Killroys Rache Roman von Ken Roycroft
Die dröhnende Musik erfüllte das »Chaos Center«. Harte Techno-Rhythmen hämmerten...
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Killroys Rache Roman von Ken Roycroft
Die dröhnende Musik erfüllte das »Chaos Center«. Harte Techno-Rhythmen hämmerten sich durch die Eingeweide der Anwesenden und ließen den ganzen Körper vibrieren. Mochte man von dieser Musik halten, was man wollte - es war kaum möglich, nicht im Takt mitzuzucken. Junge Sterbliche tanzten wild, ritten auf dem Rhythmus wie auf einer Welle. Zumindest im Moment war für sie die Welt in Ordnung. Bis ein rasender Dämon unter ihnen auftauchte ...
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Chris Carson schnellte los - mitten hinein in eine Gruppe Mädchen. Entsetzte Gesichter, weit aufgerissene Augen und Münder empfingen den Wütenden. Keine der Sterblichen überwand die Schrecksekunde rechtzeitig. Ein paar schafften es noch, abwehrend die Arme auszustrecken, ein paar kreischten. Aber das erwies sich als lächerlicher Versuch, sich zu schützen. Chris empfand es beinahe als angenehm, sich in die Masse der Schreienden zu wühlen. O yeah, Mann, diese strammen Brüste, knackigen Hinterteile und prallen Schenkel gleich im Zehnerpack umschlingen zu können -so was erlebte man nicht jeden Tag. Grollend griff er in die Vollen, schleuderte sie von sich, hinter sich, indem er sich mal nach links und mal nach rechts drehte wie ein Diskuswerfer. Auf ihrem kurzen Flug mähten die Girls alles um, was im Weg stand. Dann krachten sie gegen das Podium der DJs und blieben reglos liegen. Jene, die zu Boden gestürzt waren, krochen kreischend auseinander. Der Vampir würde weitere »Wurfgeschosse« folgen lassen. Das Geschrei pflanzte sich fort, steigerte sich, schwoll zum schrillen Orkan, der rasch den ganzen Discosaal ausfüllte. Je lauter es wurde, desto mehr steigerte sich die Raserei des breitschultrigen Jungen. Immer wilder und gieriger schnappte er sich die angststarren Girls und häufte sie hinter sich auf. Etliche starben schon beim Aufprall, durch Genickbruch oder Schädelbruch. Die anderen sanken in Bewusstlosigkeit, blieben genießbar. Zusammen mit den Toten bildeten sie
einen rasch anwachsenden Haufen regloser weiblicher Gliedmaßen. Blut floss aus Platzwunden. Der warme, süßliche Geruch stieg dem Tobenden in die Nase, versetzte ihn in einen Rausch des Tötens. In seinem karierten Hemd, mit Jeans und Westernstief ein sah er aus wie ein Wildwest-Import. Sein Nacken war breiter als der Kopf, und das halblange blonde Haar verhüllte die flache Stirn nur unzureichend. »O Mann, alles raus hier!« Die DJs suchten das Weite, flohen in die Dunkelheit hinter dem Podium, wo es Türen nach draußen gab. Statt Techno-Rhythmen war nun nur noch das Gellen der Angstschreie zu hören. Panik und Chaos brachen aus. Mädchen, die in wilder Hast zu fliehen versuchten, kamen nicht weit. Zu groß war die Zahl derer, die zu den Ausgängen drängten. Es fehlte nicht viel und sie würden um die Fluchtwege kämpfen, sich gegenseitig tot trampeln. Erst jetzt regte sich Widerstand beim männlichen Teil der Gäste. Die ersten Wagemutigen versuchten, sich dem Amokläufer in den Weg zu stellen. Ein drahtiger Latino hatte das Kommando übernommen und wies zwei seiner Kumpel an auszuschwärmen. »Es reicht, du Speed-Freak!«, brüllte er. Er hatte die anfängliche übermen schliche Kraftleistung des Rasenden nicht mitbekommen. »Du wirst kaltgestellt!« Aber sie schafften es nicht einmal, ihn in die Zange zu nehmen, geschweige denn, 3
ihm in den Rücken zu fallen. Sein Reaktionsvermögen war unglaublich. Heiser grollend und mit wildem Lachen räumte Chris Carson die Kerle weg, die allen Ernstes glaubten, sich als Helden aufspielen zu können. Einem zerschmetterte er den Schädel mit der bloßen Faust, dem Nächsten riss er den Kopf buchstäblich von den Schultern. Blut spritzte fontänenartig hoch. Und als die Leiche nicht sofort umkippen wollte, zertrümmerte Carson ihr noch den Brustkorb mit einem Hieb, der sie rücklings drei Meter gegen die Wand schleuderte. Dem Rest der Wagemutigen sackte das Herz in die Kniekehlen. Heulend vor Entsetzen nahmen sie Reißaus. Immer größer wurden die drängenden, sich vor Angst windenden Menschentrauben vor den Ausgängen. Der drahtige Latino versuchte sich voller Panik einen Fluchtweg frei zu räumen - vergebens. Ein Barhocker krachte in seinen Rücken und zertrümmerte sein Rückgrat. Er kam nicht einmal mehr zum Schreien. Chris schnaufte und straffte seine Haltung. Er lachte rau und schallend. Mit wenigen schnellen Schritten stieß er zu einer der Ausgangstrauben vor und holte sich zwei Girls, warf sie zu Boden zu den anderen, dass es krachte. Unvermittelt nahm das Geschrei ab. Ein Aufatmen war zu vernehmen, dann anfeuernde Rufe. Chris Carson drehte sich um. Vier Kerle walzten auf ihn zu, durch die leere Mitte der Disco. Security-Leute waren es, glatzköpfige Schränke in dunklen Anzügen und weißen T-Shirts.
Und sie kamen nicht mit leeren Händen. Sie hatten die Sachen dabei, die einen Sicherheitsmann erst stark machten. Zwei waren mit Shotguns bewaffnet, zwei mit klotzigen Glocks. »Jetzt ist Schluss, du Spinner!«, brüllte der eine Shotgunner, der die Situation noch nicht richtig überblickte. »Scheiße, was ist das denn?«, rief sein Partner aus. »Guck dir das an, Frank! Guck dir das an!« Und ohne weiter zu zögern, drückte er ab, traf aber in seiner Panik nur die Wand hinter dem eigentlichen Ziel. Chris Carsons grinste, auch wenn ein Mensch diese Grimasse niemals für ein Grinsen gehalten hätte. Da kamen doch diese Riesenbabys, um ihm Schmerzen zuzufügen. Einfach lächerlich sahen diese Typen aus, mit den Kinderpopos an Stelle einer Frisur. Und solche Witzfiguren glaubten, ihn mit Blei vollpumpen zu können? No, Sir! Was zu viel war, war zu viel. Gegen Blei hatte er was, seit er damals daran gestorben war - auf der Main Street von Laramie. Er wirbelte wie eine Furie, als die Glatzköpfe näher kamen. Bevor sie kapierten, was ablief, hatte er die Oberste der Boxen vom Turm gerissen. Und bevor auch nur einer von ihnen den Zeigefinger krümmen konnte, sauste der schwere schwarze Kasten auf sie zu. Die beiden mittleren Security-Männer erwischte es gleichzeitig. Die ungeheure Wucht des Wurfgeschosses mähte sie von den Beinen. Die Box raste weiter, polterte das letzte Stück über den Fußboden und hieb in die Menschenmenge vor den Ausgängen. 4
Schmerzensschreie schrillten, als Knochen brachen und sich die Kantenund Ecken der Boxen in Weichteile gruben. Chris Carson hatte sich bereits die nächste, größere Box vom Turm geholt, als die beiden noch einsatzfähigen Glatzköpfe zu feuern begannen. Erneut steigerten sich die Schreie. Nur wenigen der Discobesucher gelang es, sich zu Boden zu werfen. Die meisten waren im Gedränge eingeklemmt wie Ölsardinen. Chris benutzte die Box als Kugelfang. Während vorn die Schrotladungen ins Holz prasselten, rannte er auf den verbliebenen Kerl mit der Shotgun zu. Er musste sich beeilen, denn er spürte unangenehm heiße Stiche in den Beinen. Das war der zweite Kahlkopf mit seiner Glock. Mindestens jede zweite seiner Kugeln traf Chris Carsons Oberschenkel. Eine reife Leistung, denn nur ein Meisterschütze traf ein Ziel, das sich so schnell bewegte. Irgendwo im Hintergrund hörte Carson den Glock-Schützen rufen: »Verrecke, Arschloch! Verreck doch endlich!« Es klang zunehmend verzweifelt. Gut! Chris hob die kubikmetergroße Box und schlug den Shotgun-Schießer damit platt. Dann ruckte er nach rechts und tötete den Kerl mit der Glock, indem er auch diese Box als Wurfgeschoss benutzte und dem Mann Kopf und Oberkörper gleichzeitig zerschmetterte. Der bekam seinen Tod kaum mit, starrte völlig entgeistert auf seine leergeschossene Pistole, als das Ende ihn ereilte. Carson verharrte und atmete tief durch. Nicht dass es nötig gewesen wäre, aber es schien ihm passend.
Er konzentrierte sich auf die Schusswunden in den Beinen - und sie schlossen sich im Handumdrehen. Schreckensbleiche Gesichter waren in seine Richtung gewandt. Während die Schreie in Wimmern und Schluchzen übergingen und die Leute sich erneut durch die Ausgänge zu quetschen versuchten, waren sie gezwungen, das Unfassbare zu beobachten. Nachdem seine Schusswunden verschwunden waren, wandte sich der stiernackige Junge den weiblichen Opfern zu, die er vor dem Podium angehäuft hatte. Einige bewegten sich stöhnend. Er schnappte sich die Erste und warf sich über sie. Als sie die Augen aufschlug, grub er ihr seine Fangzähne in den Hals. Lähmendes Entsetzen befiel die Zuschauer. Längst nicht alle begriffen, was sie sahen, als der Unheimliche die noch lebenden Mädchen aussaugte. Sein Schmatzen und lautes Schlucken ging ihnen durch Mark und Bein. Und jedes Mal, wenn er ein leergesaugtes Opfer wegwarf, rülpste er donnernd und voller Behagen. Schwerfällig wie ein Bär, der sich für den Winterschlaf vollgefressen hatte, tappte er schließlich in die Dunkelheit hinter dem Podium. Vorn in der Disco hörten sie undeutlich das Zufallen von Türen. Dann erst näherten sich Polizeisirenen, noch viel zu weit entfernt. Doch die Augenzeugen des blutigen Geschehens ahnten, dass auch die Cops wenig ausgerichtet hätten. Denn für einen Gegner wie den jung aussehenden 5
Hinterwäldler waren normale Menschen nicht gerüstet. Auch Polizeibeamte nicht. .
Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Bruce sah den Baron aufmerksam an. Thomas hingegen lehnte sich locker auf seinem Polsterstuhl zurück und ließ die Dinge wie üblich auf sich zukommen. Er war die Gelassenheit in Person, so schnell konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. In der Hierarchie der New Yorker Vampire gehörte Thomas den unteren Rängen an. Dass er dennoch zusammen mit Bruce zu dieser Besprechung gerufen worden war, konnte nur bedeuten, dass er eine Chance erhalten sollte, sich zu bewähren. »Es war in einer Diskothek«, fuhr der Baron fort, »vor einer knappen Stunde. Ein regelrechtes Massaker. Die genaue Zahl der Toten steht noch nicht einmal fest. Der Täter war ein Vampir, da sind sich die Augenzeugen sicher. Er ist ver schwunden.« Der Baron sah Bruce mit scharfem Blick an. Bruce nickte, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Die Menschen mussten nicht mit der Nase darauf gestoßen werden, dass sie von Vampiren beherrscht wurden. Es war schlimm genug, dass es einige wenige Wissende gab. Deren ausführendes Organ waren die lästigen Vampirjäger. Wenn sich tatsächlich alle Sterblichen gegen ihre heimlichen Herrscher wenden würden... Er war selbst haarscharf an einer schweren Rüge vorbeigeschrammt, als er bei der Disco »Pier 66« eine Horde von Strolchen erledigt hatte. Die Kerle hatten ihn herausgefordert - und er war ausgerastet. So was kam vor, wenn man unterwegs war, um sich frisches junges Blut zu verschaffen.
Boris Baron von Kradoc bestellte seinen Stellvertreter Bruce und dessen Freund Thomas Waughn noch in derselben Nacht zu sich. Der Baron war der heimliche Herrscher von New York. Er kontrollierte mächtige, global tätige Konzerne der Industrie, des Handels und des Finanzgewerbes. Auch verfügte er über die Mehrheitsanteile an mehreren bedeutenden Medienunter nehmen. Ein willkommener Nebenaspekt dieser Tatsache war, dass er stets die neuesten Informationen erhielt. Trotz - oder gerade wegen - seiner großen Macht, hielt sich der Baron bedeckt. Nur wenige wussten von ihm und noch weniger hatten ihm schon gegenübergesessen. Bruce war vielleicht der Wichtigste dieser Privilegierten. Das Büro des Barons befand sich im 85. Stock des Empire State Buildings, im Herzen von Manhattan, und war von düster-luxuriöser Eleganz. Von Kradoc war ungehalten. Mit einer knappen Handbewegung forderte er Bruce und dessen Freund auf, sich zu setzen. »Es hat einen Zwischenfall gegeben, den ich nicht dulden kann«, sagte der Baron, noch bevor sein Stellvertreter und dessen afroamerikanischer Begleiter ihm gegenüber Platz genommen hatten. Bruce wusste, was sein Herr meinte. Wenn Boris Baron von Kradoc nachträglich etwas nicht »duldete«, so bedeutete das nichts weiter, als dass der 6
Dagegen haftte der Baron auch nichts einzuwenden, das wusste Bruce. Sein Herr verlangte lediglich, dass die Dinge unauffällig abgewickelt wurden - sodass die Öffentlichkeit gar nicht erst darauf Aufmerksam wurde. »Es wird riesige Schlagzeilen in den Morgenzeitungen geben«, erklärte von Kradoc. »Und die Fernsehsender werden den Vorfall in den Frühnachrichten auf Position eins platzieren.« »Können Sie dagegen nichts unternehmen, Herr?«, fragte Bruce. Immerhin war es übliche Praxis, dass sein Boss Meldungen und Berichte »frisieren« ließ - so, wie es alle in der Branche taten. Die Wahrheit, die am Ende den Zeitungsleser und den Fernsehzuschauer erreichte, war eine gefilterte Wahrheit. Daran hatte sich nie etwas geändert. »In diesem Fall geht das nicht«, erwiderte der Baron und seine Miene verhärtete sich noch. »Auch für mich heißt es, Finger spitzengefühl zu wahren. Nicht alle Sender und Verlage hören auf mein Kommando. Die Konkurrenz wird sich mit Wonne auf den Fall stürzen. Deshalb können wir die Sache weder ignorieren noch verharmlosen. Unsere Medien müssen mindestens genauso umfangreich berichten wie die anderen.« »Ich verstehe«, sagte Bruce. »Wir würden erst recht auffallen, wenn unsere Medien den Fall als kleine Meldung unter »ferner liefen« bringen.« »Das ist der Punkt«, erwiderte der Baron. »Unsere Maßnahmen werden deshalb in eine andere Richtung gehen. Das ist der Grund, weshalb ich dich und Thomas gerufen habe.«
Bruce kam nicht umhin, seinen Herrn voller Respekt und Bewunderung anzusehen. Boris Baron von Kradoc war einer der Mächtigsten seines Volkes. Die Klarheit und die Zielsicherheit seiner Entscheidungen gehörten zu den Eigenschaften, die ihn nach ganz oben gebracht hatten. Allein die Würde seines äußeren Erscheinungsbildes war ein Spiegel der Macht, die der Baron in seiner Person vereinte. Er war schlank und hoch gewachsen und hatte schulterlanges schwarzes Haar, in dem erste silbergraue Fäden schimmerten. Wie immer trug Kradoc seine gewohnte Kleidung, die der Mode des 18. Jahrhunderts entsprach. Sein Gehrock hatte die Farbe von dunkelrotem Blut. Ein weißes Rüschenhemd, schwarze Kniebundhosen und schwarze Lackschuhe mit großen silbernen Schnallen vervollständigten die Garderobe des mächtigen Mannes. Nur Leute, die wirklich sehr dumm waren, machten sich über seinen Aufzug lustig. »Wir schnappen uns den Kerl«, sagte Bruce. »Und schlagen ihm den Kopf ab«, fügte Thomas Waughn grinsend hinzu. Er war groß und kräftig. Von seiner dunkelbraunen Hautfarbe und dem schwarzen Haar hoben sich die ungewöhnlichen grünen Augen besonders ab. Thomas trug seine Lieblingskleidung, einen schwarzen Ledermantel über Muscle Shirt, Jeans und Springerstiefel. 7
Auch Bruce hatte sein gewohntes Outfit angelegt - alles in Schwarz. Mit Lederjacke, T-Shirt, Jeans und Boots glich er einem Biker oder einem Rocker. Doch er war keins von beidem. Ihm gefiel es einfach so. Und den Girls gefielen seine blauen Augen. Ein kristallenes, leuchtendes Blau war es. Damit hatte er es leicht, im New Yorker Nachtleben auf die Jagd zu gehen und sich so manchen hübsch anzusehenden Imbiss zu verschaffen. Der Baron schüttelte den Kopf. »Ich will, dass ihr den Kerl herbringt«, sagte er energisch. »Ich will wissen, was er in New York will - und warum er sich mir nicht vorgestellt hat.« »Welche Disco war es?«, fragte Bruce. »Das Kürzel lautet CC«, antwortete von Kradoc. »Das steht für >Chaos Center