Robert E. Howard
Kull von Atlantis Ins Deutsche übertragen von Hubert Straßl
Abenteuer aus dem Hyborischen Zeitalter, ...
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Robert E. Howard
Kull von Atlantis Ins Deutsche übertragen von Hubert Straßl
Abenteuer aus dem Hyborischen Zeitalter, aus der Zeit vor der Sintflut Kull ist ein Atlantis-Geborener unbekannter Herkunft. Er flieht vor der Rache seiner barbarischen Stammesgenossen und gelangt schließlich nach Valusien, wo er sich in blutigen Kampf die Königswürde erwirbt. Von tödlichen Intrigen, Verrat, Heimtücke und Schwarzer Magie umgeben, regiert er mit starker Hand sein Königreich, in dem er ein fremder unter Fremden ist, und bekämpft das Böse, wo auch immer es ihm begegnet.
Inhalt Inhalt ................................................................................................ 2 Prolog .............................................................................................. 3 FLUCHT AUS ATLANTIS.............................................................. 5 DAS SCHATTENKÖNIGREICH .................................................12 DER ALTAR UND DER SKORPION..........................................50 DELCARDES’ KATZE..................................................................55 DER SCHÄDEL DER STILLE.....................................................86 DIESE AXT IST MEIN ZEPTER!.................................................96 NUR EINEN GONGSCHLAG LANG........................................120 VERSCHWÖRUNG BEI NACHT .............................................126 DER KÖNIG UND DIE EICHE..................................................158 OHNE TITEL...............................................................................160 DIE SPIEGEL DES TUZUN THUNE ........................................164 DIE SCHWARZE STADT ..........................................................175 OHNE TITEL...............................................................................179 EPILOG.......................................................................................200 NACHWORT ..............................................................................207
Prolog (Prolog) Über jene Ära, die die nemedischen Chronisten das präkataklystische Zeitalter nennen, gibt es kaum Berichte, außer über den letzten Abschnitt, und der liegt hinter einem Schleier von Sagen verborgen. Die Geschichtsaufzeichnung beginnt mit dem Verfall der präkataklystischen Zivilisation, in der Kamelien, Valusien, Verulien, Grondar, Thule und Kommorien die mächtigsten Königreiche waren. Diese Völker besaßen verwandte Sprachen, was auf einen gemeinsamen Ursprung schließen läßt. Es gab noch weitere, nicht minder zivilisierte Reiche, deren Bewohner jedoch andere und augenscheinlich ältere Rassen waren. Die Barbaren jener Epoche waren die Pikten, die auf einer Inselgruppe weit draußen im westlichen Ozean lebten; die Atlanter auf einem kleinen Kontinent zwischen den Pikten-inseln und dem Hauptkontinent Thuria; und die Lemurier, die eine Kette von großen Inseln in der östlichen Hemisphäre bewohnten. Es gab weite unerforschte Gebiete. Die zivilisierten Reiche nahmen trotz ihrer gewaltigen Größe nur einen vergleichsweise kleinen Teil des Planeten ein. Valusien war das westlichste Königreich des thurischen Kontinentes, Grondar das östlichste. Östlich von Grondar, dessen Volk nicht so hoch entwickelt war wie jene der anderen Königreiche, erstreckte sich ein wildes, rauhes Land, Wüste zum größten Teil. In den fruchtbareren Gebieten, in den Dschungeln und in den Bergen lebten verstreute Sippen und Stämme primitiver Eingeborener. Weit im Süden gab es ein rätselhaftes Reich, das nicht mit der thurischen Kultur in Zusammenhang stand und offensichtlich bereits vor dem Auftauchen des Menschen existierte. An den fernen östlichen Küsten des Kontinentes lebte eine andere Rasse, menschlich, geheimnisumwittert und nicht-thurisch, auf die die Lemurier von Zeit zu Zeit stießen. Sie mußte von einem dunklen und namenlosen Erdteil irgendwo im Osten der lemurischen Inseln stammen. -3 -
Die thurische Zivilisation zerfiel. Ihre Armeen bestanden zum Großteil aus Barbarensöldnern. Pikten, Atlanter und Lemurier waren ihre Generäle, ihre Staatsmänner und nicht selten ihre Könige. Über Streit und Hader zwischen den Königreichen und die Kriege zwischen Valusien und Kom-morien, als auch über die Eroberungszüge der Atlanter, denen es gelang, ein Königreich auf dem Festland zu erschaffen, erfahren wir mehr aus Sagen denn geschichtlichen Fakten. Das Hyborische Zeitalter
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FLUCHT AUS ATLANTIS (Exile of Atlantis) Die Sonne ging unter. Ihr letzter Schein tauchte das Land in Rot und lag wie eine Blutkrone auf den schneebestäubten Gipfeln. Die drei Männer, die das Sterben des Tages beobachteten, atmeten tief den Duft ein, den der frühe Abendwind aus den fernen Wäldern herbeitrug, dann wandten sie sich einer wichtigeren Sache zu. Einer der Männer briet Wild über einem kleinen Feuer. Er tupfte mit einem Finger an das brutzelnde Fleisch und kostete es mit der Miene eines Feinschmeckers. "Es ist fertig, Kull, Khor-nah. Wir können essen." Der Sprecher war kaum mehr als ein Junge: groß, schmalhüftig, breitschultrig, und er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Leoparden. Der eine seiner Begleiter war ein älterer Mann mit kräftiger Statur, dichtem Haarwuchs und harten, herausfordernden Zügen. Der andere war ein Ebenbild des Sprechers, nur ein wenig größer und eine Spur breiter um Brust und Schultern. Mehr noch als der Junge vermittelte er den Eindruck von Kraft und Geschmeidigkeit. "Gut", sagte er. "Ich bin hungrig." "Wann bist du das nicht, Kull?" spöttelte der Junge. "Wenn ich kämpfe", erwiderte Kull ernst. Der Jüngling warf dem Freund einen forschenden Blick zu, als wolle er in sein Inneres sehen, denn nicht immer wurde er klug aus ihm. "Und dann bist du durstig - blutdurstig", warf der Ältere ein. "Genug der Worte, Am-ra. Schneide das Fleisch." Die Nacht brach herein. Die ersten Sterne funkelten am Himmel. Der Nachtwind strich über das Bergland. In der Ferne brüllte plötzlich ein Tiger. Instinktiv tastete Khor-nah nach dem Speer mit der Steinspitze/ der neben ihm lag. Kull drehte den Kopf. Ein eigentümliches Licht blitzte in seinen eisgrauen Augen. "Die gestreiften Brüder jagen heute nacht", stellte er fest. "Sie verehren den aufgehenden Mond." Am-ra deutete nach Osten, wo ein rötliches Glühen sichtbar wurde.
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"Weshalb?" fragte Kull. "Der Mond verrät sie nur ihrer Beute und ihren Feinden." "Vor vielen hundert Jahren", erzählte Khor-nah, "bat ein Königstiger, der von Jägern verfolgt wurde, die Frau im Mond um Hilfe. Sie warf ihm eine Ranke herab, an der er hochkletterte und sich in Sicherheit brachte. Viele Jahre blieb er im Mond. Seither verehren alle Gestreiften den Mond." "Das glaube ich nicht", brummte Kull. "Weshalb sollten alle Gestreiften den Mond verehren, weil er einem ihrer Rasse vor so langer Zeit geholfen hat? So mancher Tiger ist die Todesfelsen emporgeklettert und den Jägern entkommen, aber keiner verehrt diese Felsen. Und woher sollten sie wissen, was vor so langer Zeit geschehen ist?" Khor-nahs Miene verfinsterte sich. "Es steht dir nicht an, Kull, abfällig über die Worte der Älteren zu urteilen oder dich über die Legenden des Volkes lustig zu machen, das dich bei sich aufnahm. Diese Geschichte muß wahr sein, denn sie wurde von Generation an Generation weitergegeben, länger schon, als die Menschen sich zu erinnern vermögen. Was immer war, wird auch immer sein." "Ich glaube es nicht", widersprach Kull erneut. "Diese Berge waren schon immer, aber eines Tages werden sie zerfallen und verschwinden. Eines Tages wird das Meer sie überspülen ..." "Genug dieser Lästerungen!" rief Khor-nah mit einer Heftigkeit, die an Zorn grenzte. "Kull, wir sind gute Freunde, und ich halte deiner Jugend so manches zugute, doch eines mußt du lernen: Achtung vor der Überlieferung. Du verspottest die Sitten und Gebräuche unseres Volkes, ausgerechnet du, den dieses Volk aus der Wildnis rettete und dem es ein Zuhause und einen Stamm gab." "Ich war ein nackter Affe, der in den Wäldern umherstrich", gab Kull offen und ohne Scham zu. "Ich konnte nicht wie die Menschen sprechen, und meine einzigen Freunde waren die Tiger und Wölfe. Ich weiß nicht, woher ich komme, oder welches Blut in meinen ..." -6 -
"Das ist nicht von Bedeutung", unterbrach ihn Khor-nah. "Deinem Äußeren nach könntest du einer vom Stamm der Geächteten aus dem Tigertal sein, die in der Großen Flut umkamen, doch das ist nicht von Bedeutung. Du hast dich als tapferer Krieger und großer Jäger erwiesen ..." "Wo findet man schon einen Jüngling, der ihm im Speerwerfen oder im Ringen auch nur ebenbürtig ist?" warf Am-ra mit leuchtenden Augen ein. "Das ist wahr", stimmte Kor-nah zu. "Er ist eine Bereicherung für den Stamm aus den Küstenbergen, trotzdem muß er lernen, seine Zunge im Zaum zu halten und die heiligen Dinge der Vergangenheit und der Gegenwart in Ehren zu halten." "Ich spotte nicht", erklärte Kull ohne Arg. "Aberich weiß, daß vieles, was die Priester behaupten, nicht der Wahrheit entspricht, denn ich habe mit den Tigern gejagt, und ich kenne die wilden Tiere besser als die Priester. Tiere sind weder Götter noch Dämonen, sondern auf ihre Art Menschen, doch ohne die Mordlust und Machtgier der menschlichen ..." "Noch schlimmere Lästerung!" rief Khor-nah ergrimmt. "Der Mensch ist Valkas größte Schöpfung." "Ich hörte die Küstentrommeln früh am Morgen", warf Am-ra ein, um das Thema zu wechseln. "Draußen auf dem Meer wird gekämpft. Valusien zieht gegen die lemurischen Piraten." "Mögen sie sich gegenseitig umbringen", brummte Khor-nah. Kulls Augen leuchteten wieder. "Valusien! Land der Träume! Eines Tages werde ich die große Stadt sehen, von der soviel Wundersames berichtet wird." "Das wird dein schlimmster Tag sein", knurrte Khor-nah. "Ketten werden dich niederdrücken, und Folter und Tod werden dir gewiß sein. Keiner unserer Rasse bekommt die Große Stadt zu Gesicht - außer als Sklave!" "Möge Unheil über sie kommen", murmelte Am-ra. "Verwüstung und Verheerung!" rief Khor-nah und schüttelte seine Faust gen Osten. "Für jeden Tropfen atlantischen Blutes, -7 -
das sie vergossen haben, für jeden Sklaven, der auf ihren verdammten Galeeren geschunden wird, soll eine andere Plage über Valusien und die Sieben Reiche kommen!" Am-ra sprang begeistert auf und wiederholte einen Teil des Fluches. Kull schnitt sich unbeeindruckt ein Stück Fleisch ab. "Ich habe gegen die Valusier gekämpft", sagte er. "Sie griffen mutig an, aber sie waren nicht schwer zu töten. Sie waren nicht die Teufel, die du in ihnen siehst." "Du hast gegen die schwachen Wachtrupps an der Nordküste gekämpft", brummte Khor-nah. "Oder gegen die Besatzung eines gestrandeten Kauffahrers. Warte ab, bis du den Schwarzen Reitern gegenüberstehst oder der Großen Armee - wie einst ich. Hei! Dann fließt Blut in Strömen! Mit Gandaro dem Speermann machte ich die valusischen Küsten unsicher, als ich noch jünger war als du, Kull. Ja, mit Feuer und Schwert stießen wir weit vor ins Reich. Fünfhundert waren wir, aus allen atlantischen Küstenstämmen. Zu viert nur kehrten wir zurück! Nicht weit von Hawks, einer Ansiedlung, die wir plünderten und niederbrannten, zermalmte uns die Vorhut der Schwarzen Reiter, Hei! Dort tranken die Speere, und die Schwerter litten nicht Durst! Wir lichteten ihre Reihen und sie die unseren, doch als der Schlachtenlärm verklungen war, gab es nur noch vier von uns. Schwer verwundet konnten wir fliehen." "Von Ascalante hörte ich", fuhr Kull unbeirrt fort, "daß die Mauern um die Kristallstadt zehnmal so hoch sind wie ein großer Mann; daß man von all dem Gold und Silber geblendet wird und daß die Frauen, die durch die Straßen wandeln oder sich aus den Fenstern der Häuser lehnen, in seltsame weiche und schimmernde Gewänder gekleidet sind." "Ascalante muß es wohl wissen", erwiderte Khor-nah grimmig. "Er war so lange ihr Sklave, daß er seinen guten atlantischen Namen nicht mehr weiß und nur den kennt, den die Valusier ihm gegeben haben." "Ihm gelang die Flucht", gab Am-ra zu bedenken.
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"Ja, aber für jeden Sklaven, der es schafft, den Klauen der Sieben Reiche zu entkommen, schmachten sieben in ihren Verliesen und sterben jeden Tag ein wenig/ denn ein Atlanter ist nicht zum Sklaven geboren." "Seit dem Anbeginn der Zeit sind wir die Feinde der Sieben Reiche", sagte Am-ra nachdenklich. "Und wir werden es bleiben, bis die Welt untergeht", erklärte Khor-nah mit finsterer Genugtuung. "Denn Atlantis, Valka sei Dank dafür, ist jedermanns Feind." Am-ra stand auf und nahm seinen Speer, um Wache zu halten. Die beiden anderen legten sich ins Gras und schliefen. Wovon wohl Khor-nah träumte? Vom Schlachten-getümmel, vom Donnern von Büffelhufen oder von einem Höhlenmädchen. Und Kull ... Durch die Schleier seines Schlafes drangen aus weiter Ferne die triumphierenden Klänge goldener Trompeten. Wolken strahlenden Glanzes umhüllten ihn. Dann tat sich ein gewaltiger Ausblick vor seinem Traum-Ich auf. Eine riesige Menschenmenge hatte sich vor ihm versammelt, und ein donnernder Ruf in einer fremden Sprache drang aus ihren Kehlen zu ihm empor. Waffen klirrten, und wie Schatten verhielten mächtige Armeen zur Linken und zur Rechten im Schritt. Die Schleier zerrissen, ein Gesicht blickte kühn in die Menge, eine Herrscherkrone über der Stirn - ein scharfgeschnittenes, kühles, unbewegtes Gesicht mit Augen wie das Grau der kalten See. Wieder jubelte die Menschenmenge: "Heil dem König! Heil dem König! Heil König Kull!" Kull fuhr aus dem Schlaf hoch. Die fernen Berggipfel schimmerten im Mondlicht, der Wind strich über das hohe Gras. Khor-nah lag schlafend neben ihm, und Am-ra hob sich wie eine Bronzestatue gegen den sternenfunkelnden Himmel ab. Kulls Blick wanderte über sein einziges Kleidungsstück - ein Leopardenfell, das er um die panthergleichen Hüften geschlungen hatte. Ein nackter Barbar war er - Kulls -9 -
gletschergraue Augen glitzerten. Kull, der König! Er sank in den Schlaf zurück. Am Morgen machten sie sich auf den Weg zu den Höhlen ihres Stammes. Die Sonne stand noch nicht hoch, als das breite Band des blauen Stromes in Sicht kam und die Höhlen des Stammes vor ihnen lagen. "Seht!" entfuhr es Am-ra. "Sie verbrennen jemanden!" Ein Brandpfahl war vor den Höhlen errichtet worden. Ein junges Mädchen war daran gefesselt. Die Augen der Herumstehenden verrieten kein Mitleid. "Sareeta", stellte Khor-nah fest/ und seine Züge wurden hart. "Sie wählte den Platz an der Seite eines lemurischen Piraten, diese Dirne!" "Meine eigene Tochter", sagte eine alte Frau mit harter Stimme. "Sie hat Schande über Atlantis gebracht. Sie ist nicht mehr meine Tochter. Ihr Gefährte ist tot. Sie wurde an Land gespült, als ein atlantisches Schiff das ihre zerstörte." Kull sah das Mädchen voll Mitgefühl an. Er konnte es nicht verstehen - weshalb verdammten diese Menschen, ihre eigenen Stammesleute, sie so sehr, nur weil sie einen Feind ihres Volkes zum Gefährten erwählt hatte? In all den Gesichtern, die ihr zugewandt waren, konnte Kull nur in einem Mitleid entdecken Am-ras blaue Augen blickten bekümmert und voller Mitgefühl. Niemand sah, was Kulls eigenes unbewegtes Gesicht verriet, nur die Augen des zum Feuertod verdammten Mädchens hingen an ihm. Keine Furcht sprach aus ihnen, nur ein inbrünstiges Flehen. Kulls Blick wanderte zum Reisig um ihren Füßen. Bald würde es der Priester, der sie bei seinen Göttern verdammte, mit seiner Fackel entzünden. Kull sah, daß sie mit einer schweren Holzkette, wie nur die Atlanter sie anzufertigen wußten/ an den Pfahl gefesselt war. Er konnte sie von dieser Kette nicht befreien, selbst wenn es ihm gelang, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Ihre Augen flehten. Er blickte auf das angehäufte Reisig, und seine Hand glitt zu dem
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langen Steindolch in seinem Gürtel. Das Mädchen verstand. Sie nickte, und er sah die Erleichterung in ihren Augen. Kull schlug so blitzschnell und unerwartet wie eine Kobra zu. Er riß den Dolch aus dem Gürtel und warf ihn. Er traf knapp unter dem Herzen und tötete sie augenblicklich. Während die Menschen noch wie vom Donner gerührt standen, wirbelte Kull herum und rannte katzengleich die steile Felswand empor. Immer noch war die Menge erstarrt, dann riß ein Mann Bogen und Pfeil hoch und spannte. Kull schwang sich über den Rand der Steilwand. Die Augen des Schützen verengten sich. Wie zufällig stolperte Am-ra gegen ihn, und der Pfeil schoß weit an seinem Ziel vorbei. Dann war Kull verschwunden. Er hörte das wütende Geheul seiner Verfolger - seiner eigenen Stammesbrüder, die nach seinem Blut lechzten, weil er gegen ihre grausamen und unbegreiflichen Sitten verstoßen hatte. Doch kein Mann in ganz Atlantis konnte Kull vom Stamm aus den Küstenbergen einholen. Kull entkommt seinen aufgebrachten Stammesbrüdern, fällt jedoch den Lemuriern in die Hände. Die nächsten beiden Jahre ist er Rudersklave auf einer Galeere, dann gelingt ihm die Flucht. Er schlägt sich nach Valusien durch und lebt als Gesetzloser in den Bergen, bis er gefangengenommen und in einen valusischen Kerker geworfen wird. Doch das Glück ist ihm hold. Er bewährt sich als Gladiator in der Arena, dann als Soldat in der Armee und steigt zum Heerführer auf. Mit Unterstützung von Söldnern und einigen unzufriedenen valusischen Edlen greift Kull nach dem Thron. Kull selbst ist es der den tyrannischen König Borna tötet und ihm die Krone vom blutigen Haupt reißt. Der Traum ist Wirklichkeit geworden: Kull von Atlantis herrscht über das uralte Königreich Valusien.
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DAS SCHATTENKÖNIGREICH (The Shadow Kingdom) l Parade für einen König Die Trompeten schallten lauter, dem tiefen Brausen der Brandung, dem sanften Tosen der Abendflut an den schimmernden Küsten Valusiens gleich. Die Menschenmenge jubelte, Frauen warfen Rosen von den Dächern, als das rhythmische Stampfen silberner Hufe näher kam und die erste Reihe des gewaltigen Aufmarsches in die breite helle Straße einbog, die um den Turm des Glanzes mit seinen goldenen Spitztürmen herumführte. Voran ritten die Trompeter, schlanke, scharlachrot gewandete Jünglinge, die in ihre langen, goldenen Instrumente stießen. Ihnen folgten die Bogenschützen, hochgewachsene Männer aus den Bergen, und diesen das schwerbewaffnete Fußvolk, dessen Rüstzeug im Takt mit den Schritten klirrte und dessen lange Speere sich in perfektem Einklang hoben und senkten. Danach folgte die mächtigste Truppe der Welt: die Roten Reiter. Vom Helm bis zu den Sporen in Rot gerüstet, saßen sie auf ihren Pferden und ritten stolz einher, den Blick starr geradeaus, doch nur scheinbar umbekümmert um den Beifall der Menge. Sie glichen Bronzestatuen, und kein Schwanken ging durch den Wald ihrer aufragenden Speere. Dieser stolzen und Respekt einflößenden Garde folgten die bunten Reihen der Söldner: grimmige, wilde Krieger, Männer aus Mu und Kaa-u, aus den Bergen im Osten und von den Inseln im Westen. Sie waren mit Speeren und mit großen Schwertern bewaffnet. In einigem Abstand marschierten in dichter Formation die lemurischen Bogenschützen. Dann kam das leichte Fußvolk des Landes, und den Schluß bildeten wiederum Trompeter. Ein prächtiger Anblick, ein Anblick, der ein wildes Gefühl des Triumphes aufwallen ließ in der Brust Kulls, des Königs von Valusien. Als echter Kriegerkönig saß er nicht auf dem Topasthron vor dem Turm des Glanzes, sondern auf dem -1 2 -
Rücken eines mächtigen Hengstes. Er hob seinen muskulösen Arm in Erwiderung des Grußes der vorbeimarschierenden Scharen. Sein stolzer Blick glitt über die prächtig gewan-deten Trompeter, haftete länger an den Soldaten, die hinter ihnen folgten. Seine Augen blitzten auf, als die Roten Reiter mit Waffengeklirr und tänzelnden Pferden vor ihm anhielten, um ihrem König den Ehrengruß zu entbieten; sie verengten sich eine Spur, als die Söldner vorbeizogen. Diese Söldner salutierten niemandem. Mit straffen Schultern marschierten sie vorbei und maßen Kull kühn und herausfordernd, doch nicht ohne eine gewisse Anerkennung. Ihre Gesichter waren grimmig, der Blick ihrer Augen voll Wildheit unter zottigen Mähnen und buschigen Brauen. Und Kull erwiderte diesen Blick. Tapferen Männern gestand er vieles zu, und es gab keine mutigeren auf der Welt, selbst unter den wilden Stämmen nicht, die sich weigerten, ihn anzuerkennen. Aber Kull war selbst zu sehr Barbar, um viel für sie übrig zu haben. Es gab zu viele Fehden zwischen ihnen. Die meisten waren seit unzähligen Generationen Feinde von Kulls Volk, und obgleich der Name Kull in den Bergen und Tälern seiner Heimat nun verflucht war und diese Heimat ihm fremd geworden war, ließen sich die alten Abneigungen nicht so einfach abschütteln. Denn Kull war kein Valusier, sondern ein Atlanter. Als die Kampftruppen hinter den edelsteinfunkelnden Wänden des Turmes des Glanzes seinem Blick entschwunden waren, gab Kull seinem Hengst die Zügel und ritt gemächlich zum Palast zurück. Unterwegs besprach er die Parade mit den Befehlshabern, die mit ihm ritten. Mit wenigen Worten strich er das Wesentlichste heraus. "Die Armee ist wie ein Schwert", sagte Kull, "und ein Schwert darf nicht rosten." So ritten sie die Straße hinab, und Kull schenkte dem Geflüster keine Beachtung, das aus der noch immer die Straßen säumenden Menschenmenge an seine Ohren drang. "Seht, das ist Kull! Valka! Welch ein König! Und welch ein Mann! Seht nur seine Arme! Und seine Schultern!" -1 3 -
Aber auch ein drohendes, finsteres Gemurmel: "Kull! Verfluchter Thronräuber von den Heideninseln!" Und: "Welche Schmach! Ein Barbar auf unserem Königsthron ...!" Kull scherte sich wenig darum. Mit Gewalt hatte er nach dem morschen Thron des uralten Valusiens gegriffen, und mit mehr Gewalt hielt er ihn nun: ein Mann gegen ein Reich. Erst die Ratsversammlung, dann die Hofgesellschaft, bei der Kull die schmeichlerischen Huldigungen der Edlen und ihrer Damen über sich ergehen lassen mußte und dieses oberflächliche Geschwätz mit sorgsam verborgener, grimmiger Belustigung ertrug. Endlich verabschiedeten sich die Höflinge, und Kull lehnte sich in seinen Hermelinthron zurück, um Regierungsgeschäfte zu überdenken, bis ein Diener die Erlaubnis des großen Königs erbat, sprechen zu dürfen. Er meldete einen Abgesandten der piktischen Botschaft. Kulls Gedanken kehrten aus dem Labyrinth valusischer Staatsaffären zurück, durch das sie gestreift waren. Er musterte den Pikten unfreundlich. Der Mann erwiderte den Blick des Königs ruhig. Er war ein schmalhüftiger, mittelgroßer Krieger, kräftig gebaut, mit breiten Schultern und der dunkleren Haut seiner Rasse. Die scharfgeschnittenen, unbewegten Züge und der furchtlose Blick verrieten nichts. "Ka-nu, Ratsoberhaupt des Stammes, rechte Hand des Königs aller Pikten, sendet Grüße und läßt wissen: >Beim Fest des aufgehenden Mondes steht ein Thron bereit für Kull, den höchsten der Könige, den Edelsten der Edlen und Herrscher von Valusien. Verfluchten RaumMeine Lieder sind die Nägel zu des Königs Sarg! < "Um Mitternacht muß der König sterben!" Der Sprecher war groß, hager und dunkelhaarig. Eine krumme Narbe nahe am Mund verlieh ihm ein ungewöhnlich finsteres Aussehen. Die Zuhörer nickten. Ihre Augen funkelten. Vier waren es: ein kleiner dickleibiger Mann mit ängstlichem Gesicht, weichem Mund und vorquellenden Augen, die ihm einen Ausdruck unentwegter Neugier verliehen; ein grimmiger Riese, grobschlächtig und mit dichtem Haarwuchs; ein hochgewachsener, drahtiger Mann in der Kleidung eines Hofnarren, dessen brennende, blaue Augen mit einer Spur von Wahnsinn funkelten; und ein untersetzter Zwerg mit überbreiten Schultern und überlangen Armen. Der erste Sprecher lächelte auf eine frostige Weise. "Laßt uns jetzt den Eid schwören, den keiner brechen kann - den Eid des Messers und des Feuers! Nicht, daß ich euch nicht vertraue. Aber ich halte es für besser, wenn wir einander sicher sein können. Es kommt mir vor, als ob einige es mit der Angst bekämen." "Du hast leicht reden, Ardyon", sagte der kleine, dicke Mann. "Du bist bereits ein Geächteter, auf dessen Kopf ein Preis steht. Du hast nichts mehr zu verlieren. Du kannst nur gewinnen, aber wir ..." "Ihr habt viel zu verlieren und noch viel mehr zu gewinnen", erwiderte der Geächtete ungerührt. "Ihr habt mich aus meinem Unterschlupf in den Bergen geholt, weil ihr mich braucht, euren König zu stürzen. Ich habe den Plan geschmiedet, die Schlinge und den Köder ausgelegt und stehe bereit, die Beute zu töten aber ich muß mir eurer Unterstützung sicher sein. Seid ihr bereit zu schwören?" "Genug des dummen Geredes", rief der Mann mit den brennenden Augen. "Ja, wir werden noch heute schwören, und -9 6 -
wir kommen in der Nacht zum Totentanz für einen König! >0h, zu der Streitwagen Lied und der Geier Flügelschlag. Barbarenhäuptling Kull von Atlantis< den Todesstoß versetzt hat) war in der ersten deutschen Kull-Ausgabe** enthalten.
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Kull spukt außerdem durch die Romane um Cormac MacArt, einen gälischen Abenteurer aus Howards Feder, die Andrew Offutt schrieb. Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die meisten Story-Zyklen Howards auch in deutscher Sprache erschienen. Vieles davon habe ich selbst ausgegraben und zusammengestellt. Dabei hat mich immer wieder verblüfft, wie produktiv Robert E. Howard in diesen kurzen zehn Jahren seines schriftstellerischen Schaffens war. Und immer noch kommt interessantes Material ans Tageslicht. Und dann: Howards Gedichte! Hören Sie zu: Denn mein Wegführt in die Öde Und mein Traum ist ohne Licht. Meine Schwingen rasten müde, Bis der Sturm der Zeit sie bricht. * Robert E. Howard: KÖNIG DER PIKTEN - Die Sage von Bran Mak Morn, Bastei Lübbe 20 066, 1984 ** Robert E. Howard: KULL VON ATLANTIS und HERR VON VALUSIEN TERRA FANTASY 28 und 29, Erich Pabel Verlag, 1976 Oder: Jch hab nicht das Locken der Lauten gehört, noch der bronzenen Hörner Schall, Doch dort, wo kein Wind die Stille stört, hört ich des Schweigens Hall. Ich hab nicht gehört, wie die Trommeln gehn, noch sah ich die Banner im Feld, Doch ich habe die Drachen kommen gesehn, glutäugig, über die Welt. So düster, so grimmig, so faszinierend wie seine Prosa. Der Erste Deutsche Fantasy Club hat seit den sechziger Jahren in Zusammenarbeit mit Glenn Lord, dem literarischen Nachlaßverwalter Howards, in seinen Publikationen viele Gedichte und Briefe (etwa an seine Autorenkollegen August -2 1 0 -