Küss mich – schnell! Alyssa Dean
Tiffany 898
14/1 2000
gescannt von suzi_kay korrigiert von la_sirene
1. KAPITEL G...
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Küss mich – schnell! Alyssa Dean
Tiffany 898
14/1 2000
gescannt von suzi_kay korrigiert von la_sirene
1. KAPITEL Gute Männer sind schwer zu finden. Ist Ihnen Ihr Traummann noch nicht begegnet? Verzweifeln Sie nicht, meine Damen. Es lohnt sich, auf den Richtigen zu warten. Sie werden ihn erkennen an seiner liebenswürdigen und optimistischen Lebensein stellung, seiner zupackenden Art und dem Selbstvertrauen, mit dem er das Leben meistert. Glauben Sie mir, der Richtige wartet an der nächsten Ecke auf Sie. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Offensichtlich halte ich mich immer an den falschen Ecken auf", murmelte Tara. Sie saß in Charlenes Büro und las in der ersten Ausgabe der 1949 gegründeten Zeitschrift Real Men. Die Überschrift des Artikels stand auf der linken Seite, auf der rechten war ein Schwarzweißfoto zu sehen, das eine junge Frau zeigte, die zu einem etwa gleichaltrigen Mann in Anzug und Krawatte emporblickte. Sie schien einfach hingerissen zu sein, was angesichts ihres sehr attraktiven Gegenübers leicht zu verstehen war. "Was hast du gesagt?" Charlene Mortimer-Phelps, Redakteurin bei Real Men, sah hoch und blickte Tara überrascht an.
"Genau das behaupten sie in diesem Artikel. ,Der richtige Mann wartet an der nächsten Ecke auf Sie.' Diese Erfahrung habe ich noch nie gemacht, Charlene. Und dabei bin ich schon in vielen Städten gewesen und bin um viele Ecken gegangen. Das Einzige, was mir begegnet ist, war ein Straßenräuber." "Ich verstehe nicht ganz ..." "Und so was hatten sie bestimmt nicht gemeint. Hör zu." Tara hob die Zeitschrift hoch und las vor: ",Gehören Sie zu den Frauen, die sich nicht entscheiden können? Keine Sorge. Männer sind im Allgemeinen sehr entscheidungsfreudig. Ob es darum geht, was Sie essen, was Sie anziehen oder wohin Sie gehen, der richtige Mann wird keine Schwierigkeiten haben, eine Entscheidung zu fällen.'" Sie ließ die Zeitschrift wieder sinken. "Sag mir ehrlich, wann ist dir das letzte Mal ein solcher Mann begegnet?" Charlene hob leicht die Augenbrauen. "Ich kann mich nicht erinnern." "Ich mich auch nicht." Tara lehnte sich zurück. "Der einzige Mann mit diesen Qualitäten, den ich kenne, war mein Vater. Das wäre ein Mann für dich gewesen. Charmant, höflich, gut aussehend." Sie seufzte leise. Ihr Vater war schon vor Jahren gestorben, aber sie hatte viele schöne Erinnerungen an ihn. "Mir ist noch nie jemand wie er begegnet." "Wirklich nicht?" Charlene wirkte abwesend. "Keine Sorge, eines Tages wirst auch du jemanden treffen, der zu dir passt." "Dieser Tag war bestimmt nicht der letzte Sonnabend. Du kannst dir nicht vorstellen, wie diese Verabredung ablief. Dennis schien vollkommen in Ordnung zu sein, als ich ihn kennen lernte, aber er entpuppte sich dann als das absolute Gegenteil. Er war weder charmant noch höflich und ganz sicher nicht entscheidungsfreudig. Er schleppte mich von einem Restaurant zum nächsten, wohl weil er hoffte, etwas Billigeres zu finden." Tara legte die Zeitschrift wieder auf den Tisch. "Mir
ist noch nie jemand begegnet, der so ist wie der Mann hier in dem Artikel." "Das wundert mich nicht. Der Artikel wurde im Jahre 1949 geschrieben. Seitdem hat sich vieles verändert, auch die Männer." Tara sah sich das Foto des gut gekleideten Mannes noch einmal an. Er war nicht nur attraktiv, er wirkte auch liebenswürdig, optimistisch und weltgewandt. "Das kann man wohl sagen." Liebenswürdig und weltgewandt war keiner der Männer gewesen, mit denen sie ausgegangen war. Sie wirkten eher unbeholfen und waren Taras Meinung nach meistens zu leger angezogen. "Und hier fängt deine Aufgabe an." Charlene lächelte leicht. "Wie du selbst sagst, der Artikel über den richtigen Mann ist vollkommen veraltet. Du sollst ihn auf den neuesten Stand bringen." Tara arbeitete seit über drei Jahren als freie Mitarbeiterin für Real Men, aber sie hatte immer noch manchmal Schwierigkeiten zu verstehen, was Charlene meinte. "Ich glaube nicht, dass ich die Männer ändern kann. Zumindest bin ich bei meinen Versuchen bisher nicht sehr erfolgreich gewesen. Man muss wohl einfach lernen, die Männer so zu nehmen, wie sie sind." Charlene verzog keine Miene. "Du sollst doch nicht die Männer verändern, sondern die Liste auf den neuesten Stand bringen." Tara begriff. "Ich soll 49 Punkte herausfinden, die man heutzutage über den richtigen Mann wissen muss?" "Nein, du sollst sogar 50 Punkte aufführen." Charlenes Augen leuchteten. "Das war natürlich Sophias Idee, um so wieder auf den fünfzigsten Geburtstag der Zeitschrift aufmerksam zu machen." "Das hätte ich mir denken können." Sophia Watson, die Chefredakteurin von Real Men legte größten Wert darauf, auch
den neuen Leserinnen immer wieder klarzumachen, dass die Zeitschrift schon 50 Jahre alt war. Tara arbeitete gern für das Magazin. Real Men war eine liberale, moderne Frauenzeitschrift, deren Journalisten gut bezahlt wurden. Tara war begeistert gewesen, als ihr erster Artikel angenommen worden war. Und dennoch hatte sie in letzter Zeit immer häufiger das Gefühl, sie sollte mal etwas mit ein bisschen mehr Substanz schreiben. Artikel wie "Schlafzimmer, die verführen" oder "Kleidung, die Ihnen Mut macht" oder gar "Essen, das ihn in Stimmung bringt", ein Thema, an dem sie gerade saß, gingen ihr zunehmend auf die Nerven. Eine Auflistung von 50 Merkmalen, die den richtigen Mann charakterisierten, war auch nicht viel besser. "Das hört sich interessant an", sagte Tara. "Aber ich bin nicht sicher, ob ich die Geeignete bin für so etwas. Ich meine, meine Erfahrungen mit ,echten' Männern sind nicht gerade ..." "Oh, darum brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wir haben sie bereits für dich zusammengestellt." Tara sah Charlene erstaunt an. "Ihr habt was?" "Ja." Charlene öffnete einen Ordner und reichte ihr ein paar getippte Seiten. "Auf dieser Liste stehen viele 'richtige' Männer." Tara überflog die Namen. "Enright Stefens. Harry Bakersficld. Tim McKewan." Sie sah hoch. "Was sind das für Leute?" "Männer, die für unseren Artikel infrage kommen." Charlene blickte auf ihre Kopie. "Enright Stefens arbeitet im Umweltschutz. Harry Bakersfield gibt Latein an der Universität, und Tim McKewan hat eine hübsche kleine Kunstgalerie im Süden der Stadt. Und natürlich haben wir auch die üblichen Computerspezialisten aufgelistet, außerdem ist der Besitzer einer Männerboutique darunter, ein Unternehmer, ein Finanzberater ..."
Tara lehnte sich zurück. "Ein Umweltschützer, ein Lateinprofessor und ein paar Computergurus, das sollen die Traummänner von heute sein? Genau mit solchen Typen bin ich ausgegangen, und glaub mir, das, was ich unter einem richtigen Mann verstehe, war nicht darunter." "Nach Aussage der modernen Frau sind sie es." Charlene legte die Liste zur Seite und klopfte mit dem Finger darauf. "Wir haben eine Umfrage durchführen lassen und daraufhin diese Liste aufgestellt." "Und was anderes haben sie nicht finden können?" Tara starrte mit zusammengezogenen Brauen auf die Liste. "Wie ist es denn mit Männern wie Gary Cooper und Cary Grant? Mutig, attraktiv und immer elegant gekleidet." Charlene winkte ab. "Das ist passe, meine Liebe. Die Frauen sind nicht mehr an Helden interessiert, die aus dem Flugzeug springen, um sie zu retten. Die Frauen von heute können sich sehr gut selbst retten." Tara musste daran denken, was sie alles seit ihrer Ankunft in Chicago erlebt hatte. Der Mann, der sie auf der Straße überfallen und ihr das Portemonnaie geraubt hatte. Der merkwürdige Kerl aus der U-Bahn, der ihr ständig gefolgt war. Die Schritte hinter ihr, als sie über den leeren Parkplatz ging. "Vielleicht können wir das, aber das bedeutet doch nicht, dass ein bisschen Hilfe hin und wieder nicht ganz angenehm wäre." "Die Frau von heute will einen Mann, der auch in die heutige Zeit passt. Und genau mit diesen Männern wirst du dich treffen. Ist das nicht spannend?" "Ja, wunderbar", log Tara. "Aber warum muss ich mich mit ihnen treffen? Warum muss überhaupt jemand mit ihnen sprechen? Können eure Soziologen nicht eine Untersuchung ..." Charlene nickte kurz. "Daran hatte ich auch zuerst gedacht. Aber Sophia ist der Meinung, dass der Artikel sehr viel lebendiger würde und auch bei unseren Leserinnen besser ankäme, wenn du die Männer persönlich kennen lernst. Und
später können wir das Ganze mit ein paar Fotos deiner Interviewpartner aufpeppen." Tara hatte große Zweifel, dass Fotos von Computerspezialisten und Umweltschützern geeignet waren, irgend etwas aufzupeppen. Vielleicht sollte sie den Auftrag einfach ablehnen. Sie hatte sich doch vorgenommen, so etwas in Zukunft nicht mehr zu machen. Andererseits musste sie auch pragmatisch denken. Da waren der Stapel Rechnungen auf ihrem Küchentisch und die horrende Miete ihres neuen Apartments. Und ernsthafte Aufträge waren nicht in Sicht. "Bist du wirklich sicher, dass ich die richtige Person für einen solchen Artikel bin? Ich meine, ich fühle mich natürlich geschmeichelt, dass du dabei an mich gedacht hast, aber ich sitze noch an .Essen, das ihn in Stimmung bringt'. Außerdem habe ich kaum Erfahrung mit dieser Art von soziologischen Studien, und deshalb ist es vielleicht besser ..." Charlene sah sie verwundert an. "Aber Sophia ist der Meinung, dass du genau die Richtige bist. Und ich stimme mit ihr da vollkommen überein. Du bringst alle Voraussetzungen mit, die man dafür braucht." "Wenn du dabei an meinen Hochschulabschluss in Journalismus denkst..." "Nein, daran eigentlich weniger", unterbrach Charlene sie. "Damit will ich nicht sagen, dass du nicht sehr gute Artikel schreibst, Tara. Aber ich denke an etwas anderes, nämlich daran, dass du nicht mehr so ganz jung bist." Sie machte eine kurze Pause. "Und noch ungebunden." Tara sah sie empört an. "Ich bin erst dreiunddreißig." "Ich weiß. Dreiunddreißig und unverheiratet. Du entsprichst genau dem Typ unserer treuesten Leserinnen, verzweifelt auf der Suche nach jemand Besonderem, der ihrem Leben einen Sinn gibt." "Als verzweifelt würde ich mich nicht gerade bezeichnen."
"Du weißt, was ich meine. Du hast Erfahrung. Du bist mit einer Reihe von Männern ausgegangen. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, hast du jemand Neues." "Aber deshalb bin ich doch keine Männerexpertin." Charlene stand auf, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie die Besprechung als beendet ansah. "Dann ist ja alles klar. Ich bin dir dankbar, dass du diesen Auftrag übernimmst, und bin sicher, dass dein Artikel erstklassig wird." Sie ging um den Schreibtisch herum und gab Tara die Hand. "Ich bin schon sehr gespannt, was du Aufregendes herausfinden wirst." "Ich auch", sagte Tara trocken. Verglichen mit ihrem neuem Auftrag war "Essen, das ihn in Stimmung bringt" ja geradezu ein Kinderspiel. Auch Chase Montgomery dachte gerade über Essen nach, wenn auch nicht über Essen, das ihn in Stimmung brachte. War da nicht jemand in seiner Küche? Unsinn, sagte er sich und versuchte, sich wieder auf den Computerbildschirm zu konzentrieren. Ein gutes Dutzend von Humphry Laromees Männern war an Bord der Yacht, alle gut trainiert und mit Waffen ausgerüstet. Und ein Großteil dieser Waffen war direkt auf Hunter gerichtet. In der Küche wurde eine Schranktür geöffnet und wieder geschlossen. Chase sah hoch. Wer konnte das sein? Vielleicht einer seiner Freunde? Viele hatten einen Schlüssel zu dem Haus, aber die meisten würden nicht einfach so unangemeldet hereinplatzen. Selbst seine Schwester Molly rief immer an, bevor sie kam. Nur seine Mutter und sein Agent Jerome hatten die schlechte Angewohnheit, ohne Voranmeldung zu kommen. Seine Mutter war allerdings gerade wieder auf einer ihrer Kreuzfahrten. Und so konnte es nur Jerome sein oder ein Einbrecher.
Chase schätzte Jerome durchaus, aber er hatte jetzt absolut keine Lust, sich über den überzogenen Abgabetermin seines nächsten Buches zu unterhalten. Die Kabinentür öffnete sie lautlos , und Laromee watschelte heraus. Er wirkte besonders klein und stämmig, weil die Blondine an seiner Seite schlank und hoch gewachsen war. Er starrte Hunter mit seinen kalten grauen Augen an. "Da sind Sie ja schon wieder, Mr. McQuade." "Es scheint so", sagte Hunter. "Warum geben Sie nicht endlich auf, Laromee? Sie haben doch sowieso keine Chance." Laromee grinste böse. "Wer will mich hindern? Der berühmte Hunter McQuade ist in meiner Gewalt. Wer könnte mir sonst gefährlich werden?" Er wandte sich zu der Frau um. "Bridgett, ich glaube, Mr. McQuade ist dir noch nicht vorgestellt worden?" "Nein", sagte die Blondine. Ihr Tonfall war kühl, aber ihre dunkelblauen Augen sprachen eine andere Sprache. Hunter sah, wie sie ihn von oben bis unten musterte. Er hatte noch eine Chance. Er musste Bridgett dazu bringen, ihm zu helfen. Irgend jemand hatte den Wasserhahn aufgedreht, dann gurgelte die Kaffeemaschine, und bald darauf roch es nach frisch gebrühtem Kaffee. Chase seufzte. Sofern es sich nicht um einen Einbrecher handelte, der hin und wieder eine Kaffeepause brauchte, konnte der mysteriöse Besucher kein Dieb sein. "Mach dir keine Sorgen", versicherte er Hunter. "Du schaffst es. Die schöne Bridgett ist dir bereits verfallen." Sie wird dir helfen."
Es war vielleicht eine etwas banale Geschichte, aber mit etwas Spannung und Sex angereichert, ließ sie sich bestimmt gut lesen. Chase sicherte das Geschriebene, stand auf und ging in die Küche. Die Küche war langer Schlauch. An der einen Schmalseite war die Arbeitsplatte angebracht, an der anderen stand ein kleiner Esstisch. In der Mitte des Raumes war ein ein kleiner untersetzter Mann in dunklem Anzug damit beschäftigt, Kaffee in einen Becher zu gießen. "Guten Morgen, Jerome." Der Agent sah Chase über den Rand des Kaffeebechers hinweg missmutig an. "Es ist bald Mittag. Bist du etwa gerade erst aufgestanden?" "Nicht ganz." Chase zog sich schnell das T-Shirt über und ließ sich auf die Holzbank neben dem Tisch fallen. "Ich bin seit gestern nicht ins Bett gekommen." Er blickte auf die Uhr. "Von wegen Mittag. Es ist gerade erst halb elf." Jerome machte eine abwehrende Handbewegung. "Anderswo auf diesem Kontinent ist es bereits Nachmittag." Er nahm einen zweiten Becher aus dem Regal, goss Kaffee ein und stellte ihn vor Chase hin. "Hier. Du siehst so aus, als könntest du ihn gebrauchen." Chase starrte in die schwarze Flüssigkeit. "Danke, nein. Die Kaffeemaschine hast du mir geschenkt, weil du selbst Kaffeetrinker bist. Das ist nicht gut für dich. Das ganze Koffein ..." "Genau das brauchst du, damit du in Schwung kommst." Es lohnte sich nicht, darüber zu streiten. "Weshalb bist du gekommen? Solltest du nicht lieber versuchen, meine Bücher an den Mann zu bringen?" Jerome lächelte überlegen. "Ich bin dein Agent, Chase, kein Straßenverkäufer. Ich kümmere mich um die Leute, die deine Bücher verkaufen sollen." Er setzte sich. "Hast du wirklich die
ganze Nacht geschrieben? Oder hast du was Interessanteres mit Arla vorgehabt?" Er sah sich um. "Sie ist nicht hier, oder?" "Wer? Arla? Nein, sie ist weg." "Weg wie gegangen oder weg wie endgültig aus?" "Es ist endgültig aus." Jerome sah ihn überrascht an. "Wieso denn? Ich dachte, du magst sie?" "Ja, sie ist ja auch nett." "Was ist denn passiert?" "Keine Ahnung." Chase stand auf und goss den Kaffee in die Spüle. "Sie war nur der Meinung, dass wir beide mit anderen Partnern besser dran wären." "Aha." Jerome beobachtete ihn aufmerksam. "Es scheint dir nicht allzu viel auszumachen." "Nein." Arla hatte Recht. Sie würden mit anderen Partnern glücklicher sein. "Das sollte es aber. Bei dir gehen mehr Beziehungen kaputt als Autos in deinen Romanen." "Das ist nicht wahr." "Oh, doch. Du hast schon mehr Frauen gehabt als meine Exfrau Therapeuten." Jerome strich sich nachdenklich über die Stirn. "Das ist nicht gut für dein Image. Du solltest doch der Inbegriff eines Machos sein und nicht ein Mann, der von allen Frauen Chicagos sitzen gelassen wird. Schließlich bist du ein berühmter Schriftsteller. Die Frauen sollten hinter dir her sein. Statt dessen verlassen sie dich." "Das stimmt nicht." Chase setzte den Wasserkessel auf. Ein guter Tee wäre jetzt das Richtige. Und kein Jerome, der ihm Vorträge hielt. "Sie wollen einfach ihr Leben weiterführen. Ohne mich." "Sie scheinen dir nicht das Haus einzurennen." Jerome sah sich um. "Und das kann ich ihnen gar nicht mal übel nehmen." Chase runzelte die Stirn. "Was meinst du damit?"
Jerome trank einen Schluck Kaffee. "Ich möchte dich ja nicht verletzten, aber du bist nicht gerade das, was man unter einem aufregenden Mann versteht. Dein halbes Leben verbringst du vor dem Computer." "Na und? Ich bin Schriftsteller, ich muss schreiben. Sonst macht ihr mir doch Vorwürfe, mein Verleger, der Lektor und vor allen Dingen du." Jerome achtete nicht auf ihn. "Und wenn du nicht gerade schreibst, dann bist du auf Signiertour, oder du recherchierst für ein neues Buch, oder du spielst mit deinen Neffen." Chase lehnte sich gegen den Schrank und verschränkte die Arme vor der Brust. "Warum sollte ich nicht mit meinen Neffen spielen?" "Natürlich sollst du das. Es sind tolle Kinder, und du liebst Kinder. Aber sie haben nichts bei einem Rendezvous zu suchen. Die Frau, mit der du ausgehst, möchte etwas mit dir unternehmen." "Ich unternehme doch etwas mit ihr", sagte Chase störrisch. "Aber nicht das Richtige." Jerome nahm wieder einen Schluck Kaffee. "Was hast du zum Beispiel das letzte Mal mit Arla gemacht?" Chase überlegte. "Wir haben eine Autotour gemacht. Ich wollte mir darüber klär werden, wo sich Hunter im Wald verstecken konnte. Dann sind wir hierher gefahren. Ich habe eine Pizza bestellt, bei der neuen Pizzeria. Die ist wirklich gut. Du solltest mal deren fettarme ..." "Die Pizza interessiert mich nicht", unterbrach ihn Jerome. "Ich möchte wissen, was du mit Arla gemacht hast." "Okay. Also, wir haben die Pizza gegessen, und dann kamen Mollys Kinder rüber." "Und ihr habt den Rest des Tages mit ihnen gespielt?" "Ja, so ungefähr." "Aber, Chase, so was stellt sich eine Frau doch nicht unter einer Verabredung mit einem Mann vor. Du hättest mit ihr essen
gehen sollen, hättest sie dann ins Kino einladen können, ins Theater oder ins Konzert. Welche Frau hat schon Lust, mit einem Hot Dog während einer Sportveranstaltung abgespeist zu werden? Um danach mit irgendwelchen Kindern Räuber und Gendarm zu spielen, bevor die übliche Nummer im Bett läuft." Chase sah ihn verblüfft an. Er aß zwar nie Hot Dogs, aber davon abgesehen hatte Jerome den Verlauf seiner Verabredungen ganz treffend geschildert. "Mit welchem Recht hältst du dich für einen Frauenexperten?" fragte er. "Wie oft wurdest du geschieden? Ein oder zwei Mal?" "Drei Mal", sagte Jerome. "Dabei bleibt es auch. Vanna ist die ideale Frau für mich. Aber immerhin war ich schon ein paar Mal verheiratet. So wie du die Sache anfängst, müsstest du die Frau gleich bei der ersten Verabredung fragen, sonst ist sie wieder weg." Da war etwas dran. Chase hatte es zwar nicht eilig zu heiraten. Das Leben als relativ wohlhabender und berühmter Single hatte durchaus seine Vorteile, aber dass ihn bisher noch nie eine Frau hatte heiraten wollen, beunruhigte ihn schon etwas. Vielleicht hatte Jerome ja doch Recht. Er schob den Gedanken beiseite. "Du bist doch sicher nicht gekommen, um dich mit mir über mein Fehlverhalten Frauen gegenüber zu unterhalten." "Nein, das stimmt", sagte Jerome. "Ich möchte mit dir über 'Gefahr beim Morgengrauen' sprechen. Woher weiß Hunter, als er in das Atomkraftwerk einbricht, dass der Böse bereits den Atomsprengkopf der Cruise Missile scharfgemacht hat?" Chase atmete auf. Zu diesem Thema konnte er etwas sagen. Stella Brisworth war begeistert von Taras neuem Auftrag. Sie war am Abend vorbeigekommen, um Tara beim Einrichten des neuen Apartments zu helfen. Während sie auf dem blanken Holzfußboden saßen, umgeben von Umzugskartons, und ihr
Abendessen in Form von Sandwiches zu sich nahmen, erzählte Tara ihr Genaueres. "Das hört sich doch fabelhaft an", meinte Stella. "Auf diese Weise lernst du wenigstens ein paar interessante Männer kennen. Das passiert mir leider nie. Die Männer, mit denen ich arbeitsmäßig zu tun habe, sind nur an ihren Steuern interessiert." "Als Buchhalterin ist das zu erwarten." Tara fing an, Bücher in ihr Rattanregal einzuräumen. Sie hielt inne und sah sich in dem Raum um. "Findest du, dass das Bücherbord hier richtig steht? Oder sollten wir es lieber an die andere Wand schieben?" Stella fuhr sich durch ihr kurzes blondes Haar. "Weder noch. Es sieht überall schrecklich aus." Sie nahm ein paar Bücher aus dem Regal und warf sie in den Karton zurück. "Du kannst nur eins tun. Pack alles zusammen, und zieh wieder in dein altes Apartment. Das Bücherregal sah dort viel besser aus." "Stella!" "Aber es ist die Wahrheit." Stella setzte sich wieder auf den Boden und umschlang die Knie mit den Armen. "Ich habe keine Ahnung, warum du eigentlich umgezogen bist. Dein altes Apartment lag zentraler, war größer und wesentlich billiger. Außerdem gibt es hier noch nicht einmal einen Fahrstuhl." "Es sind doch nur zwei Stockwerke. Und ein bisschen Laufen hat noch nie jemandem geschadet." "Laufen ist schön und gut, wenn du Lust dazu hast. Aber wenn du beladen mit Einkäufen nach Hause kommst, dann sehnst du dich nach einem Fahrstuhl." Stella sah sie traurig an. "Das Beste an deinem alten Apartment aber war, dass es meinem direkt gegenüber lag. Du wirst mir sehr fehlen und das nicht nur als Babysitter." Nebenan im Schlafzimmer spielte Stellas sechsjähriger Sohn. "Ihr werdet mir auch fehlen", erwiderte Tara melancholisch. Sie sah sich in dem großen hohen Raum mit den alten hölzernen Türrahmen und der Stuckdecke um. Nein, es war richtig, dass sie die Wohnung gewechselt hatte. "Ich musste umziehen,
Stella. Ich habe mich immer nach einer solchen Wohnung gesehnt - geschmackvoll, elegant, edel." "Das ist sie. Und die Gegend erst." "Mach dir keine Sorgen." Tara beugte sich vor und klopfte Stella liebevoll aufs Knie. "Wir werden uns auch in Zukunft oft sehen, und wenn du mich brauchst, bin ich immer für Matthew da." Sie war nun doch ganz zufrieden mit dem Standort des Regals und fing wieder an, Bücher einzuordnen. "Ich hoffe nur, ich kann immer das Geld für die Miete aufbringen." Stella reichte ihr einen Bücherstapel. "Warum denn nicht? Du hast doch viele Aufträge." "Ja, solange ich bereit bin, dieses banale Zeug zu schreiben." "Das ist doch nicht banal, was du schreibst." Tara lachte kurz auf. "Als was würdest du denn Artikel bezeichnen wie ,Kleidung, die Ihnen Mut macht', 'Schlafzimmer, die verführen' oder 'Essen, das ihn in Stimmung bringt'? Als anspruchsvollen Journalismus?" "Nein, nicht unbedingt. So was produziert man, um die Miete bezahlen zu können. Obwohl mir .Schlafzimmer, die verführen' sehr gefallen hat. Und dein neuer Auftrag hört sich doch ganz gut an. Du musst dir schließlich nicht 50 neue Punkte ausdenken, die Frauen über Männer unbedingt wissen müssen. Du brauchst die Liste nur zu aktualisieren." "Vermutlich." Tara lehnte sich gegen das Sofa. "Obwohl ich gar nicht so sicher bin, dass das notwendig ist." Stella starrte sie an. "Wie meinst du das?" "Seit dem Gespräch mit Charlene denke ich darüber nach. Sie sagte, ich hätte mich mit vielen Männern verabredet, und sie hat Recht. Ich habe mich mit Unmengen von Männern getroffen, und keiner hat mich besonders beeindruckt im Hinblick auf das, was man unter einem richtigen Mann versteht." "Aber, Tara, du hast doch ein paar tolle Männer kennen gelernt." "Wen denn zum Beispiel?"
"Na, zum Beispiel Derek. Der war doch süß. Das lockige blonde Haar, die Muskeln ..." "Ja, er hatte Superbizepse. Aber das war auch kein Wunder, denn sie waren das Wichtigste in seinem Leben. Er hat sogar mit ihnen gesprochen! .Keine Sorge, Jungs, morgen geht es wieder zum Training.'" "Vielleicht war Derek kein gutes Beispiel", gab Stella zu. "Wer war denn da noch? Wie war es mit Owen? Der sah doch wirklich gut aus und verbrachte sein Leben nicht beim Hanteltraining." "Das ist wahr." Tara sah den elegant gekleideten dunkelhaarigen Owen wieder vor sich. "Er verbrachte sein Leben bei Therapeuten." "Dagegen ist doch nichts zu sagen. Viele Leute ..." "Aber Owen war wie besessen davon. Er ist der einzige Mensch, den ich kenne, der mehr Therapeuten als Verwandte hat. Er wusste noch nicht einmal, worin eigentlich sein Problem bestand. Er ging zu einem Therapeuten, um das herauszufinden, und dann zu einem anderen, um das Problem beseitigen zu lassen. Wenn er sich nicht gerade selbst analysierte, dann war ich dran. Er beschloss schließlich, dass er noch zu instabil war, um sich zu binden, und ich war darüber ungeheuer froh. Nachdem ich drei Mal mit ihm ausgegangen war, hatte ich mehr Probleme als er." "Ja, aber trotzdem ist es schade. Er war so nett." "Ja, aber mehr nicht. Er war absolut nichts zum Heiraten. Das traf übrigens auf all die anderen Männer zu. Sie waren im Grunde nett, aber die Vorstellung, den Rest meines Lebens mit ihnen zu verbringen, war einfach schrecklich." Tara starrte nachdenklich vor sich hin. "Sie waren mir einfach zu ... modern. Sozusagen typische Beispiele für gängige Trends." Stella rümpfte die Nase. "Und du möchtest lieber einen, der nicht in die heutige Zeit passt?"
"Ja. Ehrlich gesagt, Stella, ich bin mit vielen Männern ausgegangen, aber nicht aus den richtigen Gründen. Ich habe mich mit ihnen getroffen, weil sie gut aussahen oder sexy waren. Aber nicht, weil ich sie mir als meinen Lebenspartner vorstellen konnte." Stella nickte ernsthaft. "Ich verstehe dich. Ich bin mit Billy anfangs wegen seiner breiten Schultern ausgegangen. Und wahrscheinlich habe ich ihn auch deshalb geheiratet. Wenn er die nicht gehabt hätte, wäre unsere Ehe schon viel früher zerbrochen. Er ist ein Idiot, sagte ich mir oft, aber er hat so tolle breite Schultern. Es war lächerlich." "Ja, genau das meine ich", rief Tara aus. "Ich treffe mich mit all diesen Männern, weil sie mich körperlich anziehen. Das ist kein guter Grund. Ab heute werde ich mich nur mit Männern verabreden, die ich mir auch als Ehemann vorstellen könnte." Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. "Ich weiß jetzt, was ich will. Ich will einen von diesen altmodischen Männern, stark, vertrauenswürdig, höflich und gut gekleidet, einen Mann, der dir selbstverständlich seinen Platz im Bus überlässt, einen Mann wie Gregory Peck oder Cary Grant ... oder wie meinen Vater." Sie öffnete die Augen, um zu sehen, wie Stella darauf reagierte, "Mein Vater war ein wunderbarer Mann. Wusstest du, dass er meiner Mutter jeden Morgen den Tee ans Bett brachte? Ich kann mir keinen Mann vorstellen, der das heute noch tut." "Ich auch nicht", sagte Stella langsam. "Die heutigen Männer erwarten, dass du sie umsorgst, und du musst dafür noch dankbar sein. Und dauernd denken sie darüber nach, wie sie sich fühlen." "Das ist unsere Schuld", warf Stella ein. "Wir wollten doch, dass sie sich zu ihren Gefühlen bekennen." "Und das tun sie reichlich, sie denken ständig über ihre eigenen Gefühle nach. Aber was du fühlst, das ist ihnen vollkommen egal. Wir Frauen sind für alles Mögliche zuständig, während die Männer sich nur um ihre eigenen Sachen kümmern
- ihre Karriere, ihren Sport, ihren Cholesterinspiegel." Tara warf verärgert ein Buch auf den Stapel zurück. "Sie brauchen keine Beziehung zu einer Frau, weil die Beziehung zu sich selbst sie schon total in Anspruch nimmt." "Das ist wahr", sagte Stella leise. "Bei den heutigen Männern kann man schon dankbar sein, wenn die Unterhaltszahlungen pünktlich kommen." Tara drehte sich schnell nach ihr um. "Hat er wieder nicht...?" "Nein. Er hat seinen Job aufgegeben." Stella wirkte eher resigniert als verärgert. "Er war der Meinung, dass die Installation von Kabelanschlüssen für Fernseher ihn nicht mehr seelisch befriedigt. Ich sag dir, Mr. Right hat keine Selbstfindungsprobleme. Bill dagegen hat seit Jahren nichts anderes im Kopf." "Habt ihr euch deshalb getrennt?" Stella nickte. "Ja. Und weil dieser Selbstfindungsprozess unbedingt in den Schlafzimmern von sexy Blondinen stattfinden musste." Sie schnippte mit den Fingern. "Also haben wir schon Punkt zwei: Mr. Right ist monogam. Siehst du, Tara, so schwer ist es doch gar nicht." "Nicht, wenn es dabei nur auf mich ankäme. Ich hätte die Liste in einer halben Stunde zusammengestellt. Leider hat Charlene andere Vorstellungen. Sie will, dass ich eine Reihe von Männern befrage, um mir ein Bild zu machen." "Das macht die Sache komplizierter." Stella öffnete den nächsten Umzugskarton. "Du könntest dich mit Gerald unterhalten. Er sieht ein bisschen aus wie Cary Grant." Sie kniff kurz die Augen zusammen. "Leider hat er die schlechte Angewohnheit, Menschen einfach umzubringen." "Gerald? Meinst du den Mann, der Wutherspoon Outerwear übernommen hat?" "Ja." "Das habe ich mir gedacht." Stella ließ an dem armen Gerald kein gutes Haar, seit er die Firma geerbt hatte, in der sie als
Buchhalterin arbeitete. "Mr. Wutherspoon ist an einer allergischen Reaktion gestorben, Stella." Stella schüttelte zweifelnd den Kopf. "Das sagen alle, doch ich habe da so meine Zweifel. Sicher, Franklin Wutherspoon hatte eine Fischallergie, aber er wusste es und war sehr vorsichtig mit dem Essen." Tara stöhnte leise. Wie oft hatten sie sich schon über dieses Thema unterhalten! "Und es ist während unseres Betriebsfestes passiert. Es wurde gesagt, er habe von der einen Vorspeise gegessen, in der Krabben waren. Aber das glaube ich nie!" "Vielleicht wusste er nicht, was drin war." "Kann sein. Aber es würde mich nicht wundern, wenn Gerald etwas damit zu tun hätte. Schließlich hat er die Firma geerbt." Stella seufzte. "Ich wünschte, Franklin hätte die Firma jemand anderem hinterlassen. Für ihn zu arbeiten war ein reines Vergnügen. Und nun ist sein Neffe Gerald da und will alles verändern. Wir werden sogar Unterwäsche aus Leder in unser Sortiment aufnehmen. Kannst du dir so etwas vorstellen? Mr. Wutherspoon wird sich im Grab umdrehen." "Vielleicht verkauft sich so was ganz gut." Allerdings war Tara davon auch nicht überzeugt. "Hm. Ich habe keine Ahnung, ich bin nur eine kleine Buchhalterin. Vielleicht ist Gerald auch gar nicht so übel. Er ist nur eben nicht Mr. Wutherspoon." Sie dachte einen Augenblick nach. "Weißt du, mit wem du dich unterhalten solltest? Mit Stanley Gruber, dem neuen Mann im Außendienst, der vor ein paar Monaten bei uns angefangen hat. Ich glaube, ich habe ihn schon mal erwähnt." "Mindestens tausend Mal." Tara lachte. Stanley schien ebenso an Stella interessiert wie sie an ihm. Stella griff nach einem Kissen und warf es in Taras Richtung. "Du übertreibst. Außerdem ist Stanley wirklich ein netter Mann. Er ist charmant und höflich und hat viel Humor. Und er
beschäftigt sich nicht ständig mit sich selbst. Er weiß, was er will. Vorläufig arbeitet er nur im Außendienst, aber in ein paar Jahren ist er bestimmt Leiter der Marketing-Abteilung. Das habe ich so im Gefühl." "Er hört sich sehr viel besser an als die Männer, die ich zu interviewen habe." Tara stand auf und ging in die Küche, um die Liste zu holen. "Hier." "Danke. Ein Ingenieur, ein Altphilologe und ein Meteorologe. Das hört sich allerdings ziemlich schlimm an." Stella blätterte um. "Ein Privatdetektiv, der könnte ganz interessant sein. Und Hunter McQuade ist auch in Ordnung." Tara goss sich Mineralwasser ein. "Wer ist das?" Stella sah sie missbilligend an. "Du weißt doch, wer Hunter McQuade ist. Er ist der Held aus ,Showdown bei Sonnenuntergang' von Chase Montgomery. Du hast das Buch bestimmt gelesen. Es "stand ewig lange auf der Bestsellerliste." "Das ist doch nicht dein Ernst", entgegnete Tara. "Für die Frau von heute ist ein echter Mann eine Romanfigur?" Stella zuckte mit den Schultern. "Vielleicht entspricht er am ehesten ihren Vorstellungen. Ich kann das irgendwie nachvollziehen. Hunter ist phantastisch. Du kennst das Buch sicher. Habe ich dir nicht sogar mein Exemplar geliehen?" Sie durchsuchte die letzte Bücherkiste. "Hier ist es." Tara blickte auf den schwarzen Einband, auf den in leuchtend gelben und blutroten Buchstaben der Titel und der Name des Autors gedruckt war. "Ist das die Geschichte, in der der Held hinter diesem Typen her ist, der die ganze Welt bedroht? In der er eine ganze Armee übler Schläger vernichtet und später eine Reihe von Frauen errettet, die als verschwunden galten?" "Genau." Tara lächelte verächtlich. "Da habe ich aber eine andere Vorstellung von einem Helden. Der hier tut doch nichts anderes, als herumzuballern und alles in die Luft zu jagen." "Nein, das stimmt nicht."
"Ach ja, du hast Recht. Immer, wenn eine Frau in den Raum kam, gab es die üblichen Sexszenen." Tara zog die Augenbrauen zusammen. "So stelle ich mir meinen Traummann nicht vor." "Ich weiß nicht", sagte Stella nachdenklich. "Zumindest waren es tolle Sexszenen." "Aber sie waren doch nur ausgedacht!" sagte Tara aufgebracht. "Eine ganze Armee verfolgt ihn, und er geht mit der erstbesten Frau ins Bett. Was ist denn das für ein Mann?" "Ein Typ wie James Bond." Stella drehte das Buch um. "Der Autor sieht übrigens auch nicht schlecht aus." "Lass sehen." Tara nahm Stella das Buch aus der Hand und musterte das Foto. Stella hatte Recht. Was für Fehler Chase Montgomery auch haben mochte, an seinem Aussehen gab es nichts zu bemängeln. Er hatte kurzes schwarzes Haar, dunkle Augen, trug eine schmale Metallbrille und hatte eine stumpfe gerade Nase wie Bruce Willis. Er lächelte leicht ironisch und ähnelte dem Schauspieler dadurch noch mehr. "Findest du nicht?" fragte Stella. "Sieht er nicht toll aus?" "Interessant, ja." Tara legte das Buch wieder zur Seite. "In Wirklichkeit sieht er sicher vollkommen anders aus. Und wenn nicht, dann bedeutet das noch lange nicht, dass er oder sein Held so sind, wie wir uns einen Traummann vorstellen." "Auf alle Fälle macht er einen sehr viel interessanteren Eindruck als diese Computerfreaks oder der Galeriebesitzer", sagte Stella. "Ich an deiner Stelle würde mit ihm anfangen."
2. KAPITEL Der Traummann ist pünktlich! Sie können Ihre Uhr nach ihm stellen. Wenn er zwei Uhr sagt, dann meint er Punkt zwei. Wenn er auf Sie warten muss, kann er mürrisch werden. Wenn er sich mit Ihnen treffen will, dann darf nichts dazwischenkommen. Aber das braucht Sie nicht zu beunruhigen. Denn mit einem solchen Mann werden Sie sich nur zu gern treffen wollen. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen " in "Real Men ", April 1949 Entweder hatte Chase Montgomery keine Lust, sich mit ihr zu treffen, oder er erfüllte die Anforderungen von 1949 nicht. Tara sah zum zehnten Mal zu der Eingangstür des Restaurants hinüber, dann blickte sie wieder stirnrunzelnd auf ihre Uhr. Der Mann hätte schon vor einer halben Stunde hier sein sollen. Pünktlichkeit war eindeutig kein Kennzeichen des Mannes von heute. Zwar erwartete sie nicht allzu viel von dem Treffen mit Chase Montgomery, aber er schien noch der interessanteste Kandidat zu sein. Gestern Abend hatte sie eins seiner Bücher gelesen. Stella hatte Recht. Seine Helden waren nichts Besonderes, aber die Sexszenen waren ungewöhnlich gut. Außerdem sah der Mann wirklich gut aus. Vielleicht war er das,
was man sich heutzutage unter einem Traummann vorzustellen hatte. Wenn er nur etwas pünktlicher wäre! Sie drehte sich wieder zur Tür um. Hinter einem älteren Paar betrat ein Mann in den Dreißigern das Restaurant, der sich verwirrt umsah. Er war ein wenig nachlässig gekleidet, auf alle Fälle unpassend für dieses Restaurant, mit seiner dunklen Jacke, dem lila T-Shirt und den Jeans. Tara beobachtete das ältere Paar, das zu einem Tisch geführt wurde. Und es gab ihr einen kleinen Stich, als sie sah, wie fürsorglich der Mann der Frau den Stuhl zurechtrückte, bevor er sich selbst setzte. Das war ein Mann nach ihrem Geschmack. Leider war er schon über siebzig. Jetzt drehte sie sich wieder zu dem Mann mit dem lila T-Shirt um, der in eine Diskussion mit dem Oberkellner verwickelt zu sein schien. An ihm war beispielhaft abzulesen, was mit den heutigen Männern nicht stimmte. Er war nicht unattraktiv, sofern einem der intellektuelle Typ gefiel, aber die Jeans hätte gut mal eine Wäsche vertragen können, und das Hemd hätte er in die Altkleidersammlung geben sollen. Tara musste lächeln, als sie sah, dass der Oberkellner den Kopf schüttelte. Er war offensichtlich ihrer Meinung. Sie runzelte die Stirn, als der Mann schließlich doch in den Raum geführt wurde. Tara seufzte und nahm einen Schluck Wasser. Irgendwie kam ihr Mr. Lila bekannt vor. Das war doch nicht etwa ... Sie sah sich wieder um. Tatsächlich, der Oberkellner kam mit ihm quer durch den Raum direkt auf Taras Tisch zu. "Miss Butler?" fragte er in einem Ton, der den Äquator hätte zum Einfrieren bringen können. Tara sah zögernd hoch. "Ja?" "Sie erwarteten doch jemanden." Er blickte sie verächtlich an, nickte dann knapp und ging. Der schlecht gekleidete Mann setzte sich Tara gegenüber. "Hallo. Ich bin Chase Montgomery."
Das konnte doch nicht wahr sein! Wo waren der Anzug, der schicke Haarschnitt, das glatt rasierte Kinn von dem Foto auf dem Buchcover? Er hatte allerdings schwarzes Haar und dunkle Augen, trug allerdings keine Brille, und die Nase ähnelte tatsächlich der von Bruce Willis. "Tara Butler", sagte Tara und streckte die Hand aus. Seine Finger umschlossen fest ihre Hand, und Tara entzog sie ihm schnell. Zugegeben, er hatte eine gewisse Ausstrahlung. "Es tut mir Leid, dass ich Sie nicht gleich erkannt habe. Sie sehen ganz anders aus als auf dem Foto." "Ja, das sagen alle." Er lehnte sich zurück. "Vielleicht weil ich keine Brille trage. Oder weil sie vor dem Fototermin Stunden brauchten, um mich so herzurichten." Wahrscheinlich hatten sie ihn auch vollkommen neu einkleiden müssen, dachte Tara nur, und beobachtete ihn, wie er bei dem Kellner Kräutertee bestellte. "Oder Mineralwasser, falls Sie keinen Tee haben." Du liebe Zeit, er gehörte zu den Gesundheitsfanatikern, die nur Kräutertee und Mineralwasser tranken! Auch das noch. Er sah sie an. "Um was geht es eigentlich, Miss Butler?" "Tara." Sie lächelte freundlich. "Hat Ihr Agent Ihnen nichts erzählt? Vor ein paar Tagen habe ich mit ihm gesprochen, und ich glaube, dass die Zeitschrift..." "Er hat lediglich gesagt, dass es um ein Magazin namens Real Men ginge. Was ist das eigentlich für eine Zeitschrift? Eine für Jäger und Angler?" "Oh, nein", sagte Tara schnell. "Es ist eine Frauenzeitschrift." "Ach so." Chase lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Also, was wollen Sie wissen? Blau, Salat mit fettarmem Dressing und Frauen wie Sie." Tara sah ihn verblüfft an, und er grinste. "Wollten Sie mich das nicht fragen? Meine Lieblingsfarbe, mein Lieblingsgericht und mein Frauentyp?"
Tara kannte diesen Typ. Selbstgefällig, arrogant. Jemand, der sich selbst für den Größten hielt. Sie räusperte sich. "Nein, eigentlich nicht." "Nein?" Er grinste sie an. "Das ist ja wunderbar." Er senkte die Stimme. "Ich habe nämlich gar keine Lieblingsfarbe. Ich sage immer, was mir gerade einfällt - Rot, Grün, Blau, Chartreuse. Dabei kann ich mir unter Chartreuse gar nichts vorstellen." Tara musste lächeln. Vielleicht hatte sie doch Unrecht gehabt. Der erste Eindruck musste ja nicht der richtige sein. Er sah gut aus, auch wenn seine Kleidung das Letzte war. Und wer hatte schon eine Lieblingsfarbe? Ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt, und sie zwang sich, den Blick zu senken. Sie kannte diese Reaktion, die nichts mit dem Verstand, sondern nur mit den Hormonen zu tun hatte. Nein, sie würde sich nicht in diesen Mann verlieben, nur weil er ein umwerfendes Lächeln hatte und dunkle Samtaugen. Sie wollte den modernen Traummann ausfindig machen, und Mr. Montgomery gehörte ganz sicher nicht dazu. Sie öffnete ihre Tasche und zog eine Mappe heraus. "Chartreuse ist ein bestimmter Grünton. Aber nicht deshalb wollte ich Sie sprechen", begann sie. "Es geht vielmehr darum, dass die Zeitschrift Real Men einen Artikel vorbereitet, der ..." "Und meine Aufgabe ist es, die Liste zu aktualisieren", sagte Tara abschließend. "Aha." Chase nahm sich ein Stück Brot aus dem Korb und sah die Frau ihm gegenüber bewundernd an. Ein Schriftsteller kam um Interviews nicht herum. Jerome war sogar der Meinung, dass sie in großem Maße zum Verkaufserfolg eines Buches beitrugen, aber Chase hatte selten Vergnügen daran. Normalerweise stellten die Journalisten ihm immer die gleichen Fragen. Woher er seine Ideen hätte, wie er zu der Schriftstellerei gekommen war, warum er das schrieb, was er schrieb. Dieses Interview war angenehm anders.
Und Tara auch. Er beobachtete sie beim Essen. Frauen wie sie zogen ihn an. Sie war nicht so übertrieben schlank, wie es heute Mode war. Sie schien wohlproportioniert zu sein, und hatte lustig funkelnde grüne Augen. Das mahagonifarbene Haar trug sie aus der Stirn gekämmt, und sie hatte Sommersprossen auf der Nase. "Sie sollen also die Liste auf den neuesten Stand bringen?" fragte er. "Ja. Unsere Zeitschrift hat eine Umfrage zum Thema ,Wie stellen Sie sich Ihren Traummann vor?' durchgeführt. Und daraufhin wurde eine Liste der Männer zusammengestellt, mit denen ich mich unterhalten soll." "Und ich stehe auf der Liste?" Das war ja wunderbar. Also hatte Jerome nicht Recht mit seiner Vermutung, etwas sei mit ihm, Chase, nicht in Ordnung. Vielleicht hatte Arla diesen Eindruck gehabt, aber andere Frauen waren offensichtlich anderer Meinung. Wie gut, dass er dem Interview zugestimmt hatte. Miss Butler trug keinen Ring. Sie hatte eine tolle Figur. Schlank, mit aufregenden Kurven an den richtigen Stellen. "Nicht ganz", sagte Tara. "Eigentlich Hunter." Er sah sie überrascht an. "Wer?" "Hunter McQuade. Der Held aus ,Showdown bei Sonnenuntergang'." Chase war schockiert. "Sie interviewen mich, weil Hunter auf der Liste der möglichen Traummänner steht?" "Ja." Chase legte das Brot wieder auf den Teller und beugte sich vor. "Hunter ist kaum ein gutes Beispiel für einen richtigen Mann. Vor allen Dingen, weil er nur eine erfundene Figur ist." "Ich weiß", sagte Tara ernst. "Die Frauen, die von uns befragt wurden, sollten angeben, wer ihren Vorstellungen von einem richtigen Mann entspricht. Es durften auch fiktive Figuren genannt werden."
"Das ist ja verrückt!" Chase wusste nicht, ob er beleidigt sein oder sich geschmeichelt fühlen sollte. Tara lächelte ihn freundlich an. "Deshalb muss ich Ihnen ein paar Fragen über Hunter stellen." "Gut, was wollen Sie wissen, Miss Butler?" "Bitte, sagen Sie Tara zu mir. Also, es ist ganz einfach." Sie zog einen weiteren Ordner aus der Tasche. Chase nahm einen Schluck Wasser und versuchte sich zu entspannen. So schlimm war es ja auch wieder nicht. Zumindest stand sein Held auf der Liste, und er, Chase, hatte ihn sich schließlich ausgedacht. Ein bisschen identifizierte er sich ja auch mit seinen Romanfiguren. "Lassen Sie uns mit dem Punkt ,Manieren' anfangen", schlug Tara vor. "Wie denkt Hunter darüber? Ist zum Beispiel Höflichkeit wichtig für ihn?" "Höflichkeit?" Chase war vollkommen ratlos. "Wieso Höflichkeit? Hunter rettet die Welt. Damit hat er genug zu tun und kann sich nicht noch um höfliches Benehmen kümmern." "Verstehe." Sie notierte etwas auf ihrem Block. "Dann ist für ihn gutes Benehmen unwichtig?" "Es ist für ihn nicht unwichtig, er denkt gar nicht darüber nach." "Und wie ist es mit Ihnen? Was halten Sie von Höflichkeit?" Ist das eine Fangfrage? schoss es Chase durch den Kopf. "Ich halte mich auch nicht gerade für besonders geschliffen in Benimmfragen." "Interessant." Tara blickte in ihre Unterlagen. "Und wie sieht es mit der Mode aus? Würden Sie sagen, dass Hunter gut gekleidet ist?" "Nein, eigentlich nicht. Aber ich würde ihn auch nicht als schlecht gekleidet bezeichnen. Das hängt sehr von seinen Aufgaben ab. Nachts zum Beispiel hat er meist schwarze Sachen an." Er überlegte kurz. "Ich würde sagen, er ist immer den Erfordernissen entsprechend gekleidet."
Tara tippte mit dem Stift auf ihren Block. "Das ist keine Antwort auf meine Frage. Ich möchte wissen, ob es ihm etwas bedeutet, gut angezogen zu sein." "Nein, ich glaube nicht", antwortete Chase leicht irritiert. "Die Welt zu retten, das ist für ihn von Bedeutung. Was er dabei trägt, ist unwichtig." Miss Butler schien unbeeindruckt zu sein. "Wenn Hunter also in einer Situation wäre, in der es angebracht ist, Anzug und Krawatte zu tragen, dann würde er es tun?" Chase konnte sich eine solche Situation nicht vorstellen. "Wahrscheinlich ja." "Aha." Tara machte sich wieder Notizen, und Chase bemühte sich vergeblich zu entziffern, was sie schrieb. Er hätte seine Brille mitbringen sollen. "Was hält Hunter von Pünktlichkeit?" wollte Tara wissen. "Viel. Pünktlichkeit ist enorm wichtig für ihn. Er ist immer da, kurz bevor die Bombe hochgeht. Das heißt, manchmal ist es schon etwas knapp ..." Taras Lächeln wirkte beinahe etwas herablassend. "Das meine ich nicht. Ich denke eher an die Pünktlichkeit bei Verabredungen. Würde er zum Beispiel zu einem Date mit einer Frau pünktlich kommen?" Hatte Hunter jemals ein Date? Chase konnte sich nicht erinnern. "Ich denke schon. Es sei denn, die Umstände sind dagegen." "Was für Umstände?" "Na ja, Sie wissen schon. Wenn er gefesselt ist. Oder eingesperrt. Oder in der Wüste ausgesetzt." "Hm." Tara sah Chase zweifelnd an. "Was hätte er für ein Gefühl dabei? Wäre er wütend? Würde er sich Sorgen machen?" "Er würde sich wohl mehr Sorgen um sein Leben machen", sagte Chase gereizt. "Außerdem hat Hunter selten Verabredungen, also spielt das keine Rolle."
Tara hob leicht die Augenbrauen. "Er hält es nicht für wichtig, eine ernsthafte Beziehung aufzubauen?" Chase war genervt. "Hunter hat Beziehungen!" Sie schüttelte lächelnd den Kopf. "Nicht in Ihren Büchern. Er fängt zwar dauernd etwas mit Frauen an, aber weiter geht es nie. Das Einzige, was ihn interessiert, scheint sein nächstes Abenteuer zu sein." "Aber das ist doch klar! Es sind schließlich Romane mit viel Action und keine Liebesschnulzen. Obwohl Hunter ein guter Liebhaber ist." Chase lächelte charmant. "Zumindest versuche ich, ihn so darzustellen." Tara blieb unbeeindruckt. "Das mag sein. Zumindest ist er in dieser Hinsicht sehr aktiv. Ich hatte den Eindruck, dass er jede Frau haben muss, die in seine Nähe kommt." So, wie sie das sagte, klang es ziemlich negativ. "Es sind doch nur Romane, und Hunter ist eine reine Phantasiegestalt, Miss Butler." "Das kann man wohl sagen. Ein Mann wie Hunter, der Pünktlichkeit, gutes Benehmen, ernsthafte Beziehungen und eine gute Erscheinung für unwichtig hält, hätte in der wirklichen Welt wenig Chancen." Tara blickte wieder auf ihre Unterlagen. "Nun zur Literatur. Welche Art von Büchern liest Ihr Held gern?" Hunter blickte wieder über das Meer. In seinen Plänen war eine Seebestattung nicht vorgesehen, und er hatte dafür jetzt auch gar keine Zeit. Vor allen Dingen, wenn es sich um seine eigene Leiche handeln sollte. Und das Salzwasser würde verdammt brennen in seinen Wunden. Er bewegte die Arme, um seine Handgelenke von dem Klebeband zu befreien, mit dem Laromees Männer ihn gefesselt hatten. Umsonst. "Bridgett, ich muss ihn aufhalten. Du musst mir helfen." Die Blondine kam näher, und Hunter roch ihr schweres Parfüm. "Vielleicht helfe ich dir, Hunter", flüsterte sie, "aber
erst muss ich dich etwas fragen." Hunter grinste. "Nur zu, Honey." " Was für Bücher liest du gern?" Chase schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. "Was ist denn das für eine Frage?" Er saß wieder in seinem Arbeitszimmer und löschte den letzten Satz schnell wieder. Wie war er denn auf die Idee gekommen? Normalerweise brauchten die Frauen nur einen Blick auf den Helden zu werfen, und schon taten sie, was er wollte. Außerdem befand sich der Held momentan in der Mitte des Ozeans, umgeben von üblen Typen und Haien. Da hatte er nun wirklich etwas anderes zu tun, als sich darum zu kümmern, was er anhatte oder am liebsten las. Verärgert schob Chase den Stuhl zurück und ging in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Dieses Interview hatte ihn wirklich genervt. Er wusste nicht, worüber er sich mehr ärgerte, ob darüber, dass er auf der Liste der Traummänner nicht auftauchte, oder darüber, dass offenbar nicht mal sein Held Hunter den Anforderungen genügte. Er lehnte sich gegen den Kühlschrank und trank langsam Saft, während er über diese Frage nachdachte. Wahrscheinlich regte er sich mehr wegen Hunter auf, obwohl sie sich ziemlich ähnlich waren. Hunter war so, wie er sich einen richtigen Mann vorstellte, und das hatte viel mit ihm selbst zu tun, auch wenn er nicht um den Erdball hetzte, um die Menschheit zu retten. Tara Butler war von ihm nicht beeindruckt gewesen, und das ärgerte ihn. Er war zwar nicht so von sich überzeugt, dass er meinte, jede Frau müsste ihm zu Füßen liegen. Aber es hatte zwischen ihnen gefunkt, das hatte er genau gespürt. Und normalerweise passierte dann etwas. Nicht in diesem Fall. Im Gegenteil, Tara hatte ihn mehrmals missbilligend angesehen. Wahrscheinlich würde nie etwas passieren. Aber hübsche Augen hatte sie. Und eine tolle Figur. Er schloss kurz die Augen.
Weich und warm und sehr weiblich wirkte sie. Seine nächste weibliche Romanfigur würde aussehen wie sie. Und sie würde seinem Helden die Kleider vom Leib reißen, sobald sich die Gelegenheit ergab. Er stellte sich das gerade bildlich vor, als die Türklingel ertönte. Chase seufzte und ging öffnen. Der Besucher war Jerome. Aus irgendeinem Grund ging er Chase heute besonders auf die Nerven in seinem schwarzen Anzug und dem blütenweißen Hemd. "Wenn ich mal über gut angezogene Männer schreiben muss, werde ich mich auf dich besinnen", brummte Chase und schloss die Tür hinter ihm. "Nur zu." Jerome grinste. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, bei welcher Gelegenheit dein Held in Anzug und Krawatte herumlaufen sollte. Er hat wahrscheinlich gar nichts Vernünftiges anzuziehen." "Vielleicht doch." Jerome öffnete den Kühlschrank und nahm sich eine Coladose. "Bilde ich mir das ein, oder hast du wirklich schlechte Laune?" "Natürlich habe ich schlechte Laune. Mein Held schwimmt mitten auf dem Ozean, umgeben von miesen Typen und Haien. Er kann sich nur mit Hilfe der Frau retten, und sie ist dazu nur bereit, wenn er die richtigen Bücher liest." "Das nenne ich eine interessante Entwicklung." Jerome nahm sich ein Glas aus dem Schrank. "Wie lief übrigens das Interview?" "Nicht besonders", erwiderte Chase. "Ich glaube sogar, ich bin durchgefallen." "Aber, Chase, es war doch ein Interview und kein Test. Was meinst du mit durchgefallen?" "Ich habe den Real Men-Test nicht bestanden." Chase starrte in sein Glas. "Aber keine Sorge, Hunter wahrscheinlich auch nicht."
"Wer?" "Hunter", erinnerte Chase ihn freundlich. "Du weißt doch, der Held aus ,Showdown bei Sonnenuntergang' und den anderen sieben Büchern, die ich geschrieben habe." Jerome stellte sein Glas ab. "Das hört sich nicht gut an. Ich glaube, du erzählst mir lieber alles von Anfang an." Widerstrebend berichtete Chase von dem Interview. "Habe ich dich richtig verstanden?" fragte Jerome, als Chase geendet hatte, "Hunter stand auf der Liste, aber du nicht?" Chase nickte. "Und Hunter werden sie auch streichen. Es war ein blödes Interview. Ist Hunter höflich? Ich habe keine Ahnung." Jerome sah beunruhigt aus. "Hunter tut doch nichts anderes, als Frauen zu verführen und Verbrecher zu fangen. Auf Höflichkeit und Pünktlichkeit kommt es dabei nun wirklich nicht an." "Vielleicht doch", wandte Jerome ein. Chase starrte ihn an. "Wie bitte?" "Ich sagte, vielleicht doch, und vielleicht gilt das auch für dich." Jerome stand auf und ging in dem Raum hin und her. "Ich mag deine Bücher, Chase, und sie verkaufen sich gut, aber du musst zugeben, dass dein Held nicht besonders vielseitig ist." ' "Was soll das denn heißen?" "Er wirkt nicht lebendig." "Aber er ist nicht lebendig", sagte Chase wütend. "Ich habe ihn mir doch ausgedacht." "Das weiß ich, aber deine Leser sind an Hunter interessiert." Jerome runzelte die Stirn. "Die Lage ist durchaus ernst. Wir wollen doch nicht, dass Real Men behauptet, du und dein Held, ihr seid keine richtigen Männer." "Aber das ist doch nur irgend so eine Frauenzeitschrift." "Wer, glaubst du, kauft überwiegend deine Bücher? Frauen! Du kannst auf dieses Publikum nicht verzichten." Jerome seufzte. "Das hier ist ein verdammt schwieriges Geschäft, mein
Junge. Den einen Tag bist du ganz oben, den nächsten Tag kennt dich keiner mehr. Dein Held steht auf der Liste der Traummänner. Was du absolut nicht gebrauchen kannst, ist ein Artikel, der behauptet, weder du noch dein Held gehörten auf diese Liste." Er legte die Fingerspitzen aneinander. "Das müssen wir unbedingt verhindern." "Wie denn?" "Keine Ahnung. Vielleicht können wir Miss Butler bitten, dir noch einmal eine Chance zu geben. Du kannst ihr ja sagen, du seist durcheinander und verärgert gewesen, weil deine Freundin dich gerade verlassen hat." "Das würde meinem Ruf auch nicht viel nützen." "Das ist nicht gesagt. Vielleicht tust du den Frauen Leid." Chase schauderte bei der Vorstellung. "Vielen Dank. Außerdem, selbst wenn ich mit ihr noch mal sprechen würde, hätte es keinen Sinn. Du hättest ihren Fragenkatalog sehen sollen. Ich wusste einfach nicht, was ich darauf antworten sollte. Wahrscheinlich wird mein Held irgendwann zum Frauenhasser." Er schloss die Augen. Welche Eigenschaften hatte ein Traummann? Worauf legten die Frauen besonders viel Wert? "Vielleicht können wir ja irgendwie an ihren Fragenkatalog kommen, und du sagst mir, was ich antworten soll." "Und wenn ich das auch nicht weiß?" Chase sah Jerome überrascht an. "Aber du bist zum vierten Mal verheiratet. Du musst doch Bescheid wissen." Jerome lächelte verkrampft. "Aber ich bin auch zum dritten Mal geschieden." Er drehte sein Glas zwischen den Händen. "Und es sieht so aus, als sei das nicht die letzte Scheidung." Jetzt erst fiel Chase auf, dass Jerome den Kopf hängen ließ und nicht besonders glücklich aussah. "Ich dachte, Vanna sei die ideale Frau für dich?" "Das ist sie auch." Jerome strich sich müde über die Augen. "Aber ich weiß nicht, ob ich auch der ideale Mann für sie bin."
Chase sah den Freund betroffen an. "Wie kommst du denn darauf?" "Vanna meint, wir sollten zur Eheberatung gehen." Das hörte sich nicht gut an. "Das ist doch gar nicht so schlimm", versuchte Chase den Freund zu trösten. "Besser jedenfalls, als auszuziehen und sämtliche Möbel mitzunehmen." "Das kommt doch auf dasselbe heraus. Ich weiß, wie das abläuft. Erst die Eheberatung, dann der Auszug." Chase wusste nicht, was er sagen sollte. "Es tut mir so Leid, Jerome." Jerome straffte die Schultern und lächelte verkrampft. "Auf alle Fälle bin ich nicht der Richtige, um dir gute Ratschläge zu geben, was die Frauen sich von ihrem Traumpartner wünschen. Warum fragst du nicht mal deinen Schwager?" "Eddie verkauft Möbel, und das ist das Einzige, wovon er etwas versteht. Nein, ich wünschte, ich hätte die Liste der Traummänner. Dann könnte ich herausfinden, was Frauen wirklich wollen." Jeromes Augen leuchteten auf. "Das ist eine wunderbare Idee." Es war bereits nach sechs, als Tara nach Hause kam. Es war ein langer heißer Tag gewesen, und das Treppensteigen fiel ihr schwer. Als sie den Schlüssel in das Schlüsselloch steckte, fragte sie sich wieder, ob es richtig gewesen war, umzuziehen. Aber als sie dann den glänzenden honigfarbenen Holzfußboden sah und das elegante Wohnzimmer, das sie sehr geschmackvoll eingerichtet hatte, ging es ihr wieder besser. Nein, die Wohnung war wunderschön. Was ihr Kummer machte, waren nur die Aufträge, die sie übernommen hatte. Bisher war sie noch nicht sehr weit gekommen. Als sie in der Küche nach etwas Essbarem suchte, rief Stella an. "Ich musste mal mit jemandem sprechen." Ihre Stimme klang traurig und verloren. "Ich hatte einen scheußlichen Tag.
Und ich kann nicht mehr über den Flur laufen, um mich bei dir auszuweinen. Wie war dein Tag?" "Auch nicht besonders." Tara hatte das schnurlose Telefon in der einen Hand und öffnete mit der anderen den Kühlschrank. "Ich habe mich den ganzen Nachmittag mit verschiedenen Köchen unterhalten, wegen des Artikels ,Essen, das ihn in Stimmung bringt'. Ich hatte angenommen, dass Sie es eigentlich wissen müssten, aber jeder hatte eine andere Meinung." "Das hätte ich dir gleich sagen können. Übrigens, Tara, was ist denn mit diesem Chase Montgomery? Hattet ihr nicht für heute eine Verabredung?" "Also ..." Tara öffnete eine Dose Mineralwasser und nahm einen großen Schluck. Es war lauwarm. Der Kühlschrank schien nicht richtig zu funktionieren. "Na los, Tara, sag schon. Wie ist er? Hat es sich für deinen Artikel gelohnt?" "Nein. Es war ausgesprochen unergiebig. Über seinen Helden Hunter konnte er mir kaum etwas sagen, außer dass er ständig die Welt retten muss." "Das ist ja schade. Obwohl ich so etwas Ähnliches erwartet habe. Die Männer, die gut aussehen, scheinen nie besonders viel auf dem Kasten zu haben." Stella machte eine kleine Pause. "Er sah doch gut aus, oder?" "Kann sein. Aber er ist ein Kräutertee-Fan." Jetzt war auch Stella enttäuscht. "Das hört sich aber nicht nach Hunter an." "Er hatte auch überhaupt keine Ähnlichkeit mit seinem Helden." Tara wandte sich wieder dem Kühlschrank zu. Der Salat sah welk aus. "Das hätte ich auch nicht erwarten sollen. Hunter ist ja schließlich nur eine Kunstfigur, die Chase sich ausgedacht hat." "Und die Sexszenen? Hat er sich die auch nur ausgedacht?" Tara dachte an die Spannung, die zwischen ihnen spürbar gewesen war. "Nein, ich glaube nicht."
"Aha. Vielleicht solltest du das mal nachprüfen." "Wie kommst du denn auf die Idee?" "Vielleicht tut das deinem Artikel gut." Tara runzelte die Stirn. "Ich werde weder mit Chase Montgomery noch mit sonst jemandem schlafen, um meine Artikel zu würzen." "Es ging mir doch nur so durch den Kopf. Apropos würzen, ich war heute mit Stanley Gruber, von dem ich dir neulich erzählt habe, zum Lunch." Tara musste sich ein Lachen verkneifen. "Ja, ich weiß, wen du meinst." "Ach so. Ich habe übrigens deinen Artikel erwähnt und dass du eigentlich andere Sachen schreiben möchtest. Da meinte er, ob du nicht etwas über Wutherspoon Outerwear schreiben wolltest und die Veränderungen, seit Gerald die Firma übernommen hat. Wie findest du das?" "Das wäre vielleicht mal etwas anderes." "Und in dem Zusammenhang könntest du vielleicht auch Franklins Tod etwas genauer unter die Lupe nehmen." Tara erstarrte. "Was?" "Du solltest Franklins Tod etwas genauer unter die Lupe nehmen", wiederholte Stella. "Du weißt schon, Leute befragen und so weiter." "Ich bin kein solcher Reporter. Außerdem gibt es da nichts zu untersuchen." "Bist du da so sicher?" Stella senkte die Stimme. "Du wirst es nicht glauben, was ich heute herausgefunden habe. Mrs. Kirpatrick hatte von Marion Phillips gehört, dass sie Franklin extra noch darauf aufmerksam gemacht habe, dass in dem Essen Krabbenfleisch sei und dass er es nicht essen solle. Was sagst du nun?" Tara lehnte erschöpft den Kopf gegen die Wand. "War Franklin nicht etwas schwerhörig?" "Ja, aber er ..."
"Vielleicht hat er es nicht mitgekriegt." "Vielleicht hat er auch gar nichts davon gegessen." Tara war verwirrt. "Aber wieso denn nicht? Er ist doch an der Fischallergie gestorben." "Das weiß ich, aber es müssen ja nicht die Krabben gewesen sein. Irgend jemand kann ja Fisch bestellt und ihm heimlich auf den Teller getan haben. Das Ganze passierte doch in einem dieser französischen Restaurants, wo alles mit Sauce serviert wird und dazu noch dieselbe Farbe hat. Irgend jemand kann ihm etwas ins Essen getan haben. Es war während der Betriebsfeier. Keiner hatte einen festen Platz, sondern saß mal bei diesem oder bei jenem am Tisch. Franklin war auch viel unterwegs und hat sich mit vielen Angestellten unterhalten. Es war ohne Schwierigkeiten möglich, etwas auf seinen Teller zu tun." "Ja, das kann sein. Dennoch glaube ich nicht..." "Wir müssen sicher sein. Franklin war immer gut zu mir. Er hat mir die Stelle verschafft, als ich arbeitslos war. Wenn jemand Schuld an seinem Tod hat, muss ich es herausfinden." Tara fand Stellas Loyalität bewundernswert. "Ich weiß, wie du fühlst, aber ich glaube nicht, dass du und ich ..." "Oh, bitte, Tara. Du und ich, wir sind das ideale Team. Es gibt ein Motiv, die Absicht und die Gelegenheit zum Mord. Du kannst doch den Artikel über Wutherspoon zum Vorwand nehmen, um mit allen möglichen Leuten zu reden. Vielleicht findest du dann heraus, wer ein Interesse daran hatte, Franklin loszuwerden. Ich werde mich inzwischen umhören, wer wann wo gesessen hat." "Ich weiß nicht, Stella ..." "Ach, bitte. Stell dir doch nur mal den Artikel vor, nachdem du den Mörder überführt hast." Sie hatte Recht, das wäre wirklich der Durchbruch. "Ich werde darüber nachdenken."
"Oh, Tara, vielen vielen Dank! Ich werde gleich mal zusammenstellen, mit wem du sprechen solltest. Erst mit Gerald und dann natürlich mit..." Als sie schließlich wieder auflegte, hätte Tara sich ohrfeigen können. Stella ging tatsächlich davon aus, dass das Ganze beschlossene Sache war. Wieder klingelte das Telefon. Wahrscheinlich wieder Stella, der noch ein paar weitere Namen eingefallen waren. Aber es war Charlene, die anders als sonst sogar eine gefühlsmäßige Regung zeigte. "Ich bin so froh, dass ich dich zu Hause erreicht habe, Tara", sagte sie fast überschwenglich. "Ich wollte dir nur sagen, wie begeistert wir alle sind." "Begeistert?" "Ja, du hast dich diesmal selbst übertroffen. Sophia hatte vollkommen Recht. Du bist exzellent." "So?" Bisher hatte sie doch noch nichts getan außer ein nicht sehr befriedigendes Gespräch mit einem Mann zu führen, der alles andere als ein Traummann war. Und sie hatte Charlene nichts davon erzählt. "Was habe ich denn getan?" "Was du getan hast? Aber, meine Liebe, du hast dich mit Chase Montgomery getroffen!" Charlene klang, als hätte Tara gerade die Titanic gerettet. "Ja, das schon, aber ich würde nicht sagen, dass das ein besonders gutes Interview war." "Den Eindruck hatte Mr. Montgomery aber nicht." Entweder erinnerte sie sich falsch, oder Chase hatte völlig andere Vorstellungen von einem guten Interview als sie. "Du hast mit ihm gesprochen?" "Nein, aber mit seinem Agenten. Der meint, dass Chase von dem ganzen Konzept sehr angetan ist." "Wirklich?" Tara hatte große Zweifel, dass Chase das Konzept überhaupt verstanden hatte. "Chase ist begeistert. Er möchte unbedingt mitmachen." "Ich soll noch ein Interview mit ihm führen?"
"Nein, nicht unbedingt. Er möchte mit dir zusammenarbeiten." Tara traute ihren Ohren nicht. "Chase Montgomery möchte mit mir gemeinsam die Liste der Eigenschaften zusammenstellen, die ein Traummann haben sollte?" "Genau." Tara musste sich erst einmal setzen. "Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Charlene? Ich meine, es mag ein interessanter Gesichtspunkt sein, aber ..." "Es ist genau der Gesichtspunkt, den wir brauchen." "Kann sein. Aber das wird doch sicher sehr teuer." "Es kostet uns nichts extra. Mr. Montgomery stellt uns seine Zeit kostenlos zur Verfügung. Ist das nicht wunderbar?" "Wunderbar", wiederholte Tara automatisch, beendete das Gespräch und knallte die Kühlschranktür zu. Das war wirklich traumhaft. Ihr Kühlschrank war kaputt, und nun musste sie auch noch mit Chase Montgomery einen Artikel schreiben.
3. KAPITEL Richtige Männer essen keine Haferflocken! Servieren Sie Ihrem Auserwählten zum Frühstück keinen Porridge, meine Damen, und heben Sie sämtliche Getreideflocken für die Kinder auf. Ein richtiger Mann braucht ein herzhaftes Frühstück. Des Morgens sollte er von dem Duft nach frischem Kaffee und knusprigem Speck aufwachen. Und Sie selbst sind in der Küche, gut angezogen und perfekt frisiert, und bereit, die Eier so zuzubereiten, wie er sie wünscht. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Ich möchte gern Porridge", erklärte Chase. Er gab dem Ober die Frühstückskarte zurück. "Und Kräutertee. Den haben Sie doch, oder?" Der Ober, ein junger blonder Mann, nickte. "Selbstverständlich, Sir. Welchen Tee bevorzugen Sie? Pfefferminztee ist morgens besonders zu empfehlen, aber die Zitronenmelisse ..." Tara lehnte sich zurück, nahm einen großen Schluck von ihrem starken schwarzen Kaffee und beobachtete missmutig, wie Chase und der Ober sich in ein Gespräch über Kräutertees und ihre Vorzüge vertieften. Typisch für die Männer der heutigen Zeit. Eine Diskussion über Tee!
Gregory Peck und Cary Grant hätten sich über so etwas nie unterhalten. Im Grunde war es ihr vollkommen gleichgültig, was Chase trank. Kräutertee war wahrscheinlich gesünder als ihr starker Kaffee. Aber sie ärgerte sich über die Wichtigtuerei. Das war auch typisch für die heutigen Männer. Alles, was ihren Körper betraf, hatte absolute Priorität. Da war Cary Grant ganz anders. Cary Grant wäre in einem guten Restaurant wie diesem auch nie in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Jogging ist mein Leben" erschienen. Wenn ja, hätte er allerdings nicht so gut ausgesehen wie Chase. Chase hatte einen sehr muskulösen Oberkörper. Ob das auch bei Cary Grant der Fall war, wusste sie nicht. In seinen Filmen trug er immer nur maßgeschneiderte Anzüge. "Normalerweise macht Kaffee die Menschen munter. Sie scheint er in eine Art Trance zu versetzen", bemerkte Chase lächelnd. Tara schrak hoch. "Oh, es tut mir Leid, ich ... ich habe gerade über etwas nachgedacht. Über meinen ... Kühlschrank." "Ihren Kühlschrank?" "Ja, er scheint nicht mehr richtig zu funktionieren. Die Milch ist schlecht geworden. Aber es liegt offensichtlich an den elektrischen Leitungen im Gebäude und nicht an meinem Kühlschrank." Chase zog die Augenbrauen zusammen. "Das hört sich aber nicht gut an. Durch defekte Leitungen kann leicht ein Schwelbrand entstehen. In so einer Wohnung würde ich nicht bleiben." "Sie meinen, ich soll umziehen? Nein, vielen Dank, ich bin ja gerade erst eingezogen. Außerdem war klar, dass das eine oder andere Problem auftauchen würde. Es ist schließlich ein altes Gebäude. Ich glaube, es ist aus den vierziger Jahren." "Wo wohnen Sie denn?" Sie sagte es ihm. "Warum, um Himmels willen, sind Sie denn da hingezogen?"
Tara sah ihn kühl an. "Es ist ein interessantes Viertel mit Charakter und Atmosphäre." Chase machte eine abschätzige Handbewegung. "Das kann ja sein, aber die Atmosphäre nützt Ihnen nichts, wenn die Leitungen veraltet sind und der Putz von der Wand fällt. Wenn Sie mich fragen, diese alten Kästen sollte man alle abreißen und ein paar vernünftige Häuser hinsetzen, anstatt die alten Häuser in teure Eigentumswohnungen umzuwandeln, die kein Mensch bezahlen kann." Tara rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Leider musste sie zugeben, dass er nicht ganz Unrecht hatte. "Und wo wohnen Sie, Mr. Montgomery?" "In White Valley." Tara war nicht sicher, ihn richtig verstanden zu haben. "Sie meinen, den Vorort da im Süden?" "Genau." "Oh." Überrascht setzte sie ihre Tasse ab. "Warum lebt ein berühmter Schriftsteller in einer Vorstadt?" "Mir gefällt es da. Es gibt viele Parks zum Joggen, einige sehr gute Geschäfte mit frischem Obst und Gemüse, gute Schulen ..." "Schulen?" Das musste Tara erst einmal verdauen. "Sie haben Kinder?" "Nicht dass ich wüsste. Aber meine Schwester. Sie lebt nur ein paar Straßen weiter. Und meine Mutter auch." War er nun ein Familienmensch, oder hing er noch an Mamas Rockzipfel? Wahrscheinlich Letzteres. Sicher wusch seine Mutter ihm sogar noch die Wäsche und achtete darauf, dass er auch immer den richtigen Kräutertee trank ... Tara lächelte ihn gewinnend an. "Das ist zwar alles sehr interessant, aber deshalb sind wir eigentlich nicht hier. Wir müssen über den Artikel sprechen." Chase blickte sie an, als hätte er keine Ahnung, wovon sie sprach. "Den Artikel für Real Men", fügte sie hinzu. "Ja, ich weiß. Aber was gibt es da zu besprechen?"
"Sehr vieles. Das Konzept. Die Herangehensweise. Warum Sie überhaupt ..." Sie presste die Lippen zusammen. Sie hatte sich tatsächlich gefragt, aus welchen Gründen er sich bereit erklärt hatte, mitzumachen, aber sie hatte damit nicht so herausplatzen wollen. "Gut." Chase schwieg, während der Ober eine weiße Porzellankanne vor ihn hinstellte. "Das Konzept scheint mir sehr klar zu sein", sagte er dann. "Es gibt diesen Artikel von 1949 darüber, woran Frauen ihren Traummann erkennen. Den sollen wir aktualisieren. Ist das richtig?" Tara nickte. "Die Herangehensweise scheint mir ebenso klar zu sein. Sie haben eine Aufstellung von Männern, mit denen wir sprechen sollen. Wir werden sie anrufen und sie interviewen. Ich glaube kaum, dass das länger als ein bis zwei Tage dauern wird." Entweder machte er sich über sie lustig, oder er war nicht besonders intelligent. "Ich fürchte, so einfach wird das nicht sein", meinte Tara vorsichtig. "Erst einmal können wir diese Männer nicht einfach anrufen und fragen, was sie von Höflichkeit und Pünktlichkeit halten." "Warum denn nicht? Das haben Sie doch bei mir auch gemacht." "Ja, das stimmt. Aber nur, weil ich mich mit Ihnen über Ihren Romanhelden unterhalten wollte. Ich konnte ja schlecht einen Tag mit Hunter verbringen." "Nein, wahrscheinlich nicht." Seine Augen funkelten übermütig. "Obgleich ich ja einfach eine Szene erfinden könnte, in der Sie das tun." Wahrscheinlich eine, in der Hunter ihr die Kleider vom Leib riss. "Nein, vielen Dank", sagte Tara, obgleich die Vorstellung durchaus reizvoll war. "Über Hunter weiß ich genug. Aber von den anderen Männern weiß ich so gut wie nichts." "Wie lange wird denn das Ganze dauern?"
"Sicher einige Tage. Deshalb bin ich auch der Meinung, wir sollten die Arbeit aufteilen." Diese Idee war ihr in der letzten Nacht gekommen. "Sie können den Dichter nehmen, den Galeriebesitzer, den Bungee-Springer und die anderen auf dieser Hälfte der Liste. Ich übernehme dann den Rest. Jeder macht seine Interviews und versucht, so viele wichtige Eigenschaften wie möglich festzuhalten. Dann fassen wir unsere Ergebnisse zusammen." Chase probierte seinen Porridge. "Ich halte das für keine gute Idee." Er streckte den Arm aus und berührte kurz ihre Hand. "Es hat zwar etwas für sich, aber so sollten wir die Sache meiner Meinung nach nicht angehen." Tara musterte ihn forschend. "Warum nicht? Es spricht nichts dafür, die Interviews gemeinsam zu machen. Dadurch würden wir nur die doppelte Zeit brauchen." "Und wenn schon. In der Zeit werde ich sowieso nicht an meinem Roman weiterschreiben. Mein Held ist mitten auf dem Meer, umgeben von üblen Typen und Haien. Und es gibt keinen Ausweg für ihn, es sei denn, er liest die richtigen Bücher." "Was?" "Ich brauche Inspiration", erklärte Chase. "Und da wäre es gut, diese sogenannten richtigen Männer kennen zu lernen." "Dennoch wäre es besser, wenn wir jeder unsere eigene Liste der Eigenschaften ..." "Das können wir doch immer noch tun. Ich bin nur der Meinung, es wäre günstiger, wenn wir die Interviews gemeinsam machten." "Ich aber nicht." Auf diese Art und Weise würde sie für den Auftrag nicht nur den Monat brauchen, den sie dafür vorgesehen hatte. Sie musste ihre eigenen Termine einhalten und sich nach denen der Männer richten, die sie interviewen wollte. Und die Interviews zu zweit würden doppelt so lange dauern. Außerdem bestand ja immerhin die Möglichkeit, dass einer dieser Männer ganz toll war, dazu noch ungebunden und an ihr interessiert.
Und wenn Chase immer dabei war, gab es keine Chance, dass sich daraus etwas entwickelte. "Ich glaube nach wie vor, dass wir es so machen sollten, wie ich vorgeschlagen habe." "Da bin ich anderer Meinung." Chase legte den Löffel aus der Hand. "Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, was ich eigentlich herausfinden soll. Und selbst wenn ich es wüsste, habe ich meine Zweifel, ob ich dabei so geschickt vorgehen würde wie Sie. Ich schreibe Romane und keine Zeitschriftenartikel. Ich sitze fast immer allein in meinem Arbeitszimmer. Ich habe noch nie ein Interview gemacht." Wieder schenkte er ihr ein unwiderstehliches Lächeln und wirkte dabei rührend hilflos und ehrlich. Tara versuchte, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. "Sie müssen bei den Recherchen zu Ihren Büchern doch schon mal mit jemandem gesprochen haben." "Ja, das stimmt." Er blickte sie ernst mit seinen großen dunklen Augen an. "Ich erkundige mich manchmal nach technischen Einzelheiten, beispielsweise bei Schiffen, Flugzeugen oder Waffen. Aber Interviews, wie Sie sie planen, sind etwas völlig Neues für mich." "Aber warum haben Sie sich denn dann einverstanden erklärt, bei "diesem Projekt mitzumachen?" Chase sah sie lauernd an. "Hat mein Agent das nicht erklärt?" "Er hat Charlene erzählt, Sie seien von dem Konzept fasziniert, aber ..." "Genauso ist es", unterbrach sie Chase. "Ich bin von dem Konzept fasziniert." Er strahlte sie an, um seine Worte zu unterstreichen. Tara war davon nicht überzeugt. "Ehrlich?" "Ehrlich?" Er beugte sich vor. "Ist Ehrlichkeit ein wichtiger Charakterzug des Traummanns?" "Allerdings." "Oh." Er lehnte sich wieder zurück. "Gut. Die Wahrheit ist, dass mir Hunter Sorgen macht. Mein Romanheld soll ein Mann
sein, der von Frauen geliebt und bewundert wird. Das scheint mir ganz gut zu dem zu passen, was Sie herausfinden wollen. Aber ich brauche dabei Ihre Hilfe." Wieder lächelte er sie bittend an. "Ich muss erst einmal sehen, wie Sie so etwas anpacken. Woher soll ich außerdem wissen, wie ein sogenannter richtiger Mann beschaffen sein soll, wenn Sie mir nicht ein paar Hinweise geben?" Tara wüsste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Offenbar brauchte er tatsächlich ihre Hilfe. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete ihn,, während er seinen Porridge aß. Ihr blieb nichts anderes übrig, als seinen Vorschlag zu akzeptieren. "Gut, dann machen wir die ersten Interviews zusammen. Aber Sie müssen pünktlich sein." "Selbstverständlich." Sie betrachtete sein T-Shirt. "Und es könnte auch nichts schaden, wenn Sie sich ein bisschen formeller anziehen würden. Denn hin und wieder wird uns ein Fotograf begleiten." "Wenn Sie meinen." "Gut." Sie vertiefte sich in die Unterlagen. "Mit wem wollen wir anfangen? Mit dem Galeristen oder einem der Computerfreaks?" Eine gute Stunde später parkte Tara vor Wutherspoon Outerwear. Das Treffen mit Chase gab ihr immer noch Rätsel auf. Warum wollte er bei dieser Untersuchung mitarbeiten? In einem Punkt aber war sie sicher. Da er sich entschlossen hatte mitzumachen, konnte sie sich auch darauf verlassen. Er setzte sich mit einer Entschlossenheit ein, die sie nicht erwartet hatte. Eine ganze Stunde hatte er sie mit Fragen bestürmt, wie sie vorgehen würde und was genau sie herausfinden wollte. Sie war schon sehr gespannt auf seine Liste der wichtigsten Eigenschaften. Hoffentlich kam er nicht mit so verrückten Sachen wie "kann ein U-Boot in die Luft jagen, ohne mit der Wimper zu zucken" oder "kann mit sechs Frauen gleichzeitig schlafen".
Sie musste lachen, als sie sich das vorstellte, während sie über den Parkplatz ging und die Tür zu dem umgebauten Lagerhaus öffnete. Hier hatten das Ladengeschäft und auch die Verwaltung von Wutherspoon Outerwear ihren Sitz. Sie hätte den Laden nicht wieder erkannt. Franklin Wutherspoon hatte auf die Qualität seiner Ware immer größeren Wert gelegt als auf deren Präsentation. Der Laden war nichts weiter als ein großer Raum gewesen mit Betonboden, Neonlicht und Rissen in den Wänden. Dafür war eine Unmenge von Mänteln, Jacken und warmen Hosen auf endlosen Kleiderständern und breiten Tischen untergebracht. Davon war nichts mehr zu sehen. Ein weicher grauer Teppich bedeckte den Boden, die Wände waren frisch gestrichen, die Decke heruntergezogen und das Angebot in einzelne übersichtliche Abteilungen gegliedert. Tara schlenderte durch die Rucksack-Abteilung und blieb schließlich vor einigen Zelten stehen, um zuzusehen, wie eine kräftige Frau in Khakihemd und -hose sich bemühte, eine Gruppe von Schaufensterpuppen mit Jacken, Hüten und Rucksäcken auszustatten. Die Frau in Khaki sah mürrisch hoch. "Suchen Sie etwas?" "Nein, danke", sagte Tara schnell. "Ich sehe mich nur um." "Gut", sagte die Frau, die laut Namensschild Wendy hieß, und machte eine weit ausholende Geste. "Hier sind die Zelte, da drüben die Rucksäcke. Und wenn Sie die Kletterausrüstung ..." Sie sah Tara von oben bis unten an. "Sie sind keine Bergsteigerin, oder?" Tara schüttelte den Kopf. "Das ist gut, denn ich weiß nicht, wo sie die Abteilung untergebracht haben." Sie seufzte. "Da ist man ein paar Wochen auf Urlaub, und wenn man wiederkommt, ist alles total verändert." "Ja, es sieht jetzt alles ganz anders aus."
"Das können Sie wohl sagen." Wendy beugte sich vor und hob eine dunkelgrüne Windjacke auf. "Mr. Charmichael ändert alles. Seit er die Firma übernommen hat, wird renoviert." "Es sieht sehr hübsch aus", wagte Tara zu sagen. "Ich bin sicher, dass das Geschäft sehr gut laufen wird." "Davon bin ich aber nicht überzeugt." Wendy drehte sich um und ging auf zwei andere Kunden zu, ein junges Paar, das sich erstaunt umblickte, als wäre es auf einem fremden Stern gelandet. Tara sah Wendy kurz hinterher und verließ dann die Verkaufsräume. Durch eine Glastür gelangte sie in den Verwaltungstrakt und stieg die Treppen bis zum zweiten Stock hoch. Auch hier hatte Mr. Charmichael Veränderungen vorgenommen. Der Flur war neu gestrichen und der Boden ebenfalls mit grauem Teppichboden ausgelegt. Sarah Miles, die langjährige Sekretärin und Assistentin von Mr. Wutherspoon war nicht mehr da, statt dessen saß eine schlanke junge Frau in einem grünen Seidenkostüm hinter dem Schreibtisch und tippte eifrig etwas in ihren Computer. Sie sah hoch, als Tara eintrat, und lächelte freundlich. "Willkommen bei Wutherspoon Outerwear. Was kann ich für Sie tun?" "Danke, Miss Angie." Dieser Name stand auf dem Schild. "Ich bereite einen Artikel vor und möchte gern mit jemandem sprechen, der ..." Sie erklärte, dass sie freie Journalistin sei und gern etwas über die Firma schreiben würde. "Seit Mr. Charmichael die Firma übernommen hat, scheint sich hier einiges getan zu haben, und mich interessiert, inwiefern sich diese Veränderungen auf die Belegschaft und auch auf das Geschäft selbst auswirken." "Tatsächlich?" Angie strich sich über die makellose Frisur. "Wird der Artikel auch Fotos enthalten?" "Selbstverständlich."
Angie strahlte. "Gut. Ich kann mir nicht vorstellen, warum wir das nicht machen sollten." Sie zog die knappe Jacke glatt. "Wann würde der Fotograf kommen?" "Das muss ich mit ihm besprechen." Tara blickte auf die Tür zu Mr. Charmichaels Büro. "Und ich sollte es wohl erst mit Mr. Charmichael abklären." "Er hat sicher nichts dagegen", meinte Angie. "Er ist sehr umgänglich, ein richtiger Gentleman. Er möchte natürlich, dass alles prompt und schnell erledigt wird." "Ich glaube trotzdem, dass ich zuerst mit ihm sprechen sollte." "Ja, das sollten Sie wahrscheinlich tun." Angie sah konzentriert auf ihren Computerschirm. "Er ist heute nicht da, aber morgen ist er bestimmt im Büro. Wenn Sie mir Ihren Namen und Ihre Telefonnummer geben, werde ich dafür sorgen, dass er sich bei Ihnen meldet." "Danke." Tara zog eine ihrer Visitenkarten hervor und reichte sie Angie. "Übrigens, Sie kennen nicht zufällig Stanley Gruber, den Außendienstmitarbeiter?" "Stanley? Aber natürlich kenne ich Stanley." Angie errötete. "Jeder kennt ihn." Sie musterte Tara von oben bis unten. "Sind Sie seine Verlobte?" "Oh, nein. Ich wusste nicht einmal, dass er verlobt ist." Angie seufzte. "Sie ruft ihn mindestens sechsmal am Tag an." "So?" Stella hatte nie eine Verlobte erwähnt. "Ja, er ist ein sehr charmanter Mann." Angie starrte mit träumerischem Ausdruck auf ihren Schreibtisch. "Zu schade, dass er schon vergeben ist." "Allerdings", sagte Tara leise. Sie drehte sich um und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu, um Angie nicht zu stören. Ob Stella wusste, dass Stanley verlobt war? Sie ging die Treppen hinunter und verließ das Gebäude. Schade, Stanley würde sie von der Liste streichen müssen. Ein
Traummann würde sich nicht mit einer Frau einlassen und ihr Hoffnungen machen, wenn er bereits gebunden war. Hunter drückte sich gegen die Tür, die Pistole in der rechten Hand, und verhielt sich ganz still. Auf der anderen Seite der Tür war Bridgett und unterhielt sich mit Humphry. Es hörte sich beinahe so an, als sei sie an ihm interessiert. Warum bloß? Humphry war zwar höflich und gut erzogen und besaß viele teure Anzüge, aber davon abgesehen war er eine Null. Hunter sah an sich selbst hinunter. Wie immer trug er schwarze Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Wenn die Sache hier erledigt war, musste er sich unbedingt neu einkleiden. "Sich neu einkleiden?" Chase starrte auf das, was er gerade geschrieben hatte. Wie kam er denn auf die Idee? Wütend stieß er sich vom Schreibtisch ab. "Du glaubst, eine neue Garderobe könnte dich retten, Hunter? Lass es dir gesagt sein, da bist du vollkommen auf dem Holzweg. Auch wenn du dich gut anziehst, die richtigen Bücher kaufst und sie auch liest, gibt es immer noch weitere 47 Eigenschaften, um die du dich bemühen musst." 50 Eigenschaften, das war ja der helle Wahnsinn. Nie würde er die zusammenkriegen. Und was Hunter betraf, der war wirklich in großen Schwierigkeiten. Das Telefon klingelte. "Hallo?" "Ich bin es, Jerome. Ich habe nur ein paar Fragen. Wie war dein Treffen mit Miss Butler? Und ist Hunter inzwischen gerettet?" Chase legte die Füße auf den Schreibtisch und lehnte sich seufzend zurück. "Ich will mal so sagen: Wir sind beide dabei unterzugehen. Im Augenblick fühle ich mich genau wie Hunter. Von Haien umgeben und mit wenig Aussicht, gerettet zu werden." "Warum das denn? Was ist denn passiert?" Jerome klang beunruhigt. "Du hast Tara Butler doch nicht wieder verärgert, oder?"
"Nein." Chase hatte sie zwar nicht verärgert, aber er hatte leider auch keinen besonders großen Eindruck auf sie gemacht. Er hatte sich ganz schön ins Zeug legen müssen, um sie dahin zu bringen, die Interviews mit ihm gemeinsam zu machen. Warum er unbedingt mit ihr zusammenarbeiten wollte, war ihm selbst nicht ganz klar. Er war durchaus fähig, sich allein mit diesen Typen zu unterhalten. Und wenn er allein arbeitete, würde er sich sicher wohler fühlen, als wenn diese Frau dabei war, die ihn für einen Untermenschen zu halten schien. Genau das aber ärgerte ihn. Auch als er noch kein berühmter Schriftsteller war, hatte er Erfolg bei Frauen gehabt. Er musste zwar zugeben, dass die Beziehungen nie von langer Dauer waren, aber die Frauen waren immer sehr interessiert gewesen. Miss Butler gehörte nicht zu dieser Kategorie, was ihm aber im Grunde nur recht war, denn er wollte ja nichts von ihr. "Chase?" Ihm wurde plötzlich klar, dass sein Agent auf eine Antwort wartete. "Ich habe sie nicht verärgert, Jerome." "Was ist dann passiert? Hast du eine Kopie ihrer Liste?" "Ja." Chase blickte auf das Fax, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. "Sie hat mir eine Kopie geschickt." "Und ...?" "Damit kann man nicht viel anfangen." Chase schlug mit der flachen Hand auf das Blatt Papier. "Es ist eine Liste der Eigenschaften, die richtige Männer angeblich im Jahre 1949 hatten. Ich weiß nicht, ob auch Männer von heute diese Qualitäten haben sollten. Aber wenn ja, Jerome, dann sehen wir beide alt aus." "Wieso?" "Hör dir das doch bloß mal an! Der richtige Mann ist höflich, pünktlich, gut organisiert, gut gekleidet, liebt außerdem ein stilvolles Zuhause ..." "Das tue ich auch", erklärte Jerome eifrig. "Eine schöne Einrichtung ist mir sehr wichtig."
Immerhin, in diesem Punkt entsprach Jerome offensichtlich der Liste. Chase sah sich in seinem Büro um. Er selbst dagegen ... Die Einrichtung des Raumes bestand nur aus Regalen, die mit Büchern und Zeitschriften vollgestopft waren, einem großen Schreibtisch, auf dem sein Computer und der Drucker standen, einem Schreibtischsessel und einem Fernseher. Keines der Möbelstücke hatte Chase wegen des Designs gekauft, sondern nur, weil es praktisch war. Das traf auch auf die anderen Räume zu. Man konnte wirklich nicht sagen, dass er an einer geschmackvollen Einrichtung interessiert war. Und das traf auf Hunter ganz genauso zu. Der hatte für so etwas gar keine Zeit. "Das ist ja wunderbar, eine von fünfzig Anforderungen erfüllst du bereits." "Außerdem bin ich gut angezogen", stellte Jerome nachdenklich fest. "Ich bin pünktlich und höflich. Zumindest bemühe ich mich darum." Chase fühlte sich alles andere als wohl. Selbst Jerome hatte mehr zu bieten als er. "Schön für dich. Also drei Punkte von fünfzig. Das sind noch nicht einmal zehn Prozent." "Was wird denn noch verlangt?" drängte Jerome. "Vielleicht erfülle ich ja noch mehr Anforderungen." "Okay. Magst du Tiere? Bist du ritterlich?" "Ritterlich? Was soll das bedeuten? MUSS man sich dafür duellieren?" "Wer weiß?" Chase warf die Liste wieder auf den Schreibtisch. "Ich sage dir, Jerome, das ist unmöglich. Kein Mensch kann all diese Qualitäten haben. Ich weiß von mir lediglich, dass ich gern Sport mache und Hausarbeit nicht ausstehen kann." "Ich kann Hausarbeit auch nicht leiden." Jerome lachte. "Ich bin außerdem kein großer Sportler, obwohl ich hin und wieder ganz gern mal eine Runde Golf spiele. Ist das sehr wichtig?" "Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sind einige Eigenschaften von größerer Bedeutung als andere. Außerdem stammt das
Ganze ja von 1949. Ich weiß nicht, inwieweit diese Punkte heute noch aktuell sind." "Das musst du schnell herausfinden", sagte Jerome nachdrücklich. "Ende des Monats haben Vanna und ich unseren ersten Termin beim Eheberater. Wenn ich es bis dahin nicht weiß, wird sie mich bestimmt verlassen."
4. KAPITEL Richtige Männer können alles reparieren. Haben Sie Probleme mit dem Kühlschrank oder dem Herd? Keine Sorge. Ein richtiger Mann wird das Problem in Windeseile aus der Welt schaffen. Er weiß nicht nur, was zu tun ist, sondern er tut es auch noch gern. So haben Sie genügend Zeit, ihm das köstliche Essen zu kochen, das Sie den Nachmittag über vorbereitet haben. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 Chase wusste nicht, ob Hubert Hendricks einen Kühlschrank oder einen Herd reparieren konnte, aber in allem anderen war er wahrscheinlich unschlagbar. Chase saß in dem hochtechnisierten Büro von Hendricks Computer Laboratories und schlief beinahe ein, während Hubert mit Begeisterung und einer Fülle von Fachausdrücken und Abkürzungen etwas zu erklären versuchte. Tara hatte gestern angerufen und Chase die Termine durchgegeben. Hubert war der Erste auf ihrer Liste für diesen Tag. "Wir treffen uns in seinem Büro", hatte sie ihm mitgeteilt. "Und bitte seien Sie pünktlich." Sie schien ihm in diesem Punkt nicht zu trauen, und so hatte er sich bereit erklärt, sie abzuholen. "Sie können mir dann noch während der Fahrt sagen, was ich zu tun habe."
Daraus war nicht viel geworden. "Ich stelle die Fragen", hatte sie gesagt. "Sie können sich Notizen machen und Ihre eigenen Schlüsse ziehen. Wenn Sie natürlich selbst etwas fragen wollen ..." Chase schüttelte den Kopf. Und nun saßen sie bereits schon über eine Stunde bei Hubert im Büro, und bisher hatte Chase so gut wie nichts verstanden. "Der Chip macht den Unterschied", erklärte Hubert gerade. "Nur durch einen neuen Superchip kann das Projekt verwirklicht werden." Chase sah schnell die Liste der erwünschten Eigenschaften durch und versuchte sich vorzustellen, wodurch Hubert in die engere Wahl der Traummänner von heute gekommen war. Sie hatten zwanzig Minuten auf ihn warten müssen, also war Hubert nicht pünktlich. Wenn man von seinem unordentlichen Büro Rückschlüsse auf seine eigene Verfassung ziehen durfte, war er alles andere als gut organisiert. Und seine blasse Gesichtsfarbe wies darauf hin, dass er von sportlicher Betätigung in freier Natur nicht besonders viel hielt, etwas, was allen richtigen Männern von 1949 sehr wichtig war. Die einzige geforderte Eigenschaft, die er mitbrachte, war Intelligenz, daran bestand kein Zweifel. "Ich habe schon mit sechzehn ein Universitätsstipendium bekommen", hatte er ihnen erzählt. Aber etwas mehr als Intelligenz musste er schon aufweisen. Albert Einstein war auch intelligent, aber ob er in die Liste der Traummänner aufgenommen worden wäre? Chase starrte auf Punkt sieben. Richtige Männer sind faszinierend. Man hängt an ihren Lippen, wenn sie etwas erzählen. "Es ist alles eine Frage der Speicherkapazität, und die wiederum hängt von den Prozessoren ab", erklärte Hubert gerade. "Tatsächlich?" fragte Chase und hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Punkt sieben konnte er wohl streichen. Kein Mensch auf der ganzen Welt konnte ehrlich der Meinung sein ... "Wie interessant", sagte Tara.
Chase warf ihr schnell einen Blick zu. Sie strich sich gerade das Haar aus der Stirn, das ihr in weichen Locken über die Schultern fiel. Ihre Wangen waren gerötet, und mit der sanften Halslinie und den vollen roten Lippen war sie eine sehr attraktive Frau. Chase blickte Hubert wieder an. Konnten Frauen Männer wie Hubert tatsächlich faszinierend finden? Chase versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu entschlüsseln, während Hubert mit seinem Vortrag fortfuhr. Sie blickte ihn konzentriert und aufmerksam an, als interessiere sie jedes einzelne Wort. So hatte sie ihn, Chase, noch nie angesehen, wenn er mit ihr über Hunter sprach. Sie konnte doch von Hubert nicht mehr beeindruckt sein als von seinem Helden ... oder ihm selbst? Chase lehnte sich wieder zurück. Vielleicht doch. Schließlich stand Hubert ja auf der Liste und er nicht. Aber Hubert sah doch nun wirklich völlig unbedeutend aus. Er war klein und drahtig. Die paar Muskeln, die er besaß, hatte er sicher im Fitness-Center erworben, denn bei seiner blassen Gesichtsfarbe war er offenbar die letzten zehn Jahre nicht an die frische Luft gekommen. Außerdem wirkte er hektisch, was auf eine ungesunde Ernährung mit viel Koffein und denaturierten Lebensmitteln schließen ließ. Als Beschützer in einem finsteren Wald war er eine vollkommene Fehlbesetzung. Und wenn er mitten im Ozean schwämme, umgeben von Haien, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als zu ertrinken. Es sei denn, er fühlte sich im Wasser besonders wohl. Chase stellte sich Hubert in einer Badehose vor und lachte leise. Hubert sah ihn sofort an. "Ist etwas, Mr. Montgomery?" Sie sind ein fürchterlicher Langweiler, Sie haben auch nicht die geringste Ähnlichkeit mit Hunter, und wenn Tara noch ein einziges Mal "interessant" oder "faszinierend" sagt, dann klebe ich ihr den Mund zu, dachte Chase. "Ich hatte gerade überlegt, ob Sie wohl schwimmen können." Hubert blinzelte nervös. "Wie meinen Sie?"
"Schwimmen." Chase deutete heftige Schwimmbewegungen an. "Im Wasser." "Oh", sagte Hubert. "Nein, leider nicht." "Das habe ich mir gedacht." Hubert fuhr mit seinem Monolog fort. Chase versuchte zu verstehen, was der Mann sagte. "Wie Sie selbst sehen, kann diese revolutionäre Zentraleinheit..." Chase gab auf. "Der sieht für mich wie jeder andere Computer aus." Er blickte auf den Apparat und wies auf die Einschalttaste. "Warum stellen Sie das Ding nicht einfach mal an und führen es uns vor?" Hubert sah ihn entsetzt an. "Das geht auf keinen Fall. Man kann damit noch nicht arbeiten. Sie sind wohl nicht in der Computerindustrie beschäftigt?" "Nein, aber mein Held weiß eine Menge über Computer." "Ihr Held?" wiederholte Hubert ratlos. "Chase ist Schriftsteller", erklärte Tara. "Er schreibt Actionthriller wie zum Beispiel ,Showdown bei Sonnenuntergang' und ..." Hubert schüttelte den Kopf. "Nie gehört." Tara sah Chase kurz mit erhobenen Augenbrauen an und wandte sich dann wieder Hubert zu. "Nun, diese Art von Büchern lesen Sie vielleicht nicht." "Was für Bücher lesen Sie denn?" warf Chase schnell ein. "Sie lesen doch Bücher, oder? Aber vielleicht gibt es ja auch einen Computer, der das für Sie tut." Taras grüne Augen funkelten. "Ich bin sicher, dass Hubert sehr belesen ist." Sie blickte Hubert erwartungsvoll an. "Selbstverständlich, Tara. Ich habe sicher über zweihundert Bücher allein zum Thema 'elektronische Schaltelemente', und natürlich habe ich sie alle gelesen." Tara sah ein bisschen verwirrt aus. "Wie faszinierend", sagte sie dann.
Hubert blickte sie bewundernd mit seinen wasserblauen Augen an und erging sich wieder in computertechnischen Einzelheiten. Es war überhaupt nicht faszinierend, sondern sterbenslangweilig. Wenn Chase seinen Helden Fachlektüre über Computer lesen lassen würde, würde kein Mensch mehr seine Bücher kaufen, und er würde sehr schnell wieder auf andere Art und Weise sein Geld verdienen müssen. Schlimmer noch, es würde bestimmt den Tod seines Helden bedeuten. Es war bereits nach fünf, als Tara beschloss, dass aus Hubert nicht mehr herauszuholen war. Das Interview hatte nicht viel gebracht. Sie hatte keine Ahnung, was Hubert von Hausarbeit hielt, ob er auf ein schönes Heim Wert legte, was er aß. Aber sie war sicher, dass sie nicht mehr erfahren würde, denn immer, wenn sie mal eine entsprechende Frage gestellt hatte, hatte er angefangen, von seiner Arbeit zu erzählen. "Ich gebe auf", sagte Chase hinter ihr. Sie sah sich schnell nach ihm um. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und kam mit langen Schritten hinter ihr her. "Sie wollen nicht mehr mitmachen?" "Das meine ich nicht." Er trat neben sie. "Ich gebe Hubert keine Chancen." Sie musste ihm zustimmen, vor allen Dingen, wenn sie Hubert und Chase verglich. Hubert war sicher intelligent, aber er hatte auch nicht einen Bruchteil der männlichen Ausstrahlung von Chase. Chase schloss die Beifahrertür auf und ließ Tara einsteigen. "Wenn der Traummann so beschaffen sein soll wie Hubert, dann ist er unglaublich langweilig." Tara war überrascht, dass Chase ihr die Tür aufgehalten hatte. Diese höfliche Geste hatte sie ihm gar nicht zugetraut. "Ja, er war vielleicht etwas einseitig, aber ..."
"Etwas einseitig? Er konnte ja über nichts anderes reden als über seine Computer." Verärgert schlug Chase die Beifahrertür zu, ging um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer. "Er war nicht gut angezogen, es sei denn, Sie halten es für die neueste Mode, ohne Krawatte und ohne Socken herumzulaufen. Er war nicht besonders höflich, sieht höchst durchschnittlich aus und kann nicht schwimmen." Er startete den Motor. "Ich weiß, wir sollen jeder unsere eigene Liste zusammenstellen, aber Sie müssen mir da schon ein wenig helfen, denn bei Hubert muss ich passen." Tara lehnte den Kopf zurück. "Machen Sie sich deshalb keine Vorwürfe. Mir fällt auch nichts Positives zu ihm ein." "Aber Sie waren doch diejenige, die immer sagte, er sei faszinierend." "Aber ich versuchte auch immer, das Thema zu wechseln." Es war für sie nicht leicht gewesen, sich auf das Interview zu konzentrieren, weil Chase neben ihr saß. Im Gegensatz zu dem armen Hubert war Chase der Inbegriff der Männlichkeit. Jede Frau, die man vor die Wahl stellte, würde sich für Chase entscheiden, und da war sie keine Ausnahme. "Aber ich glaube, ich weiß, warum Frauen Hubert als infrage kommenden Mann bezeichnen." "So?" "Ja. Weil er technisch auf dem Laufenden ist." "Technisch auf dem Laufenden sein nennt man das?" Chase hielt vor einer roten Ampel. "Frauen haben tatsächlich etwas für Langweiler übrig?" Das klang so überrascht, dass Tara schmunzeln musste. "Natürlich wollen sie keine Langweiler. Aber mit der neuesten Technik sollen sie schon vertraut sein. Das ist heutzutage sehr wichtig, Chase. Frauen kennen sich mit Computern aus, und sie wünschen sich einen Mann, der da mithalten kann. Das finden sie attraktiv."
Chase sah sie kurz von der Seite her an. "Auf die Idee wäre ich nie gekommen." "Es ist wohl auch etwas schwierig zu verstehen." "Allerdings." Er schwieg, Tara musterte ihn verstohlen von der Seite. Sein dunkles Haar, das vom Fahrtwind zerzaust wurde, die Lässigkeit, mit der er das Steuer hielt, das alles gefiel ihr. Und auch der Duft seines After Shaves. Das gehörte auf ihre Liste. Traummänner rochen gut. "Tara, was ist denn eigentlich Ihr Traummann?" fragte er plötzlich in ihre Gedanken hinein. "Der altmodische Typ", erwiderte sie sofort. "Jemand wie Gregory Peck oder Cary Grant." Chase musste lachen. "Ich glaube kaum, dass Cary Grant als technisch auf dem Laufenden bezeichnet werden kann." "Ein moderner Gary Grant ganz sicher." Tara sah ihren Mr. Perfect ganz deutlich vor sich, in Anzug und Krawatte und, anders als Hubert, mit Socken. "Theoretisch ist ihm alles klar, und wenn mein Drucker mal nicht mehr funktioniert, dann könnte er ihn mit Leichtigkeit reparieren. Aber er würde sich nicht so in die Sache reinknien, als hinge sein Leben davon ab." "Ich verstehe", sagte Chase. Er war auf den Parkplatz vor ihrem Apartment gefahren und stellte jetzt den Motor ab. "Laden Sie mich noch zu einer Tasse Kaffee ein?" "Ich dachte, Sie trinken keinen Kaffee." "Das stimmt", sagte er und stieg aus. "Aber ich komme trotzdem mit rauf." Er folgte ihr die Treppen hinauf in den zweiten Stock. "Vermutlich ist das Teil Ihres Fitness-Programms", sagte er, während sie die 'Tür aufschloss. "Da würde ich lieber joggen." Tara wusste nicht recht, was sie mit ihm anfangen sollte. "Möchten Sie wirklich Kaffee oder ...?" "Nur Wasser, danke." Chase ging hinter ihr her in die Küche, blieb dann stehen und blickte auf den Fußboden. "Ein
interessanter Platz, um Wasser aufzubewahren. Die meisten Menschen holen es aus der Leitung oder aus dem Kühlschrank. Aber bei Ihnen ist es auf dem Fußboden." "Oh, nein!" Tara starrte voller Entsetzen auf den Holzfußboden. Es handelte sich nicht nur um eine kleine Pfütze, sondern um einen richtigen See, der sich immer mehr ausbreitete. Unterhalb des Spülbeckens kam das Wasser in einer kleinen Fontäne aus der Wand. "Da muss ein Loch im Rohr sein." "Da haben Sie vermutlich Recht", sagte Chase. "Entweder das, oder Sie haben eine neue Methode erfunden, den Boden zu reinigen. In diesem Fall würde ich sagen, der Prototyp ist noch nicht ausgereift." Er schien sich auch noch blendend zu amüsieren. Tara hätte Ihn erwürgen können. "Ich sollte wohl den Hausverwalter anrufen." "Das ist keine schlechte Idee." Sie lief zu dem Telefon im Flur und wählte. Chase steckte die Hände in die Hosentaschen und beobachtete Tara, die bei jedem Klingeln nervöser wurde. Schließlich knallte sie den Hörer wieder auf die Gabel. "Keiner da!" Sie drehte sich schnell zu Chase um. "Sie kennen sich nicht zufällig mit...?" Chase schüttelte den Kopf. "Nein. Ein Rohrbruch kam bisher in meinen Romanen noch nicht vor. Obwohl sich ja etwas daraus entwickeln lässt." "Ach, Sie!" Wo war Cary Grant, wenn sie ihn brauchte? Er wüsste sicher, was zu tun war. Selbst Hubert könnte ihr helfen. Unglücklicherweise war nur Chase hier, und er hatte offensichtlich keine Ahnung. Sie selbst musste etwas tun. "Vielleicht sollten Sie einen Klempner anrufen", schlug Chase vor. Gute Leistung, Sherlock Holmes. Sie sah ihn wütend an. "Daran habe ich auch schon gedacht." Sie holte die Gelben
Seiten hervor. "Mal sehen. Klempnerzubehör. Nein. Klempnereigroßhandel..." "Versuchen Sie es mal mit GUS' Klempnerei in der 33. Straße." "Was?" Chase nahm das Telefon. "Sie sollten mich telefonieren lassen, wenn wir nicht ertrinken wollen." Er wählte eine Nummer. Jemand nahm ab. "Hallo, GUS, ich bin's, Chase. Nein, nein, bei mir ist alles in Ordnung. Es geht um eine Freundin ... Ja, es ist wirklich sehr eilig. Der ganze Fußboden ist schon überspült, und das Wasser steigt. Es muss sofort jemand kommen. Was können wir in der Zwischenzeit tun, um diese sprudelnde Quelle zu stoppen?" "Und was passierte dann?" fragte Stella. Sie reichte Tara eine Dose Cola und setzte sich. "Nicht viel mehr." Tara öffnete die Dose und trank gierig. "Chase half mir, die ganze Bescherung aufzuwischen. GUS kam ziemlich bald und hat das Rohr ausgetauscht. Er und Chase wollten noch zusammen ein Bier trinken gehen, das heißt, was Chase betrifft, handelte es sich wohl eher um Wasser. Ich war dann noch bei zwei Köchen wegen des Artikels über das Essen, habe ein paar Termine gemacht mit potenziellen Traummännern, und das war's dann auch für heute." "Ein aufregender Tag, finde ich." "Eigentlich nicht." Tara ließ sich auf Stellas altes, bequemes Sofa fallen. "Ich habe sicher fünf Pfund zugenommen bei all den Häppchen, die ich probieren musste, und in Stimmung hat es mich auch nicht gebracht." Sie holte eine Tüte mit Chips aus ihrer Tasche und legte die Beine auf den Couchtisch. "Und Hubert war ein richtiger Reinfall", setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu. Stella setzte sich neben sie und machte es sich auch bequem. "Aber Chase, der hat dich doch ziemlich beeindruckt?"
"Ja, irgendwie schon." Tara hatte keine Lust, sich über Chase zu unterhalten. Sie war immer noch überrascht, wie schnell er das Klempnerproblem gelöst hatte. Er hatte den Schaden zwar nicht selbst repariert, aber er hatte dafür gesorgt, dass es schnell getan wurde. "Und 'wie geht es dir? Hat sich in den letzten Tagen, bei Wutherspoon Outerwear irgend etwas Besonderes ereignet?" "Eigentlich nicht, es sei denn, du denkst an die neue Ausstellfläche für die Lederunterwäsche'. Ach ja, und dann war ich heute mit Stanley wieder beim Lunch." "Stanley?" Tara sah die Freundin ernst an, "Stella, ich muss dir was sagen. Ich war gestern bei Wutherspoon Outerwear, wegen eines Artikels." "Über den Tod von Mr. Wutherspoon?" fragte Stella sofort. "Nein, über die Veränderungen in der Firma. Aber auf diese Art und Weise kann ich mich unauffällig mit allen unterhalten." Stella strahlte. "Oh, Tara, das ist wunderbar. Vielleicht finden wir ja heraus, was passiert ist. Hast du schon mit Gerald gesprochen?" "Nein." Tara räusperte sich. "Ich habe mich mit seiner Sekretärin unterhalten." "Mit Angie? Ich glaube nicht, dass sie dir viel erzählen kann. Sie hat ja erst zusammen mit Gerald angefangen." "Ja, ich weiß." Tara räusperte sich verlegen. Sie wusste nicht genau, wie sie das Thema ansprechen sollte. "Angie erzählte mir, dass Stanley verlobt sei." "Ja? Wie seid ihr denn darauf gekommen?" "Das weiß ich auch nicht mehr." Tara war überrascht, wie gelassen Stella reagierte. "Wusstest du, dass Stanley eine Verlobte hat?" "Aber das weiß doch jeder, Tara. Lorraine ruft ihn doch dauernd an, mindestens zehnmal am Tag." Sie lächelte. "Ich glaube, sie spioniert ihm nach. Dabei hätte sie das gar nicht nötig. Stanley ist absolut treu."
So? Wenn das der Fall war, hatte Stella wohl eine andere Vorstellung von Treue. "Hatte er sich mit dir heute nicht zum Lunch verabredet?" "Ja, das stimmt", sagte Stella. "Aber das hat weiter keine Bedeutung. Wir sind nur zwei gute Freunde, die ihre Mittagspause miteinander verbringen." "Du musst technisch auf dem Laufenden sein", berichtete Chase an dem Abend Jerome am Telefon. "Darauf legen die Frauen heutzutage großen Wert." Er nahm eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank und ging wieder in sein Arbeitszimmer. "Was heißt das, technisch auf dem Laufenden sein?" fragte Jerome. "In welcher Beziehung?" "In Bezug auf Computer." Chase schraubte die Flasche auf. Er hatte in den letzten Stunden "Computer für Anfänger" durchgelesen, aber er fühlte sich jetzt auch nicht sehr viel schlauer. Wie man das Ding an- und ausschaltete, das hatte er vorher schon gewusst. "Computer?" Jerome schien überrascht zu sein. "Mit Computern kenne ich mich aus. Im Büro mache ich alles per PC, und ich habe auch Zugang zum Internet und verschicke haufenweise E-Mails. Aber ich glaube nicht, dass Vanna davon fürchterlich beeindruckt ist." "Darum geht es auch nicht. Das kann jeder. Aber was weißt du über Arbeitsspeicher, Betriebssysteme und Mikroprozessoren?" "Nicht besonders viel", sagte Jerome zögernd. "Aber ich glaube nicht, dass das für Vanna sehr wichtig ist." "Hast du sie jemals gefragt?" "Nein, aber Vanna interessiert sich überhaupt nicht für Computer, Chase. Sie hat keinen, und sie braucht keinen. Und selbst wenn ich einen vor ihren Augen auseinander nehmen und wieder zusammensetzen könnte, würde das nicht meine Ehe retten."
Das hörte sich plausibel an, aber ... "Tara meint, dass die Frauen von heute davon sehr beeindruckt sind. Und vielleicht hat sie Recht. Schließlich spielen Computer eine große Rolle in unserem Leben." "Vielleicht." Jerome schien seine Zweifel zu haben. "Vielleicht sollte ich ein bisschen mehr davon wissen." "Es könnte helfen", sagte Chase. "Hunter zumindest wird Vorteile davon haben." "Aber, Chase, du wirst doch aus unserem Helden keinen blassen Schwächling machen?" "Nicht ganz." Chase beendete das Gespräch und wandte sich wieder dem Computer zu. "Ich habe folgenden Plan", sagte Hunter. "Der Atomsprengkopf wird per Computer gesteuert. An den muss ich ran und das Programm ändern." "Du weißt, wie man das macht?" Bridgett sah ihn bewundernd an. "Ja." Hunter strich ihr über die Schulter. "Das ist gar nicht so schwierig, wenn man sich auskennt. Ich muss mich lediglich mit dem richtigen Code einloggen. Der Rest ist ein Kinderspiel." Chase lehnte sich zurück und las das Geschriebene noch einmal durch. Es hörte sich ausgesprochen gut an. Hunter wirkte in dieser Szene richtig intelligent und nicht wie jemand, der nur gut zuhauen konnte. Bridgett würde davon sehr beeindruckt sein. Er überarbeitete die Szene noch einmal. Der Charakter seines Helden gewann dadurch an Tiefe. Und das blieb nicht ohne Einfluss auf Bridgett. Sowie sie die Gelegenheit hätte, würde sie sich auf Hunter stürzen.
5. KAPITEL Haben Sie Probleme mit Ihrem Selbstvertrauen, meine Damen? Keine Sorge. Das Selbstvertrauen Ihres Traummanns reicht für zwei. In jeder Situation zeigt sich der richtige Mann gelassen, selbstsicher und überlegen. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Gelassen, selbstsicher und überlegen" - diese Beschreibung traf auf Gerald Charmichael voll zu. Tara traf ihn in seinem Büro von Wutherspoon Outerwear an, ein adrett aussehender, grauhaariger Mann von Ende fünfzig im Maßanzug und mit vollendeten Manieren. Er stand auf, als sie den Raum betrat, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und gab ihr die Hand. "Ich freue mich, dass Sie gekommen sind." Er wies auf einen Stuhl. "Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie sich für die Veränderungen in unserem Unternehmen interessieren." "Aber das ist doch selbstverständlich." Tara lächelte. Gerald wirkte nicht wie ein Mann, der seinen Onkel um die Ecke brachte. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie so jemand aussah, aber irgend etwas Finsteres müsste er schon ausstrahlen. Gerald jedoch hatte überhaupt nichts Düsteres an sich. Er erinnerte sie eher an Cary Grant, auch wenn er nicht so groß und schlank war.
Er setzte sich ihr gegenüber und faltete die Hände auf der Schreibtischplatte. "Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Artikel über unsere Firma zu schreiben?" Tara erzählte kurz von Stella, von ihrer eigenen Arbeit als freie Journalistin und von ihren Ideen im Hinblick auf den Artikel. "Nebenbei arbeite ich für eine regionale Zeitung, und ich hatte den Eindruck, dass es unsere Leser interessieren könnte, welche Veränderungen Ihre Firma inzwischen durchgemacht hat. Natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist." Gerald nickte. "Wissen Sie, Tara ... sind Sie einverstanden, wenn ich Tara sage? Oder ist Ihnen Miss Butler lieber?" "Tara ist in Ordnung." "Danke. Was ich sagen wollte, Tara, wir sind immer an einer guten Öffentlichkeitsarbeit interessiert." Sein Lächeln war freundlich und gewinnend. "Was möchten Sie denn wissen?" "Für mich sind alle Veränderungen von Interesse, auch in der Geschäftspolitik, und vor allen Dingen, warum Sie eine neue Richtung eingeschlagen haben." Und ob Sie irgend etwas mit Franklins Tod zu tun haben, fügte sie im Stillen hinzu. "Gut", sagte Gerald. "Vielleicht sollten wir einen Rundgang durch die Firma machen, und ich erkläre Ihnen dabei, was ich alles vorhabe." Er führte sie durch das ganze Gebäude, öffnete höflich die Türen für sie und bat sie vorzugehen. Im Übrigen schritt er neben ihr her und erklärte ihr ausführlich, welche Veränderungen er plante. Sie beendeten ihren Rundgang in der Campingabteilung, gerade 'bei den Schaufensterpuppen, die die Frau in Khaki aufgestellt hatte. Tara zerbrach sich den Kopf, wie sie das Gespräch auf Franklin Wutherspoon bringen könnte. "Es sieht alles wirklich ganz anders aus als vorher", bemerkte sie. "Ich weiß." Gerald seufzte leise. "Es musste sich etwas ändern ... auch wenn mein Onkel nicht dieser Meinung war.
"Sie meinen Franklin Wutherspoon?" "Ja." Gerald hob die Hand und hüstelte. "Ich hing sehr an Onkel Frank. Er war ein guter, bescheidener Mann. Und die Angestellten liebten ihn ebenso wie ich." Er machte eine ausholende Geste, "Manchmal, wenn ich hier durch die Räume gehe, meine ich ihn zu sehen." Tara dachte, dass sie nicht auf Stella hätte hören sollen. Wie konnte jemand auf die Idee kommen, dieser nette, charmante Mann könnte etwas mit Franklins Tod zu tun haben? "Es tut mir so Leid, Gerald." "Mir auch." Er betupfte sich mit einem Taschentuch die Augenwinkel und seufzte wieder leise. "Sie haben wahrscheinlich gehört, wie er ums Leben kam?" "Ich hörte etwas von einer Nahrungsmittelallergie." "Ja, das ist richtig." Gerald wiederholte in .etwa das, was Tara schon von Stella wusste. "Ich wünschte, ich hätte gesehen, wie er sich die Vorspeise mit den Krabben nahm. Ich hätte ihn gewarnt, denn ich habe ja selbst keine gegessen." "Sie haben nichts von der Vorspeise genommen?" "Nein, ich bin auch allergisch gegen Fisch. Das ist alles so traurig, eine richtige Tragödie." Er schwieg einen Augenblick, um sich zu sammeln. "Leider war Onkel Frank etwas altmodisch", meinte er dann. "Ich sprach ihn immer wieder auf notwendige Veränderungen an, aber er wollte nichts davon wissen. Er wollte, dass alles so blieb, wie es war, aber es musste etwas geschehen. Ich vermute, dass er letzten Endes mit mir einer Meinung war, denn sonst hätte er mir die Firma wohl nicht vermacht. Das kam für mich vollkommen überraschend." "Sie wussten nicht, dass Sie der Erbe waren?" "Nein, ich hatte keine Ahnung." Wieder seufzte Gerald. "Aber ich bin ihm sehr dankbar. Denn so fühle ich mich besser, trotz mancher Unstimmigkeiten, die wir hatten." Genau das war der Punkt. Warum hatte Franklin Gerald die Firma hinterlassen, obwohl sie sich nicht besonders gut verstanden?
Gerald legte ihr leicht die Hand auf den Rücken. "Kommen Sie bitte hier entlang. Ich möchte Ihnen unsere neue Lederunterwäsche zeigen." Tara hielt sich so lange bei Wutherspoon auf, dass sie zu ihrem nächsten Interview eine Viertelstunde zu spät kam. Sie parkte den Wagen vor dem Holiday Inn, wo Chase und sie mit dem Unternehmer Anthony Stevens verabredet waren. "Ich bin gerade dabei, eine neue Firma zu gründen", hatte er gesagt. "Deshalb kann ich Sie noch nicht in mein Büro bitten." Während sie durch die Drehtür ging, musste sie immer wieder über Gerald nachdenken. Stella hatte Recht, was die Veränderungen betraf, und auch Tara war nicht sicher, ob das sinnvoll für die Firma war. Aber sie bezweifelte, dass Gerald irgend etwas mit dem Tod seines Onkels zu tun hatte. Als sie in die Halle trat, sah sie mit Erleichterung, dass Chase bereits da war. Er saß auf einem Sofa und unterhielt sich angeregt mit einem breitschultrigen blonden Mann, Anthony vermutlich. Tara ging langsam auf die beiden zu. Anthony war der vierte Mann, den sie interviewten. Nach Hubert hatten sie sich den Galeristen vorgenommen, einen Mann mit gutem Geschmack, wie Tara fand. Chase war jedoch anderer Meinung. Das einzige hervorstechende Merkmal des Lateinprofessors war seine Bildung gewesen, und somit entsprach keiner ihrer bisherigen Kandidaten ihrer Vorstellung von einem Traummann. Hoffentlich war Anthony anders. Chase stellte sie einander vor. Anthony schüttelte ihr heftig die Hand. Er sei begeistert, sie kennen zu lernen. Dann entschuldigte er sich, er müsse schnell mal telefonieren. Er zog sein Handy aus der Tasche, stand auf und entfernte sich, während er wählte. Tara setzte sich und versuchte, Chase nicht zu auffällig zu mustern. Er trug keinen Nadelstreifenanzug wie Anthony. Aber der dunkelgraue Blazer passte sehr gut zu seiner schwarzen
Jeans und dem hellgrauen Hemd mit der dunkellila Krawatte. Er sah zwar noch nicht ganz so aus wie einer ihrer Filmhelden, aber im Vergleich zu früher war dies eine deutliche Verbesserung. "Eine hübsche Krawatte", sagte Tara. "Ich wusste gar nicht, dass Sie so was besitzen." "Tonnenweise." Chase grinste. "Mein Kleiderschrank ist voll von Anzügen und Krawatten." Er beugte sich vor. "Wo sind Sie gewesen?" Er wirkte zwar etwas ungewohnt in der etwas formelleren Kleidung, aber er sah sehr gut aus. Sie blickte auf seinen Mund. Wahrscheinlich küsste er auch sehr gut. "Tara?" "Oh, Entschuldigung." Ja, wo war sie gewesen? Bei Wutherspoon Outerwear. "Ich habe mir Lederunterwäsche angesehen", sagte sie abwesend. Sie sah ihn vor sich, in einem ledernen Slip, schwarz natürlich. Die knappen Dinger wirkten schon an den Schaufensterpuppen sehr sexy, aber wenn Chase so etwas trug ... "Bitte?" Sie stellte sich auch Gerald in dieser Unterwäsche vor, aber das passte nicht, auch wenn er jünger wäre. Das war natürlich kein Charakterfehler, denn auch Cary Grant hatte wahrscheinlich nie Lederunterwäsche getragen. "Ich bin noch an einem anderen Auftrag dran", sagte sie schnell. Nimm dich zusammen, Tara! ermahnte sie sich. Chase sah etwas verärgert aus. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie pünktlich wären. Ich befürchtete schon, ich müsste das hier allein durchziehen, und ich bin kein guter Interviewer." "Wirklich nicht?" Ob die Sexszenen, die er schrieb, wohl ein Zeichen dafür waren, wie gut er im Bett war? Schnell rutschte sie ein wenig zur Seite und versuchte, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. "Es sah aber doch so aus, als seien Sie und Anthony schon mitten im Gespräch."
"Wir haben uns bisher nur über meine Bücher unterhalten. Er hat sie heftig kritisiert. Offensichtlich versteht er vom Schreiben mehr als ich." "Wirklich?" Tara sah Anthony durch die Halle auf sie zukommen. Er wirkte entschlossen und dynamisch, war gut angezogen und sah recht gut aus. Ob er wusste, wie man Sexszenen schrieb? Wenn ja, würde sie ihn gern näher kennen lernen. Unglücklicherweise schien Anthony von dieser Art der Literatur nicht besonders viel zu verstehen, auch wenn er den Eindruck erwecken wollte, als wusste er über alles Bescheid. Er hatte genaue Vorstellungen, wie Tara den Artikel schreiben sollte - "Interessant, Ihre Herangehensweise, aber ich würde das Ganze etwas wissenschaftlicher aufziehen" -, aber auch, wie ein Hotel einzurichten war, und hatte zu sämtlichen Wirtschaftsthemen etwas zu sagen. Er bestellte einen Drink für Tara, ohne sie zu fragen, und hielt Vorträge über Männlichkeit. Tara machte sich eifrig Notizen und versuchte, nicht an schwarze Lederslips zu denken. Chase wirkte zunehmend genervt. "Was die heutigen Männer betrifft", tönte Anthony, "so bin ich der Meinung, dass sie unbedingt wissen müssen, was sie wollen. Und dass sie genügend Selbstvertrauen und Intelligenz besitzen sollten, um ihre Ziele auch zu erreichen. Habe ich nicht Recht, Mr. Montgomery?" "Ja", sagte Chase mürrisch. "Eben." Anthony strahlte vor Selbstzufriedenheit. "Nehmen Sie mich zum Beispiel. In den letzten fünf Jahren habe ich drei Firmen gegründet und bin jetzt bei meiner vierten. Es ist eine innovative ..." Chase blickte hoch. "Was ist mit den anderen dreien?" Anthony runzelte die Stirn. "Was meinen Sie?" "Den anderen drei Firmen, die Sie gegründet haben. Was ist mit ihnen? Waren sie erfolgreich?"
Anthony lächelte leicht herablassend. "Das kommt darauf an, wie man Erfolg definiert. Als ich sie gründete, waren es alles profitable Unternehmen." "Davon bin ich überzeugt", sagte Chase betont gleichmütig. "Aber gibt es sie noch? Machen sie noch Gewinne?" Anthony wirkte leicht pikiert. "Einige ja, einige nein. Ich habe das nicht weiter verfolgt. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Ich bin mehr für die Ideen zuständig, beschaffe Investoren, und dann verkaufe ich das Ganze wieder." Er sah Tara an. "Das sollten Sie in Ihrem Artikel unbedingt bringen. Der Mann von heute liebt die Herausforderung." Tara nickte. "Ja, das gehört wahrscheinlich auf die Liste." Sie setzte zum Schreiben an, als Chase sie unterbrach. "Der Meinung bin ich nicht." Tara sah ihn an, und wieder hatte sie Schwierigkeiten, sich ihn nicht in einem schwarzen Lederslip vorzustellen. Was war bloß mit ihr los? Sie bestand darauf, dass er in Anzug und Krawatte kam, und dann stellte sie sich ihn in ihren Phantasien fast nackt vor. "Warum nicht?" hakte sie nach. "Das ist viel zu allgemein. Männer lieben Herausforderungen. Das ist Teil ihrer Natur. Und wäre es außerdem nicht eine mindestens so große Herausforderung, sich dafür einzusetzen, dass eine Firma mit Erfolg arbeitet? Wenn mein Held Sachen immer nur anfangen würde, ohne sie zu beenden, dann wären meine Bücher schon auf der dritten Seite zu Ende." Anthony sah ihn von oben herab an. "Manche Menschen arbeiten auf diese Weise, aber heutzutage ..." "Ich glaube, es ist wichtig, etwas bis zum Ende durchzuziehen", sagte Chase. "Was meinen Sie, Tara?" Sie fühlte sich unbehaglich. "Also, beide Ansichten haben etwas für sich." "Und das führt zu der Frage, Anthony, wie Sie es bei Ihrer Auffassung von Herausforderung mit Ihrem Privatleben halten."
Chase fing an, das Gespräch zu genießen. "Gehören Sie zu den Männern, die laufend neue Beziehungen eingehen, oder arbeiten Sie daran, eine ernsthafte, dauerhafte Beziehung aufzubauen?" "Diese Frage scheint mir ein wenig zu persönlich zu sein, Mr. Montgomery", entgegnete Anthony peinlich berührt. "In unserem Artikel geht es darum, was Frauen von ihrem Traummann erwarten, Mr. Stevens. Haben Sie denn nicht damit gerechnet, dass auch persönliche Dinge angesprochen werden?" Tara legte den Notizblock auf den Tisch. Die beiden Männer musterten einander. Anthonys blaue Augen funkelten wütend, während Chase ihn mit seinen dunklen Augen gleichmütig ansah. Wenn das so weiterging, würden die beiden noch übereinander herfallen. Deshalb sagte sie schnell: "Ich glaube nicht, dass wir darüber im Einzelnen ..." Anthony lachte kurz auf. "Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken, aber ich fürchte mich vor keiner Frage, wenn Sie das wissen wollten." "Genau das wollte ich wissen", sagte Chase. "Das ist ja wunderbar." Tara warf Chase einen wütenden Blick zu und lächelte dann Anthony an. "Wir könnten doch über ... über ..." "Gefühle sprechen", warf Chase ein. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und grinste Anthony an. "Sagen Sie, verlieren Sie oft die Fassung?" "Verlieren Sie oft die Fassung?" Tara schäumte vor Wut. Sie war so schnell aus dem Hotel gestürmt, dass Chase ihr kaum folgen konnte. "Was ist denn das für eine Frage?" "Eine gute?" Chase schlug sich in Gedanken anerkennend auf die Schulter. Er hatte die Situation vollkommen unter Kontrolle gehabt. Der große, elegant gekleidete und gut aussehende Anthony hatte Federn lassen müssen. "Das steht doch auf der alten Liste. Richtige Männer verlieren nie die Fassung. Ich wollte nur wissen ..."
"Diese Frage hätten Sie ihm nicht stellen dürfen." Tara blieb neben einem blauen Pontiac stehen und drehte sich wütend zu Chase um. "Er sah aus, als wollte er Sie gleich verprügeln." "Den Eindruck hatte ich auch." Chase zog sich schnell das Jackett aus, band die Krawatte ab und warf beides aufs Wagendach. "Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Mit Anthony werde ich leicht fertig. Ich kenne mindestens fünf Karateschläge" "Tatsächlich?" Tara starrte Chase an, während er die Hemdsärmel hochkrempelte. "Können Sie wirklich Karate?" "Eigentlich nicht. Ich beherrsche nur diese fünf Schläge. Aber das sind bestimmt fünf mehr, als Anthony kennt." "Das glaube ich auch." Sie blickte auf seine Unterarme und befeuchtete sich unwillkürlich die Lippen mit der Zunge. "Aber darum geht es gar nicht. Ich habe mir keine Gedanken darum gemacht, dass er Sie schlagen könnte. Aber was eine solche Schlägerei für unseren Artikel bedeuten würde, das beunruhigte mich." "Wie freundlich", sagte Chase enttäuscht. Seine Heldinnen hätten da ganz anders reagiert. Sie hätten sich nach einer solchen Auseinandersetzung an den Helden gedrängt und gehaucht: "Oh, Chase, ich hatte solche Angst, dass dir etwas passieren könnte." Tara unterbrach seine schönen Phantasien. "Sie haben ihn ganz bewusst provoziert!" Chase sah sie an. Ihre grünen Augen funkelten. Die Wangen waren gerötet, und die Lippen glänzten feucht. Er brauchte sich nur vorzubeugen und ... Richtig. Dann würde sie ihn in den Unterleib treten und ihn mit ihrer Tasche totschlagen. "Anthony hat angefangen", versuchte er sich zu verteidigen. "Er hat mir einen Martini bestellt, ohne mich zu fragen. Und als ich ihm sagte, ich tränke keinen Martini, meinte er, es würde höchste Zeit, endlich damit anzufangen." Er schob die Fäuste wütend in die Hosentaschen.
"Ich habe keine Ahnung, wie so ein angeberisches Ekel auf Ihre Liste kommt." Tara öffnete ihre Handtasche und suchte nach den Autoschlüsseln. "Er ist kein Angeber. Er ist selbstsicher, hat Selbstvertrauen, ist zupackend." "Er ist widerlich", stieß Chase zwischen den Zähnen hervor. Tara lachte. "Gut, vielleicht hat er ein bisschen zu viel Selbstvertrauen, aber Frauen von heute mögen das. Sie schätzen es, wenn ein Mann weiß, was er will, und Ziele hat." "Aber, Tara! Der Kerl hat doch überhaupt kein Ziel. Er weiß nur, wie man etwas anfängt, aber nicht, wie man es am Laufen hält. Und er überschätzt sich vollkommen. Er ist total davon überzeugt, dass seine neueste Firmengründung der große Hit wird." Tara seufzte. "Sein Selbstvertrauen besteht zu Recht. Er hat doch bereits eine Reihe von Firmen gegründet." "Die aber alle kein Erfolg waren. Ich habe mit einem der jetzigen Besitzer gesprochen, der meinte, er stünde kurz vor der Pleite." Tara sah ihn überrascht an. "Sie kennen jemanden, der eine von Anthonys Firmen gekauft hat?" "Nein", sagte Chase. "Ich habe es herausgefunden und ihn angerufen." Er lächelte. "Ich habe vielleicht nicht sehr viel Erfahrung mit Interviews, aber ich recherchiere gut." Sie fand die Autoschlüssel. "Das ist zwar sehr erfreulich, aber so genau müssen wir es nun auch wieder nicht wissen. Wir wollen ja keine tief gehenden Charakterstudien betreiben. Diese Männer repräsentieren lediglich den Typ Mann, den Frauen heutzutage bevorzugen. Und nach dem Gespräch mit Anthony möchte ich nur festhalten, dass Frauen Männer mit ausgeprägtem Selbstvertrauen mögen." "Ich verstehe." Chase wollte das Gespräch noch nicht beenden. Er nahm seine Sachen von dem Autodach. "Wenn das so ist, dann haben wir Schriftsteller schlechte Karten."
"Warum denn das?" "Das hat mit unserem Beruf zu tun. Leute, die schreiben, haben viele Selbstzweifel. Denn auch wenn sich das letzte Buch gut verkauft hat, kann das nächste ein totaler Flop sein. Diese Sorge verlässt uns nie." Tara blieb stehen und blickte ihn an. "Empfinden Sie wirklich so?" "Ja. Ich weiß, dass das nichts mit dem Selbstvertrauen zu tun hat, das ein wahrer Mann ausstrahlen sollte, aber es ist die Wahrheit." Vielleicht war deshalb nicht er auf der Liste gelandet, sondern Hunter. Hunters Selbstsicherheit war durch nichts zu erschüttern. "Und das ist gut so", sagte Tara langsam. "Frauen mögen Männer, die auch ihre Schwächen haben, solange diese nicht die Oberhand gewinnen." Chase sah ihr ins Gesicht. "Wirklich?" Tara nickte. "Ja." "Das ist sogar sehr gut." Er blickte sie unablässig an. Er hätte sie am liebsten gegen die nächste Mauer gepresst und sie spüren lassen, wo seine Schwächen lagen. Keine gute Idee. Chase seufzte leise und nahm sie beim Arm. "Kommen Sie." Tara hatte Mühe, sich seinen Schritten anzupassen. "Wohin denn?" "Gleich hier um die Ecke ist ein Cafe, in dem man den besten Tee der Stadt bekommt." Er grinste sie an. "Nach der reizenden Unterhaltung mit Anthony und dem Martini brauche ich unbedingt einen Tee." "Ich auch." Nachdem sie nach Hause gekommen war und sich ihren seidenen Kimono angezogen hatte, schenkte Tara sich ein Glas Wein ein und setzte sich an den Küchentisch, um ihre Notizen durchzusehen. So wollte sie leben, elegant und extravagant mit
einem charmanten altmodischen Mann als Partner und Liebhaber, der mit Lederunterwäsche nichts im Sinn hatte! Und wenn doch, dann müsste er in so einem schwarzen Slip sehr sexy aussehen. Sie schüttelte lächelnd den Kopf und versuchte sich auf ihre Notizen zu konzentrieren, als Stella kam. "Matthew ist bei einem Freund", sagte sie. "Und ich habe noch ein wenig Zeit, bevor ich ihn wieder abhole. Gibt es bei dir etwas Neues?" "Oh, ja", sagte Tara, "jede Menge. Anthony ist ein Angeber, und Chase fühlt sich im Jackett nicht wohl und besitzt eine lila Krawatte. Und noch etwas: Du solltest einem Mann lieber kein Steak vorsetzen, weil er sich danach zu voll fühlt und zu nichts mehr fähig ist." Stella machte eine abwehrende Handbewegung. "Das meine ich nicht. Gibt es etwas Neues im Fall Wutherspoon? Hattest du dich nicht heute mit Gerald getroffen?" "Oh, ja, Gerald." Tara hatte ihn schon fast wieder vergessen. "Ich habe ihn heute in seinem Büro aufgesucht." "Und? Hat er irgend etwas wegen seines Onkels gesagt?" "Er hat nicht zugegeben, ihn umgebracht zu haben, wenn du das meinst. Er hat mir das ganze Geschäft gezeigt und mir erklärt, was er alles ändern will. Und dann habe ich auch eure neue Lederunterwäsche gesehen. Du hast Recht, ich fände es auch erstaunlich, wenn sie sich gut verkaufen ließe. Gerald ist allerdings davon überzeugt, dass es dafür einen Markt gibt." "Da irrt er sich, aber das interessiert mich im Augenblick nicht. Was hast du noch herausgefunden? Hat er Franklin überhaupt erwähnt?" Tara nahm einen Schluck Wein. "Ja. Er sagte, er habe ihn sehr gern gehabt." "Von wegen!" stieß Stella zwischen den Zähnen hervor. "Und dass er vollkommen überrascht war, dass Franklin ihm die Firma vererbte."
"Tatsächlich? Wem sollte Franklin die Firma denn sonst hinterlassen? Gerald war doch praktisch sein einziger Verwandter, wenn du den Kanarienvogel nicht mitzählen willst." "Ich weiß es nicht, dazu hat er nichts gesagt. Allerdings erwähnte er, dass er nichts von der Vorspeise mit den Krabben gegessen habe, also kann er auch seinem Onkel nichts davon auf den Teller geschoben haben." "Das weiß man nie", meinte Stella nur. "Was hast du sonst noch herausgefunden?" "Das war alles." Stella sah so enttäuscht aus, dass Tara schnell hinzufügte: "Aber am Ende der nächsten Woche werde ich mehr wissen. Ich werde mich mit allen Mitarbeitern von Wutherspoon unterhalten. Und Sonnabend gehe ich mit Gerald zum Essen aus." "Tolle Strategie!" Stella schüttelte missmutig den Kopf. "Rendezvous mit einem Mörder. Da wirst du sicher einige Erkenntnisse gewinnen können im Hinblick auf deinen Artikel über Traummänner." Sie stand auf. "Darf ich eben mal dein Badezimmer benutzen? Die Fahrt dauert ja wieder vierzig Minuten." "Selbstverständlich." Stella ging den Flur hinunter. "Ich glaube nicht, dass er der Mörder ist!" rief Tara ihr hinterher. "Und außerdem habe ich mit ihm kein Rendezvous. Er will mir erzählen, was er sonst noch mit der Firma vorhat. Man weiß nie, was dabei herauskommen kann." "Ich hoffe, morgen auch etwas herauszufinden. Ich bin abends mit Stanley zum Drink verabredet", erwiderte Stella. "Kannst du vielleicht auf Matthew aufpassen?" "Ja, natürlich. Aber was ist mit Lorraine? Ich dachte, Stanley sei verlobt?" "Das ist er auch." Stella kam aus dem Badezimmer und musste lachen, als sie Taras finstere Miene sah. "Nun mach dir
doch keine Sorgen! Stanley will mit mir lediglich über den Fall Franklin reden." "Für dich ist es schon ein Fall? Verrennst du dich da nicht in etwas? Diese Nachforschungen entbehren meiner Meinung nach jeder Grundlage. Ich glaube nicht an deine Mordtheorie. Und ich bin absolut sicher, dass Gerald damit nichts zu tun hat, selbst wenn es kein unglücklicher Zufall war." Stella rieb sich nachdenklich das Kinn. "Dass es ein unglücklicher Zufall war, glaube ich nicht". Und wenn es Mord war, könnte es auch jemand anders getan haben als Gerald. Ich bin übrigens nicht die Einzige, der die Sache komisch vorkommt. Stanley hat denselben Verdacht. Deshalb treffen wir uns auch morgen Abend. Stanley möchte, dass wir vergleichen, was wir bisher herausgefunden haben." "Selbst wenn Stanley etwas weiß, was ich nicht glaube, warum sollte er dir das sagen wollen?" "Weil ich in der Finanzabteilung arbeite. Wir Leute von der Buchhaltung sind für viele etwas Besonderes, so was wie ein Beichtvater oder so. Wahrscheinlich, weil wir der Geheimhaltung unterliegen." "Meinst du das wirklich?' "Aber, Tara, warum sollte er sich sonst mit mir verabredet haben?" "Das kann man nie wissen. Vielleicht weil du eine Frau bist und er ein Mann?" "Nein, so ein Typ ist er nicht. Er ist Steinbock, das hat er mir gestern gesagt." Sie griff nach ihrer Tasche. "Übrigens, weißt du noch, wie der Klempner heißt, der neulich bei dir war?" "Gus", sagte Tara. "Hast du seine Telefonnummer?" "Ich glaube schon, warum?" "Vielleicht solltest du ihn wieder anrufen. Deine Toilette ist verstopft." Sie zog die Jacke über. "Es tut mir Leid, dass ich dir nicht helfen kann, aber ich muss Matthew abholen."
"Mach dir keine Gedanken. Ich weiß ja jetzt, was ich machen muss." Tara brachte Stella zur Tür, verabschiedete sie und ging dann zum Telefon. Ihr Apartment war zwar hübsch und elegant, aber es musste ganz sicher etliches in Stand gesetzt werden. Während Tara sich mit Gerald traf und Stella sich mit Stanley, fuhr Chase zu seiner Schwester Molly. Er kam mit der Hubschrauberszene nicht recht weiter und wollte seine Neffen abholen, um auf andere Gedanken zu kommen. Während die Jungen ihre Sachen zusammenpackten, ging Chase in die Küche zu seiner Schwester und erzählte ihr von dem Auftrag. Molly kannte das Real Men-Magazin nicht nur, sie las es auch regelmäßig, "Du schreibst einen Artikel für sie? Das ist ja toll, Chase!" Er empfand ihre Begeisterung beinahe als Beleidigung. "Ich habe ein halbes Dutzend Bestseller geschrieben und war schon oft in der Zeitung. Dies ist doch nur ein einziger Artikel, Molly." "Ja, aber für Real Men! Ich meine, ich war natürlich auch beeindruckt, als deine Bücher überall in den Buchläden auftauchten, und ich bin immer wieder überrascht, wenn ein Bericht über dich in der Zeitung steht. Obwohl ich nicht verstehe, warum deine Lieblingsfarbe so oft wechselt." "Das hängt von meiner Stimmung ab", erwiderte Chase mürrisch. "Ich wusste gar nicht, dass du das Real Men liest." "Jede Frau liest es. Darin kommen immer die tollsten Männer vor. Neulich brachten sie sogar einen Artikel über Leonardo DiCaprio. Und nun schreibst du für dieses Magazin!" Plötzlich sah sie ihn misstrauisch an. "Du wirst dich doch nicht nackt fotografieren lassen oder so?" Chase schauderte bei dem Gedanken. "Du liebe Zeit, nein. Und ich bin es im Grunde auch nicht, der den Artikel schreibt. Ich arbeite mit Tara zusammen, und sie formuliert letzten Endes den Text." "Tara?" Molly riss die Augen auf. "Meinst du etwa Tara Butler? Nicht zu fassen!"
Chase hatte schon mit einer ganzen Reihe von Berühmtheiten Kontakt gehabt, mit Politikern, Filmstars und Models, aber noch nie hatte Molly so aufgeregt reagiert. "Sie ist doch nur eine freie Journalistin, Molly." "Ich weiß, aber sie ist phantastisch. ,Sex und die SingleSzene' war unglaublich gut." "Sex und die Single-Szene?" Darüber hatte Tara geschrieben? Wo sie da wohl recherchiert hatte? "Und ihr Artikel über Kleidung, in der man sich gut fühlt, war einfach faszinierend. Ich bin sofort los und habe mir ein paar neue Turnschuhe gekauft, nachdem ich den Artikel gelesen hatte." "Turnschuhe? Was haben denn Turnschuhe damit zu tun, dass ..." "Das kannst du nicht verstehen als Mann." Sie sah ihn neugierig an. "An was für einem Thema arbeitet ihr zwei denn?" "Es geht um Männer. Was macht einen richtigen Mann aus? Welche Eigenschaften muss ein Traummann haben? Woran erkennt man, dass er der Richtige ist und so weiter." Chase räusperte sich. "Und dazu wollte ich dich eigentlich etwas fragen. Welche Merkmale zeichnen einen Traummann aus?" Molly zog die Nase kraus. "Lass mich nachdenken. Also, gutes Aussehen, Sinn für Humor, Intelligenz ..." Sie lächelte stolz. "Ich würde sagen, er müsste so sein wie Eddie." "Du meinst deinen Mann?" entgegnete er überrascht. Molly runzelte verärgert die Stirn. "Nein, ich meine Eddie, den Hund vom Nachbarn! Natürlich meinen Mann, wen denn sonst?" Chase wusste darauf nichts zu erwidern. Eddie hatte ein Möbelgeschäft. Er war ganz nett, aber alles, was ihn interessierte, waren Polstermöbel. Was hatte das mit einem Traummann zu tun? "Und ich, Molly? Würdest du sagen, dass ich deinem Ideal von einem Mann entspreche?"
Molly legte den Kopf schief. "Du bist mein Bruder, Chase. Wenn ich an dich denke, dann sehe ich dich in erster Linie als Bruder, nicht als Mann." "Oh, vielen Dank!" "Aber wenn, ja, dann würdest du sicher in die Kategorie der Traummänner gehören. Du bist immer ein wunderbarer Bruder gewesen. Wenn ich nur daran denke, wie du Eddie geholfen hast, sein Geschäft aufzubauen, wie oft du mich bei meiner Ausbildung unterstützt hast und was du alles für Mutter tust." "Aber das hat alles nichts mit einem Traummann zu tun, Schwesterherz. Das ist einfach ein normales Verhalten. Auch wenn ich deine Schwester wäre, hätte ich das für dich getan. Aber wenn ich nun nicht dein Bruder wäre, würdest du mich dann für einen Traummann halten?" Molly sah ihn nachdenklich an. "Ja, wahrscheinlich schon." Chase war enttäuscht. "Ist das nun ein Ja oder ein Nein?" "Ein Ja." Plötzlich lächelte Molly. "Du verbringst zwar viel Zeit am Schreibtisch, und du bist ein bisschen schwierig, was das Essen betrifft, und du bist nicht gerade der Ordentlichste. Ich weiß nicht, ob du besonders romantisch bist, aber du hast sehr viel Humor, und es ist immer schön, mit dir zusammen zu sein. Ach ja, und immer wenn du zum Essen da warst, stellst du das Geschirr in die Spülmaschine und wäschst die Töpfe ab." Chase sah sie überrascht an. "Die Bereitschaft, sich um den Abwasch zu kümmern, ist ein Merkmal des Traummanns?" "Ich finde, ja. Echte Männer machen immer den Abwasch oder räumen das Geschirr in den Spüler. Eddie wenigstens tut es fast immer. Das ist einer der Punkte, weshalb ich ihn liebe." Sie errötete. "Und es gehört zu den Dingen, die mich in Stimmung bringen." Chase wollte sie noch etwas fragen, aber da stürmten Andrew und Simon in die Küche, die Arme voller Spielzeugautos und Plastikwaffen. "Heute bin ich aber der Verbrecher, nicht, Onkel Chase?" fragte Andrew. "Simon war das letzte Mal dran."
Simon schubste ihn zur Seite. "Das stimmt nicht. Du warst der Verbrecher, und ich musste das Mädchen spielen." Chase hob die Hände. "Immer mit der Ruhe! Diesmal könnt ihr beide die Verbrecher sein, und als Held und Heldin nehmen wir Kissen. So kann wenigstens keiner verletzt werden." Die Jungens waren begeistert und stürzten nach draußen. Chase schob die Hände in die Hosentaschen und folgte ihnen langsam. Die Sache mit dem Traummann wurde immer komplizierter. "Mach dir keine Sorgen wegen Laromees Männern", sagte Hunter zu Bridgett, während er sich mit ihr eine Dose Bohnen teilte. "Mit denen werden wir fertig." "Meinst du?" "Aber sicher", erwiderte Hunter. "Es wird nicht ganz einfach sein, aber wenn wir es gut vorbereiten, schaffen wir es." Er kratzte den letzten Rest aus der Dose und stand auf. "Bleib nur sitzen. Ich wasche ab." "Was willst du denn abwaschen?" fragte Bridgett. "Wir haben doch aus der Dose gegessen." "Ach so, ja, aber vielleicht brauchen wir die Dose noch mal." Hunter nahm die Dose mit zu dem Bach und spülte sie aus. Bridgett saß immer noch am Feuer, als er wieder zurückkam. Er setzte sich neben sie. Sie sah ihn mit leuchtenden Augen an. "Hunter?" "Ja?" "Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich Männer, die den Abwasch machen, ausgesprochen sexy finde?" Sie knöpfte sich die Bluse auf. "Willst du nicht losfahren?" fragte Andrew. "Was?" Plötzlich wurde Chase klar, dass er am Steuer saß, den Schlüssel aber noch nicht ins Zündschloss gesteckt hatte. Schnell startete er den Wagen. Die Szene war nicht schlecht, aber sie würde ihm noch besser gefallen, wenn es sich um Tara und ihn handelte. Er stellte sie sich in seiner Küche vor. Neben ihr auf dem Tisch stand ein Stapel sauberer Teller. Tara knöpfte langsam ihre Bluse auf und sah ihn erwartungsvoll an, während er sich die Hände abtrocknete.
Chase gab Gas. Um Tara zu gewinnen, brauchte man wohl etwas mehr als ein paar saubere Teller.
6. KAPITEL Ein echter Mann hat einen guten Geschmack. Wundern Sie sich nicht, wenn seine Wohnung besser aussieht als Ihre. Die Zeiten sind vorbei, in denen es Männern egal war, wie sie wohnten. Sein Haus ist sein Schloss, und er möchte in seinem Schloss lauter hübsche Sachen sehen - und dazu zählen natürlich auch Sie. Und er ist durchaus bereit, dafür etwas zu tun. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen " in "Real Men", April 1949 Tara war schon in einer Reihe von Junggesellenwohnungen gewesen, entweder bei Freunden oder aber aus beruflichen Gründen. Bisher hatte sie die perfekte Wohnung noch nicht gefunden, aber sie wusste genau, wie sie aussehen würde. Maskulin möbliert mit gemütlichen Ledersesseln, die Bücheregale voller schön gebundener Klassiker, eine Bar in der Ecke mit erlesenen Weinen, die in geschliffenen Kristallgläsern serviert wurden. Die Küche war natürlich perfekt ausgestattet mit den neuesten technischen Errungenschaften, und alles blitzte vor Sauberkeit. Chases Haus hatte nichts von alledem. Sie war am Mittwochnachmittag zu - ihm gefahren. Sie hatte im Verlauf der Woche viele Gespräche geführt, mit den Interviewkandidaten für ihren Artikel über den Traummann, mit
den Angestellten von Wutherspoon und mit einigen Chefköchen. Am Mittwoch hatten Chase und sie sich noch mit dem Inhaber von "Bungee-Jumping Adventurers" unterhalten, und dann hatte Chase ihr vorgeschlagen, zu ihm zu kommen, um ihre Notizen zu vergleichen. "Wir haben uns jetzt schon mit einem halben Dutzend Männern unterhalten", hatte er gemeint. "Es wird Zeit, dass wir die Ergebnisse zusammenfassen." Tara wollte eigentlich nicht längere Zeit mit Chase in seinem Haus sein, aber ihr war keine stichhaltige Ausrede eingefallen. Und im Grunde war sie auch neugierig, wie und wo er lebte. Sein Haus war ein bescheidener Bungalow in einer ruhigen Vorortstraße mit einem großen Garten. Von außen wäre man nie auf die Idee gekommen, dass hier ein bekannter Schriftsteller lebte. Alles wirkte sehr durchschnittlich. Auch innen hatte das Haus nichts Besonderes. Die Küche war ein langer Schlauch, hatte rote Fliesen und war mit einem Holztisch und einer Eckbank möbliert. Die Arbeitsflächen waren, wie Tara schon vermutet hatte, vollgestellt mit Schachteln von ballaststoffreichen Keksen, Vitaminsäften und Teepackungen. Es wirkte alles nicht sehr aufgeräumt, auch wenn sich in der Spüle kein schmutziges Geschirr stapelte. Absolute Sauberkeit und Ordnung schienen für Chase nicht an erster Stelle zu stehen. Während Chase seine Unterlagen zusammensuchte, sah sich Tara schnell den Rest des Hauses an. Das Wohnzimmer war mit den unterschiedlichsten Möbeln eingerichtet, die nicht zusammenpassten, jedoch bequem aussahen. Von dem schmalen Flur gingen drei Zimmer ab. In dem einen standen ein Schreibtisch und mehrere Regale, voll gestopft mit Zeitschriften und Büchern. Das zweite Zimmer war lediglich mit einem Bett und einer Kommode eingerichtet, offensichtlich war es ein Gästezimmer, und der dritte große quadratische Raum schien sein Schlafzimmer zu sein. Das Bett war nicht gemacht, und auf
dem Stuhl lag ein Stapel Hosen und Hemden. Dies war bestimmt kein Schlafzimmer, "das verführte". Da hatte die Wohnung von Gerald Charmichael doch mehr Stil gehabt. Nach dem Essen hatte er sie noch in sein großes Apartment mitgenommen, weil er mit seinen Ausführungen noch nicht ganz am Ende war. "Keine Angst, ich zeige Ihnen nicht meine Briefmarkensammlung", hatte er mit einem anzüglichen Lächeln bemerkt. "Aber bei mir zu Hause ist es etwas gemütlicher als in einem Restaurant." Tara hätte es albern gefunden abzulehnen. Außerdem hoffte sie etwas zu finden, was Stellas Verdacht erhärten könnte. Aber sie hatte lediglich entdeckt, dass Gerald einen ausgesprochen guten Geschmack hatte. Seine Eigentumswohnung lag in einer guten Gegend und an einer ruhigen Straße. Die hellen, großen Räume waren mit erlesenen Antiquitäten ausgestattet. Alles war absolut sauber und aufgeräumt. Sie hatten Wein aus Kristallgläsern getrunken, und Gerald hatte seine Pläne in Bezug auf Wutherspoon weiter ausgeführt. Schade, dass er etwas zu alt für sie war. Chase war zwar jünger, hatte aber leider keinerlei Ähnlichkeit mit Gerald. "Sammeln Sie Spielzeugautos?" fragte Tara, zog einen Mini-Ferrari hervor, auf den sie sich gesetzt hatte, und stellte ihn auf den Tisch. "Nein, das kann man nicht sagen. Manchmal allerdings benutze ich sie, um bestimmte Szenen nachzustellen." Er saß auf der anderen Seite des Tisches und reichte ihr einen Becher dampfenden Tee. "Als Modelle?" Chase nickte. "Ja, wenn ich mir einen Ablauf nicht vorstellen kann, dann helfen mir meine Neffen dabei, etwas auszuprobieren." Wer mit ihm wohl die Sex-Szenen ausprobierte? Das sollte sie ihn vielleicht lieber nicht fragen. Er hatte sicher keine Probleme, Freiwillige zu finden.
"Und wenn ich damit auch noch nicht zurechtkomme, dann muss ich mir das Original anschauen. Nächste Woche zum Beispiel werde ich nach Seattle fliegen und mir eine Hochseeyacht ansehen. Das hat Jerome für mich arrangiert." Er schüttelte missvergnügt den Kopf. "Ich versuche nun schon so lange, diese Rettungsszene hinzukriegen, aber es will einfach nicht klappen." Bei seinem verärgerten Gesichtsausdruck musste Tara lachen. "Lassen Sie uns lieber zusammenfassen, was wir bisher an Material haben. Also, wir sind beide der Meinung, dass Mr. Right gut angezogen ist." "Einspruch! Ich möchte das in ,passend angezogen' ändern. Keiner wird einen Anzug tragen, wenn er zum Bungee-Springen geht, und mein Held kann unmöglich einen Anzug anziehen, wenn er in eine Militärbasis einbricht." Tara lachte. "Okay. Einverstanden." "Und noch etwas: Dass richtige Männer keinen Porridge essen, stimmt nicht. Hafergrütze ist etwas Wunderbares und sehr gesund." Wahrscheinlich hatte er Recht, aber Tara konnte Porridge nicht ausstehen. "Isst Ihr Held denn Porridge?" "Hunter muss essen, was gerade da ist, aber das ist etwas anderes. Wenn man in der Wüste überleben muss oder im Dschungel herumirrt, kann man sich nicht über seinen Cholesterinspiegel Gedanken machen. Wie wäre es denn mit ,Traummänner achten darauf, was sie essen'? Jeder sollte heutzutage auf eine richtige Ernährung Wert legen." Er selbst war dafür das beste Beispiel. Tara sah auf seinen muskulösen, durchtrainierten Körper und wandte dann schnell den Blick ab. "Gut. Allerdings sollten Männer sich nicht zu viele Gedanken darum machen. Ernährung und Fitness kann nicht ihr einziger Lebenszweck sein."
Chase nickte. "Einverstanden, das ist auch meine Meinung." Er lächelte sie strahlend an, und vorübergehend vergaß Tara, weshalb sie hier war. "Der Punkt 'Selbstvertrauen' bleibt, ebenso ,gut organisiert', auch wenn ein Traummann kein Ordnungsfanatiker sein darf. Ich war mal mit jemandem befreundet, der seine Lebensmittel in alphabetischer Reihenfolge einkaufte." "Und?" "Wir haben uns getrennt. Ich war ein einziges Mal mit ihm in einem Supermarkt, das genügte." Tara machte eine Notiz neben dem Begriff "Ordungsliebe". "Intelligenz bleibt." "Aber die Aussagen ,Traummänner machen keine Hausarbeit' muss raus", warf Chase ein. "Molly sagt, dass es sie richtig anmacht, wenn Männer schmutziges Geschirr in die Spülmaschine stellen und Töpfe schrubben." Tara fühlte so etwas wie Eifersucht. "Wer ist Molly?" "Meine Schwester." Tara stellte sich einige ihrer verflossenen Freunde beim Töpfeschrubben vor. Nicht viele hatten sich dazu bereit erklärt lediglich Owen hatte darauf bestanden. Unglücklicherweise war er damals gerade in seiner übertriebenen Sauberkeitsphase und hatte alles drei Mal unter heißem Wasser abgewaschen. Sie hatte ihn dabei beobachtet und es unattraktiv gefunden. Wenn sie sich allerdings Chase in seiner Küche vorstellte, vielleicht nur mit Jeans bekleidet oder mit noch weniger, die Arme bis zu den Ellbogen in Seifenwasser ... "Okay. Der Punkt ist akzeptiert." Wieder schrieb sie sich etwas auf. "Selbstvertrauen hatten wir schon. Aber die Männer sollten auch ein paar Schwächen haben." "Wunderbar." Wieder konnte Tara den Blick nur mit Mühe von ihm lösen. Sie sah schnell auf ihre Unterlagen. "Und wie ist es damit, dass richtige Männer immer den ersten Schritt machen?" Sie überlegte einen Moment. "Wir haben bisher noch keinen unserer
Interviewpartner danach gefragt, aber nach meiner Meinung kann man das nicht mehr so stehen lassen. Ein selbstsicherer Mann hätte sicher nichts dagegen, wenn eine Frau mal die Initiative ergreift." Doch bevor sie sich entsprechende Notizen machen konnte, sagte Chase langsam: "Kommt ganz darauf an, wie sie das tut." Tara sah ihn überrascht an. "Was meinen Sie damit? In Ihren Büchern stürzen sich die Frauen doch geradezu auf den Helden, und dem scheint das nichts auszumachen." Chase zuckte leicht mit den Schultern. "Ja, aber das ist reine Phantasie. Hier geht es um das richtige Leben, und im richtigen Leben kommt es darauf an, wie etwas abläuft. Ich habe nichts dagegen, wenn eine Frau mich anruft und mit mir essen gehen will. Aber nur, solange dahinter steht, ,Ich möchte dich besser kennen lernen.' und nicht ,Ich will mit dir schlafen.'" Tara konnte nicht glauben, was sie da hörte. "Sie mögen keinen Sex? Auf diese Idee wäre ich nie gekommen, ich meine, wenn man von Ihren Büchern ausgeht." Chase warf ihr einen tadelnden Blick zu. "Ich mag Sex, das ist nicht das Problem. Was ich nicht mag, ist das Gefühl, eine Frau sei an nichts anderem interessiert. Weibliche Fans, die nur mit mir schlafen wollen, weil ich ein bekannter Schriftsteller bin, können mir gestohlen bleiben." "Das überrascht mich wirklich." Tara musterte ihn nachdenklich von oben bis unten. "Passiert das häufig?" Was für eine dumme Frage! Natürlich gab es diese Frauen reichlich. Chase sah etwas verlegen aus. "Ja. Also weiter. Wo waren wir ..." "Inspiriert Sie das zu Ihren Sexszenen?" "Nein! Die denke ich mir aus, wenn ich auch manchmal auf eigene Erfahrungen zurückgreife. Aber Frauen, die denken ,Mal sehen, ob er wirklich so gut im Bett ist', machen mir richtiggehend Angst. Es ist wie in einer Prüfung. Was man nach dem Sex nicht gut vertragen kann, ist eine Frau, die sagt: ,Das
war ja ganz nett, aber nicht so aufregend wie in deinen Büchern.'" Tara verkniff sich mit Mühe ein Lächeln. "Haben Sie das schon erlebt?" "Nein. Ich bin immer so gut wie in meinen Büchern. Aber die Vorstellung, dass es passieren könnte, setzt mich stark unter Druck." "Sie können doch immer Nein sagen." Jetzt grinste Chase. "Na ja, ich bin immerhin ein Mann und kein Heiliger." Tara räusperte sich. "Also, was wollen wir nun in Bezug auf den ersten Schritt aufschreiben? Mögen Männer Frauen, die die Initiative ergreifen?" "Das würde ich nicht generell sagen. Manchmal muss die Frau den ersten Schritt tun. Für Männer wie den armen Hubert ist das absolut notwendig. Er würde sonst nie eine Verabredung mit einer Frau haben, und ich würde sogar sagen, dass die Frauen in seinem Fall nicht zu zurückhaltend sein sollten." Er lachte. "Wahrscheinlich muss man ihm eine E-Mail schicken, damit überhaupt etwas läuft." Auch Tara musste lachen. "Wie wäre es dann mit ,Mr. Right hat nichts dagegen, wenn eine Frau die Initiative ergreift - sofern sie nicht gleich auf das Schlafzimmer zusteuert.'?" "Das gefällt mir." "Gut. Und wie ist es mit ,Der ideale Mann gehorcht den Wünschen der Frauen'? Sollte man das nicht umändern in ,Der Traummann weiß, was Frauen sich wünschen.'?" "Einspruch, Tara. Das sagen Sie nur, weil wir gerade diesen Psychiater interviewt haben. Selbstverständlich ist er einfühlsam, das ist ja schließlich sein Beruf. Normale Männer haben meist keine Ahnung, was Frauen wollen, es sei denn, es wird ihnen gesagt. Oder sie sind so wie Hunter. Der ist erstaunlich sensibel."
"Hunter? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ihr Held ist der unsensibelste Mann, von dem ich je gehört habe. Glücklicherweise ist er eine Phantasiegestalt, sonst hätte ihn schon längst eine Armee wütender Frauen umgebracht." Chase sah sie empört an. "Und das ist nicht der einzige Punkt, den ich zu bemängeln habe. Ihr Held macht sich im Grunde überhaupt nichts aus Frauen. Er tut nichts anderes, als Sprengladungen zu zünden, zusammengeschlagen zu werden und die Welt vor Chaos und Anarchie zu retten." Chase hob langsam die Augenbrauen. "Sie vergessen aber etwas ganz Entscheidendes." "Ich rede doch jetzt nicht von Sex." Tara machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich rede von Gefühlen. Ihr Held weiß nie, was Ihre Heldin fühlt, und es ist ihm auch ganz egal. Und genau das unterstellen Sie auch den Frauen. Aber Frauen empfinden und handeln anders. Sie gehen nicht einfach mit jemandem ins Bett, nur weil er sie gerade vor Terroristen gerettet hat. Sie müssen etwas dabei fühlen, und so sollte es bei Ihrem Helden auch sein." "Was denn?" fragte Chase. "Also ..." Tara machte eine Pause und ging in Gedanken seine Bücher durch, "zum Beispiel, wenn sie sich küssen. Denkt ein Mann in dieser Situation tatsächlich nur daran, wie er die Frau dazu kriegt, mit ihm zu schlafen?" "Wenn man die Frau aufregend findet, denkt man an nichts anderes." "Das ist bei Ihrem Helden aber anders", wandte Tara ein. "Wenn er küsst, dann denkt er währenddessen an seinen nächsten Kampf." "Das ist nicht wahr." "Oh, doch. In .Rettung vor dem Untergang' küsst Hunter gerade die Heldin, und worüber denkt er nach? Darüber, wie er
es bewerkstelligen könnte, in ein streng gesichertes Gebiet auf der anderen Seite des Atlantiks einzudringen." Chase strahlte sie an. "Sie haben ja tatsächlich meine Bücher gelesen." Sie hatte sie regelrecht verschlungen. "Ja, ein paar kenne ich. Und die Kussszenen sind sich in allen Büchern sehr ähnlich." Chase runzelte die Stirn und dachte darüber nach, was sie gerade gesagt hatte. "Das mag sein, aber das ist ja auch kein Wunder. Auf wie viele verschiedene Arten kann man denn eine Frau küssen?" Tara war plötzlich klar, dass es keine besonders gute Idee war, sich mit Chase über Kussszenen zu unterhalten. "Ich weiß es nicht", sagte sie in einem möglichst sachlichen Tonfall. "Ich weiß nur, wie es sich anfühlt, einen Mann zu küssen, und dass es da viele verschiedene Möglichkeiten gibt." Einige ihrer Freunde konnten phantastisch küssen, andere waren weniger begabt gewesen. Tara starrte auf Chases Mund. Wie er wohl küsste? "Wie ist es denn bei Ihnen, Chase? Woran denken Sie, wenn Sie eine Frau küssen? An Ihr nächstes Buch oder an die Frau?" Seine Augen funkelten. "Ganz sicher nicht an mein Buch, sondern nur an die Frau." "Dann sollte Ihr Romanheld das auch tun." "Da haben Sie Recht." Chase zog die Beine auf die Bank, lehnte sich an die Wand und blickte an die Decke. "Mal sehen. In dem Buch, an dem ich gerade sitze, haben Held und Heldin gerade den verbrecherischen Plan des Schurken aufgedeckt. Jetzt sind sie ein paar Minuten allein." Er sprach mit tiefer Stimme, langsam und eindringlich. Tara fühlte, wie ihr Körper auf den suggestiven Tonfall reagierte. "Er legt ihr die Arme um den Hals und küsst sie", fuhr Chase fort. Er schloss die Augen. "In dem Moment, in dem er ihre Lippen berührt, vergisst er seine Mission. Ihr Mund ist warm und weich. Er streicht mit der Zunge über ihre vollen Lippen,
und sie presst sich fester an ihn." Er öffnete die Augen. "Das ist doch richtig? Sie wird sich doch enger an ihn schmiegen?" "Oh, ja", flüsterte Tara. "Gut." Er schloss wieder die Augen. "Der Held kann nur daran denken, wie wunderbar es sich anfühlt, ihr so nah zu sein ... wie sie schmeckt, wie weich ihr Haar ist und wie erregend die Hitze ihres Körpers. Während er sie mit der Zunge liebkost, füllt sie sein Denken und sein Fühlen vollkommen aus. Er genießt es, ihr Herz schlagen zu hören und ihre verführerischen Rundungen zu spüren. Unwillkürlich bewegt er die Hüften, und sie fühlt, wie sehr er sie begehrt. Am liebsten würde er sie gegen die Wand drängen und sie sofort nehmen, auch wenn sie von tausend Verbrechern umzingelt sind." Chase öffnete die Augen und streckte sich. "Wie war das?" Phantastisch. Erregend. Unwiderstehlich. Sie hätte mit ihm am liebsten die Szene sofort probiert, gleich hier in der Küche. "Ganz gut." Wenn er die Szene so schrieb wie gerade geschildert, würde er sicher wieder eine Million Bücher verkaufen. Sie blickte ihn an, wie er da auf die Bank hingestreckt lag, mit Eintagesbart, das Haar ungekämmt, und sie mit blitzenden Augen ansah, ein bisschen frech und sehr sexy und überhaupt nicht wie Cary Grant. Ihn zu küssen würde sicher genauso sein, nicht höflich und liebenswürdig, sondern sinnlich und erregend. Sie wäre am liebsten gleich über ihn hergefallen, um zu erfahren, wie er schmeckte und roch und wie es sich anfühlte, wenn er sein von nachsprießenden Bartstoppeln raues Kinn an ihrer weichen Haut rieb. "Es ist besser, als wenn er an irgendwelche Kampfszenen denkt." Sie zwang sich, sich wieder auf ihre Unterlagen zu konzentrieren. "Lassen Sie uns auf unseren Artikel zurückkommen. Wir brauchen noch einen fünfzigsten Punkt." "Wie wäre es mit ,Richtige Männer können eine Pistole in weniger als zwei Sekunden laden'?" schlug Chase vor.
Tara warf ihren Stift nach ihm, und Chase lachte. "In Ordnung. Aber Sie sollten bei diesem letzten Punkt lieber nicht mit mir rechnen. Mir sind die letzten neunundvierzig schon schwer genug gefallen. Da müssen Sie sich etwas einfallen lassen." "Vielen Dank!" Wenn sie länger hier in seiner Nähe blieb, könnte es passieren, dass sie sich noch etwas ganz anderes einfallen ließ. Die Yacht war genauso, wie Jerome sie beschrieben hatte. Chase durchstreifte sie von oben bis unten und versuchte, sich seinen Heiden hier vorzustellen. Wie könnte die Handlung weitergehen, wie könnte Hunter entkommen? Jerome folgte ihm. "Dir ist schon klar, dass das normalerweise nicht die Aufgabe eines Literaturagenten ist", sagte er vorwurfsvoll. "Agenten sind dazu da, Bücher zu promoten, und nicht, für dich eine Yacht ausfindig zu machen, damit du mit deiner Geschichte weiterkommst." "Du hättest mich doch nicht zu begleiten brauchen, Jerome. Ich muss mir so ein Boot einfach mal ganz genau ansehen. Schließlich wird die Heldin auf einer Yacht gefangen gehalten, und ich muss eine Möglichkeit finden, sie zu befreien." "Ich verstehe dich ja", sagte Jerome und lief hinter Chase die Treppe hinunter. "Wie kommst du überhaupt mit dem Buch voran?" "Sehr gut." Chase blickte in eine der Kajüten. "Hunter und Bridgett sind eifrig dabei, die Welt zu retten." Der Raum war klein, aber durchaus ausreichend. Bridgett konnte hier gefesselt festgehalten werden. Hunter würde die Treppen herunterschleichen, würde die Wache überwältigen, dann Bridgett befreien ... Auf dem Weg an Deck musste er dann noch ein paar üble Typen ausschalten, und das alles musste sehr schnell geschehen, bevor das Schiff in die Luft flog. Wenn das Ganze jedoch zeitlich etwas entzerrt würde, dann hätten die
beiden noch eine halbe Stunde für sich hier in der Kajüte, bevor sie das Schiff verlassen mussten ... So ganz passte ihm die Entwicklung nicht. Er hatte Jerome nicht die Wahrheit gesagt, was seinen neuen Roman betraf. Natürlich würden Hunter und Bridgett die Welt retten, aber die eigentlichen Actionszenen waren diesmal eingefügt in eine Vielzahl von Liebesszenen. Darüber wunderte Chase sich selbst, denn schließlich war er ja derjenige, der das Buch schrieb. Warum tat er das? Normalerweise lag das Schwergewicht auf den Actionszenen, und Sex spielte eine eher untergeordnete Rolle. Bei diesem Roman war es genau umgekehrt. Und wenn seine Helden mal nicht miteinander beschäftigt waren, dann sprachen sie nicht darüber, wie sie die Welt retten könnten, sondern sie unterhielten sich über alles Mögliche, und dabei kamen Dinge zur Sprache, die selbst Chase überraschten. Bridgett zum Beispiel war auf der Straße aufgewachsen und versuchte sich nun durchs Leben zu schlagen und zwar auf die einzige Art und Weise, die sie aus ihrer harten Jugend kannte. Und Hunter wünschte sich neuerdings nichts so sehr wie eine Familie, zu der er nach getaner Arbeit zurückkehren konnte. Chase hätte nie geglaubt, dass Hunter ein solcher Familienmensch war und sein Zuhause liebte. "Und wie läuft es mit dir und Vanna?" fragte Chase, um sich abzulenken. "Ein bisschen besser, glaube ich." Jerome klang zuversichtlich. "Ich habe ihr einen Computer gekauft, und wir haben uns bei einem Tennislehrer angemeldet. Allerdings hat sie den Termin bei dem Paartherapeuten immer noch nicht abgesagt. Sie will auch nicht darüber sprechen. Immer, wenn ich das erwähne, wechselt sie nervös das Thema." Er lehnte sich gegen die Reling. "Und wie kommt ihr mit dem Artikel voran?" "Es läuft ganz gut. Gestern haben wir uns mit einem BungeeSpringer unterhalten und dem Besitzer einer Kunstgalerie. Und ein paar entscheidende Punkte habe ich sogar allein
herausgefunden. Der Bungee-Springer ist offensichtlich sehr mutig und liebt generell das Risiko." "Mutig und risikofreudig?" "Ja. Wahrscheinlich gehen richtige Männer gern Risiken ein." "Du lieber Himmel, muss ich denn nun auch zum BungeeSpringer werden?" "Nein", sagte Chase und legte Jerome beruhigend die Hand auf den Arm. "Das wäre dumm, und richtige Männer sind nicht dumm." "Aber du hast doch gerade gesagt..." "Ich sprach von Risikofreudigkeit. Nach dem Gespräch mit dem Galeristen wurde klar, dass er sehr viel größere Risiken eingegangen war als der Bungee-Springer. Er hatte eine Galerie eröffnet, ohne zu wissen, ob sie erfolgreich sein würde, aber er glaubte an sich selbst. Tara meint, genau das mache den richtigen Mann aus. Er glaubt an sich und hat Mut zum Risiko. Dem Bungee-Springer kam es nur auf den Adrenalinstoß an." "Damit kann ich nicht viel anfangen." "Tara hält mich übrigens auch für risikofreudig." Chase lächelte. "Als ich meinen Job aufgab, um in Zukunft nur noch zu schreiben, sei ich ein großes Risiko eingegangen." Sie hatte ihn angestrahlt, als sie ihm das sagte, und er musste wieder an ihre leuchtenden Augen denken, an ihr glänzendes rotbraunes Haar und ihr Lächeln ... "Das ist ja ganz gut und schön, was dich betrifft", sagte Jerome mürrisch. "Aber was ist mit mir?" "Mit dir?" Chase konnte sich nicht so schnell erinnern, worüber sie sich gerade unterhalten hatten. "Was soll mit dir sein?" Jerome ließ mutlos die Schultern sinken. "Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas gewagt zu haben. Vielleicht sollte ich Vanna nach Las Vegas mitnehmen." "Nach Las Vegas?" "Ja, warum nicht? Da kann man eine Menge riskieren."
Chase wiegte bedenklich den Kopf. "Ich weiß nicht so recht, Jerome. Die Bereitschaft, ein paar hundert Dollar zu verlieren, wird keinen Menschen besonders beeindrucken." Jerome sah so enttäuscht aus, dass Chase schnell hinzufügte: "Andererseits kann es auch nichts schaden."
7. KAPITEL Richtige Männer kümmern sich um ihre Finanzen. Haben Sie Probleme mit Zahlen? Machen Sie sich keine Sorgen, Ihr Traummann wird das übernehmen. Er wird nicht nur auf seine eigenen Konten achten, sondern auch Ihre in Ordnung halten. Und er tut es gern. Wahrscheinlich kann er es auch besser als Sie. Also lehnen Sie sich bequem zurück, entspannen Sie sich, und machen Sie sich keine Gedanken. Er hat alles unter Kontrolle. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Das war ja die reinste Zeitverschwendung!" Chase stürzte wütend aus dem Gebäude von Astonishing Adventures. Er wirkte genervter denn je, sah aber leider auch sehr viel besser aus als sonst, wie Tara zugeben musste. Er hatte die lila Krawatte zu Hause gelassen und eine trug bequeme Khakihose und ein weites weißes Hemd. Denn diesmal, so hatte er auf dem Weg zum Interview gemeint, würden sie wirklich einen richtigen Mann kennen lernen. "J.A. Talbot ist sicher einer der besten Kandidaten auf unserer Liste. Man braucht sich den Laden hier ja nur anzusehen. Kajakfahren, Wildwassertouren auf dem Floß, Wandern, Angeln, Camping. Das entspricht genau meiner Vorstellung von Männlichkeit."
Tara war sich nicht so sicher gewesen. Nach ihrer Erfahrung interessierten sich diese Outdoor-Typen oft nur für ihre Sportarten. Ihre Vorstellung von einem gelungenen Treffen mit einer Frau bestand häufig darin, sie mitzunehmen, wenn sie sich ein neues Kanu kaufen wollten. Zu diesem Typ allerdings gehörte Mr. Talbot, der Besitzer von Astonishing Adventures, nicht. Er sah zwar so gebräunt aus, als sei er oft im Freien, aber statt sich mit ihnen über Freizeitsport und Trekkingtouren zu unterhalten, hatte er die meiste Zeit über ein ganz anderes Thema gesprochen, über ... "Finanzplanung!" rief Chase wütend aus. "Das kann doch nicht wahr sein. Er redete über nichts anderes als über Finanzplanung. Über die Börse, über Investmentfonds. Was hat denn das mit seinem Unternehmen zu tun?" "Viel. Das hält die Wirtschaft in Gang." Tara hatte Schwierigkeiten, mit Chase Schritt zu halten. Noch ein Punkt, den sie unbedingt in ihrem Artikel aufnehmen musste - "Mr. Right geht nicht schneller als seine Begleiterin." "Im Übrigen fand ich seinen Investmentplan durchaus interessant." "Das kann sein, aber er war ja gar nicht zu stoppen! Er mischte sich auch noch in unsere finanziellen Angelegenheiten ein. Mir war nicht klar, ob wir ihn interviewten, oder ob er uns ein Aktienpaket verkaufen wollte." Tara war von Mr. Talbot auch nicht besonders beeindruckt. Sie war überrascht gewesen, wie sehr sie sich freute, Chase wieder zu sehen, wie .gut er roch und wie phantastisch er aussah. Er war zwar .nur einen Tag weg gewesen, aber sie hatte sich so daran gewöhnt, ihn täglich zu treffen, dass sie ihn richtig vermisst hatte. Das ärgerte sie ebenso wie das Kribbeln im Bauch, das sie jedes Mal in seiner Nähe spürte. Dabei hatte sie sich so fest vorgenommen, sich nicht wieder in den Falschen zu verlieben. "Aber er hat doch Recht, Chase. Heutzutage muss man vorausplanen, und das gilt ebenso für Frauen wie für Männer."
Er sah sie unter zusammengezogenen Augenbrauen an. "Nun tun Sie doch nicht so allwissend. Ich hatte nicht den Eindruck, als würden Sie nach diesem Rezept leben." "Nein, das stimmt", gab Tara zu. "Ich habe schon Probleme, das Geld für den nächsten Monat zusammenzukriegen. Aber es geht hier ja nicht um mich, sondern um den Männertyp, den Frauen bevorzugen. Und Frauen mögen Männer, die für die Zukunft vorsorgen." Chase blieb stehen. "Das ist unmöglich für Hunter. Es gibt keinen Pensionsfonds für Männer, die täglich ihr Leben aufs Spiel setzen." "Vielleicht sollte er wenigstens mal darüber nachdenken", meinte Tara. "Der heutige Mann muss auch an morgen denken." Sie sollte sich allmählich auch mal um ihre Zukunft kümmern und ernsthaft nach dem Richtigen Ausschau halten. "Sei still", befahl Hunter. Er kroch durch die Büsche und bog vorsichtig ein paar Zweige zur Seite, um besser sehen zu können. "Hast du einen Plan?" flüsterte Bridgett ihm ins Ohr. "Selbstverständlich habe ich einen Plan. Ich muss in Laromees Hauptquartier einbrechen und die Konstruktionspläne finden. Und dann nichts wie weg, bevor sie mich abknallen." Bridgett sah ihn enttäuscht an. "Aber das meine ich doch gar nicht. Ich denke an einen Finanzplan zur Altersabsicherung. " Chase starrte auf die Sätze, die er gerade getippt hatte, und löschte die Hälfte wieder aus. Das war wirklich nicht die richtige Zeit für Hunter und Bridgett, sich über Finanzen zu unterhalten. Aber vielleicht für ihn. Er griff nach dem Telefon und wählte. "Ich bin es", sagte er, als sich Jerome meldete. "Ich muss dich etwas fragen."
"Aber nur, wenn es etwas Dringendes ist. In wenigen Stunden geht unser Flugzeug nach. Las Vegas." "Es ist wichtig, Jerome." "Also, was gibt es?" "Bin ich finanziell abgesichert?" Jerome seufzte. "Woher, um alles in der Welt, soll ich denn das wissen? Ich weiß, dass ich abgesichert bin, aber ich habe keine Ahnung, wie das bei dir ist. Das ist auch nicht meine Sache. Ich bin dein Agent und nicht dein Finanzberater." "Du hast also so etwas wie einen Finanzplan für die Zukunft?" "Ja, warum?" "Ich hätte dir das eigentlich nicht zugetraut. Weiß Vanna davon?" "Ich vermute, ja, aber ich weiß es nicht genau." Seine Stimme wurde lauter. "Warum fragst du denn? Sollte sie es wissen?" "Du solltest es mit ihr besprechen. Traummänner kümmern sich um ihre finanzielle Zukunft." Jerome musste lachen. "Das sieht aber sehr schlecht für dich aus, mein Junge." "Wieso denn? Ich bin kurz davor, einen Kursus über Finanzplanung zu belegen." "Das kann doch nicht wahr sein! Du hast doch noch nie über so was nachgedacht." "Dann wird es Zeit. Ich habe mich bereits mit einem Finanzberater unterhalten, und der hat mir diesen Kursus empfohlen. Ich glaube, ich werde es machen." "Das ist unglaublich." Jerome war fassungslos. "Ausgerechnet du, der sich nie um Gelddinge gekümmert hat, der kaum weiß, wie viel Honorar ihm zusteht und ob er noch Geld auf dem Konto hat, ausgerechnet du sprichst von einem Finanzplan." "Ich spreche nicht nur davon, ich werde auch bald einen haben. Wir werden noch in dieser Woche einen Finanzberater
interviewen, und den werde ich ganz genau befragen." Chase blickte auf den Computerbildschirm. "Und Hunter wird sich auch darum kümmern." "Hunter!" Jerome war alarmiert. "Was meinst du mit Hunter? Du wirst doch unseren Helden nicht Kurse über Finanzplanung besuchen lassen?" "Oh, doch." "Wird denn dort eine Explosion stattfinden? Oder gibt es sonst einen zwingenden Grund?" "Nein." "Donnerwetter, das hört sich aber spannend an!" sagte Jerome sarkastisch. "Hunter besucht einen Kursus in Finanzplanung. So ein Buch kann man ja nicht aus der Hand legen." "Warte ab", sagte Chase fröhlich. "Ich wünsche dir viel Spaß in Las Vegas." Das Geräusch schien aus dem Flur zu kommen. Hunter versteckte sich hinter dem Schreibtisch und bedeutete Bridgett, das Gleiche zu tun. Die Wache beunruhigte ihn nicht, den Mann konnte er schnell ausschalten. Es sollte nur möglichst keiner wissen, dass sie hier waren. Er sah sich noch einmal in dem Raum um. Kein Mensch konnte auf die Idee kommen, dass sie hier versteckt waren. Die Schubladen waren zu, der Safe geschlossen, die Zeitung ...Er zog die Zeitung vom Stuhl und überflog schnell die letzte Seite. " Was machst du da?" flüsterte Bridgett. "Ich wollte mir nur schnell die Börsenkurse ansehen." Hunter faltete die Zeitung wieder zusammen. "Erinnere mich, dass ich meinen Broker anrufe, sobald sich die Gelegenheit ergibt." Tara hatte sich fest vorgenommen, nicht mehr an Chases Kussszene zu denken. Aber jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Chase vor sich, wie er entspannt auf der Küchenbank lag und mit seiner tiefen erotischen Stimme erzählte, wie Hunter und Bridgett sich küssten. Es war ihr
unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und so beschloss sie, Stella davon zu erzählen. "Du hättest das hören sollen", sagte sie, während sie das Essen vorbereitete, zu dem sie Stella und Matthew eingeladen hatte. Der Sechsjährige war nebenan und sah fern. "Es war die erotischste Szene, die ich mir vorstellen kann. Er saß da und sprach mit seiner tiefen Stimme, und ich bin fast verrückt geworden. Ich musste mich wirklich zusammennehmen, um mich nicht auf ihn zu stürzen." "Das wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen", meinte Stella. "Auf alle Fälle hätte das für deinen Artikel interessant werden können." Tara hielt kurz beim Gemüseschneiden inne. Es wäre bestimmt überwältigend gewesen, eine absolutes Ausnahmeerlebnis ... Sie wandte sich wieder den Essensvorbereitungen zu. Selbst wenn Chase an ihr interessiert war, und sie war sich da keineswegs sicher, konnte sie nicht mit ihm schlafen. Er war nicht der Mann, nach dem sie suchte. Sie würde es nur aus sexueller Begierde tun, und das war falsch. "Ich schlafe doch nicht mit Chase, damit ich Stoff für meinen Artikel habe. Das habe ich dir schon mal gesagt." "Ich dachte, du hättest vielleicht deine Meinung geändert. Und was den Artikel betrifft, was hast du denn neulich über Gerald herausgefunden?" "Nur, dass er eine tolle Wohnung hat." Tara schälte eine Avocado und zerteilte sie. "Sie ist wunderschön eingerichtet, so was hast du noch nicht gesehen. Wenn ich sie gekannt hätte, bevor ich den Artikel ,Zu mir oder zu dir?' schrieb, hätte ich bestimmt immer die Wohnung des Mannes empfohlen." "Wie hättest du das denn formuliert?" fragte Stella. Sie saß auf einem Stuhl in Taras Küche und hatte die Beine ausgestreckt. "Wenn Sie die Nacht mit einem Mörder verbringen wollen, sollten Sie sich auf alle Fälle ansehen, wie er wohnt." Sie sah Tara ernst an. "Du hast doch nicht mit ihm ...?"
"Um Himmels willen, nein. Er könnte mein Vater sein. Ich habe mich mit ihm nur über seine Firma unterhalten." Tara griff nach einer Tomate. Zu schade, dass Gerald nicht jung und ungebunden war. Jemanden wie ihn müsste sie finden. "Außerdem ist er kein Mörder, Stella." "Wer weiß? Seine Wohnung war offensichtlich teuer und die Einrichtung auch. Er hat vielleicht den armen Franklin um die Ecke gebracht und sich das Geld von Wutherspoon genommen." "Das glaube ich nicht. Die meisten Möbel hat er unrestauriert gekauft und dann selbst aufgearbeitet." Stella lächelte ironisch. "Hat er dir das erzählt?" Als Tara nickte, lachte sie kurz auf. "Und du meinst, er sagt die Wahrheit?" "Also, wirklich, Stella! Ich denke nicht daran, seine Möbel genau zu untersuchen. Ich bin absolut sicher, dass er nichts mit Franklins Tod zu tun hat. Er hat einfach einen zu guten Geschmack." "Und wieso glaubst du, dass Menschen mit gutem Geschmack nicht auf die Idee kommen, ihren Onkel umzubringen?" Tara warf die klein geschnittene Tomate in die Salatschüssel. "Aber es gibt doch gar keinen Hinweis darauf, dass es Mord war." "Noch nicht, aber mir ist die Sache nicht geheuer. Auch wenn Gerald es nicht war, könnte es immer noch ein anderer getan haben." "Aber wer denn?" warf Tara ein. "Ich habe in der Firma mit fast jedem gesprochen, und mir ist keiner verdächtig vorgekommen." "Wie ist es mit Mrs. Glasier? Man hat mir erzählt, dass sie sich ein paar Tage vor dem Betriebsfest mit Franklin gestritten hat." "Das hat sie mir selbst gesagt." Tara öffnete den Kühlschrank und suchte nach der Gurke. "Sie haben sich lediglich über die
neue Herbstmode unterhalten. Sie wollte den Jacken einen rosa Streifen verpassen, was er ablehnte." Sie nahm die Gurke heraus und schloss die Kühlschranktür. Stella legte nachdenklich die Fingerspitzen aneinander. "Okay, gehen wir mal davon aus, dass du Recht hast, was Mrs. Glasier betrifft. Ich erinnere mich jetzt auch, dass sie Roastbeef bestellt hat. Aber was ist mit Marvin Singleton? Er hat von der neuen Entwicklung doch sehr profitiert. Hast du mit ihm schon gesprochen?" Tara dachte an den schüchternen kleinen Mann und nickte. "Vielleicht war er es", sagte Stella eifrig. "Stanley meint, Marvin habe sich geärgert, weil Franklin mit seinem neuen Werbeslogan nicht einverstanden war." "Der war ja auch unmöglich. Aber ich glaube nicht, dass Marvin Franklin umgebracht hat, nur weil der seinen Werbespruch abgelehnt hat." "Du kannst nie wissen, was die Menschen zu ihren Handlungen treibt. Und ich weiß nicht, was sich Marvin zu essen bestellt hatte. Er behauptet, sich nicht erinnern zu können." Stella blickte auf die Salatschüssel. "Wo wir schon vom Essen sprechen, ist das alles, was es zum Dinner gibt? Obst und Salat?" Tara nickte. "Leider ja. Der Herd funktioniert nicht. Deshalb müssen wir uns mit Obst und Salat zufrieden geben." Stella seufzte. "Ich hatte schon die Hoffnung, dass du nach all deinen Gesprächen mit berühmten Köchen heute etwas ganz Besonderes machen würdest." "Ich muss dich enttäuschen." Tara stellte die Schüsseln auf den Tisch. "Ich bin ja nicht unterwegs, um Rezepte zu sammeln. Der Artikel .Essen, das ihn in Stimmung bringt' ist ziemlich allgemein gehalten. Ich habe noch eine Verabredung mit Dr. Crenshaw von der Universität. Er will mir erzählen, wie bestimmte Nahrungsmittel die Psyche beeinflussen."
"Sehr schön." Stella lachte. "Wenn du das weißt, dann kannst du das Chase vorsetzen und vielleicht selbst etwas davon probieren." Tara drehte sich um und sah die Freundin an. "Was meinst du damit?" Stella sah sie aus großen Augen unschuldig an. "Du musst doch zugeben, dass das Ganze etwas seltsam ist. Da verbringst du viele Stunden mit einem Mann, der die besten Sexszenen schreibt, die ich je gelesen habe, und du nutzt nicht die Gelegenheit. Es hört sich so an, als unterhieltet ihr euch nur über die Arbeit." Tara wurde rot. "Das ist auch der Sinn unserer Treffen, Stella." Sie wandte sich ab und ging in den Flur, um Matthew zum Essen zu rufen. Stella irrte sich, wenn sie glaubte, die Freundin brauchte ein bestimmtes Essen, um sich in Stimmung zu bringen. Tara war bereits in Stimmung, wenn sie Chase nur ansah. Und sie hatten auch über andere Themen gesprochen als nur über die Arbeit. Chase hatte ihr von seinem Vater erzählt, der starb, als er noch ein kleiner Junge war, und wie hart seine Mutter gearbeitet hatte, um ihre beiden Kinder durchzubringen. Und wie froh er war, dass er jetzt für sie sorgen konnte. Sie hatte ihm von ihrer Familie erzählt und von einigen Aufträgen, die sie besonders interessiert hatten. Und sie hatte ihm gestanden, dass sie sehr gern ernsthaft journalistisch arbeiten würde. Nachdem sie den Privatdetektiv interviewt hatten, hatte Tara Chase von Wutherspoon Outerwear berichtet und von dem Verdacht, den Stella in Bezug auf Franklins Tod hatte. "Ich habe den Eindruck, dass die Frauen, die von Privatdetektiven schwärmen, wohl eher an die Privatdetektive im Fernsehen denken", meinte Tara lächelnd, als sie mit Chase nach dem Interview in einer gemütlichen Teestube saß. "Ganz sicher haben sie nicht unseren Mr. Nightingale im Sinn." "Das kann ich nur hoffen." Chase trank einen Schluck des aromatischen Tees. "Er sieht schäbig und heruntergekommen
aus. Und das Büro erst! So was habe ich noch nicht gesehen. Wahre Männer mögen ja ein Herz für Tiere haben, aber für Kakerlaken ...?" Er schüttelte sich. "Stella wird sehr enttäuscht sein. Sie hatte gehofft, er würde uns Tipps geben, wie wir mit unseren Nachforschungen weiterkommen." "Inwiefern?" "Sie ist davon überzeugt, dass der Mörder bei Wutherspoon noch frei herumläuft, und ich kann sie nicht von dem Gegenteil überzeugen." Sie nahm sich ein Stück Kandis. "Und nun versucht sie herauszufinden, was die einzelnen Leute auf dem Betriebsfest gegessen haben. Ehrlich gesagt, ich habe Angst, sie könnte ihren Job verlieren, wenn sie so weitermacht." "Wenn sie nicht aufpasst, kann sie sehr viel mehr verlieren als ihren Job", sagte Chase leise. "Was meinen Sie damit?" "Was ich damit meine?" Er sah Tara ernst an. "Das ist doch klar. Stella läuft herum und sucht einen Mörder. Falls sie ihn findet, wird er oder sie davon nicht begeistert sein." Daran hatte Tara noch gar nicht gedacht. Die Vorstellung, unter den Mitarbeitern von Wutherspoon könnte sich tatsächlich ein Mörder befinden, schien ihr so weit hergeholt zu sein, dass sie sich über die Folgen noch nie Gedanken gemacht hatte. "Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Es gibt keinen Mord und deshalb auch keinen Mörder." Chase war nicht ganz davon überzeugt. "Ich hoffe, Sie haben Recht. Mörder sind nämlich keine besonders angenehmen Menschen. Ich bin mal einem begegnet, und der war alles andere als nett." Der bloße Gedanke daran ließ ihn schaudern. "Ich habe wahnsinnige Angst gehabt." "Wann sind Sie denn einem Mörder begegnet?" "Das ist schon ein paar Jahre her. Ich schrieb gerade Mitternachtssturm und wollte wissen, wie ein kaltblütiger Mörder aussieht. Und so hat Jerome mich mit einem
zusammengebracht. Es war entsetzlich, und ich war sehr froh, auf der anderen Seite der Eisenstäbe zu sein." Allmählich bekam sie doch Angst. "Dann kommen die Leute bei Wutherspoon nicht in Frage", sagte sie nach kurzer Pause mit Nachdruck, um sich Mut zu machen. "Ich habe mich mit allen unterhalten, und keiner wirkt wie ein kaltblütiger Mörder." Chase sah sie nur zweifelnd an. "Harry sah auch nicht aus wie ein kaltblütiger Mörder, Tara. Er sah vollkommen durchschnittlich aus. Und genau das machte mir Angst." Tara überlief es kalt. Wenn Stella oder sie selbst nun einem Mörder über den Weg liefen, könnten sie sehr gut die Hilfe eines Mannes wie Cary Grant gebrauchen. Sie hoffte nur, sie würde Mr. Right begegnen, bevor das passierte.
8. KAPITEL Richtige Männer haben mit Kindern nicht viel im Sinn. Wenn Sie auf einen richtigen Mann Eindruck machen wollen, laden Sie keinesfalls Ihre Nichten und Neffen ein. Die eigenen Kinder betet er zwar an, aber er versteht sie nicht, und fremde Kinder sind ihm gleichgültig. Er erwartet eine spritzige Konversation, aber Windeln und laufende Nasen sind ihm ein Gräuel. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen "in "Real Men", April 1949 Am Freitagnachmittag hatte Tara sich mit dem Fotografen verabredet, um die versprochenen Fotos bei Wutherspoon Outerwear zu machen. Sie hatte sich bereits einen Stapel Fotos aus der Zeit vor der Übernahme durch Gerald angesehen, die Angie ihr schon vorher zur Verfügung gestellt hatte. Zusammen mit dem Fotografen hatte sie die besten ausgesucht, und nun wurden Aufnahmen aus denselben Blickwinkeln gemacht, um die Veränderungen zu verdeutlichen. Als sie die Ausrüstung wieder zusammenpackten, kam Gerald dazu. "Wir haben alles, was wir brauchen", sagte Tara. "Ich glaube, der Artikel wird sehr gut, und ganz sicher wird er großes Interesse erregen."
Gerald lächelte erfreut. "Das ist wunderbar, Tara. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll." "Keine Ursache." Tara hatte ein schlechtes Gewissen. Er war so nett, und sie hatte das Ganze nur inszeniert, um ihn des Mordes zu überführen. "Ich weiß es sehr zu schätzen." Er trat einen Schritt näher. "Ich fürchte, es ist etwas sehr kurzfristig, aber hätten Sie vielleicht heute Abend Zeit? Ich würde Sie gern zum Essen einladen. Vielleicht könnten wir hinterher noch ins Theater gehen? Quasi als Dankeschön für die kostenlose Werbung." Jetzt fühlte sich Tara regelrecht schäbig. "Vielen Dank, Gerald, im Grunde sehr gern. Aber ich habe Stella versprochen, heute Abend auf ihren Sohn aufzupassen." Während sie einen Ihrer Mitarbeiter über Sie ausfragen will, fügte sie im Stillen hinzu. Sie musste mit Stella darüber sprechen und versuchen, sie davon abzubringen. "Aber wenn Sie mir dabei vielleicht Gesellschaft leisten wollen?" Gerald sah nicht begeistert aus. "Dann lassen Sie es uns lieber ein andermal machen", sagte er schnell. "Ich kann mit Kindern nicht viel anfangen... und es sollte doch ein besonderer Abend werden. Ich rufe Sie in der nächsten Woche an." "Gut." Tara war ein wenig enttäuscht von seiner Reaktion, obwohl es sie eigentlich nicht überraschen sollte. Er war eben ein älteres Exemplar des Männertyps, nach dem sie suchte. Ein jüngerer Mann hätte sicher anders empfunden. "Wir müssen damit aufhören, Stella", sagte sie später am Abend, als Stella ihren Sohn ablieferte. "Du kannst nicht herumgehen und diesen netten Mann als Mörder bezeichnen. Das ist nicht gerecht." Stella presste die Lippen kurz zusammen. "Aber das mache ich doch auch gar nicht. Ich will nur herausfinden, was passiert ist."
"Trotzdem halte ich es für keine gute Idee. Außerdem könnte es auch gefährlich sein. Ich habe dir doch erzählt, was Chase gesagt hat." "Ach was, Chase hat eine blühende Phantasie, typisch für einen Schriftsteller. Außerdem ist daran doch gar nichts Gefährliches. Ich suche nur nach jemandem, der ein wenig Fisch unter Franklins Essen gemischt hat. Wer sollte da einen Verdacht haben? Ich liebe Fisch." Sie lächelte Tara beruhigend an. "Heute Abend treffe ich mich auch gar nicht mit einem Verdächtigen, sondern nur mit Mr. Sweeny." "Wer ist das denn?" "Ihm gehört die Reinigungsfirma Sweeny Cleaning Services, die auch bei Wutherspoon beschäftigt ist. Stanley meint, Sweeny könnte vielleicht etwas wissen. Außerdem bin ich nicht allein mit ihm. Stanley kommt mit. Er wird mit allem fertig. Also, mach dir keine Sorgen." Sie gab Matthew einen Abschiedskuss und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Nachdenklich blieb Tara im Flur stehen. Stella hatte ihr Stanley vorgestellt, und er hatte sie wenig beeindruckt. Er sah zwar gut aus, blond und groß und braun gebrannt, und er hatte sicher Charme. Er hatte ihr gleich gesagt, wie sehr er sie bewunderte für das, was sie tat, und wie sehr er sich freute, sie kennen zu lernen. Seine etwas schleimige Art hatte ihr nicht gefallen, und die Tatsache, dass er ihre Hand etwas zu lange festhielt, noch viel weniger. Sie war unsicher, weshalb er sich so um Stella bemühte, aber wahrscheinlich hatte das eher mit Stellas Sexappeal zu tun als mit seinem Interesse an ihren Nachforschungen wegen des angeblichen Mordfalles. Aber ihr, Tara, waren in beiden Fällen sowieso die Hände gebunden. Sie konnte nur hoffen, dass Stella nicht in irgend etwas Gefährliches hineingeriet. Matthew zog ungeduldig an ihrem Rock. "Können wir uns einen Film ansehen?" fragte er. "Ich habe diesmal einen ganz gruseligen mitgebracht."
"Natürlich." Tara folgte dem Sechsjährigen ins Wohnzimmer und stellte das Video an. Nach einigen Minuten war ihr klar, dass Matthew nicht übertrieben hatte. Dieser Film war wirklich unheimlich. Matthew und sie kuschelten sich auf dem Sofa zusammen. Die blonde Heldin, deren schauspielerisches Talent im Wesentlichen darin bestand, . durchdringend zu schreien, war kurz davor, die Tür zu öffnen, hinter der der Böse mit gezücktem Messer lauerte. Der Held, der offensichtlich nie zur Stelle war, wenn er dringend gebraucht wurde, war auch jetzt wieder nicht in Sicht. Die Blonde öffnete die Tür, der Mann hob das Messer ... und der Bildschirm flackerte einmal kurz und war schwarz. Alle Lampen waren gleichzeitig ausgefallen, und die beiden auf dem Sofa starrten entsetzt in die Dunkelheit. "Was ist los?" Matthew schluchzte. Er griff nach Taras Hand und klammerte sich an sie. "Wahrscheinlich ist nur eine Sicherung durchgebrannt", sagte Tara zuversichtlich. Sie nahm Matthew an die Hand und tastete sich in den Flur vor. Dort war der Sicherungskasten und auch eine Taschenlampe. Nein, alles war in Ordnung. Sie ging durch die Räume und betätigte alle Lichtschalter. Es blieb dunkel. "Dann muss etwas mit den elektrischen Leitungen nicht in Ordnung sein." "Du meinst, du kannst gar kein Licht anmachen?" fragte Matthew ängstlich. "Es sieht ganz so aus." Tara rief den Hausverwalter an. "Sie sind die Dritte, die deshalb anruft", sagte er. "Ich weiß auch noch nicht, was los ist, aber es wird wohl einige Zeit dauern, es wieder in Ordnung zu bringen." Tara legte den Hörer wieder auf. "Das sieht schlecht aus", sagte sie zu Matthew, der daraufhin anfing zu weinen. "Ich habe Angst, ich mag nicht im Dunkeln sein." "Du brauchst keine Angst zu haben", sagte Tara schnell und nahm ihn in die Arme. "Mir fällt schon was ein."
Matthew drückte sich an sie. "Schnell, bitte schnell. Es ist so unheimlich." Tara war selbst nicht ganz wohl, vor allen Dingen nach dem Film. Sie suchte nach Kerzen und bemühte sich, nicht an den Mann mit dem Messer zu denken. Da klingelte das Telefon. Sie stolperte durch die Dunkelheit zum Telefon. Hoffentlich war es der Hausverwalter mit einer guten Nachricht. Aber es war Chase, und seine Stimme klang, als sei er gestresst. "Entschuldigen Sie, dass ich anrufe, aber Sie müssen mir einen Gefallen tun." Obwohl sie wusste, dass Chase von Elektrizität nichts verstand und sicher auch keine Idee hatte, was sie tun könnte, beruhigte sie seine tiefe Stimme. "Worum geht es denn?" "Haben Sie mir nicht mal erzählt, dass Ihre Freundin Stella einen sechsjährigen Jungen hat?" "Ja, Matthew. Er ist übrigens gerade bei mir." "So?" fragte er misstrauisch. "Warum das denn? Ist seine Mutter wieder unterwegs, um einen Mörder zu überführen?" "Nein, das stimmt nicht ganz." "Gut. Könnten Sie in diesem Fall mit Matthew herkommen?" Das war eine seltsame Frage. "Warum?" "Weil ich ihn brauche", sagte Chase ungeduldig. "Es handelt sich um eine Notsituation. Wir sind gerade dabei, eine Rettungsszene mit einem Hubschrauber nachzustellen, aber wir sind zu wenige. Andrew ist der Pilot und der Böse gleichzeitig, Simon ist der Held und ein anderer Schurke, aber es kann nicht klappen, weil sie schließlich nicht mit sich selbst kämpfen können." Tara zögerte. Es war sicher nicht in Stellas Sinn, ihren Sohn zu einem Autor von Abenteuerromanen mitzunehmen, um Verbrecherjagd zu spielen. Andererseits war alles besser, als hier im Dunkeln herumzusitzen. "Okay, wir kommen gleich." Eine halbe Stunde später hatte Tara sich gemütlich in einen Sessel gekuschelt. Sämtliche Möbel in Chases Wohnzimmer
waren an die Wand gerückt worden, um in der Mitte des Raumes viel freien Platz zu schaffen. Dort hatte Chase vier Küchenstühle aufgestellt, die das Innere eines Hubschraubers darstellen sollten. Chase saß auf der Sofalehne und betrachtete ernsthaft die Szenerie. "So ist es gut", sagte er schließlich. "In dieser Szene versuchen der Held und seine Freundin, den Hubschrauber zu entführen, um zu entkommen. Der Held kann fliehen, aber die Frau wird gefangen genommen. Simon, du bist der Pilot, Andrew, du bist der Verbrecher ..." "Aber ich bin diesmal dran, Verbrecher zu sein", unterbrach ihn Simon sofort. "In Ordnung, Simon, du bist der Verbrecher. Andrew, du kannst der Pilot sein." Chase wandte sich zu Matthew um, der die drei anderen mit großen Augen anstarrte. "Und du kannst der Held sein." "Okay", sagte Matthew. Aber Andrew war noch nicht zufrieden. "Ich will nicht der Pilot sein, die werden immer verprügelt. Ich möchte auch einer der Verbrecher sein." Chase sah ihn nachdenklich an. "Du hast Recht, es gibt zwei Verbrecher ... aber wir brauchen doch einen Piloten ..." Er blickte Tara hoffnungsvoll an. "Sie wollen wahrscheinlich nicht...?" "Oh, doch", sagte Tara und stand auf. "Warum nicht?" "Das kann ich einfach nicht glauben", sagte Stella, als sie Matthew wieder abholte. "Du warst den ganzen Abend mit Chase zusammen, und ihr habt nur Hubschrauber gespielt? Das ist ja vollkommen verrückt oder zumindest sehr merkwürdig:" "Das hat überhaupt nichts zu bedeuten", flüsterte Tara und wies auf Matthew, der auf der Couch schlief. Glücklicherweise hatte der Stromausfall in der Zeit, in der sie bei Chase waren, behoben werden können. "Wir haben Chase nur geholfen, ein paar Szenen seines Romans nachzustellen, was übrigens großen
Spaß gemacht hat. Chase meinte, ich sei der beste Pilot, den er je hatte." "Was für ein Kompliment", sagte Stella trocken. "Wahrscheinlich kam es dann ja auch nicht zu irgendwelchen Sexszenen, es sei denn, der Pilot und der Held hatten etwas miteinander ..." "Natürlich haben wir keine Sexszenen gespielt. Schließlich waren doch die Kinder dabei." Davon war auch nicht in Andeutungen die Rede gewesen. Tara hatte den ganzen Abend damit verbracht, lang ausgestreckt auf dem Fußboden zu liegen und bewusstlos auszusehen, oder aber sie hatte so getan, als steuere sie einen Hubschrauber. Währenddessen hatten Andrew und Simon sie auf den Kopf geschlagen, und Chase hatte dabeigestanden, sich Notizen gemacht und hin und wieder die Aufstellung verändert. Es hatte wirklich Spaß gemacht, aber einen Abend mit ihrem Traummann stellte sie sich eigentlich anders vor. "Wie war dein Gespräch mit Mr. Sweeny?" fragte sie, um das Thema zu wechseln. "Es hat nichts gebracht. Ihm ist nichts aufgefallen, außer dass der Papierkorb immer voll war und dass Franklin einmal grüne Notizzettel benutzte statt wie sonst üblich die gelben." Stella seufzte. "Stanley war ganz enttäuscht, er hatte sich von dem Treffen mehr versprochen." "Tut mir Leid für Stanley." "Da kann man nichts machen." Stella beugte sich vor und nahm Matthew auf die Arme. "Und wie ist es mit den Sexszenen?" "Wieso?" "Zwischen dir und Chase." "Kommt gar nicht in Frage", sagte Tara schnell. "Schließlich bin ich auf der Suche nach dem Richtigen, und er gehört eindeutig nicht in diese Kategorie." "Ach ja." Stella klang nicht überzeugt.
So ganz überzeugt war Tara selbst nicht, vor allen Dingen, nachdem sie mit Ephram Enright gesprochen hatten. Ephram war ein smarter Immobilienmakler, der, wie Tara vermutete, auf die Liste geraten war, weil er so viel Charme hatte. "Mit Menschen umgehen können", hatte er gemeint, als Chase ihn nach den wichtigsten Qualitäten eines Mannes fragte. "Das ist heutzutage sehr wichtig. Im Beruf wie im Privatleben." Tara beobachtete ihn, als er sich langatmig über Reife und die notwendige Bereitschaft ausließ, Verantwortung zu übernehmen. Chase machte sich Notizen. Wie häufig zu den Interviews, trug er eine schwarze Baumwollhose, ein graues Hemd und darüber ein dunkelgraues Jackett. Und trotz seiner ungewöhnlichen lila Krawatte sah er mindestens so gut aus wie Ephram. Nein, eigentlich besser. An Ephram war zwar nichts zu bemängeln, denn mit seinen dunklen Augen und seinem gut geschnittenen Gesicht war er im klassischen Sinne attraktiv. Drei Mal in der Woche ging er ins Fitness-Center, hatte er erzählt. "Dort habe ich auch schon eine Reihe meiner Klienten kennen gelernt." Tara fragte sich, wie er wohl das Gespräch auf Immobilien brachte, während er schwitzend Gewichte stemmte. Er war auch sehr gut angezogen. "Kleidung zeigt, ob jemand Erfolg hat", hatte er hinzugefügt. "Ein armselig angezogener Immoblilienmakler würde nicht das Vertrauensverhältnis zu den Klienten schaffen, das man in diesem Geschäft braucht." An ihm war wirklich nichts verkehrt, aber er war nichts für Tara. Es gab keinen Grund, weshalb er sie nicht interessieren sollte, aber wenn er sie gebeten hätte, mit ihm auszugehen, hätte sie wahrscheinlich abgelehnt. Wenn Chase sie dagegen fragen würde ... Es war schwierig, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben und nach einem soliden Lebensgefährten zu suchen, wenn ein Mann wie Chase in der Nähe war. "Du hörst dich nicht gut an", sagte Stella, als sie ein paar Tage später mit Tara telefonierte, um ihr die neuesten
Entwicklungen in der Wutherspoon-Affäre mitzuteilen. "Ist schon wieder etwas mit deinem Apartment?" "Die Stromversorgung funktioniert noch nicht ganz zuverlässig", musste Tara zugeben. "Der Strom fällt immer mal wieder aus. Außerdem lösen sich die Holzdielen. Immer, wenn Chase gerade eine festnagelt, kommt eine andere hoch." "Chase nagelt deine Holzdielen fest?" "Er hat mal bei einem Bauunternehmer gearbeitet." Nachdem er über ein loses Brett gestolpert war, war er zu ihrer Überraschung eines Tages ohne Anmeldung erschienen, ausgerüstet mit Hammer und Nägeln. "Ich weiß zwar nicht, wie man einen tropfenden Wasserhahn repariert", hatte er gesagt, "aber im Nägeleinschlagen bin ich sehr gut." Er hatte die Dielen wieder festgenagelt, hatte ein paar wenig schmeichelhafte Bemerkungen über das Apartment gemacht und sich über Taras Methode beklagt, den Tee zuzubereiten. Sie hatte sich immer wieder vor Augen halten müssen, dass ihre Vorstellungen von Mr. Right nichts mit einem Mann zu tun hatten, der ein weißes T-Shirt trug und ausgeblichene Jeans, auch wenn er noch so gut darin aussah. "Ich habe schon den Artikel über Wutherspoon angefangen", erzählte sie Stella, "aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit. Und ich habe so viel mit Essen zu tun gehabt während meiner Interviews zu ,Essen, das ihn in Stimmung bringt', dass ich bestimmt zugenommen habe." "Nein, das ist nicht wahr. Du bist doch genauso schlank wie früher." "Chase glaubt auch, dass ich zugenommen habe. Wenigstens hat er das kürzlich behauptet. Seitdem bin ich der Meinung, dass auf der Liste der Qualitäten ein wichtiger Punkt fehlt: Traummänner bemerken nicht, dass ihre Frau zugenommen hat." "Aha", sagte Stella weise. "Jetzt kommen wir zum Kern des Problems - Chase steckt dahinter." Tara wollte ihr schon widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. "Du hast Recht. Er ist das Problem. Ich bin nicht
sicher, dass ich meinen Mr. Right erkennen würde, und wenn er direkt hier zur Tür hereinkäme. Ich bin wie besessen von Chase." "Und warum unternimmst du dann nichts dagegen?" "Ich denke nicht daran! Zumindest nichts in der Art, wie du es dir wohl vorstellst." "War ja nur ein Vorschlag. Nun zu etwas anderem. Ich habe interessante Neuigkeiten für dich." Stellas Stimme klang ganz aufgeregt. "Eine Verkäuferin bei Wutherspoon hat eine andere sagen hören, dass Franklin geizig sei. Was sagst du dazu?" "Nicht viel." "Aber ich. Stanley und ich wollen die beiden Frauen getrennt befragen." Sie machte eine kurze Pause. "Du kannst heute Abend sicher nicht noch mal auf Matthew aufpassen? Stanley will nämlich kommen, und Kinder machen ihn immer ganz nervös." "Tatsächlich?" Stella seufzte. "Er ist ein typischer Mann, Tara. Männer mögen keine fremden Kinder, das steht doch schon in dem Artikel." "Der Artikel ist von 1949. Heute wollen die Frauen, dass Männer Kinder mögen. Du solltest Chase zusammen mit Kindern sehen. Er ist einfach phantastisch." Sie musste lächeln, als sie sich Chase vorstellte, wie er mit den drei Kindern Verbrecherjagd spielte. "Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass er selbst noch ein großes Kind ist." "Wie auch immer. Was meinst du, hast du heute Abend Zeit?" "Nein, leider nicht. Ich bin schon verabredet." "Mit Chase?" fragte Stella. "Um Himmels willen, nein. Außerdem ist er in Seattle. Ich treffe mich mit Lowell Thomas. Ich muss ihn wegen des Artikels interviewen, er steht auf der Liste. Er ist Umweltschützer."
"Was denn für einer?" fragte Stella. "Gehört er zu den Leuten, die über die Wunder der Natur reden, oder zu den anderen Typen?" "Was für Typen?" "Es gibt die Guten und die Schlechten. Ich war mit beiden befreundet, bevor ich Bill heiratete. Die Guten reden viel über die Natur und ihre Wunder, und das kann sehr interessant sein. So, als wenn du eine Natursendung im Fernsehen siehst. Die anderen haben die verrücktesten Ideen, was man in der Wildnis anstellen könnte. Zum Beispiel Winter-Camping. Hast du so was schon mal gemacht? Sie bauen ein Iglu und erwarten, dass du darin schläfst. Es gibt noch nicht mal elektrisches Licht. Ich sage dir, Tara, das ist kein Rendezvous, das ist das reinste Überlebenstraining." Tara lachte los. "Wir gehen nicht zum Winter-Camping, Stella. Wir sind nur zum Essen verabredet. Im Übrigen wäre Winter-Camping vielleicht durchaus etwas für mich. Ich mag ja gern wandern." "Wann bist du denn gewandert?" "Vor kurzem erst. Chase arbeitete gerade an einer Szene, in der sich Held und Heldin im Wald verstecken. So sind wir mit seinen Neffen rausgefahren und haben uns im Wald versteckt." "Na, wenn das kein aufregendes Rendezvous war! Du, Chase und zwei Jungs, die sich im Wald voreinander verstecken." "Es war kein Rendezvous!" Aber dennoch war es lustig gewesen. Tara schüttelte über sich selbst den Kopf. Im Wald Verstecken spielen entsprach nicht ihrer Vorstellung von einem gelungenen Rendezvous. Und Mr. Right würde nie auf die Idee kommen, so etwas vorzuschlagen. "Apropos, wo gehst du denn mit dem Naturfreak hin?" fragte Stella. "Ich weiß es noch nicht." "Also, wenn du plötzlich Schnee siehst, denk an das Iglu. Kommt Chase übrigens auch?" "Nein."
"Warum denn nicht? Ich denke, ihr arbeitet zusammen." "Das stimmt auch. Aber als Lowell mit mir telefonierte und sich mit mir zum Essen verabreden wollte, hielt ich das für eine gute Idee. So kann ich mir auch mal allein einen Eindruck verschaffen." Und wenn Lowell ihrem Ideal des wahren Mannes in etwa entsprach, könnte daraus vielleicht etwas mehr werden. Obwohl Lowell weder von Winter-Camping noch von Iglus schwärmte und sehr interessant erzählte, konnte Tara ihm nichts abgewinnen. Das ging ihr auch bei dem Landschaftsgärtner und dem Chiropraktiker nicht anders, obgleich die Traummänner von heute sich sowohl für Pflanzen zu interessieren hatten als auch auf ihre körperliche Fitness achteten. "Zumindest sind wir jetzt bald mit der Liste durch", sagte sie und lehnte sich aufatmend zurück. Sie und Chase hatten gerade ein Interview mit einem Gitarristen hinter sich, dessen dunkle Augen und seelenvoller Gesichtsausdruck verrieten, dass er sicher ein guter Liebhaber war. Dann waren sie zu Chase gefahren, um zusammenzufassen, was sie bisher herausgefunden hatten. "Es sind nur noch acht oder neun Männer übrig. Der Archäologe, der Zahnarzt..." "Vergessen Sie nicht den Umweltschützer", warf Chase ein, "Lowell oder so ähnlich. Haben Sie mit ihm schon irgend etwas ausgemacht, oder soll ich ..." "Das ist nicht mehr nötig", sagte Tara schnell und ohne nachzudenken. "Mit dem habe ich mich schon unterhalten." "Ja? Wann denn?" "Vor ein paar Tagen." Chase presste die Lippen zusammen, und Tara hatte das ungemütliche Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. "Er hat mich zum Essen eingeladen." "Zum Essen? Sie haben sich mit dem Mann abends zum Essen getroffen?" Das hörte sich so an, als habe sie abends mit Lowell eine Bank ausgeraubt. "Warum nicht? Ich konnte auch so meine
Fragen stellen." Sie zog einen Block aus der Tasche. "Hier sind meine Notizen." "Und wo seid ihr hingegangen?" Tara wunderte sich über seinen mürrischen Gesichtsausdruck. "In irgendein Restaurant, nichts Besonderes. Lowell meinte ..." Chase verschränkte die Arme vor der Brust. "Hatten Sie sich mit diesem Mann früher schon einmal getroffen?" "Nein, warum auch? Ich sagte doch schon, ich rief ihn an, um mit ihm einen Termin abzumachen, und er schlug vor ..." "Wollen Sie damit sagen, dass Sie mit einem Mann ausgegangen sind, den Sie vorher noch nie gesehen hatten?" "So war es doch gar nicht." "So hört es sich aber an. Das war keine gute Idee. Eine Frau sollte nie mit einem Mann abends ausgehen, über den sie nichts weiß. Es könnte ein Serienkiller sein." "Das ist er aber nicht." "Das konnten Sie anfangs doch gar nicht wissen." "Und ich habe ihn auch nicht danach gefragt." Tara war wütend. "Die Frage steht nämlich nicht auf meiner Liste." "Vielleicht sollte sie das." Das war Unsinn, und Chase wusste es. "Außerdem sollten wir die Arbeit doch gemeinsam erledigen. Das ist kaum möglich, wenn Sie immer alles ohne mich machen." "In Ordnung, lassen wir das." Tara wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich weiter zu verteidigen. "Ich habe zwar keine Ahnung, warum Sie die Sache so unnötig aufbauschen, aber wenn Sie es nicht wollen, werde ich in Zukunft die Alleingänge lassen. Ich wollte uns nur Zeit sparen." "Ich habe reichlich Zeit. Den Abgabetermin können wir allemal halten, aber ich habe keine Lust, mich noch einmal mit jemandem zu verabreden, mit dem Sie bereits ein Interview gemacht haben." Tara starrte ihn fassungslos an. "Wollen Sie damit sagen, dass Sie mit Lowell noch einmal sprechen wollen?"
"Ich muss. Sonst kann ich ja nicht bestätigen oder widerlegen, was Sie herausgefunden haben." "Wie wäre es, wenn Sie mir einfach glaubten?" "Das kann ich nicht." Chase wirkte gereizt. "Das entspricht nicht meinen Vorstellungen von verantwortungsvollem Journalismus." "Aha", sagte Tara nur. In diesem Punkt schien Chase vollkommen irrational zu sein. Das musste sie unbedingt in die Liste der Qualitäten aufnehmen: "Traummänner regen sich nicht über Kleinigkeiten auf." "Warst du jemals eifersüchtig?" fragte Chase, als er und Jerome sich am nächsten Abend auf einen Drink trafen. Jerome hatte den Ausflug nach Las Vegas für nicht sehr erfolgreich gehalten. . "Wir hatten eine schöne Zeit", hatte er gemeint, "aber sie hat den Termin bei dem Paartherapeuten noch nicht abgesagt." Außerdem war Vanna im Augenblick bei ihrer Mutter, und das beunruhigte Jerome sehr. "Das ist ein eindeutiges Zeichen, Chase. Wenn eine Frau zu ihrer Mutter geht, dann ist die Scheidung nicht mehr weit." Chase bemühte sich nun nach Kräften, Jerome aufzumuntern, was ihm nicht ganz leicht fiel, weil er selbst nicht so besonders gut gelaunt war. "Selbstverständlich war ich schon eifersüchtig", sagte Jerome. "Irgendwann ist das wohl jeder mal in seinem Leben." Er sah Chase neugierig an. "Warum fragst du? Willst du deinen Helden eifersüchtig werden lassen?" "Nein." Chase spielte gedankenverloren mit seinem Glas. "Es ist wegen Tara. Sie hat kürzlich einen Umweltspezialisten ohne mich interviewt." Jerome zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck von seinem Martini. "Na und? Das ist doch eine sehr vernünftige Art und Weise, um Zeit zu sparen." Chase sah den Freund ungläubig an. "Aber sie ist mit dem Mann zum Dinner ausgegangen."
"Ach so." Jerome grinste und nickte verständnisvoll. "Das macht dir zu schaffen." "Ja, das macht mir zu schaffen. Es war abgesprochen, dass wir diese Interviews gemeinsam machen." "Und dir passt die Vorstellung nicht, dass sie mit einem anderen Mann ausgeht?" "Allerdings nicht!" Chase starrte den Freund unter zusammengezogenen Augenbrauen an. "Mit mir wollte sie nicht zum Essen ausgehen, aber sie musste sich unbedingt mit diesem Umweltschützer verabreden. Ein Umweltschützer! Was kann eine Frau an einem Umweltschützer finden? Die tun doch nichts anderes, als herumzufahren und ... die Umwelt zu schützen." "Da wäre ich vorsichtig, Chase. Umweltschutz ist ein heißes Thema heutzutage. Vielleicht ist ja auch Vanna daran interessiert? Vielleicht sollte ich ihr ein Stück Regenwald kaufen ..." "Auch mir ist die Umwelt sehr wichtig", sagte Chase und versuchte sich wieder zu beruhigen. "Aber darum geht es doch gar nicht. Das Entscheidende ist, dass sie mir sagte, sie sei mit ihm essen gegangen, und dass ich den Kerl deshalb am liebsten zusammenschlagen würde." Er lehnte sich zurück und trank einen Schluck Wasser. "Ich fürchte, ich bin eifersüchtig." "Das glaube ich auch, aber ich kann das gut verstehen. Ich würde auch eifersüchtig sein, wenn meine Geliebte sich plötzlich mit einem ändern trifft." "Tara ist nicht meine Geliebte", sagte Chase. Jerome verschluckte sich fast an seinem Martini. "Was soll das heißen?" "Das heißt, dass ich nicht mit ihr schlafe. Wie kommst du überhaupt auf die Idee?" "Das habe ich als selbstverständlich vorausgesetzt." Jerome ließ den Freund nicht aus den Augen, während er noch einen Schluck Martini trank. "Du hast viel Zeit mit ihr verbracht. Du
sprichst ständig von ihr. Da war für mich klar, dass ihr zwei..." Er räusperte sich. "Bist du wirklich sicher, dass ihr nie ...?" "Glaub mir, Jerome, ich wüsste, wenn ich mit Tara geschlafen hätte." "Aber warum hast du es nicht?" "Unsere Beziehung ist irgendwie anders." Jerome musterte ihn verständnislos. "Inwiefern? So wie du über sie sprichst, scheinst du doch ein großes Interesse an ihr zu haben." Chase dachte an ihre grünen Augen, das wunderbare Lächeln, die aufregende Figur und ihre rosigen Wangen. "Ich bin durchaus an ihr interessiert, aber ich bin nicht ihr Typ. Sie steht auf Männer wie Cary Grant." "Das ist schlecht, mit dem hast du nicht viel gemein. Zum Glück ändern Frauen oft ihre Meinung. Sieh dir doch Vanna an. Früher mochte sie den Jerome-Typ und jetzt?" "Das kann schon sein. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass Tara eines Tages für Typen vom Schlage eines Chase Montgomery schwärmen wird." Chase stützte das Gesicht in beide Hände. Jerome holte tief Luft und lehnte sich zurück. "Lass mich überlegen. Vielleicht kann ich ja dein Leben in Ordnung bringen, wenn ich schon mit meinem eigenen nicht zurechtkomme." Er trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. "Hat Tara sich in den Umweltschützer verknallt?" Chase dachte darüber nach. Sie hatte nicht viel von dem Mann erzählt, außer dass er sportliche Frauen mochte und um jeden gefällten Baum trauerte. "Ich glaube nicht." "Gut. Dann hast du noch Chancen." Er schnippte mit den Fingern. "Ich hab's. Warum versuchst du es nicht mal auf die romantische Tour? Du weißt schon, Kerzen, Wein, und so weiter. Du hast mir doch gesagt, dass Traummänner eine romantische Ader haben."
Chase schauderte. "Das entspricht mir aber überhaupt nicht. Ich bin bei so was nicht gut. Außerdem hat Tara mir erzählt, dass Romantik beziehungsweise Liebe etwas sehr Individuelles sei. Was eine Frau für romantisch hält, mag auf eine andere überhaupt keine Wirkung haben. Molly zum Beispiel empfindet Eddie als ausgesprochen sexy, wenn er Töpfe schrubbt und den Geschirrspüler einräumt." "So, so", bemerkte Jerome. "Und als ich gestern Abend abgewaschen habe, dachten Vanna und unser Hausmädchen, ich hätte den Verstand verloren." Am nächsten Abend ging Chase mit Lisa zum Essen aus. Lisa war eine Freundin von Vanna, Jeromes Frau. "Sie wollte gern, dass ich Lisa mit jemandem zusammenbringe", hatte Jerome schuldbewusst gesagt. "Ich weiß zwar nicht, ob ein richtiger Mann so etwas tut, aber in unserer Situation mache ich alles, was Vanna von mir verlangt. Und weil du ja mit Tara nichts hast..." Chase mochte dem Freund die Bitte nicht abschlagen. Außerdem war Lisa, wie Jerome meinte, verrückt nach seinen Büchern, und vielleicht war sie dann auch verrückt nach ihm. Das könnte er im Augenblick ganz gut gebrauchen. Unglücklicherweise konnte er Lisa überhaupt nichts abgewinnen. Der ganze Abend war ein Reinfall. Er war mit ihr zu einem marokkanischen Restaurant gefahren, das Jerome empfohlen hatte. Leider gab es auf der ganzen Speisekarte kaum ein Gericht, auf das Chase Appetit hatte. Auch Lisa war eine Enttäuschung. Sie sah im Grunde aus wie Vanna, übertrieben schlank und mit dunkelbraunen Locken, die sie wie Vanna hin und her fliegen ließ, wenn sie den Kopf bewegte. Und wie Vanna redete sie über die neuesten Theaterstücke und eine Reihe von Büchern, die er nie gelesen hatte. "Eines würde mich interessieren, Lisa", sagte er schließlich. "Was verstehen Sie unter einem richtigen Mann? Sind Sie der Meinung, Hunter ist ein wahrer Mann?"
"Selbstverständlich", sagte Lisa sofort. "Nicht, dass ich ihn heiraten würde, aber ich würde ganz sicher mit ihm ins Bett gehen." Sie sah ihn an, und Chase wusste sofort, dass sie das Gleiche auch für ihn empfand. "Warum würden Sie ihn nicht heiraten?" fragte er und versuchte sich darüber klar zu werden, warum sie ihn so gar nicht reizte. Sie war attraktiv und hatte offensichtlich nichts dagegen, mit ihm die Nacht zu verbringen. "Er ist nicht der Typ Mann, den Frauen heiraten", erklärte Lisa. "Er ist aufregend und sehr attraktiv und, wie es scheint, toll im Bett. Aber ich glaube nicht, dass er jemals den Abfalleimer rausbringen würde." "Den Abfalleimer rausbringen?" Chase wusste nicht, was er davon halten sollte. Sollte er das auf seine Qualitätenliste setzen? "Ja, Männer, die man heiratet, tun das", sagte Lisa. "Etwas anderes käme für mich nie in Frage." Chase blickte sie nachdenklich an. Nein, mit Lisa wollte er ganz sicher keine Nacht verbringen. Das würde genauso ausgehen wie damals mit Arla und den anderen Frauen. Nach ein paar Wochen verließen sie ihn wieder, was ihm aber vollkommen gleichgültig war. Er musste sich endlich eingestehen, dass Tara die einzige Frau war, die ihn wirklich interessierte. Es gab keine andere Lösung. Er musste es einfach mal auf die romantische Tour versuchen.
9. KAPITEL Traummänner sind von Natur aus Romantiker. Nichts ist ihnen lieber als ein romantisches Abendessen zu zweit mit Kerzen und Blumen. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Es ist nicht nur das Essen, das einen in Stimmung bringt", sagte Armand, "es ist das ganze Ambiente." Er stand in der Küche von "Armand's Fine Dining", ein kleiner rundlicher Mann mit der hohen weißen Kochmütze der Chefköche und einer schneeweißen Schürze. "Kommen Sie mit, dann werde ich es Ihnen zeigen." Sie folgte ihm, als er die Küche verließ und den eleganten Speisesaal betrat, in dem die Kellner die Tische für den Abend vorbereiteten. "An so einem Ort sollte man mit einer Dame speisen, wenn man den Abend in einer romantischen Atmosphäre beginnen will." "Es ist wunderschön", sagte Tara. Sie bewunderte die bequemen Polsterstühle in sanftem Grün, die Tische aus schimmerndem Mahagoni, die großzügig in dem Raum verteilt waren, die silbernen Weinkühler. Armand hatte Recht. In so ein Restaurant sollte man eine Frau zum Essen ausführen. Hier würde sich Gerald sicher wohlfühlen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn in jüngeren Jahren vor sich, wie er an einem dieser Tische saß, elegant gekleidet, entspannt und sehr weltmännisch.
Wenn sie dagegen an Chase dachte ... Sie lächelte. Er würde sich mit dem Ober über Teesorten unterhalten und darauf bestehen, etwas möglichst Fettarmes serviert zu bekommen. "So gewinnt man das Herz einer Frau", fuhr Armand fort. "Und bestellen sollte man unbedingt Fisch." "Fisch?" "Ja." Armand nickte nachdrücklich. "Es gibt nichts Besseres als ein erlesenes Fischgericht, wenn man eine Frau oder auch einen Mann in Stimmung bringen will. Eine zarte Seezunge mit Krabben. Oder Hummer. Wenn ein Mann Ihnen zum Dinner Hummer vorschlägt, sollten Sie wachsam sein. Er hat etwas anderes im Sinn, als nur einen ruhigen Abend mit Ihnen zu verbringen." "Das klingt wundervoll." Tara folgte ihm wieder in die Küche. "Aber für mich wäre es nicht das Richtige. Ich mag keinen Fisch, also würde ich nie ein Fischgericht bestellen." Armand legte ihr kurz die Hand auf die Schulter. "Das hat gar nichts zu bedeuten. Ich kann Ihnen etwas zaubern, das überhaupt nicht nach Fisch schmeckt, obgleich es Fisch enthält. Zum Beispiel mein Volaise ä la Grecque. Vom Namen her würden Sie nie auf die Idee kommen, dass darin meine wunderbare Austerncreme enthalten ist. Wir erwähnen das zwar auf der Speisekarte, aber es ist sehr klein gedruckt." Plötzlich wurde er ernst. "Das werden wir allerdings ändern müssen, nach dem, was vor ein paar Monaten passiert ist. Ich habe die Kellner angewiesen, jeden Gast auf die Zusammensetzung der Speisen aufmerksam zu machen." Tara sah ihn neugierig an. "Was ist denn geschehen?" "Es war ganz entsetzlich." Armand schlug die Hände vor das Gesicht. "Ein Mann mit einer Fischallergie ..." Er wandte sich ab. Tara starrte ihn überrascht an. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, Stella zu fragen, wo denn das Betriebsfest stattgefunden hatte. "Meinen Sie Mr. Wutherspoon?"
"Ja." Armand strich sich kurz über die Augen. "Keiner hat Schuld daran. Jemand hat es bestellt, und ich habe es selbst zubereitet." Tara glaubte, ihr Herzschlag würde kurz aussetzen. "Wollen Sie damit sagen, dass jemand auf dem WutherspoonBetriebsfest Volaise ä la Grecque bestellte?" "Genauso war es", sagte Armand. "Es ist eines unserer berühmtesten Gerichte. Aber das hatte nichts mit dem Tod von Mr. Wutherspoon zu tun. Denn er hat es nicht bestellt." "Und Sie wissen nicht zufällig, wer die Bestellung aufgegeben hat?" "Nein, leider nicht. Aber ich weiß genau, dass es nicht Mr. Wutherspoon war." Auf der Heimfahrt achtete Tara kaum auf den Verkehr, so sehr beschäftigte sie das, was Armand ihr erzählt hatte. Konnte Stella doch Recht haben? Eine Person zumindest hatte das Spezialgericht geordert. Das bedeutete zwar nicht, dass es einen Mörder gab oder einen Mord, aber es machte Stellas Theorie glaubwürdiger. Alles hing natürlich davon ab, wer das Gericht bestellt hatte. Wer konnte es gewesen sein? Sie rief Stella sofort von zu Hause aus an. "Kein Mensch hat etwas von Volaise ä la Grecque gesagt", gab Stella zu. "Aber ich könnte schwören, dass es Man/in war. Ich habe dir ja gleich gesagt, dass er verdächtig ist. Ich muss das unbedingt Stanley erzählen." "Wir sollten nicht zu voreilig unsere Schlüsse ziehen", sagte Tara, obgleich sie sich von Stellas Aufregung anstecken ließ. Wenige Minuten später kam der Hausverwalter und teilte ihr mit, dass der Strom wieder für eine gewisse Zeit abgestellt werden müsse. "Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird", sagte er, "aber das Kochen würde ich heute lieber ausfallen lassen." "Na, das ist ja toll!" Sie war zwar zu aufgeregt, um etwas essen zu können, aber ihr gefiel die Vorstellung nicht, nun den ganzen Abend wieder im Dunkeln sitzen zu müssen.
Sie zog sich schnell um und überlegte gerade, welche Art von Salat sie sich machen könnte, als Chase anrief. "Ich möchte Sie zum Essen einladen." Sie blickte auf ihren kalten Herd. "Warum?" "Was heißt warum? Weil ich gern möchte, dass Sie zu mir zum Essen kommen. Was sollte es sonst für Gründe geben?" "Sie könnten versuchen, mich in Ihr Haus zu locken, damit ich Ihnen bei einer weiteren Szene helfe." "Das stimmt", sagte Chase lachend, "aber das ist nicht der Grund." "Ehrlich?" "Ehrlich. Keine Szenenproben, nur Sie und ich und das Essen." Tara glaubte ihm nicht ganz, aber Salat und Getreidebrei oder eine vegetarische Pizza war mehr, als was sie im Hause hatte. "Einverstanden." Als sie vierzig Minuten später Chases Haus betrat, stellte sie fest, dass von Salat und Körnern nicht die Rede sein konnte und auch nicht von einer vegetarischen Pizza oder sonst irgendeinem angelieferten Fertiggericht. Das Haus sah tadellos aufgeräumt aus, der Tisch war hübsch gedeckt, und Chase war in der Küche und trug saubere Khakihosen und ein weißes kurzärmliges Hemd. "Es gibt Spaghetti ä la Chase", sagte er und goss ihr ein Glas Wein ein. "Ohne Fleisch, aber dafür mit einer Menge Tomaten, frisch und reich an Vitaminen." Das hörte sich sehr gut an, und es roch auch sehr gut. Und Chase sah phantastisch aus. Tara lehnte sich gegen den Tresen, sah Chase beim Kochen zu und berichtete ihm von den Neuigkeiten. "Damit scheint sich die Sache aufklären zu lassen. Ist das nicht Wahnsinn?" "Ich weiß nicht, ob Wahnsinn das richtige Wort ist." Er sah sie ernst an. "Mir klingt das eher nach Leichtsinn. Stella und Sie sollten nicht hinter einem Mörder herjagen. Wenn Sie gute
Gründe für einen Verdacht haben, sollten Sie die Polizei informieren." Tara war von seiner Reaktion enttäuscht. Cary Grant hätte gesagt: "Los, wir kriegen ihn!" und hätte auch gleich gewusst, wie das zu machen war. Aber Chase war nicht Cary Grant. Sie betrachtete ihn von oben bis unten, seine muskulösen Arme und die geschmeidige Art und Weise, in der er sich in der Küche bewegte. "Kann ich irgendwie helfen?" fragte sie. Vielleicht könnte sie Mohrrüben schälen oder Servietten falten oder sonst irgend etwas tun, damit sie ihn nicht immer ansehen musste. "Nein, nicht nötig." Chase wies in Richtung Wohnzimmer. "Machen Sie es sich gemütlich. Ich wasche nur noch den Salat und komme dann gleich." "In Ordnung." Tara ging langsam in das Wohnzimmer hinüber. Hier hatte Chase ganz eindeutig aufgeräumt. Auch das Badezimmer war sauber, und als sie schnell einen Blick in das Schlafzimmer warf, war sie überrascht, dass das Bett gemacht war und keine einzige Socke mehr herumlag. Der Raum gehörte zwar noch nicht in die Kategorie der "Schlafzimmer, die verführen", aber nach Chases Maßstab kam es dem schon ziemlich nahe. Sie blieb nachdenklich in der Tür stehen. Ein aufgeräumtes Haus, ein köstlich duftendes Essen, das nach allem, was sie gehört hatte, das Wichtigste war, um jemanden "in Stimmung zu bringen", ein hübsch gedeckter Tisch ... wenn es sich hier um einen anderen Mann als Chase gehandelt hätte, hätte sie vermutet, er wolle sie verführen. Aber hier ging es nicht um einen anderen Mann, sondern um Chase. Und seine Vorstellungen von sexueller Verführung gipfelten wahrscheinlich in dem einfachen Satz: "Willst du mit mir schlafen?" Aber vielleicht irrte sie sich, und seine Anstrengungen hatten das Ziel, sie ins Bett zu kriegen.
Allerdings hatte sie keine Lust, eine weitere Kerbe auf seinem Bettpfosten zu sein. Sie sollte sich besser eine Entschuldigung ausdenken und schnell verschwinden. Sie ging zurück in die Küche. Chase stand vor dem Herd und rührte in einem Topf. Sein Haar hatte sich durch den Küchendunst gelockt und fiel ihm in die Stirn. Der Duft der würzigen Soße stieg Tara in die Nase, und ihr Magen knurrte. Vielleicht wollte Chase sie gar nicht verführen. Schließlich gab es viele Gründe, das Haus aufzuräumen, er, musste nicht unbedingt an eine Frau gedacht haben. Außerdem würde sie sich lächerlich machen, wenn sie ohne triftigen Grund wieder verschwand. Später gab es sicher noch reichlich Gelegenheit, einen guten Abgang zu machen. Er sah hoch und lächelte sie an, und Tara musste sich zwingen, normal weiterzuatmen. Wer weiß, vielleicht wollte sie später gar nicht mehr gehen ... Das Telefon klingelte, und beide fuhren zusammen. Chase fluchte leise und ging ins Wohnzimmer. Tara holte tief Luft, trat dann an den Herd und rührte die Soße um. "Die Pläne haben sich geändert", sagte Chase, trat von hinten an Tara heran und nahm ihr den Kochlöffel aus der Hand. "Molly muss zu einem Elternabend in die Schule, und Eddie hat noch in seinem Geschäft zu tun. Sie möchte die Kinder vorbeibringen." Er sah ebenso enttäuscht aus, wie Tara sich fühlte. "Es wäre nur für eine Stunde oder so." "Kein Problem", sagte Tara schnell. Mit den Kindern war alles viel einfacher. Nichts würde passieren, er würde ihr nicht zu nahe kommen, und ihr fiele es leicht, sich zu beherrschen. Chase strich sich das Haar aus der Stirn. "Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, heute wieder die Kinder hier zu haben, aber Molly ..." "Ist schon in Ordnung, wirklich." Tara musste lachen. "Obwohl ich es nicht ganz glauben kann. Sie haben das doch
sicher so geplant, damit wir wieder eine Ihrer berühmten Szenen nachstellen können." Er blieb ernst. "Nein, das ist wirklich nicht der Fall." Doch genauso kam es. Sie aßen ihre Spaghetti, während die beiden Jungen vor dem Fernsehapparat saßen. Aber sowie sie mit dem Essen fertig waren, machten die Kinder den Fernseher aus und flehten den Onkel an, doch wieder mit ihnen auf Verbrecherjagd zu gehen. Chase versuchte, sie davon abzubringen. "Die Sache mit dem Hubschrauber ist vollkommen klar", argumentierte er. "Ich habe das Kapitel bereits fertig." "Aber gibt es nicht noch etwas anderes, was wir ausprobieren können?" bettelte Simon. "Bitte, Onkel Chase!" Chase schüttelte den Kopf. "Nein. Es fehlt nur noch die Flucht von der Yacht, und dazu sind wir zu wenig Personen." "Wir können doch Matthew anrufen." Andrew strahlte den Onkel an. "Vielleicht kann er kommen." Und so geschah es dann auch. Stella war froh, mal ein paar Stunden Zeit für sich zu haben, und Matthew war begeistert, einen Verbrecher spielen zu können. Es war schon nach zehn, als Chase die Sache abbrach. "Schluss für heute, Jungs. Ihr könnt jetzt ein bisschen fernsehen." Die Kinder protestierten etwas, aber trollten sich dann doch ins Arbeitszimmer. Chase machte Tee, und er und Tara gingen mit ihren Bechern ins Wohnzimmer. Tara kuschelte sich in eine Sofaecke, und Chase setzte sich ans andere Ende und streckte die langen Beine aus. Das Spielen hatte Tara abgelenkt, aber als sie ihn jetzt so entspannt auf dem Sofa sitzen sah, ertappte sie sich wieder dabei, dass sie ihn unentwegt ansah. Angestrengt suchte sie nach einem Thema, über das sie sich mit ihm unterhalten konnte, damit sie nicht immer an seinen Körper denken musste und daran, wie sehr sie sich nach ihm
sehnte. "Die Szene", sie räusperte sich nervös, "die Szene, die wir gerade probiert haben, wie geht die eigentlich weiter?" Chase lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. "Mal sehen. Also, Hunter rettet Bridgett. Sie erreichen die Insel. Na ja, und dann kommen Hunter und Bridgett natürlich endlich zusammen." "Ich verstehe." Tara sah ihn nicht an. "Sie sind ja beinahe getötet worden, und nun haben sie nichts Eiligeres zu tun, als miteinander ins Bett zu gehen." Chase lachte leise. "Von Bett kann man eigentlich nicht sprechen. Sie sind auf einer Insel. Sie legen sich wohl eher zusammen in den Sand, aber das kommt auf dasselbe heraus." Sie runzelte die Stirn, und er hob entschuldigend die Hand. "Das war Ihre Idee." Ihre Idee? "Ich kann mich nicht erinnern, irgend etwas Ähnliches vorgeschlagen zu haben." "Aber sicher. Während ich mich mit Ihnen unterhielt, wurde mir klar, dass so etwas passieren muss. Wenn die Frau, die Hunter liebt, in großer Gefahr ist und gerettet wird, dann müssen sie anschließend miteinander schlafen." Das hörte sich nicht schlecht an. So etwas hätte auch sie vorschlagen können. "Soll ich es Ihnen vorlesen?" "Also, ich weiß nicht ..." Ob es eine gute Idee war, wenn Chase ihr jetzt eine seiner heißen Sexszenen vorlas? "Ich hole mal eben mein Manuskript." Sie wollte ihn noch zurückhalten, aber er hatte den Raum schon verlassen. Sie, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Warum auch nicht? Sie hatte solche Szenen doch auch in seinen anderen Büchern gelesen, ohne dass sie total ausgeflippt war. Da würde sie ja wohl auch eine weitere ertragen können, ohne sich gleich auf ihn zu stürzen. Außerdem war sie neugierig, was er geschrieben hatte.
Chase wirkte leicht verstimmt, als er wieder ins Wohnzimmer kam. "Ich habe vergessen, dass ich nur die alte Fassung hier habe. Die neue habe ich noch nicht ausdrucken können, weil der Drucker kaputt ist. Ich könnte ihn zwar reparieren, aber das würde bestimmt eine Stunde dauern." Er reichte ihr ein Blatt Papier. "Lesen Sie das zuerst und dann ..." Er nahm ihr das Blatt wieder weg. "Nein, das ist - nicht die Seite, die ich meine. Diese hier ist es, und dann ..." "Lassen Sie doch", sagte Tara. "Ich kann ..." "Es ist einfacher, wenn ich es Ihnen vorlese." Chase setzte sich. "Ich kann meine Korrekturen besser entziffern als Sie." Tara erinnerte sich daran, wie er die Kussszene zitierte, und schüttelte den Kopf. "Das brauchen Sie wirklich nicht zu tun. Ich kann es doch ein andermal lesen." "Aber mir macht es nichts aus." Er streckte die Beine aus und setzte seine Brille auf. "Jede Geschichte sollte zumindest einmal laut vorgelesen werden." Tara befeuchtete sich nervös die Lippen. Sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen, dass Chase ihr eine seiner Sexszenen vorlas. "Hier geht es los." Chase blickte kurz hoch und lächelte Tara an. "Hunter stürzte die Treppen hinunter und versuchte den Kugeln auszuweichen, während in seinem Kopf der Countdown ablief - 30, 29, 28 ..." Tara schloss die Augen und konnte sich alles sofort lebhaft vorstellen, was er ihr vorlas. Wie Hunter verzweifelt nach Bridgett suchte, während er von Laromees Leuten verfolgt wurde, seine Ängste, sie könnte von Laromee längst ermordet worden sein, und endlich die unglaubliche Erleichterung, als er sie fand. , Tara war so gefesselt von der Story, dass sie, als Hunter und Bridgett über Bord gesprungen waren, ausrief: "Das Schiff geht in die Luft!"
Chase sah sie überrascht an. "Das schon, aber Laromee ist entkommen. Der Schuft hat sich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht." Er blätterte weiter. "Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Hunter hat Bridgett gefunden, die Yacht ist explodiert. Die beiden schwimmen zu der Insel und kriechen erschöpft an Land. Hier beginnt die Liebesszene. Sind Sie bereit?" "Ich kann es kaum erwarten", sagte Tara und schob schnell den Gedanken beiseite, dass sie mit dem Feuer spielte. "Okay." Chase lehnte sich zurück und las weiter vor: "Hunter legte die Arme um sie und hielt sie fest. Ihr Kopf sank ihm auf die Schulter, und sie presste sich mit ihrem nassen Körper an ihn, als könne sie ihm nicht nah genug sein. Hunter zog sie fester an sich. Er wusste, dass er sich um andere Dinge kümmern sollte. Zum Beispiel um die mit dem Atomsprengkopf bestückte Cruise Missile, die immer noch irgendwo da draußen die Welt bedrohte, und um Laromee und seine Männer, die endlich ausgeschaltet werden mussten. Er musste dringend überlegen, was als Nächstes zu tun war. Er wollte Bridgett nur kurz an sich drücken und sich vergewissern, dass ihr nichts passiert war. Er fühlte ihre Lippen auf seinem Nacken, warm und weich, und sofort reagierte sein Körper. Hitze stieg in ihm auf, ein brennendes Verlangen, wie er es noch nie nach einer Frau empfunden hatte. Er umfasste ihren Kopf und küsste sie voller Leidenschaft, und sie schmiegte sich an ihn und erwiderte seine Küsse, als könnte sie nicht genug von ihm bekommen. Schließlich stieß sie ihn schwer atmend zurück und blickte ihn ernst an. ,Ich will dich, Hunter. Sofort.'" Hunter zögerte. Die Vernunft sagte ihm, dass dieses weder der richtige Ort noch die richtige Zeit war, Bridgett zu lieben. Aber als Bridgett ihren schwarzen
Rollkragenpullover auszog, dann schnell den Verschluss ihres BHs öffnete und er ihre weißen festen Brüste direkt vor Augen hatte, da gab es diese Überlegungen nicht mehr. Zum Teufel damit. Er wollte sie, nichts anderes zählte mehr. Er schob den dünnen Stoff zur Seite und umschloss mit den Lippen die harten Spitzen und reizte sie mit der Zunge, bis Bridgett laut aufstöhnte. Er fühlte ihre Hände in seinem Nacken, und dann in seinem dichten schwarzen Haar. ,Oh, ja, Baby.' Er rollte sich auf sie, und sie genoss es, das Gewicht seines durchtrainierten Körpers zu spüren. Dann glitt er wieder herunter, streifte ihr die Hose ab und liebkoste sie mit den Händen, mit den Lippen, küsste ihren Mund, die rosigen Brustspitzen, streichelte sie wie im Rausch. Sie wand sich stöhnend unter ihm und hob sich ihm entgegen. Hunter hatte Mühe, sich zu beherrschen. ,Nur eine Minute, Baby.' ,Nein, ich kann nicht mehr ...' ,Noch nicht,' Er glitt wieder tiefer, zog ihr den winzigen Slip aus und presste die Lippen auf ihre empfindsamste Stelle. Bridgett schrie auf vor Lust. Behutsam schob er ihre Beine noch weiter auseinander und ..." Chase ließ das Manuskript sinken, nahm die Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. "Das wirkt irgendwie noch nicht richtig, oder?" Tara fiel fast von der Couch. Was stimmte denn nicht damit? Ihr war heiß und kalt zur selben Zeit. Ihr Blut schien schneller zu pulsieren, und ihr Atem ging schwer. Sie konnte an nichts anderes denken als an Chase, der mit ihr genau das Gleiche machte wie Hunter mit Bridgett. Ihr war, als müsste die Hitze ihres Körpers die Couch in Brand setzen. Und er meinte, die Szene hätte keine Wirkung?
"Also", sagte sie und hatte Schwierigkeiten, einen einfachen Satz zu formulieren, "das würde ich eigentlich nicht sagen." Chase blickte nachdenklich auf das Manuskript. "Irgendwas stimmt da noch nicht. Der Anfang ist verwirrend. Vielleicht sollten sie sich nicht im Sand lieben, sondern in einem kühlen Bach, der von den Bergen herunterkommt. Oder an einem Wasserfall. Außerdem ist Hunter immer noch angezogen." Wieder starrte er mit zusammengezogenen Brauen auf das Manuskript in seiner Hand. Plötzlich setzte er sich auf den Boden. "Wir wollen es ausprobieren." Tara rührte sich nicht. Wollte er damit sagen, dass sie ...? Chase klopfte mit der flachen Hand auf den Platz neben sich. "Ist etwas nicht in Ordnung?" Aus .dem Arbeitszimmer war Musik und Gelächter zu hören. Chase wollte nur den Beginn der Liebesszene simulieren, das war alles. "Nein, alles okay", sagte Tara schnell und setzte sich neben ihn. "Sie sollten aber nicht nur so dasitzen", sagte Chase mit einem leichten Tadel in der Stimme. "Sie sind gerade eine lange Strecke geschwommen, Sie sind erschöpft. Und, nein, gegen das Sofa dürfen Sie sich auch nicht lehnen. Wir liegen doch am Strand. Es gibt außer Hunter nichts zum Anlehnen für Bridgett." Tara rutschte näher an ihn heran, und er legte den Arm um sie, die Augen fest auf das Manuskript gerichtet. "So ist es besser. Ach, und Ihr Arm ist verbunden." Er notierte etwas im Text, während Tara versuchte, die prickelnden Schauer der Erregung zu ignorieren, die sie durchströmten. "Ich hatte das mit dem Arm vergessen. Darauf muss Hunter achten. So, nun wollen wir einmal sehen ... Er hält sie fest. Sie liegen beide auf dem Sand ... Ja, das ist richtig. Und dann ... Das ist auch in Ordnung. Nun kommen wir zu dem Abschnitt..." "Was für ein Abschnitt?" fragte Tara und bemühte sich, nicht ganz so atemlos zu klingen, wie sie war..
Chase grinste sie an. "Der Abschnitt, wo er sie küsst. Das geht ungefähr so." Er küsste sie. Seine Lippen waren weich und zärtlich, und Tara war froh, dass sie bereits auf dem Fußboden saßen. Ihr wären sonst ganz sicher die Knie weich geworden, sie hätte sich nicht aufrecht halten können, denn seine Lippen, seine Zunge zu fühlen war einfach unbeschreiblich erregend. Sie stöhnte leise auf und hob langsam den Arm, weil Briketts Arm ja verletzt war, und legte ihn Chase um den Nacken. Es war so wunderbar, ihm so nah zu sein, ihn zu schmecken, zu riechen und zu fühlen. Er strich ihr mit den Lippen über die Wangen und küsste sie auf das Ohr. "Ich glaube nicht, dass das so in Ordnung war", flüsterte er. "Was?" Sie konnte kaum sprechen. "Wir müssen es noch mal probieren." Er richtete sich auf, lehnte sich gegen das Sofa und zog sie auf den Schoß. Er umfasste ihre Hüften mit einem Arm, mit der anderen Hand hob er ihr Kinn an und küsste sie, hart und voll Verlangen. Und Tara legte ihm die Arme um den Hals, schmiegte sich an ihn und spürte deutlich, wie sehr er sie begehrte. Wie sehr sie sich nach ihm sehnte. Sie wollte am liebsten ... Es klingelte an der Tür, und Chase und Tara fuhren auseinander. "Mom! Mom!" schrie Matthew und rannte zur Tür. "Unsere Mom ist auch da", rief Simon. "Onkel Chase, wo bist du?" "Ich komme gleich." Chase strich sich das Haar zurück, atmete ein paarmal tief durch und stand langsam auf. "Bleib, wo du bist. Bitte, rühre dich nicht vom Fleck. Ich komme gleich zurück." Tara war auch gar nicht fähig, sich zu bewegen. Sie lehnte sich gegen das Sofa und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Sie hörte, wie Molly sich bei Chase fürs Babysitten bedankte, und dann fragte Stella: "Ist Tara noch da?"
Tara stand zitternd auf. Ja, sie war noch da, und sie sollte gehen. Denn sobald Stella und Matthew nicht mehr da waren und Molly mit den Jungen nach Hause gegangen war, würde sie mit Chase hier allein sein. Und wer weiß, was dann passieren würde. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, wusste sie, was passieren würde. Aber das war keine gute Idee. Sie schloss kurz die Augen und versuchte die Erinnerung an seinen Mund und ihre überwältigende Begierde zu verdrängen. Langsam ging sie den Flur hinunter. Molly und ihre Kinder hatten das Haus bereits verlassen, aber Stella war noch da. Sie dankte Chase, sprach mit Matthew und als sie Tara erblickte, strahlte sie. "Da bist du ja. Ich wollte dir doch auch noch danken, dass du dich heute Abend um Matthew gekümmert hast." "Gern geschehen", sagte Tara. "Es hat Spaß gemacht." Sie sah sich nach ihrem Mantel um. "Ich sollte auch gehen. Ich ..." "Oh, nein, auf keinen Fall", sagte Chase, legte ihr den Arm um die Schultern und strich ihr zärtlich über die Wange. "Du kannst jetzt noch nicht gehen. Ich brauche unbedingt deine Hilfe." Bei seiner Berührung wurden ihr die Knie weich. Sie lehnte sich an ihn und lächelte Stella zögernd an. "Ja, das stimmt. Ich helfe ihm bei seinen Recherchen." Stella sah die beiden an und grinste. "Ach so. Recherchen sind natürlich wichtig." Sie nahm Matthew bei der Hand. "Komm, Matthew, für diese Art der Recherchen bist du noch zu jung." Sie verließ das Haus und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Tara blickte Chase an. "Es ist spät. Ich sollte wirklich ..." "Es ist doch noch nicht spät. Außerdem, was ist mit meinem Buch? Möchtest du die Verantwortung für eine schlecht geschriebene und unrealistisch konstruierte Szene übernehmen?" Tara sah ihm in die dunklen Augen und las darin sein drängendes Verlangen. Sie gab auf. Er war zwar nicht ihr Idealmann, aber das war momentan ganz egal. "Nein, auf keinen Fall."
Chase zog sie fester an sich. "Gut." Wieder küsste er sie, leidenschaftlich und beinahe rücksichtslos, und wieder fühlte sie Erregung in sich aufsteigen. Sie merkte kaum, dass sie sich in enger Umarmung vorwärts bewegten, und erst, als sie in ihrem Rücken eine Wand fühlte, öffnete sie die Augen. Sie standen in seinem Schlafzimmer. Sie starrte auf das Bett, und plötzlich war ihr klar, was gleich geschehen würde. "Oh", sagte sie, "sollten wir nicht am Strand sein?" Chase grinste sie an. "Das ist der Strand. Hast du keine Phantasie?" Er drückte sie gegen die Wand, schob ihr das Knie zwischen die Schenkel und fing an, ihre Bluse aufzuknöpfen. "Wir wollen da weitermachen, wo Bridgett bereits ausgezogen ist." "Das kannst du dir doch in deiner Phantasie vorstellen." "Kein guter Vorschlag", murmelte er. Er strich mit den Daumen über ihre Brustspitzen, die sich unter dem dünnen BH aufgerichtet hatten, und sie erschauerte. Dann schob er ihr die Bluse von den Schultern und ging in die Knie, um ihr die Hose auszuziehen. "Das entspricht der Szene schon eher." Er sah sie an, und seine Augen waren beinahe schwarz. "Chase!" flüsterte sie. Er schob die Finger unter das Bündchen ihres Slips. "Was ist?" "Nichts ..." Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und spreizte leicht die Beine. Er streichelte sie und presste den Mund auf ihren Slip, dort wo die süße Qual am intensivsten war. Dann glitt er aufreizend langsam höher, zu ihrem Nabel, zu ihren Brüsten und öffnete ihren BH. "Oh, Tara ..." Er reizte die rosigen Knospen, die sich ihm entgegendrängten, mit der Zunge, bis Tara glaubte, sich nicht mehr aufrecht halten zu können. Dann nahm er sie schnell auf die Arme und trug sie zum Bett. Erst als er sich neben sie legte, fiel Tara auf, dass er noch vollkommen angezogen war. "Augenblick mal. Was ist mit dir? Solltest du nicht auch ...?"
"Nein, im Roman bin ich angezogen, wenn auch klatschnass." Er küsste sie auf den Nacken. "Die Nässe müssen wir uns wieder vorstellen." Taras Vorstellungskraft war sehr eingeschränkt, wenn er sie küsste. Sie erwiderte den Kuss mit Leidenschaft, und erst nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien, schob sie ihn von sich. "Ich weiß, wie er seine Kleidung verliert." "Was?" "In dem Roman. Ich weiß, wie er die Kleidung verliert." Sie griff nach seinem Hemd und zerrte es aus der Hose. "So." "Du meinst, sie zieht ihn aus?" "Genau", sagte sie. Aber letzten Endes musste er ihr dabei helfen, und sie fragte sich, wie Bridgett es schaffen konnte, Hunter ganz allein die nassen Sachen auszuziehen, vor allem wenn ihr einer Arm verletzt war. Aber das spielte keine Rolle mehr, als sie Chase endlich nackt vor sich sah, voll erregt und unglaublich sexy. "Einen Moment." Er rollte sich kurz zur Seite und nahm etwas aus seiner Nachtischschublade. "Traummänner kümmern sich um Verhütung", sagte er lächelnd. "Sollten wir das nicht in unsere Liste aufnehmen?" "Vielleicht sollten wir es einfach unter dem Stichwort ,verantwortungsbewusst' aufführen", sagte sie und bog sich ihm entgegen. Er drang in sie ein, und für den Rest der Nacht dachte sie an keinen anderen Mann mehr außer ihn.
10. KAPITEL Richtige Männer engagieren sich und haben keine Angst, sich zu binden. Wenn Sie zu den Frauen gehören, die sich nicht auf einen Mann festlegen wollen, dann ist ein richtiger Mann nichts für Sie. Denn wenn er sich in Sie verliebt, dann will er Sie ganz und wird schnell den Hochzeitstermin bestimmen. Aus: "49 Punkte, an denen Sie Ihren Traummann erkennen" in "Real Men", April 1949 "Was tun wir jetzt?" fragte Bridgett. "Mach dir darum keine Gedanken", sagte Hunter. Bridgett sah hinreißend aus an diesem Morgen. Sie trug wieder den schwarzen Pullover, aber er wusste verdammt genau, dass sie darunter nackt war. "Ich habe unsere Position schon bestimmt, habe über das Funkgerät, das ich von der Yacht habe mitgehen lassen, bereits Unterstützung angefordert und habe sogar ein bisschen Obst zum Frühstück aufgetrieben. Und einen Teebeutel." Er warf noch ein paar Zweige ins Feuer. "Gut, dass wir die Blechdose, in der die Bohnen waren, nicht weggeworfen haben. Darin können wir jetzt das Teewasser heiß machen." Bridgett setzte sich neben ihn. "Du bist wunderbar." Sie lehnte sich an ihn, und Hunter stöhnte leise. "Die Verstärkung sollte in knapp einer Stunde hier sein, Honey. Dann nehmen wir
Laromees Spur wieder auf." "Und dann?" fragte Bridgett. "Was hast du vor, wenn wir ihn haben?" "Gute Frage", sagte Chase und gähnte. Er rieb sich die Augen. Was würden sie tun, wenn die Jagd auf Laromee vorbei war? Seine anderen Romane hatten alle einen ähnlichen Schluss: Der Bösewicht war gefasst, und Held und Heldin zogen sich aus und liebten sich. Das erinnerte ihn an letzte Nacht. Er lehnte sich in seinem großen Schreibtischstuhl zurück, streckte die Beine aus und lächelte glücklich. Sein Roman war beinahe fertig, und nach der Nacht mit Tara fühlte er sich mehr denn je wie ein richtiger Mann. Jetzt musste er nur noch einen guten Schluss für seinen Roman finden. Er hatte bereits drei Fassungen geschrieben und verworfen. Er wollte auch die vierte gerade wieder löschen, als Jerome durch die Tür trat. "Ich habe den ersten Teil deines Manuskripts gelesen", sagte er und legte einen Stapel Papier auf den Küchentisch. "Nicht schlecht. Stilistisch ein bisschen anders als die vorigen Romane, aber nicht schlecht. Wann wirst du fertig sein?" "Bald. Vielleicht auch nie. Wenn mir kein gutes Ende einfällt." "Du hast es bisher doch immer geschafft. Allerdings siehst du ziemlich erschöpft aus." Hunter lächelte kurz. Das wunderte ihn nicht. Er war fast die ganze Nacht wach gewesen und hatte dann noch gleich ein paar Szenen in den Computer getippt, die ihm sehr gut gelungen waren, wie er fand. Und heute Abend würden Tara und er wieder ein paar Szenen nachstellen, und morgen Abend auch ... Plötzlich wurde ihm etwas klar. Er wollte mit Tara nicht nur hin und wieder eine Nacht verbringen, er wollte immer mit ihr zusammen sein. Und genauso ging es Hunter in Bezug auf Bridgett. "Kann ich dich mal was fragen, Jerome?" "Aber klar."
"Wie hast du um die Hand deiner Frau angehalten?" Jerome starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, dann lachte er los. "Um welche?" Das Telefon klingelte, gerade als Tara die Tür aufschloss. "Hallo?" "Endlich bist du zu Hause!" Stellas Stimme klang ein bisschen hysterisch. "Ich bin fast verrückt geworden. Wo bist du gewesen?" "Ich habe die Fotoabzüge für den Wutherspoon-Artikel abgeholt." "Das meine ich doch nicht. Wo bist du gestern Nacht gewesen? Wie waren die Recherchen mit Chase?" "Ach, das meinst du. Also, nicht schlecht. Wir haben einige Szenen aus seinem Buch ausprobiert. Erst am Strand, dann in der Dusche, dann in der Küche, während Held und Heldin etwas zu essen suchten, und dann eine sehr erotische Rettungsszene auf dem Sofa." "Und? Ist er so gut wie in seinen Romanen? Bestimmt. Ich freue mich so für dich, Tara. Aber ich muss dir noch etwas anderes erzählen. Es war Marvin, der Volaise ä la Grecque bestellte, aber er tat es nur auf Empfehlung des Obers und hatte selbst keine Ahnung, was es war." "Das bedeutet wohl, dass Franklins Tod tatsächlich ein Unglücksfall war, oder?" "Ja, es sieht so aus. Bis morgen dann, Tara." "Bis morgen." Tara legte den Hörer auf und nahm die Fotoabzüge aus dem Umschlag. Es waren ein paar gute Aufnahmen von Gerald dabei, der beinahe aussah wie eine ältere Version von Cary Grant. Und überhaupt nicht wie Chase. Chase war so vollkommen anders als der Mann, von dem sie immer geträumt hatte, dass es besser wäre, sich nicht wieder mit ihm zu treffen. Und wenn er noch so gut im Bett war. Aber guter Sex allein war eben einfach zu wenig für ein ganzes Leben.
Als Chase bei ihr klingelte, um sie für ein weiteres Interview abzuholen, hatte Tara ihre Rede genau vorbereitet. Sie war beinahe sicher, er würde letzten Endes erleichtert sein, dass sie sich keine dauerhafte Beziehung erhoffte. Als sie ihn sah, hätte sie ihre Absicht fast wieder umgestoßen. Aber sie schob die Vermutung beiseite, ihre Affäre könnte für Chase ebenso wie für sie etwas Besonderes sein, und dachte an die Vernunftgründe, die gegen eine Beziehung sprachen. "Hallo, Tara", sagte er, als sie die Tür öffnete. "Wie geht es dir? Du siehst ein wenig blass aus." "Mir geht es gut", sagte sie zögernd und räusperte sich. "Ich habe gerade nachgedacht..." "Ich auch, und ich glaube, es ist das Beste, wenn du heute Abend gleich Kleidung zum Wechseln mitnimmst, denn das Interview mit dem Meteorologen findet früh am Morgen statt." "Ich glaube, ich kann morgen nicht. Kannst du ihn allein übernehmen?" Als Chase nickte, schloss sie die Tür hinter ihm und fuhr fort: "Ich glaube, es ist keine gute Idee, wenn wir uns weiterhin treffen." Chase sah sie fassungslos an. "Was?" "Ich bin zwar sehr gern mit dir zusammen gewesen, aber wir sollten das nicht zur Gewohnheit werden lassen. Wir arbeiten gemeinsam an einem Artikel, und wenn der fertig ist, werden wir uns nicht wieder sehen." Alle Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen. "Du meinst, das war's dann?" "Ja." Tara sah ihn nicht an. "Wahrscheinlich ist es auch das Beste, wenn wir den Rest der Interviews aufteilen." Ohne das Gesicht zu verziehen, streckte Chase die Hand nach der Liste aus. "Dann übernehme ich den Meteorologen und den Kieferorthopäden?" "Ja, und ich den Archäologen und den Vorstandsvorsitzenden." Sie gab ihm die Unterlagen.
Er lächelte zynisch. "Du meinst wohl, sie sind passender als ich, was?" Es schmerzte Tara, ihn so verletzt zu sehen. "Nein, das ist nicht der Fall." Er öffnete die Tür und drehte sich noch einmal um. "Du brauchst mir nichts zu erklären, Tara, ich weiß, wie diese Szene endet." "Jetzt ist alles vorbei", versicherte Hunter und legte
Bridgett den Arm um die Schultern. "Laromee sitzt im
Gefängnis, und die Cruise Missile ist wieder unter
Aufsicht der - Regierung. Nun können wir endlich über
uns sprechen." Bridgett sah ihn an, und ihr hellblondes
Haar wehte im Wind. "Es gibt kein ,uns', Hunter,
zumindest nicht in der Zukunft."
"Wie meinst du das?" "Es ist vorbei, Hunter. Ich brauche einen anderen
Typ Mann. Jemanden, der abends nach Hause kommt,
der sich um die Kinder kümmert, der mir hin und
wieder Blumen mitbringt. Und ich werde ihn finden."
Damit drehte sie sich um und ging. Und Hunter blickte
ihr nach, bis ihre schmale Gestalt in der
Abenddämmerung verschwunden war. Dann wandte er
sich um und ging zum Boot zurück, eine einsame
Gestalt ohne Träume und ohne Hoffnung.
"Ich habe gute Nachrichten", sagte Jerome, als er ein paar Wochen später Chase zu Hause aufsuchte. "Mit Vanna und mir ist alles wieder in Ordnung." "Wieso das denn", fragte Chase ohne rechtes Interesse. "Bei dem Paar-Therapeuten kam heraus, das Vanna sich nach einer richtigen Familie mit Kindern sehnt. Und sie war unsicher, ob ich das auch wollte. Wunderbar, ich habe nichts dagegen." Er strahlte. "Die zweite gute Nachricht ist, dass der Verlag
begeistert von deinem neuen Roman ist. Es sei das Beste, was du je geschrieben hättest." "Na, fein." Chase ließ sich in einen Sessel fallen. "Und dann habe ich mit Charlene, der Redakteurin von ,Real Men' gesprochen. Sie findet das, was sie bisher von dem Artikel gelesen hat, sehr gut und möchte dir herzlich danken." "Schön." Also hatte Tara den Artikel zusammengeschrieben, nachdem er ihr die Notizen über seine beiden letzten Interviews gefaxt hatte. Vielleicht hatte sie sich ja auch schon mit einem der Männer auf der Liste befreundet. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz elend. Wahrscheinlich hatte der all die Qualitäten, die er nicht hatte, konnte Foxtrott tanzen, einen Motor reparieren, ein Gourmet-Dinner kochen und das alles im Smoking. Jerome sah ihn nachdenklich an. "Was ist los mit dir, mein Junge? Du machst keinen guten Eindruck." "Ist das ein Wunder? Sie hat mich sitzen lassen." "Aber das ist dir doch früher auch passiert, und du hast dich immer sehr schnell mit einer anderen Frau getröstet." Jerome hatte Recht. Aber mit Tara war es anders. Er konnte sie einfach nicht vergessen. Immer wenn das Telefon klingelte, hoffte er, dass sie am Apparat war. Er legte den Kopf zurück und starrte an die Decke. "Das werde ich auch diesmal schaffen. Ich brauche nur ein bisschen mehr Zeit." "Ich kann nur hoffen, dass du darüber hinwegkommst", sagte Jerome leise. Tara saß an ihrem Küchentisch und versuchte vergeblich, sich auf den Text zu konzentrieren, der vor ihr lag. Immer wieder musste sie an Chase denken, obgleich sie in den letzten Wochen mit einigen sehr interessanten Männern ausgegangen war. Und obwohl die ihrem Ideal durchaus entsprachen, hatte sie sich immer fürchterlich gelangweilt. Es klingelte. Stella. Vielleicht war das eine gute Ablenkung. "Tara, ich muss dir unbedingt etwas erzählen", sprudelte sie los. "Ich bin ja so enttäuscht von Stanley."
"Warum denn?" "Ich hatte immer den Eindruck, dass er genauso wie ich daran interessiert war, den Mörder zu finden." "Ja, und?" "Nun stellte sich heraus, dass er immer schon gewusst hatte, dass Franklins Tod ein Unglücksfall war. Neulich hat er mir ein eindeutiges Angebot gemacht und hat mich verspottet, als ich empört ablehnte. Ich sei naiv, er sei doch nur hinter mir hergewesen, um mich ins Bett zu kriegen." Sie schlug wütend auf den Küchentisch. "Und er hat Recht, ich bin naiv. Ich habe mir etwas vorgemacht - genau wie du." "Wieso ich?" Tara sah die Freundin überrascht an. "Du machst dir vor, du könntest nur mit einem Mann glücklich werden, der elegant und wohlerzogen ist und einen exquisiten Geschmack hast. Und so lässt du den einzigen Mann fallen, den du wirklich magst." "Das verstehst du nicht, Stella", sagte Tara, "ich ..." "Oh, doch, das verstehe ich sehr gut. Aber vielleicht solltest du mal darüber nachdenken. Bis bald, Tara. Ich finde schon allein raus." Tara sah nachdenklich vor sich hin, als Stella gegangen war. Vielleicht war etwas dran an dem, was die Freundin gesagt hatte. Vielleicht war sie so damit beschäftigt, nach dem perfekten Mann zu suchen, dass sie die Qualitäten übersah, die andere Männer hatten. Und Chase hatte ganz sicher eine Reihe von Qualitäten. Er war aufrichtig und freundlich, kümmerte sich um seine Familie, arbeitete hart und war ein wunderbarer Liebhaber, auch wenn er nicht weltgewandt und elegant war. Aber vielleicht liebte sie gerade das an ihm. Sie sprang auf. Natürlich, sie liebte ihn, so wie er war, gleichgültig, ob er die Qualitäten mitbrachte, die ein Traummann angeblich haben sollte! Aber wie sollte sie ihm das klarmachen? Ihm Blumen schicken, ein Gedicht schreiben? In schwarzer Spitzenwäsche vor seiner Haustür stehen? Vielleicht
fände er das ganz amüsant, obgleich es ihm sicher lieber wäre, wenn sie in einem schwarzen Rollkragenpullover und schwarzen Leggings erschiene, um mit ihm die Hubschrauberszene durchzuspielen. Sie stützte das Gesicht in die Hände. Vielleicht sollte sie ihn einfach anrufen und noch mal auf den Artikel ansprechen. Das Telefon klingelte. Konnte er Gedanken lesen? Es war wieder Stella. "Entschuldige, Tara, aber mir ist noch etwas eingefallen. Wenn Franklin versehentlich von der Vorspeise gegessen hat, in der Krabben waren, warum ist die allergische Reaktion erst so spät eingetreten? Ich werde gleich noch mal ins Büro und Gerald fragen, wann Franklin die Vorspeise gegessen hat. Ich glaube, er ist noch im Geschäft." Tara war nicht wohl bei dem Gedanken. "Meinst du nicht, du solltest das lieber auf morgen verschieben, Stella? Es ist doch jetzt keiner mehr da ..." "Mach dir keine Sorgen, mir passiert schon nichts. Ich rufe dich dann von da aus an." Stella legte auf. Gerald. Was hatte er noch gegessen? Ach ja, Caesar Salat, also keinen Fisch. Aber hatte Armand nicht gesagt, dass in einen guten Caesar Salat Anchovis gehörten? Und Anchovis war Fisch. Pikant zubereitete Sardellen oder Sardinen, wenn sie sich nicht täuschte. Plötzlich wurde ihr ganz elend zumute. Sie stürzte zum Telefon. Die Polizei würde ihr nicht glauben. Sie musste Chase anrufen. Zwei Stunden später saß sie bei Stella im Wohnzimmer, zusammen mit Frank, einem jungen Polizisten, und Chase. "Es war seltsam", sagte Stella, "ich erzählte Gerald von meinen Nachforschungen, und plötzlich sah er mich so merkwürdig an, stand auf und schloss die Tür ab. Und dann hat er sich auf mich gestürzt. Es war wie in einem schlechten Film." Sie sah Frank dankbar an. "Wenn die Polizei nicht gekommen wäre ..." "Wenn Mr. Montgomery mich nicht angerufen hätte ..."
"Nein, Tara war es, die die richtigen Schlüsse gezogen hat." Chase sah Tara an. "Ich habe dann nur den Mann festgenommen." Tara warf ihm einen bewundernden Blick zu. Was für ein Mann! Sie hatte ihm schnell die ganze Geschichte erzählt, und er hatte die Sache sofort in die Hand genommen. "Also, Stella, wenn Sie mal wieder einen Mordfall aufklären wollen, dann sollten Sie uns lieber vorher benachrichtigen." Frank stand auf und reichte ihr die Hand. "Dazu ist die Polizei nämlich da." Auch Chase stand auf und griff nach seiner abgeschabten Lederjacke. Er wollte doch nicht schon gehen? Tara sprang auf und wandte sich zur Tür. "Brauchst du mich noch, Stella?" "Nein, mir geht es gut. Wenn ich Hilfe brauche, rufe ich an." Sie umarmte Chase und Tara. "Vielen, vielen Dank!" Chase hielt Tara unten die Haustür auf. "Vielen Dank, Chase, dass du so schnell gekommen bist", sagte sie leise. "Keine Ursache." Er ging zu seinem Wagen. "Chase ..." Sie nahm all ihren Mut zusammen. "Ich brauche deine Hilfe noch in einem anderen Fall." "So?" "Ja, der Artikel ist nicht ganz fertig. Ich weiß nämlich immer noch nicht, was ich als fünfzigste Eigenschaft des Traummanns nehmen soll. Was hältst du von: ,Der richtige Mann ist der Mann, den man liebt.' Das gefällt mir am besten. Denn nur darauf kommt es an." Er blieb stehen. "Kennst du so jemanden?" Nur dich. Chase, können wir nicht irgendwo vielleicht noch einen Tee trinken? Oder soll ich nicht mit dir noch eine Szene probieren? Ich bin zu allem bereit, wann und wo du willst." "Oh, ja." Er machte ein paar schnelle Schritte auf sie zu, und sie warf sich ihm in die Arme. Er drückte sie fest an sich, und sie unterdrückte ein Schluchzen, so wunderbar war es, wieder
bei ihm zu sein. "Diesmal musst du dir aber sehr sicher sein", flüsterte er ihr ins Ohr. "Denn es soll ein Leben lang halten."
- ENDE