dom von Florenz, für den Campanile und für Or San Michele.24 Aus Florenz stammte auch der Bildhauer Andrea Cione (Il Verocchio), der für die Fürsten der Medici große Grabmäler schuf. Für den Dogen in Venedig goss er das große Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni aus Bronze. Der Bildhauer Jacobo della Querca schuf für den Palazzo Pubblico in Siena große Bildwerke aus Marmor, für den Dom von Lucca fertigte er den Sarkophag einer Fürstin. Ebenfalls aus Florenz stammte Michelozzo di Bartolommeo Michelozzi, der für Cosimo di Medici große Werke schuf. Zusammen mit Donatello schuf er die Außenkanzel
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am Dom zu Prato, und für Florenz fertigte er zwei Statuen des Täufers Johannes aus Gold und aus Ton.25 Zu dieser Zeit war in Florenz auch der Bildhauer Luca della Robba tätig, der vor allem in Keramik und Terrakotta arbeitete. Für die Sängertribüne im Dom zu Florenz fertigte er große Marmorreliefs an, die singende Engel und tanzende Kinder darstellten. In der Technik der glacierten Farbkeramik schuf er Bilder der Madonna, von den klugen Jungfrauen und von den Engeln. Andere Bildhauer dieser Zeit waren Bernardo Rosselino, Desiderio da Setignano und Benedetto da Maiano, der eine Kanzel in der Kirche Santa Croce in Florenz schuf. Agostino di Duccio schuf große Bildwerke für die Kirche San Bernardo in Perugia, und Mino da Fiesole baute mehrere Grabmäler, Kanzeln und Ballustraden an Palästen. Diese Künstler nahmen das Maß wieder an der Kunst der römischen und griechischen Antike, die sie durch Bruchstücke und Ruinen kannten.26
Malerei der Frührenaissance Im 15. Jh. wurde Florenz durch das Mäzenatentum der Fürsten Medici auch zu einem Zentrum der europäischen Malkunst. Ein großer Anreger dieser Kunst war Masaccio (Tommaso di Ser Giovanni di Simone Guidi), der ein Frescobild in der Kirche Santa Maria Novella schuf. Sein bedeutendstes Werk aber waren die Fresken in der Brancacci-Kapelle bei der Kirche Santa Maria del Carmine in Florenz, die nach seinem Tod von Filippino Lippi vollendet wurden. Er malte bereits im Jahr 1428 einen nackten Jüngling, was einem Tabubruch gleichkam, denn die Kleriker hatten die Darstellung nackter Menschen verboten. Der Maler folgte den Vorbildern der antiken Kunst, die beide Geschlechter durch viele Jahrhunderte nackt dargestellt hatte. Den ersten nackten weiblichen Körper seit der Antike malte in Florenz um 1487 der Maler Sandro Botticelli in seinem Bild „Geburt der Venus“. Es ging diesen Malern um die Wiederentdeckung der Schönheit des weiblichen und des männlichen Körpers, allen leibfeindlichen Lehren der Theologen und Prediger zum Trotz.27 Es waren zuerst Fürsten und etwas später auch höhere Kleriker, welche die Darstellung des nackten Körpers tolerierten, später sogar förderten. Das Bild von Masaccio stellte die Auferweckung eines Königssohns aus dem Tod durch den Apostel Petrus dar. Eine Anbetung der Könige malte Gentile da Fabriano, und von Andrea del Castagno stammen Bildzyklen über das Leiden Jesu und die Kreuzigung, über die Grablegung und Auferstehung, sowie über das Letzte Abendmahl. Paolo di Donato (Uccello) malte in Florenz große Bildzyklen über die Sintflut und Noah, mystische Bilder und Szenen von Schlachten. Aus diesen Bildern erkennen wir viele Details der aristokratischen, aber auch der bürgerlichen und der bäuerlichen Lebenswelt, etwa die Kleidung, den Schmuck, die Haartracht. Alle diese Bilder geben uns wertvolle Zeugnisse von der Kultur dieser Epoche.28 Ein besonderer Meister der religiösen Bildkunst war der Dominikaner Fra Angelico, der in Rom, in Orvieto und in Florenz Aufträge erhielt. Von ihm stammen viele Altarbilder, immer malte er die irdische Welt als „Abglanz“ der himmlischen Welt,
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wie es Platon und Plotin lehrten. Berühmte Bilder von ihm sind die Anbetung der Könige, der Kuss des Judas, der Zug der Heiligen zum Jüngsten Gericht, Jesus mit Maria Magdalena, die Verkündigung des Engels an Maria und die Geburt Christi. Ein Schüler des Fra Angelico war Benozzo Gozzoli, der in Montefalco, in San Giminiano und in Pisa große Bildzyklen geschaffen hatte. Auch seine Bilder sind reich an kulturgeschichtlichen Details, etwa die Waffenarten und Rüstungen, die Kleider der Adeligen, das Geschirr der Pferde.29 Der Karmelitermönch Filippo Lippi und sein Sohn Filippino Lippi stellten ebenfalls viele Themen der Bibel und Geschichten aus dem Leben des heiligen Bernhard auf Bildzyklen dar. Von Domenico Ghirlandaio stammen große Altarbilder in Florenz, eine Anbetung der Könige, ein Porträt eines alten Mannes mit seinem Enkelsohn, sowie die Madonna mit Heiligen. Piero della Francesca hatte in Arezzo die Legende vom Heiligen Kreuz gemalt, aber auch den Siegeszug des Kaisers Konstantin und Themen der Legenda aurea des Jacobus de Voragine; außerdem eine Schutzmantelmadonna, die Taufe Jesu und den Urvater Adam. Melozzo da Forli malte in Rom in der Bibliothek des Vatikan und im Quirinalspalast des Papstes; er stellte Päpste, Kardinäle, Fürsten und Adelige in prächtigen Gewändern dar.30 Aus Perugia stammte Pietro Vanucci (Perugino), er malte bereits Teile der Sixtinischen Kapelle des Papstes in Rom, die Papst Sixtus IV. erbauen ließ; dort malte er die Schlüsselübergabe Jesu an Petrus. Auch Bernardino di Betto (Pinturicchio) hat an den Fresken der Sixtinischen Kapelle gearbeitet, außerdem malte er die Schlafgemächer und die Privatkapelle des Papstes. Zu seinen großen Bildern gehören der Festzug der Fürsten und Bischöfe zum Konzil von Basel, sowie Themen aus dem Leben der heiligen Katharina von Alexandria. Ein großer Meister der Epoche war Sandro Botticelli (Filipepi), der aus Florenz stammte. Er wohnte in der Nähe der Adelsfamilie Vespucci, deren Sohn Amerigo (Emmerich) an der Entdeckung und an der Namensgebung von „Amerika“ beteiligt war. Diese reiche Familie förderte Sandro Botticelli, dessen Brüder ebenfalls große Maler und Künstler waren. Antonio war Goldschmied. Sandro wurde früh Mitglied der Lukasgilde, einer Vereinigung von Künstlern. Früh bekam er den Auftrag, im Dom zu Pisa die Himmelfahrt der Maria zu malen. Danach erhielt er Aufträge der Fürsten Medici in Florenz. So malte er Cosimo den Alten, Porträts von adeligen Frauen und viele Marienbilder mit Engeln und dem Jesuskind. Zu seinen frühen Bildern gehört die Entdeckung des toten Holofernes und die Rückkehr der Heldin Judith ins Lager der Juden.31 Sein Meisterwerk „Primavera“ (Frühling) malte er 1477 für Lorenzo di Medici, das Werk wurde in der Deutung der neuplatonischen Tradition des Marsiglio Ficino geschaffen. Es ging um die Rückkehr der Liebesgöttin Venus in die christliche Lebenswelt und Kultur, zugleich um die Wiederkehr der humanitas und der Zivilisation nach Italien. Das Bild konnte auch allegorisch gedeutet werden als Ausdruck der Liebe des Fürsten zu Simonetta Vespucci. In den drei Grazien wird die Nacktheit des weiblichen Körpers nur durch zarte Schleier verdeckt. So ist dieses Bild voll spielender Sinnlichkeit und damit erneut eine deutliche Absage an die Leibfeindlichkeit der
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Schultheologen und der Kleriker. In der Sixtinischen Kapelle des Papstes in Rom malte Botticelli zusammen mit Ceroselli, Ghirlandaio, Perugino und Signorelli an den großen Themen des Glaubens und der christlichen Kultur. Er malte dort Szenen aus der Bibel, die Versuchung des Moses und die Versuchung Christi durch den Teufel, die Töchter des Jethro. Außerdem schuf er an anderer Stelle einige Porträts der Päpste.32 Auch sein Bild der Pallas Athena, die den Kentauren besiegt hatte, sollte symbolisch gedeutet werden. Es meinte nämlich, dass die Weisheit des Verstandes die Wildheit und Torheit des Krieges besiegen werde. Auch seine vielen Bilder der Madonna drücken Sinnenfreude und Zärtlichkeit aus. Auf seinem Bild „Mars und Venus“ schläft der junge Kriegsgott, während die Liebesgöttin zärtlich über ihn wacht. Auch im Bild „Geburt der Venus“ liegt ein starker symbolischer Ausdruck, denn die Liebesgöttin wurde nach dem griechischen Mythos nackt aus dem Meer geboren. Auch hier sollte die platonische Schönheit über die Wildheit der Materie und der Natur siegen. Zu dieser Zeit malte Botticelli Bilder der Madonna mit dem Granatapfel oder mit dem Preislied des Magnifikat, die Verkündigung des Engels an Maria und die Krönung Marias im Himmel. Auch am Entwurf der Domfassade in Florenz war der Maler beteiligt.33 Ab 1490 predigte der Dominikaner Girolamo Savonerola in Florenz gegen die neue Sinnlichkeit in der Kunst, gegen den Reichtum der Fürsten und die Unmoral vieler Stadtbürger. Er hasste die antike Kultur und verteufelte die neue Lebensform der Renaissance und des Humanismus. Deswegen wollte er in Florenz einen biblischen „Gottesstaat“ verwirklichen. Zuerst waren auch viele Maler und Künstler von diesem wortgewaltigen Prediger beeindruckt, einige Mönche verbrannten öffentlich erotische Bilder der neuen Malerei. Wahrscheinlich wurden auch Bilder von Botticelli verbrannt. Doch die Adeligen und die Bürger setzten sich gegen diesen Prediger und seine umstürzlerischen Anhänger zur Wehr, sie brachten ihn vor die kirchliche Inquisition. Dort wurde er als Ketzer verurteilt und 1497 auf dem Schlossplatz von Florenz auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Diese tragische Geschichte zeigt den fanatischen Kampf einiger Kleriker und Mönche gegen die neue Kultur der Sinnlichkeit und Humanität.34 Sandro Botticelli arbeitete auch mit seinem Bruder Giovanni zusammen, beide waren im Dienst des Fürsten von Medici und damit geschützt. Später malte Sandro die Beweinung Christi am Grab, die Anbetung der Könige, sowie verschiedene Themen aus der „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri. Zuletzt lebte er mit seinem Bruder Antonio in einem Haus, er wurde von fanatischen Klerikern der „Sodomie“ (männliche Homosexualität) angeklagt, aber es kam zu keiner Verurteilung. 1510 ist er in Florenz gestorben, er wollte die Lebensformen der antiken Kultur und neuplatonische Ideen mit christlichen Kulturwerten verbinden. In Italien und später auch in anderen Ländern hat die Malerei dieser Zeit wesentlich zur Verbreitung von humanistischen und sinnlichen Lebenswerten beigetragen.35 So hatten die Bildhauerkunst und die Malerei im 15. Jh. wesentlich zur Verbreitung einer positiven Sichtweise des menschlichen Lebens beigetragen. Die Freude an der Schönheit des menschlichen Körpers kam langsam und zögernd wieder in die
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europäische Kultur zurück. Denn viele dieser Bilder wurden ja auch in Kirchen und Klöstern gemalt, und viele Auftraggeber waren auch geistliche Fürsten und Päpste. Es kam zu einer partiellen „Wiedergeburt“ der antiken Kultur und Lebenswelt bei den adeligen und bürgerlichen Schichten. Die unteren sozialen Schichten haben diese neue Sichtweise des Lebens wohl nur auf den neuen Bildern in der Kirchen erahnen können, denn mehr bekamen sie nicht zu sehen. Doch zu dieser Zeit fuhren fanatische Kleriker und Prediger fort, die menschliche Sexualität abzuwerten und die Frauen als „Hexen“ zu verfolgen, wie uns der „Hexenhammer“ und die Inquisition zur gleichen Zeit zeigen.36 Insgesamt erkennen wir im 15. Jh. ein deutlich sich emanzipierendes „Laienchristentum“, das von Adeligen, von Stadtbürgern, von Künstlern und Philosophen getragen wurde. Dieser Prozess setzte sich im 16. Jh. fort und führte in verschiedenen Regionen Europas zu Kirchenreformationen und zu starken Veränderungen der Lebenswelt. Was die Musik dieser Zeit angeht, so war sie in den Kirchen und Klöstern weitgehend reglementiert, freies Musizieren war nur an Fürstenhöfen und in größeren Städten möglich. Bereits im 15. Jh. versuchten einzelne Musiker wie H.L. Glareanus, G. Zarlino oder Josquin de Prez, an antike Kunstformen und an die Musiktheorie des Aristoteles anzuknüpfen, die sie inzwischen kennen gelernt hatten. So schrieben Leonhard Senft und Orlando di Lasso bereits neue Werke der Tonkunst, welche Themen der antiken Kultur neu zu interpretieren versuchte. Aber erst im 16. Jh. konnte sich diese neue Musik entfalten, etwa in der „Camerata“ von Florenz.37 So war die Kultur und Kunst des späten Mittelalters stark von einer kreativen Dynamik geprägt. Denn in dieser Zeit kamen vor allem für die Menschen in den Städten neue Länder und Kulturen in Sicht, neue Erkenntnisse der Naturwissenschaften weiteten den Horizont. Vor allem der Rückblick auf die antike Kultur der Römer und Griechen zeigte neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung und der Weltdeutung, die aber immer von den konkreten wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten abhängig waren. Auch bei den Klerikern und Theologen sehen wir eine zögernde Öffnung zur Kultur des Humanismus; gleichzeitig verschrieben sich viele Bischöfe und Prediger dem fanatischen Kampf gegen die „Häretiker“, die Juden, die „Hexen“ und die Zauberer. Die theokratische Reichskirche war noch stark, doch in den Städten zeigten sich schon deutliche Ansätze zu demokratischen Entscheidungen. Der Übergang in die europäische Neuzeit erfolgte fließend und nicht abrupt, er begann bei den gebildeten Schichten bereits im späten 15. Jh.
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Die Juden im späten Mittelalter Johann Maier
Allgemeine und regionale Rahmenbedingungen Die neue Gesamtsituation Das späte Mittelalter war allgemein und eben auch für die Judenheit eine eher beunruhigende Übergangszeit.1 Verheerende Katastrophen haben die Lebensverhältnisse für lange negativ beeinflusst2 und die Menschen hatten weithin mehr denn je das Gefühl, in den Wirren des Weltendes zu leben, reagierten demgemäß überreizt und neigten religiös zu Fanatismus und Intoleranz.3 Die Juden teilten diese Einschätzung des Geschichtslaufs und hofften, dass nach den „Wehen des Messias“ endlich die große Wende zur Heilszeit eintreten würde, und daher mehrten sich nun auch die Berechnungen des Weltendes und die akuten messianischen Bewegungen, nachdem mit dem Jahr 1240 nach der jüdischen Weltchronologie das 4. Jahrtausend seit der Weltschöpfung zu Ende gegangen war.4 Diese negative Stimmung eskalierte im Lauf des 14./15. Jh. und zwang die Juden, sich gegen allerlei Verunglimpfungen zur Wehr zu setzen, sich der eigenen Traditionen neu zu vergewissern und sich um eine legitime Position neben dem Christentum zu bemühen. Negative Vorurteile und mehr oder minder grundsätzlich oder rechtlich begründete Distanzierungen von den Nichtjuden (hebr. gôjîm) bzw. Fremden (hebr. nôkrîm) waren mehr als in den vergangenen Jahrhunderten alltagsbestimmende Faktoren in den Umweltbeziehungen.5 In der islamischen Welt war man als Jude im Vergleich dazu zwar etwas sicherer, aber die politischen Umweltbedingungen waren instabil geworden und in der Folge waren auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten in vielen Bereichen begrenzt.6 Im Früh- und Hochmittelalter hatten sich den Juden unter dem Halbmond meist recht gute, unter dem Kreuz immerhin auch vergleichsweise günstige Entfaltungsmöglichkeiten geboten.7 Die neue Epoche hingegen führte in existenzbedrohende Situationen mit nachhaltigen Folgen. Das schrecklichste und folgenreichste Ereignis war die große, länderübergreifende Pestepidemie in den Jahren 1348-51. Der sog. „Schwarze Tod“ verschonte fast kein Land und hatte nachhaltige Folgen im Wirtschaftsleben und für die Kultur. Allenthalben fragte man nach Verantwortlichen für das Unheil und verdächtigte
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auch die Juden, etwa durch Brunnenvergiftung,8 die Seuche verursacht zu haben. Papst Clemens VI wies diese Unterstellung in Quamvis perfidiam zwar zurück, aber das verhinderte nicht ihre Weiterverbreitung. So kam es zu zahlreichen örtlichen Verfolgungen und Vertreibungen, was unter den ohnedies allgemein herrschenden ungünstigen Bedingungen für die übrig gebliebenen Gemeinden besonders harte Folgen nach sich zog.9 Allen Widrigkeiten zum Trotz ergab sich allgemein ein steter Bevölkerungszuwachs, auch in den jüdischen Gemeinden. Sie verkrafteten das Anwachsen der sozialen Lasten nur schwer und verschuldeten sich, denn Probleme im Zusammenhang mit den Abgaben an die nichtjüdischen Obrigkeiten musste man tunlichst vermeiden, um nicht die rechtliche Existenzgrundlage zu verlieren. Damit vergröberten sich gewisse strukturell bedingte Verhältnisse innerhalb der Gemeinden. Die vermögenden Familien und Kreise erhielten noch mehr Gewicht und die rabbinische Autorität hing mehr denn je von dem Ansehen der einzelnen Rabbiner ab. Sie wurden nun aber in den nördlichen Gemeinden der christlichen Welt zu besoldeten Angestellten der Gemeinden und waren darum in der Regel von den Gemeindepotentaten abhängig. Die verbreiteten Missstände haben örtlich-regional wiederholt zu Reformmaßnahmen geführt. Aber die innerjüdische Problematik der anwachsenden armen Randschichten der großen städtischen Gemeinden und die Entstehung kleiner, aber schwer kontrollierbarer jüdischer Ansiedlungen abseits von Städten, sollte sich in den folgenden Jahrhunderten noch verschärfen. Während die Landwirtschaft infolge ungünstiger klimatischer Bedingungen und des Bevölkerungswachstums allgemein die Grenzen ihrer Leistungskraft erreichte und die Bauern mehr und mehr in Abhängigkeit von den örtlichen Herren gerieten, wuchsen die Städte rapide an und gewannen mit ihren besonderen Strukturen gegenüber Adel und Territorialherren an politischem Gewicht und ein höheres Maß an Selbstbestimmung, vor allem die Reichsstädte.10 Die Versorgung der Städte mit den erforderlichen Waren aus dem agrarischen Umfeld und durch Importe bildete von nun an einen gewichtigen Wirtschaftssektor, aber die neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten wurden für die jüdische Seite durch das christlich deklarierte Zunftund Gildenwesen und durch eine ansteigende christliche Dominanz im Fernhandel und im großen Geldhandel empfindlich eingeschränkt. Regulierungsmaßnahmen der städtischen Behörden für Aufenthalt und Betätigung von Randgruppen und eben auch Juden setzten häufig enge Grenzen.11 Der Stellenwert jüdischer Stadtbewohner war in der Regel dramatisch gesunken, man brauchte sie oft nicht mehr, was eine dementsprechende Behandlung nach sich zog.12 Obwohl der Fernhandel, vor allem über See, in dieser Zeit bestimmten Handelsund Hafenstädten auch Vorteile einbrachte, war der jüdische Anteil daran eher bescheiden, da nun vor allem große christliche Unternehmen den Markt beherrschten. Kleinhandel, Pfandleihe und Kleinkreditwesen wurden daher weithin zu Grundlagen der jüdischen Lebensführung und in den Augen der Umwelt wurde der „Wucher“ zu einem Kennzeichen jüdischer Tätigkeit. Diese soziale Isolierung von außen her verschärfte die Folgen der im jüdischen Recht vorgeschriebenen Absonderung von
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der götzendienstverdächtigen christlichen Umwelt noch mehr. Nur in westlich-mediterranen Bereichen blieb die ökonomisch-soziale Verankerung im nichtjüdischen Umfeld noch mehr oder weniger intakt, doch das endete schlagartig mit den großen Vertreibungen am Ende der Periode.13 Indessen verlor die orientalische Judenheit an Bedeutung und der Schwerpunkt der jüdischen Geschichte verlagerte sich auf die christliche Welt, zunächst auf die christlichen Gebiete auf der iberischen Halbinsel und auf Südfrankreich, und mehr und mehr auch auf „Aschkenaz“ im Norden. Im politischen Bereich zeichnen sich zwei gegensätzliche Tendenzen ab, die sich beide zu Ungunsten der Juden auswirkten. Einerseits kam es zu zentrifugalen Erscheinungen, eine Schwächung der Zentralgewalt zugunsten eines Machtzuwachses einzelner Territorien, so im Heiligen Römischen Reich. Die Verfügungsgewalt über die örtlichen und regionalen Judenschaften zerfledderte und bot damit Raum für willkürliche, meist wirtschaftlich oder fiskalisch begründete Maßnahmen wie wiederholte Vertreibungen und Wiederzulassungen. Andernorts gab es zentralistische Bestrebungen, die auch in der religiösen Einheit ein Mittel zur Stärkung der Zentralmacht sahen, so vor allem auf der iberischen Halbinsel, wobei die Judenschaften infolge der wirtschaftlichen Funktion einzelner Juden v. a. im Finanz- und Steuerwesen in die Machtkämpfe innerhalb des Staates verquickt wurden und bei aufkommenden sozialen Spannungen ins Visier benachteiligter Gruppen gerieten. Die Juden wurden in zunehmendem Maß durch eine immer schärfere antijüdische Propaganda als „Ungläubige“ diffamiert und wurden mit „Ketzern“ bzw. Häretikern, oft zielstrebig dem Volkszorn ausgesetzt.14 Die Vorstellung, dass die Juden mit dem Teufel bzw. mit dem „Antichrist“ im Bunde seien, war besonders gefährlich, da sie eine Nähe zur Ketzerei und Zauberei unterstellte und somit als religiös begründeter Vorwand für ein eigentlich höchst unchristliches Verhalten diente. Bei all diesen Verfolgungen stellten sich oft Mechanismen ein, die von den Herrschenden nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden konnten. Die Skala solch negativ wirksamer Faktoren reicht von volkstümlichem Aberglauben und persönlichen Gehässigkeiten bis zu massiven wirtschaftlichen Interessen von Individuen und Gruppen, bis zu den Spitzen von Stadt, Staat und Kirche. Im Blick auf die Gesamtjudenheit ergab sich eine demographische Schwerpunktverlagerung, die in der Neuzeit zu völlig neuen Verhältnissen führen sollte. Das Schwergewicht verlagerte sich von den mediterranen und orientalischen Judenschaften auf die Gebiete nördlich der Alpen, nach „Aschkenaz“, von wo aus eine Siedlungswelle nach Osten einsetzte und zu einer urbanen Kolonisierung in den Ländern der polnischen Krone führte. Diesem Aufstieg der „aschkenazischen“ Judenschaften entspricht ein gegenläufiger Trend in den jüdischen Gemeinden der islamischen Welt. Mit dem Verfall des Kalifats hatte im Orient bereits eine rückläufige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung eingesetzt. Mit der Zersplitterung der politischen Macht und unter der wechselreichen Fremdherrschaft infolge laufender Invasionen aus dem zentralasiatischen Raum erlahmten die kreativen Kräfte in der arabisch-islamischen
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wie jüdischen Bevölkerung. Erst gegen Ende der Periode zeichnet sich eine neue politisch-wirtschaftliche Großmacht ab. Das osmanische Reich ergab einen neuen politisch-wirtschaftlichen Großraum, der wieder mehr Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten bescherte, vor allem der politisch näherstehenden jüdischen Minderheit. Auch dieser Trend kam erst mit dem 16. Jh. zur vollen Wirkung. Demographisch gesehen verlor die spanische („sefardische“) und orientalische Judenheit im Vergleich zur „aschkenazischen“ nun jedenfalls die Mehrheit. Somit präsentiert sich das Spätmittelalter als eine Übergangszeit mit zahlreichen, allerdings recht unterschiedlich gearteten Problemzonen. Eine bestimmte Region zeichnet sich jedoch trotz ihrer politischen Zersplitterung durch eine nachhaltige Kontinuität ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung aus, nämlich Italien als Schnittpunkt der jüdischen Kulturen im mediterranen Raum mit vermittelnder Funktion über die Alpen nach Norden hin. Die Zahl der Juden insgesamt und in den einzelnen Regionen kann nur geschätzt werden und daher differieren die Angaben recht stark. Einigermaßen verlässlich sind nur gelegentliche Angaben über einzelne Orte. Man kann annehmen, dass zu Beginn des Spätmittelalters 600.000 bis 800.000 Juden gelebt haben, davon ein Drittel in Spanien und Südfrankreich. Die regionale Verteilung war jedoch alles andere als stabil. Aus dem christlichen Spanien wanderten zahlreiche Juden wegen der zunehmend feindseligen Stimmung aus, aus England wurden 1290 die Juden vertrieben, aus den Ländern der französischen Krone 1306 und endgültig 1394. Auch die Zahl der 1492 und danach aus Spanien, Portugal und Südfrankreich Vertriebenen ist nicht genau zu beziffern, weil unklar ist, wie viele im Land geblieben und zum Christentum konvertiert sind.15 Berücksichtigt man dazu noch die immer zahlreicher werdenden örtlichen Veränderungen und Vertreibungen, ergibt sich ein recht unruhiges Bild vom Verlauf der Periode. Gegen Ende der Periode verdichteten sich die messianischen Erwartungen und Berechnungen. Als 1453 die Osmanen Konstantinopel, also Ostrom, eroberten, sah man darin ein Vorzeichen des nahen Endes der Herrschaft „Edoms“. Für das Jahr 1492 erwartete man nach manchen Berechnungen eine heilsgeschichtliche Wende. Doch in Wirklichkeit ging mit der Vertreibung aus Spanien für das Judentum eine kulturgeschichtlich glanzvolle Epoche zu Ende. Das Jahr 1492 erhielt daher als Katastrophenjahr im jüdischen Geschichtsbewusstsein auch fast den Stellenwert der Tempelzerstörungen von 586 v. und 70 n. Chr.16 Die Endzeiterwartung bekam mit jeder Vertreibung oder Verfolgung neue Nahrung, denn man rechnete vor der endgültigen Heilswende ja mit katastrophalen Verhältnissen und diese Auffassung wurde mit popularisierten kabbalistischen Spekulationen unterfüttert.17
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Regionale Besonderheiten Unter islamischer Herrschaft („Ismael“) Im islamischen Bereich hatte der Zerfall der Zentralmacht und damit des großen Wirtschaftsraumes eine Regionalisierung und auch Einschränkung des Wirtschaftslebens zur Folge.18 Dazu kam in Mesopotamien infolge der Vernachlässigung der traditionellen Bewässerungssysteme ein entsprechender Verfall der Landwirtschaft, während die großen Städte wirtschaftliche und gesellschaftliche Schwerpunkte bildeten.19 Die Juden waren von all dem natürlich mit betroffen und das wirkte sich auch auf die kulturellen Verhältnisse negativ aus, das zeigt der Vergleich zu den Verhältnissen in der glanzvollen Periode zuvor.20 Diese Entwicklung wurde durch die relativ tolerante Haltung der nach dem Niedergang des Kalifats auftretenden Eroberer aus Zentralasien nicht viel gebremst. Die fremden Herrscher wurden, auch wenn sie zum Islam konvertierten und politisch zeitweilig erfolgreich wirkten, von den Unterworfenen eben doch als Fremdherrscher angesehen und das lähmte die einst so innovative Dynamik der Epoche des Kalifats. Der Effekt war eine verstärkte Zuwendung zur Tradition, die in den jüdischen Gemeinden eine gewisse Abkapselung gegenüber der Umwelt bewirkte, und zwar auch eine Abkehr von der Kultur der Juden in den christlichen Ländern. Die regionalen Ausprägungen des orientalischen Judentums waren dementsprechend markant. Im Jahr 1401 wurde die traditionsreiche zentrale Institution des Exilarchen abgeschafft, denn ihr aus der Zeit des Kalifats stammender Anspruch entsprach nicht mehr der politischen Realität.21 Die Juden sahen im allgemeinen Niedergang aber ein Vorzeichen des nahen Endes und so kam es wie in der ganzen Diaspora, so auch hier zu akuten messianischen Erwartungen und Bewegungen. Unter den Ayyubiden (1171-1250) verzeichnete der Islam nach langwierigen Auseinandersetzungen mit der Kreuzfahrerherrschaft in Palästina und Syrien einen abschließenden Erfolg. Sultan Saladins Sieg in der Schlacht bei den Hörnern von Hattin (1187) hatte das Ende der christlichen Herrschaft im Nahen Orient eingeleitet.22 Diese Wende verschaffte den Judenschaften wieder die angestammten Positionen. Auch unter den Mongolenherrschern, die 1258 Bagdad eroberten und erst gegen Ende des 13. Jh. zum Islam konvertierten, blieben die Religionsgemeinschaften ungestört.23 Wie schon zuvor islamische Herrscher, betrauten auch sie gern Angehörige der Minoritäten mit hohen staatlichen Funktionen. So auch die Juden Sa`d ad-Daula unter Arghun Khan (1284-1291) und 1291-1295 Rašid ad-Daula unter Jajkhatu, was unter jüdischen Zeitgenossen sogar überspannte Heilszeiterwartungen weckte. Eine längere Zeit politischer Stabilität brachte die Herrschaft der Mamlukken 1260-1517 mit sich, doch das gilt nur für Ägypten, Syrien/Palästina und Mesopotamien.24 In Nordafrika bildeten sich hingegen regionale Herrschaftsbereiche, in denen sich nun jüdische Auswanderer aus der iberischen Halbinsel niederließen und eigene Gemeinden gründeten.25 Nach wie vor diente Nordafrika der Verbindung zwischen der westlichen, mediterranen und östlichen Diaspora, blieb aber noch immer eng mit der jüdischen Kultur Spaniens verbunden.26
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Die Haltung gegenüber den Minoritäten wurde nun allerdings allgemein unfreundlicher und um 1301 und 1354 kam es auch zu einigen Verfolgungen. Im Großen und Ganzen blieben die jüdischen Gemeinden der islamischen Länder aber ungeschoren und konnten trotz des allgemeinen Niedergangs eine beachtliche wirtschaftliche Tätigkeit entfalten.27 Auf die Mamlukken folgten als Herren des Orients die Osmanen, unter ihnen rückte der Islam noch einmal stetig über Kleinasien nach Westen vor und am 28. Mai 1453 wurde Konstantinopel erobert, aus Ostrom - Konstantinopel - wurde Istanbul. Das Ende des oströmischen Reiches wurde von vielen Juden als beginnender Zusammenbruch „Edoms“ und als Vorstufe zur endzeitlichen Heilswende begrüßt. Der Aufstieg der neuen politischen Großmacht leitete zwar nicht die Heilszeit, aber eine für jüdische Interessen günstige Entwicklung ein.28 Palästina/Ägypten Palästina verfügte auch im späten Mittelalter über keine politische Eigenverwaltung, sondern unterstand Ägypten oder den zeitweiligen überregionalen Herrschern im Vorderen Orient. Die jüdischen Gemeinden waren weder zahlreich noch groß, selbst Jerusalem blieb trotz des hohen Symbolwerts der Präsenz „Israels“ von statistisch mäßiger Bedeutung, denn auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten waren in der international gesehen abseitigen Provinz beschränkt.29 Dieser Randlage entsprechend hielt sich in Jerusalem sogar die dortige Ješîbah nicht auf Dauer, sie wurde in die Hafenstadt Akko verlagert und schließlich dominierte Kairo als Zentrum jüdischer Traditionspflege. Dazu kommt, dass mit der blutigen Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer und in den folgenden Kreuzfahrerstaaten für die jüdische Bevölkerung so gut wie kein Platz mehr war, weshalb die politische Sympathie der Juden nun noch eindeutiger der islamischen Weltmacht galt.30 Von großem Gewicht blieb nach wie vor die Judenheit Ägyptens, insbesondere die Gemeinden der Hauptstadt Kairo/Fustat.31 Hier bündelten und kreuzten sich nach wie vor Handelswege,32 der mediterrane Seehandel hatte hier einen seiner wichtigsten Stützpunkte, und dementsprechend intensiv waren auch die Informationen aus der jüdischen Diaspora. Darum kamen nicht selten auch einzelne Personen oder Familien von Ost und West ins Land, sogar aus Aschkenaz, und bildeten eigene Gemeinden.33 Kairo war folglich auch für die jüdische Kultur ein Ort mit vielfältigen Verbindungen, vor allem ins Zweistromland und nach Syrien, über Nordafrika in iberische Halbinsel, und nicht zuletzt auch nach dem Jemen, der im Fernosthandel eine wichtige Rolle spielte. Die jüdischen Gemeinden Ägyptens waren von jeher effektiv organisiert.34 Gegenüber der fremden Herrschaft wurden sie durch den Nagîd vertreten, der auch innerjüdisch über weitreichende Kompetenzen verfügte.35 Von Kairo aus führte durch das Rote Meer ein wichtiger Handelsweg nach Indien.36 Der Jemen war dabei ein bedeutender Handelsumschlagplatz und darum hatten sich dort auch jüdische Gemeinden etabliert.37
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Sie pflegten vor allem enge Kontakte zur Judenschaft in Ägypten/Palästina. Doch das Verhältnis zur fremden Herrschaft war hier fast immer gespannt. Iberische Halbinsel Von den wenigen Gemeinden in Portugal abgesehen unterstand die Judenschaft der iberischen Halbinsel bis auf Restbestände den Königen von Kastilien und Aragon, denen es gelang, die älteren territorialen Herrschaftsbereiche allmählich in ihre Reiche einzuverleiben. Während der Hauptphasen der Reconqista38 waren die christlichen Herrscher noch bestrebt, den jüdischen Gemeinden durch allerlei Privilegien die neue Herrschaft schmackhaft zu machen, was angesichts der intoleranten Haltung der Almohaden in der Tat auch weitgehend gelungen ist. Ab 1257 wirkte z.B. Judah b. Levi de la Cavalleria aus Saragossa als Finanzfachmann des kastilischen Königs und finanzierte Feldzüge gegen die Mauren. Sowohl in Kastilien wie in Aragon erfüllten einzelne Juden immer wieder solche eng mit der Krone, aber auch mit dem hohen Adel verbundenen Funktionen, wirkten auch als Steuerpächter und machten sich damit bei der christlichen Bevölkerung verhasst. Im 13. und 14. Jh. entfaltete sich daher unter christlicher Herrschaft auch noch einmal eine blühende jüdische Kultur auf der Basis vergleichsweise normaler Lebensbedingungen., aber mit der wachsenden Notwendigkeit, sich mit der christlichen Religion auch inhaltlich auseinander zu setzen und die eigene Existenzberechtigung zu begründen. Allerdings hemmten interne Auseinandersetzungen die an sich so gedeihlichen kulturellen Entwicklungen. Vor allem in den maimonidischen Streitigkeiten (1288–1290 und 1303–1306) entzweite sich die jüdische kulturelle Elite der Halbinsel so wie in den südfranzösischen Gemeinden, mit dem Effekt, dass die mystische Richtung der Kabbalah an Boden gewann und in popularisierter Form auch die jüdische Volksreligion unterwanderte. Das intellektuelle Erbe war aber immer noch so nachhaltig wirksam, dass selbst im krisenreichen 14. und 15. Jahrhundert auf allen Gebieten große Leistungen erbracht werden konnten. Manche christlichen Herrscher waren sich dieses Potentials bewusst und suchten es zu fördern und zu nutzen. Alfons X. von Kastilien (1252–1284) versammelt an seinem Hof einen Kreis von Gelehrten unterschiedlichster Herkunft und fördert Wissenschaften und Künste, vor allem auch Übersetzungsarbeiten. Er respektierte trotz der Zentralisierungstendenzen die jüdische Gemeindeautonomie und ordnete an, den Wortlaut des Judeneides vor nichtjüdischen Gerichten neutraler zu formulieren. Allerdings versuchte er im Sinne der zentralistischen Tendenzen, am Hof einen jüdischen Oberrichter einzusetzen. doch der wurde auf der jüdischen Seite in der Regel ignoriert. In Aragon herrschten im frühen 13. Jh. noch recht günstige Bedingungen, doch der neue Trend machte sich hier besonders rasch spürbar.39 Im Juli 1263 ordnete der König von Aragon eine Zwangsdisputation in Barcelona an, die auf christlicher wie jüdischer Seite dokumentiert worden ist.40 Der jüdische Gelehrte Mose ben Nachman
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(gest. 1270) konnte sich in der Disputation zwar behaupten, musste aber danach Spanien verlassen. Der kirchliche Druck nahm nun weiter zu und Franziskaner und Dominikaner verstärkten ihre Tätigkeit gegen Ketzer und Juden. Im August 1263 verordnet der König, dass christenfeindliche Passagen in jüdischen Büchern zu prüfen und zu tilgen sind, und dass Juden Predigten der Dominikaner besuchen sollen. In der Frage der Buchzensur entscheidet der König 1265 aber zugunsten der Juden, was kirchlicherseits Ärger auslöste. Papst Clemens IV. befahl daher im Juli 1267 in einem Schreiben an den Erzbischof von Tarragona, in Aragon alle jüdischen Bücher einzusammeln und sie den Franziskanern und Dominikanern zur Prüfung zu übergeben. In einem anderen Schreiben (Turbato corde) forderte er das Vorgehen der Inquisition gegen judaisierende Christen und Geheimjuden. In Aragon profilierte sich auf diesem Gebiet v.a. der Dominikaner Raymund Martin, Verfasser des einflussreichen Buches „Pugio fidei (Glaubensdolch) adversus Mauros et Judaeos“. Die Kehrseite der engen Kooperation mit Herrschenden zu Lasten der Bevölkerung und die Versuchung, sich in Machtkämpfe verwickeln zu lassen, zeigte sich 1279–1281, als im Zuge eines Verfahrens gegen einen Prinzen die jüdischen Steuerpächter Kastiliens verhaftet wurden. Sie mussten die doppelte Summe erstatten und einige wurden sogar hingerichtet. Die Gemeinden waren sich der Gefahr bewusst, die mit derartigen Positionen einzelner Juden für die Gesamtheit der Juden im Land verbunden war und daher wurden entsprechende Verordnungen zur Einschränkung solcher Tätigkeiten erlassen. Freilich ohne große Wirkung, denn die Obrigkeit war nach wie vor bestrebt, jüdische Finanzexperten in ihre Dienste zu nehmen und immer wieder waren reiche Juden bereit, diese Funktionen zu übernehmen, selbst um den Preis eines Konflikts mit den jüdischen Gemeinden und mit dem Risiko der Feindschaft der Cortes, städtischer Behörden und breiter christlicher Kreise. Im Jahr 1280 revoltierte der Adel Kataloniens gegen König Pedro III., die königstreuen Juden organisieren und finanzieren einen guten Teil der Unterdrückung des Aufstandes, gerieten danach selber in Geldnot und erhöhten die Zinsen, was entsprechende Antipathien hervorrief. Schon 1282 finanzierten Juden wieder die Eroberung Siziliens und erlangten im neuen Herrschaftsgebiet entsprechende Positionen, was auf Seiten der Kirche Ärger auslöste. Der König untersagte zwar 1283, dass Juden in Aragon über Christen gesetzt werden,41 doch Aragons Verwaltung blieb in Wirklichkeit weiterhin in den Händen der Familie des Muça de Portella, der 1287 ermordet wurde. Auch unter König Sanchez IV. von Kastilien fungierte von 1287 bis 1290 ein Jude, Abraham el-Barchilon, als Steuerpächter und Finanzverwalter und seine Maßnahmen erregten unter dem Adel, in den Städten und in den Cortes heftige Kritik. Diese Praktiken und bestimmte Privilegien gerieten immer mehr ins Visier nichtjüdischer Institutionen und der Unmut richtete sich gegen die Judenschaft insgesamt. In Kastilien erreichten 1293 die Cortes Beschlüsse, die jüdischen Steuerpächter zu kündigen und bestimmte Privilegien des jüdischen Geldhandels aufzuheben. Juden (und Muslime) sollten kein Land aus christlichem Besitz mehr erwerben dürfen, weil sie auf Grund geltender Privilegien für Immobilien keine Steuern zahlten. Für
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den minderjährigen König Ferdinand IV. von Kastilien gehorchte seine Mutter als Regentin den kirchlichen Forderungen, doch der König selbst verfuhr ab 1302 wieder im Sinne der herkömmlichen Praxis und berief sich auf die alleinige Zugehörigkeit der Juden zur Krone. Nach seinem Tod gewann aber die kirchliche Seite aber wieder rasch größeren Einfluss. Im Lauf des 14. Jh. verstärkte aber die Kirche ihre Forderungen nach Einschränkungen und Zwangsmaßnahmen und die nahende Vollendung der Reconquista förderte Tendenzen mit dem Ziel eines einheitlichen christlichen Staates, in dem für Juden und Muslime trotz ihres bis heute nachwirkenden Beitrags zur Kultur der Halbinsel kein Platz war.42 Im weiteren Verlauf des 14. und 15. Jh. wird die Problematik aber trotz aller Reformbemühungen der Gemeinden weiter verschärft. Die Judenschaft von Barcelona gab sich 1327 eine neue Verfassung, die von manchen anderen Gemeinden übernommen wurde, doch die verhängnisvolle Entwicklung nahm weiter ihren Verlauf. Unter Alfonso XI. von Kastilien diente Josef Hallevi b. Efraim bzw. Don Yuçaf de Ecija aus Andalusien, bei Hof, aber auch für Mitglieder der königlichen Familie als Finanzmann und fiel Interessenkollisionen zum Opfer. Im Jahr 1328 verlor er sein Amt und Samuel ibn Waqqar in Toledo übernahm 1331 die Münzverwaltung. Auch der Schreiber des Königs war damals Jude, was in der Umwelt Unwillen erregte und Widerstand weckte. Die Situation der Juden verschlechtert sich also weiter und viele wanderten nach Südfrankreich ab. Alfons IV. von Aragon (1327–1336) ordnete 1333 die Offenlegung der Zinsgewinne jüdischer Kreditgeber an, um die Anschuldigungen wegen Wuchers überprüfbar zu machen. Pedro IV. von Aragon (1336–1387) war überhaupt bestrebt, die Juden vor falschen Anschuldigungen in Schutz zu nehmen. Die Judengemeinden reorganisierten und erholten sich nun zwar etwas, und als 1344 das Königreich Mallorca an Aragon fiel, setzte dort und für kurze Zeit auch in Aragon eine gewisse Entspannung ein. Beschleunigt wurde die weitere negative Entwicklung durch die Pestepidemie von 1348, während der antijüdische Ressentiments auf gewalttätige Weise zutage traten. In der Folge trafen sich populäre, kirchliche und staatliche Tendenzen in einer bedrängenden Front gegen Juden und Muslime. Die jüdischen Gemeinden versuchten nun, sich überregional besser zu organisieren und 1354 wurden entsprechende Taqqanôt (Verordnungen) erlassen, aber der äußere Druck nahm stetig zu; eine der Ursachen lag eben nach wie vor in der Tätigkeit einer reichen jüdischen Minderheit. Im Februar 1348 ließ Alfons XI. von Kastilien unter kirchlichem Druck den Juden und Muslimen das Zinsgeschäft verbieten, doch zur Entschädigung erhalten die Betroffenen das Recht, zusätzliche Grundstücke zu erwerben. In der Praxis wurde dies kaum beachtet. König Pedro d. Grausame von Kastilien (1350–1369) hielt mehrere Juden auf hohen Positionen in Dienst. So Samuel Hallevi, Stifter der trotz kirchlicher Verwendung nach 1492 gut erhaltenen Synagoge „El Transito“ in Toledo. Er führte 1350 Friedensverhandlungen mit Portugal und hatte die jüdischen Steuerpächter des
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Landes unter sich. Er wurde 1360 zusammen mit mehreren Verwandtem verhaftet und in Sevilla eingekerkert, wo er 1361 verstarb. In den folgenden Jahren mehrten sich Ausschreitungen gegen Juden und die Gemeinden versuchten, sich intern und nach außen besser auszurüsten. Um 1354 erließen sie Taqqanôt (Verordnungen) zur Reorganisation der Gemeindeverhältnisse in Aragon, aber im selben Jahr verlangten die Cortes vom König Aragons – allerdings vergeblich – einen Schuldenerlass zu Lasten der jüdischen Kreditgeber und die Entlassung jüdischer Ärzte und Funktionäre aus dem Hofdienst. Auch in Kastilien erließen die Cortes 1377 einige Gesetze gegen Juden und Muslime. Die Kirche stand dem nicht nach, 1377/8 wurde in Teruel und Huesca der Vorwurf der Hostienschändung laut. Unter Johann I. von Kastilien (1379–1390) erreichten die Cortes und der Klerus de facto die Macht im Staat, für den Hof arbeiteten so gut wie keine Juden mehr und der Rechtsstatus der Juden schien in Frage gestellt. Die Cortes schränkten 1380 die jüdische Strafgerichtsbarkeit ein, was unter den Juden als alarmierende Maßnahme empfunden wurde. Indessen hielt sich unter Johann I. von Aragon (1387–1396) die Königin Violante den Juden Alaazar Golluf (gest. 1389) als Schatzmeister und die Gemeinden Aragons erlangten strafrechtliche Kompetenzen in Bezug auf Denunzianten. Im Jahr 1390 ernannte sie den Philosophen und Rechtsgelehrten Chasdaj Crescas zur obersten richterlichen Autorität in diesen heiklen Fragen. Im selben Jahr kam es nochmals zu Reformen der jüdischen Gemeindeverfassung, 1391 bestätigte die Königin der Gemeinde von Gerona eine neue Ordnung. Der Erzbischof von Tarragona veranlasste hingegen im Mai 1390 eine Untersuchung, ob der Führer der Verwirrten des Maimonides Irrtümer bezüglich der christlichen Lehre enthält. Der damit geäußerte Verdacht einer jüdischen Häresie war bedrohlich, konnte er doch auf eine kirchlich-staatliche Verfolgung angeblicher jüdischer Häretiker hinauslaufen. Doch die Entwicklung überstürzte sich. Anfang Juni 1391 brachen in Sevilla und alsbald auch an anderen Orten Andalusiens und Kastiliens judenfeindliche Ausschreitungen aus. Noch im selben Jahr wurden auch Aragon, die Balearen und Katalonien von dieser Welle der Gewalt erfasst, die sich nicht nur gegen Juden richtete, sondern einer lange schwelenden sozialen Unzufriedenheit entsprang. Die Gemeinden von Barcelona und Gerona wurden besonders schwer getroffen. Bis in den Herbst hinein hielten die Übergriffe an und am Ende beklagten viele Juden den Verlust von Angehörigen und ihren wirtschaftlichen Ruin. Während der Verfolgungen wurden zahlreiche Juden zwangsweise getauft. An sich gestattete das kirchliche Recht, solche Taufakte für ungültig zu erachten, aber angesichts der Vielzahl der Fälle zögerte die Kirche und hoffte wohl auf eine problemlose Eingliederung dieser Juden. Doch gerade durch die Zwangsbekehrungen erwuchs der Kirche ein alsbald akutes Problem. Viele „Conversos“ (zwangsgetaufte Juden) hielten insgeheim am alten Glauben fest, gerieten in den Verdacht des Rückfalls und waren mit der Todesstrafe bedroht. Zwangsbekehrte gefährdeten als Scheinchristen („Marranen“) auch Juden
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ihrer Umgebung, und manche Neuchristen bekämpften zum besonderen Ärger der Juden als beflissene Verfechter ihres neuen Glaubens die Religion ihrer Väter. Die Verschlechterung der Lage bewirkte eine starke jüdische Abwanderung aus Spanien über Nordafrika in die Türkei, wo nun separate „sefardische“ Gemeinden neben den angestammten entstanden. Die Bemühungen um einen Wiederaufbau der Gemeinden waren in diesem feindseligen Klima trotz königlicher Unterstützung nicht mehr effektiv. Schon 1392 kam es in Aragon erneut zu Ausschreitungen. Das 15. Jahrhundert brachte keine Erleichterung, aber noch waren Beharrungsvermögen und Kreativität in den jüdischen Gemeinden lebendig genug, um Stand zu halten.43 Die Kirche verfolgte jedoch ihre Ziele mit Konsequenz. So zwang 1411/16 der Bischof von Burgos die Juden, die Predigten des Vincent Ferrer anzuhören, und ließ mehrere Synagogen in Kirchen verwandeln. In Kastilien wurde 1414 die jüdische Gemeinde von Guadalajara verwüstet. In Tortosa wurde 1413/14 eine Zwangsdisputation veranstaltet, inszeniert durch den Konvertiten und antijüdischen Polemiker Geronimo de Santa Fe, zuvor Josua b. Josef Lorki (gest. 1419). Die Folge war 1415 eine Verurteilung des Talmud und eine Anzahl einschränkender Verordnungen, da und dort sogar eine Zwangsumsiedlung ganzer Gemeinden bzw. Judenviertel. Mit der Heirat der Königin Isabella von Kastilien (gest. 1514) und des Königs Ferdinand von Aragon (gest. 1516) im Jahr 1469 war die iberische Halbinsel abgesehen von Portugal und einem Rest Andalusiens in der Hand zweier zielstrebiger Monarchen mit deutlichen zentralistischen Tendenzen. Am 2. Jänner unterzeichnete der maurische Herrscher von Granada die vertraglich vereinbarte Übergabe des Fürstentums Granada an das vereinte Reich der „katholischen Könige“. Nach verbreiteten Berechnungen sollte 1492 ein messianischer Termin werden. Am 31. März erließen die „katholischen Könige“ in Granada ein Edikt, nach dem alle Juden, die sich nicht zum Christentum bekehren wollen, die Länder der Kronen Kastiliens und Aragons zu verlassen haben. Ende April/Anfang Mai wurde das Edikt öffentlich kundgemacht und im Mai setzen die Vertreibungen oder Taufen ein, und bis Ende Juli war diese Aktion abgeschlossen. Damit ging für das Judentum eine kulturgeschichtlich glanzvolle Epoche zu Ende und Spanien verlor sowohl wirtschaftlich wie kulturell ein gewaltiges Potential. Das Jahr 1492 erhielt im jüdischen Geschichtsbewusstsein fast den Stellenwert der Tempelzerstörungen von 586 v. und 70 n. Chr. und markiert demographisch und diasporageschichtlich, aber auch religions- und geistesgeschichtlich eine Periodengrenze. Südfrankreich Im Süden Frankreichs standen die Juden in den an das Königreich Aragon angrenzenden Gebieten, das Languedoc,44 wie die ganze Provence45 in einer intensiven Verbindung mit den Gemeinden der iberischen Halbinsel und wirkten auch auf italienische Gemeinden massiv ein. Die jüdische Elite der Provence, eine kulturelle Drehscheibe, spielte sowohl auf den Gebieten der rabbinischen Gelehrsamkeit wie
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der profanen Bildung eine führende Rolle und genoss in der ganzen Diaspora hohes Ansehen.46 Allerdings wurde das Echo auf die profane Bildung mehr und mehr kontrovers und in Aschkenaz überhaupt gering bis negativ. Die erbarmungslosen Verfolgungen der Katherer und Albingenser waren das Symptom einer immer härteren Haltung gegenüber abweichenden Tendenzen und eines kompromisslosen Machtkampfes, in dem die jüdischen Gemeinden aber weitgehend unbehelligt blieben.47 Doch das Verhältnis Kirche und Judenschaft war gespannt,48 auch wegen der Nähe des päpstlichen Avignon.49 Die Gefahr, als Häretiker etikettiert zu werden, war hier auch noch aus einem anderen Grund akut. Nachdem die Werke des Mose b. Maimon gerade in Südfrankreich begeisterte Aufnahme gefunden hatten, kam es wie unter Christen zu einem averroistischen Verständnis der aristotelischen Philosophie. Die christlichen Autoritäten werteten den Averroismus als Häresie und daher konnte eine entsprechende innerjüdische Debatte, von Denunziationen abgesehen, christlicherseits den Verdacht einer auch jüdischen (und natürlich islamischen) Häresie aufkommen lassen. Innerhalb der jüdischen Gemeinden waren in Spanien und vor allem in der Provence im dritten maimonidischen Streit (1288–1290) heftige Kontroversen entflammt und eine konservative Mehrheit trat für ein Verbot der Lektüre des maimonidischen Werkes Führer der Verwirrten ein. Und 1303–1306, im vierten maimonidischen Streit, standen sich Befürworter und Gegner profaner Bildungsinhalte und (aristotelischer) Philosophie in derart erbitterter Feindschaft gegenüber, dass die Gefahr kirchlichstaatlicher Interventionen akute Formen annahm. Die Streitparteien verhängten über einander den Bann und die Judenheit drohte sich sogar zu spalten. Es war die Kabbalah, die dabei einen Ausgleich herbeizuführen vermochte, allerdings zu Lasten der profanen Bildung und mit dem Effekt, die Tradition spekulativ auf nachhaltige Weise zu untermauern. Wie in Spanien verschärfte sich auch hier die antijüdische Stimmung im Verlauf des 14./15. Jh.50 mehr und mehr. Um 1306 wurden Juden aus weiten Gebieten der Provence vertrieben und 1508 kam es, nunmehr weitgehend unter französische Herrschaft geraten, zur vollständigen Vertreibung.51 Italienische Territorien In den kleinen, aber regen Gemeinden Italiens52 bewirkten die Einflüsse aus der iberisch-südfranzösischen Diaspora im Westen, der „aschkenazischen“ im Norden und aus den byzantinischen und orientalischen Judenschaften im Osten einen Informationsstand besonderer Art. Schließlich hatten Sizilien und Süditalien lange Zeit direkt unter islamischer Herrschaft und Teile der westlichen Halbinsel unter byzantinischer Herrschaft gestanden und das kulturelle Erbe dieser Epoche wirkte nicht zuletzt dank der kulturellen Aufgeschlossenheit der Stauffer noch spürbar nach. Das alles hat auch die Judenschaft mitbestimmt und ihr zu einer weitreichenden kulturellen Integration in die italienischen Stadtkulturen verholfen, so dass die jüdischen Bildungsschichten auch vollen Anteil am geistesgeschichtlichen und literarischen
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Schaffen der Renaissance hatten, ohne auf ihre jüdischen und hebräisch-sprachigen Traditionen zu verzichten. Im Gegenteil, man suchte hier den Nachweis zu erbringen, dass aller Fortschritt bereits in der eigenen Überlieferung vorangelegt war. Für die spätere Ausbildung eines modernen Judentums sind hier bereits im späten Mittelalter maßgebliche Voraussetzungen geschaffen worden. Die kulturelle Assimilation wurde also für das Selbstbewusstsein durch ein betontes Hervorkehren der eigenen Tradition als der älteren, verlässlicheren und letztlich sogar moderneren wettgemacht. Gegen Ende der Periode trat ein unausgewogenes Verhältnis zur profanen Bildung zutage. Der Tendenz zu rationaler Betrachtung stand eine Neigung zu Traditionalismus und zu mystischen, kabbalistischen Spekulationen gegenüber,53 aber ohne klare Frontlinien, also auch bei individuellen Autoren selbst.54 Die jüdische Teilhabe und Teilnahme an der Kultur der Renaissance betraf alle Bereiche der Kultur.55 Sie erwies sich als eine grundlegende Voraussetzung für die spätere Entstehung eines modernen Judentums in Aschkenaz. Entsprechend der Vielfalt der italienischen Territorien unterlagen die Judenschaften recht unterschiedlichen und wechselhaften Bedingungen. Wichtige Gebiete waren vom Norden nach Süden bis Mittelitalien56 in dieser Zeit Genua, die Lombardei,57 Ferrara58 und Venedig. Die aufstrebende Handels- und Seemacht, gewährte seiner jüdischen Gemeinde eine streng kontrollierte, aber wirtschaftlich solide Existenzbasis.59 Pisa, das mit Genua, Venedig und dem Königreich Aragon konkurrierte, war für den jüdischen Handel ein wichtiger Stützpunkt.60 Auch die Republik Siena bot jüdischen Unternehmern interessante Betätigungsmöglichkeiten, eben auch im unpopulären Geldgeschäft.61 Die Toskana war mit Florenz als dem politischen und kulturellen Zentrum der Renaissance und des Humanismus auch für die jüdischen Bildungsschichten eine Attraktion.62 Aber auch die jüdische Wirtschaftswelt war in dieser Region gut vertreten. Westlich der Marche63 hatte sich nach und nach über Umbrien64 nach Norden der Kirchenstaat ausgedehnt. Von den zahlreichen politischen Einheiten auf der Halbinsel sticht diese besonders hervor.65 Hier lag nämlich die Funktion des Landesherrn beim Oberhaupt der Westkirche und das bedeutete eine Herausforderung besonderer Art, denn an sich war hier die möglichst volle Verwirklichung der Ansprüche christlicher Ethik gefordert. Tatsächlich unterschied sich aber das Leben im Kirchenstaat gar nicht so sehr von dem in anderen christlichen Herrschaftsgebieten.66 Für die Juden bedeutete es eine gewisse Milderung der ansonsten üblichen Gefährdungen, da der Vatikan aus theologischen Gründen doch in besonderer Weise für den Schutz der Minderheit bemüht war, gleichzeitig aber auch die Christen vor glaubens-gefährdenden Einflüssen, eben von Seiten der Juden, bewahren wollte. Die Erfüllung dieser doppelten Schutzfunktion, die alle christlichen Herrscher zu praktizieren hatten, oblag der päpstlichen Herrschaft auf besondere Weise, weil von ihr in jedem Fall, im Guten wie im Schlechten, eine Vorbildwirkung zukam. Man brauchte aber auch im Kirchenstaat Geld und war auf jüdische Kreditgeber angewiesen.67
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Rom selbst hatte als Stadt stets ein etwas kritisches Verhältnis zu den päpstlichen Machtansprüchen, die jüdische Gemeinde befand sich demgemäß in einer etwas prekären Situation.68 Eigentümliche Verhältnisse herrschten in Süditalien und auf Sizilien, einer kulturgeschichtlich besonders interessanten Region unter verschiedensten Einflüssen. 69 Auf Sizilien, wo zuletzt ca. 25.000 Juden lebten, etwa ebenso viel wie auf der Halbinsel selbst, und in den politisch dazugehörigen Gebieten Süditaliens herrschten dank der günstigen Konstellation in den Jahrhunderten zuvor fast unbeschränkte Möglichkeiten jüdischer Tätigkeit auf den Gebieten der Kultur und Wirtschaft. Von gelegentlichen Übergriffen im Stil üblicher judenfeindlicher Mentalität abgesehen, war das Umweltverhältnis wenig belastet. Karl I. von Anjou (1266–1285), versammelte sogar wie schon der Stauffer Friedrich II. an seinem Hof Gelehrte und Übersetzer aller drei Religionen und Juden waren in allen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen vertreten. Die sonst so hervorstechende Bedeutung des Geldhandels war in dieser Normalstruktur des Wirtschaftslebens entsprechend relativiert. Das Vertreibungsedikt der katholischen Könige in Spanien von 1492 galt auch für diese Region und beendete abrupt eine Epoche jüdischer territorialer Geschichte.70 Byzanz und byzantinische Gebiete auf der italienischen Halbinsel Wohl zu wenig beachtet wird in der Regel die Judenschaft im byzantinischen Reich, das zu dieser Zeit mehr und mehr von seinem Territorium verlor und 1453 mit der Eroberung Konstantinopels sein Ende fand, was die Juden, mit messianischen Hoffnungen erfüllt, begeistert begrüßten.71 Obschon der antike römische Rechtsstatus mit Einschränkungen noch in Geltung war, hatten die jüdischen Gemeinden doch immer wieder Verfolgungen zu erdulden und mit den Kreuzzügen gerieten sie überhaupt in gefährliche Situationen.72 Kulturgeschichtlich erfüllten die jüdischen Gemeinden in diesem Raum, der für lange Zeit auch Gebiete der italienischen Halbinsel einschloss,73 eine wichtige vermittelnde Rolle in alle Windrichtungen und sie trugen auch kreativ Beachtliches zur jüdischen Kultur bei. England Die Geschichte der Juden Englands im Mittelalter war kurz und verlief dramatisch, weil ein Wirtschaftszweig die politische und öffentliche Meinung über die Juden negativ bestimmte.74 Da prominente Juden im Finanzgeschäft tätig waren und sich dabei in die Auseinandersetzungen zwischen Krone und Adel verwickelten, gerieten die Judengemeinden, die gegenüber dem Hof ein Presbyter Judaeorum vertrat, ab 1250 in schwere Bedrängnis. In der Folge übernahmen christliche Kreditgeber diese ökonomische Funktion.75 Im Jahr 1290 wurden unter Edward I. alle Juden aus England und auch aus der Gascogne vertrieben.
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Länder der französischen Krone (S ̣orfat) Im Königreich Frankreich herrschte bereits gegen die Mitte des 13. Jh. eine sowohl kirchlich wie staatlich geförderte judenfeindliche Stimmung. Um 1240 wurde in Paris eine Zwangsdisputation mit einer Talmudverbrennung in Szene gesetzt und 1269 folgte eine zweite Zwangsdisputation. Dazwischen kam es 1251 zu Ausschreitungen gegen Juden im Verlauf der Pastorellen-Revolte. 1254 wies Ludwig IX. nach seinem missglückten Kreuzzug (1248–53) viele Juden aus seinen Territorien aus und annullierte deren Ansprüche als Geldverleiher. 1260 wanderte der Rabbiner Jechiel von Paris mit mehreren Schülern ins Land Israel aus. Judenfeindliche Ausschreitungen folgten 1288–1290 in Troyes und in Anjou. Und 1294/95 verordnet der König getrennte Wohnstätten für Juden und standardisiert die Abgabenbelastungen jüdischer Geldverleiher. In den Jahren 1304–6 wurden die Juden aus meisten Ländern der französischen Krone vertrieben, und 1394 wurde die Vertreibung vollendet.76 Heiliges Römisches Reich und „Aschkenaz“ Sieht man von den Randgebieten des Reiches mit ihren Eigenheiten ab, also Niederlande,77 Burgund,78 Böhmen79 und italienische kaiserliche Territorien, bezeichnete man unter den Juden vor allem die Gebiete des deutschen Königreiches als „Aschkenaz“, was aber auch Osteuropa mit einschloss. Im Spätmittelalter waren es die jüdischen Gemeinden in den deutschsprachigen Gebieten, die kulturgeschichtlich auf eine sehr markante Weise in Erscheinung traten.80 Im Unterschied zu den mediterranen Gemeinden mit ihrer weitreichenden kulturellen Integration blieben die Juden von Aschkenaz trotz aller Diasporabeziehungen in erster Linie auf die Wahrung der rabbinischen Tradition bedacht und nur wenige Gebildete, v.a. Ärzte, zeigten an profaner Bildung Interesse.81 Die rabbinische Elite litt aber im ausgehenden Mittelalter unter internen Schwierigkeiten und verlor dadurch auch an Prestige in den Gemeinden, die in dieser schwierigen Zeit in besonderem Maß auf eine starke rechtliche und moralische Anleitung angewiesen waren.82 Zwar waren die Gemeinden inzwischen dazu übergegangen, besoldete rabbinische Experten anzustellen, also „Rabbiner“, aber diese waren als Angestellte von den Gemeindeleitungen abhängig und nur starke Persönlichkeiten und Autoritäten vermochten sich auch gegen Widerstände durchzusetzen. Trotz all dieser Schwierigkeiten haben rabbinische Autoren auch in dieser Endphase des Mittelalters beachtliche Leistungen hervorgebracht und auch den Kontakt mit Kollegen in anderen Diasporagebieten eifrig gepflegt.83 Einschneidende Folgen hatten die Kreuzzüge nach sich gezogen. Zwar blieb die Gesamtsituation stabil, die schwer betroffenen Gemeinden im Rheinland aber erholten sich nur langsam, denn auch die Geflüchteten kehrten nicht unbedingt zurück, sondern fanden an anderen Orten ein Auskommen. So wuchs die bis dahin unbedeutende Gemeinde von Würzburg zu einem bedeutenden jüdischen Zentrum heran, was erst dank der Entdeckung der Grabsteine des Friedhofs deutlich wurde. 84
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Das Verhältnis zur Umwelt wechselte entsprechend der beschriebenen Regionaliserung der Verhältnisse, es gab auch stille Bereiche, in denen ein gedeihliches Zusammenleben die Regel war. Grundätzlich war die Einstellung zueinander aber von Misstrauen bis feindseliger Ablehnung bestimmt.85 Auch in diesen Gebieten hat die große Pest von 1348 und die durch sie ausgelösten Judenverfolgungen das Klima zwischen Juden und Christen nachhaltig vergiftet.86 In den Jahren 1335–1339 kam es zu gewaltsamen judenfeindlichen Ausschreitungen im Elsaß und in Frankfurt a. M. und Umgebung („Armleder-Unruhen“). Diesmal setzten noch kaiserliche Truppen dem Treiben ein Ende. Aber im Heiligen Römischen Reich ereignete sich eine fortschreitende Dezentralisierung der Verfügung über die Judenschaften mit einschneidenden Folgen für die Betroffenen. Zunächst hatten schon manche Kaiser aus finanziellen oder machtpolitischen Gründen das Verfügungsrecht über die Juden auf Zeit oder überhaupt abgetreten. Mit der Reichsreform unter Karl IV. verlor der Kaiser die Verfügungsgewalt über seine einstigen „Kammerknechte“ an die Kurfürsten und in den folgenden Jahrhunderten nahm mit der Erweiterung hoheitlicher und damit auch finanzpolitischer Rechte einzelner Territorien die begonnene Zersplitterung weiter zu. Landesherren und städtische Obrigkeiten bestimmten schließlich über Wohl und Wehe ihrer jüdischen Untertanen.87 Das ergab manchmal Vorteile, aber auch Nachteile, weil regionale und lokale Vertreibungen nunmehr einfacher zu bewerkstelligen waren.88 Die Lebensverhältnisse wurden folglich entsprechend wechselhaft.89 Für die Juden verengte sich dadurch der bis dahin weite Bewegungsspielraum von einst und das wirkte sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Auch die Verbindungen der Gemeinden untereinander war komplizierter geworden, blieben aber nach wie vor vergleichsweise effektiv.90 Nach wie vor lag das Schwergewicht der jüdischen Präsenz in den Städten, und deren interne und v.a. finanzielle Probleme wurden nicht selten zu Lasten der Juden zu lösen versucht. Auch als Sündenböcke für irgendwelche Kalamitäten wurden sie gern benützt, wofür die kirchliche Polemik und die Tätigkeit bestimmter Orden zudem noch religiöse Motive vermittelte. Auch im normalen Wirtschaftleben spielten religiöse Beweggründe eine große Rolle bei der Ausgrenzung der Juden aus vielen Bereichen. Die Gilden und Zünfte und die religiösen Laienbruderschaften und dergleichen bewirkten weitreichende Ausgrenzungen, die so in Städten der islamischen Welt nicht stattgefunden haben.91 Randgruppen und Minoritäten hatten es ohnedies schwer in der mittelalterlichen Stadt,92 Juden aus religiösen Gründen noch viel mehr. Die Geschicke der einzelnen Gemeinden verliefen daher recht unterschiedlich, manchmal auch dramatisch.93 Die übervölkerten Judenviertel, von denen da und dort noch archäologische Zeugnisse erhalten sind, erhielten langsam den Charakter der „Ghettos“ folgender Jahrhunderte.94 Doch man musste wohl oder übel innerhalb der Stadt kooperieren, um durch die verbliebenen Betätigungsfelder ein Einkommen für die Familien zu sichern. Die stets drohende Möglichkeit einer Vertreibung und die heftige religiöse Propaganda gegen die Juden belasteten das Leben in der Stadt immer mehr. So
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suchten nun jüdische Familien nach Existenzmöglichkeiten außerhalb der Städte, in kleineren Orten, oder sie wanderten nach Osten, nach Polen/Litauen. Die volkssprachlichen Idiome, die sich Juden allmählich angeeignet hatten, gewannen im Lauf der Zeit und auch durch die oft erzwungenen Ortswechsel Merkmale eigener deutsch-jüdischer Dialekte.95 Sie wurden nach Osteropa mitgenommen und mauserten sich dort später zum Jiddischen als der Sprache der Juden von Aschkenaz. Dadurch erfolgte auch ein gewisser Kulturaustausch, aber der blieb – im Unterschied zu den mediterranen Bereichen – einseitig. Es dauerte noch lange, bis Juden hier zur Literatur und Kunst ihrer Umwelt Gleichrangiges beitragen konnten. Polen – Litauen Im Rahmen der deutschen Ostsiedlung96 kamen auch Juden nach Osteuropa und gründeten städtische Gemeinden. Sie fanden hier vielversprechende Bedingungen vor, vergleichbar jenen, die einst in der Staufferzeit jüdische Siedler über die Alpen nach Norden geführt hatten und genossen entsprechende Privilegien, abgesichert durch die ausdrückliche Zuordnung der Juden zur Krone. Die Grundlage dafür schuf 1264 Boleslav Pobozny (1226–1279), und diese Privilegien wurden in der Folge mehrmals bestätigt.97 Nachdem 1320 unter Wladislaw I. Litauen-Polen zu einem politisch-wirtschaftlichen Großraum vereinigt worden waren, ergaben sich für die Kolonisten aus dem Westen günstige wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten. Es folgte eine Blüteperiode unter Kasimir dem Großen (1333–1370), der 1343 die Privilegien bestätigte. Dem Wunsch des Königs zur wirtschaftlichen Entwicklung des Reiches entsprechend, zogen nun noch mehr jüdische Zuwanderer aus dem Westen in diese Städte. Hier behielten sie das Jüdisch-Deutsche als Umgangssprache bei, von der slawischen Umgebung kulturell abgegrenzt und mehr den deutschen Kolonisten als der ansässigen Bevölkerung zugeneigt. Die Juden waren durch die Privilegien zwar ausdrücklich dem König zugeordnet, verbanden sich aber im Lauf der Zeit wirtschaftlich eng mit dem polnischen Adel, Ansatz zu einem später akuten Problem, weil damit die Juden für die nichtkatholische (orthodoxe) Bevölkerung als Repräsentanten der römischkatholischen polnischen Fremdherrschaft galten. Ungarn Im Jahr 1251 gewährte König Béla IV. (1235–1270) einzelnen jüdischen Personen Privilegien und ordnete sie ausdrücklich der Krone zu. Er schuf sogar eine jüdische juristische Zentralinstanz, den Judex Judaeorum. Die Privilegien wurden von späteren Königen mehrmals bestätigt. Unter König Matthias Corvinus wurde um 1477 das Amt eines Praefectus Judaeorum eingeführt, der die Judenheit Ungarns bei Hof vertrat.98
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Lebenswelt und Alltagsleben Das Weltverständnis Für Menschen von heute ist die enorme psychische Belastung des mittelalterlichen Menschen durch das damalige Verständnis der Welt und der Lebensumstände kaum mehr nachempfindbar. Nur sehr begrenzte Bildungskreise, in denen die Mediziner den größten Anteil stellten, hatten für Vieles bereits einsichtige oder zumindest nachvollziehbare Erklärungen parat, was im Regelfall noch erschreckend wirkte.99 Der Durchschnittsmensch fühlte sich den Gewalten der Natur hilflos ausgeliefert und sah die Ursachen nicht nur im Walten Gottes, sondern vor allem im Wirken überirdischer Mächte, die teils vom Himmel aus und teils von der Hölle aus mit positiven oder negativen Folgen auf Erden walten.100 Man war sich auch der Vergänglichkeit des irdischen Daseins mehr bewusst als heutzutage und Angst vor dem Unberechenbaren und Übermächtigen beherrschte das Bewusstsein. Selbst die Gebildeten waren davon überzeugt, dass die Gottheit die materiellen Dinge und Vorgänge auf Erden nicht direkt lenkt, sondern an astrale Mächte oder an Geister delegiert hat. Der astrologische Determinismus war ein selbstverständlicher Aspekt des herrschenden Weltbildes.101 Die unheimlichen Mächte zu kennen, und zu wissen, mittels welcher Praktiken man auf sie wenigstens teilweise Einfluss nehmen kann, gehörte mit zur Bewältigung des Alltagslebens. Das beginnt bei harmlosen persönlichen Anliegen und Wünschen, gilt dem Bemühen, Krankheiten abzuwenden, und gipfelt im Streben, Naturgewalten zu beherrschen oder Geister bzw. Dämonen zu beschwören. Magie bzw. Zauberei gehörten also zum Alltagsleben.102 Die Grenzen zur religiösen Normalpraxis waren dabei nie deutlich gezogen, zumal die jüdische Religion für zahlreiche Vorgänge und Gelegenheiten Praktiken und Benediktionen vorsieht, denen man auch apotropäische Wirkung zuschrieb.103 Man nahm in schwerwiegenderen Fällen auch die Hilfe von Experten in Anspruch.104 Man unterschied eine nützliche („weiße“) Magie und eine schadensstiftende („schwarze“) Magie, und mit der letzteren verband sich allgemein der Verdacht einer für das Seelenheil schädlichen Beziehung zu dämonischen Kräften, wenn nicht zum Satan selbst. Auch unter den Juden war der Zauber- und Hexenglaube verbreitet,105 doch kam es nicht zu derartigen Verfolgungen wie in der christlichen Umwelt. In der religiösen Polemik war der wechselseitige Vorwurf der Magie sowieso von alters her ein beliebter Topos, doch im Spätmittelalter rückte das Judentum als magische Religion noch stärker ins Bewusstsein der Umwelt und geriet damit in die gefährliche Nähe der Häresie bzw. der Ketzerei. Juden erschienen folglich als unheimlich, bedrohlich, und vor allem für den christlichen Glauben gefährlich. Die Hauptursache dieser negativen Eindrücke lag in der für Außenseiter nicht verständlichen, visuell wahrnehmbaren religiösen Praxis der Juden, hinter der man eben magische Rituale vermutete. Jedenfalls war die Magie unter Juden ebenfalls ein den Alltag bestimmender Faktor und Geschichten über absonderliche Ereignisse und Praktiken waren gang und gäbe, auch wegen ihres Unterhaltungswertes.106 Die Haltung der rabbinischen Instanzen und der höheren Bildungsschicht Grenzen zu solchen volkstümlichen Ansichten
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und Praktiken war in der Regel nur bedingt ablehnend, denn die Grundüberzeugung von der Existenz magischer Wirkungszusammenhänge war Allgemeingut, und so kam es in diesen Fragen selten zu einer effektiven regulierenden Einwirkung der religiösen Autoritäten. Unter Kabbalisten war die spekulative Verankerung magischer Elemente in ihrem spekulativen Weltbild überhaupt eine Selbstverständlichkeit und magisch-theurgische Praktiken waren nicht nur üblich, sie wurden großen Autoritäten auch mit Ehrfurcht zugeschrieben.107 Nur wenige rabbinische Autoritäten hielten derartige Dinge für unvereinbar mit dem jüdischen Glauben. Das gilt auch für die Traumdeutung, auch sie war unter Juden gang und gäbe und die Quellen reichen von theoretischen Abhandlungen bis zu Zeugnissen des Alltagslebens.108 Ähnliches gilt für Losbücher (hebr. gôralôt), Orakel zu allen möglichen Gelegenheiten. Rabbinische Autoritäten suchten dergleichen unter Kontrolle zu halten, indem sie selber derartige Gebrauchsanweisungen verfassten. Darüber hinaus spielten in der „praktischen Kabbalah“, die immer mehr populäre Formen annahm, Ansichten und Riten eine Rolle, die christliche Interessenten für ihre theologisch-spekulativen Anliegen als verwertbar betrachteten. Gerade Humanisten und Renaissancegelehrte haben in der Kabbalah eine Urtradition gesehen und das Hebräische als „Sprache der Schöpfung“, als Ursprache, gewertet. Was später in der Aufklärung als Symptom einer als primitive Entwicklungsstufe und sogar als judentumsfremd beurteilt und abgelehnt wurde, galt in den Jahrhunderten davor als fortschrittlich und angemessen. Denn als das aristotelische Weltbild mit dem Averroismus ins Wanken geriet, suchte man mit Hilfe der platonischen Tradition nach neuen Möglichkeiten einer Welterklärung auf der Basis eines universalen Wirkungszusammenhanges im gesamten Kosmos.109 Das brachte eine Neigung zu experimentellen Beweisführungen mit sich und gab der von der Antike her bekannten Naturwissenschaft im Unterschied zum eher theoretisch ausgerichteten Aristotelismus ein mehr praxisbezogenes Gepräge. Naturwissenschaften und Magie waren folglich eng miteinander verflochten. Auch die von der Antike her verbreitete Vorstellung, dass sich Makro- und Mikrokosmos entsprechen und zwischen ihnen Wirkungszusammenhänge bestehen, war Teil dieses Weltbildes und nicht zuletzt in der Medizin von erheblicher Bedeutung.110 Daher auch das besondere christliche Interesse an der jüdischen Kabbalah, insbesondere der „praktischen Kabbalah“. Das alles verstärkte den Eindruck, das Judentum sei überhaupt ein Konglomerat magischer Riten und weckte sowohl positives, neugieriges Interesse als auch befremdete, verängstigende Wahrnehmungen und Beurteilungen. Doch obwohl der Hexenwahn in der Umwelt stetig zunahm, wurden Juden von den aufkommenden Hexenverfolgungen kaum in Mitleidenschaft gezogen, Offensichtlich gab es diesbezüglich eine Hemmschwelle, ein noch immer wirksamer Respekt vor der Ehrwürdigkeit der Tradition des „Alten Bundes“. Unter diesen ungünstigen Voraussetzungen änderte sich auch die Einstellung der Mehrheitsbevölkerung gegenüber Minderheiten und Dissidenten.111 Der Hexenwahn begann seine unheilvollen Folgen zu zeitigen und die Verfolgung von Ketzern nahm immer schärfere Formen an. Da die Juden im christlichen Bereich die einzige
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noch geduldete religiöse Minorität darstellten, bildeten sie abgesehen von sozialen Randschichten und religiösen Dissidenten eben die vorrangige Zielgruppe für populistische Hetzkampagnen. Dabei spielten groteske Vorwürfe eine verheerende Rolle, vor allem ging es um Hostienfrevel, Ritualmord und Teufelsbündnis. Es waren die Predigerorden, die überhaupt die Bekehrung der Juden zum Ziel hatten und den gängigen Vorurteilen in den breiteren städtischen Bevölkerungsschichten eine religiöse Rechtfertigung lieferten. Am schlimmsten wirkte sich aber der so gut wie allgemein verbreitete Vorwurf des Wuchers auf das Umweltverhältnis aus, und so verbanden sich religiöse, abergläubische und soziale Vorurteile und Ressentiments zu einem existenzbedrohenden Syndrom, das immer und überall sehr leicht in Gewalttätigkeiten ausarten konnte. Das populäre Bild vom Juden erhielt ausgesprochen unheimliche und bedrohliche Züge.112 Obrigkeitliche und kirchliche Verlautbarungen, die solchen Auswüchsen und deren praktischen Folgen entgegenwirken wollten, blieben weithin ungehört. Angesichts eines solch misstrauischen bis feindseligen Verhaltens der christlichen Umwelt nahm die Existenzangst über das natürlich und gesamtgesellschaftlich bedingte Bedrohungsbewusstsein hinaus extreme Formen an. Das bedrängende Problem des Bösen in der Welt und die Einschätzung der welt- bzw. heilsgeschichtliche Rolle „Edoms“, der feindlichen christlichen Weltmacht, waren Anliegen, die durch die popularisierte kabbalistische Spekulation weiter zugespitzt und religiös untermauert wurden. „Diese Welt“ wurde darum überwiegend negativ gewertet und entsprechend akut waren Tendenzen zu Bußbewegungen und zur Annahme eines nahen Weltendes. Dem Leben mit seinen vielen Gefährdungen für Leib und Seele wurde nicht viel Eigenwert zugemessen, vielmehr galt es als Bewährungsfrist für eine unbeeinträchtigte „Heimkehr“ der Seele an ihren Ursprung. Der Tod, für das Bewusstsein allgegenwärtig, überschattete alles, und die Furcht vor dem Tod und vor der Vergeltung, die nach ihm droht, war wie in der christlichen Umwelt ein maßgeblicher verhaltensbestimmender Faktor. Als Jude war man sich aber in der Regel dessen bewusst, dass man als einzelner Israelit Mitglied einer Gemeinschaft ist und in deren Erwählungsverpflichtungen eingebunden ist. Das Einzelschicksal wird dem Kollektiv so untergeordnet, dass es nicht isoliert gewertet werden konnte. Weltflucht und asketische Absonderung würden Bestand und Auftrag Israels als Gesamtheit gefährden und von da aus gesehen verliert das Leid des Einzelnen etwas von seiner Schärfe und das Geschick ganz Israels und seines kollektiven Leidens tritt in den Vordergrund. Auch negative Erfahrungen im Verhältnis zur Umwelt wurden als Teil einer martyrologisch zugespitzten Geschichtsdeutung gedeutet und in diesem Sinne wurden die einzelnen Märtyrer als Repräsentanten des Gesamtschicksals als „Heilige“ auch liturgisch im Gedächtnis behalten und bestimmten Lebens- und Geschichtsauffassung der Nachwelt: es gilt, den „Namen (Gottes) zu heiligen“.113 Jüdische Geschichtsschreibung wurde nun mehr denn je zu einer Darstellung der Leidensgeschichte Israels.
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Familie und jüdische Gemeinschaft Je ungünstiger die Lebensverhältnisse wurden, desto gewichtiger erwies sich der auf Grund der traditionellen Lebensweise ohnehin sehr starke Rückhalt im Familienverband.114 Die traditionelle häusliche Rollenverteilung zwischen Mann und Frau war zwar auch unter Juden gang und gäbe, doch kam der Hausfrau und Mutter oft auch ein beträchtlicher Anteil am Wirtschaftsleben der Familie zu.115 Teils gezwungenermaßen, denn manche Männer waren als Händler viel unterwegs, teils aber auf Grund eines gerade im aschkenasischen Raum vorherrschenden Bildungsideals, nach dem die männlichen Familienmitglieder sich vorzugsweise dem Lernen der Tradition widmen sollten, während die Hausfrau nicht nur die Kleinkinder versorgte und für die Erziehung der Töchter zuständig war, sondern sich auch um den Unterhalt kümmerte.116 Kinder sind nach jüdischer Tradition über die Erhaltung der Familie hinaus für die Kontinuität der Erwählungsgemeinschaft unerlässlich und unter diesem Gesichtspunkt wurde das Kindesalter bestimmt.117 Die männlichen Nachkommen sollten darum möglichst alle eine entsprechende Ausbildung in den Grundlagen der religiösen Tradition und Praxis erhalten, ein Lernprozess, der mit fünf Jahren begann, mit dem 13. Lebensjahr zur Religionsmündigkeit (Bar mis ̣wah) führte und dann, wenn nur irgend möglich, das ganze Leben fortgesetzt werden sollte.118 Das hing allerdings von den ökonomischen Verhältnissen ab und diese wurden infolge des Bevölkerungszuwachses und der Verarmung breiter Randschichten immer schlechter, sodass die ohnedies überlasteten Gemeinden sich um die in den Familien nicht mehr mögliche Grundausbildung kümmern mussten.119 Unter den Juden war die familiäre Bindung auf besondere Weise religiös motiviert, denn man war sich dessen allgemein wohl bewusst, dass die Familien die Existenz und Kontinuität des Volkes „Israel“ gewährleisten. Der Glaube an die kollektive Erwählung des Volkes begründete ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das es in dem Maß in der Umwelt nicht gab. Gegenseitige Hilfe innerhalb der Gemeinden und verlässliche Partnerschaft im Geschäftsleben waren daher in der Regel eine Selbstverständlichkeit, und so konnten auch die Opfer von Unglücksfällen, Katastrophen, Vertreibungen und Verfolgungen mit Unterstützung rechnen120 und Gefangene konnten mit Freikauf rechnen.121 Die finanzielle Lage der Gemeinden, deren soziale Randschichten stetig anwuchsen, bereitete allerdings mehr und mehr Probleme, und das hatte auch Folgen für das Umweltverhältnis, denn es waren eben die sozialen Problemschichten, die von den Nichtjuden alltäglich wahrgenommen wurden und das Bild vom Juden allgemein prägten. Grenzfälle der Solidarität gab es freilich auch unter Juden. Geisteskranke und insbesondere Lepröse vegetierten außerhalb der Gesellschaft.122 Apostaten wurden als „Sünder Israels“ gesellschaftlich streng geächtet.123 Für das Alltagsleben wurden im 15. Jh. auch die Zwangsgetauften (conversos, Marranen) zum Problem. In Kastilien und Aragon war es um 1391 zu schweren Ausschreitungen gegen Juden und zu umfangreichen Zwangstaufen gekommen. Mit der Folge, dass sich die Kirche einer größeren Zahl von Scheinchristen konfrontiert sah, die als „relapsi“ (Rückfällige) auch nach staatlichem Recht mit der Todesstra-
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fe bedroht waren. Daher fielen sie auch der Inquisition zum Opfer, deren Wirken nicht selten mit massiven wirtschaftlichen Interessen auf kirchlicher wie staatlicher Seite verquickt war. Das Problem dieser „conversos“ oder „Marranen“ trat dann in der Folgeperiode noch stärker in Erscheinung.124 Den Zwangsgetauften konnte man solidarischen Beistand nicht gut verweigern, doch in den Augen der weltlichen wie kirchlichen Obrigkeiten waren es Straftäter, sofern sie sich von der jüdischen Religionspraxis und den jüdischen Gemeinden nicht eindeutig trennten, also als Geheimjuden (Marranen) lebten.125 Die rabbinischen Entscheidungen über die Marranen versuchten, die erfahrbaren Umstände einer Zwangstaufe zu berücksichtigen und waren bestrebt, niemanden zu gefährden bzw. den nichtjüdischen Instanzen auszuliefern.126 Im islamischen Bereich urteilte man über Rückfällige bzw. Abtrünnige rechtlich nicht anders.127 Für die jüdische Seite fielen jedoch schwerwiegende, die sozialen und kulturellen Kontakte einschränkender Umstände fort, nämlich alle mit Götzendienst verbundenen Aspekte ritueller Unreinheit, da der Islam im jüdischen Recht ja als monotheistische Religion galt.
Wirtschaftliche und soziale Verhältnisse Dokumente nichtjüdischer Institutionen betreffen vor allem das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden auf rechtlichen und wirtschaftlichen Gebieten. Dabei standen natürlich Aspekte im Vordergrund, die der nichtjüdischen Sicht der Dinge entsprachen, und Bereiche, die den Nichtjuden wegen der unvermeidlichen Kontakte besonders ins Auge fielen, wie eben Kleinhandel und Kleinkreditgeschäft.128 Hinweise für die Kenntnis des Alltagslebens in jüdischen Quellen bezeugen daher oft eine ganz andere Einschätzung derselben Sache.129 Viele solcher Hinweise auf Alltagsverhältnisse begegnen in literarischen Quellen nur nebenbei. Allerlei erfährt man auch aus Erzählungen. Weit verbreitet waren Kurzgeschichten, die erhalten geblieben sind, weil sie entweder gesammelt überliefert wurden, oder weil sie als Beispiele („Exempel“) in ethischen und rechtlichen Texten zur Illustration von Sachverhalten Verwendung gefunden haben. Auch in christlichen Quellen dieser Art sind gelegentliche Hinweise auf Juden zu finden.130 Zu den umfangreichsten Sammlungen gehören die verschiedenen Fassungen des Sefär H ̣ asîdîm („Buch Frommer“) Man schreibt die in Bologna 1538 gedruckte Fassung gern dem Jehuda b. Samuel hä-Chasid (ca. 1150–1217) zu, doch handelt es sich um komplizierte und sich über lange Zeit hin erstreckende Sammel- und Redaktionsprozesse in südwestdeutschen und oberitalienischen Regionen. Anschauliches Material bieten bildliche Darstellungen, in der Regel im Rahmen der Buchmalerei.131 Viel ist aus Rechtsgutachten und Rechtsentscheidungen zu erfahren, in denen es um konkrete Vorgänge geht, sei es im Rahmen rechtlicher Fragen und Auseinandersetzungen, sei es hinsichtlich ritueller Bedingungen im Bereich von „Rein“ und „Unrein“ bzw. „Erlaubt“ und „Verboten“. Derartige Dokumente geben vor allem
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über innerjüdische Sachverhalte und Einstellungen Aufschluss, betreffen aber auch konkrete Beispiele für das Verhältnis zur Umwelt.132 Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unterschieden sich nun regional beträchtlich.133 In mediterranen und orientalischen Regionen blieben die alten Strukturen zwar weiter intakt, aber der allgemeine Niedergang traf natürlich auch die jüdische Minderheit. Allem Anschein nach waren die östlichen Gemeinden aber nicht von dem im Westen so problematischen Bevölkerungszuwachs betroffen und daher bleiben die alten Strukturen weitgehend erhalten, auch die berufliche Bandbreite.134 Im Westen hingegen war man gezwungen, sich neuen Herausforderungen zu stellen.135 Und das als Minderheit, was besondere Anstrengungen erforderte, die eben darum trotz aller Bedrängnis auch entsprechende innovative Ergebnisse zeitigen konnten.136 In den Gemeinden nördlich der Alpen, in „Aschkenaz“, war die wirtschaftliche Lage schon wegen der Einschränkungen des Berufsfeldes schwieriger, jedenfalls für die Mehrheit der Juden.137 Die Vertreibungen verschärften die Lage, so dass man sich zwangsläufig auf Einkommensmöglichkeiten konzentrierte, die kurzfristig Gewinn brachten und im Fall eines – v. a. erzwungenen – Ortswechsels möglichst ohne große Verluste aufgegeben oder verlagert werden konnten. Für die breiteren Schichten war das jeweilige örtliche Elend aber ohnedies austauschbar, für viele Wirtschaftstreibende meist mit großen Verlusten verbunden und jeder Neuanfang schwierig, auch wenn man in der Gestaltung und Kontrolle von Geschäftsvorgängen vergleichsweise gut bewandert war.138 Eine wohlhabende Minderheit fand auch unter den neuen Umständen wirtschaftliche Nischen und Spezialgebiete, die eine erfolgreiche, aber auch Neid erweckende Tätigkeit gewährleisteten.139 Für die Existenz der Gemeinden waren zahlungskräftige Mitglieder unverzichtbar und dementsprechend groß wurde ihr Einfluss in den Gemeindeleitungen, mit der Folge von häufigen Spannungen zwischen Gemeindeleitungen und rabbinischen Autoritäten und auch von Ressentiments unter den benachteiligten ärmeren Gemeindemitgliedern. Das jüdische Wirtschaftsleben hat sich also zu einem Teil von der jüdischen ethischen Tradition gelöst und die Gemeinden manchmal mehr benützt als ihnen gedient. Auch diese Degenerationserscheinung wirkte sich negativ auf das Bild vom Juden in der Umwelt aus. Handel und Geldgeschäft Infolge des Aufstiegs christlicher Handelshäuser wie Fugger und Welser entfiel für die jüdischen Handelsunternehmer des späten Mittelalters ein wesentlicher Marktanteil nördlich und südlich der Alpen. Diese Konkurrenz hatte nicht nur wirtschaftliche Bedeutung, denn Geld bedeutete auch Macht und politischen Einfluss.140 Wenn einzelne Juden im Geldgeschäft und auf diese Weise an Fürstenhöfen dennoch große Erfolge erzielten, was in der Neuzeit noch häufiger der Fall sein sollte, bestand die Kehrseite der Medaille allerdings auch in entsprechenden Rückwirkungen auf die örtlichen bzw. regionalen Gemeinden. Wo das Geldleihgeschäft einen zu großen Anteil der jüdischen Wirtschaft ausmachte, wie in England, war das Risiko für die
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gesamte Minderheit entsprechend größer und so wurden 1290 alle Juden aus England verbannt. In Spanien gerieten jüdische Financiers in die Machtkämpfe zwischen Adel und Krone, während die Juden ohnedies immer mehr als eine Art Fremdkörper im angestrebten politischen und religiösen Einheitsstaat gewertet und schließlich vertrieben wurden. Vorteilhaft wirkten sich die engen Verbindungen zu den gegen Ende der Periode rasch anwachsenden Gemeinden Osteuropas, ansonsten boten Märkte und Messen, soweit sie für Juden zugänglich waren, noch gewisse Chancen.141 Nach wie vor blieben auch der Handel mit Metallen und in diesem Zusammenhang das Münzwesen für einen kleinen Kreis von spezialisierten Händlern ein einträgliches Gebiet. Aber gerade dieser Wirtschaftszweig hatte eine bedenkliche Kehrseite, denn die Juden wurden für Münzmanipulationen verantwortlich gemacht.142 Viel böses Blut verursachten einzelne Juden als Steuer- und Zollpächter. Der Groll der Ausgebeuteten richtete sich daher nicht unmittelbar gegen die Regenten, sondern gegen „die Juden“, was christliche Obrigkeiten veranlasste, immer wieder judenfeindliche Maßnahmen zu treffen, um die Ausgebeuteten vorgeblich zu schützen und die angeblich Schuldigen zu verfolgen und zu vertreiben. Ein prominentes Beispiel für ein Geschick unter solchen Vorzeichen ist der Lebenslauf des hochgeachteten Bibelkommentators und Theologen Isaak ben Jehuda Abrabanel (geb. 1437).143 Dieser war ab 1478 als Finanzfachmann für hohe Adelige in Portugal tätig, wurde in politische Auseinandersetzungen verwickelt und floh 1483 nach Spanien, wo er Angehörigen des spanischen Hofes und Hochadels als Finanzfachmann diente, und ab 1491 auch als Steuerpächter wirkte. Nach dem Ausweisungsdekret von 1492 zog er nach Neapel und diente dem dortigen Hof. Der französischen Besetzung wich er 1494 aus und lebte ab 1503 in Venedig. Die überwiegende Mehrheit war jedoch auf den Kleinhandel, das kleine Kreditgeschäft und die damit verbundene Pfandleihe angewiesen.144 Die christliche Umwelt nahm gerade diese im Alltag stets gegenwärtige Seite des Wirtschaftslebens besonders wahr und wertete sie als kennzeichnend für die Juden überhaupt.145 Die große Nachfrage nach barer Münze in der damaligen Wirtschaft konnte ohne das jüdische Kreditwesen nicht befriedigt werden.146 Auch innerjüdisch war der Handel stets engstens mit dem Geldgeschäft verbunden gewesen,147 doch war es der Geldbedarf in der christlichen Umwelt, der damals anwuchs, und dies galt auch für Grundherren und Städte wie Fürstenhöfe.148 Die Rechtssicherheit war nunmehr für die jüdische Seite freilich nicht mehr im selben Maß gegeben. Das Heilige Römische Reich war nicht mehr in der Lage, örtliche und territoriale Vorkommnisse zu kontrollieren, weil die Zuständigkeit an Reichsstädte und Territorien abgetreten oder gar als Pfand vergeben worden war. Damit war für Juden auch der Bewegungsspielraum eingeengt und das hatte wirtschaftliche Folgen. Sie brauchten nun ja für jede politisch-territoriale Einheit gesonderte Niederlassungsdokumente und Passierscheine, die natürlich nur unter hohen Kosten zu haben waren. Insbesondere das Geldgeschäft – der „Wucher“ − wurde nun zum tatsächlichen oder vorgetäuschten Anlass für judenfeindliche Maßnahmen.149 Das Zinsgeschäft,
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das im Recht aller drei monotheistischen Religionen für Angehörige der eigenen Religionsgemeinschaft untersagt war, bot selbstverständlich immer wieder Anlass zu Beschwerden, und auf der jüdischen Seite war man auch bemüht, Missständen vorzubeugen, die bei Christen Ärgernis erregen konnten.150 Doch es bestand ein staatlich fiskalisch begründetes Interesse am vielgescholtenen Wucher und selbst der Kirchenstaat kam ohne Kreditwesen nicht aus151 und so pflegte die Mehrheitsreligion in dieser Frage eine Doppelmoral.152 die es örtlichen oder regionalen Herrschaften immer wieder ermöglichte, mit moralischem Pathos gewinnbringende Maßnahmen zu treffen, Vertreibungen anzuordnen, um Schulden los zu werden, und Wiederansiedlungen zu erlauben, um Kredite zu erlangen. Und schließlich erwuchs den jüdischen Unternehmern mit dem Aufstieg christlicher Handelshäuser auch eine christliche Konkurrenz im Kreditgeschäft, v.a. in Italien.153 Und dort auch auf dem Kleinkreditmarkt, weil man zur Bekämpfung des Wuchers besondere christliche Institutionen für die Kreditvergabe an Kleinkunden einrichtete. Im mediterranen Bereich blieben noch die traditionellen Beziehungen intakt, im Machtbereich der Krone Aragons auch über die iberische Halbinsel hinaus.154 Aber die aufstrebenden Hafenstädte Pisa, Genua und Venedig hatten den Vorteil der maritimen Macht für sich, was sich angesichts der aufkommenden Piraterie für den eigenen Handelsverkehr günstig auswirkte.155 Im Fernhandel des Vorderen Orients mit dem Mittleren und Fernen Osten spielten hingegen jüdische Kaufleute nach wie vor eine größere Rolle.156 Häusliche Verhältnisse und Luxus Was an mittelalterlicher Bausubstanz an jüdischen Wohnhäusern erhalten geblieben ist, wirft vor allem Licht auf die Wohnverhältnisse besser gestellter Familien.157 Für die Juden, die aus Gründen der rituellen Reinheit traditionell möglichst geschlossen für sich wohnen wollten, erwiesen sich die alten Judenviertel nun immer häufiger als zu eng und waren daher übervölkert. Verfügungen, durch die Juden in eigene Wohnviertel gezwungen wurden, verschärften diese Situation.158 Letzten Endes war nicht für alle Platz und so musste man auch außerhalb der Stadtmauern oder überhaupt am Land leben, sofern ein Grundherr dies gestattete. Der Aufbau einer Existenz in solcher Umgebung erforderte intensivere Kontakte mit den benachbarten Nichtjuden und das prägte natürlich auch den Lebensstil, und zwar außerhalb der Kontrolle durch die rabbinischen Autoritäten und ohne den sozialen Druck innerhalb einer städtischen Gemeinde. So entstand eine differenziertere jüdische Volkskultur mit einer entsprechenden volkssprachlichen Assimilation und mit eigenen Traditionen in Liturgie und Brauchtum. Innerhalb der sozialen Elite kam es ebenfalls zu verstärkten zivilisatorischen und sprachlichen Assimilationsprozessen, speziell in Bezug auf den Lebensstil und den Luxus der weiblichen Familienmitglieder. Sie genossen, weil nur begrenzt auf das Bildungsideal verpflichtet, einen vergleichsweise weiten Spielraum für profane Unterhaltung und Bildung. In Italien war dieser Spielraum auch auf höherem kulturellen
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Niveau vorgegeben, denn gebildete Juden verwendeten italienische Idiome nicht nur als Alltagssprache, sondern eigneten sich auch die aufkommenden Varianten der italienischen Schriftsprache an und schrieben auch in dieser – „fremden“ – Sprache. Umso mehr drängten rabbinische Autoritäten ebenso wie islamische und christliche Institutionen auf eine sichtbare Markierung der religiösen Gruppen. Die Kleidung war natürlich regional und zeitlich sehr wandelbar.159 Die Versuchung, der jeweiligen Mode zu folgen, war natürlich immer groß. Die rabbinische Forderung, nichtjüdische Kleidung und Sitten nicht nachzuahmen, führte nur scheinbar zu einer original jüdischen Kleidung. Selbst die bekannten spitzen Judenhüte waren kein allgemeinjüdisches Kennzeichen,160 sondern eine von vielen Kopfbedeckungsformen, deren Funktion als jüdisches Merkmal wie bei anderen Kleidungsstücken meist nur darin bestand, nicht mehr der gängigen Mode zu entsprechen und sich dadurch von der Umwelt abzuheben. Nach längerer Zeit konnte dann eine solche Kleidung als kennzeichnend „jüdisch“ gewertet werden.161 Meist begnügte man sich aber mit vorgeschriebenen Kennzeichen in bestimmter Farbe, so zuerst in islamischen Regionen, in christlichen Ländern mit einem gelben Fleck. Angesichts besonderer Gefährdungen, etwa auf Reisen, konnte man sich aber überhaupt nach der nichtjüdischen Umgebung richten. In der Freizeitgestaltung folgte man ebenfalls gern den in der Umwelt gängigen Sitten. Unterhaltsame Spiele, die Lektüre von Unterhaltungsliteratur und Vergnügungsveranstaltungen wie Tanz waren trotz rabbinischer Einwände selbstverständliche Praxis. Die Spannung, die zwischen normativer Tradition und religiösen Institutionen einerseits und dem Alltagsleben schon immer bestanden hatte, wuchs nun ständig an, in den jüdischen Gemeinden klaffte folglich weithin eine sozial wie praktisch-religiös bedingte Kluft. Dies gilt freilich auch für damalige islamische oder christliche Umgebung, aber für das Ziel, bestimmte identitätsstiftende Maßnahmen durchzusetzen, gab es im christlichen Bereich die effektivsten Mittel und eine entsprechend intolerante Grundstimmung gegen Außenseiter.
Konfrontationen und Abgrenzungen Politik und Statusfragen Die Juden verstanden sich als abstammungsmäßig (genetisch) definierte Gruppe, suchten daher stets eine souveräne oder wenigstens weitgehend autonome Selbstverwaltung zu erreichen und sich von der Umwelt entsprechend abzugrenzen. Der Islam garantiert den „Buchreligionen“ eine begrenzte Toleranz und weitgehende Autonomie, in den christlichen Ländern war die Lage komplizierter. Die Existenz als Minderheit im Rahmen einer derart weit gestreuten und so vielfältigen Bedingungen unterworfenen Diaspora war jedenfalls auf mannigfache Weise gefährdet.162 Während in den einzelnen Herrschaftsgebieten die inneren Sicherheitsverhältnisse dank der Bemühungen um „Landfrieden“ etc. sich gebessert hatten, haben kriegerische Auseinandersetzungen eher zugenommen und die Zahl der eingesetzten
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Truppen wuchs immer mehr an, auch die Entwicklung der Waffentechnik machte enorme Fortschritte.163 Die Bevölkerung hatte allein durch die Versorgung solcher Heere schwer zu leiden, von den Auswirkungen der Kriege selbst zu schweigen. Jüdische Gemeinden litten natürlich auch, manchmal noch mehr. Zur Versorgung solcher Heere bedurfte es logistischer Maßnahmen, deren erfolgreiche Durchführung ein profitables Geschäft war. Jüdische Unternehmer nahmen solche Möglichkeiten schließlich auch wahr, ebenfalls eine zweischneidige Angelegenheit, jedenfalls schwerlich geeignet, das Ansehen der Juden in der Umwelt zu fördern. Zwischen „Ismael“ (islamischer Weltmacht) und „Edom“ (christlicher Weltmacht) verschärfte sich die politisch-militärische Spannung infolge der Reconquista auf der einen und der osmanischen Erfolge gegen Byzanz auf der anderen Seite.164 Dies provozierte auch theoretische und speziell religiöse Überlegungen zur Begründung und Durchführung von Kriegen.165 Auch auf jüdischer Seite wurden auf der Basis des rabbinischen Königs- und Kriegsrechts entsprechende Regeln erstellt, denn trotz der politisch- militärischen Ohnmacht erwartete man ja für nicht ferne Zeit die Heilswende zur Messiasherrschaft. Es war Mose b. Maimon (gest. 1204), der in seinem Gesetzeskompendium Mišneh tôrah das Königs- und Kriegsrecht der Tradition zusammengestellt und redigiert hatte. Und zwar unter dem Einfluss der islamischen Herrschaftsverhältnisse, mit der Voraussetzung einer ziemlich profilierten königlichen Gewalt.166 Isaak b. Jehuda Abrabanel (gest. 1508), im christlichen Bereich und Zeitzeuge der Vertreibung aus Spanien und der dortigen zentralistischen Tendenz der „katholischen Könige“, hat hingegen für das Judentum eine explizit antimonarchische Folgerung gezogen und die Torah als Grundlage eines jüdischen Staatswesens für ausreichend bezeichnet.167 Hier kam es zu Neuansätzen des jüdischen politischen Denkens, die darauf abzielten, im Rahmen der fremdreligiösen Herrschaft einen Freiraum für jüdische Existenz zu schaffen, der verfassungsrechtlich begründet und nicht mehr primär religiös definiert ist. In diesem Zusammenhang versuchten einige Autoren auch, zur Rechtfertigung jüdischer Existenz Merkmale einer Basisreligion festzulegen, von der aus die einzelnen Religionen, d. h. konkret: Christentum und Judentum, einen Toleranzanspruch begründen konnten. Wirkungsgeschichtlich hatten diese Ansätze aber wenig Bedeutung.168 Praktische und grundsätzliche Konsequenzen bahnten sich ansatzweise auf halakischer Ebene an, und das im aschkenazischen Raum, wo man trotz aller Konfrontation einen modus vivendi suchte und das Christentum in der Folgezeit nicht mehr als götzendienstverdächtig ansah. Damit wurden für die Zukunft zwar viele rituell bedingte Hürden für ein engeres Umweltverhältnis beseitigt, doch blieben Vorbehalte gegenüber dem Christentum als einem problematischen „Fremdkult“ bis heute lebendig. Religiöse Konfrontation und Abgrenzung Juden, Christen und Muslime trugen ihre grundsätzlichen Differenzen nun noch intensiver als bisher auf kritische bis feindselige Weise aus.169 Alle drei beriefen sich auf Abraham als ersten Monotheisten, und Christen und Muslime auch auf die
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alttestamentlich-jüdische Tradition, also auf eine gemeinsame Basis, was aber von jüdischer Seite nur bedingt zugestanden wurde. Muslime waren für Juden religiöskulturell gesehen neutral, aber der Offenbarungsanspruch für Mohammed wurde natürlich abgelehnt, wie überhaupt jeder Anspruch einer abschließenden und die Torah überhöhenden oder gar aufhebenden Offenbarung. Im jüdischen Recht gilt die Sinaioffenbarung, die Torah, ausschließlich für Israel, während Nichtjuden sich auf die Anerkennung des Gottes Israels als einzigem Gott und auf die Befolgung von sieben Vorschriften, die sogenannten „noachidischen Gebote“, beschränken sollten. Alles andere gilt als „Fremdkult, in der Regel im Sinne von Götzendienst, mit Ausnahme des Islam und im Spätmittelalter ansatzweise auch des Christentums, dessen monotheistischer Charakter aber noch einige Zeit in Frage gestellt wurde. 170 Umgekehrt war die Einstellung der Christen zum Judentum hinsichtlich des Alten Testaments zwar positiv, aber das Verhältnis zum zeitgenössischen Judentum eher negativ und der Anspruch der Kirche, das „wahre“ Israel zu sein, wurde von den Juden mit Entrüstung zurückgewiesen.171 Von christlicher Seite sind von der Antike her kontinuierlich polemische Schriften gegen das Judentum verfasst worden, nicht zuletzt mit dem Ziel, die eigenen Gläubigen vor jüdischem Einfluss zu schützen, aber auch offensiv zur Bekehrung der Juden angelegt.172 Auf beiden Seiten traten nun Spezialisten mit entsprechenden Sprach-und Sachkenntnissen auf. Durch Übertritte vom Judentum zum Christentum und umgekehrt war nämlich die Kenntnis der Inhalte der gegnerischen Religion beträchtlich verbessert worden und die Kontroversen wurden trotz aller Heftigkeit sachbezogener. Im späteren Mittelalter entstanden folglich einflussreiche Beispiele dieser adversus Judaeos-Literatur.173 Die jüdischen antichristlichen Schriften dienten überhaupt der Stärkung der eigenen Reihen. Dabei hatten die jüdischen Gelehrten den Vorteil, sich auf den Wortlaut der Bibel berufen zu können, während die christliche Deutung des Alten Testaments rational nicht nachvollziehbar und als absurd erschien.174 Von grundlegender Bedeutung war ein um 1180 von Jakob b. Reuben verfasstes Werk mit dem Titel Milh ̣amôt ha-šem („Kriege Gottes“), das aber erst 1967 gedruckt wurde und nun in deutscher Übersetzung vorliegt.175 Seine sachkundige, aber auch schroff polemisch geschriebene und recht rational argumentierende Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten hat im 13.–15. Jh. Schule gemacht, wobei Autoren Spaniens und Südfrankreichs den Ton angaben.176 Salomo b. Abraham ibn Adret von Barcelona (geb. 1233/35) polemisierte gegen Islam und Christentum. Um die Mitte des 14. Jh. schrieb der spanisch-jüdische Philosoph Schem-Tob b. Isaak ibn Schaprut den ´Äbän boh ̣an („Prüfstein“), in dem er die Argumente früherer Apologeten gegen das Christentum zusammenfasste und sogar kritische Anmerkungen zu Teilen des Matthäusevangeliums in hebräischer Übersetzung einschloss. Der 1391 vorübergehend zwangsgetaufte und 1414 verstorbene Apologet Isaak b. Mose Profiat Duran kritisierte in seinem Buch Kelimmat ha-gôjîm („Schmach der Nichtjuden“) die vernunftwidrigen christlichen Dogmen und die Ungereimtheiten im Neuen Testament.177 In der ersten Hälfte des 15. Jh. schrieb Isaak b. Josef Polegar das Buch `Ezär ha-dat
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(„Hilfe der Religion“), ein Werk von weitreichender Nachwirkung. Und auch der Philosoph Chasdaj Crescas (gest. etwa 1410/12) trug mit einem, allerdings weniger bekannt gewordenen Traktat zur gelehrten Apologetik bei. So wenig man sich in der hebräisch-sprachigen antichristlichen Polemik ein Blatt vor den Mund nahm, desto vorsichtiger musste man bei öffentlichen Disputationen formulieren, die von christlicher Seite angeordnet wurden, um die Juden öffentlich triumphierend zu bekehren oder ihnen wenigstens Schaden zuzufügen.178 Letzteres gelang auch, obwohl die jüdischen Disputationspartner sich behaupten konnten, so 1240 und 1269 in Paris, wo es danach sogar zu Talmudverbrennungen kam, 1263 in Barcelona, und 1413–1414 in Tortosa. Die Einstellung zur nichtjüdischen Umwelt blieb auch in diesen Jahrhunderten ganz von der geschichtstheologischen Symbolik der Zweiteilung der Menschheit in „Israel“ und „die Weltvölker“ bestimmt. Politisch-religiös standen nach wie vor „Edom“, die christliche Weltmacht, und „Ismael“, die islamische Weltmacht, als Gegenspieler „Jakobs/Israels“ im Vordergrund, und zwar ungeachtet der realen Zersplitterung dieser Mächte. Mit der zunehmenden Endzeiterwartung und mit dem Aufstieg des osmanischen Reiches verstärkten sich die Hoffnungen auf einen baldigen Fall „Edoms“, vor allem die Eroberung Konstantinopels 1453 wurde als Vorbote der großen Geschichtswende zur Heilszeit hin gedeutet. Diese Zukunftserwartung verschärfte die introvertierte Haltung gegenüber Nichtjuden und die – speziell christlichen – Reaktionen trugen das ihre zur weiteren Verschlechterung des Verhältnisses bei. Aus der Sicht der nichtjüdischen Umwelt wurde die jüdische Absonderung wie schon in früheren Zeiten nicht nur als ein befremdliches Brauchtum, sondern auch als eine menschenfeindliche Haltung begriffen, obschon man selber die eigenen Gruppen sehr wohl auch von Andersgläubigen abzugrenzen bemüht war.179 Die christlichen Autoritäten reagierten sowohl auf Assimilationstendenzen, bei denen sie eine gefährliche Einflussnahme befürchteten, wie auf Absonderungstendenzen der Juden negativ, und beide Aspekte wurden für die religiöse Propaganda verwendet, v. a. durch die Predigerorden,180 oft vermengt mit Vorurteilen, die sich auch gegen andere Randgruppen richteten.181 Das so geformte Bild von den Juden wurde auch mit populären Mitteln verfestigt, insbesondere mit Passionsspielen, Erzählungen und dergleichen.182 Von den Juden erwartete man ja grundsätzlich eine Bekehrung zum Christentum, ihrer eigentlichen Bestimmung entsprechend, und deutete Ablehnung und Widerstand als böswillige Verstocktheit. Entsprechend feindselig agierte und reagierte man und im Fall judenfeindlicher Maßnahmen war die vorherrschende Meinung, dass sie wohlverdient waren.183 Vertreibungen der Juden aus Orten, Regionen oder ganzen Staatsgebieten wurden im christlichen Bereich eine häufige Erscheinung.184 Sehr oft kam es dazu aus ökonomischen Interessen, wenn auch gern irgendwie mit christlich-theologischen oder abergläubischen Argumenten mit begründet.185 Zu den schlimmsten Vorwürfen, die zu Verfolgungen und Vertreibungen geführt haben, gehören. Hostienfrevel186, Ritualmord187 und Teufelsbündnis.188 Die hohen kirchlichen Autoritäten verurteilten zwar derartige Phantastereien,189 aber
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auf den unteren Ebenen des Klerus und in bestimmten Orden gehörten sie zum Rüstzeug der Polemiker. In der islamischen Welt war die Situation entspannter, da das jüdische Recht den Islam als Monotheismus anerkennt und daher die Gefahr ritueller Verunreinigung so gut wie ausgeschlossen war. So kam es hier zwar regional unter einzelnen Herrschern zu gelegentlichen Verfolgungen, aber die religiöse bzw. pseudoreligiöse Motivierung von Verfolgungen und Vertreibungen, wie sie in christlichen Gebieten einriss, war nicht gegeben. Für die jüdische Seite lag in den Auseinandersetzungen mit Christentum und Islam der empfindlichste Punkt in der Frage, ob die Torah nach wie vor in Geltung sei oder ob sie durch weitere Offenbarungen abgelöst oder überhöht wurde, und ob in Bezug auf die Torah Fälschungen anzunehmen seien.190 Assimilation Abgesehen vom politisch-rechtlichen Status, den man im Unterschied zum Hochmittelalter immer weniger selber mitgestalten konnte und der immer öfter von der Willkür regionaler Potentaten abhing, lauerte die Gefahr einer Assimilation, einer Selbstpreisgabe durch Verzicht auf gruppenspezifisch kennzeichnende und abgrenzende Praktiken. Die örtlichen und regionalen Judenschaften standen also als Randgruppen der Gesellschaft in einer doppelten Abwehrhaltung, einmal nach außen hin, zu allem Fremden, und intern gegenüber Assimilationstendenzen. Zu solchen kam es im Alltagsleben zum Teil unvermeidlicher Weise, so dass die betroffenen Judenschaften örtliche und regionale Eigenprofile entwickelten, die als Beeinträchtigung der jüdischen Einheit gewertet werden konnte. Ohne zentrale Instanz gelang es dennoch, bei allen regionalen Unterschieden im Bewusstsein und in der Praxis eine gemeinsame Basis zu erhalten und die Gefahr der Assimilation auf religiös und rechtlich weniger relevante Bereiche einzudämmen. Für Toleranz war, von einigen theoretischen Ansätzen und manchen praktisch bedingten Konzessionen abgesehen, wenig Platz.191 Kulturgeschichtlich gesehen war stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Assimilation und Traditionswahrung Voraussetzung dafür, dass eine Judenschaft nicht im Althergekommenen erstarrte und den Anschluss an die kulturell und zivilisatorische Entwicklung in der Umgebung verlor.192 Die beträchtlichen Unterschiede zwischen den regionalen Judenschaften des Spätmittelalters haben ihre Ursachen nicht zuletzt im Unvermögen mancher, diese Balance nicht halten zu können. Wenn es in manchen Regionen, v.a. unter islamischer Herrschaft oder unter den Stauffern in Sizilien/Süditalien, zu einem friedlicheren Verhältnis zwischen den Anhängern der drei monotheistischen Religionen kam, beruhte dies in der Regel auf speziellen Interessen bestimmter Herrscher, und auf der Bereitschaft, im vorgegebenen politischen Rahmen zwar miteinander, aber als Gruppen abgegrenzt nebeneinander zu leben. Im islamischen Herrschaftsbereich existierten Juden und Christen auf diese Weise als autonome Einheiten mit weitreichender Autonomie. In christlichen Gebieten stellten die Juden die einzige tolerierte Minorität dar und standen daher stets allein im Visier intoleranter Betrachtungen und Maßnahmen. Doch wäre es anachro-
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nistisch und naiv, nur der christlichen Seite mangelnde Toleranz (im heutigen Sinne) anzukreiden, denn die jüdische Tradition und speziell das jüdische Recht verlangt eine klare Abgrenzung zwischen „Israel“ und den „Weltvölkern“, eine soziale Absonderung, die nicht nur die Grenzen der Religionsgemeinschaft schützen soll, sondern auch den ethnischen Fortbestand. Daher missioniert das Judentum grundsätzlich nicht, es ist in erster Linie eine ethno-religiöse Einheit und nur in diesem Rahmen auch eine Glaubensgemeinschaft. Die jüdische Religion fordert eine strikte Absonderung von allem, was mit „Götzendienst“ oder „Fremdkult“ zusammenhängt. Und das auch unter der Annahme, dass dergleichen Quellen schwerer ritueller Verunreinigung darstellen. Konkret bedeutet es, dass Personen durch den Kontakt mit solchen Objekten in ihrer Lebensführung bis zur rituellen Reinigung schwer beeinträchtigt werden und dass derartige Objekte ihre Unreinheit auch auf andere, rituell neutrale oder reine Gegenstände übertragen. Da davon vor allem auch Nahrungsmittel betroffen sind, bedeutet die Befolgung der Reinheitsvorschriften eine weitgehende soziale Isolierung von einer als „götzendienerisch“ geltenden nichtjüdischen Umwelt. Die einschlägigen Vorschriften nehmen in der jüdischen Rechtsgeschichte einen beträchtlichen Raum ein, sie waren nämlich nicht bloß ein Mittel der Abwehr nach außen, sondern dienten auch einer recht effektiven rabbinischen Kontrolle der Gemeindemitglieder. Man musste jedenfalls darauf bedacht sein, Kompromisse zu finden, die die unerlässlichen, zur Erhaltung der jüdischen Gemeinschaft nötigen Umweltkontakte erlaubten und die verbotene Nachahmung fremder Sitten und Lebensweise möglichst weitgehend ausschlossen.193 Am Rande der Gemeinden und vor allem auf dem Land befanden sich Juden aber in einer Situation, in der Umweltkontakte schon für die Aufrechterhaltung des täglichen Haushalts unerlässlich waren. Die rabbinischen Autoritäten mussten daher in solchen Fällen die Maßstäbe ihrer Elitereligion wohl oder übel aufweichen oder eben mit Verweis auf die Notsituation auf Zeit in Schwebe halten. Selbstverständlich lag das jüdische Bildungsniveau in solchen Fällen weit unter den Anforderungen städtischer Gemeindemitglieder. Für das Umweltverhältnis hatte dies im Alltag Folgen. Was Christen von solchen Randgruppen der jüdischen Gemeinden über das Judentum erfahren konnten, bestätigte nicht selten vorhandene Vorurteile, speziell hinsichtlich des Verhältnisses von Judentum und Magie. Karäer Auch im Judentum kam es zu Strömungen und Gruppenbildungen, die von den rabbinischen Autoritäten als so gravierende Abweichungen von der Norm eingeschätzt wurden, dass man von „Häresie“ sprach.194 Im Mittelalter handelte es sich vor allem um die Karäer, die aber mit dem 13. Jh. immer weniger Anhänger mobilisieren konnten und sich auch geografisch auf bestimmte Gebiete zurückzogen, zunächst nach Byzanz und schließlich auf die Krim.195 Diesem Schrumpfungsprozess entsprach eine geistesgeschichtliche Horizontverengung.196 Die karäischen Denker beharrten immer noch auf der Theologie/Philosophie des Kalam und verloren den Anschluss
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an die aktuelle Diskussion auch in den Auseinandersetzungen um Mose ben Maimon und die profane Bildung.197 Dies alles zusammen führte in eine innerjüdische Abseitsposition, bei der die Zugehörigkeit zum Judentum nicht mehr einmütig definiert werden konnte. Karäische und rabbinische Juden lebten sich folglich immer mehr auseinander. „Philosophen“ Im Zuge der mainonidischen Streitigkeiten waren Gegensätze so unversöhnlich, dass sich die Gegner wechselseitig als Häretiker (hebr. mînîm) beschimpften. Was dabei als Häresie (hebr. mînût) abqualifiziert wurde, war über die Neigung zu profaner Bildung hinaus vor allem die Philosophie, genauer: der Aristotelismus und der Averroismus.198 Mangels zentraler Instanzen und begrenzten Kompetenzen konnte es aber höchstens da und dort zur Verhängung eines Bannes kommen, nicht zu derartigen Ketzerverfolgungen wie sie in der christlichen Umwelt möglich waren, wo die Neigung zur Verketzerung Andersdenkender immer krassere Formen annahm. Aber auch im Islam wurden philosophische Tendenzen, die an der traditionellen religiösen Anschauungswelt Kritik übten, ablehnend bis feindselig behandelt.199 Konvertiten/Apostaten Die Grenzen der Toleranz traten in allen drei monotheistischen Religionen besonders scharf hervor, wenn es um die Frage eines Religionswechsels ging. Konversionen zur eigenen Religion wurden von Christen und Muslimen als Mitglieder von Glaubensgemeinschaften begrüßt, man strebte ja die Bekehrung aller Menschen an. Das Judentum akzeptierte zwar einzelne Übertritte und integrierte diese „Proselyten“ in die ethno-religiöse Einheit „Israel“, beharrte aber darauf, als allein und exklusiv auf die Torah verpflichtetes erwähltes Volk bis zum Ende der Zeiten für sich zu bleiben. Gegenüber Abtrünnigen, also Apostaten, waren aber die Autoritäten aller drei Religionen einer Meinung und bedrohten sie mit der Todesstrafe. Für die jüdische Minorität war jeder Fall von Apostasie ein besonders schwerwiegender Verlust, weil man meinte, dass damit die Erfüllung der Erwählungsaufgabe, der Torah, als einer kollektiven Aufgabe Israels beeinträchtigt und damit auch der Lauf der Heilsgeschichte gehemmt wird.200 Überaus gereizt reagierte man daher auf Abtrünnige, die über eine elitäre jüdische Bildung verfügten und als Christen gegen das Judentum auftraten. Etwa wie in Kastilien Alfonso de Valladolid, einst Abner von Burgos (gest. 1337). Oder der 1391 zwangsgetaufte Salomo Hallevi (gest. 1435), der als Pablo de Santa Maria, Bischof von Cartagena und zuletzt von Burgos, Papst Benedikt XIII. in Judenfragen beriet und antijüdische Schriften verfasste. Ferner Geronimo de Santa Fe, als Jude Josua b. Josef Lorki (gest. 1419). Und als besonders schmerzlich empfand man natürlich die Mitwirkung solcher Apostaten im Rahmen von Zwangsdisputationen und nicht zuletzt bei der Inquisition. Zwischen Islam und Judentum war allerdings als mildernder Umstand wirksam, dass es sich um einen Wechsel zu einer
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monotheistischen Religion handelt.201 Im christlichen Bereich war die Einstellung bei Christen wie Juden schonungslos und daher ein Problem, das oft und intensiv behandelt wurde. Die Christen nützten auch die weltliche Gewalt zur Ahndung dieses Kapitaldelikts und es war die höchste kirchliche Instanz, die für die Verfolgung von getauften Juden, die insgeheim an der Religion der Väter festzuhalten versuchten, eine gesonderte Behörde einrichtete, die Inquisition. Im Juli 1267 ordnete Papst Clemens IV. in Turbato corde ein besonderes Vorgehen gegen judaisierende Christen und Geheimjuden an. In Aragon wirkte in diesem Sinne v.a. der Dominikaner Raymund Martin, Verfasser des Pugio fidei („Glaubensdolch“) adversus Mauros et Judaeos. Eine Anordnung der Inquisition in Spanien erfolgte durch Papst Sixtus IV. (1371–1484), und ab 1480/81 begann die Inquisition mit der systematischen Verfolgung von Scheinchristen jüdischer Herkunft. Im Jänner 1481 ergeht ein entsprechendes Edikt und am 17. Okt. 1481wird Thomas de Torquemada zum Großinquisitor ernannt. Die Kirche versuchte, die staatliche Seite unter Kontrolle zu halten. Papst Sixtus IV. ermächtigte 1482 in Numquam dubitavimus den König Ferdinand zur Ernennung von Inquisitoren. Die Cortes von Aragon genehmigten aber erst 1484 die Einführung der Inquisition.
Môserîm bzw. malšînîm Ein prekäres Problem stellten jüdische Personen dar, die im Rahmen ihrer Beziehungen zur nichtjüdischen Umwelt Auskünfte erteilten, die für einzelne Juden oder auch Judenschaften schwere Nachteile nach sich zogen. Im jüdischen Recht gelten solche Verräter und Denunzianten als Schwerverbrecher und religiös-sozial repräsentierten sie Extremfälle einer Absonderung von der jüdischen Gemeinschaft aus persönlicher Gewinnsucht oder dergleichen, jedenfalls als schwerste Verletzung der gebotenen innerjüdischen Solidarität.202 In Spanien wurden gegen solche malšînîm Todesstrafen nicht nur verhängt, sondern im Einvernehmen mit der christlichen Obrigkeit auch exekutiert.
Literatur Vorbemerkung Das literarische Schaffen dieser Periode fußt hauptsächlich in der kontinuierlichen Weiterführung der bis ca. 1250 geschaffenen Voraussetzungen.203 In den mediterranen Regionen wurden nach wie vor so gut wie alle Literatursparten weitergepflegt, auch Ansätze zu einer volkssprachlichen literarischen Produktion sind zu verzeichnen, doch durch die Vertreibungen am Ende der Periode wurden alle diese glanzvollen Zeugnisse jüdischer Kultur buchstäblich entwurzelt. In Italien, Schnittpunkt des allgemeinen und auch jüdischen internationalen Kulturaustausches, bahnte sich neben der hebräisch-sprachigen Produktion auch eine erfolgreiche Teilhabe an der italienisch-sprachigen Kultur an, eine Entwicklung, die nahtlos in die Neuzeit
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übergeht und grundlegende Voraussetzungen für die spätere jüdische Aufklärung und das moderne Hebräisch geschaffen hat. In Aschkenaz hingegen dominierte die Traditionsliteratur, deren Kenntnis naturgemäß auf engere und so gut wie nur männliche Bildungskreise beschränkt blieb. Das rabbinische Bildungsideal forderte von Männern ja eine möglichst volle Konzentration auf das Studium der Halakah, und daher galt die Lektüre profaner Literatur als Zeitverschwendung zu Lasten der Torah. Daneben entstand eine populäre Literatur in der fremden Volkssprache, Die Leserschaft dieser weithin auch als Unterhaltungsliteratur dienenden Schriften reichte in weitere gesellschaftliche Kreise.204 So konnten gerade auch Frauen in sozial gut etablierten Familien einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad und einen zeitgemäßen Bildungshorizont erreichen. Infolge der Erfordernisse des Alltags und des Haushalts hatten Frauen zudem auch mehr Kontakte zur nichtjüdischen Umwelt.205 Gegen Ende der Periode leitet die Erfindung des Buchdrucks auch für die jüdische Kultur eine epochale Umwälzung ein. Bisher war die Herstellung von Manuskripten ein aufwendiges Unternehmen und daher konnten sich nur verhältnismäßig wenige den Erwerb von Büchern leisten.206 Doch wer irgend konnte, trachtete danach, wenigstens die wichtigsten Werke der Tradition zu besitzen.207 Der früheste jüdische Buchdruck erfolgte möglicherweise in Spanien 1475, andernfalls in Italien, und breitete sich im mediterranen Bereich sehr rasch aus. Die Anzahl der hebräischen Inkunabeln (ca. 175) ist jedenfalls beeindruckend.208 Zu den ältesten Drucken zählen Kommentare zu biblischen Büchern, halakische Werke, allen voran Einzelteile der ´Arba`ah ̣tûrîm des Jacob b. Ascher, Mose ben Maimons Mišneh tôrah, und der Sefär mis ̣wôt ha-gadôl des Jakob von Coucy. Noch vor 1480 wurde in Rom auch Mose ben Maimons theologisch-philosophisches Werk Môreh nebûkîm gedruckt. Traditionsliteratur Die Traditionsliteratur stand als Fundament jüdischer Existenz und Kultur weiterhin im Brennpunkt des Interesses.209 Darum war man auch in fernen Diasporagebieten bemüht, über die literarische Produktion in anderen Regionen informiert zu sein und Handschriften wichtiger Werke zu erwerben. Das jüdische Recht, die Halakah, war im Mišneh Tôrah des Mose ben Maimon in vollem Umfang kompiliert und neu formuliert worden, dennoch wurden weiterhin zahlreiche neue Werke verfasst.210 Dabei trifteten aschkenasische und sefardische Rechtstraditionen merklich auseinander.211 Ein folgenreicher, den Zusammenhalt der Diaspora für die Zukunft festigender Vorgang kam durch die Übersiedlung der Familie des Ascher ben Jakob aus Aschkenaz nach Toledo zustande. Sein Sohn Jakob, ein gediegener Kenner der aschkenasischen und sefardischen Rechtstraditionen (gest.1340), war imstande, die Überlieferungen zu verknüpfen und zu kompilieren. Er ließ allerdings die nicht praktizierbaren Vorschriften beiseite und gliederte den Stoff in vier Teile (hebr. ţûrîm, „Kolonnen“), eine Einteilung, die dann im 16. Jh. der Sefarde Josef Karo für seinen Šûlh ̣an ´arûk übernahm, nachdem er zuvor einen umfangreichen Kommentar (Bêt Jôsef) zu dem
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Werk abgefasst hatte. Diese ´Arba`ah ţûrîm wurden rasch bekannt, allein gegen Ende des 15. Jh. neunmal gedruckt, und sie werden bis heute zumindest in Teilen kommentiert.212 Die Vertreibungen aus Frankreich führten auch manche Autoren über Südfrankreich nach Spanien (Sefarad), wo sie ihre spezifischen Traditionen in die rabbinische Diskussion einbrachten.213 Auf diese Weise hat die jüdische Rechtstradition eine Vereinheitlichung erfahren, die den ansonsten wirksamen Regionalisierungstendenzen erfolgreich entgegenwirkte. Auf aschkenasischer Seite wurde noch vor 1250 ein weiteres einflussreiches Werk hervorgebracht, der Sefär mis ̣wôt ha-gadôl (SM“G) des Mose ben Jakob von Coucy, der die 613 Vorschriften der schriftlichen Torah behandelte und dabei ständig auf Talmud und mittelalterliche Autoritäten zurückgriff, insofern ein aschkenasisches Gegengewicht zum Sefär ha-miswôt des Mose ben Maimon. Gekürzt durch Isaak b. Josef von Corbeil (gest. 1280) fand er als Sefär mis ̣wôt ha-qatan (SM“Q) oder `ammûdê ha-gôlah in Aschkenaz weite Verbreitung. Hier hatte die Halakah einen besonders hohen Stellenwert und so leistete eine stattliche Anzahl rabbinischer Gelehrter gerade gegen Ende der Periode profilierte Beiträge zur Rechtsliteratur.214 Auslegungen rabbinischer Literatur Die Grundlage des Talmuds, die Mischna, hat Obadja b. Abraham da Bertinoro (gest. vor 1516) kommentiert und dieses Werk wird seit dem Erstdruck in Venedig 1548/9 bis heute oft in traditionellen Mischna-Ausgaben beigefügt.215 Kommentare zu Talmudteilen wurden fast überall produziert. Manchmal schrieb man aber auch nur punktuelle Annotationen, sogenannte H ̣iddûšîm (Novellae), die das jeweilige Verständnis bestimmter Vorschriften bezeugen, gern gesammelt wurden und in Buchform der Nachwelt zur Verfügung standen. In Aschkenaz verfasste im späten 13. Jh. Mordechaj b. Hillel (gest. 1293) den Sefär Mordekaj, der bis heute für das aschkenasische Talmudverständnis zu Rate gezogen wird. Schon 1376 erstellte Samuel Scheffstadt eine Kurzfassung, den Sefär Mordekaj ha-qaţan, und 1557 erschien ein Qîs ̣s ̣ûr Mordekaj in Cremona in Druck. Von ganz anderem Charakter ist der Bêt hab-beh ̣îrah des provençalischen Autors Menachem b. Salomo ha-Me'iri (gest. 1316); er war ein klar und präzise arbeitender Kommentator. Viel Beachtung haben auch die H ̣iddušîm des Salomo b. Abraham Adret (RŠB"', gest. 1310) gefunden, ebenso jene des Jomtob b. Abraham Ashbili (RJTB"', gest. 1330). Der große Halakist Ascher ben Jechiel (R'“Š, gest. 1327) hatte mit seinen Tôsafôt ha-R'“Š aschkenasische Tradition nach Spanien verpflanzt, und von den Späteren ist v .a. Nissim b. Reuben Gerondi (R”N, 1310–1375) mit seinen H ̣iddûšîm zu nennen. Für die Kenntnis des in den einzelnen Diasporagebieten tatsächlich angewendeten Rechts sind manche Quellen aufschlussreicher als die großen Kompendien und deren Kommentare. Es handelt sich um gutachtliche Äußerungen, Še´elôt û-tešûbôt (Responsen)216 oder um Pesaqîm (Rechtsentscheidungen) einzelner Gelehrter oder Gerichtshöfe, die einen Einblick in das gelebte Recht der Zeit und Region gewähren,
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für andere Vorgänge als Präzedenzfälle dienen konnten und daher gern gesammelt und publiziert wurden. Sie sind ergiebige Quellen für die Alltagsforschung und für die Erhellung des Umweltverhältnisses.217 Selbstverständlich haben auch die einzelnen Gemeinden Ordnungen erlassen und Taqqanôt (Verordnungen) beschlossen. Deren Geltungsbereich war entsprechend begrenzt. Örtliche und eventuell regionale Verhältnisse bezeugen auch die in dieser Zeit auftauchenden Minhag-Bücher, Zusammenfassungen des Brauchtums. Am bekanntesten sind der Sefär ha-manhîg des Abraham b. Natan ha-Jarchi und der Sefär ha-minhagîm des Menachem b. Salomo ha-Meiri für Südfrankreich, für Aschkenasien der Sefär ha-minhagîm des Chajjim Paltiel b. Jakob und des Isaak/Eisick von Tyrnau. Das Verhältnis von Halakah und Minhag war gelegentlich kompliziert, weil die Gemeinden auf ihren althergebrachten Traditionen beharrten, auch wenn die Halakah dagegen stand.218 Für die örtliche und regionale Geschichte bieten solche Quellen aufschlussreiches Material.219 Bibelauslegung Die Bibelauslegung nahm auch in der zweiten Hälfte des Mittelalters einen erheblichen Raum in der literarischen Produktion ein.220 Schon in der vorangegangenen Periode hatte die jüdische wörtliche Exegese die Aufmerksamkeit christlicher Gelehrter auf sich gezogen.221 Bestimmte Probleme, v.a. die Anthropathismen und Anthropomorphismen, wurden von beiden Seiten als theologisch bedrängend empfunden und nach Möglichkeit ausgeräumt, wobei philosophierende Autoren manchmal für Konservative zu weit gingen.222 Wie bisher konzentrierten sich die Exegeten hauptsächlich auf den Pentateuch. Im Unterschied zur vorangegangenen Periode ist jedoch für Aschkenaz so gut wie nichts an Kommentaren zu verzeichnen, der Trend ging hier zu midrasch- oder homilienartigen, erbaulichen Auslegungen.223 Allein Menachem b. Meir ha-Zioni (14./15. Jh.) hat einen Pentateuchkommentar mit einer nennenswerten Nachwirkung zustande gebracht. In Spanien und Südfrankreich hingegen wurden weiterhin Werke von Rang geschaffen.224 Vor allem gilt dies für Mose ben Nachman (RMB"N, Nachmanides, 1195–1270) in Gerona, dessen Pentateuchkommentar noch heute in traditionellen Bibeldrucken zu finden ist. Auf der christlichen Seite hat man von den jüdischen Exegeten soweit Notiz genommen, als die Quellen sprachlich zugänglich waren. Vermittelt haben solche Kenntnisse nicht nur Konvertiten, sondern manchmal auch Gewährsleute bestimmter, offiziell geförderter Projekte.225 In Südfrankreich verfasste der Philosoph Levi ben Gerson (RLB"G, 1288–1340) knapp und nüchtern gehaltene Kommentare, die viel Anerkennung gefunden haben. Hingegen weisen die Auslegungen des Josef b. Abba Mari ibn Kaspi (1279–1340) den Trend zu einer traktatartigen, thematisch orientierten Kommentierung auf, wie auch bei Nissim b. Reuben Gerondi (gest. 1375). Im Lauf des 15. Jh. nahm die Neigung zu homiletisch gestalteten Auslegungen zu, wie sie im umfangreichen Pentateuchkom-
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mentar `aqedat Jis ̣h ̣ aq des Isaak b. Mose Arama (gest. 1494) begegnen. Zum Abschluss der Periode und im Übergang in die neue Epoche hat Isaak b. Jehudah Abrabanel (1437–1508) in seinen Kommentarwerken zu allen Passagen die bis dahin bekannten Deutungen erfasst und diskutiert. Auch hier ging also die thematisch organisierte Darstellungsweise zu Lasten der Einzelexegese. Eine völlig neue Note brachte die Kabbalah in die Kommentarliteratur, denn sie hielt zwar im Gegensatz zur philosophierenden Exegese am Wortsinn fest, überhöhte ihn aber spekulativ mit dem geheimen, kabbalistischen Sinn. Diese Exegeten sahen im Text bis zu den einzelnen Buchstaben Andeutungen auf die Vorgänge in den zehn Sefirot, den göttlichen Wirkungskräften, und nahmen an, dass die richtige Lektüre der biblischen Schriften auch einen Einfluss auf die Vorgänge „oben“ ausüben könne. Das gilt natürlich besonders für Gottesnamen und Gottesattribute, die ja auf bestimmte Sefirot bezogen wurden. In Spanien hat Bachja b. Ascher im späten 13. Jh. und in Italien Menachem b. Benjamin Recanati (13./14. Jh.) klassisch-kabbalistische Kommentare geschrieben, und diese werden bis heute gelesen. Verbunden mit spekulativer (v .a. neupythagoreischer) und in zunehmendem Maß aber auch magisch-volkstümlicher Buchstaben- und Zahlensymbolik (Gematrie) hat diese Art von Bibelauslegung mehr und mehr populäre Züge angenommen. Obwohl Buchstaben- und Zahlenspekulationen keineswegs spezifisch jüdische Traditionen darstellten, galten sie in Verbindung mit der kabbalistischen Exegese der hebräischen Bibel und Sprache als kennzeichnend jüdisch. Diese Zuspitzung auf eine metaphysischtheurgische Bedeutung der Buchstaben der Torah hatte zur Folge, dass die späte Masorah den biblischen Text noch stärker festzulegen versuchte und so die Gestalt der hebräischen Bibel vorbereitete, die in der Folgezeit auch bei den Christen als „Textus receptus“ etwas wie eine zweite Kanonisierung erfahren sollte. Liturgie, Poesie und Erbauungsliteratur Die hebräische Dichtung nahm immer noch einen prominenten Platz im literarischen Schaffen der Periode ein.226 Im mediterranen Bereich blieb sie weithin unter dem Einfluss der “spanischen Schule”, in Aschkenaz kam diese hingegen so gut wie nicht zur Wirkung. Im Lauf des 13./14. Jh. wurden fast überall die lokalen und regionalen Gebetbücher in ihrem Bestand standardisiert und textlich festgelegt. Damit entfiel die Möglichkeit, in die Liturgie neue Schöpfungen einzubringen und daher verlor die synagogale Poesie (Pijjut) den Sitz im Leben. Nur in nordafrikanischen orientalischen und jemenitischen Gemeinden pflegte man diese zweckgebundene religiöse Dichtung noch weiter. Im Gottesdienst waren folglich nun die Pijjutim nach ihrem letzten Bestand festgeschrieben und nicht mehr durch aktuelle Neuschöpfungen ersetzt. So war die Dichtung liturgisch nicht mehr konkret zweckgebunden und diente eben der religiösen Erbauung des Individuums und der Übergang zur weltlichen Dichtung wurde fließend. Dabei dominierten die mediterranen Regionen, also Spanien und Südfrankreich,227 Italien228 und Byzanz.229 In Nordafrika,230 im Orient und im Jemen231
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wirkten, unter dem Einfluss sowohl der spanischen Schule als auch der arabischen Dichtung ihrer Umgebung, hebräische Dichter von Rang. Auch in diesem Zusammenhang ist Italien hervorzuheben, weil dort infolge der besonderen Atmosphäre der Renaissance die hebräische Dichtung einen Eigencharakter erhielt und zudem kontinuierlich bis zur Moderne herauf weitergepflegt wurde. So hat etwa Immanuel b. Salomo von Rom (gest. nach 1238) sowohl traditionelle hebräisch-arabische wie zeitgenössische italienische Züge in seinen qualitativ hochrangigen Dichtungen aufzuweisen.232 Im Norden bzw. in Aschkenaz entstanden zwar auch weiterhin religiöse Dichtungen, aber von eher schlichter Art, von der Umweltkultur isoliert und ganz von der Frömmigkeit dieser Spielart des Judentums geprägt.233 Folgerichtig stellten die Pijjutim im Gottesdienst auch keine besondere Attraktion mehr dar und eine neue Modegattung, die Homilie (hebr. derašah) übernahm diese Funktion. Das entsprach übrigens einem Trend in der christlichen Umwelt.234 Überliefert sind natürlich literarisch ausgearbeitete Fassungen oder überhaupt nur zur Publikation bestimmte Homilien. Sie machen von nun an einen beträchtlichen Teil der Erbauungsliteratur aus, manchmal von beträchtlichem Umfang, und im Zug einer schleichenden Unterwanderung transformierten sie den Charakter der Bibelkommentare.235 Eine besondere Nachwirkung bis in die Gegenwart herauf erzielte eine kompilierende Bearbeitung der talmudischen Haggadot durch Jakob b. Salomo ibn Chabib mit dem Titel `ên Ja`aqob. Der Sefär h ̣asîdîm (Buch Frommer), ein kompliziert und variabel kompiliertes Werk,236 wurde dem Jehudah b. Samuel hä-Chasid (gest. 1217) zugeschrieben, doch das trifft höchstens auf einen kleinen Bestandteil zu. Ein guter Teil des Inhaltes besteht aus Exempelsammlungen, die auf verschiedene Weise in größere Komplexe eingebaut worden sind. Ein guter Teil des Materials stammt aus dem süddeutschoberitalienischen Bereich. Eine Fassung wurde 1538 in Bologna gedruckt und in dieser Form erreichte das Werk eine beachtliche Popularität, v.a. in Aschkenaz. In Spanien schrieb im späten 13. Jh. Bachja b. Ascher ein weit verbreitetes Buch mit bereits kabbalistischer Ausrichtung mit dem Titel Kad ha-qämah ̣ („Mehlkrug“). In der Regel vermied man zu der Zeit noch eine offene Popularisierung der Kabbalah und drückte sich lieber vage aus, so dass ein harmonisierender Eindruck entstehen konnte. Das gilt auch für den Sefär ha-h ̣innûk, der dem Aaron Hallevi zugeschrieben wurde.237 Josef b. Chajjim Ja`betz (gest. 1509) hingegen brachte jedoch seine philosophiefeindliche Einstellung deutlich zum Ausdruck. Äußerst beliebt wurde das Werk Menôrat ha-ma´ôr des Isaak b. Abraham Abuhab. Im traditionellen Stil der Weisheitsschriften verfasst wurde hingegen der aus dem aschkenazischen Raum stammende Sefä 'orh ̣ôt ̣saddîqîm.238
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Jüdisch-deutsche Literatur In Aschkenaz und dann auch in Osteuropa sprachen die Juden jüdisch-deutsche Dialekte.239 Die Kenntnis des Hebräischen war nicht jedermanns Sache, schon gar nicht jeder Frau. Es bestand daher eine gewisse Nachfrage nach Schriften in der Umgangssprache, und diese repräsentierten einerseits Gattungen und Themen, die auch in der Umwelt gang und gäbe waren, anderseits spezifisch jüdische Überlieferungen, die auf diese Weise einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht werden sollten.240 Die Spannweite reicht also von modischer Unterhaltungsliteratur wie Ritterromanzen bis zu Übersetzungen und Bearbeitungen des Stoffes biblischer Bücher.241
Die jüdische Gemeinde und ihre Institutionen Strukturell hat sich im späten Mittelalter die jüdische Gemeinde in den Grundzügen kaum verändert.242 Die Gemeindeleitung lag in der Hand von gewählten Vertretern der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Oberschicht, die auch für die Abgaben an die fremde Obrigkeit verantwortlich waren. Infolge des Zuwachses sozial schwacher Schichten fiel es aber den Gemeindeleitungen schwer, ihren Aufgaben angemessen umfangreich nachzukommen. Die Kluft zwischen Vertretern der Elitereligion nach rabbinischem Ideal, dem tatsächlichen Leben der Gemeindemitglieder, und den sozialen Randschichten weitete sich also aus. Was die Umwelt von einer jüdischen Gemeinde wahrnahm, waren zumeist diese Randschichten und deren religiöse Praktiken und Ansichten. Der gesellschaftliche Mittelpunkt der Gemeinde war die Synagoge.243 Das gilt insbesondere für den aschkenasischen Bereich, wo die kulturelle Abschottung nach außen stärker war als in den mediterranen Gebieten. Zur Synagoge gehörte auch ein Ritualbad (Mikwe) und Räumlichkeiten für Gäste. Für den Elementarunterricht, auf den die weniger Begüterten angewiesen waren, sorgte die Gemeinde, indem sie einen Kinderlehrer (hebr. melammed) bezahlte.244 Die höhere Ausbildung war Sache der rabbinischen Gelehrten, also auch der Rabbiner, deren Ehrgeiz es war, eine gut besuchte ješîbah zu unterhalten, deren wirtschaftlichen Betrieb in der Regel die Ehefrauen versorgten.245 Für Kranke und Alte ohne Angehörige war man bestrebt, Unterhalt zu gewährleisten, doch das übernahmen immer häufiger spezielle wohltätige Vereine. Dasselbe gilt für die Versorgung und Bestattung Verstorbener. Der synagogale Gottesdienst wurde weiterhin durch Vorbeter geleitet. Sie haben durch das Festschreiben der Gebetsordnungen aber ihre kreative Aufgabe der Darbietung neuer Pijjutim verloren und die neue Mode der derašah (Homilie) wurde nicht Teil ihrer Tätigkeit. Dafür wurden Prediger (hebr. daršanîm) tätig, auch Wanderprediger, und selbst die Rabbiner nahmen diese Aufgabe nur nebenbei wahr. Die Anstellung besoldeter Rabbiner oder zumindest rabbinisch ausgebildeter Richter, die in den aschkenasischen Gemeinden in dieser Periode üblich wurde, gewährleistete eine geregelte und einheitliche Praxis in den rituellen und rechtlichen Belangen.246 Die Hauptaufgabe der Rabbiner bestand in der Anweisung von Verfahrensregeln in
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Bezug auf rituell Verbotenes oder Erlaubtes und in der Funktion als Richter. Hier war jedoch ein Kompromiss mit der Gemeinde erforderlich, die ja von alters her ihre eigenen Gerichtshöfe mit Dreierkollegien hatten.247 Die rabbinische Autorität musste sich damit abfinden, dass von den dreien mindestens einer ein rabbinisch ausgebildeter und bevollmächtigter Richter war. Aber auch unter den rabbinischen Gelehrten gab es unter Umständen Konkurrenz, wenn Streitparteien Gutachten oder Entscheidungen prominenter Gelehrter einholten. Innerjüdische Belange konnten normalerweise im Rahmen der jüdischen Autonomie geregelt werden.248 Soweit bei Rechtsfällen auch Nichtjuden betroffen waren, musste man wohl oder übel die fremde Gerichtsbarkeit anerkennen, die bei Kapitaldelikten sowieso zuständig war.249 Das Auftreten eines Juden vor einem nichtjüdischen Gericht war jedoch von der Tatsache belastet, dass das nichtjüdische Gericht mit religiösen Aspekten versehen war, und so die Gefahr einer Teilnahme an einer Fremdkult-Veranstaltung bestand. Dies gilt insbesondere für die Eidesleistung. In der Regel hatten die Juden diesbezüglich bestimmte Vorrechte und benützten entsprechende Schwurformeln, doch mit der Zeit verordneten nichtjüdische Instanzen Judeneidformeln nach eigenem Gutdünken von mehr oder minder diskriminierenden Charakter.250 Synagogenbauten und rituelle Badeanlagen dieser Zeit sind da und dort erhalten geblieben, einige aus den aschkenasischen Gebieten.251 In Spanien und Südfrankreich wurden nach der Vertreibung viele Synagogen in Kirchen verwandelt oder sie wurden wie die Steine der Friedhöfe als Materialquellen für Neubauten ausgewertet. Gemessen an der einstigen Zahl sind die erhaltenen Zeugnisse folglich gering.252
Bildung und Geistesleben Bildungsmöglichkeiten und Wissenschaften Die Kluft zwischen der mediterranen jüdischen Kultur und der Situation in Aschkenaz tritt im Blick auf profane Bildungsinhalte besonders krass zutage. Sieht man von den wenigen Ärzten ab, die ihre Ausbildung im Süden genossen haben, waren nur Unternehmer mit überregionalen Beziehungen in der Lage, sich mehr als nur die im H ̣ ädär und danach in der normalen Ješîbah erworbenen Kenntnisse anzueignen, denn diese beschränkten sich eben auf das Erlernen der Traditionsliteratur. Selbst die rabbinischen Autoritäten hielten hier von früh an profane Bildungsinhalte nur soweit für sinnvoll, als sie dem Verständnis der Tradition nützen konnten.253 Hier wurde am rabbinischen Bildungsideal, wonach ein männlicher Jude sich sein Leben lang so weit als möglich dem Torahlernen widmen soll, eisern festgehalten. Mädchen, die von der Mutter für die Haushaltsführung, zu der oft auch die Geschäftsführung gehörte, erzogen wurden, waren folglich weltwendiger, und Frauen durften in ihrer freien Zeit Dinge lesen und tun, die ein frommer Mann für reine Zeitverschwendung zu Lasten der Torah hielt.
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Dem Vater obliegt es nach jüdischem Recht, seine Söhne in der Torah zu unterrichten. Rabbinische Gelehrte standen daher in der Regel in einer Familientradition, die durch den Erwerb zusätzlicher Kenntnisse bei berühmten Lehrautoritäten ergänzt werden konnte. In den mediterranen Gemeinden war hingegen der Erwerb profaner Wissensinhalte und Fertigkeiten, die für das Alltagsleben nötig waren, schon angesichts der breit aufgefächerten beruflichen Tätigkeiten eher selbstverständlich. Aber weiterreichendes Wissen zu vermitteln war ebenso wie die höhere rabbinische Grundausbildung in erster Linie eine Sache von Familien mit entsprechenden wirtschaftlichen Möglichkeiten. Überall in der Diaspora gab es darum, wie schon seit der Antike regelrechte Gelehrtendynastien.254 Ein prominentes Beispiel ist die Familie des Mose b. Maimon (gest.1204 in Fustat/Kairo). Sein Sohn Abraham und sein Enkel Joshua waren nicht nur prominente Gelehrte, sondern nahmen sogar die Funktion des Repräsentanten der ägyptischen Judenheit in Erbfolge war. Für die rabbinische Gelehrsamkeit in Aschkenaz waren derartige Dynastien tragende Elemente der rabbinischen Autorität in ihrem spannungsreichen Verhältnis zur Gemeindeautorität. Profane Bildung war allerdings für einen Berufstand eine Selbstverständlichkeit, nämlich für Mediziner. Ärzte waren überall in der Diaspora maßgebliche Träger und Vermittler des wissenschaftlichen Denkens und der Kenntnisse ihrer Zeit.255 In Italien hatten Juden zudem Zugang zur universitären medizinischen Ausbildung und dabei stand ihnen das ganze Spektrum der damaligen Wissenschaften offen, ein Umstand, der sich während der Spätrenaissance und des Humanismus noch als folgenreich erweisen sollte. Für das Leserpublikum existierte schon seit längerem so wie in der gebildeten Umwelt eine enzyklopädische Darstellungsform, um das Wissen der Zeit möglichst vollständig zu präsentieren.256 In der Spätzeit des Mittelalters standen von der Medizin abgesehen vor allem neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Astronomie im Vordergrund, und dazu haben auch einzelne jüdische Gelehrte, insbesondere Levi b. Gerson257 und Abraham Zacuto (gest. 1515) aktuelle Beiträge geleistet.258 Dabei gab es noch kaum eine klare Abgrenzung zwischen Astronomie und Astrologie, denn das vorherrschende Weltbild setzte ja eine deterministische Überzeugung voraus, nach der das Geschehen in dieser Welt hauptsächlich den Gestirnen zuzuschreiben sei.259 Diese Annahme einer allgemeinen, aber indirekten Vorsehung ergänzte man auf jüdischer Seite durch den Glauben, dass Israel als Kollektiv dank der Torahoffenbarung und der Erwählung zur Torahpraxis einer exklusiven speziellen Providenz unterliegt. Das Thema der Providenz und der Willensfreiheit stand darum im Brennpunkt vieler Überlegungen, im Fall des Abner von Burgos (Pablo de Santa Maria, 1350–1435) waren solche sogar ausschlaggebend für die Konversion zum Christentum. Das Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung bewegte die religiösen Denker dem gemäß grundsätzlich und intensiv, auch im Christentum und im Islam.260 Gegenüber dem Bestreben, mittels der Astrologie über menschliche Einzelschicksale etwas auszusagen oder sie gar zu bestimmen, haben rabbinische Autoritäten meist Bedenken geäußert und Grenzziehungen versucht, doch die Grenzen zur popu-
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lären Magie waren auf diesem Gebiet völlig verschwommen, die populäre Nachfrage war enorm, und die Autoritäten selber unsicher, wieweit sie in der Praxis dieser Nachfrage entsprechen sollten.261 Die Kenntnis der Struktur und der einzelnen Funktionen innerhalb des Kosmos erschien ja aus religiösen, schöpfungstheologischen Gründen als unverzichtbar, auch im Christentum und im Islam. Hinzu kam der Geist der Zeit: man suchte im Zug der Renaissance und dann des Humanismus nach neuen Erklärungen, die Naturwissenschaften machten enorme Fortschritte, und auch jüdische Gelehrte waren bestrebt, den aktuellen Wissensstand zu kennen. Doch suchte man auch im Obskuren neue Aufschlüsse und an die Stelle der aristotelischen theoretischen Untersuchung trat mehr und mehr eine von der platonischen Tradition her animierte Lust zum Experiment. Esoterik und rationales Erkenntnisstreben schlossen sich also keineswegs aus.262 Die Anteilnahme an der wissenschaftlichen Welt dieser Zeit war also innerhalb der Diaspora eine recht unterschiedliche und immer spielte die Spannung zwischen religionsgesetzlich gebotener Abgrenzung und der zum Nutzen allgemein und für das Torahverständnis im Speziellen erstrebenswerte Integration mit eine Rolle.263 Philosophie Bis zur Wiederentdeckung der aristotelischen Schriften, die im Rahmen der mittelalterlichen interkulturellen Übersetzertätigkeit auch jüdischen Gelehrten bekannt wurden, gegen 1200, war der Neuplatonismus fast ausnahmslos die Basis, von der aus jüdische Denker ihr Weltbild und ihre religiöse Weltsicht formuliert haben.264 Aristotelische Schriften lasen jedoch nur ausgesprochene Spezialisten mit engen Kontakten zu gleichrangigen christlichen Gelehrten, die dazu auch sprachlich in der Lage waren und daher auch solche Texte ins Hebräische übersetzten.265 Die Mehrheit der Leserschaft lernte Aristoteles jedoch durch den „Führer der Verwirrten“ des Mose ben Maimon und die über ihn kursierenden Publikationen kennen. Problematisch wurde die averroistische Interpretation des Aristotelismus und damit auch des „Führers der Verwirrten“ des Mose ben Maimon empfunden. Zwar blieb schon der Aristotelismus im Unterschied zum schon lange populär gewordenen Neuplatonismus eine Sache kleiner Intellektuellenkreise und der jüdische Averroismus war noch von weit mehr elitärem Charakter,266 aber er erregte nicht nur interne Kontroversen, sondern drohte die Aufmerksamkeit der Kirche auf sich zu ziehen, die den Averroismus als häretisch wertete und verfolgte. Je mehr der Aristotelismus angesichts der Ansätze zu einem neuen Weltbild an Attraktivität verlor, desto interessanter erschien vielen die platonische Tradition. Und da das gängige Welt- und Menschenbild ohnedies überwiegend neuplatonisch bestimmt war, war der Rückgriff – vor allem im Sinne der Renaissancephilosophie und dann des Humanismus – naheliegend. Denn auch die neue Modeströmung, die Kabbalah, hatte neuplatonische Grundlagen, auch wenn sie diese als urjüdisch ausgab.267 Philosophie wurde eigentlich nur mehr in Spanien, Südfrankreich und Italien weiter gepflegt.268 Aber schon während der beiden letzten maimonidischen Streitig-
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keiten (1288–1290. 1303–1306) haben auch hier Traditionalisten gegen die „Philosophie“ im Sinne des Aristotelismus und des Averroismus Front gemacht und manche Bereiche der profanen Bildung abgelehnt.269 Gleichwohl blieb das Ansehen der Person des Meisters und die Nachwirkung seiner Werke so gewichtig, dass man im Rahmen der einsetzenden Aristoteleskritik und der Polemiken gegen den Averroismus kaum jemals direkte Angriffe auf Maimonides zum Ausdruck brachte, sondern vorzog, durch harmonisierende Interpretationen eine solche Auseinandersetzung zu vermeiden.270 Ein eifriger Verfechter der maimonidischen Linie war der vielseitige, hochangesehene, auch in lateinischer Sprache schreibende und aus dem Lateinischen übersetzende Mediziner Hillel ben Samuel von Verona (gest. etwa 1295). Aber auch er verteidigte den Meister, indem er dessen Positionen verharmloste. Seine Vertrautheit mit der christlichen Geisteswelt ließ ihn wohl die Gefahr erahnen, die averroistische Tendenzen angesichts der offensiv ablehnenden kirchlichen Haltung mit sich bringen konnten.271 Zu den maßgeblichsten und wirkungsgeschichtlich wichtigsten jüdischen Philosophen der Zeit gehören der bereits als Wissenschaftler erwähnte Levi ben Gerson (gest. 1344) in Südfrankreich, ein gemäßigter Kritiker des Averroismus272 und Chasdaj Crescas (gest. ca, 1412) in Spanien. Der letztere beschließt die Reihe der Aristotelismus-Kritiker und bewies dabei auch eine gute Kenntnis der christlichen Seite.273 Auf Kreta wirkte der in Italien ausgebildete Arzt Elia ben Mose Delmedigo (gest. 1496/7), ein Übersetzer von Schriften des Aristoteles und Averroes und Verfasser lateinischer Traktate, der immer noch averroistische Positionen und die Annahme ̣inat ha-dat die einer doppelten Wahrheit vertrat. Er unterzog in seinem Werk Beh Kabbalah einer ernsthaften Kritik, stützte sich dafür aber auf talmudische Texte, um seine Traditionstreue unter Beweis zu stellen. Innerhalb einer Generation hatte der jüdische Platonismus im italienischen Ambiente prominente Vertreter gefunden. Dazu gehörten vor allem Jehuda ben Jechiel (Messer Leon, gest. 1492) mit seinen Schriften zur Logik und Rhetorik, und noch viel eindrucksvoller Jehuda ben Isaak Abrabanel (gest. 1521), Sohn des berühmten Finanzmannes und Bibelkommentators, der ein Werk in italienischer Sprache verfasste, die Dialoghi d´amore, grundsätzlich wohl als Ausdruck einer jüdischen Auffassung gedacht, aber in der Darstellung voll in der Renaissancekultur Italiens verwurzelt und auf den ersten Blick gar nicht als jüdischer Autor erkennbar. Folgerichtig blieb diese Perle der Weltliteratur innerjüdisch fast ohne Nachwirkung. Der Zwiespalt zwischen der Neigung zur kritischen Philosophie und Wissenschaft und einer demonstrativen Traditionstreue kennzeichnet den Ausgang der mittelalterlichen Philosophie.274 Auch ein Trend zu einer mehr populären Darstellungsweise ist zu vermerken. So bei Abraham ben Jomtob Bibago (gest. 1489), Verfasser des homilienartig gestalteten Buches Däräk ´amûnah, und Abraham ben Isaak Schalom mit seinem Sefär neweh ŝalom, der talmudische Haggadot für die Darlegung seiner Sicht benutzte. In Homilienform präsentierte auch Isaak ben Mose Arama popularisierte und harmonisierende Philosophie.
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Wirkungsgeschichtlich weniger bedeutsam, aber für den Trend der Zeit kennzeichnend, versuchte de Maimonideskommentator Mose ben Josua von Narbonne (gest, 1362) für seine Behandlung der damals aktuellen Fragen sowohl averroistische als auch esoterisch-kabbalistische Mittel einzusetzen.275 Noch weiter gingen Kabbalisten, die Mose ben Maimon überhaupt als einen der Ihren ausgaben und entsprechend deuteten.276 Mystik Mystische Tendenzen auf neuplatonischer Basis waren im Judentum schon unter dem Einfluss der islamischen „Lauteren Brüder“ gut etabliert. Das religiöse Denken der Zeit war, sofern nicht elitär aristotelisch orientiert, eben neuplatonisch-mystisch fundiert.277 Und das ergab einen interreligiösen Konsens in Bezug auf das Menschenbild, denn die neuplatonische Seelenauffassung war für die Frömmigkeit in allen drei monotheistischen Religionen so grundlegend und zielsetzend, dass die Verfechtung der aristotelischen Intellektlehre einer kleinen Elite vorbehalten blieb. Kabbalah Die gegen Ende des 12. Jh. aufgekommene Kabbalah gilt als die am stärksten kennzeichnende Form der jüdischen Mystik.278 Die älteren, „klassischen“ Kabbalisten waren philosophisch gebildet, sahen aber in der Philosophie eine untergeordnete Hilfswissenschaft für den Erwerb von Erkenntnissen in der „Weisheit Israels“, eben der Kabbalah. Das Wort bedeutet „empfangene Tradition“ und unterstellt, dass es sich um die ureigenst jüdische und auch älteste Form der Gotteserkenntnis und Welterklärung handelt. Daher wurden diese Lehren auch als Geheimlehre vom Lehrer auf den Schüler übertragen, falls dieser ausreichende Vorkenntnisse und einen rabbinisch gesehen tadellosen Charakter und Lebenslauf aufzuweisen hatte. Noch Mose ben Nachman hat sich mit kabbalistischen Äußerungen in seinen Bibelkommentaren sehr zurückgehalten,279 aber zwei andere Bibelkommentatoren, Bachja ben Ascher und Menachem ben Benjamin Recanati publizierten schon am Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jh. kabbalistische Auslegungen. Man hat gern Kabbalah und Philosophie als unvereinbare Gegensätze hingestellt, doch das trifft so nicht zu, denn grundsätzlich ging es um den Stellenwert im Verhältnis der beiden zueinander. Daher war es durchaus üblich, beides zu verbinden,280 vor allem, wenn es um das traditionelle Anliegen einer torahgemäßen, aber geistig motivierten Frömmigkeit ging.281 Gegen Ende des 13. Jh. wurden die älteren kabbalistischen Schriften mehr und mehr durch zwei Werke in den Hintergrund gedrängt, die eine systematisch durchdachte, „klassische“ Kabbalah verbreiteten, die für die Zukunft wegweisend wurde. Josef b. Abraham Gikatilla (gest. etwa 1325), Verfasser mehrerer kabbalistische Schriften, hat unter dem Titel Ša`arê ´ôrah („Lichtpforten), eine einprägsame Einführung in die theosophische Kabbalah mit detaillierter Beschreibung der Bezeich-
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nungen und Funktionen der 10 Sefirot geschrieben und damit für viele der Späteren eine Art Lernbuch der theosophischen („klassischen“) Kabbalah in Umlauf gebracht. Es hat auch die Aufmerksamkeit christlicher Interessenten auf sich gezogen, denn eine lateinische Teilübersetzung von Paulus Riccius (Portae lucis, Augsburg 1516) hat Johann Pistorius in sein Buch Artis Cabalisticae (I Basel 1587) und auch Knorr von Rosenroth in sein Werk Kabbala denudata (I;1677) aufgenommen. Das Werk wurde ein regelrechtes Lernbuch der theosophischen, ganz auf die Sefirotstruktur und die Sefirotfunktionen ausgerichteten Kabbalah. Mose b. Schem Tob von León (gest. 1305) publizierte außer einer Reihe theosophisch-kabbalistischer Werke in hebräischer Sprache anonym nach und nach auf Aramäisch Schriften, die danach zu Teilen des Buches Zohar („Glanz“) zusammengefasst worden sind. Dieses Werk wurde als „Midrasch des Rabbi Simon bar Jochaj“ (frühes 2. Jh. n.Chr.) präsentiert und alsbald hoch geachtet, schließlich sogar eine Art heiliges Buch. Aus den Einzelteilen wurden jedoch zwei Fassungen kompiliert und unterschiedlich ergänzt, und diese erschienen dann fast gleichzeitig in Druck, die eine in Mantua 1458/60 und die zweite in Cremona 1559/60. Zugrunde liegt das neuplatonische Weltbild, verknüpft mit der aristotelischen Sphärenlehre. Was die Philosophen als Physik und Metaphysik bezeichneten, galt für Kabbalisten aber nur als untergeordnete Seinsstufen, denn über den Sphären und der Engelwelt setzten sie eine Einheit von zehn göttlichen Wirkungskräften an, die Sefirot. Sie emanieren aus der absolut jenseitigen und unpersönlichen Gottheit, dem ên sôf („Unendliches“) in einer bestimmten Folge und bilden eine Konfiguration von 3 Säulen, eine mittlere, eine rechte und eine linke, auf 7 Ebenen. Die erste Sefirah („Krone“) gilt als noch so gut wie transzendent und für die menschliche Erkenntnis unerreichbar. Sie steht allein auf der obersten Ebene und vermittelt die Emanationsströme weiter bis zu der auf der untersten Ebene ebenfalls allein placierten zehnten Sefirah. Dazwischen wirken auf der 2., 3. und 5. Ebene links und rechts extreme Wirkungskräfte, links negative und rechts positive, die für sich aber beide negative Auswirkungen nach „unten“ haben und daher durch die Sefirot sechs, neun und zehn auf der mittleren Säule ausgeglichen werden müssen. Obwohl es sich um ein allumfassendes, universalistisches System handelt, haben die Kabbalisten einzelnen Sefirot Funktionen zugeordnet, die eine eklatant partikularistische Zuspitzung ergeben. So erhielten bestimmte Sefirot Patriarchennamen und Gottesnamen, wobei die zentral auf der mittleren Säule angesetzte sechste Sefirah, mit dem Gottesnamen JHWH und mit dem Namen Jakob versehen, auch die Schriftliche Torah repräsentiert, während die unterste Sefirah die Mündliche Torah und die „Versammlung Israels“ darstellt. Bestimmten Sefirot, vor allem die zweite („Weisheit“) und die letzte („Königsherrschaft, „Schekinah/Gottesgegenwart), wurde eine weibliche Wirkungsweise zugeordnet, anderen, vor allem der neunten, eine männliche.282 Diese Sexualsymbolik hat neuerdings zeitgeistbedingt besonders viel Aufmerksamkeit erregt.283 Aber meist wird sie dabei im Sinne von etwas Weiblichen in der Gottheit oder gar im Sinne einer weiblichen Gottheit missinterpretiert. Tatsächlich geht es nur um Wirkungsweisen einzelner Sefirot und nicht um Eigen-
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schaften der Gottheit, die ja als ´ên sôf über derartige Dinge hoch erhaben und absolut transzendent verborgen bleibt. Im 14./15. Jh. war die theosophische Kabbalah praktisch gleichbedeutend mit der Lehre des Zohar, dessen eigenwillige aramäische Sprache und unsystematisch wirkende Darstellungsweise eine viel stärkere Faszination ausübte als die klar formulierten und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Josef ben Abraham Gikatilla. Für philosophisch weniger gut Ausgebildete diente der Zohar als esoterische Fundgrube für Vorstellungen, die leicht mit volkstümlichen Anschauungen und Praktiken verbunden werden konnten und so eine popularisierte und auf theurgisch-magische Praktiken ausgerichtete Form der Kabbalah ergaben. Der Außenwelt fiel vor allem diese Seite der Kabbalah ins Auge. Was jedoch am stärksten attraktiv wirkte, war der Anspruch, ein allumfassendes System der Theologie, Metaphysik, Kosmologie und Anthropologie zu bieten, in dem jedes Detail der irdischen Wirklichkeit bis zu den einzelnen Buchstaben der Heiligen Schrift und der Gebetstexte Hinweise auf Sefirotvorgänge enthält und auch zur Einflussnahme auf das Geschehen „oben“ genutzt werden kann. Das aber bleibt den Kabbalisten vorbehalten, die dazu dank eines besonderen „erworbenen Intellekts“ und einer strengen torahgemäßen Lebensweise dazu befähigt sind. Nichtjuden haben dazu von Haus aus keinen Zugang. Die Meinung, durch Torahfrömmigkeit mit richtiger kawwanah Einfluss auf das Geschehen in den Sefirot ausüben zu können, hat natürlich auch dem Geschichtsdenken bzw. der Endzeiterwartung eine neue Dimension verliehen. Und das nicht nur spekulativ, sondern in weiten Kreisen massiv wirksam, und zwar in der gesamten Diaspora, mehr und mehr mit volkstümlicher Magie versetzt.284 In diesem Rahmen haben sich popularisierte Spielarten der Kabbalah mit volkstümlichen Bussbewegungen verbunden, und dieses Phänomen wuchs sich, beflügelt durch das Erlebnis der Vertreibungen von 1492 und danach, in der Folgeperiode weiter aus. Gegen Ende der Periode geriet die popularisierte Kabbalah weithin außer Kontrolle, wurde ein Spielfeld für Scharlatane und vorgebliche Propheten. Eine akute Endzeitstimmung hatte schon Abraham ben Samuel Abulafia (gest. etwa 1291) geschürt, der aus Spanien nach Italien ausgewandert war, dort viel unterwegs war und seine „prophetische“, und im Gegensatz zur theosophischen stärker theurgischpraktische Kabbalah propagierte.285 Er war vielseitig gebildet, aber ausgesprochen demagogisch wirksam und mit dem Anspruch, ein Endzeitprophet und ekstatischer Offenbarungsempfänger zu sein. Auf christlicher Seite gab es ähnliche Endzeitbewegungen, die Naherwartung war damals für alle eine Selbstverständlichkeit und nahm nun eben besonders akute Formen an.286 Seine Anhängerschaft ging schließlich in der popularisierten „praktischen Kabbalah“ auf. Wie für die Philosophie und für die Wissenschaften der Folgezeit, haben auch für die Kabbalah die Bildungskreise in den jüdischen Gemeinden Italiens eine nachhaltige Bedeutung gehabt. Im Rahmen der Renaissancekultur und dann des Humanismus erhiel die Kabbalah bei manchen Autoren ein besonderes Gepräge, weil sie mit der damals aktuellen platonischen Tendenz in der Umwelt vertraut und auch bereit
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waren, mit christlichen Gelehrten Bildungsinhalte auszutauschen. So suchten sich christliche Gelehrte und sogar hochrangige Kirchenmänner genauere Informationen über diese „Urtradition“ zu verschaffen.287 Vor allem Pico de la Mirandola288 und später Reuchlin schufen die Grundlagen für eine christliche Kabbalah.289 Allerdings erhoffte man sich in der Sefirot-Lehre Hinweise auf die Trinität, ein Anliegen, das christliche Kabbalisten noch lange beschäftigt hat.
Kunst und Kunsthandwerk Die erhaltenen Zeugnisse jüdischer Kunst bzw. jüdischen Kunsthandwerks deuten eine Entwicklung an, die in der Folgeperiode zur vollen Entfaltung kommen sollte.290 Das gilt natürlich für den christlichen Bereich, denn im islamischen Raum hielten sich die Juden mit bildlichen Darstellungen im Sinne eines streng interpretierten Bilderverbots in dieser Hinsicht demonstrativ zurück und beschränkten sich ebenfalls auf bildlose, dekorative Gestaltung. Unumstritten waren bildliche Darstellungen allerdings nie, denn strenge rabbinische Autoritäten sahen darin stets die Gefahr zumindest eines Anscheins von fremdkultartigen Objekten, zumal die christliche Religiosität besonders bildorientiert war und man eine klare Abgrenzung befürwortete. Es handelt sich hauptsächlich um die ästhetische Gestaltung von Objekten, die ihren Sitz im jüdischen Leben haben. Dazu gehören natürlich Synagogengebäude und deren Ausstattung als den Zentren jüdischen Gemeindelebens, rituell bedingte Gebrauchsgegenstände wie Weinbecher, Riechkräuterbehälter (hebr. BesamîmBüchsen), Geschirr für den Päsach-Seder, und Gebetbücher. Die Techniken, künstlerischen Mittel und Dekormuster entsprachen weitgehend jenen der nichtjüdischen Umgebung.291 Man war ja meist auf nichtjüdische Künstler bzw. Handwerker und Gold- und Silberschmiede angewiesen und ergänzte oder änderte die geläufigen Muster durch spezifisch jüdische Symbole. Die christliche Bilderverehrung war für jüdisches Empfinden kaum von Götzendienst zu unterschieden und dieses Thema spielte in den kontroverstheologischen Auseinandersetzungen auch eine Rolle.292 Daher war man in Bezug auf bestimmte Darstellungsweisen sehr empfindlich und hinsichtlich plastischer Darstellungsweise nach wie vor strikt ablehnend. Leider ist über die mittelalterlichen Synagogen nicht viel bekannt, doch hat es nirgends eine spezifisch jüdische Bautradition gegeben.293 In Spanien fällt freilich die Nachwirkung der maurischen Architektur ins Auge.294 Die Innenausstattung richtete sich offensichtlich nach den bis dahin üblichen Anordnungsschemata für Torahschrein, Vorlesepodium (hebr. Bîmah, Almemor), mit der Gebetsrichtung nach Jerusalem. Ein in verschiedener Hinsicht interessantes Gebiet ist die Buchmalerei.295 Die verwendeten Bildprogramme stammten meist von nichtjüdischen Künstlern, die mit Musterbüchern und festen Vorlagen arbeiteten, so dass für die Illustration profaner Schriftwerke kein Unterschied zur Umweltkunst zu vermerken ist. In der Regel waren solche Handschriften sehr kostspielig und nur von reichen Privatleuten erschwingbar. Neben Bibelhandschriften,296 deren Illumination Querverbindungen
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Die Juden im späten Mittelalter
zur jüdischen Bibelexegese aufweisen, handelt es sich vor allem um Gebetbücher, also um Siddur (für Wochentage und Sabbat) und Machzor (Jahresfestzyklus), und um illuminierte Päsach-Haggadot. Bei solchen Handschriften jüdischer Texte sorgte man für eine entsprechende jüdische Adaptierung. Und selbstverständlich mied man alles, was irgendwie auf den Fremdkult der Christen hinwies.297 Die Illustrationen enthalten zudem viele Details in Vorgängen und Zuständen des Alltags und der religiösen Praxis.298 Manche Gemeinden leisteten sich ein aufwendig illustriertes Gebetbuch für die Feste (Machzor). Das wohl schönste Beispiel dafür ist der großformatige Machsor Leipzig aus dem frühen 14. Jh.299
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Islamische Kulturgeschichte Karl Prenner
Die Epoche der Mongolen Die Jahrhunderte der Epoche der Mongolen und Timuriden1 brachten für die islamische Welt massive Veränderungen mit sich, nicht nur in politischer, sondern auch in kultureller, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Durch deren Eroberungszüge wurden ganze Landstriche und Städte verwüstet, Kulturen und deren Güter vernichtet, die männliche Bevölkerung der Städte und Ortschaften getötet, Frauen und Kinder versklavt, nur Wissenschaftler, Künstler und Handwerker verschonte man. Viele Gebiete und Städte konnten niemals mehr den alten kulturellen und wirtschaftlichen Status erreichen. Die Folge war, dass die nomadische Lebensform wieder um sich griff, ja überhaupt „zur beherrschenden Lebensform“2 in Vorder- und Mittelasien wurde. Damit waren soziale und gesellschaftliche Veränderungen verbunden, denn die Umwandlung von Ackerland in Weideland hatte einen Rückgang der Agrarproduktion zur Folge. In religiöser Hinsicht etablierten sich Derwischgemeinschaften mit volksreligiösem Charakter, heterodox und synkretistisch ausgerichtet, aber mit durchaus politischer Bedeutung. Kollmar-Paulenz3 hat jüngst darauf hingewiesen, dass Dschingis Khan „nicht an der Zerstörung der Region interessiert“ war; der teilweise Wiederaufbau von Städten und die Wiederherstellung des Ackerbaus „straft die These Lügen, die Mongolen hätten das Land für die Nachkommen unbrauchbar hinterlassen“.4 Vielmehr ging es hierbei um einen demographischen Ausgleich zwischen Mongolen und NichtMongolen. Daher sieht sie hinter der Ansiedlung ethnisch und sprachlich divergenter Gruppen aus anderen Gebieten eine politische Strategie, um „einerseits die lokale Bevölkerung auszudünnen, andererseits den ökonomischen und administrativen Anforderungen des entstehenden Reiches gerecht zu werden“.5 Zusätzlich zu all den Verwüstungen, die die Mongolen auf ihren Kriegszügen hinterließen, litt die Bevölkerung noch unter Pest und Hungersnöten; dazu kam noch eine hohe Steuerbelastung, die eine massive Landflucht der bäuerlichen Bevölkerung mit sich brachte.6 Der relativ rasch einsetzende Assimilierungsprozess der mongolischen Lebensweise an die Kulturen der jeweils besiegten Völker lässt immer noch viele Fragen offen. Conermann macht darauf aufmerksam, dass „ethnische Ka-
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Islamische Kulturgeschichte
tegorisierungen“ für den Anschluss an eine Stammeskonföderation sekundär seien, entscheidend ist eine charismatische Führergestalt. Daher sei es nicht verwunderlich, wenn mehr als die Hälfte von Stämmen, die sich Dschingis Khan anschlossen, türkisch und nicht mongolisch waren „und daß der Vereinigungsprozeß in Iran, Zentralund Mittelasien schon drei Generationen nach dem Tode des 'Mongolen'-Führers bereits so weit fortgeschritten war, daß wir die beiden (miteinander verwandten) Ethnien nur mit Mühe voneinander zu trennen vermögen.“7 Letztendlich war es aber der Übertritt zum Islam, der gerade auch die Verschmelzung der Mongolen mit den Türken entscheidend vorangetrieben hat, sodass die Mongolen in den Türken aufgingen. Dschingis Khan (1162 bzw. 1167–1227) gelang es, die mongolischen Stämme Zentralasiens zu einer Stammeskonföderation zu einen und eine entsprechende Armee aufzubauen. Es wird vermutet, dass die Stämme, die sich ihm anschlossen, den Namen „Mongolen“ angenommen hatten. Mit diesen strebte er als Großkhan (Khaqan) ein Weltreich unter mongolischer Herrschaft an. Die Stammeskonföderation fand ihre Mitte im Khuriltai, einer Versammlung von Stammesführern und militärischen Befehlshabern. Die Struktur dieser Stammeskonföderation war „feudal“ geprägt, an der Spitze stand die Familie des Khaqans; im Bereich der Truppen drückte sie sich durch eine „direkte Befehlsübermittlung von oben nach unten“ aus.8 Es war vor allem das Prinzip Gefolgschaft bzw. Loyalität, auf der der militärische Erfolg und damit die mongolische Weltmacht basierte. Loyalität war für materielle Zuwendungen Voraussetzung.9 Dschingis Khans Erfolge sind aber auch in den damaligen herrschenden politischen Verhältnissen und in seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten als Heerführer und Staatsmann zu sehen.10 Weiters hatte Dschingis Khan auch die Grundlagen für eine Schrift für das Mongolische geschaffen, indem die mongolische Sprache der uigurischen Schrift angepasst wurde.11 Damit waren für Administration und Verwaltung wichtige Grundlagen geschaffen. Bereits durch die Eroberung Nord-Chinas unter Dschingis Khan kamen die Mongolen in direktem Kulturkontakt mit den Chinesen, was dazu führte, dass man sich vor allem im Bereich der Verwaltung chinesisches Wissen aneignete, aber auch Kriegstechniken für die Belagerung. Richtung Westen unterwarf er Transoxanien, das Land zwischen Amudarja und Syrdarja (arab. Marawannahr: jenseits des Flusses), die heutigen mittelasiatischen Staaten Usbekistan, Kasachstan und Kirgisistan, wo die transkontinentalen Handelsrouten von China aus verliefen, mit den blühenden Städten Buchara, Samarkand und Balch. Sein Sohn Tolui überfiel 1221 Chorasan, plünderte Herat, Merw und Nischapur. Im Inneren schaffte Dschingis Khan durch ein eigenes mongolisches Gewohnheitsrecht, der Jasagh (pers.-arab. Yasa), eine Sammlung von Verhaltensvorschriften, aber kein „formaler Gesetzeskodex“, sondern „mündlich überlieferte Entscheidungen“, die später verschriftet wurden.12 Nach seinem Tod 1227 teilte Dschingis-Khan das Reich unter seinen vier Söhnen (Tschagatai, Ögödei, Tolui, Dschotschi) als Lehen (Uluse) auf, die sich im Zuge weiterer Eroberungen zu unabhängigen mongolischen Staaten entwickelten:
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Das Reich des Tschagatai umfasste Transoxanien13 und jenes der Goldenen Horde Südrussland; letzteres wurde von Batu, einem Sohn Dschotschis, begründet. Das Mongolenreich in Russland entwickelte sich schon sehr bald zu einem unabhängigen Staat, bekannt unter „Goldene Horde“ (von türkisch ordu: „Heerlager“) mit dem Zentrum Sarai. Es umfasste unterschiedliche Völkerschaften und damit unterschiedliche Lebensformen, neben der sesshaften Bevölkerung, Russen, Iraner, Griechen und Armenier, die nomadischen Turkvölker. Die Auseinandersetzungen der Goldenen Horde mit dem persischen Ilkhane-Reich um die Herrschaft über Chorasan (das Gebiet im NW des Iran) führten zu einer Allianz ersterer mit den ägyptischen Mamluken. Die Folge war, dass ägyptisch-mamlukisches Kulturschaffen im Reich der Goldenen Horde Eingang fand, indem Handwerker, Künstler und Gelehrte an die Zentren der Goldenen Horde kamen. Erst Anfang des 14. Jh. begann die Islamisierung der turko-mongolischen Führungsschicht der Goldenen Horde und die Herausbildung eines islamischen Staates, die zur Folge hatte, dass die Yasa durch die Scharia ersetzt wurde. Trotzdem sich die Goldene Horde zu einem islamischen Staat entwickelte, wurden noch viele mongolische Bräuche beibehalten. Erst die Verschmelzung des mongolischen Bevölkerungsanteils mit den Türken zu den „Tataren“ im Laufe des 14. Jh. wird dem Islam endgültig zum Durchbruch verhelfen, was dann eine stärkere Abgrenzung zu den Russen nach sich zog. „Der wohlwollenden Grundeinstellung der Khane und einer entsprechenden grundsätzlich loyalen Haltung der christlichen Geistlichkeit verdankte die orthodoxe Kirche ihr Überleben in den Jahrhunderten mongolischer Herrschaft.“14 Im Laufe des 15. Jh. löste sich das Reich der Goldenen Horde auf und zerfiel in unabhängige Khanate, eine Folgewirkung des Anwachsens des Moskowiterreiches und der Kriegszüge Timurs in den Kaukasus.15 Ögödei, von Dschingis Khan zu seinem Nachfolger bestimmt, bekam Nord-China und die Mongolei. Unter ihm wurde Karakorum die Reichshauptstadt, „eine multiethnische und multireligiöse Stadt“ mit Moscheen, einer nestorianischen Kirche, tibetisch-buddhistischen und anderen Tempeln.16 Tolui kam das väterliche Erbe zu, die Schatzkammer und die Elitetruppe. Zwei seiner Söhne, Möngke und Khubilai, führten die Eroberung Chinas zu Ende. Spannungen, innere Konflikte und Lokalinteressen innerhalb der Familie waren die Ursache, dass die Familie Dschingis Khans in zwei Gruppen gespalten wurde. Möngke, ein Sohn Toluis, unterstützt von Batu, der Dschotschi-Linie, teilte seinen Brüdern Khubilai und Hülägü - auf Kosten der Nachkommen von Ögödei und Tschaghatai - entsprechende Gebiete in China und Iran zu. Mit der Eroberung SüdChinas 1279 hatte Khubilai, der Möngke nachfolgte, ganz China unterworfen. Die Reichshauptstadt wurde von Karakorum nach Peking verlegt und die Dynastie übernahm die chinesische Bezeichnung Yüan-Dynastie. Eine stärkere Ausrichtung nach den chinesischen Traditionen als nach den mongolischen im Zentralkhanat China wird zu Konflikten und letztendlich zum Auseinanderbrechen des Reiches in vier Teilreiche führen. In diesem Zusammenhang kristallisiert sich eine „konservative“ und eine „progressive“ Linie heraus.17 Während der eine Teil an den nomadischen Traditionen und an Karakorum als Hauptstadt festhalten wollte, plädierten andere
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mit Khubilai, sich an die Bräuche und Sitten der sesshaften Bevölkerung anzupassen. Diese liberale Haltung der Herrscher in China führte daher auch zu einer kulturellen Blütezeit. Khubilai war in erster Linie Buddhist, würdigte aber alle Religionen einschließlich des nestorianischen Christentums. Kirchenpolitische Gründe haben dann zum Untergang des Christentums bei den Mongolen wesentlich beigetragen, indem Rom einen päpstlichen Legaten nach China entsandte, um die abtrünnigen Nestorianer wieder zum katholischen Glauben zurückzubringen. Hülägü, ein weiterer Sohn Toluis, machte 1258 dem abbasidischen Kalifat in Bagdad ein Ende und errichtete das Reich der Ilkhane in Persien. Dieses umfasste den Iran, Irak, Anatolien und den Kaukasus, die Grenze zum mamlukischen Staat bildete der Euphrat. Unter dem Ilkhan Ghazan (1295-1304) wurde die Trennung vom Großkhanat vollzogen und das Reich der Ilkhane verselbständigte sich. Neben der Türkisierung kam es auch zu einer Iranisierung der Mongolen, ja zu ihrer Assimilierung an die iranische Kultur.18 Der südwestliche Teil Irans blieb von den Plünderungen der Mongolen weitgehend verschont, so verschob sich das kulturelle Leben in diesen Teil. Mit dem Ende der Mongolenherrschaft Mitte des 14. Jh. zerfiel das Land in verschiedene Kleinstaaten. Persien wurde dann erst wieder unter Timur geeinigt. Nach Dschingis Khans Tod setzte auch seine Verehrung als „Ahnengottheit aller Mongolen ein“19, die bis heute reicht und im Laufe der Jahrhunderte neue Impulse bekommen hat. Im Abendland hatte man die mongolische Gefahr völlig unterschätzt, zu sehr war man mit regionalen Konflikten beschäftigt, vielmehr sah man in den Mongolenstürmen apokalyptisches Geschehen, vor allem als die Mongolen Teile Osteuropas überrannten: 1241 zerstörten sie Krakau, verwüsteten Schlesien und Mähren, und drangen in die Donauebene nach Ungarn vor; 1242 jedoch zogen sie aus unerklärlichen Gründen überraschend wieder ab. 1243 wird den anatolischen Seldschuken eine empfindliche Niederlage beigebracht. Religionen und Religiosität Die verschiedenen Formen von Religiosität, die sich in mongolischer Zeit entwickelten, hängen damit zusammen, dass die Mongolenherrscher, wie ihr Ahnherr Dschingis Khan, in religiösen Angelegenheiten grundsätzlich tolerant eingestellt waren. Im Sinne des staatlichen Interesses nährte sich die religiöse Toleranz aus einer pragmatischen Haltung gegenüber den einzelnen Religionen und deren Anhängern. Allen religiösen Autoritäten, wie auch dem mongolischen Adel wurde Steuerfreiheit gewährt. Zur Zeit Dschingis Khans kannte man als höchste numinose Kraft den „Ewigen Himmel“. Damit verband sich auch das „Vom Himmel Auserkorensein“20 zur Weltherrschaft; weiters wurde damit auch die neue Gesellschaftsordnung legitimiert. Vor allem unter jenen Herrschern, die sich zum Schamanismus bekannten, konnte es keine privilegierte Religion geben. Der mongolisch-türkische Verschmelzungsprozess hatte zur Folge, dass sich eine türkisch-mongolische Religiosität herausbildete, „die immer eine große Flexibilität erlaubte.“21 Man hat „Wesenheiten wie der
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eine Gott der Juden, Christen und Muslime, oder wie Buddha, oder wie Himmel und Erde, als mögliche Manifestationen des Numinosen“ aufgefasst.22 Die Folgen bezüglich des Islams waren, dass unterschiedliche Formen des gelebten Islam, also Volksislam entstanden. Unter den Mongolenherrschern und deren Hofstaat sind nicht nur der Schamanismus und Buddhismus vertreten, sondern auch das Judentum und das Christentum in Form des Nestorianismus, später dann auch der Katholizismus. Vor allem weibliche Mitglieder der Familie Dschingis Khans bekannten sich zum Nestorianismus, weniger männliche.23 Für die nestorianischen Türken und Mongolen gab es daher keinen Widerspruch zwischen ihrem christlichen Glauben und diesseitigen schamanistischen Praktiken. Der Missionserfolg der nestorianischen Kirche unter den Mongolen war gerade auch auf ihren hohen Grad an Akkulturation an mongolische Sitten, Praktiken und Anschauungen zurückzuführen.24 Insgesamt waren die Beziehungen der Mongolen zu den einzelnen Religionen sehr unterschiedlich. Das Christentum stellte anfangs keinen politischen Faktor dar; später jedoch, als die diplomatischen Beziehungen des lateinischen Westens zu den Mongolen begannen, eröffnete sich für Georgier und Armenier die Möglichkeit, sich mit einer nicht-muslimischen Macht gegen den Islam zu verbünden.25 Die Toleranz der Ilkhane gegenüber den orientalischen Christen wiederum entsprang dem politischen Kalkül, Voraussetzungen zu schaffen, um das Abendland für eine Allianz gegen die Mamluken zu gewinnen, denn diese hatten 1260 den Vormarsch der Mongolen gegen Westen in Palästina bei Ain Dschalut gestoppt. Unter der Herrschaft der Mongolen wurden die unterdrückten orientalischen Christen daher für eine gewisse Zeit wieder in ihrer gesellschaftlichen und politischen Bedeutung rehabilitiert. Bevor Khan Ghazan, der sich zum Buddhismus bekannte, zum Islam übertrat, überwog am Hofe das buddhistische und christliche Bekenntnis. Im 13. Jh. wurden verschiedene Staatsstellen mit Christen aber auch Juden besetzt.26 Auch der Buddhismus in seiner tibetischen Prägung wurde gefördert, nicht nur durch Errichtung von Tempeln, sondern buddhistische Priester hatten auch hohe Staatsämter inne. Mit seinem Übertritt zum Islam brach Khan Ghazan mit den religiösen Traditionen der Mongolen.27 Für die Nicht-Muslime begann jetzt die Zeit der Verfolgungen: Kirchen, Synagogen und buddhistische Tempel wurden verwüstet oder in Moscheen umgewandelt, Christen wurden Erpressungen und Verfolgungen ausgesetzt. Doch durch die Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen zum Abendland nahm man in der Folge wieder eine pragmatischere Haltung zu den Christen ein. Durch die Eroberung Bagdads und die Ermordung des abbasidischen Kalifen verlor der Islam sein politisches und geistiges Zentrum. Im Kairo der Mamluken wird ein Abkömmling der Abbasidendynastie das Kalifat weiterführen, indem er dem Mamlukenstaat seine Legitimität als einen islamischen Staat verschaffte. Auch die Zerstörungen und das Leid, das die Mongolenstürme mit sich brachten, haben Auswirkungen auf die Religiosität gehabt. Die Folge war, dass sich gerade in der Zeit der Mongolen und nachher verschiedene Formen von Volksreligiosität herausbildeten, die im Gegensatz zum orthodoxen Islam mit seinen Gelehrtentraditionen stehen. Die zahlreichen heterodoxen Derwischorden und Bruderschaften bündelten
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diese Volksreligiosität durch ihre mystische Ausrichtung, ihren Wunderglauben und der Heiligenverehrung (arab. wali, pl. auliya´: Gottesfreunde). Damit war der Gräberkult verbunden, Pilgerzentren, bei denen man die Segenskraft (arab. baraka) des jeweiligen Gottesfreundes für persönliche Anliegen suchte. Freilich wurde gerade der „Heiligen- und Gräberkult“ vom orthodoxen Islam abgelehnt, aber „Unter den Mongolen verloren diese sufischen Orden immer mehr ihren vormals esoterischen Charakter und etablierten sich als die eigentlichen Repräsentanten des islamischen Glaubens.“28 Auch die Zwölferschiiten sahen nach dem Untergang des kalifalen sunnitischen Zentrums Bagdads ihre Stunde gekommen, um mehr an politischem Einfluss zu gewinnen. So mancher Derwischorden entwickelte sich in diesem Kontext zu einer militanten Bewegung und erlangte so auch politische Bedeutung. In Persien wird die Safawiyya die zwölferschiitische Lehre als Staatsreligion installieren. Bis dahin blieb aber Persien ein mehrheitlich sunnitisches Gebiet. Im 14. Jh. entstand in Buchara der Naqschbandiyya-Orden. Die Haltung dieser Derwischbewegungen zur Orthodoxie war sehr unterschiedlich; einerseits hielten sie sich oft nur selektiv an das religiöse Gesetz (Scharia), andererseits war ihre Zuordnung zu Sunna oder Schia nicht eindeutig, durchwegs haben diese Bewegungen an beiden Interpretationsrichtungen des Islam Anteil. Kunst – und Kulturschaffen in mongolischer Zeit Durch die mongolische Herrschaft wurde im 13. und 14. Jh. ein Gebiet, das vormals unter rivalisierenden und verfeindeten Herrschern stand, zur pax mongolica zusammengefasst. Durch den Ausbau entsprechender Verkehrsverbindungen konnte man nun in Gebiete reisen, die früher nur vom Hörensagen her bekannt waren. Für Europäer war es nunmehr möglich von der östlichen Mittelmeerküste über Persien bis nach Zentralasien und nach China zu reisen. Weiters konnten nun durch Gesandte Kontakte mit den Mongolen aufgenommen werden, ob von Europa aus (Päpste, Kreuzfahrer, Könige) oder vom Vorderen Orient. Unterschiedliche Reiseberichte zeugen davon: etwa der des Franziskaners Wilhelm von Rubruk oder jener des Venezianers Marco Polo; ein letzter offizieller Gesandter war der vom Papst zum päpstlichen Legaten für Innerasien und China ernannte Franziskaner Johannes de Marignolli. Durch die pax mongolica profitierte vor allem der Handel entlang der Seidenstraße29, der über einen gut ausgebauten Kurierdienst abgewickelt wurde, mit Poststationen, die in der Entfernung einer Tagesreise errichtet wurden. Mit den materiellen Gütern wurden aber auch geistige transportiert, so griechisch-hellenistisches Wissen, vermittelt durch den Islam: Philosophie, Astronomie, Mathematik und Medizin, die wiederum mit den persischen, indischen und chinesischen Wissenstraditionen eine fruchtbare Symbiose eingegangen sind. „Die Ost-West-Kontakte des 13. Jahrhunderts gehörten sicher zu den frühesten geistigen Anregungen, die schließlich zur Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts führten, und die Seereisen der Portugiesen und Spanier im 15. Jahrhundert wurden von der Kenntnis des Fernen Ostens,
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die man von Marco Polo und anderen europäischen Reisenden der Mongolenzeit erhielt, angeregt.“30 In den Städten der Goldenen Horde Alt-/Neu-Sarai, Astrachan, Urgentsch blühte der Handel und das Gewerbe. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Städte hängt mit ihrer Nähe zur transkontinentalen Karawanenstrasse zusammen, die in östlicher Richtung nach China verlief und in südöstlicher Richtung bis nach Indien. Wichtiges Handelsprodukt waren die Sklaven, die zu den Mamluken nach Ägypten geliefert wurden. Die Wiederbelebung der Gelehrsamkeit in mongolischer Zeit fand auch in literarischen Produkten und in der Architektur ihren Ausdruck. Kollmar31 resümiert: „Das oft geäußerte Urteil, die Herrschaft der Mongolen habe Iran sowohl kulturellen als auch ökonomischen Niedergang beschert, kann so nicht aufrechterhalten werden. Unter den Il-Khanen erlebten die Wissenschaften, von der Astronomie über die Medizin bis zur Geschichtswissenschaft, eine neue Blüte, und auch die schönen Künste wurden gefördert.“ Nicht nur die Kalligraphie verfügte über ein hohes Ansehen, sondern auch die Miniaturmalerei. Gerade letztere vereinigte chinesische und mesopotamische Traditionen. Hier ist auch auf die mongolische Handschrift des persischen Nationalepos Shahname von Firdausi aus dem ersten Drittel des 14. Jh. mit ihren reichhaltigen Illustrationen zu verweisen. Unter Khubilai wurden astronomische Observatorien errichtet, die die Astronomie weiter entwickelten. „Das mongolische Jahrhundert“, schreibt Kollmar, „war ein Jahrhundert der Schriftlichkeit und, zumindest im Osten der von Mongolen beherrschten Gebiete, des gedruckten Buchs.“32 In China wurde von „hölzernen Druckstöcken“ gedruckt. Solche Druckereien richteten die Mongolen in Nord-China ein. Es waren also eigentlich die Mongolen, die „für die Verbreitung der Drucktechnik in der islamischen Welt sorgten.“33 Ebenso gehörte auch die Kartographie zu den damals betriebenen Wissenschaften. Insgesamt zeichnet sich das 'mongolische Jahrhundert' „durch kulturellen Austausch und Akkulturationsprozesse aus, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Kulturen miteinander verband. Aufgrund ihrer militärisch-politischen Dominanz waren die Mongolen der Motor dieser Austauschprozesse, sie waren jedoch nicht kulturell dominant.“34 Mit diesem „interkulturellen Austausch“ wurde auch der Anspruch auf Weltherrschaft erhoben. Täbris wurde unter Ilkhan Ghazan „zu einem der blühendsten und kosmopolitischten Zentren der spätmittelalterlichen Welt“35, lag es doch an einem wichtigen Handelsknotenpunkt. Die vielen kunstgeschichtlichen Traditionen der unterworfenen Völker fließen bei den islamischen Bauten zu einem einheitlichen neuen Ganzen zusammen: „Iranische Merkmale zeigen sich in Trompen und glasierten Fliesen, die Vorliebe für Gold entstammt der mongolischen Tradition der Steppe; chinesische Motive wie der Drache, die Päonie und die Chrysantheme wurden mit traditionellen europäischen Kompositionselementen kombiniert, wie etwa der Entwicklung des Bildraumes durch die Perspektive und das Repoussoir.“36 Die Moscheen, Medresen und Karawansereien, die in der Zeit der Ilkhane errichtet wurden, folgten grundsätzlich dem weit verbreiteten Moschee-Typus im östlichen
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Teil der islamischen Welt, nämlich einer Vier-Iwan-Anlage. Dieser Typus hat sich in seldschuqischer Zeit für die Medresen in Form des Kreuzachsenschemas herausgebildet. Dazu gehört ein großer Innenhof mit Wasserbecken, auf den sich vier Iwane öffnen; der Gebetssaal ist mit einer Kuppel versehen. Das wichtigste Bauwerk, das aus der Zeit der Ilkhane stammt, ist die Große Moschee des Wesirs Ali Shah, errichtet um 1315. Die häufigsten Bauwerke waren in der Zeit der Ilkhane jedoch die Grabbauten, monumentale Mausoleen und freistehende Grabtürme. Unter diesen ragt der Komplex der Sultaniya (die „Kaiserliche“) (1315–1325), eine Grabanlage für die Ilkhane hervor, den der Nachfolger von Ghazan errichten ließ. Viele der Grabmäler tragen Fliesen- und Stuckdekorationen oder sind mit Muqarnaskuppeln, die sich über einem Oktogon erheben, ausgestattet. Auch Sufi-Konvente (Khanqas) zeigen dieses Dekor. Neben dem Fayencemosaik wurde auch die „banna-i oder ´Baumeistertechnik`, bei der rechteckige, glasierte Ziegel auf einer Fläche stumpfer ockerfarbener Backsteine zu heiligen Namen oder Sätzen zusammengesetzt wurden“, entwickelt.37 Täbriz war berühmt für seine Textilien (Seide mit eingewebten Goldfäden), für Edelsteine und Gewürze. Venezianer und Pisaner waren auch in Täbriz durch Handelsagenturen vertreten. Vor allem der Goldbrokat, „tartarische“ Kleidung, war in Europa begehrt. „Das 'tartarische Tuch'“, schreibt Kollmar38, „das vom nördlichen Europa bis nach Ostasien zum begehrten Modeaccessoire wurde, illustriert die Entwicklung eines transkulturellen Diskurses in Bezug auf materielle Güter, dessen Akteure die Kaufleute im mongolischen Weltreich, Venezianer, Russen, Armenier, Chinesen und Inder, und ihre Handelspartner in Europa waren. Sie bildeten ein transregionales Handelsnetzwerk, das über kulturelle Grenzen hinweg operierte“. Timur-e Lang, „der Lahme“ (Tamerlan) (1336–1405) Timur gelang es die auseinanderfallenden Teilreiche der Mongolen für eine gewisse Zeit wieder zu vereinen. Er selbst entstammte einem türkisierten und islamisierten Mongolenstamm in Transoxanien. In den letzten Jahrzehnten des 14. Jh. war die politische Situation für Timur günstig: die instabile Lage in Transoxanien und Moghulistan sowie auch im Reich der Ilkhane in Iran konnte er für die Wiederherstellung des Reiches von Dschingis Khan nutzen. Seine Feldzüge führten ihn über Transoxanien hinaus bis ins Zweistromland und gegen die Mamluken, nach Anatolien und nach Indien. Während eines China-Feldzuges starb er 1405. Blieben die südlichen Gebiete Persiens grundsätzlich vom Mongolensturm verschont, wurden durch die Eroberungszüge Timurs auch diese Gebiete heimgesucht. Sämtliche regionale Dynastien, die das nachilkhanische Persien beherrschten, wurden ausgelöscht. Transoxanien mit Samarkand als Hauptstadt wurde in der Folge das Zentrum seines Reiches. Bis auf das chinesische Teilreich gelang es ihm, das Weltreich Dschingis Khans wiederherzustellen, allerdings unter türkischer Herrschaft. Nicht nur machtpolitische sondern auch wirtschaftliche Faktoren dürften für seine Feldzüge ausschlaggebend gewesen sein, die mit unglaublicher Grausamkeit geführt wurden, etwa der Indienfeldzug 1398. Da Timur seinem Reich keine entsprechenden politischen und administrativen
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Strukturen gab und auch die Nachfolge nicht regelte, zerfiel das Reich nach seinem Tod in einzelne Königreiche. Timur selbst war nicht nur ein grausamer Kriegsherr, sondern verfügte auch über „ein recht bemerkenswertes Maß an geistig-kultureller Aufgeschlossenheit und intellektueller Neugier sowie ein beachtliches Bildungsniveau [….]“39, indem er an seinem Hof Gelehrte, wie z.B. den Historiker und Kulturphilosophen Ibn Chaldun, versammelte. Aber nicht nur Gelehrte, auch Sufis und Derwische fanden seine Unterstützung. Neben Samarkand entwickelten sich noch Herat und Schiraz zu wichtigen kulturellen Zentren. Langfristig konnten sich diese jedoch nicht behaupten: aus Ostanatolien drängten turkmenische Stammeskonföderationen nach, die Qara Qoyunlu und die Aq Qoyunlu. Zwischen Syr-darja und Amu-darja entstand die Herrschaft der Usbeken unter Muhammad Schaibani, dem Bruder Batus, die nach Transoxanien drängten. Da es der letzten Timuridengeneration nicht gelang, gemeinsam gegen Schaibani vorzugehen, konnte dieser um 1500, nachdem er Buchara und Samarkand erobert hatte, alleiniger Herrscher von Transoxanien werden. Der Safawide Shah Ismail, Begründer der zwölferschiitischen Safawiden, hat 1510 seinen Vormarsch in den Zentraliran gestoppt und ihn getötet. Nach der Einnahme von Merw und Mesched, Herat und Balch durch die Safawiden, wurde der Amu-darja die Grenze zum Safawidenreich. Die politische Auseinandersetzung spiegelt auch jene zwischen Sunniten (Usbeken) und Schiiten (Safawiden) wieder. Der schiitischsunnitische Konkurrenzkampf hatte zur Folge, dass sich hier für die kommende Zeit eine Grenze zwischen sunnitischem und schiitischem Bereich zu verfestigen begann. Als die Usbeken nach Transoxanien auch Chorasan eroberten, endete 1507 endgültig die Herrschaft der Timuriden. Ein letzter Nachkomme Timurs, mütterlicherseits ein Abkömmling Dschingis Khans, Babur, war ein Verbündeter der Safawiden gegen die Usbeken, konnte aber Transoxanien nicht unter timuridische Herrschaft bringen. Er hat 1526 in Indien die Moghuldynastie begründet. Transoxanien wurde in der Folge usbekisches Herrschaftsgebiet, sodass sich um diese Zeit drei rivalisierende Mächte herauskristallisierten: die Safawiden in Iran, die Usbeken in Transoxanien und die Moghuldynastie in Indien. Safawiden und Usbeken rivalisierten auch um die Herrschaft Chorasans. 1498 entdeckte Vasco da Gama den Seeweg zwischen Indien und Europa. Damit war der Rückgang des Karawanenverkehrs in Zentralasien vorprogrammiert, was zugleich auch seinen wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang bedingte.
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Religiosität Die Zeit der Verwüstungen durch die Mongolen und durch Timur, die lang andauernden Auseinandersetzungen zwischen Usbeken und Safawiden brachten viel Zerstörung, Elend und Not über die Bevölkerung. Das Volk interessierte sich daher nicht für die intellektuelle Seite der islamischen Lehre, wie sie in den Medresen Bucharas und Samarkands gelehrt wurde, vielmehr schlug ihr Herz für die Derwische mit ihren geheimnisvollen übernatürlichen Kräften und Wundertaten, wodurch es diesen leicht gelang, sich „eine persönliche Gefolgschaft unter unwissenden, halbbekehrten Nomaden [zu] verschaffen.“40 Wie Hambly bemerkt, identifizierte man die Derwische mit den Schamanen.41 Diese unsichere politische und wirtschaftliche Situation, neben einer hohen Steuerbelastung – einerseits von Seiten der Zentralregierung und andererseits von Seiten der Feudalherren –, Unterdrückung und Ausbeuterei, hatte auch Auswirkungen auf die gelebte Religiosität. So entstanden im Laufe des 15. Jh. diverse chiliastische Bewegungen, endzeitliche Hoffnungen auf eine Heil- und Rettergestalt, die gerechte gesellschaftliche und politische Verhältnisse bringen würde. Der heterodoxe Volksislam, gerade der schiitische mit seiner Mahdi-Erwartung bzw. extrem schiitische Gruppierungen mit ihrem Inkarnationsglauben, verfügten über vielerlei diesbezügliche Vorstellungen und Modelle. So entfaltete die Hurufiyya (arab. huruf: Buchstaben), die von einer geheimen Deutung der Buchstaben und somit des Alphabets ausging, religiös-politische Aktivitäten. Begründet wurde diese Richtung von Fadlullah Asterabadi, der 1398 wegen seiner ketzerischen Ideen hingerichtet wurde. Seine Anhänger waren persische und türkische Literaten. „Für Hurufis ist das Wort die höchste Manifestation Gottes selbst; es wird auch im menschlichen Gesicht enthüllt.“42 Wanderderwische, die als Mahdi auftreten, geben vor, vom siebten Imam (Musa al-Kazim) abzustammen. Hier im östlichen Kulturraum des Islam war dem sunnitischen Islam gegenüber den vielen heterodoxen Formen der Volksreligiosität und den Derwischorden, die schiitisches und schamanistisches Gedankengut miteinschlossen, kein Erfolg beschieden.
Kunst – und Kulturschaffen Timur förderte insgesamt auch die iranisch-islamische Kultur. So hat er Handwerker, Künstler und Gelehrte in seine Hauptstadt Samarkand umgesiedelt, sodass sich die timuridische Baukunst durch Verschmelzung unterschiedlicher Traditionen und Stilrichtungen auszeichnete. Iranische und türkische Bautraditionen mischten sich mit solchen aus dem Fernen Osten bzw. mit persönlichen ihrer Auftraggeber. Es war vor allem die persische Handwerkskunst, die das Architekturschaffen während der Zeit Timurs prägte, also eine Synthese von persischer und islamischer Kultur. Samarkand im heutigen Usbekistan wurde mit prachtvollen Bauten ausgestattet. Aber auch Herat und Meschhed waren wichtige Zentren. Baumeister und Künstler aus den eroberten Gebieten mussten bei der Errichtung von staatlichen Sakral- und Profanbauten mitwirken. „Im Vordergrund stand jetzt die imposante äußere Gestalt der
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Monumantalbauten.“43 Kuppeln und gewaltige Portale werden zu herrschaftlichen Statussymbolen. Neu war bei der Kuppelbautechnik, dass man sie nun „auf zwei sich überschneidende Bogenpaare“44 aufsetzte. Ein weiteres Charakteristikum des architektonischen Schaffens war die vielfarbige Verkleidung aus Fayencemosaiken. Im Inneren dominierten ornamentale Wandmalereien. Berühmt gewordene Bauten in Samarkand, die Timur errichten ließ, sind die Freitagsmoschee „Bibi-Khanum“ und die Mausoleen Gur-i Mir und die von Shah-i Zanda, ein ganzer Komplex, der durch seine Pracht und Vielfalt fasziniert: „Bemalte Fayencetafeln, geschnitzte glasierte Terrakotta, feine Fayencemosaiken und Zierverbände aus farbigen Glasurziegeln verbinden sich mit der erlesenen Kalligrafie arabischer und persischer Inschriften, die neben dem Koran häufig elegische Verse zitieren und hier in florale und geometrische Muster hineinkomponiert sind.“45 Zu Beginn des 15. Jh. bildet sich der Typus der mittelasiatischen Medrese in Buchara und Samarkand heraus, der darin besteht, dass sich „Links und rechts des hohen, schlanken Portals mit der spitzbogigen Eingangsnische [ … ] zweigeschossige Spitzbogenarkaden [erstrecken].“46 Ulugh-Beg ließ nicht nur Medresen errichten, sondern auch ein Observatorium in Samarkand. Er war einer der bedeutendsten Gelehrten und Astronomen seiner Zeit. Außerdem war die timuridische Zeit des 15. Jh. eine der glänzendsten Epochen der Miniaturmalerei. „Eine bis dahin unerreichte harmonische rhythmische Gliederung und Farbigkeit kennzeichnen die timuridische Miniaturkunst, deren Symbolgehalt Ansätze zu vielschichtiger Deutung bietet.“47 In den einzelnen Städten, Samarkand, Schiraz, Herat werden sich unterschiedliche Stile und Schulen entwickeln. Literatur, Kunst und Wissenschaft waren auch Betätigungsfelder der einzelnen Prinzen und Fürsten. Hauptstädte wurden mit sakralen und öffentlichen Gebäuden ausgestattet. Das Literaturschaffen des 15. Jh. nimmt in der Iranischen Literaturgeschichte einen eigenen Platz ein, „als Phase des Übergangs zwischen der klassischen persischen Poesie im eigentlichen Sinne und dem gezierteren sogenannten indischen Stil des 16. Jahrhunderts.“48
Das Ayyubidenreich Gegen Ende des 12. Jh. beginnt mit dem Niedergang der ismailitischen Fatimiden in Ägypten und dem Sieg der Seldschuken über die Kreuzfahrer das Reich der Ayyubiden (1171–1250).49 Diese waren kurdischer Abstammung und wurden von Saladin ibn Ayyub begründet. Er war es dann auch, der 1171 den Fatimiden ein Ende bereitete und in der Folge auch gegen die Kreuzfahrer vorging. Das Herrschaftssystem der Ayyubiden bestand darin, dass alle Familienangehörigen an der Regierung beteiligt waren. Durchgesetzt hat sich Saladins Bruder al-Malik al-Adil (1200–1218), der in der Folge die Reichsteile durch seine drei Söhne regieren ließ: al-Malik alKamil (1218–1238) in Kairo, al-Malik al-Aschraf in der Dschazira und al-Malik al-Mu´azzam in Syrien. Weitere Familienmitglieder herrschten über einzelne Städte. Rivalitäten zwischen Ägypten und Syrien endeten damit, dass al-Kamils Sohn as-Salih Nadschm ad-Din (1240–1249), der Herrscher von Ägypten, als Sieger her-
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vorging. Ihm gelang es dann auch, Mesopotamien, Syrien und Ägypten zu einem Großreich zu vereinigen, wie es zu Zeiten seines Vaters bestanden hatte. Herrschaftliches Zentrum war die Nilinsel Roda in Kairo, wo auch sein Palast mit den Kasernen türkischer Mamluken stand, die Bahri-Mamluken, die von nun an den Kern des ägyptischen Heeres bildeten. Nach dem Tode as-Salihs setzten sich die Bahri-Mamluken als die eigentlichen Herrscher durch. Die Kreuzzüge haben den Handel zwischen Europa und dem Orient stark gefördert, vor allem stand der Aufstieg der italienischen Seerepubliken Genua, Pisa und Venedig mit dem Orienthandel in direktem Zusammenhang. Als die palästinensischen Häfen in den Händen der Kreuzfahrer waren, wurden deren Zolleinnahmen den Pisanern, Genuesen oder Venetiern vermacht. Dies führte dazu, dass „die Kontrolle des gesamten Levantehandels und des Pilgerverkehrs nach dem Heiligen Land wie auch der Transport von immer neuen Kreuzfahrerheeren den italienischen Kommunen einen ungeahnten Reichtum gebracht [hat]“.50 Der Handel neutralisierte so das Denken im Freund-Feind-Schema, und dies galt auch für die Kirche. Seitdem die Ayyubiden sich in Aleppo festgesetzt hatten, bekamen sie auch Anschluss an den Handel auf der Seidenstrasse, von Samarkand nach Bagdad. Allerdings hoben hier die Muslime selbst die Zölle und Hafengebühren ein. Vor allem Baumwolle und Seide wurden gehandelt. Unter den fränkischen Häfen ragte besonders Akkon hervor, das sich „zum Hauptumschlagplatz und Bankenzentrum der Levante [entwickelte] …. In Akkon waren neben Genua und Pisa, Venedig und Ancona auch die Handelsstädte des südlichen Frankreich vertreten.“51 Die Bauwerke in ayyubidischer Zeit, ähnlich dann auch in mamlukischer Zeit, bilden „mehrteilige Anlagen, die religiöse, soziale und je nach Standort auch kommerzielle Einrichtungen in sich vereinen.“52 Mausoleen, Kuppelbauten auf quadratischem Grundriss, wurden in der Regel im Verbund mit religiösen Einrichtungen errichtet, mit einer Medrese, einer Moschee oder einem Kloster (arab. khanqah). Neben der Hofmoschee, die den klassischen Bautyp kennzeichnet, entsteht die aus Persien stammende Vier-Iwan-Anlage, die mit den Medresen in Kairo Eingang gefunden hat. Mit der Moschee-Medrese des Sultans Hasan (1356–1362) setzt sich diese Bauform in der Folge durch. Zu den charakteristischen Elementen des ayyubidischen aber auch mamlukischen Baudekors gehört der Steinbau mit seiner „erstklassigen Steinarchitektur.“53 Zum „Standardrepertoire des Steindekors“ gehören „farbig abwechselnde Steinlagen, Steinintarsien mit geometrischem und Steinreliefs mit floralem Muster“54, Marmorinkrustationen in den Innenräumen und bemalte und vergoldete Holzdecken. Das Metallhandwerk und die Glasindustrie blühten gerade auch unter den Ayyubiden und Mamluken. „Die mit Silber eingelegten Messinggefäße und die Glasgefäße mit Email- und Goldmalerei dokumentieren in besonderem Maße die Verfeinerung des Lebensstils.“55 Das aufblühende Kunsthandwerk zeugt vom Wohlstand einer Gesellschaftsschicht und ihrem Bedürfnis nach luxuriöser Lebensführung. Die Miniaturmalerei stattete nicht nur medizinische Werke, z.B. die Materia Medica des Dioskurides oder populäre Werke von Galen über Heilkräuter, sondern seit dem 13. Jh. auch literarische Werke mit Bildern aus.
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Kulturaustausch zwischen Morgen- und Abendland Der Stauferkaiser Friedrich II. (1215–1250), Herrscher über Sizilien, bricht 1228 zum Kreuzzug auf. Durch seine Freundschaft mit dem Botschafter des ayyubidischen Sultans al-Kamil von Ägypten, Emir Fachr ad-Din, und durch persönliches Engagement erreichte er, dass der Sultan von Ägypten seine Zustimmung gab, dass Jerusalem an den Kaiser abgetreten werden konnte, freilich unter der Bedingung, dass der Tempelplatz mit dem Felsendom und der al-Aqsa-Moschee im muslimischen Besitz bleiben. Außerdem wurde zwischen al-Kamil und seinem Bruder al-Aschraf mit Friedrich II. ein auf zehn Jahre befristeter Waffenstillstand geschlossen. Friedrich begnügte sich weiters damit, dass ihm al-Kamil nicht alle von Saladin eroberten Gebiete zurückgab, sondern bloß Bethlehem, Nazareth, Sidon und noch einige andere Ortschaften.56 Diese Rückerstattung islamischer Territorien an ehemalige Feinde der Muslime hat den Unwillen des Kalifen von Bagdad und der gesamten islamischen Welt erregt. Auch Rom beobachtete mit Argwohn Friedrichs II. Kontakte zur islamischen Welt. Seine Auseinandersetzungen mit dem Papst führten letztendlich zu seiner Exkommunikation. Friedrich II. besuchte die hl. Stätten der Muslime und traf im Heiligen Land mit arabischen Herrschern zusammen, denen er philosophische und naturwissenschaftliche Fragen vorlegte. Auf diese Weise knüpfte der Kaiser Freundschaften im Orient, die er weiterhin durch Austausch von Briefen und Geschenken pflegte. Friedrich II. führte hierbei das normannische Erbe fort, das byzantinisches und arabisches Wissen zu einer Synthese verband. Unter seiner Herrschaft und seinem Mäzenatentum wird Palermo zu einem Zentrum der Übersetzungs- und Assimilationsbewegung der griechischen und arabischen Wissenschaften im 12. Jh. Michael Scotus (der Schotte) machte ihn durch seine Übersetzungen mit dem Werk des andalusischen Philosophen Averroes bekannt. Das eigentliche Zentrum der Übersetzertätigkeit aus dem Arabischen ins Lateinische bzw. ins Kastilische und Hebräische befand sich jedoch im christlichen Toledo; nach seiner Rückeroberung 1085 durch die Reconquista wird sich hier die „Übersetzerschule von Toledo“ bilden. Die „sizilianischen Fragen“ (al-Masa´il as-Siqilliya)57 sind ein beredtes Zeugnis für den Kulturaustausch zwischen Orient und Okzident, den Friedrich selbst förderte und unterstützte. Es war nichts Außergewöhnliches, dass zwischen orientalischen Herrschern wissenschaftliche, theologische und philosophische Fragen ausgetauscht wurden. Sie zeigen einerseits, dass die aristotelische Philosophie, ihre Lehren und Fragestellungen, auch noch nach Averroes keineswegs an Aktualität eingebüßt hatten, andererseits erweisen sie, dass man darin eine authentische Quelle erblickte, um zeitgenössische Fragen zu beantworten. Weiters sind die „sizilianischen Fragen“ ein Beweis für den interkulturellen Kontakt zwischen Abendland und Morgenland.58 Die Beantwortung der Fragen wird auf Ibn Sab´in (1214/17–1270) aus Murcia, Philosoph und Mystiker, zurückgeführt.59 Dies geschah in einer Zeit als die Almohadenherrschaft in Spanien zu Ende ging. Es handelt sich um vier Fragestellungen, betreffend:
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1. die Ewigkeit der Welt; 2. die göttliche Wissenschaft; 3. die zehn Kategorien des Aristoteles; 4. die Unsterblichkeit der Seele.60 Bei diesem Fragenkatalog, den Friedrich zur Beantwortung an muslimische Gelehrte gesandt hatte, ging es um Themenstellungen der zeitgenössischen Philosophie, vor allem im Zusammenhang mit dem neuplatonisch interpretierten Aristoteles. Methodisch ist das Werk einheitlich durchstrukturiert. Die Beantwortung der jeweiligen Frage erfolgt nach einem gleichbleibenden Schema: zuerst die Darstellung der Lehre bei Aristoteles, dann die Interpretation durch spätantike und muslimische Gelehrte (al-Farabi, Ibn Ruschd, al-Ghazzali u.a.). Die Bezeichnung Friedrichs als „getaufter Sultan“ und „Sultan von Lucera“ verweisen darauf, dass er einerseits eine gewisse Sympathie für die Muslime, ihre Kultur und ihren Glauben zeigte, andererseits als Herrscher einer „multikulturellen Gesellschaft“ tolerant eingestellt war. Seine Verbindung mit der islamischen Welt und sein Interesse an den arabischen Wissenschaften hat die Vermutung nicht verstummen lassen, ob er nicht doch ein Kryptomuslim gewesen sei. Klaus van Eickels hinterfragt nicht nur das Postulat Friedrich als Herrscher einer „multikulturellen Gesellschaft“ sondern auch jenes von der „religiösen Toleranz“. Er führt aus, dass „Berichte, die auf den ersten Blick eine besondere Nähe Friedrichs II. zum Islam belegen, … quellenkritisch hochproblematisch [sind]“61, denn hier sei das offenkundige Interesse der Autoren erkennbar, Friedrich II. zu einem „Freund der Muslime“ zu stilisieren. Auch übereinstimmende Berichte von arabischen und christlichen Quellen müssen hinterfragt werden, denn, wenn es auch heißt, dass der Kaiser auf seinem Kreuzzug ständig nach sarazenischer Sitte gelebt habe, so wurde dies „gezielt von der päpstlichen Propaganda zur Vorbereitung der Absetzung Friedrichs II. verbreitet.“62 Für Van Eickels ist weiters auch die Anwesenheit von Gelehrten am Hof, die an den arabischen Wissenschaften Interesse hatten, „kein Indiz für eine außergewöhnliche Affinität Friedrichs II. zum Islam“, denn „Der Austausch über mathematische und naturwissenschaftliche Fragen gehörte zu den diplomatischen Umgangsformen der islamischen Welt“63. Gerade muslimische Quellen beanspruchen Friedrich auch für die Bestätigung ihrer eigenen Sache. So könne insgesamt die Ausgestaltung des Friedrich-Bildes zu einer legendären Figur des krypto-muslimischen Kaisers eher „kompositorischen Charakter“64 haben. Leder wiederum resümiert: „Ob die von ihm ausgehenden Signale, die Verständnis für die Glaubens- und Lebenswelt der Muslime zeigen, Bestandteile eines diplomatischen Verkehrs oder Zeichen seiner Sympathie, oder gar heimlichen Agnostik, darstellen, ist am Ende vielleicht eine nebensächliche Frage. Als Zeichen eines anderen Umgangs mit Muslimen liefern die Zeugnisse der arabischen Historiker über die Zeiten hinweg einen Blick in eine andere, verständigere Welt“.65
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Die Mamluken Unter Saladins Nachfolger, dem Ayyubidenherrscher as-Salih Nadschm ad-Din (1240–1249) vollzog sich der Übergang zur Mamlukenherrschaft, denn es waren Mamluken (mamluk: „den man besitzt“) aus dem Qiptschak (Stamm des Turkvolkes in Mittelasien, oder Kumanen), die ihm halfen, an die Macht zu kommen und letztlich auch den Mongolen auf ihrem Vormarsch Einhalt zu gebieten. Erst mit der Wahl des Bahri-Emirs Baybars zum Sultan 1260 wurde das eigentliche Mamlukensultanat gegründet, das auch Syrien umfasste. Baybars gelang die Einnahme der Kreuzritterzitadelle Krak des Chevaliers in NW-Syrien (1271). Türkmenische, kurdische und mongolische Krieger wurden in der Folge im „ehemals fränkischen Küstenstreifen als Abschreckungsstreitmacht angesiedelt“66. Sultan Qalawun wird dann Tripolis, sein Sohn 1291 Akkon, die Hauptsadt des Königreichs Jerusalem, den Kreuzfahrern entreißen. Auch das christliche Nubien wurde unterworfen. Die Notwendigkeit für den Import von Militärsklaven ergab sich daraus, dass man für militärische Dienste nicht gut auf die unterworfene Bevölkerung zurückgreifen konnte, man wusste ja nicht, wie sich diese bei militärischen Auseinandersetzungen wirklich verhalten würde. Aber auch den eigenen Leuten gegenüber wurden die Herrschenden im Laufe der Zeit immer misstrauischer, sodass gerade die persönlichen Leibgarden der Kalifen importierte Sklaven waren, nicht nur im abbasidischen Bagdad, sondern auch im umayyadischen Cordoba, aber auch Kriege, Seuchen etc. dezimierten die Truppen. Zu ihrer Aufstockung bildete eben der Sklavenhandel aus Mittel- und Zentralasien eine willkommene Gelegenheit. Da diese Sklaven über keinen Familienanschluss verfügten, zeichnete sie eine besondere Treue und Loyalität zu ihrem jeweiligen Herrn aus. Daher verwundert es nicht, wenn solche Mamluken später auch eine politische Rolle spielten. Psychologische Aspekte dieser frühen Trennung von ihren Familien seien nach Haarmann eine „emotionale Orientierungslosigkeit“ und aus dieser Unsicherheit resultiere eine überhebliche Haltung.67 Durch die Erschließung der transkontinentalen Handelswege entlang der Seidenstraße verlagerte sich der Sklavenhandel von Afrika nach Mittelasien, vor allem in die Gebiete nördlich des Aralsees und des Kaspischen Meeres, Qiptschak und Tscherkessien. Männliche und weibliche Sklaven wurden gleichermaßen gehandelt. Seit der Eroberung Bagdads 1258 fiel dieses für den Ost-West-Handel weg. Die italienischen Handelsstädte nutzten das Vakuum und dehnten ihre Handelsbeziehungen bis in das Schwarze Meer aus. „Gegen Tributzahlungen erlaubte die Goldene Horde Genua bereits um 1265/66, auf der Krim Handelskolonien zu errichten.“68 Zwischen dem mamlukischen Ägypten und der Goldenen Horde herrschten gute diplomatische Beziehungen, nicht nur wegen des Nachschubs von Sklaven, sondern auch weil Ägypten die Goldene Horde in ihrem Kampf gegen das persische Ilkhane-Reich unterstützte.
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Nach Keßler69 qualifizierte einen Mamluken, der später das Emirat oder Sultanat innehatte, wer „in jugendlichem, möglichst vorpubertärem Alter als hellhäutiger Sklave aus nicht-islamischen Territorien nach Ägypten verkauft, als Muslim erzogen und für den Militärdienst ausgebildet, danach freigelassen und vom Sultan oder einem Emir als Mamluk übernommen worden war.“ Ihrer Funktion nach gab es unterschiedliche Gruppen von Mamluken, worunter den Sultansmamluken, der persönlichen Leibgarde des Sultans, ein besonderer Rang zukam.70 Der Status eines Mamluken konnte nicht verändert werden, vielmehr blieb er für den betreffenden sein Leben lang erhalten, auch wenn er eine politische Karriere hinter sich hatte. Die Söhne von Mamluken dagegen verfügten über diesen Mamluken-Status nicht, waren grundsätzlich auch von politischen und religiösen Ämtern ausgeschlossen. Ihre gesellschaftliche Stellung war somit zeitweilig prekär und führte zu diversen gesellschaftlichen Konflikten. Die Ausbildung in der Kaserne umfasste den Islam-Unterricht und die Militärausbildung: Gebrauch von Bogen, Lanze, Speer und Schwert, Reiten und Umgang mit dem Pferd. „Die ägyptische Militärausbildung der Mamluken galt damals in der ganzen Welt als beispielhaft, ihre militärische Qualifikation dementsprechend als hervorragend.“71 War die Ausbildung abgeschlossen, so wurde der betreffende ein Freier und in die Mamluken-Kaste aufgenommen. Wirtschaftliche Gründe führten dazu, dass gegen Ende des 14. Jh. die qiptschakischen von den tscherkessischen Mamluken abgelöst wurden. Letztere waren „ob ihrer persönlichen Frömmigkeit zum Teil hochangesehen.“72 Das Alter, der im 15. Jh. importierten Mamluken war höher als jenes von Mamluken in früheren Zeiten. Haarmann schreibt: „Auf der Zitadelle, in den Kasernen, in den Palästen, auf den Hippodromen, aber auch vor den Mausoleen der Totenstädte entwickelte sich eine stark vom Sufitum geprägte religiöse Kultur in türkischer Sprache.“73 Der Heilige Unterägyptens, Ahmad al-Badawi, stand im Zentrum der Verehrung. Die Mamlukenarmee war eine Reiterarmee. Allerdings haben es die Mamluken verabsäumt moderne Waffen – Armbrust und dann Feuerwaffen –, einzuführen. Ebenso wurden Belagerungswaffen und -technik nicht weiterentwickelt.74 Genauso rückständig blieben sie im Bereich der Marine. Als Belohnung für ihre militärischen Dienste erhielten die betreffenden Lehen (arab. iqta´) zugeteilt. Solche Lehen konnten oft ganze Dörfer mit ihren landwirtschaftlich genutzten Flächen und den entsprechenden Ausstattungen sein.75 Der Iqta´-Inhaber lebte meistens in einer der größeren Städte. Die Pachtsätze wurde oft willkürlich festgelegt, was zur Ausbeutung der ländlichen Bevölkerung führte. Den Emiren wurde von der Zentralregierung Getreidesold für die Mamlukenarmee und die Verpflegung der Städte zugewiesen. „Sie spekulierten und unterschlugen dieses Saatgut, so daß einzelne Emire bis zu 5 Millionen Liter Getreide in ihren Speichern aufbewahrten, während das Volk darbte.“76
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Als Residenz diente beinahe fast allen Sultanen die Bergzitadelle auf dem Moqattam-Hochplateau, errichtet von Saladin (1171–1193). Mitte des 13. Jh. entstand auf der Nilinsel Roda eine zweite neue Zitadelle mit Palästen, Kasernen und anderen Gebäuden. Die Herrschergewalt lag allein in den Händen des Sultans, der quasi den Staat verkörperte. Unter ihm befand sich die Regierung mit einem ausgeprägten Beamtenapparat, die politische Staatsführung und das Militär, die Verwaltung und die Religionsgelehrten, die Richter (arab. qadi) und Marktaufseher (arab. muhtasib).77 Die Investitur des Sultans erfolgte durch den Kalifen. Sultan Baybars nahm 1261 einen Angehörigen der 1258 in Bagdad gestürzten Abbasidenfamilie auf, anerkannte ihn als „Emir der Gläubigen“ (arab. amir al-mu´minin), die traditionelle Bezeichnung der Abbasiden-Kalifen, und damit als neuen Kalifen. Auf diese Weise gelang es ihm, das mamlukische Sultanat „gegenüber der ägyptischen Bevölkerung islamisch zu legitimieren.“78 Im Gegenzug ließ sich der Sultan vom Kalifen als „Sultan über die islamischen Länder“ bestätigen. Damit wurde Kairo zu einem Zentrum der islamischen Welt und zum „international führenden theologischen Zentrum des Islams.“79 Muslimische Herrscher etwa in Indien oder Südarabien ließen sich vom Kalifen in ihrer Herrschaft bestätigen. Oberster Herr des mamlukischen Rechtswesens war der Sultan. Die konkrete Rechtssprechung nach der Scharia lag in den Händen der Qadis. Daneben entwickelte sich auch eine eigene Rechtssprechung der Sultane nach freiem Ermessen, ausgerichtet nach der Staatslenkung (arab. siyasa). Sultane nahmen sich auch das Recht heraus, Entscheidungen der Qadis zu korrigieren, wodurch es zu Konflikten mit den Qadis und Gelehrten kam.80 Im Mamlukenstaat verlor Anfang des 14. Jh. die schafiitische Rechtsschule ihre Sonderstellung, da alle vier Rechtsschulen gleichermaßen anerkannt waren. Die Ernennung zum Großkadi und Sufi-Großscheich erfolgten durch den Sultan. Diese waren daher im Besonderen dem jeweiligen Sultan verpflichtet. „Bestimmte Gelehrte wurden durch attraktive und einträgliche Berufungen, aber auch durch Eheschließungen ihrer Töchter mit Emirssöhnen zur Loyalität gegenüber dem Regime geführt.“81 Durch Timurs Vernichtungsfeldzüge nach Syrien konnte sich das Land bis in die Zeit der Osmanen nicht mehr richtig erholen. Pestepidemien im 14. und 15. Jh., Hungersnöte und Beduineneinfälle verschärften diese Situation und führten zum Zusammenbruch der Landwirtschaft, auch Handel und Industrie waren davon betroffen. Al-Maqrizi (gest. 1442), der eine Geschichte Kairos bzw. Ägyptens geschrieben hat, gibt uns hierüber eine authentische Beschreibung. Insgesamt waren das 14. und 15. Jh. für die Bewohner Ägyptens und Syriens existenzbedrohende Zeiten. Längst „entmachtete Schreine“ werden wieder entdeckt. „Pharaonische Mumien wurden wieder zu Wallfahrtsorten, mit Hieroglyphen besetzte Spolien erhielten in großer Zahl neue Funktionen als Stürze und Schwellen in praktisch allen zeitgenössischen Moscheen.“82 Es wundert daher nicht, wenn sich gerade in der Theologie und den Rechtswissenschaften ein starker Traditionalismus breit macht, der sich gegen jedwede Neuerungen wendet. Ibn Taimiyya ist hierfür ein gutes Beispiel.
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Kunst und Kultur Der Mamlukenstaat als vom Militär beherrschter Staat war dem Gedeihen der Geisteswissenschaften nicht gerade förderlich. Im Mittelpunkt standen Historiographie, Enzyklopädie und Staatswissenschaften. Wissenschaftler, Architekten und Kunsthandwerker kamen nicht nur aus von den Mongolen beherrschten Gebieten, sondern auch von der iberischen Halbinsel, wo die Reconquista viele Mauren abwandern ließ. Architekten und Baumeister, Fachhandwerker aus anderen islamischen Ländern, aus Byzanz und aus Armenien brachten „heimische Techniken und Stilelemente mit und entwickelten sie zu neuen, typisch ägyptisch-mamlukischen fort.“83 Im Mittelpunkt stand der Kuppelbau, mit denen nicht nur Mausoleen sondern auch Moscheen und andere Gebäude ausgestattet wurden. Vorbild war der Felsendom zu Jerusalem. Der vielfarbige Fliesenschmuck der Moscheen des östlichen Kulturraumes fehlt hier im Westen. Die spezifische Ausstattung der Minarette war folgende: „Über quadratischem Sockelgeschoss achteckige und darüber mehrere Geschosse runder Turmschäfte mit kleinem, kuppelgekröntem Kiosk in Form von 'Tatarenmützen' als Abschluss, die prunkvolleren später mit einem säulengestützten Aufsatz und langgezogener, mit einem Halbmond gekrönter Zwiebelhaube.“84 Aus dem Osten wurde die Muqarnas-Ornamentik an den Gewölben übernommen. In Kairo soll es im 15. Jh. sogar 140–160 Medresen mit insgesamt etwa 3.000 Studenten gegeben haben; es gibt Hinweise, dass auch Frauen an Medresen studiert haben.85 Zahlreiche Mausoleen (arab. qubba: Kuppel) aus der Mamlukenzeit sind erhalten. Mausoleen sind auch in Moscheen und Madrasen zu finden. Weitere öffentliche Gebäude waren: Krankenhäuser (Maristan, Bimaristan) zur stationären und ambulanten Behandlung, Koranschulen (arab. Kuttab), Sufi-Konvente (arab. khanqas) und Zawiyas, wo die Riten der einzelnen Orden abgehalten wurden. Alle diese Gebäude wurden durch Fromme Stiftungen finanziert. Zu den Profanbauten zählen nicht nur die Hammame, sondern auch Karawansereien (arab. Khane) und Unterkünfte für Handelsreisende (arab. Wakalas). Vor allem in mamlukischer Zeit wurden in Scriptorien in Kairo und Damaskus Koranhandschriften mit prachtvoller Ornamentik und Kalligraphie ausgestattet.86 Zur Oberschicht gehörten die Mamluken und die nicht-mamlukischen Staatsbeamten. Eine weitere Schicht bildeten die Religionsgelehrten, Kaufleute und Wohlhabende; eine Mittelschicht Handel- und Gewerbetreibende; eine Unterschicht die Handwerker und zuunterst befand sich die Masse der Armen. Frauen fungierten nicht nur als Ammen, Hebammen, Ehevermittlerinnen, sondern auch als Lehrerinnen, Dichterinnen, Gelehrtinnen und Scheichas.87 Die Ausdehnung der mamlukischen Macht auch über die arabische Halbinsel hatte zur Folge, dass Dschidda „von den Mamluken nun systematisch zum Hauptplatz des Rotmeerhandels von und nach Indien ausgebaut [wurde]“88. Damit lag auch der Handel mit Südost-Asien und Ost-Afrka in den Händen der Ägypter. Der Warentransport über das Mittelmeer dagegen wurde von den Westeuropäern beherrscht. Daher entstanden in Kairo international ausgerichtete Handelshäuser („Karimi“).
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Ägypten exportierte in die Mittelmeerländer: Zucker, Weizen, Gerste, Flachs, Textilien, Korallen u.a. Importiert wurde aus dem Mittelmeerraum: Olivenöl, Holz, Häute, Metalle, Eisen, Tuche, Stoffe (Wolle). Aus Übersee über Aden und das Rote Meer kam Pfeffer, Gewürze, Duftkräuter (Weihrauch), Farbpflanzen, Seide, Edelsteine, Silberartikel und Porzellan.89 Als Vasco da Gama 1498 den Seeweg von Westeuropa nach Indien und Südostasien um Südafrika entdeckte, hatte dies massive Auswirkungen, denn dadurch wurde das ägyptische Monopol des Indien- und Ostasienhandels schwer getroffen und damit „Ägyptens profitable Schlüsselposition im Fernhandel zwischen Asien und Europa.“90 Die bisherige Rolle Ägyptens im Welthandel gehört ab nun der Vergangenheit an. Den Untergang des Mamlukenreiches werden 1516 die Osmanen herbeiführen.
Berberreiche im Maghreb Das Erbe und die Nachfolge des Berberreiches der Almohaden im Maghreb treten drei Berberreiche an, die sich als „Rechtsnachfolger“ der Almohaden verstanden und die „verlorengegangene Reichseinheit“91 wiederherzustellen beabsichtigten: die Meriniden, die Abdalwadiden und die Hafsiden. Die Meriniden (1244–1420) Die Meriniden gingen aus den Banu Marin, einem berberischen Zanata-Stamm hervor, die im 12. Jh. aus Ifriqiyya kommend nach und nach Marokko eroberten und die letzten Reste der Almohadenherrschaft beseitigten. 1248 wurde Fes zur Hauptstadt ihres Reiches, womit eine kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit verbunden war. Als Handelszentrum erlangte Fes aufgrund seiner strategischen Lage große Bedeutung; nicht nur die Ost-West-, sondern auch die Nord-Süd-Verbindung nahmen von Fes ihren Ausgangspunkt. Der Goldhandel zwischen Andalusien und Afrika lief über diese Handelsroute. Vom Senegal bis Tschad entstehen mittelalterliche islamische Sudanreiche. Berühmt wurde jenes von Mali, das „sich von der Wüste im Norden bis zum tropischen Urwald im Süden und vom Atlantik bis östlich des Nigerbogens“ erstreckte.92 Sein schwarzer Herrscher Kankan Mussa (1312–1337) unterhielt diplomatische Verbindungen und Handelsbeziehungen mit Ägypten und der Mittelmeerwelt. Timbuktu war wirtschaftliches und kulturelles Zentrum, hier trafen sich, wie uns Ibn Battuta berichtet, drei Kulturen: die ägyptische, die sudanesische und jene des Maghreb.93 Im Bereich des Tschadsees entstand ein weiteres Reich, das von Kanem-Bornu, dessen Herrscher Hume sich gegen Ende des 11. Jh. zum Islam bekannte. Durch seine zentrale Lage entwickelte sich dieses Reich zur „Drehscheibe im Karawanenverkehr zwischen Tripolis und der Mittelmeerküste im Norden, Ägypten im Nordosten, dem oberen Nil im Osten, den Staaten des westlichen Sudan im Westen und den Menschenreservoirs im Süden, wo sich die Händler mit Sklaven versorgten“.94 Die Nachfrage nach Sklaven in der arabischen und türkischen Welt war groß. Gerade Kanem-Bornus wirtschaftlicher Aufstieg hing massiv mit dem
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Sklavenhandel zusammen. Im 14. Jh. nahm auch der Herrscher der Haussastaaten, gelegen zwischen dem Tschadsee und dem unteren Niger, den Islam an, während das Volk bei seinen animistischen Praktiken blieb. Vor allem die Haussasklaven waren auf den Sklavenmärkten sehr begehrt. Zur Legitimierung ihrer Macht haben sich die Merinidensultane der schurafa´ (sg. scharif) von Fes bedient, indem sie sich mit ihnen verbanden. Schurafa´ war die Bezeichnung für die Nachkommen von Hasan ibn Ali, eines Prophetenenkels, die Ende des 13. Jh. nach Marokko kamen. Um das Reich zu einen, wurde die Feier des Geburtstages von Muhammad (arab. maulid) als Staatsfeiertag eingeführt; gerade im Maghreb kommt diesem Fest sehr stark volksreligiöser Charakter zu. Weiters wurden Medresen errichtet, Hochschulen für die vier Rechtsschulen aber auch zur Ausbildung von Staatsbeamten. Ihre eher orthodoxe sunnitische Ausrichtung ließ sie „zunächst einen strengen Kampf gegen die vielen regionalen Kulte und lokalen Heiligen (Marabouts) [führen], sahen sich aber schließlich zu Kompromissen gezwungen und ließen eine religiöse Emotionalisierung der Massen besonders im Süden des Landes zu.“95 Außerdem wurde im Zusammenhang mit der politischen Instrumentalisierung der schurafa´ im Sinne der Legitimierung der Merinidenherrschaft auch die Rolle Idris II. (791–828), zweiter Herrscher der Idrisiden, die ihre Abstammung auf Ali und Fatima zurückführten, als Imam neu konzipiert. Sein Grab, das 1437 in Fes entdeckt wurde, entwickelte sich im 15. Jh. zu einem vielbesuchten Wallfahrtszentrum, worum sich auch ein entsprechender Idriskult entwickelte. Der Zerfall des Merinidenreiches hängt damit zusammen, dass immer mehr die Wesire die Macht an sich rissen. Das Kunstschaffen der Meriniden war sicherlich nicht so ausgeprägt wie jenes der Almohaden, aber es gibt noch immer beeindruckende Beispiele der hispanoarabischen Baukunst aus der Merinidenzeit für den Besucher zu besichtigen. Ab 1276 wurde in Fes-al-Dschadid (Das „Neue Fes“) die „Große Moschee“ erbaut, deren Betsaal sieben Schiffe mit je sechs Jochen, verbunden mit Hufeisenbögen, aufweist.96 Im Inneren der Moschee findet sich reicher Stuckdekor, kalligrafische Schriftzüge, die sich durch einen feinen und eleganten Duktus auszeichnen, „der vegetabile Dekor mit seinen feingliedrigen Blattranken und Blütengebilden [wird] zunehmend kleinteiliger, vielschichtiger und reicher. Diese überaus motivreiche Ornamentik gehört mit zu den schönsten und zugleich auch stilprägendsten Merkmalen der merinidischen Kunst“, schreibt Kubisch.97 Besonderes Interesse der merinidischen Kunst verdient die Medrese. Unter ihnen ragt einmal die Attarin-Medrese (1323–1325) hervor, „die eleganteste und sicher auch beeindruckendste Medrese der Stadt.“98 Auch diese zeichnet sich durch fein gearbeitete Stuckpaneele und Holzschnitzereien, neben vegetabilen, kalligrafischen und geometrischen Mustern, aber auch Muqarnas-Gewölbe aus. Beeindruckend ist auch der Dekor der Bu-Inaniya-Medrese von Fes (1350–1355). Weitere Bauwerke, die die Religiosität des Maghreb gut zum Ausdruck bringen, sind neben den Moscheen und Medresen Sufi-Klöster (arab. ribats, zawiyas), in denen die Sufi-Riten abgehalten wurden; weiters Grabbauten, wo Sufi-Scheiche als heiligmäßige Personen (arab. wali)
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verehrt werden. Insgesamt hatte die Reconquista und die damit in Zusammenhang stehende Abwanderung von Mudejaren (den Mauren unter christlicher Herrschaft) aus dem christlichen Spanien nach dem Maghreb auch kulturelle und wirtschaftliche Auswirkungen auf das Merinidenreich. 1465 wurden die Meriniden von ihren Verwandten, den Wattasiden (1465–1549) abgelöst. Die Abdalwadiden (1235–1554) Bedroht einerseits von den Meriniden in Marokko und andererseits den Hafsiden in Ifriqiya, herrschten diese seit 1235 über das westliche Algerien; Tlemcen war ihr kulturelles und wirtschaftliches Zentrum. Bedeutung erlangte die Grabmoschee, 1339 erbaut für den großen Mystiker und Stadtpatron von Tlemcen, Sidi Abu Madyan (1126–1197). Sein Lehrsystem lebt in Abu Hasan asch-Schadhili weiter. Die Hafsiden (1229–1574) Dieser östlichste Nachfolgestaat des Almohadenreiches mit dem Anspruch, das Almohadenreich im östlichen Teil des Maghreb, in Tunesien und Teilen des heutigen Algerien fortzusetzen, war die am längsten währende Dynastie im Maghreb. Tunis wurde die Hauptstadt ihres Reiches. Wirtschafts- und Handelsverträge mit den italienischen Handelsrepubliken Genua, Venedig, Pisa verbanden auch diese Dynastie mit der Mittelmeerwelt. Durch die großen jüdischen Pogrome von 1391 und 1492 in Spanien wurde unter der Hafsidenherrschaft nicht nur der andalusische sondern auch der jüdische Bevölkerungsanteil vermehrt. Tunis erlebte unter den Hafsiden eine große Blütezeit, auch bezüglich der Bautätigkeit im hispano-arabischen Baustil. Insgesamt konkurrierten diese drei Berberreiche miteinander um die Herrschaft über den Maghreb.
Die Nasriden von Granada Muhammad b. Yusuf b. Nasr nutzte die Situation des Niedergangs des Almohadenreiches und zog 1237 in Granada ein, das er zum Sitz eines kleinen Reiches machte. Er anerkannte ab 1246 Ferdinand III. von Aragon als Lehensherren und unterstützte ihn bei der Beseitigung der anderen Kleinfürstentümer. Zum Dank überließ dieser ihm Granada. Die Mehrzahl der vertriebenen Muslime SW-Spaniens begab sich in das Reich von Granada. Im 14. Jh. soll Granada 50.000 Einwohner gehabt haben. In seiner Regierungszeit herrschen friedliche Beziehungen zu den Hafsiden und Meriniden. Unter seinem Nachfolger versuchen die Meriniden ihre Herrschaft jedoch auch auf das christliche Spanien auszudehnen, was zur Folge hatte, dass das diplomatische Geschick der Nasriden gefordert war, um neben den Meriniden und Kastiliern die politische Eigenständigkeit zu bewahren. Letztendlich gelang es dem König von Kastilien und Leon Alfons XI. 1340 und 1343, dem Vordringen der merinidische Macht Einhalt zu gebieten. Unter Yusuf I. (1333–1354) und seinem Nachfolger Muhammad
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V. (1354–1359; 1362–91) wurde der wirtschaftliche und kulturelle Höhepunkt des Nasridenreiches erreicht; aus dieser Zeit stammt auch die Palaststadt der Alhambra. Der Bericht Ibn Battutas (1304–1369), der um 1350 Granada besuchte, spricht auch von Sufi-Zirkeln, die in und um Granada Niederlassungen hatten; dort fanden sich auch Derwische aus Transoxanien und Indien, was darauf hinweist, dass das nasridische Reich von Granada in der islamischen Welt durchaus nicht isoliert war. Nach Muhammad V. setzte der Verfall ein.99 Mit der Heirat der Erben der Kronen von Kastilien und Aragon, Isabella und Ferdinand im Jahre 1469 (die „katholischen Könige“ genannt), beginnt die letzte Phase der Reconquista. Thronstreitigkeiten und Bürgerkriege machten ihnen die Eroberung Granadas leichter. 1492 kapitulierte der letzte Nasridenherrscher. Die Kapitulationsbedingungen hielten nur wenige Jahre, mit dem Aufkommen der spanischen Inquisition setzen Zwangsbekehrungen und – taufen ein. Aus Mudejaren wurden Moriscos, die dann Anfang des 17. Jh. scharenweise aus Spanien vertrieben wurden. Die Alhambra Die Alhambra, die rote Zitadelle, befindet sich auf dem Sabikahügel, auf einem Ausläufer der Sierre Nevada. Sie umfasst eine Palaststadt, die von Mauern umgeben ist und Paläste und Wohnungen enthält, aber auch Büros, Moscheen, Werkstätten, Garnisonen und Gefängnisse, öffentliche und private Bäder, eine königliche Nekropole, Gärten und einen Sommersitz, den Generalife. Erhalten sind nur die schönsten Paläste, die einfachen Gebäude sind im Laufe der Zeit verschwunden. Die astrale Symbolik, die den Bauten der Alhambra zugrundeliegt, bezieht sich auf Vorstellungen der griechisch-römischen und persischen Kosmologie, aber auch auf jüdische Symbolik (König Salomo und sein Palast).100 Im Mittelpunt des Wohnkomplexes befindet sich der Löwenhof mit dem Brunnen, um den herum Privatgemächer angeordnet sind. Die Löwen, die das Brunnenbecken tragen, sind individualisiert und stilisiert dargestellt und speien Wasser in das Becken, von dort werden wiederum die vier Wasserläufe gespeist, die den Löwenhof durch ein Kreuzachsenschema – analog zu jenem der Medresen und persischen Moscheen – in vier Teile gliedern. Da die koranischen Paradiesesschilderungen die Motive Gärten und Bäche immer wieder abwandeln, wird hier der Löwenhof mit seinem „Säulenwald“ insgesamt als Abbild des Paradieses dargestellt. Im Saal der Gesandten (Comares-Turm, Thronsaal) wurden die Gesandtschaften empfangen und im Saal der Gerechtigkeit befand sich der private Audienzsaal des Sultan. Das Wasserbecken des Myrtenhofes soll den Comares-Turm widerspiegeln, auch hier wird wieder auf Urbild und Abbild verwiesen. Licht und Schatten ergänzen das vielgestaltige Architekturprogramm der Alhambra. Der Gedanke, dass nur Gott "Beständigkeit" zukommt, seine Schöpfung vielmehr der Vergänglichkeit unterworfen ist, durchwirkt das Kunstschaffen, wie es in der Gesamtarchitektur der Alhambra-Bauten mit ihren vielen architektonischen Details und im vielgestaltigen Formenreichtum, der diese Architekturelemente überziehenden Formen, zum Ausdruck kommt. Abgebildet wird nicht die Wirklichkeit in ihrem
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realen naturalistischen Sein, sondern sichtbar werden bloß Schemen, Schablonen, d.h. abstrakte Muster der Schöpfung, vegetabilische und geometrische Formen, verwoben mit Schriftbändern unterschiedlicher kalligraphischer Gestaltung (kufischer und kursiver Schriftduktus). Die Muster des skulptierten oder geschnittenen Stucks101 bestehen vornehmlich aus ineinander verschlungenen, verflochtenen Arabesken stilisierter, vegetabiler Formen: Blatt-, Blüten- und Kelchformen, Ranken und Palmetten, Zweige und Girlanden. Pflanzliche Muster werden auch geometrisiert oder mit einem bestehenden Formenkanon vernetzt. Rautenmuster, die sich wie "ein Gewebe aus geflochtenen Bändern"102 über die Fläche spannen, oft durchbrochen, um Licht- und Schattenkontraste zu erzielen; ähnlich auch die geometrische Struktur der Holzgitter. Quadrate, Rauten, Achtecke, vier-, acht- und zwölfzackige Sterne werden so miteinander verflochten. Marmorpaneele und polychrome Fayencemosaiken variieren und verflechten ebenfalls diese geometrischen Figuren und schaffen so teppichartige Wandverkleidungen. Geschwungene Dreiecke und Sterne vermitteln den Eindruck eines Kosmos in Bewegung. Oder die ständig sich wiederholenden Rhythmen, die von sternenförmigen Oktogonen ausgehen und sich gleichsam in die Unendlichkeit des kosmischen Raumes weiterspinnen. Die Zellen der Stalaktitenfriese ziehen sich an der Wand entlang oder Zellen der Stalaktitenkuppeln lassen den Lichtfluss in den Raum strömen. „Diese Elemente ergänzen oder spiegeln einander in einem streng logischen Prozeß der Anordnung.“103 H. und A. Stierlin schreiben über die polychromen Mosaikfelder: "Eine abstrakte Welt tut sich auf, die mit allen Varianten geistiger Konstruktionen spielt.“104
Arabisch-Islamische Gelehrsamkeit Arabische Gelehrsamkeit umfasst in dem zu behandelnden Zeitrahmen durchwegs Universalgelehrte, die über sämtliche arabische und islamische Wissenschaften verfügen.105 Al-Qazwini (1203–1283) war persischer Arzt, Astronom, Geograph und Kosmograph und stammte aus dem persischen Qazwin, der späteren Hauptstadt der Safawiden; in Bagdad übte er die Richtertätigkeit aus. Er schrieb u.a. eine Kosmographie mit dem Titel: Die wundersamen unter den geschaffenen Dingen und die absonderlichen unter den existierenden Dingen, ein Werk, das „sicherlich Jahrhunderte hindurch eines der am meisten gelesenen Werke innerhalb der islamischen Welt“ war, resümiert Giese.106 Insgesamt wird hier das ptolemäische Weltbild der Antike, das der Islam weiterentwickelte, tradiert. Die Kosmographie besteht aus zwei großen Teilen: Im ersten Teil werden die himmlischen Sphären mit den Engeln beschrieben; im Abschnitt über die Zeit finden sich die astronomischen Kenntnisse der damaligen Zeit nebst den astrologischen Anschauungen. Der zweite Teil behandelt die „unteren Gefilde“, die Feuer-, Luft- und Wasserhülle. Aus Tus in Chorasan stammt der schiitische Theologe, Mathematiker, Astronom und Philosoph Nasir ad-Din at-Tusi (1201–1274). Ob er bei der Eroberung der ismailitischen Festung Alamut und Bagdads durch die Mongolen beteiligt war, ist
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umstritten. Zumindest fungierte er als Hofastrologe des Khan und hatte hohe Posten in der Verwaltung inne. Bekannt geworden ist er durch seine astronomischen Forschungen, denn Hülägü hat ihn 1260 beauftragt, in der Nähe der Stadt Maragha in Aserbaidschan eine Sternwarte zu errichten. Forscher verschiedener Nationen waren hier vertreten. Von Tusi stammen auch die Astronomischen Tafeln der Ilchane, die die Position der Sterne und Planeten beschreiben, ein Werk, das auch Kopernikus als eine der Quellen diente. Dieses Werk enthält „Umrechnungstabellen für die Kalender der Griechen, Araber, Chinesen, Juden, östliche Christen und Perser“107. Die mongolische Verwaltung hatte es mit Dokumenten in unterschiedlichen Sprachen aus anderen Teilen des Reiches zu tun, die nach lokalen Kalendern datiert waren. Unter Khan Ghazan wirkte der zum Islam übergetretene Jude Raschid ad-Din als Großwesir, Förderer der Künste und Wissenschaften. Er ließ nicht nur Koranhandschriften und andere Werke kopieren, sondern vollendete 1308 das Kompendium der Chroniken mit reichhaltigen Illustrationen. Hier handelt es sich um eine Weltgeschichte in mehreren Bänden, eine Sammlung der damals bekannten Völker, indem er als erster „systematisch eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen in einer ganzen Reihe von Sprachen – Chinesisch, Kashmiri, Uigurisch, Mongolisch, Hebräisch, Arabisch, Tibetisch und der Sprache der Franken – einsah und auswertete sowie auf mündliche Berichte zurückgriff.“108 Für mongolische und chinesische Belange hatte er einen eigenen Informanten. Al-Idrisi (1100–1166) war Geograph und Kartograph; er studierte in Cordoba unter den Almoraviden und kam noch vor 1145 nach Palermo, der Haupstadt des Normannenherrschers Roger II. Al-Idrisi verfasste das geographische Werk Das Vergnügen dessen, der die Horizonte zu durchstreifen wünscht, auch Roger-Buch genannt. Dieses geographische Werk ist mit 70 Karten ausgestattet und enthält eine Beschreibung der damals bekannten Welt. Außerdem sind auf ihr auch landeskundliche Informationen angegeben, wie Sprache, Sitten, Kleidung und Religion. Auf einer silbernen Scheibe hat er die Daten zu einer Erdkarte zusammengefasst. Die Karte dürfte die Erde als Scheibe darstellen; man nimmt aber an, dass al-Idrisi sich der Kugelform der Erde bewusst war.109 Ibn Challikan (1211–1228) war in Kairo und Damaskus Oberrichter und hat uns ein biographisches Lexikon hinterlassen. In der Geschichtsschreibung trat ab dem 11. Jh. als neue Form die Biographie in Erscheinung. Sein biographisches Lexikon trägt den Titel Die Großen, die dahingegangen; es beinhaltet die Biographien von 855 prominenten Muslimen, nicht nur Berufsklassen, sondern auch Herrscher, Dichter und Gelehrte finden sich darunter. Dieses und die nachfolgenden biographischen Lexika stellen eine reiche Fundgrube für die Kultur- und Literaturgeschichte des Islams dar. Aber sie dienen auch einem theologischen Interesse, nämlich der Feststellung der Glaubwürdigkeit der Überlieferungen (arab. Hadithe). Für Ibn Challikan spielte auch der Bildungsbegriff eine Rolle, der nicht nur wissenschaftlich zu sein hatte, sondern von dem man auch Unterhaltung erwartete. Aus diesen beiden Tendenzen nährt sich Ibn Challikans Werk. „Zu einem Zeitpunkt, da auch die letzten Symbole der politischen Einheit der islamischen Welt verschwinden“, führt Fähndrich aus,
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„verfaßt Ibn Challikan ein biographisches Lexikon, in das er Persönlichkeiten aufnimmt, die im Laufe von sechshundert Jahren die intellektuelle, materielle und politische Geschichte jener ganzen islamischen Welt mitgestaltet haben. Er folgt dabei einer Methode, die Jahrhunderte hindurch von Literaten angestrebt wurde – Ernstes und Heiteres zu vermischen, zu belehren, ohne langatmig zu sein.“110 So berichtet er nicht nur über berühmte Herrscher und Gelehrte, sondern auch über berühmte Frauengestalten. Yaqut al-Hamawi ar-Rumi (1179–1229) war ein arabischer Geograph, der in Aleppo wirkte; er verfasste nicht nur ein geographisches Lexikon der Länder, sondern auch ein Lexikon der Gebildeten, ein einmaliges kultur- und literargeschichtliches Nachschlagewerk. Al-Qifti (gest. 1248), der in Kairo, Jerusalem und Aleppo lebte, verfasste ein Gelehrtenlexikon. Ein weiterer wichtiger Gelehrter lebte im nasridischen Granada, nämlich Abu Ishaq asch-Schatibi (14. Jh.); er wird heute vor allem wegen seiner hermeneutischen Fragestellungen für eine zeitgemäße Koran- und Schariainterpretation angeführt. Insgesamt versucht man heute mit dem maslaha-Prinzip Erneuerungen bzw. Reformen im Islam zu legitimieren; damit in Verbindung stehen aber auch die maqasid asch-scharia, die „übergeordneten Ziele, Zwecke und Intentionen“ des Koran bzw. der Scharia. Dahinter steht die Idee, dass der göttliche Gesetzgeber mit der Scharia bestimmte Ziele und Absichten verfolge, nämlich die Ausrichtung auf das Wohl der Menschen (arab. maslaha: Gemeinwohl, Interesse) im Diesseits und Jenseits. Am konsequentesten hat diese Gedanken der andalusische Gelehrte asch-Schatibi entwickelt. Er geht von dem Faktum aus, dass es auf bestimmte Fragen unterschiedliche, oft widersprüchliche Gelehrtenmeinungen, auch in Form von Fatwas gibt. Wie kann man aber in dieser Situation wissen, was wirklich der Wille Gottes ist? Er meint hierzu, man dürfe nicht von den Detailbestimmungen ausgehen, wie es die traditionellen Rechtsgelehrten tun, sondern von den den Detailbestimmungen übergeordneten Intentionen und Absichten der Scharia (arab. maqasid). Keine Einzelbestimmung darf in Widerspruch zu diesen allgemeinen Prinzipien sein. Diese höheren Ziele der Scharia bleiben auch dann gültig, wenn sich der zeitliche und kulturelle Kontext verändert. Die Berücksichtigung der menschlichen Interessen, insgesamt ihrer konkreten Situation ist daher für asch-Schatibi unabdingbar. Daher ist es durchaus möglich, dass sich Einzelbestimmungen in anderen Kontexten als nicht mehr anwendbar erweisen, daher neue Regelungen gesucht werden müssen, um die übergeordneten Intentionen der Scharia zu gewährleisten. Aus verboten kann daher durchaus auch erlaubt werden und umgekehrt. Für asch-Schatibi sind die mekkanischen Offenbarungen entscheidend, weil hier die höheren, allgemeingültigen Ziele des islamischen Rechts festgelegt wurden. In Medina ist die konkrete, detaillierte Umsetzung dieser höheren Prinzipien lediglich „die Wiedergabe und Illustration der Bedeutung dieser Ziele für die medinische Situation.“111 Nach diesem Prinzip der höheren Ziele (arab. maqasid) ist es also unmöglich, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte außer Acht zu lassen.112
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Fast fünfhundert Jahre nach at-Tabari schrieb der in Tunis geborene Ibn Chaldun (1332–1406), Gelehrter, Diplomat und Politiker, der auch in Fes, Tlemcen, Granada und Kairo lebte, eine Weltgeschichte, der er die berühmte Muqaddima („Vorwort“) voranstellte. Es handelt sich hier um geschichtsphilosophische Überlegungen zu den Sesshaften und Nomaden. Er reflektiert über die methodischen Grundlagen einer jeglichen Geschichtswissenschaft und setzt sich kritisch mit der Geschichte auseinander. Den Ausschlag hierfür gaben die Zeitereignisse, Mongoleneinfälle, Kreuzzüge und Stammesfehden. Wie kann man, so fragt Ibn Chaldun zu Beginn, die Geschichtsschreibung in den Rang einer Wissenschaft erheben, deren Aussagen und Nachrichten Wahrheitswert beanspruchen können? Wo doch „Unbefugte sie später hinterhältig mit Unwahrheiten vermengten, indem sie Nachrichten falsch erfaßten oder diese neu ersannen. Minderwertige Überlieferungen schmückten sie aus und schrieben sie so nieder. Viele nach ihnen folgten jenen Spuren und ließen die Nachrichten zu uns gelangen, wie sie sie vernommen hatten. Die Ursachen der Geschehnisse und Umstände beachteten und berücksichtigten sie nicht. ... Denn genaue Prüfung ist selten und der kritische Blick zumeist unscharf. Fehler und Irrtümer sind historischen Nachrichten eigen und mit ihnen eng verbunden. Blinde Nachahmung ist unter den Menschen verbreitet und charakteristisch für sie. Dilettantentum gibt es in den Wissenschaftsdisziplinen allenthalben. … Die kritische Einsicht prüft gründlich das Wahre, wenn sie es betrachtet. ...“113 Die von Ibn Chaldun „neu geschaffene Wissenschaft“ zielt also auf rationale Überprüfung der historischen Nachrichten. Ob tatsächlich erst mit Ibn Chaldun eine Reflexion über die Methoden und den Gegenstand der Weltgeschichtsschreibung im Islam entstanden ist und somit die alte, heilsgeschichtlich, also an der Religion orientierte, „unwissenschaftliche“ Historiographie überwunden wurde, d.h. ihre transzendente Ausrichtung, muss als Frage bestehen bleiben.114 Mit seiner rational-empirischen Methode hat er die rationalen Ansätze der Mu´tazila und eines Averroes weiter ausgebaut.115 Im Mittelpunkt steht bei ihm der Begriff der Asabiyya, der „Gruppensolidarität“. Hierbei versucht er politische Vorgänge seiner Zeit zu generalisieren und somit zu einer Theorie zu systematisieren, den Niedergang der Abbasidenherrschaft und jenen der Berberreiche in Spanien und Nord-Afrika. Welches sind die Gründe für diesen Niedergang, welche treibenden Kräfte stehen dahinter? Ibn Chaldun hat erkannt, dass gesellschaftliche Prozesse von gewissen Gesetzmäßigkeiten beherrscht werden, „die sich wie ein Naturprozeß vollziehen … Sobald die Gemeinschaft ihre Dynamik verliert und die asabiya durch Reichtum und Despotie korrumpiert wird, ist ihr Untergang gewiß.“116 Eine neue politische Macht, getragen von der Asabiyya, wird sich formieren. Somit ist für Ibn Chaldun erwiesen, dass Geschichte in gewissen Zyklen abläuft. Er wird so auch zum ersten Historiker, „der materielle Lebensbedingungen zu einer Triebkraft menschlichen Denkens und Handelns erklärte.“117 Neben seinen Überlegungen zur arabischen Sprache, Rhetorik, Literatur und Wissenschaft hat er aber auch das Wesen und die Aufgabe islamischer Staatsämter sowie auch deren Institutionen dargestellt.
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Von Ibn Battuta (gest. 1368/69) stammt eine Reisebeschreibung, die ihn von Tanger über Nordafrika, Spanien, Ägypten und Syrien nach Mekka führte, weiters nach Kleinasien, Transoxanien, Indien, China und in afrikanische Länder. Er besuchte auch die Malediven, Sri Lanka und Südostasien. Wichtige Nachrichten über das Alltagsleben, viel Exotisches und Abenteuerliches finden sich in seinen Aufzeichnungen. Kritische Studien zeigen jedoch, dass wir anhand dieses Reiseberichtes auf weite Strecken hin ein literarisches Produkt vor uns haben, ist doch das Werk dem Sultan von Fes gewidmet. Treffend schreibt daher Elger: „Der Leser mag sich gefragt haben, wie es denn einem unbekannten Reisenden aus Marokko möglich war, Zugang zu den Mächtigen der Welt zu erhalten und von ihnen geehrt zu werden. Die richtige Antwort lautet vermutlich, dass diese Kontakte erfunden sind, zu eben dem Zweck , sich dem merinidischen Sultan von Fes anzudienen.“118 Zweifel über den Reisebericht von Ibn Battuta finden sich bereits beim arabischen Historiker Ibn Chaldun, einem Zeitgenossen Ibn Battutas: „Ibn Battuta erzählte noch andere ähnliche Geschichten, und Leute in offiziellen Positionen am Hof flüsterten einander zu, er müsse ein Lügner sein.“119 Elger merkt weiter kritisch an, dass die Welt „in einer Vollkommenheit beschrieben werde, die man eigentlich nicht von einem Reisebericht erwarten würde.“120 Es falle auf, dass Ibn Battutas Reisebricht „seitenweise Zitate aus früheren Reisebrichten enthält, die er nicht immer als solche kennzeichnet“. Unter diesen ist jener vom Geographen und Reiseschriftsteller Ibn Dschubair (1145–1217); die Hauptquelle stelle nach Elger jedoch das 27-bändige Werk von Schihab ad-Din Ahmad al-Umaris (1301–1349) Die Wege der Blicke in den Königreichen der Länder dar. Eine Adab-Enzyklopädie hat der ägyptische Gelehrte al-Kalkaschandi (1355– 1418) mit 14 Bänden verfasst Der Morgen des Nachtblinden. Über das Abfassen von Kanzleischreiben. Hierin beschreibt er die theoretischen Wissenschaften und die praktischen Fähigkeiten, die höhere Hofbeamte bezüglich Geschichte, Geographie, Adab und Grammatik besitzen sollten. Dieses Werk stellt den Höhepunkt der Handbücher für Sekretäre und Enzyklopädien in der Mamlukenzeit dar und vermittelt Kenntnisse, die ein Sekretär beherrschen muss. Er selbst war Sekretär in der mamlukischen Administration in Kairo.121
6X¿VXQG'HUZLVFKRUGHQLPZHVWOLFKHQLVODPLVFKHQ.XOWXUNUHLV Ibn al-Arabi (1165–1240) Ibn Arabi, der andalusische Mystiker, gilt als Vertreter des theosophischen Sufismus. Keine andere Gestalt hat auf die Muslime und Musliminnen in der gesamten islamischen Welt so nachhaltige Wirkung gehabt, aber auch zu so kontroversen Stellungnahmen herausgefordert wie er. „Die Aussagen über ihn durchlaufen die gesamte Skala von höchster Anerkennung bis hin zur striktesten Ablehnung.“122 Geboren wurde er in Murcia, das von den Almohaden 1172 erobert wurde, später zog die Familie nach Sevilla, einer multikulturellen und -religiösen Stadt. Die ent-
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scheidende Wende in seinem Leben wurde durch eine Bekehrung herbeigeführt, woraufhin er sich dann in die Einsamkeit zurückzog. In dieser Zeit wurde ihm eine geistige Öffnung/Erleuchtung (arab. fath) zuteil. Er unternahm in der Folge verschiedene Reisen: den mystischen Grad (der Lichtfülle) erlangte er in der Stadt Fes, „der Hochburg der marokkanischen Sufik“123, als er das rituelle Gebet verrichtete. In Mekka erlangte er den Ruf eines vergeistigten Lehrers; hier wurde er zu seiner schönsten Dichtung: Übersetzer des Liebesverlangens124 angeregt. In Mekka bei der Kaaba erreichte seine innere Entwicklung ihren Höhepunkt. Die in der Schau ihm zuteil gewordenen Geheimnisse schrieb er in den Mekkanischen Eröffnungen125 nieder. Neben der Verschriftung seines mystischen Wissens verabsäumte er es nicht, seine Lehre weiterzugeben. 1223 ließ er sich in Damaskus nieder und verfasste dort auch das Werk Ringsteine der Weisheit.126 1240 starb er in Damaskus, wo sich auch sein Grab befindet. In den Mekkanischen Eröffnungen und in den Ringsteinen der Weisheit hat er seine mystischen Erfahrungen der „Einheit des Seins“ (arab. wahdat al-wudschud) systematisiert. Ausgangspunkt für seine mystische Sicht ist das hadith, das sich wie ein roter Faden durch Ibn Arabis Mystik zieht: Ich war ein verborgener Schatz und sehnte mich danach, erkannt zu werden; so erschuf ich die Schöpfung, und gab mich den Geschöpfen zu erkennen, so dass sie mich erkannten. Ibn Arabi verwendet die avicennische Unterscheidung zwischen notwendigem, möglichem und unmöglichem Sein. Notwendiges Sein kommt allein Gott zu (vgl. Sure 42,11), unmögliches Sein hat kein Dasein und mögliches Sein sind alle Dinge außer Gott. „Wenn alle möglichen Wesen von Ewigkeit her bei Gott anwesend, angelegt in ihrer ganzen Vielfalt vorhanden sind, dann ist die Schöpfung die Erscheinung bzw. die Enthüllung Gottes selbst. Gott hat sich in der Welt manifestiert bzw. die Welt ist die Manifestation Gottes. Dasjenige Wesen, in dem sich Gott in vollkommener Weise manifestiert, ist der Mensch.“127 Die kontingenten Dinge sind vor ihrem Dasein in Gottes Wissen „anwesendes Nichtseins“. Nichtsein bedeutet somit „Nicht-Da-sein“. Unter dem Begriff „Erschaffen“ versteht Ibn Arabi daher das „zum Dasein-Bringen der möglichen Dinge.“128 Dass Gott in jedem Augenblick als Schöpfer tätig ist, bedeutet so nach Ibn Arabi „die Erscheinung bzw. Sichtbarmachung des Unsichtbaren … Er enthüllt in jedem Augenblick sein unsichtbares Sein und macht es dadurch sichtbar.“129 Für Ibn Arabi ist alles Seiende eine Einheit – der Ausdruck „Einheit des Seins“ (arab. wahdat al-wudschud) wurde erst von seinen Schülern geprägt. Wudschud, das gemeinhin mit „Sein“ übersetzt wird, heißt wörtlich „Finden“, „Gefundensein“, also Dasein, Vohandensein der kontingenten Dinge in Gott. Wenn dieser Terminus mit „Sein“ wiedergegeben wird, so darf dies nicht im Sinne der westlichen Philosophie verstanden werden. Gott manifestiert sich in der Welt nicht durch sein Wesen, sondern durch seine Namen und Eigenschaften, die seine Beziehung zur Schöpfung ausdrücken; damit ist pantheistisches Denken ausgeschlossen.130 Hier wird mu´tazilitisches Gedankengut sichtbar. Religiöse Riten und heilige Schriften sind nach ihm nur Formen, die in den einzelnen Religionen zwar äußerlich verschieden sind, immer aber die gleichen göttlichen Wahrheiten
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beinhalten. Daraus leitet Ibn Arabi die religiöse Toleranz ab, die Achtung vor dem Anderen und seinem religiösen Bekenntnis.131 Wie kein anderer hat der große andalusische Mystiker Ibn Arabi das Liebesverhältnis zwischen Mann und Frau transzendiert. Man kann hier von einer Metaphysik der Liebe zwischen Mann und Frau sprechen. Die geschlechtliche Vereinigung zwischen Mann und Frau wird bei Ibn Arabi zum Sinnbild für das Aufgehen des Liebenden im Geliebten, für die Aufhebung jeglicher Gegensätze in der göttlichen Einheit. Ibn Arabi hat für die islamische Geistesgeschichte „als eines äußerst originellen und inspirierten Denkers“132 große Bedeutung erlangt. Abu l-Hasan asch-Schadhili (gest. 1258 in Alexandrien) Mit asch-Schadhili verbindet sich in Andalusien und dem Maghreb eine eigene sufische Richtung, die Schadhiliyya. In der Ausrichtung des mystischen Weges gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zur Naqschbandiyya, indem asch-Schadhili „keinen besonderen Wert auf monastisches oder einsames Leben [legt]“.133 Der laute dhikr spielt keine Rolle, denn es steht eine nüchterne Haltung im Mittelpunkt. Jeder soll den spezifischen Ordensweg in seinem jeweiligen Lebensalltag verwirklichen, daher gilt auch der Armut und der Askese keine Aufmerksamkeit. Grundgedanken seiner Lehre sind: „Gottes Barmherzigkeit, die in den Gläubigen Hoffnung auslöst, und Gottes Gerechtigkeit, die in ihnen Furcht auslöst, kommen beide in Seiner umfassenden Liebe zum Ausdruck.“134 Insgesamt zeichnet seinen Sufi-Weg aus, dass er nicht so sehr auf äußere Handlungen wert legt, sondern im ständigen Anrufen des Namens Gottes verharrt. Auf diese Weise unterscheidet sich die Schadhiliyya von den stärker gefühlsbetonten Orden im östlichen islamischen Kulturkreis. Ahmad al-Badawi (gest. 1278) stammt aus Tanta in Unterägypten, wo sich auch sein Grab und somit seine Verehrungsstätte befindet; er gründete den Orden der Badawiyya, einer der wohl volkstümlichsten und bekanntesten Orden in Ägypten heute, denn dieser „[hat] eine beachtliche Anzahl vorislamischer Sitten und Gebräuche aufgenommen.“135 So feiert etwa der Orden seine Feste nach dem koptischen Sonnenkalender; auch Symbole alter Fruchtbarkeitskulte werden weiter tradiert.
6X¿VXQG'HUZLVFKRUGHQLPSHUVLVFKVSUDFKLJHQ.XOWXUUDXP Gerade die politisch und wirtschaftlich unstabile Lage, Kriege und Epidemien im östlichen Teil des islamischen Imperiums haben den Sufismus und damit auch die Volksreligiosität mit ihren vielfältigen Ausdrucksformen begünstigt.136 So ist im persisch-sprachigen Kulturraum auch die Mystik eigene Wege gegangen. Typisch hierfür ist das Schillern zwischen zwei Ebenen – irdisch/menschlich und himmlisch/ göttlich. Daraus erhellt auch die Schwierigkeit, diese Dichtung adäquat zu deuten. Liebe, Wein und Schönheit sind die drei wichtigsten Themen, um die die sufische Symbolik kreist.137 Hier in der persischen Mystik wird menschliche Liebe transzendiert, wird zu einem Medium der göttlichen Liebe, der menschliche Geliebte wird
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transparent hin auf den göttlichen Geliebten. So kann in der menschlichen Schönheit und den vielen Aspekten der menschlichen Liebe die göttliche Schönheit und Liebe reflektiert werden.138 Diese Sicht führte andererseits aber auch zu einer starken Anthropomorphisierung Gottes. Die Dichter Irans benutzten historische Gestalten und Ereignisse als Sinnbilder für den Liebenden und Geliebten, um damit diese ewig gültigen Wahrheiten zu transportieren. Im literarischen Schaffen finden wir daher nicht nur den allegorische Gebrauch von erotischen Symbolen durch die Mystiker, sondern gleichzeitig auch den von mystischen Symbolen durch die profanen Dichter. Fariduddin Attar, der im 13. Jh. in den Mongolenstürmen den Tod fand, gilt, da er in seinem Dichterwerk die mystischen Traditionen von Jahrhunderten verarbeitete, als der „Geschichtenerzähler“, „und seine Bücher sind ein Schatzhaus von mystischen Legenden, Lebensgeschichten und Anekdoten seiner Zeit.“139 In seinem Werk „Die Vogelgespräche“ veranschaulicht er den mystischen Stufenweg als Wanderung der „dreißig Vögel“ durch sieben Täler auf ihrer Suche nach dem Vogelkönig Simurgh. Schließlich erkennen die „dreißig Vögel“ (arab. si-murgh), dass sie selbst der Simurgh sind. Mit dem Märtyrersufi Halladsch ist sich auch die mystische Dichtung Persiens einig, dass es ohne Schmerz und Leid keine echte Liebe geben kann.140 In der Einleitung zum „Vierzeilerbuch“ erklärt Attar, „daß dieses Buch ein ´Schatz heiliger Ideen´ sei. Manche Verse seien in ´das Gewand von Locke und Schönheitsmal, Lippen und Mund gekleidet´, im Stil profaner Poesie. Er habe sie aber in seine Sammlung aufgenommen, da verständige Leute schon von der äußeren Form zum inneren Sinn vordringen. ...... Aber auch Leser, die nur an der äußeren Form interessiert seien, würden nicht ohne Nutzen davongehen.“141 Weischer kleidet daher die mystische Dichtung Attars in die treffenden Worte: „Der besondere Charme der mystischen Dichtung resultiert mithin aus den hinter den Versen liegenden sufischen Ideen und gewinnt in der Spannung des Mystischen und Erotischen einen fast hybriden Ausdruck.“142 Dschalaleddin Rumi (1207–1273) wanderte mit seiner Familie nach Zentralanatolien in die Nähe von Konya aus, nachdem sein Geburtsort Balch von den Mongolen zerstört worden war. Dies war das Gebiet der Rum-Seldschuqen, einer türkischen Dynastie, die zuerst in Persien, später auch in Kleinasien herrschten. Sein Zusammentreffen mit Ibn Arabi in Damaskus blieb nicht wirkungslos für seinen mystischen Weg, wie Bürgel143 bemerkt. Bestimmend für den sufischen Weg Rumis wurden aber dann drei mystische Freundschaften, die ihn zum Sänger der mystischen Liebe werden ließen; vom Zusammentreffen mit dem Wanderderwisch Schamsuddin („Sonne der Religion“) kündet der Diwan-i Shams-i Tabriz. Rumi verfügte über gute Beziehungen zum Seldschukenhof in Konya. Als dieser in die Abhängigkeit der Mongolen geriet, hatte man es anscheinend der geistigen Autorität Rumis zu verdanken, dass Konya vor den Plünderungen der Mongolen verschont blieb. Nach seinem Tod 1273 setzt dann eine entsprechende Legendenbildung um seine Person und seine Wunderkräfte ein. Seine mystischen Äußerungen sind im Zweizeilerbuch, dem Mathnawi144, der auch „persischer Koran“ genannt wird, niedergeschrieben. Dieses Buch bringt keine Systematik des mystischen Weges, vielmehr verarbeitet hier Rumi die gesamte Tra-
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dition der islamischen Mystik neben dem Koran und den Prophetentraditionen. Er übernimmt auch griechische, indische, persische und türkische Geschichten, neben Volkssagen und Heiligengeschichten. Anhand dieser erörtert er durch metaphorische Ausdeutung theologische und mystische Themen. Rumi sieht die irdische Welt als Spiegel, indem sie die göttliche Schönheit reflektiert; alle Dinge dieser Welt künden daher von seiner Größe. Ja selbst der Liebende ist nur noch ein Spiegel, „in dem sich der Geliebte manifestiert.“145 Durch ein ständiges Absterben (fana´: Entwerden) und wieder Neuwerden kündet die Schöpfung von einem ständigen Höhersteigen. Auch das menschliche Tun unterliegt dieser Entwicklung. Dieser Weg nach oben – Rumi gebraucht dafür u.a. die Bilder „Leiter“ und „Reise“ – ist aber ein Weg des Leidens. Bilder der Natur und des täglichen Lebens sollen diese Botschaft des „Stirb und Werde!“ transportieren, dass Schmerz und Opfer den Menschen bei all seinem Tun leiten. „Sterben“ wird so zur Voraussetzung, dass Neues entstehen kann.146 Damit hat Rumi sämtliche konfessionelle Schranken überwunden und er wurde „einer der großen Lehrer interkonfessioneller Toleranz“.147 Rumi hat den Orden der „Tanzenden Derwische“ (Mevlevi-Orden) begründet. Seine Sufikonvente (arab. tekke) „überschritten aber nie die osmanischen Grenzen“, schreibt A. Schimmel.148 Der Tanz wird hier gleichsam zu einer Leiter, um wieder zum Paradies, zur ursprünglichen Nähe Gottes zurückzukehren. Musik durchzieht daher die gesamte Schöpfung, denn Musik und Tanz drücken das ständige Kreisen um den Geliebten aus. Auch die Symbolik des Derwischgewandes kündet von dem ständigen „Stirb und Werde“: der schwarze Mantel symbolisiert das dunkle Erdenleben, während der weiße Symbol für die Auferstehung ist. Das Kreisen der Tänzer soll das Kreisen der Sphären darstellen.149
Sa´di (zw. 1213 und 1292) Sa´di wurde in Schiras geboren, aber die Eroberungen des Chwarizm-Schahs und die mongolische Invasion ließen ihn nach Bagdad gehen, wo er an der berühmten Nizamiyya-Hochschule studierte. Nach einer 30-jährigen Wanderschaft kehrte er wieder nach Schiras zurück; berühmt wurde er, als er zu Ehren des dortigen salghuridischen Herrschers Abu Bakr b. Sa‘d b. Zangi, den Bustan (Obstgarten) verfasste, ein Lehrgedicht in Versmaß und etwas später den Gulistan (Rosengarten) dem Prinzen Sa‘d b. Abi Bakr b. Sa‘d widmete. Den Namen des letzteren soll er angeblich zu seinem Dichternamen gemacht haben. Dieser Politiker, Förderer von Kunst und Wissenschaften, hatte durch die freiwillige Übergabe von Schiras an die Mongolen eine gewisse Sicherheit für die Stadt erwirkt. Nach dem Ende dieser Dynastie kam die Provinz Schiras 1286 unter mongolische Herrschaft. Nicht mystische Spekulationen stehen im Mittelpunkt seines schriftstellerischen Schaffens, sondern die konkrete Lebenswirklichkeit, d.h. Ethik und Didaktik, also insgesamt das, was dem „gesunden Menschenverstand“ entspricht. Der Gulistan besteht in der Hauptsache aus Anekdoten und ist „mit ethischen Bemerkungen und Schlußfolgerungen in Versen
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durchsetzt.“150 So spiegeln sich im Gulistan auch die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit wider. Bei Sa´di wurde endgültig das Ghasel (7–12 Verse mit durchgehendem Reim) als Medium der Liebespoesie ausgebildet. Rypka macht darauf aufmerksam, dass sich hinter seinen Versen, die von Wein und den Geliebten handeln, nicht nur mystisches Gedankengut verberge, sondern möglicherweise auch konkrete politische und sozialkritische Anspielungen.151 Der Gulistan ist in acht Kapitel eingeteilt, Sinnsprüche, Legenden und Anekdoten schildern menschliche Verhaltensweisen, „was für einen Menschen in einer bestimmten Situation gut und richtig sei“152: Vom Wesen und Wandel der Könige, Von den Sitten der Derwische, Von der Tugend der Genügsamkeit, Von den Vorteilen des Schweigens, Von der Liebe und der Jugend, Von Schwäche und Alter, Vom Wirken der Erziehung, Über den rechten Umgang in der Gesellschaft.153 Zahllose Kommentare wurden zu diesem Werk verfasst, Übersetzungen und auch die Miniaturmalerei haben diese beiden Bücher vielfältig interpretiert. Besonders hingewiesen werden soll auf Rückerts Übertragung des Rosengartens und anderer Werke Sa´dis. Umar Schihab ad-Din as-Suhrawardi (1145–1234) wurde im persischen Suhraward geboren und galt in Bagdad als der höchste der Sufi-Schaiche. Er war ein schafiitischer Rechtsgelehrter, Koranrezitator und Schriftsteller, war aber auch politisch tätig. Seine traditionalistische Ausrichtung ließ ihn der griechischen Philosophie und den Naturwissenschaften ablehnend gegenüberstehen. Musikhören und Tanz als Mittel, um die unio mystica zu erlangen, werden von ihm sehr zurückhaltend beurteilt „und setzt seiner Erlaubtheit strenge Grenzen.“154 Seine guten Beziehungen zum Kalifen Nasir brachten ihm den Titel und das Amt eines Großscheichs von Bagdad ein. Er widmete ihm nämlich sein sufisches Lehrbuch Die Gaben der Erkenntnisse. Politische Missionen im Auftrage des Kalifen brachten ihn nicht nur zu den Höfen der Ayyubiden, sondern auch zum Chwarizmschah Ala ad-din Muhammad und zum Seldschuqensultan von Kleinasien. Suhrawardi hatte mit seiner Lehre vor allem in Persien Anhänger. Dieser Orden ist also nicht nur durch eine nüchterne mystische Ausrichtung geprägt, sondern auch durch Teilnahme am sozialen und politischen Leben. Damit zeigt die Suhrawardiyya insgesamt eine orthopraktische Haltung. Der indische Zweig der Suhrawardiyya wurde von Baha´ad-din Zakariyya al-Multani (gest. 1262) gegründet. Beliebtheit erfreute sich die Naqschbandiyya-Derwischgemeinschaft in Transoxanien. Benannt wurde diese nach dem Derwisch Baha´ ad-din Naqshband (gest. ca. 1389), der in Buchara lebte. Dieser Orden ist von einer nüchternen und stark sunnitisch-orthopraktischen Ausrichtung geprägt;155 neben den spezifischen mystischen Riten wird auch das islamische Gesetz strikte beobachtet. Tanz und Musikhören zur Erreichung der Ekstase werden von diesem Orden abgelehnt und der dhikr wird daher still vollzogen. Seine Mitglieder werden angehalten, das mystische Leben mit dem Alltag – bis hinein in die Politik – zu verbinden. Gerade von Timurs Nachfolgern wurde der Orden stark gefördert. Im Laufe des 15. Jh. verlagerte sich der Schwerpunkt des Ordens nach Herat und sodann nach Samarkand. Den Naqshbandiyya-Orden
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und seiner weiten Verbreitung, vor allem auch in ganz Zentralasien,156 kennzeichnet eine spezifisch politische Ausrichtung, die bis zur politischen Machtausübung reicht. Charakteristisch ist auch eine enge Bindung der Jünger an den Meister. Die sufischen Praktiken seien eher für den einzelnen konzipiert als für Gruppenübungen. In Schiraz lebte der wohl berühmteste Ghaselensänger Shams ad-Din Mohammed Hafiz (1317/1318–1390); mit ihm wird der Höhepunkt der Ghaselendichtung erreicht. Sein Diwan besteht in der Hauptsache aus Ghaselen. Bis heute ist die Diskussion nicht verstummt, wie denn seine Ghaselen zu deuten sind: dem Wortlaut nach oder in einem mystisch-allegorischen Sinne. Möglicherweise liegt in dieser Aufnahme von mystischen Motiven „eine Stilabsicht des Dichters, ja vielleicht die ihn eigentlich beherrschende Stilidee zu finden ist. Sie wird verdunkelt und zerstört, wenn das Gleichgewicht, das sie zwischen den beiden Bereichen des Sinnlichen und des Übersinnlichen herstellt, zugunsten eines der beiden Elemente aufgehoben wird.“157 Hafis besingt den Wein, Liebe und Freundschaft; fromme Verse wechseln mit Zweifeln, blasphemischen Äußerungen, ja sogar mit Lästerungen gegenüber dem religiösen Establishment ab. Trotzdem glaubt er an Gott und ehrt den Koran. Wir treffen hier bei Hafis auf die Lebenshaltung des Rindi, „einer der nicht nach Ehre und Schande in der Gesellschaft fragt, einer, der gegen die gesellschaftliche Norm verstößt und damit im Grunde wider die Raison handelt“,158 also ein gewisser humanistischer Zug, den seine Dichtung verrät. Man könnte diese Haltung am besten mit „Schelmentum“ oder „Freisinn“ wiedergeben. Im Mittelpunkt seiner Dichtung und Lebenshaltung steht die Liebe, die oft vernunftwidrig handelt, bei Hafiz aber „universalen“ Charakter bekommt. Mit Liebe bezeichnet er „das Unendlichkeitsstreben, die Ewigkeitssehnsucht des Menschen, seinen Drang, die Fesseln von Raum und Zeit, die Normen von Gesellschaft und Religion zu durchbrechen.“159 In dieser mystischen Liebe wurzelt seine Sozialkritik, die Kritik einer Gesellschaft und ihrer politischen Vertreter, die vom Äußeren beherrscht wird, vom Buchstabenglauben, und von Heuchelei durchdrungen ist. Hafiz dürfte durch seine kritischen und ketzerischen Äußerungen zeitweilig bei Hofe auf Betreiben der Geistlichkeit in Ungnade gefallen sein, sodass ihm der Zutritt zum Hof verboten wurde. Erst gegen Ende seines Lebens erlangte er seine alte Stellung und somit Unterstützung wieder. Letztendlich aber wurde Hafiz im Laufe der Zeit von aller Ketzerei, Blasphemie und Aufwieglerei freigesprochen, indem er quasi zu einem „vollendeten Mann Gottes und Heiligen“ wurde.160 Dementsprechend wurden dann auch seine Verse gedeutet, sodass man seinen Diwan – ähnlich wie den Koran – zur Losbefragung verwendet. In Herat wirkte Dschami (1414–1492), aus Djam, Poet und Religionsgelehrter. Er verfügte über gute Beziehungen zum Hof von Herat, dessen timuridischen Herrscher Sultan Husayn Bayqara (1470–1506) er beriet; er gehörte dem NaqschbandiyyaOrden an. Herat erlebte in dieser Zeit seine letzte kulturelle Hochblüte. Dschami gehörte zu den „prominentesten Vertretern der Herater Dichterschule.“161 Seine lyrische Dichtung Yusuf und Zaliha zählt nach Rypka zu den meistegelesenen Mathnawis.162 In seinem Baharistan („Der Frühlingsgarten“) wurde er von Sa´dis Gu-
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listan beeinflusst. Er verfasste zusätzlich noch theoretische Abhandlungen über den Sufismus, zur Theologie, arabischen Grammatik u.a.163 Nach Rypka „ein glänzender Epigone“, der es verstand „das Vorhandene geschmackvoll mit der Forderung seiner Zeit in Einklang zu bringen.“164 Auch Türken schrieben in persischer Sprache, erst gegen Ende des 15. Jh. wurden Werke in türkischer Sprache geschrieben.
Theologie und Philosophie Fachr ad-Din ar-Razi (1149–1209), war ein Zeitgenosse von Averroes, Theologe und Religionsphilosoph. Buchara, Samarkand, Ghazna und Herat sind Stätten seines Wirkens. Sein Lebenswerk galt dem Versuch, Philosophie und Religion miteinander zu verbinden. Neben philosophischen Schriften zu frühen Philosophen stammt aus späterer Zeit sein Handbuch der Metaphysik und sein berühmter Koran-Kommentar (Mafatih al-ghaib, auch at-Tafsir al-kabir). Razi stand unter mu´tazilitischem Einfluss, hat aber gerade in seinem Koran-Kommentar eine asch´aritische Antwort auf die mu´tazilitische Koranauslegung gegeben. Goldziher165 hat gezeigt, dass, während ar-Razi die Mu´taziliten und somit die spekulative Theologie, den kalam, kritisierte, er andererseits doch wieder auch von ihnen beeinflusst war. Kraus166 meint: „the reconciliation of philosophy with theology is achieved, in his view, at the level of a platonistic system which in the last resort derives from the interpretation oft he Timaeus“. Nach ar-Razi sind die Lehren der Philosophen nicht falsch, „nur haben sie es verabsäumt, sie nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit der Überlieferung hinreichend zu begründen.“167 Endress resümiert, dass Razi „Gazalis Theologie mit einer von Anstössen gereinigten Metaphysik in eine philosophische Enzyklopädie einbrachte, deren Nachahmer und Fortsetzer endlich auch in den Lehrplan der Rechtsschule Eingang fanden.“168 Diese Versöhnung von Philosophie und Theologie, die Einbindung der aristotelischen bzw. platonischen Philosophie in die islamische Theologie konnte nur dadurch geschehen, dass die Philosophie der Theologie untergeordnet wurde und damit auch die häretischen Lehren der Philosophen (z.B. Ewigkeit der Welt) keine Frage mehr waren. Dagegen wird sich Ibn Taymiyya wenden. Weiters verfasste er noch verschiedene Werke über die islamischen Rechtswissenschaften (arab. fiqh), Astrologie und Rhetorik. Die verworrenen politischen Verhältnisse in der Mongolenzeit und der Untergang des abbasidischen Kalifats hatten zur Folge, dass es nach Razi an herausragenden Theologen fehlte. Watt169 meint, dass zwar das theologische Denken in dieser Zeit zunahm, aber wenig Originelles darunter zu finden sei. „Statt neuer Werke wie jener von …. Fachr ad-din Razi scheinen die Theologen hauptsächlich bestrebt gewesen zu sein, Kommentare, Superkommentare und Glossen zu früheren Werken zu verfassen“. „Theologische Starrheit und Rigidität“ verbinden sich mit diesem Mangel an Originalität und weisen auf einen allgemeinen kulturellen Niedergang hin, wobei die Ursachen vielfältig sind und nicht nur in den politischen Verhältnissen der Jahrhunderte zu suchen sind.170 Nach Watt könne diese „theologische Starre“ durchaus auch „eine soziale Funktion“ gehabt haben, indem die „Rigidität in der Theologie
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half, die Sozialstruktur zu stabilisieren und vielleicht den Verlust politischer Einheit auszugleichen“.171 Wohl aber entsteht eine islamische religiöse Literatur in Türkisch, Persisch und Urdu und in anderen Sprachen. Den Mittelpunkt dieser theologischen Werke, worunter sich durchaus auch so manches originelle Werk findet, bildet die Abfassung von „Glaubensbekenntnissen“. Theologische Werke, die ab Mitte des 13. Jh. entstehen, gehören zum Großteil der asch´aritischen Schule an. Ein Kämpfer für sunnitische Rechtgläubigkeit im mamlukischen Ägypten war Ibn Taymiya (1263–1328). Insgesamt hat sich im Laufe des 11. Jh. die hanbalitische Rechtsschule nicht nur beim Kalifat sondern auch im Volk durchgesetzt.172 Unter den Mamluken waren jedoch alle vier sunnitischen Rechtsschulen offiziell anerkannt, so hatte jede Schule auch einen eigenen Oberqadi. Auseinandersetzungen zwischen den Rechtsschulen waren so vorprogrammiert. Und hier setzt Ibn Taimiyya, der der hanbalitischen Richtung angehört, ein. Insgesamt war das 13. Jh. für den Islam eine Zeit der existentiellen Bedrohung durch die Mongoleneinfälle und die Kreuzfahrer. Die Frage war nicht nur, wie die innere Einheit der Muslime wiederhergestellt werden könnte, sondern auch wie die äußeren Feinde abgewehrt werden könnten. Er wird darauf eine religiöse Antwort geben. Ibn Taimiyya kämpft gegen unerlaubte Neuerungen (arab. bid´a), wie eben den Heiligenkult, die spekulative Theologie (arab. kalam), gegen Ibn Arabis Lehre von der Einheit des Seins und gegen die Schiiten. Die „frommen Vorfahren“ (arab. as-salaf) seien bereits „über alle Fragen des Glaubens vollständig informiert gewesen“173 und zu ihrer Zeit habe es den kalam, also die spekulative Theologie, noch nicht gegeben, denn Koran und Sunna gehen nicht auf menschliche Vermittlung zurück. Dagegen gehen Philosophie und spekulative Theologie vom Menschen selbst aus. Die rationale Theologie habe den Glauben problematisiert und damit die Gemeinde gespalten. Er sprach sich auch „gegen die von Theologen wie al-Ghazali und Fachr ad-Din ar-Razi propagierte Integration der aristotelischen Logik in die islamische Theologie“ aus.174 Weiters forderte er die Sultane auf, Entscheidungen in Einklang mit der Scharia zu treffen. Zur Zeit Ibn Taimiyyas verfügte der mamlukische Sultan über einen eigenen Bereich der Staatslenkung (arab. siyasa), die nicht unbedingt auf die Scharia zurückgeführt werden konnte, also dem eigenen Ermessen des Herrschers oblag. Ibn Taimiyya jedoch kennt keinen eigenen Bereich der siyasa. Der Herrscher ist einzig und allein dazu da, um die Vorschriften von Koran und Sunna zu verwirklichen, denn das göttliche Gesetz (arab. scharia) ist für Ibn Taimiyya ein ewig gültiges Prinzip, dem auch der Sultan unterworfen ist. Auch unter mongolischer Herrschaft stand an erster Stelle nicht die Scharia, sondern das mongolische Recht, die Yasa. Von großer Folgewirkung, auch für die Gegenwart, wurde Ibn Taimiyyas fatwa, „wonach ein Herrscher, der sich zwar zum Islam bekennt, in seinem Herrschaftsbereich aber ein anderes Gesetz als die Scharia anwende, als Ungläubiger zu bekämpfen sei.“175 Die existenzbedrohenden Zeitumstände sind für Ibn Taimiyya eine Folge von schädlichen Neuerungen, Neuerungen, die sich mit dem Islam der Altvorderen nicht in Einklang bringen lassen. Nur die Rückkehr zur Scharia kann alle Leiden heilen und alle Krisen und Missstände beseitigen. Zu seiner Zeit hat das Kalifat bereits seine
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Bedeutung verloren; Ibn Taimiyya sieht daher die Sultane als die rechtmäßigen Herrscher des Islams an. Berger bezeichnet Ibn Taimiyyas Denken als „eine Frühform von Fundamentalismus.“176 Unter den zwölferschiitischen Theologen hat Allama al-Hilli (1250–1325) Bedeutung erlangt. Hilla, eine Stadt südlich von Bagdad, war jahrhundertelang ein wichtiges imamitisches Zentrum, mit dem sich viele Gelehrte verbinden. Der Polyhistor Dschalal ad-Din as-Suyuti (1445–1505) war ein berühmter Gelehrter des mamlukischen Ägyptens und soll über 500 Schriften verfasst haben. Er war Korankommentator, Hadith-Gelehrter, Jurist und Historiker. Seine Ansprüche, einerseits der „Erneuerer“ (arab. mudschtadid) des Islam des 15. Jh. zu sein und andererseits idschtihad, also Rechtsfindung aufgrund der eigenen Meinungs- und Urteilsbildung nach der schafiitischen Rechtsschule zu betreiben, führten zu spannungsgeladenen Auseinandersetzungen mit seinen Kollegen. Idschtihad sieht er insgesamt als „a collective duty“177 an. Er meint auch, dass diese Methode nicht auf die Scharia beschränkt bleiben darf, sondern auch auf das Hadith anzuwenden sei, von dem er glaube, dass es „the noblest of sciences“178 sei. Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht führten dazu, dass er sich gänzlich aus dem öffentlichen Leben zurückzog. Als ein Mann der Tradition (arab. hadith) verurteilte er auch die hellenistische Logik. Wenn diese angewandt wird, dann ist sie seiner Meinung nach der Tradition unterworfen. Da er die höchste Form der Anbetung im dhikr sah, hat er auch den Sufismus verteidigt.179 Ein Zeitgenosse von Ibn Chaldun war Tadsch ad-Din as-Subki (1327–1369/70), schafiitischer Religionsgelehrter, Oberrichter und Prediger an der Umayyaden-Moschee zu Damaskus. In seinem Werk Der Rückerstatter der Gnadengaben und Tilger der Züchtigungen180 gibt er ethisch-moralische Weisungen für fast alle Ämter und Berufe seiner Zeit in 114 Abschnitten. „Er charakterisiert und wertet alle Tätigkeiten unter religiös-ethischen Aspekten.“181 Er zeigt hier auch auf, dass verschiedene Ämter bei Hof eine „Neuerung“ (arab. bid´a) seien. Im Mittelpunkt seiner Kritik, wie auch bei Ibn Taimiyya, steht die Korruption und der Ehrgeiz der religiösen Gelehrten. „Als Klasse waren sie beinahe alle in erster Linie an ihrem eigenen Fortkommen in der akademischen oder richterlichen Laufbahn interessiert, und da das Fortkommen in den Händen der Herrscher lag, waren sie diesen sklavisch gehorsam“182. Die Struktur, mit der er diese Ämter und Berufe darstellt, ist immer dieselbe: zuerst zeigt er die Pflichten und Forderungen auf, die sich mit diesem Amt bzw. Beruf verbinden, sodann fügt er seine Kritik an, die sich durchwegs aus eigenen Erfahrungen und Beobachtungen nährt, die meistens darin besteht, dass sich die entsprechenden Amtsinhaber und Berufsausübenden nicht an die Scharia halten, die er sodann auch einfordert bzw. macht er auf die jenseitigen Folgen eines solchen Handelns aufmerksam. Vielmehr stellen sie eigene Interessen und Gier nach Ansehen in den Mittelpunkt, handeln aus Konkurrenz und Ehrgeiz. Insgesamt liefert dieses Werk einen guten zeit- und kulturgeschichtlichen Einblick in die Gesellschaft der damaligen Zeit.
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Der Aufstieg der Osmanen Ausgangspunkt des Osmanenreiches – sein Gründer war Osman (gest. 1326) – waren die sich nach dem Zerfall des Mongolenreiches in Anatolien bildenden Kleinstaaten.183 Das osmanische Fürstentum zeichnete sich besonders durch seine Nähe zum byzantinischen Restreich aus. Daher stand an seinen Grenzen der Kampf gegen die Ungläubigen im Mittelpunkt. Nicht nur aus militärischen Gründen, um Beute zu machen und das islamische Territorium zu erweitern, sondern auch aus religiösen Gründen. Zu diesem Zwecke wurden die osmanischen Truppen durch turkmenische Glaubenskämpfer (türk. ghazis) ständig verstärkt. Die Osmanen standen einem Zweifrontenkrieg gegenüber, einerseits im Osten gegen die anatolischen Kleinfürstentümer, später gegen die Aq Qoyunlu, andererseits im Westen gegen die byzantinische Herrschaft und christliche Staaten auf dem Balkan.184 Ab Mitte des 14. Jh. wird der Höhepunkt der Expansion erreicht: im südöstlichen Mittelmeer, in Ungarn, auf dem Balkan und in die arabischen Länder des Vorderen Orients einschließlich Ägyptens. Allerdings musste 1402 der osmanische Sultan bei Ankara durch Timur eine vernichtende Niederlage einstecken. Aber Mehmed II. (1451–1481), „der Eroberer“, konnte dennoch 1453 Konstantinopel einnehmen und sodann zu seiner Hauptstadt machen. Durch diesen Sieg über Byzanz konnte das Reich weiter nach Osten und Westen ausgedehnt werden: Serbien, Peloponnes, Bosnien. Dadurch dass die Eroberungspolitik im Mittelpunkt stand, kam auch den militärischen Belangen große Bedeutung zu. Militär- und Zivilverwaltung war auch in den Provinzen gekoppelt; zuständig hierfür waren die Wesire. Die Osmanen verfügten im 15. Jh. bereits über eine Artillerie, dadurch hatten sie gegenüber jenen Gegnern Vorteile, die den Gebrauch von Feuerwaffen ablehnten wie etwa die Mamluken. Als Elitetruppe dienten dem Sultan die Janitscharen, rekrutiert aus christlichen Kriegsgefangenen, die zum Islam bekehrt und türkisch erzogen, eine harte militärische Ausbildung erhielten. Seit 1438 diente diese „Knabenlese“ der Rekrutierung neuer Kämpfer. Wenn damit auch viel menschliches Leid verbunden war, so hatten die Betroffenen doch die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs im Staatsdienst, was auch wiederum Auswirkungen auf deren Herkunftsland hatte.185 „Die Zahlen der Ausgehobenen waren nicht sehr hoch, waren daher auch nicht der gewaltige Aderlaß, den zurückblickender Nationalismus oft hineininterpretiert hat. Diese Männer sprachen neben dem Türkischen auch ihre slawische, griechische oder armenische Muttersprache, bildeten also eine Klammer zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen.“186 Nicht-muslimischen Minderheiten gegenüber herrschte eine gewisse Toleranz, indem Juden und Christen in den sogenannten millets (Religionsvolk, Religionsnation), Glaubensgemeinschaften vereinigt waren. Insgesamt ordneten die Osmanen ihre Untertanen nicht nach ethnischer Herkunft, sondern nach ihrer Religionszugehörigkeit. Die nicht-osmanischen Volksgruppen bedurften, damit ihnen eine „nationale“ Autonomie zugesprochen werde, einer religiösen Definition, die ihre Identität zum Ausdruck brachte. Die Juden galten als die „Abraham millet“, der der Oberrabbiner vorstand, und die Angehörigen des orthodox-christlichen Bekennt-
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nisses galten als „Rum millet“, deren verantwortliches Haupt der Patriarch von Konstantinopel war. Für den Staat existierten also nur religiös definierte Gruppen. Wer von den Untertanen des Sultans Muslim war, gehörte zum Staatsvolk der Osmanen, war also Türke mit den entsprechenden Privilegien; egal ob er als Muslim geboren wurde oder von einem anderen Volk abstammte. Konkret heißt dies, dass Juden und Christen im osmanischen Reich folglich unter der Jurisdiktion ihrer Religionsführer standen, wie die Muslime unter der des Sultan. Nur Muslime waren vollberechtigte Staatsbürger, Juden und Christen in vielen Bereichen nur halbberechtigt, d.h. Bürger zweiter Klasse. Nichtmuslime durften als Schutzbefohlene (arab. dhimmis bzw. millet) ihre Religion ausüben, allerdings galten auch für sie viele Beschränkungen und Auflagen entsprechend den schariatischen Bestimmungen. Für den Schutz, den ihnen der Staat bezüglich Religionsausübung und Besitz garantierte, mussten die Dhimmis die Kopfsteuer bezahlen. Nun zeigt aber die praktische Lebenswirklichkeit, dass diese schariatischen Bestimmungen oft nur der Theorie nach existierten, die Praxis der Sultane ging oft andere Wege.187 Diese national-religiösen Autonomien innerhalb des osmanischen Reiches, gebildet von der nicht-muslimischen Bevölkerung, verweisen auf eine Entwicklung, die schon vorosmanisch war, nämlich die gegenseitige Bezogenheit und Abhängigkeit von Nation und Kirche.188 Die neue Funktion der Kirchenführer unter osmanischer Herrschaft zeigt daher eine besondere Nähe der Kirchen zur Politik, und zwar gerade zur Tagespolitik. „Denn die Kirchenführer waren unter anderem dem Herrscher für die Loyalität der Gläubigen und für das Steueraufkommen verantwortlich und es oblag ihnen, die zivilrechtlichen Belange der Volksgruppe zu verwalten und die Zivilgerichtsbarkeit auszuüben.“189 Dasselbe gilt natürlich auch für die Vorsteher der jüdischen Untertanen. Das gesamte religiöse Leben, auch das Familien- und Erbrecht, wurde von den Osmanen ganz den jeweiligen Gläubigen überlassen.190 Die christliche Geistlichkeit wurde nach innerkirchlichem Brauch bestimmt, aber vom Sultan ernannt, genauso wie die Rabbiner. Da also die Kirchenmitgliedschaft weltliche Funktionen miteinschloss, war es notwendig, „auch dann mit der angestammten Kirche und ihren Führungsgremien verbunden zu bleiben, wenn kein Bezug zur geistlichen Wirklichkeit der Kirchengemeinschaft mehr vorlag“,191 etwa in Zeiten der Säkularisierung. Man spricht dann von einer „profanierten Art von Kirchenzugehörigkeit.“192 Ausschreitungen gegen die Christen werden zunehmen, je enger das Verhältnis zw. osmanischem Reich und europäischen Mächten wurde. Osmanische Architektur Die Umwandlung der Hagia Sophia mit ihrer Zentralkuppel in eine Moschee wird fortan für den osmanischen Zentralkuppelbau Leitlinie sein. Ausgehend von byzantinischen Siedlungen in Bursa und Edirne, die ersten Hauptstädte der Osmanen, wurde das Konzept der „Stiftungstraditionen“, wie wir es bereits bei den Ayyubiden und Mamluken ausgeprägt fanden, weiter entwickelt in Form des Moscheebaus „mit
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religiösen und sozialen Einrichtungen in Külliyen (Stiftungskomplexen).“193 So hat Murad I. (1360–1389) in Bursa eine Moschee mit zentralem Kuppelbau errichten lassen, die auch eine Medrese, eine Koranschule, eine Armenküche, ein Brunnenhaus und einen Grabbau vereinte. Ähnliche Stiftungskomplexe werden auch von seinen Nachfolgern errichtet, wobei auch die Kuppelbautechnik mit Haupt- und Nebenkuppeln weiter entwickelt wurde. Über die Kunst der Fayencemosaik in der Seldschuqenzeit hinaus, „wurde hier erstmals die Technik der cuerda seca verwendet, bei der die unterschiedlichen Glasurfarben nebeneinander aufgetragen und durch fetthaltige Begrenzungen daran gehindert werden, beim Brand ineinander zu laufen“,194 eine Technik, die aus dem persischen Täbriz stammt. Der erste Moscheekomplex von Istanbul, der 1453 eroberten byzantinischen Stadt Konstantinopel, stammt von Mehmed II. (1444–1481), die Fatih Külliyesi: dieser Komplex drückt das neue herrscherliche Selbstbewusstsein der Osmanen als Nachfolger der Byzantiner aus; er enthält insgesamt 16 Medresen, wodurch hier das Zentrum für den sunnitischen Islam, für Bildung und Wissenschaften begründet wird.
Der Bektaschi-Orden (tekke) In osmanischer Zeit wird sich der Bektaschi-Orden, der die Janitscharen betreute, neben anderen Formen der Volksreligiosität, die auch Christen und Muslime verbinden, etwa die Verehrung gemeinsamer „Heiliger“ oder gemeinsame Marienheiligtümer, als wichtiges Sammelbecken der Volksreligiosität herausbilden. Die Ursprünge des Bektaschismus sind vermutlich in der „turkmenischen Heterodoxie“, nämlich in der Qalandar-Bewegung des 13. und 14. Jh. zu finden, aber auch Einflüsse der Futuwwa-Bünde195 aus dem Nahen Osten und der persische Hurufismus dürften hierbei eine Rolle gespielt haben.196 Hadschi Bektasch Wali197 kam im 13. Jh. von Chorasan nach Anatolien und beteiligte sich an Revolten gegen die Seldschuqen. Als Angehöriger der QalandarBewegung stellte er national türkische Interessen in den Mittelpunkt, dies erweist auch, dass er in seiner Lehre auf Sunna und Schia verzichtete und türkisch kulturelle Ausdrucksformen, Kultpraktiken und Verhaltensregeln in den Mittelpunkt rückte. Außerdem erhob er das Türkische zur Kultsprache, eine Neuerung, die vermutlich verhinderte, dass das türkische Volk Anatoliens vollständig iranisiert und arabisiert wurde, also ihrer eigenen Kulturausdrücke beraubt wurde.198 Bislang war ja allein das Arabische die religiöse Sprache und das Persische die Sprache der Gebildeten und Gelehrten. Von ihm wurde auch das Cem-Ritual neu eingeführt, das insgesamt auf alttürkischen Schamanismus verweist. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich als besondere Identität dieses Ordens heraus, dass er sämtliche nicht-sunnitische Strömungen, schiitische bzw. ismailitische Ideen (Ali, Hussain), in sich vereinte. Damit waren Vorstellungen wie die Seelenwanderung verbunden, christliche Einflüsse (Sündenbekenntnis vor dem spirituellen Führer, sakramentales Mahl mit Brot und Wein), Elemente des türkischen Volksglaubens und schamanistische Aspekte.
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Der Ursprung der Safawiden Ab 1501 übernahm die Dynastie der Safawiden die Herrschaft in Persien und beendete die politische Fremdherrschaft der Mongolen und Timuriden. Ursprünglich handelt es sich um eine der vielen Derwischbewegungen im Reich der Ilkhane, wobei der Orden der Safawiden durch seine zahlreiche Anhängerschaft sich schon sehr bald zu einem politischen Faktor entwickelte. Ausgangspunkt dieser Bewegung war Ardabil im Osten Aserbaidschans. Ihr Begründer war Schaich Safi ad-Din (1252–1334), einer der bedeutendsten Vertreter des Volksislam, der in der Mongolenzeit als ein Volksheiliger große Verehrung genoss. „Eine Persönlichkeit“, schreibt Gronke, „in der sich der wunderwirkende Gottesmann mit einem nüchternen Realpolitiker und klugen Geschäftsmann verband.“199 Bei seinem Orden der Safawiyya handelt es sich um eine Massenbewegung, dem sogar Würdenträger der turko-mongolischen Elite und Ilkhane selbst angehörten; er entwickelte sich zum „Zentrum einer Massenbewegung und sozialrevolutionärer Heilssehnsüchte.“200 Spenden und Stiftungen ließen das Ordensvermögen rasch anwachsen. Damit war eine Basis geschaffen, auf der dann die Ordensmeister des 15. Jh. ihre militärischen und politischen Aktivitäten entfalten konnten. Im Mittelpunkt des Ordenslebens standen nicht nur das eigentliche Anliegen des mystischen Weges, die Vervollkommnung des Selbst, sondern durchaus auch wirtschaftliche und politische Interessen. Ordensangehörige beteiligten sich daher auch an militärischen Aktionen. Während der zweiten Hälfte des 15. Jh. kam es zu einer bewusst durchgeführten „Militarisierung und Politisierung des Ordens“,201 an deren Ende die Gründung der Dynastie der Safawiden in Persien durch ihren Ordensmeister Ismail stand. Diese Militarisierung und Verweltlichung des Ordens hatte zur Folge, dass sich dieser im 14. Jh. eher sunnitisch ausgerichtete Orden „zu einer Bewegung mit stark schiitischen, sogar extremschiitischen Tendenzen“ wandelte.202 So führte Ismail die Zwölferschia formell als Staatsreligion in Persien ein, trotzdem blieb der Orden noch immer von Elementen einer heterodox ausgerichteten Volksreligion geprägt. Die Anhänger dieses Ordens trugen eine rote Kopfbedeckung mit zwölf Zwickeln, die mit den 12 schiitischen Imamen in Verbindung gebracht werden. Daher wurde ihnen der türkische Name „Qizilbasch („Rotköpfe“) gegeben. Diese setzten sich zum Großteil aus Angehörigen turkmenischer Stämme Anatoliens zusammen, eigentlich Untertanen der Osmanen. Sie hingen einem mystisch geprägten Volksislam an und nicht dem sunnitischen der Osmanen. Daraus ergab sich ein gewisses Spannungsverhältnis zu den Osmanen, vor allem dann, als sie sich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen Ismail anzuschließen begannen. In der Folge hatte der osmanische Staat gegen die aufständischen turkmenischen Qizilbasch zu kämpfen.203 Dadurch verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem osmanischen Reich und jenem der Safawiden immer mehr. Die Kriege der Osmanen gegen die Safawiden hatten allerdings auch zur Folge, dass dem osmanische Sultan immer stärker die Rolle des Verteidigers der Sunna zukam. Mit der Einigung Persiens unter die Zwölferschia entstanden neue politische und religiöse Blöcke: Zwischen den sunnitischen Staaten der Osmanen im Westen und
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den Usbeken im Osten behauptet sich der schiitische Staat der Safawiden. Allerdings ging der Prozess der Schiitisierung nicht ohne Gewalt ab. Mit Ismails antisunnitischer Haltung, Schändung von Gräbern prominenter Sunniten, Forderung nach öffentlicher Verfluchung der drei ersten Kalifen, beginnt eine „Ideologisierung des Bekenntnisses, die zwischen Sunniten und Schiiten Gegensätze hervorgerufen hat, wie sie in dieser Schärfe während des 14. und 15. Jahrhunderts nicht bestanden hatten.“204
Der Islam auf dem Indischen Subkontinent 1186 stürzte Muizz ad-Din Ghuri die Herrschaft der Ghaznaviden in Lahore, eine Dynastie, die von ehemaligen türkischen Militärsklaven begründet wurde. 1192 eroberte der türkischer General von Muizz ad-Din Ghuri, Qutb ad-Din Aibek, Delhi und Ajmer, die Königreiche von Benares, Bihar und Bengalen. Aibek übernahm nach der Ermordung von Muizz ad-Din Ghuri 1206 die Herrschaft und begründete als Statthalter von Lahore das Sultanat von Delhi, das ein unabhängiges Reich wurde. Damit war Indien nicht mehr Teil des Ghuridenreiches.205 1193 begann Qutb ad-Din Aibek mit dem Bau der großen Moschee von Delhi, die Quwwat-al-Islam mit dem hochragenden Siegesminarett, das vom religiösen Eifer der „Sklavensultane“ zeugt; zu ihrem Bau wurden Spolien aus zerstörten Hindu-Tempeln verwendet. Insgesamt zeigt dieses Bauwerk auch buddhistische und hinduistische Elemente. Der Einfluss der islamischen auf die hinduistische Architektur besteht in der Übernahme einzelner architektonischer Elemente, wie z.B. der Kuppel. Auf diese Weise entwickelt sich die „indo-islamische Kunst“. Dieses Zusammentreffen der beiden Kunsttraditionen „[modifizierte] den von den Mohammedanern mitgebrachten Stil, [schuf] aber nicht eine neue Kunstform.“206 Indische und mohammedanische Kunst bestanden vielmehr als unabhängige Baustile weiter. Verschiedene Dynastien folgten bis 1526, dem Beginn der Mogulherrschaft in Indien, aufeinander: „Sklavensultane“ (1206–1290), Khaldschi-Dynastie (1290–1320), die Tughluqs (1320–1414), die Sayids (1414–1451) und die Lodi-Dynastie (1451–1526). Grundsätzlich blieb Indien das Schicksal anderer von den Mongolen eroberter Länder erspart. Unter der Sklavendynastie kristallisierten sich sodann „alle Wesenszüge heraus, die für die türkische Herrschaft in Indien charakteristisch sind.“207 So hat man aus „politische Zweckmäßigkeit und nicht von Toleranz diktiert“208 die Hindus auch als dhimmis, also als geschützte Minderheiten wie Juden und Christen, behandelt. Freilich war diese Praxis unter den Rechtsgelehrten nicht unumstritten. Grundsätzlich waren auch Muslime nicht gleichgestellt, denn „die Grenzen zwischen Herrschern und Beherrschten [beruhten] auf rassischen und kulturellen, aber nicht auf religiösen Gründen“.209 Spannungen zwischen türkischen, persischen und indischen Muslimen waren daher vorprogrammmiert. Nicht nur Türken verschiedener Stämme wanderten nach Indien aus, sondern auch viele Flüchtlinge Zentralasiens und Persiens flohen vor den Mongolen nach Indien. „Gelehrte, Mystiker, Musiker, Maler und Kunsthandwerker verpflanzten persische Kultur auf indischen Boden.“210
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Islamische Kulturgeschichte
Die Mehrheit der Muslime bildeten jedoch die bekehrten Hindus oder Buddhisten. Vor allem die Sufis dürften viel zum Übertritt der Hindus zum Islam beigetragen haben, denn diese haben sich bis zu einem gewissen Grad der hinduistischen und buddhistischen Glaubenspraxis angepasst. In vielen säkularen Bereichen, im Architektur, Literatur- und Musikschaffen und im gesellschaftlichen Leben (z.B. Brauchtum) kam es zu einem oft sehr intensiven Austausch zwischen Muslimen, Hindus und Buddhisten. Auf der genuin religiösen Ebene aber war der Unterschied in der Struktur beider Religionen so groß, dass ein gegenseitiger Austausch nur sehr schwer möglich war. Eine gewisse Ausnahme bildete hierbei die praktisch geübte Frömmigkeit, wo es vielfältige Berührungspunkte gab; etwa in der Heiligenverehrung, aber auch in vielen Formen der mystischen Betätigung beider Religionen. So haben sich islamische Mystik und Bhakti-Frömmigkeit gegenseitig beeinflusst und führten im Laufe der Zeit zu verschiedenen synkretistischen Formen.211 Eine wichtige, wenn nicht zentrale Rolle in diesem Kontext, Brücken zwischen Hindu-Mystik und islamischer Mystik zu bauen, spielte der andalusische Mystiker Ibn Arabi mit seiner Lehre von der „Einheit des Seins“, die am Anfang des 15. Jahrhunderts sehr viele Anhänger in Indien gefunden hatte und eine Brücke zu den Advaita-Lehren der Upanischaden zu bilden schien. Iltumitsch, Aibeks Schwiegerson (ab 1229), soll in einer besonderen Weise die islamische Mystik gefördert haben. Während seiner Regierungszeit sollen viele Sufis aus anderen Teilen der islamischen Welt, die unter den Mongoleneinfällen zu leiden hatten, nach Indien gekommen sein. Ein erster Sufi-Meister war Mu´inuddin Chisti (gest. 1233) aus Afghanistan.212 Neben der Übernahme von Ibn Arabis Einheit des Seins gibt es noch 9 Prinzipien, die typisch für die praktische Ausrichtung und Lehrinhalte des Ordens der Chistiyya sind. Darunter sind: Gehorsam gegenüber dem Sufi-Führer, Unabhängigkeit vom Staat, Erlaubtheit von Musikhören, Verdienen des eigenen Lebensunterhaltes, gegen öffentliche Propagierung von Wundern.213 Politische Betätigung wurde von den Angehörigen dieses Ordens abgelehnt, denn im Mittelpunkt steht die Askese. Ein Spezifikum des mystischen Weges ist die Verwendung von Poesie und Musik. In diesem Zusammenhang entstehen die qawwalis, religiös-mystische Gesänge, die bis heute an den Heiligengräbern zu Ehre Gottes, des Propheten und der Heiligen erklingen. Auch Nicht-Muslimen war die Teilnahme an diesen mystischen Sitzungen gestattet. Dieser Orden ist auf Indien beschränkt geblieben und hat später auch Aspekte aus dem Hinduismus in sein mystisches System aufgenommen und dadurch vielfältige Annäherungen an die hinduistische Mystik gemacht.214 Eine zweite wichtige Sufitradition, die 1200 in Indien, Bengalen und Multan Eingang fand, war die Suhrawardiyya, ausgehend von Bagdad. Anstelle von Askese und Armut, wird hier sehr wohl auch die Zusammenarbeit mit den jeweils Regierenden gesucht, also eine gewisse politische Betätigung. Im 13. Jh. entstehen noch andere mystische Richtungen, die sich oft außerhalb des islamischen Religionsgesetzes bewegten. „Das Heiligenwesen aber blühte, wo immer Muslime sich niederließen.“215
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Im 13. und 14. Jh. kristallisierte sich nicht nur die Vielfalt der mystischen Wege in Indien heraus, sondern es wurden auch die entsprechenden religiösen Institutionen eingerichtet, die für die Ausbildung des Religionsgesetzes notwendig waren: Qadis, Madrasen und das Studium der prophetischen Traditionen (Hadith), der Dogmatik, Grammatik. Grundsätzlich stand im Mittelpunkt des Gelehrtendaseins in erster Linie das Bewahren des klassischen islamischen Erbes und weniger das Schaffen von eigenen Werken. Delhi als Zentrum von Wissenschaft und Kunst wetteiferte mit Kairo und Bagdad. Unter der Khaldschi-Dynastie (1290–1320) beginnt die Erweiterung des Sultanats, indem die Hindu-Königreiche von Zentralindien und Gudscharat annektiert wurden. Auch die Königreiche des Südens wurden teilweise der Herrschaft von Delhi unterstellt. In der Zeit der Tughluq-Herrscher gingen die meisten Gebiete, die unter der vorausgehenden Dynastie erobert wurden, wieder verloren, Gouverneure und Statthalter machten sich selbständig. Einen entscheidenden Einschnitt bildete die Invasion Timurs, der 1398 in Indien einfiel und Delhi plünderte. Hindus und Muslime waren gleichermaßen betroffen. Von der Hauptstadt blieb nur ein Trümmerfeld übrig. Delhi konnte seine Vorrangstellung als politisches und kulturelles Zentrum nicht wiedergewinnen. Die Folge ist, dass unabhängige Regionalstaaten entstehen. Neben dem klassischen Arabischen und dem Persischen gewinnen auch einheimische Volkssprachen an Bedeutung, womit sich auch neue kulturelle Ausprägungen verbinden.
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Anmerkungen 1. Lebenswelt und soziale Schichtung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, Paderborn 1978, 159–170. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter II, Stuttgart 1986, 131–140. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter. 1050 bis 1250, Darmstadt 2003, 11–13. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 140–156. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 156–178. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 170–181. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 169–189. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 158–170. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 178–196. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 12–15. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte V, Berlin 1985, 474–480. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 105–127. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 20–26. H. Kühnel (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, Graz 1984, 232–248. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte V, 604–614. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 105–125. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 67–80. H. Hundsbichler, Wohnen. In: H. Kühnel (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, 256–270. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 32–38. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte VI, Berlin 1985, 386–402. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 110–125. V. Reinhardt, Die Tyrannei der Tugend. Calvin und die Reformation in Genf, München 2009, 157–170. J. Grabmayer. Europa im späten Mittelalter. 1250 bis 1500, Darmstadt 2004, 12–16. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 168–189. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 14–17. H. Kühnel, Die städtische Gesellschaft. In: Ders. (Hg,), Alltag im Spätmittelalter, 37–46. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 199–205. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 14–19. W. Rösener, Bauern im Mittelalter, München 1985, 255–260. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 19–31. H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfasssung II, 199–205. W. Rösener, Bauern im Mittelalter, 269–271. W. Rösener, Bauern im Mittelater, 260–270. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 190–215. F.W. Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands I, Paderborn 1991, 230–246. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 44–60. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 215–225. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, Worms 1989, 44–56. F.W. Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte I, 240–258. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 31–40. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 110–125. G. Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, Glashütten 1983, 65–76.
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Anmerkungen
28 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 25–30. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 410–422. 29 H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 155–167. H. Hundsbichler, Wohnen, 260–270. 30 H. Kühnel, Die städtische Gesellschaft. In: Ders. (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, 48–58. 31 H.K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung II, 172–184. 32 H. Kühnel, Die städtische Gesellschaft, 78–85. H. Hundsbichler, Wohnen, 262–270. 33 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 25–30. 34 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 38–44. H. Kühnel, Die städtische Gesellschaft, 66–79. 35 H. Kühnel, Die städtische Gesellschaft, 68–75. 36 H. Hundsbichler, Kleidung. In: H. Kühnel (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, 232–248. 37 R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft, 220–233. 38 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 42–50. H. Hundsbichler, Wohnen. In: H. Kühnel (Hg.), Alltag im Spätmittelalter, 254–267. 39 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 2009, 261–288. 40 P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 129–132. G. Duby, Ritter, Frau, Priester. Frankfurt 1988, 68–79. G. Duby, Frauen im 12. Jahrhundert, Frankfurt 1999, 102–118. 41 G. Duby, Ritter, Frau und Priester, 110–124. 42 G. Duby, Ritter, Frau und Priester, 88–112. 43 W. Rösener, Bauern im Mittelalter, 62–71. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 132–137. 44 H. Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 121–138. 45 H. Hattenbauer, Europäische Rechtsgeschichte, Heidelberg 1994, 280–295. P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 145–160. 46 H. Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 254–270. 47 F. Spechtler/B. Maier (Hg.), Literatur und Politik im Mittelalter, Klagenfurt 1999, 258–266. 48 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 125–132. E. Schubert, Alltag im Mittelalter, Darmstadt 2002, 220–230. H. Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 150–162.
2. Entwicklungen der politischen Herrschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
P. Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 45–48. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter, 440–460. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter, 397–413. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 53–57. R. Sprandel, Verfassung im Mittelalter, 160–179. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte V, Berlin 1985, 565–573. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 172–194. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 50–55. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter, 456–470. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 576–587. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 54–58. W. Rösener, Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, München 1992, 56–72. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 375–391. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 215–233. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 576–588. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 410–418. R. Sprandel, Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 230–241. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 50–59. F.L. Ganshof, Das Hochmittelater, 432–440. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter, 459–465. F.L. Ganshof, Das Hochmittelalter, 474–482. H. und M. Rall, Ludwig der Bayer. In: G. Hartmann/K.R. Schnith (Hg.), Die Kaiser, Wiesbaden 2007, 405–418. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 604–615. H. und M. Rall, Ludwig der Bayer, 405–411. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 604–614. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 569–573. G. Hartmann, Kaiser Karl IV. In: G. Hartmann/K.R. Schnith (Hg.), Die Kaiser, 418–430.
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Anmerkungen
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19 G. Hartmann, Kaiser Sigismund. In: G. Hartmann/K.R. Schnith (Hg.), Die Kaiser, 449–459. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 399–416. 20 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 399–420. 21 R. Reifenscheid, Friedrich III und Maximilian I. In: G. Hartmann/K.R. Schnith (Hg.), Die Kaiser, 469–477. 22 F.L. Ganshof. Das Hochmittelalter, 448–458. 23 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 576–580. 24 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 577–580. 25 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 581–587. 26 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 582–586. 27 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 584–590. 28 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 393–399. 29 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 395–400. 30 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 378–385. 31 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 590–593. 32 A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 590–595. 33 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 415–421. 34 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 418–424. 35 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 415–422. 36 F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 420–428.
3. Religiöse Weltdeutungen 1 2 3 4
5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18
A. Grabner-Haider, Das Laienchristentum, Darmstadt 2007, 68–82. L. Körntgen, Bußbücher. In: LThK II, Freiburg 2007, 822–824. M.G. Muzarelli, I poenitenziali nell alto medio evo, Bologna 1998, 92–112. J. Werbick, Buße, Historisch-theologisch. In: LThK II, Freiburg 2007, 828–830. A. Vauchez, Die pastorale Erneuerung in der lateinischen Kirche. In: Ders. (Hg.), Die Geschichte des Christentums V, Freiburg 1994, 800–813. A. Angenendt, Die Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 2009, 68–86. A. Angenendt, Die Geschichte der Religiosität, 123–141. A. Vauchez, Die pastorale Erneuerung, 820–825. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 622–640. Thomas von Aquin, Summa theologiae II, II, 78,1. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 577–588. J.F. Frank, Bettelorden. In: LThK II, Freiburg 2007, 341f. A. Vauchez, Die pastorale Erneuerung, 828–831. G. Todeschini, Un trattato d´economia politica francescani, Rom 1980, 125–138. K.S. Frank, Franziskaner. In: LThK IV, Freiburg 2007, 30–37. A. Vauchez, Die Bettelorden und ihr Wirken in der städtischen Gesellschaft. In: Ders. (Hg.), Die Geschichte des Christentums V, Freiburg 1994, 833–840. A. Grabner-Haider, Die großen Ordensgründer, Wiesbaden 2007, 127–144. J.F. Frank, Bettelorden, 341f. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 68–87. P. Meinhold, Kirchengeschichte in Schwerpunkten, Graz 1988, 125–130. P. Segl, Katharer. In: LTk K V, Freiburg 2007, 1327–1330. M. Lambert, Medieval heresy, London 1992, 45–67. P. Ricca, Waldenser. In: LThK X, Freiburg 2007, 952–955. P. Segl, Katharer. In: LThK V, Freiburg 2007, 1327–1330. P. Segl, Albigenser. In: LThK I, Freiburg 2007, 340–342. K. Hilpert, Moraltheologie. In: LThK VII, Freiburg, 462f. L. Vones, Inquisition. In: LThK V, Freiburg 2007, 527–532. L. Vones, Inquisition, 527–532.
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Anmerkungen
19 A. Vauchez, Der Kampf gegen die Häresie. In: Ders. (Hg.), Die Geschichte des Christentums V, Freiburg 1994, 900–905. 20 I. Harmening, Aberglaube: Historisch. In: LThK I, Freiburg 2007, 40–46. 21 M. Seckler, Aberglaube: Systematisch. In: LThK I, Freiburg 2007, 44–46. A. Vauchez, Der Kampf gegen die Häresie, 900–910. 22 M. Seckler, Aberglaube: Systematisch, 44–46. 23 A. Vauchez, Der Einstieg der Laien in das religiöse Leben. In: Ders. (Hg.), Die Geschichte des Christentums V, Freiburg 1994, 910–920. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 659–665. 24 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 630–651. 25 A. Vauchez, Der Einstieg der Laien, 930–940. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 303–310. 26 M. Seckler, Aberglaube: Systematisch, 44–46. 27 P Dinzelbacher, Europa im Hochmittelalter, 95–120. W. Rösener, Bauern im Mittelalter, 95–117. 28 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 644–657. 29 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 70–76. J. Le Goff, Phantasie und Realität des Mittelalters, Stuttgart 1990, 160–178. C. Meckseper/E. Schrauth (Hg.), Mentalität und Alltag im Spätmittelalter, Göttingen 1985, 98–120. 30 H. Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 83–92. 31 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 76–84. K. Schreiber (Hg.), Frömmigkeit im Mittelalter. München 2002, 9–38. P. Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, Paderborn 1990, 68–82. 32 H. Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 64–90. 33 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 82–92. P. Dinzelbacher, Angst im Mittelalter, 98–117. H. Schipperges, Die Kranken im Mittelalter, München 1990, 200–212. 34 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 622–639. 35 H. Schipperges, Die Kranken im Mittelalter, 182–196. J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 92–102. 36 J. Grabmayer, Europa im späten Mittelalter, 110–114. A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 659–680. 37 A. Angenendt, Geschichte der Religiosität, 546–554. B. McGinn, Mystik. In: LThK VII, Freiburg 2007, 587–593. 38 B. McGinn, Die Mystik im Abendland I, Freiburg 1994, 78–99. A. Vauchez, Heiligung. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 517–522. 39 B. McGinn, Mystik im Abendland I, 130–142. 40 B. McGinn, Mystik im Abendland I, 68–87. 41 P. Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland, Paderborn 1994, 133–145. 42 A. Vauchez, Heiligung, 520–525. P. Dinzelbacher, Christliche Mystik, 66–82. 43 A. Vauchez, Heiligung, 520–525.
4. Herrschaft der Kleriker 1
2 3 4
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Anmerkungen 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
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5. Lehren der Philosophen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
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© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525530382 — ISBN E-Book: 9783647530383 Persönliches Exemplar für Oleksii Cherednichenko
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Anmerkungen
16 W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 380–383. M. Morgenstern/R. Zimmer, Denkwege der Philosophiegeschichte, 85–92. 17 D. Mieth, Mystik: Systematisch. In: LThK VII, Freiburg 2007, 593ff. 18 W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 382–385. D. Mieth, Mystik: Systematisch, 393–395. 19 A. Haas, Meister Eckhart. In: LThK III, Freiburg 2007, 443–446. L. Sturlese, Meister Eckhart, Regensburg 1993, 44–57. 20 A. Haas, Meister Eckhart, 443–446. K. Flasch, Meister Eckhart, München 2008, 56–70. 21 W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 385–391. A. Haas, Meister Eckhart, 443–446. A. GrabnerHaider, Hitlers mythische Religion, Wien 2008, 146–178. Ders., Hitlers Theologie des Todes, Kevelaer 2009, 79–85. 22 E. Kessler, Renaissance. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1099–1102. 23 E. Kessler. Renaissance, 1099ff. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 400–406. 24 H. Blumenberg, Die Legitimation der Neuzeit, Frankfurt 1966, 38–56. E. Kessler, Petrarca und die Geschichte, München 1998, 43–56. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 595–599. 25 E. Kessler, Renaissance, 1099ff. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 595–600. 26 E. Kessler, Renaissance, 1099ff. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 596–599. 27 W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 400–406. H. Blumenberg, Die Legitimation der Neuzeit, 68–89. 28 Pico della Mirandola, Disputationen gegen die Astrologie. In: Opera omnia, Hildesheim 1969. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 404–407. 29 Pico della Mirandola, Über die Würde des Menschen, Zürich 1992, 45–52. W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 404–407. 30 E. Meuthen, Nikolaus von Kues, Münster 1992, 127–144. K. Reinhardt, Nikolaus von Kues. In: LThK VII, Freiburg 2007, 854–857. 31 K. Reinhardt, Nikolaus von Kues, 854–857. 32 W.A. Euler, Unitas et pax, Würzburg 1995, 127–144. K. Reinhardt, Nikolaus von Kues, 853–857. 33 Nikolaus von Kues, De docta ignorantia II, 10. Ders., Der Laie und der Geist, 13. Dazu W. Röd, Der Weg der Philosophie I, 409–413. 34 O. Fraisse, Moses ben Maimon. In. A. Kilcher (Hg.), Lexikon jüdischer Philosophen, Stuttgart 2003, 55–57. 35 O. Fraisse, Moses ben Maimon, 55–57. H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, München 1984, 130–138. 36 H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, 140–148. O. Fraisse, Moses ben Maimon 55ff. 37 H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, 150–156. C. Fraenkel, Lewi ben Gerschom. In: A. Kilcher (Hg.), Lexikon jüdischer Philosophen, 93ff. 38 H. und M. Simon, Lexikon jüdischer Philosophen, 180–184. C. Fraenkel, Lewi ben Gerschom, 93ff. 39 H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, 180–184. C. Fraenkel, Chasdai Crescas. In: A. Kilcher (Hg.), Lexikon jüdischer Philosophen, 103–105. 40 H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, 189–198. M. Kriegel, Isaak Abravanel. In: A. Kilcher (Hg.), Lexikon jüdischer Philosophen, 114–116. 41 H. und M. Simon, Geschichte der jüdischen Philosophie, 200–204. 42 W.G. Lerch, Denker des Propheten, Düsseldorf 2000, 151–160. 43 W.G. Lerch, Denker des Propheten, 151–160. 44 W.G. Lerch, Denker des Propheten, 151–160.
6. Entwicklungen der Kulturen 1 2 3 4
F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 410–416. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 587–592. J. Guiral-Hadziiossif, Christen und Nichtchristen im Schoß der römischen Christenheit. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 840–844. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 587–590.
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38 39 40 41 42 43 44
259
J. Guiral-Hadziiossif, Christen und Nichtchristen, 840–847. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 410–416. J. Guiral-Hadziiossif, Christen und Nichtchristen, 848–856. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 67–80. J. Guiral-Hadziiossif, Christen und Nichtchristen, 856–858. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 60–81. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 71–87. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 399–410. F. Rapp, Die Juden in Deutschland am Ende des Mittelalters. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 859–862. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 569–575. F. Rapp, Die Juden in Deutschland, 859–864. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 36–44. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismis I, 44–48. F. Rapp, Die Juden in Deutschland, 860–864. F. Rapp, Die Juden in Deutschland, 866–868. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 48–68. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 71–87. F. Rapp, Die Juden in Deutschland, 866–869. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 71–88. L. Poliakov, Geschichte des Antisemitismus I, 69–73. A.R. Myers, Europa im 14. Jahrhundert, 587–590. Erasmus von Rotterdam, De pueris statim deliberaliter instituendis, Amsterdam 1969, 32–40. H. de Lubac, Pico della Mirandola, Paris 1979, 57–70. P. Walter, Humanismus. In: LThK V, Freiburg 2007, 319–323. A. Buck, Humanismus, Freiburg 1987, 85–98. A. Godin, Humanismus und Christentum. In: M. Venard (Hg.), Die Geschichte des Christentums VII, Freiburg 1995, 612–617. A. Buck, Humanismus, 56–71. R.W. Southers, Scholastic Humanism and the unification of Europe I, Oxford 1995, 69–82. A. Godin, Humanismus und Christentum, 628–642. R.W. Southers, Scholastic Humanism, 89–110. R.W. Southers, Scholastic Humanism, 111–128. A. Buch, Humanismus, 117–134. A. Godin, Humanismus und Christentum, 660–671. R.W. Southers, Scholastic Humanism, 68–82. E. Kessler, Renaissance. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1099–1102. M. Venard, Das Europa der Renaissance. In: Ders. (Hg.), Die Geschichte des Christentums VII, Freiburg 1995, 497–502. A. Buck, Humanismus, 84–98. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, Freiburg 1985, 66–80. Ders., Die Kunst der italienischen Renaissance, Köln 1994, 112–129. D. Rigaux, Die Blüte der Künste im christlichen Westen. In: M. Venard (Hg.), Die Geschichte des Christentums VII, Freiburg 1995, 476–480. A. Buck, Humanismus, 78–91. E. Garin, Die Kultur der Renaissance. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte VI, Berlin 1985, 429–480. R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen und Eroberungen. In: G. Mann/A. Nitschke (Hg.), Propyläen Weltgeschichte VI, Berlin 1985, 535–558. R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 540–570. G.E. Nunn, Geographical conceptions of Columbus, New York 1992, 124–140. A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen. In: M. Venard (Hg.), Die Geschichte des Christentums VII, Berlin 1995, 520–538. R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 544–560. A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen, 521–524. R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 563–580. A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen, 521–533. P. Downes, Marco Polo. In: LThK VI, Freiburg 2007, 1308. R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 565–589. A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen, 555–563.
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Anmerkungen
45 R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 576–594. 46 A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen, 580–588. F. Wilfried, Indien. In: LThK V, Freiburg 2007, 451–468. 47 R. Konetzka, Überseeische Entdeckungen, 599–620. 48 A. Milhou, Entdeckungen und Christianisierung der Fernen, 580–600. J. Meier, Columbus. In: LThK II, Freiburg 2007, 1269. 49 P. Hünermann, Jesus Christus, Münster 1994, 128–144. Papst Innozenz III., Vergentis ingenium, Rom 1199. 50 A. Labisch, Medizin. In: LThK VII, Freiburg 2007, 53–58. 51 E. Ackerknecht, Kurze Geschichte der Medizin, Stuttgart 1967, 80–85. K.P. Jankrift, Die großen Ärzte im Porträt, Wiesbaden 2007, 28–32. 52 E. Ackerknecht, Kurze Geschichte der Medizin, 80–85. 53 P. Jankrift, Die großen Ärzte im Porträt, 60–65. Ders., Kräfte zwischen Himmel und Erde, Münster 2003, 23–45. 54 H. Schott (Hg.), Meilensteine der Medizin, Dortmund 1996, 96–112. E. Ackerknecht, Kurze Geschichte der Medizin, 85–89. K.P. Jankrift, Die großen Ärzte im Porträt, 64–70. 55 E. Ackerknecht, Kleine Geschichte der Medizin, 85–89. K.P. Jankrift, Die großen Ärzte im Porträt, 64–70. 56 J. Fried, Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken und Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter, München 2001, 78–97. A. Fidora/M. Lutz-Beckmann, Erfahrung und Beweis. Die Wissenschaften von der Natur im 13. und 14. Jahrhundert, Berlin 2007, 23–45. 57 D. Olip, Gelehrte an der Grenze zwischen Magie und Wissenschaft. Philosophische Diplomarbeit an der Universität Graz 2005, 19–37. 58 W.G. Lerch, Denker des Propheten, 59–64. 59 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, Wiesbaden 2007, 44–48. 60 R. Schenk, Robert Grosseteste. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1219–1220. 61 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, 50–52. 62 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, 50–52. 63 H. Möhle, Roger Bacon. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1233f. 64 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, 52–54. 65 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, 54–56. 66 G. Krieger, Johannes Buridanus. In: LThK V, Freiburg 2007, 886. 67 F. Krafft, Die wichtigsten Naturwissenschaftler im Porträt, 50–57. G. Krieger, Johannes Buridanus, 886. R. Imbach, Nikolaus von Oresme. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 860f. 68 F. Krafft, Die bedeutendsten Astronomen, Wiesbaden 2007, 56–61. 69 F. Krafft, Die bedeutendsten Astronomen, 62–66. 70 S. Fröbe/A. Wassermann, Die bedeutendsten Mathematiker, Wiesbaden 2007, 31–33.
7. Die Byzantinische Lebenswelt 1 2 3 4 5 6 7 8
Th. Bremer, Orthodoxe Kirchen. In: LThK VII, Freiburg 2007, 1144–1148. H.D. Döpmann, Die orthodoxen Kirchen, Berlin 1991, 84–102. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, Graz 2002, 13–32. E. Patlagean, Die griechische Christenheit. In: A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums V, Freiburg 1994, 717–730. H.D. Döpmann, Die orthodoxen Kirchen, 117–129. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 34–49. E. Patlagean, Die griechische Christenheit, 740–744. H.D. Döpmann, Die orthodoxen Kirchen, 44–59. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 34–56. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 50–64. M. Mollat du Jourdin, Das zweite Konzil in Lyon. In: Ders./A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 1–13. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 422–430.
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261
M.H. Congourdeau, Die Byzantinische Kirche von 1274 bis 1453. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 133–145. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 422–429. M.H. Congourdeau, Die Byzantinische Kirche, 160–166. H.D. Döpmann, Die orthodoxen Kirchen, 122–135. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 56–78. M.H. Congourdeau, Die Byzantinische Kirche, 184–204. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 19–33. J. Richard, Die anderen orientalischen Kirchen. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg,), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 204–238. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 422–430. J. Kloczowski, Die byzantinisch-slawische Christenheit. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 247–254. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 19–33. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 14–37. F. Merzbacher, Europa im 15. Jahrhundert, 422–430. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit der türkischen Herrschaft. In: M. Venard (Hg.), Die Geschichte des Christentums VII, Freiburg 1995, 6–13. Dukas, Historia Turco-Bizantina, Bukarest 1958, 5–7. J. Matuz, Das osmanische Reich, Darmstadt 1985, 86–101. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 10–17. Dukas, Historia Turco-Bizantina, 31, 271. J. Matuz, Das osmanische Reich, 37–49. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 22–25. H.D. Döpmann, Die orthodoxen Kirchen, 133–149. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 23–45. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 24–30. Johannes Kantakuzenos, Historia IV, 14; II, 28. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 28–33. J. Matuz, Das osmanische Reich, 133–151. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 35–41. J. Matuz, Das osmanische Reich, 133–154. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 40–45. J. Matuz, Das osmanische Reich, 132–155. A. Kallis, Orthodoxie, Mainz 1989, 124–144. G. Larentzakis, Die orthodoxe Kirche, 25–36. A. Ducellier. Die Orthodoxie in der Frühzeit, 48–52. H.H. Nolte, Kleine Geschichte Russlands, Stuttgart 1998, 65–78. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 50–58. W.K. Medlin, Moscow and East Rome, Genf 1987, 78–99. W.K. Medlin, Moscow and East Rome, 95–112. H.H. Nolte, Kleine Geschichte Russlands, 68–88. R. Piper, Russia and the Old Regime, London 1974, 226–230. W.K. Medlin, Moscow and East Rome, 98–110. A. Ducellier, Die Orthodoxie in der Frühzeit, 69–65.
8. Verfolgung der Häretiker und Hexen 1 2 3 4 5 6 7 8
L. Vones, Inquisition. In: LThK V, Freiburg 2007, 527–532. A. Grabner-Haider/P. Strasser, Hitlers mythische Religion, Wien 2008, 241–263. P. Mikat, Inquisition. In: LThK V, Freiburg 1967, 699–702. A. Grabner-Haider/K. Weinke (Hg.), Fanatismus und Massenwahn, Graz 1987, 35–49. M.D. Lambert, Ketzerei im Mittelalter, München 1981, 64–78. A. Vauchez, Protest- und Häresiebewegungen in der römischen Kirche. In: M. Mollat du Jourdin/A. Vauchez (Hg.), Die Geschichte des Christentums VI, Freiburg 1991, 315–320. Innozenz VIII, Summis desiderantes. In: C. Mirbt (Hg.), Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus I, Tübingen 1967, 492–494. Innozenz VIII, Summis desiderantes, 492–494.
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262 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
Anmerkungen
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9. Literatur und Dichtkunst 1 2
O. Knoch/K. Scholtissek, Bibelübersetzungen. In: LThK II, Freiburg 2007, 388–396. E. Seebald, Die kontinentalgermanischen Sprachen und Literaturen. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 221–248. 3 Erec, 1590–1600. 4 Tristan, 10.885–10.895. E. Seebald, Die kontinentalgermanischen Sprachen, 232–235. 5 Parzifal, 130,3–25. 6 Trojanischer Krieg 20.210–20.233. 7 E. Seebald, Die kontinentalgermanischen Sprachen, 234–237. 8 P. Johanek, Sachsenspiegel. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1418f. 9 E. Seebald, Die kontinentalgermanischen Sprachen, 236–241. 10 R. Krohn, Literaturbetrieb im Mittelalter. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 199–220.
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Anmerkungen
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11 H. Kolb, Mittelalterliche Heldendichtung. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 450–457. 12 R. Krohn, Literaturbetrieb im Mittelalter, 200–220. 13 W. Schulze, Didaktische Aspekte in der deutschen Literatur des Mittelalters. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 476–482. 14 B. Lundt, Europas Aufbruch in die Neuzeit, Darmstadt 2009, 48–50. 15 D. Mieth, Mystik. In: LThK VII, Freiburg 2007, 586–592. 16 H. Gillmeister, Sprache und Literatur im mittelalterlichen England. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 243–253. 17 H. Gillmeister, Sprache und Literatur im mittelalterlichen England, 246–257. D. Bradley, England. In: LThK III, Freiburg 2006, 661–672. 18 D. Bradley, England. In: LThK III, Freiburg 2006, 665–670. H. Gillmeister, Sprache und Literatur im mittelalterlichen England, 254–258. 19 H. Gillmeister, Sprache und Literatur im mittelalterlichen England, 256–260. 20 H. Gillmeister, Sprache und Literatur im mittelalterlichen England, 260–263. 21 C. Uhlig, Dichtung und Prosa in England. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur III, Berlin 1988, 260–265. 22 P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen und Literaturen. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 290–296. 23 P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 295–299. 24 Y.M. Weber, Skandinavien. In: LThK IX, Freiburg 2006, 650–653. P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 294–299. 25 P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 298–303. 26 Y.M. Weber, Skandinavien. In: LThK IX, Freiburg 2006, 650–653. P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 300–307. 27 P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 303–306. 28 P. Meulengracht-Sorensen, Die skandinavischen Sprachen, 306–309. 29 A. Vitale-Brovarone, Die romanischen Sprachen und Literaturen. In. E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 350–356. 30 A. Vitale-Brovarone, Die romanischen Sprachen, 355–360. 31 A. Vitale-Brovarone, Die romanischen Sprachen, 350–360. 32 M. Roddewig, Dante Alighieri. In: LThK III, Freiburg 2007, 20–22. 33 A. Vitale-Brovarone, Die romanischen Sprachen, 360–364. 34 B. König. Boccaccio. In: LThK II, Freiburg 2007, 543. 35 A. Vitale-Brovarone, Die romanischen Sprachen, 360–365. 36 V. Cantarino, Zivilisation und Kultur der Araber in Spanien. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 366–387. 37 A. Traub, Geistliches Spiel. In: LThK IV, Freiburg 2007, 399f. W. Tydeman, The theatre in the Middle Age, Oxford 1987, 92–102. 38 H. Zielske, Die Entwicklung des geistlichen und weltlichen Dramas und Theaters im Mittelalter. In: E. Wischer (Hg.), Propyläen Geschichte der Literatur II, Berlin 1988, 414–426. 39 W. Tydeman, The theatre in the Middle Age, 98–112. 40 H. Zielske, Die Entwicklung des geistlichen und weltlichen Dramas, 430–438. 41 A. Traub, Geistliches Spiel, 399f. H. Zielske, Die Entwicklung des geistlichen und weltlichen Dramas, 436–440. 42 W. Tydeman, The theatre in the Middle Age, 122–134. 43 H. Zielske, Die Entwicklung des geistlichen und weltlichen Dramas, 438–443. 44 A. Traub, Geistliches Spiel, 399f. 45 A. Traub, Geistliches Spiel, 400f. 46 H. Zielske, Die Entwicklung des geistlichen und weltlichen Dramas, 440–444.
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10. Baukunst und Malerei 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
H. Jantzen, Kunst der Gotik. Reinbek 1967, 44–59. M. Raspe, Gotik. In: LThK IV, Freiburg 2007, 848–852. N. Nußbaumer, Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik, Köln 1985, 124–145. H. Jantzen, Kunst der Gotik, 78–92. O. von Simson, Die gotische Kathedrale, Darmstadt 1982, 134–156. W. Sauerländer, Gotische Skulptur in Frankreich, München 1970, 35–50. D. Kimpel/R. Suckal, Die gotische Architektur in Frankreich, München 1985, 139–147. W. Sauerländer, Gotische Skulptur in Frankreich, 29–45. N. Nußbaumer, Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik, 68–82. M. Raspe, Gotik, 849–853. M. Raspe, Gotik, 848–852. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt IV, Genf 1979, 27–68. H. Jantzen, Kunst der Gotik, 134–156. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt IV, 63–102. H. Jantzen, Kunst der Gotik, 44–59. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt IV, 105–125. H. Jantzen, Kunst der Gotik, 69–87. O. von Simson, Die gotische Kathedrale, 134–154. N. Nußbaumer, Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik, 118–132. W. Sauerländer, Gotische Skulpturen in Frankreich, 88–110. M. Liebmann, Die deutsche Plastik, Leipzig 1982, 79–89. M. Baxandall. Die Kunst der Bildschnitzer, München 1984, 134–149. M. Baxandall, Die Kunst der Bildschnitzer, 89–112. M. Raspe, Gotik, 848–852. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt IV, 157–169. St. Kummer, Renaissance: Kunstgeschichte. In: LThK VIII, Freiburg 2007, 1102–1105. L. Bellosi, Giotto. Das malerische Gesamtwerk, Königstein 1981, 68–81. J. Poeschke, Die Kirche San Francesco in Assisi, München 1985, 88–112. M. Woelk, Giotto di Bandone. In: LThK IV, Freiburg 2007, 655f. J. Pijoan (Hg,), Arte Kunstgeschichte der Welt VI, Genf 1979, 9–11. St. Kummer, Renaissance: Kunstgeschichte, 1102–1104. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, Freiburg 1985, 67–87. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt VI, 15–26. J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt VI, 39–52. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 29–44. St. Kummer, Renaissance: Kunstgeschichte, 1102ff. M. Wundram, Früh-Renaissance, BadenBaden 1975, 88–103. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 78–92. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 56–78. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 129–144. St. Kummer, Renaissance: Kunstgeschichte, 1102ff. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 56–70. C. Caneva, Botticelli, Florenz 1990, 38–56. B. Jestaz, Die Kunst der Renaissance, 45–56. H. Trottmann, Botticelli. In: LThK II, Freiburg 2007, 614. L. Berti, Botticelli. In: J. Pijoan (Hg.), Arte Kunstgeschichte der Welt VI, 111–124. C. Caneva, Botticelli, 45–60. L. Berti, Botticelli, 122–142. A. Grabner-Haider, Das Laienchristentum, 129–144. A. Grabner-Haider, Das Laienchristentum, 65–75.
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11. Jüdische Kultur (Johann Maier) 1
2 3 4
5 6
7 8 9
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16 17 18
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Anmerkungen
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Anmerkungen
69 C. Damiano Fonseca/M. Luzzati/G. Tamani/C. Colafemmina/R. Bonfil (Hg.), L’Ebraismo dell’Italia Meridionale Peninsulare dalle origini al 1541, Galatina 1996. 70 S. Simonsohn, Between Scylla and Charybdis. The Jews in Sicily, Leiden 2011. 71 J. Starr, The Jews in the Byzantine Empire, Athen 1939. J. Starr, Romania. The Jews of the Levant after the fourth crusade, Paris 1949. A. Sharf, Jews and Other Minorities in Byzantium, Ramat Gan 1995. 72 J. Holo, Jewish sources. A bibliography. In: M. Whitby (Hg.), Byzantines and Crusaders in nonGreek Sources, 1025–1204, Oxford 2007, 370–382. 73 F. Lelli, Rapporti letterari tra comunitá ebraiche dell´impero bizantino e dell´Italia meridionale: studi e ricerche, Materia giudaica 9, 1–2, 2004, 217–230. St. D. Benin, Jews, Muslims, and Christians in Byzantine Italy. In: B.H. Hary/J.L. Hayes/F. Astren (Hg.), Judaism and Islam. Boundaries, Communication and Interaction. Essays in Honor of William M. Brinner, Leiden 2000, 27–35. 74 T. Kushner, Anglo-Jewry since 1066: place, locality and memory, Manchester 2009. 75 Y. Barzel, Confiscation by the Ruler. The Rise and Fall of Jewish Money Lending in the Middle Ages, Journal of Law and Economics 35, 1992, 1–13. 76 G. Dahan (Hg.), L'expulsion des Juifs de France 1394, Paris 2004. 77 C. Cluse, Studien zur Geschichte der Juden in den mittelalterlichen Niederlanden, Hannover 2000. 78 A. Holtmann, Juden in der Grafschaft Burgund im Mittelalter, Hannover 2003. 79 G. Bondy/F. Dworsky, Zur Geschichte der Juden in Böhmen, Mähren und Schlesien von 906 bis 1620, I–II, Prag 1906. 80 Germania Judaica, I, Breslau 1929/Tübingen 21963. II, Tübingen 1968. A. Haverkamp u. a. (Hg.), Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Stuttgart 1981. A. Haverkamp/F.-J. Ziwes (Hg.), Juden in der christlichen Umwelt während des späten Mittelalters, Berlin 1992 [29–39: M. Toch, Siedlungsstruktur der Juden Mitteleuropas im Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit. 41–57: F. Burgard, Zur Migration der Juden im westlichen Reichsgebiet im Spätmittelalter. 59–102: I.J. Yuval, Juden, Hussiten und Deutsche. Nach einer hebräischen Chronik.]. K.R. Stow, Alienated Minority: The Jews of Medieval Latin Europa, Cambridge, MA 1992. A. Haverkamp (Hg.), Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen, I–III, Hannover 2002. M. Toch, Die Juden im mittelalterlichen Reich, Oldenburg 2003. J. Elukin, European Jews in the Middle Ages, Princeton 2003. A. Haverkamp Alfred/I. Yuval Israel (Hg.), Jüdische Gemeinden und ihr christlicher Kontext in kulturräumlich vergleichender Betrachtung von der Spätantike bis zum 18. Jahrhundert, Hannover 2003. R. Chazan, Fashioning Jewish Identity in Medieval Western Christendom, Cambridge/New York 2004. C. Cluse (Hg.), Europas Juden im Mittelalter. Handel, Handwerk, Religiosität, Trier 2004. A. Haverkamp (Hg.), Europas Juden im Mittelalter, Ostfildern-Ruit 2004. 81 I.J. Yuval , Juristen, Ärzte und Rabbiner: Zum typologischen Vergleich intellektueller Berufsgruppen im Spätmittelalter. In: J. Carlebach (Hg.), Das aschkenasische Rabbinat. Studien über Glaube und Schicksal, Berlin 1995, 133–140. 82 E. Zimmer, Harmony and Discord. An Analysis of the Decline of Jewish Self-Government in 15th Century Central Europe, New York 1971. ̣ akamîm be83 Y. Dinari, H ̣akmê `aškenaz be-šalhê jemê ha-bênajîm, Jerusalem 1983/4. I.J. Yuval, H dôram, Jerusalem 1998/9. 84 K. Müller, Die Würzburger Judengemeinde im Mittelalter. Von den Anfängen um 1000 bis zum Tod Julius Echters (1617), Würzburg 2004. 85 R. Po-Chia Hsia/H. Lehmann (Hg.), In and Out of the Ghetto. Jewish-Gentile Relations in Late Medieval and Early Modern Germany, Cambridge 1995. 86 A. Haverkamp, Die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes im Gesellschaftsgefüge deutscher Städte. In: A. Haverkamp u.a., Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Stuttgart 1981, 27–93. In: Ders., Verfassung, Kultur, Lebensform: Beiträge zur italienischen, deutschen und jüdischen Geschichte im europäischen Mittelalter, Hg. F. Burgard u.a., Mainz 1997, 223–297.
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Anmerkungen
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87 A. Hanslok, Die landesherrliche und kommunale Judenschutzpolitik während des späten Mittelalters im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Ein Vergleich der Entwicklungen am Beispiel schlesischer, brandenburgischer und rheinischer Städte, Berlin 2000. 88 M.J. Wenninger, Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert, Wien/Köln 1981. G. Mentgen, Die Judenvertreibungen im mittelalterlichen Reich. Ein Forschungsbericht, Aschkenas 16, 2006, 367–403. F. Burgard/A. Haverkamp/G. Mentgen (Hg.), Judenvertreibungen in Mittelalter und früher Neuzeit, Hannover 1999. 89 A. Haverkamp, Lebensbedingungen der Juden im spätmittelalterlichen Deutschland. In: D. Blasius/D. Diner (Hg.), Zerbrochene Geschichte, Frankfurt 1991, 11–31. D. Ph. Bell, Sacred Communities. Jewish and Christian Identities in Fifteenth Centurys Germany, Boston/Leiden 2001. 90 A. Haverkamp (Hg.), Gemeinden, Gemeinschaften und Kommunikationsformen im hohen und späten Mittelalter, Trier 2002. J.R. Müller (Hg.), Beziehungsnetze aschkenasischer Juden während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Hannover 2008. 91 P. Johanek (Hg.), Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, Wien/Köln/ Leipzig 1994. 92 P. Bell/D. Suckow/G. Wolf (Hg.), Fremde in der Stadt. Ordnungen, Repräsentationen und soziale Praktiken (13.–15. Jahrhundert), Frankfurt 2010. 93 C. Cluse, Stadt und Judengemeinde in Regensburg im späten Mittelalter: das "Judengericht" und sein Ende. In: C. Cluse/A. Haverkamp/I.J. Yuval, Jüdische Gemeinden und ihr christlicher Kontext in kulturräumlich vergleichender Betrachtung, von der Spätantike bis zum 18. Jahrhundert, Hannover 2003, 365–386. A. Schmid, Die Judenpolitik der Reichsstadt Regensburg im Jahre 1349, Udim 9–10, 1979–1980, 123–144. M. Toch, "Umb gemeyns nutz und nottdurfft willen".Obrigkeitliches und jurisdiktionelles Denken bei der Austreibung der Nürnberger Juden 1498/99, Zeitschrift für Historische Forschung 11, 1984, 1–21. H. Merz, Zur Geschichte der mittelalterlichen Jüdischen Gemeinde in Rothenburg ob der Tauber. Rabbi Meir ben Baruch von Rothenburg zum Gedenken, Rothenburg 1993. G. Bönnen, Jüdische Gemeinde und christliche Stadtgemeinde im spätmittelalterlichen Worms. In: C. Cluse u.a., a.a.O., 309–340. 94 H. Veitshans, Die Judensiedlungen der schwäbischen Reichsstädte und der württembergischen Landesstädte im Mittelalter, Stuttgart 1970. A. Haverkamp, The Jewish Quarter in German Towns during the later Middle Ages. In: a. a. O., 13–28. D. Schmid, Das Regensburger Judenviertel. Topographie und Geschichte im Licht der jüngsten Ausgrabungen. In: F. Mayrhofer/F. Opl, Juden in der Stadt, Linz 1999, 167–198. 95 M. Herzog u.a. (Hg.), Language and Culture Atlas of Ashkenazic Jewry, Tübingen I. Historical and Theoretical Foundations, 1992, II. Research Tools, 1995. 96 J. Macháček, The Rise of Medieval Towns and States in East Central Europe. Early Medieval Centres as Social and Economic Systems, Leiden 2010. 97 J. Goldberg, Jewish Privileges in the Polish Commonwealth. Charters of Rights granted to Jewish communities in Poland-Lithuania in the sixteenth to eighteenth centuries, Jerusalem 1985. J. Heyde, Jüdische Siedlung und Gemeindebildung im mittelalterlichen Polen. In: C. Cluse u.a. (Anm. 92), 249–266. 98 Y. Peri, Peraqîm be-tôledôt ha-jehûdîm be-Hûngarijah bi-jmê ha-bênajîm, Tel Aviv 1992. 99 E. Edson/E. Savage-Smith/D. von den Brincken, Der mittelalterliche Kosmos, Darmstadt 2005. 100 B. Lang Himmel und Hölle. Jenseitsglaube von der Antike bis heute, München 2003. 101 D. Schwartz, Astral Magic in Medieval Jewish Thought, Ramat Gan 1999. 102 G. Bohak/Y. Harari/Sh. Shaked (Hg.), Continuity and Innovation in the Magical Tradition, Leiden 2011. J. Trachtenberg, Jewish Magic and Superstition, New York 21970. 103 Vgl. z. B. auch die magische Verwendung von Psalmen bzw. Psalmversen. Siehe: B. Rebiger Die magische Verwendung von Psalmen im Judentum. In: E. Zenger, Ritual und Poesie; Formen und Orte religiöser Dichtung im Alten Orient, im Judentum und im Christentum, Freiburg 2003, 265–281. Ders., Sefer Shimmush Tehillim, Tübingen 2010. 104 M. Idel, Saturn, Schabbat, Zauberei und die Juden. In: Grafton Anthony/Idel Moshe (Hg.), Der Magus; seine Ursprünge und seine Geschichte in verschiedenen Kulturen, Berlin 2001, 209–249.
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Anmerkungen
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Anmerkungen
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Anmerkungen
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Anmerkungen
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Anmerkungen
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12. Islamische Kulturgeschichte (Karl Prenner) 1 2
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10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
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Anmerkungen
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25 Vgl. W. Baum, Zeitalter der Mongolen (13. bis 14. Jahrhundert). In: W. Baum/D.W. Winkler, Die Apostolische Kirche des Ostens. Geschichte der sogenannten Nestorianer, Klagenfurt 2000, 77ff. 26 Vgl. W. Baum, Zeitalter der Mongolen, 77ff. 27 Vgl. B. Spuler, Geschichte der Mongolen, 179. 28 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 269. 29 Vgl. T.O. Höllmann, Die Seidenstraße, München 2004, 20ff. 30 G. Hambly, Das Mongolenreich auf dem Gipfel seiner Macht, 123. 31 K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 54. 32 K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 67. 33 K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 68. 34 K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 72–74. 35 G. Hambly, Das Mongolenreich auf dem Gipfel seiner Macht, 126. 36 S. Blair/J. Bloom, Geschichte der Erben Dschingis Khans. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 388. 37 S. Blair/J. Bloom, Architektur. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 396. 38 K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 64–65. 39 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 291. 40 G. Hambly, Die Schaibaniden, 183. 41 Vgl. G. Hambly, Die Schaibaniden, 182f. 42 A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, München 1995, 580–81. 43 S. Chmelnizkij, Timuridische Architektur in Mittelasien. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 416. 44 S. Chmelnizkij, Timuridische Architektur in Mittelasien, 416. 45 S. Chmelnizkij, Timuridische Architektur in Mittelasien, 422. 46 S. Chmelnizkij, Timuridische Architektur in Mittelasien, 423. 47 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 302. 48 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 302. 49 U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 205ff. 50 U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 211. 51 U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 213. 52 V. Meinecke-Berg, Kairo – Das neue Gesicht einer Hauptstadt, 185–186. 53 J. Gonella, Architektur, Aleppo. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln, 178. 54 V. Meinecke-Berg, Kairo – Das neue Gesicht einer Hauptstadt, 191. 55 V. Meinecke-Berg, Kairo – Das neue Gesicht einer Hauptstadt, 194. 56 Vgl. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 206f. 57 Ibn Sab´in, Die Sizilianischen Fragen, Arabisch/Deutsch, übersetzt und eingeleitet von A. Akasoy, Freiburg/Basel/Wien 2005. 58 Vgl. Ibn Sab´in, Die Sizilianischen Fragen, 9. 59 Vgl. Ibn Sab´in, Die Sizilianischen Fragen, 10f. 60 Ibn Sab´in, Die Sizilianischen Fragen, 23f. 61 Klaus van Eickels, Friedrich II. – Herrscher zwischen den Kulturen? In: M. Fansa/K. Ermete (Hg.), Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraumes, Mainz 2007, 73. 62 Klaus van Eickels, Friedrich II., 75. 63 Klaus van Eickels, Friedrich II., 75. 64 Klaus van Eickels, Friedrich II., 75. 65 S. Leder, Der Kaiser als Freund der Muslime. In: M. Fansa und K. Ermete (Hg.), Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraumes, Mainz 2007, 90. 66 U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 239. 67 U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 224. 68 J.-R.Keßler, Die Welt der Mamluken. Ägypten im späten Mittelalter 1250–1517, Berlin 2004, 37. 69 J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 15.
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Anmerkungen
Vgl. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 227. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 55. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 245. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 245. Vgl. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 81. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 104. B. Brentjes, Die Araber, 1. Teil: Geschichte und Kultur, Wien/München 21977, 213. Vgl. B. Brentjes, Die Araber, 213. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 202. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 151. Vgl. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 193. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 253–54. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 255. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 155. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 156. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 161. V. Meinecke-Berg, Kairo – Das neue Gesicht einer Hauptstadt, 194. Vgl. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 172. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 241. Vgl. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 183ff. J.-R. Keßler, Die Welt der Mamluken, 186. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 306. P. Bertaux, Afrika. Von der Vorgeschichte bis zu den Staaten der Gegenwart, Frankfurt 1995, 58. Vgl. P. Bertaux, Afrika, 58–59. P. Bertaux, Afrika, 75. M. Hattstein, Geschichte des Maghreb von den Berberdynastien bis zur französischen Intervention. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 300. Vgl. N. Kubisch, Architektur: Moscheen und Medresen der Meriniden von Fes. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 311. N. Kubisch, Architektur, 312. N. Kubisch, Architektur, 313. Vgl. U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 317ff. Vgl. H. u. A. Stierlin, Alhambra. Aus dem Französischen von I. Hacker-Klier, München 1993, 95ff. Vgl. H. u. A. Stierlin, Alhambra, 101ff. H. u. A. Stierlin, Alhambra, 102. H. u. A. Stierlin, Alhambra, 108. H. u. A. Stierlin, Alhambra, 112. Vgl. C. Brockelmann, Geschichte der Arabischen Literatur, Zweiter Supplementband, Leiden 1938, 1–380 (Von der Mongolenherrschaft bis zur Eroberung Ägyptens durch Sultan Selim i.J. 1517). al-Qazwini, Die Wunder des Himmels und der Erde. Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von A. Giese, Darmstadt 1986, 9. K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 67. K. Kollmar-Paulenz, Die Mongolen, 65. B. Rill, Sizilien im Mittelalter: das Reich der Araber, Normannen und Staufer, Stuttgart 1995, 219f. Ibn Challikan, Die Söhne der Zeit. Auszüge aus dem biographischen Lexikon „Die Großen, die dahingegangen“. Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von H. Fähndrich, Stuttgart 1984, 15. T. Ramadan, Radikale Reform. Die Botschaft des Islam für die moderne Gesellschaft, München 2009, 99. Vgl. L. Rogler, maqasid al-scharia als religiöses Reformkonzept. In: inamo 57 (2009), 22f. Ibn Khaldun, Buch der Beispiele. Die Einführung – al-Muqaddima, Leipzig 1992, 30–31. Vgl. B. Radtke, Weltgeschichte und Weltbeschreibung im mittelalterlichen Islam, Beirut 1992, 2ff.
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Anmerkungen
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115 A. Irabi, Arabische Soziologie: Studien zur Geschichte und Gesellschaft des Islam, Darmstadt 1989, 45. 116 A. Irabi, Arabische Soziologie, 61. 117 W. Walther, Kleine Geschichte der arabischen Literatur, München 2004, 186. 118 Ibn Battuta, Die Wunder des Morgenlandes. Reisen durch Afrika und Asien. Nach der arabischen Ausgabe von Muhammad al-Bailuni ins Deutsche übertragen, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von R. Elger, München 2010, 218. 119 Ibn Chaldun, Bd. I, S. 369f; zit. nach Ibn Battuta, Die Wunder des Morgenlandes, 219. 120 Ibn Battuta, Die Wunder des Morgenlandes, 220. 121 C.E. Bosworth, Al-Kalkashandi. In: EI2 IV, 1978, 509ff. 122 Ibn ´Arabi, Urwolke und Welt. Mystische Texte des Größten Meisters. Aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von A. Giese, München 2002, 19. Vgl. S. Hirtenstein, Der grenzenlos Barmherzige. Das spirituelle Leben und Denken des Ibn Arabi, Zürich 1999. 123 Ibn ´Arabi, Urwolke und Welt, 32. 124 Vgl. R. Nicholson, Tarjuman al-Ashwaq, Text und Übersetzung, London 1978. 125 Vgl. Ibn Arabi, Les Illuminations de La Mecque. The Meccan Illuminations. Textes choisis/Selected Texts, Paris 1988. 126 Vgl. Ibn Al-Arabi, Die Weisheit der Propheten, übersetzt v. H. Kofler, Graz 1986. 127 F. Rahmati, Der Mensch als Spiegelbild Gottes in der Mystik Ibn ´Arabis, Wiesbaden 2007, 19, 29f. 128 F. Rahmati, Der Mensch als Spiegel Gottes, 22. 129 F. Rahmati, Der Mensch als Spiegelbild Gottes, 22. 130 Ibn ´Arabi, Urwolke und Welt, 39–40. 131 Vgl. J.C. Bürgel, Allmacht und Mächtigkeit. Religion und Welt im Islam, München 1991, 16. 132 Ibn ´Arabi, Urwolke und Welt, 48. 133 Vgl. A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, 354. 134 U. Topper, Sufis und Heilige im Maghreb, München 1991, 59. 135 A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, 353. 136 Vgl. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, Leipzig 1959, 215. 137 Vgl. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 214. 138 Vgl. A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, 424ff. 139 B.M. Weischer, Die nächtlichen Gespräche des Fariduddin ´Attar, München 1981, 21. 140 Vgl. F. Attar, Vogelgespräche, Bern 1988, 119. 141 B.M. Weischer, Die nächtlichen Gespräche, 32. 142 B.M. Weischer, Die nächtlichen Gespräche, 32. 143 Rumi Dschalaluddin, Gedichte aus dem Diwan. Ausgewählt, aus dem Persischen übertragen und erläutert von J.C. Bürgel, München 2003, 9. 144 R.A. Nicholson (Hg.), The Mathnawi of Jalalu´ddin Rumi, Bde. I–VI, Reprinted, Cambridge 1980. Vgl. A. Schimmel, Mystische Diemensionen des Islam, 450f. 145 Rumi Dschelaladdin, Aus dem Diwan. Aus dem Persischen übertragen und eingeleitet von A. Schimmel, Stuttgart 1978, 9. 146 Vgl. A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, 455f. 147 Rumi Dschalaluddin, Gedichte aus dem Diwan, 25. 148 A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, 458. 149 A. Schimmel, Rumi. Ich bin Wind und du bis Feuer, Köln 41984, 203ff. 150 J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 243. 151 J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 245. 152 Saadi, Aus dem Diwan. Aus dem Persischen übertragen von F. Rückert. Hg. A. Schimmel, Stuttgart 1971, 7. 153 Sheikh Saadi von Shirazi, Gulistan – Der Rosengarten. Aus dem Englischen von K. Göpel. Eingeleitet und aus dem Urtext übertragen von Sayed Omar Ali-Shah, Freiburg 1998, 7. 154 R. Gramlich, Die Gaben der Erkenntnisse des ´Umar as-Suhrawardi (´Awarif al-ma´arif). Übersetzt und eingeleitet, Wiesbaden1978, 10.
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Anmerkungen
A. Wieland-Karimi, Islamische Mystik in Afghanistan, Stuttgart 1998, 30. Vgl. A. Schimmel, Mystische Dimensionen, 516. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 265. J.C. Bürgel, Drei Hafis-Studien, Frankfurt 1975, 44. J.C. Bürgel, Drei Hafis-Studien, 52. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 263. A. Wieland-Karimi, Islamische Mystik in Afghanistan, 39. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 277. Vgl. A. Wieland-Karimi, Islamische Mystik in Afghanistan, 39. J. Rypka, Iranische Literaturgeschichte, 278. I. Goldziher, Aus der Theologie des Fachr al-Din al-Razi. In: Islam III (1912), 213–247. J. Kraus, Les „Controverses“ de Fakhr al-Din Razi. In: BIÉ, XIX (1937), 190. T. Nagel, Geschichte der islamischen Theologie, München 1994, 193. G. Endress, Der arabische Aristoteles und die Einheit der Wissenschaften im Islam. In: H. Balmer/ B. Glaus (Hg.), Die Blütezeit der Arabischen Wissenschaften, Zürich 1990, 31. M.W. Watt/M. Marmura, Der Islam II, 463. Vgl. M.W. Watt/M. Marmura, Der Islam II, 463ff. M.W. Watt/M. Marmura, Der Islam II, 464. Vgl. L. Berger, Islamische Theologie, Wien 2010, 107. T. Nagel, Islamische Theologie, 233. L. Berger, Islamische Theologie, 108–109. L. Berger, Islamische Theologie, 108. L. Berger, Islamische Theologie, 111. E. Geoffroy, Al-Suyuti. In: EI2 IX, 1997, 914. E. Geoffroy, Al-Suyuti. In: EI2 IX, 1997, 915. E. Geoffroy, Al-Suyuti. In: EI2 IX, 1997, 914–915. Abu Nasr Abdalwahhab b. Ali Tadsch ad-Din as-Subki, Über die moralischen Pflichten der verschiedenen islamischen Bevölkerungsklassen. Mit Kürzungen aus dem Arabischen übersetzt. In: O. Rescher, Gesammelte Werke, Abt. II, Schriften zur Adab-Literatur, Bd. 2, Osnabrück 1980, 693–850. W. Walther, Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 187. M.W. Watt/M. Marmura, Der Islam II, 473. Vgl. J. Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985. G. Endreß, Der Islam. Eine Einführung in seine Geschichte, München 31982, 155ff. Vgl. M. Gronke, Die mongolische Epoche, 310ff. Vgl. M. Gronke, Die mongolische Epoche, 311. H.G. Majer, Gesellschaftliche und religiöse Auswirkungen der Osmanenzeit in Südosteuropa. In: H.-D. Döpmann (Hg.), Religion und Gesellschaft in Südosteuropa, München 1997, 120. Vgl. S. Faroqhi, Kultur und Alltag im Osmanischen Reich, München 1995, 55ff. E.C. Suttner, Das religiöse Moment in seiner Bedeutung für Gesellschaft, Nationsbildung und Kultur Südosteuropas. In: H.-D. Döpmann (Hg.), Religion und Gesellschaft in Südosteuropa 1997, 31ff. E.C. Suttner, Das religiöse Moment, 32. H.G. Majer, Gesellschaftliche und religiöse Auswirkungen der Osmanenzeit in Südosteuropa, 125. E.C. Suttner, Das religiöse Moment, 32. E.C. Suttner, Das religiöse Moment, 33. Almut von Gladiß, Anfänge der osmanischen Architektur. In: M. Hattstein/P. Delius (Hg.), Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000, 545. Almut von Gladiß, Anfänge der osmanischen Architektur, 546. Die Futuwwa-Bünde sahen in Ali b. Abi Talib „ihre Ideale am vollständigsten verkörpert“ (U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, 163). Vgl. A.J. Dierl, Geschichte und Lehre des anatolischen Alevismus-Bektaqsismus, Frankfurt 1985. Vgl. S. Faroqhi, Kultur und Alltag im Osmanischen Reich, München 1995, 32ff.
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Anmerkungen
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198 Vgl. A.J. Dierl, Geschichte und Lehre des anatolischen Alevismus-Bektasismus 37ff. Vgl. M. Sökefeld (Hg.), Aleviten in Deutschland: Identitätsprozesse einer Religionsgemeinschaft in der Diaspora, Bielefeld 2008, 10ff. 199 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 314. 200 M. Hattstein, Geschichte der Safawiden und Qadjaren. In: Islam. Kunst und Architektur, hg. v. M. Hattstein und P. Delius, Köln 2000, 496. 201 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 315. 202 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 315. 203 Vgl. J. Matuz, Das Osmanische Reich, 79ff. 204 M. Gronke, Die mongolische Epoche, 316. 205 Vgl. Indien. Herausgegeben und verfasst von A.T. Embree und F. Wilhelm, Frankfurt 1993, 189ff. 206 A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 220. 207 A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 194. 208 A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 195. 209 A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 195. 210 A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 196. 211 Vgl. A.T. Embree/F. Wilhelm, Indien, 197. 212 Vgl. A. Wieland-Karimi, Islamische Mystik in Afghanistan, 25 213 Vgl. A. Wieland-Karimi, Islamische Mystik in Afghanistan, 27. 214 A. Schimmel, Der Islam im indischen Subkontinent, Darmstadt 1983, 12. 215 A. Schimmel, Der Islam im indischen Subkontinent, 16.
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Zeittabelle Politische Herrschaft im 13. Jahrhundert Kaiser Friedrich II. (1196–1250) – als König von Sizilien und von Jerusalem – Kreuzzug gegen die Moslems – Konflikte mit dem Papst – Ketzergesetze mit dem Papst – Neuorganisation des Reiches – Deutscher Orden in Preußen – Rechtsbuch des Liber Augustalis – Austausch mit der moslemischen Kultur – Medizinschule in Salerno – Reichslandfriede in lateinischer und deutscher Sprache – Amt des Reichshofrichters – Interregnum im Heiligen Römischen Reich (1250–1273) – Stärkung der Regionalfürsten – König Rudolf I. (1272–1291) – Sieg über König Ottokar II. von Böhmen – Absetzung des Königs Adolf von Nassau durch die Fürsten (1298) – Kreuzzug gegen Konstantinopel (1204) – Magna Charta Libertatum in England (1215)
Politische Herrschaft im 14. Jahrhundert Kaiser Ludwig IV., der Bayer (1314–1347) – Konflikte mit den Päpsten – Hofakademie in München – schützt Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua vor der Inquisition – Unabhängigkeit des Kaisers vom Papst (1338) – Landrechte und Reichsgesetze – Verbindung mit Frankreich – Kaiser Karl IV., der Luxemburger (1346–1378) – als König von Böhmen, Burgund und der Lombardei – Zeit der Pestepidemie (1347/1348) – „Goldene Bulle“ als neues Reichsgrundgesetz (1355) – Stärkung der Kurfürsten – Trennung des Reiches vom Einfluss der Päpste – Gründung der Universität Prag (1348) – König Wenzel (1378–1400) – Absetzung des Königs durch die Fürsten (1400) – Hundertjähriger Krieg zwischen Frankreich und England – König Karl VI. in Frankreich (1380–1422) – König Eduard III von England (1327–1377).
Politische Herrschaft im 15. Jahrhundert Deutscher König Ruprecht (1400–1410) – Kaiser Sigismund, der Luxemburger (1410–1437) – als König von Böhmen und der Lombardei – Kurwürde an die Hohenzollern in Brandenburg – Konzil von Konstanz – Städtebünde und Reichsritterschaft – Wettiner als Kurfürsten von Sachsen – Kriege gegen die Hussiten – König Albrecht II. (1438–1440) – Kaiser Friedrich III. von Habsburg (1440–1493) – Wiener Konkordat mit dem Papst (1448) – Bündnis mit dem Herzog von Burgund (1473) – Kaiser Maximilian I. (1493–1519) – König Karl VII. von Frankreich (1430–1461) – Sieg Frankreichs über England – Ludwig XI. von Frankreich (1461–1483) – Königsherr-
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Zeittabelle
schaft der York und der Lancester in England – Herrschaft der Tudor-Dynastie (ab 1485) – König Heinrich VII. (1485–1509) – Stärkung der Rechte des Parlaments.
Lehren und Herrschaft der Kleriker Papst Innozenz III. (1198–1216) – Herrschaftsanspruch über alle christlichen Könige – Protest gegen die Magna Charta Libertatum – Viertes Konzil im Lateran in Rom (1215) – Pflicht aller Könige und Fürsten zur Verfolgung der Ketzer – Aufruf zu mehreren Kreuzzügen gegen die Moslems – Kreuzzug gegen Konstantinopel (1204) - Errichtung des Lateinischen Kaiserreichs in Byzanz – Papst Gregor IX. (1227–1241) – schließt Verträge mit türkischem Sultan – Erstes Konzil von Lyon (1245) – Einigung mit Vertretern der Ostkirche – Aufruf zum Kreuzzug gegen die Moslems – Papst Bonifaz VIII. (1294–1303) – der Papst als Herrscher über alle Fürsten und Könige (Unam sanctam) – Jubiläum mit Ablass der Sündenstrafen in Rom (1300) – Clemens V. (1305–1314) – residiert durch Druck des Königs von Frankreich in Avignon – Abhängigkeit der Päpste von Frankreich – Ende des Exils in Avignon (1376) – mehrere Päpste und Gegenpäpste – Spaltung der römischen Kirche – Kriege zwischen römischen und französischen Päpsten – Konzil von Konstanz (1415) – Papst Martin V. gewählt (1417–1431) – Erstarken des monarchischen Papsttums gegen das Konzil der Bischöfe – Niedergang der Konziliaristen –Papst Pius II. (1458–1464) – Aufruf zum Kreuzzug gegen die Moslems – Papst Sixtus IV. (1471–1484) – Papst Alexander VI. als Renaissancefürst (1492–1502).
Lehren der Philosophen Moses ben Maimon (gest. 1204) – Verbreitung neuer Schriften des Aristoteles – Albert von Lauingen (gest. 1280) als Naturforscher – Thomas von Aquin (gest. 1274) als Metaphysiker – Bonaventura und Johannes Duns Scotus – Wilhelm von Ockham (gest. 1349) und der Nominalismus – Marsilius von Padua (gest. 1342) und die Rechte des Volkes – Meister Eckhart (gest. 1328) und die Mystik –Francesco Petrarca und Lorenzo da Valla als Humanisten – Marsiglio Ficino (gest. 1499) – Giovanni Pico della Mirandola (gest. 1494) und die Würde des Menschen – Nikolaus von Kues (gest. 1464) – Denker des Humanismus und der Renaissance – Gründung der Platonischen Akademie in Florenz – Humanistische Studien in Padua und Venedig.
Byzantinische Lebenswelt Kreuzzug der Lateiner gegen das Byzantinische Reich (1204) – Lateinisches Kaiserreich in Konstantinopel (1204–1261) –griechische Herrschaft in Trapezunt, Nikaia und Epeiros – Kaiser Michael VIII. Palaiologos vertreibt die Lateiner (1261) – Unionsverhandlungen mit der lateinischen Kirche in Lyon (1274) –Vordringen der Türken in Kleinasien – Union mit der lateinischen Kirche in Byzanz nicht durchsetzbar – Türken gelangen bis nach Europa (ab 1350) – Osmanen erobern Konstantinopel
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(1453) – Sitz des russischen Metropoliten von Kiew nach Moskau verlegt (1328) – Unionsverhandlungen mit der lateinischen Kirche in Florenz (1439) – Serben von den Türken im Kosovo besiegt (1389) – Bulgaren von den Türken besiegt (1393) – Moskau lehnt die Wiedervereinigung mit der lateinischen Kirche ab – griechischer Metropolit aus Moskau vertrieben – Großfürst Iwan III. von Moskau als Nachfolger des Kaisers von Byzanz – er trägt den Titel Kaiser (Car) – Ivan III. als der neue Konstantin gesehen – wird vom Metropoliten Simeon nach byzantinischem Ritus zum Kaiser gekrönt (1498).
Judentum im späten Mittelalter Juden in Spanien, Frankreich, England, Italien und Mitteleuropa – Bischöfe verbieten Heirat und Gastmähler mit Juden – Theologen fordern Signalkleidung für Juden – Beginn der Judenverfolgung und Progrome durch die Kreuzzüge – Juden als Händler, Handwerker und Geldverleiher – sie werden von Königen und Fürsten geschützt – Inquisitionsprozesse gegen Juden als Häretiker – Anklagen wegen Brunnenvergiftung, Ritualmord und Hostienschändung – Vertreibung und Rückholung der Juden in vielen Städten – Kooperation zwischen Juden, Christen und Moslems in Andalusien – mehr Rechte für Juden im Osmanischen Reich – Vertreibung der Juden aus England (1290) – Vertreibung der Juden aus Frankreich (1394) – Vertreibung der Juden und Moslems aus Spanien (1492) – Einrichtung von Judenvierteln und Ghettos – Juden als Wirtschaftskraft in den Städten – Juden organisieren den Fernhandel – Juden siedeln in Osteuropa: Polen, Böhmen, Ungarn.
Islam im 13. Jahrhundert Vordringen der Mongolen unter Temujin nach Kleinasien (ab 1206) – König von Aragon besiegt Almohaden in Spanien (1220) – Sultanat in Ägypten – Seldschuken erobern Konya in Anatolien (1220) – islamisches Khalifat von Granada (1230-1492) – Kaiser Friedrich II. erobert Jerusalem (1229) – Sufi-Dichter in arabischer Sprache – Mongolen erobern Kiew (1240) – Derwische und Seldschuken in Anatolien - Mongolen bis Schlesien (Liegnitz) vorgestoßen (1241) – Türken erobern Jerusalem (1244) – Kreuzzug König Ludwigs IX. von Frankreich (1249) – Herrschaft der Mameluken in Ägypten (ab 1250) – Herrschaft der Mongolen in Persien (ab 1256) – Aufstieg des Osmanischen Reiches der Türken (ab 1250) – Mongolen erobern Syrien (1259) – Kreuzzug Ludwig IX. gegen Tunis (1270) – Mameluken erobern Akkon und vertreiben die Lateiner aus Palästina (1291) – Einführung von Papiergeld in Persien (1294).
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Islam im 14. Jahrhundert Osmanen besiegen die Byzantiner bei Nikaia (1301) – Astronom Qutbaddin Shiraza (gest. 1311) – Religionsgespräche des Raimon Lull (gest. 1315) – Frieden zwischen Mongolen und Mameluken (1323) –Sultanat von Delhi (ab 1324) – Tod des Heerführers Osman (1326) – Eroberung von Nikaia durch die Türken (1331) – türkische Feldzüge auf den Balkan (ab 1332) –Vollendung der Alhambra in Granada (1333) – Ostbengalen wird moslemisch (ab 1336) – Pestepidemie in Europa (1347–1348) – Moslems kämpfen gegen Hindu-Könige in Südindien (1348) – Eroberung von Thrakien durch die Türken (1359) – Murad I. nimmt den Titel „Sultan“ an (1360) – Kämpfe der Türken gegen Serben und Bulgaren – Mongolen erobern Moskau (1382) – Türken erobern Sofia, Nisch und Saloniki (1387) – Serben auf dem Amselfeld besiegt (1389) – Tod des persischen Dichters Hafiz (1390) – Mongolen unter Timur erobern Persien und Irak - Osmanen besiegen die Ungarn (1396) – Mongolen erobern Nordindien (1398).
Islam im 15. Jahrhundert Mongolen erobern Georgien, Anatolien, Syrien und Irak (ab 1400) – Sieg der Mongolen über die Osmanen (1303) – Pestepidemie in Ägypten (1403) – Bürgerkrieg in Ägypten (1405) – Islam kommt nach Malaysia (ab 1414) – Osmanen erobert Anatolien von Mongolen (1421) – Kriege der Türken gegen Zypern und Venedig – Ungarn, Polen und Serben siegen über die Türken bei Nisch (1443) – Ungarn und Serben von Türken besiegt (1448) – Eroberung von Konstantinopel (1453) – Portugiesen in Westafrika (ab 1460) – Eroberung von Bosnien durch die Türken (1463) – Osmanen erobern Kilikien von Mongolen (1474) – Krimtartaren werden Vasallen der Osmanen (ab 1475) –Friede zwischen Türken und Venedig (1479) –Raubzüge der Türken nach Krain, Kärnten und Steiermark – Türken bei Villach besiegt (1492) –Vertreibung der Moslems und Juden aus Spanien (1492) – Vasco da Gama segelt mit arabischem Kapitän von Ostafrika nach Indien (1498) – Türken kämpfen gegen Venedig (1499).
Naturwissenschaft und Medizin Leonardo Pisano Fibonacci (gest. 1250) und die arabischen Zahlen – Arnaldo von Villanova (gest. 1312) als Arzt – Robert Grosseteste (gest. 1254) als Erforscher der Lichtausbreitung – Roger Bacon (gest. 1292) und seine Theorie der Erfahrung – Wilhelm von Ockham (gest. 1349) als Anreger der Naturforschung – Nikolaus von Oresme (gest. 1382) und die Theorie der Beobachtung und der Funktion – Johannes Buridanus (gest. 1358) und die Impetustheorie – Georg von Peuerbach und Johannes Regiomontanus (gest. 1476).
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Weiterführende Literatur Aertsen, J. (Hg.), Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter. Berlin 1998. Angenendt, A., Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Darmstadt 2009. Baxandall, M., Die Kunst der Bildschnitzer. München 1984. Behringer, W. (Hg.), Hexen und Hexenprozesse. München 1993. Bertau, K., Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter. München 1992. Boockmann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters. München 1996. Borst, A., Lebensformen im Mittelalter. Berlin 1989. Borst, A., Tod im Mittelalter. Konstanz 1993. Bosl, K., Europa im Aufbruch. München 1986. Bumke, J., Höfische Literatur. München 1986. Burguiere, A. (Hg.), Geschichte der Familie: Mittelalter II. Frankfurt 1997. Caneva, C., Botticelli. Firenze 1990. Corbin, A., Die sexuelle Gewalt in der Geschichte. Berlin 1992. Decker, R., Die Hexen und ihre Verfolger. Frankfurt 1994. Dinzelbacher, P. (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Stuttgart 1993. Dinzelbacher, P., Christliche Mystik im Mittelalter. Paderborn 1994. Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter. Darmstadt 2003. Dinzelbacher, P., Mittelalterliche Frauenmystik. Paderborn 1993. Disse, J., Kleine Geschichte der abendländischen Metaphysik. Darmstadt 2001. Duby, G. (Hg.), Geschichte der Frauen: Mittelalter II. Frankfurt 1997. Duby, G., Die drei Ordnungen. Frankfurt 1986. Duby, G., Ritter, Frau und Priester. Frankfurt 1988. Eco, U., Kunst und Schönheit im Mittelalter. München 1991. Ehlert, T. (Hg.), Haushalt und Familie im Mittelalter. Wiesbaden 1997. Erfen, J., Fremdheit und Reisen im Mittelalter. Stuttgart 1997. Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste. Wiesbaden 2004. Flasch, K., Das philosophische Denken im Mittelalter. Stuttgart 1986. Fröbe, S./Wassermann, A., Die bedeutendsten Mathematiker. Wiesbaden 2007. Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter. München 2002. Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute. Frankfurt 2001. Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter. Darmstadt 2004. Grabner-Haider, A. (Hg.), Ethos der Weltkulturen. Göttingen 2005. Grabner-Haider, A. (Hg.), Kulturgeschichte der Bibel. Göttingen 2007. Grabner-Haider, A. (Hg.), Philosophie der Weltkulturen. Wiesbaden 2007. Grabner-Haider, A., Das Laienchristentum. Darmstadt 2008. Grabner-Haider, A., Die Diener Gottes. Das Klerikerchristentum und seine Geschichte. Darmstadt 2007. Grabner-Haider, A., Die großen Ordensgründer. Wiesbaden 2007. Grabner-Haider, A., Die wichtigsten Philosophen. Wiesbaden 2007.
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Personenregister
Abner von Burgos 192, 199, 201 Abraham ben Jomtob 203 Abraham Cresqas 87 Abraham Zacuto 201 Abu Ishaq asch Schatibi 233 Abu l-Hasan asch-Schadhili 237 Agostino di Duccio 156 Ahmad al-Badawi 237 Al Farghani 105 Al Ghazali 69 Al Idrisi 232 Al Klakaschandi 235 Al Malik al-Adil 219 Al Malik al-Kamil 219 Al Qazwini 231 Al Qifti 233 Albert von Lauingen 70, 132 Alberti 94 Albo, Josef 82 Albrecht., König 34 Alexander IV., Papst 51, 60 Alexander VI., Papst 51, 66, 97 Alexander von Hales 68 Alfons IV. von Aragon 169 Alfons X. von Kastilien 167 Alfons X. von Kastilien 167 Alfons XI. von Kastilien 169, 229 Alfonso da Valladolid 192 Ali Shah 216 Amalrich 50 Amerigo Vespucci 106 Antonin von Florenz 74 Arghun Khan 165 Aristoteles 29, 70, 83 Arnaldo von Villanova 100 Arnalfo di Cambio 154. As Salih Nadschmal al-Din 219 Ascher ben Jakob 194 Ascher ben Jechiel 195 Asgrinson, Eysstein 143 Aurelius Augustinus 23, 51, 59, 90
Averlino, Antonio 155 Ayrer Jakob 148 Bachja ben Ascher 204 Bacon, Roger 61, 70, 103 Bajazet 67 Bartolome de Las Casas 98 Brant, Sebastian 138 Bela IV., König 177 Benedetto Maiano 156 Benozzo Cazzoli 157 Bernard Gui 123 Bernardin von Siena 74 Bernardino di Betto 157 Bessarion, Johannes 117 Boccaccio, Giovanni 145 Boleslaw Pobozny 177 Bonaventura 132 Bonifaz VIII., Papst 61, 63 Bonversin di Riva 144 Botticelli, Sandro 94, 157f. Brigitta von Schweden 142 Bruneleschi, Filippo 155 Bruni, Leonardo 155 Campanus von Novara 61 Cavalcanti, Guido 141 Chasdaj Cresqas 82, 203, Chaucer, Geoffrey 139f Chretien de Troyes 142 Cimabue 155 Cione, Andrea 155 Clemens IV., Papst 168 Clemens V., Papst 125 Clemens VI., Papst 162 Colet, John 141 Constantinus Africanus 99 Cosimo di Medici 77 Dante Alighieri 144, 158 Derrida, Jacques 11 Dewey, John 11 Dinzelbacher, Peter 52 Dionysios Areopagites 74, 93 Djem 68 Dschalal ad-Din as-Suyuti 244
Dschalaleddin Rumi 238f Dschami 241 Dschingis Khan 210ff Duns Scotus, Johannes 71f, 75 Eduard IV., König 37 Eike von Repgow 137 Erasmus von Rotterdam 92 Eugen IV., Papst 97 Fabriano, Gentile 157 Fachr ad-Din ar-Razi 242 Farududdin Attar 238 Fibonacci, Leonardo 105 Filarete 155 Folz, Hans 148 Fra Angelico 157 Franz I., König 143 Franz von Assisi 46 Friedrich der Weise, Kurfürst 130 Friedrich II., Kaiser 33, 60, 174, 221 Friedrich III., Kaiser 36, 65, 71, 153 Gemisthos Plethon 77, 92 Gentile di Foligno 101 Gerardo Patecchio 144 Gerhaerd von Leyden 153 Gerhard von Cremona 99, 104 Germanos II., Patriarch 108 Ghirlandaio, Domenico 157 Ghiverti, Lorenzo 155 Giacomo da Lentini 144 Giotto da Bonsione 155 Girard de Roussilion 143 Glareanus 159 Gottfried von Straßburg 136 Gower, John 140 Gregor IX., Papst 33, 49, 122 Gregor VII., Papst 59 Gregor XI., Papst 35 Gregorios III., Patriarch 110 Groote, Gerhard 57
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Personenregister
Grosseteste, Robert 63, 102f, 108 Guido Guinizelli 144 Guido von Messina 144 Guitone da Arezzo 144 Gutenberg, Johannes 94 Guy de Chauliac 100 Hadschi Bektasch Wali 247 Hartmann von Aue 136 Hasan, Sultan 220 Heinrich VII., König 37, 154 Heinrich von Enzingen 152 Heinrich von Gmunden 152 Heinrich von Langenstein 90 Heinrich von Morungen 137 Henricus de Segusio 97 Hildegard von Bingen 98 Hippokrates 98 Honorius Augustodunensis 142 Honorius I., Kaiser 98 Honorius III., Papst 51 Hülagü 212 Humbert de Romans 49 Hus, Johannes 65, 128 Ibn al-Arabi 235f Ibn Batuta 235 Ibn Challikan 232 Ibn Khaldun, Abdul 83, 234 Ibn Ruschd 102 Ibn Sabin 221 Ibn Shina 69 Ibn Taymiya 243 Ilkhan Ghazan 215 Innozenz III., Papst 58f Innozenz IV., Papst 60, 122 Innozenz VIII., Papst 123 Institoris, Heinrich 130 Isaak ben Josef Polegar 188 Isaak ben Mose Arama 197 Isabella von Kastilien 171 Isidoros, Metropolit 112 Ivan III., Zar 40, 114, 118 Iwan IV., Zar 119 Jacobus de Voragine 151 Jakob von Maerlaut 157 Jehuda ben Samuel 182, 198 Joachim von Fiore 59, 124 Johann I. von Aragon 170 Johann ohne Land 37 Johann Pistirius 205 Johannes Buridanus 105 Johannes Capistrano 92 Johannes Teutonicus 62 Johannes von Halifax 105 Johannes von Toledo 61
Johannes XXI., Papst 61 Johannes XXII., Papst 125 Johannes XXIII., Papst 64 Josef ben Abba Mari 196 Josef ben Abraham Gikatilla 204 Josef ben Chajjim 198 Josef Karo 194 Josquin de Prez 159 Juan del Eucina 150 Juda ben Levi de la Cavalleria 167 Julius II., Papst 62, 97 Karl I. von Anjou 174 Karl IV., Kaiser 35, 176 Karl V., Kaiser 74 Karl VII., König 37 Kasimir der Große 177 Kasimir IV., König 40 Katharina von Siena 55 Knorr von Rosenroth 205 Kolumbus, Christoph 106 Karl der Kühne 36 Konrad von Megenberg 137 Konrad von Würzburg 136 Konstantinos, Kaiser 111 Langland, William 140 Langton, Stephan 45 Lefevre d Etaples 93 Leo X., Papst 67 Leonardo da Vinci 101 Leone Ebreo 83 Lewi ben Gerson 81f, 196, 201, 203 Lippi, Filippino 157 Lippi, Filippo 157 Lorenzo di Medici 91, 157 Luca della Robba 156 Lucas Fernandez 150 Ludwig IV., Kaiser 72 Ludwig XI., König 37 Lull, Raimund 87 Manegold von Lautenbach 73 Marco Polo 97 Margareta von Cortona 56 Maria Sforza 36 Marsiglio Ficino 78, 93, 157 Marsilius von Padua 73f Massagio, Tommaso 156 Maximilian I., Kaiser 36 Maximon Grekos 117 Mechthild von Magdeburg 56, 139 Medici, Cosimo di 155 Mehmet II, Sultan 38, 114, 116f, 247
Meister Eckhart 57, 74f Menachem ben Benjamin Recanati 204 Menachem ben Salomo 196 Michael VIII., Kaiser 109, 113 Michelozzi, Bartolomeo 155 Mino da Fiesole 156 Mordechaj ben Hillel 195 Mose ben Josua von Narbonne 204 Mose ben Maimon 80f, 100, 187, 202 Mose ben Nachman 167 Mose ben Schem Tob von Laon 205 Muhhamad ben Yusuf 229 Muizz ad-Din Ghuri 249 Multscher, Hans 153 Murad I. 247 Nadrej Rubljew 112 Nanni di Banco 154 Nasir ad-Din at-Tusi 231 Neidhard von Reuental 137 Nieder, Johannes 123 Nikolaos Laonikas 117 Nikolaus V., Papst 98 Nikolaus von Kues 66, 79f Nikolaus von Oresme 73, 104f Nikolaus von Straßburg 101 Ögödei 211 Oldcastle, John 127 Otto IV., König 33 Paul II., Papst 66 Peckham, John 61 Petrarca, Francesco 78, 114 Petrus Cantor 45 Petrus Olivi 46, 125 Peuerbach, Georg 106 Philipp der Schöne 36 Philipp von Schwaben 31 Philipp von Visconti 35 Philotheos 119 Piccolomini, Enea 97 Pierre d Ailly 97 Pierre Pathelin 147 Pisano, Adrea 155 Pisone, Andrea 155 Pius II., Papst 112 Plato 157 Plotinos 157 Purcey, John 128 Qutb ad-Din Aibek 249 Raimon 46 Raschid ad-Daula 165
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Personenregister Reginald Pecock 127 Regiomontanus, Johannes 106 Reinmar von Hagenau 137 Robert de Sorbonne 44 Rorty, Richard 11 Rosenplut, Hans 148 Rosselino, Bernardo 156 Rudolf I., König 34 Ruysbroek, Jan 57 Sachs, Hans 148 Sadi 239 Saladin 223 Salomo ben Abraham 188, 195 Salomo Halevi 192 Samuel Halevi 169 Sanchez von Kastilien 168 Schams ad-Din Muhammad Hafiz 241 Schernberg, Dietrich 147 Serbazo 144 Seuse, Heinrich 57, 76, 139 Sigismund, König 35, 40, 64 Simon von Genua 57 Sixtus IV., Papst 193 Sixtus V., Papst 97
Snorri Sturlusson 142 Sprenger, Jacob 130 Stephan von Muret 43 Syrlin. Jörg 153 Tadsch ad-Din as-Subki 244 Tauler, Johannes 59, 76 Theodosios I., Kaiser 98 Thomas von Aquin 70, 108, 130 Thomas von Kempten 57, 76 Thomas von Torquemada 193 Timur 216f Tschagatai 219 Ugaccione da Lodi 144 Ulrich von Liechtenstein 138 Umar Schihab ad-Din as Suhrawadi 240 Urban VI., Papst 63 Valla, Lorenzo da 92 Van Eickel, Klaus 222 Vanucci, Pietro 157 Vasco da Gama 96, 217, 227 Vasilij II., Zar 112
Vespucci, Simonetta 157 Villard de Honnecourt 151 Vitruvius 149 Walther von der Vogelweide 136 Walzer, Michael 11 Wenzel, König 91 Wilhelm der Eroberer 88 Wilhelm von Moerbeke 61, 70, 109 Wilhelm von Ockham 64, 68, 72f, 104f Wilhelm von Thierry 27 Wolfram von Eschenbach 136 Wyclif, John 65, 126 Ximenes de Cisneros 93 Yusuf I., Khalif 230 Zabarella 60 Zarlino, Gabriele 159 Zosimos, Patriarch 118
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Eine sagenhafte Kulturgeschichte Europas (500–1200 n.Chr.)
Johann Maier / Anton Grabner-Haider / Karl Prenner
Kulturgeschichte des frühen Mittelalters Von 500 bis 1200 n.Chr. 2010. 304 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-54006-0
Wie erklärten sich die Menschen europäischer, jüdischer und islamischer Kultur im frühen Mittelalter die Natur und das Leben? Wie stellte sich das Verhältnis der Geschlechter dar und wie sahen ihre religiösen und mythischen Vorstellungen aus? Das Autorenteam schildert, wie die Menschen des frühen Mittelalters zusammenlebten und veranschaulicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ihr Überleben sowie das Ringen zwischen religiöser und profaner Herrschaft. Einblicke in die Lebenswelt der Klöster, die Lebensformen der Adeligen und Kleriker, der Krieger und Ritter vermitteln ein Bild dieser Zeit. Die Begegnung mit dem Islam und dem Judentum brachte die Lernprozesse etwa in der Mathematik, der Medizin oder der Musik nachhaltig voran. Aus diesem Grund kommen die Entwicklungen der jüdischen und der islamischen Kultur umfassend zur Darstellung.
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Kulturgeschichtliche Blicke
Johann Maier / Anton Grabner-Haider Kulturgeschichte des frühen Christentums Von 100 bis 500 n.Chr. 2008. 232 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-54003-9 Religionen und religiöse Lehren fallen nicht vom Himmel, sondern wachsen aus bestimmten Situationen. Religiöse Vorstellungen verweisen auf konkrete Lebenswelten und Lebensformen, deren Spiegel sie sind. Diese »Kulturgeschichte« zeigt, wie aus der jüdischen Jesusbewegung und dem griechischen Christentum eine einheitliche römische Reichsreligion wurde, die das Erbe der antiken Kultur in sich gespeichert hatte. Das Buch versucht, die christlichen Lehren und Überzeugungen auch in moderne und postmoderne Lebenswelten zu übersetzen. Damit bietet es auch eine neue Hermeneutik des Glaubens.
Anton Grabner-Haider b d (Hg.) ( ) Kulturgeschichte der Bibel 2007. 487 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-57309-9 Ein kulturgeschichtlicher Blick auf die Bibel rückt das bedeutendste Buch der Menschheit in neues Licht. Von der Verbreitung und Wirkungsgeschichte her ist die Bibel eindeutig das bedeutendste Buch der Menschheit. In direkter und indirekter Weise prägt sie mehr als die Hälfte der heute lebenden Menschen, nämlich Christen, Juden und Moslems. Die Beiträge betrachten die Bibel vor allem unter kulturgeschichtlichen Aspekten. Einer Spiegelung von Lebenswelten und Kulturstufen gleich, wird sie auf die verschiedenen Kulturformen, auf die soziale Schichtung, das Verhältnis der Geschlechter, auf Herrschaftsformen und Kulturtechniken, auf Formen der Weltdeutung und der moralischen Orientierung hin befragt.
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