Korsaren Der Karibik

Seewölfe 349 1 Fred McMason 1. Das Wasser war tintenblau und warm, eine leichte Dünung bewegte die See, und über allem...

Author: McMason Fred

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Seewölfe 349 1

Fred McMason 1.

Das Wasser war tintenblau und warm, eine leichte Dünung bewegte die See, und über allem spannte sich glockenähnlich ein hellblauer Himmel mit vereinzelten Lämmerwölkchen. Das war ein Anblick, der die Herzen der Seewölfe wieder höher schlagen ließ. Sie segelten im Sechser-Verband der Karibik entgegen. Voran die „Isabella IX.“, gefolgt von dem Schwarzen Segler „Eiliger Drache über den Wassern“, dahinter folgte der Viermaster der Roten Korsarin „Roter Drache“, seitlich nach Backbord versetzt segelte die „Wappen von Kolberg“, der wiederum die „Le Vengeur III.“ folgte. Den Abschluß des Verbandes bildete der Neubau „Tortuga“. Die beiden letzteren Schiffe waren erst kürzlich in Plymouth von der Werft des alten Schiffbaumeisters Hesekiel Ramsgate vom Stapel gelaufen. Ihr gemeinsames Ziel war die Schlangeninsel. Dort wollte auch Hesekiel Ramsgate nach etlichen unliebsamen Zwischenfällen in England wieder ein neues Leben beginnen, und dort sollte unter anderem auch eine Werft gebaut werden. Auf der Schlangeninsel würde es also bald recht einschneidende Veränderungen geben. Auf fast allen Schiffen träumten sie in Gedanken den Traum vom neuen Leben, denn auch Hasards Vetter, Arne von Manteuffel, hatte mit der Entscheidung, in die Karibik zu segeln, seinem alten Leben in der Ostsee adieu gesagt und betrat sozusagen Neuland. Das galt auch für Gotlinde Thorgeyr die frisch angetraute Frau des Wikingers Thorfin Njal, die von der Karibik und der Schlangeninsel nur eine recht vage Vorstellung hatte und die von den bevorstehenden Veränderungen am meisten betroffen war. Aber auch andere träumten, jeder auf seine Weise, wie der Decksälteste Smoky, der auf der Kuhlgräting saß, mit einem Auge

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nach achtern peilte und sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Auf seiner Stirn standen merkwürdigerweise leichte Kummerfalten, und er grinste ein bißchen wehmütig. Während die meisten anderen sich die schon legendäre Schlangeninsel vorzustellen versuchten, gingen Smokys Gedanken weiter nach Norden, genauer gesagt nach Island in den Isafjardardjúp. Landschaftlich war das gar kein Vergleich, denn an jenem Ford sah es recht trostlos aus. Da bestand die Welt nur aus Gletschern, schneebedeckten Bergzacken, karger Vegetation und Basaltgestein, auf dem nichts wuchs, ganz abgesehen von den vielen Kliffen, den steinigen kalten Stränden und den Geröllhalden. Aber Smoky hatte da ein Mädchen kennen gelernt, Gunnhild hieß sie, und so galten seine Gedanken weniger den Gletschern, als den Kurven dieser Gunnhild, die es ihm mächtig angetan hatte. Und wenn er an die letzte Nacht dachte, dann grinste er ein bißchen. Allerdings sah das für die andern ein bißchen einfältig aus. Auch sein Wortschatz hatte sich - wenn er an Gunnhild dachte - leicht reduziert, und so gab er so inhaltsschwere Sätze wie „hmm-hmmhmm“, oder „tss, tss, tss“ von sich. Der Profos Edwin Carberry hatte ihn daraufhin einen „Knatterkloß“ tituliert, was Smoky aber nicht juckte, denn er hatte von Natur aus ein dickes Fell, soweit es seine Umwelt betraf - eben bis auf jene Gunnhild, da war sein Fell teilweise leicht durchgescheuert und empfindlich. Ein Schatten fiel auf seine Gestalt und deckte vorübergehend die Sonne ab. Aus seinem blinzelnden Auge sah Smoky die mächtige Gestalt Carberrys, der kopfschüttelnd vor der Gräting stand. Smoky ließ sich jedoch nicht stören und dröselte weiter. „Du grinst wie der Sohn einer neunmal kalfaterten gehirnamputierten Seegurke“, sagte der Profos. „Und Old O'Flynn, der ist auch am Spinnen. Der hockt auf dem Niedergang und benimmt sich wie der Maharadscha von Whisky-pur.“

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„Hmm-hmm-hmm“, sagte Smoky träge. „Wie benimmt sich denn der Latscher von Whisky-pur?“ „Na, genauso wie Old O'Flynn.“ „Tss, tss, tss“, sagte Smoky uninteressiert auf des Profos durchschlagende Logik. Der Profos hockte sich auch auf die Kuhlgräting und deutete mit seinem breiten Daumen zum achteren Niedergang, auf dem Old O'Flynn hockte, das Holzbein weit von sich gestreckt und verträumten Blicks über das Wasser schauend. Sein Granitgesicht wirkte verklärt, und in seinen Augen stand tiefe Versonnenheit. Wenn Donegal so blickte, dann faßte er immer einsame Entschlüsse, oder er peilte mal wieder hinter den Horizont. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, stand der „Isabella“ jedoch nichts Schlimmes bevor, bestenfalls schwammen hinter der Kimm ein paar liebliche Seenixen herum. „Was hat er nur?” fragte Ed. „Frag ihn doch“, brummte Smoky. „Und was fehlt dir?“ wollte Ed wissen. „Ah“, sagte Smoky seufzend, „eigentlich nichts. Ich möchte nur gern wissen, ob ich jetzt Vater werde oder nicht. Wir haben ja schon darüber gesprochen.“ Haben wir“, sagte Ed gewichtig. „In deiner Brust schlägt das Herz eines werdenden Vaters, und den darf man nicht verspotten. Ich habe dir ja gesagt, daß es nächstes Jahr im Januar soweit ist.“ „Ich vergeß das immer wieder“, klagte Smoky, „ich kann mir das einfach nicht merken. An welchem Tag wird das sein?“ Der Profos rechnete nach, hob dann die Finger und legte seine Stirn in grüblerische Falten. „Am siebenundzwanzigsten Januar. so in der Nacht etwa.“ „Und das ist sicher?“ glaube ja. Auf 'ne Stunde ja auch nicht an, was, wie?“ „Nee, kann ja auch 'ne Stunde später sein. Am siebenundzwanzigsten also, das muß ich mir merken.“ „Weißt du was, Smoky? Ritz doch das Datum einfach in die Wand über deiner Koje ein. Dann hast du's immer vor Augen.“


„Mann, das ist wahr“, sagte Smoky begeistert. „Aber wie soll ich den Jungen denn nennen?“ „Vielleicht wird es ein Mädchen.“ „Nee, ich kam ja auch als Junge zur Welt“, meinte Smoky geistreich. „Bloß mich haben sie einfach vor die Kirchentür gelegt, und das soll meinem Sohn nicht passieren. Ich glaube, ich werde ihn Little Smoky nennen. Was hältst du davon?“ „Hmm.“ Der Profos wiegte den Schädel. „Dann hat er aber noch keinen Nachnamen.“ „Smoky ist der Nachname, und Little der Vorname, schon aus dem Grund, weil er ja noch sehr klein ist.“ Die beiden hatten wieder Argumente zur Hand, daß es einem Zuhörer glatt die Stiefel ausziehen konnte. Zum Glück hatten sie keinen, sonst hätte der sich weinend abgewandt. So kam es schließlich, daß über Smokys Koje zu lesen stand: „Island, 27. April 1593. Beginn der Vaterschaft mit Gunnhild. 27. Januar 1594 etwa nachts um eins Ankunft von Little Smoky so gut wie sicher. Kann auch zwei Uhr werden. Smoky.“ Yes, Sir, das hatte der Decksälteste Smoky wirklich und wahrhaftig in die Wand über seiner Koje geritzt. Die anderen, die das mühsam entzifferten, lachten sich krank. Auch der grämliche Mac Pellew grinste, als er das las. „Wenn einer 'ne Ente im Ofen hat“, sagte er, „dann muß er auch einen ausgeben, das ist nun mal der Lauf der Welt.“ „Versteh' ich nicht“, sagte Smoky, „was hat denn das mit 'ner Ente zu tun?“ „Wegen der Tradition ist das, deswegen“, belehrte ihn Mac. „Der Tradition kann man nicht entrinnen, du Rohrkrepierer.“ „Aha“, sagte Smoky verständnislos, aber er gab doch bereitwillig einen aus. Und so kam es, daß sie klammheimlich einer nach dem anderen wechselweise im Krankenraum verschwanden und auf Smokys Kosten einen lenzten. *

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So schön der letzte Verlauf der Reise auch war, ein Haar gab es schon wieder in der Suppe. „Galeone auf Gegenkurs“, meldete Bill aus dem Großmars. An sich war das nicht ungewöhnlich, denn in der Karibischen See herrschte reges Leben. Hasard zeigte verstanden und störte sich nicht weiter an der Galeone auf Gegenkurs. Zudem war sie noch sehr weit entfernt, und sie würde - wenn sie auf Kurs blieb - auch in sehr großer Distanz an dem SechserVerband vorbeilaufen. Der Verband hielt jedenfalls weiter stur Kurs auf die Kimm zu, hinter der nach einigen Stunden bereits die ersten Inseln auftauchen mußten. Da Vorsicht gerade in diesem Teil der Welt immer sehr angebracht war, weil es hier von Schnapphähnen und raubeinigen Piraten geradezu wimmelte, griff Hasard zum Kieker und blickte hindurch. „Sie hat den Kurs um einen Strich geändert“, sagte Ben Brighton. „Obwohl dazu nicht der geringste Grund besteht.“ „Weißt du denn, wohin sie will?“ fragte Hasard. „Das nicht, Sir. Aber so mitten auf See? Mir scheint, die Kerle sind etwas neugierig geworden.“ „Hmm, nicht auszuschließen.“ Hasard setzte den Kieker ab und schob ihn zusammen. „Vermutlich ist es ein Don, der auf der Rum-Route segelt. Aber er ist nicht beladen. Sehr merkwürdig:' Die „Rum-Route“, das war die Strecke von Kuba nach Spanien über den Atlantik. Von Kuba aus wurden Geleitzüge zusammengestellt, mit Gold und Silber beladen und dann nach Spanien geschickt. Einzeln und noch dazu unbeladen segelnde Schiffe auf dieser Route waren allerdings recht ungewöhnlich, denn die Dons lebten ständig in der Angst, von den Engländern aufgebracht zu werden. Die Vergangenheit hatte es ja oft genug bewiesen. Nach einer knappen halben Stunde sah Hasard wieder durch den Kieker. Die Galeone war jetzt einwandfrei zu erkennen. Sie war von ihrem Kurs nicht mehr weiter abgewichen und erweckte


tatsächlich den Eindruck, als würde sie einsam nach Nordost segeln. Eine Flagge führte sie allerdings nicht. Der vorsichtige Ben Brighton meldete wieder Bedenken an, als er einen Blick durchs Spektiv geworfen hatte. „Der Eimer gefällt mir nicht“, murmelte er. „Die segeln so gottbetont unauffällig, die Kerle. Es zeigen sich auch nur ein paar Leute an Deck. Der Kahn ist einfach nicht richtig einzustufen. Und verdammt gut bewaffnet ist das Eimerchen auch. Zwölf Stücke an Backbord.“ „Wir sind sechs Schiffe“, sagte Hasard. „Glaubst du, er wird irgendetwas riskieren? Nein, Ben, auf keinen Fall, da kann er sich gleich selbst in Grund und Boden bohren.“ Die Distanz verkürzte sich weiter. An Deck des vermeintlichen Dons zeigten sich nur ein halbes Dutzend Gestalten. Zwei standen auf dem Achterdeck, die anderen arbeiteten auf der Kuhl und der Back. Nein, der Don konnte nichts Übles im Sinn haben, denn die Schiff-zu-SchiffEntfernung betrug mindestens zwei Meilen. Geschütze, die diese Distanz überbrückten, mussten erst noch erfunden werden. Dennoch gab Hasard die merkwürdige Route zu denken, auf der die Galeone segelte. Bei allen Teufeln, wohin führte ihr Kurs? Sie erfuhren es bald - und wunderten sich anfangs. Kaum war die Galeone an dem Verband vorbeigesegelt, erfolgte eine neue Kursänderung. Weit achteraus drehte der Don von Nordost auf Nord, dann auf Nordwest, und schließlich fiel er so weit ab, daß er ihnen auf Südwestkurs in respektabler Entfernung folgte. „Ein Schnüffler“, sagte Big Old Shane, „den hat die Neugier gepackt, der möchte zu gern wissen, wohin wir wollen. Was jetzt, Sir? Der Kerl folgt uns, als gehöre er dazu.“ „Vielleicht ist es einer jener kleinen Schnapphähne und Piraten, die regelmäßig die karibischen Inseln überfallen, ihren Raid starten und dann blitzschnell

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verschwinden. Jetzt entdeckt er uns und ist aufmerksam geworden. Damit könntest du recht haben, Shane. Er benimmt sich wie ein Jagdhund auf der Fährte. Aber wir können keine neugierigen und lästigen Zuschauer brauchen. Der Don segelte jetzt auf seinem Kurs etwa vier Meilen vom letzten Schiff achteraus. Er war wirklich mehr als lästig und klebte wie eine Fliege hinter ihnen, die sich nicht verscheuchen ließ. Folgte er ihnen auch weiterhin im Kielwasser, dann konnten sie ihren Kurs zur Schlangeninsel nicht mehr fortsetzen, um das Geheimnis der Insel nicht preiszugeben. Viele karibische Schnapphähne wußten, daß es diese Schlangeninsel gab, nur ihre Lage war nicht bekannt, und die Gerüchte darüber wollten nie verstummen. Auch auf den anderen Schiffen hatte man längst bemerkt, welche Laus da ganz unverfroren in ihrem Pelz hing. Sie hatte sich eingenistet und dachte gar nicht daran, freiwillig wieder das Feld zu räumen. Aber noch segelte der Verband weiter, denn von der „Isabella“ war noch kein Signal übermittelt worden. Hasard saß wieder einmal zwischen zwei Stühlen, denn den lästigen Beobachter abzuschütteln, war gar nicht so einfach. „Wir werden den Kurs ändern und an den Caicos-Inseln vorbeilaufen“, sagte er zu Ben und Dan O'Flynn. „Vielleicht gelingt es uns im Laufe der Nacht, den Kerl in die Irre zu führen.“ „Weshalb segeln wir nicht auf ihn los und geben ihm eins aufs Maul?“ fragte Dan, „das wäre die schnellste und überzeugendste Antwort.“ „Gerade das ist es ja, was ich vermeiden möchte, Dan. Jagen wir ihn davon, dann weiß er, daß wir etwas zu verbergen haben und wird nur noch neugieriger werden. Er wird flüchten und sich wieder anhängen. Es wäre besser, wir splittern den Verband auf und segeln auf verschiedenen Kursen weiter. Oder wir laufen eine der unbewohnten Inseln an und gehen dort vorläufig vor Anker. Das wird ihn irritieren


und ihm bewußt werden lassen, daß er doch auf einer falschen Fährte ist.“ „Das wird wohl das beste sein“, meinte Ben Brighton. „Das kostet uns höchstens zwei Tage Zeit, aber den Kerl sind wir los.“ „Dann laufen wir die Turks-Islands an“, sagte Hasard. „Zwei Strich Backbord, Pete.“ „Zwei Strich Backbord liegt an“, sagte Pete Ballie etwas später. Hasard blickte achteraus. Bei Kurswechseln war kein Zusatzsignal vereinbart worden. Die anderen hatten immer den Schwenk des Vordermannes nachzuvollziehen. Und sie alle wußten, weshalb der Seewolf den Kurs jetzt änderte. Klar, da war dieser lästige Zaungast, und der ging ihnen mit seiner penetranten Neugier langsam, aber sicher auf die Nerven. Sie hätten ihn auch stellen, angreifen und versenken können, doch das entsprach nicht ihrer Mentalität. Die Kerle auf der Galeone hatten sie nicht provoziert, sie waren eben nur neugierig. Und daß sie Schnapphähne oder Piraten waren, das ließ sich noch lange nicht beweisen. Thorfin Njal hätte da vielleicht anders gehandelt, aber auch er fügte sich dem Kurswechsel wie alle anderen, denn Hasard hatte ihm sein Aus-der-Reihetanzen in Island schwer genug verübelt, und noch einmal wollte er nicht gleich wieder als Poltermann auffallen. Der Verband schwenkte zwei Strich ab und zog weiter. Auf jedem der Schiffe wurden jetzt die Manöver der fremden Galeone beobachtet. Zunächst segelte sie stur weiter. Dann zeigte Dan nach achtern. „Der Unschuldsengel dreht ebenfalls ab, aber ganz unauffällig. Er hat den Kurs um knapp einen Strich geändert, und wird ihn noch weiter ändern, ehe er uns aus den Augen verliert.“ Das war das Haar in der Suppe und es ließ sich nicht einfach zwischen zwei Fingern wieder herausfischen, auch wenn ihnen dieses Haar schon vierkant im Magen hing. Tatsächlich änderte die Galeone später erneut den Kurs, blieb aber so weit zurück,

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daß man sie fast als Fühlungshalter bezeichnen konnte Offenbar hatten die Kerle da drüben gemerkt, daß sie nicht zu dicht aufrücken durften. Es ging jetzt weiter in Richtung TurkIsland, irgendwohin. Inseln kleine und größere, boten sich auf diesem Kurs genügend an. Darüber wurde es Abend, der Wind briste noch etwas stärker auf, und Hasard fand jetzt Gelegenheit, der lästigen Burschen endgültig abzuschütteln. Auf Steuerbord tauchte eine kleine unbekannte Insel auf, wie geschaffen, um hinter ihr und weiteren anderen kleinen Inselchen ungesehen zu verschwinden, und danach auf einen anderen Kurs zu gehen, der in. Halbkreis wieder zur Schlangeninsel führte. Gewitzt und ausgefuchst waren sie alle, die in diesem Verband segelten und so war es nicht schwierig für sie eine andere Galeone, die längst nicht so wendig und rank gebaut war, abzuhängen. „Setzt Blinde und Schieblinde“, befahl Hasard dem Profos, „und laß den anderen signalisieren, von jetzt an unter vollem Preß zu segeln. Es wird kein Licht entzündet. Wir runden diese Insel und segeln dann in das Gewirr der anderen hinein. Danach laufen wir die Schlangeninsel an, sobald wir sicher sein können, daß die Galeone uns nicht mehr folgt.“ Der Profos rieb sich die Hände und pfiff die Arwenacks auf Stationen. „Da werden die Affenärsche aber de Klüsen aufreißen“, prophezeite er erfreut, „wenn sie einem ... äh ... Dingsbum nachsegeln.“ „Einem Phantom“, sagte der Kutscher. „Was für'n Ding?“ „Einem Phantom“, wiederholte der Kutscher. „Richtig, so heißt das Ding auf lateinisch. Wußte doch, daß ich noch ein paar Brocken aus der Sprache kannte“, meinte Ed grinsend. „Phantom ist griechisch“, sagte der Kutscher bedauernd. „Das bedeutet soviel


wie Erscheinung, Sinnestäuschung oder Trugbild.“ „Aha!“ Ed räusperte sich lautstark, verärgert darüber, daß immer der Kutscher alles besser wußte. „Du willst mir doch wohl nicht verklaren, daß Italien und Griechenland weit auseinander liegen, was, wie!“ „Nicht unbedingt“, murmelte der Kutscher. „Also ist das auch Wurscht“, folgerte Ed messerscharf, „ob es nun Lateinisch oder Griechisch ist, kapiert? Das darf man nicht so eng sehen, wenn man weit in der Welt herumgereist ist.“ „Aber Norwegen und Schweden liegen doch auch dicht bei ...“ „Quatsch hier nicht rum. Das ist was s anderes. Hier geht es um Latein und Griechisch, und um sonst nichts. Hoffentlich siehst du Triefgurke das bald mal ein.“ Der Kutscher bohrte sich verzweifelt mit dem Finger im rechten Ohr, schüttelte dann den Kopf und sah en Profos nach, der es ihm wieder mal ordentlich gegeben hatte. „Verdammt“, murmelte er leise, „dem wachsen die Schädelhaare glatt nach innen, und da überwuchern sie das Gehirn wie ein Teppich. Kein Wunder, daß da nur krause Behauptungen entstehen.“ „Gibst du zu, daß ich recht habe?“ fragte Ed, nachdem Blinde und Schiebblinde gesetzt waren. Der Kutscher stand immer noch vor dem Kombüsenschott. „Klar“, sagte er, „klar hast du recht, aber einwandfrei. Wer wird schon am Wort eines Profos zweifeln? Nicht mal des Teufels Großmutter.“ Carberry gab sich sehr versöhnlich und schlug dem Kutscher auf die Schulter. „Du bist zwar ein verdammt schlaues Kerlchen, mein lieber Kutscher, aber immer hast du auch nicht recht. Was gibt's denn nachher zu essen, mein lieber Kutscher?“ „Pökelfleisch und Sirup“, sagte der Kutscher. „Pfui Deibel“, Ed schüttelte sich. „So'n Fraß gibt's doch gar nicht, wie kommst du denn darauf?“

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„Ist doch Wurscht“, meinte der Kutscher achselzuckend und mit einem hämischen Grinsen. „Das ist so wie Griechenland und Italien, denn Pökelfleisch und Sirup liegen in deinem Ranzen dann später genauso dicht beieinander. Du mußt das nur nicht so eng sehen, wenn du weit in der Welt herumgereist bist.“ Carberrys Aufbrüllen ging im Zuschlagen des Kombüsenschotts unter. Von innen fiel der eiserne Riegel, und dann hörte der Profos den Kutscher und Mac Pellew hämisch kichern und lachen. „Das ist noch nicht aus der Welt“, brüllte Ed, „euch verlausten Heringsärschen hau ich eure eigenen Bratpfannen auf die Hörner, verlaßt euch darauf, ihr schräg karierten Fockmastwanzen.“ Dann zog er ab nach achtern, in dem Bewußtsein, die schräg karierten Fockmastwanzen gehörig eingeschüchtert zu haben. Dunkelheit senkte sich über das Meer. Die See dünte hoch und lief in langen Wellen. Am nächtlichen Himmel erschienen Wolkenfetzen, als hätte der Himmel ein Einsehen mit ihnen. Die Sichel des Mondes lugte nur noch hin und wieder zwischen den Wolkenfetzen durch und schickerte spärliches Licht auf das Wasser. Unter vollem Preß jagte der Verband auf die Insel zu und begann sie zu runden. Ein paar Palmen waren schwach am Strand zu erkennen, Fingern ähnlich, die in den Nachthimmel wiesen. Die Kronen beugten sich unter dem Wind und rauschten leise. Hasard hatte den Ausguck mit zwei Mann besetzen lassen. In einem war Sam Roskill, im anderen befand sich Stenmark. Auf dem Achterdeck hatte sich Dan O'Flynn mit einem Kieker bewaffnet und suchte pausenlos die See ab. Nach der Rundung der unbewohnten Insel segelten sie dem Teufel ein Ohr ab. O ja, Hesekiel Ramsgate hatte da ein paar prächtige Hartläufer gebaut, die unter vollem Preß ein beachtliches Tempo entwickelten. „Eiliger Drache über den Wassern“ stand den anderen aber in nichts nach, Thorfin glich das durch größere Segelflächen aus,


und so jagten sie weiter durch die Nacht und segelten in das Gewirr der kleinen, ebenfalls namenlosen und zum größten Teil unbewohnten Inseln hinein. Die Rote Korsarin segelte einmal so dicht auf, daß man das Knarren und Ächzen der Blöcke deutlich hören konnte. Ein Blick achteraus belehrte sie, daß von der fremden Galeone noch nichts zu sehen war. Jetzt wurden die anderen Inseln als Deckung genutzt und in ihrem Schutz weitergesegelt. Bis weit nach Mitternacht ging das so. Aus den Ausgucks kam immer noch keine Meldung. Folglich hatte man das fremde Schiff auch nicht mehr gesichtet. Nach Mitternacht enterte Hasard selbst einmal auf. Roskill und Stenmark waren mittlerweile durch Bob Grey und Jan Ranse abgelöst worden. „Weit und breit nichts zu sehen; Sir“, sagte Jan Ranse. „Unser Verfolger scheint sich im Inselgewirr verfranzt zu haben.“ Dennoch suchte Hasard mit dem Spektiv Insel um Insel ab. Als er nichts mehr sah, war er erleichtert. „Scheint so“, sagte er, „aber haltet weiterhin genau die Augen auf.“ „Aye, Sir.“ „Offenbar hat er uns endgültig verloren', sagte Hasard, jetzt wieder auf dem Achterdeck. „Wir werden uns aber erst bei Tagesanbruch noch genau davon überzeugen.“ „Ich habe ihn nicht mehr gefunden. Der Kerl scheint weiter nach Süden gelaufen zu sein.“ Die Nacht verging, über dem Meer lag die kurze fahle Dämmerung, dann stieg an der Kimm die Sonne wie ein Glutball aus dem Meer, schickte ganze Bündel voller rotgelber Strahlen über das glitzernde Wasser und schob sich höher. Die See war wie leergefegt. „Kurs auf die Schlangeninsel!“ befahl der Seewolf. 2.

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Als die vertraute Felsenmasse am Horizont durch den Kieker bereits zu erkennen war, da schlugen die Herzen höher. Der alte Hesekiel Ramsgate hatte verträumte Augen, in denen es leicht glitzerte. Jetzt hatte er alle Brücken endgültig und für immer hinter sich abgebrochen. Vor ihm lag seine neue Heimat, ein Hort des Friedens, wo er ungestört arbeiten und Schiffe bauen konnte, ganz so, wie er sich das insgeheim immer vorgestellt hatte. Hier gab es keine königlichen Schergen mehr, hier tauchten keine Soldaten auf, die ihn ärgerten oder ihm Schikane bereiteten, und hier gab es keine kalten und feuchtnebligen Tage mehr. Hier konnte er in Ruhe und Beschaulichkeit den Rest seines Lebens verbringen. Verstohlen wischte er sich eine Träne aus dem Auge. Dann sah er die Männer an, die mit ihm auf der Galeone „Tortuga“ segelten, und die sich ebenfalls die Augen ausstarrten. Es waren zehn Männer von seiner Werft, zuverlässige und ehrliche Kerle. Zehn weitere Männer fuhren zur Zeit auf der „Le Vengeur III.“ unter Jean Ribault. „Seht sie euch an“, sagte er, „das ist die Insel, so wurde es mir erklärt, und so habe ich sie mir auch vorgestellt. Es muß so ähnlich sein wie das Paradies.“ „Die sieht wirklich sehr beeindruckend aus“, sagte einer. „Und da können wir eine Werft errichten? Aber, da es doch keine Buchten, die - anlaufen kann. Wie gelangt denn auf die Insel?“ Hesekiel Ramsgate strich andächtig seinen grauen, sauber gestutzten Bart und lächelte. „Man gelangt fast durch Zauberei dort hinein. Aber das werdet ihr ja - sehen. Hier herrschen jedenfalls Ruhe und Frieden, und hier können wir als freie Bürger leben und arbeiten. Ich habe meinen Entschluß, England zu verlassen, bisher nicht bereut. Hier sind wir auch keine Untertanen irgendwelcher geldgieriger Leute, und hier piesackt uns kein Hafenkommandant und kein Stadtvogt.“


Mit leuchtenden Augen starrte der alte Schiffsbaumeister voraus in seine neue Zukunft. Auf dem Schwarzen Segler stand unterdessen Gotlinde auf dem Achterdeck. Sie staunte noch mehr als Ramsgate, klatschte hin und wieder in die Hände und war ganz verzückt in den Anblick der aus der See auftauchenden Schlangeninsel versunken. „Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe“, sagte sie und ging dabei aufgeregt auf und ab. „Nein, Thorfin, das hast du mir gar nicht so schön beschrieben, wirklich nicht. Ich bin begeistert, ach, was sage ich, ich bin einfach bezaubert, wie ein Traum ist das.“ Augenblicklich war von ihrer nordischen Kühle und Zurückhaltung nichts zu merken. Gotlinde war richtig ausgelassen und freute sich wie ein Kind. Dann drehte sie sich um und sah Thorfin an. „Hörst du mir überhaupt zu, Thorfin? Mußt du ausgerechnet jetzt deinen Helm polieren!“ Der Wikinger nahm der ganzen Romantik den Zauber. „Da hat eine Möwe draufgeschissen“, sagte er. „Wenn ich das nicht gleich poliere, dann gibt es Flecken. Jaja, die Insel ist ganz schön“, sagte er dann. „Ganz schön“, sagte auch der Stör, der zum Leidwesen der anderen immer halbe oder ganze Sätze nachquatschte, das aber keinesfalls böse meinte. Er war nun einmal so, er konnte nichts dafür, ebenso wenig wie für sein langes Gesicht. „Und groß ist sie“, setzte er aufklärend hinzu, „sehr groß sogar. Wenn sie halb so groß wäre, dann wäre sie nur 'ne Halbinsel.“ Den Stör verwirrte wohl die Nähe Gotlindes etwas, daher wußte er nicht mehr so recht, was er eigentlich quasselte. „Halbinsel?“ fragte der Wikinger grob. „Was verzapfst du eigentlich für einen Quatsch! Erzähl meiner Frau keinen Blödsinn, du Rußwurm. Scher dich an den Großmast, die Lappen müssen gleich aufgepackt werden. Wir wissen noch gar

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nicht, ob wir überhaupt durch den Dom segeln können.“ Der Stör verschwand seufzend. Da befand sich nun so ein bildhübsches nordisches Weib an Bord, und man durfte ihr nicht mal den Unterschied zwischen einer Insel und einer Halbinsel verklaren. Immer hatte Thorfin was zu poltern. Auf der „Isabella“ war noch einer in seinen Tagträumen versunken, und das war Old O'Flynn, der schon vor ein paar Tagen so merkwürdige Blicke hinter den Horizont geworfen hatte. Jetzt lehnte er am Schanzkleid und starrte ebenfalls auf die Schlangeninsel, die sich immer klarer und deutlicher abzeichnete. Seine Finger trommelten auf dem Handlauf, sein zerknittertes Gesicht kriegte noch mehr Falten, aber seine Augen wirkten unheimlich jung und strahlend, so, als hätte er etwas entdeckt, was es noch gar nicht gab. Einmal stand er da, rieb sich die Hände und kicherte. Dann sah er wieder zu der Insel hinüber. So gute Laune wie heute hatte er selten, und so vergnügt war er auch schon lange nicht mehr gewesen. Schließlich fiel diese Stimmung auch den anderen auf. Und als Old O'Flynn dann auf seinem Holzbein den Niedergang zum Achterdeck aufenterte, da sah das so aus, als sei er um zwanzig Jahre jünger geworden. Sein Grinsen verschwand überhaupt nicht mehr. Hasard, Ferris, der Profos, Ben, Shane und Dan O'Flynn sahen diesem eigenartigen Gefühlsausbruch des Alten mit gelindem Mißtrauen entgegen. Da war doch was im Busch, wenn der Alte sich so benahm, dauernd am Grinsen war, sich die Hände rieb: verhalten kicherte und Löcher in die Ferne starrte. Da war nicht nur ein Rascheln im Busch, da war eine ganze Elefantenherde auf dem Dschungelmarsch. „Ist was?“ fragte Ferris Tucker scheinheilig. „Schön warm ist es“, sagte Old O'Flynn, „kein verdammter Schnee mehr, keine kalten Ärsche, hihi, da fühlt man sich


wieder jung. Ihr werdet noch staunen, wie jung ich wieder bin.“ „Sind dir vielleicht ein paar nette Elfen um die Ohren geflattert?“ wollte der Profos wissen. „Siehst ja so aus als hätten die Seenixen heute nacht mit dir Reigen getanzt.“ Donegal kicherte wieder und rieb sich die Hände. Er war mächtig aufgebraßt und streichelte die Bordhündin Plymmie, die sich vor ihm auf die Planken gesetzt hatte. „Elfen, Nixen?“ fragte Old O'Flynn. „So was spukt nur in euren Köpfen herum. Ich male mir etwas ganz anderes aus. Nämlich, wie es auf der Schlangeninsel weitergeht.“ „Schön warm“, sagte der Profos, „ohne kalte Ärsche.“ „Quatsch, das meine ich nicht. Haben wir da nicht in Kürze eine Werft stehen?“ „Aller Voraussicht nach - ja“, sagte Hasard. „So war es jedenfalls besprochen.“ „Und haben wir da nicht auch eine Menge Werftarbeiter, so an die zwanzig?“ „Klar“, versicherte Shane freundlich. „Und haben wir da vielleicht auch einen kleinen Sonnenstich, Donegal?“ Aber damit konnte den Alten heute keiner kränken. „Einen Tempel, eine Werft, einen Schlangengott, Eingeborene, Wikinger, Ehefrauen, neue Besatzungen, mehr Schiffe“, zählte der Alte an den Fingern auf. „Wir haben auch einen Anlegesteg, Häuser und Viehzeug, ein Hafenbecken und was noch alles, aber was haben wir denn auf der Insel nicht?“ Er sah in ratlose Gesichter. Selbst Profos stieg noch nicht dahinter glotzte nur. „Wir haben keine Bevormunder und keine Königin mehr“, sagte Dan lachend, „keinen, der uns dauernd auf die Zehen latscht.“ „Na. dann denkt doch mal weiter. Etwas ganz Wichtiges fehlt noch, ohne das kann keine Gemeinschaft bestehen.“ „Ach, du meinst einen Geistlichen?“ fragte Ferris. „Hört mir bloß mit Geistlichen auf. Mit Geist fängt es auch an, aber ich meine andere Geister.“

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„Ach, du liebes Väterchen“, sagte Ferris entsetzt. „Du meinst doch nicht etwa so 'ne Art Geisteraustreiber, he! Das hat uns gerade noch gefehlt. Du als Geisteraus ...“ „Quatsch“, sagte der Alte grob. „Du rothaariger Piesepampel hast es immer nur mit Geistern. Hier sollen auch keine Geister ausgetrieben, sondern eingetrieben werden.“ „Himmel! Wer begreift das denn noch?“ meinte der Profos. „Willst du auf der Insel etwa Schauergeschichten erzählen, oder dem Schlangengott neue Geister eintrichtern?“ Der Alte blieb die Ruhe selbst, schüttelte nur den Kopf und kreuzte die Arme. „Eine Gemeinschaft“, sagte er eindringlich, „ist keine Gemeinschaft, wenn eine Kneipe fehlt, oder? Wo soll man denn hingehen, wenn man Krach mit seiner Alten hat, frage ich euch. Was fängt Thorfin wohl an, wenn Gotlinde ihm was auf den Helm gibt? Na - er geht in die Kneipe und ertränkt seinen Kummer.“ Selbst Hasard starrte den Alten jetzt verblüfft an. „Eine Kneipe – auf der Schlangeninsel?“ fragte er ungläubig. „Klar doch, klar“, versicherte der Alte. „Da sind zwanzig Werftarbeiter, die auch mal einen kümmeln wollen, da sind ...“ „Ja, ja, schon gut“, rief der Profos begeistert. „Verzeihe mir bitte, wenn ich dich jemals beleidigt habe. Das ist eine tolle Idee. Eine Kneipe auf der Schlangeninsel.“ „Fehlt noch ein Wirt“, sagte Ferris lachend, der die Sache genau wie die anderen noch nicht so ganz ernst nahm. „Wir hätten Nathaniel Plymson mitnehmen sollen.“ „Der Wirt bin ich“, sagte Old O'Flynn mit Grabesstimme. Auf dem Achterdeck herrschte eine Stille wie im Auge eines Taifuns. Der Profos hielt sich an Ferris Tucker fest. Der wiederum starrte mit großen fragenden Augen auf Hasard. Der Seewolf sah ratlos Big Old Shane an, und Dan O'Flynn kratzte sich am Ohr und grinste schwach. Ideen hatte der Alte!


Dann blökte der Profos vor Lachen los, weil er sich in Gedanken Old O'Flynn mit seinem Holzbein hinter der Theke auf der Schlangeninsel vorstellte. Nein, dieser Gedanke war einfach lustig, belustigend war er, um nicht zu sagen, geradezu umwerfend. Der Profos stellte sich weiterhin vor, wie die barbusigen Schlangenkriegerinnen in die Kneipe gingen, ihre Busen auf der Theke platzierten und Humpen leerten. Allein diese Vorstellung war schon ein Witz. Aber er kannte auch die Hartnäckigkeit und Verbohrtheit O'Flynns. Was der sich in seinen Granitkopf gesetzt hatte, das zog er auch durch. Da rannte O'Flynn selbst Felswände ein. „Was gibt es da so dämlich zu grinsen, Mister Carberry? fragte Old O'Flynn. „Bin ich vielleicht eine Witzfigur, he! Gerade du hast es am nötigsten und solltest mir dankbar sein, wenn es hier eine Kneipe gibt. Und das eine sage ich dir gleich, mein lieber Profos“, begann der Alte zu wettern, „ich bin nicht mit Plymson zu verwechseln. Ich verzieh mich auch nicht unter die Theke, wenn es Ruß gibt. Wenn ihr bei mir rumstänkert, schlage ich euch mein Holzbein so lange um die Ohren, bis ihr wieder nüchtern seid. Und von wegen meine Kneipe montieren und in Trümmer legen! Da seid ihr aber schief gewickelt. Bei mir wird gesoffen und gezahlt, und sonst nichts. Und wem das Fell juckt, dem zausel ich solange den Bart, bis er wieder ganz friedlich ist.“ „Ich glaub' mich befummelt ein Tintenfisch“, sagte der Profos, und er starrte den Alten wie ein Wundertier an. Hasard aber dachte noch etwas ganz anderes. Die Idee mit der Kneipe war nicht die schlechteste, wirklich nicht, aber wenn Old O'Flynn den Kneipenwirt spielte, dann hatten sie ja keinen Old O'Flynn mehr an Bord, nicht wahr? Dann fehlte doch etwas! Mit diesem Gedanken konnte Hasard sich noch nicht ganz - vertraut machen, doch vorerst beschloß er, darüber noch zu schweigen. Vielleicht war das auch wieder nur so ein Spleen vom Alten, der jetzt gern

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mal die Rolle eines Kneipenwirtes spielen wollte. Oder ...? Danach sah der Alte aber gar nicht aus. Den plagten schon ganz bestimmte Vorstellungen, das spürte Hasard. Und vielleicht hatte er in seinem Alter wirklich genug von der Seefahrt und wollte jetzt ein Leben in Beschaulichkeit führen. Die anderen nahmen das auch nicht mehr so ganz bierernst und grinsten bei der Vorstellung. Doch, wie gesagt, was der Alte sich in den Kopf gesetzt hatte, das zog er auch durch früher oder später. Carberry hatte schon wieder den verklärten Blick drauf. Fromm u d bieder würde er sich in die Kneipe hocken, nein, er fing doch keinen Streit an, da sei Gott vor. Na ja, wenn einer kam, und vielleicht doch ein bißchen Stunk anfing, die Werftarbeiter etwa - Werftarbeitern war ja alles mögliche zuzutrauen, dann würde O'Flynns Kneipe eben ein bißchen wackeln, und der Alte hatte dann ja am anderen Tag genügend Zeit, um die Trümmer aufzuräumen. „Schlag dir diese Gedanken aus dem Schädel“, fauchte O'Flynn den zusammenzuckenden Carberry an. „Glaubst du etwa, ich weiß nicht. woran du gerade gedacht hast? Mir kannst du nichts verbergen, Mister Carberry, ich kann auch hinter deine Stirn blicken. Du hast dir nämlich ausgemalt wie die Trümmer von der Kneipe aussehen. Ah, das wird ein Laden werden. An der Theke wird das Kielschwein der ,Empreß of Sea` hängen, und ich werde Bier und Schnaps ausschenken.“ „Und woher willst du Bier, Wein und Schnaps herhaben?“ fragte Shane. ,“Von Tortuga natürlich. Hesekiel mir ein Schiffchen bauen, das genau wie die ,Empreß` aussieht, kleiner natürlich. Und damit werde ich von der Schlangeninsel nach Tortuga segeln und die Schnapphähne da drüben aufs Kreuz legen.“ „Sonst alles in Ordnung, Dad?“ fragte der junge O'Flynn, der sich überhaupt nicht vorstellen konnte. Da war er bei Dad aber an der richtigen Adresse.


„Eins werd' ich dir gleich verklaren, Söhnchen, und das gilt auch für die anderen. Wer noch mal so dämlich fragt, der kriegt schon heute Lokalverbot von mir, auf Vorschuß sozusagen. Der kann dann Seewasser saufen, aber nicht in meiner Kneipe hocken.“ „Der meint es tatsächlich ernst“, flüsterte Ferris dem Profos zu, der ergriffen aussah. „Mann, da wir ja noch einiges erleben.“ „Das befürchte ich auch“, sagte Ed, gar nicht zum Spaßen aufgelegt, der alte Bursche.“ „Vielleicht setzen wir die Unterhaltung demnächst fort“, meinte der Seewolf liebenswürdig. „Jetzt stehen uns ein paar anstrengende Manöver bevor, an die sich die Herren vielleicht noch gütigst erinnern werden. Wir runden erst einmal die Insel, stellen fest, ob alles in Ordnung ist und kontrollieren dann, wie es um den Mahlstrom bestellt ist, ob wir durch die Passage segeln können, oder ob wir erst noch lange warten müssen. Jerry Reeves kann zum Beispiel mit Sicherheit nicht durch den Felsendom segeln, weil er die Tücken nicht kennt. Und mein Vetter Arne kennt sie ebenfalls nicht.“ O'Flynn zeigte sich leicht verärgert, daß vorerst das Thema von seiner Kneipe abgehakt war. Als er das Achterdeck verließ und zur Kuhl ging, rief er über die Schulter noch zurück: „Ein O'Flynn spaßt mit solchen Sachen nicht. Die Kneipe wird eröffnet, so wahr ich Donegal heiße.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Früher oder später werden wir uns mit diesem Gedanken wohl vertraut machen müssen“, sagte er. „Bei Donegal hat anscheinend irgendwo etwas ausgehakt.“ Dan sah seinem Alten nachdenklich hinterher und konnte es ebenfalls nicht fassen. „Das ist kein leeres Gerede von Dad“, meinte er, „und das kann ihm auch keiner mehr ausreden. Er baut die Kneipe, früher oder später, da bin ich ganz sicher.“ „Dann werden wir uns wohl bald nach einer Perücke für deinen Alten umsehen müssen“, sagte Carberry. „Zu einem

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zünftigen Spelunkenwirt gehört einfach eine, so wie Plymson eine hat.“ Auf der Kuhl war der Alte gerade dabei, Smoky, Stenmark, Blacky und den anderen seinen Traum von der Kneipe zu verklaren. Alle hörten andächtig und bewundernd zu, und jeder gab gute Ratschläge was Old O'Flynn sich alles an „Brennstoffen“ zulegen sollte. Aber vorerst blieb das noch ein Hirngespinst, denn zur Zeit hatten sie ganz andere Sorgen. * Auf der Schlangeninsel war jetzt der riesige finstere Felsendom zu erkennen. Hinter dem Dom sah man aus der Ferne ein Stück weißen Strandes, rechter Hand ragten Felsen aus dem Wasser. Kein Mensch zeigte sich. Auf den ersten Blick schien die Insel unbewohnt und unwirtlich zu sein. Dazu kam der nicht gerade einladend wirkende Felsendom, der an den Seiten scharf gezackt war. Am Höllenriff hatte sich ein riesiger Strudel gebildet, und der Mahlstrom zog wirbelnde Kreise und Neere, deren Sog sich kaum berechnen ließ. Diese Verwirbelungen, die mit Flut und Ebbe zusammenhingen, waren immer noch nicht aufgeklärt und niemand wußte, wie sie entstanden waren und woher sie rührten. Mit dem normalen Ablauf der Gezeiten waren sie jedenfalls nicht zu erklären. Hasard hatte schon lange beschlossen, das einmal herauszufinden. Die Untersuchungen waren jedoch jedesmal aus Zeitmangel unterblieben. Vermutlich gab es noch ein weiteres unterirdisches Höhlensystem auf der Insel, das noch keiner entdeckt hatte. Der Mahlstrom drängte aus der Inselbucht heraus, schäumend, brodelnd und kochend. „Für die nächsten vier, fünf Stunden können wir nicht hinein“, sagte Hasard, „also runden wir zunächst die Insel. Die anderen Schiffe können folgen, um sich das Eiland mal von außen anzusehen.“


„Merkwürdig, daß sich niemand zeigt“, meinte Dan, „sonst lassen sich doch wenigstens ein paar Kriegerinnen blicken.“ „Uns haben sie sicher längst erkannt, aber vermutlich sind ihnen die anderen beiden Schiffe nicht geheuer“, sagte Hasard. „Und da sie immer äußerst vorsichtig sind, um nicht entdeckt zu werden, zeigen sie sich eben nicht. Das ist kein Grund zur Beunruhigung.“ Er blickte zu seinem blondhaarigen Vetter Arne von Manteuffel hinüber, der auf der „Wappen von Kolberg“ auf dem Achterdeck stand und fasziniert die Inselberge und die gewaltige Strömung betrachtete. Die beiden Schiffe segelten langsam nebeneinander her. „Wie gelangt man da hinein?“ rief Arne. „Direkt durch das Höllentor“, rief Hasard lachend zurück. „Es geht aber nur, wenn der Strom wieder hineinzieht.“ Der Blonde schüttelte fassungslos den Kopf. Hasard hatte ihm alles über die Insel erzählt, aber was er hier mit eigenen Augen sah, das war doch ganz etwas anderes. Hier, dazu noch vom Strom geschoben, mit einem Schiff hineinzusegeln, war heller Wahnsinn. Er konnte sich das nicht vorstellen. Zweifelnd blickte er den Seewolf an und hob die Schultern, als wollte er sagen: „Da geht jedes Schiff zum Teufel'. „Das schaffen wir nie“, brüllte er. „Später, Arne, erst runden wir die Insel. Dann bleibst du mit deinem Schiff vor dem Dom liegen. Ich steige später zu dir über und bringe die ,Wappen' durch.“ Arne zweifelte immer noch. Klar, er konnte dem Teufel ein Ohr absegeln, und er traute sich eine ganze Menge zu, doch vor dieser Passage kapitulierte er, denn er war sich nicht sicher, daß er das Schiff heil hindurch bringen würde. Die Inselrundung begann, und noch immer zeigte sich niemand. Wie ausgestorben lag die Schlangeninsel da. Aber etwas war zu erkennen wenn man ein Auge dafür hatte Durch das Spektiv sah man in den Bergen und Felsen versteckt die Rohre von schweren Kanonen. Meist waren sie noch

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zusätzlich so hinter Büschen und Gestrüpp verborgen, man sie nur mit Mühe erkennen konnte. Arne von Manteuffel zählte mindestens zwanzig Geschütze, Siebzehnpfünder, die von den Bergen aus jedes Schiff unter Feuer nehmen konnte, das sich der Insel zu - näherte. Von außen her änderte sich nichts an dem relativ trostlosen Anblick. Es keine zugänglichen Stellen, keine Buchten, in denen ein Schiff ankern konnte, und kaum eine geschützte Stelle. Überall ragten Zacken, Schroffen und Kliffe aus dem Meer, gegen die die See schnaubend anschäumte. Ein sehr gutes Versteck, fand Arne, eine ausgezeichnete Festung, die praktisch uneinnehmbar war, denn jeder Gegner mußte sich hier blutige Nasen holen wenn er angriff, ganz abgesehen, daß es ihm gar erst gelang, durch die klippenreiche Passage zu segeln. Als sie die Insel zum größten Teil gerundet hatten und der Blick in Richtung Osten wieder frei war, zuckte Hasard zusammen. Im gleichen Augenblick war auch Batutis Stimme aus dem Ausguck zu hören. „Galeone auf Gegenkurs! Scheint verdammtes Schiff von gestern zu sein.“ Ein Blick durch den Kieker bestätigte Batutis Vermutung. Es war tatsächlich die Galeone, die ihnen gefolgt war. Jetzt segelten die Kerle frisch und unbekümmert genau auf die Schlangeninsel zu. Hasard blickte mit schmalen Augen zum Horizont. Seine Lippen waren ärgerlich zusammengepreßt. „Verdammt, den Kerl scheint das nicht im geringsten zu stören, dass wir sechs Schiffe sind. Der tut gerade so, als wolle er mit aller Gewalt zur Schlangeninsel.“ „Der kann uns aber nur durch Zufall wieder gefunden haben“, meinte Shane. „Wir sollten dem Kerl Breitseite zeigen, Sir, wenn er sich noch weiter nähert.“ „Das werden wir auch tun, jetzt steht alles auf dem Spiel. Aber das wird seine Neugier nur noch mehr anstacheln.“ Hasard wandte sich an Ben Brighton. „Gib das Zeichen zur Aufsplitterung, Ben. Der Verband soll auseinander gehen, wie


besprochen. Wir versuchen noch einmal, den Kerl von der Insel fortzulocken.“ „Und wenn er nicht darauf reagiert?“ „Dann werden wir uns belästigt fühlen und Breitseite zeigen.“ Kurz darauf lief der Verband langsam auseinander und segelte von der Insel fort. Für den Kapitän der fremden Galeone sah das so aus, als würde der Verband die See absuchen, aus welchem Grund auch immer. Achteraus war jetzt wieder der Felsendom zu sehen. Der Mahlstrom war immer noch in heftiger Bewegung, doch das sah nur ein Eingeweihter, der die unterseeischen Strömungen genau kannte. Schnell näherte sich die andere Galeone und hielt weiterhin stur Kurs auf den Verband, der jetzt, einer Harke gleich, die See abzugrasen schien. Erst kurz vor der Begegnung wich die Galeone weiter nach Backbord aus, lief aber weiter auf die Schlangeninsel zu, denn offenbar hatten die Kerle da drüben jetzt auch den merkwürdigen Dom gesehen, der ihr Interesse erweckte. Wenn sie jetzt auch noch die Kanonen in den Bergen entdeckten, dachte Hasard, dann mußten sie wohl Bescheid wissen, obwohl die sehr gut getarnt waren. Arne von Manteuffel hatte sie auch erst nach einem Hinweis des Seewolfs entdeckt. Trotzdem, man konnte nie wissen. Der Roten Korsarin, der eigentlichen Entdeckerin der Schlangeninsel, wurde es jetzt offenbar zuviel und sie verlor die Geduld. „Roter Drache“ segelte ganz außen, und als die fremde Galeone jetzt weiter nach innen drehte, gingen bei „Roter Drache“ plötzlich die Stückpforten hoch und Siri-Tong zeigte die Krallen. Hasard ließ beidrehen, um den lästigen Burschen in die Zange zu nehmen. Auch der Wikinger vollzog das Manöver, während Arne von Manteuffel und Jean Ribault halsten, um dem Eindringling ebenfalls den Weg zu verlegen. Jetzt blieb ihm nur noch die Flucht, denn plötzlich sah er sich in einer halbkreisförmigen Zangenbewegung. Er wich weiter in Richtung Schlangeninsel

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aus, während die anderen Schiffe nicht mehr so dicht folgten, sondern respektablen Abstand von dem verhängnisvollen Mahlstrom hielten. Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Der ahnungslose Kapitän des fremden Schiffes segelte haarscharf an den Klippen vorbei, nachdem er seinen Kurs fast auf Süd ausgerichtet hatte. Das war die einzige Möglichkeit, um sich von dem langsam folgenden Verband noch freizusegeln und die Flucht ergreifen zu können. Hasard sah wieder durch das Spektiv. „Donnerwetter“, sagte er, „jetzt sieht man die Kerle erst richtig. Das sind ja Schnapphähne der allerübelsten Sorte. Lumpengesindel, Piraten, Halunken und Halsabschneider.“ Was sich jetzt drüben in heller Aufregung an Deck zeigte, waren wirklich Piraten auf Beutezug, nur hatten sie sich verkalkuliert und fühlten sich in die Enge getrieben. Allem Anschein nach hatten sie auch die Hosen gründlich voll, denn an Deck rannten alle durcheinander, schrien und brüllten. Zwei Stückpforten flogen hoch, zwei Schlünde erschienen, doch es löste sich kein Schuß. Es war mehr eine verzweifelte Drohgebärde gegenüber den Stärkeren. Hasard tat gar nichts mehr, denn es war abzusehen, was gleich passieren mußte, es war einfach unausbleiblich. Die Kerle würden in den Mahlstrom geraten, und nichts und niemand konnte ihnen dann noch helfen. Auch Siri-Tong sah das jetzt ein und gab die Verfolgung auf. Sie drehte ab, um nicht ebenfalls in den ungeheuren Sog zu geraten. Der Wikinger verzog sich auch noch rechtzeitig. „Die merken immer noch nichts“, sagte Smoky, „verdammt, die müssen doch sehen, was jetzt los ist.“ „Woher sollen die das denn wissen?“ fragte der alte Segelmacher Will Thorne, der mit tiefen Falten auf der Stirn dem jetzt beginnenden Manöver zusah. Er schüttelte den Kopf und starrte auf die dreckigen Kerle mit den roten und grünen Kopftüchern um die Schädel, auf verlauste


und abgerissene Gestalten. Einer hockte im Ausguck und schrie pausenlos etwas herunter, doch sein Geschrei ging im Gebrüll der anderen hoffnungslos unter. Offenbar hatten einige der Schnapphähne den Mahlstrom bemerkt, denn die Galeone begann jetzt hin und her zu gieren, als würde sie abwechselnd von unsichtbaren Kräften an der Back- und Steuerbordseite gleichzeitig gezogen. Sie näherte sich dem Felsentor, obwohl ihr Kapitän alles versuchte, sich freizusegeln. Doch der Sog riß und zerrte ihn immer näher an die gewaltigen Riffe und Felsen. Zwei schreiende Kerle setzten den Anker, fierten Trosse nach und versuchten das Schiff aus den mörderischen Klippen herauszuhalten. Die Ankertrosse brach mit lautem, weithin hörbarem Knall, und die Galeone begann in verhältnismäßig ruhigem Wasser wie eine Nußschale zu tanzen. Jetzt griff der Sog von unten, mit Gewalten, denen auch „Eiliger Drache über den Wassern“ widerstanden hätte. An Steuerbord war jetzt ein riesigen Wirbel zu sehen, ein aus dem Meer steigender Trichter, in dessen gewaltigem Sog alles rotierte, aus dem Schaum brach und in dem es kochte und brüllte. Das Wasser wallte an jener Stelle vor dem Höllenriff und drehte die Galeone mehrmals hintereinander um ihre eigene Achse. Da half alles nichts mehr, diesmal stand der Satan selbst am Ruder und lenkte das Schiff mit feuriger Hand nach seinen Wünschen, und die führte geradenwegs in die Hölle. Hier konnte auch niemand helfen, man hätte nicht mal mehr ein Boot zu Wasser gebracht, ohne die Mannschaft dem sicheren Tod auszusetzen. So blieb ihnen allen nur das hilflose Zusehen. Auf der Galeone wurde der Mann am Kolderstock wie von einem gewaltigen Hieb zur Seite geschleudert. Die Segel killten, das Schiff drehte sich weiter, bis sein Bug auf die Felsen zeigte. Die Galeone wurde immer schneller.

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Einer der Piraten sprang schreiend über Bord und versank in einem Kessel aus brodelndem Schaum, der ihn blitzartig in die Tiefe zog. Ein zweiter wollte in seiner Angst seinem Beispiel folgen, überlegte es sich dann aber anders und hielt sich krampfhaft am Schanzkleid fest, als er sah, daß sein Kumpan längst ertrunken war. „Da sind doch immer die Haie“, sagte Blacky, „die der Strom nach innen zieht. Mann, und dann springt der Idiot auch noch freiwillig über Bord.“ „Freiwillig oder nicht“, meinte Smoky, „die anderen können ihre Haut auch nicht mehr retten. Sieh nur, gleich kracht es. Das überlebt kein einziger von den Kerlen.“ Die Galeone lief jetzt mit einem Affenzahn durch die See. Anfangs sah es so aus, als würde der Piratenkapitän den Dom durchsegeln, doch er hatte nicht mehr den geringsten Einfluß auf das Schiff. Wer diesen Sog und seine Tücken nicht ganz genau kannte, für den tat sich die Hölle auf, um ihn zu verschlingen. Der Bug wurde von den tosenden und wirbelnden Wassermassen wieder weggedrückt. Die Galeone wurde jetzt vierkant geschoben, mitten in das Gewirr der Riffs, Klippen und Felsen hinein. Dann erfolgte der Aufprall, nachdem nochmals ein Mann in seiner Angst über Bord gesprungen war, weil er in der Handlung vielleicht noch sein Heil zur Rettung sah. Aber auch er verschwand und tauchte nicht wieder auf. Das Schiff wurde an die Felsen geschmettert und zerbarst mit einem so bestialischen Knall, als hätte eine ganze Armada ihre Breitseiten auf einmal abgefeuert. Es zerplatzte regelrecht. Die Masten sprangen wie riesige Zahnstocher in die Luft und zersplitterten beim Aufprall. Dann knallten sie in die See und schossen, gewaltigen Rammböcken gleich, in die Felsen hinein, wo sie in alle Einzelteile zerlegt wurden. Ein Gewirr aus zerborstenen Planken, Spanten und undefinierbaren Holztrümmern segelte in die Felsen. Es war nur ein einziger Schlag gewesen, doch


er hatte genügt, um die Galeone so zu zerschmettern, als wäre sie von einem Riesen mit dem Hammer plattgeschlagen worden. Das Geschrei der um ihr Leben kämpfenden Piraten war durch das Brodeln, Zischen und Donnern des Mahlstroms kaum zu hören. Die schreienden Männer verschwanden in gewaltig tobenden Wasserneeren, genau wie die Trümmer ihres Schiffes, und gingen unter. Hin und wieder tauchte ein Kopf auf, eine Hand griff aus dem Wasser und suchte Halt. Doch ein riesiger Wasserschwall verschluckte die Männer. Einige wurden wieder ausgespien und noch weiter in die überhängenden Felsen geschleudert. Die Wucht des wie rasend brodelnden Wassers zerschmetterte sie an den Felsen. Mit dem Sog wurden auch gleichzeitig wieder die Haie ins Innere gezogen, und die waren jetzt wie rasend, kaum daß sie die innere Bucht erreicht hatten. Sie vollendeten, was der Sog noch übrig gelassen hatte. Zweimal hatte der Seewolf bereits versucht, die „Isabella“ näher an die Unglücksstelle heranzubringen, und zweimal war der Versuch im Ansatz gescheitert. Die Situation war schlimmer als mit dem Schiff auf Legerwall zu geraten. Da bestand immer noch eine Chance, sich freizusegeln, wenn man das erforderliche Können besaß. Hier war das aussichtslos, gegen diese Art von Naturgewalt konnte kein Schiff ankämpfen. Hilflos mußten sie zusehen, wie einer der Kerle nach dem anderen verschwand, wie selbst die zerbrochenen Planken in den Felsen noch weiter zerkleinert wurden und wie leere Fässer vom Auftrieb hoch gedrückt und wie von Geisterhänden in die Felsen geschleudert wurden. Dort zerplatzten sie knallend. Der Mahlstrom hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Die Neugier hatte den Piratenkapitän das Leben gekostet.

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„Das hat niemand überlebt“, sagte Hasard. „Kein einziger. Nicht einmal eine einzige Planke ist heil geblieben.“ Er starrte auf die kleinen Trümmer, die im Wasser trieben und mit denen der Sog jetzt spielte, die er hin und her warf, die zwischen den Felsen hängen blieben und vom nächsten Sog wieder hinausgetrieben wurden. Nein, das konnte niemand überlegt haben, unmöglich. Es war auch keiner der Piraten mehr zu sehen. Das Geheimnis der Schlangeninsel war noch einmal bewahrt geblieben. 3. Und doch war ein Wunder geschehen, denn es gab einen Überlebenden, von dem keiner etwas wußte. Als die Galeone in den Felsen zerschellte und auseinander flog, da sauste ein kleiner. schmieriger Kreole über Bord. Vor dem Aufprall hatte er schon minutenlang vor Angst gebrüllt, danach verschlug es ihm für eine ganze Weile die Sprache. Übergangslos befand er sich im Wasser, als das Schiff zerbarst, und dann schlug er wild um sich, um nicht vom Mahlstrom gegen die schroffen Felsen geschleudert zu werden. Neben ihm ertrank hilfebrüllend einer seiner Kumpane, doch darum kümmerte sich der Kreole nicht. Er hatte selbst genug damit zu tun, um sich einigermaßen über Wasser zu halten. Plötzlich besann er sich wieder auf seinen „lieben Gott“, und flehte ihn lauthals an, ihn nicht ertrinken en zu lassen, er könne doch nicht schwimmen. Dann schluckte er das erste Mal und brüllte noch lauter vor Angst und Verzweiflung. Ein Stück Treibholz traf schmerzhaft seinen Schädel. Der Sog drehte ihn immer wieder um seine Achse, und dann schoß er wie ein Pfeil auf die Klippen zu. Da half alles paddeln schreien nicht, er raste in brodelndes schäumendes und kochendes Wasser, das ihn in die Tiefe ziehen wollte. Ein leeres Faß sprang dicht neben ihn hoch und zerplatzte an den Felsen mit lautem Knall. Instinktiv hielt der Kreole sich die


Hände über den Schädel und schloß mit seinem Leben ab, als die Felsen jetzt vor seinem Gesicht auftauchten. Gegen die Gewalt, die ihn immer vorwärts trieb, half kein Strampeln und kein Wehren. Bevor er den Hieb verspürte, sah er noch einmal die Trümmer des Wracks, die weit verstreut in der See trieben, hörte noch einen gellenden Schrei, sah einen Mann, der sich in ein Stück Segeltuch verwickelte und ebenfalls ertrank und spürte plötzlich diesen ungemein harten Schlag. Von einer Sekunde zur anderen wurde sein Bewußtsein ausgelöscht. Um ihn herum wurde es finster. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er erwachte. Am Schädel hatte er eine blutige Schramme, sein Gesicht war blutverklebt, und er fand sich auf dem Rücken liegend. Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, überrollte ihn kühles Wasser, das scheinbar aus dem Nichts kam. Es war als würden aus allen Ecken und Winkeln ständig Pützen mit Seewasser über ihn ausgekippt. Verwundert blickte er sich um und konnte nicht fassen, daß das Meer ihn nicht geholt hatte wie alle die anderen. Er starrte auf die Klippen, doch er sah sie aus einer gänzlich anderen Perspektive. Genau genommen befand er sich in einem Felsenloch, das zwischen den Klippen leicht anstieg. Aus diesem Loch heraus starrte er auf das Meer, wo er deutlich die sechs Schiffe liegen sah. Vor dem Loch in den Klippen, in das immer noch wild schäumend das Wasser mit .gierigen Armen griff, schwammen Holz, Segeltuchfetzen, zersplitterte Spieren, Teile von Planken und Unrat. Wieder drang ekelhaft schmatzend eine Welle herein und überschüttete den Kreolen, der langsam tastend zurückwich. Dann setzte er sich wieder auf den Boden, umschlang die Knie mit beiden Händen und starrte nach draußen. Der Sog hatte ihn hier hineingejagt, und er konnte nur von Glück sagen, daß er nicht mehr als eine Schramme am Schädel hatte. Der Aufprall

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hätte ihm den Kopf ohne weiteres spalten können. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, während er weiter in den brodelnden Sog starrte. Fürs erste war das Piratenleben zu Ende, überlegte er, aber zumindest hatte er sein Leben gerettet, was man von den anderen wohl kaum sagen konnte. Die hatte es alle erwischt, denn er sah zwischen den Trümmern keinen einzigen Körper mehr in der See treiben und hörte auch keine Hilferufe. Daß die anderen ertrunken waren, regte ihn nicht weiter auf. Hauptsache, er war gerettet, was scherten ihn die anderen, die ihn mitnehmen wollten zu Ruhm und fetter Beute! Als er soweit mit seinen Gedanken war, dachte er auch wieder an seine Zukunft. Ein Wunder hatte ihn gerettet, er befand sich jetzt auf einer Insel, deren Namen er nicht kannte. Doch diese Insel umgab ein Geheimnis, das war ganz sicher, und das bewiesen die sechs Schiffe, die in Lauerposition davor lagen und auf etwas warteten, die Schiffe, denen sie ständig gefolgt waren, weil der Piratenkapitän eine „gewisse Vermutung“ hatte. Leider wußte der Kreole nicht, was es mit dieser gewissen Vermutung auf sich hatte. Der alte Piratenfuchs hatte eine Spürnase, der war dem Verband nicht umsonst hinterher gesegelt, nur war ihm diese Spürnase dann abhanden gekommen, als sie sich unvermutet in einem teuflischen Sog befanden. Na ja, das war jetzt vorbei und erledigt, dachte der Pirat. Jetzt mußte er sehen, wie er sich durchschlug. Sehr ratsam erschien es ihm übrigens nicht, den Männern auf den Schiffen zu begegnen. Vielleicht waren sie sogar selbst Piraten, die hier einen Schlupfwinkel hatten. Jedenfalls mußte er sich sorgfältig vor ihnen verbergen. Lauernd beobachtete er weiter, was sich tat. Die sechs Schiffe hatten in den Wind gedreht, hin und wieder kreuzten sie auch in langsamen Schlägen vor dem riesigen Felsentor.


Was, bei allen Geistern, erwarteten sie da nur? fragte er sich. Eine andere Frage beschäftigte ihn jedoch viel mehr. Er wußte nicht, wie er aus diesem Loch überhaupt jemals herausgelangte. Ein, zwei Tage hielt er es in diesen Klippen ganz sicher auch ohne Wasser und Nahrung aus, aber dann war Schluß. Dann würde der verdammte Sensenmann ihn dennoch grinsend holen, und er hatte ihm nichts weiter als einen kleinen Aufschub gewährt. In dem Felsenloch war es dämmerig. Manchmal drang das Wasser so weit herein, daß er glaubte, ertrinken zu müssen. Hinter seinem Rücken hörte er es leise rauschen und raunen, hin und wieder vernahm er auch so etwas wie einen leisen Pfiff. Einmal wurde das Pfeifen greller und deutlicher, und der Kreole fuhr angstvoll herum, in der Annahme, sie hätten ihn jetzt entdeckt. Er kniff die Augen zusammen und versuchte das Dunkel der kleinen Grotte zu durchdringen, doch das war unmöglich. Die Grotte sah aus wie ein Schlauch, und dahinter war es finster. Er ging wieder so weit nach vorn, daß er die Schiffe beobachten konnte, denn er wollte unbedingt herausfinden, was die Kerle auf diesem trostlosen Eiland zu suchen hatten. Gewiß, er hatte hinter dem riesigen Felsen den kleinen Ausschnitt einer Bucht gesehen, aber es war ganz sicher, daß man da mit einem Schiff nicht hineinsegeln konnte. Eine Zeitlang zermarterte er sich den Schädel, doch als sich immer noch nichts rührte und der Verband gegen den Wind gedreht liegen blieb, sah er sich in der Grotte weiter um. Nach ein paar Yard in dem schlauchartigen Gang wurde es immer finsterer, geriet er zwischen scharfgezackten Felsen, durch die er sich nur noch mit Mühe hindurchzwängen konnte. Dann versperrten ihm die Wände den Weg, aber er hörte wieder dieses seltsame Pfeifen, als wenn der Wind Äolsharfen bewegte. Das Pfeifen und die merkwürdig melodischen Töne drangen aus der

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finsteren Tiefe herauf. Folglich schien es eine Art Schacht zu geben, der weiter in die Felsen führte. Er versuchte den Abstieg zu ertasten. Seine Hände griffen an scharfkantigen Fels. Einmal löste sich unter seinem Griff ein kleiner Brocken. Er hielt den Atem an und lauschte. Das Stückchen Stein schlug im Wasser auf, es plätscherte leise, danach hörte er es rollen. Also war der Stein in tiefes Wasser gefallen, sondern nur in eine Art Pfütze und von aus weitergerollt. Seine Neugier war jetzt geweckt, zumal er auch glaubte, das Wasser wäre weiter zurückgegangen. Es schoß nicht mehr so weit in die Grotte hinein, sondern leckte nur noch bis an die ersten Felsen. Nach einer Weile fand er heraus, dass man sich mit einiger Mühe in den kleinen Schacht zwängen konnte. Auf dem Grund stand kniehoch Wasser, doch es begann langsam abzulaufen. Wohin, das konnte der Kreole nicht feststellen. Jedenfalls war er hier einem Geheimnis auf der Spur, und das stachelte seine Neugier nur noch mehr an. Als er sich nach unten gezwängt hatte, spürte er kühlen scharfen Luftzug. Wind pfiff durch diesen kleinen Gang, den das Meer irgendwann einmal ausgewaschen hatte, und erzeugte an tropfsteinähnlichen Gebilden dieses schrille Heulen, wenn er darüber blies. Auf allen vieren kroch der Kreole weiter, bis es in dem Gang etwas heller wurde. Das Heulen schrillte immer noch in seinen Ohren, doch jetzt er keine Angst mehr. Er war nur noch gespannt, wohin dieser Gang führte. Gleich darauf löste sich auch dieses Rätsel. Der Gang endete in den Klippen und führte etwas oberhalb wieder hinaus. Als er den Schädel hob, erkannte er in seiner unmittelbaren Umgebung Büsche und hohe Felszacken. Er befand sich jetzt etwa drei Yard oberhalb seiner vorherigen Position. Hier war der Ausblick schon besser als von der Grotte, denn nun sah er die sechs Schiffe viel deutlicher - und noch einiges mehr.


Der Sog hatte deutlich nachgelassen und lief jetzt offenbar in umgekehrter Richtung auf den hohen Felsen zu. Es bestand auch nicht der geringste Zweifel daran, daß die Schiffe sich jetzt anschickten, genau durch diese höllische Felspassage zu segeln. Wie gebannt sah er zu, als einer der Segler, eine ungewöhnlich schlank und rank gebaute Galeone, leicht den Kurs änderte und dann genau in die Felsen zu segeln begann. Er schluckte, sein Hals wurde trocken, und er stierte sich die Augen aus. Was er sah, war direkt ungeheuerlich. Das hier war das Versteck von Piraten - eine Schatzinsel vielleicht. Vorsichtig schlich er in der Deckung der Felsen und Büsche weiter nach oben, um einen besseren Überblick zu erhalten. Vor Aufregung begann er am ganzen Körper zu zittern. Was er jetzt sah, ließ ihn fast zu Stein erstarren. Die Insel war wahrhaftig bewohnt, denn beim Höherklettern erkannte er Hütten, einen langen weißen Strand, etliche kleine Boote und sehr seltsame Leute. Wie Krieger sahen sie aus. Und er sah Frauen und Kinder. Auch die Frauen sahen wie Kriegerinnen aus. Was mochte hier vor sich gehen, auf dieser merkwürdigen Insel? Er nahm sich vor, das gründlich zu erforschen. Sein Blick konzentrierte sich auf ein Gebilde zwischen Hügeln, Felsen und Büschen, das sehr hoch oben stand und einer Statue ähnelte, einer hölzernen Statue, die ihm den Rücken zuwandte. Die Statue hielt in einer Hand reglos einen Speer und wirkte verteufelt echt. Ein paar Minuten lang beobachtete der Pirat die Statue, dann wollte er sich abwenden. Doch das vermeintliche Götzenbild bewegte sich plötzlich und drehte sich um. Es war ein sonnenverbrannter Krieger mit kantigem Gesicht und einer undeutbaren Zeichnung auf der Stirn. Seine Augen blickten kalt und abweisend, und er verlagerte sein Körpergewicht auf den rechten Fuß. Wie erstarrt blieb der Kreole liegen und rührte sich nicht. Er wußte nicht, ob der fürchterliche Kerl ihn entdeckt hatte und

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ihn jetzt nur belauerte, um ihn noch ein bißchen zappeln zu lassen. Doch das schien zum Glück nicht der Fall zu sein, denn der Krieger drehte sich wieder um und blickte jetzt tief nach unten, auf den Verband der sechs Schiffe. Lautlos kroch der Kreole zu seiner kleinen Grotte zurück. Er mußte sehr, sehr vorsichtig sein und konnte sich nur nachts aus seinem Versteck wagen, und selbst dann würden diese Krieger noch auf Posten stehen und höllisch aufpassen. Es gelang ihm auch, unbemerkt zu verschwinden. Er erreichte die Grotte, in die nun kein Wasser mehr lief, hockte sich auf den Boden und nahm die Lieblingsposition ein, indem er die Hände um die Knie faltete. Dann sah er interessiert dem Schauspiel zu, das sich seinen Augen bot. Es war atemberaubend und faszinierend. * Hasard hatte das „Spielchen“ schon etliche Male geprobt, und doch war es immer wieder anstrengend und gefährlich, die himmelhohe Passage mit voller Fahrt zu durchsegeln, wenn der Mahlstrom tückisch über das Höllenriff donnerte und schäumte. Hier mußte man erst das Tor zur Hölle durchsegeln, um ins Paradies zu gelangen. Die Leute, die dafür keine Nerven hatten, scheiterten kläglich und verloren Schiff und Leben. Die „Isabella“ segelte als erste durch die höllische Passage. Der Mahlstrom versetzte sie leicht, sie begann zu tanzen und zu schlingern, als wollte sie mit aller Gewalt in die Felsen donnern. Die leiseste Berührung mit den Felsen brachte hier unweigerlich den Tod. Der Seewolf stand selbst am Ruder, voll konzentriert auf den tückischen Mahlstrom, den Sog und die Verwirbelungen. Auf der Galeone war jeder Fetzen Tuch gesetzt, selbst Blinde und Schiebblinde. Dicht unter dem hohen Bogen des Felsendomes kreisten zwei Möwen, die das Manöver mit schrillem Kreischen


begleiteten, als wollten sie gegen diese Tollkühnheit protestieren. Immer schneller wurde die Galeone, immer dichter geriet sie an die scharfkantigen Felsen zu beiden Seiten. Der Bug pendelte leicht und versuchte nach Backbord auszubrechen. Auch das war nichts Neues. Man durfte nur nicht die Nerven verlieren, denn das Manöver war bisher immer reibungslos gelungen. Plötzlich war der gewaltige Dom direkt über den Masten. Es wirkte bedrückend, und für die an Deck stehenden Arwenacks sah es jedesmal so aus, als wären die Masten des Schiffes zu hoch. Aus ihrer Sicht mußte gleich der ohrenbetäubende Knall erfolgen, mit dem Masttoppen brachen und Rahen zersplitterten. Schäumend und gurgelnd schoß das Wasser vorbei. Die linke Wand des Felsendoms war jetzt so dicht am Schiffsrumpf, daß man sie mit der Hand berühren konnte. Und das Tempo wurde noch wahnwitziger. In Gedanken glaubte jeder, es wieder laut knirschen zu hören. Die „Isabella“ krängte leicht zur Seite, dann war sie durch die Passage und glitt in die Bucht hinein, in der Felsen wie schroffe Nadeln aus dem Wasser ragten. Kein Wind griff jetzt mehr in die Segel, die schlagartig zusammenfielen wie riesige Tücher. „Fallen Anker!“ rief Ben Brighton. Ein letztes waghalsiges Manöver folgte zwischen den Klippen, unter deren dunklen Tiefen die riesigen Kalmare lauerten, dann faßte der Anker, und die „Isabella“ begann in einem langen Bogen an der Trosse zu schwojen. Während Siri-Tong mit „Roter Drachen“ ebenfalls die Passage hart und unter Preß durchsegelte, wurde auf der „Isabella“ das Beiboot abgefiert. Hasard wollte damit zu den Felsen pullen und Siri-Tong mitnehmen. Er selbst würde auf die „Wappen von Kolberg“ übersetzen, um sie durch die Passage zu bringen. Die Rote Korsarin sollte die Galeone unter Jerry Reeves hereinsegeln, denn beide Kapitäne

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kannten die Tücken des Mahlstromes noch nicht. „Roter Drache“ sauste in einer schubartigen Welle durch die Passage und ging bei der „Isabella“ auf Seite. Am Strand waren jetzt Krieger und Kriegerinnen zu sehen, die die Hände hoben und herüberwinkten. Aber die einzelnen Gesichter ließen sich von hier aus noch nicht voneinander unterscheiden, und so begnügten sich die Arwenacks vorerst damit, zurückzuwinken, und ihr „Arwenack“ durch die Bucht zu brüllen. Siri-Tong kam herüber und stieg zusammen mit Hasard in die abgefierte Jolle. Der Profos, Sam Roskill, Stenmark und Jan Ranse pullten die beiden in die Nähe des Felsendomes. Dort stiegen sie aus und überkletterten eine Stelle der Felsen, die nicht so hoch war. Dennoch war es eine anstrengende Tortur. Während das Boot zurückgepullt wurde, stiegen SiriTong und Hasard in das Boot der „Wappen von Kolberg“ um. Es war eine umständliche Prozedur, aber es ging nicht anders, denn Arne von Manteuffel oder Jerry Reeves hätten die Passage auf Anhieb nie allein geschafft, ohne Schiffbruch zu erleiden. Inzwischen jagte Thorfin Njal „Eiliger Drache über den Wassern“ durch die Passage. Wie ein Ungeheuer wälzte sich das Schwarze Schiff schäumend und donnernd hindurch und raste in die Bucht, wo die schnelle Fahrt ziemlich rasch gestoppt wurde. „Mittlerweile scheint die Bevölkerung kolossal gewachsen zu sein“, sagte Hasard. „Am Strand der Bucht standen soviel Leute, wie ich sie auf der Schlangeninsel noch nie gesehen habe.“ Die Rote Korsarin nickte beipflichtend. „Es gab schon die ersten kleinen Versorgungsprobleme, als ich nach England aufbrach. Mittlerweile ist wieder viel Zeit vergangen. Ich bin gespannt auf Arkanas Bericht. Wir werden den Inselrat einberufen und entscheiden, wie es weitergeht.“ Das Boot wurde jetzt zur Galeone „Tortuga“ gepullt, wo die Rote Korsarin


bei Jerry Reeves an Bord ging. Hasard wurde zu seinem Vetter Arne gebracht und enterte auf. Die kleine Jolle wurde ebenfalls gleich an Bord genommen. Inzwischen nahm der Franzose Jean Ribault „Anlauf“. Auch er stand selbst am Ruder auf der „Le Vengeur III.“ und grinste verwegen. Der schlanke abenteuerlich wirkende Mann nahm sich noch die Zeit, allen gemütlich zuzuwinken, ehe er sein Schiff durch den Höllenschlund jagte und wie der Blitz in die Bucht hineinfuhr. Vier Schiffe befanden sich jetzt im Innern des Felsendoms, während die „Wappen von Kolberg“ und die „Tortuga“ noch kreuzten. Vetter Arne stieß tief die Luft aus, als Hasard das Achterdeck betrat und die beiden Männer sich die Hand gaben. „Das ist ja eine mörderische Ecke“, sagte er, „allen Respekt vor solcher Leistung, Hasard. Wenn ich da allein durchsegeln würde, käme die ‚Wappen' nur noch als Trümmerhaufen in die Bucht.“ „Das sieht anfangs nur so schlimm aus“, sagte Hasard, „beim ersten Mal war ich gezwungen, dort durchzusegeln, denn es blieb mir keine andere Möglichkeit. Ich habe das Schiff damals auch zu meinem großen Erstaunen heil durchgebracht, und beim nächsten Mai wird es für dich auch nicht mehr so wild sein. Lassen wir SiriTong den Vortritt, dann folgen wir sofort.“ Arne betrachtete sinnend den riesigen Dom. Wer die beiden Männer so sah, hätte sie fast für Zwillinge halten können. In der Statur waren sie gleich groß und breitschultrig. Sie hatten die gleiche eisblaue Augenfarbe, das gleiche kantige Gesicht. Nur die Haare bildeten den Kontrast, an denen man sie schon von weitem unterschied. Im Gegensatz zu Hasards schwarzen Haaren waren Arnes Haare von auffallendem Blond. Die schwarzhaarigen Schlangenkriegerinnen der Insel würden ihm wohl so manch heißen Blick zuwerfen, dachte Hasard. Sie sahen der Roten Korsarin nach, die die „Tortuga“ mit fast spielerischer Sicherheit durch den Dom segelte. Neben ihr stand Jerry Reeves und paßte auf wie ein

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Schießhund, denn beim nächsten Mal wollte er selbst die Passage durchsegeln. „Es wird Zeit“, sagte Hasard. „Wenn der Strom nicht mehr so kraftvoll ins Innere zieht, gelangen wir nicht mehr hindurch. Das geht nur unter vollem Preß und Ausnutzung der größten Sogstärke. Steht das Wasser, dann schaffen wir es nicht über das Höllenriff, das ist eine steinerne Barriere im Wasser, an der schon so manches Schiffchen bös zerschellt ist.“ „Laß mich“, bat Arne plötzlich. „Verdammt, ich habe dem Teufel schon oft ein Ohr abgesegelt. Es juckt mich einfach, dieses Höllending zu überwinden.“ Hasard verstand das nur zu gut. „Wenn du die Felsen berührst, sind wir erledigt, Arne. Du mußt nach Backbord halten, auch wenn das Schiff von allein dahinzieht. Dort gibt es einen Schwall, der dich augenblicklich zur anderen Seite versetzt, wenn du auch nur eine Daumenbreite nachgibst.“ „Notfalls kannst du ja eingreifen“, schlug Arne vor. „Kaum möglich, obwohl ich es versuchen werde. Meist ist es zum Eingreifen dann zu spät. Arne von Manteuffel, wie die Arwenacks oder speziell die O’Flynns, waren alle vom gleichen Schlag. Sie wollten es versuchen, wollten sich herausfordern lassen und etwas riskieren. So waren die Manteuffels auch alle gewesen. Sie nahmen jede Herausforderung an und je schwieriger desto lieber war es ihnen. „Gut“, entschied Hasard, „ich stelle mich neben das Ruder. Alles klar?“ Arne nickte angespannt, voll konzentriert umklammerte er die Holme des Ruders mit beiden Händen. Die „Wappen von Kolberg“ fiel etwas vom Wind ab, bis ihr Bug auf das höllische Tor zeigte. Der Wind stand voll in den Segeln. Arne blieb kühl und gelassen, als er den Dom anpeilte. Ha, was die anderen schafften, das schaffte er auch. Dann befanden sie sich fast übergangslos im Mahlstrom und wurden zum Spielball gewaltiger Kräfte, die an der Galeone rissen und zerrten.


Hasard stand derweilen auf dem Sprung, bereit zum Eingreifen, falls etwas schiefging. Als sie an der berüchtigten Stelle waren, wo der Strom sie nach Backbord versetzte, wollte Arne Gegenruder geben, ganz automatisch, doch als Hasards Hand vorzuckte, hatte er schon begriffen und drückte die „Wappen“ weiter nach Backbord. Zwar ging ihm das persönlich gegen den Strich, denn nun sah es so aus, als würden sie unter vollem Preß direkt in die Felsen rennen. Gleich darauf spürte er jedoch den unwahrscheinlich starken Druck von der Seite und hielt das Ruder weiterhin nach Backbord. Arnes Männer standen an Deck und schluckten. Wenn man einmal selbst in dem Mahlstrom war, dann sah das ganz anders aus, als wenn man einem anderen beim Durchsegeln der Passage zusah. Rauschen, Zischen und Brodeln. Neben und unter ihnen schienen sich alle Schlünde der Hölle geöffnet zu haben. „Die „Wappen“ begann zu gieren und wollte mit aller Gewalt in die Felsen, doch Arne zwang sie mit harter Hand wieder auf Kurs. Innerhalb von Sekunden erschienen auf seiner Stirn winzige Schweißperlen. Dann lachte er befreit auf. Die letzten paar Yards lagen vor ihnen. Sie hatten es geschafft. Als auch die „Wappen“ dann endlich in der Bucht vor Anker lag, herrschte in der Bucht reges Treiben, und es gab eine Begrüßung, die immer wieder in läuten Jubel ausbrach. 4. Siri-Tong und Araua hatten die Vorstellung der Neulinge übernommen, die zum erstenmal auf der Schlangeninsel weilten. Jetzt waren, bis auf wenige Ausnahmen, fast alle am Strand versammelt und starrten die Neuankömmlinge an. Ganz besonders gemustert wurden von der Schlangenpriesterin Arkana Gotlinde, die Frau des Wikingers, und Arne von Manteuffel, Hasards hellblondes Ebenbild.

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Arkana gab jedem die Hand, begrüßte jeden einzelnen, und strich ihrer zurückgekehrten Tochter Araua über die Haare. Hasards Hand hielt die Schlangenpriesterin etwas länger als üblich in der ihren, woraufhin sich die Rote Korsarin ein dezentes Räuspern gestattete. Hesekiel Ramsgate wurde vorgestellt, dann ein Teil der Männer von seiner Werft in Rame Head, Jerry Reeves folgte, der Erste Offizier Oliver O'Brien, dann die Deutschen Renke Eggens und Hein Roopers, und so ging es weiter, bis Arkana Mühe hatte, sich all die Namen zu merken. Der alte Ramsgate warf die Arme in die Luft. Seine Augen glänzten, und er sah sich immer wieder nach allen Seiten um. „Himmlisch ist es hier“, schwärmte er allen vor, „und ihr seid sicher, daß das Wetter hier immer so bleibt, und es wirklich keinen Schnee gibt?“ „Es wird mal Regen geben“, sagte Arkana lächelnd, „aber was ist Schnee?“ Ramsgate versuchte das gestenreich zu erläutern, und sagte, dann sei es kalt und kleine weiße Flocken fielen vom Himmel. Daraufhin wurde er von einigen neugierig gefragt, ob er nicht ein paar von diesen weißen Flocken mitgebracht habe, nur mal zum Anschauen, weil sie es ihm nicht glaubten, aber da mußte der alte Schiffbaumeister passen. Schnee flocken mitzubringen sei so eine Sache, meinte er. „Heute abend werden wir ein Fest veranstalten“, sagte der Wikinger, „ein Fest, das es in sich hat, wie sich das gehört, wenn man lange von der Schlangeninsel fort war. Ein Fest mit allem Drum und Dran. Wein, Bier und Schnaps müssen in Strömen fließen.“ „Zuerst“, sagte Hasard, „werden wir einmal die vordringlichen Probleme besprechen, die die Insel und ihre Leute betreffen. Das erscheint mir wichtiger als das Fest.“ „Das Fest wird gefeiert“, beharrte der Wikinger dickschädelig. „Das ist immer so üblich gewesen.“


„Zuerst die Probleme, dann das Fest, Thorfin“, sagte Hasard, „ob dir das nun paßt oder nicht.“ Old O'Flynn zwinkerte dem Profos zu, und auch Ferris Tucker, der mit Shane in seiner unmittelbaren Nähe stand. Sie alle dachten noch an Island, wo der Wikinger eine recht eigentümliche und recht eigenwillige Rolle gespielt hatte, und wo seine Männer tageund wochenlang auf dem Schiff gehockt hatten und der Wikinger sich nicht mehr hatte blicken lassen, weil ihm Gotlinde wichtiger war als Schiff und Mannschaft. „Das ist doch ein verdammt sturer Büffel“, sagte O'Flynn. „Immer soll alles nach seinem Schädel gehen. Aber der Polaraffe hat noch eine Rechnung zu begleichen. Schließlich haben wir wegen ihm viel riskiert und eine Menge Ärger gehabt. Ein O'Flynn vergißt so was nicht. Dem Burschen werden wir es bei seinem Fest eintränken.“ „Und wie?“ fragte Ferris, der auch nichts dagegen hatte, wenn sie Thorfin den Streich zurückzahlten. „Das wird noch nicht verraten“, sagte der Alte, „aber ich habe da eine ganz prächtige Idee. Der nordische Riesenlümmel wird sich noch wundern, das verspreche ich euch.“ Der Profos grinste, Shane grinste auch ein bißchen, denn Donegal hatte zweifellos wieder etwas in petto, wenn er so redete. „Laß es endlich raus“, ermunterte Carberry den Alten. „Jetzt nicht“, meinte O'Flynn abwehrend, „hier ist mir zuviel Gewimmel am Strand. So was muß in Ruhe durchdacht und überlegt werden. Aber eine Frage, Ed: Hast du eigentlich noch deine spanische Uniform an Bord? Ich meine die, die immer angezogen wird, wenn wir ein bißchen den Don spielen.“ „Klar, die ist in der Klamottenkiste. Aber was hat das damit zu tun?“ „War nur 'ne Frage“, wich O'Flynn aus. „Aber erinnert mich wieder daran, falls ich es vergessen sollte.“ Er drückte sich wieder einmal reichlich kraus aus, und niemand konnte mit seinen Worten etwas anfangen.

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„Und deine Kneipe?“ fragte Shane den Alten. „Die hat auch noch Zeit, aber gebaut wird sie. Ich denke, da drüben, hinter den Hütten, wo der Palmenhain anfängt. Das wäre ein nettes lauschiges Plätzchen. Da kann ich auch die Besoffenen immer gleich mit einem Tritt ins Wasser befördern.“ Über den Strand der Bucht kam ein weiterer Mann. Hasard drehte sich um und lächelte als er ihn erkannte. Karl von Hutten war es, der Sohn einer indianischen Häuptlingstochter, breitschultrig, blond und elastisch wirkend. Seine Schritte zeugten von verhaltener Kraft. Von Hutten hatte exotische Gesichtszüge, eine kühn gebogene Nase und ein sonnenverbranntes Gesicht. Sie hatten sich seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr gesehen. Beim Lachen zeigte er schneeweiße blitzende Zähne. „Eine Rarität“, sagte er zu Begrüßung und schüttelte den Männern erfreut die Hände. „Wann passiert es schon einmal, dass all die alten Kämpen wieder einmal vollzählig versammelt sind. Ich sehe eine Menge neue Gesichter.“ „Ja, eine ganze Menge“, sagte Ben Brighton. „Gute und ehrliche Leute, sozusagen auf Herz und Nieren geprüft. Ich werde sie dir vorstellen, Karl.“ Überall gab es erwartungsvoll grinsende Gesichter. Von Hutten ging mit der Geschmeidigkeit eines Tigers von einem zum anderen und musterte die Männer. Hasard und Ben gaben Erklärungen ab. Auch Gotlinde wurde herzlich begrüßt. Sie fühlte sich hier sichtlich wohl und genoß die stummen Blicke der Bewunderung. Thorfin Njals breite Brust schwoll vor Stolz noch mehr an. Karl von Hutten schlug dem nordischen Riesen auf die Schulter. „Wer hätte das gedacht“, sagte er staunend. „Thorfin kehrt als verheirateter Mann zurück. Das sind ja umwerfende Neuigkeiten. Entschuldigt bitte, daß ich nicht gleich gekommen bin. Ich sah die Galeone draußen in den Klippen zerschellen und sah nach, ob es Überlebende gegeben hat.“


„Hast du welche gefunden?“ fragte Hasard gespannt. „Nein, keinen einzigen. Sie sind ertrunken, in die Klippen getrieben worden oder den Haien zum Opfer gefallen. Es waren Piraten, daran besteht kein Zweifel.“ „Sie sind uns gefolgt“, erläuterte der Seewolf. „Wir haben sie auch abhängen können, doch dann tauchten sie ganz überraschend wieder auf.“ „Das Geheimnis haben sie jedenfalls nicht entdeckt. Wir hatten schon öfter unerwünschten Besuch, und manch neugieriges Auge hat durch die Passage geblickt. Aber am Mahlstrom ist bisher noch jeder gescheitert.“ „Ihr habt Probleme?“ fragte Hasard und ging das Thema gleich an. Arkana und Karl von Hutten nickten gleichzeitig. „Es gibt Versorgungsschwierigkeiten“, sagte der Exote mit den blonden Haaren. „Wir kriegen das Problem nicht richtig in den Griff. In der Bucht gibt es zwar immer noch zahlreiche Fische, die der Strom hereinschwemmt, doch das reicht nicht mehr für alle. Auch die Plantagen decken den Bedarf nicht.“ „So ist es.“, sagte Arkana leise. „Weiteren Boden können wir nicht mehr kultivieren. Meine Krieger haben getan was sie konnten, doch in den Felsen läßt sich nichts anbauen. Ich bin dafür, daß wir im Laufe des Nachmittags eine Versammlung des Inselrates einberufen, bei der die Probleme im einzelnen erörtert werden.“ Wenn sie sprach oder den Kopf drehte, und sich dabei nur leicht bewegte, dann leuchtete das Diadem glitzernd auf, das sie als Zeichen ihrer Priesterwürde um den Kopf trug. Dieses goldene Diadem zeigte zwei sich windende züngelnde Schlangen. Die Augen der Schlangen waren zwei kleine Saphire, die bei jedem Lichteinfall geheimnisvoll zu leuchten begannen und den beiden Schlangen Leben einzuhauchen schienen. Auch am linken Oberarm trug sie das Schlangensymbol in der Form eines goldenen Reifs. „Das wird unumgänglich sein“, meinte von Hutten. „Wir haben uns auch schon etwas

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einfallen lassen, doch das werden wir später gemeinsam erörtern.“ „Einverstanden“, sagte Hasard. „Wir werden die Anteile an dem Inselschatz festlegen, ebenso die Verpflichtungen jeder Gruppe, und wir müssen auch daran denken, diese Insel zu erhalten und zur uneinnehmbaren Festung ausbauen. Das alles müssen wir besprechen.“ Der sogenannte Inselrat, der bei auftauchenden Problemen immer einberufen wurde und auf dem Ratsfelsen tagte, bestand aus dem Wikinger, als Vertreter seiner Mannschaft, aus der Roten Korsarin, die die ältesten Besitzansprüche auf die Schlangeninsel hatte, weiter aus dem Seewolf, Jean Ribault, Karl von Hutten und Arkana, der Schlangenpriesterin, mit ihrer Tochter Araua. Sie alle waren für die Geschicke der Insel zuständig. „Die Befestigungsanlagen haben wir mittlerweile so gut ausgebaut, daß wir selbst einer kleinen Armada widerstehen können. Von außen mag man vielleicht mit scharfen Augen ein paar Kanonen erkennen, aber die Schießscharten an den strategisch wichtigen Punkten und die anderen Kanonen sieht man nicht. Du kannst das nachher besichtigen, Hasard, es hat sich wirklich einiges getan“, sagte von Hutten. „Ich werde es mir ansehen“, versprach der Seewolf. „Von der Schlangeninsel hängt schließlich unsere gemeinsame Zukunft ab. Aber zuerst müssen wir natürlich das Nahrungsproblem lösen. Wie, das ist mir zwar noch nicht klar, aber wir werden einen Weg finden.“ „Ich habe mit Siri-Tong und Arkana schon darüber gesprochen“, sagte Karl von Hutten. „Zu der Zeit befandet ihr euch noch in England. Es gibt da möglicherweise eine Lösung.“ Das Thema wurde gewechselt, Arkana erkundigte sich nach Einzelheiten, sprach dann mit ihrer Tochter Araua und unterhielt sich mit anderen Leuten, die sie noch nicht kannte. Sie hatte für jeden ein gutes Wort, hieß sie willkommen und unterhielt sich auch mit dem alten Hesekiel


Ramsgate, den sie sofort in ihr Herz schloß. Sie mochte seine klare, offene und bedächtige Art. Währenddessen unternahmen einige Seewölfe kurze Ausflüge an der Bucht und erkletterten die Felsen, wo sie staunend die Veränderungen sahen. Da gab es künstlich geschaffene Plateaus, verdeckte Schießscharten und schwere Kanonen, die die Krieger der Schlangenpriesterin unter unsäglichen Mühen in die Berge geschafft hatten. Am Nachmittag traf man sich auf dem Ratsfelsen zur ersten Besprechung. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die Bucht und einen großen Teil der Insel. Auch das Dorf der Araukaner in den Bergen war zu sehen. Zwei Schlangenkrieger hatten Wein und andere Getränke nach oben geschafft, es gab gebackenen Fisch und die Früchte, die auf der Schlangeninsel wuchsen. Arkana eröffnete die Sitzung und gab das Wort an Karl von Hutten weiter, der auch sogleich das eigentliche Problem ansprach. Mit Arkana und Siri-Tong haben wir das Nahrungsproblem kurz vor der Abreise besprochen, Seewolf. weiß nicht, wieweit du darüber unterrichtest bist.“ „Siri-Tong hat mir einiges angedeutet, aber mittlerweile ist das Problem wohl noch größer geworden“, Hasard. „Richtig. Wir sind zu folgendem Schluß gelangt: Es werden mehr Menschen auf der Insel leben, wie das ja jetzt schon der Fall ist. An Trinkwasser herrscht auf der Insel kein Mangel, Quellen gibt es genug in den Bergen, ebenso ist der Fischreichtum in der Bucht immer noch beträchtlich. Aber viel mehr gibt Insel nicht her, denn alles müssen wir uns von außerhalb besorgen, und das wird im Laufe der Zeit immer schwieriger. Wir müssen für eventuelle Notzeiten oder den Fall einer Belagerung Notvorräte anlegen, und daher haben wir, was ich vorhin schon andeutete, beschlossen, auf einer der Caicos-Inseln Plantagen anzulegen, um unseren Bedarf zu decken.“ „Ein sehr guter Gedanke“, lobte Hasard. Etliche der Inseln bieten sich dafür an.

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Man könnte Kulturen anlegen, Pflanzungen errichten, Plantagen hochziehen und jede Menge Gemüse anbauen. Nur wird das den Augen einiger Karibikpiraten nicht entgehen, und sie werden dort ebenfalls ihren Bedarf decken, vielleicht die Kulturen verwüsten oder restlos ausplündern.“ „Auch das haben wir bedacht und überlegt. Natürlich haben wir für die Plantagen zu wenig Leute. Die Krieger brauchen wir, um die Insel vor unliebsamen Besuchern zu schützen. Sie sind unentbehrlich. Aber da bietet sich eine andere, ganz erstaunliche Lösung an.“ Als von Hutten sich erhob, blickten Hasard und der Wikinger ihn fragend an. „Ich werde euch gleich etwas zeigen“, versprach von Hutten. „Ich bin dafür, daß wir einen Bund der Korsaren gründen, alle, die wir hier versammelt sind, werden dazu gehören, wenn ihr einverstanden seid.“ „Einen Bund der Korsaren“, sagte Hasard nachdenklich. „Deine Idee ist gut, Karl. In diesem Bund wird alles festgelegt, was ich vorhin schon erwähnte.“ „Richtig. Jeder erhält eine ganz besondere Aufgabe.“ „Dann gründen wir diesen Bund“, sagte Hasard. „Ich bin dafür“, sagte der Wikinger spontan. „Das heißt, wenn die Mannschaften alle ebenfalls dazugehören.“ „Das ist selbstverständlich. Wir sind sozusagen die Delegierten dieses Bundes und treffen nach vorheriger Absprache die Entscheidungen.“ „Wirklich gut“, sagte Hasard, „damit werden endlich klare Verhältnisse auf der Insel geschaffen. Jeder trägt einen ganz bestimmten Teil der Verantwortung. Zusammen dürften wir damit so gut wie unschlagbar sein, meinen Vetter Arne von Manteuffel mit einbezogen.“ „Natürlich soll er diesem Bund ebenfalls angehören“, sagte Arkana, „aber nicht als Delegierter, denn er hat keine Anteile an der Insel.“ „Das sehe ich ein. Wir werden auch zusammen gegen die Spanier kämpfen“,


sagte Hasard, „im Interesse des neuen Bundes und für die englische Krone:' Diesmal schüttelte die Rote Korsarin entschieden den Kopf. Ihr Lächeln blieb kühl und unpersönlich. „Zusammen gegen die Spanier - ja“, sagte sie hart. „Aber mit der englischen Krone will ich nichts zu tun haben, damit das von Anfang an klar ist, Hasard. Ich habe gesehen, wie man dich in England behandelte und dir ständig Schwierigkeiten bereitete. Ich bin nicht damit einverstanden, für diese sogenannte Königin auch nur einen Finger zu rühren. Das Interesse für die Krone liegt ausschließlich bei dir selbst. Ich glaube, daß auch Thorfin und Jean Ribault es kategorisch ablehnen werden, etwas für die Krone zu tun.“ „Keinen Finger rühre ich für die“, sagte der Wikinger entschlossen. „Gut, du hast einen königlichen Kaperbrief, wir nicht. Wir bleiben freie Korsaren und kämpfen für uns. Wenn du einen Raid gegen die Dons führst, dann sind wir immer bereit, dich zu unterstützen, falls du es allein nicht schaffst. Aber dann bestehe ich auf einem Anteil, damit auch das geregelt ist. Von mir kriegt die Krone nichts, nicht einen lausigen Copper. Mit diesen lausigen Königen hat man nichts als Ärger. Ich fühle mich England nicht verpflichtet.“ Hasard zog die Augenbrauen leicht hoch. Ansonsten blieb sein Gesichtsausdruck undeutbar. „Wie denkst du darüber, Jean?“ Der schlanke Franzose lächelte knapp. „Genauso, Hasard. Ich finde es realistisch, daß bei einem Raid jeder seinen Anteil an der Beute erhält. Damit sind klare und überschaubare Verhältnisse geschaffen. Wie du schon sagtest, kämpfen wir gemeinsam gegen die Spanier, aber eben unterschiedlich im Interesse der Krone. Du mußt einen Teil der Beute abführen, dazu verpflichtet dich dein Kaperbrief. Wir dagegen kämpfen ausschließlich für den Bund der Korsaren und für uns persönlich. So denke ich jedenfalls darüber.“

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„Nun, das sind ehrliche, klare und überzeugende Argumente“, meinte der Seewolf. An jenem denkwürdigen Tag im Sommer 1593 wurde also feierlich der Bund der Korsaren gegründet und mit einem ebenso feierlichen Schwur besiegelt. „Du wolltest uns etwas zeigen, Karl“, erinnerte Hasard den sehnigen Mann mit der bronzefarbenen Haut. „Richtig, ihr könnt es euch alle ansehen. Dazu müssen wir aber zu einer kleinen Höhle gehen, sie befindet sich nicht weit von hier.“ Von Hutten tat recht geheimnisvoll, so daß Hasard sich fragte, was es damit wohl für eine Bewandtnis haben mochte, denn das Gesicht des blondmähnigen Mannes war sehr nachdenklich geworden. Sie folgten der Schlangenpriesterin und von Hutten einen kleinen ausgetretenen Pfad entlang, der zwischen den Felsen zu einer Grotte führte, die künstlich in den Berg gehauen war. In der Grotte herrschte Halbdämmer, dennoch ließen sich die Gegenstände gut erkennen. Hasard sah zwei kleinere würdig gebaute Boote, die auf Holzrollen auf den Untergrund standen. Das war es aber nicht, was ihn so verwunderte, obwohl er sich fragte, was hier in den Felsen wohl zwei Boote zu suchen hatten, noch dazu von solch eigentümlicher Form. In einem der Boote lag ein Skelett. Die Knochen waren stark gebleicht, und der Totenschädel schien sie anzugrinsen. Hasard starrte auf die Gebeine eines unbekannten Mannes. Niemand sprach ein Wort, in der Grotte war es für Augenblicke absolut still. Schlimmer als das Knochengerüst in dem einen Boot wirkte jedoch der andere Mann im zweiten Boot. Sein Gesicht war eingefallen und mumifiziert. Die Haare hatten ihre natürliche Länge behalten und fielen schwarz und wallend bis auf die Schultern herab. Der Mann hockte im Boot, als könne er jederzeit wieder zum Leben erwachen, wenn nicht dieses


schreckliche und eingefallene Gesicht gewesen wäre. Als Bekleidung trug der Mann nur einen Lendenschurz. Hasard starrte immer noch unverwandt auf die mumifizierte Leiche und fand keine Antwort auf seine unausgesprochene Frage. In die lastende Stille hinein sagte Arkana: „Meine Krieger haben den Körper präpariert, damit er erhalten blieb, und damit auch ihr anderen ihn sehen könnt. Um durch den Anblick niemanden zu erschrecken, habe ich diese Grotte hier für die beiden Toten ausgewählt. Fällt dir etwas an dem einen Toten auf, Hasard?“ Hasards Blick wanderte weiter und blieb schließlich an dem Gesicht Karl von Huttens hängen. „Ja“, meinte er mühsam, „er scheint ebenfalls von Indianern abzustammen, oder auch von Indios.“ „Alle beide sind Indianer“, erklärte' von Hutten, „reinrassige Indianer mit Sicherheit. Ich bin nur ein Halbindianer.“ Hasards Blickrichtung wechselte wieder. Ein zaghafter Sonnenstrahl stahl sich in die Grotte und legte einen kleinen Schimmer auf die Züge des toten Indianers. Das eingeschrumpfte Gesicht hatte einen melancholischen Zug, die geschrumpften Augenlider schienen zu zucken. Sekundenlang sah es so aus, als würde sich die stumme Gestalt wiederbeleben. Dann tastete der Sonnenstrahl langsam weiter, und das melancholische Gesicht fiel in das Dämmer der Grotte zurück. „Wie gelangten sie zur Schlangeninsel?“ fragte Hasard rauh. „Wir haben das Rätsel nicht ganz gelöst“, sagte Arkana. „Eins der Boote mit dem Skelett fischten wir vor zwei Monaten aus dem Wasser. Es trieb in der Nähe der Schlangeninsel. Den anderen Toten fanden wir erst kürzlich, er war seit höchstens zwei Tagen tot, hatte kein Wasser und keinen Proviant mehr im Boot. Das Skelett konnten wir nicht identifizieren, weil es nur noch aus gebleichten Knochen bestand. Deshalb ließ ich diesen Mann“, ihr Finger wies in das Boot mit dem schrecklichen

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Toten, „so präparieren, daß sein Leichnam noch sehr lange erhalten bleiben wird. Ein Mann ohne Gesicht sagt nichts mehr aus, aber er hat noch ein Gesicht. Vielleicht bist du in der Lage, das Rätsel zu lösen.“ Hasard blickte schweigend auf die beiden Boote. „Die Boote sind Piraguas“, sagte er dann nachdenklich. „Irgendwo ist mir diese Form schon einmal begegnet. Ich glaube schon, daß wir das Rätsel lösen werden.“ Seine Stirn krauste sich, über der Nase erschien eine steile Falte. Schließlich nickte er. „Ja, ich habe da mal ansatzweise etwas gehört. Das könnte vielleicht mit einem Schlag all unsere Probleme lösen. Habt ihr nur die beiden gefunden, oder noch mehr?“ „Früher einmal ein zertrümmertes Boot“, sagte von Hutten, „aber es war leer. Ein anderes, das wie ein Kanu aussah, trieb einmal in der Nähe von Tortuga herum, und einer der Schlangenkrieger fand mal eins auf Little Cayman am Strand. Von seinem Besitzer fanden sich ebenfalls nur ein paar Knochen. Aber woher stammen diese Boote? In der Karibischen See sind sie keinem bekannt.“ „Sie stammen aus dem Süden von Nordamerika“, sagte Hasard nach reiflicher Überlegung. „Dort, so habe ich es mal gehört, gibt es einige Indianerstämme, die mit ihrem kargen Leben nicht zufrieden sind, und die immer wieder versuchen, andere Inseln zu finden, die ihnen mehr zum Leben bieten. Sie benutzen diese Boote, Piraguas oder einfache Kanus. Aber sie übernehmen sich bei dem Versuch, die fremden Inseln zu entdecken, denn sie sind keine Seefahrer, und daher sind ihre Versuche auch meist kläglich gescheitert. Vielleicht haben sie die eine oder andere Insel sogar erreicht, aus purem Zufall. Diese Indianer haben jedoch keine Erfahrungen in langen Reisen. Sie sind meist Fischer oder Jäger und betreiben bestenfalls mal Küstenschiffahrt. Mit ihrer ungenügenden Ausrüstung mußten sie zwangsläufig scheitern.“' „So ist das also“, sagte Arkana nachdenklich.


„So kann es sein“, meinte Hasard einschränkend. „Ich nehme es jeder. falls stark an.“ „Und wie soll das zur Lösung unserer Probleme beitragen?“ wollte die Rote Korsarin wissen. In Hasard war längst ein Plan gereift, und er sah im Geist gewaltige Veränderungen auf der Schlangeninsel. „Es ist nichts weiter als eine logische Überlegung, Siri-Tong. Wenn es diese Indianerstämme im Süden Nordamerikas gibt - und wir haben den Beweis ja hier vor uns - und wenn sie wirklich mit ihrem Dasein unzufrieden sind, dann könnten wir ja versuchen, einige dieser Stämme hier auf den anderen Inseln anzusiedeln. Sie haben eine gesicherte Existenz und sie werden im Tauschverfahren für uns die künftigen Plantagen und Anbaugebiete bewirtschaften. Natürlich nicht als Sklaven, sondern als freie Menschen. Sie bauen an, kultivieren, erhalten von uns dafür die Waren, die sie brauchen, und alle erforderlichen Gerätschaften und beliefern uns im Gegenzug dafür. Das ist das Prinzip von Angebot und Nachfrage, eben auf dem Tauschweg oder gegen Bezahlung. das wäre noch zu überlegen.“ Alle blickten den Seewolf an, selbst Ribault und der Wikinger waren begeistert. „Das wäre ja die entscheidende Lösung“, sagte Siri-Tong. „Damit wären wir das schlimmste Problem los. Merkwürdig“, meinte sie lächelnd. „Hasard wird ein Problem vorgetragen, er zieht einen Trumpf aus dem Ärmel und löst es. Du hast gerade kürzlich ein sehr ernstes Problem gelöst.“ Damit spielte sie auf den Wikinger in Island an, der sich wie ein Poltermann benommen hatte, und das Land - sein Thule - nicht mehr verlassen wollte, seit er Gotlinde gefunden hatte. Thorfin schluckte diese Anspielung und kriegte prompt einen roten Schädel. Er brummte etwas vor sich hin. Klar, für die anderen war das noch nicht vergessen, da war noch kein dichtes Gras drüber gewachsen, und es würde früher oder

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später auch noch einmal zur Sprache gebracht werden. Etwas verlegen kratzte er sich den Helm und räusperte sich. Daß Old O'Flynn ihm noch eine ganz spezielle „Abreibung“ verpassen würde, ahnte Thorfin noch nicht, sonst hätte er sich jetzt schon in Grund und Boden geschämt. „Das ist wirklich eine phantastische Lösung“, sagte der Wikinger. „Eine ausgezeichnete Idee. Es gilt nur, diese Indianerstämme auch zu „Der Seewolf wäre dafür der richtige Mann“, sagte Arkana leise. Sehr richtig“, pflichtete von Hutzen bei. „Setzen wir unser Gespräch doch wieder beim Ratsfelsen fort.“ Nach einem letzten Blick auf den unheimlichen Toten folgte Hasard den anderen. Sehr sinnend sah er den erstarrt dahockenden Indianer an, der mitgeholfen hatte, ein großes Problem zu lösen, wenn auch nur als Toter. * Im weiteren Verlauf der Besprechungen wurde das Thema Hesekiel Ramsgate angeschnitten. Weil von Hutten schon einmal betont hatte, daß sie eine schlagkräftige Flotte brauchten, die in der Schlangenbucht stationiert werden sollte, erklärten Hasard, Siri-Tong Jean Ribault den anderen, daß beabsichtigte, auf der Insel vorerst eine Slipanlage zu errichten und später eine Werft zu bauen. „An Ausrüstung ist alles vorhanden was wir benötigen“, sagte Hasard, „einschließlich zwanzig erfahrener Werftarbeiter. Die beiden neuen Galeonen stammen von Ramsgate. Er ist ein ehrlicher, sehr zuverlässiger und aufrechter Mann. Ein Genie, was die Schiffsbaukunst betrifft. Er wird all das bauen, was wir benötigen.“ Dann wurden weitere Einzelheiten festgelegt. Jean Ribault und der Schlangenpriesterin Arkana, aber auch der Roten Korsarin


wurde die Sicherung der Schlangeninsel unterstellt. Die Anteile an dem riesigen, im Schlangentempel versteckten Schatz, wurden neu geregelt und aufgeteilt. Jede Gruppe übernahm Verpflichtungen, die ebenfalls besprochen und erläutert wurden. Arkana sollte als Schlangenpriesterin auch weiterhin den Schatz bewachen, daran änderte sich nichts. Zum Schluß blieben die Blicke der neuen Mitglieder des Bundes der Korsaren an Hasard hängen, doch der Seewolf hatte seinen Entschluß längst gefaßt. Er nickte lächelnd, als sie ihn ansahen. „Ich werde es übernehmen, nach diesen Indios zu suchen“, versprach er. „Wir werden das bald tun und nach dem Süden Nordamerikas segeln. Zuvor aber werden wir irgendwo in der Nähe eine entsprechende Insel suchen. Sie muß Trinkwasser haben und fruchtbar sein. Solche In- sein gibt es weiter östlich von hier.“ „Dann ist das ja auch klar“, sagte Thorfin, „und wann feiern wir endlich das Fest?“ „Heute abend“, sagte Arkana lächelnd, die Thorfins Vorliebe für Feste kannte. Anschließend besprach der Inselrat weitere Einzelheiten, und man ging ins Detail. Später gingen sie zusammen hinunter und trafen die Vorbereitungen für das Fest. Zum Glück wußte der Wikinger noch nicht, was ihm bevorstand, sonst hätte er auf das Fest lieber verzichtet. Am Strand wurden Feuer entfacht. Araua saß mit den Zwillingen des Seewolfs zusammen, ihren Halbbrüdern, die sie sehr schätzte. Auch der Bordhund Plymmie fand ihren Gefallen, der sich am Strand austobte und hin und her rannte. Den Mannschaften wurde mitgeteilt, was der Inselrat beschlossen hatte, und es gab endlos lange Debatten. Die Arwenacks freuten sich über die Eröffnung, daß sie schon bald nach Amerika segeln würden. Eine Gruppe Seewölfe aber saß abseits, damit die anderen nicht hören konnten, was sie besprachen.

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„Was ist nun mit der Uniform?“ drängte der Profos den alten O'Flynn. „Du wolltest das doch noch sagen.“ „Richtig, fast hätte ich es vergessen. Wir brauchen deine spanische Uniform, oder die von Shane, sie muß jedenfalls groß sein. Man kann auch die Uniform von Ferris nehmen.“ „Was soll das denn alles?“ fragte Ferris Tucker. „Ich denke, wir wollen dem Wikinger einen Streich spielen.“ „Das. ist es ja gerade“, sagte Old O'Flynn kichernd. „Ich stelle mir das so vor: Nachher gibt es wieder eine gewaltige Sauferei, und wie ich Thorfin kenne, schluckt der wieder am meisten. Irgendwann einmal ist er voll, daß er nicht bis drei zählen kann.“ „Darauf kannst du lange warten“, meinte Smoky. „So schnell geht der nicht unter.“ „Wir müssen ihn eben kräftig animieren. Immer hoch mit den Humpen, auch wenn dafür ein paar Leute von uns abkanten. Sein Ehrgeiz läßt es gar nicht zu, daß andere mehr vertragen als er. Wir können ja hin und wieder mal ein Schlückchen vorbeigießen.“ „Nee, laß mal“, sagte der Profos, „vorbeigegossen wird hier nichts. Ich werde mich für alle opfern, ich kriege den Wikinger. Ich weiß aber immer noch nicht, weshalb wir dafür eine spanische Uniform brauchen.“ „Das erkläre ich doch gerade“, sagte O'Flynn händereibend und vor sich hin grinsend. „Wenn er voll ist, so voll, daß er nicht mehr stehen kann, dann packen wir ihn und ziehen ihm die spanische Uniform an. Seine alten Felle müssen wir ihm natürlich ausziehen. Aber Thorfin wird nach dem Erwachen verdammt lustig aussehen. Stellt ihn euch nur einmal mit Pumphosen, weißen Strümpfen und einem Federhut auf dem Schädel vor. Das ist der Streich, den wir ihm spielen werden, denn ihn werden ganz sicher etliche Leute sehen.“ Der Profos stieß einen Laut aus, als müsse er ersticken. Dann begann er brüllend loszulachen und konnte sich kaum noch beruhigen. Die anderen lachten prustend


mit. Die Vorstellung, den Wikinger besoffen und in spanischer Uniform am Strand hocken zu sehen, ließ sie immer wieder laut losbrüllen. „Das ist ein verdammt prächtiger Gedanke“, sagte Smoky, „der wird über sich selbst total entsetzt sein. Und was Gotlinde wohl dazu sagt, wenn sie ihn so sieht?“ Wieder setzte Gelächter ein. Matt Davis knallte sich die Hakenprothese auf den Oberschenkel, Blacky hielt sich den Bauch, und Ferris grinste über beide Ohren. Auch Big Old Shane wurde von einem Lachkrampf geschüttelt. „Toll“, rief der Profos, „das gibt einen herrlichen Spaß. Der Wikinger wird wohl ahnen, weshalb man ihm diesen Streich spielt,“ „Das glaube ich auch“, sagte Shane. Und wieder stellten sie sich vor, wie Torfin am Strand hockte, oder an en Felsen lehnte. „Sollen wir Hasard einweihen?“ fragte O'Flynn. „Aber vielleicht verbietet er es dann.“ „Wir tun ja nichts Unrechtes“, meinte Ed, „wir sollten es ihm aber trotzdem sagen. Unser Kapitän ist schließlich kein Spielverderber. Solche Späßchen macht er ganz sicher mit.“ Also wurde gleich darauf der Seewolf in das kleine Komplott eingeweiht. Ferris Tucker sagte es ihm. Hasard hörte anfangs mit ernstem Gesicht zu, dann verzogen sich seine Lippen und er lachte leise. „Warum nicht?“ sagte er. „Es entsteht ja keinem dabei ein Nachteil. solche kleine Lektion wird Thorfin sicher vertragen, und er wird auch wissen, was dahintersteckt,“ „Du hast also nichts dagegen, Sir?“ „Keine Bedenken“, sagte Hasard lachend. „Es ist ja nichts weiter als Jux. Ihr werdet von mir hoffentlich nicht erwarten, daß ich mich daran beteilige. Allerdings will ich mir den Anblick auch nicht entgehen lassen. Wer hat denn die gehabt, der Profos?“ „Diesmal war es Donegal.“ „Sieh an“, sagte Hasard. „Donegal also. Nun gut, seht zu, daß ihr gleich ein paar

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Fässer Bier und Wein vom Schiff holt, und paßt weiter gut auf, daß der Wikinger nicht noch halb nüchtern ist, sonst gibt es ein paar blaue Augen.“ „Das besorgen wir schon, Sir“, meinte der Schiffszimmermann und griente wieder über beide Ohren. Als er zu den anderen zurückging, sahen sie ihn neugierig an. „Was hat Hasard gesagt?“ wollten sie wissen. „Er ist damit einverstanden.“ „Einfall toll“, sagte Ed, „aber ich habe auch noch eine Idee. Wir bauen aus ein paar Holzlatten ein Gestell, und daran hängen wir seine alten Klamotten auf. Das Gestellt wird in den Sand gestellt, und zwar so, daß Thorfin sich gleich selbst sieht, wenn er auf wacht.“ „Du meinst so’n Ding wie eine Vogelscheuche?“ fragte Blacky. „Klar, schön ausgestopft und so.“ Wieder wurde gelacht und gelästert. Für solche Späße waren sie alle zu haben, das würde noch ein viel wilderes Gelächter geben. Einer nach dem anderen wurde eingeweiht und zu absolutem Stillschweigen verdonnert. „Los, an Bord gepullt“, sagte Carberry, „wir müssen das nötige Zeug zum Trinken holen. Vor allem brauchen wir Schnaps, um Thorfin richtig abzufüllen. Ist zwar schade um den guten Stoff, aber wir müssen ihn schon opfern, wenn wir unseren Spaß haben wollen.“ Mittlerweile sah man bei den Arwenacks überall fröhliche Geischter. Selbst der sauertöpfische Mac Pellew hatte einen verklärten Blick drauf, und das wollte wirklich etwas heißen, wenn er mal grinste. Arkanas Krieger hatten Holz zusammengetragen und die ersten Feuer entzündet. Ziegen und Schweine waren geschlachtet worden, und aus der Bucht wurden von geschickten Händen Netze mit Fischen herausgezogen. Der Strand der Bucht war mit Leuten übervölkert, die plauderten, erzählten oder sangen. Noch nie waren so viele Menschen auf einmal in der Bucht gewesen.


Thorfin Njal sah mit wohlwollenden Blicken auf die Feuer, über deren Spießen Fleisch und Fisch gegart wurden. Gleich darauf begannen auch schon die ersten Humpen zu kreisen. Ein seidig schimmernder Nachthimmel mit blinkenden Sternen stand über der Schlangeninsel. Über dem Felsendom stand hell leuchtend der Mond. Es war eine jener Nächte, von denen der Profos dem alten Ramsgate schon in England vorgeschwärmt hatte. Jetzt erfüllte sich für den Schiffbaumeister dieser Traum, und er fand, daß der gute Carberry dabei keinesfalls übertrieben hatte. Thorfin saß neben seiner Frau Gotlinde auf dem warmen Sand und war ausgelassen und fröhlich. Jetzt hatte er endlich sein Fest, und einen Vorwand, kräftig einen zu bechern. „Cheers“, sagte der Profos mit frommem Augenaufschlag zu ihm. Dann hob er den Humpen und trank ihn leer. „Ah, das tut gut'`, sagte er scheinheilig, „aber das Zeug ist einfach zu trocken. Man sollte ein Wasserchen dazu trinken.“ Thorfin hieb auch sofort in dieselbe Kerbe. „Da hast du recht, Profos. Habt ihr denn ein Wässerchen?“ „Ein kleines Fäßchen Aquavit haben wir extra mitgebracht. Viel ist es ja nicht, aber soviel wirst du heute wohl auch nicht vertragen.“ Thorfin war fast empört. „Das Fäßchen schaffe ich noch allein“, protestierte er. Mittlerweile hatten sich auch Smoky, Ferris, Old O'Flynn und ein paar andere dazugesellt. Sie gaben sich ganz harmlos. „Das schaffst du allein?“ fragte der Profos ungläubig. „Das schaffe ich ja nicht mal, ohne umzufallen.“ „Nee, das schafft Thorfin nie, dafür verwette ich glatt einen Silberling“, meinte Smoky. „Ich wette zwei“, sagte Ferris spontan. Old O'Flynn setzte auch noch einen drauf, und dann hatten sie den Wikinger genau dort, wo sie ihn haben wollten, an seiner Ehre und Standhaftigkeit im Saufen hatten sie ihn gepackt.

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Beinah hätte Gotlinde noch alles verpatzt, denn sie sah Thorfin kopfschüttelnd an und meinte: „Müßt ihr euch eigentlich immer gegenseitig beweisen, wer mehr vertragen kann? Ist das euer ganzer Stolz? Das beweist doch wirklich nicht, daß man auf diese Art ein ganzer Mann ist.“ Einen Lidschlag lang schien der Wikinger unschlüssig zu sein. Aber dann behauptete er stur: „Gewettet ist gewettet, ein Mann, ein Wort. Ich stehe jedenfalls dazu. Außerdem kann ich noch viel mehr vertragen.“ Gotlinde seufzte nur leise. Da waren alle weiteren Worte überflüssig und nutzlos dahingesprochen, denn Thorfin setzte seinen Dickschädel ja doch meistens durch. Er schnappte sich das Fäßchen, zog den Spund heraus und ließ den wasserklaren Inhalt in seinen Humpen laufen. Die anderen prosteten ihm scheinbar bewundernd zu und nickten anerkennend, als Thorfin den Humpen in einem gewaltigen Zug leerte. „Hihi“, sagte O'Flynn leise kichernd, „der ist uns ja prächtig auf den Leim gekrochen. Sieht aus, als würde alles klappen.“ „Der Klotz verträgt unheimlich viel“, raunte der Profos, „das kann verflixt lange dauern, bis er Wirkung zeigt.“ Hasard, der mit der Roten Korsarin, Arkana und Araua neben einem der Feuer saß, blickte einmal herüber. Seine Mundwinkel zuckten leicht, das war alles, aber die anderen hatten verstanden, daß dieses kurze Zucken Belustigung ausdrückte. Die Wikinger, Eike, Oleg, Arne und der Stör, gesellten sich ebenfalls zur Gruppe der Seewölfe, die zahlenmäßig immer mehr anschwoll. Der Stör hockte sich prompt wieder neben Gotlinde und himmelte sie ein bißchen an. Er mußte dabei sehr vorsichtig sein, denn der Wikinger hatte ganz speziell ein Auge für den Stör und schätzte es nicht sonderlich, wenn der Gotlinde wieder seinen Schwachsinn verzapfte.


„Ist es hier nicht herrlich?“ begann der Stör mit einem schwärmerischen Blick auf Gotlinde zu fragen. „Hier sind die Nächte immer lauwarm, äh, lau und warm, meine ich, und dauernd scheint der Mond, auch nachts sogar.“ Dem Wikinger fiel fast der Humpen aus der Hand, während die anderen verstohlen grinsten. „Scher dich fort und hol was zu essen“, herrschte der Wikinger den Stör an. „Und verzapf keinen solchen Mist, du Plattfisch.“ „Ich wollte deiner Frau nur die Insel erklären“, maulte der Stör beleidigt. „Das besorge ich selbst. Dazu brauche ich nicht deine geistreichen Eingebungen. Verschwinde jetzt!“ Der Stör, seines langen Gesichtes wegen so genannt, zog ab und kehrte nach einer Weile mit einer gegarten Fleischkeule zurück, die er Thorfin in einem Bananenblatt in die Hand drückte. Dann wollte er sich wieder neben Gotlinde in den Sand setzen. „Du setzt dich neben das Faß“, sagte der Wikinger, „und paßt auf, daß es nicht umfällt.“ Gotlinde lachte verhalten über Thorfins Bärbeißigkeit. Sie wußte genau, daß er den Stör nicht gern in ihrer unmittelbaren Nähe sah und immer gleich lospolterte, weil der Stör sie bewunderte. Aber dafür hatte Thorfin nicht das geringste Verständnis. Das Fest ging weiter, es wurde ausgelassen und lustig. Und der Wikinger trank und trank, und zeigte nicht die geringste Wirkung, obwohl er das halbe Fäßchen schon gelenzt hatte. Er wurde nur noch aufgekratzter. Die Seewölfe hielten kräftig mit, und einer der ersten, die den Kanal fast voll hatten, war Luke Morgan, der bereits Schwierigkeiten beim Sprechen hatte und mehr taumelte als er ging. Old O'Flynn animierte Thorfin zum Trinken und hielt selbst kräftig mit. Aber es war wie verhext: Thorfin schien immer noch stocknüchtern zu sein. Gegen Mitternacht zog sich Ramsgate mit seinen Männern zurück, und auch ein paar

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andere verholten sich lärmend auf ihre Schiffe. Von den Seewölfen dachte niemand daran, in die Koje zu steigen, und wenn es bis zum Morgen dauern sollte. Niemand ahnte auch nur im entferntesten, daß ein neugieriges Augenpaar die Vorgänge am Strand beobachtete. 5. Dem Pirat knurrte ganz entsetzlich der Magen. In den Bergen versteckt, sah er, wie die Männer tranken und aßen und ein gewaltiges Fest feierten. Er hockte in einer winzigen Grotte, immer darauf bedacht, den in den Bergen Wache gehenden Kriegern nicht in die Hände zu geraten, denn sie tauchten mitunter so unvermittelt auf, als wären sie aus dem Boden gewachsen. Hin und wieder verstand er ein paar englische Wörter, doch es gab keinen Sinn und keinen Zusammenhang. Die Leute vermochte er auch nicht richtig einzuschätzen. Vielleicht waren etliche von ihnen Piraten, vielleicht horteten sie auf der Insel auch Beute und Schätze, aber wenn das der Fall war, dann war alles gut versteckt. Ihn beschäftigten vor allem zwei Dinge: Einmal wollte er seinen fürchterlichen Hunger stillen, und zum zweiten Mal wollte er unbedingt weg von der Insel. Mit Sicherheit konnte er sich hier nicht tagelang verstecken, ohne entdeckt zu werden. Aber er kannte jetzt auch das Geheimnis dieser merkwürdigen Insel und wußte, wie man durch das höllische Tor gelangte. Vielleicht konnte ihm dieses Wissen später mal eine Menge Geld einbringen: Eine Weile sah er reglos dahockend dem Treiben zu. Die Stimmen wurden immer lauter, die Kerle waren ganz ausgelassen und soffen, was das Zeug hielt. Wenn einer von ihnen sich einen Brocken Fleisch holte, lief ihm jedesmal das Wasser im Mund zusammen und er schluckte ganz automatisch mit.


Nach und nach fiel ihm auch auf, daß die Männer sich untereinander gar nicht alle kannten, und der Umstand ließ in ihm einen Plan reifen. Er würde einfach hinunter schleichen und sich ebenfalls einen Brocken holen. Wenn er dann ein bißchen den Betrunkenen markierte, würde das kaum auffallen, zumal es am anderen Ende der Bucht reichlich dunkel war. Im hellen Mondlicht sah er sich immer wieder nach allen Seiten um und entdeckte nach einer Weile einen der stummen Krieger. der wie eine Statue neben einem Felsen stand und fast mit ihm verschmolz. Beim zweiten Hinsehen war der unheimliche Posten jedoch verschwunden, und der Kreole verließ die kleine Grotte langsam und lautlos. Der Abstieg zwischen den Felsen ging einfach vonstatten. Hin und wieder blieb er stehen und sah sich verstohlen um. Am Strand herrschte immer noch Lärm. Dicht am Wasser der Bucht lagen zwei betrunkene Kerle im Sand wie Tote. Der Kreole schlich weiter durch das kleine Palmenwäldchen, dann durch das Dickicht und sah sich mit klopfendem Herzen um. Aus der Nähe sah er jetzt, daß viele kleine Boote in der Bucht lagen, auch ein paar kanuähnliche Dinger, die offenbar von den Kriegern benutzt wurden. Er sah im hellen Mondlicht an sich herunter. In der Kleidung unterschied er sich nicht von den anderen, die meisten waren auch recht abenteuerlich und nachlässig gekleidet. Er steuerte auf eine Gruppe wilder Gesellen zu und tat so selbstverständlich, als gehöre er dazu und sei eben nur mal zu einem kurzen Schwätzchen herübergekommen. Die Männer beachteten ihn kaum. Sie waren mit Trinken beschäftigt und lachten laut, und das nahm sie voll in Anspruch. Frechheit ist alles, dachte der Kreole, obwohl er jetzt deutliche Angst verspürte. Er setzte sich ein paar Yard von der Gruppe entfernt wie halbbetrunken in den Sand, stierte vor sich hin, stand wieder auf und taumelte ein paar Schritte weiter.

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Einer der Kerle, es waren Leute vom Schwarzen Segler „Eiliger Drachen über den Wassern“ rief ihm etwas zu und hielt auffordernd einen Humpen hin. Was der Mann rief, verstand der Kreole nicht, empfand es aber als Aufforderung zum Trinken, schnappte den Humpen und trank ihn in einem Zug leer. Als der Mann noch einmal etwas sagte, deutete der Kreole auf seine Ohren und seinen Mund und lallte etwas, als sei er stumm. Daraufhin lachte der Kerl, sagte etwas zu den anderen und kümmerte sich dann nicht mehr um ihn. Der Kreole trat an das halb erloschene Feuer und riß mit den Händen einen Fleischbrocken auseinander, in den er gierig hineinbiß. Dazu trank er noch einen Humpen dünnes Bier und grinste. Sie hatten nichts gemerkt, nicht den geringsten Verdacht schöpften sie und akzeptierten ihn als einen, der wohl zu einer der vielen Gruppen gehören mochte. Er spielte seine Rolle weiter, lallte wieder etwas und torkelte zur Bucht hinunter, wo die Kanus und anderen kleinen Boote lagen. Sehr sorgfältig musterte er sie und tat dabei so, als müsse er sich vom vielen Trinken übergeben. Dann erkundete er das Terrain. Wenn er ein kleines Kanu nahm, würde das wohl kaum auffallen, und wenn die Kerle alle betrunken waren, konnte er im Schutz der Felsen, möglicherweise sogar ungesehen, die Passage erreichen und hinauspullen. Das mußte aber zu einem Zeitpunkt geschehen, wo der wirbelnde Strom ablief oder zumindest ruhig floß. Im Augenblick war das nicht der Fall. Im Schutz des Gebüsches und der 'Palmenstämme ging er torkelnd weiter, ohne von jemand beachtet zu werden. In die Berge wollte er nicht mehr hinauf, das war ihm wegen der vielen Posten zu gefährlich. In den Büschen aber konnte er sich ohne großes Risiko gut verstecken, und so wählte er ein Plätzchen aus, wo mit Sicherheit niemand hinkam und versteckte sich dort. Sein Hunger war gestillt, und


seinen brennenden Durst hatte er ebenfalls gelöscht. Er streckte sich der Länge nach aus und schlief ein. Niemand hatte etwas bemerkt. * „Verdammt, der Kerl ist nicht kleinzukriegen“, maulte Old O'Flynn und verfluchte die Standfestigkeit des Wikingers, der gar nicht daran dachte, aus den Latschen zu kippen. Mit lauter Stimme erzählte er von Thule, wo es angeblich noch weitere Wikinger gab, die massenhaft Gold- und Silberschätze horteten. Es war jetzt weit nach Mitternacht, und ein Teil der Versammlung hatte sich aufgelöst. Luke Morgan lag der Länge nach im Sand und schnarchte. Smoky fiel das Sprechen bereits schwer, und selbst Stenmark hatte alle Mühe, noch auf den Beinen zu bleiben. Jan Ranse, Finnegan und Paddy Rogers hüpften brüllend und singend an der Bucht herum, hielten sich umarmt und versicherten, daß nichts auf der Welt ihre Freundschaft zerstören könnte. Gotlinde war bereits an Bord gepullt worden, auch Arkana und Araua hatten ihre Hütten aufgesucht und schliefen. Nur die Rote Korsarin war noch wach und unterhielt sich angeregt mit Hasard und Jean Ribault über den neugegründeten Bund der Korsaren. Gegen drei Uhr morgens begann der Wikinger zu gähnen. Seine Augen waren etwas kleiner geworden, und dann gähnte er verstohlen ein zweites Mal. „Prost“, sagte Old O'Flynn eilfertig und hielt ihm den nächsten Humpen hin. Daß der Alte noch so stocknüchtern war, hatte einen ganz einfachen Grund. Er kippte den Inhalt des Humpens zu seinem und Carberrys Bedauern, blitzschnell über die Schulter und trank immer nur einen kleinen Schluck. Mittlerweile war das Faß mit dem Wässerchen gelenzt. Auch ein paar Flaschen Brandy 'und eine Kruke Rum waren brüderlich geteilt worden, und größtenteils im unersättlichen Magen des Wikingers verschwunden.

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Jetzt begann er zum ersten Mal Flagge zu zeigen. Sein Blick war leicht glasig, und er starrte auf Arne und den Stör, dessen Gesicht immer länger zu werden schien. Alle beide schwankten so, daß sie ihre Umgebung gar nicht mehr wahrnahmen. Schließlich streckte sich der Stör mit einem tiefen Seufzer der Länge nach in den Sand und begann zum Gotterbarmen zu schnarchen. Gegen vier Uhr pullte Hasard die Rote Korsarin zu ihrem Segler hinüber. Am Strand befanden sich noch ein paar Leute vom Schwarzen Segler, die fast ausnahmslos betrunken waren, die Arwenacks und ein halbes Dutzend Leute von Manteuffels Galeone. Der blonde Deutsche war ebenfalls an Bord gegangen. Da kippte der Wikinger um, als hätte ihn eine Kugel getroffen. Still, mit halbgeöffneten Augen, fiel er zur Seite. Der Profos rieb sich die Hände. „Na, Thorfin, noch einen kleinen Schluck?“ fragte er. „Aber nur einen“, murmelte der Wikinger. „Kip ... kippt mir das Zeug einfach in den Hals, Freu ... Freunde.“ „Klar, das ist kein Problem“, sagten die lieben Freunde, drehten den auf der Seite liegenden Nordmann wieder um und gossen ihm den nächsten Humpen in den Hals. Allerdings nahmen sie dazu kein Bier, sondern Rum, damit der Nordmann endlich genug kriegte. Thorfin schluckte und schluckte, dann hörte er mit dem Schlucken vorerst endgültig auf. Noch einmal versuchte er sich aufzurichten. Er schaffte es auch noch, seinen Oberkörper wieder hochzubringen, doch das dauerte nur kurze Zeit. Dann fiel er endgültig um und blieb liegen. „Na, noch einen, Thorfin?“ fragte der Profos. der ebenfalls gehörig einen weg hatte, aber noch alles überblickte. Thorfin gab keine Antwort mehr. Er lag da wie ein in Felle gepackter Hügel und begann zu -schnarchen, wie die anderen Wikinger. „O Großlord“, sagte Ferris Tucker, „das war ja eine Heidenarbeit, den Kerl abzufüllen. Der säuft ja mehr als zehn


ausgewachsene Ochsen. Davon hätte ich nicht mal die Hälfte vertragen.“ „Hol das Zeug, Ferris“, drängte der Profos. „Du weißt ja, wo die spanischen Klamotten liegen, die mir gehören. Nimm meine Uniform, die wird ihm schon passen. Vergiß auch die Schnallenschuhe nicht und den Federhut.“ „Keine Sorge, ich habe auch noch an etwas anderes gedacht“, sagte Ferris lachend. „Paßt bloß auf, damit er nicht wach wird, sonst ist der ganze Spaß beim Teufel.“ „Der wird nicht wach“, versicherte der Profos. „Wenn der mal so laut schnarcht, dann schnarcht der noch stundenlang weiter.“ Ferris verschwand mit dem grinsenden Bill und Bob Grey. Sie pullen durch die Bucht, enterten an der „Isabella“ auf und gingen an Bord. Selbst von dort aus sahen sie den Wikinger deutlich am Strand liegen. Wie ein gestrandeter Wal sah er aus. „Ich habe noch nie gesehen, daß einer soviel saufen kann“, sagte Bill. „Ich wäre danach eine Woche lang tot.“ „Ein Stier ist nichts gegen den“, meinte Ferris. Sie packten eine der Truhen aus, in denen die spanische Kleidung verpackt war. „Hol inzwischen ein paar Holzlatschen , sagte Ferris, „damit wir die Vogelscheuche bauen können. Und nimm auch ein paar Nägel mit. Einen Hammer brauche ich nicht, am Strand liegen genügend Steine.“ Dann packte er die Kiste aus. Rüschenhemd, Pumphosen, weiße Strümpfe und ein Paar Schnallenschuhe, die wie Torfkähne aussahen. Das alles schnürte Ferris, einschließlich der spanischen Halskrause, zu einem Bündel zusammen. Als er sich das Zeug über die Schulter warf, ging er noch einmal in die Zimmermannswerkstatt hinüber. Dort steckte er einen kleinen dünnen Spieß ein, mehr einen Eispickel. Inzwischen hatte Bill die Holzlatten gebracht und gemeinsam enterten sie wieder ab und kehrten zum Strand zurück.

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„Er schläft immer noch wie ein Elefant“, sagte O'Flynn grinsend. Fast alle Arwenacks waren jetzt versammelt und sahen dem Treiben beim Mondschein zu. „Können wir endlich anfangen?“ fragte Blacky ungeduldig. „Klar, sofort“, erwiderte Ed. Er deutete auf den Eiskratzer, der schon ewig nicht mehr gebraucht worden war. „Was soll das Ding denn, Ferris?“ „Der wird Thorfins Messerchen ersetzen. Nimm ihm das Ding mal am besten gleich ab.“ Der Profos schlug sich vor Lachen auf die Schenkel, als er Thorfins so genanntes Messerchen aus dem Gurt löste. Was der Wikinger immer so verharmlosend sein Messerchen nannte, war ein Schwert, ein gut ein Yard langes unheimlich schweres Schwert, das er mit spielerischer Leichtigkeit handhabte. „Himmel, ist der Kerl schwer“, sagte der Kutscher. „Hilf mal mit, ihn umzudrehen, Dan.“ Schließlich wuchteten sie den nordischen Koloß zu dritt zur Seite und brachten ihn wieder in sitzende Stellung. Thorfin sah und hörte nichts, er schnarchte noch immer. Ferris haute zwei Nägel in die Latten und drückte das Holzgerüst dann tief in den Sand, während Shane und ein paar andere daran gingen, dem Wikinger die Felle auszuziehen. Dabei mußten sie ihn ständig drehen und wenden, Einmal brach sein Schnarchen abrupt ab, und sie ließen ihn schnell los. Doch gleich darauf ging das Gerassel mit unverminderter Heftigkeit weiter. „Mann, ist der bei dieser Affenhitze eingepackt in seine verdammten Felle“, sagte Blacky. „Der müßte normalerweise längst darin erstickt sein.“ Old O'Flynn band dem Wikinger die „Latschen“ los, wie er die Riemensandalen bezeichnete. Dann war das gewaltige Fell an der Reihe. Ferris nahm es grinsend entgegen und staffierte damit die Vogelscheuche aus, die langsam Gestalt annahm. Das Fell


drapierte er sorgfältig über der Querstange, die gigantischen Riemensandalen wickelte er um die Holzbeine des Gestells und hängte das „Messerchen“ an die Seite. So langsam glich die Vogelscheuche einem etwas mager geratenen Wikinger von weitem. Thorfin Njal schnarchte immer noch, daß sich die Wipfel der Palmen am Strand bogen. Dann zogen sie ihm die spanischen weißen Strümpfe an. „So einen gewaltigen Spanier hat's auf der ganzen Welt noch nicht gegeben“, sagte Dan O'Flynn feixend. „Das ist ja, als wenn man einem Panzernashorn Strümpfe anzieht.“ Danach zwängten sie Thorfin in die bunte, grün, rot und gelb gestreifte Kürbishose, wie die Dons sie trugen. „Halt mal seinen Eimer fest“, sagte Ferris zu Bill, und reichte ihm den Helm des Wikingers. „Schade, daß wir da nicht etwas anderes haben.“ „Haben wir“, sagte Mac Pellew grinsend, „ich habe schon vorhin daran gedacht. Hier ist ein Kochtopf. Ich denke der wird ihm passen. Sind zwar ein paar Beulen drin, aber das ist nicht weiter schlimm. Es sieht dann noch echter aus.“ Er brachte einen reichlich zerbeulten Pott zum Vorschein, den er sich von einem der Lagerfeuer geholt und im Wasser ausgewaschen hatte. Die meisten konnten nicht mehr, sie bogen sich vor Lachen, und mußten ihre „Arbeit immer wieder unterbrechen. Dann wurde unter weiterem Gelächter dem Wikinger das Rüschenhemd über den Schädel gezogen und die Halskrause angelegt. „Nehmen wir jetzt den Federhut oder den Kochtopf?“ fragte der Profos. „Eins ist so gut wie das andere.“ „Lassen wir es lieber beim Kochtopf“, schlug Mac vor, „das wirkt realistischer. Den Federhut können wir ja der Vogelscheuche aufsetzen.“ So wurde es denn auch getan. Ganz oben auf die Stange kam der spanische Federhut, während sie Thorfin den zerbeulten Kochtopf auf den Schädel stülpten.

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Darunter sahen seine rotgrauen Haare nach allen Seiten hervor. „Ein bißchen tut er mir ja leid“, meinte Smoky, der wieder etwas nüchterner geworden war. „Hauptsächlich wegen seiner Frau. Was wird die wohl sagen, wenn sie ihn so sieht?“ „Leid tut er dir, du Stint“, sagte Old O'Flynn, „der Bursche hat sich in Island schwer daneben benommen. Deswegen hat Hasard ihn auch so hart auflaufen lassen. Das geschieht dem Dickschädel ganz recht, wenn ihn später alle so sehen.“ „Aber seine Frau“, warf Smoky ein. „Die wird ihm schon die Leviten lesen, verlaß dich darauf.“ „Mann, wird der toben, wenn er erwacht“, sagte der Kutscher. „Der reißt die ganze Insel auseinander.“ Shane und Batuti, die sich über den Spaß ebenso köstlich amüsierten wie die anderen, und der Profos hievten den Nordmann auf die Beine. Der Wikinger sah zum Fürchten aus, wie ein spanischer Schlagetot. Der zerbeulte Kochtopf saß schief auf seinem Schädel, die Halskrause stand ihm weit vom Genick ab, und das Rüschenhemd wölbte sich wie ein geblähtes Segel über seiner Brust. Seine fast unförmigen Säulenbeine steckten teils in der bunten Kürbishose und teils in den weißen Strümpfen. Die Krönung waren der lächerlich kleine Piekser an seiner Seite, der das Messerchen ersetzte, und die riesigen Schnallenschuhe, die an kleine Särge erinnerten. Jetzt lachten sie erst einmal alle ausgiebig, denn von dem Anblick konnte sich niemand losreißen. Thorfins grauroter Bart stand schräg nach vorn über die Halskrause. wie der des alten Barbarossa. Smoky haute sich in den Sand und erstickte fast vor Lachen. Der Profos hatte sein Gesicht verzogen, hielt den Nordmann fest und konnte sich ebenfalls nicht mehr beruhigen, während Big Old Shane Tränen der Heiterkeit über die Wangen liefen. „So sieht er prächtig aus“, sagte O'Flynn kichernd und rieb sich wieder die Hände. Die Vogelscheuche war jetzt ebenfalls aufgeklart und trug den Hut mit der


wippenden Feder. Den Helm hatte der Profos umgedreht in den Sand gestellt, aber das gefiel ihm noch nicht richtig. Er schnappte sich den Helm, rannte zum Wasser hinunter und füllte ihn. Als er ihn ins Mondlicht hielt, entdeckte er einen kleinen halbfingerlangen Fisch darin. Das freute auch die anderen mächtig. Jetzt hat der Helm wenigstens einen vernünftigen Zweck“, sagte der Profos grinsend. „Sieht doch lustig aus was, wie?“ „Und wie“, bestätigte ein ganzer Chor. „Wir schleppen ihn da hinüber“, meinte Ferris, „da, wo die Felsen sanft ansteigen. Dort lehnen wir ihn an, dann hat ihn jeder voll im Blick. Und die Vogelscheuche stellen wir so auf, daß sein erster Blick ebenfalls sofort darauf fällt.“ „Hmm“, meinte Blacky, „aber wie verhalten wir uns? Sollen wir etwa an Bord gehen, und das Schauspiel aus der Ferne genießen? Das sind ja mehr als hundert Yards.“ „Wir bleiben natürlich in der Nähe“, sagte Ed, „und tun so, als wären wir genauso besoffen wie die anderen. Das laß ich Mir doch nicht entgehen. Hier liegen ja noch mehr Kerle von seinem Schiff herum.“ So bezog jeder etwas verstreut seinen Posten, nachdem sie Thorfin an den ansteigenden Hang gelehnt hatten. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken, und er schnarchte, daß sein ganzer Körper wackelte. Dicht in seiner Nähe lag der Stör, wie ein Fisch auf dem Trockenen, und sein Gesicht hatte sich so entsetzlich in die Länge gezogen, daß die Arwenacks ihn erschrocken anstarrten. „Schlaft ja nicht ein“, warnte Ed, „sonst entgeht euch wirklich noch etwas.“ „Wir werden uns doch nicht selbst um den Spaß bringen“, meinte der alte O'Flynn. Sie becherten noch einen, unterhielten sich und blickten immer wieder auf den schnarchenden Wikinger, der seine Stellung unverändert beibehielt. Prächtig sah er aus. Jeder Spanier wäre bei seinem Anblick vor Neid erblaßt. 6.

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Der Kreole war kurze Zeit später wieder erwacht und sah sich um.. Am Glitzern des Mondlichtes erkannte er das Wasser in der Passage deutlich. Ein leichter aber schneller Sog war zu bemerken. Das Vorhaben, die Insel zu verlassen, konnte er jetzt ausführen und in die Tat umsetzen. Er mußte fort, am besten jetzt gleich, denn am Tag war das Verlassen der Insel nicht zu bewerkstelligen. Da gab es mehr als hundert Augen, denen nichts entging. Allerdings beunruhigten ihn die vielen Kerle weiter vorn am Strand, die sich offenbar mit einem Mann prügelten. So genau konnte er das von hier aus nicht erkennen. Daß sie dabei aber laut lachten, war doch reichlich ungewöhnlich. Eine Weile beobachtete er genau seine Umgebung und sondierte das Gelände. Auf den in der Bucht ankernden Schiffen sah er keine Leute. Sie schienen sich hier absolut sicher zu fühlen und brauchten keine Wachen aufstellen, denn die Krieger in den Bergen erkannten jedes Fahrzeug schon von weitem, das sich der Insel näherte. An den Galeonen mußte er vorbei, aber er konnte die Deckung der aus dem Wasser ragenden Felsen ausnutzen. Und wenn er die erst einmal erreicht hatte, geriet er von ganz allein in den Sog. Leise verließ er sein Versteck und spähte zu den lachenden Kerlen hinüber, die sich anscheinend einen Spaß erlaubten. Doch das interessierte ihn nicht weiter, er wollte nur noch weg. Eins der kleinen Boote hatte er schon ins Auge gefaßt. Im Boot lag ein Paddel, und es hatte auch einen winzigen umlegbaren Mast mit einem kleinen Segel daran. Das war genau das, was er zu seiner Flucht benötigte. Mißtrauisch sah er sich noch einmal nach allen Seiten um. Weiter rechts pennten zwei Kerle im Sand. Die konnten ihm nicht gefährlich werden, denn die würden so schnell nicht erwachen. Dann ging er langsam auf das Boot zu und zog an der kleinen Leine, die um einen Pfahl im Sand geschlungen war.


Als er das Boot etwas näher herangeholt hatte, griff eine harte Hand nach seiner Schulter. Erschreckt und entsetzt fuhr er herum, denn er hatte niemanden gesehen und auch keine Schritte gehört. Er starrte fassungslos in das Gesicht eines Kriegers, ein bronzefarbenes Gesicht mit funkelnden Augen, die ihn hart anblickten. Die Hand hielt ihn eisern fest, und eine Stimme sagte etwas zu ihm, das er nicht verstand. Verdammt, der Kerl war so lautlos wie ein Geist aufgetaucht, genau wie die Wächter in den Bergen. Der hatte offenbar genau gemerkt, daß er das Boot klauen wollte. Vielleicht war ihm sogar aufgefallen, daß er gar nicht zu den anderen gehörte. Aber das war jetzt unwichtig, denn der Wächter wollte ihn fortzerren. Sie hängen mich, dachte der Pirat. Wenn sie mich in ihrem geheimen Versteck erwischen, bin ich erledigt. Sie würden ihn schon aus dem Grund nicht mehr freilassen, damit er das Versteck nicht verraten konnte. Er behielt die Nerven und nickte freundlich. Der Kreole tat so, als wollte er freiwillig dem Krieger folgen, doch dann, als der Druck auf seiner Schulter etwas nachließ, handelte er eiskalt und schnell, um den Mann zu überrumpeln. Seine Hand fuhr gedankenschnell zur Hüfte, wo das Entermesser steckte. In einer einzigen fließenden Bewegung zog er es heraus und stach Der Krieger blieb stehen, seine Augen weiteten sich, und seine rechte Hand griff zum Herzen. Doch die Bewegung erstarb schon, noch bevor seine Hand den Körper erreichte. Der Kreole preßte dem zusammensinkenden Mann die Hand auf den Mund und fing den Körper auf. Er brauchte nur einmal hinzusehen; um zu erkennen, daß der Mann tot war. Er überlegte schnell. Ins Wasser werfen konnte er den Toten nicht, und im Gebüsch wollte er die Leiche auch nicht verstecken, denn dann fanden ihn bald die anderen. Wenn sie dann noch entdeckten, daß ein Boot fehlte, sah es schlimm für ihn aus,

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und sie würden die Verfolgung nach ihm aufnehmen. Bis zu einer der nächsten Inseln würden sie ihn vielleicht auch noch erreichen. Nein, den Toten mußte er mitnehmen, es ging nicht anders. Als er den Mann anhob, wurde er das Gefühl nicht los, von tausend Augen beobachtet zu werden. Sein Herzschlag verstärkte sich, und er wäre am liebsten Hals über Kopf geflüchtet. Immer wieder blickte er sich um, doch das gab ihm keine Sicherheit, denn die Krieger verstanden es meisterhaft, sich lautlos anzuschleichen. Er zerrte den Toten ins Boot und verstaute ihn darin. Offenbar sah ihm niemand bei seinem Treiben zu. Dann kletterte er selbst ins Boot, löste die Leine, nahm das Paddel und stieß das Boot ab. Drüben waren die Kerle immer noch damit beschäftigt, einem anderen Mann einen Streich zu spielen. Sie trugen ihn weiter den Strand hinauf und lehnten ihn gegen den Hang. Ein weiterer Umstand kam dem Kreolen jetzt gelegen, denn der Mond war weitergewandert und stand so tief über dem Meer, daß er von hier aus nicht mehr zu sehen war. In diesem Teil der Bucht bis zu dem Felsendom hin war es ziemlich dunkel. Vorsichtig tauchte er das Paddel ein und bewegte das kleine Boot zu. den Felsen hinüber, wo es fast stockfinster war. Die Konturen der hohen Schiffe tauchten auf, aber niemand war zu sehen. Wenn ihn jetzt. einer mit dem toten Krieger im Boot erwischte, dann war alles aus, dann würden sie ihn nicht nur hängen, sondern sicher noch foltern, oder in Stücke reißen. Die Angst trieb ihn weiter. Auf seiner Stirn perlten dicke Schweißtropfen, und er bemühte sich verzweifelt, nur kein Geräusch zu verursachen, um nicht entdeckt zu werden. Die Strecke bis zu der domartigen Passage schien eine Ewigkeit lang zu sein. Als er sie erreichte, fühlte er den Sog, der das Boot langsam erfaßte und hinauszog.


An den Felsen war es jetzt stockfinster. Selbst wenn jetzt einer der Kerle herüberblickte, konnte er ihn nicht sehen. Und je näher er der Passage kam, desto lauter war da ein Rauschen zu hören, und hin und wieder diese merkwürdigen Pfeiftöne, die über die Bucht drangen. Dann erfaßte ihn der Strom noch schneller und wirbelte das Boot herum. Der Kreole ließ sich hinaustreiben und atmete erst dann erleichtert auf, als er die Passage hinter sich hatte. Gleich nach der Durchquerung hielt er sich nach Backbord, denn noch war die Gefahr für ihn nicht restlos gebannt. In den Bergen konnten weitere Krieger lauern und ihn doch noch entdecken. Dicht an den überhängenden Felsen paddelte er weiter, bis er die Westseite der Insel erreichte. Erst dort ließ er den Toten ins Wasser gleiten und paddelte dann weiter, indem er immer die Flächen vermied, die vom Mond beschienen wurden. Alles glückte, niemand stieß einen Pfiff oder eine Warnung aus. Also hatte man sein Verschwinden auch noch nicht entdeckt. Als er weit genug von der Insel entfernt war, setzte er das kleine Segel. Immer rascher glitt das Boot jetzt über das Meer. * Einige waren an diesem Morgen bereits wach, während der Wikinger immer noch in seiner hockenden Stellung schlief. Von den Schnapsleichen am Strand erwachte als erster der Stör, der mit beiden Händen seinen schmerzenden Schädel umfaßte. Er grunzte etwas und wollte dann zur Bucht, um das Summen in seinem Schädel mit einem Wasserbad zu vertreiben. Als er sich jedoch aufrichtete, wäre er vor Schreck fast wieder umgefallen. Sein langes Gesicht fiel buchstäblich herunter, als er zuerst die merkwürdige in Felle gehüllte Vogelscheiche sah, die Thorfin Njal verkörperte. Dann wanderte sein Blick ungläubig weiter und fiel auf

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den riesigen dicken Spanier, der dem Wikinger so verteufelt ähnlich sah. Er starrte ihn nicht begreifend an, griff sich wieder an den Schädel und rannte entsetzt ein paar Schritte zurück. Dabei fiel ihm auf, daß auch einige andere scheinbar ungläubig auf den spanischen Koloß starrten. „Mann, bin ich besoffen“, rief der Stör. „Wer ist denn nun Thorfin - der da, oder der da? Soviel trink ich nie wieder. Ich sehe schon Gespenster.“ Das Grienen in den Gesichtern entging ihm in seinem Schreck. Er nahm die Beine in die Hand und rannte torkelnd zum Wasser. Alle Augenblicke blickte er schaudernd auf das schnarchende Monstrum zurück. Hier mußte etwas unvorstellbar Schreckliches geschehen sein, das er sich einfach nicht erklären konnte. Er tunkte seinen Schädel ins Wasser und fluchte laut. Dann blickte er wieder auf seinen Herrn und Meister, der sich so unglaublich verändert hatte. Da mußte Gotlinde her, die konnte das vielleicht erklären, dachte er angsterfüllt. Thorfin sah ja auch wirklich schrecklich aus in seinen Kürbishosen, der Halskrause, dem Rüschenhemd und dem komischen Piekser, den er an der Seite trug. Das allerschlimmste war der Kochtopf, den er sich auf den Schädel gesetzt hatte, und unter dem seine grauroten Haarborsten hervorlugten. Der Stör schnappte sich das nächstbeste Boot, pullte wie ein Irrer zum Schwarzen Schiff hinüber und weckte durch sein Geschrei auch noch die restlichen Schläfer. Im Nu versammelte sich alles, was Beine hatte, am Strand. Auch Gotlinde pullte mit einem Boot hierüber. Die restliche Besatzung kam gar nicht schnell genug über die Bucht, um das Wunder zu bestaunen, das sich da mit Thorfin vollzogen hatte. Jeder lachte, griente und feixte, nur Gotlinde nicht, die fassungslos am Strand stand und ihren Mann betrachtete. Mal fiel ihr Blick auf die fellbehangene Vogelscheuche mit den Riemensandalen, die um dürres Holz gewickelt waren, mal


auf Thorfin. Gotlinde war eine resolute Frau mit einem eisernen Willen, aber dieser Anblick war selbst für sie zuviel. Als sie Thorfin näher in Augenschein nahm und den fürchterlichen Kochtopf entdeckte, schnappte sie nach Luft und fiel prompt in eine gnädige Ohnmacht, aus der der Kutscher sie erst zurückholen mußte. Durch das allgemeine schadenfrohe Gelächter kehrte auch der Wikinger in die graue Wirklichkeit zurück. Sein Schnarchen brach ab. Ein rötliches Auge blinzelte, dann öffnete sich das andere. Er gähnte laut, reckte sich und stand nichts ahnend auf. „Thorfin“, schrie Gotlinde verzweifelt, „mein Gott, was hast du nur getan?“ Thorfin stand da, wie vom Donner gerührt. Sein Blick saugte sich an der komischen Figur fest, die auf zwei dürren Holzbeinen im Sand stand und mit Fellen und Schuhen bekleidet war, die auch er immer zu tragen pflegte. Noch immer begriff er nicht so richtig, hörte nur das brausende und ständig anschwellende Gelächter. Sein Gegenüber sah lächerlich aus, überhaupt mit diesem Federhut auf dem Schädel, und er fragte sich verzweifelt, was er in der vergangenen Nacht wohl angestellt hatte. Dann erst sah er ungläubig an sich herunter, betrachtete aus roten Augen die aufgeblasene Hose, betastete die Halskrause, sah fassungslos auf die gewaltigen Schnallenschuhe und zupfte an dem Rüschenhemd. Sein Gesichtsausdruck war mal nachdenklich, dann wieder entsetzt, schließlich total erschrocken. Dann sah er seinen Kupferhelm vor der fürchterlichen Vogelscheuche auf dem Boden stehen. Der Helm war mit Wasser gefüllt, und an der Oberfläche schwamm ein kleines Fischlein. Thorfins Hände fuhren nach oben, wo ansonsten das Prunkstück zu sitzen pflegte, doch der Helm, den er dann in der Hand hatte, besaß zwei Henkel. Sehr merkwürdig war das. Und um ihn herum standen bald an die fünfzig Kerle, die ihn ausgiebig

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bestaunten, und die alle am Kichern und am Lästern waren, und zwar auf ganz üble Weise. Der Wikinger schloß die Augen, um das Trugbild fortzuwischen, denn ein Trugbild konnte es nur sein, nichts anderes. Wenn er dann die Augen wieder öffnete, mußte alles seine Richtigkeit haben. „Laß uns lieber abhauen“, raunte Smoky Ferris Tucker zu, „der guckt schon so komisch. Gleich frißt er den Strand auf.“ „Dazu ist er viel zu beschämt“, meinte Ferris, „der wird bloß einen Wutanfall kriegen.“ Der Wikinger griff nach seinem Messerchen, doch das war über Nacht stark zusammengeschrumpft, und diente höchstens noch dazu, um sich damit die Fingernägel zu säubern. Gotlinde schlug die Hände vor das Gesicht. Sie konnte den Anblick ihres spanischen Edelmannes nicht länger ertragen. „Thorfin“, rief sie verzweifelt, „was hast du denn nur getan in deinem fürchterlichen Suff? Schämst du dich nicht?“ Doch, Thorfin schämte sich bis auf die Knochen. Ganz kleinlaut und häßlich stand er da, und blickte in die grinsenden und kopfschüttelnden Gesichter der Arwenacks und etlicher anderer. Der Stör starrte ihn immer noch an wie ein Wundertier und war so fassungslos wie der Wikinger selbst. Selbst der Seewolf konnte sich bei seinem Anblick das Lachen nicht mehr verbeißen. Als dann auch noch die Rote Korsarin kam, sah sie Thorfin in ebenfalls entgeistert an. „Wie hast du dich denn angezogen?“ fragte sie lachend, „was soll diese blöde Verkleidung, Thorfin? Und was soll vor allem dieser dämliche Kochtopf auf deinem Kopf? Kannst du den nicht wenigstens abnehmen, das sieht ja fürchterlich aus.“ Thorfin zerrte an den beiden Henkeln, riß sich den zerbeulten Topf vom Schädel und feuerte ihn wütend in den Sand. Und dann beging er in seiner losbrechenden Wut den nächsten Fehler.


Er griff nach seinem Helm und stülpte ihn sich über. Aber er hatte vergessen, daß der noch mit Wasser gefüllt war und als Behausung für einen kleinen Buchtbewohner diente. Der zappelte jetzt in dem Wust aus roten und grauen Haaren und fühlte sich gar nicht mehr wohl. Und von Thorfin troff das Wasser wie ein Sturzbach über seine spanische Halskrause, über das Rüschenhemd und die Kürbishosen, die noch mehr anschwollen. „Uuuaaahhh“, brüllte er, daß es über die Bucht schallte. Carberry stieß seinen Freund Ferris an und lachte. „Uralter spanischer Edelmann“, lästerte er, „Schulden noch aus den Kreuzzügen. Mann, sieht der prächtig aus.“ Er deutete auf das Rüschenhemd, das seine Fasson endgültig durch das Wasser verlor. „Der Schwartenschoner steht ihm auch gut, was, wie?“ „Das kann man wohl sagen“, lachte Ferris, „ein richtiges spanisches Rübenschwein, wie gemalt.“ Und dann lachten sie sich wieder alle krank und schief, und blickten den Wikinger an, dem so langsam das Licht der Erkenntnis leuchtete. Nur Gotlinde ahnte nichts von dem hinterhältigen Streich, den sie ihrem Ehemann gespielt hatten. Sie glaubte immer noch, Thorfin habe sich selbst in seinem Suff so kostümiert. Zuzutrauen war ihm ja einiges, und manchmal entwickelte er schon recht seltsame Marotten. Aber jetzt wurde er sauer und sah sich wild um. Dann griff er nach dem Piekser und feuerte ihn ebenfalls in den Sand. „Da hat mir einer einen üblen Streich gespielt“, brüllte er, „aber ich kriege noch heraus wer das war. Und dem zieh ich, dem zieh ich, verdammt, dem ...“ Rot vor Wut im Gesicht wußte er nicht mehr weiter. „Dem ziehst du die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch”, sagte der Profos lachend. „Genau, genau“, tobte der Wikinger. „Das ist eine Lumperei, eine miese Sache. Da steckt eine ganze Horde dahinter, das ist

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nicht auf dem Mist eines einzelnen gewachsen.“ Nun, ihren Spaß hatten sie jedenfalls alle gehabt, und der Wikinger bot auch jetzt noch einen lieblichen Anblick mit dem tropfenden Helm und der anderen Ausstaffierung. Aber einmal sollte der Spaß ja auch beendet werden, und so sahen sie nur noch schweigend zu, aber doch grinsend, wie Thorfin sich ungeniert auszuziehen begann, bis Gotlinde Einhalt gebot. „Willst du es ganz auf die Spitze treiben?“ fragte sie schockiert. „Du gehst jetzt auf der Stelle mit an Bord und wirst dich dort umkleiden, Thorfin Njal.“ „Und vergiß deine Felle nicht und dein Messerchen“, sagte der Profos. „Im übrigen würde ich empfehlen nicht soviel zu saufen. Man verfällt dann auf die merkwürdigsten Ideen. Sich als Spanier zu verkleiden, finde ich überhaupt nicht lustig.“ „Ich auch nicht“, brüllte Thorfin, „und ich habe mich auch gar nicht verkleidet, das hat einer von euch Halunken getan. So besoffen war ich nämlich gar nicht.“ Er riß die Felle von der Stange, brach den Rest der Vogelscheuche wütend in mehrere Teile und starrte immer noch finster auf seine Kürbishosen und die Schnallenschuhe. Gotlinde zog ihn mit sich fort und drängte ihn immer wieder zur Bucht hinunter, und es war ihr auch verdammt peinlich, dass der Wikinger alle Augenblicke stehen blieb und die übelsten Verwünschungen und Drohungen ausstieß. Und jedesmal wenn er sich in seinen Kürbishosen umdrehte, brandete Gelächter auf, bis Gotlinde ihn endlich in das Boot gezerrt hatte, die Riemen ergriff und entschlossen zum Schwarzen Schiff pullte. Jede Begleitung lehnte sie kategorisch ab. Das letzte brausende Gelächter hallte über die Insel, als der Wikinger an Bord enterte und ihnen den Anblick eines reichlich dicken Achterstevens in einer Kürbishose bot.


Da Schlug sich der Profos noch mal auf die Schenkel und konnte sich gar nicht beruhigen. Und auch Old O’Flynn, der das alles ausgeheckt hatte, lachte wieder Tränen. Dann verschwand der Wikinger um Sturmschritt nach achtern und suchte seine Kammer auf. Erst da hatte der Spaß ein Ende. „Der arme Kerl muß ja jetzt stinksauer sein“, meinte Hasard, „ich finde, der Spaß war doch ein bißchen zu hart. Schließlich haben ihn in der Verkleidung alle gesehen.“ „Gerade das sollten sie ja auch“, meinte O'Flynn. „Ich wette, er denkt jetzt gründlich über sein Verhalten in Island nach.“ „Ja, das ist möglich“, gab Hasard zu. 7. Gegen Mittag desselben Tages tauchte Arkana beim Seewolf auf. Ihr hübsches ebenmäßiges Gesicht war besorgt, und in ihren schwarzen Augen stand eine stumme Frage. „Was ist passiert?“ fragte Hasard, „du siehst so ernst aus. Hat es Ärger wegen der Verkleidung des Wikingers gegeben?“ „Nein“, sagte sie nach einem flüchtigen Lächeln. „Es ist etwas anderes. Einer meiner Krieger ist verschwunden.“ „Verschwunden?“ fragte Hasard ungläubig, „wie kann er denn von der Insel verschwinden? Die Araukaner sind doch absolut zuverlässige Leute, die verschwinden doch nicht einfach.“ „Mit ihm verschwand ein Boot, das in der Bucht lag. Ich kann mir das einfach nicht erklären.“ „Das ist doch nicht möglich. Vielleicht ist er zum Fischen hinausgefahren.“ Sie schüttelte den Kopf mit den langen schwarzen Haaren. „Das ist ebenfalls ausgeschlossen. ich hätte es vorher erfahren, denn alle Krieger werden genau zu ihren Arbeiten eingeteilt. Er muß heute nacht verschwunden sein und die Passage durchfahren haben. Es gibt keine andere Möglichkeit.“

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„Dann werden wir erst einmal fragen, ob irgendjemand etwas bemerkt hat. Wenn er mit dem Boot verschwand, muß er ja einen besonderen Grund gehabt haben.“ Hasard ließ nachfragen, doch die Antworten fielen negativ aus. „Ich habe nichts bemerkt“, sagte der Profos, „obwohl wir die ganze Zeit an Strand waren. Ein Boot mit einem Krieger drin hätten wir sicherlich bemerkt.“ Von den anderen Männern hatte ebenfalls keiner etwas gesehen, auch die Männer vom Schwarzen Segler nicht, und auch nicht die von den anderen Schiffen. Das war reichlich mysteriös, denn als nochmals die Krieger der Schlangenpriesterin befragt wurden, wußte auch von denen niemand eine Antwort, obwohl ihnen kaum etwas entging, was auf der Insel geschah. Aber an der Tatsache war nicht zu rütteln, daß ein Krieger und das Boot fehlte. Die Wachen hatten auch auf dem Meer nichts entdecken können, obwohl der Mond schien, und es hell gewesen war. Teile der Insel wurden durchkämmt und abgesucht, doch das erwies sich schon von vornherein als zwecklos, weil eben das Boot auch fehlte. Es konnten nur Mann und Boot zusammen verschwunden sein. Hasard entwarf etliche Theorien, doch alle waren nicht stichhaltig, und Arkana glaubte nicht daran, daß einer ihrer Schlangenkrieger einfach die Flucht ergriffen hatte. Jedenfalls wurde das Rätsel nicht gelöst, und das Verschwinden des Mannes blieb im Dunkel. Aber dadurch lag ein Schatten auf der Schlangeninsel, die Ahnung eines nahenden Unheils, und jeder fragte sich, was da wohl passiert sein mochte. Nach dem Frühstück versammelte Hasard seine Mannen um sich. „Wir haben die erste Aufgabe als Mitglieder im Bund der Korsaren zu erfüllen“, sagte er auf der Kuhl den lauschenden Arwenacks. „Diese Aufgabe besteht darin, eine Insel zu suchen, die ideale Anbau- und Lebensbedingungen bietet. Wir kennen: solche Inseln in der Karibik, und wir werden eine suchen, die


noch unbewohnt ist, und für unsere Absichten geeignet scheint. Vor allem muß sie eine Süßwasserquelle als erste Voraussetzung haben. Ist diese Insel gefunden, dann segeln wir nach Amerika hinüber, wie wir das schon besprochen haben. „Wann segeln wir, Sir?“ fragte Ben Brighton knapp. „Noch heute vormittag. Inzwischen werden die anderen Schiffe entladen. Die anderen Schiffe waren mit Bauhölzern. Werkzeugen und abmontierten Werftanlagen, wie sie zum Bau von Schiffen unbedingt nötig waren, beladen. Ramsgate hatte alles verladen lassen, was sich nur unterbringen ließ, damit es nicht gleich zu Anfang ungelöste Probleme gab. Hesekiel Ramsgate kam anschließend auch noch einmal herüber, um mit Hasard Einzelheiten wegen der künftigen Werftanlage zu besprechen. Auch wollte er wissen, wo das Zeug alles ausgeladen werden sollte. Der Platz wurde festgelegt, und dann nahm Old O'Flynn den alten Schiffbaumeister noch einmal zur Seite. „Wir haben doch schon in England über das Schiff gesprochen, auf dem ich vor Ewigkeiten fuhr. Das war die ,Empress of Sea`, ein feines Schiffchen, weißt du noch, Hesekiel?“ „Ja, ich erinnere mich“, sagte Ramsgate bedächtig, „du hast sie mir ins Detail beschrieben.“ „Kannst du dir das Schiff genau vorstellen?“ „Ja, natürlich.“ O'Flynn rieb sich aufgeregt die Hände und leckte eifrig mit der Zunge über die Lippen, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er ungeheuer aufgeregt war. „Kannst du mir so ein Schiffchen bauen, Hesekiel?“ fragte er lauernd. „Natürlich gegen Bezahlung, ist doch klar. Aber es müßte mehr die Form einer großen Schaluppe haben. Ansonsten soll es aber aussehen wie die ‚Empress’.“ „Das läßt sich ohne weiteres bauen“, versprach Ramsgate. „Allerdings kann das

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zwei bis drei Monate dauern, denn es gibt ja noch viel andere Dinge zu tun.“ „Das macht nichts. Wenn wir nach Amerika segeln, sind wir sowieso ein paar Monate unterwegs, bis alles geklärt ist. Aber ich meine, du würdest es doch bauen?“ „Selbstverständlich, ganz nach deinen Wünschen.“ Old O'Flynn strahlte und kriegte wieder jenen weltentrückten Blick, den sie an ihm schon kannten, wenn er sich wieder mal etwas in den Kopf gesetzt hatte. „Der meint es tatsächlich ernst“, sagte der Profos erschüttert zu den anderen. „Das ist beileibe kein Witz.“ „Er hat auch was davon gefaselt, ihm die Araukaner eine Hütte bauen“, sagte Stenmark. „Der hat Großes vor, und die Kneipe wird er auch noch bauen.“ „Was gibt es da zu feixen“, fuhr Old O’Flynn die grinsenden Kerle an. „Ich habe doch gesagt, daß ich eine Kneipe auf der Schlangeninsel eröffnen werde, und die Kerle von Tortuga aufs Kreuz lege. Das kommt schließlich euch allen zugute. Ihr werdet euch noch wundern, was ein O'Flynn alles auf die Beine stellt.“ „Wir wundern uns jetzt schon“, sagte Smoky. „Da brechen für uns alle ja paradiesische Zustände an.“ Hasard hatte lächelnd zugehört. Ganz besonders beeindruckte ihn der Eifer O'Flynns. „Wir müssen noch etwa eine halbe Stunde warten, ehe wir die Passage durchsegeln können“, meinte er. „Ist das mit der Kneipe, der Hütte und dem Boot wirklich dein Ernst, Donegal?“ O'Flynn nickte. Jedes Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. „Die Absicht habe ich, Sir. Aber ich möchte sie dir gelegentlich gern mal in Ruhe auseinandersetzen. Vorerst sind das nur Pläne. Wir haben ja auch noch viel Zeit.“ „Du wirst allen sehr fehlen, Donegal.“ „Ich bin ja nicht aus der Welt“, sagte der granitharte Alte. „Außerdem kann ich ja von Zeit zu Zeit mal wieder mitsegeln, wenn Not am Mann ist, oder mir das Landleben auf die Nerven geht.“


„Oder wenn deine Kneipe in Trümmer geht“, sagte der Profos mit einem süffisanten Blick. „Das kann ja auch mal passieren. Und bis sie wieder aufgebaut ist, segelst du für einen Törn mit.“ Aber da wurde Donegal schon wieder grantig und verbat sich derlei anzügliche Bemerkungen und überhaupt jede Schlägerei in seiner Kneipe, die er noch nicht hatte. Die Zeit war um, der Mahlstrom setzte wieder ein, und Ben Brighton befahl, Segel zu setzen und den Anker zu hieven. Während die ersten Segel gesetzt wurden, und die Arwenacks um das Bratspill trabten, warfen sie immer wieder verstohlene Blicke zu „Eiliger Drache über den Wassern“ hinüber, in der Hoffnung, der Wikinger würde sich an Deck zeigen. Doch er zeigte sich nicht. Entweder schlief er jetzt seinen Rausch weiter aus, oder er hockte in seiner Kammer und ärgerte sich. Nur ein halbes Dutzend seiner Männer waren an Deck, aber niemand lachte. Sie taten alle sehr emsig beschäftigt, um den Zorn des Wikingers nicht weiter herauszufordern. Der Anker wurde an Bord genommen, die „Isabella“ von den Felsen abgedrückt, bis ihr Bug auf die Passage zeigte. „Ar-we-nack!` brüllten die Kerle über die Bucht. Arkana, Araua und Siri-Tong erschienen am Strand und winkten ihnen nach. Auch Arne von Manteuffel, Jean Ribault und Jerry Reeves standen winkend da. Dann glitt die „Isabella“ erst langsam, dann immer schneller werdend, durch die Passage und schoß über das Höllenriff hinaus. Die Mitglieder des neugegründeten Bundes der Korsaren sahen ihnen nach und wünschten ihnen Erfolg. Aber daran zweifelte eigentlich niemand, denn Inseln gab es genügend. 8. Innerhalb von zwei Tagen hatten sie drei Inseln näher in Augenschein genommen. Die erste hatte nur eine spärlich fließende Quelle, so daß die Trinkwasserversorgung

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von vielen Leuten nicht gewährleistet war. Also kam das Eiland nicht in Frage, obwohl es fast die Größe der Schlangeninsel aufwies. Die zweite Insel, zu den Caicos gehörend, war ebenfalls nicht geeignet den sie bestand fast nur aus kahlen Hügeln und war mit dicht wachsen dem Gestrüpp überzogen. Die dritte erwies sich als zu klein. An diesem Tag steuerten sie die vierte Insel an, nachdem sie sie gerundet hatten. Sie war größer als die Schlangeninsel, auf der Südseite leicht hügelig und dann in sanften Wellen abfallend. Auf der Insel gab es Kokoshaine von solchen Ausmaßen, als seien sie künstlich angepflanzt worden. „Das sieht schon besser aus“, sagt Hasard, und deutete auf einen Ein schnitt, in den eine tiefe Bucht führte. Mehr als zwei Schiffe konnten nicht nebeneinander in die Bucht segeln, dazu war der Durchlaß zu schmal. „Korallen wohin man blickt“, sagt Ben. „Näher als drei- bis vierhundert Yards kann man an die Insel gar nicht heran. Hoffentlich ist die Einfahrt zur Bucht frei von Korallen.“ Dan O'Flynn deutete voraus. „Es gibt einen schmalen Durchlaß in die Bucht hinein“, sagte er, „dort vorn ist das Wasser fast schwarz. Ich würde es aber trotzdem noch nicht riskieren, Sir, bis wir das genau aus gelotet haben.“ „Tun wir auch nicht, Dan. Der Untergrund kann trügerisch sein. Wir ankern hier und gehen mit einer Gruppe an Land, die die Insel erkundet. Ich denke, acht Mann werden genügen.“ Bewohnt war die Insel nicht, sie hatten bei der Rundung nicht die geringsten Anzeichen menschlichen Lebens entdeckt. Die „Isabella“ ging vor Anker. De große Boot wurde ausgesetzt und a Land gepullt. In dem schmalen Durchlaß betrug die Wassertiefe knapp fünf Faden, daneben war alles von Korallen überwuchert, die bei Ebbe sehr wahrscheinlich nur noch ein halbes Yard unter dem Meeresspiegel lagen.


„Ein Ringwall aus Korallen“, sagte Hasard, als sie an Land waren und das Boot auf den Strand zogen. Er zeigte mit der Hand aufs Meer, wo überall kleine Wirbel im Wasser kreisten, wenn sich die Dünung an den Korallengärten brach. „Ob sie einen Namen hat?“ fragte Shane. „Auf den Karten ist sie als einziger Punkt verzeichnet, aber sonst steht nichts dahinter.“ „Coral Island heißt sie“, sagte Hasard lachend, „die Korallen-Insel.“ Damit war der Name schon geboren. Die anderen griffen ihn auf, und fortan wurde nur noch von Coral Island gesprochen. „Vier Mann gehen nach links ins Inselinnere, die anderen nach rechts“, sagte Hasard. „Ich schätze die Breite auf etwa vier Meilen. Das heißt also, daß wir am späten Nachmittag hier wieder zusammentreffen werden. Dann kann jeder berichten, was er gesehen hat, und wir werden die Insel dann der Länge nach durchstreifen, oder mit dem Boot fahren und immer wieder an Land gehen.“ Hasard, Dan, der Kutscher und Shane nahmen die rechte Seite, während Carberry, Ferris, Stenmark und Gary Andrews sich der anderen Seite zuwandten. Stille herrschte auf der Insel, nur hin und wieder unterbrochen von dem Kreischen eines Vogels, dem Rauschen der Palmenwipfel oder dem Scharren einer größeren Schildkröte, die über den Sand kroch. Auffallend viele Palmen gab es. Ganze Haine von Kokospalmen zogen sich mitunter bis dicht an das Wasser hinunter. Die Vegetation war üppig auf Coral Island, demzufolge der Boden fruchtbar. Das wäre hier das ideale Plätzchen zum Siedeln gewesen, überlegte der Seewolf, nur fand sich leider kein Trinkwasser. Mal ging es über grasbewachsene Ebenen, in denen Sträucher wie hingetupft standen, mal entdeckten sie wildwachsende Früchte in gewaltigen Mengen. Dann deutete Dan O'Flynn nach vorn und blieb stehen. Mit seinen Adleraugen hatte

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er das Wichtigste wieder einmal zuerst entdeckt. „Vor dem Hügel befindet sich ein kleiner See“, sagte er. „Das kann natürlich Salzwasser sein, aber wenn ... nein“, unterbrach er sich sofort, „da ist auch ein Rinnsal.“ Sie rannten schon los, denn jetzt sahen die anderen es auch. „Das ist Süßwasser, jede Wette“, meinte der Kutscher. „Das Rinnsal läuft aus den Hügeln zusammen.“ „Coral Island scheint eine ganze Menge zu bieten“, faßte Hasard zusammen. „Früchte, Palmen, Trinkwasser, fruchtbarer Boden, und ein Korallengarten vor der Haustür, den selbst eine Armada nicht überrennen kann. Die Bucht bietet einen idealen Schutz vor jedem eventuellen Angreifer. Wenn die andere Gruppe ähnliche Erfahrungen gesammelt hat, ist dies der ideale Platz.“ „Fehlen nur noch ein paar jagdbare Tiere“, meinte der Ex-Schmied von Arwenack. „Und eine große, gedeckte Tafel mit Milch und Honig, was?“ meinte Hasard sarkastisch. „Ziegen, Schweine und Hühner kann man hierher bringen, das ist kein Problem. Sie werden sich ziemlich schnell vermehren.“ Der See war nur klein, der aus den Hügeln gespeist wurde, aber als Dan mit Kabelgarn und einem Stein die Wassertiefe maß, da sahen sie sich doch staunend an. Die Tiefe betrug mehr als drei Faden, und der See hatte einen kleinen unterirdischen Ablauf, ebenfalls ein Rinnsal, das wieder im Meer versickerte. Bis zum Nachmittag sahen sie sich alles an, erklommen die Hügel und stellten fest, daß man von hier einen großen Teil der Insel überblicken konnte. Auf der anderen Seite gab es Dschungel und Dickicht, winzige Buchten, ein paar Felsen, Palmenhaine und saftige Ebenen. „Das ist es, was wir suchen“, sagte Dan, „selbst wenn die andere Gruppe kein Wasser findet, reicht das hier aus, um Coral Island mit Indianern zu besiedeln. Man muß nur dafür sorgen, daß das Wasser aus dem See nicht unnütz im Meer


versickert. Aber das ist nur eine Sache der Planung.“ Später trafen sie mit der Gruppe Carberry zusammen. Der Profos war restlos begeistert. „Mann, ist das eine Insel“, sagte er strahlend. „Wir haben das Wichtigste entdeckt, und das ist eine sprudelnde Quelle. Reines, frisches klares Trinkwasser.“ „Gut, dann werden wir diese Insel für die Besiedlung ausersehen“, sagte der Seewolf. „Wir kehren an Bord zurück und durchqueren sie morgen von einer Seite zur anderen, damit wir ein exaktes Bild von Coral Island kriegen. Es scheint hier auch viele Fische zu geben, denn in den Korallen tummelt sich eine Menge Zeug.“ Sie kehrten an Bord zurück und berichteten den anderen von der Insel. „Coral Island hört sich gut an“, sagte Ben. „Und das mit den vielen Fischen stimmt auch, das konnten wir von Bord aus beobachten. Es wimmelt nur so von ihnen.“ „Indianer müßte man sein“, sagte der Profos, „dann kann man gleich ins Paradies abwandern. Sehen wir uns trotzdem noch andere Inseln an, Sir, oder lassen wir es bei dieser?“ „Ich glaube nicht, daß wir etwas Besseres finden, Ed. Außerdem ist die Coral Island nicht so weit von der Schlangeninsel entfernt. Aber die Besiedlung wird noch ein harte Stück Arbeit werden.“ Der nächste Tag auf Coral Island verging ebenfalls mit Erkundungen. und weil Hasard es ganz genau wissen wollte, hängten sie noch einen weiteren Tag dran. Dann wußten sie fast alles über die Insel. Der Boden war fruchtbar, es gab zwei Süßwasserquellen, Früchte. Schildkröten und Fische. Und es gab geschützte und kaum erkennbare Verstecke auf Coral Island. Ein paar Vögel entdeckten sie noch, die an der Südspitze eine kleine Kolonie hatten. Das war alles, was es an Tieren auf der Insel gab. Nachdem alles erkundet worden war, ließ Hasard wieder Segel setzen und Kurs auf die Schlangeninsel nehmen.

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Insgesamt hatte die Exkursion jetzt fast eine Woche gedauert, und als sie durch die Passage segelten und in der Schlangenbucht vor Anker gingen, da sahen die anderer schon an ihren Gesichtern, daß alle bestens geklappt hatte. * Hasard erstattete dem Bund der Korsaren genauen Bericht über die Insel, und sie wurde dazu auserkoren, die Indios


aufzunehmen, die sie kultivieren und Plantagen anlegen sollten. Das war jetzt noch der springende Punkt, und damit der zweite Teil ihres Planes, nämlich diese Indios zu finden. Der neugegründete Bund der Korsaren hatte sich viel vorgenommen, und als die „Isabella“ im August 1593 zu ihrer Reise nach Amerika aufbrach, da wurde für die Schlangeninsel ein neues Kapitel geschrieben, aber es war nicht das Ende, es war lediglich ein neuer Anfang.

ENDE

Korsaren Der Karibik

Piratenalarm in der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Korsaren der Galaxis

Das Gericht Der Korsaren

Korsaren der Galaxis

Korsaren der Galaxis

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Süßer Zauber der Karibik

Ruf der Karibik

Karibik-Piraten

Karibik-Haie

Stürmische Karibik

Aufbruch in die Karibik

Unter Korsaren verschollen

Eine Nacht für Korsaren

Unter Korsaren verschollen

Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik

Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik

Der Sand der Seele

Der Fluch der Meerjungfrau

Der Gott der Mar'osianer

Der Schläfer der Zeiten

Der Sand der Seele

Der Stern der Gewalt

Der Fall der Muschel

Korsaren Der Karibik

Piratenalarm in der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Korsaren der Galaxis

Das Gericht Der Korsaren

Korsaren der Galaxis

Korsaren der Galaxis

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Ruf der Karibik

Süßer Zauber der Karibik

Ruf der Karibik

Karibik-Piraten

Karibik-Haie

Stürmische Karibik

Aufbruch in die Karibik

Unter Korsaren verschollen

Eine Nacht für Korsaren

Unter Korsaren verschollen

Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik

Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik

Der Sand der Seele

Der Fluch der Meerjungfrau

Der Gott der Mar'osianer

Der Schläfer der Zeiten

Der Sand der Seele

Der Stern der Gewalt

Der Fall der Muschel

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