Küss mich, mein Engel Day Leclaire Julia Weihnachten 1/1 1998
gescannt von suzi_kay korrigiert von Dodoree
1. KAPITEL...
8 downloads
419 Views
821KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Küss mich, mein Engel Day Leclaire Julia Weihnachten 1/1 1998
gescannt von suzi_kay korrigiert von Dodoree
1. KAPITEL
II Restorante ... oder Single in Seattle "Sagtest du Joe Milano?" wiederholte Maddies Kollegin ungläubig. "Er ist der Koch, den du in der Weihnachtstombola gewonnen hast?" Maddie sah Joy an. "Kennst du ihn?" "Bist du sicher, dass wir denselben meinen? Der berühmte Joe Milano mit seinem Restaurant House Milano? Dieser sexy Typ aus der Koch-Show bei ‚Seattle at Sunrise'? DER Joe Milano?" "Keine Ahnung. Ich weiß bisher nur, dass er Koch ist." Maddie blickte auf die Karte in ihrer Hand. Darauf standen Joes Name, seine Adresse und der handgeschriebene Hinweis, dass sie ihn nicht anrufen, sondern persönlich
aufsuchen sollte. "Seine Show habe ich noch nie gesehen." "Wo lebst du eigentlich, Maddie?" Kopfschüttelnd sank Joy in den Stuhl vor Maddies Schreibtisch. "Es gibt keinen Menschen in Seattle, der nicht seine Show kennt oder sein Restaurant oder in den Klatschspalten nicht wenigstens über seine neuesten Affären gelesen hat." "Nun, dann bin ich wohl die einzige. Ich habe bisher weder im House Milano gegessen noch seine Show jemals gesehen." Sie runzelte die Stirn. Über diese Affären hatte sie auch nichts gelesen. "Ich schätze, es gibt im gesamten Nordwesten vielleicht zwei Leute, die ihn nicht kennen", erklärte Joy sarkastisch. "Du und vielleicht jemand, der unter einem Felsen vergraben ist. Das garantiere ich dir. Joe Milano ist ein berühmter Meisterkoch!" Diese Nachricht gefiel Maddie ganz und gar nicht. "Du übertreibst", erwiderte sie. "Ich übertreibe nicht." Joy stöhnte. "Nicht zu fassen. Du hast ihn gewonnen? Du hast ihn tatsächlich gewonnen?"
"Nein", korrigierte Maddie sie pedantisch. "Ich habe ihn gekauft. Und billig war er nicht gerade." "Das sind Männer wie er nie", erwiderte Joy. "Was würde ich dafür geben, wenn Joe Milano Heiligabend für mich kochen würde." "Kochen will ich selbst. Er soll es mir nur beibringen." Joy rümpfte die Stupsnase. "Welch eine Verschwendung. Wenn ich ihn gekauft hätte, wüsste ich etwas Besseres mit ihm anzufangen. Er selbst würde mein Weihnachtsschmaus sein." "Möglich, aber ich habe andere Pläne", beharrte Maddie. Die hatte sie in der Tat. Auch wenn Joe Milano noch nichts davon wusste, er sollte ihr einen Weihnachtswunsch erfüllen. In dem Moment, als Joe seine Haustür öffnete und das engelhafte Wesen auf seinen Treppenstufen sah, wusste er, dass seine sorgenfreie Junggesellenzeit beendet war. Kein Zweifel, auf diese Frau hatte er sein Leben lang gewartet, und nun war sie da, sozusagen frei Haus geliefert.
Er hatte immer geglaubt, dass er in Panik geraten würde, wenn der Verlust seiner Freiheit bevorstand. Statt dessen reagierte er mit einem strahlenden Lächeln. Nervös trat Maddie einen Schritt vor, während sie über die Schulter auf die verlassene Straße schaute. "Ja, bitte?" fragte er freundlich. "Was kann ich für Sie tun?" Sie wandte sich ihm zögernd zu und sah aus ernsten, blaugrauen Augen zu ihm auf. "Sind Sie Joe Milano?" erkundigte sie sich zweifelnd. Dann blickte sie auf die Karte in ihrer Hand. Der beißende Dezemberwind zupfte die braunen Locken aus dem Knoten in ihrem Nacken und ließ sie ausgelassen über ihr Gesicht tanzen. Von Ausgelassenheit schien sie nicht viel zu halten, denn sie strich die Locken aus der Stirn, als sie ihn wieder ansah. "Mr. Joe Milano?" "Der bin ich, Cara", bestätigte er. Im stillen hoffte er, dass sie nicht eines von diesen verrückten Groupies war, die das Fernsehstudio belagerten, wann immer er seine Koch-Shows aufzeichnete. Er wünschte sich von der
zukünftigen Mrs. Milano ein erwachseneres Verhalten. Für ein Groupie wirkt sie zu unabhängig, dachte er, zu intelligent und entschlossen. Dennoch ... man weiß ja nie. "Was kann ich für Sie tun?" "Mathias Blackstone schickt mich." "Wie nett von ihm." Wieder breitete sich ein Lächeln auf Joes Gesicht aus. Der allseits als Weihnachtsmann bekannte Mathias würde Joes Adresse nur an jemanden weitergeben, den er sorgfältig ausgewählt hatte und der Hilfe brauchte. Interessant, dass sie ihn aufsuchte, ohne sich vorher anzumelden. Das konnte nur Mathias' Idee gewesen sein. Er schien etwas im Schilde zu führen. "Ich muss mich bei ihm bedanken." "Sie verstehen nicht ..." "Warum kommen Sie nicht herein und erklären es mir?" Bevor sie zurückweichen konnte, umfasste er ihren Arm und zog sie ins Haus. "Bitte, Cara. Es fängt an zu regnen. Ich möchte nicht, dass Sie nass werden." "Nein, ich hätte nicht herkommen sollen ..." Das Geräusch der Tür, die hinter ihr ins Schloss fiel, verschluckte den Rest ihrer Bemerkung. Maddie sah sich ängstlich um.
Dio, sie hat Angst vor mir, entdeckte er mit Erstaunen. Wie zum Teufel war das möglich? Andere Frauen entspannten sich in seiner Gegenwart. Er brachte sie stets zum Lachen und spürte selbst bei den kratzbürstigsten Frauen auch die sanften Seiten auf. In seinem ganzen Leben, in all den siebenunddreißig Jahren, hatte er noch keiner Frau angst gemacht. Joe runzelte die Stirn. Dies war gewiss nicht das Gefühl, das er bei seiner zukünftigen Frau zu erwecken gehofft hatte. "Mathias schickt Sie also?" begann er mit beruhigender Stimme. Zu seinem größten Erstaunen reagierte sie völlig verschreckt. Ihre Augen weiteten sich, als hätte sie eine Schlange unter ihrem Bett entdeckt. Hastig wich sie einen Schritt zur Seite. Doch eine Flucht ließ Joe nicht zu. Er nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an die Mahagonigarderobe neben der Tür, während er darüber nachdachte, wie er sie beruhigen konnte. "Mathias und ich sind alte Freunde. Kennen Sie ihn gut?" "Nein, ich kenne Mr. Blackstone nur flüchtig." Sehnsüchtig starrte sie auf ihren Mantel, als
würde sie ihn am liebsten vom Haken reißen
und flüchten. Doch dann schien sie plötzlich
einen Entschluss zu fassen. Sie hob
selbstbewusst den Kopf. "Um ehrlich zu sein,
ich habe ihn erst kürzlich kennen gelernt",
erklärte sie.
"Und bei der Gelegenheit hat er Sie zu mir
geschickt?" ermutigte Joe sie.
"Er meinte, Sie könnten mir helfen." Ihre
Stimme klang zweifelnd.
"Selbstverständlich. Herzlich gern."
Spontan ergriff er ihre Hände und streifte erst
einen, dann den anderen Lederhandschuh ab.
Kein Zweifel, dass sie protestieren wollte.
Dennoch ließ sie es geschehen. Sie stand
regungslos vor ihm, den Blick fest auf die
Familienfotos an der Wand gerichtet.
Sie hat schöne Hände, stellte er fest, glatt und
schmal, trotzdem energisch. Und sie trägt keine
Ringe. Perfekt. Joe ließ ihre Hände los und
steckte die Handschuhe in ihre Manteltasche.
"Warum haben Sie das gemacht?" fragte sie.
Ihm war sofort klar, dass sie die Handschuhe
meinte. "Aus Neugier", gab er achselzuckend
zu.
"Ist Ihre Neugier jetzt befriedigt?"
Ihre Blicke begegneten sich. "Noch nicht ganz." Schließlich war diese Frau sein Schicksal, und er wollte alles über sie erfahren. Er wollte herausfinden, was ihr Vergnügen bereitete und was Kummer. Wovon sie träumte und wie er ihr dabei helfen konnte, diese Träume und Wünsche zu erfüllen. Aber vor allem wollte er wissen, warum sie ihm mit einem derart tiefen Misstrauen begegnete. Er deutete zum Wohnzimmer. "Setzen wir uns doch ans Feuer." Maddie zögerte. Wenn ich nur wüsste, wovor sie Angst hat, grübelte Joe. "Mein Besuch ist geschäftlich", erklärte sie schließlich. "Können wir irgendwo darüber sprechen?" "Aber natürlich." Er berührte sanft ihren Ellbogen und zeigte noch einmal zum Wohnzimmer. "Hier können wir alles besprechen." Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. "Am Feuer", murmelte sie. "Am Feuer", wiederholte er. Joe ging vor und bedeutete ihr, auf einem der beiden Ohrensessel vor dem Kamin Platz zu nehmen.
Dann trat er an die Bar. "Setzen Sie sich. Sind Sie mit dem Wagen da, oder haben Sie ein Taxi genommen?" "Ich bin mit dem Bus gekommen. Warum?" Er füllte zwei Kristallgläser mit Wein. "Ich wollte nur wissen, ob Sie noch fahren müssen, bevor ich Ihnen Wein anbiete." Er kam zu ihr und reichte ihr das Glas. "Es ist ein 72er Chateau Suidurant. Sagen Sie mir, wie er Ihnen gefällt." Als sie erneut zögerte, erkannte Joe plötzlich den Grund für ihren Argwohn. Er hob sein Glas, um ein Lächeln zu verbergen. Mathias hatte ihr bestimmt alle möglichen Geschichten über seine Vergangenheit erzählt, zweifellos als Warnung. Kein Wunder, dass sie misstrauisch war. Joe hatte ihr aus dem Mantel geholfen, ihre Handschuhe abgestreift und ihr einen Drink angeboten. Zum Teufel, wahrscheinlich hätte schon ein Lächeln von ihm genügt, um sie zu verunsichern. Er nahm sich vor, mit seinem guten Freund Mathias ein langes, vertrauliches Gespräch zu führen. Unnötige Komplikationen konnte er nicht gebrauchen, wenn er diese Frau erobern wollte.
Sie trank einen Schluck und blickte dann erstaunt zu ihm auf. "Der Wein ist wundervoll. Was ist das für ein Aroma? Minze? Schokolade?" "Sehr gut", bestätigte Joe, während er sich in den Sessel neben sie setzte. "Er tendiert etwas zur Süße und ist trotzdem frisch. Finden Sie nicht auch?" "Ich bin kein großer Weinkenner." Sie wandte den Blick von ihm ab und sah zum Feuer hinüber. "Schmeckt er Ihnen?" "Er ist köstlich." "Das ist das einzige, was zählt." Maddie setzte ihr Glas auf dem Beistelltisch ab. "Ich glaube, wir sollten jetzt zum Geschäftlichen kommen." "Einverstanden." Er legte den Kopf auf die Seite. "Wie wär's, wenn Sie mir zunächst einmal sagen, wie Sie heißen? Danach können Sie mir dann erzählen, warum Mathias Sie geschickt hat." Für einen kurzen Moment erstarrte sie. Dann sah sie ihn abrupt an. "Habe ich mich noch gar nicht vorgestellt?"
Joe schüttelte den Kopf. "Ich habe meine Neugier gut unter Kontrolle, oder was meinen Sie?" Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor sie schließlich herzlich lachte. "Verzeihen Sie mir, vielleicht sollten wir noch einmal von vorn beginnen." Humor besitzt sie auch, stellte er zufrieden fest. Als eine Flamme im Kamin aufloderte, wurde ihr Gesicht in ein rötliches Licht getaucht. Joe betrachtete sie. Sie war keine Schönheit, aber sie war hübsch. Ihre Züge strahlten Ruhe und Wärme aus, was sie äußerst anziehend machte. Das braune Haar schmeichelte ihrem zarten Teint. Sie hatte eine gerade Nase, hohe Wangenknochen und ein Kinn, das auf einen gewissen Eigensinn hinwies. Und ihr Mund war wohlgeformt und lud zum Küssen ein. Am meisten aber faszinierten ihn ihre Augen. Diese ruhigen, klaren Augen, die eine wohl gehütete Verletzlichkeit ahnen ließen, erinnerten ihn an den blauen Himmel von Seattle, wenn eine dünne Dunstschicht ihn verhüllte. Er hatte sein Herz an sie verloren. Sie gehörte ihm. Es war Schicksal, Liebe auf den ersten
Blick. Nun brauchte er nur noch ihr Vertrauen zu gewinnen. Joe rieb sich die Hände. Mit etwas Glück würde er ihr noch vor Weihnachten einen Ring an den Finger stecken und am Neujahrstag mit seiner Braut im Bett aufwachen. Er nahm einen Schluck Wein. Perfekt. Die Sache war absolut perfekt. Maddie hob ihr Glas und trank hastig. Wie hatte sie sich nur in diese entsetzliche Situation bringen können? Sie hätte nicht herkommen sollen, auch wenn sie noch so verzweifelt Hilfe brauchte. Leider blieb ihr keine Wahl. Sie war auf Joe angewiesen. "Also, noch einmal von vorn", begann sie, diesmal in einem ernsteren Ton. "Ich bin Maddie Wallace." "Maddie", wiederholte Joe mit einem leichten italienischen Akzent, der ihrem Namen einen einzigartigen Klang verlieh. Er schien sich die Silben auf der Zunge zergehen zu lassen. "Und was führt Sie zu mir, Maddie?" Um sich Mut zu machen, trank sie ihr Glas in einem Zug aus. Sie war darauf gefasst, dass Joe auf ihre Bitte nicht begeistert reagieren würde. "Bereite ihn vorsichtig darauf vor", hatte
Mathias ihr geraten. "Erzähl ihm nur das Notwendigste. Warte auf jeden Fall, bis er seine Hilfe zugesagt hat, bevor du ihn mit der ganzen Wahrheit konfrontierst." Während sie darüber nachdachte, wie sie anfangen sollte, schaute sie ihn über den Rand ihres Glases hinweg an. Von ihrem prüfenden Blick ließ er sich nicht beirren. Seine Haltung strahlte Eleganz und Selbstbewusstsein aus. Wenn er nur nicht so gut aussehen würde, schoss es ihr durch den Kopf. Gutaussehenden Männern war nicht zu trauen. Diese schmerzliche Erfahrung hatte sie schon als Kind gemacht. Mit seinen dunkelbraunen Augen, dem energischen Kinn und dem dichten, schwarzen Haar war er unseligerweise der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. "Ist es so schwierig, über die Angelegenheit zu sprechen?" erkundigte er sich ruhig. "Handelt es sich um etwas Persönliches?" Jetzt oder nie. Wenn sie ihm jetzt nicht sagte, was sie von ihm wollte, konnte sie auch gleich gehen und nie wiederkommen. Was bedeutete, dass sie das Ziel nicht erreichen würde, das sie sich im zarten Alter von zehn Jahren gesetzt
hatte. "Es ist so ..." Sie atmete tief durch, bevor sie geradeheraus erklärte: "Sie sind mein Weihnachtswunsch." Zu ihrer größten Verblüffung entdeckte sie nun dasselbe zufriedene Lächeln auf seinem Gesicht, mit dem er sie an der Haustür begrüßt hatte. Ein besitzergreifendes, räuberisches Lächeln, das sie nervös machte. Am liebsten hätte sie im Laufschritt das Haus verlassen, und es bedurfte ihrer ganzen Willenskraft, dennoch ruhig im Sessel sitzen zu bleiben. "Wie nett", bemerkte er freundlich. "So etwas habe ich mir schon immer gewünscht." "Ich glaube, Sie verstehen mich nicht." "Sie haben recht, Cara. Ich verstehe noch nicht ganz." Er trank seinen Wein aus, stellte das Glas behutsam auf dem Tisch ab und stand langsam auf. Dann kam er zu ihr. Während er sich mit beiden Händen auf der breiten Rückenlehne des Sessels abstützte, beugte er sich über sie. "Erklären Sie es mir doch einfach." Maddie presste sich mit aller Kraft in den Sessel zurück. Sie schaute Joe aus großen Augen an. "Mathias sagte, Sie schulden ihm
einen Gefallen. Und deswegen ... hat er Sie an mich weitergereicht." "Als Weihnachtsgeschenk?" Sie nickte. "Ich habe es schriftlich. Bis Weihnachten gehören Sie mir." "Ich gehöre also Ihnen." Er streckte die Hand aus und ließ eine Locke, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte, durch seine Finger gleiten. "Der Gedanke gefällt mir." "Ich hoffe, das sagen Sie auch noch, wenn ich Ihnen erklärt habe, was ich will", gab sie nervös zurück. "Hmm. Ein guter Einwand." Joe steckte die Locke wieder an ihren Platz, eine Geste, die Maddie unerträglich intim fand. So etwas war das Vorrecht eines Ehemanns oder eines Liebhabers. Sie musste vermeiden, dass sich Situationen dieser Art wiederholten. "Wie heißt es doch so schön? Ihr Wunsch sei mir Befehl? Hoffen Sie das von mir zu hören?" fragte er. "Ja." Maddie spürte, dass sie rot wurde. Sie wagte kaum noch zu atmen. Wahrscheinlich weiß er, wie er auf mich wirkt, dachte sie verzweifelt. Männer wie Joe Milano waren mit einem besonderen Radarsystem ausgestattet, mit dem sie die Gefühle von Frauen erkennen
konnten. Vielleicht sandten sie sogar irgendwelche Signale aus, die vernünftige, intelligente Frauen den Verstand verlieren ließen. "Wenn das so ist ... Ihr Wunsch sei mir Befehl." Er schaute ihr in die Augen. "Nennen Sie mir Ihren Wunsch, Maddie. Was kann ich Ihnen geben? Oder soll ich Ihnen helfen, einen Traum zu erfüllen? Wie kann ich Sie befriedigen?" Sie befriedigen? O nein. Auf keinen Fall. "Es ... es geht nicht darum", gab sie entsetzt zurück. "Worum sonst?" fragte er mit einem heiseren Lachen. "Um etwas anderes eben." Mehr brachte sie nicht hervor. "Wie schade. Es hätte mir sicher gefallen, Sie in dieser bestimmten Weise zu befriedigen." Er zog die Augenbrauen hoch. "Sind Sie ganz sicher?" Lieber Himmel, er war zweifellos der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. Schon beim ersten Hinsehen war ihr dieser Gedanke durch den Kopf geschossen. Aber gerade aus diesem Grund fand sie ihn absolut unakzeptabel. Er war schlank und breitschultrig
und entsprach der klassischen Idealvorstellung von einem gutaussehenden Mann, jener Art von Mann, der Frauen dazu verleitete, sich selbst zum Narren zu machen. Solche Männer waren für sie glücklicherweise tabu, auch wenn sie durchaus eine süße Verlockung darstellten. "Absolut sicher." Sie benetzte ihre Lippen. "Ich sagte Ihnen bereits, es handelt sich um eine geschäftliche Angelegenheit." "In dem Fall kann ich nur sagen, ich freue mich darauf, mit Ihnen Geschäfte zu machen." Sein Blick blieb auf ihren Lippen haften. Einen Augenblick lang war sie davon überzeugt, dass er sie küssen wollte. Oder hoffte sie es nur? "Nennen Sie mir Ihren Wunsch, und wenn es in meiner Macht steht, werde ich ihn erfüllen." Nun hatte sie schon halb gewonnen. "Wirklich? Darf ich wirklich alles verlangen?" "Alles." Sie zog aus ihrer Rocktasche einen Stapel zusammengefalteter Seiten Hochglanzpapier, die sie sorgfältig glättete. "Dies sind Rezepte, die ich vor ein paar Jahren in einem Magazin entdeckt habe", erklärte sie, während sie ihm die Seiten gab. "Ich möchte, dass Sie diese
Gerichte mit mir üben. Bis Weihnachten haben Sie dafür Zeit." Er richtete sich abrupt auf und wirkte plötzlich bedrohlich. Keine Spur mehr von Sinnlichkeit. Joe starrte auf die Magazinseiten, als hätte sie ihm eine Portion Gift in die Hand gedrückt. "Verzeihung, was wollen Sie von mir?" Hat er nicht gerade eben versprochen, mir jeden Wunsch zu erfüllen, dachte Maddie. Im nachhinein gab sie Mathias recht. Sie hätte ihr Anliegen etwas behutsamer vorbringen sollen. "Ich habe Heiligabend ein Familientreffen geplant", erklärte sie in sachlichem Ton, ohne ihre Unsicherheit zu zeigen. "Und zu diesem Anlass möchte ich das Menü kochen, das in diesem Artikel beschrieben wird. Und ... und ich möchte, dass Sie mir zeigen, worauf ich achten muss." "Ich soll Ihnen das Kochen beibringen", wiederholte er. "Sie sind doch Koch, oder nicht?" fragte sie nun doch etwas verunsichert. "Mathias sagte mir, Sie ..." Joe kniff die Augen zusammen. "Fast-FoodRestaurants beschäftigen Köche. Ich bin ein
Küchenchef, Meister der französischen Kochkunst." "Verstehe." Sie hatte ihn beleidigt, wenn auch unabsichtlich. Küchenchef ... Koch ... War der Unterschied so groß? "Es ist ein ziemlich aufwendiges Menü. Deswegen hat Mathias wahrscheinlich an Sie gedacht. Meine Fähigkeiten reichen dafür nicht ganz aus." Eine fast unverschämte Untertreibung. Joe war zum Kamin gegangen. Er lehnte sich gegen den Sims und musterte sie so eindringlich, dass sie beklemmt die Beine übereinander schlug. "Warum lassen Sie sich das Essen nicht liefern?" fragte er schließlich. "Weil ich es unbedingt selbst kochen muss." "Warum?" "Um zu beweisen, dass ich es kann." "Das müssen Sie Ihrer Familie beweisen?" Er zog die Augenbrauen zusammen. "Was sind Ihre Verwandten für Menschen, wenn sie so etwas erwarten?" Sie schüttelte den Kopf. Fast hätte sie zugegeben, dass sie nicht ihre eigene Familie eingeladen hatte, doch sie besann sich. Es war nicht ratsam, ihm die genauen Zusammenhänge
zu erklären. Außerdem kannte sie ihn für derartige Vertraulichkeiten nicht gut genug. "Ich muss mir selbst beweisen, dass ich in der Lage bin, einen solchen Anlass zu meistern." "Ist das für Sie so wichtig?" "Ja", sagte sie ohne Zögern. Aber weil er immer noch nicht überzeugt schien, brachte sie noch einmal ihre Beziehungen ins Spiel. "Mr. Blackstone hat versprochen, dass Sie mir helfen. Er sagte, Sie schulden ihm etwas." Einen Augenblick lang dachte er über ihre Bemerkung nach. Dann fragte er: "Wie haben Sie Mathias kennen gelernt?" "Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Letztes Wochenende. Wie ich erfahren habe, erfüllt er vor Weihnachten immer besondere Wünsche." Joe nickte. "Weihnachtswünsche nennt er sie. Mich würde nur interessieren, wieso er Ihnen einen Wunsch geschenkt hat." "Er hat mir nichts geschenkt. Auf der Veranstaltung fand eine Auktion statt. Ich habe den Wunsch ersteigert. Mit dem Höchstgebot." Es hatte sie ein Vermögen gekostet, aber sie bereute keinen Penny. Vorausgesetzt, Joe würde ihr helfen.
Er sah sie fassungslos an. "Mathias hätte Ihnen jeden Wunsch erfüllt, und Ihnen ist nichts anderes eingefallen?" "Ich wollte Sie", bestätigte Maddie. "Warum?" "Das sagte ich doch schon. Es ist wichtig für mich." "Warum?" beharrte er. Sie seufzte. "Wir sollten diese Diskussion verschieben. Es ist schon spät, und ich muss gleich gehen." Ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, fügte sie hinzu: "Sie haben versprochen, meinen Weihnachtswunsch zu erfüllen, ganz gleich, was es ist. Ich möchte wissen ... Wollen Sie Ihr Versprechen halten? Erfüllen Sie meine Bitte, oder muss ich mir jemand anderen suchen?" "Ich erfülle Ihren Wunsch." Ihre Erleichterung war so groß, dass es eine Weile dauerte, bis sie etwas erwidern konnte. "Ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen von Herzen", murmelte sie, während sie aufstand. "Bedanken würde ich mich an Ihrer Stelle erst hinterher."
Ein kluger Rat. "Wann können wir uns treffen?" fragte sie. "Wir haben nicht mehr viel Zeit." "Als erstes müssen wir das Menü besprechen. Haben Sie morgen Abend Zeit?" "Morgen Abend wäre mir recht. Soll ich hierher kommen? Oder ..." "Kommen Sie gegen zehn in mein Restaurant. House Milano. Kennen Sie es? Es ist in der City. Oben im King Tower." Damit bestätigte er ihre schlimmsten Befürchtungen. Wie sehr hatte sie gehofft, dass Joy sich irrte und er nicht der berühmte Meisterkoch war, der die Klatschspalten füllte. Aber sie hätte es schon auf den ersten Blick erkennen können. "Ich habe von Ihrem Restaurant gehört", sagte sie leise, als sie plötzlich bemerkte, dass er auf ihre Antwort wartete. "Aber Sie sind noch nie dort gewesen?" Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. "Eine Kollegin hat mir davon erzählt." "Dann haben Sie meine Fernseh-Show auch noch nie gesehen?" erkundigte er sich neugierig.
"Leider nicht. Ich sehe nur selten fern. Aber ich wollte schon immer mal in Ihrem Restaurant essen." Verstohlen beobachtete sie, wie er auf ihre Bemerkung reagierte. Zum Glück schien er nicht beleidigt zu sein. Eher amüsiert. "Nun, kommen Sie morgen Abend vorbei. Wir besprechen dann, wie es weitergeht." Er nahm ihr Glas und schenkte an der Bar etwas Wein nach. "Trinken Sie noch ein Gläschen und genießen Sie das Feuer. Ich rufe inzwischen ein Taxi." "Bitte, machen Sie sich keine Mühe. Ich kann den Bus nehmen." "Das lasse ich nicht zu." Streiten wollte sie mit ihm nicht. Schließlich war ihr Hauptziel erreicht. Joe hatte eingewilligt, sie in die Geheimnisse der Kochkunst einzuweihen. Im Gegenzug konnte sie ruhig etwas großzügig sein. Als zehn Minuten später das Taxi eintraf, begleitete Joe sie zum Wagen und wartete, bis sie dem Fahrer die Adresse genannt hatte. "Cara, Sie haben mir immer noch nicht erklärt, warum dieses Dinner für Sie so wichtig ist", sagte er, während er den Fahrer bezahlte.
Maddie schnallte sich an. Sie fand, dass dies die geeignete Gelegenheit war, ihre künftigen Treffen ins rechte Licht zu rücken. "Es ist wichtig, weil Tupper mir an diesem Abend einen Heiratsantrag machen wird." "Tupper?" wiederholte Joe stirnrunzelnd. "Wer ist dieser Tupper?" Sie faltete die Hände in ihrem Schoß und heftete den Blick auf den Hinterkopf des Taxifahrers. "Tupper Reed. Der Mann, den ich heiraten werde." Joe schaute dem Taxi fassungslos nach, bis es in der Dunkelheit verschwand. Der Mann, den sie heiraten würde! Nein. Auf keinen Fall. Maddie Wallace wollte ihn, Joe. Er hatte es an ihren Reaktionen gesehen. Keine Frau, die ihn so wehmütig anschaute, so warmherzig anlächelte und deren Herz er förmlich pochen hörte, wenn er in ihre Nähe kam, konnte in einen Tupper Reed verliebt sein. Joe ballte die Fäuste, als ihm die Tragweite ihrer Bemerkung bewusst wurde. Zum Teufel! Er konnte diese Frau verlieren, noch bevor er eine Chance hatte, sie zu erobern.
Schließlich schüttelte er den Kopf. Das kommt gar nicht in Frage, sagte er sich entschlossen. Er würde Maddie davon überzeugen, dass sie zu ihm gehörte. Alles würde er dafür einsetzen. Denn niemand, absolut niemand durfte sich erlauben, ihm seine Frau zu stehlen. Nicht einmal ihr Verlobter. Maddie lehnte sich im Sitz zurück und seufzte erleichtert. Sehr gut. Damit waren alle eventuellen Probleme mit Joe Milano aus dem Weg geräumt. Da er nun von Tupper wusste, würde er nicht mehr mit ihr flirten. Sie konnte damit rechnen, dass er sie in Ruhe ließ. Dann würde seine unwiderstehliche Ausstrahlung sie nicht mehr irritieren. Und vielleicht würde sie dann auf seinen Anblick auch nicht mehr mit Herzklopfen reagieren. Sie musste sich ihr Ziel vor Augen halten. Niemandem würde sie erlauben, ihre Pläne zu durchkreuzen. Und schon gar nicht einem umwerfend attraktiven, italienischen Meisterkoch namens Joe Milano.
2. KAPITEL
Carta Dei Vini ...
oder
Es braut sich etwas zusammen!
Maddie verließ den Aufzug in der obersten
Etage des King Tower. Als sie die
Eingangshalle des Restaurants House Milano
betrat, hatte sie das Gefühl, in eine andere Welt
zu gelangen, ein Paradies.
Es war phantastisch. Gediegen, elegant und
kultiviert. In Joes Restaurant vereinte sich der
Charme des alten Europa mit dem Flair des
modernen Amerika.
Ein Weg aus rosa und elfenbeinfarbenem
Marmor führte zu einem imposanten gläsernen
Tresen, hinter dem ein älterer Herr in
schwarzem Smoking mit einer weißen Rose im
Revers stand. Er verneigte sich höflich, als sie
auf ihn zukam.
"Guten Abend, Miss Wallace", begrüßte er sie. "Ich bin Giorgio. Willkommen im House Milano." "Danke, Giorgio. Ich freue mich, hier zu sein." Es beeindruckte sie sehr, dass er ihren Namen kannte. Joe musste sein Personal auf ihren Besuch vorbereitet haben. Unabhängig davon fand sie es angenehm, so persönlich begrüßt zu werden. "Ich bin mit Mr. Milano verabredet." "Er erwartet Sie. Folgen Sie mir bitte." Giorgio führte sie in das elegante Restaurant mit einer kleinen Tanzfläche und einer grandiosen Aussicht auf die Skyline von Seattle. Für die wenigen Gäste, die noch übrig geblieben waren, spielte die Band einen jazzigen Klassiker von Nat King Cole. "Waren Sie schon einmal im House Milano?" erkundigte er sich. "Leider noch nicht", gab sie zu. "Es ist sehr nett hier." Er strahlte zufrieden. "Wir sind stolz auf unser Restaurant. Der beste Ort, um einen angenehmen Abend zu verbringen. Ein vorzügliches Essen, ein Glas Wein und Tanz, wenn man mag." Giorgio lächelte ihr aufmunternd zu, gar nicht nach Art eines
Oberkellners. "Sie müssen unbedingt mal zum Dinner kommen. Ich werde einen Platz für Sie reservieren." "Vielen Dank, Giorgio." Sie gingen an der Tanzfläche vorbei zu einer Bogentür, die zu einem weiteren Gastraum führte. Dieser Raum strahlte Behaglichkeit aus. Die wenigen Tische waren so arrangiert, dass jeder Gast die unvergleichliche Aussicht auf den Füget Sound genießen konnte. Niedrige Wände mit üppigen Pflanzen trennten die Tische voneinander und bildeten gemütliche Nischen. Die Musik von nebenan war noch deutlich zu hören, wenn auch leiser und weniger aufdringlich. "Diese Tische reservieren wir für die Verliebten", erklärte Giorgio mit gedämpfter Stimme. "Man kann von hier aus die Lichter der Fähren beobachten." Er begleitete sie durch den Raum und führte sie schließlich ein paar Stufen hinauf. Dort saß Joe über einen Stapel Papiere gebeugt an einem Tisch, der zweifellos der beste im ganzen Restaurant war. Er trug noch seine Kochuniform. Den Stehkragen der weißen Jacke hatte er aufgeknöpft. Das dichte,
schwarze Haar fiel ihm in die Stirn, als er sich über ein Formular beugte. Giorgio nickte Maddie väterlich zu. Dann räusperte er sich. "Ja, Giorgio? Was gibt's?" fragte Joe geistesabwesend. "Miss Wallace ist hier." Joe blickte auf und ließ den Stift fallen. Dann schenkte er ihr dieses verführerische kleine Lächeln, an das sie unentwegt hatte denken müssen, seit sie ihm begegnet war. Es hatte sie bis in den Schlaf begleitet. Geträumt hatte sie von diesem Lächeln und war stündlich aufgewacht, um ihn dafür zu verfluchen, dass er ihr bis in ihre Träume gefolgt war. Genützt hatte es allerdings nichts. Der Joe aus ihren Träumen war ebenso hartnäckig wie der Mann, der nun auf sie zukam. "Wie schön, dass Sie gekommen sind", begrüßte er sie. Bevor sie antworten konnte, ergriff er ihre Hände und küsste sie auf die Wange. Maddie atmete den unverwechselbaren Duft von Sandelholz mit einer Spur Zedernöl ein. "Wie gefällt Ihnen mein Restaurant?" "Es ist wunderschön", erwiderte sie und atmete instinktiv diesen verführerischen Duft noch
tiefer ein. Als ihr bewusst wurde, was sie tat, wich sie hastig seiner Umarmung aus. Besser, sie hielt Abstand zu ihm. Dann würde er keine Gelegenheit haben, seinen unwiderstehlichen Charme, über den er im Übermaß verfügte, spielen zu lassen. Vollständig konnte sie seinem Einfluss aber leider nicht entgehen. Und das veranlasste sie zu der provozierenden Bemerkung: "Es ist so schön, dass ich bei einem passenden Anlass gern hier essen möchte." "Mit Ihrem Verlobten, nehme ich an", gab er kühl zurück. Sie hob das Kinn. "Es ist genau der richtige Ort für eine Verlobungsfeier, finden Sie nicht?" Seine Augen wurden schmal und bedrohlich dunkel. "Glauben Sie mir, Cara", sagte er leise. "Was ich darüber denke, sollten Sie lieber nicht erfahren." Dann wandte er sich etwas lauter an Giorgio. "Cindy soll uns bitte Kaffee bringen, wenn sie frei ist." Giorgio nickte und entfernte sich. "Setzen wir uns doch aufs Sofa", schlug Joe vor, während er Maddies Arm ergriff und auf eine kleine Sitzecke am Fenster deutete. "An meinem Arbeitstisch ist es zu ungemütlich."
"Ich wusste gar nicht, dass ein Meisterkoch so viel Schreibtischarbeit erledigen muss", bemerkte sie, als Joe ihr aus dem Mantel half. Er hängte den Mantel über einen Stuhl. "Manchmal kommt es mir vor, als würde ich nichts anderes tun", sagte er mit einem spöttischen Lachen. Maddie nahm auf dem Sofa Platz, das mit weichem Seidenbrokat bespannt war. Obwohl Joe sich ans andere Ende setzte, trennte sie nur ein kleiner Zwischenraum. "Sie führen dieses Restaurant und haben Ihre eigene Koch-Show", begann Maddie. "Wo nehmen Sie die Zeit dafür her?" "Es ist nicht meine eigene Show. Ich trete nur ab und zu im Morgenprogramm auf, ein- oder zweimal im Monat. Sie würden gern eine wöchentliche Sendung mit mir machen. Aber bisher habe ich das abgelehnt." "Warum?" "Ich möchte auch noch etwas Zeit für meine Familie haben." "Sie sind verheiratet?" Maddie konnte ihren Schock nicht verbergen. "Sie haben Kinder?" "Nein, Cara", sagte er mit einem warmen, tiefen Lachen. "Ich gehöre nicht zu den
Männern, die mit einer hübschen Frau flirten und anschließend zu ihrer Ehefrau nach Hause gehen", fügte er hinzu. "Aber es macht Ihnen nichts aus, mit einer Frau zu flirten, die mit einem anderen Mann verlobt ist?" "Ich flirte mit einer Frau, die darüber nachdenkt, sich zu verloben", verbesserte er sie. "Das ist ein großer Unterschied. Es bleibt völlig harmlos, wenn ihre Gefühle ehrlich sind. Und wenn nicht..." Joe zuckte die Achseln und überließ es ihr, den Gedanken zu vollenden. Was sie allerdings vermied. "Sprachen wir nicht gerade über Ihre Familie?" erinnerte Maddie ihn. Es war der hilflose Versuch, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Tatsächlich?" Er lachte amüsiert. Zu ihrer Erleichterung widersprach er aber nicht. "Ich habe eine ziemlich große Familie. Drei Brüder, die alle verheiratet sind. Mutter, Vater und eine Menge Nichten und Neffen. Wenn ich noch mehr arbeiten würde, als ich es ohnehin schon tue, bliebe für sie keine Zeit mehr."
"Sie stehen Ihrer Familie wohl sehr nahe." Maddie hoffte nur, dass er den wehmütigen Unterton in ihrer Stimme nicht bemerkte. "Ja. Sehr. Ich bin erst vor sechs Jahren in dieses Land gekommen. Der Rest der Milanos lebt schon seit fünfundzwanzig Jahren hier. Nun versuche ich, die verlorene Zeit nachzuholen." "Sie sind allein in Italien geblieben?" fragte sie ungläubig. "Aber damals waren Sie doch noch ein Kind." "Ich war zwölf, fast schon ein Mann." Als er sah, dass diese Antwort sie nicht überzeugte, begann er zu erzählen. "Ich war der Älteste. Und weil meine Großeltern nicht auswandern wollten, musste ich mich um sie kümmern." "Deswegen blieben Sie in Italien?" "Natürlich." Joe drückte beruhigend ihre Hand. Es war ein fester Griff, dennoch spürte sie, dass er seine Kraft kontrollierte. In diesem Moment wusste sie instinktiv, dass er ihr niemals weh tun würde. "Machen Sie nicht so ein trauriges Gesicht. In jenen Jahren habe ich meine Familie hier in Seattle oft besucht. Meine Großeltern habe ich geliebt, und ich vermisse sie sehr. Zum Glück
ist meine Familie jetzt ganz in der Nähe. Sie helfen mir, über den Verlust hinwegzukommen." Er machte eine Pause und sah sie fragend an. "Jetzt sind Sie an der Reihe." "Ich glaube nicht ..." Sie hielt inne, als sie sah, wie er mit der Hand durch sein Haar strich und zusammenzuckte. "Was ist?" fragte sie besorgt. "Nichts. Nur eine harmlose Brandwunde." "Wie ist das passiert?" "Ein kleiner Unfall in der Küche. Ich bin mit der neuen Küchenhilfe zusammengestoßen. Es ist nichts Ernstes." "Brandwunden sind immer ernst." Unversehens schlüpfte sie in die Rolle der Krankenschwester, die ihr wohl vertraut war. Sie beugte sich vor und strich ihm vorsichtig das Haar aus der Stirn. "O Joe. Das tut doch bestimmt weh." Er brachte nur ein verkniffenes Lächeln zustande. "Würden Sie mir glauben, wenn ich behaupte, dass es schon viel besser ist?" "Nein. Warten Sie. Ich habe etwas dabei, was den Schmerz lindert." Sie kramte in ihrer Handtasche und holte schließlich ein kleines,
gelbes Fläschchen mit Vitamin-E-Kapseln hervor. "Halten Sie bitte das Haar zurück." "Haben Sie immer Vitamin E bei sich?" erkundigte er sich erstaunt. "Sicher." Sie öffnete eine Kapsel und drückte den Inhalt auf der Fingerspitze aus. Dann sah sie Joe an. "Ich werde vorsichtig sein." "Ich vertraue Ihnen." Er hielt still, als sie sich neben ihn aufs Sofa kniete. "Spielen Sie oft Krankenschwester?" "Früher kam es häufig vor." Nun war sie ihm so nah, dass sie seinen Atem spürte. Sie fühlte, dass er sie beobachtete, sah seine Lippen, seine dichten, schwarzen Wimpern und die goldgelben Sprenkel in seinen Augen. "Als ich jünger war, musste ich ständig irgendwen verarzten." "Sicher kommen Sie aus einer großen Familie. Sind Sie in Seattle aufgewachsen?" Maddie ignorierte seine Frage, als sie nun die Salbe auf seine Wunde auftrug. "Ich glaube, wir brauchen noch eine Kapsel. Es brennt jetzt ein wenig, aber in einer Viertelstunde ist es vorbei." "Schön. Sie wollen also nicht über Ihre Familie reden. Vielleicht über Ihre Arbeit? Was
machen Sie, wenn Sie nicht gerade Weihnachtswünsche auf einer Auktion ersteigern?" Sie brach eine weitere Kapsel auf. "Ich arbeite als Buchhalterin für eine Firma in Seattle." Aus unerklärlichen Gründen fand er diese Mitteilung amüsant. "Eine Buchhalterin? Und dieser Tupper Reed? Wäre es möglich, dass ihm die Firma gehört?" "Ja", erklärte sie knapp. "Okay. Ich bin fertig." "Danke. Das war sehr nett von Ihnen." "Nicht der Rede wert." Als sie sich wieder auf ihre Seite des Sofas setzte, brachte Cindy den Kaffee herein. Maddie nutzte diese Unterbrechung, um die Kochrezepte aus ihrer Handtasche zu nehmen. "Ich habe alle Rezepte mitgebracht. Wollen wir die verschiedenen Gänge durchsprechen?" "Wie Sie meinen", sagte Joe, während er ihr eine Tasse Kaffee reichte. Dann musterte er sie ruhig und gelassen. "Aber irgendwann werden Sie meine Fragen beantworten. Und zwar alle." Die Entschlossenheit, mit der er dies sagte, alarmierte sie. "Nur, wenn ich Lust dazu habe." "Sie werden Lust dazu haben, wenn Sie mir erst einmal vertrauen." Er gab ihr Zeit, diese
beunruhigende Bemerkung zu verdauen. "Also, mit diesem Dinner soll sowohl Weihnachten als auch Ihre Verlobung gefeiert werden, sehe ich das richtig? Sie haben sich gestern Abend etwas undeutlich ausgedrückt." Maddie zwang sich, zum Thema zurückzukommen. Es nützte nichts, wenn sie sich damit beschäftigte, was Joe irgendwann einmal wagen oder nicht wagen würde. Er konnte ihr Vertrauen schließlich nicht erzwingen, wenn sie nicht bereit war, es ihm zu schenken. Und nun kam er endlich auf den eigentlichen Anlass ihres Treffens zu sprechen. Wenn sie klug war, ging sie darauf ein. "Bisher ist es nur ein Weihnachtsessen", gab sie zu. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihn zu belügen, auch wenn sie es am liebsten getan hätte. "Ich hoffe, dass Tupper mir Weihnachten einen Heiratsantrag macht." Joe horchte auf. "Sie hoffen? Gibt es noch Zweifel?" "Nein, natürlich nicht", widersprach sie prompt, während sie eifrig ihren Kaffee umrührte. Maddie wagte es nicht, ihn anzusehen. "Wir denken schon eine Weile darüber nach."
"Sie denken darüber nach?" fragte er erstaunt.
"Was gibt es da zu überlegen? Er fragt Sie, und
Sie antworten, außer ..." Er kniff die Augen
zusammen. "Außer Sie zweifeln an Ihren
Gefühlen."
"Das tue ich nicht."
"Dieser Tupper ..." Normalerweise verlieh sein
leichter italienischer Akzent seinen Worten
einen reizvollen Klang. Aber die Art, wie er
diesen Namen aussprach, war alles andere als
melodisch. "Lieben Sie ihn?"
"Ich würde ihn nicht heiraten wollen, wenn es
nicht so wäre."
"Aber lieben Sie ihn?"
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. "Das
sagte ich gerade."
Joe legte den Kopf auf die Seite. "Nein, Cara.
Sie sagten, Sie würden ihn sonst nicht heiraten.
Das ist ein Unterschied."
Verärgert trank sie einen Schluck Kaffee.
Warum stellte er ihr unaufhörlich Fragen?
Warum zwang er ihr Themen auf, die sie nicht
ansprechen wollte? Maddie stellte ihre Tasse
langsam auf die Untertasse zurück. "Ja, ich
liebe ihn", sagte sie mit einem kühlen Lächeln.
"Tupper Reed hat alles, was ich mir von einem
Mann wünsche. Sind Sie jetzt zufrieden, Mr. Milano?" Offenbar nicht. "Und was genau wünschen Sie sich?" beharrte er. Darüber musste sie nicht lange nachdenken. "Sicherheit. Verlässlichkeit. Beständigkeit." Die Sicherheit, dass er sie niemals verließ. "Und Liebe?" drängte er weiter. "Liebe haben Sie nicht erwähnt." Sie konzentrierte sich auf die flackernden Lichter der wenigen Schiffe, die zu dieser Stunde noch verkehrten. "Das ist Voraussetzung." "Das hoffe ich für Sie." Er trank seinen Kaffee und deutete dann auf die Zeitschriftenseiten. "Zeigen Sie mal her." Erst jetzt bemerkte Maddie, dass sie die Seiten in ihrer Wut zerknittert hatte. Sie strich sie sorgfältig glatt. Auf der ersten Seite war eine weihnachtlich dekorierte, üppige Tafel abgebildet, um die sich eine Familie versammelt hatte. Die folgenden Seiten enthielten die Rezepte und Ausschnittsfotos der einzelnen Gerichte. "Ich möchte genau dieses Menü kochen", sagte sie, während sie ihm die Blätter gab.
Er überflog die Rezepte. "Welche von den Gerichten haben Sie schon gekocht?" "Nur eins oder zwei", erwiderte sie verhalten. Noch hatte sie ihn nicht in alle Probleme eingeweiht, mit denen er bei der Erfüllung ihres Weihnachtswunsches konfrontiert sein würde. Und sie wollte ihn erst aufklären, wenn sie absolut keine andere Wahl mehr hatte. "Irgendwie gelingt es mir nicht recht." "Wie viele Personen kommen zu Ihrem Dinner?" "Nicht viele. Tupper, eine seiner Schwestern mit ihrem Ehemann und natürlich seine Eltern." "Sechs also. Das ist eine gute Zahl. Genug für ein gemütliches Beisammensein und nicht übermäßig viel Arbeit." Noch einmal überflog er die Rezepte. Schließlich runzelte er die Stirn. "Einige von diesen Gerichten sollten Sie vielleicht ändern oder ganz weglassen. Ich denke, Sie sollten alles vermeiden, was in letzter Minute vorbereitet werden muss. Sonst können Sie Ihren Gästen nicht Gesellschaft leisten." "Nein", protestierte Maddie, während sie heftig den Kopf schüttelte. "Ich will dieses Menü so
servieren, wie es hier beschrieben ist. Ohne
irgendwelche Änderungen."
"Cara, seien Sie doch vernünftig ..."
"Es ist mein Ernst, Joe. Es soll genau dieses
Menü geben."
"Haben Sie diese Speisen überhaupt schon mal
gegessen?" fragte er aufgebracht.
"Sie klingen phantastisch."
"Das heißt also nein."
"Zugegeben, ich habe noch nichts davon
probiert. Aber ..."
"Dann müssen wir als erstes feststellen, ob sie
Ihnen schmecken."
Maddie sah ihn erstaunt an. "Oh. Ich dachte,
Sie würden mir jetzt erzählen, welche Speisen
mir nicht gefallen werden."
"Woher soll man wissen, ob man etwas mag,
wenn man es nicht probiert hat?" fragte er
ernst.
Allmählich hatte Maddie das unbestimmte
Gefühl, dass sie nicht mehr über die Rezepte
sprachen. "Wir können doch alles kosten,
während wir kochen."
Er schüttelte den Kopf. "Warum wollen Sie
lernen, wie man ein Gericht kocht, das Ihnen
gar nicht schmeckt?" gab er zurück. "Ich
mache Ihnen einen Vorschlag. Nächsten Sonntag haben wir geschlossen. Ich lasse meinen Bruder Renzo das ganze Menü kochen. Sie probieren die einzelnen Speisen und entscheiden danach, ob Sie wirklich keine Änderungen wollen. Einverstanden?" "Kocht er auch genau nach den Rezepten?" fragte sie besorgt. Joe lachte. "Wenn ich ihn dazu zwinge, wird er sich an die Rezepte halten. Aber natürlich entspricht das nicht unserer Gewohnheit. Unsere Kreationen stammen nicht aus dem Kochbuch." "Das war mir nicht klar", gab sie zu. "Ich fürchte, ich weiß sehr wenig über die Arbeit von Meisterköchen." "Dann wird es mir ein Vergnügen sein, Sie zu unterrichten", sagte Joe mit einer leichten Verneigung. Sie musterte ihn skeptisch, konnte aber keine Anzeichen von Ironie oder Zweideutigkeit in seinem Gesicht erkennen. Joe schien es ernst zu meinen. "Wann wollen wir mit dem Kochkurs beginnen?" Er zuckte die Achseln. "Das entscheiden wir am besten nächsten Sonntag." Er hielt die
Rezepte hoch. "Kann ich die behalten? Ich will sie Renzo geben." "Natürlich." Maddie stand auf und nahm ihre Handtasche und den Mantel. Joe folgte ihr. "Darf ich Sie nach Hause fahren?" "Vielen Dank, aber das ist nicht nötig." Sie zögerte. Mit dieser plötzlichen Unsicherheit hatte sie selbst nicht gerechnet. Wie lächerlich, dass ich mich mit meinen achtundzwanzig Jahren wie ein Schulmädchen benehme, dachte sie verärgert. "Also, dann gehe ich jetzt. Wir sehen uns nächsten Sonntag." Bevor sie die Flucht ergreifen konnte, hielt er sie zurück. Mit einem einzigen Wort. "Cara." Maddie drehte sich langsam zu ihm um, als hätte sie Angst, seinem Blick zu begegnen. Er sah sie mit unverhohlener Begierde an, so klar und tief und aufrichtig, dass sie instinktiv einen Schritt zurückwich. Dennoch konnte sie der Versuchung kaum widerstehen, diesen Blick zu erwidern. "Joe", flüsterte sie. "Bitte nicht." Er lächelte, als er sie zu sich heranzog. "Ich würde Ihnen niemals weh tun. Wenn Sie Tupper wollen, sollen Sie Tupper haben." Er umfasste ihr Gesicht und strich zärtlich mit
dem Daumen über ihr Kinn. Dann beugte er sich vor, bis sie seinen Atem auf ihren Lippen spürte. "Aber ich glaube nicht, dass Sie ihn wollen." Sie war versucht, sein Angebot anzunehmen. Wenn sie sich nur ein kleines Stückchen vorbeugte, konnte sie ihn küssen. Fast spürte sie seine Lippen schon auf ihrem Mund. Doch im letzten Moment siegte die Vernunft. Mit einem unverständlichen Murmeln löste sie sich aus seiner Umarmung. "Sie irren sich", sagte sie mit zittriger Stimme. "Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt gehen." Joe trat einige Schritte zurück und ließ ihr den Raum, den sie so dringend zum Atmen brauchte. "Wenn Sie unbedingt müssen ... Ich erwarte Sie am Sonntag." Er zog die Augenbrauen hoch. "Ist sieben Uhr recht?" "Ich ..." Verzweifelt schloss sie die Augen. Sie hatte doch keine Wahl. Wenn sie Tuppers Familie Weihnachten bewirten wollte, brauchte sie Joes Hilfe. "Vielen Dank. Ich bin um sieben hier." Ohne ihm Gelegenheit zu geben, sie noch einmal in Versuchung zu führen, drehte sie sich um und verließ mit festem Schritt den Raum.
"Hast du den Verstand verloren?" zischte Renzo. "Du willst, dass ich ein Menü nach Zeitungsrezepten koche? Vergiss es." "Du bist es mir schuldig", beharrte Joe in schroffem Ton. "Du schuldest mir viel mehr als ein einfaches Dinner." "Das Dinner würde ich dir nicht abschlagen. Ich weigere mich aber, die Rezepte zu benutzen." Renzo überlegte einen Moment. "Was hältst du von dieser Idee? Du lädst deine Freundin in mein Restaurant ein, und ich koche euch ein Essen, an das ihr euch noch nach Jahren erinnern werdet." "Dein Angebot ist nett gemeint, aber es löst meine Probleme nicht." Joe hielt die Magazinseiten hoch. "Ich brauche jemanden, der dieses Menü so kocht, wie es hier beschrieben ist." Demonstrativ verschränkte Renzo die Arme vor der Brust. "Wenn es so wichtig für dich ist, dann koch es doch selbst." "Da ich mit der fraglichen Dame essen werde, scheidet diese Möglichkeit aus. Komm schon, Renzo", versuchte Joe es mit dem letzten Rest seiner Geduld. "Diese Frau bedeutet mir sehr viel."
Renzo machte eine abfällige Handbewegung. "Dir bedeuten alle Frauen viel." "Dann willst du mir also nicht helfen?" fragte Joe. "Du willst deiner zukünftigen Schwägerin diesen einen Wunsch abschlagen?" "Ja. Ich habe nicht vor ..." Renzo sah ihn mit offenem Mund an. "Warte mal. Was hast du eben gesagt?" "Natürlich hat sie nicht eingewilligt, noch nicht. Ich muss sie noch überzeugen." Renzo schüttelte ungläubig den Kopf. "Du meinst, diese Frau hat sich noch nicht in dich verliebt? Unfassbar." In diesem Moment brachte Dona Milano den Tee herein. "Was ist los?" fragte sie. "Habe ich mich verhört, oder hat jemand Guiseppe und Heirat in einem Atemzug genannt?" Joe umarmte seine Mutter lachend. "Du hast ein bewundernswertes Gehör. Besonders wenn man bedenkt, dass weder mein Name gefallen ist noch das Wort Heirat." "Du hast gesagt, du willst dafür sorgen, dass Renzo eine Schwägerin bekommt", widersprach sie. "Was muss ich noch mehr hören?"
"Okay. Ja, ich habe eine Frau getroffen, die ich heiraten will." Er zwickte ihr in die Wange. "Macht dich das glücklich?" "Du willst tatsächlich heiraten?" vergewisserte sie sich freudestrahlend. "Du willst mich nicht nur necken?" "So etwas würde ich doch nicht tun", sagte Joe sanft. "Ich meine es ernst." Renzos Augen funkelten amüsiert. "O ja, er meint es ernst. Nur die Lady, um die es geht, ist sich nicht sicher. Sie scheint Joes Gefühle nicht zu erwidern." "Nein! Das kann nicht sein!" sagte Dona ungläubig. "Alle Frauen sind verrückt nach dir." Joe zuckte die Achseln. "Und sie weigert sich nicht nur, ihre Gefühle einzugestehen, sondern hofft auch noch, ihren Boss zu heiraten. Einen Buchhalter namens Tupper Reed." "Du machst Witze", neckte ihn Renzo. "Sie will irgendeinen Typen namens Tupper heiraten, wenn sie dich haben kann?" Joes knappe Antwort brachte seinen jüngeren Bruder zum Schweigen. "Sie ist verwirrt. Sie will diesen anderen Mann nicht. Sie redet es sich nur ein."
"Und du hast die Absicht, sie aus ihrer
Verwirrung herauszuholen", folgerte Dona
Milano sanft. "Wie großzügig von dir."
Joe zwinkerte seiner Mutter zu. "Ja, das habe
ich vor", sagte er.
"Guiseppe", begann sie mit erhobenem
Zeigefinger.
Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Ich
würde keinen Ärger mit diesem zukünftigen
Verlobten anfangen, wäre da nicht eine
entscheidende Kleinigkeit."
Dona sah ihren Sohn kopfschüttelnd an. "Und
welche Kleinigkeit sollte das sein?"
"Die Lady liebt mich. Sie weiß es nur noch
nicht", erklärte er überzeugt. "Aber sie wird es
herausfinden. Und zwar bis Weihnachten."
"So schnell?" fragte Dona bewundernd.
"Aber natürlich." Er grinste fröhlich in die
Runde. "Wie sollten wir sonst bis Neujahr
heiraten?"
"Nun sag schon, wie ist er?"
Maddie wich Joys Blick aus. "Du hast doch
seine Show gesehen", sagte sie achselzuckend.
"Seine Show kennt jeder", brauste Joy auf.
"Aber wie ist er im wirklichen Leben? Ich will
Einzelheiten, Mädchen."
Als Maddie daran dachte, dass sie Joe beinah
geküsst hätte, seufzte sie innerlich. Joy musste
diese Art von Einzelheiten nicht erfahren. Ganz
bestimmt nicht. "Er ist charmant."
"Ich wusste es. Ich wusste es einfach." Joy
stöhnte. "Ich bin so eifersüchtig. Du musst mir
alles erzählen. Hat er sich an dich
herangemacht?"
"Joy!"
"Na ja, du sagst, er ist charmant", verteidigte
sich Joy. "Du darfst es mir nicht übel nehmen,
wenn ich mich frage ... wie charmant er war."
"So charmant jedenfalls nicht. Außerdem will
ich Tupper heiraten."
"Ja, ich weiß." Joy knabberte an ihrer Lippe,
während sie Maddie zögernd ansah. "Bist du ...
ich meine, bist du sicher, dass du Tupper
immer noch willst? Es ist völlig in Ordnung",
fügte sie hastig hinzu. "Tupper ist ein netter
Typ. Freundlich, erfolgreich. Ein richtiger
Schatz. Aber im Vergleich zu Joe Milano ..."
In diesem Moment öffnete Tupper die Bürotür. "Maddie?" Er sah zu ihr hinüber. "Kann ich dich kurz sprechen?" Es war Maddie nur recht, dass sie den Fragen ihrer Kollegin auf diese Weise entkommen konnte. Sie lief in sein Büro und schloss eilig die Tür hinter sich, bevor sie ihn spontan umarmte. Vor sechs Monaten, als sie sich privat nähergekommen waren, hatten sie beschlossen, Beziehung und Arbeit strikt voneinander zu trennen. Aber Maddie brauchte die Berührung in diesem Moment, damit sie nicht vergaß, dass Tupper der Mann war, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Dies war der Mann, den sie liebte. Zweifel gab es daran nicht. Es durfte keine geben. "Alles in Ordnung?" fragte Tupper besorgt. Seine Stimme war ein angenehmer Tenor ohne die geringste mediterrane Melodie. Als sie sich von ihm löste und in seine blauen Augen schaute, wurde ihr bewusst, dass er nur wenig größer war als sie. Zu ihm brauchte sie nicht so aufzuschauen wie zu Joe Milano, der sie um einiges überragte. Sie brauchte auch nicht zu
befürchten, dass Tupper sie mit dem Duft von Sandelholz und Zedernöl verführte. "Ich wollte dich nur kurz in den Arm nehmen", erklärte sie, während sie ihm das feine, blonde Haar aus der Stirn strich. Sein Haar war weder dicht noch schwarz noch wellig, und es fühlte sich auch nicht wie Seide an. Tupper hatte wichtigere Qualitäten. Er bot ihr Sicherheit und Beständigkeit. Und das bedeutete ihr doch mehr als alles andere, oder? "Ich werde dich in den nächsten zwei Wochen vermissen." "Du weißt, ich hätte viel lieber dich und nicht Joy nach Spokane mitgenommen", erwiderte er. "Bist du sicher, dass du gerade jetzt Urlaub nehmen willst?" "Ja, da ist nichts zu machen." Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Aber wenn du zurück bist, dauert es nur eine Woche, dann ist Weihnachten." "Da hast du recht." Er küsste sie auf die Nasenspitze. "Es ist wirklich sehr nett von dir, meine Familie zum Dinner einzuladen. Ich danke dir. Sie ist ja nur diese eine Woche in Seattle und ..." "Du brauchst mir nicht zu danken. Ich tue es gern."
"Ich habe ihnen erzählt, wie phantastisch du
kochen kannst. Mom sagt immer ..."
"Ich weiß", unterbrach Maddie ihn. "Heirate
ein Mädchen, das sein Handwerk in der Küche
versteht, und die Ehe wird glücklich." Diesen
Zusammenhang hatte sie zwar nie gesehen,
aber das musste sie Tupper ja nicht unbedingt
erzählen.
"Darüber brauchst du dir den Kopf nicht zu
zerbrechen. Du zauberst doch im
Handumdrehen die köstlichsten Speisen."
"Du würdest schockiert sein, wenn du wüsstest,
wie ich das mache", sagte Maddie, ohne ihn
anzusehen.
"Keineswegs", widersprach er prompt. "Du bist
einfach eine wundervolle Köchin."
"Hör zu, Tupper. Ich muss dir etwas erklären
..."
"Nein, nein. Sag mir nicht, wie du es anstellst.
Manche Dinge sollten besser ein Geheimnis
bleiben."
"Bist du sicher, dass dies dazu gehört?"
"Absolut. Jetzt lass uns an die Arbeit gehen,
sonst fangen die Leute noch an zu reden." "Ja,
natürlich", murmelte sie.
"Was will sie?" fragte Dona fassungslos.
"Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit",
wiederholte Joe. "Interessant, findest du nicht?"
"Das wollen doch die meisten Frauen",
erwiderte seine Mutter ausweichend. Trotzdem
runzelte sie besorgt die Stirn. "Frag deine
Schwägerinnen. Sie werden mir zustimmen."
Joe zog eine Augenbraue hoch. "Du meinst, sie
finden diese Dinge wichtiger als Liebe? Hättest
du geheiratet, nur um Sicherheit zu haben?"
Dona seufzte. "Du weißt, dass ich das nicht
getan hätte."
"Und Maddie sollte es auch nicht."
"Bist du sicher, dass sie sich für dich
interessiert?" wollte Dona wissen. "Ich meine,
vielleicht ist es nur Wunschdenken."
Er dachte daran, dass sie sich schon bei ihrer
ersten Begegnung beinah geküsst hätten.
"Glaub mir, ich weiß, wann eine Frau Feuer
gefangen hat." Und Maddie Wallace hatte
Feuer gefangen. Er hatte die Sehnsucht in ihren
Augen gesehen ... ebenso wie die Angst.
"Dann gibt es nur eine Möglichkeit", begann
Dona entschlossen. "Du musst herausfinden,
warum ihr diese Dinge soviel bedeuten. Und
dann musst du beweisen, dass auch du ihr all
dies geben kannst, und zwar besser als dieser Tupper Reed." "Natürlich kann ich ihr Sicherheit bieten", gab Joe aufgebracht zurück. "Und ich bin äußerst zuverlässig." "Das weiß sie aber nicht. Vor allem nicht, wenn sie den Klatsch in den Zeitungen über dich liest. Sie wird einen anderen Eindruck von dir bekommen." Dona verschränkte die Arme und sah ihn grimmig an. "Du musst zugeben, dass es in deinem Leben nicht wenige Frauen gab." "Wie hätte ich sonst die Richtige finden sollen?" verteidigte er sich. Sie schnalzte zornig mit der Zunge. "Hör zu, Guiseppe. Ich verzeihe es dir nie, wenn du diesem Mädchen das Herz brichst. Du wirst erst einmal herausfinden, ob sie dich wirklich will, oder ob du es dir nur einbildest." "Sie gehört zu mir", erklärte Joe entschlossen. "Genau wie ich zu ihr gehöre. Für Zweifel kann es nur einen Grund geben. Angst." "Viele Menschen treffen aus Angst eine schlechte Entscheidung", warnte Dona besorgt. "Manche heiraten aus Angst sogar den falschen Mann."
"Dann muss ich bis Weihnachten ihre Ängste ausräumen und beweisen, dass ich der Richtige für sie bin." Er schob das Kinn vor. "Genau das werde ich tun. Mein Ehrenwort darauf. Ich habe zu lange auf diese Frau gewartet, als dass ich sie jetzt aufgeben würde. Ich schwöre dir, bis Neujahr hast du eine neue Schwiegertochter."
3. KAPITEL
Antipasto Milano ... oder Pikante Vorspeise "Guten Abend, Miss Wallace." Giorgio empfing Maddie schon am Aufzug. "Willkommen im House Milano. Wir freuen uns, dass wir Sie so schnell wieder sehen." "Ich dachte, das Restaurant ist heute geschlossen", erwiderte Maddie stirnrunzelnd. "Sagen Sie nicht, dass Joe Sie heute Abend arbeiten lässt." "Wir arbeiten sonntags fast alle. Tagsüber bieten wir ein Sektfrühstück an, und zu besonderen Anlässen haben wir auch abends geöffnet." "Aber heute ist doch kein besonderer Anlass", protestierte sie. "Joe und sein Bruder probieren nur ein paar Rezepte für mich aus."
"Es ist mir eine Freude, Sie zu bedienen", sagte Giorgio mit einer formalen Verbeugung. "Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen? Ich zeige Ihnen gleich Ihren Tisch." Zögernd knöpfte Maddie ihren Mantel auf. Was sollte das bedeuten? Ein besonderer Anlass ...? Der Oberkellner machte Überstunden, um sie zu bedienen? Was dachte sich Joe dabei? Sie war von einem zwanglosen Abend ausgegangen, der dazu diente, das Weihnachtsdinner auszuprobieren. Statt dessen wurde sie empfangen wie ... Ihre Augen weiteten sich. Hatte Joe vor, sie zu verführen? Nein, das war ausgeschlossen. Sie durfte die Situation nicht überinterpretieren. Gut, dass ich wenigstens angemessen gekleidet bin, dachte sie, als Giorgio ihr den Wollmantel abnahm. Ursprünglich wollte sie eine Hose anziehen, hatte ihre Meinung aber in letzter Sekunde geändert und trug nun einen dunkelroten Rock mit einer Seidenbluse im gleichen Farbton. Giorgio führte sie durch das Restaurant, das kaum beleuchtet war. Nur die Bühne war angestrahlt, ein Streichquartett spielte einen Walzer.
"Lässt Joe seine Musiker immer vor leeren Tischen spielen?" fragte sie spöttisch. Er erlaubte sich ein mattes Lächeln. "Aber das Restaurant ist doch nicht leer", widersprach er, während er zu Joes Tisch deutete. "Bitte, Mr. Milano erwartet Sie." Unsicher ging Maddie die Stufen hinauf und blieb oben wie angewurzelt stehen. Was Joe vorbereitet hatte, war einfach überwältigend. Nur ein einziger Tisch im ganzen Raum war beleuchtet, Joes Tisch, und zwar mit Kerzenlicht, das eine festliche Stimmung verbreitete. Jemand hatte sich mit der Tischdekoration große Mühe gegeben. In einem Sektkühler stand Champagner bereit. Die schneeweißen Damastservietten waren kunstvoll zu Schwänen gefaltet und schmückten Porzellanteller mit zartem Goldrand. Zwischen glitzerndem Tafelsilber und Kristallschalen standen flache Gefäße mit Miniaturefeu und weißen Gardenienblüten. Es ist märchenhaft, dachte Maddie, als sie entzückt an den Tisch herantrat. Und dann begriff sie plötzlich. Der Tisch war genau wie auf den Fotos gedeckt. In jeder Einzelheit. Aber warum machte Joe sich soviel
Mühe? Er konnte unmöglich wissen, was ihr diese Fotos bedeuteten. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Der Tisch hatte sie so in den Bann gezogen, dass sie ihren Gastgeber völlig vergessen hatte. Sie blickte sich im Raum um und entdeckte ihn schließlich. Mit verschränkten Armen stand er am Fenster, den Rücken zu ihr gewandt. Er trug einen schwarzen Anzug. Anscheinend hatte er sie nicht kommen hören, denn er drehte sich nicht um. Maddie musterte ihn von oben bis unten. Er sah umwerfend aus. Groß, schlank und kräftig. Das Jackett betonte seine breiten Schultern. Auch wenn Tupper ein ganzes Jahr lang im Kraftraum trainiert, erreicht er Joes Figur nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Joe verfügte außerdem über eine angeborene Eleganz, die kaum zu kopieren war. Im Fenster spiegelte sich sein Gesicht. Ein beinah zu perfektes Gesicht, wären da nicht die leicht gekrümmte Nase und das energische Kinn gewesen. Und dieser sinnliche Mund ... Maddie bekam eine Gänsehaut, als sie sich vorstellte, ihn zu küssen. Bei ihrem letzten
Besuch wäre es fast dazu gekommen. Vielleicht diesmal ... Unsinn, ermahnte sie sich, während sie den Blick auf seine Augen richtete. In diesem Moment wurde ihr schlagartig klar, dass er sie die ganze Zeit im Fenster beobachtet hatte. Sekundenlang standen sie regungslos da und schauten sich an. "Der Tisch ist ein Traum", versuchte sie schließlich den Bann zu brechen. "Vielen Dank." "Gern geschehen." Er kam auf sie zu. Maddie rührte sich nicht von der Stelle. Sie konnte und wollte sich nicht bewegen. Joe blieb vor ihr stehen und ließ ihr Haar durch seine Finger gleiten. "Sie tragen es heute offen. Es ist wunderschön." Sie zuckte die Achseln. "Ich trage es offen, weil heute Sonntag ist." "Tragen Sie es sonntags immer offen?" fragte er lächelnd. "Samstags und sonntags. Manchmal auch Freitagabend." Das schien seine Neugier zu erwecken. "Und unter der Woche binden sie es zusammen?" "Immer."
"Gibt es keine Ausnahmen?"
"Nein", erwiderte sie ernst.
"Vielleicht kann ich Sie dazu bringen, von
diesem Prinzip abzuweichen. Meinen Sie, es
würde mir gelingen?"
"Keine Chance. Sehen Sie, ich habe gern
Ordnung in meinem Leben. Ordnung ist ...
verlässlich."
Seine dunklen Augen begannen zu funkeln.
"Und Verlässlichkeit bedeutet Ihnen viel?"
"Sehr viel."
"Ich bin verlässlich."
"Flirts sind nie verlässlich."
"Ich bin kein Flirt."
Fast unmerklich zog sie die Augenbrauen hoch.
Wie gern wollte sie ihm glauben. Und sie hätte
ihm wohl auch vertraut, wäre ihr Vater anders
gewesen. Aber Profit Wallace glich Joe in zu
vieler Hinsicht. Auch er war ein
gutaussehender Mann gewesen, der an jedes
Wort glaubte, das er sagte.
Für eine kurze Zeit wäre ein Leben mit Joe
wundervoll. Aufregend, spannend und voller
Freude. Doch dann würde es abrupt enden. Die
Realität würde über sie hereinbrechen, und
seine Version von der Wahrheit würde sich wie
die Launen des Wetters ändern. Eine andere Frau würde seine Aufmerksamkeit erregen, gerade so wie sie es bei ihrem Vater nur allzu oft erlebt hatte, und die Jagd nach der wahren Liebe würde von vorn beginnen. Und sie, Maddie, würde allein zurückbleiben. Sie schloss die Augen. Die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Männern war zu groß, um sie zu ignorieren. Joe umfasste ihr Kinn. "Sie glauben mir nicht, stimmt's?" fragte er, während er ihren Kopf hob, damit sie ihm in die Augen schaute. "Sie glauben, ich spiele mit Ihnen." Maddie betete, dass er nicht merkte, wie gern sie sich in seine Arme geschmiegt hätte. In diesem Augenblick mobilisierte sie alle Instinkte, die sie vor einem Fehler bewahren konnten. Sie musste Herr dieser Situation werden, bevor sie außer Kontrolle geraten konnte. "Ich glaube, wir sollten jetzt das Essen probieren", schlug sie vor, während sie sich von ihm löste. "Deswegen sind wir doch hier." Er lächelte amüsiert. "Nein, Cara. Sie sind deswegen hier." "Aha. Und aus welchem Grund sind Sie hier?"
"Ich bin Ihr Weihnachtsgeschenk. Haben Sie das vergessen?" Damit trat er an den Tisch, um einen Stuhl hervorzuziehen. "Die Vorspeise wird sofort serviert. Trinken Sie ein Glas Champagner mit mir? Er steht zwar nicht auf dem Speiseplan, den Sie mir gegeben haben, aber ich hoffe, Sie lassen diese kleine Abweichung zu." "Ja, gern", sagte sie. Dann fügte sie bewusst hinzu: "Tupper und ich trinken selten Alkohol. Aber vielleicht sollte ich Weihnachten ein Glas Wein anbieten." "Ausgezeichnete Idee. Schließlich wollen Sie auf Ihre Verlobung anstoßen. Falls Sie Ihre Pläne nicht noch ändern." Sie blickte ihn kühl an. "Natürlich nicht. Warum sollte ich?" "Nun, das ist eine interessante Frage", erwiderte er mit einem Funkeln in den Augen. "Wir sollten in den nächsten Wochen ausführlicher darüber reden." "Ich glaube kaum ..." In diesem Moment kam Giorgio herein und servierte die Vorspeise. "Limonenlachs und Pate Americano", klärte er sie auf. "Die Suppe
kommt gleich. Guten Appetit." Er entfernte sich so diskret, wie er gekommen war. "Halten Sie wirklich zwei Vorspeisen für notwendig?" fragte Joe. "Das Dinner hat so viele Gänge, dass man auf eine Vorspeise verzichten kann. Ich schlage vor, Sie suchen sich die beste aus." Maddie war nicht bereit, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Und Joe musste dies inzwischen auch begriffen haben. Andererseits reichten ihre Kochkünste kaum für eine Vorspeise aus. "Wir probieren beide und entscheiden hinterher", erwiderte sie diplomatisch. Dann bediente sie sich spontan von der nächstgelegenen Platte. Doch kaum hatte sie die Gabel in den Mund geschoben, traten ihr die Tränen die Augen. Der Lachs schmeckte grauenvoll, unerträglich scharf und beißend. Sie zwang sich, den Happen hinunterzuschlucken. Joe konnte sein Grinsen nicht verbergen. "Stimmt etwas nicht, Cara?" "Es ist ..." Sie schüttelte sich und spülte den Geschmack mit einem halben Glas Wasser hinunter. "Es ist scharf."
"Aber natürlich. Haben Sie das Rezept nicht gelesen? Es verlangt Chili. Viel Chili, wenn ich mich recht erinnere." "Ich glaube, die Stelle habe ich übersehen." Sie starrte auf den so harmlos aussehenden Lachs. "Und Ihr Bruder hat vergessen, ihn zu kochen." "Keineswegs. Der Fisch wird in Limonensaft, Gewürzen und Öl mariniert. Die Säure gart den Lachs." Er nahm sich eine große Portion und probierte selbst. Zu ihrem Erstaunen verzog er keine Miene, sondern nickte wohlwollend. "Vielleicht soll er so schmecken." Um den unangenehmen Geschmack zu neutralisieren, trank Maddie einen Schluck Champagner. "Ich verlasse mich auf Sie." "Und Ihr zukünftiger Bräutigam? Was meinen Sie, wird ihm der Lachs schmecken?" Sie schüttelte langsam den Kopf. "Das glaube ich kaum. Wir lassen den Fisch wohl besser weg." "Das Probeessen war doch eine gute Idee", bemerkte er mit einem zufriedenen Lächeln. Maddie mochte sich gar nicht ausmalen, wie das Weihnachtsfest verlaufen wäre, wenn sie Tupper und seiner Familie diesen Lachs
serviert hätte. "Eine sehr gute Idee", stimmte
sie zu. "Ich bin froh darüber."
"Freut mich. Probieren Sie die Pastete. Sie wird
Ihnen besser gefallen." Er runzelte
nachdenklich die Stirn. "Etwas fade, aber das
ließe sich ändern."
Maddie probierte und war angenehm
überrascht. "Keine Änderungen", befahl sie.
"Ich möchte die Speisen genau nach den
Rezepten herstellen."
"Warum? Die Pastete ist nicht schlecht, aber
mit etwas Schinken, Mandeln und vielleicht
einigen Pilzen kann man sie noch verbessern.
Warum wehren Sie sich dagegen?"
"Ich habe dieses Dinner seit langem geplant.
Und es soll alles genauso sein, wie es in dem
Artikel beschrieben ist."
Er seufzte. "Sie sind eine eigenwillige Frau,
Maddie Wallace."
"Ich weiß nur genau, was ich will."
"Irrtum. Sie glauben es zu wissen."
"Lassen Sie mich raten. Sie wissen es besser?"
"Ich weiß mit Sicherheit, dass die Pastete
verfeinert werden kann. Was Sie betrifft ..." Er
dachte einen Moment nach. "So gut kenne ich
Sie nicht. Aber ich hoffe, das wird sich bald ändern." Sie schüttelte den Kopf. "Das gehört nicht zu unserer Abmachung. Sie sollen mir das Kochen beibringen. Mehr nicht." "Ich habe versprochen, Ihren Weihnachtswunsch zu erfüllen. Darauf haben Sie mein Wort." Der Blick, mit dem er sie nun ansah, machte sie nervös. "Warum beruhigt mich das nicht?" "Ich habe keine Ahnung." Unverschämter konnte niemand lügen. "Sie sind unmöglich!" Die Spannung zwischen ihnen löste sich, als er leise lachte. "Hartnäckig vielleicht, aber nicht unmöglich." Er lehnte sich zurück, als Giorgio mit den Suppen hereinkam. "Zwei Vorspeisen und zwei Suppen? Darf ich vorschlagen ..." "Ich weiß", unterbrach sie ihn. "Wir suchen die beste aus." "Eine kluge Entscheidung, Cara", neckte er sie. Sie brauchten nicht lange zu diskutieren. Die Seafood-Suppe erwies sich für ein Festessen als zu scharf. Also machte die MettbällchenÜberraschung das Rennen. "Und es sieht aus,
als wäre es ganz leicht zu kochen", bemerkte sie erleichtert. "Es ist nicht schwierig." Er musterte sie neugierig. "Warum machen Sie sich soviel Gedanken darüber?" Unter keinen Umständen wollte sie ihm die Wahrheit zu früh verraten. "Ich glaube, die Beschreibung klang kompliziert. Aber es wird doch keine Probleme geben, oder?" "Dieses Dinner bedeutet Ihnen viel?" "Sehr viel." "Dann betrachten Sie mich als Ihre Versicherung. Wenn nötig, können wir alles vereinfachen." Um ihren Widerspruch im Keim zu ersticken, fragte er hastig: "Wie viele Salate sind vorgesehen?" Maddie lachte. "Sie haben Glück. Nur einer." Aber gerade dieser eine machte ihr Sorgen. Giorgio brachte ihn auf einem Wagen zusammen mit einem kleinen Gaskocher herein. "Dieser Salat nennt sich feuriger Spinat", sagte er, während er den Kocher anzündete. "Und er ähnelt einer unserer Hausspezialitäten." Während er sprach, füllte er den Inhalt zweier Schalen in eine Pfanne.
"Wie soll ich das zu Hause servieren?" fragte Maddie nervös. Joe ergriff ihre Hand. "Keine Sorge. Es ist ganz einfach. Sie erhitzen die Zutaten schon in der Küche und fügen den warmen Brandy hinzu. Dann bringen Sie alles ins Esszimmer und entzünden die Sauce vor Ihren Gästen. Mit etwas Übung kriegen Sie den Bogen schon raus." "Es wird Ihnen gelingen, Miss Wallace", fügte Giorgio hinzu. "Schauen Sie her, wie einfach es ist." Er entzündete die Brandysauce und goss das flammende Dressing über den Spinat. Als die Flammen verschwunden waren, mischte er den Salat und servierte ihn. "Noch einen Wunsch, Mr. Milano?" "Danke, Giorgio, alles in Ordnung." Mit einem Kopfnicken entfernte sich der Oberkellner. Der Salat stellte Maddie in jeder Hinsicht zufrieden. Schon die Art des Servierens war ein Erlebnis, und der Geschmack unübertrefflich. Wenn es ihr gelang, den Salat zu flambieren, ohne das Haus in Brand zu setzen, würden Tupper und seine Familie beeindruckt sein.
"Ich habe mir die Rezepte genau angesehen",
begann Joe, während er die Gläser nachfüllte.
"Auch die Fotos."
Etwas in seiner Stimme ließ sie besorgt
aufmerken. "Und?"
"Die Rezepte scheinen ziemlich alt zu sein."
Sie zuckte die Achseln. "Das stimmt. Ich habe
sie aus einer Zeitschrift ausgeschnitten, als ich
noch ein Kind war."
"Sie haben sie all die Jahre aufbewahrt?" fragte
er bewundernd. "Warum?"
"Weil ..." Sie zögerte und suchte nach
passenden Worten. "Weil es das perfekte
Weihnachtsdinner ist. Ich habe mir immer
gewünscht, dieses Menü nach zu kochen."
"In Ihrer Familie gab es solche Dinner nicht?"
erkundigte er sich sanft.
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, auch nur
einen Laut hervorzubringen.
"Kommt Ihre Familie Weihnachten auch zu
Ihnen?" fragte er weiter.
Wieder schüttelte sie den Kopf. Dann nahm sie
einen Schluck Champagner. "Das Essen ist nur
für Tuppers Familie", brachte sie schließlich
hervor.
Joe seufzte nachdenklich. "Verzeihen Sie, Cara. Ich wollte Sie nicht mit unangenehmen Fragen belästigen. Es hat mich nur interessiert, warum Sie diese Rezepte so lange aufbewahrt haben. Was gefällt Ihnen so sehr an diesem Dinner?" "Ich weiß es nicht genau." Selbst für ihre Ohren klangen diese Worte wie eine Ausrede. Sie vermied es, ihn anzusehen, als sie hinzufügte: "Die Rezepte klingen phantastisch, und die Fotos sind sehr schön." "Zweifellos sind es schöne Fotos. Ein hübsch gedeckter Tisch ..." Er lehnte sich zurück und ließ den Champagner in seinem Glas kreisen. "Könnte es vielleicht die Familie sein, die Sie so fasziniert?" "Unsinn." "Warum? Es gibt dem Foto einen besonderen Reiz. Der gut aussehende Familienvater im Smoking ... Die engelhafte Ehefrau im sittsamen Abendkleid ... Vier süße Kinder in Samt und Spitze gekleidet ..." "Es ist nur ein Foto", wehrte sie ab. "Aber es regt Hoffnungen und Träume an." Er nahm eine Blüte aus der Schale und trocknete den Stängel mit seiner Serviette ab. Als er die
Blüte in ihr Haar steckte, streichelte er zärtlich ihre Wange. "Sie sagten, in Ihrer Familie gab es nie so ein Weihnachten wie auf dem Foto. Warum nicht?" Maddie schloss die Augen. Der süße Duft betörte ihre Sinne. Wenn er doch nur aufhören würde, sie zu streicheln. "Aus keinem besonderen Grund." "Warum haben Sie Weihnachten nie so gefeiert?" drängte er weiter. "Joe, bitte hören Sie auf." "Ich möchte doch nur wissen, warum dieses Foto Sie mit soviel Sehnsucht erfüllt." Sie wollte es ihm nicht erzählen, bestimmt nicht. Aber etwas in seinen Augen, dieser liebevolle, besorgte Blick überredete sie dazu. "Ich möchte Weihnachten einmal so feiern, wie ich es als Kind nie erlebt habe", hörte sie sich sagen, "Meine Mutter starb, als ich fünf war." Es dauerte einen Moment, bis sie die Tränen unterdrückt hatte und die schmerzliche Wahrheit aussprechen konnte. "Ich kam ins Heim und hatte nie ein richtiges Weihnachtsfest ... mit meiner eigenen Familie, im eigenen Haus, mit den Menschen, die ich lieb habe."
4. KAPITEL
Zuppa e Insalata oder Vorsicht, heiß! Joe sagte kein einziges Wort. Er ging um den Tisch herum und nahm ihre Hand. Noch nie hatte Maddie sich so behütet gefühlt. Joe führte sie auf die Tanzfläche, wo das Quartett den Walzer aus dem Ballett Dornröschen von Tschaikowsky spielte. Er umfasste ihren Rücken, und sie begannen sich im Dreivierteltakt der Musik zu drehen. Nach einer Weile beugte er sich zu ihr, so dass sie seinen Atem an ihrer Schläfe spürte. "Erzählen Sie mir von Ihrem Vater, Cara." "Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er konnte sich nicht um mich kümmern", erklärte sie mit emotionsloser Stimme. "Er hat sich immer nur
um sich selbst gekümmert. Letztes Jahr ist er
gestorben."
"Verstehe." Umsichtigerweise verschonte er sie
mit Beileidsbekundungen. "Das erklärt, warum
Sie so oft Krankenschwester spielen mussten.
Es waren nicht Ihre Geschwister, sondern die
anderen Kinder im Heim."
"Im Heim lernt man ziemlich viel."
"Zum Beispiel?"
Sie zuckte die Achseln. "Haare schneiden kann
ich besser als ein Friseur, den Jüngeren habe
ich Nachhilfe in Mathematik gegeben, und ich
weiß, wie man ein Baby badet."
"Sie haben also die Verantwortung
übernommen."
"Irgend jemand musste es tun. Und mir hat es
nichts ausgemacht.".
"Und weil Ihr Vater so unzuverlässig war,
wollen Sie jemanden heiraten, der Ihnen eine
sichere Zukunft bieten kann."
Es war hart, die Wahrheit zu akzeptieren,
geschweige denn sie auszusprechen. "Mag
sein, aber meine Beziehung mit Tupper
bedeutet mir noch mehr."
"Sind Sie sicher?"
Warum um alles in der Welt hatte Joe so einen sinnlichen, verführerischen Mund? Und warum wurde sie von einer leidenschaftlichen Sehnsucht befallen, wenn sie ihm nur in die Augen schaute? Tupper erweckte derartige Gefühle nie in ihr. "Eigentlich bin ich hier, um das Dinner zu probieren. Haben Sie das vergessen?" fragte sie unsicher. "Sie lesen zuviel aus diesem Foto." "Es ist nicht irgendein Foto", beharrte Joe. "Es repräsentiert alles, was Sie in Ihrer Jugend vermisst haben." "Ich will nicht weiter darüber reden. Tupper kommt mit seiner Familie Weihnachten zu mir. Es wird ein wundervoller Abend, wie ich es mir immer gewünscht habe." Er löste sich ein wenig von ihr, um sie anzusehen. "Heiraten Sie Tupper oder seine Familie?" "Tupper natürlich." "Wollen Sie wirklich ihn, oder versuchen Sie nur, die Vergangenheit zu bewältigen?" "Es geht nicht um meine Vergangenheit, sondern um meine Zukunft." "Schön. Reden wir über die Zukunft."
"Damit haben Sie aber nichts zu tun", erklärte sie. "In diesem Punkt irren Sie sich. Verstehen Sie denn nicht? Sie wollen Tupper heiraten, weil er nicht so ist wie Ihr Vater." "Und Sie sind genau wie mein Vater", warf sie ihm spontan vor und bedauerte ihre Worte sofort. Vorwürfe hatte Joe bestimmt nicht verdient, so liebenswürdig und einfühlsam, wie er sie behandelte. "Tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen." Zu ihrer Erleichterung reagierte er nicht beleidigt. Er zog sie dichter zu sich heran und tanzte eine Weile schweigend. "Wie hieß Ihr Vater?" erkundigte er sich schließlich. "Profit. Profit Wallace." "Und wie kommen Sie darauf, dass ich ihm ähnlich bin?" fragte er mit einem verschmitzten Lächeln. "War er ein attraktiver, italienischer Meisterkoch?" "Attraktiv war er zweifellos. Und er flirtete auch gern. Aber er war kein Meisterkoch und auch kein Italiener." "Nun, wäre er Italiener gewesen, hätte ihm die Familie mehr bedeutet." Und er hätte sein einziges Kind nicht ins Heim gegeben. Diese
unausgesprochene Kritik hörte Maddie aus seinen Worten heraus. "Sie meinen also, dass ich gern flirte", fuhr Joe fort. "Meine Kollegin hat mir erzählt, dass Sie regelmäßig Stoff für die Klatschspalten liefern", gab sie zu. "Ich habe in meinem Leben einige Frauen kennen gelernt. Wie sollte ich sonst die richtige finden?" fragte er ernst. "Aber das bedeutet doch nicht, dass ich mit den Frauen spiele." "Nein, wahrscheinlich nicht." Maddie dachte an die kurzen Phasen in ihrem Leben, die sie bei ihrem Vater verbracht hatte. "Aber wenn ein Mann mit jeder Frau flirtet, die ihm über den Weg läuft, wenn er unaufrichtig ist ..." "Langsam, langsam." Er runzelte besorgt die Stirn. "Maddie, ich weiß nicht, was für ein Mann Ihr Vater war, aber ich habe nie einer Frau leere Versprechungen gemacht. Meine Affären endeten immer ohne Tränen und ohne Vorwürfe. In Freundschaft. Ich würde einer Frau niemals weh tun." Sie sah ihn forschend an. "Nicht einmal aus Versehen?"
"Das kann ich nicht völlig ausschließen. Aber meine Mutter hat mich gut erzogen. Sie hat all ihre Söhne gut erzogen. Meine drei Brüder sind glücklich verheiratet. Dass ich immer noch unverheiratet bin, bereitet der ganzen Familie große Sorgen." "Und warum sind Sie nicht verheiratet?" Er lächelte liebevoll. "Weil ich Ihnen erst letzte Woche begegnet bin." "Nein", flüsterte sie. "Machen Sie die Sache nicht unnötig kompliziert." Joe verlangsamte das Tempo, bis sie sich auf der Stelle hin und her wiegten. "Es ist überhaupt nicht kompliziert. Im Gegenteil. Ich zeige Ihnen, wie einfach alles ist." Nun umfasste er ihr Gesicht und strich zärtlich durch ihr Haar. Sekundenlang blickten sie sich schweigend in die Augen. Joe verbarg seine Gefühle nicht. Sein Blick verriet leidenschaftliches Verlangen. Noch nie hatte ein Mann sie mit so unverhohlener Gier angesehen und ihr so deutlich gezeigt, dass er sie begehrte. Kein Zweifel, Joe wollte sie. Und unerklärlicherweise sprang der Funke auf sie
über. Sie konnte es kaum noch erwarten, seine Lippen zu spüren. Ganz langsam beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie schließlich auf den Mund. Genauso hatte sie es sich vorgestellt Der einfühlsame, entschlossene Kuss eines erfahrenen Liebhabers. Maddie schloss die Augen und schlang die Arme um Joes Hals. Sie spürte, dass er sich bewusst zurückhielt. Doch im selben Augenblick, als sie die Lippen öffnete, verlor er diesen Kampf um Selbstbeherrschung. Mit einem tiefen Stöhnen ließ er seine Zunge eindringen und vertiefte den Kuss voller Leidenschaft. Begierig schmiegte sie sich an ihn und erwiderte seinen Kuss. In diesem Moment hatte sie das Gefühl, in Joes Armen alles zu finden, was sie sich je im Leben gewünscht hatte. Sie wollte für immer dort verharren. Als er sich nach einer kleinen Ewigkeit von ihr löste, kehrte allmählich auch ihre Vernunft zurück. "Siehst du, wie einfach es ist?" fragte er sanft. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Warum verspürte sie plötzlich den Wunsch zu weinen?
Durch die heftige Kopfbewegung löste sich die Blüte aus ihrem Haar. Maddie fing sie im Fallen auf. "Ich sehe nur, dass die Situation unmöglich ist." Sie blickte zu ihm auf. Spontan strich sie ihm das Haar aus der Stirn. "Was macht deine Wunde?" Joe nahm ihr die Blüte aus der Hand und steckte sie hinter ihr Ohr. "Ich merke kaum noch etwas davon, dank deiner Hilfe." Tatsächlich war die Rötung fast verschwunden. "Es ist nur noch eine kleine Schramme zu sehen", stellte sie zufrieden fest. "Verzeihung, Mr. Milano", sagte Giorgio vom Rand der Tanzfläche. "Das Dinner kann serviert werden." Joe wandte den Blick nicht von Maddie ab, als er erwiderte: "Danke. Wir kommen gleich." Er zog eine Augenbraue hoch. "Nun? Wollen wir den nächsten Gang probieren?" "Ich weiß nicht, ob die Idee so gut ist. Vielleicht sollte ich lieber nach Hause gehen." "Dann würdest du Giorgio aber beleidigen. Von Renzo ganz zu schweigen." "Joe, bitte."
Er sah sie verständnisvoll an. "Wenn ich verspreche, dich nicht mehr zu küssen, kommst du dann mit mir zurück an den Tisch?" Wie gern hätte sie nein gesagt. Sie wäre am liebsten in ihr sicheres Zuhause zurückgekehrt, wo sie wieder daran glauben konnte, dass sie ihr Leben perfekt vorausgeplant hatte. Wie sollte sie in den nächsten Wochen mit Joe kochen üben? Sie konnte diesen verführerischen Mund nicht lächeln sehen, ohne Sehnsucht zu verspüren. Sollte sie zuschauen, wie diese wundervollen, geschmeidigen Hände die köstlichsten Gerichte zauberten, während sie sich insgeheim wünschte, selbst von seinen Händen verzaubert zu werden? Dieser Gedanke versetzte sie in Panik. Joe bot ihr seine Hand. "Cara?" Lauf, dachte sie. Lauf, solange du noch kannst. Dennoch zögerte sie keine Sekunde. Sie legte ihre Hand in seine. Joe fiel ein Stein vom Herzen, als er Maddies Hand hielt. Sie so überstürzt zu küssen, war sicher ein Fehler gewesen, aber nichts in der Welt hätte ihn davon abhalten können. Sie gehörte ihm, und weder Tupper Reed noch der
Geist von Profit Wallace würden ihn daran hindern, sie zu heiraten. Nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatten, servierte Giorgio den Hauptgang. Gefüllte Hühnchenbrust. Es duftete köstlich. Trotzdem bezweifelte Joe, dass Maddie noch Appetit hatte. Auch ihm stand der Sinn nicht nach Essen. Er wollte mit seiner Frau allein sein, sie in den Armen halten und mit seinen Küssen ihre Ängste vertreiben. Bestimmt will sie auch allein sein, überlegte er mit bitterem Spott. Ganz allein, so dass sie sich über einen hartnäckigen Italiener nicht mehr den Kopf zerbrechen muss. "Wie gefällt dir der Hauptgang?" fragte er, nachdem sie volle fünf Minuten geschwiegen hatten. "Okay." Er runzelte die Stirn. "Das Dinner, wie gefällt es dir?" "Ja. Gut." "Schmeckt dir die Füllung?" "Wunderbar." "Hhm." Er hätte geschworen, dass sie noch keinen Happen probiert hatte. "Und das Gemüse? Findest du die Auswahl nicht ein
bisschen zu groß? Man könnte das ein oder andere weglassen." "Wie du willst." Er versuchte es weiter. "Wenn wir verheiratet sind, brauchst du nie mehr zu kochen. Wäre dir das recht?" "Sicher." "Aber ich möchte, dass unsere Kinder kochen lernen. Du hast doch nichts dagegen?" "Ganz, wie du meinst ..." Sie blinzelte. "Was hast du gesagt?" "Unsere Kinder. Ich möchte ihnen das Kochen beibringen." Sie starrte ihn verständnislos an. "Was für Kinder?" "Du hast doch zugestimmt, dass wir nach der Hochzeit bald Kinder haben wollen." "Was habe ich?" Seufzend legte sie die Gabel auf den Teller. "Tut mir leid. Ich glaube, ich habe dir nicht richtig zugehört." Er lächelte. "Oh, das macht nichts. Ich hatte in diesen fünf Minuten mehr Erfolg als in den letzten fünf Tagen." Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte sie. "Das ist wohl das Geheimnis für deinen Erfolg
bei Frauen. Du wartest, bis sie abgelenkt sind,
und machst ihnen dann einen Antrag."
"Würde es bei dir funktionieren?"
Ihr Lächeln wurde noch breiter. "Nein."
"Willkommen in der Realität, Cara", sagte er
sanft. "Ich habe dich vermisst. Probier mal das
Gemüse."
Sie nahm sich eine Portion und aß einige
Happen. "Die glasierten Karotten sind ein
Genuss. Ist die Zubereitung schwierig?"
"Man muss die Tricks kennen. Und die
Knoblauchkartoffeln?"
Sie kostete und nickte zufrieden. "Wunderbar."
Dann schaute sie skeptisch auf die
Gemüseplatte. "Findest du nicht, dass das
Gemüse mit der Sauce Hollandaise vielleicht
zuviel wird?"
"Wenn du mich fragst, ich würde es weglassen.
Die Sauce muss zum Schluss zubereitet
werden, und sie gerinnt leicht, wenn man nicht
aufpasst."
"Okay. Wir streichen das Gemüse von der Liste
und nehmen nur Kartoffeln und Karotten."
"Und die Füllung verfeinern wir noch."
"Mir schmeckt sie gut."
"Wir verfeinern sie."
"Mal sehen." Als Giorgio nun das Dessert brachte, war jeglicher Streit beendet. Beim Anblick der Weihnachts-Mousse strahlte Maddie über das ganze Gesicht. Renzo hatte ein wahres Kunststück vollbracht. Er hatte die weiße Schokoladen-Mousse in einer Blüte aus Mandeln angerichtet und mit Himbeersauce und geriebener Orangenschale dekoriert. "Es ist wunderschön", rief sie begeistert aus. "Viel zu schade zum Essen." "Ich habe befürchtet, dass du das sagst." Skrupellos tauchte er seinen Löffel in das Dessert und hielt ihn ihr entgegen. "Du musst wenigstens probieren." Er schob ihr den Löffel in den Mund und lachte leise, als er ihr entzücktes Gesicht sah. Sie seufzte genüsslich. "Wenn du an diesem Dessert irgend etwas veränderst, bist du entlassen." "Es ist einmalig", stimmte er zu. "Jetzt müssen wir nur noch verabreden, wann der Kochkurs beginnen soll." "Einverstanden." Sie sah ihn unsicher an. "Wann hast du Zeit?" "Täglich bis ungefähr drei Uhr. Und du?"
"Ich habe erst um fünf Feierabend." Er lächelte amüsiert. "Dann wird es schwierig, einen Termin zu finden." "Aber nur in der nächsten Woche. Danach habe ich Urlaub, und in der Weihnachtswoche ist das Büro ohnehin geschlossen. Also, für die nächsten Tage würde ich mich ganz nach dir richten." "Okay, ich mache dir einen Vorschlag. Bis zu deinem Urlaub treffen wir uns jeden Abend, wenn ich hier mit der Arbeit fertig bin. Es wird allerdings spät. Wärst du damit einverstanden?" "Sicher, ich kann mich darauf einstellen." Du wirst dich noch auf einiges einstellen müssen, Cara. versprach er ihr im stillen. "Dann gib mir deine Adresse. Ich komme morgen Abend gegen elf zu dir." Sie zögerte. "Aber du musst doch schon den ganzen Tag kochen. Bist du sicher, dass du danach noch ..." "Dass ich danach noch ein paar Stunden mit dir in der Küche stehen will? Absolut sicher. Außerdem verbringe ich den größten Teil meiner Zeit gar nicht mit kochen. In einem Restaurant gibt es viele andere Dinge zu
erledigen. Es wird mir Spaß machen, wieder
einmal wirklich am Herd zu stehen."
Maddie stützte ihr Kinn in die Hände. "Es
macht dir also bestimmt nichts aus, mit mir
dieses Dinner zu üben?"
"Ich tue es gern."
"Das freut mich."
"Du investierst viel für dieses Essen", begann
er, ohne ihr Gelegenheit zu einer Antwort zu
geben. "Hoffentlich bist du nicht enttäuscht,
wenn deine Rechnung nicht aufgeht."
"Sie wird aufgehen", gab sie zurück.
Joe hörte eine andere Botschaft aus ihren
Worten heraus: Sie muss aufgehen.
Seufzend lehnte Maddie sich in ihrem Stuhl
zurück. "Ich muss jetzt wohl gehen. Vielen
Dank für diesen Abend. Es war eine großartige
Idee. Würdest du mich Renzo vorstellen, damit
ich mich auch bei ihm bedanken kann?"
Es gefiel ihm, dass sie daran gedacht hatte.
"Selbstverständlich. Und danach darfst du dich
gern noch mal bei mir bedanken."
Sie wagte es kaum, seinen Blick zu erwidern.
"Du hast mir versprochen, unsere Beziehung
rein geschäftlich zu betrachten, Joe."
"So?" Er konnte sich an ein solches Versprechen nicht erinnern. Aber das spielte keine Rolle. In kürzester Zeit würde auch sie sich nicht mehr daran erinnern. "Dann soll es so sein." Für den Augenblick. Am Montagabend traf Joe kurz vor elf bei Maddie ein. Alle Zutaten, die sie für die erste Kochstunde benötigten, hatte er mitgebracht, so dass Maddie der Einkauf erspart geblieben war. Zu ihrem Erstaunen ging er aber nicht sofort in die Küche, sondern blieb im Eingang zu ihrem kleinen Wohnzimmer stehen. "Stimmt etwas nicht?" fragte sie, als sie merkte, dass er sich über irgend etwas wunderte. "Alles in Ordnung." Sie warf einen Blick ins Wohnzimmer, weil er dort etwas entdeckt zu haben schien, was ihm missfiel. Alles war wie immer. Sofa, Sessel, Kissen und die sorgfältig ausgesuchte Weihnachtsdekoration. Zugegeben, die Stoffe mit dem Blumenmuster wirkten in dem kleinen Raum ein wenig aufdringlich. Sie hatte nicht bedacht, dass es sich bei dem Wohnzimmer,
das in der alten Zeitschrift abgebildet war, um einen wesentlich größeren Raum handelte. "Es gefällt dir nicht." "Es ist schön", sagte er. "Ein perfektes Bild." Nachdenklich blickte sie in das Zimmer. Ein Bild. Zum ersten Mal sah sie den Raum so, wie er ihn sah. Der Versuch, ein perfektes Heim zu gestalten. Ein missglückter Versuch. Tränen stiegen ihr in die Augen. Würde es ihr denn niemals gelingen? War sie dazu verdammt, auf all das zu verzichten, was sie sich am sehnlichsten wünschte? Joe stellte die Einkaufstüten auf den Fußboden und nahm sie in die Arme. "Ich verstehe dich, Cara. Es ist das Zuhause, was du nie hattest. Das Heim deiner Träume." Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. "Auf dem Foto sah es so schön aus. Dort sitzt die Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm." Sie deutete auf das Sofa. "Diese Mutter möchtest du sein, stimmt's? Du wünschst dir ein Kind", sagte er leise. "Und dieses Kind würdest du niemals verlassen. Es soll bei seinen Eltern aufwachsen und von ihnen geliebt werden."
Heiße Tränen liefen über ihre Wangen. "Meine Mutter wollte mich nicht verlassen." "Nein, natürlich nicht. Aber am Ende warst du trotzdem allein und bist im Heim aufgewachsen. Seitdem sehnst du dich nach einer Familie und einem Zuhause." Er schien in ihr Herz blicken zu können und dort alles zu entdecken, wonach sie sich sehnte. "So genau dürftest du mich gar nicht kennen", schluchzte sie. "Niemand soll es wissen." "Nicht einmal Tupper? Weiß er nicht, welche Bedeutung dieser Raum für dich hat?" Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. "Nein! Er würde es nicht verstehen." "Ich verstehe es aber." Es war die Wahrheit. Joe verstand sie viel zu gut. In wenigen Tagen hatte er mehr über ihre Hoffnungen und Träume in Erfahrung gebracht als Tupper in Monaten. Vielleicht hob sie deswegen die Blüte auf, die sie von ihm bekommen hatte. Die Gardenienblüte lag sorgsam gepresst in ihrem Tagebuch. "Bitte, nicht weinen", sagte Joe, während er ihr die Tränen von den Wangen wischte. "Ich wollte dich nicht traurig machen." Und dann
küsste er sie. Behutsam und sanft. Es war ein Kuss voller Trost und Zärtlichkeit. Unwillkürlich öffnete Maddie die Lippen. Es sollte keine Einladung sein. Oder vielleicht doch. Eine Antwort, die vom Gefühl, nicht vom Verstand bestimmt war. Joe nahm sie in die Arme, genau wie er es beim Tanzen getan hatte. Sie stöhnte leise. Und diesmal erfüllte er ihre Wünsche, als sie sich an ihn schmiegte. Er drückte sie gegen die Wand, so dass sie seine festen Schenkel, seine Hüften und seine Brust spürte. "Ich will dich kennen lernen", flüsterte er zwischen leidenschaftlichen Küssen. "Ja." "Ich will dich streicheln, überall." "Ja." Sie zitterte, als er mit seinen starken Händen über ihre Schultern strich und sie langsam hinab gleiten ließ. Schließlich umfasste er ihre Brüste und berührte mit den Daumen ihre straffen Knospen. Maddie stöhnte. Sie spürte seine Ungeduld und kannte seine Wünsche genau. Während sie seine breiten Schultern umklammerte, wanderten seine Hände hinab zu ihren Hüften. Er umfasste sie und presste sich
an sie. "Fühlst du das?" flüsterte er. "Fühlst du, was du mit mir machst?" Maddie umschlang seine Schultern und schloss die Augen. "Wir sollten das nicht tun." "Oh, doch. Ich will mit dir schlafen, Maddie. Ich möchte, dass du mir ganz gehörst." Als sie diesen Gedanken laut ausgesprochen hörte, zuckte sie erschrocken zusammen. Wie war es dazu gekommen? Wie hatte sie zulassen können, dass die Situation so außer Kontrolle geriet? "Joe, wir müssen damit aufhören!" "Nein, Darling, dafür gibt es überhaupt keinen Grund", widersprach er. "Doch. Tupper ..." Der Name wirkte wie eine eisige Brise. "Ich habe mich für Tupper entschieden." Und im Gegensatz zu ihrem Vater hielt sie ihr Versprechen. "Noch bist du nicht mit ihm verlobt", gab Joe harsch zurück. "Und wenn ich etwas zu sagen hätte, würde es auch nicht dazu kommen." "Nun, du hast dazu aber nichts zu sagen." Sie atmete tief durch und vollbrachte ein wahres Meisterstück. Sie befreite sich aus seiner Umarmung. "Ich glaube, wir fangen jetzt lieber an zu kochen."
Eine Weile musterte er sie schweigend. Alles in ihm schien gegen diesen Vorschlag zu rebellieren. Gleich verliert er die Beherrschung, dachte Maddie ängstlich. Es hätte sie auch nicht überrascht, wenn er wortlos ihre Wohnung verlassen hätte. Statt dessen bückte er sich, um die Einkaufstüten aufzuheben. "Geh du vor", war alles, was er sagte. In der Küche stellte er die verderblichen Lebensmittel in den Kühlschrank und schaute sich dann um. Maddie konnte nur dastehen und auf das Unvermeidliche warten. "Also ... Maddie, darf ich dich etwas fragen?" Er spähte in ihre Speisekammer. "Wo sind deine Vorräte?" Sie räusperte sich. "Was für Vorräte?" "Gewürze. Kräuter." Nun durchsuchte er ihre Schränke. "Mehl, Zucker. Salz und Pfeffer. Du weißt schon. Die üblichen Zutaten. Wo bewahrst du sie auf?" "Ich glaube, ich besitze keine üblichen Zutaten. Nur Salz und Pfeffer. Auf dem Esstisch." Er schaute über die Schulter zu ihr hinüber. "Du hast keine Gewürze? Keinen Essig? Öl und so weiter?" fragte er ungläubig. "Womit kochst du normalerweise?"
"Nun ..." Sie biss sich auf die Lippe. "Das ist eine interessante Frage." Ein argwöhnisches Funkeln blitzte in seinen Augen auf. Er öffnete noch mehr Schränke, allesamt ziemlich leer. Schließlich drehte er sich zu ihr um. Der Mann, der sie eben noch einfühlsam getröstet hatte, verwandelte sich in einen aufgebrachten Küchenchef, der seinen Ärger nicht verbarg. "Warum gibt es hier nichts, was man zum Kochen braucht?" fragte er wütend. "Du hast noch nicht mal Töpfe oder Pfannen. Wie kommt das?" Sie schluckte. "Vielleicht, weil ich nicht kochen kann."
5. KAPITEL
Piatto Principale
oder
Tagesmenü!
"Was zum Teufel meinst du damit, du kannst
nicht kochen?" fragte Joe.
"Was ich gesagt habe."
Er zog die Augenbrauen zusammen. "Du
meinst, du kannst keine komplizierten Gerichte
kochen. Einfache Sachen kannst du doch, oder?
Zum Beispiel ein Steak grillen?"
"Nein."
"Rühreier?"
"Keine Chance."
Seine Wut steigerte sich. "Wie steht's mit
Wasser kochen? Traust du dir das zu?"
"Du brauchst gar nicht so sarkastisch zu sein.
Natürlich könnte ich Wasser kochen. Aber
wenn ich Kaffee trinken will, schalte ich meine Kaffeemaschine ein." "Und wie ernährst du dich?" "Das ist ganz einfach." Sie ging an ihm vorbei und nahm das Notizbuch vorn Küchentresen. "Ich suche einen Lieferservice heraus und wähle die Nummer. Eine halbe Stunde später klingelt es an der Tür. Ich öffne, bezahle den Boten, setze mich an den Tisch und esse. Voila! So einfach ist das." "Bitte sag mir, dass das ein Scherz ist." Er nahm ihr das Buch aus der Hand und blätterte es durch. "Dio! Du meinst es ernst. Du kennst sogar die Lieferanten mit Namen. Und was bedeuten diese Daten? Führst du darüber Buch, wann sie kommen?" "Nein, das sind ihre Geburtstage", murmelte sie. "Ihre ..." Er schien kaum noch Luft zu bekommen. "Und die Namen in Klammern?" "Ihre Kinder." "Gumdrop? Larry vom Parthenon nennt seinen Sohn Gumdrop?" "Oh. Das ist sein Hund. Larry hat keine Kinder."
"Und was ist das hier?" Er zeigte auf eine Anmerkung neben einem Namen. Maddie wurde rot. "Blauer Schal. Das ..." Sie räusperte sich. "Ich habe ihm letztes Jahr zu Weihnachten einen Schal gestrickt. Einen blauen Schal. Rot mag er nicht." Joe schloss die Augen. "Sicher. Das hätte ich mir denken können." "Kevin mag lieber Rot." Sie blätterte hastig die Seiten um. "Siehst du? Hier." "Was soll das eigentlich? Willst du jeden Boten adoptieren, der an deine Tür kommt?" Als sie hartnäckig schwieg, biss er die Zähne zusammen. "Und Tupper? Weiß er, dass du nicht kochen kannst?" "Noch nicht." "Du machst Witze! Wie konntest du das vor ihm geheim halten?" "Meistens gehen wir irgendwo essen", gestand sie widerwillig. "Und wenn er doch einmal zum Essen hier war, habe ich vorher etwas liefern lassen und es dann aufgewärmt." "Und die Verpackung hast du weggeworfen, damit dein zukünftiger Verlobter sie nicht sieht?" Ihr Schweigen genügte als Antwort. Sein grimmiges Gesicht verriet seine
Gedanken. Er hatte keinerlei Verständnis dafür, dass sie vor dem Mann, den sie heiraten wollte, einen derart wichtigen Umstand verbarg. "Ihr beide scheint wirklich ein interessantes Verhältnis zu haben", bemerkte er spöttisch. "Um unser Verhältnis brauchst du dich nicht zu kümmern." "Du hast selbst dafür gesorgt, dass ich mich damit beschäftige", gab er zurück. "Erkläre mir bitte eins, Maddie. Wie willst du dieses Dinner zustande bringen, wenn du nicht kochen kannst? Wie stellst du dir das vor?" "Deswegen habe ich dich doch engagiert!" "Ich dachte, du brauchst meine Hilfe, weil dir die Erfahrung fehlt", fluchte er. "Das stimmt auch." "Du brauchst keinen Koch, du brauchst einen Psychiater! " Mit seiner Wut steigerte sich auch sein italienischer Akzent. "Dies sind komplizierte Gerichte. Als du mir erzähltest, dass du mit dem Menü Probleme hast, nahm ich an, du erwartest ein paar Tipps von mir. Mit keinem Wort hast du erwähnt, dass du überhaupt nicht kochen kannst."
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Nun, jetzt weißt du, dass es mit ein paar Tipps nicht getan ist." "Kannst du wenigstens mit dem Herd umgehen?" "Ja", gab sie schnippisch zurück. "Ich brauche nur an diesen runden Schaltern zu drehen." "Du brauchst nur ..." Er schloss die Augen. "Oh, sehr gut, Miss Wallace. Ausgezeichnet. Du drehst also an diesen runden Knöpfen. Und was dann? Dio! Du besitzt nicht einmal einen Topf. Den braucht man zum Kochen!" "Einen Topf kann ich kaufen." "Erkläre mir bitte freundlicherweise, wie du in knapp drei Wochen kochen lernen willst." "So schwierig habe ich es mir nicht vorgestellt." "Tatsächlich? Also nicht so schwierig. Wenn ich zu dir käme und gerade eben wüsste, was plus und minus auf meinem Kontoauszug bedeuten, könntest du aus mir in drei Wochen einen guten Buchhalter machen?" Mit dieser Frage hatte er ins Schwarze getroffen. Das verstand Maddie sofort. "Soll das heißen, dass du mir nicht hilfst?" fragte sie vorsichtig. Als Antwort wurde sie mit einem
italienischen Wortschwall überschüttet. Sie wartete, bis ihm die Luft ausging. "War das ein Ja oder ein Nein?" "Was glaubst du wohl?" Er blickte zu ihr hinüber. Dann stöhnte er, und sein Ärger verflog so schnell, wie er gekommen war. "Sieh mich nicht so an." "Ich warte auf eine Antwort", sagte sie so gelassen wie nur möglich. "Du hast keine Ahnung vom Kochen und erwartest von mir, dass ich dir innerhalb von drei Wochen beibringe, ein Fünf-Gänge-Menü zuzubereiten. Und das alles für einen Mann, von dem du hoffst, dass er dir einen Heiratsantrag macht. Wenn ich hinzufügen darf, einen Mann, den du eindeutig nicht liebst ..." "Das ist nicht wahr!" "Und außerdem betrügst du dich auch noch selbst." "Das ist nicht fair ..." "Ach, wirklich? Was, glaubst du, passiert wohl, wenn er nach der Hochzeit entdeckt, dass du ihn belogen hast? Meinst du nicht, es könnte ihn ein wenig aufregen, wenn Larry und
Gumdrop allabendlich das Essen vorbei
bringen?"
"Ich belüge ihn nicht. Es ist meine feste
Absicht, ihm zu erzählen, dass ich nicht kochen
kann." Sie schob das Kinn vor. "Aber erst
später."
"Ich glaube, ich gehe jetzt besser."
"Kommst du ... kommst du wieder?" fragte sie
vorsichtig.
Joe seufzte hörbar. "Ja, Darling. Ich komme
wieder.
Schließlich bin ich dein Weihnachtsgeschenk."
"Warum willst du dann gehen?"
"Weil es keinen Sinn hat, diese Rezepte zu
üben, solange hier jegliche Ausstattung fehlt."
Er blickte auf die leeren Schränke. "Töpfe zum
Beispiel. Ach ja ... bevor ich gehe, gib mir
doch bitte deinen Hausschlüssel."
"Warum?"
"Damit ich in die Wohnung komme, wenn du
im Büro bist. Ich will morgen Vormittag alles
besorgen, was wir brauchen, und die Sachen
hierher bringen, bevor ich ins Restaurant
fahre."
"Das ist doch nicht nötig", protestierte sie überwältigt. "Doch, Cara, es ist nötig. Ich weiß, was wir brauchen und wo ich es bekomme. Außerdem bin ich, was die Zutaten betrifft, ziemlich wählerisch." Nun lächelte er wieder. "Wir fangen also morgen Abend an. Einverstanden?" "Du bist immer noch bereit, mir zu helfen?" Sie konnte es kaum glauben. Joe sah sie ernst an. "Ich werde dich nicht im Stich lassen. Darauf habe ich dir mein Wort gegeben." Sein Wort. Als Maddie merkte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, wandte sie sich hastig von ihm ab. Anscheinend fühlte er sich an Zusagen genauso gebunden wie sie. "Ich hole schnell den Zweitschlüssel." An der Haustür blieb er zögernd stehen. "Ich habe noch eine Bitte", begann er. "Sicher. Alles, was du willst." Joe legte die Hände auf ihre Schultern. "Es gibt nichts, was du mir nicht sagen könntest. Ganz gleich, was es auch immer ist. Ich werde nicht davonlaufen. Deswegen bitte ich dich, mir in Zukunft die Wahrheit zu sagen. Auch wenn es
dir manchmal schwer fallen sollte, sag mir die Wahrheit." Er wartete ihre Antwort nicht ab. Gott sei Dank, dachte Maddie, der plötzlich zum Weinen zumute war. "Ich bin ein bisschen aufgeregt, Joe", gab Maddie zu, während sie eine der Schürzen nahm, die Joe mitgebracht hatte. "Du hast doch Giorgio zugeschaut. Es war alles ganz einfach." Joe nahm ihr die Schürze aus der Hand und band sie um ihre Taille. "Du hast mein vollstes Vertrauen", flüsterte er ihr ins Ohr. Sie zitterte, als sie seinen warmen Atem spürte. "Ich habe dein vollstes Vertrauen, was den flambierten Spinat betrifft, aber dass ich mir die Schürze allein umbinden kann, traust du mir nicht zu?" "Dafür braucht man besondere Talente." Sie runzelte die Stirn. "Für den Salat?" "Nein, für die Schürze." Maddie blickte ihn über die Schulter an. "Und was sind das für Talente?" "Man muss so viele Knoten binden, dass du beim Ablegen wieder Hilfe brauchst."
Allein der Gedanke, dass er sie noch einmal
berühren würde, versetzte sie in Panik. Sie
flüchtete in die andere Ecke der Küche. "Hast
du wirklich einen Knoten gemacht?" fragte sie,
während sie die Schleife auf ihrem Rücken
betastete.
Joe lächelte. "Entspann dich, Darling. Es war
nur ein Scherz. Also, an die Arbeit. Für den
Salat brauchen wir Brandy. Hast du die Flasche
gefunden?"
"Er war köstlich, vielen Dank."
"Du hast ihn getrunken?"
Sie grinste, als sie sein entsetztes Gesicht sah.
"Keine Sorge. Es ist noch genug übrig."
"Aha. Du bist zum Scherzen aufgelegt. Das
gefällt mir."
"Ich finde, es steht mir zu, sooft wie du mich
schon gehänselt hast." Sie deutete auf den
Tresen. "Die Zutaten habe ich schon alle
bereitgestellt."
"Sehr gut. Dann fang an."
"Ich kann nicht."
"Warum nicht?"
"Ich habe keinen Messbecher gefunden."
"Messbecher benutze ich nie."
"Aber das Rezept ..."
"Ich koche auch nicht nach Rezepten aus Zeitschriften." Sie stemmte die Hände in die Hüften. "Erkläre mir bitte, woher ich wissen soll, wie viel ich von den einzelnen Zutaten brauche. Also?" Er stellte eine kleine Pfanne auf den Herd. "Wenn du einverstanden bist, werde ich die Zutaten für dich abmessen, okay?" "Hättest du etwas dagegen, wenn ich noch ein paar Messbecher kaufe?" "Tu, was du für richtig hältst. Was brauchen wir für den Salat?" "Schinken, Bratenfett, Zwiebeln, Essig, Limonensaft, Zucker, Senf und Worcestershiresoße." "Klingt gut. Wie viel jeweils?" Maddie staunte, wie schnell er die Zutaten zusammenfügte, ohne eine einzige abzumessen. Dann erhitzte er alles, bis es zu brodeln begann, und fügte zum Schluss warmen Brandy hinzu. "Bring deinen Salat ins Wohnzimmer und stell ihn auf den Beistelltisch," Er entzündete ein langes Kaminstreichholz und hielt die Spitze an die Brandysauce. Sofort entstand eine heiße blaue Flamme, die über den Pfannenrand
leckte. "Normalerweise kippe ich die Pfanne nur und entzünde die Dämpfe am Brenner, aber ich nehme an, du benutzt lieber ein Streichholz." "Richtig geraten." Skeptisch schaute sie in die Pfanne. "Muss ich das über den Salat gießen, solange es noch brennt?" "Aber vorsichtig. Ich möchte nicht, dass du dich verletzt." Joe erstickte die Flamme mit einem Deckel und füllte die Sauce in eine Glasschale. "Jetzt bist du an der Reihe." Obwohl es ihrer Buchhalterseele zutiefst widersprach, fügte sie die Zutaten nach Gefühl zusammen, und sie hatte Spaß daran. „Der Zucker ist alle", stellte sie fest. "Kein Problem Es ist noch genug in der Speisekammer." Während Joe den Zucker holte, erhitzte sie den Brandy und war gerade mit allen Vorbereitungen fertig, als er mit dem Zucker zurückkam. "Jetzt zünde ich es an, richtig?" fragte sie. "Feuer los." Sie atmete noch einmal tief durch. Dann hielt sie das Streichholz an die Pfanne.
Ein blauer Feuerball explodierte bis zur Decke.
Maddie schrie auf, hielt die Pfanne aber
krampfhaft fest. Blitzschnell riss Joe einen
kleinen Feuerlöscher von der Wand und
drückte auf den Abzug. Die Flammen
erstickten in einer Wolke aus weißem Puder,
der am Ende nicht nur Maddie, sondern auch
ihren Herd und die halbe Küche bedeckte.
Joe nahm ihr die Pfanne aus der Hand und
stellte sie in die Spüle. "Bist du verletzt? Hast
du dich verbrannt?" fragte er besorgt.
"Alles in Ordnung. Mir ist nichts passiert."
Erstaunt blickte sie sich in der Küche um.
"Was ist passiert?"
"Du fragst noch, was passiert ist?" Er griff nach
der Brandyflasche. "Wie viel hast du davon
genommen?"
"Ich weiß nicht genau. Nach Gefühl, wie du es
mir gezeigt hast."
Minutenlang blieb er stumm.
Es hat ihm wohl die Sprache verschlagen,
dachte Maddie unbehaglich. Sie sah, dass sich
um seinen Mund eine feine weiße Linie bildete
und seine Augen sich fast schwarz färbten.
Schließlich setzte er die Flasche an den Mund
und nahm einen großen Schluck.
"Ich kaufe dir morgen als erstes ein paar Messbecher", sagte er. "Cara, es wäre schön, wenn du nicht so mit dem Messer herumfuchteln würdest. Du willst doch nicht etwas abschneiden, was du später vielleicht noch brauchst." "Tut mir leid", murmelte Maddie. "Und ... Darling ..." Joe schien ungeduldig zu werden. "Vielleicht willst du mal nach den Kartoffeln sehen." Ein lautes Zischen übertönte seine Bemerkung. Er nahm den überkochenden Topf vom Herd. "Macht nichts. Würde es dir etwas ausmachen, an diesem runden Schalter zu drehen?" Sie befolgte seine Anweisung und schaltete die Flamme ab. "Ich wusste gar nicht, dass es so schwierig ist, Kartoffeln zu kochen." Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. "Vielleicht solltest du die Kartoffeln lieber als Püree servieren", schlug er vor. "Hieraus lässt sich jedenfalls nichts anderes mehr machen." "Schon wieder? Wir haben jetzt schon zwei Tüten verbraucht." Vielleicht hätte sie weniger Zeit darauf verwenden sollen, Joes Lippen zu betrachten, und sich mehr auf die Kartoffeln konzentrieren sollen. Sie nahm ihr Notizbuch
und schrieb: Küchenwecker einstellen und Joes Mund ignorieren. "Was schreibst du da?" "Nur eine Gedächtnisstütze für mich." "Du hast jetzt drei volle Seiten geschrieben, und dies ist das simpelste Rezept von allen. Wenn das so weitergeht, wirst du den ganzen Abend nur deine Notizen durchlesen anstatt deine Gäste zu bewirten." "Ich versuche nur, mir einen Plan zu machen." "Wenn du den Bleistift beiseite legen und lieber aufpassen würdest ..." "Aber ich passe doch auf", verteidigte sie sich. Was konnte sie dafür, wenn sie ihre Aufmerksamkeit weniger auf seine Worte als auf sein Aussehen richtete. Es war alles seine Schuld. Wenn er sie nicht geküsst hätte, würde sie nicht ständig seinen Mund betrachten und sich wünschen, diese Lippen noch einmal zu spüren. "Ich muss mir Notizen machen, damit ich nichts vergesse." "Du vergisst doch trotzdem jedes Mal was." Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "So kommen wir nicht weiter. Du bist müde. Ich bin müde. Wir treffen uns morgen wieder, einverstanden?"
"Okay."
"Und Darling ..."
"Ja?"
Er drückte ihr einen kurzen, aber
entschlossenen Kuss auf den Mund. "Wenn du
nicht aufhörst, mich beim Kochen anzustarren,
müssen wir unseren Unterricht im Schlafzimmer fortsetzen." Bevor ihr ein Grund einfiel, diesem verlockenden Vorschlag zu widersprechen, war
er verschwunden.
"Cara ..." sagte Joe mit erhobener Stimme. "Es
qualmt aus dem Topf."
Maddie sah von ihrem Notizbuch auf und
runzelte die Stirn. "Hast du mir denn gesagt,
dass die glasierten Karotten qualmen müssen?"
Sie schaute wieder in ihr Buch. "Habe ich
vergessen, das aufzuschreiben?"
"Nein, du hast es nicht vergessen." Er riss sich
die Schürze herunter und warf sie auf den
Tresen. "Du hast es nicht aufgeschrieben, weil
es einen verdammt guten Grund dafür gibt ...
Sie dürfen nicht qualmen."
"Warum schreist du?"
"Ich schreie nicht!"
"Nun, es kommt mir aber so vor."
Er nahm den Topf vom Herd und starrte hinein.
"Glaub mir, wenn ich schreie, wirst du die erste
sein, die es merkt."
"Oh, vielen Dank." Über seine Schulter spähte
sie in den Topf. "Die Karotten sollen doch
bestimmt nicht so schwarz sein, oder?" fragte
sie naserümpfend.
Joe biss die Zähne zusammen, so fest, dass sein
Kinn sich weiß färbte. "Bestimmt nicht.
Irgendwie erinnere ich mich dunkel daran, dass
verkohlte Karotten nicht gut schmecken."
"Sarkasmus, Mr. Milano?"
"Ich ... du ..." Er fluchte auf italienisch, was
ihm sichtlich gut tat.
"Joe?" flüsterte sie unsicher.
Er schloss die Augen. "Entschuldige. Ich habe
mich vergessen. Willst du einen neuen Versuch
mit den Karotten starten?"
"Wenn die Zutaten reichen." Maddie schaute in
den Kühlschrank. "Der Orangensaft ist fast
alle."
"Und Zucker ist auch nicht mehr viel da. Aber
für einen Versuch wird es wohl noch reichen."
"Joe?"
"Was ist?"
"Danke."
Als er ihrem ängstlichen Blick begegnete,
seufzte er hörbar. Dann nahm er sie tröstend in
die Arme. "Schon gut. Deswegen bin ich ja
hier."
"Ich will diese Rezepte nicht verändern. Das
weißt du."
"Cara, sei vernünftig."
Maddie verschränkte die Arme. "Ich bin
vernünftig."
"Muss ich dich wirklich an den Lachs
erinnern?"
Allein bei dem Gedanken daran griff sie
unwillkürlich zu ihrem Wasserglas.
"Tu mir bitte einen kleinen Gefallen", drängte
Joe. "Setz dich an den Tisch und mach die
Augen zu."
"Aber ..."
"Es ist nur ein kleines Experiment. Bitte,
Maddie, setz dich hin."
Sie tat, was er verlangte. Kaum hatte sie die
Augen geschlossen, umfasste er ihren Kopf und
gab ihr einen schnellen Kuss. "Joe!"
"Ich konnte nicht widerstehen", entschuldigte
er sich lächelnd. "Also, mach die Augen wieder
zu. Na? Nicht schummeln! Jetzt mach den
Mund auf und koste."
Es war ein Stückchen Kräcker mit Pastete.
"Schmeckt gut. Kommt noch mehr?"
"Moment. Mach die Augen wieder zu und
probier hiervon." Er schob ihr einen Happen in
den Mund. "Nun?"
"Oh."
"Oh? Ist das alles?"
"Mmm." Die zweite Pastete war fast so
köstlich wie sein Kuss. Jetzt, im direkten
Vergleich, erinnerte sie die erste Pastete an
Tuppers Küsse und die zweite an Joes.
"Das finde ich auch", bemerkte er mit
unüberhörbarer Zufriedenheit.
Sie öffnete die Augen. "Die zweite Pastete ...
ist deine Kreation?"
"Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten
hinzugefügt", beruhigte er sie. "Nun, was
meinst du? Bist du mit der Abweichung
einverstanden?"
Es handelte sich ja nur um eine kleine
Veränderung, noch dazu um eine sehr positive.
Spielte es eine Rolle, wenn die Rezepte nicht
exakt mit der Beschreibung übereinstimmten?
Zu ihrem eigenen Erstaunen beantwortete sie
diese Frage ohne Zögern. "Ich nehme dein Rezept." Joe rieb sich den Nacken. "Versuch es noch einmal, Maddie. Beim achtzehnten Mal gelingt es dir bestimmt." Als sie seine müde Stimme hörte, blickte sie ihn besorgt an. "Wie lange bist du heute schon auf den Beinen? Du siehst furchtbar aus." "Danke, es geht mir gut. Probier noch einmal die Glasur. Du hast es fast geschafft." "Es geht dir nicht gut. Und von der Glasur habe ich genug. Wenigstens für heute." Sie stellte den Herd aus, nahm Joe am Arm und zog ihn mit sich ins Wohnzimmer. "Leg dich aufs Sofa. Nein, keine Widerrede. Leg dich hin." Er schenkte ihr ein müdes Lächeln und gehorchte. "Spielst du wieder Krankenschwester? Welche Vitamine nehmen wir diesmal?" "Keine. Ich werde deinen Rücken massieren. Dreh dich um." Er drehte sich auf den Bauch und verschränkte die Arme unter dem Kopf. "Was ist mit dem Hemd? Soll ich es nicht ausziehen?" Auf keinen Fall. "Auf keinen Fall. Für eine professionelle Massage müsstest du auf einem
Tisch liegen. Ich will nur versuchen, deinen Rücken ein wenig zu entspannen." "Eine nette Idee", erwiderte er ironisch. "Aber ich glaube kaum, dass ich mich entspannen kann ... wenn ich deine Hände fühle." "Versuch es." "Okay. Ich bemühe mich." Nach einer Weile stöhnte er genüsslich. "Oh, Cara. Das tut gut." Maddie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um die Massage nicht in Zärtlichkeiten münden zu lassen. Er war so phantastisch gebaut. Dieser Verlockung hätte sie kaum widerstanden, wenn er sein Hemd ausgezogen hätte. Aber auch so wuchs ihr Verlangen, je länger sie seine festen Muskeln knetete. Als sie am Ende doch der Versuchung erlag und ihn zärtlich streichelte, war er leider schon eingeschlafen. Seufzend erhob sie sich vom Sofa, holte eine Decke aus dem Schrank und deckte ihn zu. Dann ging sie zu Bett. Als sie erwachte, war er fort. "Meine Blüten welken", stellte Maddie enttäuscht fest. "Sie sind zu warm."
"Letztes Mal waren sie zu kalt. Wie kann ich den richtigen Zeitpunkt erwischen?" "Dafür gibt es leider nur einen Weg. Erfahrung." "Großartig. Bis Heiligabend ist es noch eine Woche. Nicht gerade viel Zeit." Joe legte den Arm um ihre Schultern. "Mandeltulpen sind schwierig herzustellen, selbst für einen gelernten Koch. Am besten, du bereitest sie schon einen Tag vorher zu und machst doppelt so viele, wie du brauchst. Dann hast du Reserve, falls eine bricht oder zusammenschmilzt. Und bewahr sie in einem luftdichten Gefäß auf. Wenn sie nichts geworden sind, servierst du die Mousse eben in Gläsern." Sie lehnte den Kopf gegen seine Schulter. "Aber wenn sie welken, kann ich sie noch mal erhitzen, richtig?" "Ja. Nur solltest du es auf keinen Fall noch Heiligabend versuchen. Wenn du dir zuviel bis zum Schluss übrig lässt, verbringst du die Dinnerparty in der Küche und nicht bei deinen Gästen." Gäste. Schuldbewusst löste sie sich von Joe. Ihre Gäste waren Tupper und seine Familie.
Und das bedeutete, dass sie kein Recht auf eine intime Beziehung zu Joe hatte. Schließlich hoffte sie, schon bald ihre Verlobung mit Tupper zu feiern. "Vielleicht sollten wir die Tulpen auf einen anderen Tag verschieben und jetzt die Mousse in Angriff nehmen", schlug sie vor. Joe erwiderte nichts, aber man sah ihm an, dass er ihre Gedanken erraten hatte. Und noch etwas entdeckte sie in seinen Augen. Ein leidenschaftliches Verlangen, das sie ganz schwindlig machte. Er nickte. "Okay. Also, auf zur Mousse. Das schwierigste bei diesem Rezept ist die Temperatur des Zuckers." Er stellte zwei Messbecher auf den Tresen. "Zucker und Wasser. Du musst es langsam erhitzen und dabei den Topf schütteln." "Warum schütteln?" "Wenn du mit einem Löffel umrührst, kristallisiert der Zucker am Topfrand. Am Ende hast du dann Zuckerklumpen." Er stellte sich hinter sie und schaute ihr über die Schultern. Aufpassen, ermahnte sie sich. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich am Zucker verbrannte.
"Vorsichtig, Cara. Langsam schütteln. Achte auf die Farbe. Es geht sehr schnell, wenn es heiß genug ist. Erst wird der Zucker braun und im nächsten Moment ..." "Schwarz." "Richtig." Er streckte den Arm aus, um die Flamme abzuschalten. "Jetzt schlagen wir Eischnee und fügen den Zucker hinzu. Wie man Eiweiß und Eigelb trennt, habe ich dir gezeigt." Sie lächelte. "Dieser Teil gefällt mir am besten." Tatsächlich war es eine der einfachsten Arbeiten, die sie gelernt hatte. Sie stellte den Mixer auf höchste Stufe und schlug das Eiweiß zu einem flaumigen Berg. Dann blickte sie auf die weißen Schokoladenstückchen, die neben ihr bereitstanden. "Wann kommt dieses gute Zeug an die Reihe?" "Nach dem Zucker. Und damit können wir jetzt anfangen." Er lehnte sich gegen den Tresen und schob sich ein Stück Schokolade in den Mund. "Schalte den Mixer auf kleinste Stufe und gib nach und nach den Sirup dazu. Zum Schluss dann die Schokolade."
Es war ein Kinderspiel. Als nächstes musste die Sahne geschlagen werden. Au ch diese Arbeit gefiel Maddie. Sie schaute gern zu, wie sich die Flüssigkeit zu luftigen weißen Bergen auftürmte. "Und jetzt?" fragte sie über das Geräusch des Mixers hinweg. "Wir ziehen die Sahne unter die Mousse." "Verstehe." Sie nahm die Schokomischung. "Nein, warte!" Seine Warnung kam zu spät. Maddie kippte die Mousse in die Schale mit der Schlagsahne. Nun noch den Mixer eingeschaltet und ... Wie eine Fontäne spritzten weiße Flocken hoch und verteilten sich über Joe, Maddie und die nähere Umgebung.
6. KAPITEL
Dolce ...
oder
Dahingeschmolzen!
"O nein", fluchte Maddie. "Nein, nein, nein."
Ängstlich blickte sie Joe an und stöhnte gleich
noch einmal. Schlagsahne vermischt mit
weißer Mousse bedeckte sein Gesicht, seine
Schultern und seine Brust. Er stand wie
versteinert da und starrte sie an. Schließlich
bewegte er sich doch, und zwar blitzschnell.
Sie hob abwehrend die Hände. "Es tut mir leid.
Wirklich! Entschuldige bitte."
"Mir tut es nicht leid." Er drängte sie gegen den
Tresen. "Ganz im Gegenteil."
Maddie warf ihm einen kurzen Blick zu. "Du ...
du bist nicht böse?"
"Nein. Wenn das nicht passiert wäre, hätte ich
hierfür keinen Grund." Joe umfasste ihr
Gesicht und küsste sie auf den Mund, fordernd
und leidenschaftlich. "Und ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet." "Bist du wirklich nicht böse?" "Ich bin außer mir." Diese Worte begleitete er mit gierigen Küssen, die um so heftiger wurden, je stürmischer Maddie sie erwiderte. "Ich bin böse auf mich selbst, weil ich dich so lange nicht berührt habe." "Das stimmt doch gar nicht", flüsterte sie, während sie ihm einladend den Kopf entgegenstreckte. "Aber ich habe mich sehr zurückgehalten." Er leckte die Sahne von ihrem Kinn. "Außerdem ärgert es mich, dass wir immer noch ein Dinner üben, mit dem du einen anderen Mann verführen willst." "Er ist mein zukünftiger Bräutigam." "Auch das ärgert mich. Aber das Schlimmste ist, dass du diese unsinnige Idee immer noch nicht aufgegeben hast und dich weigerst, mit mir zu schlafen." "Ich kann nicht." Sie zitterte. "Das können wir nicht tun, und du weißt es genauso gut wie ich."
"Ich weiß nur, was ich fühle, wenn ich dich in den Armen halte", sagte er mit heiserer Stimme. "Und du fühlst es auch. Gib es zu." "Ich fühle gar nichts", log sie verzweifelt. "Hältst du mich für blind? Ich spüre doch, wie sehr du dich nach mir sehnst. Ich sehe das Verlangen in deinen Augen. Und ich weiß genau, wie versonnen du mich beobachtest, wenn du glaubst, ich würde dir den Rücken zukehren." Sie wurde blass. "Ich wollte dich nicht ..." "Das glaube ich dir gern", schnitt er ihr das Wort ab. "Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du mich begehrst." "Es ist aber nicht in Ordnung", erwiderte sie mit Tränen in den Augen. "Doch, Cara. Es ist vollkommen in Ordnung." "Tupper ..." "Er ist nicht dein Ehemann. Du bist nicht einmal mit ihm verlobt. Er ist ein Mann, mit dem du arbeitest und mit dem du dich ein paar Mal verabredet hast. Ein Mann, von dem du glaubst, du würdest ihn lieben." "Ich liebe ihn!" "Es ist drei Wochen her, seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Hast du in dieser Zeit
nicht begriffen, dass du ihn nicht liebst? Euch verbindet eine Freundschaft, zweifellos. Aber er rührt dein Herz nicht an." Er sah sie mitleidsvoll an. "Und deswegen fühlst du dich bei ihm so sicher. Weil du ihn nicht liebst, kann er dir auch nicht weh tun." "Hör auf! Ich will nichts mehr hören!" Maddie wischte sich die Tränen aus den Augen und sah stur auf sein Kinn, während sie versuchte, ihre Gefühle zu kontrollieren. "Du ... du hast Sahne am Kinn." "Tatsächlich?" fragte er lachend. Mit diesem Lachen blitzte noch etwas anderes in seinen Augen auf, eine leidenschaftliche Gier, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. "Tust du mir einen Gefallen?" "Welchen?" fragte sie erschrocken. "Leck es ab." Einen Augenblick lang starrte sie ihn regungslos an. Schließlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihm zärtlich die Sahne vom Kinn. Er atmete schneller und rief mit heiserer Stimme ihren Namen. "Du bringst mich um." "Soll ich aufhören?" "Nein, ganz und gar nicht."
"Hier hast du auch noch etwas Sahne." Sie schob seinen Hemdkragen beiseite und legte den Klecks in der Mulde zwischen Hals und Schulter frei. "Ich kann es nicht sehen." "Dann muss ich mich wohl darum kümmern." Als sie genüsslich die Mischung aus Sahne und Mousse abschleckte, spürte sie seinen Pulsschlag an ihrer Wange. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und begann zärtlich an seinem Hals zu saugen. Diese süße Tortur blieb nicht ohne Folgen. Joe umfasste ihre Taille und hob sie auf den Tresen. "Sitz still", verlangte er. Dann band er ihr die Schürze ab. "Die brauchst du nicht mehr", sagte er, während er die Schürze auf den Boden warf. "Aber ... Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld", protestierte sie. "Du hast recht. Aber eins nach dem anderen. Wir fangen hiermit an ..." Er umfasste ihren Kopf und schleckte ihre Wange ab. "Entspann dich. Es kann eine Weile dauern." Aus einer Schublade nahm er ein frisches Geschirrtuch, das er unter dem Wasserhahn befeuchtete. Dann wischte er ihr einige
Sahnekleckse aus dem Gesicht, wobei er sich verschiedenen Stellen besonders behutsam widmete. Einen Klecks an der Schläfe und über der Augenbraue küsste er mit zärtlichen Lippen ab. "Jetzt bist du an der Reihe", sagte er, während er ihr das Geschirrtuch in die Hand drückte. Im stillen schickte sie ein Gebet zum Himmel, von dem sie bereits ahnte, dass es nicht erhört werden würde. Maddie schob ihm das Haar aus der Stirn. Es fühlte sich kräftig und vital an, als es sich um ihre Finger legte. Nachdem sie die Augenbrauen abgewischt hatte, strich sie mit der Fingerspitze über seine Wangenknochen und folgte der Linie seiner Nase. "Es ist das erste Mal, dass du einen Mann so berührst, habe ich recht?" Sie zuckte die Achseln. "Lass dir ruhig Zeit. Ich habe nichts dagegen." Sie gab sich der süßen Verlockung hin und betastete die Fältchen um seine Augen- und Mundwinkel. Es waren Lachfalten, die sie an ihren Vater erinnerten. Ihr Vater hatte viel gelacht, ein tiefes ansteckendes Lachen, das andere zum Einstimmen ermunterte. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Joe ihr ein breites,
einladendes Lächeln geschenkt. Wann habe ich
Tupper zum letzten Mal lachen sehen, fragte
sie sich. Sie konnte sich nicht entsinnen. Nun,
er war eben ein ernsterer Typ.
"Dein Pullover gehört in die Waschmaschine",
bemerkte Joe leise.
"Dein Hemd auch."
"Kein Problem."
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, zog er
sein Hemd aus und warf es auf den Fußboden.
Maddie hielt den Atem an, als sie seinen
nackten Oberkörper sah. Muskulös und
braungebrannt, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Ihr Blick wanderte die Linie aus schwarzen
Haaren hinab, die von der Brust bis zum
Bauchnabel reichte.
"Habe ich noch irgendwo Sahne?" fragte er.
Erschrocken blickte sie in seine Augen, die
unverhohlene Lust verrieten. Sie hatte ihn
schamlos gemustert. Und er hatte es bemerkt.
Nein, er hatte sie sogar dazu ermutigt. Joe
wollte die Flamme entfachen, die sie so
sorgsam zu unterdrücken versuchte.
"Bin ich jetzt sauber?" wollte er wissen.
Noch einmal musterte sie ihn von oben bis
unten. "Vollkommen."
"Gut. Jetzt bist du an der Reihe." Sie protestierte nicht, als er seine Hände unter ihren Pullover schob. Nicht ein einziges Wort kam über ihre Lippen. Stück für Stück schob er den Pullover hoch und zog ihn schließlich über ihren Kopf. Danach landete das Kleidungsstück neben seinem Hemd und der Schürze auf dem Boden. Es kostete sie einige Beherrschung, die Arme nicht vor der Brust zu verschränken, als er sie betrachtete. "Warte einen Moment." Er ging zur Spüle, um das Handtuch unter warmem Wasser auszuspülen. Dann stellte er sich zwischen ihre Knie und umfasste ihr Kinn. "Mit der Mousse hast du wirklich ganze Arbeit geleistet", bemerkte er, während er ihren Hals abwischte. Sie zitterte unter der zärtlichen Fürsorge. "Bist du fertig?" "Noch lange nicht." Joe streichelte ihre Schultern und bedeckte ihren Hals mit Küssen. Als er seine Lippen zu ihren Brüsten hinabwandern ließ, unterdrückte sie ein Stöhnen. "Dort kann keine Sahne mehr sein", protestierte sie. "Der Pullover ..."
"Muss riesige Löcher haben. Überall ist noch Schlagsahne", flüsterte er zwischen den Küssen. "Ich schmecke es." "Das ist unmöglich." "So?" Er langte um sie herum, und sie hörten wie der Mixer gegen die Glasschale klapperte. Dann hielt er ihr seine Finger unter die Nase, auf denen ein großer Schlag Sahne thronte. "Ich glaube, du irrst dich." "Nein, nicht!" Sie verstummte, als Joe die Sahne über ihren Brüsten verteilte und sie anschließend genüsslich abschleckte. "Wir dürfen das nicht tun. Bitte, Joe ..." Irgendwie musste sie ihn stoppen. Doch noch während dieser Gedanke durch ihren Kopf schoss, umfasste er ihre Brüste. Unwillkürlich schlang sie die Beine um seine Hüften. Nun ließ er seine Hände über ihren Rücken hinab gleiten und presste sie an sich, fest und entschlossen. Maddie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. "Du fühlst dich so gut an", flüsterte er atemlos. "Ja, du auch", hörte sie sich sagen, obwohl sie dem Ganzen doch ein Ende setzen wollte. "Die Mousse ist wirklich lecker, aber ich finde, wir könnten sie noch verfeinern." Maddie griff
hinter sich in die Glasschale. Bevor er ihre
Absichten durchschauen konnte, rieb sie sein
Gesicht mit Sahne ein. "Besser als
Rasiercreme", bemerkte sie. Dann küsste sie
ihn auf die Nasenspitze. "Und viel
schmackhafter."
Er lächelte dieses verführerische, gewinnende
Lächeln, das ihr inzwischen so vertraut war.
"Du willst also ein bisschen spielen."
"Nur, wenn ich gewinnen kann."
"Cara, in diesem Spiel gewinnen wir beide."
Er nahm sie in die Arme und küsste sie auf den
Mund. Als sie seine festen, warmen Lippen
spürte, begriff sie, wie recht er hatte. In diesem
Duell waren sie beide Gewinner.
"Jetzt hast du auch Sahne im Gesicht", flüsterte
er hitzig.
"Dann musst du sie abschlecken."
"Später."
Joe strich zärtlich über ihren Rücken. Dann
öffnete er den Verschluss ihres BHs.
Erschrocken hielt Maddie die Hände vor ihre
Brüste, damit der Stoff nicht herunterrutschte.
Sekundenlang blickten sie sich regungslos an.
"Joe", flüsterte sie.
"Hab keine Angst, Cara. Siehst du nicht, wie sehr ich dich liebe?" Sie wollte ihn umarmen, besann sich aber im allerletzten Moment. Wenn sie sich Joe jetzt hingab, würde sie Tupper betrügen. Gewissensbisse quälten sie, auch wenn sie noch nicht offiziell verlobt war. Außerdem hatte sie Angst davor, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. "Wenn wir miteinander schlafen, dann musst du es von ganzem Herzen wollen", sagte Joe, als hätte er ihre Gedanken erraten. Dann löste er sich von ihr. Maddie begriff, dass er sie nicht mit seinen Küssen überreden würde. Es sollte ihr freier Entschluss sein. Das Gefühl drängte sie, sich für Joe zu entscheiden. Die Vergangenheit zu vergessen und ihre Ängste zu ignorieren. Am Ende war es Tupper, der ihr die Entscheidung abnahm. Das Telefon klingelte. Joe schloss die Augen. "Es hat wohl wenig Sinn, wenn ich dich bitte, nicht ans Telefon zu gehen." "Nein, ich muss abnehmen." Maddie wischte sich das Gesicht mit dem Geschirrtuch ab und ging zum Telefon. Als sie den Hörer abnahm,
trat Joe hinter sie und hakte den BH-Verschluss
wieder ein. "Hallo?" meldete sie sich.
"Hallo, ich bin's."
Sie sah Joe unbehaglich an. "Hallo, Tupper.
Wo bist du?"
"Immer noch in Spokane."
"Gibt es Schwierigkeiten?"
"Eigentlich nicht. Ich will nur vor den
Feiertagen noch ein paar Dinge unter Dach und
Fach bringen. Wahrscheinlich muss ich noch
eine Woche hier bleiben. Joy ist mir eine große
Hilfe."
"Oh, schön ..."
"Ohne sie hätte ich wirklich Probleme. Warum
hast du mir nie gesagt, dass sie so einen
herrlichen Sinn für Humor hat?"
"Ja, sie..."
"Oder dass sie Bilanzen beinah aus dem
Handgelenk schüttelt."
"Ich glaube, das wusste ich gar nicht."
"Oh, nun ..." Er räusperte sich. "Also, wegen
Weihnachten. Wäre es dir recht, wenn noch
einige Gäste dazukämen? Familienmitglieder
natürlich."
Maddie atmete tief durch, um ihre Panik zu
überspielen. Als Joe ihr besorgtes Gesicht sah,
legte er den Arm um ihre Schultern und formte
mit den Lippen die Worte: "Alles okay?"
Sie nickte. "Wie viele kommen denn noch
zusätzlich?"
"Zusätzlich?" fragte Joe leise. "Du sollst noch
mehr Leute bewirten?"
Sie winkte ab. "Tut mir leid, Tupper, was
sagtest du?"
"Ich weiß nicht genau, wie viele", erwiderte er.
"Zwei oder drei Personen. Du hast doch nichts
dagegen, oder?"
"Sag nein!"
"Natürlich ist es mir recht."
"Verdammt, Maddie!"
Tupper atmete erleichtert auf. "Prima. Ach, und
... Es würde dich doch nicht stören, wenn Joy
auch käme?" Er senkte die Stimme. "Sie wäre
sonst ganz allein. Und sie hat mir in den letzten
Wochen doch sehr geholfen."
"Je mehr, desto besser." Zu ihrem Erstaunen
verschwand Joe nun in ihrem Schlafzimmer
und kehrte mit einer frischen Bluse zurück.
"Das ist nett von dir, Maddie. Danke."
"Es ist doch ein besonderer Abend", erwiderte
sie fröhlich. "Nicht wahr?"
Tupper zögerte einen Moment. "Sicher. Schließlich ist Weihnachten. Ich muss jetzt Schluss machen. In ein paar Tagen rufe ich wieder an. Und ... tut mir leid, dass es hier länger dauert." "Kein Problem." Es entstand eine kurze Pause. "Du bist immer so verständnisvoll. Gute Nacht, Darling." "Gute Nacht, Tupper." Nachdenklich legte sie den Hörer auf die Gabel. Tupper, hatte sie Darling genannt. Das tat er nicht oft. Auch Joe nannte sie ab und zu Darling, wenn er nicht Cara sagte. Aber wenn Tupper das Kosewort benutzte, hatte es nicht diesen zärtlichen Klang. Es erweckte in ihr nicht den Wunsch, sich in seine Arme zu schmiegen. "Es kommen also noch mehr Gäste", bemerkte Joe, während er ihr die Bluse zuwarf. "Wie viele?" "Zwei oder drei. Vielleicht auch vier." "Zehn Personen? Du sollst zehn Personen bedienen?" Er schüttelte den Kopf. "Die Sache gerät außer Kontrolle." "Ob sechs oder zehn, wo ist der Unterschied?" Sie schlüpfte in die blaue Seidenbluse und
knöpfte sie zu. "Ich muss nur entsprechend mehr Portionen vorbereiten." Er sah sie zögernd an. "Wie wäre es, wenn ich Weihnachten vorbeikäme? Ich könnte dir helfen." "Das kommt gar nicht in Frage. Ich will es allein schaffen." "Erklär mir bitte, warum." "Weil ..." Sie atmete tief durch. "Weil ich Angst habe." "Angst?" Joe umfasste ihr Kinn, damit sie ihn ansah. "Wovor hast du Angst?" "Ich habe Angst zu versagen. Wenn ich es diesmal nicht schaffe, lerne ich es nie." "Ich verstehe dich nicht. Warum hast du nicht schon früher kochen gelernt?" "Versucht habe ich es. Bei meiner ersten Pflegefamilie." Sie schluckte. "Das Haus brannte ab." "Wie bitte?" "Es war ein Unfall. Ich wollte nur helfen." Sie blickte ihn zornig an. "Hör auf zu lachen. Es war überhaupt nicht lustig. Ich kam in eine andere Familie. Und dort durfte ich die Küche nicht einmal betreten."
"Das kann man ihnen nicht verübeln", erwiderte er. "Ich hätte mich nicht anders verhalten." "Wie dem auch sei. Ich habe beschlossen, an meinen Ängsten zu arbeiten. Wenn ich dich Weihnachten für mich kochen lasse, lerne ich es nie." Sie zuckte die Achseln. "Und ich will es lernen." "Warum? Nenn mir einen einzigen Grund dafür." "Weil ich mich in meinen Entscheidungen nicht von irgendwelchen Ängsten leiten lassen will." Darüber dachte er einen Augenblick nach. "Wenn du deine Angst vor dem Kochen besiegst, dann kannst du auch eine andere Angst besiegen. Die Angst, jemanden zu heiraten, der deinem Vater ähnelt." "Da gibt es nichts zu besiegen. Tupper ähnelt meinem Vater nicht." "Genauso wenig wie ich. Das ändert nichts an der Tatsache, dass deine Ehe scheitern wird, wenn du Tupper und nicht mich heiratest." "Du weißt nicht, wovon du sprichst." "Ich weiß es sogar ganz genau. Vielleicht hält deine Ehe eine Weile. Aber eines Tages wirst
du aufwachen und begreifen, dass du ohne
Liebe nicht leben kannst. Und dann wirst du
diejenige sein, die ihren Partner verlässt."
"Nein! Ich bin nicht wie mein Vater. Ich halte
mein Wort. Ich kenne Tupper seit zwei Jahren,
und ich weiß, dass er ein guter Ehemann ist."
Joe lächelte spöttisch. "Ja, richtig. Er ist
zuverlässig und bietet dir ein sicheres
Zuhause."
"Was ist daran falsch?"
"Nichts, aber es fehlt etwas Entscheidendes.
Liebe." Er nahm sie in die Arme und sah ihr
entschlossen in die Augen. "Maddie ... weißt
du es immer noch nicht? Ich liebe dich."
"Wir kennen uns erst seit ein paar Wochen",
wandte sie ein. "In so kurzer Zeit kann man
sich seiner Gefühle nicht sicher sein."
"So? Und wenn ich dich ein paar Monate
kennen würde, was dann?"
"Dann hättest du längst das Interesse verloren
und wärst mit einer anderen Frau zusammen."
"Hat Profit es so mit seinen Beziehungen
gehalten?"
Sie schloss die Augen, weil sie diesen
Vergleich nicht wahrhaben wollte. "Weißt du,
wie schwer es ist, wenn man alles aufgibt,
wofür man gekämpft hat?" fragte sie. "Wenn man ganz von vorn anfangen soll?" "Ja, Cara, das weiß ich." Er umfasste ihr Gesicht und streichelte ihre Wange. "Als ich hier her kam, musste ich alles aufgeben, was mir vertraut war." "Aber du hattest wenigstens deine Familie." "Die hast du auch", versicherte er ihr. "Ich bin für dich da. Und meine Familie ist auch deine Familie. Du brauchst nur diesen letzten Schritt zu tun." "Und wenn ich nein sage? Was passiert dann? Lässt du mich dann allein?" "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dir darum keine Sorgen machen musst. Ich lasse dich nicht allein." Sein Lächeln brach ihr fast das Herz. "Ich bin dein Weihnachtsgeschenk. Sag mir, was du willst, und du bekommst es", sagte er. "Ich will ..." Ihre Lippen zitterten, aber sie zwang sich, die Worte auszusprechen. "Ich will, dass du mir beibringst, ein Dinner für zehn Personen zu kochen." Obwohl seine Augen wütend funkelten, stritt er nicht mit ihr. "Schön. Dann komm mit. Wir
üben das Dessert. Für zehn Personen brauchst
du die doppelte Menge."
Damit steuerte er auf die Küche zu.
7. KAPITEL
Caffe e Conversazione ...
oder
Plauderei beim Kaffee!
Die Woche vor Weihnachten verging wie im
Flug. Obwohl die Situation nicht wieder so
außer Kontrolle geriet wie an dem Abend, als
sie die Mousse geübt hatten, wuchs die
Spannung zwischen ihnen mit jedem Tag, der
verstrich.
Maddie fiel es immer schwerer, sich auf die
Küchenarbeit zu konzentrieren. Entsprechend
häuften sich auch die Fehler. Und jeder
Fehlschlag schien Joes Nerven auf eine
Zerreißprobe zu stellen, bis sich seine
Unzufriedenheit schließlich zwei Tage vor
Heiligabend entlud.
"Du hast überhaupt nicht zugehört!" fuhr er sie
an.
"Ich habe zugehört. Zwei Prisen Salz und einen
viertel Becher Zucker. Genau das hast du
gesagt."
"Richtig. Das habe ich gesagt. Leider hast du
die Anweisung aber nicht befolgt."
"Woher willst du das wissen?"
"Probier doch mal."
"Warum?"
"Das wirst du schon sehen."
Sie nahm einen Löffel Himbeersauce. "Oh."
Maddie verzog das Gesicht. "Was ist passiert?"
"Du hast einen viertel Becher Salz genommen
und zwei Prisen Zucker."
"Ich habe es verwechselt?"
"Brillante Erkenntnis, Miss Wallace."
"Wie konnte das ..."
"Wie konnte ..."
"Fang nicht wieder an, auf italienisch zu
fluchen. Auch wenn ich die Sprache nicht
verstehe, weiß ich ganz genau, was du sagst",
bemerkte sie.
"Dann fluche ich eben auf englisch. Verdammt,
Maddie. Pass doch mal auf, was du tust."
"Ich habe aufgepasst", verteidigte sie sich.
"Aber Salz und Zucker sehen sich ziemlich
ähnlich. Man kann sie leicht verwechseln. Ist
dir das noch nie passiert?"
"Nein."
"Oh, natürlich. Du bist ein Meisterkoch. Du
machst keine Fehler."
Er ignorierte ihren Sarkasmus. "Auch
Meisterköche machen Fehler."
Seine Gelassenheit steigerte ihre Wut noch.
"Warum bist du dann so hart mit mir?"
"Weil dein geliebtes Dinner missglückt, wenn
du zu viele Fehler machst."
Sie band sich die Schürze ab und warf sie auf
den Tresen. "Dann missglückt es eben! Ich tue
mein Bestes. Und wenn das nicht genug ist,
wird Tupper eben auf diese Weise
herausfinden, dass ich nicht kochen kann."
"Das hoffe ich für dich", gab er mit schmalen
Lippen zurück. "Hol die Zutaten heraus,
Maddie. Wir versuchen es noch einmal."
"Nein. Wir sind fertig."
Joe zögerte einen Moment. "Gut. Dann sehen
wir uns morgen."
"Nein. Ich meine, wir sind mit allem fertig."
Er wandte sich ihr zu. "Du willst, dass ich nicht
mehr komme?"
Auch wenn es ihr schwer fiel, ihm in dieser Situation in die Augen zu schauen, sie zwang sich dazu. "Seit drei Wochen üben wir täglich diese Gerichte. Wenn ich sie jetzt nicht kochen kann, werde ich es in den nächsten achtundvierzig Stunden auch nicht mehr lernen." "Das ist nicht der Grund, weshalb du mich nicht mehr sehen willst", erwiderte er barsch. "Sag mir die Wahrheit." Sie verschränkte die Arme. "Du kennst den Grund", erklärte sie gequält. "Ich brauche Zeit, um alles zu überdenken. Und das kann ich nicht, solange du hier bist. Du ... du lenkst mich ab." "Ich will dich nicht ablenken. Ich will mit dir schlafen. Verdammt, ich will dich heiraten, Maddie." "Im Augenblick sind deine Gefühle bestimmt aufrichtig. Aber was ist nächsten Monat? Oder nächstes Jahr?" "Meine Gefühle werden sich nicht ändern", erklärte er unnachgiebig. Plötzlich musste Maddie lachen. "Ach, Joe. Was soll ich nur tun?"
Er nahm seine Schürze ab und legte sie auf den
Tresen. "Das kann ich dir sagen. Du gibst mir
einen Abschiedskuss. Dann gehst du schlafen,
und morgen früh kochst du die Gerichte allein."
"Ist das alles?"
"Nein. Versprich mir, dass du mich anrufst,
wenn du mich brauchst."
"Und wenn ich nicht anrufe?"
"Ich verlasse dich nicht."
Damit nahm er sie in die Arme und lenkte sie
mit einem leidenschaftlichen Kuss ab.
Joe stand unschlüssig vor Maddies Haustür.
Zum hundertsten Mal fragte er sich, ob er das
Richtige tat. Sie hatte ihm wiederholt erklärt,
dass sie seine Hilfe nicht wünschte. Warum
also stand er am Heiligen Abend vor ihrer Tür,
Stunden bevor ihre Gäste eintrafen?
Er schloss die Augen. Die Antwort auf diese
Frage war einfach.
Weil er sie liebte.
Weil er sie mit diesem Dinner nicht allein
lassen wollte. Er wollte zur Stelle sein, falls sie
Schwierigkeiten hatte.
Sei ehrlich, befahl er sich im stillen, es gibt noch einen anderen sehr wichtigen Grund. Er schlug mit der Faust gegen die Tür. Die Wahrheit war ganz einfach. Joe hoffte, dass Maddie Tuppers Heiratsantrag ablehnen würde. Völlig außer Atem riss sie die Tür auf. Sie trug einen kurzen, weißen Bademantel. Das Haar hatte sie zu einem reizenden Lockenberg aufgetürmt. Mehl klebte auf ihren roten Wangen. Und ihre Augen waren von Panik erfüllt. Joe fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er wusste nicht, ob er lachen oder sie hochheben und geradewegs ins Bett tragen sollte. "Ich ..." Sie deutete zur Küche. "Das Dinner ..." Schluchzend zupfte sie an ihrem Gürtel. "Anziehen muss ich mich auch noch ..." Joe trat ein, warf die Tür hinter sich ins Schloss und nahm sie in die Arme. "Lass mich raten. Du rennst kopflos durch die Wohnung. Das Dinner ist nicht mal halbfertig. Du bist noch nicht geduscht, geschweige denn angezogen." Er legte den Kopf auf die Seite und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. "Habe ich recht?" "Ja", schluchzte sie.
"Okay. Ich gehe in die Küche und passe auf,
dass nichts anbrennt." Als sie protestieren
wollte, küsste er sie auf die Stirn. "Glaub nicht,
dass ich dir das Kochen abnehme. Ich will nur
verhindern, dass etwas überkocht, während du
dich anziehst."
Maddie wischte die Tränen an ihrem Ärmel ab.
"Macht es dir wirklich nichts aus?"
"Wäre ich sonst hier?"
Nun begann sie, an ihren Lippen zu knabbern.
Ihre Miene hellte sich auf. "Warum bist du
gekommen, Joe?"
"Weil du mich brauchst", erwiderte er schlicht.
"Ich bin schließlich dein Weihnachtsgeschenk.
Hast du das vergessen?"
Freudentränen stiegen ihr in die Augen.
"Vielleicht sollte ich es aufschreiben", schlug
sie vor. "Anscheinend kann ich es mir einfach
nicht merken."
"Vielleicht." Er schob sie Richtung
Schlafzimmer. "Zieh dich an. Ist der Tisch
schon gedeckt?"
Erschrocken wirbelte sie herum. "Das habe ich
ganz vergessen!"
"Ich kümmere mich darum", beruhigte er sie. Dann fügte er schnell hinzu: "Das Dinner kochst du allein. Ich helfe dir nur ein wenig." "Oh, Joe." Sie flog in seine Arme und küsste ihn kurz aber stürmisch. Ein Kuss, der ihn daran erinnerte, was er verlor, wenn sie Tupper heiratete. Im nächsten Moment verschwand sie in ihrem Schlafzimmer. Es kostete ihn einige Mühe, ihr nicht zu folgen und statt dessen in die Küche zu gehen. Dort nahm er den Schinken vom Feuer und breitete ihn auf Papiertüchern aus. Dann verschaffte er sich einen Überblick. Es war nicht annähernd so schlimm, wie er befürchtet hatte. Die Pastete, musste nur noch gestürzt werden. Suppe, Knoblauchkartoffeln und die glasierten Karotten waren fertig zubereitet. Blieb noch der Salat, die Hühnchenbrust und die Füllung. Er nickte zufrieden. Nachdem er eine Schürze umgebunden hatte, holte er den frischen Spinat und, die Zutaten für die Füllung aus dem Kühlschrank. Er hatte versprochen, sich nicht einzumischen. Aber Spinat waschen und Gemüse schneiden, das waren nun wirklich Hilfsarbeiten, die man
nicht als kochen bezeichnen konnte. Kochen würde Maddie allein. Mit geübten Händen schnitt er Sellerie und Karotten, hackte Schnittlauch und sautierte Pilze und Lauch. Dann nahm er den Esstisch in Angriff, auf dem noch Teller, Gläser und Besteck fehlten. Um die Dekoration hatte Maddie sich bereits gekümmert, aber sie hatte sie komplett verändert. Der Tisch ähnelte dem Foto aus der Zeitschrift in keiner Weise. Warum hat sie das nur getan, fragte er sich erstaunt, während er den Tisch deckte. Als er fertig war, sah er auf die Uhr. Viel Zeit blieb nicht mehr, bis die Gäste eintrafen. Eilig ging er zum Schlafzimmer und klopfte an die Tür. "Cara, bist du bald fertig?" "Ich komme." Es verschlug ihm die Sprache, als sie die Tür öffnete. "Sei bella", flüsterte er. "Gefalle ich dir?" fragte sie unsicher. "Ja, Darling. Sehr sogar." Sie trug ein hautenges rotes Kleid, das unglaublich viel Bein sehen ließ. Unwillkürlich dachte Joe daran, wie sie ihn mit ihren Beinen umschlungen hatte.
Zärtlich berührte er ihr Haar, das ihr Gesicht
umrahmte und locker über die Schultern fiel.
"Du trägst es offen."
Sie zuckte die Achseln. "Ja."
"Aber heute ist weder Samstag noch Sonntag."
"Ich ... ich mache eine Ausnahme." Sie drehte
sich um und blickte ihn über die Schulter an.
"Würdest du den Reißverschluss hochziehen?"
"Mit Vergnügen."
Bei dieser Aufgabe ließ er sich viel Zeit und
streichelte zärtlich ihren Rücken. Als er ihr
Zittern spürte, wusste er, dass er sie nicht ohne
einen Kuss gehen lassen konnte. "Maddie",
flüsterte er, während er mit den Fingerspitzen
über ihren Hals strich.
"Das Dinner ..." Trotz ihres Protests lehnte sie
sich an ihn.
"Das Dinner kann noch einen Moment warten."
"Du solltest nicht hier sein." Langsam wandte
sie sich ihm zu. Ihre blauen Augen wirkten fast
grau, als sie fragte: "Warum bist du
gekommen?"
Er lächelte schelmisch. "Ich weiß nicht, wo ich
sonst hingehen sollte."
"Willst du ... zum Dinner bleiben?" brachte sie
mühsam hervor.
"Deswegen bin ich nicht gekommen", sagte er lächelnd. Dann beugte er sich zu ihr hinab und ließ seine Lippen über ihren Hals gleiten. "Ich bin deinetwegen hier." Ihren halbherzigen Protest erstickte er in einem zärtlichen Kuss. Welch ein wundervolles Gefühl, sie in den Armen zu halten. Als er sich von ihr lösen wollte, schmiegte sie sich dichter an ihn. Sie umfasste seinen Kopf und küsste ihn so leidenschaftlich, dass er seine Gefühle kaum noch kontrollieren konnte. Aber er hatte sich vorgenommen, erst morgen um die Frau zu kämpfen, die er liebte. Morgen würde er gewinnen. Dieser Abend jedoch gehörte ihr. Das Läuten der Türklingel trennte sie schließlich. Maddie sah Joe entsetzt an. "Sie sind da! Und ich bin noch nicht fertig angezogen. Das Dinner ist nicht fertig. Was soll ich machen?" "Dich anziehen. Ich lasse sie herein." "Nein, warte!" Mit zitternden Händen wischte sie seine Lippen ab. "Du hast Lippenstift am Mund."
"Tatsächlich?" fragte er lächelnd. "Du nicht." Wieder klingelte es. "Beeil dich, Cara. Wenn ich jetzt nicht aufmache, gehen sie wieder." "Ich brauche nicht lange. Führe sie ins Wohnzimmer. Du kannst auch schon die Pastete servieren. Und sag ihnen, ich komme gleich." "Okay." Er öffnete den Reeds, die zahlreich erschienen waren, die Haustür. "Fröhliche Weihnachten", begrüßte er sie. "Kommen Sie doch herein." Der erste, der über die Schwelle trat, war ein großer, nett aussehender Mann Anfang Dreißig, gefolgt von einer jungen, blonden Frau, vielleicht Mitte Zwanzig. Der Mann streckte Joe die Hand entgegen. "Ich glaube, wir kennen uns nicht. Ich bin Tupper Reed. Und das ist meine Mitarbeiterin, Joy Jessup." "Joe Milano. Freut mich, Sie kennen zu lernen." Er schüttelte den beiden die Hand und bedeutete ihnen, im Wohnzimmer Platz zu nehmen. "Machen Sie es sich bequem. Maddie wird gleich kommen. Auf dem Beistelltisch steht Champagner-Punch bereit. Und Kaffee. Bedienen Sie sich."
Nachdem er jeden einzelnen begrüßt hatte,
entschuldigte er sich und verschwand in der
Küche. Joe stürzte die Pastete auf eine Platte,
die er mit frischem Gemüse und Kräckern
dekorierte. Dann ging er zu den Gästen ins
Wohnzimmer hinüber, wo er augenblicklich
mit Fragen bombardiert wurde.
"Sind Sie nicht der Koch aus dem Fernsehen?"
fragte Joy, als er die Pastete auf dem
Kaffeetisch abstellte.
"Kochen Sie heute Abend das Dinner?"
erkundigte sich Tupper.
"Wo ist Maddie?"
"Essen Sie mit uns?"
Und noch etwas wollte Tupper wissen. "Woher
kennen Sie Maddie?"
Joe lächelte freundlich. "Ja, ich bin der Koch
aus dem Fernsehen. Nein, Maddie kocht heute
Abend allein. Wir haben das Menü nur
gemeinsam zusammengestellt. Sie ist in ihrem
Schlafzimmer und zieht sich an. Es tut mir leid,
aber für heute Abend habe ich andere Pläne.
Ich werde also gehen, sobald Maddie bei uns
ist. Und ich kenne sie, weil sie mich auf einer
Auktion gekauft hat. Ich bin ihr
Weihnachtsgeschenk."
"Maddie hat Sie gekauft?" fragte Tupper skeptisch. "Genauer gesagt, sie hat meine Erfahrung gekauft. Die allerdings lässt sich von meiner Person nicht trennen." Er sah Tupper an. "Soweit ich weiß, gibt es heute einen besonderen Anlass zum Feiern. Maddie hat meine Hilfe in Anspruch genommen, um alles möglichst perfekt zu gestalten." Eine unbehagliche Stille trat ein, als er innehielt. Ein Schweigen, das ihn stutzig machte. Joe schaute in die Runde. "Dies ist doch ein besonderer Abend, oder nicht?" "Ja, natürlich", erwiderte Tupper verlegen. "Wir sind nur überrascht, dass sie sich soviel Mühe gemacht hat." "Sie hat hart gearbeitet." Joe lächelte souverän. "Wenn Sie mich bitte entschuldigen. Ich schaue mal nach, ob sie fertig ist." Maddie trat soeben auf den Flur, als er ihr Schlafzimmer erreichte. "Begrüß erst mal deine Gäste", schlug er vor. "Ich warte in der Küche auf dich. Es ist fast alles vorbereitet. Sobald du mit deinen Gästen am Tisch sitzt, verschwinde ich."
Zehn Minuten später kam sie in die Küche.
"Was hast du den Reeds erzählt?" fragte sie.
"Tupper und seine Familie sehen mich so
seltsam an."
"Sie wollten wissen, woher wir uns kennen. Ich
habe ihnen von der Auktion erzählt."
Stirnrunzelnd betrachtete er die
Hühnchenbrust, die darauf wartete, gefüllt zu
werden. "Vielleicht hätte ich lieber nichts
sagen sollen."
"Nein, das ist in Ordnung. Joy wusste es
ohnehin schon." Nervös schaute sie sich in der
Küche um. "Ich habe überhaupt keinen Plan.
Womit soll ich anfangen?"
"Schieb die Kartoffeln in den Ofen und setz die
Suppe auf. Danach machst du mit der Füllung
weiter." Er band ihr eine Schürze um. "Es
genügt, wenn du die Hühnchenbrust in den
Grill schiebst, bevor du den Salat servierst."
"Und die Sauce zum Hühnchen? Wann mache
ich die?" fragte sie.
"Du hast alles aufgeschrieben. Schau in deinem
Notizbuch nach."
"Ach ja." Hastig blätterte sie in dem Buch.
"Die Sauce dauert fünf Minuten."
"Was bedeutet..."
"Ich mache sie, nachdem wir den Salat gegessen haben." "Ausgezeichnet. Nun noch die Suppenschalen. Das Tablett steht hier. Wenn du willst, bringe ich es an den Tisch." Sie folgte seinen Anweisungen ohne jedes Zögern. Als er ihre eifrige Miene sah, lächelte er zufrieden. Sie hatte in den vergangenen Wochen wirklich viel gelernt. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und geküsst. Doch die Situation wäre denkbar unpassend gewesen. Also lehnte er sich gegen den Tresen und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Eine kluge Entscheidung, denn in diesem Moment steckte Joy den Kopf zur Tür herein. "Kann ich dir helfen?" fragte sie. Maddie lächelte. "Danke, aber ich habe alles im Griff. Ich freue mich, dass du gekommen bist." "Vielen Dank für die Einladung." Einen Augenblick lang blieb sie zögernd im Türeingang stehen, als wollte sie noch etwas sagen. Doch dann zuckte sie die Achseln. "Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst."
"Mach ich." Nachdem Joy gegangen war, stand
Maddie unschlüssig mitten in der Küche.
"Irgend etwas muss ich noch vorbereiten, bevor
ich die Suppe serviere."
"Denk nach, Darling", ermutigte Joe sie. "Du
schaffst es."
Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. "Das
Dressing für den Salat. Ich gebe die Zutaten in
die Kasserolle, damit ich die Sauce nur noch
erwärmen und den Brandy zufügen muss.
Richtig?"
"Perfekt."
"Den Schinken habe ich schon geröstet",
murmelte sie vor sich hin. "Es muss alles nur
noch in den Topf." Sie stellte die Zutaten bereit
und maß die Mengen sorgfältig ab.
Joe beobachtete sie stolz. "Das sieht alles sehr
professionell aus, was du da machst."
Sie hatte sogar Zeit für ein kurzes Lächeln.
"Ich hatte den besten Lehrer."
Nun war die Suppe an der Reihe. Maddie
probierte, ob sie heiß genug war und füllte sie
dann in Schalen, die Joe zum Tisch brachte.
Als er zurückkam, war sie im Begriff, zu ihren
Gästen zu gehen.
"Es wird Zeit für mich", sagte er, während er die Schürze ablegte. Sie schaute ihn nervös an. "Kannst du nicht bis zum Salat bleiben? Nur für den Fall, dass etwas schief geht." "Es wird nichts schief gehen." "Bitte." Er konnte es ihr nicht abschlagen. "Okay, ich bleibe noch", stimmte er schließlich zu. "Aber nur bis zum Salat." Es waren qualvolle zwanzig Minuten für Joe. Er hörte, wie Tupper Maddie damit hänselte, dass sie sich einen Meisterkoch gekauft hatte. Und er hörte Maddies Lachen. Am liebsten wäre er ins Wohnzimmer gegangen, hätte Maddie in die Arme genommen und vor Tupper und allen anderen erklärt, dass sie ihm gehörte. Statt dessen erduldete er still seine Höllenqualen. Endlich wurde es Zeit für den Salat. Maddie holte die Schale mit frischem Spinat und stellte sie auf den Beistelltisch. Dann kam sie in die Küche zurück, um das Dressing zu erhitzen. "Viel Glück", flüsterte Joe, als sie auf das Wohnzimmer zusteuerte. Diesmal ließ er es
sich nicht nehmen, ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund zu drücken, den sie liebevoll erwiderte. "Beeil dich, sonst wird die Sauce kalt." Er stellte sich in den Türrahmen, damit er sie beobachten konnte, wenn sie die Brandysauce entzündete. Vor dem kritischen Augenblick drehte sie sich zu ihm um und zwinkerte ihm zu. Dann entzündete sie das Dressing. Joe lächelte, als er die entzückten Ausrufe ihrer Gäste hörte. Giorgio hätte es nicht besser machen können, dachte er zufrieden. Gleich darauf kam sie aufgeregt in die Küche. "Hast du gesehen?" flüsterte sie, während sie die Hühnchenbrust in den Backofen schob. "Es hat geklappt. Keine Explosion, kein Feuerlöscher, und das Haus steht noch." "Du warst perfekt", lobte er sie ohne Übertreibung. Sie lief zu ihm und schlang die Arme um seinen Hals. "Ohne dich hätte ich das nie geschafft, Joe. Vielen Dank." "Ich habe gern geholfen." Joe schloss die Augen. Es wurde Zeit für ihn. Behutsam löste er sich aus ihrer Umarmung. "Cara ..." "Nein, sag es nicht", flüsterte sie. "Bitte."
Er biss die Zähne zusammen, damit er ihrer flehentlichen Bitte nicht doch noch nachgab. "Ich muss jetzt gehen."
8. KAPITEL
Arrivederci! oder Der Weg in sein Herz Widerwillig trat Maddie einen Schritt zurück. Vor zwei Tagen hatte sie Joe gebeten, sie allein zu lassen, weil sie über ihre Gefühle nachdenken wollte. Aber jetzt ... Jetzt erkannte sie, dass dies wirklich das Ende war. Wenn er jetzt ihr Haus verließ, würde er nicht zurückkommen. Sie machte eine hilflose Geste. "Musst du wirklich gehen?" fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte. "Du hast alles unter Kontrolle. Du brauchst meine Hilfe nicht mehr." Er deutete zum Wohnzimmer. "Kümmere dich um deine Gäste. Sie warten schon."
Maddie spürte, wie ihre Kehle sich zusammenzog, und ihre Augen brannten schlimmer als beim Zwiebeln schneiden. "Ich könnte ein Gedeck für dich hinstellen." Mit zwei energischen Schritten war er bei ihr. "Was willst du von mir?" fragte er mit unterdrückter Wut. "Soll ich an deinem Tisch sitzen und auf deine Verlobung anstoßen? Soll ich lächeln, wenn ihr euren Hochzeitstermin festlegt? Vergiss es. So selbstlos bin ich nicht." Sie zuckte erschrocken zusammen, als er die Situation so drastisch beschrieb. "Tut mir leid", flüsterte sie. "Es war ein dummer Vorschlag." Joe schenkte ihr ein umwerfend zärtliches Lächeln. "Denk nicht darüber nach. Gib mir lieber einen Abschiedskuss." Es war die schwierigste Aufgabe, die er ihr je gestellt hatte. Aber abschlagen konnte sie ihm die Bitte nicht. Er hatte soviel für sie getan und so wenig bekommen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn mit zitternden Lippen. Leider hoffte sie vergeblich, dass er sie umarmte oder zärtlich ihren Kopf umfasste. Er hob sie auch nicht auf den Tresen, um ihr die Sahne vom Gesicht zu küssen. Es war nur ein kurzer, freundschaftlicher Kuss.
Als er sich zum Gehen wandte, sah sie ihn
verzweifelt an. "Ich ..." Sie verstummte.
"Vielen Dank, dass du meinen
Weihnachtswunsch erfüllt hast", brachte sie
schließlich hervor.
"Aber ich habe ihn nicht erfüllt. Noch nicht."
"Du hast mir das Kochen beigebracht. Das war
doch das Geschenk." Sie sah ihn unsicher an.
"Oder nicht?"
"Nein, Cara."
Sie zog die Augenbrauen zusammen. "Was
denn sonst?"
Er lächelte dieses wundervolle, vielsagende
Lächeln. "Hast du es vergessen?"
"Offensichtlich."
"Nun, in dem Fall musst du dich noch etwas
gedulden. Wenn es dir eingefallen ist und du es
immer noch willst..." Er zuckte mit den
Schultern.
"Was dann?" fragte sie. "Was muss ich tun?"
"Komm und hol es dir."
"Wie bitte?" rief Maddie empört. "Du gehst
jetzt? Du gehst, ohne meinen Wunsch erfüllt zu
haben?"
Er lachte bitter. "Ich fürchte, ich kann dir nicht helfen. Genieß das Dinner. Und grüß deine Gäste von mir." Als sie merkte, dass er es ernst meinte, stiegen ihr die Tränen in die Augen. "Joe ..." Er sah sie nicht an. "Fröhliche Weihnachten, Darling." An der Tür drehte er sich noch einmal um. "Und Maddie?" "Ja?" fragte sie hoffnungsvoll. "Du solltest die Hühnchenbrust wenden, sonst brauchst du doch noch einen Feuerlöscher." Damit verschwand er. Sollte sie ihm nachlaufen? Musste sie nicht verhindern, dass das Haus abbrannte? Sie entschied sich für die zweite Möglichkeit. Leise fluchend öffnete sie den Backofen. Die Hühnchenbrust war goldbraun. Perfekt. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Joe war eben gegangen und ... "Maddie?" fragte Joy vom Türeingang. "Kann ich dir wirklich nicht helfen?" Diesmal zögerte Maddie nicht. "Doch. Hilf mir bitte, den Hauptgang zu servieren." Zehn Minuten später saß sie mit ihren Gästen am Tisch und lächelte mechanisch, während sie darüber nachgrübelte, was sie sich gewünscht
hatte. Immer wieder kam sie zu dem gleichen
Ergebnis. Dieses Dinner. Etwas anderes hatte
sie sich nicht gewünscht.
Als sie eine halbe Stunde später in die Realität
zurückkehrte, stellte sie fest, dass sie ihr Essen
nicht angerührt hatte. Ihre Gäste saßen
schweigsam vor ihren Tellern.
"Maddie?" fragte Tupper vorsichtig. "Ist alles
in Ordnung?"
"Ja, warum?"
"Du hast den ganzen Abend kein Wort gesagt.
Ich ..." Er schaute in die Runde. "Wir machen
uns Sorgen."
Sie legte Messer und Gabel auf ihren Teller.
"Um ehrlich zu sein, es ist nicht alles in
Ordnung."
"Ich habe es gleich gewusst", bestätigte Joy.
"Die Sache ist die." Maddie runzelte die Stirn.
"Ich habe mir etwas gewünscht und kann mich
nicht daran erinnern, was es war."
Niemand antwortete.
"Und jetzt überlege ich schon die ganze Zeit,
was es sein könnte."
"Ein Wunsch?" wiederholte Tupper
kopfschüttelnd.
Die übrigen Gäste tauschten besorgte Blicke.
"Zu welcher Gelegenheit haben Sie den Wunsch geäußert?" mischte Tuppers Mutter sich zaghaft ein. "Es war ein Weihnachtswunsch." Wieder herrschte unbehagliche Stille. Und dann sagte Tuppers Mutter schließlich mit schüchterner Stimme: "Joe hat uns erzählt, er sei Ihr Weihnachtsgeschenk. Hilft Ihnen das weiter?" Maddie fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Wie oft hatte Joe zu ihr gesagt: Ich bin dein Weihnachtsgeschenk. "Natürlich", rief sie. "Wie konnte ich das vergessen?" "Maddie, was ist mit dir?" fragte Tupper besorgt. Sie starrte ihn an, als würde sie ihn zum erstenmal sehen. Er bot ihr alles, was sie von einem Mann erwartete: Verlässlichkeit, Stabilität und Sicherheit. Nur etwas fehlte. Sie liebte ihn nicht. Sie mochte und respektierte ihn. Aber sie liebte ihn nicht. In diesem Moment begriff sie, dass sie zu Joe gehörte. Allerdings gab es da ein Problem. Joe war gegangen, und Tupper war hier.
"Tupper, ich muss dir etwas sagen", begann sie. "Und was?" fragte er vorsichtig. "Ich kann dich nicht heiraten. Verzeih mir." "Wegen Joe?" Sie nickte. "Ich liebe ihn." "Verstehe. Ich verstehe dich sogar sehr gut. Weißt du, ich muss dir nämlich auch etwas sagen." Er atmete tief durch und erhob sich. Dann ging er zu Joy hinüber und legte die Hände auf ihre Schultern. "Ich habe Joy gestern Abend gefragt, ob sie meine Frau werden will. Ich wollte dich nicht hintergehen", fügte er achselzuckend hinzu. "Es ist ganz einfach passiert." Ängstlich und hoffnungsvoll zugleich wartete Joy auf Maddies Reaktion. "Kein Problem", sagte Maddie mit sichtlicher Erleichterung. "Ehrlich, ich freue mich für euch. Herzlichen Glückwunsch." "Bist du mir wirklich nicht böse?" fragte Joy nervös. "Bestimmt nicht. Ich hoffe, dass ihr glücklich werdet." Damit stand auch Maddie auf, die keinen Zweifel hatte, dass Joy viel besser zu Tupper passte als sie selbst. Außerdem konnte
Joy kochen, was besonders Mrs. Reed erfreuen würde. "Entschuldigt mich bitte. Ich muss gehen." "Aber warum denn?" Tupper war sichtlich irritiert. "Ich muss zu Joe. Im Kühlschrank ist Mousse. Bedient euch." Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedete sie sich. "Ich muss mich jetzt wirklich beeilen." "Würde mir bitte jemand erklären, was hier vor sich geht?" hörte sie Tuppers Vater sagen, als sie das Zimmer verließ. Tupper holte sie auf dem Flur ein. "Warte! Bitte, ich ..." Offenbar fielen ihm nicht die richtigen Worte ein. Sie legte den Kopf auf die Seite. "Wir haben uns etwas plötzlich getrennt. Wolltest du das sagen?" "So ähnlich." Er seufzte. "Ich hatte vor, dir heute Abend einen Antrag zu machen. Und dann ..." "Dann bist du mit Joy nach Spokane gefahren." "Ich habe mich in sie verliebt", sagte er mit einem verträumten Lächeln. "Es war keine Absicht. Es ist einfach passiert. Aber ich hätte es dir nicht erst heute Abend sagen dürfen.
Zumindest hätte ich das Dinner absagen müssen." "Ja, wahrscheinlich. Aber es ging alles so schnell. Ehrlich gesagt, ich bin froh, dass du das Dinner nicht abgesagt hast. Sonst wäre ich Joe nämlich nie begegnet." "Verrückt, nicht wahr?" "Ja." Sie nahm ein Päckchen vom Flurtisch und ging zur Haustür. "Mach's gut, Tupper." "Viel Glück." Maddie wusste genau, wohin Joe gegangen war, nachdem er sie verlassen hatte. Ins House Milano. Hoffentlich wartete er dort noch auf sie. Als sie die Lobby des Restaurants betrat, hatte sie wie immer das Gefühl, in ein Paradies zu gelangen. Diesmal war es ein weihnachtliches Paradies, geschmückt mit roten Satinschleifen und Sträußen von frisch geschnittenen Tannenzweigen. Giorgio stand an seinem gewohnten Platz hinter dem Empfangstresen. "Fröhliche Weihnachten, Miss Wallace", sagte er mit einer höflichen Verbeugung. "Wir haben Sie erwartet." "Wollen Sie mich nicht Maddie nennen?" fragte sie lächelnd.
"Sehr gern. Vielen Dank." Er nahm ihr das
Geschenk ab, das sie Joe mitgebracht hatte, und
half ihr aus dem Mantel. "Wie ich hörte, war
Ihr Dinner ein Riesenerfolg."
"Ich wünschte, Sie wären dabei gewesen. Es
hätte Ihnen gefallen. Und wir brauchten auch
keinen Feuerlöscher."
"Beeindruckend."
"Ich ... ich nehme an, Joe ist hier?"
"Seit zwei Stunden läuft er im Restaurant auf
und ab." Giorgio zeigte auf das Geschenk.
"Soll ich es unter den Baum legen?"
"Nein, ich möchte es ihm lieber selbst geben."
"Ausgezeichnet. Dann darf ich hoffen, dass Sie
ihn von seinen Qualen erlösen wollen?"
"Ich werde mein Bestes tun."
"Dafür wären wir Ihnen sehr dankbar."
In dem leeren Restaurant spielte wie immer
eine Kapelle. Weihnachtslieder. Maddie
durchquerte den Raum. Vor den Stufen, die in
den privaten Bereich führten, blieb sie kurz
stehen, um noch ein letztes Mal tief
durchzuatmen. Dann ging sie hinauf und
schaute sich in dem abgedunkelten Raum um.
Joe stand am Fenster. Im selben Augenblick,
als er sie bemerkte, hellten sich seine Züge auf.
"Du hast mich lange warten lassen, Cara. Ich dachte schon, du würdest nicht mehr kommen." "Ich will mir nur mein Geschenk abholen", erklärte sie ihm mit einem unsicheren Lächeln. Er zog eine Augenbraue hoch. "Dann ist dir also eingefallen, was es war." "Eigentlich hat Mrs. Reed mich darauf gebracht." "Tatsächlich. Das muss eine interessante Unterhaltung gewesen sein." "Es hat zumindest einiges geklärt." Sie blieb an der Couch stehen und strich mit den Fingerspitzen über den Seidenbrokat. "Ich fürchte, ich war keine gute Gastgeberin. Ich bin schon vor dem Dessert verschwunden." "Wie schade", bemerkte er mit einem verführerischen Lächeln. "Soweit ich mich erinnere, ist deine Mousse besonders delikat." "Aber sie macht Appetit auf mehr", ging sie auf seine Anspielung ein. "Hast du vergessen, dass ich ein Meisterkoch bin, Cara? In Zukunft brauchst du keine Angst mehr zu haben, dass du nicht satt wirst." Maddie legte sein Geschenk auf die Couch. "Du hast also vor, meinen Hunger zu stillen?"
"Mein Wort darauf. Ich werde dich so gut versorgen, dass keiner deiner Wünsche unerfüllt bleiben wird." "Wir reden nicht über Essen, oder?" fragte sie mit heiserer Stimme. Er schüttelte den Kopf. Mit langsamen Schritten kam er auf sie zu. "Du willst dir also dein Geschenk abholen. Was hast du dir gewünscht?" Sie zögerte keine Sekunde. "Dich. Du bist mein Weihnachtswunsch. Hast du das vergessen?" "Ich nicht. Du warst diejenige, die sich nicht erinnern konnte." "Es wird nicht wieder vorkommen", versprach sie. "Ich habe es in mein Notizbuch geschrieben." Joe lächelte und ließ ihr Haar durch seine Finger gleiten. "Du trägst es offen, weil du ihm gefallen wolltest." "Nein. Du irrst dich. Ich wollte es zusammenstecken. Aber dann warst du plötzlich da ..." Sie zuckte die Achseln. "Es sollte eine Überraschung für dich sein." Er umfasste ihren Kopf und strich zärtlich mit dem Daumen über ihr Kinn. "Und die Tischdekoration? Der Tisch sah nicht so aus
wie auf dem Foto. Warum hast du das geändert?" "Weil ich mit der Dekoration eine andere Erinnerung verbinde. Eine besondere Situation." "Und welche?" Es fiel ihr schwer, diese Frage zu beantworten. Aber Joe verdiente ihre Aufrichtigkeit. "Erinnerst du dich an unseren ersten Abend hier? Du hast alles getan, um meinen Traum wahr werden zu lassen. Du hast das Menü gekocht und den Tisch genau wie auf dem Foto hergerichtet. Sogar an die Gardenien hast du gedacht. Ich konnte den Tisch für Tupper nicht genauso decken. Du hast soviel für mich getan. Ich wäre mir wie eine Verräterin vorgekommen." "Wie stehst du nun zu Tupper?" "Ich habe geglaubt, ich würde ihn lieben. Und ich wollte mein Versprechen halten, weil ich Angst hatte, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten. Inzwischen habe ich etwas begriffen." Sie schaute ihm in die Augen. "Ohne Liebe kann man sich nicht binden. Und ich liebe Tupper nicht. Er hat nur alles repräsentiert, was ich im Leben wichtig fand."
"Und was willst du nun wirklich?" fragte er
sanft.
"Dich."
"Warum?"
"Weil ich dich liebe."
Die Worte klangen für ihn wie ein zartes
Flüstern, süß wie der Kuss eines Engels. Mehr
brauchte er nicht zu hören. Er breitete die Arme
aus und fing sie auf, als sie sich ihm lachend
entgegen warf.
Und dann küsste er sie. Es war ein tiefer Kuss,
leidenschaftlich und fordernd. Maddie schlang
die Arme um seinen Hals und hielt ihn so fest,
als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Gierig
erforschte sie seinen Mund. Sie wollte ihn
berühren, ihn festhalten, mit ihm schlafen.
Zitternd vor Verlangen presste sie sich an ihn.
"Es ist ja alles gut", flüsterte er, als er ihr
schließlich die Tränen von den Wangen küsste.
"Jetzt ist alles gut. Meine Familie wird bald
hier sein, und dann feiern wir nach alter
Tradition. Sie sind sehr nett. Du wirst sie
mögen."
"Deine Familie kommt hierher?"
"Wir feiern Heiligabend immer hier im
Restaurant."
"Hast du ihnen von uns erzählt?" "Sie wissen alles. Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe und die Absicht habe, dich zu heiraten." Nun umfasste er ihr Gesicht und schaute ihr in die Augen. "Willst du meine Frau werden, Maddie Wallace?" "Ja, das weißt du doch." Sie nahm seine Hände und führte ihn zum Sofa. "Das ist für dich", sagte sie, während sie auf das Geschenk zeigte. Sie setzten sich aufs Sofa, und Joe wickelte neugierig sein Geschenk aus. Es war ein Album. Er schlug es auf und fand eine gepresste Gardenienblüte. "Von unserem Dinner", sagte er leise. "Ich weiß noch genau, wie ich dir die Blüte ins Haar gesteckt habe." "Noch am selben Abend habe ich sie in meinem Tagebuch gepresst, obwohl ich damals noch nicht wusste, dass ich dich liebe. Das Album habe ich gekauft, damit wir unsere Erinnerungen darin sammeln." "Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue", erwiderte Joe ernst. "Keine Zeitschriftenfotos mehr?" Sie schüttelte den Kopf. "Die brauche ich nicht mehr. Es waren Träume. Die Realität ist tausendmal schöner."
Er nahm sie in die Arme und küsste sie zärtlich, bis ein aufgeregtes Stimmengewirr sie aufschreckte. "Deine Familie ist da", sagte Maddie. "Nein, Cara. Unsere Familie ist da." Hand in Hand gingen sie ihnen entgegen. Dona Milano kam als erste herein. "Willst du uns nicht bekannt machen?" fragte sie mit einem warmherzigen Lächeln. "Das ist meine Verlobte, Maddie Wallace." Lächelnd fügte er hinzu: "Mein ganz persönlicher Weihnachtswunsch."
- ENDE